Festkalender Roms [4 ed.] 3050057459, 9783050057453

Ovids Lehrgedicht über den römischen Festkalender, die ""Fasti"", entsteht im Zeitalter des Kaisers

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Latin, German Pages [368] Year 2012

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Festkalender Roms [4 ed.]
 3050057459, 9783050057453

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SAMMLUNG

TUSCULUM

Wissenschaftliche Beratung: Niklas Holzberg, Rainer Nickel, Karl-Wilhelm Weeber, Bernhard Zimmermann

Ianus bifrons-Medaillon (Rom, 187 n. Chr.)

PUBLIUS OVIDIUS

NASO

FASTI Festkalender Lateinisch - deutsch

Auf der Grundlage der Ausgabe von Wolfgang Gerlach neu übersetzt und herausgegeben von Niklas Holzberg 4., überarbeitete Auflage 2012

AKADEMIE VERLAG

FÜR PETRA FOCHLER

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 4., überarbeitete Auflage 2 0 1 2 © Akademie Verlag G m b H , Berlin 2 0 1 2 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Einbandgestaltung: Gabriele Bürde, Berlin Satz: I B V Satz- und Datentechnik, Berlin Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Dieses Papier ist alterungsbeständig nach D I N / I S O 9706. I S B N 978-3-05-005745-3

INHALT

TEXT UND ÜBERSETZUNG

Erstes Buch

7

Zweites Buch

49

Drittes Buch

99

Viertes Buch

149

Fünftes Buch

203

Sechstes Buch

245

Anhang Erläuterungen Einführung Literatur

292 347 365

LIBER PRIMUS

Tempora cum causis Latium digesta per annum lapsaque sub terras ortaque signa canam. excipe pacato, Caesar Germanice, voltu hoc opus et timidae derige navis iter officioque, levem non aversatus honorem, en tibi devoto numine dexter ades. sacra recognosces annalibus eruta priscis et quo sit merito quaeque notata dies, invenies illic et festa domestica vobis; saepe tibi pater est, saepe legendus avus, quaeque ferunt illi, pictos signantia fastos, tu quoque cum Druso praemia fratre feres. Caesaris arma canant alii: nos Caesaris aras et quoscumque sacris addidit ille dies, adnue conanti per laudes ire tuorum deque meo pavidos excute corde metus. da mihi te placidum, dederis in carmina vires: ingenium voltu statque caditque tuo. pagina iudicium docti subitura movetur principis, ut Clario missa legenda deo. quae sit enim culti facundia sensimus oris, civica pro trepidis cum tulit arma reis, scimus et, ad nostras cum se tulit impetus artes, ingenii currant ilumina quanta tui. si licet et fas est, vates rege vatis habenas, auspice te felix totus ut annus eat. tempora digereret cum conditor Urbis, in anno constituit menses quinqué bis esse suo. scilicet arma magis quam sidera, Romule, noras, curaque finítimos vincere maior erat, est tamen et ratio, Caesar, quae moverit ilium, erroremque suum quo tueatur, habet.

ERSTES B U C H · J A N U A R

Von der Erklärung der Zeiten, wie quer durch das J a h r sie die R ö m e r O r d n e n , und von des Gestirns K o m m e n und G e h n singe ich. Caesar Germanicus, n i m m mit gnädiger Miene dies Werk an; Lenke auf seiner Fahrt vorwärts mein ängstliches Schiff, Weise die schlichte Ehrung nicht ab und k o m m e als Gottheit Gnädig zur Huldigung, die ich dir geweiht hab', herbei! Heiliges hörst du, das ich entdeckte in alten Annalen, H ö r s t bei dem einzelnen Tag, wie er sein Zeichen bekam. Finden wirst du dort auch die Feste eueres Hauses: O f t vom Vater wirst du lesen, vom Großvater oft. Titel, die sie besitzen, gemalter Kalender Verzierung, Werden auch dir und zugleich Drusus, dem Bruder, zuteil. Caesars Waffen solin andre besingen - von Caesars Altären K ü n d ' ich, von Tagen, die er Festen hinzugefügt hat. Sei mir gewogen, der ich an das R ü h m e n der Deinen mich wage, N i m m die scheue Furcht von meinem Herzen mir fort! Zeig dich mir huldvoll! Dadurch schenkst Kräfte du mir für die Verse; M i t deinem gnädigen Blick steht ja und fällt mein Talent. Zittert doch schon mein Buch vor dem Urteil des fürstlichen Kenners So, als hätt' ich's Apoll selber zum Lesen gesandt. H a b e n wir doch gehört, wie beredt und gebildet sein Mund spricht, Wenn den Verklagten zum Schutz friedliche Waffen er trug, Wissen auch, wie, wenn zu unserer Kunst dich Begeisterung hinträgt, Deines Ingeniums Strom machtvolle Fluten ergießt. L e n k , wenn's gestattet und recht ist, als Dichter die Zügel des Dichters, D a ß unter deinem Stern glücklich verlaufe das J a h r ! Als der Gründer der Stadt auch die Zeiteinteilung bestimmte, Setzte er fest, daß zehn Monate habe das Jahr. M e h r von den Waffen verstandst du doch, R o m u l u s , als von den Sternen, Hattest ja mehr den Sieg über die Nachbarn im Sinn! D e n n o c h , Caesar, hat ihn eine Überlegung geleitet; H a t er doch manches, womit decken er kann sein Versehn.

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LIBER

PRIMUS

quod satis est, utero matris dum prodeat infans, hoc anno statuit temporis esse satis; per totidem menses a funere coniugis uxor sustinet in vidua tristia signa domo, haec igitur vidit trabeati cura Quirini, cum rudibus populis annua iura daret. Martis erat primus mensis, Venerisque secundus; haec generis princeps, ipsius ille pater: tertius a senibus, iuvenum de nomine quartus, quae sequitur, numero turba notata fuit, at N u m a nec Ianum nec avitas praeterit umbras, mensibus antiquis praeposuitque duos. ne tamen ignores variorum iura dierum, non habet officii Lucifer omnis idem, ille nefastus erit, per quem tria verba silentur: fastus erit, per quem lege licebit agi. nec toto perstare die sua iura putaris: qui iam fastus erit, mane nefastus erat; nam simul exta deo data sunt, licet omnia fari, verbaque honoratus libera praetor habet, est quoque, quo populum ius est includere saeptis est quoque, qui nono semper ab orbe redit, vindicat Ausonias Iunonis cura Kalendas; Idibus alba Iovi grandior agna cadit; Nonarum tutela deo caret, omnibus istis (ne fallare, cave) proximus ater erit. omen ab eventu est: illis nam R o m a diebus damna sub averso tristia Marte tulit. haec mihi dicta semel, totis haerentia fastis, ne Seriem rerum scindere cogar, erunt.

Ecce tibi faustum, Germanice, nuntiat annum inque meo primum carmine Ianus adest. lane biceps, anni tacite labentis origo, solus de superis qui tua terga vides,

ERSTES BUCH • JANUAR

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D e n n die Zeit, die genügt, bis das Kind sich vom Leib seiner Mutter Löst, die war für das J a h r , glaubte er, gleichfalls genug. Ebensoviele Monate trägt nach dem Tod ihres Gatten Zeichen der Trauer die Frau in dem verödeten Haus. Dies nämlich hatte der purpurgeschmückte Quirinus im Sinne, Als er die O r d n u n g des Jahrs einfachen Völkern einst gab. Mars gehörte der erste M o n a t , der Venus der zweite: E r war sein Vater, sie U r m u t t e r seines Geschlechts. G a b e n dem dritten die Alten, dem vierten die Jungen den N a m e n , Wurde die Schar, die dann folgt, einfach der Zahl nach benannt. D o c h mit Rücksicht auf Janus sowie auf die Schatten der Ahnen Schob vor die Monate, die's vorher gab, N u m a noch zwei. D o c h daß den Rechtscharakter der einzelnen Tage du gut kennst: Gleiche Aufgaben hat jeglicher Morgenstern nicht! Feiertag ist, wenn niemand jene drei Worte verwendet, Werktag ist, wenn das Gesetz Rechtsverkehr allen erlaubt. Seine Bestimmung muß, glaub mir, nicht für den ganzen Tag gelten: Werktag ist plötzlich, nachdem früh noch ein Feiertag war! H a t man nämlich dem G o t t geopfert, darf man verhandeln, Frei steht dem Prätor im A m t , daß er nun Urteile fällt. D a n n gibt es Tage, bestimmt, das Volk in die Schranken zu sperren, Andre, an denen nach neun Tagen ein Kreislauf sich schließt. Fordert der J u n o k u l t die ausonischen Monatskalenden, O p f e r n die Iden ein L a m m Jupiter, stattlich und weiß. Keinen Schutzgott haben die N o n e n . An all diese Tage Achtung, daß dir nichts passiert! - schließt sich ein Unglückstag an. H i e r rührt das O m e n vom Ausgang her. D e n n an all diesen Tagen H a t den R ö m e r n ein Krieg schlimme Verluste gebracht! Einmal nur sagte ich dies, gilt es auch für den ganzen Kalender. N i c h t unterbrechen m u ß ich dann meiner Schilderung Gang.

ι. Januar Siehe, Germanicus, dir verkündet ein J a h r voller Segen J a n u s ; in meinem Gesang tritt auch als erster er auf! D u , zweiköpfiger Janus, des still verstreichenden Jahres Ursprung, der G o t t , der allein selbst seinen Rücken kann sehn,

IO

LIBER

PRIMUS

dexter ades ducibus, quorum secura labore otia terra ferax, otia pontus habet: dexter ades patribusque tuis populoque Quirini et resera nutu candida templa tuo. prospera lux oritur: linguis animisque favete; nunc dicenda bona sunt bona verba die. lite vacent aures, insanaque protinus absint iurgia: differ opus, livida turba, tuum. cernis, odoratis ut luceat ignibus aether, et sonet accensis spica Cilissa focis? fiamma nitore suo templorum verberat aurum et tremulum summa spargit in aede iubar. vestibus intactis Tarpeias itur in arces, et populus festo concolor ipse suo est, iamque novi praeeunt fasces, nova purpura fulget, et nova conspicuum pondera sentit ebur. colla rudes operum praebent ferienda iuvenci, quos aluit campis herba Falisca suis. Iuppiter arce sua totum cum spectet in orbem, nil nisi Romanum, quod tueatur, habet, salve, laeta dies, meliorque revertere semper, a populo rerum digna potente coli. quem tarnen esse deum te dicam, lane biformis? nam tibi par nullum Graecia numen habet. ede simul causam, cur de caelestibus unus, sitque quod a tergo sitque quod ante, vides, haec ego cum sumptis agitarem mente tabellis, lucidior visa est, quam fuit ante, domus. tum sacer ancipiti mirandus imagine Ianus bina repens oculis obtulit ora meis. extimui sensique metu riguisse capillos, et gelidum subito frigore pectus erat, ille tenens baculum dextra clavemque sinistra edidit hos nobis ore priore sonos: 'disce metu posito, vates operose dierum, quod petis, et voces percipe mente meas.

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ERSTES BUCH · JANUAR

Helfend steh bei den Feldherrn, dank deren Mühe jetzt sorglos Ruhe das fruchtbare Land, Ruhe das Meer auch genießt! Helfend steh bei dem Senat und dem Volk des Quirinus, und deines Weißen Tempels Portal öffne durch deinen Befehl! Glückhaft dämmert der Tag! Nichts Böses sprechet noch denket; Heut ist ein guter Tag, drum sei nur Gutes gesagt! Frei sei von Zank das Ohr, es entferne sofort sich der böse Hader! Verschiebe dein Werk heute, du neidische Schar! Siehst du, wie hell der Äther erglänzt von den duftenden Flammen, Wie auf der Glut des Altars knistert Kilikiens Frucht? Zuckend erhellt die Flamme das Gold an den Wänden des Tempels, Trifft hoch oben das Dach hell mit dem zitternden Licht. Weiß gekleidet steigt man zur Burg am Tarpejischen Felsen, Denn das Gewand, das das Volk trägt, zeigt die Farbe des Fests! Neu ziehn die fasces voraus, neu ist der glänzende Purpur, Neu auf dem Elfenbeinstuhl, weithin zu sehen, die Last. Stiere, vom Joch noch verschont, halten hin den Nacken zum Schlage, Die zu ernähren sein Gras gab das faliskische Land. Blickt auf den ganzen Erdkreis dann Jupiter von seiner Burg aus, Bietet zu schauen sich ihm nichts, was nicht römisch sich nennt. Heil dir, freudiger Tag! Kehr stets als noch besserer wieder, Würdig des Kultes des Volks, welches die Menschheit beherrscht! Was sag' ich nun, welcher Gott du bist, zweiköpfiger Janus? Denn einen Gott, der dir gleicht, hat man in Griechenland nicht! Sage zugleich mir den Grund, warum von den Himmlischen einzig Du, was im Rücken geschieht, siehst, und was vor dir sich tut! Als ich zur Schreibtafel griff und dies so bei mir bedachte, Schien mir plötzlich das Haus heller zu sein als zuvor. Da, ehrwürdig zu schauen, ein zweifach gestaltetes Wunder, Bot, mit doppeltem Haupt, Janus sich dar meinem Blick. Ich erschrak, und mir war, als sträubten vor Angst sich die Haare, Eisige Kälte ergriff mir da auf einmal das Herz. Er, mit der Rechten den Stab, mit der Linken den Schlüssel umfassend, Sprach mit dem vorderen Mund folgende Worte zu mir: «Laß deine Furcht, der du dich bemühst, von den Tagen zu singen; Was du begehrst, das vernimm; merke dir gut, was ich sag'!

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LIBER

PRIMUS

me Chaos antiqui (nam sum res prisca) vocabant: aspice, quam longi temporis acta canam. lucidus hic aer et quae tria corpora restant, ignis, aquae, tellus, unus acervus erat, ut semel haec rerum secessit lite suarum inque novas abiit massa soluta domos, fiamma petit altum, propior locus aera cepit, sederunt medio terra fretumque solo. tunc ego, qui fueram globus et sine imagine moles, in faciem redii dignaque membra deo. nunc quoque, confusae quondam nota parva figurae, ante quod est in me postque, videtur idem, accipe, quaesitae quae causa sit altera formae, hanc simul ut noris officiumque meum. quicquid ubique vides, caelum, mare, nubila, terras, omnia sunt nostra clausa patentque manu, me penes est unum vasti custodia mundi, et ius vertendi cardinis omne meum est. cum libuit Pacem placidis emittere tectis, libera perpetuas ambulat illa vias: sanguine letifero totus miscebitur orbis, ni teneant rigidae condita Bella serae. praesideo foribus caeli cum mitibus Horis: it, redit officio Iuppiter ipse meo. inde vocor Ianus; cui cum Ceriale sacerdos imponit libum farraque mixta sale, nomina ridebis: m o d o namque Patulcius idem et modo sacrifico Clusius ore vocor. scilicet alterno voluit rudis illa vetustas nomine diversas significare vices, vis mea narrata est; causam nunc disce figurae: iam tamen hanc aliqua tu quoque parte vides, omnis habet geminas, hinc atque hinc, ianua frontes, e quibus haec populum spectat, at illa Larem, utque sedens primi vester prope limina tecti ianitor egressus introitusque videt, sic ego perspicio caelestis ianitor aulae Eoas partes Hesperiasque simul.

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ERSTES B U C H • JANUAR

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C h a o s hieß ich vordem, denn ich lebte bereits in der Vorzeit: Schau, so lange ist das, was ich dir künden will, her! Hier, die klare Luft und die drei noch übrigen Teile Feuer, Erde und Flut - waren zusammen noch eins. Als durch die Zwietracht der Dinge sich alles trennte, als, aus der Masse gelöst, jedes Teil suchte den eigenen Platz, Strebte das Feuer e m p o r ; den benachbarten Raum nahm die Luft ein, Während das Land mit dem Meer fest in der Mitte verblieb. Damals nahm ich - ein Ball nur zuvor, ein gestaltloser Klumpen Formen und Glieder an, wie für eine Gottheit sich's ziemt. J e t z t noch - ein kleines Zeichen, daß formlos einst die Gestalt war Scheint mein Hinten und Vorn ein und dasselbe zu sein. H ö r nun den anderen G r u n d der Gestalt, die erklären du möchtest, D a ß du mit dieser zugleich auch noch mein A m t kennenlernst! Was du auch ringsum erblickst - Meer, H i m m e l , Wolken und Erde - , Alles mit eigener H a n d ö f f n ' ich und mach's wieder zu. Liegt doch allein bei mir des unendlichen Weltalls Bewachung; Dessen Angeln zu drehn bin ich alleine befugt. Wenn's mir beliebt, aus dem stillen Hause den Frieden zu senden, Kann er, von keinem gestört, sämtliche Straßen begehn. Blut dagegen und Tod erfüllen alles auf Erden, Wenn nicht der Riegel den Krieg fest in Gefangenschaft hält. Wachsam am Tore des H i m m e l s steh' ich mit den friedlichen H ö r e n : Eingang und Ausgang erhält Jupiter selbst nur durch mich! Janus heiß ich daher. Wenn der Priester den Kuchen aus Mehl mir O p f e r t , mit Salz vermischt, Weizen noch spendet dazu, Lachst du wohl über die N a m e n , da bald ich Patulcius heiße U n d mich des Opfernden M u n d dann wieder Clusius nennt. D e n n die Vorzeit, noch roh, war so durch den Wechsel der N a m e n Klar zu bezeichnen bemüht, was ich so alles betreib'. Was ich vermag, ist erzählt. N u n vernimm noch den G r u n d meines Aussehns, Wenn du auch wohl zum Teil diesen erkannt hast bereits! J e d e T ü r hat zwei Gesichter, eins hierhin, eins dorthin: Eines sieht hin zum Volk, eines zum häuslichen Herd. Wie bei euch ganz vorne im Haus bei der Türschwelle sitzend Eintritt und Austritt zugleich wachend der Pförtner erblickt, So kann auch ich, bestellt zum Pförtner der himmlischen Halle, E o s ' und Hesperus' Reich beide zugleich überschaun.

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LIBER

PRIMUS

ora vides Hecates in tres vertentia partes, servet ut in ternas compita secta vias: et mihi, ne flexu cervicis tempora perdam, cernere non moto corpore bina licet.' dixerat: et voltu, si plura requirere vellem, difficilem mihi se non fore pactus erat, sumpsi animum gratesque deo non territus egi verbaque sum spectans pauca locutus humum: 'die, age, frigoribus quare novus incipit annus, qui melius per ver incipiendus erat? omnia tunc florent, tunc est nova temporis aetas et nova de gravido palmite gemma tumet, et modo formatis operitur frondibus arbor, prodit et in summum seminis herba solum, et tepidum volucres concentibus aera mulcent, ludit et in pratis luxuriatque pecus. tum blandi soles, ignotaque prodit hirundo et luteum celsa sub trabe figit opus: tum patitur cultus ager et renovatur aratro. haec anni novitas iure vocanda fuit.' quaesieram multis; non multis ille moratus contulit in versus sic sua verba duos: 'bruma novi prima est veterisque novissima solis principium capiunt Phoebus et annus idem.' post ea mirabar, cur non sine litibus esset prima dies, 'causam percipe' Ianus ait. 'tempora commisi nascentia rebus agendis, totus ab auspicio ne foret annus iners. quisque suas artes ob idem delibat agendo, nec plus quam solitum testificatur opus.' mox ego: 'cur, quamvis aliorum numina placem, lane, tibi primum tura merumque fero?' 'ut possis aditum per me, qui limina servo, ad quoscumque voles' inquit 'habere deos.' 'at cur laeta tuis dicuntur verba Kalendis, et damus alternas accipimusque preces?'

ERSTES BUCH · JANUAR

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Nach drei Seiten gewendet kannst Hekates Antlitz du sehen, Weil sie das Wegkreuz bewacht, welches sich dreifach zerteilt: So wurde mir, daß ich Zeit nicht verlöre beim Wenden des Hauptes, Nach zwei Seiten zu schaun ohne Umdrehung, verliehn.» Sprach's und gab für den Fall, daß ich mehr wissen wollt', mit der Miene Mir die Gewißheit, daß er keineswegs ungnädig sei. Dadurch gewann ich Mut und dankte dem Gotte jetzt furchtlos, Blickte zu Boden und sprach wenige Worte darauf: «Sag doch, warum denn das Jahr gerade zur Kältezeit anfängt, Wo's doch viel sinnvoller war', wenn's mit dem Frühling begann'! Alles erblüht dann, dann fängt die neue Saison an, die neue Knospe schwillt aus dem jetzt treibenden Rebstock empor. Dann bedeckt sich der Baum mit den frisch entsprossenen Blättern; Uber den Boden hinaus treibt es die keimende Saat; Lieblicher Vogelgesang erfüllt dann die lauwarmen Lüfte, Und auf dem Weideland spielt, munter sich tummelnd, das Vieh. Dann scheint die Sonne, zurück ist, schon fremd uns geworden, die Schwalbe, Baut unterm hohen Gebälk wieder aus Lehm sich ihr Nest. Dann fügt das Land sich dem Bauern und wird unterm Pfluge erneuert: Die Zeit würde mit Recht Anfang des Jahres genannt!» Wortreich hatt' ich gefragt, nicht wortreich und kurz nur verzögert Waren die Worte, die er so in ein Distichon goß: «Sonnenwende im Winter ist Wechsel der alten zur neuen Sonne, denselben Beginn nehmen dann Phöbus und Jahr.» Darauf fragt' ich verwundert, warum von Prozessen nicht frei sei Immer der erste Tag. «Höre», sprach Janus, «den Grund! Eigens für Rechtsgeschäfte gab frei ich den Anfang des Jahres; Sonst gäb's ein Vorzeichen für dauernde Faulheit im Jahr. Drum schmeckt jeder nur kurz hinein in die Tätigkeit: Heute Reicht's, daß gezeigt wird, was sonst während der Arbeit geschieht.» Darauf sprach ich: «Warum, auch wenn anderen Göttern ich opfre, Bringe ich, Janus, dann dir Weihrauch und Wein stets zuerst?» «Daß du den Zutritt durch mich, der ich die Schwellen bewache», Sprach er, «zu jeglichem Gott findest, zu dem du es wünschst.» «Doch warum sagt man frohe Worte an deinen Kaienden, Spricht einander dabei Glückwünsche aus, ja warum?»

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LIBER

PRIMUS

tum deus incumbens báculo, quod dextra gerebat, 'omina principiis' inquit 'inesse soient, ad primam vocem tímidas advertitis aures, et visam primum consulit augur avem. templa patent auresque deum, nec lingua caducas concipit ulla preces, dictaque pondus habent.' desierat Ianus. nec longa silentia feci, sed tetigi verbis ultima verba meis: 'quid volt palma sibi rugosaque carica' dixi 'et data sub niveo candida mella cado?' 'omen' ait 'causa est, ut res sapor ille sequatur et peragat coeptum dulcis ut annus iter.' 'dulcía cur dentur, video: stipis adice causam, pars mihi de festo ne labet ulla tuo.' risit et 'o quam te fallunt tua saecula' dixit, 'qui stipe mei sumpta dulcius esse putas! vix ego Saturno quemquam regnante videbam, cuius non animo dulcia lucra forent, tempore crevit amor, qui nunc est summus, habendi: vix ultra, quo iam progrediatur, habet, pluris opes nunc sunt quam prisci temporis annis, dum populus pauper, dum nova R o m a fuit, dum casa Martigenam capiebat parva Quirinum, et dabat exiguum fluminis ulva torum. Iuppiter angusta vix totus stabat in aede, inque Iovis dextra fictile fulmen erat, frondibus ornabant quae nunc Capitolia gemmis, pascebatque suas ipse senator oves: nec pudor in stipula placidam cepisse quietem et fenum capiti subposuisse fuit, iura dabat populis posito modo praetor aratro, et levis argenti lammina crimen erat, at postquam fortuna loci caput extulit huius et tetigit summo vertice R o m a deos, creverunt et opes et opum furiosa cupido, et, cum possideant plurima, plura petunt.

ERSTES BUCH · JANUAR

17

Auf den Stab in der Rechten gestützt, entgegnete Janus: «Immer enthält der Beginn Zeichen der Zukunft bereits. Ängstlich aufs erste Wort sind bei euch die Ohren gerichtet, Immer den ersten Flug schaun die Auguren sich an. Offen sind Tempel und Ohren der Götter: Die Zunge, die betet, Tut's nicht umsonst; was sie sagt, hat dabei immer Gewicht.» Janus hatte geendet; doch ich, nicht lange verstummend, Fügte dem letzten Wort gleich eine Frage noch an: «Was soll die Dattel als Gabe und was die runzlige Feige, Was in dem weißen Krug schimmernder Honig dazu?» «Vorzeichen sind sie dafür, daß die Süße den Dingen auch nachfolgt, Daß das begonnene Jahr angenehm ende den Lauf.» «Süße Geschenke versteh' ich; doch sage mir auch noch, warum man Geld schenkt, damit ich das Fest wirklich als Ganzes begreif'!» Lachend sagte er: «O wie schlecht kennst du dein Jahrhundert; Glaubst du doch, süßer als Geld wäre ein Honiggeschenk! Selbst als Saturnus regierte, da sah kaum einen ich, dessen Herz nicht Gewinn an Gold als etwas Süßes empfand! Habgier wuchs mit der Zeit und ist jetzt wohl am größten geworden; Steigerung drüber hinaus gibt es jetzt kaum noch für sie! Jetzt gilt der Reichtum mehr als einst zu den Zeiten der Ahnen, Als die Bevölkerung arm, neu unser Rom hier noch war, Als Mars' Sohn, den Quirinus, die kleine Hütte noch aufnahm, Klein das Lager war, das Schilfrohr vom Flusse ihm bot. Kaum konnte Jupiter aufrecht in seinem Heiligtum stehen, In seiner Rechten der Blitz war nur aus einfachem Ton. Laub nahm man fürs Kapitol als Schmuck - heut sind es Juwelen - , Und ein Senator war selber ein Schafhirt zugleich. Schande brachte es nicht, sanfte Ruhe auf Strohwerk zu finden, Auf ein Kissen von Heu niederzulegen das Haupt. Recht sprach der Prätor dem Volk am eben verlassenen Pfluge; Hatte man Silberblech, war's dünn auch nur, galt's als Vergehn. Doch seit das Glück dieses Orts dessen Haupt erhob, seit mit dem Scheitel Roma hoch hinauf, bis zu den Göttern gar, reicht, Wuchsen die Schätze, mit ihnen der Wahnsinn der Gier nach den Schätzen; Immer erstrebt man noch mehr, wenn man das meiste schon hat.

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LIBER

PRIMUS

quaerere, ut absumant, absumpta requirere certant, atque ipsae vitiis sunt alimenta vices: sic quibus intumuit suffusa venter ab unda, quo plus sunt potae, plus sitiuntur aquae, in pretio pretium nunc est: dat census honores, census amicitias; pauper ubique iacet. tu tarnen auspicium si sit stipis utile, quaeris, curque iuvent nostras aera vetusta manus? aera dabant olim: melius nunc omen in auro est, victaque concessit prisca moneta novae, nos quoque templa iuvant, quamvis antiqua probemus, aurea: maiestas convenit ipsa deo. laudamus veteres, sed nostris utimur annis: mos tarnen est aeque dignus uterque coli.' finierat monitus. placidis ita rursus, ut ante, clavigerum verbis adloquor ipse deum: 'multa quidem didici: sed cur navalis in aere altera signata est, altera forma biceps?' 'noscere me duplici posses ut imagine' dixit, 'ni vetus ipsa dies extenuasset opus, causa ratis superest: Tuscum rate venit ad amnem ante pererrato falcifer orbe deus, hac ego Saturnum memini tellure receptum: caelitibus regnis a love pulsus erat, inde diu genti mansit Saturnia nomen; dieta quoque est Latium terra latente deo. at bona posteritas puppem formavit in aere, hospitis adventum testificata dei. ipse solum colui, cuius placidissima laevum radit harenosi Thybridis unda latus, hic, ubi nunc Roma est, incaedua silva virebat, tantaque res paucis pascua bubus erat, arx mea Collis erat, quem volgo nomine nostro nuncupat haec aetas Ianiculumque vocat. tunc ego regnabam, patiens cum terra deorum esset, et humanis numina mixta locis.

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ERSTES BUCH · JANUAR

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Raffen, verschwenden will man, Verschwendetes wieder erraffen, G r a d durch den Wechsel dabei werden die Laster genährt. So geht's Menschen, bei denen der Bauch von der Wassersucht anschwoll: Trinken sie Wasser, dann wächst ihnen der Durst um so mehr. Geltung hat heut nur das Geld, es bringt die Amter, es bringt auch Freundschaften; überall gilt: Armut streckt nieder den Mann! D u aber fragst, ob es etwas Gutes bedeutet, wenn Geld man Schenkt, und warum es uns freut, kriegen das Kupfergeld wir? Kupfer gab einst man, jetzt gilt das G o l d als das bessere O m e n ; N e u e s Geld hat gesiegt, älteres räumte den Platz! M a g mir das Alte gefallen - auch mich erfreut's, ist mein Tempel Golden: Für einen G o t t ziemt auch die Würde sich jetzt! Loben wir frühere Jahre, so leben wir doch nun mal heute; Beiderlei Sitte gebührt Ehre im nämlichen Maß!» Damit Schloß seine Mahnung. Ich richte wie vorher schon an den Schlüsseltragenden Gott wiederum freundlich das Wort: «Viel hab' ich zwar schon gelernt, doch warum nur sieht auf dem As man Vorn einen doppelten K o p f , hinten das Bild eines Schiffs?» « D a ß du im doppelten Bild mich erkennen kannst», gab er zur Antwort, «Wenn mit der Länge der Zeit nicht auch die Prägung verschwand. Bleibt noch der G r u n d für das Schiff! Der sicheltragende Gott fuhr Q u e r durch den Erdkreis damit, kam bis zum tuskischen Strom. Hier — ich erinnre mich — wurde dann aufgenommen Saturnus, Den aus dem himmlischen Reich Jupiter hatte verbannt. Lang hieß deshalb saturnisch der hiesige Volksstamm, die Landschaft Nannte man Latium auch, weil sich der Gott dort verbarg. Fromm aber prägte die Nachwelt das Schiff auf die kupfernen Münzen; Nachweis ist's, daß als Gast einstmals hier ankam der Gott. Ich bewohne das Land, dessen linke Seite der gelbe Tiber mit seiner Flut, ruhig sich wälzend, bespült. Hier, wo jetzt R o m ist, da grünte einstmals ein Urwald, und was so G r o ß werden sollte, das bot wenigen Rindern ihr Gras. Meine Burg war der Hügel, welchem gemeinhin in dieser Zeit meinen N a m e n man gab, also Janiculum nennt. Damals war König ich, als die Erde noch Götter trug und im Land hier das Göttergeschlecht noch mit den Menschen sich traf.

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LIBER

PRIMUS

nondum Iustitiam facinus mortale fugarat (ultima de superis illa reliquit humum), proque metu populum sine vi pudor ipse regebat; nullus erat iustis reddere iura labor, nil mihi cum bello: pacem postesque tuebar et', clavem ostendens, 'haec' ait 'arma gero.' presserat ora deus, tunc sic ego nostra resolvi, voce mea voces eliciente dei: 'cum tot sint iani, cur stas sacratus in uno, hic ubi iuncta foris tempia duobus habes?' ille, manu mulcens propexam ad pectora barbam, protinus Oebalii rettulit arma Tati, utque levis custos, armillis capta, Sabinos ad summae tácitos duxerit arcis iter, 'inde, velut nunc est, per quem descendais', inquit 'arduus in valles per fora clivus erat, et iam contigerat portam, Saturnia cuius dempserat oppositas invidiosa seras, cum tanto veritus committere numine pugnam, ipse meae movi callidus artis opus oraque, qua pollens ope sum, fontana reclusi sumque repentinas eiaculatus aquas. ante tamen madidis subieci sulpura venis, clauderet ut Tatio fervidus u m o r iter, cuius ut utilitas pulsis percepta Sabinis, quae fuerat, tuto reddita f o r m a loco est; ara mihi posita est parvo coniuncta sacello: haec adolet flammis cum strue farra suis.' 'at cur pace lates, motisque recluderis armis?' nec mora, quaesiti reddita causa mihi est: 'ut populo reditus pateant ad bella profecto, tota patet dempta ianua nostra sera. pace fores o b d o , ne qua discedere possit; Caesareoque diu numine clausus ero.' dixit et attollens oculos diversa videntes aspexit toto quicquid in orbe fuit:

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N o c h war Justitia nicht durch der Menschen Verbrechen vertrieben Von allen Göttern zuletzt sie ja die Erde verließ - , Ehrfurcht statt Furcht regierte das Volk, das Gewalt auch nicht kannte; Unter Gerechten Recht sprechen - es war noch normal. Krieg war mir fremd. Ich beschirmte das Tor und den Frieden; den Schlüssel», Sprach er und zeigte auf ihn, «trag' ich als Waffe allein.» Seinen Mund Schloß der Gott; ich öffnete wieder den meinen, Daß ich mit meinem Wort brächte zum Sprechen den G o t t : « N u r in einem der Janusbögen stehst du, w o beide Foren dein Tempel vereint, dort nur geheiligt - warum?» Gleich erzählte er mir des Obaliers Tatius K ä m p f e Während den Bart, der zur Brust wallend herabfiel, er strich - , Auch, wie die Wächterin, durch den Armschmuck verführt, voller Leichtsinn Heimlich zur Burg hinauf wies den Sabinern den Weg. « D o r t herab ging ein steiler H a n g - noch heut steigt ihr abwärts Auf das Forum, von da tief in die Täler hinab. Schon war das Tor erreicht, dessen Einhalt gebietende Riegel Vorher Saturnia schon haßerfüllt hatte entfernt, Als ich, aus Scheu, den Kampf mit der mächtigen Göttin zu wagen, Schlau ins Werk setzte, was meine Geschicklichkeit fand: Ließ mit all meiner Kraft einer Q u e l l e Mündung sich öffnen, Daß aus der Tiefe empor plötzlich hervorschoß die Flut. Schwefel jedoch zuvor den Wasseradern ich beigab, D a ß ein glühender Strom sperre des Tatius Weg. Als die Sabiner dann flohn und damit sein Zweck sich erfüllte, G a b ich dem sicheren Platz wieder die alte Gestalt. Mir baute man ein kleines Heiligtum mit einem Altar, Wo die Flamme für mich Kuchen und Dinkel verbrennt.» «Warum öffnet man dich im Krieg, schließt zu dich im Frieden?», Fragte ich und bekam schnell die Erklärung genannt: « D a ß dem Volk, das ins Feld zog, offen dann stehe die Heimkehr, Fallen die Riegel, so daß ganz sich eröffnet das Tor. Ist dann Frieden, verschließ ich's; er kann nicht entweichen, und lange Werde verschlossen ich sein; so will es Caesars Befehl.» Sprach's und hob seine Augen; nach allen Seiten dann blickend Schaute er rings im Kreis, was auf der Erde geschah:

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PRIMUS

pax erat, et vestri, Germanice, causa triumphi, tradiderat famulas iam tibi Rhenus aquas, lane, fac aeternos pacem pacisque ministros, neve suum praesta deserat auctor opus. quod tamen ex ipsis licuit mihi discere fastis, sacravere patres hac duo tempia die. accepit Phoebo nymphaque Coronide natum insula, dividua quam premit amnis aqua. Iuppiter in parte est: cepit locus unus utrumque, iunctaque sunt magno tempia nepotis avo.

Quid vetat et stellas, ut quaeque oriturque caditqi dicere? promissi pars sit et ista mei. felices animae, quibus haec cognoscere primis inque domos superas scandere cura fuit! credibile est illos pariter vitiisque locisque altius humanis exseruisse caput, non Venus et vinum sublimia pectora fregit officiumque fori militiaeve labor; nec levis ambitio perfusaque gloria fuco magnarumque fames sollicitavit opum. admovere oculis distantia sidera nostris aetheraque ingenio subposuere suo. sic petitur caelum, non ut ferat Ossan Olympus summaque Peliacus sidera tangat apex, nos quoque sub ducibus caelum metabimur illis, ponemusque suos ad vaga signa dies, ergo ubi nox aderit Venturis tertia Nonis, sparsaque caelesti rore madebit humus, octipedis frustra quaerentur bracchia Cancri: praeceps occiduas ille subibit aquas.

Institerint Nonae, missi tibi nubibus atris signa dabunt imbres exoriente Lyra.

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Da war Frieden, und dir, Germanicus, hatte der Rheingott Grund war's für euren Triumph - dienstbar gemacht seine Flut. Ewig laß Friede sein, ewig laß leben die, die ihm dienen, Janus, und gib, daß sein Werk niemals der Schöpfer verläßt! Wie ich jedoch den Fasten direkt zu entnehmen vermochte, Weihten die Väter einst zwei Tempel am heutigen Tag. Ihn, der Nymphe Koronis Sohn und des Phöbus Apollon, Nahm die Insel, umsäumt doppelt vom Strome, einst auf. Jupiter teilt sie mit ihm. Ein Ort nahm beide auf, mit des Enkels Tempel vereint wurde der mächtige Ahn. j.Januar Was untersagt mir, vom Kommen und Gehen der Sterne zu künden? Dies soll ein Teil von dem, was ich versprochen hab', sein! Glücklich die, die zuerst sich dies zu erkennen bemühten, Die bis ins himmlische Reich aufwärts zu steigen es trieb! Sie, darf man glauben, erhoben ihr Haupt zugleich über alle Laster des Menschengeschlechts und dessen Wirkungsbereich! Nicht konnten Venus und Wein das Streben nach Höherem hemmen, Nicht der Rhetorenberuf, noch auch das Handwerk des Kriegs; Eitler Ehrgeiz hat nicht, noch der Ruhm im Purpurgewande Sie verlockt, noch die Gier, stets zu vermehren ihr Gut. Unseren Augen brachten sie nahe die fernen Gestirne, Hoben den Geist sogar über den Äther empor. So geht's zum Himmel und nicht, indem auf Olympus man Ossa Türmt und das Sternenzelt Pelions Gipfel berührt! Ich auch durchmesse, von ihnen geführt, den Himmelsraum, jedes Flüchtige Sternbild zugleich ordnend zum richtigen Tag. Also, sobald die dritte Nacht vor den kommenden Nonen Eintritt und himmlischer Tau ringsum das Erdreich benetzt, Sucht man vergeblich nach den Scheren des achtfüß'gen Krebses: Denn in das westliche Meer taucht er kopfüber hinab. Januar Regen, aus schwarzem Gewölk sich ergießend, verrät, daß die Nonen Da sind; am nämlichen Tag zeigt sich das Lyragestirn.

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PRIMUS

Quattuor adde dies ductos ex ordine Nonis, Ianus Agonali luce piandus erit. nominis esse potest succinctus causa minister, hostia caelitibus quo feriente cadit, qui calido strictos tincturus sanguine cultros semper agatne rogat nec nisi iussus agit, pars, quia non veniant pecudes, sed agantur, ab actu nomen Agonalem credit habere diem, pars putat hoc festum priscis Agnalia dictum, una sit ut proprio littera dempta loco, an, quia praevisos in aqua timet hostia cultros, a pecoris lux est ipsa notata metu? fas etiam fieri solitis aetate priorum nomina de ludis Graeca tulisse diem. et pecus antiquus dicebat agonia sermo; veraque iudicio est ultima causa meo. utque ea non certa est, ita rex placare sacrorum numina lanigerae coniuge debet ovis.

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victima, quae dextra cecidit victrice, vocatur; hostibus a domitis hostia nomen habet, ante, deos homini quod conciliare valeret, far erat et puri lucida mica salis, nondum pertulerat lacrimatas cortice murras

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acta per aequoreas hospita navis aquas, tura nec Euphrates nec miserat India costum, nec fuerant rubri cognita fila croci, ara dabat fumos herbis contenta Sabinis, et non exiguo laurus adusta sono; siquis erat, factis prati de flore coronis qui posset violas addere, dives erat, hic, qui nunc aperit percussi viscera tauri, in sacris nullum culter habebat opus, prima Ceres avidae gavisa est sanguine porcae, ulta suas merita caede nocentis opes: nam sata vere novo teneris lactentia sulcis eruta saetigerae comperit ore suis.

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9. Januar Füge den Nonen hinzu vier Tage entsprechend der Ordnung: Dann wird Janus versöhnt am Agonalientag. Bei der Deutung des Worts hilft wohl der gegürtete Diener, Der für die Götter das Tier tötet, indem er's durchbohrt. Zückt er das Messer, welches mit warmem Blut er dann rötet, Fragt er erst: «Soll ich's tun?», tut er's doch nur auf Befehl. Andere glauben, da stets das Vieh nur kommt, wenn's geführt wird, Gehe der Name des Tags auf das Wort «führen» zurück. Manche meinen, es hieß Agnalien früher der Festtag, Ein Vokal also sei von seinem Platze entfernt. Oder hat, weil voll Angst das Opfer im Wasser den Dolch sieht, Dieses Fest von des Tiers Bangen den Namen gekriegt? Möglich auch ist, denkt man an Wettkämpfe früherer Zeiten, Daß der Name des Tags griechischen Ursprunges ist. Schließlich hieß agonia «Vieh» in der Sprache der Alten, Was als der richtige Grund mir für den Namen erscheint. Doch es bleibt ungeklärt. Feststeht, daß der König der Priester Mit dem wolligen Bock Sühne den Himmlischen bringt. Vidima heißt das Opfer, gefällt von der Rechten des Siegers, Hostia wurde benannt nach dem bezwungenen Feind. Wollte vorher der Mensch sich die Götter geneigt machen, waren Dinkel und helles Korn reinlichen Salzes genug. Hatte das Schiff doch noch nicht durch die Fluten des Meeres der Myrrha Tränen, entquollen des Baums Rinde, von fern her gebracht. Weihrauch sandte noch nicht der Euphrat, nicht Indien Balsam, Noch war des Safrans Blatt, rötlich und schmal, schon bekannt. Rauchte doch der Altar, mit Sabinerkraut auch zufrieden! Lorbeer brannte, und laut hörte man's knistern dabei. Gab's dann mal einen, der den Kränzen aus Blumen der Wiese Veilchen noch fügte hinzu, hielt man für wohlhabend ihn. Ja, das Messer, das heute das Innre des Opferstiers öffnet, Hatte zu jener Zeit nichts mit dem Opfer zu tun. Ceres erfreute zuerst sich am Blut des gefräßigen Schweines, Die durch des Schädlings Tod rechtmäßig rächte die Saat. Denn - so erfuhr sie - im Lenz, als die Saaten den Furchen entsprossen, Wühlte das borstige Tier sie mit dem Rüssel heraus.

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PRIMUS

sus dederat poenas: exemplo territus huius palmite debueras abstinuisse, caper, quem spectans aliquis dentes in vite prementem, talia non tacito dicta dolore dédit: 'rode, caper, vitem: tarnen hinc, cum stabis ad aram in tua quod spargi cornua possit, erit.' verba fides sequitur: noxae tibi deditus hostis spargitur adfuso cornua, Bacche, mero, culpa sui nocuit, nocuit quoque culpa capellae: quid bos, quid placidae commeruistis oves? flebat Aristaeus, quod apes cum stirpe necatas viderat inceptos destituisse favos; caerula quem genetrix aegre solata dolentem addidit haec dictis ultima verba suis: 'siste, puer, lacrimas: Proteus tua damna levabit, quoque modo repares quae periere, dabit. decipiat ne te versis tamen ille figuris, impediant geminas vincula firma manus.' pervenit ad vatem iuvenis resolutaque somno alligat aequorei bracchia capta senis. ille sua faciem transformis adulterat arte; mox domitus vinclis in sua membra redit oraque caerulea tollens rorantia barba 'qua' dixit 'repares arte, requiris, apes? obrue mactati corpus tellure iuvenci: quod petis a nobis, obrutus ille dabit.' iussa facit pastor; fervent examina putrì de bove: mille animas una necata dedit. poscit ovem fatum: verbenas improba carpsit, quas pia dis ruris ferre solebat anus, quid tuti superest, animam cum ponat in aris lanigerumque pecus ruricolaeque boves? placat equo Persis radiis Hyperiona cinctum, ne detur celeri victima tarda deo. quod semel est geminae pro virgine caesa Dianae, nunc quoque pro nulla virgine cerva cadit. exta canum vidi Triviae libare Sapaeos et quicumque tuas accolit, Haeme, nives.

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Büßen mußte das Schwein. D u , Bock, hättst, abgeschreckt durch das Beispiel gut dran getan, hättst du den Weinstock geschont! Einer, der ihn dabei sah, wie er in den Weinstock den Zahn grub, H a t seinem Arger L u f t dadurch gemacht, daß er sprach: « N a g nur am Weinstock, Bock! D o c h stehst du dereinst am Altare, N i m m t man von hier den Wein, dir zu besprengen das H o r n ! » So wie er's sagte, traf's ein: Dir, Bacchus, zur Sühne gegeben, Kriegt dein Feind den Wein über die Hörner gesprengt. Büßen mußte das Schwein seine Schuld, und es büßte das Böcklein Was habt ihr denn nun, Rind, friedliche Lämmer, getan? Weinend sah Aristäus, daß tot seine Bienen mit ihrer Brut waren, daß sie verwaist ließen die Waben zurück. In seinem G r a m konnte ihn kaum trösten die meerfarbne Mutter. D e m , was sie zu ihm sprach, fügte sie dies noch hinzu: «Laß jetzt die Tränen, mein Kind! Wiedergutmachen wird dir ja Proteus Deinen Verlust, und er wird sagen, wie du ihn ersetzt. Aber damit er dich nicht durch seine Verwandlungen täusche, Halte der Fesseln Zwang seine zwei H ä n d e ihm fest!» Zu dem Seher gelangt der Jüngling und fesselt dem Meergreis Beide A r m e ; weil der schlaftrunken ist, geht das leicht. Zwar verwandelt er sich mit List und verändert sein Aussehn, D o c h in die wahre Gestalt zwingt ihn die Fessel zurück, U n d , sein nasses Gesicht mit dem bläulichen Barte erhebend, Sprach er: « D u forschst nach der Kunst, die dir die Bienen ersetzt? Schlacht einen Jungstier, und den vergrab in der Erde; er wird dir Wenn er vergraben ist, geben, was du von mir wünschst!» Wie befohlen vollführt's der H i r t ; aus dem faulenden Rinde Wimmeln die Schwärme - es gab Tausenden Leben im Tod ! D o c h auch das L a m m holt der Tod, weil es boshaft Zweige sich rupfte, Die den Göttern der Flur fromm eine Alte sonst gab. Was ist sicher noch, wenn sein Leben läßt am Altar das Wolletragende Schaf, mit ihm das pflügende Rind? Persien opfert ein Roß Hyperion, dem strahlenumkränzten: Schnell, wie er ist, verschmäht langsame Tiere der Gott. Weil für Diana, die Schwester, die Hirschkuh fiel statt der Jungfrau, Fällt sie noch heute, jedoch nicht als ein Jungfrau-Ersatz. Hundseingeweide bringt der Sapäer und alles, was, H ä m u s , Auf deinen Schneebergen wohnt, Trivia dar - ja, ich sah's!

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PRIMUS

caeditur et rigido custodi ruris asellus; causa pudenda quidem, sed tarnen apta deo. festa corymbiferi celebrabas, Graecia, Bacchi, tertia quae solito tempore bruma refert. di quoque cultores in idem venere Lyaei et quicumque iocis non alienus erat, Panes et in Venerem Satyrorum prona iuventus quaeque colunt amnes solaque rura deae. venerat et senior pando Silenus asello, quique ruber pavidas inguine terret aves. dulcía qui dignum nemus in convivía nacti gramine vestitis accubuere toris: vina dabat Liber, tulerat sibi quisque coronam, miscendas parce rivus agebat aquas. Naides effusis aliae sine pectinis usu, pars aderant positis arte manuque comis; illa super suras tunicam collecta ministrat, altera dissuto pectus aperta sinu; exserit haec umerum, vestes trahit illa per herbas, impediunt teneros vincula nulla pedes. hinc aliae Satyris incendia mitia praebent, pars tibi, qui pinu tempora nexa geris: te quoque, inexstinctae Silene libidinis, urunt: nequitia est, quae te non sinit esse senem. at ruber, h o n o r u m decus et tutela, Priapus omnibus ex illis Lotide captus erat: hanc cupit, hanc optat, sola suspirat in illa, signaque dat nutu sollicitatque notis. fastus inest pulchris, sequiturque superbia formam: inrisum voltu despicit illa suo. nox erat, et vino somnum faciente iacebant corpora diversis vieta sopore locis; Lotis in herbosa sub acernis ultima ramis, sicut erat lusu fessa, quievit humo, surgit amans animamque tenens vestigia furtim suspenso digitis fert taciturna gradu.

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Eselchen schlachtet man für den starren Bewacher der Gärten: Ist auch obszön der Grund, paßt er doch gut zu dem Gott! Bacchus', des efeubekränzten, Fest begingst du grad, Hellas, Das, sind zwei Winter vorbei, abläuft zur üblichen Zeit. Als Lyäus' Verehrer gingen die Götter auch hin und Jeder, der einem Scherz keineswegs abgeneigt war, Pane und Satyrn, die Schar, die der Venus ergeben ist; aus den Flüssen, von einsamer Flur kamen die Göttinnen her, Auch der alte Silen, auf gekrümmtem Esel, und jener Rote, der mit dem Glied ängstliche Vögel erschreckt. Als sie den richtigen Hain für ein frohes Gelage gefunden Hatten, legten sie sich nieder auf Polster aus Gras. Liber spendete Wein, einen Kranz hatte jeder schon bei sich, Wasser, das man mit Wein sparsam vermischt, gab der Bach. Ungekämmt wallte herab das Haar einem Teil der Najaden, Anderen hatte die Hand kunstreich die Haare gelegt. Eine serviert, die ihr Kleid bis über die Waden gerafft hat, Eine im offnen Gewand, das ihre Brüste entblößt, Die läßt die Schulter frei, und die zieht durchs Gras eine Schleppe, Frei ist der zierliche Fuß allen vom lästigen Band. So entfachen die einen Liebesglut in den Satyrn, Andre in dir, der ums Haupt trägt einen fichtenen Kranz; Du auch, Silen, entbrennst, unersättlich in deinem Begehren; Deine Lüsternheit ist's, die dich nicht alt werden läßt! Aber Priapus, dem roten, dem Schutz und der Zierde der Gärten, Hatte von allen allein Lotis die Sinne geraubt. Sie verlangt und begehrt er, und all sein Seufzen gilt ihr nur, Ihr gibt er Zeichen und winkt, macht auf sich aufmerksam sie. Doch wer schön ist, ist stolz, und Hochmut begleitet die Schönheit: Voller Verachtung im Blick treibt sie mit ihm ihren Spott. Nacht war's, es hatte der Wein alle müde gemacht, und sie hatten Sich, vom Schlaf übermannt, hierhin und dorthin gelegt. M ü d e vom Spiel, wie sie war, lag unter den Zweigen des Ahorns Lotis schlafend im Gras, weit von den andren entfernt. Da steht auf der Verliebte und schleicht auf den Zehen, den Atem Anhaltend, heimlich und leis näher zu ihr sich heran.

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LIBER

PRIMUS

ut tetigit niveae secreta cubilia nymphae, ipsa sui flatus ne sonet aura, cavet; et iam finitima corpus librabat in herba: ilia tarnen multi plena soporis erat. gaudet et a pedibus tracto velamine vota ad sua felici coeperat ire via. ecce rudens rauco Sileni vector asellus intempestivos edidit ore sonos. territa consurgit nymphe manibusque Priapum reicit et fugiens concitat omne nemus. at deus, obscena nimium quoque parte paratus, omnibus ad lunae lumina risus erat, morte dédit poenas auctor clamoris; et haec est Hellespontiaco victima grata deo. intactae fueratis aves, solacia ruris, adsuetum silvis innocuumque genus, quae facitis nidos et plumis ova fovetis et facili dulces editis ore modos; sed nihil ista iuvant, quia linguae crimen habetis, dique putant mentes vos aperire suas, nec tarnen hoc falsum: nam, dis ut próxima quaeque, nunc pinna veras, nunc datis ore notas, tuta diu volucrum proles tum denique caesa est, iuveruntque déos indicis exta sui. ergo saepe suo coniunx abducta marito uritur Idaliis alba columba focis. nec defensa iuvant Capitolia, quo minus anser det iecur in lances, Inachioti, tuas, nocte deae N o e t i cristatus caeditur ales, quod tepidum vigili provocet ore diem.

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interea Delphin d a r u m super aequora sidus tollitur et patriis exserit ora vadis.

Postera lux hiemem medio discrimine signât, aequaque praeteritae quae superabit erit.

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Als er zum abgelegenen Lager der schneeweißen Nymphe Kommt, paßt er immer noch auf, daß man sein Atmen nicht hört. Schon stand schwebend auf Zehenspitzen er dicht neben ihrem Lager aus Gräsern, jedoch sie lag im Tiefschlaf vor ihm. Froh war er, zog das Kleid von den Füßen ihr, fing auch schon an, auf Glücklichem Wege zum Ziel seines Verlangens zu gehn Da tat plötzlich der Esel, das Reittier Silens, aus dem rauhen Hals einen brüllenden Schrei, grade zur Unrechten Zeit! Auf springt erschrocken die Nymphe und stößt mit den Händen Priapus Von sich, flüchtet und weckt alle im Hain aus dem Schlaf. Doch der Gott, dessen Schamglied noch allzu deutlich bereitstand, Diente beim Scheine des Monds allen zu fröhlichem Spott. Mit dem Tod büßte er, der den Lärm machte; ihn nun auch nimmt der Hellespontische Gott gerne als Opfertier an. Ihr wart verschont noch geblieben, ihr, Trost der Fluren, die Vögel, Die ihr, ein harmloses Volk, Wälder als Wohnraum benutzt, Nester erbaut und die Eier warm haltet mit eueren Federn, Liebliche Weisen, die ihr leichthin hervorbringt, auch singt. Das aber hilft euch nichts! Denn - so wirft man euch vor, und die Götter Glauben's - ihr tut, was sie vorhaben, öffentlich kund. Gar nicht falsch! Denn je näher den Göttern ihr seid, desto sichrer Sind die Zeichen, die ihr kündet mit Feder und Mund. Lange verschont, wurde auch der Vögel Brut nun zum Opfer, Und des Verräters Fleisch freute der Himmlischen Herz. Daher wird jetzt, von dem Männchen getrennt, die schneeweiße Taube O f t auf Idaliums Herd auch als ein Opfer verbrannt. Nichts gewinnt durch die Rettung der Burg die Gans: Deinen Schüsseln Gibt ihre Leber gleichwohl, Inachus' Tochter, sie her.

[geschlachtet,

^Jachts für die Göttin der Nacht wird der Hahn, den der Kamm schmückt, Weil er den warmen Tag aufweckt durch wachsames Schrein. Uber dem Meer geht indes des Delphins hell leuchtendes Sternbild Auf, der sein Haupt aus der Flut, die seine Heimat ist, reckt. 70. Januar Durch den nächsten Tag wird die Mitte des Winters markiert, denn Der Teil, der übrigbleibt, ist gleich groß wie der, dem er folgt.

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Próxima prospiciet Tithono nupta relicto Arcadiae sacrum pontificale deae. te quoque lux eadem, Tumi soror, aede recepit, hic ubi Virgínea Campus obitur aqua, unde petam causas horum moremque sacrorum? deriget in medio quis mea vela freto? ipsa mone, quae nomen habes a carmine ductum, propositoque fave, ne tuus erret honor, orta prior luna, de se si creditur ipsi, a magno tellus Arcade nomen habet. hinc fuit Euander, qui, quamquam clarus utroque, nobilior sacrae sanguine matris erat; quae, simul aetherios animo conceperat ignes, ore dabat vero carmina plena dei. dixerat haec nato motus instare sibique, multaque praeterea tempore nacta fidem. nam iuvenis nimium vera cum matre fugatus deserit Arcadiam Parrhasiumque larem. cui genetrix flenti 'fortuna viriliter' inquit '(siste, precor, lacrimas) ista ferenda tibi est. sic erat in fatis, nec te tua culpa fugavit, sed deus: offenso pulsus es urbe deo. non meriti poenam pateris, sed numinis iram: est aliquid magnis crimen abesse malis. conscia mens ut cuique sua est, ita concipit intra pectora pro facto spemque metumque suo. nec tamen ut primus maere mala talia passus: obruit ingentes ista procella viros. passus idem est, Tyriis qui quondam pulsus ab oris Cadmus in Aonia constitit exul humo; passus idem Tydeus et idem Pagasaeus Iason, et quos praeterea longa referre mora est. omne solum forti patria est, ut piscibus aequor, ut volucri, vacuo quicquid in orbe patet. nec fera tempestas to to tamen horret in anno: et tibi, crede mihi, tempora veris erunt.'

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Das von den Priestern gefeierte Fest der arkadischen Göttin Sieht des Tithonus Frau, wenn sie ihn tags drauf verläßt. Aber auch dir gab der Tag einen Tempel, Schwester des Turnus, D o r t , w o der Jungfrau Quell sich mit dem Marsfeld vereint. Wo erfahr' ich den G r u n d dieses Festes, w o seine Bräuche? Wer nur zeigt meinem Schiff mitten im Meere den Kurs? Lehre es selbst, die den N a m e n du hast vom Gesang; meinem Plan sei Gnädig, daß fehlerfrei sei, was dir zu Ehren ich sing'! Stimmt die Lokaltradition, ist das Land, das den Namen vom großen Arkas b e k o m m e n hat einst, älter sogar als der M o n d ! H i e r kam Euander her, der, o b w o h l sein Elternpaar adlig War, durch der Mutter Geschlecht größeren Adel erhielt. D e n n , sooft sich ihr Geist mit himmlischem Feuer erfüllte, G a b sie, der G o t t h e i t voll, wahre Verheißungen kund. Unruhen drohten - so hatte sie sich und dem Sohne verkündet - , Vieles andre dazu, das dann erfüllte die Zeit. Allzuwahr sprach die Mutter: Verbannt mit ihr flüchtet der Jüngling Aus dem parrhasischen Haus, fort v o m arkadischen Land. Ihn, der weinte, sprach an die M u t t e r : «Laß bitte die Tränen, D e n n du mußt dies Geschick tragen auf mannhafte A r t ! So war's vorherbestimmt. N i c h t deine Schuld hat verbannt dich, Sondern ein G o t t : I m Zorn trieb dich ein G o t t aus der Stadt. N i c h t eine Strafe erdulden mußt du, sondern göttlichen U n m u t . Glücklich, wer, wenn ihn mit Macht Unglück trifft, frei ist von Schuld! Hängt es doch immer ganz vom Gewissen ab, o b einen Menschen J e nach dem, was er tat, Furcht oder H o f f n u n g erfüllt! Traure auch nicht, als wärst du der erste, der solches erduldet: Männer, die groß waren, hat schon dieser Sturmwind gefällt! Gleiches erlitt ja K a d m u s : Von Tyrus' Gestaden vertrieben, N a h m das aonische Land er sich als O r t des Exils. Gleiches erlitten auch Tydeus und J a s o n , der Held aus Pagasä, A n d r e noch - aber zu weit führt es, zähl' alle ich auf! Überall ist, w o nur Erde es gibt, für den Tapferen Heimat, Wie für die Fische das Meer, wie für die Vögel die Luft. Niemals ein ganzes J a h r lang wütet das Tosen des Sturmes. So wird, glaub mir, für dich auch wieder Frühlingszeit sein!»

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LIBER

PRIMUS

vocibus Euander firmata mente parentis nave secat fluctus Hesperiamque tenet, iamque ratem doctae monitu Carmentis in amnem egerat et Tuscis obvius ibat aquis: fluminis illa latus, cui sunt vada iuncta Tarenti, aspicit et sparsas per loca sola casas; utque erat, immissis puppem stetit ante capillis continuitque manum torva regentis iter, et procul in dextram tendens sua bracchia ripam pinea non sano ter pede texta ferit, neve daret saltum properans insistere terrae, vix est Euandri vixque retenta manu; 'di' que 'petitorurn' dixit 'sálvete locorum, tuque, novos cáelo terra datura deos, fluminaque et fontes, quibus utitur hospita tellus, et nemorum silvae Naiadumque chori, este bonis avibus visi natoque mihique, ripaque felici tacta sit ista pede, fallor, an hi fient ingentia moenia colles, iuraque ab hac terra cetera terra petet? montibus his olim totus promittitur orbis. quis tantum fati credat habere locum? et iam Dardaniae tangent haec li tora pinus: hic quoque causa novi femina Martis erit. care nepos Palla, funesta quid induis arma? indue: non humili vindice caesus eris. vieta tamen vinces eversaque, Troia, resurges: obruit hostiles ista ruina domos, urite victrices Neptunia Pergama flammae: num minus hic toto est altior orbe cinis? iam pius Aeneas sacra et, sacra altera, patrem adferet: Iliacos accipe, Vesta, deos. tempus erit, cum vos orbemque tuebitur idem, et fient ipso sacra colente deo, et penes Augustos patriae tutela manebit: hanc fas imperii frena tenere domum. inde nepos natusque dei, licet ipse recuset, pondera caelesti mente paterna feret,

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Durch seiner Mutter Worte im Geiste gestärkt, lenkt Euander Mitten durchs Meer seines Schiffs Kurs nach Hesperien hin. Schon hatte er es zum tuskischen Fluß gesteuert gemäß dem Rat der Carmentis - es fuhr langsam stromaufwärts das Schiff - , Als sie das Flußufer, wo des Tarentums Furt liegt, erblickt und Einsame Felder, darauf wenige Hütten verstreut. So, wie sie war, mit wallendem Haar, stand am Heck sie des Schiffes, Hielt dann mit starrem Blick fest seines Steuermanns Hand; Weithin streckt sie die Arme jetzt aus nach dem Ufer zur Rechten, Stampft, von der Gottheit erfüllt, dreimal die Bohlen des Schiffs. Ja, kaum konnte die Hand Euanders daran sie noch hindern, Daß sie kopfüber von Bord sprang, zu betreten das Land! «Seid mir gegrüßt, ihr Götter des Lands, das wir suchten,» so rief sie, Du auch, Erde, die neu Götter dem Himmel einst schenkt, Flüsse und Quellen, von denen der gastliche Boden getränkt wird, Nymphen der Haine und du, Chor der Najaden, dazu! Zeiget euch mir und meinem Sohn unter günstigen Zeichen, Und mit glücklichem Fuß werde dies Ufer berührt! Täusch' ich mich, oder werden die Hügel hier riesige Mauern Einst, und von diesem Land holt sich Gesetze die Welt? Diesen Hügeln wird einmal der ganze Erdkreis versprochen. Wer wohl glaubt, daß der Ort das noch als Schicksal erlebt? Bald schon werden dies Ufer dardanische Schiffe berühren; Hier liefert auch, daß erneut Krieg ist, den Grund eine Frau. Pallas, mein lieber Enkel, was greifst du zu tödlichen Waffen? Nimm sie! Du fällst, aber dich rächt ein gewaltiger Held! Troja, besiegt wirst du siegen, zerstört neu erstehen, dein Einsturz Schüttet die Häuser zu, die jetzt deinen Feinden gehörn! Brände, vom Sieger gelegt, zerstört das neptunische Troja: Ragt seine Asche nicht hoch über die Welt noch empor? Heiligtümer schon bringt Aneas und, heilig wie sie, den Vater: Vesta, empfang Iliums Götter von ihm! Kommt doch die Zeit, da euch und die Welt ein Mann nur beschützt und Göttern opfern wird - er, selber ein Gott! - am Altar. Schützer des Vaterlands wird das Haus des Augustus stets bleiben; Dazu, daß es des Reichs Zügel führt, ist es bestimmt. Einst trägt, mag er auch selbst sich weigern, der Enkel und Sohn des Gottes des Vaters Last, göttlichen Sinnes wie er.

LIBER

PRIMUS

utque ego perpetuis olim sacrabor in aris, sic Augusta novum Iulia numen erit.' talibus ut dictis nostras descendit in annos, substitit in medio praescia lingua sono, puppibus egressus Latia stetit exul in herba: felix, exilium cui locus ille fuit! nec mora longa fuit: stabant nova tecta, nec alter montibus Ausoniis Arcade maior erat. ecce boves illuc Erytheidas adplicat heros emensus longi claviger orbis iter, dumque huic hospitium domus est Tegeaea, vagantur incustoditae lata per arva boves. mane erat: excussus somno Tirynthius actor de numero tauros sentit abesse duos, nulla videt quaerens taciti vestigia furti: traxerat aversos Cacus in antra ferox, Cacus, Aventinae timor atque infamia silvae, non leve finitimis hospitibusque malum, dira viro facies, vires pro corpore, corpus grande (pater monstri Mulciber huius erat), proque d o m o longis spelunca recessibus ingens, abdita, vix ipsis invenienda feris; ora super postes adfixaque bracchia pendent, squalidaque humanis ossibus albet humus, servata male parte boum love natus abibat:

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mugitum rauco furta dedere sono. 'accipio revocamen' ait vocemque secutus impia per silvas ultor ad antra venit. ille aditum fracti praestruxerat obice montis; vix iuga movissent quinqué bis illud opus, nititur hie umeris (caelum quoque sederat illis),

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et vastum motu conlabefactat onus, quod simul eversum est, fragor aethera terruit ipsum, ictaque subsedit pondere molis humus, prima movet Cacus conlata proelia dextra remque ferox saxis stipitisbusque gerit.

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So, wie man später mir am Altar stets wieder wird opfern, Nimmt man auch Julia dann neu in den Götterkreis auf!» Als bis in unsere Zeit sie gelangt war mit dem, was sie sagte, Schloß sie mitten im Spruch ihren prophetischen Mund. Dann stieg vom Schiff der Verbannte und stand auf Latiums Boden. Glücklich, wer diesen Ort fand als den Ort des Exils! Kurz nur währte es, dann standen neue Häuser, und keiner Kam dem Arkadier gleich auf den ausonischen Höhn. Schau, Erytheas Rinder! Der keulentragende Heros Treibt sie dorthin, als die Welt weit schon durchmessen er hat. Während er Gast ist im Haus des Arkadiers, schweifen die Rinder In der Weite des Lands ohne den Hüter umher. Früh war's, vom Schlafe erwachte der Hirte aus Tiryns. Da merkt er, Als er das Vieh zählt: Es sind zwei von den Stieren nicht da! Suchend erblickt keine Spur er der heimlich Geraubten: Der dreiste Cacus hatte sie ja rückwärts zur Höhle gezerrt, Cacus, die Schmach und der Schrecken des aventinischen Waldes, Fremden und Anrainern dort eine gewaltige Pein! Wild war das Antlitz, die Kraft entsprechend dem Körper, der Körper Ungeschlacht - Gott Vulkan war der Erzeuger des Biests - , Wohnung gab ihm eine Höhle, mit weiten Schlupfwinkeln, riesig, Abgelegen und kaum auffindbar, selbst für das Wild. Uber den Türpfosten hängen, dort festgemacht, Köpfe und Arme, Weiß ist von Menschengebein, schmutzig, der Boden davor. Jupiters Sohn und der Rest der so schlecht behüteten Rinder Zogen davon, als dumpf tönte der Beute Gebrüll. «Ruft nur zurück mich!», sprach er und, folgend dem Ruf durch die Wälder, Kommt er, zur Rache bereit, hin zu des Frevlers Versteck. Der versperrte den Zugang durch einen Felsblock, und schwerlich Hätten das Ungetüm zehn Ochsengespanne entfernt. Er aber stemmt seine Schultern dagegen - sie trugen den Himmel! - , Schiebt die gewaltige Last, bis sie ins Wanken gerät. Wie er zur Seite sie rollte, da schreckte der Krach selbst den Himmel; Unter dem Riesengewicht senkte der Erdboden sich. Cacus erhebt zunächst die Rechte zum Zweikampf, er führt ihn Grimmig mit Steinen und hat Baumstämme gleichfalls parat.



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PRIMUS

quis ubi nil agitur, patrias male fortis ad artes confugit et flammas ore sonante vomit; quas quotiens proflat, spirare Typhoea credas et rapidum Aetnaeo fulgur ab igne iaci. occupât Alcides, adductaque clava trinodis ter quater adverso sedit in ore viri, ille cadit mixtosque vomit cum sanguine fumos et lato moriens pectore plangit humum, immolât ex illis taurum tibi, Iuppiter, unum victor et Euandrum ruricolasque vocat, constituitque sibi, quae Maxima dicitur, aram, hic, ubi pars Urbis de bove nomen habet, nec tacet Euandri mater prope tempus adesse Hercule quo tellus sit satis usa suo. at felix vates, ut dis gratissima vixit, possidet hune Iani sic dea mense diem.

Idibus in magni castus Iovis aede sacerdos semimaris flammis viscera libat ovis; redditaque est omnis populo provincia nostro et tuus Augusto nomine dictus avus. perlege dispositas generosa per atria ceras: contigerunt nulli nomina tanta viro. Africa victorem de se vocat, alter Isauras aut Cretum domi tas testificatur opes; hunc Numidae faciunt, illum Messana superbum; ille Numantina traxit ab urbe notam: et mortem et nomen Druso Germania fecit; me miserum, virtus quam brevis illa fuit! si petat a victis, tot sumet nomina Caesar quot numero gentes maximus orbis habet. ex uno quidam celebres aut torquis adempti aut corvi títulos auxiliaris habent. Magne, tuum nomen rerum est mensura tuarum: sed qui te vicit, nomine maior erat, nec gradus est supra Fabios cognominis ullus: illa domus meritis Maxima dicta suis.

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Als er damit nichts erreicht, nimmt er feig zu den Künsten des Vaters Seine Zuflucht und speit Flammen aus brüllendem Mund. Faucht er sie aus, dann glaubt man, es atme Typhoeus und einen Blitzschnellen Feuerstrahl schieße der Ätna empor. Doch der Alkide kommt ihm zuvor, nimmt die knotige Keule, Und drei-, viermal mit Schwung sitzt sie dem Feind im Gesicht. Der stürzt nieder und speit mit dem Qualm zusammen sein Blut aus, Schlägt mit der breiten Brust sterbend am Boden dann auf. Einen der Stiere opfert, Jupiter, dir dann der Sieger, Ruft den Euander zu sich, all seine Bauern mit ihm, Und errichtet sich selbst den Altar, der «der Größte» genannt wird, Hier, wo ein Stadtbezirk jetzt nach jenem Rinde noch heißt. Nicht verschweigt Euanders Mutter, es nahe der Zeitpunkt, Da auf Erden genug Herkules habe gelebt. Wie die Prophetin gesegnet und von den Göttern begünstigt War, hat als Göttin den Tag heute im Januar sie. ij. Januar Rein ist der Priester, der an den Iden in Jupiters Tempel Schafseingeweide weiht auf einem flammenden Herd. Alle Gewalt im Reich bekam unser Volk wieder, und dein Großvater wurde zugleich damals Augustus genannt. Lies auf den Wachsmasken in der Adligen Atrien: Keiner, Findest du dann, bekam so einen Namen verliehn! Afrikas Namen trägt der Besieger, ein andrer bezeugt, daß Er der Isaurer Macht oder auch Kreta bezwang. Hoch über andere hebt Numidien diesen, Messina Jenen, Numantias Stadt macht einen dritten berühmt. Seinen Namen und Tod hat Germanien Drusus gegeben Wehe mir Armem, wie kurz lebte der tapfere Mann! Wollte Caesar, er hieße nach denen, die er besiegt hat, Hätte er ebensoviel Namen, wie Völker es gibt! Eine Tat nur gab manchem schon Ruhm: Eine Kette des Gegners Oder ein Rabe, der half, brachte den Titel gleich ein. Magnus, ein Maßstab deiner Taten ist wahrhaft dein Name; Größer vom Namen her war der aber, welcher dich schlug! Nichts jedoch übersteigt den Namen der Fabier: Seinen Taten verdankt das Geschlecht, daß man «das Größte» es nennt!

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PRIMUS

sed tarnen humanis celebrantur honoribus omnes, hic socium summo cum love nomen habet, sancta vocant augusta patres, augusta vocantur templa sacerdotum rite dicata manu: huius et augurium dependet origine verbi et quodcumque sua Iuppiter auget ope. augeat imperium nostri ducis, augeat annos, protegat et vestras querna corona fores: auspicibusque deis tanti cognominis heres omine suscipiat, quo pater, orbis onus.

Respiciet Titan actas ubi tertius Idus, fient Parrhasiae sacra relata deae. nam prius Ausonias matres carpenta vehebant (haec quoque ab Euandri dicta parente reor); mox honor eripitur, matronaque destinât omnis ingratos nulla prole novare viros, neve daret partus, ictu temeraria caeco visceribus crescens excutiebat onus, corripuisse patres ausas immitia nuptas, ius tamen exemptum restituisse ferunt, binaque nunc pariter Tegeaeae sacra parenti pro pueris fieri virginibusque iubent. scortea non illi fas est inferre sacello, ne violent puros exanimata focos. siquis amas veteres ritus, adsiste precanti; nomina percipies non tibi nota prius. Porrima placatur Postvertaque, sive sorores, sive fugae comités, Maenali diva, tuae; altera, quod porro fuerat, cecinisse putatur, altera, venturum postmodo quicquid erat.

Candida, te niveo posuit lux próxima templo, qua fert sublimes alta Moneta gradus, nunc bene prospicies Latiam, Concordia, turbam, nunc te sacratae constituere manus.

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Aber sie alle feiert mit menschlichen Ehren man, er nur Trägt einen Namen, der ihn gleichsetzt mit Jupiter selbst. Nennen augustum ja die Ahnen, was heilig ist; Tempel Werden augusta, wenn Priester sie weihten, genannt. Auch augurium wird von dem gleichen Stamm abgeleitet, Alles ebenso, was Jupiter helfend vermehrt. Möge er mehren das Reich unsres Fürsten, auch mehren die Jahre, Möge der Eichenkranz euch immer beschützen die Tür! Von den Göttern beschützt, mit dem Omen des Vaters soll jener, Welcher den Beinamen erbt, tragen die Bürde der Welt! 15. Januar Blickt zum dritten Male Titan zurück auf die Iden, Wird der Parrhasierin nochmals gefeiert ein Fest. Denn Ausoniens Mütter fuhrn einstmals auf Wagen (die nach der Mutter Euanders man wohl, wie ich vermuten will, nennt). Als man das abschaffte, da beschlossen die Frauen, der Männer Undankbares Geschlecht nicht durch Geburt zu erneun. Um nun nicht zu gebären, entfernten sie aus ihren Leibern Heimlich durch einen Stoß blindlings die wachsende Frucht. Heftig schalt der Senat die Frauen, die Grausames wagten, Doch er gab, wie es heißt, ihnen ihr Recht dann zurück. Opfer erhält die arkadische Mutter für die Geburt von Knaben und Mädchen zugleich an einem weiteren Fest. Nichts, was aus Leder ist, darf in diesen Tempel man bringen, Daß nicht, was Totem entstammt, schände den reinen Altar. Liebst du alte Bräuche, dann tritt, wenn gebetet wird, näher: Hörst du Namen doch hier, die du noch niemals vernahmst! Porrima wird hier versöhnt und Postverta, sei's, daß sie mit dir, Göttin vom Mänalus, flohn, oder daß Schwestern sie sind. Längst vergangene Zeiten besang die eine, so glaubt man, Während die andere das, was noch bevorstand, besang. 16. Januar Weiße du, dir gab der folgende Tag den schimmernden Tempel, Dort, wo Moneta voll Stolz schreitet erhaben einher, Daß auf Latiums Volk, Concordia, stolz du jetzt hinblickst, Seit durch geweihte Hand neu dir der Tempel erstand.

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Furius antiquam, populi superator Etrusci, voverat et voti solverat ¡lie fidem. causa, quod a patribus sumptis secesserat armis volgus, et ipsa suas Roma timebat opes, causa recens melior: passos Germania crines porrigit auspiciis, dux venerande, tuis. inde triumphatae libasti muñera gentis templaque fecisti, quam colis ipse, deae. hanc tua constituit genetrix et rebus et ara, sola toro magni digna reperta Iovis.

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Haec ubi transierint, Capricorno, Phoebe, relicto per iuvenis curres signa regentis aquam.

Septimus hinc oriens cum se demiserit undis, fulgebit toto iam Lyra nulla polo.

Sidere ab hoc ignis venienti nocte, Leonis qui micat in medio pectore, mersus erit. ter quater evolvi signantes tempora fastos, nec Sementi va est ulla reperta dies; cum mihi (sensit enim) 'lux haec indicitur' inquit Musa, 'quid a fastis non stata sacra petis? utque dies incerta sacri, sic tempora certa, seminibus iactis est ubi fetus ager.' state coronati plenum ad praesepe, iuvenci: cum tepido vestrum vere redibit opus, rusticus emeritum palo suspendat aratrum: omne reformidat frigore volnus humus, vilice, da requiem terrae semente peracta; da requiem, terram qui coluere, viris. pagus agat festum: pagum lustrate, coloni, et date paganis annua liba focis.

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Furius hatte den alten gelobt, er, der die Etrusker Niederwarf, und dann treu, was er gelobte, getan. Grund dazu war, daß das Volk sich bewaffnet und sich von den Vätern Losgesagt hatte und Rom Angst vor sich selber bekam. Neu und besser ist der Grund: Besiegt bringt dir das gelöste Haupthaar Germanien jetzt, mächtiger Heerführer, dar. Was das besiegte Volk als Beute gab, weihtest du, und der Göttin, die du verehrst, bautest den Tempel du dann. Deine Mutter richtete ihr den Altar ein und andres, Sie, die der Ehe für wert hielt der erhabene Gott. ly. Januar Kaum ist vorüber dies Fest, verläßt du, Phöbus, den Steinbock, Um zu nehmen die Bahn dann durch des Wassermanns Bild. 2j.Januar Taucht er am siebenten Tag dann wieder hinab in die Wogen, Leuchtet am Himmelsrund nirgends die Lyra mehr auf. 24. Januar Kommt dann wieder die Nacht, verschwindet der Stern auch am Himmel, Der auf des Löwen Brust hell in der Mitte sonst strahlt. Dreimal, ja viermal habe ich in den Fasten gelesen, Aber das Saatfest - ich hab's nirgends verzeichnet gesehn. Dies sah die Muse und sprach: «Den Festtag kündigt man jeweils Neu an. Im Buch also such nicht ein bewegliches Fest! Festgelegt ist zwar nicht der Tag für das Fest, doch der Zeitraum: Wenn nach beendeter Saat fruchtbar das Ackerland ist.» Jungstiere, steht nun bekränzt an der Krippe, die reichlich gefüllt ist; Erst mit dem lauwarmen Lenz kehrt eure Arbeit zurück! Frei von der Pflicht ist der Pflug, an den Pfahl hänge nun ihn der Bauer; Fürchtet doch während des Frosts jede Verwundung das Land. Bauer, gönn Ruhe der Erde, wenn fertig du bist mit der Aussaat, Gönn auch den Männern die Rast, welche dir pflügten das Land! Festlich feire das Dorf: Entsühnt euer Dorf jetzt, ihr Bauern; Spendet auf ländlichem Herd jetzt eure Kuchen fürs Jahr!

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LIBER

PRIMUS

placentur frugum matres, Tellusque Ceresque, farre suo gravidae visceribusque suis: officium commune Ceres et Terra tuen tur; haec praebet causam frugibus, ilia locum, consortes operis, per quas correcta vetustas quemaque glans vieta est utiliore cibo, frugibus immensis ávidos satiate colonos, ut capiant cultus praemia digna sui. vos date perpetuos teneris sementibus auctus, nec nova per gélidas herba sit usta nives. cum serimus, caelum ventis aperite serenis; cum latet, aetheria spargite semen aqua, neve graves cultis Cerialia rura cávete agmine laesuro depopulentur aves, vos quoque, formicae, subiectis parcite granis: post messem praedae copia maior erit. interea crescat scabrae robiginis expers nec vitio caeli palleat ulla seges, et neque deficiat macie nec pinguior aequo divitiis pereat luxuriosa suis; et careant loliis oculos vitiantibus agri, nec sterilis culto surgat avena solo; tritíceos fetus passuraque farra bis ignem hordeaque ingenti fenore reddat ager. haec ego pro vobis, haec vos optate, coloni, efficiatque ratas utraque diva preces, bella diu tenuere viros: erat aptior ensis vomere, cedebat taurus arator equo; sarcula cessabant, versique in pila ligones, factaque de rastri pondere cassis erat. gratia dis domuique tuae: religata catenis iampridem vestro sub pede Bella iacent. sub iuga bos veniat, sub terras semen aratas: Pax Cererem nutrit, Pacis alumna Ceres.

A t quae venturas praecedit sexta Kalendas, hac sunt Ledaeis templa dicata deis:

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Opfert den Müttern der Feldfrucht, den Göttinnen Tellus und Ceres, Jetzt mit eigenem Spelt, jetzt mit dem trächtigen Schwein! Ist's doch Gemeinschaftsarbeit, was Ceres und Tellus verbindet: Keimen läßt diese die Frucht, Raum gibt dann jene dafür. Ihr, die Mächte, die halfen, daß Unkultur man überwand und Daß die Eichel als Kost wich, daß vernünftig man speist, Sättigt mit reichsten Erträgen in seiner Habgier den Bauern, Daß er den Lohn auch empfängt, den seine Arbeit verdient! Schenkt beständigen Wuchs den zarten Keimen der Saaten, Laßt nicht im eisigen Schnee eingehn das sprossende Grün! Säen wir, hellt uns den Himmel dann auf durch heitere Winde; Ist sie geborgen, dann sprengt himmlisches Naß auf die Saat! Seid auf der Hut, daß sie, die den Feldern schaden, die Vögel, Nicht verheerend im Schwärm herfallen über das Korn! Schont auch, ihr Ameisen, dann die Körner im Schöße der Erde: Ist nach der Ernte für euch größere Beute ja da! Unterdessen wachse die Saat, und der Rost bleibe fern ihr; Durch ein Unwetter soll bleich werden niemals die Saat! Dürre schade ihr nicht, noch ersticke im eigenen Wüchse Jemals der Halm, weil er sich höher, als gut ist, erhebt! Fern auch bleibe der Flur das den Augen so schädliche Tollkorn; Auf dem bebauten Feld wachse der Windhafer nicht! Weizen jedoch und Dinkel, der zweimal das Feuer erduldet, Bringe - und Gerste dazu! - reichlich der Acker hervor! Darum bitt' ich für euch, ihr Bauern, erbittet's auch selbst euch! Mögen die Göttinnen dann beide erfüllen den Wunsch! Lange hielt Krieg die Männer einst fest: Das Schwert hatte größren Wert als der Pflug, und dem Pferd räumte der Pflugstier den Platz. Hacken verschwanden, die Karste, sie wurden zu Spießen, und schwere Spaten, die dienten dem Zweck, Helme zu machen daraus. Dank sei den Göttern und Dank deinem Haus: Unter eueren Füßen Liegt, von Ketten umschnürt, längere Zeit schon der Krieg. Darum empfange sein Joch der Stier und die Erde das Saatgut; Ziehkind des Friedens, gedeiht Ceres im Frieden allein.

27. Januar Aber am Tag, der als sechster erscheint vor den nächsten Kaienden, Wurde ein Tempel geweiht denen, die Leda gebar.

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LIBER PRIMUS

fratribus illa deis fratres de gente deorum circa Iuturnae composuere lacus.

Ipsum nos carmen deduxit Pacis ad aram: haec erit a mensis fine secunda dies, frondibus Actiacis comptos redimita capillos, Pax, ades et toto mitis in orbe mane, dum desint hostes, desit quoque causa triumphi: tu ducibus bello gloria maior eris. sola gerat miles, quibus arma coerceat, arma, canteturque fera nil nisi pompa tuba, horreat Aeneadas et primus et ultimus orbis: siqua parum R o m a m terra timebat, amet. tura, sacerdotes, Pacalibus addite flammis, albaque perfusa victima fronte cadat; utque domus, quae praestat earn, cum pace perennet, ad pia propensos vota rogate deos. sed iam prima mei pars est exacta laboris, cumque suo finem mense libellus habet.

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Diesen erbaute am See der Juturna den göttlichen Brüdern Wieder ein Brüderpaar, ebenfalls Göttern entstammt. 30.

Januar

Mein Gedicht war es, das zum Altar des Friedens mich führte; Dies wird der vorletzte Tag in diesem Monat nun sein. Winde dir um deine Haarpracht den Lorbeer aus Aktium, Frieden! Komme zu uns und dann bleib mild überall auf der Welt! Wenn nur der Feind fehlt, mag zum Triumph auch Gelegenheit fehlen: Du bringst größeren Ruhm unseren Fürsten als Krieg! Nur zur Abwehr von Kämpfen soll der Soldat in den Kampf ziehn, Nur noch im festlichen Zug setze die tuba man ein! Alle Welt sei in Furcht vor den Äneaden, und hat ein Land einmal keine Angst, also: Dann liebe es Rom! Priester, spendet den Weihrauch den Flammen des Friedensaltares; Schlachtet das schneeweiße Tier, das ihr mit Wein habt besprengt! Fleht zu den Göttern, die stets fromme Bitten erhören, daß ewig Mit dem Frieden zugleich währe das Haus, das ihn schenkt! Doch schon ist ja der erste Teil meiner Arbeit geleistet: Deshalb sei Monat und Buch hiermit ein Ende gesetzt!

LIBER

SECUNDUS

Ianus habet finem. cum carmine crescit et annus: alter ut hic mensis, sic liber alter eat. nunc primum velis, elegí, maioribus itis: exiguum, memini, nuper eratis opus, ipse ego vos habui faciles in amore ministros, cum lusit numeris prima iuventa suis, idem sacra cano signataque tempora fastis: ecquis ad haec illinc crederet esse viam? haec mea militia est; ferimus quae possumus arma, dextraque non omni muñere nostra vacat. si mihi non valido torquentur pila lacerto nec bellatoris terga premuntur equi, nec galea tegimur, nec acuto cingimur ense (his habilis telis quilibet esse potest), at tua prosequimur studioso pectore, Caesar, nomina, per títulos ingredimurque tuos. ergo ades et placido paulum mea muñera voltu respice, pacando siquid ab hoste vacat. februa Romani dixere piamina patres: nunc quoque dant verbo plurima signa fidem. pontífices ab rege petunt et flamine lanas, quis veterum lingua februa nomen erat; quaeque capit lictor domibus purgamina certis, torrida cum mica farra, vocantur idem; nomen idem ramo, qui caesus ab arbore pura casta sacerdotum tempora fronde tegit. ipse ego flaminicam poscentem februa vidi; februa poscenti pinea virga data est. denique quodcumque est, quo corpora nostra piantur, hoc apud intonsos nomen habebat avos. mensis ab his dictus, secta quia pelle Luperci omne solum lustrant idque piamen habent,

ZWEITES BUCH · FEBRUAR Janus ist fertig. Es wächst mit dem Liede das Jahr auch: Wie dieser Zweite Monat, nehm' auch Buch Nummer zwei seinen Lauf! Jetzt fahrt ihr, Elegien, erstmals mit größeren Segeln: Wart ihr doch leichte Kunst früher - ich weiß es noch gut! Mir ja selbst standet ihr in der Liebe gern zu Gebote, Als ich mit Versfüßen einst, jung noch, zu spielen begann. Jetzt sing' von Festen ich, die im Kalender als heilig markiert sind: Wer würde glauben, ein Weg führe von dorther nach hier? Hier bin Soldat ich und bin meinem Können entsprechend bewaffnet: Meine Rechte, sie tut also durchaus ihre Pflicht! Wenn ich auch nicht mit starkem Arme die Wurfspieße schleudre, Wenn auch dem Streitroß nun nicht auf seinen Rücken ich steig', [gürtet Wenn auch ein Helm mich nicht schirmt, auch das scharfe Schwert mich nicht Waffen, welche durchaus jeder zu führen vermag - , Widme ich doch mit ergebenem Sinn deinem Namen mein Streben, Caesar, und schreite den Weg deines Erfolgs dabei nach! Drum steh mir bei und schau, mag's auch kurz sein, mit gnädigem Antlitz Auf mein Werk, wenn der Feind Ruhe vom Kampfe dir gönnt! Februa nannten in Rom die Vorfahren Mittel zur Sühnung; Zeichen in großer Zahl zeigen noch heut, daß das stimmt: Wolle verlangen vom König die Priester sowie von dem Flamen: Die hat im alten Latein februa einst man genannt. Das, was der Liktor benutzt zu bestimmter Häuser Entsühnung Salz und gerösteter Spelt - , wurde genauso genannt. So heißt gleichfalls der Zweig, der, abgeschnitten vom reinen Baume, mit seinem Laub Priestern die Stime bedeckt. Sah die Flaminica selbst ich für sich doch februa fordern, Der einen Kiefernzweig man dann auf ihr Bitten hin gab. Schließlich hat allem, womit wir den Körper entsühnen, bei unsren Bärtigen Vorfahren stets dies als Bezeichnung gedient. So ist der Monat benannt, weil, mit Riemen versehn, die Luperken Jeden Ort - und das soll reinigend wirken - umgehn,

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SECUNDUS

aut quia placatis sunt tempora pura sepulcris, tum cum ferales praeteriere dies, omne nefas omnemque mali purgamina causam credebant nostri tollere posse senes. Graecia principium moris dedit: illa nocentes impia lustratos ponere facta putat. Actoriden Peleus, ipsum quoque Pelea Phoci caede per Haemonias solvit Acastus aquas; vectam frenatis per inane draconibus Aegeus credulus immerita Phasida fovit ope; Amphiareiades Naupactoo Acheloo 'solve nefas' dixit, solvit et ille nefas, ah nimium faciles, qui tristia crimina caedis fluminea tolli posse putatis aqua! sed tarnen, antiqui ne nescius ordinis erres, primus, ut est, Iani mensis et ante fuit; qui sequitur Ianum, veteris fuit ultimus anni: tu quoque sacrorum, Termine, finis eras, primus enim Iani mensis, quia ianua prima est: qui sacer est imis manibus, imus erat, postmodo creduntur spatio distantia longo tempora bis quini continuasse viri.

Principio mensis Phrygiae contermina Matri Sospita delubris dicitur aucta novis. nunc ubi sunt, illis quae sunt sacrata Kalendis tempia deae? longa procubuere die. cetera ne simili caderent labefacta ruina, cavit sacrati provida cura ducis, sub quo delubris sentitur nulla senectus; nec satis est homines, obligat ille déos, templorum positor, templorum sánete repostor, sit superis, opto, mutua cura tui. dent tibi caelestes, quos tu caelestibus, annos, proque tua maneant in statione domo.

ZWEITES BUCH • FEBRUAR

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O d e r weil, wenn die Gräber entsühnt, wenn vorüber dann alle Totentage auch sind, rein sind die Zeiten danach. Glaubten die Alten doch, daß mit Sühnemitteln der Ursprung Jeglichen Übels und auch Unrecht zu reinigen sei. Griechenland gab den Ursprung des Brauchs. Denn man ist dort der Meinung, D a ß der Frevler, entsühnt, sich von den Untaten löst. Peleus entsühnte den Enkel des Aktor, ihn selbst von dem Mord an Phokus Akastus sodann durch den hämonischen Quell. Leichtgläubig nahm die Medea, die durch die Luft mit gezäumten Drachen fuhr, Ägeus, obwohl sie's nicht verdient hatte, auf. Als Achelous, dem von Naupactus, der Amphiaride Sagte: «Tilg mein Vergehn!», tilgte der ihm sein Vergehn. Allzu leichtgläubig, ach!, seid ihr, die ihr annehmt, des Flusses Wasser sei ausreichend, daß Mordschuld man abwaschen kann! Aber damit du nicht irrst, unkundig der früheren Ordnung: Früher wie heut fing das Jahr stets mit dem Januar an. D e r dann dem Januar folgt, war der letzte Monat im Jahr einst; D u auch, Terminus, warst Abschluß der Feste des Jahrs. Denn wie beim Hause die Tür, ist des Janus Monat der erste; D e m , der im Totenkult heilig ist, gab man den Schluß. Später wurden - so glaubt man - die Monate, welche ein langer Zeitraum hatte getrennt, durch die Dezemvirn vereint. /.

Februar

Gleich mit dem Monatsbeginn wurde neben der phrygischen Mutter Sospita, heißt es, erneut durch einen Tempel geehrt. Wo ist der Tempel jetzt, den der Göttin an jenen Kaienden Man geweiht hat? Schon längst liegt er als Schutthaufen da! D a ß nicht andere auch Ruinen sind, davor hat sie Unser erhabener Fürst wachsamen Auges geschützt. Unter diesem Herrscher spürt kein Tempel das Altern: N i c h t die Menschen allein, Götter verpflichtet er sich! D u Erbauer der Tempel, du hehrer Bewahrer der Tempel: Göttliche Fürsorge, die dir gilt, wünsche ich dir! Mögen die Himmlischen dir die Jahre, die du ihnen schenktest, Geben und vor deiner Tür Wachposten sein allezeit!

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LIBER

SECUNDUS

tum quoque vicini lucus celebratur Alerni, qua petit aequoreas advena Thybris aquas, ad penetrale Numae Capitolinumque Tonantem inque Iovis summa caeditur arce bidens. saepe graves pluvias adopertus nubibus aether concitat, aut posita sub nive terra latet.

Proximus Hesperias Titan abiturus in undas gemmea purpureis cum iuga demet equis, illa nocte aliquis, tollens ad sidera voltum, dicet 'ubi est hodie quae Lyra fulsit heri?' dumque Lyram quaeret, medii quoque terga Leonis in liquidas subito mersa notabit aquas.

Quem modo caelatum stellis Delphina videbas, is fugiet visus nocte sequente tuos, seu fuit occultis felix in amoribus index, Lesbida cum domino seu tulit ille lyram. quod mare non novit, quae nescit Ariona tellus? carmine currentes ille tenebat aquas, saepe sequens agnam lupus est a voce retentus, saepe avidum fugiens restitit agna lupum; saepe canes leporesque umbra iacuere sub una, et stetit in saxo próxima cerva leae, et sine lite loquax cum Palladis alite cornix sedit, et accipitri iuncta columba fuit. Cynthia saepe tuis fertur, vocalis Arion, tamquam fraternis obstipuisse modis. nomen Arionium Siculas impleverat urbes captaque erat lyricis Ausonis ora sonis; inde domum repetens puppem conscendit Arion atque ita quaesitas arte ferebat opes, forsitan, infelix, ventos undasque timebas: at tibi nave tua tutius aequor erat, namque gubernator destricto constitit ense ceteraque armata conscia turba manu.

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Jetzt auch begeht man das Fest im nahen Hain des Alernus, Wo der Tiber, weither kommend, ins Meer sich ergießt. Bei dem Heiligtum Numas, beim kapitolinischen Donnrer Und auf Jupiters Burg schlachtet man heute ein Schaf. Hat sich der Himmel mit Wolken bedeckt, schickt er heftigen Regen, Oder ein tiefer Schnee hält dann die Erde versteckt. 2. Februar Wenn am folgenden Tag auf dem Weg zu Hesperiens Fluten Sol seinem Purpurgespann abnimmt das schmucke Geschirr, Fragt man, wenn man bei Nacht den Blick erhebt zu den Sternen: «Wo ist die Lyra denn heut? Gestern noch strahlte sie hell!» Während nach ihr man noch sucht, merkt man, daß der Rücken des Löwen Plötzlich zur Hälfte bereits auch in den Fluten versank. j. Februar Eben noch sahst den Delphin du am Himmel im Schmuck seiner Sterne; Schon in der folgenden Nacht wird deinem Blick er entfliehn Ob ihm in Liebesdingen ein Hinweis gelang oder ob die Lesbische Lyra er trug mit ihrem Herrn ehedem. Welches Meer würde wohl, welches Land den Arion nicht kennen? Hat doch des Wassers Lauf jener durch Lieder gehemmt, Hielt seine Stimme doch oft den Wolf bei der Jagd nach dem Lamm auf, Blieb doch das Lamm, vor dem Wolf fliehend, des öfteren stehn. Oftmals lagen Hunde und Hasen im Schatten zusammen, Oft stand auf einem Fels neben der Löwin der Hirsch; Friedlich saß die geschwätzige Krähe beim Vogel der Pallas, Habicht und Taube sogar fand man in trautem Verein. Kynthia hat, gleichwie dem singenden Bruder, Arion, Stimmbegabter, oft dir, sagt man, mit Staunen gelauscht! Voll von Arions Ruhm warn Siziliens Städte, begeistert Von seiner Lyra Klang war der ausonische Strand. Dort bestieg Arion ein Schiff Richtung Heimat; er hatte Reichtümer, die ihm die Kunst eingebracht hatte, dabei. Winde und Wogen hast du vielleicht, du Armer, gefürchtet, Doch das Meer war für dich sicherer noch als dein Schiff! Denn da stand mit gezücktem Schwert der Steuermann und die Mannschaft, verbündet mit ihm und mit bewaffneter Hand.

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quid tibi cum gladio? dubiam rege, navita, puppem: non haec sunt digitis arma tenenda tuis. ille, metu pavidus, 'mortem non deprecor' inquit, 'sed liceat sumpta pauca referre lyra.' dant veniam ridentque moram: capit ille coronam, quae possit crines, Phoebe, decere tuos; induerat Tyrio bis tinctam murice pallam: reddidit icta suos pollice chorda sonos, flebilibus numeris veluti canentia dura traiectus penna tempora cantat olor, protinus in medias ornatus desilit undas; spargitur impulsa caerula puppis aqua, inde (fide maius) tergo delphina recurvo se memorant oneri subposuisse novo, ille, sedens citharamque tenens, pretiumque vehendi cantat et aequoreas carmine mulcet aquas, di pia facta vident: astris delphina recepit Iuppiter et stellas iussit habere novem.

N u n c mihi mille sonos quoque est memoratus Achilles vellem, Maeonide, pectus inesse tuum, dum canimus sacras alterno carmine Nonas. maximus hie fastis accumulatur honor, deficit ingenium, maioraque viribus urgent: haec mihi praecipuo est ore canenda dies, quid volui demens elegis imponere tantum ponderis? heroi res erat ista pedis, sánete pater patriae, tibi plebs, tibi curia nomen hoc dedit, hoc dedimus nos tibi nomen, eques. res tamen ante dedit: sero quoque vera tulisti nomina, iam pridem tu pater orbis eras, hoc tu per terras, quod in aethere Iuppiter alto, nomen habes: hominum tu pater, ille deum. Romule, concedes: facit hie tua magna tuendo moenia, tu dederas transilienda Remo, te Tatius parvique Cures Caeninaque sensit, hoc duce Romanum est solis utrumque latus;

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Was, ein Schwert? Das schwankende Schiff lenk, Steuermann, lieber! L a ß deine Finger doch nicht solche Geräte berührn! Schreckensbleich sprach er da: «Ich bitte nicht um mein Leben, D o c h zur Lyra ein Lied sei mir zu singen erlaubt!» Sie gewährn's, über diese Frist nur lachend. D a nimmt er Seinen Kranz, der auch dir, Phöbus, das H a a r schmücken könnt', Legte den Mantel an, der mit Purpur doppelt gefärbt war, Rührte die Saiten und ließ Lieder erklingen; er sang Wie der Schwan, wenn ein harter Pfeil ihm das weiße Gefieder A n seinen Schläfen traf, klagend sein Sterbelied singt. Plötzlich stürzt er mit seinem Schmuck sich hinab in die Wogen; A u f spritzt das Wasser und schlägt gegen das bläuliche Schiff. D a - kaum glaublich ist's! - nahm ein Delphin auf seinen gebognen R ü c k e n , erzählt man, die Last, die ihm ganz ungewohnt war. E r aber hält im Sitzen die Lyra und preist durch Gesang die Fahrt und besänftigt zugleich mit seinen Liedern das Meer. G ö t t e r sehen die f r o m m e Tat: E s erhebt den Delphin zum H i m m e l Jupiter, neun Sterne noch gibt er ihm bei. j.

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J e t z t war' mein Wunsch, daß tausend Stimmen ich hätt' und die Kraft, Welcher du den Achill einst, Mäonide, besangst, J e t z t , w o im Wechselvers von den heiligen N o n e n ich künde: Meinem Kalender wird nicht höhere E h r e zuteil. M i r gebricht's an Talent, und die Last übersteigt meine Kräfte; Wird doch für diesen Tag höchste Gesangskunst verlangt! Warum wollte ich T o r den elegischen Versen so schwere Last auferlegen? D i e trägt nur der heroische Vers! D u erhabener Vater des Vaterlands! D i r gab den Namen Volk und Senat; auch wir Ritter verliehen ihn dir! Vorher gab ihn dir die Geschichte, erst später bekamst den Wahren N a m e n du; längst warst du der Vater der Welt! H e i ß t doch auf Erden du wie Jupiter oben im H i m m e l : Vater der Menschen bist du, Vater der G ö t t e r ist er! Romulus, räume das Feld! E r schützt und stärkt deine Mauern, D u mußtest zusehen, wie Remus als H ü r d e sie nahm! Tatius beugte sich dir, Caenina, das winzige C u r e s ; E r hat ein R o m unter sich, welches den Erdkreis umfaßt.

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tu breve nescioquid victae telluris habebas, quodcumque est alto sub love, Caesar habet, tu rapis, hic castas duce se iubet esse maritas; tu recipis luco, reppulit ille nefas; vis tibi grata fuit, florent sub Caesare leges; tu domini nomen, principis ille tenet; te Remus incusat, veniam dédit hostibus ille; caelestem fecit te pater, ille patrem. iam puer Idaeus media tenus eminet alvo et liquidas mixto nectare fundit aquas, en etiam, siquis Borean horrere solebat, gaudeat: a Zephyris mollior aura venit.

Quintus ab aequoreis nitidum iubar extulit undis Lucifer, et primi tempora veris erunt. ne fallare tarnen, restant tibi frigora, restant, magnaque discedens signa reliquit hiems.

Tertia nox veniat, Custodem protinus Ursae aspicies geminos exseruisse pedes, inter hamadryadas iaculatricemque Dianam

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Callisto sacri pars fuit una chori. illa, deae tangens arcus, 'quos tangimus arcus, este meae testes virginitatis' ait. Cynthia laudavit, 'promissa' que 'foedera serva, et comitum princeps tu mihi' dixit 'eris.' foedera servasset, si non formosa fuisset: cavit mortales, de love crimen habet, mille feras Phoebe silvis venata redibat aut plus aut medium sole tenente diem; ut tetigit lucum (densa niger ilice lucus, in medio gelidae fons erat altus aquae), 'hic' ait 'in silva, virgo Tegeaea, lavemur'; erubuit falso virginis illa sono.

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Du hattest nur ein kleines Stück eroberten Landes, Caesar hat alles Land, welches der Himmel umwölbt. Du raubst die Fraun, unter ihm müssen keusch mit dem Gatten sie leben; Unrecht beherbergst im Hain du, doch vertrieben hat's er; Du griffst gern zur Gewalt, unter Caesar blühn die Gesetze; Dominus nannte man dich, jener wird Princeps genannt; Dich klagt Remus noch an, doch jener verzieh seinen Feinden; So wie der Vater einst dich, macht er den Vater zum Gott. Schon bis zur Mitte des Körpers steigt auf der idäische Knabe; Helles Wasser, mit dem Nektar sich mischt, gießt er aus. Der auch möge sich freun, der vorm Nordwind gewöhnlich sich fürchtet; Denn aus der Westregion weht jetzt ein milderer Wind. 9. Februar Steigt aus dem Meer zum fünften Mal auf mit strahlendem Lichtschein Luzifer, dann rückt auch näher des Frühlings Beginn. Aber laß dich nicht täuschen! Dir drohen, ja drohen noch Fröste! Tiefe Spuren oft ließ scheidend der Winter zurück! 11. Februar Dreimal noch komme die Nacht: Dann siehst du den Wächter der Bärin Beide Füße zugleich strecken zum Himmel empor. Mit Diana, der Jägerin, mit den Hamadryaden Hat zu der heiligen Schar einst auch Kallisto gehört. Diese, den Bogen der Göttin berührend, sprach: «Bogen, den jetzt ich Anrühre, sei, daß ich stets Jungfrau bin, Zeuge du mir!» Voll des Lobes sprach da Kynthia: «Halt dein Versprechen! Mir wirst die erste du dann meiner Gefährtinnen sein.» Wär' sie nicht schön gewesen, sie hätt' es gehalten. Die Menschen • Mied sie, doch Jupiter hat sie dann in Schande gebracht. Tausend Tieren war Phöbe nachgejagt, als sie vom Walde Heimkehrte; Mittagszeit war's oder auch später am Tag. Als einen Hain sie betrat - ein Hain, ganz finster von dichten Eichen, darin ein Quell, tief und mit kühlendem Naß - , Sprach sie: «Baden wir doch hier im Wald, tegeäische Jungfrau!» Die errötete, denn «Jungfrau» - das Wort war ja falsch!



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dixerat et nymphis. nymphae velamina ponunt; hanc pudet, et tardae dat mala signa morae. exuerat tunicas; uteri manifesta tumore proditur indicio ponderis ipsa suo. cui dea Virgineos, periura Lycaoni, coetus desere, nec castas pollue' dixit 'aquas.' luna novum decies implerat cornibus orbem: quae fuerat virgo eredita, mater erat, laesa furit Iuno formam mutatque puellae: quid facis? invito est pectore passa Iovem. utque ferae vidit turpes in paelice voltus, 'huius in amplexus, Iuppiter,' inquit 'eas.' ursa per incultos errabat squalida montes, quae fuerat summo nuper amata Iovi. iam tria lustra puer furto conceptus agebat, cum mater nato est obvia facta suo. illa quidem, tamquam cognosceret, adstitit amens et gemuit: gemitus verba parentis erant. hanc puer ignarus iaculo fixisset acuto, ni foret in superas raptus uterque domos, signa propinqua micant: prior est, quam dicimus Arcton, Arctophylax formam terga sequentis habet. saevit adhuc canamque rogat Saturnia Tethyn, Maenaliam tactis ne lavet Arcton aquis.

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Idibus agrestis fumant altaría Fauni hic, ubi discretas insula rumpit aquas. haec fuit illa dies, in qua Veientibus armis ter centum Fabii ter cecidere duo. una domus vires et onus susceperat urbis: sumunt gentiles arma professa manus. egreditur castris miles generosus ab isdem, e quis dux fieri quilibet aptus erat. Carmentis portae dextro est via próxima iano: ire per hanc noli, quisquís es; omen habet.

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Angesprochen sind auch die Nymphen. Es fallen die Kleider; Sie nur schämt sich und weckt, weil sie so zögert, Verdacht. Als sie die Tunika auszieht, da zeigt sich die Wölbung des Leibes, Welche die Schwangerschaft allen ganz deutlich verrät. «Fort aus der Jungfrauen Schar, meineidige Tochter Lykaons», Rief die Göttin, «des Quells Reinheit beflecke mir nicht!» Zehnmal Schloß einen neuen Kreis der Mond mit den Hörnern: Mutter war sie, die zuvor für eine Jungfrau man hielt. Juno, gekränkt und ganz rasend, verwandelt das Mädchen. Was tust du? Sie hat es niemals gewollt, was sie durch Jupiter litt! Häßlich, mit Tiergesicht sie, ihres Mannes «Nebenfrau», schauend, Rief sie: «Jupiter, die sollst zu umarmen du gehn!» Schmutzig über die wilden Berge irrte als Bärin Sie, vom obersten Gott, Jupiter, jüngst noch begehrt! Schon war fünfzehn der Knabe, den unehelich sie empfing einst, Als seiner Mutter der Sohn über den Weg plötzlich lief. Sie blieb, als ob sie ihn erkannte, stehn, ganz von Sinnen, Mit einem Brummen - nur das brachte die Mutter heraus! Arglos hätte der Sohn mit dem scharfen Speer sie durchstoßen, Wären zum Himmelsraum nicht weggeführt worden die zwei. Sie erstrahlen zusammen: Vorne der Stern, den wir Arktos Nennen, und hinter ihm Arktophylax, der ihm folgt. Juno zürnt noch und bittet, es soll der mänalischen Bärin Tethys, die graue, verwehrn, daß sie ein Bad nimmt im Meer. jj. Februar An den Iden raucht der Altar des ländlichen Faunus Dort, wo die Insel des Stroms Flut in zwei Arme zerteilt. Dies war nun jener Tag, an dem durch vejentische Waffen Dreimalhundert und sechs Fabier fanden den Tod. Ein Geschlecht nahm auf sich die Sorgen der Stadt und des Kämpfens, Nimmt, wie versprochen, allein freiwillig Waffen zur Hand! Aus demselben Lager marschieren die edlen Soldaten, Jeder von ihnen war fähig, ein Heer anzuführn. Bei der Carmentis Tor führt der kürzeste Weg durch den rechten Bogen; man meide ihn wohl: Stets bringt nur Böses der Weg!

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illa fama refert Fabios exisse trecentos: porta vacat culpa, sed tarnen omen habet, ut celeri passu Cremeram tetigere rapacem (turbidus hibemis ille fluebat aquis), castra loco ponunt: destrictis ensibus ipsi Tyrrhenum valido Marte per agmen eunt; non aliter quam cum Libyca de gente leones invadunt sparsos lata per arva greges. diffugiunt hostes inhonestaque volnera tergo accipiunt: Tusco sanguine terra rubet. sic iterum, sic saepe cadunt; ubi vincere aperte non datur, insidias armaque tecta parant, campus erat, campi claudebant ultima colles silvaque montanas occulere apta feras, in medio paucos armentaque rara relinquunt, cetera virgultis abdita turba latet. ecce velut torrens undis pluvialibus auctus aut nive, quae Zephyro vieta tepente fluit, per sata perque vias fertur nec, ut ante solebat, riparum clausas margine finit aquas, sic Fabii vallem latis discursibus implent, quodque vident, sternunt, nec metus alter inest. quo ruitis, generosa domus? male creditis hosti: simplex nobilitas, perfida tela cave, fraude périt virtus: in apertos undique campos prosiliunt hostes et latus omne tenent. quid faciant pauci contra tot milia fortes? quidve, quod in misero tempore restet, adest? sicut aper longe silvis latratibus actus fulmineo celeres dissipât ore canes, mox tamen ipse périt, sic non moriuntur inulti volneraque alterna dantque feruntque manu, una dies Fabios ad bellum miserat omnes, ad bellum missos perdidit una dies, ut tamen Herculeae superessent semina gentis, credibile est ipsos consuluisse deos: nam puer impubes et adhuc non utilis armis unus de Fabia gente relictus erat;

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Da hindurch sind die dreihundert Fabier, heißt es, gezogen. Frei von Schuld ist das Tor - dennoch bringt Böses der Weg! Als sie mit schnellem Schritt an den wilden Cremerà kamen Aufschäumend flöß er, denn hoch stieg durch den Winter die Flut - , Schlagen ein Lager sie auf. Sie brechen mit mächtiger Kampfkraft Dann mit gezücktem Schwert durch die tyrrhenische Front, Ganz in der Weise wie die libyschen Löwen sich auf die Herden stürzen, die weit über die Flur sind verstreut. Wild stiebt der Feind auseinander; im Rücken empfängt er mit Schande Wunden. Der Erdboden färbt rot sich von tuskischem Blut. Nochmals und oft noch erliegend, nie siegend im offenen Kampfe, Legt einen Hinterhalt nun, heimlich sich wappnend, der Feind. Eine Ebene gab's, an den Rändern von Hügeln umschlossen, Und einen Wald, der dem Wild sicheren Unterschlupf bot. Mitten auf ihr läßt man nun ein paar Männer mit wenigen Rindern, Aber die übrige Schar hält sich im Dickicht versteckt. Sieh, wie der reißende Strom, durch Regengüsse gestiegen Oder durch Schnee, der zerschmolz, weil ihn der Westwind bezwang, Über die Saaten und Wege hinwegbraust und nicht seine Fluten Durch seinen Uferrand eingegrenzt hält wie zuvor: So füllt die Fabierschar, weithin ausschwärmend, den Talgrund; Tod findet, was sie erblickt, andere fürchtet sie nicht. Wohin, edles Geschlecht? Euch zum Unheil traut ihr dem Feinde! Adlige Schar ohne Arg, fürchte den tückischen Speer! List bringt der Tapferkeit Tod! Denn jetzt stürzen ins offne Gelände Feinde von überallher, schließen sie ringsherum ein. Was soll der wenigen Mut im Kampf gegen so viele Tausend? Oder was gibt es noch, das aus ihrer Not ihnen hilft? So wie der Eber, weithin gehetzt im Wald vom Gebell der Hunde, oft sie verjagt, wenn seine Hauer er zeigt, Dann aber doch noch erliegt, fallen sie, doch sie rächen den Tod noch, Da jede Wunde die Hand wieder mit Wunden vergilt. Ein Tag schickte die Fabierschar hinaus auf das Schlachtfeld Die, die geschickt wurden, hat nun auch vernichtet ein Tag! Doch daß dem Haus, das von Herkules abstammt, ein Sproß noch verbleibe, Dafür haben - man glaubt's! - selbst schon die Götter gesorgt. Denn halb erwachsen nur und zum Waffendienst nicht zu gebrauchen, Blieb aus dem Fabierstamm einer zu Hause zurück.

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scilicet ut posses olim tu, Maxime, nasci, cui res cunctando restituenda foret.

Continuata loco tria sidera, Corvus et Anguis et medius Crater inter utrumque, iacent. Idibus ilia latent, oriuntur nocte sequenti; quae, tibi, cur tria sint tam sociata, canam. forte Iovi Phoebus festum sollemne parabat (non faciet longas fabula nostra moras): 'i, mea' dixit 'avis, ne quid pia sacra moretur, et tenuem vivís fontibus adfer aquam.' corvus inauratum pedibus cratera recurvis tollit et aerium pervolat altus iter, stabat adhuc duris ficus densissima pomis: temptat eam rostro, non erat apta legi; immemor imperii sedisse sub arbore fertur, dum fierent tarda dulcía poma mora, iamque satur nigris longum rapit unguibus hydrum ad dominumque redit fictaque verba refert: 'hie mihi causa morae, vivarum obsessor aquarum: hic tenuit fontes officiumque meum.' 'addis' ait 'culpae mendacia' Phoebus 'et audes fatidicum verbis fallere velie deum? at tibi, dum lactens haerebit in arbore ficus, de nullo gelidae fonte bibentur aquae.' dixit, et, antiqui monimenta perennia facti, Anguis, avis, Crater sidera iuncta micant.

Tertia post Idus nudos aurora Lupercos aspicit, et Fauni sacra bicornis eunt. dicite, Pierides, sacrorum quae sit origo, attigerint Latías unde petita domos. Pana deum pecoris veteres coluisse feruntur Arcades; Arcadiis plurimus ille iugis. testis erit Pholoe, testes Stymphalides undae, quique citis Ladon in mare currit aquis,

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Klar: Daß, Maximus, du aus dem Stamm einst hervorgehen würdest, Der durch sein Zaudern im Kampf retten dann sollte den Staat. 14. Februar Eng beieinander liegen drei Sternbilder: «Rabe» und «Schlange» Und, zwischen beiden piaziert, «Mischkrug» als mittleres Bild. Nicht an den Iden zu sehn, gehn auf in der folgenden Nacht sie. Jetzt erklärt mein Gesang dir diese Konstellation. Phöbus wollte gerade zum Fest für Jupiter rüsten Lange ausdehnen wird meine Geschichte sich nicht - : «Auf, mein Vogel», so sprach er, «und bring aus lebendiger Quelle Klares Wasser, daß nichts halte das Opfer mir auf!» Schon hebt den Mischkrug aus Gold mit den krummen Krallen der Rabe Auf, und in hohem Flug streicht er am Himmel dahin. Stand da ein Feigenbaum, trug sehr reichlich die Frucht, die noch hart war; Schon versucht er davon - aber sie ist noch nicht reif. Unterm Baum saß er, heißt es, den Auftrag vergessend und wartend, Bis durch die Länge der Zeit süß war geworden die Frucht. Satt schon, griff mit den schwarzen Krallen er sich eine Schlange, Kommt zum Herrn und erzählt, was doch erfunden nur war: «Die ist der Grund für mein Säumen: Sie saß am lebendigen Wasser, Hemmte der Quelle Fluß, hielt von der Pflicht mich zurück!» «Lügen noch fügst du zur Schuld», ruft Phöbus, «und willst es gar wagen, Zu betrügen den Gott, der doch voraussieht, was kommt? Nun, solange der Baum noch voll hängt mit milchigen Feigen, Soll einen kühlenden Trunk nirgends dir geben ein Quell!» Sprach's, und als bleibendes Zeugnis für längst vergangnes Geschehen Strahlen vereint als Gestirn Schlange und Vogel und Krug. ij. Februar Faunus', des doppelgehörnten, Fest wird begonnen, wenn nach den Iden der erste Tag nackte Luperken erblickt. Nennt, Pieriden, mir den Ursprung des Ritus, und wie in Latiums Hütten er kam! Wo nur bekam man ihn her? Pan verehrten als Gott ihres Viehs die alten Arkader, Heißt's, und er weilte zumeist auf den arkadischen Höhn. Zeugen dafür werden Pholoë sein und des Stymphalus Wellen, Ladon auch, der seine Flut eilig zum Meere hin führt,

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cinctaque pinetis nemoris iuga Nonacrini, altaque Tricrene Parrhasiaeque nives. Pan erat armenti, Pan illic numen equarum, munus ob incólumes ille ferebat oves, transtulit Euander silvestria numina secum: hic, ubi nunc urbs est, tum locus urbis erat. inde deum colimus devectaque sacra Pelasgis: flamen ad haec prisco more Dialis erat, cur igitur currant, et cur (sie currere mos est) nuda ferant posita corpora veste, rogas? ipse deus velox discurrere gaudet in altis montibus, et súbitas concipit ipse fugas: ipse deus nudus nudos iubet ire ministros; nec satis ad cursus commoda vestis erit. ante Iovem genitum terras habuisse feruntur Arcades, et luna gens prior illa fuit. vita feris similis, nullos agitata per usus: artis adhuc expers et rude volgus erat, pro domibus frondes norant, pro frugibus herbas; nectar erat palmis hausta duabus aqua, nullus anhelabat sub adunco vomere taurus, nulla sub imperio terra colentis erat: nullus adhuc erat usus equi; se quisque ferebat: ibat ovis lana corpus amicta sua. sub love durabant et corpora nuda gerebant, docta graves imbres et tolerare N o t o s . nunc quoque detecti referunt monimenta vetusti moris et antiquas testificantur opes. sed cur praecipue fugiat velamina Faunus, traditur antiqui fabula piena ioci. forte comes dominae iuvenis Tirynthius ibat: vidit ab excelso Faunus utrumque iugo; vidit et incaluit, 'montana' que 'numina', dixit 'nil mihi vobiscum est: hic meus ardor erit.' ibat odoratis umeros perfusa capillis Maeonis, aurato conspicienda sinu:

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Und, von Fichtenhainen umkränzt, in Nonakris die Berge Und der Trikrene Höhn, ferner Parrhasiens Schnee. Gott der Rinder war Pan dort und Gott der Stuten; damit den Schafen nichts widerfuhr, brachte man Opfer ihm dar. Mit sich brachte danach Euander die Götter des Waldes; Hier, wo die Stadt jetzt steht, war damals nur Raum für die Stadt. Seitdem verehrn wir den Gott und das Fest pelasgischen Ursprungs; Flamen Dialis ist der, der es - wie früher - betreut. Fragst du mich nun, warum sie laufen, warum sie - denn so zu Laufen ist's Brauch - ihr Gewand ausziehn und nackt sind dabei? Freude macht's dem Gott selbst, über hohe Berge zu laufen Schnellen Fußes; er selbst wendet sich plötzlich zur Flucht. Selber nackt, befiehlt der Gott seinen Dienern, daß nackt sie Gehen, denn gar nicht bequem ist ja beim Laufen ein Kleid. Vor der Geburt des Jupiter hatten ihr Land die Arkader, Heißt's, und es war ihr Geschlecht älter sogar als der Mond. Ahnlich den wilden Tieren verbrachten sie nutzlos ihr Leben, Waren ein rohes Volk, kannten die Künste noch nicht. Wohnungen hatten sie nicht, nur Laub, nicht Getreide, nur Kräuter; Wasser, geschöpft mit den zwei Händen, war Nektar für sie. Keinen Stier gab's, der unter dem krummen Pflug keuchte, keinen Bauern gab es, der Land hatte in seinem Besitz. Nutzung von Pferden gab's nicht, auf den eigenen Füßen ging jeder, Seine Wolle noch trug, sich zu umhüllen, das Schaf. Unter freiem Himmel lebte man, nackt war der Körper, Schwerem Regen und Sturm war man zu trotzen gewohnt. Jetzt noch erinnern in ihrer Nacktheit sie an die alte Sitte, bezeugend, wie klein damals noch war ihr Besitz. Aber warum grade Faunus Bekleidung meidet, berichtet Eine Geschichte, die schon alt ist und lustig zugleich. Einmal gab das Geleit seiner Herrin der Jüngling aus Tiryns; Faunus nun sah die zwei von einem Felsen herab, Sah sie und war in Liebe entbrannt. «Berggöttinnen», sprach er, «Nichts hab' mit euch ich im Sinn - sie ist's, für die ich jetzt glüh'!» Uber die Schultern herab fiel das duftende Haar ihr, der Busen Glänzte im Goldschmuck, wie da ging die Mäonierin.

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aurea pellebant tepidos umbracula soles, quae tamen Herculeae sustinuere manus. iam Bacchi nemus et Tmoli viñeta tenebat, Hesperos et fusco roscidus ibat equo, antra subit tofis laqueata et pumice vivo;

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garrulus in primo limine rivus erat, dumque parant epulas potandaque vina ministri, cultibus Alciden instruit illa suis: dat tenues tunicas Gaetulo murice tinctas, dat teretem zonam, qua m o d o cincta fuit. ventre minor zona est; tunicarum vincla relaxat, ut posset magnas exseruisse manus. fregerat armillas non illa ad bracchia factas, scindebant magni vincula parva pedes, ipsa capit clavamque gravem spoliumque leonis conditaque in pharetra tela minora sua. sic epulis functi sic dant sua corpora somno et positis iuxta secubuere toris: causa, repertori vitis quia sacra parabant, quae facerent pure, cum foret orta dies. noctis erat medium, quid non amor improbus audet? roscida per tenebras Faunus ad antra venit: utque videt comités somno vinoque solutos, spem capit in dominis esse soporis idem, in trat et hue illuc temerarius errat adulter et praefert cautas subsequiturque manus. venerat ad strati captata cubilia lecti, et felix prima sorte futurus erat; ut tetigit fulvi saetis hirsuta leonis vellera, pertimuit sustinuitque manum attonitusque metu rediit, ut saepe viator turbatum viso rettulit angue pedem. inde tori, qui iunctus erat, velamina tangit mollia mendaci decipiturque nota, ascendit spondaque sibi propiore recumbit, et tumidum cornu durius inguen erat, interea tunicas ora subducit ab ima: horrebant densis aspera crura pilis.

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Warme Sonnenstrahlen hielt von ihr ferne ein goldner Sonnenschirm, den mit der Hand allerdings Herkules trug. Schon zu des Bacchus Hain, zu des Tmolus Weinbergen kam sie, Schon zog auf fahlem Roß tauig der Hesperus auf. Da betrat sie die Grotte aus Tuff und gewachsenem Bimsstein; Dicht an der Schwelle entlang flöß ein geschwätziger Bach. Während die Diener das Mahl und zum Trinken den Wein vorbereiten, Zieht die Kleider, die sie trägt, dem Alkiden sie an, Gibt ihm dünne Gewänder, gefärbt mit gätulischem Purpur, Gibt ihm den Gürtel, der sie selber noch eben umgab. Seinem Leib ist der Gürtel zu eng; die Schließen der Kleider Offnet er, daß seine Hand draus er hervorstrecken kann. Armreife, nicht für diese Arme gefertigt, zerbrach er; Fein, wie das Schuhwerk ist, sprengt dieses sein riesiger Fuß. Selbst aber nimmt sie die schwere Keule, das Löwenfell und die Kleineren Pfeile, die er in einem Köcher verwahrt. So wird gespeist, so legen zum Schlafe sie sich; beieinander Standen die Betten zwar, aber sie lagen getrennt. Grund dafür war, daß am nächsten Tag sie dem Finder der Rebe Opfer spenden und rein sein wollten beim Ritual. Mitternacht war's. Was wagt nicht ruchlose Leidenschaft? Zu der Feuchten Grotte gelangt Faunus im Dunkel der Nacht. Als er die Diener vom Schlaf und vom Wein überwältigt erblickt hat, Hofft er, derselbe Schlaf habe die Herren erfaßt. Dann tritt ein der verwegne Liebhaber, hierhin und dorthin Tappt er, mit Vorsicht die Hand ausstreckend, folgt ihr dann nach, Kommt auch dort, w o das Bett stand, zur Lagerstatt, welche er suchte Glück hätt' er also gehabt bei seinem ersten Versuch! Doch als das struppige Fell des gelben Löwen er faßte, Packte ihn heftige Furcht, still hielt sogleich er die Hand. Starr vor Furcht trat zurück er, wie oft der Wanderer seinen Fuß zurückzieht, erschreckt, weil eine Schlange er sah. Dann berührt er am Bett, das danebengestellt ist, den weichen Stoff; das Zeichen, das ihm dieser zu geben scheint, trügt. Jetzt steigt ins Bett er, das näher bei ihm steht, und legt sich dort nieder; War ihm doch härter als Horn schon das geschwollene Glied! Heimlich lüftet er dann das Kleid am unteren Saume: Voll von dichtestem Haar starrten die Schenkel dort rauh!

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SECUNDUS

cetera temptantem subito Tirynthius héros reppulit: e summo decidit ille toro. fit sonus, inclamat comités et lumina poscit Maeonis: inlatis ignibus acta patent, ille gémit, lecto graviter deiectus ab alto, membraque de dura vix sua tollit humo, ridet et Alcides et qui videre iacentem, ridet amatorem Lyda puella suum. veste deus lusus fallentes lumina vestes non amat et nudos ad sua sacra vocat. adde peregrinis causas, mea Musa, Latinas, inque suo noster pulvere currat equus. cornipedi Fauno caesa de more capella venit ad exiguas turba vocata dapes. dumque sacerdotes veribus transuta salignis exta parant, medias sole tenente vias, Romulus et frater pastoralisque iuventus solibus et campo corpora nuda dabant. vectibus et iaculis et misso pondere saxi bracchia per lusus experienda dabant: pastor ab excelso 'per devia rura iuvencos, Romule, praedones, et Reme', dixit 'agunt.' longum erat armari: diversis exit uterque partibus, occursu praeda recepta Remi, ut rediit, veribus stridentia detrahit exta atque ait 'haec certe non nisi victor edet.' dicta facit, Fabiique simul. venit inritus illuc Romulus et mensas ossaque nuda videt. risit et indoluit Fabios potuisse Remumque vincere, Quintilios non potuisse suos. forma manet facti: posito velamine currunt, et memorem famam, quod bene cessit, habet. forsitan et quaeras, cur sit locus ille Lupercal, quaeve diem tali nomine causa notet. Silvia Vestalis caelestia semina partu ediderat, patruo regna tenente suo.

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Als er den Rest nun versuchte, da stieß der tirynthische Held ihn Plötzlich zurück, und er stürzt oben vom Bette herab. Das macht Lärm! Die Mäonierin ruft nach Dienern und Fackeln; Als man das Feuer bringt, tritt offen zutag, was geschah. Jener stöhnt, weil so schwer vom hohen Bett er gestürzt ist; Kaum daß vom harten Grund er seine Glieder erhebt. Doch der Alkide lacht, und wer ihn dort liegen sah, lachte. Auch die lydische Frau lacht ihren Freiersmann aus. Daher liebt, durch ein Kleid einst genarrt, die trügenden Kleider Gar nicht der Gott, und er lädt Nackte nur ein für sein Fest. Füg zu den fremden Gründen lateinische nun, meine Muse, Daß im eigenen Staub laufe mein Pferdegespann! Nach dem Brauch hatte man eine Ziege geschlachtet dem Bocksfuß Faun, und zum kärglichen Mahl kam die geladene Schar. Während an Weidenspießen die Eingeweide die Priester Brieten - der Sonnengott war grad auf der Mitte der Bahn - , Gab mit dem Bruder Romulus, gab auch die Jungschar der Hirten Unbekleidet den Leib Sonne und Ebene preis, Wo sie mit Wurfspießen und mit Stangen sowie durch das Schleudern Wuchtiger Steine des Arms Kräfte erprobten im Spiel. Plötzlich ein Hirt von der Höhe: «Romulus, Remus, es treiben Räuber durchs weglose Land unsere Jungstiere weg!» Zeit sich zu rüsten fehlt; nach verschiedenen Seiten ziehn beide. Remus trifft auf den Feind, bringt dessen Beute zurück. Als er zurückkommt, zieht er vom Spieß das noch zischende Fleisch ab, Sagend: «Dies ißt nun gewiß der, der gesiegt hat, allein!» Sprach's und tat's mit den Fabiern. Romulus, welcher erfolglos Kommt, sieht: Leer ist der Tisch, nur noch die Knochen sind da! Lachte er auch, ihn kränkte, daß mit den Fabiern Remus Siegen konnte und nicht seine Quintilierschar. Immer noch gibt's ein Abbild der Tat: Man läuft ohne Kleider; In der Erinnerung lebt, was so erfolgreich verlief. Fragen wirst du vielleicht, warum Luperkal der Ort heißt, Oder warum diesem Tag solch einen Namen man gibt. Silvia, die Vestalin, gebar ihre göttlichen Söhne, Als ihr Oheim bereits König in Latium war.

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SECUNDUS

is iubet auferri parvos et in amne necari: quid facis? ex istis Romulus alter erit. iussa recusantes peragunt lacrimosa ministri

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(fient tarnen) et geminos in loca sola ferunt. Albula, quem Tiberim mersus Tiberinus in undis reddidit, hibernis forte tumebat aquis: hic, ubi nunc fora sunt, Untres errare videres, quaque iacent valles, Maxime Circe, tuae. hue ubi venerunt (ñeque enim procedere possunt longius), ex Ulis unus et alter ait: 'at quam sunt similes! at quam formosus uterque! plus tarnen ex illis iste vigoris habet, si genus arguitur voltu, nisi fallit imago, nescioquem in vobis suspicor esse deum. at siquis vestrae deus esset originis auetor, in tarn praeeipiti tempore ferret opem: ferret opem certe, si non ope, mater, egeret, quae facta est uno mater et orba die. nata simul, moritura simul, simul ite sub undas corpora.' desierat deposuitque sinu. vagierunt ambo pariter: sensisse putares; hi redeunt udis in sua tecta genis, sustinet impositos summa cavus alveus unda:

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heu quantum fati parva tabella tulit! alveus in limo silvis adpulsus opacis paulatim fluvio deficiente sedet. 410 arbor erat: remanent vestigia, quaeque vocatur Rumina nunc ficus, Romula ficus erat, venit ad expositos, mirum, lupa feta gemellos: quis credat pueris non nocuisse feram? non nocuisse parum est, prodest quoque, quos lupa nutrit, 415 perdere cognatae sustinuere manus. constitit et cauda teneris blanditur alumnis et fingit lingua corpora bina sua. Marte satos scires: timor abfuit. ubera ducunt nec sibi promissi lactis aluntur ope. 420 illa loco nomen fecit, locus ipse Lupercis; magna dati nutrix praemia lactis habet.

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Aussetzen hieß nun dieser die Kinder, im Strome ertränken. Ach, was tust du? Es wird einer der Romulus sein! Murrend und unter Tränen vollziehn das Befohlne die Diener, Tragen weinend die zwei zu einem einsamen Ort. Albula - «Tiber» jetzt, denn Tiberinus ertrank in den Wogen Hatte grad Hochwasser, weil Winterszeit herrschte im Land. Hier, wo die Foren jetzt sind, wo, Circus Maximus, jetzt dein Tal liegt, könnt' damals man noch Kähne umherfahren sehn. Als sie bis hierher gelangt sind - denn weiterzugehn ist unmöglich - , Rief in der Männerschar der oder auch jener wohl aus: «Wie sie einander doch ähneln! Wie schön ist doch jeder von beiden! Mehr an Kräften besitzt unter den beiden doch der\ Wenn sich die Abkunft verrät aus den Zügen, das Äußre nicht ganz täuscht, Möchte ich meinen, es leb' einer der Götter in euch! Doch wenn es wirklich so wäre, daß euer Erzeuger ein Gott ist, Käme zu Hilfe er euch in einer solchen Gefahr! Sicher zu Hilfe käme die Mutter, bräucht' selbst sie nicht Hilfe, Sie, die an einem Tag Mutter und kinderlos war! Kamt ihr zusammen zur Welt, um zusammen zu sterben, bedecke Euch auch zusammen die Flut!» Sprach es und setzte sie ab. Gleichzeitig wimmerten beide: Sie spürten es, hätte man meinen Können. Die aber gehn, Tränen im Antlitz, nach Haus. Ihre Last hält die hohle Mulde hoch auf der Woge Weh, welche Schicksalslast trug dieses kleine Stück Holz! Als allmählich das Wasser dann fällt, da treibt es die Mulde In einen schattigen Wald, wo sie im Schlamm stecken bleibt. Dort stand ein Baum, die Reste sind noch vorhanden; sein Name: Romulus' Feigenbaum einst, Ruminas Feigenbaum jetzt. Zu den beiden Verlornen kam, Muttertier grad, eine Wölfin Wundersam! Glaubt man's? Das Tier, nichts tat's den Knaben zuleid?! Nicht nur tut's ihnen nichts, sondern hilft auch. Sie, die die Wölfin Säugt, in den Tod wurden sie von den Verwandten geschickt! Mit dem Schweife den zarten Kindern zuwedelnd, bleibt sie Stehn; mit der Zunge sodann leckt alle beide sie ab. Ja, es sind Söhne des Mars! An den Zitzen saugen sie furchtlos, Lassen sich nähren durch Milch, die nicht bestimmt war für sie! So gab jene dem Ort, der Ort den Luperken den Namen. Groß ist der Amme Lohn für die gespendete Milch!

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SECUNDUS

quid vetat Arcadio dictos a monte Lupercos? Faunus in Arcadia templa Lycaeus habet. nupta, quid exspectas? non tu pollentibus herbis nec prece nec magico carmine mater eris; excipe fecundae patienter verbera dextrae, iam socer optatum nomen habebit avi. nam fuit illa dies, dura cum sorte maritae reddebant uteri pignora rara sui. 'quid mihi' clamabat 'prodest rapuisse Sabinas' Romulus (hoc ilio sceptra tenente fuit), 'si mea non vires, sed bellum iniuria fecit? utilius fuerat non habuisse nurus.' monte sub Esquilio multis incaeduus annis Iunonis magnae nomine lucus erat, hue ubi venerunt, pariter nuptaeque virique suppliciter posito procubuere genu: cum subito motae tremuere cacumina silvae, et dea per lucos mira locuta suos. 'Italidas matres' inquit 'sacer hircus inito.' obstipuit dubio territa turba sono, augur erat, nomen longis intercidit annis: nuper ab Etrusca venerat exul h o m o ; ille caprum mactat: iussae sua terga puellae pellibus exsectis percutienda dabant. luna resumebat decimo nova cornua motu, virque pater subito nuptaque mater erat, grada Lucinae: dedit haec tibi nomina lucus, aut quia principium tu, dea, lucis habes. parce, precor, gravidis, facilis Lucina, puellis, maturumque utero molliter aufer onus. orta dies fuerit, tu desine credere ventis; perdidit illius temporis aura fidem. flamina non constant, et sex reserata diebus carceris Aeolii ianua lata patet.

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Möglich auch, daß nach Arkadiens Berg die Luperken man nannte: H a t seine Tempel ja dort auch der lykäische Faun! Warum zögerst du, junge Frau? Durch kräftige Kräuter, Zauberspruch oder Gebet wirst ja zur Mutter du nicht! N i m m mit Geduld die Schläge der Fruchtbarkeit schenkenden Rechten: Dann nennt der Schwäher sich bald Großvater, wie er sich's wünscht! Denn es gab eine Zeit, wo die Leiber der Fraun unter einem Harten Schicksal ein Kind selten nur brachten zur Welt. «Ach, was nützt es mir, daß die Sabinerinnen wir raubten?» So rief Romulus - er war damals König - sehr oft, «Wenn statt neuer Kräfte nur Krieg mein Unrecht gebracht hat? Nützlicher wär's, die Fraun gar nicht zu haben bei uns!» Unten am Fuße des Bergs Esquilin stand, etliche Jahre Unbehauen, ein Hain, J u n o , der großen, geweiht. Als, dorthin gekommen, gemeinsam Frauen und Männer Bittflehend beugten das Knie, nieder zur Erde geneigt, Regte sich plötzlich der Wald, die Wipfel zitterten, und das Wort der Göttin erklang wundersam durch ihren Hain: «In die italischen Mütter soll eingehn der heilige Geißbock!» Rätselhaft klang das: Erschreckt hat es die Schar und bestürzt. Aber ein Augur - sein N a m e ging unter im Laufe der Jahre; Angelangt war er erst jüngst, von den Etruskern verbannt — Schlachtet sofort einen Bock, schnitt sich Riemen danach, und die Frauen Boten, wie er es befahl, ihm ihren Rücken zum Schlag. N e u e Hörner nahm im zehnten Umlauf der Mond an: Plötzlich war Vater der Mann, wurde zur Mutter die Frau! D a n k sei Lucina! Dir gab diesen N a m e n der Hain, oder weil in Deinen Händen des Lichts Anfang liegt, nennt man dich so. Sei bitte gnädig den schwangeren Frauen, du sanfte Lucina; N i m m , wenn reif ist die Frucht, leicht aus dem Leib sie heraus! H a t begonnen der Tag, vertraue du ja nicht den Winden: D a s ist die Zeit, wenn kein L u f t z u g Vertrauen verdient! Unbeständig sind dann die Winde, und offen steht ohne Riegel an Äolus' Burg sechs volle Tage das Tor.

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SECUNDUS

iam levis obliqua subsedit Aquarius urna: proximus aetherios excipe, Piscis, equos. te memorant fratremque tuum (nam iuncta micatis signa) duos tergo sustinuisse deos. terribilem quondam fugiens Typhona Dione, tum, cum pro cáelo Iuppiter arma tulit, venit ad Euphraten comitata Cupidine parvo inque Palaestinae margine sedit aquae, populus et cannae riparum summa tenebant, spemque dabant salices hos quoque posse tegi. dum latet, insonuit vento nemus: illa timore pallet et hostiles credit adesse manus, utque sinu tenuit natum, 'succurrite, nymphae, et dis auxilium ferte duobus' ait. nec mora, prosiluit. pisces subiere gemelli: pro quo nunc, cernís, sidera nomen habent. inde nefas ducunt genus hoc imponere mensis nec violant timidi piscibus ora Syri.

Próxima lux vacua est; at tertia dicta Quirino, qui tenet hoc nomen (Romulus ante fuit), sive quod hasta 'curis' priscis est dicta Sabinis (bellicus a telo venit in astra deus); sive suum regi nomen posuere Quirites, seu quia Romanis iunxerat ille Cures. nam pater armipotens postquam nova moenia vidit, multaque Romulea bella peracta manu, 'Iuppiter', inquit 'habet Romana potentia vires: sanguinis officio non eget ilia mei. redde patri natum: quamvis intercidit alter, pro se proque Remo, qui mihi restât, erit. ,unus erit, quem tu tolles in caerula caeli' tu mihi dixisti: sint rata dicta Iovis.' Iuppiter adnuerat: nutu tremefactus uterque est polus, et caeli pondera novit Atlas. est locus, antiqui Caprae dixere paludem: forte tuis illic, Romule, iura dabas.

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Schon ging mit schräger Urne der leichte Wassermann unter; Nimm das Sonnengespann, Fisch, du als nächster nun auf! Du und dein Bruder - ihr glänzt als Gestirne ja nebeneinander Trugt auf dem Rücken zwei Götter; so wird es erzählt. Einst, als vor Typhon, dem grimmen, Dione flüchtete - damals, Als zu des Himmels Schutz Jupiter Waffen ergriff - , Kam sie zum Euphrat, begleitet vom kleinen Cupido, und an des Palästinischen Stroms Uferrand ruhte sie aus. Oben säumten Pappeln und Schilf die Ufer; daß auch für Sie sich ein Obdach fand, ließ hoffen das Weidengebüsch. Als schon versteckt sie war, sang der Wind im Gehölz; voller Schrecken Wird sie ganz bleich, und sie glaubt, Häscher des Feinds seien da. An ihrer Brust hielt sie ihren Knaben und rief: «O ihr Nymphen, Kommt zu Hilfe und bringt Rettung zwei Göttern zugleich!» Sie sprang vor ohne Zaudern. Da boten den Rücken die beiden Fische; du siehst, deshalb kennt man als Sterne sie jetzt! Diese Art Tiere aufzutischen ist Frevel, so glaubt der Ängstliche Syrer; den Mund will er durch Fisch nicht entweihn. 17.

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Frei ist der folgende Tag, doch der dritte gehört dem Quirinus, Der diesen Namen jetzt trägt - Romulus trug ihn vordem - , Sei es, weil curis die alten Sabiner den Speer nannten - Krieger War er, und durch das Geschoß wurde unsterblich der Gott - , Sei's, weil den König so wie sich selbst die Quiriten einst nannten, Oder weil Cures er einst ganz mit den Römern verband. Als die neuen Mauern sein waffengewaltiger Vater Sah, und daß Romulus' Hand zahlreiche Kriege vollbracht Hatte, sagte er: «Rom hat, Jupiter, solch eine Macht jetzt, Daß es des Sohnes Dienst künftighin nicht mehr bedarf. Gib den Sohn seinem Vater zurück! Denn starb auch der eine, Soll mir für Remus und sich gelten der andre, der lebt.

Hast du zu mir gesagt: Jupiters Wort sei erfüllt!» Jupiter nickte Gewährung, vom Nicken erzitterten beide Pole; des Himmels Gewicht konnte da Atlas verspürn. Ziegensumpf, so hat ein Platz bei den Alten geheißen; Du, o Romulus, sprachst grade den Deinen dort Recht.

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SECUNDUS

sol fugit, et removent subeuntia nubila caelum, et gravis effusis decidit imber aquis. hinc tonat, hinc missis abrumpitur ignibus aether: fit fuga, rex patriis astra petebat equis, luctus erat, falsaeque patres in crimine caedis, haesissetque animis forsitan illa fides; sed Proculus Longa veniebat Iulius Alba, lunaque fulgebat, nec facis usus erat, cum subito motu saepes tremuere sinistrae: rettulit ille gradus, horrueruntque comae, pulcher et humano maior trabeaque decorus Romulus in media visus adesse via et dixisse simul 'prohibe lugere Quirites, nec violent lacrimis numina nostra suis: tura ferant placentque novum pia turba Quirinum, et patrias artes militiamque colant.' iussit et in tenues oculis evanuit auras; convocat hic populos iussaque verba refert. tempia deo fiunt: Collis quoque dictus ab ilio est, et referunt certi sacra paterna dies. lux quoque cur eadem Stultorum festa vocetur, accipe: parva quidem causa, sed apta, subest. non habuit doctos tellus antiqua colonos: lassabant agiles aspera bella viros. plus erat in gladio quam curvo laudis aratro: neglectus domino pauca ferebat ager. farra tarnen veteres iaciebant, farra metebant, primitias Cereri farra resecta dabant: usibus admoniti flammis torrenda dederunt multaque peccato damna tulere suo; nam m o d o verrebant nigras pro farre favillas, nunc ipsas ignes corripuere casas, facta dea est Fornax: laeti Fornace coloni orant, ut fruges temperet illa suas, curio legitimis nunc Fornacalia verbis maximus indicit nec stata sacra facit:

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Da verschwindet die Sonne, und Wolken verdüstern den Himmel, Strömend in dichter Flut prasselt ein Regen herab; Dann kracht Donner, dann reißen Blitze den Äther auf; alles Flieht, und der König lenkt aufwärts des Vaters Gespann. Trauer herrscht; ohne Grund sind die Väter des Mordes verdächtig. Festgesetzt hätte sich auch diese Vermutung, jedoch Julius Proculus kam von Alba Longa gegangen; Leuchtend strahlte der Mond, Fackelschein brauchte man nicht. Plötzlich - eine Bewegung! Es zitterte links die Verzäunung; Er fuhr zurück, und ihm sträubte vor Schreck sich das Haar. Schön, über Menschengröße, geschmückt mit dem Königsgewande Stand da - so schien es ihm - Romulus mitten im Weg. «Halte», so sprach er zugleich, «vom Trauern ab die Quiriten, Daß meine Göttlichkeit sie nicht durch die Tränen entweihn! Fromm mit Weihrauch versöhne die Menge den neuen Quirinus, Pflege die Kriegskunst, die Kunst ihrer Väter schon war!» So sein Befehl. Aus dem Blick in die leichten Lüfte entschwand er. Der ruft das Volk und gibt, was ihm befohlen ist, kund. Tempel erbaut man dem Gott, und ein Hügel erhält seinen Namen. Festtage machen das Fest unserer Väter stets neu. Aber warum derselbe Tag auch «der Festtag der Toren» Heißt, das vernimm! Ist der Grund unscheinbar auch, er trifft zu! Früher besaß das Land noch keine gelehrten Bewohner: Rauh war der Krieg, und er hat regsame Männer verbraucht. Mehr Ruhm als mit der krummen Pflugschar gewann durch das Schwert man, Wenig Ertrag für den Herrn gab, kaum beachtet, das Feld. Spelt aber säten die Alten, aus Spelt bestand ihre Ernte; Was man als erstes an Spelt schnitt, wurde Ceres geweiht. Dann, durch Erfahrung belehrt, nahm zum Dörren des Spelts man das Feuer, Manchen Schaden jedoch litt man durch eigene Schuld. Bald war's statt Spelt schwarze Asche, was aus den Ofen sie kehrten, Bald hat das Feuer sogar ihnen die Hütten geraubt. Da wurde Fornax zur Göttin gemacht, und froh über Fornax Beten die Bauern zu ihr, daß sie verschone die Frucht. Wann Fornakalien sind, zeigt durch Worte, die feststehen, jetzt der Curio Maximus an, wählt keinen festen Termin;



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inque foro, multa circuiti pendente tabella, Signatur certa curia quaeque nota, stultaque pars populi, quae sit sua curia, nescit, sed facit extrema sacra relata die.

Est honor et tumulis, animas placare paternas, parvaque in exstructas muñera ferre pyras. parva petunt manes: pietas pro divi te grata est

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muñere; non ávidos Styx habet ima déos, tegula porrectis satis est velata coronis et sparsae fruges parcaque mica salis, inque mero mollita Ceres violaeque solutae: haec habeat media testa relieta via. nec maiora veto, sed et his placabilis umbra est: adde preces positis et sua verba focis. hunc morem Aeneas, pietatis idoneus auctor, attulit in terras, iuste Latine, tuas, ille patris G e n i o sollemnia dona ferebat: hinc populi ritus edidicere pios. at quondam, dum longa gerunt pugnacibus armis bella, Parentales deseruere dies, non impune fuit; nam dicitur omine ab isto R o m a suburbanis incaluisse rogis. vix equidem credo: bustis exisse feruntur et tacitae questi tempore noctis avi, perque vias Urbis latosque ululasse per agros deformes animas, volgus inane, ferunt. post ea praeteriti tumulis redduntur honores, prodigiisque venit funeribusque modus, dum tarnen haec fiunt, viduae cessate puellae: exspectet puros pinea taeda dies, nec tibi, quae cupidae matura videbere matri, comat virgíneas hasta recurva comas. conde tuas, Hymenaee, faces, et ab ignibus atris aufer: habent alias maesta sepulcra faces, di quoque templorum foribus celentur opertis, ture vacent arae stentque sine igne foci.

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Auf dem Forum - dort hängen ja ringsum die zahlreichen Tafeln Wird jede Kurie klar mit einem Zeichen markiert. Aber die Toren des Volks, die nicht ihre Kurie kennen, Feiern am letzten Tag - «Nachfeier» ist dann - das Fest.

21. Februar Ehre erweist man auch Gräbern: Die Seelen der Ahnen versöhnt man, Legt kleine Gaben dort, wo sie verbrannt wurden, hin. Wenig begehren die Toten: Sie ziehen die Frömmigkeit reichen Gaben vor; unten die Styx kennt keinen gierigen Gott. Schon ein Ziegel genügt, mit Opferkränzen umwunden, Einige Früchte, verstreut, wenige Körner von Salz. Brot auch, in Wein geweicht, und lose Veilchen - man lege In einem irdenen Topf dies in die Mitte des Wegs! Großes verbiete ich nicht, doch auch dies versöhnt schon die Schatten; Füge am Herd im Gebet das, was man sagt, noch hinzu! Diesen Brauch hat Aneas, für fromme Übung ein gutes Leitbild, zu dir ins Land, wackrer Latinus, gebracht. Feierlich gab er am Todestag festliche Gaben des Vaters Genius. So kennt das Volk auch diesen heiligen Brauch. Einmal jedoch, während lange Kriege mit streitbaren Waffen Man geführt hat, da hielt keiner das Totenfest ab. Das blieb nicht ungestraft: Es heißt, seit dem Frevel war, weil nun Holzstöße stets vor der Stadt aufflammten, Rom ganz erhitzt. Nicht recht glauben kann ich's: Es stiegen heraus aus den Gräbern, Sagt man, die Ahnen, die laut klagten im Schweigen der Nacht. Durch Roms Straßen und über die weiten Felder hin heulten Seelen, nur schemenhaft, Geistergestalten - so heißt's. Als den Gräbern darauf die versäumten Ehren man brachte, War damit Spuk und Tod rasch auch ein Ende gesetzt. Währenddessen bleibt ledig, ihr Mädchen! Es warte auf ihre Tage die Kienfackel, die immer am Hochzeitsfest brennt. Dir, die der drängenden Mutter zum Heiraten reif scheint, soll heute Nicht der gekrümmte Speer schmücken das Jungfrauenhaar! Birg, Hymenäus, die Fackeln, vom düsteren Feuer halt fern sie, Hat doch das finstere Grab andere Fackeln als du! Auch die Götter soll jetzt die Tür ihrer Tempel verbergen; Weihrauch sei fern dem Altar, Feuer brenn' nicht auf dem Herd!

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nunc animae tenues et corpora functa sepulcris errant, nunc posito pascitur umbra cibo, nec tamen haec ultra, quam tot de mense supersint Luciferi, quot habent carmina nostra pedes, hanc, quia iusta ferunt, dixere Feralia lucem; ultima placandis manibus ilia dies. ecce anus in mediis residens annosa puellis sacra facit Tacitae (vix tamen ipsa tacet), et digitis tria tura tribus sub limine ponit, qua brevis occultum mus sibi fecit iter: tum cantata ligat cum fusco licia plumbo et Septem nigras versât in ore fabas, quodque pice adstrinxit, quod acu traiecit aena,

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obsutum maenae torret in igne caput; vina quoque instillât: vini quodcumque relictum est, aut ipsa aut comités, plus tamen ipsa, bibit. 'hostiles linguas inimicaque vinximus ora' dicit discedens ebriaque exit anus, protinus a nobis, quae sit dea Muta, requires: disce, per antiquos quae mihi nota senes. Iuppiter, inmodico Iuturnae victus amore, multa tulit tanto non patienda deo: illa m o d o in silvis inter coryleta latebat, nunc in cognatas desiliebat aquas, convocat hic nymphas, Latium quaecumque tenebant, et iacit in medio talia verba choro: 'invidet ipsa sibi vitatque, quod expedit illi, vestra soror, summo iungere membra deo. consulite ambobus: nam quae mea magna voluptas, utilitas vestrae magna sororis erit. vos illi in prima fugienti obsistite ripa, ne sua fluminea corpora mergat aqua.' dixerat; adnuerant nymphae Tiberinides omnes quaeque colunt thalamos, Ilia diva, tuos. forte fuit Nais, Lara nomine; prima sed illi dieta bis antiquum syllaba nomen erat,

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Leichte Seelen und Körper aus Gräbern, sie wandern umher jetzt, Schatten ernährt das Mahl, das ihnen hingestellt wird. Doch das dauert nicht länger, als übrig bleiben vom Monat Soviele Tage, wie Füße mein Distichon hat. Dieser Tag heißt, weil Opfer man bringt, Feralien, ist der Letzte Tag auch, an dem man die Verstorbnen versöhnt. Sieh doch die alte Frau inmitten der Mädchen dort sitzen! Tacita opfert sie dort (schweigt aber selbst dabei kaum), Legt mit drei Fingern drei Körner Weihrauch unter die Schwelle, Wo den Geheimgang sich nagte die winzige Maus, Bindet danach mit fahlem Blei besprochene Fäden, Dreht sieben Bohnen auch, die schwarz sind, im Mund hin und her, Dörrt einen Fischkopf, der, mit Pech beschmiert und mit einer Bronzenen Nadel durchbohrt, zugenäht ist, in der Glut, Tröpfelt auch Wein noch darauf, und was übrig vom Wein ist, das trinkt sie, Oder die Mädchen tun's, selber jedoch trinkt sie mehr! «Böse Zungen hab' ich und den Mund der Feinde gefesselt», Sagt im Gehen das Weib, schwankt dann betrunken davon. Wer Dea Muta denn sei, das willst du nun gleich von mir wissen: Hör, was von Greisen, die mich's lehrten, darüber ich weiß! Jupiter, hemmungslos einst der Begier nach Juturna ergeben, Litt viel, was so ein Gott niemals sonst durchmachen sollt'. Bald war jene versteckt in den Haselstauden im Walde, Bald kam hinabtauchend sie zu ihren Schwestern im Quell. Er ruft die Nymphen zusammen, soweit sie in Latium wohnen, Und inmitten der Schar sagt er erregt ihnen dies: «Was ihr zum Glück doch gereicht, das vermeidet und gönnt sich nicht eure Schwester: vereint zu sein mit dem erhabensten Gott. Helft uns beiden! Denn das, was meine riesige Lust ist, Bringt eurer Schwester dann riesige Vorteile ein! Flieht sie, so stellt euch ihr am Rande des Ufers entgegen, Daß in die Fluten des Stroms nicht sie hinabtauchen kann!» Sprach's, und beifällig nickten die Nymphen des Tibers und alle, Die bei dir im Palast, göttliche Ilia, sind. Grad war nun da eine Nymphe, die Lara hieß; zweimal die erste Silbe sprechend hat man Lala sie früher genannt,

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ex vitio positum. saepe illi dixerat A l m o 'nata, tene linguam': nec tamen illa tenet, quae simul ac tetigit Iuturnae stagna sororis, 'effuge' ait 'ripas!' dicta refertque Iovis. illa etiam Iunonem adiit miserataque nuptas 'Naida Iuturnam vir tuus' inquit 'amat.' Iuppiter intumuit, quaque est non usa modeste, eripit huic linguam Mercuriumque vocat: 'duc hanc ad manes: locus ille silentibus aptus. nympha, sed infernae nympha paludis erit.' iussa Iovis fiunt. accepit lucus euntes: dicitur illa duci tum placuisse deo. vim parat hic, voltu pro verbis illa precatur et frustra muto nititur ore loqui fitque gravis geminosque parit, qui compita servant et vigilant nostra semper in urbe, Lares.

Próxima cognati dixere Karistia kari, et venit ad socios turba propinqua déos, scilicet a tumulis et qui periere propinquis protinus ad vivos ora referre iuvat, postque tot amissos quicquid de sanguine restât, aspicere et generis dinumerare gradus. innocui veniant: procul hinc, procul impius esto frater et in partus mater acerba suos, cui pater est vivax, qui matris digerit annos, quae premit invisam socrus iniqua nurum. Tantalidae fratres absint et Iasonis uxor et quae ruricolis semina tosta dédit et soror et Procne Tereusque duabus iniquus et quicumque suas per scelus auget opes. dis generis date tura boni: Concordia fertur illa praecipue mitis adesse die; et libate dapes, ut, grati pignus honoris, nutriat incinctos missa patella Lares, iamque, ubi suadebit placidos nox umida somnos, larga precaturi sumite vina manu,

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Weil einen Fehler sie hatte: Zu ihr sagte Almo des öftern: «Ziigle die Zunge, mein Kind!» Aber sie zügelt sie nicht! Kaum daß bei ihrer Schwester Juturna Gewässer sie anlangt, Ruft sie: «Vom Ufer bleib weg!», sagt dann, was Jupiter sprach, Geht auch zu Juno, beklagt der Gattinnen Los und sagt: «In die Nymphe Juturna ist jetzt heftig verliebt dein Gemahl!» Zorn packt Jupiter: Sie, die sie nicht im Zaume hielt, ihre Zunge reißt er ihr aus, ruft dann Merkur zu sich her: «Führ zu den Manen sie fort! Gelegenheit gibt's dort zum Schweigen; Nymphe bleibt sie, jedoch Nymphe im Unterweltsfluß!» Was er befiehlt, das geschieht. Unterwegs nahm ein Hain sie auf; da nun Fand ihr Begleiter, der Gott, sagt man, Gefallen an ihr, Greift zur Gewalt, und durch Blicke, nicht Worte fleht sie um Schonung; Sprechen möchte ihr Mund - stumm ist er, müht sich umsonst. Schwanger wird sie, gebiert die Zwillinge, welche den Kreuzweg Schützen, in unserer Stadt wachsam stets, Laren genannt. 22.

Februar

Der Tag, der folgt, heißt Karistien von unsern lieben Verwandten, Und es trifft ihre Schar sich bei den Göttern des Stamms. Denn natürlich macht's Freude, von Gräbern und toten Verwandten Zu den lebendigen auch nunmehr zu wenden den Blick, Nach so vielen Toten zu schauen: Was ist von der Sippschaft Übrig noch? Wer ist direkt, wer ist entfernt nur verwandt? Schuldlos mögen sie kommen! Sei fern von hier, fern der verruchte Bruder, die Mutter, von der Böses den Kindern geschieht, Er, dem der Vater zu lang lebt, und er, der die Jahre der Mutter Zählt, und die Schwieger, die nicht nett ist zur Schnur, die sie haßt! Fern Solln die Tantaliden, soll Jasons Ehefrau bleiben, Sie, die den Samen gedörrt einstmals den Landleuten gab, Samt ihrer Schwester auch Prokne und Tereus, der grausam zu beiden War und jeder, der nur frevelnd den Reichtum vermehrt! Aber ihr Guten, bringt Weihrauch den Göttern der Sippe; es heißt, die Sanfte Concordia ist heut ganz besonders bei euch! Opfert Speisen, auf daß als ein Pfand willkommener Gabe Das, was auf Schalen man darbringt, die Laren ernähr'! Wenn zur sanften Ruhe die feuchte Nacht euch dann einlädt, Nehmt reichlich Wein zur Hand vor dem Gebet und dann sprecht:

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et 'bene vos, bene te, patriae pater, optime Caesar' dicite; suffuso sint bona verba mero.

N o x ubi transierit, solito celebretur honore separat indicio qui deus arva suo. Termine, sive lapis, sive es defossus in agro stipes, ab antiquis tu quoque numen habes. te duo diversa domini de parte coronant binaque serta tibi binaque liba ferunt. ara fit: hue ignem curto fert rustica testo sumptum de tepidis ipsa coIona focis. ligna senex minuit concisaque construit arte et solida ramos figere pugnat humo; tum sicco primas inri tat cortice flammas; stat puer et manibus lata canistra tenet. inde ubi ter fruges medios immisit in ignes, porrigit incisos filia parva favos, vina tenent alii: libantur singula flammis; spectant, et linguis candida turba favet. spargitur et caeso communis Terminus agno nec queritur, lactans cum sibi porca datur. conveniunt celebrantque dapes vicinia simplex et cantant laudes, Termine sánete, tuas: 'tu populos urbesque et regna ingentia finis: omnis erit sine te litigiosus ager. nulla tibi ambitio est, nullo corrumperis auro, legitima servas eredita rura fide, si tu signasses olim Thyreatida terram, corpora non leto missa trecenta forent, nec foret Othryades congestis lectus in armis. o quantum patriae sanguinis ille dediti quid, nova cum fierent Capitolia? nempe deorum cuncta Iovi cessit turba locumque dedit; Terminus, ut veteres memorant, inventus in aede restitit et magno cum love tempia tenet. nunc quoque, se supra ne quid nisi sidera cernat, exiguum templi tecta foramen habent.

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«Heil euch! Heil dir, Vater des Vaterlandes, du guter Caesar!» Spendet, wenn so Frommes ihr sagt, euren Wein! 23.

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Nach dieser Nacht dann feire mit Opfern, die üblich sind, man den Gott, der die Grenzen der Flur mit seinem Zeichen markiert. Terminus, ob sie als Stein in den Acker dich eingraben, ob als Pfahl, von altersher schon bist eine Gottheit auch du. Von verschiedenen Seiten bekränzen dich zwei Herren, und sie Bringen zwei Kränze, zwei Kuchen auch bringen sie dir. Ist ein Altar dann erbaut, bringt den Feuerbrand, den sie vom warmen Herd nahm, die Bäuerin auf schadhafter Schüssel dorthin. Holz zerkleinert der Greis, baut kunstvoll auf seine Scheite, Steckt in den festen Grund Zweige, sich mühend, hinein, Facht dann mit trockener Rinde ein kleines Feuer an; breite Körbe hält in der Hand, neben ihm stehend, sein Sohn. Früchte wirft er nun dreimal hinein in die Glut, und geschnittne Honigwaben reicht ihm hierauf sein Töchterchen dar. Wein halten andre; von allem wird etwas den Flammen geopfert. Weißgekleidet und stumm schaut die Gemeinde ihm zu. Oft auch besprengt das Blut eines Lamms den gemeinsamen Grenzgott, Der, gibt ein Ferkel man ihm, das noch gesäugt wird, nicht zürnt. Einfache Leute, die Nachbarn sind, kommen zum Festmahl zusammen, Und sie preisen im Lied, heiliger Terminus, dich: «Grenzen gibst du den Völkern, den Städten und mächtigen Reichen; Ohne dich gäbe stets Ackerland Anlaß zum Streit. Ehrgeiz kennst du nicht, läßt durch Gold dich niemals bestechen, Hütest gesetzestreu Land, das man dir anvertraut hat. Hättst du die Thyreatis seinerzeit eingegrenzt, wären Jene dreihundert Mann niemals gefallen im Kampf, Hätt' man nicht auf dem Waffenhaufen gelesen Ach, wieviel Blut hat er damals der Heimat geweiht! Was war, als neu man erbaute den Kapitolinischen Tempel? Klar, da wich jeder Gott, machte dem Jupiter Platz. Terminus aber verblieb, wie die Alten erzählen, im Hause, Wohnt mit dem mächtigen Gott heut noch im Tempel allein. Nur damit über sich er gar nichts sieht außer Sternen, Hat seines Tempels Dach heut noch ein winziges Loch.

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Termine, post illud levitas tibi libera non est: qua positus fueris in statione, mane; nec tu vicino quicquam concede roganti, ne videare hominem praeposuisse Iovi: et, seu vomeribus seu tu pulsabere rastris, clamato, ,tuus est hic ager, ille tuus'.' est via, quae populum Laurentes ducit in agros, quondam Dardanio regna petita duci: illa lanigeri pecoris tibi, Termine, fibris sacra videt fieri sextus ab U r b e lapis, gentibus est aliis tellus data limite certo: Romanae spatium est Urbis et orbis idem.

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N u n c mihi dicenda est regis fuga, traxit ab illa sextus ab extremo nomina mense dies, ultima Tarquinius Romanae gentis habebat regna, vir iniustus, fortis ad arma tamen. ceperat hic alias, alias everterat urbes,

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et Gabios turpi fecerat arte suos. namque trium minimus, proles manifesta Superbi, in medios hostes nocte silente venit. nudarant gladios: 'occidite' dixit 'inermem: hoc cupiant fratres Tarquiniusque pater, qui mea crudeli laceravit verbere terga'

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(dicere ut hoc posset, verbera passus erat), luna fuit: spectant iuvenem gladiosque recondunt tergaque deducta veste notata vident: fient quoque et, ut secum tueatur bella, precantur. callidus ignaris adnuit ille viris. iamque potens misso genitorem appellat amico, perdendi Gabios quod sibi monstret iter, hortus odoratis suberat cultissimus herbis, sectus humum rivo lene sonantis aquae: illic Tarquinius mandata latentia nati accipit et virga lilia summa metit. nuntius ut rediit decussaque lilia dixit, filius 'agnosco iussa parentis' ait.

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Terminus, seit dieser Zeit fehlt dir der Beweglichkeit Freiheit: An dem Standort, an den man dich gestellt hat, bleib stehn, Keinen Zoll weich dem Nachbarn, ganz gleich, wie sehr er dich bittet, Daß man nicht meine, du ziehst Menschen dem Jupiter vor! U n d wenn man dir mit Pflügen oder mit Hacken zu Leib rückt, Ruf: » Dort, w o die Straße das Volk ins Gebiet von Laurentum führt - als ein Reich für sich hat es begehrt einst der dardanische Fürst - , Sieht jetzt der sechste Stein von der Stadt aus, Terminus, wie des Widders Gekröse für dich man als ein Opfer verbrennt. Andere Völker haben ein Land mit fester Begrenzung; Rom und der Erdkreis jedoch haben dasselbe Gebiet! 24. Februar Jetzt will die Königsflucht ich besingen im Lied; vor dem Schluß des Monats der sechste Tag hat seinen Namen von ihr. König in Rom war als letzter Tarquinius ; der war als Herrscher Ungerecht, aber im Krieg war er ein tapferer Mann. Manche Stadt nahm er ein, manch andre zerstörte er, und durch Schändliche List hat er auch Gabii an sich gebracht: Denn von drei Söhnen der jüngste, ein echter Sohn des Superbus, Kam in der Stille der Nacht mitten ins feindliche Heer. Schon waren Schwerter gezückt. «Den Wehrlosen tötet», so rief er, «Wünschten die Brüder es doch, Vater Tarquinius auch, Der mir grausam den Rücken durch Peitschenhiebe zerfetzt hat!» So war's, damit er dies vorbringen konnte, geschehn! Mondhell war's. Sie betrachten den Mann, stecken ein ihre Schwerter, Ziehen herunter sein Hemd, sehen den Rücken verletzt. Weinend bitten sie ihn, in den Krieg nun mit ihnen zu ziehen, Ahnen gar nichts, als er arglistig ja sagt dazu. Mächtig schon bald, schickt zum Vater er einen Freund und läßt fragen, Welchen Weg er ihm nun zeige zu Gabiis Fall. Nah beim Palast lag ein Garten, der wohlbestellt war und voll von Duftenden Pflanzen und den plätschernd ein Bächlein durchfloß. Dort hört des Sohnes geheime Botschaft Tarquinius, und die Höchsten Lilien knickt mit seiner Gerte er ab. Als nun der Bote dem Sohn die Enthauptung der Lilien meldet, Ruft der aus: «Ich erkenn', was mir der Vater befiehlt!»

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nec mora, principibus caesis ex urbe Gabina, traduntur ducibus moenia nuda suis. ecce, nefas visu, mediis altaribus anguis exit et exstinctis ignibus exta rapit. consulitur Phoebus, sors est ita reddita: 'matri qui dederit princeps oscula, victor erit.' oscula quisque suae matri properata tulerunt, non intellecto credula turba deo. Brutus erat stulti sapiens imitator, ut esset tutus ab insidiis, dire Superbe, tuis. ille iacens pronus matri dedit oscula Terrae, creditus offenso procubuisse pede. cingitur interea Romanis Ardea signis et patitur longas obsidione moras, dum vacat et metuunt hostes committere pugnam luditur in castris, otia miles agit. Tarquinius iuvenis socios dapibusque meroque accipit; ex illis rege creatus ait: 'dum nos sollicitos pigro tenet Ardea bello nec sinit ad patrios arma referre deos, ecquid in officio torus est socialis? et ecquid coniugibus nostris mutua cura sumus?' quisque suam laudat: studiis certamina crescunt, et fervet multo linguaque corque mero, surgit, cui dederat clarum Collatia nomen: 'non opus est verbis, crédité rebus' ait. 'nox superest: tollamur equis Urbemque petamus' dicta placent, frenis impediuntur equi, pertulerant dominos, regalia protinus í 111 tecta petunt: custos in fore nullus erat, ecce nurum regis fusis per colla coronis inveniunt posito pervigilare mero, inde cito passu petitur Lucretia, cuius ante torum calathi lanaque mollis erat, lumen ad exiguum famulae data pensa trahebant; inter quas tenui sic ait ilia sono:

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Auf der Stelle erschlägt er darauf die gabinischen Edlen; Führerlos ist jetzt das Volk und übergibt ihm die Stadt. Siehe - schrecklich zu schaun! - , eine Schlange kriecht aus des Herdes Mitte, löscht seine G l u t , schleppt dann das Opferfleisch weg! Phöbus fragt man um R a t , und dieser antwortet: «Wer die Mutter als erster küßt, der ist der Sieger dereinst!» Leichtgläubig gab nun ein jeder den K u ß seiner eigenen Mutter, D a man das, was der G o t t sagte, nicht richtig verstand. Brutus war schlau genug, den Toren zu spielen, um sicher Vor deinen Nachstellungen, übler Superbus, zu sein. D e r lag am B o d e n und küßte die Mutter Erde, und jeder Glaubte, gestürzt sei er nur, weil ihn am Fuß etwas traf! Ardea wird unterdessen von einer römischen Heerschar Eingeschlossen und hält lang die Belagerung aus. Während R u h e dort herrscht und der Feind den offenen Kampf scheut, Wird im Lager gespielt, Freizeit genießt der Soldat. Als nun mit Wein und mit Speisen der junge Tarquinius seine Freunde bewirtet, da spricht so unter ihnen der Prinz: «Während Ardea uns voller Sorgen in langsamem Kriege Festhält, den Rückmarsch uns nicht gönnt zu den Göttern daheim, Sind unterdessen die Frauen uns treu? U n d gedenken in gleicher Liebe die Gattinnen noch unsrer wie ihrer jetzt wir?» Jeder lobt da die seine, der Eifer wächst sich zum Streit aus, U n d v o m Weine erhitzt sind ihnen Zunge und Herz. Auf springt da der, dem den ruhmvollen N a m e n Collatia eintrug: «Worte brauchen wir nicht, Taten nur glaubt!» ruft er aus. «Vor uns liegt noch die Nacht. Aufs Pferd denn! Zur Stadt laßt uns eilen!» Allen gefällt das, und schon werden die Pferde gezäumt. D i e nun bringen die Herren ans Ziel. Man eilt auf der Stelle Zu der Königsburg hin. D o r t war kein Wächter am Tor. Schau! Die Gemahlin des Prinzen, den Nacken mit Kränzen umwunden, Finden sie vor, und die N a c h t macht sie mit Weintrinken durch! Weiter geht's eilenden Schritts zu Lucretia: D i e nun hat weiche Wolle, in K ö r b e gefüllt, vor ihrer Lagerstatt stehn. Während bei spärlichem Licht ihre zugewiesene Menge Sklavinnen spannen, da sprach jene, die Stimme gedämpft:

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'mittenda est domino (nunc, nunc properate, puellae) quamprimum nostra facta lacerna manu, quid tarnen auditis (nam plura audire potestis)? quantum de bello dicitur esse super? postmodo vieta cades: melioribus, Ardea, restas, improba, quae nostros cogis abesse viros. sint tantum reduces, sed enim temerarius ille est meus et stricto qualibet ense ruit. mens abit et morior, quotiens pugnantis imago me subit, et gelidum pectora frigus habet.' desinit in lacrimas inceptaque fila remisit, in gremio voltum deposuitque suum. hoc ipsum decuit: lacrimae decuere pudicam, et facies animo dignaque parque fuit, 'pone metum, veni' coniunx ait; illa revixit, deque viri collo dulce pependit onus. interea iuvenis furiales regius ignes concipit et caeco raptus amore furit. forma placet niveusque color flavique capilli quique aderat nulla factus ab arte decor: verba placent et vox et quod corrumpere non est; quoque minor spes est, hoc magis ille cupit. iam dederat cantus lucis praenuntius ales, cum referunt iuvenes in sua castra pedem. carpitur attonitos absentis imagine sensus ille; recordanti plura magisque placent. sic sedit, sic culta fuit, sic stamina nevit, iniectae collo sic iacuere comae, hos habuit voltus, haec illi verba fuerunt, hie color, haec facies, hic decor oris erat, ut solet a magno fluctus languescere flatu, sed tarnen a vento, qui fuit, unda tumet, sic, quamvis aberat placitae praesentia formae, quem dederat praesens forma, manebat amor, ardet et iniusti stimulis agitatus amoris comparat indigno vimque metumque toro. 'exitus in dubio est: audebimus ultima' dixit: Viderit! audentes forsque deusque iuvat.

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«Abgesandt werden muß baldigst - ihr Mädchen, beeilt euch! - zum Herren Dieser Mantel, den wir woben mit unserer Hand. Aber was hört man denn so (mehr als mir kommt euch ja zu Ohren)? Was wird gesagt? Wie lang soll er noch dauern, der Krieg? Einmal fällst du ja doch - gegen Bessere setzt du zur Wehr dich - , Schreckliches Ardea, das uns unsre Männer entführt! Kämen sie bald nur zurück! Denn unvorsichtig ist meiner, Stürmt mit gezücktem Schwert überallhin in der Schlacht! G a n z von Sinnen bin ich, will sterben, sooft ich mir ausmal', Wie er so kämpft, und die Furcht greift mir dann eiskalt ans H e r z ! » Tränen erstickten die Worte, der Faden, den sie begonnen Hatte, entfiel ihr, und sie senkte den Blick in den Schoß. D o c h selbst das stand ihr gut, die Schamhafte zierten die Tränen; Ihrer Gemütsart entsprach deutlich das Bild, das sie bot. «Laß nur die Angst, ich bin da!» rief ihr Gatte. D a lebte sie auf und H i n g am Halse des Manns als eine liebliche Last. Unterdessen erfaßte den Königssohn eine wilde Liebesglut, blinde Begier nimmt ihn ganz ein, und er rast. Ihm gefällt die Gestalt, ihre schneeweiße Farbe, das blonde Haar und ihr Liebreiz, den sie ganz von Natur aus besaß. Ihm gefällt, wie sie spricht, wie es klingt, und daß nicht zu verführen Sie ist; je weniger er hofft, desto geiler wird er. Längst schon hatte der Vogel gesungen, der Bote des Lichtes, Als sich der Jünglinge Schar wieder ins Lager begibt. Ihm raubt gänzlich die Sinne das Bild der Frau, die weit fort ist; Denkt er an sie, immer mehr fällt ihm dann ein, was er mag: So saß sie da, ja und so war sie angezogen, die Fäden Spann sie so, ja und so fiel in den Nacken ihr Haar! Dieses Gesicht hatte sie, und dieses sagte sie, diese Farbe, diese Figur hatte sie, dies war ihr Charme! Wie die Brandung nach einem starken Sturme stets schwächer Wird, doch v o m Wind, der schon längst abzog, die Woge noch schwillt, So blieb, obwohl aus der N ä h e entrückt die Gestalt war, die er so Liebte, die Glut, die, als nah war die Gestalt, ihn ergriff. Brennend, getrieben v o m Stachel verbotener Leidenschaft, plant er Unrecht wird er ihr tun! - Einschüchterung und Gewalt. «Ungewiß ist, wie es ausgeht, doch wag' ich das Letzte! Wie sie es Aufnimmt? Egal!» rief er, « G l ü c k hilft, wenn man wagt, und der Gott!

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cepimus audendo Gabios quoque.' talia fatus ense latus cinxit tergaque pressit equi, accipit aerata iuvenem Collatia porta, condere iam voltus sole parante suos. hostis ut hospes init penetralia Collatini: comiter excipitur; sanguine iunctus erat, quantum animis erroris inest! parat inscia rerum infelix epulas hostibus illa suis, functus erat dapibus: poscunt sua tempora somnum nox erat, et tota lumina nulla domo, surgit et aurata vagina libérât ensem et venit in thalamos, nupta pudica, tuos; utque torum pressit, 'ferrum, Lucretia, mecum est' natus ait regis, 'Tarquiniusque loquor.' ilia nihil, ñeque enim vocem viresque loquendi aut aliquid toto pectore mentis habet; sed tremit, ut quondam stabulis deprensa relictis parva sub infesto cum iacet agna lupo, quid faciat? pugnet? vincetur femina pugnans. clamet? at in dextra, qui vetet, ensis erat, effugiat? positis urgentur pectora palmis, tum primum externa pectora tacta manu, instat amans hostis precibus pretioque minisque: nec prece nec pretio nec movet ille minis, 'nil agis: eripiam' dixit 'per crimina vitam: falsus adulterii testis adulter ero: interimam famulum, cum quo deprensa fereris.' succubuit famae vieta puella metu. quid, victor, gaudes? haec te victoria perdei. heu quanto regnis nox stetit una tuis! iamque erat orta dies: passis sedet illa capillis, ut solet ad nati mater itura rogum, grandaevumque patrem fido cum coniuge castris evocat: et posita venit uterque mora, utque vident habitum, quae luctus causa, requirunt, cui paret exsequias, quove sit icta malo, illa diu reticet pudibundaque celat amictu ora: fluunt lacrimae more perennis aquae.

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Hab' ich doch Gabii auch, weil ich's wagte, bezwungen!» Nach diesen Worten bestieg er - das Schwert hing ihm am Gürtel - sein Pferd. Auf nimmt Collatias erzbeschlagene Pforte den Jüngling, Als die Sonne bereits unterzugehen beginnt. Er, der als Feind kommt, betritt wie ein Freund Collatinus' Gemächer; Freundlich nimmt man ihn auf, da er ja blutsverwandt war. Wie sich der Mensch doch oft täuscht! Da macht nun ein Abendbrot diese Arme Frau, die nicht ahnt, was ihr bevorsteht, dem Feind! Fertig ist der mit dem Essen, es mahnt zum Schlaf nun die Stunde; Nacht war's, im ganzen Haus waren die Lichter gelöscht. Auf springt er, zieht aus der goldverzierten Scheide das Schwert, und In dein Schlafzimmer kommt, redliche Ehefrau, er. Als auf dem Bett er schon liegt, da sagt «Lucretia, dieses Schwert hier ist bei mir!» der Prinz, «ich bin's, Tarquinius spricht!» Sie sagt gar nichts; die Worte, die Kraft zum Sprechen, ja jeder Rest von Denkfähigkeit - leer ist ihr Hirn von alldem! Zittern nur kann sie, wie wenn das Lämmlein fern von der Hürde Unter dem grimmigen Wolf, der's grad ergriffen hat, liegt. Was soll sie tun? Etwa kämpfen? Im Kampf muß die Frau unterliegen! Schreien? Das Schwert, das die Hand festhält, verbietet es ihr! Fliehn? Mit den Handflächen quetscht er die Brüste ihr - niemals zuvor hat Eines fremden Manns Hand ihr an die Brüste gefaßt! Geil bedrängt sie der Angreifer, bittend, versprechend und drohend, Keinen Erfolg hat bei ihr Bitten, Versprechen und Drohn. «Kommst du mir so», sprach er, «nehm' ich dein Leben, die Ehre dazu, denn Selbst Ehebrecher, zeih' ich fälschlich des Ehebruchs dich: Einen der Sklaven ermord' ich; dann heißt's: .» Weil nun die Angst vor der Schmach siegte, ergab sie sich ihm. Sieger, was freust du dich so? Die Vernichtung bringt dieser Sieg dir! Eine Nacht kam dein Reich wahrhaftig teuer zu stehn! Schon bricht der Tag an. Mit wirrem Haar sitzt sie da, wie die Mutter, Die zu dem Holzstoß, auf den sie ihren Sohn legen, geht, Läßt ihren alten Vater zugleich mit dem treuen Gemahl vom Feldlager holen, und schnell kommen die beiden zu ihr. Die sehn das Jammerbild, fragen sie gleich nach dem Grund ihrer Trauer: Wer zu bestatten sei, ob irgendwas sonst mit ihr sei. Sie schweigt lang, und vor Scham birgt im Kleid das Gesicht sie; wie eine Quelle, die niemals versiegt, fließen die Tränen dahin.

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hinc pater, hinc coniunx lacrimas solantur et orant, indicet, et caeco flentque paventque metu. ter conata loqui ter destitit, ausaque quarto non oculos ideo sustulit illa suos. 'hoc quoque Tarquinio debebimus? eloquar' inquit, 'eloquar infelix dedecus ipsa meum?' quaeque potest, narrat; restabant ultima: flevit, et matronales erubuere genae. dant veniam facto genitor coniunxque coactae: 'quam' dixit 'veniam vos datis, ipsa nego.' nec mora, celato fixit sua pectora ferro et cadit in patrios sanguinulenta pedes, tum quoque, iam moriens, ne non procumbat honeste, respicit: haec etiam cura cadentis erat, ecce super corpus, communia damna gementes, obliti decoris virque paterque iacent. Brutus adest tandemque animo sua nomina fallit fixaque semanimi corpore tela rapit stillantemque tenens generoso sanguine cultrum edidit impávidos ore minante sonos: 'per tibi ego hunc iuro fortem castumque cruorem, perque tuos manes, qui mihi numen erunt, Tarquinium profuga poenas cum stirpe daturum. iam satis est virtus dissimulata diu.' illa iacens ad verba oculos sine lumine movit visaque concussa dicta probare coma, fertur in exsequias animi matrona virilis et secum lacrimas invidiamque trahit, volnus inane patet: Brutus clamore Quirites concitat et regis facta nefanda refert. Tarquinius cum prole fugit: capit annua consul iura: dies regnis illa suprema fuit. fallimur, an veris praenuntia venit hirundo nec metuit, ne qua versa recurrat hiems? saepe tamen, Procne, nimium properasse quereris, virque tuo Tereus frigore laetus erit.

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Vater und Mann sind bemüht, sie zu trösten, erbitten ein Zeichen, Weinen vor Angst, weil sie nicht wissen, was los ist mit ihr. Dreimal versucht sie zu reden, und dreimal stockt sie; beim vierten Mal endlich wagt sie's, sie blickt aber nicht auf, als sie sagt: «Dies auch verdank ich Tarquinius? Aussprechen soll ich's, ich Arme, Aussprechen auch noch, ich selbst, was er mir angetan hat?» Dann erzählt sie, soweit sie es kann, läßt das Letzte aus, weint dann, U n d die Wangen der Frau röten sich, weil sie sich schämt. Vater und Gatte verzeihn ihr: Getan habe sie's unter Zwang nur. «Ihr verzeiht mir, doch ich», sprach sie, «verzeihe mir nicht!» Rasch durchbohrt sie die Brust mit dem Dolch, den im Kleid sie versteckt hielt; Dann fällt blutüberströmt vor ihren Vater sie hin. Jetzt auch noch, als sie stirbt, gibt sie acht, daß sie möglichst mit Anstand Hinfällt; während sie stürzt, ist ihre Sorge nur dies! Uber dem Körper liegen, die Haltung vergessend nun, Mann und Vater, und jeder beklagt laut den Verlust, der sie traf. D a ist auch Brutus; sein Mut straft den N a m e n jetzt Lügen, denn aus dem Fast schon entseelten Leib zieht er die Waffe heraus, Hält den Dolch in die H ö h e , von dem das Blut einer edlen Frau tropft, in drohendem Ton sprechend und ganz ohne Furcht: «Hier, bei dem tapfren und keuschen Blut gelob' ich im Schwur dir, Bei deinen Manen auch, die künftig als Götter ich ehr': Büßen wird des Tarquinius H a u s durch die Flucht diese Schandtat! Meine Tapferkeit hab' lange genug ich verhehlt!» Als er das sagt, bewegt sie, die vor ihm liegt, die erloschnen Augen und billigt es, scheint's, mit einem Zittern des Haars. Zur Bestattung trägt man die Frau, die so männliche Haltung Zeigte, und Tränen und Haß zieht sie da hinter sich her. Ihre Wunde klafft. Die Quiriten schart nun mit lautem Rufen Brutus um sich, sagt, was der König verbrach. Fliehn muß Tarquinius mit den Söhnen; die Konsuln erhalten Jährlich das A m t : In R o m gibt's keinen König seitdem. Täusch' ich mich nun, oder kommt dort als Botin des Frühlings die Schwalbe? Daß der Winter noch mal wiederkehrt, fürchtet sie nicht? O f t wirst, Prokne, du klagen, daß allzusehr du dich beeilt hast; Wenn dann die Kälte dich beißt, freut sich nur Tereus, dein Mann!

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Iamque duae restant noctes de mense secundo, Marsque ci tos iunctis curribus urget equos; ex vero positum permansit Equirria nomen, quae deus in campo prospicit ipse suo. iure venis, Gradive: locum tua tempora poscunt, signatusque tuo nomine mensis adest. venimus in portum libro cum mense peracto. naviget hinc alia iam mihi linter aqua.

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Schon sind nur zwei Nächte vom zweiten Monat noch übrig, Mars spannt an, und zur Fahrt treibt er das schnelle Gespann. Heut noch heißen mit Recht die Spiele Equirrien: Selbst ja Schaut der G o t t dabei zu auf seinem eigenen Feld. U n d mit Recht auch erscheinst du, Gradivus: D e r Monat, dem du den Namen gabst, er ist da, und er verlangt seinen Platz! Wir sind im Hafen. Mein Buch ist zugleich mit dem Monat vollendet; Auf einem anderen Meer fahre mein Schiff jetzt dahin!

LIBER TERTIUS

Bellice, depositis clipeo paulisper et hasta, Mars, ades et nítidas casside solve comas, forsitan ipse roges, quid sit cum Marte poetae: a te, qui canitur, nomina mensis habet, ipse vides manibus peragi fera bella Minervae: num minus ingenuis artibus illa vacat? Palladis exemplo ponendae tempora sume cuspidis: invenies et quod inermis agas. tum quoque inermis eras, cum te Romana sacerdos cepit, ut huic urbi semina magna dares. Silvia Vestalis (quid enim vetat inde moveri?) sacra lavaturas mane petebat aquas, ventum erat ad molli declivem tramite ripam; poni tur e summa fictilis urna coma: fessa resedit humo ventosque accepit aperto pectore turbatas restituitque comas, dum sedet, umbrosae salices volucresque canorae fecerunt somnos et leve murmur aquae; blanda quies furtim victis obrepsit ocellis, et cadit a mento languida facta manus. Mars videt hanc visamque cupit potiturque cupita et sua divina furta fefellit ope. somnus abit, iacet ipsa gravis; iam scilicet intra viscera Romanae conditor urbis erat, languida consurgit nec seit, cur languida surgat, et peragit tales arbore nixa sonos: 'utile sit faustumque, precor, quod imagine somni vidimus: an somno clarius illud erat? ignibus Iliacis aderam, cum lapsa capillis decidit ante sacros lanea vitta focos, inde duae pariter, visu mirabile, palmae surgunt: ex illis altera maior erat

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Kriegsgott Mars, k o m m herbei und lege ab für ein Weilchen Lanze und Schild, und den H e l m nimm von dem glänzenden Haar! Selber fragst du vielleicht, was mit Mars denn der Dichter zu tun hat. D u hast dem M o n a t , der jetzt dran ist, den N a m e n verliehn! Eigenhändig - du siehst's ja - führt wilde Kriege Minerva: H a t für die Künste nun sie deswegen weniger Zeit? Folge dem Beispiel der Pallas und nimm dir Zeit, deine Lanze Abzulegen; zu tun hast du auch ohne den Spieß! Waffenlos warst du auch, als dich die römische Priesterin so sehr Reizte, daß gleich, um der Stadt Samen zu spenden, du kamst! Silvia, eine Vestalin - was hindert mich, hier zu beginnen? - , D i e für den Gottesdienst früh Wasser zu holen stets ging, War zum Uferhang einmal, auf dem der Fußpfad sanft abwärts Führte, gekommen. Sie nimmt dort ihren Tonkrug vom Kopf. Müde ließ sie sich nieder und ordnete ihre zerzausten Haare, wobei sie dem Wind darbot die offene Brust. Als sie so dasaß, verlockten die schattenspendenden Weiden, Vogelgesang und des Bachs sanftes Gemurmel zum Schlaf. Heimlich schlich der betörende Schlaf in die Augen, die keinen Widerstand leisteten; schlaff sank ihre Hand da vom Kinn. Mars nun erblickt, begehrt, vergewaltigt sie, schaffte es aber D a n k seiner göttlichen Kraft, daß ihr sein Treiben entging. Fort ist der Schlaf, doch sie liegt schwer darnieder — ja freilich: Tief in ihr drin, da befand jetzt sich der Gründer von R o m ! M ü d e erhebt sie sich, weiß aber nicht, warum sie so müde Sich erhebt, und sie sagt, an einen Baumstamm gelehnt: «Nützlich und glückbringend sei, so bete ich, was ich als Traumbild Sah! O d e r war es kein Bild, weil ich zu deutlich es sah? Stand doch am ilischen Opferaltar ich grad, als die wollne Binde von meinem H a a r fiel vor den heiligen H e r d ! Daraus entstanden - ein Wunder war's, das zu schauen - zwei Palmen Gleichzeitig; eine davon streckte sich höher empor

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et gravibus ramis totum protexerat orbem contigeratque sua sidera summa coma, ecce meus ferrum patruus molitur in illas: terreor admonitu, corque timore micat. Martia, picus, avis gemino pro stipite pugnant et lupa: tuta per hos utraque palma fuit.' dixerat et plenam non firmis viribus urnam sustulit: implerat, dum sua visa refert. interea crescente Remo, crescente Quirino, caelesti tumidus pondere venter erat, quo minus emeritis exiret cursibus annus, restabant nitido iam duo signa deo: Silvia fit mater; Vestae simulacra feruntur virgíneas oculis opposuisse manus. ara deae certe tremuit pariente ministra, et subiit ciñeres terri ta fiamma suos. hoc ubi cognovit contemptor Amulius aequi (nam raptas fratri victor habebat opes), amne iubet mergi geminos. scelus unda refugit: in sicca pueri destituuntur humo, lacté quis infantes nescit crevisse ferino, et picum expositis saepe tulisse cibos? non ego te, tantae nutrix Larentia gentis, nec taceam vestras, Faustule pauper, opes: vester honos veniet, cum Larentalia dicam: acceptus geniis ilia December habet. Martia ter senos proles adoleverat annos, et suberat flavae iam nova barba comae: omnibus agricolis armentorumque magistris Iliadae fratres iura petita dabant. saepe domum veniunt praedonum sanguine laeti et redigunt actos in sua rura boves. ut genus audierunt, ánimos pater editus auget, et pudet in paucis nomen habere casis, Romuleoque cadit traiectus Amulius ense, regnaque longaevo restituuntur avo.

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U n d überschattete ganz den Erdkreis mit wuchtigen Zweigen, Ragte mit ihrem Laub bis zu den Sternen empor. D a ! Mein O h e i m schwingt eine A x t gegen beide - mich schaudert, Wenn ich dran denk', und mein H e r z zittert dabei voller Angst! D o c h für den Zwillingsbaum kämpfen der Specht, der Vogel des Mars, und Eine W ö l f i n ; bewahrt werden die Palmen durch sie.» Sprach's und hob, noch geschwächt, den Krug; er war voll, denn sie hatte Ihn gefüllt, während sie über ihr Traumgesicht sprach. D a n n wuchs R e m u s , es wuchs Quirinus in ihr, und es wölbte Sich ihr Leib, dessen Last göttlichen Ursprungs ja war. Bis durchmessen die Bahn und ganz zu Ende das J a h r war, Blieben zwei Zeichen nur noch übrig dem strahlenden G o t t . Silvia wird zur M u t t e r ; die jungfräulich-züchtigen Hände Schlug vor die Augen das Bild Vestas - so wird uns erzählt. Als die Priesterin niederkam, bebte der Göttin Altar ganz Sicher; die Flamme erschrak, sank in die Asche zurück. Als das Amulius hörte, des Rechtes Verächter - er hatte Seinen Bruder besiegt, ihm dann die Macht auch geraubt - , H i e ß er ertränken im Fluß die Zwillinge, doch dem Verbrechen Wich die Woge aus, trieb beide ans trockene Land. D a ß durch die Milch eines Tieres die Kinder aufwuchsen, daß der Specht die Verlorenen oft speiste — wer wüßte das nicht? A m m e eines so großen Geschlechtes, Larentia, armer Faustulus, hilfreich den zwein - euch kann ich nicht Übergehn: E u e r Fest k o m m t , wenn ich von den Larentalien spreche, D i e im D e z e m b e r sind; lieb ist ja den Genien der. Dreimal sechs J a h r e waren die Söhne des Mars schon geworden; U n t e r dem blonden H a a r sproßte gerade der Bart. Allen Bauern und allen Hirten verschafften die Brüder, Ilias Söhne, wenn die sie darum baten, ihr Recht, K o m m e n oft heim voller Stolz auf das Blut erschlagener Räuber, Bringen geraubtes Vieh auf ihre Weiden zurück. Als sie erfahrn, wer ihr Vater ist, wächst ihr M u t ; es erfüllt sie N u n mit Scham, daß man sie in ein paar Hütten nur kennt. Schon fällt Amulius, den des Romulus Schwert tötet, und der Alte Großvater wird wieder zum König ernannt.

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moenia conduntur, quae, quamvis parva fuerunt, non tamen expediit transiluisse Remo. iam, m o d o quae fuerant silvae pecorumque recessus, urbs erat, aeternae cum pater urbis ait: 'arbiter armorum, de cuius sanguine natus credor et, ut credar, pignora multa dabo, a te principium Romano dicimus anno: primus de patrio nomine mensis erit.' vox rata fit, patrioque vocat de nomine mensem: dici tur haec pietas grata fuisse deo. et tamen ante omnes Martern coluere priores; hoc dederat studiis bellica turba suis. Pallada Cecropidae, Minoia Creta Dianam, Volcanum tellus Hypsipylaea colit, Iunonem Sparte Pelopeiadesque Mycenae, pinigerum Fauni Maenalis ora caput: Mars Latió venerandus erat, quia praesidet armis; arma ferae genti remque decusque dabant. quod si forte vacas, peregrinos inspice fastos: mensis in his etiam nomine Martis erit. tertius Albanis, quintus fuit ille Faliscis, sextus apud populos, Hernica terra, tuos; inter Aricinos Albanaque tempora constat factaque Telegoni moenia celsa manu; quintum Laurentes, bis quintum Aequiculus acer, a tribus hunc primum turba Curensis habet; et tibi cum proavis, miles Paeligne, Sabinis convenit; huic genti quartus utrique deus. Romulus, hos omnes ut vinceret ordine saltern, sanguinis auctori tempora prima dedit. nec totidem veteres, quot nunc, habuere Kalendas: ille minor geminis mensibus annus erat. nondum tradiderat victas victoribus artes Graecia, facundum, sed male forte genus: qui bene pugnabat, Romanam noverat artem; mittere qui poterat pila, disertus erat.

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D a n n werden Mauern gebaut, und waren auch klein sie - dem Remus H a t , daß er sie übersprang, doch keinen N u t z e n gebracht! Schon stand die Stadt, wo's zuvor nur Wälder und Unterschlupf für das Vieh gab; der ewigen Stadt Vater verkündete nun: « H e r r der Heerscharen, dessen Sohn, wie sie glauben, ich bin - und Viele Beweise will ich geben, damit man es glaubt N a c h dir heißt, so verkünd' ich's, der Anfang des römischen Jahrs; der Erste M o n a t , er sei jetzt nach dem Vater benannt!» So geschah's: N a c h dem Vater benennt er den M o n a t . Ein Zeichen Kindlicher Ehrfurcht war dies, angenehm, sagt man, dem G o t t . Freilich verehrten die Ahnen den Mars auch sonst ganz besonders; D a z u bewog das Volk, daß es so kriegerisch war. Pallas verehrt das Geschlecht des Kekrops, Diana des Minos Kreta, Vulkan wird verehrt in der Hypsipyle Land, J u n o verehrt M y k e n e , die Heimat des Pelops, und Sparta, Mänalus' Küste des Fauns fichtenumwundenes Haupt. Mars verehrte man in Latium - ist er doch Kriegsgott! Macht und Ehre verliehn Waffen dem rauhen Geschlecht! Hast du grad Zeit, dann betrachte doch auch die Kalender der N a c h b a r n : Einer der Monate ist hier auch nach Mars stets benannt! A l b a nahm sich den dritten dafür, die Falisker den fünften, Während den sechsten bei dir, Hernikerland, man sich nahm. In Aricia zählt man so wie in A l b a ; die hohe Stadt, die Telegonus' Hand einstmals erbaut hat, tut's auch! Bei den Laurentern der fünfte, beim wilden Äquer der zehnte, H a t in Cures das Volk ihn als den vierten gezählt. Wie die sabinischen A h n e n zählst du, militanter Päligner; H i e r wie dort weist dem G o t t man ja den vierten Platz zu! D a ß mit der Rangordnung wenigstens alle er nun übertreffe, Setzte den Vater des Stamms Romulus an den Beginn. Bei den Ahnen gab's nicht so viele Kaienden wie heute: Volle zwei Monate war kürzer das J a h r noch für sie ! N o c h hatte nicht die besiegten Künste Hellas - gewandt im Reden zwar, tapfer doch kaum - seinen Besiegern gebracht! Wer gut kämpfen konnte, verstand eine römische Kunst, und D e r , welcher Speere weit schleuderte, der war beredt!

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quis tune aut Hyadas aut Pliadas Atlanteas senserat, aut geminos esse sub axe polos, esse duas Arctos, quarum Cynosura petatur Sidoniis, Helicen Graia carina notet, signaque quae longo frater percenseat anno, ire per haec uno mense sororis equos? libera currebant et inobservata per annum sidera; constabat sed tarnen esse déos, non illi cáelo labentia signa tenebant, sed sua, quae magnum perdere crimen erat, illa quidem e feno, sed erat reverenda feno, quantam nunc aquilas cernís habere tuas, pertica suspensos portabat longa maniplos, unde maniplaris nomina miles habet, ergo animi indociles et adhuc ratione carentes mensibus egerunt lustra minora decern, annus erat, decimum cum luna receperat orbem: hic numerus magno tunc in honore fuit, seu quia tot digiti, per quos numerare solemus, seu quia bis quinto femina mense parit, seu quod adusque decern numero crescente venitur, principium spatiis sumitur inde novis. inde patres centum denos secrevit in orbes Romulus hastatos instituitque decern, et totidem princeps, totidem pilanus habebat corpora, legitimo quique merebat equo, quin etiam partes totidem Titiensibus ille, quosque vocant Ramnes, Luceribusque dedit. adsuetos igitur numéros servavit in anno; hoc luget spatio femina maesta virum. neu dubites, primae fuerint quin ante Kalendae Martis, ad haec animum signa referre potes, laurea flaminibus quae toto perstitit anno tollitur, et frondes sunt in honore novae; ianua tum regis posila viret arbore Phoebi; ante tuas fit idem, Curia prisca, fores.

DRITTES BUCH • MÄRZ

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Wer hat da schon von Hyaden gewußt, von Plejaden, des Atlas Töchtern, oder daß zwei Pole der Himmel besitzt, Daß zwei Bären es gibt - Kynosura steuern die Männer Sidons an, Helike zeigt griechischen Schiffen den Weg - , Daß die Zeichen, durch die ein Jahr lang der Bruder eilt, seine Schwester mit ihrem Gespann in einem Monat durchzieht? Frei noch liefen die Sterne und unbeobachtet durch das Jahr; nur daß Götter sie sind, das galt nun doch als gewiß. Nicht die oben am Himmel sich zeigenden Zeichen behielten Sie, sondern jene, die Schmach dem brachten, der sie verlor. Waren sie auch aus Heu, erwies man dem Heu doch die Ehre, Die deinen Adlern man heut, wie du ja sehn kannst, erweist. Einst trug ein langer Stab die hoch erhobenen Bündel; Daher wird der Soldat manipularis genannt. Also zählten sie, unwissend und zu Berechnungen noch nicht Fähig, im Lustrum zehn Monate weniger stets. Hatte der Mond seinen zehnten Kreislauf geschlossen, dann galt als Voll ein Jahr. Diese Zahl war sehr geschätzt seinerzeit, Sei's, weil es so viele Finger gibt, mit denen wir zählen, Sei's, weil nach zweimal fünf Monaten Frauen gebärn, Oder weil bis zur Zehn man mit wachsenden Zahlen gelangt und Dann für den neuen Bereich wieder von vorne beginnt. Romulus schied so in zehn Abteilungen damals die hundert Väter und richtete zehn Züge bastati auch ein. Ebensoviele Gruppen von principes gab's, von pilani Gleichfalls und denen, die Waffendienst taten zu Pferd. Den Titiensern sogar und denen, welche man Ramnes Nennt, und den Luceres gab jener die nämliche Zahl. Also blieb er beim Ordnen des Jahrs bei den Zahlen, an die ein Jeder gewöhnt war; so lang trauert die Frau um den Mann. Nun, damit du nicht zweifelst, daß einst das Jahr mit dem ersten März begonnen hat, schau diese Indizien an: Jetzt wird der Lorbeer entfernt, der die Häuser der Flamen ein Jahr lang Schmückte, und frisches Laub nimmt diesen Ehrenplatz ein. Jetzt ist des Opferkönigs Tür ganz grün von dem Baum des Phöbus, und dein Portal ist's, alte Kurie, auch.

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LIBER

TERTIUS

Vesta quoque ut folio niteat velata recenti, cedit ab Iliacis laurea cana focis. adde, quod arcana fieri novus ignis in aede dicitur, et vires fiamma refecta capit. nec mihi parva fides annos hinc isse priores, A n n a quod hoc coepta est mense Perenna coli, hinc etiam veteres initi memorantur honores ad spatium belli, perfide Poene, tui. denique quintus ab hoc fuerat Quintiiis, et inde incipit, a numero nomina quisquís habet. primus, oliviferis R o m a m deductus ab arvis, Pompilius menses sensit abesse duos, sive hoc a Samio doctus, qui posse renasci nos putat, Egeria sive monente sua. sed tarnen errabant etiam nunc tempora, donee Caesaris in multis haec quoque cura fuit, non haec ille deus tantaeque propaginis auctor credidit officiis esse minora suis, promissumque sibi voluit praenoscere caelum nec deus ignotas hospes inire domos. ille moras solis, quibus in sua signa rediret, traditur exactis disposuisse notis; is decies senos ter centum et quinqué diebus iunxit et a pieno tempora quinta die. hic anni modus est: in lustrum accedere debet, quae consummatur partibus, una dies.

'Si licet occultos monitus audire deorum vatibus, ut certe fama licere putat, cum sis officiis, Gradive, virilibus aptus, die mihi, matronae cur tua festa colant.' sic ego. sic posita dixit mihi casside Mavors (sed tarnen in dextra missilis hasta fuit): 'nunc primum studiis pacis deus utilis armis advocor et gressus in nova castra fero, nec piget incepti: iuvat hac quoque parte morari, hoc solam ne se posse Minerva putet.

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Ja, daß auch Vesta erglänze im frisch ergrünenden Laubschmuck, Weicht der Lorbeer, der grau wurde, vom ilischen Herd. Füg noch hinzu, daß im Innern des Tempels man, heißt es, ein neues Feuer schürt und die Glut, neu entfacht, Kräfte gewinnt. Auch daß in diesem Monat der Anna-Perenna-Kult anfing, Zeigt mir ganz deutlich, daß früher das Jahr hier begann. Auch die Ämter, so heißt's, trat man einstmals zu diesem Termin an, Bis es zum Kriege mit dir, treuloser Punier, kam. Schließlich: Der fünfte Monat nach ihm hieß Quintiiis, auf den die Reihe der Monate folgt, die man nach Zahlen benennt. Erst Pompilius, den das Oliven tragende Land nach Rom schickte, merkte, daß zwei Monate fehlten dem Jahr, Sei's, daß vom Samier, der an die Wiedergeburt glaubt, er's lernte, Sei's, daß ihm diesen Weg seine Egeria wies. Doch die Berechnung stimmte auch jetzt noch nicht, bis neben vielen Sorgen in seinem Bereich Caesar auch die auf sich nahm. Ihm, dem Gott und dem Vater des so berühmten Geschlechtes Schien auch dieses Problem nicht zu gering für sein Amt. Da ihm der Himmel verheißen war, wollt' er ihn vorher schon kennen, Nicht als ein fremder Gott treten auf fremdes Gebiet. Er hat die Zeit, welche Sol in des Tierkreises einzelnen Zeichen Zubringt in jedem Jahr, fehlerlos, sagt man, bestimmt. Dreihundertfünfundsechzig Tage verband er zu einem Jahr, eines vollen Tags Fünftel kam dann noch hinzu. Dies ist das Maß des Jahrs; alle fünf Jahre muß noch der eine Tag hinzukommen, der aus den fünf Fünfteln entsteht. ι. März «Falls auf der Götter geheime Weisung zu hören gestattet Ist den Dichtern - daran glaubt ja die Sage ganz fest - , Sag mir, Gradivus, warum, wo doch sonst für die Kulte der Männer Du dich nur eignest, dein Fest heut die Matronen begehn», Sprach ich, und so sprach Mavors - er setzte den Helm vorher ab, doch In seiner rechten Hand hielt er den Wurfspeer dabei - : «Jetzt erst werd' ich, der Kriegsgott, zu Werken des Friedens gerufen; Neu ist das Lager, in das ich meine Schritte nun lenk'! Doch ich bereu's nicht! Es freut mich, auch hier zu verweilen, damit nur Ja nicht Minerva vermeint, lediglich sie könne dies!

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LIBER

TERTIUS

disce, Latinorum vates operose dierum, quod petis, et memori pectore dieta nota, parva fuit, si prima velis elementa referre, Roma, sed in parva spes tarnen huius erat. moenia iam stabant, populis angusta futuris, eredita sed turbae tum nimis ampia suae, quae fuerit nostri, si quaeris, regia nati, aspice de canna straminibusque domum. in stipula placidi capiebat muñera somni, et tamen ex ilio venit in astra toro, iamque loco maius nomen Romanus habebat, nec coniunx ¿Ili nec socer ullus erat, spernebant generös inopes vicinia dives, et male credebar sanguinis auctor ego. in stabulis habitasse et oves pavisse nocebat iugeraque inculti pauca tenere soli, cum pare quaeque suo coeunt volucresque feraeque, atque aliquam, de qua procreet, anguis habet, extremis dan tur conubia gentibus: at quae Romano vellet nubere, nulla fuit, indolui patriamque dedi tibi, Romule, mentem. ,tolle preces', dixi ,quod petis, arma dabunt.' festa parat C o n s o . Consus tibi cetera dicet, illa facta die, dum sua sacra canet. intumuere Cures et quos dolor attigit idem: tum primum generis intulit arma socer. iamque fere raptae matrum quoque nomen habebant, tractaque erant longa bella propinqua mora: conveniunt nuptae dictam Iunonis in aedem, quas inter mea sic est nurus ausa loqui: ,0 pariter raptae, quoniam hoc commune tenemus, non ultra lente possumus esse piae. stant acies: sed utra di sint pro parte rogandi, eligite; hinc coniunx, hinc pater arma tenet. quaerendum est, viduae fieri malitis an orbae. consilium vobis forte piumque dabo.' consilium dederat: parent crinesque resolvunt maestaque funerea corpora veste tegunt.

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Hör, was du wissen willst, der du dich mühst, die latinischen Tage Zu besingen, und gut präge dir ein, was ich sag'! Klein war - falls von den Anfängen du berichten willst - Rom, doch Klein, wie es war, ließ es schon hoffen auf das, was es ist! Schon standen Mauern, zu eng für die spätre Bevölkerung, aber Für die Schar, die darin seinerzeit wohnte, zu weit. Fragst du, wie der Palast, den mein Sohn hatte, aussah, schau her: Aus Binsen und Stroh war das Haus, das er bewohnte, gemacht! Ja, auf Stroh nur fand er die Gabe des ruhigen Schlafes, Doch von dem Lager stieg er zu den Sternen empor! Uber die Stadt hinaus besaß einen Ruf schon der Römer, Schwiegervater und Frau hatte er aber noch nicht. Reiche Nachbarn verschmähten Schwiegersöhne, die Armut Litten; daß Vater des Stamms ich war, man glaubte es kaum. Ihnen schadete, daß sie in Ställen wohnten und Schafe Weideten und ihr Besitz Ödland war, nur ein paar Joch. Gleiches paart sich mit Gleichem bei Vögeln und Tieren, es zeugt das Schlangenmännchen sogar mit einem Weibchen die Brut. Selbst bei exotischen Völkern gibt's Ehen, jedoch eine Frau, die Einen römischen Mann heiraten wollte, gab's nicht. Ich, ganz gekränkt, gab des Vaters Sinn dir, Romulus, denn ich Sprach: Der plant das Consusfest. Consus wird alles Weitre an jenem Tag dir erzählen, an dem von seinem Fest er dir singt. Cures und alle, die gleicher Schmerz traf, ergrimmten. Da haben Vater und Schwiegersohn erstmals einander bekriegt. Schon konnten viele Fraun, die geraubt waren, Mütter sich nennen Lange Zeit zog der Krieg zwischen Verwandten sich hin. Auf Verabredung treffen die Fraun sich im Tempel der Juno; Dort hat die Frau meines Sohns dieses zu sagen gewagt:

rief er n o c h , reißt das G e m ä c h t sich dann ab, und von da an War nichts Männliches mehr an seinem K ö r p e r zu sehn. Das machte Schule: D i e weichlichen J ü n g e r schneiden, dabei die Haare schüttelnd, das Glied, das sie verachten, sich ab.» So hat mit klugen Worten da die aonische Muse M i r den G r u n d jenes Wahns, den ich erfragte, genannt.

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'hoc quoque, dux operis, moneas precor, unde petita venerit; an nostra semper in urbe fuit?' 'Dindymon et Cybelen et amoenam fontibus Iden semper et Iliacas Mater amavit opes: cum Troiam Aeneas Italos portaret in agros, est dea sacriferas paene secuta rates, sed nondum fatis Latio sua numina posci senserat adsuetis substiteratque locis. post, ut Roma potens opibus iam saecula quinqué vidit et edomito sustulit orbe caput, carminis Euboici fatalia verba sacerdos inspicit; inspectum tale fuisse ferunt: ,mater abest: matrem iubeo, Romane, requiras. cum veniet, casta est accipienda manu.' obscurae sortis patres ambagibus errant, quaeve parens absit, quove petenda loco, consulitur Paean, ,divum' que ,arcessite Matrem' inquit; ,in Idaeo est invenienda iugo.' mittuntur proceres. Phrygiae tum sceptra tenebat Attalus; Ausoniis rem negat ille viris. mira canam: longo tremuit cum murmure tellus, et sic est adytis diva locuta suis: ,ipsa peti volui: ne sit mora; mitte volentem: dignus Roma locus, quo deus omnis eat.' ille soni terrore pavens ,proficiscere' dixit; ,nostra eris: in Phrygios Roma refertur avos.' protinus innumerae caedunt pineta secures ilia, quibus fugiens Phryx pius usus erat, mille manus coeunt, et pietà coloribus ustis caelestum Matrem concava puppis habet, illa sui per aquas fertur tutissima nati longaque Phrixeae stagna sororis adit Rhoeteumque capax Sigeaque litora transit et Tenedum et veteres Eetionis opes. Cyclades excipiunt, Lesbo post terga relicta, quaeque Carysteis frangitur unda vadis; transit et Icarium, lapsas ubi perdidit alas Icarus et vastae nomina fecit aquae.

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«Sag mir auch dies noch, Muse des Werks, woher man sie holte, Als sie kam! Oder war stets sie in unserer Stadt?» «Dindymus liebte die Mutter immer und Kybele, auch des Ida lieblichen Quell, ebenso Iliums Macht. Als nach Italien Troja Aneas brachte, da war' den Schiffen mit heiliger Fracht beinah die Göttin gefolgt. Doch daß die Zeit für die Fahrt nach Latium jetzt noch nicht reif war, Spürte sie wohl, und sie blieb in dem vertrauten Bereich. Später, als fünf Jahrhunderte Rom gesehn hat und über Die bezwungene Welt mächtig das Haupt schon erhebt, Sucht einen Schicksalsspruch im euböischen Buche der Priester; Was er beim Suchen dann fand, lautete, sagt man, nun so:

Gleich fällen zahllose Äxte die Fichtenhaine; der fromme Phryger hatte sich dort Schiffsholz geholt für die Flucht. Tausend Hände helfen; im Bauch birgt die göttliche Mutter, Bunt von den Farben, die ihm eingebrannt wurden, das Schiff. Ungefährdet fährt sie durch die Fluten des Sohns, und zum Meer der Schwester des Phrixos kommt sie, welches sich langhin erstreckt, Fährt am Rhöteum vorbei, dem stürmischen, und an Sigeums Ufer, läßt Tenedus, läßt abseits Eëtions Reich. Lesbos läßt sie im Rücken, es nehmen sie auf die Kykladen Und das Meer, das sich bricht an dem karystischen Strand, Dann das Ikarium; Ikarus hat hier die Flügel verloren, Er, der dem riesigen Meer damit den Namen verlieh.

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tum laeva Creten, dextra Pelopeidas undas deserit et Veneris sacra C y t h e r a petit, hinc mare Trinacrium, candens ubi tinguere ferrum Brontes et Steropes Acmonidesque soient, aequoraque A f r a legit Sardoaque regna sinistris respicit a remis Ausoniamque tenet. ostia contigerat, qua se Tiberinus in altum dividit et campo liberiore natat: omnis eques mixtaque gravis cum plebe senatus obvius ad Tusci fluminis ora venit. procedunt pariter matres nataeque nurusque quaeque colunt sanctos virginitate focos, sedula fune viri contento bracchia lassant: vix subit adversas hospita navis aquas, sicca diu fuerat tellus, sitis usserat herbas: sedit limoso pressa carina vado. quisquís adest opeii, plus quam pro parte laborat, adiuvat et fortes voce sonante manus: illa velut medio stabilis sedet insula ponto; attoniti monstro stantque paventque viri. Claudia Quinta genus Clauso referebat ab alto, nec facies impar nobilitate fuit; casta quidem, sed non et eredita: rumor iniquus laeserat, et falsi criminis acta rea est. cultus et ornatis varie prodisse capillis obfuit ad rígidos promptaque lingua senes. conscia mens recti famae mendacia risit, sed nos in vitium credula turba sumus. haec ubi castarum processit ab agmine matrum et manibus puram fluminis hausit aquam, ter caput inrorat, ter tollit in aethera palmas (quicumque aspiciunt, mente carere putant), summissoque genu voltus in imagine divae figit et hos edit crine iacente sonos: ,supplicis, alma, tuae, genetrix fecunda deorum, accipe sub certa condicione preces. casta negor: si tu damnas, meruisse fatebor; morte luam poenas iudice vieta dea;

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VIERTES BUCH · APRIL

Links läßt sie Kreta zurück und zur Rechten die Fluten des Pelops, Hält auf Kythera - es ist heilig der Venus - dann zu, Fährt ins trinakrische Meer, wo Akmonides, Steropes und auch Brontes das Eisen stets abkühlen lassen, wenn's glüht, Dann in das afrische Meer. Das Reich Sardinien sieht zur Linken sie liegen und kommt in das ausonische Land. Nun war die Mündung erreicht, wo Tiberinus ins hohe Meer sich ergießt; er fließt dort ja in breiterem Strom. Würdevoll kommt der Senat mit dem Volk und den Rittern der Göttin Bis zu des tuskischen Stroms Mündung entgegenmarschiert. Gleichzeitig schreiten die Mütter, die Töchter, die Gattinnen und die Jungfrauen, welche den Herd Vestas beschützen, einher. Männer ermüden die emsigen Arme mit dem gespannten Seil, weil das fremde Schiff schwer mit dem Gegenstrom kämpft. Lang schon war trocken das Land, die Pflanzen mußten verdursten: Drum saß das schwere Schiff fest in dem schlammigen Grund. Wer mit Hand anlegt, plagt sich sehr dabei und unterstützt die Starken Hände zugleich dadurch, daß lauthals er ruft. Unbewegt sitzt es fest, wie die Insel im Meer, und die Männer Stehen da voller Angst, weil sie das Zeichen erschreckt. Claudia Quinta stammte vom vornehmen Clausus ab, hatte Auch eine schöne Gestalt, die ihrem Adel entsprach, Und war sittsam, doch das glaubte man nicht: Ihren Ruf hat Böses Gerede verletzt, fälschlich sie unkeusch genannt. Daß elegant und mit schicker Frisur sie auftrat und ältren Bürgern manch offenes Wort sagte, das schadete ihr. Sie wußte schon: Es war falsch, was man schwatzte, und lachte darüber. Doch wir sind gleich überzeugt, sagt man uns, jemand sei schlecht! Sie nun trat jetzt heraus aus der Schar der züchtigen Mütter: Reines Wasser schöpft sie mit ihrer Hand aus dem Fluß, Sprengt es sich dreimal aufs Haupt, hebt dreimal die Hände zum Himmel Jeder, der zuschaut, der denkt: Die ist ja völlig verrückt! - , Beugt dann die Knie und heftet den Blick auf das Bildnis der Göttin, Spricht mit gelöstem Haar folgende Worte zu ihr:

Da gehorcht der nonakrische Held der Prophetin und Mutter, Und in dem fremden Land ließ er sich nieder als Gast. Manche Gottheit, speziell den Faunus, den doppelt gehörnten, Und den geflügelten Gott lehrt' er verehren das Volk. Wenn die Luperken im Schurz mit geschnittenen Riemen die vollen Straßen entsühnen, wirst du, Faunus, du Halbbock, verehrt. Du aber hast dem Monat den Namen der Mutter gegeben, Der du die Leier erfandst, Dieben gewogen dich zeigst.

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QUINTUS

nec pietas haec prima tua est: septena putaris, Pleiadum numerum, fila dedisse lyrae.' haec quoque desierat: laudata est voce suarum. quid faciam? turbae pars habet omnis idem, gratia Pieridum nobis aequaliter adsit, nullaque laudetur plusve minusve mihi.

Ab love surgat opus, prima mihi nocte videnda stella est in cunas officiosa Io vis: nascitur Oleniae signum pluviale Capellae; illa dati caelum praemia lactis habet. Nais Amalthea, Cretaea nobilis Ida, dicitur in silvis occuluisse Iovem. huic fuit haedorum mater formosa duorum, inter Dictaeos conspicienda greges, cornibus aeriis atque in sua terga recurvis, ubere, quod nutrix posset habere Iovis. lac dabat illa deo; sed fregit in arbore cornu truncaque dimidia parte decoris erat, sustulit hoc nymphe cinxitque recentibus herbis et plenum pomis ad Iovis ora tulit. ille ubi res caeli tenuit solioque paterno sedit, et invicto nil love maius erat, sidera nutricem, nutricis fertile cornu fecit, quod dominae nunc quoque nomen habet. Praestitibus Maiae Laribus videre Kalendae aram constituí parvaque signa deum: voverat illa quidem Curius, sed multa vetustas destruit; et saxo longa senecta nocet, causa tarnen positi fuerat cognominis illis, quod praestant oculis omnia tuta suis: stant quoque pro nobis et praesunt moenibus Urbis et sunt praesentes auxiliumque ferunt. at canis ante pedes saxo fabricatus eodem stabat: quae standi cum Lare causa fuit?

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Liebe zur Mutter zeigt dies schon: der Lyra gabst du, sagt man, sieben Saiten und hast bei der Zahl an die Plejaden gedacht!» Soweit sie, und ihr Anhang lobte sie. Was soll ich machen? Keiner Partei gelang's, daß sie die Mehrheit bekam! Möge doch jede Muse die gleiche Gunst mir stets schenken! Keiner spend' ich dafür weniger Lob oder mehr! ι. Mai Jupiter steh' am Beginn meines Werkes! Der Stern, der sich deutlich Zeigt in der ersten Nacht, hat seine Wiege betreut: Regen bringend geht auf das Gestirn der olenischen Ziege; Milch gab sie ihm, und dafür nahm er im Himmel sie auf. Amalthea die Nymphe, bekannt auf dem kretischen Ida, Hat den Jupiter einst - sagt man - im Walde versteckt. Sie besaß eine Ziege. Zwei Böcklein säugte die, stach auch Unter den Ziegen im Land durch ihre Schönheit hervor: Hoch und nach hinten gebogen waren die Hörner; durchs Euter War sie prädestiniert, Jupiters Amme zu sein. Die gab dem Gott ihre Milch, doch brach sie am Baum sich ein Horn ab; Ihrer Zier war die Geiß dadurch zur Hälfte beraubt. Gleich hob die Nymphe es auf, hat mit frischem Grün es umwunden Und mit Früchten gefüllt, Jupiters Mund dann kredenzt. Als auf dem Throne des Vaters er saß als der Herrscher des Himmels Unbesiegt, als es nichts Größres als Jupiter gab, Machte er seine Amme sowie ihr Füllhorn zu Sternen; Wie seine Herrin einst hieß, heißt's noch in unserer Zeit. Einen Altar und kleine Götterbilder der Lares Praestites hat man erbaut an den Kaienden des Mai. Curius war's, der sie weihte. Jedoch das Alter vernichtet Vieles; im Laufe der Zeit werden selbst Steine zerstört. Daß sie alles mit ihren Augen sichern, das ist der Grund dafür, daß man einst ihnen den Beinamen gab. Denn sie stehen für uns, und schirmend stehen sie vor den Mauern der Stadt; sie sind da, immer zu helfen bereit. Ihnen zu Füßen stand ein Hund; er war aus dem gleichen Steine gefertigt. Warum stand bei den Laren der Hund?

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servat uterque domum, domino quoque fidus uterque, compita grata deo, compita grata cani. exagitant et Lar et turba Diania fures: pervigilantque Lares, pervigilantque canes, bina gemellorum quaerebam signa deorum viribus annosae facta caduca morae: mille Lares Geniumque ducis, qui tradidit illos, Urbs habet, et vici numina terna colunt. quo feror? Augustus mensis mihi carminis huius ius dabit: interea Diva canenda Bona est. est moles nativa, loco res nomina fecit: appellant Saxum; pars bona montis ea est. huic Remus institerat frustra, quo tempore fratri prima Palatinae signa dedistis aves; templa patres illic oculos exosa viriles leniter addivi constituere iugo. dedicai haec veteris Crassorum nominis heres, virgíneo nullum corpore passa virum: Livia restituit, ne non imitata maritum esset et ex omni parte secuta suum.

Postera cum roseam pulsis Hyperionis astris in matutinis lampada tollet equis, frigidus Argestes summas mulcebit aristas, candidaque a Calabris vela dabuntur aquis. at simul inducent obscura crepuscula noctem, pars Hyadum toto de grege nulla latet. ora micant Tauri septem radiantia flammis, navita quas Hyadas Graius ab imbre vocat; pars Bacchum nutrisse putat, pars credidit esse Tethyos has neptes Oceanique senis. nondum stabat Atlas umeros oneratus Olympo, cum satus est forma conspiciendus Hyas: hunc stirps Oceani maturis nixibus Aethra edidit et nymphas, sed prior ortus Hyas.

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Beide beschützen das Haus und sind beide dem Herren ergeben; Kreuzwege liebt der G o t t , Kreuzwege liebt auch der H u n d . Schnell verscheuchen der Lar und Dianas Meute die D i e b e ; Wache hält nachts der Lar, Wache hält nachts auch der H u n d . Auch die Bilder der Zwillingsgötter suchte ich: Diese Waren verfallen; auch hier zeigte die Zeit ihre Macht. H e u t e hat tausend Laren die Stadt und den Schutzgeist des Herrschers, D e r sie ihr gab; es verehrn alle Bezirke die drei. A b e r w o treibt es mich hin? Von der B o n a Dea muß erst ich Singen! Zu diesem Gedicht gibt der August mir das R e c h t ! Einen gewachsenen Stein gibt's, er gab dem O r t seinen N a m e n : Saxum heißt er; vom Berg ist er ein mächtiges Stück. H i e r stand Remus und hatte kein G l ü c k , als ihr Vögel die ersten Zeichen dem Bruder gabt auf des Palatium H ö h n ! Einen Tempel, den männliche Augen nicht sehn dürfen, haben D o r t am Hang, welcher sanft abfällt, die Väter erbaut. Diesen weiht eine Erbin des alten N a m e n s der Crassi; D i e war noch Jungfrau, denn nie gab einem Mann sie sich hin. Livia hat ihn, damit sie ihrem Gemahle in jedem Punkte gleich sei und ihm nachstrebe, wieder geweiht. 2.

Mai

Wenn mit den Rossen des Morgens tags drauf Aurora die rote Fackel erhebt, nachdem grad sie die Sterne vertrieb, Spielt in den Spitzen der Ähren der kühle Nordwestwind, und weiße Segel werden gesetzt auf dem Calabrischen Meer. D o c h wenn die dunkle D ä m m r u n g die N a c h t heraufführt, entzieht sich Von der Hyadenschar keine dem suchenden Blick. Sieben Sterne - Hyaden hat sie der griechische Seemann Wegen des Regens genannt - funkeln im Haupte des Stiers. Enkelinnen des greisen O k e a n u s - heißt's - und der Tethys Seien sie, hätten - auch dies hört man - den Bacchus genährt. N o c h stand Atlas nicht da mit der Last des O l y m p s auf den Schultern, D a kam H y a s , der sehr schön von Gestalt war, zur Welt. Äthra, O k e a n u s ' Tochter, gebar, als die Zeit dafür reif war, Außer den N y m p h e n auch ihn; er war ihr ältestes Kind.

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dum nova lanugo est, pavidos formidine cervos terret, et est illi praeda benigna lepus: at postquam virtus annis adolevit, in apros audet et hirsutas comminus ire leas; dumque petit latebras fetae catulosque leaenae, ipse fuit Libycae praeda cruenta ferae, mater H y a n et H y a n maestae flevere sorores cervicemque polo subpositurus Atlas. victus uterque parens tarnen est pietate sororum: ilia dedit caelum, nomina fecit Hyas. 'Mater, ades, florum, ludis celebranda iocosis: distuleram partes mense priore tuas, incipis Aprili, transis in tempora Maii: alter te fugiens, cum venit, alter habet, cum tua sint cedantque tibi confinia mensum, convenit in laudes lile vel ille tuas. Circus in hunc exit clamataque palma theatris; hoc quoque cum Circi muñere carmen eat. ipsa doce, quae sis: hominum sententia fallax; optima tu proprii nominis auctor eris.' sic ego; sic nostris respondit diva rogatis (dum loquitur, vernas efflat ab ore rosas): 'Chloris eram, quae Flora vocor: corrupta Latino nominis est nostri littera Graeca sono. Chloris eram, nymphe campi felicis, ubi audis rem fortunatis ante fuisse viris. quae fuerit mihi forma, grave est narrare modestae; sed generum matri repperit ilia deum. ver erat, errabam; Zephyrus conspexit, abibam; insequitur, fugio: fortior ille fuit, et dederat fratri Boreas ius omne rapinae, ausus Erecthea praemia ferre domo, vim tarnen emendat dando mihi nomina nuptae, inque meo non est ulla querella toro, vere fruor semper: semper nitidissimus annus, arbor habet frondes, pabula semper humus.

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Schon als der erste Bart sprießt, da jagt er durch Scheuchen die bangen H i r s c h e ; willkommen sind ihm Hasen auch, wenn er sie fängt. Als mit den Jahren der M u t gewachsen ist, wagt er's, zum N a h k a m p f Ebern entgegenzugehn, struppigen Löwinnen auch. D o c h als der H ö h l e er naht und den Jungen der säugenden Löwin, Wurde des libyschen Tiers blutige Beute er selbst. Mutter und Schwestern beweinten den H y a s ; er, dessen Nacken Später den H i m m e l trug, Atlas, beweinte ihn auch. Liebe zu H y a s bezeugten die Schwestern noch mehr als die Eltern: D r u m war der H i m m e l ihr L o h n ; er gab den N a m e n dazu! «Mutter der Blumen, k o m m her! Ich verschob deinen Abschnitt im letzten M o n a t , doch jetzt wolln wir dich feiern bei fröhlichem Spiel! Schon im April fängt dein Fest an und reicht in den Mai noch hinüber; D e r hat dich dann, wenn er geht, dieser, sobald er erscheint. Monatsende und -anfang gehörn und gehorchen dir; beide Monate passen somit gut für ein Loblied auf dich. Spiele im Circus enden im Mai, der Applaus im Theater, Wenn einer siegt, und mein Lied laufe im Circus nun mit! Lehre mich selbst, wer du bist! Was der Mensch sich so denkt, ist oft irrig; Was dein N a m e besagt, kündest am besten du selbst!» So sprach ich, und so gab die Göttin dem Fragenden A n t w o r t ; Frühlingsrosen enthaucht, während sie redet, ihr M u n d : «Chloris war ich, bin jetzt Flora: D e r griechische Laut meines N a m e n s Wird im lateinischen Wort durch einen andren entstellt. Chloris war ich, eine N y m p h e des glücklichen Landes, w o einst die Seligen lebten; gewiß hast du darüber gehört.

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Wie meine Schönheit war? Schwer ist's, bescheiden zu sein, wenn ich's sag': G o t t war der Schwiegersohn, den für meine Mutter sie fand! Frühling war's, ich ging spaziern. Als Zephyr mich sah, ging ich weiter, E r aber folgt mir, ich flieh'. D a n n war er stärker als ich. Boreas hatte dem Bruder das Recht zu dem Raube gegeben: Aus des Erechtheus Haus holte er frech seinen L o h n . D o c h er entschädigt mich für die Gewalttat und macht mich zur Gattin; Anlaß zur Klage gibt unsere E h e mir nicht. I m m e r genieß' ich den Frühling, stets strahlt das Jahr, und die Bäume Tragen Blätter, es gibt Futter der Boden dem Vieh.

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est mihi fecundus dotalibus hortus in agris; aura fovet, liquidae fonte rigatur aquae: hune meus implevit generoso flore maritus, atque ait ,arbitrium tu, dea, floris habe.' saepe ego digestos volui numerare colores, nec potui: numero copia maior erat, roscida cum primum foliis excussa pruina est et variae radiis intepuere comae, conveniunt pictis incinctae vestibus Horae, inque leves calathos muñera nostra legunt; protinus accedunt Charités nectuntque coronas sertaque caelestes implicitura comas. prima per immensas sparsi nova semina gentes: unius tellus ante coloris erat; prima Therapnaeo feci de sanguine florem, et manet in folio scripta querella suo. tu quoque nomen habes cultos, Narcisse, per hortos, infelix, quod non alter et alter eras, quid Crocon aut Attin referam Cinyraque creatum, de quorum per me volnere surgit honor? Mars quoque, si nescis, per nostras editus artes: Iuppiter hoc, ut adhuc, nesciat usque, precor. sancta Iovem Iuno nata sine matre Minerva officio doluit non eguisse suo. ibat, ut Oceano quereretur facta mariti; restitit ad nostras fessa labore fores, quam simul aspexi, ,quid te, Saturnia', dixi ,attulit?' exponit, quem petat, ilia, locum; addidit et causam, verbis solabar amicis. ,ηοη' inquit ,verbis cura levanda mea est. si pater est factus neglecto coniugis usu Iuppiter et solus nomen utrumque tenet, cur ego desperem fieri sine coniuge mater et parere intacto, dummodo casta, viro? omnia temptabo latis medicamina terris et fréta Tartareos excutiamque sinus.' vox erat in cursu: voltum dubitantis habebam. ,nescioquid, nymphe, posse videris' ait.

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In dem Land, was als Mitgift ich nahm, liegt ein fruchtbarer Garten; Lind ist die Luft, ihn benetzt sauberes Quellwasser stets. Diesen füllte mein Gatte mit edlen Blumen und sagte:

Oftmals wollt' ich die Farben der Gattung nach ordnen und zählen Ohne Erfolg: Eine Zahl wurde der Menge nicht Herr! Ist von den Blättern der Tau herabgefallen und sind die Bunten Blätter erwärmt, weil sie der Sonnenstrahl trifft, K o m m e n die Hören. Sie haben die bunten Kleider geschürzt und Sammeln mit leichtem K o r b alles, was ich ihnen schenk'. Bald kommen dann die Chariten und flechten sich Kränze; Gewinde Binden sie auch, und die schmücken ihr himmlisches Haar. Ich hab' als erste die neuen Samen gestreut bei den Völkern; Hatte die Erde zuvor einerlei Farbe doch nur. Ich schuf als erste die Blume aus therapnäischem Blute; Ihre Klage - sie steht noch auf dem Blatt - bleibt bestehn. In gepflegten Gärten hast du auch, Narziß, einen Namen Armer! D u warst ja nun nicht der und daneben noch der! Was soll ich Krokus und Attis und Kinyras' Sohn hier noch nennen, Aus deren Wunde durch mich blühende Pracht sich erhebt? Meinen Künsten verdankt auch Mars - vielleicht weißt du's - sein Leben; Jupiter soll, wie bisher, nichts - darum bet' ich - erfahrn ! J u n o zürnte, als ohne Mutter Minerva zur Welt kam: Jupiter hatte dazu nicht ihrer Hilfe bedurft. U m bei Okeanus über die Tat ihres Gatten zu klagen, Ging sie. An meiner Tür stand sie, ermattet vom Weg. K a u m hatte ich sie erblickt, da fragte ich: , sie aber nennt mir ihr Ziel U n d den Grund. Sie zu trösten versucht' ich mit freundlichen Worten. , sagte sie da, , sprach sie, «von dem Helfer wird niemand erfahren!), Mir die Gottheit der Styx nennend als Zeugin des Schwurs. «Was du wünschst>, sprach ich, «wird dir die Blume, die Olenus schickte, Geben. Im Garten bei mir gibt es nur ein Exemplar. Der sie mir gab, sprach: «Rührst du damit eine Kuh, die nicht trägt, an, Ist sie trächtig.> Ich tat's - war sie doch trächtig sofort!) Mit dem Daumen pflückte ich gleich die sich neigende Blume, Rühre sie an; es empfängt, als er berührt wird, ihr Schoß. Schwanger nach Thrakien eilend, zur Küste links der Propontis, Sieht ihren Wunsch sie erfüllt; denn sie gebar dort den Mars. An die Geburt, die er mir verdankt, sich erinnernd, verhieß er: «Du sollst auch einen Platz haben in Romulus' Stadt!) Glaubst du vielleicht, daß mein Reich die zarten Kränze nur seien? Nein, meine göttliche Macht hat auch die Fluren erfaßt! Haben die Saaten üppig geblüht, wird reich sein die Scheune, Haben die Reben am Stock üppig geblüht, gibt es Wein. Haben die Olbäume üppig geblüht, wird das Jahr voller Glanz sein, Und wie die Obsternte wird, hängt von der Blütezeit ab. Litt einmal Schaden die Blüte, verderben Wicken und Bohnen, Auch die Linsen, die dir, Ankömmling Nilus, gehörn. Wein blüht auch, wenn man ihn in Kammern sorgfältig lagert; Oben bedeckt das Faß weißlicher Schaum wie Gewölk. Honig ist auch mein Geschenk: Ich rufe die Bienen, die Honig Spenden, zum Veilchen, zum Klee, r u f sie zum Thymian auch. Schließlich bin ich es, die wirkt, wenn in den Jahren der Jugend Übersprudelt der Geist, kraftvoll der Körper erblüht!» Schweigend und voller Bewunderung hörte ich, was sie da sagte. «Willst du noch mehr erfahrn, frage nur!» sagte sie dann. «Sage mir», gab ich zurück, «wie die Spiele entstanden sind, Göttin!» Kaum war die Frage gestellt, gab sie mir diesen Bericht: «Geltung hatten noch nicht die Mittel, die Luxus verschaffen; Reiche besaßen nur Vieh oder ein großes Gebiet. Daher stammt das Wort «reich) und daher «Geld>; aus verbotnen Quellen hat man jedoch bald sich den Reichtum verschafft.

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venerat in morem populi depascere saltus, idque diu licuit, poenaque nulla fuit; vindice servabat nullo sua publica volgus, iamque in privato pascere inertis erat, plebis ad aediles perducta licentia talis Publicios; animus defuit ante viris. rem populus recipit, multam subiere nocentes: vindicibus laudi publica cura fuit. multa data est ex parte mihi, magnoque favore victores ludos instituere novos; parte locant clivum, qui tunc erat ardua rupes, utile nunc iter est, Publiciumque vocant.' annua credideram spectacula facta: negavit, addidit et dictis altera verba suis: 'nos quoque tangit honor: festis gaudemus et aris, turbaque caelestes ambitiosa sumus. saepe deos aliquis peccando fecit iniquos, et pro delictis hostia blanda fuit; saepe Iovem vidi, cum iam sua mittere vellet fulmina, ture dato sustinuisse manum. at si neglegimur, magnis iniuria poenis solvitur, et iustum praeterit ira modum. respice Thestiaden: flammis absentibus arsit; causa est, quod Phoebes ara sine igne fuit, respice Tantaliden: eadem dea vela tenebat; virgo est, et spretos bis tamen ulta focos. Hippolyte infelix, velles coluisse Dionen, cum consternatis diripereris equis. longa referre mora est correcta oblivia damnis: me quoque Romani praeteriere patres, quid facerem, per quod fierem manifesta doloris? exigerem nostrae qualia damna notae? excidit officium tristi mihi: nulla tuebar rura, nec in pretio fertilis hortus erat; lilia deciderant, violas arere videres, filaque punicei languida facta croci, saepe mihi Zephyrus ,dotes corrumpere noli ipsa tuas' dixit: dos mihi vilis erat.

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Brauch wurde es, daß das Vieh auf staatlichen Grundstücken graste; D a s blieb lange erlaubt, Strafe bezahlte man nicht. Keinen gab's, der des Volks Interesse am Staatsbesitz wahrnahm; Galt doch als untüchtig, wer Vieh hielt auf eigenem G r u n d ! D o c h den Adilen des Volks, den Publiciern, wurde der Mißbrauch Schließlich gemeldet; zuvor fand dazu keiner den Mut. So nahm das Volk sich des Falls an, die Schuldigen wurden bestraft, und D i e , die zum Wohle des Volks handelten, wurden gelobt. Teilweise gab man die Strafsumme mir, und es stifteten neue Spiele die Sieger, was auch breiteste Zustimmung fand. Teilweise nahm man das Geld für die Arbeit am Hügel: ein steiler Fels einst, ein nützlicher Weg jetzt, der Weg.» Jährlich, dachte ich, fänden die Spiele statt. Dieses verneinte N u n die G ö t t i n und sprach weitere Worte zu mir: « U n s auch reizt die E h r e ; ein Fest, ein Altar - das gefällt uns. Ehrgeizig sind wir sogar, wir, der Unsterblichen Schar. O f t hat ein Mensch die G ö t t e r feindlich gestimmt durch sein Freveln, U n d ein Opfertier war Sühne für dieses Vergehn. O f t sah ich Jupiter, wie er die Blitze, die er schon schleudern Wollte, zurückhielt, weil Weihrauch hinaufstieg zu ihm. D o c h mißachtet man uns, muß schwere Strafe das Unrecht B ü ß e n ; der Z o r n übersteigt jedes vertretbare Maß. Thestius' Enkel sieh an: Ihn verbrannten von ferne die Flammen, N u r weil auf ihrem Altar P h ö b e kein Feuer einst fand. Tantalus' Enkel sieh an: Ihm versagte die G ö t t i n den Fahrtwind. Jungfrau zwar, rächte sie doch zweimal Mißachtung des Herds. D u mochtest wünschen, du hättst, Hippolytus, Venus geopfert, Als dich das Pferdegespann, scheu gemacht, schließlich zerriß! Ewig k ö n n t ' ich das T h e m a behandeln M i c h übergingen ja auch einmal die Väter in R o m ! Was hätt' ich tun sollen, um meinen Schmerz zu zeigen, und welche Strafe für das, was sie mir antaten, hätte gepaßt? Traurig vergaß ich die Pflicht; ich achtete nicht auf die Felder, Fruchtbare Gärten zu sehn hatte für mich keinen Wert. Lilien knickten um, die schmalen Blätter des K r o k u s Wurden schlaff, und verdorrn konnte das Veilchen man sehn. O f t sprach Zephyr zu mir: