Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern [1 ed.] 9783428489879, 9783428089871

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Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern [1 ed.]
 9783428489879, 9783428089871

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ANDREAS GÄ TSCH

Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 103

Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

Von Andreas Gätsch

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Gätsch, Andreas: Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern / von Andreas Gätsch. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 103) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08987-1 brosch.

Alle Rechte vorbehalten

© 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-08987-1

e

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Für Juliana

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Das im Sommer 1995 abgeschlossene Manuskript habe ich zum Zwecke der Veröffentlichung nochmals überarbeitet und auf den Stand November 1996 gebracht. Mein besonderer Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Volker Beuthien. Er hat es mir ermöglicht, wesentliche Teile der Arbeit während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von ihm geleiteten Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Philipps-Universität Marburg anzufertigen. Weiterhin möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Erich Schanze für die rasche Anfertigung des Zweitgutachtens bedanken.

Hamburg, im November 1996

Andreas Gätsch

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Gegenstand der Arbeit ........ ................. ..... ........... .............. ........ ............ ..... .....

21

11. Fragestellung ....................................................................................................

22

II1. Gang der Arbeit .......... ......................... ......... ...................................................

23

IV. Thesen ..............................................................................................................

25

Erster Teil

Rechtsprechung und Lehre zum Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen I. Gläubigerschutz im einfachen faktischen GmbH-Konzern ..............................

27

1. Das Haftungskonzept des Bundesgerichtshofs .................... ............ ............

27

2. Stellungnahmen des Schrifttums zum Haftungskonzept des Bundesgerichtshofs ..... ............ ...................... ............... ........... .......................... .........

28

a) Keine Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf den faktischen GmbHKonzern .................................................................................................

28

b) Mittelbarer Gläubigerschutz durch gesellschafterliche Treuepflicht ......

29

c) Die Organhaftung .... ............... .... ................ ......... ......................... .........

30

d) Stellungnahme .......................................................................................

30

11. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ........................

32

1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .............................................

32

a) Die "Autokran"-Entscheidung ...............................................................

32

b) Die "Tiefbau"-Entscheidung ..................................................................

35

c) Die "Video"-Entscheidung .....................................................................

37

d) Die "TBB"-Entscheidung .......................................................................

39

e) Die "EDV"-Entscheidung ......................................................................

40

f) Die "Fertighaus II"-Entscheidung ..........................................................

41

g) Die "Architekten"-Entscheidung ............................................................

43

h) Die "Betriebsfortfiihrung"-Entscheidung ...............................................

44

10

m.

Inhaltsverzeichnis 2. Stellungnahmen des Schrifttums zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .............................................................................................................

45

a) Der Tatbestand des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns .............

45

aa) Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff ...................................

45

(1) Schrifttum ..................................................................................

47

(2) Stellungnahme ...........................................................................

48

bb) Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung ................................

49

(1) Schrifttum ..................................................................................

50

(2) Stellungnahme ...........................................................................

51

(3) Verzicht auf das Merkmal der einheitlichen Leitung .................

52

cc) Faktischer Konzern ..........................................................................

53

dd) Qualifizierter faktischer Konzern: Konzernzustandshaftung oder Konzernverhaltenshaftung? .............................................................

54

(1) Konzernstrukturhaftung .............................................................

54

(2) Konzernverhaltenshaftung .........................................................

55

(3) Nebeneinander von Konzernstrukturhaftung und Verhaltenshaftung .......................................................................................

56

(4) Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ........

57

(5) Stellungnahme ...........................................................................

58

b) Die Rechtsfolgen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns ..........

60

aa) Keine Anwendung der §§ 311 ff. AktG ...........................................

60

bb) Die Verlustausgleichpflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen GmbH entsprechend § 302 AktG ...... ........

60

cc) Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens gegenüber den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft analog § 303 AktG ..........

61

dd) Forderungen des Schrifttums nach Haftungsbeschränkung .............

61

(1) Beschränkung der Verlustausgleichspflicht auf den zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Betrag ...... ....................

61

(2) Beschränkung der Haftung auf das Unternehmensvermägen....

62

c) Im Schrifttum vorgeschlagene Wege zur Haftungsvermeidung .............

63

aa) Zusammenfassung sämtlicher unternehmerischer Aktivitäten in nur einer GmbH .................................. .............................................

63

bb) Zwischenschalten einer Holding ......................................................

63

d) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .......................................................................................

64

Zusammenfassung des Ersten Teils .................................................................

65

Inhaltsverzeichnis

11

1. Einfacher faktischer GmbH-Konzern ..........................................................

65

2. Qualifizierter faktischer GmbH-Konzern ....................................................

65

3. Offene Fragen .............................................................................................

66

Zweiter Teil

Die erste Analogievoraussetzung: Das Bestehen einer Regelungslücke im GmbH-Gesetz in bezug auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern I. Das Fehlen konzemrechtlicher Regelungen im GmbH-Gesetz ........................

69

II. Das System des Gläubigerschutzes im GmbH-Gesetz .....................................

71

1. Die Aufbringung des Stammkapitals ..........................................................

71

a) Funktionsweise der Kapitalaufbringung ................................................

71

b) Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften ..........................................

73

2. Die Erhaltung des Stammkapitals ...............................................................

73

a) Funktionsweise der Kapitalerhaltung .....................................................

74

aa) Ansichten im Schrifttum ..................................................................

74

bb) Stammkapital als Verlustdeckungskapital .......................................

74

b) Ansatz und Bewertung ...........................................................................

78

aa) Bewertung ........................................................................................

78

bb) Stille Reserven .................................................................................

79

c) Verdeckte Gewinnausschüttungen .........................................................

80

aa) Grundsätzliches ...............................................................................

80

bb) Bilanziell nicht erfaßte Vermögensverschiebungen .........................

81

d) Weitere Einzelprobleme .........................................................................

83

aa) "Kapitalerhaltung oberhalb des Stammkapitals" ..............................

83

bb) Anwendung der §§ 30 f. GmbHG bei bestehender Überschuldung.

83

e) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen ....................... ............

86

aa) Rechtsprechungsgrundsätze .............................................................

86

bb) Die Novellenregelung der §§ 32a, 32b GmbHG ..............................

87

cc) Verhältnis der Novellenregelungen zu den Rechtsprechungsgrundsätzen ...............................................................................................

87

f) Zusammenfassung..................... ......... ............... .....................................

87

3. Gläubigerschutz durch Pflicht zu rechtzeitiger Konkurs- oder Vergleichsanmeldung (§ 64 GmbHG) .........................................................................

88

12

Inhaltsverzeichnis a) Die vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalte als Insolvenzsachverhalte ....................................................................................

89

b) Die Insolvenzgründe ........... .......................... .........................................

90

c) Der Insolvenzgrund der Überschuldung ................................................

91

aa) Die Entwicklung des Überschuldungsbegriffs .................................

92

bb) Die heute herrschende Meinung ...................... ................. ...............

92

cc) Gegenansichten ....... .... .......................... ............................... ............

94

dd) Eigene Stellungnahme .......................... ......................... ..................

94

(1) Ansatz von Liquidationswerten .................................................

95

(2) Keine teleologische Reduktion des § 64 Abs. 1 GmbHG durch eine negative Fortbestehensprognose ........................................

96

(a) Der Interessenkonflikt .........................................................

96

(b) Die angemessene RisikoverteiJung ..... ............... ........... .......

96

(c) Gründe gegen die Fortbestehensprognose ...........................

98

(3) Möglichkeiten zur Beseitigung der rechnerischen Überschuldung ........................................................................................... 101 ee) Ansatz eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus? ............................................................................ 103 d) Rechtsfolgen verspäteter KonkursantragsteIlung ................................... 105 aa) Ersatzpflichten der Geschäftsführer ................................................. 105 bb) Haftung des faktischen Geschäftsführers .......... ..... ...... ....... ............. 106 cc) Umfang des Schadensersatzes ("Quotenschaden") .......................... 107 dd) Ersatzpflichten der Gesellschafter .. ...... ........................................... 107 e) Die neue Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 ................................ 108 4. Zusammenfassung ., ..................................................................................... 109 ill. Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Gläubigerschutzsystems durch Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsvorschriften im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern? .............................................................................................. 110

1. Keine Außerkraftsetzung durch gesetzliche Anordnung entsprechend § 291 Abs. 3 AktG ...................................................................................... 111 2. Faktische Außerkraftsetzung des KapitaJsicherungsrechts bei qualifizierter Konzernabhängigkeit einer GmbH? ....................................................... 112 a) BiJanzielle Funktionsweise der §§ 30 ff. GmbHG ................................. 112 b) Rechtsprechung zu den §§ 30 ff. GmbHG im Unternehmensverbund ... 114 IV. Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Gläubigerschutzsystems aufgrund des Konzernproblems bei der abhängigen GmbH? .............................. .................. 115

Inhaltsverzeichnis

13

1. Das allgemeine Konzernproblem ................................................................ 115 2. Das allgemeine Konzernproblem im GmbH-Recht ..................................... 116 3. Stellungnahme ............................................................................................ 116 a) Regelungszuständigkeit des Gesetzgebers ............................................. 116 b) Vermischung insolvenzrechtlicher und konzemrechtlicher Probleme ... 117 c) Erhöhung des Insolvenzrisikos im faktischen GmbH-Konzern? ............ 117 d) Behandlung des Konzernproblems im Ausland ..................................... 118 4. Besondere Konzernprobleme ...................................................................... 119 V. Ergebnis des Zweiten Teils .............................................................................. 120 1. Keine Regelungslücke im GmbH-Gesetz .................................................... 120 2. § 64 Abs. 2 GmbHG und § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG als richtige Anspruchsgrundlagen ............................................................... 121 Dritter Teil

Die zweite Analogievoraussetzung: Vergleichbarkeit des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns mit dem beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern 1. Vergleich zwischen der selbständigen Aktiengesellschaft und der selbständigen GmbH ........................................................................................................ 124 1. Die Organisationsverfassungen: Satzungsstrenge bei der Aktiengesellschaft - Gesellschaftsvertragsfreiheit bei der GmbH ................................... 124 a) Zuständigkeitsverteilung bei der Aktiengesellschaft .............................. 124 b) Zuständigkeitsverteilung bei der GmbH ................................................ 125 c) Vergleich von Aktiengesellschaft und GmbH ........................................ 126 2. Treuepflichten bei GmbH und Aktiengesellschaft ...................................... 127 a) Rechtsprechung und Schrifttum ............................................................. 127 b) Stellungnahme ....................................................................................... 129 3. Gläubigerschutz .......................................................................................... 129 a) Kapitalaufbringung im Aktienrecht ....................................................... 130 b) Kapitalerhaltung im Aktienrecht ............................................................ 132 aa) Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 AktG) ....................... 132 bb) Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage (§ 150 AktG) ....... 133 cc) Rechtsfolgen verbotswidriger Auszahlungen ................................... 134 c) Vorstandspflichten bei Verlust und Überschuldung nach § 92 AktG .... 134 d) Vergleich des Gläubigerschutzes bei Aktiengesellschaft und GmbH .... 135 aa) Kapitalaufbringung .......................................................................... 135

14

Inhaltsverzeichnis bb) Kapitalsicherung .............................................................................. 135 cc) Einberufungs- und Konkursantragspflicht bei Überschuldung ........ 136

11. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften ................................. 137 1. Gläubigerschutz bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages (§§ 311-318 AktG) .......................................................................................................... 137 a) Abhängigkeit .............................................. :........................................... 138 aa) Mehrheitsbeteiligung ....................................................................... 138 bb) Minderheitsbeteiligung .................................................................... 139 cc) Wirtschaftliche Abhängigkeit .............. ......... ................ ..... .............. 140 b) DasRegelungssystemder§§311 bis 318 AktG .................................... 141 aa) Verbot der negativen Einflußnahme und Nachteilsausgleich .......... 141 bb) Abhängigkeitsbericht ....................................................................... 142 cc) Schadensersatzpflichten nach §§ 317, 318 AktG ............................. 143 c) Funktionsfähigkeit der §§ 311 ff. AktG ................................................. 143 aa) Kritik arn Regelungssystem der §§ 311 ff. AktG ............................. 143 bb) Wandelung der Einschätzung aufgrund rechtstatsächlicher Erhebungen ............................................................................................. 144 d) Fortgeltung der allgemeinen Gläubigerschutzvorschriften ................... 146 aa) Kapitalsicherung nach §§ 57 ff. AktG ............................................. 146 bb) Verlustanzeige- und Konkursantragspflicht (§ 92 AktG) ................ 148 2. Gläubigerschutz im aktienrechtlichen Vertragskonzern .............................. 148 a) Die Unternehmensverträge des Aktiengesetzes, insbesondere der Beherrschungsvertrag .............. ................................................................... 148 aa) Inhalt von Gewinnabfiihrungs- und Beherrschungsvertrag .............. 148 bb) Rechtsnatur der Unternehmensverträge ........................................... 150 (1) Schrifttum .................................................................................. 150 (2) Stellungnahme ........................................................................... 151 (a) Die Satzungsüberlagerung: Ein unbekannter Rechtsbegriff 151 (b) § 76 AktG als Norm des Gesellschaftsinnenrechts .............. 152 (c) Beseitigung der Kapitalbindung .......................................... 154 (d) Zwischenergebnis ................................................................ 154 b) Gläubigerschutz im Vertragskonzern ..................................................... 154 aa) Die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG .................................. 155 (1) Gesetzliche Haftung bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages ...................................................... 155

Inhaltsverzeichnis

15

(2) Während der Vertragsdauer sonst entstehender Jahresfehlbetrag ............................................................................................ 157 (3) Auflösung anderer Gewinnrücklagen ........................................ 158 (4) Rechtsfolge des § 302 AktG ...................................................... 159 (5) Regelungszweck des § 302 AktG .............................................. 159 (a) Meinungsstand in Schrifttum und Rechtsprechung ............. 159 (b) Stellungnahme ........ ........................... ........................ .......... 161 (aa) Übergang der Leitungsmacht ...................................... 161 (bb) Interessenumbruch ...................................................... 161 (cc) Konzernspezifische Kapitalerhaltung ......................... 162 (dd) Zusammenfassung ...................................................... 163 bb) Pflicht zur Sicherheitsleistung nach § 303 AktG ............................. 163 (1) Voraussetzungen ....................................................................... 164 (2) Direkter Zahlungsanspruch ....................................................... 164 c) Geltung der allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen im Vertragskonzern .................................................................................................. 166 aa) Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsregeln durch § 291 Abs. 3 AktG ............................................................................................. 166 (1) Zweck des § 291 Abs. 3 AktG ................................................... 166

(2) Umfang der Aufhebung der Kapitalerhaltungsvorschriften ....... 168 bb ) Fortgeltung des § 92 AktG ......................................................... ..... 168 Ill. Vergleich zwischen dem beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern und dem qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ................................................ 169 1. Entstehung .................................................................................................. 169 2. Innere Ausgestaltung .................................................................................. 169 a) Grundlage des Weisungsrechts .............................................................. 170 b) Umfang und Grenzen des Weisungsrechts ............................................. 171 aa) Im beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern ............................... 171 bb) Im faktischen GmbH-Konzern ......................................................... 171 (1) Bindung des herrschenden Gesellschafters an Treuepflicht und zwingendes GmbH-Recht .......................................................... 172 (2) Bindung des Alleingesellschafters an ein Eigeninteresse der GmbH ........................................................................................ 173 (a) Rechtsprechung ................................................................... 173 (b) Schrifttum.......................................... .................................. 174 (c) Stellungnahme ..................................................................... 175

16

Inhaltsverzeichnis c) Kapitalbindung im faktischen GmbH-Konzern - Finanzierungsfreiheit im Aktienvertragskonzern ..... ...... ...... ........ ............................................. 177

IV. Unangemessenheit des § 302 AktG - Schadensersatz statt Verlustausgleich ... 178 1. Mehrpersonen-GmbH-Konzern .................................................................. 179 2. Einmann-GmbH-Konzern ........................................................................... 179 V. Ergebnis des Dritten Teils ................................................................................ 180 VI. Exkurs: Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen Aktienkonzern ............. 181 1. Die Voraussetzungen des qualifizierten faktischen Aktienkonzerns ........... 181 a) Dauernde und umfassende Einflußnahme des herrschenden Unternehmens ....................................................................................................... 181 b) Beeinträchtigung der Interessen der abhängigen Gesellschaft nicht erforderlich .... ..................... .... .................. .... ............................................ 182 c) Stellungnahme ................... ................... ......... ........................................ 182 2. Rechtsfolgen ...................................................................... ......................... 183 a) Schrifttum .............................................................................................. 183 b) Stellungnahme .................. ................... ...... ..................... ....................... 183 3. Ergebnis ...................................................................................................... 184 Schluß

Zusammenfassung und Bewertung der im Zweiten und Dritten Teil gefundenen Ergebnisse I. Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................... 185 1. Keine Regelungslücke im GmbH-Gesetz .................................................... 185 a) Fehlen konzernrechtlicher Vorschriften im GmbH-Gesetz .................... 185 b) Außerkraftsetzung der §§ 30, 31 GmbHG ............................................. 186 c) Ersatzansprüche wegen verspäteter Konkursanmeldung ........................ 187 aa) Die den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalte als Insolvenzsachverhalte .................................... 187 bb) Konkursantragspflicht wegen Überschuldung (§ 64 GmbHG) ........ 187 cc) Rechtsfolgen verspäteter Konkursanmeldung .................................. 189 dd) Insolvenz kein typisches Problem konzernabhängiger Gesellschaften mbH ........................................................................................... 189 2. Unangemessenheit der Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ........................................................... 190 a) Fehlende Vergleichbarkeit des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns mit dem beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern .................... 190

Inhaltsverzeichnis

17

aa) Aktiengesellschaft ............................................................................ 190 bb) Gesellschaft mbH ...................... ....................................................... 191 cc) Vergleich ......................................................................................... 192 b) Schadensersatz statt Verlustausgleich .................................................... 193 II. Folgen der Konzemrechtsprechung des Bundesgerichtshofs ........................... 193 1. Fehlende Rechtssicherheit .......................................................................... 193 2. Strukturdiskussion ................................................................ ............. ... ...... 195 111. Ausblick............. ........... ........................................................................... ... ..... 196· Schrifttumsverzeichnis .................................................................................. 197 Sachregister .................................................................................................. 211

2 Gätsch

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

aaO.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

AG

Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen

AktG

Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 6.9.1965, BGBI. 11089

Alt.

Alternative

Aufl.

Auflage

BAG

Bundesarbeitsgericht

BB

Der Betriebsberater

Begr., begr.

Begründer, begründet

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz vom 15.1.1972, BGBI. I 13

BFH

Bundesfmanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896, RGBI. 195, BGBI. III 4 Nr. 400-2

BGBI.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BR-Drucks.

Bundesratsdrucksache

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

DB

Der Betrieb

ders., dies.

derselbe, dieselbe, dieselben

Diss.

Dissertation

DJT

Deutscher Juristentag

DStR

Deutsches Steuerrecht

eG

eingetragene Genossenschaft

EGAktG

Einführungsgesetz zum Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGBI. I 1185

Abkürzungsverzeichnis EGInsO

19

Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994, BGBL 12911

eV

eingetragener Verein

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Aktuelle Rechtsprechung mit Kurzkommentaren fiir die Praxis)

f., ff.

folgende, fortfolgende

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1.5.1889, RGBL 55, idF vom 20.5.1898, RGBL 369, 810, BGBI IIl4 Nr. 4125-1

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5. 1949, BGBL I 1

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20.4.1892, RGBL 477, BGBL IIl4 Nr. 4123-1

GmbHR

GmbH-Rundschau mit Sonderfragen der GmbH & Co.

GroßKomm

Großkommentar

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen idF. vom 24.9.1980, BGBl.I1761

HGB

Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897, RGBL 219, BGBL III 4 Nr. 4100-1

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg., hrsg.

Herausgeber,herausgegeben

idF.

in der Fassung

InsO

Insolvenzordnung vom 5.10.1994, BGBL I 2866

iVm.

in Verbindung mit

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KG

Kommanditgesellschaft

KO

Konkursordnung idF. vom 20.5.1898, RGBL 612, BGBL III 3 Nr.311-4

KölnKomm

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz

KStG

Körperschaftsteuergesetz

LG

Landgericht

LM

Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, begründet von Lindenmaier und Möhring, neu hrsg. von Nirk u.a.

20 LöschG

AbkürZlUlgsverzeichnis Gesetz über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9.10.1934, RGBI. I, S. 914

m.Anm.

mit Anmerkung

MDR

Monatsschrift fiir Deutsches Recht

MitbestErgG

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden industrie (Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz) vom 7.8. 1956, BGBI. I 707

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4.5. 1976, BGBL I 1153

MontanMitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montall-Mitbestimmungsgesetz) vom 21.5.1951, BGBI. I 347

MünchKomm

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

mwN.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht

OHG

offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

RefE

Referentenentwurf

RegE

Regierungsentwurf

RG

Reichsgericht

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RGBI.

Reichsgesetzblatt

Rn.

Randnummer

RWS

Kommunikationsforum Recht Wirtschaft Steuern, Köln

SAG

Die Schweizerische Aktiengesellschaft

VerglO

Vergleichsordnung vom 26.2.1935, RGBL I 321, BGBI. III 3 Nr. 311-1

WM

Zeitschrift fiir Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapierrnitteilungen, Teil IV

Wpg

Die Wirtschaftsprüfung

ZGR

Zeitschrift fiir Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift fiir das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht

ZPO

Zivilprozeßordnung idF. vom 12.9.1950, BGBI. I 535, BGBI. III 3 Nr. 310-4

Einleitung I. Gegenstand der Arbeit Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die RechtsprechWlg des BWldesgerichtshofs Zlllll qualifizierten faktischen GmbH-Konzem. 1 In den EntscheidWlgen "Autokran"2, "Tiefbau"3, "Video"4, "TBB"5, "EDV"6, "Fertighaus 11"7, "Architekten"S Wld "Betriebsfortfillrrung"9 hatten die Gläubiger von Gesellschaften mbH, nachdem sie mit der Zwangsvollstreckung in das Vermögen der jeweiligen Gesellschaft ausgefallen waren, deren Gesellschafter persönlich fiir die Gesellschaftsverbindlichkeiten in Anspruch genommen. Nach Ansicht des fiir das Gesellschaftsrecht zuständigen Zweiten Zivilsenats des BWldesgerichtshofs seien die im aktienrechtlichen Vertragskonzern fiir das herrschende Unternehmen bestehenden Pflichten, die während des Konzernverhältnisses bei der abhängigen Gesellschaft entstehenden Verluste auszugleichen (§ 302 AktG) Wld nach Beendigoog des Konzernverhältnisses gegenüber den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft Sicherheit zu leisten (§ 303 AktG), auf die GmbH entsprechend anzuwenden, wenn der herrschende Unternehmensge-

I Zwar haben auch andere Bundesgerichte, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, Urteile zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern erlassen (BAG, AG 1991, 434; NJW 1994, 3244; zuletzt BAG, AG 1996, 222). Dabei wurden jedoch die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze übernommen, so daß sich aus diesen Entscheidungen für die hier interessierende Frage der Fortbildung des GmbH-Konzernrechts nichts entnehmen läßt. 2 BGH, Urteil vom 16.09.1985, BGHZ 95, 330-349. 3 BGH, Urteil vom 20.02.1989, BGHZ 107,7-23. 4 BGH, Urteil vom 23.09.1991, BGHZ 115, 187-203. 5 BGH, Urteil vom 29.03.1993, BGHZ 122, 123-136. 6 BGH, Urteil vom 13.12.1993, WM 1994, S. 203-204 = NJW 1994, S. 446 (m. Anm. K. Schmidt). 7 BGH, Urteil vom 19.09.1994, NJW 1994, S. 3288-3291. S BGH, Urteil vom 16.02.1995, BB 1995, S. 997-999. 9 BGH, Urteil vom 12.02.1996, NJW 1996, S. 1283-1284.

22

Einleitung

sellschafter und die von ihm abhängige Gesellschaft einen qualifizierten faktischen GmbH-Konzern bildeten. Der Bundesgerichtshof ging in den ersten Entscheidungen davon aus, daß ein qualifizierter faktischer GmbH-Konzern vorliege, wenn der herrschende Gesellschafter dauernd und umfassend Einfluß auf die Geschäftsführung der von ihm abhängigen GmbH nehme, indem er dieser in weitem Umfang Weisungen erteile. Folge des dann vorliegenden qualifizierten faktischen Konzerns sei die entsprechende Anwendung der §§ 302, 303 AktG, wobei die Pflicht zur Sicherheitsleistung sich in eine direkte Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger wandele, wenn die Gesellschaft vermögenslos und eine Sicherheitsleistung daher zwecklos sei. In der "TBB"-Entscheidung änderte der Bundesgerichtshof seine Auffassung. Nunmehr sollte die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft weder die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens auslösen noch eine Vermutung für das Vorliegen eines qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns begründen. Erforderlich sei vielmehr ein objektiver Mißbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung, der vorliege, wenn der Unternehmensgesellschafter die Konzemleitungsmacht in einer Weise ausübe, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft nehme. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof in den folgenden Entscheidungen bestätigt.

11. Fragestellung Der methodische Ansatz der Arbeit besteht in der Frage, ob die für die entsprechende Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern erforderlichen Analogievoraussetzungen vorliegen. Zu prüfen ist somit, ob das GmbH-Gesetz im Hinblick auf die Sachverhalte des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns eine Regelungslücke aufweist und ob dieser Konzern mit dem auf einem Unternehmensvertrag, insbesondere einem Beherrschungsvertrag, beruhenden Aktienkonzern derart vergleichbar ist, daß die entsprechende Anwendung der §§ 302,303 AktG angemessen ist. Über diesen methodischen Ansatz gelangt man zu Antworten auf die Fragen, ob für die entsprechende Anwendung der vertragskonzernrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ein tatsächliches Bedürfnis besteht, ob sie dogmatisch haltbar und ob sie im Ergebnis praktikabel ist.

Ill. Gang der Arbeit

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Hingegen bleiben andere Fragestellungen, insbesondere die Einbindung der Konzemhaftung in ein allgemeines Konzept der Durchgriffshaftung, 10 aus Gründen der thematischen Beschränkung außer Betracht.

III. Gang der Arbeit Die Arbeit besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil werden die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern und die sie vorbereitenden und begleitenden Stellungnahmen des Schrifttums dargestellt. Während die "Autokran"- und die "Tiefbau"-Entscheidung von der Lehre positiv aufgenommen wurden, traf das "Video"-Urteil auf heftige Kritik, die bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit reichte. Der Bundesgerichtshof sah sich daraufhin in der "TBB"-Entscheidung zu einer "KlarsteIlung" seiner Rechtsprechung veranlaßt. 11 Er forderte fiir die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmensgesellschafters nunmehr, daß dieser seine GesellschaftersteIlung objektiv mißbrauche, indem er keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nehme. Im zweiten Teil wird geprüft, ob das GmbH-Gesetz die fiir eine analoge Anwendung der vertragskonzemrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes erforderliche Regelungslücke in bezug auf die Sachverhalte des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns aufweist. Rechtsprechung und Schrifttum folgern das Vorliegen einer Regelungslücke fiir die Sachverhalte des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns aus dem Umstand, daß das GmbH-Gesetz keine konzemrechtlichen Vorschriften enthält. Dieser Schluß ist indes nicht zwingend. Vielmehr ist zu prüfen, ob die vorhandenen Vorschriften des GmbH-Gesetzes einen ausreichenden Schutz fiir die Gläubiger einer im Unternehmensverbund stehenden GmbH gewährleisten. Erst wenn diese Frage zu verneinen ist, weist das GmbH-Gesetz eine Regelungslücke auf. Erforderlich ist somit eine Untersuchung der Gläubigerschutzvorschriften des GmbH-Gesetzes. Nach § 13 Abs. 2 GmbHG haftet den Gläubigem der Gesellschaft fiir ihre Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber die Gesellschafter persönlich. Den Gläubigerschutz übernehmen die Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 30 ff. GmbHG. Diese seien - so wird in Schrifttum und Rechtsprechung 10 DazuStimpel, in: FS Goerdeler, S. 601 ff. 11 BGHZ 122, 123 Leitsatz a).

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Einleitung

behauptet - im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern außer Kraft gesetzt. Sollte diese Behauptung zutreffen, würde tatsächlich eine Lücke im Gläubigerschutz bei derart konzemierten Gesellschaften mbH auftreten. Der Gläubigerschutz bei der GmbH wird nicht nur durch die Kapitalerhaltungsvorschriften bewirkt, sondern auch durch die Pflicht der Gesellschaft, im Falle ihrer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung eines insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 64 GmbHG). Die Hinzunahme des Konkursgrundes der Überschuldung neben den der Zahlungsunfähigkeit bei Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person persönlich fiir die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, sollte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes vorverlagern. Die Gesellschaft ist verpflichtet, Konkurs oder Vergleich anzumelden, sobald ihr Vermögen nicht mehr ausreicht, um ihre Schulden zu decken, damit sie die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zumindestens im wesentlichen befriedigen kann. Offensichtlich genügt die Handhabung der Insolvenzeröffnungstatbestände dieser Vorstellung des Gesetzgebers nicht. Die Insolvenzstatistiken weisen aus, daß in einem Großteil der Fälle, in denen Gesellschaften mbH insolvent werden, ein Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird. Kommt es zur Verfahrenseröffnung, so erhalten die Konkursgläubiger nur sehr geringe Quoten. Auch bei den vom Bundesgerichtshof unter dem Stichwort des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns entschiedenen Sachverhalten fallt auf, daß sämtliche Gesellschaften kein oder kein zur Gläubigerbefriedigung ausreichendes Vermögen besaßen. Die Insolvenz der in Anspruch genommenen Gesellschaften stellt somit offenbar das eigentliche Sachproblem dar. Eine besondere konzernrechtliche Haftung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die in einen Unternehmensverbund eingegliederten Gesellschaften im Vergleich zu unabhängigen Gesellschaften in höherem Maße insovenzanfallig sind. Sollte das nicht der Fall sein, würden konzernrechtliche Regelungen dazu benutzt, um Insolvenzsachverhalte zu lösen. Das wäre methodisch fragwürdig. Im dritten Teil wird geprüft, ob es angemessen ist, die vertragskonzernrechtlichen Vorschriften der §§ 302, 303 AktG, die das unternehmensvertraglich herrschende Unternehmen verpflichten, die Verluste der abhängigen Aktiengesellschaft auszugleichen und nach Beendigung des Unternehmensvertrages gegenüber deren Gläubigem Sicherheit zu leisten, auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden. Voraussetzung dafiir wäre, daß der qualifizierte faktische GmbH-Konzern mit dem auf einem Unterneh-

IV. Thesen

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mensvertrag, insbesondere auf einem Beherrschungsvertrag beruhenden Aktienkonzern derart vergleichbar ist, daß es geboten erscheint, beide rechtlich gleich zu behandeln. Die Vergleichbarkeit beider Konzernverhältnisse wird in Rechtsprechung und Schrifttwn damit begründet, daß das herrschende Unternehmen jeweils befugt sei, der Geschäftsfiihrung der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Ob dies allein ausreicht, um die entsprechende Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den faktischen GmbH-Konzern zu rechtfertigen, ist indes zweifelhaft. Bereits die Organisations- und Finanzverfassungen der selbständigen GmbH und Aktiengesellschaft weisen erhebliche Unterschiede auf. Der Abschluß eines Beherrschungsvertrages setzt darüber hinaus zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Aktiengesellschaft ein gesetzliches Regelungsgefiige in Kraft, das von der Situation im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern erheblich abweicht.

IV. Thesen 1. Die in Rechtsprechung und Schrifttwn aufgestellte Behauptung, die dem Gläubigerschutz dienenden Kapitalsicherungsvorschriften des GmbH-Gesetzes seien im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt, trifft nicht zu. 2. Bei den Fällen, die der Bundesgerichtshof unter dem Stichwort des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns entschieden hat, handelt es sich jeweils um Insolvenzsachverhalte. In Betracht gekommen wäre eine Haftung der Gesellschafter und GeschäftsfUhrer wegen verspäteter Konkursanmeldung. 3. Die von der herrschenden Meinung vorgenommene teleologische Reduktion des Insolvenzgrundes der Überschuldung, nach der eine rechnerisch überschuldete Gesellschaft erst dann verpflichtet ist, Konkurs anzumelden, wenn eine von der Geschäftsfiihrung aufzustellende Fortbestehensprognose negativ ausfällt, steht der rechtzeitigen Einleitung eines Insolvenzverfahrens und damit einem effektiven Gläubigerschutz entgegen. Der Konkursgrund der Überschuldung sollte ohne Berücksichtigung einer Fortbestehensprognose dem Gesetzeswortlaut entsprechend angewendet werden, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten nicht mehr ihre Verbindlichkeiten deckt.

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Einleitung

4. Die aus dem aktienrechtlichen Vertragskonzern stammenden Pflichten des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich und zur Sicherheitsleistung (§§ 302, 303 AktG) ohne weiteres auf den faktischen GmbH-Konzern zu übertragen, ist sachlich unangemessen. Durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages erfährt das herrschende Unternehmen eine rechtliche Besserstellung, indem es ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft erlangt und außerdem Leistungen, die die abhängige Gesellschaft dem herrschenden Unternehmen aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages erbringt, nicht als Verstoß gegen die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften gelten (§ 291 Abs. 3 AktG). Diese Besserstellung rechtfertigt es, das herrschende Unternehmen mit den aus §§ 302, 303 AktG folgenden Pflichten zu belasten. Derartige Privilegierungen erfährt der herrschende Unternehmensgesellschafter im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern nicht. Seine Herrschaftsmacht leitet sich aus der der Gesellschafterversammlung zustehenden organisationsrechtlichen Befugnis, den Geschäftsfiihrern Weisungen zu erteilen, und dem bei Beschlußfassung in der Gesellschafterversammlung bestehenden Mehrheitsprinzip ab. Sie ist somit rechtlich begründet. 5. Die Konzernrechtsprechung des Bundesgerichtshofs verdeckt das eigentliche Sachproblem in den entschiedenen Sachverhalten, das in der unzureichenden Eigenkapitalausstattung der Gesellschaften und der verspäteten Konkursanmeldung liegt. Das zeigt insbesondere die im Schrifttum gefiihrte Diskussion über Unternehmensumstrukturierungen zur Haftungsvermeidung. Die Rechtsprechung trägt somit nicht zu einer Lösung des eigentlichen Problems bei.

Erster Teil

Rechtsprechung und Lehre zum Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen Der Bundesgerichtshof unterscheidet zwischen dem einfachen und dem qualifizierten faktischen GmbH-Konzern. Im einfachen faktischen GmbH-Konzern hält er besondere konzernrechtliche Gläubigerschutzregeln nicht für erforderlich. Die Mitgesellschafter könnten von dem auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch tätigen Mehrheitsgesellschafter Schadensersatz verlangen, wenn dieser die seinen Mitgesellschaftern gegenüber bestehende Treuepflicht verletze. Der Schadensersatz sei an die Gesellschaft zu leisten. Dadurch werde das Gesellschaftsvermögen gestärkt, was "reflexartig" den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bewirke. Dagegen sollen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern die allgemeinen Vorschriften und Grundsätze des GmbH-Rechts zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger nicht ausreichen. Auch die für den faktischen Aktienkonzern geltenden §§ 311 ff. AktG hält er für ungeeignet. Vielmehr seien die im aktienrechtlichen Vertragskonzern geltenden Regelungen entsprechend heranzuziehen. Der herrschende Unternehmensgesellschafter habe in entsprechender Anwendung der §§ 302, 303 AktG während der Dauer des Konzernverhältnisses die Verluste der abhängigen Gesellschaft auszugleichen und nach dessen Beendigung den Gesellschaftsgläubigern Sicherheit zu leisten.

I. Gläubigerschutz im einfachen faktischen GmbH-Konzern 1. Das Haftungskonzept des Bundesgerichtshofs In der für den Gläubigerschutz im einfachen faktischen GmbH-Konzern grundlegenden "ITT"-Entscheidung machte der Bundesgerichtshof das Bestehen einer Rückzahlungspflicht der beklagten Mehrheitsgesellschafterin in bezug

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

auf von ihr empfangene verdeckte Gewinnausschüttungen davon abhängig, ob sie ihre gegenüber dem klagenden Gesellschafter bestehende Rechtspflicht zur Rücksichtsnahme verletzt habe.! Die GmbH weise trotz ihrer körperschaftlichen Verfassung eine deutliche Nähe zur Personengesellschaft auf, da wirtschaftliche Betätigung und organisatorische Ausgestaltung häufig dem unmittelbaren Einfluß der Gesellschafter unterlägen. Eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bestehe daher nicht nur im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft, sondern auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander. Diese sei auch deshalb erforderlich, weil der Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit besitze, die gesellschaftsbezogenen Interessen seiner Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, indem er Einfluß auf die Geschäftsführung nehme. 2 Das Ausmaß der gesellschafterlichen Treuepflicht hänge von den satzungmäßigen Zwecken der GmbH, ihrer internen Ausgestaltung, dem Umfang der Mitgliedschaft sowie vom Vorliegen gesetzlicher oder durch Satzung vereinbarter Rechtsschutzmöglichkeiten ab. Den sich aus einer Treuepflichtverletzung ergebenden Schadensersatzanspruch könne der benachteiligte Gesellschafter selbst gerichtlich geltend machen, ohne zuvor die GmbH zur Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen veranlassen zu müssen.

2. Stellungnahmen des Schrifttums zum Haftungskonzept des Bundesgerichtshofs a) Keine Anwendung der §§ 311 ff. AktG aufden faktischen GmbH-Konzern Der Bundesgerichtshof wandte in der "ITT"-Entscheidung die §§ 311318 AktG, die die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens im faktischen Aktienkonzern regeln, nicht an, obwohl ein Fall der faktischen Konzernierung einer GmbH zugrundelag. Das überrascht, da die Bundesregierung bereits 1973 den Entwurf eines GmbH-Konzernrechts einbrachte, der für den faktischen GmbH-Konzern den §§ 311 ff. AktG entsprechende Vorschriften vorsah. 3 Der Grund für die ablehnende Haltung dürfte darin zu sehen sein, daß die aktiengesetzliche Regelung des faktischen Konzerns damals allgemein als un-

! BGH, Urteil vom 05.06.1975, BGHZ 65, 15 ff. 2 BGHZ 65, 15, 19.

3 §§ 247 ff. des Regierungsentwufs eines GmbH-Gesetzes (BT-Drucks. 7/253).

I. Gläubigerschutz im einfachen faktischen GmbH-Konzern

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brauchbar angesehen wurde. 4 Man meinte, daß die Kernbereiche dieser Regelung, nämlich die Pflicht des herrschenden Unternehmens zum Nachteilsausgleich bei nachteiliger Einflußnahme auf die abhängige Gesellschaft (§ 311 AktG) und der Abhängigkeitsbericht (§ 312 AktG), schwerwiegende Mängel aufwiesen. Für den Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft sollte bei der Anfertigung des Abhängigkeitsberichts häufig ein Interessenkonflikt bestehen, der zu Lasten der Vollständigkeit des Berichts gehen könne. 5 Außerdem enthalte das GmbH-Recht keine Pflicht, einen Abhängigkeitsbericht anzufertigen und diesen durch einen neutralen Abschlußprüfer und den Aufsichtsrat prüfen zu lassen. Das Fehlen dieser fiir das Funktionieren des Verlustausgleichs notwendigen Voraussetzungen stehe einer Übertragung der §§ 311 ff. AktG auf den faktischen GmbH-Konzern entgegen. 6

b) Mittelbarer Gläubigerschutz durch gesellschafterliche Treuepflicht Das Schrifttum ist dem Treuepflichtansatz des Bundesgerichtshofs weitgehend gefolgt. Dadurch, daß die Gesellschafter einen Schaden der Gesellschaft einklagen könnten, werde das Gesellschaftsvermögen gestärkt, was "reflexartig" zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger führe. 7 Die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander verpflichte jeden Gesellschafter, die legitimen Interessen seiner Mitgesellschafter zu beachten. 8 Der Inhalt der Treuepflicht sei, abhängig von der Struktur der jeweiligen GmbH, im Einzelfall zu bestimmen. 9 Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht sei allerdings zu beachten, daß die Gesellschafter 4 EmmerichlSonnenschein, Konzernrecht, § 24 11 2d, S. 442 f1; ScholzlEmmerich, GmbHG, Anhang Konzemrecht Rn. 142; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 412 f.; Fleck, ZHR 149 (1985), 387,416; Stimpel, in: Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 39, 40; ders., AG 1986, 117 f.; BaumbachIHuecklZöl/ner, GmbHG, Schlußanhang I Konzemrecht Rn. 29; LutterlHommelhoff, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 12. 5 Vgl. im einzelnen Unternehmensrechtskommission Rn. 1387 f., S. 705 ff.; auch K. Schmidt, ZGR 1981,455,460 ff.; Immenga, ZGR 1978, 269, 275 f. 6 Vgl. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 252 f.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 412. 7 Vgl. Scholz1Emmerich, GmbHG, Anhang Konzemrecht Rn. 156 und § 13 Rn. 37 mwN.; Assmann. JZ 1986.928 f. 8 Ulmer, ZHR 148 (1984), 391,416 f.; Assmann, JZ 1986,928; LutterlHommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 15 ff. 9 Vgl. ScholzlEmmerich, GmbHG, § 13 Rn. 38; LutterlHommelhoff, GmbHG, § 14 Rn. 15.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

einer GmbH bis zur Grenze der §§ 30, 31 GmbHG frei über das Gesellschaftsvermögen verfügen dürften. Sie könnten daher auf die aus der Treuepflichtverletzung resultierenden Ansprüche verzichten, soweit sie nicht zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliches Vermögen darstellten. I 0

c) Die Organhaftung

Einen von der Hafumg wegen Treuepflichtverletzung abweichenden Ansatz verfolgen die Vertreter der insbesondere von Wilhelm entwickelten Organhaftung. Danach unterliege jeder Gesellschafter, der sich an der Führung der Geschäfte der Gesellschaft beteilige, denjenigen Sorgfaltsanforderungen, die an eine ordentliche Geschäftsführung zu stellen seien. Dies gelte unabhängig davon, ob die Ausübung der Geschäftsführung auf einer entsprechenden organschaftlichen Bestellung oder lediglich auf der Möglichkeit tatsächlicher Einflußnahme beruhe. Danach habe ein herrschendes Unternehmen, das die Geschäfte einer von ihm abhängigen GmbH leite, ebenso wie jeder Geschäftsführer der GmbH in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Im Falle der Verletzung dieser Pflicht hafte es der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG auf Schadensersatz. 11

d) Stellungnahme

Die Organhafumg hat den Vorteil, daß sie nicht auf das Bestehen von gesellschafterlichen Treuepflichten abstellt, die insbesondere in der eingliedrigen GmbH schwer zu begründen sind. Dennoch kann sie nicht überzeugen, da sie wesentliche Grundsätze des GmbH-Rechts nicht hinreichend beachtet. Durch die §§ 37, 45 ff. GmbHG wird die Möglichkeit der Gesellschafterversarnmlung, auf die Geschäftsführung Einfluß zu nehmen, anerkannt. Trotzdem unterwirft das GmbH-Gesetz die tatsächlich Einfluß nehmenden Gesellschafter an keiner IO Nach anderen liegt die Grenze der Verzichtbarkeit dort, wo die bewußte Gläubigerschädigung beginnt. Vgl. dazu BaumbachIHueck/Zöl/ner, GmbHG, Schlußanhang I Konzemrecht Rn. 33; Lutter/HommelhojJ, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 13. II Wilhelm, S. 338 und 355 f.; auch Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 158 f.

I. Gläubigerschutz im einfachen faktischen GmbH-Konzern

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Stelle den für die Geschäftsfiihrer geltenden Verhaltenspflichten. Diese sind vielmehr als "Herren der Gesellschaft" bis zur Grenze der §§ 30 ff. GrnbHG frei in der Disposition über die Gesellschaft Wld deren Vermögen. Diese Freiheit wnfaßt auch die Vornahme von WeisWlgen zum Schaden der Gesellschaft, wie sich aus § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG ergibt. Die nach § 37 Abs. 1 GmbHG weisWlgsgebWldenen Geschäftsfiihrer haften für auf der GeschäftsfiihrWlg beruhende Schäden nicht, wenn sie aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses gehandelt haben Wld das Stammkapital nicht angegriffen worden ist. 12 Daraus folgt die grundSätzliche Zulässigkeit derartiger Gesellschafterbeschlüsse. 13 Eine OrganhaftWlg der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft ist daher abzulehnen. Sie beruht letztendlich auf der AnerkennWlg eines Eigeninteresses der juristischen Person "GmbH" gegenüber ihren Gesellschaftern, das über das aus den Vorschriften der §§ 30 ff. GrnbHG folgende KapitalerhaltWlgsinteresse der GmbH hinausgeht Wld daher nicht gesetzeskonform ist. 14 Im einfachen faktischen GmbH-Konzern fUhrt somit der Minderheitenschutz reflexartig auch zu einem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Bereits die der GmbH gegen das herrschende Unternehmen zustehenden Schadensersatzansprüche bilden Vermögen der Gesellschaft, in das deren Gläubiger durch PfändWlg Wld ÜberweisWlg gemäß §§ 829, 835 ZPO vollstrecken können. Darüber hinaus wird - zumindest für die mehrgliedrige GmbH - in ErwägWlg gezogen, den Gläubigem analog §§ 309 Abs. 4, 317 Abs. 1 Wld 4, 318 Abs. 4, 323 Abs. 1 AktG die Möglichkeit zuzubilligen, selbst die der Gesellschaft zustehenden Ansprüche geltend zu machen, wenn sie von dieser keine BefriedigWlg erlangen. 15 Der Grund hierfür soll in einer effektiveren AusgestaltWlg des Gläubigerschutzes in prozessualer Hinsicht liegen. Ob die Gesellschaftsgläubiger dadurch tatsächlich im Vergleich zur Zwangsvollstreckung durch PfändWlg Wld

12 Vgl. Mertens in Hachenburg, GmbHG, § 43 Rn. 67; ScholzlSchneider, GrnbHG, § 43 Rn. 95; LutterlHommelhoff, GrnbHG, § 43 Rn. 18. 13 Vgl. U1mer, ZHR 148 (1984), 391, 414 f.

14 Dazu näher unten Dritter Teil, m 2b bb (2). 15 Zurückhaltend BGHZ 95, 330, 340 "Autokran"; bejahend Schilling, BB 1975, 1451, 1452; U1mer, ZHR 148 (1984), 391,421 f.; Rehbinder, ZGR 1976, 386, 393 f.; Unternehmensrechtskommission Rn. 1678, S. 844; LutterlHommelhoff, GrnbHG, Anhang § 13 Rn. 15.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

Überweisung eher die Möglichkeit haben, an ihr Geld zu gelangen, dürfte zweifelhaft sein. 16

11. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern Zunächst werden die wesentlichen Entscheidungen des Zweiten Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zwn Schutz der Gläubiger von qualifiziert faktisch konzernierten Gesellschaften mbH im Überblick dargestellt. Im Anschluß daran wird versucht, den Meinungsstand im Schrifttwn dazu nachzuzeichnen.

1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

a) Die "Autokran"-Entscheidung In der IAutokran"-Entscheidung I7 hatte die Klägerin mit sieben Gesellschaften mbH Leasingverträge über Autokräne abgeschlossen. Nachdem sie mit der Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaften ausgefallen war, nahm sie deren Gesellschafter persönlich auf Zahlung der Leasingraten in Anspruch. Dieser hielt nahezu alle Anteile der Gesellschaften selbst, die restlichen verwaltete er treuhänderisch für Familienangehörige. Er war zunächst Geschäftsführer, dann Generalbevollmächtigter aller sieben Gesellschaften. Deren Buchführung und Finanzierung erfolgte über eine Verwaltungs-GmbH, die der Beklagte zu diesem Zwecke eingerichtet hatte und deren Anteile er ebenfalls hielt. Der beklagte Gesellschafter dirigierte die Autokräne im Zuge einer einheitlichen Planung je nach Bedarf zwischen den einzelnen Gesellschaften hin und her, ohne dies zu verrechnen. Auch entnahm er den Gesellschaftskassen zu privaten Zwecken Gelder. Der Bundesgerichtshof lehnte zunächst eine Inanspruchnahme des beklagten Gesellschafters aus dem Gesichtspunkt des Haftungsdurchgriffs ab, da sich dieser nicht durch einzelne Privatentnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen begründen lasse.

16 Vgl. Mertens in KölnKomm, AktG, § 93 Rn. 64 und § 309 Rn. 25; Lutter/HommelhojJ, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 15. 17 BGHZ 95, 330-349.

H. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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Ausgangspunkt seiner konzemrechtlichen Überlegungen sind die spezifischen Gefahren, die fiir eine abhängige Gesellschaft bestehen. Bei einer selbständigen Gesellschaft könne von einem Gleichlauf der Interessen der Gesellschaft, der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger an einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ausgegangen werden. Dieser Gleichlauf sei nicht mehr ohne weiteres vorhanden, wenn einer der Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft anderweitige unternehmerische Interessen verfolge und innerhalb der Gesellschaft die Möglichkeit besitze, deren Geschäftstätigkeit an diesen anderweitigen unternehmerischen Interessen auszurichten. Die daraus folgende Gefährdungslage könne zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der abhängigen Gesellschaft führen. Eine vergleichbare Gefährdungslage bei Aktiengesellschaften habe den Gesetzgeber veranlaßt, mit den §§ 291 ff. AktG Vorschriften zum Schutz abhängiger Aktiengesellschaften, ihrer außenstehenden Gesellschafter und ihrer Gläubiger zu schaffen. Die Probleme bei Unternehmensverbindungen, an denen Gesellschaften mbH beteiligt seien, seien mindestens ebenso regelungsbediirftig, da bei dieser Gesellschaftsform die Kapitalschutzvorschriften schwächer ausgebildet und die Einwirkungsmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters größer seien als bei der Aktiengesellschaft. 18 Zwischen dem beklagten Gesellschafter und den sieben Gesellschaften mbH habe ein Konzernverhältnis im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG bestanden. Der Gesellschafter habe die Möglichkeit besessen, einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaften auszuüben, indem er diese durch die völlige Konzentration der Geschäftsführung in seiner Hand unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt habe. 19 Da ein Unternehmensvertrag nicht vorhanden gewesen sei, habe es sich um einen faktischen Konzern gehandelt. Auf diesen seien die aktienrechtlichen Vorschriften des faktischen Konzerns (§ § 311 ff. AktG) wegen der wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen Aktiengesellschaft und GmbH nicht anzuwenden. Vielmehr seien die vertragskonzemrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes "in vorsichtiger Weise" heranzuziehen. 20 Die Haftung des beklagten Gesellschafters fiir die Verbindlichkeiten der Gesellschaften ergebe sich aus den §§ 303, 322 Abs. 2 und 3 AktG. Der Gesellschafter habe die Gesellschaften mit einer kaum zu übertreffenden Dichte seines Einflusses wie unselbständige Betriebsabteilungen eines einheitlichen Unternehmens geleitet. Die 18 BGHZ 95, 330, 334 f. 19 BGHZ 95, 330, 337 f. 20 BGHZ 95, 330, 342. 3 Gätsch

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

Abrechmmg über die Verwaltungsgesellschaft habe den Gesellschaften die Möglichkeit genommen, aus den von ihnen erwirtschafteten Erträgen Liquidität zu bilden und damit aus eigener Kraft wirtschaftlich selbständig zu bleiben. Die rechtliche Seibständigkeit der Gesellschaften sei nur noch fonnale Hülle gewesen. Dies entspreche nicht dem Leitbild des GmbH-Gesetzes, das von einer autonomen Gesellschaft ausgehe. Das herrschende Unternehmen habe im faktischen GmbH-Konzern als Mehrheits- oder Alleingesellschafter aufgrund des Weisungsrechts die Möglichkeit, anstelle der Belange der abhängigen Gesellschaft die des Gesamtkonzerns durchzusetzen, ohne daß es dazu einer unternehmensvertraglichen Grundlage bedürfe. Damit entstehe eine Gefährdungslage, die der im aktienrechtlichen Vertragskonzern vergleichbar sei, da auch dort das herrschende Unternehmen gern. § 308 AktG berechtigt sei, der abhängigen Aktiengesellschaft nachteilige Weisungen zu erteilen. Die Anwendung der vertragskonzernrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes sei allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die faktische Konzernierung der GmbH ein qualifiziertes Ausmaß erreiche. Das sei der Fall, wenn das herrschende Unternehmen dauernd und umfassend Einfluß auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft nehme. Daraus folge die tatsächliche Vennutung, daß das herrschende Unternehmen auf die Belange der abhängigen Gesellschaften keine Rücksicht genommen, sondern ihre Geschäftstätigkeit am Konzeminteresse ausgerichtet habe. Diese Vennutung könne das herrschende Unternehmen widerlegen, wenn es dartue, daß ein pflichtgemäß handelnder Geschäftsführer einer selbständigen GmbH deren Geschäfte unter den gegebenen Umständen nicht anders geführt hätte. Da der beklagte Gesellschafter die Geschäfte der sieben Gesellschaften mbH mit einer Intensität geführt habe, wie sie auch im Vertragskonzern größer nicht sein könne, seien die fiir diesen geltenden aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend anwendbar. 21 Entsprechend § 302 AktG sei das im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern herrschende Unternehmen verpflichtet, die Verluste der abhängigen GmbH auszugleichen, wenn an dieser neben dem herrschenden Unternehmen weitere Gesellschafter beteiligt seien. Diese Pflicht ergebe sich aus den Interessen der Gesellschaft und der außenstehenden Gesellschafter, möglicherweise auch aus der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens. 22 Allerdings sei es bei einer 21 BGHZ 95, 330, 343 ff. 22 BGHZ 95, 330, 345.

II. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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im Alleinbesitz des herrschenden Unternehmens stehenden abhängigen Gesellschaft schwierig, eine konzeminterne Ausgleichspflicht zu begründen, da es hier ein eigenständiges Gesellschaftsinteresse nicht gebe, wenn man dies wie üblich als zusammengefaßtes gemeinschaftliches Interesse der Gesellschafter verstehe. 23 Die Gläubiger einer solchen GmbH seien jedoch ebenso wirksam und in einer das herrschende Unternehmen eher weniger belastenden Weise dadurch geschützt, daß die Pflicht zur Sicherheitsleistung nach § 303 AktG im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend angewendet werde. Anstatt auf die Beendigung des Unternehmensvertrages und deren Eintragung in das Handelsregister sei auf die tatsächliche Beendigung des Beherrschungsverhältnisses abzustellen. 24 Der Anspruch auf Sicherheitsleistung aus § 303 AktG wandele sich nach § 242 BGB in einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen das herrschende Unternehmen, wenn die Gesellschaftsgläubiger aufgrund völliger Vermögenslosigkeit der abhängigen GmbH von dieser keine Befriedigung erlangen könnten. 25

b) Die "Tiefbau"-Entscheidung In der "Tietbau"-Entscheidung26 verlangte der fiir die in Konkurs gefallene GmbH klagende Konkursverwalter von deren Hausbank Zahlung von ca. 2,9 Mio. DM. Die GmbH war von einem in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Tietbauunternehmer gegründet worden, der ihr den gesamten Tätigkeitsbereich und Teile der Betriebsausstattung seines Unternehmens übertragen hatte. An der GmbH waren der Tietbauunternehmer selbst mit 20.000 DM und zwei Angestellte seiner Hausbank mit jeweils 240.000 DM beteiligt. Die Anteile der Bankangestellten waren von einem der Bank nahestehenden Unternehmen finanziert worden, das die Angestellten von jedem finanziellen Risiko aus der Anteilsübernahme freigestellt hatte. Die beklagte Bank gewährte der GmbH Kredite in einer Gesamthöhe von etwa 7 Mio. DM, die die Gesellschaft auf Weisung der Bank zur Finanzierung von Geschäften einsetzte, die fiir sie jeweils mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbunden waren.

23 BGHZ 95, 330, 345 f. 24 BGHZ 95, 330, 346 f. 25 BGHZ 95, 330, 347 f. 26 BGHZ 107, 7-23.

1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

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Der Bundesgerichtshof hielt es vorbehaltlich weiterer Tatsachenfeststellungen für möglich, daß sich ein Anspruch der Gesellschaft gegen die Bank aus §§ 30, 31 GmbHG ergibt. Zwar sei die Bank nicht selbst Gesellschafterin gewesen. Sie müsse sich aber wie eine solche behandeln lassen, da die Bankangestellten ihre Anteile an der GmbH treuhänderisch für die Bank gehalten hätten. Der Verstoß gegen § 30 GmbHG liege darin, daß die Gesellschaft an die beklagte Bank unter Vertiefung einer bereits bestehenden Überschuldung Zahlungen geleistet habe, um die Verbindlichkeiten des Tiefbauunternehmers bei der Bank zu tilgen, ohne dafür ihrerseits eine Gegenleistung zu erhalten. 27 Jedenfalls bestehe ein Anspruch der GmbH gegen die Bank auf Verlustausgleich entsprechend § 302 AktG. Mehrheitsgesellschafter der GmbH seien die Bankangestellten, die die Anteile treuhänderisch für die beklagte Bank hielten. Die GmbH sei daher nach § 16 Abs. 4 AktG von der Bank abhängig, so daß nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG zu vermuten sei, daß Bank und GmbH einen Konzern bildeten. 28 Die entsprechende Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern sei durch dessen Vergleichbarkeit mit dem Aktienvertragskonzern gerechtfertigt. Dieser sei durch die Gefährdung der Interessen der abhängigen Gesellschaft, ihrer außenstehenden Gesellschafter und ihrer Gläubiger gekennzeichnet, die sich aus der gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG unwiderleglich vermuteten umfassenden Ausübung der Leitungsmacht durch das herrschende Unternehmen ergebe. 29 Die konzernrechtliche Verantwortlichkeit der beklagten Bank folge aus der Tatsache, daß sie die Leitung der abhängigen Gesellschaft auf fmanziellem Gebiet und damit in einem zentralen unternehmerischen Bereich an sich gezogen habe. 30 Da die Verlustausgleichspflicht zumindest auch dazu diene, die Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsvorschriften auszugleichen,31 könne sie nicht davon abhängen, ob das herrschende Unternehmen die Geschäfte der abhängigen GmbH pflichtgemäß wie der Geschäftsführer einer selbständigen GmbH geführt habe. Kapitalerhaltungsgrundsätze und ordentliche Geschäftsführung hätten grundsätzlich nichts miteinander zu tun. Das herrschende Unternehmen hafte daher lediglich für sol-

27 BGHZ 107,7,9-12. 28 BGHZ 107, 7, 15. 29

BGHZ 107, 7, 17.

30 BGHZ 107,7,19 f. 31 BGHZ 107,7,18.

n. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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che Verluste nicht, die auf Umständen beruhten, die mit der AusübWlg von LeitWlgsmacht nichts zu tWl hätten. 32

c) Die "Video"-Entscheidung In der "Video"-EntscheidWlg33 hatte die Klägerin ohne Erfolg die Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestatteten Videovertriebs-Gesellschaft mbH wegen titulierter WerklohnfordefWlgen in Höhe von ca. 1,4 Mio. DM betrieben. Sie nahm daraufhin den alleinigen Gesellschafter der GmbH in Anspruch. Dieser war zugleich Geschäftsführer der GmbH sowie darüber hinaus sowohl als Einzelkaufmann als auch als maßgeblicher Gesellschafter Wld Geschäftsführer drei weiterer Gesellschaften mbH in der Videobranche tätig. Der BWldesgerichtshof hielt die Klage Wlter dem Gesichtspunkt des § 303 AktG für begründet. Der Beklagte sei herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG, da er Alleingesellschafter der GmbH gewesen sei Wld seine unternehmerischen Interessen sowohl in dieser als auch in seinem einzelkaufmännischen Unternehmen sowie in den anderen Gesellschaften, an denen er maßgeblich beteiligt gewesen sei, habe verfolgen können. Die konzemrechtliche HaftWlg eines Unternehmensgesellschafters mit seinem Privatvermögen widerspreche weder der HaftWlgsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG noch benachteilige sie ihn gegenüber Privatgesellschaftem. Auch das Aktiengesetz unterscheide zwischen Unternehmens- Wld sonstigen Aktionären. Von dem nur an einer Aktiengesellschaft beteiligten Aktionär sei zu erwarten, daß er ausschließlich deren Interessen Wld keine Sonderinteressen verfolge. Dagegen bestehe bei einem auch außerhalb der Gesellschaft Wlternehmerisch tätigen Aktionär regelmäßig die Gefahr, daß dieser seinen Einfluß in der Gesellschaft dazu benutze, seine anderweitigen unternehmerischen Interessen zu Lasten der Gesellschaft durchzusetzen. Diese im Aktienkonzemrecht zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische WertWlg gelte auch, wenn das herrschende Unternehmen eine Einzelperson und die beherrschte Gesellschaft eine GmbH sei. Eine VerschonWlg des nicht Wlternehmerisch eingesetzten Privatvermögens komme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die konzemrechtliche Unternehmenseigen32 BGHZ lO7, 7,18 f. 33 BGHZ 115, 187-203.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

schaft auch auf einer einzelkaufmännischen Betätigung beruhe, da bei Einzelkaufleuten Geschäfts- und Privatvennögen nicht getrennt seien. 34 Die §§ 302, 303 AktG seien im GmbH-Recht entsprechend anzuwenden, wenn das herrschende Unternehmen die Geschäfte der abhängigen GmbH dauernd Wld umfassend führe. Dann bestehe ein dem aktienrechtlichen Vertragskonzern vergleichbarer, etwaige Minderheitsgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger gefahrdender Zustand. Anders als dem aufgrund eines Beherrschungsvertrages herrschenden Unternehmen, das der abhängigen Gesellschaft gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG nachteilige Weisungen erteilen dürfe, sei es den Gesellschaftern einer GmbH trotz ihrer gesetzlichen Weisungsbefugnis nicht erlaubt, die abhängige Gesellschaft im Konzerninteresse zu benachteiligen. Bei der Konzernverantwortlichkeit gehe es nicht um die Haftung wegen nicht ordnungsgemäßer Geschäftsführung, sondern um die Pflicht zur Übernahme des Risikos, das sich aus der Einbindung der abhängigen Gesellschaft in die übergeordneten Konzerninteressen ergebe. Daher sei die zur Verlustübernahme verpflichtende Konzernvennutung ausgeräumt, wenn feststehe, daß die entstandenen Verluste auf Umständen beruhten, die mit der Ausübung der Leitungsmacht nichts zu tun hätten. 35 Die Verlustausgleichspflicht aus § 302 AktG sei auch auf die qualifiziert faktisch konzernierte Einmann-GmbH entsprechend anzuwenden. § 302 AktG schaffe zumindest auch einen Ausgleich dafür, daß die Kapitalsicherungsvorschriften im Vertragskonzern gern. § 291 Abs. 3 AktG rechtlich und im qualifizierten faktischen Konzern in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt seien. Das Kapitalsicherungsrecht diene dem Gläubigerschutz und besitze auch in der Einmann-GmbH volle Gültigkeit. 36 Die Pflicht zur Sicherheitsleistung aus § 303 AktG, die die Gesellschaftsgläubiger nach Beendigung des Beherrschungszustandes vor dem Risiko bewahren soll, mit ihren Forderungen auszufallen, greife unabhängig davon ein, ob die Verluste der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen tatsächlich ausgeglichen worden seien oder nicht. Ansprüche aus § 303 AktG seien daher höhenmäßig nicht durch einen noch offenstehenden Verlustausgleich begrenzt. 37 Aus § 303 AktG ergebe sich ein direkter Zahlungsanspruch des Gesellschaftsgläubigers gegen 34 BGHZ 115, 187, 189-191. 35 BGHZ 115, 187, 193 f. 36 BGHZ 115, 187, 197 f. 37 BGHZ 115, 187,198.

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den herrschenden Gesellschafter, wenn die Gesellschaft völlig vennögenslos sei und deshalb die Forderung nicht mehr erfüllen könne, da dann eine vorherige Sicherheitsleistung keinen Sinn mehr habe. Das sei insbesondere der Fall, wenn ein Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet oder aber die Gesellschaft still liquidiert worden sei. 38

d) Die "TBB"-Entscheidung In der "TBB"-Entscheidung, die der Bundesgerichtshof selbst als "KlarsteIlung" des "Video"-Urteils bezeichnete,39 war der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau an mehreren Gesellschaften mbH und darüber hinaus als Komplementär an einer Kommanditgesellschaft beteiligt. Einzelkaufinännisch war er als Wirtschafts- und Finanzberater tätig. Außerdem war er alleiniger Geschäftsführer der "TBB"-GmbH, deren einzige Gesellschafterin seine Ehefrau war. Sämtliche Gesellschaften waren vennögenslos, Anträge auf Eröffnung des Konkursverfahrens waren jeweils mangels Masse abgelehnt worden. Die Klägerin machte Forderungen für von ihr erbrachte Maurer- und Betonarbeiten in Höhe von etwa 110.000 DM aus mit der "TBB" geschlossenen Bauverträgen gegen den beklagten Gesellschafter persönlich geltend. Der Bundesgerichtshof lehnte einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die "TBB"-GmbH wegen verspäteter Konkursanmeldung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG ab. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß die "TBB" zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Werkleistung erbracht habe, bereits überschuldet gewesen sei. Auf diese Frage komme es jedoch letztlich auch nicht an, wenn "die Klage sich - auch - insoweit unter dem Gesichtspunkt der Konzernhaftung als begründet erweisen sollte" .40 Eine persönliche Haftung des Beklagten für die Verbindlichkeiten der "TBB" entsprechend § 303 AktG komme in Betracht, da er neben seiner Ehefrau mittelbarer Gesellschafter der "TBB" und daneben in anderen Gesellschaften oder als Einzelkaufmann unternehmerisch tätig gewesen und daher als Unternehmen im Sinne der §§ 15 ff. AktG anzusehen sei. Allerdings löse nicht bereits die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft durch 38 BGHZ 115, 187,200 f. 39 BGHZ 122, 123-136, Leitsatz a). 40 BGH, WM 1993,687,689 (insoweit in BGHZ 122, 123 tI. nicht abgedruckt).

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

das herrschende Unternelunen die konzemrechtliche Haftung aus. Erforderlich sei vielmehr, daß das herrschende Unternelunen die Interessen der abhängigen Gesellschaft beeinträchtigt habe. Die dauernde und umfassende Konzernleitung begründe keine dahingehende Vermutung. 41 Ein die persönliche Haftung rechtfertigender objektiver Mißbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung liege dann vor, wenn der Unternelunensgesellschafter die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübe, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft nelune, ohne daß sich die zugefiigten Nachteile durch Einzelausgleichsmaßnalunen kompensieren ließen. Bei einer EinmannGmbH fehle es an einer solchen angemessenen Rücksichtnalune, wenn die Gesellschaft infolge der im Konzerninteresse ausgeübten Einwirkungen ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen könne.

e) Die "EDV"-Entscheidung

In der "EDV"-Entscheidung42 war der Beklagte alleiniger Gesellschafter und Geschäftsfiihrer einer mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestatteten GmbH, die EDV -Geräte produzierte und vertrieb. Außerdem war er Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsfiihrer einer Datentechnik-GmbH sowie Geschäftsfiihrer bzw. Generaldirektor zwei weiterer Gesellschaften. Die Klägerin lieferte EDV -Geräte an die GmbH. Sie nalun den Gesellschafter wegen nicht beglichener Kaufpreisforderungen in Höhe von etwa 56.000 DM persönlich in Anspruch. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs scheitere die Konzernhaftung entsprechend §§ 302, 303 AktG nicht daran, daß der Beklagte kein eigenes Unternelunen betrieben habe. Der konzemrechtliche Unternelunensbegriff sei auch dann erfüllt, wenn eine natürliche Person ihre unternelunerischen Aktivitäten als Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin in anderen Gesellschaften verfolge. Nicht erforderlich sei, daß sie ein einzelkaufmännisches Unternelunen betreibe. Eine Beschränkung der Haftung auf das unternelunerisch gebundene Vermögen komme nicht in Betracht, da sich dieses vollstreckungsrechtlich nicht hinreichend von dem sonstigen Privatvermögen des Gesellschafters trennen lasse. Auch würde die Ausklammerung des Privatvermögens die Gesellschaftsgläubiger im Vergleich zu den Privatgläubigern benachteiligen, da diese ihrerseits in 41 BGHZ 122, 123, 130 f. 42 BGH, NJW 1994,446 (m. Anm. K. Schmidt) = WM 1994,203.

II. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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das Privat- Wld Beteiligungsvennögen des Gesellschafters vollstrecken könnten. Allerdings rechtfertige die dauernde Wld umfassende LeitWlg der GmbH durch den Beklagten nicht, ihn nach den §§ 302, 303 AktG zu verurteilen. Hinzukommen müsse vielmehr eine Beeinträchtigung der Belange der abhängigen Gesellschaft im Konzeminteresse. Dafür habe die Klägerin nichts dargelegt. Die Sache sei daher an das Beruftmgsgericht zurückzuverweisen. Dieses habe den Klageanspruch außerdem Wlter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen verspäteter KonkursanmeldWlg gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG zu prüfen.

j) Die "Fertighaus Il"-Entscheidung In der "Fertighaus II"-EntscheidWlg des BWldesgerichtshofs43 waren zwei Gesellschafter zu gleichen Teilen an einer GmbH beteiligt, deren Stammkapital 300.000 DM betrug. Beide bildeten außerdem eine Architektengemeinschaft Wld waren ursprünglich mit hälftiger Beteiligung Gesellschafter einer OHG, die sie im Jahre 1969 auf ihre Ehefrauen übertragen hatten Wld zu deren Prokuristen sie sich hatten bestellen lassen. Zwischen der GmbH Wld der OHG wurde ein Vertrag geschlossen, in dem die OHG, die ihrerseits im KWldenauftrag zur ErstellWlg schlüsselfertiger Bauvorhaben zu Festpreisen verpflichtet war, die GmbH mit der Durchfiihrung dieser Bauvorhaben als GeneralWlternehmer beauftragte. Die GmbH sollte die einzelnen BauleistWlgen nach WeisWlg der OHG vergeben Wld abrechnen, insbesondere in ÜbereinstimmWlg mit der OHG die Bauverträge mit den einzelnen Handwerkern abschließen. Dafiir sollte die OHG der GmbH die erforderlichen sachlichen Wld persönlichen Mittel sowie Geldmittel bis zur Höhe der von der OHG mit ihren KWlden vereinbarten Wld tatsächlich vereinnahmten Festpreise zur Verfiigung stellen. Als pauschale VergütWlg sollte die GmbH 1,5 % der von ihr abgerechneten Baukosten erhalten. Baukosten Wld VergütWlg durften jedoch nicht den von der OHG Wld ihren KWlden vereinbarten Festpreis überschreiten, andernfalls sollte die VergütWlg entsprechend gekürzt werden. Bei den auf der Grundlage dieses Rahmenvertrages ausgefUhrten Bauprojekten erbrachten die Beklagten die ArchitektenleiStWlg, die OHG verpflichtete sich gegenüber den Bauherm zur FertigstellWlg schlüsselfertiger Bauten zu einem Festpreis Wld die GmbH übertrug die einzelnen Bauarbeiten in eigenem Namen den bauausfiihrenden Unternehmen. Die 43 BGH, NJW 1994, 3288-3291.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

Klägerin fiihrte aufgrund eines mit der GmbH geschlossenen Vertrages Rohbauund Maurerarbeiten in einem Gesamtwert von 2,15 Mio. DM aus. Diese Forderungen wurden wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nur teilweise beglichen. 1983 wurde über das Vermögen der GmbH, 1986 über das der OHG das Konkursverfahren eröffnet. Auf die Restforderung der Klägerin in Höhe von ca. 1,6 Mio. DM entfiel keine Quote. Sie nahm daher die beklagten Gesellschafter persönlich in Anspruch. Der Bundesgerichtshof faßte den zwischen der OHG und der GmbH geschlossenen Rahmenvertrag nicht als Beherrschungsvertrag auf, da durch ihn kein allgemeines, die Leitung der GmbH betreffendes Weisungsrecht begründet und daher keine Leitungsmacht übertragen worden sei. Auch biete der festgestellte Sachverhalt keine ausreichende Grundlage, die Beklagten aufgrund der vom Bundesgerichtshof entwickelten Haftungsregeln im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend § 303 AktG zu verurteilen. Zwar seien die Beklagten Unternehmen im Sinne der §§ 15 ff. AktG, da sie, auch wenn ihnen nach Übertragung der OHG-Anteile auf ihre Ehefrauen die formale Gesellschafterstellung gefehlt habe, wirtschaftlich die eigentlichen Gesellschafter der OHG gewesen seien. Darüber hinaus begründe die Mitgliedschaft in dem als Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Architektenbüro ihre Unternehmenseigenschaft, da auch bei einer außerhalb der GmbH betriebenen freiberuflichen Tätigkeit die Gefahr bestehe, daß die Gesellschafter ihre anderweitigen unternehmerischen Interessen zum Nachteil der GmbH verfolgten. Beiden Gesellschaftern sei es als gleichgeordneten Unternehmen daher möglich gewesen, gemeinsam einen beherrschenden Einfluß auf die GmbH auszuüben. Die Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern setze aber weiter voraus, daß der herrschende Unternehmensgesellschafter seine Leitungsmacht in der abhängigen Gesellschaft in einer objektiv mißbräuchlichen Weise ausübe. Das sei der Fall, wenn er keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft nehme und sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil nicht durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren lasse. Eine derartige mißbräuchliche Interessenverfolgung sei in der in dem Rahmenvertrag getroffenen Vergütungsregelung nicht zu sehen. Zwar sei die GmbH durch diese Vertragsgestaltung in hohem Maße von der OHG abhängig. Sie habe jedoch von vorneherein nur eine begrenzte Einzelfimktion innerhalb des Gesamtunternehmens der Beklagten zu erfüllen gehabt. Eine solche begrenzte Funktionszuweisung begründe noch keine konzernrechtliche Haftung, solange die Gesellschaft unter Wahrung ihres Eigeninteresses geleitet werde. Beim Fehlen von Minderheitsgesellschaftern sei das der Fall, wenn sie so gefiihrt werde, daß sie ihren Verbindlichkeiten nach-

11. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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kommen könne. Die Gefahr allein, daß die OHG die ausgehandelten Festpreise zu knapp kalkuliert habe, die Beklagten daher Architektenaufträge für zu niedrig kalkulierte Bauvorhaben erlangt und das aus der eigentlichen Bauausfiihrung folgende Risiko auf die GmbH ausgelagert hätten, begründe keine Haftung. Erforderlich sei, daß sich diese Gefahr tatsächlich verwirklicht habe. Dazu fehle es an tatsächlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht, an das die Sache zurückzuverweisen sei, habe darüber hinaus zu prüfen, ob der Klägerin gegen die Beklagten ein Anspruch wegen verspäteter Konkursantragsstellung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG zustehe.

g) Die "Architekten"-Entscheidung In der IArchitekten"-Entscheidung43a gründeten die Beklagten 1987 eine als Bauträgerunternehmen tätige GmbH. Diese wurde 1990 wegen Vermögenslosigleit im Handelsregister gelöscht. Die Beklagten, die außerdem als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Architektenbüro betrieben, erbrachten für die GmbH Architektenleistungen. Zur Sicherung ihrer Honoraransprüche ließen sie sich von der GmbH Werklohnansprüche abtreten, die dieser gegenüber Dritten zustanden. Die Klägerin konnte ihre Zahlungsansprüche für die Lieferung und Montage von Türen gegen die GmbH nicht durchsetzen. Sie machte ihre Forderungen gegen die beklagten Gesellschafter persönlich geltend. Der Bundesgerichtshof lehnte zunächst eine persönliche Haftung der Gesellschafter-Geschäftsfiihrer aus dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses wegen des sich dabei ergebenden Wertungswiderspruchs zu § 13 Abs. 2 GmbHG ab. Auch eine Haftung der Gesellschafter nach den Grundsätzen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns entsprechend §§ 302, 303 AktG komme nicht in Betracht. Der für die Konzernhaftung erforderliche Rechtsmißbrauch liege dann nicht vor, wenn bestimmte, im einzelnen feststehende Forderungen der abhängigen GmbH an ein anderes Konzernunternehmen zur Sicherung von Ansprüchen abgetreten würden, die diesem seinerseits gegen die abhängige GmbH zustünden. Auch wenn eine Übersicherung eintreten sollte, genügten die sich aus den allgemeinen Regeln ergebenden Rechtsfolgen, um bei der GmbH einen bleibenden Rechtsnachteil nicht entstehen zu lassen. Die Interessen der abhängigen Gesellschaft und ihrer Gläubiger seien ausreichend ge-

43a BGH, BB 1995, S. 997-999.

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wahrt. Ein Bedürfnis für einen Verlustausgleichsanspruch gegen das herrschende Unternehmen sei nicht anzuerkennen.

h) Die "Betriebsfortfohrung"-Entscheidung In der vorläufig letzten zwn qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs44 waren der Beklagte und seine Ehefrau zu gleichen Teilen an der B-GmbH beteiligt. Der Beklagte war zugleich alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. 1989 gründeten der Beklagte und sein Sohn die S-GmbH, an der beide jeweils zu 50 Prozent beteiligt waren. Der Beklagte war auch hier alleiniger Geschäftsführer. Ein im Oktober 1991 von dem Beklagten gestellter Konkursantrag über das Vermögen der B-GmbH wurde mangels Masse abgelehnt, die Gesellschaft daraufhin im Februar 1992 im Handelsregister gelöscht. Der Geschäftsbetrieb der B-GmbH wurde auf die neugegründete S-GmbH übertragen. Ein von den Klägern im Oktober 1991 gegen die B-GmbH erwirktes Zahlungsurteil über 148.000 DM konnte aufgrund ihrer Vermögenslosigkeit nicht mehr vollstreckt werden. Der Bundesgerichtshof lehnte zunächst eine Haftung des Beklagten nach § 826 BGB ab. Allein die Tatsache, daß der Beklagte den Geschäftsbetrieb der B-GmbH eingestellt habe, um ihn durch die zu diesem Zwecke gegründete SGmbH weiterzuführen, rechtfertige nicht die Amlahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Ein derartiges Unwerturteil scheitere daran, daß die Gesellschafter einer GmbH nicht verpflichtet seien, deren Geschäftsbetrieb im Interesse der Gesellschaftsgläubiger im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten. Nicht auszuschließen sei allerdings, daß der Beklagte nach den Grundsätzen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns hafte. Die dafür erforderliche Beeinträchtigung der Eigeninteressen der abhängigen Gesellschaft durch den Beklagten als herrschenden Unternehmensgesellschafter liege dann vor, wenn die Einstellung der Geschäftstätigkeit der GmbH anstatt auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg durch Gesellschafterbeschluß und anschließende Liquidation durch einen auf dem Abzug aller Ressourcen beruhenden masselosen Konkurs beruhe. Diese Beeinträchtigung der GmbH lasse sich schon wegen ihrer Auflösung nach § 1 LöschG nicht mehr anderweitig durch Einzelmaßnahmen beseitigen. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache daher zur nochmaligen Prüfung an das Berufungsgericht zurück. 44 BGH, NJW 1996, 1283 f.

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2. Stellungnahmen des Schrifttums zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Das Schrifttum hatte dem vom Bundesgerichtshof in den Entscheidungen "Autokran" und "Tiefbau" entwickelten Haftungskonzept ZWlächst im wesentlichen zugestimmt. Dagegen rief die "Video"-Entscheidung heftige Kritik hervor, die bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit reichte. 45 Daraufhin sah sich der Bundesgerichtshof zu der "KlarsteIlung" seiner vorherigen Rechtsprechung in der "TBB"-Entscheidung veranlaßt. Die dort entwickelten Grundsätze hat er in den Folgeentscheidungen bestätigt. Sie fmden nun wiederum überwiegend Zustimmung im Schrifttum. Stimmen, die eine konzernrechtliche Haftungsbegründung ablehnen und stattdessen auf allgemeine Vorschriften und Grundsätze des GmbH-Recht zurückgreifen wollen,46 sind vereinzelt geblieben. Im folgenden soll versucht werden, den Stand der Literaturmeinungen zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern nachzuzeichnen.

a) Der Tatbestand des qualifiziertenfaktischen GmbH-Konzerns Begrifflich liegt ein qualifizierter faktischer GmbH-Konzern vor, wenn ein herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG und eine GmbH unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AktG), ohne daß zwischen beiden ein Unternehmensvertrag besteht, und die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens eine derartiges Ausmaß erreicht, daß nicht mehr von einem einfachen faktischen Konzern gesprochen werden kann.

aa) Der konzernrechtliche Unternehmensbegriff Nach §§ 15 ff. AktG können nur rechtlich selbständige Unternehmen miteinander verbunden sein. Rechtliche Selbständigkeit im Sinne von Rechtssubjekti45 Altmeppen, Abschied vom "qualifiziert faktischen" GmbH-Konzern, S. 56 ff., insb. S. 70, S. 92 f.; Flume, DB 1992,25,27. 46 Knobbe-Keuk, DB 1992, 1461, 1463; Kübler, NJW 1993, 1204, 1205; Schanze, in: MestmäckerlBehrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 473,499; ders., AG 1993, 376, 378; auch K. Schmidt, AG 1994, 190,195.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

vität steht nach allgemeiner Auffassung nicht dem Unternehmen selbst, sondern dem Unternehmensträger zu. 47 Da die §§ 15 ff. AktG rechtsformunabhängig gelten, sind Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften jedenfalls solche natürlichen oder juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaften, die ein Unternehmen betreiben. Grundsätzlich keine Unternehmenseigenschaft weisen hingegen die Gesellschafter der ein Unternehmen betreibenden Kapitalgesellschaft auf. 48 In der "Autokran"-Entscheidung bejahte der Bundesgerichtshof die Unternehmenseigenschaft des Alleingesellschafters der sieben Gesellschaften mbH.49 Er berief sich zur Begründung auf die "VebaJGelsenberg"-Entscheidung 50 . In dieser hatte er sich für eine nach Art und Zweck der einzelnen Vorschriften des Aktiengesetzes differenzierende Auslegung des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs ausgesprochen. Der Gesetzgeber habe zwischen Unternehmensaktionären und sonstigen Aktionären unterschieden, da bei einem Aktionär, der sich außerhalb der Gesellschaft anderweitig unternehmerisch betätige, typischerweise ein Interessenkonflikt bestehe. Dagegen verfolge der nicht anderweitig unternehmerisch tätige Großaktionär im Regelfall keine dem Gesellschaftsunternehmen zuwiderlaufenden Sonderinteressen. Daher genüge eine auch noch so hohe Beteiligung an nur einer Gesellschaft nicht, um den Inhaber zum Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne zu machen. Hinzukommen müsse vielmehr eine wirtschaftliche Interessenbindung außerhalb der Gesellschaft, die stark genug sei, um die ernste Besorgnis zu begründen, der Aktionär könne um ihretwillen seinen Einfluß zum Nachteil der Gesellschaft geltend machen. 51 Unerheblich sei die Rechtsform desjenigen, der als Träger eines solchen Fremdinteresses auf die Gesellschaft Einfluß nehmen könne. Auch natürliche oder juristische Personen kämen als herrschendes Unternehmen in Betracht. 52 Das erforderliche unternehmerische Fremdinteresse könne auf einem vom Anteilseigner unmittelbar selbst betriebenen Handelsgeschäft beruhen, was namentlich bei 47 Baumbach/Duden/Hopt, HGB, Einleitung vor § 1, Rn. 4l. 48 Baumbach/Duden/Hopt, HGB, Einleitung vor § 1, Rn. 4l. 49 BGHZ 95, 330, 337 "Autokran".

50 BGHZ 69, 334, 335 ff. In der Entscheidung ging es um die Frage, ob den Aktionären der Gelsenberg AG, die in die Veba AG eingegliedert werden sollte, ein Anspruch auf angemessene Barabfmdung nach § 320 Abs. 5 Satz 3 AktG zustehe. Dabei kam es darauf an, ob die Bundesrepublik Deutschland, die mit ca. 43,7 % an der Veba AG beteiligt war, ein die Veba beherrschendes Unternehmen war. 51 BGHZ 69, 334, 337 "VebaiGelsenberg". 52 BGHZ 69, 334, 338 "VebaiGelsenberg".

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Handelsgesellschaften und Einzelkaufleuten der Fall sei, es könne aber auch in einer wirtschaftlichen Interessenverflechtung anderer Art begründet sein. Erforderlich sei, daß eine Person, die nicht selbst ein Unternehmen betreibt, aufgrund sonstiger unternehmerischer Interessen in sich selbst den Interessenkonflikt verkörpere, vor dessen Gefahren die konzernrechtlichen Vorschriften die abhängige Gesellschaft und ihre Minderheitsgesellschafter zu schützen suchten. 53 Das sei der Fall, wenn sie unternehmerischen Einfluß auf eine Gesellschaft ausübe, an der sie maßgeblich beteiligt sei. 54

(1) Schrifttum Im Schrifttwn ist der weitgefaßte, am Zweck des Konzernrechts ausgerichtete Unternehmensbegriff der Rechtsprechung überwiegend auf Zustimmung55 , aber auch auf Kritik 56 gestoßen. Eine sehr weitgehende Auffassung meint, daß allein schon die aus einer maßgeblichen Beteiligung außerhalb der Gesellschaft folgende Möglichkeit zur Einflußnahme genüge, um den Gesellschafter zum Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne zu machen. 57 Dagegen hält K. Schmidt die Suche nach "dem" konzernrechtlichen Unternehmensbegriff fiir fragwürdig. Der Unternehmensbegriff im Recht der verbundenen Unternehmen sei normspezifisch zu bestimmen, da die Vorschriften des Konzernrechts keinen einheitlichen Zweck verfolgten. 58 Der Bundesgerichtshof habe in der "VebaiGelsenberg"-Entscheidung den Unternehmensbegriff mit Blick auf den Normzweck des § 320 Abs. 5 Satz 5 AktG ausgelegt. Die nachfolgenden Urteile verallgemeinerten den dort gefimdenen Unternehmensbegriff in unzulässiger Weise. 59 Unternehmen im Sinne der §§ 15 ff. AktG sei nur, wer selbst ein Un-

53 BGHZ 69, 334, 337 f. "Veba/Gelsenberg". 54 BGH, NJW 1994,446 (m. Anm. K. Schmidt). 55 Zuletzt Raiser, ZGR 1995, 156 ff.; Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 398 ff.; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 m 4a, S. 47; Lutter, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 183, 190 f.; Timm, NJW 1992, 2185, 2188. 56 Zuletzt K. Schmidt, AG 1994, 189 ff.; Zöllner, Referat 59. DIT, Band II, Sitzungsberichte, R 35. 57 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 m 4b, S. 47 f.; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 15 Rn. 22; Michalski/Zeidler, NJW 1996,224,225; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 51 Rn. 2, S. 541. 58 K. Schmidt, AG 1994,189,191. 59 K. Schmidt, AG 1994, 189, 191.

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ternehmen betreibe. 60 Erforderlich sei daher als gegenständliches Substrat ein Geschäftsbetrieb, der die selbständige Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erlaube. 61

(2) Stellungnahme

Einen institutionellen Unternehmensbegriff zur Grundlage der Auslegung des Rechtsbegriffs "Unternehmen" zu machen, ist problematisch, solange es auch den Wirtschaftswissenschaften nicht gelingt, den Begriff des Unternehmens als Institution zu klären. Das gilt nicht nur im Recht der verbundenen Unternehmen, sondern überall dort, wo an die Unternehmenseigenschaft Rechtsfolgen geknüpft sind, so insbesondere auch im Wettbewerbsrecht. Von der rechtlichen Wertung macht es keinen Unterschied, ob jemand seine unternehmerischen Interessen als Einzelkaufmann oder als Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH verfolgt. Methodisch fragwürdig erscheint es allerdings, sich bei der Auslegung des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs von der Vorstellung leiten zu lassen, diesen möglichst weit zu fassen, um alle Fälle einzubeziehen, in denen sich Konzerngefahren ergeben könnten. 62 Tatbestandsmerkmale haben die Funktion, Lebenssachverhalte auszufiltern. Diese Filterfunktion erruHen sie nicht, wenn sie ergebnisorientiert deswegen weit ausgelegt werden, um alle Lebenssachverhalte zu erfassen. 63 Um ein Ausufern des Unternehmensbegriffs zu vermeiden, sollte seine teleologische Auslegung durch eine fimktionale Komponente ergänzt werden: Unternehmen ist, wer den von der Rechtsprechung in den Mittelpunkt gestellten Interessenkonflikt in sich aufweist, indem er auch außerhalb der Gesellschaft,

60 K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417, 432. 61 Priester, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 223, 225. So bereits früher die Vertreter des sog. institutionellen Unternehrnensbegriffs Janberg/Schlaus, AG 1967, 33, 37 f.; GodinlWilhelmi, AktG, § 15 Anm. 2. 62 Für eine derart ergebnisorientierte Auslegung etwa Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 51 Rn. 2, S. 541 (zum Unternehrnensbegrifi); Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 4 n lc, S. 84 (zum Begriff der einheitlichen Leitung); zuletzt MichalskilZeidler, NJW 1996, 224, 225 (allgemein zu den Tatbestandsmerkmalen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns). 63 Kritisch auch Schanze, in: MestmäckerfBehrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 473, 499.

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an der er beteiligt ist, tatsächlich unternehmerische Funktionen ausübt. 64 Dieses Erfordernis erfiil1t nicht nur der Einzelkaufinann, der selbst ein Unternehmen betreibt, sondern auch der Gesellschafter, der die Leitlinien der Unternehmenspolitik des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens bestimmen kann und tatsächlich auch bestimmt. In diesem Sinne ist die "EDV"-Entscheidung zu verstehen. Danach genügt zur Erfiillung des konzemrechtlichen Unternehmensbegriffs die maßgebliche Beteiligung an einer anderen Gesellschaft fiir sich alleine noch nicht. Hinzukommen muß eine unternehmerische Betätigung in der Gesellschaft insofern, als die aus der Beteiligung resultierende Möglichkeit, Einfluß auf die Geschäftsfiihrung zu nehmen, auch tatsächlich genutzt wird. 65 Dafiir kann auch eine freiberufliche Tätigkeit innerhalb einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts genügen. 66 In den hier untersuchten Rechtsprechungsfällen hat der Bundesgerichtshof den konzemrechtlichen Unternehmensbegriff zu Recht bejaht. Der Gesellschafter einer GmbH, der - wie in der "Autokran"-Entscheidung - Alleingesellschafter und Geschäftsführer anderer Gesellschaften mbH ist, betätigt sich unternehmerisch. Gleiches gilt fiir den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich ein einzelkaufinännisches Unternehmen betreibt. 67

bb) Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung Der Konzerntatbestand des § 18 Abs. 1 AktG setzt voraus, daß ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt sind. Das herrschende Unternehmen muß also tatsächlich Einfluß ausüben, um dadurch die einheitliche Leitung herzustellen. Insofern unterscheidet sich der Konzern vom Abhängigkeitsverhältnis, das bereits dann vorliegt, wenn das herrschende Unternehmen einen beherrschenden Einfluß ausüben kann (§ 17 Abs. 1 AktG), ohne daß der Einfluß tatsächlich ausgeübt werden muß. Von einem abhängigen Unternehmen wird nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG vermutet, daß es mit dem 64 Zöllner, ZGR 1976, 1, 11 f.; wohl auch Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 15 Rn. 29. 65 BGH, ZIP 1994,207,208 = WM 1994,203,204 = NJW 1994,446 f. (m. Arun. K Schmidt). 66 BGH, NJW 1994, 3288 f. "Fertighaus ll"; K Schmidt, ZIP 1994, 1741 ff. 67 BGHZ 115, 187, 189 "Video"; BGHZ 122, 123, 127 f. "TBB". 4 Gätsch

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. Diese Vennutung kann das herrschende Unternehmen dadurch widerlegen, daß es darlegt und beweist, die Unternehmen nicht unter seiner einheitlichen Leitung zusammengefaßt zu haben. Der Aktiengesetzgeber von 1965 sah die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung bereits dann als gegeben an, wenn das herrschende Unternehmen die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften und sonstige grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung aufeinander abstimme. Die Ausübung eines Weisungsrechts sei nicht erforderlich. Es genügten vielmehr gemeinsame Beratungen oder personelle Verflechtungen der Verwaltungen. Die an die einheitliche Leitung zu stellenden Anforderungen gesetzlich festzulegen, erschien ihm angesichts der vielfältigen Fonnen, die die Wirtschaft fiir die Konzernleitung bereits damals herausgebildet hatte, nicht möglich. 68

(1) Schrifttum

Die Wirtschaftswissenschaften und ihnen folgend die Rechtswissenschaft begreifen den Konzern als eine wirtschaftliche Einheit mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen. 69 Die im Mittelpunkt des Konzerntatbestandes stehende einheitliche Leitung liegt vor, wenn mehrere rechtlich selbständige Unternehmen wie ein Unternehmen geleitet werden. 70 Die Leitung hat dabei die ursprünglichen, nicht übertragbaren unternehmerischen Führungsaufgaben, wie Planung der Unternehmensziele, Organisation des betrieblichen Aufbaus und der geschäftlichen Tätigkeit, fmanzielle und personelle Disposition und Kontrolle der Einhaltung der Unternehmenspolitik, zu umfassen.? I Ob die Leitungstätigkeit in sämtlichen Bereichen des unternehmerischen HandeIns erfolgen muß oder sich auf einzelne beschränken kann, ist umstritten. Eine weite Auffassung läßt es genügen, daß sie bei einer unternehmerischen Grundfunktion (Beschaffung, Produktion, Absatz), bei der Finanzierung oder bei der Personal68 Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kropf!, S. 33. 69 Dierdorf, S. 74 f.; Sche.fJler, AG 1990, 173, 174; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 18 Rn. 15 mwN. 70 Zöllner, Referat 59. DIT, Band 11 (Sitzungsberichte), R 35, R 38. 71 Sche.fJler, AG 1990, 173, 175 f. Da die Leitung ein aktives zukunftsgestaltendes Tun im Sinne eines gemeinsamen Plans voraussetzt ("Konzern als Planungseinheit"), stellt die Kontrolle der Geschäftsfiihrung für sich genommen keine Leitung dar (Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 18 Rn. 18 mwN.).

II. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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politik erfolgt.72 Eine verbreitete engere AufiassWlg sieht hingegen ein zentrales Finanzmanagement, bei dem die von den KonzernWlternehmen erwirtschafteten Erträge zusammengeführt Wld nach einem fiir den Gesamtkonzern erstellten Finanz- Wld Investitionsplan verteilt Wld zugewiesen werden, als fiir die einheitliche LeitWlg Wlverzichtbar, aber auch genügend an. 73

(2) Stellungnahme Die in Schrifttum Wld RechtsprechWlg erfolgten Versuche, das Merkmal der einheitlichen LeitWlg zu bestimmen, erweisen sich als zu konturlos, um sie juristisch handhaben zu können. Zur BegriffsbestimmWlg ist es erforderlich, sowohl den Wlternehmerischen Bereich, in dem die LeitWlg stattzufmden hat, als auch den dann erforderlichen LeitWlgsumfang zu benennen. Ob die LeitWlg in sämtlichen Bereichen Wlternehmerischer Tätigkeit oder nur im FinanzierWlgsbereich erfolgen muß, besagt nicht, welchen Umfang sie annehmen muß, um als einheitliche LeitWlg im Sinne des Konzerntatbestands gelten zu können. Bezeichnenderweise fehlen auch in den EntscheidWlgen des BWldesgerichtshofs jegliche Ansätze dafiir, die Sachverhalte Wlter den Begriff der einheitlichen LeitWlg zu subsumieren. Ob eine sinnvolle, juristisch handhabbare Abgrenzung überhaupt erreicht werden kann, erscheint fraglich. Im Schrifttum wird behauptet, das Tatbestandsmerkmal der einheitlichen LeitWlg könne nicht geklärt werden; auszukommen sei mit ihm nur aufgrood der AbhängigkeitsvermutWlg des § 17 Abs. 2 AktG Wld der KonzernvermutWlg des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG.74 Jedoch löst auch die KonzernvermutWlg in § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG das Problem der BegriffsklärWlg nicht, sondern verlagert es lediglich auf den durch die VermutWlg Belasteten. Denn: Welche Möglichkeit, die KonzernvermutWlg zu widerlegen, hat derjenige, der als Konzernspitze in Anspruch genommen wird, wenn unklar ist, 72 Dierdorf, S. 78 tI., im Anschluß an die Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kr0p.f!, S. 33; auch Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 4 II 1c, S. 84 f. 73 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 18 Rn. 20; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 51 Rn. 29, S. 553; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 9 und 11; wohl auch BGHZ 107, 7, 19 f. "Tiefbau"; ähnlich SchefJler (AG 1990, 173, 178), der neben der strategischen die finanzielle Konzernfiihrung als unabdingbaren Bestandteil der Konzernleitung ansieht. Kritisch Dierdorf, S. 80 f., der die Gefahr sieht, daß durch die Hervorhebung des finanziellen Bereichs der Konzerntatbestand unangemessen eingeengt werde. 74 Flume, DB 1968, 1011, 1013.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

wann eine einheitliche Leitung vorliegt Wld wann nicht? Aus diesem Gnmd ist zu Recht geäußert worden, bei der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG handele es sich nicht um eine Vermutung, sondern um "eine in ein irrefiihrendes gesetzliches Gewand gekleidete Rechtsfolgenerstreckung, nämlich zur Erstreckung der Konzernfolge auf solche Tatbestände, in denen ein Konzern im eindeutigen Sinne gar nicht vorliegt". 75 In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, daß das Aktiengesetz selbst an keiner Stelle Rechtsfolgen an den Konzerntatbestand knüpft. Gesetzliche Vorschriften, die den Konzerntatbestand voraussetzen, fmden sich nur vereinzelt, z.B. in den §§ 290 ff. HGB (KonzernrechnWlgslegoog), § 5 MitBestG Wld §§ 54 ff. BetrVG. Auch in den §§ 291 ff. AktG taucht das Tatbestandsmerkmal "Konzern" nicht auf. Die Pflichten des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich Wld zur Sicherheitsleistung aus §§ 302,303 AktG verlangen lediglich das Bestehen bzw. die Beendigoog eines BeherrschWlgs- oder Gewinnabfühnmgsvertrages. Auf das Vorliegen des Konzerntatbestandes im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG kommt es nicht an. Dessen Vorliegen wird lediglich bei Bestehen eines BeherrschWlgsvertrages Wlwiderleglich vermutet (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AktG).

(3) Verzicht auf das Merkmal der einheitlichen Leitung Um dem Problem aus dem Wege zu gehen, das Merkmal der einheitlichen Leitung bestimmen zu müssen, betrachtet ein Teil des Schrifttums bereits die Abhängigkeit einer GmbH im Sinne des § 17 AktG76 oder zumindest eine "qualifizierte Abhängigkeit"77 als ausreichend, um die HaftWlg aus §§ 302, 303 AktG auszulösen. Auf die einheitliche Leitung durch das herrschende Unternehmen soll es nicht mehr ankommen. Die erforderliche qualifizierte Abhängigkeit soll vorliegen, wenn ein BeherrschWlgsvertrag geschlossen worden ist oder wenn das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft infolge des vom

75 Zöllner, Referat 59. DIT, Band II (Sitzungsberichte), R 35, R 37. 76 Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 400 mwN. 77 K. Schmidt, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 109, 113 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 17 I 4, S. 408.

11. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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herrschenden Unternehmen ausgeübten Einflusses so nachhaltig beeinträchtigt wird, wie dies bei Vorliegen eines BeherrschWlgsvertrages der Fall wäre.1 8 Dagegen ist einzuwenden, daß es angesichts des von der RechtsprechWlg verwendeten weiten Unternehmensbegriffs nur dann gerechtfertigt ist, die einschneidenden Haftungsfolgen der §§ 302, 303 AktG auf GmbH-Sachverhalte anzuwenden, wenn der Konzerntatbestand erfiillt ist. 79 Die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG knüpft an das Bestehen eines BeherrschWlgsvertrages an, bei dem ein Konzernverhältnis nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG Wlwiderleglich vermutet wird. Eine entsprechende AnwendWlg des § 302 AktG auf den faktischen GmbH-UnternehmensverbWld kommt also allenfalls dann in Betracht, wenn das herrschende Unternehmen Wld die abhängige Gesellschaft einen Konzern bilden. Demgegenüber erscheint es fragwürdig, wegen der Schwierigkeiten, die es bereitet, den Rechtsbegriff der einheitlichen LeitWlg juristisch auszulegen, ganz auf dieses Merkmal verzichten zu wollen. Die Konzernhaftung würde dadurch auf Verhältnisse ausgedehnt werden, in denen der GmbH-Gesellschafter lediglich die Möglichkeit hat, einen beherrschenden Einfluß auszuüben. Das ist angesichts der Strenge der Haftung nicht vertretbar.

cc) Faktischer Konzern Um einen faktischen Konzern handelt es sich, wenn das Konzernverhältnis nicht auf einem Unternehmensvertrag beruht. Im Schrifttum wurde die Ansicht vertreten, daß durch die AusübWlg umfassender Herrschaftsmacht zwischen dem herrschenden Wld dem abhängigen Unternehmen ein BeherrschWlgsvertrag konkludent zustande komme. 80 Das ist abzulehnen. Zwar hat der BWldesgerichtshof in der "Gervais-Danone"-EntscheidWlg eine qualifizierte KonzerniefWlg in dem Fall bejaht, daß das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft - eine GmbH & Co. KG - wie eine unselbständige BetriebsabteilWlg leitete; aus einer "Gesamtschau der von den Parteien getroffenen VereinbarWl78 K. Schmidt, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 109, 113 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 17 I 4, S. 408. 79 Krieger, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 41, 42 f.; Zöllner, Referat 59. DIT, Band 11 (Sitzungsberichte), R 35, R 38; Hachenburg/Wmer, GmbHG, Anhang § 77, Rn. 41 und 126. 80 So Emmerich, in: Der GmbH-Konzern, S. 3, 17 f.; ders. in Scholz, GmbHG, 6. Aufl., Anhang 11 (Konzernrecht) Rn. 143; für die eingliedrige, qualifiziert beherrschte GmbH auch Flume, Die juristische Person, § 4 IV, S. 130.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

gen" sollte sich das Zustandekommen eines Beherrschungsvertrages ergeben. 81 In der "Autokran"-Entscheidung hat er jedoch die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses zu Recht als unzulässige Vertragsfiktion abgelehnt. 82 Der Abschluß eines Beherrschungsvertrages mit einer GmbH bedarf nach allgemeiner Auffassung wegen seiner großen Bedeutung für die abhängige Gesellschaft der Zustimmung aller Gesellschafter, wobei der Zustimmungsbeschluß seinerseits notariell zu beurkunden ist. 83 Auch ist der Unternehmensvertrag, um wirksam zu werden, ins Handelsregister einzutragen. 84 Diese Voraussetzungen wären nicht gewahrt, würde man den Abschluß eines Beherrschungsvertrages durch schlüssiges Verhalten anerkennen. 85

dd) Qualifizierter faktischer Konzern: Konzemzustandshaftung oder Konzernverhaltenshaftung? Die Frage, wie der einfache vom qualifizierten faktischen GmbH-Konzern abzugrenzen sei, ist äußerst umstritten. Bei diesem Streit stehen sich die Befürworter einer Konzernstrukturhaftung und einer Konzernverhaltenshaftung gegenüber.

(1) KonzernstrukturhaJtung

Für die Vertreter einer Konzernstrukturhaftung setzt ein qualifizierter faktischer GmbH-Konzern voraus, daß bestimmte, objektiv feststellbare organisatorische Merkmale erfüllt sind. 86 Teils stellen sie darauf ab, daß die abhängige Gesellschaft von dem herrschenden Unternehmen wie eine unselbständige Be-

81 BGH, NJW 1980, 231.

82 BGHZ 95, 330, 343. 83 Vgl. Lutter, ZGR 1982,244,265. 84 BGHZ 105, 324 fI.

85 Emmerich selbst hat diese Ansicht mittlerweile ausdrücklich aufgegeben (in: Scholz, GrnbHG, Band 1,7. Aufl. 1986, Anhang Konzemrecht Rn. 168). 86 Ulmer, AG 1986, 123, 128; Wiedemann, ZGR 1986, 656, 664 fI.; Assmann, JZ 1986,928,935 fI.; Emmerich, GrnbHR 1987,213,217 fI.; Decher, DB 1989,965,968; Vonnemann, DB 1990,217,220 f.

II. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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triebsabteihmg gefiihrt wird,87 teils lassen sie es genügen, daß das herrschende Unternehmen in sämtlichen88 oder einzelnen der zentralen lUlternehmerischen Bereiche Investitionen, Finanzen, PersonallUld Produktion/Absatz die Leitung übernommen hat. 89 Sie begründen ihre AuffasslUlg damit, daß die Rechtsfolgen der §§ 302, 303 AktG ebenfalls allein an das Bestehen bzw. die Beendigoog eines Vertragskonzerns geknüpft seien, daß eine VerletzlUlg von Konzernleitungspflichten darüber hinaus gerade nicht verlangt werde. 90

(2) KonzernverhaltenshaJtung

Nach der GegenauffasslUlg liegt ein qualifizierter faktischer GmbH-Konzern vor, wenn das Eigeninteresse der GmbH durch die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens nachhaltig beeinträchtigt wird. 91 Einzelne Geschäfte lUld Maßnahmen im Konzerninteresse genügten nicht, solange sie im Hinblick auf die Eigeninteressen der abhängigen Gesellschaft ausgeglichen werden könnten. 92 Erst der vollständige Interessenwnbruch rechtfertige es, das kapitalgesellschaftsrechtliche TrennlUlgsprinzip der §§ 1 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG zuglIDSten von Verlustausgleich lUld AusfallhaftlUlg aufzuheben. 93 Die von der GegenauffasslUlg vertretene KonzernstrukturhaftlUlg stelle eine verschuldenslUlabhängige GefährdlUlgshaftlUlg dar, die nur vom Gesetzgeber eingefiihrt werden dürfe. 94 Die HaftlUlg entsprechend §§ 302, 303 AktG setze neben einer dichten Leitung den Nachweis mehrfacher verschleierter lUld nicht 87 Priester, ZIP 1986, 137, 142; BaumbachlHueck/Zöl/ner, GmbHG, Schlußanhang I Konzernrecht, Rn. 29; ScholzlEmmerich, GmbHG, Anhang Konzemrecht, Rn. 205; wohl auch BGH, WM 1979,937,940 "Gervais-Danone"; Scheffler, AG 1990, 173.

88 HoJfmann-Becking, in: Probleme des Konzernrechts, S. 68, 78; ders., in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 89, 93. 89 So insbesondere Kort, S. 31. 90 Vgl. Wiedemann, ZGR 1986,656,664 f.; Assmann, JZ 1986,928,936. 91 Arbeitskreis GmbH-Reform, S. 50; Ulmer, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 65, 75 ff.; Lutter, in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 183, 199 ff.; ders., ZIP 1985, 1425,1433; ders., in: Entwicklungen im GmbH-Konzemrecht, S. 192,207 f.; Stodolkowitz, ZIP 1992, 1517, 1521 f; Rehbinder, AG 1986, 85, 96; Stimpel, in: Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 39, 44 ff.; ders., AG 1986, 117, 122; Fleck, WM 1986, 1205,1212 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 19 ff. 92 Hammelhoff, DB 1992,309,311. 93 Hammelhoff, ZGR 1994, 395, 408 ff. 94 Lutter, in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 183, 197 ff.; auch Ulmer, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 65, 71 ff. und M Lehmann, GmbHR 1992,200,204.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

kompensierter Verletzungen bzw. Schädigungen des Eigeninteresses der abhängigen GmbH verbunden mit der Gefahr für den Bestand ihres Kapitals voraus. 95 Derlei Schädigungen können in der Vermischung des Vermögens von abhängiger Gesellschaft und herrschendem Unternehmen sowie in fmanzpolitischen oder strukturellen Maßnahmen zu Lasten der abhängigen Gesellschaft bestehen. 96

(3) Nebeneinander von KonzernstrukturhaJtung und VerhaltenshaJtung

K. Schmidt spricht sich für ein Nebeneinander der konzernrechtlichen Organisations- bzw. Zustandshaftung und der Verhaltenshaftung aus. 97 Die einschneidenden Ausgleichspflichten aus §§ 302, 303 AktG knüpften an das Bestehen eines Organisationssachverhaltes (§ 302 AktG) bzw. seine Beendigung (§ 303 AktG) an. Sie setzten mehr voraus als Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG oder als bloße Ausübung von Leitungsmacht. Erforderlich sei die Beherrschung der abhängigen Gesellschaft durch ein anderes Unternehmen. 98 Eine Verhaltenshaftung komme in Betracht, wenn die Interessen einer GmbH beeinträchtigt würden. Eine solche Haftung könne mit der qualifizierten Beherrschung einhergehen, setze diese aber nicht voraus. Daher sei im "TBB"-Urteil, in dem die Haftung auf die Beeinträchtigung der Interessen der abhängigen GmbH durch das herrschende Unternehmen gestützt wurde, die Prüfung einer Konzernlage im Sinne der §§ 17, 18 AktG nicht erforderlich gewesen.

95 Lutter, in: HeideIberger Konzemrechtstage, S. 183,201; ähnlich Stimpel, in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 5, 11. Die von Lutter (AG 1990, 179, 183) geäußerte Ansicht, nach der ein qualifizierter faktischer Konzern vorliege, wenn eine Gesamtbetrachtung ergebe, daß die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft in ihrem Kern auf die Muttergesellschaft übergegangen sei, dürfte zu weit gefaßt sein. 96 Ausführlich EnsthalerlKreher, BB 1995, 1422, 1426 ff. 97 K. Schmidt, ZIP 1989, 545 ff.; ders., ZIP 1991, 1325, 1327; ders., ZIP 1993,549, 551; ders., AG 1994, 189, 190 f. und 195. 98 Ein Beispiel für die nach Ansicht K. Schmidts tatsächlich selten anzutreffende Zustandshaftung soll die "Fertighaus"-Entscheidung (BGHZ 68, 312 ff.) darstellen.

II. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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(4) Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshoft In der "Autokran"-EntscheidWlg genügte dem BWldesgerichtshof die dauernde Wld umfassende AusübWlg der LeitWlgsmacht durch das herrschende Unternehmen gegenüber den abhängigen Gesellschaften mbH zur HaftungsbegründWlg nicht. Er verlangte darüber hinaus, daß eine fehlerhafte KonzernleitWlg durch das herrschende Unternehmen hinzukomme. Diese wurde allerdings als Folge der umfangreichen Einflußnahme des herrschenden Gesellschafters widerleglich vermutet. Damit legte der BWldesgerichtshof in der "Autokran"EntscheidWlg offensichtlich eine Konzernverhaltenshaftung zugrWlde. In der "Tiefbau"-EntscheidWlg gab der BWldesgerichtshof das für die AnwendWlg der aktienrechtlichen Vorschriften über Vertragskonzerne im "Autokran"-Urteil aufgestellte Erfordernis der fehlerhaften KonzernleitWlg auf. Er begründete dies damit, daß die KapitalerhaltWlgsgrWldsätze, deren AußerkraftsetZWlg im qualifizierten Konzern durch die Verlustausgleichspflicht kompensiert werden solle, mit ordnWlgsgemäßer Geschäftsführung jedenfalls soweit nichts zu tWl hätten, als es um die GesellschafterhaftWlg gehe. 99 Dennoch hielt er eine EinschränkWlg der HaftWlg des herrschenden Unternehmens für geboten: Dieses hafte nicht, wenn es die von vorneherein bestehende VermutWlg, daß die Verluste auf der dauernden Wld umfassenden AusübWlg der LeitWlgsmacht beruhten, widerlegen könne. I 00 Im Ergebnis erkannte der BWldesgerichtshof hier also eine KonzemzustandshaftWlg an. IOI Diesen Standpunkt bestätigte er in der "Video"-EntscheidWlg, in der er ausführte, daß es bei der entsprechenden AnwendWlg der HaftWlgsvorschriften im aktienrechtlichen Vertragskonzern "nicht um eine HaftWlg wegen schuldhaft nicht ordnWlgsgemäßer Geschäftsführung, sondern um die Pflicht zur Übernahme des Risikos, das sich aus der EinbindWlg der abhängigen Gesellschaft in die übergeordneten Konzeminteressen ergibt", gehe. I 02 Seit der "TBB"-EntscheidWlg genügt dem Zweiten Zivilsenat des BWldesgerichtshofs die dauernde Wld umfassende AusübWlg der LeitWlgmacht des herrschenden Unternehmens über die abhängige Gesellschaft nicht mehr zur HaftWlgsbegründWlg. Erforderlich sei vielmehr, daß der Unternehmensgesellschaf99 BGHZ 107, 7, 18 "Tiefbau". 100 BGHZ 107,7,18 "Tiefbau". 101 So auch Decher, DB 1989,965,966; Vonnemann, BB 1990,217,221. 102 BGHZ 115, 187, 194.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

ter seine beherrschende Gesellschafterstellung objektiv mißbrauche, indem er die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübe, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nehme und nicht anderweitig ausgeglichen werden könne. 103 Diesen Standpunkt hat er in den folgenden Entscheidungen bestätigt.I04 Eine nicht anderweitig kompensierbare Verletzung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft liege insbesondere dann vor, wenn die Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg durch Gesellschafterbeschluß und anschließende Liquidation beruhe, sondern die GmbH durch Abzug aller Ressourcen in einen masselosen Konkurs gefiihrt werde; die darin liegende Beeinträchtigung des Eigeninteresses der GmbH könne schon wegen ihrer Auflösung nach § 1 LöschG nicht mehr durch Einzelmaßnahmen kompensiert werden. IOS

(5) Stellungnahme Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist gekennzeichnet durch eine große Unsicherheit, unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter faktischer GmbH-Konzern vorliegt und ob die Konzernhaftung als Zustands- oder als Verhaltenshaftung zu begreifen ist. In "TBB" und den sich anschließenden Entscheidungen, in denen der Bundesgerichtshof verlangte, daß das herrschende Unternehmen seine Gesellschafterstellung dadurch mißbraucht, daß es keine Rücksicht auf das Interesse der abhängigen Gesellschaft nimmt, scheint er zu einer Verhaltenshaftung zurückgekehrt zu sein. Ob sich der einfache und der qualifizierte faktische Konzern tatbestandlich überhaupt voneinander· abgrenzen lassen, erscheint fraglich. Begriffsbestimmungen, wonach ein qualifizierter faktischer Konzern vorliege, wenn die GmbH wie eine "unselbständige Betriebsabteilung" gefiihrt werde, helfen nicht weiter. Dieser Abgrenzungsversuch lehnt sich an den für die steuerliche Organschaft im Sinne des § 14 KStG erforderlichen Begriff der wirtschaftlichen Eingliederung an, die voraussetzt, daß die beherrschte Gesellschaft "nach der Art einer unselbständigen Geschäftsabteilung des herrschenden Unternehmens" auftritt. 106 Für 103 BGHZ 122, 123, 130.

104 BGH, NJW 1994,446 "EDV"; NJW 1994,3288 "Fertighaus II"; BB 1995,997, 998 f. "Architekten"; NJW 1996, 1283, 1284 "Betriebsfortfiihrung". lOS BGH, NJW 1996, 1283, 1284. 106 Abschnitt 50 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien zu § 14 KStG.

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die Abgrenzung vom einfachen zwn qualifizierten faktischen Konzern ist dadurch nichts gewonnen, da Betriebsabteilungen eines Unternehmens in der Praxis sehr unterschiedlich - von sehr dezentral bis äußerst zentral - gefiihrt werden. 107 Auch das von der Rechtsprechung ursprünglich verlangte Merkmal der dauernden und umfassenden Leitung ist zu farblos, um die entsprechende Anwendung der einschneidenden Rechtsfolgen der §§ 302, 303 AktG zu rechtfertigen. Zudem ist eine dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen bereits erforderlich, damit zunächst überhaupt der Konzerntatbestand des § 18 Abs. 1 AktG erfiillt ist; ein qualifizierter Konzern ergibt sich daraus nicht. Der Bundesgerichtshof, der zunächst die Vermutungsregel aufstellte, daß aufgrund der dauernden und umfassenden Einflußnahme auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft deren Eigeninteresse nachhaltig beeinträchtigt werde, blieb den Nachweis des Bestehens eines solchen Erfahrungssatzes stets schuldig. 108 In den neueren Entscheidungen rückt die Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen GmbH durch das herrschende Unternehmen in den Mittelpunkt des qualifizierten faktischen Konzerns. Der Bundesgerichtshof steht damit vor dem Problem, ein rechtlich erhebliches Eigeninteresse der abhängigen GmbH bestimmen zu müssen. Bisher erkannte er ein von der Gesamtheit der Gesellschafterinteressen unabhängiges Gesellschaftsinteresse, dem eine Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft Rechnung zu tragen hätte, grundsätzlich nicht an. Der Frage, ob ein derartiges Eigeninteresse der GmbH besteht und ob es die Konzernhaftung rechtfertigt, wird nachzugehen sein. 109

107 J. Lehmann, in: FS Beusch, S. 479,484; HoJfmann-Becking, in: Probleme des Konzernrechts, S. 68, 74 f. 108 HoJfmann-Becking, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 89,93 ff.; Kleindiek, ZIP 1991, 1330, 1333. 109 BGH, BB 1992,2384,2385 (m. Anm. Hey, BB 1993, 1162). Dazu Wlten Dritter Teil, III 2b bb (2).

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

b) Die Rechtsfolgen des qualifiziertenfaktischen GmbH-Konzerns aa) Keine Anwendung der §§ 311 ff. AktG Der Bundesgerichtshof wandte im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern die für den faktischen Aktienkonzern geltenden Vorschriften der §§ 311 ff. AktG nicht an. Er hielt die auf dem Prinzip des Einzelnachteilsausgleichs beruhenden Regelungen im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern für ungeeignet, da die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens hier eine derartige Intensität und Dichte erreiche, daß einzelne die abhängige Gesellschaft schädigende Eingriffe nicht mehr gesondert festgestellt werden könnten. Stattdessen entschied er sich dafür, die aktienrechtlichen Vorschriften über den Vertragskonzern, die das aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrags herrschende Unternehmen während der Vertragsdauer gegenüber der abhängigen Gesellschaft zwn Verlustausgleich (§ 302 AktG) und nach Vertragsbeendigung zur Sicherheitsleistung gegenüber den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft (§ 303 AktG) verpflichten, "in vorsichtiger Weise" heranzuziehen. IlO

bb) Die Verlustausgleichpflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen GmbH entsprechend § 302 AktG Bei Bestehen eines qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns soll das herrschende Unternehmen entsprechend § 302 AktG verpflichtet sein, die Verluste der abhängigen GmbH auszugleichen. Noch in der "Tiefbau"-Entscheidung wollte der Bundesgerichtshof diese Verpflichtung entfallen lassen, wenn das herrschende Unternehmen dartun könne, daß die entstandenen Verluste nicht auf der Konzernierung der GmbH beruhten. 111 Dagegen ist eingewendet worden, daß § 302 AktG den Ausgleich sämtlicher Verluste einschließlich der "Zufallsverluste" bezwecke; auch könnten Verluste, die auf der Konzernierung beruhen, kaum von sonstigen Verlusten abgegrenzt werden. 112 Ob die Möglichkeit der Haftungsbefreiung auch nach der seit der "TBB"-Entscheidung geänderten Rechtsprechung gelten soll, ist nicht ersichtlich. 110 BGHZ 95, 330, 342 "Autokran". 111 BGHZ 107,7,18 f. "Tiefbau". 112 K. Schmidt, in: Heideiberger Konzemrechtstage, S. 109, 119.

11. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

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cc) Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens gegenüber den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft entsprechend § 303 AktG

In den Entscheidungen "Autokran" und "Video" sprach der Bundesgerichtshof den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft jeweils einen direkten Zahlungsanspruch gegen das herrschende Unternehmen in entsprechender Anwendung des § 303 AktG in Verbindung mit § 242 BGB zu, da im Falle völliger Vermögenslosigkeit der abhängigen Gesellschaft die in § 303 AktG vorgesehene Sicherheitsleistung keinen Sinn mehr mache. 113 Diese Vorgehensweise erscheint in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Zunächst entfernt sich der Bundesgerichtshof, wenn er den Gesellschaftsgläubigern auf der Grundlage des § 303 AktG einen direkten Zahlungsanspruch gegen den herrschenden Gesellschafter zuspricht, immer weiter von der gesetzlichen Ausgangslage. Darüber hinaus steht der abhängigen Gesellschaft, wenn man mit der entsprechenden Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ernst macht, gegen den herrschenden Unternehmensgesellschafter der Anspruch auf Verlustausgleich entsprechend § 302 AktG zu, so daß sie nicht völlig vermögenslos ist.

dd) Forderungen des Schrifttums nach Haftungsbeschränkung Aufgrund der weitgehenden Haftungsfolgen, die die entsprechende Anwendung der §§ 302, 303 AktG für das im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern herrschende Unternehmen mit sich bringt, wird im Schrifttum gefordert, daß die Haftung des herrschenden Unternehmens zumindest betragsmäßig zu beschränken sei.

(1) Beschränkung der Verlustausgleichspj/icht auf den zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Betrag

Ein Teil des Schrifttums vertritt die Auffassung, die Verlustausgleichspflicht sei höhenmäßig auf den zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Betrag 113 BGHZ 95, 330, 346 f. "Autokran"; 115, 187,200 "Video"; zustimmend Slimpel, in: Entwicklungen im GmbH-Konzemrecht S. 39, 51; Werner, in: FS Goerdeler, S. 677, 682 ff.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

zu beschränken. 114 Der Gnmd fiir die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens liege darin, daß die Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in ihrer tatsächlichen Wirkung außer Kraft gesetzt seien. Diese seien im GmbH-Recht von vorneherein weniger streng ausgestaltet als im Aktienrecht. Anders als im Aktienkonzern müsse sich die Verlustausgleichspflicht im GmbH-Konzern daher auf den zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Betrag beschränken. Nach der Gegenmeinung soll das herrschende Unternehmen verpflichtet sein, uneingeschränkt jeden bei der abhängigen GmbH entstehenden Jahresfehlbetrag zu übernehmen. 115 Verlustausgleich und Vermögensbindung hätten grundsätzlich nichts miteinander zu tun. 116 Verstöße gegen die Vermögensbindung verursachten einerseits nicht notwendig einen Fehlbetrag, andererseits könne ein Jahresfehlbetrag entstehen, ohne daß zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliches Vermögen von der Gesellschaft an die Gesellschafter abfließe. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob die konzernrechtliche Haftung des herrschenden Unternehmens auf den Betrag des Stammkapitals zu beschränken sei, bislang ausdrücklich offengelassen. 117

(2) Beschränkung der Haftung auf das Unternehmensvermögen Andere schlagen vor, die konzernrechtliche Haftung auf das unternehmerisch gebundene Vermögen des herrschenden Unternehmens, also auf das "Konzernvermögen" , zu beschränken. Die Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft könnten dann nicht nur auf deren Vermögen, sondern auch auf das ihrer Schwestergesellschaften zugreifen. Das Privatvermögen des herrschenden Gesellschafters bliebe hingegen verschont. 118 Allerdings könne die Konzernhaftung in dieser 114 Ulmer, AG 1986, 123, 129; Rehbinder, AG 1986, 85, 98; Assmann, JZ 1986, 928,936; Basten, GmbHR 1990,442,443; Vonnemann, BB 1990,217,222; Schiessl, AG 1985, 184, 186; für den Einmann-Konzern auch LutterlHommelhoff, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 30. 115 Joost, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 133, 140; K. Schmidt, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 109, 117 f.; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 24 III 4d, S. 461; Limmer, S. 328 f1 116 Joost, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 133, 140. 117 BGHZ 107,7,16 "Tiefbau"; 115, 187, 198 "Video". 118 Ziegler, WM 1989, 1071, 1077 ff.; K. Schmidt, ZHR (155) 1991,417 ff.; Ehlke, DB 1986,523,526.

11. Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern

63

Weise nur bei Unternehmen beschränkt werden, deren Unternehmenseigenschaft sich aus einer nicht mit persönlicher Hafumg verbWldenen Gesellschaftsbeteiligoog herleite. Dagegen komme sie bei einem GmbH-Gesellschafter, der zugleich als Einzelkaufmann tätig sei, nicht in Betracht, da bei diesem PrivatWld Geschäftsvermögen nicht getrennt seien. 119

c) Im Schrifttum vorgeschlagene Wege zur Haftungsvermeidung Die RechtsprechWlg des BWldesgerichtshofs zur Hafumg des herrschenden Unternehmensgesellschafters im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern hat im Schrifttwn eine Diskussion darüber ausgelöst, wie diese Hafumg vermieden werden könne. Erwogen werden dabei in erster Linie organisatorische UmstrukturierWlgen der Unternehmensträger.

aa) ZusammenfassWlg sämtlicher Wlternehmerischer Aktivitäten in nur einer GmbH Eine der HafumgsvermeidWlgsstrategien setzt beim konzernrechtlichen Unternehmensbegriff an. Würden sämtliche Wlternehmerischen Aktivitäten, die der herrschende Unternehmensgesellschafter im qualifizierten faktischen GmbHKonzern auf verschiedene Gesellschaften bzw. Unternehmen verteilt hat, nur mit Hilfe einer GmbH verfolgt, so wäre der an ihr beteiligte Gesellschafter nicht als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts anzusehen. Die entsprechende AnwendWlg der §§ 15 ff., 291 ff. AktG Wld damit eine KonzernhaftWlg aus §§ 302, 303 AktG schieden aus. 120

bb) Zwischenschalten einer Holding Nach einem weiteren im Schrifttwn diskutierten Vorschlag soll die konzernrechtliche Hafumg des herrschenden Unternehmensgesellschafters entfallen, wenn er eine Gesellschaft zwischen sich Wld die abhängigen Gesellschaften 119 K. Schmidt, ZIP 1991, 1325, 1327. 120 Lutter, ZIP 1985, 1425, 1435; Ulmer, NJW 1986, 1579, 1586; Schwark, JuS 1987, 443, 451; Geitzhaus, GmbHR 1989, 455; Keßler, GmbHR 1992, 249 f.; Kohl, MDR 1992,204,208; Sigle, in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 167, 171 f. mwN.

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

schaltet, deren Zweck im Halten der Beteiligwlg an den abhängigen Gesellschaften besteht, da dem Gesellschafter dieser Holding die konzernrechtliche Unternehmenseigenschaft fehle. 121 Dagegen wird allerdings eingewendet, durch das Zwischenschalten einer Holding-Gesellschaft entstehe ein mehrstufiger Konzern, bei dem ein Mehrfachdurchgriff zu erfolgen habe. 122 Die Holding stelle den Versuch einer Haftungsumgehung dar, da der Gesellschafter der Holding über diese deren Tochtergesellschaften beherrsche, was der unmittelbaren Beherrschung im Ergebnis gleichzustellen sei.

d) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshoft Das "Video"-Urteil des Bundesgerichtshofs ist im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum auf verfassungsrechtliche Kritik gestoßen. Den Richtern des Zweiten Zivilsenats wurde vorgeworfen, sie hätten, indem sie den im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern herrschenden Gesellschafter zur Haftung gegenüber den Gesellschaftgläubigern verpflichteten, die in § 13 Abs. 2 GmbHG angeordnete Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen nicht beachtet. Die Entscheidung habe die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschritten und daher die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht mißachtet. 123 Der vom Bundesgerichtshof in der "Video"-Entscheidung entsprechend

§ 303 AktG zur Zahlung der Gesellschaftsschulden verurteilte GesellschafterGeschäftsfiihrer hatte gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. 124 Das Urteil des Bundesgerichtshofs habe nicht erkennen lassen, daß dieser sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normset121 Lutter, ZIP 1985, 1425, 1435; Priester, ZIP 1986, 137, 144; ders., in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 223, 231 ff.; Timm, GmbHR 1992, 213, 219; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, S. 84; Stimpel, ZGR 1991, 144, 157; EbenrothlWilken, BB 1991,2229,2233; Assmann, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 657, 713; Sigle, in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 167, 172 mwN. 122 Geitzhaus, GmbHR 89, 455, 456; Emmerich, GmbHR 1987, 213, 215; K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 149. 123 Flume, OB 1992,25,27 f.; ders., ZIP 1992, 817, 818 ff.; Altmeppen, Abschied vom "qualifiziert faktischen" Konzern, S. 56 ff., 70. 124 BVerfG, NJW 1993,2600 f.

ill. Zusammenfassung des Ersten Teils

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zenden Instanz begeben habe und nicht bereit gewesen sei, sich Recht und Gesetz zu unterwerfen. Das auf die "Autokran"-Entscheidung zurückgehende Haftungskonzept des Bundesgerichtshofs knüpfe an die Wertungen des geltenden GmbH- und Aktienrechts an und verstoße daher nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG.

IH. Zusammenfassung des Ersten Teils 1. Einfacher faktischer GmbH-Konzern

Für den einfachen faktischen GmbH-Konzern hat der Bundesgerichtshof in der "ITT"-Entscheidung ein allgemein akzeptiertes Konzept zwn Schutz der Minderheitsgesellschafter und Gläubiger der abhängigen GmbH entwickelt. Er ist dabei bemerkenswerterweise keinen konzernrechtlichen Weg gegangen, obwohl der "ITT"-Entscheidung ein Sachverhalt faktischer Konzernierung einer GmbH zugrunde lag, sondern hat einer allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftung über die Verletzung der unter den Gesellschaftern einer GmbH bestehenden Treuepflicht den Vorzug gegeben.

2. Qualifizierter faktischer GmbH-Konzern Im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern meinte der Bundesgerichtshof hingegen, mit den Vorschriften des GmbH-Gesetzes und allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts nicht mehr auszukommen. Auch die für den faktischen Aktienkonzern geltenden Vorschriften der § § 311 ff. AktG hielt er für nicht ausreichend. Erstmals in der "Autokran"-Entscheidung 125 griff er daher auf die für den aktienrechtlichen Vertragskonzern geltenden Vorschriften der §§ 302, 303 AktG zurück. Das führte zu dem in der "Video"-Entscheidung aufgestellten Grundsatz, daß der Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, der gleichzeitig deren alleiniger Geschäftsfiihrer ist und sich außerdem als Einzelkaufmann unternehmerisch betätigt, konzernrechtlich hafte. 126 Aufgrund der massiven Kritik, die diese Entscheidung im Schrifttum erfahren hat, rückte der Bundesgerichtshof davon in der von ihm selbst als "Klarstellung" zur "Video"-

125 BGHZ 95, 330 ff. 126 BGHZ 115, 187 Leitsatz a). S Gätsch

66

1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

Entscheidung bezeichneten "TBB"-Entscheidung ab. 127 Nunmehr verlangt er für die konzernrechtliche Haftung, daß der herrschende Unternehmensgesellschafter seine Stellung in der abhängigen GmbH objektiv mißbrauchen müsse, indem er die Interessen der abhängigen GmbH nachhaltig beeinträchtige. Die dauernde und umfassende Einflußnahme des herrschenden Unternehmensgesellschafters auf die Geschäftsführung der abhängigen GmbH stelle weder einen derartigen Mißbrauch dar noch begründe sie eine dahingehende Vermutung. Diese Rechtsauffassung hat der Bundesgerichtshof in den Folgeentscheidungen "EDV" 128, "Fertighaus 11"129 und "Betriebsfortführung"130 bestätigt.

3. Offene Fragen Inwieweit die in "TBB" eingeschlagene Linie zu der vom Bundesgerichtshof behaupteten Klarstellung gefUhrt hat, erscheint allerdings fraglich. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ist bis "TBB" gekennzeichnet durch einen ständigen Wechsel in den tatbestandlichen Voraussetzungen der Konzernhaftung. Auch das Schrifttum vermochte bislang weder die dogmatischen Grundlagen noch tatbestandlichen Voraussetzungen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns zu klären. In dogmatischer Hinsicht ist nach wie vor unklar, ob es sich um eine Konzernstrukturhaftung oder um die Haftung wegen Mißbrauchs einer beherrschenden Gesellschafterstellung, also um eine Verhaltenshaftung, handelt. Bei der vom Bundesgerichtshof in seinen neuesten Entscheidungen favorisierten Mißbrauchshaftung stellen sich verschiedene Fragen: Warum wird neben dem Mißbrauch der Gesellschafterstellung ein Konzernverhältnis zur Haftungsbegründung herangezogen? Ist nicht jeder Gesellschafter, der seine Stellung mißbraucht, der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden Schadens verpflichtet? Wie kann der Alleingesellschafter "seine" GmbH mißbrauchen? Die vermeintlich klärende "TBB"-Entscheidung fUhrt dazu, daß neue Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auftauchen. Nach wie vor ungeklärt sind sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns: Wann liegt ein Unternehmen im Sinne der 127 BGHZ 122, 123, Leitsatz a). 128 BGH, NJW 1994,446. 129 BGH, NJW 1994,3288 ff.

130 BGH, NJW 1996,1283 f.

III. Zusammenfassung des Ersten Teils

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§§ 15 ff., 291 ff. AktG vor? Muß der Konzerntatbestand des § 18 Abs. 1 AktG erfüllt sein oder löst bereits die - einfache oder qualifizierte - Abhängigkeit die Konzemhaftung aus? Wann liegt eine einheitliche Leitung im Sinne des Konzerntatbestands vor? Wann geht die einfache faktische Konzernierung einer GmbH in eine die Konzemhaftung nach §§ 302, 303 AktG auslösende qualifizierte faktische Konzernierung über? Unklarheit besteht auf der Rechtsfolgenseite über den Umfang der Verlustausgleichspflicht und über die Zulässigkeit eines direkten Zahlungsanspruchs der Gläubiger der abhängigen GmbH anstatt des Anspruchs auf Sicherheitsleistung. Dabei besteht die Unsicherheit wohlgemerkt nicht in tatsächlicher Hinsicht, sondern bei der juristischen Auslegung dieser Rechtsbegriffe. Die Behauptung, das "TBB"-Urteil habe zu Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geführt,131 trifft nicht zu. Es hat gegenüber der "Video"-Entscheidung lediglich den Bereich eingeengt, in dem die Verlustausgleichspflicht und Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens in Betracht kommen. Eine Klärung der rechtlichen V oraussetzungen der Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ist nicht erfolgt. Überhaupt scheint fraglich, ob die Anwendung der für den aktienrechtlichen Vertragskonzern geltenden Vorschriften erforderlich und angemessen war. Rechtsmethodisch fragwürdig ist es, wenn der Bundesgerichtshof in der "TBB"Entscheidung ausführt, auf das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs wegen verspäteter Konkursanmeldung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG komme es nicht an, wenn "die Klage sich - auch - insoweit unter dem Gesichtspunkt der Konzemhaftung als begründet erweisen sollte" .132 Verdächtig ist die Formulierung des Bundesgerichtshofs, in der Einpersonengesellschaft fehle es an einer angemessenen Rücksichtnahme auf deren eigene Belange, wenn die Gesellschaft infolge der im Konzerninteresse ausgeübten Einwirkungen ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne. 133 Die fehlende Zahlungsfahigkeit einer GmbH ist Insolvenzgrund im Sinne der §§ 63, 64 GmbHG, die Rechtsfolgen der Zahlungsunfähigkeit sind dort geregelt. Auch zeigt die im Schrifttum geführte Diskussion, wie eine Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern durch formal-rechtliche Strukturänderungen des Unternehmensträgers (Unternehmensumstruktu131 HachenburglVlmer, GmbHG, Anhang § 77 (Konzernrecht) Rn. 14. 132 BGH, WM 1993, 687, 689 (insoweit in BGHZ 122, 123 ff. nicht abgedruckt). 133 BGHZ 122, 123, l30 "TBB".

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1. Teil: Gläubigerschutz in faktischen GmbH-Konzernen

rierungen durch Zwischenschalten einer Holding oder Zusanunenfassen des Unternehmens in einer GmbH) vermieden werden könne, daß die Rechtsprechung nicht zu einer Problemlösung fUhrt. In sämtlichen vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen fehlte den in Anspruch genommenen Gesellschaften mbH zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten erforderliches Vermögen oder waren sie sogar vermögenslos. Die Gesellschaftsgläubiger hätten also davor geschützt werden müssen, daß das ihnen allein haftende Gesellschaftsvermögen ausgezehrt wurde. Ob konzemrechtliche Überlegungen hier weiterhelfen, erscheint fraglich.

Zweiter Teil

Die erste Analogievoraussetzung: Das Bestehen einer Regelungslücke im GmbH-Gesetz in bezug auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern Methodisch setzt die entsprechende Anwendung der vertragskonzernrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes auf den qualifizierten faktischen GmbHKonzern zunächst voraus, daß das GmbH-Gesetz für diese Sachverhalte eine Regelungslücke aufweist. Das Bestehen einer derartigen Regelungslücke wird in Rechtsprechung und Schrifttwn aus der Tatsache gefolgert, daß das GmbHGesetz trotz der Regelungsbedürftigkeit der Konzernprobleme im Bereich des GmbH-Rechts keine konzernrechtlichen Vorschriften enthält.! Auch wird behauptet, die dem Gläubigerschutz dienenden Kapitalerhaltungsvorschriften seien im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in ihrer tatsächlichen Wirkung außer Kraft gesetzt. 2

I. Das Fehlen konzernrechtlicher Regelungen im GmbH-Gesetz Das GmbH-Gesetz enthält keine konzernrechtlichen Vorschriften. Der Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetz aus dem Jahre 1973 3 sah die Einführung konzernrechtlicher Regelungen vor, ebenso ein vom Bundesjustizministerium herausgegebener Referentenentwurfaus dem Jahre 1969. 4 Beide Entwürfe richteten sich weitgehend an den konzernrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes von 1965 aus. Sie sahen Regelungen für den Vertragskonzern und den faktischen Konzern vor. Im Vertragskonzern sollte der Gläubigerschutz dadurch gewährleistet werden, daß das herrschende Unternehmen während des Beste! BGHZ 95, 330, 334 "Autokran"; Limmer, S. 3 m. zahlreichen Nachweisen. 2 BGHZ 107, 7, 18 "Tiefbau"; 115, 187, 197 "Video"; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601,610; U1mer, AG 1986, 123, 126 f.; EbenrothlWilken, BB 1991,2229. 3 BT-Drucks. 7/253. 4 Abgedruckt bei Hirte, 1.1.2, S. 105 ff.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

hens eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages die Verluste der abhängigen Gesellschaft ausgleichen und nach Beendigung eines solchen Unternehmensvertrages den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft Sicherheit leisten sollte (§§ 240, 241 RegE-GmbHG; §§ 244, 245 RefE-GmbHG). Im faktischen Konzern sollte es dem herrschenden Unternehmen verboten sein, die abhängige Gesellschaft zu fiir sie nachteiligen Geschäften zu veranlassen, es sei denn, diese Nachteile würden durch Vorteile ausgeglichen (§ 247 RegEGmbHG; § 251 RefE-GmbHG). Das entspricht den aktienrechtlichen Regelungen in den §§ 300 ff., 311 ff. AktG. Die im Regierungs- bzw. Referentenentwurf gemachten Vorschläge sollen bei der Novelle des GmbH-Gesetzes im Jahre 1980 deswegen nicht verwirklicht worden sein, weil der Gesetzgeber, obwohl er von der Notwendigkeit der Aufnahme konzernrechtlicher Vorschriften in das GmbH-Gesetz überzeugt gewesen sei, sich auf einige wenige dringliche Gesetzesänderungen habe beschränken wollen. 5 Indes läßt sich das den Materialien zu der Novelle nicht entnehmen. Der Gesetzgeber wollte eine modeme, übersichtliche und sprachlich klare Regelung fiir Kaufleute schaffen, die ein kleines oder mittleres Unternehmen führen und ihre persönliche Haftung beschränken wollen. Dieses Ziel ist ausweislich der Entstehungsgeschichte der Novelle erreicht worden. 6 Davon abgesehen läßt sich allein aus dem Fehlen konzernrechtlicher Vorschriften die Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes in bezug auf Konzernsachverhalte nicht zwingend folgern: 7 Konzernrechtliche Vorschriften sind spezielle Regelungen, die den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vorgehen. Fehlen spezielle Vorschriften, so sind die allgemeinen anzuwenden. Erst wenn dies zu keinem oder keinem angemessenen Ergebnis führt, besteht eine Regelungslücke. Dementsprechend weist das GmbH-Gesetz in bezug auf Konzernsachverhalte erst dann eine Regelungslücke auf, wenn seine Vorschriften keinen oder keinen ausreichenden Schutz fiir die Gläubiger qualifiziert faktisch konzernierter Gesellschaften mbH bieten. Ob das der Fall ist, soll im folgenden geprüft werden.

5 Limmer, S. 3 mwN. 6 Vgl. Kleinert, in: FS Heimrich, S. 667 ff. 7 Zutreffend Knobbe-Keuk, DB 1992, 1461, 1463.

II. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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n. Das System des Gläubigerschutzes im GmbH-Gesetz Nach § 13 Abs. 2 GmbHG haftet den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das Gesellschaftsvennögen. Das bedeutet indes nicht, daß der Gesetzgeber mit der GmbH eine Gesellschaftsform bereitstellen wollte, die es den Gesellschaftern ermöglicht, die von dem Gesellschaftsunternehmen erwirtschafteten Gewinne zu internalisieren, indem die Gesellschafter diese abschöpfen, und eingetretene Verluste zu externalisieren, indem diese auf die Gesellschaftsgläubiger abgewälzt werden. 8 Vielmehr sollte eine Unternehmensform geschaffen werden, in der das unternehmerische Verlustrisiko von vorneherein auf einen bestimmten von den Gesellschaftern zu leistenden Kapitaleinsatz beschränkt werden kann. Dies sollte allerdings nicht einseitig zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger gehen, wie das vom GmbH-Gesetzgeber geschaffene ausgewogene Gläubigerschutzsystem zeigt: Danach verpflichten die Kapitalaufbringungsvorschriften die Gesellschafter, die Gesellschaft mit dem Stammkapital als einem Mindesteigenkapital auszustatten. Die Kapitalsicherungsvorschriften schützen das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vennögen der Gesellschaft vor Ausschüttungen an die Gesellschafter. Neben der Kapitalaufbringung und -erhaltung kommt der Verpflichtung des GmbH-Geschäftsfiihrers, die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfahig oder überschuldet ist, eine wesentliche gläubigerschützende Funktion im GmbH-Recht zu.

1. Die Autbringung des Stammkapitals

a) Funktionsweise der Kapitalaujbringung Nach § 5 Abs. 1 GmbHG muß das Stammkapital der GmbH mindestens 50.000 DM betragen. Es ist in dem notariell zu beurkundenden Gesellschaftsvertrag festzusetzen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) und kann daher nur durch formelle Satzungsänderung erhöht oder herabgesetzt werden. Jeder Gründungsgesellschafter muß eine Stammeinlage von mindestens 500 DM übernehmen. 8 So aber Kallfass (in: MestmäckerlBehrens [Hrsg.], Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 19,33 ff.): "Während die erzielten Gewinne aus der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens den Eigentümern in voller Höhe zufallen, werden Verluste im Falle ungünstiger Entwicklung ( ... ) vor allem auf Dritte mit unbesicherten Forderungen (Lieferanten, Handwerker) abgewälzt, also externalisiert."

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

Durch die Übernalune verpflichtet er sich gegenüber der Gesellschaft, seine Einlage zu leisten. 9 Von dieser Verpflichtung können die Gesellschafter nicht befreit werden (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Indem sich die Gesellschafter durch die Übernalune der Stammeinlagen verpflichten, ihre Einlage zu leisten, besitzt die Gesellschaft IO bereits bei ihrer Errichtung Vermögen in Höhe des Stammkapitals. Dieses besteht in den Stammeinlageforderungen gegen die Gesellschafter oder, wenn diese ihre Einlagen bereits geleistet haben, in Barvermögen oder bei Sachgründungen in Anlagevermögen. Nach § 7 Abs. 2 GmbHG darf die Gesellschaft erst zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, wenn auf jede Stammeinlage ein Viertel eingezahlt worden ist und der Gesamtbetrag der geleisteten Stammeinlagen 25.000 DM erreicht. Bei der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, daß die Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und daß der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 8 Abs. 2 GmbHG). Ein Teil des Schrifttums hält die freie Verfügbarkeit für gegeben, wenn die Leistungen der GmbH endgültig derart zugeflossen sind, daß die Geschäftsführer sie rechtlich und tatsächlich für die Gesellschaft verwenden können. 11 Andere stellen darauf ab, daß der Gegenstand der Einlage vollständig aus dem Herrschaftsbereich des Gesellschafters ausgesondert und der Gesellschaft endgültig und ohne Beschränkung oder Vorbehalte durch den Einleger zugeflossen ist. 12 Die Rechtsprechung liefert keine allgemeingültige Definition, wann eine freie Verfügbarkeit über die Leistung vorliegt, sondern begnügt sich mit Einzelfallentscheidungen. 13 Das GmbH-Gesetz unterscheidet zwischen Bareinlagen und Sacheinlagen. Während Bareinlagen als der Normalfall angesehen werden, gelten für Sacheinlagen besondere Vorschriften. So müssen nach § 5 Abs. 4 GmbHG der Gegenstand der Sacheinlage und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die 9 Vgl. KrajtlKreutz, Gesellschaftsrecht, L III la, S. 232. 10 Bis zu ihrer Eintragung in das Handelsregister handelt es sich um eine VorGmbH. 11 So LutterlHomme/ho.fj, GmbHG, § 7 Rn. 14 mwN. 12 HachenburglWmer, GmbHG, § 7 Rn. 47; ebenso K Schmidt, AG 1986, 106, 109. 13 Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (GmbHR 1962, 233) fehlt es an der freien Verfügbarkeit, wenn eine Bareinlage auf ein gesperrtes Konto der GmbH überwiesen wird. Vgl. auch BGHZ 96, 231, 241/242.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Handelsregistereintragung voll zu bewirken (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Erreicht der Wert einer Sacheinlage nicht den Betrag der dafiir übernommenen Stammeinlage, trifft den Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft eine Differenzhaftung in Geld (§ 9 GmbHG). Darüber hinaus bestehen Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitgesellschafter und Geschäftsführer, wenn zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben über den Gegenstand der Sacheinlage gemacht wurden.

b) Zweck der Kapitalaujbringungsvorschrijten Die Kapitalaufbringungsvorschriften bezwecken nicht nur, die Gesellschaft überhaupt mit Vermögenswerten auszustatten, auf die die Gesellschaftsgläubiger dann zugreifen können. In diesem Fall wären die aufwendigen und ins einzelne gehenden Vorschriften des GmbH-Gesetzes überflüssig, da der Gesellschaft bereits dadurch, daß die Gesellschafter die Stammeinlagen übernehmen, Vermögen in Höhe des Stammkapitals in Form der Stammeinlageforderungen zusteht. Die Kapitalaufbringungsvorschriften sollen dafiir sorgen, daß die Gesellschafter ihre Gesellschaft mit Kapital ausstatten, das dieser endgültig zur freien Verfiigung steht. Dies soll es der Gesellschaft ermöglichen, selbständig am Geschäftsverkehr teilzunehmen. 14 Das Stammkapital hat insoweit die Funktion eines "Betriebsmittelfonds" der Gesellschaft.

2. Die Erhaltung des Stammkapitals Nach § 30 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Zahlungen, die unter Verstoß gegen dieses Verbot geleistet werden, sind der Gesellschaft nach § 31 GmbHG zu erstatten.

14 So auch Kleffner, S. 23.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

a) Funktionsweise der Kapitalerhaltung aa) Ansichten im Schrifttum Obwohl die §§ 30, 31 GmbHG seit Erlaß des GmbH-Gesetzes im Jahre 1892 unverändert bestehen, ist nicht eindeutig geklärt, welchem Zweck diese Vorschriften dienen. So soll nach einer Ansicht der Schutz des Stammkapitals den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezwecken, indem diesen eine Mindesthaftsumme zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung gestellt werde. 15 Andere sehen den Zweck des Stammkapitals darin, der Gesellschaft Kapital zur Deckung eventuell auftretender Verluste bereitzustellen. 16 Weiter wird genannt, daß das Stammkapital das der Gesellschaft zur freien Verfügung stehende Betriebsvermögen darstelle I 7 und die Gesellschafter am unternehmerischen Risiko der Gesellschaft beteilige l8 . Auch soll es Aussagen über das zum Gründungszeitpunkt vorhandene Gesellschaftsvermögen machen. 19 Letztlich wird ihm auch nur die Funktion zugesprochen, eine Art "Mindestpreis" für die Gründung einer GmbH und damit für die Erlangung der Haftungsbeschränkung festzusetzen, um auf diese Weise völlig unseriöse Gesellschaftsgründungen zu verhindem. 20

bb) Stammkapital als Verlustdeckungskapital Die Funktionsweise der Stammkapitalerhaltung21 und damit der Sinn und Zweck des Stammkapitals überhaupt sind nur im Zusammenhang mit der Bi15 Weitbrecht, S. 19; Tries, S. 28; Lutter, Kapital, S. 50; BaumbachlHueck/G. Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 1; HachenburglUlmer, GmbHG, § 5 Rn. 6. 16 Kahler, BB 1985, 1429, 1434; Lutter, Kapital, S. 50, erwähnt diese Funktion neben der der Mindesthaftsumme; in ZGR 1982, 244, 249 stellt Lutter nur auf die Funktion des "Risikopolsters" ab. 17 Lutter, Kapital, S. 51; ScholzlH P. Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 1. 18 In diesem Sinne wohl Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 3, S. 565. 19 HachenburglUlmer, GmbHG, 7. Aufl., § 5 Rn. 6. 20 HachenburglUlmer, GmbHG, § 5 Rn. 7.

21 Ein Großteil der Mißverständnisse über die Funktionsweise der Kapitalerhaltung ergibt sich aus der Mehrdeutigkeit des Vermögensbegriffs. Die Betriebswirtschaft versteht bilanzieIl unter Vermögen alle Aktiva, d.h. die Gesamtheit der im Betrieb eingesetzten Wirtschaftsgüter und Geldmittel, während die Passiva, d.h. die Summe aller Schulden des Betriebes gegenüber den Beteiligten und Gläubigern, als Kapital be-

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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lanzvorschrift des § 42 Abs. 1 GmbHG zu verstehen. Danach ist das Stammkapital in der Jahresbilanz als gezeichnetes Kapital auszuweisen, d.h. es ist auf der Passivseite als Eigenkapital einzustellen (§ 266 Abs. 3 A. I. HGB). Der Ansatz hat zum Nennwert zu erfolgen (§ 283 HGB). Damit ist das Stammkapital ein grundsätzlich fester, nur im Wege der KapitalerhöhlUlg oder -herabsetZlUlg veränderbarer bilanzieller RechnlUlgsposten. 22 Stammkapital lUld Gesellschaftsvennögen sind streng voneinander zu lUlterscheiden. Im Gegensatz zu dem in seiner Höhe feststehenden Stammkapital stellt das aus Immaterialgütem, Sach- lUld Finanzanlagen, Vorräten, FordeflUlgen, Wertpapieren, Barmitteln lUld Bankguthaben bestehende Gesellschaftsvermögen, das sich durch Umsatzgeschäfte in seiner ZusammensetZlUlg lUld durch Gewinne lUld Verluste in seiner Höhe stets ändert, eine rein tatsächliche Größe dar. 23 Daraus folgt ZlUlächst, daß das Stammkapital keine Aussage über das - im GründlUlgszeitpllllkt oder danach - vorhandene Gesellschaftsvennögen trifft. In der Regel ist bereits bei GründlUlg der Gesellschaft neben dem Stammkapital weiteres Eigenkapital lUld/oder Fremdkapital vorhanden. Die Vennögensverhältnisse der Gesellschaft bei ihrer GründlUlg ergeben sich aus der EröffulUlgsbilanz24 bzw. der Bilanz zum Zeitpllllkt der Handelsregistereintragoog25 . Indem § 30 GmbHG "das zur ErhaltlUlg des Stammkapitals erforderliche Vennögen der Gesellschaft" schützt lUld das Stammkapital in der Bilanz zu passivieren ist, ergibt sich ein als Gewinn an die Gesellschafter verteilbarer Überzeichnet werden. Die Differenz zwischen Aktiva und Verbindlichkeiten bezeichnet man als Reinvennögen (dazu Wähe, Einführung in die aUg. Betriebswirtschaftslehre, S. 898). In diesem Sinne werden die Begriffe im folgenden verwendet. 22 Vgl. Joost, ZHR 148 (1984), 27, 28; ders., GmbHR 1983, 285, 286; BaumbachIHueckiG. Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 4. 23 Kleffner, S. 19. 24 Die GmbH ist als Kaufmann nach §§ 42 Abs. 1 GmbHG, 242 Abs. 1 HGB verpflichtet, zu Beginn ihres Handelsgewerbes eine Eröffnungsbilanz zu erstellen. Die Auslegung des Merkmals "Beginn seines Handelsgewerbes" in § 242 HGB ist umstritten: Teils wird auf den ersten buchungspflichtigen Geschäftsvorfall, teils auf die Aufnahme der Geschäftstätigkeit, teils auf die Eintragung im Handelsregister abgestellt (vgl. BaumbachIHueckiSchulze-Osterloh, GmbHG, § 41 Rn. 40 und 18 mwN.). 25 Auch diejenigen, die die Gesellschaft zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz vor der Eintragung in das Handelsregister verpflichten wollen, befiirworten daneben die Pflicht zur Bilanzierung auf den Eintragungszeitpunkt, um auf diese Weise den Wert des Gesellschaftsvennögens zu diesem Zeitpunkt und eine eventuelle Differenzhaftung der Gründer zu ermitteln (vgl. BaumbachIHueckiSchulze-Osterloh, GmbHG, § 41 Rn. 40 aE. und 44).

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

schuß erst, wenn das Aktivvennögen der Gesellschaft größer ist als die Swnme der echten Passiva, also der Verbindlichkeiten der Gesellschaft, Wld des Stammkapitals. § 30 Abs. 1 GmbHG besagt, daß AuszahlWlgen an die Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvennögen nur dann erfolgen dürfen, wenn ein derart berechneter Überschuß besteht. §§ 30, 42 Abs. 1 GmbHG bewirken daher, daß das Gesellschaftsvennögen in Höhe der Swnme aus echten Gesellschaftsverbindlichkeiten Wld Stammkapital gegenüber den Gesellschaftern wertmäßig gebWlden wird. 26 Sie bewirken hingegen nicht, daß das Gesellschaftsvermögen in seiner gegenständlichen Zusammensetzung erhalten bleibt.27

§§ 30, 31 GmbHG sollen Wld können nicht verhindern, daß das von der Gesellschaft getragene Unternehmen Verluste erwirtschaftet. Treten Verluste ein, die nicht durch andere Eigenkapitalrücklagen der Gesellschaft ausgeglichen werden können, so werden sie aus dem zum Erhalt des Stammkapitals erforderlichen Aktivvennögen gedeckt. Dadurch entsteht zwar eine Unterbilanz, jedoch ist, solange die Verluste betragsmäßig nicht die Höhe des Stammkapitals erreichen, noch ausreichend Vennögen zur DeckWlg der Gesellschaftsschulden vorhanden. 28 Das Stammkapital als Mindesteigenkapital29 der Gesellschaft dient somit als Verlustpolster, das verhindern soll, daß sich vom GesellschaftsWlternehmen erwirtschaftete Verluste unmittelbar zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger auswirken. 30 Übersteigen allerdings die Verluste den Betrag des Stammkapitals Wld besitzt die Gesellschaft kein weiteres Eigenkapital, so deckt das Aktivvennögen der Gesellschaft nicht mehr ihre Schulden. Jede weitere verlust26 KleJfner, S. 26 f.

27 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 1, S. 941; KleJfner, S. 28. 28 Unklar Weitbrecht, S. 7 f., der ausfiihrt, bilanztechnisch werde "die nach Abzug der echten Verbindlichkeiten verbleibende Haftungsgrundlage durch das Eigenkapital repräsentiert". Wenn Vennögen zur Deckung der Schulden vorhanden ist, ist es nicht erforderlich, weiteres Kapital als Haftungsgrundlage bereitzuhalten. 29 Die Funktionen des Stammkapitals decken sich weitgehend mit denen des Eigenkapitals, das der Unternehmensinhaber seinem Unternehmen dauerhaft überläßt und durch das er sich an den Verlusten des Unternehmens beteiligt. Insoweit ist es gerechtfertigt, daß Stammkapital als gesetzlich vorgeschriebenes Mindesteigenkapital der GmbH zu bezeichnen. Dazu Wiedemann, in: Festschrift Beusch, S. 893 ff., insb. 896 ff. 30 Unklar KleJfner, S. 24, der den Schutzzweck des Stammkapitals darin sieht, der Gesellschaft ein "Finanz- oder Verlustpolster" bereitzustellen, das "den Eintritt des Konkurses verhindern" soll, also "auf die Sicherung des Überlebens der Gesellschaft" abziele. Jedoch kann das Stammkapital nicht den Konkurs überhaupt, sondern nur verhindern, daß die Gesellschaft bei jedem wirtschaftlichen Verlust nach § 64 GmbHG wegen Überschuldung zur Konkursanmeldung verpflichtet wäre.

TI. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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bringende Wirtschaftstätigkeit würde das zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderliche Vennögen der Gesellschaft verkleinern und damit unmittelbar zu Lasten der Gläubiger gehen. Die Gesellschaft ist überschuldet. Eine Pflicht der Gesellschafter, durch die Gesellschaft erwirtschaftete Verluste auszugleichen, besteht nicht. 31 Allerdings sind die Geschäftsführer der GmbH gemäß § 64 GmbHG verpflichtet, nach Eintritt der Überschuldung die Eröffuung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. 32 Das Stammkapital stellt somit eine Art ,,Reservefonds" dar, durch den Verluste ausgeglichen werden sollen, die das Gesellschaftsunternehmen erwirtschaftet hat und die nicht durch anderweitige Eigenkapitalrücklagen gedeckt werden können. Sinn des Stammkapitals und seiner Erhaltung ist es also, der Gesellschaft ein Mindesteigenkapital bereitzuhalten, damit wirtschaftliche Verluste nicht sofort das zur Befriedigung der Verbindlichkeiten erforderliche Gesellschaftsvennögen angreifen, da dies unmittelbar zu Forderungsausfallen der GeseIl schaftsgläubiger führen würde. 33 Zugleich beteiligt es die Gesellschafter, die im Konkurs der Gesellschaft ihre Einlagen nicht zurückfordern können, am wirtschaftlichen Risiko des von der GmbH betriebenen Unternehmens. Dagegen dient das Stammkapital nicht unmittelbar zur Schuldendeckung. Daher sind Ansichten, die in dem Stammkapital einen den Gesellschaftsgläubigern gegen-

31 M.E. daher WlZUtreffend Altmeppen (DB 1994, 1912, 1915), der meint, daß sich die Verlustausgleichspflicht aus § 302 AktG nahtlos in das aus den Kapitalerhaltungsvorschriften folgende Haftungssystem der Kapitalgesellschaft einordnen lasse. Die §§ 30, 31 GmbHG schützen das Gesellschaftsvermögen nur gegen Auszahlungen - in welcher Form auch immer - an die Gesellschafter, nicht aber vor sonstigen (wirtschaftlichen) Verlusten der Gesellschaft. Kapitalsicherung und Verlustausgleich haben insoweit nichts miteinander zu tun. 32 Zur Konkursantragspflicht wegen Überschuldung vgl. im einzelnen unten Zweiter Teil, TI 3c. 33 Vgl. ScholziH P. Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 1. Wiedemann (Gesellschaftsrecht, § 10 IV Ib, S. 556-558) und Lutter (Kapital, S. 4952) trennen m.E. nicht deutlich genug zwischen Funktion, Zweck und sachlichen Gründen für die gesetzlichen Stammkapitalerhaltungsvorschriften: Ihre Funktion besteht darin, dem von der Gesellschaft getragenen Unternehmen nicht unmittelbar zur Gläubigerbefriedigung erforderliches Vermögen zur Deckung eventuell eintretender Verluste bereitzustellen. So gesehen ist es nicht der Zweck des Stammkapitals, den Gesellschaftsgläubigern als Zugriffsobjekt bereitzustehen, sondern es bewirkt durch seine oben beschriebene Funktionsweise mittelbaren Gläubigerschutz.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

ständlich zur Verfiigung stehenden ,,Mindesthafumgsfond" sehen, zwnindest mißverständlich. 34

b) Ansatz und Bewertung

Ob eine Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschafter das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angreift oder nicht, ist durch eine auf den Zeitpunkt der in Frage stehenden Auszahlung bezogene Zwischenbilanz festzustellen. 35 Auf diese sind die fiir die GmbH geltenden Bilanzvorschriften anzuwenden.

aa) Bewertung In der Zwischenbilanz sind Fortfiihrungswerte, nicht Liquidationswerte anzusetzen. 36 Das folgt aus dem allgmeinen Bewertungsgrundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB, wonach von der Fortfiihrung des Unternehmens auszugehen ist, wenn tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten dem nicht entgegenstehen. Die Frage, ob eine gegen § 30 GmbHG verstoßende Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschafter erfolgte, hängt grundsätzlich nicht mit der Fortfiihrungsfähigkeit der Gesellschaft zusammen. Diese festzustellen ist Aufgabe einer Überschuldungsbilanz. 37 Der Ansatz von Liquidationswerten kann allenfalls ausnahmsweise dann geboten sein, wenn die Auszahlung der Gesellschaft die Existenzgrundlage entzieht und diese dadurch in ihrem Bestand gefährdet. 38

34 In diesem Sinne auch Joost, GmbHR 1983, 285, 286; Kleffner, S. 21; Schol71Winter, GmbHG, § 5 Rn. 10. 35 Hachenburg/Goerdeler/Mül/er, GmbHG, § 30 Rn. 24; Baumbach/Hueck/G. Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 11; Kleffner, S. 28. 36 BGH, GmbHR 1990,209; BGH, DB 1987, 1781, 1782; Joost, GmbHR 1983, 285,287; Kleffner, S. 31; Tries, S. 31; Schol71H. P. Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 13; Baumbach/Hueck/G. Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 6; Hachenburg/ Goerdeler/Mül/er, GmbHG, § 30 Rn. 30. 37 Dazu unten Zweiter Teil, II 3c. 38 V gl. Kleffner, S. 31 f.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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bb) Stille Reserven Stille Reserven entstehen dadurch, daß in der Bilanz Gegenstände des Aktivvennögens unterbewertet oder Verbindlichkeiten überbewertet werden. Vennögensgegenstände dürfen höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden (§ 253 Abs. 1 HGB). Das gilt auch dann, wenn sie zwischenzeitlich eine Wertsteigerung erfahren haben, was bei unbeweglichem Anlagevennögen regelmäßig der Fall ist. Bei Gegenständen des Anlagevennögens, die nur zeitlich begrenzt genutzt werden, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten wn planmäßige Abschreibungen zu vennindern (§ 253 Abs. 2 HGB), was zu einer Unterbewertung fUhren kann. Darüber hinaus verhindert das Höchstwertprinzip den Ausweis noch nicht durch Umsatzgeschäfte realisierter und daher noch unsicherer Gewinne. 39 Anders als Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften darf die GmbH nach § 279 Abs. 1 Satz 1 HGB stille Reserven zwar durch Ausnutzung der genannten Ansatz- und Bewertungsspielräwne, nicht aber durch Abschreibungen ,,im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung" im Sinne des § 253 Abs. 4 HGB bilden. 40 Bei der Bilanzaufstellung gilt das Gebot der Stetigkeit, das besagt, daß die auf den vorhergehenden Jahresabschluß angewendeten Bewertungsregeln beizubehalten sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Die Gesellschaft hat ihren letzten Jahresabschluß fortzuschreiben, so daß sie an ihre bisherige Bewertungs- und Bilanzierungspraxis gebunden ist. 41 Dadurch soll die Vergleichbarkeit der aufeinander folgenden Jahresabschlüsse gewährleistet werden. Aus alledem folgt, daß stille Reserven bei der Aufstellung der Zwischenbilanz nur insoweit aufgelöst werden dürfen, als dies auch im nächsten Jahresabschluß zulässig wäre. 42 Stille Reserven bilden zur Verlustdeckung bereitstehendes Eigenkapital, das jedoch anders als das Stammkapital und die offenen 39 BGH, GmbHR 1990,209. 40 Die Vorschrift des § 279 Abs. 1 Satz 1 HGB wird nach allgemeiner Auffassung

nicht als Verbot, stille Reserven zu legen, verstanden (Glade, § 279 HGB Rn. 5; Heymann/Jung, HGB, § 279 Rn. 1 f.; Tietze in KütinglWeber, Handbuch der Rechnungslegung, § 279 Rn. 6). Einen Überblick über die auch für Kapitalgesellschaften geltenden Bewertungsspielräume gibt Tietze, aaO. 41 ScholzJH. P. Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 13; HachenburgiGoerdelerlMüller, GmbHG, § 30 Rn. 31; LutterlHommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 11. 42 Hachenburgl GoerdelerlMüller, GmbHG, § 30 Rn. 32; zur Gegenauffassung vgl. SonnenhollStützle, DB 1979,925,928.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

Rücklagen nicht aus der Bilanz ersichtlich ist. Dieses ist nicht von der VennögensbindWlg erfaßt, solange keine Unterbilanz besteht. Würde die Gesellschaft bei der AufstellWlg der Zwischenbilanz von dem Gebot der Stetigkeit freigestellt, Wlterläge die AuflöSWlg stiller Reserven der Willkür der Gesellschafter. Das widerspräche den GrWldsätzen einer geordneten Buchfiihnmg.

c) Verdeckte Gewinnausschüttungen

aa) GrWldsätzliches

§ 30 GmbHG bindet rechnerisch das zur ErhaltWlg des Stammkapitals erforderliche Vennögen der Gesellschaft. Die Vorschrift verbietet nach allgemeiner AuffassWlg nicht nur GeldauszahlWlgen, sondern alle LeistWlgen der Gesellschaft an die Gesellschafter, die wirtschaftlich zu Lasten der Gesellschaft gehen, wenn dadurch das zur ErhaltWlg des Stammkapitals erforderliche Vennögen angegriffen wird. DarWlter fallen insbesondere die sogenannten "verdeckten GewinnausschüttWlgen".43 Eine verdeckte GewinnausschüttWlg liegt vor, wenn die Gesellschaft ein Rechtsgeschäft mit einem Gesellschafter oder einem diesem nahestehenden Dritten44 abschließt, das sie mit einem gesellschaftsfremden Dritten zu diesen Bedingoogen nicht vorgenommen hätte. 4S Das Vorliegen ei-

43 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 ill 1, S. 941; BaumbachlHueck/G. Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 12 fI.; Lutter/HommelhojJ, GmbHG, § 30 Rn. 24 44 Dritte können auch solche Unternehmen sein, die an der GmbH über Zwischengeseilschaften beteiligt sind. Dann tauchen Fragen nach der Funktion der Kapitalerhaltungsregeln im Konzern auf. Der Bundesgerichtshof hat in der "Tiefbau"-Entscheidung die entsprechende Anwendung der vertragskonzernrechtlichen Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG auf den qualifiziert faktischen GmbH-Konzern mit der Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes gerechtfertigt. Darauf soll unten (Zweiter Teil, ill) näher eingegangen werden. 4S K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 11 2, S. 745; Winter, ZHR 148 (1984), 579, 584 f.; ausführlich Tries, S. 44-53; zu den verschiedenen Fallgruppen der verdeckten Gewinnausschüttungen vgl. Tries, S. 5 f. Die Ansicht, die neben den genannten objektiven Merkmalen das Bewußtsein des die Auszahlung vornehmenden Vertretungorgans der Gesellschaft oder des die Auszahlung empfangenden Gesellschafters verlangt, daß die Gesellschaft mit Rücksicht auf die Gesellschafterstellung auf einen Teil der Gegenleistung verzichtet (sog. "causa societatis"; Nachweise bei Winter ZHR 148 [1984], 579, 584 Fn. 26 f.), ist abzulehnen. Es kann zumal im Bereich der §§ 30, 31 GmbHG - nicht vom Willen der Parteien abhängen, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung oder ein reguläres Umsatzgeschäft vorliegt. Dies ist

n. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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ner verdeckten Gewinnausschüttung wird vennutet, wenn die Gesellschaft für ihre Leistung von dem Gesellschafter keine gleichwertige Gegenleistung erhält. 46 Greift eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht das zwn Erhalt des Stammkapitals erforderliche Vennögen der Gesellschaft an, so sind die §§ 30, 31 GmbHG tatbestandlieh nicht erfüllt und daher weder direkt noch analog anwendbar. 47 In diesem Falle können die Mitgesellschafter allenfalls Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB - es fehlt an einem Rechtsgrund für die Auszahlung, wenn sie ohne Ergebnisverwendungsbeschluß i. S. des § 29 GmbHG erfolgte - oder Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes48 gegen den Auszahlungsempfänger geltend machen.

bb) Bilanziell nicht erfaßte Vennögensverschiebungen Ein mit den verdeckten Gewinnauszahlungen im Zusammenhang stehendes Problem ergibt sich, wenn die Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter eine Auszahlung vornimmt, die bilanziell nicht erfaßt wird. 49 Ein Beispiel dafür wäre, daß die Gesellschaft ein auf der Aktivseite der Bilanz zwn Anschaffungswert von 200.000 DM gebuchtes Grundstück für diesen Preis an einen Gesellschafter veräußert, obwohl der Verkehrswert des Grundstücks mittlerweile ein Mehrfaches des Anschaffungspreises beträgt.

nach objektiven Kriterien zu beurteilen (zutreffend insoweit Winter, ZHR 148 [1984], 579,585).

46 Winter, ZHR 148 (1984), 579, 585; LutterlHommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 24. 47 Vgl. Tries, S. 68 ff., insb. S. 69 und S. 72. 48 Ausführlich zum Ganzen Tries, S. 140 ff. 49 Kleffner, S. 51 ff. nennt insgesamt vier Fallgruppen: 1. Die Gesellschaft verzichtet gegenüber einem Gesellschafter bei einem Austauschgeschäft auf einen Gewinnaufschlag, den ein Nichtgesellschafter zu zahlen hätte. 2. Die Gesellschaft wendet einem Gesellschafter Vermögensgegenstände zu, die einem Aktivierungsverbot unterliegen, z.B. unentgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im Sinne des § 248 Abs. 2 HGB (Patente, Gebrauchsmuster, EDV-Software). 3. Die Gesellschaft bestellt für einen Gesellschafter dingliche oder schuldrechtliche Sicherheiten, die sich bilanzieIl nicht auswirken, sondern nur eine Vermerkpflicht nach § 251 HGB begründen. 4. Die Gesellschaft gibt dem Gesellschafter ein Darlehen oder stundet ihm eine Forderung. 6 Gätsch

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

Sieht man in einer Vorteilsgewähnmg nur dann einen Verstoß gegen § 30 GmbHG, wenn sie eine Unterbilanz herbeiführt oder weiter vertieft,50 so würde in dem Beispielsfall die AuszahlWlg aus dem Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter nicht gegen § 30 GmbHG verstoßen, da sie das Bilanzvermögen der Gesellschaft nicht mindert. Das ist mit dem Zweck der KapitalbindWlg nicht vereinbar. Bei derartigen bilanzneutralen AuszahlWlgen ist daher zu Wlterscheiden, ob zum Zeitpunkt der AUSZahlWlg bereits eine Unterbilanz bestand oder nicht. 51 Bestand keine Unterbilanz, so verstößt die AUSZahlWlg nicht gegen § 30 GmbHG, da diese Vorschrift bei vollständiger DeckWlg von Gesellschaftsverbindlichkeiten Wld Stammkapital einen tatsächlichen Vermögensabfluß nicht verhindern will. 52 Bestand hingegen zum Zeitpunkt der bilanzneutralen AuszahIWlg bereits eine Unterbilanz, so verstößt die AuszahlWlg gegen § 30 GmbHG, wenn der LeistWlg der Gesellschaft keine angemessene GegenleistWlg des Gesellschafters gegenübersteht. 53 Das ergibt sich aus dem Gläubigerschutzzweck des § 30 GmbHG, der bei bestehender Unterbilanz nicht nur den bilanziell wirksamen, sondern jeden Abfluß von Vermögenswerten aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verhindern will. 54 Der bilanziellen BetrachtWlgsweise der KapitalerhaltWlg sind insoweit Grenzen gesetzt, als AuszahlWlgen aus dem Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschafter, die bilanziell nicht zu einer VermögensminderWlg führen, dann Wlter die §§ 30, 31 GmbHG fallen, wenn im AuszahlWlgszeitpunkt bereits eine Unterbilanz bestand.

50 So LutteriHommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 22; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III ld, S. 942; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 102. 51 In diesem Sinne auch Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 335,338 ff. 52 Zu weit Kleffner, S. 90, der meint, eine bilanmeutrale Vermögenszuwendung der Gesellschaft an einen Gesellschafter verstoße gegen § 30 GmbHG, wenn zwar Starnmkapitaldeckung gerade noch vorhanden sei, durch die Auszahlung aber "das Stammkapital dem Risiko ausgesetzt wird, im Interesse der Gesellschafter aufgezehrt zu werden." 53 Kleffner, S. 89 f. 54 Zu beachten ist, daß sich im Beispielsfall die Grundstücksveräußerung der Gesellschaft an einen Gesellschafter zum Buchwert zwar nicht auf die Bilanzsumme auswirkt, daß aber in der Bilanz anstatt des Grundstücks (Sachanlagevermögen im Sinne des § 266 Abs. 2 A. 11. l. HGB) nun Umlaufvermögen (im Falle eines Barkaufs Kassenbestand im Sinne des § 266 Abs. 2 B. IV. HGB) auftaucht.

II. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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d) Weitere Einzelprobleme

aa) "Kapitalerhaltung oberhalb des Stammkapitals" Im Schrifttwn wird die AuffassWlg vertreten, eine AUSZahlWlg aus dem Gesellschaftsvermögen könne in erweiternder Auslegoog des § 30 GmbHG auch dann unzulässig sein, wenn das Stammkapital durch die AuszahlWlg nicht angegriffen werde, die Gesellschaft aber zahlungsunfähig Wld dadurch in ihrem Bestand gefahrdet werde. 55 Der BWldesgerichtshof hat diese Frage bislang offengelassen. 56

Fehlende Liquidität ist kein Problem, das durch die KapitalbindWlg verhindert werden soll, 57 sondern kann die Gesellschaft verpflichten, wegen ZahIWlgsunfähigkeit die EröffnWlg des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen (§ 64 Abs. 1 GmbHG). Eine die ZahlWlgsunfähigkeit herbeifiihrende AuszahlWlg aus dem Gesellschaftsvermögen ist somit nicht wegen Verstoßes gegen § 30 GmbHG unzulässig. Allenfalls kann eine derartige AUSZahlWlg, wenn sie auf einem einfachen Mehrheitsbeschluß beruht, gegen § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG verstoßen, der fiir die AuflösWlg der Gesellschaft einen Gesellschafterbeschluß mit qualifizierter Mehrheit verlangt.

bb) AnwendWlg der §§ 30 f. GmbHG bei bestehender ÜberschuldWlg Lange Zeit umstritten war die Anwendbarkeit der §§ 30, 31 GmbHG, wenn bei der AuszahlWlg nicht nur eine Unterbilanz bestand, sondern die GmbH bereits überschuldet war, also das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr ihre Verbindlichkeiten deckte. Die RechtsprechWlg 58 befiirwortete ursprünglich nur eine entsprechende AnwendWlg der §§ 30, 31 GmbHG, wenn "das Vermögen der GmbH bereits völlig aufgezehrt" sei Wld daher "ZahlWlgen nur noch aus Fremdmitteln, also unmittelbar auf Kosten der Gesellschaftsgläubiger geleistet" werden könnten. 59 Von der entsprechenden AnwendWlg ausgenommen werden 55 LutterlHommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 5 ff.; Fleck, ZGR 1990, 31, 36 f; ders., in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 391, 398 f. 56 BGHZ 76, 326, 335 f. 57 Das gesteht auch Fleck (in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 391, 398) zu. 58 Grundlegend BGHZ 60, 324, 331; auch BGHZ 67,171,174. 59 BGHZ 60, 324, 331.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

sollte § 31 Abs. 3 GmbHG, der die Mitgesellschafter zur Erstattung der von einem Gesellschafter Wlter Verstoß gegen § 30 GmbHG empfangenen LeistWlg verpflichtet, wenn die Erstattung von dem Empfänger der verbotenen LeistWlg selbst nicht zu erlangen ist. Der BWldesgerichtshofbegrundete seine AuffassWlg damit, daß die Ausfallhafttmg der Mitgesellschafter sich in "kalkulierbaren Grenzen" halten müsse. 60 Dieser RechtsprechWlg lag die WlZUtreffende VorstellWlg von einer gegenständlichen BindWlg des zum Erhalt des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögens zugrtmde. Das Stammkapital Wld die Gesellschaftsverbindlichkeiten als bilanzielle Passivposten müssen durch das Aktivvermögen der Gesellschaft gedeckt sein, ansonsten sind AuszahlWlgen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter WlZlllässig. Diese Decktmg ist im Fall der ÜberschuldWlg nicht gegeben. AuszahlWlgen, die im Stadiwn der ÜberschuldWlg aus dem Aktivvermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter geleistet werden, greifen nicht nur das zum Erhalt des Stammkapitals, sondern auch das zur Befriedigtmg der Gesellschaftsgläubiger erforderliche Vermögen an Wld verstoßen daher tmmittelbar gegen die §§ 30,31 GmbHG. Diese Vorschriften sind somit direkt anzuwenden. 61 Dieser AuffassWlg hat sich auch der BWldesgerichtshof mittlerweile angeschlossen. 62 Dennoch meint ein Teil des Schrifttwns nach wie vor, die Ausfallhafttmg der Mitgesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG sei summenmäßig zu beschränken, wenn die verbotene AuszahlWlg im Stadiwn der ÜberschuldWlg der Gesellschaft erfolgt sei oder eine ÜberschuldWlg herbeigefiihrt habe. 63 Die Ausfallhafttmg der Mitgesellschafter müsse sich in kalkulierbaren Grenzen halten. Auch sei § 31 Abs. 3 GmbHG im Zusammenhang mit § 24 GmbHG zu sehen, der ebenfalls nur eine beschränkte Ausfallhafttmg der Mitgesellschafter vorsehe. Vertreten wird, die Hafttmg auf den Betrag des Stammkapitals64 oder auf 60 BGHZ 60, 324, 331. 61 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 1, S. 943 f.; ders., BB 1985, 154, 156 f.; Joost, GmbHR 1983,285,287 f.; ScholzJH. P. Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 15; BaumbachIHueck/G. Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 9; lediglich für eine entsprechende Anwendung Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 37 Rn. 5, S. 439. 62 BGH, NJW 1990, 1730, 1732.

63 K. Schmidt, BB 1995, 529 ff.; ders., BB 1985, 154, 157; Joost, GmbHR 1983, 285,289; HachenburgiGoerdeler/Müller, GmbHG, § 30 Rn. 45 und § 31 Rn. 54. 64 Joost, GmbHR 1983, 285, 289; HachenburgiGoerdeler/Müller, GmbHG, § 31 Rn. 54; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 37 Rn. 19, S. 444 f.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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die Stammeinlage des in Anspruch genommenen Mitgesellschafters65 oder des Empflingers der verbotenen Auszahlung66 zu begrenzen. Indes überzeugt das nicht. Der Wortlaut des § 31 Abs. 3 GmbHG selbst enthält keinen Hinweis darauf, daß die Haftung der Mitgesellschafter betragsmäßig zu beschränken ist. Tatbestandlieh liegt ein durch § 31 GmbHG sanktionierter Verstoß gegen § 30 GmbHG auch dann vor, wenn ein Gesellschafter eine Vermögenszuwendung aus dem Gesellschaftsvermögen erhält und dadurch eine Überschuldung herbeigefiihrt bzw. eine bereits bestehende Überschuldung vertieft wird, da bei Bestehen einer Überschuldung immer auch eine Unterbilanz vorliegt. § 31 Abs. 3 GmbHG ist - ebenso wie § 24 GmbHG, der die Mitgesellschafter zur Zahlung einer Stammeinlage verpflichtet, die von dem eigentlich einlagepflichtigen Gesellschafter weder eingezogen noch durch den Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann - Ausdruck des im Vergleich zur Aktiengesellschaft stärker personenbezogenen Verhältnisses der GmbH-Gesellschafter untereinander. 67 Daß die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG auf den Betrag der Stammeinlage des nicht zahlenden Gesellschafters beschränkt ist, ergibt sich aus der Natur der Sache. Das rechtfertigt jedoch nicht die Schlußfolgerung, auch § 31 Abs. 3 GmbHG wolle nur sicherstellen, daß die Einlageschuld von Mitgesellschaftern erbracht werde. Wertungsgesichtspunkte, die dafür sprechen, die Gesellschaftsgläubiger mit dem Ausfallrisiko zu belasten und nicht die Mitgesellschafter, die immerhin mit dem Gesellschafter, der die verbotene Auszahlung empfangen hat, ein Gesellschaftsverhältnis eingegangen sind, sind nicht ersichtlich. Die GmbH-Gesellschafter haben - auch wenn sie nicht zur Geschäftsfiihrung befugt sind - aufgrund ihrer Einsichts- und Kontrollrechte wesentlich eher als außenstehende Gläubiger die Möglichkeit, das Stammkapital angreifende Auszahlungen an Mitgesellschafter zu verhindern. Es ist daher angemessen, nicht die Gesellschaftsgläubiger, sondern die Mitgesellschafter mit dem Risiko zu belasten, daß eine gegen § 30 GmbHG verstoßende Auszahlung von ihrem Empfanger nicht wiedererlangt werden kann. Auch ein möglicherweise anderslautender Wille des historischen Gesetzgebers aus dem Jahre 1892 kann dem nicht entgegengehalten werden,68 da dieser von einem

65 ScholzlH P. Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 15. 66 K. Schmidt, BB 1995, 529, 531 f.; ders., BB 1985, 154, 157 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 37 III 3, S. 950. 67 Fabritius, ZHR 144 (1980), 628, 635. 68 So aber K. Schmidt, BB 1995,529,531.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

heute überholten gegenständlichen Verständnis der Stammkapitalbindung ausging. Die Gesellschaft hat daher aus § 31 Abs. 3 GmbHG gegen die Mitgesellschafter einen Anspruch darauf, daß diese ihr die von einem Gesellschafter unter Verstoß gegen § 30 GmbHG empfangenen Leistungen uneingeschränkt erstatten. 69

e) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen

aa) Rechtsprechungsgrundsätze Der Bundesgerichtshof hat in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG Grundsätze entwickelt, nach denen Darlehen oder andere Fremdkapitalleistungen, die die Gesellschafter der Gesellschaft in einer Krise zur Verrugung stellen, wie Eigenkapital behandelt werden. Die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft verbietet es, daß sie ihr Finanzrisiko auf die Gesellschaftsgläubiger abwälzen, indem sie der Gesellschaft anstatt des gebotenen Eigenkapitals Fremdkapital, etwa in Form eines Gesellschafterdarlehens, zufUhren. 70 Ob eine Gesellschafterleistung Eigenkapital ersetzt, hängt von der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft ab. Die Leistung ist als eigenkapitalersetzend anzusehen, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Leistung von einem gesellschaftsfremden Dritten keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte. 7 ! Ist das der Fall, darf die Gesellschaft die Leistung nicht an den Gesellschafter zurückgewähren, solange sie zum Ausgleich einer Unterbilanz oder einer darüber hinausgehenden Überschuldung erforderlich ist. Bei bereits erfolgter Rückzahlung steht der gesellschaft entsprechend § 31 GmbHG ein Erstattungsanspruch zu. Gleiches gilt, wenn ein Dritter unter den genannten Bedingungen der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, fUr das ein Gesellschafter ihm Sicherheit leistet. 72

69 So im Ergebnis auch Immenga, ZGR 1975,487,491; Fabritius, ZHR 144 (1980),

628,635.

70 BGHZ 76, 326, 329. 7! BGHZ 76, 326, 330.

72 BGHZ 76, 326, 332 ff.

ll. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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bb) Die Novellenregelung der §§ 32a, 32b GmbHG Die Novellierung des GmbH-Gesetzes im Jahre 1980 fiihrte die Vorschriften der §§ 32a, 32b GmbHG, 32a KO, 3b AnfG ein. Nach § 32a GmbHG kann ein Gesellschafter, der der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem er ihr als ordentlicher Kaufinann Eigenkapital hätte zuführen müssen, ein Darlehen gewährt hat, dieses im Konkurs der Gesellschaft nicht zurückfordern. Beträge, die die Gesellschaft entgegen der Anordnung des § 32a GmbHG an den Gesellschafter im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung geleistet hat, muß der Empfänger der Gesellschaft erstatten (§ 32b GmbHG). § 32a KO und § 3b AnfG gewähren bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 a GmbHG Anfechtungsrechte.

cc) Verhältnis der Novellenregelungen zu den Rechtsprechungsgrundsätzen Teils gehen die Novellenregelungen über die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hinaus, da ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft vom Gesellschafter insgesamt nicht geltend gemacht werden kann, während die Rechtsprechungsgrundsätze den Ausschluß nur insoweit vorsehen, als das Darlehen zum Ausgleich einer Überschuldung oder Unterbilanz erforderlich ist. Teils bleiben sie hinter den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zurück, da sie die Durchführung eines Konkursverfahrens oder gerichtlichen Vergleichsverfahrens voraussetzen und sich außerdem nur auf Leistungen der Gesellschaft an einen Gesellschafter beziehen, die im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung erfolgten. Um das Auftreten von Schutzlücken zu vermeiden, sind nach allgemeiner Auffassung die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze neben den §§ 32a, 32b GmbHG anwendbar.?3

j) Zusammenfassung

Indem die Gesellschafter Stammeinlagen übernehmen, deren Summe die Höhe des Stammkapitals ergibt, ist die Gesellschaft bereits bei ihrer Errichtung mit Vermögen zumindest in Höhe des Stammkapitals ausgestattet. Darüber hinaus stellen die Kapitalaufbringungsvorschriften sicher, daß der GmbH zum Zeit73 BGHZ 90, 370, 376 ff.; v. Gerkan, GmbHR 1986, 218, 219.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

punkt ihrer EntstehWlg Bar- oder Sachmittel zur freien VerfiigWlg stehen. Das derart aufzubringende Stammkapital stellt einen Betriebsmittelfond dar, der der Gesellschaft die Aufuahme Wld AufrechterhaltWlg ihres Geschäftsbetriebs ermöglichen soll. Die KapitalerhaltWlgsvorschriften der §§ 30,31 GmbHG schützen das Vermögen der Gesellschaft vor AuszahlWlgen an die Gesellschafter. Dadurch, daß das Stammkapital in der Bilanz zu passivieren ist (§ 42 Abs. 1 GmbHG), wird das zur Deckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten Wld des Stammkapitals erforderliche Vermögen wertmäßig gebWlden. Ein an die Gesellschafter verteilbarer Überschuß besteht nur dann, wenn das Reinvermögen der Gesellschaft den Betrag des Stammkapitals übersteigt. Dagegen erzeugen die KapitalerhaltWlgsvorschriften fiir die Gesellschafter keine VerpflichtWlg, wirtschaftliche Verluste, die die Gesellschaft erleidet, auszugleichen.

3. Gläubigerschutz durch Pflicht zu rechtzeitiger Konkursoder Vergleichsanmeldung (§ 64 GmbHG) Daß die Gesellschafter nicht verpflichtet sind, vom GesellschaftsWltemehmen erwirtschaftete Verluste auszugleichen, bedeutet nicht, daß die Gesellschaft Wleingeschränkt Verluste machen darf. Nach § 63 GmbHG findet das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft außer im Falle der ZahlWlgSWlflihigkeit auch im Falle ihrer ÜberschuldWlg statt. Die Geschäftsfuhrer der GmbH haben, sobald einer der beiden Konkursgründe vorliegt, spätestens innerhalb von drei Wochen die EröffuWlg des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen (§ 64 Abs. 1 GmbHG). Bereits im Vorstadium der ÜberschuldWlg sind die Geschäftsfuhrer verpflichtet, eine GesellschafterversamrnlWlg einzuberufen, wenn sich aus einer Jahres- oder Zwischenbilanz ergibt, daß die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verloren ist (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Der Wortlaut des § 49 Abs. 3 GmbHG gilt als mißIWlgen.1 4 Falls die Gesellschaft neben dem Stammkapital noch weiteres Eigenkapital besitzt, entsteht die Einberufimgspflicht nicht schon dann, wenn Verluste in Höhe der Hälfte des Stammkapitals eingetreten sind; erforderlich ist vielmehr, daß das Reinvermögen der Gesellschaft infolge wirt-

74 BaumbachIHueck/Zöllner, GmbHG, § 49 Rn. 15.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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schaftlicher Verluste nur noch die Hälfte der Stammkapitalziffer beträgt.1 5 Derartige Verluste indizieren eine Krisensituation. § 49 Abs. 3 GmbHG legt den ZeitpWlkt fest, an dem die Geschäftsführer die Gesellschafter spätestens über die Krise zu informieren haben, damit entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. 76 Die Feststellung, ob die Gesellschaft nur noch Reinvennögen in Höhe der Hälfte des Stammkapitals besitzt, haben die Geschäftsführer anband einer Jahres- oder Zwischenbilanz zu treffen. Dabei sind die gesetzlichen Vorschriften über die Bilanzerstellung, insbesondere die Bewertungsvorschriften der §§ 252 ff. HGB, anzuwenden, da sie objektive Bewertungsgrundsätze enthalten, ein subjektives Ennessen der an der Bilanzerstellung Beteiligten einschränken oder ausschließen und eine fiir den Rechtsverkehr verläßliche Grundlage bilden. 77 Die Bedeutung, die der Gesetzgeber den Pflichten zur Einberufung der GeseIlschafterversammlung im Falle des Eigenkapitalverlustes und zu rechtzeitiger Beantragung der Konkurs- oder Vergleichseröffuung bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit beigemessen hat, wird daraus ersichtlich, daß die Verletzung dieser Pflichten mit Geld- oder Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 84 GmbHG).

a) Die vom Bundesgerichtshofentschiedenen Sachverhalte als Insolvenzsachverhalte

Den Insolvenzgründen des GmbH-Gesetzes und den sich aus der verspäteten Insolvenzeröffuung ergebenden Folgen fiir Gesellschaft, Gesellschafter, Geschäftsführer und Gesellschaftsgläubiger wird hier besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da es sich bei allen vom Bundesgerichtshof unter dem Stichwort des 75 BGH, BB 1958, 1181 f. = ausfiihrlicher Abdruck in WM 1958, 1416 f. (zur Anzeigepflicht nach § 83 Abs. 1 AktG 1937); BaumbachlHueck/Zöllner, GmbHG, § 49 Rn. 15; HachenburglHüffer, GmbHG, § 49 &1. 21 mwN. 76 Mertens, AG 1983, 173, 175 im Anschluß an LutterlHommelhofflTimm, BB 1980, 737, 739 Geweils zu § 92 Abs. 1 AktG); ebenso W Müller, ZGR 1985, 191, 194; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rn. 21. Die von Martens (ZGR 1972,254,269 ff.) vorgenommene Deutung des § 92 Abs. 1 AktG als Publizitätsnorm, die den Schutz der Aktionäre vor Ausnutzung von Insiderkenntnissen bezwecke, erscheint bereits fiir die Aktiengesellschaft zweifelhaft, da die notwendige Öffentlichkeit bereits durch § 121 Abs. 3 AktG gewährleistet wird. Sie läßt sich jedenfalls auf den § 49 Abs. 3 GmbHG nicht übertragen (zutreffend Mertens, AG 1983,173,175). 77 W Müller, ZGR 1985,191,204 ff. mwN. in Fn. 48.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns entschiedenen Fällen um Insolvenzsachverhalte gehandelt hat. Die eigentlich zahlungspflichtigen Gesellschaften waren entweder völlig vermögenslos oder sie verfügten jedenfalls nicht mehr über ein zur Gläubigerbefriedigung ausreichendes Vermögen. In der "Autokran"-Entscheidung blieb die gegen die abhängigen Gesellschaften mbH betriebene Zwangsvollstreckung ohne Erfolg, da "alle Leasingnehmer-Gesellschaften schließlich vermögenslos" waren.7 8 In der "Tiefbau"-Entscheidung war bereits das Konkursverfahren über das Vermögen der abhängigen GmbH eröffnet worden.7 9 In der "Video"-Entscheidung blieb die in das Vermögen der GmbH betriebene Zwangsvollstreckung erfolglos. Die GmbH wurde später nach § 2 LöschG wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. 80 In der "TBB"-Entscheidung waren die "TBB"-GmbH selbst sowie sämtliche anderen Gesellschaften, an denen der persönlich in Anspruch genommene Gesellschafter beteiligt war, vermögenslos. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse zurückgewiesen.8 1 In der "Fertighaus II"-Entscheidung wurde zunächst über das Vermögen der GmbH, dann über das der OHG das Konkursverfahren eröffnet. In der "Architekten"-Entscheidung war die anspruchsverpflichtete GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden.8 2 In der "Betriebsfortführung"-Entscheidung war die anspruchsverpflichtete GmbH im Handelsregister gelöscht worden, nachdem die Eröffnung eines Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden war. 83

b) Die Insolvenzgründe

Nach § 63 GmbHG findet das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH außer im Falle der Zahlungsunfähigkeit auch im Falle der Überschuldung statt.

78 So wörtlich der Bundesgerichtshof im Tatbestand der "Autokran"-Entscheidung, vgl. BGHZ 95, 330, 331. 79 BGHZ 107, 7, 16. Aus welchem Grund das Konkursverfahren eröffnet worden war, wird im Entscheidungstatbestand nicht ausdrücklich mitgeteilt. In den Gründen heißt es jedoch, daß "nicht nur der Verlust des Stammkapitals, sondern darüber hinaus auch eine eingetretene Überschuldung" auszugleichen sei. 80 BGHZ 115, 187, 188. 81 BGHZ 122, 123, 124. 82 BGH, BB 1995,997. 83 BGH, NJW 1996,1283.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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Bei natürlichen Personen Wld bei Kaufleuten, bei denen zwnindest eine natürliche Person persönlich fiir die Unternehmensverbindlichkeiten haftet, ist die ZahlWlgsunfähigkeit der alleinige KOnkursgrWld. 84 ZahlWlgsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen wegen des voraussichtlich dauernden Mangels an ZahlWlgsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden zu erfüllen. 85 Sie ist gemäß § 102 Abs. 2 KO insbesondere dann anzunehmen, wenn ZahIWlgseinstellWlg erfolgt ist, d.h. wenn nach außen erkennbar ist, daß der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seinen ZahlWlgspflichten nachzukommen. 86 Bei der GmbH wie bei allen Unternehmensträgern, bei denen keine natürliche Person persönlich Wld Wlbeschränkt fiir die Unternehmensverbindlichkeiten haftet, tritt neben die ZahlWlgsunfähigkeit die ÜberschuldWlg als KonkursgrWld hinzu. 87 Da die ÜberschuldWlg der ZahlWlgsunfähigkeit im Regelfall vorausgeht, wollte der Gesetzgeber im Interesse der Gläubiger, die nur auf das Vermögen der Gesellschaft zugreifen können, die EinleitWlg eines Insolvenzverfahrens auf einen Zeitpunkt vor Eintritt der ZahlWlgsunfähigkeit vorverlagern. Auf diese Weise sollte einer fortschreitenden AushöhlWlg des Gesellschaftsvermögens Einhalt geboten werden. 88

c) Der Insolvenzgrund der Überschuldung Nach der Legaldefinition des § 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG liegt der KonkursgrWld der ÜberschuldWlg vor, "wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt."89 Trotz dieses eindeutigen Gesetzeswortlauts ist es umstritten, wann eine Gesellschaft überschuldet ist.

84 § 102 Abs. 1 Kü; § 131 Nr. 3 HGB. 85 HachenburglVlmer, GmbHG, § 63 Rn. 15. 86 HachenburglVlmer, GmbHG, § 63 Rn. 17.

87 § 92 Abs. 2 AktG; §§ 98,99 GenG; §§ BOa Abs. 1, 177a Satz 1 HGB; §§ 207, 208,209,213 Kü. 88 Begründung des Entwurfs zur Konkursordnung von 1877, bei Hahn, S. 391 f. 89 Der Begriff der Überschuldung ist von den Begriffen Unterbilanz, Masselosigkeit und Vermögenslosigkeit zu unterscheiden: Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Reinvermögen der Gesellschaft kleiner ist als der Betrag ihres Stammkapitals. Masselosigkeit liegt vor, wenn das Aktivvermögen der Gesellschaft nicht ausreicht, um die Kosten des Konkursverfahrens zu decken (§ 107 Abs. 1 Kü). Vermögenslosigkeit liegt vor, wenn

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

aa) Die EntwicklWlg des ÜberschuldWlgsbegrifIs Einigkeit besteht darin, daß die ÜberschuldWlg der Gesellschaft durch eine besondere Bilanz, den ÜberschuldWlgsstatus, festzustellen ist. Der ÜberschuldWlgsstatus dient dem Zweck, die Werte zu ennitteln, die im Konkursfalle tatsächlich zur Befriedigoog der Gesellschaftsgläubiger zur Verfiigoog stehenYo In ihn sind daher auf der Aktivseite alle im Falle alsbaldiger KonkurseröfInWlg verwertbaren Vennögensgegenstände Wld auf der Passivseite diejenigen Verbindlichkeiten, die im Konkursfall aus der Masse bedient werden müssen, einzustellen. 91 Umstritten war jedoch, wie die Aktiva Wld Passiva im ÜberschuldWlgsstatus zu bewerten seien. Im wesentlichen wurden folgende Ansichten vertreten: 92 -

Die BewertWlg sollte ausschließlich Wlter der Annahme der FortfiihrWlg des Unternehmens erfolgen.

-

Die BewertWlg sollte ausschließlich Wlter der Annahme der Liquidation des Unternehmens erfolgen.

-

Es sollte eine kumulative Prüfimg Wlter der Annahme sowohl der FortfiihrWlg- als auch der Liquidationsprämisse vorgenommen werden.

-

Es sollte eine alternative Prüfimg nach der wahrscheinlicheren Annahme vorgenommen werden.

bb) Die heute herrschende MeinWlg Die heute in RechtsprechWlg Wld Schrifttum herrschende MeinWlg93 stellt die sog. "rechtliche ÜberschuldWlg" in einem zweistufigen Verfahren fest. Zunächst müsse eine "rechnerische .ÜberschuldWlg" vorliegen. Diese sei gegeben, die Gesellschaft kein Aktivvennögen mehr besitzt (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 24). 90 BGH, WM 1992, 1650, 1654. 91 ScholzJK. Schmidt, GmbHG, § 63 Rn. 14. 92 Überblick nach ScholzJK. Schmidt, GmbHG, 7. Aufl. 1988, § 63 Rn. 11.

93 BGHZ 119, 201, 214; BGHZ 126, 181, 199 = NJW 1994, 2220, 2224; grundlegend K. Schmidt, AG 1978, 334 ff.; Uhlenbruck in Insolvenzrechts-Handbuch, § 9 Rn. 14-16; Timm/Körber in Insolvenzrechts-Handbuch, § 80 Rn. 7-10; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 28 ff., insb. Rn. 36; BaumbachIHueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, § 63 Rn. 10 und 11; ScholzJK. Schmidt, GmbHG, § 63 Rn. 10.

11. Das Gläubigerschutzsystern des GmbH-Gesetzes

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wenn mittels einer ÜberschuldWlgsbilanz festgestellt werde, daß das Aktivvermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten Wlter EinbeziehWlg der stillen Reserven die gegenüber den Gläubigern bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decke. Das Vorliegen einer rechnerischen ÜberschuldWlg allein löse die Konkursantragspflicht jedoch noch nicht aus. Weiterhin erforderlich sei, daß eine Prognose über die Fortbestehensfähigkeit der Gesellschaft negativ ausfalle. In dieser hätten die Geschäftsfiihrer auf der GrWldlage "sorgfältiger betriebswirtschaftlicher Analyse der Rentabilität des Unternehmens, seiner FinanzieTWlg sowie fundierter ErwartWlgen hinsichtlich seiner künftigen EntwickIWlg"94 zu prüfen, ob die Gesellschaft lebensfähig sei Wld mit ihrer Liquidation auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden müsse. 95 Dabei treffe den Geschäftsfiihrer jedenfalls dann, wenn die Gesellschaft handelsbilanziell überschuldet sei, die Beweislast für ihre F ortfiihrWlgsfähigkeit. 96 Begründet wird die Notwendigkeit dieser PrognoseentscheidWlg damit, daß sich die Absicht des Gesetzgebers, die KonkurseröffnWlg vorzuverlagern, nur mit Hilfe dieses prognostischen Elements verwirklichen lasse, da es andererseits auch gelte, fortfiihrWlgs- Wld sanieTWlgsfähige Unternehmen am Leben zu erhalten. 97 Sei ein Unternehmen bei Ansatz von Liquidationswerten rechnerisch überschuldet, so indiziere das zwar seine Konkursreife, ermögliche aber keine abschließende Aussage darüber. Würde allein die rechnerische ÜberschuldWlg zur KonkurseröffnWlg verpflichten, so wären wegen des Eigenkapitalmangels deutscher Unternehmen viele lebensfähige Unternehmen konkursreif. 98 Die IndizwirkWlg der rechnerischen ÜberschuldWlg müsse durch eine positive Fortbestehensprognose widerlegt werden können, da in diesem Fall eine GläubigergefährdWlg Wld damit die Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens objektiv nicht gegeben sei. Der gesetzliche ÜberschuldWlgstatbestand sei daher teleologisch zu reduzieren: Eine zur StellWlg des Konkursantrages verpflichtende rechtliche

94 Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992, Band I, Abschnitt T Rn. 23, S. 1447. 95 Ähnlich der Bundesgerichtshof (BGHZ 119, 201, 214), der prüft, ob die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig zur Fortführung des Unternehmens ausreiche. 96 BGHZ 126, 181,200.

97 Timm/Körber in Insolvenzrechts-Handbuch, § 80 Rn. 7; K. Schmidt, AG 1978, 334,336; ders., ZIP 1980,233,235 ff. 98 HachenburglVlmer, GmbHG, § 63 Rn. 32 rnwN.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

Überschuldung bestehe erst dann, wenn das Unternehmen rechnerisch überschuldet sei und die Fortbestehensprognose negativ ausfalle,99

cc) Gegenansichten Gegen die teleologische Reduktion des Überschuldungstatbestandes wird die mit der Prognose über die Lebensfähigkeit des Unternehmens verbundene Unsicherheit geltend gemacht. 100 Durch die von der Geschäftsführung der in der Krise befmdlichen Gesellschaft zu erstellende Prognose werde der Überschuldungstatbestand von deren subjektiven Wertvorstellungen abhängig gemacht. Dadurch würden Manipulationsspielräume eröffnet, die es verhinderten, den Zeitpunkt, an dem der Konkursantrag zu stellen sei, exakt zu bestimmen. 101 Es sei daher nicht gewährleistet, daß die Einleitung eines insolvenzrechtlichen Verfahrens so frühzeitig erfolge, daß die Gesellschaftsgläubiger mit der Befriedigung ihrer Forderungen rechnen können. I 02

dd) Eigene Stellungnahme Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Auslegung des Überschuldungstatbestandes hat seine gläubigerschützende Funktion zu sein. Die Vorverlagerung der Konkurseröffnung soll verhindern, daß das Gesellschaftsvermögen zu einem Zeitpunkt, da es zur Schuldendeckung bereits nicht mehr ausreicht, weiter aufgezehrt wird und die Gesellschaftsgläubiger dadurch mit ihren Forderungen ausfallen. Diesem Zweck hat auch der Überschuldungsstatus zu dienen, durch den festgestellt werden soll, welche Vermögenswerte der Gesellschaft bei Einleitung eines Insolvenzverfahren zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehen. 103

99 Begründung nach K. Schmidt, AG 1978, 334, 337/338. 32.

100 Meyer-Cording, BB 1985, 1925, 1926; HachenburglUlmer, GmbHG, § 63 Rn. 101 Drukarczyk, ZGR 1979, 553, 564 f.

102 Vormbaum/Baumanns, DB 1984, 1971, 1972. 103 EgnerlWoljJ, AG 1978, 99; ScholliK. Schmidt, GmbHG, § 63 Rn. 14.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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(1) Ansatz von Liquidationswerten Nach dem Bewertungsgrundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB dürfen Fortfiihnmgswerte nur dann angesetzt werden, wenn dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Die Einleitung eines Zwangsinsolvenzverfahrens stellt eine derartige Gegebenheit dar. Im Konkurs verlieren die Gesellschafter ihre Verwaltungs- und Verfiigungsbefugnisse, die dann durch den Konkursverwalter ausgeübt werden (§ 6 KO). Im gerichtlichen Vergleichsverfahren unterliegt die Geschäftsfiihnmg der Überwachung des Vergleichsverwalters (§§ 38, 39 VerglO) und gegebenenfalls des Gläubigerbeirats (§§ 44, 45 VergIO); Verfiigungsbeschränkungen können dem Unternehmen gerichtlich auferlegt werden (§ 58 VergIO). Das Gesetz bestimmt also mit der Überschuldung den Zeitpunkt, an dem das Recht der Gesellschafter zur alleinigen Verfiigung über die Gesellschaft erlischt. Die Gesellschafter dürfen die Gesellschaft nunmehr nur noch unter Mitwirkung der Gesellschaftsgläubiger fortführen. I 04 Sowohl aus dem Zweck des Überschuldungsstatus' als auch aus § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergibt sich somit, daß in ihm Liquidationswerte anzusetzen sind. Der Liquidationswert entspricht bei Gegenständen des Anlagevermögens dem am Bilanzstichtag am Markt für gebrauchte Anlagegüter noch erzielbaren Absatzpreis (= Einzelveräußerungswert). Da der Einzelveräußerungswert eines abnutzbaren Gegenstandes des Anlagevermögens mit dessen Ingebrauchnahme beachtlich sinken kann, soll der Liquidationswert von betrieblich längere Zeit genutzten Anlagen mit dem Schrottpreis identisch sein. I 05 Diese Behauptung trifft wohl im Einzelfall, nicht aber allgemein zu. 106 So können abnutzbare Gegenstände des Anlagevermögens, die in der Handelsbilanz voll abgeschrieben worden sind, selbst bei der zwangsweisen Veräußerung noch einen Erlös erbringen. Bei nicht abnutzbaren Gegenständen des Anlagevermögens, etwa bei Grundstücken, liegt der Einzelveräußerungswert aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Marktpreissteigerungen regelmäßig höher als der Anschaffungswert. Derartige stille Reserven dürfen im Überschuldungsstatus aufgelöst werden, da die für die Handelsbilanz geltenden Grundsätze der Bilanzstetigkeit und das

104 Drukarczyk, WM 1994, 1737, 1738; Selchert in KütinglWeber, Handbuch der Rechnungslegung, HGB, § 252 Rn. 37. 105 Wöhe, Die Handels- und Steuerbilanz, § 12 1., S. 91. 106 Rowedder in RowedderlFuhrmannlKoppensteiner, GmbHG, § 63 Rn. 12.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

Höchstwertprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) hier keine Anwendoog finden. 107

(2) Keine teleologische Reduktion des § 64 Abs. 1 GmbHG durch eine negative Fortbestehensprognose

Fraglich ist, ob es angemessen ood notwendig ist, den Überschuldoogstatbestand des § 64 Abs. 1 GmbHG dadurch teleologisch zu reduzieren, daß man neben der rechnerischen Überschuldoog eine negative Fortbestehensprognose verlangt.

(a) Der Interessenkonflikt

Die von der herrschenden Meinoog vorgenommene teleologische Reduktion des Überschuldoogstatbestandes resultiert aus dem Verlangen, zwei gegenläufigen Interessen gerecht zu werden: Zwn einen dem Interesse der Gesellschaft bzw. der an ihr beteiligten Gesellschafter, das notleidende Unternehmen weiterzufUhren, solange eine SanieTlIDg möglich erscheint; zum anderen dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger, daß ihre FordeTlIDgen in voller Höhe beglichen werden. Beide Interessen sind berechtigt. Fraglich ist lediglich, wie die mit ihnen jeweils einhergehenden Risiken angemessen zu verteilen sind.

(b) Die angemessene Risikoverteilung

Den Gläubigern einer GmbH steht nach § 13 Abs. 2 GmbHG als HaftlIDgsobjekt lediglich das Gesellschaftsvermögen zur Verfiigoog. Dieses kann geschmälert werden durch Auszahloogen an die Gesellschafter oder durch Verluste' die auf verschiedensten Ursachen (schlechte Konj1IDkturlage, Mißmanagement, Zufall) beruhen können. Gegen vermögenswerte Zuwendoogen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter, die das zur Erhaltlillg des Stammkapitals erforderliche Vermögen angreifen, schützen die §§ 30 ff. GmbHG.I08 Gegen das Risiko wirtschaftlicher Verluste kann ein rechtlicher Schutz nicht ge107 Menger, GmbHR 1982,221,223.

108 Dazu oben Zweiter Teil, n 2.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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währleistet werden. Jedoch verpflichtet § 64 GmbHG die Geschäftsführer, die EröfImmg des Konkurs- oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen, wenn das Kapital, mit dem die Gesellschafter die allein haftende Gesellschaft ausgestattet haben, infolge wirtschaftlicher Verluste aufgebraucht ist. Dahinter steht folgender Sinn: Würde die Gesellschaft fortgeführt werden, könnte es zu weiteren Verlusten kommen. Das den Gläubigem haftende Vermögen der Gesellschaft würde dann kleiner als das Fremdkapital, verstanden als Summe aller Verbindlichkeiten. Die vorhandene Haftungsmasse reichte nicht mehr aus, um alle Gläubiger - bei sofortigem Fälligwerden der Verbindlichkeiten - in voller Höhe zu befriedigen. Da die Gläubiger auf das Privatvermögen der Gesellschafter nicht zurückgreifen können, würden sie mit ihren Forderungen zumindest teilweise ausfallen. Es käme zu einer unmittelbaren Gläubigerschädigung.109 Das mit der Weiterführung des angeschlagenen Unternehmens verbundene wirtschaftliche Risiko würde nicht von der Gesellschaft bzw. den an ihr beteiligten Gesellschaftern getragen, sondern auf die Gesellschaftsgläubiger abgewälzt. Eine derartige Risikoverteilung ist unangemessen. Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen darf nicht dahingehend verstanden werden, daß die Gesellschafter ihre unternehmerischen Gewinnchancen für sich beanspruchen, während sie das unternehmerische Verlustrisiko mit Ausnahme des von ihnen aufzubringenden Stammkapitals vollständig auf die Gläubiger abwälzen können. I 10 Daß eine derartige Risikoverlagerung vom GmbH-Gesetz nicht gewollt ist, ergibt sich daraus, daß die Gesellschaft zur Konkurs- oder Vergleichsanmeldung verpflichtet ist, wenn ihr Vermögen nicht mehr ihre Schulden deckt. Der GmbH-Gesetzgeber hat insoweit dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger an möglichst vollständiger Befriedigung ihrer Forderungen Vorrang vor der Fortführung des in die Krise geratenen Unternehmens eingeräumt. 111 Dementsprechend führt der Bundesgerichtshof aus: "Die Konkursantragspflicht ergänzt den mit den Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften bewirkten Gläubigerschutz; zusammen mit diesen stellt sie die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar." Die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft (§ 13 Abs. 2 GmbHG) verliere ihre Legitimation, "wenn dieses Vermögen vollständig verwirtschaftet ist. Die Konsequenz 109 Vonnemann, Haftung bei Unterkapitalisierung, S. 50. So aber Kallfass, in: MestmäckerlBehrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 19,33 ff. 111 Vonnemann, Haftung bei Unterkapitalisierung, S. 51. 110

7 GäISCh

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

besteht nach dem Gesetz nicht in einer nunmehr einsetzenden persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern darin, daß die für die Geschäftsfiihrung verantwortlichen Personen durch KonkursanmeldWlg für eine rechtzeitige BeseitigWlg der Gesellschaft zu sorgen haben. " 112

(c) Gründe gegen die Fortbestehensprognose Die SanieTWlg eines angeschlagenen, aber sanieTWlgsfahigen Unternehmens ist ein aus volkswirtschaftlichen Gründen zu beachtendes Interesse. Fraglich ist allerdings, wer das Risiko der SanieTWlg zu tragen hat, der oder die Gesellschafter als zumindest mittelbare Träger des Unternehmens oder die Unternehmensgläubiger. Unternehmerisches Handeln ist für den Unternehmer mit der Chance, Gewinne zu erzielen, Wld dem Risiko, Verluste zu machen, verbWlden. Die Gesellschafter einer GmbH beschränken ihr Verlustrisiko von vorneherein auf einen bestimmten Kapitaleinsatz. Daher muß, wenn das eingesetzte Kapital aufgebraucht ist, entweder das Unternehmen eingestellt oder aber dafür gesorgt werden, daß ihm neues Risikokapital zugeführt wird. Das mit der SanieTWlg Wld Fortfiihrung eines Unternehmens verbWldene Risiko ist also typisches Unternehmerrisiko, nicht aber Gläubigerrisiko. Diese RisikoverteilWlg wird dann nicht beachtet, wenn ein bereits rechnerisch überschuldetes Unternehmen allein aufgTWld einer von der GeschäftsfühTWlg zu erstellenden positiven Überlebensprognose fortgeführt werden darf. Zwar soll die Prognose objektiv vorgenommen werden Wld die Unternehmensleitung zur Selbstprüfimg verpflichten, anstatt ihr die "Freiheit zum Selbstbetrug" zu gewähren. l13 Erforderlich für die PrognoseerstellWlg soll eine LiquiditätsplanWlg nach betriebswirtschaftlichen GrWldsätzen sein. 114 Damit wird jedoch das Problem lediglich aus dem juristischen in den betriebswirtschaftlichen Bereich verlagert. Auch die Betriebswirtschaft ist nicht in der Lage, Kriterien für eine mit Sicherheit oder auch nur mit großer Wahrscheinlichkeit zutreffende PrognoseentscheidWlg aufzustellen, da Prognosen stets Aussagen über zukünftige Zustände, Abläufe oder Ereignisse enthalten. 11 5 Einer Prognoseentschei-

112 BGHZ 126, 181, 197 = NJW 1994,2220,2223 mwN. 113 ScholzJK Schmidt, GmbHG, § 63 Rn. 10. 114 ScholzJK Schmidt, GmbHG, § 63 Rn. 12. 115 Ausführlich Rückle, DB 1984,57,67 f.; W Müller, ZGR 1985, 191, 199.

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dung haftet immer die subjektive Einschätzung desjenigen an, der sie vornirnmt. 116 Eine objektive Prognose gibt es nicht. Objektivierbar sind allenfalls die Voraussetzungen, auf die eine Prognoseentscheidung gegründet werden kann. Es ist daher kaum zu erwarten, daß von den Geschäftsführern - oder gar von den Gesellschafter-Geschäftsführern - einer angeschlagenen GmbH eine zutreffende Aussage über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens gemacht wird. Die Gesellschafter einer zerschlagungsreifen Gesellschaft erhalten bei deren Auflösung eine Liquidationsquote von Null, während sie bei der Fortfiihrung immerhin die Chance haben, dem Unternehmen weitere Mittel zu entziehen. 1I7 Die durch das Prognoseverfahren erzeugte Rechtsunsicherheit gefährdet nicht nur die Gesellschaftsgläubiger, sondern auch die Geschäftsführer. Diesen drohen Schadensersatzrisiken von zwei Seiten: 118 Melden sie zu früh Konkurs an, so sind sie der Gesellschaft wegen nicht ordnungsgemäßer Geschäftsfiihrung aus § 43 GmbHG schadensersatzpflichtig; melden sie zu spät Konkurs an, so treffen sie die Ersatzpflichten aus § 64 Abs. 2 GmbHG gegenüber der Gesellschaft und aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Darüber, daß eine den Geschäftsführern anvertraute Prognoseentscheidung über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens dem durch die §§ 63,64 GmbHG bezweckten Gläubigerschutz zuwiderläuft, legt die Vielzahl masseloser Insolvenzen gerade von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen ein beredtes Zeugnis ab. Im Jahre 1993 wurden im alten Bundesgebiet 12.821 (1992: 9.828) Unternehmen insolvent. Der Anteil der Gesellschaften mbH daran betrug 7.825 (1992: 5.898), das entspricht 61 Prozent (1992: 60 Prozent).119 In 5.040 Fällen (1992: 3.774 Fällen), das entspricht jeweils 64 Prozent, wurde ein Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet. Von den 1992 insgesamt infolge von Unternehmensinsolvenzen festgestellten Verlusten in Höhe von 7.967 Millionen DM (1991: 4.391 Millionen DM) entfielen allein auf

116 W. Müller, ZGR 1985, 191, 199. 117 Zutreffend Drukarczyk, ZGR 1979, 553,565. 118 Lutter, DB 1994, 129, 134; K. Schmidt, ZTP 1988, 1497, 1505.

119 Das Zahlenmaterial entstammt den Insolvenzstatistiken 1992 und 1993, abgedruckt in dem Statistischen Jahrbuch 1993, S. 150 ff. und dem Statistischen Jahrbuch 1994, S. 150 ff. Rechtstatsächliche Ausführungen zur Insolvenz von Gesellschaften mbH bei Hachenburg/lßmer, GmbHG, § 63 Rn. 11.

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die GmbH 5.273 Millionen DM (1991: 2.890 Millionen DM); das entspricht jeweils 66 Prozent. Die Konkursquote, die die bevorrechtigten Konkursgläubiger der GmbH erhielten, betrug im Jahre 1991 19,5 Prozent, die der nichtbevorrechtigten Gläubiger vier Prozent. 120 Die Gesellschaftsgläubiger gehen daher, wenn sie ihre Forderungen nicht anderweitig zu sichern vermochten, häufig völlig leer aus. Sie sind es damit letztendlich, die das Risiko wirtschaftlicher Verluste des von der GmbH betriebenen Unternehmens tragen. Für die große Zahl der Insolvenzen spielt die geringe Eigenkapitalausstattung 121 der in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen eine entscheidende Rolle. Eine Auswertung der der Deutschen Bundesbank eingereichten Jahresabschlüsse hat ergeben, daß die Hälfte der erfaßten Kapitalgesellschaften einen Eigenkapitalanteil von unter 9,8 Prozent aufweist. 122 Darüber hinaus dürfte die Insolvenzanfälligkeit von Gesellschaften mbH darauf beruhen, daß es sich häufig um neugegriindete Unternehmens handelt, die besonders insolvenzanfällig sind. 123 Dabei ist die Unternehmensinsolvenz nicht das eigentliche Problem, da sie sich als marktwirtschaftlicher Ausleseprozeß begreifen läßt. Problematischer erscheint aus Gläubigersicht, daß ein Insolvenzverfahren häufig mangels Masse gar nicht erst eröffnet wird bzw. daß im Falle der Konkurseröffnung die nichtbevorrechtigten Gläubiger nur eine geringe Konkursquote erwarten können. Die entscheidende Ursache dafiir dürfte darin liegen, daß immer weniger und immer 120 Zwn Vergleich: Bei der Aktiengesellschaft betrug die Konkursquote der bevorrechtigten Gläubiger 99,9 Prozent, die der nichtbevorrechtigten Gläubiger immerhin noch 20,1 Prozent. 121 Grundsätzlich gilt: Je größer die Ausstattung eines Unternehmens mit Eigenkapital ist, desto geringer ist das Insolvenzrisiko. Gerade aber die mangelnde Eigenkapitalausstattung (sog. Unterkapitaiisierung) von in der Rechtsfonn der GmbH betriebenen Unternehmen ist ein altbekanntes Problem. Das GmbH-Recht scheint keine Lösung bereitzustellen. Das juristische Schrifttum verweist resignierend darauf, daß auch die Betriebswirtschaftslehre es bislang nicht vennocht habe, Grundsätze über eine angemessene Eigenkapitalausstattung zu entwickeln, so daß es bei der als unzureichend empfundenen Aufbringung und Erhaltung eines Mindeststammkapitals von 50.000 DM bleiben müsse. Auch eine persönliche Inanspruchnahme der Gesellschafter im Wege des Haftungsdurchgriffs will die h.M. selbst bei evidenter Unterkapitalisierung der GmbH nicht zulassen (dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4, S. 205 ff.). 122 Hansen, GmbHR 1996, 327, 330. 123 Nach Hansen (GmbHR 1996, 327, 330) bestanden drei Viertel aller insolventen Unternehmen noch nicht länger als acht Jahre.

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später Konkursanträge gestellt werden. 124 Kommt es endlich zur Insolvenzanmeldung, ist verwertbares Aktivvermögen überhaupt nicht mehr oder nur noch in geringem Maße vorhanden. Die häufig verspätete Verfahrenseinleitung wiederum dürfte auf der Unklarheit beruhen, die in Rechtsprechung und Lehre im Hinblick auf die Auslegung des Konkurseröffnungstatbestandes der Überschuldung besteht. Erforderlich ist es also, fiir eine rechtzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahren zu sorgen. 125 Dabei erweist sich die von der herrschenden Meinung durch die Hinzunahme der negativen Fortbestehensprognose vorgenommene teleologische Reduktion des Überschuldungstatbestandes als kontraproduktiv. Sie ermöglicht es der Geschäftsftihrung der in der Krise befindlichen GmbH, den Konkursantrag hinauszuzögern, und führt somit zu einer weder vom Gesetzgeber noch von den Befiirwortern der herrschenden Meinung gewollten verspäteten Konkursanmeldung.

(3) Möglichkeiten zur Beseitigung der rechnerischen Überschuldung Die Behauptung der Vertreter der herrschenden Auffassung, daß bei wortlautgetreuer Anwendung des § 64 Abs. 1 GmbHG eine Vielzahl rechnerisch überschuldeter, aber sanierungsfähiger Unternehmen ihren Betrieb einzustellen hätten,l26 triffi: nicht zu. Die Konkurs- oder Vergleichsanmeldung ist nicht die einzig verbleibende Reaktionsmöglichkeit fiir die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter. Vielmehr stehen verschiedene Wege offen, den Tatbestand der rechnerischen Überschuldung zu beseitigen. So können die Geschäftsführer, die gegenüber der Gesellschaft zur Prüfung und gegebenfalls Wahmehmung von Sanierungsmöglichkeiten verpflichtet sind,127 darauf hinwirken, daß die Gesellschaftsgläubiger ganz oder teilweise auf ihre gegenüber der Gesellschaft bestehenden Forderungen verzichten (Entschuldung).128 Die Gesellschafter oder Dritte können dem Gesellschaftsvermögen neue Mittel zuführen. Erforderlich ist, daß diese im Überschuldungsstatus nicht zu passivieren sind, da sie im Konkurs der Gesellschaft nicht geltend gemacht werden. Im wesentlichen kommt 124 Meyer-Cording, ZIP 1989,485.

125 Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 180. 126 Vgl. LutterlHommelhoff, GmbHG, § 63 Rn. 4; TimmlKörber in Insolvenzrechts-

Handbuch, § 80 Rn. 8. 127 Uhlenbruck, GmbHR 1995, 81, 86. 128 Vonnemann, BB 1991,867,868.

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die Zufuhr von Eigenkapital durch die Gesellschafter,129 unter bestimmten Voraussetzungen aber auch die Zufuhr von Fremdkapital durch Dritte in Betracht. Die Eigenkapitalzufuhr kann zum einen in einem formalen Verfahren als Stammkapitalerhöhung im Sinne der §§ 55 ff. GmbHG erfolgen. 130 Das auf diese Weise zugeführte Eigenkapital unterliegt als Stammkapital der bilanziellen Bindung nach §§ 30, 42 Abs. 1 GmbHG. Es kann nur nach einer Herabsetzung des Stammkapitals (§ 58 GmbHG) an die Gesellschafter zurückgewährt werden. Zum anderen kann die Eigenkapitalzufuhr auch außerhalb eines solchen Verfahrens in Form von Nachschüssen erfolgen (§§ 26-28 GmbHG).131 Derartige Nachschüsse unterliegen nicht der bilanziellen Bindung von Stammkapital und können, sobald die Gesellschaft nicht mehr überschuldet ist und keine Unterbilanz mehr vorliegt, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden (§ 30 Abs. 2 GmbHG). Auch Dritte können durch die Zufuhr von Fremdmitteln die Überschuldung beseitigen. Voraussetzung dafür ist, daß der Dritte seine Forderung im Konkurs der Gesellschaft nicht geltend machen kann. Das ist der Fall, wenn das Darlehen mit einer Rangrücktrittsvereinbarung gegenüber allen anderen Gesellschaftsgläubigern versehen wurde oder wenn es unter der Bedingung gewährt wurde, daß die Rückzahlung aus künftigen, nicht zur Verlustdeckung erforderlichen Gewinnen der Gesellschaft erfolgen soll. 132 Dritte, die der Gesellschaft zum Zwecke der Sanierung des Gesellschaftsunternehmens Kapital zur Verfügung 129 Vonnemann, Haftung bei Unterkapitalisierung, 53; Drukarczyk, ZGR 1979, 553, 558. 130 Die Wahrung der Drei-Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG dürfte bei der Erhöhung des GmbH-Stammkapitals keine Schwierigkeiten bereiten (dazu K. Schmidt, ZIP 1980,328,334). 131 K. Schmidt (ZGR 1982, 519, 526) meint, daß Nachschußleistungen der Gesellschafter als Sanierungsmethode vernachlässigt werden könnten, da Nachschüsse einerseits von allen Gesellschaftern geleistet werden müßten und andererseits nur von diesen geleistet werden könnten. Eine Nachschußsanierung versage, wenn diesbezüglich kein Konsens der Gesellschafter vorhanden sei, wenn eine anteilmäßige Teilnahme aller Gesellschafter an den Zuschußleistungen nicht gesichert sei und wenn Dritte Einlagen in das Eigenkapital der Gesellschaft beisteuern sollten. Indes schließen es die von K. Schmidt genannten Gründe nicht aus, Nachschußleistungen der Gesellschafter als eine Möglichkeit der Unternehmenssanierung anzuerkennen. 132 Vgl. BGH, BB 1987,728; OLG Hamburg, ZIP 1986, 1113, 1115; Priester, DB 1977,2429; Timm/Körber in Insolvenzrechtshandbuch, § 82 Rn. 3, S. 782; Kamprad, GmbHR 1985, 352, 353; BaumbachIHueck/G. Hueck, GmbHG, § 32a, Rn. 12; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 46a; Rodewald, GmbHR 1996, 194, 196 mit Formulierungsvorschlägen.

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stellen, das an wirtschaftlichen Verlusten teilnimmt, beteiligen sich dadurch an dem unternehmerischen Risiko, das die Sanienmg eines Unternehmens beinhaltet. Sie werden das Risiko, das sie eingehen, von erhöhten Gegenleistungen oder persönlichen Sicherheiten abhängig machen. Sowohl die Gesellschafter als auch Dritte werden dann bereit sein, Sanienmgskapital in das überschuldete Unternehmen zu investieren, wenn eine Prognose über seine Fortfiihrungsfähigkeit positiv ausfällt. Insofern ist eine Fortbestehensprognose sinnvoll. Sie wirkt aber nicht im Außenverhältnis der Gesellschaft und ihren Gläubigem, sondern im gesellschaftlichen Innenverhältnis, indem sie die Entscheidung der Gesellschafter über die Hingabe weiterer Eigenmittel bestimmen kann. Eine so verstandene Fortfiihrungsprognose führt dazu, daß die Gesellschafter und die sich an der Sanienmg beteiligenden Dritten,' nicht aber die sonstigen Gesellschaftsgläubiger das Risiko tragen, daß die prognostizierte Entwicklung eintritt. Sie tragen somit das mit der Sanienmg einhergehende wirtschaftliche Risiko. Da es sich dabei um ein typisches Unternehmerrisiko handelt, ist diese Risikoverteilung angemessen. Die Zufuhr von Eigenkapital ist nicht unmittelbare Rechtspflicht, sondern nur mittelbar aus § 64 GmbHG folgende Obliegenheit der Gesellschafter: Führen sie bei Eintritt der rechnerischen Überschuldung keine weiteren Eigenmittel zur Deckung weiterer Verluste zu, dann verlieren sie die Befugnis, das Unternehmen allein, d.h. ohne Mitwirkung der Unternehmensgläubiger, fortzufiihren.

ee) Ansatz eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus? Fraglich ist, ob bei der Feststellung der rechnerischen Überschuldung eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen auf der Passivseite des Überschuldungsstatus' zu verbuchen sind. 133 Für ihre Berücksichtigung im Überschul133 Bejahend: OLG Hamburg, ZIP 1986, 1113, 1115; Timm/Körber in Insolvenzrechts-Handbuch, § 82 Rn. 4, S. 782; K. Schmidt, in: FS Goerdeler, S. 487, 505 ff.; ders. in Scholz, GmbHG, §§ 32a, 32b Rn. 54, § 63 Rn. 27; Kamprad, GmbHR 1985, 352, 353; Priester, DB 1977,2429,2432; HachenburglWmer, GmbHG, 7. Aufl., § 63 Rn. 41; BaumbachIHuecklG. Hueck, GmbHG, § 32a Rn. 12; BaumbachIHuecklSchulzeOsterloh, GmbHG, § 63 Rn. 15; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 4 V 3, S. 94/95; dies., ZIP 1983, 127, 129. Verneinend: OLG München, NJW 1966,2366; NJW 1994, 3112, 3114; Kroppen, DB 1977,663,666; Menger, GmbHR 1982,221,227; Hommelhoff, WPg 1984, 629, 630 ff.; Joecks, BB 1986, 1681 f.; Rowedder in RowedderlFuhnnannlKoppensteiner,

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dungsstatus wird angeführt, die Einordnung von Gesellschafterleistungen als eigenkapitalersetzend könne im Einzelfall fraglich sein und häufig erst im Verlauf einer gerichtlichen Auseinandersetzung festgestellt werden. Wenn nicht sämtliche Gesellschafterleistungen - und damit auch eigenkapitalersetzende - passiviert würden, so werde ein mit dem Gläubigerschutzzweck des § 64 GmbHG nicht zu vereinbarender Unsicherheitsfaktor in die Überschuldungsberechnung hineingetragen. 134 Bei der Beantwortung der Frage, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zu berücksichtigen sind, ist wiederum vom Zweck des Überschuldungsstatus' auszugehen. In ihm sind solche Verbindlichkeiten auszuweisen, die als Masseschulden oder Konkursforderungen auf Kosten der Masse bedient werden müssen. Nach §§ 32a, 32b GmbHG und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen können eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen in der Insolvenz der Gesellschaft nicht von dieser zurückverlangt werden. Das für den Eigenkapitalersatz ausschlaggebende Merkmal der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft ist nach allgemeiner Ansicht jedenfalls immer dann erfiillt, wenn die Gesellschaft überschuldet ist. 135 Das bedeutet, daß im Stadium der Überschuldung jede Zuwendung eines Gesellschafters an die Gesellschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Sie wird dann wie Eigenkapital behandelt mit der Folge, daß der Gesellschafter die Zuwendung nicht von der Gesellschaft zurückfordern kann. Damit greift das von der herrschenden Meinung vorgebrachte Argument, die Nichtberücksichtigung von Gesellschafterleistungen im Überschuldungsstatus belaste die Gesellschaftsgläubiger mit zu hoher Rechtsunsicherheit, nicht: Während der Überschuldung ist jede Gesellschafterleistung evident eigenkapitalersetzend. Folgerichtig dürfen eigenkapitalersetzende GeseIlschafterleistungen in der zur Überschuldungsfeststellung zu errichtenden Bilanz somit nicht als Passivposten angesetzt werden, da eine Behandlung der GeseIlschafterleistung als Eigenkapital einerseits und als Fremdkapital andererseits widersprüchlich ist und den Gesellschafter doppelt belastet. Eine "Straffunktion" , die diese doppelte Belastung rechtfertigen könnte, kommt den §§ 32a, 32b GmbHG und den von der Rechtsprechung zu den eigenkapitalersetzenden

GmbHG, § 63 Rn. 14; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 63 Rn. 7; JaegerlWeber, KO, §§ 207, 208 Rn. 21; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 46a; zuletzt ausführlich Fleischer, ZIP 1996. 773 ff. 134 So OLG Hamburg, ZIP 1986, 1113, 1115. 135 BaumbachIHueck/G. Hueck, GmbHG, § 32a Rn. 44; ScholziK. Schmidt, GmbHG, §§ 32a, 32b Rn. 33.

11. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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Gesellschafterleistungen entwickelten Grundsätzen nicht zu, da diese Regeln Wlabhängig von einem Verschulden der Gesellschafter eingreifen.

d) Rechts/olgen verspäteter Kon/cursantragstellung Die VerletZWlg der Pflicht, rechtzeitig die EröffuWlg des Konkursverfahrens zu beantragen, kann - neben der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 84 GmbHG) - zivilrechtliche Schadensersatzpflichten nach sich ziehen. Dabei ist zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer Wld solchen der Gesellschaftsgläubiger gegen Gesellschaft, Geschäftsführer oder Gesellschafter zu Wlterscheiden.

aal Ersatzpflichten der Geschäftsführer Nach § 64 Abs. 2 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von ZahlWlgen verpflichtet, die nach Eintritt der ZahlWlgsunfähigkeit oder nach FeststellWlg der ÜberschuldWlg geleistet werden, es sei denn, daß die ZahlWlg mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar war. Soweit dieser Anspruch zur Befriedigoog der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, wird er nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Geschäftsführer bei der AuszahlWlg einen Gesellschafterbeschluß befolgt haben (§§ 64 Abs. 2 Satz 3, 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG) oder die Gesellschafter auf den Anspruch verzichtet haben (§§ 64 Abs. 2 Satz 3, 43 Abs. 3 Satz 2, 9 Abs. 1 GmbHG). Der BWldesgerichtshof bezeichnet den Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG als einen Ersatzanspruch eigener Art.136 Auszugleichen sei kein Schaden der Gesellschaft, sondern der Schaden der Gesellschaftsgläubiger, den diese durch die Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen zwischen dem Eintritt der Konkursreife Wld dem Konkursantrag erlitten hätten. Der Begriff der ZahlWlg in § 64 Abs. 2 GmbHG ist weit zu verstehen; verboten ist jede Form der MasseschmälerWlg. 137 Der Anspruch ist durch die Gesellschaft bzw. den Konkursverwalter geltend zu machen, AusgleichszahlWlgen sind in das Gesellschaftsvermögen zu leisten. 138

136 BGH, NJW 1974, 1089. 137 Schol71K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rn 24.

7.

138 Schol71K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rn. 35; LutterlHommelhoff, GmbHG, § 64 Rn.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

Eine direkte Außenhaftung der Geschäftsfiihrer gegenüber den Gläubigem der GmbH ergibt sich insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB, da § 64 Abs. 1 GmbHG als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger anerkannt ist. 139 Dieser Anspruch setzt Verschulden des Geschäftsfiihrers voraus. Weitere Anspruchsgrundlagen können sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB und aus § 826 BGB ergeben. 140 Hingegen erkennt die Rechtsprechung eine Vertreterhaftung des Geschäftsfiihrers aus c.i.c. wegen der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht über die schlechte Vermögenslage der GmbH nunmehr nur noch unter strengen Voraussetzungen an. So genügt die Stellung des Geschäftsfiihrers als Mehrheits- oder Alleingesellschafter selbst dann nicht zur Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses, wenn er zugunsten der GmbH Sicherheiten aus seinem eigenen Vermögen gestellt hat. 141

bb) Haftung des faktischen Geschäftsfiihrers Der Haftung wegen verspäteter Konkursanmeldung steht nach allgemeiner Auffassung nicht entgegen, daß die organschaftliche Bestellung zum Geschäftsfiihrer nichtig oder unwirksam ist. Zunächst erweiterten die Strafsenate des Bundesgerichtshofs 142 den Kreis der Normadressaten des §§ 64 Abs. 2, 84 GmbHG, indem auch derjenige wie ein Geschäftsfiihrer zur Verantwortung gezogen wurde, der die Geschäfte der GmbH tatsächlich wie ein Geschäftsfiihrer fUhrt, ohne als solcher bestellt worden zu sein (sog. "faktisches Organ"). Die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs und das Schrifttum haben sich dieser Auffassung angeschlossen. 143 Allerdings genügt es nicht, daß der maßgebliche Gesellschafter der Geschäftsfiihrung Weisungen erteilt und dadurch Einfluß nimmt. Erforderlich ist vielmehr, daß er mit Einverständnis der Mitgesellschafter aktiv an der Geschäftsfiihrung teilnimmt und nach innen und außen fiir die GmbH handelt. 144

139 Zuletzt BGHZ 126, 181, 190 = NJW 1994,2220,2222. 140 Ausführlich zum Ganzen Wimmer, NJW 1996,2546,2547 ff. 141 BGHZ 126, 181, 183 ff. 142 BGHSt 21, 101, 103 ff; 31, 118. 143 BGHZ 41, 282, 287; 75, 96, 106 "Herstatt"; BGH, ZIP 1988, 771 ff.; K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1500; ders. in Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 6; BaumbachlHueckiSchulzeOsterloh, GmbHG, § 64 Rn. 6; U. Stein, ZHR 148 (1984), 207 ff.

II. Das Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes

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cc) Umfang des Schadensersatzes ("Quotenschaden") Die herrschende Meinung beschränkt die Ersatzpflicht bei denjenigen Gläubigem, die ihre Forderung bereits vor dem Zeitpunkt erworben hatten, an dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen (sog. Altgläubiger), auf den Betrag, um den sich die Konkursquote, die sie bei rechtzeitiger Konkursanmeldung erhalten hätten, durch die verzögerte AntragsteIlung verringert hat (sog. Quotenschaden).145 Auch die sog. Neugläubiger, die die GläubigersteIlung erst nach Eintritt der Konkursantragspflicht erlangt haben und die daher bei rechtzeitiger Konkursantragsstellung keinen Schaden erlitten hätten, sollten nach der ursprünglichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur den Quotenschaden, berechnet auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung, ersetzt erhalten. 146 Diese Rechtsprechung war im Schrifttum kritisiert worden. 147 Nach der Entscheidung des Zweiten Zivil senats des Bundesgerichtshofs vom 6. Juni 1994 hat der die Konkursantragspflicht schuldhaft verletzende Geschäftsfiihrer den Neugläubigem nunmehr über den Quotenschaden hinaus jeden ihnen entstehenden Schaden zu ersetzen. 148

dd) Ersatzpflichten der Gesellschafter Das GmbH-Gesetz enthält keine Vorschrift, die die Gesellschafter einer GmbH zum Schadensersatz wegen verspäteter Insolvenzanmeldung verpflichtet. Die im Gesetzgebungsverfahren erhobene Forderung, daß jeder, der die Konkursantragspflicht verletze, den Gesellschaftsgläubigem persönlich haften müs-

144 BGHZ 75, 96, 106 "Herstatt"; Roth, ZGR 1989,421,423; HachenburglWmer, GmbHG, § 64 Rn. 12. 145 Grundlegend BGHZ 29, 100 ff.; BGH, JZ 1993, 682, 685 ff. mwN.; zuletzt BGHZ 126, 181, 190 = NJW 1994,2220,2222; LutterlHommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 13 mwN. 146 BGHZ 29, 100, 104 ff., 107. 147 Roth, GmbHR 1985, 137, 139; ders., ZGR 1989, 421, 428; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 907; ders .• ZIP 1988, 1497, 1503. 148 BGHZ 126, 181-202 = BGH, NJW 1994,2220 ff. Ebenso fiir das österreichische Recht der Oberste Gerichtshof Österreichs, ZIP 1993, 1871, 1874; zustimmend Lutter, DB 1994, 129, 135; Kühler, ZGR 1995, 481 ff.; Bork, ZGR 1995, 505 ff.; kritisch hingegen G. Müller, GmbHR 1996,393 ff.

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se, ist nicht verwirklicht worden. 149 Selbstverständlich haftet detjenige Gesellschafter, der zwn Geschäftsführer bestellt ist, der Gesellschaft fiir die nicht rechtzeitige Beantragung des Konkursverfahrens aus den zuvor genannten Anspruchsgrundlagen. Die Gesellschafter als solche sind jedoch nur dann schadensersatzpflichtig, wenn sie den zur Konkursantragstellung verpflichteten Geschäftsführer dazu veranlaßt haben, den Antrag nicht oder verspätet zu stellen. Grundlage fiir eine derartige Anstifterhaftung der Gesellschafter sind die §§ 830 Abs. 2, 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG.150 Diese setzen allerdings voraus, daß der Geschäftsführer die Konkursanrneldung vorsätzlich verzögert hat und der Gesellschafter ihn dazu - etwa durch Weisungserteilung - vorsätzlich bestimmt hat. Für den Bereich der (grob) fahrlässig veranlaßten Konkursverschleppung verbleiben daher im Hinblick auf die Gesellschafterhaftung erhebliche Schutzlücken.

e) Die neue Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 Die Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 151 , die am 1. Januar 1999 in Kraft tritt (Art. 110 EGInsO), ersetzt die Konkursordnung, die Vergleichsord- . nung und die in den neuen Bundesländern geltende Gesamtvollstreckungsordnung und führt ein einheitliches Insolvenzverfahren ein. Sie enthält Regelungen, die die Sanierung notleidender Unternehmen erleichtern sollen. So wurden bereits mit Wirkung zwn 19. Oktober 1994 die §§ 58a-58f GmbHG eingeführt, die die Möglichkeit zu einer vereinfachten Kapitalherabsetzung bei der GmbH vorsehen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit tritt als zusätzlicher fakultativer Insolvenzgrund neben die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 1 InsO). Bei der Bewertung des Schuldnervermögens ist die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 InsO).

149 Vgl. den Entwurf I zum GmbH-Gesetz, S. 136, 137. 150 Vgl. Vonnemann, Haftung bei Unterkapitalisierung, S. 85 f.; Lutter, DB 1994, 129, 131 f.; Hachenburgllnmer, GmbHG, § 64 Rn. 13 und 75. 151 BGBl. I 1994, S. 2866-2910. Dazu Uhlenbruck, GmbHR 1995,81-87 und 195211.

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Der Gesetzgeber ist damit der in RechtsprechWlg Wld Schrifttum herrschenden AuffassWlg nicht gefolgt. Durch die juristisch kawn handhabbare GesetzesformuliefWlg dürften die Schwierigkeiten, die die Geschäftsfiihrer bei der AufstelIWlg Wld die Gerichte bei der Überprüfung der ÜberschuldWlgsbilanz haben, auch in Zukunft kawn geringer werden. 152 Der Gesetzgeber hat damit eine Chance verpaßt, durch eine klare FassWlg des lnsolvenzeröffnWlgstatbestandes der ÜberschuldWlg den Gläubigerschutz bei der GmbH zu verbessern. 153

4. Zusammenfassung Die Kapitalaufbringoogs- Wld -erhaltWlgsvorschriften sowie die Pflicht der Gesellschaft, bei Eintritt der ÜberschuldWlg die EröffnWlg des Vergleichs- oder Konkursverfahrens zu beantragen, ergeben insgesamt ein schlüssiges Gläubigerschutzsystem: Die Kapitalaufbringoogsvorschriften verpflichten die Gesellschafter, die GmbH bei ihrer GründWlg mit Finanz- oder Sachmitteln in Höhe des Stammkapitalbetrages auszustatten. Die KapitalerhaltWlgsvorschriften verbieten AuszahlWlgen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter, soweit dies zur ErhaltWlg des Stammkapitals erforderlich ist. Das Stammkapital ist in der Bilanz der Gesellschaft als gezeichnetes Kapital zu passivieren. Dadurch wird das Gesellschaftsvermögen, soweit es zur Deckung von Gesellschaftsverbindlichkeiten Wld Stammkapital erforderlich ist, wertmäßig gebWlden. Lediglich soweit die Gesellschaft über Reinvermögen verfügt, das über den Betrag des Stammkapitals hinausgeht, darf dieses an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Rechtlicher Schutz gegen wirtschaftliche Verluste des GesellschaftsWlternehmens besteht nicht. Allerdings sind die Geschäftsfiihrer verpflichtet, die KonkurseröffnWlg zu beantragen, wenn das Gesellschaftsvermögen nicht mehr genügt, wn die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu decken, es sei denn, daß die Gesellschafter Eigenkapital bzw. saniefWlgsbereite Dritte an Verlusten teilnehmendes (Fremd)kapital zufUhren, wn dadurch die ÜberschuldWlg zu beseitigen. Um der gläubigerschützenden Funktion des ÜberschuldWlgsbegriffs gerecht zu werden, sind im ÜberschuldWlgsstatus Liquidationswerte anzusetzen. Die von der herrschenden MeinWlg durch das zusätzliche Erfordernis einer negativen Fortbestehensprognose vorgenommene teleologische Reduktion des ÜberschuldWlgstatbestands führt zu einer vom Gesetz nicht gewollten Wld 152 Uhlenbruck, GmbHR 1995, 195, 198. 153 So auch Uhlenbruck, GmbHR 1996, R 53 f.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

unangemessenen Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger. Darüber hinaus ist sie nicht erforderlich, um in der Krise befindliche, aber sanierungsfähige Unternehmen am Leben zu erhalten. Auf sie sollte daher im Sinne eines effektiven Gläubigerschutzes verzichtet werden. Werden bei bestehender Überschuldung weder wirksame Sanierungsmaßnahmen ergriffen noch die Eröftnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, so haben die Geschäftsführer der GmbH die Zahlungen zu ersetzen, die nach Feststellung der Überschuldung aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet worden sind (§ 64 Abs. 2 GmbHG). Weitere Anspruchsgrundlagen oder Normadressaten - abgesehen von § 71 Abs. 4 GmbHG (Liquidatoren) - nennt das GmbH-Gesetz nicht. Insbesondere haften die Gesellschafter nicht. Darin liegt eine wesentliche Schwäche der insolvenzrechtlichen Regelungen des GmbH-Gesetzes. IS4 Die Rechtsprechung versucht, dieser Schwäche dadurch zu begegnen, daß sie die Organhaftung auf Gesellschafter, die sich in die Geschäftsführung einmischen (sog. "faktische Geschäftsführer"), ausdehnt und daß sie Gesellschafter, die die nicht rechtzeitige Konkursanmeldung veranlassen, einer deliktischen Anstifterhaftung unterstellt. Es verbleiben jedoch Schutzlücken, die zu rullen Aufgabe des Gesetzgebers ist. Dieser hat allerdings die Chance, den Insolvenzeröffnungstatbestand der Überschuldung im Sinne eines effektiven Gläubigerschutzes schärfer und juristisch handhabbarer zu fassen, in der neuen Insolvenzordnung verpaßt.

IH. Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Gläubigerschutzsystems durch Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsvorschriften im qualifIZierten faktischen GmbH-Konzern? Rechtsprechung und Schrifttum begründen die Pflicht des herrschenden Unternehmens, die Verluste der abhängigen GmbH auszugleichen, damit, daß die Kapitalerhaltungsvorschriften im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern faktisch außer Kraft gesetzt seien. ISS

154 K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1500. ISS Ber Bundesgerichtshoffiihrt in der "Tiefbau"-Entscheidung (BGHZ 107, 7,18) aus, die Verlustübemahmepflicht diene "zumindest auch dazu, die Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsvorschriften auszugleichen." In der "Video" -Entscheidung behauptet er, die Kapitalsicherungsvorschriften seien "im qualifizierten faktischen Konzern in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt" (BGHZ 115, 187, 197). Vgl. auch

Ill. Wirksamkeit der Kapitalbindungsvorschriften im faktischen Konzern

111

In der Tat würde sich eine Regelungslücke im Gläubigerschutzsystem des GmbH-Gesetzes darm ergeben, wenn im Falle der qualifizierten faktischen Konzernierung einer GmbH die Kapitalbindungsvorschriften leerliefen.

1. Keine Außerkraftsetzung durch gesetzliche Anordnung entsprechend § 291 Abs. 3 AktG Nach § 291 Abs. 3 AktG gelten Leistungen einer Aktiengesellschaft, die diese aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages erbringt, nicht als Verstoß gegen die Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 57, 58 und 60 AktG. Das GmbH-Gesetz enthält eine vergleichbare Vorschrift nicht. Auch eine entsprechende Anwendung des § 291 Abs. 3 AktG auf den qualifiziert faktischen GmbH-Konzern wird weder von der Rechtsprechung noch vom Schrifttum befiirwortet. IS6 Die Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 30 f. GmbHG seien zwingendes Recht, die durch eine aktienrechtliche Bestimmung nicht außer Kraft gesetzt werden können. Selbst der Abschluß eines Beherrschungsoder Gewinnabfiihrungsvertrages mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft könne die Kapitalsicherungsregeln des GmbH-Gesetzes nicht außer Kraft setzen, da ein gesetzlich ungeregelter Untemehmensvertrag nicht in der Lage sei, zwingendes Gesetzesrecht zu verdrängen. IS7 Auch in diesem Falle sollen die §§ 30 ff. GmbHG fortgelten und neben dem Anspruch aufVerlustausgleich analog § 302 AktG Anwendung finden. IS8 Dementsprechend wird § 291 Abs. 3

Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 610; Ulmer, AG 1986, 123, 126 f.; EbenrothIWilken, BB 1991,2229; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang Konzernrecht, Rn. 216. 156 Der Bundesgerichtshof prüfte in der "Tiefbau"-Entscheidung (BGHZ 107, 7, 915) einen Verstoß gegen den § 30 GmbHG. Daraus läßt sich schließen, daß das Ausschüttungsverbot des § 30 GmbHG auch im Fall der qualifiziert faktischen Konzernierung einer GmbH Anwendung finden soll. Dazu Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, S. 268. 157 Dazu Kort, S. 49. 158 Kort, S. 146; Brandes, in: FS Kellennann, S. 25, 33; HachenburgiGoerdeler/ Müller, GmbHG, § 30 Rn. 72; ScholziEmmerich, GmbHG, Anhang Konzernrecht Rn. 277.

Nach der Gegenauffassung (Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1110 ff.; Fleck, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 391, 395 f., unter Aufgabe seiner in ZHR 149 [1985], 387, 414 geäußerten gegenteiligen Ansicht) soll der durch eine entsprechende Anwendung des § 302 AktG bewirkte besondere Liquiditätsschutz die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 f. GmbHG verdrängen.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

AktG im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern erst recht nicht entsprechend angewendet. 159

2. Faktische Außerkraftsetzung des Kapitalsicherungsrechts bei qualifizierter Konzernabhängigkeit einer GmbH? Daß die Kapitalsichenmgsvorschriften "im qualifizierten faktischen GmbHKonzern in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt"160 seien, wird von den Vertretern dieser Ansicht stets nur behauptet. Eine Begründung dafiir fehlt. 161 Gegen die behauptete Außerkraftsetzung spricht zwn einen die bilanzielle Funktionsweise der Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes, zwn anderen die Tatsache, daß der Bundesgerichtshof selbst in einigen Entscheidungen, in denen qualifizierte Konzernverhältnisse vorlagen, die §§ 30 ff. GmbHG angewandt hat. a) Bilanzielle Funktionsweise der §§ 30 ff. GmbHG

Das Stammkapital der Gesellschaft ist in der Bilanz zu passivieren (§ 42 Abs. 1 GmbHG). § 30 GmbHG bindet das zur Deckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und des Stammkapitals erforderliche Vennögen. Zahlungen aus

159 Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, S. 268; Fleck, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 391, 397. 160BGHZ 115, 187, 197 "Video". 161 U1mer (AG 1986, 123, 126 f.) führt als ein Beispiel für die "mangelnde Effizienz der Kapitalerhaltungsregeln" im GmbH-Konzem "den weisungsgemäßen Verzicht der beherrschten Gesellschaft auf die Wahrnehmung von Gewinnchanehen aus Gründen der Konzernstrategie" an, "dem keine konkret meßbaren, der Gesellschaft nach § 31 GmbHG zu erstattenden Vorteile des herrschenden oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens" gegenüberstünden. Dieses Beispiel veranschaulicht rn.E. nicht, warum die Kapitalsicherungsregeln des GmbH-Gesetzes bei (qualifizierter) Abhängigkeit der GmbH außer Kraft gesetzt sein sollen: Das Auslassen von Gewinnchanehen stellt keine (offene oder verdeckte) Gewinnausschüttung der Gesellschaft an einen Gesellschafter dar, sondern kann gegebenenfalls zu einern wirtschaftlichen Verlust der Gesellschaft führen. Vor solchen wirtschaftlichen Verlusten schützt jedoch das Kapitalsicherun&~recht der §§ 30 f. GmbHG nicht. Sie werden erst dann bedeutsam, wenn sie zu einer Uberschuldung im Sinne des § 64 GmbHG führen.

ill. Wirksamkeit der Kapitalbindungsvorschriften im faktischen Konzern

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dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter sind nur zulässig, wenn diese Deckung erhalten bleibt. 162 Auch die Geschäftsfiihrung einer konzernabhängigen GmbH bleibt verpflichtet, einen Jahresabschluß zu erstellen. Die Bilanz ist dabei nach den fiir Gesellschaften mbH geltenden Bilanzvorschriften der §§ 242 ff., 264 ff. HGB zu errichten. Hingegen dürfte in den bislang zum qualifizierten faktischen GmbHKonzern ergangenen Entscheidungen fiir die dort jeweils herrschenden Unternehmen eine Pflicht, einen Konzernabschluß und Konzernlagebericht nach §§ 290 ff. HGB zu erstellen, nicht bestanden haben. Denn bei dem zur Erstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichteten Konzemmutterunternehmen muß es sich zum einen um eine Kapitalgesellschaft handeln (§ 290 Abs. 1 HGB). Diese Voraussetzung erfüllte allenfalls die in der "Tiefbau"-Entscheidung I63 in Anspruch genommene Hausbank der Gesellschaft. In den sonstigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs handelte es sich bei den herrschenden Unternehmensgesellschaftern jeweils um natürliche Personen. Zum anderen sind die größenabhängigen Befreiungen des § 293 HGB zu beachten, die in allen Entscheidungen zum faktischen GmbH-Konzern erfüllt gewesen sein dürften. Ohnehin ersetzt der Konzernabschluß nicht die Einzelabschlüsse der Konzernunternehmen, sondern ergänzt diese lediglich, um so einen sicheren Einblick in die Vermö-gens-, Finanz- und Ertragslage rechtlich selbständiger Unternehmen, die einer größeren wirtschaftlichen Einheit angehören, zu gewährleisten. 164 Das bedeutet, daß auch im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern gemäß §§ 30, 42 GmbHG eine bilanzielle Vermögensbindung besteht. Diese bewirkt, daß keine Ausschüttungen aus dem Vermögen der abhängigen Gesellschaft an ihre Gesellschafter erfolgen dürfen, sobald eine Unterbilanz besteht oder durch die Ausschüttung entstehen würde. Dieses Ausschüttungsverbot gilt gegenüber dem aufgrund seiner Mehrheitsbeteiligung herrschenden Unternehmensgesellschafter. Inwieweit die Kapitalsicherungsvorschriften im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern tatsächlich unwirksam sind, haben Rechtsprechung und Schrifttum bislang nicht dargetan. Vorstellbar ist allenfalls, daß die Geschäftsführer

162 Dazu oben Zweiter Teil, II 2.

163 BGHZ 107,7 ff. 164 Heymann/JunglNiehus/Scholz, HGB, Vor § 290 Rn. 1 f. 8 Gätsch

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

der Gesellschaft die Ansprüche aus § 31 GmbHG gegen den herrschenden Unternehmensgesellschafter nicht geltend machen. Jedoch bleibt dann den Gesellschaftsgläubigern die Möglichkeit, im Wege der Zwangsvollstreckung durch Pfändung und Überweisung die der Gesellschaft gegen den Unternehmensgesellschafter zustehenden Rückerstattungsforderungen geltend zu machen. b) Rechtsprechung zu den §§ 30 ff GmbHG im Unternehmensverbund

Weiterhin spricht gegen die faktische Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, daß der Bundesgerichtshof in einer Reihe von Urteilen die §§ 30 ff. GmbHG und die darauf beruhenden Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen auf Gesellschaften mbH angewendet hat, die in einem Wirtschaftsverbund eingegliedert waren. 165 So hatte in der "Helaba/Sonnenring"-Entscheidung I66 die Hessische Landesbank zwei Gesellschaften mbH in erheblichem Umfang Darlehen zur Verfügung gestellt. Der Bundesgerichtshof behandelte die Helaba wie eine Gesellschafterin der Darlehensnehmerinnen, obwohl sie, anstatt die Anteile an den Gesellschaften selbst zu übernehmen, eine in ihrem Alleinbesitz stehende Tochtergesellschaft dazwischengeschaltet hatte. Die Helaba sei im Verhältnis zu den beiden Gesellschaften herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 AktG gewesen. 167 Sie habe die Geschäftsführung der Gesellschaften an sich gezogen. Die von der Helaba an die Gesellschaften gegebenen Darlehen seien als haftendes Kapital zu behandeln, weil sie dazu gedient hätten, die Gesellschaften lebensfähig zu erhalten, ohne ihnen das dafür notwendige Eigenkapital zuzuführen. In einem weiteren Urteil 168 standen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der Rückforderung eines Kredits, den eine Kommanditgesellschaft einer überschuldeten GmbH gewährt hatte, die Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen entgegen. Zwar sei die KG nicht Gesellschafterin der GmbH, sie sei jedoch wie eine solche zu behandeln. KG und GmbH seien unter 165 BGHZ 81, 311 ff. "HelabaiSonnenring"; BGHZ 105, 168 ff. "HSW"; BGH, BB

1992,305 ff.

166 BGHZ 81, 311-322. 167 BGHZ 81, 311, 316. 168 BGH, BB 1992,305 = WM 1992,270.

IV. Das Konzernproblem bei der GmbH

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der einheitlichen Leitung des Komplementärs zusammengefaßt gewesen, damit dieser die Einzelunternehmen seinen übergeordneten gesamtunternehmerischen Interessen habe dienstbar machen können. Dadurch sei eine wirtschaftliche Einheit entstanden, die es rechtfertige, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Finanzierung der GmbH dem zwar nicht unmittelbar an ihr beteiligten, aber in die wirtschaftliche Einheit einbezogenen Unternehmen aufzuerlegen. Dies folge daraus, da ein vom Konzerninteresse unterscheidbares Eigeninteresse an der Kreditgewährung nicht festgestellt werden könne. Besonders augenfallig wird die Unhaltbarkeit der Behauptung, die Kapitalsicherungsvorschriften seien im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt, in der "Tiefbau"-Entscheidung. Dort hält der Bundesgerichtshof die Klage zunächst unter dem Gesichtspunkt der verbotenen Auszahlung von Stammkapital nach den §§ 30, 31 GmbHG für teilweise begründet,169 um dann später in eben dieser Entscheidung auszuführen, daß die vertragskonzernrechtliche Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG zumindest auch dazu diene, die Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsregeln auszugleichen. 170 Aus alledem wird deutlich, daß der in Rechtsprechung und Schrifttum zur Begründung der Konzernhaftung aufgestellten Behauptung, im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern seien die Kapitalsicherungsvorschriften in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt, jede Grundlage fehlt.

IV. Lückenhaftigkeit des Gläubigerschutzes aufgrund des Konzernproblems bei der abhängigen GmbH? 1. Das allgemeine Konzernproblem Unter dem Konzernproblem versteht man die Störung eines bei der unabhängigen Gesellschaft bestehenden Interessengleichlaufs, die durch die Abhängigkeit der Gesellschaft von einem einflußreichen, außerhalb der Gesellschaft anderweitig unternehmerisch tätigen Gesellschafter entsteht. In der unabhängigen Kapitalgesellschaft wird ein Gleichlauf der Interessen von Gesellschaft, Gesellschaftern und Gläubigem jedenfalls insoweit angenommen, als die genann169 BGHZ 107,7,9 ff. 170 BGHZ 107,7,18.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

ten Personen und Personengruppen an einer rentablen Wirtschaftstätigkeit des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens interessiert sind; denn rentables Wirtschaften sichere der Gesellschaft das Überleben, den Gesellschaftern die Dividende und den Gesellschaftsgläubigern den Erhalt einer ausreichenden Haftungsgrundlage. Erlange ein Gesellschafter, der anderweitige unternehmerische Interessen verfolge, die Möglichkeit, die Gesellschaft diesen außerhalb der Gesellschaft bestehenden Unternehmensinteressen unterzuordnen, werde der genannte Interessengleichlauf gestört. Dieser Interessenkonflikt war es, der den Gesetzgeber im Jahre 1965 veranlaßte, das Recht der verbundenen Unternehmen in das Aktiengesetz (§§ 15 ff., 291 ff. AktG) aufzunehmen. 171

2. Das allgemeine Konzernproblem im GmbH-Recht Bei der GmbH - so wird behauptet - sei das Konzernproblem noch stärker ausgeprägt als bei der Aktiengesellschaft. Die Geschäftsführer der GmbH seien verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafterversammlung zu folgen. Außerdem unterliege das GmbH-Innenrecht weitgehend der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Die GmbH erweise sich daher als besonders konzernoffen. Darüber hinaus seien die Gläubiger der GmbH in erhöhtem Maße gefährdet, da der Kapitalerhaltungsschutz im GmbH-Recht deutlich schwächer ausgeprägt sei als im Aktienrecht. Das führe dazu, daß die GmbH bereits aus Rechtsgründen insolvenzanfälliger sei als die Aktiengesellschaft. Hinzu komme häufig eine im Vergleich zur Aktiengesellschaft geringere Eigenkapitalausstattung der GmbH.I72

3. Stellungnahme a) Regelungszuständigkeit des Gesetzgebers Die Tatsache, daß der Gesetzgeber das Konzernrecht in den §§ 291 ff. AktG für die Aktiengesellschaft aufgrund eines von ihm erkannten Regelungsbedarfs kodifiziert hat, rechtfertigt es nicht, die aktienrechtlichen Vorschriften allein mit dem Hinweis auf ein allgemein im Kapitalgesellschaftsrecht bestehendes Kon-

171 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, bei KropjJ, S. 373.

172 HachenburglUlmer, GmbHG, Anhang § 77 (Konzemrecht), Rn. 1.

IV. Das Konzernproblem bei der GmbH

117

zernproblem auf die GmbH anzuwenden. Insoweit muß eine Regelung dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Verfassungsmäßige Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in denen ihm vorgeworfen wird, sich aus der Rolle des Normanwenders in die der normsetzenden Instanz begeben zu haben, sind trotz des Nichtannahmebeschlusses des Bundesverfassungsgerichts 173 nicht von der Hand zu weisen.

b) Vermischung insolvenzrechtlicher und konzernrechtlicher Probleme

Auch läßt sich die Konzernhaftung nicht mit dem Argument begründen, daß das Konzernproblem bei der GmbH wegen des der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung zustehenden Weisungsrechts und ihrer hohen Insolvenzanfälligkeit dringlicher sei als bei der Aktiengesellschaft. Hier werden verschiedene Problemkreise vermischt. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung in Geschäftsführungsangelegenheiten und die Freiheit der Gesellschafter bei der Gestaltung des GmbH-Innenverhältnisses fUhren lediglich dazu, daß die GmbH aus rechtlicher Sicht leichter als die Aktiengesellschaft in einen Unternehmensverbund einbezogen werden kann. Dabei handelt es sich jedoch um einen vom GmbH-Recht grundsätzlich gebilligten Vorgang. Die insolvenzanfälligkeit ist demgegenüber ein allgemeines Problem der GmbH.174 Sie würde eine Konzernhaftung nur dann rechtfertigen können, wenn feststeht, daß die Insolvenzanfälligkeit von Gesellschaften mbH, die im Unternehmensverbund gefiihrt werden, deutlich erhöht ist.

c) Erhöhung des Insolvenzrisikos im faktischen GmbH-Konzern?

In den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wird ein derartiger Zusammenhang zwischen der Konzernabhängigkeit und der Verlusttätigkeit der Gesellschaften mbH, die dann jeweils zu ihrer Insolvenz fiihrte, nicht hergestellt. 175 Die im Schrifttum in bezug auf einen solchen Zusammenhang nur vereinzelt anzutreffenden Äußerungen widersprechen sich inhaltlich. So folgern einige aus der großen Zahl der masselosen Insolvenzen von Gesellschaften 173 BVerfG, NJW 1993,2600 f.; dazu oben Erster Teil, II 2 d. 174 Dazu oben Zweiter Teil, II 3 c dd. 175 So auch Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, S. 145; Michalski/Zeidler, NJW 1996,224,228.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

mbH, daß der Umgang mit abhängigen Gesellschaften gerade in kleineren Verhältnissen katastrophal und das Schutzbedürfnis der Gesellschaftsgläubiger hier besonders groß sei. 176 Andere meinen hingegen, daß gerade die nicht im Verbund gefiihrte GmbH besonders konkursanfällig sei. 177 Bei beiden Ansichten handelt es sich zunächst um reine Behauptungen. Ein Zusammenhang zwischen Unternehmensinsolvenz und Konzernabhängigkeit ist weder erwiesen noch widerlegt. Rechtstatsächliche Untersuchungen zu dieser Frage, die die eine oder andere Behauptung stützen würden, bestehen - soweit ersichtlich - nicht. Für die hier behandelte Frage bedeutet dies, daß die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern sich nicht durch eine empirisch belegte erhöhte Insolvenzanfälligkeit solcher Gesellschaften mbH rechtfertigen lassen. 178 Beide Problembereiche sollten daher, solange ein Zusammenhang nicht besteht, getrennt behandelt werden. Probleme, die sich aus der Unternehmensinsolvenz ergeben, sind somit nicht durch konzernrechtliche, sondern durch insolvenzrechtliche Regelungen zu lösen.

d) Behandlung des Konzernproblems im Ausland In diesem Zusammenhang ist interessant, wie das Konzernproblem im Ausland behandelt wird. Das in der Bundesrepublik Deutschland kodifizierte Recht der verbundenen Unternehmen ist in der Welt (fast) einmalig. 179 Insbesondere der für das Wirtschaftsrecht besonders bedeutsame anglo-amerikanische Rechtsraum nimmt zwar die deutsche Konzerngesetzgebung zur Kenntnis, schafft selbst jedoch keine speziellen konzernrechtlichen Lösungen. Dort wird die Problematik als eine solche des "dominating shareholders", also als Mehrheits-Minderheits-Problem, aufgefaßt und mit Hilfe allgemeiner gesellschafts-

176 Stimpel, ZGR 1991,144,156 f. 177 BaumbachlHuecklZöllner, GmbHG, Schlußanhang I Konzernrecht, Rn. 25. 178 So auch Schanze, in: MestmäckerlBehrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 473,479. I 79 Lediglich Brasilien und Portugal verfügen über ein kodifiziertes Konzernrecht. In Österreich wurden Kodifizierungspläne zu Beginn der neunziger Jahre diskutiert.

IV. Das Konzernproblem bei der GmbH

119

rechtlicher Grundsätze, insbesondere im Wege der Durchgriffshaftung, gelöst. 180

4. Besondere Konzernprobleme Im Schrifttwn l81 wird daraufhingewiesen, daß bei der Finanzierung im Konzern Probleme eigener Art, insbesondere der sog. "Teleskop"- oder "Pyramideneffekt" , auftreten könnten. Falls eine von ihren Gesellschaftern mit einem Stammkapital von 50.000 DM ausgestattete Mutter-GmbH ihr Vermögen dazu verwende, eine Tochter-GmbH mit einem Stammkapital von ebenfalls 50.000 DM zu gründen, die ihrerseits wiederum eine Tochter-GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM gründe, so bestünden nach Abschluß dieser Gründungsvorgänge zwar drei Gesellschaften mbH mit jeweils 50.000 DM Vermögen. Bei konsolidierter Betrachtung betrage das Eigenkapital der Gesellschaften aber nicht 150.000 DM, sondern nur 50.000 DM. Verstärkt werde dieser Effekt dadurch, daß jedes Unternehmen sein Stammkapital als Unterlage fiir Kredite ("Kreditpyramide") und fiir Kreditsicherheiten ("Kreditsicherheitspyramide") verwenden könne. Zutreffend ist darauf hingewiesen worden, daß es bei dem "Teleskop-Effekt" nicht um potentielle Schädigungen der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, sondern allenfalls um solche der Obergesellschaft geht. 182 Darüber hinaus dürfte es sich jedoch insgesamt um ein Scheinproblem handeln. Wie bereits dargelegt, ist das Stammkapital einer GmbH in der Bilanz als gezeichnetes Kapital zu passivieren (§§ 42 Abs. 1 GmbHG, 266 Abs. 3 A. I. HGB). Bareinzahlungen, die die Gesellschafter auf ihre Stammeinlagen leisten, sind in der Gesellschaft als Bargeld vorhanden und somit auf der Aktivseite unter "Kassenbestand" zu bilanzieren (§ 266 Abs. 2 B. IV. HGB).183 Nutzt die Gesellschaft dieses Bargeld, um damit ihrerseits eine GmbH zu gründen, so hat sie auf der Aktivseite der Bilanz den Posten "Kassenbestand" aufzulösen und die GmbH-Beteiligung

180 Vgl. Blumberg, ZGR 1991, 327, 335 ff.; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, S. 2 f. 181 U. H Schneider, ZGR 1984, 497, 504; auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 V 2, S. 441 f. 182 Schanze, in: MestmäckerlBehrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 473, 482. 183 Vgl. Heymann/Jung, HGB, § 266 Rn. 161.

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

unter Finanzanlagen als "Anteile an verbundenen Unternehmen" (§§ 266 Abs. 2 III. 1,271 Abs. 2 HGB) zu aktivieren. Beteiligungen werden grundsätzlich zu Anschaffungskosten angesetzt, wobei sich bei Neugründung die Anschaffungskosten aus dem Betrag der Einlage zuzüglich der Nebenkosten ergeben. 184 Die Gründung von Tochtergesellschaften bedeutet letztlich nur, daß die MutterGmbH, die dafür ihr Barvermögen aufwendet, Umlaufvermögen in Finanzanlagevermögen umwandelt. Ein derartiger Aktiventausch ist nicht ungewöhnlich, sondern findet bei jedem Umsatzgeschäft statt. Die Umwandlung von Barvermögen in eine Beteiligung an einer GmbH wird aus der Bilanz ersichtlich. Eine besondere Gefährdung des Geschäftsverkehrs, soweit er in die Gesellschaftsbilanzen Einsicht nehmen kann, ergibt sich jedenfalls in einfachen Konstellationen nicht. Sicherlich ist es jedoch richtig, daß es aufgrund verschachtelter Unternehmensverbindungen zu Täuschungen im Rechtsverkehr kommen kann. Solche Gestaltungen stellen sich als Mißbrauch der bei der rechtlichen Ausgestaltung eines Konzerns bestehenden Freiheit dar. Sie bedürfen anderer Problemlösungen als derjenigen über die §§ 302,303 AktG.

V. Ergebnis des Zweiten Teils 1. Keine Regelungslücke im GmbH-Gesetz

Die Behauptung, daß das GmbH-Gesetz im Hinblick auf die Sachverhalte des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns eine Regelungslücke aufweist, läßt sich weder mit dem Fehlen konzemrechtlicher Vorschriften im GmbH-Gesetz noch mit der behaupteten tatsächlichen Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsvorschriften noch mit dem Hinweis auf das Bestehen allgemeiner oder besonderer Konzernprobleme begründen. Zwar fehlen im GmbH-Gesetz spezielle konzernrechtliche Vorschriften, jedoch erweist sich das dort geregelte, aus den Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften und der Konkursanmeldepflicht bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung bestehende Gläubigerschutzsystem als geschlossen und auch im GmbH-Unternehmensverbund voll funktionsfähig. Erforderlich ist allerdings, daß insbesondere der Konkursgrund der Überschuldung konsequent angewendet wird. Nur die frühzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens verhindert, daß das Aktivvermögen der in der Krise befindlichen Gesellschaft derart weit

184 HeymannlJung, HGB, § 253 Rn. 157.

V. Ergebnis des Zweiten Teils

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aufgezehrt wird, daß die Gesellschaftsgläubiger mit ihren Forderungen ausfallen. Um einen effektiven Gläubigerschutz zu gewährleisten, sollte der Konkursgrund der Überschuldung dem Gesetzeswortlaut entsprechend bereits dann als erfüllt angesehen werden, wenn die Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten rechnerisch überschuldet ist. Auf das zusätzliche Erfordernis der negativen Fortbestehensprognose sollte verzichtet werden. Allerdings stellt die ab 1999 geltende Insolvenzordnung gegenüber solchen Forderungen einen Rückschritt dar. Insoweit bleibt die Entwicklung abzuwarten.

2. § 64 Abs. 2 GmbHG und § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 64 Abs. 1 GmbHG als richtige Anspruchsgrundlagen Bei den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen handelte es sich jeweils um Insolvenzsachverhalte. Die Geschäftsführer der in Anspruch genommenen Gesellschaften, die regelmäßig zugleich auch herrschender Gesellschafter waren, wären daher verpflichtet gewesen, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Die verspätete Antragstellung verpflichtet sie, der Gesellschaft nach Eintritt der Überschuldung geleistete Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG zu erstatten und den Gesellschaftsgläubigem Schadensersatz nach §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB zu leisten. Soweit der herrschende Gesellschafter nicht auch Geschäftsführer war, aber maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung genommen hat, kommt eine Haftung als "faktischer Geschäftsführer" oder wegen der Veranlassung der verspäteten Konkursanmeldung nach §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB in Betracht. Diesen Gesichtspunkt hat der Bundesgerichtshof nicht hinreichend beachtet. Er setzt sich vielmehr dem Verdacht aus, rechtsmethodische Grundsätze nicht berücksichtigt zu haben, wenn er in der "TBB"-Entscheidung ausführt, daß es auf eine Prüfung der Begründetheit der Zahlungsklage aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG wegen verspäteter Konkursanmeldung nicht ankomme, "wenn ( ... ) die Klage sich - auch - insoweit unter dem Gesichtspunkt der Konzernhaftung als begründet erweisen sollte" .185 Hier werden gesetzliche Vorschriften zugunsten der "analogianalogen"186 Anwendung der §§ 302, 303 185 BOH, DB 1993,825,826. 186 Der - polemisierende - Ausdruck der "Analogie/Analogie" stammt von KnobbeKeuk (BB 1992, 1461). Er bringt allerdings zutreffend zum Ausdruck, daß zwei Analogieschriue erforderlich sind: Zum einen die Übertragung aktienrechtlicher Vorschriften

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2. Teil: Lückenhaftigkeit des GmbH-Gesetzes?

AktG übergangen. Diese Vorgehensweise ist methodisch fragwürdig. Das scheint der Bundesgerichtshof nunmehr auch erkannt zu haben. In einer neueren Entscheidung zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern fordert er das Berufungsgericht auf, die Frage zu prüfen, ob die Beklagten der Klägerin "den ihr entstandenen Vertrauensschaden als Geschäftsfiihrer wegen verspäteter Konkursantragstellung nach § 823 Abs. 2 BGB LV. mit § 64 Abs. 1 GmbHG zu ersetzen haben." 187 Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Da das GmbH-Gesetz für die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns keine Regelungslücke aufweist, fehlt es bereits an der ersten notwendigen Voraussetzung für die entsprechende Anwendung der vertragskonzernrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes.

auf die GmbH, zum anderen die Übertragung vertragskonzernrechtlicher Regelungen auf den faktischen Konzern. 187 BGH, NJW 1994, 3288, 3291 "Fertighaus 11".

Dritter Teil

Die zweite Analogievoraussetzung: Vergleichbarkeit des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns mit dem beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern Die entsprechende Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift auf einen von ihrem Wortlaut nicht erfaßten Sachverhalt ist gerechtfertigt, wenn beide Tatbestände infolge ihrer Ähnlichkeit in der für die gesetzliche Bewertung maßgeblichen Hinsicht gleich zu bewerten sind. Letztlich beruht die Gesetzesanalogie auf der grundlegenden Forderung, im wesentlichen Gleichartiges auch gleich zu behandeln.) Zu prüfen ist also, ob der beherrschungsvertragliche Aktienkonzern und der qualifizierte faktische GmbH-Konzern sich derart ähnlich sind, daß die entsprechende Anwendung der im aktienrechtlichen Vertragskonzern bestehenden Pflichten des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich und zur Sicherheitsleistung (§§ 302, 303 AktG) auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern dem Gebot der Gleichbehandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte entspricht. Um diese Frage beantworten zu können, sind die Aktiengesellschaft und die GmbH zunächst in bezug auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Organisationsverfassungen und ihrer Gläubigerschutzvorschriften zu vergleichen. Sodann ist zu prüfen, inwieweit die konzernrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes die Verfassung der unabhängigen Aktiengesellschaft ändern, inwieweit sie insbesondere einen veränderten Gläubigerschutz schaffen. Erst im Anschluß daran läßt sich die Frage beantworten, ob es angemessen ist, die §§ 302, 303 AktG im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden.

) Larenz, Methodenlehre, S. 365.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

I. Vergleich zwischen der selbständigen Aktiengesellschaft und der selbständigen GmbH Sowohl die Aktiengesellschaft als auch die GmbH sind juristische Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit (§§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG, 13 Abs. 1 GmbHG). Beide Gesellschaften sind körperschaftlich organisiert, da die gesellschaftlichen Funktionen nicht unmittelbar von ihren Gesellschaftern wahrgenommen werden, sondern den Gesellschaftsorganen zugewiesen sind, deren Mitglieder die Aufgaben wahrnehmen. 2 Die geschäftsführenden und die die Geschäftsführung überwachenden Gesellschaftsorgane können jeweils sowohl mit Gesellschaftern als auch mit Dritten besetzt werden. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gesellschaftsgläubigern bei beiden Gesellschaften nur das Gesellschaftsvermögen (§§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG). Trotz dieser Gemeinsamkeiten weisen beide Gesellschaftsformen jedoch auch erhebliche Unterschiede im Hinblick auf ihre Organisations- und Finanzverfassung auf. Diese beruhen im wesentlichen darauf, daß die Aktiengesellschaft im Regelfall Publikumsgesellschaft ist, während der GmbH regelmäßig nur wenige Gesellschafter angehören.

1. Die Organisationsverfassungen: Satzungsstrenge bei der Aktiengesellschaft - Gesellschaftsvertragsfreiheit bei der GmbH

a) Zuständigkeitsverteilung bei der Aktiengesellschaft

Die gesellschaftlichen Funktionen bei der Aktiengesellschaft sind den GeseIlschaftsorganen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung - weitgehend zwingend (§ 23 Abs. 5 Satz 1 AktG)3 - gesetzlich zugewiesen. Der Vorstand leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG). Er ist an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane, insbesondere der Hauptversammlung, nicht gebunden. 4 Der Aufsichtsrat bestellt die Mitglieder des Vorstands 2 Dazu BeuthienlGätsch, ZHR 156 (1992), 459, 467 ff.; dies., ZHR 157 (1993), 483, 484 ff. 3 Lediglich soweit das Aktiengesetz keine abschließende Regelung enthält, sind gesetzesergänzende Satzungsbestimmungen zulässig (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG). 4 HüjJer, AktG, § 76 Rn. 10; Mertens in KölnKomm, AktG, § 76 Rn. 42; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 14 Rn. 1, S. 86; Altmeppen, ZIP 1996,693,694.

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und beruft sie ab (§ 84 AktG). Außerdem überwacht er die Geschäftsfiihrung (§ 111 Abs. 1 AktG), ist aber selbst zur Geschäftsfiihrung nicht befugt (§ 111 Abs. 4 Satz I AktG). Die Hauptversammlung beschließt in den in § 119 Abs. 1 AktG genannten Fällen, insbesondere über die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, die Verwendung des Bilanzgewinns, die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und über Satzungsänderungen. Über Fragen der Geschäftsfiihrung entscheidet die Hauptversammlung nur, wenn der Vorstand dies verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG).S

b) Zuständigkeitsverteilung bei der GmbH Die GmbH besitzt grundsätzlich nur zwei Gesellschaftsorgane, die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsfiihrung. 6 Die Gesellschafterversammlung beruft die Geschäftsführer und bestellt sie ab (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Sie, nicht aber der einzelne Gesellschafter, ist befugt, den Geschäftsführern in Geschäftsfiihrungsangelegenheiten Weisungen zu erteilen.7 Erforderlich ist insoweit jeweils ein Mehrheitsbeschluß der Gesellschafterversammlung. Derartige Weisungen kann die Gesellschafterversammlung erteilen, wenn sie es im Einzelfall für erforderlich hält. Sie kann jedoch auch im Gesellschaftsvertrag generelle Geschäftsfiihrungsweisungen sowie Zustimmungsvorbehalte zu bestimmten Geschäftsfiihrungsmaßnahmen statuieren. Ermöglicht wird ihr dies durch die weitgehende Freiheit, die sie bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages genießt. Sie kann daher fakultative Gesellschaftsorgane, etwa einen die Geschäftsfiihrung überwachenden Aufsichtsrat (§ 52 GmbHG) oder einen mit sonstigen Aufgaben betrauten Beirat, bilden. Auch kann sie die Zuständigkeiten zwischen der Gesellschafterversammlung, den Geschäftsführern und einem gegebenenfalls bestehenden fakultativen Gesellschaftsorgan vom Gesetz abwei-

5 Eine ungeschriebene Zustimmungszuständigkeit der Hauptversammlung hat der Bundesgerichtshof bei der Konzembildung durch Ausgliederung eines Betriebsteils auf eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft angenommen: BGHZ 83, 122 fI. "Holzmüller". 6 Lediglich bei den dem Mitbestimmungsrecht unterliegenden Gesellschaften mbH ist ein Aufsichtsrat zwingend zu bilden (§§ 76, 77 BetrVG 1952; §§ 1 fI., 31 MitbestG; § 12 MontanMitbestG; § 13 MitbestErgG). 7 BGHZ 31, 258, 278; 89,48,57; OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476, 1478; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 17; Scholz/U H Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 30; BaumbachIHueck/Zöllner, GmbHG, § 37 Rn. 10.

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chend regeln. Erforderlich ist jeweils eine entsprechende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages. 8 Ihre Grenze findet die WeisWlgs- Wld Gestaltungsbefugnis der GesellschafterversammlWlg dort, wo das GmbH-Gesetz den Geschäftsführern eigenverantwortliche Zuständigkeiten zwingend zuweist. 9 Das gilt etwa bei der Verpflichtung der Geschäftsführer, die EröffnWlg des Konkursverfahrens zu beantragen, wenn einer der in § 63 Abs. 1 GmbHG genannten Konkursgründe vorliegt.

c) Vergleich von Aktiengesellschaft und GmbH Da die Aktionäre einer Aktiengesellschaft weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit als HauptversammlWlg befugt sind, dem Vorstand der Gesellschaft WeisWlgen zu erteilen oder seine Mitglieder zu bestellen oder abzuberufen, besitzen sie ohne den Abschluß eines BeherrschWlgsvertrages keine rechtlich begründete Möglichkeit, unmittelbar auf die GeschäftsfiihrWlg ihrer Aktiengesellschaft einzuwirken. Dies trifft selbst fiir den Alleinaktionär zu, da auch dieser an die gesetzlich zwingend vorgesehene aktiengesellschaftliehe KompetenzverteilWlg gebWlden ist. Die Aktionäre können somit nur mittelbar über den von ihnen zu besetzenden Aufsichtsrat auf die VorstandsbesetZWlg Einfluß nehmen. Eine rechtlich begründete Möglichkeit der Einflußnahme gegenüber den bestellten Vorstandsmitgliedern besteht fiir sie jedenfalls nicht. Diese Unabhängigkeit des Vorstands hat zur Folge, daß er die Aktiengesellschaft nicht stets in ÜbereinstimmWlg mit den Interessen der Aktionäre zu führen hat, sondern das Rentabilitätsinteresse des GesellschaftsWlternehmens in den Vordergrund stellen kann. 10 Dagegen weist bereits die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende GmbH personalistische Züge auf, die durch entsprechende gesellschaftsvertragliehe Gestaltungen noch verstärkt werden können. Tatsächlich ist die Mehrzahl der Gesellschaften mbH personalistisch strukturiert. 11 Der Gesellschafterversamm8 AusfiihrIich dazu BeuthienlGätsch, ZHR 157 (1993), 483, 492 ff. 9 BeuthienlGätsch, ZHR 157 (1993), 483, 498. 10 Daß auch der Gesetzgeber die Möglichkeit sah, daß das Aktionärs- und das Unternehmensinteresse auseinanderfallen können, zeigt § 150 Abs. 1 und 2 AktG, der den Vorstand zwingend verpflichtet, im Untemehmensinteresse - und gegen das Dividendeninteresse der Aktionäre - eine Gewinnrücklage zu bilden. 11 Heinzmann, S. 21 mwN. in Fn. 1.

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lung der GmbH steht eine umfassende, organisationsrechtlich begründete Möglichkeit zur Einflußnahme auf die Geschäftsfiihrer zu, da sie diese bestellt und abberuft und ihnen Weisungen in Geschäftsfiihrungsfragen erteilen kann. Das hat regelmäßig zur Folge, daß die Geschäftsfiihrer stets im Interesse der Gesellschafterversammlung bzw. des diese dominierenden Allein- oder Mehrheitsgesellschafters handeln. Ein vollständiger innergesellschaftlicher Interessengleichlaufbesteht bei der Einmann-GmbH, deren Gesellschafter zugleich auch alleiniger Geschäftsfiihrer ist.

2. Treuepflichten bei GmbH und Aktiengesellschaft a) Rechtsprechung und Schrifttum

Rechtsprechung 12 und Schrifttum 13 erkennen sowohl bei der GmbH als auch bei der Aktiengesellschaft mittlerweile an, daß eine Treuepflicht nicht nur im Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern bzw. Aktionären, sondern auch zwischen den Gesellschaftern bzw. Aktionären untereinander besteht. Mit der "Linotype"-Entscheidung I4 gab der Bundesgerichtshof seine urspIiingliche Auffassung auf, nach der wegen der körperschaftlichen Struktur der Aktiengesellschaft zwischen ihren Aktionären keine Treuepflicht bestehen könne. IS Dabei wurde das Bestehen einer Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern zunächst noch vom Vorliegen einer personalistischen Struktur innerhalb der Gesellschaft abhängig gemacht. 16 Dieser Begründungsansatz ist jedoch mehr und mehr zurückgetreten. Mittlerweile sollen sich Bestand und Umfang der gesellschafterlichen Treuepflicht danach richten, welchen Einfluß der Gesellschafter 12 BGHZ 65, 15 ff. "ITI" (fiir die GmbH; dazu oben Erster Teil, I); BGHZ 103, 184 ff. "Linotype"; zuletzt BGH, NJW 1995,1739,1741 f. (m. Anm. Altmeppen) "Girmes" (jeweils fiir die Aktiengesellschaft).

13 Fillmann, S. 46; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 350; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 2d, S. 485; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 811 3, S. 431 ff.; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 154 ff.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 454 f.; ders., JZ 1995, 1053 ff.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 176; Timm, WM 1991,481,482; Henze, BB 1996,489 ff. 14 BGHZ 103, 184 ff. 15 BGHZ 18,350,365; 83,122 "Holzmüller"; BGH, JZ 1976,561 = WM 1976,449, 450 "Audi/NSU". 16 So insbesondere BGHZ 65,15 ff. "ITI"; 103, 184, 195 "Linotype".

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auf die Geschicke der Gesellschaft und damit auf die seiner Mitgesellschafter nelune. 17 Während der reine Anlagegesellschafter ein "Recht zum Desinteresse"18 habe, treffe den Aktionär, der mittels seines Stimmrechts Einfluß ausübe, eine gesteigerte Treuepflicht. 19 Auf dieser Grundlage hielt die Rechtsprechung zunächst nur den Mehrheitsgesellschafter einer Aktiengesellschaft fiir verpflichtet, auf die Interessen seiner Mitgesellschafter Rücksicht zu nelunen, da es ilun möglich sei, durch Einflußnalune auf die Geschäftsführung deren gesellschaftsbezogene Interessen zu beeinträchtigen. Dem Verhältnis der Mitglieder einer Publikumsgesellschaft untereinander wurde der "Charakter einer Sonderverbindung" zuerkannt, in der die zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treuepflichten die Aufgabe hätten, den Einfluß des herrschenden Gesellschafters oder der herrschenden Gesellschaftergruppe zu begrenzen. 20 Diente die Treuepflicht also zunächst noch dazu, die zwischen der Gesellschaftermehrheit und der Gesellschafterminderheit auftretenden Konflikte zu lösen, so ist der Bundesgerichtshof in seiner "Girmes"-Entscheidung vom 20. März 1995 21 noch einen Schritt weiter gegangen. Da nicht nur der Mehrheitsaktionär, sondern auch der Minderheitsaktionär und - bei entsprechender Stimmrechtsbündelung - sogar die Kleinaktionäre die Möglichkeit besäßen, die gesellschaftsbezogenen Interessen ihrer Mitaktionäre zu beeinträchtigen, gebiete die zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht auch diesen, hierauf Rücksicht zu nelunen. Das gelte insbesondere fiir den Minderheitsaktionär, der eine Beteiligung erreiche, die es ilun ermögliche, die Durchsetzung bestimmter Rechte zu erzwingen oder die Fassung wirksamer Beschlüsse zu verhindem. 22 Damit ist die Treuepflicht mittlerweile zu einem von der Höhe der Beteiligung unabhängigen Bestandteil jeder Mitgliedschaft geworden,23 die

17 Ausführlich Fi/lmann, S. 45 mwN. in Fn. 211; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452. 18 Wiedemann, BB 1975, 1591, 1595. 19 Lutter, ZHR 153 (1989),446,452 f. 20 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 8 II 3, S. 431 ff. 21 BGH, NJW 1995, 1739-1749 (m. Anm. Altmeppen). 22 BGH, NJW 1995, 1739, 1741 f. "Girmes". 23 Fil/mann, S. 94; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 3, S. 486 f.; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 154 ff.; Lutter, ZHR 153 (1989),446,454/455; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 176; Timm, WM 1991,481,483.

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auch die Einflußmacht der Sperrminorität bei satzungsändernden Beschlüssen begrenzt. 24

b) Stellungnahme Besitzt eine Kapitalgesellschaft eine personalistische Struktur, so mag die Annahme von Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern gerechtfertigt sein. Ob hingegen zwischen den Migliedern von Publikumsgesellschaften Treuepflichten des Inhalts bestehen, daß jeder Gesellschafter die mitgliedschaftlichen Interessen seiner Mitgesellschafter zu wahren hat, erscheint in dieser Allgemeinheit fraglich. 25 Eine wahrnehmbare Sonderverbindung, nämlich das Mitgliedschaftsverhältnis, besteht nur zwischen Verband und Mitglied. Aus diesem folgt die Pflicht jedes Gesellschafters, den im Interesse aller Gesellschafter bestehenden Zweck der Gesellschaft zu beachten und keine zu Lasten seiner Mitgesellschafter gehenden Sonderinteressen zu verfolgen; des schillernden und wenig aussagekräftigen Begriffs des Treuepflicht bedarf es insoweit nicht. 26 Dieser Frage soll im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Hier bleibt festzuhalten, daß die Rechtsprechung Aktiengesellschaften und Gesellschaften mbH hinsichtlich der gesellschaftlichen und der gesellschafterlichen Treuepflicht nunmehr gleich behandelt, so daß sich insoweit keine rechtsformspezifischen Unterschiede ergeben.

3. Gläubigerschutz Den Gläubigem einer Aktiengesellschaft haftet fiir die Gesellschaftsverbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen (§ lAbs. 1 Satz 2 AktG). Das Aktiengesetz enthält zum Schutz der Gläubiger Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung. Außerdem verpflichtet es den Vorstand, bei Eintritt der Zahlungsunfahigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen.

24 Timm, WM 1991,481,483. 25 Ablehnend gegenüber der Rechtsprechung Flume, ZIP 1996, 161 ff. 26 So auch Flume, ZIP 1996, 161 ff. 9 Gätsch

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a) Kapitalaujbringung im Aktienrecht Die Aktiengesellschaft besitzt ein in Aktien zerlegtes Gnmdkapital von mindestens 100.000 DM (§§ 1 Abs. 2, 7 AktG). Sie wird durch die Übernahme aller Aktien durch die Gründer errichtet (§ 29 AktG). Es entsteht die Vorgesellschaft. Die Zeichnung genannte Übernahme einer Aktie begründet die Einlageverpflichtung des Gründers. Zur Übernahme von Aktien zugelassen sind nur die Gründer, d.h. diejenigen Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben (§ 28 AktG; sog. Einheitsgründung). 27 Sobald die Gesellschaft errichtet ist, steht ihr somit bereits Vennögen in Fonn der Einlageforderungen zu. Bei der Bargründung müssen die Gründer vor Anmeldung der Gesellschaft zwn Handelsregister mindestens ein Viertel des Nennbetrages der übernommenen Aktien, bei Überpariemissionen außerdem das Agio, leisten (§ 36a Abs. 1 AktG). Außer der Bargeldzahlung sind nur die in § 54 Abs. 3 AktG genannten Fonnen der Leistung zulässig. Der geleistete Betrag muß endgültig zur freien Verfiigung des Vorstands stehen (§ 36 Abs. 2 AktG). Sacheinlagen sind grundsätzlich vollständig zu leisten (§ 36a Abs. 2 Satz 1 AktG). Eine Ausnahme sieht § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG lediglich fiir den Fall vor, daß die Sacheinlage in der Verpflichtung besteht, einen Vennögensgegenstand auf die Gesellschaft zu übertragen. Wurde die zur Erfiillung einer Sacheinlageverpflichtung eingebrachte Sache überbewertet und daher der Einlagebetrag nicht erreicht, so liegt darin ein Errichtungsmangel, der grundsätzlich zur Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht fUhrt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 AktG). Wurde die Gesellschaft dennoch eingetragen, so ist dies wirksam. 28 Der Sacheinleger ist in diesem Fall gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, die Differenz zwischen der von ihm übernommenen Einlageverpflichtung und dem tatsächlichen Wert der Sacheinlage in bar nachzuzahlen. 29 Bei nicht rechtzeitiger Einzahlung der Einlage drohen den Aktionären Zinsund Schadensersatzzahlungen sowie, falls dies satzungsmäßig vorgesehen ist, Vertragsstrafen (§ 63 AktG). Unter den in § 64 AktG genannten Voraussetzun-

27 Sollen die Aktien einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden, hat ein Gründer - in der Regel eine Bank - die Aktien zu übernehmen und muß sie dann zum Verkauf anbieten. Da damit ein großes wirtschaftliches Risiko verbunden ist, kommt es kaum noch zur Neugründung von Publikums-Aktiengesellschaften. 28 Hü.f!er, AktG, § 27 Rn. 28. 29 BGHZ 64, 52, 62.

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gen können Aktionäre, die die Einlage nicht rechtzeitig leisten, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. In diesem Fall ist jeder im Aktienbuch verzeichnete Vormann nach § 65 AktG zur Zahlung des rückständigen Betrages verpflichtet. Über die Gründung der Aktiengesellschaft ist ein Bericht anzufertigen (§ 32 AktG). Die Mitglieder des ersten Vorstands und des ersten Aufsichtsrats - unter den in § 33 Abs. 2 AktG genannten Voraussetzungen auch die sonstigen Gründungsprüfer - haben eine Gründungsprüfung durchzufiihren (§ 33 AktG). Diese beinhaltet nach § 34 Abs. 1 AktG auch, daß die Sacheinlagen richtig bewertet wurden. Die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister darf nach § 36 Abs. 2 AktG erst erfolgen, wenn die Einlagen in Höhe des eingeforderten Betrages ordnungsgemäß geleistet worden sind und endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Nach einem Teil des Schrifttums soll diese Vorschrift die Freiheit des Vorstands bei der Verwendung der eingezahlten Mittel sicherstellen,3D während andere ihren Zweck lediglich darin sehen, bloße Scheinzahlungen zu verhindern, Festlegungen des Vorstands über die Mittelverwendung aber durchaus zulassen wollen. 31 Daß eine nur zum Schein vorgenommene Geldübergabe keine wirksame Erfüllung einer Bareinlageverpflichtung darstellt, versteht sich von selbst. Das bedeutet allerdings nicht, daß der erste Vorstand nicht bereits vor Leistung der Bareinlagen über deren Verwendung bestimmen darf. Gerade dies entspricht seiner Zuständigkeit nach §§ 76 ff. AktG und steht seiner freien Verfügung nicht entgegen. Unzulässig ist es hingegen, wenn der Inferent seine Einlageleistung von Bedingungen über die Verwendung der Einlagen abhängig macht, da der Vorstand dadurch in seiner Entscheidung über den Mitteleinsatz unfrei würde. Dies würde sowohl gegen § 36 Abs. 2 AktG als auch gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßen. Das Registergericht prüft, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet wurde (§ 38 AktG). Erst durch die Eintragung in das Handelsregister entsteht die Aktiengesellschaft als juristische Person (41 Abs. 1 AktG).

3D Godin/Wilhelmi, AktG, § 36 Anm. 13. 31 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II 1, S. 70 mwN.

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Wird die Gesellschaft bei ihrer Gründung geschädigt, so sind ihr die Gründer nach § 46 AktG als Gesamtschuldner verantwortlich. Daneben besteht eine Verantwortlichkeit der Personen, die an der Gründung zum Schaden der Gesellschaft mitgewirkt haben (§ 47 AktG). Außerdem haften die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die bei der Gründung ihre Pflichten verletzt haben (§ 48 AktG).

b) Kapitalerhaltung im Aktienrecht

Eine dem § 30 Abs. I GmbHG entsprechende Vorschrift, nach der das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf, enthält das Aktiengesetz nicht. § 57 AktG verbietet sowohl die Rückgewähr von Einlagen als auch die Zusage oder Auszahlung von Zinsen. Nach § 57 Abs. 3 AktG32 darf an die Aktionäre nur der Bilanzgewinn ausgezahlt werden. Nach §§ 152 Abs. 1 Satz 1 AktG, 266 Abs. 3 A. I. HGB ist das Grundkapital der Aktiengesellschaft auf der Passivseite der Bilanz unter dem Eigenvermögen als gezeichnetes Kapital auszuweisen. Der Ansatz hat zum Nennwert zu erfolgen (§ 283 HGB). Das Grundkapital der Aktiengesellschaft wird damit zum bilanziellen Rechnungsposten. 33 Auf diese Weise wird Gesellschaftsvermögen gebunden, das als Reservefond bereitsteht, damit eventuelle Verluste der Gesellschaft gedeckt sind und nicht das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Vermögen angreifen. 34

aa) Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 AktG) Das Verbot der Einlagenrückgewähr in § 57 Abs. 1 AktG erklärt sich aus der Gesetzesgeschichte. Ursprünglich sah das Aktiengesetz die Bildung einer Kapitalrücklage in der Bilanz nicht vor. Das hatte zur Folge, daß die über den Nennbetrag der gezeichneten Aktien hinausgehenden Ausgabebeträge im Sinne der 32 Diese Vorschrift ist durch das "Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts" vom 2. August 1994 (BGBL 1994, Teil I, S. 1961 f.) eingefügt worden und entspricht dem bis dahin geltenden § 58 Abs. 5 AktG. Diese Neufassung hat den Zweck, die Verteilung von Bilanzgewinn an derjenigen Stelle des Aktiengesetzes zu regeln, der sie inhaltlich zuzuordnen ist (vgl. Planek, GmbHR 1994, 501, 504). 33 Joost, ZHR 149 (1985), 419, 420. 34 Joost, ZHR. 149 (1985), 419, 420; Hüffer, AktG,

§ 150 Rn. 1.

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§§ 9 Abs. 2, 54 AktG (Agio) oder die sonstigen Einlageleistungen der Aktionäre als Gewinn bilanziert und auf diese Weise wieder an die Aktionäre ausgeschüttet werden konnten. Das sollte durch § 57 Abs. 1 AktG verhindert werden. Heute sind sowohl das Agio als auch die sonstigen Einlageleistungen der Aktionäre als Kapitalrücklage in der Bilanz auszuweisen (§ 272 Abs. 2 HGB).35 Darüber hinaus gilt eine gesonderte Ausweispflicht für Beträge, die während des Geschäftsjahres eingestellt oder für das Geschäftsjahr entnommen wurden (§ 152 Abs. 2 AktG). Dadurch wird verhindert, daß Einlageleistungen der Aktionäre als Gewinn der Gesellschaft ausgewiesen und wieder an die Aktionäre ausgeschüttet werden. 36

bb) Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage (§ 150 AktG) Nach § 150 AktG hat die Gesellschaft eine gesetzliche Rücklage zu bilden. Gemeint ist eine gesetzliche Gewinnrücklage, wie die Unterscheidung zwischen gesetzlicher Rücklage und Kapitalrücklage in § 150 AktG zeigt.J7 In die gesetzliche Gewinnrücklage ist der zwanzigste Teil des wn einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen. Die Pflicht zur Einstellung von Gewinnen in diese Rücklage besteht solange, bis die Gewinnrücklage und die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB zusammen den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen. Dadurch, daß Teile des vom Unternehmen erzielten Jahresüberschusses zwingend in das Eigenkapital einzustellen sind, soll dem Interesse der nur kapitalistisch, nicht unternehmerisch an der Aktiengesellschaft beteiligten Aktionäre an einer möglichst hohen Gewinnausschüttung entgegengewirkt werden. Auch wird die Eigenkapitalbasis der Gesellschaft gestärkt, wn auf diese Weise eventuell eintretende wirtschaftliche Verluste auffangen zu können. 38

35 Glade, Rechnungslegung, § 272 HGB, Rn. 1 f. 36 Claussen in KölnKomm, AktG, § 150 Rn. 7. 37 Hü.!fer, AktG, § 150 Rn. 2. Zu Unklarheiten der gesetzlichen Begriffsbildung C/aussen in KölnKomm, AktG, § 150 Rn. 5.

38 So auch Claussen in KölnKomm, AktG, § 150 Rn. 7; Fabritius, ZHR 144 (1980), 628,631.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

cc) Rechtsfolgen verbotswidriger Auszahlungen Werden verbotswidrige Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Aktionäre geleistet, so haben diese die erhaltenen Beträge zurückzuerstatten, es sei denn, sie haben die Beträge als Gewinnanteile bezogen, ohne zu wissen, daß sie zum Bezuge nicht berechtigt waren (§ 62 Abs. I AktG). Die Pflicht zur Erstattung verbotswidrig empfangener Leistungen trifft nur den Leistungsempfänger selbst, nicht dagegen seinen nach § 65 AktG haftenden Vormann. 39 Nach § 62 Abs. 2 AktG sind die Gesellschaftsgläubiger zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt, soweit sie von der Gesellschaft selbst keine Befriedigung erlangen können.

c) Vorstandspjlichten bei Verlust und Überschuldung nach § 92 AktG Ergibt sich bei der Aufstellung einer Jahres- oder Zwischenbilanz, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, oder ist dies bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, so ist der Vorstand nach § 92 Abs. 1 AktG verpflichtet, die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen. Nach § 92 Abs. 2 AktG hat der Vorstand, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig wird oder ihr Vermögen nicht mehr die Schulden deckt, die Eröffuung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. Der Bundesgerichtshof hat in der "Girmes"-Entscheidung40 ausgefiihrt, daß eine Überschuldung im Sinne der § 92 Abs. 2 AktG vorliege, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decke (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortfiihrung des Unternehmens ausreiche (negative Fortbestehensprognose).41

39 Lutter in KölnKomm, AktG, § 62 Rn. 14. 40 BGH, NJW 1995, 1739, 1743. 41 Vgl. dazu oben Zweiter Teil, 11 3c.

I. Vergleich zwischen Aktiengesellschaft und GmbH

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d) Vergleich des Gläubigerschutzes bei Aktiengesellschaft und GmbH Sowohl bei der Aktiengesellschaft als auch bei der GmbH haften nur das Gesellschaftsvennögen, nicht aber die Gesellschafter persönlich fiir die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Bei beiden Gesellschaftsfonnen wird der Gläubigerschutz durch die Aufbringung und Sicherung eines Grund- bzw. Stanunkapitals in gesetzlich vorgeschriebener Mindesthöhe sowie die Pflicht zur Konkursanmeldung bei Zahlungsunfahigkeit und Überschuldung gewährleistet.

aa) Kapitalaufbringung Das Griindungsverfahren ist bei der Aktiengesellschaft, bei der ein Gründungsbericht und eine Griindungsprüfung vorgesehen sind, im Interesse des Anlegerschutzes wesentlich aufwendiger ausgestaltet als bei der GmbH. Die in §§ 46 ff. AktG geregelte Gründungsverantwortlichkeit entspricht in etwa der Vorschrift des § 9a GmbHG. Einen wesentlichen Unterschied schaffi: § 24 GmbHG, der bei der GmbH die Mitgesellschafter fiir den Fall, daß eine Stammeinlage von einem Gesellschafter nicht erlangt werden kann, verpflichtet, den Fehlbetrag aufzubringen. Eine derartige Ausfallhaftung der Mitaktionäre kennt das Aktiengesetz nicht. § 65 AktG verpflichtet lediglich die im Aktienbuch verzeichneten Vonnänner eines wegen Säumnis ausgeschlossenen Aktionärs, der Aktiengesellschaft den rückständigen Betrag zu zahlen.

bb) Kapitalsicherung Die Sicherung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft funktioniert im wesentlichen ebenso wie die Sicherung des Stanunkapitals der GmbH. Grundkapital und Stanunkapital sind als gezeichnetes Kapital in der Bilanz zu passivieren (§§ 152 Abs. 1 AktG, 42 Abs. 1 GmbH). Dadurch wird das zur Dekkung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und des Grund- bzw. Stammkapitals erforderliche Vennögen der Gesellschaft rechnerisch gebunden. Allerdings ist der betragsmäßige Umfang des gebundenen Eigenkapitals bei beiden Gesellschaftsfonnen verschieden. Die Aktiengesellschaft hat eine gesetzliche Gewinnrucklage zu bilden, die sie nur in den gesetzlich bestimmten Fällen auflösen darf (§ 150 AktG). Für die GmbH besteht die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage grundsätzlich nicht. Zwar muß auch sie freiwillig gebildete Kapital-

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

und Gewinnrücklagen passivieren. Jedoch kann sie diese Rücklagen im Rahmen der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung auflösen. Bei der Aktiengesellschaft unterliegt also das gesamte Gesellschaftsvermögen außer dem Jahresgewinn der Vermögensbindung, bei der GmbH nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen. Der sachliche Grund für die weitergehende Bindung des Vermögens bei der Aktiengesellschaft im Vergleich zu GmbH liegt darin, daß Aktiengesellschaftsanteile öffentlich gehandelt werden. Könnte der Vorstand Rücklagen und stille Reserven beliebig auflösen und als Dividende an die Aktionäre verteilen, hätte er die Möglichkeit, durch den Ausweis derartiger Scheingewinne Einfluß auf die Nachfrage nach den Unternehmensaktien zu nehmen. Der damit einhergehende Einfluß der Geschäftsführung auf den Aktienhandel ist unerwünscht. Strengere Anforderungen als das Aktiengesetz stellt das GmbH-Gesetz an die Mitgesellschafter des Gesellschafters, der unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften eine Leistung der Gesellschaft empfängt. Sie trifft nach § 31 Abs. 3 GmbHG eine Ausfallhaftung, wenn der Rückerstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG von dem zahlungspflichtigen Gesellschafter nicht zu erlangen ist. 42 Eine derartige Ausfallhaftung der Mitaktionäre kennt das Aktiengesetz nicht. Im Ergebnis führt die aktiengesetzliche Pflicht zur Bildung von Eigenkapitalrücklagen zu einer stärkeren Eigenkapitaldecke bei der Aktiengesellschaft, während die GmbH ihr Unternehmen dauerhaft mit einem Eigenkapital von nur 50.000 DM betreiben kann. Dem steht zwar bei der GmbH eine verstärkte persönliche Haftung der (Mit)Gesellschafter gegenüber. Dennoch ist das Risiko, in den Zustand der Überschuldung zu geraten, bei der GmbH deutlich höher als bei der Aktiengesellschaft.

cc) Einberufungs- und Konkursantragspflicht bei Überschuldung Obwohl die Vorschriften des § 92 Abs. 1 AktG und des § 49 Abs. 3 GmbHG, die bei Kapitalverlust zur Einberufung einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung verpflichten, im Wortlaut voneinander abweichen, besteht Einigkeit, daß beide Vorschriften im gleichen Sinne zu verstehen sind. 43 Der in 42 Dazu oben Zweiter Teil, TI 2d bb. 43 Mertens, AG 1983, 173, 175.

TI. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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§§ 49 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 1 AktG beschriebene Eigenkapitalverlust stellt ein Krisenwamsignal dar, das die Geschäftsführung im Interesse der jeweiligen Gesellschaft zur Einberufung einer GesellschafterversammlWlg zwingt.44 Vereinzelt wird § 92 Abs. 1 AktG darüber hinaus eine Publizitätsfimktion zuerkannt, die § 49 Abs. 3 GmbHG nicht besitze. 45 Dabei dürfte es sich allerdings weniger wn einen wtmittelbaren Schutzzweck des § 92 Abs. 1 AktG als vielmehr wn einen aus der Öffentlichkeit der HauptversammlWlg folgenden mittelbaren Effekt handeln. 46 Zur KonkursanmeldWlg sind die Aktiengesellschaft Wld die GmbH Wlter den gleichen Voraussetzungen, nämlich bei ÜberschuldWlg Wld ZahlWlgsunfähigkeit, verpflichtet. Der Begriff der ÜberschuldWlg wird vom BWldesgerichtshof fiir beide Gesellschaftformen nunmehr gleichlautend im Sinne der "rechtlichen ÜberschuldWlg" ausgelegt, die neben der rechnerischen ÜberschuldWlg außerdem voraussetzt, daß eine Fortbestehensprognose negativ ausfällt. 47

11. Gläubigerschutz bei konzernierten Aktiengesellschaften Das Aktiengesetz Wlterscheidet zwischen Konzem- bzw. Abhängigkeitsverhältnissen, die auf einem Unternehmensvertrag, insbesondere einem BeherrschWlgsvertrag, beruhen,48 Wld solchen, bei denen ein BeherrschWlgsvertrag fehlt.

1. Gläubigerschutz bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages (§§ 311-318 AktG) Die §§ 311 ff. AktG regeln die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens gegenüber der von ihm abhängigen Aktiengesellschaft fiir den Fall, daß zwischen beiden kein BeherrschWlgsvertrag besteht. Der Gesetzgeber er44 W Müller (ZGR 1985, 191, 193) weist auf den systematischen Zusammenhang zwischen § 49 Abs. 3 und Abs. 2 GmbHG einerseits und zwischen § 92 Abs. 1 AktG und § 121 Abs. 1 AktG andererseits hin. 45 Martens, ZGR 1972,254,265, insbes. 272 ff. 46 Zutreffend Mertens in KölnKomm, AktG, § 92 Rn. 10.

47 BGH, NJW 1995,1739,1743 "Girmes". 48 Dazu unten Dritter Teil, TI 2.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

blickte in diesen Vorschriften "das Kernstück der Regelung des sogenannten faktischen Konzerns".49 Der Begriff "faktischer Konzern" ist jedoch in zweierlei Hinsicht ungenau. Zum einen setzen die §§ 311 ff. AktG kein Konzernverhältnis voraus, sondern sind bereits bei Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses anwendbar. Zum anderen paßt der Begriff "faktisch" nicht in jedem Fall, da - wie insbesondere § 316 AktG zeigt - zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Aktiengesellschaft durchaus ein Unternehmensvertrag, nämlich ein Gewinnabführungsvertrag, bestehen darf.

a) Abhängigkeit

Die von §§ 311 ff. AktG vorausgesetzte Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen auf eine Aktiengesellschaft unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann (§ 17 Abs. 1 AktG). Nach dem Gesetzeswortlaut reicht zur Begründung von Abhängigkeit bereits die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens aus, beherrschenden Einfluß auszuüben. Nicht erforderlich ist, daß der Einfluß auch tatsächlich ausgeübt wird. 50 Die Grundlagen, aus denen sich die Abhängigkeit ergeben kann, nennt § 17 AktG nicht. Der Aktiengesetzgeber von 1965 hat bewußt darauf verzichtet, um dem Eindruck vorzubeugen, daß die Abhängigkeit rechtlich begründet sein muß. Vielmehr sollte auch ein Zusammenwirken von rechtlichem und tatsächlichem Einfluß genügen. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird die Abhängigkeit vermutet, wenn ein anderes Unternehmen an der Aktiengesellschaft mit Mehrheit beteiligt ist. Daraus folgt, daß der die Abhängigkeit begründende Einfluß des herrschenden Unternehmens eine Intensität erreichen muß, der dem durch eine Mehrheitsbeteiligung vermittelten entspricht. 51

aa) Mehrheitsbeteiligung Eine Aktiengesellschaft steht im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens, wenn dieses die Mehrheit der Aktien der Gesellschaft hält oder wenn ihm 49 Begründung zum Regierungsentwurf, bei KropjJ, S. 407. 50 Hü/fer, AktG, § 17 Rn. 6. 51 Hü/fer, AktG, § 17 Rn. 5; Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 17 Rn. 25.

II. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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die Mehrheit der Stinunrechte in ihrer Hauptversanunlung zusteht (§ 16 Abs. 1 AktG). Als dem Unternehmen gehörend gelten nach § 16 Abs. 4 AktG auch die Anteile, die ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens hält oder die von einem Einzelkaufinann in seinem Privatvermögen gehalten werden. Das mehrheitlich an einer Aktiengesellschaft beteiligte Unternehmen ist nicht berechtigt, Einfluß auf deren Geschäftsführung nehmen. Auch ihm gegenüber leitet der Vorstand die Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung, d.h. frei von Weisungen. Ebensowenig ist es zur Besetzung der Vorstandsposten befugt. Thm ist es grundsätzlich52 möglich, die Sitze der Anteilseigner im Aufsichtsrat zu besetzen, indem es entsprechende Hauptversammlungsbeschlüsse herbeiführt. Da der Aufsichtsrat seinerseits die Mitglieder des Vorstands wählt, steht dem Mehrheitsaktionär rechtlich nur ein mittelbarer Einfluß auf die Geschäftsführung zu. Inwieweit er tatsächlich auf die Geschäftsleitung Einfluß nimmt, dürfte in erster Linie vom Durchsetzungswillen und der Eigenständigkeit der Mitglieder des Vorstands der beherrschten Gesellschaft abhängen.

bb) Minderheitsbeteiligung Unter Umständen genügt bereits eine Minderheitsbeteiligung, um eine Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG zu begründen. Erforderlich ist dafür, daß Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art hinzutreten, die einen einer Mehrheitsbeteiligung entsprechenden Einfluß vermitteln. Das setzt allerdings voraus, daß sich der Minderheitsaktionär auf die Mitwirkung Dritter dauerhaft verlassen kann. 53 Umstände rechtlicher Art wären etwa Stimmbindungsverträge mit anderen Aktionären oder Satzungsbestimmungen, die organisationsrechtliche Befugnisse eines Unternehmens begründen. 54 Als Mittel tatsächlicher Art wären personelle Verflechtungen oder die familiäre Verbundenheit mehrerer Gesellschafter anzusehen.

52 Etwas anderes kann gelten, wenn die Satzung Höchststimmrechte im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG vorsieht. 53 Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 3 III 4a, S. 61. 54 Zu Möglichkeiten der Konzembildung auf statutarischer Grundlage ausführlich Beuthien, ZIP 1993, 1589 ff.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

cc) Wirtschaftliche Abhängigkeit Ob tatsächliche Umstände wirtschaftlicher Art wie etwa langfristige Lieferoder Abnahmeverpflichhmgen oder KreditbeziehWlgen eine Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG begründen können, ist wnstritten. 55 Nach der BegründWlg zum RegiefWlgsentwurfbehandeln die §§ 311 ff. AktG "die Verantwortlichkeit fiir die AusübWlg rein tatsächlicher, also nicht auf einem BeherrschWlgsvertrag beruhender BeherrschWlgsmacht". 56 Zugleich ging der Aktiengesetzgeber von 1965 jedoch davon aus, daß rein tatsächliche Verhältnisse zur AbhängigkeitsbegründWlg nur selten ausreichen würden, weil sie dem herrschenden Unternehmen in aller Regel nicht gestatteten, sich die abhängige Gesellschaft ohne Rücksicht auf zufällige EntwicklWlgen Wld die nicht sichere MitwirkWlg anderer zu Wlterwerfen. 57 Nach heute herrschender MeinWlg kann die Abhängigkeit auf vertraglichen oder organisatorischen BindWlgen zwischen den beteiligten Unternehmen oder auf sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen beruhen. 58 Allerdings müsse der Einfluß gesellschaftsrechtlich vermittelt sein, so daß Kredit- oder LieferbeziehWlgen weder allein noch im Zusammenhang mit einer Beteiligoog ausreichten. 59 Begründet wird dies damit, daß das Konzernrecht auf gesellschaftsrechtliche Tatbestände zugeschnitten sei. Ließe man bereits die wirtschaftliche Abhängigkeit zur ErfüllWlg des § 17 AktG genügen, so würde dies zu großer RechtsWlsicherheit führen. 60 Auch wolle das Aktiengesetz wirtschaftspolitisch neutral sein Wld lediglich einen Organisationsrahmen fiir Unternehmensträger bereitstellen, ohne darüber hinaus in marktwirtschaftliche Geschehensabläufe einzugreifen. 61

55 Überblick bei Emmerich/Sonnenschein, § 3 III 4b bb, S. 63; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 17 Rn. 49 f. 56 Bei Kropf!, S. 407. 57 Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kropf!, S. 31.

58 BGHZ 62, 193, 199: Halten von mehr als der Hälfte der Anteile eines anderen Unternehmens durch eine Gruppe von Gesellschaften mit gleicher personeller Zusammensetzung. Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 3 III 2, S. 56.

59 BGHZ 90, 381, 395 ff. "BuM"; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 3 III 2, S. 57; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 51 Rn. 13, S. 545/546; Hüffer, AktG, § 17

Rn. 8.

60 Strohn, S. 26. 61 Strohn, S. 26.

II. Gläubigerschutz bei konzernierten Aktiengesellschaften

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Die aus wirtschaftlichen Austauschbeziehungen folgenden Abhängigkeiten allein erfüllen den Tatbestand des § 17 AktG nicht, sondern unterliegen den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts, des Wettbewerbsrechts und des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen. 62 Erforderlich ist zumindest auch ein gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluß.

b) Das Rege/ungssystem der §§ 311-318 AktG

aa) Verbot der negativen Einflußnahme und Nachteilsausgleich Besteht kein Beherrschungsvertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluß nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft zu Rechtsgeschäften oder Maßnahmen zu veranlassen, die fiir diese nachteilig sind, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden (§ 311 Abs. 1 AktG). Der Begriff des Veranlassens ist weit auszulegen. Er umfaßt jedes Verhalten des herrschenden Unternehmens, daß die abhängige Gesellschaft zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft oder einer nachteiligen Maßnahme bestimmt. 63 Die Einflußnahme kann auf einem Handeln der Vertreter des herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat oder auf der Beschlußfassung in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft beruhen. 64 Ob ein Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme fiir die Gesellschaft nachteilig ist, ist durch einen Vergleich zu ermitteln. Dabei ist darauf abzustellen, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft gehandelt hätte. Entscheidend ist, daß der Nachteil, den die Gesellschaft erlitten hat, gerade auf ihrer Abhängigkeit beruht. Indem § 311 AktG dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs gewährt, wird es durch diese Vorschrift im Vergleich zu sonstigen Gesellschaftern privilegiert, die fiir schädigende Einflußnahmen nach § 117 AktG schadensersatzpflichtig sind, ohne dieser Pflicht durch den Ausgleich durch sie verursachter Nachteile entgehen zu können.

62 Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 51 Rn. 20, S. 549; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 3 m 4b bb, S. 63/64. 63 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 20 11, S. 330. 64 Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 20 I 1, S. 330.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

bb) Abhängigkeitsbericht § 312 AktG verpflichtet den Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft, für jedes Geschäftsjahr einen Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzustellen (Abhängigkeitsbericht). Die Berichtspflicht betrifft drei Gruppen von Geschäften oder Maßnahmen: erstens alle Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit dem herrschenden Unternehmen oder mit einem von diesem abhängigen Unternehmen; zweitens Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit anderen Unternehmen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse des herrschenden oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens vorgenommen hat; drittens alle anderen Maßnahmen, die die Gesellschaft auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen getroffen oder unterlassen hat. Zweck des Berichts ist es, die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die vorgenommenen Geschäfte angemessen waren, um dadurch die abhängige Gesellschaft vor nachteiligen Einflußrnaßnahmen durch das herrschende Unternehmen zu schützen und einen gegebenenfalls erforderlichen Nachteilsausgleich sicherzustellen. 65 Die Verpflichtung, einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen, besteht nach § 316 AktG nicht, wenn zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Die abhängige Gesellschaft, ihre außenstehenden Aktionäre und ihre Gläubiger sind in diesem Falle durch die vertragskonzemrechtlichen Sicherungen der §§ 300-307 AktG, insbesondere durch die das herrschende Unternehmen treffende Pflicht zum Verlustausgleich nach § 302 AktG, ausreichend geschützt. 66 Der Abhängigkeitsbericht ist durch den Aufsichtsrat, bei Erforderlichkeit einer Abschlußprüfung durch den Abschlußprüfer und auf Antrag eines Aktionärs durch einen gerichtlich bestellten Sonderprüfer zu prüfen ist (§§ 313-315 AktG).

65 Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kropf!, S. 411; Hommelhoff, ZHR 156 (1992),295 f. 66 Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kropff, S. 417 f.

11. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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cc) Schadensersatzpflichten nach §§ 317, 318 AktG Veranlaßt das herrschende Unternehmen die abhängige Aktiengesellschaft zur Vornahme eines für sie nachteilgen Rechtsgeschäfts oder einer nachteiligen Maßnahme, ohne den Nachteil auszugleichen, so haftet es der Gesellschaft auf Schadensersatz (§ 317 Abs. 1 AktG). Auch die Aktionäre sind anspruchsberechtigt, soweit diese einen über den Gesellschaftsschaden hinausgehenden eigenen Schaden erlitten haben. Daneben sind die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens ersatzpflichtig (§ 317 Abs. 3 AktG). Die Mitglieder des Vorstands der abhängigen Aktiengesellschaft haften dieser wegen Verletzung ihrer Berichtspflicht, wenn sie es unterlassen haben, das nachteilige Rechtsgeschäft im Abhängigkeitsbericht aufzunehmen oder anzugeben, daß der Nachteil nicht ausgeglichen worden ist (§ 318 Abs. 1 AktG). Eine entsprechende Haftung trifft die Mitglieder des Aufsichtsrats, wenn sie ihre Prüfimgspflicht verletzt haben (§ 318 Abs. 2 AktG). Die Ersatzpflicht der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder entfällt, wenn ihr Handeln auf einem Hauptversammlungsbeschluß beruhte (§ 318 Abs. 3 AktG). c) Funktionsfähigkeit der §§ 311 ff. AktG aa) Kritik am Regelungssystem der §§ 311 ff. AktG Die Funktionsfähigkeit der auf Schädigungsverbot, Nachteilsausgleich und Abhängigkeitsbericht beruhenden §§ 311 ff. AktG wurde nach ihrem Inkrafttreten im Jahre 1965 zunächst sehr kritisch beurteilt und wird es von Teilen des Schrifttums auch heute noch. 67 So wird behauptet, es sei kaum feststellbar, ob Geschäfte oder Maßnahmen, insbesondere wenn sie die Unternehmensstruktur veränderten (Veränderung der Produktionspalette, Umstellungen im Produktionsverfahren oder Neuzuteilung von Absatzmärkten), für die abhängige Gesellschaft mit Vorteilen oder Nachteilen verbunden seien. Der Vergleich mit dem Verhalten eines selbständigen Unternehmens sei hypothetisch und daher gerade

67 Immenga, in: FS Böhm, S. 253, 259; EmmerichlSonnenschein (Konzernrecht, l. Aufl. München 1973, § 8 m 5, S. 154 f.) meinten, die §§ 311-318 AktG seien wegen der unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Nachteilsermittlung "weitgehend ineffektiv"; ausführlich dazu Reul, S. 279 ff. mit zahlreichen wN.; zuletzt Henze, BB 1996, 489,498 f.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzem

bei längerdauernden Konzernverbindungen nicht brauchbar. Aber selbst wenn feststehe, daß eine Maßnahme nachteilig sei, bereite es kaum überwindbare Schwierigkeiten, diesen Nachteil höhenmäßig zu beziffern, damit ein entsprechender Ausgleich gewährt werden könne. Zudem sei der Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG nicht einklagbar. Auch stehe der Vorstand der abhängigen Gesellschaft, der von dem herrschenden Unternehmen gewählt werde, bei der Erstellung des Abhängigkeitsberichts in einem Interessenkonflikt, wenn der Bericht negative Aussagen über das herrschende Unternehmen enthalten solle. Gleiches gelte fiir die zur Berichtsprüfung zuständigen Abschlußprüfer, die letztlich vom herrschenden Unternehmen bestellt würden. Diese seien zudem bei der Prüfung der in dem Bericht enthaltenen Angaben häufig überfordert. Der Abhängigkeitsbericht stelle daher lediglich eine lästige und kostenintensive, aber im Ergebnis nutzlose Pflichtübung dar. 68 Diese Probleme vergrößerten sich noch, wenn die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens eine derartige Breite und Dichte annehme, daß einzelne Weisungen des herrschenden Unternehmens und die sich daraus fiir die abhängige Gesellschaft ergebenden Folgen nicht mehr im einzelnen festgestellt werden könnten. 69 In dem dann vorliegenden qualifizierten faktischen Aktienkonzern versagten die auf der Feststellung einzelner nachteiliger Einflußnahmen und ihrem Ausgleich beruhenden Vorschriften völlig. Teile des Schrifttums wollen daher auf diese Sachverhalte nicht die §§ 311 ff. AktG, sondern die fiir den Vertragskonzern geltenden Vorschriften, insbesondere die §§ 302, 303 AktG, anwenden.1°

bb) Wandelung der Einschätzung aufgrund rechtstatsächlicher Erhebungen In jüngster Zeit hat sich die negative Beurteilung der §§ 311 ff. AktG - wie insbesondere auch die Ergebnisse des 59. Deutschen Jurlstentages in Hannover 1992 zeigen71 - gewandelt. Eine von Hommelhoff durchgeführte rechtstatsäch-

68 Im einzelnen Reul, S. 280 f.

69 Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 20 IV I, S. 341; Strohn, S. 114 ff.; zahlreiche Nachweise bei Koppensteiner in KölnKomm, AktG, Vorb § 311 Rn. 22. 70 EmmerichiSonnenschein, Konzemrecht, § 20 IV 4b, S. 349 mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Gegenmeinung. Zum qualifizierten faktischen Aktienkonzern vgl. ausfiihrlich unten VI. 71 Abgedruckt in AG 1992, R 398; GmbHR 1992, GmbH-Report R 74.

n. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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liche Untersuchung72 belegt, daß das System des Nachteilsausgleichs und Abhängigkeitsberichts in der Praxis durchaus funktioniert. Die befragten Praktiker - es handelte sich um Mitglieder von Aufsichtsräten abhängiger Gesellschaften, Unternehmensjuristen und Wirtschaftsprüfer - betonten, daß die Vorstandsmitglieder abhängiger Gesellschaften in erster Linie ergebnisorientiert arbeiteten. Sie würden im Interesse ihrer Gesellschaft handeln und sich gegen für diese nachteilige Maßnahmen des herrschenden Unternehmens sperren. Daß diese Vorstandsmitglieder deswegen nicht wiederbestellt oder sogar abgelöst würden, sei unwahrscheinlich, da gutes Managementpersonal schwer zu bekommen sei. 73 Gestärkt werde die Position der Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft durch den Abhängigkeitsbericht, in den nachteilige Einflußnahmen des herrschenden Unternehmens aufgenommen werden müßten. Allein das Bestehen der Berichtspflicht entfalte eine starke Vorfeldwirkung, die dafür sorge, daß nachteilige Einflußnahmen in der Regel unterblieben. 74 Bemängelt wurde, daß der Begriff der Veranlassung schwer zu erfassen sei. Maßnahmen würden in der Regel zwischen der Konzernleitung und dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft besprochen und dann von diesem in seine unternehmerische Verantwortung übernommen; nur wenn diese Übernahme nicht erfolge, werde eine Maßnahme als veranlaßt angesehen. 75 Bedenklich sei weiterhin die persönliche Abhängigkeit des Abschlußprüfers, der auf Vorschlag des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft (§ 124 Abs. 3 AktG) von den Gesellschaftern des Mutterunternehmens (§ 318 Abs. 1 HGB), somit also vom herrschenden Mehrheitsunternehmen, für die kurze Dauer von nur einem Jahr (§ 318 Abs. 1 Satz 3 HGB) bestellt werde. 76 Die Arbeitnehmervertreter der befragten Aufsichtsratsmitglieder wünschten mehr Publizität. 77 Trotz dieser Schwächen fiel das Praktikerurteil insgesamt positiv aus. 78

72 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295-313; HommelhojJselbst (Gutachten zwn 59. DIT, G 22) weist daraufhin, daß die von ihm durchgeführte Befragung keinen repräsentativen Charakter habe, aber durchaus gewichtige Aufschlüsse im Grundsätzlichen liefere. 73 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 300 ff. 74 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 313; ders., Gutachten zwn 59. DIT, G 23. 75 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 297 f. 76 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 303. 77 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 311 f. 78 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 313. 10 GäISCh

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern Wld Vertragskonzern

Im Anschluß an diese Untersuchung mehren sich die Stimmen im Schrifttum, die die §§ 311 ff. AktG fiir durchaus funktionsfähig und praktikabel halten. 79 Vor diesem Hintergrund erscheint es bedenklich, daß der Bundesgerichtshof die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG weder im Aktienrecht noch im GmbH-Recht auf faktische Konzernverhältnisse anwendet.

d) Fortgeltung der allgemeinen GläubigerschutzvorschriJten

Nicht hinreichend beachtet wird häufig, daß die allgemeinen aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften im faktischen Aktienkonzern neben den §§ 311 ff. AktG jedenfalls insoweit Anwendung finden, wie sie nicht durch diese verdrängt werden.

aa) Kapitalsicherung nach §§ 57 ff. AktG Die Kapitalbindungsvorschriften der §§ 57, 58, 60 und 62 AktG, die durch eine nachteilige Veranlassung des herrschenden Unternehmensaktionärs, insbesondere durch eine diesem gegenüber vorgenommene verdeckte Gewinnausschüttung, verletzt werden können, sollen nach Ansicht mancher durch die §§ 311 ff. AktG, bei denen es sich um speziellere Vorschriften handele, verdrängt werden. 80 Dem wird entgegnet, daß es das herrschende Unternehmen ungerechtfertigt privilegiere, wenn den §§ 311 ff. AktG Vorrang vor den §§ 57, 58 und 60 AktG eingeräumt werde. 81 Die §§ 57 ff. AktG schützen das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft, soweit es sich nicht um bilanzieIl ausgewiesenen Gewinn handelt, vor Ausschüttungen an die Aktionäre. Es handelt sich um zwingendes Recht, das einen auf-

79 Lutter, ZHR 151 (1987),444,460 Wlter Aufgabe seiner in SAG 1976, 152, 159 geäußerten These, bei den §§ 311 ff. AktG handele es sich mehr oder minder um eine ScheinlösWlg; Rowedder, in: EntwicklWlgen im GmbH-Konzemrecht, S. 20, 34; Kropff, in: FS Kastner, S. 279, 283 f.; Forster in Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992, Band 1, Abschnitt F, Rn. 676, S. 440; K. Schmidt, lZ 1992,856,858. 80 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 311 Rn. 107; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49 mwN.; Kropff, DB 1967, 2147, 2152 f.; Michalski, AG 1980, 261, 264 f.; Henze, BB 1996,489,498 f. 81 Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, 2. Aufl., § 8 B 7, S. 207; Bälz, in: FS L. Raiser, S. 287, 314 f.

II. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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gnmd der Hafhmgsbeschränkung auf das Gesellschaftsvennögen notwendigen Mindeststandard des Gläubigerschutzes setzt. Dieser durch die Kapitalerhaltungsvorschriften gewährleistete Vennögensschutz wird im faktischen Aktienkonzern nicht beseitigt. Die Behauptung, jede Nachteilszufiigung stelle eine verdeckte Gewinnausschüttung dar,82 trifft nicht zu. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt dann vor, wenn die Gesellschaft einen Vennögenswert auf einen Aktionär überträgt, ohne daß dieser dafür eine angemessene Gegenleistung erbringt. Bei einer solchen Vennögensübertragung handelt es sich zugleich auch um eine fiir die Gesellschaft nachteilige Maßnahme im Sinne des § 311 AktG. Es sind jedoch nachteilige Einflußnahmen des herrschenden Unternehmensaktionärs vorstellbar, die keine solche Vennögensübertragung beinhalten. Zu denken wäre etwa daran, daß das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft veranlaßt, eine Geschäftschance nicht wahrzunehmen oder bestimmte Produktionsbereiche einzustellen. Auch wenden sich die Kapitalsicherungsvorschriften und die Konzernvorschriften nicht notwendig an dieselben Nonnadressaten. Die §§ 57 ff. AktG betreffen das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktionären, während die §§ 311 ff. AktG auch fiir herrschende Unternehmen gelten, die nicht an der Gesellschaft beteiligt sind, wie etwa das aufgnmd eines Gewinnabfiihrungsvertrages herrschende Unternehmen. Insoweit sind die §§ 311 ff. AktG umfassender. Diese setzen ihrerseits jedoch ein Abhängigkeits- oder Konzernverhältnis voraus, das von den §§ 57 ff. AktG nicht gefordert wird. Die Vorschriften über den faktischen Aktienkonzern und die aktiengesetzlichen Kapitalsicherungsvorschriften betreffen somit verschiedene Regelungsbereiche und haben unterschiedliche Voraussetzungen. Zwischen ihnen besteht daher kein Spezialitätsverhältnis. Die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57 ff. AktG werden daher nicht von den §§ 311 ff. AktG verdrängt, sondern sind neben diesen anwendbar. Jedoch greift bei einer unzulässigen Einlagenrückgewähr durch die Aktiengesellschaft an ihren herrschenden Gesellschafter die Privilegierungswirkung des § 311 Abs. 1 AktG, falls ein Nachteilsausgleich erfolgt.83 Unterbleibt dieser, ist der begünstigte Aktionär nach § 62 AktG zur Rückerstattung und, falls über die rückgewährte Einlage hinaus ein weiterer Schaden entstanden ist, nach § 317 AktG zum Schadensersatz verpflichtet.

82 So Strohn, S. 24 ff. 83 So auchAltmeppen, ZIP 1996,693,695 in Fn. 19.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

bb) Verlustanzeige- und Konkursantragspflicht (§ 92 AktG) Auch die Pflichten des Vorstands der abhängigen Gesellschaft, der Hauptversammlung Verluste anzuzeigen (§ 92 Abs. 1 AktG) und die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist (§ 92 Abs. 2 AktG), bestehen im faktischen Konzern fort. Sachliche Gründe, die dagegen sprechen, sind nicht ersichtlich.

2. Gläubigerschutz im aktienrechtlichen Vertragskonzern Besondere Vorschriften zur Sicherung der Gesellschaftsgläubiger sehen die §§ 300-303 AktG für Aktiengesellschaften vor, deren Abhängigkeit auf einem Unternehmensvertrag beruht.

a) Die Unternehmensverträge des Aktiengesetzes, insbesondere der Beherrschungsvertrag Die von der Rechtsprechung auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend angewendeten Pflichten zum Verlustausgleich (§ 302 AktG) und zur Sicherheitsleistung (§ 303 AktG) setzen das Bestehen bzw. die Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages voraus.

aa) Inhalt von Gewinnabfiihrungs- und Beherrschungsvertrag Durch den Abschluß eines Gewinnabfiihrungsvertrages verpflichtet sich die Aktiengesellschaft, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (§ 291 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AktG). Einflußnahmen auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft gestattet der Gewinnabfiihrungsvertrag dem herrschenden Unternehmen nicht. Durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages unterstellt die Aktiengesellschaft ihre Leitung einem anderen Unternehmen (§ 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. AktG). Der Beherrschungsvertrag berechtigt das herrschende Unternehmen, dem Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen (§ 308 Abs. 1 AktG). Das Bestehen eines

11. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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Beherrschoogsvertrages bildet somit die rechtliche VoraussetZlUlg dafiir, daß ein Unternehmen LeitWlgsmacht über eine Aktiengesellschaft ausüben darf. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Unternehmen an der Aktiengesellschaft beteiligt ist oder nicht; denn ohne Beherrschoogsvertrag steht selbst dem Alleinaktionär aufgrWld der Weisoogsfreiheit des Vorstands ood der weitgehenden EntmachtWlg der Hauptversammloog keine rechtlich begründete Möglichkeit zu, Einfluß auf die Geschäftsfiihrung zu nehmen. 84 Die Aktiengesellschaft 00terstellt ihre LeitWlg dem herrschenden Unternehmen, indem sie sich vertraglich verpflichtet, ihr Unternehmen nach den Vorstelloogen des anderen Unternehmens zu leiten. 85 Darin ist jedoch nicht die Einräumoog oder Übertragoog der organschaftlichen LeitWlgsbefugnis im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG an das herrschende Unternehmen zu sehen. Diese verbleibt vielmehr bei dem Vorstand der beherrschoogsvertraglich abhängigen Aktiengesellschaft. Das muß so sein, weil allein der Vorstand dieser Gesellschaft befugt ist, sie wirksam im Geschäftsverkehr zu vertreten. Als Mittel zur Herstelloog der einheitlichen LeitWlg im Sinne des § 18 AktG dient dem herrschenden Unternehmen sein Weisoogsrecht. § 308 Abs. 1 AktG erlaubt ihm, der abhängigen Gesellschaft Weisoogen in Geschäftsfiihrungsangelegenheiten zu erteilen. Das Weisoogsrecht besteht gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft, der verpflichtet ist, den Weisoogen zu folgen (§ 308 Abs. 2 AktG). Diese Regeloog überrascht, da Parteien des Beherrschoogsvertrages das herrschende Unternehmen ood die abhängige Aktiengesellschaft sind, hingegen deren Vorstand als Gesellschaftsorgan weder rechtsnoch verpflichtWlgsfähig ist. Die Vorschrift bezweckt, Weisoogen nur gegenüber dem geschäftsfiihrenden Gesellschaftsorgan ood damit nur in dessen Zuständigkeitsbereich zuzulassen. Dadurch wird die aus dem Beherrschoogsvertrag folgende LeitWlgsbefugnis des herrschenden Unternehmens auf den Bereich der Geschäftsfiihrung beschränkt. Unzulässig sind daher Weisoogen zu Maßnahmen, die in die Zuständigkeit von Hauptversammloog oder Aufsichtsrat fallen. Solchen Weisoogen muß die abhängige Gesellschaft trotz des Bestehens eines Beherrschoogsvertrages nicht folgen. Das herrschende Unternehmen ist berechtigt, die abhängige Gesellschaft zur Vornahme von fiir sie nachteiligen Geschäften anzuweisen, wenn dies den Be84 Begründung zum Regierungsentwurf (Vorbemerkung zum Zweiten Teil des Dritten Buchs), bei KropjJ, S. 402. 85 Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 291 Rn. 46.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern Wld Vertragskonzern

langen des herrschenden Unternehmens oder den Konzeminteressen dient (§ 308 Abs. 1 Satz 2 AktG). Unzulässig sind jedoch Weisungen, die zu wirtschaftlichen Verlusten der abhängigen Gesellschaft fiihren, wenn feststeht, daß das herrschende Unternehmen zwn Ausgleich der Verluste nicht in der Lage ist, oder die bei der abhängigen Gesellschaft liquide Mittel abziehen, die diese zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten dringend benötigt.86 Zwar genießt die Gesellschaft keinen Bestandsschutz. Jedoch erfordert ihre Auflösung einen f6nn1ichen Beschluß durch die Gesellschafter (§§ 119 Abs. 1 Nr. 8,262 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Daher ist es dem herrschenden Unternehmen nicht erlaubt, der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen, die ihre Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeifiihren würden.

bb) Rechtsnatur der Unternehmensverträge Über die Rechtsnatur der konzernrechtlichen Unternehmensverträge, insbesondere des Beherrschungsvertrages, wird seit langem gestritten.

(1) Schrifttum

Zunächst begriff man sie als rein schuldrechtliche Austauschverträge. 87 Dies änderte sich, als man meinte, durch Organschaftsverträge werde Leitungsmacht übertragen; diese Übertragung sei kein schuldvertraglicher, sondern ein innergesellschaftlicher, körperschaftlicher Vorgang mit organisationsvertraglichem Charakter. 88 Im Anschluß daran sieht die heute herrschende Auffassung in dem Beherrschungsvertrag nicht mehr nur einen Rechte und Pflichten begründenden Schuldvertrag, sondern einen satzungsändernden oder satzungsüberlagernden Organisationsvertrag. 89 Der Vertrag greife in die Verfassung der abhängigen

86 Brandes, in: FS Kellermann, S. 25,29 f.; Fleck, ZGR 1990,31,37 mwN. 87 Kronstein, S. 46 ff. 88 GrWldlegend Flume, DB 1955,485 ff.; ders., DB 1957,439; ders., DB 1959, 190, 195; Ballerstedt, DB 1957,837 ff.; Würdinger, DB 1958, 1447, 1452. 89 BGHZ 103, 1,4 "Familienheim"; 105,324,331 "Supermarkt"; Würdinger, Aktienrecht, § 70 TI 1a, S. 323 f.; Bälz, AG 1992,277,286 f.; Kantzas, S. 13; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, S. 35; HüjJer, AktG, § 291 Rn. 17; Geßler in Geßler/ Hefermehl, AktG, § 291 Rn. 20 ff.; weitere Nachweise bei Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 8 TI 1, S. 139 Fn. 20 Wld 21.

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Gesellschaft ein, indem er wesentliche Gnmdprinzipien der VerfassWlg der selbständigen Aktiengesellschaft verdränge: Zwn einen leite der Vorstand der abhängigen Gesellschaft diese nicht mehr eigenverantwortlich im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG, da er die WeisWlgen des herrschenden Unternehmens zu befolgen habe; der Vertrag begründe organisatorisch die Zuständigkeit Wld damit die Befugnis des herrschenden Unternehmens zur LeitWlg der Gesellschaft. 90 Zwn anderen werde durch § 291 Abs. 3 AktG die KapitalbindWlg zugWlSten des herrschenden Unternehmens aufgehoben,91 Der satzungsändernde Charakter der Unternehmensverträge erkläre auch, warwn die HauptversammlWlg der abhängig werdenden Gesellschaft dem Abschluß nach § 293 Abs. 1 AktG mit satzungsändernder Mehrheit zustimmen müsse. 92 Der Gesetzgeber selbst hat die Frage nach der Rechtsnatur des BeherrschWlgsvertrages Wlbeantwortet gelassen. 93 Er hat allerdings in § 293 Abs. 1 Satz 4 AktG bestimmt, daß auf den mit mindestens Dreiviertel-Mehrheit zu fassenden ZustimmWlgsbeschluß der HauptversammlWlg der Untergesellschaft zu einem Unternehmensvertrag die Vorschriften über Satzungsänderungen nicht anzuwenden seien.

(2) Stellungnahme Gegen die von der herrschenden MeinWlg vorgenommene EinordnWlg des BeherrschWlgsvertrages als organisationsrechtlicher Vertrag mit satzungsüberlagernder Wirkung bestehen in verschiedener Hinsicht Bedenken.

(a) Die Satzungsüberlagerung: Ein unbekannter Rechtsbegriff Die "Satzungsüberlagerung" ist als Rechtsbegriff Wlbekannt. Im allgemeinen Vertragsrecht bestehen die rechtlichen Kategorien des Vertragsschlusses Wld der Vertragsänderung, im Gesellschaftsrecht die der SatzungsfeststellWlg Wld der Satzungsänderung. Der Begriff der Satzungsüberlagerung ist ein Fremdkör90 Würdinger, Aktienrecht, § 70 11 la, S. 323. 91 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 8 11 I, S. 139 f.; Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 291 Rn. 21 f. 92 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 811 1, S. 139 f. 93 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kr0p.f!, S. 376.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzem

per im geltenden Recht, der, da er wenig anschaulich ist, dogmatisch nicht weiterhilft.

(b) § 76 AktG als Norm des Gesellschaftsinnenrechts Auch trifft es nicht zu, daß durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages die Zuständigkeit des Vorstands der abhängigen Gesellschaft zur eigenverantwortlichen Leitung im Sinne des § 76 AktG auf das herrschende Unternehmen übertragen und dadurch eine organisationsrechtliche Zuständigkeit des herrschenden Unternehmens zur Leitung der abhängigen Gesellschaft begründet wird. 94 Organisationsrechtliche innergesellschaftliche Zuständigkeiten können allein durch die Satzung der Gesellschaft begründet oder übertragen werden. 95 Dabei ist von einem engen formalen Satzungsbegriff im Sinne des § 23 AktG auszugehen. Diesen erfüllt der Beherrschungsvertrag nicht. Innerhalb der abhängigen Gesellschaft bleibt ihr Vorstand trotz Bestehens eines Beherrschungsvertrages das Gesellschaftsorgan, das die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG eigenverantwortlich leitet. Indem sich die Gesellschaft dem herrschenden Unternehmen gegenüber beherrschungsvertraglich bindet, ordnet sie sich insgesamt einem Konzernverbund unter. Diese Außenbindung schränkt die Handlungsautonomie der Gesellschaft ein und hat daher naturgemäß auch Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaftsorgane, die diese ja gerade von der Gesellschaft ableiten. Allerdings bleibt die geseIlschaftsinterne, durch Gesetz und Satzung bestimmte Zuständigkeitsverteilung unter den Gesellschaftsorganen durch eine derartige Außenbindung unberührt. Bei § 76 Abs. 1 AktG, dessen Geltung nach herrschender Meinung durch den Beherrschungsvertrag "überlagert" wird, handelt es sich um eine Norm, die sich ausschließlich auf das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft, nämlich auf das Verhältnis des Vorstands zu den anderen Gesellschaftsorganen, bezieht. Soweit im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, § 76 AktG statuiere die Weisungsfreiheit des Vorstands nicht nur gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen, son-

94 Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 291 Rn. 47; Kantzas, S. 12 f. 95 Rohleder, S. 22; Bürk/e, S. 163 f.

11. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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dem auch gegenüber Dritten,96 kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG insoweit offen. Systematisch steht die Vorschrift jedoch am Beginn des Vierten Teils des Aktiengesetzes, der die Verfassung der Aktiengesellschaft regelt und insbesondere den Gesellschaftsorganen ihre Zuständigkeiten zuweist. Auch die Materialien zum Aktiengesetz von 1965 enthalten Hinweise darauf, daß der Gesetzgeber in diesem Teil des Aktiengesetzes das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten nicht regeln wollte. Zwar sei es nach Ansicht des Gesetzgebers durchaus möglich gewesen, das Konzernrecht bei den Vorschriften über die Verfassung der Aktiengesellschaft einzufügen. Das hätte jedoch "die Einheitlichkeit der für die Einzelgesellschaft geltenden Verfassungsgrundsätze" durchbrochen und verdeckt, daß die Regelung "den geseIlschaftsrechtlichen Rahmen, in dessen Mittelpunkt die Gesellschaft als solche steht, sprengt und auf die Beziehungen der Gesellschaft zu anderen Unternehmen übergreift."97 Auch teleologische Gesichtspunkte sprechen für die Ansicht, daß § 76 AktG nur für das gesellschaftliche Innenverhältnis gilt. So hat beispielsweise eine dienstvertraglieh verpflichtete Aktiengesellschaft die Weisungen des Dienstherrn zu befolgen. Dieser wird seine Weisungen regelmäßig an den die Geschäfte führenden Vorstand richten. Derartige Weisungen würden in Widerspruch zu § 76 Abs. 1 AktG geraten, wenn dieser auch im Verhältnis zu Dritten gälte. Diese Probleme treten nicht auf, wenn man die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands auf das gesellschaftliche Innenverhältnis beschränkt. Folgt man dem, so tritt bei Abschluß eines Beherrschungsvertrages kein Widerspruch zu § 76 Abs. 1 AktG auf. 98 Da das herrschende Unternehmen der abhängigen Aktiengesellschaft - unabhängig von einer Beteiligung an dieser - als Dritter gegenübersteht, bleibt der Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft im Rahmen der ihr verbleibenden Handlungsautonomie gesellschaftsintern zu ihrer Leitung befugt, und zwar eigenverantwortlich gegenüber ihren anderen Gesellschaftsorganen. Der Abschluß des Beh~rrschungsvertrages hat insoweit keine "Satzungsüberlagerung" zur Folge.

96 Schilling in GeßlerlHefennehl, AktG, § 76 Rn. 12; Mertens in KölnKomm, AktG, § 76 Rn. 42.

97 Begründung zum Regierungsentwurf, Vorbemerkung zum Dritten Buch, Verbundene Unternehmen, bei KropjJ, S. 374. 98 So im Ergebnis auch Hüffer (AktG, § 291 Rn. 37) mit der Einschränkung, daß es bei der eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis des Vorstands der abhängigen Gesellschaft bleibe, soweit das herrschende Unternehmen von seiner Leitungsbefugnis keinen Gebrauch mache.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzem

(c) Beseitigung der Kapitalbindung Auch die Behauptung der herrschenden Meinung, die Unternehmensverträge beseitigten die Kapitalbindung bei der abhängigen Gesellschaft, geht fehl. Nicht der Unternehmensvertrag als solcher löst die Kapitalbindung in der abhängigen Aktiengesellschaft. Vielmehr bewirkt allein die gesetzliche Regelung des § 291 Abs. 3 AktG, der tatbestandlich das Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages voraussetzt, daß Leistungen aufgrund eines solchen Vertrages nicht als Verstoß gegen die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften gelten. Darüber hinaus fehlt den Parteien des Unternehmensvertrags ohnehin die für die Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften erforderliche Rechtsrnacht, da es sich bei diesen um zwingendes Gesetzesrecht handelt.

(d) Zwischenergebnis Nach alledem ist der Beherrschungsvertrag als schuldrechtlicher Austauschvertrag aufzufassen, der für die vertragsbeteiligten Unternehmen Rechte und Pflichten begriindet. Er unterscheidet sich vom Betriebsfiihrungsvertrag dadurch, daß die Geschäftsfiihrung beim Unternehmensvertrag im Interesse der Obergesellschaft, beim Betriebsfiihrungvertrag dagegen im Interesse der Eigentürnergesellschaft erfolgt. Diese Interessenverlagerung aus der Gesellschaft auf das unternehmensvertraglich herrschende Unternehmen erklärt die Notwendigkeit des mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 293 Abs. 1 AktG). Da die Aktionäre bei Bestehen eines Gewinnabfiihrungs- und Beherrschungsvertrages Rechte in und gegenüber der Gesellschaft, z.B. den Dividendenanspruch, verlieren, bedarf ein derartiger Vertrag ihrer Einwilligung.

b) Gläubigerschutz im Vertragskonzern Während des Bestehens eines Unternehmensvertrages fmden die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften gemäß § 291 Abs. 3 AktG keine Anwendung. Der Gläubigerschutz wird hier durch die Pflicht des herrschenden Unternehmens gewährleistet, die Verluste der abhängigen Gesellschaft auszugleichen (§ 302 AktG). Nach Beendigung des Gewinnabfiihrungs- oder Beherr-

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schlUlgsvetrages hat das herrschende Unternehmen den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft Sicherheit zu leisten (§ 303 AktG). Darüber hinaus verpflichtet § 300 AktG die abhängige Gesellschaft, eine über § 150 Abs. 2 AktG hinausgehende besondere gesetzliche Rücklage zu bilden. § 301 AktG beschränkt den als Gewinn höchstens abfiihrbaren Betrag. Hingegen kennt das Aktiengesetz auch im Vertragskonzern keine allgemeine Durchgriffshafumg, die es den Gläubigern einer lUlternehmensvertraglich abhängigen Aktiengesellschaft erlaubt, ihre Ansprüche direkt gegen die Konzernmutter geltend zu machen. 99

aa) Die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG Nach § 302 Abs. 1 AktG hat das herrschende Unternehmen bei Bestehen eines BeherrschlUlgs- oder Gewinnabfiihrtmgsvertrages jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden lahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.

(1) Gesetzliche Haftung bei Bestehen eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrages

Tatbestandlieh setzt die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG das Bestehen eines BeherrschlUlgs- oder Gewinnabfiihrtmgsvertrages voraus. Daraus darf allerdings nicht der Schluß gezogen werden, bei § 302 AktG handele es sich um eine vertragliche Hafttmg. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Parteien eines Unternehmensvertrages die Verlustausgleichspflicht vereinbaren müßten bzw. das Gesetz sie zwar dispositiv vorsehen würde, die Parteien sie aber vertraglich abbedingen könnten. Beides ist nicht der Fall. Vielmehr bildet das Bestehen eines Gewinnabfiihrtmgs- oder BeherrschlUlgsvertrages den Tatbestand, an den das Gesetz unabhängig von dem Willen der Vertragsparteien die Verlustausgleichspflicht knüpft. § 302 AktG gewährt der abhängigen Gesellschaft keinen

99 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 16 VIa, S. 262.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

vertraglichen, sondern einen zwingenden tmd daher tmverzichtbaren gesetzlichen Anspruch. I 00 Ob tmd in welcher Höhe das herrschende Unternehmen an der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist, ist für die Verlustausgleichspflicht tmerheblich. § 302 AktG findet auch dann Anwendtmg, wenn es sämtliche Aktien der abhängigen Gesellschaft hält.! O! Ebenfalls ohne Bedeuttmg ist, aus welchen Gründen der Jahresfehlbetrag entstanden ist. Insbesondere ist nicht erforderlich, daß der Verlust auf der Ausübtmg von Leittmgsmacht beruht. Das herrschende Unternehmen trägt das gesamte tmternehmerisch-wirtschaftliche Risiko der abhängigen Gesellschaft. I 02 Die Verlustausgleichspflicht beginnt mit Wirksamwerden des Unternehmensvertrages, also mit seiner Eintragtmg ins Handelsregister (§ 294 Abs. 2 AktG), oder zu dem im Vertrag festgelegten Zeitpunkt.! 03 Vorvertragliche Verluste müssen nicht ausgeglichen werden, wie sich aus dem Wortlaut des § 302 AktG eindeutig ergibt. Die Verlustausgleichspflicht endet mit dem Ende des Unternehmensvertrages, wenn dieses mit dem Ablauf des Geschäftsjahres zusammenfällt. Für in diesem Geschäftsjahr entstandene Verluste haftet das herrschende Unternehmen, auch wenn der Jahresabschluß erst später aufgestellt wird. Umstritten ist der Fall, wenn der Unternehmensvertrag während eines Geschäftsjahres endet. I 04 Während ein Teil des Schrifttwns aufgrund des Gesetzeswortlauts 100 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 517; Hüjfer, AktG, § 302 Rn. 4; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 7. 101 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 9. Ist die Obergesellschaft eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland, so kann sie die Eingliederung der abhängigen Aktiengesellschaft nach §§ 319 ff. AktG beschließen, wenn sie mindestens 95 Prozent der Aktien an dieser hält (§ 320 Abs. 1 AktG). Dann besteht eine persönliche Haftung der Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft nach § 322 AktG. 102 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 9. 103 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 15. Üblicherweise wird dafür gesorgt, daß der Beginn des Unternehmensvertrages und der Beginn des Geschäftsjahres der abhängigen Gesellschaft zusammenfallen. Sollte der Unternehmensvertrag während des Geschäftsjahres beginnen, so ist das andere Unternehmen zum Ausgleich aller in diesem Geschäftsjahr entstandenen Verluste verpflichtet. 104 In Betracht kommen lediglich die Vertragsbeendigung durch Kündigung aus wichtigem Grund und durch Eröffuung des Konkursverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft, das nach überwiegender Auffassung den Unternehmensvertrag beendet (BGHZ 103, 1,6 f.; K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 527; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 15 IV 6d, S. 251; Hüjfer, AktG, § 297 Rn. 22; Weber in JaegerlWeber, KO, §§ 207, 208 Anm. 11). Die Vertrags aufhebung und die ordentliche Kündigung

ll. Gläubigerschutz bei konzernierten Aktiengesellschaften

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(OIJahresfehlbetrag Ol ) das herrschende Unternehmen fiir die in dem Rumpfgeschäftsjahr entstandenen Verluste nicht haften lassen will, I 05 spricht sich die mittlerweile wohl herrschende Meinung fiir eine Haftung in Höhe des Fehlbetrages aus, der sich aus einer auf den Beendigungszeitpunkt aufzustellenden Zwischenbilanz ergibt. 106 Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. Nur sie verwirklicht den von § 302 AktG verfolgten Zweck, das Bilanzvermögen der abhängigen Gesellschaft während der Vertragsdauer zu erhalten. Insbesondere wenn man der Auffassung folgt, daß durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft der Unternehmensvertrag endet, käme es zu erheblichen Schutzlücken, wenn das herrschende Unternehmen die bis dahin entstandenen Verluste nicht auszugleichen hätte. I 07 Beruht nämlich die Konkurseröffnung auf einer Überschuldung des abhängigen Unternehmens, die Folge plötzlich aufgetretener Verluste ist, so haftete das herrschende Unternehmen gerade fiir diese Verluste nicht mehr, obwohl sie während der Vertragsdauer entstanden sind. Das ist mit dem Gesetzeszweck unvereinbar.

(2) Während der Vertragsdauer sonst entstehender Jahres/ehlbetrag

Auszugleichen hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag. Dieser ist durch eine Gewinn- und Verlustrechnung im Sinne der §§ 242 Abs. 2, 275 HGB zu ermitteln, in der Aufwendungen und Erträge einander gegenüberzustellen sind. Unter Aufwendungen sind alle Geschäftsvorfalle, die zu einer Verminderung, unter Erträgen alle Vorgänge, die zu einer Erhöhung des Nettovermögens führen, zu verstehen. 108 Ein Jahresfehlbetrag liegt vor, wenn innerhalb eines Geschäftsjahres die bereiten keine Probleme, da sie nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraurns zulässig sind (§ 296 Abs. 1 Satz 1 AktG).

105 GodinlWilhelmi, AktG, § 302 Anm. 6; BiedenkopJlKoppensteiner in KölnKomm, AktG, 1. Aufl. 1971, § 302 Rn. 4; Peltzer, AG 1975,309,311; Weber in Jaeger/Weber, KO, §§ 207,208 Anm. 11; BleylMohrbutter, VerglO, § 108 Anm. 8b. 106 BGHZ 103, 1,9 f.; 105, 168, 182; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 18; Würdinger in GroßKomm, AktG, § 302 Anm. 2; Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 302 Rn. 14; HüjJer, AktG, § 302 Rn. 13; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 16 V 3b, S. 266; HengelerIHoffinann-Becking, in: FS Hefermehl, S. 283, 301; Timm, GmbHR 1987,9, 16 ff.; K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 525. 107 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 526 ff. 108 Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 2, S. 9.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

Summe der AufwendWlgen die Summe der Erträge übersteigt. Betriebswirtschaftlich handelt es sich um den Jahresverlust des Unternelunens.!09 Der Jahresfehlbetrag ist als Ergebnis am Ende der Gewinn- Wld VerlustrechnWlg gesondert auszuweisen (§ 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB). Kapitalentnahmen von Aktionären, die keine GegenleistWlg für von ihnen erbrachte LeistWlgen darstellen, sind keine AufwendWlgen. Sie ergänzen die Gewinn- Wld VerlustrechnWlg der Aktiengesellschaft gern. § 158 Abs. 1 AktG nach dem Posten "Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag" Wld beeinflussen somit deren Höhe nicht. Dagegen sind KapitalausschüttWlgen, die dem Aktionär als GegenleistWlg für eine von ilun erbrachte LeistWlg gewährt werden, als Aufwand aufzufassen Wld können daher das Jahresergebnis mindern.!!O Der Anspruch auf Verlustausgleich ist in die Gewinn- Wld VerlustrechnWlg aufzunelunen (§ 277 Abs. 3 Satz 2 HGB). Die EinbeziehWlg des Ausgleichsanspruchs würde von vorneherein ausschließen, daß überhaupt ein Jahresfehlbetrag entsteht. Aus dem Merkmal "sonst" in § 302 Abs. 1 AktG folgt, daß derjenige Jahresfehlbetrag gemeint ist, der sich ohne Berücksichtigmg des Verlustausgleichsanspruchs aus der Gewinn- Wld VerlustrechnWlg ergibt.!11

(3) Auflösung anderer Gewinnrücklagen Nach § 302 Abs. 1 AktG entfällt die Ausgleichspflicht für solche Fehlbeträge, die durch die AuflöSWlg von während der Vertragsdauer gebildeten anderen Gewinnrücklagen ausgeglichen werden. Andere Gewinnrücklagen sind solche im Sinne des § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4d AktG, die weder gesetzliche oder satzungsmäßige Rücklagen noch Rücklagen für eigene Aktien sind. Vor Inkrafttreten des Vertrages gebildete Rücklagen scheiden als Mittel zum Verlustausgleich ebenso aus wie ein vor diesem Zeitpunkt gebildeter Gewinnvortrag. Dagegen darf ein während der Vertragsdauer gebildeter Gewinnvortrag zum Verlustausgleich benutzt werden. I 12

109 C/aussen in KölnKomm, AktG, §§ 275-277 HGB, § 158 Rn. 129. 110 Brandes, in: FS Kellermann, S. 25,27. 111 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 9. 112 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 12; HüjJer, AktG, § 302 Rn. 14; K. Schmidt, in: Heidelberger Konzemrechtstage, S. 109, 122 f.

ll. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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(4) Rechts/alge des § 302 AktG

§ 302 AktG gewährt der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen einen Anspruch auf Zahhmg eines Geldbetrages in Höhe der entstandenen Verluste. Der Anspruch entsteht an dem Bilanzstichtag, da zu diesem Zeitpunkt der auszugleichende Fehlbetrag tatsächlich feststeht, also sämtliche Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands erfiillt sind. l13 Die Feststelhmg des Jahresabschlusses bewirkt das Fälligwerden des Anspruchs. Der der abhängigen Gesellschaft zustehende Anspruch auf Verlustausgleich ist zu bilanzieren. 114 Das schließt grundsätzlich aus, daß sich ihr Bilanzvermögen verschlechtert. § 302 AktG bewirkt, daß während eines BeherrschWlgsvertrages keine ÜberschuldWlg eintreten 115 bzw. eine bereits vor Abschluß des Vertrages bestehende ÜberschuldWlg sich nicht weiter vertiefen kann. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Anspruch auf Verlustausgleich gegen das herrschende Unternehmen nicht durchsetzbar ist, weil dieses aufgrund eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht in der Lage ist, den Verlustausgleich zu leisten. In diesem Fall kann es tatsächlich zu einer VerschlechterWlg der Vermögenslage bei der abhängigen Gesellschaft kommen. Da § 302 AktG der abhängigen Gesellschaft nach Abschluß einer RechnWlgsperiode einen geldwerten Anspruch zum Ausgleich entstandener Verluste gibt, ihr aber keine Liquidität sichert, schließt die Vorschrift nicht aus, daß die Gesellschaft zahlWlgsunfahig wird. 116

(5) Regelungszweck des § 302 AktG (a) Meinungsstand in Schrifttum und Rechtsprechung Ein Teil des Schrifttums sieht den RegelWlgszweck des § 302 AktG im Anschluß an die BegründWlg zum RegierWlgsentwurf117 darin, eine objektive or-

113 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 26. 114 Joost in Küting!Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, II Rn. 282. 115 Joost in Küting!Weber, Handbuch der Konzemrechnungslegung, II Rn. 283.

116 Dazu Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 8 mwN. 117 Bei Kropf!, S. 391: "Wer die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann ( ... ), muß auch fiir ihre Verluste einstehen."

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

ganisationsvertragliche Risikohafumg des herrschenden Unternehmens als Gegenstück zu dessen WeisWlgsmacht zu schaffen. 118 Wer aufgrWld eines Gewinnabfiihrungsvertrages das Ergebnis der abhängigen Gesellschaft erhalte oder aufgrWld eines BeherrschWlgsvertrages in der Lage sei, sich die abhängige Gesellschaft insgesamt dienstbar zu machen, der habe das Verlustrisiko zu tragen, da auch nur er in der Lage sei, dieses Risiko zu beherrschen. 119 In ähnliche RichtWlg weist das Argument, daß demjenigen, der ein organisationsrechtliches TrennWlgsgebot nicht beachte, auch das hafumgsrechtliche TrennWlgsgebot nicht zugute kommen könne. 120 Andere sehen in § 302 AktG eine konzernspezifische KapitalerhaltWlgsvorschrift, die erforderlich sei, weil die herkömmlichen aktienrechtlichen KapitalsicherWlgsvorschriften im Vertragskonzern durch § 291 Abs. 3 AktG außer Kraft gesetzt seien. 121 Der BWldesgerichtshof hat sich bislang auf keinen dieser Ansätze eindeutig festgelegt. Er führt in der "Tiefbau"-EntscheidWlg aus, § 302 AktG diene zumindest auch als Ausgleich fiir die AußerkraftsetZWlg der KapitalerhaltWlgsvorschriften,122 während er in der "Familienheim"-EntscheidWlg darüber hinaus

118 Bälz, AG 1992, 277, 286; K. Schmidt, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 109,115 fI.; ders., Gesellschaftsrecht, § 31 rn 2d, S. 798; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 302 Rn. 4; ders., in: Probleme des Konzernrechts, S. 87, 96. 119 Koppensteiner, in: Probleme des Konzernrechts, S. 87, 96; ähnlich MichalskilZeidler, NJW 1996,224. 120 K. Schmidt, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 109, 116. 121 Ulmer, AG 1986, 123, 126; ders., NJW 1986, 1579, 1584; Stimpel, ZGR 1991, 144, 152; Assmann, JZ 1986, 928, 936; Vonnemann, BB 1990, 217, 220; EbenrothlWilken, BB 1991,2229 ff.; Emmerich, GmbHR 1987, 213, 220; EnsthalerlKreher, BB 1995, 1422, 1424; EmmerichlSonnenschein, Konzernrecht, § 8 V, S. 177 f. Im Ergebnis auch Hüffer (AktG, § 302 Rn. 3) mit der Begründung, daß der Ersatz des die Aktiengesellschaft und GmbH prägenden Kapitalschutzes durch den erweiterten konzernrechtlichen Kapitalschutz sich besonders "im Zusammenhang qualifizierter faktischer Konzernierung bewährt" habe. Auf diese Weise begründet Hüffer den Schutzzweck des § 302 AktG durch Sachverhalte, in denen die Vorschrift lediglich entsprechend angewendet wird. Das ist dogmatisch sehr fragwürdig. Zu der Gesetzeslage vor 1965 bereits Mestmäcker, S. 335, der die Pflicht eines herrschenden Unternehmens, einen bilanzmäßigen Verlust der beherrschten Gesellschaft zu übernehmen, für eine unabweisbare Notwendigkeit hielt, wenn man den Grundsatz der Kapitalerhaltung nicht nur formell, sondern seinem materiellen Gehalt nach auf eingegliederte Gesellschaften anwenden wolle. 122 BGHZ 107, 7, 18.

II. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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darauf abstellt, daß die Verlustausgleichspflicht das Gegenstück zu der aufgrund eines Beherrschoogsvertrages bestehenden LeitWlgsmacht bilde. 123

(b) Stellungnahme (aa) Übergang der Leitungsmacht Das Argument, daß derjenige, der die Geschicke der Gesellschaft bestimme, auch für ihre Verluste einstehen müsse, läuft auf das Dogma des Gleichlaufs von Herrschaft ood HaftWlg hinaus. Dieses Dogma gilt insbesondere im Recht der Publikumskapitalgesellschaften nicht. 124 Diese Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, daß im Regelfall die das Unternehmen finanzierenden Personen mit den das Unternehmen leitenden Personen nicht identisch sind. Die HaftWlg des Gesellschafters für die von der Gesellschaft erwirtschafteten Verluste beschränkt sich auf die von ihm übernommene Einlage, die HaftWlg der geschäftsführenden Personen auf die aus der Verletzung der Pflicht zu sorgfältiger Geschäftsfühnmg folgenden Schäden. Eine Pflicht der Gesellschafter, die in einer Geschäftsperiode erwirtschafteten Verluste durch GeldleistWlgen auszugleichen, kennt das herkömmliche Kapitalgesellschaftsrecht nicht.

(bb) Interessenumbruch Der Abschluß eines Beherrschoogs- oder Gewinnabfühnmgsvertrages führt zu einem Interessenumbruch. Die Gesellschaft wird nicht mehr im Interesse der an ihr beteiligten Personen und Personengruppen, insbesondere nicht mehr im Interesse der Aktionäre, sondern im Interesse eines außenstehenden Dritten, des herrschenden Unternehmens, geführt. Diesem fällt bei Bestehen eines Gewinnabfühnmgsvertrages der gesamte Jahresgewinn der Gesellschaft zu, obwohl es in der Regel nicht als alleiniger Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt ist. Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages ist es dem herrschenden Unternehmen möglich, die abhängige Gesellschaft den Interessen des Gesamtkonzerns dienstbar zu machen, ohne daß es auf die Interessen der außenstehenden Aktionäre Rücksicht nehmen müßte. Der bei der ooabhängigen Kapitalgesellschaft

123 BGHZ 103, I, 10. 124 Ausführlich dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 10 III 2a, S. 543 ff. 11 Gätsch

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

durch die Kapitalbeteiligung vennittelte Zusanunenhang zwischen der Gewinnchance des Aktionärs Wld seinem Verlustrisiko ist durchbrochen. Das Wlternehmensvertraglich herrschende Unternehmen erlangt den vollen Gewinnbezug bzw. die vollständige Leitlillg über die abhängige Gesellschaft, ohne in entsprechender Höhe kapitalmäßig an dieser beteiligt zu sein. Der Abschluß eines BeherrschWlgs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages eröffnet dem herrschenden Unternehmen somit eine wirtschaftliche Chance, ohne es mit einem entsprechenden wirtschaftlichen Risiko zu belasten. Um diesen Zusanunenhang wieder herzustellen, ordnet § 302 AktG an, daß das herrschende Unternehmen die Verluste der abhängigen Gesellschaft auszugleichen Wld damit deren wirtschaftliches Risiko zu tragen hat.

(ce) Konzernspezijische Kapitalerhaltung Nach § 291 Abs. 3 AktG gelten Leistlillgen der abhängigen Gesellschaft an das herrschende Unternehmen, die sie aufgrood eines BeherrschWlgs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages erbringt, nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58 Wld 60 AktG. Jedoch bewirkt die aus § 302 AktG folgende Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens, daß das Vermögen der Gesellschaft wertmäßig zumindest auf dem Stand erhalten bleibt, den es bei Beginn des Unternehmensvertrages hatte. Insoweit läßt sich von einer konzernspezifischen Kapitalerhaltlillg sprechen. Allerdings Wlterscheidet sich der durch die Verlustausgleichspflicht geschaffene Vermögensschutz im Konzern groodsätzlich von der herkömmlichen Kapitalerhaltlillg der §§ 57 ff. AktG. Diese Vorschriften schützen das Vermögen der Aktiengesellschaft vor AuszahlWlgen an die Gesellschafter, indem sie das GrWldkapital der Gesellschaft, ihre sonstigen Eigenkapitalrücklagen sowie das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche Vermögen wertmäßig binden Wld Ausschüttlillgen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter nur erlauben, soweit es sich um ausgewiesenen Bilanzgewinn handelt (§ 57 Abs. 3 AktG). Dagegen verpflichten die 57 ff. AktG die Aktionäre nicht, wirtschaftliche Verluste auszugleichen, die das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen erleidet. Demgegenüber umfaßt die Ausgleichspflicht des § 302 AktG jeden Jahresfehlbetrag, also auch Wld gerade solche Verluste, die auf wirtschaftlichen Ursachen beruhen. § 302 AktG verpflichtet das im aktienrechtlichen Vertragskonzern herrschende Unternehmen auch dann, wenn es nicht an der abhängigen Aktiengesellschaft beteiligt ist, während die §§ 57 ff. AktG die GesellschafterstellWlg des AuszahlWlgsempfängers voraussetzen.

11. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

163

Vennögensbindung im herkömmlichen Sinne und konzemrechtliche Verlustausgleichspflicht haben also grundsätzlich nichts miteinander zu tun. 125 Die Behauptung, daß sich die Verlustausgleichspflicht nahtlos in das aus der Kapitalerhaltung folgende Hafumgssystem einordnen lasse,126 trifft ebensowenig zu wie diejenige, daß die Verlustausgleichspflicht die Erhaltung des gebundenen Kapitals bezwecke. 127 Das hindert allerdings nicht daran, in der Verlustausgleichspflicht eine von der herkömmlichen Kapitalbindung in Funktionsweise, Umfang und Wirkung abweichende konzernspezifische Fonn der Kapitalerhaltung zum Schutze des Vennögens untemelunensvertraglich abhängiger Aktiengesellschaften zu sehen,128 die die nach § 291 Abs. 3 AktG im Vertragskonzern nicht geltenden Kapitalerhaltungsvorschriften ersetzt.

(dd) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Verlustausgleichspflicht des

§ 302 AktG zwei wesentliche Regelungsziele verfolgt, die sich jeweils aus den Eigenarten des aktienrechtlichen Vertragskonzerns ergeben. Zum einen beteiligt sie das untemelunensvertraglich herrschende Untemelunen an dem wirtschaftlichen Risiko der abhängigen Gesellschaft, zum anderen schafft sie eine konzernspezifische Fonn der Kapitalerhaltung.

bb) Pflicht zur Sicherheitsleistung nach § 303 AktG Nach § 303 Abs. 1 AktG ist das herrschende Untemelunen verpflichtet, den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft nach Beendigung eines Beherrschungsoder Gewinnabfiihrungsvertrages für ihre vor der Beendigung begründeten F orderungen Sicherheit zu leisten. Der Gesetzgeber zweifelte an der Lebensfähigkeit von Gesellschaften, die aus einem Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrag entlassen werden, da 125 Joost, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 133, 140; K. Schmidt, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 109, 116; in diesem Sinne wohl auch Zöllner, Referat zum 59. DIT, Band 11 (Sitzungsberichte), R 35, R 44 und Versteegen, Konzemverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, S. 72. 126 Altmeppen, DB 1994, 1912, 1915. 127 So aber EnsthalerlKreher, BB 1995, 1422, 1424. 128 So bereits Mestmäcker, S. 335.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

ihnen nach dem Ende des Unternehmensvertrages kein Anspruch auf Verlustausgleich gegen das herrschende Unternehmen zustehe und damit ihre oftmals einzige Kreditgrundlage entfalle. 129 Die Pflicht zur Sicherheitsleistung soll den "Altgläubigern" einer vormals unternehmensvertraglich abhängigen und nun auf sich alleine gestellten Gesellschaft zusätzlichen Schutz vor Verlusten gewähren, die nach Beendigung des Unternehmensvertrages eintreten. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich dieser Auffassung des Gesetzgebers angeschlossen. 130

(1) Voraussetzungen § 303 AktG setzt die Beendigung eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages voraus. Die Forderung gegen die ehemals abhängige Gesellschaft muß begründet sein, bevor die Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister nach § 10 HGB als bekanntgemacht gilt. Das ist der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Entstehungsgrund der Forderung bereits gelegt war. 131 Der Anspruch auf Sicherheitsleistung setzt weiter voraus, daß der Gläubiger sich innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntmachung der Unternehmensvertragsbeendigung bei dem anderen Unternehmen gemeldet hat. Die Art und Weise der Sicherheitsleistung richtet sich nach den §§ 232 fI. BGB. Statt Sicherheit zu leisten, kann das ehemals herrschende Unternehmen sich fiir die Forderung verbürgen (§ 303 Abs. 3 AktG). Keinen Anspruch auf Sicherheitsleistung haben diejenigen Gläubiger, die im Konkursfall vorzugsweise Befriedigung ihrer Forderungen aus einer Deckungsmasse verlangen können, die nach gesetzlichen Vorschriften zu ihrem Schutz errichtet worden ist und staatlich überwacht wird (§ 303 Abs. 2 AktG).

(2) Direkter Zahlungsanspruch Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Gläubiger statt der Sicherheitsleistung direkte Zahlung vom herrschenden Unternehmen verlangen können, wenn die abhängige Gesellschaft vermögenslos geworden und ohne f6rmliches 129 Begründung zum Regierungsentwurf, bei Kropf!, S. 392 f. 130 BGHZ 95, 330, 346 "Autokran"; BaumbachlHueck, AktG, § 303 Anm. 1; Hüffer,

AktG, § 303 Rn. 1; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 303 Rn. 2 mwN.; v. Venrooy, BB 1981, 1003 f.; K. Schmidt, BB 1985,2074,2079. 131 Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 303 Rn. 8.

11. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

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Verfahren untergegangen ist. Der Bundesgerichtshof hatte den Gläubigem qualifiziert faktisch konzemierter Gesellschaften mbH unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auf der Grundlage des § 303 AktG einen direkten Zahlungsanspruch gegen das herrschende Unternehmen zugesprochen. Er war der Auffassung, es mache keinen Sinn, Sicherheiten zu gewähren, wenn bereits feststehe, daß die abhängige Gesellschaft - da vermögenslos - selbst nicht mehr ertUllen könne. 132 Vermögenslos sei die Gesellschaft auch dann, wenn ihr noch ein Verlustausgleichsanspruch zustehe. 133 Diese Auffassung der Rechtsprechung ist im Schrifttum sowohl auf Zustimmung 134 als auch auf Widerspruch 135 gestoßen. Gegen einen direkten Zahlungsanspruch wird eingewendet, daß § 303 AktG auf Abwicklungsverluste dann nicht angewendet werde, wenn ein Beherrschungsvertrag durch den Konkurs der Tochter ende; daher dürfe das herrschende Unternehmen fiir Schulden und Verluste der abhängigen Gesellschaft auch dann nicht direkt haften, wenn es diese anderweitig scheitern lasse. I36 Anders als andere aktienrechtliche Regelungen, die einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gewährten,I37 setze § 303 AktG nicht voraus, daß der Gläubiger keine Befriedigung erlangen könne; das finde seinen Grund darin, daß das zur Sicherheitsleistung verpflichtete Unternehmen materiell-rechtlich dem Gläubiger gegenüber nicht zur Zahlung verpflichtet sei. 138 Auch § 303 Abs. 3 AktG, der dem Verpflichteten gestatte, anstatt Sicherheit zu leisten, sich selbst zu verbürgen, zeige, daß das Gesetz das herrschende Unternehmen nach Beendigung eines Unternehmensvertrages schonend behandeln wolle. Für eine extensive Auslegung des § 303 AktG im Hinblick auf eine direkte Zahlungsverpflichtung des herrschenden Unternehmens ergebe sich kein Anhalt. 139

132 BGHZ 95, 330, 347 "Autokran"; 105, 168, 183 "HSW"; 115, 187,200 "Video"; 116,37,42 "Stromlieferung". 133 BGHZ 95, 330, 347 "Autokran". 134 Stimpe/, in: FS Goerdeler, S. 601, 617; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 16 VI 2, S. 269 f.; Hüf!er, AktG, § 303 Rn. 7. 135 K. Schmidt, BB 1985,2074,2079; Werner, in: FS Goerdeler, S. 677, 683 ff. 136 K. Schmidt, BB 1985,2074,2079. 137 Vgl. § 225 Abs. 1 Satz 1 AktG (Kapitalherabsetzung) und § 321 Abs. 1 Satz 1 AktG (Eingliederung). 138 Werner, in: FS Goerdeler, S. 677,685. 139 Werner, in: FS Goerdeler, S. 677,686 f.

166

3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

Den gegen eine direkte Zahlungsverpflichtung des herrschenden Unternehmens geäußerten Bedenken ist zu folgen. Eine bereits tatbestandlieh nur analog angewendete Vorschrift auch auf der Rechtsfolgenseite über ihren Wortlaut hinaus auszudehnen, erscheint methodisch fragwürdig. Darüber hinaus bleibt die Frage offen, warum die abhängige Gesellschaft auch dann vermögenslos sein soll, wenn ihr noch ein Verlustausgleichsanspruch gegen das herrschende Unternehmen zusteht, in den die Gesellschaftsgläubiger vollstrecken können.

c) Geltung der allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen im Vertrags konzern

Fraglich ist, inwieweit im auf Beherrschungs- oder Gewinnabfifurungsvertrag beruhenden Aktienkonzern neben den §§ 300-303 AktG die allgemeinen dem Gläubigerschutz dienenden Vorschriften des Aktiengesetzes, insbesondere also die Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 57 ff. AktG und die Konkursantragspflicht des § 92 AktG, fortgelten.

aa) Außerkraftsetzung der Kapitalsicherungsregeln durch § 291 Abs. 3 AktG Nach § 291 Abs. 3 AktG gelten Leistungen der abhängigen Gesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages nicht als Verstoß gegen §§ 57, 58 und 60 AktG.

(1) Zweck des § 291 Abs. 3 AktG

Der Aktiengesetzgeber von 1965 wollte durch § 291 Abs. 3 AktG ausschließen, daß Gewinnabfifurungs- oder Beherrschungsverträge, die ein an der abhängigen Gesellschaft beteiligtes Unternehmen mit dieser abschließt, wegen Verstoßes gegen die §§ 57, 58 und 60 AktG unwirksam sind. 140 Ein Teil des Schrifttums sieht den Zweck des § 291 Abs. 3 AktG hingegen darin, daß die allgemeinen Kapitalsicherungsvorschriften des Aktiengesetzes in dem durch den Unternehmensvertrag geschaffenen Zustand qualifizierter Kon-

140 Diese Rechtsansicht war vor 1965 zum Organschaftsvertrag vertreten worden. Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zu § 291, bei Kropff, S. 378; auch Geßler in GeßlerlHefermehl, AktG, § 291 Rn. lO7.

ll. Gläubigerschutz bei konzemierten Aktiengesellschaften

167

zernierung, der dem herrschenden Unternehmen vielfaItige Möglichkeiten der Einflußnahme auf die abhängige Gesellschaft erlaube, nicht mehr wirksam seien. 141 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, daß § 291 Abs. 3 AktG die aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften nur für solche Leistungen der abhängigen Gesellschaft an das herrschende Unternehmen für unanwendbar erklärt, die aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrages erfolgen. Dagegen können Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen an den herrschenden Aktionär, denen die unternehmensvertragliche Grundlage fehlt, durchaus unter die §§ 57 ff. AktG fallen. Die in § 291 Abs. 3 AktG angeordnete Nichtgeltung der aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsregeln zwischen den Parteien eines Gewinnabfiihrungs- oder Beherrschungsvertrages bezweckt, der Konzernspitze eine freie Konzemfinanzierung zu ermöglichen. 142 Die Unternehmensfinanzierung stellt einen der wesentlichen Bereiche unternehmerischer Entscheidung dar. Sie ist für die Konzernleitung von maßgeblicher Bedeutung. 143 Aufgrund des § 291 Abs. 3 AktG ist das konzernleitende Unternehmen in der Lage, Finanzmittel bei dem abhängigen Konzernunternehmen abzuziehen, auch wenn es an diesem beteiligt ist. Diese Mittel kann es nach freier unternehmerischer Entscheidung einem anderen Unternehmen des Konzerns wieder zuzuführen. Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften liegt darin wegen § 291 Abs. 3 AktG nicht. Gäbe es diese Vorschrift nicht, so gälten die §§ 57 ff. AktG fort. Damit wäre jede Übertragung von Vermögenswerten von der abhängigen auf die herrschende Aktiengesellschaft unzulässig, wenn es sich nicht um bilanziellen Jahresgewinn handelte oder eine äquivalente Gegenleistung des herrschenden Unternehmens erfolgte. Der Rückerstattunganspruch der abhängigen Gesellschaft entstünde kraft Gesetzes. Er wäre unverzichtbar und könnte nach § 62 Abs. 2 AktG von den Gläubigem der abhängigen Gesellschaft geltend gemacht werden. Eine einheitliche Leitung des Konzerns durch das herrschende Unternehmen im Bereich der Finanzierung ("Konzern-cash-management") wäre nicht gewährleistet.

141 Ulmer, AG 1986, 123, 126. 142 Vgl. Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 19 Rn. 2, S. 216. 143 Vgl. Dierdorf, S. 78 ff.; Sche.ff/er, AG 1990, 173, 178; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 4 II lc, S. 84 f.; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 18 Rn. 20; auch BGHZ 107, 7, 19 f. "Tiefbau".

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

Für dieses Verständnis spricht auch die Begründung zu § 230 Abs. 3 Regierungsentwurf GmbHG 1973, der eine dem § 291 Abs. 3 AktG entsprechende Regelung enthält. Dort heißt es, daß, wenn die §§ 30 f. GmbHG im GmbH-Vertragskonzern gälten, bei Leistungen aufgrund des Beherrschungsvertrages der Geschäftsverkehr zwischen den Unternehmensvertragspartnern beeinträchtigt wäre. 144

(2) Umfang der Aufhebung der Kapitalerhaltungsvorschriften § 291 Abs. 3 AktG führt in zweifacher Hinsicht nur zu einer relativen Nichtgeltung der Kapitalerhaltungsvorschriften im Vertragskonzern. Er gilt nur für die an dem Unternehmensvertrag beteiligten Unternehmen und auch nur für solche Leistungen, die aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages erfolgt sind. Das bedeutet, daß Leistungen der abhängigen Gesellschaft an ihre Außenseiteraktionäre von der Ausschüttungssperre der §§ 57 ff. AktG erfaßt werden. Gleiches gilt für Leistungen der abhängigen Gesellschaft an das an dieser beteiligte herrschende Unternehmen, denen die unternehmensvertragliche Grundlage fehlt, etwa weil die Ausschüttung auf einer rechtswidrigen Weisung beruht. In diesen Fällen kann die abhängige Gesellschaft die verbotene Leistung nach § 62 AktG zurückverlangen.

bb) Fortgeltung des § 92 AktG Der Vorstand einer unternehmensvertraglich abhängigen Aktiengesellschaft ist nach § 92 Abs. 2 AktG verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft die Eröffuung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen. Gründe dafür, daß diese zwingende gesetzliche Vorschrift im Vertragskonzern nicht gelten soll, sind nicht ersichtlich.

144 BT-Drucks. 7/253, S. 2111. Sp.

lli. Vergleich zwischen Aktienkonzern Wld GmbH-Konzern

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III. Vergleich zwischen dem beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern und dem qualifIZierten faktischen GmbH-Konzern Nwunehr sind der beherrschungsvertragliche Aktienkonzern und der qualifizierte faktische GmbH-Konzern im Hinblick auf ihre Entstehung und ihre rechtliche Ausgestaltung miteinander zu vergleichen.

1. Entstehung

Der aktienrechtliche Vertragskonzern entsteht dadurch, daß zwei rechtlich selbständige Unternehmen einen Beherrschungsvertrag miteinander schließen, durch den sich die abhängige Gesellschaft der Leitung des herrschenden Unternehmens unterstellt. Eines solchen konstitutiven Begründungsaktes bedarf es zur Herstellung eines faktischen GmbH-Konzerns nicht. Hier nutzt der herrschende Unternehmensgesellschafter zwei in der GmbH geltende Grundprinzipien zur Begründung seiner Leitungsmacht, nämlich das der Gesellschafterversammlung in Geschäftsführungsangelegenheiten zustehende Weisungsrecht und das bei Beschlußangelegenheiten in der Gesellschafterversammlung bestehende Mehrheitsprinzip.

2. Innere Ausgestaltung Trotz dieses Unterschiedes in der Entstehung wäre die entsprechende Anwendung des §§ 302, 303 AktG gerechtfertigt, wenn der beherrschungsvertragliche Aktienkonzern und der qualifizierte faktische GmbH-Konzern in ihrer tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung mit'!inander vergleichbar wären. Das könnte daraus gefolgert werden, daß in bei den Konzernverhältnissen dem herrschenden Unternehmen ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung Zllsteht. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Grundlage, des Umfangs und der Grenzen des jeweiligen Weisungsrechts.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

a) Grundlagen des Weisungsrechts

Ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft entsteht im Aktienrecht nur durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages. Außerhalb einer solchen Unternehmensverbindung steht selbst dem Mehrheits- oder Alleinaktionär gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft kein Weisungsrecht zu. 145 Daher erwirbt das herrschende Unternehmen nach der hier vertretenen Auffassung durch den Abschluß des Beherrschungsvertrages keine organisationsrechtliche Befugnis zur Weisungserteilung, sondern - wie der Wortlaut des § 308 AktG ("ist berechtigt, [... ] Weisungen zu erteilen") zeigt - einen entsprechenden Anspruch. 146 Da der Unternehmensvertrag auch mit einem gesellschaftsfremden Dritten abgeschlossen werden kann, setzt die Ausübung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts nicht die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft voraus. Hingegen nutzt im faktischen GmbH-Konzern der herrschende Gesellschafter das der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsfiihrung zustehende Weisungsrecht, um seine Leitungsmacht auszuüben. Dieses Weisungsrecht steht der Gesellschafterversammlung als Gesellschaftsorgan, nicht hingegen einem einzelnen Gesellschafter zu. Es handelt sich um eine organisationsrechtliche Befugnis. Soll den Geschäftsführern eine Weisung erteilt werden, so bedarf es zunächst eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Diesen vennag der herrschende Gesellschafter jedoch ohne weiteres aufgrund des bei der Beschlußfassung in Gesellschaftsangelegenheiten geltenden Mehrheitsprinzips (§ 47 Abs. 1 GmbHG) herbeizuführen. 147 Die Möglichkeit fiir einen Unternehmensgesellschafter, Herrschaftsmacht über die Gesellschaft auszuüben, ist somit bereits in der Rechtsfonn selbst angelegt.

145 Altmeppen, ZIP 1996,693,694. 146 Problematisch ist, wie das herrschende Unternehmen eine erteilte Weisung im Falle ihrer Nichtbefolgung gerichtlich durchsetzen kann. Nach § 308 Abs. 2 AktG ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft verpflichtet, die Weisung zu befolgen. Bei diesem handelt es sich jedoch um ein nach allgemeiner Auffassung nicht rechtsfähiges Gesellschaftsorgan. Außerdem besteht der Beherrschungsvertrag zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft. Eine Klage auf Befolgung der Weisung ist daher gegen die Gesellschaft zu richten. 147 Als Alleingesellschafter hat er dabei die Protokollierungspflicht des § 48 Abs. 3 GmbHG zu beachten.

ill. Vergleich zwischen Aktienkonzern und GmbH-Konzern

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b) Umfang und Grenzen des Weisungsrechts

Die unterschiedlichen Gnmdlagen der Weisungsbefugnis im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern und derjenigen im beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern bedingen einen unterschiedlichen Umfang der jeweiligen Weisungsmöglichkeit.

aa) Im beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern Im beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern ist das herrschende Unternehmen gemäß § 308 Abs. 1 AktG berechtigt, der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen, die fiir diese nachteilig sind. Voraussetzung ist, daß dies den Belangen des herrschenden Unternehmens oder denen konzernverbundener Unternehmen dient. Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist verpflichtet, diese Weisungen zu befolgen. Da das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nicht auf der Verfassung der Gesellschaft, sondern auf dem Beherrschungsvertrag beruht, den das herrschende Unternehmens nicht als Gesellschafter, sondern als Dritter mit der Gesellschaft abschließt, ist es bei der Weisungserteilung weder an die gesellschaftliche noch an die gesellschafterliehe Treuepflicht gebunden, selbst wenn es als Aktionär an der abhängigen Gesellschaft beteiligt sein sollte. Auch die Kapitalbindungsvorschriften setzen dem herrschenden Unternehmen bei der Ausübung seines Weisungsrechts keine Grenzen, da diese gemäß § 291 Abs. 3 AktG im Vertragskonzern keine Anwendung finden. Allenfalls Weisungen, die den Bestand der abhängigen Gesellschaft gefährden, etwa zu ihrer Überschuldung oder Zahlungsunfahigkeit fUhren, sind unzulässig.

bb) Im faktischen GmbH-Konzern Demgegenüber sind die Grenzen des Weisungsrechts im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern sehr viel enger gezogen. Der herrschende Unternehmensgesellschafter hat bei der Stimmabgabe, durch die er an einem Weisungsbeschluß mitwirkt, wie jeder andere GmbH-Gesellschafter auch die Vorgaben des GmbH-Rechts zu respektieren. Er ist an zwingendes Gesetzesrecht, insbesondere die Kapitalbindungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG, und, sofern Minderheitsgesellschafter vorhanden sind, an die gesellschafterIiche Treue-

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

pflicht gebunden. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften oder gegen die Interessen der Mitgesellschafter zustandekommen, sind gesetz- oder treuepflichtwidrig und daher nichtig oder zwnindest anfechtbar. Da der unter den Gesellschaftern der GmbH bestehenden Treuepflicht ein besonderes Gewicht zukommt, ist zwischen qualifizierten faktischen Einmann-GmbHKonzernen und solchen, an denen Minderheitsgesellschafter beteiligt sind, zu unterscheiden.

(1) Bindung des herrschenden Gesellschafters an Treuepflicht und zwingendes GmbH-Recht

Sorgt der mehrheitlich an einer GmbH beteiligte Gesellschafter durch eine anderweitige unternehmerische Tätigkeit dafür, daß die GmbH in einen Unternehmensverbund eingeordnet wird, so ist diese Konzerneinbindung nur zulässig, soweit sie nicht gegen die Interessen der Minderheitsgesellschafter verstößt. Gegen treuepflichtwidrige Maßnahmen des herrschenden Unternehmensgesellschafters können sich die Minderheitsgesellschafter mit Unterlassungs- und Schadensersatzklagen zur Wehr setzen. Das ist seit der "ITT"-Entscheidung I48 anerkannt. Hingegen ist - wie die "Fertighaus II"-Entscheidung I49 des Bundesgerichtshofs zeigt - nichts dagegen einzuwenden, wenn die abhängige Gesellschaft innerhalb des Unternehmensverbundes eine für sie möglicherweise mit Nachteilen verbundene begrenzte Einzelfunktion im Konzeminteresse ausübt, wenn ihre Gesellschafter damit einverstanden sind. Erforderlich ist allerdings das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter, da die GmbH wie jede andere Gesellschaft auch grundSätzlich im gemeinsamen Interesse aller Gesellschafter betrieben werden muß. Soll sie einem Konzerninteresse untergeordnet werden, stellt dies eine die Zustimmung aller Gesellschafter erfordernde Zweckänderung dar. lso Darüber hinaus ist der herrschende Gesellschafter an das zwingende GmbHRecht gebunden. Das bedeutet, daß er nichts unternehmen darf, was gegen die 148 BGHZ 65,15 ff. 149 BGH, NJW 1994, 3288 ff. ISO Als Gesellschaftszweckänderung bedarf auch der Abschluß eines Unternehmensvertrages mit einer GmbH nach allgemeiner Auffassung der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter (vgl. BaumbachlHueck/Zöllner, GmbHG, Schlußanhang I Konzernrecht Rn. 39mwN.).

ffi. Vergleich zwischen Aktienkonzern und GmbH-Konzern

173

Kapitalerhalttmgsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG verstößt. Außerdem hat er, wenn er Geschäftsfiihrer ist und die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet wird, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen.

(2) Bindung des Al/eingesel/schajters an ein Eigeninteresse der GmbH

Da der Alleingesellschafter naturgemäß nicht die Interessen von Mitgesellschaftern zu beachten hat, er allerdings wie jeder GmbH-Gesellschafter auch an das zwingende GmbH-Recht gebunden ist, fragt sich, ob ein über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehendes Eigeninteresse der Gesellschaft besteht, das ihn beim Umgang mit "seiner" Gesellschaft einschränkt.

(a) Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof151 erkannte bislang ein von der Gesamtheit der GeseIlschafterinteressen unabhängiges Gesellschaftsinteresse, auf das die Gesellschafter beim Umgang mit der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen hatten, nicht an. Auch in der "Autokran"-Entscheidung meinte der Bundesgerichtshof noch, daß sich eine Pflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen GmbH, für deren Vermögen nachteilige Maßnahmen zu unterlassen, nicht leicht begründen lasse, wenn sich sämtliche Anteile der Gesellschaft im Besitz des herrschenden Unternehmens befänden. Der Alleingesellschafter der GmbH sei in den Grenzen des § 30 GmbHG frei, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen. 152 Ein eigenständiges Gesellschaftsinteresse, verstanden als zusammengefaßtes gemeinschaftliches Interesse der Gesellschafter, bestehe nicht. 153 Allerdings scheint der Bundesgerichtshof seine Auffassung nwunehr geändert zu haben. In der "TBB"-Entscheidung verlangte er für die Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, daß dieses seine GesellschaftersteIlung objektiv mißbrauche, indem es die Konzernleittmgmacht in einer Weise ausübe, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen GmbH nehme. 154 Bei einer abhängigen Einmann-Ge151 BGH, BB 1992,2384,2385 (m. Anm. Bey, BB 1993, 1162 ff.). 152 BGHZ 95, 330, 340. 153 BGHZ 95, 330, 345/346. 154 BGHZ 122, 123, 130 ff. "TBB".

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

seilschaft fehle es an einer angemessenen Rücksichtnahme, wenn die Gesellschaft infolge des im Konzerninteresse ausgeübten Einflusses nicht mehr in der Lage sei, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. ISS Diese Gnmdsätze hat der Bundesgerichtshof in den Folgeentscheidungen bestätigt.156 Zwar spricht er nicht ausdrücklich von der Verletzung des Eigeninteresses, sondern lediglich vom Fehlen angemessener Rücksichtnahme gegenüber den Belangen der abhängigen Gesellschaft seitens des herrschenden Gesellschafters. Jedoch dürfte beides im gleichen Sinne zu verstehen sein. (b) Schrifttum

In der Lehre ist die Frage, ob ein Eigeninteresse der GmbH anzuerkennen sei, umstritten. Ein Teil des Schrifttums bejaht ein Eigeninteresse der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern. 157 Dieses verbiete dem herrschenden Unternehmen, in einer Weise auf die abhängige Gesellschaft einzuwirken, die deren Ertragskraft oder ihren Bestand gefährde. Begründet wird dieses Eigeninteresse damit, daß außer den Gesellschaftern noch andere Personengruppen - insbesondere die Gläubiger und Arbeitnehmer der Gesellschaft - rechtlich zu berücksichtigende Interessen an der GmbH hätten, so daß das Gesellschaftsinteresse nicht mit dem Gesellschafterinteresse gleichgesetzt werden könne. 158 Die Einflußmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens fänden daher dort ihre Grenze, wo sie auf die schutzwerten Belange der Gläubiger und Arbeitnehmer der Gesellschaft träfen. Ein Eigeninteresses der abhängigen GmbH sei zumindest insoweit zu beachten, als es um den grundsätzlichen Erhalt der Gesellschaft gehe.t 59

ISS BGHZ 122, 123, 130 "TBB". 156 BGH, NJW 1994,446 "EDV"; NJW 1994, 3288, 3290 "Fertighaus TI"; BB 1995, 997 ff. "Architekten"; NJW 1996, 1283 f. "Betriebsfortfiihrung". 157 Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 417 ff.; Assmann, JZ 1986,928,931 f.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 256; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 394 f.; K. Schmidt, BB 1985,2074,2077; Limmer, Haftungsverfassung, S. 44 f.; Burgard, WM 1993, 925, 927.

158 So insb. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 256; Ulmer, ZHR 148 (1984),

391,419.

159 Vgl. Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 419 f.

ill. Vergleich zwischen Aktienkonzern und GmbH-Konzern

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Dagegen billigen andere der Gesellschaft kein über die zwingenden gesetzlichen Vorschriften hinausgehendes Eigeninteresse zu. 160 Die Gläubiger einer GmbH könnten grundsätzlich nie mehr als die Erhaltung des Stammkapitals erwarten, die Anerkennung weitergehender Ansprüche laufe auf eine nicht vertretbare Bestandsgarantie der Gesellschaft hinaus. Auch ein Interesse einer in einen Konzern eingebundenen Tochter-GmbH auf Bestandserhaltung sei rechtlich nicht anzuerkennen, da ihre Gesellschafterversammlung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluß ihre Auflösung beschließen dürfe (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Das Eigeninteresse der GmbH gegenüber ihrem Alleingesellschafter werde allein durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die §§ 30 ff. GmbHG, konstituiert. 161

(c) Stellungnahme Ob ein von der Gesamtheit der Gesellschafterinteressen zu unterscheidendes, über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehendes Eigeninteresse der GmbH anzuerkennen ist, erscheint fraglich. Der Bundesgerichtshof selbst bestimmt nicht, welchen Inhalt die vom herrschenden Unternehmen zu beachtenden Belange der abhängigen Gesellschaft im einzelnen haben. Wenn er ausfiihrt, der Einfluß des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Einmann-Gesellschaft dürfe nicht dazu führen, daß diese ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne, so stellt er offensichtlich auf Gläubigerschutzinteressen ab. Jedoch finden diese insoweit ihren gesetzlichen Niederschlag bereits in §§ 63, 64 GmbHG. Danach hat die Gesellschaft im Falle der Zahlungsunfähigkeit die Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Die Gesellschaftsgläubiger können bei schuldhafter Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer und Gesellschafter geltend machen.1 62 Einer eigenständigen Kategorie "Gesellschaftsinteresse" bedarf es insoweit nicht.

160 So Lutter, ZIP 1985, 1425; ders., in: Entwicklungen im GmbH-Konzemrecht, S. 192,210 f.; BaumbachlHueck/Zöllner, GmbHG, Schlußanhang I Konzemrecht Rn. 34; Reuter in MünchKomm, BGB, Vor § 21 Rn. 44. 161 Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, S. 87 ff.; ders., DB 1993, 1225, 1227. 162 Vgl. ausführlich oben Zweiter Teil, 11 3d.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

Versucht man, den Begriff des Gesellschaftsinteresses zu bestimmen, so läßt es sich als die Schnittmenge der Interessen der an der Gesellschaft beteiligten Personen oder Personengruppen begreifen. Diese vertreten ihre Interessen innerhalb der körperschaftlich verfaßten GmbH in dem Gesellschaftsorgan, dem sie angehören. Interessengegensätze zwischen den Mitgliedern eines Gesellschaftsorgans werden durch das bei der Beschlußfassung geltende Mehrheitsprinzip, Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Gesellschaftsorganen auf der Grundlage der durch Gesetz und Satzung festgelegten Zuständigkeitsordnung nach Maßgabe des durch die Gesellschafterversammlung vorgegebenen Gesellschaftszwecks gelöst. Für die Einmann-GmbH bedeutet dies, daß, wenn der die Gesellschafterversammlung bildende Gesellschafter zugleich auch Geschäftsführer ist, zwischen den Gesellschaftsorganen ein vollkommener Interessengleichlauf besteht. Gesellschafterinteresse und Geschäftsführerinteresse sind identisch und bilden das Gesellschaftsinteresse. Aber selbst wenn die Gesellschaft einen Fremdgeschäftsführer hat, ist dieser verpflichtet, die Weisungen des Gesellschafters zu befolgen. Der Gesellschafter bestimmt somit in jedem Fall das Gesellschaftsinteresse. Er ist dabei lediglich an das zwingende Gesetzesrecht gebunden. Ein von dem Gesellschafterinteresse zu unterscheidendes Eigeninteresse der Gesellschaft gibt es in der Einmann-GmbH nicht. 163 Ein solches Eigeninteresse läßt sich auch nicht aus den Interessen solcher Personengruppen herleiten, die nicht an der Gesellschaft beteiligt sind. So ist es bereits im Ansatz verfehlt, aus den Interessen der von der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer ein im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern wirkendes Eigeninteresse der GmbH ableiten zu wollen. Eine gesellschaftsrechtlich geschützte Position innerhalb der Gesellschaft besitzen die Arbeitnehmer nur dann, wenn diese dem Mitbestimmungsrecht unterliegt. In diesem Fall sind die Arbeitnehmer über den von ihnen mitzubesetzenden Aufsichtsrat in die Gesellschaftsorganisation einbezogen und bestimmen von daher das Gesellschaftsinteresse mit. Ansonsten werden die schutzwerten Belange der Arbeitnehmer einer GmbH durch die im Arbeitnehmerschutzrecht entwickelten Rechtsvorschriften und -institute, nicht aber durch das Gesellschafts- oder Konzernrecht gesichert. Auch GläubigerschutzgrOnde sprechen nicht fiir die Anerkennung eines Eigeninteresses der Gesellschaft. Das GmbH-Gesetz enthält mit den Kapitalauf163 Im Ergebnis ebenso BaumbachIHueck/Zöllner, GmbHG, Schlußanhang I Konzemrecht, Rn. 35; Reuter in MünchKomm, BGB, Vor § 21 Rn. 44.

Ill. Vergleich zwischen Aktienkonzern und GmbH-Konzern

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bringungs- und Kapitalerhaltungsregeln zwingende Gläubigerschutzvorschriften. Diese gelten im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern im Verhältnis zwischen herrschendem Gesellschafter und abhängiger Gesellschaft uneingeschränkt fort. Sie sind hier - wie dargestellt - auch nicht in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit außer Kraft gesetzt. Außerdem werden die Gläubigerinteressen im faktischen Einmann-Konzern auch durch die insolvenzrechtlichen Vorschriften gewahrt. Ohne gesetzliche Grundlage ein darüber hinausgehendes Eigeninteresse der GmbH anzunehmen, läßt sich nicht begründen. Im Ergebnis bedeutet dies, daß der Alleingesellschafter, der außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch tätig ist, die Gesellschaft seinen Verbundinteressen unterordnen darf, solange er das zwingende Gesetzesrecht beachtet. Gleiches gilt für die mehrgliedrige konzernierte GmbH, wenn sich sämtliche Gesellschafter darüber einig sind, daß die Gesellschaft abhängig im Verbundinteresse geführt werden soll. Die Herrschaftsmacht, die dabei ausgeübt wird, ist durch die Organisationsverfassung der GmbH legitimiert. l64 Über das GmbH-Recht hinausgehende haftungsrechtliche Konsequenzen lassen sich aus der Konzerneingliederung einer GmbH allein nicht ziehen.

c) Kapitalbindung im faktischen GmbH-Konzern Finanzierungsjreiheit im Aktienvertragskonzern Da im auf Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrag beruhenden Aktienkonzern im Verhältnis zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft die Kapitalsicherungsvorschriften nicht gelten, ist es dem herrschenden Unternehmen möglich, in weitem Umfang liquide Mittel bei der abhängigen Gesellschaft abzuziehen, um sie an anderer Stelle im Konzern einzusetzen ("Konzern-cash-management"). Ein solches zentral durchgeführtes CashManagement wird im faktischen GmbH-Konzern zumindest dann als haftungsauslösend angesehen, wenn der Liquiditätsentzug bei der Tochtergesellschaft zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen oder sogar dem Entstehen einer existenzgefahrdenden Lage führt. 165 Tatsächlich dürfte dafür bereits jede Vermögensverschiebung von der Gesellschaft auf den herrschenden Gesellschafter genügen, die eine Unterbilanz herbeiführt oder vertieft. 164 In diesem Sinne J. Lehmann, in: FS Beusch, S. 479, 489 ff.; Versteegen, DB 1993, 1225, 1227. 165 So EnsthalerlKreher, BB 1995, 1422, 1428 mwN. 12 Götsch

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

Hier die Haftung auf eine konzemrechtliche Grundlage zu stellen, ist allerdings der falsche Ansatz. Der im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern herrschende Gesellschafter hat nur eingeschränkt die Möglichkeit, liquide Mittel bei der von ihm abhängigen GmbH abzuziehen. Soweit durch den Abzug solcher Mittel eine Unterbilanz entsteht, können die abhängige Gesellschaft oder ihre Gläubiger nach den auch hier wirksamen Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 30 ff. GmbHG Ersatz verlangen. Oberhalb der Stammkapitalbindung ist er verpflichtet, einen entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluß herbeizuführen. Eine Konzernfinanzierungsfreiheit, die mit der im Aktienvertragskonzern vergleichbar wäre, besteht im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern nicht.

IV. Unangemessenheit des § 302 AktGSchadensersatz statt Verlustausgleich Darüber hinaus verbietet sich die entsprechende Anwendung des § 302 AktG auch noch aus einem anderen Grund. Seit der "TBB"-Entscheidung stellt die Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen das wesentliche die Konzernhaftung auslösende Merkmal dar. Auch wenn in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs unklar bleibt, worin das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft besteht, so scheint es doch um eine Haftung wegen pflichtwidrigen Verhaltens zu gehen.

Im allgemeinen löst pflichtwidriges Verhalten, wenn es zu einem Schaden geführt hat, Schadensersatzansprüche aus. Der Schadensersatz umfaßt auch den entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Dieser kann im Konzernverhältnis darin bestehen, daß die abhängige Gesellschaft auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens eine sich ihr bietende Geschäftschance nicht wahrgenommen hat. § 302 AktG stellt keine Schadensersatznorm dar. Die Vorschrift verpflichtet das herrschende Unternehmen nur zum Ausgleich der bei der abhängigen Gesellschaft eingetretenen Verluste und greift daher im Vergleich zu Schadensersatzansprüchen sehr viel kürzer. Auch aus diesem Grunde ist die entsprechende Anwendung des § 302 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern ungeeignet. Anstatt § 302 AktG entsprechend anzuwenden, sollten auf Schadensersatz gerichtete Anspruchsgrundlagen herangezogen werden. Dabei ist zwischen dem Mehrpersonen- und dem Einmann-GmbH-Konzem zu unterscheiden.

IV. Schadensersatz statt Verlustausgleich

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1. Mehrpersonen-GmbH-Konzern Im faktischen Mehrpersonen-Konzern genügt die Verletzung der gesell schafterlichen Treuepflicht zur Begründung von SchadensersatzanspTÜchen. Der Einwand der herrschenden Meinung, im qualifizierten faktischen Konzern ließen sich einzelne schädigende Eingriffe nicht hinreichend isolieren, so daß ein auf Schadensersatz beruhendes Konzept daher insgesamt unbrauchbar sei, läßt sich nicht halten. Sollte sich der herrschende Unternehmensgesellschafter gegenüber seinen Mitgesellschaftern dauernd und umfassend gesetz- oder treuepflichtwidrig verhalten haben, so haben die Mitgesellschafter nur dies sowie die eingetretenen Schäden darzulegen und zu beweisen. Die Schadensverursachung durch das herrschende Unternehmen wird dann nach zivilprozeßrechtlichen Grundsätzen (§ 287 ZPO) vennutet. Dem herrschenden Unternehmen obliegt es zu beweisen, daß der eingetretene Schaden nicht auf seinem pflichtwidrigen Verhalten beruhte.

2. Einmann-GmbH-Konzern Das auf der Verletzung von Treuepflichten gegenüber den Mitgesellschaftern beruhende Schadensersatzkonzept hilft allerdings im qualifizierten faktischen Einmann-Konzern nicht weiter. Als eine das herrschende Unternehmen zum Schadensersatz verpflichtende Anspruchsgrundlage kommt hier allenfalls § 317 AktG in Betracht. Ob sich diese Vorschrift wegen der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Aktiengesellschaft und GmbH entsprechend anwenden läßt, erscheint fraglich. Die Aktiengesellschaft ist durch die zwingende Verteilung der Zuständigkeiten auf die drei Gesellschaftsorgane Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung geprägt. Jede Einflußnahme des herrschenden Aktionärs gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft stellt einen Verstoß gegen dessen eigenverantwortliche Leitungsbefugnis (§ 76 Abs. 1 AktG) und damit eine Gesetzwidrigkeit dar. Ein Interessengleichlauf, wie er fiir die Einmann-GmbH kennzeichnend ist, kann bei der Aktiengesellschaft nicht eintreten, da Vorstand und Aufsichtsrat nicht durch dieselben Personen besetzt werden können (§ 105 AktG). Sieht man in § 317 AktG den gesetzgeberischen Ausdruck fiir die Anerkennung eines Eigeninteresses der abhängigen Aktiengesellschaft, so fehlt dieses nach der hier vertretenen Ansicht im faktischen Einmann-GmbH-Konzem. In diesem muß es somit, da § 317 AktG mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht entsprechend herangezogen werden kann, bei den allgemeinen vom GmbH-Gesetz vorgesehenen Gläubigerschutzbestimmungen bleiben.

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzem

V. Ergebnis des Dritten Teils Der lUlternehmensvertragliche Aktienkonzern lUld der qualifizierte faktische GmbH-Konzern weisen erhebliche Unterschiede auf. Die entsprechende AnwendlUlg der im Aktienvertragskonzern geltenden Pflichten zu Verlustausgleich (§ 302 AktG) lUld SicherheitsleistlUlg (§ 303 AktG) auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern läßt sich nicht damit rechtfertigen, daß in beiden Konzernverhältnissen das herrschende Unternehmen zur Ertei1lUlg von WeislUlgen gegenüber der Geschäftsfühnmg berechtigt sei. Nur durch den Abschluß eines BeherrschlUlgsvertrages erlangt das herrschende Unternehmen ein WeislUlgsrecht gegenüber der abhängigen Aktiengesellschaft. Der Unternehmensvertragsschluß setzt ein gesetzliches, in den §§ 291 ff., 300 ff. AktG ausgestaltetes RegellUlgsgefUge in Kraft. Dieses RegellUlgsgefUge bringt fiir das herrschende Unternehmen rechtliche Vor- lUld Nachteile mit sich. Es ist einerseits berechtigt, die abhängige Gesellschaft zu leiten, indem es ihr geschäftspolitische WeislUlgen erteilt. Außerdem kann es ihren Gewinn vereinnahmen. Darüber hinaus gelten zu seinen Lasten die KapitalsicheflUlgsvorschriften der §§ 57 ff. AktG nicht mehr (§ 291 Abs. 3 AktG). Dafiir ist es andererseits verpflichtet, Verluste der abhängigen Gesellschaft, die diese während der Dauer des Unternehmensvertrages erwirtschaftet, auszugleichen (§ 302 AktG) lUld nach Beendigoog des Unternehmensvertrages den Gläubigem der ehemals abhängigen Gesellschaft Sicherheit zu leisten (§ 303 AktG). Dagegen entspricht die rechtliche Ausgangslage im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern derjenigen in der lUlabhängigen GmbH. Das herrschende Unternehmen nimmt die WeislUlgsbefugnis der GesellschafterversammllUlg wahr, in der es über die Mehrheit verfUgt. Im Verhältnis zwischen dem herrschenden Unternehmen lUld der abhängigen Gesellschaft gelten die KapitalerhaltlUlgsvorschriften der §§ 30 ff. GmbHG fort. Das im qualifizierten faktischen GmbHKonzern herrschende Unternehmen verfUgt also über keine vom Normalstatut der GmbH abweichenden Vorteile, sondern macht sich die rechtlichen Gegebenheiten der GmbH-VerfasslUlg zunutze. Es einseitig mit den aus den §§ 302, 303 AktG folgenden Pflichten zu belasten, ist lUlangemessen.

VI. Exkurs: Der qualifizierte faktische Aktienkonzern

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Soweit der Bundesgerichtshof nunmehr zur Begründung der Konzemhaftung auf die Beeinträchtigung der Interessen der abhängigen Gesellschaft abstellt, ruckt er offenbar ein pflichtwidriges Verhalten des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft in den Mittelpunkt. Was, insbesondere auch bei der Einmann-GmbH, unter den eigenen Belangen der abhängigen Gesellschaft zu verstehen ist, legt er nicht dar. Der Annahme eines auch von dem Alleingesellschafter zu beachtenden Eigeninteresses stand er bislang ablehnend gegenüber. Darüber hinaus wäre die fiir ein pflichtwidriges Verhalten angemessene Sanktion ein Schadensersatzanspruch. Demgegenüber handelt es sich bei § 302 AktG, der nur zum Ausgleich eingetretener Verluste verpflichtet und dessen Rechtsfolge damit wesentlich weniger weit reicht als die eines Schadensersatzanspruchs, um eine bereits ihrer Natur nach ungeeignete Anspruchsgrundlage.

VI. Exkurs: Gläubigerschutz im qualifIZierten faktischen Aktienkonzern In der Rechtsprechung spielte der qualifizierte faktische Aktienkonzern bislang keine Rolle. Das dürfte daran liegen, daß zwar auch in der Aktiengesellschaft - insbesondere fiir einen Mehrheitsaktionär - die Möglichkeit besteht, faktischen Einfluß auf den Vorstand zu nehmen, diese Möglichkeit aber aufgrund der starren Binnenstruktur der Aktiengesellschaft wesentlich weniger stark ausgeprägt ist als bei der GmbH.

1. Die Voraussetzungen des qualifIZierten faktischen Aktienkonzerns Ein qualifizierter faktischer Aktienkonzern liegt vor, wenn der Konzerntatbestand des § 18 Abs. 1 AktG erfüllt ist, die Konzernleitung durch das herrschende Unternehmen ein qualifiziertes Ausmaß erreicht und ein Beherrschungsvertrag fehlt.

a) Dauernde und umfassende Einflußnahme des herrschenden Unternehmens

Da bereits der Konzerntatbestand des § 18 Abs. 1 AktG die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft in einer Weise

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3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzem

voraussetzt, daß beide als unter der Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt anzusehen sind, stellt sich das Problem, wie der einfache von dem qualifizierten faktischen Aktienkonzern abzugrenzen ist. Überwiegend wird auf das Maß der Einflußnahme abgestellt: Bestimme das herrschende Unternehmen dauernd und umfassend die Geschäftspolitik der abhängigen Gesellschaft und werde dadurch die Eigenverantwortlichkeit ihres Vorstandes tatsächlich aufgehoben, liege ein qualifizierter Aktienkonzern vor. 166 Im Einzelfall dürfte die Abgrenzung erhebliche, bereits fiir den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern aufgezeigte Probleme bereiten.

b) Beeinträchtigung der Interessen der abhängigen Gesellschaft nicht erforderlich

Demgegenüber wird - anders als beim qualifizierten faktischen GmbH-Konzern - nicht verlangt, daß das herrschende Unternehmen die Belange der abhängigen Aktiengesellschaft beeinträchtigt.167 Das wird damit begründet, daß bereits die dauernde und umfassende Einflußnahme des herrschenden Unternehmens, insbesondere wenn sie mittels geschäftspolitischer Weisungen an den Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft erfolge, gegen den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands und damit gegen zwingendes Aktienrecht (§§ 76 Abs. 1,23 Abs. 5 AktG) verstoße. Der qualifizierte faktische Aktienkonzern stelle daher ohne weiteres einen Unrechtstatbestand dar.

c) Stellungnahme

Der herrschenden Auffassung ist in der Einordnung des qualifizierten faktischen Aktienkonzerns als Unrechtstatbestand zu folgen. Immer dann, wenn ein mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligter Unternehmensaktionär, sei es direkt oder über die Herbeiführung eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses, geschäftspolitisch Einfluß auf den Vorstand nimmt, liegt ein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG vor. Dieser läßt sich auch nicht durch einen mit quali166 K. Schmidt, Gesellschaftrecht, § 31 IV 4b, S. 807; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 20 IV 1, S. 389 f. 167 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 4a, S. 806; Flume, Die juristische Person, § 4 IV, S. 122 f.; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, § 20 IV 3, S. 404 ff., insb. S. 407.

VI. Exkurs: Der qualifizierte faktische Aktienkonzern

183

fizierter Mehrheit oder sogar einstimmig gefaßten Zustirmmmgsbeschluß der HauptversammlWlg rechtfertigen, da § 76 Abs. 1 AktG als zwingende Norm des aktiengesellschaftlichen Innenrechts (§ 23 Abs. 5 AktG) der SatzungsändeTWlgsbefugnis der HauptversammlWlg entzogen ist. 168

2. Recbtsfolgen a) Schrifttum

Nach verbreiteter AuffassWlg sollen auf den qualifizierten faktischen Aktienkonzern nicht die §§ 311 ff. AktG, sondern § 302 AktG angewendet werden. 169 Die Unanwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG wird hier - wie bereits im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern - damit begründet, daß sich einzelne durch das herrschende Unternehmen veranlaßte Wld fiir die abhängige Gesellschaft nachteilige Maßnahmen nicht isolieren ließen. Auch dürfe sich derjenige, der einen dem beherrschWlgsvertraglichen Konzern vergleichbaren Zustand herbeifiihre, ohne dies durch den Abschluß eines BeherrschWlgsvertrages zu legalisieren, nicht den im Vertragskonzern bestehenden Pflichten entziehen. Darüber hinaus fiihre die entsprechende AnwendWlg der Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG zu praktikablen Ergebnissen.

b) Stellungnahme

Der im Schrifttum vorgeschlagene Weg, den § 302 AktG auf den qualifizierten faktischen Aktienkonzern anzuwenden, wird offensichtlich durch die entsprechende BehandlWlg des qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in RechtsprechWlg Wld Lehre vorbestimmt. Ebensowenig wie dort kann er hier überzeugen. Wenn das herrschende Unternehmen durch seine Einflußnahme auf die abhängige Aktiengesellschaft gegen § 76 AktG verstößt, so löst das - wie jedes andere gesetzwidrige Verhalten auch - Schadensersatzanspruche aus, falls der Verstoß schuldhaft erfolgt Wld ein Schaden eingetreten ist. § 302 AktG ist keine 168 Dazu oben Dritter Teil, I la. 169 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 IV 4, S. 806; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 20 IV 4, S. 408 f.; Hüffer, AktG, § 302 Rn. 30.

184

3. Teil: Vergleich zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern

Schadensersatznorm. Die Vorschrift verpflichtet nur zum Ausgleich eingetretener Verluste, hingegen nicht zum Ersatz sonstiger Schäden, insbesondere nicht zum Ersatz des entgangenen Gewinns. 170 Die Norm, die den Ausgleich gerade auch solcher Schäden anordnet, ist § 317 AktG. Daß einzelne schädigende Maßnahmen des herrschenden Unternehmens sich nicht hinreichend isolieren ließen und § 317 AktG daher leerlaufe, überzeugt nicht. Legt die abhängige Gesellschaft die dauernde und wnfassende Einflußnahme des herrschenden Unternehmens dar und beweist sie diese - wie sie es auch nach dem von der herrschenden Meinung bevorzugten Haftungsmodell nach § 302 AktG müßte -, so hat sie damit zugleich die Veranlassung im Sinne des § 317 Abs. 1 AktG bewiesen. Nimmt das herrschende Unternehmen bis zum Ende des Geschäftsjahres keinen Nachteilsausgleich vor und vermag es sich nicht nach § 317 Abs. 2 AktG zu exkulpieren, so kann die abhängige Gesellschaft jeden von ihr nachgewiesenen Schaden ersetzt verlangen. Beim Schadensnachweis kommt ihr die Vorschrift des § 287 ZPO zugute.

3. Ergebnis

Nimmt ein herrschender Unternehmensaktionär auf die Geschäftsführung einer von ihm abhängigen Aktiengesellschaft dauernd und umfassend Einfluß, so handelt er wegen Verstoßes gegen die in § 76 Abs. 1 AktG zwingend angeordnete Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes rechtswidrig. Insoweit unterscheidet sich der qualifizierte faktische Aktienkonzern vom qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, bei dem die Einflußnahme des herrschenden Unternehmensgesellschafters nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich erlaubt und nur ausnahmsweise dann rechtswidrig ist, wenn ein Verstoß gegen zwingendes GmbH-Recht oder die gesellschafterliche Treuepflicht vorliegt. Die von der herrschenden Meinung befürwortete entsprechende Anwendung des § 302 AktG auf den qualifizierten faktischen Aktienkonzern ist - ebenso wie beim qualifizierten faktischen GmbH-Konzern - abzulehnen. Der abhängigen Gesellschaft steht nicht lediglich ein Anspruch auf Verlustausgleich, sondern auf Ersatz aller eingetretenen Schäden zu. Die einschlägige Anspruchsgrundlage findet sich in § 317 AktG.

170 Dazu ausführlich oben Dritter Teil, IV 3.

Schluß

Zusammenfassung und Bewertung der im Zweiten und Dritten Teil gefundenen Ergebnisse I. Zusammenfassung der Ergebnisse Die EntscheidWlgen des BWldesgerichtshofs zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern vennögen wohl im Ergebnis, nicht aber in der HerleitWlg Wld BegründWlg zu überzeugen. Die rechtsmethodischen Voraussetzungen dafür, auf diese Konzernverhältnisse die im Aktienvertragskonzern geltenden Pflichten des herrschenden Unternehmens zu Verlustausgleich und SicherheitsleistWlg (§§ 302, 303 AktG) entsprechend anzuwenden, sind nicht gegeben. Weder weist das GmbH-Gesetz fiir diese Fälle eine RegelWlgslücke auf, noch ist der qualifizierte faktische GmbH-Konzern mit dem auf einem Unternehmensvertrag, insbesondere einem BeherrschWlgsvertrag, beruhenden Aktienkonzern derart vergleichbar, daß die entsprechende AnwendWlg der §§ 302, 303 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern angemessen ist.

1. Keine Regelungslücke im GmbH-Gesetz

Das Bestehen einer RegelWlgslücke im GmbH-Gesetz im Hinblick auf den qualifizierten faktischen Konzern läßt sich weder mit dem Fehlen konzern-. rechtlicher Vorschriften im GmbH-Gesetz noch mit einer tatsächlichen Außerkraftsetzung der KapitalerhaltWlgsvorschriften in derartigen Konzernverhältnissen begründen.

a) Fehlen konzernrechtlicher Vorschriften im GmbH-Gesetz

Allein das Fehlen konzemrechtlicher Vorschriften im GmbH-Gesetz führt nicht dazu, daß es fiir die hier Wltersuchten Konzernsachverhalte eine RegeIWlgslücke enthält. Eine solche besteht vielmehr nur dann, wenn die allgemei-

186

Schluß

nen gesetzlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätze nicht zu einer angemessenen Problemlösung führen. Daß dies durchaus der Fall sein kann, hat der Bundesgerichtshof in der "ITT"-Elltscheidung l gezeigt. Den dort vorliegenden GmbH-Konzernsachverhalt löste er nicht durch die entsprechende Anwendung aktienkonzernrechtlicher Vorschriften, sondern auf Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht und gelangte so zu einem allgemein akzeptierten Ergebnis.

b) Außerkraftsetzung der §§ 30,31 GmbHG Rechtsprechung und Schrifttum rechtfertigen die Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern mit der Behauptung, daß die Kapitalsicherungsvorschriften des GmbH-Gesetzes hier in ihrer Wirksamkeit tatsächlich außer Kraft gesetzt seien. Das trifft nicht zu. Die Kapitalerhaltung funktioniert bilanziell, indem die GmbH ihr Stammkapital nach § 42 GmbHG als gezeichnetes Kapital zu passivieren hat. § 30 GmbHG bewirkt, daß das zum Erhalt des Stammkapitals erforderliche Vermögen gebunden wird. Die Gesellschaft darf Ausschüttungen aus ihrem Vermögen an die Gesellschafter daher erst vornehmen, wenn sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft und darüber hinaus der Betrag des Stammkapitals durch Aktivvermögen gedeckt ist. Inwieweit diese Form der Vermögensbindung im Unternehmensverbund, in dem die GmbH nach § 42 Abs. 1 GmbHG, §§ 242, 264 HGB zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet ist, nicht funktionieren soll, ist nicht ersichtlich und wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht näher dargelegt. Der Bundesgerichtshof selbst macht mit der von ihm behaupteten tatsächlichen Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht ernst, da er Gesellschaften, die innerhalb eines qualifizierten faktischen Konzerns abhängig waren, Erstattungansprüche gern. §§ 30 ff. GmbHG zugesprochen hat. 2

I BGHZ 65, 15 ff.

2 BGHZ 81, 311 ff. "HelabaiSonnenring"; lOS, 168 ff. "HSW".

I. Zusammenfassung der Ergebnisse

187

c) Ersatzansprüche wegen verspäteter Konkursanmeldung

aa) Die den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalte als Insolvenzsachverhalte Bei sämtlichen vom Bundesgerichtshof unter dem Stichwort des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns entschiedenen Fällen handelte es sich um Insolvenzsachverhalte. Die zur Zahlung verpflichteten Gesellschaften besaßen entweder überhaupt kein oder kein zur Befriedigung ihrer Gläubiger ausreichendes Vermögen. Sie waren zumindest rechnerisch überschuldet, teilweise bereits wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Damit stellt das Fehlen von den Gesellschaftsgläubigern als Haftungsmasse zur Verfiigung stehenden Vermögen das Kernproblem dieser Entscheidungen dar. Diesem Problem sollte nicht durch die Gewährung konzernrechtlicher Ansprüche, sondern durch die konsequente Anwendung der Insolvenzeröffnungstatbestände des GmbH-Gesetzes begegnet werden. Allein die rechtzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens verhindert, daß das den Gesellschaftsgläubigern haftende Gesellschaftsvermögen in der Krise der Gesellschaft ausgezehrt und letztlich verbraucht wird.

bb) Konkursantragspflicht wegen Überschuldung (§ 64 GmbHG) Nach § 64 Abs. 1 GmbHG hat die Gesellschaft die Eröffnung des Konkursoder Vergleichsverfahrens zu beantragen, wenn ihr Vermögen nicht mehr die Schulden deckt. Durch die Hinzunahme des Konkursgrundes der Überschuldung neben den der Zahlungswlfähigkeit wollte der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes vorverlagern. Die heute herrschende Meinung reduziert den Überschuldungstatbestand teleologisch. Sie prüft in einem ersten Schritt, ob das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten nicht mehr ihre Schulden deckt. Ist dies der Fall, so hat die Geschäftsfiihrung der dann rechnerisch überschuldeten Gesellschaft eine Prognose über deren Fortfiihrungsfähigkeit aufzustellen. Erst wenn diese Prognose negativ ausfallt, soll die Gesellschaft im Rechtssinne überschuldet und damit verpflichtet sein, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.

188

Schluß

Die von der herrschenden Meinung vorgenommene teleologische Reduktion des in § 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG gesetzlich definierten Überschuldungsbegriffs widerspricht dem Zweck der Vorschrift, das Konkursverfahren zwn Schutze der Gesellschaftsgläubiger frühzeitig einzuleiten. Daß die von den Geschäftsführern der in der Krise befmdlichen Gesellschaft aufzustellende Prognose in den seltensten Fällen negativ ausfallen wird, liegt auf der Hand. Indem die Insolvenzanmeldepflicht von dem negativen Ergebnis einer Fortbestehensprognose abhängt, kann eine sanierungsbedürftige Gesellschaft fortgeführt werden, ohne daß es darauf ankommt, ob die ergriffenen Sanierungsmaßnahmen Erfolg haben oder nicht. Die Gesellschaft erwirtschaftet möglicherweise weitere Verluste, die zu Lasten des den Gesellschaftsgläubigern allein haftenden Gesellschaftsvermögens gehen. Das Aktivvermögen der Gesellschaft wird mehr und mehr aufgezehrt. Kommt es endlich zur Konkursanmeldung, reicht es oftmals nicht mehr aus, um die Kosten eines Insolvenzverfahrens zu decken. Die Konkurseröffnung wird abgelehnt. Die Gläubiger dieser Gesellschaft, die keine Möglichkeit haben, ihre Forderungen zu sichern, gehen leer aus. Selbst wenn es zur Konkurseröffnung kommt, haben sie in der Regel nur sehr geringe Konkursquoten zu erwarten. Sie sind es damit, die mit dem Risiko der Fortführung der in der Krise befindlichen Gesellschaft belastet werden. Vermeiden lassen sich die beschriebenen Gläubigerschädigungen dadurch, daß man die Gesellschaften frühzeitig zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingt. Das erfordert, den Überschuldungsbegriff dem Gesetzeswortlaut entsprechend auszulegen: Eine GmbH ist überschuldet, wenn ihr Vermögen nicht mehr ihre Schulden deckt. Dabei ist das Aktivvermögen unter Ansatz von Liquidationswerten zu bewerten. Auf das zusätzliche Erfordernis einer Fortfiihrungsprognose, die es der Geschäftsführung ermöglicht, die Insolvenzanmeldung hinauszuzögern, sollte zugunsten eines effektiven Gläubigerschutzes verzichtet werden. Für eine Gesellschaft und ihre Gesellschafter bestehen bei Eintritt der Überschuldung zwei Möglichkeiten. Entweder beantragt die Gesellschaft die Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens oder es werden Maßnahmen ergriffen, die die Überschuldung beseitigen. Letzteres kann zwn einen dadurch geschehen, daß die bisherigen oder auch neu hinzukommende Gesellschafter der Gesellschaft weiteres Eigenkapital zur Verfiigung stellen, zwn anderen dadurch, daß Dritte der Gesellschaft Mittel bereitstellen, die sie im Konkurs, etwa aufgrund einer Rangrücktrlttsvereinbarung, nicht zurückfordern können. Damit führt auch eine strikte Handhabung des die Konkursanmeldepflicht auslösenden

I. Zusammenfassung der Ergebnisse

189

Überschuldungstatbestands nicht - wie von der herrschenden Meinung behauptet - dazu, daß sanierungsbedürftige aber, fortfiihrungswürdige Gesellschaften ihren Betrieb einstellen müssen. Vielmehr wird lediglich das mit der Fortführung der angeschlagenen Gesellschaft verbundene Risiko nicht den Gesellschaftsgläubigern, sondern den Gesellschaftern bzw. sanierungsbereiten Dritten zugeordnet. Dies ist angemessen, da es sich bei dem Sanierungsrisiko um ein typisches Unternehmerrisiko handelt.

cc) Rechtsfolgen verspäteter Konkursanmeldung Meldet die Gesellschaft nicht rechtzeitig Konkurs an, sind die Geschäftsführer der Gesellschaft nach § 64 Abs. 2 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Konkursreife geleistet worden sind. Außerdem haften sie, da § 64 Abs. 1 GmbHG als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger anerkannt ist, diesen für die verspätete Insolvenzanmeldung nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz. Die Gesellschafter sind für eine verspätete Konkursanmeldung grundsätzlich nicht haftbar. Allerdings haftet ein Gesellschafter, der zwar nicht formell zum Geschäftsführer bestellt worden ist, aber nach außen wie ein solcher auftritt, als sog. "faktisches Organ" wie ein Geschäftsführer. Darüber hinaus können sich die Gesellschafter nach § 830 Abs. 2 BGB als Anstifter schadensersatzpflichtig machen, wenn sie die Geschäftsführer anweisen, den Konkursantrag nicht zu stellen. Das setzt jedoch voraus, daß sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer vorsätzlich handeln. Lücken bei der Gesellschafterhaftung verbleiben im Bereich der (grob) fahrlässig von Gesellschaftern mitverursachten verspäteten Konkursanmeldung.

dd) Insolvenz kein typisches Problem konzernabhängiger Gesellschaften mbH Die Insolvenzstatistiken belegen, daß es sich bei dem Gläubigerausfall in der Insolvenz um alltägliche Vorgänge gerade von Unternehmen handelt, die in der Rechtsform der GmbH betrieben werden. Daß konzernabhängige Gesellschaften mbH gegenüber unabhängigen Gesellschaften in erhöhtem Maße insolvenzanfallig sind, hat die Rechtsprechung nicht dargelegt. hn Schrifttum wird ein Zusammenhang zwischen Insolvenzanfalligkeit und Konzernabhängigkeit lediglich vereinzelt behauptet. Von manchen wird gerade die im Unternehmensverbund geführte Gesellschaft als weniger konkursgefahrdet angesehen. Empiri-

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Schluß

sehe Untersuchungen zu dieser Frage fehlen. Damit kann die Haftung des herrschenden Unternehmens im faktischen GmbH-Konzern nicht mit einer gesteigerten Insolvenzanfälligkeit konzernabhängiger Gesellschaften begründet werden.

2. Unangemessenheit der Anwendung der §§ 302, 303 AktG auf den qualifIZierten faktischen GmbH-Konzern a) Fehlende Vergleichbarkeit des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns mit dem beherrschungsvertraglichen Aktienkonzern Auch die zweite Analogievoraussetzung ist nicht erfüllt. Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern ist mit dem Aktienvertragskonzern nicht derart vergleichbar, daß die entsprechende Anwendung der Pflichten zum Verlustausgleich und zur Sicherheitsleistung (§§ 302, 303 AktG) gerechtfertigt ist.

aa) Aktiengesellschaft Die Verfassung der Aktiengesellschaft ist geprägt durch die gesetzlich zwingende (§ 23 Abs. 5 AktG) Verteilung der Zuständigkeiten auf die Gesellschaftsorgane Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Die Hauptversammlung beschließt in den in § 119 Abs. 1 AktG genannten Angelegenheiten. Sie ist weder befugt, die Mitglieder des Vorstands zu bestellen oder abzuberufen, noch steht ihr das Recht zu, dem Vorstand in Fragen der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen (§§ 119 Abs. 2, 76 Abs. 1 AktG). Daher besteht selbst für den Mehrheits- oder Alleinaktionär keine rechtlich begründete Möglichkeit, Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu nehmen. Erst der Abschluß eines Beherrschungsvertrages verschafft dem herrschenden Unternehmen, bei dem es sich nicht um einen Aktionär handeln muß, ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft. Dieses darf auch zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft ausgeübt werden. Bei Bestehen eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages gelten nach § 291 Abs. 3 AktG Leistungen der abhängigen Gesellschaft an das herrschende Unternehmen, die aufgrund des Unternehmensvertrages erfolgen, nicht als Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57 ff. AktG. Dies ermöglicht dem herrschenden Unternehmen, Finanzmittel bei einer Tochtergesellschaft abzuziehen und an anderer Stelle im Konzern einzusetzen, auch wenn es an der Tochter be-

I. Zusammenfassung der Ergebnisse

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teiligt ist. Der Abschluß eines BeherrschWlgsvertrages bringt für das herrschende Unternehmen also eine Reihe erheblicher Vorteile mit sich. Die ebenfalls durch den Abschluß eines Gewinn- oder BeherrschWlgsvertrages entstehenden gesetzlichen Pflichten des herrschenden Unternehmens, während des Unternehmensvertrages die Verluste der abhängigen Gesellschaft auszugleichen (§ 302 AktG) Wld nach seiner Beendigwtg den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft Sicherheit zu leisten (§ 303 AktG), dienen insbesondere dazu, die im Vertragskonzern außer Kraft gesetzte KapitalbindWlg auszugleichen. Diese Pflichten sind daher mit den dem herrschenden Unternehmen gewährten Vorteilen im Zusammenhang zu sehen.

bb) Gesellschaft mbH Die GesellschafterversammlWlg der GmbH bestellt die Geschäftsfiihrer Wld beruft sie ab. Sie ist befugt, ihnen in GeschäftsfiihrWlgsangelegenheiten WeisWlgen zu erteilen. Diese organisationsrechtliche WeisWlgsbefugnis im Zusammenspiel mit dem bei der BeschlußfassWlg in der GesellschafterversammlWlg geltenden Mehrheitsprinzip (§ 47 Abs. 1 GmbHG) bildet die GrWldlage der Herrschaftsmacht des über die Stimmenmehrheit verfUgenden herrschenden Unternehmensgesellschafters im faktischen GmbH-Konzern. Seine Herrschaftsmacht ist somit gesellschaftsrechtlich legitimiert, ohne daß es einer beherrschWlgsvertraglichen GrWldlage bedarf. Bei der WeisWlgserteilWlg hat der Unternehmens gesellschafter das zwingende GmbH-Recht, insbesondere die KapitalerhaltWlgsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG, zu beachten. § 291 Abs. 3 AktG, der das Wlternehmensvertraglich herrschende Unternehmen im Aktienkonzern von der BeachtWlg der aktienrechtlichen KapitalsicherWlgsregeln freistellt, gilt im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern nicht entsprechend. Dem herrschenden Unternehmen ist es somit nicht möglich, liquide Mittel, soweit diese der KapitalbindWlg Wlterliegen, bei der abhängigen GmbH abzuziehen Wld im UnternehmensverbWld an passender Stelle einzusetzen. Sind außer dem herrschenden Unternehmensgesellschafter weitere Gesellschafter an der GmbH beteiligt, so gebietet ihm die gesellschafterliche Treuepflicht, auf deren gesellschaftsrechtlich geschützte Interessen Rücksicht zu nehmen. Eine UnterordnWlg der GmbH Wlter die Konzerninteressen ist WlZUlässig, wenn sie den Interessen der Mitgesellschafter widerspricht. Die Mög-

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lichkeit, der abhängigen Gesellschaft Weisungen auch zu ihrem Nachteil zu erteilen, wie sie § 308 AktG dem herrschenden Unternehmen im aktienrechtlichen Vertragskonzern gibt, besteht im mehrgliedrigen faktischen GmbH-Konzern grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt, wenn sämtliche Gesellschafter mit einer Unterordnung der Gesellschaft unter die Konzerninteressen einverstanden sind. 3 Ist der Unternehmensgesellschafter alleiniger Gesellschafter der GmbH, ist er an keine gesellschafterliche Treuepflicht, sondern ausschließlich an das zwingende Gesetzesrecht gebunden. Auch ein Eigeninteresse der Gesellschaft, das von dem Interesse des Alleingesellschafters zu unterscheiden wäre und ihn im Umgang mit der Gesellschaft beschränkte, ist nicht anzuerkennen. Die Einmann-GmbH kann daher - vorbehaltlich der Beachtung zwingenden Gesetzesrechts - in einen Konzernverbund eingegliedert werden.

ce) Vergleich Durch den Abschluß eines Beherrschungsvertrages mit einer Aktiengesellschaft wird ein gesetzliches Regelungsgefiige in Kraft gesetzt, das dem herrschenden Unternehmen mit der Befreiung von den Kapitalerhaltungsvorschriften und dem Weisungsrecht wesentliche Vorteile bringt, es aber zugleich zu Verlustausgleich und Sicherheitsleistung verpflichtet. Dagegen wird der Unternehmensgesellschafter im faktischen GmbH-Konzern im Vergleich zu einer herkömmlichen Gesellschafterposition nicht bessergestellt. Seine Herrschaftsmacht beruht auf dem organisationsrechtlichen Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung und seiner Mehrheitsbeteiligung. Er bleibt verpflichtet, die zwingenden Kapitalsicherungsvorschriften und - soweit Minderheitsgesellschafter vorhanden sind - deren durch die gesellschafterliche Treuepflicht geschützte Belange zu beachten. Dadurch, daß aus dem vertragskonzernrechtlichen Regelungsgefiige lediglich die Verlustausgleichspflicht § 302 AktG auf den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend angewendet wird, wird der dort herrschende Unternehmensgesellschafter einseitig belastet. Das ist unangemessen.

3 Das war in der "Fertighaus II"-EntscheidWlg (BGH, NJW 1994, 3288 ff.) der Fall.

11. Folgen der Konzemrechtsprechung des BGH

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b) Schadensersatz statt Verlustausgleich

Indem die Rechtsprechung nunmehr die Beeinträchtigung der Belange der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen in den Mittelpunkt der Konzernhaftung stellt, handelt es sich offensichtlich um eine Haftung wegen pflichtwidrigen Verhaltens. Die angemessene rechtliche Reaktion hierauf wäre, das herrschende Unternehmen zur Leistung von Schadensersatz zu verpflichten. § 302 AktG stellt keine Schadensersatz gewährende Anspruchsgrundlage dar. Auch insoweit ist die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift unangemessen. Ansprüche können sich im mehrgliedrigen qualifizierten faktischen GmbH-Konzern aus der Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht ergeben. Im Einmann-Konzern hingegen verbleibt es ausschließlich bei Ansprüchen wegen der Verletzung zwingenden Gesetzesrechts, insbesondere der Kapitalerhaltungsvorschriften und der Konkursanmeldepflicht.

11. Folgen der Konzernrechtsprechung des Bundesgerichtshofs 1. Fehlende Rechtssicherheit

Die Verlustausgleichspflicht des § 302 AktG setzt tatbestandlich das Bestehen eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabfiihrungsvertrages zwischen einer Aktiengesellschaft und einem anderen Unternehmen, die Pflicht zur Sicherheitsleistung des § 303 AktG die Beendigung eines solchen Unternehmensvertrages voraus. Ob ein Beherrschungs- oder Gewinnabfiihrungsvertrag besteht, ergibt sich jeweils eindeutig aus dem Handelsregister, in das der Unternehmensvertrag einzutragen ist (§ 294 AktG). Selbst wenn beim Vertragsschluß Willensmängel aufgetreten sein sollten, wird der Vertrag aufgrund der Eintragung ins Handelsregister als wirksam behandelt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 302, 303 AktG im Aktienvertragskonzern sind somit rechtlich klar bestimmt, die Feststellung, ob sie erfüllt sind oder nicht, bereitet keine Schwierigkeiten. Damit ist den Anforderungen, die - gerade auch in Anbetracht der in §§ 302, 303 AktG enthaltenen einschneidenden Rechtsfolgen - an die Bestimmtheit von Normen zu stellen sind, vollauf Genüge getan. 4 Bezeichnenderweise bereitet die Anwendung der §§ 302, 303 AktG in ihrem eigentlichen Anwendungsbereich, dem Aktienvertragskonzern, keinerlei Schwierigkeiten. 4 Koppensteiner, in: Probleme des Konzemrechts, S. 87,94. 13 Götsch

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Hingegen sind die Tatbestandsvoraussetzungen des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns unklar Wld höchst wnstritten. So wird der konzernrechtliche Unternehmensbegriffin dogmatisch zweifelhafter Weise weit ausgelegt, wn alle denkbaren Konstellationen zu erfassen Wld den konzernrechtlichen Schutzvorschriften einen weiten AnwendWlgsbereich zu sichern. Unklar ist, ob ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG zur AnwendWlg der Verlustausgleichspflicht genügt oder ob der Konzerntatbestand im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderlich ist. Unklar ist, wann der Konzernbegriff erfiillt ist. Unklar ist letztlich, wann der einfache faktische Konzern zwn qualifizierten faktischen Konzern wird. Von manchen wird eine Klärung dieser Fragen nicht fiir möglich gehalten. 5 Bezeichnend ist, daß der - weitgehend Wlgeklärte - Konzernbegriff als Tatbestandsmerkmal in gesetzlichen Vorschriften6 nur eine geringe Wld im Rahmen der §§ 291 ff., 300 ff. AktG überhaupt keine Rolle spielt. Die Voraussetzungen, Wlter denen die RechtsprechWlg das Vorliegen eines qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns annimmt, wechselten bis zu "TBB" (fast) von EntscheidWlg zu EntscheidWlg. Für die betroffenen Gesellschafter Wld Gesellschaftsgläubiger bedeutet dies eine nicht hinnehmbare RechtsWlsicherheit. So durfte die Klägerin der "TBB"-EntscheidWlg davon ausgehen, daß die persönliche Haftung des beklagten Gesellschafters fiir die aus den Bauverträgen stammenden Schulden der "TBB"-GmbH eingreife, da dieser die GeschäftsfiihrWlg der anderen Gesellschaften, an denen er beteiligt war, dauernd Wld umfassend ausgeübt hatte. Dies genügte nach den Urteilen "Autokran", "Tiefbau" Wld "Video" fiir eine konzernrechtliche Verantwortlichkeit des herrschenden Gesellschafters. Nach der "TBB"-EntscheidWlg begründet eine derartige AusübWlg der Konzernleitungsmacht weder eine konzernrechtliche Haftung noch eine tatsächliche Vermutung fiir den jetzt geltenden Haftungstatbestand, der erfordert, daß auf die Belange der abhängigen Gesellschaft keine angemessene Rücksicht genommen worden sei. 7 Die Sache war daher zurückzuverweisen. Ebenso konnte das OLG Schleswig als Vorinstanz der "EDV"-EntscheidWlg in seinem Urteil vom 23. März 1993 die in der "TBB"-EntscheidWlg des BWldesgerichtshofs vom 29. März 1993 verlangten verschärften Voraussetzungen einer Konzernhaftung nicht berücksichtigen, so daß auch diese Sache vom BWldesgerichtshof zurückverwiesen werden mußte. Folge ist, daß Prozeßrisiko, 5 Flume, DB 1968, 1011, 1013.

6 Vgl. § 100 Abs. 2 AktG, §§ 290 ff. HGB, § 54 BetrVG, §§ 5 MitbestG iVrn. 76 BetrVG 1952, § 23 GWB. 7 BGHZ 122, 123, 130 f.

11. Folgen der Konzemrechtsprechung des BGH

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Prozeßdauer und Prozeßkosten sich erhöhen. Auf die damit verbundenen Prozeßrisiken vennögen sich Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger kaum einzustellen. Auch die "TBB"-Entscheidung brachte nicht die vom Bundesgerichtshof behauptete KlarsteIlung. Zwar scheint sich der qualifizierte faktische GmbH-Konzern in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nunmehr konsolidiert zu haben, wie die nach "TBB" ergangenen Entscheidungen zeigen. Jedoch operiert die Rechtsprechung nunmehr tnit dem Merkmal der Beeinträchtigung der Belange der abhängigen Gesellschaft. Was unter den Belangen der abhängigen Gesellschaft zu verstehen ist und in welcher Weise sie verletzt sein müssen, damit die Konzernhaftung ausgelöst wird, bleibt offen. Gleiches gilt für die Frage, inwieweit ein derartiges pflichtwidriges Verhalten des herrschenden Unternehmens die mit einem derartigen Verhalten in keinerlei Zusammenhang stehenden Rechtsfolgen der §§ 302, 303 AktG auszulösen vennag. Auch das Schrifttum bietet insoweit nicht einmal den Ansatz einer Erklärung. 2. Strukturdiskussion Daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung des herrschenden Unternehmensgesellschafters im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in die falsche Richtung weist, zeigt die im Schrifttum geführte Diskussion darüber, wie diese Haftung vennieden werden könne. Erwogen werden dabei in erster Linie organisatorische Umstrukturierungen des oder der Unternehmensträger, wie die Zusammenfassung sämtlicher Unternehmen in nur einer GmbH oder das Zwischenschalten einer Holding. Diese Vorschläge verdeutlichen, daß die Konzernhaftungs-Rechtsprechung das eigentliche Sachproblem der entschiedenen Sachverhalte verdeckt. Der Ausfall der Gesellschaftsgläubiger bei der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvennögen beruhte in keinem Fall darauf, daß das Gesamtunternehmen in einer gläubigerschädigenden Weise strukturiert war, sondern jeweils auf dem Fehlen von zur Gläubigerbefriedigung ausreichendem Gesellschaftsvennögen. Das zwischen der Abhängigkeit der Gesellschaft und dem Verfall ihres Vennögens ein Zusammenhang bestand, hat die Rechtsprechung nicht dargelegt. Die in der Kautelarjurisprudenz unternommenen Versuche, die Konzernhaftung durch Umstrukturierungen des faktischen GmbH-Konzerns abzuwenden, tragen nicht dazu bei, das Problem fehlender Eigenkapitalausstattung und verspäteter Konkursanmeldung bei Gesellschaften mbH zu lösen.

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IH. Ausblick Konzernprobleme sollten konzernrechtlich, Insolvenzprobleme insolvenzrechtlich gelöst werden. Bei den vom Bundesgerichtshof auf konzernrechtlicher Gnmdlage entschiedenen Fällen handelte es sich jeweils um Insolvenzsachverhalte. Diese durch die entsprechende Anwendung konzernrechtlicher Regelungen lösen zu wollen, weist in die falsche Richtung. Wesentliches Problem der Rechtsform der GmbH ist die große Zahl masseloser Insolvenzen, in denen ein geordnetes Insolvenzverfahren nicht durchgeführt werden kann. Die Gläubiger dieser Gesellschaften gehen leer aus. Um diesem Problem zu begegnen, muß die Eröffnung des Insolvenzverfahren zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem noch zur Gläubigerbefriedigung ausreichendes Gesellschaftsvermögen vorhanden ist. Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft nach § 64 GmbHG zur Konkursanmeldung verpflichtet wird, sobald ihr Aktivvermögen bei Ansatz von Liquidationswerten nicht mehr ihre Schulden deckt. Auf das von der herrschenden Meinung aufgestellte Zusatzerfordernis der "negativen Fortbestehensprognose" sollte verzichtet werden. Es führt zu einer Verzögerung der Insolvenzanmeldung und damit zu einer unangemessenen Abwälzung des Sanierungsrisikos auf die Gesellschaftsgläubiger, da die Gefahr besteht, daß infolge weiterer Verluste der Gesellschaft deren gesamtes Aktivvermögen und somit die Haftungsgrundlage der Gläubiger aufgezehrt wird. Stützt man Ersatzansprüche der insolventen GmbH und ihrer Gläubiger gegen die Gesellschafter und Geschäftsfiihrer auf die Verletzung der Pflicht zu rechtzeitiger Konkursanmeldung, so führt dies zu einer haftungsrechtlichen Gleichbehandlung der Gesellschafter selbständiger und faktisch konzernierter Gesellschaften mbH. In den neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum qualifizierten faktischen GmbH-KonzernS deutet sich an, daß der Bundesgerichtshof bei Vorliegen derartiger Sachverhalte nicht ausschließlich die Haftungsgrundsätze des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns, sondern auch insolvenzrechtliche Anspruchsgrundlagen berücksichtigen will.

S BGH, NJW 1994, 446 (m. Anm. K. Schmidt); BGH, NJW 1994, 3288, 3291 "Fertighaus 11".

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Sachregister

Abhängigkeit, 138 ff. - Gnmdlagen der A., 138 ff. - qualifizierte A., 52 - wirtschaftliche A., 140 f.

Bewertung, 78 f. Durchgriffshaftung, 23

Abhängigkeitsbericht, 142

"EDV"-Entscheidung, 40 f.

Abhängigkeitsvermutung, 138

Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft, 173 ff.

Aktienkonzern - fakischer A., 137 ff. - qualifizierter faktischer A., 181 ff. - unternehmensvertraglicher A., 148 ff. Ansatz, 78 ff. ,,Architekten"-Entscheidung, 43 f. Aufsichtsrat, 124 f. Ausfallhaftung, 61, 164 ff. - Anspruch auf Sicherheitsleistung, 163 ff. - Außenhaftung, 61, 164 ff.

Eigenkapital, 76 eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, 86 ff. - Ansatz im Überschuldungsstatus, 103 ff. Einflußnahme des herrschenden Unternehmens, 170 ff. einheitliche Leitung, 49 ff. faktischer Geschäftsfiihrer, 106 f.

Außerkraftsetzung der Kapitalerhaltung, 110 ff., 166

faktischer Konzern, 53 f., 137 ff., s. auch Aktienkonzern bzw. qualifizierter faktischer GmbHKonzern

,,Autokran"-Entscheidung, 32 ff.

,,Fertighaus II"-Entscheidung, 41 ff.

Beeinträchtigung der Eigenbelange der abhängigen Gesellschaft, 39, 44, 173 ff.

Finanzierungsfreiheit, 167, 177 f.

Beherrschung, - Gnmdlagen der B., 170 ff. Beherrschungsvertrag, 148 ff. ,,Betriebsfortfiihrung"-Entscheidung, 44

Fortbestehensprognose, 92 ff. Fortfiihrungswert,92,95 Geschäftsfiihrer - "faktischer" G., 106 f. - Kompetenzen, 126 - Schadensersatzpflichten des G., 105

212

Sachregister

Gesellschafterversammlung, 125 f.

Konzern-Cash-Management, 167

Gesellschaftsvertragsfreiheit, 124

Konzernproblem, 119 ff.

Ge~abführungsvertrag,

148

Gewinnrücklage, Auflösung der G., 158

Konzernstrukturhaftung, 54 f. Konzernverhaltenshaftung, 55 f. Konzernvermutung, 49,51 f.

GmbH-Konzern, s. qualifizierter faktischer GmbH-Konzern

Liquidationswert, 92

lIaftungsbeschränkung,62

Mehrheitsbeteiligung, 138

Haftungsvermeidung, 63 f.

Minderheitsbeteiligung, 139

Hauptversammlung, 125

Mißbrauch der Leitungsmacht, 42, 43, 55 ff., 173 ff.

Insolvenz, - 1. als Konzernproblem, 117 f. - Ursachen von 1., 99 f. Insolvenzordnung vom 5.10.1994, 108 f. Interessenumbruch, 161 "ITf"-Entscheidung, 27 f. Jahresfehlbetrag, 157 f. Kapitalaufbringung - bei der AG, 130 ff. - bei der GmbH, 71 ff. Kapitalerhaltung - bei der AG, 132 ff. - bei der GmbH, 73 ff. - Funktionsweise, 74 ff. - konzernspezifische K., 162 - Zweck der K., 74 ff. Konkursanmeldepflicht - Folgen der Verletzung der K., 105 ff. - Voraussetzungen, 88 ff. Konzern, 49 ff., s. auch Aktienkonzern bzw. qualifizierter faktischer GmbHKonzern

Nachschüsse der Gesellschafter, 102 Nachteilsausgleich, 141 f. Organhaftung, 30 Organisationsverfassung - der AG, 124 - der GmbH, 125 Organschaft, körperschaftsteuerliche, 58 qualifizierter faktischer Aktienkonzern, s. Aktienkonzern qualifizierter faktischer GmbH-Konzern - Begriff, 45 ff. - Rechtsfolgen, 60 ff. - tatbestandliche Voraussetzungen, 45 ff. Quotenschaden, 107 Rangrücktrittsvereinbarung, 102 Rücklage, gesetzliche, 133 Satzung der AG, 124 Satzungsstrenge, 124

Sachregister Satzungsüberlagerung, 150 ff. Sicherheitsleistung, 61, 163 f. Stammkapital, 74 ff. stille Reserven, 79 f. "Tiefbau"-Entscheidung, 35 ff. "TBB"-Entscheidung, 39 f. Treuepflichten - bei der AG, 127 ff. - bei der GmbH, 127 ff. Überschuldung - Möglichkeiten zur Beseitigung der Ü., 101 ff. - rechnerische Ü., 92 ff. - rechtliche Ü., 92 ff. Überschuldungsstatus, 92 Unternehmen - Begriff des konzernrechtlichen U., 45 - Freiberufler als U., 42, 49 - natürliche Person als U., 46

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Unternehmensvertrag, 148 ff. "VebaJGelsenberg"-Entscheidung,46 verdeckte Gewinnausschüttungen, 80 verfassungsrechtliche Kritik an der Konzernrechtsprechung des BGH, 64 f. Verlustausgleichspflicht - Umfang, 159 - Voraussetzungen, 155 ff. - Zweck, 159 ff. Vertragskonzern, 148 ff. "Video"-Entscheidung, 37 ff. Vorstand, 124, 152 Weisungsrecht, 169 ff. - Grundlage des W., 170 - Umfang des W., 171 ff. Zahlungsunfähigkeit, 90 Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung, 49 ff.