Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums [1 ed.] 9783428445387, 9783428045389

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Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums [1 ed.]
 9783428445387, 9783428045389

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ULRICH

RAMSAUER

Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums

S c h r i f t e n zum ö f f e n t l i c h e n R e c h t Band 370

Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums

Von

Dr. Ulrich Bamsauer

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BEBLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1980 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1980 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04538 6

Meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet

Vorwort Es wächst die Zahl der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, i n denen sich Bürger gegenüber mittelbaren, ungezielten und tatsächlichen Nachteilen auf den Schutz der Grundrechte berufen. Das macht fundierte und praktikable Kriterien zur Bestimmung des grundrechtlichen Schutzbereiches gegenüber solchen Beeinträchtigungen erforderlich. Dogmatisch hinreichend abgesicherte Methoden sind bisher nur für Ausschnitte aus diesem Problemkreis entwickelt worden. M i t der vorliegenden Arbeit w i r d versucht, die i m Zivilrecht entwickelte Normzwecklehre f ü r den Schutzbereich der Grundrechte nutzbar zu machen u n d an die Stelle von Kriterien wie Unmittelbarkeit und Finalität zu rücken. Dies erfolgt exemplarisch für den Bereich der Eigentumsgarantie, für den eine Lösung des Problems besonders wichtig erscheint. Die Arbeit hat dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg als Dissertation vorgelegen. Nachweise sind bis J u n i 1979 ergänzt. Dank schulde ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Gunther Schwerdtfeger für seine Bereitschaft, dieses von der Thematik her riskante Unternehmen zu betreuen, und für kritische Gespräche, Hinweise und Anregungen, für Rat u n d Ansporn. Mein Dank geht außerdem an Herrn Prof. Dr. J. Broermann für seine Bemühungen u m den Druck der Arbeit. Hamburg, i m Oktober 1979 Ulrich

Ramsauer

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Das ungelöste Problem des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie . . I I . Der Begriff der faktischen Beeinträchtigung 1. Die Beeinträchtigung des Eigentums

23 23 24 24

a) Das von A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 G G geschützte Individualrecht aa) Eigentum als Rechtsposition bb) Der I n h a l t der Rechtsposition des Eigentümers

25 25 26

b) Die Beeinträchtigung

27

2. Abgrenzung der faktischen von den sonstigen Beeinträchtigungen

28

a) Die Beeinträchtigung als I n h a l t einer Regelung aa) Einzelne Regelungen bb) Handlungs- u n d Wirkungselement der Regelung

28 28 30

b) Die faktische Beeinträchtigung

30

I I I . Ziel der Untersuchung

31

I V . Abgrenzungen

32

Erster

Teil

Die Erscheinungsformen faktischer Beeinträchtigungen und ihr Beeinträchtigungsmechanismus 1.

33

Abschnitt

Die Folgebeeinträchtigungen I. Beispielsfälle

33 33

1. Folgebeeinträchtigungen bei Landenteignung

33

2. Folgebeeinträchtigungen durch Auferlegung von Abgaben

34

3. Weitere Folgebeeinträchtigungen

35

10

Inhaltsverzeichnis I I . Der Beeinträchtigungsmechanismus

2.

36

1. Die Beeinträchtigung als Folge einer Risikoerhöhung

36

2. Verringerung der Wirtschaftschancen

37

3. Folgewirkungen über den Marktmechanismus

39

Abschnitt

Erscheinungsformen der Drittbeeinträchtigungen u n d i h r Beeinträchtigungsmechanismus I. Beispiele

39

1. Beeinträchtigungen des Eigentums D r i t t e r infolge der r ä u m lichen Beziehung zum Regelungsadressaten

39

2. Beeinträchtigungen Adressaten

41

über

schuldrechtliche

Beziehungen

zum

3. Beeinträchtigungen von D r i t t e n über den Marktmechanismus ..

3.

42

I I . Der Beeinträchtigungsmechanismus bei Drittbeeinträchtigungen . .

43

42 42

1. Das Problem der Duldungsverfügung

43

2. Die Eröffnung privater Einwirkungsmöglichkeiten

44

3. E i n w i r k u n g e n Privater als Ausdruck der sozialen Einbettung Eigentums

44

Abschnitt

I. Beispiele I I . Der Beeinträditigungsmechanismus bei schlicht-hoheitlichem H a n deln

45 45

47

Abschnitt

Beeinträchtigungen durch adressatenlose Regelungen 5.

41

a) Drittbeeinträchtigung durch Zulassung von Konkurrenten zum M a r k t b) Drittbeeinträchtigung durch Verschaffung von M a r k t v o r t e i len c) Drittbeeinträchtigungen durch Begründung v o n Marktnachteilen u n d Nachfragebeschränkungen

Beeinträchtigungen durch schlicht-hoheitliches Handeln (hoheitliche Realakte)

4.

39

48

Abschnitt

Zusammenfassung des ersten Teils

49

nsverzeichnis Zweiter

Teil

Die Fragwürdigkeit von Beschränkungen des funktionalen Schutzbereiches der Eigentumsgarantie durch allgemeine Eingriffsvoraussetzungen

50

1. Abschnitt Der Begriff des funktionalen Schutzbereiches

50

I. Geltungsbereich u n d Schutzbereich

51

I I . Subjektiver u n d objektiver Schutzbereich I I I . Das funktionale Element des Schutzbereiches 1. Beispiel f ü r allgemeine funktionale Beschränkungen 2. Funktionaler Schutzbereich u n d Zurechnungsbeschränkungen .. 2.

52 53 54

Abschnitt

W o r t l a u t ; grammatische Auslegung 3.

51

55

Abschnitt

Funktionale Begrenzungen der Individualrechtsgarantie aus dem systematischen Zusammenhang zwischen A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 G G u n d A r t . 14 Abs. 3 G G I. Der Begriff der Enteignung i n A r t . 14 Abs. 3 G G 1. Geschichtliche E n t w i c k l u n g des Enteignungsbegriffs

56 56 56

a) Das jus eminens

56

b) Die Enteignung i n den Verfassungen der Länder

57

c) Der Enteignungsbegriff Verfassung

58

i n A r t . 153 Abs. 2 der Weimarer

d) Die E n t w i c k l u n g unter der Geltung des A r t . 14 Abs. 3 GG .. aa) Der enteignungsgleiche E i n g r i f f bb) Der Streit u m das enteignungsrechtliche Finalitätsmerkmal 2. Systematische Anhaltspunkte f ü r die Eingriffsstruktur des E n t eignungsakts

60 60 61 62

a) A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG (Enteignung n u r zum Wohle der Allgemeinheit)

63

b) A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 G G (Entschädigungsjunktim)

63

c) Das Verhältnis von A r t . 14 Abs. 3 G G zu A r t . 15 GG

64

3. Teleologische Aspekte des Enteignungsbegriffs I I . Das Verhältnis der Individualrechtsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Enteignung des A r t . 14 Abs. 3 G G

65

65

12

nsverzeichnis 1. Eigentumsschutz u n d Enteignung i n A r t . 9 der Preußischen V e r fassungsurkunde

66

2. Das Verhältnis von Eigentumsschutz u n d Enteignung i n A r t . 153 der Weimarer Reichsverfassung

68

3. Das Verhältnis von Individualrechtsgarantie u n d Enteignung i n A r t . 14 GG

68

a) Das Verhältnis der Inhaltsbestimmung zur Schrankenbestimm u n g i n A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG aa) Theorie von der Bedeutungslosigkeit der Schrankenbestimmung bb) Die bisherigen Unterscheidungsversuche (1) Die Auffassung Steins (2) Die Meinung Sdiwerdtfegers (3) Die Ansicht Limpens' cc) Eigene Auffassung (1) W o r t l a u t (2) Unterscheidung aus dem systematischen Zusammenhang zwischen A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 u n d Satz 1 G G b) Die Institutsgarantie als Grenze der Inhaltsbestimmung c) Die Individualrechtsgarantie als Begrenzung der Schrankenbestimmung aa) Die Anforderungen der Institutsgarantie bb) Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 G G als Begrenzung der Schrankenbestimmung (1) Die Theorien zur Bestimmung des Wesensgehaltes der Grundrechte (2) Das Verhältnis von Wesensgehalt u n d Enteignungsgrenze I I I . Ergebnis des 3. Abschnitts: Keine Einschränkung des funktionalen Schutzbereichs der Eigentumsgarantie aus A r t . 14 Abs. 3 GG 4.

69 69 70 70 71 72 73 73 73 75 76 76 77 78 79

81

Abschnitt

Allgemeine Beschränkungen des funktionalen Schutzbereiches aus der inneren Systematik des Grundrechtsteils I. Die bestehenden Auffassungen

81 82

1. Beschränkung der Grundrechtsgeltung auf das Über-Unterordnungsverhältnis

82

2. Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf unmittelbare Beeinträchtigungen

82

3. Grundrechtsschutz bei tatsächlicher Betroffenheit

83

I I . Anhaltspunkte i n T e x t u n d Textzusammenhang Grundrechtsartikel

der

einzelnen

1. Grundsatz: K e i n Ausschluß des Schutzes gegen faktische Beeinträchtigungen

84 84

nsverzeichnis 2. Anhaltspunkte i n den Formulierungen der Grundrechtsschranken

85

a) A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 GG

85

b) A r t . 13 Abs. 3 GG

86

c) A r t . 4 Abs. 3 Satz 1 GG

86

d) A r t . 10 Abs. 2 Satz 1 GG

87

e) Ergebnis

87

I I I . Die Verfassungsnormen zur Grundrechtseffektivierung

87

1. A r t . 1 Abs. 1 G G

87

2. A r t . 19 Abs. 2 GG

88

3. A r t . 19 Abs. 4 Satz 1 GG

89

I V . Logisch-systematischer Zusammenhang zwischen Grundrechtsschutz einerseits u n d dem Vorbehalt des Gesetzes bzw. dem Gesetzmäßigkeitsprinzip andererseits 1. Der Vorbehalt des Gesetzes u n d das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g

90 91

a) Der Gesetzesvorbehalt

92

b) Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g

95

c) Die Zweigleisigkeit der Erweiterung des Vorbehaltsbereichs u n d des Bereichs der positiven Gesetzmäßigkeit aa) Erweiterung des Gesetzesvorbehaltes über die traditionellen sachlichen Bereiche hinaus (1) Ausdehnung auf das staatliche Organisationsrecht .. (2) Geltung f ü r besondere Gewaltverhältnisse (3) Geltung f ü r den Bereich der Leistungsverwaltung .. bb) Erweiterung der Eingriffsvorstellung

96 97 98 98 99 99

2. E x k u r s : Die Problematik der erweiterten Eingriffsvorstellung f ü r die Gesetzestechnik 100 a) Möglichkeiten normativer Regelung faktischer Beeinträchtigungen 100 aa) Handlungs- oder Erfolgsermächtigung; die normative Verknüpfung von Handlung u n d Erfolg 101 bb) Die Vorhersehbarkeit als Voraussetzung gesetzlicher Regelungen faktischer Beeinträchtigungen 102 b) Normative Absicherung faktischer Beeinträchtigungen 103 aa) Die Auslegung der Handlungsermächtigung 103 bb) Verfassungskonforme Auslegung der N o r m i m Hinblick auf ihren Anwendungsbereich 104 3. Das Verhältnis zwischen Gesetzesvorbehalt u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip einerseits u n d dem grundrechtlich geschützten Bereich andererseits 105 a) Das Verhältnis i n der Weimarer Reichsverfassung u n d den frühen Verfassungen der Länder 105

14

nsverzeichnis b) Das Verhältnis i m Verfassungssystem des Grundgesetzes .. aa) Freiheit u n d Eigentum u n d der grundrechtlich geschützte Bereich bb) Eingriff u n d grundrechtliche Beeinträchtigung cc) Ergebnis V. Begrenzungen des funktionalen Schutzbereichs der durch einen vorgegebenen Hechtswidrigkeitsbegriff

Grundrechte

106 106 108 108 109

1. Die Problematik f ü r den funktionalen Schutzbereich der G r u n d rechte 109 2. Die Lehre v o m Erfolgsunrecht

110

3. Die Lehre v o m Handlungsunrecht

112

4. Vermittelnde Meinung: Maßgeblichkeit der verletzten N o r m

114

5. K r i t i k

115

6. Die i m Bereich der Grundrechte maßgebliche N o r m

117

a) Der allgemeine Abwendungsanspruch aa) Der prozessuale Überprüfungsanspruch bb) Der materielle Abwehranspruch b) Begründungsversuche f ü r den materiellen spruch

117 117 117 Abwendungsan-

119

7. Der Redits Widrigkeitsbegriff des Abwehranspruches u n d der funktionale Schutzbereich der Grundrechte 120 V I . Das Verhältnis des funktionalen Schutzbereichs der Grundrechte zu Beschränkungen des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruches .. 120 V I I . Ergebnis 5.

121

Abschnitt

Historisch-genetische Anhaltspunkte für eine allgemeine Beschränkung des funktionalen Schutzbereiches 122 1. Der funktionale Schutzbereich der Eigentumsgarantie i n den Materialien zum Grundgesetz 122 2. Der funktionale Schutz des Eigentums vor der Geltung des Grundgesetzes 123

6.

a) Der Schutz gegen Regelungsbeeinträchtigungen

123

b) Das schlicht-hoheitliche Verwaltungshandeln

124

c) Ergebnis

125

Abschnitt

Teleologische Anhaltspunkte f ü r allgemeine funktionale der Eigentumsgarantie

Begrenzungen

125

nsverzeichnis 1. Das Prinzip des effektiven Grundrechtsschutzes bei der Eigentumsgarantie 126 2. Die W i r k u n g e n faktischer Beeinträchtigungen i m Unterschied

7.

zu den Regelungsbeeinträchtigungen

126

a) Der eingriffsgleiche Effekt

126

b) Ergebnis

127

Abschnitt

Keine allgemein vorgegebene funktionale Begrenzung der Eigentumsgarantie nachweisbar 127

Dritter

Teil

Ersatz allgemeiner Eingriffskriterien durch die Bestimmung des Schutzbereiches i m Einzelfall anhand der inhaltsbestimmenden Gesetze mit Hilfe des Schutzzwecks

128

1. Abschnitt Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff I. Die Elemente des Eigentumsbegriffs

130 130

1. Historische E n t w i c k l u n g des Eigentumsbegriffs

131

2. Strukturelemente des Eigentumsbegriffs

132

a) Die freiheitssichernde F u n k t i o n des Eigentums

132

b) Wurzel des Eigentums i n privater Leistung

133

c) Negatorischer Schutz i m Privatrecht als Voraussetzung f ü r Eigentum i m verfassungsrechtlichen Sinn? 133 I I . Eigentumsbegriff u n d Vermögen

133

1. Wortlaut u n d grammatische Auslegung

135

2. Logisch-systematische Auslegung

136

a) Die mangelnde Enteignungsfähigkeit

136

b) Zahlungspflicht als Enteignung

137

c) Eigentumswertgarantie

137

d) Struktureller Unterschied zwischen Eigentum u n d Vermögen 138 e) Konturenlosigkeit eines Vermögensschutzes

139

f) Ergebnis

139

3. Historisch-genetische Auslegung

139

4. Teleologische Interpretation des Eigentumsbegriffs

140

16

nsverzeichnis a) A n k n ü p f u n g der Geldleistungspflicht an die Rechtsinhaberschaft 141 b) A n k n ü p f u n g erwerb

der

Geldleistungspflicht

an den

Eigentums-

5. Ergebnis 2.

141 142

Abschnitt

Der geschützte Eigentumsinhalt I. Die Systematik der eigentumsregelnden Normenkomplexe

143 144

1. Die Unterscheidung von Grundbeziehung u n d Gewährleistungsbeziehung 144 2. Die Transformation der Zivilrechtsnormen i n das Bürger-StaatVerhältnis 146 I I . Die Unterscheidung zwischen positiven u n d negativen Inhaltsbestimmungen 147 1. Die positive Bestimmungsnorm

149

2. Die negative Bestimmungsnorm

150

a) Voraussetzungen der negativen Bestimmungsnorm b) Die negative Bestimmungsnorm u n d das subjektive öffentliche Recht aa) Die klassische Lehre v o n den subjektiven öffentlichen Rechten bb) Neuere Ansätze zur Bestimmung der subjektiven öffentlichen Rechte cc) Subjektive Berechtigungen u n d der grundrechtlich geschützte Bereich

151 151 152 152 153

I I I . Die nähere Bestimmung des Eigentumsinhalts durch Auslegung der positiven Bestimmungsnormen 154 1. Die tatsächlichen Möglichkeiten als rechtslogische Grenze der Befugnisse 154 2. Die Maßgeblichkeit der positiven Bestimmungsnorm a) Unvollkommene Regelungen der positiven Bestimmungsnormen i m Hinblick auf faktische Beeinträchtigungen aa) K e i n absoluter Schutz der Eigentümerbefugnisse bb) Vergleichbare Probleme i m Zivilrecht (1) Die negativen Beeinträchtigungen des Eigentums i m Zivilrecht (2) Der eingerichtete u n d ausgeübte Gewerbebetrieb als offener Tatbestand (3) Die Ansätze zur Relativierung absolut geschützter Rechte i m Zivilrecht cc) Die besondere Problematik des Schutzbereichs für hoheitliche Beeinträchtigungen

155 156 156 157 157 158 159 160

nsverzeichnis b) Die Notwendigkeit mungsnormen

der Auslegung der positiven

Bestim-

160

I V . Die Übertragung von Gedanken der Normzwecklehre i n das öffentliche Hecht 161 1. Die E n t w i c k l u n g der Normzwecklehre i m zivilen Deliktsrecht .. 161 2. Der aus der Normzwecklehre folgende Gefährdungsgedanke . . . . 164 3. Der Normzweck der Bestimmungsnormen des Eigentums

164

a) Die Ansätze f ü r die Normzwecklehre i n der Lehre v o m subj e k t i v e n öffentlichen Recht 165 b) Das Prinzip der Risikoverteilung

165

V. Die Ansätze zu einem am Normzweck orientierten Prinzip der Risikoverteilung i n der Rechtsprechung 166 1. Ansätze i n der Rechtsprechung des B G H

166

a) Abgrenzung nach Gefahrenbereichen unter dem Begriff der Unmittelbarkeit 167 b) Risikobehaftete Rechtspositionen als Ausdruck des N o r m zweckgedankens 168 2. Ansätze i n der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts f ü r ein an der Normzwecklehre ausgerichtetes Risikoverteilungsprinzip 169 3. Ansätze i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer am Normzweck ausgerichteten Auslegung des Eigentumsschutzes 170 V I . Ansätze zu einer normzweckorientierten Einschränkung des grundrechtlichen Schutzbereiches i n der L i t e r a t u r 171 1. Ausschluß unspezifischer Beeinträchtigungen

172

2. Ausschluß sozialadäquaten Verhaltens

172

3. Die Beschränkung der Zurechnung

173

V I I . Normzweckgesichtspunkte f ü r die Risikoverteilung

173

1. Die Dichte der Erfolgsbeziehung des ursächlichen Verhaltens zur Beeinträchtigung 174 2. Die Intensität der Gefährdung bzw. der Beeinträchtigung

175

3. Die Berücksichtigung spezifischer Gefährdungen

176

V I I I . Praktische A u s w i r k u n g e n der am Normzweck orientierten Auslegung der inhaltsbestimmenden Normen des Eigentums auf G r u n d eigentum u n d auf Forderungsrechte 177 1. Der Schutz des Grundstückseigentums

177

18

nsverzeichnis a) Unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten der Rechtsprechung zum Nachbarschutz aus A r t . 14 Abs. 1 G G aa) Verzicht auf U n m i t t e l b a r k e i t bb) Schwere Betroffenheit durch nachhaltige Veränderung der Grundstückssituation cc) Die unerträgliche Betroffenheit (1) Unerträglichkeit als Voraussetzung der Grundrechtsbeeinträchtigung (2) Unerträglichkeit als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit

181 182

b) K r i t i k

184

180 180

183 184

2. Die Bestimmung des Schutzumfanges von Forderungsrechten nach normativen Gesichtspunkten 185 a) Beeinträchtigungen des Vertragspartners durch hoheitliche Veranlassung der Lösung von Dauerschuldverhältnissen 185 b) Beeinträchtigung der L i q u i d i t ä t des Schuldners

186

c) Beeinträchtigungen des Mieters durch Maßnahmen auf dem Gebiete des Baurechts 187 3. Das Wertproblem

188

Zusammenfassung

190

Literaturverzeichnis

193

Abkürzungsverzeichnis AcP AWDB'B ALR AÖR BAG BauR BayVBl. BB BBankG BBauG BFHE BFStrG BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHStE Β GHZ BGHZE BlmmSchG BRS BSG Buchholz BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE DJT DÖD DÖV DRZ DVB1. Eger Festschr. GewO 2*

Archiv f ü r civilistische Praxis Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Allgemeines Landrecht f ü r die preußischen Staaten v o m 5. 2.1794 Archiv des öffentlichen Rechts Bundesarbeitsgericht Baurecht, Zeitschrift f ü r das gesamte öffentliche u n d zivile Baurecht Bayerische Verwaltungsfolatter Der Betriebs-Berater Gesetz über die Deutsche Bundesbank v o m 26. 7. 1957 (Sartorius I 855) Bundesbaugesetz v o m 23. 6.1960 (Sartorius I 300) Amtliche Entscheidiungssamimlung des Bundesfinanzhofs Bundesfernstraßengesetz (FStrG) i. d. F. v o m 6. 8. 1961 (Sartorius I 932) Bürgerliches Gesetzbuch v o m 18. 8. 1896 (Schönfelder 20) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidunigen des Bundesgerichtshofes i n Straffsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Zivilsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz v o m 15. 3. 1974 (BGBl. I S. 721) (Sartorius 296) Baurechtssammlung, Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der Oberverwaltungsgerichte der L ä n der u n d anderer Gerichte zum Bau- u n d Bodenrecht Bundessozialgericht Sammel- u n d Nachschlagwerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, hrsg. von K a r l Buchholz Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht v o m 12.3. 1951 (Sartorius I 40) Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutscher Juristentag Der öffentliche Dienst Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutsche Rechtszeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidungen der Gerichts- u n d Verwaltungsbehörden Festschrift Gewerbeordnung f ü r das Deutsche Reich i. d. F. v o m 26. 7.1900 (Sartorius I 800)

20

Abkürzungsverzeichnis

GG

=

GRUR GVB1. GWB

= = =

IheringsJb.

=

JÖR JR JurA JuS JW JZ KG KO

= = = = = = = =

Krit. Vierteljahresschrift

=

LG LuftVG

= =

MDR MSchG

= =

NJW OLG OVG OVGML

= = = =

PrOVG PrOVGE

= =

PrPVG

=

PrVBl. Rdn. RFH RGBl. RGZ RGZE

= = = = = =

SächsOVG

=

Staat StPO

= =

StVO

=

StVZO

=

StuW UrheberrechtsG

= =

UWG

=

VerwArch. VerwRspr. VGH

= = =

Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland v o m 23.5.1949 (Sartorius I 1, Schönfelder 1) Gewerblicher Rechtsschutz unid Urheberrecht Gesetz- u n d Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. v o m 3.1.1966 (Schönfelder 74) Iherings Jahrbücher f ü r die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Analysen Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzedtung Kammergericht Konkursordnung von 1877 i. d. F. v o m 20. M a i 1898 (Schönf eider 110) Kritische Vierteljahresschrift f ü r Gesetzgebung u n d Rechtswissenschaft Landgericht Luftverkehrsigesetz i. d. F. v o m 22.10.1965 (Schönfelder 34) Monatsschrift f ü r Deutsches Recht Mieterschutzgesetz i. d. F. v o m 15.12.1942 (Schönfelder 32) Neue Juristische Wochenschrift Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster u n d Lüneburg Preußisches Oberverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Preußischen Obelverwaltungsgerichtes Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz v o m 1.6.1931 (GS S. 77) m i t Änderungen Preußisches Verwaltungsblatt Randnumimer Reichsfinanzhof Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts i n Zivilsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichtes i n Zivilsachen Jahrbücher des Königlich Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Der Staat Strafprozeßordnung von 1877 i. d. F. v o m 17. September 1965 m i t Änderungen (Schönf elder 90) Straßenverkehrs-Ordnung — StVO — i. d. F. v o m 29. 3. 1956 (Schönfelder 35 a) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung — StVZO — i. d. F. v o m 6.12.1960 (Schönfelder 35 b) Steuer u n d Wirtschaft Gesetz über Urheberrecht u n d verwandte Schutzrechte v o m 9. 9.1965 (Schönfelder 65) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v o m 7. 6. 1909 (Schönfelder 73) Verwaltungsarchdv Verwaltungsrechtsprechung i n Deutschland Verwaltungsgerichtsihof

Abkürzungsverzeichnis VGHE VO VVDStRL VwGO VwVollstrG WEG WRV Württ. V G H ZBR ZgesStW ZöR ZPO

=

Amtliche Sammlung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes = Verordnung = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Verwaltungsgerichtsordnung v o m 21.1.1960 (Sartorius I 600) = Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz v o m 27.4.1953 (Sartorius I 112) = Gesetz über das Wohnomgseigentum u n d das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) v o m 15. 3. 1951 (Schönfelder 37) = Verfassung des Deutschen Reiches v o m 11. 8. 1919 (Weimarer Reichsverfassung) = Württembergischer Verwaltungsgerichtshof = Zeitschrift f ü r Beamtenrecht = Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft = Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, W i e n = Zivilprozeßordnung i. d. F. v o m 12. 9.1950 (Schönfelder

100)

Einleitung I. Das ungelöste Problem des Schutzbereiches der Eigentumsgarantie Kein anderes Grundrecht ist Gegenstand einer so intensiven und umfänglichen Erörterung i n Literatur und Rechtsprechung geworden wie Art. 14 GG. Dennoch hat diese bevorzugte Behandlung nicht zu einer hinreichenden dogmatischen Durchdringung der Eigentumsgarantie geführt. Das wäre nicht verwunderlich, wenn es lediglich u m die Abgrenzung von Eigentumsbindung und Enteignung ginge. Hierfür w i r d es nämlich der Natur der Sache nach niemals eine feststehende Lösung geben können. Denn diese Grenze, i n welche abstrakte Formel man sie auch immer kleiden mag, w i r d immer umkämpft sein und sicher auch ständig neu definiert werden. Daß sich hier eine dauerhafte Lösung nicht w i r d durchsetzen können, hat letztlich rechtspolitische Gründe. Denn A r t . 14 GG ist ein Angelpunkt der Wirtschafts- und Sozialordnung und steht als Verfassungsnorm am stärksten i m Kraftfeld gegensätzlicher gesellschaftspolitischer Interessen 1 . Die vorliegende Arbeit w i l l demgegenüber einen anderen Problemkreis des Art. 14 GG behandeln, der nicht minder wichtig ist: Den Schutzbereich der Eigentumsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Es fehlt zwar nicht an Darstellungen zur Entwicklung des sogenannten verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs 2 . Weitgehend ungeklärt sind aber die beiden folgenden Fragen, die den Hauptgegenstand dieser Arbeit bilden sollen. Erstens: Ist die Garantie des A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG generell eingeschränkt auf einen Schutz gegen Maßnahmen einer bestimmten Eingriffsmodalität, schützt also A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG etwa nur gegen zielgerichtete oder unmittelbare Beeinträchtigungen? Zweitens, falls sich eine allgemeine, d. h. für alle Eigentumspositionen gleichmäßig geltende Beschränkung des Eigentumsschutzes auf Beeinträchtigungen m i t einer bestimmten Qualität nicht nachweisen läßt: Woraus ergibt sich i m Einzelfall, welche Eigentumsposition gegen welche Beeinträchtigungen geschützt ist? 1 Leisner, Sozialbindung, S. 46; Krumbiegel, Sonderopfer, S. 165; Kimminich, JuS 1978, S. 217. 2 z.B. Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 352 ff.; Ipsen, AöR 91 (1966), S. 86ff.; Stein, Festschr. f ü r Gebhard Müller, S. 503ff.; Kimminich, Drittbearbeitung, Rdn. I f f . Sendler, D Ö V 1974, S. 73ff.; ders., D Ö V 1971, S. 16ff.

Einleitung

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II. Der Begriff der faktischen Beeinträchtigung Wenn auch die oben gestellten Fragen für die Eigentumsbeeinträchtigungen schlechthin untersucht werden müssen, so hat ihre Beantwortung doch entscheidende Bedeutung für diejenigen Beeinträchtigungen, die i n dieser Arbeit als faktische bezeichnet werden sollen. Faktische Beeinträchtigungen weisen nämlich i m Hinblick auf Wirkung, auslösende Handlung und Zurechnung gegenüber den klassischen Beeinträchtigungen durch Gebote und Verbote Besonderheiten auf, die einen Grundrechtsschutz gegen sie jedenfalls zweifelhaft erscheinen lassen. Der Begriff „faktische Beeinträchtigungen" hat bisher keinen allgemein anerkannten Inhalt 3 . Von „faktischen" Schäden und Nachteilen ist lediglich i m Zusammenhang m i t ungezielten oder mittelbaren W i r kungen i m Grundrechtsbereich die Rede 4 . Teilweise wurde auch die faktische Beeinträchtigung der rechtlichen Beeinträchtigung als Gegensatz gegenübergestellt oder mit der Beeinträchtigung durch hoheitliche Realakte gleichgesetzt. Der Bundesgerichtshof hat den Begriff „faktische Bausperren" geprägt 5 . Gleichwohl eignet sich der Begriff, wie i m folgenden deutlich werden soll, besser zur Kennzeichnung der gegenüber den Beeinträchtigungen durch Gebote und Verbote bestehenden Besonderheiten als Kennzeichnungen wie mittelbar 6 , indirekt 7 , nicht beabsichtigt 8 , eingriffslos 9 oder als Nebenfolgen 10 . 1. Die Beeinträchtigung des Eigentums

Die Klärung des Beeinträchtigungsbegriffs muß vom beeinträchtigten Gegenstand ausgehen, hier von dem i n A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentum. Diese Grundrechtsbestimmung hat eine doppelte Schutzrichtung: Garantiert w i r d einmal das Eigentum als (konkretes) Individualrecht des Bürgers, zum anderen das Eigentum als (abstraktes) Rechtsinstitut 11 . Beide Ausprägungen des Eigentumsschutzes werden 3

Begriff von Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen. Vgl. z.B. Schmidt-Aßmann, DVB1. 1976, S. 170 (172); Selmer, Steuerinterventionismus, S. 219; Kommissionsbericht zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 41. 5 BGH, U r t . v. 25. 6. 59, N J W 1959, S. 1775; Urt. v. 14. 12. 1978, Betrieb 1979, S. 448; BGH, U r t . v. 28. 2. 66, N J W 1966, S. 884; Kröner, Eigentumsgarantie, S. 41; Reisnecker, BayVBl. 1975, S. 157 ff.; dieser Ausdruck auch i n BVerfGE 11, S. 294 (298). β ζ. B. Schack, D Ö V 1973, S. 391. 7 ζ. Β . BVerfGE 20, S. 312 (321 f.). 8 ζ. Β. Schack , D Ö V 1965, S. 616 f. 9 ζ. Β . Kind , Eingriffslose Schädigungen. 10 ζ. Β . BVerfGE 11, 294 (298); Gallwas , BayVBl. 1965, S. 40. 11 A l l g . Meinung: Maunz / Dürig, A r t . 14 GG, Rdn. 3; ebenso schon f ü r A r t . 153 WRV, vgl. M. Wolff , Reichsverfassung u n d Eigentum, S. 5. 4

Einleitung

an späterer Stelle noch zu erörtern sein 12 . Der Begriff der faktischen Beeinträchtigung soll i m folgenden jedoch i n erster Linie unter dem Aspekt einer Beeinträchtigung des Individualrechts erörtert werden. Es bedarf daher zunächst der Klärung der rechtlichen Natur dieses I n d i v i dualrechts. a) Das von Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Individualrecht Nach dem Sprachgebrauch gäbe es zwei Möglichkeiten, „Eigentum" als Begriff zu verstehen. Zum einen könnte m i t dem Begriff der Eigentumsgegenstand selbst, also die jeweilige Sache oder das jeweilige Recht, gemeint sein, zum anderen eine Rechtsbeziehung zwischen Rechtssubjekten i n bezug auf diesen Gegenstand 13 . Es war und ist weder für das bürgerlich-rechtliche Eigentum des § 903 BGB noch für das Eigent u m i m Sinne des A r t . 14 GG zweifelhaft, daß nur die Rechtsbeziehung des Eigentümers zu anderen Rechtssubjekten i m Hinblick auf den Eigentumsgegenstand als Eigentum geschützt w i r d 1 4 . Für das Eigentum des Privatrechts folgt dies schon aus der Formulierung des § 903 BGB, wonach der Eigentümer „das Recht hat, m i t der Sache nach Belieben zu verfahren . . .". Der Gegenstand des Eigentumsrechts w i r d damit lediglich zum Bezugsobjekt, zur Substanz einer Eigentumsposition. M i t dieser Feststellung ist indessen nicht gesagt, daß der Eigentumsgegenstand für die Bestimmung des Umfangs der Eigentumsgewährleistung völlig unerheblich wäre, sondern nur, daß der Schutz des Individualeigentums sich nicht auf den Gegenstand selbst, sondern auf Rechtsbeziehungen des Eigentümers zu anderen Rechtssubjekten bezieht. Diese Rechtsbeziehungen verleihen dem Eigentümer eine rechtliche Position i m Hinblick auf den Gegenstand. Der Begriff der Eigentumsposition rückt somit i n den Mittelpunkt der Betrachtung. aa) Eigentum als Rechtsposition Objekte besitzen a priori keine natürliche Zuordnung zu einem bestimmten Rechtssubjekt 15 . Erst dadurch, daß andere Subjekte die besondere Zuordnung eines konkreten Objekts zu einem Subjekt anerkennen, w i r d diese Zuordnung existent. A l l e i n die tatsächliche Inanspruchnahme des Objektes oder die tatsächliche Macht, andere von seinem Gebrauch auszuschließen, schafft noch keine Zuordnung. Eine „normative K r a f t des Faktischen" könnte also nur eine Anerkennung erzwingen, nicht aber ersetzen. Die Notwendigkeit der Anerkennung und 12

Siehe unten 2. Teil, 3. Abschn. I I , 3., b. Vgl. etwa Schneider, VerwArch. Bd. 58, S. 210 (Substanz u n d Substrat). 14 Rupp t Grundfragen, S. 166; Konow, Eigentumsschutz, S. 49; Schneider, VerwArch. Bd. 58, S. 210 Fn. 25. 15 Willms, Politische Ideen, S. 32 f. 13

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Einleitung

Respektierung einer Sonderbeziehung zwischen Subjekt und Objekt besteht nicht erst für die positivistische Rechtsordnung 16 . Auch wenn man das Eigentum als Menschenrecht 17 oder als jus quaesitum 18 begreift, ist die Anerkennung dieser Positionen durch die Rechtsgenossen konstitut i v ; lediglich die Quelle der Anerkennung ist eine andere. I m einen Fall folgt sie aus einer geschaffenen, i m anderen aus einer als vorgegeben verstandenen Ordnung. I m Rechtsstaat w i r d diese Zuordnung von der Rechtsordnung geleistet. Sie enthält die Normen, nach denen die Zuordnung von Objekten als Rechtsbeziehung begründet, geändert und aufgehoben wird. Die Eigentumsposition, also die Stellung des Eigentümers aufgrund der Zuordnung, ist daher immer Rechtsposition, d. h. durch Normen der Rechtsordnung begründet 19 . bb) Der Inhalt der Rechtsposition des Eigentümers A r t . 14 GG hat wesentlich freiheitssichernde Funktion 2 0 . Dem Eigentümer soll ein materieller Bereich freien Beliebens 21 gesichert werden. Die besondere Bedeutung des Eigentums für die freie Entfaltung der Person bedarf i n der heutigen Zeit keiner Hervorhebung. Aus Funktion und Bedeutung kann indessen unmittelbar nichts für den konkreten I n halt der Eigentumspositionen hergeleitet werden. Denn der Inhalt der Eigentumspositionen w i r d nicht durch A r t . 14 GG ausgestaltet, sondern durch diejenigen Normen des geltenden Rechts, die gemäß A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen. Diese sogenannten inhalts- und schrankenbestimmenden Normen, von denen noch ausführlich die Rede sein w i r d 2 2 , begründen für den Eigentümer die Eigentumsposition. Diese Position umfaßt diejenigen Befugnisse, die durch die auf den jeweiligen Eigentumsgegenstand anwendbaren Rechtsnormen dem Eigentümer zugewiesen sind. Die Rechtsposition besteht damit aus der Summe der i n ihr vereinigten Einzelbefugnisse 23 . Der 16

Dürig, ZgesStW Bd. 109, S. 326 (336). Hierzu insbes. Dürig, ZgesStW Bd. 109, S. 326 ff.; BVerfGE 15, S. 126 (144): vorstaatlicher Charakter des Eigentums. 18 Hierzu Laxer, Eigentumsbegriff i n Naturrecht u n d Aufklärung, S. 3 ff. (11). 19 BVerfGE 24, S. 367 (396) — Hamburger Deich; Stein, Staatsrecht, § 25 I I I ; H. Krüger, Festschr. f ü r Schack, S. 71; Schwerdtfeger, Mitbestimmung, S. 225. 20 BVerfGE 24, 367 (389) — Hamburger Deich; 31, 329 (339) — Urheberrecht; 21, 73 (86) — GrundstücksverkehrsG; 37, 132 (140 — Mieterschutz; 38, 175 (181) — Rückenteignung; 30, 292 (334) — Mineralölbevorratung; U r t . v. 1. 3. 1979, N J W 1979, S. 699 (703) — Mitbestimmung. 21 Insbes. BVerfGE 31, 329 (339) — Urheberrecht; weitere Nanchweise bei Krämer, N J W 1977, S. 1426 (1427). 22 Siehe unten 3. Teil, 2. Abschn. 28 Ähnlich Rupp, Grundfragen, S. 224 f. (Bündel normativer Rechtspflichten); Papier, AöR Bd. 98, S. 528 (535); Breuer, Bodennutzung, S. 21. 17

Einleitung

Umfang und Charakter dieser Befugnisse w i r d an späterer Stelle noch zu erörtern sein 24 . Zum Inhalt der Rechtsposition des Eigentümers gehören aber nicht nur Befugnisse, sondern auch Verpflichtungen, die diesem von der Rechtsordnung i m Hinblick auf das Eigentum auferlegt werden. Diese Pflichten, die an die Inhaberschaft selbst oder an die Ausnutzung bestimmter Einzelbefugnisse anknüpfen, wirken sich praktisch wie Einschränkungen der Befugnisse selbst aus. Sie müssen deshalb dem I n halt der Eigentumsposition hinzugerechnet werden 2 5 . Grundsätzlich läßt sich daher die Rechtsposition des Eigentümers kennzeichnen als Summe der durch die jeweils anwendbaren eigentumsregelnden Normen i n bezug auf den Eigentumsgegenstand begründeten Befugnisse und Verpflichtungen. b) Die Beeinträchtigung Der Begriff der Beeinträchtigung w i r d i n den Bestimmungen des Grundgesetzes selbst nicht verwendet. Er kann nicht identisch sein m i t der Beeinträchtigung i m Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, da sich der dortige Begriff lediglich auf das Sacheigentum bezieht. Unter einer Beeinträchtigung i m Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB versteht man allgemein einen dem Inhalt des Eigentums widersprechenden körperlichen Zustand 2 *. Nach dem Gesagten muß eine Beeinträchtigung des durch A r t . 14 GG geschützten Individualeigentums immer eine Rechtsbeeinträchtigung sein. Sie muß sich auf diejenigen Befugnisse auswirken, die nach Maßgabe der jeweils anwendbaren eigentumsregelnden Normen zur Eigentumsposition gehören. Es muß hiernach eine Verkürzung der vorhandenen Befugnisse eintreten, zu der als weitere Voraussetzung hinzutritt, daß diese Verkürzung nicht vom Berechtigten freiwillig zugelassen sein darf 2 7 . Somit läßt sich die Beeinträchtigung kennzeichnen als fortwirkender erzwungener Verzicht auf Gütergenuß 28 . I m Gegensatz zu der Beeinträchtigung i m Sinne des § 1004 BGB kann eine Grundrechtsbeeinträchtigung jedoch auch darin liegen, daß dem Eigentümer besondere Pflichten i n bezug auf sein Eigentum auferlegt werden. Zur Eigentumsposition gehören nämlich nicht nur positiv die verliehenen Befugnisse, sondern negativ auch die Abwesenheit eigentumsspezifischer Pflichten 29 . 24 Z u m Umfang siehe unten T e i l 3, 2. Abschn.; zum rechtlichen Charakter T e i l 2, 4. Abschn., V, 6. 25 Näheres zur Abgrenzung der der Eigentumsposition hinzurechenbaren Pflichten unten 2 a. 28 RGZE 57, S. 227; Staudinger / Seufert, § 1004, Rdn. 6. 27 Volenti non fit i n j u r i a ; vgl. Baur, A c P Bd. 160, S. 465 (489); Heubel, E n t ziehende Einwirkungen, S. 137. 28 So Baur, AcP Bd. 160, S. 465 (489); Heubel, Entziehende Einwirkungen, S. 137.

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Einleitung 2. Abgrenzung der faktischen von den sonstigen Beeinträchtigungen

Bereits oben wurde festgestellt, daß eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung grundsätzlich eine Rechtsbeeinträchtigung sein muß. Würde man die faktische Beeinträchtigung als Gegensatz zur Rechtsbeeinträchtigung auffassen, so wäre sie schon aufgrund ihres faktischen Charakters grundrechtlich nicht relevant. Da m i t dem Begriff Beeinträchtigung andererseits gerade die grundrechtlich relevanten Einwirkungen bezeichnet werden, wäre die faktische Beeinträchtigung ein W i derspruch i n sich. Der besondere Charakter der faktischen Beeinträchtigung muß in einem anderen Aspekt gefunden werden: Gallwas, der den Begriff geprägt hat, grenzt i h n von den übrigen Beeinträchtigungen durch das Fehlen der „Regelungsidentität" ab 3 0 . Hiernach hat eine Beeinträchtigung dann faktischen Charakter, wenn sie nicht identisch ist m i t einer hoheitlichen Regelung. a) Die Beeinträchtigung

als Inhalt einer Regelung

Es ist das Kennzeichen der Staatsmacht, daß sie den Bürgern gegenüber Regelungen erlassen kann. Die Legislativorgane des Staates schaffen normalerweise abstrakt-generelle Regelungen, die Rechtsnormen. Die Exekutivorgane, auf die hier das Augenmerk gerichtet werden soll, erlassen i n der Hauptsache individuell-konkrete Regelungen, die, wenn sie auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ergehen, als Verwaltungsakte bezeichnet werden. Bei diesen Einzelfälle regelnden Maßnahmen kommt es zur Begründung oder Gestaltung eines Rechtsverhältnisses zwischen einem Subjekt des öffentlichen Rechts und dem Bürger. Durch die Regelung w i r d dem Bürger gegenüber festgelegt, was „rechtens" ist 3 1 . Eine Regelung ist hiernach „eine einseitig angeordnete, verbindliche, rechtsfolgebegründende, hoheitliche Ordnung eines Lebenssachverhaltes 32 . Es lassen sich drei Hauptinhalte von Regelungen unterscheiden: Ge- und Verbote, rechtsgestaltende und feststellende Regelungen. aa) Einzelne Regelungen Imperative Regelungen liegen i m m e r dann vor, w e n n das Rechtsverhältnis zwischen Bürger u n d Staat durch Gebote, Verbote oder die Auferlegung von Duldungspflichten i m Bereich des öffentlichen Rechts gestaltet w i r d . 29 v. Mangoldt, A r t . 14, A n m . 4; Roth, öffentliche Abgaben, S. 25; so etwa die Pflicht zur Beseitigung baurechtswidriger Zustände auf einem Grundstück; zu den Positivpflichten zur Bodennutzung vgl. Breuer, Bodennutzung, S. 364 ff. 30 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 12 f.; ähnlich die Unterscheidung von I n h a l t u n d W i r k u n g eines Verwaltungsaktes: Wolff / Bachof, I, § 47 V I a. 31 Otto Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 9 (S. 93). 32 Wolff / Bachof, I, § 46 V a.

Einleitung Durch Gebote k a n n eine Beeinträchtigung geschützten Eigentums erfolgen, wenn dem Eigentümer auferlegt w i r d , die vorhandenen Befugnisse i n einer bestimmten Weise auszuüben. Beispiele: Abrißverfügung gegen Grundeigentümer; Auferlegung von wohnungs- oder baupflegerischen Instandsetzungspflichten, Pflicht, Wohnraum Wohnzwecken zuzuführen 8 3 . Durch Verbote w i r d das Eigentum beeinträchtigt, w e n n etwas untersagt w i r d , was bisher zum geschützten Bereich freien Beliebens des Eigentümers gehörte, w e n n also bisher vorhandene Befugnisse beschnitten werden. Beispiele: Stillegungsverfügungen bei Bauvorhaben, Schließung von Gewerbebetrieben, S t i l l legung von Kraftfahrzeugen. Durch die Auferlegung von Duldungspflichten w i r d der Eigentümer gehindert, sich gegen eine Verkürzung seiner Eigentümerbefugnisse zur Wehr zu setzen. Die Befugnisse, m i t seinem Eigentum i m zulässigen Rahmen zu verfahren, werden i h m dadurch nicht genommen; lediglich die Möglichkeit, bestimmte A r t e n von Beeinträchtigungen abzuwehren, w i r d i h m genommen. Beispiele: Pflicht zur D u l d u n g einer bestimmten Nutzung der Nachbargrundstücke; Pflicht des Mieters zur D u l d u n g von Maßnahmen des Vermieters zur Räumung von nicht zum Wohnen bestimmten Räumen.

Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten werden als Rechtspflichten unmittelbar durch die Regelung herbeigeführt. Das heißt, m i t Wirksamwerden der Regelung entstehen auch die Pflichten i m Rahmen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Pflichtigen und dem Hoheitsträger. Die dergestalt festgelegten Pflichten können vom Hoheitsträger durchgesetzt bzw. ihre Befolgung i m Vollstreckungswege erzwungen werden. Gegen Zuwiderhandlungen gibt es m i t h i n regelmäßig die Möglichkeit rechtlicher Sanktionen gegen den Eigentümer. E i n prinzipieller Unterschied zwischen der imperativen und der gestaltenden Regelung besteht nicht. I n beiden Fällen werden die zwischen Bürger und Staat i n bezug auf den Eigentumsgegenstand bestehenden Rechtsbeziehungen unmittelbar gestaltet. Während bei der imperativen Regelung die Zuordnung des Eigentums zu seinem Träger i m wesentlichen erhalten bleibt, führt die gestaltende Regelung, wenn sie zum Nachteil des Eigentümers erfolgt, zum gänzlichen oder teilweisen Verlust des Eigentumsrechts. Das wichtigste Beispiel für die gestaltende Regelung ist die Enteignung, durch die unmittelbar das Eigentumsrecht des Bürgers aufgehoben und i n der Hand eines anderen Rechtsträgers neu begründet wird. Auch die Anordnung von Rechtspflichten führt zu einem Teilverlust der Eigentumsposition, indem einzelne Befugnisse beschränkt oder entzogen werden oder indem das freie Belieben durch Auferlegung von Handlungspflichten eingeschränkt wird. Die Gestaltung verschiebt demgegenüber i n der Regel ganze Bündel von Einzelbefugnissen. Deshalb w i r d sie als besondere Kategorie behandelt. Die feststellende Regelung kann unmittelbare Wirkung auf das Eigentum als Individualrecht haben, wenn die Feststellung durch die i m Ge33

BVerfGE 38, S. 348 (365) — Zweckentfremdung von Wohnraum.

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Einleitung

setz an sie geknüpften Folgen automatisch zu einer Einschränkung oder einer Erweiterung der Eigentümerbefugnisse führt. bb) Handlungs- und Wirkungselement der Regelung Den genannten Regelungen ist gemeinsam, daß durch sie unmittelbar 34 ein Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat i n bezug auf das Eigentum gestaltet wird. Diese Gestaltungswirkung liegt i n der rechtsetzenden Regelung selbst; eines Hinzutretens weiterer Faktoren bedarf es nicht. Das Wirkungselement der Regelung ist somit gekennzeichnet durch die unmittelbare Gestaltung des Rechtsverhältnisses. Jedoch sind nicht alle i m hoheitlichen Bereich liegenden Maßnahmen staatlicher Organe geeignet, Regelungen herbeizuführen. Die regelnde Maßnahme ist vielmehr nur eine i n einer ganzen Reihe von Handlungsformen, die der öffentlichen Verwaltung zu Gebote stehen 35 . Von den sonstigen Formen des Verwaltungshandelns unterscheidet sich die Regelung dadurch, daß sie final darauf gerichtet ist, einseitig und rechtsverbindlich das Rechtsverhältnis zum Bürger zu gestalten. Die Maßnahme muß daher final auf die Erreichung der oben beschriebenen Regelungswirkung h i n abzielen. Z u m Wirkungselement t r i t t somit ein Handlungselement, das die Regelung als Rechtshandlung, als „rechtsfolgebedingende Wissens- oder Willensäußerung verwaltungsrechtlicher Subjekte" 3 6 kennzeichnet. Ähnlich wie bei einer privatrechtlichen W i l lenserklärung t r i t t bei einer Regelung die verbindliche Rechtsfolge ein, weil sie gewollt ist. Die Verbindlichkeit einer Regelung setzt voraus, daß die Finalität als Element der Regelung i n dieser nach außen (objektiv) i n Erscheinung t r i t t 3 7 . b) Die faktische

Beeinträchtigung

Sämtlichen faktischen Beeinträchtigungen ist gemeinsam, daß ihnen eines der oben beschriebenen Regelungselemente fehlt. Entweder fehlt es am Handlungselement der Regelung (Finalität), wie etwa beim schlicht-hoheitlichen Realakt 3 8 , oder es fehlt am Wirkungselement der Regelung (Unmittelbarkeit), wie etwa bei Folge- und Drittbeeinträchtigungen, oder es fehlt an beiden Elementen: 34

Forsthoff, Verwaltungsrecht, § 11,1. Vgl. zur Systematik hoheitlicher Handlungsformen Wolff / Bachof, I, § 45 ; Erichsen / Martens, Verwaltungsrecht, S. 10 ff. ; neuerdings Krause, Rechtsformen; ferner Thieme, Festschr. f ü r Schack, S. 157 ff. 36 Wolff / Bachof , I, § 45 I I b ; ähnlich Erichsen / Martens, Verwaltungsrecht, § 11 I I 4; Schwerdtfeger, Fallbearbeitung, S. 15 ff. 37 Bachof, Festschr. f ü r Laforèt, S. 300. 38 Erichsen / Martens, § 33 (S. 228). 35

Einleitung

Eine Folgebeeinträchtigung liegt vor, wenn der Bürger Adressat einer Regelung ist 3 9 , sein Eigentum aber über die Regelungsbeeinträchtigung hinaus noch weitere Beeinträchtigungen erfährt. Es w i r d also ein Unterschied gemacht zwischen dem Inhalt einer Regelung und ihrer weitergehenden Wirkung 4 0 . Drittbeeinträchtigungen können eintreten, wenn als Folge einer Regelung das Eigentumsrecht eines Dritten, eines Nichtadressaten, beeinträchtigt wird. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, ob dem Dritten gegenüber nicht doch eine rechtliche Regelung (Duldungsverfügung) ergangen ist, kraft deren er die durch die Erstverfügung i h m gegenüber ausgelösten Beeinträchtigungen hinzunehmen verpflichtet ist 4 1 . I n einem solchen Fall handelte es sich nämlich nicht mehr u m eine faktische, sondern um eine Regelungsbeeinträchtigung. Z u den faktischen zählen auch diejenigen Beeinträchtigungen, die durch hoheitliche Maßnahmen ausgelöst werden, die keinerlei Regelungscharakter haben. Bei solchen handelt es sich i n der Regel u m schlicht-hoheitliche Maßnahmen, die auf den Eigentumsgegenstand selbst (etwa auf bewegliche oder unbewegliche Sachen) einwirken und auf diese Weise die Eigentumsposition beeinträchtigen 42 . Aus dem Fehlen der Regelungsidentität folgt, daß sich faktische Beeinträchtigungen niemals i m Vollstreckungswege durchsetzen lassen: Ihre Wirkung beschränkt sich, wie i m einzelnen noch auszuführen sein wird, auf die Auslösung von Sachzwängen. I I I . Ziel der Untersuchung Ziel der Untersuchung ist der Nachweis, daß A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG i m Grundsatz auch einen Schutz gegen faktische Beeinträchtigungen des Eigentums bietet. Es soll deutlich werden, daß der Schutz der I n d i v i dualrechtsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht allgemein, d. h. für alle Eigentumspositionen gleichmäßig, auf Beeinträchtigungen beschränkt ist, die die der Regelung eigentümlichen Elemente, nämlich Finalität und Unmittelbarkeit aufweisen. Weiterhin möchte die Untersuchung einen Weg zu der Bestimmung des Schutzumfanges der Eigentumspositionen i m Einzelfall weisen. Es sollen dabei Kriterien erarbeitet werden, mit denen die Frage, was wogegen geschützt ist, jeweils im Einzelfall beantwortet werden kann. 89

Z u m Begriff des Adressaten einer Regelung: Schwabe, D Ö V 1973, S. 265 ff. Wolff / Bachof, I, § 47 V I a; Bettermann, Gedächtnisschrift f ü r Imboden, S. 52 ff. ; beide treffen diese Unterscheidung allerdings für D r i t t w i r k u n g e n . 41 Siehe unten 1. Teil, 2. Abschn., I I . 42 Siehe unten 1. Teil, 3. Abschn. 40

32

Einleitung

I V . Abgrenzungen Die besonderen Fragen, die durch Beeinträchtigungen nichthoheitlicher A r t sowie durch Beeinträchtigungen durch Unterlassen aufgeworfen werden, sollen i m folgenden außer Betracht bleiben. Eine spezifische Grundrechtstheorie ist der Untersuchung nicht zugrunde gelegt 48 .

48 Z u r Problematik der Voraussetzung einer spez. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 5 ff.

Grundrechtstheorie:

Erster Teil

Die Erscheinungsformen faktischer Beeinträchtigungen und ihr Beeinträchtigungsmechanismus Wegen der Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen faktischer Beeinträchtigungen i m Grundrechtsbereich soll der grundrechtlichen Untersuchung ein Katalog von Fällen vorangestellt werden, i n denen dem Eigentümer durch staatliches Handeln Nachteile entstehen, deren grundrechtliche Relevanz unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Beeinträchtigung des Eigentums zu prüfen ist. I n der Regel handelt es sich u m Fallgestaltungen, die so oder i n ähnlicher Weise Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen sind. Es versteht sich von selbst, daß bei der Aufzählung eine Vollständigkeit der möglichen Beeinträchtigungslagen nicht angestrebt werden kann. Ziel dieser Aufstellung ist lediglich, das notwendige Anschauungsmaterial für die grundrechtliche Prüfung zusammenzustellen und aufzubereiten.

Erster Abschnitt

Die Folgebeeinträchtigungen I. Beispielsfälle 1. Folgebeeinträchtigungen bei Landenteignung

Die klassische Enteignung, nämlich die Übertragung von Grundeigentum durch Hoheitsakt auf einen anderen Rechtsträger 1 erfolgt durch Regelung. Uber den Eigentumsverlust hinaus können dem betroffenen Bürger jedoch weitere Nachteile für sein Eigentum entstehen: W i r d ζ. B. auf dem enteigneten Grundstück ein Gewerbebetrieb unterhalten, so zwingt die Enteignung zu dessen Stillegung oder Verlegung 2 . Dient 1 Vgl. etwa RGZE 2, 234 (237); 7, 258; 44, 331 (Eisenbahnbau); aus der L i t e r a t u r insbes. Dürig, J Z 1954, S. 4 ff. 2 BGH, U r t . v. 8. 2. 71, D Ö V 1971, S. 420 (421 m. w. N.) — Gärtnerei; BGH, Urt. v. 27. 4. 64, M D R 1964, 830 — Berghotel; BGH, Urt. ν 8. 4. 65, N J W 1965, S. 1480 m i t A n m . v. Dittus, ebd.; BGH, Urt. v. 6. 12. 65, N J W 1966, S. 493 — Schlachthof; vgl. auch Aust, N J W 1972, S. 750.

3 Ramsauer

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1. T e i l : Erscheinungsformen u n d Beeinträchtigungsmechanismus

das Grundstück zusammen m i t anderen, nicht enteigneten Grundstücken einem Gewerbebetrieb, so muß möglicherweise eine Verlegung von Betriebsteilen erfolgen, die dem Gesamtbetrieb erhebliche Nachteile bringen kann 3 . Zahlreich sind auch die Fälle, i n denen dem Betrieb eine Erweiterungsmöglichkeit durch Teilenteignung eines Grundstückes genommen w i r d 4 I n diesen Fällen ist zu unterscheiden: Folgebeeinträchtigungen sind nur diejenigen Nachteile, die nicht Inhalt der Regelung des Enteignungsaktes sind. So gehört ζ. B. die Verpflichtung, den auf dem enteigneten Grundstück betriebenen Gewerbebetrieb einzustellen oder zu verlegen, i n aller Regel zum Regelungsinhalt. Denn die Räumung des enteigneten Grundstückes kann hoheitlich durchgesetzt werden, es sei denn, bestimmte Nutzungsrechte seien ausnahmsweise bestehen geblieben 5 . Um Folgebeeinträchtigungen handelt es sich hingegen dann, wenn dem Betrieb Erweiterungsmöglichkeiten genommen werden, oder wenn i m Falle einer Teilenteignung eines Grundstückes das Restgrundstück einen nicht unbeträchtlichen Wertverlust erfährt 6 . 2. Folgebeeinträchtigungen durch Auferlegung von Abgaben

Abgabentatbestände können an Eigentumspositionen anknüpfen: So t r i f f t die Pflicht zur Zahlung der Grundsteuer jeweils den Eigentümer eines Grundstücks; die Gewerbesteuer den Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes; die Hundesteuer den Eigentümer eines Hundes usw. Ähnlich ist die Lage bei den Erschließungsbeiträgen nach den §§ 123 ff. BBauG. Weitere Abgaben knüpfen i n ihren gesetzlichen Tatbeständen an bestimmte Nutzungsarten der jeweiligen Eigentumsposition an: So w i r d ein Kraftfahrzeug kfz.-steuerpflichtig, wenn es zur Teilnahme i m Verkehr angemeldet w i r d ; Waren werden zollpflichtig, wenn sie i n das Inland eingeführt werden; andere Steuerpflichten entstehen beim Verkauf von Waren. Während bei den normalen Abgabetatbeständen die Erzielung von Einkünften i m Vordergrund steht, die Verhaltenssteuerung demgegenüber nur ein Nebeneffekt ist, w i r d bei den sogenannten speziell wirtschaftslenkenden Abgaben 7 die 3 E t w a Verlust des „ G o o d w i l l " , vgl. hierzu Brügelmann / Pohl, § 96 BBauG. I I I 1 b. 4 B G H , Urt. v. 28. 5. 62, W M 1962, S. 1008 (1012); BGH, U r t . v. 20. 11. 67, DVB1. 1968, S. 216 (keine Entschädigung f ü r geplanten Erweiterungsbau): differenzierend BGH, Urt. v. 14. 7. 65, N J W 1965, S. 2101 — Möbelhaus. 5 Vgl. § 97 Abs. 1 BBauG. 6 Vgl. die Regelung der Entschädigung f ü r Wertminderungen i n § 96 Nr. 2 B B a u G ; ähnlich: Zubehör eines Grundstücks k a n n nicht mehr angemessen wirtschaftlich verwertet werden (§ 92 Abs. 4 i. V . m. § 86 Abs. 2 BBauG) ; ferner RGZE 67, S. 271 — Mieteinnahme; BGH, U r t . v. 16. 3. 72, DVB1. 1972, S. 675; Urt. v. 5. 2. 68, DVB1. 1969, S. 204 7 Z u den sog. wirtschaftslenkenden Abgaben Selmer, Steuerinterventionis-

1. Abschn.: Die Folgebeeinträchtigungen

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Verknüpfung zwischen Abgabetatbestand und Eigentumsposition besonders deutlich: Durch diese Abgaben soll i n erster Linie 8 ein bestimmtes, hoheitlich erwünschtes wirtschaftliches Verhalten der Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr, hier der Eigentümer, erreicht werden. Die Erzielung von Einkünften dagegen spielt nur eine untergeordnete Rolle. 3. Weitere Folgebeeinträchtigungen

Werden Personen zwangsweise i n Wohnraum eingewiesen, so ist die Einweisungsverfügung dem Eigentümer des Wohnraums gegenüber eine imperative Regelung. Folgebeeinträchtigungen dagegen können eintreten, wenn die eingewiesenen Personen i n den Räumen Schäden anrichten oder ihre Miete nicht zahlen 9 . Bei der Heranziehung zu gemeindlichen Hand- und Spanndiensten können Fahrzeuge des Pflichtigen beschädigt werden 1 0 . Bei Versagen einer Ampelanlage an einer Kreuzung (für eine Straße zeigt die Ampel grün, für die andere ist das Rotlicht ausgefallen) können Fahrzeuge beschädigt werden, die i m Vertrauen auf das grüne Licht i n die Kreuzung eingefahren und dort m i t den Fahrzeugen des Querverkehrs zusammengestoßen sind 1 1 . Z u erwähnen sind ferner folgende Fälle: Ein Unternehmer w i r d i n Untersuchungshaft genommen oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt oder verletzt, sein führungsloser Gewerbebetrieb gerät deshalb i n wirtschaftliche Schwierigkeiten und muß erhebliche Einbußen hinnehmen. Durch Pressemitteilungen von den Umständen einer Verhaftung eines Unternehmers w i r d erheblicher Umsatzrückgang bewirkt. Dagegen gehören die meisten Folgen der Einführung von Anschluß- u n d Benutzungszwang an gemeindliche Versorgungsanlagen nicht zu den Folgebeeinträchtigungen: Dies g i l t etwa f ü r die E n t w e r t u n g von Wasserbezugsrechten gegenüber D r i t t e n 1 2 u n d f ü r die Nutzlosigkeit eigener Versorgungsanlagen, w i e ζ. B. Brunnen, Zisternen u s w . 1 3 Denn soweit, w i e der B e n u t zungszwang reicht, besteht als Kehrseite dieses Zwanges die Unterlassungspflicht hinsichtlich der Benutzung anderer Versorgungsanlagen. Es k o m m t mus, S. 214 ff. m. w. Ν . ; Friauf, DVB1. 1972, S. 652; ders., B B 1967, S. 1345 (1348), der ebenso w i e Selmer für die Frage des Grundrechtsschutzes auf den L e n kungszweck abstellt; ferner Lerche, D Ö V 1961, S. 486 (490); Rüfner, DVB1. 1970, S. 881; Scheuner, V V D S t R L Heft 11, S. 1 (41). 8 Z u r Untersuchung v o n Lenkung als Hauptzweck und Nebenzweck Selmer, Steuerinterventionismus, S. 225 ff. 9 Vgl. B G H Z E 6, S. 270; 13, S. 395. 10 Vgl. B G H Z E 28, S. 310 — Treckerfall. 11 Vgl. B G H Z E 54, S. 332 — Ampelfall. 12 O V G Münster, O V G M L 14, S. 81; BVerwG, Urt. v. 22. 8. 72, Buchholz Nr. 134 zu A r t . 14 GG (alte Wasserrechte); allgemein zum Benutzungszwang Badura, D Ö V 1954, S. 539. 13 BVerwG, U r t . v. 25. 2. 60, DVB1. 1960, S. 396. 3·

1. Teil: Erscheinungsformen u n d Beeinträchtigungsmechanismus

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hierbei nicht darauf an, ob den regelnden Behörden die Existenz eigener Versorgungsanlagen bekannt w a r oder nicht, denn der Benutzungszwang w i r d i n der Regel kategorisch angeordnet. Die m i t dem Benutzungszwang u n mittelbar gekoppelte Unterlassungspflicht könnte gegebenenfalls auch i m Vollstreckungswege durchgesetzt werden.

II. Der Beemträchtigungsmechanismus Den Folgebeeinträchtigungen ist gemeinsam, daß sie kausal durch eine dem beeinträchtigten Adressaten gegenüber ergangene Regelung verursacht werden. Sie treten also als Folge neben die Regelungswirkung. Letztere ist gekennzeichnet durch das Handlungselement der F i nalität, die zielgerichtete Gestaltung eines Rechtsverhältnisses, sowie das Wirkungselement der Unmittelbarkeit, die Beschränkung der Regelungswirkung auf die unmittelbar i n der Gestaltung des Rechtsverhältnisses liegenden Auswirkungen. Eine Folgebeeinträchtigung kann demnach nur vorliegen, wenn sie nicht unmittelbar Ausdruck und Inhalt der zielgerichteten Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Betroffenen und dem Staat ist 1 4 . Hierzu bedarf es i m Einzelfall einer sorgfältigen Untersuchung des Umf anges der jeweiligen Regelung 15 . Eine besondere Hilfe für die Auslegung der regelnden Entscheidung kann die Überlegung geben, i n welchem Umfange eine Vollstreckung und Durchsetzung der Regelung möglich und erforderlich ist. 1. Die Beeinträchtigung als Folge einer Risikoerhöhung

Die Regelungen bei der Heranziehung zu gemeindlichen Hand- und Spanndiensten, beim Versagen einer Verkehrsampel und bei der zwangsweisen Einweisung i n Wohnraum erfassen die später eintretenden Beeinträchtigungen durch Beschädigungen nicht. M i t der Verpflichtung zur Aufnahme von Personen i n seinen Wohnraum w i r d der Eigentümer nicht auch dazu verpflichtet, Beschädigungen der Mietsache durch die eingewiesenen Personen hinzunehmen; der Autofahrer, dessen A m pel auf Grün steht, w i r d nicht zur Duldung von Beschädigungen verpflichtet, die durch einen Zusammenstoß mit dem nicht durch Rotlicht am Fahren gehinderten Querverkehr eintreten. Die Heranziehung zu Hand- und Spanndiensten umfaßt nicht die Verpflichtung, Schäden am benutzten Fahrzeug hinzunehmen. Hätte der Pflichtige das Unglück verhindern können, so wäre er hierzu ohne weiteres berechtigt gewesen. Dies gilt auch für die Beeinträchtigungen von Gewerbebetrieben durch Körperverletzung und Freiheitsentziehung des Gewerbetreibenden von hoher Hand. I n diesen Fällen fehlt es an einer unmittelbaren 14

Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 10 ff. Erichsen / Hoffmann-Becking, JuS 1971, S. 144 (145); Hoffmann-Becking, DÖV 1972, S. 196 (199); Erichsen ! Martens, Verwaltungsrecht, § 11 I I 4 (S. 137). 15

1. Abschn.: Die Folgebeeinträchtigungen

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Verknüpfung zwischen Regelung und Beeinträchtigung. Es ist jeweils das Hinzutreten eines weiteren Ereignisses (Unfall, Sachbeschädigung, mangelnde Führung des Gewerbebetriebes) für den E i n t r i t t der Beeinträchtigungen erforderlich. Allerdings ist nicht verkennbar, daß i n allen drei Beispielsfällen durch die Regelung jeweils eine erhöhte Gefährdung ausgelöst wird, ein erhöhtes Risiko, das sich schließlich i m Schadenseintritt realisiert hat 1 6 : Der Kraftfahrer fährt an eine m i t A m peln versehene Kreuzung m i t geringerer Vorsicht heran als an eine, bei der er die Vorfahrt beachten muß oder bei der er m i t der Mißachtung der Vorfahrtsregelung durch den Querverkehr rechnen muß. Der Inhaber von Wohnraum überläßt diesen i n der Regel nur Personen, die nach seiner Einschätzung eine pflegliche Behandlung der Räume erwarten lassen. Möglicherweise läßt er sich zur Sicherung für die Gefährdung seines Wohnraumes eine Kaution geben. Der zu Hand- und Spanndiensten herangezogene Gemeindeeinwohner hätte die m i t diesem Dienst verbundene Gefahr freiwillig möglicherweise nicht auf sich genommen 1 7 . Die allgemeine Gefahr einer unzureichenden oder schlechten Führung eines Gewerbebetriebes w i r d entscheidend dadurch erhöht, daß der Gewerbetreibende infolge einer Körperverletzung oder einer Freiheitsentziehung zur Führung des Gewerbebetriebes außerstande ist. Diese jeweiligen Gefährdungen werden unmittelbar durch die einzelnen Regelungen herbeigeführt. Ihre Realisierung führt zum Schadenseintritt. 2. Verringerung der Wirtschaftschancen

Ähnlich ist die Lage auch bei den Folgebeeinträchtigungen aufgrund einer Enteignung: W i r d einem Gewerbebetrieb die Möglichkeit genommen, sich am Ort weiter auszudehnen, so liegt darin lediglich die Beeinträchtigung einer Chance, deren Realisierung ohnehin ungewiß war, w e i l die Expansion eines Betriebes eine unter dem allgemeinen W i r t schaftsrisiko stehende positive Geschäftsentwicklung voraussetzt. Uber dieses allgemeine Wirtschaftsrisiko hinaus w i r d zusätzlich durch die administrative Maßnahme die Entfaltungsmöglichkeit des Betriebes beschränkt oder erschwert. 3. Folgewirkungen über den Marktmechanismus

Bei der Erhebung von Abgaben für die Inhaberschaft oder für eine bestimmte Ausnutzung von Eigentumspositionen ergibt sich als Rege16 B G H Z E 28, S. 310 (311) i m Treckerfall; deutlich auch O L G Celle, U r t . v. 15. 10. 60, DVB1. 1960, S. 939 f.; auf die Gefahrerhöhung weist auch Berger, Unmittelbarkeit,, S. 129, Fn. 1, h i n ; Gefahrerhöhung w u r d e auch i n den E i n weisungsfällen berücksichtigt: B G H Z E 6, 270 (284); i m sog. A m p e l f a l l wurde die Gefahr des Ampelausfalls bzw. der Fehlschaltung dem allgemeinen L e bensrisiko zugerechnet, B G H Z E 54, S. 332 (337 f.). 17 B G H Z E 28, 310 (313).

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1. Teil: Erscheinungsformen u n d Beeinträchtigungsmechanismus

lung lediglich die Auferlegung einer Geldleistungspflicht. Diese belastet als solche nicht bestimmte Eigentumspositionen, sondern das Vermögen des Pflichtigen insgesamt 18 . Denn es ist dem Pflichtigen selbst überlassen, wodurch er die Geldleistungspflicht erfüllt. K n ü p f t ein Abgabentatbestand an die Inhaberschaft oder eine bestimmte Nutzung einzelner Eigentumspositionen an, so ergibt sich über die Regelungsbeeinträchtigung hinaus eine faktische Beeinträchtigung dieser Eigentumspositionen. Durch die Auferlegung der Geldleistungspflicht w i r d auf die Motivation des Eigentümers i m Hinblick auf die „belastete" Eigentumsposition Einfluß genommen. A u f diese Weise werden die Ausübung bestimmter Befugnisse oder die Rechtsinhaberschaft selbst faktisch erschwert. Denn der Eigentümer muß bei seinem Verhalten hinsichtlich der Ausnutzung oder Erhaltung einer Eigentumsposition die damit aufgrund der Abgabentatbestände verbundenen Kosten berücksichtigen. Der Marktmechanismus i m marktwirtschaftlichen System zwingt den einzelnen i n der Regel dazu, bei allen Dispositionen Gebote der W i r t schaftlichkeit zu berücksichtigen. Dieser Zwang zum wirtschaftlichen Verhalten w i r d durch die Abgabenerhebung nicht geschaffen, sondern lediglich ausgenutzt. Der Beeinträchtigung einzelner Eigentumspositionen durch Abgabenerhebung fehlt somit i n der Regel das Wirkungselement der Unmittelbarkeit. Demgegenüber w i r d zu Unrecht das Handlungselement der Regelung, nämlich die Finalität dieser Beeinträchtigungen verneint 1 9 : Die klassischen, zur Erzielung von Einkünften erhobenen Abgaben unterscheiden sich von den sogenannten Lenkungsabgaben lediglich dadurch, daß der gesetzgeberische Hauptzweck der zugrunde liegenden Abgabennorm i m ersten Falle die Erzielung von Einkünften und i m zweiten die genannte Einflußnahme auf die Motivation des Eigentümers ist 2 0 . Die objektive Zielrichtung der Abgabennorm deckt sich jedoch i n der Regel nicht notwendig m i t der subjektiven Zielsetzung des Gesetzgebers. Auch wenn die allgemeine Abgabennorm von der Zielsetzung des Gesetzgebers her die Erfüllung des Abgabentatbestandes nicht verhindern soll, so erzielt die Norm durch den i h r objektiv innewohnenden Normzweck doch gleichwohl denselben Effekt. Dieser Effekt ist auch seiner Intensität nach nicht abhängig von subjektiven Zielsetzungen, sondern von dem Umfang, i n dem er die Wirtschaftlichkeit bzw. die Rentabilität der Positionen bzw. des Vorganges, an den die Abgabe geknüpft ist, tatsächlich beeinflußt. Indem i m Abgabetatbestand selbst der Nachteil, nämlich die Geldleistungspflicht, an ein bestimmtes Verhalten des A b 18 Z u r Frage des Eigentumsschutzes für das Vermögen siehe unten 3. Teil, 1. Abschn., I I . 19 Vgl. etwa Selmer, Steuerinterventionismus, S. 217 ff. m. w. N. 20 A u f den Hauptzweck stellen ab Selmer, Steuerinterventionismus, S. 217 ff. u n d Friauf, B B 1967, S. 1345 (1348).

2. Abschn. : Erscheinungsformen der Drittbeeinträchtigungen

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gabepflichtigen angeknüpft wird, w i r d ein Wirkungsmechanismus hergestellt, dessen Zielrichtung sich unmittelbar aus der Normlogik ergibt. Daß der Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes zusätzliche oder gar gegensätzliche Zielsetzungen verfolgt, kann hierauf keinen Einfluß haben. Auch der Adressat eines Abgabenbescheides erfährt nichts anderes: Er erkennt lediglich, daß seine Abgabepflicht an ein bestimmtes Verhalten i m Hinblick auf seine Eigentumsposition geknüpft worden ist. Es gilt deshalb für alle Abgaben, die an die Innehaltung oder Ausnutzung bestimmter Eigentumspositionen tatbestandlich anknüpfen, daß die Herbeiführung dieses Drucks i n den Voraussetzungen der Abgabennorm selbst final angelegt ist; eine über die Abgabepflicht hinausgehende rechtliche Verhaltenspflicht w i r d aber nicht begründet und soll auch nicht begründet werden.

Zweiter Abschnitt

Erscheinungsformen der Drittbeeinträchtigungen und ihr Beeinträchtigungsmechanismus I. Beispiele Aus der Fülle der möglichen Fallkonstellationen sollen drei Hauptgruppen dargestellt werden, die sich aus der Unterscheidung nach der A r t der Beziehung zwischen dem beeinträchtigten Dritten einerseits und dem Adressaten einer Regelung andererseits ergeben: 1. Beeinträchtigungen des Eigentums Dritter infolge der räumlichen Beziehung zum Regelungsadressaten

Bei der praktisch wichtigsten Gruppe der Drittbeeinträchtigungen erreichen die nachteiligen Wirkungen einer Regelung das Eigentum eines Dritten (Nichtadressaten) über die räumliche Beziehung des Eigentumsgegenstandes zu den Gegenständen des Adressaten. Adressat w i r d der beeinträchtigte Dritte nicht schon dadurch, daß er am Genehmigungsverfahren irgendwie beteiligt w i r d oder daß i h m der Genehmigungsbescheid bekanntgemacht oder förmlich zugestellt wird. Adressat ist er vielmehr nur insoweit, als sich die Regelung an i h n richtet, d. h. als auch i h m gegenüber ein Rechtsverhältnis begründet werden soll. I n der Regel sind es Genehmigungen i m Bau-, Berg-, Wegeoder Wasserrecht, aber auch i m Gewerberecht, die dem Adressaten ermöglichen, bestimmte Vorhaben ins Werk zu setzen. Bei der Durchführung dieser Vorhaben und durch die Existenz der errichteten

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1. Teil: Erscheinungsformen u n d Beeinträchtigungsmechanismus

Anlagen können Dritte, i n der Regel Nachbarn, beeinträchtigt werden. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen: Ein genehmigtes Bauvorhaben kann die schöne Aussicht des Nachbarn von seinem Grundstück beeinträchtigen 1 ; es kann die ruhige Wohnlage zerstören 2 ; es kann dem Nachbargrundstück teilweise die Sonne nehmen, Fremden die Einsicht i n Garten oder Terrasse ermöglichen und schließlich auch eine Verminderung des Verkehrswertes des Nachbargrundstücks herbeiführen 3 . Geräusch-, Dampf-, Geruchs- und andere Immissionen, die von Anlagen ausgehen, die entsprechend genehmigt wurden, können die Nutzbarkeit der Nachbargrundstücke erheblich einschränken 4 . Hierher gehören auch Beeinträchtigungen privilegierter Unternehmer i m Außenbereich, die bei der Genehmigung von Bauvorhaben i n ihrer Nähe befürchten müssen, daß i h r latent störender Betrieb bei der Besiedlung der Umgebung geschlossen werden muß 5 . I m Wasserrecht w i r d die räumliche Beziehung zwischen dem Regelungsadressaten und dem beeinträchtigten Dritten durch den Wasserfluß hergestellt. I m berühmt gewordenen Fall des Müllers Arnold 6 leitete ein Oberlieger einen Teil des von einem Bach geführten Wassers ab und beeinträchtigte dadurch eine weiter unterhalb gelegene Mühle. Erfolgt die Ableitung des Wassers aufgrund einer besonderen Wasserbenutzungserlaubnis, so kann i n dieser Erlaubnis dem Unterlieger gegenüber eine Drittbeeinträchtigung liegen 7 . I m Bereich des Wegerechts treten Drittbeeinträchtigungen vielfach durch Auswirkungen wegerechtlicher Sondernutzungen auf Anlieger auf: So wurde einem Anlieger ζ. B. die Lagerung von Baumaterialien auf öffentlichem Wegegrund gestattet 8 , einem anderen die Aufstellung 1 ζ. B. BVerwG, U r t . v. 13. 6. 69 — I V C 80.67 —, DVB1. 1970, S. 60 f. (Schlei). 2 z. B. BVerwG, B. v. 12. 9. 69, DVB1. 1970, S. 61 f. (Badenweiler); Buchholz Nr. 25 zu § 34 B B a u G (Schulerweiterung) ; ferner VerwG, U r t . v. 3. 3. 72, Buchholz Nr. 97 zu § 35 B B a u G — (Minigolfplatz); B V e r w G , U r t . v. 16. 2. 73, M D R 1974, S. 72 (Minigolfplatz); B a y V G H , U r t . v. 22. 12. 72; B a y V B l . 1973, S. 267 (Schrottschere). 3 B V e r w G E 32, S. 173 (Bingerbrück); weitere Nachweise bei Kübler / Speidel, Baunachbarrecht, I, Rdn. 57. 4 B G H Z E 41, S. 264 (KirmesVeranstaltung); BGH, U r t . v. 10. 12. 72, DVB1. 1973, S. 445 (Militärflugplatz); BVerwG, U r t . v. 30. 8. 72, Buchholz Nr. 5 zu § 72 V w G O (Kläranlage). 5 BVerwG, U r t . v. 16. 4. 71, Buchholz Nr. 90 zu § 35 BBauG, die sog. Schweinemästereifälle; O V G Münster, OVGE 11, S. 250; HessVGH, Urt. v. 13. 12. 68, BRS 20, Nr. 187; B G H Z E 45, 23. β Zit. bei Heubel, Entziehende Einwirkungen. S. l f . ; ähnlicher F a l l : B V e r w G E 36, S. 248 (Mühlenbetrieb). 7 B V e r w G E 36, S. 248 (Mühlenbetrieb); ähnlich B V e r w G E 41, S. 58 (Erlaubnis zur Bohrung u n d Entnahme von Thermalwasser aus einer unter artesischem Druck stehenden Quelle beeinträchtigt andere bereits genutzte Quelle. 8 BGH, Urt. v. 24. 4.1958, M D R 1958, S. 587 (Baumaterialien).

2. Abschn. : Erscheinungsformen der Drittbeeinträchtigungen

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von Verkaufsbaracken auf einer Grünfläche zwischen Straße und Gehweg 9 . I n beiden Fällen führte dies zu einem Umsatzrückgang der benachbarten Gewerbebetriebe. Beeinträchtigungen durch den auf öffentlichen Wegen eröffneten Verkehr gehören demgegenüber nicht zu dieser Kategorie 1 0 . 2. Beeinträchtigungen über schuldrechtliche Beziehungen zum Adressaten

Drittbeeinträchtigungen können auch i n den Fällen vorliegen, i n denen Dritte nicht i n einer räumlichen, sondern i n einer schuldrechtlichen Beziehung zum Adressaten einer Regelung stehen. Z u einer Minderung des erzielbaren Mietzinses kam es infolge eines an die Mieterinnen eines Hauses gerichteten behördlichen Verbots, innerhalb eines Sperrbezirkes der Prostitution nachzugehen 11 . Ein weiteres Beispiel bieten die Beeinträchtigungen von Forderungen ehemaliger Angestellter einer für verfassungswidrig erklärten Partei 1 2 . Durch die Liquidation des Parteivermögens wurden die Lohnansprüche der Angestellten gegen die Partei uneinbringlich. Weitere Beeinträchtigungen sind i m Bereich der durch Arbeitsverträge begründeten schuldrechtlichen Positionen möglich: So können nachteilige Auswirkungen für den Arbeitgeber eintreten, wenn sein nicht ohne weiteres ersetzbarer ausländischer Arbeitnehmer abgeschoben wird, wegen NichtVerlängerung der Aufenthaltserlaubnis das Land verlassen muß oder wegen Einschränkung der Arbeitserlaubnis nicht mehr tätig sein darf 1 3 . 3. Beeinträchtigungen von Dritten über den Marktmechanismus

I n dieser Gruppe der Drittbeeinträchtigungen w i r d die Beziehung zwischen dem Regelungsadressaten und dem beeinträchtigten Dritten durch Konkurrenz- und Marktzwänge hergestellt. Hier wiederum lassen sich drei wesentliche Gruppen unterscheiden: Die Marktzulassung von Konkurrenten, die Verschaffung von Marktvorteilen für Konkurrenten und die Begründung von Marktnachteilen für bestimmte Wirtschaftssubjekte, deren verschlechterte wirtschaftliche Situation sich auf abhängige Dritte auswirkt.

9

B G H Z E 23, S. 157 m i t A n m . v. Bettermann, M D R 1957, S. 672. Siehe hierzu unten 4. Abschn. 11 BVerwG, U r t . v. 21. 3. 1972, Buchholz Nr. 21, zum allg. Polizeirecht; ähnlich BVerwG, U r t . v. 22. 3. 1966, Buchholz Nr. 5 zu § 16 GeWO (Beeinträchtigung des Eigentümers durch beschränkte Erteilung einer Baugenehmigung an Pächter). 12 B G H Z E 31, S. 1 ff.; M D R 1963, S. 917 f. 18 B A G , U r t . v. 13. 1. 1977, N J W 1977, S. 1023 (betr. Wirksamkeit einer K ü n digung wegen Ablaufes der Arbeitserlaubnis. 10

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1. Teil: Erscheinungsformen u n d Beeinträchtigungsmechanismus

a) Drittbeeinträchtigung durch Zulassung von Konkurrenten

zum Markt

I n allen Fällen, i n denen eine Zulassung zu einer bestimmten w i r t schaftlichen Betätigung von einer behördlichen Genehmigung abhängig ist, werden die bereits vorhandenen Unternehmer durch die Zulassung eines neuen Konkurrenten benachteiligt. Denn durch die Verschärfung der Konkurrenz w i r d der Spielraum der bereits vorhandenen Gewerbebetriebe eingeengt 14 . b) Drittbeeinträchtigung durch Verschaffung von Marktvorteilen Als praktisch wichtigste Gruppe sind hier Marktvorteile infolge von Subventionen jeder A r t zu nennen. Bedeutung hat der Fall der Beeinträchtigung eines Verbandes freier Weinbauunternehmen wegen der Subventionierung von Winzergenossenschaften nach dem Grünen Plan erlangt 1 5 . Die Subventionierung der Konkurrenten beeinträchtigte die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Marktchancen des nicht subventionierten Dritten. Marktvorteile können indessen nicht nur durch Subventionierung, sondern auch durch die allgemeinen Maßnahmen der Wirtschaftslenkung eingeräumt werden, ζ. B. durch die Maßnahmen der Außenwirtschaftspolitik: So kam es bei inländischen Knäckebrotherstellern zu Umsatzeinbußen wegen der Senkung des Zollsatzes für die Einfuhr von Knäckebrot insbesondere aus den skandinavischen Ländern 1 6 . c) Drittbeeinträchtigungen durch Begründung von Marktnachteilen und Nachfragebeschränkungen I n der Marktwirtschaft ist der Unternehmer nicht nur von der Lage seiner Konkurrenten abhängig, sondern auch von der Situation seiner Zulieferer und Abnehmer. Fallen die Zulieferer aus oder w i r d bei ihnen die Produktion erschwert, so leidet darunter der Gewerbebetrieb des Unternehmers, dessen Produktion auf die Zulieferer angewiesen ist. Praktisch wichtiger ist jedoch der Fall, daß der Anbieter seinerseits durch Nachfragebeschränkungen bei den Abnehmern bzw. Konsumenten beeinträchtigt w i r d : Hierzu zählen die vielen Fälle von Beeinträchtigungen der Unternehmer, die i n einer Gemeinde Versorgungsleistungen erbracht haben, durch die Einführung von Anschluß- und Benutzungszwang an eine gemeindliche Versorgungsanlage 17 . Weitere Bei14 B V e r w G E 17, S. 306 (Oldenburger Feuerversicherung); ferner B V e r w G E 30, S. 347 ff.; 31, S. 133. 15 BVerwG, Urt. v. 30. 8. 1968, DVB1. 1969, S. 365 (Winzergenossenschaft). 16 B G H Z E 45, S. 83 (Knäckebrot). 17 B G H Z E 40, S. 355; BayVGH, V G H E 14, S. 24; m i t A n m . v o n Jesch i n D Ö V 1962, S. 426.

2. Abschn.: Erscheinungsformen der D r i t t b e e i n t r ä c h t i g u n g e n 4 3

spiele: Bei einer Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) über die Blinkeinrichtungen an land- und forstwirtschaftlichen Anhängern wurden Investitionen privater Produzenten der überholten Blinkeinrichtungen nutzlos 1 *; zu Gewinneinbußen der Filmverleiher von Märchenfilmen kam es durch das Verbot des Besuches der Vorstellungen durch Kinder unter 6 Jahren 1 9 . I I . Der Beeinträchtigungsmechanismus bei Drittbeeinträchtigungen 1. Das Problem der Duldungsverfügung

Bei den Drittbeeinträchtigungen stellt sich i n der Regel die Frage, ob dem beeinträchtigten Dritten gegenüber neben der Hauptregelung gegenüber dem Adressaten möglicherweise eine (stillschweigende) Duldungsverfügung als Annex ergangen ist. Dieses Problem w i r d durch eine ganze Reihe von Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts eindrucksvoll verdeutlicht 2 0 . Bei dieser Rechtsprechung ist allerdings zu berücksichtigen, daß zum damaligen Zeitpunkt eine Uberprüfung der jeweiligen Verwaltungsmaßnahme durch das Verwaltungsgericht nur erfolgen konnte, wenn dem Betroffenen gegenüber ein Verwaltungsakt ergangen war 2 1 . Regelmäßig ist zwischen der Frage, ob eine Duldungsverfügung ergehen muß oder nicht und der Frage, ob eine Duldungsverfügung tatsächlich ergangen ist oder nicht, zu unterscheiden. Ob dem Dritten gegenüber tatsächlich eine Duldungsverfügung ergangen ist, kann nur eine Auslegung der diesem gegenüber von der jeweiligen Behörde abgegebenen Erklärungen ergeben. W i r d dem D r i t ten die Hauptverfügung zugestellt, so ist i n der Regel davon auszugehen, daß eine notwendige Duldungsverfügung damit stillschweigend er18 BGH, U r t . v. 7. 12. 1967, N J W 1968, S. 293 (StVZO-Fall) ; ähnlich W ü r t t . VGH, D R Z 1950, S. 500 (Baustoffe). 19 BGH, Urt. v. 5. 12. 1963, N J W 1964, S. 769 (Märchenfilm). 20 Vgl. einerseits (Regelung bejaht): PrOVG, PrOVGE 1, S. 327 (331) — Beeinträchtigung der Rechte eines Trunkenboldes durch i h n betreffende Verfügung an Gastwirte; PrOVGE 3, 217 (222 f.) — Regelung gegenüber Unterliegern, deren Grundstücke durch A n o r d n u n g der Erweiterung eines Wasserlaufes überflutet werden; PrOVGE 7, S. 310 (312) — Regelung auch gegenüber Versichteren durch Verfügung an Versicherer; andererseits: PrOVGE 39, S. 292 — keine Regelung gegenüber dem Bierlieferanten durch Herabsetzung der Polizeistunde gegenüber G a s t w i r t ; PrOVGE 38, S. 376 — keine Regelung gegenüber Siedlungsunternehmer, w e n n Siedler Baugenehmigung versagt w i r d ; P r O V G E 95, S. 111 (117) — keine Regelung gegenüber Verpächter bei Beschränkungen d