Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext 9783666538360, 3525538367, 9783525538364

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Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext
 9783666538360, 3525538367, 9783525538364

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V&R

PAUL-GERHARD KLUMBIES

Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 155. Heft der ganzen Reihe

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Klumhies, Paul-Gerhard: Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext / Paul-Gerhard Klumbies. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1992 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 155) Zugl.: Bethel, Kirchliche Hochsch., Diss., 1988 u.d.T.: Klumbies, Paul-Gerhard: Die Rede von Gott bei Paulus vor dem Hintergrund des Gottesverständnisses in den vorpaulinischen Traditionen und jüdischen Schriften der hellenistisch-römischen Zeit ISBN 3-525-53836-7 NE: GT

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992 Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Garamond auf Linotron 300 System 4 Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen Bindearbeit: Hubert Sc Co., Göttingen

Vorwort Trotz einer Vielzahl von Publikationen zu Themen der paulinischen Theologie hat das Gottesverständnis des Apostels bislang nur eine relativ geringe Beachtung erfahren. Die vorliegende Arbeit versucht, hier eine Lücke zu schließen. Die Untersuchung wurde Ende 1988 von der Kirchlichen Hochschule Bethel unter dem Titel „Die Rede von Gott bei Paulus vor dem Hintergrund des Gottesverständnisses in den vorpaulinischen Traditionen und jüdischen Schriften der hellenistisch-römischen Zeit" als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet und um die Literatur bis 1989 einschließlich ergänzt. Die Studie entstand während meiner Assistentenzeit bei Professor Dr. Andreas Lindemann. Ihm verdanke ich weit über das gesteckte Arbeitsthema hinaus grundlegende Einsichten zur Geschichte und Umwelt des Urchristentums, zur Religionsgeschichte sowie allgemein zur Exegese des Neuen Testaments. Für hilfreiche Kritik und weiterführende Hinweise danke ich auch dem Korreferenten, Herrn Professor Dr. Fransois Vouga. Den Herren Professor Dr. W. Schräge und Professor Dr. R. Smend gebührt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments. Danken möchte ich der Kirchlichen Hochschule Bethel und dem Freundeskreis der Kirchlichen Hochschule, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, die die Veröffentlichung durch großzügige Zuschüsse zu den Druckkosten gefördert haben. Paul-Gerhard Klumbies

Inhalt Vorwort

5

1

Das Thema der Untersuchung

11

2

Der Stand der Forschung und die Fragestellung

13

2.1

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Christus als Hauptthema der älteren Forschung seit F. C. Baur Theo-logie als Anthropologie bei R. Bultmann und in seiner Nachfolge. . Aufnahme vorhandener Ansätze Der Bezug der Christologie zur Theo-logie in der neuesten Paulusforschung Folgerungen für die Fragestellung Der Gang der Untersuchung

24 30 32

Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften der hellenistischrömischen Zeit

34

2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 3 3.1

13 19 22

Das 4. Buch Esra 3.1.1 4.Esra 3,25-36; 4,23-25; 5,23-30; 6,55-59: Der unbegreifliche Gott 3.1.2 4.Esra 4,1-21; 4,26-37; 5,33-40; 7,1-16: Der Versuch der Aufhebung der Diskrepanz zwischen Bekenntnis und Erfahrung 3.1.3 Die Wahrung der Weltordnung durch Gort

35

40 44

3.2

Die syrische Baruch-Apokalypse 3.2.1 SyrBar21,3-25: Freiheitund Gebundenheit des Schöpfergottes 3.2.2 SyrBar 22-32: Die endzeitliche Vollendung durch Gott 3.2.3 SyrBar84.85: Der Allmächtige und sein Gesetz 3.2.4 Leben vor Gott in einer gott-leeren Welt

45 45 48 51 53

3.3

Qumran 3.3.1 1QM10,8-16 und 1 Q H 1,1-20: Gott der Schöpfer 3.3.2 1 Q H 15,12-20 und 1 QS 3,13-4,26: Gottes Vorherbestimmung 3.3.3 CD 19,5-35: Gottes Gericht 3.3.4 1 QS 5,8-11; 1 Q H 4,9-12; CD 1,4-11; 3,10-4,1: Gesetz und Bund 3.3.5 1QS 10,9-11,22: Das Heil Gottes 3.3.6 1 Q H 1,21-27; 1 Q H 12,24-36; 1 Q H 3,19-25: Mensch und Gott 3.3.7 Zusammenfassung: Das Gottesverständnis in Qumran

53 54

37

56 58 59 61 62 64

8 3.4

Inhalt Die Testamente der zwölf Patriarchen 3.4.1 TestRub 1,1-2,2; 3,3-4,11: Gottlosigkeit und Sünde 3.4.2 TestLev 13,1-6: Der Tun-Ergehen-Zusammenhang 3.4.3 TestDan 5,1-3 undTestBenj 3,1-5: Gottesfurcht und Nächstenliebe 3.4.4 Die Bedeutung des Gesetzes

68 69

3.5

Joseph 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4

71 71 72 73 74

3.6

Die Sibyllinischen Orakel 3.6.1 Sib Fragment 1 beiTheophilus ad Autolycum 11.36: Der unendliche Abstand zwischen Gott und Mensch 3.6.2 Sib III, 248-294: Gott im und neben dem Gesetz 3.6.3 Das Offenbarungsverständnis in den Sib

3.7 3.8 3.9

und Aseneth JosAs 8,2-9: Der lebende und lebendig machende Gott JosAs 11,7-14: Der hassende und der barmherzige Höchste . . . . JosAs 12,1-2: Der Schöpfergott Distanz und Nähe Gottes zu Welt und Mensch

65 66 67

75 76 78 79

Eupolemos Artapanos Pseudo-Hekataios II 3.9.1 Fragment 1 (Josephus, Ant 1 154-168): Der Schöpfergott ist Einer 3.9.2 Fragment 2 (Clemens von Alexandrien, Strom V 113,1-2): Ein einziger ist Gott 3.9.3 Der Mensch vor dem einen Gott

80 83 85

87 88

3.10 Josephus 3.10.1 A n t I 15-24: Die Angemessenheit des Redens von Gott 3.10.2 Ant IV180-201: Der göttliche Wille im mosaischen Gesetz 3.10.3 A p I I 190-198: Gotteserkenntnis und Gottesverehrung 3.10.4 Das Gesetz als Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch .

89 89 91 92 94

3.11 Philo von Alexandrien 3.11.1 SpecLeg 132-50: Das Problem der Erkennbarkeit Gottes 3.11.2 Imm 51 - 6 9 : Der unveränderliche Gott und die anthropomorphe Vorstellung von Gott 3.11.3 O p 170-172: Gott und die Schöpfung 3.11.4 Die Reinheit des Gottesbegriffs

95 95

86

97 99 99

3.12 (Ps-?) Philo: Über die Gottesbezeichnung ,wohltätig verzehrendes Feuer' 3.13 Der ferne nahe Gott im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit

100 104

Exkurs: Der historische Jesus 1. Mt 6,9-13 par. Lk 11,2-4: Gott, „unserVater" 2. Mk 15,34: Gottes Gegenwart in seiner Abwesenheit

106 107 109

Inhalt

9

4

Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

111

4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Die Traditionen von der Auferweckung Die Dahingabeformel Die Sühneformel Rom 3,25.26a Die εις Θεός-Formel in 1 Kor 8,6 Der Christus-Hymnus Phil 2,6-11 Die Struktur der vorpaulinischen Redeweise von Gott

111 124 126 128 131 133

5

Die Rede von Gott bei Paulus

136

5.1

Der Textbefund 5.1.1 lThessl 5.1.1.1 lThess 1,9.10: Das Gottesverständnis der Anfangsverkündigung 5.1.1.2 lThess 1,9b. 10 im Duktus von l T h e s s l 5.1.2 1 Kor 8,1-6: Gott und die Götter 5.1.3 1 Kor 15,12-19: Der von den Toten auferweckende Gott 5.1.4 1 Kor 15,23-28: Gott über Christus 5.1.5 2 Kor 5,18-21: Der durch Christus versöhnende Gott 5.1.6 Das Verhältnis zwischen Christus und Gott in den Korintherbriefen 5.1.7 Die paulinische Rezeption von Phil 2,6-11: Die Bedeutung von Kreuz und Leidensnachfolge für das Gottesverständnis 5.1.8 Exkurs zu Rom 1,18-32: Natürliche Gotteserkenntnis? 5.1.9 Röm3,21-31: Der rechtfertigende Gott 5.1.10 Rom 5,1-11: Rechtfertigung und Versöhnung mit Gott durch Christus 5.1.11 Rom 8,9-11: Die Einwohnung des Geistes Gottes 5.1.12 Rom 8,28-39: Die Liebe Gottes in Christus 5.1.13 Rom 9-11: Gott als der Gott a l l e r - Die Aufhebung nationaler Unterschiede 5.1.13.1 Rom 9,1-5: Israel unter dem Fluch 5.1.13.2 Rom 9,6-29: Der durch das Evangelium berufende Gott 5.1.13.3 Rom 9,30-10,21: Glaube und Gottesgerechtigkeit 5.1.13.4 Rom 11,1-36: Der sich erbarmende Gott 5.1.13.5 Die paulinische Rede von Gott und das Verhältnis zu Israel . . . .

136 137

5.2

Die christologische Interpretation Gottes bei Paulus 5.2.1 Die Rezeption des christlich-traditionellen Uberlieferungsguts durch Paulus 5.2.2 Die Unterordnung Christi unter Gott 5.2.3 Christologische Gottesinterpretation und jüdisches Gottesverständnis 5.2.4 Die soteriologisch-christologische Explikation Gottes 5.2.5 Anknüpfung und Abgrenzung: Das Verhältnis des Paulus zur Tradition

137 147 148 153 163 172 177 180 182 184 196 201 203 210 211 213 220 227 235 237 237 241 243 247 250

10

Inhalt

Literaturverzeichnis

254

Register

275

Stellen

275

Theologische Begriffe

284

Autoren

286

1 Das Thema der Untersuchung Das Wort Θεός ist das meistgebrauchte Substantiv des Neuen Testaments. Auch in den sieben als echt anerkannten Paulusbriefen1 rangiert es in der Häufigkeitsskala der Substantive an erster Stelle. Paulus verwendet es insgesamt 430mal2. Bis auf IKor 13 und 16 erscheint es in jedem Kapitel seiner Briefe. Alle theologischen Ausführungen des Apostels sind eng mit der Rede von Gott verbunden. Dem steht die überraschende Tatsache gegenüber, daß die paulinische Rede von Gott kein Zentralthema der Paulusforschung darstellt. Das zeigt schon ein kurzer Blick in die verschiedenen Darstellungen der paulinischen Theologie. Entweder wird die Rede von Gott gar nicht eigens thematisiert3 und die Auffassung des jeweiligen Interpreten zu dieser Thematik läßt sich lediglich aus der Gesamtdarstellung erschließen, oder sie erscheint nur am Rande 4 . Letzteres dokumentiert ebenfalls, daß ihr zumindest kein eigener besonderer Stellenwert für das paulinische Denken beigemessen wird. Das Thema der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der Rede von Gott bei Paulus. Ziel ist es, das spezifische Profil der paulinischen Rede von Gott herauszuarbeiten. Dazu sollen zunächst verschiedenartige jüdische Schriften aus unterschiedlichen Bereichen des Judentums auf das sich in ihnen aussprechende Gottesverständnis hin befragt werden. Diese Untersuchung soll den Hintergrund für die besondere paulinische Redeweise von Gott abgeben. Es wird zu fragen sein, in welchem Verhältnis das paulinische Verständnis von Gott zu der jüdischen Auffassung steht, die in den behandelten Texten zum Ausdruck kommt. Daran anschließend sollen die Charakteristika derjenigen von Paulus verwendeten Traditionen festgestellt werden, die zentral von Gott sprechen. Weiter soll danach gefragt werden, in welchen Zusammenhängen Paulus das traditionelle Gut aufgreift, in welcher Weise er es prägt und verändert, welches die Basis seiner eigenen Redeweise von Gott 1

Dies sind lThess, Gal, 1.2Kor, Phil, Phlm, Rom. Die Verwendung des Wortes Θεός verteilt sich folgendermaßen: lThess 36x, Gal31x, IKor 106x, 2Kor 79x, Phil 23x, Phlm 2x, Rom 153x. 3 Vgl. etwa G. Bornkamm, Paulus, 41979; G. Eichholz, Die Theologie des Paulus im Umriß, 2 1977; L. Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, 31978. Anders Schlier, Grundzüge. 4 Exemplarisch dafür: Bultmann, Theologie. Dort wird der Untersuchung der paulinischen Rede von Gott kein eigener Abschnitt gewidmet. Die paulinische Theologie wird von Bultmann als die Lehre vom Menschen entfaltet. Vgl. Bultmann, Theologie, 192-193. Im einzelnen vgl. dazu Kap. 2.2 (Theo-logie als Anthropologie bei R. Bultmann und in seiner Nachfolge). Zu Stellenwert und Behandlung des Themas insgesamt im Laufe der Forschungsgeschichte vgl. Kapitel 2. 2

12

Das Thema der Untersuchung

ist und welche Interpretamente er zur Explikation seines Gottesverständnisses heranzieht. Es wird zu untersuchen sein, in welchem Verhältnis zur Theo-logie die Christologie steht und in welcher Weise und unter welcher Perspektive der Mensch in den Blick genommen wird. Vorangestellt ist der Arbeit ein Uberblick über die Behandlung des Themas in der Forschung der letzten 125 Jahre. Darin sollen in erster Linie überindividuelle Tendenzen der Auslegungsgeschichte zum Ausdruck kommen und zugleich wesentliche Fragestellungen für die eigene Untersuchung gewonnen werden.

2 Der Stand der Forschung und die Fragestellung 2.1 Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Christus als Hauptthema der älteren Forschung seit F. C. Baur Für die ältere Forschung seit F. C. Baur ist hinsichtlich des paulinischen Gottesverständnisses in erster Linie die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Christus von Interesse. Baur selbst widmet innerhalb seiner Entfaltung des „Paulinischen Lehrbegriffs" in den „Vorlesungen über Neutestamentliche Theologie" der „Lehre von Gott" nur einen kurzen zweiseitigen Abschnitt 1 . Nach seiner durch die Hegeische Geschichtsphilosophie geprägten Auffassung ist die paulinische Gotteslehre von dem Gedanken der „Weltentwicklung" bestimmt, die darauf hinausläuft, „daß Gott alles in allem ist". Paulus versucht, „zur absoluten Idee Gottes" 2 vorzudringen und sie in ihrer Absolutheit zu erfassen. Im Zentrum seines Denkens steht „die absolute Erhabenheit Gottes" 3 . Gottes Haupteigenschaft ist seine Allmacht, der am nächsten seine Liebe steht. Diese wird in der Vergebung der Sünden zur Gnade. Das Verhältnis zwischen Christus und Gott ist im Sinne einer Unterordnung zu verstehen 4 . In der Bezeichnung Gottes als Vater Jesu Christi sieht Baur die Rede von Gott zu ihrem Höhepunkt gekommen 5 . Bezeichnend für die Darstellung Baurs ist, daß nach seiner Ansicht die paulinische Rede von Gott nicht erst durch Christus konstituiert wird. Vorgegeben ist vielmehr ein absoluter Gottesgedanke, der durch die Beziehung zu Jesus Christus lediglich seine genauere Ausrichtung erfährt. Nach W. Wrede gehört der monotheistische Gottesbegriff des Paulus samt den „harten Gedanken von Gottes Prädestination und allmächtiger Willkür" 6 zum jüdischen Erbe des Apostels. Gott ist der Eine, der Schöpfer 7 . Er 1 Baur, 205-207. Die Bedeutung der Arbeiten F. C. Baurs für die neutestamentliche Wissenschaft rechtfertigt es, den Forschungsüberblick mit seiner Position zu eröffnen. Auf den Einschnitt, den seine Untersuchungen für die Erforschung des Neuen Testaments bedeuten, weist schon Bultmann in den Epilegomena zu seiner „Theologie des Neuen Testaments" hin (591-593). 2 Baur, 205. 3 Baur, 194. 4 In Christus als dem Bild Gottes spiegelt sich „der Lichtglanz Gottes" ab. Christus ist „der Lichtreflex Gottes", von dem aus sich „dasselbe Licht... über die ganze Menschheit verbreiten" soll. Baur, 188. 5 Baur, 206. 6 Wrede, 80. 7 Wrede, 36.

14

Der Stand der Forschung und die Fragestellung

haßt die Sünde und befiehlt das Gute 8 . Er ist zwar der Vater Jesu Christi, jedoch bleibt die Anschauung, die bei Jesus mit dem Vaternamen einschließlich des dazugehörigen Gottvertrauens verbunden ist, für Paulus fast ohne Bedeutung 9 . Den Mittelpunkt der paulinischen Theologie stellt für Wrede die Christus- und Erlösungslehre dar. Der Tod und die Auferweckung des Christus bringen der Menschheit die Befreiung von den Unheilsmächten Fleisch, Sünde, Gesetz und Tod. Die Lehre von der Person und dem Werk Christi bildet das Wesen der paulinischen Lehre 10 . Christus ist als Sohn Gottes eine übermenschliche, göttliche Gestalt, ein metaphysisches Wesen, dessen Ursprung in Gott liegt. Paulus versteht ihn als Vermittler bei der Weltschöpfung. Die Rede von Gott erfährt ihre charakteristisch paulinische Zuspitzung dadurch, daß Gott „Christus zum Heil der Menschen gesandt hat" 1 1 . Durch die Gottestaten von Menschwerdung, Tod und Auferstehung eines Himmelswesens schafft Gott dem Glaubenden, d. h. dem, der diese Taten anerkennt, das Heil 12 . Zentral für Wredes Paulusinterpretation ist die Entfaltung der Christologie und des Erlösungsgeschehens. Die Rede von Gott gibt dazu den - eher formalen - Rahmen ab bzw. wird der Tradition zugeordnet. Sie bildet jedoch keinen Gegenstand eigener Betrachtung. Eine besondere Bedeutung für die paulinische Theologie wird ihr von Wrede nicht beigemessen. Auch für A. Deissmann liegt die eigenständige Leistung des Paulus im Bereich seiner Christologie bzw., wie Deissmann es ausdrückt, in seiner Christozentrik 13 . Die Lehre „von der Gottesgewißheit des Paulus" trägt dagegen inhaltlich keine absolut neuen Züge. Sie bewegt sich in den traditionellen Bahnen, für die die „Septuagintafrömmigkeit, die sonstige lebendige jüdische Religion und die Gottesoffenbarungen Jesu" die Voraussetzungen darstellen 14 . Das Thema der Paulusfrömmigkeit ist die Gemeinschaft mit Christus. Gott ist der, der diese Gemeinschaft herstellt15. In seiner Darstellung des Verhältnisses zwischen Christus und Gott sieht / . Weiß verschiedene Stränge nebeneinander. So kann Paulus „ganz zwanglos... zwischen Christus und Gott" 1 6 abwechseln. An anderen Stellen stehen beide „nebeneinander und miteinander als Spender der Heilsgüter" 17 . Paulus Wrede, 20. Wrede, 91; vgl. 54. 1 0 Vgl. Wrede, 53-61. 1 1 Wrede, 53. 1 2 Wrede, 94. Glaube ist hier verstanden als das Akzeptieren eines dogmatischen Inhalts. 1 3 Deissmann, 84. 1 4 Zitate Deissmann, 108. 1 5 Vgl. Deissmann, 84-88. 1 6 Weiß, Urchristentum, 354. 1 7 Weiß, Urchristentum, 354; vgl. auch 362. Weiß verweist dabei auf die Segenswünsche der Briefe. Vgl. dazu auch Weiß, Jesus, 3. 8

9

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Christus

15

und seine Gemeinde erwarten von Christus „dasselbe wie von Gott" 1 8 . Gottes und Christi Handeln können stellenweise auch „durch eine vermittelnde Formel" 1 9 zueinander in Beziehung gesetzt werden. Laut Weiß erwecken Stellen wie 2Kor 5,17 und Gal 2,19f. den Eindruck, als stände im Mittelpunkt des paulinischen Denkens das Verhältnis des Glaubenden zu Christus. Gleichwohl kann sich Weiß nicht der Ansicht anschließen, daß für Paulus Christus an die Stelle Gottes getreten und „Gott völlig in den Hintergrund gedrängt sei". Uber den „naiven und nicht überall geklärten Modalismus hinaus" 20 , den es zunächst zu konstatieren gilt, kommt Weiß zu einer klaren Verhältnisbestimmung im Sinne einer Unterordnung Christi unter Gott 2 1 . Das Heil der Menschen stand schon mit ihrer Erwählung und Vorherbestimmung durch Gott fest. Das wirft jedoch die Frage nach der sachlichen Notwendigkeit des Erlösungshandelns Christi auf. In der Tat bleibt die Antwort für Weiß letztlich offen, da Vorherbestimmung zum Heil und Tat Christi sich „nicht ganz organisch zusammendenken" 22 lassen. Der Grund für diese Spannung liegt nach Weiß im jüdischen Messiasglauben, der keinen Raum für eine Messiasgestalt läßt, die etwas vollbringt, das nicht auch Gott selbst vollbringen könnte. Christus ist darum „eben nichts anderes als ein Vertreter, in mancher Hinsicht ein Doppelgänger Gottes" 2 3 . Weiß wertet es als „eine verhängnisvolle Fügung, daß das Christentum sich nicht aus der prophetischen Predigt Jesu vom Reiche Gottes geradlinig weiterentwickelt hat als eine Religion des reinen Monotheismus" 24 . Nach J. Weiß tritt also bei Paulus Christus neben Gott - zum Schaden des „reinen Monotheismus". Weiß bemüht sich mit Hilfe einer dogmatischen Entscheidung um einen Ausweg aus diesem „Dilemma" 2 5 . Letztlich bestimmt er das Verhältnis zwischen Christus und Gott subordinatianisch. Auch bei Weiß ist die Tendenz deutlich, von einem feststehenden Gottesbegriff auszugehen und ihm Christus der eigenen theologischen Vorentscheidung entsprechend zuzuordnen. Nach W. Bousset ist die Christusfrömmigkeit des Paulus vor dem Hintergrund der Kyriosverehrung der hellenistischen Urgemeinden zu verstehen, die als besonderes Unterscheidungsmerkmal vom Judentum mit seinem Bekenntnis zu dem einen Gott den Glauben an den Herrn Jesus Christus Weiß,Jesus, 3. Weiß, Urchristentum, 355. 2 0 Beide Zitate Weiß, Urchristentum, 362. 2 1 Die eigentliche „ Q u e l l e des Heils" ist Gott, während „Christus nur das ausführende O r g a n . . . für die Beschaffung des Heils gewesen ist". Weiß, Urchristentum, 363. 2 2 Weiß, Urchristentum, 364. 2 3 Weiß, Urchristentum, 365. 2 4 Weiß, Urchristentum, 365. 2 5 Weiß, Urchristentum, 365. 18

19

16

Der Stand der Forschung und die Fragestellung

oder den Gott, der ihn von den Toten auferweckt hat, hinzufügten 26 . Für Paulus bildet das persönliche Verhältnis zum κύριος Χριστός das Zentrum der neuen Religion 27 . Mit dieser Konzentration auf den Christusglauben ergibt sich laut Bousset „eine merkwürdige Komplizierung und Belastung derjenigen Einfachheit und Schlichtheit der Religion, die auf den Höhepunkten der alttestamentlichen Religion und im Evangelium Jesu zur Erscheinung kommt" 2 8 . Obwohl Gott nach wie vor für Paulus der Gegenstand seines Glaubens bleibt, hat sich das „Glaubensobjekt... in einer eigentümlichen Weise verdoppelt. Der Glaube ist für Paulus in demselben Sinn und in demselben Umfang Glaube an Christus Jesus wie an Gott. Jesus rückt ganz in das Zentrum der religiösen Betrachtung" 29 . Gleichwohl bemüht sich Paulus, Gott und Christus auseinanderzuhalten. IKor 8,5-6 weist auf eine Unterordnung Christi, ebenso seine Bezeichnung als είκών του Θεοΰ in 2Kor 4,4. Dabei besteht jedoch laut Bousset die Gefahr, Christus zu einem Halbgott werden zu lassen. Für die Klärung der Beziehung zwischen beiden kommt dem Titel υιός του Θεοΰ für Jesus entscheidende Bedeutung zu. Mit seiner Hilfe rückt Paulus den Kyrios so nahe wie möglich an Gott den Vater heran und läßt doch beide voneinander unterschieden sein 30 . Damit bleibt zwar „der alttestamentliche Monotheismus" bei Paulus „fast in überraschender Stärke" 31 in Kraft, entscheidend für seine persönliche Frömmigkeit ist jedoch sein Verhältnis zum in der Gemeinde kultisch verehrten Kyrios. Das Bekenntnis und Verhältnis zum erhöhten Herrn rückt damit nach Bousset derart ins Zentrum der paulinischen Theologie, daß daneben der Bezug auf Gott in den Hintergrund tritt 32 . Auch in Boussets Interpretation bildet der alttestamentliche Monotheismus den Ausgangspunkt für die Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Christus. Gott bleibt für Paulus der Gegenstand seines Glaubens, seine Frömmigkeit richtet sich jedoch primär auf den κύριος Χριστός. Trotz seiner von Bousset unterschiedenen theologischen Grundposition gelangt P. Feine bei seinen Ausführungen zur paulinischen Theologie zu ähnlichen Ergebnissen wie dieser. Für Feine ist die „Gottesanschauung des Apostels... in den Grundzügen die gleiche wie die des zeitgenössischen Judentums" 3 3 . Auch innerhalb des Neuen Testaments sieht Feine Paulus mit 26

Bousset, 102. Vgl. Bousset: Für Paulus ist der κύριος Χριστός „die überweltliche Kraft, welche sein ganzes Leben trägt" (104). Ihm fühlt er sich persönlich zugehörig, und ihn macht er „zum Mittelpunkt der neuen Religion" (102). 28 Vgl. zur Darstellung besonders Bousset, 145-150; Zitat 150. 29 Bousset, 149. 30 Bousset, 151-152. 31 Bousset, 154. 32 Vgl. auch W. Bousset, Der Apostel Paulus, 1906,12. 33 Feine, Paulus, 19. 27

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Christus

17

seiner Gottesanschauung in einer Reihe mit den übrigen „Vertretern der apostolischen Kirche" 34 . Gott ist der allmächtige, allwirksame Schöpfer, dessen Allmacht und Herrschaft sich darin erweisen, daß er der Gnade zum Durchbruch verhilft 35 . Zentral für den paulinischen Gottesglauben ist die Rede von Gott als dem Vater. Feine betrachtet dies als einen Nachklang des Gottesglaubens Jesu 36 . Trotz der Theozentrik des „religiöse(n) Denken(s)" steht „im Mittelpunkt" des paulinischen Glaubens „nicht Gott, sondern Christus". Die Frömmigkeit des Paulus ist „christozentrisch" 37 . Der erhöhte Christus ist Gegenstand seines Glaubens 38 . Zu ihm betet er wie zu Gott 3 9 , auch wenn er ihn nicht ausdrücklich Θεός nennt 40 . Die „Lebensgemeinschaft mit Christus" bildet den „Schwerpunkt der christlichen Gedankenwelt des Paulus" 41 . Zahlreiche Aussagen stellen ihn unmittelbar neben Gott, so daß der Apostel gelegentlich sogar mit der Beziehung auf Gott und Christus abwechseln kann 42 . Trotzdem bleibt nach Feine das Verhältnis der Unterordnung zwischen Christus und Gott für Paulus konstitutiv. Letztlich geht das „ganze Heilswerk Christi... doch auf Gott zurück" 43 . So kommt Feine zu dem Fazit, daß mit all den „Aussagen über die Göttlichkeit Christi... das Verhältnis der Subordination unter Gott nicht angetastet werden" soll. „Die Gottesanschauung des Apostels ist monotheistisch." 44 Auch Feine arbeitet zwei Stränge in der paulinischen Rede von Gott heraus. Zum einen tritt Christus direkt neben Gott und erscheint „gottgleich" 45 , zum anderen bleibt er Gott untergeordnet. Beide Stränge stehen jedoch letztlich unverbunden nebeneinander. Es gelingt Feine nicht, sie in ein spannungsfreies Miteinander zu bringen. So löst er die Spannung auf, indem er seinen theologisch-dogmatischen Voraussetzungen entsprechend den subordinatianischen Aussagen bei Paulus die sachliche Priorität zumißt. Die Theologie steht nach Feines Paulusinterpretation fest. Ihr wird die Rede von 3 4 „Die ganze apostolische Kirche lehrt, daß Christus ein neues Verständnis des Alten Testaments und damit auch des Gottes des Alten Testaments gebracht habe. Eine Besonderheit kann dem Apostel Paulus in der Gotteslehre nur insofern zugeschrieben werden, als er diese urchristliche Erkenntnis in deutlicherer Weise zum Ausdruck gebracht hat als die anderen Apostel." Feine, Apostel, 239/240.

Feine, Jesus Christus, 160, Zitat 162. Feine, Jesus Christus, 156. 3 7 Feine, Paulus, 26. Vgl. auch P. Feine, Theologie des Neuen Testaments, 4 1922,174. 3 8 Feine, Jesus Christus, 4 4 - 4 6 . 3 9 Feine, Paulus, 14. 4 0 Feine, Jesus Christus, 166. 4 1 Feine, Jesus Christus, 49. 4 2 Vgl. Feine, Jesus Christus, 167. 168. Als ein Beispiel führt Feine Jes 45,23 an, das in Rom 14,11 auf Gott und in Phil 2,10f. auf Christus bezogen wird (168). 4 3 Feine, Jesus Christus, 169. 4 4 Feine, Jesus Christus, 168. 4 5 Feine, Jesus Christus, 167. 35

36

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

Christus zugeordnet. Die Christologie definiert nicht entscheidend die Rede von Gott. Der traditionell überlieferte, scheinbar feststehende und inhaltlich nicht befragte Monotheismus gibt das sachliche Kriterium ab, von dem her Aussagen über das Verhältnis zwischen Gott und Christus bewertet werden. Zusammenfassend läßt sich im Blick auf die ältere Forschung feststellen: Es herrscht ein weitgehender Konsens darüber, daß im Mittelpunkt der paulinischen Theologie die Christologie steht. Dies gilt für Wredes Paulusinterpretation ebenso wie für Deissmanns, laut derer die „Christozentrik" die eigentlich selbständige Leistung des Paulus darstellt. Auch Feine stellt eine ausdrückliche Konzentration des Paulus auf Christus fest. Dem entspricht die Ansicht, daß die paulinische „Gottesgewißheit" (Deissmann) bzw. die „Gottesanschauung" des Paulus (Feine) dem jüdischen Erbe des Apostels zuzurechnen sei. Die traditionelle Rede von Gott gebe, so auch Wrede, den formalen Rahmen ab, in den die Christologie eingebunden sei. Ihr komme zum Verständnis des Paulus jedoch keine entscheidende Bedeutung zu. Mit dieser Einschätzung einher geht eine Verhältnisbestimmung zwischen Christus und Gott, die den Akzent auf die Subordination Christi unter Gott legt. Dies ist sowohl bei Weiß, der sehr klar die verschiedenen paulinischen Aussagen über das Neben-, Mit- und Untereinander von Christus und Gott herausarbeitet, von seinen eigenen theologischen Voraussetzungen jedoch dem Gedanken der Unterordnung auch bei Paulus sachliche Priorität beimißt, als auch bei Bousset und Feine zu beobachten. Bousset konstatiert die Parallelität in den Aussagen über das Verhalten des Paulus zu Christus und zu Gott. Das Problem einer scheinbaren Verdopplung des Glaubensobjektes löst er, indem er letztlich den alttestamentlichen Monotheismus gewahrt und von daher bei Paulus die Unterordnung beibehalten sieht. Die Ausrichtung auf den κύριος Χριστός rechnet er der persönlichen Frömmigkeit des Apostels zu. Feine hält trotz der von ihm festgestellten Konzentration des Paulus auf Christus aus dogmatischen Gründen an einer Unterordnung unter Gott fest. Auch Baur, dessen Darstellung von der absoluten Idee Gottes beherrscht ist, konstatiert konsequent einen Subordinatianismus im Verhältnis zwischen Christus und Gott. Auffällig bei den dargestellten Positionen ist, wie stark das dogmatische Interesse der Ausleger an einem reinen Monotheismus in die Auswertung des Befundes der paulinischen Aussagen hineinspielt. Zwar wird die Christologie als das eigentliche Zentrum des paulinischen Denkens hervorgehoben, zugleich aber darauf insistiert, daß damit Christus nicht zu einem zweiten Gott wird. Vielmehr bleibe er im Rahmen eines streng monotheistischen Denkens letztlich Gott subordiniert. In diesem Verständnis spiegelt sich deutlich die theologiegeschichtliche Situation um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit ihrem Interesse an einem „reinen" Gottesglauben wider. Der Befund, daß bei Paulus gleichzeitig eine Neben- und eine Unterordnung

Theo-logie als Anthropologie bei R. Bultmann

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von Christus und Gott zu beobachten ist, findet keine sachliche Erklärung 46 . Das offenkundige Problem wird vielmehr mit einem dogmatischen Postulat zu lösen versucht. Das für die zeitgenössische theologische Situation typische Insistieren auf einem reinen Monotheismus wird als Lösung für ein exegetisches Problem an die paulinischen Texte herangetragen.

2.2 Theo-logie als Anthropologie bei R. Bultmann und in seiner Nachfolge Hatte die ältere Forschung das paulinische Gottesverständnis vorwiegend unter der Frage nach dem Verhältnis Gottes zu Christus entfaltet, rückt mit R. Bultmann der Mensch und damit die Anthropologie in das Zentrum der Reflexion. Für Bultmann ist „jeder Satz über G o t t . . . zugleich ein Satz über den Menschen und umgekehrt". Aus diesem Grund stellt er „die paulinische Theologie... als die Lehre vom Menschen dar" - und zwar des Menschen, der stets in der Beziehung zu Gott steht 47 . Die Theologie wird als Anthropologie entfaltet 48 . Die Rede von Gott bildet in Bultmanns Darstellung der Theologie des Paulus innerhalb der „Theologie des Neuen Testaments" kein eigenständiges Thema. Berücksichtigung findet die „Predigt von Gott" allerdings im Rahmen der Entfaltung des „Kerygma(s) der hellenistischen Gemeinde vor und neben Paulus" 49 . Mit der Verkündigung des einen Gottes, wie sie in lThess 1,9 sichtbar wird, setzt Paulus „die Propaganda des hellenistischen Judentums fort" 5 0 . Bultmann konstatiert wie schon die vor ihm liegende Forschung neben einem Subordinatianismus zwischen Christus und Gott „Aussagen, die... von Jesus Christus als von Gott reden". Als Beispiele führt er an, wie Paulus von der Gnade Gottes und der Gnade des κύριος reden kann, sich als Diener Gottes wie Christi bezeichnet und wie „im synonymen Parallelismus membrorum Gott und Christus wechseln (l.Kor. 7,17)". Bei den ursprünglich auf Gott bezogenen Doxologien und dem Gebet sieht Bultmann einen Wandel 4 6 Auch der Hinweis von Weiß, daß Gottes und Christi Handeln über eine vermittelnde Formel in Beziehung zueinander gesetzt werden, bleibt formal; vgl. Anm. 19. 4 7 Bultmann, Theologie, 192-193, Zitate 192. Für Bultmann gilt: „Wenn gefragt wird, wie ein Reden von Gott möglich sein kann, so muß geantwortet werden: nur als ein Reden von uns." Andernfalls verfällt die Theologie der Spekulation über Gott; vgl. auch Anm. 54. Zitat R. Bultmann, Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? GuV 1 , 8 1 9 8 0 , 2 6 - 3 7 , 3 3 . "β Vgl. R. Bultmann, An. Paulus, 2 R G G I V , 1930,1019-1045,1031. 4 9 Bultmann, Theologie, § 9 Die Predigt von Gott und seinem Gericht, von Jesus Christus, dem Richter und Retter, und die Forderung des Glaubens, 6 8 - 9 4 und 66. 5 0 Bultmann, Theologie, 71/72.

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

der Ausrichtung von Gott auf Christus 51 . Das bedeutet jedoch für Paulus „keine Verdopplung des Glaubensobjektes". Vielmehr ist „der Glaube an Christus... die Unterwerfung unter das..., was Gott in Christus getan hat" 52 . Dem entspricht als „Gottescharakteristik" 53 die Aussage: δ έγείρας αυτόν έκ νεκρών. Gott kommt unter dem Aspekt seines Heilshandelns in Christus in den Blick54. Die Christologie ist „die Verkündigung der in Christus geschehenen Heilstat Gottes" 55 . H. Braun richtet sich gegen ein verobjektivierendes Reden über Gott, für das die an sich existierende Gottheit das Zentrum bildet. Wohl rechnet das Neue Testament „wie die alttestamentliche, jüdische und zum guten Teil auch die hellenistische Literatur naiv mit der Existenz einer Gottheit" 56 , jedoch wird von den neutestamentlichen Schriftstellern Gott in erster Linie als „das Woher meines Umgetriebenseins" 57 verstanden. Gott wird also primär verstanden „nicht als heilige Gegebenheit, sondern im Koordinatensystem des ,Ich darf' und ,Ich soll'" 58 . Das durch „Ich darf" und „Ich soll" geprägte Selbstverständnis des Glaubenden bildet die entscheidende Konstante im Neuen Testament59. Braun leitet das von ihm entfaltete, auf anthropologischen Vorentscheidungen basierende Gottesverständnis aus neutestamentlichen Aussagen ab. Er setzt es jedoch nicht in Beziehung zu einzelnen theologischen Entwürfen im Neuen Testament, wie etwa der paulinischen Rede von Gott. Für H. Conzelmann stellt wie für Bultmann das paulinische Gottesverständnis keinen eigenen Untersuchungsgegenstand dar. Paulus kann „die Lehre von Gott als dem Schöpfer" „einfach voraussetzen" 60 . Das Verhältnis 51 R. Bultmann, Das christologische Bekenntnis des Ökumenischen Rates, GuV II, 5 1968, 246-261,256, Zitate 253. 52 Bultmann, Christologie, 260. 53 Bultmann, Theologie, 84. 54 Vgl. R. Bultmann, Die Bedeutung der „dialektischen Theologie" für die neutestamentliche Wissenschaft, GuVI, 8 1980,114-133,117-118. 55 Bultmann, Christologie, 261. Zur Frage der Unerkennbarkeit bzw. Erkennbarkeit Gottes und zum Glaubensbegriff vgl. R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 1984, besonders 51-65 und 130-135 bzw. 158. 56 Braun, Theologie, 325. Vgl. auch Braun, Gottes Existenz, 410. 57 Braun, Theologie, 341. 58 Braun, Theologie, 340. „Gott ist das Woher meines Geborgen- und meines Verpflichtetseins vom Mitmenschen her." Damit ist er geradezu „eine bestimmte Art der Mitmenschlichkeit" (ebd. 341). 59 Vgl. H.Braun, Der Sinn der neutestamentlichen Christologie, in: Ders., Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, 21967, 243-281, 269 und Braun, Gottes Existenz, 408 und 409. 60 Conzelmann, Grundriß, 185. In seinem theologischen Ansatz, „die Theologie des Paulus sei sachgemäßerweise als Anthropologie darzustellen", folgt Conzelmann Bultmann. Vgl. H. Conzelmann, Die Rechtfertigungslehre des Paulus: Theologie oder Anthropologie?, in: Ders., Theologie als Schriftauslegung, Aufsätze zum Neuen Testament, BEvTh 65, 1974, 191-206, Zitat 193.

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zwischen Vater und Sohn bestimmt Conzelmann als eine „Dialektik von Subordination und Koordination" 61 . Auf der einen Seite ist der Sohn dem Vater klar untergeordnet. Auf der anderen Seite gilt jedoch die Offenbarung sowohl als Tat Gottes wie als Tat Christi. Paulus kommt es auf die völlige Einheit im Handeln von Vater und Sohn an. Für ihn gilt geradezu, „daß der Sohn das Handeln des Vaters ist" 6 2 . „Eine entsprechende Dialektik" beobachtet Conzelmann „am Gebrauch des Kyriostitels" 63 . Dieser dient Paulus einerseits dazu, Jesus und seine Stellung von Gott zu unterscheiden64. Andererseits „übt Jesus als Herr die Funktionen Gottes aus", indem er über die Welt regiert 65 . Hier liegt also eine Parallelisierung vor: „Gott ist der Schöpfer, und der Herr ist der präexistente Schöpfungsmittler, also der Herr über die Welt." 66 Der gedankliche Ausgleich wird durch die Vorstellung hergestellt, daß Gott für die Zeit zwischen Erhöhung und Parusie die Weltherrschaft „zur Vollendung des Heilswerks" 6 7 an Jesus übertragen hat. Als entscheidender und neuer Impuls gegenüber der älteren Forschung kommt bei Bultmann und seinen Schülern die Erkenntnis zum Tragen, daß von Gott nicht abgesehen vom Menschen geredet werden darf. Dementsprechend wird die Theologie als Lehre vom Menschen dargestellt. Wie ihre Vorgänger konstatieren Bultmann und Conzelmann neben der subordinatianischen Verhältnisbestimmung zwischen Christus und Gott Aussagen, die in gleicher Weise auf Christus wie auf Gott bezogen sind. Diese Aussagen bleiben nach Bultmanns Ansicht bei Paulus unausgeglichen nebeneinander stehen. Im übrigen sind sowohl Bultmann als auch Conzelmann nicht an einer Entfaltung des paulinischen Gottesverständnisses als vielmehr an der Explikation des Heilsgeschehens in Jesus Christus interessiert68. Der Grund dafür findet sich in dem Urteil Conzelmanns, daß das frühe Christentum den Glauben an Gott nicht einmal in seine Bekenntnisse aufnahm, weil es ihn voraussetzen konnte. Das Urchristentum bringt kein neues eigenes Gottesverständnis, sondern übernimmt den jüdischen Gottesgedanken. Als sein Proprium fügt es dem das Bekenntnis zu Jesus als dem Messias, das VerständConzelmann, Grundriß, 226. Conzelmann, Grundriß, 225. 6 3 Conzelmann, Grundriß, 226. 6 4 Conzelmann, Grundriß, 102 und 226. 6 5 Conzelmann, Grundriß, 103. 6 6 Conzelmann, Grundriß, 226. 6 7 Conzelmann, Grundriß, 103 und 226. 6 8 Dafür ausschlaggebend mag die Frontstellung gegenüber der vorangehenden Epoche der Liberalen Theologie und der Leben-Jesu-Forschung sein, deren eines wesentliches Anliegen darin bestand, die Verkündigung Jesu vom Vater nachzuzeichnen und den „reinen" Gottesglauben zu wahren (vgl. exemplarisch etwa A. Harnacks programmatische Vorlesungen über „Das Wesen des Christentums" aus dem Wintersemester 1899/1900). 61

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

nis seines Todes als Heilsgeschehen und den Glauben an seine Auferweckung lediglich hinzu 69 .

2.3 Aufnahme vorhandener Ansätze Weitere, oft kurze Darstellungen des paulinischen Gottesverständnisses knüpfen in unterschiedlicher Weise an bereits bekannte Beobachtungen an, nehmen Teilaspekte auf oder wiederholen ältere Auffassungen. So wird von E. Fascher und F.J. Scbierse eine Kontinuität von dem alttestamentlichen Gott über den Gott Jesu bis hin zum Gott des Paulus gesehen. Paulus profiliere dieses Gottesverständnis lediglich dadurch in besonderer Weise, daß er es in Beziehung zu Jesu Tod und Auferweckung setze 70 . Ähnlich bildet in W.G.Kümmels Darstellung der Gottesgedanke einen traditionellen Rahmen, der keine besondere Untersuchung im einzelnen erfährt. Ausführlich entfaltet wird dagegen die Christologie, wobei Kümmel besonders nach dem Verhältnis des Gottessohnes zu Gott fragt. In Christus als dem Gottessohn begegnet Gott selbst. Jedoch wird damit nicht die Unterschiedenheit zwischen beiden aufgehoben. Vielmehr wird durch den Begriff „Bild Gottes" (2Kor 4,4) der Gottessohn als der bezeichnet, der „Gottes Handeln sichtbar macht (und) den unsichtbaren Gott den Menschen gegenüber repräsentiert" 71 . Die Anknüpfung an einen vorgegebenen Gottesgedanken bzw. an einen feststehenden Gottesbegriff ist auch für die Arbeiten von W. Thüsing und H. Schlier charakteristisch72. W. Thiisings Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis und der Verbindung von „Theozentrik" und „Christozentrik" in der paulinischen Theologie hängt wesentlich an der Prämisse, daß der Gottesglaube die Voraussetzung für die Christologie bildet 73 . Die Christozentrik, d. h. „die Bindung der Erwählten an den erhöhten Christus, ... ist dadurch auf Gott hingeordnet, 6 9 H . Conzelmann, Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, bearb. v. A. Lindemann, "1987,178. 7 0 E. Fascher, Art. Gott, IV. Im N T , 3 R G G II, 1958 (Studienausgabe 1986), 1715-1717,1717; F . J . Schierse, Art. Gott. Im Neuen Testament, L T h K IV, 2 1960, 1078-1080,1079. 7 1 Kümmel, Theologie, 145-146.221, Zitat 145. 7 2 Vgl. auch Κ. H . Schelkle, Paulus, E d F 152,1981: „Aus Israels Gesetz und Geschichte ist für Paulus der Glaube an den einen Gott fraglose Gewißheit. Betont alttestamentlich-jüdisch ist das Bekenntnis des einen Gottes gegenüber den Greueln und Absurditäten des heidnischen Götzendienstes". 7 3 Vgl. W. Thüsing, Das Gottesbild des Neuen Testaments, in: Die Frage nach Gott, hg. v. J. Ratzinger, Q D 56,1972, 5 9 - 8 6 , 5 9 und W. Thüsing, Neutestamentliche Zugangswege zu einer transzendental-dialogischen Christologie, in: K. Rahner - W. Thüsing, Christologie - systema-

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daß Christus selbst ,für Gott lebt' und die Seinen in diese seine Relation zu Gott einbezieht"74. Nach H. Schlier kreist das gesamte Denken des Paulus um das Thema „Gott", und das, obwohl Paulus, wie Schlier konstatiert, das Thema als ein eigenständiges nicht bzw. kaum explizit entfaltet. Gott bildet die Voraussetzung des paulinischen Denkens. Seine Existenz ist für den Apostel evident, eine Selbstverständlichkeit75. „Gott ist"76, er ist „einfach da"77 als der nahe, der gebende Gott, von dem man alles empfängt78. Als der eine Gott ist er ,„der Gott aller'"79, „der alleinige Gott" 80 . Sein Wesen geht über alles hinaus, in seiner Weltüberlegenheit bleibt er schlechthin unfaßlich81. Er ist der Allmächtige, der seine Allmacht vor allem darin erweist, daß er die Toten auferweckt82. In der Schöpfung offenbart er sich durch das, was er geschaffen hat, als der Schöpfer83. Seine eigentliche Offenbarung ereignet sich jedoch in der Geschichte. Er offenbart sich in Israel, „als der Gott Israels, Abrahams, Isaaks, Josephs, Moses' und Davids" 84 und in voller Klarheit schließlich in Jesus von Nazareth oder, wie Schlier im Blick auf Paulus formuliert, in Jesus Christus bzw. seiner Geschichte und seinem Kreuz85. tisch und exegetisch, Arbeitsgrundlagen für eine interdisziplinäre Vorlesung, Q D 55, 1972, 79-315. 74 Thüsing, Christum, 258. Thüsings Arbeiten leiden an einer starken Befangenheit in katholisch-dogmatischen Denkstrukturen. Deutlich wird dies u.a. an der Auseinandersetzung mit Boussets These von der Komplizierung des Gottesglaubens (vgl. Anm. 28), dem Verständnis Christi als eines Vertreters bzw. Doppelgängers Gottes bei Weiß (vgl. Anm. 23) und dem der Diskussion mit Bousset gewidmeten Aufsatz von E. Rohde, Gottesglaube und Kyriosglaube bei Paulus, Z N W 22, 1923, 43-57 (s. bei Thüsing, Christum, 258 ff.). Nach Thüsing ist das „scheinbare Dilemma ,Christus δεύτερος Θέος - Christus nicht Gott'", das sich „aus der nichtkatholischen Paulusdeutung" ergibt, „für die katholische (und überhaupt die im Sinne der frühen Konzilien gläubige) Theologie durch das trinitarische und christologische Dogma grundsätzlich gelöst" (Hervorhebung von Thüsing, Christum, 266). Diese Lösung liegt nach Thüsings Auffassung in der Hinordnung Christi auf Gott, in die Christus die Seinen durch das Pneuma einbezogen hat (vgl. Thüsing, Christum, 256,263,266). Thüsings Verständnis vom Stellenwert der Exegese gegenüber der Dogmatik drückt sich in der Uberzeugung aus, daß „eine exegetische Untersuchung der paulinischen Konzeption wie die vorliegende der Dogmatik... keine sachlich neuen Ergebnisse vorlegen" kann. Ihre Aufgabe liegt lediglich darin, daß „sie Erkenntnisse und Anregungen, die uns schon geschenkt sind, von der paulinischen Theologie her unterbaut bzw. des näheren belegt" und daß „sie vielleicht dazu beiträgt, den einen oder anderen Akzent noch stärker zu setzen" (Thüsing, Christum, 267). 75 Schlier, Grundzüge, 25. 76 Schlier, Grundzüge, 26. 77 Schlier, Grundzüge, 25. 78 Schlier, Grundzüge, 26-27. 79 Schlier, Grundzüge, 29. 80 Schlier, Grundzüge, 30. 81 Schlier, Grundzüge, 32. 82 Schlier, Grundzüge, 44-45. 83 Schlier, Grundzüge, 34-36. 84 Schlier, Grundzüge, 40. 85 Schlier, Grundzüge, 42.

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

Gegenüber Schliers Entfaltung des paulinischen Gottesverständnisses ist zu fragen, ob hier nicht paulinische Aussagen dogmatischen Prämissen untergeordnet werden. Besonders fraglich erscheint die formale Nebeneinanderreihung der Offenbarungen Gottes. Hier müßte gezeigt werden, inwiefern die verschiedenen Gottesoffenbarungen inhaltlich-sachlich identisch sind. Dagegen durchzieht die Arbeiten G. Dellings zum Thema der Zentralgedanke: Von Gott ist über sein heilvolles Handeln in Christus zu reden. „Gottes Handeln in Christus ist die Mitte der Paulinischen Botschaft." 86 In ähnlicher Weise wird dieser Gedanke auch von E. Lobse als das paulinische Gottesverständnis charakterisierend genannt87. Den skizzierten Positionen ist mit Ausnahme von Delling und - mit Einschränkung - Lohse die Prämisse gemeinsam, daß das Gottesverständnis des Paulus bereits durch die Tradition vorgegeben ist und als Rahmen für das paulinische Proprium, die Christologie, feststeht. Es werde durch den Bezug auf das Christusgeschehen lediglich modifiziert. Inwieweit der theo-logische Rahmen hingegen durch die Christologie überhaupt erst konstituiert wird, wird nicht reflektiert.

2.4 Der Bezug der Christologie zur Theo-logie in der neuesten Paulusforschung Nach W. Schräge liegt das Problem der Diskussion um die Gottesfrage in der angemessenen Verhältnisbestimmung von Theologie und Christologie. Schräge kritisiert die Tendenz, der Theologie „eine gottlose Christologie oder atheistische Jesulogie"88 gegenüberzustellen. Nach Schräges Darstellung hat sich die Auflösung der von Bousset und Weiß konstatierten Komplikation des Gottesglaubens bei Paulus in der gegenwärtigen Diskussion in genau entgegengesetzter Weise vollzogen wie bei Bousset und Weiß. Während diese letztlich Christus „aus der Zweiheit der Heilspersonen" heraus8 6 G. Delling, Die Botschaft des Paulus, 1965,19; vgl. weiter zum Thema: G. Delling, Studien zum Neuen Testament und zum hellenistischen Judentum, Ges. Aufsätze 1950-1968, hg. v. F.Hahn, T.Holtz, N.Walter, 1970; darin: ΜΟΝΟΣ Θ Ε Ο Σ , 391-400; Geprägte partizipiale Gottesaussagen in der urchristlichen Verkündigung, 401-416; Zusammengesetzte Gottes- und Christusbezeichnungen in den Paulusbriefen, 417-424; außerdem G. Delling, Partizipiale Gottesprädikationen in den Briefen des Neuen Testaments, in: StTh 1 7 , 1 9 6 3 , 1 - 5 9 . 8 7 Laut Lohse ist für Paulus Gott „der Schöpfer, der Vater". Uber ihn redet der Apostel nicht spekulativ. Vielmehr spricht er „von dem Gott, der in Christus die Welt und damit uns mit sich versöhnte". E. Lohse, Grundriß der neutestamentlichen Theologie, 2 1979, Zitate 87 und 75. 8 8 Schräge, Theologie, 121 (Hervorhebungen bei Schräge).

Der Bezug der Christologie zur Theo-logie

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streichen, will man nach Schräge „heute Gott als unnötigen Ballast abwerfen, um damit statt bei einem ,reinen Monotheismus' bei einer reinen Jesulogie oder Christologie zu landen" 89 . Gegen eine solche einseitige Auflösung des Verhältnisses zwischen Gott und Christus wenden sich die Ausführungen Schräges. Ausgehend von der Beobachtung, daß in den paulinischen Formeln „Gott und Christus in einem Satz miteinander verbunden werden", stellt Schräge zunächst fest: Schon vor Paulus „werden Christus und G o t t . . . zusammengedacht und in Relation zueinander gestellt" 90 . Paulus führt die „Einheit von Christus- und Gottesaussagen" 91 fort. Diese Einheit äußert sich in den Aussagen über Gottes und Christi Handeln, die bis zur Identität übereinstimmen. „Die Frage, wer oder was Gott ist, wird... bei Paulus allein von seinem Handeln in Jesus Christus beantwortet." 92 Damit bildet die Christologie das „Zentrum" der paulinischen Theologie, ja sie „definiert" geradezu die Theologie. „Selbst der Monotheismus wird in den Dienst der durch Kreuz und Auferweckung Jesu Christi erwirkten Rechtfertigung gestellt." 93 Gleichwohl betont Schräge unter Hinweis auf Aussagen, die Gott vorbehalten bleiben, die Abhängigkeit Christi von Gott. Weder ist Christus mit Gott zu identifizieren, noch wird die Theologie durch die Christologie ersetzt. „Wer oder was Christus ist, wird von Gott her beantwortet." 94 Christus bleibt also von Gott abhängig. Im Blick auf die Rede von Gott in der alttestamentlich-jüdischen Tradition stellt Schräge bei Paulus Kontinuität wie Diskontinuität fest. Einerseits nimmt Paulus „traditionelle Gottesaussagen (wie)... die Rede von Gottes Ewigkeit, Unvergänglichkeit und Unsichtbarkeit" auf, andererseits hat er „die heterogenen Elemente der alttestamentlich-jüdischen Gottesaussagen meist von der Christologie her modifiziert und konzentriert" 95 . Eigentlich erkannt wird Gott „allererst von seinem Handeln in Christus und der Recht-

8 9 Schräge, Theologie, 122. Schräge verweist in diesem Zusammenhang als ein Beispiel auf H.-M. Barth, Die christliche Gotteslehre. Hauptprobleme ihrer Geschichte, Studienbücher Theologie, Kirchen- und Dogmengeschichte, 1974; Schräge, Theologie, 121. 9 0 Gott wird dabei als der bekannt, „der endzeitlich in Jesus Christus gehandelt hat". Zitate: Schräge, Theologie, 123. 9 1 Schräge, Theologie, 124. 9 2 Schräge, Theologie, 125. 9 3 Schräge, Theologie, 126. 9 4 Schräge, Theologie, 127.128, Zitat 127. 9 5 Schräge, Theologie, 132. Nach Schräges Meinung hat Paulus „Elemente eines mehr oder weniger unreflektierten allgemeinen Gottesgedankens übernommen, den Selbsterweis Gottes in Kreuz und Auferweckung Jesu Christi aber als dessen Krisis und als exklusive suffiziente Selbstoffenbarung verstanden". Schräge, Theologie, 135.

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

fertigung her" 96 . Kreuz und Auferweckung Christi sind für seine Gottheit konstitutiv97. Schräges Verhältnisbestimmung zwischen dem paulinischen Gottesglauben und dem Christusglauben steht letztlich vor dem gleichen „Dilemma" wie die Lösungsversuche älterer Forscher wie Bousset und Weiß. Zwar kommt er zu einem anderen Ergebnis als diese, insofern er die Rede von Gott christologisch definiert sein läßt und das Verhältnis zwischen Gott und Christus als ein relativ ausgewogenes darlegt, in dem eine Größe die andere bestimmt. Auf diese Weise entgeht er einer Auflösung des genannten Dilemmas durch Eliminierung einer der beiden Größen. Aber der Ansatz ist gleich. Beide, die ältere Forschung wie Schräge, gehen von zwei festen Begriffen Gott und Christus - aus, die es in ein Verhältnis zu setzen gilt. Problematisch ist dabei der Gottesbegriff. Er erscheint als eine vorgängige Größe, die nachträglich ihre inhaltliche Bestimmung bzw. Konkretion über Christus erhält. Sachlich gibt damit letztlich auch Schräge wie die ältere Forschung dem „Gottesglauben, ohne den der Christusglaube in der Luft hinge" 98 , die Priorität. C.Demke stellt aufgrund seiner Interpretation von Rom 3,29-30 und IKor 8,1-6 eine christologische Fundierung des paulinischen Gottesverständnisses fest99. Nicht der Behauptung eines einzigen Gottes kommt entscheidende Bedeutung zu, sondern der Erkenntnis, „von woher Gott als einer für Juden und Heiden genannt werden kann". „Gottes Einzig-Sein" erschließt sich von seinem „Für-Sein", d.h. von seinem rechtfertigenden Handeln an Juden wie Heiden. Der „rechtfertigende Gott" „ist der selbe Gott für Juden und Heiden". In „Christi Tod und Auferweckung"100 hat er sich für alle „durch das Evangelium erschlossen"101. Wenn es auch, laut Demke, für Paulus ein jedermann zugängliches Wissen um Gott gibt, gewinnt die Rede von Gott ihre inhaltliche Präzisierung ausschließlich von der Christologie her 102 . Die paulinische Rede von Gott „ist an dem Handeln Gottes in der Geschichte Jesu Christi" 103 orientiert. Im Gekreuzigten wird die göttliche Wahrheit offenbar104. F. Hahn versteht das „Bekenntnis zu dem einen Gott" als die Grundlage, von der her „das Alte und das Neue Testament als unlösbare Einheit verstanden" 105 sind. Dieses Bekenntnis wird im Neuen Testament „in vielen FälSchräge, Theologie, 132. Schräge, Theologie, 134. 9 8 Schräge, Theologie, 135. 9 9 Demke, Gott und Herren, 483. 1 0 0 Demke, Gott und Herren, 475 (Hervorhebung von Demke). 1 0 1 Demke, Gott und Herren, 475/76. In „seinem Wort durch sein Wort" hat sich „dieser einzig eine Gott als der selbe verifizierbar" gemacht. Demke, Gott und Herren, 477. 1 0 2 Demke, Gott, 646-647. 1 0 3 Demke, Gott, 646/47. 1 0 4 Demke, Gott, 647. 1 0 5 Hahn, Bekenntnis, 281. 96

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len... nicht ausdrücklich formuliert, sondern selbstverständlich vorausgesetzt" 106 . Erst in der Heidenmission des hellenistischen Judenchristentums wird das Bekenntnis zu dem einen Gott ausdrücklich „formuliert und mit dem Bekenntnis zu dem einen Herrn Jesus Christus in... Beziehung" 107 gesetzt. In der urchristlichen Bekenntnistradition wird das Bekenntnis zu dem einen Gott als Bekenntnis zu ihm als Vater und Schöpfer entfaltet 108 . Damit verbunden ist der Glaube an ihn als den, „der die Toten lebendig macht" 109 . Gott erweist seine Gottheit dadurch, „daß er den Gekreuzigten von den Toten auferweckt" 110 . Der Glaube an den einen Gott und der Glaube an Christus ist nichts anderes als der Glaube an den Gott, der sich in ihm offenbart und ihn auferweckt hat 111 . In das grundlegende Bekenntnis zu dem einen Gott werden nach Hahn sekundär christliche Züge eingezeichnet. Damit findet eine nachträgliche „Verchristlichung des Bekenntnisses" statt 112 . Gegen eine Tendenz, die christliche Rede von Gott in den Rahmen eines feststehenden Gottesverständnisses einzuzeichnen, wendet sich A. Lindemann. Solche Versuche führen seiner Auffassung nach dazu, die neutestamentliche Rede von Gott sekundär der alttestamentlich-jüdischen Auffassung von Gott zuzuordnen 113 . Nach Lindemann begreift jedoch die paulinische Theologie „Gott gerade nicht von einem allgemeinen Gottesgedanken her", „vielmehr ganz vom Gedanken der Rechtfertigung aus" 114 . Damit ist „das Bekenntnis zu Kreuz und Auferstehung Jesu nicht als gleichsam sekundäre Ergänzung eines immer schon vorgegebenen Gottesbegriffs zu verstehen, sondern im Gegenteil als die eigentliche Basis alles Redens von Gott" 1 1 5 . Die Christologie ist der Schlüssel zur paulinischen Theologie. Das bedeutet jedoch nicht, daß Christus an die Stelle Gottes getreten ist, da Christozentrik und Theozentrik keine Alternativen bilden (IKor 1,30)116. Nach Auffassung von E. Gräßer liegt in dem jüdischen Erbe des Paulus die Ursache dafür, daß Gott für ihn „die frag-lose Voraussetzung" seiner Theologie bildet, nicht aber ihren „frag-würdige(n) Gegenstand" 117 . Dies 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117

Hahn, Bekenntnis, 284. Hahn, Bekenntnis, 284. Hahn, Bekenntnis, 286. Hahn, Bekenntnis, 287. Hahn, Bekenntnis, 288 unter Bezug auf Rom 10,9f. Hahn, Bekenntnis, 288. Vgl. Hahn, Bekenntnis, 289. Lindemann, Rede, 358. Lindemann, Rede, 375. Lindemann, Rede, 359. Lindemann, Rede, 376. Gräßer, Gott, 179/180.

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

äußert sich für Gräßer u. a. darin, „daß die Verkündigung des einen Gottes... den ersten Artikel in der Missionspredigt des Paulus"118 darstellt (lThess 4,5). Die Bekehrung bedeutet nicht den Wechsel des Apostels vom Gott der Väter zu einem neuen Gott. Vielmehr erscheinen ihm mit der Erkenntnis, daß der Messias schon gekommen ist, seine bisherigen theologischen Anschauungen in einem neuen, messianologischen - d. h. nach Gräßer: christologischen - Licht 119 . Das führt zu einem Umdenken auch in der Vorstellung von Gott. Dabei hält Paulus daran fest, daß der in Christus offenbare Gott „derselbe ist, der sich Israel offenbart hat" 120 . Damit ist jedoch kein ontologisches, sondern ein anthropologisches Urteil gefällt. „Das είναι Gottes ist", wie Gräßer anhand von IKor 8,6 herausarbeitet, „sein esse pro nobis"121. Die Gotteserkenntnis hängt an der existentiellen Erfahrung der Zuwendung Gottes zum Menschen. Bei der Verhältnisbestimmung von Theologie und Christologie sieht Gräßer, ebenfalls im Rahmen seiner Interpretation von IKor 8,6, erstere im Zentrum des paulinischen Denkens stehen. Die Christozentrik ist derTheozentrik zu- bzw. untergeordnet122. Neben dem der Selbigkeit bleibt auch der Gedanke der Einzigkeit Gottes für die paulinische Theologie konstitutiv. Allerdings hat sich das Verständnis des Christen Paulus gegenüber dem des Juden grundlegend geändert. Vom Christusgeschehen her eröffnet sich ein neuer Universalismus, der an die Stelle des partikularistischen Selbstverständnisses Israels, daß Gott in einzigartiger Weise für Israel da sei, die Auffassung von Gott als dem „Gott aller Glaubenden" treten läßt 123 . Seine Gerechtigkeit erweist sich nicht darin, daß er sich gegen die Sünder durchsetzt, sondern daß er die Gottlosen umsonst durch Gnade gerecht macht. Auch nach T. Holtz kommt der Verhältnisbestimmung zwischen Theologie und Christologie entscheidende Bedeutung für das Verständnis des paulinischen Gottesgedankens zu 124 . IKor 8,6 gibt ein frühes Zeugnis einer solchen Verhältnisbestimmung „im Horizont des Monotheismus"125. Christus erscheint als der Mittler. In ihm wird sichtbar, wer Gott ist. In seiner Geschichte hat Gott Ziel und Sinn der Geschichte „end-gültig festgelegt". Gräßer, Gott, 185. Gräßer, Gott, 187-188. 1 2 0 Gräßer, Gott, 190 (Hervorhebung von Gräßer). 1 2 1 Gräßer, Gott, 199 (Hervorhebung von Gräßer). 1 2 2 Gräßer, Gott, 200. 1 2 3 Gräßer, Gott, 204. Nicht zwischen Heiden und Juden verläuft künftig die „Trennungslinie", „sondern zwischen Gesetz und Evangelium" (ebd. 204). Die „neu verstandene Einzigkeit Gottes" und das ihr entsprechende neue Verhalten werden sichtbar „in der Verkündigung des Christusereignisses" (ebd. 205; Hervorhebung von Gräßer). 1 2 4 Holtz, Theo-logie, 105. 1 2 5 Holtz, Theo-logie, 108. 118

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Der Bezug der Christologie zur Theo-logie

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„Indem die Geschichte Jesu Christi als die authentische Gottesgeschichte begriffen wird, ist die Gefahr des Ditheismus abgewehrt." 126 IKor 1,18-25 verweist auf das Kreuz als den Ort, an dem Gott sich erfahrbar macht. Gegenüber jüdischem wie griechischem Denken stellt Paulus heraus, daß Gott nur über den verkündigten Gekreuzigten zu erkennen ist 127 . Seine Untersuchung von lThess 1,9b—10 führt Holtz zu dem Ergebnis, daß auch die Verkündigung an die Thessalonicher von Anfang an den christologisch interpretierten Gott zu ihrem Inhalt hatte. Es gab also nicht zunächst eine allgemeine monotheistische Gottesverkündigung, in die dann das Christusbekenntnis eingefügt wurde, sondern Gott wurde von allem Anfang an als der sich in Christus offenbarende Gott verkündigt 128 . Theologie und Christologie bei Paulus sieht Holtz durch das Heilshandeln Gottes in Christus miteinander verbunden: Die „Predigt des Paulus... verkündigt Gott als den heilsam Handelnden, das heißt, sie predigt Christus" 129 . Mit dem Wiedererwachen des allgemeinen Interesses an der Gottesfrage werden auch in der neuesten Paulusforschung wieder die Probleme aufgegriffen, die schon die ältere Forschung vor Bultmann sehr klar herausgearbeitet hatte. Das schnelle Ende der Liberalen Theologie und die sich anschließende jahrzehntelange Phase der Theologie, die vorwiegend an Fragen der Christologie und damit zusammenhängenden Problemen interessiert war, hat dazu geführt, daß die damals aufgebrochenen Schwierigkeiten nicht weiterbearbeitet worden sind. Der Versuch einer Klärung des paulinischen Gottesverständnisses kam damit zu einem abrupten Ende. Erst durch die wenigen seit Mitte der siebziger Jahre erschienenen Aufsätze zum Thema ist der Gesprächsfaden wieder aufgenommen worden. Dabei wird deutlich, daß die grundlegenden Fragestellungen prinzipiell gleichge1 2 6 Holtz, Theo-logie, 110. 127 Vgl. Holtz, Theo-logie, 115-117. An dieser Stelle nimmt Holtz jedoch seiner eigenen Interpretation die Spitze, indem er die Auffassung zurückweist, „als sei nur und nichts als das Kreuz der Ort von Gottes offenbarendem Heilshandeln" (117). Das Kreuz ist nach Holtz vielmehr eine - wenn auch wichtige - „Station" „auf dem Christuswege" (117). Daneben bleibt jedoch die Verkündigung der Auferstehung konstitutiv. Holtz führt den Gedanken der Auferstehung unter Hinweis auf IKor 15,14 ein. Im Duktus seiner Argumentation erscheint dieser Gedanke jedoch äußerst unvermittelt und ragt unverbunden aus dem Kontext heraus. Holtz zeigt nicht seine Notwendigkeit für das Verständnis von IKor 1 und 2. Insofern bleibt der Hinweis auf die Auferstehung innerhalb der Interpretation ohne Funktion. Problematisch daran ist, daß auf diese Weise bei Holtz die Auferstehung tendenziell zu einem zweiten Ereignis neben der Kreuzigung wird, gewissermaßen zu einer zweiten Heilsetappe. Mit seinem Zwischenhinweis scheint Holtz einem vermuteten Vorwurf vorbeugen zu wollen, als vollziehe sich die Offenbarung Gottes ausschließlich am Kreuz. Wenn letzteres aber so wäre, wo läge die Insuffizienz ? Und - wäre einem solchen Vorwurf durch den Hinweis auf ein zweites offenkundigeres Heilsereignis zu begegnen? 128 Vgl Holtz, Theo-logie, 118-120. Vgl. die ausführliche Begründung der These bei T. Holtz, „Euer Glaube an Gott". Zu Form und Inhalt lThess l,9f, in: Die Kirche des Anfangs. Für H. Schürmann. Hg. v. R. Schnackenburg, J. Ernst und J. Wanke, 1978, 459-488. 129

Holtz, Theo-logie, 121.

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

blieben sind. Stellenweise wiederholen sich auch die Lösungsvorschläge für bestimmte Teilbereiche, grundsätzlich aber gilt, daß die Antwortversuche sich nicht einfach an die der älteren Forschung anschließen. Mit dem Verschwinden des dogmatischen Interesses an einem reinen Monotheismus ist auch die Notwendigkeit zu einer Weitung des Befundes in dem Sinne gewichen, daß die Aussagen über Christus der Rede von Gott in letzter Konsequenz untergeordnet bleiben müssen. Für alle aufgeführten neueren Arbeiten mit Ausnahme von Hahn gilt, daß es gerade die Christologie ist, die die Theologie interpretiert, und nicht umgekehrt. Uneinigkeit herrscht lediglich darüber, ob dies für die paulinische Rede von Gott insgesamt gilt, wie es besonders von Demke, Lindemann und Holtz dezidiert vertreten wird, oder ob nicht doch einem durch die Tradition vorgegebenen allgemeinen Gottesbegriff ein konstitutiver Anteil zukommt, wie dies von Gräßer und Hahn angenommen wird 130 .

2.5 Folgerungen für die Fragestellung Der Blick in die Forschungsgeschichte hat die zentralen Problemstellungen sichtbar werden lassen, die sich aus der Frage nach dem paulinischen Gottesverständnis ergeben. Die ältere Paulusforschung vor R. Bultmann hat die Klärung des Verhältnisses zwischen Christus und Gott als eine zum Verstehen des paulinischen Gottesgedankens wesentliche Voraussetzung hervorgehoben. Auch die Frage nach der Bedeutung und dem Stellenwert der traditionellen jüdischen Vorstellungen für das Gottesverständnis des Paulus tauchte bereits wiederholt auf. Beide Fragestellungen werden von der neuesten Paulusforschung wieder aufgegriffen und neu problematisiert. Dabei wird direkt Bezug genommen auf die älteren Versuche einer Verhältnisbestimmung des Neben-, Mit- und Untereinanders von Christus und Gott. Die Lösungsvorschläge haben sich jedoch entsprechend der veränderten theologiegeschichtlichen Situation verschoben. Uberwiegend wird nicht mehr von einem vorgefaßten Gottesbegriff her aufzuzeigen versucht, wie gleichlautende Aussagen, die zum einen 130 Schräge soll keiner der beiden Gruppen zugeordnet werden. Er entfaltet zwar explizit das paulinische Gottesverständnis von Gottes Handeln in Christus her und definiert Gott also christologisch. Insofern wäre er von seinem Selbstverständnis her der ersten Gruppe zuzuordnen. Implizit läßt sich aber hinter seinen Aussagen ein Interesse an einem feststehenden Gottesbegriff erkennen, den er in ein sachgemäßes Verhältnis zur Christologie zu bringen bemüht ist. Insofern wäre er der zweiten Gruppe zuzuordnen, allerdings mit dem Unterschied, daß er anders als Gräßer und Hahn diesen vorgegebenen Gottesbegriff nicht aus religionsgeschichtlichen, sondern aus systematisch-theologischen Gründen voraussetzt.

Folgerungen für die Fragestellung

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auf Gott und zum anderen auf Christus bezogen sind, sachlich miteinander zu vereinbaren sind. Vielmehr ist die Christologie zum Schlüssel des Verständnisses geworden. Implizit wirkt hierin das Erbe der Dialektischen Theologie nach. Während in der Liberalen Theologie, sofern dort das Thema „Gott bei Paulus" in den Blick kam, das Bemühen um einen reinen Gottesgedanken den Rahmen abgab, verlagerte sich nach dem Ubergang zur Dialektischen Theologie das Forschungsinteresse auf Fragen der Christologie. Das paulinische Gottesverständnis als Untersuchungsgegenstand trat in den Hintergrund. Der Gesprächsfaden riß ab und wurde erst in neuester Zeit wieder aufgenommen. Dabei läßt sich eine Kontinuität zur Liberalen wie zur Dialektischen Theologie beobachten: Zur Liberalen Theologie durch die Wiederaufnahme der Fragestellung nach der sachgemäßen Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Christus und zur Dialektischen Theologie durch die Wahrung der Einsicht, wie die Rede von Gott bestimmt sein muß, nämlich christologisch. Neben der Aufnahme von Fragestellungen der älteren Forschung in neuester Zeit und dem Versuch, an sie anzuknüpfen, ohne auch die damaligen Lösungsvorschläge zu übernehmen, lassen sich, wie kurz skizziert, auch andere Ansätze erkennen. Die aus dem katholischen Bereich herangezogenen Arbeiten von Thüsing und Schlier etwa haben sich als stark durch einen festen Gottesbegriff geprägt erwiesen. Diesem Ansatz steht jedoch die durch R. Bultmann und seine Schule gewonnene Erkenntnis gegenüber, daß von Gott nicht unter Absehung vom Menschen gesprochen werden kann. Darüber hinaus gilt, daß der spezifische Gehalt jeder Rede von Gott sich über Interpretamente erschließt, die dem Begriff „Gott" erst seinen Sinn geben. Damit stellt sich für die Untersuchung der paulinischen Aussagen die Aufgabe, nach den Interpretamenten zu fragen, mit denen Paulus seiner Rede von Gott ihren besonderen Inhalt gibt. Es ist danach zu fragen, was der Apostel sachlich meint, wenn er den Begriff „Gott" gebraucht. Eine weitere Leitfrage, die sich aus der Vergegenwärtigung des Forschungsstandes ergibt, bezieht sich auf die konstatierte christologische Interpretation Gottes durch Paulus. Ist die gesamte Rede von Gott bei Paulus christologisch interpretiert - wobei die genaue Art der Interpretation jeweils einzeln erhoben werden muß - also auch an den Stellen, an denen Paulus eine traditionelle Redeweise von Gott aufgreift? Oder gibt es einen Uberschuß über das christologisch definierte Gottesverständnis hinaus? Das hieße jedoch in der Konsequenz, daß es bei Paulus streng genommen zwei „Götter" gäbe - wenn gilt, daß Rede von Gott ihre unverwechselbare Identität über die Interpretamente gewinnt, die zu ihrer Explikation dienen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem jüdischen Erbe des Apostels. In welcher Weise beeinflußt, prägt oder gar konstituiert es sein christliches Reden von Gott? Wie geht Paulus mit der ihm vorliegenden

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Der Stand der Forschung und die Fragestellung

Tradition um? Steht er in Kontinuität zu ihr oder muß eine Diskontinuität konstatiert werden ? Ebenfalls zentrale Bedeutung kommt der Frage nach der Relation zwischen Gott und Christus zu. Wie bestimmt Paulus ihr Verhältnis zueinander angesichts der Tatsache, daß seine eigenen Aussagen ihn sowohl im Gegenüber zu Gott als auch zu Christus zeigen? Wie vereinbart er beides miteinander, ohne dadurch selbst in eine Spannung zu geraten oder einen Widerspruch zu empfinden? Schließlich wird festzustellen sein, ob die Rede von Gott den vorgegebenen Rahmen abgibt, in den die Rede von Christus nachträglich eingezeichnet wird oder ob umgekehrt die Christologie die Rede von Gott konstituiert.

2.6 Der Gang der Untersuchung Paulus ist ein Theologe, der tief in der jüdischen Tradition verwurzelt ist. Um Antwort auf die vielfältigen Fragen zu erhalten, soll daher zunächst untersucht werden, wie in jüdischen Quellen von Gott geredet wird. Dazu sollen Schriften des palästinischen wie des hellenistischen Judentums herangezogen und auf das in ihnen enthaltene Gottesverständnis hin befragt werden. Ebenfalls steht Paulus in einer, wenn auch ungleich kürzeren und längst noch nicht so breit ausformulierten frühchristlichen Tradition. Diese hat in der Gestalt von kürzeren Wendungen und Formulierungen, aber auch längeren Zitationen wie etwa dem Christushymnus in Phil 2 ihren Niederschlag in seinen Briefen gefunden. Daher soll vor dem Beginn des eigentlichen PaulusTeils das Gottesverständnis des vorpaulinischen Formel- und Traditionsguts erhoben werden, das Paulus an verschiedenen Stellen aufgreift und verarbeitet. Im Anschluß daran soll im Hauptteil der Arbeit festgestellt werden, in welcher Weise Paulus den Traditionsstoff einer Bearbeitung unterzieht, um das besondere Profil seines eigenen Gottesverständnisses im Vergleich zu dem der ihm vorliegenden Tradition kenntlich zu machen. Das traditionelle Material soll dabei zugleich die Grobgliederung für diesen Teil abgeben, in dem explizit auf das Formelgut Bezug genommen wird. Hinzu tritt die Untersuchung der jeweiligen Kontexte, in denen Traditionen bzw. Formeln begegnen. Es soll herausgearbeitet werden, in welchen Sachzusammenhängen Paulus auf traditionelles theologisches Material zurückgreift und in welcher Weise er dieses den von ihm intendierten Aussagen dienstbar macht. Die zwangsläufig selektiv bleibende Auswahl der weiteren Texte, die für die Erhebung der paulinischen Auffassung von Gott relevant

Der Gang der Untersuchung

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sind, soll dazu verhelfen, ein möglichst breites Spektrum von Aspekten sichtbar werden zu lassen, die sich für das paulinische Gottesverständnis als prägend erweisen.

3 Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften der hellenistisch-römischen Zeit Die Untersuchung des Gottesverständnisses der aus unterschiedlichen Bereichen des Judentums der hellenistisch-römischen Zeit stammenden Schriften erfolgt anhand ausgewählter und für das Gesamtverständnis der jeweiligen Schrift möglichst repräsentativer Einzeltexte. Auf diese Weise soll die Nachvollziehbarkeit und Uberprüfbarkeit der Interpretation gewährleistet werden. Zugleich soll damit eine summierend-generalisierende Darstellung vermieden werden. Die abschließenden Zusammenfassungen sollen die zuvor getroffenen Einzelbeobachtungen aufnehmen. Sie dienen der Ergebnissicherung und sollen die einzelnen Analysen im Blick auf die Themafrage profilieren. Die Auswahl der Schriften ist geleitet von dem Interesse, ein möglichst breites Spektrum der in Frage kommenden jüdischen Literatur jener Zeit in den Blick zu bekommen. Von daher erklärt sich die Zusammenstellung von Texten aus höchst unterschiedlichen Bereichen des Judentums. Das rabbinische Schrifttum wurde dabei bewußt ausgeklammert. Eine Darstellung des Gottesverständnisses in diesem Literaturbereich, die dem umfänglichen Quellenmaterial auch nur annähernd gerecht würde, ist im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten. Hinzu kommt, daß das rabbinische Schrifttum als solches sich einer systematischen Behandlung unter der Uberschrift „Das Gottesverständnis im rabbinischen Judentum" entzieht. Denn wohl gibt es einen großen Chor von Stimmen zu dieser Thematik, die sich z.T. gegenseitig interpretieren. Trotzdem wäre die Gefahr einer verkürzten und einseitigen Darstellung infolge der zwangsläufig subjektiven Auswahl von Textstellen gerade auf diesem Feld besonders groß. Ein weiteres Problem für die Behandlung von Texten aus diesem Bereich stellt darüber hinaus ihre Entstehungszeit dar. Durchweg fallen sie in einen späteren als den zu behandelnden Zeitraum. Die Behandlung der Quellen setzt ein bei den rein jüdisch-apokalyptischen Texten, schreitet fort zu stärker hellenistisch beeinflußten Schriften und mündet ein in die Untersuchung deutlich hellenistisch geprägten Schrifttums 1 . Im einzelnen soll so vorgegangen werden, daß die Perspektiven für die Interpretation aus den Texten selbst gewonnen werden. Es soll nicht stereo1 Damit soll kein abschließendes Urteil über die These Hengeis getroffen werden, das „gesamte Judentum ab etwa der Mitte des 3. Jh.s v. Chr. müßte im strengen Sinne als .hellenistisches Judentum' bezeichnet werden". (M. Hengel, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer

Das 4. Buch Esra

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typ eine stets wiederkehrende formale Fragestellung an die Texte herangetragen werden. Stattdessen werden die Aspekte, die zum Verständnis der Redeweise von Gott in jeder einzelnen Schrift von Bedeutung sind, aus der jeweiligen Schrift selbst erhoben und gesondert wahrgenommen. Auf diese Weise soll dem je besonderen Charakter der einzelnen Schriften und Bücher Rechnung getragen werden. Darüber hinaus wird jedoch abschließend auch die Frage zu stellen sein, ob sich jenseits der individuellen Eigenart der Texte nicht auch Gemeinsamkeiten feststellen lassen. So wird zu prüfen sein, ob nicht in der Vielfalt zumindest tendenziell eine Einheit vorliegt, die in den behandelten Schriften ihren Niederschlag - etwa in Form eines gemeinsamen geistigen Klimas - gefunden haben könnte. Auf eine eigene Darstellung der Einleitungsfragen wird um der Konzentration auf das theologische Thema willen im allgemeinen verzichtet; allerdings wird in den Anmerkungen auf die einschlägige Literatur verwiesen.

3.1 Das 4. Buch Esra In der Zeit nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. und der Zerstörung des Tempels versucht der Verfasser des 4.Buches Esra, mit Hilfe apokalyptischen Vorstellungsmaterials mit der entstandenen Situation theologisch fertigzuwerden 1 . Die von ihm verwendete literarische Gestalt des Visionärs „Esra" stellt sich der bedrängenden Frage, wie Gott ein solches Ende seines Volkes hat zulassen können. Wie konnte Israel, sein auserwähltes Volk, das zwar gesündigt hat, aber doch gewiß nicht mehr als andere Völker auch, von ihm diesem Schicksal überlassen werden? Warum wendet Gott nicht das Geschick seines Volkes? Die Gerechtigkeit Gottes und seine Schöpfertreue geraten in Zweifel, und damit ist auch Gott selbst in Frage gestellt2. Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh. v. Chr., WUNT 10,1969,193). Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, daß sich bei den untersuchten Schriften zumindest sehr deutliche Unterschiede im Ausmaß der Hellenisierung beobachten lassen. Diese gravierenden Differenzen lassen es jedoch m.E. auch weiterhin geraten erscheinen, zwischen einem palästinischen und einem hellenistischen Judentum zu unterscheiden. 1 Zu den Einleitungsfragen vgl. Gunkel, 3 3 1 - 3 5 2 ; Box, General Introduction, 5 4 2 - 5 6 0 ; Schürer, 315-335; Violet, X I I I - L V ; Weiser, 3 6 9 - 3 7 3 ; O.Plöger, Art. Esrabücher, III. Das 4.Esrabuch, 3 R G G II, 1958 (Ungek. Studienausgabe 1986), 6 9 7 - 6 9 9 ; Rost, 9 1 - 9 4 ; Schreiner, Einleitung, 2 9 1 - 3 0 9 ; Saebo, 3 8 1 - 3 8 2 ; zur jüdischen Apokalyptik insgesamt vgl. K.Müller, Art. Apokalyptik/Apokalypsen III. Die jüdische Apokalyptik. Anfänge und Merkmale, T R E III, 1978,202-251. 2 Harnisch, 58.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Anhand der im folgenden herangezogenen Textpassagen 3 soll ermittelt werden, welche Auffassung von Gott und welches Bild vom Menschen hinter dem theologischen Lösungsversuch steht, um den sich der Verfasser des Buches bemüht. Dazu soll sowohl auf die Fragen des Sehers „Esra" als auch auf die durch einen Engel vorgetragenen Antworten eingegangen werden. U b e r die Interpretation der Aussagen dieser beiden literarischen Gestalten soll versucht werden, die für das Gottesverständnis des Verfassers entscheidenden Merkmale zu erfassen 4 . 3 Textausgabe und Übersetzungen: Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem... recensuit et brevi apparatu instruxit Robertus Weber OSB, editio altera emendata, Tomus II, 1975, IV Esra 1-16,1931-1974; Violet, 1-202, Gunkel, 352-401; Box, 561-624; Schreiner, 310-405. 4 Damit ist die Frage gestellt, wie sich die von den literarischen Gestalten „Esra" und „der Engel" vorgebrachten Äußerungen zu der Auffassung des Verfassers von 4.Esra verhalten bzw. inwieweit hinter ihren Ausführungen die Meinung des Autors zum Ausdruck kommt. Ist seine Haltung mit der „Esras" oder mit der des Engels zu identifizieren? Die neuere Forschung ist von einer Identifikation seiner Position mit der „Esras" abgerückt. Laut Brandenburger, Adam, 30, werden durch „die Gestalt des Esra... bedrängende Fragen und Klagen, wird ein ganzes Seinsverständnis laut, mit dem sich der Verfasser auseinandersetzt und worauf er durch die Gestalt des Engels als Vertreter Gottes autoritativ antwortet". Harnisch, 60-67, gelangt im Anschluß an diesen Lösungsvorschlag zu der Auffassung, daß „in dem Hin und Her zwischen Frage und Antwort die Auseinandersetzung des Apokalyptikers mit einer ganz bestimmten Denkströmung seiner Zeit zum Austrag (kommt)" (65). Zu Vorarbeiten für eine Klärung des Problems vgl. W. Mundle, Das religiöse Problem des IV.Esrabuches, ZAW 47, 1929,222-249. Die formale Gegenüberstellung des Visionärs „Esra" mit dem Engel und die einseitige Identifikation des Verfassers mit den Antworten des Engels, wie sie in Harnischs Darstellung zum Ausdruck kommt - „Nicht hinter den Fragen Esras, sondern hinter den Antworten des Engels... verbirgt sich das eigentliche Anliegen des Apokalyptikers" (64) - kündet jedoch zunächst lediglich von einem Werturteil des Exegeten. Bei Brandenburger wird dies beispielsweise daran sichtbar, daß er im Blick auf 7,20-24 von einer „Plerophorie des Ausdrucks" spricht, die nach seiner Meinung an dieser Stelle das „Interesse und Pathos des Vf." (Adam, 32) sichtbar werden lasse. Eine einseitige Festlegung des Verfassers auf die Position des Engels läßt jedoch außer acht, daß der Autor des 4.Buches Esra dem „Seinsverständnis" bzw. der zeitgenössischen „Denkströmung", die sich in der Gestalt des Visionärs verkörpern, nicht lediglich gegenübersteht, sondern die Struktur seines Denkens ebenfalls davon geprägt ist, so daß er - im äußersten Fall sogar gegen seine erklärten Willen - mit Notwendigkeit daran partizipiert. Insofern sind die „Esra" in den Mund gelegten Ausführungen nicht bloß zur Bestimmung der Adressaten des Buches, sondern gerade auch zum Verständnis des Verfassers von 4.Esra von Bedeutung. Allerdings darf dies wiederum nicht zu einer unkritischen Identifikation der Aussagen „Esras" mit denen des Verfassers führen. Es ist vielmehr darauf zu achten, inwieweit die Struktur der Aussagen „Esras" - notfalls gegen deren erklärte Eigenintention - den im Hintergrund stehenden Verfasser erkennen läßt. Auch Harnischs inhaltliches Zugeständnis, „daß die Position, mit der sich der Verfasser von 4Esr auseinandersetzt, eine für ihn selber... äußerst naheliegende Einstellung repräsentiert" und er „durch das Selbstverständnis der Skepsis, dem er sich konfrontiert sieht, offensichtlich selber zutiefst angefochten und bedrängt" ist (67 Anm. 2), hilft nicht zu einer Lösung des methodischen Problems. Brandenburger, Verborgenheit, 49, hält im übrigen mit Recht Harnischs Auffassung für „schwer beweisbar, aber auch nicht unmöglich". Die methodische Aufgabe besteht darin herauszufinden, inwieweit der Verfasser des 4.Esra auch hinter der Gestalt „Esras" zum Vorschein kommt, selbst wenn er dessen Auffassung verbal

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3.1.1 4. Esra 3,25-36; 4,23-25; 5,23-30; 6,55-59: Der unbegreifliche Gott Der Visionär „Esra" gibt in Kapitel 3 einen Geschichtsüberblick über die Zeit von Adam bis zum Fall Jerusalems unter den Babyloniern, d. h. bis in die vom Verfasser der Schrift fingierte Gegenwart 30 Jahre nach dem Untergang der Stadt im Jahre 586 v.Chr. (3,1). Dabei verschweigt er nicht das „böse Herz" 5 , dem Adam unterlag (3,21) und das auch das Verhalten des Volkes Israel prägt (3,20.25.26). Er stellt das sündhafte Handeln der Bewohner Jerusalems fest, mit dem sie sich in eine Reihe mit Adam und seinen Nachkommen stellen (3,25-26). Daran anschließend konstatiert er, daß Gott die Stadt seinen Feinden ausgeliefert hat (3,27). Dies wird zunächst nicht anklagend vorgebracht, sondern erscheint nach dem vorher Gesagten als die logische Folge innerhalb eines Tun - Ergehen - Zusammenhangs. Zugleich wird deutlich, daß „Esra" die Katastrophe Jerusalems streng von Gott her deutet. Da dieses Verständnis als fraglose Voraussetzung hinter den Ausführungen „Esras" steht, ohne besonders problematisiert zu werden, ist anzunehmen, daß mit dieser Prämisse der Verfasser des Buches selbst zu Worte kommt. Sein dem ausgehenden ersten nachchristlichen Jahrhundert angehörendes Gottesverständnis gibt den Rahmen ab, innerhalb dessen die literarische Gestalt „Esra" in der fiktiven Situation nach 586 v.Chr. agiert. Für den Visionär wie für den Verfasser der Schrift ist im Untergang der Stadt das Wirken Gottes zu sehen. Steht für den Seher „Esra" einerseits mit Gewißheit fest, daß dieses Ereignis auf Gottes strafendes Handeln zurückzuführen ist, regt sich im folgenden andererseits der Zweifel in ihm, ob das sündige Verhalten der Jerusalemer tatsächlich der Grund für das Vernichtungshandeln Gottes gewesen sein kann. Dieser Zweifel nährt sich aus der Beobachtung, daß die Babylonier - vom Verfasser sind hier, bezogen auf die tatsächliche Entstehungssituation des 4.Esra, wahrscheinlich die Römer gemeint 6 - sich nicht besser, sondern, im Gegenteil, frevelhafter verhalten als das Volk Gottes. Sie aber erhalte Gott, während er sein eigenes Volk vernichdurch den Engel zurückweisen läßt und sich auch selbst im Gegensatz zu ihr befindet und ihr widerspricht. Das ist freilich etwas anderes als die Wahrnehmung eines „unausgetragene(n) innere(n) Kampf(es) des Verfassers" (Brandenburger, Verborgenheit, 156). Brandenburgers Lösungsvorschlag, wonach „Esra im Dialogteil Widerpart der Offenbarung ist" und „im Visionsteil eine positive Haltung zum Offenbarungsgeschehen" einnimmt (Verborgenheit, 52), bleibt für eine Klärung der Position des Verfassers zu statisch. Die Frage, inwieweit abgesehen vom Inhalt der Selbstaussagen „Esras" seine allgemeinen Denkvoraussetzungen und sein Vorstellungsrahmen Rückschlüsse auf den Verfasser des Buches zulassen, wird von Brandenburger auch innerhalb seiner Abschnitte „Wo spricht der Verfasser des 4Esr?", „Der personelle Aspekt der Problemlage" und „Die Problemlage in der Sache" nicht behandelt (Verborgenheit, 148-162). 5 6

Vgl. dazu Brandenburger, Verborgenheit, 169-186. Vgl. Schreiner, 301.302 und Rost, 93.94.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

te. Wie soll dieser Weg zu begreifen sein (3,28-31)? Der Zweifel „Esras" geht damit bereits in einen Vorwurf über. Diesen Vorwurf verstärkt „Esra" noch durch weitere Fragen, die gerade das besondere positive Verhältnis Israels zu Gott hervorkehren (3,32.33). Außerdem verweist er auf seine eigenen Erfahrungen bei anderen Völkern, denen es gut geht, obgleich sie nicht an Gottes Gebote denken (3,33). Das Aufbegehren „Esras" mündet in die Aufforderung an Gott, die Sünden Israels im Vergleich zu denen der übrigen Bewohner der Welt zu wägen. Dann werde sich zeigen, wohin der Ausschlag des Waagebalkens sich neigt (3,34), d. h. dann würde für jedermann sichtbar, daß die Sünden Israels leichter wiegen als die der anderen Völker7. Im übrigen stelle sich die Frage nach dem Maß des Anspruchs Gottes, denn zu welcher Zeit haben Menschen nicht gesündigt oder wo hat ein ganzes Volk Gottes Gebote gehalten (3,35.36)? In dieser Passage zeigt sich gerade im Aufbegehren „Esras" gegen Gottes Handeln seine unbedingte Nähe zu Gott. Er sieht Gott gerade in der Katastrophe seines Volkes handeln und ringt um ein Verständnis dieses Geschehens. Sein bisheriges Erklärungs- und Begründungsmuster, das auf dem Folgezusammenhang von Tun und Ergehen basiert, vermag dieses Ereignis nicht mehr zu erfassen. Sein eigenes Bekenntnis zu Gott ist in Widerspruch zu seinen Erfahrungen geraten. Es vermag ihm dieses Geschehen nicht mehr zu erschließen. Zu der gegenwärtig von ihm gemachten Erfahrung mit seinem Volk hätte es aufgrund seines Gottesverständnisses nicht kommen dürfen. Um aus dem Zwiespalt herauszukommen, macht er den Gott seines Bekenntnisses für den Widerspruch zwischen Bekenntnis und Erfahrung verantwortlich. Seine Vorwürfe bedeuten „eine einzige, radikale Anklage Gottes" 8 . In ähnlicher Weise stellt sich auch die Situation in 4,23-25; 5,23-30 und 6,55-59 dar 9 . „Esra" beansprucht in 4,23-25 nicht, höhere göttliche Geheimnisse verstehen zu wollen. Er möchte lediglich das begreifen, was er tagtäglich vor Augen hat, nämlich daß Israel den Heiden, Gottes geliebtes Volk den Gottlosen, ausgeliefert ist. Das Gesetz der Väter ist vernichtet, das Volk in Auflösung begriffen. „Esra" bittet nicht um Einhalt oder Erbarmen. Indem er die Wertlosigkeit Israels bekundet, gesteht er ein, daß auf Seiten des Volkes kein Grund für ein Erbarmen Gottes vorliegt. Trotzdem läßt er nicht von seinem Drängen ab. Wenn es schon um des Volkes willen keinen Anlaß zum Erbarmen gibt, müßte dies dann nicht wenigstens um Gottes selbst willen der Fall sein? Was wird Gott für seinen Namen tun, der über seinem 7 Vgl. G.Volkmar, Das vierte Buch Esra, Handbuch der Einleitung in die Apokryphen, Zweite Abtheilung, 1863, zu 3,34. 8 C. Westermann, Struktur und Geschichte der Klage im Alten Testament, ZAW 66, 1954, 44-80, 78. 9 Zur Verwandtschaft der Reden „Esras" in 3,4-36; 5,23-30 und 6,38-59 mit den alttestamentlichen Volksklageliedern vgl. Harnisch, 20-42.

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Volk angerufen wird ? Die Frage nach dem Schicksal Israels wird für „Esra" zu einer Frage nach Gott selbst. Mit seiner Frage: Wer soll den Namen Gottes noch anrufen, wenn sein Volk ausgelöscht ist? macht er das Problem, das sich für ihn aus dem Widerspruch zwischen Verheißung und vorfindlicher Situation ergibt, zu einem Problem Gottes selbst. Zugleich schafft er sich auf diese Weise Entlastung, indem er eine Lösung des Dilemmas von Gott erwartet. 10 In 5,23-30 bringt „Esra" von neuem seine Ausgangsfragestellung vor. Ein Volk hat Gott sich aus den vielen Völkern auserwählt und ihm sein Gesetz gegeben (5,27). Die Gabe des Gesetzes gehört konstitutiv zu Gottes erwählendem Handeln. Jetzt aber hat er sein geliebtes Volk den anderen Völkern ausgeliefert und es unter die vielen zerstreut (5,28). Warum haben die, die Gottes Verheißungen widersprachen, die zertreten, die seinen Bundesschlüssen vertrauten (5,29)? Zumindest hätte doch Gott selbst, wenn er Haß gegen sein Volk entwickelt hätte, es eigenhändig züchtigen müssen (5,30)! Auch hier ist das Leiden „Esras" an dem Widerspruch zwischen der Erwählung Israels zum Heil und seinem faktischen Geschick deutlich11. Ahnlich heißt es in 6,55-59 12 , daß Gott die Welt um Israels willen geschaffen hat. Die übrigen Völker seien dagegen nach Gottes eigener Aussage nichts, dem Speichel gleich. Und trotzdem, so hält „Esra" Gott vor Augen, beherrschen und zertreten eben jene Völker, die für nichts geachtet sind, das Volk Israel. Gottes eigenes Volk, das er selbst seinen Erstgeborenen, Einzigen, Anhänger, Liebling genannt hat, ist in ihre Hände ausgeliefert. Wenn aber die Welt um Israels willen geschaffen ist, warum besitzt Israel sie dann nicht als Erbe? Wie lange, so lautet die bange Frage, soll das so weitergehen? Die geschichtliche Erfahrung steht der Verheißung des Wortes Gottes sichtbar entgegen13. Nicht die Völker stellen, wie Gott gesagt hat, die Nichtse dar. Israel selbst liegt entgegen allen Verheißungen zertreten am Boden. Das Volk Gottes ist ein Nichts vor den Völkern geworden. In bezug auf das Wort Gottes führt dieses Auseinanderklaffen von Zusage und Realität zu einem Vertrauensschwund, der in Skepsis gegenüber der Verläßlichkeit Gottes einmündet. Die immer neuen Anläufe „Esras" gründen allesamt in dem tiefen NichtBegreifen der verzweifelten Lage Israels. Der Seher will sie von dem Gott her verstehen, zu dem er und sein Volk sich bekennen. In das Bekenntnis zu diesem Gott möchte er die gegenwärtige Erfahrung des Untergangs in der Weise integrieren, daß das Bekenntnis weiterhin seine Gültigkeit behalten kann. 10

Rössler, 70. Vgl. Harnisch, 28-31. 12 Der Textpassage voran geht ein midraschartiger Hymnus, der die Schöpfertaten Gottes besingt (6,38-54). Harnisch, 23 und 24 Anm. 1. 13 Harnisch, 24: Die „Frage nach der Treue Gottes" wird hier „als Frage nach der Verläßlichkeit seiner Verheißung" gestellt. 11

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Jenseits der direkten Aussagen der literarischen Gestalt „ E s r a " u n d ihres sachlichen Gehalts wird mittelbar auch der Verfasser des Buches sichtbar. Seine Denkvoraussetzungen kommen in dem Vorstellungsrahmen zum Ausdruck, in den die Ausführungen „Esras" gefaßt sind. Dieser wird greifbar an den Stellen, an denen sich hinter gezielten Aussagen grundsätzlich anerkannte Voraussetzungen, die nicht eigens thematisiert werden, feststellen lassen. Konkret zeigt sich im 4.Esra die Auffassung des Verfassers dort, wo er „Esra" den dem Bekenntnis entsprechenden Standort Israels vor Gott benennen läßt. In der Tatsache, daß „Esra" das Geschick Israels von Gott her deutet, äußert sich die Grundauffassung des Verfassers, Gott als einen auf Geschichte Bezogenen zu denken, von dem her sich das Verständnis der Geschichte für den Menschen überhaupt erst erschließt. Diese Auffassung wird von ihm mittels der Gestalt „Esras" in spezifischer Weise expliziert. Für „Esra" ist Gott der, der sich in besonderer Weise an das Volk Israel gebunden hat. Er hat es aus der Vielzahl der Völker auserwählt, es ist sein erklärter Liebling, um dessentwillen er die Welt geschaffen hat und dem er das Gesetz geschenkt hat. Die anderen Völker sind gegenüber Israel nichts wert. Anhand der Esragestalt, deren hervorstechender Zug an den behandelten Textstellen im Aufbegehren gegen den Gott des Bekenntnisses besteht, demonstriert der Verfasser eine besondere Art des Umgangs mit dem eklatanten Widerspruch zwischen der erklärten Selbstbindung Gottes an sein Volk und der konkreten Wirklichkeitserfahrung. Mit dem solchermaßen gezeichneten Esra stellt er sich in seinem ersten Anlauf der Schwierigkeit, daß das anerkannte Bekenntnis die reale Erfahrung weder zu deuten noch herzuleiten vermag. Charakteristisch für diesen Versuch ist, daß bei ihm das Handeln Gottes unverständlich, Gott selbst unbegreiflich bleibt.

3.1.2 4. Esra 4,1-21; 4,26-37; 5,33-40; 7,1-16: Der Versuch der Aufhebung der Diskrepanz zwischen Bekenntnis und Erfahrung Der Zweifel an Gott und seiner Gerechtigkeit, der sich in den Worten „Esras" ausspricht, ist an der Diskrepanz des Bekenntnisses zu Gott als dem, der sich in besonderer Weise an Israel als sein vor anderen auserwähltes Volk gebunden hat, und dem Erlebnis des Falls Jerusalems aufgebrochen. Ohne im einzelnen zu erörtern, ob der Verfasser damit auf Zweifel seiner Adressaten oder eine allgemeine skeptische Grundstimmung seiner Zeit und seiner Umgebung eingeht und in welchem Maße er selbst an den Einwänden „Esras" teilhat, soll untersucht werden, in welcher Weise er zu einer Lösung des theologischen Problems zu gelangen sucht. Literarisch geschieht dies,

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indem er einen Engel auf die Vorhaltungen „Esras" eingehen läßt 14 . Hinter dessen Ausführungen soll die „Meinung des Verfassers zur Problemlage... fast ausschließlich... zum Ausdruck" 1 5 kommen. Seine Antworten auf die vier bereits dargestellten Anläufe „Esras" sollen im folgenden behandelt werden. In 4.Esra 4,1-21 tritt der Engel Uriel der Anklage „Esras" gegen Gott zum ersten Mal entgegen. Er vergewissert sich zunächst des Anliegens „Esras", indem er ihn fragt, ob er den Weg des Höchsten zu verstehen beabsichtigt (4,2). Auf die bejahende Antwort „Esras" hin stellt er ihm drei Aufgaben, deren Erfüllung unmöglich ist (4,5) und die er dazu verwendet, „Esra" der Begrenztheit seiner Erkenntnisfähigkeit zu überführen. Dieser könne nicht einmal die Dinge, die zu seinem Lebensbereich gehören, erkennen, wie könne er da die Wege des Höchsten begreifen (4,9.10). Als ein vergängliches Wesen in einer vergänglichen Welt - wie könne er den Unvergänglichen erkennen (4,11)? Die Strategie dieser Entgegnung liegt offen zutage. „Esras" Anliegen wird durch den Aufweis seiner menschlichen Unvollkommenheit disqualifiziert. Die Demonstration seiner begrenzten Erkenntnisfähigkeit dient dazu, ihm die Berechtigung zu seiner Frage abzusprechen. Der Engel benutzt die „Esra" mit seinem Menschsein gegebene Endlichkeit als einen Beweis für die Unzulässigkeit seiner Fragestellung. Er begegnet dem von „Esra" aufgeworfenen theologischen Problem nicht mit Argumenten auf der Sachebene. Stattdessen wehrt er es durch eine den Gesprächspartner in seinem Wert herabmindernde Personalisierung ab. Er verteidigt die Größe Gottes durch das Hervorkehren der Kleinheit des Menschen. Auf „Esras" Reaktion hin folgt eine gleichnishafte Erzählung, deren Auswertung (4,21) das Ergebnis des ersten Gedankengangs 4,1-11 bestätigt und „Esra" zu seinem zweiten Anlaufversuch bewegt (4,23-25). Jedoch wird auch sein Versuch, durch die Frage, was aus der Gottesverehrung wird, wenn Israel aus der Welt verschwunden ist, das Geschick Israels zu einem Problem für Gott selbst zu machen, von dem Engel abgewiesen. Dies sei jetzt für ihn noch nicht zu durchschauen, nach dem Ende der Weltzeit werde es ans Licht kommen (4,26). Erst nach der Ernte des Bösen könnten Saat und Ernte des Guten erfolgen (4,27-32). Auch der Frage „Esras", wie lange es bis dahin noch dauere, wird als einem bereits unzulässigen Versuch, den ihm als Menschen gesteckten Rahmen zu überschreiten, die Antwort vorenthalten. Mit den Worten „Eile nicht mehr als der Höchste!" (4,34) wird ihm vielmehr sein Gott gegenüber untergeordneter Stand vor Augen gehalten. Zugleich wird ihm damit deutlich gemacht, daß sein Teil nur der sein kann, zu warten und sich in sein Schicksal einzufügen. Dies wird durch den Hinweis auf den Erzengel Jeremiel autoritativ unterstrichen (4,35-37). 14 15

In 5,40 geht die Engelrede in eine unmittelbare Gottesrede über. So Brandenburger, Verborgenheit, 150.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Auch für diese Gedankenfolge des Engels ist es konstitutiv, die Begrenztheit des Menschen als ein Argument gegen sein Ansinnen zu verwenden. Diesmal wird sie an der Beschränkung seiner Lebenszeit festgemacht. Der Engel verweist auf eine ferne Zeit, in der das Gute zur Ernte gelangen wird. Er hält auf diese Weise die Behauptung der Gültigkeit der Verheißungen Gottes aufrecht (4,32). Ungewiß bleibt jedoch, ob „Esra" diese Zeit erleben wird (4,26). Auf seine Frage danach (4,33) wird sein durch den Verweis auf die Kürze seines Lebens begründetes Drängen als gegenüber dem Höchsten unangemessene Eile zurückgewiesen (4,34). „Esras" Bemühen, positive Gewißheit zu erlangen, erhält keine Bestätigung. Stattdessen wird seine Integrität in Zweifel gezogen, indem sein Anliegen in die Nähe einer moralisch verwerflichen Handlung gerückt wird. Auch „Esras" Klage über sein Volk in 5,23-30 wird im folgenden unter Hinweis auf Gott abgewiesen. Die Frage des Engels: „Oder liebst du es (sc: das Volk) mehr als der, der es geschaffen hat?" (5,33) zielt darauf, den Abstand zwischen Gott und Mensch und den untergeordneten Status des Menschen vor Gott im Bewußtsein zu halten. Mehr zu lieben als Gott ist freilich unmöglich. Voraussetzung für diesen Konsens zwischen dem Engel und „Esra" ist das gemeinsame Verständnis Gottes als dessen, der seinem Volk im höchsten Maße und mehr als es einem Menschen möglich ist in Liebe zugewandt ist. Dieses Bekenntnis behält auch in dieser Phase des Dialogs seine Gültigkeit, selbst wenn die Realität seinen Inhalt nicht zu bestätigen vermag. „Esra" möchte den Weg des Höchsten erfassen und einen Teil seines Urteils erforschen (5,34). Ähnlich wie in 4,5-11 werden ihm jedoch auch in 5,36.37 von dem Engel verschiedene unlösbare Aufgaben gestellt. Nach Art eines Schlusses a minore ad maius zieht dieser daraus die Folgerung, mit dem Unvermögen „Esras", auch nur eine der Aufgaben zu erfüllen, sei seine Unfähigkeit zur Erkenntnis des göttlichen Urteils und des Ziels seiner Liebe erwiesen (5,38-40). Der von „Esra" in 6,55-59 geäußerten Klage über die Unterwerfung Israels, des Lieblings Gottes, unter die Völker steht als Antwort der Versuch einer Sinngebung des Geschehens durch den Engel gegenüber (7,1-16). Dieser erklärt den gegenwärtigen Zustand zu einer notwendigen Durchgangsphase. Wenn die Lebenden nicht in die Engen und Nöte hineingegangen sind, können sie auch nicht das dahinterliegende Heil der größeren Welt, d.h. des kommenden Äons 16 , erlangen (7,14). In einer Doppelfrage kommt abschließend der entscheidende Einwand gegen die wiederholten Anläufe „Esras" zum Ausdruck. Der Engel spricht ihn ausdrücklich und unmittelbar nacheinander auf die beiden Konstitutiva seines Lebens an, die er ihm auch in 16 Zur Zwei-Äonen-Lehre vgl. Schäfer, 272-274. Nach Schäfers Darstellung ist die Lehre von den zwei Äonen im 4.Esra „dualistisch-antagonistisch" und befindet sich „in scharfem Gegensatz zum kontinuierlich-linearen Modell des rabbinischen Judentums" (274). Vgl. auch Harnisch, 240-247.

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den vorangegangenen Antworten bereits zum Zwecke der Zurückweisung vorgehalten hat: seine Vergänglichkeit und seine Sterblichkeit (7,15). Das Gedenken an seine Endlichkeit soll ihn nach dem Willen des Engels dazu bewegen, seine Widerstände aufzugeben. Die Erkenntnis und Anerkenntnis der ihm durch sein Menschsein auferlegten Begrenzung soll ihn zur Einwilligung in das gegenwärtige Schicksal Israels bringen. Dies bedeutet keine »Ermutigung" 17 , sondern im Gegenteil eine Relativierung des Ernstes der Anfragen „Esras". Die in Frageform formulierte Aufforderung in 7,16, den Blick von der Gegenwart auf die Zukunft zu lenken, bestätigt das. Die Frage, warum „Esra" die Gegenwart nicht bereits durch die Vergegenwärtigung der Zukunft hinter sich gelassen hat, wird geradezu als Vorwurf gegen ihn vorgebracht. Sie impliziert die Forderung, über die offensichtlichen Aporien hinwegzusehen, die in der Gegenwart mit dem Bekenntnis verbunden sind und „dennoch" an ihm festzuhalten. Gefordert ist der Glaube an Gottes Verheißungen, auch wenn deren Gültigkeit durch die Realität widerlegt scheint. Um die Plausibilität dieses autoritären Modells aufrecht erhalten zu können, verläßt der Apokalyptiker die gegenwärtige Weltzeit und verweist auf die Zukunft des kommenden Äons. Von ihm verspricht er sich eine positive Auflösung der gegenwärtigen Aporien. Der Versuch der Aufhebung der zwischen Gottesbekenntnis und Erfahrung liegenden Diskrepanz erfolgt in den vier untersuchten Engelreden unter der Perspektive, den überlieferten Inhalt des Bekenntnisses auch unter dem Eindruck ihm entgegenstehender Erfahrungen zu wahren. Der Preis dafür ist die Herabsetzung des durch „Esra" verkörperten fragenden Menschen und das mit einer Abwertung seiner Person verbundene NichtZulassen seines Anliegens. Seine Zweifel werden „Esra" als Defekte angekreidet, die in der Nicht-Erkenntnis bzw. dem Uberschreiten der ihm gesetzten Grenzen begründet liegen. Sie werden damit an den Rand der Hybris gegenüber Gott gerückt. In der Konsequenz bedeutet das: Die Form des Umgangs mit den Anfragen und Vorwürfen „Esras" durch den Engel ist autoritär. Sie beruht vornehmlich auf Abwehr und Zurückweisung - bis hin zum Gegenvorwurf (7,15.16). Die Antworten des Engels sind von dem wiederkehrenden Rekurs auf die Vergänglichkeit und Sterblichkeit des Menschen durchzogen. Letztlich macht der Engel damit die Kreatürlichkeit des Menschen für die entstandenen theologischen Probleme verantwortlich. Er vermittelt „Esra", die wahre Schwierigkeit sei nicht die Erfahrung einer Wirklichkeit, die dem Bekenntnis zu Gott widerspricht, sondern der Zweifel des defizienten Menschen, der darüber

1 7 Gegen Brandenburger, Verborgenheit, 153 und E.Breech, These Fragments I Have Shored Against My Ruins: The Form and Function of 4Ezra, J B L 92, 1973, 267-274, 270.272.

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D a s G o t t e s v e r s t ä n d n i s in j ü d i s c h e n S c h r i f t e n

zum Skeptiker zu werden drohe 18 . Das Theodizeeproblem wird zu Lasten des Menschen und zugunsten des im Bekenntnis verankerten Gottesverständnisses zu lösen versucht. Für die Frage nach dem Standort des Verfassers von 4.Esra mag die Beobachtung einer strukturellen Ubereinstimmung zwischen dem Engel und „Esra" hilfreich sein. Die Gegenfrage des Engels an „Esra" in 5,33: „Liebst du das Volk mehr als der, der es geschaffen hat?", die dieser verneint, setzt einen Konsens beider im Verständnis Gottes voraus. Damit diese Frage ihre Wirkung zeigt, d.h. „Esra" in die Schranken weist, ist es notwendig, daß dieser die in ihr implizierte Voraussetzung hinsichtlich des Gottesverständnisses teilt. Das Gottesverständnis selbst ist jedoch an dieser Stelle nicht das Thema des Wortwechsels. Die Frage des Engels zielt vielmehr auf das Verhalten „Esras". In dieser unterschwelligen Ubereinstimmung inmitten einer sachlichen Kontroverse zwischen dem Engel und „Esra" wird der Verfasser des Buches sichtbar. Er ist es, der die nicht ausgesprochenen Voraussetzungen beider literarischen Gestalten liefert. Von daher wird der Verfasser sowohl explizit in dem Problemlösungsverhalten des Engels als auch implizit in den unausgesprochenen Denkvoraussetzungen, die der Engel mit „Esra" teilt, erkennbar.

3.1.3 Die Wahrung der Weltordnung durch Gott Mag das Bekenntnis zu dem Gott Israels durch den Zustand seines Volkes auch in Zweifel geraten und Israels Geschick von seinem Glaubensbekenntnis her nicht mehr verstehbar sein, zielt die Intention des 4.Buches Esra gleichwohl darauf ab, an ihm festzuhalten. Der Mensch soll sich Gott fügen und unterordnen und darauf verlassen, daß die Weltordnung durch Gott gewahrt bleibt. Ein Indiz für die Zuverlässigkeit und Erhaltung des Weltzusammenhangs besteht darin, daß das Gesetz auch weiterhin als Norm für den Menschen verbindlich bleibt (vgl. 9,31-37; 13,53-58). An dem Verhältnis ihm gegenüber entscheidet sich die Zukunft des Menschen. Da für eine solche Zukunft jedoch keine innergeschichtliche Möglichkeit der Realisierung zu erwarten ist, eröffnet der Apokalyptiker Raum dafür im kommenden Äon (vgl. 14,27-35). Mag sein Interesse auch von dem Anliegen getragen sein, eine Perspektive für den gegenwärtig heillosen Menschen zu eröffnen, bleibt die Durchführung dennoch autoritär. Da Gott trotz veränderter Zeitumstände weiterhin im Rahmen des traditionellen Bekenntnisses bekannt wird, ist die Rede von Gott an Voraussetzungen gebunden, die erfahrungsmäßig nicht mehr zu verifizieren sind. Als Konsequenz daraus läßt sich im 4.Esra im Blick auf den Menschen eine doppelte Strategie beobachten: Der 18

Wie sich dem das Sündenverständnis des 4. Esra zufügt, müßte eigens untersucht werden.

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Anspruch des Menschen auf Übereinstimmung zwischen Bekenntnis und Erfahrung wird in der direkten Konfrontation durch den Hinweis auf seine Defizite zurückgewiesen. Zugleich wird aber auch eine Erfüllung des Anspruchs für den kommenden Aon versprochen. Für die Gegenwart werden die bestehenden Normen des Gesetzes19 und des Gottesbekenntnisses für verbindlich erklärt. Die Rede vom kommenden Aon soll das theologische Problem der Gegenwart lösen, das an der Diskrepanz zwischen Erfahrung und Bekenntnis aufgebrochen ist. Tatsächlich jedoch führt dieses Vorgehen dazu, daß das aus der eigenen Geschichte überkommene traditionelle Bekenntnis zu dem Gott, der sich an sein Volk gebunden hat 20 , konserviert wird, es aber nicht zu einem grundlegend neuen Verständnis Gottes kommt.

3.2 Die syrische Baruch-Apokalypse In geistiger Nähe zum 4. Buch Esra befindet sich die syrische BaruchApokalypse. Auch diese Schrift ist vor dem Hintergrund der Zeitumstände in den Jahren nach 70 n. Chr. und der Zerstörung des Jerusalemer Tempels zu verstehen. Der Verfasser schreibt sein Buch Baruch zu und legt die Handlung in die Zeit der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier und der anschließenden Deportation der Bevölkerung1. Angesichts der ihrem Ende zulaufenden Weltzeit und des kommenden Äons mahnt „Baruch" in der gegenwärtigen Situation zum Festhalten am Gesetz.

3.2.1 SyrBar 21,3-25: Freiheit und Gebundenheit des Schöpfergottes „Baruch" leitet die Wiedergabe seines Gebetes zu Gott in 21,3 mit einer Titulatur Gottes ein, die innerhalb der syrischen Baruch-Apokalypse häufig begegnet. Er nennt Gott den „Mächtigen"2. In seiner Gebetsanrede spricht er ihn als den Schöpfer der Erde an. Er hat das Firmament durch das Wort, die 19 Zum Zusammenhang von Verheißung und Gesetz vgl. U. Luck, Das Weltverständnis in der jüdischen Apokalyptik dargestellt am äthiopischen Henoch und am 4. Esra, ZThK 73,1976, 283-305,299-303. 20 Trotz wiederkehrender Krisen gelangte dieses Bekenntnis in der Geschichte Israels zumindest je und je annäherungsweise zu einer Deckung mit Erfahrungen des Volkes. 1 Zu den Einleitungsfragen vgl. Charles, 2 Baruch, 470-480; Schürer, 305-315; Violet, LVI-XCVI; Ryssel, 404-412; Eissfeldt, 850-853; O.Plöger, Art. Baruchschriften, 3 RGG I, 1957(Ungek. Studienausgabe 1986), 900-903; Weiser, 373-375; Rost, 94-97; Klijn, 107-122. Der Text findet sich in Übersetzung bei Charles, 2 Baruch, 481-526; Violet, 203-336; Ryssel, 413-446; Klijn, 123-184. 2 Vgl. syrBar 32,1.6; 34,1; 49,1; 54,1; 56,1; 63,5.6; 66,6; 77,11; 81,4; 82,5; 84,1.6.7.10; 85,2.3.

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Höhe des Himmels durch den Geist befestigt. Seine Schöpfung ist eine creatio ex nihilo (21,4)3. Er sah das Kommende wie das Vergangene (21,5). Die Schöpfung ist nicht ein einmaliger Akt. Gott regiert und erhält sie auch. Er leitet Mächte und heilige Wesen, für ihn allein gilt: Er kann sofort tun, was er will. Er läßt es auf die Erde regnen, er kennt das Ende der Zeiten. Er allein kann alles erhalten: Die gegenwärtigen wie die vergangenen Wesen und auch die, die in der Zukunft kommen werden, die Sünder wie die Rechtschaffenen (21,6-9). Der Beter bezeichnet ihn als den einzig Lebenden, den Unsterblichen und Unerforschlichen. Den letzten Ausdruck der Größe und Hoheit Gottes in dieser Reihe - das Bekenntnis, daß Gott die Zahl der Menschen kennt (21,10) - benutzt „Baruch" dazu, auf das sich ihm stellende Problem der Menschen überzuleiten. Er sucht eine Lösung für die Aporien, die sich ihm aufgrund des gegenwärtigen Zustands Israel auftun, einen Raum, in dem sich die Liebe Gottes, an die „Baruch" sich trotz der Verfassung seines Volkes klammert, vollenden kann. Zwar weiß er darum, daß viele gesündigt haben, andere jedoch, und zwar nicht wenige, wie er betont, haben sich als rechtschaffen erwiesen (21,II) 4 . Für beide Menschengruppen muß es nach seiner Auffassung einen Ort geben, an dem sie von den ihrem Verhalten entsprechenden Konsequenzen eingeholt werden 5 . Der kollektive Unheilszustand kann und darf darum nicht Gottes letztes Wort bleiben. Der Zusammenhang des Tuns mit dem individuellen Ergehen steht für „Baruch" außer Frage, nur wo und wann die Folgen seines Tuns den Menschen erreichen sollen, das weiß Gott allein (21,12). Ebenso fest wie der Tun-ErgehenZusammenhang steht für den Beter jedoch auch, daß in diesem Leben die ersehnte Erfüllung und damit die Wahrung der für ihn unumstößlich feststehenden Ordnung nicht mehr eintreten wird (21,13)6. In dem Eingehen auf das Schicksal seines Volkes spiegelt sich Resignation wider. Es ist in den Augen „Baruchs" eine Geschichte des Verfalls. Was nützt Israel schon seine großartige Vergangenheit angesichts seines gegenwärtigen Siechtums (21,14.15)? In die Erkenntnis, daß Israel nicht mehr das ist, was es einst war, mischt sich jedoch auch die Zuversicht, daß dieser Zustand nicht endgültig sein, sondern sich wieder zum Positiven verändern wird (21,16). Dahinter steht die unverbrüchliche Gewißheit, daß die Gegenwart nur von ihrem Ende her einen Sinn bekommen kann (21,17). Diese Zuversicht beruht bei „Baruch" zum einen auf der außer Zweifel stehenden Geltung des TunErgehen-Zusammenhangs und zum anderen auf dem ungebrochenen Vertrauen in Gottes Verheißung (vgl. 21,21). Nur angesichts eines Endes, durch welches die Weltordnung gewährleistet bleibt, kann die gegenwärtige Situation als sinnvoll erscheinen. Auf dieses Ende richtet sich die Sehnsucht 3 4 5 6

Vgl. Rom 4,17. Vgl. Brandenburger, Adam, 36 und Harnisch, 223. Vgl. N . Messel, Die Einheitlichkeit der jüdischen Eschatologie, BZAW30,1915, 39. Zu 21,13 vgl. l.Kor 15,19.

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„Baruchs" (21,19). Seine Bitte an Gott um die Verwirklichung seiner Zusagen zielt neben dem Wunsch nach Änderung der Verhältnisse darauf, die Wahrheit des Wortes Gottes zu erweisen und zugleich den Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen vor dem Zerbrechen zu bewahren. In der Interpretation der Gegenwart als einer Phase der „Langmut" zeigt sich ein weiterer Versuch, zu einer Sinngebung des Schicksals Israels zu gelangen. Diese Spanne bedeutet eine Zeit der Geduld Gottes, die die Möglichkeit zur Umkehr und Buße beläßt. Das Flehen „Baruchs", Gott möge durch die Erfüllung seiner Verheißungen denen, die seine Langmut für Schwäche halten, seine Macht demonstrieren, läßt seine eigene Ohnmacht spüren. Zugleich aber drückt es auch seinen Wunsch nach Vergeltung an denen aus, die für das jetzige Geschick Israels verantwortlich sind (21,20). Denen, die nicht wissen, daß der Untergang Jerusalems und der momentane Zustand Israels Ausdruck der göttlichen Langmut sind, die diese Zeit also nicht als eine Chance zur eigenen Umkehr ansehen, soll Gott dies durch das Herbeiführen des Endes vor Augen halten. Daß die Gegenwart so zu deuten ist, leidet für „Baruch" keinen Zweifel. Es liegt für ihn in der Tatsache begründet, daß Gott Israel um seines Namens willen sein geliebtes Volk genannt hat. Soll diese Zusage ihre Gültigkeit behalten, und daran zweifelt „Baruch" nicht, kann die gegenwärtige Verfassung Israels nur als eine vorübergehende gedacht werden (21,21). „Baruch" beschließt sein Gebet mit dem dringenden Appell nach einem so baldigen Eintritt des Endes, daß keine Menschen mehr vorher sterben (21,22.23). Er erinnert Gott an seine Zusage, daß er die Welt um Abrahams, Isaaks, Jakobs und ihrer Nachkommen willen geschaffen habe. Viele Jahre seien bereits verstrichen. Nun möge Gott endlich seine Herrlichkeit zeigen und mit der Erfüllung seiner Verheißungen nicht länger zögern (21,24). Auffällig an „Baruchs" Gebet zu Gott ist die Tatsache einer offenkundigen Diskrepanz zwischen den Aussagen über Gott, zu denen „Baruch" im Vollzuge des Gebets gelangt, und der Art seines Umgangs mit bzw. seines Einwirkens auf Gott. Zum einen stellen die Attribute, die er Gott beilegt, Gott als den dar, der in völliger Freiheit und Ungebundenheit der Welt und den Menschen gegenübertritt. Er kann nach eigenem Gutdünken tun, was er will (vgl. 21,7), ist allmächtig und allwissend. Dies wird durch verschiedene Hoheitsprädikate und die Beschreibungen der außerordentlichen Größe seiner Fähigkeiten und seines Tuns wiederholt zum Ausdruck gebracht. Dem steht auf der anderen Seite ein Verhalten „Baruchs" gegenüber, das erkennen läßt, daß er Gott als total in seine Verheißungen eingebunden sieht. Ihnen gegenüber ist Gott völlig unfrei. Er hat sich zu Israel als seinem Lieblingsvolk bekannt. Er hat sich festgelegt und wird nun von „Baruch" auch auf seine Zusage festgelegt. „Baruch" geht von der unbedingten Notwendigkeit ihrer Erfüllung aus. Er klagt sie geradezu ein.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Eine weitere Zwangsläufigkeit, der sich auch der freie und allmächtige Gott nicht entziehen kann, resultiert für „Baruch" aus der Aufteilung der Menschen in Sünder und Rechtschaffene. Ihnen muß ein ihrem Lebenswandel entsprechendes Geschick zuteil werden. Etwas anderes ist nicht denkbar. Gott wird von „Baruch" als der Freie und Allmächtige proklamiert, tatsächlich jedoch in unabdingbare Notwendigkeiten und feststehende Zusammenhänge eingebunden. Er wird auf seine Voraussetzungen in einer Weise festgelegt, die das Postulat seiner Freiheit faktisch aufhebt. In dieser Spannung spiegelt sich ein Problem wider, das als solches innerhalb des Buches nicht ausdrücklich reflektiert wird. Von „Baruch" wird es nicht eigens - etwa als ein Widerspruch innerhalb Gottes selbst - thematisiert. Diese Spannung übersteigt vielmehr den Rahmen der literarischen Gestalt Baruchs. Sie weist bereits auf ein Problem hin, das die Position des Verfassers der Schrift betrifft. Die literarische Gestalt „Baruch" steht vor der doppelten Schwierigkeit, daß die Zusagen Gottes an sein Volk mit dessen vorfindlicher Realität kollidieren und daß kein innerweltlicher Raum mehr für die Lösung der Frage nach dem unterschiedlichen Geschick der Sünder und der Rechtschaffenen zu verbleiben droht (vgl. 21,11-13). Auf der Darstellungsebene wird dieses Problem durch die Hoffnung auf ein Ende und einen Wandel der Verhältnisse - notfalls in einem kommenden Leben (21,13), lieber aber noch vorher (21,23) - zu lösen versucht. Im folgenden wird zu prüfen sein, wie die Antwort auf das Gebet „Baruchs" lautet, die innerhalb der Darstellung durch eine Himmelsstimme erfolgt. Dabei wird darauf zu achten sein, ob auch sie etwas von der Spannung erkennen läßt, die für die Ausführungen „Baruchs" charakteristisch ist. Dies wäre ein zusätzliches Indiz dafür, daß diese Spannung unabhängig von den ausdrücklich erklärten Absichten eines „Baruch" oder einer Himmelsstimme existiert. Es läge damit ein weiterer Rückverweis auf den hinter beiden literarischen Gestalten stehenden Autor vor. 7

3.2.2 SyrBar 22-32: Die endzeitliche Vollendung durch Gott Die Antwort der Himmelsstimme auf „Baruchs" Gebet ist in syrBar 22-30 durch vier Zwischenbemerkungen „Baruchs" in 23,1; 24,3.4; 26 und 28,3-7 unterbrochen. Literarisch dienen diese Unterbrechungen der Strukturierung der Antwort und treiben diese gleichzeitig in bestimmter Richtung voran. 22,1-8 geht auf „Baruchs" Erregung ein und versucht, ihn durch eine Reihe in Frageform formulierter Beispiele davon zu überzeugen, daß die gegenwärtige Lage von Gott her nur einen Sinn ergibt, wenn die Vollendung folgt. 7

Vgl. Harnisch, 118.

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Andernfalls wäre Gott nicht Gott. Er verhielte sich sonst wie jemand, der einen Weg nicht zu Ende geht oder eine Seereise nicht bis zum Zielhafen durchführt und sich darüber zufriedengibt (22,3). Er benähme sich wie einer, der ein Geschenk zu machen verspricht, es dann aber nicht tut - also nach Ansicht der Himmelsstimme quasi wie ein Dieb (22,4). Das aber, so kann die Himmelsstimme voraussetzen, ist in bezug auf Gott ausgeschlossen. Uber diesen wie vier weiteren Bildworten soll sich „Baruch" beruhigen und zu neuer Gottesgewißheit gelangen. Die Himmelsantwort setzt damit bei dem Problem einer Sinngebung der Jetzt-Zeit ein und nimmt dabei die Voraussetzung auf, die bereits in „Baruchs" Gebet sichtbar wurde, und bestätigt sie. Die Gegenwart ergibt nur einen Sinn vor dem Hintergrund einer von ihr unterschiedenen Zukunft 8 . Zugleich versichert sie, daß die kommende Erlösung nahe ist und nicht mehr so weit entfernt wie ehedem Auch die zweite Fragestellung „Baruchs" nach einer individuellen ausgleichenden Gerechtigkeit wird von der Himmelsstimme angesprochen. Der Tag des Gerichts wird kommen und dann, so wird „Baruch" zugesagt, wird er mit vielen anderen die Langmut des Höchsten erblicken (24,1.2). Mit dieser Erwiderung gibt sich „Baruch" jedoch nicht zufrieden. Ihn interessiert, wie es sich bereits in seinem Gebet andeutete (21,20.21), neben dem Zeitpunkt des Endes, das Geschick seiner und Israels Feinde (24,4). Daraufhin wird er auf das Ende der Zeiten verwiesen, das sich durch eine Phase der allgemeinen Drangsal ankündigen wird. Wenn diese zu ihrem Höhepunkt gelangt ist und die Menschen bereits die Hoffnung auf Gott aufgegeben haben, dann wird die neue Zeit erwachen (25,1-4). Es schließt sich die Frage „Baruchs" nach der Länge der Drangsale und der Not an (26), die von der Himmelsstimme breit entfaltet wird (27,1-28,2). „Baruch" fragt weiter nach dem Ort dieser Ereignisse (28,7) und erhält zur Antwort, daß diese Geschehnisse die ganze Erde betreffen werden (29,1.2). Chiliastische Vorstellungen prägen die Darstellung des sich anschließenden Zeitraums von der Offenbarung bis zum Weggang des Messias (29,3-30,1). Danach kommt das endgültige Ende aller Zeiten, eingeleitet durch die Auferstehung derer, die in der Hoffnung auf den Messias gestorben sind (30, l) 9 . Dann wird die Seelen der Gerechten und der Gottlosen das ihnen zukommende Geschick erreichen (30,2-5) 1 0 . Nachdem ihm dies mitgeteilt worden ist, tritt „Baruch" vor das Volk, um es auf die ihm geoffenbarten kommenden Leiden vorzubereiten (31.32). Für die vor ihm liegende Zeit verweist er es als einzige Vorbereitung auf das 8

Vgl. 21,17.

Laut U . B . M ü l l e r , Messias und Menschensohn in jüdischen Apokalypsen und in der Offenbarung des Johannes, S t N T 6, 1972, 143, liegt in dem Ausdruck „in Hoffnung auf ihn" eine christliche Interpolation vor. 9

10

Vgl. dazu Harnisch, 224.225.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Gesetz. Es wird die Menschen in der bevorstehenden Erschütterung der Schöpfung durch Gott bewahren (32,l) 1 1 . Für die Antwort der Himmelsstimme gilt grundsätzlich das gleiche wie für das Gebet „Baruchs": Auch für ihre Denkweise sind Voraussetzungen charakteristisch, die bereits für das Denken „Baruchs" kennzeichnend waren. Wie „Baruch" versteht sie Gott zwischen Freiheit und Bindung, wie er ist auch sie bemüht, vor dem Hintergrund dieses Verständnisses Gottes beiden Polen dieser spannungsvollen Einheit gerecht zu werden. Als Antwort auf „Baruchs" drängendes Flehen bestätigt sie zunächst die Richtigkeit seiner Denkkategorien. Der Anfang, d. h. der jetzige Zustand, muß im Zusammenhang mit dem Ende gesehen werden. Die Jetzt-Zeit darf nicht verabsolutiert werden. Sie wäre sonst sinnlos, und Gott wäre nicht Gott. Ebenso erfährt die zweite Voraussetzung im Denken „Baruchs" eine Bestätigung. Der Zusammenhang zwischen dem individuellen Verhalten und dem Schicksal der Menschen wird gewahrt bleiben. Gottes ausgleichende Gerechtigkeit wird sich schließlich am Ende durchsetzen. Die Himmelsstimme setzt wie „Baruch" die Bindung Gottes an Israel voraus und geht von deren unbezweifelbarer Gültigkeit aus. Während „Baruch" in seinem Gebet bei der Allmacht und Freiheit Gottes einsetzte, knüpft die Himmelsstimme zunächst an den Gedanken der Gebundenheit Gottes an. Für sie gilt geradezu: Nur wenn Gott der Gegenwart einen Sinn gibt, d. h. die Verhältnisse am Ende ändert, erweist er sich als Gott. Nur dann ist von ihm überhaupt als von Gott zu reden (22,3-8). Indem die Himmelsstimme jedoch für die Realisierung des endgültigen Heils weiten Raum läßt, bringt sie auch den Aspekt der Freiheit Gottes zum Zuge. Zwar hängt Gottes Gottheit tatsächlich an der Erfüllung seiner Verheißung, aber über die Umstände und Zeit verfügt er allein 12 . Für die von „Baruch" und der Himmelsstimme vorgenommene Deutung der Gegenwart von Gott her gilt damit in gleicher Weise, daß das sich in ihr aussprechende Gottesverständnis der Bestätigung vorhergehender Voraussetzungen dienen soll. Gottes Freiheit, Allmacht und Alleinwirksamkeit gibt den allgemeinen Rahmen ab, innerhalb dessen beide von Gott reden. Worauf es beiden aber entscheidend ankommt, ist seine Selbstbindung an Israel. Angesichts einer ihr entgegenstehenden Realität wird sie von beiden so stark Vgl. Harnisch, 209. Nach Auffassung von Charles, 2 Baruch, 475, liegt in 27-30,1 ein älteres Traditionsstück aus der Zeit vor 70 n. Chr. vor. Selbst wenn diese Ansicht zutrifft, behält jedoch das für die Himmelsstimme als charakteristisch herausgearbeitete Profil seine Gültigkeit, da es vorwiegend auf der Interpretation der Kapitel 2 2 - 2 5 beruht. Allerdings fügen die Kapitel 27-30,1 sich dem sinnvoll zu. Sie unterstützen die Tendenz, den Handlungsspielraum des zwischen Gebundenheit und Freiheit verstandenen Gottes durch eine Dehnung der Zeit zu wahren. Ablehnend gegenüber Charles' literarkritischen Operationen: P. Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter nach den Quellen der rabbinischen, apokalyptischen und apokryphen Literatur, 1934, 42. Zum Verhältnis der Erwartung eines in Kürze eintretenden Heils zu der retardierenden Tendenz vgl. Harnisch, 319. 11

12

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betont, daß dadurch unter der Hand sogar die postulierte Freiheit Gottes berührt wird. Da diese Beobachtung auf beide literarische Gestalten zutrifft, ist zu vermuten, daß hier die eigentliche Intention des Verfassers zum Vorschein kommt 13 . Angesichts eines desolaten Zustands Israels will dieser seinen Lesern Trost spenden, indem er sie der Bindung und der Verheißungen Gottes an Israel versichert. Dieses Anliegen vertritt er derart vehement, daß es dadurch zu einer Spannung zu dem explizit von ihm vertretenen Gottesverständnis kommt.

3.2.3 SyrBar 84.85: Der Allmächtige und sein Gesetz Ein die syrische Baruch-Apokalypse durchziehendes Motiv, die Einschärfung der Bedeutung des Gesetzes, wird gegen Ende des das Buch abschließenden Briefes „Baruchs" an das Volk noch einmal zusammenfassend vorgetragen. Nachdem „Baruch" in Kap. 83 von der Gewißheit des kommenden Endes gezeugt hat, kommt er in Kap. 84 auf die Gebote und das Gesetz des Allmächtigen zu sprechen. Er erinnert an Mose, der bereits das Schicksal seines Volkes von dessen Gesetzesgehorsam abhängig gemacht hat (84,2). „Baruch" schließt sich Moses Auffassung ausdrücklich an (84,6). Das Gesetz bietet für ihn einen universalen Schlüssel zum Verständnis der Wirklichkeit. Die Katastrophen Israels führt er von Mose an auf den Ungehorsam und die Übertretung des Gesetzes zurück. Hinter dieser monokausalen Ableitung des nationalen Unglücks steht ein ausgeprägtes Wissen um die eigene Unzulänglichkeit. Es betrifft selbst die eigene Person „Baruchs", der trotz seiner Bemühungen und seiner exponierten Stellung die Notwendigkeit zu einer Entschuldigung gegenüber der Instanz sieht, die ihn gesandt hat (84,7). Dieser Sichtweise entspricht das Gefühl der totalen Abhängigkeit von dem allmächtigen Gott. Seiner Gnade weiß „Baruch" sich und sein Volk auf Gedeih und Verderb ausgeliefert (84,10.11). Denn während es in früheren Zeiten Fürsprecher bei Gott gab, 13 Problematisch ist der Versuch Klijns, die Aussageabsicht des Verfassers auf ausgewählte Aussagen „Baruchs" mit der Begründung zu reduzieren, diese Stücke handelten „von Dingen, die an anderer Stelle nicht vorkommen, während Dinge, die anderswo genannt werden, hier nicht zur Sprache kommen" (111). Durch diese unmittelbare Identifikation des Verfassers mit bestimmten Aussagen „Baruchs" wird das Verfasserprofil jedoch verkürzt. Sie läßt außer acht, daß die zum Verständnis des Verfassers wesentlichen Züge erst hinter den beiden literarischen Gestalten zum Vorschein kommen. Die von Klijn vorgenommene Identifizierung bekommt daher allenfalls einen Teil des Profils des Verfassers in den Blick. Zurückzuweisen ist darüber hinaus der weitergehende Versuch Klijns, Beobachtungen inhaltlicher Art - „Die Visionen enthalten Themen, die bis jetzt noch keine Erwähnung fanden" (117) - als Argumente für eine Quellenscheidung anzuführen (111-113). Er fragt nicht danach, inwieweit sich hinter unterschiedlichen Aussagen eine einheitliche Gesamtanschauung ausdrückt.

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Rechtschaffende und heilige Propheten, die aufgrund ihrer guten Werke fürbittend für Israel eintraten, ist das Volk nun allein (85,1-3). „Nichts haben wir jetzt mehr, nur den (All-)mächtigen noch und sein Gesetz." 1 4 Damit ist das Gesetz nicht nur die einzige Instanz vor Gott, sondern auch die einzige Vermittlungsmöglichkeit einer Beziehung zu Gott. Während früher die Menschen noch auf einen Beistand vor Gott hoffen durften, sind sie nun ganz und gar auf das Gesetz angewiesen. Das Gesetz hat damit quasi dessen Rolle mitübernommen. Zwangsläufig ist ihm die Funktion des Fürsprechers zugewachsen 15 . Das vergrößert seine Bedeutung für den Menschen noch mehr als es bisher ohnehin schon der Fall war. Diese Übertragung der Funktion erklärt die hohe Erwartung, die bei „Baruch" gegenüber dem Gesetz zu beobachten ist. Ein intaktes Verhältnis zum Gesetz zieht nach seiner Auffassung zwangsläufig ein heiles Gottesverhältnis nach sich. Dies wird sich im reichlichen Empfang der Heilsgaben niederschlagen (85,4-6). Daher ist eine gebührende Vorbereitung notwendig, damit Israel nicht zusammen mit seinen Feinden Strafe erleiden muß (85,9). Beim Ende, dessen Eintreten als unmittelbar bevorstehend erwartet wird (85,10), wird nämlich weder Zeit zur Reue noch die Möglichkeit der Fürsprache gegeben sein. Dann wird das Gericht zum Untergang verkündet werden. Darum sind alle an das eine Gesetz verwiesen, das durch den einen Gott gegeben ist. Der einen Welt entspricht ein Ende für alle Dinge in ihr (85,12-14). Bei diesem Ende wird Gott die einen lebendig machen und entsündigen, die anderen aber, die durch ihre Sünden befleckt sind, verderben (85,15). Die Spannung zwischen Freiheit und Gebundenheit im Verständnis Gottes kommt auch in dieser Passage des Buches zum Ausdruck. Einerseits wird der Mensch als völlig von Gott abhängig gesehen. Andererseits wird die Vorstellung von Gottes Allmacht eingebunden in eine Auffassung vom Gesetz, die dem Menschen eine klare Perspektive für das Gericht am Ende verschafft. Zwar ist der Mensch völlig auf die Gnade Gottes angewiesen (84,11), aber gleichzeitig besteht die berechtigte Hoffnung, daß der irdische Gehorsam gegenüber dem Gesetz im Gericht seine Früchte tragen wird (85,4). Gott wird als der Freie bekannt. Zugleich aber verkündet „Baruch" die Uberzeugung, daß Gottes Gnade und der Gesetzesgehorsam des Menschen die schließliche Errettung erbringen werden 16 .

14 15 16

SyrBar 85,3 zitiert nach Klijn, 182. Das wird nicht deutlich bei Rössler, 71.72. Vgl. 85,15.

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3.2.4 Leben vor Gott in einer gott-leeren Welt Nicht nur aufgrund der ihm zugesprochenen Hoheitsprädikate zeugt die syrische Baruch-Apokalypse von einem Gott, der weit über den Menschen steht. Auch die Tatsache, daß eine heilbringende Begegnung mit Gott für die Menschen erst nach einem in zeitlicher Ferne befindlichen Ende in Aussicht steht, ist ein Ausdruck der Distanz zwischen Gott und Mensch, die sich in dieser Schrift ausspricht. Eine direkte, unmittelbare, heilvolle Beziehung zwischen beiden in der Gegenwart ist für den Verfasser des Buches kein Thema. Dieses Vakuum wird im syrBar durch das Gesetz ausgefüllt 17 . Es steht als die Instanz, an der sich der Mensch zu orientieren hat, in einer gottleeren Welt. Über das von Gott gegebene Gesetz 18 wird die Verbindung zwischen den Menschen und dem ferngerückten Gott aufrecht erhalten. Dabei kommt dem Gesetz über seinen normativen Charakter hinaus die Funktion zu, die für die Zeit nach dem Ende erwartete heilvolle Begegnung derer mit Gott zu gewährleisten, die sich an sein Gesetz gehalten haben. In diesem Sinne wird das Gesetz geradezu zu einer Brücke zu Gott. Es nimmt die Rolle eines Fürsprechers ein, der denen, die sich an seine Ordnungen gehalten haben, den Eintritt in das Heil ermöglicht. Es hat eine Mittlerfunktion inne und ist zugleich selbst das Mittel, das dem Menschen zur Vorbereitung auf die heilvolle Gottesbegegnung an die Hand gegeben ist. In einer heillosen Zeit wird auf diese Weise in syrBar versucht, Hoffnung und Heilsgewißheit zu vermitteln. Dem Gott der totalen Allmacht, zu dem sich der Verfasser von syrBar ausdrücklich bekennt, wird das Unberechenbare und Erdrückende genommen, indem seine Selbstfestlegung zugunsten Israels hervorgehoben und festgehalten wird. Dem entspricht ein Gesetzesverständnis, das darauf abzielt, denen zur Heilsgewißheit zu verhelfen, die sich auf das Gesetz verlassen und es halten. Für sie sollen sowohl die Schrecken der Gegenwart als auch die des kommenden Endes ihre Bedrohung verloren haben. Ihnen wird sich der allmächtige Gott in seiner heilvollen Zuwendung zeigen.

3.3 Qumran Die Auswahl der Texte aus den Schriften der Gemeinde von Qumran zielt darauf, ein möglichst breites Spektrum von Themen für die Untersuchung zu 17 Vgl. Harnisch, 245: „der geschichtsferne Gott läßt sich im Bereich der Geschichte durch das Gesetz vertreten". 18 Vgl. 77,3.

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erfassen. Um zu einem differenzierten Verständnis der Rede von Gott in Qumran zu gelangen, soll erhoben werden, wie in den Schriften der Gemeinde von Gott in bezug auf Schöpfung, Prädestination, Gericht, Gesetz, Bund, Heil und Mensch gesprochen wird 1 . Die herangezogenen Stellen geben dabei exemplarisch die in Qumran vertretene Auffassung zu den jeweils genannten Themen wider.

3.3.1 1QM 10,8-16 und 1QH 1,1-20: Gott der Schöpfer Die Frage nach Gott in 1QM 10,8: Wer ist wie du, Gott Israels? impliziert bereits den Gedanken der Unvergleichbarkeit Gottes 2 . Dies wird durch die Entgrenzung des Raumes, in dem nach jemand Vergleichbarem gesucht werden könnte, unterstrichen: |HX31 Df'öjttb - S'ö. Die Fortsetzung der Frage enthüllt zwei weitere Elemente, die für die hier vorliegende Rede von Gott konstitutiv sind. Zum einen zielt die Frage nach jemandem, der dem Gott Israels vergleichbar wäre, nicht auf dessen Wesen, sondern auf sein Tun. Wer ist es, der es den großen Werken und der kraftvollen Stärke des Gottes Israels gleichtäte (HfrST)? Auch die Stärke bezeichnet dabei nicht eine Eigenschaft Gottes. Vielmehr ist in Entsprechung zu den Werken von einer Stärke die Rede, die sich in den Taten äußert. Zum anderen ist die Frage nach jemandem, der dem Gott Israels gleichkäme - und die darin implizierte Voraussetzung seiner Unvergleichbarkeit - gekoppelt an die ebenfalls als Frage formulierte und die gleiche Prämisse enthaltende Feststellung der Einzigartigkeit des Volkes Israel. Dessen besonderer Charakter liegt in seiner Erwählung begründet (Z. 9). Wie das Volk Israel im einzelnen näher zu charakterisieren ist, erläutern Z. 10 und 11. Es ist davon auszugehen, daß die Sektenmitglieder die Aussagen auf sich selbst beziehen 3 . Z. 12 stellt geradezu eine Definition Gottes dar. Gott ist Π ' ^ Β » 'pim p X ΚΠ3Π. Auffallend ist die hier vorgenommene Zweigliederung. Gott ist nicht, wie in Gen 1 zusammenfassend ausgedrückt wird, Schöpfer des Himmels und der Erde. Vielmehr wird seine Schöpfertätigkeit bereits spezifiziert. Mit der Erschaffung der Erde hat er auch die Gesetze ihrer Einteilung geschaffen. Worauf diese sich beziehen, wird in Z. 13-15 einzeln aufgezählt. Diese Aufzählung erscheint zunächst wenig spektakulär und wäre in Z. 13 und 14 a als freie Paraphrase im Anschluß an Gen 1 vorstellbar 4 . Jedoch treten ab Z. 14 b mit Textausgabe: Die Texte aus Qumran, Hebräisch und Deutsch, hg. v. E. Lohse, 3 1981. Vgl. S. Schulz, Zur Rechtfertigung aus Gnaden in Qumran und bei Paulus, ZThK 56, 1959, 155-185, 156: „Grundlegend für die theologischen Anschauungen der Sekte ist das hymnische Lob der Einzigartigkeit, Kraft, Erhabenheit, Herrlichkeit, Weisheit und Ewigkeit Gottes." 3 Lichtenberger, 185. 4 Laut Lichtenberger, 170, gehören bereits V. 11 und 12 zur „Aufzählung der Schöpfungswerke" hinzu. Nach Lichtenbergers Meinung ist diese Aufzählung „offenbar am Vorfindlichen 1

2

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dem Motiv der Sprachenverwirrung und der Völkerzerstreuung bereits spätere Elemente der Urgeschichte hinzu. Woran dem Verfasser mit seiner Aufzählung eigentlich gelegen ist und worauf er abzielt, zeigt Z. 15 Ende. Auch die Ordnung der heiligen Festzeiten und der Wenden der Jahre und der ewigen Zeiten ist bereits bei der Erschaffung der Erde gesetzt worden. Der für die Qumrangemeinde zentrale Festkalender 5 ist bereits konstitutiver Bestandteil der Schöpfung. Das Wissen über all dies bezieht die Gemeinde aus ihrem Fundus besonderer Erkenntnis (Z. 16). Um einen Schöpfungshymnus wie in 1QM 10,8ff. handelt es sich auch in 1QH 1,1-20. Dieser unterscheidet sich von 1QM 10,8ff. im wesentlichen durch sein deterministisches Gepräge. Dort waren solche Züge nicht zu beobachten 6 . In den Rahmungen der beiden Hymnen lassen sich zwei Ubereinstimmungen feststellen: Dem Gedanken der Unvergleichbarkeit Gottes in 1QM 10,8 entspricht die Formulierung in 1QH 1,20: 'S "?371 n f r y X"7 •pu/'nai Vis rr [na naaix-l]. Der Rekurs auf den besonderen Ursprung der Erkenntnis in 1QM 10,16 besitzt eine Entsprechung in 1QH 1,21. Innerhalb des Hymnus ist in 1QH 1,6 wie in 1QM 10,8 von Gott im Zusammenhang seiner Werke die Rede. In ihnen erweist sich seine Gerechtigkeit. Z. 7 stellt Gottes Vorherwissen heraus, das bereits vor der Schöpfung die gesamte Schöpfung umfaßt. Nichts wird ohne Gott getan, nichts ohne seinen Willen erkannt (Z. 8). Es folgen als zentrale Schöpfungsaussagen: Du hast jeden Geist gebildet (Z. 8/9), du hast die Himmel ausgespannt (Z. 9), du hast die Erde geschaffen (Ζ. 13) 7 . Daran anschließend wird die Erschaffung des Menschen genannt (Z. 15). Es folgt die Festlegung des Geschichtsverlaufs (Z. 16-19). Mit dem Verweis auf die Prädestination des Menschen schließt der Hymnus ab (Z. 19.20). Gott wird in 1QH 1,1-20 als der gepriesen, dessen Größe und Herrlichkeit sich in seinem Schöpfungshandeln zeigt. Bis ins einzelne hinein hat er den Lauf der Welt vorausgeplant. Die Hervorhebung seines prädestinatianischen Handelns dient der Unterstreichung seiner uneingeschränkten Hoheit, der der Mensch untergeordnet ist 8 . In beiden Hymnen wird Gott über sein planendes und ordnendes Schöpfungshandeln begriffen. Der Mensch wird entweder als ein dem umittelbar orientiert". Lichtenberger zitiert dazu R. Albertz, Weltschöpfung und Menschenschöpfung bei Deuterojesaja, Hiob und in den Psalmen, Diss, theol., Heidelberg 1971, 383, „der von einer ,mehr an den Naturphänomenen orientiertefn] sachliche[n] Gliederung' spricht" (Lichtenberger, 170 Anm. 29). 5 Vgl. etwa 1QS 1,14.15; 10,6-8; 1QM 2 , 1 - 4 ; 1QH 12,4-11; lQpHab 11,8. Vgl. dazu J. Maier/K. Schubert, Die Qumran-Essener. Texte der Schriftrollen und Lebensbild der Gemeinde, UTB 224,1982, 53-55. 6 Vgl. Lichtenberger, 172. 7 Vgl. Lichtenberger, 164. 8 Zu Z. 15 vgl. Lichtenberger, 165.

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sinnvoll eingeordnetes Glied gesehen (1QH 1,15-20) oder als über die bereits mit der Schöpfung 9 selbst gegebenen Ordnungen eingegliedert verstanden (1QM 10,15). 3.3.2 1QH 15,12-20 und 1QS 3,13-4,26: Gottes Vorherbestimmung Gottes Vorherwissen und der Gedanke der Determination erwiesen sich bereits für den Schöpfungspsalm 1QH 1,1-20 als prägend. Neben deterministische Aussagen treten in 1QH 15,12-20 10 deutlich prädestinatianische Züge. Eingeleitet wird der Abschnitt in Z. 12 durch den Hinweis auf Gott als die Erkenntnisquelle der nachfolgenden Ausführungen. Dabei wird mit der Wendung "ΙΓΠ'33 T U n ' die gleiche Formulierung benutzt wie in 1QM 10,16 und 1QH 1,21. In streng deterministischer Weise ist zunächst die Rede davon, daß der Weg des Menschen nicht bei ihm selbst liegt, sondern bei Gott (Z. 12/13). Bereits vor seiner Erschaffung hat Gott seinen Beschluß über ihn gefaßt (Z. 14). Gottes Allmacht wird unterstrichen durch die sich anschließende Frage Π3 , - Ι3Τ ΠΚ Π W H 1 ? V l 3 "73V ΓΟ'ΝΙ. Mit Z. 15 verschiebt sich der Akzent vom Gedanken der Determination stärker auf den prädestinatianischen Aspekt des Handelns Gottes 11 . Mit der Aussage „Gott hat den Gerechten für die Zeit des Wohlgefallens bestimmt" richtet sich der Blick auf die Frage nach dem Heil des Menschen. In Entsprechung dazu wendet sich Z. 17 dem Geschick der Gottlosen zu. Ihre Vernichtung steht von Mutterleib an fest. Dennoch wird in Z. 18 eine Begründung für ihren Untergang nachgeliefert, die sich auf ihren Lebenswandel bezieht. Die Frevler sind von Geburt an dem Verderben geweiht und gleichwohl selbst verantwortlich für ihren Untergang. Gott hat sie dazu bestimmt, an ihnen seine Gerichte zu vollziehen. Sie sollen auf diese Weise zu einem Zeichen werden, damit man Gottes Herrlichkeit erkennt (Z. 19/20). 9 Der Terminus „Vorherbestimmung" soll als Oberbegriff dienen, um sowohl von Gottes determinierendem als auch von seinem prädestinierenden Handeln sprechen zu können. Zur Begriffsbestimmung im einzelnen vgl. K.H. Miskotte, Art. Determinismus, 3 R G G II, 1958 (Ungek. Studienausgabe 1986), 97-100; C.-H. Ratschow, Art. Prädestination I, 3 R G G V, 1961 (Ungek. Studienausgabe 1986), 479-481. Mit Lichtenberger, 186.187 soll im folgenden zwischen Prädestination und Determination so unterschieden werden, daß unter Prädestination die Vorherbestimmung zum Heil oder Unheil verstanden wird und unter Determination die Festlegung des Ablaufs „der himmlischen und meteorologischen Phänomene... wie die Folge der menschlichen Geschlechter und ihre Ausbreitung auf der Erde" durch Gott (186). 1 0 Zur Struktur des Textabschnitts vgl. Kuhn, 104-111. Ε. P. Sanders, Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstrukturen, StUNT 17, 1985, 243-244, liefert zwar eine Ubersetzung von 1QS 3,18-25 und 1QH 15,13-19, wertet die Texte aber nicht detailliert für die Fragestellung aus. Vgl. auch Osten-Sacken, Belial, 95: Das Geschehen am „eschatologischen Kampftag Gottes" „wird beherrscht vom Handeln des Gottes Israels". 1 1 Vgl. Lichtenberger, 187.

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Das Problem der Herkunft des Bösen wird in 1QS 3,13-4,26 in anderer Weise zu lösen versucht, wobei allerdings auch hier der Gedanke, die Einheit Gottes zu bewahren, leitend bleibt. Der Einleitungsabschnitt 3,13-15 a formuliert als Thematik der nachfolgenden Ausführungen die in einem umfassenden Sinn verstandene Frage nach dem „Ursprung aller Menschenkinder". Z. 15 b gibt thetisch die Antwort: „Vom Gott der Erkenntnis kommt alles Sein und Geschehen." Auf diese Weise wird zunächst Gottes Allmacht und Alleinwirksamkeit festgestellt. Z. 15 c bezieht sich auf diese Aussage und unterstreicht sie. Gott hat vor der Erschaffung der Dinge ihren Plan festgelegt. Zu seiner Gottheit gehört, daß die Dinge nach ihrer Erschaffung ihr Werk gemäß seinem Plan vollenden, und zwar ohne jede Änderung (Z. 16). Er schuf den Menschen zur Herrschaft (Z. 17) über den Erdkreis und setzte ihm zwei Geister, in denen er wandeln sollte (Z. 18) - wobei dafür mit dem Zeitpunkt der Heimsuchung eine zeitliche Begrenzung gesetzt ist. Wahrheit und Frevel werden mit Licht und Finsternis in Beziehung gebracht (Ζ. 19) 12 , die Söhne der Gerechtigkeit stehen unter der Herrschaft des Fürsten des Lichts (Z. 20), die Söhne des Frevels unter der Herrschaft des Engels der Finsternis (Z. 21). Zugleich ist der Engel der Finsternis jedoch auch für die Verfehlungen und Drangsale der Söhne des Lichts verantwortlich (Z. 21-24). Damit wird das Problem zu bewältigen versucht, „daß die Gerechten sündigen, obgleich sie unter der Herrschaft des ,Lichtfürsten' stehen" 13 . Hilflos ausgeliefert sind sie dem Engel der Finsternis damit jedoch nicht, da ihnen der Gott Israels und der Engel seiner Wahrheit hilfreich zur Seite stehen (Z. 24/25 a). Z. 25 knüpft wieder an die Schöpfungsaussage von Z. 18 an. Gott hat die beiden Geister des Lichts und der Finsternis geschaffen und auf sie „jedes Werk gegründet". Auf diese Weise bleibt Gott in seiner Einzigkeit als Schöpfer unangetastet, Gutes und Böses werden auf die beiden Geister zurückgeführt. Gott ergreift Partei für den Engel der Wahrheit zugunsten der Söhne des Lichts. Das Handeln der beiden Geister wird in einem Tugend- und einem Lasterkatalog dargestellt ( 4 , 2 - 6 . 9 - l l ) 1 4 . Entsprechend ihrem Verhalten erfahren die Menschen Heil oder Unheil (4,6-8.12-14). Damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen der mit den Katalogen bezweckten paränetischen Ausrichtung und der prädestinatianischen Zuordnung des Menschen zu den beiden Geistern. Beides schließt sich nicht aus. Trotz der Einbindung in einen prädestinatianischen Zusammenhang behält die Paränese ihre Funktion. Sie dient dem Frommen zur Orien12 13 14

Zu Z. 17-19 vgl. Osten-Sacken, Belial, 131-148. Lichtenberger, 129. Vgl. Osten-Sacken, Belial, 120-121 und 150-158.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

tierung. Die Verknüpfung von Recht- und Unrechttun mit Heil und Unheil besitzt zugleich warnenden Charakter. Außerdem ist die Möglichkeit zur Unterscheidung zwischen Frommen und Frevlern gegeben 15 . Die grundsätzliche Entscheidung über Heil oder Unheil bleibt jedoch über die Zugehörigkeit zu den beiden Geistern an die Prädestination gebunden. In 4,15-26 ist das Verhältnis der beiden Geister zum Menschen anders bestimmt. Der Mensch ist nicht mehr von dem einen oder dem anderen beherrscht, vielmehr hat er Anteil an beiden. Die beiden Geister selbst wiederum liegen im Widerstreit miteinander (Z. 17), solange bis Gott den Frevel vernichten wird (Z. 19). Danach erfolgt die Reinigung des Menschen durch Gott (Z. 20/21). Sie betrifft jedoch nicht alle Menschen, sondern nur die Gerechten, die Gott für seinen Bund erwählt hat (Z. 22/23 a). In 4,23 b-26 werden - chiastisch umgekehrt - noch einmal Aussagen aus 4,15-18 a aufgenommen 16 . Der Kampf der beiden Geister vollzieht sich nun im Herzen der Menschen 17 . Gott weiß um das Wirken ihrer Werke. Er gab den Menschen die beiden Geister zum Anteil, damit sie Gutes und Böses erkennen. Allerdings ist ihr Nebeneinander ein zeitlich begrenztes. Zum von Gott festgesetzen Zeitpunkt fällt das Urteil über den Menschen entsprechend dem Geist, der bei ihm die Oberhand besitzt. Zwei Motive sind für die Ausführungen in 1QS 3,13-4,26 von entscheidender Bedeutung. Erstens soll festgehalten werden: das Böse gründet nicht in Gott, und zweitens wird herausgestellt: es ist zeitlich begrenzt, und zwar von Gott selbst, der ihm an dem von ihm bestimmten Zeitpunkt der mipD ein Ende setzen wird. Gott wird nicht in einen Dualismus von Gut und Böse hineingezogen, sondern bleibt ihm dadurch vor- und übergeordnet, daß von Gut und Böse im Zusammenhang der zwei Geister die Rede ist. Am Tag der Heimsuchung setzt er der Geschichte mit der Vernichtung des Frevels ein Ende.

3.3.3 C D 19,5-35: Gottes Gericht Daß Gott ein Gott des Gerichts ist, ergab sich bereits aus 1QS 4,19-26, und daß sein Gericht im Zeichen der Ausrottung allen Frevels steht, stellte 1QS 4,19 ausdrücklich fest. Auch Stellen wie 1QM 15,3, 1 Q H 3,36 und 1 Q H 4,26.27 sprechen von Gottes vernichtendem Gerichtshandeln an seinen Feinden. In C D 15 16 17

Vgl. Lichtenberger, 135.136. Osten-Sacken, Belial, 22.23.185. Brandenburger, Fleisch, 97.

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19,5-35 wird das vergeltende Handeln Gottes in einer längeren zusammenhängenden Passage ausführlich thematisiert 18 . Es werden die Voraussetzungen dargestellt, unter denen Gottes Gericht-sich vollzieht. C D 19 setzt mit der auf Dtn 7,9 gründenden Zusage ein, daß Gott denen, die ihn lieben und seine Gebote befolgen, den Bund und die Gnade bewahrt i n I^X1? (Ζ. 1 und 2). Das Einhalten der Ordnung und des Gesetzes garantiert, daß die Gnadenzusage Gottes in Geltung bleibt (Z. 2 - 5 ) . Das Heil des Menschen hängt an seinem Gehorsam gegenüber dem Gesetz. Wer sich dagegen vergeht, fällt der Rache Gottes anheim. Der Zeitpunkt für diesen Vergeltungsakt wird wiederum mit dem Begriff der Heimsuchung angegeben (Ζ.6) 1 9 . Z . 7 weist laut H.Braun auf den heiligen Krieg 20 . Wenn der Messias kommt, werden die Glieder der Gemeinde gerettet, alle übrigen umgebracht werden (Z. 9-10.13). Des weiteren wird das Gericht über die ergehen, die zwar in den Bund eingetreten sind, aber nicht an den Gesetzen festhalten (Z. 14). In Z. 15-32 a wird dieser Gedanke ausgeführt, und es wird konkretisiert, in welcher Weise die Übertretungen vorzustellen sind bzw. wie sie sich vollziehen. Z. 32-33 bzw. 35 nehmen zusammenfassend den Grundgedanken von C D 19 noch einmal auf: Dem Gericht Gottes unterliegt jeder, der seine Gebote mißachtet. Ebenso trifft es alle, die zwar in seinen Bund eingetreten sind, dann aber wieder davon abgefallen oder abgewichen sind 21 . Vor dem Gott des Gerichtes, der in C D 19 gezeichnet wird, fallen die Menschen in zwei Gruppen auseinander. Den einen, die seine Gebote halten, gilt die Zusage seiner immerwährenden Gnade. Den anderen, die von seinen Geboten abweichen, wird die Vernichtung angekündigt. Davor schützt auch nicht die äußere Zugehörigkeit zur Gemeinde.

3.3.4 1QS 5,8-11; 1QH 4,9-12; C D 1,4-11; 3,10-4,1: Gesetz und Bund Der konstitutive Zusammenhang zwischen Gottes Gericht und dem Einhalten des Gesetzes bestimmte bereits die Ausführungen in C D 19,5-35.

1 8 Vgl. die Kommentierung bei M.A. Knibb, The Qumran Community. Cambridge commentaries on writings of the Jewish and Christian world 200 B C to AD 200, vol. 2 , 1 9 8 7 , 5 6 - 7 2 . Zum Verhältnis von 19,5-14 zu C D 7,9-8,2 vgl. J. Murphy-O'Connor, The Original Text of C D 7 : 9 - 8 : 2 = 19:5-14, HThR 6 4 , 1 9 7 1 , 3 7 9 - 3 8 6 . 1 9 Hier durch die Partizipialform des Verbs "TpB ausgedrückt. Vgl. 1QS 4,19.26. 2 0 H. Braun, Qumran und das Neue Testament II, 1966,269. 2 1 Zur Frage nach dem Verhältnis von Grundschrift und Überarbeitung in C D 19,33-20,22 b vgl. J. Murphy-O'Connor, A Literary Analysis of Damascus Document X I X , 3 3 - X X , 3 4 , RB 79, 1972, 5 4 4 - 5 6 4 , 5 4 4 - 5 5 6 .

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Vom Gesetz als einem entscheidenden Faktor für das Gottesverständnis der Qumrangemeinde ist wiederholt auch an anderen Stellen die Rede 22 . In 1QS 5,8-11 wird als Bedingung für den Eintritt in den Bund Gottes die Verpflichtung auf das Gesetz des Mose durch einen bindenden Eid genannt. Zugleich impliziert der Eintritt in den Bund Gottes die Separierung von denen, die nicht zur Gemeinde gehören. Diese werden als Frevler bezeichnet, die auf gottlosem Weg wandeln. Nicht lediglich die Orientierung am Gesetz des Mose, wie sie auch für andere Gruppierungen im Judentum eine Selbstverständlichkeit bedeutete, sondern die Verpflichtung auf das Gesetz, wie es in der Qumrangemeinde gehalten wurde, vermittelt damit die Beziehung zu Gott. Dies kommt auch in 1QH 4,9-12 zum Ausdruck. Der Verfasser 23 beruft sich darauf, daß Gott ihm das richtige Toraverständnis gegeben hat. Seinen Gegnern hält er vor, daß sie die Tora verfälschen wollen. Der Bezugspunkt beider Gruppierungen ist die Tora. Unbestritten ist von beiden, daß deren richtiges Verständnis und ihre Einhaltung das Gottesverhältnis bestimmen. Beide Gruppen bestreiten einander jedoch, daß sie in der richtigen Weise mit der Tora umgehen. Laut Aussage des Verfassers von 1QH 4,11 verschließen seine Gegner den Dürstenden den Trank der Erkenntnis, d. h. durch ihre Torainterpretation verhindern sie das richtige Toraverständnis. Stattdessen verabreichen sie Essig, d.h. das falsche Verständnis der Tora, und verbauen damit den Zugang zu Gott. Nach Ansicht von J. Becker 2 4 hat der Verfasser 25 damit nicht die für das Judentum grundlegende Auffassung vom besonderen Charakter Israels als des auserwählten Volkes Gottes verlassen. Allerdings habe er innerhalb dieses Vorstellungsrahmens den Gedanken des Restes aufgegriffen. Damit schränke er das ursprünglich ganz Israel zugedachte Heil auf den Kreis derer ein, die zur Gemeinde gehören. Der Frage nach Kontinuität und Diskontinuität zwischen Israel und der Qumrangemeinde sind auch die Ausführungen in C D 1,4-11 und C D 3,10-4,1 gewidmet 26 . Als Israel Gott verließ, übergab dieser es dem Schwert. Er besann sich jedoch seines Bundes mit den Vorfahren und ließ einen Rest übrig, den er vor der Vernichtung bewahrte (1,4.5). 390Jahre nach der Exilierung nach Babylon läßt er die Anfänge der Gemeinde des Bundes entstehen (1,7), der er den Lehrer der Gerechtigkeit erweckt (1,11). Er soll die Gemeindeglieder auf den Weg Gottes führen, den sie noch nicht kannten (1,9.10). 2 2 Vgl. außer den beiden im folgenden behandelten Stellen 1QS 5,8-11 und 1QH 4,9-12 auch 1QS 1,1.2 und l,14f. 2 3 Laut G.Jeremias, Der Lehrer der Gerechtigkeit, StUNT2, 1963, 211-217, handelt es sich bei ihm um den Lehrer der Gerechtigkeit. Nach Rost hingegen könnte es sich um den vom Lehrer der Gerechtigkeit zu unterscheidenden Lehrer der Einung handeln (141). 2 4 Becker, Heil, 61.62. 2 5 Auch Becker, Heil spricht vom „Lehrer der Gerechtigkeit" (61). 2 6 Vgl. Lichtenberger, 202-204.

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Nach der Bestrafung des Volkes des alten Bundes, das den Bund Gottes verlassen hatte (3,10.11), hat Gott einen ewigen Bund für Israel mit den Übriggebliebenen geschlossen, die seine Gebote gehalten haben (3,12.13). Ihnen offenbart er Verborgenes sowie seinen Willen, dessen Erfüllung Leben gibt (3,14-16). Aus ihnen geht die Gemeinde hervor (3,19.20). Diejenigen, die zu ihr gehören und Gottes Willen tun, sind zum ewigen Leben bestimmt. Ihnen ist aller DIN 7133 zugesagt (3,20). In 4,1 wird dies durch die Anwendung von Ez 44,15 auf die Gemeinde belegt. Das über die Gemeinde Ausgesagte gehört in den Plan Gottes hinein27. Wer zu Gott gehört, und damit die Entscheidung über Heil und Unheil, hängt vom Verhalten gegenüber dem Gesetz ab - und zwar dem Gesetz, wie es in Qumran verstanden und praktiziert wurde. Gott begegnet im Gesetz, das in Qumran gelehrt wurde.

3.3.5 1QS 10,9-11,22: Das Heil Gottes Ist Gott als der Richtende und das Gesetz als die Instanz verstanden, an der sich das Verhältnis zu ihm entscheidet, kommt es zu einer Scheidung zwischen den Menschen und damit zu einem Nebeneinander von Heil und Unheil. Heil erfährt die Qumrangemeinde nach 1 Q M „als Gottes Hilfe im Krieg und den Sieg" 28 . Dieses Heil widerfährt der Gemeinde als ein unverdientes Geschenk (1QM 11,4), auf das man kein Anrecht hat 29 . 1QS 10,9 ff. kommt einer Selbstverpflichtung gleich, täglich neu in den Bund Gottes einzutreten und seine Gebote zu erfüllen. Der Beter weiß um seine Sünde und unterstellt sich ganz Gott. Lehre und Gericht nimmt er von Gott an. Seinen Namen preist er. Böses will er mit Gutem vergelten und das Gericht Gott überlassen. Zorn will er lediglich gegenüber denen bewahren, die den Weg Gottes verlassen haben. Er will ein der Wahrheit verpflichtetes Leben führen, die gerechten Taten Gottes verkünden, Treue und starkes Recht gemäß Gottes Gerechtigkeit wahren, das Gebot halten, Gerechtigkeit und Liebe üben und demütig sein (10,11-11,2). Vor dem Hintergrund der Erklärung seiner eigenen Bereitwilligkeit und des Verweises auf sein Bemühen kommt der Beter in 1QS 11,2 b-22 auf das zu sprechen, was ihm von Gott her als Heil widerfährt. 1QS 10,9-11,2a gibt dazu gewissermaßen die Folie ab. In bezug auf seine eigene Person weiß der Beter, daß seine Gerechtigkeit bei Gott liegt (11,2). Gottes Gerechtigkeit führt zur Tilgung seiner Sünde. 'SU^S ΠΏ1 imp"IS3 (11,3). Insofern ist die 2 7 Zu C D 3,21 ff. vgl. G. Klinzing, Die Umdeutung des Kultus in der Qumrangemeinde und im Neuen Testament, S t U N T 7,1971, 130-142. 2 8 Becker, Heil, 82. 2 9 Becker, Heil, 66.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Gerechtigkeit Gottes für den Beter ein Heilsgut 30 . Nennt der Beter in 1QS 10,11 bereits Gott selbst seine Gerechtigkeit, so ist damit signalisiert, daß die Gerechtigkeit nicht eine Sphäre neben Gott, sondern mit diesem selbst identisch ist 31 . Dies wird auch für 11,3 Gültigkeit besitzen, so daß implX Gott selbst in seiner heilvollen, sündenvergebenden Zuwendung meint und nicht lediglich ein die Sündenmacht tilgendes Mittel 32 . In 11,3-7 folgen eine Vielzahl weiterer Gaben und Heilsgüter, die der Beter Gott verdankt. Dabei spielen materielle Güter und äußerer Erfolg keine Rolle. Wichtig sind der Gott wohlgefällige Wandel (11,2), die Einsicht in das Geheimnis der Welt (11,3.4), der Weg mit Gott (11,4.5) 33 , der Einblick in Ewiges, das den Menschen verborgene Wissen und die besondere Erkenntnis (11,5.6) 34 . Der Fülle der Gaben folgt das Bekenntnis der eigenen Sündhaftigkeit und Nichtigkeit (11,9-10 a). Dem steht der Lobpreis des alles bestimmenden Gottes gegenüber (11,10 b—11). 11,12-15 nennt Gottes Gnadenerweise. Gott ist der, der dem Menschen seine Gerechtigkeit schenkt (Z. 12.14). Dafür ist er zu loben und zu preisen (Z. 15). Der Beter nennt noch einmal die Themen, auf die es ihm in Hinsicht auf Gott ankommt: Gerechtigkeit, Erkenntnis und vollkommenen Wandel. Auf sie richtet sich seine abschließende Bitte (11,15-20). Die Sektenregel endet in 11,21.22, indem neuerlich auf den Kontrast zwischen dem mächtigen, starken Gott der Herrlichkeit und der Niedrigkeit des Menschen hingewiesen wird 35 .

3.3.6 1QH 1,21-27; 1QH 12,24-36; 1 Q H 3,19-25: Mensch und Gott In 1QS 11,9.10 und 21.22 zeichnete sich bereits ein wesentlicher Aspekt für die Verhältnisbestimmung zwischen Mensch und Gott ab: Der ungeheure qualitative Unterschied zwischen dem alles bestimmenden, wissenden, planenden und mächtigen Gott und dem in die Nähe des Gewürms gerückten, aus Staub bestehenden und von Hand aus Lehm geformten Menschen. Vgl. Becker, Heil, 116.119. Becker, Heil, 120. 3 2 Gegen Becker, Heil, 120. 3 3 „flöS mit seinen Parallelausdrücken [ist] als zusammenfassender Terminus für das göttliche Heilshandeln überhaupt gebraucht". Becker, Heil, 122. 3 4 Vgl. Kuhn, 170-175. In 1QS l l , 2 b - 9 a wird „die Gegenwart der Heilsgüter und im besonderen des Heilsgutes der Erkenntnis bereits für das gegenwärtige Sein des Frommen in der Gemeinde in Anspruch" genommen. Kuhn, 175. Nach Lichtenberger, 229, ist „die Gemeinde insgesamt Teilhaber des ewigen Lebens" (Hervorhebung vom Verfasser). 3 5 Zu der umstrittenen Frage nach der Totenauferstehung vgl. Lichtenberger, 219-224. G.W.E. Nickelsburg jr., Resurrection, Immortality, and Eternal Life in Intertestamental Judaism, HThS 26,1972, 156, stellt als Ergebnis seiner Auslegung von 1QH 11,3-14 fest, daß hier der Eintritt in die Gemeinde als das eschatologische Ereignis verstanden ist. 30 31

Qumran

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Diese Differenz spricht sich auch aus in den Niedrigkeitsdoxologien 1QH 1,21-27 und 1QH 12,24-36 3 6 sowie in der Elendsbetrachtung 1QH 3,19—2537. In 1QH 1,21-27 wird der Mensch ebenfalls als ein Gebilde 38 aus Lehm bezeichnet (Z. 21). Das in diesem Abschnitt gezeichnete Bild vom Menschen steht in schroffem Kontrast zu 1,1-20, dem „hymnischen Preis Gottes des Schöpfers" 39 . Gott ist der j?'*TS, der Mensch der J/tth 40 . In Z. 2 1 - 2 3 werden nacheinander verschiedene Aspekte seiner Insuffizienz genannt. Diese beziehen sich auf seine Entstehung 41 (Z. 21) wie auf seinen jetzigen Zustand (Z. 22.23). Ihm werden Unreinheit, Sündhaftigkeit und mangelnde Einsicht bescheinigt 42 . Die Armseligkeit der menschlichen Existenz drückt sich auch in der in Z. 23 ebenfalls in der 1. Person Singular formulierten Doppelfrage aus. Der Mensch kann nichts von sich geben, was nicht schon von Gott erkannt bzw. erzählt wäre. Diese Feststellung führt den Beter unmittelbar zu einem Lobpreis des alles vorherbestimmenden Gottes, der sogar den Lauf der Zeiten festgelegt hat (Z. 24). Dem steht der Mensch als einer gegenüber, der seine Sünden nicht aufzählen kann und sich wegen seiner Vergehen nicht verteidigen kann (Z. 25). Bei Gott ist die Gerechtigkeit, der Mensch ist der "715? (Z. 26). Die Nichtigkeit und Vergänglichkeit des Menschen bestimmt auch die Ausführungen in 1QH 12,24-36. Wieder begegnet das Motiv der Erschaffung aus Staub und Lehm (Z. 24.25). 135/ wird sogar zum Synonym für den Menschen (Z. 27). Dieser ist nicht in der Lage, vor Gott zu bestehen (Z. 27.28). Wieder kontrastiert die Schilderung der Herrlichkeit Gottes den Zustand des Menschen (Z. 28-30). Wie in 1QH 1,25.26 steht der Mensch auch in 12,30.31 vor der Tatsache, nichts auf Gottes ΠΠ31ΓΙ entgegnen und vor ihm bestehen zu können. Gott ist im Recht. Was ist dagegen der, der zu Staub zurückkehrt? In Z. 33-35 schließen sich Fragen an, die die Angewiesenheit des Menschen auf Gott in seinen elementarsten Lebensäußerungen ansprechen. Ohne Gottes Zutun kann der Mensch weder reden und verstehen noch den richtigen Weg gehen. Die Diskrepanz zwischen dem großen, gerechten Gott und dem nichtigen Menschen kommt auch in der Elendsbetrachtung 1 Q H 3,19-25 zum AusAußerdem ist hier noch 1QH 13,14-18 zu nennen. Klassifizierung im Anschluß an Lichtenberger, 74. Dort werden auch weitere Texte genannt. 3 8 Zur Bedeutung von I S ' vgl. Lichtenberger, 77-79. 3 9 Becker, Heil, 138. 4 0 Becker, Heil, 138. 4 1 „Der Beter blickt nur auf die Minderwertigkeit des Materials, aus dem der Mensch erschaffen wurde." O. Betz, Offenbarung und Schriftforschung in der Qumransekte, W U N T 6, I960, 121. 4 2 Zu den Begriffen im einzelnen vgl. Lichtenberger, 81-86. 36 37

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D a s Gottesverständnis in jüdischen Schriften

druck. Z. 19 setzt ein mit dem Preis Gottes für die Erlösung der Seele43. Z.20-22 gehört ebenfalls mit zum soteriologischen Bekenntnis. Der Mensch wird auch hier als ein Gebilde aus Staub bezeichnet (Z. 21). Der Blick haftet dabei jedoch nicht in erster Linie am Menschen, sondern an dem großen Gott, dem der Mensch zugeordnet ist. Der Mensch selbst bildet unter dem Aspekt seiner Armseligkeit und Sündhaftigkeit erst in Z. 23-25 das Thema. In der Frage '3K Π0 ΊΏΠΠ Ί3Ρ '3X1? (Z. 23.24) wird die eigene Wertlosigkeit ausgesprochen. Die Antwort spiegelt das ebenfalls wider. D'M Des weiteren verweist der Beter auf seine Bedeutungs- und Kraftlosigkeit (Z. 24). Er steht im Gebiet des Frevels und mit den Bösewichten im selben Los. Der Mensch vor Gott, der in 1QH 1,21-27; 12,24-36 und 3,19-25 seine Beschreibung findet, ist gekennzeichnet durch eine grundlegende kreatürliche Minderwertigkeit44. Die Bezeichnung „Staub" für ihn ist Ausdruck seiner Nichtigkeit. Sein Leben steht unter dem Schatten der Wertlosigkeit und Bedeutungslosigkeit. Dabei ist allerdings für 1QH 1,23 und 12,33-35 die Einschränkung zu machen: Ohne Gott wäre der Mensch ein Nichts. Er ist der schlechthin Angewiesene. Zu seiner schöpfungsmäßigen Niedrigkeit tritt die Verfallenheit an die Sünde und die vollständige Unreinheit hinzu. Dem steht Gott als der herrliche Schöpfer gegenüber. Er allein übt Gerechtigkeit, er befähigt den Menschen erst zum Reden und Erkennen, er ermöglicht seinen rechten Wandel. Sowohl das in Niedrigkeitsdoxologien und der Elendsbetrachtung zum Ausdruck kommende Verhältnis zwischen Gott und Mensch als auch die Bestimmung des Status des Menschen vor Gott ist geprägt durch eine ungeheure Distanz zwischen Gott und Mensch. Sie erscheint aus der Perspektive des Menschen als so groß, daß der Mensch vor dem alles umfassenden übermächtigen Gott zu Staub wird und zum Gewürm herabsinkt.

3.3.7 Zusammenfassung: Das Gottesverständnis in Qumran Aus den untersuchten Texten ergibt sich für das Gottesverständnis der Qumrangemeinde: Gott erscheint als unvergleichbar groß. Er ist der Schöpfer der Welt und ihrer Gesetze. Er legt den Geschichtsverlauf fest. Jedoch ist er nicht der Urheber des Bösen. Dieses wird vielmehr einem Geist der Finsternis zugeschrieben. Gegen ihn ergreift Gott Partei an der Seite eines Geistes des Lichts, den er zusammen mit dem Geist der Finsternis geschaffen hat. Gegenüber dem Gott der Herrlichkeit ist der Mensch unendlich niedrig 43

Zur Problematik der Auffassung von einer Unsterblichkeit der Seele vgl. Lichtenberger, 227.228. 44 Vgl. Lichtenberger, 92.

Die Testamente der zwölf Patriarchen

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und gering. Sein Geschick steht von Geburt an fest. Zwischen Gott und Mensch besteht ein unüberbrückbarer qualitativer Unterschied. Gott ist alles, der Mensch nichts. Er ist völlig auf die Gnade Gottes angewiesen. Seine Beziehung zu Gott ist durch das Gesetz vermittelt. Wer zu Gott gehört, darüber entscheidet das Verhalten gegenüber dem Gesetz. Gleichwohl ist das Heil nicht durch Gesetzeserfüllung zu erwerben, sondern bleibt ein Geschenk. Der Mensch ist gefordert, das Gesetz einzuhalten, und zugleich bildet die Ermöglichung des rechten Wandels ebenso wie die Befähigung zum Lobpreis Gottes eine ihm unverfügbare Gabe Gottes. Die Gerechtigkeit des Frommen liegt bei Gott. Sie ist das Heilsgut, sie führt zur Tilgung der Sünden. Das Charakteristikum der qumranischen Rede von Gott liegt in der Distanz, die für das Verhältnis Gottes zum Menschen kennzeichnend ist. Von Gott wird aus dem Bewußtsein eines schier unendlichen Abstands zu ihm gesprochen.

3.4 Die Testamente der zwölf Patriarchen Die Testamente der zwölf Patriarchen werden im Anschluß an die Texte der Gemeinde von Q u m r a n behandelt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß in der Forschung teilweise eine Nähe von Test X I I zu Q u m r a n angenommen wird. Für eine solche Annahme werden äußere wie innere Gründe geltend gemacht. Es wird auf die Fragmentenfunde in Höhle eins und vier von Q u m r a n verwiesen, wo Reste einer aramäischen Handschrift des Testaments Levi sowie ein hebräisches Fragment des Testaments Naphtali entdeckt wurden 1 . Außerdem werden inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen der Damaskusschrift und Test X I I genannt, die auf eine solche Nähe hindeuten könnten 2 . Aber auch wenn diese Einschätzung der Test X I I bestritten wird 3 , bleibt es Rost, 106.107. Rost, 109. Zu den Einleitungsfragen vgl. außer Rost auch M. de Jonge, The Testaments of the Twelve Patriarchs: Central Problems and Essential Viewpoints, A N R W II.20.1, 1987, 359-420. 3 Gegen die Annahme einer engen Verbindung zwischen Q u m r a n und Test X I I wendet sich Becker, Testamente, 26.27. Er weist die Test X I I dem hellenistischen Judentum zu und hält als Entstehungsort das ägyptische Alexandrien für denkbar (25). Als Zeitraum der Entstehung nimmt er die Jahre zwischen 200 und 174 v . C h r . an (26). E.Bickerman, The Date of the Testaments of the Twelve Patriarchs, J B L 69, 1950, 245-260, 260 tritt für eine Datierung in der Zeit zwischen 330 und 140 v. Chr. ein. Zur Frage der Berührungspunkte zwischen Test X I I und den Qumran-Schriften vgl. auch Hollander/de Jonge, Commentary, 24.25. 1

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

sinnvoll, die Test X I I an dieser Stelle zu behandeln. Sie bilden dann den Anfang derjenigen Schriften, die mit relativer Eindeutigkeit dem hellenistischen Judentum angehören 4 . Will man also Test X I I ebenfalls dem hellenistischen Judentum zuordnen, ergibt sich zwanglos ihre Zugehörigkeit zu den nachfolgenden Schriften.

3.4.1 TestRub 1,1-2,2; 3 , 3 - 4 , I I 5 : Gottlosigkeit und Sünde Das Anliegen, das Ruben seinen Nachkommen vor seinem Tode einschärfen will, ist die Warnung vor der αγνοία der Jugend und vor der πορνεία. Dazu verweist er auf seine eigene sexuelle Verfehlung mit der Ehefrau seines Vaters Jakob (1,6). Diese Tat zog als Strafe eine siebenmonatige Krankheit nach sich (1,7.8). Ihr folgte eine siebenjährige Bußzeit, die durch asketische Enthaltsamkeit und Trauer über dieses als eine große Sünde bezeichnete Vergehen gekennzeichnet ist (1,9.10). 3,3—6 nennt die sieben Geister der Verirrung, die Ruben während seiner Bußzeit sah (2,1). Zu ihnen tritt als achter der Geist des Schlafs (3,7), so daß am Ende der Verstand des jungen Mannes von der Wahrheit weg verfinstert ist. Dies äußert sich in der mangelnden Einsicht in das Gesetz Gottes und im fehlenden Gehorsam gegenüber der Unterweisung der Väter (3,8). Hieran knüpft Ruben den konkreten Appell, sich nicht mit Frauenangelegenheiten abzugeben (3,10) und kehrt damit zu seiner eigenen Verfehlung zurück. Diesmal bezeichnet er sie als „große Gesetzlosigkeit" (άνομία 3,11), kurz darauf als Gottlosigkeit (άσέβεια 3,14) bzw. seine Gottlosigkeit (3,15). 4,3 nimmt noch einmal Bezug auf den in 1,6 geschilderten Vorfall, diesmal wieder unter Verwendung des Terminus Sünde (άμαρτία). Er hat den Zorn Gottes provoziert (4,4a). Der Begriff „sündigen" wird in 4,4 b-6 vollständig vom Gedanken der Hurerei her verstanden. „Sündigen" ist geradezu identisch mit πορνεία. Die Hurerei stürzt den Menschen ins Verderben (4,7). Als ein positives Gegenbeispiel weist Ruben auf Joseph, der sich vor den Frauen und der Hurerei hütete (4,8-10). Er fand darum Gnade vor Gott und den Menschen. Der Gott der Väter 6 rettete ihn vor dem verborgenen Tod. Die 4 Zum Problem der Unterscheidung zwischen einem palästinischen und einem hellenistischen Judentum vgl. 34 Anm. 1. 5 2 , 3 - 3 , 2 gelten als sekundärer Einschub. Vgl. M. de Jonge, The Testaments of the Twelve Patriarchs. A Study of their Text, Composition and Origin (van Gorcum's Theologische Bibliothek X X V ) , 1953, 75 f.; J.Thomas, Aktuelles im Zeugnis der zwölf Väter, in: C. Burchard - J. Jervell - J. Thomas, Studien zu den Testamenten der zwölf Patriarchen, Drei Aufsätze, hg. v. W. Eltester, B Z N W 3 6 , 1 9 6 9 , 1 3 5 ; Becker, Testamente, 33. Zum Aufbau der Test XII insgesamt vgl. H. Aschermann, Die paränetischen Formen der „Testamente der zwölf Patriarchen" und ihr Nachwirken in der frühchristlichen Mahnung, Diss, theol. masch. Berlin (DDR) 1955,5-28. 6 Die textkritische Frage, ob es an dieser Stelle Gott eurer, meiner oder unserer Väter heißen muß, wird unterschiedlich entschieden. Vgl. die Textausgaben zur Stelle: Charles, 10; de Jonge,

Die Testamente der zwölf Patriarchen

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ursprünglich für die Vätergeschichten konstitutive Gottesbezeichnung „Gott unserer Väter" dient in diesem Zusammenhang dazu, den Test XII etwas vom Kolorit der Vätergeschichten zu verleihen. Sie soll die Fiktion des hohen Alters und der Ursprünglichkeit der Test XII verstärken. Auf der Ebene der Test XII hat dieses Gottesprädikat jedoch seinen einstigen Gehalt, von dem Gott zu künden, der in einer unmittelbaren Beziehung zu der ihn verehrenden Menschengruppe steht und sie begleitet, verloren. Für das Gottesverständnis der Test XII ist ihm daher nichts zu entnehmen. Charakteristisch für TestRub 1-4 7 ist die Identifikation von Sünde mit sexueller Verfehlung. Das konkrete sexuelle Vergehen wird als Gesetzlosigkeit bezeichnet. Dies ist laut TestRub 3,14.15 identisch mit Gottlosigkeit. Die ασέβεια, die Sünde vor Gott, ist die Gesetzlosigkeit in Form sexueller Verfehlung. Solche „Sünde" ruft den Zorn Gottes hervor und zieht Strafe nach sich. Sie erfordert Buße, die sich laut TestRub in einer enthaltsamen Lebensweise äußert. Gottes Gnade dagegen gilt, wie das Beispiel Josephs zeigt, dem, der sich vor sexueller Verunreinigung hütet.

3.4.2 TestLev 13,1-6: Der Tun-Ergehen-Zusammenhang Daß auf Verfehlung Strafe und auf untadeliges Verhalten Lohn folgt, war bereits TestRub 1,6-8 bzw. 4,8-10 zu entnehmen. Der für Test XII charakteristische Gedanke des Tun-Ergehen-Zusammenhangs kommt auch an anderen Stellen zum Ausdruck 8 . TestLev 13,1-6 setzt ein mit einer Aufforderung zur Gottesfurcht und einem dem Gesetz entsprechenden Wandel (13,1). Die Kinder sollen das Lesen gelehrt werden, damit sie Einsicht haben in ihrem ganzen Leben. Diese Einsicht wiederum ist gebunden an das unaufhörliche Lesen des Gesetzes Gottes (13,2). In 13,3 und 4 schließen sich vier Konsequenzen an, die aus der Kenntnis des Gesetzes resultieren. Sie drücken die besondere Wertschätzung aus, die dem Gesetzeskundigen zuteil wird: Er wird geschätzt werden, er wird kein Fremder sein, wohin er kommt, er wird viele Freunde erwerben, und viele Menschen werden begehren, ihm zu dienen und das Gesetz aus seinem Mund zu hören. Der Aufruf in 13,5, auf der Erde Gerechtigkeit zu üben, ist durch den Hinweis motiviert, daß damit Gerechtigkeit auch im Himmel erlangt wird. Dagegen spornt die Aufforderung, Gutes zu säen έν ταις ψυχαΐς, durch die Zusage eines diesseitigen, innerweltlichen Erfolges an. Die böse Saat hingegen wird zur Ernte πάσαν ταραχήν καί Θλίψιν hervorbringen (13,6). Gottesfurcht äußert sich nach TestLev 13,1-6 in einem gesetzesgemäßen Testamenta, 4; Becker, Testamente, 37. Vom Gott der Väter ist auchTestSim 2,8; TestGad 2,5; Testjos 6,7 die Rede. 7 Zu TestRub 2,3-3,2 s.Anm. 5. 8 Vgl.auchTestSim2,12.13;TestLev 14-16;Testjos 11,1; 18,1.2.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

Leben. Das Verhältnis des Menschen zu Gott realisiert sich im Einhalten des Gesetzes. Wie die Gestaltung des menschlichen Lebens durch die Beschäftigung mit dem Gesetz bestimmt ist, so hängt auch sein Verlauf an der Haltung gegenüber dem Gesetz. Findet auf der einen Seite die Gottesfurcht ihren Ausdruck im Einhalten des Gesetzes, so entspricht auf der anderen Seite das Tun des Guten der Intention des Gesetzes. Im Verhalten gegenüber dem Gesetz spiegelt sich das Verhältnis des Menschen zu G o t t ; und vom Gesetz her ergeht der Aufruf zu Gerechtigkeit auf Erden und zum Tun des Guten. Stets hängt dabei das Geschick des Menschen von seiner Haltung gegenüber dem Gesetz ab. Entweder er gewinnt sein Leben - hier und jetzt wie im Himmel - oder er verspielt es.

3.4.3 TestDan 5 , 1 - 3 undTestBenj 3 , 1 - 5 : Gottesfurcht und Nächstenliebe 9 Der schon fürTestLev 1 3 , 1 - 6 geltende Gedanke der konstitutiven Zusammengehörigkeit von Gottesfurcht und einem am Gesetz orientierten Lebenswandel bildet das Thema von TestDan 5,1—3. Der Abschnitt setzt ein mit der Aufforderung, die εντολή bzw. έντολαί 1 0 des Herrn und seinen νόμος einzuhalten. Es schließen sich zwei weitere Imperative an, die dazu anhalten, von Zorn und Lüge Abstand zu nehmen. Als Folge solchen Verhaltens wird den Adressaten die Einwohnung Gottes bei gleichzeitiger Flucht Beliars verheißen. Der in 5,2 nachfolgende Appell, gegenüber seinem Nächsten die Wahrheit zu sprechen, wird von der Zusage begleitet, daß die Angeredeten dann nicht εις ήδονήν 1 1 και ταραχάς fallen werden, sondern εν ειρήνη sein werden und τον Θεόν της ειρήνης 1 2 haben. Außerdem wird ihnen die Zusage gegeben, daß sie kein Krieg überwinden wird. Auf die konkreten Mahnungen von 5,1 b und 5,2 folgt in 5,3 der umfassende Aufruf zur Gottes- und Nächstenliebe 1 3 . 5,1 a und 5,3 mit ihrem generelVgl. auchTestSim 5,2; Testiss 5,1-2; TestSeb 5,1. Für den Singular entscheidet sich die Textausgabe von Charles, für den Plural die von de Jonge. 9

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1 1 So de Jonges Textausgabe. Charles: είς μήνιν. Vgl. zur Stelle Hollander/de Jonge, C o m mentary, 283, N o t e 14. 1 2 Vgl. bei Paulus I K o r 14,33; 2 K o r 13,11; Phil 4,9; R o m 15,33; 16,20. Becker, Testamente, 94, weist zu dieser Stelle darauf hin, daß dieses Gottesprädikat „bisher nachweislich nur T D 5 , 2 " begegnet. 1 3 Becker, Testamente, 94, hält das Doppelgebot der Liebe in 5,3 für den literarisch ältesten vorneutestamentlichen Beleg für die Zusammenstellung beider Gebote. Nach A . Nissen, Gott und der Nächste im antiken Judentum. Untersuchungen zum Doppelgebot der Liebe, W U N T 15, 1974, 228, ist die „Beobachtung der Verknüpfungen... wichtig für die Erkenntnis, daß für den Juden die rechte Stellung gegenüber Gott und gegenüber dem Mitmenschen zusammengehören".

Die Testamente der zwölf Patriarchen

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len und unbedingten Anspruch umschließen wie eine Klammer die Einzelparänese von 5,1b und 2. Die einzelnen Mahnungen mit ihren konkreten Verheißungen sind damit in den Rahmen des Doppelgebots der Gottes- und Nächstenliebe eingezeichnet. Dieses findet seine Realisierung im Halten des Gesetzes. Damit fallen nach TestDan 5,1-3 Gottes- und Nächstenliebe und die Einhaltung des Gesetzes zusammen. Die Verbindung zwischen der Liebe zu Gott, der hier als ό Θεός του ουρανού prädiziert wird 14 , und dem Bewahren seiner Gebote steht auch am Anfang der Ausführungen von TestBenj 3,1-5. Es folgt ein Appell, auf das Gute aus zu sein. Ihm wird zusätzliche Attraktivität durch die Zusage verliehen, daß derjenige, der die gute διάνοια hat, alles richtig sieht (3,2). Gottesfurcht und Nächstenliebe bewahren vor der πονηρία Θλίψεως, die die Geister Beliars vorgesehen haben. Wie im Falle Josephs gilt: Wer Gott fürchtet und seinen Nächsten liebt, der wird von Gott beschützt. Er kann weder vom Geist Beliars geplagt werden, weil er vom φόβος του Θεοΰ bedeckt wird (3,4), noch von einem Anschlag von Menschen oder Tieren niedergezwungen werden, weil ihm von der Liebe des Herrn geholfen wird, die er gegenüber dem Nächsten hat (3,5). Die αγάπη του κυρίου äußert sich in der Liebe zum Nächsten. Die beiden Texte TestDan 5,1-3 und TestBenj 3,1-5 zeigen exemplarisch die für Test X I I charakteristische Verschränkung zwischen den als Doppelgebot formulierten Geboten der Gottes- und Nächstenliebe und der Aufforderung zur Einhaltung des Gesetzes. Im gesetzesgemäßen Wandel konkretisiert und realisiert sich die umfassende Liebesforderung. Das Halten der Gebote stellt die Ausdrucksform für die Erfüllung des Liebesgebots dar. Der durch die Ausrichtung an den Geboten bestimmte Lebensvollzug stellt sowohl in die durch das Liebesgebot geforderte Beziehung zu Gott als auch in die zum Mitmenschen. Das durch die Gottesfurcht charakterisierte Verhältnis des Menschen zu Gott spiegelt sich in dem durch die Liebe bestimmten Verhältnis zum Mitmenschen. Durch das Einhalten der Gebote stellt sich der Mensch in die heilvolle Beziehung zu Gott wie zum Menschen. Dabei ist es für den Frommen selbstverständlich, daß die solchermaßen geregelte Beziehung heilvolle Konsequenzen nach sich zieht.

3.4.4 Die Bedeutung des Gesetzes Die Lebensbezüge des Menschen sind, sowohl was das Verhältnis zum Mitmenschen angeht als auch im Hinblick auf Gott, nach Test X I I durch das Gesetz geregelt. Die gute Ordnung, in die der Mensch dadurch eingefügt ist, 1 4 In wenigen MSS begegnet der Zusatz και της γης. Für diese Lesart entscheidet sich Charles.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

wird gestört, wenn er gegen Gottes Gebot verstößt. Sünde ist demzufolge die Verfehlung gegenüber dem Gesetz, konkret nach TestRub 1 - 4 die sexuelle Verfehlung. Wie der dem Gesetz entsprechende Lebenswandel heilvolle Konsequenzen nach sich zieht, so führt der Verstoß zur Bestrafung. Einsicht und Buße auf Seiten des Menschen sowie die Gnade Gottes machen die Restitution des ehemals heilvollen Gottesverhältnisses möglich. Der Zusammenhang zwischen dem Tun des Menschen und seinem Ergehen, der in Test X I I immer wieder angesprochen wird, bildet kein schicksalhaftes Prinzip höherer Ordnung, das über dem Leben des Menschen steht. Daß dem Zusammenhang zwischen dem Tun und Ergehen des Menschen eine solche Beachtung zukommt, besitzt vielmehr seine Ursache in der Konzentration auf das Gesetz. Für die Test X I I kommen Gott und Welt vom Gesetz her in den Blick. Das Gesetz ordnet die gesamte Wirklichkeit. Solange der Mensch in Entsprechung zum Gesetz lebt, ist diese Ordnung gewahrt. Das menschliche Leben befindet sich in einem Zustand der Übereinstimmung mit Gott und Mitmensch; folglich lassen sich die heilvollen Konsequenzen eines solchermaßen verlaufenden Lebens aufzeigen. Kommt es jedoch durch einen Verstoß gegen das Gesetz zu einer Störung der Ordnung, wird das Gesamtgefüge des Verhältnisses zwischen Mensch, Gott und Mitmensch davon berührt. Der durch das Gesetz gegebene Rahmen, in den das menschliche Leben eingebettet ist, wird verletzt. Dies zieht Konsequenzen im Verhältnis zu Gott wie zum Mitmenschen nach sich. Das umfassend formulierte Liebesgebot dient dazu, den Menschen ohne Kasuistik in diesen Gesamtrahmen einzuweisen. Das Liebesgebot wird damit nicht in den vorgegebenen Vorstellungsbereich einer Folge von Tat und Ergehen „eingezeichnet" 15 . Nicht der Tun-Ergehen-Zusammenhang ordnet die Welt, sondern das Gesetz. In die durch das Gesetz geregelte Ordnung wird der Mensch durch das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe eingewiesen; innerhalb des so gesteckten Rahmens wird er um seiner weiteren Orientierung willen durch die Paränese zum Halten der Einzelgebote aufgefordert 16 . Gott ist im Duktus solchen Denkens in die Ferne gerückt. Das menschliche Leben wird durch das Gesetz organisiert. Es gibt dem Menschen Perspektive und Orientierung. In einer heilsleeren Welt 17 , die unter dem Eindruck der Gottverlassenheit 18 steht, kommt ihm die Rolle eines Platzhalters Gottes in der Welt zu.

Gegen Becker, Testamente, 28. Dabei ist „die Paränese fast durchweg usuell, nicht aktuell ausgerichtet". J. Becker, Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Testamente der zwölf Patriarchen, AGJU VIII, 1970, 378, unter Hinweis auf M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 5 1966, 239. 1 7 Becker, Testamente, 16. 1 8 E. von Nordheim, Die Lehre der Alten. I. Das Testament als Literaturgattung im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit, A L G H L XIII, 1980,104. 15

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Joseph und Aseneth

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3.5 Joseph und Aseneth In dem jüdischen Bekehrungsroman Joseph und Aseneth 1 spielt im Gegensatz zu der Mehrzahl der anderen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit das Gesetz keine Rolle 2 . Dies mag an der besonderen Absicht der Schrift liegen, in einer nichtjüdischen Umgebung werbend für das Judentum einzutreten. Es wirkt sich auch auf das Gottesverständnis aus, das in diesem Roman zum Ausdruck kommt. In drei längeren Passagen wird exemplarisch sichtbar, welche Vorstellung von Gott für den Roman bestimmend ist. JosAs 8 , 2 - 9 schildert die erste Begegnung zwischen Joseph und der ägyptischen Priestertochter Aseneth im Hause des Pentephres. Dieses Zusammentreffen endet mit dem Segensgebet Josephs über Aseneth. 11,2 bzw. 7 - 1 4 beschreibt, wie Aseneth im Zustand ihrer Selbsterniedrigung Mut faßt, den Gott der Hebräer anzurufen; und 1 2 , 1 - 2 stellt den Anfang ihres Gebetes zu Gott dar 3 .

3.5.1 JosAs 8 , 2 - 9 : Der lebende und lebendig machende Gott Bei ihrem ersten Zusammentreffen begrüßt Aseneth Joseph mit den Worten: ευλογημένε τφ Θεω τω ΰψίστω, während Joseph in seiner Entgegnung Gott als ό Θεός ό ζωοποιήσας τά πάντα prädiziert (8,2.3). In 8,5 steht dem gottverehrenden Mann, der mit seinem Mund τον Θεόν τον ζώντα 4 preist, die fremde Frau gegenüber, die είδωλα νεκρά και κωφά rühmt. Der Θεός ζών ist das Gegenbild zu den toten Götzenbildern 5 . Ihm gilt die Verehrung 1 Zur Entstehung in Ägypten und zum Abfassungszweck vgl. Philonenko, 99-109; Burchard, 613-616; Sänger, 209-215. Zur Datierung der Schrift vgl. D. Sänger, Erwägungen zur historischen Einordnung und zur Datierung von „Joseph und Aseneth", ZNW 76, 1985, 86-106. Sänger datiert JosAs ungefähr auf das Jahr 38 n. Chr. (104). Textausgaben neben Philonenko: P. Batiffol, Le Livre de la Friere d'Aseneth, in: Ders., Studia Patristica. fitudes d'ancienne litterature chretienne I, 1889/90, 39-86 und C. Burchard, Ein vorläufiger griechischer Text von Joseph und Aseneth, DBAT, Heft 14, Okt. 1979, 2 - 5 3 und DBAT, Heft 16, Dez. 1982,37-39. Übersetzung: Rießler, 497-538; Burchard, 631-720. Zum Text und seiner Geschichte vgl. C. Burchard, Der jüdische Asenethroman und seine Nachwirkung. Von Egeria zu Anna Katharina Emmerick oder von Moses aus Aggel zu Karl Kerenyi, ANRWII.20.1,1987,543-667. 2 Dies ist nicht lediglich durch den Hinweis darauf zu erklären, daß zur Zeit Josephs und Aseneths der Exodus noch nicht geschehen war, sondern ist der ausdrücklichen Intention des Verfassers von JosAs zuzuschreiben. Darauf weist Burchard, 602, zu Recht hin. 3 Die Stellenangaben richten sich nach Burchard. Die griechischen Zitate stammen aus der Textausgabe von Philonenko. 4 Vgl. auch OrSib 111,763; bei Paulus: IThess 1,9; 2Kor 3,3; 6,16; Rom 9,26. Zu lThess 1,9 s.u. Kap. 5.1.1. Zur Gottesbezeichnung „Der lebendige Gott" im Alten Testament vgl. S. Kreuzer, Der lebendige Gott. Bedeutung, Herkunft und Entwicklung einer alttestamentlichen Gottesbezeichnung, BWANT116,1983. 5 Vgl. Bussmann, 174.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

nicht nur des άνήρ Θεοσεβής 6 , sondern auch die seiner gesamten Verwandtschaft (8,6). Die beiden Gottesprädikationen, die zu Beginn der Szene in 8,2 und 3 verwendet wurden, stehen auch am Anfang des Segensgebetes7 in 8,9. Gott, als κύριε ό Θεός του πατρός μου 'Ισραήλ angerufen, wird ό ύψιστος und ό ζωοποιήσας 8 τά πάντα genannt. Es folgen drei weitere Aussagen über Gottes Handeln, die alle von dem Partizip καλέσας abhängen. Gott ist der, der von der Finsternis in das Licht, vom Irrtum 9 in die Wahrheit und vom Tod in das Leben rief. Nachdem Gott auf diese Weise gepriesen ist, richtet Joseph seine Segensbitte für Aseneth an Gott. Diese entspricht in einzelnen Teilen dem, was vorher bereits über das Verhältnis zu Gott und das Handeln Gottes gesagt worden war. So erscheint wiederum das Motiv des Lebendigmachens, außerdem der Wunsch, Aseneth möge das Brot des Lebens essen und den Segenskelch trinken, womit sie Anteil an der Speise des gottverehrenden Mannes bekäme 10 . Abgeschlossen wird die Reihe der Einzelbitten mit dem Anliegen, Aseneth dem Volk Israel zuzurechnen und sie in Gottes κατάπαυσις 11 hineingehen zu lassen sowie mit dem Wunsch, daß sie in Gottes ewigem Leben ewig lebe. Gott wird dabei als der bezeichnet, der sein Volk auserwählte12 πριν γεννηΘήναι und der seine κατάπαυσις seinen Auserwählten bereitet hat. Charakteristisch für den Abschnitt ist die enge Verknüpfung des Gottesbegriffs mit dem Gedanken der ζωή. Gott ist der Lebende und der lebendig Machende, der in Kontrast zu den toten Götzenbildern steht. Als der, der durch sein Wort alles ins Leben ruft, ist er ό ύψιστος. Sein Wirken umschließt Tod, Leben und ewiges Leben.

3.5.2 JosAs 11,7-14: Der hassende und der barmherzige Höchste Aseneth hat in den sieben Tagen ihrer Selbsterniedrigung all ihre aus Gold und Silber gefertigten Götter zerstört (10,12). Damit hat sie sich den Haß 6 Zum Begriff άνήρ Θεοσεβής vgl. C. Burchard, Untersuchungen zu Joseph und Aseneth. Überlieferung - Ortsbestimmung, W U N T 8, 1965, 100.101. Der gottesfürchtige Mann praktiziert das Liebesgebot in Vollkommenheit. Er vergilt nicht Böses mit Bösem, er verteidigt sich nicht einmal gegen einen Anschlag. Zu 8 , 5 - 7 vgl. auch C. Burchard, The Importance of Joseph and Aseneth for the Study of the New Testament: Α General Survey and a Fresh Look at the Lord's Supper, NTS 3 3 , 1 9 8 7 , 1 0 2 - 1 3 4 , 1 0 9 - 1 1 7 .

Zu Josephs Fürbitte vgl. Sänger, 163-165. Andere Handschriften lesen ό ζωοποιών und ό ποιήσας. Burchard, 650. 9 Nach Bussmann, 146.147, bezieht sich πλάνη „auf das schuldhafte Irren der Heiden". 1 0 Vgl. 8,5. 1 1 Die Ruhe Gottes. O. Bauernfeind, Art. κατάπαυσις, T h W N T III, 629.630. 1 2 Text jedoch unsicher; vgl. Philonenko, 158 und Burchard, 651.

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Joseph und Aseneth

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ihrer Eltern und Verwandtschaft zugezogen (11,2-6). In dieser Situation richten sich ihre Gedanken auf den Gott des starken Jakob, den Höchsten. Er ist ein eifernder Gott und haßt alle, die Götzenbilder verehren (11,7). Aus diesem Grunde haßt er nach Aseneths Auffassung auch sie selbst. Sie wagt daher wegen ihres frevlerischen Verhaltens nicht, „den Gott des Himmels, den Höchsten und Mächtigen des starken Joseph" 13 , anzurufen. Andererseits aber hat sie andere Dinge von dem Gott der Hebräer sagen gehört, die sie hoffen lassen, er werde sich vielleicht doch ihrer annehmen. Er sei wahrer und lebender Gott, barmherzig gegenüber denen, die betrübt über ihr Verhalten sind. Ihnen rechne er ihre Sünde nicht an (11,10). Der Begriff „Sünde" bezieht sich dabei sowohl in 11,10 als auch in 11,11 auf das vorherige Verhalten der Aseneth, die Verehrung der εί'δωλα. Zu dem Gott, der dem Menschen, der sein Tun bereut, seine „Ungesetzlichkeiten" nicht vorhält, wagt Aseneth sich hinzuwenden (11,11), unter seinen, des Vaters der Waisen und Verfolgten Schutz möchte sie sich begeben (11,13). Daher will sie ihn trotz ihrer Vergangenheit im Dienste der Götzenbilder anrufen (11,14). Das Gottesbild, das in 11,7-14 zum Ausdruck kommt, zeigt unterschiedliche Facetten im Verständnis Gottes. Wie schon in 8,2-9 ist der Gegensatz zwischen dem lebenden Gott der Hebräer und den toten Götzenbildern konstitutiv. Der Höchste haßt die, die durch den Dienst an den Götzenbildern sündigen. Er wird vom Verfasser von Jos As jedoch als einer verstanden, der Barmherzigkeit gegenüber denen übt, die sich von solcher Verhaltensweise, d. h. Sünde, abkehren. Die Situation des Menschen in Not, der sich vor ihm erniedrigt, erregt sein Erbarmen 14 .

3.5.3 JosAs 12,1-2: Der Schöpfergott Die Anrede, mit der Aseneths Gebet in 12,1 einsetzt, ist identisch mit der Josephs aus 8,9: Κύριε ό Θεός. Allerdings tritt an die Stelle der weiteren Explikation, die bei Joseph mit dem Genitiv τοΰ πατρός μου 'Ισραήλ gegeben war, das Attribut των αιώνων. Mittels einer Reihe partizipialer Wendungen, die sich auf sein Schöpfungshandeln beziehen, wird nachfolgend Gott näher charakterisiert. Dabei bildet die erste Doppelaussage, die Gott als den bezeichnet, der alle Dinge schuf und lebendig machte, eine Art Obersatz zu den nachfolgenden Ausführungen, die dieses alles umfassende Handeln Gottes näher explizieren. Lebendig machte Gott, indem er πνοήν ζωής gab 15 , und zwar πάσι. Sein Schöpfungshandeln vollzog er, indem er τά άόρατα ins Licht brachte (12,1) und τά όντα και τά φαινόμενα aus den 13 14 15

Zitat nach Burchard (11,9). Vgl. Burchard, 602. Vgl. Gen 2,7.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

αφανών και μή όντων machte (12,2)16. Die Welt, die er schuf, besteht aus drei Stockwerken: dem Himmel auf dem Rücken der Winde, der Erde auf den Wassern und der άβυσσος des Wassers darunter. Durch sein Wort brachte Gott alle Geschöpfe zum Leben, sein Wort ist ihr Leben. Der Abschnitt 12,1-2 zeigt anschaulich, wie Gott im Verhältnis zur Welt gesehen wird. Er ist alles - schaffend, ordnend und erhaltend. Nichts wäre ohne ihn, alles ist nur durch ihn. Gott steht der Welt gegenüber. Er, der Θεός των αιώνων, schafft sie, und er umfaßt sie. Sein Wort ist das Leben seiner Geschöpfe.

3.5.4 Distanz und Nähe Gottes zu Welt und Mensch Die Hervorhebung der Größe Gottes in Joseph und Aseneth, seine Charakterisierung als ό ί3ψιστος, die Beschreibung seines Zeit und Raum umfassenden Wirkens sowie die Tatsache, daß alles Leben von ihm abhängt, könnte den Eindruck eines Gottes entstehen lassen, der so groß, so überaus mächtig ist, daß demgegenüber die Welt nur als klein und abhängig und der einzelne als unbedeutend erscheint. In der Tat drängt sich der Eindruck der Distanz zur Welt bei einem Gott auf, der generös mit dem reuigen Sünder umgehen kann, weil seine Größe durch die Verfehlung eines einzelnen gar nicht angetastet werden kann. Jedoch wäre damit nur die eine Seite des Gottesverständnisses von Joseph und Aseneth erfaßt. Gott erscheint nicht nur als fern und unnahbar. Er wird als aktiv und emotional Handelnder beschrieben. Er ist eifernd und hassend, mitleidig und Schutz bietend. Dieser Gott ist unmittelbares Gegenüber und Ansprechpartner des bedrängten Menschen in Not. Ihm darf der Mensch sich vertrauensvoll zuwenden, ohne fürchten zu müssen, durch seine gottfeindliche Vergangenheit sein Erbarmen endgültig verwirkt zu haben. So ist das Gottesbild in Joseph und Aseneth geprägt durch die Distanz und Nähe Gottes zu Welt und Mensch. Es zeigt einen Gott, der durch sein Schöpfungshandeln wie durch sein unmittelbares Verhältnis zu den Menschen gekennzeichnet ist. Weder das Gesetz noch die Geschichte noch der Tempel 17 bilden für den Verfasser von JosAs die Basis der Rede von Gott.

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Burchard, 663, läßt offen, ob hier die Schöpfung aus dem Nichts gemeint ist oder - unter Hinweis auf Sap 11,17; Philo, O p 81 - die aus ungeformtem Stoff. G. Schuttermayr, „Schöpfung aus dem Nichts" in 2Makk 7,28? Zum Verhältnis von Position und Bedeutung, BZ N F 17,1973, 203-228, meint, daß von einer creatio ex nihilo allenfalls in 2Makk 7,28 zu sprechen sei. 17 Hier gilt analog das in Anm. 2 Gesagte. Vgl. Burchard, 602.

D i e Sibyllinischen Orakel

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3.6 Die Sibyllinischen Orakel Bei den Sibyllinischen Orakeln ist die Untersuchung aufgrund der komplizierten Quellenlage außerordentlich erschwert 1 . Textschichten unterschiedlicher Herkunft und divergierenden Charakters gehen ineinander über, sind bis zur Ununterscheidbarkeit miteinander vermischt und lassen sich vielfach nicht mehr voneinander trennen. So liegt in den Sib ein Konglomerat aus pagan griechischem, jüdischem und christlichem Gedankengut vor, wobei auch innerhalb einer Traditionsschicht ζ. T. mehrere Bearbeiter anzunehmen sind 2 . Zur Feststellung der jüdischen Redeweise von Gott in Sib kommen in erster Linie die Bücher I I I - V in Frage, bei denen eine jüdische Abfassung oder zumindest Bearbeitung vorauszusetzen ist 3 . F. Blaß schickt seiner Übersetzung von Sib I I I - V anstelle eines sonst die Schriften eröffnenden Proömiums zwei der drei bei Theophilus ad Autolycum 11.36 erhaltenen Fragmente voran 4 . Er läßt stattdessen den Anfang des dritten Buches, Sib 111,1-35, der sich nach seiner Auffassung weitgehend mit der bei Theophilus überlieferten Darstellung deckt, weg. Wenn der Verfasser der Fragmente auch nicht identisch mit dem des dritten Buches ist, läßt sich, da er gleichwohl Jude ist, dem „Proömium" dennoch Grundlegendes über das Gottesverständnis des hellenistischen Judentums entnehmen.

1 Zu den Einleitungsfragen vgl. Rost, 84-86; Geffcken, X X I - L I I I ; Schürer, 555-592; H . C . O. Lanchester, The Sibylline Oracles. Introduction, in: R.H. Charles (ed.), The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in English, Vol.11 Pseudepigrapha, 1913, 368-376; Blaß, 177-184; Kurfess, 5-23; Eissfeldt, 834-836; Dalben, 106-110; B.Noack, Der zeitgeschichtliche Hintergrund der Oracula Sibyllina, in: Theologie aus dem Norden, hg. v. A.Fuchs, S N T U Serie A, Band 2, 1976/77, 167-190; K.-W. Niebuhr, Gesetz und Paränese, Katechismusartige Weisungsreihen in der frühjüdischen Literatur, W U N T 2. Reihe 28, 1987, 169-172. 2 Vgl. das Urteil Geffckens: „Die Uberlieferung des Textes ist eine geradezu grauenhaft verwahrloste" (XIX). „Ein Blick nur auf irgendeine Seite unseres Textes läßt einen Zustand der Überlieferung erkennen, der fast eines Schreckenswortes wert ist." (XXV) Zu diesem Problem vgl. auch J.J. Collins, The Development of the Sibylline Tradition, ANRW II.20.1, 1987, 421-459. 3 Blaß, 182; Rost, 85; Dalbert, 107-110; P. Volz, Jüdische Eschatologie von Daniel bis Akiba, 1903,46-50, untersucht die Bücher III-V auf die sich in ihnen aussprechende Eschatologie. 4 Blaß, 184-186. Nach Geffckens Meinung handelt es sich hier nicht um Fragmente, sondern um ein Florilegium gefälschter Verse heidnischer Propheten und Dichter. J. Geffcken, Komposition und Entstehungszeit der Oracula Sibyllina, TU N F 8,1902, 69; vgl. Dalbert, 108.109.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften 3.6.1 Sib Fragment 1 bei Theophilus ad Autolycum II.36 5 : Der unendliche Abstand zwischen Gott und Mensch

Der Tenor, der das gesamte Fragment 1 durchzieht, ist der eines unendlichen Abstands zwischen Gott und Mensch. Zwischen beiden liegt ein unüberbrückbarer qualitativer Unterschied. Der Abschnitt setzt ein mit einem Ausruf, der den Menschen als ein durch und durch nichtiges Wesen beschreibt. Ihm wird hybride Uberhebung vorgehalten, die die eigene Vergänglichkeit nicht ins Kalkül zieht. Entsprechend gilt ihm der Vorwurf mangelnder Gottesfurcht. Vor dem Hintergrund dieses negativen Menschenbildes wendet sich der Verfasser des Fragments der Beschreibung Gottes zu. Die Attribute, die er ihm beilegt, beziehen sich allesamt auf dessen Größe und dienen dazu, seine Macht und Herrlichkeit hervorzuheben. Er bezeichnet Gott als den Aufseher der Menschen, den Höchsten, den Erkennenden, den alles Sehenden, den Zeugen für alles, den alles nährenden Schöpfer, der das süße Pneuma in alles gelegt hat und es zum Führer aller Sterblichen 6 gemacht hat (Z. 3-6). Zu Beginn von Z. 7 nennt er Gott den εις Θεός, ein Prädikat, das in Z. 32 wiederholt wird. Seine Göttlichkeit äußert sich darin, daß er allein herrscht, übergroß und ungeworden ist (Z. 7). Er ist allmächtig, unsichtbar und sieht selbst doch alles (Z. 8). Aus dem Gegenüber zum sterblichen Menschen, von dem er nicht erblickt werden kann, geht hervor, daß er auch als unsterblich gedacht ist. Dies wird im nachfolgenden Satz durch das Adjektiv άμβροτος ausdrücklich bestätigt (Z. 11). Dem als σάρξ bezeichneten Menschen dagegen wird seine Unfähigkeit bescheinigt, den himmlischen, wahren und unsterblichen Gott zu sehen. Die Menschen, konkret gefaßt als die γεγαώτες άνδρες und in besonderer Weise wiederum durch das Adjektiv Θνητοί charakterisiert, seien ja nicht einmal imstande, entgegen den Strahlen der Sonne zu stehen. Es schließt sich ein Appell zur Verehrung Gottes an, des allein Seienden, des Gebieters des Kosmos, der allein von Ewigkeit zu Ewigkeit ist, αυτογενής und άγένητος 7 (Ζ. 17), alles beherrschend δια παντός, allen Sterblichen das Gericht zuteilend im gemeinsamen Licht. Den Menschen hingegen wird der ihnen für ihr schlechtes Streben gebührende Lohn angekündigt (Z. 19). Ihnen wird vorgeworfen, daß sie es unterlassen 8 haben, den wahren, ewigen Gott zu preisen und ihm heilige Festopfer zu bringen. Stattdessen hätten sie den Dämonen im Hades Opfer gebracht (Z. 20-22). Im Dünkel 5

Zugrunde liegt die Textausgabe von Kurfess, 66-68. Ähnlich Kurfess, 67 und 69: „ . . . den lieblichen Odem auf alle Niedergesendet und ihn als Führer der Menschen bestellt hat". Vgl. dagegen Blaß, 184: „den allnährenden Schöpfer, welcher den süßen Lebenshauch in alles gelegt und den Menschen zum Führer über alles gemacht hat". 7 So schon Z. 7. 8 προλείπω heißt verlassen, im Stich lassen, unterlassen. 6

Die Sibyllinischen Orakel

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und Wahnsinn wandeln sie und haben den richtigen, geraden Weg verlassen. Der Verfasser fordert sie auf, von ihren falschen, dunklen Wegen umzukehren und sich dem Licht zuzuwenden, das für alle sichtbar leuchtet (Z.23-31). Die Wiederaufnahme der Gottesbezeichnung εις Θεός in Ζ. 32 leitet eine Charakterisierung Gottes als dessen ein, der durch sein Handeln in den Naturereignissen als in Beziehung zur Welt stehend bekannt wird (Z. 32-34). Das Fragment endet mit der alles zusammenfassenden Aussage: Er gebietet im Himmel, er herrscht auf der Erde - "Αιδος άρχει 9 . Die Frage, wer nach der Darstellung des vorliegenden Fragments Gott und wer der Mensch ist, läßt sich mit dem knappen Satz beantworten: Gott ist alles, der Mensch nichts. Gott wird mit einer Vielzahl von Hoheitsprädikaten belegt, dem Menschen wird in schrillem Kontrast dazu seine Nichtigkeit bescheinigt. Alle positiven Qualitäten sind für Gott reserviert, der Mensch wird rein negativ dargestellt. Sowohl das Wesen des Menschen als auch sein Verhalten drücken seine Hinfälligkeit und vollkommene Verderbtheit aus. Der Tatsache, daß Gott und Mensch als einander völlig gegensätzlich gezeichnet sind, entspricht, daß die Möglichkeit einer Begegnung zwischen beiden praktisch nicht gegeben ist. Zwar deutet der Aufruf an den Menschen, sich aus seiner Dunkelheit dem göttlichen Licht zuzuwenden, darauf hin, daß der Verfasser des Fragments eine Beziehung des Menschen zu Gott für durchaus möglich hält. Jedoch läßt sich bezüglich der Basis seines Appells feststellen: Die Möglichkeit einer Umkehr zu Gott gründet lediglich in einer einzigen Berührung zwischen Gott und Mensch. Diese besteht darin, daß Gott, wie er in dem Fragment dargestellt wird, überwiegend personale Züge trägt. Von daher wäre eine Beziehung zwischen Gott und Mensch zumindest vorstellbar. Das bestätigt auch die Aussage von Z. 20 und 21. Danach hat für den Verfasser von Fragment 1 in der Vergangenheit offenkundig ein solches, auf dem Preis Gottes und Opfern basierendes Verhältnis bestanden. Aufs Ganze gesehen kommt es jedoch nicht zu einer direkten Beziehung zwischen Mensch und Gott. Der Abstand zwischen beiden ist zu groß. Die Aufforderung der Hinwendung zu Gott bleibt ein Postulat. Allenfalls die Aussage über den alles nährenden Schöpfer, der das Pneuma zum Führer der Menschen gemacht hat, der Hinweis, daß Gott den Menschen das Gericht zuteilt und die Tatsache, daß der Mensch durch die Konfrontation mit Naturereignissen indirekt auch Gott begegnet, könnten für eine solche Beziehung in Anschlag gebracht werden. Diese ist jedoch als eine nur mittelbare anzusehen. Am Ende bleibt das Verhältnis zwischen Gott und Mensch aufgrund von Fragment 1 lediglich eine Forderung.

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Vielleicht mit Kurfess, 69, zu übersetzen: „nur Er ist" (Hervorhebung vom Verfasser).

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

3.6.2 Sib 111,248-294: Gott im und neben dem Gesetz In von Sib Fragment 1 deutlich unterschiedener Weise ist von Gott die Rede in Sib 111,248-294. In diesem Abschnitt wird ein Abriß der Geschichte Israels vom Auszug aus Ägypten über die Gesetzgebungen am Sinai, die Zerstörung des Tempels und die Exilierung bis zum Wiederaufbau des Tempels gegeben. Gott wird im Rahmen dieses Uberblicks als der große und unsterbliche Gott bezeichnet. Er führte Israel aus Ägypten, er gab ihm das Gesetz. Er verlangt, daß die Gebote gehalten werden. Die Gesetzesübertreter werden umkommen, während den νομίμοις hundertfältige Frucht der Erde verheißen wird (Z. 263f.). Gleichwohl werden auch sie dem Exil nicht entgehen (Z. 265-270). Die Unterscheidung von Tun und Ergehen der Gehorsamen und der Übertreter wird angesichts der Verwüstung des Landes und der Zerstörung des Tempels aufgehoben, indem als Ursache dafür allgemein der Ungehorsam gegenüber dem heiligen Nomos des unsterblichen Gottes angegeben wird. An die Stelle der Achtung des unsterblichen Schöpfers aller Götter und Menschen sei der Dienst an kläglichen Götzen und die Verehrung der είδωλα sterblicher Menschen getreten (Z. 276-279). Das Exil mit der Verödung des Landes und dem Verfall des Tempels bedeutet die Strafe dafür (Z. 280-281). Ihr folgt jedoch am Ende Gutes und größte Herrlichkeit (Z. 282) - „wie es dir Gott und ein Sterblicher erfüllte" (Aorist!) (Z. 283). Der Verfasser mahnt dazu, Vertrauen in die heiligen Gesetze des großen Gottes zu bewahren. Gott wird den πιστεύων zum Licht aufrichten. Dann wird der himmlische Gott einen König senden, jeden Mann mit Blut und Feuerglanz zu richten (Z. 283-287). Der Abschnitt endet mit der Zusage, daß schließlich der Tempel wiederum sein wird, wie er früher war (Z. 294). Zentrale Bedeutung für das Verhältnis zwischen Gott und Mensch kommt in Sib 111,248-294 dem Gesetz zu. Sechsmal ist ausdrücklich von ihm und denen, die sich daran halten, die Rede. Dabei ist die Terminologie nicht einheitlich. Dreimal wird das Wort νόμος im Singular gebraucht (Z. 256.259.276), je einmal pluralisch von den άγνοΐσι νόμοισιν (Ζ. 284) und den νομίμους (Ζ.263) gesprochen und einmal heißt es: πάντα δίκαια (Ζ. 257). Für den Verfasser hängt das Geschick Israels entscheidend von seinem Verhältnis gegenüber dem Gesetz ab. Der Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes gibt für ihn den Schlüssel zum Verständnis des Unheils, das Israel widerfahren ist, ab. In der Verehrung der είδωλα findet dieser Ungehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes nach seiner Auffassung seinen zentralen Ausdruck. Zugleich propagiert der Verfasser jedoch nicht eine strenge Gesetzesobservanz als Mittel und menschliche Möglichkeit zur Restitution Israels. Diese erwartet er vielmehr von einem unableitbaren Eingreifen Gottes und einem Königshaus, unter dessen Herrschaft es zum Bau eines neuen Tempels

Die Sibyllinischen Orakel

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kommen wird (Ζ. 285-294). Der Verfasser verwendet das Thema „Gesetz" also für seine Deutung des Schicksals Israels. Der Ungehorsam gegenüber dem Gesetz, gleichbedeutend mit der Übertretung der Gebote, erklärt den Untergang Israels. Damit signalisiert der Verfasser, daß nach seinem Verständnis das Gesetz der Ort ist, an dem der Mensch Gott zu entsprechen hat. Auf Seiten des Menschen bildet es den Ort der Begegnung mit Gott. Des unsterblichen Gottes Handeln bleibt gleichwohl unabhängig vom Verhalten des Menschen gegenüber dem Gesetz. Dies gilt sowohl gegenüber dem Übertreter des Gesetzes als auch gegenüber dem Gesetzestreuen. Denn wie letzterer trotz der Verheißung hundertfältiger Frucht der Erde doch in das allgemeine Unheil über Israel hineingerissen wird, so wird das pauschal auf den Ungehorsam Israels zurückgeführte Unheil des Volkes nicht Gottes letztes Wort bleiben. Am Ende steht der Wiederaufbau des Tempels. Der Verfasser des Abschnitts reflektiert den Verlauf der Geschichte Israels mit Blick auf das Gesetz und auf Gott selbst. Er versteht dabei Gott nicht exklusiv vom Gesetz her. Wohl hat der Mensch Gott durch das Einhalten des Gesetzes bzw. der Gebote zu entsprechen und ist damit an das Gesetz als den Ort der Begegnung mit Gott gewiesen. Aber die Geschichte Israels ist für ihn nicht einzig über das Gesetz als den Schlüssel zur Gottes- und Welterkenntnis verstehbar. Daneben weiß er von einem Handeln Gottes, das nicht vom Verhalten des Menschen gegenüber dem Gesetz her erklärlich ist. Den unverrechenbaren Anteil des Geschichtsverlaufs führt er auf ein davon unabhängiges Eingreifen Gottes zurück, das sich mittels eines Königs und eines Königshauses vollzieht. Der Mensch ist zwar an das Gesetz verwiesen, vollständig wird ihm der Verlauf der Geschichte von daher jedoch nicht durchschaubar. In bezug auf Gott bedeutet das für den Menschen: Wer Gott ist und wie Gott handelt, erfährt der Mensch über das Gesetz nur partiell. Dieses bleibt zwar als der Ort, an dem der Mensch Gott begegnet, nicht nur in Geltung, sondern wird darüber hinaus nachdrücklich als Instanz eingeschärft, an der sich sein wie das des ganzen Volkes Geschick entscheidet. Aber daneben wird von Gott auch abseits des mit dem Gesetz gegebenen Zugangs gesprochen. Der Verfasser bewältigt auf diese Weise die Aporien, die bei der von ihm vertretenen exklusiven Bindung des Menschen an den im Gesetz begegnenden Gott aufbrechen. Er verläßt damit jedoch den von ihm selbst gesteckten Rahmen, der den menschlichen Zugang zu Gott auf das Gesetz beschränkt.

3.6.3 Das Offenbarungsverständnis in den Sib Gott ist in den Sib durch seine Hoheit und Größe charakterisiert. Für das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist in erster Linie die Distanz kennzeichnend.

Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

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Die Offenbarung Gottes vollzieht sich in den Naturereignissen, in seinem Handeln in der Geschichte Israels 10 und in seinem Gericht an den Menschen 11 . Eine unmittelbare Anrede an den Menschen kommt dagegen nicht vor. Dies entspricht der distanzierenden Darstellung Gottes in Sib. In dieser Hinsicht ist eine Vermenschlichung Gottes vermieden 12 . Der Mensch ist zur Realisierung eines Gottesverhältnisses neben dem Preis Gottes und Opfern (Fragment 1, Z. 20) vor allem an das Gesetz verwiesen. Durch die Befolgung der Gesetze soll er ein Gott entsprechendes Verhalten an den Tag legen. Auch bei Anerkenntnis des Gesetzes als des Ortes, an dem der Mensch die Gottesbeziehung zu vollziehen hat, ist Gott jedoch vom Gesetz her für den Menschen nicht vollständig zu erfassen. Uber seine für den Menschen im Gesetz erkennbare Offenbarung hinaus bleibt nach Auffassung des Verfassers von Sib 111,248-294 ein unverrechenbarer Rest im Blick auf die Erkenntnis Gottes. Gott ist zwar der, dem der Mensch im Gesetz zu entsprechen hat, bleibt aber, da er auch in seinem unableitbaren Handeln in der Geschichte gesehen werden muß, gleichwohl menschlicher Berechnung entzogen. Damit versucht der Verfasser die Unantastbarkeit der Größe Gottes durch den Menschen zu wahren und Gott dem Zugriff des Menschen zu entziehen. Zugleich birgt dies jedoch die Gefahr einer Aufspaltung des Gottesbegriffs in sich. Der Verfasser reserviert nämlich einen theologischen Wissensvorsprung gegenüber seinen Lesern für sich. Jene verweist er an das Gesetz als den Ort der Begegnung mit Gott. Hier treffen sie auf den deus revelatus. Er selbst aber weiß um einen Gott, der sich darüber hinaus auch an anderer Stelle offenbart. Zu diesem nur seiner eigenen Erkenntnis zugänglichen, über der Offenbarung im Gesetz und hinter der Geschichte stehenden deus absconditus vermag er seinen Lesern jedoch keinen Zugang, der die Möglichkeit einer Begegnung in sich trägt, zu eröffnen.

3.7 Eupolemos In nur zwei der fünf von Eupolemos erhaltenen Fragmente ist von Gott die Rede. Davon scheidet das in Eusebs Praeparatio Evangelica I X 39,2-5 aufgezeichnete, auf Alexandros Polyhistor zurückgehende Fragment 4 für die Untersuchung des Gottesverständnisses des Eupolemos praktisch aus, da das Wort „Gott" hier nur einmal gebraucht wird. In einer für das Thema wenig 10 11 12

L a u : Dalben, 114, ist dies jedoch nur selten der Fall. Dalben sieht hierin den primären O r t der Offenbarung Gottes in Sib (113). Dalben, 114.

Eupolemos

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aussagekräftigen Formulierung wird von dem „von Gott gesandt(en)" Jeremia gesprochen (39,2). Damit kommt für eine nähere Betrachtung nur Fragment 2 in Frage. Es ist ebenfalls durch Alexandras Polyhistor überliefert und bei Euseb von Cäsarea erhalten (Praep Εν IX 30,1-34,18) 1 . Eupolemos, in dieser Hinsicht als „ein erster Vorläufer des Josephus" 2 zu bezeichnen, ist bestrebt, seinen Lesern einen Uberblick über die Geschichte des Volkes Israel zu vermitteln. N.Walter setzt für die Entstehung des Werkes das Jahr 158 v. Chr. und als Ort Palästina an. Eupolemos stehe der makkabäischen Bewegung nahe 3 . Charakteristisch für ihn ist seine Begeisterung für den Tempel. Der Bau des Tempels unter Salomo (im Text: Solomon) und die Vorbereitungen dazu stellen auch das Hauptthema von Fragment 2 (F 2) dar. F 2 wird eingeleitet durch einen kurzen geschichtlichen Abriß, der von Mose bis Samuel und dann von Saul über David bis zu Salomo reicht (Praep Ev 1X30,1-8). In diesem Teil wird Gott dreimal erwähnt: Saul sei von Samuel nach dem Willen Gottes zum König erwählt worden (30,2); David wollte Gott einen Tempel bauen und bat Gott, ihm einen Ort für den Altar zu zeigen (30,5). In den folgenden vier Briefen, es handelt sich um Schreiben Solomons an einen nicht belegten ägyptischen König Uaphres und an Suron, den König von Tyros, Sidon und Phönikien sowie um die beiden Antwortschreiben an Solomon, wiederholen sich in bezug auf Gott bestimmte Formulierungen, die außerhalb dieser Briefe im Kontext nicht begegnen. Der Wortlaut des Briefes Solomons an Uaphres wird abgesehen vom Wechsel des Adressaten und einer leichten Abänderung des Schlusses von 31,1 fast exakt für den Brief an Suron übernommen und an dessen Anfang gestellt (33,1). Darin spricht „Solomon" hinsichtlich seiner Regierungsübernahme davon, daß er sie empfangen habe δια του Θεοΰ του μεγίστου. Dieser habe ihm aufgetragen, einen Tempel zu bauen τω Θεώ, ος τον ούρανόν καΐ την γήν εκτισεν. Aus diesem Grund bittet Solomon Uaphres bzw. Suron darum, ihm Arbeitskräfte zu schicken, damit er der ihm auferlegten Verpflichtung - in 33,1 präzisiert als ihm auferlegte Verpflichtung gegenüber Gott - nachkommen könne. Die beiden Antwortbriefe nehmen je eine der beiden bei Solomon erschei1 Textausgabe: Eusebius, Praeparatio Evangelica; Übersetzungen: Rießler, 328-333; Walter, Fragmente, 99-108. Die Einleitungsfragen werden behandelt bei Walter, Fragmente, 93-98. Vgl. auch M. Hengel, Anonymität, Pseudepigraphie und „Literarische Fälschung" in der jüdisch-hellenistischen Literatur, in: Pseudepigrapha I, Entretiens sur l'Antiquite Classique 18, 229-308,238.239. 2 Walter, Fragmente, 97. 3 Walter, Fragmente, 95-97. Zu Abfassungsort und Intention von Eupolemos vgl. auch Dalbert, 37.38 und Hengel, Judentum, 169-175. Schürer, 474-477.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

nenden Prädikationen Gottes auf. Uaphres' Antwort greift mit der Betitelung Gottes als τηλικούτος Θεός (32,1) auf Solomons Gottesbezeichnung μέγιστος Θεός zurück. Suron dagegen preist 4 in gleicher Formulierung wie Solomon den Gott, der den Himmel und die Erde schuf (34,1). In bezug auf Solomons Regierungsübernahme spricht er ebenfalls davon, Gott gepriesen zu haben. Er redet dabei ohne weitere Explikation von ό Θεός (34,1). Uber die genannten Stellen hinaus ist in F 2 nur noch fünfmal von Gott die Rede. In 34,4 wird vom ιερόν bzw. ναόν του Θεοΰ gesprochen, außerdem von Nathan, dem Propheten Gottes. In 34,14 und 16 wird von einem großen Opfer Solomons für Gott berichtet. Es fällt auf, daß Eupolemos immer von ό Θεός, also mit Artikel, von Gott spricht. Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen jüdischen Schriftstellern ist bei ihm weder vom τό Θείον noch von ό ών oder von τό öv die Rede. Die Gottesbezeichnung als solche (ό Θεός) wird von ihm allerdings mit Selbstverständlichkeit verwendet und nicht vermieden. Anthropomorphe Gottesvorstellungen kommen allenfalls darin zum Ausdruck, daß Gott ein Wille zugeschrieben wird (30,2) und Solomons Regierungsübernahme auf Gottes Hilfe zurückgeführt wird (31,1; 33,1). Aufs Ganze gesehen liegt bei Eupolemos ein Gottesverständnis vor, das Offenheit gegenüber hellenistischer Denkweise bekundet. Darauf deutet die Bezeichnung μέγιστος5 für Gott hin. Gleichwohl bleibt es der genuin jüdischen Tradition verpflichtet. Davon zeugen das dezidierte Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer des Himmels und der Erde, zu dem also, der die Schöpfung ex nihilo vollbracht hat, die Vermeidung typisch hellenistischer Gottesbezeichnungen sowie das Interesse des Eupolemos an Tempel und Opfern. Das Gesetz hingegen wird nur in Fragment 1 (Euseb, Praep Εν I X 26,1) kurz erwähnt und auch dort nur unter der Perspektive, daß Mose der erste war, der den Juden die Gesetze aufgeschrieben hat 6 . Von einer Beziehung des Menschen zu Gott ist bei Eupolemos nur insoweit die Rede, als Solomon seine Regierungsübernahme Gottes Hilfe zuschreibt, Uaphres David als einen von Gott anerkannten Mann bezeichnet (32,1), Suron Solomon einen von Gott erwählten Menschen nennt (34,1) und Solomon den Tempelbau als eine Verpflichtung gegenüber Gott versteht (31,1; 33,1).

4 Die Wendung εύλογητός ό Θεός lehnt sich an 2Chr 2,11 L X X an. D o n heißt es, Chiram (= Suron) sagte: Εύλογητός κύριος ό Θεός 'Ισραήλ. 5 Der Gebrauch von μέγιστος als Attribut Gottes nimmt in den jüngeren Schriften der L X X zu. Vgl. z.B. Est 8,12q; 2Makk 3,36; 3Makk 1,16. 6 Zum Ganzen vgl. Dalben, 38.39.42.

Artapanos

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3.8 Artapanos Dem jüdisch-hellenistischen Schriftsteller Artapanos werden drei ebenfalls durch Alexandras Polyhistor überlieferte und bei Euseb erhaltene Fragmente (Praep Εν IX 18,1; 23,1—4; 27,1-37) zugeschrieben1. Die Absicht dieses Autors ist es2, die Überlegenheit Moses, der für ihn in erster Linie nicht als Gesetzgeber, sondern als Heros des jüdischen Volkes von Bedeutung ist, und damit den Vorsprung des von ihm repräsentierten Judentums gegenüber jeder heidnischen Religiosität zu erweisen. Möglicherweise steht hinter seinen Ausführungen auch die apologetische Tendenz, das Judentum in Ägypten gegenüber Verleumdungen in Schutz zu nehmen 3 . Jedenfalls wird Mose als eine Gestalt gezeichnet, der nicht nur für die jüdische, sondern gerade auch für die ägyptische Religiosität konstitutive Bedeutung zukommt 4 . Selbst der ägyptische Tierkult wird auf ihn zurückgeführt. Artapanos erweist sich damit als ein Autor, der synkretistischen Tendenzen offen gegenübersteht. Wenngleich in seiner Mosedarstellung auch keine reflektierte Gotteslehre begegnet, ist zu fragen, inwieweit diese Offenheit sich auch in seiner Redeweise von Gott wiederfindet. Viermal verwendet Artapanos ό Θεός als Gottesbezeichnung, und zwar ausschließlich in Fragment 3 (Euseb, Praep Εν IX 27,1-37). Über Mose wird gesagt, daß er den Menschen viele technische Entwicklungen gebracht hat. Er hat den Staat in 36 Bezirke eingeteilt und jedem Bezirk gesondert τον Θεόν σεφΘήσεσΘαι zugewiesen (27,4). Damit wird an dieser Stelle die Bezeichnung ό Θεός auch für die von den Ägyptern verehrten Götter verwendet 5 . Mose betet zu Gott, er möge den Leiden des Volkes Einhalt gebieten (27,21). Ferner soll er dem ägyptischen König den Namen Gottes nennen (27,24). Zum vierten Mal begegnet die Bezeichnung ό Θεός in 27,37: Gott läßt den Juden während ihres vierzigjährigen Aufenthalts in der Wüste Gräupchen regnen. An zwei Stellen wird von der Θεία φωνή gesprochen. Das eine Mal befiehlt sie Mose, gegen Ägypten Krieg zu führen (27,21), das andere Mal trägt sie ihm auf, angesichts der verfolgenden Ägypter das Meer vor den Juden auseinandertreten zu lassen (27,36). Unter dem Aspekt seiner Macht wird Gott auch mittels der Bezeichnung ό δεσπότης της οικουμένης charak1

Textausgabe: Eusebius, Praeparatio Evangelica; Übersetzungen: Rießler, 186-191; Walter, Fragmente, 127-136. 2 Vgl. dazu die Einleitung bei Walter, Fragmente, 121-126 sowie Walter, Literatur, 98.99. Laut Schürer liegt bei Artapanos die „Tendenz einer Glorifizierung des jüdischen Volkes" vor (477). 3 Dies könnte etwa gegenüber dem Vorwurf gegolten haben, die Juden seien Verächter der Götter. Artapanos stelle sie daher gerade als Begründer religiöser Gebräuche dar. Schürer, 479. 4 Das gilt auch in bezug auf die griechische Religiosität. Vgl. Hengel, Judentum, 171. 5 Vgl. Dalben, 45.

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terisiert (27,22). Hohe Bedeutung kommt dem Namen Gottes zu. Ihm wird magische Wirkung zugeschrieben (27,24-26)6. Der besondere Stellenwert der Person des Mose kommt u.a. in dem Adjektiv ίσόΘεος zum Ausdruck. Mose wird von den Priestern ίσοΘέου τιμής für wert erachtet (27,6)7. Gott begegnet in der Darstellung des Artapanos primär im Wunder und als derjenige, der seine Macht erweist. In dieser Hinsicht entspricht das Gottesbild des Artapanos der Beschreibung der Gestalt des Mose. Der überragenden Bedeutung Moses korrespondiert die Größe des von ihm verehrten jüdischen Gottes. Mit dem Bekenntnis zur alles umfassenden Größe Gottes geht Artapanos jedoch an einem entscheidenden Punkt auf Distanz zu dem hellenistischen Synkretismus, dem er sich ansonsten in einer für einen Juden erstaunlichen Weise öffnet. Unbeschadet der Tatsache, daß Mose „in hellenistischer Manier ganz in die Nähe eines Θείος άνήρ gerückt, ja sogar mit Hermes, dem hellenistischen Äquivalent für den ägyptischen Gott Thot, gleichgesetzt"8 wird, wahrt er durch die Bezeichnung Gottes als ό δεσπότης της οικουμένης den Abstand und die Überordnung Gottes gegenüber Mose. Der Gott, von dem er kündet, bleibt - so der Widerspruch gegenüber hellenistischer Religiosität - selbst von dem vergöttlichten Menschen klar unterschieden. Jedoch wird Gott nicht exklusiv unter dem Gesichtspunkt seiner Macht gesehen. Für Mose, den vorbildlichen Repräsentanten des Judentums, erschließt er sich auch in der unmittelbaren personalen Beziehung. Auf sein Gebet hin erweist Gott sein Erbarmen (27,21). Nach Schürer haben wir es bei Artapanos „mit einem jüdischen Schriftsteller zu tun, dem der Glanz und die Ehre des jüdischen Namens mehr am Herz lagen, als die Reinheit der Gottesverehrung" 9 . Dies Urteil mag begründet erscheinen10, legt man isoliert die verherrlichende Darstellung des Mose zugrunde und mißt die theologischen Aussagen an einem sogenannten „reinen" Gottesbegriff. Der Intention des Autors wird es jedoch nicht gerecht. Artapanos zeichnet das Bild eines Gottes, der sich gegenüber seinem Verehrer Mose anders verhält als gegenüber seinen Feinden. Nach außen, gegenüber seinen Gegnern, erscheint er einzig unter dem Aspekt seiner Macht. Mose, dem Repräsentanten seiner jüdischen Anhänger und damit diesen selbst, erweist er sich auf andere Weise, nämlich im Modus der Zuwendung, des Beistands und der Hilfe. Freilich bleibt er auch dabei der Mächtige. Artapanos demonstriert seinen Lesern, wie Gott nach außen hin für jedermann erkennbar auftritt; und er zeigt ihnen gewissermaßen eine Innenan6

Dalbert, 45.46. Dalben, 49: ίσόΘεος finde sich in LXX nur in 2Makk 9,12 (nicht 9,13!), dort allerdings in negativem Sinn. 8 Walter, Fragmente, 122. 9 Schürer, 479. 10 Dalbert, 52, teilt das Urteil Schürers. 7

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sieht, indem er darstellt, wie Gott sich gegenüber Mose als dem Repräsentanten des Judentums schlechthin verhält. Seine missionarische Absicht 1 1 wäre zum Ziel gelangt, könnte er seine Leser dazu bewegen, sich ebenfalls an den Gott zu halten, an dessen Seite Mose lebte und wirkte. E r wahrt damit das Anliegen der alttestamentlich-jüdischen Tradition, von Gott als dem zu reden, der sich dem Menschen zuwendet und ihn begleitet.

3.9 Pseudo-Hekataios II Zwei bei Josephus, Ant 1 1 5 4 - 1 6 8 und Clemens von Alexandrien, Strom V 113,1-2 überlieferte Textfragmente 1 werden einem als Pseudo-Hekataios II bezeichneten Verfasser zugeschrieben 2 . Pseudo-Hekataios II handelt „Uber Abramos und die Ägypter". Die Schrift ist propagandistisch ausgerichtet. In ihr wird die Anschauung vertreten, daß das Bekenntnis zum Monotheismus, in Fragment 2 Sophokles in den Mund gelegt, von Abraham abhängig ist. Erst auf dem Weg über Ägypten sei es, wie die Kultur und Religion überhaupt, nach Griechenland gelangt 3 . Abgefaßt worden sein wird die Schrift von einem jüdischen Hellenisten in Alexandrien in der Zeit vor Josephus 4 .

1 1 Der Terminus „missionarisch" wird hier beibehalten, allerdings nicht in dem speziellen Sinn einer Mission an Andersglaubenden verstanden. Mit „missionarischer Absicht" ist im weiteren Sinn der Versuch des Autors gemeint, die Leser für sein Anliegen zu gewinnen. Es soll damit jedoch nicht entschieden werden, ob die Schrift des Artapanos auf die Bekehrung Außenstehender zielt oder eher zur Selbstvergewisserung im internen Kreis der Gemeinde gedacht ist. Letzteres scheint mir allerdings wahrscheinlicher zu sein. Walter, Fragmente, 125, hält gegen Dalbert die Schrift nicht für eine „missionarische". 1 Textausgaben: Flavii Iosephi Opera, ed. B. Niese, Vol. I Antiquitatum Iudaicarum Libri I - V , 2 1955; Josephus with an English translation by Η . S t . J . Thackeray, In nine volumes, vol. IV, Jewish Antiquities, Books I - I V , 1961; Clemens Alexandrinus, Zweiter Band, Stromata I - V I , hg. v. O . Stählin, neu hg. v. L. Früchtel, GCS, 1960. Ubersetzung: Walter, Fragmente, 158-160. 2 Zu den Einleitungsfragen vgl. Walter, Fragmente, 149-151 und Walter, Literatur, 99.100. Vgl. ebenfalls Schürer, 603-608; Dalbert, 6 5 - 6 7 ; B. Schaller, Hekataios von Abdera über die Juden. Zur Frage der Echtheit und der Datierung, Z N W 54, 1963, 15-31; J . G . Gager jr., Pseudo-Hecataeus again, Z N W 6 0 , 1 9 6 9 , 1 3 0 - 1 3 9 . 3 Walter, Fragmente, 150. 4 Walter, Fragmente, 151.

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3.9.1 Fragment 1 (Josephus, Ant 1 154-168): Der Schöpfergott ist Einer Abraham wird in PseuHek II Fragment 1 als ein Mann mit hohen intellektuellen Fähigkeiten dargestellt. Diese kommen sowohl in seinem Verständnis der Tugend wie dem Gottes als auch in seinen Kenntnissen der Mathematik und Astronomie zum Ausdruck. Bezüglich seines Gottesverständnisses wird ausgesagt, daß Abraham die damals herrschende Meinung über Gott durch eine neue, richtigere ersetzen wollte. „Er wagte also als erster, geradeheraus zu sagen, daß Gott, der δημιουργός των δλων, einer ist und daß von den übrigen Dingen, wenn es etwas zum Glück beiträgt, er es jedem gemäß seiner Anordnung gewährt und nicht gemäß eigener Stärke" (155). Abraham Schloß dies aus dem Lauf der Natur, aus den Vorgängen auf der Erde und im Meer, an Sonne und Mond und allen Ereignissen am Himmel. Wenn diese Naturgrößen selbst die Kraft hätten, für ihre Ordnung zu sorgen, würden sie es tun. Da sie dies nicht vermögen, ist offenkundig, daß sie auch das, was sie den Menschen zum Nutzen wirken, nicht aus eigener Kraft leisten, sondern aus der Kraft dessen, der befiehlt. Ihm allein ist mit gutem Recht Ehre und Dank zu erweisen (156). Als daraufhin die Chaldäer und die anderen Bewohner Mesopotamiens sich gegen ihn empörten, beschloß Abraham umzusiedeln und nahm κατά βούλησιν και βοήΘειαν Θεοΰ das Land Chananäa in Besitz. Er ließ sich dort nieder, baute einen Altar und brachte Gott Opfer dar (157)5. Später zieht Abraham anläßlich einer Hungersnot in Judäa nach Ägypten, um am dortigen Uberfluß teilzuhaben 6 , aber auch, um von den Priestern zu hören, was sie περί Θεών zu sagen hätten. Sollten sie sich als überlegen erweisen, wollte er ihnen folgen; sollte er über die bessere Einsicht verfügen, wollte er sie eines Besseren belehren (161). Wegen der Vielzahl der ägyptischen Bräuche und Riten unterhält sich Abraham einzeln mit den Ägyptern und weist ihnen nach, daß ihre Bräuche keine Wahrheit enthalten (166). Er wird von ihnen als der Verständigste bewundert. Daraufhin schenkt er ihnen die Arithmetik und teilt ihnen die Kenntnis der Astronomie mit (167). Denn vor seiner Ankunft wußten die Ägypter davon nichts. Diese Kenntnisse kamen, so der Schluß des Fragments, von den Chaldäern zu den Ägyptern. Von dort aus gelangten sie auch zu den Griechen (168). Über Gott wird in diesem Text ausgesagt, daß er Einer ist. Dabei ist 5 Walter, Fragmente, 158, setzt § 157b wegen der Anlehnung an Gen 12,1-20 kursiv, d.h. er hält ihn für ein Referat des Josephus. D a es sich jedoch um eine freie Wiedergabe des biblischen Textes handelt, wird auch § 157b von mir für das Verständnis von PseuHek II herangezogen. Für die Josephus geläufige Rede vom „Willen Gottes" gilt die Zuweisung an PseuHek II allerdings nur mit Einschränkung. 6 Diese Aussage ist bei Walter ebenfalls kursiv gesetzt und wird von ihm Josephus zugeschrieben.

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vorausgesetzt, daß er der Schöpfer aller Dinge ist. Diese Erkenntnis sei aus den Vorgängen in der Natur und am Himmel abzuleiten. Die Wahrheit dieses Gottes erweist sich auch gegenüber den Göttern und den religiösen Gebräuchen der Ägypter. In das Verhältnis zu Gott tritt Abraham durch das Opfer. Aber eine Beziehung Gottes zum Menschen sieht der Verfasser des Textes auch darin, daß das, was zur ευδαιμονία des Menschen beiträgt, ebenfalls auf Gott zurückzuführen ist. Daß Gott als in einer lebendigen Beziehung zum Menschen, in diesem Fall konkret zu Abraham, stehend verstanden wird, kommt schließlich auch in der Wendung „gemäß dem Willen7 und mit Hilfe Gottes" (157) zum Ausdruck.

3.9.2 Fragment 2 (Clemens von Alexandrien, Strom V 113,1-2): Ein einziger ist Gott Das Sophokles zugeschriebene und als Fragment 2 von Pseudo-Hekataios II bei Clemens von Alexandrien, Strom V 113,1-2 erhaltene monotheistische Gedicht war ursprünglich Bestandteil eines älteren Gnomologions, das unter dem Namen verschiedener griechischer Dichter Zeugnis für den Monotheismus ablegen sollte. Eins der Gedichte daraus zitiert Pseudo-Hekataios II in dem vorliegenden Fragment. Das Gnomologion, eine „Fälschung mit einheitlichem Thema" 8 , ist also älter als PseuHek II selbst. Das vorliegende neunzeilige Gedicht besteht aus zwei Teilen. In den Zeilen eins bis drei ist von Gott die Rede, in den Zeilen vier bis neun vom Menschen. Zeile eins setzt mit dem Bekenntnis zum einen Gott ein. Das besondere Gewicht, das dieser Aussage zukommt, wird durch ein doppeltes εις zum Ausdruck gebracht. Die Zeile beginnt mit dem Ausruf εις, der durch das nachfolgende άληΘείαισιν zusätzlich unterstrichen wird. Das Wort εις wird unmittelbar im Anschluß daran wiederum aufgenommen und zu dem Bekenntnis εις έστι(ν) Θεός weitergeführt. In Zeile zwei und drei wird in einem durch das Pronomen δς eingeleiteten Relativsatz das Tun Gottes geschildert und damit zugleich der Gottesbegriff aus Zeile eins mit Inhalt versehen. Der eine Gott ist der, der den Himmel bereitete und die weite Erde, des Meeres graue Brandung und die Gewalt der Winde9. Der Größe des Schöpfergottes steht ein Mensch gegenüber, der durch Verwirrtheit und Armseligkeit gekennzeichnet ist. Er trägt die Bezeichnung Θνητός. Der Verfasser des Gedichtes spricht in der ersten Person Plural von 7 8 9

Vgl. dazu die in Anm. 5 vorgenommene Einschränkung. Walter, Fragmente, 151. Im Vergleich dazu Paulus: Rom 3,30.

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ihm. „Wir" Sterblichen bauen uns zur Linderung der Leiden Götterbilder aus Stein oder Bildsäulen aus Erz, Gold oder Elfenbein. Diesen Opfer und schändliche Feste darbringend, meinen wir, daß wir auf diese Weise fromm sind. Das Elend des Menschen liegt darin, daß er in seinem Tun nicht dem in Wahrheit einzigen Gott begegnet, sondern selbstgefertigte Götterbilder verehrt und dies selbst auch noch für ευσέβεια hält. Das Fragment stellt Gott nicht als das Gegenüber des Menschen dar. Vielmehr zeichnet es Gott als das Gegenteil des Menschen. Im Blick auf den Menschen wird lediglich konstatiert, daß er Gott nicht entspricht. Darin liegt jedoch zugleich das appellative Element des Gedichtes. Die Opfer und Feste, die Frömmigkeit des Menschen, sind fehlgeleitet. Der Verfasser der Zeilen will seine Leser zu einem angemessenen Gottesverhältnis bewegen, d.h. zu einer Frömmigkeit, die dem Charakter des in Zeile eins bis drei beschriebenen Gottes entspricht.

3.9.3 Der Mensch vor dem einen Gott

In den beiden von Pseudo-Hekataios II erhaltenen Textfragmenten ist von Gott primär unter dem Aspekt seines Einsseins und seines Einzigseins die Rede. Hierin ist auch der Grund für die Übernahme des älteren, unter dem Namen des Sophokles verfaßten Gedichtes durch PseuHek II zu sehen. In diesem Punkt paßt es zu der in Fragment 1 sichtbar werdenden Auffassung des Verfassers. Während aber in dem Gedicht der Mensch von seinem Fehlverhalten gegenüber dem wahren Gott her in den Blick kommt - und sich darin, allerdings indirekt, die Aufforderung des Autors zu gottgemäßem Verhalten ausdrückt - wird in Fragment 1 zumindest ansatzweise sichtbar, daß und in welcher Weise der Verfasser an ein positives Verhältnis zwischen Gott und Mensch denkt. Ist der Mensch in Fragment 2 hinsichtlich seines Versagens vor Gott dargestellt, so in Fragment 1 in der Gestalt Abrahams hinsichtlich seiner Gott entsprechenden Verhaltensweise. Auch hier ist von einem Opfer die Rede (157), allerdings von einem für den wahren Gott, an dem es folglich nichts auszusetzen gibt. Abraham als der, der die richtige Anschauung über Gott vermittelt, ist der Protagonist derer, die in seiner Nachfolge stehen. Er verkündet Gott als den einen Schöpfer aller Dinge. Er erkennt, daß das, was den Menschen von den übrigen Dingen an Glück zukommt, letztlich auf Gott zurückgeht. Er verhält sich nach Gottes Willen und siedelt mit seiner Hilfe. Er setzt sich mit fremden Göttern auseinander und widerlegt deren Wahrheitsansprüche. Er

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demonstriert, wie gottgemäßes Leben sich realisiert. Damit gibt er das Beispiel für alle die ab, die sich als in seiner Nachfolge stehend begreifen10. PseuHek II bemüht sich darum, das Grundbekenntnis zu dem einen Gott zu vermitteln. Zugleich zeigt er mit Hilfe der Person Abrahams an, in welcher Weise eine Beziehung zwischen diesem Gott und dem Menschen Gestalt gewinnen kann.

3.10 Josephus Aus dem umfangreichen Schrifttum des Josephus werden exemplarisch folgende Texte behandelt 1 : Ant I 15-24 und IV 180-201 sowie Ap II 190-198. Innerhalb des Vorworts zu den Antiquitates, in Ant I 15-24, nimmt Josephus Stellung zum Problem der Angemessenheit des Redens von Gott. Von der Offenbarung des göttlichen Willens im mosaischen Gesetz handelt Ant IV180-201. Ap II 190-198 widmet sich im Rahmen der übergeordneten Frage nach den Weisungen und Verboten des Gesetzes speziell dem Thema der Gotteserkenntnis und -Verehrung.

3.10.1 Ant 115-24: Die Angemessenheit des Redens von Gott Bevor Josephus in Ant I 27 mit seiner Darstellung von der Schöpfung der Welt einsetzt, stellt er seinen Ausführungen einige generelle Vorbemerkungen voran. Er ermahnt seine Leser, ihren Sinn auf Gott zu richten und „unseren Gesetzgeber" zu prüfen, ob er seine, Gottes, Natur angemessen wahrnahm und ihm die Taten immer seiner Macht geziemend zuschrieb (I In 118-23 wird Mose in Beziehung zu anderen Gesetzgebern gesetzt und mit ihnen verglichen. Für Mose stand laut Josephus das Streben nach der Erkenntnis der Natur Gottes im Vordergrund. Dies habe er sowohl im Blick auf das Leben des einzelnen für notwendig gehalten als auch für den, der anderen Gesetze gibt. Der Betrachter τω ν φ der Werke Gottes ist angehalten,

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In dieser Hinsicht besteht eine Ähnlichkeit mit der Mosedarstellung des Artapanos. Textausgaben: Flavii Iosephi Opera, ed. B. Niese, Vol. I und V, 2 1955; Josephus with an English translation by Η . St. J. Thackeray, vol.1 and IV, 1961. Deutsche Ubersetzung: Η . Clementz, Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer, Bd. I, ο. J. 1

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das beste Beispiel aller nachzuahmen (119). Von Gott gilt es in erster Linie zu erkennen, daß er πατήρ 2 και δεσπότης πάντων ist und alles sieht 3 und denen, die ihm folgen, einen εύδαίμονα βίον gibt. Diejenigen aber, die außerhalb der Tugend gehen, stürzt er in großes Unglück (120). Um seinen Mitbürgern diese Erkenntnis beizubringen, hat Mose bei der Aufstellung der Gesetze nicht wie andere mit Verträgen und dem gegenseitigen Recht begonnen 4 , sondern ihren Sinn auf Gott und die Beschaffenheit des Kosmos gelenkt und sie überzeugt, daß von den Werken Gottes auf Erden die Menschen das schönste sind. Hatte er sie im Blick auf die Frömmigkeit erst einmal gehorsam gemacht, überzeugte er sie vollends leicht bezüglich alles übrigen (I 21). Andere Gesetzgeber dagegen, die Mythen folgten, legten den Göttern die menschlichen Fehler bei und gaben den πονηροις auf diese Weise reichlich Möglichkeit zur Entschuldigung (I 22). „Unser Gesetzgeber", Mose, dagegen zeigte, daß Gott die αρετή unversehrt besitzt. Die Menschen sollten versuchen, an ihr Anteil zu erlangen5. Diejenigen, die das nicht beabsichtigten und nicht glaubten, bestrafte er unerbittlich Mit seinen einleitenden Darlegungen will Josephus den Lesern seines Werkes eine Leitlinie zur Beurteilung an die Hand geben. Wer es in diesem Geiste prüft, dem wird darin weder etwas widersinnig noch der Majestät Gottes und seiner Menschenliebe nicht angemessen erscheinen. Denn alles befindet sich in Ubereinstimmung mit der Natur des Ganzen (124). Besonderen Wert legt Josephus in diesem Teil seiner Vorrede auf die Angemessenheit der Redeweise von Gott. Sie soll Gottes Natur und Größe Rechnung tragen. Der Leser ist angehalten, die Mose zugeschriebenen Ausführungen daraufhin zu überprüfen. Gott kommt in I 15-24 unter dem Aspekt seiner Macht und Majestät in den Blick. Er ist Vater und Schöpfer 6 von allem, allgegenwärtig und die Tugend in Person. Der Mensch ist sein schönstes Werk. Gott teilt ihm sein Schicksal entsprechend seinem Wandel zu, je nachdem, ob er sein Leben in Gottgefälligkeit oder Ungehorsam führt. Für Josephus bedeutet angemessenes Reden von Gott, Gott in seiner Souveränität und Größe und d.h. auch in seiner Unterschiedenheit und seinem Abstand vom Menschen zu erkennen. Er prädiziert Gott ausschließZur Gottesbezeichnung „der Vater" vgl. Schlatter, Josephus, 14-16. „Von den seelischen Vorgängen bekommt das Sehen bei den Aussagen über Gott die erste Stelle." Schlatter, Josephus, 24. 4 Thackeray, vol. IV, 11, nimmt an, daß Josephus an dieser Stelle und im folgenden Philos De Opificio Mundi vor sich hat. Vgl. den Hinweis von Conzelmann, Heiden, 197 Anm. 300. 5 Dies spricht gegen die Auffassung Schlatters, Josephus, 21, daß άρετή bei Josephus „keine stark herausgehobene Beziehung zum Gottesgedanken" bekommt. 6 Laut Schlatter, Josephus, 11, wird Gott von Josephus dagegen nur einmal ό ών genannt (Ant VIII350). 2

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lieh positiv 7 und verwahrt sich ausdrücklich dagegen, ihm negative Eigenschaften beizulegen (I 22). Gottes strafendes Verhalten hat sich der Mensch selbst zuzuschreiben. Es steht für Josephus nicht im Gegensatz zur Menschenliebe Gottes.

3.10.2 Ant IV180-201: Der göttliche Wille im mosaischen Gesetz Der erste Teil von Ant IV 180-201, der von 180 bis 193 reicht, gehört zu der großen Abschiedsrede des Mose 8 vor seinem Tod, die in IV177 beginnt. Nach einigen Vorbemerkungen, die seine eigene Person betreffen (IV 177-179), setzt Mose in IV 180 mit einem Lobpreis des gütigen Gottes ein, der allen Menschen die eine Ursache für den Besitz des Glücks ist. Er allein ist fähig, es den Würdigen zu geben und es denen, die sich gegen ihn vergehen, zu nehmen. Verhält sich das Volk jedoch wie Gott und Mose es wollen, wird es nicht aufhören, glücklich (zu preisen) zu sein. Josephus hebt dabei an dieser Stelle ausdrücklich die Übereinstimmung der mosaischen mit der göttlichen Intention hervor. Dem gehorsamen Verhalten gegenüber dem Willen Gottes 9 wird im besonderen der Bestand gegenwärtiger und die schnellere Erlangung ausstehender Güter verheißen. Nur soll nach Gottes Willen den göttlichen Anordnungen Folge geleistet werden. Diesen soll das Volk gehorchen und weder eine andere Anordnung den gegenwärtigen Bräuchen vorziehen noch von seiner jetzigen Frömmigkeit gegenüber Gott, diese verachtend, sich in eine andere Richtung verändern. Für den Fall, daß sie sich daran halten, werden die Israeliten die Tapfersten von allen sein, die Kämpfe austragen, und von keinem Feind leicht zu besiegen sein (IV 181). Denn wenn Gott ihnen helfend zur Seite steht, ist es berechtigt, alle zu verachten. Der Tugend wird großer Lohn zugesagt (IV 182). Sie gewinnt Gestalt im Gehorsam gegenüber den Gesetzen, die Mose nach dem Diktat Gottes 1 0 verfertigt hat (IV183). Solange das Volk Gott zum Patron haben will und bei seinen Bemühungen um die Tugend bleibt, wird Gott ihm seine πρόνοια 11 nicht entziehen (IV 185). Wird jedoch der Weg der Tugend verlassen, geht auch das Wohlwollen Gottes verloren. Hat das Volk sich aber Gott zum Feind gemacht, wird ihm, nachdem es mit Waffen besiegt worden ist, auch 7 Schlatter, Josephus, 53: Das „Ziel der göttlichen Regierung" ist es, dem Menschen Glück zu bereiten. 8 Die zahlreichen Reden bei Josephus sind „völlig frei gestaltet". Hengel, Anonymität, 247. 9 Zur Bedeutung des Gesetzes bei Josephus vgl. Schlatter, Theologie des Judentums, 6 2 - 6 5 . 1 0 Vgl. Schlatter, Theologie des Judentums, 59. 1 1 πρόνοια und προμήθεια bezeichnen bei Josephus „die Leitung des menschlichen Geschicks durch Gott". „Gottes Fürsorge gehört besonders Israel und den Frommen, erstreckt sich aber gleichzeitig auf alles." Schlatter, Josephus, 49.

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das Land, das es besitzen soll, wiederum entrissen werden (IV190). Reue und die Erinnerung an die nicht gehaltenen Gebote werden dann vergeblich sein (IV191). Die Rede endet mit dem nochmaligen Hinweis auf die Gesetze und die Staatsverfassung12, die Mose nach dem Diktat Gottes verfaßt hat. Wer sie einhält, wird zu den glücklichsten der Menschen gehören (IV193). Bevor Josephus in IV 199ff. Mose eine Reihe von Anordnungen, die sich auf die πολιτεία beziehen, nennen läßt, stellt er seinen Ausführungen in IV 196-198 einige kurze Vorüberlegungen über das Verhältnis dieser Bestimmungen zur mosaischen Gesetzgebung voran. Dabei betont er vor allem die Ubereinstimmung seiner Darstellung mit der Auffassung des Mose (IV196). Neu sei lediglich die bessere Anordnung des bei Mose verstreut vorliegenden Materials. Zerstreuen möchte Josephus in jedem Falle den Verdacht, er sei von Mose abgewichen (IV 197). Indem er die Anordnungen bezüglich der Staatsverfassung als in Übereinstimmung mit Mose befindlich darstellt und das Gesetz des Mose wiederum für ihn identisch mit dem Willen Gottes ist, verleiht er den Anordnungen die Autorität des göttlichen Willens. Nach der Eroberung Kanaans sollen die Israeliten beim Aufbau von Städten folgendes bedenken, um Gott wohlgefällig zu handeln und ihr Glück zu befestigen (IV 199): Eine Stadt soll ihre heilige Stadt sein, an einer herausragenden Stelle erbaut, die Gott selbst durch Prophezeiung erwählen wird. Ein Tempel soll in ihr sein und ein Altar (IV 200). In keiner anderen Stadt soll ein Altar oder ein Tempel sein, „Θεός γαρ εις και τό Εβραίων γένος εν" (IV201) 1 3 . Die Darstellung, die Josephus in Ant I V 1 8 0 - 2 0 1 von Gott gibt, zeichnet ihn überwiegend als einen gütigen Gott, der in seinem Verhalten gegenüber dem Menschen auf dessen Glück abzielt. Den Ort, an dem der Mensch Gott begegnet und mit seinem Willen konfrontiert wird, stellt das Gesetz dar. Es vermittelt und regelt die Beziehung zwischen Gott und Mensch. O b dem Menschen das Glück, das ihm Gott zugedacht hat, zuteil wird oder nicht, hängt von seinem Verhalten gegenüber dem Gesetz ab. Welches Schicksal ihm von Gott her widerfährt, entscheidet sich an seinem Gehorsam oder Ungehorsam gegenüber dem im mosaischen Gesetz kodifizierten Willen Gottes.

3.10.3 Ap II 190-198: Gotteserkenntnis und Gottesverehrung Josephus setzt in Ap II 190 mit der Frage nach den Weisungen und Verboten des Gesetzes ein 14 . Diese sind nach seiner Aussage einfach und Von der Staatsverfassung (πολιτεία) ist schon in IV184 die Rede gewesen. Conzelmann, Heiden, 198.199; Schlatter, Josephus, 16, z.St.: „Aus der Einzigkeit Gottes leitet sich die Einheit der Gemeinde ab." Vgl. auch Philo, SpecLeg 167. 1 4 Vgl. Niebuhr, Gesetz, 39.40; Kamiah, 221.222. Zum Thema „Josephus als Apologet" vgl. 12

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Josephus

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verständlich. Als das erste der Gebote gilt das, das Gott betrifft. Es besagt: Gott hat τά σύμπαντα, sein Machtbereich ist unbegrenzt 15 , er ist vollkommen und glückselig 16 , er ist sich selbst und allen genügend. Er ist Anfang, Mitte und Ende von allem 17 , in den Werken und Wohltaten sichtbar und offenbarer als jedes beliebige Ding. In bezug auf seine Gestalt und Größe ist er für uns unsagbar. Nach dieser kurzen Darstellung Gottes, die ihn in seiner alles umfassenden Größe und Vollkommenheit zeigt, wendet sich Josephus in II 191 dem Problem der Erkennbarkeit Gottes zu. Die ganze Materie, auch wenn sie kostbar ist, ist für ein Bild Gottes wertlos. Jede Kunst ist kunstlos im Hinblick auf den Plan einer Nachahmung. Nichts Gleiches, schreibt Josephus, wissen wir und stellen wir uns vor, und abzubilden ist nicht gottgefällig. Vielmehr ist der Mensch an Gottes Werke gewiesen (II 192). Diese machte Gott nicht mit Händen, nicht mit Mühen und bedurfte auch nicht irgendwelcher Mitarbeiter, sondern durch seinen Willen waren sie sogleich in trefflicher Weise entstanden. Durch die Verankerung des schöpferischen Handelns Gottes im Willen 18 tritt Josephus dem denkbaren MißVerständnis entgegen, daß Gott anthropomorphe Züge tragen könnte. Zu verehren ist Gott durch das Ausüben der Tugend, denn das ist die heiligste Art der Gottesverehrung. Damit ist Josephus bereits von der Frage nach der Erkennbarkeit und Abbildbarkeit Gottes zu der nach seiner Verehrung übergegangen. Dies findet seine Fortsetzung in II 193-198, wo die Verehrung Gottes im religiösen Kult erläutert wird. Josephus geht im einzelnen auf den Tempel, die Funktion der Priesterschaft, die Bedeutung der Opfer, den Charakter des Gebets und die Anlässe der rituellen Reinigungen ein. Wie Gott allen gemeinsam ist, so soll es für den einen Gott auch einen Tempel geben, der allen gemeinsam ist. Die Priester verehren Gott allezeit (II 193). An ihrer Spitze steht immer der nach Abstammung erste. Er wird 19 mit den Mitpriestern Gott opfern, die Gesetze überwachen, in Streitfragen richten, die Uberführten bestrafen. Wer ihm nicht gehorcht, wird Strafe empfangen, als ob er gegen Gott selbst frevelt (II 194) 20 . Im Blick auf die Opfer fährt Josephus fort: Wir opfern die Opfer nicht zur Trunkenheit für uns selbst, L . H . F e l d m a n , Flavius Josephus Revisited: the Man, His Writings, and His Significance, A N R W I I . 2 1 . 2 , 1 9 8 4 , 7 6 3 - 8 6 2 , hier 8 5 7 - 8 5 9 : „Josephus as Apologist: .Against A p i o n " . 15 16 17

Schlatter, Josephus, 45. Belegstellen zu παντελής und μακάριος bei Kamiah, 224 Anm. 15. Vgl. auch Ant V I I I 2 8 0 : Gott ist άρχή και τέλος των άπάντων.

Vgl. Schlatter, Judentum, 1. Die Verbformen in A p II 194 stehen anders als im Kontext durchgängig im Futur. Laut Kamiah, 226 Anm. 21, prägt offenbar „das Bewußtsein des zerstörten Kultes vor allem seine (sc.: des Josephus) Vorstellung von der Priesterschaft". 18

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Zur Frage einer Abhängigkeit des Josephus von Hekataios vgl. Kamiah, 2 2 6 - 2 2 9 .

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denn das ist Gott unerwünscht, sondern zur Mäßigung der Begierden 21 (II 195). Bei den Opfern - und damit erfolgt bereits die Überleitung zum Thema „Gebet" - ist es nötig, zuerst für das gemeinsame Heil zu beten und dann für uns selbst. Die Begründung liegt darin, daß wir zur Gemeinschaft geboren sind. Der, der diese höher schätzt als das Eigene für sich selbst, ist Gott am meisten willkommen (II 196). Das Gebet aber richte sich an Gott, nicht damit er Gutes gibt, denn er hat es selbst freiwillig gegeben und allen zum Gemeingut gemacht, sondern damit wir es annehmen können und, nachdem wir es empfangen haben, es bewahren (II 197). Die Reinigungen bei den Opfern schrieb das Gesetz nach einer Bestattung, nach der Vermählung, nach dem Verkehr mit einer Frau und vielem anderen vor (II 198). Hinter der Entfaltung des Sinnes der kultischen Vollzüge und der gesetzlichen Bestimmungen wird bei Josephus ein einem bestimmten Gemeinschaftsideal verpflichtetes Anliegen sichtbar. Die Art seiner Darstellung vermittelt eine Vorstellung von dem, was Josephus unter αρετή versteht. Es handelt sich um eine an der Gemeinschaft orientierte Lebensweise, die sich innerhalb des Rahmens festgelegter sinnvoller Ordnungen vollzieht. Ihr gilt das, was zur Förderung der Gemeinschaft dient, höher als die (nicht unberechtigten) Interessen des einzelnen. Realität gewinnt dieser gemeinsame Lebensvollzug da, wo die Menschen sich am im josephischen Sinn verstandenen Gesetz orientieren. Zugleich stellen sie sich auf diese Weise in einen Gott wohlgefälligen Wandel. Dieser wiederum bildet die Grundlage eines ihnen von Gott geschenkten glückseligen Lebens 22 .

3.10.4 Das Gesetz als Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch In den behandelten Texten ist das Bemühen des Josephus erkennbar, in der Weise angemessen von Gott zu reden, daß dieser in seiner alles umfassenden, durch Menschen nicht erfaß- und abbildbaren Größe zur Sprache kommt. Zugleich möchte er jedoch den Menschen in eine Beziehung zu dem unmittelbarer menschlicher Erkenntnis und jeglichem Versuch, ihn zu ergreifen, entzogenen Gott bringen. Dazu verweist er auf die Schöpfungswerke, durch die Gott sich dem Menschen erkennbar macht. In ein Entsprechungsverhältnis zu Gott tritt der Mensch durch die Praktizierung der Tugend. In welcher Weise diese konkret Gestalt gewinnt, entfaltet Josephus im Zuge seiner Ausführungen über die religiöse Praxis in Kult und Gesetzesobservanz. Auf diese Weise wahrt er zugleich die jüdische Grundüberzeugung, wonach das Gesetz den Ort der Begegnung mit Gott 2 1 Durch den Gegensatz zu μέΘη bietet sich auch die Ubersetzung „Nüchternheit" für σωφροσύνη an. 2 2 Vgl. dazu Kamiah, 229-232.

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darstellt und in seiner gehorsamen Befolgung sich das Schicksal des Menschen vor Gott entscheidet.

3.11 Philo von Alexandrien Bei der breiten Textbasis1 und der Vielzahl von Aspekten, die das philonische Gottesbild prägen, können die hier vorgenommene Textauswahl und Interpretation das Gottesverständnis Philos nur ausschnittweise zur Sprache bringen 2 . Gleichwohl sollen mit ihrer Hilfe zumindest wesentliche Grundzüge der Rede von Gott bei Philo genannt werden. 3.11.1 SpecLeg 132-50: Das Problem der Erkennbarkeit Gottes Nachdem Philo in SpecLeg I 28 τον άίδιον και όντα όντως Θεόν gegenüber falschen Redeweisen von Gott und neuen Göttern bekannt hat und unter Heranziehung Moses einschärft οτι Θεός εις έστι και κτίστης και ποιητής των δλων und daß er der κύριος των γεγονότων ist (Spec Leg I 31), wendet er sich ab SpecLeg 132 dem „schwierigen" Problem der Erkennbarkeit Gottes, des Vaters und Lenkers aller Dinge, zu. Dabei stehen für ihn zwei Fragen im Vordergrund: Erstens, ob τό Θείον existiert und zweitens, was es seinem Wesen nach ist. Die erste Frage ist nicht schwer zu beantworten. In vielen gesellschaftlichen Bereichen wie der Kunst, des Handwerks und der Politik läßt sich von den Werken auf den jeweiligen Verfertiger zurückschließen. Ähnlich drängt sich aufgrund der Ordnung der Welt und der Gestirne geradezu notwendig der Gedanke (ή έννοια) an einen Schöpfer, Vater und Lenker dieser Dinge auf. Die Welt als das kunstvollste aller Werke weist auf einen besonders vollkommenen Bildner zurück (I 32-35), dessen schöpferisches Wirken mit dem Verb δημιουργεϊσΘαι bezeichnet wird (135). Für die Beantwortung der zweiten Frage nach dem Wesen Gottes stellt sich das Problem, daß dem Menschen eine klare Vorstellung von dem wahr1 Textausgaben: Philonis Alexandrini opera quae supersunt, ediderunt Leopoldus Cohn et Paulus Wendland, 6 Vol., 1896ff.; Schriften der Jüdisch-Hellenistischen Literatur, Band 1, Die Werke Philos von Alexandria in deutscher Übersetzung, 6Teile, hg. v. L. Cohn, 1909ff.; Philo with an English translation by F. Η. Colson and G. Η. Whitaker, 10 Vol. and two supplementary volumes, LCL, 1929ff.; Les CEuvres de Philon d'Alexandrie, publiees sous le patronage de l'Universite de Lyon par R. Arnaldez, J. Pouilloux, C. Mondesert, 33 Vol., 1961 ff. 2 Gesamtdarstellungen zum philonischen Gottesverständnis bieten Braun, Gott, und Montes-Peral. Vgl. auch H. Leisegang, Art. Philon aus Alexandreia, PRE 39, 1941,1-50, hier 39-42: Das philosophisch-theologische System; S.Sandmel, Philo Judaeus: An Introduction to the Man, his Writings, and his Significance, ANRW 11.21.1,1984, 3-46.

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haft seienden Gott verwehrt ist. Nichtsdestotrotz ist er angehalten, nicht darauf zu verzichten, sich auf die Suche nach ihm zu begeben; denn die Untersuchung an sich ist auch ohne das Finden erstrebenswert (I 36-40). Selbst Mose, der zwar erkannte, daß Gott ist, erfuhr die Begrenztheit seiner Erkenntnis im Blick auf das Wesen Gottes. Seine Bitte, Gott möge sich ihm offenbaren (Ex 33,13), wird von Gott mit dem Hinweis abgewehrt, daß seine κατάληψις weder von der φύσις des Menschen noch vom Himmel und dem Kosmos gefaßt werden kann. Zwar ist der Eifer nach Erkenntnis anerkennenswert, gleichwohl übersteigt die Erkenntnis des Wesens Gottes die menschlichen Möglichkeiten3. Stattdessen ergeht der Aufruf an den Menschen: γνώΘι σαυτόν (I 41-44). Mose reagiert darauf mit der Bitte, dann wenigstens die δόξα schauen zu dürfen, die Gott umgibt (Ex 33,18). Unter der δόξα verstehe er die δυνάμεις 4 , die Wache um Gott herum halten. Deren κατάληψις sei ihm bisher entzogen (145). In einer Gottesrede wird der Charakter der δυνάμεις beschrieben (I 46-50). Sie sind unsichtbar und νοηταί πάντως έμοΰ του αοράτου και νοητού. Als νοηταί sind sie nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sie vom νους ergriffen werden könnten. Auch die α'ίσΘησις vermag sie nicht zu erfassen, allenfalls die reinste Vernunft (άκραιφνέστατος νους) (I 46). Aber wenn sie im Blick auf ihre ουσία auch unerreichbar bleiben, so hinterlassen sie doch einen Abdruck ihrer Wirksamkeit. Wie Siegel ihren Abdruck in Wachs prägen, geben die δυνάμεις um Gott herum dem Unbestimmten Eigenschaften und dem Formlosen Form, ohne eine Veränderung oder Abnahme ihrer ewigen Natur zu erfahren (147)5. Nicht zu Unrecht werden sie von manchen ίδέαι genannt. Sie ordnen das Ungeordnete; das Unbegrenzte, Unbestimmte, Formlose begrenzen und gestalten sie. Sie ändern das Schlechtere in Besseres um (148). Der Mensch möge nicht hoffen, Gott selbst oder eine seiner δυνάμεις hinsichtlich ihrer ουσία zu erfassen. Er ist zur Betrachtung des Weltalls und dessen, was in ihm ist, berufen. Diese Schau zu erlangen ist nicht mit den Augen des Körpers möglich, sondern nur mit den unermüdlichen Augen des Verstandes (διανοίας) (I 49)6. Die Gottesrede schließt mit der Mahnung, an der Sehnsucht nach Weisheit festzuhalten. Daraufhin, so heißt es, ließ Mose von seinem Verlangen nicht ab, sondern nährte weiterhin die Sehnsucht nach dem Unsichtbaren in seiner Brust (I 50). 3 Zum Problem der „Unbrauchbarkeit des menschlichen Sehorgans" vgl. U. Früchtel, Die kosmologischen Vorstellungen bei Philo von Alexandrien. Ein Beitrag zur Geschichte der Genesisexegese, ALGHL 2, 1968,160-163. 4 Vgl. dazu den Versuch B.L. Macks, die όύναμις-Lehre Philos „vom Hintergrund einer ägyptischen Solartheologie und -kosmologie her zu verstehen". B. L. Mack, Logos und Sophia. Untersuchungen zur Weisheitstheologie im hellenistischen Judentum, StUNT 10, 1973, 179-184, Zitat 184. 5 Vgl. Braun, Gott, 24.25. 6 Vgl. Braun, Gott, 24-29.

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Laut SpecLeg I 32-50 stellt die Frage der Existenz Gottes für Philo kein Problem dar. Auf sie kann aus der Ordnung der Welt und der Gestirne zurückgeschlossen werden. Schwierig gestaltet sich dagegen die Frage nach der Erkennbarkeit Gottes. Der Mensch ist zwar aufgefordert, sich auf die Suche nach dem wahrhaft seienden Gott zu begeben. Die unmittelbare Erkenntnis Gottes ist ihm jedoch verwehrt. Gott ist einem Zugang von seiten der Menschen entzogen. Die Verbindung zwischen dem Menschen und Gott sieht Philo durch die δυνάμεις angelegt, die allerdings dem göttlichen Bereich angehören und in ihrer ούσία vom Menschen ebenfalls nicht zu erfassen sind. Auch sie bleiben für eine direkte Erkenntnis durch den Menschen unzugänglich. Wenn sie überhaupt - annäherungsweise - zu erfassen sind, dann nur durch die reinste Vernunft. Der Mensch ist an die Abdrücke ihrer Wirksamkeit in der Welt gewiesen, die ebenfalls nur durch genaue Betrachtung mit den Augen der διάνοια zu erkennen sind. Gott ist der unendlich Ferne. Der Mensch, zur höchsten Anstrengung hinsichtlich des Auffindens der Spuren der göttlichen δυνάμεις in der Welt aufgefordert, darf nicht einmal hoffen, diese δυνάμεις Gottes selbst zu erkennen. Seine Distanz zu Gott ist unüberbrückbar und unendlich 7 . „Gott kann nur durch Gott erkannt und erfaßt werden." 8

3.11.2 Imm 51-69: Der unveränderliche Gott und die anthropomorphe Vorstellung von Gott Mit Imm 51 wendet sich Philo der Behandlung von Gen 6,7 zu. Er möchte seinen Lesern erklären, wie sich die Aussage, daß Gott zornig wurde und ankündigte, die von ihm geschaffenen Menschen zu vernichten, zu der Auffassung von der Affektlosigkeit des Seins verhält. To öv kann von keiner Leidenschaft erfaßt werden. Das Zürnen ist der menschlichen Schwachheit eigen. Gott aber sind weder die unvernünftigen Leidenschaften der Seele 7 Die Problematik im Blick auf ein Gottesverhältnis des Menschen, die in einer solchen Bestimmung enthalten ist, kommt bei Montes-Peral nur randhaft in den Blick (203). E r stellt zu Eingang seines Buches richtig fest: „Die Diastase, die unendliche, qualitative Differenz, das ist für Philo die einzig wahre Beziehung zwischen Gott und Geschöpf." (3) Die Auffassung, daß dieser Gott „der lebendige und immanente Gott der Bibel" ist (209) sowie die Wertung, daß Philo „wesentlich zur Gewinnung einer adäquaten Sprache über Gott beigetragen" hat (207), beruht jedoch m . E . auf einer vorschnellen Identifikation mit den theologischen Aussagen Philos. Vor einem solchen Urteil müßte zumindest der kritische Vergleich mit dem Gottesverständnis des einen oder anderen biblischen Schriftstellers erfolgen. Von Paulus her scheint mir das Urteil Montes-Perals verfehlt zu sein.

Bezüglich der Ansicht Montes-Perals, Karl Barths Theologie wurzele in dem Gedankengut des Nichtchristen Philo (208), ist einzuwenden: Zumindest in Barths Sinn wäre ein solches Urteil nicht gewesen. 8

Braun, Gott, 29.

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noch die Glieder des Körpers und Glieder überhaupt eigentümlich. Daß dergleichen Dinge dennoch von ihm ausgesagt werden, dient der Belehrung derer, die auf andere Weise nicht zu Verstand kommen können (52). In bezug auf das αίτιον gelten zwei Obersätze. Der eine besagt unter Anführung von Num 23,19, daß Gott nicht wie ein Mensch ist, der andere, daß er wie ein Mensch ist (53). Der erste Satz wird durch die sicherste Wahrheit bezeugt, während der andere um der Belehrung der vielen willen eingeführt ist (54). Unter den Menschen gibt es zwei Gruppen: Die Freunde der Seele und die Freunde des Leibes. Erstere sind imstande, mit geistigen und körperlosen Seelen zu verkehren. Sie vergleichen das Sein mit keiner gewordenen Gestalt und lösen es von jeder Qualität ab (55). Letztere dagegen können sich Gott nicht ohne die Hülle des Fleisches vorstellen. Sie denken nicht daran, daß Gott als der άγένητος ών, der τά άλλα άγαγών εις γένεσιν, selbst nichts von dem bedarf, was mit den Geschöpfen verbunden ist (56). Es folgen Beispiele, die die Sinnlosigkeit einer anthropomorphen Gottesvorstellung evident machen sollen (58.59). Dennoch bleibt die Frage, warum Mose Gott als ein anthropomorphes Wesen zeichnet (60). Wiederum nimmt die Antwort Bezug auf die beiden unterschiedlichen Menschengruppen. Die einen, die durch ein glückliches Los auf der Seite der Wahrheit stehen, belegen Gott nicht mit Prädikaten der Schöpfung. Für sie gilt der Satz, daß Gott nicht ist wie ein Mensch, aber auch nicht wie der Himmel und die Welt. Zu begreifen ist von Gott lediglich seine Existenz, außerhalb ihrer jedoch nichts (61.62) 9 . Die anderen, die nicht scharf sehen können, bedürfen der Heilung. Kamen sie durch die Wahrheit nicht zur Vernunft, sollen sie durch die Unwahrheit geheilt werden. Ähnlich verfahren schließlich auch Ärzte mit ihren Patienten. Sie sagen ihnen die Unwahrheit über ihren Zustand, um sie die Krankheit besser ertragen zu lassen (63-66). In gleicher Weise belehrt der Gesetzgeber als άριστος ιατρός die Unvernünftigen, indem er den Urgrund als ein drohendes, emotionsgeladenes Wesen gegen die Ungerechten auftreten läßt (67.68). Die beiden Sätze „Gott ist wie ein Mensch" und „er ist nicht wie ein Mensch" zielen auf Liebe und Furcht gegenüber dem Seienden (τον όντα) 10 . Das entspricht der Intention der Gesetze, die ebenfalls auf diese beiden Eigenschaften ausgerichtet sind. Denen, die περί τό öv nicht anthropomorph denken, άλλα Θεοπρεπώς αυτό δι' αυτό μόνον τιμώσι, ist das Lieben am angemessensten, den anderen aber das Fürchten (69). In bezug auf Gott unterscheidet Philo hier zwischen einer angemessenen Redeweise von Gott (Θεοπρεπώς) und einer uneigentlichen. Uneigentliche Rede von Gott beschreibt Gott als ein anthropomorphes Wesen. Sie entVgl. Montes-Peral, 148. Vgl. dazu Y.Amir, Philons Erörterungen über Gottesfurcht und Gottesliebe in ihrem Verhältnis zum palästinischen Midrasch, in: Ders., Die hellenistische Gestalt des Judentums bei Philon von Alexandrien, Forschungen zum jüdisch-christlichen Dialog, Bd. 5, 1983, 164-185, hier 167-169. 9

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spricht Gott nicht. Mose hat sie aus pädagogischen Gründen eingeführt. Sie ist für die bestimmt, die eine träge und stumpfe Natur besitzen, und soll sie dazu bringen, Gott zu fürchten. Die anderen Menschen, die darum wissen, daß außer der reinen Existenz Gottes nichts von ihm wahrzunehmen ist, verehren το öv in der seiner Göttlichkeit entsprechenden Weise nur um seiner selbst willen. Ihre Art der Gottesverehrung findet ihren Ausdruck in der Liebe.

3.11.3 Op 170-172: Gott und die Schöpfung Am Schluß seines Buches über die Weltschöpfung faßt Philo fünf Hauptlehren zusammen, die er Mose gegeben hat. Die erste betrifft die Existenz Gottes. Sie besitzt ihre Bedeutung gegenüber den Gottlosen, die über Gottes Dasein im Zweifel sind und schwanken oder es sogar bestreiten (170). Die zweite bezieht sich auf die Einzigkeit Gottes und ist gegen die Vertreter des Polytheismus gerichtet. Die dritte hält daran fest, daß die Welt geschaffen ist. Sie bedeutet eine Abgrenzung gegenüber denen, die die Welt für unerschaffen und ewig halten und Gott nichts zuschreiben11. Die vierte Lehre lautet: εις έστιν ό κόσμος, da auch gilt: εις ό δημιουργός. Diese Lehre ist gegen die Auffassung gerichtet, es gäbe neben der bestehenden Welt auch noch andere Welten12. Die fünfte Lehre hebt auf die Fürsorge Gottes für die Welt ab. Daß Gott für sein Werk sorgt, geht zwingend aus den Gesetzen der Natur hervor, nach denen auch Eltern für ihre Kinder sorgen (171). Wer diese Lehren nicht bloß hört, sondern διανοίςι erfaßt, dem wird ein glückliches Leben verheißen (172).

3.11.4 Die Reinheit des Gottesbegriffs Als ein Charakteristikum zieht sich durch die besprochenen Texte die Intention, einen reinen von Anthropomorphismen freien Gottesbegriff zu wahren. Gott existiert in der Unterschiedenheit von allem Geschaffenen. Das einzige, das von Gott erkannt werden kann, ist seine Existenz. Sein Wesen dagegen bleibt dem Zugang durch den Menschen verschlossen. 11 Vgl. dazu Op 7-12. Dort setzt Philo mit seiner Kritik daran ein, daß manche die Welt mehr bewunderten als den Weltschöpfer. Daher erklärten sie die Welt für unerschaffen und ewig und Gott für untätig. Auf diese Weise werde jedoch das notwendigste der zur Gottesverehrung führenden Dinge beseitigt: die πρόνοια. Denn daß der Vater und Schöpfer sich um das Geschaffene kümmert, lehrt die Vernunft. Nach Philos Auffassung ist, da die Welt sichtbar und sinnlich wahrnehmbar ist, sie notwendig auch geschaffen. 12 H.-F. Weiß, Untersuchungen zur Kosmologie des hellenistischen und palästinischen Judentums, TU 97,1966,113 Anm. 4.

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Zugleich hält Philo jedoch an der Vorstellung von Gott als dem Schöpfer fest. Gott ist von der gesamten Schöpfung abgehoben. Als ihr Schöpfer überragt er sie. Seine Wirkweise ist, darauf deutet SpecLeg 3 2 - 5 0 hin, als eine sich in Abstufungen vollziehende gedacht 13 . Op 170-172 macht deutlich, daß hinter Philos Bemühen, zu einer Verschmelzung von hellenistischer Denk- und Redeweise von Gott mit der jüdischen zu gelangen, als dominierendes Element letztlich die jüdische Grundüberzeugung von Gott als dem Schöpfer, Bewahrer und Versorger der Schöpfung steht. Dieser Auffassung ordnet er die philosophische Redeweise von Gott zu. Keinesfalls löst er das jüdische Gottesverständnis in philosophische Reflexionen über das Seiende auf. Damit wahrt er auch im Bereich der Gotteslehre sein Anliegen und seine Uberzeugung, daß die besten Werte des Hellenismus ihre Erfüllung im Judentum finden 14 .

3.12 (Ps-?) Philo: Über die Gottesbezeichnung ,wohltätig verzehrendes Feuer' F. Siegert bezeichnet die von ihm aus dem Armenischen ins Deutsche übertragene und später auch ins Griechische rückübersetzte Schrift „Über die Gottesbezeichnung ,wohltätig verzehrendes Feuer"' anfangs als eine Predigt, ordnet sie später jedoch „der Traktat-Publizistik in rhetorischer Prosa, der schriftlichen Diatribe, zu". Als den Verfasser des Fragments sieht er zunächst einen Leser Philos, einen zweiten Philo, an, schreibt es in seinem Kommentar dann jedoch Philo selbst zu 1 . Der Text läßt sich in vier Abschnitte gliedern. Abschnitt eins umfaßt die Absätze eins und zwei. In ihm geht es um das Problem der Erkenntnis Gottes. Abschnitt zwei, das sind die Absätze drei bis fünf, handelt von Gott. 1 3 Vgl. H . Hegermann, Philon von Alexandria, in: Literatur und Religion des Frühjudentums, hg. v. J. Maier und J. Schreiner, 1973, 3 5 3 - 3 6 9 , 361. 1 4 H . Hegermann, Griechisch-jüdisches Schrifttum, in: Literatur und Religion des Frühjudentums, hg. v. J . M a i e r und J.Schreiner, 1973, 1 6 3 - 1 8 0 , 175. Vgl. B.Schaller, Philon von Alexandreia, K P 4, 1979, 7 7 2 - 7 7 6 , 774.

H . B r a u n s hartem theologischen Urteil über Philos Gottesverständnis: „In dieser Weise, meine ich, sollten wir Gott nicht denken und auslegen" (Gott, 119), liegen systematischtheologische Kriterien zugrunde, die der historischen Situation Philos nicht gerecht werden. Braun würdigt m . E . nicht ausreichend die Intention, die Philo - selbstverständlich in den Grenzen seiner Voraussetzungen - mit seinen Ausführungen verfolgt. 1 Zu den Einleitungsfragen und zum Charakter des Textes vgl. das Vorwort bei Siegert, Gottesbezeichnung, 1 - 8 , sowie F . Siegert, Philon von Alexandrien. U b e r die Gottesbezeichnung „wohltätig verzehrendes Feuer" (De Deo). Rückübersetzung des Fragments aus dem Armenischen, deutsche Übersetzung und Kommentar, W U N T 4 6 , 1 9 8 8 , 1 - 1 2 , Zitat 5.

Über die Gottesbezeichnung,wohltätig verzehrendes Feuer'

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Dabei erfolgt bereits in Absatz fünf der Umschlag zum Thema Schöpfung. Der damit befaßte Abschnitt drei reicht bis Absatz neun einschließlich. Den Abschluß bilden die Absätze zehn bis zwölf. Sie befassen sich mit dem Verhalten und den Eigenschaften des Schöpfergottes. Zu Beginn des Abschnitts De Deo in Absatz drei wird Gen 18,2 zitiert. Der Prediger verwendet die Bibelstelle, um zu seinen Ausführungen über Gott überzuleiten. Die Gottheit ist unwandelbar. Auch wenn sie laut Gen 18,2 in der Gestalt von Männern auftritt, entsteht damit kein Zwitterwesen. Die Gottheit bleibt auf das Ewige und Unsichtbare beschränkt. Die Absicht der Genesis-Stelle sei es, das männliche Wesen des Seienden zu erweisen. Daran knüpft Absatz vier unter Aufnahme von Ex 3,14 L X X an. Zunächst wird jedoch dem männlichen Seienden die Materie als das Weibliche gegenübergestellt. Auf diese Weise wird eine Identifikation der undifferenzierten gestaltlosen Substanz mit Gott zurückgewiesen. Stattdessen wird das Männliche als der Weltschöpfer bezeichnet. Dieser offenbart sich Menschen und Engeln, die ihm dienen. Unverkennbar ist an dieser Stelle der Einfluß stoischen Denkens. Der Verfasser greift den Gegensatz zwischen der aktiv wirkenden Ursache, dem ποιούν, und der leidenden Materie, dem πάσχον, auf 2 . Seine Adressaten weist er auf eine gängige „Unkenntnis" hin: Die „Unkenntnis des Unterschiedes [zwischen dem], was tut, und [dem, was] wird". Für ihn selbst bietet die stoische Vorstellung die Möglichkeit einer Anknüpfung an das jüdische Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer der Welt. Konsequenterweise interpretiert er das männliche Gegenüber zur weiblichen Materie als den Weltschöpfer. Dieser heißt zwar laut Ex 3,14 L X X .seiend' (4), sein eigentlicher Name ist das jedoch nicht. Er ist vielmehr namenlos, unnennbar und unfaßlich. Allerdings entspricht die Bezeichnung ,der Seiende' seiner Existenz. Seine beiden Begleiter symbolisieren seine schöpferische und herrscherliche Macht. Laut (5) handelt es sich bei den beiden um Cherubim. Das sei Ex 25,22 zu entnehmen. Nachdem Gott in (3) primär als Gegenüber zur Materie gesehen wurde, liegt in (5) der Akzent auf dem Zusammenhang aller Dinge mit Gott. Der „Vater" schwebt nicht losgelöst über den Heerscharen, sondern hat sie, die ihrerseits über der Welt thronen, in sich hängen. Er „allein ist die Basis des Bestehens und die gemeinsame Stütze aller (Dinge)". Durch das Wort hat der Seiende das Universum bereitet. Durch seine Vorsehung ist es sprechend und vernünftig geworden. Hier sind philosophische Kategorien, die von Abstufungen in bezug auf das Göttliche ausgehen, mit der biblischen Vorstellung von Gott, der als der Schöpfer das Gegenüber zur Welt bildet, verwoben. Eine ähnliche Absicht steht hinter der Verwendung des Zitats Jes 6,1-2 in

2

Pohlenz, Stoa, 67 und 368.

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Das Gottesverständnis in jüdischen Schriften

(6). Durch die Übersetzung des Begriffs Seraphim 3 mit „Brandlegung" stellt der Verfasser eine Verbindung zu dem πυρ τεχνικόν der stoischen Philosophie her. Die Seraphim „sind [Urjbilder und Stempel, mit denen der Schöpfer die Welt" prägte 4 , „als er jedem Ding die [ihm] zukommenden Eigenschaften [ein]signierte und [auf]prägte". Deshalb wird „Seraphim" auch mit „Typoi" übersetzt. „Brandlegung" dagegen heißen sie, „weil sie die Unordnung und Wirrnis der Materie verzehren" und in Ordnung verwandeln. Die himmlischen Heerscharen bestehen aus heilsamem Feuer, durch das „alle Dinge kunstvoll geschaffen wurden". Von dieser Interpretation ausgehend äußert der Prediger Verständnis für die stoische Theorie vom πυρ τεχνικόν. Er setzt seinen eigenen Gedankengang fort, indem er Mose zitiert. Dieser sagt noch klarer als die Philosophie: „Der Herr, dein Gott, ist verzehrendes Feuer [Dtn 4,24]." Er ist allerdings kein vernichtendes, sondern ein rettendes Feuer, „denn Retten, nicht Zerstören ist Gottes Art" (7). Anhand von Beispielen aus der bildenden Kunst 5 erläutert er, wie dies zu verstehen ist. Gott verbraucht die Materie nicht in dem Sinn, daß er sie ins Nichts zurückkehren läßt. Er verwendet sie vielmehr konstruktiv „[zur] bewahrenden [Überführung aus nichts ins Bestehen". Deutlich ist auch in diesem Zusammenhang der Bezug auf philosophisches Gedankengut. Zugleich ist jedoch die Absicht unverkennbar, für die eigene an der Schrift orientierte Auffassung zu werben. Erst von ihrem sachgemäßen Verständnis her wird auch der Wahrheitsanteil der philosophischen Anschauung erkennbar. In Absatz acht und neun wird im einzelnen geschildert, in welcher Weise Gott die Materie zur Schaffung des Alls und der Welt „verbraucht" hat. Vorausgesetzt ist dabei, daß dies nicht zur Zerstörung, sondern zur Bewahrung geschah. In Absatz zehn will der Prediger darauf hinaus, daß es nicht erst der Naturphilosophen bedarf, um zu einer symbolischen Deutung der Kräfte der Elemente zu gelangen. Diese werde auch vom Propheten vertreten. Die Predigt mündet in einen Preis der Herrlichkeit des Schöpfers (12). Neid hält er weit von sich, in seiner Großzügigkeit ist er der Allerfreigebigste. Am Ende steht die Gewißheit, daß Gott den Menschen Hilfe schickt „[in] Übeln und Nöten, welchen [jeder] unterliegt, [der] aus dieser sterblichen Natur entstanden ist". Charakteristisch für die vorliegende Predigt eines hellenistischen Juden ist das Bemühen, zu einer Vermittlung zwischen hellenistischen und jüdischen Grundüberzeugungen zu gelangen, ohne das Proprium des eigenen Glaubens zu verleugnen. Ja, mehr noch: Es stellt sich heraus, daß die eigentliche 3 Man beachte jedoch, daß Siegert an dieser Stelle eine Emendation vornimmt, da „ C h e r u b " hier keinen Sinn ergibt. Siegert, Gottesbezeichnung, 88 Anm. 947. 4 Vgl. Siegert, Gottesbezeichnung, 88 Anm. 953. 5 Dieses Verfahren begegnet ebenfalls in der Stoa. Pohlenz, Stoa, 95.

Über die Gottesbezeichnung .wohltätig verzehrendes Feuer'

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Intention des Predigers darauf abzielt, seine Adressaten von der Wahrheit des jüdischen Glaubens zu überzeugen. Indem er seine Kenntnisse hellenistischer Denkvoraussetzungen unter Beweis stellt, bemüht er sich um eine Anknüpfung, um in einen Dialog mit aufgeklärt hellenistisch denkenden Hörern bzw. Lesern treten zu können. Er nimmt philosophische Voraussetzungen seiner Adressaten positiv auf, vollzieht Korrekturen bzw. Modifikationen daran und versucht ihnen zu vermitteln, daß ihre richtigen Erkenntnisse auch oder bereits in den biblischen Schriften bezeugt sind. Er offenbart damit seine Voraussetzung, die letztlich in der Uberzeugung von der Überlegenheit der biblischen Erkenntnis und des biblischen Gottes über philosophische Einsichten und ein philosophisches Gottesverständnis besteht. In bezug auf Gott ist für den Verfasser der Predigt primär entscheidend, an Gott als dem Gegenüber zur Welt festzuhalten. Er versteht ihn als ihren Schöpfer und daher selbst von der Schöpfung bzw. Materie unterschieden. Gott ist es, der jedem Ding seine Eigenschaften aufprägt. Durch sein heilsames Feuer, aus dem die himmlischen Heerscharen bestehen, ordnet er die Welt. Ja, er selbst trägt die Bezeichnung .„wohltätig verzehrendes Feuer'". Damit treten allerdings bei (Ps)-Philo zwei Vorstellungen nebeneinander. Während in der Stoa Gott selbst das πυρ τεχνικόν ist, findet dieser Gedanke hier außer auf den Schöpfergott auch eine Anwendung auf die himmlischen Heerscharen. Auf diese Weise wird neben der stoischer Auffassung entsprechenden Identifizierung Gottes mit dem πυρ τεχνικόν auch ein Schöpfergott oberhalb des Feuers, das in diesem Zusammenhang auf die δυνάμεις bezogen wird, postuliert. Deutlich steht im Hintergrund der Versuch, in philosophischem Mantel die jüdische Auffassung von Gott als dem Schöpfer, der der Welt gegenübersteht, zum Zuge zu bringen. Nicht reflektiert wird der unterschiedliche Stellenwert der Materie im Bereich stoischen Denkens und der der Schöpfung als einer creatio ex nihilo innerhalb des Judentums. Der Unterschiedenheit Gottes von der Welt entspricht auf seiten des Menschen die Angewiesenheit auf Gottes Hilfe in den Nöten, die aus seiner Sterblichkeit resultieren. Der jüdische Verfasser des (Predigt-)fragments spricht nicht explizit vom Gesetz. Er bemüht sich um einen Dialog mit dem hellenistischen Gottesverständnis. Daher liegt für ihn der status confessionis in dem Bekenntnis zu Gott als dem Weltschöpfer. Zur Entfaltung dieses Bekenntnisses knüpft er an stoisches Gedankengut an. Daß er das jüdische Gesetz verleugnet habe, läßt sich gleichwohl nicht behaupten. Die Verankerung seiner Beweisführung in Schriftzitaten deutet eher darauf hin, daß er sich selbst bewußt als in alttestamentlich-jüdischer Tradition stehend begreift, in dem vorliegenden Fragment um seines besonderen (Predigt)anliegens willen das Thema „Gesetz" jedoch nicht ausdrücklich anschneiden muß.

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3.13 Der ferne nahe Gott im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit Bei aller Verschiedenheit im einzelnen zieht sich durch die behandelten Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit als ein gemeinsames Element das Empfinden eines ungeheuren Abstands zwischen Gott und Mensch. Gott ist allmächtig und groß, der Mensch ein nichtiges Wesen. Die Entfernung zwischen beiden erscheint als schier endlos. Das Gefühl der Distanz findet seinen Ausdruck auf unterschiedliche Weise. In einigen Schriften, wie dem 4.Buch Esra und der syrischen BaruchApokalypse, ist die Ursache seiner Entstehung noch deutlich erkennbar. Uber der als heillos empfundenen Gegenwart ist Gott in die Ferne gerückt. In anderen Schriften, wie etwa denen der Gemeinde von Qumran, aber auch denen der hellenistisch geprägten Oracula Sibyllina oder des Fragments zwei des Pseudo-Hekataios II, gibt stärker das allgemeine Bewußtsein der Sündhaftigkeit bzw. Nichtigkeit des Menschen die Folie ab, vor deren Hintergrund Gottes Größe um so nachdrücklicher hervortritt. In wiederum anderer Weise ist die strikte Unterscheidung zwischen Gott und allem Geschaffenen konstitutiv für Schriftsteller wie Philo und Ps-Philo, aber auch Josephus und Eupolemos. Hier steht im Vordergrund der Darstellung das Interesse an der Integrität und Reinheit des Gottesbegriffs. Gott ist jeglichem Zugriff von Seiten des Menschen entzogen. Das gilt sogar für die Möglichkeit einer unmittelbaren Erkenntnis durch den Menschen. Uber das Bemühen um eine konsequente Wahrung der Gottheit Gottes hinaus wird jedoch auch darüber nachgedacht, wie, ohne Abstriche von der Größe Gottes machen zu müssen, gleichzeitig eine Beziehung Gottes zum Menschen gedacht werden kann. Auch dafür steht Josephus, ebenfalls aber beispielsweise ein Schriftsteller wie Artapanos. Das Thema von Distanz und Nähe Gottes zum Menschen durchzieht schließlich auch den Roman Joseph und Aseneth; und der in die Ferne gerückte Gott ist für die Testamente der zwölf Patriarchen charakteristisch. Der Grundstimmung der Distanz zwischen Gott und Mensch korrespondiert auf der Gegenseite das Bemühen der Verfasser, nichtsdestotrotz eine zwischen beiden bestehende Beziehung aufzuweisen. Die Strategien, wie von einem Verhältnis Gottes zum Menschen und einer Beziehung des Menschen zu Gott gesprochen werden und gleichzeitig die Gottheit Gottes unangetastet bleiben kann, sind unterschiedlicher Art. Auch mit der dieser theologischen Fragestellung inhärenten Spannung wird auf verschiedene Weise umgegangen. Der Lösungsversuch des 4.Esra hebt sich von dem anderer deutlich ab. Die Diskrepanz zwischen Bekenntnis und Erfahrung wird aufzuheben versucht, indem die menschliche Erkenntnisfähigkeit abqualifiziert wird. Im Rahmen dieses autoritären Modells wird der Mensch gemahnt, sich darauf zu verlas-

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sen, daß der Weltzusammenhang gewahrt bleibt und der zukünftige Aon die gegenwärtigen Aporien auflösen wird. In anderer Weise, nämlich bezogen auf die Fähigkeit zur Gotteserkenntnis, spielt die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis eine Rolle bei Philo. Dabei ist auch die Intention eine andere als in 4. Esra. Hier wird nicht der Mensch klein gemacht, sondern dem Wissen um die jede menschliche Erkenntnismöglichkeit übersteigende Größe Gottes Respekt gezollt. Die unmittelbare Erkenntnis Gottes ist dem Menschen verwehrt. Gleichwohl soll er nach ihr streben, auch wenn er mit der Einsicht in seine Existenz bereits an seine Grenze stößt. Die unrealisierte und letztlich nicht zu realisierende Gottesbeziehung prägt dennoch als ein Postulat den Charakter der Oracula Sibyllina. In Sib kommt zwar dem Gesetz zentrale Bedeutung für das Verständnis des Geschicks Israels zu. Trotzdem zeichnet sich gerade hier die Krise des Gesetzes als der Vermittlungsinstanz des Gottesverhältnisses ab. Das Gesetz macht bereits für den Verfasser von Sib selbst Gott nur noch teilweise verstehbar. Hier droht die Aufspaltung des Gottesbegriffs. Neben den deus revelatus, der durch das Gesetz erkennbar wird, tritt ein deus absconditus, dessen Handeln in der Geschichte unberechenbar geworden ist. Von einer Beziehung zwischen Gott und Mensch kann bei Eupolemos kaum gesprochen werden. Eine unterschiedliche Rolle für das Verhältnis zwischen Gott und Mensch kommt dem Gesetz zu. Als Norm für die Gegenwart begegnet es in 4. Esra, zur Vorbereitung auf den kommenden Aon in syrBar und zur Wahrung der Ordnung in der Welt in TestXII. Darüber hinaus besitzt es in diesen drei Schriften geradezu die Funktion eines Platzhalters Gottes auf Erden. In Qumran tritt das Gesetz primär unter dem Aspekt der Krisis auf. Für Josephus ist es der Ort der Begegnung mit Gott. Es regelt die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Keine Rolle spielt das Gesetz bei Joseph und Aseneth. Das gleiche gilt auch für Eupolemos, Artapanos und PseuHek II. Nicht thematisiert wird es bei Ps-Philo und in den behandelten PhiloTexten. Auf die Frage, worin die Größe Gottes besteht, läßt sich einer Mehrzahl von Schriften der Hinweis auf die Schöpfung bzw. die Werke Gottes entnehmen. Dies gilt sowohl für Qumran und syrBar als auch für JosAs, Eupolemos, PseuHek II, Josephus, Philo und Ps-Philo. Bei Artapanos begegnet Gott in erster Linie im Wunder und unter dem Aspekt seiner Macht. Als Fazit der Untersuchung läßt sich feststellen: Die entscheidende theologische Problemstellung für die jüdischen Schriftsteller der hellenistischrömischen Zeit liegt in der Frage, wie sich die Gottheit Gottes mit einer Beziehung zwischen Gott und Mensch verträgt. Das Bemühen - vor dem Hintergrund eines die Schriften durchziehenden Grundgefühls der Distanz zwischen Gott und Mensch - zielt darauf, beides zusammenzubringen. Gottes Gottheit soll gewahrt, an einer nach wie vor bestehenden heilvollen Beziehung festgehalten werden. Trotzdem läßt sich beobachten, daß die

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Spannung zwischen beiden Polen nicht ausgehalten, sondern nach einer Seite hin aufgelöst wird. Dabei läßt sich die Tendenz feststellen, daß die Auflösung zugunsten der Wahrung der Gottheit Gottes und im Interesse der Erhaltung eines „reinen" Gottesbegriffs und zu Lasten des Menschen und seiner Anliegen sowie seines Interesses an einer gegenwärtig von Heil geprägten Gottesbeziehung erfolgt. Der als nah verkündete Gott, von dem zu zeugen einige Verfasser sich geradezu zur Aufgabe gesetzt haben, bleibt über weite Strekken ebenso ein Postulat wie die Behauptung eines noch bestehenden Verhältnisses zu dem Gott, der menschlicher Erkenntnis entzogen ist. Gerade in den Versuchen, seiner Nähe Ausdruck zu verleihen und in dem Bemühen, am Bestehen der Gottesbeziehung festzuhalten, zeigt sich die tatsächliche Ferne, in die Gott den Schriftstellern dieser Zeit gerückt ist1.

Exkurs: Der historische Jesus Der Versuch einer Darstellung des Gottesbildes Jesu bedeutet ein eigenes Thema, das den Rahmen dieser Paulus gewidmeten Studie übersteigt1. Zudem ist er in besonderer Weise durch die Schwierigkeit einer ungewissen Quellenlage belastet. Da die synoptischen Traditionsstoffe sich als durch und durch redaktionell geformt und bearbeitet zeigen, bleibt die Erhebung einer auf den historischen Jesus zurückführenden Textbasis ein im höchsten Maße hypothetisches Verfahren. Die mit der Leben-Jesu-Forschung verbundenen Probleme sind hinlänglich bekannt2. Die grundsätzlichen Einwände gegenüber der bis in die Gegenwart selbstverständlichen formgeschichtlichen Arbeitsweise und der mit ihr verbundenen Scheidung von Tradition und Re-

1 W. G. Kümmel, Die Gottesverkündigung Jesu und der Gottesgedanke des Spätjudentums, Judaica Bd. 1,1945,40-68, stellt in der Situation des Jahres 1945 heraus, „daß das Spätjudentum, aufs ganze gesehen, die alttestamentliche Auffassung von der Nähe und Barmherzigkeit des gerechten Gottes durchaus festgehalten hat, und es... keine Rede davon sein (kann), daß Gott dem Spätjudentum der .ferne' Gott geworden war." (49) Gleichwohl weiß Kümmel darum, daß für „den Juden zur Zeit Jesu... die Gegenwart leer von Gottes Heilshandeln in der Geschichte seines Volkes" ist. Das bedeutet nach seiner Darstellung jedoch keineswegs, daß Gott fern ist < 49 >·

Kümmel löst die auch von ihm beobachtete Spannung dahingehend auf, daß er das jüdische Bekenntnis zum nahen Gott über die sich in den Texten ausdrückende konkrete Erfahrung seiner gegenwärtigen Abwesenheit stellt. Er mißt damit den Wahrheitsgehalt der Aussage, daß Gott ferngerückt ist, nicht an der Erfahrung der damaligen Wirklichkeit, sondern am Inhalt des Bekenntnissatzes. Dieser aber gibt das Selbstverständnis der Verfasser wieder, die sich zum nahen Gott bekennen, gleichzeitig aber die Distanz erkennen lassen, in die Gott ihnen gerückt ist. 1 Literatur zum Thema s. bei Bultmann, Theologie, §§ 1-3. 2 Vgl. A. Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Zwei Bände, 3 1977.

D e r ferne nahe Gott im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit

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daktion, wie sie etwa von W. Schmithals 3 nachdrücklich vorgebracht werden, haben zudem zu einer Verunsicherung geführt, in welchem Umfang es überhaupt einen bis zu Jesus zurückreichenden Traditionsprozeß gegeben hat und anhand welcher Kriterien er zu rekonstruieren ist. Eine Untersuchung dieses Themenkomplexes erforderte von daher gründliche kriteriengeleitete Vorarbeiten zur Bestimmung des zu behandelnden Textbestandes. Um Jesus nicht völlig aus dem zeitgenössischen Umfeld des Paulus auszuklammern, sollen dennoch in aller Vorläufigkeit zumindest einige wenige Beobachtungen zum Gottesbild bzw. zum Gottesverhältnis Jesu genannt werden. Die Authentizität der dazu herangezogenen Stellen kann dabei keinesfalls als sicher behauptet werden. Der breite Komplex der Gleichnisse Jesu wird bewußt beiseite gelassen, da ihr Bezug zur Predigt vom Reich Gottes bereits in Zweifel gezogen worden ist 4 .

1. Mt 6,9-13 par. Lk 11,2-4: Gott, „unser Vater" Weniger die Vorstellung Jesu von Gott, dafür um so mehr sein Leben im unmittelbaren Gegenüber zu Gott, kommt in der Betonung des Gebets innerhalb der synoptischen Darstellung der Person Jesu zum Ausdruck. Einen eindrucksvollen Beleg dafür bietet die auf die Logienquelle zurückgehende Überlieferung des Vaterunser in Mt 6,9-13 par. Lk l l , 2 - 4 5 . Ungeachtet der Frage nach der ältesten, womöglich der ursprünglichen Gestalt dieses Gebets 6 , läßt sich folgendes beobachten: Die Nähe signalisierende vertrauensvolle Vateranrede zu Beginn kündet von dem engen Verhältnis zu Gott, in 3 Vgl. W. Schmithals, Kritik der Formkritik, ZThK 77,1980, 149-185; Schmithals, Markus; W. Schmithals, Einleitung in die drei ersten Evangelien, 1985,384-431. 4 Vgl. F.Vouga, Jesus als Erzähler. Überlegungen zu den Gleichnissen, WuD N F 19, 1987, 63-85,64.65. 5 Neben den Kommentaren vgl. zum Vaterunser G. Eichholz, Auslegung der Bergpredigt, 6 1984, 112-133; Strecker, Bergpredigt, 109-132; H. Weder, Die „Rede der Reden", 1985, 173-196. 6 A. Lindemann, Die Versuchungsgeschichte Jesu nach der Logienquelle und das Vaterunser, in: Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum. Beiträge zur Verkündigung Jesu und zum Kergyma der Kirche. FS W. Marxsen. Hg. v. D.-A. Koch, G. Sellin und A. Lindemann, 1989, 91-100, vertritt die Auffassung, daß das Vaterunser in seiner ursprünglichen Gestalt wohl auf Jesus zurückgeht (96). Die lukanische Fassung biete im ganzen den älteren Text (92 Anm. 5). Vgl. auch A. Vögtle, Der „eschatologische" Bezug der Wir-Bitten des Vaterunsers, in: Ders., Offenbarungsgeschehen und Wirkungsgeschichte. Neutestamentliche Beiträge, 1985,34-49. Hinsichtlich der Meinung, das Vaterunser stamme vom historischen Jesus, urteilt H. D. Betz, Eine judenchristliche Kult-Didache in Matthäus 6,1-18. Überlegungen und Fragen im Blick auf das Problem des historischen Jesus, in: Ders., Studien zur Bergpredigt, 1985,49-61, zurückhaltend: Man muß annehmen, „daß die Bitten sogar älter als Jesus sind und daß höchstens die eigentümliche Zusammenstellung im Unser-Vater auf Jesus hindeutet" (58).

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dem zu stehen Jesus sich gewiß ist 7 . Dem entspricht die Achtung gegenüber dem - nach Matthäus - Vater έν τοις ούρανοΐς, die in der Auswahl und Anordnung der nachfolgenden Bitten ihren Ausdruck findet. So sind in der matthäischen Version die ersten drei und damit die Hälfte der insgesamt sechs Bitten 8 Gott selbst, seinem Namen, seinem Reich, seinem Willen gewidmet. Erst die zweite Hälfte mit den übrigen drei Bitten konkretisiert die ausschließlich den Menschen selbst zugute kommenden Wünsche. In der lukanischen Fassung liegt das Gewicht wegen des Fehlens der dritten Bitte „Es geschehe dein Wille wie im Himmel so auf der Erde" zwar etwas stärker auf dem zweiten Teil, aber durch die Anordnung ist das Verhältnis zwischen beiden Teilen doch prinzipiell ähnlich - zumal dem Fehlen der dritten bei Matthäus überlieferten Bitte auch die Entsprechung zu Mt 6,13 b im zweiten Teil fehlt. Strukturell entspricht diese Zweigliederung der zweigeteilten Antwort Jesu auf die Frage nach dem größten Gebot in Mk 12,29-33 par. Mt 22,37-40 par. Lk 10,27.28. Der Appell zur Nächstenliebe folgt dem Aufruf zur Gottesliebe, ohne damit zweitrangig zu werden. Redet Jesus Gott zu Beginn scheinbar selbstverständlich mit „Vater" an, so zeigt der Ruf zur Heiligung des Namens Gottes an exponierter Stelle, nämlich als Bitte eins, welche Bedeutung dem angemessenen Verhältnis zu Gott zukommt. Jesus bittet hier um ein Entsprechungsverhältnis zum heiligen Gott 9 . Die zweite und dritte Bitte sprechen den Wunsch aus, daß Gott umfassend zur Geltung kommen möge und sein Wille sich in der Welt durchsetze. Jesus äußert damit eine Sehnsucht, die sich bei Paulus etwa in der Wendung in IKor 15,28 artikuliert, daß am Ende Gott alles in allem sein möge 10 . Die vierte bis sechste Bitte sind in der matthäischen Gebetsfassung durch die auffallend gehäufte in verschiedenen Kasus begegnende Verwendung des Pronomens ημείς charakterisiert. Insgesamt achtmal begegnet es, davon einmal im Nominativ, dreimal im Genitiv, zweimal im Dativ und zweimal im Akkusativ. In der kürzeren - und wohl älteren - lukanischen Version begegnet es immerhin auch sechsmal, zweimal im Genitiv, dreimal im Dativ, einmal im Akkusativ. Es unterstreicht die sich in diesen Bitten aussprechende menschliche Angewiesenheit auf Gott. Indem Matthäus der Gebetsanrede 7 Dem tut auch die Tatsache keinen Abbruch, daß Jesus nicht der einzige und auch nicht der erste ist, der Gott als seinen Vater anredet. G. Bornkamm, Jesus von Nazareth, u1977, 109-111. Vgl. zur Anrede „Vater" auch Strecker, Bergpredigt, 114-116. 8 Faßt man die Doppelbitte bei Mt in V. 13 als zwei Bitten auf, beträgt die Gesamtzahl der Bitten selbstverständlich sieben. Mit der Zählung als einer Doppelbitte soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß es sich bei V. 13 b um eine antithetische Ergänzung zu V. 13 a handelt. 9 Laut Strecker, Bergpredigt, zielt die Bitte darauf, „daß Gott selbst durch sein Eingreifen die Heiligung seines Namens bewirken möge" (116). 10 Zur Beziehung zwischen der Verkündigung Jesu und dem eschatologischen Abschnitt IKor 15,20-28 vgl. Schweizer, l.Korinther 15,20-28,311-313.

Der ferne nahe G o t t im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit

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πάτηρ ebenfalls ein ημών nachstellt, signalisiert er darüber hinaus von Anfang an, daß solche Angewiesenheit in Gott gut aufgehoben ist. Die Reihe der Gebetsanliegen beginnt mit der grundlegenden Bitte um die lebensnotwendige Nahrung, setzt sich fort mit der gleichfalls elementaren Bitte um Schuldvergebung, also dem Verlangen, durch eine Bereinigung der Vergangenheit gegenwärtiges Leben zu ermöglichen, und mündet ein in das Begehren, vor zukünftigem Versagen bewahrt und aus tödlichem Machtbereich herausgelöst zu werden. So bringt das Vaterunser-Gebet insgesamt die Haltung zum Ausdruck, alles von Gott zu erwarten. Jesus äußert diese Erwartung vor dem Hintergrund seines die unmittelbaren menschlichen Bedürfnisse weit übersteigenden Wunsches nach der alles umfassenden Gegenwart Gottes. Ihm sieht er sich als seinem Vater persönlich gegenübergestellt11.

2. Mk 15,34: Gottes Gegenwart in seiner Abwesenheit Ebenfalls ohne die Gewähr der Authentizität 12 soll der Schrei des sterbenden Jesus am Kreuz in Mk 15,34 als wesentliche Aussage über die Gottesbeziehung Jesu in die Untersuchung einbezogen werden. Er läßt einen für das Gottesverhältnis Jesu elementaren Zug erkennen. Der Schrei wird bei Markus zunächst in einer offenbar aramäischen transkribierten Fassung des Eingangs von Psalm 22 überliefert und dann in einer griechischen Version geboten, die von Ps 21,2 L X X abweicht. Dort heißt es: Ό Θεός ό Θεός μου, πρόσχες μοι. ϊνα τί έγκατέλιπές με 13 . Es ist zu erwägen, ob Jesus im Moment seines Todes faktisch zusammengebrochen ist. Nach V. Taylor fühlte Jesus den Schrecken der Sünde so sehr „that for a time the closeness of His communion with the Father was obscured" 14 . Sein Gottesverhältnis erwiese sich dann im Angesicht des Todes als ein gebrochenes. Schon M. Dibelius wehrte demgegenüber jedoch bereits ab, man dürfe aus dem letzten Ruf Jesu keinesfalls schlußfolgern, daß sich darin „die endgültige Verzweiflung Jesu, ja sein Zusammenbruch" ausspreche. Das Nachsprechen des Anfangs von Psalm 22 drücke „nicht unfrommes Widerstreben gegen Gott aus", sondern zeige vielmehr den „Einklang mit Gott" 1 5 . Auch J. Gnilka weist die Frage, ob Jesus in Verzweiflung starb, unter Be11 „Für Jesus ist Gott kein Es, sondern ein Du, das zum Menschen in Beziehung tritt und als Vater angerufen werden will." Schräge, Theologie, 141. 1 2 R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8 1970, 295, hält V. 34 für eine „offenbar... nach ψ 21,2 geformte sekundäre Interpretation des wortlosen Schreis Jesu V. 37". 1 3 Vgl. D. Lührmann, Das Markusevangelium, H N T 3 , hg. v. A. Lindemann, 1987,263. 1 4 V. Taylor, The Gospel According to St. Mark, 2 1966,594. 1 5 M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 6 1971,294.

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zug auf die theologische Verwendung des 22.Psalms innerhalb der gesamten Passionsgeschichte ab16. Ohne die Interpretation, die sich von den mit Psalm 22 gegebenen theologischen Implikationen herleitet, einem V. 34 stärker isolierenden Interpretationsversuch alternativ gegenüberzustellen, macht der letzte Schrei Jesu offenbar: Die sich im Munde des sterbenden Jesus artikulierende Gottesferne ist zugleich der Glaubensausdruck der Nähe Gottes. Noch der Schrei der Verlassenheit bezeugt die Gegenwart Gottes und kündet von der bleibenden Bindung Jesu an Gott. Formale Unterstützung findet diese Deutung auf der grammatikalischen Ebene durch die Verwendung der Fragepartikel εις τί 17 . Dieser unterliegt anders als der geläufigen deutschen Ubersetzung „warum?" kein kausaler, sondern finaler Sinn18. Am Ende seines Lebens zieht der sterbende Jesus nicht eine auf seine Vergangenheit bezogene Summe im Zustand offenkundiger Verzweiflung. Sein Gebetsruf richtet sich auf ein Ziel und formuliert die seinen Tod transzendierende Sinnfrage: „Mein Gott, mein Gott, wozu, hast du mich verlassen?" So öffnet dieser letzte Ruf Jesu bereits den Horizont zu einer weiterführenden Deutung seines Todes im Rahmen der Gottesfrage.

16 J . Gnilka, Das Evangelium nach Markus, EKK II/l und 2, hg. v. J. Blank u. a., 1980,322. Ebenso D.E.Nineham, Saint Mark, The Pelican New Testament Commentaries, 1987, 428.429. 17 Vgl. Ps 21,2 LXX und im Anschluß daran Mt 27,46. Dort wird die Frage durch Ινα τί bzw. ινατί eingeleitet. 18 Darauf weist Schmithals, Markus 2/2,697, zu Recht hin.

4 Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen Nachdem anhand exemplarisch ausgewählter Schriften der jüdische Hintergrund aufgehellt wurde, vor dem Paulus zu verstehen ist, sollen im folgenden die frühchristlichen Traditionen, auf die der Apostel in seinem Briefcorpus Bezug nimmt, untersucht werden. Unter „Traditionen" ist dabei das Überlieferungsgut verstanden, das bereits unabhängig vor oder neben Paulus existierte und auf das er sich entweder ausdrücklich zitierend oder in freier Wiedergabe bezieht. Die Bezeichnung „vorpaulinische" Traditionen ist demzufolge nicht in einem streng chronologischen Sinn zu verstehen. Sie schließt in umfassenderer Weise alle die von Paulus übernommenen frühchristlichen Uberlieferungen ein, die unabhängig von ihm und damit möglicherweise auch zeitlich parallel zu ihm entstanden sind. Aus dem verschiedenartigen Material, das Paulus in seinen Briefen heranzieht, sollen die Stellen behandelt werden, die von Gott reden bzw. Rückschlüsse auf das hinter ihnen stehende Gottesverständnis zulassen. Auch diese Untersuchung dient dem Ziel, den Horizont abzustecken, vor dem die Eigenart der spezifisch paulinischen Redeweise von Gott um so präziser erfaßt werden kann. Nicht separat untersucht zu werden brauchen in diesem Kapitel feststehende Gottesprädikate, auch wenn sie jüdischer bzw. alttestamentlicher Herkunft sind. Für sie gilt wie für alle anderen Stellen, an denen Paulus absolut von Gott redet: Der genaue Sinn und die Entscheidung darüber, wie der Gottesbegriff im konkreten Fall gefüllt ist, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Textes bei Paulus.

4.1 Die Traditionen von der Auferweckung Als Auferweckungstraditionen werden von Paulus aufgenommene Glaubensaussagen bezeichnet, denen inhaltlich gemeinsam ist, daß sie von Gottes Auferweckungshandeln an Jesus zeugen. Formal weichen sie im einzelnen voneinander ab. Im folgenden soll herauszufinden versucht werden, ob sich hinter den verschiedenen Ausformulierungen eine gemeinsame Ursprungstradition rekonstruieren läßt. Dabei sollen zunächst nur die traditionellen

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D a s G o t t e s v e r s t ä n d n i s in d e n v o r p a u l i n i s c h e n T r a d i t i o n e n

Wendungen herangezogen werden, bei denen das Verb έγείρειν - sei es als Verbal- oder Partizipialform - im Aktiv gebraucht wird. An sechs der neun Stellen, die die traditionelle Formulierung bieten, ist die Auferweckungsaussage durch die präpositionale Wendung εκ νεκρών ergänzt (lThess 1,10; Gal 1,1; Rom 4,24; 8,11 a.b; 10,9). An den restlichen drei Stellen (IKor 6,14; IKor 15,15; 2Kor 4,14) fehlt diese Näherbestimmung. Die vorliegenden Traditionen sind zunächst daraufhin zu untersuchen, in welcher Weise „Gott" als Subjekt der Aussagen Verwendung findet. Zu dem Prädikat ήγειρεν wird ό Θεός explizit als Subjekt genannt in IKor 6,14 und Rom 10,9. In dem Relativsatz lThess 1,10 und dem οτι-Satz IKor 15,15 ist dies nicht ausdrücklich gesagt. Dennoch ist durch den Bezug auf das Vorhergehende klar, daß auch hier Gott das Subjekt zu ήγειρεν ist. Innerhalb der διά-Wendung von Gal 1,1 erweitert bzw. entfaltet Paulus die Bezeichnung Gottes als des Vaters durch das Partizip του έγείραντος. In 2Kor 4,14 tritt die Bezeichnung ό έγείρας ganz an die Stelle des Gottesbegriffs, ebenso in Rom 8,11b, ferner in dem mit Präposition versehenen Ausdruck τοις πιστεύουσιν επί τον έγείραντα in Rom 4,24 und als Genitiv του έγείραντος in Rom 8,11a. Das Objekt in den Auferweckungsaussagen wird unterschiedlich benannt. In Gal 1,1 lautet es αυτόν und bezieht sich auf die erste Hälfte der διάWendung: Ίησοΰ Χρίστου. Ebenfalls αύτόν findet sich in Rom 10,9b. Dort ist das Pronomen jedoch eindeutig auf κύριον Ίησοΰν aus der Akklamation in Rom 10,9a bezogen. Τον κύριον bildet das Objekt in IKor 6,14, während in der Bezeichnung τον κύριον Ίησοΰν in 2Kor 4,14 κύριον sekundär eingefügt worden sein könnte 1 . An zwei Stellen steht der Akkusativ von Χριστός als Objekt: In IKor 15,15 mit Artikel (τον Χριστόν), in Rom 8,11 b ohne Artikel, dafür aber in verschiedenen Handschriften mit nachfolgendem Ίησοΰν. Auf Ίησοΰν als Objekt richten sich die Aussagen in Rom 4,24 und Rom 8,11 a. Dabei ist die Formel in Rom 4,24 erweitert durch τον κύριον ημών, während in Rom 8,11 a der Artikel τόν vor Ίησοΰν wahrscheinlich ist. In lThess 1,10 bezieht sich das Relativpronomen öv auf das voranstehende τόν υ ιόν αύτοΰ und zielt zugleich auf Ίησοΰν. Dadurch wird die Verbindung zwischen der Sohnesbezeichnung und Jesus hergestellt. Jesus ist hier der genannte Sohn Gottes. Die Frage, wie das Objekt in der ursprünglichen Auferweckungsformel genau gelautet hat, wird von Wengst2 ausführlich erörtert. Danach tragen die Aussagen, die als Objekt αυτόν oder öv enthalten, also Gal 1,1, Rom 10,9b und lThess 1,10, nichts zur Klärung des ursprünglichen Wortlauts bei, da die inhaltliche Füllung dieser Objekte durch den Kontext bestimmt ist. Die 1 2

Das vermutet Wengst, Formeln, 31 Anm. 17, unter Hinweis auf den textkritischen Befund. Wengst, Formeln, 27-33.

Die Traditionen von der Auferweckung

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Objekte τον κύριον in IKor 6,14 und τον Χριστόν in IKor 15,15 erklären sich aus den gleichlautenden Titeln des unmittelbaren Kontexts. Der κύριοςTitel in 2Kor 4,14 ist vermutlich textkritisch sekundär und in Rom 4,24 als paulinische Erweiterung anzusehen. Die Formulierung Χριστόν Ίησοΰν in Rom 8,11 b ist laut Wengst ebenfalls Paulus zuzuschreiben 3 . Damit bleibt als mit hoher Wahrscheinlichkeit ursprüngliche Lesart die durch 2Kor 4,14, Rom 4,24 und 8,11a bezeugte Version Ίησοΰν, die sich auch in lThess 1,10 findet 4 . Das Verb έγείρειν erscheint entweder als Verbalform oder als Gottesbezeichnung in Form eines substantivierten Partizips. Es wird durchgängig im Aorist verwendet. Zusammenfassend läßt sich als ursprüngliche Fassung der Auferwekkungstradition erschließen: ό Θεός Ίησοΰν ήγειρεν (εκ νεκρών) bzw. ό έγείρας (τον) Ίησοΰν (έκ νεκρών) 5 . Eingeleitet wurde die Formel möglicherweise mit einer Verbform von πίστευεiv. Darauf deuten Rom 10,9: εάν πιστεύσης δτι ό Θεός... und Rom 4,24: τοΐς πιστεύουσιν έπί τον έγείραντα... hin. Gott ist in den Glaubensformeln von der Auferweckung der, der aktiv an Jesus gehandelt hat. Er hat Jesus von den Toten auferweckt. Gott bildet das Subjekt der Handlung, Jesus das Objekt des Handelns Gottes. Zu fragen ist, wo im Urchristentum eine solche Formel anzusiedeln ist. Der Annahme Wengsts, ihren Ursprung in der aramäisch sprechenden Gemeinde zu suchen 6 , steht die Auffassung Paulsens gegenüber, für die Entstehung der Auferweckungsformel eher die hellenistisch-judenchristliche Gemeinde anzunehmen 7 . Deutlich ist: Judenchristen machen mit der Formel eine Aussage über 3 Dabei ist jedoch zu beachten, daß Wengst mit Nestle 2 5 die Lesart Χριστόν Ίησοΰν als ursprünglich annimmt. Nestle-Aland 2 6 hält dagegen die Lesart Χριστόν für ursprünglich. Wengst, Formeln, 32. 4 Wengst, Formeln, 32, fügt die Überlegung an: „Es ist schwer vorstellbar, daß der bloße N a m e Ίησοΰς eine vorher in der Formel stehende Würdebezeichnung verdrängt hätte." Ebenso Kegel, 13.

Vgl. Becker, Gottesbild, 120: „Daß die christologische Explikation im Verlauf der Traditionsgeschichte erfolgte, ist das auch sonst üblicherweise zu beobachtende Verfahren. Eine theoretisch denkbare Reduktion von einer vollen Titelchristologie zu einfacherer Objektsangabe ist schwerer erklärbar." 5 N a c h Kramer, 2 0 - 2 2 , gehört die Wendung έκ νεκρών konstitutiv zu der Auferweckungsaussage. Ihr Fehlen in I K o r 6,14 und 2 K o r 4,14 erklärt er damit, daß hier „Splitter" der Pistisformel vorlägen. Diese Sicherheit hinsichtlich der Zugehörigkeit von έκ νεκρών zum usprünglichen Wortlaut ist jedoch aufgrund der vorliegenden Texte nicht möglich. Zur Wendung έκ νεκρών vgl. die Ausführungen von P. Hoffmann, Die Toten in Christus, N T A N F 2, 1966,180-185. 6

Wengst, Formeln, 4 1 - 4 3 .

7

Paulsen, 52 Anm. 157.

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

Gott. Der Gottesbegriff wird durch die Rede von der Auferweckung Jesu inhaltlich gefüllt. Wer Gott ist, erweist sich durch sein Auferweckungshandeln an Jesus. Zugleich bekundet die Formel auch den Glauben, daß Gott so gehandelt hat. Gott ist der, der gerade so, wie er es getan hat, an dem hingerichteten Jesus gewirkt hat. Er hat ihn nicht im Tode gelassen, sondern auferweckt. Die Frage nach dem Entstehungsort der Formel führt in einen Bereich des Judentums, in dem Juden mit Juden über die Frage diskutiert haben, wer Gott ist angesichts des Schicksals Jesu von Nazareth. Während für die einen sein Tod sinnfälliger Ausdruck seines Scheiterns ist, das zugleich die Richtigkeit ihres eigenen Gottesverständnisses bestätigt, führt er bei den anderen zu einem neuen Verständnis Gottes. Nicht der Tod des Frevlers Jesus wahrt die Heiligkeit Gottes. Gott ist vielmehr der, der sich zu dem Getöteten und im Rahmen der bisher in Geltung stehenden religiösen Norm Gescheiterten bekennt. Die Gruppe, die Gott als den bekennt, der Jesus auferweckte, versteht den Tod Jesu nicht als die Bestätigung ihrer bisherigen Auffassung von Gott. Ihr Bekenntnis, das vielmehr die Bestätigung Jesu durch Gott bedeutet, signalisiert einen Wandel des Gottesverständnisses. Der Gott, der als auf der Seite Jesu stehend bekannt wird, ist nicht derselbe wie der, dessen Wahrheit sich im Untergang Jesu erweist. Die Frage nach dem Verhältnis des bisher gemeinsam geglaubten und bekannten Gottes zu dem hingerichteten Jesus aus Nazareth wird zu einer Frage nach Gott selbst. Sie mündet in eine Alternative, die vor die Entscheidung stellt, wie von Gott zu reden ist und das heißt, welchem Gott man anhängen will. Will man sich zu dem Gott bekennen, der durch Jesus so stark in Frage gestellt wird, daß man ihn vor dem Mann aus Nazareth schützen muß? Oder will man Gott als den begreifen, der in einer positiven Beziehung zu dem innerhalb der traditionellen religiösen Norm zu Recht Hingerichteten und damit in seinem sachlichen Anliegen offenkundig Widerlegten steht? Ostern ist vor dem Hintergrund der Auferweckungsformel eine primär theo-logische, nicht eine christologische Frage8. Am Anfang des Christentums, nach dem Tode Jesu, steht die theo-logische Diskussion unter Juden 8 Laut Becker, Gottesbild, 106, bestätigt Gott nach Auffassung der Jünger durch sein auferweckendes Handeln das Gottesbild Jesu. Die Kontinuität zwischen Jesus und der nachösterlichen Jüngergemeinde liege darin, daß die Jünger dieses Gottesbild weiterverkündigen. Problematisch an Beckers Überlegung ist die Unterscheidung zwischen „Ostern" und der Auslegung von „Ostern" durch die Jünger. So entsteht der Eindruck, als existiere „Ostern" als ein Ereignis auch außerhalb oder abgesehen von einer Deutung. Präziser wäre zu sagen: Die theo-logische Erkenntnis der Jünger ist „Ostern". Die Überzeugung der Jünger von einem lebenschaffenden Verhältnis Gottes zu dem gekreuzigten Jesus macht den sachlichen Gehalt von „Ostern" aus. Ob Gott sich „durch sein auferweckendes Handeln mit dem Gottesbild identifizierte, für das Jesus von Nazareth eingetreten war", ist dagegen bereits eine zweite Frage. Problematisch ist zudem auch hier Beckers Formulierung „ d u r c h sein auferweckendes Handeln" (Hervorhebung von mir), so als ginge die Auferweckung der Identifizierung der Gottes-

Die Traditionen von der Auferweckung

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um die Frage nach der Gottheit Gottes. Die Formel ό έγείρας (τον) Ίησοΰν (έκ νεκρών) beinhaltet die Antwort der frühesten Christen auf die Frage, wer Gott angesichts des hingerichteten Jesus ist, während der Satz ό Θεός Ίησοΰν ήγειρεν (έκ νεκρών) ihre Antwort auf die Frage wiedergibt, was Gott nach ihrer Auffassung getan hat. Die beiden Formulierungen der Formel bewahren die früheste Reaktion von Judenchristen auf den Tod Jesu gegenüber Juden und spiegeln ihren theo-logisch begründeten Umgang mit diesem Geschehen wider. Sie weisen damit in die Anfänge der aramäisch sprechenden Jerusalemer Urgemeinde zurück. Gottes Auferweckungshandeln an Christus - nicht an Jesus! - findet einen besonderen Ausdruck in mehreren ähnlich lautenden Formulierungen innerhalb des Corpus Paulinum 9 . In Rom 6,4 heißt es: ήγέρΘη Χριστός έκ νεκρών und in Rom 6,9: Χριστός έγερΘείς έκ νεκρών. Auf den traditionellen Charakter von Rom 6,4 ist mit verschiedenen Argumenten hingewiesen worden 1 0 . Für ihn spricht erstens das wiederholte Auftreten der passivischen Verbform ήγέρΘη, zweitens die singuläre Wendung διά της δόξης του πατρός 11 und drittens die Bezeichnung Gottes als Vater 12 , die sonst nur in Rom 8,15 und Gal 4,6 erscheint. bilder voran. Allenfalls ließe sich m . E . sagen, daß die Erkenntnis der „Legitimität von Jesu Gottesbild" als Auferweckung Jesu interpretiert wird. 9 An zwei weiteren Stellen bei Paulus ist von Gott als dem die Rede, der die Toten lebendig macht bzw. auferweckt. In Rom 4,17 ist Gott ό ζφοποιών, in 2Kor 1,9 ό έγείρων. An beiden Stellen wird weder Jesus noch eine Hoheitsbezeichnung genannt. Paulus verwendet hier eine Formulierung, die in der zweiten Benediktion des jüdischen Achtzehn-Gebets begegnet. Allerdings ist die Frage, welchen Inhalt Paulus mit dem Gottesbegriff in der Formulierung von Rom 4,17 verbindet, nicht ohne die Erkenntnis des Zusammenhangs mit Rom 4,24.25 zu beantworten. Dort aber bringt Paulus mit Hilfe traditionellen Gutes sein christologisches Verständnis Gottes zum Ausdruck. Vgl. ( H . L . Strack) - P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch III, 1926,212; Käsemann, Römer, 115; Wilckens, Rom 1 - 5 , 2 7 4 ; Vielhauer, Literatur, 15 Anm. 11; H. Windisch, Der Zweite Korintherbrief, hg. v. G.Strecker, K E K 6. Abt., Neudruck der '1924,1970,47, zu 2Kor 1,9: „ . . . jede Beziehung auf Jesus Christus fehlt. Die jüdische Formel ist hier noch nicht christianisiert." Bultmann, Der zweite Korinther, 33. Von der Auferweckung Jesu ist in formelhaften Wendungen die Rede in Apg 3,15; 4,10; 5,30; 10,40; 13,30.37. Die Frage, ob es sich dabei um archaisierende Formulierungen des Lukas handelt oder ob er traditionelle Elemente verwendet, kann hier nicht erörtert werden. Vgl. zu den einzelnen Stellen z. B. O . Bauernfeind, Die Apostelgeschichte, T h H K V, 1939; U . Wilckens, Die Missionsreden der Apostelgeschichte. Form- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, W M A N T 5, 3 1974, 137-150; M. Rese, Die Aussagen über Jesu Tod und Auferstehung in der Apostelgeschichte - Ältestes Kerygma oder lukanische Theologumena? N T S 30, 1984, 335-353, bes. 344-347. 1 0 Vgl. Wilckens, Rom 6 - 1 1 , 12. Zum Verhältnis von Tradition und Interpretation in Rom 6,1-11 insgesamt vgl. U.Schnelle, Gerechtigkeit und Christusgegenwart. Vorpaulinische und paulinische Tauftheologie, G T A 2 4 , 1 9 8 3 , 74-85. 1 1 Käsemann, Römer, 158, bezeichnet die Wendung als vorpaulinisch, „weil ohne weitere Bestimmung vom Vater gesprochen und δόξα mit δύναμις oder πνεΰμα identifiziert wird". 1 2 Vgl. Schlier, 194.

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

Für Rom 6,9 gilt dies nicht in gleicher Weise. Zwar ist die Formulierungsweise ähnlich; da sich aber die Argumentation für das Vorliegen von Tradition in Rom 6,4 stark auf die Wendung δια της δόξης τοΰ πατρός stützt, die in 6,9 nicht vorkommt, ist die Argumentationsbasis für V. 9 schmaler. Ein Vergleich der Formulierungen in Rom 6,4 und 6,9 ergibt: In beiden Wendungen fungiert Χριστός als Subjekt. Beide Wendungen schließen gleichlautend mit dem präpositionalen Ausdruck έκ νεκρών. Vom Wortlaut her legt es sich nahe, beide Formulierungen, also auch Rom 6,9, als traditionelle Wendungen aufzufassen 13 . Es ist jedoch auch möglich, daß Paulus in 6,9 in bewußter Angleichung an die vorliegende Tradition formuliert, so daß sich in seiner eigenen Formulierung die ursprüngliche Tradition unmittelbar widerspiegelt. Ubereinstimmend gilt jedenfalls für die Formulierungen in Rom 6,4 wie 6,9: Christus bildet das grammatische Subjekt des Satzes. Dennoch ist das eigentliche Subjekt des Handelns Gott. Christus wurde (ist) von den Toten auferweckt (worden) heißt: Durch Gott wurde Christus von den Toten auf erweckt 14 . Rom 7,4 spricht von τω έκ νεκρών έγερΘέντι. Dabei fällt als charakteristisch die durch die Wortstellung unterstrichene enge Zusammengehörigkeit von έκ νεκρών mit dem substantivierten Partizip Aorist Passiv auf. Damit wird nicht allein Gottes Handeln in passivischer Formulierung umschrieben, die formelhafte Wendung selbst ist zugleich zur Christusbezeichnung geworden. Der Christustitel wird auch ausdrücklich innerhalb von V. 4 genannt, allerdings im Zusammenhang der Wendung σώμα τοΰ Χρίστου. Die Frage, ob an dieser Stelle „Splitter" einer ursprünglich selbständigen Formel vorliegen 15 oder ob es sich um eine von Paulus selbst geschaffene Formulierung handelt, die auf die Auferweckungsformel anspielt 16 , muß zunächst offenbleiben. Ahnlich stellt sich das Problem im Blick auf Rom 8,34 und 2Kor 5,15. In 1 3 So Michel, 156. Michel fragt: „hat man in der Liturgie oder in den Hymnen Jesus als den Sieger gefeiert, der der Macht des Todes entronnen ist?" Dagegen Wilckens, R o m 6-11, 18 Anm. 65. 1 4 R. Schnackenburg, Zur Aussageweise „Jesus ist (von den Toten) auferstanden", B Z N F 13, 1969,1-17,10: Bei έγείρειν, auch im Passiv, „ist stets Gott als der Erweckende gedacht". Vgl. die Übersetzungen bei Käsemann, Römer, 151: Christus wurde von den Toten auferweckt (6,4) bzw. Christus, von den Toten auferweckt (6,9) und Wilckens, R o m 6 - 1 1 , 6 und 7: Christus ist von den Toten auferweckt worden (6,4) bzw. Christus, auferweckt von den Toten (6,9). Anders J. Kremer, Auferstanden - auferweckt, B Z N F 23,1979, 97-98. Er wendet sich gegen die „verbreitete Deutung von ή γ έ ρ Θ η . . . als passivum divinum". Seiner Meinung nach sagt ή γ έ ρ Θ η „nicht aus, daß die Auferstehung Jesu eine Tat Gottes war". Die F o r m sei daher „mit ,er stand auf' bzw. ist .auferstanden* zu übersetzen". Zu dem Problem vgl. auch Kegels Ansatz bei vier von ihm festgestellten Grundformeln. Kegel, 14.15 und 22-25. 1 5 So Kramer, 18. 1 6 So Wengst, Formeln, 47; ebenso Becker, Gottesbild, 122: „ R o m 7,4 ist wohl ad hoc von Paulus gebildet."

Die Traditionen von der Auferweckung

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Rom 8,34 heißt es: Χριστός (und - textkritisch unsicher - Ιησούς) ό άποΘανών, μάλλον δέ έγερθείς. Einige wichtige Handschriften schließen die Lesart έκ νεκρών an17. Auch hier gehört zu der passiven partizipialen Auferweckungsaussage die Bezeichnung Χριστός. Die Wendung έκ νεκρών wurde von den frühen Abschreibern offenkundig als in diesen Zusammenhang gehörig verstanden und im Sinne der bekannten ursprünglichen Formel hinzugefügt. Das μάλλον δέ deutet auf eine schöpferische Tätigkeit des Paulus an dieser Stelle 18 .2Kor 5,15 ist ebenfalls durch paulinische Formulierungsweise bestimmt. Weder erscheint der Christusname in unmittelbarer Nähe zur Auferweckungsaussage - er wird zuletzt in V. 14 a gebraucht noch findet sich die Wendung έκ νεκρών. Hinzu kommt, daß Paulus mit dem Partizip άποΘανόντι wie schon zweimal zuvor in V. 14 und 15 auf die Sterbensformel anspielt19. In Rom 4,25 erscheint die passivische aoristische Auferweckungsaussage (ήγέρΘη) in Verbindung mit dem Dahingabemotiv (παρεδόθη) 20 . Das έκ νεκρών fehlt, ebenso ein Name oder Titel. Im vorliegenden Zusammenhang beziehen sich die Verbformen über das Relativpronomen 5ς auf Ίησοΰν τον κύριον ημών in V. 24. Da diese Verknüpfung jedoch sekundär ist21, gibt sie keinen Aufschluß darüber, wie das Subjekt in der Formel V. 25 ursprünglich genau gelautet hat. In IKor 15,3.4-20 findet sich siebenmal der Ausdruck Χριστός έγήγερται. Zunächst ist die Formel V. 3 ff. auf die Verwendung dieses Ausdrucks zu untersuchen, daran anschließend soll kurz auf den Abschnitt V. 12-20 eingegangen werden. Die Gründe dafür, daß in IKor 15,3ff. eine vorpaulinische Formel vorliegt, sind in der Forschung wiederholt genannt worden 22 : Paulus selbst führt 15,3 ff. als aus der Tradition übernommen ein, der Sprachgebrauch ist unpaulinisch, theologisch-sachlich hebt sich der Abschnitt vom Kontext ab. Die genaue Abgrenzung der Formel braucht in diesem Zusammenhang nicht 17

Έ κ νεκρών bezeugen X*, A, C, Ψ , 33.81.104.1506 pc co. Käsemann, Römer, 240: „Das steigernde μάλλον δέ in 34 c ist doch wohl paulinisch." Gegen Kramer, 25, versteht Wengst, Formeln, 47, Rom 8,34 a als paulinische Formulierung. 19 Nach Wengst, Formeln, 47, hat Paulus den Satz selbst um die Auferweckungsaussage erweitert. 20 Nach Kramer, 26, hat Paulus die Kombination hergestellt. Nach Wengst, Formeln, 102, ist sie zwar traditionsgeschichtlich später als ihre einzelnen Teile, trotzdem aber vorpaulinisch. So auch Käsemann, Römer, 121. 21 Mit Wengst, Formeln, 102. Laut Wengst läßt sich nicht sicher sagen, ob das Relativpronomen 0ς erst im Zuge der „Aufnahme der Formel in den paulinischen Kontext hereinkam - dann wäre stattdessen ein Name oder Titel einzusetzen - oder ob es ursprünglich ist - dann wäre anzunehmen, daß Rom 4,25 Teil eines größeren Stückes ist" (Formeln, 102). Vgl. auch Vielhauer, Literatur, 20. 22 Vgl. im einzelnen dazu Wegenast, 53-55; H . Conzelmann, Zur Analyse der Bekenntnisformel l.Kor. 15,3-5, in: Ders., Theologie als Schriftauslegung, BEvTh 65, 1974, 131-141, 134-136; Conzelmann, IKor, 296. 18

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

diskutiert zu werden 23 , da es hier allein auf die Wendung Χριστός έγήγερται ankommt. Anzunehmen ist jedoch, daß sie bis V. 5 einschließlich reicht. Zunächst fällt auf, daß in V. 4 im Unterschied zu den übrigen bisher behandelten passivisch formulierten Stellen die Verbform von έγείρειν nicht im Aorist, sondern im Perfekt Passiv erscheint24. Diese Besonderheit tritt um so deutlicher hervor, als die drei anderen Verben in IKor 15,3 b-5 im Aorist stehen. Das Perfekt drückt im Unterschied zum Aorist die Nachwirkung am Subjekt aus25. Das heißt: Zwar ist die Aussage an ein Ereignis der Vergangenheit geknüpft, der Akzent liegt jedoch auf seiner gegenwärtigen Wirkung. Christus ist auferweckt. Die Formulierung im Perfekt hält die Einmaligkeit dieses Geschehens fest 26 . Zugleich wird jedoch durch das Perfekt über Christus als das grammatische Subjekt des Satzes ebenfalls gesagt: Er ist jetzt lebendig. Damit wird auf den Christus praesens abgehoben. Christus ist auferweckt und lebt darum jetzt als der Auferweckte 27 . Die passivische Formulierung umschreibt Gottes Handeln an ihm. Wie in den aoristischen Passivformen wird auch hier Gott als eigentlich handelndes Subjekt des Geschehens sichtbar. Insofern ist das Passiv als ein passivum divinum aufzufassen28. Das Genus Verbi und die Person des Verbs stellen die Aussage Χριστός έγήγερται in eine Reihe mit den im Aorist formulierten passivischen Auferweckungsaussagen. Die 3. Person Singular Indikativ Passiv impliziert nämlich hier wie dort eine Aussage über Gottes Handeln an Christus. Der Gebrauch des Perfekts signalisiert das Interesse am gegenwärtigen Christus. Durch das Genus Verbi und die Person wird also implizit auch eine Aussage über Gott getroffen, durch das Tempus eine über Christus. Zugespitzt läßt sich formulieren: Damals hat Gott ihn auferweckt, jetzt lebt Christus als der Auferweckte. Der nachfolgende Dativus temporis τη ήμέρςι τη τρίτη unterstützt dabei den ersten Aspekt des damaligen Handelns Gottes. Wie in Rom 8,34 und 2Kor 5,15 fehlt auch in IKor 15,4 der Zusatz έκ νεκρών. Dies leuchtet jedoch unmittelbar ein, da an allen drei Stellen der Hinweis auf das Sterben Christi der Rede von seiner Auferweckung vorangeht. Der gleiche Fall liegt in Rom 4,25 vor. Dort erübrigt sich die Wendung wegen des voranstehenden Dahingabemotivs. 23

Vgl. dazu Wengst, Formeln, 92ff.; Wolff, IKor, 153ff. Das Perfekt von έγείρειν erscheint bei Paulus nur IKor 15,4.12.13.14.16.17.20. 25 B-D-R §342,1. 26 Hahn, Hoheitstitel, 205, betont sehr stark den „einmaligen Ereignischarakter" der perfektisch formulierten Auferstehungsaussage" in V. 4 und unterstreicht dies durch den Hinweis auf die Wendung τη ήμέρςι τη τρίτη. 27 Wengst, Formeln, 96; Wolff, IKor, 161. 28 Vgl. Wolff, IKor, 161. Hahn, Hoheitstitel, 204: „Das Passiv ist... in diesem Fall eine verhüllende Umschreibung für das Handeln Gottes." J.Jeremias, Neutestamentliche Theologie, Erster Teil, Die Verkündigung Jesu, 21973, 21: Das „Passiv" (deutet) ein Handeln Gottes verhüllend an." 24

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Der sechsmalige Gebrauch des Perfekts έγήγερται im Duktus der paulinischen Ausführungen von IKor 15,12-20 hängt an der Formulierung von V. 4 29 . Paulus schreibt den Korinthern: Christus έκ νεκρών έγήγερται (V. 12). Die Auferweckung erfolgt έκ νεκρών. Sie geschieht nicht am Tod vorbei. Die Wendung έκ νεκρών zieht Paulus dabei aus der ihm geläufigen Auferweckungsformel heran 30 . Für den Wortlaut der ursprünglichen passivisch formulierten Auferweckungsformel trägt der Abschnitt nichts aus. Der Durchgang durch Rom 6,4.9; 7,4; 8,34; 2Kor 5,15; Rom 4,25 und IKor 15,3.4 hat ergeben, daß bei der passivisch formulierten Rede von der Auferweckung Christi mehrere Elemente begegnen. Dies sind die Bezeichnung Χριστός, eine Verb- oder Partizipialform von έγείρειν im Passiv und die Wendung έκ νεκρών. Nicht an jeder Stelle finden sich jedoch alle genannten Elemente. Vollständig erscheinen sie nur in Rom 6,4 und 6,9. An den übrigen Stellen lassen sich Abweichungen unterschiedlicher Art feststellen. In Rom 7,4 und 2Kor 5,15 fehlt die ausdrückliche Nennung Christi. Trotzdem geht aus dem Zusammenhang hervor, daß Christus auch an diesen beiden Stellen gemeint ist31. An den drei Stellen Rom 8,34; 2Kor 5,15; IKor 15,3.4 sowie in Rom 4,25, an denen έκ νεκρών fehlt, steht stattdessen eine Sterbens- bzw. in Rom 4,25 eine Dahingabeaussage. Uberall ist die passivische Auferweckungsaussage im Aorist formuliert, nur in IKor 15,4 nicht. Dort erscheint sie im Perfekt. Läßt sich hinter den unterschiedlichen Formulierungen der passivischen Auferweckungsaussage eine ursprüngliche Grundform erkennen? In welchem Verhältnis stehen die einzelnen Ausprägungen zueinander? Wie verhalten sich die voneinander abweichenden Formulierungen zu der vollständigen Aussage von Rom 6,4 und 6,932? Ein Vergleich der Texte miteinander zeigt, daß sich die - jeweils unterschiedlichen - fehlenden Elemente bzw. Abweichungen in Rom 7,4; 8,34; 2Kor 5,15; Rom 4,25 und IKor 15,3.4 besser erklären lassen unter der Annahme der Priorität einer Aussage des Typs, wie er Rom 6,4.9 vorliegt, als umgekehrt. Die Gründe dafür sind folgende: Auch an den beiden Stellen, an 29

K. Lehmann, Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift. Früheste Christologie, Bekenntnisbildung und Schriftauslegung im Lichte von IKor 15,3-5, Q D 38,1968,93, spricht von einem „Echo dieser Formulierung in w . 12-14 16f. 20". 30 Wengst, Formeln, 93 Anm. 10. Wengsts weitergehende Folgerung daraus, dies sei ein Indiz dafür, daß Paulus in 15,3.4 „eine ganze Formel zitiert und nicht selbst kurze Aussagen kombiniert", ist allerdings nicht unbedingt zwingend. Das Fehlen hier wie in Rom 8,34 und 2Kor 5,15 wird eher in der unmittelbar vorausgehenden Sterbensaussage begründet liegen. 31 Zum Fehlen des Christusnamens in Rom 4,25 vgl. oben S. 117. 32 Durch die so fomulierte Frage soll zunächst der durch Kramer und Wengst gestellten Alternative entgangen werden, an jeder einzelnen Stelle entscheiden zu müssen, ob ein „Splitter" einer ursprünglichen Formel vorliegt oder ob Paulus an der jeweiligen Stelle in Anlehnung an ihm bekanntes traditionelles Formelgut frei formuliert. Hier geht es primär darum, die mutmaßlich älteste Formulierung der passivischen Auferweckungsformel zu eruieren und die in den verschiedenen Kontexten auftretenden Abweichungen verständlich zu machen.

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

denen Christus nicht unmittelbar im Zusammenhang der passivischen Auferweckungsaussage genannt wird (Rom 7,4; 2Kor 5,15), wird - wie dies an allen übrigen Stellen ausdrücklich geschieht 33 - die gesamte Wendung auf den Christusnamen bezogen. Das heißt, an diesen Stellen liegt ein Wissen darum vor, daß die passivische Auferweckungsaussage mit dem Christusnamen und keiner anderen Bezeichnung in Verbindung steht. Da der Bezug an beiden Stellen erst durch den Kontext hergestellt wird, ist dies ein wesentliches Argument dafür, daß Paulus an beiden Stellen selbst formuliert 34 . Lediglich Rom 4,25 könnte auf den ersten Blick gegen den festen Zusammenhang zwischen der passivischen Auferweckungsaussage und dem Christusnamen sprechen. Schließlich ist weder innerhalb der Formel selbst noch im unmittelbaren Kontext ein direkter Bezug auf Christus nachweisbar. Allerdings läßt sich für Rom 4,25 auch kein anderer Name oder Titel als ursprünglich wahrscheinlich machen. Der Vers ist daher weder als Bestätigung noch als Gegenargument zu den an den übrigen Stellen gemachten Beobachtungen zu verwenden 35 . In den Fällen, in denen έκ νεκρών fehlt, erscheint die Sterbens- bzw. Dahingabeaussage. Sie benennt ausdrücklich, was in der Wendung έκ νεκρών implizit enthalten ist 36 . Die perfektische Verbalform έγήερται in IKor 15,3.4 erklärt sich aus der Besonderheit der dort vorliegenden Formel. Grundlegender Bestandteil der Auferweckungsaussage ist jedoch der an allen anderen Stellen auftretende Aorist. Als konstitutiv für die ursprüngliche Form der passivisch formulierten Auferweckungsaussage lassen sich damit folgende Merkmale festhalten: Der Name Χριστός als grammatisches Subjekt, eine Form von έγείρειν im Aorist Passiv und die Wendung έκ νεκρών. Die passivische Auferwekkungsaussage trug also ursprünglich eine Gestalt, wie sie in Rom 6,4 und 6,9 erhalten ist. An den übrigen Stellen klingt diese Ursprungsform noch an, verzeichnet jedoch auch charakteristische Abweichungen. Die Einzeluntersuchungen haben wahrscheinlich gemacht, daß Paulus anders als in Rom 4,25 und IKor 15,3b in Rom 7,4; 8,34 und 2Kor 5,15 in Anlehnung an die ihm bekannte Formel selbst formuliert 37 . Die passivisch formulierte Auferweckungsaussage lautet demnach in ihrer ursprünglichen Gestalt: ήγέρΘη Χρίστος έκ νεκρών bzw. Χριστός έγερΘείς έκ νεκρών. 33

Zu Rom 4,25 vgl. Anm. 31. Vgl. Anm. 15 und 16: Für Rom 7,4 bedeutet dies eine Entscheidung mit Wengst und Becker gegen Kramer. 35 Vgl. Anm. 31 und 33. 36 Vgl. Wengst, Formeln, 47 Anm. 53; Kramer, 26: „παρεδόθη διά hat genau die Funktion von άπέΘανεν υπέρ." 37 Vgl. Anm. 15, 16, 32, 34. Nach Wengst, Formeln, 102, hat sich die Verbindung von Auferweckungsaussage und Dahingabeformel in Rom 4,25 auf der vorpaulinischen Ebene vollzogen. Daß hinter 4,25 die Auferweckungsformel steht, läßt sich laut Wengst nur vermuten. 34

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Ein Vergleich mit der im Aktiv gehaltenen Auferweckungsaussage legt sich nahe. Dort hieß es: ό Θεός Ίησοΰν ήγειρεν (έκ νεκρών) bzw. ό έγείρας (τον) Ίησοΰν (έκ νεκρών). Zunächst ist zu bemerken, daß die passivische wie die aktivische Aussage sowohl mit finiter Verbform als auch mit Partizip konstruiert ist. Dagegen hat sich das grammatische Subjekt des Satzes geändert. In den aktivischen Aussagen war es Gott. Entweder wurde ό Θεός als Subjekt ausdrücklich genannt oder der Gottesbegriff war in dem Partizip ό έγείρας enthalten. Ersteres ist bei der passivischen Auferweckungsaussage nicht der Fall. Von Gott ist in dieser Formel nicht explizit die Rede. Das grammatische Subjekt heißt Χριστός. Damit ist jedoch die Rede von Gott aus dieser Form von Auferweckungsaussage nicht verschwunden. Gott bleibt das logische Subjekt der Aussage. Er kommt auch nicht nur hinter der passivischen Partizipialform έγερΘείς zum Vorschein. Genauso ist er das logische Subjekt zu der finiten Verbform ήγέρΘη. Damit ergibt sich eine Ubereinstimmung zwischen den beiden Fassungen der Auferweckungsaussage. Gott erscheint sowohl in der aktivischen als auch in der passivischen Version als das eigentlich handelnde Subjekt. Ein Unterschied besteht in der Bezeichnung des Objekts des Auferweckungshandelns Gottes. In der aktivischen Aussage lautet es Ίησοΰς, in der passivisch gehaltenen Χριστός. Das ist auffällig. Während in den vorfindlichen Ausprägungen der aktivischen Auferweckungsaussage bei Paulus die Bezeichnungen wechseln und die ursprüngliche Fassung Ίησοΰς nur mit Mühe rekonstruierbar ist, ist der Befund bei den passivischen Aussagen völlig eindeutig. Nur Χριστός erscheint als das Objekt des göttlichen Handelns. Da, wo diese Bezeichnung nicht direkt innerhalb der Aussage verwendet wird (Rom 7,4; 2Kor 5,15), wird sie durch den Kontext eingeführt, d.h. auch Paulus bezieht diese Formel ausschließlich auf Χριστός; oder sie ist wie in Rom 4,25 nicht mehr zu klären. Die aktivischen Auferweckungstraditionen enthalten, so wie sie bei Paulus verwendet werden, nicht in jedem Fall die Wendung έκ νεκρών. Daher läßt sich bei ihnen έκ νεκρών nicht mit letzter Sicherheit als genuiner Bestandteil der ursprünglichen Formel erweisen. Dies ist bei der passivischen Formel anders. Hier gehört der präpositionale Ausdruck έκ νεκρών unzweifelhaft zum ursprünglichen Wortlaut. Dagegen sprechen auch nicht die Ausprägungen der Formel, in denen die Wendung fehlt (Rom 8,34; 2Kor 5,15; Rom 4,25; IKor 15,3.4). Der Wegfall an diesen vier Stellen erklärt sich durch die Kombination der Auferweckungs- mit der Sterbens- bzw. DahingabeaussageDer Vergleich beider Formeln hat neben den Gemeinsamkeiten auch charakteristische Unterschiede sichtbar werden lassen. Beide Formeln sind offenbar ursprünglich nicht völlig identisch miteinander, genauso wenig

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

stehen sie aber vollkommen beziehungslos nebeneinander. Das legt die Vermutung nahe, daß zwischen beiden Formeln ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das möglicherweise auf eine Entwicklung von der einen zur anderen Tradition hin schließen läßt. Das handelnde Subjekt in beiden Formeln ist Gott. Er ist der, der Jesus bzw. Christus von den Toten auferweckte. Aber nur in den aktivischen Aussagen wird er auch als grammatisches Subjekt des Satzes genannt, sei es explizit als ό Θεός, sei es in Form des Partizips ό έγείρας, in dem das Auferweckungshandeln selbst zum Gottesprädikat geworden ist. In den passivischen Wendungen rückt die Gestalt Christi in den Vordergrund. Χριστός ist das grammatische Subjekt des Satzes. Zwar bleibt Christus in den passivischen Aussagen der Gegenstand des göttlichen Heilshandelns, aber er trägt nicht mehr den Objektcharakter wie der Jesusname in den aktivischen Formulierungen. Die Christusbezeichnung ist an die Stelle des Jesusnamens getreten38. Damit verbunden ist das Heraustreten aus der Stellung eines bloßen Objekts in die eines Subjekts. Dies ist als Indiz dafür anzusehen, daß die Formel mit dem Christusnamen gegenüber der an Jesus als Objekt geknüpften Aussage ein fortgeschritteneres Entwicklungsstadium darstellt39. Die Tatsache, daß die Wendung έκ νεκρών mit völliger Sicherheit zum Bestand der passivischen Auferweckungsaussage gehört, zeigt, daß sich die Formel verfestigt hat. Ließ das Fehlen der Wendung in einigen Ausprägungen der aktivischen Aussage noch Zweifel an der ursprünglichen Zugehörigkeit offen, herrscht jetzt Eindeutigkeit. Es läßt sich also konstatieren: In der passivisch gehaltenen Auferwekkungsformel rückt - wenn auch nur behutsam - die Person Christi in den Vordergrund, ohne daß Gott damit aus dem Blickfeld verschwindet. In der aktivischen Aussage lag das Interesse noch ungeteilt auf Gott als handelndem Subjekt. Zugleich ist festzustellen, daß sich die Formel entwickelt und verfestigt hat. An die Stelle des Jesusnamens ist unzweideutig die Christusbezeichnung getreten40. Die Wendung έκ νεκρών ist fester Bestandteil der Formel geworden. Die aktivische und die passivische Auferweckungsformel sagen ursprünglich nicht einfach dasselbe. Die aktivischen Formulierungen sind streng theo-logische Aussagen. Die passi3 8 Auch hier gilt das Argument wie in Anm. 4. Es ist unwahrscheinlich, daß der bloße Jesusname den Christustitel verdrängt haben könnte. 3 9 Vgl. Becker, Gottesbild, 121. Dort heißt es unter Hinweis auf Rom 7,4 und IKor 15,4: Die „Veränderung der Aussage von einer Gottesauslegung zu einer direkten christologischen Aussage" ist „deutlich späteren Datums". 4 0 Zu erwägen ist, ob es in den aktivischen Aussagen frühe Ubergangsstufen gab. Dies könnte sich z.B. in Rom 8,11b andeuten, falls die Bezeichnung Χριστός dort möglicherweise doch ursprünglich ist.

Die Traditionen von der Auferweckung

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vischen Wendungen machen auch theologische Aussagen. Sie sind jedoch präziser als theo-logisch begründete christologische Formeln zu fassen. In der Auferstehungsformel 4 1 , wie sie sich lThess 4,14 und R o m 14,9 findet, setzt sich die in der passivischen Auferweckungsformel angedeutete Entwicklung fort. Χριστός bzw. Ίησοΰς ist nicht mehr nur das grammatische Subjekt, sondern auch das Subjekt der Handlung. Von der aktivischen Auferweckungsformel mit dem alleinigen Subjekt Gott zur aktivischen Auferstehungsformel mit dem alleinigen Subjekt Ίησοΰς/Χριστός hat sich eine Entwicklung vollzogen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat sich der U m schlag über die passivischen Auferweckungsaussagen angebahnt, in denen Christus neben dem handelnden Subjekt Gott zum grammatischen Subjekt der Aussage eingerückt ist 4 2 . Unabhängig von einer für möglich erachteten Entwicklung der Auferwekkungsaussage läßt sich sowohl für die aktivisch wie die passivisch gehaltene Formel festhalten: In den Auferweckungsaussagen werden Aussagen über Gottes Handeln gemacht. Gott ist als der verstanden, der sich zu dem im Rahmen der geltenden N o r m gescheiterten Jesus bekennt, indem er ihn auferweckt. Die Auferweckung Jesu/Christi ist die Ausdrucksform dafür, was von Gott zu glauben und zu sagen ist. Gott wird über sein Auferwekkungshandeln an Jesus definiert. Der Terminus ist von Wengst, Formeln, 46, übernommen. Kramer interpretiert den Textbefund anders. Auch er geht davon aus, daß die Auferwekkungsaussage selbständig und mit „Gott" als Subjekt umlief (29). „Christus" ist ursprünglich mit der Sterbensaussage verbunden (34.35) und tritt „an die Spitze der ganzen Formel", als beide Aussagen zusammenwachsen (29). Gegen diese These sprechen Rom 6,4 und 6,9, da die dort erkennbare passivische Auferweckungsformel keine Sterbensaussage enthält. Kramer hat sich gegenüber diesem Einwand gesichert, indem er hinter Römer 6 , 3 - 9 eine I K o r 15,3 b—5 analoge Formel erschließt. Diese sei „allerdings aufgesplittert". Gleichwohl ließen „sich die Hauptaussagen relativ leicht wiederherstellen". Sie lauten nach Kramer: 41

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Χριστός άπέΘανεν έτάφη ήγέρΘη έκ νεκρών (24). Trotz der unterschiedlichen Argumentation sind Kramers wie meine eigenen Ausführungen einem gemeinsamen Einwand ausgesetzt: Beiden Hypothesen steht die Verwendung des Namens „Jesus" in lThess 4,14 entgegen. Kramer bietet folgenden Lösungsvorschlag: Entweder steht „Jesus" „ad hoc in diesem Zusammenhang in Vertretung des Christos-Namens; dann geht es auf Paulus oder die heidenchristliche Gemeinde unmittelbar vor ihm zurück - oder es ist Spiegelung eines altern vorpaulinischen Sprachgebrauchs und könnte letztlich aus der durch die aramäisch-sprechende Urgemeinde formulierten Auferweckungsaussage stammen". (36) Wenn gelegentlich „Jesus' an die Stelle von ,Christos'" tritt, hat das „doppelte Bedeutung: Einmal wird unterstrichen, daß Christos nurmehr Name ist. Zweitens wird dadurch deutlich, daß Jesus (39) nicht bloß den historischen', irdischen Jesus, sondern den Träger des Heilsgeschehens meint". (40) Wengst, Formeln, 46, erklärt die „Auferstehungsformel" (lThess 4,14; Rom 14,9) vor dem Hintergrund einer hellenistisch-heidenchristlichen Gemeinde, in der die Auferweckung Jesu im Rahmen von Mysterienvorstellungen interpretiert wird. In dieser Gemeinde gelten beide Bezeichnungen - „Jesus" wie „Christus" - als Name und können daher in der Form wechseln.

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

4.2 Die Dahingabeformel D a s M o t i v der Dahingabe als theo-logische Aussage z u r B e n e n n u n g des Handelns G o t t e s erscheint bei Paulus in R o m 8 , 3 2 und R o m 4 , 2 5 . In R o m 8 , 3 2 heißt es: υ π έ ρ ημών πάντων π α ρ έ δ ω κ ε ν α υ τ ό ν 1 . D a s Subjekt des Satzes lautet ό Θ ε ό ς und steht in V. 31. D e r B e z u g auf dieses Subjekt ist über das R e l a t i v p r o n o m e n ός hergestellt. D a s Verb steht in der 3. Person A o r i s t Aktiv. D a s O b j e k t der W e n d u n g , αυτόν, erhält seine inhaltliche Füllung durch die erste Hälfe des Relativsatzes. E s bezieht sich auf του ιδίου υ ι ο ΰ 2 . D i e Aussage, G o t t übergab seinen eigenen Sohn dem T o d e 3 , erfährt eine interpretierende Zuspitzung durch die W e n d u n g υ π έ ρ ήμών. D a m i t k o m m t das Ziel des Handelns G o t t e s in den Blick. D i e Dahingabe des Sohnes impliziert soteriologische K o n s e q u e n z e n υ π έ ρ ήμών. Strukturell entspricht die Dahingabeformel in R o m 8 , 3 2 der aktivisch formulierten Auferweckungsaussage. H i e r wie d o r t ist v o n einer Tat G o t t e s die Rede, die deutlich m a c h t , w e r der als ό Θ ε ό ς Bezeichnete ist. W i r d er d o r t über sein E r w e c k u n g s h a n d e l n an Jesus charakterisiert, geschieht dies hier durch das Dahingehen des Sohnes in den T o d 4 . D i e υ π έ ρ ή μ ώ ν - W e n d u n g 1 Die „Wendung ,für alle dahingegeben'" hat nach Käsemann „fraglos liturgischen Charakter". Ebenso liege „in der Redeweise vom eigenen Sohn" „eine Reminiszenz an Formelgut" vor (Römer, 239). Vgl. auch Paulsen, 141-147.163-168. Nach Kramer, 112, reicht die vorpaulinische Tradition von δς bis αυτόν, wobei er πάντων für fraglich hält. Nach G. Schille, Die Liebe Gottes in Christus. Beobachtungen zu Rm 8,31-39, ZNW 59,1968,230-244,233, wird in V. 32 „das geläufige Kerygma der Urchristenheit in einer typisch paulinischen Prägung wiedergegeben". Zur Dahingabeformel insgesamt vgl. auch Wengst, Formeln, 55 ff. 2 Ob der υίός-Titel jedoch ursprünglich und konstitutiv zu dem Dahingabemotiv gehört oder ob - und wenn ja, welche - es eine andere Bezeichnung enthalten hat, kann nicht entschieden werden. Popkes, 195, erwägt: „Der Sohnestitel konnte aus Gen 22,16 entnommen oder einfach paul Formulierung sein." Wengst, Formeln, 56, hält τόν υί,όν für ursprünglich. Er weist als Indiz u. a. auf τοΰ υΐοΰ τοΰ Θεοΰ in Gal 2,20 (57). 3 Vgl. Bauer, Wörterbuch, 1219. Nach Wilckens, Rom 6-11, 173, ist mit der Dahingabe der Sühnetod gemeint; Kramer, 112-114, vertritt die Auffassung, daß damit wie bei der Sendungsformel das „Kommen des Gottessohnes in die irdische Existenz" (114) gemeint ist. Zur Auseinandersetzung mit Kramer vgl. Popkes, 201-203. Vgl. die Diskussion bei Paulsen, 161-163 bzw. 168. Auch Paulsen schließt sich der „Deutung des παραδιδόναι auf das Sterben und den Tod Christi" an (163). Gleichwohl teilt er Kramers Feststellung einer formalen Nähe von Sendungs- und Dahingabeformel. „So steht in beiden Aussagen das Handeln Gottes im Mittelpunkt, Christus ist Objekt dieses Handelns und das Handeln Gottes in Christus hat Heilsbedeutung für die Glaubenden." (163) Paulsen weitet „diese formale Verwandtschaft" (163 Anm. 160) auch auf die „Auferweckungsüberlieferung" aus. Dazu ist anzumerken, daß in den genannten Zusammmenhängen von Christus nicht die Rede ist. Die aktivische Auferweckungsformel spricht ursprünglich von Jesus, Gal 4,4 und Rom 8,3 reden in der vorliegenden Form vom Sohn; ebenso verhält es sich in Rom 8,32. Für Rom 4,25 ließ sich keine Bezeichnung feststellen. Es ist die einzige Stelle, an der jedoch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von Christus die Rede gewesen ist. 4 Vgl. Käsemann, Römer, 238: „Nicht ein Gottesgedanke, sondern die in Jesu Tod zentrierende Heilstat charakterisiert den Gott für uns".

Die Dahingabeformel

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der Dahingabeformel als Explikation der Heilsbedeutung bedeutet jedoch einen Uberschuß gegenüber der Auferweckungsformel 5 . In Rom 4,25 ist die Dahingabeaussage ebenfalls im Aorist, jedoch passivisch, formuliert. Gott bildet das logische Subjekt der Aussage. Das Passiv dient der Umschreibung seines Handelns an Christus 6 . Dabei läßt sich jedoch die Bezeichnung „Christus" für das grammatische Subjekt nicht mit letzter Sicherheit erweisen7. Das durch παρεδόθη passivisch umschriebene göttliche Handeln ist veranlaßt 8 δια τά παραπτώματα ημών. Die διάWendung ist also kausal aufzufassen9. Konstitutiv für das göttliche Heilshandeln, das mittels des Dahingabemotivs zum Ausdruck gebracht wird, ist, wie Rom 8,32 und Rom 4,25 zeigen, der Bezug auf ημών. Die Dahingabe des Sohnes, aktivisch und passivisch formuliert, zielt auf die gegenwärtige Gemeinde bzw. gründet in deren gegenwärtiger Verfassung. Im Blick auf das Gottesverständnis gilt: Der Tod Christi wird in der Weise mit Gott in Verbindung gebracht, daß er als Ausdruck eines sinnvollen, geplanten Handelns Gottes gilt. Indem er als Dahingabe interpretiert und ausdrücklich mit einer soteriologischen Ausrichtung versehen wird, fügt er sich ein in die Vorstellung eines planvoll und zum Heil des Menschen handelnden Gottes. Das Motiv der Dahingabe des Sohnes bindet also die vorgegebene Auffassung von Gott an die Christologie an und ergänzt sie um die Soteriologie. Im Hintergrund erkennbar ist jedoch noch die Vorstellung von einem absolut und souverän handelnden Gott. Die Formel spiegelt das Bemühen einer Gruppe im frühen Christentum wider, das Bekenntnis zu ihm mit dem Wissen um das Geschick Christi zu einer glaubwürdigen Einheit zu verbinden. Ebenso wie die Dahingabeformel spricht auch die Formel vom Sterben Christi von einem Heilshandeln in der Vergangenheit im Hinblick auf die gegenwärtige Situation der Gemeinde. Allerdings ist in ihr nicht von einer Heilstat Gottes, sondern dem Heilswerk Christi die Rede. Die Sterbensformel 10 findet sich etwa in Rom 5,8 und lautet: Χριστός ύπέρ ήμών άπέθανεν. Ihr Subjekt ist Χριστός, nicht, wie in der Dahingabeformel Rom 8,32, Gott. Gleichwohl ist die Formel in diesem Zusammenhang zu nennen. Sie 5 Die Deutung der Gottestat durch die υπέρ ήμών-Wendung zeigt laut Wengst den lehrhaften Charakter der Dahingabeformel. Sie gehört damit in den Bereich der „katechetischen Unterweisung". Demgegenüber stellte die Auferweckungsformel „einfach eine Tat Gottes fest" (Formeln, 71). 6 7 8

Vgl. Wilckens, R o m 1 - 5 , 2 7 9 ; Käsemann, Römer, 122. Vgl. Anm. 3. Vgl. Wengst, Formeln, 102.

Wilckens, R o m 1 - 5 , 278: „Unsere Übertretungen" sind „die Voraussetzung und das Motiv des Sühnetodes Christi (διά kausal)". Vgl. auch Michel, 175. Die Wendung ist formuliert im Anschluß an Jes 53,12 L X X . 9

10

Vgl. zu den einzelnen in Frage kommenden Stellen Wengst, Formeln, § 4, 7 8 - 8 6 .

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D a s Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

erscheint in R o m 5,1-11 innerhalb eines Gedankengangs, in dem Aussagen von Christus eng an die Rede von Gott gebunden sind. Daher wird die Rezeption der Sterbensformel durch Paulus und ihre Einbettung in die paulinische Argumentation zu untersuchen sein.

4.3 Die Sühneformel Rom 3,25.26 a Schon längst ist gesehen worden, daß in R o m 3,(24).25.26a traditionelles Gut vorliegt 1 . Im Blick auf V. 25 herrscht darüber Einigkeit, lediglich bei V. 24 gehen die Ansichten auseinander 2 . Folgender Grundbestand läßt sich jedoch wahrscheinlich machen 3 : ό Θεός προέΘετο (Χριστόν Ίησοΰν) ίλαστήριον έν τω αύτοΰ αΐματι, εις ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ, δια την πάρεσιν των προγεγονότων άμαρτημάτων, έν τη άνοχη τοΰ Θεού 4 . Gott stellte (Christus Jesus) öffentlich auf 5 als Sühnemittel um den Preis des Blutes selbst 6 . Die Wendung δια της πίστεως ist damit als paulinischer Zusatz ausgeschieden 7 . Unabhängig von der umstrittenen Frage nach dem Verständnis von ίλαστήριον 8 , läßt sich bezüglich der Rede von Gott feststellen: Gott ist in der Vgl. Bultmann, Theologie, 49; Käsemann, Rom. 3,24-26; Wilckens, Rom 1-5,183 ff. Bultmann, Theologie, 49, und Käsemann, Römer, 89.90, halten den Vers für vorpaulinisch. Ebenso Wegenast, 76-77. Wengst, Formeln, 87, und Wilckens, Rom 1-5,184, sind gegenteiliger Auffassung. 3 Im Anschluß an Wengst, Formeln, 88. Ein weiteres Argument für die vorgeschlagene Abgrenzung bedeutet die Tatsache, daß V. 26 b sich direkt an V. 24 anschließt. Dazu s.u. S. 188. 4 Vgl. dagegen Pluta, 45-56, für den auch διά πίστεως in die Formel hineingehört. 5 προτίΘημι heißt im Medium: öffentlich aufstellen. Vgl. Bauer, Wörterbuch, 1432. Laut Bauer scheint jedoch „wenigstens das Akt.(iv) auch die Bed.(eutung) opfern gehabt zu haben". Gegen die Verbindung mit dem Opfergedanken vgl. Wilckens, Rom 1-5,193. 6 Zu dieser Übersetzung von έν τψ αύτοΰ αΐματι vgl. B-D-R §§219 3 ; 284 8 ; 288. Wengst, Formeln, 89, übersetzt: „durch seine Lebenshingabe". 7 Michel, 109; Käsemann, Römer, 92. 8 Zu ίλαστήριον vgl. neben den bei Bauer, Wörterbuch, 742, aufgeführten Bedeutungen das Versöhnende, das Sühnende, das Sühnemittel, die Sühnegabe, das Sühnegeschenk Wilckens, Rom 1-5,190-193. Wilckens interpretiert ίλαστήριον von hebräisch ΓΠΒ3, dem Aufsatz auf der Bundeslade, her (190/191). Die Kapporät ist „die Stätte der Sühne gewährenden Gegenwart Gottes" (192). Christus selbst ist von Gott als Kapporät „öffentlich hingestellt" worden. Er ist damit zum Ort von Gottes erlösender Sühne geworden (192). Entsprechend übersetzt Wilckens ίλαστήριον mit „Sühneort" (183). Anders dagegen Käsemann, Römer, 91: „Jesus kann schließlich nicht gut die Opferstätte und das Opfer zugleich sein." „Man kommt durchaus mit den Bedeutungen des griechischen Wortes aus, die eine mit Sühne zusammenhängende Sache, konkret die Sühnegabe oder das Sühnemal, allgemein das Sühnemittel bezeichnen." Ebenso Wengst, Formeln, 89: „Man wird... ίλαστήριον allgemein als .Sühnemittel' zu verstehen haben." Auch Wegenast, 78, übersetzt „Sühnemittel". E. Lohse, Märtyrer und Gottesknecht, F R L A N T 64, 21963, 152, interpretiert ίλαστήριον unter Hinweis auf 4Makk 17,21 f. 1

2

Die Sühneformel Rom 3,25.26 a

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Formel als der charakterisiert, der selbst Sühne schafft. Er handelt an Christus Jesus, indem er ihn „öffentlich aufstellt". Insofern entspricht die Sühneformel von ihrer Struktur her zunächst sowohl der aktivischen Auferwekkungsformel als auch der Dahingabeformel, wie sie in Rom 8,32 erscheint. Gott als grammatisches Subjekt der Formel ist der, der an Jesus bzw. Christus (Jesus) als Objekt handelt. Indem jedoch sein durch das Verb ausgedrücktes Handeln durch den Ausdruck ίλαστήριον näher expliziert wird, bekommt die Formel einen besonderen, zusätzlichen Akzent gegenüber der Auferweckungsformel. Gott handelt nicht nur an Christus Jesus. Er ist vielmehr auch der, der mittels Christus Jesus handelt. Sein Handeln an Christus Jesus zielt auf Sühne, und Christus Jesus ist das Mittel, das diese Sühne Realität werden läßt 9 . Mit dem Sühnegedanken ist ein Akzent gesetzt, der dem in der Dahingabe(und Sterbens)formel 10 durch die Wendung υπέρ ήμών gegebenen vergleichbar ist. Auch der Sühnegedanke zielt über das Handeln Gottes an Christus Jesus hinaus auf die Gemeinde. Wie in den mit ίιπέρ ήμών verbundenen Formeln wird wiederum ein vergangenes Heilshandeln genannt, das Bedeutsamkeit für die Gegenwart der Gemeinde besitzt. Gottes sühnende Tat ist ausgerichtet auf das Heil der gegenwärtigen Gemeinde. Dies impliziert schon der Begriff ίλαστήριον, wird jedoch in V. 25 b und 26 a in drei (parallelen) Gedankengängen auch ausdrücklich entfaltet. Gottes Handeln geschieht zum Erweis seiner Gerechtigkeit, um des Erlasses 11 der vorher begangenen Sünden willen und gründet in seiner Nachsicht 12 . Mit dem Terminus δικαιοσύνη αύτοΰ, gemeint ist die δικαιοσύνη als Sühnopfer. Der Tod der Märtyrer der Makkabäerzeit habe Sühne geleistet und sei im hellenistischen Judentum als Opfer verstanden worden. Im Blick auf Rom 3,25 sei nach Lohse hinter ίλαστήριον das W o n Θύμα zu ergänzen. Möglicherweise sei der Begriff von Paulus durch die Wendung διά πίστεως verdrängt worden. Zur Einzelauseinandersetzung mit den Argumenten Lohses vgl. P. Stuhlmacher, Zur neueren Exegese von Rom 3,24-26, in: Jesus und Paulus, FS W. G. Kümmel, hg. ν. Ε. E. Ellis und E. Gräßer, 2 1978, 315-333, besonders 3 2 1 - 3 2 5 und 326-329. Vgl. auch W. Schräge, Das Verständnis des Todes Jesu Christi im Neuen Testament, in: Das Kreuz Jesu Christi als Grund des Heils. Schriftenreihe des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union, hg. v. F. Viering, 1967,49-89, 78 Anm. 91. Schräge, Römer 3,21-26, 81.82, verweist ebenfalls auf 4Makk 17,21, spricht jedoch statt vom Sühnopfer vom stellvertretenden Sühntod Jesu. 9 Insofern kommt der durch Wilckens vertretenen Interpretation (vgl. Anm. 8) eine gewisse Berechtigung zu. Denn in diesem Sinne ist Christus Jesus tatsächlich der „Ort", an dem Gott zur Sühne handelt, und er ist zugleich das „Mittel", mit dem diese Sühne beschafft wird. Dies ist jedoch eine theologische Interpretation, die nicht historisch-religionsgeschichtlich zu verankern ist. 1 0 Allerdings hat die Sterbensformel Christus als Subjekt. 11 Zur Übersetzung von πάρεσις mit „Erlaß" vgl. W. G. Kümmel, πάρεσις und ενδειξις. Ein Beitrag zum Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre, ZThK 49, 1952, 154-167. Käsemann, Rom. 3,24-26: „πάρεσις besagt hier also nichts anderes als Vergebung." 1 2 Bauer, Wörterbuch, 144.

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D a s Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

Θεοί), ist hier eine Eigenschaft Gottes bezeichnet. Die Wendung ist als genitivus subjectivus aufzufassen 13 . Die ανοχή τοΰ Θεοί) kommt dabei als Ermöglichungsgrund für das Heilsgeschehen in den Blick, d.h. unter der Perspektive des der Gemeinde von Gott ermöglichten Heils. Daß Gott um des Heils der Gemeinde willen handelt, ist unmittelbar evident in der mittleren der drei Aussagen, die den Erlaß der vorher begangenen Sünden nennt. Die Aussagen von Gott sind in der Sühneformel also streng auf das Heil der gegenwärtigen Gemeinde bezogen. Gott ist der, der an Christus handelt, der selbst mittels Christus Jesus Sühne für die Menschen schafft und auf diese Weise zu ihrem Heil wirkt. Mit dieser Auffassung von Gott distanziert sich die vorpaulinische Formel zugleich vom jüdischen Kult. Indem sie Gottes Sühnehandeln als in Christus vollzogen ansieht, wendet sie sich von einem Sühneverständnis ab, wie es etwa in Lev 16 beschrieben ist. An die Stelle des kultischen Handelns ist Gottes Tat an und mittels Christus getreten. Trotz der kritischen Absetzung von der jüdischen Sühnevorstellung, die durch die Einführung Christi als Sühnemittel Gottes gegeben ist, bleibt die judenchristliche Formel 14 vorstellungsmäßig dennoch innerhalb des Rahmens jüdischen Denkens. Sie spricht von einem einmaligen Handeln Gottes in der Vergangenheit. Dieses erweist sich als aus sich selbst heraus wirksam für die Gemeinde. Die Frage nach der individuellen Aneignung des von Gott vollzogenen Heilshandelns wird nicht reflektiert. An dieser Stelle greift später die paulinische Bearbeitung korrigierend in den Wortlaut der Formel ein.

4.4 Die είς Θεός-Formel in lKor 8,6 Die traditionsgeschichtliche Entwicklung der von Paulus in lKor 8,6 aufgenommenen Formel 1 wird auf unterschiedliche Weise nachgezeichnet. 13 Vgl. E. Käsemann, Gottesgerechtigkeit bei Paulus, EVB II, 1964, 181-193, 182; Käsemann, Rom. 3,24-26, 96, verbunden mit dem Hinweis: „So wohl durchweg anerkannt", ebd. Anm. 3. Conzelmann, Grundriß, 242; G. Klein, Gottes Gerechtigkeit als Thema der neuesten Paulusforschung, in: Ders., Rekonstruktion und Interpretation, BEvTh 50,1969,225-236, 230; Wilckens, Rom 1-5, 195. Daß innerhalb von V. 25b vom „Erweis seiner (sc.: Gottes) richterlichen Gerechtigkeit" die Rede ist, konzediert auch R. Bultmann, ΔΙΚΑΙΟΣΥΝΗ ΘΕΟΥ, in: Ders., Exegetica, 1967,470-476,471. 14 Wengst, Formeln, 90, führt die Formel auf die hellenistisch-judenchristliche Gemeinde zurück; Käsemann, Rom. 3,24-26, 99, leitet sie aus der palästinischen Urgemeinde her. G. Klein, Art. Rechtfertigung I. Im NT, 3 R G G V, 1961 (Studienausgabe 1986), 825-828, 826, läßt die Entscheidung offen. 1 άλλ' ήμίν zu Beginn von V. 6 gehört nicht zur ursprünglichen Formel. Vgl. Wolff, 1 Kor, 7.

Die εις Θεός-Formel in IKor 8,6

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So vertritt Wengst die Auffassung, die Formel sei von ihrem zweiten Teil, dem christologischen, her entstanden2. Nach Conzelmann wird hingegen das jüdische εις Θεός - Bekenntnis zu der Doppelaussage εις Θεός - εις κύριος weiterentwickelt3. Die Wendung εις Θεός wird laut Kramer in der frühchristlichen Mission gegenüber dem heidnischen Polytheismus verwendet. Die gleiche Funktion hatte sie auch in der jüdischen Missionspropaganda. Zu einer spezifisch christlichen Formel sei das εις Θεός erst durch die parallele Formulierung εις κύριος geworden 4 . Unabhängig davon, wie man die traditionsgeschichtlichen Hintergründe im einzelnen genau bestimmt, läßt sich in bezug auf die Rede von Gott in dieser vorpaulinischen Formel festhalten: Schon im vorpaulinischen Stadium ist der Gottesgedanke mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus verknüpft. Die vom Wortlaut her dem jüdischen Bekenntnis entsprechende Wendung εις Θεός hat dadurch inhaltlich eine andere Ausrichtung erhalten. Ist im Judentum die „Aussage von der Einzigkeit Gottes... meistens verbunden mit der von seiner Schöpfermacht"5, so stehen hier εις Θεός ό πατήρ und εις κύριος 'Ιησούς Χριστός miteinander in enger Beziehung. „Gott ist der durch den Kyrios Wirkende."6 Er wird weiter expliziert als ό πατήρ. Grammatisch ist diese Bezeichnung eine Apposition. Sie dient in Entsprechung zu V. 6b, wo es heißt εις κύριος 'Ιησούς Χριστός, als Namensbezeichnung. Der Name Gottes lautet ό πατήρ. Unabhängig von an diese Bezeichnung 2

Wengs:, Formeln, 138-141. Conzelmann, IKor, 170. 4 Kramer, 91.92. Weitere Erwägungen zur Traditionsgeschichte bei P . H . Langkammer, Literarische und theologische Einzelstücke in IKor VIII.6, N T S 17,1970/71,193-197. Langkammer konstruiert eine vorpaulinische Missionsformel mit dem Wortlaut: „εις Θεός ό πατήρ - εις κύριος 'Ιησούς Χριστός" (194). Diese ist mit einer „kosmischen Ausstattung" versehen worden: „εις Θεός ό πατήρ έξ ου τά π ά ν τ α και τά πάντα εις αύτόν (και) εις κύριος 'Ιησούς Χριστός δι' οΰ τά π ά ν τ α " (196). Die „Verbindung von Protologie und Soteriologie in I Kor. VIII.6" durch ήμείς hat Paulus vorgenommen. Bussmann, 76, führt die Zweigliedrigkeit der Formel auf Paulus selbst zurück. Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der einzelnen Motive vgl. auch R. Kerst, 1 Kor 8,6 - ein vorpaulinisches Taufbekenntnis? Z N W 66, 1975, 130-139. R.A.Horsley, The Background of the Confessional Formula in IKor 8,6, Z N W 69, 1978, 130-135, leitet die Formel in IKor 8,6 her von hellenistisch-jüdischen „forms of predication regarding the respective creative and soteriological roles of God and Sophia/Logos, which in turn was an adaption of a Platonic philosophical formula concerning the primal principles of the universe." (135) 5 Wengst, Formeln, 137. 6 Wolff, 1 Kor, 7. Nach Gräßer, Gott, 200, ist „inhaltlich das Einzigsein Gottes bestimmt... durch das, was der ,eine Mensch' Christus gegen den ,einen Menschen' Adam wiedergutgemacht hat (IKor 15,21; Rom 5,12-21), indem er gegen den Tod das Leben durchsetzte, indem er als der eine für alle gestorben ist (2Kor 5,14)" (Hervorhebung von Gräßer). Zu beachten ist bei Gräßers Ausführungen, daß er zwar darauf hinweist, daß die Frage umstritten ist, „ob Paulus die Formel übernommen oder ad hoc selbst formuliert hat" (199 Anm. 79), selbst jedoch die Stelle ohne weitere Erläuterung offenkundig zur Erhebung des paulinischen Gottesverständnisses verwendet (vgl. 201). 3

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

geknüpften traditionsgeschichtlichen Vorstellungen im vor- und außerchristlichen Bereich wird der Begriff im Rahmen der frühchristlichen Formel aufgrund des nachfolgenden Anschlusses sich auf Gott als den Vater Jesu Christi beziehen7. Die Aussage, daß Gott der Schöpfer ist und wir auf ihn hingeordnet sind, geht damit nicht verloren. Sie ist aber nicht das ihn einzig und entscheidend charakterisierende Gottesprädikat 8 . Der Relativsatz έξ οΰ τά πάντα και ήμεις εις αυτόν kennzeichnet Gott als Ursprung und Ziel von allem. Die Ersetzung der Präpositionen έκ und εις durch διά in dem ansonsten gleichlautenden auf Jesus Christus bezogenen Relativsatz läßt den κύριος Ιησούς Χριστός demgegenüber zum Schöpfungsmittler werden. Damit ist ausdrücklich eine Verhältnisbestimmung zwischen εις Θεός und εις κύριος vollzogen. Dies Verhältnis ist jedoch anders als in den bisher behandelten Formeln abgesehen von dem Terminus ό πατήρ nicht durch die direkte Beziehung beider zueinander bestimmt. Ließ sich ihr Verhältnis in den übrigen Formeln auf den Nenner bringen: Gott handelt an Jesus (Christus) und Gottes Gottsein sich über die Art seines Handelns definieren, so ergibt sich hier ihre Beziehung zueinander neben der einen genannten direkten Verhältnisbestimmung aus ihrer unterschiedlichen Relation zu Schöpfung und Erlösung. Das Verhältnis zwischen Gott und Jesus Christus wird damit durch ihren unterschiedlichen Bezug zu zwei Themen außerhalb ihrer unmittelbaren Beziehung zueinander konstitutiert. Als Ergebnis läßt sich im Blick auf die Rede von Gott festhalten 9 : Die vorliegende Bekenntnisformel 10 setzt zwei Begriffe, εις Θεός und εις κύριος, in ein Verhältnis zueinander. Zwar wird einerseits der Gottesbegriff von Jesus Christus her qualifiziert; aber durch den Ansatz bei zwei Begriffen - ό Θεός und κύριος - müssen diese in ein Verhältnis gebracht werden. Das geschieht durch die Relation zu etwas Drittem. Damit wird das Verhältnis bei einer erkennbar christologischen Füllung des Gottesbegriffs im Sinne einer Unterstellung Christi unter Gott bestimmt. Die relationale Zuordnung Christi zu Gott wird in der traditionellen Bekenntnisformel als eine Subordination aufgefaßt.

7 Vgl. Wolff, IKor, 7: „dieses ist das den einen Gott von den anderen Göttern unterscheidende Charakteristikum". Anders Conzelmann, IKor, 171: „.Vater' bezeichnet Gott nicht als den Vater Jesu Christi, sondern als den Schöpfer." 8 Gräßer, Gott, 200, verbindet die sich bei Wolff und Conzelmann gegenüberstehenden Positionen miteinander: „Als der ihn (sc.: Gott) besonders auszeichnende Name ist ό πατήρ gleichwohl das Prädikat Gottes, das ihm als dem Schöpfer aller Dinge zukommt, aber auch wegen des Sohnes Jesus Christus sein besonderer Name ist." (Hervorhebung von Gräßer) Nach J. Murphy-O'Connor, ICor., VIII,6: Cosmology or Soteriology? RB 85, 1978, 253-267, dominiert in 1 Kor 8,6 der soteriologische Aspekt gegenüber dem kosmologischen. 9 Dies ist nicht zu verwechseln mit den traditionsgeschichtlichen Überlegungen. 10 Conzelmann, IKor, 170; Wolff, IKor, 10; Gräßer, Gott, 199.

D e r C h r i s t u s - H y m n u s Phil 2,6-11

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4.5 Der Christus-Hymnus Phil 2,6-11 Für die Auffassung, daß Paulus in Phil 2,6-11 ein traditionelles Überlieferungsstück übernimmt, sprechen mehrere Gründe. Neben dem strophischen Aufbau gehören dazu das für Paulus untypische Vokabular1, Vorstellungen, die sonst bei ihm nicht erscheinen2 sowie das Fehlen charakteristisch paulinischer Aussagen wie etwa der von der Auferweckung 3 . Hinsichtlich der Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts und Umfangs der Tradition besteht weitgehend Konsens darüber, daß die Wendung Θανάτου δέ σταυροΰ in V. 8 c als ein paulinischer Zusatz aufzufassen ist4. Darüber hinaus wird erwogen, V. 8 insgesamt als eine paulinische Bildung auszuscheiden5 oder die abschließende Formulierung εις δόξαν Θεοΰ πατρός, die ähnlich auch Phil 1,11; 4,20; 2Kor 4,15 und Rom 15,6f. begegnet, auf Paulus zurückzuführen 6 . Zum Verständnis des Liedes reicht jedoch die Ausklammerung von V. 8 c aus. Damit bleibt zugleich der hypothetische Charakter der Rekonstruktion begrenzt 7 . Das Lied gliedert sich in zwei Strophen 8 . Die erste umfaßt V. 6-8. Ihr Subjekt, Χριστός Ίησοΰς, ist nur aus dem Zusammenhang mit V. 5 zu erschließen. V. 6 bezieht sich durch den relativischen Anschluß darauf zurück. Das Subjekt der zweiten Strophe, die von V. 9-11 reicht, bildet ό Θεός. Einzelne Teile des Liedes stehen zueinander in chiastischer Zuordnung. Innerhalb der ersten Strophe entsprechen sich antithetisch V. 6a und V. 7b: Der in der Gestalt Gottes war, nahm die Gestalt eines Knechtes an. Ebenso gehören V. 6b und V. 7a zusammen: Dem-Gott-gleich-Sein steht das κενοΰν Christi gegenüber. Eine antithetisch-chiastische Struktur bestimmt über 1 μορφή Θεοΰ; ϊσα Θεψ; δοΰλος; κενοΰν; ΰπερυψοΰν sowie das auf Christus bezogene χαρίζεσΘαι. 2 So die in V. 10 c vorgenommene Aufteilung in eine himmlische, irdische und unterirdische Welt; außerdem die Vorstellung von der Erniedrigung des Präexistenten und seiner Erhöhung zum κύριος. 3 Argumente und Einzelbelege, die den traditionellen Charakter von Phil 2,6-11 erweisen, sind zusammengestellt bei Wegenast, 84-86. * Käsemann, Phil 2,5-11, 82; Bornkamm, Phil 2,6-11, 178; Conzelmann, Grundriß, 41987, 97. Anders dagegen O.Hofius, Der Christushymnus Philipper 2,6-11, WUNT 17, 1976, 12.16.56. 5 G. Strecker, Redaktion und Tradition im Christushymnus Phil 2,6-11, in: Ders., Eschaton und Historie, Aufsätze, 1979,142-157,150. 6 G. Friedrich, Der Brief an die Philipper, NTD 8, 151981, 150. Gegen eine solche Ausscheidung spricht sich aus Bornkamm, Phil 2,6-11,184 Anm. 10. J.Jeremias, Zur Gedankenführung in den paulinischen Briefen, in: Ders., ABBA. Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, 1966,269-276,275, hält neben V. 8 c und V. 11 c auch die Wendung έπουρανίων και έπιγείων και καταχθόνιων in V. 10c für einen paulinischen Zusatz. 7 Conzelmann/Lindemann, 114. 8 Vgl. dazu schon Lohmeyer, Philipper, 90, und Lohmeyer, Kyrios, 5-6: Er gliedert das Lied in zwei Strophen mit je drei Dreizeilern.

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

Strophe eins hinaus auch das Verhältnis zwischen Strophe eins und zwei. Der, der den Menschen gleich wurde (V. 7c, d) ist der, dem sich jedes Knie beugen wird (V. 10). Der sich selbst erniedrigte (V. 8), wurde von Gott erhöht (V. 9). Das Lied beschreibt den Weg des gottgleichen Präexistenten, der in die Knechtschaft hinabsteigt und dessen Erniedrigung bis in den Tod führt. Seine Erhöhung wird als eine Tat Gottes beschrieben, die zu der Homologie führt: κύριος 'Ιησούς Χριστός. Als Entstehungsort für den Hymnus wird entweder auf das Judenchristentum 9 oder „hellenistisches Milieu" 1 0 verwiesen. In der ersten Strophe wird zunächst festgestellt, wer Christus ist. Dabei wird in V. 6 zweimal von Gott gesprochen. Christus ist έν μορφή Θεοΰ υπάρχων, und er ist Gott gleich. Wer er ist, wird also von Gott her bestimmt. Die Rede von Christus wird damit in den Rahmen eines bereits feststehenden Gottesverständnisses eingezeichnet. Der Bezug auf die μορφή Θεοΰ und die Feststellung, Christus sei ισα Θεώ, setzen voraus, daß in bezug auf Gott bereits Vorstellungen vorliegen, die die nachträgliche Zuordnung Christi zu ihm ermöglichen. Die Theo-logie geht hier der Christologie voraus und gibt ihr ihr spezifisches inhaltliches Profil. In V. 6 - 8 wird durch die aoristischen Verbformen inklusive der sich ihnen anschließenden Partizipialkonstruktionen beschrieben, was Christus tat. In Strophe zwei, den Versen 9-11, wird die Wer-Frage, d.h. die Frage, wer Gott ist, von seinem Handeln an Jesus Christus her beantwortet. Gott ist der, der αυτόν ΰπερύψωσεν και έχαρίσατο αύτώ τό όνομα. Dies entspricht von der Struktur her der Redeweise von Gott, wie sie sich auch sonst im vorpaulinischen Traditionsgut findet. Gott wird definiert über sein Handeln an Jesus bzw. Christus. Konkret beinhaltet dies hier die Erhöhung Christi und das Geschenk des Namens an ihn. Eine wie in Rom 8,32 durch υπέρ ημών oder in Rom 4,25 durch δια τά παραπτώματα zum Ausdruck gebrachte im Blick auf die Glaubenden erfolgende soteriologische Ausrichtung findet sich in Phil 2,6-11 nicht. Stattdessen zielt Gottes Handeln nach V. 10 und 11 auf die Proskynese und die Homologie des Kosmos. Das Bekenntnis zum κύριος Ίησοΰς Χριστός dient der δόξα Θεοΰ πατρός. Damit gipfelt der Hymnus am Ende in der Aussage, daß das Verhältnis zu Gott über Christus eröffnet wird. Wer sich zu Christus bekennt, tritt in die Beziehung zu Gott. Wie der Christus-Hymnus inhaltlich den Weg des gottgleichen Präexistenten durch Erniedrigung und Erhöhung besingt, so läßt sich analog dazu auch auf der formalen Ebene bei der Verhältnisbestimmung zwischen Christus und Gott eine Bewegung wahrnehmen. Wird in Strophe eins zunächst 9 Lohmeyer, Kyrios, 9, führt das „Gedicht" auf einen „Dichter" zurück, „dessen Muttersprache semitisch war", der den „Psalm" jedoch griechisch geschrieben hat. 1 0 Käsemann, Phil 2,5-11, 74.

Die Struktur der vorpaulinischen Redeweise von Gott

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Christus von Gott her verstanden (V. 6), so wird in Strophe zwei Gott über sein Handeln an Christus definiert (V. 9). Der Hymnus schließt damit ab, daß die Rede von Gott an das vorhergehende Kyrios-Bekenntnis gebunden wird (V. II) 11 .

4.6 Die Struktur der vorpaulinischen Redeweise von Gott Innerhalb der vor- bzw. nebenpaulinischen formelhaften Redeweise von Gott besteht die formale Ubereinstimmung, daß von Gott im Rahmen seiner Beziehung zu Jesus bzw. Christus gesprochen wird. Durchweg wird dabei von einem verobjektivierten Gottesbegriff ausgegangen, der die Vorstellung eines für sich existierenden Gottes voraussetzt und seine inhaltliche Füllung dadurch erfährt, daß Jesus bzw. Christus in ein Verhältnis zu Gott gesetzt wird. Dies geschieht, indem ein Handeln Gottes an Jesus/Christus bekannt wird. Inhaltlich trägt dieses Handeln Gottes unterschiedliche Gestalt. Es wird durch die Vorstellungen der Totenauferweckung (lThess 1,10; Gal 1,1; IKor 6,14; 15,15; 2Kor 4,14; Rom 4,24; 8,11 a.b; 10,9; vgl. auch Rom 6,4; IKor 15,4 sowie 2Kor 1,9; Rom 4,17 u.ö.), der Dahingabe (Rom 4,25; 8,32), der Sühne (Rom 3,25) und der Erhöhung (Phil 2,9) konkretisiert. Das Verhältnis Gottes zu Christus wird außerdem durch den Gedanken seiner Vaterschaft bezeichnet (IKor 8,6). All diese Redeweisen von Gott implizieren zwischen Gott und Christus ein Verhältnis von Uber- und Unterordnung. Gott erscheint als das handelnde Subjekt, Jesus/Christus als das Objekt seines Handelns. Die absolute Rede von Gott gibt den Bezugsrahmen ab, dem Christus zugeordnet wird. Der Gottesbegriff ist vorgegeben und wird quasi nachträglich durch den Bezug auf Christus „verchristlicht". Die zugrundegelegte Christologie ist dabei je nach Formeltyp von unterschiedlicher Art. Eine Ausnahme von der Redeweise, die Gott über sein Handeln an Christus definiert, bilden 2Kor 1,9; Rom 4,17 und teilweise auch IKor 8,6. In 2Kor 1,9 und Rom 4,17 wird Gott unmittelbar, ohne ausdrücklichen Verweis auf Christus als der bezeichnet, der die Toten auferweckt bzw. der sie lebendig macht. Für Rom 4,17 erklärt sich dieser Befund daraus, daß Paulus hier rückblickend vom Glauben Abrahams spricht, der aus chronologischen Gründen sich nicht auf den Gott beziehen kann, der Jesus von den Toten auferweckte. Auf der Ebene des Paulus jedoch ist mit dem Gott, der die 11 Nach D. Georgi, Der vorpaulinische Hymnus Phil 2,6-11, in: Zeit und Geschichte, Dankesgabe an R. Bultmann, hg. v. E. Dinkier, 1964, 263-293, 291, erklärt sich das Lied „ganz aus hellenistisch-jüdischer Tradition". Es habe „in einer hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde" eine „christliche Bearbeitung" erfahren.

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Das Gottesverständnis in den vorpaulinischen Traditionen

Toten lebendig macht, derjenige Gott gemeint, der Jesus von den Toten auferweckte. Dies ergibt sich aus der Beobachtung, daß Paulus die auf Jesus bezogene Redeweise von Gott genau in dem Moment einführt, in dem er von dem Rückblick auf Abraham und Sara in die Gegenwart der Glaubenden zurückkehrt (Rom 4,24). In IKor 8,6 wird Gott neben seiner Charakterisierung als Vater Jesu Christi durch den Bezug auf die Schöpfung als der Schöpfer aufgefaßt. Für Phil 2,6 gilt, daß Gott nicht von Christus her interpretiert wird, sondern umgekehrt die Rede von Christus von einer vorgängig vorhandenen Gottesvorstellung abgeleitet ist. Vereinzelt ist in den Formeln auch eine soteriologische Ausrichtung formuliert. In den Dahingabeformeln Rom 8,32 und Rom 4,25 wird das soteriologische Anliegen durch die Wendungen ύπέρ ημών 1 bzw. δια τά παραπτώματα ήμών ausgedrückt. Der Sühnegedanke in Rom 3,25 ist ebenfalls auf das Heil der gegenwärtigen Gemeinde gerichtet. In der εις Θεός-Formel IKor 8,6 wird die Verbindung zwischen Gott bzw. Christus und dem Menschen, d.h. der Aspekt der Erlösung, durch das ήμεις εις αυτόν bzw. ήμεΐς δι' αύτοΰ zum Ausdruck gebracht. Ein weiterer Versuch, eine Beziehung zwischen den Glaubenden und dem Formelinhalt herzustellen, ist in der für die Auferweckungsformel möglicherweise noch erkennbaren Einleitungsformulierung durch eine Verbform von πιστεύειν zu sehen (vgl. Rom 4,24; 10,9). Insgesamt jedoch gilt für den Bereich des von Paulus aufgenommenen Formelmaterials: Die Beziehung des glaubenden Menschen zu Gott ist noch nicht reflektiert. Auch der vereinzelt auftretende soteriologische Aspekt bleibt letztlich formal und erscheint als die sekundäre auf Applikation ausgerichtete Ergänzung einer in sich geschlossenen Aussage. Dominierend im Bereich des vor- bzw. nebenpaulinischen Formelguts ist das Bemühen, von Gott in seiner Beziehung zu Jesus/Christus zu sprechen. Dies geschieht, indem von einem Handeln Gottes an Jesus/Christus die Rede ist. Auf diese Weise wird von wenigen Ausnahmen abgesehen2 im Bereich des traditionellen Formelguts die Rede von Gott zu einer christlichen Rede von Gott. Diese Grundstruktur, die sich durch die verschiedenen Formeltypen hindurchzieht und zugleich von ihnen in unterschiedlicher Weise ausgeführt und entfaltet wird, bedeutet ein gemeinsames Muster, nach dem sich die Verchristlichung des Redens von Gott im ältesten Christentum vollzieht. Sie gibt den inhaltlich voneinander unterschiedenen Einzelformen ein strukturell einheitliches Gepräge. Dessen formaler Charakter ist jedoch vor dem Hintergrund der fehlenden Reflexion auf die Situation des Menschen offenkundig. Es wird zu untersuchen sein, in welcher Weise Paulus diese theo1

So auch in der Sterbensformel Rom 5,8. Vgl. 2Kor 1,9. Schon für Rom 4,17 und IKor 8,6 gilt dieser Vorbehalt aufgrund des Textzusammenhangs nur mit Einschränkung. 2

Die Struktur der vorpaulinischen Redeweise von Gott

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logischen Formeln in seine Argumentationsgänge einarbeitet und wie er das Problem des Verhältnisses zwischen Gott, Christus und Mensch löst.

5 Die Rede von Gott bei Paulus

5.1 Der Textbefund Die Auswahl der Texte, die der Untersuchung der paulinischen Rede von Gott zugrundegelegt werden, ist vornehmlich an den theo-logisch ausgerichteten Traditionsstoffen orientiert, die Paulus aufgreift. Deren Kontext innerhalb des jeweiligen Briefes soll auf das ihn bestimmende Thema befragt und dieses wiederum in Relation zu der theo-logischen Aussage des Formelstoffes gesetzt werden. Es soll festgestellt werden, inwiefern eine Beziehung zwischen dem Inhalt des Kontextes und dem theologischen Gehalt des Formelguts besteht. Des weiteren soll auf die Veränderungen geachtet werden, die Paulus an dem traditionellen Material vornimmt. Welche Intention wird hinter seiner redaktionellen Tätigkeit sichtbar? Eine weitere Frage ist die nach dem Verhältnis zwischen paulinischer Theo-logie und Christologie, zwischen Gott und Christus bei Paulus. Darüber hinaus wird, gerade vor dem Hintergrund der behandelten jüdischen Schriften und angesichts des Befundes im vorpaulinischen Material, nach der Bedeutung des Menschen im Rahmen der Rede von Gott zu fragen sein. Die Untersuchung zielt auf das Proprium paulinischer Theo-logie. Uber die sich aus dem Duktus von Kapitel 4 ergebenden Texte hinaus sind weitere Abschnitte wie lThess 1,9.10; IKor 15,12-19 und 23-28 und 2Kor 5,18-21 herangezogen worden, denen zum Verständnis der paulinischen Rede von Gott wesentliche Bedeutung zukommt. Auf der Grundlage dieser Textbasis soll das Spezifikum des paulinischen Gottesverständnisses herausgearbeitet werden. Abschließend wird die Frage zu stellen sein, wie die paulinische Rede von Gott sich zu der ebenfalls christologisch begründeten Rede von Gott innerhalb der von Paulus aufgenommenen Traditionen verhält. Außerdem wird das Verhältnis zum Gottesverständnis der jüdischen Schriftsteller aus hellenistisch-römischer Zeit zu beschreiben sein. Die Reihenfolge in der Behandlung der Texte unterliegt lediglich der Voraussetzung, daß der l.Thessalonicherbrief den frühesten und der Römerbrief den spätesten Brief der paulinischen Korrespondenz abgeben. Die aus diesen beiden Briefen behandelten Abschnitte bilden daher den Anfang und den Abschluß der Darstellung. Der genauen Reihenfolge der übrigen dazwi-

Der Textbefund

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sehen behandelten Texte kommt dagegen im Rahmen der Thematik keine konstitutive Bedeutung zu 1 .

5.1.1 l T h e s s l 5.1.1.1 lThess 1,9.10: Das Gottesverständnis der Anfangsverkündigung Am Anfang der Behandlung der Rede von Gott bei Paulus steht die Untersuchung von lThess 1,9.10. Das Textstück findet sich in dem anerkanntermaßen ältesten Paulusbrief. Schon aus Gründen der Chronologie soll es daher zu Beginn der Darstellung stehen, spiegelt sich doch im l.Thessalonicherbrief die literarisch frühest greifbare Phase paulinischen Denkens wider. Hinzu kommt, daß für lThess 1,9.10 erwogen wird, Paulus greife mit diesem Text eine ältere vorpaulinische Formel auf 1 . Auch wo diese Auffassung nicht geteilt wird, herrscht Einigkeit darüber, daß in dem Textstück traditionelles Material verarbeitet wird 2 . In jedem Fall weist der in lThess 1,9.10 in seiner endgültigen literarischen Fassung vorliegende Text in ein früheres - sei es vorpaulinisches, sei es vorchristliches 3 - Stadium zurück. Abgesehen von den traditionsgeschichtlichen Rückbezügen deutet der Text auch inhaltlich in die Vergangenheit. Paulus bezieht sich auf die Anfänge der christlichen Gemeinde in Thessalonich zurück. Er spricht die Adressaten auf ihre Bekehrung zu Gott von den Götzen an und nimmt damit in einer aktuellen gegenwärtigen Diskussion Bezug auf das Anfangsdatum der Christenheit in Thessalonich. Innerhalb der zu untersuchenden Texte nimmt der Abschnitt damit eine Art Übergangsstellung ein, die es sinnvoll erscheinen läßt, ihn im Anschluß an die vorpaulinischen Formeln und zu Beginn der paulinischen Texte zu behandeln. Auffallend ist der Sprachgebrauch in lThess 1,9.10. Das Verb έπιστρέφειν findet sich außer an dieser Stelle bei Paulus nur noch in Gal 4,9 und 2Kor 3,16. In 2Kor 3,16 gehört es allerdings in das Zitat aus Ex 34,34, wobei L X X selbst das Wort an dieser Stelle nicht gebraucht. In Verbindung mit der Wendung έπί (τον) Θεόν findet es sich auch in Apg 14,15; 15, 19; 26,18.20. Das Adjektiv αληθινός verwendet Paulus nur in lThess 1,9, άναμένειν in V. 10 ist Hapaxlegomenon im Neuen Testament. Den Ausdruck έκ των ουρανών gebraucht Paulus nur an dieser Stelle. Eingeleitet durch das Relativpronomen öv schließt sich die bereits als traditionell herausgearbeitete aktivisch formulierte Auferweckungsformel an, wobei sich die Formel auf ό 1 Vgl. dazu neuerdings etwa U.Schnelle, Wandlungen im paulinischen Denken, SBS 137, 1989. 1 Vgl. Friedrich, Tauflied; Bussmann, 3 8 - 5 6 . 2 Holtz, lThess, 5 4 - 6 2 ; Holtz, Glaube. 3 Vgl. Bussmann, 56.

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Die Rede von Gott bei Paulus

Θεός in V. 9 als Subjekt zurückbezieht. Das Verb φύεσθαι erscheint bei Paulus außer in lThess 1,10 noch in Rom 7,24; 15,31 sowie in 2Kor 1,10 und wird an diesen Stellen von Paulus im Zusammenhang von Aussagen über seine eigene Person bzw. sein Geschick verwendet. Lediglich in Rom 11,26 bezieht es sich auf den kommenden Retter, dort allerdings im Rahmen eines Zitats aus Jes 59,20. Von der Rettung vor der οργή ist die Rede noch in Rom 5,9, dort allerdings in Verbindung mit dem Verb σώζειν. G. Friedrich zieht aus diesem Befund den Schluß, daß Paulus in lThess 1,9.10 eine traditionelle Formel wörtlich zitiert4. Es handele sich um ein zweistrophiges Tauflied, bei dem jede Strophe aus drei Verszeilen bestehe5. Seine Entstehung sei in judenchristlichen Kreisen anzunehmen, die noch von der Naherwartung geprägt seien6. Friedrich siedelt den Verfasser in dem Milieu an, aus dem auch die Logienquelle stamme7. Ein Zitat sieht auch U. Wilckens in lThess 1,9.10 vorliegen. Nach seiner Auffassung handelt es sich um ein „Predigtschema", mit dem „die erste Missionsverkündigung, wie sie neu entstandenen Gemeinden bzw. gerade ,bekehrten* Christen als erste Uberlieferung übergeben zu werden pflegte, nach ihrem Inhalt und der Reihenfolge ihrer Topoi summarisch-kurz zusammengefaßt"8 wurde. Das gleiche Schema finde sich in Hebr 6,1, und auch Apg 14,15-17 und 17,22-31 seien von ihm her gestaltet9. 4

Friedrich, Tauflied, 241. Friedrich, Tauflied, 242 und 250. 6 Friedrich, Tauflied, 246. 7 Friedrich, Tauflied, 249. Zur Unterstützung und Begründung seiner Auffassung führt Friedrich im einzelnen an, daß Paulus, wenn er von der Bekehrung bzw. dem Christwerden spricht, andere Termini als έπιστρέφειν gebraucht, etwa πιστεύειν im Aorist, δέχεσΘαι (τόν) λόγον (lThess 1,6; 2,13), παραλαμβάνειν λόγον άκοής (lThess 2,13) und auch ύπακοΰειν (Rom 6,17; 10,16). Paulus habe also verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten, wenn er vom Eintrit ins Christentum spreche. Έ π ι σ τ ρ έ φ ε ι ν gehöre nicht zum Grundbestand des paulinischen Missionsvokabulars. Die Parusieerwartung formuliere Paulus wiederholt durch das Verb άπεκδέχεσΘαι (Rom 8,19.22.25; IKor 1,7; Gal 5,5). Die Verwendung der Bezeichnung υιός im Zusammenhang mit der Parusie sei unpaulinisch. Weiter verweist Friedrich auf den vorpaulinischen Charakter der Auferweckungsformel in V. 10. Daß es sich dabei um eine vorpaulinische Formel handelt, begründet er von der Verwendung des Artikels των her. Die Tatsache, daß dieser sich nur in lThess 1,10 findet, nicht aber auch an den übrigen Stellen, an denen von έγείρειν έκ νεκρών die Rede ist, wertet er als Indiz, daß dort paulinische, hier jedoch vorpaulinische Formulierungsweise vorliegt. Die eschatologische Errettung durch Christus werde bei Paulus sonst durch σφζειν ausgedrückt (Rom 10,9; IKor 3,15; 5,5). 5

Weiter liegt nach Friedrich eine sprachliche Parallelität zu Apg 14,15 und 26,18 vor. lThess 1,9: έπεστρέψατε πρός τόν Θεόν ά π ό των ειδώλων erweise sich damit als „eine geläufige Formulierung der urchristlichen Missionsverkündigung" (240). Eine Ubereinstimmung sieht Friedrich auch zwischen lThess 1,10 und Apg 17,31, da an beiden Stellen die Auferweckung und das eschatologische Wirken Christi in Beziehung zueinander gesetzt sind. Typische Elemente der paulinischen Verkündigung, die Predigt vom gekreuzigten Christus und die Heilsbedeutung seines Sterbens, fehlten in lThess 1,9.10 (Tauflied, 238-240). 8 Wilckens, Missionsreden, 81. 9 Wilckens, Missionsreden, 81-91.

Der Textbefund

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Nach C. Bussmann handelt es sich bei lThess 1,9.10 um eine Formel „aus der hellenistisch-jüdischen Missionstradition" 10 , die schon auf der vorpaulinischen Ebene durch den Einschub öv ήγειρεν έκ των νεκρών, Ίησοΰν erweitert worden sei. Gegen die Auffassung, daß Paulus in lThess 1,9.10 eine geschlossene Tradition zitiert, wendet sich entschieden T. Holtz. Bussmanns Hypothese sei „traditionsgeschichtlich nicht realisierbar"11. Friedrichs Auffassung, daß Paulus ein Tauflied judenchristlicher Kreise aus dem Umfeld der Logienquelle zitiert, hält Holtz für „willkürlich". Eine poetische Durchgestaltung des Textes sei nicht zu erkennen, die von Friedrich postulierte Nähe zur Logienquelle nicht aufweisbar 12 . Die Feststellung Wilckens', daß hinter lThess l,9b.l0, Hebr 6,1 f., Apg 14,15-17 und 17,22-31 ein gemeinsames Schema stehe, bestreitet Holtz. In Hebr 6,1 f. sei nicht mehr als die Umkehrforderung weg von den Götzen und hin zu Gott als Teil des postulierten Schemas festzustellen. Apg 14,15-17 thematisiere lediglich die Hinkehr zu Gott. Die Verwerfung des Götzendienstes ergebe sich erst durch den Kontext. In Apg 17,22-31 gehe es zwar ebenfalls um die Hinwendung zu Gott. Zugleich werde die damit verbundene Abwegigkeit deutlich, das Göttliche in Bildern fassen zu können. Der Hinweis auf das zukünftige Gericht erfolge nur, um die Notwendigkeit der Umkehr herauszustreichen13. In lThess 1,9.10 wird gegenüber den drei anderen Texten die Hinkehr zu Gott und die Abkehr von den Götzen durch die beiden finalen Infinitive δουλεύειν und άναμένειν expliziert. Damit wird keine zeitliche Auseinanderlegung des Geschehens vorgenommen 14 . Der Dienst an dem lebendigen und wahren Gott, das Warten auf seinen Sohn, sind nicht die Folgen der Hinwendung zu Gott, sondern der Inhalt dieses Geschehens. Die Umkehr zu Gott von den Götzen vollzieht sich im δουλεύειν und άναμένειν. Insofern unterscheidet sich lThess 1,9.10 markant von den drei anderen angeführten Texten. Auch dort steht die Hinwendung zu Gott und die Abkehr von den Götzen im Zentrum. Es fehlt jedoch eine vergleichbare inhaltliche Entfaltung dieses Vorgangs, die seinen inneren Gehalt in Entsprechung zu lThess 1,9.10 erschlösse15. Selbst wenn in Hebr 6,1, Apg 14,15-17 und 17,22-31 tatsächlich das traditionelle Schema einer Umkehrpredigt vorliegt, gilt gleiches doch nicht für lThess 1,9b. 10. Läßt sich für lThess 1,9b. 10 ein geschlossenes Zitat auch nicht wahrscheinlich machen, so bleibt 10

Bussmann, 56. Nach Hahn, Hoheitstitel, 289, handelt es sich in lThess l,9f. „um ein Stück der für Paulus selbst nicht eigentlich bezeichnenden urchristlichen Missionspredigt". 11 Holtz, lThess, 57 Anm. 157. 12 Holtz, lThess, 56.57. 13 Holtz, lThess, 55; vgl. auch Holtz, Glaube, 459-463. 14 Gegen Synofzik, 94. 15 Vgl. Holtz, lThess, 55-56.

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Die Rede von Gott bei Paulus

doch die Frage nach dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Textstücks, da sein traditionelles Gepräge jedenfalls unleugbar bleibt. Der Wortbestand des Textes weist in den Bereich des hellenistischen Judentums. Έπιστρέφειν begegnet in LXX häufig. Es kann gegensätzliche Bedeutung wie Hinwendung und Abwendung tragen. Im religiösen Bereich bezeichnet es Abfall wie Bekehrung. Primär drückt es das Verhältnis des Volkes zu Gott aus (vgl. lKön 8,33-35.47.48). Allerdings lösen sich die Aussagen auch von der Bindung an das Volk und nehmen grundsätzliche Bedeutung an. Das führt zu einer Individualisierung des Umkehrgedankens, die ihrerseits wieder die Voraussetzung für den Ubergang von einer national gebundenen Frömmigkeit in den Universalismus bildet (vgl. Ps 21,28)16. Gelegentlich begegnet έπιστρέφειν in Test XII (z.B. Testjud 23,5; Testiss 6,3; TestSeb 9,7.8; TestBenj 5,1). Als Ausdruck der Hinwendung zum wahren, lebendigen und barmherzigen Gott findet es sich in JosAs 11,11 (54,10)17. Paulus bezeichnet in Gal 4,9.10 das Halten von Tagen, Monaten, Zeiten und Jahren als eine neuerliche Hinwendung zu den στοιχεία. Er verwendet dort das Verb έπιστρέφειν wie in lThess 1,9 im Zusammenhang mit δουλεύειν. Δουλεύειν bezeichnet im Bereich des Judentums „das Abhängigkeits- und Dienstverhältnis..., in dem der Mensch zu Gott steht" 18 . Griechischem Verständnis, das vom Gedanken der Freiheit beherrscht ist, steht eine solche Auffassung diametral entgegen. Im Bereich griechischer Religiosität hat die Vorstellung eines δουλεύειν ursprünglich keinen Raum 19 . In LXX dagegen ist δουλεύειν „der häufigste Ausdruck für den Gottesdienst, und zwar im Sinne totaler Bindung an die Gottheit, nicht etwa im Sinne des gottesdienstlichen Einzelaktes"20. Es beinhaltet stets eine ausschließliche Beziehung, außerdem ist immer gesagt, wem der Dienst gilt. Έπιστρέφειν bezieht sich in Gal 4,9 auf die Hinwendung zu den στοιχεία. Diese Hinwendung beinhaltet zugleich die Abkehr von dem Gott, zu dem sich die Galater einst bekehrt hatten. Zwar ist in Gal 4,9 von Gott absolut und ohne nähere inhaltliche Bestimmung die Rede. Da aber Paulus sich auf die Zeit der Bekehrung der Galater zum Christentum bezieht, muß an dieser Stelle mit „Gott" der christliche Gott gemeint sein. Hin- bzw. Abwendung und Dienst gehören zusammen. Die Abwendung vollzieht sich als Dienst an den στοιχεία. Konkret äußert sich das im Einhalten der Gestirnordnung. Diese Art des Dienstes ist für Paulus der Ausdruck von Knechtschaft. In Gal 4,3, wo Paulus zum ersten Mal von dem Zustand unter den στοιχεία spricht, bezeichnet er diesen mit dem Verb δουλοΰν. 16

G. Bertram, Art. έπιστρέφω, έπιστροφή, ThWNTVII, 1964,722-729, 723-725. Vgl. Abschnitt 3.5.2. « Κ. Η. Rengstorf, Art. δοΰλος κτλ., ThWNT II, 1935,264-283,270. 19 Rengstorf, 264.265.267. 20 Rengstorf, 270. 17

Der Textbefund

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Dem δουλεύειν der στοιχεία korrespondiert das δεδουλοΰσΘαι unter den στοιχεία. Der Mensch wird zum Objekt des von ihm selbst initiierten Geschehens21. Obwohl Paulus in Gal 4,9.10 einen lThess 1,9 gerade entgegengesetzten Vorgang darstellt - die Abkehr vom christlichen Gott in Form neuerlicher Hinwendung zu den πτωχά στοιχεία - ist die strukturelle Parallelität des Gedankengangs deutlich. Das έπιστρέφειν vollzieht sich im δουλεύειν. Das gilt sowohl für die Abkehr von wie für die Hinwendung zu Gott. Was έπιστρέφειν inhaltlich bedeutet, ist über den Inhalt des δουλεύειν zu bestimmen. Worauf sich der jeweils angesprochene Dienst bezieht, läßt sich nur vom Kontext her in Erfahrung bringen. Der Gedanke der Hin- bzw. Abwendung allein sagt das noch nicht aus. In Gal 4,9 ist die Abwendung von Gott implizit vorausgesetzt (νυν δέ γνόντες Θεόν), jedoch nicht ausdrücklich thematisiert. Explizit genannt wird die Hinwendung zu den πτωχά στοιχεία. Was damit wiederum genau gemeint ist, ist dieser Aussage allein nicht zu entnehmen. Auch die Weiterführung οϊς πάλιν άνωΘεν δουλεύειν Θέλετε sagt darüber inhaltlich noch nichts aus. Erst V. 10 benennt den Gegenstand des Dienstes der Galater: das Halten von Tagen, Monaten, Zeiten und Jahren. Mit dieser Explikation des δουλεύειν wird zugleich die Hinwendung der Galater zu den στοιχεία qualifiziert. Das Halten der Gestirnordnung ist für Paulus στοιχεία-Dienst. Dies ist nach seiner Auffassung identisch mit einer Abwendung von dem Gott, zu dem sie sich bekehrt hatten 22 . Für Gal 4,9 läßt sich also zusammenfassend feststellen: Das έπιστρέφειν ist auf die στοιχεία gerichtet. Das Verb als solches transportiert noch keinen spezifischen Inhalt. Es beschreibt lediglich eine Bewegung, die erst durch den Infinitiv δουλεύειν eine nähere Bestimmung erhält. Allerdings ist auch damit noch nicht inhaltlich gesagt, was die sich in einem Dienst vollziehende Wendung beinhaltet. Das geschieht erst durch den konkreten Hinweis auf das Einhalten der Gestirnordnung (Gal 4,10). Holtz vertritt demgegenüber die Auffassung, daß in dem paulinischen Gebrauch des Wortes έπιστρέφειν der Gedanke der Hinwendung zu dem Gott, der sich in Christus offenbart hat, bereits mitschwingt. Der Verwendung des Begriffs in 2Kor 3,16 kommt in diesem Zusammenhang für ihn entscheidende Bedeutung zu 23 . Dort ist die Rede davon, daß, wenn Israel24 sich zum Herrn bekehrt, die Decke über seinem Herzen weggenommen 21

Vgl. Rengstorf, 283. Dies ist jedoch die paulinische Sicht der Dinge. Das Selbstverständnis der Galater trifft Paulus damit nicht. Vgl. dazu P.-G. Klumbies, Zwischen Pneuma und Nomos. Neuorientierung in den galatischen Gemeinden, W u D N F 19,1987,109-135, hier 120 und 129-135. 2 => Holtz, Glaube, 475. 24 „Als Subjekt zu έπιστρέψΑ ist wohl Israel gedacht." R. Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, hg. v. E. Dinkier, KEK Sonderband, 1976,92. 22

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Die Rede von Gott bei Paulus

wird. Paulus knüpft an Ex 34,34 an, wobei sich in LXX statt επιστρέψω die Form είσεπορεύετο (Μωυσής) findet. Έπιστρέφειν steht an dieser Stelle für die „Zuwendung zum christlichen Glauben wie lThess Ii" 25 . Bei Holtz bleibt jedoch auch die Zweideutigkeit des Wortes im Blick. Wie LXX benutzt auch Paulus έπιστρέφειν für Bekehrung (2Kor 3,16) wie Abfall (Gal 4,9). Diese Differenz verliert aber dadurch an Gewicht, daß laut Holtz an beiden genannten Stellen sich „entweder ein judaisierender Glaube oder der Glaube des Judentums" 26 als Negativfolie des έπιστρέφειν findet. Paulus übernimmt das Wort aus dem Judentum und überträgt es auf den christlichen Glauben. Insofern ist auch in lThess 1,9 von der Hinwendung zu dem vom Christusgeschehen her interpretierten Gott die Rede. Keinesfalls ist an die primäre Bekehrung zum jüdischen Monotheismus gedacht, der dann in einem zweiten Schritt die spezifisch christlichen Elemente hinzugefügt würden 27 . Dem Fazit von Holtz wird man zustimmen können. Nicht die vorgängige Bekehrung zum jüdischen Monotheismus, der dann „das spezifisch Christliche" 28 erst nachfolgt, ist das Thema von lThess 1,9.(10). Von Anfang an ist vielmehr an die Bekehrung zu dem in Christus offenbaren Gott gedacht. Fraglich ist jedoch, ob schon die paulinische Verwendung des Wortes έπιστρέφειν diese Einsicht zu tragen vermag. Festzustellen ist aufgrund von Gal 4,9 und 2Kor 3,16 zunächst ja nur die unterschiedliche Verwendungsweise des Begriffs. Επιστρέφειν wird zur Kennzeichnung zweier entgegengesetzter Sachverhalte benutzt: Für die Hinwendung zu den στοιχεία (Gal 4,9) und für die Bekehrung zum κύριος (2Kor 3,16). Die Tatsache, daß hinter beiden Stellen eine ähnliche Abgrenzung zu erkennen ist - gegen einen judaisierenden Glauben bzw. den Glauben des Judentums bedeutet noch kein Argument dafür, daß der Begriff bei Paulus „wie selbstverständlich auf den Glauben übertragen (wird), der sich auf das Christusgeschehen gründet" 29 . Keineswegs „ist von daher ganz klar" 30 , daß dieser Bedeutungsgehalt auch für lThess 1,9 gilt. Was jedoch für die Richtigkeit des Ergebnisses spricht, ist der Rahmen, innerhalb dessen Paulus in Gal 4,9 und 2Kor 3,16 von έπιστρέφειν redet. An beiden Stellen gibt nämlich die spezifisch christliche Sicht den Rahmen zu den für sich genommen jeweils sehr unterschiedlichen Themen ab. Die Bewertung der Zustände in Galatien nimmt Paulus unter der Perspektive des Gottes vor, zu dem die Galater sich einst bekehrt hatten. Diesen Gott, den christlichen, zu erkennen bzw. von ihm erkannt zu sein (Gal 4,9) und die 25 26 27 28 29 30

Bultmann, 2Kor, 92. Holtz, Glaube, 475. Holtz, Glaube, 476. So Marxsen, lThess, 41. Holtz, Glaube, 475. So Holtz, Glaube, 475.476.Zitat 475.

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Hinwendung zu den Elementen, d. h. das Einhalten von Tagen, Monaten, Zeiten und Jahren (Gal 4,10), schließen sich aus. Analog dazu gilt für 2Kor 3,16: Das richtige Verständnis der Schrift erschließt sich erst durch die Hinwendung zum christlichen Glauben, zum κύριος. Insofern läßt sich auch für lThess 1,9 behaupten, daß die Abkehr von den Götzen, die sich mit der Hinwendung zu Gott vollzieht, die Bekehrung zu dem im Christusgeschehen erschlossenen Gott voraussetzt. Inwiefern diese Deutung auch vom Kontext des Briefes her eine Stütze findet, wird noch zu prüfen sein. Die bereits notierte Bindung zwischen έπιστρέφειν und δουλεύειν ist in lThess 1,9 noch enger als in Gal 4,9. Es handelt sich um eine finale Infinitivkonstruktion, in der der Infinitiv δουλεύειν die Intention des Prädikats έπεστρέψατε entfaltet. Die Abkehr άπό των ειδώλων vollzieht sich als Hinwendung zu Gott, was wiederum inhaltlich heißt: δουλεύειν Θεώ ζώντι και άληΘινφ. Mit dem Wort εϊδωλον werden in LXX nicht nur Götterbilder bezeichnet, sondern die Götter selbst als wirklichkeitslos, „als Nichtigkeiten" 31 gekennzeichnet. Das Verständnis von εϊδωλον im Neuen Testament basiert auf dem Sprachgebrauch der LXX 32 . Paulus gebraucht den Begriff außer in lThess 1,9 in IKor 8,4.7; 10,19; 12,2; 2Kor 6,16 und Rom 2,22. Die Gegenüberstellung von Θεός ζών und den είδωλα νεκρά findet sich in JosAs 8,5 (49,3 f.)33. Paulus spricht vom Θεός ζών in 2Kor 3,3; 6,16; Rom 9,26. In 2Kor 3,3 nennt er die christliche Gemeinde einen Brief Christi, der nicht mit Tinte geschrieben ist, sondern πνεύματι Θεού ζώντος, nicht in steinernen Tafeln, sondern auf fleischernen Herzenstafeln. In 2Kor 6,16 wird der ναός Θεοΰ ζώντος, das sind die Christen, als mit den Götzen unvereinbar gegeneinandergestellt. Der Glaubende und der Ungläubige haben nichts miteinander gemein (2Kor 6,15)34. Rom 9,26 stellt mit dem Zitat aus Hos 2,1 die Heidenchristen dem Judentum gegenüber. Die Rede vom Θεός ζών ist also bei Paulus durchgängig auf die christliche Gemeinde bezogen. Paulus verwendet sie zur Abgrenzung gegenüber dem Judentum bzw. den Nicht-Glaubenden. Er nimmt also eine im Judentum geläufige Formulierung auf 35 , bringt sie jedoch gegen das Judentum zum Einsatz. Mit der Übernahme der Rede vom Θεός ζών wird nicht lediglich der Gegensatz zu den Götzen signalisiert, wie das z.B. in JosAs 8,5 der Fall war. Vielmehr grenzt Paulus durch den Gebrauch des Begriffs die Christen von den Juden ab. Vom Θεός ζών spricht er nur im Blick auf die christliche Gemeinde. Insofern bedeutet die Formulierung von 31

F. Büchsei, Art. εϊδωλον κτλ.,ΤΙιΨΝΤΠ, 1935,373-377,374. „Im heidnischen Griechisch gibt es diesen jüdischen Sprachgebrauch von εϊδωλον nicht." (375) 32 Büchsei, 375. 33 Vgl. dazu Abschnitt 3.5.1 JosAs 8,2-9: Der lebende und lebendig machende Gott. 34 Für 2Kor 6,14-7,1 ist allerdings zu beachten, daß es sich möglicherweise um einen unpaulinischen Einschub handelt. 35 Belege bei Friedrich, Tauflied, 245 Anm. 38.

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Die Rede von Gott bei Paulus

lThess 1,9: έπεστρέψατε προς τον Θεόν από των ειδώλων δουλεύειν Θεώ ζώντι καΐ άληΘινώ nur formal eine Entsprechung zu JosAs 11,10 f. (54,5-10): ό Θεός τών Ε β ρ α ί ω ν άληΘινός έστι, και Θεός ζών, και Θεός ελεήμων... και έπιστρέψω προς αυτόν. Ebenso verhält es sich mit dem Gegensatz zwischen dem Θεός ζών und den είδωλα νεκρά in JosAs 8,5. Inhaltlich ist der Gottesbegriff in lThess 1,9 anders gefüllt. Es handelt sich analog zu 2Kor 3,3; 6,16 und Rom 9,26 um den christlichen Gott im Gegensatz zu den είδωλα und dem Gott der Juden. Dies hat zur Konsequenz, daß die Rede von Gott in lThess 1,9, obwohl sie traditionelle Wendungen aufgreift, wie sie sich in JosAs 8,5 und 11,10 f. finden, inhaltlich gerade einen Gegensatz zu dem dort implizierten Gottesverständnis darstellt. Gott, wie er sich für Paulus im Christusgeschehen erschlossen und wie er ihn seit seiner Bekehrung verkündigt hat, ist also schon in lThess 1,9b als durch Christus definierter Gott verstanden36. Ein solches Verständnis legt sowohl der Ausdruck Θεός ζών nahe als auch der Horizont, vor dem das Verb έπιστρέφειν zu verstehen ist. Als ein weiteres Argument, das christliche Proprium des Textes nicht erst in dem zweiten Finalsatz ausgedrückt zu sehen, ließe sich negativ formuliert fragen: Zu welchem Gott sollte sich die christliche Gemeinde von Thessalonich in ihren Anfängen bekehrt haben, wenn nicht zu dem, der sich im Christusgeschehen offenbart hat? Die Formulierung in lThess 1,9b jedenfalls legt nicht nahe, an eine vorgängige Bekehrung zu dem einen jüdischen Gott zu denken, die dann durch die Anfügung der Christologie ergänzt worden wäre. Das trifft für Apg 17,22-31 zu. Für lThess 1,9b jedoch ist die Abgrenzung gegenüber der traditionellen Redeweise von Gott bestimmend. Paulus nimmt zwei Distanzierungen vor: Zum ersten vollzieht sich die Hinkehr zu Gott in der Abwendung von den Götzen. Der Gottesgedanke wird also in Abgrenzung zu heidnischen Göttern eingebracht. Der Sprachgebrauch allein (Θεός - είδωλα) zeigt dabei lediglich, daß Paulus sich im Bereich jüdischen Denkens befindet, läßt aber noch keine audrücklich christliche Prägung erkennen. Indem dieser Akt der Bekehrung jedoch als ein Dienst am Θεώ ζώντι entfaltet wird, ändert sich das. Der Begriff Θεός ζών ist von Paulus dem Judentum entnommen worden und wird damit von ihm zum zweiten gegen das jüdische Gottesverständnis gekehrt. Der lebendige Gott ist der sich in Christus offenbarende Gott. Von daher erhält auch das absolute ό Θεός seine inhaltliche Füllung. Der Gott, dem sich die Thessalonicher einst zugewandt haben, ist der lebendige Gott, und dieser wiederum ist einzig der, der sich im Christusgeschehen erschlossen hat. Die Front, der gegenüber Paulus den christlichen Gottesbegriff einsetzt, ist also eine doppelte: Es ist explizit das Heidentum, wie es sich, 3 6 Richtig Holtz, Glaube, 477: „Nicht mehr das historische Judentum und nicht eine Verkündigung, die den Zusammenhang mit dem Judentum betont..., hat den Θεός ζών hinter sich, sondern allein die Gemeinde, die sich zu dem Gott der Christus-Geschichte, wie sie Paulus verkündigt, bekennt."

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repräsentiert durch den Begriff είδωλα, für das Judentum darstellt; und es ist implizit das Judentum, indem Paulus die Bekehrung als einen Dienst an dem Gott darstellt, den er dem Judentum gegenüber für das Christentum reserviert hat. Das Verständnis des Gottesbegriffs in V. 9 b als eines christlichen durch die Verwendung des Verbs δουλεύειν bei Paulus zu unterstützen, erscheint möglich aber nicht zwingend 37 . Δουλεύειν ist in Gal 4,9 auf die „schwachen Elemente" bezogen, in Phil 2,22 auf das Evangelium. In Rom 7,6 ist von δουλεύειν έν καινότητι πνεύματος die Rede. Rom 7,25 spricht vom Dienst an νόμος Θεού und am νόμος άμαρτίας, die textkritisch unsichere Stelle Rom 12,11 vom Dienst am κύριος. Rom 14,18 heißt es: δουλεύουν τω Χριστώ und Rom 16,18 in negativer Formulierung: τω κυρίω ήμών Χριστώ ού δουλεύουσιν. Die Tendenz bei Paulus, δουλεύειν als ein an den christlichen Glauben gebundenes Verhalten aufzufassen, ist deutlich. Eindeutig ist der Begriff jedoch zumindest aufgrund seiner Verwendung in Gal 4,9 und Rom 7,2538 nicht. Es läßt sich allenfalls als wahrscheinlich annehmen, daß das Wort auch in lThess 1,9 den Inhalt transportiert, den es an den meisten anderen Stellen, an denen Paulus es verwendet, trägt. In Verbindung mit den Beobachtungen zu έπιστρέφειν allerdings bedeutet auch die Verwendung von δουλεύειν eine Stütze der in erster Linie über den Ausdruck Θεός ζών gewonnenen Erkenntnis, daß der Gottesbegriff in lThess 1,9 von Paulus christologisch gefüllt wird. Explizit zum Ausdruck bringt Paulus die christologische Füllung des Gottesbegriffs in V. 10. Dies geschieht wiederum unter Aufnahme traditioneller jüdischer Elemente. Im Unterschied zu V. 9b sind diese jedoch in V. 10 unmittelbar auf das Christusgeschehen bezogen. Άναμένειν begegnet verschiedentlich in L X X und in TestAss 5,2, φύεσΘαι häufiger in JosAs und Test XII 3 9 . Die όργή ή έρχομένη bezeichnet nach jüdischem Verständnis den Tag des Jüngsten Gerichts 40 . Die pluralische Verwendung von ουρανός ist im Griechischen erst durch die L X X möglich geworden 41 , also ebenfalls im Judentum verwurzelt. Die Bezeichnung „Gottessohn" ist bei Paulus „als umfassender Würdetitel für das gesamte Wirken Christi verstanden" 42 . Der Titel drückt „unmittelbar Gegen Holtz, Glaube, 479. Zu den besonderen literarkritischen Problemen in R o m 7,25 vgl. Käsemann, Römer, 204: „Glosse eines späteren Lesers"; Wilckens, R o m 6-11, 96.97, vermutet ebenfalls eine „Randglosse" (96). 3 9 Belege vgl. bei Holtz, Glaube, 480 Anm. 115 und 481 Anm. 121. 4 0 L. Mattern, Das Verständnis des Gerichtes bei Paulus, A T h A N T 47, 1966, 59; Holtz, lThess, 59; Holtz, Glaube, 479; vgl. auch E. Sjöberg/G. Stählin, Art. όργή, D . I. Apokryphen und Pseudepigraphen, T h W N T V, 1954,413-416. 4 1 H . T r a u b / G . v . R a d , Art. οΰρανός κτλ., T h W N T V, 1954,496-543, 510-511. 4 2 Hahn, Hoheitstitel, 292. Ebenso Kümmel, Theologie, 143: Paulus beschreibt also mit dem 37

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Die Rede von Gott bei Paulus

die Zusammengehörigkeit des Heilsträgers mit Gott aus" 4 3 . Der Gottessohn wiederum wird mit dem irdischen Menschen Jesus identifiziert. Der JesusName entstammt dabei der traditionellen vorpaulinischen Auferweckungsaussage. Die Explikation des έπιστρέφειν in V. 9 b durch δουλεύειν wird in V. 10 durch die mit άναμένειν eingeleitete Aussage fortgesetzt. Durch das καί zu Beginn von V. 10 werden die beiden von den Infinitiven abhängigen Aussagen parallel nebeneinander gestellt. Die zweite wie die erste entfaltet das Wesen der Hinwendung zu Gott. Sich zu Gott zu bekehren heißt, sich in ein in bestimmter Weise festgelegtes Verhältnis zu seinem Sohn zu begeben. Gott kommt dabei vom Sohn, d. h. von Jesus her, in den Blick. Die Beziehung zum Sohn konkretisiert sich in der Erwartung seiner Ankunft vom Himmel. Der Sohn ist der von Gott Auferweckte. Seine Funktion bestimmt Paulus unter dem soteriologischen Gesichtspunkt der Rettung aus dem zukünftigen Zornesgericht. Wer sich in der beschriebenen Weise gegenüber dem Sohn verhält, der bekehrt sich zu Gott. War die Auferweckungsformel im vorpaulinischen Stadium eine streng theo-logische Formel, wird sie von Paulus in lThess 1,10 einer neuen Funktion zugeführt. Sie dient der Qualifizierung des Sohnes. Formal wird dies in der Zuordnung des Relativsatzes sichtbar. Das Pronomen öv bezieht sich auf απόν. Nicht mehr Gott wird durch sein Auferweckungshandeln an Jesus definiert. Vielmehr wird nun die Besonderheit des Sohnes durch Gottes Handeln an ihm hervorgehoben. Erst in einem weiteren Schritt geht Paulus zu einer Bestimmung des Gottesbegriffs über. Die Bekehrung προς τον Θεόν, von der V. 9 b redet, ist unmittelbar an das άναμένειν τον υ ιόν αύτοΰ gebunden. Von Gott redet Paulus also über das Verhältnis der Thessalonicher zu Christus. Er vermeidet damit die direkte Aussage, die Gott über sein Auferweckungshandeln an Jesus definiert. Darin liegt der Unterschied zu der vorpaulinischen Formel, die von einem verobjektivierten, absolut verstandenen Gottesbegriff ausging, der dann - quasi in einem zweiten Schritt - durch die Rede vom Handeln an Jesus expliziert wurde. Paulus spricht unmittelbar von Gottes Handeln. Nach seinen Worten vollzieht sich in der Realisierung des Verhältnisses zu Christus die Hinwendung zu Gott. Erst die Beziehung zu Christus eröffnet das Gottesverhältnis. In lThess 1,9b.10 dokumentiert Paulus unter Aufnahme traditionell jüdischen Materials sowie einer judenchristlichen Auferweckungsformel, die er dem Kontext einpaßt, sein Verständnis von Gott, das bereits für die Gründungsphase der thessalonichischen Gemeinde konstitutiv gewesen ist. Im übernommenen Titel ,Sohn Gottes' die gesamte ,Geschichte' des Christus von der Präexistenz bis zur Parusie". 4 3 Kramer, 189. Zu der engen Verbindung zwischen Gott und Christus, die der Sohnestitel ausdrückt, vgl. auch F.Froitzheim, Christologie und Eschatologie bei Paulus, fzb 35, 1979, 56-57.

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Zentrum seiner Verkündigung hat nicht die Hinwendung zum Monotheismus gestanden, der in einem zweiten Schritt die Predigt des Christusgeschehens hinzugefügt worden wäre. Von Anfang an predigt Paulus Christus, und nur von ihm her kommt Gott in den Blick44. lThess 1,9b.10 als eine Quelle der frühesten paulinischen Verkündigung erweist damit die exklusiv christologische Begründung der paulinischen Rede von Gott bereits für die Anfangsphase des paulinischen Wirkens in Thessalonich.

5.1.1.2 lThess l,9b,10 im Duktus von lThess 1 Der Textzusammenhang, innerhalb dessen lThess 1,9b.10 erscheint, unterstreicht das Anliegen des Paulus, von Gott nur über Christus zu reden. Paulus nimmt zu Beginn des l.Thessalonicherbriefes in lThess 1,1 eine wahrscheinlich „liturgisch geprägte Wendung" 45 auf. Wie in der traditionellen Formulierung IKor 8,6 entsprechen sich Θεός und κύριος sowie πατήρ und Ίησοΰς Χριστός. Beides steht durch καί verbunden nebeneinander. Die έκκλησία gründet in beiden, Gott und Christus. Die Art der Einbindung von V. 9b.l0 in den Gesamtzusammenhang von V.2-10 wird vom Ende des Abschnitts her deutlich. Auf die Hinkehr προς τον Θεόν in V. 9 b deutet bereits V. 8 hin. Dort wird die Gottesbeziehung der Thessalonicher mit dem Begriff πίστις beschrieben. Dies meint „die Hinwendung zu dem in der Verkündigung erschlossenen Gott" 46 . Dem Glauben der Thessalonicher an Gott korrespondiert der λόγος του κυρίου (V. 8 a), d. h. das Evangelium47. Die Thessalonicher sind also Glaubende, deren Glaube inhaltlich im Evangelium und damit im Christusgeschehen begründet liegt. Als solche sind sie ein τύπος allen Glaubenden in Makedonien und in der Achaja (V. 7). Die Thessalonicher selbst sieht Paulus in eine enge Beziehung zu sich selbst, seinen Mitabsendern und dem Herrn gestellt. Durch die Annahme des Wortes sind sie zu μιμηταί geworden (V. 6). In V. 5 spricht Paulus ausdrücklich vom Evangelium, das zu den Thessalonichern gelangt. Dies fällt gegenüber V. 2-4 deshalb auf, weil dort der Dank für den Zustand der Gemeinde von Thessalonich wie ihr Wandel selbst vor Gott gebracht bzw. auf Gott zurückgeführt werden 48 . Die Rede von Gott ist vom Evangelium von Jesus Christus nicht abzulösen, sondern bezieht von diesem erst ihren Inhalt. Paulus führt V. 9b.10 also in einen Zusammenhang ein, in dem er bereits von Gott spricht. Dabei ist die Rede von Gott an die πίστις und das 44 45 46 47 48

Richtig Holtz, lThess, 62. Holtz, lThess, 39. R. Bultmann/(A. Weiser), Art. πιστεύω x ^ . , T h W N T VI, 1959,174-230,205. Holtz, lThess, 51. Vgl. Marxsen, lThess, 36.

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Die Rede von Gott bei Paulus

Evangelium gebunden. Sie wird somit vom Christusgeschehen her aufgefaßt. Das gibt bereits die Richtung für die Interpretation des Gottesbegriffs in V. 9b an. Ist erwiesen, daß Paulus in V. 9b.l0 kein in sich geschlossenes Traditionsstück zitiert, macht es bereits der Kontext höchst unwahrscheinlich, daß Paulus, nachdem er zuvor vom Christusgeschehen her argumentiert hat, plötzlich einen absoluten, nicht von Christus her interpretierten Gottesbegriff einführt. Die Anbindung von V. 9b.10 an das Vorhergehende, hergestellt durch die vorgreifende Erläuterung der Hinkehr zu Gott durch den Ausdruck ή πίστις υμών ή πρός τον Θεόν, macht dies gänzlich unmöglich. Sowohl die immanente Interpretation der Verse 9 b und 10 als auch die Untersuchung ihres Kontextes zeigen, daß Paulus in der Mission nicht einen vorgängigen Monotheismus gepredigt und diesem die Christologie erst angefügt hat. lThess 1 macht deutlich, daß er die Botschaft von Christus verkündigt und von Gott nur von Christus her geredet hat. Darüber hinaus macht der Zusammenhang von Kapitel 1 deutlich, daß Paulus zumindest zur Zeit der Abfassung des l.Thessalonicherbriefes bereits bemüht ist, über das Motiv der πίστις den Menschen in die christologische Rede von Gott einzubeziehen49.

5.1.2 IKor 8,1-6: Gott und die Götter Paulus eröffnet seine Ausführungen περί δέ των ειδωλοΘύτων mit dem Zitat einer korinthischen Parole1: πάντες γνώσιν εχομεν. Indem er dieses Zitat mit einem in der 1. Person Plural formulierten ο'ίδαμεν einleitet, sich selbst also in den Kreis derer einbezieht, die diesen Satz aussprechen, konzediert er zunächst die grundsätzliche Richtigkeit der Aussage. Er stimmt hinsichtlich des mit dem Satz behaupteten Erkenntnisbesitzes mit den Korinthern überein. Darüber, daß sie betreffs des Götzenopferfleisches alle Erkenntnis haben, besteht Konsens zwischen Paulus und den Adressaten seines Briefes. Die Differenz entzündet sich erst an der Frage nach der Bedeutung der Erkenntnis (V. 1 b). Paulus bewertet sie anders als die Korinther. Für ihn stellt sie nicht den Höchstwert in der Skala menschlicher Fähigkeiten dar. Auch impliziert die Fähigkeit zur Erkenntnis nach seiner Auffassung nicht automatisch die richtige Entscheidung in der Frage des Götzenopferfleischessens. In V. 1 b-3 relativiert Paulus den Stellenwert der γνώσις von der άγάπη her. Er belegt die Erkenntnis mit dem negativen 49

Sollte das zur Zeit der Gemeindegründung, auf die lThess 1,9b.10 sich bezieht, noch nicht der Fall gewesen sein, hätte die damalige christologische Gottesverkündigung des Paulus sich noch in großer Nähe zu der im vorpaulinischen Formelgut zum Ausdruck kommenden, stärker objektivierenden Redeweise von Gott befunden. 1 Weiß, IKor, 214; Wolff, IKor, 4; Conzelmann, IKor, 165.166; Lang, 108.

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Prädikat φυσιοί und stellt ihr in V. 1 b die Liebe unmittelbar gegenüber, versehen mit dem Prädikat οικοδομεί als einem Gegenstück zu φυσιοί. Durch den Gebrauch der beiden Pronomina indefinita τις und τι klingt die Aussage von V. 2 a relativ unbestimmt. Paulus könnte V. 2 a im Zusammenspiel mit V. 2 b als eine allgemeine Reflexion über den Vorgang des Erkennens verstehen, mit der er auf das Ziel seiner Überlegung in V. 3 hinlenkt. Denkbar ist jedoch, daß sowohl τις als auch τι sich bereits konkret auf die korinthische Situation beziehen, ohne daß Paulus dies ausdrücklich betont. Τις bezöge sich dann auf die Korinther, die für sich die Erkenntnis in Anspruch nehmen, τι auf das konkrete Problem, das zur Klärung ansteht, nämlich die Frage nach dem Essen des Götzenopferfleisches. V. 2 b signalisierte dann, daß die von den Korinthern offensichtlich angestrebte Lösung, gemäß ihrer Erkenntnis das Götzenopferfleisch ohne Einschränkung zu essen, nicht der Vorstellung des Paulus entspricht. Ihre Berufung auf die Erkenntnis führt nach Auffassung des Apostels nicht zu einem angemessenen Umgang mit dem Problem. V. 3 knüpft an das in V. 1 b eingebrachte Motiv der Liebe an. Dabei bindet Paulus Lieben und Erkennen unmittelbar zusammen, indem er beides als auf Gott bezogen versteht. Gott zu lieben heißt, von ihm erkannt zu sein. Die aktivische Formulierung von αγαπάν in V. 3 a und der ebenfalls aktivisch formulierte Erkenntnisvorgang von V. 2 a entsprechen sich. Diese Parallelität besteht zwischen den anschließenden Halbversen 2 b und 3 b nicht mehr. Der aktivischen Verbform εγνω steht ein passivisch formuliertes εγνωσται gegenüber. Die Wendung αγαπάν τον Θεόν besitzt bei Paulus eine Entsprechung in Rom 8,28 und wird von ihm außerdem in IKor 2,9 im Rahmen eines apokryphen Zitats gebraucht 2 . Es handelt sich bei ihr um eine jüdische theologische Tradition, die in äthHen 108,8; PsSal 4,25; 6,6; 10,3 und 14,1 und wiederholt im Sirachbuch begegnet (1,10; 2,15.16; 31,19; 47,22). In ihrem Umfeld ist von Leiden, Armut, Geduld und Glauben die Rede 3 . Paulus stellt sie in den Dienst seiner eigenen Aussage. In Rom 8,28, wo von τοΐς άγαπώσιν τον Θεόν die Rede ist, ergibt sich die inhaltliche Füllung des Gottesbegriffs aus dem Kontext. Ό Θεός bezeichnet dort den in Christus offenbaren Gott 4 . Indem Paulus in IKor 8,3 das εγνωσται an das αγαπάν Θεόν bindet, verweist er die Korinther angesichts ihrer Hochschätzung der Erkenntnis auf ihre Geschöpflichkeit. Insofern stellt er die traditionelle Formulierung polemisch gegen das γινώσκειν der Korinther 5 . Der Gottesbegriff in V. 3 erschließt sich vom Zusammenhang der Ver2 3 4 5

Vgl. auch Jak 1,12; 2,5; lClem 29,1; (34,8). Wischmeyer, 141-144. Vgl. Kap. 5.1.12 zu Rom 8,28. Wischmeyer, 143/144.

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se 3-6 und dem Ende des Abschnitts in V. 6 her. Ähnliches gilt auch für das Verständnis von V. 4. Die Aussage dieses Verses ist ebenfalls von V. 6 her zu verstehen. Die Negierung der είδωλα 6 wie die Behauptung eines einzigen Gottes kommt nicht auf der Basis eines von Paulus vertretenen theoretischen Monotheismus zustande. Paulus übernimmt nicht lediglich eine Aussage wie die von Dtn 6,4, sondern knüpft allenfalls formal an sie an7. Was inhaltlich mit der Rede von dem einen Gott gemeint ist, zeigt V. 6. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der von Paulus in V. 6 a vorgenommenen Hinzufügung von άλλ5 ήμίν zu. Durch sie interpretiert er das Traditionsstück 8 in charakteristischer Weise. Von Gott ist über seine heilvolle Beziehung zum Menschen zu sprechen. Im übrigen gilt für ein objektivierendes Nachdenken über die Gottesfrage: Es gibt λεγόμενοι Θεοί (V. 5 a), ja, wie Paulus darüber hinausgehend sagt, es gibt viele Götter und viele Herren (V. 5 b). Für Paulus selbst jedoch stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Gott, Göttern und Götzen nicht auf der Ebene distanzierter Reflexion. Er bezieht durch das einleitende άλλ' ήμίν die urchristliche Tradition unmittelbar auf die Christen. Christen, d. h. in diesem Fall die Korinther sowie Paulus selbst, sind, wie die Formel bezeugt, durch den von Jesus Christus her verstandenen Gott bestimmt. Dies ist nicht im Sinne des Appells gemeint: „Für uns darf es nur einen Gott geben."9 Vielmehr versteht Paulus den einen Gott, von dem die Formel spricht, als den Gott „für uns". Das Pronomen ήμίν dient geradezu der „definitive(n) theologische(n) Ortsbestimmung Gottes" 10 . Paulus beläßt es also nicht bei der inhaltlichen Bestimmung des Gottesbegriffs, wie sie durch die Tradition vorgenommen wurde. Die Behauptung, er identifiziere „sich durch die Aufnahme des Bekenntnisses mit seinem Inhalt" 11 , stellt daher eine unzulässige Vereinfachung des Sachverhalts dar. Die Rezeption der Formel durch Paulus bezeugt gerade nicht „die Einfügung der paulinischen Theologie... in einen weiteren Horizont urchristlicher Theologie" 12 , sondern umgekehrt die Verwendung traditionellen urchristlichen Guts zur Formulierung der eigenen theologischen Aussage. Signifikant ist gerade die Unterscheidung von der traditionellen Wendung, die Paulus durch die Voranstellung des άλλ5 ήμΐν vornimmt. Gott wird dadurch nicht lediglich als der durch Jesus Christus Wirkende, als dessen Vater und Schöpfer begriffen, wie 6 Nach Wolff, 1 Kor, 6, meint εϊδωλον „nicht allein das Götzenbild..., sondern die heidnische Gottheit in ihrer Wirklichkeitslosigkeit". Vgl. F. Büchsei, Art. εϊδωλον κτλ., ThWNT II, 1935, 373-377,375. 7 Vgl. Lindemann, Rede, 365; gegen Holtz, Theo-logie, 107. Vgl. auch E. Fascher, Gott und die Götter. Zur Frage von Religionsgeschichte und Offenbarung, ThLZ 81, 1956, 279-308, 301-303. Vgl. Wolff, IKor, 6; Conzelmann, IKor, 168; Lang, 109/110. 8 S.o. Kap.4.4. 9 E. Stauffer, Art. Θεός κτλ., ThWNT III, 1938,95-122,101. 10 Lindemann, Rede, 365. Vgl. Gräßer, Gott, 199. 11 Holtz, Theo-logie, 106. 12 Holtz, Theo-logie, 106.

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es die traditionelle Formel zusammenstellte. Er ist nach paulinischem Verständnis der in Relation zu den Glaubenden stehende deus pro nobis. Primär begreift Paulus Gott also aus seiner heilvollen Beziehung zum Menschen. Er redet von Gott, indem er zugleich von den Glaubenden redet. Das Interesse der vorpaulinischen Formel an der Verhältnisbestimmung zwischen Christus und Gott tritt bei Paulus zurück. Der Apostel übernimmt zwar mit der Aufnahme der traditionellen εις Θεός-Formel auch das Motiv der Unterordnung Christi unter Gott. Für das Verständnis seines eigenen Gedankengangs in V. 1-6 ist dies jedoch nicht wesentlich. Paulus ist vornehmlich an der Soteriologie, d. h. dem Bezug des christologisch interpretierten Gottes zu den Glaubenden gelegen. Der soteriologische Aspekt fehlte zwar auch innerhalb der Formel nicht und wurde durch das ημείς zum Ausdruck gebracht. Gleichwohl blieb er dort eher formaler Art. Mit seiner Auffassung von Gott als dem Θεός ήμΐν gelangt Paulus zu einer soteriologisch-christologischen Interpretation Gottes. Christologisch wurde der Gottesbegriff auch innerhalb der traditionellen Formel interpretiert. Allerdings lag dort auch der Bezug Gottes zur Schöpfung im Blickfeld. Insofern läßt sich das in der Formel zum Ausdruck kommende Gottesverständnis tendenziell als ein christologisch-protologisches bezeichnen. Paulus liegt dagegen in erster Linie daran, von Gott über dessen heilschaffende Relation zu den Christen zu sprechen. Dadurch unterstreicht er die christologische Interpretation Gottes - Gott ist von Christus her zu erkennen - , legt aber den entscheidenden Akzent auf sein soteriologisches Handeln. Für das Verständnis von V. 4 bestätigt sich damit, daß die Rede von dem einen Gott nicht auf die theoretische Fixierung eines monotheistischen Gottesbegriffs zielt. Vielmehr wird von V. 6 her deutlich, daß Paulus, wenn er von dem einen Gott spricht, den sich dem Menschen zuwendenden Gott meint. Dieser wiederum ist inhaltlich von Christus her zu erfassen. Das gleiche gilt auch für V. 3. Wer Gott liebt, der ist von dem deus pro nobis erkannt. Die Liebe zu Gott bezieht sich folglich nach paulinischem Verständnis auf den Gott, der sich in Christus erschlossen hat und der sich dem Menschen heilvoll zuwendet. V. 3 spricht von Gott, indem er auf die zwischen Gott und Mensch bestehende Relation verweist und dabei von beiden Seiten auf diese Beziehung eingeht. Das „Gott lieben" von Seiten des Menschen ist umschlungen durch das von Gott Erkanntsein. Indem Paulus die Rede von Gott exklusiv soteriologisch-christologisch expliziert, ist er in seinen Formulierungen über Gott und die Götter außerhalb der heilvollen Beziehung des christologisch interpretierten Gottes zum Menschen frei. Daher kann er für diesen Bereich zunächst von λεγόμενοι Θεοί reden (V. 5 a). Er depotenziert auf diese Weise die anderen Götter neben dem einen christlichen Gott bzw. spricht ihnen im Verhältnis zum christlichen Gott die Realität ab. Dies entspricht der von ihm in Rom 10,2.3 vertretenen Auffassung. Demzufolge haben die Juden zwar Eifer um Gott,

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aber sie erreichen Gott nicht. Wie in IKor 8,1—6 hat auch in Rom 10,3 das Verständnis Gottes mit γνώσις zu tun. Dort macht Paulus die Unkenntnis der Juden gegenüber Gott daran fest, daß sie Gottes Gerechtigkeit und damit Gott selbst nicht kennen. Sie sind άγνοοΰντες 1 3 , die die eigene Gerechtigkeit aufzustellen suchen. Von Gott ist jedoch nur über Christus zu reden. Jeder andere Versuch, dies zu tun, z.B. mittels einer nomistischen Interpretation, erreicht daher nicht Gott, sondern läßt den Menschen bei sich bleiben 14 . In IKor 8,5b findet sich daneben allerdings auch die Ansicht, daß es viele Götter gibt. Im Rahmen dieser Anschauung befindet sich der christologisch interpretierte Gott in einer Reihe neben anderen Göttern. Vom Standpunkt eines theoretischen Monotheismus aus, der die Existenz eines einzigen Gottes postuliert, erscheinen beide Sichtweisen gleichzeitig als miteinander unvereinbar. Für Paulus jedoch sind sie nebeneinander möglich. Für ihn kommt Gott exklusiv unter der Perspektive seiner heilvollen Zuwendung zum Menschen in den Blick. Die Benennung und Bewertung religiöser Vollzüge außerhalb dieser Beziehung, womöglich in einer deren Selbstverständnis angemessenen Weise, ist daher für ihn letztlich nicht von Interesse. Hinter seiner eigenen in V. 6 durch αλλ' ήμΐν zum Ausdruck gebrachten Voraussetzung, daß von Gott nur unter dem Aspekt seiner heilvollen Hinwendung zum Menschen geredet werden kann, wird dagegen sichtbar, worauf Paulus sein Augenmerk legt. Er achtet darauf, von woher der Mensch bestimmt ist und welche Macht bzw. welcher „Gott" ihn leitet. Folgerichtig gelangt er zu dem Ergebnis, daß andere Glaubensverhältnisse und religiöse Bindungen auf andere Götter weisen (V. 5 b). Die dem scheinbar entgegenstehende Ansicht von V. 5 a, wonach solche Götter zu λεγόμενοι Θεοί herabgestuft werden, wird verständlich vor dem Hintergrund der von den Korinthern vertretenen Position. Wo die Gottesfrage zu einer Frage der abstrakten Erkenntnis wird, stellt sich zwangsläufig das Problem einer Verhältnisbestimmung zwischen dem einen als existierend vorausgesetzten Gott und den anderen Göttern, deren Verehrung in der Umwelt betrieben wird. Paulus läßt sich in V. 5 a auf den, wie V. 5 b und 6 zeigen, von ihm selbst abgelehnten Standpunkt ein. Dabei kommt er zu der im Rahmen eines solchen Denkens notwendigen qualitativen Abstufung zwischen dem einen Gott und den λεγόμενοι Θεοί. Charakteristisch ist jedoch, daß er bei dieser Auffassung nicht stehenbleibt. Aufgrund seiner Überzeugung, daß von Gott nur im Rahmen der durch Christus definierten Relation zum Menschen zu sprechen ist, gelangt er zu dem Schluß, daß anders bestimmte religiöse Beziehungen auf andere Götter weisen. Daß es außerhalb der durch das Christusgeschehen konstituierten heilvollen Got13 14

Ihr Eifer ist o i κατ' έπίγνωσιν. Zu Rom 10,2.3 vgl. Kap. 5.1.13.3.

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tesbeziehung Abhängigkeiten von anderen Mächten gibt, bringt Paulus im übrigen auch in anderen Zusammenhängen zum Ausdruck 15 . Für Paulus heißt von Gott zu reden, christologisch von Gott zu reden. Ob für den Bereich außerhalb der durch Christus begründeten Gottesbeziehung die Existenz anderer Götter angenommen wird oder ob es zu deren Abwertung zu „sogenannten Göttern" kommt, was die Annahme eines einzigen Gottes, den man exklusiv für sich reklamiert, voraussetzt, ist eine Frage des weltanschaulichen Standpunkts. Das christliche Gottesverständnis tangiert es nicht. Das Bekenntnis zu dem einen Gott ist für Paulus noch kein Glaube im christlichen Sinn. Es handelt sich dabei für ihn um eine objektivierende weltanschauliche Ansicht, die weder etwas über den, der sie äußert, noch konkret etwas von der inhaltlichen Substanz des Begriffs „Gott" verlauten läßt. Insofern wird die Frage, ob Paulus in IKor 8,1-6 den reinen Monotheismus wahrt oder ob er nicht vielmehr von einem prinzipiellen Polytheismus ausgeht, seinem Anliegen nicht gerecht. Diese Alternative stellt sich ihm nicht. Ihm geht es darum, den deus pro nobis zu verkünden. Damit zieht er den Trennungsstrich zwischen einer Redeweise von Gott, die von der durch Christus erschlossenen heilvollen Beziehung Gottes zum Menschen zeugt, und einer, die auf der Ebene objektivierender Reflexion verharrt. Wie außerhalb der glaubenden Gottesbeziehung über das Göttliche zu sprechen ist, bleibt eine Frage des weltanschaulichen Standorts. Hier sind unterschiedliche Antworten möglich. Eine Konkurrenz zur paulinischen Rede von Gott bedeuten sie nicht. Die soteriologisch-christologische Explikation Gottes bleibt davon unberührt.

5.1.3 IKor 15,12-19: Der von den Toten auferweckende Gott An die von Paulus in IKor 15,3ff. aufgenommene traditionelle Formel schließt sich die Reihe der Zeugen an, die den auferweckten Christus gesehen haben bzw. denen er erschienen ist. Als letzten in dieser Reihe nennt Paulus in V. 8 sich selbst. V. 11 schließt den Gedankengang, der mit V. 1 begonnen hat, ab. Paulus bezieht sich auf die ihm und anderen gemeinsame Verkündigung zurück. Hinsichtlich dieser Verkündigung, die für Paulus und die übrigen in die 1. Person Plural eingeschlossenen Verkündiger nach wie vor maßgebend ist1, hat es eine Übereinstimmung mit den Korinthern gegeben2: οϋτως κηρύσσομεν και οΰτως έπιστεύσατε (V. 11). Den gemeinsamen Glau15

Vgl. etwa IKor 15,23-28 und Rom 8,28-39. Darauf weist die Verwendung von κηρύσσει* im Präsens. 2 Der Aorist weist darauf hin, daß diese Übereinstimmung sich auf die Vergangenheit, d.h. die Anfänge der korinthischen Gemeinde, bezieht. Vgl. auch Anm. 8. Zur Komposition des Abschnitts V. 12-34 vgl. J.-N. Aletti, L'Argumentation de Paul et la position des Corinthiens, 1

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bensinhalt gibt Paulus mit der Formel in V. 3 b - 5 an. Seine weiteren Ausführungen in V. 1 2 - 1 9 gründen auf der in V. 11 festgestellten Basis. Paulus behaftet seine Adressaten bei dem von ihnen übernommenen und akzeptierten Glauben. Dieser bildet den Ausgangspunkt für die sich anschließende Argumentation. Den Konsens zwischen sich und den Korinthern, auf den er sich bezieht, gibt Paulus in V. 12a mit den Worten wieder: Christus wird verkündigt οτι έκ ν ε κ ρ ώ ν έγήγερται. Daran schließt sich seine Frage an: Wenn diese Voraussetzung akzeptiert ist, wie können dann einige in Korinth die ά ν ά σ τ α σ ι ς ν ε κ ρ ώ ν leugnen? Wenn nämlich der gestorbene Christus auferweckt ist, muß es konsequenterweise eine ά ν ά σ τ α σ ι ς ν ε κ ρ ώ ν geben. In der paulinischen Formulierung des Kerygmas gegenüber den Korinthern kommt der Betonung der Auferweckung Christi als einer Auferwekkung έκ ν ε κ ρ ώ ν entscheidendes Gewicht zu. Dieser Akzent wird auch im Kontext betont. Paulus spricht in IKor 15,12-20 insgesamt fünfmal von ν ε κ ρ ώ ν bzw. νεκροί. In 1 5 , 1 - 1 1 dagegen tauchte die Wendung gar nicht auf. Auch in der Formel V. 3 b - 5 heißt es zwar, daß der Tod Christi seiner Auferweckung vorangeht. Die Art jedoch, in der Paulus in V. 12 a die Übereinstimmung im Glauben zusammenfaßt, weicht von der dort vorliegenden Formulierung in auffälliger Weise ab. Damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Abschnitten V. 1 - 1 1 und V. 12-19. Paulus errichtet in V. 1 - 1 1 zunächst eine Gesprächsgrundlage, indem er an die gemeinsam anerkannte Tradition erinnert (V. 3 b-5) und diese als die Basis seiner eigenen Verkündigung wie des korinthischen Glaubens ins Gedächtnis ruft (V. 11). In V. 12 a faßt er das gemeinsame Grundbekenntnis im Blick auf die Korinther mit eigenen Worten zusammen und bereitet auf diese Weise seine weitere Argumentation vor. Mit seiner eigenen Formulierung des Glaubenskonsenses nimmt Paulus jedoch bereits eine Verschiebung gegenüber der in V. 3 b - 5 zitierten Formel vor. Dort hieß es: Christus starb und wurde begraben und ist auferweckt und ist erschienen bzw. wurde gesehen. In V. 5 ff. schließt sich an diese Aussagen die Reihe der Auferweckungszeugen an. Die Frage ist, wozu diese Zeugen angeführt werden. Um „die Auferstehung Christi als historisch gegebene und theologisch zu würdigende Tatsache" 3 zu sichern ? Das gibt jedoch wenig Sinn, zumal wenn in Korinth die Auferwekkung Christi offenkundig anerkannt ist 4 . Im übrigen tut sich dann ein Bruch in: L. de Lorenzi (ed.), Resurrection du Christ et des Chretiens (1 Co 15), Serie Monographique de „Benedictina", Vol. 8 , 1 9 8 5 , 6 3 - 8 1 . 3 So Lietzmann, 77. 4 So m. R. Conzelmann, IKor, 304, der allerdings von „Auferstehung Jesu" spricht. Mit W. Schenk, Evangelium - Evangelien - Evangeliologie. Ein „hermeneutisches" Manifest, TEH 216, 1983, 23, ist jedoch zu beachten, daß „die Auferweckung als Gottes Handeln und nicht als Tat Jesu erscheint. Darum sollte man auch strikt von der Auferweckung Jesu reden und nicht etwa von seiner ,Auferstehung'." Für IKor 15,3b kommt noch hinzu, daß nicht von Gottes Handeln an Jesus, sondern an Christus gesprochen wird.

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zwischen V. 1-11 und V. 12-19 auf 5 . Eine solche Intention würde nämlich keinerlei argumentative Unterstützung für den in V. 12-19 entfalteten Gedankengang bedeuten, sondern im Gegenteil an der dortigen Zielrichtung vorbeigehen. Die Formel in V. 3 b—5 als solche zielte im Unterschied zu der sonst gebräuchlichen aoristisch formulierten Auferweckungsformel ursprünglich auf den Christus praesens6. Christus ist auferweckt und lebt jetzt als Auferweckter. Im Duktus von IKor 15,3-11 und vor dem Hintergrund von V. 12 ff. bekommt diese Aussage jedoch einen anderen Akzent. Die in V. 5-8 angeführten Zeugen bezeugen den ihnen erschienenen auferweckten Christus, der zuvor gestorben ist und begraben wurde. Die Formel selbst hatte Paulus den Korinthern bereits bei seinem Aufenthalt in Korinth vermittelt. Nun verweist er in veränderter Situation auf sie zurück und gibt ihr durch den Kontext, innerhalb dessen er sie zitiert, eine spezielle Interpretation. Der auferweckte Christus, der von einer Vielzahl von Zeugen gesehen worden bzw. ihnen erschienen ist, ist einer, der zuvor starb und begraben wurde. Die Formel, so akzentuiert Paulus jetzt, spricht von einem gestorbenen und begrabenen Auferweckten. Seiner Auferweckung ging sein Tod voraus. Um diesen Akzent, d.h. seine jetzige Interpretation der damals vermittelten Formel, gegenüber den Korinthern mit Autorität zu versehen, führt Paulus eine Vielzahl von Personen an, die das bezeugen. Die „Wolke der Zeugen" bestätigt damit, was Paulus den Korinthern einschärfen will: Der erschienene auferweckte Christus ist zuvor gestorben und begraben worden. Seine Auferweckung geschah nicht am Tod vorbei, sondern setzt ihn voraus7. Dafür stehen die Zeugen ein, denen der Auferweckte erschienen ist. Der gestorbene und begrabene Auferweckte ist auch der Inhalt des paulinischen Kerygmas und diesen Inhalt haben laut Paulus auch die Korinther übernommen (V. II) 8 . Dies bildet die Grundlage für die sich in V. 12ff. Nach Schräge, 1.Korinther 15,1-11, 24, hat im Unterschied zu Conzelmann „die Ausführlichkeit der Beweisführung in V. 1-11... nur dann Sinn, wenn Paulus auch das Osterkerygma von der Auferstehung Jesu in Korinth nicht als unbestritten gültig voraussetzt" (Hervorhebungen von Schräge). 5 Conzelmann, IKor, 304, spricht für diesen Fall von „eine(r) gewisse(n) Diskrepanz zwischen V. 3-11 und V. 12ff. R. Bultmann, Karl Barth, „Die Auferstehung der Toten", GuV I, "1980, 54f., sieht den Text als einen „Versuch, die Auferstehung Christi als ein objektives historisches Faktum glaubhaft zu machen". Paulus gerate „durch seine Apologetik in Widerspruch mit sich selbst". 6 Vgl. o. 117.118, Kap. 4.1 zu IKor 15,3b-5. 7 Wolff, IKor, 152: Die „Todesaussage des Traditionsstücks... verdeutlicht, daß es Auferstehung erst nach dem Tode gibt und nicht schon jetzt". Vgl. auch ebd. 173. 8 Die Verwendung von πιστεύειν im Aorist gegenüber der Präsensform von κηρύσσειν drückt möglicherweise einen Vorbehalt gegen die derzeitige Position der Korinther aus. Paulus bezieht sich auf die Anfangsgrundlage der Verkündigung zurück. Die haben die Korinther geteilt. Ob das jetzt auch noch der Fall ist, schreibt Paulus dagegen nicht. Vgl. Wolff, IKor, 171. Schräge, 1.Korinther 15,1-11, vertritt die Ansicht, daß „nach Meinung des Paulus die Auferste-

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anschließende aktuelle Debatte. Im Blick auf das Verhältnis von V. 1-11 zu V. 12-19 läßt sich feststellen: V. 1-11 bilden die Vorbereitung für die folgenden Ausführungen 9 . Paulus belegt an Christus schon im vorhinein die Spitze dessen, was er den Korinthern mitteilen will: Die Auferweckung erfolgt έκ νεκρών. Seiner eigenen Intention, die er in der anschließenden Argumentation entfaltet, verleiht er mit seiner Wiedergabe des ihm und den Korinthern gemeinsamen Glaubensgrundes bereits vorab (V. 12 a) gezielt Ausdruck. Wenn das in V. 12 a wiedergegebene Fundament, die Auferweckung Christi έκ νεκρών Konsens ist, wie kann es dann, fragt Paulus, in Korinth zu der in V. 12b genannten Konsequenz kommen? Ist Christus von den Toten auferweckt - und auf dieses Geschehen blicken die Glaubenden ja bereits zurück - dann muß es eine Auferstehung Toter geben. Paulus setzt also mit seiner Argumentation beim Christusbekenntnis ein, bevor er sich direkt der aktuellen korinthischen Problematik zuwendet. Mit der Formulierung άνάστασις νεκρών ούκ εστίν nimmt er eine korinthische Parole auf 10 . Die Betonung liegt dabei nicht auf άνάστασις, sondern auf νεκρών 11 . Vom Bekenntnis zu dem von den Toten auferweckten Christus her stellt er die Behauptung der τίνες in Korinth in Frage. Läßt sich die in Korinth vertretene Position näher bestimmen 12 ? Bei den Korinthern handelt es sich nicht um Vertreter der griechischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, die den Gedanken einer Auferstehung des Leibes ablehnen 13 . Auszuschließen ist auch, daß Paulus bei seiner Einschätzung der Lage in der korinthischen Gemeinde einem Irrtum erlegen ist. Laut W. Schmithals ist er der Meinung, daß die Korinther „jede Jenseitshoffnung" leugnen. Mit dieser Auffassung irre er sich jedoch. Die Praxis der Vikariatstaufe weise darauf hin, daß die Korinther durchaus noch Hoffnung für die Toten hegten 14 . Im übrigen vertritt Schmithals die Position, „daß es hung Jesu in Korinth nicht mehr über allen Zweifel erhaben ist" (25). D e r Aorist έπιστεύσατε „signalisier(e) zwar inchoativ das Gläubigwerden, aber nicht den gegenwärtigen Glaubensstand" (26) (Hervorhebungen von Schräge). 9 Conzelmann, I K o r , 293: „Im Rückblick sieht m a n . . . , wie V. 12ff. durch V. 1 - 1 1 vorbereitet wurden". 1 0 Lang, 218. Sellin, 16: Wörtliches Zitat eines korinthischen Satzes. 1 1 Richtig E . Güttgemanns, Der leidende Apostel und sein Herr. Studien zur paulinischen Christologie, F R L A N T 9 0 , 1 9 6 6 , 6 7 . 1 2 Vgl. im einzelnen den Forschungsüberblick über die verschiedenen zu V. 12 vorgelegten Interpretationsversuche bei Sellin, 1 7 - 3 7 .

Gegen Lietzmann, 79. Schmithals, Gnosis, 147. Die Mißvefständnistheorie findet sich bereits bei Bultmann, Theologie, 172. Paulus mißverstehe seine Gegner „darin, daß er bei ihnen die Anschauung voraussetzt, mit dem Tode sei alles aus". 13 14

Daneben wird auch die Auffassung vertreten, die Aussage, „mit dem Tode sei alles aus", spiegele die tatsächliche Uberzeugung der Korinther wider; es handele sich also nicht um ein Mißverständnis des Paulus. Vgl. dazu Sellin, 2 1 - 2 3 .

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sich bei der korinthischen Häresie um eine ausgeprägte christliche Gnosis handelte" 15 . Der Versuch, zu einer Beschreibung der korinthischen Position zu gelangen, muß mit zwei scheinbar gegenläufigen Tendenzen fertigwerden, die hinter V. 18 und V. 29 zum Ausdruck kommen. Wie kann Paulus davon reden, daß in der Konsequenz der korinthischen Auffassung die Verlorenheit der Toten in Christus liegt (V. 18), wenn sich die Korinther doch stellvertretend für tote Nichtchristen taufen lassen (V. 29)? V. 29 spricht zunächst gegen die Ansicht, nach Meinung der Korinther sei mit dem Tod alles aus bzw. Paulus halte dies irrtümlicherweise für ihre Auffassung. Die Praxis der Vikariatstaufe ist der Versuch, den Gestorbenen nachträglich die Voraussetzung zur Teilhabe an der Auferstehung zu verschaffen. Dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, „daß die Korinther mit einem postmortalen Heil rechnen" 16 . Gegen diese Interpretation des Befundes spricht allerdings die Tatsache, daß Paulus den Korinthern ihr Verhalten gerade als einen Selbstwiderspruch zu ihrer eigentlichen Position vorhält 17 . Hinzu tritt V. 18, wo Paulus sie auf die Konsequenz ihrer Auffassung hinweist. Leugnen die Korinther also doch jedes postmortale Heil? Nein, denn dagegen spricht die Praktizierung der Vikariatstaufe. Wie läßt sich das Dilemma lösen ? Weder läßt die paulinische Darstellung den eindeutigen Schluß zu, daß die Korinther mit einem Heil nach dem Tode rechnen, noch läßt sich das Gegenteil behaupten. Ohne Paulus ein MißVerständnis unterstellen zu müssen, erscheint folgende Erklärung denkbar: In der korinthischen Gemeinde behaupten einige, daß es keine Auferstehung Toter gibt. Nach ihrer Meinung ist Christus auferweckt und sie, die Christen, sind es mit ihm. Nach ihrer Auffassung ist die Auferstehung ein Phänomen, das sich jetzt an ihnen als den Lebenden vollzieht. Sie propagieren die Auferstehung der Lebenden gegenüber der Vorstellung einer Totenauferstehung. In einer Gemeinde, der ekstatische Phänomene nicht fremd sind (vgl. IKor 14), gelangen sie in enthusiastischem

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Schmithals, Gnosis, 142. »« So Sellin, 30. 17 Sellin vertritt die These: „Die Korinther lehnten die Auferstehung der Toten überhaupt ab, weil sie den damit verbundenen Gedanken der Leiblichkeit des ewigen Heils nicht akzeptieren konnten." „Diese These paßt", laut Sellin, „zu V. 29, wo deutlich wird, daß die Korinther mit einem postmortalen Heil rechnen" (30). Letzterem gegenüber ist einzuwenden: Sellins Auffassung stimmt nur unter der Voraussetzung, daß Paulus mit seiner Anfrage in V. 29 unrecht hat, d.h. wenn die Korinther sich nicht in einem Selbstwiderspruch befinden. Damit argumentiert aber auch Sellin auf der Basis eines paulinischen Mißverständnisses. B. Spörlein, Die Leugnung der Auferstehung. Eine historisch-kritische Untersuchung zu IKor 15, BU 7, 1971, 82-88, unterscheidet „die Auferstehungsleugner" in der korinthischen Gemeinde von der Gruppe der βαπτιζόμενοι.

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Überschwang unmittelbar zur Auferstehung 18 . Sie überspringen ihre irdische Realität mit dem Tod als Lebensende und schwingen sich in eine andere Wirklichkeit, die der Auferstehung, empor. Sie warten nicht auf die Auferstehung der Toten, die es im übrigen ihrer Meinung nach gar nicht gibt. Ihr Glaube verschafft ihnen die Möglichkeit zu einer Auferstehung der Lebenden 19 . Den Tod als theologisches Problem reflektieren sie nicht eingehend. Das zeigen die Einwände, die Paulus ihnen entgegenhält. Vor allem stellt sich ihnen nicht die isolierte Frage, ob es ein Heil nach dem Tod gibt oder nicht. Erst Paulus macht die Frage nach dem Geschick der Toten zum Gegenstand der Diskussion. Auch dies ist freilich etwas anderes als die Erörterung des Problems, ob es ein Heil nach dem Tod gibt oder nicht. Insofern verwundert es nicht, daß der Text keine eindeutige Antwort für die Haltung der Korinther gegenüber dieser Fragestellung erlaubt. Paulus stellt den Korinthern die Konsequenzen vor Augen, die für ihn aus ihrem Verständnis von christlicher Existenz resultieren. Dazu weist er sie, dem Duktus ihrer eigenen Argumentation folgend, auf zweierlei hin. Zum einen zieht er das Fazit: Wenn die Auferstehung nur eine Sache der Lebenden ist, dann sind die Verstorbenen, und zwar auch die κοιμηΘέντες έν Χριστφ, verloren (V. 18). Der christliche Glaube aber klammert den Tod nicht aus und überläßt die gestorbenen Christen nicht sich selbst. Zum anderen bezieht sich Paulus auf den von den Korinthern praktizierten Brauch der Vikariatstaufe (V. 29). Er hält ihnen vor, daß diese Handlung von ihren eigenen Voraussetzungen her sinnlos ist, indem er den Widerspruch zwischen einer Taufe für die Toten und der gleichzeitigen Behauptung, es gebe keine Auferstehung Toter, aufdeckt. Einen Sinn hätte die Vikariatstaufe nur, wenn die Toten auferweckt würden. Beide paulinische Einwände belegen, daß die Korinther mit dem Problem des Todes weitgehend unreflektiert umgegangen sind. Ihr Christentum besteht in erster Linie aus der enthusiastischen Rezeption der Auferstehungsbotschaft. Um das Schicksal gestorbener Christen scheinen sie sich keine Sorgen gemacht zu haben, und für den Umgang mit gestorbenen Nichtchristen praktizieren sie einen magischen Brauch, dessen Aporien erst Paulus ihnen aufzeigt. 18

Vgl. Lang, 218; „daß man in Korinth ein präsentisches Heilsbewußtsein hatte", bestreitet auch Sellin nicht (24). Nach L. Schottroff, Der Glaubende und die feindliche Welt. Beobachtungen zum gnostischen Dualismus und seiner Bedeutung für Paulus und das Johannesevangelium, WMANT 37,1970,154-158, herrscht in Korinth ein gnostischer Geistenthusiasmus. 19 Ein solcher Auferstehungsenthusiasmus ist nicht erst nachpaulinisch festzustellen. Gegen Sellin, 29. Paulus setzt sich mit ihm bereits im Zusammenhang des Themas „Taufe" kritisch auseinander (vgl. dazu Rom 6,4.5); dazu s. G. Klein, Art. Eschatologie IV. Neues Testament, TRE X, 1982,270-299,278; vgl. auch E. Brandenburger, Die Auferstehung der Glaubenden als historisches und theologisches Problem, WuD N F 9, 1967, 16-33, 21.22; Brandenburger, Adam, 70.71; nach J.Becker, Auferstehung der Toten im Urchristentum, SBS 82, 1976, 62, „kann man also mit guten Gründen Rom 6 als Ergebnis einer vorher ausgetragenen Auseinandersetzung mit der korinthischen Theologie verstehen".

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Gegen das unmittelbare Übersteigen der Bedingungen, unter denen sich das menschliche Leben vollzieht, und dazu gehört wesentlich der Tod als seine Begrenzung, wendet sich Paulus. Indem er die Auferstehung bzw. ab 15,15 die Auferweckung an den vorherigen Tod bindet, weist er die Korinther in den Rahmen menschlichen Daseins und damit in die Realität des Lebens ein. Das Sterben und der Tod behalten auch für die Glaubenden ihren Ernst und sind weder zu überspringen noch zu überspielen. Die Auferstehung erfolgt erst bei der Parusie (15,23). Jetzt haben die Christen ihre neue Existenz als Glaubende unter den Bedingungen der Welt zu leben. Die mit der Auferweckung Christi geschaffene neue Wirklichkeit versetzt auch die Glaubenden nicht in einen objektiven Status der Erlösung. Sie bleiben den Bedingungen der Welt, d. h. Sterben und Tod, unterworfen. Ihr Christsein haben sie unter diesen für alle Menschen weiter geltenden Bedingungen zu realisieren. Nur vor dem Hintergrund dieser Gegebenheit ist von Auferstehung (V. 12.13) bzw. Auferweckung zu reden. In V. 13 läßt sich Paulus als Ausgangspunkt für seine Argumentation zunächst auf die Position der Korinther ein. Wenn ihre These richtig ist (V. 13 a), dann, so lautet seine Konsequenz, lebt auch Christus nicht als Auferweckter (V. 13 b); denn er starb ja zuerst und wurde begraben. Damit aber ist die in V. 12 a festgestellte Gemeinsamkeit hinfällig. Angemessenes Reden von der άνάστασις - ab V. 15 spricht Paulus stattdessen von νεκροί έγείρονται - wie von der Auferstehung Christi gibt es nur auf der Basis des vorherigen Todes. Paulus nimmt in V. 14a die Konsequenz aus V. 13 b auf und folgert weiter: Damit sind τό κήρυγμα ήμών und ή πίστις υμών leer (V. 14 b). Das heißt, die von ihm in V. 11 mit fast den gleichen Worten (κηρύσσειν; πιστεύειν) genannte Ausgangsposition ist verlorengegangen. Mit anderen Worten: To κήρυγμα ήμών und ή πιστις υμών hängen an der Auferweckung Christi. Diese ist konstitutiv für die Verkündigung und den Glauben. Die άνάστασις νεκρών ist dafür nur insofern von Bedeutung, als sie den allgemeinen Vorstellungsrahmen für die Rede von der Auferweckung Christi abgibt. Paulus bewegt sich zudem mit dem Terminus άνάστασις νεκρών noch in dem Horizont korinthischer Denkweise. Er selbst hat die Vorstellung einer άνάστασις νεκρών von Anfang an an die Auferweckung Christi gebunden (V. 12). Das heißt, für Paulus ist von Totenauferstehung nur sachgemäß im Zusammenhang mit der Auferweckung Christi zu reden. In V. 15 wird das Bekenntnis zur Auferweckung Christi zum Prüfstein für die richtige Rede von Gott. Zum ψευδόμαρτυς wird der, der falsche Aussagen über Gott macht 20 . Paulus charakterisiert Gott hier mit Hilfe der aktivisch formulierten Auferweckungsaussage21 als den, der Christus aufer20 21

Vgl. H. Strathmann, Art. ψευδόμαρτυς κτλ., ThWNT IV, 1942,519-520. Darauf, daß Paulus in diesem Vers die aktivisch formulierte Auferweckungsaussage verar-

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weckte. Sollte diese Charakterisierung Gottes nicht zutreffen, wäre er ein Falschzeuge. Der Begriff ψευδόμαρτυς verweist nicht auf eine moralisch minderwertige Qualität des Zeugen. Er bedeutet vielmehr in diesem Zusammenhang: Der ψευδόμαρτυς verkündet Gott als den, der er nicht ist, d.h. er verkündet einen falschen Gott. Der Ruf άνάστασις νεκρών ουκ εστίν bringt die Korinther nach Paulus zwangsläufig in Widerspruch zu dem von ihnen akzeptierten Bekenntnis Χριστός έγήγερται εκ νεκρών. Aus der korinthischen Parole folgt mit Notwendigkeit die Konsequenz Χριστός ουκ έγήγερται (V. 13 b. 14 a). Wenn Paulus sich diese Konsequenz zu eigen machte, die an ihrer Voraussetzung, der Leugnung der Auferstehung der Toten hängt, würde er zum Falschzeugen gegen Gott. Den Korinthern, die diese Voraussetzung machen und von daher zwangsläufig auch zu der genannten Konsequenz kommen müssen, hält er damit vor, sie seien ψευδομάρτυρες. Indem er seine eigene Verkündigungstätigkeit gegenüber den Korinthern in Beziehung zu dem Begriff ψευδόμαρτυς setzt, führt Paulus eine formale Autorität zur Stützung seiner eigenen Position in die Debatte ein. Daß er ein wahrer Zeuge Gottes ist, ist bei den Korinthern (bisher) offenkundig unbestritten. Wer aber Wahres bezeugt wie er, verkündet, daß Gott Christus von den Toten auferweckt hat. Ist Paulus also anerkanntermaßen nicht ein ψευδόμαρτυς, sondern ein wahrer Zeuge Gottes, der Christus als von den Toten Auferweckten verkündet, kann weder die von den Korinthern erhobene Behauptung άνάστασις νεκρών ούκ εστίν noch die von Paulus selbst den Adressaten gegenüber daraus abgeleitete Konsequenz Χριστός ούκ έγήγερται richtig sein. Die Korinther begeben sich also laut Paulus mit ihrer Parole in einen doppelten Widerspruch: Zum einen gegenüber ihrem eigenen Bekenntnis - Χριστός έγήγερται έκ νεκρών - , zum anderen in ihrer Haltung zu ihm selbst, den sie als Apostel und wahren Zeugen Gottes anerkennen. Paulus bindet in V. 15 seine Rede von Gott an Gottes Auferweckungshandeln an Christus. Darauf verweist er nachdrücklich durch die aoristisch formulierte Aussage von Gottes Handeln. Nicht der Auferweckte gegenwärtige Christus ist hervorgehoben, sondern Gottes Handeln an dem gestorbenen Christus. In V. 16-17 a wiederholt Paulus mit fast gleichlautenden Worten die Gedankenführung von V. 13-14a. V. 16b. 17a stimmen im Wortlaut mit V. 13 b. 14 a sogar völlig überein. Der markante Unterschied zwischen V. 16 a und V. 13 a besteht darin, daß Paulus in V. 16 a nicht mehr von άνάστασις νεκρών, sondern von νεκροί έγείρονται spricht. Damit gibt er seine an der korinthischen Terminologie orientierte Formulierungsweise auf und leitet beitet, weisen die beiden Aoristformen hin. Sie ragen aus den bis V. 20 dominierenden, durch den Rückbezug auf V. 4 erklärbaren, perfektischen F o r m e n heraus. Die Verwendung von τον Χριστόν anstelle von Ίησοΰν als Objekt erklärt sich als Angleichung an den Kontext.

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seinen zweiten Argumentationsgang mit der seinem eigenen Verständnis entsprechenden Begrifflichkeit ein. Nicht die allgemeine Vorstellung einer άνάστασις der Toten als Ausdruck religiöser Erwartung und Teil einer religiösen Weltanschauung bildet die Grundlage seiner Gedankenführung, sondern die Auferweckung der Toten durch Gott. Mit dem Verb έγείρειν gebraucht Paulus für das Geschick der Toten den gleichen Begriff, der auch Gottes Handeln an Christus umschreibt. Die Tatsache, daß έγείρειν im Passiv erscheint, deutet darauf hin, daß auch hier, wie bei Christus, Gott als Handelnder gedacht ist. Nicht die Auferstehung als ein religiöses Phänomen, sondern die Auferweckung der Toten durch den Gott, der Christus auferweckt hat, hält Paulus der korinthischen Leugnung der Totenauferstehung entgegen. Bewegt sich der korinthische Ruf: Auferstehung der Toten gibt es nicht! auf einer religiös weltanschaulichen Ebene, argumentiert Paulus demgegenüber theo-logisch. Zunächst bindet er die Rede von Gott an dessen Auferweckungshandeln an Christus (V. 15); dann spricht er von den Toten als solchen, die von Gott auferweckt werden. Wie in V. 14 wird in V. 17 die πίστις an Gottes Auferweckungshandeln an Christus gebunden. Im Unterschied zu V. 14 ist jedoch nicht vom κήρυγμα die Rede. Stattdessen stellt Paulus einen Bezug zu άμαρτίαι her. Der bei Paulus seltene Plural erklärt sich aus der Anlehnung an V. 3. V. 18 zieht die Konsequenz aus dem bisher Gesagten für das Schicksal der Toten in Christus. Ihr Geschick hängt an dem Christi. Stimmen die vorausgegangenen mit negativem Vorzeichen versehenen Voraussetzungen (V. 16.17a), zieht das nicht nur Folgen für die Gegenwart der Korinther nach sich. Darauf zielte V. 17b. Auch die bereits gestorbenen Christen sind betroffen. Sie sind - so die paulinische Konsequenz - dann verloren. V. 19 läßt den Paulus bei seinen Ausführungen leitenden Gedanken erkennen. Für ihn gehört die Auferweckung der Toten konstitutiv zum Thema der christlichen Hoffnung hinzu. Der Verlauf des Gedankengangs in V. 12-19 läßt sich insgesamt wie folgt nachzeichnen22: Paulus geht die korinthische Parole άνάστασις νεκρών ουκ εστίν vom gemeinsamen - in V. 12 allerdings mit seinen eigenen Worten pointiert wiedergegebenen - Bekenntnis Χριστός έκ νεκρών έγήγερται her an. Der korinthischen Vorstellung von einer άνάστασις der Lebenden hält er entgegen, daß zur Rede von der άνάστασις konstitutiv die Wendung έκ νεκρών hinzugehört. Die Auferstehung ist an den vorhergehenden Tod gebunden. Indem Paulus zunächst den korinthischen Ausdruck άνάστασις aufnimmt und an ihn anknüpft, bewegt er sich im Rahmen der religiösen 22

Sellins Skizze des Gedankengangs (255-260) steht unter der Frage nach der „christologische(n) Konsequenz der Leugnung der Totenauferweckung" (255). Meine Ausführungen wollen dagegen zeigen, daß die Einheit des Gedankengangs in dem paulinischen Verständnis Gottes begründet liegt. Erst das Verständnis der hinter den Aussagen stehenden Theo-logie erweist den Gedankengang als einen sinnvoll in sich geschlossenen.

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Weltanschauung seiner Adressaten. Er weist ihr Schlagwort nicht unmittelbar zurück und sagt nicht, daß es falsch ist, von άνάστασις zu reden. Wenn aber davon gesprochen wird, dann einzig als von einer άνάστασις νεκρών. Zwischen der άνάστασις νεκρών, der Auferweckung Christi, dem Kerygma und dem Glauben besteht ein unlöslicher Zusammenhang (V. 13.14). Ebenso betrifft das Problem elementar die Frage, wer Gott ist, den die Zeugen verkünden (V. 15). V. 15 bildet das Zentrum des Gedankengangs. Von hier aus geht Paulus von neuem auf die in V. 12 b. 13 aufgeworfene Problemstellung, die Auferstehung bzw. Auferweckung der Toten, ein. Jedoch hat sich die Rede von der Auferweckung mit V. 15 e qualitativ verändert. Ist Paulus darauf zunächst im Rahmen der religiösen Vorstellungen der Korinther eingegangen, um von da aus zur Rede von Gottes Auferweckungshandeln an Christus zu gelangen, so kommt er ab V. 15 e von der an Gottes Handeln an Christus gebundenen Rede von der Auferweckung her. Unmittelbar nachdem er in V. 15 seine Argumentation an den Gott gebunden hat, der durch sein Auferweckungshandeln an Christus definiert wird, wechselt er in bezug auf die Toten die Terminologie. Er spricht nicht mehr von ihrer άνάστασις, sondern von έγείρονται. Damit leitet er das Thema der Erörterung in eine andere Sprachform um und redet in besonderer theologisch qualifizierter Weise von ihm. Er verläßt den Rahmen des religiösen Weltbildes, der ihm durch die korinthische Terminologie vorgegeben ist. Die Sache, von der zu reden ist, ist für ihn auf diese Weise nicht zutreffend charakterisiert. Von dem, was die Korinther άνάστασις - Auferstehung - nennen, ist nach Paulus nur als von einem Handeln Gottes an den Toten zu reden; einem Handeln des Gottes, der durch sein Auferweckungshznddn an Christus definiert ist (V. 15). Paulus benutzt also ab V. 15 e mit dem Verb έγείρειν für Gottes Handeln an den Toten die gleiche Vokabel, die auch Gottes Handeln an Christus bezeichnet. Insofern spricht er in der passivischen Wendung νεκροί έγείρονται von dem Gott, der bereits an Christus gehandelt hat, indem er ihn auferweckte. Damit dürfen die Aussagen νεκροί έγείρονται und Χριστός έγήγερται, in V. 16 unter negativem Vorzeichen miteinander verbunden, nicht in der Weise auseinandergelegt werden, daß die erste als Vorbedingung der zweiten aufgefaßt wird. Vielmehr kommt es zu der Formulierung νεκροί έγείρονται nur aufgrund der vorherigen Feststellung, daß Gott der ist, der Christus auferweckte (V. 15). Dieser Gott ist der, der die νεκροί auferweckt. Paulus holt die Korinther bei ihrer eigenen Redeweise ab. Sie bestreiten die Auferstehung der Toten. Dabei argumentiert er ihnen gegenüber innerhalb ihrer Voraussetzungen. Stimmen diese, so hält er ihnen vor, dann ergibt sich erstens ein Widerspruch zu dem auch bei ihnen in Geltung stehenden Bekenntnis zu Christus als einem von den Toten Auferweckten (V. 12.13). Zweitens wären sie dann ihm als einem Falschzeugen Gottes aufgesessen (V. 15). Das kann jedoch bei dem Verhältnis, das sie zu ihm haben, nicht sein.

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Drittens geben sie damit die verstorbenen Christen verloren (V. 18); und viertens begeben sie sich in einen Selbstwiderspruch zu der von ihnen geübten Praxis der Vikariatstaufe (V. 29). Auch insofern bleibt Paulus zunächst im Rahmen ihrer Voraussetzungen, als er an den von ihnen verwendeten Begriff άνάστασις anknüpft. Ab V. 15 e führt er jedoch die mit diesem korinthischen Terminus verbundene Aussage in seine eigene Ausdrucksweise über. Nicht in den Vorstellungen eines allgemein religiösen Auferstehungsglaubens, wie er in Korinth vorliegt, ist nach Paulus von der Auferweckung der Toten zu reden. Vielmehr setzt umgekehrt die Rede von der Auferweckung der Toten Gott als den voraus, der Christus auferweckt hat. Dieser Gott ist es, der die Toten auferweckt; und ohne das Auferweckungshandeln dieses Gottes an den Toten ist wiederum auch die Auferweckung Christi nicht denkbar.

5.1.4 lKor 15,23-28: Gott über Christus IKor 15,23-28 wirft die Frage nach dem Verhältnis zwischen Christus und Gott auf. Am „Ende" (τέλος, V.24) übergibt Christus die Herrschaft an Gott, den Vater. Seine Herrschaft ist eine zeitlich begrenzte. Der Herrschaftsübergabe voraus geht die Vernichtung der Mächte. Zunächst ist die in der Forschung kontrovers diskutierte Frage nach den Subjekten und der Zuordnung der Pronomina in V. 25 und 27 zu klären. Das handelnde Subjekt in dem Psalmvers 109,1 LXX, auf den sich Paulus in V. 25 bezieht 1 , ist ursprünglich Gott. Er ist der, der des Königs Feinde unter dessen Füße legt. Ähnlich verhält es sich in dem in V. 27 herangezogenen Psalmvers 8,7. Auch dort erscheint Gott als der Handelnde. Allerdings ist er nicht in Beziehung zum König, sondern zum Menschen bzw. zum υιός άνΘρώπου gesetzt (Ps 8,5). Alles hat Gott unter die Füße des Menschen bzw. des Menschensohns gestellt. An beiden Psalmstellen bildet also Gott das Subjekt der Aussage. Dies ist auch an den meisten neutestamentlichen Stellen der Fall, die auf Ps 109,1 LXX und Ps 8,7Bezug nehmen 2 . Zu fragen ist jedoch, in welchem Sinn Paulus die beiden Psalmzitate verwendet. Denkbar erscheint, daß in V. 25 durchgängig Christus gemeint ist. Chri-

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Nach Auffassung von Koch, 20, ist V. 25 „völlig als pln Formulierung verständlich", „und zwar ohne Rückgriff auf ψ 109,1 b". Seine These, Paulus selbst bereite mit der Formulierung πάντας τούς έχΘρούς in V.25b die Wendung έσχατος έχΘρός in V.26 vor, ist jedoch nicht überzeugend angesichts der Tatsache, daß der Tod nur an dieser Stelle bei Paulus als έχΘρός bezeichnet wird. Auch verkennt Koch das Gefalle der Argumentation. Der Gedankengang zielt nicht auf V.26. Vielmehr gelangt durch die Aufnahme von Ps 109,1 LXX mit dem Stichwort έχΘρός ein Begriff in die Debatte, den Paulus vorher nicht angesprochen hatte und den er jetzt in dem Nachsatz V. 26 aufnimmt. 2 Vgl. Wolff, IKor, 182.

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Die Rede von Gott bei Paulus

stus herrscht, bis er alle Feinde unter seine (eigenen) Füße gelegt hat 3 . Die Tatsache, daß „Christus" sowohl in V. 24 als auch in dem an V. 24 anknüpfenden V. 25 a das Subjekt darstellt, könnte die Auffassung nahelegen, daß dies auch für die paulinische Verwendung des Psalmworts in V. 25 b gilt. Diese Interpretation wäre jedoch ausschließlich durch den Bezug auf das Vorhergehende als dessen Weiterführung unter Beibehaltung des gleichen Subjekts gewonnen 4 . Wolff schränkt seine eigene Auffassung durch den Hinweis auf V. 27c daher mit Recht selbst ein, indem er erklärt, daß von dort „her deutlich wird, daß letztlich Gott selbst der Handelnde ist" 5 . Parallel zu dem christologischen Verständnis des Psalmverses in V. 25 b wird auch das Psalmwort in V. 27 a als auf Christus bezogen aufgefaßt 6 . Gegen diese Interpretation spricht jedoch die Fortsetzung des Gedankengangs in V. 27b.c und 28. Wenn bis hierher durchgängig Christus als aktiv handelndes Subjekt verstanden wäre, erschiene die passivisch formulierte Aussage π ά ν τ α ύποτέτακται in V. 27b völlig unvermittelt. Christi plötzliche Zuordnung zu Gott, der in V. 27 c als der eingeführt wird, der Christus alles untergeordnet hat, hätte keinen Anhalt an dem vorher beschriebenen Geschehen. V. 27 b und c würde eine nachträgliche Verhältnisbestimmung bedeuten, die im Duktus von V. 25 und V. 27 a nicht erkennbar angelegt gewesen wäre. Spricht Paulus in V. 25 und 27 a allein von Christus, dann hat dieser sich alles selbst untergeordnet. Die anschließende plötzliche Bezugnahme auf Gott würde diese Aussage nachträglich relativieren. Im vorherigen H a n deln Christi wäre also eigentlich Gott als der Handelnde zu sehen gewesen 7 nur daß der H ö r e r bzw. Leser das im Verlauf von V. 2 5 - 2 7 a noch nicht hat wissen können. Hätte sich Christus alles selbst untergeordnet und wäre von V. 25 bis V. 27 a noch nicht von Gott die Rede gewesen, wäre nach V. 27 a ein Bruch im Gedankengang zu verzeichnen. Die Bezugnahme auf Gott in V. 27b.c mit der Aussage, daß er Christus alles unterstellt hat, verlangt nach einem Anknüpfungspunkt an dem vorher Gesagten. Die Fortsetzung des Gedankengangs in V.28 bestätigt dies. Der Vers entfaltet das Thema „Unterordnung" in bezug auf Christus und Gott. Der in V. 27b.c explizit ausgesprochene Gedanke wird damit weitergeführt. Beide Verse - 27b.c und 28 - hängen untrennbar aneinander. Daher kann auch V.28 wie schon V.27b.c nicht vom Vorhergehenden abgelöst und isoliert verstanden werden. Auch er m u ß vielmehr wie V. 27b.c durch V. 25 b und 3 So Conzelmann, IKor, 324; Wolff, IKor, 182; Lang, 226. Vgl. auch Barth, Erwägungen, 522.523. 4 Da Ps 109,1 LXX „als Begründung von Vers 24bc zu nehmen ist", sei auf Christus als Subjekt zu zu schließen. So Wilcke, 101. Das αύτοΰ am Ende des Verses bezieht Wilcke wegen der Parallelität zu V. 27 a trotz der Schwierigkeit, daß dann eher ein έοαιτοΰ zu erwarten wäre, ebenfalls auf Christus (101/102). 5 Wolff, IKor, 182. 6 So wiederum von Conzelmann, IKor, 326; Wolff, IKor, 183; Wilcke, 105. 7 Dahin geht die Äußerung Wolffs. Vgl. Anm. 5.

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27 a thematisch bereits vorbereitet sein. Das aber läßt als Bestimmung des Subjekts - zunächst für V. 27a - einzig die Deutung auf Gott 8 zu. Schon für V. 27a, nicht erst fürV. 27b.28, gilt, daß Paulus bereits hier eine Aussage über Gott und Christus macht. In V. 27b.c und 28 wird dies dann ausdrücklich entfaltet. Eine schlüssige Verbindung von V. 27a nach V. 27b.28 ergibt sich nur, wenn bereits der Halbvers 27a von Gottes Handeln in Beziehung auf Christus spricht. Gott bleibt wie in Ps 8,7 auch bei Paulus inV. 27 a das Subjekt der Aussage. Er ordnete alles unter die Füße Christi. Er handelte für Christus. Bereits V. 27a beinhaltet von daher eine Bestimmung des Verhältnisses zwischen Gott und Christus. Direkt expliziert wird dieses Verhältnis in V. 27b.c.28. Christus wird alles untergeordnet sein - von Gott. Mit der Aussage, daß er sich dann selbst Gott als dem unterordnet, der ihm alles untergeordnet hat, mündet der Gedanke in den in V. 24 genommenen Ausgangspunkt ein: Am Ende übergibt Christus mit der Herrschaft auch sich selbst Gott. Wie V. 24 mit einer Aussage über das Verhältnis Christi zu Gott einsetzt, so endet der Gedankengang in V. 27b-28 mit einer grundsätzlichen Verhältnisbestimmung. Schon das legt nahe, daß dieses Ziel in V. 25-27 a vorbereitet wird, V. 27a daher vom Thema der rahmenden Verse 24 und 27b-28, besonders vom Ende in V. 27b-28, zu verstehen ist. Das gleiche gilt auch für V. 25 b. Die Tatsache, daß das Psalmwort hier weiter von V. 27 b.28 entfernt steht als V. 27 a, die Erklärung von dort her sich also nicht wie in V. 27 a unmittelbar aufdrängt, und die zunächst naheliegend erscheinende Erklärung, aus der Anknüpfung an V. 24.25 a ergebe sich konsequenterweise Christus als Subjekt der Aussage, stehen dem nur scheinbar entgegen. V.27a bezeichnet Paulus selbst ausdrücklich als Schriftzitat: δταν δέ ε'ίπη 9 . Den Inhalt des Zitats faßt er jedoch nachfolgend durch die Wendung π ά ν τ α ύποτέτακχαι mit eigenen Worten zusammen. Daß es sich in V. 27 a um ein Schriftzitat gehandelt hat, sagt Paulus also erst nachträglich. Die inhaltliche Vergleichbarkeit von V. 27a mit V. 25 b - beide Versteile zielen auf die gleiche Aussage - sowie die Parallelität in der Formulierungsweise, lassen den Schluß zu, daß der von Paulus nachträglich zu V. 27a hinzugefügte Zitationshinweis sich auch auf V. 25 b bezieht. Die umfassende Formulierung πάντα ύποτέτακται umschließt beide Aussagen und gibt sie zusammenfassend wieder; die daran anknüpfende Weiterführung in V. 27c und 28 bezieht sich folgerichtig auf beide Aussagen, die von V. 25 b und die von V. 27 a. Auch V. 25 b ist daher nicht vom Vorhergehenden, sondern wie V. 27 a vom Ende des Gedanken-

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Vgl. Thüsing, Christum, 240 Anm. 4. Nach Lang, 227, ist ebenfalls Gott als der Unterwerfende zu denken. 9 Gegen J. Lambrecht, Paul's Christological Use of Scripture in ICor. 15.20-28, NTS 28,1982, 502-527, 510, der meint, daß δταν δέ ε'ίπη eine wörtliche Rede Christi einleite. Zur Kritik an Lambrecht s. Lindemann, Parusie, 101.102.

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Die Rede von Gott bei Paulus

gangs her zu verstehen. Gott bildet das Subjekt der Aussage10. Er legt alle Feinde unter die Füße Christi. Paulus äußert in V. 25 b und 27 a unter Verwendung zweier Psalmstellen einen übereinstimmenden Gedanken. Gott handelt für Christus. Er legt ihm alle Feinde unter seine Füße, bzw. er ordnete ihm alles unter seine Füße. Diesem Anliegen entspricht auch die ursprüngliche Intention der Verse Ps 109,1 L X X und Ps 8,7. Beide Verse stimmen ebenfalls in der Aussage überein, daß Gott handelt „für..." 1 1 . Dieses Handeln Gottes „für..." ist dabei einmal auf den König bezogen (Ps 109,1 LXX) und einmal auf den Menschen bzw. Menschensohn (Ps 8,7). Insofern ergibt sich auch innerhalb der von Paulus herangezogenen traditionellen Formulierungen eine Analogie zu der Aussage, die er selbst unter Zuhilfenahme beider alttestamentlicher Stellen vornimmt. Indem Paulus beide Psalmstellen als Aussageform wählt, um Gottes Handeln für Christus auszudrücken, macht er sich das ursprüngliche Gefälle der alttestamentlichen Aussagen zunutze, die bereits von einem Handeln Gottes „für" sprechen, freilich bezogen auf ein anderes Objekt. Nähme man in V. 25 b Christus als Subjekt der Aussage an12, ergäbe sich ein Problem im Verhältnis zu V. 27 a. Ist nämlich die für V.27a vertretene Interpretation richtig, daß dort Gott das Subjekt des Satzes bildet, müßte man bei der Verwendung der Psalmverse durch Paulus einen Subjektswechsel konstatieren13. Paulus würde dann zwei inhaltlich nahe beieinander liegende Psalmverse verwenden, die bei gleichem Subjekt auch in ihrer ursprünglichen Aussagerichtung - Gott handelt „für" - übereinstimmen, um Unterschiedliches auszudrücken, und das, ohne es dem Leser ausdrücklich zu verstehen zu geben. Angesichts der Gleichartigkeit beider Zitate und der Tatsache, daß Paulus beide Psalmverse seiner einen Intention dienstbar macht, ist das auszuschließen. Ein Wechsel des Subjekts zwischen V. 25 b und 27 a müßte den Leser bzw. Hörer des Briefes verwirren. Paulus würde auf engstem Raum zweimal kurz hintereinander seinem Gedankengang vergleichbare traditionelle Formulierungen integrieren. Zugleich würde er von seinem Leser erwarten, daß dieser den Subjektswechsel erkennt und mitvollzieht, ohne vorher ausdrücklich auf ihn hingewiesen worden zu sein. Sowohl die Parallelität in der ursprünglichen Aussageabsicht der beiden verwendeten Psalmstellen als auch ihre 1 0 Richtig E.Schweizer, 1.Korinther 1 5 , 2 0 - 2 8 als Zeugnis paulinischer Eschatologie und ihrer Verwandtschaft mit der Verkündigung Jesu, in: Jesus und Paulus, FS W. G. Kümmel, hg. v. E . E . E l l i s und E. Gräßer, 2 1 9 7 8 , 3 0 1 - 3 1 4 , 304; Thüsing, Christum, 2 4 0 ; Lindemann, Parusie, 95-97. 1 1 Auf die theologische Bedeutung der Tatsache, „daß die beiden im Zentrum des Ganzen stehenden Gottesaussagen (V. 25 b und V. 2 7 ) jeweils nicht von Gott an sich sprechen, sondern von dem, was Gott für Christus tut", weist Lindemann, Parusie, 105, zu Recht hin.

Siehe dazu o. 163.164 und Anm. 3. So Weiß, I K o r , 359.360, und Lang, 226.227, nach deren Auffassung in V. 25 Christus, in V. 27 Gott das Subjekt bildet. 12 13

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Verwendung im Dienste einer einheitlichen Intention des Paulus zeigen, daß für V. 25 b und V. 27a an dem gleichen Subjekt, nämlich Gott, festzuhalten ist. Als ein weiteres Argument dafür kommt noch die strukturelle Übereinstimmung zwischen Paulus und den beiden Psalmversen im Motiv des Handelns Gottes „für" hinzu. Die Interpretation von V. 25 b und 27 a, Paulus sage mit den Worten der Psalmen: Gott legt alle Feinde bzw. ordnete alles unter die Füße Christi, entspricht dem von Paulus in V. 27b-28 selbst formulierten Ziel des Gedankengangs. Gott ordnete ihm, d.h. Christus, alles unter. Wenn es jedoch heißt: „alles", so ist laut Paulus klar: Selbstverständlich mit Ausnahme dessen, der ihm alles untergeordnet hat, nämlich Gott selbst (V. 27). Wenn Christus aber alles von Gott untergeordnet ist, dann wird sich auch der Sohn selbst Gott unterordnen, damit Gott alles in allem sei. Das Verhältnis Christi zu Gott wird hier subordinatianisch bestimmt. Das war auch in V. 24 der Fall. Χριστός παραδίδω την βασιλείαν τω Θεω καΐ πατρί 14 . Jedoch gibt diese Vorstellung nicht lediglich den Rahmen zu V. 25b-27a ab. Der Gedanke der Subordination wird nicht in V. 24 eingeführt, um erst in V. 27b-28 wieder aufgenommen zu werden. V. 27b-28 besitzt erstens mehr als eine Rahmenfunktion. Es bildet das Ziel der Argumentation. Der vorangehende Gedankengang steuert konsequent diesen Zielpunkt an. Zweitens zieht sich die in V. 24, besonders aber V. 27b.28 explizit gemachte subordinatianische Verhältnisbestimmung zwischen Christus und Gott durchgängig durch den ganzen Passus, indem sie mittels der beiden Psalmzitate zum Ausdruck gebracht wird. Dem Gedanken der Subordination Christi unter Gott entspricht die Vorstellung einer zeitlichen Begrenztheit der Herrschaft Christi. Wenn alle Feinde vernichtet sind, als letzter Feind der Tod (V. 26), übergibt Christus die Herrschaft an Gott den Vater (V. 24) und ordnet sich Gott unter (V. 28). Mit der Vernichtung der Feinde ist die Herrschaft Christi beendet. Sie währt solange, wie die widergöttlichen Mächte existieren. Sind sie vernichtet, ist auch die Aufgabe Christi ans Ende gekommen. Er hat dann seine Funktion erfüllt. Ein Problem ergibt sich aus der Tatsache, daß in V. 24 Christus derjenige ist, der πασαν αρχήν και πασαν έξουσίαν και δύναμιν vernichtet. In V. 25 b und 27.28 erscheint dagegen Gott als der, der ihm alle Feinde unterwirft. Die Diskrepanz löst sich vom Duktus des Abschnitts her jedoch auf. Die Argumentation in V. 23-28 zielt auf Gott hin. Diese Tendenz zieht sich durch den gesamten Abschnitt. Seit der Einführung der Tradition in IKor 15,3b hat Paulus jedoch von Christus her argumentiert. Auch die 14

Der „Vater"-Titel weist ebenfalls auf das Verhältnis von Überordnung und Unterordnung

zwischen Gott und Christus hin. D e m entspricht das „bei Paulus als christologischer Titel sonst nicht begegnende absolute ό υιός" in V. 28. Lindemannn, Parusie, 93 und 102 (Zitat).

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Die Rede von Gott bei Paulus

Vorbereitung für den Skopus seiner Ausführungen in V. 25-28 vollzieht er noch im Rahmen der auf Christus zentrierten Gedankenführung (V. 20-24). Der Gedankengang selbst mündet jedoch in V. 28 in eine Aussage über Gott: ϊνα fj ό Θεός [τά] πάντα έν πασιν. Von diesem Ziel ist auch die Aussage über das Vernichtungshandeln Christi an den Mächten in den Blick zu nehmen. Selbstverständlich ist das καταργήστ) in V. 24 eine Aussage über das Handeln Christi. Das ergibt sich in konsequenter Folge aus dem vorangehenden Gedankengang. Gleichwohl bleibt Paulus nicht bei dieser Aussage stehen. Die Tatsache, daß seine Ausführungen sich am Ende exklusiv auf Gott richten, zieht Konsequenzen bereits für das Verständnis von V. 24 nach sich. Durch die Aufnahme des Psalmzitats in V. 25 b interpretiert Paulus auch die Vernichtung der Mächte durch Christus schon als einen Akt Gottes. Von daher heißt es in V. 26 unter Aufnahme des gleichen Verbs (καταργεΐν) wie in V.24 in bezug auf die Vernichtung des Todes nicht mehr: Er, d.h. Christus, vernichtet, sondern καταργείται ό Θάνατος. Als logisches Subjekt der passivischen Formulierung ist aufgrund von V. 25 b Gott zu denken 15 . Vom Ende des Gedankengangs, der auf Gott als den alles Unterwerfenden zielt, wird deutlich, daß für Paulus hinter dem Handeln Christi in V. 24 bereits Gott als das eigentlich handelnde Subjekt steht. Beides, das Handeln Christi und das Handeln Gottes, bildet also keinen logischen Widerspruch. Vielmehr faßt Paulus das Handeln Christi als ein Handeln Gottes auf. Der Gedankengang V. 23-28 enthält damit an keiner Stelle einen Bruch. Die scheinbaren Härten lösen sich auf, wenn der Gedankengang von seinem Gipfel in V. 27b-28 her verstanden wird. Auch der scheinbar unvermittelte Wechsel des Subjekts innerhalb von V. 23-28, der nach V. 25 a erfolgt, wird verständlich, wenn man den Gedankengang als einen Prozeß fortschreitender Erkenntnis auffaßt. Paulus selbst interpretiert nachträglich das Vernichtungshandeln Christi an den Mächten als einen Akt Gottes. Damit stellt er rückblickend zugleich sicher, daß Christus Gott schon immer untergeordnet war. In dem V. 25 b-28 vorangehenden Abschnitt V. 20-25 a argumentiert Paulus von Christus her. Erst ab V. 25 bff. entwickelt er eine explizit theozentrische Perspektive, die in V. 28 zum Ziel kommt. Von ihr her erscheint wiederum die vorangehende christozentrische Gedankenführung in einem anderen Licht. Diese hatte ihren Höhepunkt in der Vernichtung der Mächte durch Christus in V. 24 b erreicht. Auch dieses Handeln jedoch will Paulus als ein Handeln Gottes verstanden wissen. Das Verhältnis zwischen Christus und Gott ist in IKor 15,23-28 im Sinne einer Unterordnung des einen unter den anderen bestimmt. Christus übt 1 3 Zurückhaltend demgegenüber äußert sich Lindemann, Parusie, 99: „die Wortstellung mit dem betonten ό Θάνατος am Ende unterstreicht vermutlich nur, daß es eben der Tod ist, der als ,letzter Feind' vernichtet werden wird".

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seine Herrschaft im Gegenüber zu den feindlichen Mächten aus. Solange sie Bestand haben, δει αύτόν βασιλεύειν (V. 25 a). Seine Herrschaft erlischt mit der endgültigen Vernichtung der Mächte. Wenn Christus sie vernichtet hat - wobei Paulus ihre schließliche Vernichtung im Rückbezug als einen Akt Gottes interpretiert - , übergibt er die Herrschaft Gott und ordnet sich selbst Gott unter. Dann herrscht nur noch Gott, und dann ist nur noch Gott - ίνα η ό Θεός [τα] πάντα έν πασιν 16 . Abschließend ist nach der Funktion von IKor 15,23-28 in der paulinischen Argumentation gegenüber den Korinthern zu fragen. Der Akzent des Abschnitts liegt auf der Unterordnung Christi unter Gott. Paulus macht den Adressaten deutlich: Christus ist Gott untergeordnet. Am Ende wird Gott alles in allem sein. Indem Paulus von Christus in seinem untergeordneten Verhältnis zu Gott redet, wehrt er einer möglichen einseitigen Verabsolutierung der Person Christi. Die Herrschaft Christi kommt an ein Ende, selbst sie gelangt an eine Grenze. Möglicherweise wendet sich Paulus auf diese Weise gegen eine in Korinth herrschende enthusiastische Hochschätzung Christi 17 . Gegenüber einer Frömmigkeit, die sich durch Christus aller irdischen Begrenztheit enthoben weiß, verweist Paulus darauf: Selbst die Wirksamkeit Christi ist begrenzt. Sie findet ein Ende mit der Ubergabe der Herrschaft an Gott. Paulus setzt demnach in V. 25-28 die Rede von Gott als ein Korrektiv gegenüber einer übersteigerten Christusfrömmigkeit ein. Indem er von Gott spricht, zeichnet er Christus in einen Rahmen ein, der weiter reicht als der von den Korinthern gesteckte. Für die Korinther war mit ihrer Christusbeziehung der Glaube zu seiner endgültigen Vollendung gelangt. Paulus hält dagegen die Gegenwart offen. Auch Christus bleibt Gott als der letzten Instanz zugeordnet. Das Heil ist gegenwärtig noch nicht vollendet 18 . Die paulinische Argumentation ist theo-logischer Art. Selbst Christus repräsentiert nicht die letzte Realität. Auch seine Herrschaft findet ihre Grenze. Die Aufhebung aller Grenzen, eine entgrenzte Wirklichkeit, gibt es erst, wenn Gott alles in allem ist. Die Korinther, die dank ihrer Zugehörigkeit zu Christus die Welt mit ihrer Gesetzmäßigkeit hinter sich ge16 In der Formulierung [τά] π ά ν τ α έν πασιν klingt möglicherweise stoisches Gedankengut an, wie es vielleicht auch Sir 43,27 durchscheint. Dort heißt es im Zusammenhang (V. 26), daß sein (sc.: Gottes) Engel durch ihn erfolgreich wirkt. Vgl. auch die wahrscheinlich auf pharisäische Kreise zurückgehenden Psalmen Salomos: κύριος αύτός βασιλεύς ήμών είς τόν αιώνα και ετι (17,46). Zur Bedeutung der Psalmen Salomos für das Verständnis der paulinischen Theologie: D. Lührmann, Paul and the Pharisaic Tradition, JSNT 36,1989, 75-94. 17 Vgl. dazu Kap. 5.1.6: Das Verhältnis zwischen Christus und Gott in den Korintherbriefen. 18 Paulus geht damit eine Auffassung an, für die das Heil zu einem Status geworden ist.

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Die Rede von Gott bei Paulus

lassen zu haben wähnen, weist er durch den Hinweis auf Gott in die Zukunft. Indem er den Blick auf die Zukunft lenkt, versucht er, die für die Korinther bereits vollendete Gegenwart neu zu öffnen. Dieses Verständnis des Abschnitts wird gestützt durch eine zweite Beobachtung, die bisher noch nicht ausdrücklich genannt wurde. Wie verhalten sich in V. 24 und 25 τό τέλος, das βασιλεύει/ν Christi und die Vernichtung der Feinde zueinander? Häufig wird angenommen, Christus herrsche in der Gegenwart, d.h. in der Zeit zwischen Auferweckung und Parusie, und vernichte dabei nach und nach alle Feinde 19 . Nachdem das geschehen sei, käme das Ende, an dem er die Herrschaft an Gott übergebe. Ein solches Verständnis birgt jedoch eine theologische Schwierigkeit in sich. Es bedeutete, daß im Fortgang der Welt die Zahl der Mächte zunehmend abnähme, die Bedingungen derer, die sich zu Christus halten, sich also fortschreitend verbesserten. Demgegenüber ist festzustellen, daß für Paulus die Welt den Kampfplatz der verschiedenen Mächte darstellt (V. 24.26; Rom 8,38) 20 . Zwar ist der Glaubende έν Χριστφ ihrem Zugriff entzogen. Das heißt aber weder, daß die feindlichen Mächte keine Realität mehr darstellten, noch daß der Glaubende damit einen Status erreicht hat, der ihn ein für allemal ihrem Einfluß enthoben hat. Die Herrschaft Christi verschafft sich gegenwärtig Raum im Glauben der Christen, nicht jedoch in einer objektivierbaren, die Verhältnisse in der Welt äußerlich feststellbar verändernden, nacheinander erfolgenden Ausschaltung der Mächte. Die Vernichtung der Mächte als solche vollzieht sich nach I K o r 15,24 erst beim τέλος, wenn Christus die Herrschaft an Gott den Vater übergibt. Was beim τέλος geschieht, wird durch zwei οταν-Sätze expliziert. Christus übergibt die Herrschaft, wenn er jede Gewalt und Macht vernichtet hat. Die in der Verbform καταργήσω gegenüber παραδίδω ausgedrückte Vorzeitigkeit bezieht sich dabei ausschließlich auf das Verhältnis der beiden mit οταν eingeleiteten Aussagen zueinander. Die Ubergabe der Herrschaft Christi an Gott erfolgt auf der Grundlage der Vernichtung der Mächte. Die in καταργήση 1 9 So z . B . Conzelmann, I K o r , 321.322. Wolff, I K o r , 181, vertritt die Auffassung, das καταργεΐν beginne „mit der Erhöhung", sei „freilich noch nicht abgeschlossen". Vgl. A. Lindemann, Art. Herrschaft Gottes/Reich Gottes IV, T R E X V , 1986, 196-218: „ N a c h 15,23ff. ereignet sich die Herrschaft Christi gegenwärtig in der Überwindung der Mächte" (212). Zurückhaltender Lindemann, Parusie, 94 A n m . 40: „Es läßt sich nicht sicher sagen, ob gemeint ist, daß Christus die Mächte am Ende gleichsam in einem Zuge vernichtet, oder ob sich diese Vernichtung allmählich - und womöglich in der Geschichte wahrnehmbar - ereignet." Jedoch sei ohnehin „im Kontext der N a h e r w a r t u n g . . . die Differenz zwischen beiden Vorstellungen relativ gering".

Demgegenüber ist einzuwenden, daß für das Verständnis und die Beurteilung des - auch für Paulus - gegenwärtigen Wirkens Christi bzw. seiner Herrschaft in der Welt beide Alternativen einen erheblichen Unterschied bedeuten. 2 0 Vgl. dazu Bultmann, Theologie, 257-259.

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ausgedrückte Vorzeitigkeit weist nicht auf einen Zeitraum, der dem τέλος vorangeht. Das Ende ist neben der Herrschaftsübergabe geradezu durch die Vernichtung der Mächte definiert. Die Vernichtung der Mächte und die Herrschaftsübergabe bilden das τέλος. Solange das Ende noch nicht da ist und solange die Mächte existieren, ist es nötig, daß Christus herrscht. Er bildet in der Welt ihr Gegenüber. Durch Christus ist den Glaubenden schon in der Welt die Möglichkeit gegeben, sich ihrem Machtbereich zu entziehen. Seine Herrschaft vollzieht sich bereits jetzt als Freiheit von Tod, Sünde und Gesetz (vgl. Rom 5-7) 21 . Die endgültige Durchsetzung dieser Herrschaft aber steht noch aus. Sie erfolgt am Ende in der abschließenden Vernichtung der Mächte durch Christus - wobei Paulus diese durch V. 26 bereits als einen Akt Gottes interpretiert. Paulus formuliert also mit V. 24.25 gegenüber den Korinthern einen eschatologischen Vorbehalt. Zwar herrscht Christus jetzt; darüber besteht keine Differenz. Aber die Vernichtung der Mächte erfolgt erst beim τέλος. Die Herrschaft Christi in der Welt bedeutet keine nach außen hin sichtbare qualitative Veränderung der Wirklichkeit, sondern realisiert sich in der πίστις der Christen. Eine dritte Einschränkung gegenüber in Korinth vertretenen Auffassungen liegt in der Wendung επειτα οι του Χρίστου έν τη παρουσίςι αύτοΰ (V. 23 b). Paulus richtet sich gegen die korinthische Meinung, die zu Christus Gehörenden seien bereits jetzt mit ihm auferweckt22. Dagegen zielt V. 23 b: Die Christuszugehörigkeit enthebt nicht den Bedingungen dieser Welt. Die Auferweckung erfolgt erst bei der Parusie. Zusammengefaßt lassen sich also drei Vorbehalte festhalten, die Paulus in V. 23-25 bzw. 28 gegenüber den Korinthern äußert: Erstens: Das glaubende Verhältnis zu Christus darf nicht als ein Besitzstand aufgefaßt werden. Christus, dem sich die Korinther - zu Recht - zugehörig wissen, repräsentiert nicht die letzte Wirklichkeit. Am Ende aller Dinge steht Gott (V. 28). Zweitens: Die endgültige Vernichtung der Feinde, die die Korinther im Glauben bereits hinter sich zu haben meinen bzw. um die sie sich, wie im Falle des Todes, nicht mehr kümmern zu müssen glauben, steht noch aus. Drittens: Die Auferweckung vollzieht sich erst bei der Parusie. Alle drei Vorbehalte ergeben einen Sinn vor dem Hintergrund einer übersteigerten Christusfrömmigkeit 23 , die die Welt samt ihren Mächten im Glauben als bereits überwunden hinter sich wähnt. Mit seinen drei Vorbehalten stellt sich Paulus einer Ideologisierung der Christusbeziehung entgegen. Er 21

Lang, 225: „Die Herrschaft Christi vollzieht sich in der Zeit von der Erhöhung bis zur Parusie im Bekenntnis und Glaubensgehorsam der Kirche und in der Befreiung der Christen aus der Knechtschaft von Sünde, Gesetz und Tod [vgl. Rom 8]." 22 Wolff, IKor, 180. 23 Siehe Anm. 17.

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relativiert den Stellenwert der Person Christi von Gott her, indem er den Aspekt der Unterordnung Christi unter Gott betont. Er wahrt den Realitätsbezug des Glaubens, indem er seine bleibende Bedrohung durch die Mächte vor Augen stellt und deren endgültige Vernichtung erst für das Ende verheißt. Er weist die Korinther in die irdische Wirklichkeit ein, indem er die individuelle Heilsvollendung mit der Auferweckung für den Zeitpunkt der Parusie reserviert.

5.1.5 2Kor 5,18-21: Der durch Christus versöhnende Gott Fünfmal wird in 2Kor 5,18-21 von „Versöhnung" gesprochen. Die Perspektive, aus der heraus das geschieht, ist „theozentrisch"Gott selbst ist der Urheber und Stifter der Versöhnung. Paulus verwendet in V. 18 und 19 zur Bezeichnung des Versöhnungsgeschehens je zweimal Partizipialformen von καταλλάσσειν und das Substantiv καταλλαγή im Genitiv. Hinzu tritt in V. 20 die finite Verbform καταλλάγητε. V. 18 und 19 sind ähnlich aufgebaut. An das Substantiv Θεός schließen sich jeweils partizipiale Konstruktionen an, die den Gottesbegriff entfalten. Gott ist ό καταλλάξας ήμάς έαυτω δια Χριστού (V. 18) bzw. Θεός ήν έν Χριστώ κόσμον καταλλάσσων έαυτω (V. 19). Sein versöhnendes Handeln charakterisiert Gott als Gott. Die Übereinstimmungen zwischen beiden Versen gehen aber über den gemeinsamen partizipialen Gebrauch von καταλλάσσειν hinaus. In beiden Versen weist das Reflexivpronomen έαυτω auf Gott zurück. Damit wird das Ziel des Versöhnungshandelns, die Versöhnung mit Gott selbst, angegeben. Das Objekt der Versöhnung bildet ήμας, d.h. die Christen 2 bzw. κόσμον. Κόσμος bezeichnet dabei in anthropologischem Sinn die gesamte Menschenwelt3. Als Medium bzw. Ort der καταλλαγή wird in beiden Fällen Christus genannt. Die Versöhnung wird vollzogen δια Χρίστου (V. 18) bzw. έν Χριστφ (V. 19). Paulus nimmt die durch Christus erreichte Versöhnung von Gott her in den Blick. Gott selbst ist das Subjekt des auf ήμας bzw. κόσμον bezogenen Versöhnungshandelns. Gott kommt damit als Gott über das an Christus gebundene Versöhnungsgeschehen in den Blick. In V. 18 stellt Paulus durch die Konjunktion καί formal die Gleichordnung zwischen V. 18 b und c her. Auf diese Weise tritt neben die Explikation Gottes, die ihn über sein versöhnendes Handeln begreift, gleichermaßen die Charakterisierung über seine Gabe der διακονία της καταλλαγής. Die Versöhnung durch Christus und die Gabe des Amtes der Versöhnung4 sind 1 2 3 4

Windisch, 2Kor, 191. Bultmann, Probleme, 309: „das ήμάς V. 18 umfaßt alle Christen". Hofius, Versöhnung, 8. Bultmann, 2Kor, 162, spricht vom „apostolische(n) Amt, das das Heilsereignis verkündigt",

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nicht zwei sukzessive Akte. Beides gehört zusammen, beide Aussagen dienen der Bezeichnung Gottes. In V. 19 wird keine durch καί kenntlich gemachte Nebeneinanderstellung zwischen Versteil a und b vorgenommen. Stattdessen sind die beiden nachfolgenden Partizipien λογιζόμενος und Θέμενος durch και verbunden und damit beide gemeinsam auf V. 19a bezogen5. Dies wird von Hofius bestritten6. Nach seiner Auffassung ist in V. 18 b—21 in drei einander ergänzenden Schritten vom Versöhnungshandeln Gottes die Rede. Diese seien nach dem Schema ab/ab/ba aufgebaut. Innerhalb jedes Schrittes unterscheide Paulus „zwischen Gottes Versöhnungstat und Gottes Versöhnungswori" 7 . Gegen die mit diesem Schema postulierte Parallelität zwischen V. 18b + c und V. 19a.b + c spricht jedoch, daß die Partizipien in V. 19b und c nicht in der gleichen Unmittelbarkeit der Entfaltung des Gottesbegriffs dienen, wie dies in V. 18 b und c der Fall ist. Sie erläutern vielmehr inhaltlich das Wesen des Versöhnungshandelns, von dem in V. 19 a die Rede ist. Insofern ist die Satzperiode μή λογιζόμενος αύτοΐς τά παραπτώματα αυτών καί Θέμενος έν ήμϊν τον λόγον της καταλλαγής direkt dem καταλλάσσων zugeordnet 8 . Zudem ist die von Hofius vorgenommene Unterscheidung zwischen „Tat- und Wort-Aspekt" 9 unangemessen. Nicht nur gilt, daß die Predigt „selbst mit zum Heilsgeschehen (gehört)" 10 , sondern es muß auch gefragt werden: Wie sollte der Kreuzestod Jesu als eine „Versöhnungstat" Gottes begriffen werden, abgelöst von der Predigt, die das Ereignis des Todes Jesu erst als einen Akt der Versöhnung verkündet? Der Versuch Hofius', gemäß seinem Ansatz zwischen dem λόγος της καταλλαγής als Gottes eigenem Wort, d. i. der „stellvertretende Sühnetod Jesu am Kreuz als Gottes - die καταλλαγή vollziehende - Tat" 11 , und der διακονία της καταλλαγής, dem „apostolischen Dienst der Verkündigung" 12 , zu unterscheiden, ist dementsprechend ebenfalls zurückzuweisen. Die Behauptung, daß das Evangelium „als Gottes eigenes Wort" 13 der apostolischen Predigt stets vorgeordnet sei, übersieht, daß zwischen einer Tat Gottes und dem Zeugnis von ihr nicht unterschieden werden kann, da schon die Rede von einer Tat Gottes bzw. Gottes eigenem Wort Ausdruck des Zeugnisses ist. Die διακονία της καταλλαγής und der λόγος τής καταλλαγής in V. 18 Hofius, Versöhnung, 5, vom „apostolischen Dienst der Verkündigung" und „der Beauftragung der Apostel mit dem ,Dienst' der Versöhnungsprec/igt" (Hervorhebung von Hofius). 5 Dem entspricht die Interpunktion von Nestle-Aland, 26 1979, zu dieser Stelle. Bultmann, 2Kor, 163.164. 6 Hofius, Versöhnung, 4-7. 7 Hofius, Versöhnung, 4 (Hervorhebungen von Hofius). 8 So richtig Bultmann, 2Kor, 163. Lang, 301, übernimmt Hofius' Unterscheidung. 9 Hofius, Versöhnung, 6. 10 Bultmann, 2Kor, 162. 11 Hofius, Versöhnung, 19. 12 Vgl. Anm. 4 sowie Hofius, Erwägungen, 187. 13 Hofius, Erwägungen, 192.

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und 19 stehen gleichbedeutend nebeneinander14. Sie stellen den Modus dar, in dem sich das Heilsereignis gegenwärtig vollzieht. „Das Evangelium... ist der λόγος της καταλλαγής." 15 In der Verkündigung „vollzieht sich das eschatologische Geschehen weiter". Die „apostolische Predigt gehört mit zum Heilsgeschehen"16. Gegen die von Hofius behauptete Parallelität zwischen V. 18b und 19a.b, 18 c und 19 c spricht also, daß V. 18 b und c Gott als den καταλλάξας explizieren, V. 19 b und c dagegen den Inhalt des Versöhnungsgeschehens nennen. Die καταλλαγή wird Realität im Nicht-Anrechnen der Übertretungen und im Aufrichten des Wortes der Versöhnung. Bultmann stellt im Blick auf V. 19 a als auffällig heraus, daß Paulus nicht wie in 1,21; 4,6 und 5,5 konstruiert: ότι Θεός ό καταλλάσσων έν Χριστφ. Als Ursache vermutet er, daß Paulus „nicht den Grund, sondern den Inhalt der διαθήκη της καταλλαγης angeben will" 17 . Dies würde der durch V. 19b und c zum Ausdruck gebrachten Intention entsprechen, die auf den Inhalt des Versöhnungshandelns zielt. Zugleich legt es nahe, die Wendung ήν... καταλλάσσων als coniugatio periphrastica aufzufassen: Gott hat in Christus die Welt mit sich versöhnt 18 . Die Aussageabsicht von V. 19 b und c, nicht den Gottesbegriff selbst19 - wie in V. 18 b und c - zu entfalten, sondern den Inhalt des Versöhnungshandelns Gottes anzugeben, würde damit bereits durch die Formulierung von V. 19 a vorbereitet. V. 19 a wäre dann anders als V. 18 b nicht primär als eine Definition Gottes aufzufassen, sondern zielte bereits auf den Inhalt des Heilsgeschehens. Paulus signalisierte also bereits mittels seiner periphrastischen Konstruktion die Aufhebung der Parallelität, die er in V. 19b.c vornimmt. Streng genommen ist damit auch die Parallelität zwischen V. 18 b und 19 a aufgehoben. Als eine Art von Definition Gottes kann damit unmittelbar nur V. 18 b (und c) herangezogen werden. Einschränkend muß allerdings festgehalten werden: Die coniugatio periphrastica deutet eine Tendenz an. Keinesfalls geht die Aufhebung der Parallelität zwischen V. 18 und 19 so weit, als sei von etwas Verschiedenem die Rede. Es handelt sich um die Verschiebung von Akzenten. In bezug auf die Rede von Gott bleibt daher nach wie vor die Eingangsfeststellung in Geltung, daß sowohl in V. 18 a als auch in V. 19 a von Gott geredet wird, und zwar in der Weise, daß er über sein versöhnendes Handeln begriffen wird. Die Beziehung des Versöhnungsgeschehens auf den Menschen erfolgt neben dem 14

Bultmann, 2Kor, 162. Bultmann, Theologie, 286. 16 Bultmann, Probleme, 312. 17 Bultmann, 2Kor, 162. 18 Anders Windisch, 2Kor, 193, und Hofius, Versöhnung, 7. Bei Hofius findet sich eine Zusammenstellung der unterschiedlichen Positionen und ihrer Vertreter. 19 Gegen Lindemann, Gott, 368, der unter Bezugnahme auf Lietzmann, 126, übersetzt: „Der die Welt mit sich versöhnte - das war Gott." Ähnlich Dinklers Ubersetzung in Bultmanns Kommentar, 2Kor, 146. Vgl. auch B-D-R, § 3537. 15

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ήμας in V. 18 b durch das ήμιν in V. 18 c und das έν ήμϊν in V. 19c. Damit sind die Gläubigen, d. h. die christliche Gemeinde, bezeichnet20. Trotz deutlicher Ubereinstimmungen zwischen V. 18 und 19 läßt sich insgesamt ein Fortschritt im Gedankengang von V. 18 nach V. 19 feststellen. In V. 18 sind sowohl das καταλλάσσειν als auch die Gabe der διακονία της καταλλαγης funktional dem Gottesbegriff zugeordnet. Sie dienen seiner Explikation. V. 19 setzt zwar auch mit der Rede von Gott ein. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Gottes Versöhnungshandeln durch Christus hinsichtlich seiner Bedeutsamkeit für die Glaubenden. V. 20 stellt die Funktion des Boten für die Botschaft von der Versöhnung mit Gott heraus. Der Bote redet an Christi Statt und ruft im Auftrage Christi in die Versöhnung. Seine Botschaft gehört selbst zum Heilsgeschehen dazu 21 . V. 21 benennt, worin das Versöhnungshandeln Gottes inhaltlich besteht. Dies hatten zwar auch V. 19 b und c bereits getan, jedoch geschah das dort in einer anderen Ausrichtung. V. 19 b und c brachten den Charakter der Versöhnung im Blick auf seine Bedeutung für den Menschen zum Ausdruck. In V. 21 wird das Versöhnungswerk nicht lediglich „in neuer Formulierung" beschrieben und das deshalb, weil Paulus „jetzt direkt als Apostel redet" 22 . Die Versöhnung wird in V. 21 a vielmehr als ein primär auf Christus bezogenes Ereignis betrachtet. Gott handelt an Christus. Die soteriologische Zuspitzung dieses Geschehens fehlt jedoch auch hier nicht. Sie wird im Rahmen der Stellvertretungsvorstellung durch die Wendung υπέρ ήμών zum Ausdruck gebracht. Die Formulierung erinnert damit an Aussagen aus dem Bereich des vorpaulinischen Formelguts. Dort wurde ebenfalls von Gottes Handeln an Christus gesprochen und die soteriologische Relevanz dieses Geschehens durch υπέρ ήμών ausgedrückt23. Auf die Bedeutung der Aussage von V. 21 a geht der nachfolgende Finalsatz V. 21 b ein. Gottes Handeln an Christus wird von Paulus als unmittelbar auf die ήμεΐς zielend verstanden. Die δικαιοσύνη Θεοΰ bildet den Ertrag des Heilsgeschehens24. 20 Bultmann, 2Kor, 162. Als denkbare Möglichkeit zum Verständnis νοηήμίν in V. 18 c käme auch eine Deutung auf die Apostel in Frage. Vgl. auch Bultmann, Probleme, 309. 21 Bultmann, 2Kor, 165. 22 Gegen Bultmann, 2Kor, 166. 23 Vgl. etwa die Dahmgabeformel in Rom 8,32 und Rom 4,25, außerdem die Sterbensformel in Rom 5,8. Vgl. dazu Kap. 4.2. E. Käsemann, Erwägungen zum Stichwort „Versöhnungslehre im Neuen Testament", in: Zeit und Geschichte, Dankesgabe an R. Bultmann zum 80. Geburtstag, hg. v. E. Dinkier, 1964, 47-59, ist gar der Auffassung, daß es sich in V. 19-21 um „ein vorpaulinisches Hymnenstück" handelt (50). Dafür sprächen das „hymnische Pathos der Stelle", die „vielen Partizipialprädikationen", die „zweifellos liturgischen Geist (atmen)" sowie die für Paulus untypische Ausdrucksweise (49). Vgl. dagegen die Argumente bei Hofius, Versöhnung, 3 Anm. 3 und Hofius, Erwägungen, 187. 24 Vgl. D.Lührmann, Rechtfertigung und Versöhnung. Zur Geschichte der paulinischen Tradition, ZThK 67,1970,437-452,445. Damit geht Paulus in 2Kor 5,18-21 in seinem Gedankengang umgekehrt als in Rom 5,1-11

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Für die Herleitung des paulinischen Versöhnungsgedankens werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten erwogen. Nach F. Hahn stammt er aus der hellenistischen Umwelt und ist durch das hellenistische Judentum vermittelt worden. Er setze Traditionen voraus, in denen die Versöhnung im Zusammenhang einer weltumfassenden Friedensstiftung gedacht wurde 25 . C. Breytenbach rechnet mit einer Anknüpfung des Paulus an eine profane Versöhnungsvorstellung26. E. Käsemann führt den Versöhnungsgedanken auf die hellenistische Gemeinde zurück. Hinter der anthropologischen Versöhnungsvorstellung bei Paulus stehe als eine ältere Version eine kosmologische Auffassung von der Versöhnung 27 . M. Wolter nimmt für den Versöhnungsgedanken mit Ausnahme von Kol 1,20 einen jüdischen Vorstellungshintergrund a n 2 8 , 0 . Hofius versteht ihn als eine eigenständig paulinische Konzeption, die unter dem Einfluß der Botschaft Deuterojesajas zustande gekommen sei 29 , und laut L. Goppelt hat Paulus selbst zuerst das Werk Christi als Versöhnung interpretiert 30 . Auch wenn in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Herkunft des Versöhnungsgedankens keine Entscheidung zu treffen ist, ist zum Verständnis der Position des Paulus festzustellen: Trotz einer möglichen Ähnlichkeit, Verwandtschaft oder Abhängigkeit mit bzw. von vorpaulinischen Vorstellungen dominiert die Eigenständigkeit seines Gedankens. Durch die christologische Einbindung der Versöhnungsvorstellung wird der Vorgang des „Heilwerden(s) des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch" 31 exklusiv an Christus geknüpft. Gleichwohl bleibt Gott der Handelnde in diesem Geschehen. Möglicherweise formuliert Paulus mit seiner Ausdrucksweise wiederum eine Abgrenzung von der in Korinth herrschenden enthusiastischen Christologie. Trotz der christologischen Interpretation des Versöhnungsgeschehens ist es eben Gott, der in Christus die Welt versöhnte, und nicht Christus selbst, der dies vollbrachte. Durch die Verknüpfung mit der Christologie und die soteriologische Ausrichtung auf den Menschen steht der Versöhnungsgedanke bei Paulus trotz einer möglichen strukturell oder traditionsgeschichtlich vorliegenden Verwandtschaft zu vorpaulinischen oder außerchristlichen Vorstellungen gerade nicht in der Kontinuität zu diesen, vor, wo er zunächst mit der Rechtfertigung einsetzt (V. 1.9), ehe er in V. 10 und 11 auf die καταλλαγή zu sprechen kommt. Vgl. dazu Kap. 5.1.10. Ein weiteres Mal erscheint der Begriff καταλλαγή bei Paulus noch in Rom 11,15. 2 5 F. Hahn, „Siehe, jetzt ist der Tag des Heils". Neuschöpfung und Versöhnung nach 2.Korinther 5,14-6,2, EvTh 33,1973,244-253,247. 2 6 C. Breytenbach, Versöhnung. Eine Studie zur paulinischen Soteriologie, WMANT 60, 1989,187-189; vgl. auch 45-83. 2 7 Käsemann, Versöhnungslehre, 48.50. 2® Wolter, 87. 2 9 Hofius, Erwägungen, 196-199. 3 0 Goppelt, 152. 31 Goppelt, 153.

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sondern in der Diskontinuität. Von Versöhnung ist nach Paulus nur unter Bezugnahme auf Christus zu sprechen 32 . Die Versöhnung bezeichnet dabei nicht objektivierend ein Handeln Gottes unter Absehung der sie betreffenden Menschen. Sie wird von Paulus vielmehr direkt in Beziehung zum Menschen gesetzt. Die Versöhnung stellt den Menschen in die υπακοή πίστεως. Durch die καταλλαγή wird ihm die Gerechtigkeit Gottes zuteil. Der Rede von der Versöhnung entspricht auch die Art, in der Paulus im Rahmen der Versöhnungsvorstellung von Gott spricht. Gott ist der durch Christus versöhnende Gott, d.h. Gott stellt durch das Christusgeschehen den Menschen in die Gemeinschaft mit sich selbst. Real wird dieser Vorgang im Glauben. Gott, von dem das Versöhnungsgeschehen ausgesagt wird und der durch sein versöhnendes Handeln geradezu definiert wird, ist von Christus her zu begreifen. Sein Gottsein erweist sich in seinem Handeln, das in 2Kor 5,18-21 konkret als versöhnendes Handeln gefaßt ist.

5.1.6 Das Verhältnis zwischen Christus und Gott in den Korintherbriefen Paulus bringt in 2Kor 5,18-21 mit der Aussage, daß Gott durch Christus die Versöhnung schafft, sein Verständnis von Gott als dem Handelnden zum Ausdruck. Gleichwohl ist die Bedeutung des Satzes mit der Feststellung seines theologischen Gehalts nicht erschöpft. Die Formulierung läßt vielmehr ebenfalls erkennen, in welcher Weise Paulus das Verhältnis zwischen Christus und Gott auffaßt. Die Tatsache, daß Paulus Gott ausdrücklich als „durch Christus" handelnd versteht, zeigt, daß er das Verhältnis zwischen beiden im Sinne der Unterordnung Christi unter Gott begreift. Damit drückt sich eine Verhältnisbestimmung aus, wie sie auch schon für IKor 8,6 und IKor 15,23-28 charakteristisch war. Dies läßt darauf schließen, daß Paulus durch diese Zuordnung ein in der besonderen Situation der korinthischen Gemeinde angelegtes Problem theologisch angeht. In Korinth herrschte eine ausgeprägte enthusiastische Christusfrömmigkeit, die sich in einer Überschätzung des Geistbesitzes 1 und dem Bewußtsein, „schon vor der Parusie die volle Teilhabe am Heil mit Christus" 2 zu besitzen, äußerte. Einen Beleg für eine enthusiastische Hochschätzung ChriVgl. R o m 5,1.10.11. Lang, 5. 2 H . Köster, Einführung in das N e u e Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit, 1980, 559. Laut Lütgen, Freiheitspredigt, 75.86.89-91, hat Paulus mit libertinistischen Pneumatikern zu ringen, die Christus bzw. den Geist Christi allein für sich in Anspruch nehmen. Sie beanspruchten mit ihrer Verkündigung, eine die paulinische Kreuzespredigt übersteigende Offenbarung der Herrlichkeit Christi bieten zu können. Die umfangreiche Literatur bezüglich der in Korinth herrschenden Anschauungen arbeitet gegliedert Sellin, 17-37, auf. Vgl. besonders 24 Anm. 31-36 und 30-32. 32 1

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sti in Korinth bieten Stellen wie IKor 4,10 und 12,3; 2Kor 10,7; 11,3; 13,33. Paulus reagiert darauf ausdrücklich mit dem sog. Tränenbrief 2Kor 10-13 (vgl. u.a. z.B. 2Kor 11,16ff.; 12,1-10) und stellt im übrigen der korinthischen Position theologisch sein Verständnis des Kreuzes Christi entgegen. In IKor 1,17-2,5 geschieht dies geradezu programmatisch, jedoch ist auch hinter den übrigen Ausführungen der korinthischen Korrespondenz die Kreuzestheologie als theologisches Kriterium für einzelne Aussagen deutlich erkennbar. Vor dem Hintergrund der solchermaßen skizzierten Situation fügt sich auch die von Paulus vorgenommene Unterordnung Christi unter Gott sinnvoll in das Gefüge seiner Argumentation ein. Sie bedeutet eine Korrektur der bei den Korinthern festzustellenden einseitigen, ideologisierten Hochschätzung Christi. Indem Paulus Christus zu- und unterordnet, nimmt er den Korinthern die Möglichkeit, Christus isoliert als Kronzeugen ihres Enthusiasmus zu gebrauchen. Auch wer in der Gemeinschaft mit Christus steht, hat nicht die Welt bereits hinter sich gelassen und eine unbegrenzte Freiheit erreicht. Christus selbst bleibt Gott zu- und untergeordnet. Damit ist auch einer sich auf ihn berufenden Freiheit 4 der Rahmen gesteckt. Diese Auffassung hat Paulus besonders ausführlich in IKor 15,23-28 entfaltet. Die Herrschaft des Gott untergeordneten Christus ist begrenzt. Sie findet ihr Ende mit der Vernichtung der Mächte und der Übergabe der Herrschaft an Gott. Zusätzlich formuliert Paulus gegenüber den Korinthern den eschatologischen Vorbehalt, daß die Auferweckung erst bei der Parusie erfolgt. Der Gedanke der Unterordnung Christi unter Gott steht ebenfalls im Hintergrund der theologischen Ausführungen in 2Kor 5,18-21 und wird von Paulus außer mittels der traditionellen Formulierung in 1 Kor 8,6 auch an anderen Stellen explizit zum Ausdruck gebracht. So gesteht Paulus in IKor 3,21-23 zunächst zu: πάντα ύμών und ordnet dann seine Adressaten Christus zu: ύμεϊς δέ Χριστού. Der Möglichkeit, daß selbst diese klare Unterordnung der Christen unter Christus von den Korinthern enthusiastisch überstiegen werden könnte, tritt er entgegen, indem er auch Christus selbst ausdrücklich Gott unterordnet: Χριστός δέ Θεοΰ. Die christliche Freiheit darf sich also nie verselbständigen und zu einer eigenständigen Qualität werden. Nach Paulus existiert sie nur in der Zuordnung zu Christus bzw. Gott. In IKor 11,3 heißt es in Entsprechung zu 3,23: κεφαλή δέ του Χριστοί) ό Θεός. Angesichts der zu erörternden Frage nach dem Verhalten und der Ordnung im Gottesdienst verweist Paulus auf die Unterordnung Christi 3

Zur korinthischen Christologie vgl. auch Schmithals, Gnosis, 117-122. Eine Skizze des korinthischen Enthusiasmus findet sich auch bei Barth, Erwägungen, 516 und 521. 4 Vgl. die korinthische Parole π ά ν τ α μοι έξεσαν in IKor 6,12 und 10,23.

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unter Gott. Der argumentative Sinn dieses Hinweises gegenüber den Korinthern liegt darin zu sagen, daß Freiheit, selbst eine solche, die sich auf Christus berufen kann, stets eine zugeordnete bleibt5. Der Gedanke der Unterordnung Christi unter Gott kommt schließlich auch zum Ausdruck in der Bezeichnung Christi als είκών του Θεοΰ in 2Kor 4,46. Paulus begegnet der in Korinth vorliegenden Auffassung von christlichem Glauben damit, daß er zum einen seine eigene Christologie dezidiert vom Kreuz Christi her entfaltet und auch bei den einzelnen gegenüber den Korinthern zu erörternden Fragestellungen konsequent kreuzestheologisch argumentiert. Auf diese Weise tritt er der in Korinth herrschenden Erhöhungschristologie entgegen. Zum anderen bezieht er seine Rede von Christus auf Gott und löst das Verhältnis zwischen beiden im Sinne der Subordination Christi unter Gott. Damit verleiht er seiner christologischen Argumentation einen weiteren kritischen Akzent gegenüber einer überhöhten und ideologisch mißdeuteten Christusfrömmigkeit. Christus von Gott her zu verstehen und ihm unterzuordnen, muß in den Augen der Korinther einer Relativierung Christi gleichkommen. Paulus geht es dabei allerdings nicht um die Abwertung Christi, sondern um die Auflösung eines ideologisierten Christusverständnisses. Er wendet sich also in doppelter Weise gegen die korinthische Interpretation des Christusgeschehens und die daraus resultierende Praxis. Dies geschieht einerseits durch seine entschieden staurologische Entfaltung der Christologie und andererseits durch deren theo-logische Einbindung. Die in der korinthischen Korrespondenz zu beobachtende Subordination Christi unter Gott erklärt sich also aus den besonderen Verhältnissen der Gemeinde in Korinth, denen Paulus sich gegenübergestellt sieht. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, daß Paulus auch an anderer Stelle, etwa in Rom 8,31-34 7 , das Verhältnis zwischen Christus und Gott im Sinne der Unterordnung bestimmt. Vermag die Lage in Korinth die Verwendung des „Subordinationsmodells" auch in besonderer Weise einsichtig zu machen, ist damit zu fragen, warum, in welcher Weise und unter welcher Voraussetzung Paulus dieses Denkmodell auch an anderer Stelle verwenden kann 8 .

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Vgl. dazu schon Lütgert, Freiheitspredigt, 93.94. „Darin ist einmal ausgedrückt, daß Gott durch seine Eikon für den Glauben sichtbar wird, und zum anderen, daß in Christus als der Eikon Gott selbst sichtbar wird. Christus als Abbild Gottes ist also die Offenbarung und Repräsentation Gottes. Indem man die Verkündigung des Paulus ablehnt, lehnt man Christus ab, ja vielmehr Gott selbst;" F.-W. Eltester, Eikon im Neuen Testament, BZNW23,1958,133 (Hervorhebung von Eltester). Vgl. auch J.Jervell, Imago Dei. Gen l,26f. im Spätjudentum, in der Gnosis und in den paulinischen Briefen, FRLANT 76,1960,194-197 und 214-218. 7 Dazu s.u. Kap. 5.1.12. 8 Dazu s.u. Kap. 5.2.2: Die Unterordnung Christi unter Gott. 6

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Die Exegese des vorpaulinischen Christushymnus Phil 2,6-11 hatte im Blick auf das in ihm sichtbar werdende Gottesverständnis ergeben: Zunächst werden die Aussagen über Christus einem bereits bestehenden Gottesbegriff zugeordnet. Dann wird die Tat Christi beschrieben und analog dazu in Strophe zwei vom Tun Gottes gesprochen. Als Ziel des Handelns Gottes wird am Ende des Hymnus die δόξα Θεοί) angegeben. Diese ist an das Bekenntnis zum κύριος Ίησοΰς Χριστός gebunden. Paulus bearbeitet den Hymnus auf zweierlei Weise: Zum einen durch die Hinzufügung der Wendung Θανάτου δέ σταυρού in V. 8 c und zum anderen durch den Ort und die Art der Einfügung des Liedes in den Philipperbrief. Der bewußte paulinische Hinweis auf das Kreuz ist hier zum Anlaß genommen, diesen Abschnitt aus dem Philipperbrief im Anschluß an die korinthische Korrespondenz zu behandeln. In den Korintherbriefen argumentiert Paulus bei seinen Ausführungen dezidiert von der Kreuzestheologie her. Dies mag für ihn zum Anlaß geworden sein, auch an anderer Stelle, wie bei der Rezeption des Christushymnus, ebenfalls diesen Akzent zu setzen. Zumindest jedoch legt es die zeitliche Nähe zu den Korintherbriefen nahe. Mit dem Hinweis auf den Kreuzestod Christi endet die erste Strophe des Liedes Phil 2,6-11. Zu Christus, dessen Wesen und Tun der Hymnus darstellt, gehört für Paulus konstitutiv sein Tod am Kreuz. Weder der Hinweis auf seine Gottgleichheit noch seine Knechtsgestalt und sein όμοίωμα άνΘρώπων wie sein Weg in die Niedrigkeit bis hin zum Tod charakterisieren ihn für Paulus in zureichender Weise. Dem Gipfel von Strophe eins in V. 8 c entspricht das εις δόξαν Θεοΰ πατρός am Ende von Strophe zwei. Ist die Rede von Gott dort auch an das Bekenntnis zum κύριος Ίησοΰς Χριστός gebunden, erhält sie bei Paulus durch den Abschluß von Strophe eins ihren spezifischen Akzent. Der κύριος, den schließlich πάσα γλώσσα bekennen soll, ist ein Gekreuzigter. Von der Herrlichkeit Gottes ist nur angesichts dieses Endes seines Sohnes zu sprechen. Die δόξα Θεοΰ ist eine durch das Kreuz gebrochene δόξα. Führt also für den vorpaulinischen Hymnus der Weg des Gottgleichen durch Niedrigkeit und Erhöhung zur abschließenden Proskynese und Homologie des Kosmos, so ist es die paulinische Intention, zu zeigen, daß das Christusbekenntnis das Bekenntnis zu einem Gekreuzigten ist und daß von der Herrlichkeit Gottes nur vor dem Hintergrund dieses Geschehens zu reden ist. Paulus bricht damit die objektivierende Sichtweise des Hymnus, der den Weg des Gottgleichen mit seinen verschiedenen Etappen beschreibt,

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auf 1 . Auf diese Weise vermittelt er seinen Lesern, daß es keinen unmittelbaren Zugang zur Herrlichkeit Gottes gibt. Gegen eine Theo-logie der Herrlichkeitverweist er auf das Kreuz Jesu. Der Zugang zu Gott, der sich auch für den Hymnus über das Bekenntnis zum Kyrios vollzieht, impliziert für Paulus die Stellungnahme zum Kreuzestod Jesu. Von der Herrlichkeit Gottes ist nur unter der Perspektive des Kreuzes Jesu zu reden. Dieser durch die Bearbeitung des Hymnus sichtbar werdenden Intention entspricht auch die Einordnung in den Kontext durch Paulus. Der Zusammenhang von 1,27-2,18 bildet eine Paränese, die durch 1,12-26 bereits vorbereitet wird. Paulus will seinen Lesern in 1,27-30 „ihr Leiden als einen Bestandteil ihres Glaubens, ihres Zu-Christus-Gehörens verständlich machen" 2 . Er stellt den Philippern dazu jedoch Christus nicht als ein ethisches Vorbild vor Augen, das sie zu imitieren hätten 3 . Vielmehr zeigt er ihnen, daß der Glaube an Christus nicht von der Erfahrung des Leidens (1,29) zu trennen ist - so wie auch der präexistente Christus nicht von seinem Tod am Kreuz abgelöst gesehen werden darf (2,8). Das schließt freilich nicht aus, daß zu einem φρονεϊν, wie es im Bereich Christi angemessen ist (2,5) 4 , auch ein Christus entsprechender Gehorsam gehört. Dieser Gehorsam bezieht sich jedoch nicht auf eine Orientierung am ethischen Vorbild, sondern auf die Übernahme des Kreuzes Christi 5 . Der theo-logische Akzent des Christushymnus findet sich auch in den paulinischen Aussagen des Kontextes wieder. In 1,28 ist von der σωτηρία άπό Θεοΰ die Rede. Die auf Gott bezogene σωτηρία wird in V. 29 durch ein in besonderer Weise charakterisiertes Verhältnis zu Christus expliziert. Sie wird inhaltlich entfaltet als das Geschenk, für Christus zu leiden 6 . Von Gott wird also in V. 28 unter dem Aspekt der von ihm ausgehenden σωτηρία gesprochen. Diese wiederum realisiert sich - paradoxerweise - in der an Christus orientierten Leidensnachfolge. Gottes Heil erscheint im Leiden. Paulus interpretiert damit in 1,28.29 die σωτηρία Gottes in gleicher Weise wie die δόξα Θεοΰ innerhalb des Hymnus (2,11). Gewissermaßen 1 Vgl. Weder, 214: „Mit dem Ausdruck ,zum Tode am Kreuz' wird das mythologische Verständnis Christi in die Kehre gebracht und aufgebrochen. Der Mythos wird jetzt im Rahmen des Kreuzes verstanden". 2 Walter, Leiden, 430. 3 Käsemann, Phil 2,5-11, 81; Bornkamm, 177; Weder, 215. So im Grundsatz auch Schräge, Ethik, allerdings verbunden mit dem Hinweis, daß der Gedanke des Vorbildes auch „nicht ganz auszuschalten" (171) sei. Christi Selbstentäußerung setze „eine bestimmte Grundrichtung christlichen Lebens aus sich heraus" (172). 4 Zur Übersetzung von 2,5 vgl. Käsemann, Phil 2,5-11, 91; Weder, 215. G. Barth, Der Brief an die Philipper, ZBK N T 9, 1979, 40: „Seid so gesinnt, wie es (dem Leben) in Christus Jesus (entspricht)". 5 Vgl. Weder, 216. 6 Zum retardierenden Charakter der Wendung ου μόνον τό εις αύτόν πιστεύειν vgl. Walter, Leiden, 430; J. Gnilka, Der Philipperbrief, HThK X / 3 , 1 9 6 8 , 1 0 0 .

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Die Rede von Gott bei Paulus

bereits im Vorgriff auf die von ihm durch 2,8 c vorgenommene entscheidende Veränderung der christologischen wie der theo-logischen Aussage des Hymnus formuliert er in 1,29, ohne an eine Tradition gebunden zu sein, seine Auffassung, daß es keinen direkten, ungebrochenen Zugang zum Heil Gottes gibt. Von der σωτηρία wie von der δόξα Gottes ist nur in der Gebrochenheit der Leidensnachfolge Christi bzw. vom Kreuzestod Christi her zu reden.

5.1.8 Exkurs zu Rom 1,18-32: Natürliche Gotteserkenntnis? In den jüdischen Schriften der hellenistisch-römischen Zeit vollzog sich die Vermittlung der Gottesbeziehung primär über das Gesetz, aber auch über die Erkenntnis Gottes in der Schöpfung und an den Werken seiner Schöpfung. Letzterem gegenüber nimmt Paulus in Rom 1,18-32 ausdrücklich Stellung. Dabei spielt es in der Sache für die Aussage keine Rolle, wenn Paulus in diesem Abschnitt in erster Linie an Nicht-Juden denkt 1 . Zu erwägen ist jedoch, ob aufgrund von V. 20 nicht die Annahme näher liegt, daß Paulus sich hier auf eine Weise der Gotteserkenntnis bezieht, die im hellenistischen Judentum zu beobachten ist2. Nach paulinischer Darstellung führen die Versuche einer unmittelbaren Gotteserkenntnis über die Schöpfungswerke nicht zu einem Zugang zu Gott. Eine heilvolle Gottesbeziehung kommt, wie Paulus die Erfahrung zeigt, auf diese Weise gerade nicht zustande. Die Erkenntnis der der Vernunft zugänglichen άόρατα Gottes in den Schöpfungswerken hat nicht zu einer von Heil geprägten Gottesbeziehung geführt, sondern das Gegenteil erreicht (1,20). Statt Gott Ehre und Dank zu erweisen, haben die Menschen ihn vergegenständlicht (1,23)3. Die Folgen werden in ihrem widernatürlichen und widersittlichen Lebenswandel sichtbar (1,24.26-31)4, den Paulus als Reaktion und Strafe Gottes für ihr Verhalten interpretiert 5 . 1 Vgl. G. Bornkamm, Gesetz und Natur. Rom 2,14-16, in: Ders., Studien zu Antike und Urchristentum, Ges. Aufs. Bd. II, BEvTh 28, 3 1970,93-118, 94. Zu dem Abschnitt Rom 1,18-32 insgesamt vgl. Wilckens, Rom 1 - 5 , 93-121. 2 Charakteristisch dafür sind Philo und Ps-Philo. Vgl. dazu oben Kap. 3.11 und 3.12. Vgl. aber auch Anm. 3. Vgl. Synofzik, 79. 3 Käsemann, Römer, 36.37, verweist in diesem Zusammenhang auf jüdische Belege aus SyrBar 54,17ff. und TestNaph 3,2-5: „Test. Napht. 3,2-5 verwendet in der Beschuldigung sogar das paulinische Stichwort der Vertauschung des Göttlichen mit dem Irdischen." (37) Beide Stellen richten sich jedoch gerade nicht gegen Heiden, sondern zielen auf jüdische Leser. Der Verfasser vonTestNaph 3,4 denkt dabei an Juden, die ganz zu Recht (!) „an [Himmels-]feste, Erde und Meer und an allen Schöpfungs werken den Herrn, der alles geschaffen hat, erkenn(en)". Ihnen gilt um so mehr die Warnung vor einer Perversion ihrer Erkenntnis. Vgl. Schmithals, Römerbrief, 77. 4 Vgl. das dreimalige παρέδωκεν αυτούς in V. 24.26 und 28. In der Zusammenstellung der Laster vereinigen sich „verschiedene, schon vor Pls im hellenistischen Judentum zusammengeflossene Traditionsströme". Käsemann, Römer, 46. 5 Damit ist wahrscheinlich, daß Paulus traditionelles Material, das im Bereich des hellenisti-

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Paulus widmet sich in diesem Abschnitt nicht theoretisch der für ihn womöglich offenen Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis. Er geht vielmehr von den für ihn evidenten negativen Konsequenzen des in V. 20 skizzierten Ansatzes aus. Hinter seinen eigenen Ausführungen steht als Position die Auffassung, nach der Gott der Nahe, sich dem Menschen heilvoll Zuwendende ist. Von diesem Verständnis her weist er den in V. 20 dargestellten Weg der Gotteserkenntnis zurück. Dies geschieht nicht, weil er diesen Weg als grundsätzlich verwerflich ansieht. Die Ursache seiner Ablehnung liegt vielmehr darin begründet, daß dieser Weg nicht zu dem Gottesverhältnis führt, von dem Paulus kündet. Paulus selbst geht bereits in diesem Anfangsteil des Römerbriefs davon aus, daß Gott der ist, der im Evangelium von Jesus Christus offenbar geworden ist. An die im Evangelium offenbar gewordene Gerechtigkeit Gottes ist der Mensch verwiesen. Allein die πίστις ermöglicht ihm das Verhältnis zu Gott (Rom 1,16.17). So gilt bereits für das Verständnis der όργή Θεοΰ in V. 18: Es handelt sich nicht um die ungebrochene Aufnahme und bloße Fortschreibung einer jüdischen Tradition, die vom Zorngericht Gottes kündet 6 . Von Rom 1,16.17 her wird deutlich, daß Paulus mit dem Gottesbegriff in der Wendung όργή Θεοΰ den christologisch interpretierten Gott meint. Wie an anderen Stellen auch, greift er eine traditionelle Formulierung auf. Gleichwohl läßt der Kontext erkennen, daß er an die Stelle ihrer ursprünglichen Bedeutung seine eigene Interpretation setzt. Vor dem Hintergrund seines eigenen christologischen Gottesverständnisses ist es daher nur konsequent, daß die paulinische Argumentation im Duktus von V. 2 0 - 2 5 darauf hinausläuft, die negativen Konsequenzen einer nicht in Christus begründeten Gotteserkenntnis zu zeigen. Diese endet für Paulus im Götzendienst. Das Geschaffene wird anstelle des Schöpfers zum Gegenstand der Verehrung (V. 25). Auf den Menschen gewendet bedeutet dies: Er bleibt mit diesem Versuch, zu Gott zu gelangen, bei sich selbst. Folgerichtig ist er seinen eigenen Begierden ausgeliefert. Paulus spricht damit im Kern bereits den Grundgedanken aus, den er in Rom 10,2.3 gegenüber Juden formuliert, der aber auch in anderen Zusammenhängen wie IKor 8 , 1 - 6 zum Ausdruck kommt: Abseits von seiner Offenbarung in Christus ist nicht von Gott zu sprechen. Jede nicht-christologische Interpretation Gottes erreicht Gott nicht.

sehen Judentums der Polemik gegenüber Heiden, aber auch der Paränese gegenüber Juden diente, gegen die in V. 2 0 skizzierte hellenistisch-jüdische Redeweise von Gott zum Einsatz bringt. 6 Darauf ist gegenüber Betz, Θεός, 351, hinzuweisen.

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Die Rede von Gott bei Paulus 5.1.9 Rom 3,21-31: Der rechtfertigende Gott

In Rom 3,20 schließt Paulus den Gedankengang von Rom 1,18-3,20 mit der negativen Feststellung εξ έργων νόμου ου δικαιωΘήσεται πασα σάρξ ab. Den Funktionsbereich des Gesetzes bestimmt er dementsprechend als auf die έπίγνωσις άμαρτίας beschränkt. Mit V. 21 kehrt er zum Ausgangspunkt seiner Darlegungen in 1,17 zurück 1 . Er wendet sich damit direkt dem Thema zu, vor dessen Hintergrund auch 1,18-3,20 zu verstehen ist2, der δικαιοσύνη Θεοί). Paulus löst in V. 21 die δικαιοσύνη Θεοΰ geradezu programmatisch vom Gesetz. Sie ist offenbart χωρίς νόμου. Dies wird bezeugt vom Gesetz und den Propheten, d.h. vom Alten Testament3. Der Vers bildet die Uberschrift des Abschnitts 3,21-31. Die Argumentation vollzieht sich in zwei Durchgängen. In V. 22-26 wird die δικαιοσύνη Θεοΰ aus ihrer Bindung an das Christusgeschehen heraus im Blick auf den Menschen entfaltet, ohne daß vom νόμος die Rede ist. V. 27-31 handelt angesichts des νόμος auf der Grundlage der durch die Rechtfertigung veränderten Situation des Menschen von dem rechtfertigenden Gott, ohne daß Christus explizit erwähnt ist. Beide Gedankengänge haben den Menschen vor Gott zum Thema, allerdings in unterschiedlicher Perspektive. Rom 3,22-26 setzt in V. 22 ein mit der Bestimmung der δικαιοσύνη Θεοΰ als einer an den Glauben an Jesus Christus gebundenen. Das δια πίστεως entspricht dabei in positiver Weise dem negativ formulierten χωρίς νόμου aus V. 21 a. Es handelt sich um eine Gerechtigkeit für die Glaubenden, wobei Paulus die Frage nach den Empfängern der δικαιοσύνη durch die Formulierung zuspitzt: εις πάντας τους πιστεύοντες (V. 22). Das πάντας erfährt seine Begründung aus der von Paulus nachgestellten Konstatierung der Unterschiedslosigkeit zwischen den verschiedenen Menschengruppen. Diese wiederum begründet er hamartiologisch. Juden wie Griechen unterliegen gemeinsam der Sünde4. Folglich erlangen sie nicht die Herrlichkeit Gottes (V. 23). Hinsichtlich der δόξα τοΰ Θεοΰ besteht also aufgrund der alle betreffenden Sünde trotz unterschiedlicher anthropologischer Voraussetzungen gerade keine διαστολή. Die Sünde ebnet anthropologische Prämissen ein und weist ihnen theologische Irrelevanz zu. Der Stand aller Menschen vor Gott ist unterschiedslos durch die Sünde qualifiziert. Hat Paulus damit dem Menschen einen Ort zugewiesen, der Qualitäten vor Gott ausschließt, wendet er sich wiederum dem Rechtfertigungsgeschehen zu (V. 24). Dieses gründet in der Gnadentat Gottes 5 und vollzieht sich durch die 1

Wilckens, Rom 1-5,183. Vgl. dazu Klein, Römer 4,145.146. 3 Käsemann, Römer, 87. 4 Vgl. auch Rom 3,9. 5 Bultmann, Theologie, 289. Gegen Käsemann, Römer, 90, der meint, χάρις sei nicht „die Gnadentat, sondern die eschatologische Macht". 2

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Erlösung in Christus Jesus. Wie in V. 22 ist die Rechtfertigung christologisch verankert 6 . Mittels der traditionellen Formel in V. 25.26a expliziert Paulus den Charakter der Erlösung in Christus. Dabei verschärft er den schon in der traditionellen Formel selbst enthaltenen kritischen Akzent gegenüber dem jüdischen Kultverständnis 7 . Dieser war dadurch gegeben, daß Christus als das ιλαστήριον, d.h. als das Mittel, mit dem Gott Sühne schafft, bezeichnet wurde. Die Sühne vollzieht sich nicht im Kult, sondern im Sühnehandeln Gottes an und mittels Christus. Durch den Zusatz δια [της] πίστεως nimmt Paulus eine weitere Korrektur an der traditionellen Vorstellung vor. Die christlich-vorpaulinische Formulierung läßt das Aufstellen Christi zum ιλαστήριον als ein einmaliges in der Vergangenheit vollzogenes Handeln Gottes erscheinen, das sich aus sich selbst heraus und objektiv als wirksam erweist. Demgegenüber liegt Paulus an der Vergegenwärtigung dieses Geschehens und seinem Bezug zu den Glaubenden. Die Aussage, daß Gott Christus öffentlich als ιλαστήριον aufstellte, ist für ihn daher an den Glauben gebunden. Erst die πίστις „als die gehorsame Unterwerfung unter den von Gott bestimmten Heilsweg, als die Übernahme des Kreuzes Christi" 8 erschließt den Zugang zu diesem Geschehen. Paulus nimmt also eine traditionelle Sühneformel auf, in der entgegen alttestamentlichem Verständnis 9 Christus als das ιλαστήριον den Gegenstand und das Mittel des sühnenden Handelns Gottes darstellt. Sodann führt er die Korrektur der der Formel zugrundeliegenden Vorstellung fort. Durch den Zusatz δια [της] πίστεως vollzieht er eine grundsätzliche Kritik an der Sühnevorstellung als solcher 10 . Das ιλαστήριον wirkt nicht aus sich selbst heraus. Gottes Sühnehandeln erschließt sich erst der πίστις. Damit aber ist letztlich auch die Frage nach Gott selbst an die πίστις gebunden. Diesen Aspekt hatte die judenchristliche Formel noch nicht im Blick. Sie bewegte sich gedanklich im Rahmen des alttestamentlichen Sühneverständnisses, wenngleich bereits auch sie eine grundsätzliche Abkehr von der alttestamentlichen Vorstellung vollzogen hatte, indem sie Christus als Mittel des Sühnehandelns Gottes verstand. Durch den Zusatz δια [της] πίστεως bringt Paulus eine gegenüber dem Gottesverständnis der judenchristlichen Gemeinde, wie es sich in der Formel zeigt, inhaltlich veränderte Auffassung von Gott zum 6 Käsemann, Römer, 89. Käsemann ist jedoch der Auffassung, daß in V. 24 bereits geprägte Tradition vorliegt. Gegenargumente bei Wilckens, Rom 1-5,184. Vgl. oben Kap. 4.3. 7 Vgl. auch die zusammenfassenden Ausführungen zum Verhältnis von Tradition und paulinischer Interpretation in Rom 3,24-26 bei E. Lohse, Die Gerechtigkeit Gottes in der paulinischen Theologie, in: Ders., Die Einheit des Neuen Testaments. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments, 1973,209-227,220-223. 8 Bultmann, Theologie, 316.317. Διά πίστεως meint „keinesfalls Gottes Bundestreue". Käsemann, Römer, 92, gegen Pluta, 105-111. 9 Vgl. Lev 16. 10 Vgl. Michel, 109: „διά πίστεως ist bei Pls häufig als Kampfformel gebraucht und bezeichnet den neuen Heilsweg im Gegensatz zum Gesetz".

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Die Rede von Gott bei Paulus

Ausdruck. Indem er die Rede von Gott an die πίστις bindet, verknüpft er sie mit dem Kreuz Christi. Ist die πίστις die Übernahme des Kreuzes Christi, läßt sich der Zugang zu Gottes Sühnehandeln nur in der Nachfolge des Gekreuzigten gewinnen. Konnte die judenchristliche Formel noch vergleichsweise absolut von Gott als dem reden, der an und mittels Christus handelt, spricht Paulus von Gott als dem, der im Kreuz Christi sichtbar wird. Paulus interpretiert den in der Formel gebrauchten Gottesbegriff durch die Wendung δια [της] πίστεως im Sinne seiner Christologie. Die jedoch ist eine andere als die in der Formel zum Ausdruck kommende. Wer Gott ist, läßt sich nach Auffassung des Paulus nicht auf die Aussage beschränken, daß er Christus als Mittel zur Sühne für die Gemeinde einsetzt. Eine so geartete Rede von Gott steht unter der Voraussetzung eines an und für sich existierenden Gottes. Erst nachträglich wird das Sein Gottes durch eine Eigenschaft wie die δικαιοσύνη αύτοΰ (V. 25 b) bzw. eine Verhaltensweise wie sein Sühnehandeln (V. 25 a) expliziert. Charakteristisch für diese Redeweise von Gott ist, daß sie ohne unmittelbaren Bezug auf den Menschen erfolgt, der von Gott spricht. Die Beziehung zum Menschen wird vielmehr erst nachträglich hergestellt - innerhalb der Formel dadurch, daß Gottes Sühnehandeln sich heilvoll für den Menschen auswirkt. Paulus dagegen bindet durch die Wendung δια [της] πίστεως erstens die Rede von Gott direkt an den Menschen, der von Gott redet, und nimmt zweitens damit zugleich eine seiner eigenen Christologie entsprechende Interpretation Gottes vor. Ist Christus für Paulus der Gekreuzigte, dessen Heilsbedeutung sich dem Glaubenden in der Übernahme des Kreuzes eröffnet, ist auch der von diesem Christus her verstandene Gott ein anderer als der, von dem die Sühneformel spricht. Die gewandelte Christologie zieht die Veränderung derTheo-logie nach sich. Paulus macht durch die Ergänzung δια [της] πίστεως aus der Darstellung einer „Heilstatsache" ein Bekenntnis. Er verläßt die objektivierende Distanz im Reden von Gottes Handeln und gelangt zur Rede von Gott aus der Perspektive des sich in unmittelbarer glaubender Relation zu Gott befindlichen Menschen. Mit der Bindung an die πίστις erfährt die Rede von Gott inhaltlich ihre Konkretion. Die πίστις verweist auf das Christusgeschehen und die Weise seiner Aneignung durch den Menschen11. Zugleich wird hiermit der Gottesbegriff christologisch - d. h. im Sinne der paulinischen Christologie - gefüllt. Der der traditionellen Formel zugrundeliegende Gottesbegriff wird von Paulus überholt und neu qualifiziert. Der den Men1 1 Vgl. Bultmanns Ausführungen zur πίστις; Theologie, §§ 3 5 - 3 7 . A . v. Dobbeler, Glaube als Teilhabe. Historische und semantische Grundlagen der paulinischen Theologie und Ekklesiologie des Glaubens, W U N T 2. Reihe 22, 1987, 84, versteht unter πίστις in R o m 3,25 „die exklusive Weise, Anteil an der ein für allemal vollzogenen Sühne zu erlangen, deren Wirkung entsprechend dem atl. Sühneritual die Vergebung der Sünden ist (V. 25 b)".

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sehen mittels Christus Sühne schaffende Gott ist laut Paulus der, der sich im Kreuz Christi offenbart hat. Dieser Gott erschließt sich δια [της] πίστεως. Die weitere Interpretation der traditionellen Formel durch Paulus, die er in V.26b vornimmt, entspricht der durch δια [της] πίστεως angegebenen Richtung und verstärkt sie. Zwei Verschiebungen gegenüber der ursprünglichen Intention der Formel lassen sich beobachten. Die Wendung εις ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ aus der Formel nimmt Paulus fast gleichlautend mit der Formulierung προς την ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ auf. Daß es sich bei der zweiten Formulierung um einen Rückbezug handelt, zeigt der Artikel vor ενδειξις an. Paulus bezieht sich auf „die eben schon genannte ενδειξις" 12 . Dem sich in der Formel anschließenden δια την πάρεσιν των προγεγονότων άμαρτημάτων steht als Fortsetzung innerhalb der paulinischen Interpretation ein έν τω νυν καιρφ gegenüber. Beschränkte sich der Erweis seiner (sc. Gottes) Gerechtigkeit in der Formel auf den Erlaß der früher13 begangenen Sünden, liegt Paulus an dem Erweis seiner Gerechtigkeit zum jetzigen Zeitpunkt. Entsprechend seiner Interpretation von ιλαστήριον kommt es Paulus auch hier auf den unmittelbaren Bezug der Aussage zur Gegenwart der Gemeinde an. Die Bindung an die Vergangenheit, die auch hinsichtlich der Sündenvergebung für die Formel eigentümlich ist, wird einer Korrektur unterzogen. Kommt bei Paulus der Erweis der Gerechtigkeit Gottes unter dem Aspekt seiner gegenwärtigen Relevanz für die Gemeinde in den Blick, ist zu fragen, inwieweit das Konsequenzen für das Verständnis der δικαιοσύνη Θεοΰ bei Paulus im Gegenüber zu der Formel besitzt bzw. inwieweit umgekehrt die unterschiedliche Auffassung von der δικαιοσύνη Θεοΰ die pointierte Akzentuierung ihrer gegenwärtigen Wirklichkeit durch Paulus nach sich zieht. Die äußere Parallelität der Ausdrucksweise könnte zunächst nahelegen, beide Stellen im gleichen Sinn zu verstehen14. Zu erwägen wäre dann, ob „Gerechtigkeit" nach paulinischem Verständnis, wie es sich in V.26 ausdrückt, im Sinne einer Eigenschaft Gottes wie innerhalb der traditionellen Formel in V. 25 aufzufassen ist. Dies ist durch den Duktus des Textes von V. 24 nach V. 26 jedoch ausgeschlossen. Das Verständnis der paulinischen Formulierung προς την ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ ist nicht unmittelbar aus dem fast gleichlautenden Wortlaut der Formel abzuleiten und zu 12

Krämer, 215 Anm. 21. Lau: Wilckens, Rom 1-5,196, der darin Kümmel, πάρεσις, 262 f. und D. Zeller, Sühne und Langmut. Zur Traditionsgeschichte von Rom 3,24-26, ThPh 43, 1968, 51-75, 72, zustimmt, handelt es sich bei den προγεγονότα άμαρτήματα um die „Fehlhandlungen, die vor dem Sühnetod Christi geschehen sind". Klein, Rechtfertigung, 826, spricht dagegen von den „vor der Bekehrung begangenen Sünden". 14 So Wilckens, Rom 1 - 5 , 198, nach dessen Meinung V.26a die Aussage der Tradition wiederholt „mit dem Ziel ihrer pointierten Auswertung in V. 26 b". V. 26 a sei daher keinesfalls als eine Korrektur an der traditionellen Aussage von V. 25 zu verstehen. Die Bedeutung von δικαιοσύνη Θεοΰ in V. 25 und 26 sei gleich. 13

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Die Rede von Gott bei Paulus

übernehmen. Es ergibt sich vielmehr aus dem Anschluß von V. 26 b an V. 24 15 . Paulus knüpft mit V. 26b sachlich an V. 24 an - unter Aufgreifen der durch V. 25 vorgegebenen Terminologie. In V. 24 war das Rechtfertigungsgeschehen an Gottes Gnadentat der Erlösung in Christus gebunden. Dies bezeichnet V.26b als την ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ. Die χάρις Gottes wird als Erweis seiner Gerechtigkeit expliziert. Nicht die Gerechtigkeit als die „Eigenschaft göttlicher Gemeinschaftstreue"16 wie in der judenchristlichen Formel bestimmt die paulinischen Ausführungen. Für Paulus ist Gottes Gerechtigkeit „nicht primär Restitution des alten Bundes", und Rechtfertigung betrachtet er „nicht primär als Schlußstrich unter vormaligen Übertretungen, sondern als iustificatio impii" 17 . Dementsprechend liegt in seiner eigenen Formulierung in V. 26 der Akzent nicht auf der δικαιοσύνη als göttlicher Eigenschaft, sondern auf ihrer ενδειξις. Dieser Erweis vollzieht sich in der χάρις (V. 24). An die χάρις ist der Mensch gewiesen, um Gerechtigkeit zu erlangen. Sie ist nicht Gottes „gnädige Gesinnung, sondern sein sich jetzt ereignender Gnadenerweis"18. Paulus nimmt also in V. 26 b zwei Korrekturen gegenüber der ursprünglichen Intention der Formel vor. Er lenkt erstens weg vom Verständnis der δικαιοσύνη Θεοΰ als einer Eigenschaft Gottes hin zum Verständnis der Gottesgerechtigkeit als einer sich in der χάρις erweisenden. Die δικαιοσύνη bezeichnet damit „das Handeln Gottes am Menschen..., das eine neue Beziehung zwischen Gott und Mensch begründet"19. Zweitens kommt es ihm darauf an, daß diese Gerechtigkeit nicht ein auf die Vergangenheit bezogenes Ereignis darstellt, sondern ein die Gegenwart des Menschen betreffendes Geschehen bezeichnet. Beide von Paulus betonte Aspekte hängen unmittelbar miteinander zusammen. Paulus rückt gegenüber der Formel davon ab, über Gott „an sich" zu reflektieren und den Menschen nachträglich in eine Beziehung zu diesem Gott zu bringen. Er redet von Gott in seinem Verhältnis zum Menschen. Die Beziehung Gottes zum Menschen ist Inhalt der Rede von Gott. Den Charakter dieser Beziehung beschreibt Paulus durch das Christusgeschehen. Spricht die paulinische Rede von Gott jedoch von einem Beziehungsge1 5 Bultmann, ΔΙΚΑΙΟΣΥΝΗ, 471, versteht V. 26 von V. 21 f. her. „Denn in diesen ist die δίκ. Θεοΰ... deutlich die Gerechtigkeit, die einst unter dem Gesetz nicht erlangt werden konnte..., die aber jetzt den Glaubenden geschenkt wird." 1 6 Klein, Rechtfertigung, 826. 1 7 Käsemann, Rom. 3,24-26, 100. Unter direktem Bezug auf den vorliegenden Text fügt Käsemann als weiteren Beleg für eine Differenz zwischen der Formel und der paulinischen Bearbeitung hinzu, daß „das έν τφ νΰν καιρψ viel schärfer von der Vergangenheit (distanziert), als V. 25 es tat" (ebd. 100). 1 8 Bultmann, Theologie, 289. 1 9 K. Kertelge, „Rechtfertigung" bei Paulus. Studien zur Struktur und zum Bedeutungsgehalt des paulinischen Rechtfertigungsbegriffs, N T A N F 3, 1967, 305. Die Gerechtigkeit Gottes ist „Gottes Gabe an den Menschen". Klein, Römer 3 , 2 1 - 2 8 , 4 1 2 .

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schehen zwischen Gott und Mensch, ist die Betonung der Gegenwärtigkeit seiner Realisierung nur schlüssig. Dann ist nämlich die Rede von Gott immer an den gegenwärtig redenden Menschen gebunden, während eine primär an der vergangenen Tat Gottes orientierte Rede von Gott zumindest tendenziell in der Gefahr der Ablösung vom Menschen steht. Paulus tritt diesem Problem, das in der vorpaulinischen Bekenntnisformulierung noch nicht reflektiert wurde, durch die Vergegenwärtigung des Christusgeschehens entgegen. Dadurch hält er auch das Verhältnis zu Gott als eine stets neu zu realisierende Beziehung offen. In V. 26 c geht Paulus mittels einer Infinitivkonstruktion noch einmal auf den Gedanken der Gerechtigkeit Gottes ein. G. Klein vertritt ähnlich wie R. Bultmann 20 die Auffassung, daß Paulus mit der Wendung εις τό είναι αυτόν δίκαιον in V.26c den vorpaulinischen Gerechtigkeitsbegriff aus V. 25, also den genitivus subjectivus, „resümierend aufgreift" - freilich nur, um ihn „anschließend im Sinne seines eigenen Begriffs von δικαιοσύνη Θ ε ο ΰ . . . kritisch zu überholen" 21 . Damit werde „aus einem Seinsbegriff (εις τό είναι αύτόν δίκαιον)... ein forensischer (και δικαιοΰντα)" 2 2 . Dagegen ist jedoch einzuwenden: Anders als dies bei Klein und Bultmann der Fall ist, dürfen V. 26 c und V. 26 d nicht so auseinandergelegt werden, daß V. 26 c (εις τό είναι αύτόν δίκαιον) als auf V. 25 c (είς ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ) bezogen verstanden wird und V. 26d (και δικαιοΰντα τον έκ πίστεως Ιησού) auf die paulinische Auslegung der Tradition in V. 26 b (προς την 23 ενδειξιν της δικαιοσύνης αύτοΰ έν τφ νύν καιρώ). Paulus faßt in V. 26 c gerade nicht noch einmal das traditionelle Verständnis der Formel zusammen. Nur isolierte Betrachtungsweise dieses Verses führt zu dem MißVerständnis, als sei hier von der Gerechtigkeit als einer Eigenschaft Gottes die Rede 24 . Für sich genommen erscheint die Formulierung freilich zweideutig. Jedoch bliebe auch das Verständnis der δικαιοσύνη Θεοΰ in V. 26 b uneindeutig, würde man den Versteil isoliert betrachten. Insofern erschließt sich auch die Aussage von V. 26 c über die Gottesgerechtigkeit nur vom Kontext her. Der aber ist, wie V. 26 Ende beweist, eindeutig. Der Nachsatz V. 26 d zeigt, daß Paulus gerade die Fehlinterpretation von 20 21 22 23

Bultmann, Δ Ι Κ Α Ι Ο Σ Υ Ν Η , 471. Klein, Gottes Gerechtigkeit, 230. Klein, Gottes Gerechtigkeit, 2 3 0 Anm. 12. Vgl. dagegen bei Bultmann, Δ Ι Κ Α Ι Ο Σ Υ Ν Η , 4 7 1 : εις ενδειξιν statt πρός τήν ενδειξιν!

Gegen Η . Merklein, Die Bedeutung des Kreuzestodes Christi für die paulinische Gerechtigkeits- und Gesetzesproblematik, in: Ders., Studien zu Jesus und Paulus, W U N T 43, 1987, 1 - 1 0 6 , 3 6 , der unter Bezug auf R o m 3,26 c äußert: „Gerechtigkeit Gottes ist demnach für Paulus zuerst Gottes eigene Gerechtigkeit [gen. subj.], d. h. - wie in der Tradition - Gottes Bundestreue bzw. - um der allgemeineren Formulierung ,auf daß er gerecht ist' in R o m 3,26 c Rechnung zu tragen - Gottes Treue zu sich selbst." (Hervorhebung v o m Verfasser) 24

Conzelmann, Grundriß, 242.243, spricht vorsichtiger von einer „subjektiv aussehende(n) Wendung" (242), die von Paulus selbst ausgelegt wird.

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Die Rede von Gott bei Paulus

δικαιοσύνη im Sinne einer Eigenschaft Gottes vermieden wissen will. Eingeleitet durch das explikative25 καί erläutert Paulus, wie er den Vordersatz V. 26 c versteht. Εις τό είναι αυτόν δίκαιον heißt für ihn, daß Gott gerecht macht τον έκ πίστεως Ίησοΰ. V. 26d interpretiert V. 26c. Damit ist auch V. 26 c im Sinne des Paulus eigenen Gerechtigkeitsverständnisses aufzufassen, wie es in V. 26b und 26d zum Ausdruck gebracht wird. Der Vers ist daher nicht von der in V. 25 zugrundeliegenden Auffassung von Gerechtigkeit her zu interpretieren. Er ist vielmehr in Analogie zu der von Paulus in V. 26 b geäußerten Anschauung her zu verstehen, die Paulus in dem erläuternden Nachsatz V. 26 d ausdrücklich und abschließend als die ihm eigene Position unterstreicht. Für V. 26b und 26c gilt also in gleicher Weise: Mögen die paulinischen Aussagen für sich betrachtet auch traditionell klingen und das in ihnen geäußerte Verständnis von Gerechtigkeit leicht als übereinstimmend mit der Formel mißverstanden werden, so macht doch der Zusammenhang den Unterschied des Paulus gegenüber der Tradition klar. Die Eindeutigkeit für V. 26c wird durch den Nachsatz V.26d erzielt; und damit entspricht der Gerechtigkeitsgedanke in V. 26 c auch dem paulinischen Verständnis von Gottesgerechtigkeit in V. 26 b, das Paulus dort unter Aufnahme der traditionellen Wendung von V. 25, sachlich jedoch im Anschluß an V. 24, formuliert. V. 26c.d bilden damit ihrerseits gemeinsam wiederum einen erläuternden Nachsatz zu V. 26 b. Die vorgeschlagene Zuordnung der Versteile von V. 26 gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn sich der von H. Krämer unternommene „Versuch explikativer Deutung" von Rom 3,26 als zutreffend erweist. Dann ist nämlich V. 26c.d auch grammatikalisch unmittelbar auf V. 26 b bezogen. Krämer bringt die Zusammengehörigkeit von V.26c.d mit V. 26 b dadurch zum Ausdruck, daß er übersetzt: „,zum Erweis seiner Gerechtigkeit..., deren Wesen es ist, daß er gerecht ist und gerecht macht... '" 26 . In V. 21-26 hat Paulus von der sich gegenwärtig erschließenden Gerechtigkeit Gottes gesprochen. Dabei ist er zu einer Verhältnisbestimmung zwischen δικαιοσύνη Θεοΰ, Christusgeschehen und Glauben bzw. den Glaubenden gelangt. In V. 27-31 sind die Größen, die er zueinander in Beziehung setzt, andere bzw. anders bestimmte. Es sind - in Anknüpfung an den in der „Überschrift" V. 21 bereits eingebrachten Begriff - der νόμος, der rechtfertigende Gott und der Mensch. Die καύχησις, in V. 27 als für alle gleichermaßen ausgeschlossene Möglichkeit negativ eingeführt, gibt die Folie ab, vor der Paulus das Stichwort νόμος einbringt. Das Gesetz der Werke schließt die καύχησις nicht aus, 25

Wilckens, Rom 1 - 5 , 1 9 8 Anm. 567; Käsemann, Römer, 94. Schräge, Römer 3,21-26,87. Krämer, 215, geht in diesem Zusammenhang allerdings nicht auf die Bedeutung des καί ein. Vgl. auch Schräge, Römer 3,21-26, 87: Gottes „Gerechtsein ist sein Gerechtmachen" (Hervorhebung von Schräge). 26

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wohl aber das Gesetz des Glaubens. V. 28 begründet das damit, daß die Rechtfertigung an den Glauben geknüpft ist unter Ausschluß der Werke des Gesetzes. Das Gesetz des Glaubens ist der Glaube ohne das Gesetz. Paulus zielt auf die Exklusivität der Rechtfertigung πίστει (V. 28). Dazu führt er in seine Argumentation den νόμος-Begriff ein, überführt diesen in die Rede vom νόμος πίστεως, um dessen Wesen als δικαιοΰσΘαι πίστει χωρίς έργων νόμου zu entfalten. Wie er in V. 23 die Aufhebung der Unterschiede zwischen den Menschengruppen aufgrund der Allgemeinheit des Sündigens feststellte, so gelangt er in V. 28 unter der Perspektive der Rechtfertigung πίστει zu der jeden Menschen erfassenden Kategorie ανΘρωπος 27 . Die passivische Formulierung δικαιοΰσΘαι weist auf Gott als den Rechtfertigenden. Seinem rechtfertigenden Handeln entspricht auf seiten des Menschen die πίστις. Das hat Auswirkungen sowohl für das Verständnis Gottes als auch für das des Menschen. Indem Paulus Gottes Rechtfertigungshandeln über die πίστις in Beziehung zum Menschen bringt, expliziert er Gott als den, der durch die πίστις als rechtfertigender Gott identifiziert wird. Da die πίστις für Paulus an das Christusgeschehen gebunden ist28, ist auch das δικαιοΰσΘαι als christologisch interpretiert zu verstehen. Der rechtfertigende Gott ist der in Christus zum Heil des Menschen Handelnde. Er erschließt sich dem Menschen im Glauben, d. h. in der Nachfolge Christi. In bezug auf den Menschen bedeutet die christologische Interpretation des Rechtfertigungshandelns Gottes die Einebnung unterschiedlicher anthropologischer Voraussetzungen und die Nivellierung nationaler und religiöser Unterschiede. Die πίστις als der für alle unabhängig von der jeweiligen Herkunft unterschiedslos geltende Zugang zum rechtfertigenden Gott über Christus läßt die differierenden anthropologischen Prämissen soteriologisch irrelevant werden. Konkret bedeutet das: Das Rechtfertigungshandeln Gottes über Christus hebt den exklusiven Zugang derer zur Rechtfertigung auf, die dank des Gesetzes die Voraussetzung dafür zu haben scheinen. Der Ruhm, sich im Besitz dieser Voraussetzung zu befinden, ist jedoch ausgeschlossen; und zwar durch das Gesetz des Glaubens. Das Gesetz des Glaubens, das der Glaube selbst ist, ermöglicht jedem unabhängig von seiner Herkunft den Zugang zum rechtfertigenden Gott - χωρίς έργων νόμου. Das Christusgeschehen führt damit in doppelter Hinsicht zu einer Universalisierung im Verhältnis zwischen Gott und Mensch: Zum einen wird das Gottesverständnis ausgeweitet, indem Gott aus seiner exklusiven Bindung an eine Menschengruppe, die Juden, gelöst wird. Zum anderen wird auf diese 27

„Mit der Anwendung dieser Kategorie ist jede zwischenmenschliche Differenzierung, auch die zwischen Juden und Heiden, im Ansatz theologisch aufgehoben." Klein, Römer 4,149. Vgl. Käsemann, Römer, 97: "ΑνΘρωπος bedeutet hier „man". Wilckens, Rom 1-5, 247: ανΘρωπος heißt „allgemein,jemand'". 28 Bultmann, Theologie, 316.317.

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Weise allen Menschen einschließlich der Heiden der Zugang zu Gott ermöglicht. Es findet also auch eine Ausweitung des Kreises derer statt, die Zutritt zu - dem christologisch verstandenen - Gott haben. Von dieser Basis herkommend redet Paulus ausdrücklich von Gott erst in V. 29. Wer ό Θεός ist und wer nicht, ergibt sich von V. 28 her. Die erste Frage nach Gott in V. 29 ist im Gegenüber zu dem mit V. 28 erreichten theologischen Ertrag formuliert. Erstreckt sich das Rechtfertigungshandeln Gottes δικαιοΰσΘαι in V. 28 ist passivum divinum - auf alle Menschen, erledigt sich die erste der beiden in V. 29 gestellten Fragen von selbst. Wäre Gott nur der Juden Gott, wäre zudem die Aussage von V. 28 falsch. Indem Paulus in V. 29c ausdrücklich feststellt: ναι και έΘνών sichert er das theologische Ergebnis von V. 28. Den Satz von der Rechtfertigung des Menschen πίστει verwendet Paulus zur Neuqualifizierung des Gottesbegriffs. Das Bekenntnis zur Rechtfertigung aus Glauben ohne Werke des Gesetzes impliziert unmittelbar Konsequenzen für die Rede von Gott. Gott wird der nationalen Bindung entnommen. Sein Rechtfertigungshandeln, das sich jedem Menschen πίστει χωρίς έργων νόμου erschließt, macht ihn zum Gott aller, der Juden wie der Heiden. Der bloße Hinweis auf Dtn 6,4 und das Sch e ma Israels trägt zum Verständnis des Gottesbegriffs inhaltlich nichts bei 29 . Was die Bezeichnung ό Θεός als Gott der Juden und der Heiden inhaltlich meint, geht aus V. 28 hervor. Wer Gott ist und wie der Mensch Zugang zu ihm erhält, ist nicht über den νόμος zu erfahren. Ό Θεός ist der, der den Menschen rechtfertigt πίστει χωρίς έργων νόμου. Gegenüber einem durch das Gesetz vermittelten Gottesverhältnis bedeutet diese Definition Gottes eine deutliche Kritik. Die Rede von Gott wird der Bestimmung durch das Gesetz entnommen, Gott einer exklusiven Inanspruchnahme durch Juden entzogen. V. 30 knüpft an die mit V. 28 erreichte Füllung des Gottesbegriffs an. Die traditionelle Formulierung εις ό Θεός ist in ihrer inhaltlichen Ausrichtung bereits durch die voranstehende Konjunktion εί'περ („so gewiß") 30 bestimmt. Sie verweist auf die im Relativsatz nachgestellte Bedingung, die der Gottesbezeichnung εις ό Θεός ihren Inhalt gibt. Gott ist insofern als εις ό Θεός definiert, als er Beschneidung und Unbeschnittenheit aus Glauben rechtfertigen wird 31 . In V. 2 9 argumentiert Paulus mittels der Doppelfrage gegenüber jüdischen Adressaten von deren eigenen Voraussetzungen her. F ü r das monotheistische Gottesverständnis ist es selbstverständlich, daß es nur einen G o t t gibt, und zwar für Juden und Heiden. Genau diese allgemein akzeptierte Voraussetzung wäre jedoch infragegestellt, wenn der Zugang zu G o t t allein denen vorbehalten wäre, die sich im Besitz des

29 30 31

Cranfield, 1,222. B - D - R §459,2. Vgl. Gräßer, Gott, 203.

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Gesetzes befinden. Begegnete G o t t im Gesetz, könnten nur Juden ein Verhältnis zu ihm haben. G o t t wäre dann nur der G o t t der Juden, während Heiden der Zugang zu ihm versperrt bliebe. Erst die Einsicht, daß die Rechtfertigung πίστει χωρίς έργων νόμου erfolgt, verleiht daher der Aussage Gültigkeit, daß G o t t der Gott der Juden und Heiden ist. V. 30 kann sich daher auf einen Konsens zurückbeziehen. E s gilt d o c h : εις ό Θεός. Gültigkeit besitzt diese Aussage jedoch nur, wenn das Paulus und seinen Adressaten gemeinsame Bekenntnis G o t t in der durch den anschließenden Relativsatz explizierten Weise als den versteht, der Beschneidung wie Unbeschnittenheit aus Glauben rechtfertigen wird. N u r wenn G o t t mit seinem Handeln beide Menschengruppen in gleicher Weise erreicht, kann er auch als der eine G o t t aller Menschen bezeichnet werden. Erst die rechtfertigungstheologisch interpretierte Theo-logie setzt daher das traditionelle Bekenntnis εις ό Θεός ins Recht und gibt ihm seinen Sinn.

Die Frage nach dem Gesetz folgt in V. 31 geradezu zwangsläufig. Genau das, was Paulus sich hier als Anfrage selbst vorlegt, scheint der Fall zu sein. Der Glaube ist an die Stelle des Gesetzes getreten. Er übernimmt die Funktion, die eigentlich dem Gesetz zukommen sollte. Er und nicht das Gesetz konstituiert das Verhältnis zwischen Gott und Mensch. Gleichwohl weist Paulus die naheliegende Frage, ob damit das Gesetz beseitigt werde, zurück. Entgegen dem Einwand hält er am νόμος-Begriff fest. Die Behauptung νόμον ίστάνομεν scheint damit im Widerspruch zu seinen vorherigen Ausführungen zu stehen. Zur Erläuterung dieser Stelle wird verschiedentlich auf 4Makk 5,25 hingewiesen. Dort heißt es: πιστεύοντες γαρ Θεοΰ καθεστάναι τον νόμον. Laut Käsemann entsprechen die Wendungen νόμον καταργεϊν und Εστάνειν in V. 31 dem in 4Makk 5,25 vorausgesetzten Sprachgebrauch 32 . Eine solche Entsprechung liegt jedoch gerade nicht vor. Während in 4Makk 5,25 von Gottes καΘεστάναι die Rede ist, heißt es in deutlichem Gegensatz dazu in Rom 3,31 in der 1. Person Plural: Wir bringen das Gesetz zur Geltung 3 3 . Ist im ersten Fall Gott das Subjekt der Aussage, sind es im zweiten Fall die Glaubenden inklusive der Person des Paulus 34 . Paulus greift in V. 31 noch einmal den Gegensatz zwischen Gesetz und Glauben auf, von dem er in V. 27 und 28 handelte 35 . In V. 27 stand dem Gesetz der Werke das Gesetz des Glaubens gegenüber, in V. 28 den Werken 3 2 Käsemann, Römer, 98. Laut Schmithals, Römerbrief, 131, enthält der Vers „eine der für Paulus typischen Paradoxien". Seine Aussage stehe „verloren im Zusammenhang". 3 3 Bauer, Wörterbuch, 754. 3 4 Eher verschleiernd wirken die wiederholten passivisch formulierten Umschreibungen bei Wilckens, Rom 1-5, 249.250: Dem Gesetz „ist... zurückgegeben"; „die Tora als Gesetz Gottes... (wird) .aufgerichtet'"; das Gesetz wird „zu seiner positiven Wirkung gebracht". Warum diese Einheitlichkeit der ein passivum divinum suggerierenden Formulierungsweise, obwohl die logischen Subjekte unterschiedlich sind? Im übrigen beruft sich auch Wilckens zum Verständnis des Verses auf 4Makk 5,25. Wilckens, Rom 1 - 5 , 2 4 9 Anm. 783. 3 5 Mit Klein, Römer 4, 166, ist daran festzuhalten, daß der Gesetzesbegriff in V. 31 von V. 27f. her zu verstehen ist. Gegen U. Wilckens, Die Rechtfertigung Abrahams nach Römer 4,

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des Gesetzes der Glaube. Daraus ergaben sich in V. 28-30 Konsequenzen für das Gottesverständnis im Sinne einer Entnationalisierung und Universalisierung. In V. 31 fragt Paulus nach den Folgerungen für den Umgang mit dem νόμος. Wird erst aufgrund der πίστις sichtbar, wer Gott ist, so gilt das gleiche auch im Hinblick auf das Gesetz. Die πίστις führt einerseits zur Erkenntnis Gottes und bringt andererseits das Gesetz zur Geltung. Sie erst erschließt den Zugang zu Gott sowie die wahre Bedeutung des Gesetzes. Die zwangsläufige Konsequenz aus dem Gegensatz zwischen Glaube und Gesetz lautet daher nicht: νόμον καταργοΰμεν. Vielmehr wird das Gesetz durch den Glauben zu seiner ursprünglichen Intention 36 als einer heilsamen Gabe Gottes gebracht. Insofern kann Paulus sagen, daß die Glaubenden das Gesetz nicht beseitigen, sondern es durch den Glauben erst zur Geltung bringen. Der Gegenstand des paulinischen Nachdenkens in Rom 3,22-26 und 3,27-31 ist der Mensch vor Gott. Zwar stellt Paulus seinen Erwägungen in V. 21 überschriftartig den Gegensatz zwischen Gesetz und Gerechtigkeit Gottes als Thema voran. Aber weder die Gerechtigkeit als eine Gott eignende Eigenschaft noch das Gesetz als solches bilden den Gegenstand seiner Reflexion. Paulus behandelt vielmehr die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Den Hintergrund für die Entfaltung dieser Beziehung bildet die anthropologische Grundsituation, die zum einen, in V. 22-26, durch den Stand aller in der Sünde bestimmt ist (V. 23). Damit ist zunächst die grundsätzliche Unterschiedslosigkeit zwischen allen Menschen festgestellt. Daraus folgt, daß die Ausführungen über das Verhältnis Gottes zum Menschen als für alle Menschen prinzipiell in gleicher Weise gültig aufzufassen sind. Zum anderen berücksichtigt Paulus auch den nationalen, empirisch feststellbaren Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden (V. 29). Allerdings erscheint diese unterschiedliche anthropologische Voraussetzung bei ihm nur als eine theologisch überholte (V. 28-30). Das Verständnis des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch in V. 22-26 hängt am Verständnis der δικαιοσύνη Θεοΰ. Paulus expliziert sie durch das Christusgeschehen. Dabei interpretiert er die Gerechtigkeit von einem Eigenschaftsbegriff zur Charakterisierung Gottes in einen Ausdruck des Handelns Gottes am Menschen um. Die christologische Interpretation der δικαιοσύνη Θεοΰ (V. 24-26) läßt aus einem Eigenschafts- einen Beziehungsbegriff werden. Das bedeutet die Dynamisierung eines statischen Gerechtigkeitsverständnisses. Zugleich verändert sich damit das Verständnis von Gott selbst. Aus einer ontologischen Qualität, die Gott auf ein Sein festlegt, wird ein Reden von Gott, das Gott aus seiner gnädigen Zuordnung zum Menschen versteht. in: Studien zur Theologie der alttestamentlichen Überlieferungen, FS G.v.Rad, hg. v. R. Rendtorff und K. Koch, 1961,111-127,120, der V. 31 von V. 21 her interpretiert. 36 Klein, Römer 4,150.

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Dieser Bezug zum Menschen wird ausdrücklich durch die πίστις gesichert. Durch sie bekommt der Mensch Anteil an dem Geschehen zwischen Gott und Mensch. Umgekehrt gilt: Ohne diese Bindung an den Menschen wäre die Rechtfertigung kein Geschehen mehr, das sich von Gott her am Menschen vollzieht. Sie wäre dann eine Lehre über ein Verhältnis zwischen Gott und Mensch, bei dem der Mensch als Objekt des göttlichen Handelns, jedoch nicht als Gegenüber in einer sich stets neu realisierenden Beziehung in den Blick kommt. Die christologische Interpretation Gottes über sein Heilshandeln am Menschen verleiht der Rede von Gott ein besonderes Maß an Exklusivität. Eröffnet erst die πίστις den Zutritt zu dem im Christusgeschehen sein Gesicht zeigenden Gott, verbieten sich andere für denkbar erachtete Zugänge zu Gott von selbst. Dies gilt sogar für die frühchristliche Tradition, auf die Paulus in 3,25 und 26 Bezug nimmt. Deren Gottesverständnis modifiziert er in charakteristischer Weise, indem er es durch die Einfügung des πίστις-Motivs seiner Objektivität enthebt und die Rede von Gott an den Glauben bindet 37 . Einher mit dieser Korrektur geht seine Uminterpretation der δικαιοσύνη Θεοΰ von einem Eigenschafts- zu einem Beziehungsbegriff. Paulus knüpft damit zwar äußerlich an die urchristliche Tradition an. In der Sache vollzieht er jedoch eine klare Distanzierung von ihrer Aussage. Inhaltlich gelangt er zu einer substantiell veränderten Auffassung von Gott. Die konstitutive Bedeutung der πίστις für die Beziehung zwischen Gott und Mensch schlägt sich auch in dem häufigen Vorkommen des Wortes πίστις innerhalb der beiden Gedankengänge V. 22-26 und V. 27-31 nieder. Es erscheint in V. 22.25.26.27.28.30 und 31 insgesamt achtmal. Wurde in V. 22-26 durch die πίστις primär die Teilhabe des Menschen an dem von Gott an und mittels Christus vollzogenen Heilsgeschehen für den Menschen gesichert, hat sich die Funktion der πίστις innerhalb des Gedankengangs von V. 27-31 verschoben. Zwar gibt sie auch hier den Modus der Teilhabe an der Rechtfertigung an. Jedoch ist in V. 27-31 anders als in V. 22-26 nicht von Christus die Rede. Die Bedeutung der πίστις reicht hier über die Aneignung des Heilsgeschehens hinaus. Paulus bringt sie als ein kritisches Potential gegenüber dem νόμος bzw. den εργα νόμου zur Anwendung. Der Begriff sichert damit die Definition Gottes über sein Rechtfertigungshandeln und unterstreicht zugleich die in V. 22-26 darge37 Klein, Römer 3,21-28, 413/414, nimmt damit der in dieser Differenz liegenden Abgrenzung des Paulus von der theo-logischen Aussage der Tradition die Pointe, wenn er behauptet, daß sie „nicht etwa einen Widerspruch des Apostels gegen seine Tradition (belegt), die er ansonsten hier keineswegs zitiert hätte". Gerade darin aber gipfelt die redaktionelle Leistung des Paulus an dieser Stelle: Er nimmt die traditionelle Redeweise auf und stellt sich damit scheinbar in den consensus ecclesiae. Unter der Hand gestaltet er jedoch die als ein Anknüpfungsangebot eingebrachte Formulierung der Sache nach völlig um.

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legte exklusive Zugangsmöglichkeit zu Gott. Dies geschieht in Abgrenzung zum jüdischen Weg über den νόμος. Damit bekommen die paulinischen Ausführungen einen polemischen Akzent. Bedeutet die Universalisierung der Gottesbeziehung zugleich deren Entnationalisierung, so ist mit der Eröffnung des Zugangs zu Gott für alle Menschen dank der christologischen bzw. rechtfertigungstheologischen Interpretation Gottes zugleich eine scharfe Grenze gegenüber allen partikularen Bestrebungen gezogen, anders als über die πίστις in ein Verhältnis zu Gott treten zu können. Führt die christologische Gottesinterpretation also auf der einen Seite zu einer Nivellierung nationaler und religiöser Voraussetzungen, reklamiert sie auf der anderen Seite in gleicher Entschiedenheit den exklusiven Anspruch für sich, allein die Beziehung zu Gott zu ermöglichen. Der Entgrenzung der Gottesbeziehung und ihrer Entflechtung von menschlichen Voraussetzungen entspricht die Beschränkung der Teilhabe an ihr auf die Glaubenden. Von Gott zu reden ist nach Rom 3,21-31 einzig möglich auf der Grundlage des an Jesus Christus gebundenen Glaubens.

5.1.10 Rom 5,1-11: Rechtfertigung und Versöhnung mit Gott durch Christus Sechsmal fällt in dem Abschnitt Rom 5,1-11 1 das Wort Θεός. Zu fragen ist, wie es in den Textzusammenhang eingebunden und mit welchen Begriffen und Vorstellungen es verknüpft ist, um herauszufinden, in welcher Weise Paulus den Gottesbegriff inhaltlich versteht. In V. 1 formuliert Paulus den Ertrag der Rechtfertigung im Blick auf Gott. Die Rechtfertigung aus Glauben bedeutet Frieden im Verhältnis zu Gott. Durch die Verwendung der liturgischen Formel 2 δια του κυρίου ημών Ίησοΰ Χρίστου bringt Paulus zum Ausdruck, daß dieser Friede in Christus begründet liegt. Der Friede, von dem im Hinblick auf Gott die Rede ist, ist in doppelter Hinsicht christologisch verankert. Die Teilhabe an ihm ist an die Rechtfertigung aus Glauben gebunden. Das είρήνην εχομεν bildet geradezu die Explikation des δικαιωΘέντες οΰν έκ πίστεως. Die Gerechtigkeit besitzt ihren Ursprung in der Gnadentat Gottes in Christus. Sie ist der Inhalt 1

Zur Frage der Zugehörigkeit von Rom 5,1-11 im Gesamtaufbau des Römerbriefs vgl. Paulsen, 12-21; Wilckens, Rom 5,1-11, 181 f., 286; Wolter, 201-216. W. Schmithals, Der Römerbrief als historisches Problem, S t N T 9 , 1975, 201 f., ordnet Rom 5,1-11 zwischen 2Thess 1,1-12 und 2Thess 3,6-16 einem von ihm eruierten Brief Thess Α des Paulus zu. Anders in Schmithals, Briefe, 79-85 und Schmithals, Römerbrief, 164.165. Dort rechnet er das Fragment ursprünglich zu Kor N , dem .Freudenbrief' nach Korinth, der 2Kor 1,1-2,13; 7,5-7,4 b.8-16; 9,1-15, Rom 5,1 b-10 umfasse. 2 Wilckens, Rom 1 - 5 , 2 8 9 .

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des Evangeliums3. Insofern unterstreicht die nachgestellte liturgische Wendung den Gedanken, daß der Friede mit Gott seinen Grund im Christusgeschehen hat. Zugleich stellt sie gegenüber der ersten Vershälfte auch explizit sicher, daß dieser Friede durch Jesus Christus konstituiert ist. Paulus faßt also zu Beginn von V. 1 mit der Wendung δικαιωΘέντες οΰν έκ πίστεως den Ertrag der Kapitel 3,21-4,25 zusammen. Vom rechtfertigungstheologisch explizierten Christusgeschehen kommt er auf den Frieden προς τον Θεόν zu sprechen. Diesen Frieden begründet er unmittelbar anschließend noch einmal ausdrücklich christologisch. Die ειρήνη προς τον Θεόν beschreibt das Verhältnis der aus Glauben Gerechtfertigten zu Gott. Von dieser Relation zwischen Gott und den Glaubenden ist nur vom Heilsgeschehen in Christus her zu reden. Nur diejenigen haben Anteil an ihr, die in einem glaubenden Verhältnis zu Christus stehen. Wer aus Glauben gerechtfertigt ist bzw. wer sich Christus unterstellt, hat Frieden mit Gott. Das heilvolle Gottesverhältnis hängt an der Stellungnahme gegenüber dem Christusgeschehen. In der Beziehung zu Gott befindet sich nur der Christ 4 . Die Rede vom Frieden mit Gott deutete auch in der alttestamentlichjüdischen Tradition bereits auf die Relation zwischen Gott und Mensch 5 . Indem Paulus dieses traditionelle Motiv zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch verwendet, begibt er sich jedoch gerade nicht in eine Kontinuität zum Judentum. Dadurch, daß er die Vorstellung vom Frieden mit Gott exklusiv an das Christusgeschehen bindet, vollzieht er vielmehr einen Bruch mit dem jüdischen Gottesverständnis. Philo konnte eine nationale jüdische Eschatologie formulieren, die mit einer Wiederherstellung des Landes und der Städte rechnete. Die Voraussetzung dafür war, daß sich die vom Gesetz Abgefallenen bekehrten. Das Verhältnis zum Gesetz bildet die konstitutive Voraussetzung für den konkrete Gestalt besitzenden erwarteten Heilzustand6. Indem Paulus die δικαιοσύνη έκ πίστεως zur Prämisse des Friedens mit Gott erklärt, grenzt er sich gegenüber einer nomistisch begründeten Heilserwartung ab. Gerade die Abkehr vom Gesetz und die Hinwendung zur christologisch interpretierten πίστις führt zur ειρήνη προς τον Θεόν. Damit erklärt Paulus ein Verhalten zur Voraussetzung für den Frieden mit Gott, das für Philo gerade die Ursache für dessen Verlust bedeuten müßte. Der christologischen Begründung der ειρήνη in V. 1 entspricht die der καταλλαγή in V. I I 7 . Wie die ειρήνη προς τον Θεόν ihren Grund in Jesus Vgl. Bultmann, Theologie, 283-286. Vgl. dazu unten zu Rom 10,2.3 Kap. 5.1.13.3. 5 Vgl. Hi 22,21; Jes 27,5; Jes 57,19; äthHen 1,8; GenR 66 (27,28) (Billerbeck III, 592); NumR 12 (7,1); Pes R 5. Vgl. Wolter, 98-102. 6 Philo, Praem 162-172. Vgl. auch die Hinweise auf syrBar 44,7 und 46,5 f. bei Schräge, Ethik, 29. 7 Wolter, 85: „Sachlich-theologisch deckt sich καταλλαγή hier mit ειρήνη". 3 4

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Christus hat, so auch die καταλλαγή. Eine weitere Übereinstimmung zwischen beiden Versen liegt in der Art, wie die δ ιά-Wendung an den Gottesbegriff angeschlossen und gleichzeitig in Beziehung zu den Glaubenden gesetzt wird. Beide Male geht es um ein Verhältnis der Glaubenden zu Gott είρήνην εχομεν προς τον Θεόν und καυχώμενοι έν τω Θεώ - , das von Jesus Christus her qualifiziert wird. Die καύχησις hat wie die ειρήνη ihren Grund in Christus. Ebenso ist Gott an beiden Stellen der, der durch das Christusgeschehen definiert ist. Das Ruhmesmotiv hat Paulus bereits in V. 2 eingeführt. V. 2 b ab και καυχώμεΘα bezieht sich ebenso wie die Aussage είρήνην Εχομεν in V. 1 unmittelbar auf V. 1 a zurück 8 . Die Rechtfertigung aus Glauben gibt damit die Basis für das Rühmen aufgrund der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes ab. Dies entspricht ihrer Funktion in V. 1, wo der Friede mit Gott als Resultat bzw. Explikation der δικαιοσύνη έκ πίστεως dargestellt wurde. Resultiert das Rühmen aus der Glaubensgerechtigkeit und richtet sich zugleich auf die Herrlichkeit Gottes, ist deutlich, daß das in der Wendung δόξα του Θεοΰ zum Ausdruck kommende Gottesverständnis aus dem Zusammenhang mit der Rechtfertigung aus Glauben verstanden werden muß. Die δόξα του Θεοΰ ist „die Vollendung der bereits geschenkten Gerechtigkeit". Auf sie richtet sich die έλπίς und ist zugleich „ihrer doch über der empfangenen Gabe gewiß" 9 . Auch der unter dem Gesichtspunkt der δόξα in den Blick kommende Gott ist der vom Christusgeschehen her verstandene. Der Kettenschluß in V. 3 und 4 knüpft an das Stichwort δόξα του Θεοΰ an. Der Bestimmung Gottes vom Gekreuzigten her entspricht das Rühmen auch im Leiden. Die Θλίψεις widerlegen also nicht das Rühmen. Da die καύχησις ihren Grund und Ursprung im Kreuz Christi hat, sind die Leiden auch und 8

Darauf weist Wolter, 89, mit Recht hin. Zitate Käsemann, Römer, 125. Vgl. auch R. Bultmann/(K. H. Rengstorf), Art. έλπίς κτλ., ThWNTII, 1935,515-531,527-529. Gegen die von Käsemann (und Bultmann) vertretene Auffassung wendet Wolter ein: Die έλπίς stelle lediglich die Beziehung „zwischen der christlichen Gegenwart und der eschatologischen Zukunft her" (133). Sie sei „nicht selbst das eschatologische Heilsgut", sondern werde im apokalyptischen Sinn gebraucht, um „in der Gegenwart von dem eschatologischen Heil der Zukunft als einem hier bereits sicher verbürgten zu reden" (135). Dagegen ist jedoch kritisch zu fragen: Was wäre unter dem für die Zukunft reservierten Heil zu verstehen - wenn nicht die Vollendung des durch die Gottesgerechtigkeit bereits widerfahrenen Heils? Wolter gibt Käsemanns Interpretation von δόξα τοΰ Θεοΰ wertend wieder: „Diese δόξα τοΰ Θεοΰ ist hier nicht einfach nur die ,Vollendung der bereits geschenkten Gerechtigkeit' - das ist viel zu schwach". Auch gegenüber diesem Urteil ist einzuwenden: Was sollte sonst noch kommen? Wolters eigener Antwortversuch bleibt denn auch inhaltlich ungefüllt: „sie (sc. die δόξα τοΰ Θεοΰ) ist vielmehr als das von der eschatologischen Zukunft erwartete Heilsgut eine ganz andere Kategorie des Heils als die δικαιοσύνη der Gegenwart." Wieder bleibt die Frage: Aber welche? Und: Wie hätte man sich die vorzustellen?. Der entscheidende Einwand gegen Wolter ist jedoch ein theologischer: Von welchem Interpretament, wenn nicht von der δικαιοσύνη, wäre der Gottesbegriff innerhalb der Wendung δόξα τοΰ Θεοΰ zu verstehen? 9

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gerade der Ort, an dem sie sich bewährt 10 . Das in V. 3 wiederholte und durch ού μόνον δέ, άλλα καί eingeführte καυχώμεΘα bedeutet eine Steigerung gegenüber dem vorhergehenden Gedanken 11 . Der Gott, von dem Paulus in V. 2 spricht, ist nicht ein Gott der ungebrochenen Herrlichkeit. Er offenbart sich im Kreuz Christi, und damit ist paradoxerweise das Leiden die Basis, aufgrund derer von seiner Herrlichkeit zu reden ist. Das Verständnis der Wendung ή άγάπη του Θεοΰ in V. 5 ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang von V. 5 - 8 . Laut V. 8 erweist Gott seine Liebe „zu uns" dadurch', daß Christus für uns starb. Gottes Liebe und der Kreuzestod Christi steheh in einem unlöslichen Zusammenhang. Nur über den Tod Christi gelangt Paulus zu der paradoxen Rede von Gott, die Gott mit dem Prädikat der Liebe belegt. Für das Verständnis der paulinischen Auffassung ist es dabei an dieser Stelle unerheblich, ob Paulus in V. 8 b eine „Sterbensformel" 12 oder den zweiten Satz einer „Pistisformel" 13 zitiert oder im Anschluß an liturgisch-eucharistischen Sprachgebrauch selbst formuliert 14 . Wesentlich ist die Funktion, die dem Halbvers im Duktus des paulinischen Gedankengangs zukommt. Sollte es sich, wie oben angenommen worden ist, tatsächlich um eine von Paulus aufgenommene Formel handeln, ist jedenfalls festzustellen, daß Paulus sie einer partiell anderen Intention zuführt, als es ihrer eigentlichen Aussageabsicht entspricht 15 . Die christologische Formel war soteriologisch ausgerichtet. Darauf weist das υπέρ ημών. Mit ihr wurde ursprünglich von Glaubenden eine Aussage über das Heilswerk Christi in bezug auf den Menschen gemacht. Sie diente der soteriologischen Explikation Christi. Allerdings beschränkte sich der soteriologische Aspekt auf die objektivierende Feststellung der Heilsbedeutsamkeit des Todes Christi. Das Problem der Vergegenwärtigung des Heilsereignisses wurde in der Formel über das υπέρ ημών hinaus noch nicht reflektiert. Paulus benutzt die Formel zur Entfaltung seines Gottesbegriffs. Dabei scheint sich der Akzent zunächst vom soteriologischen auf den christologischen Aspekt zu verschieben. Gottes Liebe erweist sich im Tode Christi. Dieser ist zwar nach wie vor als ein Tod υπέρ ήμών verstanden. Indem die ursprünglich selbständige Formel jedoch für die Entfaltung des Gottesbegriffs herangezogen wird, scheint der soteriologische Aspekt hinter den christologischen zurückzutreten. Gott wird von Christus her verstanden. Den Eindruck, durch die Zuordnung der Formel zum Gottesbegriff könne Vgl. Käsemann, Römer, 126; Wilckens, Rom 1 - 5 , 291.292. Darauf weist Wolter, 137, unter Hinweis auf H. Lausberg, Handbuch der literarischen Methodik, 2 1973,619, mit Recht hin. 1 2 Wengst, Formeln, 78.80. 1 3 Kramer, 22.23. 1 4 Vgl. Käsemann, Römer, 129. 1 5 Vgl. Kap. 4.2. 10 11

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die Soteriologie hinter der Christologie zurückbleiben, weist Paulus allerdings selbst ab. Er fügt den für die Formel konstitutiven soteriologischen Aspekt seinem Gottesbegriff ausdrücklich hinzu. Gott erweist seine Liebe εις ή μας. Auf diese Weise nimmt Paulus die soteriologische Ausrichtung der traditionellen Formel auch in seine Rede von Gott hinein. Der vom Tod Christi her verstandene Gott ist der Gott εις ή μας. Das Problem der Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens löst Paulus über die in Anlehnung an die Formel gewonnene Bestimmung εις ήμάς hinaus, indem er durch das νυν in V. 9 die im Tod Christi begründete Rechtfertigung zu einem Ereignis mit aktueller Auswirkung werden läßt. Diese bezieht sich über die Gegenwart hinaus sogar auf die Rettung aus dem Gericht. Lag der Akzent in der traditionellen Formel also trotz des durch die Wendung υπέρ ημών sichtbar werdenden Bemühens auf dem Heilsgeschehen in der Vergangenheit, legt Paulus demgegenüber die Betonung auf dessen gegenwärtige und zukünftige Bedeutung. In V. 5 ist von der in V. 8 ausführlich erläuterten άγάπη του Θεοΰ unter dem Gesichtspunkt die Rede, in welcher Weise die Christen an ihr Anteil haben. Die Liebe Gottes ist durch den heiligen Geist vermittelt. Είναι έν πνεύματα ist für Paulus gleichbedeutend mit είναι έν Χριστώ 16 . Die Ausgießung der Liebe Gottes in die Herzen der Glaubenden durch den heiligen Geist meint die Zueignung der Heilstat Christi 17 . Sie bezieht sich also auf den Stand in der χάρις, von dem V. 2 sprach. Die Bindung der durch den heiligen Geist vermittelten Liebe Gottes an das Christusgeschehen wird auch durch V. 6f. zum Ausdruck gebracht. Paulus führt den Tod Christi als Ausdruck der Liebe Gottes an. Wie in V. 8 b ist die Formulierung primär soteriologisch ausgerichtet, nur daß an die Stelle eines υπέρ ήμών ein υπέρ άσεβων getreten ist18. In unzweifelhaft paulinischer Formulierung spricht V. 10 unter dem Stichwort „Versöhnung" von dem Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Die καταλλαγή des Menschen mit Gott vollzieht sich durch den Tod des Sohnes Gottes. Das Verhältnis des Menschen zu Gott wird vom Tod des Sohnes her bestimmt. Der Tod des Sohnes führt zu einer Definition des Menschen in bezug auf seinen Status vor Gott als auch zu einem Verständnis Gottes, das Gott vom Kreuz Christi her begreift. Der Mensch steht vor Gott als Versöhnter, Gott tritt dem Menschen als der vom Zerbrechen traditionel-

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Bultmann, Theologie, 336.337. Vgl. Wolter, 155-157, der von der „christozentrische(n) Struktur des πνεύμα-Verständnisses" spricht (157). 18 Laut Wengst, Formeln, 78, liegt auch hier die Sterbensformel vor. Die Verwendung von άσεβων anstelle von ήμών sei auf eine Abänderung des ursprünglichen Wortlauts der Formel durch Paulus zurückzuführen. 17

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ler Gottesvorstellungen her zu Verstehende gegenüber, dessen Göttlichkeit sich gerade im Scheitern Jesu offenbart 19 . Indem Paulus sowohl die Rede vom Menschen als auch die von Gott vom Tode Christi her bestimmt, ist auch das Verhältnis zwischen Gott und Mensch in neuer Weise begriffen. Es ist durch die als bereits vollzogen aufgefaßte und daher aoristisch formulierte Versöhnung charakterisiert20. Daß die Versöhnung sachlich mit der Rechtfertigung identisch ist, wird durch das aus V. 1 aufgenommene δικαιωΘέντες in dem parallel zu V. 10 konstruierten V. 9 zum Ausdruck gebracht 21 . Damit hält sich durch den gesamten Abschnitt Rom 5,1-11 der eine Zentralgedanke durch, daß das Verhältnis zwischen Gott und Mensch bzw. der Stand des Menschen vor Gott durch das Christusgeschehen bestimmt ist. Dies wird in der Terminologie der Rechtfertigung und im Rahmen der Versöhnungsvorstellung ausgesagt. Wie die δικαιοσύνη auf Christus basiert, liegt auch die καταλλαγή im Tod Christi begründet. Sowohl durch den Begriff der Rechtfertigung als auch durch den der Versöhnung wird die Beziehung zwischen Gott und Mensch als eine vom Kreuz Christi her qualifizierte definiert. Wie unter dieser Perspektive der Mensch in bestimmter Weise, und zwar als Gerechtfertigter und Versöhnter gesehen wird, so auch Gott. Er ist der dem Menschen als Rechtfertigender und Versöhnender Begegnende. Dadurch, daß Paulus das Verhältnis zwischen Gott und Mensch vom Christusgeschehen her versteht, wird zugleich die Rede vom Menschen wie die von Gott geprägt. „Weil Christus entbirgt, wer Gott ist, darum entbirgt er auch, wer der Mensch ist." 2 2 In diesem Zusammenhang allerdings begegnet der Mensch nicht unter dem Aspekt seines Sünderseins, nicht als ein „salvandus" 2 3 , sondern als ein Erlöster, und der vom Kreuz Christi her verstandene Gott als sein Erlöser.

5.1.11 Rom 8,9-11: Die Einwohnung des Geistes Gottes Die drei Verse Rom 8,9-11 bestehen aus insgesamt acht Teil- oder Halbversen. Jeweils zwei Teilverse gehören zusammen. Sie sind so konstruiert, daß jeweils der eine von ihnen eine durch εί eingeleitete Bedingung formuliert, während der zweite die Folge daraus nennt. Auf diese Weise gehören 19 Wilckens, Rom 1-5, 299, hebt zu Recht „die Einheit Gottes mit dem Gekreuzigten" hervor. 2 0 Vgl. V. 10: κατηλλάγημεν und V. 11: καταλλαγήν έλάβομεν. 2 1 Vgl. Michel, 135. 2 2 G. Klein, Der Mensch als Thema neutestamentlicher Theologie, ZThK 75, 1978, 336-349, 347/348. 2 3 J.-W. Taeger, Paulus und Lukas über den Menschen, ZNW 71,1980,96-108.

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V. 9c und d 1 , V. 10a und b sowie V. 11 a und b eng zusammen. Die Bedingung wird hier übereinstimmend mit εί δέ eingeleitet. In V. 9 a und b ist die Reihenfolge umgekehrt. Die Folge ist vorausgeschickt, die mit εϊπερ eingeleitete Bedingung nachgestellt. V.9b wird von πνεύμα bis ΰμϊν in V. I I a wörtlich wiederaufgenommen, wobei der Gottesbegriff in V. 11 a durch die partizipial formulierte Auferweckungsformel ersetzt ist. Die Rahmenfunktion, die den Versen 9b und IIa auf diese Weise gegenüber V. 9c-10b zukommt, bestätigt sich auch durch den Inhalt der Verse. V. 9 b und lla.b reden vom Geist Gottes bzw. von Gott, während in V. 9c-10b vom Geist Christi bzw. Christus die Rede ist. Die Beziehung zwischen Christus und Gott wird von Paulus dadurch hergestellt, daß er den Geist sowohl als an Christus wie an Gott gebunden versteht. Der Geist Gottes und der Geist Christi sind identisch2, so daß Paulus von V. 9 b nach 9 c und wiederum nach 11 a in der Terminologie wechseln kann. Gleichwohl bleibt eine Differenz bestehen. Zwar ist das πνεύμα Χριστού mit Christus selbst identisch, wie die Parallelität zwischen V. 9 c und 10 a zeigt; und gleiches gilt auch für das πνεύμα Θεοΰ (V. 9b) bzw. das πνεΰμα του έγείραντος τον Ίησοΰν έκ νεκρών (V. IIa) und Gott selbst (V. lib). Aber die Vorstellung von der Einwohnung bleibt auf das Pneuma - Christi wie Gottes - und Christus beschränkt3. Die Aussage, daß Gott selbst dem Menschen einwohnt, vermeidet Paulus. Wenn also auch die Aussagen von Gott mit denen von Christus einhergehen, bleibt an dieser Stelle ein Uberschuß. Der pauschale Hinweis auf IKor 3,16.17; IKor 6,19.20 und 2Kor 6,16ff. wirkt daher für diesen Tatbestand eher verschleiernd denn erhellend4. Allenfalls 2Kor 6,16 könnte die Vorstellung der unmittelbaren Einwohnung Gottes belegen. Jedoch findet sich diese Stelle charakteristischerweise innerhalb eines Textes, der wahrscheinlich nicht auf Paulus zurückzuführen ist5. Für Paulus gilt: Der Geist Gottes, identisch mit dem Geist Christi, und Christus können dem Menschen einwohnen. Der Gedanke der Einwohnung wird jedoch nicht zu einem direkten Prädikat Gottes. Paulus bindet den Gottesgedanken hier ausschließlich an das Pneuma und schafft auf diese Weise die Beziehung zu Christus. Für das paulinische Gottesverständnis heißt das: Wer Gott ist, erschließt sich in Rom 8,9-11 vom Pneuma und von Christus und nicht unmittelbar von der Vorstellung der Einwohnung her. Ein weiteres Element zur Charakterisierung Gottes stellt die Aufnahme 1 2 3 4

Paulsen, 37.38, vermutet in V. 9 c . d einen Satz „Heiligen Rechts". Käsemann, Römer, 215. Wilckens, R o m 6 - 1 1 , 1 3 3 ; vgl. Michel, Römer, 193. Vgl. Brandenburger, Fleisch, 49.57. Gegen Paulsen, 49.

5 Zu 2 K o r 6 , 1 4 - 7 , 1 vgl. H . D . Betz, 2 C o r 6 , 1 4 - 7 , 1 : An antipauline Fragment? J B L 9 2 , 1 9 7 3 , 8 8 - 1 0 8 . Zur Diskussion über die Herkunft des Abschnitts vgl. Furnish, 3 7 5 - 3 8 3 . Schmithals, Briefe, 26.27, hält das Fragment für paulinisch.

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der Auferweckungsformel dar. Anders als in lThess 1,10 und Rom 10,96 dient sie in V. 11 nicht der Qualifizierung Christi, sondern steht zur Bezeichnung Gottes selbst. Damit gebraucht Paulus sie in Übereinstimmung mit ihrer ursprünglichen Intention.

5.1.12 Rom 8,28-39: Die Liebe Gottes in Christus Der Abschnitt Rom 8,28-39 läßt sich in drei Teile untergliedern, die Verse 28-30, 31-34 und 35-39 1 . V. 28 a wird von V. 28 b her verständlich. Ähnlich wie in IKor 8,3: εί τις άγαπφ τόν Θεόν, ούτος εγνωσται heißt es in V. 28 a: τοις άγαπώσιν τον Θεόν πάντα συνεργεί εις άγαΘόν. Damit ist nicht gemeint, daß ein Akt des Menschen, d. h. seine Liebe Gott gegenüber, ein entsprechendes Verhalten Gottes nach sich zieht. Vielmehr wird umgekehrt von V. 28 b her deutlich, daß die, die Gott lieben, die Berufenen sind. Die Berufenen lieben Gott. Ihnen wirkt Gott alles zum Guten 2 . Die Berufung κατά πρόΘεσιν wird sichtbar in der Liebe zu Gott. Diese wiederum wirkt sich unmittelbar auf die Liebenden aus. V. 28-30 insgesamt ist entscheidend geprägt durch die Kette von Verben in V. 29 und 30, die in innerer Abhängigkeit voneinander stehen und das Handeln Gottes ausdrücken. Ob die Verse 29-30 das αγαπάν τόν Θεόν und damit V. 28 a erläutern3 oder V. 28 b τοίς κατά πρόΘεσιν κλητοίς οΰσιν explizieren4, stellt nur scheinbar eine Alternative dar. Die Liebe zu Gott und die Berufung κατά πρόΘεσιν in V. 28 legen sich gegenseitig aus. Die Berufung äußert sich in der Liebe zu Gott. Die Liebe zu Gott wird zurückgeführt auf die Berufung. Der Anschluß in V. 29 und 30 bezieht sich demnach auf ein einziges Phänomen: Die in der Berufung gründende und zugleich ihr Wesen ausmachende Liebe zu Gott. V. 28 a und b sind folglich nicht so auseinanderzulegen, daß die Frage nach dem Bezug der anschließenden Verse 29 und 30 alternativ zu entscheiden wäre. Sachlich bezieht sich V. 29f. auf V. 28 insgesamt. Die, die Gott lieben, sind nach paulinischer Auffassung „die Christen als Glaubende" 5 . Die Berufung κατά πρόΘεσιν ist auf die Christen bezogen. Dies gilt, obgleich die Bezeichnung der Glaubenden als derer, die Gott

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Vgl. Kap. 5.1.1 und 5.1.13.3. Vgl. Paulsen, 134-151. 2 Zur Diskussion, ob ό Θεός oder πάντα als Subjekt zu συνεργεί anzunehmen ist, vgl. Paulsen, 152-154. 3 So Paulsen, 156. 4 So Wilckens, Rom 6-11,163. 5 Wilckens, Rom 6-11,162. Vgl. IKor 2,9; 8,3. 1

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lieben, alttestamentlich-jüdischer Tradition entstammt 6 . Gerade angesichts der traditionsgeschichtlichen Verbindung mit „der jüdischen Leidens- und Geduldstheologie" 7 kommt der spezifisch paulinische Akzent besonders deutlich zum Ausdruck. Paulus macht die traditionelle jüdische Wendung seiner eigenen Aussage dienstbar. Die Berufenen, die Gott lieben, sind die Christen. Ist in V. 28 vom Verhältnis zwischen Gott und den Christen die Rede, ist deutlich, daß Paulus mit dem absolut gebrauchten ό Θεός auch ohne spezifisch christliche Interpretamente den im Christusgeschehen offenbaren Gott meint. Dies wird durch V. 29 ausdrücklich bestätigt. V. 29 und 30 stellt ein vorpaulinisches Traditionsstück dar 8 , mit dessen Hilfe Paulus inhaltlich entfaltet, was unter der Aussage von V. 28 im einzelnen zu verstehen ist. Gott hat die Glaubenden im voraus ausersehen und vorherbestimmt, gleichgestaltet mit dem Bild seines Sohnes zu werden. Sein erwählendes Handeln erhält seine Ausrichtung durch den Bezug auf Christus. Es stellt die Erwählten, das sind die Glaubenden, in ein Verhältnis zum Sohn. Das Traditionsstück spricht also von Gottes Handeln unter Bezugnahme auf Christus. Gottes Vorherbestimmung zielt auf die Christusgemeinschaft, in die die Erwählten hineingestellt werden. Das christliche Leben vollzieht sich „als Teilhabe an Christus" 9 . Christus soll dabei der Erstgeborene unter vielen Brüdern werden (V. 29). Ihm wird damit das Prädikat πρωτότοκος beigelegt, das ursprünglich Israel galt. Gott schafft eine neue Heilsgemeinde, in der Christus der Erstgeborene ist, um den sich die πολλοί αδελφοί scharen10. Hatte Paulus in V. 28 jüdische Theologumena für die Christen in Anspruch genommen und war auf diese Weise sogar zu einer christlichen Interpretation Gottes gelangt, vollzieht sich die Abgrenzung vom Judentum in V. 29 noch offensichtlicher und direkter. Neben den ursprünglich ebenfalls alttestamentlich-jüdisch verankerten Verben προγινώσκειν 11 und προορίζειν 12 , die Paulus auf Gottes Handeln an Christus bezieht, geschieht dies durch die Anwendung des Prädikats πρωτότοκος auf Christus. Die Erwählten und Vorherbestimmten sind ihm zugeordnet bzw. die, die sich um ihn als den Erstgeborenen versammeln, sind die Erwählten und Vorherbestimmten. Die Gemeinschaft der Christen nimmt den Platz ein, an dem nach jüdischem Selbstverständnis sich Israel befindet. Die besondere Pointe liegt in V. 29 6

Käsemann, Römer, 235; Wilckens, Rom 6-11, 162 Anm.718; Wischmeyer, 141-144. Vgl. z.B. PsSal 4,25; 6,6; 10,3; 14,1. Zu IKor 8,3 vgl. Kap. 5.1.2. 7 Wischmeyer, 143. 8 Vgl. dazu im einzelnen Paulsen, 159.160.176.177; Wischmeyer, 143; zum Verhältnis von Tradition und paulinischer Interpretation in Rom 8,28-30 vgl. auch W. Schmithals, Die theologische Anthropologie des Paulus, UB 1021,1980. 9 Wilckens, Rom 6-11,164. Vgl. Michel, 212. 10 Vgl. Wilckens, Rom 6-11,165. 11 Vgl. Hos 12,1; Am 3,2. 12 Vgl. AssMos 1,14.

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darin, daß dieses Geschehen auf Gott selbst zurückgeführt wird. Er hat im voraus ausersehen, er bestimmte vorher. Das heißt, Gott betrieb die Ablösung Israels durch die Christen. Diese Aussage ist aus der Perspektive jüdischen Gottesverständnisses, das Gott von seiner unauflöslichen und exklusiven Selbstbindung an Israel her versteht, nicht möglich. Sie dokumentiert vielmehr, daß Paulus13 aufgrund seiner Bekehrung zu Christus zu einer Auffassung von Gott gelangt, die mit seinem bisherigen jüdischen Gottesverständnis unvereinbar ist. Seine auf Christus gegründete Rede von Gott steht dem jüdischen Gottesverständnis diametral entgegen. V. 30 setzt die in V. 29 begonnene Kette von Aussagen über Gottes Handeln fort. Die Verben erscheinen wie in V. 29 durchweg im Aorist. Nicht nur das Vorherwissen und die Vorherbestimmung, sondern auch die damit verbundene Berufung, Gerechtmachung und Verherrlichung sind nach Auskunft dieser vorpaulinischen Tradition für die Christen bereits geschehen. In V. 31-34 verarbeitet Paulus traditionelle Motive, die er mit eigenen Aussagen verbindet bzw. im Sinne der von ihm intendierten Aussage interpretiert 14 . In V. 31 werden V. 28-30 in der Bezeichnung Gottes als ό Θεός ύπέρ ημών zusammengefaßt. Diese Bestimmung Gottes entspricht der von Paulus in IKor 8,6 vorgenommenen Charakterisierung Gottes als des deus pro nobis. Gott ist über seine heilvolle Beziehung zu den Christen beschrieben. Zu dieser soteriologischen Explikation Gottes tritt in Rom 8,32 durch die Aufnahme der traditionellen Dahingabeformel 15 die christologische. Durch das ήμϊν V. 32 c wird auch sie unmittelbar in Beziehung zu den Glaubenden gestellt. In V. 33 ist von den Christen als den έκλεκτοί Θεοΰ die Rede. Der Begriff, der ursprünglich vom jüdischen Erwählungsbewußtsein zeugt, wird von Christus her neu qualifiziert. Nach alttestamentlich-jüdischem Verständnis16 ist die Erwählung an die Zugehörigkeit zum Volk Israel gebunden17. Die Verwendung des Begriffs für die Christen impliziert sowohl die Aufhebung der mit ihm verbundenen nationalen Begrenzung wie die Abkehr vom 13 Die Frage, ob Paulus in V. 29aß und b die ihm vorliegende Tradition selbst bearbeitet oder ob dies bereits auf einer früheren Traditionsstufe geschehen ist, ist in diesem Zusammenhang nur von sekundärer Bedeutung. Vgl. dazu Paulsen, 176.177. 14 Vgl. Wilckens, Rom 6-11, 171.172; Käsemann, Römer, 239. Anders Paulsen, 142.143, nach dessen Auffassung in V. 31-34 ein zweistrophiger vorpaulinischer Hymnus vorliegt. Problematisch ist seine Vermutung, daß Paulus in V. 31 durch eine Umkehrung von V. 31 b und c in die Vorlage eingegriffen hat. Handelt es sich in V. 32 a um eine ursprünglich eigenständige Dahingabeformel, müßte man bei Annahme von Paulsens Hypothese bereits vorpaulinisch mit einem zweistufigen Traditionsprozeß rechnen. 15 S. o. Kap. 4.2. Vgl. Paulsen, 161 ff. 16 Vgl. Jes 43,20 LXX; 65.9.15 LXX; Ps 104,43 LXX; Ps 105,5 LXX; IChr 16,13; 4Esr 5,23-27. 17 In der Apokalyptik tritt der Gedanke der Erwählung ganz Israels zurück zugunsten der Auffassung, daß die Erwählung sich auf die bezieht, die in äußerster Strenge das Gesetz einhalten. Vgl. G. Schrenk, Art. έκλεκτός, T h W N T IV, 1942,186-197,189.

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Gesetz als der Bezugsgröße, von der her die Abgrenzung von einer anders orientierten Umwelt ihre Begründung findet. Ist jedoch das Verhältnis zu Christus die Basis, aufgrund derer von Erwählung zu sprechen ist, ist auch das hinter der Wendung έκλεκτών Θεοΰ stehende Gottesverständnis ein anderes als das die jüdische Erwählungsvorstellung tragende. Wer der Gott ist, von dem her Paulus die Christen als Erwählte bezeichnen kann, formuliert er anschließend in V. 33 b in Anklang an Jes 50,818 rechtfertigungstheologisch: ό δίκαιων 19 . Seine Gerechtigkeit erweist Gott in Christus. Folgerichtig kommt das Christusgeschehen in dem anschließenden V. 34 in den Blick. Paulus kombiniert die Sterbensaussage mit einer Auferweckungsaussage, die er in Anlehnung an die passivische Auferweckungsformel selbst formuliert20. Darüber hinaus wird in zwei Relativsätzen Christus als in zweierlei Beziehungen stehend charakterisiert. Zunächst wird er in seinem Verhältnis zu Gott gesehen, dann in der Beziehung zu den Christen. Drückt der erste Relativsatz die personale Relation zwischen Christus und Gott aus, geht es in dem zweiten um eine funktionale Verhältnisbestimmung zwischen Christus und den Christen. Wie in V. 31 erfolgt diese Bestimmung durch υπέρ ήμών. Damit wird von Gott wie von Christus übereinstimmend aus ihrer Beziehung zum Menschen heraus gesprochen. Die Art ihres Verhältnisses zum Menschen wird gleichlautend beschrieben. Unter der Perspektive ihrer Beziehung zum Menschen treten Christus und Gott unmittelbar nebeneinander. Andererseits ist das Verhältnis zwischen beiden zugleich auch im Sinne der Unterordnung Christi unter Gott bestimmt (V. 32a.34c). Aus dem Zusammenhang des Textes heraus verstanden bedeutet das jedoch keinen Widerspruch. Der Subordinatianismus ergibt sich unter dem Blickwinkel der Frage nach der direkten Beziehung von Gott und Christus zueinander. Diese Frage wiederum stellt sich jedoch erst auf einer objektivierenden Ebene unter Absehung des Verhältnisses beider zum Menschen. Unter soteriologischem Aspekt ist dagegen von Gott und Christus gleichermaßen von ihrem υπέρ ήμών her die Rede. Zwischen V. 31.32 und 33.34 besteht eine Parallele im Aufbau. Zunächst wird von Gott geredet (V. 31.33), dann folgt die Bindung an Christus (V. 32.34). Diese scheint zwischen V. 31 und V. 32 aufgrund des relativischen Anschlusses in V. 32 direkter zu sein als zwischen V. 33 und V. 34. Jedoch gilt für V. 34, daß hier die Bestimmung des Verhältnisses zu Gott ausdrücklich in V. 34c nachgeholt wird. Die inhaltliche Bindung des Gottesbegriffs an das Christusgeschehen erfolgt jedoch nicht nur nachträglich. Vielmehr ist sowohl in V. 31 als auch in V. 33 der Gottesbegriff bereits unmittelbar soterio18 19 20

Wilckens, Rom 6-11,174; Käsemann, Römer, 240. Vgl. Luz, Geschichtsverständnis, 372. Vgl. dazu Kap. 4.1.

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logisch bzw. rechtfertigungstheologisch eingebunden, schon bevor der explizit christologische Anschluß vorgenommen wird. V. 35-39 knüpft in doppelter Weise an V. 31-34 und V. 28-30 an. Die eine Verbindung ist durch die Aufnahme des in V. 28 eingeführten Motivs der άγάπη in V. 35.37 und 39 gegeben. Die andere besteht in der tragenden Bedeutung der Christologie in V. 35-39 21 . In V. 35 ist von der άγάπη του Χριστοί) die Rede, in V. 37 im Anschluß an das Zitat aus Ps 43,23 LXX von Gott als του άγαπήσαντος und in V. 39 von της άγάπης του Θεοΰ της έν Χριστώ Ίησοΰ τω κυρίω ήμών. Die Übereinstimmung zwischen den Wendungen in V. 35 und 39 wird zudem durch die Abhängigkeit beider Formulierungen von dem Verb χωρίζειν unterstrichen. Unter der Perspektive der Liebe treten, wie in V. 31-34 unter dem Aspekt der Zuwendung zum Menschen, Christus und Gott nebeneinander. Ό άγαπήσας wird dabei geradezu zur Gottesbezeichnung 22 . V. 35 wie V. 37 und damit auch der vom Motiv der Liebe her verstandene Christus wie der über die Liebe interpretierte Gott beziehen sich in gleicher Weise auf die in V. 35 b aufgezählte Kette den Menschen bedrohender Mächte. Unter dem Blickwinkel des Menschen als eines zu rettenden Wesens versteht Paulus Christus wie Gott von ihrer sich dem Menschen zuwendenden Liebe her. Diese Zuwendung, sei sie wie in V. 31 und 34 durch υπέρ ήμών oder wie in V. 35 und 37 durch die άγάπη ausgedrückt, führt Paulus auf Christus und auf Gott zurück. Er sieht den rettungsbedürftigen Menschen in einer heilvollen Beziehung stehen. Seine Reflexion richtet sich in erster Linie darauf, in welcher Weise dem Menschen das Heil zukommt. Dem dient zum einen die christologische Explikation des υπέρ ήμών in V. 31-34. Zum anderen erfolgt darum angesichts der den Menschen bedrohenden Mächte der Hinweis auf die ihm begegnende Liebe. Entscheidend ist in beiden Fällen die heilvolle Beziehung, in der sich der Mensch befindet. Damit erübrigt sich die Frage, ob Christus in Konkurrenz zu Gott tritt oder gar als zweiter Gott neben Gott steht. Paulus geht es um das dem Menschen zukommende Heil angesichts von Gegnerschaft (V. 31), Beschul21

Vgl. Paulsen, 151. Wilckens, Rom 6-11, 175, bezieht ό άγαπήσας auf Christus; ebenso Käsemann, Römer, 241. Michel, 217, hält beides für denkbar: „Das AT legt Wert auf das Zeugnis ,um Gottes willen'; der Textzusammenhang von V. 36 schließt jedoch auch die Beziehung auf Christus nicht aus." Vgl. auch Schille, Liebe Gottes, 237: „Die Wendung ,der uns geliebt hat' v. 37 weist auf die andere von der Liebe Gottes in Christus voraus und ist daher nicht völlig eindeutig auf Christus und v. 35 zu beziehen." Koch, 264 Anm. 15, plädiert entschieden für die Deutung von τοΰ άγαπήσαντος ήμάς auf Christus. Er begründet dies damit, daß Christus ab V. 34 Subjekt bzw. Objekt ist und der Wechsel von Christus zu Gott sich erst in V. 39 vollziehe. Dagegen ist einzuwenden, daß in Ps 43,23 LXX selbst von Gott die Rede ist, die Deutung von ίνεκεν σοΰ in V. 36 auf Christus also keineswegs zwangsläufig ist. Hinzu kommt, daß das Verb άγαπάν (V. 37) in allen seinen Formen außer in Gal 2,20 bei Paulus immer nur in bezug auf Gott oder Menschen verwendet wird, nicht jedoch in bezug auf Christus. 22

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digung (V. 33), Verurteilung (V. 34) und Bedrohung (V. 35). Dieses Heil wird dem Menschen von Christus bzw. dem von Christus her verstandenen Gott geschenkt (χαρίσεται, V. 32). Paulus kann es auf Christus zurückführen und assoziiert dann Christus selbst als den das Heil auslösenden Gegenüber. Führt er das Heil auf Gott zurück, macht das in der Sache keinen Unterschied, da er von Gott, was die Beziehung zum Menschen angeht, in gleicher Weise redet, wie von Christus. Mit anderen Worten: Was er von Gott in Beziehung zum Menschen zu sagen hat, liegt in seinem Verständnis Christi begründet. Insofern versteht er Gott von Christus her und kommt im Blick auf das Heil des Menschen von Gott her zu gleichen Aussagen wie von Christus her. Die unlösbare Bindung der Rede von Gott an Christus demonstriert der abschließende V. 39 2 3 . Noch einmal nennt Paulus in einer diesmal zehngliedrigen Kette die Bedrohungen und Unwägbarkeiten, von denen das menschliche Leben umgeben ist. Auch diese vermögen die Christen nicht zu trennen von der in Christus Jesus erschlossenen Liebe Gottes. Mit diesem Schluß wird deutlich, daß von der Liebe Gottes nicht abgesehen von Christus gesprochen werden kann. Nur über das Christusgeschehen kann nach Paulus von einem Verhältnis Gottes zum Menschen die Rede sein, das durch den Begriff αγάπη gekennzeichnet ist. Was αγάπη ist, wird erst von Christus (της αγάπης της έν Χριστώ Ίησοΰ) her sichtbar und kann nur von daher zum Prädikat Gottes werden. Zwar sprach auch das Alte Testament von der Liebe Gottes. Dort war sie jedoch in erster Linie auf Gottes auserwähltes Volk Israel beschränkt und zeigte dementsprechend eine „Tendenz zur Exklusivität" 24 . Für Hosea ist die Liebe Gottes zu seinem Volk ein Grundmotiv seines Handelns (1-3; 11,1.3). Bei Jeremia findet sich „das Motiv der leidenden Liebe Gottes" 2 5 (12,7-9; 31,3). Auch bei Deuterojesaja (43,3.4; 54,5-8), im Deuteronomium (7,6-9.13) und bei Maleachi (1,2) ist von der Liebe Gottes zum Volk Israel die Rede. Das gleiche gilt für das hellenistische (vgl. z.B. PsSal 18,3; TestNaph 8,4.10; Sir 4,10) und das rabbinische Judentum 26 . Als ein besonderes Zeichen der Liebe Gottes zu seinem Volk galt das Geschenk der Tora 27 . Sie

2 3 Daran würde sich auch nichts ändern, wenn, wie Schille, Liebe Gottes, 241, meint, „v. 38 f. im wesentlichen in einer hymnischen Überlieferung begründet ist" und „die Formel von der Liebe Gottes in Christus" dem täuferischen Überlieferungskreis entstammt. Für Paulus bringt die Formulierung jedenfalls sachgemäß zum Ausdruck, wie über Christus von Gottes liebender Hinwendung zum Menschen zu sprechen ist. Gegen Schille vgl. im übrigen Käsemann, Römer, 242. 2 4 Quell/Stauffer, 38. 2 5 Quell/Stauffer, 32. 2 6 Belege bei Quell/Stauffer, 41. 2 7 R. Aqiba in Ab 3,15.

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zu erfüllen, war auf seiten des Menschen die diesem Geschenk entsprechende Reaktion, mit der er Gott gegenübertrat28. Indem Paulus das traditionelle Motiv der Liebe Gottes vom Christusgeschehen her interpretiert, bekommt es einen neuen Sinn. Gottes Liebe äußert sich nicht im Gesetz, sondern am Kreuz von Golgatha. Von der Liebe Gottes ist daher nicht abseits vom Kreuz Christi und an diesem vorbei zu reden. Die Rede von der Liebe Gottes muß auf dieses Geschehen bezogen sein. Gott vom Kreuz Christi her zu verstehen, bedeutet neben der Bestreitung der Möglichkeit, ihn vom Gesetz her begreifen zu können, auch die Aufhebung der nationalen Schranken, innerhalb derer die Gottesbeziehung möglich ist. In das Verhältnis zu Gott gelangt jeder, der in eine glaubende Beziehung zum gekreuzigten Christus tritt. Wer sich in die Nachfolge des Gekreuzigten begibt, wird von der Liebe Gottes erfaßt. Seine nationale Herkunft ist dabei unerheblich. Die einzige Vorbedingung ist die πίστις, d.h. „die Anerkennung des Gekreuzigten als des κύριος", die mit der Umkehrung des „bisherigen Selbstverständnisses"29 einhergeht. Mit dem paulinischen Verständnis der Liebe Gottes vom Kreuz Christi her stimmt zusammen, daß in Rom 8,28-39 nicht von der Vernichtung der feindlichen Mächte gesprochen wird. Auch post Christum existieren sie weiterhin 30 . Sie bedrohen den Menschen nach wie vor. Dessen Situation hat sich jedoch durch Christus verändert. Die Glaubenden sind an der Seite Christi und von ihm nicht zu trennen - inmitten der Bedrohung. Angesichts einer als Kampfplatz der Mächte verstandenen Welt (V. 35f.38.39) spricht Paulus nicht von der Allmacht Gottes, die den zerstörerischen Kräften entgegentreten könnte. Er propagiert keinen Gott der Stärke und Herrlichkeit. Stattdessen verweist er auf die άγάπη του Θεοΰ ή έν Χριστφ Ίησοΰ, also auf den Gott, der sich im Kreuz Christi offenbart hat. An ihn sind die Christen gewiesen, von ihm angesichts der sie bedrohenden Gefahren jedoch auch nicht zu trennen. Hinter der Aufnahme traditioneller jüdischer Motive wird in Rom 8,28-39 ein Gottesverständnis erkennbar, das die paulinische Redeweise von Gott als im Gegensatz zur jüdischen befindlich sichtbar werden läßt. Die Tatsache, daß das Christusgeschehen der Ort ist, von dem her Gotteserkenntnis möglich ist, bedeutet, daß Gott nicht von seinem Handeln in der Geschichte des Volkes Israel und auch nicht vom Gesetz her zu erkennen ist. Dies zieht Konsequenzen im Blick auf die Zugangsvoraussetzungen zu Gott nach sich. Die Bedeutung der nationalen Zugehörigkeit zu Israel ist für das Gottesverhältnis ebenso irrelevant wie das Einhalten des Gesetzes. Den Zugang zu Gott eröffnet einzig die auf Christus gerichtete πίστις. 28

Quell/Stauffer, 41. Bultmann, Theologie, 316. 30 Vgl. IKor 15,24: Erst am τέλος werden die Mächte endgültig vernichtet. Bis dahin jedoch liegen sie mit Christus im Streit um die Herrschaft über die Menschen. 29

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Die Rede von Gott bei Paulus 5.1.13 Rom 9-11: Gott als der Gott aller - Die Aufhebung nationaler Unterschiede

Die Aufhebung der Grenzen zwischen Juden und Heiden hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen zu Gott hatte Paulus bereits in Rom 3,21-31 festgestellt. Nach seiner christologisch-rechtfertigungstheologischen Interpretation Gottes waren alle, Juden wie Heiden, in gleicher Weise an die πιστις als die alleinige, dafür jedoch um so unabdingbarere Voraussetzung der Rechtfertigung gebunden. In Rom 9-11 widmet sich Paulus der Frage nach den Konsequenzen der dadurch vollzogenen Gleichstellung von Juden und Heiden vor Gott. Was bedeutet es, daß die Rechtfertigung, wie Paulus es in Rom 3,28-30 als These vertreten hat, auch für Israel an den Glauben gebunden ist - und zwar trotz seiner besonderen Vorzüge vor anderen? Welche Auswirkungen hat dies für das Verständnis der an Israel im Laufe seiner Geschichte ergangenen Gaben Gottes und seiner Verheißungen? Welche Folgerungen resultieren daraus hinsichtlich der Bedeutung der vergangenen Taten Gottes für die Beurteilung des gegenwärtigen Status' Israels und für die paulinische Einschätzung des zukünftigen Schicksals Israels? Zu fragen ist weiter, in welcher Weise Paulus in Rom 9-11 theologisch Stellung zu Israel und den für das Selbstverständnis dieses Volkes konstitutiven Gaben und Verheißungen nimmt. Sind diese aus jüdischer Sicht Ausdruck des besonderen Verhältnisses Israels zu Gott, stellt sich die Frage, welche Haltung Paulus gegenüber Israels Redeweise von Gott einnimmt. In drei Gedankengängen geht Paulus auf die zur Erörterung anstehenden Fragen ein. Seine Argumentation erweist sich dabei als inhaltlich stringent und verzeichnet einen konsequenten Gedankenfortschritt, der die drei Kapitel als eine in sich geschlossene Abhandlung ohne Brüche oder innere Widersprüche verstehen läßt1. In dem Abschnitt 9,1-5 nennt Paulus die Gaben und Verheißungen an Israel und gibt damit bereits das Thema und die Richtung seiner nachfolgenden Ausführungen an. Der erste Gedankengang verläuft von 9,6 bis 9,29: Das Berufen Gottes entspricht seiner Freiheit. Der zweite Hauptabschnitt reicht von 9,30 bis 10,21: Israels Orientierung am Gesetz scheitert. Das Heil kommt aus der Predigt des Glaubens. Das Thema des dritten Teils, Kapitel 11,1-36, lautet: Die Gleichstellung von Heiden und Juden 2 .

Vgl. dazu den Einzelnachweis bei Klumbies, Israels Vorzüge. Diese Dreigliederung in die Abschnitte 9,6-29; 9,30-10,21; 11,1-36 vertritt u.a. auch die dem rhetorischen Modell verpflichtete Studie von Aletti, 55. 1

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5.1.13.1 Rom 9,1-5: Israel unter dem Fluch Liest man Rom 9,1—5 unter der Frage: Uber wen wird etwas ausgesagt?, ergibt sich eine auffällige Zweiteilung des Abschnitts. Spricht Paulus in der ersten Hälfte, in V. 1-3 a, von sich selbst, wendet er im zweiten Teil, V. 3 b-5 a, sein Augenmerk den Israeliten3 zu. Der Wechsel in der Perspektive vollzieht sich in V.3 über der Aussage άνάΘεμα είναι... υπέρ των άδελφών μου. In V. 2 bringt Paulus seine Trauer und seinen Schmerz zum Ausdruck, in V. 3 den Wunsch, selbst an Stelle seiner jüdischen Brüder verflucht und von Christus geschieden zu sein. Die paulinische Feststellung, daß die Juden sich unter dem Fluch befinden, wird jedoch direkt anschließend in V. 4.5 a kontrastiert durch die Aufzählung der besonderen Vorzüge, die ihnen als Israeliten eignen und die nach jüdischem Selbstverständnis Israel als Israel konstituieren. Dies scheint eine Diskrepanz zu bedeuten. Wie gehen die Trübsal des Paulus und sein Wunsch, verflucht zu sein, und die anschließende Kette der Vorzüge Israels zusammen? Die Kluft vertieft sich durch die abschließende Doxologie in V. 5 b. Uber der Reihe von Gaben an Israel kommt Paulus zum Lobpreis Gottes und das unmittelbar, nachdem er in V. 3 den Fluchzustand Israels konstatiert hat. So stehen die Trauer des Paulus und die Aufzählung der Gaben an Israel, die Feststellung des Fluchzustandes Israels und der Lobpreis Gottes sich scheinbar zusammenhanglos gegenüber 4 . Um zu einer Lösung des Problems zu gelangen, wird in diesem Zusammenhang häufig mit dem Unglauben Israels argumentiert. Der Schmerz des Paulus liege darin begründet, daß Israel sich dem Evangelium verschlossen habe 5 . Dies stehe zwar nicht da, wie richtig gesehen wird 6 , werde aber von Paulus vorausgesetzt 7 bzw. sei aus V. 3 zu erschließen8. Demgegenüber ist festzustellen, daß Paulus nicht über die Ursache für den gegenwärtigen Zustand Israels reflektiert. Er charakterisiert lediglich die 3 Ί σ ρ α η λ ϊ τ α ι ist Ehrenname. Vgl. K . G . Kuhn, Art. 'Ισραήλ, T h W N T III, 1938, 360-370, 360-361; Luz, Geschichtsverständnis, 26f.; Wilckens, R o m 6-11, 187f.; Käsemann, Römer, 249. 4 Käsemann, Römer, 249, äußert demgegenüber Ratlosigkeit: „Merkwürdigerweise gibt Pls keinen Grund für seine Trauer an, und unter der H a n d verwandelt sich die Klage in einen Preis d e r . . . heilsgeschichtlichen Vorzüge Israels". 5 Wilckens, R o m 6-11, 186; Hübner, Gottes Ich, 14; Lüdemann, 31; Rese, 214f. Laut W. G . Kümmel, Die Probleme von Römer 9-11 in der gegenwärtigen Forschungslage, in: Ders., Heilsgeschehen und Geschichte, Bd. 2, Ges. Aufsätze 1965-1977, hg. v. E. Gräßer und O . Merk, 1978, 245-260, 249, ist „Paulus tief b e k ü m m e r t . . . wegen des Widerspruchs zwischen der göttlichen Gabe für die Israeliten und dem Verhalten eben dieser Israeliten gegenüber diesem Gott".

Wilckens, R o m 6-11,186; Lüdemann, 31; Rese, 214; Schmithals, Römerbrief, 327. Rese, 214. s Wilckens, R o m 6-11,186. R. Schmitt, Gottesgerechtigkeit - Heilsgeschichte - Israel in der Theologie des Paulus, E H S . T 240, 1984, 73, erschließt den Grund für die Trauer und Klage des Apostels aus V. 6 a. Er liege darin, daß „die Macht und damit die Geltung des Wortes Gottes in Frage" steht. 6

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Die Rede von Gott bei Paulus

Situation, wie sie sich ihm darstellt. D e r G r u n d f ü r seine T r a u e r liegt in der f ü r ihn faktisch gegebenen Befindlichkeit Israels unter d e m F l u c h . Z w a r bedeutet der G e b r a u c h des B e g r i f f s ά ν ά θ ε μ α eine theologische Wertung d u r c h Paulus. A b e r die v o n ihm auf diese Weise charakterisierte V e r f a s s u n g Israels ist es, die ihn z u m A u s d r u c k der Trauer u n d des S c h m e r z e s bringt. E i n e andere F r a g e ist d a g e g e n die, w a s Paulus z u der v o n ihm v o r g e n o m m e nen Wertung veranlaßt hat. Bei der Suche nach d e m M o t i v d a f ü r erhält der H i n w e i s auf den U n g l a u b e n Israels seine Berechtigung. D i e F r a g e nach d e m G r u n d f ü r die Trauer ist also v o n der nach der U r s a c h e f ü r die v o n Paulus v o r g e n o m m e n e B e w e r t u n g des Z u s t a n d e s Israels z u unterscheiden. D i e erste F r a g e k a n n nicht d u r c h eine A n t w o r t auf die zweite gelöst werden. H i n z u k o m m t , daß die erste F r a g e auf die P e r s o n des Paulus zielt u n d Paulus selbst zunächst nur v o n sich spricht (V. 1 - 3 a), w ä h r e n d mit der zweiten F r a g e der Blick auf Israel gerichtet ist. E r f o l g t z u m Verständnis des paulinischen Urteils über die gegenwärtige V e r f a s s u n g Israels z u R e c h t der H i n w e i s auf dessen U n g l a u b e gegenüber d e m E v a n g e l i u m , s o gilt in b e z u g auf P a u l u s : E r b e k u n d e t große Trauer, weil Israel unter d e m ά ν ά Θ ε μ α steht. D a s ist u m s o schmerzlicher, als Israel h e r v o r r a g e n d e H e i l s g a b e n z u k o m m e n , ü b e r denen G o t t z u preisen ist 9 . A n d e r s f o r m u l i e r t : O b w o h l Israel unvergleichliche G n a d e n g a b e n erhalten hat, befindet sich Paulus i m Z u s t a n d tiefer Trauer. D i e A n t w o r t , wie das der Fall sein kann, lautet: Weil sich Israel trotz aller Gaben unter d e m ά ν ά Θ ε μ α befindet. Wenn aber gesagt ist, daß auf Israel t r o t z seiner b e s o n d e r e n G a b e n u n d Verheißungen der „eschatologische F l u c h " 1 0 lastet, k o m m t darin z u gleich das U r t e i l des Paulus ü b e r den C h a r a k t e r u n d die B e d e u t u n g dieser G a b e n z u m A u s d r u c k . Sie bringen Israel kein H e i l u n d v e r m ö g e n nichts an seinem Z u s t a n d z u ändern. D a ß Israel sich t r o t z seiner b e s o n d e r e n V o r z ü g e auf einem Weg des U n h e i l s befindet, bedeutet die Relativierung der H e i l s b e deutsamkeit seiner G a b e n . Sie, die nach d e m Selbstverständnis Israels d a s H e i l des Volkes verbürgen, ändern nach d e m Urteil des Paulus nichts an seinem gegenwärtigen Z u s t a n d . D a m i t besitzen sie f ü r Paulus keinerlei soteriologische Relevanz. D e r C h r i s t Paulus w ü r d i g t sie z w a r weiterhin als b e s o n d e r e G a b e n an Israel, Heilsträchtigkeit k o m m t ihnen j e d o c h nicht z u 1 1 . A n diesen G e d a n k e n k n ü p f t Paulus in 9,6 ff. unmittelbar an. 9 Die Doxologie in V. 5 b ist auf Gott und nicht auf Christus bezogen. Vgl. die Argumente bei Wilckens, R o m 6-11,189. 1 0 Klein, Präliminarien, 238. 1 1 Zur Einführung des Motivs des Unglaubens Israels und zur Beurteilung der in V. 4 und 5 a aufgezählten Gaben und Verheißungen durch Paulus vgl. Klumbies, Israels Vorzüge, 137-140. Zur Begrifflichkeit: Wenn die in 9,4f. aufgezählten Eigenschaften, Ereignisse und Gaben zusammenfassend als Heilsgaben oder Vorzüge bezeichnet werden, sind damit Bezeichnungen gewählt, die dem Selbstverständnis Israels bezüglich des Charakters dieser Geschehnisse und Fakten entsprechen. Dieses Selbstverständnis teilt Paulus jedoch nicht. E r enthebt die Gaben ihrer Heilsträchtigkeit und neutralisiert sie. Seinen eigenen Terminus für sie nennt er in 11,29:

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5.1.13.2 Rom 9,6-29: Der durch das Evangelium berufende Gott So groß die Gaben und Verheißungen für Israel auch sein mögen, am Zustand Israels ändern sie nichts. Insofern ist ihretwegen der λόγος του Θεοί), d.h. das Evangelium 12 , nicht hingefallen (V. 6a). Mit den Gaben für Israel hat das Evangelium gerade nicht seinen Sinn verloren, ist vielmehr besonders für Israel notwendig, da seine Gaben es nicht vor dem Stand unter dem Fluch bewahren konnten. Ούχ οιον δέ οτι έκπέπτωκεν ό λόγος του Θεού: Die erste Begründung, ό λόγος τοΰ Θεοί) als das Evangelium zu verstehen, ergibt sich durch den Bezug auf das Vorhergehende: Auch gegenüber Israel und gerade angesichts dessen besonderer Gaben hat das Evangelium nicht seine Gültigkeit verloren. Vielmehr läßt der unheilvolle Zustand Israels seine Geltung um so nachdrücklicher bestehen. Die zweite Begründung erfolgt unmittelbar im Anschluß an V. 6 a. Sie ergibt sich aus der Tatsache, daß nicht alle, die zum historisch-empirischen Israel gehören, wirklich Israel, d.h. (Juden-)Christen sind (V.6b) 13 . Solange das nicht der Fall ist, behält das Evangelium notwendigerweise seine Geltung. V. 1 - 6 machen damit bereits eine wesentliche Konsequenz aus der paulinischen These von der an Christus gebundenen, für alle geltenden Gerechtigkeit aus Glauben sichtbar. Die von Israel für sich als Garanten des Heils in Anspruch genommenen Vorzüge besitzen nach Paulus keinerlei Heilsträchtigkeit. Dieses Urteil basiert einerseits auf der V. 3 zu entnehmenden negativen Feststellung, daß sie nichts am Unheilszustand Israels zu ändern vermögen. So hoch sie im übrigen als Gaben Gottes auch zu schätzen sein mögen, so wenig ändert sich daher andererseits ihretwegen etwas an der Geltung des Evangeliums. Der Zustand Israels und die Tatsache, daß nur ein Teil aus Israel sich zu Christus bekehrt hat, lassen es uneingeschränkt in Geltung stehen. Das Heil für Israel ist auch angesichts der besonderen Gaben Gottes für dieses Volk an das Evangelium von Jesus Christus gebunden. Für das Gottesverständnis bedeutet dies: Eine heilvolle Interpretation Gottes ist von den einmal geschenkten Gaben her nicht zu erzielen, da Israel auf diese Weise nicht zum Heil gelangt ist. Gott ist für Paulus nicht über sein Handeln in der Geschichte Israels zu definieren. Ihn von den Gaben der

χαρίσματα. Χαρίσματα sind gottgegebene Geschenke, Tatsachen, die zur Historie Israels gehören. Privilegien, die eine besondere Affinität zum Heil gewährleisten, stellen sie nicht dar. Vgl. Conzelmann, χάρις, 394 Anm. 10; Klumbies, Israels Vorzüge, 155.156. 12 Damit ist ό λόγος τοΰ Θεοΰ in Analogie zu IKor 14,36; 2Kor 2,17; lThess 2,13 und, falls die Lesart hier ursprünglich sein sollte, Phil 1,14 verstanden. Zur ausführlichen Begründung dieser Interpretation vgl. Klumbies, Israels Vorzüge, 140-142. 13 Vgl. E. Dinkier, Prädestination bei Paulus, in: Ders., Signum Crucis, Aufsätze zum Neuen Testament und zur christlichen Archäologie, 1967, 241-269, 249 und 267; Klein, Präliminarien, 235: „empirisches und soteriologisches Israel"; Hübner, Gottes Ich, 17.

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Die Rede von Gott bei Paulus

Vergangenheit her zu verstehen, hieße, ihn an die Vergangenheit zu binden eine Vergangenheit, die in einen gegenwärtigen Unheilszustand mündete. Paulus stellt dem von der Vergangenheit des eigenen Volkes her begriffenen Gott den sich über seinen λόγος gegenwärtig Geltung verschaffenden Gott gegenüber. Der λόγος του Θεοΰ ist das an Christus gebundene Evangelium, das sich den Glaubenden erschließt. Angesichts der gegenwärtigen heillosen Verfassung Israels, an der das Bekenntnis zu dem über Taten und Ereignisse der Geschichte Israels verstandenen Gott nichts zu ändern vermag, schärfer formuliert: an der das Scheitern des so interpretierten Gottes augenfällig wird, verweist Paulus auf den sich im Evangelium offenbarenden Gott. Diesem Ergebnis entsprechend bauen V. 6-9 und V. 10-13 in zwei parallelen Gedankengängen ein Israelverständnis ab, das der nationalen Herkunft soteriologische Qualität zumißt. Die Kindschaft ist nicht physisch weitervererbbar. Sie wird durch den Ruf Gottes begründet. Der Kette aus empirischem Israel - Nachkommenschaft Abrahams - Kindern des Fleisches steht die Linie von wahrem Israel - Nachkommenschaft in Isaak - Kindern der Verheißung gegenüber. Den Ausgangspunkt der Argumentation bildet die These in V. 6 a 14 . Paulus hält an der Geltung des λόγος τοΰ Θεοΰ für Israel fest. V. 6 b schließt sich begründend (γάρ) an, V. 7-9 erweitert und erläutert die Begründung. Zur leiblichen Nachkommenschaft Abrahams zu gehören, garantiert nicht die Kindschaft. Diese beruht vielmehr auf dem καλεΐν Gottes 15 . Der Hinweis auf Isaak in dem Zitat aus Gen 21,12 LXX schneidet „die Berufung auf ein heilsgeschichtliches Kontinuum" 16 ab. V. 8 expliziert dies noch einmal in veränderter Terminologie. Wie in V. 7 geschieht dies mit einer Gegenüberstellung von ου bzw. ουδέ und άλλά. Gegenüber V. 7 hat sich in V. 8 die Bedeutung des Begriffs σπέρμα geändert. Bezeichnete er in V. 7 in der Wendung σπέρμα 'Αβραάμ die leibliche Herkunft von Abraham, bezieht er sich in V. 8 auf die Kinder der Verheißung. In V. 7 stellt Paulus der Abkunft von Abraham die Berufung in Isaak gegenüber. In V. 8 füllt er den σπέρμαBegriff mit dem in V. 7 b gewonnenen Inhalt und stellt das σπέρμα selbst, nun verstanden als τά τέκνα της έπαγγελίας, den τέκνα της σαρκός gegenüber. Nur die Kinder der Verheißung sind Kinder Gottes und die wahre

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Daß V. 6 a und nicht V. 6 b als die These anzusehen ist, hält Lübking, 62, zu Recht gegen Klein, Präliminarien, 235, fest. Richtig auch F. Siegert, Argumentation bei Paulus gezeigt an Rom 9-11, W U N T 3 4 , 1985,124. Vgl. auch M. A. Getty, Paul and the Salvation of Israel: Α Perspective on Romans 9-11, C B Q 50,1988,456-469, 465: Nicht 9,6b ist die These, sondern 9,6a: „, God's word has not failed.'" Anders jedoch Theobald, 7. 15 κληΘήσεται inV. 7 ist passivum divinum. Wilckens, Rom 6-11,192. 16 Klein, Römer 4,168; vgl. Hübner, Gottes Ich, 18.

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Nachkommenschaft Abrahams 17 . Das Schriftwort im Anschluß an Gen 18,14 LXX in V. 9 führt Gott als in der 1. Person Singular von sich redend an. Wie in dem Zitat in V. 7 ist von Gott in der Bindung an sein Wort die Rede18. Der Gegensatz zwischen Lübking und Klein, ob Paulus in V. 6 ff. primär „am Nachweis der Wirksamkeit des λόγος του Θεοΰ gegenüber Israel interessiert"19 sei oder an der Aufspaltung des Israelbegriffs20, erledigt sich durch die Erkenntnis, daß Paulus mit dem λόγος τοΰ Θεοΰ in V. 6 a, wie an allen anderen Stellen im Corpus Paulinum auch, das Evangelium meint 21 . Bei diesem Verständnis zielt die Geltung des λόγος τοΰ Θεοΰ nämlich gerade auf die „klare Unterscheidung zweier ,Israel'verständnisse"22. Damit ist zugleich die Notwendigkeit geschwunden, V. 6 b zur „Leitthese" des Gedankengangs erklären zu müssen23. V. 6b-9 entfaltet V. 6 a. Der berufende Gott selbst schafft durch sein Wort die Gotteskindschaft. Sein Berufen bzw. sein Wort geschieht unabhängig von nationaler Herkunft. Die wahre Nachkommenschaft hängt nicht an der leiblichen Abkunft von Abraham, sondern ausschließlich am Gotteswort. Ihren Niederschlag findet die Aufhebung der nationalen Begrenztheit in der Uminterpretation des σπέρμα-Begriffs durch Paulus. Im Blick auf die gegenwärtige Situation Israels verkündet Paulus, daß die Gotteskindschaft sich exklusiv durch den Ruf bzw. das Wort Gottes eröffnet. Dies ist, wie der Rückgriff auf die Vätergestalten zeigt, schon immer der Fall gewesen. Daß für Paulus unter dem Wort Gottes inhaltlich gegenwärtig das Evangelium zu verstehen ist, hat er seinen Ausführungen in V. 6 a als These vorangestellt. Damit stellt er den Hinweis auf die Väter in den Dienst seiner eigenen Intention. Die Gotteskindschaft folgt aus dem Glauben an das Evangelium. Die anachronistische Argumentation führt außerdem dazu, daß bereits in V. 7-9 angelegt ist, was erst V. 24 explizit ausspricht: Die Öffnung des Gottesverhältnisses für alle, d. h. alle Glaubenden aus Juden und Heiden 24 . V. 10-13 setzt in einem zweiten Durchgang den Gedanken von V. 6b-9 fort. Auch für die Erwählung Jakobs ist der Ruf Gottes konstitutiv. Das Verb καλεΐν wird dabei zur Gottesbezeichnung selbst: έκ τοΰ καλούντος 25 . Die Rebekka in Gen 25,23 LXX mitgeteilte Kunde ό μείζων δουλεύσει τφ έλάσσονι (V. 12 b) ergeht bereits vor der Geburt der Knaben und ist unab17

Vgl. Käsemann, Römer, 253; Hübner, Gottes Ich, 19; Lübking, 63. Hübner, Gottes Ich, 24, hebt hervor, „daß in beiden Fällen Gott selbst als der Redende zitiert wird, und zwar so, daß er - indirekt oder direkt - ,ich' sagt". 19 Lübking, 62. 20 Klein, Präliminarien, 235. 21 Gegen Lübking, 61. 22 Lübking, 62. 23 Gegen Klein, Präliminarien, 235. 24 Vgl. Klumbies, Israels Vorzüge, 143. 25 Vgl. Rom 4,17. 18

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Die Rede von Gott bei Paulus

hängig von deren Verhalten (V. 11 a). Damit wird die absolute Souveränität Gottes hervorgehoben. Sein prädestinatianisches Handeln liegt ausschließlich in seiner πρόΘεσις begründet (V. 11 b). An ihrer Freiheit und ihrem Bestand liegt Paulus. Wie der Vorsatz Gottes hinsichtlich der Erwählung inhaltlich zu verstehen ist, erläutert der nachfolgende Einschub in V. 12 a. Die Erwählung hängt nicht an aufweisbaren Vorzügen, sondern am berufenden Gott. Paulus verwendet angesichts der gegenwärtigen Situation Israels also auch das Beispiel von Jakob und Esau dazu, der Inanspruchnahme scheinbarer Vorzüge zu wehren. Menschliche Qualitäten sind angesichts des ergehenden Gotteswortes von Anfang an und grundsätzlich irrelevant. Dies ist für das gegenwärtige Israel laut Paulus bereits an Jakob und Esau ablesbar. Die Bezeichnung Gottes als ό καλών legt es nahe, daß Paulus unter dem berufenden Gott auch hier wie in V. 7 und 9 inhaltlich den sich gegenwärtig im Evangelium erschließenden Gott versteht. Von dieser Deutung her ergibt sich auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß Paulus in V. 12 a die πρόΘεσις του Θεοΰ rechtfertigungstheologisch expliziert 26 . Dann spricht er an dieser Stelle nicht von einem absoluten, vom Rechtfertigungsgeschehen unabhängigen Gott, sondern auch der prädestinatianisch verstandene Gott ist über sein Rechtfertigungshandeln interpretiert. Als Fazit von V. 6-13 läßt sich festhalten: Wahre Kindschaft kommt ausschließlich durch das Wort Gottes zustande. Die Bindung der Kindschaft an das bei Paulus inhaltlich als Evangelium verstandene Gotteswort impliziert die Öffnung der Kindschaft für alle Glaubenden aus Heiden und Juden. Die nationale Herkunft aus Israel trägt dagegen nichts für die Kindschaft aus. Daher gehört auch nur ein Teil aus Israel zum wahren Israel. Damit erhebt sich konsequenterweise die Frage: Wenn die Kindschaft exklusiv durch das Wort Gottes entsteht, dadurch die einen in die Kindschaft gerufen sind, andere aber nicht, und selbst aus Israel auf diese Weise nur ein Teil zu den Kindern Gottes gehört, ist dann nicht Ungerechtigkeit bei Gott? Diesen Einwand weist Paulus in V. 14-18 in einem ersten Gedankengang unter Hinweis auf die Freiheit Gottes zurück. In V. 15 und V. 17 führt er dazu zwei Zitate an, denen sich eine jeweils durch αρα οΰν eingeleitete Folgerung anschließt. V. 15 f. interpretiert dabei unter Anführung von Ex 33,19 L X X die Freiheit Gottes ausschließlich als sein erbarmendes Handeln und bezieht sich damit lediglich auf die erste Hälfte des Zitats aus Mal 1,2 f. L X X in 9,13 zurück. Dies ist anders in der Folgerung aus dem Zitat von Ex 9,16 (V. 17) in V. 18. Hier wird Gott nicht mehr exklusiv über sein erbarmendes Handeln verstanden, sondern über die Freiheit seines Willens. Diese impliziert auch die Möglichkeit zu verstocken. V. 18 bezieht folglich auch die 2 6 Käsemann, Römer, 254: „Auch das Problem Israels... steht unter den Kriterien der Rechtfertigungslehre." Anders Hübner, Gottes Ich, 24.

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zweite Hälfte des Maleachi-Zitats aus V. 13 ein. Damit entspricht dem έλεειν das άγαπαν aus V. 13 (= Mal 1,2) und dieses wiederum dem καλεΐν. Das σκληρύνειν aus V. 18 wiederum findet seine Entsprechung im μισειν von V. 13 (= Mal 1,3) 27 . Das hier geäußerte Gottesverständnis ist jedoch nicht zu isolieren, sondern streng dem Kontext zuzuordnen. Es entsteht schließlich erst vor dem Hintergrund der Konsequenzen, die sich aus dem an das Wort gebundenen Gottesbegriff ergeben: Hängt die Kindschaft exklusiv am Ruf Gottes, wie ist dann zu beurteilen, daß nur ein Teil aus Israel sie erlangt hat? Die Argumentation mit der Freiheit Gottes provoziert zwangsläufig einen weiteren Einwand. Ist damit nicht die Verantwortlichkeit des Menschen aufgehoben? Paulus legt sich diesen Einwand durch zwei Fragen in V. 19 selbst vor. V. 19 c knüpft dabei durch die Aufnahme des Willensmotivs unmittelbar an V. 18 an. V. 20 und 21 haben die Funktion, den doppelten Einwurf von V. 19 zu entkräften 28 . V. 19-21 ist von alttestamentlichen Voraussetzungen durchzogen 29 . Mit ihrer Hilfe werden beide Einwände zurückgewiesen. Der leitende Gedanke, dem auch die alttestamentlichen Aussagen zugeordnet sind, ist der untergeordnete Stand des Menschen vor Gott (V. 20) bzw. die souveräne Macht Gottes (V. 21). Beide Gedankengänge, V. 14-18 wie V. 19-21, bringen keinen grundsätzlichen inhaltlichen Zugewinn gegenüber V. 6 - 1 3 . Sie setzen sich mit naheliegenden Einwänden gegen das dort gelegte theologische Fundament auseinander und sichern dessen Gültigkeit 30 . Die in V. 22.23 mit der Rede von Gott verbundene Vorstellung knüpft an das Bild vom Töpfer aus V. 21 an und ist von dorther geprägt. Das hier geäußerte Gottesverständnis ist darum nicht als Konkurrenz zu der an den λόγος bzw. das καλεΐν gebundenen Rede von Gott zu verstehen. Worauf Paulus inhaltlich hinaus will, erschließt sich von V. 24 her. Ihm liegt positiv an der Berufung aus Juden und Heiden durch Gott. Vor diesem Hintergrund ist deutlich, daß sein Ansatz in V. 22 und 23 mit den Erwägungen über Gottes Zorn und das ewige Verderben 31 die Gefahr der Spekulation in sich birgt 32 . Von daher erklärt sich der anakoluthische Satz mit dem abrupten Abbruch des Gedankens nach V. 23. Paulus bricht seine Ausführungen über Gottes Hübner, Gottes Ich, 40.41. Brandenburger, Schriftauslegung, 28.29. 2 9 Vgl. Hübner, Gottes Ich, 4 6 - 4 8 : V. 19b erinnert an Sap 12,12. Im Hintergrund könnte aber auch Sap 11,21 stehen. V.20b zitiert Jes 29,16 L X X . Ebenso ist der Bezug zu Jes 45,9 deutlich. Käsemann, Römer, 260: V.20b-21 entstammt „breiter alttestamentlicher Tradition..., wie Jes 29,16; 45,9; 64,7; Jer 18,3-6; Hi 10,9; 33,6 und daran anschließende jüdische Texte zeigen". V. 21 b steht Sap 15,7 nahe. 3 0 Brandenburger, Schriftauslegung, 24. 3 1 A. Oepke, Art. άπόλλυμι, άπώλεια, Άπολλύων, ThWNT 1 , 1 9 3 3 , 3 9 3 - 3 9 6 , 3 9 6 . 3 2 Vgl. Bornkamm, Anakoluthe, 91. 27 28

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Die Rede von Gott bei Paulus

Intentionen hinsichtlich Gericht und Verderben ab und beschränkt sich gegenüber seinen römischen Adressaten darauf zu konstatieren, was in der gegenwärtigen Situation von Gott zu sagen ist. Für ihn ist die Gegenwart durch die Offenbarung der Gnade Gottes gekennzeichnet33. In charakteristischer Weise bindet er daher in V. 24, d. h. in dem Moment, in dem er die Bildebene verläßt, seine Rede von Gott wiederum an dessen καλειν. Der Verwendung des Verbs καλεΐν an dieser Stelle kommt entscheidende Bedeutung für das Gesamtverständnis von 9,6-29 zu. Καλειν bezieht sich in V. 24 auf die Berufung aus Juden und Heiden. Diese wurde durch Gott selbst vollzogen. Fragt man, wer berufen wurde, ist klar, daß es sich dabei um die Christen handelt. Christen aber werden exklusiv durch das Evangelium berufen! Das καλεΐν Gottes zielt also in V. 24 eindeutig auf Christen. Damit erhält der Begriff καλεΐν seine inhaltliche Füllung vom Evangelium her. Gott beruft die Christen durch das Evangelium. Sein καλείν vollzieht sich über das Evangelium. Das Evangelium bildet die inhaltliche Explikation des καλειν. Ist für die Verwendung von καλεΐν in V. 24 inhaltlich die Bedeutung „Evangelium" erwiesen, ist der berufende Gott folglich der durch das Evangelium Berufende. Damit bestätigt sich, daß in 9,6 ff. der bei Paulus an sein Wort gebundene Gott als der sich durch das Evangelium offenbarende Gott zu verstehen ist. Paulus bringt die Bindung Gottes an sein Wort durch die Einführung des λόγος-Begriffs in V. 6 a und 9 und den Gebrauch des Verbs καλεΐν in V. 7b und 12 zum Ausdruck. Die Auffassung, daß bereits damit die Rede von Gott inhaltlich an das Evangelium gebunden sei, gründet nun nicht mehr allein auf der Interpretation des λόγος τοΰ Θεοΰ in V. 6 a als Evangelium. Sie findet vielmehr eine entscheidende Stütze in der eindeutigen inhaltlichen Festlegung des καλεΐν in V. 24. Der redende und berufende Gott ist der sich durch das Evangelium erschließende Gott. In V. 25 zitiert Paulus als Bestätigung für seine Aussage von V. 24 Hos 2,25. Wieweit er die alttestamentliche Aussage ungeachtet ihres ursprünglichen Kontextes für das Handeln Gottes an den Christen in Beschlag nehmen kann, kommt in einer signifikanten Textänderung zum Ausdruck. Statt des ursprünglichen έρώ in Hos 2,25 L X X spricht Paulus von καλέσω. Er trägt damit in das alttestamentliche Zitat das Verb ein, das für ihn inhaltlich durch das Evangelium gefüllt ist 34 . Insofern funktionalisiert er das alttestamentliche Zitat nicht nur durch die Verwendung in einem völlig anderen Zusammenhang für seine eigene Aussage. Er legt vielmehr das, was das Zitat belegen soll - die Berufung der Christen als einer neuen Gruppe, die sich z.T. aus Menschen zusammensetzt, die bisher nicht in Zusammenhang mit Gott Bornkamm, Anakoluthe, 92; Käsemann, Römer, 263. Laut Koch, 167, „ist dieser Austausch nicht voraussetzungslos erfolgt, sondern κ α λ ε ΐ ν ist dem Text von H o s 2,1 b entnommen, den Paulus im Anschluß an den umgestalteten Wortlaut von H o s 2,25 b.c R o m 9,25 in R o m 9,26 unverändert anführt". 33

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gesehen wurden, nämlich den Heiden 35 - , bereits in das Zitat selbst hinein. Transportiert für Paulus der Gebrauch des Verbs καλεϊν bereits das Evangelium, stellt er durch die Verwendung von καλείν in Hos 2,25 eine Parallelität zwischen der Situation bei Hosea und der eigenen gegenwärtigen her. Der in V. 24 in Erinnerung gerufene Vorgang der Berufung ist, laut Paulus, exakt, d. h. bis in die Ubereinstimmung bei der Wahl des Verbs für diesen Vorgang, bereits bei Hosea angesagt. Paulus trägt damit den von ihm in V. 24 formulierten Gedanken der Berufung von Christen aus Juden und Heiden durch das Evangelium bereits in das Hoseawort ein. Der in 9,6 b ein- und in 9,7-13 ausgeführte Gedanke, einen Teil Israels von den Juden insgesamt zu unterscheiden und nur diesen Teil, die Judenchristen, gemeinsam mit den Heidenchristen dem wahren Israel zuzurechnen, wird durch die Wendung ου μόνον έξ 'Ιουδαίων in V. 24 aufgenommen. Die Präposition έκ weist dabei darauf hin, daß hier nur von einem Teil der Juden die Rede ist. Seine biblische Begründung findet der Gedanke in dem JesajaAusruf in V. 27. Ein Rest, d.h. in paulinischem Zusammenhang: die Judenchristenheit, wird gerettet werden. Der Restgedanke bestimmt auch das Ende des Abschnitts 9,6-29. V. 29 führt das Übrigbleiben eines Teils von Israel unter Aufnahme von Jes 1,9 LXX noch einmal ausdrücklich auf Gott zurück. Der Tenor der Verse 27-29, die durch den mit der Wendung έξ 'Ιουδαίων in V. 24 verknüpften Gedanken eines Teils Israels motiviert sind, lautet nicht primär: Die Mehrzahl der Juden ist im Endgericht verloren36, lediglich ein kleiner Teil wird davonkommen. Paulus spekuliert hier nicht über die Zukunft. Er geht vielmehr von der gegenwärtigen Erfahrung aus. Ein Teil der Juden wurde berufen und ist damit gerettet. Diese Erfahrung findet er bereits in der Schrift angekündigt. Darum zitiert er sie, auch wenn die Aussagen dort futurisch formuliert sind (vgl. V. 26-28). Im paulinischen Kontext weisen die futurischen Aussagen jedoch nicht auf das Endgericht, sondern gerade in die gegenwärtige Situation37, wie sie V. 24 beschreibt. Daher können sie Paulus auch als Beleg und Bestätigung seiner eigenen Aussage dienen. Insofern dokumentiert V. 27-29 den positiven Umgang mit der Erfahrung, daß immerhin ein Teil der Juden gerettet ist. Freilich läßt der Apostel auch keinen Zweifel daran, wie die Kehrseite ausgesehen hätte, hätte Gott nicht durch das Evangelium berufen, und wie in seinen Augen der Zustand der Juden abseits des Evangeliums zu beurteilen ist, wenn er in V. 29 mit Jes 1,9 äußert: Wie Sodom und Gomorrha wären wir geworden. Paulus expliziert in Rom 9,6-29 Gott von seinem Wort bzw. seinem Berufen her. Gott ist der, der die Heidenchristen zusammen mit einem Rest aus Israel, den Judenchristen, zum wahren Israel berufen hat. Die Tatsache, 35 Hübner, Gottes Ich, 57: „Mit dem Hos-Zitat wird das άλλά καϊ έξ έΘνών aus V. 24 belegt." 36 Anders Hübner, Gottes Ich, 57. 37 Vgl. Koch, 318.

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daß die Berufung von Christen ausschließlich durch das Evangelium erfolgt, hat Konsequenzen für das Verständnis des Wortes Gottes und Gottes καλεΐν und damit für das Verständnis Gottes selbst. Sind das Wort Gottes und das καλείν inhaltlich identisch mit dem Evangelium, führt auch die paulinische Definition Gottes über sein berufendes Wort zu einem Verständnis Gottes vom Evangelium her. Inhaltlich meint das Berufen Gottes ebenso wie der Inhalt seines λόγος das Evangelium. Der berufende Gott ist der, der durch das Evangelium beruft. Damit erschließt umgekehrt erst und nur das Evangelium, wer Gott ist. Innerhalb von 9,6-29 wird die Konsequenz dessen außer in V. 6 - 9 am deutlichsten in V. 24 zum Ausdruck gebracht. Die von Gott durch das Evangelium vollzogene Berufung führt zu einer Entnationalisierung der Gottesbeziehung. Für den Zugang zu dem vom Evangelium her verstandenen Gott ist die nationale Herkunft bedeutungslos. Der jüdischen Auffassung, die Gott als den begreift, der sich an ein Volk gebunden hat, stellt Paulus sein Verständnis Gottes als dessen gegenüber, der Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beruft.

5.1.13.3 Rom 9,30-10,21: Glaube und Gottesgerechtigkeit Hat Paulus in 9,6-29 von Gottes καλεΐν gesprochen und dabei streng theozentrisch gedacht, so wechselt er in 9,30ff. die Perspektive38. Jetzt liegt der Ansatz beim Menschen. Nun werden die Themen δικαιοσύνη und πίστις behandelt, die bis dahin keine Erwähnung fanden. Der Abschnitt bildet damit die konsequente Fortsetzung des vorangegangenen Teils. In 9,24 hat Paulus von Juden und Heiden unter dem Gesichtspunkt ihrer Berufung durch Gott gesprochen. Als Christen stehen Menschen beiderlei Herkunft gleichberechtigt nebeneinander, in bezug auf Gott sind die Unterschiede zwischen beiden Menschengruppen aufgehoben. In 9,30 und 31 redet Paulus von Heiden und Juden unter dem Aspekt der Gerechtigkeit. Unter der Perspektive des Verhältnisses beider Gruppen zur δικαιοσύνη brechen die Unterschiede zwischen Heiden und Juden offen hervor. Werden von Gott her durch die Herkunft bedingte Differenzen aufgehoben (V. 24), treten sie auf Seiten des Menschen, wie das Verhalten gegenüber der δικαιοσύνη zeigt, um so deutlicher hervor (V. 30.31). Paulus stellt das Verhalten der Heiden und Israels antithetisch gegeneinander. Für die Heiden ist charakteristisch τά μή διώκοντα, während Israel bescheinigt wird: διώκων. In der Zielrichtung unterscheiden sich beide Gruppen ebenfalls. Für die Heiden gibt Paulus die Gerechtigkeit an. Obwohl 38 Aletti nimmt den Einschnitt ebenfalls nach 9,29 vor. Er weist zu Recht darauf hin, daß „9,30-10,21 forme une reelle uniti litteraire" (43). Die gleiche Abgrenzung findet sich auch bei W. R. Stegner, „Romans 9,6-29 - A Midrash", JSNT 22,1984,37-52. Ebenso Cranfield, II, 503, u.v. a.

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sie nicht danach trachteten, erlangten sie die Gerechtigkeit, und zwar die aus Glauben. Israels Bemühen hingegen scheiterte. Hinzu kommt, daß sein Streben, nach Paulus, gar nicht auf die Gerechtigkeit, sondern auf den νόμος δικαιοσύνης ausgerichtet war und Israel nicht zum νόμος gelangte 39 . Glaube und Leistungsprinzip stehen sich für Paulus unversöhnlich gegenüber (V. 32 a). Die Ursache für die verzweifelte Situation Israels sieht Paulus in der Ablehnung Christi (V. 32 b.33). Wo der Glaube zurückgewiesen wird, bleibt nach paulinischer Auffassung nur noch ein Bemühen aufgrund von Werken (V. 32), für Paulus ein Weg der Selbsterlösung. In 10,1 schreibt Paulus, daß er zu Gott betet für das Heil der Juden. Die Tatsache, daß er diese Äußerung gegenüber christlichen Adressaten macht, läßt deutlich werden, daß für ihn die Exklusivität der Bindung Gottes an Israel aufgehoben ist 40 . Zwar bestätigt er den Juden, daß sie ζήλος Θεοΰ haben (10,2) 41 . Das jedoch reicht nicht aus. Ihnen fehlt die richtige έπίγνωσις. Worin dieser Mangel begründet liegt, erläutert V. 3. Paulus hält den Juden vor, daß sie die ιδία δικαιοσύνη aufzustellen suchen. Für ihn ist das ein „Streben, durch die eigene Leistung die Geltung vor Gott gewinnen zu wollen" 42 . Demgegenüber erschließt sich die δικαιοσύνη τοΰ Θεοΰ exklusiv der πίστις. Δικαιοσύνη τοΰ Θεοΰ und ιδία δικαιοσύνη stehen sich diametral entgegen. Letztere aufzurichten zu versuchen, bedeutet daher Ungehorsam gegenüber der Gottesgerechtigkeit. Das wiederum aber ist Ungehorsam gegen Gott selbst; denn die Charakterisierung Gottes über seine δικαιοσύνη stellt nicht lediglich ein Gottesprädikat neben anderen dar, sondern meint Gott selbst in seiner Relation zum Menschen 43 . Entspricht der δικαιοσύνη τοΰ Θεοΰ auf seiten des Menschen die υπακοή πίστεως, „die Preisgabe des bisherigen Selbstverständnisses" 44 , ist das Bemühen, Gerechtigkeit über die Erfüllung des Gesetzes zu erlangen, Streben nach eigener Gerechtigkeit und Ungehorsam gegen Gott. Der über seine δικαιοσύνη interpretierte Gott wird auf diese Weise laut Paulus gerade verfehlt. Die ιδία δικαιοσύνη läßt den Menschen bei sich bleiben und um sich selbst kreisen. Gott wird über das Gesetz nicht erreicht. Den Grund dafür gibt Paulus unmittelbar anschließend in V. 4 an. Er begründet das Ende des Gesetzes christologisch. Die Gerechtigkeit und damit der Zugang zu Gott eröffnet sich dem Glaubenden über Christus, unabhängig von nationaler und religiöser Herkunft. Indem die δικαιοσύνη an Christus gebunden wird, kann die Frage nach dem Zugang zu Gott nur noch alternativ zwischen Gesetz und Christus beantVgl. dazu Klumbies, Israels Vorzüge, 145-147. Vgl. Lindemann, Rede, 370. 4 1 Klein, Sündenverständnis, 279. Für Klein ist bereits dieser Eifer als ein „verblendeter" zu bezeichnen. 4 2 R. Bultmann, Christus des Gesetzes Ende, in: Ders., G u V I I , 5 1 9 6 8 , 3 2 - 5 8 , 3 8 . 4 3 Lindemann, Rede, 370. 4 4 Bultmann, Theologie, 316. 39

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wortet werden. Diese grundsätzliche Alternative darf nicht zu einer bloß chronologischen Frage abgeschwächt werden, als ginge es lediglich darum, daß Gott „seine Gerechtigkeit jetzt neu erwiesen hat" und die Juden „demgegenüber auf den vorchristlichen Bedingungen der Rechtfertigung durch das Tun des Gesetzes beharren" 45 . Die Behauptung, daß die ιδία δικαιοσύνη „keine Gerechtigkeit ist, weil Gott als Heilbringer nicht mehr im Gesetz zu finden ist" 46 , läßt außer acht, daß das Gesetz „in nicht entstellter Weise geschichtlich überhaupt niemals widerfahren" 47 konnte und es für Paulus „vor der πίστις keine wirkliche Erfüllung des Gesetzes gibt" 48 . Von Gott ist nach Paulus nur aufgrund der an Christus gebundenen πίστις zu reden. Für die Frage, wie sich dazu das jüdische Gottesverständnis verhält, ist zu berücksichtigen, daß nach paulinischer Ansicht von Gott einzig in christologischer Redeweise zu sprechen ist. Demzufolge haben laut Paulus die Juden zwar Eifer um Gott, aber sie erreichen Gott nicht. Paulus bezeichnet das vom Standpunkt der christologisch-rechtfertigungstheologisch explizierten Rede von Gott als ein άγνοεΐν der Gerechtigkeit Gottes und bewertet es als Ungehorsam (V. 3). Aus 9,30-10,4 ergibt sich daher, daß für Paulus nur seine eigene christologische Rede von Gott wirklich Rede von Gott ist. Der jüdische Versuch hingegen erreicht nach seiner Auffassung Gott nicht. Die Juden bleiben, laut Paulus, bei sich selbst. Sie reden nicht von Gott49. Der Kontrast zwischen Glaube und Werken (9,32), Gerechtigkeit Gottes und eigener Gerechtigkeit (10,3) wird in 10,5 und 6 durch den Rückgriff auf die Schrift bestätigt. Die Gerechtigkeit aus dem Gesetz steht der Gerechtigkeit aus Glauben gegenüber. Von der ersteren schreibt Mose, letztere, so heißt es, redet50. Die Schriftworte aus Lev 18,5 und Dtn 30,11-14 stellt Paulus in V. 5-8 ohne Rücksicht auf ihre ursprünglichen Kontexte 51 zum Beweis seiner These von der Rechtfertigung aus Glauben 52 gegeneinander. 45 So Wilckens, Rom 6-11, 220. Wilckens' Übersetzung von τέλος mit „Endziel" (ebd. 217) verschleiert dementsprechend die Schärfe der paulinischen Aussage. 46 Wilckens, Rom 6-11,221. Hervorhebung von mir. 47 G. Klein, Rom 9,30-10,4, GPM 28,1973/74,366-374,368. 48 Bultmann, Theologie, 263. 49 Vgl. dazu die in IKor 8,5 vorgenommene Unterscheidung zwischen Gott und den Göttern bzw. zwischen Gott und sogenannten Göttern. S.o. Kap. 5.1.2. 50 Laut Käsemann, Römer, 275, dem Klein, Sündenverständnis, 279, sich anschließt, spielen γράφει und λέγει auf den Gegensatz von γράμμα und πνεΰμα an. Nach A. Lindemann, Die Gerechtigkeit aus dem Gesetz. Erwägungen zur Auslegung und zur Textgeschichte von Römer 10,5, ZNW 73,1982, 231-250, kommt es Paulus „nicht auf die Betonung einer Unterscheidung zwischen γράφει und λέγει an" (240 Anm. 32), „sondern der Apostel bezieht sich auf den Widerspruch zwischen Gesetz und Glaube und erklärt, daß dieser Widerspruch bereits von der Schrift selbst bezeugt sei" (240). 51 Koch, 129-132 und 153-160. 52 Ph. Vielhauer, Paulus und das Alte Testament, in: Ders., Oikodome, Aufsätze zum Neuen Testament, Bd. 2, hg. v. G. Klein, TB 65,1979,196-228,214. Vgl. Hübner, Gottes Ich, 86-94.

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Ihm geht es um „das Wort des Glaubens, das wir verkündigen" (V. 8). Was dies inhaltlich meint, expliziert er in V. 9 unter Aufnahme traditionellen Formelguts. Die Untersuchung der Auferweckungsformel 53 hatte gezeigt, daß Judenchristen der frühen Jerusalemer Urgemeinde als Reaktion auf das Ende Jesu mit dieser Formel anders von Gott redeten als sie es innerhalb ihres traditionellen jüdischen Kontextes bis dahin getan hatten. Der Tod Jesu wurde von ihnen nicht als Bestätigung ihres bisherigen Gottesverständnisses aufgefaßt. Er führte sie im Gegenteil zu einer Neuformulierung der Rede von Gott, die in Kontrast zu ihrer bisherigen Auffassung von Gott stand. Das Scheitern Jesu wurde in die Rede von Gott integriert und Gott als in einer positiven Relation zu Jesus stehend begriffen. Wer Gott ist, wurde inhaltlich durch den Bezug auf Jesus und sein Geschick bestimmt. Paulus bindet die ehemals selbständige Formel zusammen mit einer Homologie 54 bzw. Kyrios-Akklamation 55 in seinen Argumentationsgang ein und interpretiert sie im Sinne seiner eigenen Intention. Spiegelte die Formel ursprünglich das Ergebnis einer i^eo-logischen Reflexion wider, verwendet Paulus sie unter dem ihm wesentlichen Gesichtspunkt der σωτηρία. V. 9 ist im Gegenüber zu V. 5 zu verstehen. Dem ζήσεται entspricht das σωΘήση. Die Mittel, um zu diesem Ziel zu gelangen, sind jeweils verschieden. Dem ποιεΐν aus Lev 18,5 stellt Paulus ein όμολογεϊν und πιστεύειν entgegen. Während er in V. 5 ein Schriftwort zitiert, beruft er sich in V. 9 auf christliches traditionelles Gut. Bereits durch die Nacheinanderreihung von Akklamation und Auferwekkungsformel kommt es zu einer Akzentverschiebung gegenüber der ursprünglich isolierten Auferweckungsformel. Hatte diese noch die beiden Aspekte, wer Gott ist und was er getan hat, im Blick, ist ihre Funktion innerhalb der Zusammenstellung von V. 9 auf die Nennung der Heilstat Gottes beschränkt. Die Auferweckungsformel allein brachte neben der Heilstat primär zum Ausdruck, an wen man glaubte, nämlich an „Gott, der Jesus von den Toten auferweckte". Gott wurde dabei über sein Auferwekkungshandeln an Jesus definiert. Die theozentrische Ausrichtung tritt in der Gesamtformulierung von V. 9 zurück. Sie wird ersetzt durch die Berufung auf den κύριος Ίησοΰς als Gegenstand des Bekenntnisses. Die ursprünglich theo-logische Formel wird durch ihre Einordnung neben und nach der Kyrios-Akklamation dem christologischen Anliegen der Gesamtformulierung dienstbar gemacht. Dieses Vorgehen entspricht der Verarbeitung der Auferweckungsformel 53

Dazu s.o. Kap. 4.1. So der Terminus bei Kramer, 61, im Anschluß an H . Conzelmann, Was glaubte die frühe Christenheit? in: Ders., Theologie als Schriftauslegung, Aufsätze zum Neuen Testament, BEvTh 65,1974,106-119,109. 55 Vgl. dazu Wengst, Formeln, 131-135. 54

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in lThess 1,10. Auch dort wird die ursprünglich theo-logische Aussage an Christus gebunden und dient erst über Christus wieder der Explikation Gottes. Es legt sich also nahe, die in Rom 10,9 vorgenommene Zusammenstellung traditionellen Materials auf Paulus zurückzuführen 56 . Das verkündigte Wort des Glaubens (V. 8) bezieht sich für Paulus in erster Linie auf das Kyriosbekenntnis und den Glauben an Gottes Tat an Jesus. Um ihn, den Kyrios Jesus, geht es dem Apostel im Zusammenhang von V. 9 vornehmlich. Die Vorordnung des όμολογειν vor dem πιστεύει/ν gründet in diesem christologischen Interesse des Paulus. Ihm ordnet er die Auferweckungsformel zu, eine theozentrische Formel, an der ihn vor allem die Aussage über Jesus interessiert57. Mit der christologischen Verankerung der Formel einher geht ihre rechtfertigungstheologische Einbindung. Der Glaube führt zur Gerechtigkeit, das Bekenntnis zum Heil (V. 10). Konstitutiv ist für Paulus auch hier wieder die Verknüpfung von Glaube und Gerechtigkeit. Uber den Begriff der πίστις bringt er den Bekenntnis- und Glaubensinhalt in Beziehung zum Menschen. Die Richtigkeit seiner christologisch-rechtfertigungstheologischen Argumentation belegt er in V. 11 nachträglich ebenfalls christologisch mit dem gleichen Schriftzitat aus Jes 28,16, das er auch in 9,33 herangezogen hat. Die exklusive Bindung des Heils an die auf Christus bezogene πίστις zieht wie schon in Rom 3,21-31 gleichzeitig die Universalisierung wie die Begrenzung des Gottesverhältnisses nach sich. Angesichts des einen Herrn aller sinken nationale Unterschiede zur Bedeutungslosigkeit herab (V. 12). Die Voraussetzung dazu bildet der an Christus gebundene Glaube. Durch ihn kommt es in bezug auf Gott zu einer neuen Grenzziehung, der zwischen Glaubenden und nicht - an Christus - Glaubenden. Trotz der deutlichen Berührung von V. 12 mit Rom 3,22.29 fällt in der Diktion ein Unterschied zwischen V. 11-13 und Rom 3,22.29.30 auf. Argumentiert Paulus in Rom 3 vom rechtfertigungstheologisch explizierten Gott her, zielt er in 10,9-13 auf Christus selbst58. Im Zentrum der drei Kapitel Rom 9-11, in denen er nach dem Status Israels angesichts des Evangeliums 56 Gegen Wengs:, Formeln, 28. Nicht erkannt wird die durch die (paulinische) Zusammenstellung der Auferweckungsformel mit der Akklamation zustande gekommene Verschiebung der Aussage von W. Führer, „Herr ist Jesus". Die Rezeption der urchristlichen Kyrios-Akklamation durch Paulus Römer 10,9, KuD 33,1987,137-149, 141.142. 57 Die Vorordnung von όμολογειν vor πιστεύειν ist also keineswegs als „merkwürdig" zu bezeichnen. Gegen Käsemann, Römer, 281. 58 Koch weist lediglich auf die Analogie in der Argumentation zwischen Rom 3,28-30 und 10,10-13 hin. Er sieht richtig als Konsequenz der exklusiv an den Glauben gebundenen δικαιοσύνη die Universalität ihrer Geltung mit der Folge, „daß so die heilsgeschichtliche Schranke zwischen Juden und .Heiden' bzw. Juden und Griechen aufgehoben ist" (134 Anm. 7). Darüber hinaus ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Paulus in 3,28-30 zu seiner Konsequenz aufgrund seiner rechtfertigungstheologischen Explikation Gottes gelangt, während in 10,9-13 das Verhältnis zu Christus ihm als Basis seiner Schlußfolgerung dient.

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fragt, verweist er also in bezug auf die σωτηρία pointiert auf Christus, nachdem er ihn in V. 4 zunächst direkt gegen das Gesetz gestellt hat. Nicht um die Gottesfrage als solche streitet er an dieser Stelle mit den Juden. Obwohl die Auffassungen beider von Gott kontrovers sind, bildet das nicht unmittelbar den Gegenstand der Auseinandersetzung. Prinzipiell umstritten ist vielmehr die Frage, von welchen Voraussetzungen her von Gott zu sprechen ist. Paulus thematisiert, indem er die konstitutive Bedeutung Christi für das Gottesverhältnis herausstreicht, den eigentlichen Divergenzpunkt. Auf diese Weise schließt er von vornherein das MißVerständnis aus, es könne zwischen Juden und Christen über die Rede von Gott ein theologisches Miteinander geben. Die Abgrenzung des Apostels gegenüber dem Judentum ist an diesem Punkt ebenso deutlich wie seine Entschiedenheit, Christus als den eigentlichen Trennungsgrund hervorzuheben. Der Zugang zu dem einen Herrn, von dem Paulus in V. 12 spricht, wird über das έπικαλειν gewonnen. Das Verb, das durch das LXX-Zitat aus Joel 3,5 (V. 13) eingeführt und im Vorgriff darauf bereits in V. 12 verwendet ist59, bildet den Ausgangspunkt für einen Kettenschluß in V. 14 und 15 a 60 . Darin werden mittels rhetorischer Fragen die Bedingungen genannt, die das έπικαλειν voraussetzt und von denen es konstitutiv abhängt. Paulus schließt dabei vom gegenwärtig geschehenden έπικαλειν der Christen zurück. Zum Anrufen des Herrn kann es nicht kommen, ohne daß geglaubt wird. Die Rettung, die der κύριος Ίησοΰς verspricht, ist an das Bekenntnis zu ihm gebunden (V. 9.13). Nicht wie ursprünglich in Joel 3,5, das Paulus in V. 13 zitiert, das Anrufen des im traditionell alttestamentlich-jüdischen Sinn verstandenen Gottes verheißt die σωτηρία. Paulus bezieht die Aussage auf den κύριος Ίησοΰς und versteht das Joel-Zitat christologisch61. Die Verheißung des Heils ist damit an die πίστις Christus gegenüber geknüpft (V. 14 a). Das πιστεύειν wird von Christus her qualifiziert62. Sind έπικαλειν und πιστεύειν inhaltlich durch das Verhältnis zu Christus festgelegt, so gilt das gleiche auch für die weiteren Glieder der Kette. Dem im Glauben begründeten Anrufen des Kyrios gehen das Hören und die Verkündigung der christlichen Botschaft voraus (V. 14b.c). Die erste Voraussetzung aber, damit dies alles möglich ist und an der alles Weitere hängt, stellt das άποστέλλειν dar. Dies unterstreicht Paulus durch das Zitat aus Jes 52,763 und Nah 2,1 in V. 15 b. Daß sie gesandt sind und von welcher entscheidenden Bedeutung dies für die

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Vgl. Koch, 261: Für Rom 10,13 ist „unverkennbar, daß hier die vorangegangene Aussage schon in Blick auf das folgende Zitat formuliert ist". 60 Vgl. Wilckens, Rom 6-11,228; Hübner, Gottes Ich, 95; Lübking, 89. 61 Koch, 134 Anm. 9. 62 R. Bultmann, Art. πιστεύω «iÄ.,ThWNTVI, 1959,174-230,209, und Käsemann, Römer, 284: Der Glaube ist die Annahme des Kerygmas von Christus. 63 Vgl. dazu im einzelnen Koch, 66-69.81.82.

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Verkündigung ist, bestätigt bereits die Schrift 64 . Für Paulus bedeuten εύαγγελίζεσΘαι und κηρύσσειν übereinstimmend die christliche Verkündigung 65 . Trotz Sendung und Verkündigung haben jedoch nicht alle dem Evangelium gehorcht (V. 16 a). Sachlich entspricht das der Aussage von 9,6 6 6 . Nur ein Teil aus Israel hat das Evangelium angenommen. Die Klage Jesajas aus Jes 53,1 a bestätigt diese Erfahrung (V. 16b) 6 7 . In V. 17a greift Paulus die ihm durch Jes 53,1 gegebenen Stichworte πιστεύειν und άκοή auf. Er kommt damit auf seinen bereits in dem Kettenschluß in V. 14 b geäußerten Gedanken von der Zusammengehörigkeit von πίστις und ακοή zurück. Nach V. 17 b ist die ακοή durch das φήμα Χρίστου, „das Wort des erhöhten Herrn" 6 8 , bedingt. Dies entspricht der in V. 14 c genannten Bindung des άκούειν an das κηρύσσειν. Die Frage nach dem άκούειν Israels in V. 18, von Paulus selbst sofort mittels Ps 18,5 positiv beantwortet, knüpft daran an 69 . Damit bleibt der in V. 16 genannte Ungehorsam die einzige Ursache für den Unglauben gegenüber dem Evangelium. Gleichwohl legt sich Paulus in V. 19 einen weiteren Selbsteinwand vor. Aber auch die Berufung auf ein Nicht-Begreifen Israels verfängt nicht. Gegen sie stehen Mose (V. 19) und Jesaja (V. 20) 7 0 . Mit den Worten aus Jes 65,2 L X X gibt Paulus sein Urteil über Israel ab (V. 21). Es ist für ihn ein ungehorsames und widersprechendes Volk. Die Tatsache, daß Israel nicht zum Christusbekenntnis gelangt ist, ist also nicht auf mangelnde Voraussetzungen zurückzuführen (V. 14.15). Auch ist es nicht damit zu entschuldigen, daß Israel nichts von Christus gehört (V. 18) oder nicht begriffen hätte (V. 19.20). Es ist vielmehr eine Frage von Schuld (V. 16.21). Israel hat sich dem Evangelium gegenüber als ungehorsam erwiesen (V. 16.21) und befindet sich im Widerspruch gegen Christus. In 9,6-29 hat Paulus von Gott her argumentiert. Das Verständnis Gottes 6 4 Anders Michel, 261. N a c h seiner Auffassung bezieht sich das Zitat „nicht auf ein einzelnes Glied des Kettenschlusses, sondern auf den ganzen Prozeß der Verkündigung. Der Sinn dieses Schlusses besteht darin, zu zeigen, daß der Prozeß sich Glied für Glied in Israel abgespielt hat." 65 66 67

Käsemann, Römer, 284. Vgl. auch 9 , 2 7 - 2 9 . Vgl. Koch, 2 6 1 ; Käsemann, Römer, 285; Hübner, Gottes Ich, 95.96.

Käsemann, Römer, 285. Formal entsprechen sich V. 14.15 und 1 6 - 1 8 a also folgendermaßen: V. 15 (κηρύσσειν/ εύαγγελίζειν - άποστέλλειν) steht negativ V. 16a gegenüber (ού ύπακούειν τω εύαγγελίφ). V. 1 4 c (άκούειν - κηρύσσειν) entspricht V. 17b (άκοή - φήμα Χριστού) und V. 18a (άκούειν). V. 14b (πιστεύειν - άκούειν) findet seine Entsprechung in V. 17a (πίστις - άκοή). 68

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Zu beachten ist jedoch, daß die Entsprechung zwischen άκούειν und άκοή nur formaler A r t ist. Paulus meint mit άκοή nicht das H ö r e n , sondern die christliche Predigt. Eine zweite Differenz innerhalb der Entsprechungen liegt darin, daß Paulus in dem Kettenschluß V. 14.15 durchgängig Verbformen verwendet, die er in V. 16—18a überwiegend substantiviert oder durch ein Substantiv ersetzt (vgl. εύαγγέλιον, πίστις, άκοή, auch φήμα Χριστού für κηρύσσειν). Ausnahmen bilden lediglich ύπακούειν in V. 16a, άκούειν in V. 18a und innerhalb des Schriftzitats πιστεύειν in V. 16 b. 70

Durch das Zitat aus Jes 65,1 L X X wird inhaltlich die Beziehung zu 9,30 hergestellt.

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von seinem καλείν her, das inhaltlich als das Evangelium verstanden ist, hat im Blick auf den Menschen die Nivellierung nationaler und religiöser Voraussetzungen zur Folge. In 9,30-10,21 reflektiert Paulus über den Stand des Menschen vor dem vom Evangelium her begriffenen Gott. Als Fazit ergibt sich dabei im Blick auf die δικαιοσύνη und d.h. zugleich die σωτηρία des Menschen deren exklusive Bindung an die πίστις. Allein der auf Christus bezogene Glaube stellt in die heilvolle Gottesbeziehung. Die Exklusivität, mit der Paulus das Heil christologisch verankert, die Ausschließlichkeit, mit der die σωτηρία an das Christusbekenntnis geknüpft ist, läßt für die Beurteilung des Zustandes Israels abseits des Evangeliums nur die Kategorien von Ungehorsam und Schuld zu 71 . Israels Vorzüge, die Paulus gleich zu Anfang genannt hat (9,4.5), haben das Volk nicht vor seinem jetzigen Zustand zu bewahren vermocht. Für das Verhältnis zu dem in Christus rechtfertigenden Gott haben sie sich als irrelevant erwiesen. Israel verharrt im Widerspruch gegen den von Paulus verkündeten Gott. Damit schließt es sich selbst von der heilvollen Gottesbeziehung aus. An seine Stelle sind die Christen getreten, nicht nur die aus den Juden, sondern gerade auch die aus den Heiden, Menschen also, die nach jüdischem Verständnis nicht die Voraussetzungen mitbringen, um in ein heilvolles Gottesverhältnis treten zu können. Damit stellt sich das Problem, ob Israel, wenn seine Vorzüge keine Heilsträchtigkeit besitzen und sogar Heiden in die Beziehung zum rechtfertigenden Gott eingetreten sind, in bezug auf das Heil bereits hinter die Heiden zurückgefallen bzw. endgültig von Gott verstoßen ist. Zugleich ist das die Frage, wie sich der am Ende von Rom 10 konstatierte Zustand Israels im Blick auf Gott - und zwar zu dem vom Evangelium her verstandenen Gott verhält. Paulus widmet sich dieser Problematik in dem abschließenden Gedankengang Rom 11,1-36.

5.1.13.4 Rom 11,1-36: Der sich erbarmende Gott Von Gott her ist nach Paulus der gegenwärtige Zustand Israels nicht als Verstoßung zu interpretieren (V. 1). Der Apostel begründet dieses Urteil zunächst mit dem Hinweis auf seine eigene Person. Da er selbst auch zum Volk Israel gehört, jedoch sich nicht den Ungehorsamen und Widerspenstigen zurechnet (10,21), kann die umfassende Aussage, Gott habe sein Volk verstoßen, nicht zutreffen. Seine eigene Existenz als Israelit und zugleich Geretteter spricht dagegen. In Anlehnung an die Formulierung aus Ps 93,14 a

71 Rom 9,30-10,21 ist, darauf weist Hübner, Gottes Ich, 98, mit Recht hin, „eine eminent israelkritische Argumentation im Rahmen von Rom 9-11

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Die Rede von Gott bei Paulus

LXX 72 weist er in V. 2 a die Anfrage von V. 1 a noch einmal ausdrücklich zurück. In V. 2 b—4 wird dann die Begründung aus der Schrift gegeben. Der auf diese Weise explizit gemachte Restgedanke (V. 4 b) wird von Paulus in V. 5 aufgegriffen und auf die gegenwärtige Situation übertragen. Die Auswahl des λείμμα ist an die χάρις gebunden. Die χάρις wiederum steht im Gegensatz zu den εργα (V. 6). Sie ist „der geschenkte, nicht verdiente Gunsterweis" Gottes und „mit dem Kreuzesgeschehen identisch"73. Der Rest aus Israel unter der χάρις ist die Judenchristenheit. Ihr Dasein widerlegt den Satz, daß Gott sein Volk verstoßen habe74. Die Judenchristenheit erlangte, was Israel nicht erreichte (V. 7). Paulus weist damit noch einmal auf 9,31 zurück. Den Zustand der Mehrzahl des Volkes, die sich dem Evangelium verschlossen hat, betrachtet er als VerStockung, die er mittels der Schrift auf Gott zurückführt (V. 8). Damit macht er die dort vorliegende alttestamentliche Rede von Gott seiner eigenen Argumentation zunutze. Er führt als Begründung für den Zustand Israels, der sich ja nur aus christlicher Sicht als πώρωσις bezeichnen läßt 75 , das Handeln des im Schriftwort genannten Gottes an und funktionalisiert die alttestamentliche Redeweise von Gott damit für eine ausschließlich dem Christen mögliche Argumentation. Der Hinweis auf das in Dtn 29,376 geäußerte Verstockungshandeln Gottes vermag als solcher keinesfalls auch den Zustand Israels, wie er sich in den Augen des Paulus darstellt, als eine Verstockung im Sinne des angeführten Zitats erweisen. Erst die Vereinnahmung des Zitats, das vom Handeln des im Alten Testament bezeugten Gottes spricht, für das Handeln des von der χάρις (V. 5.6) her, d. h. christologisch interpretierten Gottes, geben ihm seine begründende Funktion. In bezug auf das Gottesverständnis innerhalb des Zitats und bei Paulus bedeutet das: Paulus versteht den innerhalb des alttestamentlichen Zitats und in seinem ursprünglichen Kontext jüdisch interpretierten Gott rückblickend bereits als den christlichen, d.h. als den, dessen Handeln von Christus her zu bestimmen ist. Er kann daher das Zitat entgegen dessen eigentlichem Gottesverständnis für seine eigene theo-logische Begründung heranziehen und damit sein ausschließlich aus christlicher Perspektive mögliches Urteil über Israel: έπωρώΘησαν begründen. Ps 68,23.24 LXX führt er in V. 9 und 10 ebenfalls als Bestätigung für die jetzige Verstokkung Israels an. 72 Laut Koch, 18, handelt es sich um kein direktes Zitat, sondern eine selbständige Aneignung durch Paulus. 73 Conzelmann, χάρις, 384. 74 Daß „die Anführung des Restes heißen (soll): Gott wird das Volk Israel retten!", ist der Stelle hingegen nicht zu entnehmen. Gegen Hübner, Gottes Ich, 102. 75 Für den Juden ist die Verweigerung gegenüber dem Evangelium ja keine Verstockung, die womöglich mit Hilfe der Schrift als solche erwiesen werden könnte, sondern von den eigenen Voraussetzungen her eine Notwendigkeit. 76 Paulus fügt Dtn 29,3 aus Jes 29,10 die Wendung πνεΰμα κατανύξεως ein. Vgl. Koch, 170.171; Hübner, Gottes Ich, 103.104.

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Der Anfrage von V. 11 a, die nach diesen Ausführungen fast zwangsläufig folgen muß, begegnet Paulus, indem er der Situation Israels durch den Blick auf die Heiden einen Sinn zu geben versucht (V. 11 b.c). Er erklärt Israels Versagen zur Voraussetzung der Heidenmission und versteht diese wiederum als Anlaß, daß Israel den Heiden nacheifern wird. Von dieser Prämisse aus deutet er auch seinen Dienst unter den Heiden. Er verbindet mit ihm die Hoffnung, daß dadurch indirekt auch Juden zur Nachfolge bewegt und gerettet werden könnten (V. 13.14). Der Hoffnung, daß auch Israel der Rettung teilhaftig wird, verleiht er in V. 12 und 15 mit dem Schluß qal wachomer Ausdruck 77 . Zwei Bildworte in V. 16 leiten zu der Ölbaumallegorie in V. 17-24 über. Ihr Sinn erschließt sich erst nachträglich vom Verständnis der Allegorie her. Den Schlüssel für die Deutung des Bildes vom Ölbaum liefern die beiden Stichworte άπιστία (V. 20.23) und πίστις (V. 20). Als Zweige am Ölbaum wachsen nur Glaubende. Die Zweige κατά φύσιν, d.i. ist Israel, sind aufgrund ihres Unglaubens herausgebrochen worden. Dagegen sind Zweige aus dem wilden Ölbaum eingepfropft worden. Ihnen gilt der mit der Warnung vor Hochmut verbundene Satz: Du aber stehst im Glauben (V. 20). Mit den Angesprochenen sind die Heidenchristen gemeint. Den herausgebrochenen Zweigen wird zugesagt, daß sie wieder eingepfropft werden, wenn sie nicht im Unglauben verharren (V. 23). Umstritten ist die Frage, wer mit der „Wurzel" (V. 17 b. 18) gemeint ist. Keinesfalls kann es sich dabei um Israel handeln78. In V. 20 ff. bescheinigt Paulus den Juden ja gerade, daß sie als ungläubige Zweige aus dem Baum herausgebrochen worden sind. Sie können daher nicht die Wurzel bilden. Diese Sicht Israels entspricht auch dem Urteil, das Paulus zuvor in 10,16-21 und 11,7-10 über sein Volk abgegeben hat. Luz 7 9 deutet die Wurzel auf die Patriarchen, Plag 80 und Kuß 8 1 sowie Käsemann82 denken ebenfalls an die Erzväter. Nach Walter ist „am ehesten auf Gott - auf sein Erwählen und Verheißen und die von ihm ausströmende Heilsgnade" 83 zu deuten. Für erwägenswert hält er jedoch auch die Deutung auf die Väter, wobei „vor allem an Abraham, den Vater aller Glaubenden" 84 zu denken sei. Sollte die letztgenannte Bedeutung zutreffend sein, ist der Zusatz „Vater aller Glaubenden" zu unterstreichen. Nicht der vom Judentum als Vater der Gesetzes7 7 E. Güttgemanns, Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums ? Zur strukturellen Relevanz von Rom 9-11 für die Theologie des Römerbriefs, in: Ders., Studia linguistica neotestamentica, Ges. Aufsätze, BEvTh 6 0 , 1 9 7 1 , 3 4 - 5 8 , 4 8 ; Wilckens, Rom 6-11,243.245. 7 8 Gegen F. Mußner, Traktat über die Juden, 1979,70. 7 9 Luz, Geschichtsverständnis, 276. 8 0 C. Plag, Israels Wege zum Heil. Eine Untersuchung zu Römer 9-11, AzTh 1 , 4 0 , 1 9 6 9 , 3 5 . 8 1 O. Kuß, Der Römerbrief, 3. Lieferung, Rom 8,19-11,36,1978, 801. 8 2 Käsemann, Römer, 298. 8 3 Walter, Römer 9 - 1 1 , 1 8 0 . 8 4 Walter, 180 Anm. 21.

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gerechtigkeit in Anspruch genommene Abraham bildet die „Wurzel", sondern der von Paulus für das Christentum reklamierte Abraham als Zeuge der Glaubensgerechtigkeit 85 . Die beiden Bildworte in V. 16 handeln nicht vom Verhältnis von „Teil und Ganzem" bzw. „Anfang und Ergebnis" 86 . Vielmehr geht es in beiden übereinstimmend um die entscheidende Bedeutung der Grundlage für das Ganze und die Abhängigkeit des Ergebnisses von der Ausgangsbasis. Insofern handeln sie von der Beziehung zwischen Gott und den Glaubenden bzw. wahrscheinlicher zwischen dem glaubenden Abraham und den Christen. Das Verhältnis zwischen der απαρχή und dem Teig, zwischen der Wurzel und den Zweigen ist kein auf natürlicher Abstammung beruhendes, sondern ein über den Glauben vermitteltes. Daher darf es bei den Heiden keine Selbstüberhebung aufgrund ihres Standes im Glauben geben (V. 18). Wie die natürlichen Vorzüge Israel nicht bewahrt haben, wird auch der Glaube nicht zum unverlierbaren Status. Es gilt, in der χρηστότης Θεοί) zu bleiben, sonst trifft die Heiden das gleiche Schicksal wie Israel (V. 22). Für beide, Heiden wie Juden, hängt die Frage nach dem Verbleib oder Nicht-Verbleib am Baum bzw. nicht am Baum von ihrem Glauben ab. Zu glauben bedeutet, in einem Verhältnis zur Wurzel zu stehen und damit als Zweig am Baum zu bleiben. Dabei ist nicht wesentlich, ob die Wurzel als der christliche Gott oder als Abraham im Sinne des Vaters der Glaubenden interpretiert wird. Entscheidend ist vielmehr das auf der πίστις basierende Verhältnis, das zu dieser Wurzel besteht. Es entscheidet darüber, ob jemand am Baum, d.h. in der Gottesgemeinschaft bzw. der durch den Glauben vermittelten Kontinuität mit Abraham bleibt. In V. 21-23 ist ausdrücklich von Gottes Handeln die Rede. Die Bildebene könnte zunächst den Anschein erwecken, als verwende Paulus hier einen absoluten Gottesbegriff, der nicht christologisch gefüllt ist. Von der Sachebene her wird jedoch deutlich, daß das von Gott ausgesagte Handeln sich nur auf den von Christus her verstandenen Gott beziehen kann. Paulus spricht in der Weise über Juden und Heiden, daß beide Menschengruppen als voneinander getrennt erscheinen. Diese Trennung wird nach Paulus von Gott selbst vollzogen. Das Kriterium der Scheidung ist die απιστία bzw. positiv die πίστις. Von einem Gott zu sprechen, für den der Glaube den Maßstab zur Unterscheidung zwischen Menschen bedeutet, ergibt jedoch nur einen Sinn, wenn dieser Gott selbst unter der Perspektive des Glaubens verstanden und d. h. christologisch interpretiert wird. Das Schicksal des Menschen, das zeigt der Abschnitt V. 17-24, hängt an der Entscheidung zwischen Glaube und Unglaube. Einen Grund, sich seines 85 Vgl. Rom 4. Dazu G. Klein, Heil und Geschichte nach Römer IV, N T S 13,1966/67,43-47; Klein, Römer 4; G. Klein, Bibel und Heilsgeschichte. Die Fragwürdigkeit einer Idee, Z N W 62, 1971,1-47,29-30. 86 Gegen Käsemann, Römer, 298.

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Zustandes zu rühmen, gibt es für niemanden (V. 18). Ebensowenig allerdings besteht Anlaß, Israel aufgrund seiner derzeitigen Verfassung endgültig verloren zu geben. Weder der derzeitige Zustand der angesprochenen Heidenchristen noch der Israels bedeutet eine unveränderliche ontologische Qualität. Solange der Mensch sich immer neu zwischen Glaube und Unglaube zu entscheiden hat, ist stets auch die Möglichkeit des Abfalls und der Umkehr gegeben. Das Ende des Abschnitts V. 25-32, V. 32, sieht alle Menschen in der gleichen Grundsituation vor Gott. Die Zusammengehörigkeit aller im Unglauben hebt natürliche Vorzüge wie Nachteile auf und läßt Juden wie Heiden gleichermaßen auf Gottes ελεος, d.i. seine χάρις 8 7 , angewiesen sein. Ein solches Urteil schließt Israel mit aus jüdischer Sicht Ungläubigen zusammen. Es ebnet Israels nach seinem eigenen Verständnis besonderen Status ein. Vom Bekenntnis zu dem jüdisch interpretierten Gott her ist es nicht zu fällen. Die Aussage impliziert, daß Paulus von dem christologisch aufgefaßten Gott spricht, der nationale Unterscheidungen aufhebt. Von der Hoffnung des Paulus, daß der Zustand Israels eine Änderung zum Guten erfahren wird, zeugen V. 25 und 26. Και οϋτως in V. 26 a bezieht sich auf V. 25 zurück. Israel wird so gerettet werden, daß nach dem Eingehen der Fülle der Heiden die Verstockung Israels gegenüber dem Evangelium beendet sein wird 88 . Die Zitatkombination aus Jes 59,20f. und Jes 27,9 in V. 26 b und 27 dient nicht lediglich „als Schriftbeleg für die Erwartung einer künftigen Errettung Israels als Ganzem" 8 9 . Das μυστήριον von V. 25 besteht nicht „im Daß der eschatologischen Rettung Israels, sondern in ihrem Wie" 90 . Die Art, wie innerhalb des Schriftzitats vom Heil gesprochen wird, entspricht in einem entscheidenden Punkt der paulinischen Aussage über das μυστήριον. Damit soll nicht, wie bei C. Müller 91 und P. Stuhlmacher 92 , das και οϋτως 87

Έλεος ist sachlich gleichbedeutend mit χάρις. Bultmann, Theologie, 283. Hübner, Gottes Ich, 109.110; Klumbies, Israels Vorzüge, 152. Falsch D. Sänger, Rettung der Heiden und Erwählung Israels. Einige vorläufige Erwägungen zu Römer 11,25-27, KuD 32,1986,99-119: και οϋτως bezeichne „die Bedingung, daß aufgrund der Verstockung Israels die Vollzahl der Heiden eingegangen ist, als die Weise, in der dann ganz Israel gerettet wird" (107/108 Hervorhebung von Sänger). Wie kann die Tatsache, daß die Heiden zum Heil gelangt sind, als solche Relevanz für die σωτηρία Israels haben? Sänger schreibt weiter: „Voraussetzung der Rettung Israels ist das Eingehen der Vollzahl der Heiden, die wiederum durch die Verstockung Israels ermöglicht wird." (112) Damit wird die Verstokkung Israels zur sachlichen Voraussetzung seiner Rettung! Zu 11,25.26 vgl. auch Cranfield, II, 573-577 sowie R. Stuhlmann, Das eschatologische Maß im Neuen Testament, FRLANT132,1983,164-181. 89 Gegen Koch, 175.176. 90 Hübner, Gottes Ich, 112. 91 C. Müller, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. Eine Untersuchung zu Rom 9-11,1964, 43 Anm. 88. 92 P. Stuhlmacher, Zur Interpretation von Rom 11,25-32, in: Probleme biblischer Theologie. FS G. v. Rad, hg. v. H.W. Wolff, 1971,555-570,560. 88

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doch noch dem nachfolgenden καΘώς γέγραπται zugeordnet werden. Auch eine einseitig temporale Deutung wird nicht vertreten 93 . Es soll lediglich festgestellt werden, daß, wenn im Zitat vom Abwenden der άσέβεια 'Ιακώβ und dem Wegnehmen der Sünden die Rede ist, sich dies mit der paulinischen Aussage deckt, daß die Rettung Israels eine Änderung seiner gegenwärtigen Verfassung bedeutet. Unberührt durch die Tatsache, daß V.26a sich auf V. 25 zurückbezieht, stimmt die paulinische Auffassung von der Rettung Israels mit dem Inhalt der Zitatkombination also insofern überein, als hier wie dort die Rettung Israels mit der Veränderung seines gegenwärtigen Zustands einhergeht. Zur Zeit befindet sich Israel für Paulus in einem Status der Verlorenheit, der in der Ablehnung Christi gründet. Eine Änderung dieses Zustandes ist daher untrennbar an eine Wandlung im Verhalten gegenüber Christus gekoppelt. Eine Rettung für Israel am Christusgeschehen vorbei kann es darum für Paulus nicht geben. Die Rettung besteht gerade in der von Paulus erhofften Hinkehrung zu Christus. In V. 25 wird die Beendigung der πώρωσις als eine Voraussetzung der Rettung genannt. Paulus stellt sich die Verstockung Israels also als eine zeitlich begrenzte vor, die an das Eingehen der Fülle der Heiden in das Heil 94 gebunden ist. Die Wegnahme der πώρωσις wird dann zu einem Ereignis, das der anschließenden Rettung zeitlich vorangeht. Das και οΰτως weist also für V. 25 auf den sachlichen und zeitlichen Aspekt, der zur Rettung Israels dazugehört. Beide Aspekte sind in V. 25 und 26 nicht voneinander zu trennen 95 . Die Rettung Israels vollzieht sich so, daß die Verstockung aufhört (sachlicher Aspekt), wenn die Fülle der Heiden hineingegangen ist (zeitlicher Aspekt). Der zeitliche Aspekt im Zusammenhang der Verstockung Israels spielte jedoch in den Ausführungen des Apostels in 11,7f. keine Rolle. Er hat in V. 25.26 durch die Zitatkombination Eingang gefunden. In 11,7f. ist die Verstockung keine zeitliche Phase, die durch die Epoche des Heils abgelöst wird. „Verstockung" meint die Ablehnung des Evangeliums96. Verstockung 93 So jedoch Käsemann, Römer, 303. Luz, Geschichtsverständnis, 293, wendet sich mit Recht gegen eine Deutung im Sinne von και τότε. 9 4 Das meint weder das „Eingehen der Heidenchristen in das Volk Israel" noch ihr „Eingehen in Gottes Bund mit Israel oder in den mit dem Sinai-Bund geschaffenen Heilsraum". Es bedeutet vielmehr das „Eingehen in den Heilsraum Gottes, den er »jetzt' [Rom 3,21] in Jesus Christus neu eröffnet hat - für alle Menschen". So richtig Walter, Rom 9-11,1985. 95 Vgl. Michel, 281. Gegenüber Luz' Auslegung des και οΰτως: „Israel wird... gerettet, indem es bis zur Bekehrung der Heiden der Verhärtung preisgegeben wird" (Geschichtsverständnis, 294) ist zu fragen, ob die - richtige - Distanzierung von der temporalen Interpretation den sachlichen Aspekt nicht bereits zu einseitig hervortreten läßt. Vgl. ebd. 293.294. 9 6 O.Hofius, Das Evangelium und Israel. Erwägungen zu Römer 9-11, ZThK 83, 1986, 297-324, versucht, Israel vor dem Vorwurf der Schuld zu bewahren. Nach seiner Aussage „vermag" Israel nicht zu glauben, weil es von Gott verstockt worden ist (303). Daß Israel nicht zu glauben vermochte, davon schreibt Paulus nichts. Er konstatiert, daß Israel es nicht tat - und das ist in seinen Augen Schuld!

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u n d Z u r ü c k w e i s u n g des Evangeliums sind sachlich identisch. In der Verweigerung gegenüber d e m Evangelium äußert sich die Verstocktheit. D i e A u f h e bung der Verstockung läge einzig in der H i n w e n d u n g z u m Evangelium. D i e R e t t u n g besteht in der A n n a h m e des Evangeliums. D u r c h sie w i r d die Verstockung aufgehoben. R e t t u n g , E n d e der Verstockung und H i n k e h r z u m Evangelium sind also identisch und fallen z u s a m m e n . F ü r das Verständnis v o n V. 2 5 . 2 6 bedeutet das, daß der zeitliche A s p e k t den sachlichen nicht überdecken darf. Sein H i n z u t r e t e n z u m „ W i e " der R e t t u n g Israels eröffnet ohnedies s c h o n R a u m z u r Spekulation 9 7 . Paulus bindet jedoch auch hier die σωτηρία an das Verhältnis z u Christus. E i n e n W e g aus der Verstockung z u m Heil a m Christusgeschehen vorbei gibt es nicht98. D a ß Paulus Israel t r o t z seiner gegenwärtigen Verfassung nicht verlorengibt, darauf weisen n o c h einmal V. 3 0 und 31. I m M o d u s der H o f f n u n g verleiht er seiner Ü b e r z e u g u n g A u s d r u c k , daß auch Israel G o t t e s ελεος, also die χάρις, finden wird. E r erhofft damit für Israel, was ihm und den anderen Christen bereits geschenkt ist: die A n n a h m e des Evangeliums. In V. 3 2 nennt Paulus die Basis, v o n der her er zu seiner Auffassung gelangt. D i e Aussage Hofius ist zu fragen, von welchen Kriterien her er Gott als Gott bezeichnet. Wenn er Gott als den beschreibt, der Israel „noch - in seiner άσέβει,α, άμαρτία und άπείΘεια beläßt, indem er es gerade angesichts des gepredigten und vernommenen Evangeliums ,verstockt'" (304), ist das jedenfalls eine absolute Redeweise Uber Gott. Paulus redet nicht von einem Gott, der die Annahme des Evangeliums von Jesus Christus verhindert. Er stellt umgekehrt fest, daß sich Juden dem Evangelium verschließen und interpretiert als Glaubender auch diesen Zustand auf Gott hin, ohne daß damit die Schuld der Nicht-Glaubenden gemindert würde. K. L. und Μ. A. Schmidt, Art. πωρόω, πώρωσι,ς, ThWNTV, 1954,1027-1030,1028, verweisen nachdrücklich darauf, daß die „Verstockung durch Gott zugleich Selbstverstockung des ungläubigen, Gott nicht gehorchenden Menschen" ist, der seiner Verantwortung nicht enthoben ist. 9 7 Exemplarisch dafür ist Mußners Trennung zwischen dem Evangelium und einem „Parusiechristus", durch den Gott Israel auch ohne die Hinwendung zum Evangelium zur Rettung führt. F. Mußner, „Ganz Israel wird gerettet werden" (Rom 11,26), Kairos N.F. 18, 1976, 241-255, 249-251. Ähnlich Theobald, 13.14. Vgl. dazu Klumbies, Israels Vorzüge, 152.153 Anm.93. Zustimmend gegenüber Mußner äußert sich U. Luz, Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden. Bemerkungen zur Diskussion über die Rheinländer Synodalbeschlüsse, Jud. 37, 1981, 195-211, 206.207 und 211 Anm.35. Vgl. dazu kritisch G. Klein, „Christlicher Antijudaismus". Bemerkungen zu einem semantischen Einschüchterungsversuch, ZThK 79, 1982,411-450,432.433. 9 8 Dagegen steht auch nicht der Hinweis in 11,29 auf die χαρίσματα, die unwiderruflich sind. Die χαρίσματα, von denen Paulus spricht, sind die Gottesgeschenke, die zur Geschichte Israels gehören. Nach paulinischer Auffassung konstituieren jedoch nicht sie, sondern exklusiv das Christusgeschehen bzw. die πίστις das heilvolle Gottesverhältnis. Vgl. dazu Klumbies, Israels Vorzüge, 155.156. S.o. Anm. 11. Anders B. Klappert, Traktat für Israel (Römer 9-11). Die paulinische Verhältnisbestimmung von Israel und Kirche als Kriterium neutestamentlicher Sachaussagen über die Juden, in: M. Stöhr (Hg.), Jüdische Existenz und die Erneuerung der christlichen Theologie, ACJD 11, 1981,58-137.

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zielt auf den ϊνα-Satz. Als Glaubender gibt Paulus dem konstatierbaren Phänomen des Ungehorsams - und zwar sowohl bei Juden als auch bei Heiden - einen Sinn, indem er es bereits als auf Gottes alle umfassendes Erbarmen hin angelegt sieht. Gottes έλεος äußert sich im Heilsgeschehen in Christus. Vor dem von daher verstandenen Gott kann die Verweigerung nicht das Letzte sein. Der Ungehorsam ist seinem έλεος sinnvoll zugeordnet. Am Ende sind alle in Gottes Erbarmen aufgehoben. Anders formuliert heißt das: Paulus vertraut darauf, daß letztlich die Macht des Evangeliums" sich gegenüber dem Ungehorsam durchsetzen wird. Dies wird in dem abschließenden Hymnus V. 33-36 1 0 0 gepriesen. Er feiert die Gewißheit, daß hinter dem gegenwärtigen Unheilszustand eine Perspektive erkennbar ist. Mag auch die momentane, durch die α π ε ί θ ε ι α gekennzeichnete Situation wenig hoffnungsvoll erscheinen, steckt doch ein Sinn dahinter. Auch wenn die gegenwärtige Situation undurchdringlich, dunkel und unerforschlich wirkt, führen die Wege Gottes zu einem Ziel, seinem έλεος über alle. V.36a faßt dies mit einer traditionellen Formel stoischen Ursprungs zusammen. Alles stammt aus Gott und ist auf ihn zurückzuführen, alles geschieht durch ihn, alles ist auf ihn hin angelegt. Paulus verwendet die Formel im Blick auf das in V. 32 ausgesagte Geschehen. Sie wird dadurch bei ihm zu einer Aussage über das Handeln des christlichen Gottes. Der Inanspruchnahme der Formel für den über seinen έλεος, also seine χάρις interpretierten Gott entspricht eine wesentliche Änderung innerhalb der Formel durch Paulus: Indem er anstelle einer έν-Formulierung die Wendung δι' αύτοΰ gebraucht, vermeidet er eine pantheistische Redeweise von Gott 1 0 1 . Gott ist über sein έλεεΐν definiert. Dies wird sich am Ende gegenüber dem Ungehorsam durchsetzen. Dafür gilt es Gott zu preisen (V. 36 b). Wie verhält es sich mit dem am Ende von Rom 10 festgestellten Zustand Israels im Blick auf Gott? Das war die Frage, unter der Rom 11 zu betrachten war. Paulus stellt dazu fest, daß die Mehrzahl der Juden verstockt ist (11,7), ein Urteil, das nur auf der Basis eines von Christus her gewonnenen Gottesverständnisses möglich ist. Diese Verstockung äußert sich in der Ablehnung des Evangeliums von Christus. Sie ist damit gleichzeitig Ablehnung des in Christus geoffenbarten Gottes selbst. Wer sich dem Evangelium von Christus verweigert, kann nicht Gott als Gott erkennen. Damit hat Paulus jedoch kein endgültiges Verdammungsurteil über Israel ausgesprochen. Die Mög99

Nichts anderes ist Gottes ελεος. Zu Aufbau, Gliederung und Traditionsgeschichte der Doxologie vgl. G. Bornkamm, Der Lobpreis Gottes. Rom 11,33-36, in: Ders., Das Ende des Gesetzes, Paulusstudien, Ges. Aufsätze Bd. I, BEvTh 16,1963, 70-75; Michel, 285.286; Käsemann, Römer, 308-310; Wilckens, Rom 6-11,269-274. 101 Käsemann, Römer, 308. Kritisch gegenüber dieser Auffassung Wilckens, Rom 6-11, 273 Anm. 1215. 100

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lichkeit zur Rettung ist gegeben. Sie realisiert sich in der πίστις, wie die Allegorie vom Olbaum mit den Glaubenden als Zweigen zeigt. Alle, Juden wie Heiden, sind von ihren natürlichen Voraussetzungen her in gleicher Weise Ungehorsame, die der Gnade bedürfen. Die aus der christologischen Interpretation Gottes resultierende Nivellierung nationaler Unterschiede verweist alle gleichermaßen an das Evangelium. Für Israel bedeutet das aber auch, daß es in bezug auf das Heil nicht hinter die Heiden zurückgefallen ist. Da das Heil kein Status ist, sondern sich immer neu in der πίστις ereignet, steht ihm niemand näher oder ferner. Wie vom Evangelium her alle Menschen unterschiedslos als Sünder nebeneinander stehen, eröffnet das Evangelium auch allen die gleiche Chance auf Rettung 102 .

5.1.13.5 Die paulinische Rede von Gott und das Verhältnis zu Israel Paulus beginnt seine Ausführungen in Rom 9-11 mit der Feststellung, daß auch seine besonderen Gaben Israel nicht vor dem α ν ά θ ε μ α bewahrt haben. Sie vermögen kein Heil zu bringen und ändern nichts an der gegenwärtigen Verfassung Israels, die Paulus für verzweifelt ansieht (9,1-5). Für das Gottesverständnis hat das zur Konsequenz, daß es keine heilvolle Interpretation Gottes über seine Gaben der Vergangenheit gibt. Paulus stellt der jüdischen Rede von Gott, die Gott von seinen Gaben und seinem Handeln in der Geschichte des Volkes her versteht, die Rede von dem sich durch das Evangelium Geltung verschaffenden Gott gegenüber. Dieser Gott kommt in 9,6-29 unter der Perspektive seines καλεϊν in den Blick. Das Wort des redenden und berufenden Gottes ist inhaltlich das Evangelium. Durch dieses führt er Heidenchristen und Judenchristen zum wahren Israel zusammen. Von Seiten des Menschen stellt sich die Frage nach Gott als Frage nach dem Gottesverbältnis. Entsprechend wird in 9,30-10,21 die Gottesfrage als Frage nach der δικαιοσύνη Θεοΰ entwickelt. Zur δικαιοσύνη und damit in das Gottesverhältnis gelangt der Mensch exklusiv aufgrund der πίστις. Da die πίστις ihren Inhalt vom Christusgeschehen her bezieht, erschließt sich auch das Wesen der δικαιοσύνη Θεοΰ für Paulus von Gottes Handeln an Christus. Von Gott ist daher nur aus dem Glauben an Christus heraus zu reden. Damit stehen sich die paulinische christologisch-rechtfertigungstheologische Interpretation Gottes und die jüdische vom Nomos her gewonnene alternativ gegenüber. Wie Christus und das Gesetz als Zugänge zum Heil miteinander konkurrieren, so auch hinsichtlich des durch sie erschlossenen Gottesverständnisses. Von Gott ist für Paulus nur über Christus zu reden. Die mit der christologischen Interpretation Gottes verbunde102

Klumbies, Israels Vorzüge, 153.

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Die Rede von Gott bei Paulus

ne Exklusivität impliziert die Abgrenzung von der jüdischen Rede von Gott. Die unterschiedliche Ausgangsbasis, hier Christus, dort das Gesetz, schließt eine Vermittlung zwischen beiden aus. So bescheinigt Paulus den Juden Eifer um Gott, mehr jedoch nicht. Zudem spricht er von einem Eifer, der Gott nicht erreicht. Vom Gesetz her gibt es nach seiner Darstellung keinen Zugang zu Gott. Wer abseits von Christus zu Gott gelangen will, der kennt Gott nicht. Er bleibt im Bereich der ιδία δικαιοσύνη (10,2.3). Reden die Juden von einem anderen Gott, oder reden sie anders von Gott als Paulus ? Für Paulus stellt sich diese Frage nicht als eine theoretische. Er geht von seinem eigenen Ansatz aus. Das bedeutet: Von Gott ist nur über Christus zu reden. Jeder andere Versuch, dies zu tun, erreicht nicht Gott. Von Rom 10,2.3 her ist deshalb im Blick auf die Juden zu sagen: Nach Meinung des Paulus erreichen sie von ihren Voraussetzungen, d.h. dem Gesetz aus, Gott nicht. Sie kennen die δικαιοσύνη Θεού nicht und damit auch Gott nicht. Sie reden also nach paulinischer Ansicht gar nicht von Gott. Die christologische Gottesinterpretation des Apostels bedeutet die Trennung von der jüdischen Theo-logie. Die Folgen für das Verständnis der besonderen Gaben, in deren Besitz Israel sich weiß und die nach seinem Selbstverständnis das heilvolle Verhältnis zwischen Gott und Israel konstituieren und garantieren, sind gravierend. Paulus bestreitet in Rom 9-11, daß aufgrund der Gaben eine heilvolle Beziehung zwischen Israel und Gott besteht und bestehen kann. Trotz seiner Gaben befindet sich Israel in einem Zustand tiefer Heillosigkeit. Über die Gaben führt kein Weg zu Gott. Die Gaben an Israel, die Paulus in 9,4 f. selbst aufzählt, sind nach seiner Auffassung χαρίσματα (11,29), d.h. gottgegebene Geschenke. Sie sind Bestandteil der Geschichte des Volkes und als solche Fakten der Vergangenheit. Sie besitzen jedoch weder Relevanz für das Heil Israels noch ist es möglich, über sie in ein Gottesverhältnis zu treten oder sachgemäß von Gott zu reden. Paradigmatisch entlarvt Paulus in 9,30-10,13 die Heillosigkeit des jüdischen Gesetzes und nimmt Israel damit die nach dessen eigenem Verständnis zentrale Heilsprärogative. Führt die christologisch-rechtfertigungstheologische Gottesinterpretation zu einer Distanzierung von jüdischer Theologie an zentraler Stelle, eröffnet sie damit gleichzeitig den Menschen eine Zugangsmöglichkeit zu Gott, die im Rahmen der bisherigen an das Gesetz gebundenen Interpretation Gottes davon ausgeschlosen waren. Die Heiden als Adressaten und Rezipienten der christologisch interpretierten Gottesbotschaft treten in den Horizont des Heils. Mit der neuen Interpretation Gottes ist klar, daß die bisher gültigen Zugangsvoraussetzungen nicht das zu leisten imstande waren, was sie vorgaben, nämlich ein heilvolles Gottesverhältnis zu ermöglichen. Nicht das Einhalten des νόμος führt in die Gottesbeziehung. Ebensowenig wird diese umgekehrt durch sein Nicht-Einhalten zerstört. Der Zu-

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gang zu Gott erfolgt über die πίστις. Die Stellungnahme zum gekreuzigten Christus entscheidet über Heil und Unheil. Im Duktus von Rom 9-11 erscheint Israel in den beiden ersten großen Abschnitten 9,6-29 und 9,30-10,21 extrem negativ gezeichnet. Es verweigert sich der Erkenntnis, daß von Gott nicht aufgrund der eigenen Vergangenheit, sondern von Christus her geredet werden muß. Daher bleibt es in die ιδία δικαιοσύνη verstrickt. Die Heiden dagegen, bisher vom Heil ausgeschlossen, sind über Christus zur Erkenntnis Gottes gelangt. Der Auffassung, hinsichtlich des Heils könnte Israel hinter sie zurückgefallen sein, wirkt Paulus in Kapitel 11 entgegen. Zu dem im Evangelium offenbaren rettenden Gott gibt es keine größere oder geringere Nähe. Aus der Perspektive des Evangeliums gibt es nur Heil oder Heillosigkeit. Beides stellt keinen unveränderlichen Status dar, sondern entscheidet sich stets neu am Verhältnis zu dem in Christus offenbaren Gott. Seine Uberzeugung, daß von Gott nur über Christus zu reden ist, impliziert für Paulus zwangsläufig die Abgrenzung gegenüber dem jüdischen Verständnis, das Gott vom Gesetz her begreift. In der soteriologisch-rechtfertigungstheologischen Explikation seiner Christologie bzw. christologischen Theo-logie liegt andererseits für ihn zugleich auch seine Hoffnung im Blick auf Israel begründet. Dies um so mehr, als ihm gewiß ist, daß sich am Ende Gottes Erbarmen, das ist seine im Evangelium bezeugte Gnade, durchsetzen wird.

5.2 Die christologische Interpretation Gottes bei Paulus 5.2.1 Die Rezeption des christlich-traditionellen Überlieferungsguts durch Paulus Die Rezeption des vor- bzw. nebenpaulinischen Formelguts durch Paulus vollzieht sich nicht einheitlich. Vielmehr lassen sich bei der Bearbeitung Akzentuierungen verschiedener Art und nicht unmittelbar miteinander identische Intentionen feststellen. Das traditionelle Material wird von Paulus in verschiedenartigen Textzusammenhängen verwendet und zu unterschiedlichen Zwecken herangezogen. Auch die Bearbeitung des Formelmaterials im einzelnen läßt divergierende Zielsetzungen sichtbar werden. Gleichwohl lassen sich deutlich Schwerpunkte und Hauptakzente erkennen, die der paulinischen Bearbeitung des Traditionsstoffes ein charakteristisches Profil verleihen. Durch die Art und Weise der Rezeption des vorpaulinischen theo-logischen Formelguts kommt die Gottesauffassung des Paulus bereits klar zum Ausdruck. Traditionelle Formulierungen, die ursprünglich

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der Explikation Gottes dienten, werden von Paulus nicht ausschließlich ebenfalls zur Entfaltung seines Gottesverständnisses herangezogen. So dient der Rekurs auf die aktivische Auferweckungsformel in lThess 1,10 innerhalb eines Textzusammenhangs, der vom christologisch verstandenen Gott handelt, bei Paulus zunächst der Qualifizierung des Sohnes. Das Verhältnis zu Gott eröffnet sich nach Paulus erst über die Beziehung des Menschen zum Sohn. Auch in Rom 10,9 macht Paulus die theologische Auferweckungsformel seinem christologischen Anliegen dienstbar. Das Bekenntnis richtet sich auf den - von Gott auferweckten - κύριος Ίησοΰς. In Rom 8,11 erscheint die Auferweckungsformel innerhalb eines Kontextes, in dem von Gott die Rede ist. Sie wird dort ebenso ihrer ursprünglichen Bedeutung entsprechend zur Bezeichnung Gottes selbst verwendet wie in Rom 8,32 die Dahingabeformel. Signifikant für Paulus ist weiterhin, wie er traditionelle Anschauungen modifiziert und traditionelle Vorstellungen benutzt, um nach seiner Auffassung falsche Anschauungen zu korrigieren. In Phil 2,8 durchbricht er durch seinen Zusatz Θανάτου δέ σταυροΰ die dem Hymnus zugrundeliegende Erhöhungschristologie bzw. Herrlichkeitstheologie und hält ihr die Kreuzestheologie als die angemessene Redeweise von Christus entgegen. In IKor 15,15 verwendet er dagegen umgekehrt die traditionelle Definition Gottes als dessen, der Jesus - in IKor 15,15 dem Kontext entsprechend abgewandelt zu Χριστός - von den Toten auferweckte, dazu, die in Korinth herrschende weltanschauliche Vorstellung von der Auferstehung in eine theo-logische Aussage zu überführen, die von der Auferweckung der Toten durch den Gott, der Christus auferweckte, spricht. Die entscheidende Differenz zwischen Paulus und der von ihm rezipierten Tradition besteht jedoch darin, daß die im vorpaulinischen Bereich noch nicht ausdrücklich reflektierte Frage nach der Beziehung des in den Formeln bekannten Gottes zum glaubenden Menschen für Paulus geradezu den Ansatz und das Zentrum seiner Rede von Gott bildet. Dies kommt in den seine Rezeption des Formelguts prägenden Aspekten der Vergegenwärtigung des in der Vergangenheit liegenden Heilsgeschehens und seiner Aneignung durch den Menschen sowie in dem ihn leitenden Interesse an der σωτηρία des Menschen zum Ausdruck. Der soteriologische Aspekt bestimmt das paulinische Reden von Gott in IKor 8,6. Aus dem christologisch-protologischen Gottesverständnis der dort vorliegenden Tradition wird bei Paulus durch die Hinzufügung des ήμιν ein von der Soteriologie her konstituiertes Reden von Gott, das den Menschen unmittelbar in die Relation zu Gott stellt. Da der Gottesbegriff in IKor 8,6 den christologisch interpretierten Gott bezeichnet, läßt sich von einem soteriologisch-christologisch verstandenen Gott sprechen. In Rom 8,31 nimmt Paulus den in der traditionellen Dahingabeformel Rom 8,32 durch die Wendung υπέρ ημών πάντων zum Ausdruck gebrach-

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ten soteriologischen Akzent in der Bezeichnung Gottes als ό Θεός υπέρ ημών auf. Das soteriologische Interesse dominiert auch bei der christologisch eingebundenen Auferweckungsformel in Rom 10,9. Dem όμολογεϊν und πιστεύειν ist die Rettung zugesagt (σωΘήση V. 9). Paulus entfaltet sein soteriologisches Anliegen in der Terminologie der Rechtfertigung. Dabei stellt er über die Begriffe δικαιοσύνη und σωτηρία die Beziehung zwischen den Glaubenden und dem Kyrios Jesus, der bekannt, sowie der Heilstat Gottes, die geglaubt wird, her. Die δικαιοσύνη resultiert aus dem Glauben, die σωτηρία aus dem Bekenntnis (V. 10). Sowohl vom Kyrios Jesus als auch von Gottes Auferweckungstat an ihm ist nach Paulus nur aus der Perspektive der daraus für die Glaubenden resultierenden δικαιοσύνη und σωτηρία zu reden. Den Gedanken der σωτηρία stellt Paulus im Zusammenhang mit dem Christushymnus in Phil 2,6-11 in enge Verbindung mit dem Leiden der Christen (Phil 1,28.29). Die Leidensnachfolge Christi eröffnet die σωτηρία από Θεοΰ. Von Gottes σωτηρία wird aus dem als ein πάσχειν charakterisierten Verhältnis zu Christus geredet. Mit dieser Interpretation der σωτηρία Gottes wendet Paulus die durch seinen Zusatz Θανάτου δέ σταυρού in Phil 2,8 c vorbereitete staurologische Explikation der δόξα Θεοΰ in 2,11 bereits im Vorgriff auf die Existenz der Glaubenden an, die sich in einem Verhältnis zu Christus wissen. Erst aus der Christusbeziehung heraus, deren konstitutives Merkmal das Leiden ist, ist von der σωτηρία από Θεοΰ zu reden - so wie von der δόξα Θεοΰ nur angesichts des Kreuzestodes Christi gesprochen werden kann. Nach 2Kor 5,18.19 wird der Mensch in das Versöhnungshandeln Gottes an Christus durch das Wort von der Versöhnung eingebunden. Dieses berichtet nicht lediglich von dem vergangenen Heilshandeln Gottes. Vielmehr wird durch die Stellungnahme gegenüber dem λόγος της καταλλαγής, d. i. das Evangelium, der Mensch vom Versöhnungshandeln Gottes selbst erreicht. Das Moment der Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens bestimmt auch die paulinische Interpretation der judenchristlichen Formel in Rom 3,25.26 a. Durch die Einführung des πίστις-Motivs in die Formel überwindet Paulus die Vorstellung eines einmaligen exklusiv an die Vergangenheit gebundenen und aus sich selbst heraus wirksamen Sühneereignisses. Den Zugang zum Sühnehandeln Gottes eröffnet der Glaube. Durch ihn bekommen die Glaubenden Anteil an Gottes Handeln. Die Gerechtigkeit Gottes ist für Paulus Gottes Handeln am Menschen. Ihren Erweis έν τω νΰν καιρώ hebt er hervor und bringt damit im Unterschied zur traditionellen Formel zum Ausdruck, daß sich Gottes Heilshandeln gegenwärtig ereignet. Geschieht nach Paulus sowohl die Aneignung als auch die Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens in der πίστις, ist damit auch die Rede von Gott an

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den Glauben gebunden. Von Gott ist nicht außerhalb der πίστις des Menschen, sondern aus der Beziehung zwischen dem glaubenden Menschen und Gott heraus zu sprechen. In Rom 5,8 verwendet Paulus eine christologische Formel zur Erläuterung des Gottesbegriffs. Trotz der ähnlich wie in der theo-logischen Formel in Rom 8,32 durch υπέρ ήμών zum Ausdruck gebrachten soteriologischen Ausrichtung ist in der traditionellen Formulierung das Verständnis vom Heilsgeschehen als einem exklusiv der Vergangenheit angehörenden Ereignis deutlich. Erst Paulus vollzieht über das zunächst ebenfalls formale εις ημάς hinaus den Schritt zur Vergegenwärtigung des Heilsereignisses. Dazu verweist er auf die Gegenwärtigkeit der Rechtfertigung (δικαιωΘέντες νυν 5,9) und die Bedeutung des Heilsgeschehens für die zukünftige Rettung aus dem Gericht. Die paulinische Rezeption des traditionellen Formelguts ist wesentlich bestimmt durch das soteriologische Interesse des Paulus. Nicht das Heilsgeschehen als ein Ereignis der Vergangenheit, bei dem Gott an Christus handelte, sondern der gegenwärtige Mensch, der jetzt von Gottes Heilshandeln erreicht wird, bestimmt seine Verkündigung. Die Vergegenwärtigung des Handelns Gottes an Christus, des Heilsgeschehens, und seine Aneignung durch den Menschen stehen im Mittelpunkt seines Nachdenkens. Durch die πίστις, d. h. sein Verhalten gegenüber dem gekreuzigten Christus, wird dem Menschen von Gott die σωτηρία, seine δικαιοσύνη, zuteil. Gott bleibt, wie innerhalb des Formelguts, auch für Paulus durch Christus definiert und wird über sein Handeln an Christus erkannt. Aber Paulus faßt die Christologie nicht statisch auf, sondern versteht sie soteriologisch. Daher ist auch das christologische Gottesverständnis, das er formal mit der ihm vorliegenden Tradition teilt, soteriologisch begründet. Der von Christus her verstandene Gott kommt unter dem Aspekt seiner heilvollen Zuwendung zum Menschen in den Blick. Den Charakter dieser Hinwendung beschreibt Paulus seinerseits inhaltlich ebenfalls mittels des Christusgeschehens. Dies geschieht in den Kategorien der Rechtfertigungslehre (vgl. Rom 3,25.26; 5,1.9), der Versöhnung (2Kor 5,18-21; Rom 5,10.11) oder kreuzestheologisch (Phil 2,8). Damit ist deutlich: Paulus spricht nicht lediglich von Gott, indem er vom Menschen spricht. Genausowenig handelt er, wie weitgehend die ihm vorliegende Tradition, von Gott isoliert unter der Perspektive seines Handelns an Christus. Er redet vielmehr von Gott unter dem Blickwinkel des dem Menschen zukommenden Heils. Dessen Inhalt und Charakter erschließt sich vom Christusgeschehen her.

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5.2.2 Die Unterordnung Christi unter Gott Das Verhältnis zwischen Christus und Gott wurde von Paulus in IKor 8,6 und 15,23-28 ausdrücklich und in 2Kor 5,18-21 implizit im Sinne einer Unterordnung Christi unter Gott bestimmt. Hinzu kamen die beiden Stellen IKor 3,23 und IKor 11,3, die die gleiche Verhältnisbestimmung vornahmen, sowie die Rede von Christus als der είκών του Θεοΰ in 2Kor 4,4. Als Grund für diese Art der Zuordnung wurde auf die Besonderheit der korinthischen Verhältnisse hingewiesen1. Als Reaktion auf eine überzogene enthusiastische Hochschätzung Christi und das Bewußtsein, in der Gemeinschaft mit ihm bereits einen Zustand der Vollendung erreicht zu haben, stellt Paulus den Korinthern eine dezidiert kreuzestheologisch begründete Christologie gegenüber2. Der korinthischen Vollendungsgewißheit hält er zudem als eschatologischen Vorbehalt entgegen, daß sich die Auferstehung erst bei der Parusie vollziehen wird. Die betonte Unterordnung Christi unter Gott wurde in diesem Zusammenhang als ein drittes Korrektiv gegenüber einer ideologisierten Christusfrömmigkeit gewertet. Paulus übt an der verabsolutierten Christuszentriertheit der Korinther Kritik, indem er Christus von Gott her seinen Ort zuweist. Aus korinthischer Sicht muß diese Zuordnung wie eine Relativierung Christi erscheinen. Das Modell der Subordination Christi unter Gott, das Paulus in der korinthischen Auseinandersetzung in besonderer Weise zum Einsatz bringt, ist ihm durch die ihm vorliegende Tradition bereits vorgegeben. Für die von ihm aufgenommenen traditionellen Wendungen und Formeln ist die klare Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Christus charakteristisch. „Gott" stellt in diesen Überlieferungen eine vorgängig existierende Größe dar, zu der Christus in Beziehung gesetzt wird 3 . Insofern wird zwar der Gottesbegriff schon von Christus her interpretiert. Grundsätzlich aber gilt, daß objektivierend von einem Handeln Gottes an Jesus/Christus gesprochen wird und die Rollen von Uber- und Unterordnung klar verteilt sind. Die objektivierende Redeweise ist auch dort noch nicht verlassen, wo der Aussage die soteriologische Ausrichtung hinzugefügt wird, wie beispielsweise durch ein υπέρ ήμών in Rom 8,32 oder in Rom 5,8, wo allerdings Christus als Subjekt fungiert 4 . Für Paulus selbst ist bezeichnend, daß er von der korinthischen Korrespondenz abgesehen weitgehend so gerade nicht von Gott redet und auch das Verhältnis Gottes zu Christus vorwiegend nicht so bestimmt, wie die von ihm rezipierte Tradition. 1

Vgl. o. Kap. 5.1.6: Das Verhältnis zwischen Christus und Gott in den Korintherbriefen. Vgl. auch IKor 1,18-2,5. Dazu Weder, 137-157und 157-162. 3 Vgl. dazu die Struktur der Auferweckungs-, Dahingabe-, Sühne- und εις Θεός-Formel, Kap. 4.1-4.4. 4 Vgl. auch das δια τά παραπτώματα in Rom 4,25. 2

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Die Rede von Gott bei Paulus

Paulus selbst handelt von Gott wie Christus primär unter soteriologischem Aspekt aus der Perspektive des und im Blick auf den Menschen, der in ein glaubendes Verhältnis zu Gott bzw. Christus gestellt ist. Seine soteriologischen Aussagen sind sowohl auf Gott als auch auf Christus bezogen. Unter der Frage, woher dem Menschen sein Heil zukommt, tritt bei Paulus Christus neben Gott. Gegenüber den Korinthern stellt er jedoch das soteriologisch motivierte Nebeneinander von Christus und Gott zurück und argumentiert von der subordinatianischen Vorstellung her, die ihm aus der Tradition bekannt ist. Faktisch gebraucht er damit neben seiner soteriologisch-christologischen Gottesinterpretation eine verobjektivierende Redeweise von Gott. Zu begreifen ist dies aus der besonderen korinthischen Situation. Die Korinther berufen sich für ihren Enthusiasmus auf Christus und fassen ihr christologisch begründetes Heil als einen Status auf. Damit funktionalisieren sie Christus zur Stabilisierung ihres Heilsbewußtseins. Indem Paulus ihnen gegenüber Christus Gott unterordnet und ihn für ihr Selbstverständnis als Person zwangsläufig relativiert, bewegt er sich formal innerhalb des Vorstellungsrahmens seiner Adressaten. Er ordnet Christus als Person einem objektivierend gebrauchten Gottesbegriff zu (IKor 3,23; 11,3; 15,23-28). Seine Intention dabei ist, die bei den Korinthern herrschende massive Verdinglichung Christi zu überwinden. Seine objektivierende Redeweise zielt also gerade auf eine Aufhebung solcher Verdinglichung und die Neueröffnung eines glaubenden Verhältnisses, bei dem Heil sich in der Beziehung zu Christus bzw. dem christologisch interpretierten Gott erschließt, nicht aber als ein Status mißdeutet wird. Damit redet Paulus in zweierlei Weise von Christus. Zum einen setzt er soteriologische Aussagen in Beziehung zu ihm. Da er gleiches auch in bezug auf Gott tut, tritt unter soteriologischem Aspekt Christus neben Gott. Zum anderen gebraucht er „Christus" als Interpretament für seinen Gottesbegriff. Mittels der Chiffre „Christus" expliziert er sein Gottesverständnis christologisch. Verselbständigt sich das Interpretament „Christus" und wird~ans seiner Funktion entlassen, den Gottesbegriff zu interpretieren, und wird von Gott selbst objektivierend, d. h. losgelöst von der Erfahrung seiner heilvollen Zuwendung zum Menschen, gesprochen, dann stellt sich auch die objektivierende Frage nach dem Verhältnis zwischen Christus und Gott als einem Verhältnis zwischen zwei Personen. Im Gefolge dieser Frage kommt es in Analogie zu der von Paulus rezipierten frühchristlichen Tradition zu einer subordinatianischen Verhältnisbestimmung zwischen beiden. Grundsätzlich allerdings fungiert „Christus" bei Paulus über weite Strecken als Träger soteriologischer und Interpretament theo-logischer Aussagen. Hat Paulus das subordinatianische Modell in einer konkreten Situation wie der von Korinth einmal dezidiert eingesetzt, verwundert es nicht, daß er auch an anderer Stelle darauf zurückgreift. Dies erklärt seine Verwendung in

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Rom 8,32a.34c. Gegenüber der ihm unbekannten römischen Gemeinde spricht der Apostel in einer Weise von Gott, die sich in den korinthischen Auseinandersetzungen bewährt hat. Daß Paulus wie gegenüber den Korinthern auch in Rom 8,28-39 nichts an der objektivierenden Redeweise selbst liegt, zeigt der Zusammenhang des Textes. Unter dem soteriologischen Aspekt der dem Menschen von beiden entgegenkommenden Liebe tritt Christus neben Gott. Nach paulinischem Verständnis ist entscheidend das Verhältnis Christi bzw. Gottes zu den Glaubenden. Hinter dem als eine Relation zu den Glaubenden begriffenen Christus- bzw. Gottesverständnis tritt die vom unmittelbaren Bezug zum Menschen abgelöste Frage nach der internen Beziehung zwischen Christus und Gott zurück. Sie bildet noch die selbstverständliche Voraussetzung der von Paulus aufgenommenen frühchristlichen Traditionen. Für Paulus spielt sie keine vorgeordnete Rolle mehr, da sie keine im engeren Sinne soteriologische Frage ist. Paulus entwickelt seine Theologie von einer soteriologisch verstandenen Christologie her, für die der Bezug zum Menschen, dem das Heilsgeschehen gilt, konstitutiv ist.

5.2.3 Christologische Gottesinterpretation und jüdisches Gottesverständnis Einen Ausgangspunkt der Untersuchung bildete die in der älteren wie in der jüngeren Forschung vertretene These 1 , die paulinische Rede von Gott bewege sich in den traditionellen jüdischen Bahnen. Paulus übernehme im wesentlichen das Gottesverständnis des Judentums, das entscheidend Neue liege in seiner Christologie. Diese zeichne er in den Rahmen des vorgegebenen Redens von Gott ein. Im Laufe der Untersuchung hat sich diese These als unzutreffend herausgestellt. Sie verkennt die grundlegende Bedeutung der Christologie für das paulinische Reden von Gott. Die soteriologisch verstandene Christologie führt Paulus zu einem Gottesverständnis, das sich von dem jüdischer Schriftsteller, so unterschiedlich dieses in seinen einzelnen Ausprägungen auch ausfällt, signifikant unterscheidet. Die untersuchten jüdischen Schriften waren geprägt von dem Versuch, an der Beziehung zwischen Gott und Mensch festzuhalten und gleichzeitig die Gottheit Gottes im Zentrum der theologischen Reflexion zu belassen. Gottes 1 Vgl. dazu ausführlich Kap. 2. Beispiele für diese Sichtweise stellen u. a. die Positionen Baurs, Deissmanns, Conzelmanns, Kümmels und Hahns dar. In diese Reihe gehört auch Betz, Θεός: „Eine eigene Gotteslehre hat das N T nicht ausgebildet" (347). In bezug auf Paulus vertritt Betz die Auffassung, daß in „den echten Pls-Briefen... die traditionelle christl. Gotteslehre nur wenig verändert" ist. Betz konstatiert lediglich einen „eigentümliche(n) Gegensatz" zwischen dem „zahlenmäßig starke(n) Gebrauch" des Wortes Θεός und dem „geringen Interesse, das Pls der Gotteslehre im engeren Sinne entgegenbringt" (351).

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Die Rede von Gott bei Paulus

Göttlichkeit sollte durch sein Verhältnis zum Menschen keine Einbußen erleiden. An beidem sollte festgehalten werden. Gezeigt hat sich jedoch im Laufe der Untersuchung, daß trotz des erkennbaren Bemühens um ein Aushalten der Spannung letztlich die Wahrung der Gottheit Gottes im Vordergrund stand. Im Interesse dieses Anliegens wurde das Begehren des Menschen nach einer unmittelbaren Beziehung zu Gott ein Stück weit zurückgedrängt bzw. es wurde deutlich: Die Beziehung zwischen Gott und Mensch wird zwar als Postulat aufrecht erhalten. In der Realität tritt sie jedoch zurück. Sichtbar wurde dies vor allem dort, wo das Gesetz als Mittler des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch selbst die Funktion eines Platzhalters und Vertreters Gottes auf Erden einnahm und an die Stelle eines unmittelbaren Gottesverhältnisses die Beziehung zum Gesetz trat. Dem entsprachen apokalyptische Vorstellungsweisen, wonach eine heilvolle Gottesbegegnung erst in einer letztlich fernen Zukunft stattfinden würde. Ebenso wurde es dort erkennbar, wo in Anlehnung an griechische bzw. hellenistische Denkweise die Erkenntnisfähigkeit des Menschen als der Größe Gottes gegenüber unzureichend gewertet wurde. Demgegenüber wird bei Paulus die Rede von Gott gerade von der heilstiftenden Beziehung Gottes zum Menschen her entwickelt. Begründet liegt für Paulus diese Beziehung im Christusgeschehen. Erst vom Christusgeschehen her ist es möglich, von Gott als von Gott zu reden. Insofern führt die Christologie zur Ausbildung einer eigenen neuen Theo-logie. Gott ist für Paulus die durch Christus Gestalt und Inhalt gewinnende Gottesbeziehung. Abseits dieser Beziehung ist nicht von Gott zu sprechen. Die Wahrung einer für sich existierenden Gottheit Gottes ist für Paulus kein Thema. Auf der weltanschaulichen Ebene, die Gott aus seinem direkten Bezug zum Menschen entläßt und ihn in seinem an-und-für-sich-Sein betrachtet, kann er unterschiedliche Vorstellungsweisen unmittelbar nebeneinander stehen lassen. Sie berühren sein Gottesverständnis nicht. An einem „reinen" Gottesbegriff oder einer Gotteslehre ist er nicht interessiert. Damit stellt sich die Frage nach den Konsequenzen der paulinischen Rede von Gott für das Verhältnis zur jüdischen Theologie. Es ist die Frage nach der Kontinuität und Diskontinuität im Gottesverständnis zwischen Paulus und dem Judentum. Liegt im Gefolge des paulinischen Denkens eine ZweiGötter-Lehre? Wäre Marcion also tatsächlich seinem Selbstverständnis entsprechend der konsequente Ausleger des Paulus 2 . Daß von einer Kontinuität im Sinne einer Übernahme des jüdischen Gottesverständnisses durch Paulus oder gar einer Identität zwischen der jüdischen und der paulinischen Rede2 Vgl. A. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, BHTh 58, 1979, 378-395.

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weise von Gott nicht gesprochen werden kann, ist das Ergebnis der vorliegenden Arbeit. Davon unberührt bleibt jedoch die Beobachtung, daß zwischen Paulus und den jüdischen Schriftstellern traditionsgeschichtliche Kontinuitäten bestehen. Sie beruhen auf der gemeinsamen Verwurzelung im geistigen Milieu des Judentums. Zwangsläufig verwendet Paulus im Bereich seiner Rede von Gott Motive, die auch in jüdischen Schriften Gebrauch finden. Ein charakteristisches Beispiel ist die Redeweise vom εις Θεός. Paulus greift den in jüdischen Schriften gängigen Terminus auf. Diese Tatsache belegt jedoch nicht die Auffassung, Paulus und das Judentum redeten von ein und demselben Gott. Solche Ansicht zeugt eher von dem apologetischen Bestreben, einen theoretischen Monotheismus aufrecht zu erhalten3. Im Duktus solchen Denkens werden die jüdische und die paulinische Rede von Gott nachträglich als zwei Entfaltungsweisen dem postulierten einen Gott zugeordnet. Eine solche Auffassung entspricht nicht dem Befund bei Paulus. Für Paulus stellt sich die Frage nach einer Kontinuität zum Judentum in anderer Weise. Zur Erkenntnis Gottes als dessen, der eine heilvolle Beziehung zum Menschen eingeht, ist Paulus über Christus gelangt. Von dieser Einsicht aus billigt er den Juden allenfalls Eifer um Gott zu, mit der zusätzlichen Einschränkung versehen, ού κατ' έπίγνωσιν zu sein (Rom 10,2). Er stellt sein Gottesverständnis dem jüdischen damit gegenüber. Es gibt nur die Möglichkeit der Entscheidung für den einen oder den anderen Ansatz. Zwischen beiden Theo-logien herrscht Diskontinuität. Wenn Paulus dennoch die traditionelle Wendung εις Θεός aufnimmt, dann kann er das, weil er darunter etwas anderes versteht als ein Jude, der sich zu dem einen Gott bekennt. Für Paulus ist die Rede von dem einen Gott nicht der Ausgangspunkt seiner Theologie. Er kommt vielmehr umgekehrt von seiner soteriologisch-christologischen Interpretation Gottes dazu, auch die traditionelle Redeweise vom εις Θεός aufzugreifen4. Sie stellt jedoch lediglich eine Form neben anderen dar, mit deren Hilfe Paulus sein spezifisches Gottesverständnis zur Sprache bringt. Nicht zufällig ist daher bei ihm auch nur so selten vom εις Θεός die Rede5. Eine Kontinuität gegenüber dem jüdischen Gottesverständnis gibt es bei Paulus nur in der Rückschau des Glaubens. Rückblickend stellt er fest, daß Gott schon immer der gewesen ist, als der er sich in Christus offenbart hat. 3 Damit soll die Rede von dem einen Gott der ganzen Bibel konserviert werden. Vgl. H. Seebaß, Der Gott der ganzen Bibel, 1982. Zum Problem eines „primär an traditionsgeschichtlicher Kontinuität orientierte(n) PaulusVerständnisses)" vgl. J. Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, 1989,396. 4 Insofern ist die Auffassung von T. Holtz, Rez. zu: C. Dietzfelbinger, Die Berufung des Paulus als Ursprung seiner Theologie, W M A N T 58, 1985, in: ThLZ 112, 1987, 266-268, abzuweisen, „daß sowohl Gesetz wie Christus in dem Handeln des Gottes, der einer ist, ihren Grund haben" (268). Das ist gerade die Subsumtion, die Paulus nicht vornimmt. 5 Nur 1 Kor 8,4.6; Rom 3,30 und - in anderem Zusammenhang - Gal 3,20.

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Dieser Kontinuität des Rückblicks entspricht jedoch im gegenwärtigen Vollzug des Glaubens die Erkenntnis der Diskontinuität. Zwischen dem über das Gesetz interpretierten und dem durch Christus definierten Gott gibt es nur die alternative Entscheidung für den einen und gegen den anderen. Entsprechend führt das paulinische Bekenntnis zum soteriologisch-christologisch verstandenen Gott zur Abgrenzung gegenüber der jüdischen Redeweise von Gott. Das Christusbekenntnis impliziert die Distanzierung von allen Versuchen, Gott anders als von Christus her verstehen zu wollen. Folglich liegt das primäre Interesse des Apostels bei seiner Auseinandersetzung mit dem jüdischen Gottesverständnis darin, nachzuweisen, daß in der Beziehung zu dem vom Gesetz her interpretierten Gott der Mensch im Bereich der Heillosigkeit bleibt. Das gleiche gilt für den Versuch, von der Schöpfung her zu einer Theo-logie zu gelangen6. Zu einer Zwei-Götter-Lehre wie bei Marcion kann es im Gefolge des Paulus nur kommen, wenn objektivierend ein paulinischer neben einen jüdischen Gott gestellt wird. Paulus selbst tut das nicht. Er fügt auch nicht sein Verständnis Gottes ergänzend jüdischer Redeweise von Gott hinzu. Er setzt sein Verständnis Gottes an die Stelle der jüdischen Auffassung. Von Gott ist und war nach paulinischer Ansicht nur so zu reden, wie ihm, dem Apostel, dies jetzt durch Christus deutlich geworden ist. Darum weist er alle vor- und nebenchristlichen Versuche, von Gott zu reden, zurück. Sie erreichen nach seinem Verständnis nicht Gott. Das hindert ihn jedoch nicht, seiner Rede von Gott traditionell jüdische Elemente zu integrieren. Diese bekommen, so der Topos von dem einen Gott, von Christus her einen neuen Inhalt. Darüber hinaus werden von Paulus traditionell jüdische Theologumena einer neuen Sinngebung zugeführt. Dies gilt etwa für das Gesetz. Dabei scheut sich der Apostel nicht, diesen Sinn in einer Weise festzulegen, die im Widerspruch zur Ursprungsintention des Begriffs steht. Exemplarisch für das Bemühen des Paulus, im Rahmen jüdischen Denkens tragenden Theologumena aus der Perspektive des christlichen Glaubens einen Sinn für die Gegenwart zu geben, ist neben R o m 11,11 ff., wo Paulus dem gegenwärtigen Zustand Israels eine Bedeutung im Blick auf die σωτηρία der Heiden beimißt, der Abschnitt Gal 3,19-25. Dort widmet sich Paulus der Frage, welche Funktion dem νόμος angesichts der Tatsache zuzuschreiben ist, daß nicht er, wie es jüdischer Auffassung entspricht, sondern der Glaube an Christus die Beziehung Gottes zum Menschen konstituiert. In der Situation post Christum stellt sich dem Christen rückblickend die Frage nach der Bedeutung und Notwendigkeit des νόμος, wenn er nicht den Zugang zu Gott eröffnet. Nachdem Paulus in Gal 3,15-18 das Verhältnis von επαγγελία und νόμος unter

6 Zutreffend Koch, 349: Den auf „Christus bezogenen Gottesaussagen (wird) kein zweiter, davon unabhängiger ,Aspekt' im .Gottesbegriff' hinzugefügt. Die Schöpfungsaussagen werden vielmehr von Gottes Handeln in Christus her aufgenommen und interpretiert".

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chronologischem Aspekt reflektiert hat7, mit dem Ergebnis, daß die Verheißungen Abraham und Christus gelten (V. 16) und das Gesetz daran nichts ändern kann, da es zu spät gekommen ist, fragt er, was dann das Gesetz überhaupt soll: Τί οΰν ό νόμος? Als seine Funktion gibt er an: των παραβάσεων χάριν, d.h. Übertretungen hervorzurufen 8 , und verbindet dies mit der negativen Wertung προσετέΘη (V. 19)9. Der Hinweis auf die zeitliche Begrenztheit und die Inferiorität des Gesetzes (V. 19b.20) führt notwendig zu der weiteren Frage: δ οΰν νόμος κατά των έπαγγελιών (τοΰ Θεοί) (V. 21a)? Paulus weist diesen Einwand in V. 21b ab. Der positive Sinn des Gesetzes kommt erst in der Rückschau des Glaubenden unter der Perspektive der Schrift als ein Paradox in den Blick (V. 22). Erst der Glaube bringt Klarheit über den Zustand unter dem Gesetz (V. 22-24). Hingegen kann nicht vom Gesetz her der Glaube als die Ablösung des Gesetzes verstanden werden. Der Zusammenschluß unter der Sünde, der Gewahrsam unter dem Gesetz werden erst aus der Sicht dessen, der um seine Angewiesenheit auf die Rechtfertigung aus Glauben weiß (V. 24), als auf den Glauben hinführend bzw. als seine Voraussetzung verstanden10. Nur er kann zu dem Urteil gelangen, daß mit dem Kommen des Glaubens der Zustand ύπό παιδαγωγόν beendet ist (V. 25).

In der Retrospektive des Glaubens bekommt für Paulus die Vergangenheit einen Sinn im Blick auf die Gegenwart. Wie das Theologumenon εις Θεός vom Christusgeschehen her mit einem neuen Inhalt versehen und zur Ausdrucksform für die Verkündigung des christologisch definierten Gottes wird, so wird auch die Phase der vom Gesetz bestimmten Vergangenheit sinnvoll der Gegenwart zugeordnet. Diese Kontinuität hat nur in der Rückschau des Glaubenden Bestand. Sie kann als Perspektive von einem nomistisch geprägten Selbstverständnis niemals geteilt werden.

5.2.4 Die soteriologisch-christologische Explikation Gottes Für die paulinische Rede von Gott cKarakteristisch ist, daß Paulus Gott von Christus her begreift und christologisch interpretiert und nicht umgekehrt Christus in den Rahmen eines bereits feststehenden Gottesverständnisses einzeichnet. Dies ergab schon die Untersuchung des sich auf die erste Phase seines Wirkens in Thessalonich beziehenden ältesten Zeugnisses der paulinischen Verkündigung in lThess 1,9b.10. Bereits in lThess 1 wird das paulinische Zentralanliegen sichtbar, das auch für seine Rezeption des traditionellen Formelguts signifikant ist, von Gott aufgrund der - auf Christus bezogenen - πίστις zu reden. Das christologische Gottesverständnis wird im einzelnen in unterschied7

Klein, Individualgeschichte, 207. Vgl. dazu Hübner, Gesetz, 27; Klein, Individualgeschichte, 212. 9 Vgl. J. Becker, Der Brief an die Galater, N T D 8, 1981, 42; D . Lührmann, Der Brief an die Galater, ZBK N T 7,1978, 63. 10 Klein, Individualgeschichte, 212.213. 8

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licher Weise entfaltet und auf verschiedene Art in den jeweiligen Kontext eingebunden. Wie bei der paulinischen Christologie selbst liegt auch der Ansatz der christologisch fundierten Theo-logie des Paulus in der Soteriologie. Diese wird, wie die Texte gezeigt haben, ihrerseits wiederum unter Aufnahme unterschiedlicher traditioneller Vorstellungen und unter Bezug auf die konkrete Situation, in die hinein Paulus schreibt, in vielfältiger Weise entwickelt und ausgedrückt. Folgerichtig findet dies seinen Niederschlag in der soteriologisch-christologisch konstituierten Rede von Gott. Folgende Vorstellungskomplexe und Inhalte haben sich vorrangig als prägend für die soteriologisch-christologische Explikation Gottes erwiesen: 1. Die Rechtfertigungslehre

Sowohl in Rom 3,21-31 als auch in Rom 9-11 spricht Paulus christologisch-rechtfertigungstheologisch von Gott 1 und sieht den Menschen über die πίστις in ein Verhältnis zu dem auf diese Weise explizierten Gott gestellt. Der über sein καλεϊν verstandene Gott in Rom 9 ist der sich durch das Evangelium Gehör verschaffende, also ebenfalls christologisch interpretierte Gott. Dem Rom 9,6-29 zugrunde liegenden Gottesverständnis korrespondiert in 9,30-10,21 die Charakterisierung des Menschen unter dem Aspekt der πίστις, durch die er in Beziehung zu dem durch sein Rechtfertigungshandeln begriffenen Gott steht. Der Interpretation Gottes über sein Rechtfertigungshandeln entspricht sachlich das in IKor 8,6 geäußerte Verständnis Gottes als des deus pro nobis 2 . 2. Das Versöhnungshandeln Gottes

Das Verständnis Gottes als des Versöhnenden basiert für Paulus nach 2Kor 5,18-21 auf Gottes Handeln an Christus wie an den Glaubenden, die durch das Evangelium in das Heilshandeln Gottes einbezogen sind. Die Versöhnungsvorstellung setzt Paulus mit der Rechtfertigungsvorstellung außer in 2Kor 5,21 auch in Rom 5,1-11 in Beziehung. Gott kommt unter dem Aspekt des in Christus begründeten Friedens der Gerechtfertigten mit ihm in den Blick. Dieser Friede stellt eine Realität im Glauben dar. Von Gott wird aus der Perspektive der πίστις geredet. Wie Rechtfertigung und Friede mit Gott in Christus gründen, so auch die καταλλαγή. Dabei weist Paulus im Zusammenhang der Rede von der Versöhnung auf das Christusgeschehen ausdrücklich unter dem Aspekt des Todes Christi hin. Damit ist ein weiteres konstitutives Element gegeben, das die soteriologisch-christologische Gottesinterpretation bestimmt.

1 2

Vgl. auch zu Rom 5,1-9. Vgl. auch Rom 8,31.

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3. Der Kreuzestod Christi

Der Tod Christi bildet die Grundlage der von Paulus in unterschiedlicher Weise entfalteten Soteriologie. Auf das Heilsgeschehen am Kreuz richtet sich die πίστις. Wie die paulinische Christologie ist auch die christologische Theo-logie vom Kreuz Christi her zu verstehen. In Rom 5,2.3 führt Paulus im Anschluß an die Erwähnung der δόξα του Θεοΰ mit dem Stichwort Θλϊψις das Thema „Leiden" ein. Die δόξα des vom Christusgeschehen her interpretierten Gottes kann nur eine gebrochene sein. Das Verständnis der δόξα του Θεοΰ in Rom 5,2 entspricht damit der von Paulus in Phil 2,6-11 durch V. 8 vorgenommenen staurologischen Interpretation der δόξα Θεοΰ in V. 11. Mit dieser Auslegung der δόξα Θεοΰ stimmen auch die Kontexte in Rom 5,3 und Phil 1,29 zusammen, in denen Paulus sich auf die Θλιψις und das πάσχειν der Christen bezieht. 4. Die Auferweckung Christi

In IKor 15,1-19 bringt Paulus die Auferweckung Christi in Beziehung mit der Auferweckung der Toten durch Gott. Es geht ihm nicht um die Auferweckung Christi als einer isolierten Heilstat Gottes, sondern darum, die Verknüpfung zwischen ihr und dem Geschick der Glaubenden aufzuweisen. Wer von der Auferweckung Christi von den Toten spricht, kann nicht von der Auferweckung der Christen - und zwar ebenfalls von den Toten absehen. Umgekehrt kann von ihrer Auferweckung nur aus dem Bezug auf Gottes Handeln an dem gestorbenen Christus heraus geredet werden. Paulus sagt Gottes Auferweckungshandeln sowohl in Beziehung auf Christus als auch auf die Christen aus. Beide Handlungsweisen Gottes sind nicht als ein zeitliches Nacheinander zu verstehen. Gott ist sowohl der an Christus als auch der gegenwärtig am Menschen Handelnde. Die Wendung Χριστός έγήγερται zeugt von einem christologischen Verständnis Gottes. Sie tritt in IKor 15,12-19 unmittelbar neben die auf die Christen bezogene und von Paulus soteriologisch verstandene Aussage νεκροί εγείρονται. Beide Formulierungen interpretieren sich hinsichtlich des hinter ihnen stehenden Gottesverständnisses gegenseitig. Auf diese Weise gelangt Paulus auch in IKor 15,12-19 zu einer soteriologisch-christologischen Interpretation Gottes. 5. Die Liebe Gottes

Die Bindung der Rede von der Liebe Gottes an Christus verhindert es, die αγάπη Θεοΰ als eine Eigenschaft Gottes mißzuverstehen, die ein Herrlichkeitsattribut darstellt. Die Liebe Gottes bezeichnet vielmehr das Heilshandeln Gottes, von dem der Glaubende kündet, der in die Leidensnachfolge des Gekreuzigten getreten ist. Auch das Erbarmen des rettenden Gottes in Rom 11 beruht auf dem Heilsgeschehen in Christus und erschließt sich nur im Glauben an das Evangelium.

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6. Die Konstituierung der soteriologisch-christologischen Rede von Gott durch ήμΐν (IKor 8,6) 3

Die πίστις stellt für Paulus das einigende Band dar, das die unterschiedlichen Entfaltungsweisen der Christologie zusammenhält. Uber die πίστις vollzieht sich die Vergegenwärtigung und Applikation des Heilsgeschehens. Für dieTheo-logie gilt: Durch die Anbindung an die πίστις bildet Paulus die ihm durch seine Tradition bereits bekannte an Christus gebundene Rede von Gott konsequent zu einer soteriologisch fundierten christologischen Theologie aus. Uber die πιστις gelingt es ihm, von Gott aus seiner Beziehung zu Christus und zum Menschen zu reden. Die theologische Leistung des Paulus gegenüber der traditionellen Redeweise von Gott besteht in der - innerhalb des Formelguts nicht oder nur ansatzweise vollzogenen - Integration der Glaubenden in die Rede von Gott unter Beibehaltung von deren christologischer Begründung. Scheinbare Ausnahmen von der soteriologisch begründeten christologischen Theo-logie fanden sich partiell in der korinthischen Korrespondenz sowie in Rom 8,32.34. Allerdings wurde auch hinter dem dort vorliegenden, auf die Aufhebung der Verdinglichung Christi zielenden Modell der Unterordnung Christi unter Gott die paulinische Intention sichtbar, in eine heilvolle Christusbeziehung bzw. ein Verhältnis zum christologisch interpretierten Gott zu führen.

5.2.5 Anknüpfung und Abgrenzung: Das Verhältnis des Paulus zur Tradition In der im Anschluß an den Beschluß der Rheinischen Landessynode „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden" 1 aus dem Jahre 1980 entbrannten Debatte spielte die Frage nach dem Verhältnis des Paulus zum Judentum eine gewichtige Rolle. Indes war mit dieser Fragestellung für die Paulusinterpretation eine Einengung der Wahrnehmung vorgezeichnet. Hinter Paulus steht nicht nur seine jüdische Vergangenheit, und der Apostel entwickelt seine Theologie auch nicht lediglich in Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Judentums. Er befindet sich zugleich in einer, wenn auch insgesamt ungleich kürzeren, so doch ihn ebenfalls entscheidend prägenden frühchristlichen Tradition. Mit ihr setzt er sich gleichfalls auseinan-

3

Vgl. dazu das unter 1. Die Rechtfertigungslehre (s.o. 248) Gesagte. In: B. Klappert - H . Starck (Hg.), Umkehr und Erneuerung. Erläuterungen zum Synodalbeschluß der Rheinischen Landessynode 1980 „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden", 1980, 264-266. 1

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der 2 , von ihr grenzt er sich markant ab 3 , an ihr profiliert er seine eigenen theologischen Uberzeugungen 4 . Es besteht daher die Gefahr einer Verkürzung der Darstellung, wenn Paulus isoliert auf sein Verhältnis zum Judentum hin betrachtet wird. Beschränkt man sich darauf, zentrale theologische Aussagen des Apostels auf ihren Bezug zur jüdischen Theologie zu befragen, droht die Darstellung einseitig zu werden. Die Folge sind Polarisierungen, die zu einer Fixierung auf die Frage nach der Kontinuität oder Diskontinuität des Paulus zum Judentum führen. Einer solchen Verengung der Perspektive ist zu entgehen, wenn neben seinem Verhältnis zum Judentum gleichzeitig auch die Stellungnahme des Paulus zur frühchristlichen Theologie gesehen wird. Gerade innerhalb seiner Rede von Gott werden Charakteristika sichtbar, die Paulus in markanter Weise nicht nur vom Judentum, sondern auch von der theologischen Reflexion der frühchristlichen Gemeinde, die Paulus kennengelernt hat, unterschieden sein lassen. Seine Theo-logie entwickelt Paulus in Anknüpfung wie Abgrenzung sowohl gegenüber jüdischer als auch gegenüber der ihm bekannten frühchristlichen Theologie. Bei seiner Haltung gegenüber dem Judentum war deutlich: Zwar gibt es traditionsgeschichtliche Abhängigkeiten und Kontinuitäten. Paulus greift vorgegebene Redeformen von Gott auf und füllt sie mit neuem Inhalt. Grundsätzlich jedoch grenzt er sich durch seine Abkehr von einer am Gesetz orientierten Gottesinterpretation und die Hinwendung zu einer soteriologisch-christologischen Explikation Gottes von der jüdischen Gottesvorstellung ab. Für ihn ist sein Gottesverständnis mit dem des Judentums unvereinbar. Die von ihm vertretene Gottesverkündigung schließt jede andere Art, von Gott zu reden, aus. Die Diskontinuität, die trotz traditionsgeschichtlicher Verbindungen zwischen seiner und der jüdischen Redeweise von Gott besteht, bestimmt letztlich auch das Verhältnis zur Theo-logie des vor- und nebenpaulinischen Traditionsguts. Dabei stehen sich die paulinische soteriologisch-christologisch begründete Redeweise von Gott und die objektivierende, subordinatianisch geprägte christologische Gottesinterpretation des Formelmaterials gegenüber. Deren ohnehin nur vereinzelt auftretende durch ΰπέρ ημών, δια τά παραπτώματα oder ήμεις εις αυτόν bzw. δι' αύτοΰ zum Ausdruck gebrach2 Dabei bleibt es nicht bei einem rein inneren Prozeß. Vielmehr zeigt diese Auseinandersetzung beispielsweise beim Apostelkonvent oder dem sogenannten Antiochiazwischenfall auch Außenwirkung. 3 Vgl. seine ζ. T. harten Auseinandersetzungen mit christlichen Irrlehrern in den Gemeinden. Bei ihnen handelt es sich ja in erster Linie um Leute, die eine andere Auffassung von christlicher Verkündigung haben als er. 4 Vgl. seinen Umgang mit dem vor- und nebenpaulinischen Traditionsgut. Auf die Diskontinuität zwischen Paulus und der ihm vorliegenden christlichen Tradition weist am Beispiel der Passionsverkündigung mit Recht C. Dietzfelbinger, Die Berufung des Paulus als Ursprung seiner Theologie, WMANT58,1985,129-133, hin.

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te soteriologische Ausrichtung bleibt formal und ebenfalls auf einer objektivierenden Ebene. Dieser frühchristlichen Redeweise von Gott gegenüber besteht das Neuartige des paulinischen Ansatzes darin, die Rede von Gott in einer soteriologisch explizierten Christologie gründen zu lassen. Paulus gelangt auf diese Weise zu einer unmittelbar auf das Heil des Menschen bezogenen Theo-logie, die auf der Integration der Soteriologie in die Christologie beruht. Trotz Gemeinsamkeiten, die immerhin so weit gehen, daß beide, Paulus wie die frühchristliche Tradition, Gott über sein Handeln an Christus bzw. Jesus definieren, erhält die paulinische Rede von Gott damit einen qualitativ grundsätzlich anderen Charakter als die des frühchristlichen Traditionsguts. Neben der prinzipiellen Gleichartigkeit des Umgangs mit jüdischen und frühchristlichen Theologumena gibt es zweifellos jedoch auch Unterschiede im Tonfall, mit dem Paulus auf jüdische und frühchristliche theologische Aussagen reagiert. Die Abgrenzung im Bereich der Gottesfrage wird gegenüber dem Judentum deutlicher kenntlich gemacht als gegenüber dem vorund nebenpaulinischen Christentum. Stellenweise greift Paulus sogar zur Polemik, um sich zu distanzieren. Sicher spielt hierbei auch die Abgrenzung gegenüber seiner eigenen Vergangenheit eine Rolle. In erster Linie ist es jedoch seine christologisch begründete Haltung gegenüber dem Gesetz, die die jüdische Theologie zu einem direkten Widerpart für Paulus werden läßt. Entsprechend erfolgt hier die Auseinandersetzung schärfer als mit einer theologischen Richtung, die immerhin das Christusbekenntnis mit ihm teiltwenn auch nicht in der Weise, in der er es, speziell in seiner Bedeutung für das Gottesverständnis, verstanden wissen möchte. Folglich ist seine Differenz dort im Ton zurückhaltend formuliert5. Paulus knüpft an Vorhandenes an, nimmt scheinbar lediglich Ergänzungen bzw. Korrekturen daran vor, kommt aber unter der Hand zu einer prinzipiellen Neuformulierung des theo-logischen Gedankens. Unterschiedlich ist also die Art und Weise, in der Paulus auf die Tradition eingeht, aus der er kommt und in der er steht. Charakteristisch für ihn ist jedoch, daß er sich in der Sache gegenüber der jüdischen wie der frühchristlichen Tradition gleich verhält. Auf beide Traditionsstränge bezieht er sich, an beide knüpft er an, von beiden grenzt er sich an theologisch zentraler Stelle ab. Die Abgrenzung, zumal reduziert auf die Distanzierung vom Judentum, macht nur einen Teil der paulinischen Theologie aus. Daher ist der heuristische Wert einer auf die Frage nach einem „Anti;udaismus" bei Paulus fixierten Diskussion für das Verständnis der paulinischen Theologie gering. Im Vordergrund bei Paulus steht sein positiv formuliertes Anliegen. Auf 5 Das läßt sich jedoch bereits für den paulinischen Umgang mit innerchristlichen Gegnern nicht behaupten. Vgl. den scharfen Ton in der Auseinandersetzung mit den Gegnern in Galatien, aber auch mit einer urchristlichen Autorität wie Petrus (Gal 2,11-14).

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der Basis des Christusgeschehens verkündet er den soteriologisch-christologisch explizierten Gott. Diese Verkündigung vertritt er gegenüber allen anderslautenden Versuchen, von Gott zu reden, sei es von jüdischer, sei es von frühchristlicher Seite. Das ist sein Verdienst und seine Leistung gegenüber jüdischen wie frühchristlichen Redeweisen von Gott in hellenistischrömischer Zeit. Vor den sich in Christus dem Menschen heilvoll zuwendenden Gott stellt er Heiden, Juden und Christen gleichermaßen.

Literaturverzeichnis Die verwendeten Abkürzungen richten sich in der Regel nach dem Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie (TRE), zusammengestellt von S. Schwertner, Berlin/New York 1976. Darüber hinaus gelten folgende Abkürzungen: B - D - R = F. Blass/A. Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearb. v. F. Rehkopf, 1 6 1984. E V B = E . Käsemann, Exegetische Versuche und Besinnungen, Zwei Bände, Bd. 1,1960, Bd. 2 , 1 9 6 4 . Die Kurztitel der mehr als einmal zitierten Literatur sind durch Kursivierungen kenntlich gemacht.

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54 179 A6 73A15 97 86 A5 101 215 214 124 A2 215

101 216 101 96 96 216 137,142

Levitkus 16 18,5

128 222,223

Numeri 23,19

98

Deuteronomium 4,24 6,4 7,6-9 7,9 7,13

102 150,192 208 59 208

228 222

1. Könige 8,33-35 8,47.48

140 140

1. Chronik 16,13

205 A16

2. Chronik 2,11 LXX

Exodus 3,14 LXX 9,16 25,22 33,13 33,18 33,19 LXX 34,34 LXX

29,3 30,11-14

82 A4

Esther 8,12q

82 A5

Hiob 10,9 22,21 33,6

217A29 197 A5 217A29

Psalmen 8,5 8,7 18,5 21,2 LXX 21,28 22 43,23 LXX 68,23.24 LXX 93,14 LXX 104,43 LXX 105,5 LXX 109,1 LXX

163 163,166 226 109,110 A17 140 109,110 207,207A22 228 227 205 A16 205 A16 163,164 A4,166

276

Register

Jesaja 1,9LXX 6,1-2 27,5 27,9 28,16 29,10 29,16 29,16 LXX 43,3.4 43,20 LXX 45,9 45,23 50,8 52,7 53,1 53,12 LXX 54,5-8 59,20 f. 59,20 64,7 65,1 LXX 65,2 LXX 69,9 LXX 69,15 L X X

219 101 197 A5 231 224 228 A76 217A29 217A29 208 205 A16 217A29 17A42 206 225 226 125 A9 208 231 138 217A29 226 A70 226 205 A16 205 A16

Jeremia 12,7-9

208

18,3-6 31,1

217A29 208

Ezechiel 44,15

61

Hosea 1-3 2,1 2,25 LXX 11,1.3 12,1

208 143.218 A34 218.219 208 204 All

Joel 3,5 LXX

225

Arnos 3,2

204 All

Nabum 2,1

225

Maleachi 1,2 f. LXX 1,2 1,3

216 208,217 217

2. Jüdische Schriften der hellenistisch-römischen Zeit Assumptio Mösts 1,14

204 A12

Syrische Baruch-Apokalypse 21,3-25 21,13 21,17 21,20.21 22-32 22-25 27-30,1 32,1 32,6

45-48 46 A6 49 A8 49 48-51 50A12 50A12 45 A2 45 A2

34,1 44,7 46,5 f. 49,1 54,1 54,17ff. 56,1 63,5.6 66,6 77.3 77,11 81.4 82.5

45 A2 197 A6 197A6 45 A2 45 A2 182 A3 45 A2 45 A2 45 A2 53A18 45 A2 45 A2 45 A2

Register 83 84.85 84,1 84,6 84,7 84,10 85,2.3

51 51.52 45 A2 45 A2 45 A2 45 A2 45 A2

4. Esra 3,1 3,4-36 3,20 3,21 3,25-36 4,1-21 4,5-11 4,23-25 4,26-37 5,23-30 5,23-27 5,33-40 5,33 5,40 6,38-59 6,38-54 6,55-59 7,1-16 7,20-24 9,31-37 13,53-58 14,27-35

37 38 A9 37 37 37.38 40,41 42 37,38,41 40-42 37-39,42 205 A16 40,42 42,44 41A14 38 A9 39A12 37-39,42 40,42,43 36 A4 44 44 44

Josephus Ap II190-198

89,92-94

Ant 115-24 1154-168 IV180-201 IV184 VIII280 VIII350

89-91 85,86-87 89,91-92 92A12 93A17 90 A6

2. Makkahäer 3,36 7,28 9,12

82 A5 74A16 84 A7

3. Makkahäer 1,16

82 A5

4. Makkahäer 5,25 17,21 f.

193 126 A8,127

Philo 1mm 51-69

97-99

Op Äthiopisches Henochhuch 1,8 108,8

197 A5 149

7-12 81 170-172

Joseph undAseneth

Praem

8,2-9 8,5 10,12 11,2-6 11,2 11,7-14 ll,10f. 11,11 12,1-2

162-172

71-72,73, 143,144 72 73 71 71,72-73 144 140 71,73-74

99 All 74A16 99,100

197

SpecLeg 132-50 167

95-97,100 92A13

Register

278 (Ps-η Philo

1QS

Über die Gottesbezeichnung , wohltätig verzehrendes Feuer' 100-103

1,1.2 1,14.15 3,13-4,26 4,19 4,26 5,8-11 10,6-8 10,9-11,22

Psalmen Salomes 4,25 6,6 10,3 14,1 17,46 18,3

149,204 A6 149,204 A6 149,204 A6 149,204 A6 169 A16 208

60 A22 55 A5,60 A22 56-58 59A19 59A19 59-60 55 A5 61-62

lQpHab 11,8

55 A5

Rabbinica Qumran CD 1,4-11 3,10-4,1 7,9-8,2 19 19,5-35 19,33-20,22

59,60 59-61 59A18 59 58-59 59A21

1QH 1,1-20 1,21-27 1,21 3,19-25 3,36 4,9-12 4,26.27 11,3-14 12,4-11 12,24-36 15,12-20

54-56,63 62-64 56 62-64 58 59,60 58 62A35 55 A5 62-64 56

1QM 2,1-4 10,8-16 11,4 15,3

55 A5 54-56 61 58

GenRee NumR 12 PesR 5 Ab 3,15

197 A5 197 A5 197 A5 203 A27

Sapientia Salomonis 11,17 11,21 12,12 15,7

74A16 217A29 217A29 217A29

Sibyllinen III, 1-35 111,248-294 111,763 Fragment 1 beiTheophilus ad Autolycum 11.36

75 78-79, 80 71 A4

76-77

Sirach 1,10 2,15 2,16 4,10 31,19 43,27 47,22

149 149 149 208 149 169 A16 149

Register Testamente der zwölf Patriarchen

TestDan

TestRub

5,1-3

1-4 1,1-2,2 2,3-3,2 3,3-4,11

67,70 66-67 66 A5,67A7 66-67

68-69

TestNaph 3,2-5 8,4 8,10

182 A3 208 208

TestSim 2,8 2,12.13 5,2

67 A6 67 A8 68 A9

TestGad 2,5

67 A6

TestAss TestLev 13,1-6 14-16

5,2 67-68 67 A8

Testjos

140

6,7 11,1 18,1.2

Testjud 23,5

67 A6 67 A8 67 A8

TestBenj

Testiss 5,1.2 6,3

145

68 A9 140

3,1-5 5,1

68-69 140

TestSeh 5,1 9,7.8

68 A9 140

3. Neues Testament Matthäus 6,1-18 6,9-13 22,37-40 27,46

Lukas 107A6 107-109 108 110 A17

Markus 12,29-33 15,34

108 109-110

10,27.28 11,2-4

108 107,108

Apostelgeschichte 3,15 4,10 5,30 10,40 13,30 13,37 14,15-17

115 A9 115 A9 115 A9 115 A9 115 A9 115 A9 138,139

Register

280 14,15 15.19 17,22-31 17,31 26,18 26.20

137,138 A7 137 138,139,144 138 A7 137,138 A7 137

6,4 6,5 6,9 6,17 7,4

Römer

1,16.17 1,17 1,18-3,20 1,18-2,5 1,18-32 2,22 3 3.20 3,21-4,25 3,21-31 3.21 3.24 3,25.26 3.25 3.28-30 3.29-30 3.29 3.30 4,17 4.24 4.25

5-7 5,1-11 5,1b—10 5,1 5,2.3 5.8 5.9 5.10 5.11 5,12-21 6 6,3-9

183 184 184 241A2 182-183 143 224 184 197 184-196,210,224,248 232 A94 126 126-128,239,240 133,134 210,224 A58 26 224 224,245 A5 46 A3,115 A9,133,134 A2 112,113,115 A9,133, 134 115,117,118,119,120, 121,124,125,132,133, 175 A23,241 171 126,175 A24,196-201, 248 196 Al 177 A32,240,248 Al 249 125,134 Al, 175,240, 241 138,240,248 Al 176 A24,177A32,240 176 A24,177 A32,240 129A6 158A19 123 A42

7,6 7,24 7,25 8 8,3 8,9- 11 8,11 8,15 8,19 8,22 8,25 8,28--39 8,28--30 8,28 8,31--34 8,31 8,32

8,34 8,38 9-11 9 9,1-5 9,4.5 9,6-29 9,26 9,30-10,21 9,30-10,13 9,31 10 10,2.3 10,2

115,116,119,120,123 A42,133,134,158 A19 158 A19 115,116,119,120,123 A42 138 A7 116,119,120,121,122 A3 9 145 138 145 171A21 124 A3 201-203 112,113,122 A40,133, 238 115 138 A7 138 A7 138 A7 153 A15,203-209,243 204 A8 149 179 124,238,248 A2 124,125,127,132,133, 134,175 A23,238,240, 241,243,250 116,117,118,119,120, 121,243,250 170 210,224,235,236,237, 248 248 2X0,211-212,235 236 210,213-220,235,237, 248 71 A4,143,144 210,220-227,235,237, 248 236 228 234 151,152 A14,183,197 A4,236 245

Register 10,3 10,9f. 10,9 10,16 11,1-36 11,1 ff. 11,15 11,26 11,29 12,11 14,9 14,11 14,18 15,6f. 15,31 15,33 16,18 16,20

152 27 A110,239 112,113,133,138 A7, 203,238,239 138 A7 210,227-235,237,249 246 176 A24 138 236 145 123 17A42 145 131 138 68A12 145 68A12

1. Korinther 1 1,7 1.17-2,5 1.18-25 1,30 2 2,9 3,15 3,16.17 3,21-23 3,23 4,10 5,5 6,12 6,14 6,19.20 7,17 8,1-6 8,3 8,4 8,5-6 8,5 8,6

29A127 138 A7 178 29 27 29A127 149,203 A5 138 A7 202 178 178,241,242 178 138 A7 178 A4 112,113,133 202 19 148-153,183 149,203,203 A5,204 A6 143,245 16 222 A49 28,128-130,133,134, 147,177,178,238,241, 245,248,250

8,7 10,19 10,23 11,3 12,2 12,3 13 14 14,33 14,36 15,1-19 15,3 ff.

15,4 15,12-34 15,12-20 15,12-19 15.14 15.15 15,18 15.19 15,20-28 15.20 15.21 15,23-28 15.23 15.24 15,28 15,29

281 143 143 178 A4 178,241,242 143 178 11 157 68A12 213 A12 249 117-119,120,121,123 A42,153,154,155,161. 167 122 A39,133 153 A2 154 ΧΜ,153-163,249 29Α127 112,113,133,159,238 157,158 46 Α6 108 Α10 160 Α21 129 Α6 136,153 Α15,163-172, 177,178,241,242 159 209 Α30 108 157,158

2. Korinther 1,1-2,13 1,9 1,10 1,21 2,17 3,3 3,16 4,4 4,6 4,14 4,15 5,5

196 Al 115,115 A9,133,134 A2 138 174 213 A12 71 A4,143,144 137,141,142,143 16,22,179,241 174 112,113,133 131 174

Register

282 5,14 5,15 5,17 5,18-21 5,18.19 5,21 6,14-7,1 6,15 6,16ff. 6,16 7,4 b 7,5-7 7,8-16 9,1-15 10-13 10,7 11,3 ll,16ff. 12,1-10 13,3 13,11

117,129 A6 116,117,118,119,120, 121 15 136,172-177,178,240. 241,248 239 248 143 A34,202 A5 143 202 71 A4,143,144,202 196 A l 196 A l 196 A l 196 A l 178 178 178 178 178 178 68A12

Galater 1,1 2,11-14 2,19f. 2,20 3,15-18 3,19-25 3,20 4,3 4,4 4,6 4,9.10 4,9 4,10 5,5

112,133 252 A5 15 124 A2,207A22 246,247 246 245 A5 140 124 A3 115 140,141 137,142,143,145 143 138 A7

Philipper 1,11 1,12-26 1,14

131 181 213 A12

1,27-2,18 1,28 1,29 2 2,5 2,6-11 2,6 2,8 2,9 2,10f. 2,11 2,22 4,9

181 239 182,239,249 32 181 A4 131-133,180-182,239, 249 134 238,239,240,249 133 17A42 239,249 145 68A12

Kolosser 1,20

176

1. Thessalonicher 1 1,1 1,2-10 1,6 1,9.10 1,9 1,10 2,13 4,5 4,14

137-148,247 147 147,148 138 A7 29,29 A128,136, 137-148,247 19,71 A4 112,113,133,203,224, 238 138A7.213A12 28 123

2. Thessalonicher 1,1-12 3,6-16

196 Al 196 Al

Hebräer 6,1 f. 6,1

138,139 138

Jakobus 1,12 2,5

149 A2 149 A2

Register 4. Frühchristliche Schriften Euseb von Cäsarea

1. Clemens 29,1 34,8

149 A2 149 A2

Clemens von Alexandrien Strom V113.1-2 85,87-88

PraepEv 1X18,1 1X23,1-4 1X26,1 1X27,1-37 1X30,1-34,18 1X39,2-5

83 83 82 83-84 81-82 80

Register

284

Theologische Begriffe (in Auswahl) Äon 42,45 Allmacht, Allmächtiger 13,23,48,50, 51,52,53,56,57,104,209 Anthropologie, anthropologisch 19, 20,184,191,194 Apokalyptik, Apokalyptiker, apokalyptisch 35,36,43,45 Auferstehung 14,27,29,116,123,154, 155,156,157,158,159,160,161,162, 163,238,241 Auferweckung 22,25,26,27,111,112, 113,114,115,116,117,118,119,120, 121,122,123,124,127,131,133,134, 137,138,146,154,155,156,159,160, 161,162,163,170,171,172,203,206, 223,224,238,239,241,249 Bekehrung 138,140,142,146 Bild Gottes 13,22,179,241 Bund 39,54,59,60,61,185,188 Christozentrik, christozentrisch 18,22,27,28,168,200

17,

Gerechtigkeit Gottes 26,27,35,40,49, 55,61,62,63,64,65,106,127,128, 152,175,183,184,185,186,187,188, 189,190,191,192,193,194,195,196, 197,198,200,201,202,206,207,210, 213,216,220,221,222,224,227,230, 236,239,240,248 Gericht 49,54,58,59,61,77,80,145, 183,200,218,219,240 Gesetz 14,22,38,44,45,50,51,52,53, 54,59,60,61,64,65,66,67,68,69,70, 71,74,78,79,80,82,89,91,92,94, 103,105,145,171,182,184,188,190, 191,192,193,194,195,196,205,206, 209,221,225,229,235,236,244,246, 247 Gnade 52,65,70,184,188,196,212, 218,228,229,231,233,237 Handeln Gottes (Christi) 15,38,73, 154,186,188,191,203,230,239,249 Herrschaft Christi 170,171,178 Jerusalem

Dahingabe 117,118,119,120,121,124, 125,127,133,134,182,238,241 Determination 56 Dialektische Theologie 31 Erhöhung 132,133,179,238 Erlösung 14,130,134,159,185,188, 201 Erniedrigung 132 Erwählung 15,39,205,206,208,215, 216 Festkalender 55 Festzeiten 55 Fleisch 14 Fluch 211,212,213,235 Frieden 196,197,198,248 Geist 228

46,55,64,76,77,142,200,201,

37,40,45,115,223

Kreuz 131,178,179,180,181,182,185, 186,187,198,199,200,201,209,228, 237,238,239,240,241,249 Kyrios 15,16,18,19,21,23,112,117, 129,130,132,147,180,181,209,223, 224,225,238,239 Leben-Jesu-Forschung 106 Liberale Theologie 21,29,31 Marcion 244,246 Menschwerdung 14 Modalismus 15 Monotheismus, monotheistisch 13,15, 16,18,19,25,28,29,30,85,87,142, 147,148,150,151,152,153,192,245 Parusie 241

21,146,159,170,171,172,177,

Register Person Christi 14 Polytheismus 153 Prädestination, prädestinatianisch 13, 54,55,56,57,58,91,216 Präexistenter, Präexistenz 132,146 Protologie, protologisch —> Schöpfung Rechtfertigung, rechtfertigen tigkeit Gottes Ruhm 190,191,198,199

Gerech-

Schöpfung, Schöpfer 13,14,17,20,21, 23,24,27,35,45,46,50,54,55,56,73, 74,76,77,86,87,88,90,95,98,99, 100,101,102,103,129,130,134,150, 151,182,238 Subordination, subordinatianisch 15, 16,17,18,19,21,30,44,130,133,151, 164,165,167,168,169,172,177,178, 179,206,241,242 Sühne (Sühnemittel, Sühnetod, Sühnopfer etc.) 124,125,126,127,128,133, 134,173,185,186,187,239,241 Sünde 14,38,61,62,63,64,65,66,67, 70,73,104,171,184,186,187,194, 201 Sündenvergebung 13,127,128,186, 187

285

Taufe (Tauflied, Viktariatstaufe) 138, 139,156,157,158,163,208 Tempel 35,74,78,81,82,92 Theodizeeproblem 44 Theozentrik 17,27,28,168 Tora 60,193,208 Tun-Ergehen-Zusammenhang 46,47, 67,70 Umkehr

139,140,231

Vater 14,16,24,27,90,95,99,107, 108,109,112,115,116,129,130,132, 133,147,150,163,167,180 Verheißung 39,42,43,47,210,213, 214,246,247 Versöhnung 172,173,174,175,176, 177,196,197,198,200,201,239,240, 248 Verstockung 231,232,233,234 Viktariatstaufe —* Taufe Vorherbestimmung 15,56,63,204 Vorherwissen 55,56 Werk Christi

14

Zorn Gottes

183

286

Register Autoren

Aland, Κ. 113,173 Albertz, R. 55 Aletti,J.-N. 153,210,220 Amir, Y. 98 Aschermann, H. 66 Barth, G. 164,178,181 Barth, H.-M. 25 Barth, K. 97 Bauer, W. 124,126,127,193 Bauernfeind, 0.72,115 Baur, F. C. 13,18,243 Becker, J. 60,61,62,63,65,66,67,68,70, 113,114,116,120,122,158,245,247 Bertram, G. 140 Betz, H. D. 107,183,202,243 Betz, 0.63 Bickerman, E. 65 Billerbeck, P. 115 Blaß, F. 75,76,118,126,174,192 Bornkamm, G. 108,131,181,182,217, 218,234 Box, G. Η. 35 Bousset, W. 15,16,18,23,24,26 Brandenburger, Ε. 36,37,41,43,46,58, 158,202,217 Braun, Η. 20,59,95,96,97,100 Breech, Ε. 43 Breytenbach, C. 176 Büchsei, F. 143,150 Bultmann, R. 11,19,20,21,29,30,31, 106,109,115,126,128,141,142,147, 155,156,170,172,173,174,175,184, 185,186,188,189,191,197,198,200, 209,221,222,225,231 Burchard, C. 71,72,73,74 Bussmann, C. 71,72,129,137,139 Charles, R. H. 45,50,66,68,69 Collins J.J. 75 Conzelmann, H. 20,21,22,90,92,117, 128,129,130,131,148,150,154,155, 156,164,170,189,213,223,228,243 Cranfield, C. Ε. B. 192,220,231

D albert, P. 75,80,81,82,83,84,85 Debrunner, A. 118,126,174,192 Deissmann, A. 14,18,243 Delling, G. 24 Demke, C. 26,30 Dibelius, M. 70,109 Dietzfelbinger, C. 251 Dinkier, E. 174,212 Dobbeler, A. v. 186 Eichholz, G. 11,107 Eissfeldt, 0.45,75 Eltester, W. 179 Fascher, E. 22,150 Feine, P. 16,17,18 Feldman, F. H. 93 Friedrich, G. 131,137,138,143 Froitzheim, F. 146 Früchtel, U. 96 Führer, W. 224 Furnish, V.P. 202 Gager jr., J. G. 85 Geffcken,J. 75 Georgi, D. 133 Getty, Μ. Α. 214 Gnilka.J. 110,181 Goppelt, L. 11,176 Gräßer, E. 27,28,30,129,130,150,192 Güttgemanns, E. 156,229 Gunkel, H. 35 Hahn, F. 26,27,30,118,139,145,176, 243 Harnack, A. 21 Harnisch, W. 35,36,38,39,42,46,48, 49,50,53 Hegermann, H. 100 Hengel, M. 34,81,83,91 Hoffmann, P. 113 Hofius, 0.131,171,172,173,174,175, 176,232,233 Hollander, H.W. 65,68 Holtz,T. 28,29,30,137,139,141,144, 145,147,150,245

Register Horsley, R. A. 129 Hübner, Η. 211,212,214,215,216,217, 219,222,225,226,227,228,231,247 Jeremias, G. 80 Jeremias, J. 118,131 Jervell,J. 179 Jonge, M. de 65,66,68 Käsemann, Ε. 115,116,117,124,125, 126,127,128,131,132,145,175,176, 181,182,184,185,188,190,191,193, 198,199,202,204,205,206,207,208, 211,215,216,217,218,222,224,225, 226,229,230,232,234 Kamlah, Ε. 92,93,94 Kegel, G. 113,116 Kerst, R. 129 Kertelge, K. 188 Klappert, B. 233,250 Klein, G. 128,158,184,187,188,189, 191,193,194,195,201,212,213,214, 215,221,222,230,233,247 Klijn, A. F. J. 45,51,52 Klinzing, G. 61 Klumbies, P.-G. 141,210,212,213,215, 221,231,233,235 Knibb, Μ. A. 59 Koch, D.-A. 163,207,218,219,222,224, 225,226,228,231,246 Köster, H. 177,199 Kramer, W. 113,116,117,119,120,123, 124,129,146,223 Krämer, H. 187,190 Kremer, J. 116 Kreuzer, S. 71 Kümmel, W. G. 106,127,145,187,211, 243 Kuß, 0 . 2 2 9 Kuhn, H.W. 56,62 Kurfess, A. 75,76,77 Lambrecht, J. 165 Lanchester, H. C. 0 . 7 5 Lang, F. 148,150,156,158,164,165,166, 171,173,177 Langkammer, P. H. 129

287

Lausberg, H. 199 Lehmann, K. 119 Leisegang, H. 95 Lichtenberger, H. 54,55,56,57,58,60, 62,63,64 Lietzmann, H. 154,156,174 Lindemann, A. 27,30,107,131,150,165, 166,167,168,170,174,221,222,244 Lohmeyer, E. 131,132 Lohse, E. 24,126,127,185 Luck, U. 45 Lübking, H.-M. 214,215,225 Lüdemann, G. 211 Lührmann, D. 109,169,175,247 Lütgert, W. 177,179 Luz, U. 206,211,229,232,233 Mack, Β. L. 96 Maier, J. 55 Marxsen, W. 142,147 Mattern, L. 145 Merklein, H. 189 Messel, N. 46 Michel, 0.116,125,126,185,201,202, 204,207,226,232,234 Miskotte, Κ. H. 56 Montes-Peral, L. A. 95,97,98 Müller, C. 231 Müller, K. 35 MüllerU. B.49 Mundle, W. 36 Murphy-O'Connor, J. 59,130 Mußner, F. 229,233 Nestle, E. 113,173 Nickelsburg jr., G. W. E. 62 Niebuhr, K.-W. 75 Nineham, D. E. 110 Nissen, A. 68 Noack, B. 75 Nordheim, E. v. 70 Oepke, A. 217 Osten-Sacken, P. v. 56,57,58 Paulsen, Η. 113,124,196,202,203,204, 205,207

288

Register

Philonenko, Μ. 71,72 Plag, C. 229 Plöger, 0 . 3 5 , 4 5 Pluta, Α. 126,185 Popkes, W. 124 Pohlenz, Μ. 101,102 Quell, G. 208,209 Rad, G. v. 145 Ratschow, C.-H. 56 Rehkopf, F. 118,126,174,192 Rengstorf, Κ. H. 140,141,198 Rese,M. 115,211 Rohde, E. 23 Rössler, D. 39,52 Rost, L. 35,37,45,60,65,75 Ryssel,V. 45 Saeb», M. 35 Sänger, D. 71,72,231 Sanders, Ε. P. 56 Sandmel, S. 95 Schäfer, P. 42 Schaller, B. 85,100 Schelkle, Κ. H. 22 Schenk, W. 154 Schierse, F.J.22 Schille, G. 124,207,208 Schlatter, A. 90,91,92,93 Schlier, H, 11,22,23,24,31,115 Schmidt, K. L. 233 Schmidt, M . A . 233 Schmithals, W. 107,110,156,157,178, 182,193,196,202,204,211 Schmitt, R. 211 Schnackenburg, R. 116 Schnelle, U. 115,137 Schottroff, L. 158 Schräge, W. 24,25,26,30,109,127,155, 156,181,190,197 Schreiner, J. 35,37 Schrenk, G.205 Schubert, K. 55 Schürer, E. 35,45,75,81,83,84,85 Schulz, S. 54 Schuttermayr, G. 74

Schweitzer, A. 106 Schweizer, E. 108,166 Seebaß, H. 245 Sellin, G. 156,157,158,161,177 Siegert, F. 100,102,214 Sjöberg, E. 145 Spörlein, B. 157 Stählin, G. 145 Starck, H. 250 Stauffer, E. 150,208,209 Stegner, W.R. 220 Strack, H . L . 115 Strathmann, H. 159 Strecker, G. 107,108,131 Stuhlmacher, P. 127,231 Stuhlmann, R. 231 Synofzik, E. 139,182 Taeger, J.-W. 201 Taylor, V. 109 Thackeray, Η. St. 90 Theobald, Μ. 214,233 Thomas, J. 66 Thüsing, W. 22,23,31,165,166 Traub, H. 145 Vielhauer, Ph. 115,117,222 Violet, B. 35,45 Vögtle, A. 107 Volkmar, G. 38 Volz, P. 50,75 Vouga, F. 107 Walter, N. 81,83,84,85,86,87,181,229, 232 Weder, H. 107,181,241 Wegenast, K. 117,126,131 Weiser, A. 35,45,147 Weiß, H.-F. 99 Weiß, J. 14,15,19,23,24,26,148,166 Wengst, K. 112,113,116,117,118,119, 120,123,124,125,126,128,129,199, 200,223,224 Westermann, C. 38 Wilcke, H.-A. 164 Wilckens, U. 115,116,124,125,126, 127,128,138,145,182,184,185,187,

Register 190,191,193,196,199,201,202,203, 204,205,206,207,211,212,214,222, 225,229,234 Windisch, Η. 115,172,174 Wischmeyer, 0.149,204

289

Wolff, C. 118,128,129,130,148,150, 155,163,164,170,171 Wolter, Μ. 176,196,197,198,199,200 Wrede, W. 13,14,18 Zeller, D. 187

Peter Stuhlmacher

Biblische Theologie des Neuen Testaments Band 1: Grundlegung. Von Jesus zu Paulus. 1992. XI, 419 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-53595-3 Die Verkündigung Jesu und die der Urgemeinde und des Paulus werden in diesem Band in ihrer Kontinuität zu den heiligen Schriften Israels gedeutet. Das Werk bietet Traditionsgeschichte des Urchristentums und Theologie des Neuen Testaments in einem.

Johannes Schoon-Janßen

Umstrittene "Apologien" in den Paulusbriefen Studien zur rhetorischen Situation des 1. Thessalonicherbriefes, des Galaterbriefes und des Philipperbriefes. (Göttinger Theologische Arbeiten, Band 45). 1991. 182 Seiten, kartoniert. I S B N 3-525-87399-9 Mit Hilfe eines multimethodischen Ansatzes überprüft der Verfasser, wieweit die als "Apologien" bezeichneten Paulustexte (1 Thess 2,1-12; Gal 1-2; Phil 3,4-6 und 4,17) zu Recht so klassifiziert werden. Seine Ergebnisse spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit die Lebendigkeit der paulinischen Briefliteratur wie auch allgemein der urchristlichen Überlieferung wider. Die Arbeit würdigt erneut die Diatribethese R. Bultmanns, empfiehlt aber Vorsicht gegenüber einer schematisierten Anwendung von antiken Rhetorikrastern auf die frühchristliche Literatur und ist zugleich ein Plädoyer für die Beachtung der Zusammenhänge von Form und Aussagerichtung der neutestamentlichen Texte.

Hans Hübner

Das Gesetz bei Paulus Ein Beitrag zum Werden der paulinischen Theologie. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Band 119). 3. Auflage 1982. 207 Seiten, kartoniert. I S B N 3-525-53285-7 "Diese hochbedeutsame Studie muß vor allem jedem theologisch Interessierten, dem das lutherische, an Paulus orientierte Gesetzesverständnis am Herzen liegt, von großer Bedeutung sein. Hier ist zu lernen, daß bei Paulus nicht einfach in allen Briefen ein bestimmtes und fertiges Gesetzesverständnis vorausgesetzt werden darf, sondern daß beim Rekurs auf den Apostel in der systematischen Entfaltung der Gesetzeslehre genaustens differenziert werden muß. Insofern ist dieses Werk vor allem auch für die systematische Weiterarbeit in der lutherischen Rechtfertigungsiehre unentbehrlich." Lutherische Monatshefte

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen und Zürich

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Eine Titelauswahl

156 Reinhard Wonneberger Redaktion Studien zur Textfortschreibung im Alten Testament, entwickelt am Beispiel der Samuel-Überlieferung. 1992. XVIII, 377 Seiten mit 32 Texttafeln, Leinen ISBN 3-525-53837-5

155 Paul-Gerhard Klumbies Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext 1992. 289 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53836-7

154 Friedrich Wilhelm Horn Das Angeld des Geistes Studien zur paulinischen Pneumatologie. 1992. 478 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53835-9

153 Christoph Bultmann Der Fremde im antiken Juda Eine Untersuchung zum sozialen Typenbegriff ger und seinem Bedeutungswandel in der alttestamentlichen Gesetzgebung. 1992. 235 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53834-0

152 Wolfgang Stegemann Zwischen Synagoge und Obrigkeit Zur historischen Situation der lukanischen Christen. 1991. 304 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53816-2

151 Martin Karrer · Der Gesalbte Die Grundlagen des Christustitels. 1991.482 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53833-2

150 Martin Leutzsch Die Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit im „Hirten des Hermas" 1989. 286 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53832-4

149 Eckhard Rau - Reden in Vollmacht Hintergrund, Form und Anliegen der Gleichnisse Jesu. 1990. 434 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53831-6

148 Hermann Spieckermann Heilsgegenwart Eine Theologie der Psalmen. 1989. 342 Seiten, kartoniert. ISBN 3-525-53830-8. Leinen. ISBN 3-525-53829-4

147 Samuel Vollenweider Freiheit als neue Schöpfung Eine Untersuchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt. 1989. 451 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53828-6

146 Michael Wolter Die Pastoralbriefe als Paulustradition 1988. 322 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53827-8

145 Claus Westermann Prophetische Heilsworte im Alten Testament 1987. 219 Seiten, kartoniert. ISBN 3-525-53825-1. Leinen. ISBN 3-525-53824-3

144 Udo Schnelle Antidoketische Christologie im Johannesevangelium Eine Untersuchung zur Stellung des vierten Evangeliums in der johanneischen Schule. 1987. 283 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53823-5

143 K. Arvid Tangberg Die prophetische Mahnrede Form- und traditionsgeschichtliche Studien zum prophetischen Umkehrruf. 1987. 215 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53822-7

142 Matthias Köckert Vätergott und Väterverheißungen Eine Auseinandersetzung mit Albrecht Alt und seinen Erben. 1988. 387 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53821-9

141 Jörg Jeremias Das Königtum Gottes in den Psalmen Israels Begegnung mit dem kanaanäischen Mythos in den Jahwe-König-Psalmen. 1987. 189 Seiten, kartoniert. ISBN 3-525-53820-0. Leinen. ISBN 3-525-53819-7

140 Martin Karrer Die Johannesoffenbarung als Brief Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen O r t . 1986. 354 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53818-9

139 Wilhelm Pratscher • Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition 1987. 315 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53817-0

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