Feindstrafrecht - Eine kritische Analyse [1 ed.] 9783428527953, 9783428127955

Der auf Günther Jakobs zurückgehende Begriff des Feindstrafrechts hat in den letzten Jahren zunehmend an Aktualität gewo

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Feindstrafrecht - Eine kritische Analyse [1 ed.]
 9783428527953, 9783428127955

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 204

Feindstrafrecht – Eine kritische Analyse

Von

Geraldine Louisa Morguet

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

GERALDINE LOUISA MORGUET

Feindstrafrecht – Eine kritische Analyse

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 204

Feindstrafrecht – Eine kritische Analyse

Von

Geraldine Louisa Morguet

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Hendrik Schneider, Leipzig Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Wintersemester 2007/2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-12795-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2007/08 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Zunächst gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Hendrik Schneider, der die Arbeit angeregt und sie mit vielen praktischen wie auch fachlichen Hinweisen gefördert hat. Er hat mich in der gesamten Zeit hervorragend betreut, so dass ich trotz aller Mühen, die eine Dissertation mit sich bringt, sagen kann, dass es mir eine große Freude bereitet hat, bei ihm zu promovieren. Ebenfalls möchte ich Herrn Professor Dr. Volker Erb für die intensive Beschäftigung mit der Thematik und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danken. Der LangHinrichsen-Stiftung danke ich für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Allerdings wäre diese Arbeit niemals begonnen oder gar beendet worden, wenn ich nicht der unendlichen Unterstützung meiner Familie gewiss gewesen wäre, die mein wissenschaftliches Unterfangen stets mit aufmunternden Worten und viel Stolz bestärkt und vorangetrieben hat. Meine Dissertation ist daher meinen Eltern Christine Kirsten-Morguet und Reinhard Morguet gewidmet, die in jeder Lebenslage für mich und meine Geschwister da sind und auf die ich mich immer und in jeder Hinsicht verlassen kann. Meiner Mutter schulde ich darüber hinaus besonderen Dank für ihr unermüdliches Korrekturlesen. Daneben möchte ich mich auch bei meinem Freund, Herrn Dr. Frank Peter Schuster, besonders bedanken, von dessen Erfahrung ich sehr profitiert und von dem ich in zahlreichen Gesprächen wertvolle Anregungen erhalten habe. Mainz, im Juli 2008

Geraldine Louisa Morguet

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Kapitel 1 Das Feindstrafrecht

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A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs und seiner Schüler I. Die Differenzierung zwischen Bürger- und Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Die Grundlagen des Bürgerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die freiheitliche Selbstverwaltung des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Strafzweck im Bürgerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modifizierung der positiven Generalprävention . . . . . . . . . . . . . bb) Die Strafe als zwangsweise Reaktion auf die Tat eines Bürgers . 2. Die Grundlagen des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsphilosophische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Entpersonalisierung des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Distanzierung vom Feindbegriff bei Carl Schmitt . . . . . . . . bb) Weiterführung der Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlende kognitive Mindestgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konkretisierung und Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Fremdverwaltung des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Strafzweck im Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bemessung der Strafe als Zwangsmittel gegen den Feind . . bb) Der Unterschied zur Zwangswirkung im Bürgerstrafrecht . . . . . II. Das Verhältnis von Bürger- und Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Verankerung des Rechtsgüterschutzes im Bürgerstrafrecht . . . 2. Bürger- und Feindstrafrecht als Idealtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . I. Grenzen und Inhalte des Bürgerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatstrafrecht und Manifestation der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Proportionalität von Tatbestand und Strafmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Repressivität des Bürgerstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 4. Verfahrensgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschaffenheitsmerkmale des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interna berücksichtigende Vorverlagerung der Strafbarkeit . . . . . . . . . . 2. Fehlende Proportionalität der Strafe zur Tatschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergang zur präventiven Bekämpfungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkung prozessualer Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht . . I. Die Verwendungsebenen des Feindstrafrechtsbegriffes bei Jakobs . . . . . . . 1. Deskriptive und affirmative Ebene bei Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbleibende Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feindstrafrecht als systemimmanente Kritik an der vorherrschenden Rechtsgutslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ebenen des Feindstrafrechts bei Lesch und Pawlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Feindstrafrecht bei Lesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Feindstrafrecht bei Pawlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Feindstrafrecht als Strafrecht im Begründungsmodell von Jakobs . . . . . . . 1. Die Bezeichnung „Feindstrafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feindstrafrecht als Recht im Begründungsmodell Jakobs . . . . . . . . . . .

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D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft . . . . . . . . I. Erste Reaktionen auf das Feindstrafrecht nach Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertiefung der kritischen Diskussion durch die Rechtswissenschaft . . . . . . 1. Die (straf-)rechtliche Qualität des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Materielles Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 2 Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Überprüfung der deskriptiven Ebene – Übereinstimmungen des Feindstrafrechts mit der Entwicklung der Strafgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Feindstrafrechtliche Vorverlagerungen im materiellen Recht . . . . . . . . . . . . 1. Vorverlagerungen im Rahmen der Wirtschaftsdelikte . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorverlagerungen im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorverlagerungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität . . . . 4. Vorverlagerungen im Rahmen von Sexualdelinquenz . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorverlagerungen zur Bekämpfung des Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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II. Fehlende Proportionalität von Strafe und Tatschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unverhältnismäßige Strafschärfungen im Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . 2. Feindstrafrechtliche Strafschärfungen in Form der Vermögensstrafe und des erweiterten Verfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige zur Tatschuld unproportionale Strafschärfungen . . . . . . . . . . III. Der Erlass von Bekämpfungsgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgeberisches Bekämpfungsvokabular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesgeberische Bekämpfungsbegründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzgeberische Bekämpfungsrechtsentwicklung am Beispiel der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einschränkung prozessualer Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Feindstrafrechtlicher Zwang“ im Rahmen der Sexualdelinquenz . . . . 3. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur Terrorismusbekämpfung 4. Weitere prozessuale Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Prozessuale Vorverlagerungen aufgrund materieller Vorfeldkriminalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tatsächliche Kommunikation von Feindbildern als Merkmal des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überprüfung der gesellschaftlichen Kommunikation über den „Feind“ in den von Jakobs benannten Täterbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überprüfung der deskriptiven Adressatenkorrektheit feindstrafrechtlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenz: Deskriptive Untauglichkeit des Feindstrafrechts? . . . . . . a) Tauglichkeit des Kriteriums des physischen Zwangs zur Adressatendifferenzierung im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderliche Konkretisierung des prozessualen Feindstrafrechts im Theorienmodell von Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis der Überprüfung der deskriptiven Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts mit der Entwicklung in Kriminalpolitik und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der Kriminalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . 1. Präventivhaft, Filterprogramme gegen Bombenbauanleitungen und weitere Vorschläge zur Bekämpfung des Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung der Aufzeichnung und Übermittlung biometrischer Daten 3. Folter und deren Androhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Exkurs: Die Folterdebatte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Folterlegitimierung nach Dershowitz in Parallele zum Feindstrafrecht nach Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Abschuss „fliegender Bomben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der deutschen Rechtsprechung . . . . . . . 1. Zum Feindstrafrecht divergierende beziehungsweise legislatives Feindstrafrecht abschwächende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Fall Motassadeq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der „Große Lauschangriff“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Vermögensstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tendenz offen gelassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Urteil im Fall Daschner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nichtigkeitsbegründung des § 14 Abs. 3 LuftSiG . . . . . . . . . . . 3. Tendenziell feindstrafrechtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Auslegung des Begriffs „Handeltreiben“ im Betäubungsmittel-, Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung zum „agent provocateur“ . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Vernehmung von V-Leuten insbesondere in Fällen der Organisierten Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Vernehmungsrichter als Zeuge vom Hörensagen insbesondere in Fällen von Sexualdelinquenz und Organisierter Kriminalität . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen . . . . . . . I. Feindstrafrecht in Kolumbien nach Aponte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatliche Problemlage als Nährboden des Feindstrafrechts . . . . . . . . . 2. Das Statut zur Verteidigung der Justiz als kolumbianisches Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Feindstrafrecht in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die britischen Anti-Terror-Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Jakobs Feindstrafrecht und Garlands Culture of Control . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Ausblick: Zukünftiges Feindstrafrecht – Die prognostische Ebene bei Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Kapitel 3 Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ziele des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stabilisierung durch Symbolwirkung feindstrafrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geeignetheit in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geeignetheit materieller Vorverlagerungen zur Gütersicherheit . . . aa) Kritik an der Effizienz materieller Vorverlagerungen am Beispiel des „Schläfers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit . . . . . . (2) Übertragung der Überlegungen zur Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit auf den Schläfer . . . . . . . . . . . . . . (3) Effizienzprobleme mangels Kenntnis der Täterinterna . . . bb) Effizienzüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geeignetheit von zur Tatschuld unproportionaler Strafrahmen zur Gütersicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geeignetheit prozessualer Einschränkungen zur Gütersicherheit . . aa) Ineffizienzüberlegungen am Beispiel von Datenabgleich und -überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegenüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis zur Geeignetheit feindstrafprozessualer Maßnahmen . d) Geeignetheit der Bekämpfungsgesetzgebung zur Gütersicherheit . aa) Statistik als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Optimalität als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Maßnahmenbündelung als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . e) Geeignetheit der Maßnahmen zur Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . aa) Adressatenmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konsequenz in Bezug auf die Eignung zur Feindbekämpfung . f) Ergebnis zur Geeignetheit in Hinsicht auf die individuelle Gütersicherheit durch Feindbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geeignetheit zur staatlichen Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ineffizienz des kolumbianischen Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . bb) Übertragbarkeit auf die generelle Geeignetheit zur Stabilisierung cc) Historischer Nachweis der potentiellen Geeignetheit zur Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Feindstrafrecht in der Deutschen Demokratischen Republik (2) Bewirkte Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis zur Geeignetheit des Feindstrafrechts zur Stabilisierung des Staates durch tatsächliche Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . .

13 199 199 200 201 202 202 204 205 205 206 207 209 210 212 213 215 215 217 218 219 219 221 223 223 223 224 226 228 229 232 233

14

Inhaltsverzeichnis b) Stabilisierung durch Symbolwirkung feindstrafrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatliche Stabilisation infolge der Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Feindbegriff als geeignetes Abgrenzungskriterium . . (2) Ergebnis zur symbolischen Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Staatliche Stabilisation infolge der Vereinfachungs- und Publizitätsfunktion des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stabilisation durch penal populism . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlussfolgerungen für das Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . cc) Staatliche Stabilisation infolge der Sicherheitsfiktionsfunktion des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sicherheitsfiktion als Wahlsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einfluss der Wahlsteuerung auf die Geeignetheit zur Sicherheitsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verhältnis der Symbolik zu den anderen Zwecken des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesamtergebnis zur Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Erforderlichkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erforderlichkeit der einzelnen Merkmale des Feindstrafrechts . . . . . . . a) Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen . . . . . . . . b) Zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bekämpfungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit eines dualistischen Strafrechtssystems . . . . . . . . . . . . a) Theoretische Notwendigkeit des Dualismus von Bürger- und Feindstrafrecht bei Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Notwendigkeit eines Dualismus von Bürger- und Feindstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zur generellen Erforderlichkeit des Feindstrafrechts . . . . . . .

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesentliche Verfassungsverstöße eines vom Bürgerstrafrecht abgespalteten, idealtypischen Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG . a) Die Exklusion des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Exklusion von Feinden im Nationalsozialismus . . . . . . . . . (1) Sonderstrafrecht gegen Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ergänzendes Sonderstrafrecht gegen „Gewohnheitsverbrecher“, „Volksschädlinge“ und „Gemeinschaftsfremde“ . . . (3) Sonderstrafrecht gegen Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233 234 236 238 238 239 240 240 242 243 243 244 245 247 247 249 249 251 252 252 253 255 256 257 259 262 265 266 268 269

Inhaltsverzeichnis bb) Ergebnis zur Exklusion im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . b) Konsequenz der Exklusionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unbestimmheit des Jakobsschen Feindbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelnde Objektivierbarkeit des Feindbegriffs . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlende Abgrenzungsinstrumentarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsmäßigkeit eines in das Bürgerstrafrecht integrierten, tendenziellen Feindstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsmäßigkeit der von Jakobs benannten Normmerkmale . . . . . . Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 270 271 272 273 275 276 278 279 283

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

Einleitung „Nein, es hat nicht zu heißen: alles, was dem Volk nützt, ist Recht, vielmehr umgekehrt: nur was Recht ist, nützt dem Volke.“ Gustav Radbruch (1878 –1949)

Dieser Ausspruch entstammt einem der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung vom 12. September 1945 entnommenen, als „Fünf Minuten Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte“ betitelten Beitrag von Gustav Radbruch und gibt eine Erkenntnis wieder, die auch in der gegenwärtigen Debatte um das „Feindstrafrecht“ Beachtung verdient. Der Begriff des Feindstrafrechts ist auf den nunmehr emeritierten Bonner Strafrechtsprofessor Günther Jakobs zurückzuführen. Bereits ab Mitte der achtziger Jahre gebrauchte dieser den Terminus zur kritischen Beschreibung des Phänomens der Interna berücksichtigenden Vorfeldkriminalisierungen wie beispielsweise § 30 StGB. Danach zeichne sich die Entwicklung ab, dass der Normadressat im Strafrecht partiell nicht mehr als Bürger, sondern als Feind behandelt werde. Um die Jahrtausendwende erfuhr das Feindstrafrecht von Jakobs nicht nur eine inhaltliche Präzisierung, sondern es wurde durch Jakobs dahingehend aufgewertet, dass das Feindstrafrecht zum potentiell tragfähigen Zukunftsmodell avancierte, zu dem es „keine heute ersichtliche Alternative gebe“. In der Folge rückte das Feindstrafrecht unaufhaltsam in den Blickpunkt der Diskussion über Prävention im Strafrecht und die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen, deren Aktualität insbesondere aufgrund der Brisanz der Kriminalitätsbereiche Terrorismus, Betäubungsmittel- und Organisierte Kriminalität sowie dem Sexualstrafrecht für die Zukunft gesichert bleibt. In der vorliegenden Arbeit soll zunächst der Begriff des Feindstrafrechts in seiner Prägung durch Jakobs unter teilweiser Bezugnahme auf seine Schüler Heiko Lesch und Michael Pawlik analysiert werden. Dabei ist auf das Jakobssche Grundkonzept staatlicher Strafe sowie deren Wirkweise einzugehen und es sind die äußeren Spezifika eines feindlich ausgerichteten Strafrechts herauszuarbeiten. Diese Betrachtung wird zeigen, dass der Begriff des Feindstrafrechts einen Idealtypus in der Terminologie Max Webers darstellt. Ein Feindstrafrecht wird somit in der empirischen Wirklichkeit demokratischer Gesellschaften nur als Grenzfall vorkommen und es werden sich nur Annäherungen an diesen Typus nachweisen lassen. Die Arbeit verfolgt insofern die Zielsetzung, die Bruchlinie

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Einleitung

zwischen einem Bürgerstrafrecht, das den anderen idealtypischen Endpunkt eines möglichen Kontinuums rechtsstaatlicher Ausrichtung des Strafrechts darstellt, und dem Feindstrafrecht aufzuzeigen. Darüber hinaus ist im ersten Teil dieser Arbeit darauf einzugehen, welche Position Jakobs gegenüber dem Feindstrafrecht einnimmt, also ob die anfangs kritische Haltung in Bezug auf die gegenwärtige Strafrechtsentwicklung beibehalten wurde oder ob Jakobs nunmehr als Apologet seiner strafrechtlichen Eigenkreation anzusehen ist. Auch soll eine kurze Zusammenfassung der seitens der Strafrechtswissenschaft geäußerten Kritik gegenüber dem Feindstrafrecht nicht vorenthalten werden, um einen Überblick über die einschlägigen Standpunkte im gegenwärtigen Diskurs zu verschaffen. Im Anschluss an diese notwendigen Vorklärungen wird im zweiten Teil die These Jakobs auf ihre deskriptive Richtigkeit hin überprüft. Es soll also aufgezeigt werden, ob und inwiefern die äußerlichen Merkmale, die Jakobs als Feindstrafrecht bezeichnet, tatsächlich im Strafrecht de lege lata vorzufinden sind. Dabei muss auch hinterfragt werden, inwiefern die äußeren feindstrafrechtlichen Merkmale im Sinne Jakobs, gemessen an der Gesetzgebung sowie der realen Strafpraxis gegebenenfalls inhaltliche Mängel aufweisen und einer Konkretisierung bedürfen. Neben der Analyse des Feindstrafrechts auf Rechtsetzungsebene soll zudem auch die aktuelle Kriminalpolitik und einige Beispiele aus der Rechtsprechung auf feindstrafrechtliche Tendenzen hin untersucht werden. Ferner werden einzelne Vergleiche mit ähnlichen Entwicklungen im ausländischen Recht gezogen, wobei der kolumbianischen Notstandsgesetzgebung im Rahmen der Darstellung bei Alejandro Aponte sowie den Anti-Terror-Gesetzen in Großbritannien ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird. Den Abschluss des zweiten Teils bildet ein allgemeiner Ausblick in Bezug auf eine mögliche Zunahme feindstrafrechtlicher Modalitäten im künftigen Strafrecht. Im dritten Teil wird Stellung dazu genommen, ob ein Feindstrafrecht sowohl in einer idealtypischen wie auch in einer nur tendenziell idealtypischen Ausformung zweckmäßig und vor allem verfassungskonform ist. Es ist daher das erklärte Ziel dieser Arbeit, im Einzelnen zu prüfen, welche Zwecke das Jakobssche Feindstrafrecht verfolgt und ob es geeignet wie auch erforderlich ist, die angestrebten Ziele zu erreichen. Des Weiteren bedarf es der Klärung, ob das Feindstrafrecht zugleich ein verhältnismäßiges Mittel ist, wobei die Verhältnismäßigkeit selbstverständlich an den Schranken zu messen ist, die die Verfassung dem strafrechtlichen Regelungsinstrumentarium vorgibt. Scheitert zwar das Feindstrafrecht in der Jakobsschen Konzeption an einem dieser Prüfungsschritte, ist weiterhin zu fragen, ob der Terminus des Feindstrafrechts von der bei Jakobs zugrunde liegenden Strafrechtskonstruktion gelöst, also erweitert werden kann und welche Folgen daraus für die Verhältnismäßigkeit eines derart verstandenen Feindstrafrechts entstehen. Innerhalb dieser Untersuchungen wird auch Bezug auf in der Vergangenheit praktiziertes Feindstrafrecht in der DDR und im Nationalsozialismus genommen werden, um bestimmte Wirkmechanismen besser verdeutlichen zu

Einleitung

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können, nämlich insbesondere um bestimmte Symbolfunktionen wie auch die Exklusionswirkung des Feindstrafrechts nahe zu bringen. Um damit auf Radbruch zurückzukommen: In dieser Arbeit geht es nicht nur darum, zu vermitteln, was das so genannte Feindstrafrecht inhaltlich umfasst und inwieweit es bereits vorliegt, sondern vor allem hat sie sich zum Ziel gesetzt, zu klären, ob das Feindstrafrecht dem Strafrecht einen Gewinn bringt oder ob der vermeintliche Nutzen sich als verfassungsrechtliches Unrecht entpuppt und somit gerade keinen Gewinn für einen rechtsstaatlich ausgerichteten Staat abwerfen kann.

Kapitel 1

Das Feindstrafrecht A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs und seiner Schüler Der Begriff des Feindstrafrechts wurde 1985 auf der Strafrechtslehrertagung in Frankfurt am Main von dem mittlerweile emeritierten Bonner Strafrechtslehrer Günther Jakobs in seinem Referat zur Problematik von Vorfeldkriminalisierungen 1 eingeführt. Jakobs beschrieb die Tendenz des deutschen Strafgesetzgebers, den Täter zunehmend als Gefahrenquelle zu charakterisieren. Diese Sichtweise führe zur Institutionalisierung von Straftatbeständen 2, die die Strafbarkeit zum Zwecke der Gefahrbekämpfung vorverlagern, indem Interna des Täters berücksichtigt werden. Derartige Vorverlagerungen seien nicht mit den Grundzügen eines Strafrechts gegen Bürger zu vereinbaren. Vielmehr werde der Straftäter zum Feind deklariert. 3 Mithin handele es sich bei den betreffenden Tatbeständen nicht um ein Strafrecht gegen „Bürger“, sondern um ein „Feindstrafrecht“ gegen „Feinde“.

I. Die Differenzierung zwischen Bürger- und Feindstrafrecht Jakobs stellt so dem herkömmlichen, „altliberalen“ 4 Strafrecht, das er „Bürgerstrafrecht“ nennt, ein so genanntes „Feindstrafrecht“ gegenüber. 1. Die Grundlagen des Bürgerstrafrechts Die Strafbarkeit eines Täters im Bürgerstrafrecht ergebe sich aus den Normen, die eine Gruppe von Rechtspersonen, die sich aufgrund von Religion, Nationalität, Abstammung oder ähnlichem 5 als Gesellschaft begreifen, für sich als verbindlich 1

Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff. Jakobs beruft sich z. B. auf §§ 30; 100; 146 Abs. 1 Nr. 1, 2; 267 Abs. 1 Alt. 1, 2; 310 StGB (siehe Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff.). 3 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 778 f. 4 In Anlehnung an Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 783. 2

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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festgelegt habe. Normen bestimmen, welches Verhalten in der Gesellschaft erlaubt ist und welches nicht. Insofern wird, so Jakobs, ein gesellschaftliches Deutungsschema vermittelt, an dem sich das Verhalten von Personen orientieren soll. Die Vermittlung von Wertemustern durch Normen sei folglich als Kommunikation über das Selbstverständnis einer Gesellschaft zu begreifen. 6 a) Der Begriff des Bürgers „Bürger“ einer Gesellschaft könne danach nur sein, wer für diese Kommunikation empfänglich sei 7 und sich grundsätzlich den Normen entsprechend verhalte. 8 Jakobs benutzt dabei den Begriff des „Bürgers“ synonym mit den Termini „Rechtsperson“ beziehungsweise „Person“. 9 Eine Gesellschaft könne danach nur denjenigen als Bürger behandeln, der die Verhaltenserwartung 10 begründet, er orientiere sich an den vorgegebenen Normen. Es bedürfe insofern der kognitiven Untermauerung 11, jemand werde sich als Bürger verhalten, um ihn auch tatsächlich als Rechtsperson bestrafen zu können. Allerdings führe nicht jede Straftat per se zum Verlust des Bürgerstatus. 12 Die Strafe erfolge gerade, weil der Täter Person sei, aber an den Inhalt seines Verhaltens nicht angeschlossen werden dürfe. 13 Schließlich könne sich auch ein Bürger punktuell falsch orientieren. Dies ließe jedoch nicht die generelle Verhaltenser5 Ähnliche Überlegungen in Hinsicht auf soziale Verhaltensregelmäßigkeiten, aus denen Normen resultieren und die einer Kategorie von Personen (insbesondere allen Angehörigen einer Gesellschaft) zuzuordnen sind, bei: Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980, S. 24 f. Die Zugehörigkeit zu solchen Gruppierungen bestimmt sich z. B. nach Merkmalen, die an die Person geknüpft werden (wie Nationalität, Verwandtschaft oder Religionszugehörigkeit), vgl. Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980, S. 69 f. 6 Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 63 f. 7 Siehe etwa Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50. 8 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 112. Vgl. auch ders. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 32. 9 Vgl. z. B. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41. 10 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 247 ff., 257, 259; vgl. auch ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41 und ders.: Das Schuldprinzip 1993, S. 26 f., 34. 11 Jakobs insbesondere unter Berufung auf Kelsen: Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 40 f.; vgl. auch ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 92; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 53; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 291. 12 Vgl. Jakobs, G.: Staatliche Strafe, S. 21: Die Rechtspersonalität endet nicht mit der Begehung einer Straftat; vgl. zudem Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 364. 13 Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 102, 104; vgl. auch Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 90, 95.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

wartung an ihn entfallen: Zwar strebe der bürgerliche Delinquent durch die Tat einen einzelnen, illegalen Vorteil an; er stelle dadurch jedoch nicht gleich das gesamte Gesellschaftssystem in Frage. Beispielhaft führt Jakobs hierzu aus: „... ein Neffe erschlage zur Beschleunigung des Erbfalls seinen Erbonkel. An einem solchen Fall geht kein Staat zugrunde. Mehr noch, die Tat richtet sich nicht gegen den Bestand des Staates und nicht einmal prinzipiell gegen denjenigen seiner Institutionen: Der böse Neffe gedenkt ja, seinerseits den Lebensschutz und den Eigentumsschutz des Staates zu genießen [...].“ 14

Jakobs Schüler Pawlik sieht etwa auch den (gewerbsmäßigen) Betrugstäter regelmäßig noch als Bürger in diesem Sinne an, da jener gerade auf das Vertrauen in die Rechtlichkeit des Systems als Nährboden für sein deliktisches Verhalten angewiesen ist. 15 Im Jakobsschen Strafrechtsverständnis wendet sich der Bürger demnach allenfalls punktuell, nicht dagegen dauerhaft vom Recht ab; er ist „per se rechtlich gesonnen“ 16, ist also „nicht beharrlich, nicht prinzipiell delinquierende Person“ 17 und agiert im Großen und Ganzen als Bürger, also rechtstreu 18. Bürger ist somit, wer halbwegs verlässlich Rechtsreue gewährleistet. 19 b) Die freiheitliche Selbstverwaltung des Bürgers Da der Bürger als grundsätzlich am Recht orientiert anzusehen sei, dürfe er sich selbst organisieren. 20 Er habe als Rechtsperson die Wahlmöglichkeit, sich für das Recht zu entscheiden und dürfe insofern auch sein Verhalten grundsätzlich frei gestalten. 21 Das Bürgerstrafrecht zeichne sich dementsprechend dadurch aus, Auch nach Lesch trifft den Bürger – gerade weil er Rechtsperson ist – die Folgenverantwortung für sein deliktisches Verhalten (Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 637; ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 103). 14 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91. 15 Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58. Dazu Schneider, H.: StV 2004, 535 ff., 538. Interessanter Weise müsste Pawlik mit dieser Argumentation auch Rauschgifthändler aus dem Kreis der Feinde ausschließen, da diese gleichsam parasitär von der Gesellschaft leben, sich von ihr bereichern. Diese sind bei Jakobs aber gerade ein Standardbeispiel eines „Feindes“ (Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 52). 16 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50. 17 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. 18 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91. 19 Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005. 20 Vgl. Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 34.

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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dass es den Bürgern Freiheitssphären 22 zuerkenne, auf die der Staat keinen Zugriff nehmen dürfe. Der private Freiraum werde dabei normativ bestimmt. In der Folge unterliege beispielsweise die Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) 23 oder der der Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr (Art. 10 Abs. 1 GG) dem Internbereich. 24 In diesen dürfe der Staat prinzipiell nicht eingreifen, sondern der Bürger könne im Rahmen seiner Privatheit beliebig agieren. Staatliche Interventionen seien vielmehr erst erlaubt, wenn der Bürger seinen Rechtskreis überschreite oder den Organisationskreis anderer Rechtspersonen tangiere. Der Staat kontrolliere im Bürgerstrafrecht folglich nur die Externa, nicht die Interna. 25 Das Grundverhältnis von Staat und Bürger sei somit primär durch Freiheiten, also letztlich durch Rechte des Bürgers geprägt. c) Der Strafzweck im Bürgerstrafrecht Übertrete der Bürger den Bereich seiner Interna und handele (punktuell) normwidrig, werde das durch die Norm vermittelte Deutungsschema negiert. Durch die Übertretung der Norm bestreite der Täter öffentlich deren Verbindlichkeit. 26 Beispielhaft benennt Jakobs den Fall der Trunkenheit im Straßenverkehr: „Wer wissentlich betrunken ein Fahrzeug im Verkehr führt und die auch ihm erkennbaren, nachteiligen Folgen, etwa für das Leben anderer Verkehrsteilnehmer, nicht berücksichtigt, macht durch sein Verhalten expressiv, dass er in der Situation, in der er sich befindet, anderes für wichtiger hält, als das Leben der Verkehrsteilnehmer dominant in Acht nehmen. Diese Aussage, die dem Täter als seine Ansicht zugerechnet wird, ist das Gegenteil der Aussage, die in den Normen der §§ 316 und 222 StGB getroffen werden.“ 27

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Vgl. auch Darstellung bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263. Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. 23 Vgl. zur Wohnung als Internbereich Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 755. 24 Kritisch zur durch Jakobs getroffenen Bestimmung des Umfangs der Privatsphäre Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 35 f.: Insbesondere gereiche es Jakobs zum Vorwurf, dass er zur Bestimmung der Interna die Auseinandersetzung mit der Dreisphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts versäume, nach der zwischen einem staatlichen Eingriffen entzogenen Kernbereich unantastbarer privater Lebensgestaltung und einer weiteren Schutzsphäre nach dem Abgrenzungskriterium des Sozialbezugs (BVerfGE 6, 389 ff., 433) unterschieden wird. Erfolgt der Eingriff in letztere, ist das Recht auf Privatheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Recht auf die Interessen der Allgemeinheit abwägbar (BVerfGE 34, 238 ff., 245 f.). Auf die getroffene Differenzierung gehe Jakobs jedoch nicht ein, mit der Folge, dass jede Tangierung der (engen oder weiteren) Internsphäre unabwägbar und damit in Hinsicht auf staatliche Eingriffe tabu sei. 25 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756 f. 26 Vgl. auch Beispiele bei Jakobs, G.: Der strafrechtliche Handlungsbegriff 1992, S. 34; ders.: GA 1997, 553 ff., 553 in Bezug auf die Tötung eines Menschen. 27 Jakobs, J.: Strafrecht AT 1993, 1/9. 22

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Bliebe der Normbruch nunmehr ohne Konsequenz, würde die Gesellschaft sich nicht mehr verpflichtet fühlen, die Norm einzuhalten. Die Normgeltung würde auf Täter- und Opferseite erodieren. 28 Daher müsse der Aussage des Täters, die Norm sei nicht verbindlich, öffentlich widersprochen werden. 29 Es müsse eine für den Täter nachteilige Reaktion erfolgen, damit die Norm trotz des widersprüchlichen Täterverhaltens nicht an Geltungskraft verliere. 30 Der Strafe bedürfe es demnach, damit die Orientierung am Recht trotz des Normbruches weiterhin gewährleistet sei. Tat wie auch Strafe 31 seien insofern kommunikative Vorgänge innerhalb einer Gesellschaft, durch die die Enttäuschungsfestigkeit 32 der wesentlichen normativen Erwartungen garantiert werden solle. Die Gesellschaft müsse sich über den Normbruch verständigen, damit die verletzte Norm (weiter-)gelten könne. Andernfalls sei die Norm nicht wirklich und die gesellschaftliche Ordnung bliebe in ihrer Gestalt unbestätigt. Die Kommunikation über das normwidrige Verhalten bilde daher die Grundlage des Bestandes der Gesellschaft und ihrer normativen Ausgestaltung, wobei die Verständigung in Form der Sanktionierung des Täters als für den Normbruch Zuständigen erfolge. 33 Entsprechend legt Jakobs in seiner Publikation über Bedeutung und Zweck staatlicher Strafe dar: „Es geht im Strafrecht [...] um eine Reaktion auf das Verbrechen, die sicherstellt, daß die Rechtstreue als selbstverständliche Haltung der Mehrzahl aller Personen erhalten bleibt und potentielle Opfer deshalb gewiß sein können, ihre Rechte nicht nur ausüben zu dürfen, sondern auch unbeschadet ausüben zu können [...]. Adressaten der Strafe sind also nicht nur und nicht einmal in erster Linie der jeweilige Täter und bereits tatgeneigte 28 Nach Jakobs sei eine solche Erosion bereits bei den gesetzlichen Abtreibungsregelungen der Fall und sie drohe als nächstes in Bezug auf das Euthanasieverbot (so Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005). 29 Vgl. Jakobs, G.: Der strafrechtliche Handlungsbegriff 1992, S. 34. 30 Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 32. 31 Siehe Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27; ders. in: Kodalle, K.-M (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 39. 32 Die Enttäuschungsfestigkeit ist zugleich das „Strafrechtsgut“, nämlich das vom Strafrecht geschützte Gut (Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 2/2; vgl. hierzu auch Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 71). Freilich muss dieses Strafrechtsgut bei Jakobs immer im gesamtgesellschaftlichen Bezugssystem gesehen werden. Die Bewertung des Guts darf also nicht aus dem Blickwinkel des individuellen Inhabers erfolgen, sondern muss in Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung desselben ergehen (Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/8). Danach müsse das Strafrechtsgut zum sozialen Zusammenleben erforderlich und von der Gesellschaft anerkannt sein. Werde dieses Gut durch menschliches Verhalten – denn allein menschliches Verhalten sei geeignet, das gesetzlich ausgestaltete soziale Leben zu stören (Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 2/4 f.) – verletzt, sei ein Normbruch zu bejahen. 33 Vgl. Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/2; ders.: ZStW 117 (2005), 247 ff., 258.

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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Personen, sondern die rechtstreuen Personen [...]: Sie sollen ihre Rechtstreue und ihr Normvertrauen behalten.“ 34

Nach Jakobs liegt der Zweck staatlicher Strafe also darin, auf einen Normbruch zu reagieren, um zu demonstrieren, dass an der gebrochenen Norm festgehalten werden soll. 35 Adressat der Strafe sei dabei der Bürger, welcher als rechtstreue Person sein Normvertrauen behalten 36 und Normanerkennung einüben 37 solle. Strafzweck des Bürgerstrafrechts sei somit grundsätzlich die positive Generalprävention in Form der Stabilisierung 38 beziehungsweise Etablierung 39 der Normgeltung. 40 aa) Modifizierung der positiven Generalprävention Allerdings versteht Jakobs zumindest in neueren Publikationen 41 den Strafzweck der Einübung in Normanerkennung weniger als relativen Strafzweck der positiven Generalprävention. 42 Zwar stelle dieser einen Teilaspekt der Strafbegründung dar, erfasse indes als Begriff die bei Jakobs verfolgte Straftheorie nicht vollumfänglich. 43 Vielmehr nähere sich Jakobs mit seinem Strafmodell dem Lager der absoluten Straftheorie an 44, indem er den Strafzweck der Einübung in Normanerkennung nicht mehr im empirischen Sinne als positive Generalprävention, sondern symbolisch verstanden wissen wolle. 45 „Die verbreitete Rede vom 34

Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 31. Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/2. Hierzu auch Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, Kapitel 3 (S. 70 ff.). 36 Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff., 517; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 31. 37 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff., 517: „Vertrauen auf Normgeltung, [...] Ablehnung nicht normkonformer Verhaltensmuster und [...] Lernen der Konsequenzen eines Normbruchs [...] lassen sich als Einübung in Normanerkennung zusammenfassen.“ 38 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 101 (1989), 516 ff., 516; ders.: Der strafrechtliche Handlungsbegriff 1992, S. 42; vgl. zur „sozialen Stabilisierung“ auch Pawlik, M.: GA 1995, 360 ff., 366, 370. 39 Vgl. Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47. 40 Kritisch etwa Bock, M.: ZStW 103 (1991), 636 ff. 41 Jakobs, G.: GA 1997, 553 ff., 553; ders. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 34; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, 80 ff., 98 ff., 106 f.; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 49. 42 Zur Entwicklung der Funktion der Strafe bei Jakobs (von der Einübung in Normanerkennung im Rahmen der positiven Generalprävention zur Stabilisierung der Normgeltung durch Bestätigung gesellschaftlicher Identität) vgl. auch Sacher, M.: ZStW 118 (2006), 574 ff., 574. 43 Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598. 44 Vgl. NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 217; zur Kontinuität im Denken Jakobs, vgl. zudem Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 79 ff. 35

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Zweck einer Sanktion ist zumindest ungenau; denn die Sanktion hat nicht einen Zweck, sondern ist selbst Zweckerreichung, scil. Feststellung der unveränderlichen Wirklichkeit der Gesellschaft [...]. Solange diese Bestätigung [die der Norm als Orientierungsmuster] erfolgt, ist es für die Fortdauer der Gesellschaft ohne jeden Belang, ob weitere Effekte 46 eintreten.“ 47 Damit geht es bei Jakobs nicht um Verbrechensverhütung als präventiven Zweck, sondern es handelt sich um eine funktionale Vergeltungstheorie 48, nach der durch Kommunikation das Recht wiederhergestellt wird. 49 Insofern entfernt sich Jakobs vom Ausgangspunkt der positiven Generalprävention, wenngleich er letztlich offen lässt, ob die symbolische Wirkung der Strafe allgemein die Erzeugung eines bestimmten Glaubens an die Ordnung und Institution oder eine Illusion von Sicherheit bedeutet. 50 bb) Die Strafe als zwangsweise Reaktion auf die Tat eines Bürgers Im Bürgerstrafrecht stelle die Strafe eine zwangsweise zu erfolgende Reaktion auf den Normbruch dar. Kommunikativer Inhalt der Sanktionierung sei schließlich, dass dem Täterverhalten nicht zu folgen und die verletzte Norm weiterhin verbindlich sei. 51 Insofern nimmt Jakobs Bezug auf Hegel, nach dessen Verständ45

Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598.; vgl. auch NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 217; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 343; weiterhin siehe Neumann, U.: Jakobs-FS 2007, S. 435 ff., 443. 46 Zu Nebeneffekten wie etwa Abschreckung und Angst vgl. auch Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 32 f. 47 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 106 f.; vgl. sinngemäß auch Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 39 f. 48 Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598; vgl. auch Feijoo Sánchez, B.: Jakobs-FS 2007, S. 75 ff., 76; NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 217. 49 Jakobs, G.: GA 1997, 553 ff., 553 f.; vgl. auch zusammenfassend bei Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 58, 62 f., 64. 50 Vgl. zu dieser Interpretation Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-FS 1993, S. 393 ff., 411 ff. 51 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 55; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50; siehe ferner auch ders.: Strafrecht AT 1993, 1/10. Vergleichbar Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980, S. 35: Danach machen Verhaltensgeltung und Sanktionsgeltung die Gesamtgeltung der Norm aus: „Die Norm gilt in dem Grade, in dem sie eingehalten oder durch Sanktionen bekräftigt wird.“ Allerdings gilt bei Popitz die Einschränkung, dass eine Gesellschaft zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Normgeltung nicht alle Verhaltensabweichungen aufdecken darf (Popitz, H.: Präventivwirkung des Nichtwissens 2003, S. 10). Die teilweise Nichtentdeckung von Normbrüchen sei erforderlich, denn andernfalls – würde nämlich jeder Normbruch bestraft werden – verliere jener seinen Ausnahmecharakter und die Norm damit an Geltungskraft, weil das abweichende Verhalten nunmehr als sozialadäquat empfunden werde: „Etwas, das beinahe jedem reihum passiert, gilt nicht mehr als diskriminierend. Auch die Strafe kann sich verbrauchen“ (Popitz, H.: Präventivwirkung des Nichtwissens 2003, S. 18 ff.).

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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nis die Strafe symbolisiert, dass „die vom Täter gebildete Maxime unmaßgeblich und diejenige des Rechts maßgeblich ist“. 52 „Strafe im Staat“ 53 sei folglich die zwangsweise Durchsetzung der Norm; die staatliche Antwort auf die Tat eines vernünftigen 54 Täters. 55 Die bloße Feststellung, an das Verhalten der Person sei nicht anzuschließen (also ein bloßer Ordnungsaufruf), genüge der Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung dahingegen nicht, da das Maß der Strafe sich nach der in der Tat objektivierten Leugnung von Normgeltung zu richten habe. 56 Der Aussage des Täterverhaltens müsse auf derselben Stufe und in derselben Intensität aktiv widersprochen werden. 57 Der Schuldspruch demonstriere insofern, dass an der Norm kontrafaktisch festgehalten werde. 58 Seine Vollstreckung erfolge sodann durch die Wegnahme von Entfaltungs- beziehungsweise Organisationsmitteln wie Freiheit und Eigentum. 59

52

Vgl. Darstellung Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 26 in Bezug auf die gesellschaftliche Perspektive des Normbruchs bei Hegel; aber auch ders.: Strafrecht AT 1993, 1/10; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91. 53 Vgl. Jakobs, G.: in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 55. 54 Jakobs insofern – erneut unter Berufung auf Hegel (Strafe ehrt gerade den Verbrecher als Vernünftigen, weil in ihr sein eigenes Recht enthalten ist) – ausführend: Wäre der Täter nicht vernünftig (inkompetent), müsste seiner Tat nicht widersprochen werden, um der Norm fortwährende Geltung zu verschaffen (Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; vgl. auch Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 97). Kritisch Hoerster, N.: GA 2006, 710 ff., 713: „Was [...] Täter angeht, die begeisterte Hegelianer sind und somit unbedingt durch ihre Bestrafung ‚als Vernünftiges geehrt‘ werden möchten, so erscheint es mir doch sehr problematisch, wenn der Staat mit Steuergeldern ein (bekanntlich sehr kostenintensives) System der Kriminalstrafe nur deshalb finanzieren würde, weil gewisse Philosophen bei ihren Rechtsverstößen, um sich geehrt zu fühlen, nach Strafvergeltung verlangen. Seine Lust auf Strafe sollte man sich m.E. auf eigene Kosten von privaten Anbietern befriedigen lassen.“ 55 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. 56 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 105; vgl. auch ders.: Bruns-FS 1978, S. 31 ff., 39. 57 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 26. 58 Jakobs, G. unter Berufung auf Luhmann in: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 291 (vgl. zur Bezugnahme auf Luhmann bei Jakobs etwa auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 137; Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 71 ff.; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 239). 59 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50; ders.: Strafrecht AT 1993, 1/10. Vgl. auch ders.: Strafrecht AT 1993, 1/2.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

2.

Die Grundlagen des Feindstrafrechts

Allerdings ergibt sich aus der Jakobsschen Konzeption des Bürgerstrafrechts, dass einzig der Normbruch eines Mitglieds der Gesellschaft zum Zwecke der Bestätigung der normativen Identität sanktioniert werden kann. 60 Denn nur ein Mitglied der Gesellschaft könne überhaupt die normative Identität derselben angreifen. 61 Normbrüche von Tätern, die außerhalb der Gesellschaft stehen und für die damit die Norm mangels Zugehörigkeit nicht gilt, können dagegen nicht mit einer Strafe verfolgt werden, die auf die Einübung der Normanerkennung und Bestätigung der gesellschaftlichen Identität abzielt. Weder können etwa die durch die Tat eines ideologisch motivierten Terroristen gebrochenen Normen durch Strafe kontrafaktisch gegenüber Gleichgesinnten bestätigt werden, da diese gleichfalls außerhalb der Gesellschaft stehen und daher die entsprechenden Normen ohnehin nicht akzeptieren. Noch verliert beispielsweise das allgemeine Tötungsverbot durch einen Selbstmordanschlag seine Legitimation. Die Tat wird zwar von der Gesellschaft als Angriff auf Leib und Leben wahrgenommen, nicht aber als Angriff auf den Geltungsanspruch der §§ 212, 211 StGB verstanden. 62 Ein derartiger Normbruch hat keinen Normgeltungsschaden zur Folge und die interpersonale Kommunikation über den Normbruch wird hinfällig. Der Strafzweck der Einübung in Normanerkennung der Bürger durch die Bestrafung der Attentäter ist somit überflüssig. Dennoch kann der Normbruch natürlich nicht unbeachtet bleiben, denn obgleich die Norm weiterhin als von der Gesellschaft verbindlich angesehen wird, sind zumindest Rechtsgüter verletzt worden. In diesem Fall findet nach Jakobs das Feindstrafrecht Anwendung.

60 Vgl. Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M.: Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 37 f.; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109: „Wenn die Strafe [...] die normative Identität der Gruppe bestätigt, so liegt auf der Hand, daß nur ein Gruppenmitglied bestraft werden kann: Niemand sonst kann die normative Identität angreifen [...]. Erfolgt eine Störung durch Externe, so wird diese [...] kognitiv erledigt, was heißt, der Feind werde an seinen Unternehmungen gehindert ...“. Vgl. im Umkehrschluss auch Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27. 61 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109. Im Ergebnis übereinstimmend Pawlik, M.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 357 ff., 373 (mit Verweis in Fn. 84 auf Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 37): „Eine Pflichtverletzung kann nur begehen, wer Subjekt der in Rede stehenden Pflicht ist. Ebensowenig wie eine Person, die nicht Partei eines Kaufvertrags ist, die Pflichten eines Käufers verletzen kann, vermag jemand, der nicht Adressat der Pflicht zur Mitwirkung an dem gemeinsamen Freiheitsprojekt einer Rechtsgemeinschaft ist, dieser Pflicht zuwiderzuhandeln.“ 62 Vgl. auch Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 341 f.

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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a) Der Begriff des Feindes Der Feind sei im Gegensatz zum Bürger nicht per se rechtlich gesonnen, sondern ein „prinzipieller Abweichler“ 63, ein „nach Lust und Unlust bilanzierendes Individuum“. 64 Jenes sei identisch mit dem einzelnen Individuum im rechtsund staatslosen Naturzustand, das lediglich seine Wahrnehmung verarbeite und aufgrund dieser gesammelten Erfahrungen seine Handlungen danach ausrichte, Lustgefühle zu empfangen beziehungsweise Unlustempfindungen zu vermeiden. 65 Bei Jakobs zeichnet sich das Individuum damit durch seine grenzenlose Bedürfnisstruktur aus; es agiere eben nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Dem entspricht bei Lesch 66 die Bezeichnung des Individuums als „tiergleich-kreatürliche Existenz“. Mit einem solchen Individuum könne nicht über gesellschaftliche Wertbezüge kommuniziert werden, da es die gesellschaftlich gesetzten Normen von Vorneherein nicht akzeptiere. Insofern liege ein Normverstoß besonders nahe; eine kognitive Untermauerung auf Rechtstreue sei – anders als beim Bürger – gerade nicht gewährleistet, so dass das Individuum als permanente Gefahr für die Rechtsordnung angesehen werden müsse. aa) Rechtsphilosophische Grundlagen Die geistige Grundlage oder zumindest Parallelen 67 und im Übrigen auch das Vokabular seines Entwurfes bezieht Jakobs insbesondere von namhaften Staats(vertrags)theoretikern und -philosophen. 68 So beruft sich Jakobs in seinen Ausführungen zum Beispiel auf Rousseau („Jeder Übeltäter, der das gesellschaftliche Recht angreife, höre auf, Mitglied des Staates zu sein, da er mit diesem im Krieg liege“ 69), auf Leibniz („Wer ohne Not schädigt, ist eine Unperson“ 70) und 63

Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 50. Vgl. auch ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 26. Zu dem nach der Interessenlage handelnden Individuum im Lichte der modernen Hirnforschung vgl. darüber hinaus Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 247 – 266. 65 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 9 ff. Sich hierauf berufend auch Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 379 f. 66 Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 363; eine ähnliche Begrifflichkeit fällt in Bezug auf das Individuum bei Jakobs Schüler Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 379. 67 Die Auswahl und Ableitung des bei Jakobs wiedergegebenen fremden Gedankenguts – insbesondere in Bezug auf Kant, Hobbes und Fichte – wird allerdings teilweise kritisiert, vgl. Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858; Arnold, J.: HRRS 8 –9/2006, 303 ff., 305 ff.; Bung, J. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff., 263 f.; Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 222 ff. 68 Vgl. hierzu auch Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 62 ff.; Pérez del Valle, C.: Jakobs-FS 2007, S. 515 ff. 69 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89 unter Berufung auf Rousseau. 64

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Fichte („Wer den Bürgervertrag in einem Stücke verlässt, [...] verliert der Strenge nach alle seine Rechte als Bürger und Mensch, und wird völlig rechtlos“, der Mörder ist rechtlos und wird erklärt „für eine Sache, für ein Stück Vieh“ 71). Weitere Überlegungen adaptiert Jakobs auch bei Kant: „Der Mensch aber oder das Volk im bloßen Naturzustande 72 benimmt mir [...] (die erforderliche) Sicherheit, und lädirt mich schon durch eben diesen Zustand, in dem er neben mir ist, obgleich nicht thätig (facto), doch durch die Gesetzlosigkeit seines Zustandes (statu iniusto), wodurch ich beständig von ihm bedroht werde und ich kann ihn nöthigen, entweder mit mir in einen gemeinschaftlich-gesetzlichen Zustand zu treten, oder aus meiner Nachbarschaft zu weichen.“ 73

Derjenige, der sich nicht an die vorgegebene Gesellschaftsordnung halte, sei dementsprechend aus der Rechtsgemeinschaft und aus dem durch sie vermittelten Rechtszustand „hinauszuwerfen“ beziehungsweise „in die Sicherungsverwahrung hineinzuwerfen“. 74 Jedenfalls müsse man ihn nicht als Person, sondern könne ihn als einen Feind behandeln. 75 Allerdings erkennt Jakobs durchaus, dass nicht jeder Verbrecher per se aus dem Recht ausgeschlossen werden darf. 76 Er übernimmt insofern zwar die Differenzierung zwischen Rechtsperson (Bürger) und Rechtslosem (Feind) von den vorgenannten Ansätzen, stützt sich aber ansonsten unter anderem auf Hobbes, der erkannt habe, dass dem Bürger im Grundsatz seine Bürgerrolle zu belassen 77 und ihm nur in Ausnahmesituationen der personale Status abzuerkennen sei, wenn das Verbrechen seiner Natur nach die staatliche Unterwerfung aufkündige. Dies 70

So Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005. 71 Unter Bezug auf Fichte: Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 33; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; ders. auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; vgl. auch ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 100 f. 72 Vgl. zum Naturzustand bei Kant auch Enders in Berliner Kommentar zum GG 2006, vor Art. 1, Rn. 10: Das einzige dem Menschen als Menschen angeborene Recht ist das der Freiheit. Um dieses Recht zu realisieren, muss die natürliche, wilde und gesetzlose Freiheit des Einzelnen (= Naturzustand) im Akt des Gesellschaftsvertrages restlos transformiert werden in die gleichmäßig garantierte und insofern mit einem Gewaltverbot verbundene, gesetzliche Freiheit des staatlichen Zustands. 73 Zitat Kants bei Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 43. 74 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. Vgl. auch ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 43 f. 75 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff. unter Zitierung von Kant. 76 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. 77 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89 f. unter Bezugnahme auf Hobbes.

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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bedeute nämlich „einen Rückfall in den Kriegszustand“, in dem die Täter „nicht als Untertanen, sondern als Feinde bestraft“ würden. 78 (1) Die Entpersonalisierung des Feindes Es liege zwar nahe, jedem Normbrecher die Personalität abzuerkennen und ihn als Feind zu behandeln, da jener mit Begehung der Tat gegen bestehendes Recht verstoßen und sich mithin gegen die gesellschaftliche Rechtsordnung entschieden habe. 79 Voraussetzung für eine solche Konsequenz wäre jedoch, dass der Normbrecher über seine Personalität verfügen könne. 80 Dies ist aber nach Jakobs gerade nicht der Fall: Der Delinquent habe ein (natürliches) Recht darauf, sich mit der Gesellschaft auszusöhnen und dazu müsse er seine rechtliche Personalität behalten. 81 Außerdem sei die Bewertung des Delinquenten als Person im Recht Voraussetzung dafür, dass er seiner Pflicht zur Wiedergutmachung nachkommen könne. 82 Denn das Prinzip der Wiedergutmachung beruhe auf der Gleichwertigkeit von Tat und Strafe. Handele also der Täter bei Tatbegehung als Rechtsperson 83, müsse auch die Strafe als personale Leistung vollzogen werden. Andernfalls könnte der Verbrecher allein durch seine Tat die Selbstorganisation der Gesellschaft stören. 84 Eine Gesellschaft ließe sich aber ihre Grenzen nicht von Individuen vorschreiben 85, mit der Folge, dass der Bürger den eigenen Rechtsstatus gerade nicht selbst aufheben könne. 86 Darüber hinaus stelle der bürgerliche Delinquent nicht das System an sich in Frage; vielmehr sei der Normverstoß lediglich als passagerer Effekt anzusehen. 87

78

Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90 unter Berufung auf Hobbes; vgl. auch ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 79 Vgl. Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 33; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 100. 80 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft, S. 100 f. 81 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; ähnlich Pawlik, M.: Person, Subjekt, Gesellschaft 2004, S. 94. 82 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. 83 Insofern ist bemerkenswert, dass der Täter durch den Normverstoß nicht nur die Gesellschaft in ihrer Ordnung verletzt, sondern auch sich selbst in seinem Status als Rechtsperson (Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104; ebenso ders.: Das Schuldprinzip 1993, S. 29). 84 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90 f. im Vergleich mit dem Unterwerfungsvertrag bei Hobbes (Levithian 1996, S. 237 ff.). 85 Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 34; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 102. 86 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91. 87 So Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Dagegen müsse einem Täter dann die Personalität aberkannt werden, wenn dieser jegliche Unterwerfung unter die Rechtsordnung aufkündige. 88 Pawlik führt insofern aus, dass ein feindorientierter Täter nicht wie der bürgerorientierte Delinquent in der rechtlichen Ordnung mit den übrigen Gesellschaftsmitgliedern verbleiben möchte, sondern er fühlt sich rechtlich ungebunden. Die gesellschaftlich maßgebliche Rechtsordnung werde also generell 89 verweigert. 90 Dadurch kündige der Täter den bestehenden Gesellschaftsvertrag 91 auf und stelle sich selbst außerhalb des gesellschaftlichen Gefüges. Insofern sei der Täter aus seinem Rechtsstatus entlassen 92; er habe seinen Anspruch, als Person behandelt zu werden, verwirkt. Pawlik stimmt Jakobs Ausführungen dahingehend zu, dass sich die Feindorientierung des Täters bei der „Formulierung seiner Persönlichkeitskriterien“, nämlich im Strafmaß niederschlagen muss. 93 (2) Distanzierung vom Feindbegriff bei Carl Schmitt Im Übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, dass Jakobs Erläuterungen zum Feindstrafrecht zwar oftmals mit dem Feindbegriff bei Carl Schmitt 94 in Verbindung gebracht werden 95, er sich jedoch ausdrücklich von diesem Vergleich distanziert: „Bei Carl Schmitt ist der Begriff des Politischen ein säkularisierter theologischer Begriff, der eher Gottesfürchtige von Gottlosen scheidet als politische Gegner im heute geläufigen 88

Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91. Die generelle Weigerung, eine Rechtsordnung anzuerkennen, kann auch durch Verstoß gegen spezifische Normen zum Ausdruck kommen. Beispielsweise im Falle des Hochverrats (Beispiel von Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 91), bei dem der Täter offensichtlich staatliche Rechtsgrundsätze ignoriert und gegenläufig handelt. 90 Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58. 91 Jakobs unter Bezugnahme auf Hobbes und Kant, vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89 f. 92 Das heißt jedoch nicht, dass der Täter keine Rechtsperson mehr ist, sondern nur, dass er nicht mehr wie eine zu behandeln ist. Denn nach Jakobs lassen sich Personen nicht aus der Gesellschaft ausschließen. Eine Gesellschaft kann sich nur darauf verständigen, jemanden nicht mehr als Person zu behandeln, vgl. Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 868 bzw. 854 Fn. 27. 93 Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58. 94 Vgl. Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen 2002. 95 Beispielsweise Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 6 ff., 22 f.; Bung, J. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff., 250; Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff., 64; Fronza, E.: JoJZG 4/2007, 121 ff., 121 Fn. 1; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 39; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 91 ff.; Kaleck, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 281 ff., 282, 290; Kreuzer, A.: Schwind-FS 2006, S. 995 ff., 1006; NK-StGBPaeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 223; Prantl, H.: SZ v. 5. 3. 2005, S. 17; ders.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008, S. 162; Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 37 ff. 89

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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Verständnis. Der Schmittsche Begriff handelt nicht von einem Verbrecher, sondern vom hostis, vom anderen; im Staat kommt es erst bei einem Bürgerkrieg zu einer politischen Konfrontation im Sinne Schmitts. Der Feind des Feindstrafrechts ist hingegen ein Verbrecher der vermutlich nachhaltig gefährlichen Sorte, ein inimicus. 96 Er ist nicht ein anderer, sondern er sollte sich als gleicher benehmen, und deshalb wird ihm auch Strafrechtsschuld zugeschrieben, anders als dem hostis Schmitts. Hätte ich mich bei meinen Darlegungen auf Carl Schmitt bezogen, so wäre das ein einigermaßen krasses Fehlzitat gewesen.“ 97

bb) Weiterführung der Grundlagen Die Bezeichnung eines Menschen als „Feind“ sei dabei nicht verächtlich oder ethisch gemeint, sondern solle lediglich dessen Gefährlichkeit und die grundsätzlichen Bedingungen von Rechtlichkeit verdeutlichen. 98 Der Feind geriere sich als solcher, indem er sich gegenüber den anderen Bürgern nicht wie eine Rechtsperson verhalte; er könne daher auch nicht behandelt werden, als ob er sich den gesellschaftlichen Rechten und Pflichten unterwerfe. 99 Er sei grundsätzlich nicht fähig, sich zu normgemäßen Verhalten zu motivieren. (1) Fehlende kognitive Mindestgarantie Der Feind ist nach Jakobs „... ein Individuum, das sich in einem nicht nur beiläufigen Maß in seiner Haltung oder seinem Erwerbsleben oder, hauptsächlich, durch seine Einbindung in eine Organisation, also jedenfalls vermutlich dauerhaft (zumindest aber mit einigem Nachdruck 100) vom Recht abgewandt hat und insoweit die kognitive Mindestsicherheit personellen Verhaltens nicht garantiert und dieses Defizit durch sein Verhalten demonstriert.“ 101

96 Zur Gegenüberstellung von hostis und inimicus vgl. auch Jakobs, G.: ZStW 118 (2006), 831 ff., 844 Fn. 49, 847. 97 Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294. 98 So Jakobs auf den Vorhalt ethischer Unverantwortlichkeit, einen Straftäter den Rechtsstatus abzusprechen und ihn zur Unperson zu erklären (Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005). Vgl. auch Aponte, nach dem der Jakobssche Feindbegriff als juristische, nicht aber moralische Konstruktion zu sehen ist (Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 160). 99 So in etwa Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005. 100 Insofern die Definition erweiternd: Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 42. 101 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Der Feind habe sich also (vermutlich dauerhaft) vom Recht abgewandt. 102 Er sei „Gefahrenherd“ beziehungsweise ein „Sicherheitsproblem“ 103, weil er ein Verhalten an den Tag lege, das es ausschließt, künftig auf Normbefolgung zu vertrauen. Jakobs insofern bildhaft: „Wer sich dauernd wie der Satan aufführt, den kann man zumindest insoweit nicht als Rechtsperson behandeln, als es um das Vertrauen geht, er werde seine Pflichten erfüllen.“ 104 Dies sei insbesondere der Fall, wenn die normative Erwartung notorisch enttäuscht werde. Einen zwanghaften Pädophilen werde man nicht mit der Kinderbetreuung, einen notorischen Langfinger nicht mit der Verwaltung der Clubkasse beauftragen. 105 Der Feind müsse dabei nicht „Totalfeind“ sein, sondern er könne auch „Partialfeind“ sein. 106 Es genüge also, wenn das Individuum sich in einem bestimmten Bereich dauerhaft vom Recht abgewandt habe. 107 (2) Konkretisierung und Fallgruppenbildung Beispiele feindlicher Straftäter könnten nach Jakobs insbesondere Mitglieder krimineller und terroristischer Vereinigungen sowie solche der Organisierten und Wirtschaftskriminalität, außerdem Sexualstraftäter und Delinquenten der Betäubungsmittelkriminalität sein. 108 Zudem bezeichnet Jakobs unter Berufung auf Hobbes den Hochverräter 109 als feindliches Paradebeispiel, ebenso wie den Menschenrechtsverletzer. 110 Pawlik vermutet darüber hinaus eine generelle Feindorientierung bei politisch motivierter sowie organisierter und gegebenenfalls auch bei aus sozialer Verschlechterung hervorgehender Kriminalität. 111

Zur Weiterentwicklung der Typologie des Feindes im Rahmen des Völkerstrafrechts, die damit begründet wird, dass die internationale Strafgerichtsbarkeit sich schließlich einem „besiegten Feind“ gegenübersehe, vgl. Fronza, E.: JoJZG 4/2007, 121 ff., 123. 102 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93. 103 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842. 104 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41. 105 Beispiele von Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842. 106 Dies berücksichtigt etwa Schünemann nicht, wenn er als semantisches Gegenargument zum Feindstrafrecht anführt, dass auch ein Mafiaboss treusorgender Familienvater sein könne (Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 225 f.). 107 Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 293. 108 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 52. 109 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90; ders.: Jakobs, G.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 293. 110 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 95. 111 Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 58.

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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Mitunter werden danach diejenigen Täter als Feinde bestraft, die entweder staatliche Normen grundsätzlich ignorieren, die nach ihren eigenen oder jedenfalls nach anderen als den gesetzlich bestimmten Regeln ihre Lebensgestaltung ausrichten, oder die das gesamte Gesellschaftssystem sogar stürzen wollen, also unter anderem Terroristen 112, Mafiosi, Hang- 113 und Triebtäter, Berufs- oder Gewohnheitsverbrecher. Der Feind ist nach diesem Verständnis somit ein Gegner der freiheitlich verfassten Gesellschaft; er macht sich selbst zu einem Teil verbrecherischer Aktivität und exkludiert sich aus der Gesellschaft. 114 Dabei genüge eine partielle Feindlichkeit in bestimmten Lebensbereichen; der Täter müsse sich also zumindest in einem bestimmten Bereich dauerhaft an kriminellen Verhaltensstrukturen ausrichten. Auch ein gefährlicher Drogendealer könne zugleich ein liebvoller Vater sein. 115 b) Die Fremdverwaltung des Feindes Das Verhältnis von Staat und Feind bestimme sich durch bloßen Zwang. 116 Pawlik vertritt insofern die Ansicht, zwischen einem nach Lust und Unlust bilanzierenden Individuum und Staat bestehe im Gegensatz zum Bürger kein Rechtsverhältnis. Das Strafverfahren gliche vielmehr einer Jagd auf ein wildes Tier, in der erlaubt ist, was nützt. 117 Die staatlich gewährten Freiheiten und Rechte des Feindes seien demgemäß minimiert, denn genau diese würde er andernfalls nutzen, um sein Gefahrenpotential zu entfalten. Zum Schutze der Bürger sei der Feind daher fremd zu verwalten, es müsse ein autoritäres Strafrecht angewendet werden. c) Der Strafzweck im Feindstrafrecht In einem „Feindstrafrecht“ bedürfe es daher Maßnahmen anderer Qualität als im Bürgerstrafrecht: Gegenüber dem Feind ist nach Jakobs „das zur Verhinderung 112 Terrorist ist nach Jakobs derjenige, „der die Legitimität der Rechtsordnung prinzipiell leugnet und deshalb darauf auf ist, diese Ordnung zu zerstören“ (Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 92). 113 Die Behandlung eines Hangtäters als Person dürfte schon schwieriger fallen, so Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 92. 114 Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; vgl. auch Ausführungen zum Terroristen bei dems.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 849. 115 So in etwa Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005. 116 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. 117 Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380, wobei Pawlik eine solche Sichtweise als rechtlich nicht legitimierbar erachtet.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

von Wiederholungen Zweckmäßige und sonst nichts“ zu tun. 118 Feindstrafrecht bekämpfe Gefahren 119 und diene der „Herstellung erträglicher Umweltbedingungen“. Alle Individuen, deren rechtstreues Verhalten nicht gewährleistet sei, seien „kaltzustellen“. 120 Feindstrafrecht sei letztlich Krieg, der sich in seiner Intensität und seinen Maßnahmen an der Gefährlichkeit des Feindes orientiere. 121 Bei der Sicherung des Feindes als Gefahrenquelle gehe es damit nicht mehr um den Umgang mit einer Person, sondern der (potentielle) Täter werde quasi einem wilden Tier gleichgesetzt. 122 Eine andere Möglichkeit verbleibe dem Staat auch gar nicht, denn würde er den Normbrecher in diesem Fall weiter als Person behandeln, würde er zugleich das Recht auf Sicherheit der anderen Personen verletzen. 123 In der Folge sei die Sicherung des Täters 124 und damit der Rechtsgüterschutz 125 Primärziel des Feindstrafrechts. aa) Die Bemessung der Strafe als Zwangsmittel gegen den Feind Eine im Rahmen des Feindstrafrechts verhängte Strafe sei bloßes Zwangsmittel (Strafe im Naturzustand 126). Sie werde nach reinen „Klugheitsregeln“, also nach Opportunitätsüberlegungen bemessen. 127 Bestimmend für das Verhalten und die Maßnahmen gegenüber dem Feind seien einzig und allein Effektivitätserwägungen. 128 Dabei sei besonders die physische Zwangswirkung der Strafe herauszustellen: In der Regel werde es nämlich opportun sein, den Feind (vorsorglich) wegzusperren. 129 Sei der Feind in der Vollzugsanstalt erst einmal „sicher“ untergebracht oder gar außer Landes verwiesen worden, sei er schließlich außerstande, extern, nämlich hinsichtlich der vor ihm „gesicherten“ Gesellschaft, Straftaten zu 118

Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 35; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104. 119 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. 120 Dieser – nach eigenem Empfinden – „harten“ Ausdrucksweise bedient sich Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 121 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 122 Vgl. Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41. 123 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. 124 Vgl. beispielsweise Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 43. 125 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. 126 Zur Differenzierung „Strafe im Staat“ und „Strafe im Naturzustand“ vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 55. 127 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 55; unter Bezugnahme auf die „Klugheitsregeln“ bei Hobbes, die der reinen Selbsterhaltung dienen (vgl. dazu Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 7). 128 Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104.

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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begehen. 130 Insofern ziele die gegen den Feind verhängte (Freiheits-)Strafe vor allem darauf ab, die übrigen Normadressaten vor ihm zu schützen. 131 bb) Der Unterschied zur Zwangswirkung im Bürgerstrafrecht Eine physische Zwangswirkung gehe zwar auch im Bürgerstrafrecht mit der Verhängung von Freiheitsstrafen (bzw. allgemeiner: der Wegnahme von Interaktionsmitteln) einher. Allerdings sei der physische Zwang im Bürgerstrafrecht nur Nebeneffekt, wohingegen die Sicherung des Täters als schierer und damit effizienter Zwang den Primärzweck des Feindstrafrechts bilde. 132 Demnach erschöpfe sich die Reaktion auf einen Normbruch im Feindstrafrecht in der Vornahme von Sicherungsmaßnahmen.

II. Das Verhältnis von Bürger- und Feindstrafrecht Nach Jakobs ist Feindstrafrecht ein Strafrecht sui generis. 133 Es ist Sonderstrafrecht zum ordentlichen Strafrecht, dem so genannten Bürgerstrafrecht. Insoweit stehen sich zwei Formen des Strafrechts oder seiner Regelungen (auch des Strafprozessrechts 134) gegenüber: Einmal der Umgang mit dem Bürger, dem eine von staatlicher Kontrolle freie Sphäre zuerkannt werde 135, zum anderen der Umgang mit dem Feind, der weit im Vorfeld abgefangen und seiner Gefährlichkeit wegen bekämpft werde. 136 Das potentiell gefährliche Individuum müsse durch Zwang davon abgehalten werden, die Rechtsordnung zu zerstören. 137 Ihm komme im Gegensatz zum Bürger keine eigenverantwortliche, freie Sphäre zu. Vielmehr unterliege der Feind in allen Lebensbereichen der staatlichen Kontrolle, da er eine permanente Bedrohung für Rechtsgüter der Allgemeinheit darstelle. Das Feindstrafrecht erkenne dementsprechend (potentiell) gefährlichen Individuen

129 Auch wenn es gleichfalls denkbar wäre, dass einem der Täter als Vertragspartner nützlicher ist, und daher auf Strafe verzichtet wird, vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 55. 130 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. 131 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. 132 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. Insofern entsprechend Jakobs Ausführungen über Gewalt als Koordinationsmittel in ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 24 ff. 133 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. 134 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. 135 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 755; siehe darüber hinaus auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 136. 136 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93. 137 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

keinerlei Intimität zu, um effektiven und damit präventiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. 1. Fehlende Verankerung des Rechtsgüterschutzes im Bürgerstrafrecht Zu beachten ist, dass Jakobs insofern bereits im Grundsatz von der herrschenden Auffassung 138 abweicht, das herkömmliche Strafrecht (= das Bürgerstrafrecht) müsse – zumindest auch – dem Schutz von Rechtsgütern 139 dienen. 140 Dieser Ansatz wird von Jakobs prinzipiell abgelehnt, da der Rechtskreis des Täters unter dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes überhaupt nicht in den Blick gerate. 141 Stelle man lediglich auf den Schutz von Rechtsgütern ab, werde „der Täter [...] nur dadurch definiert, dass er dem Rechtsgut gefährlich werden kann [...].“ Er „ist nur Gefahrenquelle, mit anderen Worten, Feind des Rechtsgutes.“ 142 Demgemäß sei der Rechtsgüterschutz auch nicht Aufgabe eines Bürgerstrafrechts, sondern vielmehr Aufgabe eines Feindstrafrechts. Obgleich auch der Bürger durch eine Normübertretung Rechtsgüter verletze, diene das Bürgerstrafrecht lediglich der Kontrolle des externen Verhaltens des Bürgers, also eines Verhaltens, das in fremde Organisationskreise eingreife und über bloße Interna hinausgehe. Indem dem Bürger aber eine solche Privatsphäre zugestanden werde, werde er gerade nicht als prinzipielle Gefahr für Rechtgüter verstanden. Allein das Feindstrafrecht sehe den Täter als Gefahr für Rechtsgüter und bestrafe ihn gerade aus jenem Grund. Daher optimiere das Bürgerstrafrecht Freiheitssphären 143, während das Feindstrafrecht Rechtsgüterschutz optimiere. 144

138

Vgl. Jescheck, H. H. / Weigend, T.: Lehrbuch des Strafrechts AT 1996, § 18 I 5 (S. 166); Kindhäuser, U.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 6; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 21; Otto, H.: Grundkurs Strafrecht 2004, § 1 Rn. 22; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 1; ders.: ZStW 116 (2004), 929 ff.; Schünemann, B.: GA 2003, 299 ff., 303; ders, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 224 f.; Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 6; Maurach, R. / Zipf, H.: Strafrecht AT 1992, § 19 Rn. 4 ff. sowie ständ. Rsp., vgl. etwa BVerfGE 25, 269 ff., 286; 50, 142 ff., 153. 139 Zum umstrittenen Begriff des Rechtsguts vgl. etwa Baratta, A. in: Arthur KaufmannFS 1993, S. 393 ff., 393 ff.; Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 2/12 ff.; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 2 ff.; Stächelin, G.: Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat 1998, S. 30 ff. 140 Siehe auch Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 71, 86. 141 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f. Zur Kritik an dieser Konzeption vgl. etwa Roxin, C.: ZStW 116 (2004), 929 ff., 940 ff. 142 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f. 143 Vgl. auch Jakobs, G.: ZStW 118 (2006), 831 ff., 841: „Eine hoch komplexe Gesellschaft [...] kennt als Grundmaxime nicht ‚optimalen Rechtsgüterschutz‘ (jeder muss seinen Schaden vermeiden), sondern ‚optimale Verwaltung‘ der eigenen Organisation.“

A. Der Begriff des Feindstrafrechts in der Prägung Jakobs

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2. Bürger- und Feindstrafrecht als Idealtypen Das Strafrecht kenne „also zwei Pole oder Tendenzen seiner Regelungen, scil., einmal den Umgang mit dem Bürger [...] und zum anderen den Umgang mit dem Feind ...“. 145 Doch trotz der Differenzierung nach Adressat und Funktion der Strafe seien die Begrifflichkeiten Feind- und Bürgerstrafrecht nicht isoliert voneinander zu betrachten. Vielmehr stellen jene zwei komplementäre Tendenzen eines Strafrechtssystems dar: 146 Es kann [...] nicht darum gehen, zwei isolierte Strafrechtssphären gegenüberzustellen, sondern zwei Pole einer Welt zu beschreiben oder zwei gegenläufige Tendenzen in einem Zusammenhang des Strafrecht aufzuzeigen, wobei sich diese Tendenzen durchaus überlagern können ...“ 147

Damit handelt es sich bei Bürger- und Feindstrafrecht nicht um zwei sich gegenseitig ausschließende Strafrechtssysteme 148, nach denen bei Anwendung des einen die Anwendung des anderen verwehrt bleibt, sondern Jakobs sieht in diesen beiden Termini in ihrer Reinform Idealtypen 149 in der Terminologie Max Webers, also fiktive begriffliche Extreme beziehungsweise Grenzbegriffe. 150 Ideal in diesem Sinne meint daher lediglich, dass Phänomene in ihrer theoretischen 144 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. Vgl. auch Ausführungen über den Rechtsgüterschutz in der Strafrechtskonzeption von Jakobs mit der Folge eines „Feindstrafrechts“ bei Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 86 ff. 145 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 92. 146 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. 147 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 88. 148 Vgl. auch Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff., 331; Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 37 ff., 57. 149 Explizite Benennung von Feind- und Bürgerstrafrecht als Idealtypen bei Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 293; vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 279. 150 Schneider bedient sich in seiner Habilitationsschrift einer ähnlichen Differenzierung nach Idealtypen, indem er das bürgerstrafrechtliche Konzept von Jakobs als nahezu idealtypischen „systemfunktionalen“ Ansatz beschreibt (Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 70 ff., 143). Systemfunktionalismus bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich das Strafrecht in seinen gesamten Grundlagen und Instituten nach der Stabilisierung des „Systems“ bzw. der normativen Konstruktion von Gesellschaft bestimmt, wobei Jakobs in den Mittelpunkt seiner Systemtheorie die kognitive Untermauerung der Normgeltung rückt (Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, z. B. S. 71, 87, 143). Dem systemfunktionalen Ansatz stellt Schneider als Idealtypus den „personfunktionalen“ Ansatz gegenüber, der sich nicht nach abstrakten Bedürfnissen des Systems richtet, sondern an der Person und dem Ausmaß ihrer Verantwortlichkeit für die begangene Tat orientiert (vgl. auch Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, z. B. S. 14; ders. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 339).

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Reinform aufgezeigt werden, ohne dass es realiter eine solche Reinform jemals gebe. 151 Im Idealfall geht Jakobs aber natürlich von einem zwiegespaltenen Strafrecht in der Form aus 152, dass neben dem Bürgerstrafrecht ein davon unabhängiges Feindstrafrecht bestünde. Er selbst betont aber, dass die beiden Extreme Feindund Bürgerstrafrecht sich (jedenfalls gegenwärtig) kaum jemals rein verwirklicht finden lassen 153 und es gebe „massenweise Zwischenformen“ beider Strafrechtstypen. 154 Vielmehr nutzt Jakobs diese Idealisierung zweier komplexer Rechtsbegrifflichkeiten zur Verdeutlichung und Vermittlung grundsätzlicher Inhalte, um die Gegensätzlichkeit beider Systeme vor Augen zu führen. 155 Zwar mögen einige Kriterien, die Jakobs anhand des Grenzfalles Feindstrafrecht aufzeigt, in ihrer idealtypischen Ausformulierung teilweise hart oder jedenfalls überspitzt klingen, doch gelingt es Jakobs auf diese Art und Weise, generelle Tendenzen zu formulieren und deutlich darzustellen sowie sich die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu sichern – wie wohl auch beabsichtigt.

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts Fraglich ist zunächst, welche Auswirkungen der im „Feindstrafrecht“ vorherrschende Effektivitätsgedanke, nämlich die Sicherung zum Zwecke vorrangigen Rechtsgüterschutzes und dessen praktische Umsetzung auf die bislang anerkannten strafrechtlichen Maximen haben. Denn selbst eine im Rahmen des Feindstrafrechts verhängte Strafe unterliegt nach Jakobs bestimmten rechtlichen Rahmenbe151

Vgl. auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 81, 95. So auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 136, 152; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 93 f.; Kreuzer, A.: Schwind-FS 2006, S. 995 ff., 1006; Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff., 331; vgl. ferner Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff., 108; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff.,194; Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 107; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 659, 662 f. 153 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. Ähnlich auch Gonzáles Cussac, der das Feindstrafrecht als bloße Umschreibung des „zeitgeschichtlichen Dauerthemas“ (so Naucke, W.: JoJZG 1/2008, 32 ff., 32) des „autoritären Denkens im Strafrecht“ begreift, vgl. Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 1. 154 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90; vgl. ferner Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 279. 155 Vgl. auch die in Anlehnung an den Jakobsschen Feind- und Bürgerstrafrechtsbegriff gebildeten „Prototypen“ zweier gegensätzlicher Strafrechtsmodelle bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263. 152

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts

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dingungen, da sie jedenfalls nicht willkürlich erfolgen dürfe. Nicht jedes beliebige Mittel gegen den Feind sei zulässig. 156 Vielmehr werde dem Feind zumindest eine gewisse potentielle Persönlichkeit 157 zugestanden, so dass auch bei seiner Sanktionierung nicht über das Erforderliche hinausgegangen werden dürfe. Dennoch dürften gegen den Feind natürlich weitreichendere Maßnahmen ergriffen werden als beispielsweise im Rahmen der Notwehr 158, die einen gegenwärtigen Angriff voraussetzt. Schließlich decke das Feindstrafrecht gerade auch die Bedrohung zukünftiger Angriffe ab. 159

I. Grenzen und Inhalte des Bürgerstrafrechts Insofern ist zu untersuchen, welche Inhalte das feindstrafrechtliche Konzept Jakobs vermittelt, welche Beschaffenheitsmerkmale also das Feindstrafrecht in seiner idealtypischen Ausgestaltung nach Jakobs konkret aufweist. Zuvor bietet es sich allerdings an, einen Blick auf den idealtypischen Gegenpart – das Bürgerstrafrecht – zu werfen, da dessen grundlegende Maximen prinzipiell bekannt sind und im Umkehrschluss entsprechende Schlussfolgerungen für das Feindstrafrecht gezogen werden können. Nach den bisherigen Ausführungen stellt sich das Bürgerstrafrecht in der Jakobsschen Systemtheorie als Tatstrafrecht dar, wobei sich die Tat nach außen manifestieren muss (1). Tatbestand und Strafmaß stehen in einem proportionalen Verhältnis zueinander (2). Ferner ist Bürgerstrafrecht repressiv auf Strafverfolgung ausgerichtet (3) und dem einer Straftat verdächtigten Bürger stehen prozessuale,

156 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 157 Vgl. hierzu auch Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 43: „... abstrakt, dem Begriff nach, mag der zu sichernde Verbrecher also als Rechtsperson verharren, aber der wirkliche Umgang mit ihm wird zum Umgang mit einem Feind.“ Die Entpersonalisierung erfolgt allerdings lediglich punktuell, denn selbst der „zu sichernde Verbrecher“ behält bestimmte Rechte, wie etwa das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Er ist jedoch in seinen Freiheitsrechten – diese hat er schließlich fehl gebraucht – zu beschränken. 158 Auch i. R. d. § 32 StGB darf der Angreifer fremd verwaltet werden – wenn auch nur im Rahmen der Erforderlichkeit, da er sich im Zeitpunkt des Angriffs außerhalb des Rechts stellt und somit die kognitive Erwartung an seine Person nicht erfüllt (so Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005). 159 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51 – dies entspricht freilich dem im Feindstrafrecht verfolgten Sicherungszweck, wonach der Schutz der Allgemeinheit eben auch dadurch erreicht wird, dass der Feind bereits vor dem eigentlichen Angriff auf das Rechtsgut eingesperrt werden darf.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

seinem Personenstatus entsprechende Rechte zu (4). Diese Grundelemente des Jakobsschen Bürgerstrafrechts sind nachfolgend noch zu konkretisieren. 1.

Tatstrafrecht und Manifestation der Tat

Bürgerstrafrecht ist nach dem Jakobsschen Konzept Tatstrafrecht, da die Strafe sich an einer konkreten Handlung, nicht dagegen an der Täterpersönlichkeit orientiert. 160 Die Bestrafung eines Bürgers als Täter setze nämlich einen Normgeltungsschaden voraus. Ein solcher könne jedoch überhaupt nur entstehen, wenn tatsächlich auch eine Tat begangen worden sei und die Allgemeinheit Kenntnis von dem Täterverhalten erlange. Die Tat müsse folglich ein gewisses Maß an nach außen manifestierter Sozialschädlichkeit 161 aufweisen. Die Öffentlichkeit eines Verhaltens im Bürgerstrafrecht bestimme sich dabei in Abgrenzung zum Internbereich 162 des Täters. Erst wenn der Bürger diesen Freiraum überschreite, wirke sein Verhalten als nach außen manifestierte Störung, so dass das Bürgerstrafrecht Anwendung finde. 163 Dagegen dürften Interna des Täters, die sich einzig in dessen eigenen Organisationskreis abspielen, nicht strafbegründend berücksichtigt werden. 164 Beispielsweise sei der bloße Gedanke nicht strafbar, da er als Interna eines Subjekts keine soziale Störung verursachen – also auch nicht öffentlich werden könne. 165 160 Damit stimmt Jakobs mit der h.M. überein, dass das herkömmliche Strafrecht an die konkrete Tat anknüpfen muss und damit als Tatstrafrecht auszugestalten ist. Eine Ausnahme stellt allerdings das Jugendstrafrecht dar: Da der Jugendliche (gegebenenfalls auch der Heranwachsende) seine Entwicklung noch nicht abgeschlossen hat und daher durch Erziehung weiterhin auf seine Persönlichkeit eingewirkt werden kann, orientiert sich das Jugendstrafrecht an der Täterpersönlichkeit und ist somit Täterstrafrecht. Dennoch bildet auch hier die Tatschuld die Obergrenze der Strafe. Täterstrafrechtliche Elemente werden darüber hinaus partiell auch dem „normalen“ (Bürger-) Strafrecht im Rahmen der Strafzumessungsnorm des § 46 StGB zugesprochen. Dies ist allerdings mit der h.M. abzulehnen, da die Tatschuld jedenfalls die oberste Grenze der Strafbarkeit festlegt, die eine möglicherweise gegebene Lebensführungsschuld nicht überschreiten darf (vgl. Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 6 Rn. 21). 161 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 764. 162 Hierzu bereits Kapitel 1 A.I.1) b). 163 Insofern sei § 22 StGB, welcher das unmittelbare Ansetzen beim Versuch bestimme, noch zu weit, denn im Rahmen eines Bürgerstrafrechts dürfe der Täter nicht bloß nach seiner Vorstellung zur Tat unmittelbar angesetzt haben, sondern der Täter müsse nach seinem externen Verhalten zur Anmaßung fremder Organisation – also zu einer Störung außerhalb seines eigenen Organisationskreises – unmittelbar ansetzen (Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 765). Damit dürften an sich zwei Irrtumsvarianten nicht mit Versuchsstrafbarkeit geahndet werden, nämlich die Fälle eines am Tatort fehlenden Angriffsobjekts sowie die Fälle eines bereits objektiv erkennbar untauglichen Tatmittels (Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 764 f.). 164 Vgl. hierzu Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756 f.

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts

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Interna könnten nur in dem Fall bestraft werden, in dem sich die Privatsphäre des Täters mit der Privatsphäre einer anderen Person überschneide 166, etwa bei der vorsätzlichen Beschädigung einer entliehenen Sache (fremdes Eigentum) in der tätereigenen Wohnung (Internbereich). Denn insofern werde das störende Verhalten zwangsläufig für den Inhaber des anderen Internbereichs wahrnehmbar und trete mithin als Anmaßung eines fremden Organisationskreises nach außen. Interna dürften allerdings auch als Interpretationsrichtlinien hinzugezogen werden, wenn der Täter bereits störend nach außen in Erscheinung getreten ist. 167 Eine typisch bürgerstrafrechtliche Norm sei insofern zum Beispiel das Erfolgsdelikt der (fahrlässigen) Tötung nach §§ 212, 222 StGB: Vorsatz- wie auch Fahrlässigkeitstat seien unter Strafe gestellt, das heißt, die Strafbarkeit werde einzig aufgrund des öffentlich gewordenen Verhaltens des Täters begründet. 168 Durch die Tötung eines anderen Menschen habe sich das Verhalten des Täters unzweifelhaft nach außen manifestiert, er habe sich einen fremden Organisationskreis angemaßt und sein Verhalten weise damit die erforderliche Sozialschädlichkeit auf. 2.

Proportionalität von Tatbestand und Strafmaß

Unter Zugrundelegung der Generalprävention nach Jakobs 169 bestimmt sich das Strafmaß im Bürgerstrafrecht zum einen danach, inwiefern der Täter sich durch die Verletzung der Norm eine fremde Organisation angemaßt und dadurch das Opfer in seiner staatlich garantierten Freiheit beeinträchtigt (oder dies im Rahmen des Versuches zumindest beabsichtigt) hat. Zum anderen ist danach zu fragen, inwiefern der Täter gegen die Vertrauenserwartung, er werde sich rechtmäßig verhalten, verstoßen hat. 170 Das Strafmaß sei nach dem Kommunikationsgrad zu 165 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 755. Dagegen leitet Gössels aus Jakobs Überlegungen ab, dass gerade dann auch rein intern ablaufende psychische Prozesse eine Strafbarkeit begründen können, wenn nur – ohne Berücksichtigung des geschützten Rechtsgutes – auf die Normverletzung abgestellt wird (Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 45). Dabei wird freilich die Eignung zur Normerschütterung, die nach Jakobs eben ausschließlich bei einer Manifestation der Sozialschädlichkeit nach außen zu bejahen ist, vernachlässigt. 166 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. 167 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 761. 168 Zum Idealtypus eines bürgerstrafrechtlichen Straftatbestandes nach Jakobs vgl. Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263. 169 Dabei läuft der von Jakobs vertretene Ansatz der positiven Generalprävention nicht grundsätzlich mit dem Schuldprinzip des bestehenden Strafrechts (§ 46 Abs. 1 StGB) als Manifestation des Vergeltungsgedankens konträr. Zwar lehnt Jakobs jedweden Strafzweck neben der Einübung von Normvertrauen beziehungsweise Stabilisierung der Rechtsordnung ab; er bringt jedoch den positiv generalpräventiven Ansatz mit dem Aspekt der Vergeltung (insbesondere nach Hegel) in Zusammenhang, vgl. Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 82 ff.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

bemessen, der nötig sei, um die verletzte Norm zu stabilisieren und deren Geltung für die Zukunft zu gewährleisten. Der Normgeltungsschaden, der in Form der sozialen Beunruhigung 171 durch die Tat entstanden sei, müsse durch die Strafe ausgeglichen werden. Dabei seien das Gewicht der übertretenen Norm und das Maß ihrer Übertretung, der Stand der kognitiven Sicherung dieser Norm und schließlich die Verantwortlichkeit des Täters in Bezug auf seine Tatmotivation zu berücksichtigen. 172 Auch müsse die Strafe eine Art Schadensersatz sein, dessen Maß den Täter schmerze. 173 Jakobs integriert somit das in § 46 Abs. 1 StGB verankerte Schuldprinzip 174, in den Strafzweck der positiven Generalprävention 175: „Die Stabilisierung der schwachen Norm ist Zweck der Schuld“. 176 Der Schuldgrundsatz ist danach Ausprägung der positiven Generalprävention. Sämtliche Normverstöße seien daher bezüglich ihrer Rechtsfolge an der entstandenen Normerschütterung als Schuldvorwurf zu messen. 177 Danach trage etwa eine Fahrlässigkeitstat einen geringeren Schuldvorwurf in sich als die Vorsatztat 178 und der Täter, der mit Absicht handle, sei strenger zu bestrafen, als derjenige, welcher den Normbruch bloß billigend in Kauf nehme. Die Vollendung eines Delikts müsse zu einer höheren Strafe als der Versuch führen. Trete der Täter vom versuchten Delikt zurück, nehme er also die Tatbestandsnähe und die Expressivität des Normbruchs zurück 179, werde mangels Normerschütterung gänzlich von Strafe abgesehen. Eine Bestrafung sei in diesem Falle nicht mehr erforderlich, da das Normbruchstadium nur kurz erreicht und die negative Einwirkung des Täters auf das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit minimiert wurde. 180

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So etwa Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger, S. 92. Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 31 f. 172 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 32. 173 Vergleich von Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 32, 42; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294. 174 Danach ist die Strafzumessung nach der Tatschuld zu bemessen (vgl. Creifelds, C. / Weber, K. (Hrsg.): Creifelds 2004, S. 1160 „Schuldgrundsatz“). 175 Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 121 f. 176 Jakobs, G.: Schuldprinzip 1993, S. 24; ders.: Schuld und Prävention 1976, S. 7 ff. 177 Vgl. Jakobs, G.: Schuld und Prävention 1976, S. 9. 178 Vgl. Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 9. Zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Jakobsschen Strafrechtsmodell vgl. Jakobs, G.: Bruns-FS 1978, S. 31 ff.; ders.: ZStW 101 (1989), 516 ff.; ders.: GA 1997, 553 ff.; Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 108 ff. 179 Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 26/1. 171

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3. Repressivität des Bürgerstrafrechts Das Bürgerstrafrecht habe einen rein repressiven Inhalt. Die Verhütung zukünftiger Normverstöße sei dagegen die Aufgabe der Polizei, nicht die des Strafrechts. 181 Bürgerstrafrecht bezwecke also gerade nicht die Prävention vor zukünftigen Delikten. Insofern sei das Bügerstrafrecht auch ultima ratio, denn es greife einzig und allein in dem Moment, in dem der Bürger durch äußerlich wahrnehmbares Verhalten tatsächlich andere Rechtskreise stört. 182 4.

Verfahrensgarantien

Der Status des Bürgers als Rechtsperson sei auch im Strafverfahren zu beachten. Im Gegensatz zum ehemaligen Inquisitionsprozess sei der Beschuldigte im bürgerstrafrechtlichen Verfahren Rechtssubjekt 183 und als solches mit eigenen Rechten ausgestattet. Bürgerstrafrechtliche Rechte seien beispielsweise das Recht auf rechtliches Gehör (nach Art. 101 Abs. 1 GG) oder das Recht, Beweisanträge (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, §§ 244 ff. StPO) oder auch Fragen (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, § 257 StPO) zu stellen und bei Zeugenvernehmungen beziehungsweise in der Hauptverhandlung anwesend zu sein (§§ 168c Abs. 5, 230 Abs. 1 StPO). 184 Ferner entspreche das Recht, selbst und in hinreichender Zeit die Art und Weise der Verteidigung festzulegen sowie einen Verteidiger hinzuzuziehen (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. b, c EMRK, §§ 243 Abs. 4, 136 Abs. 1 S. 2, 137 Abs. 1 StPO), der bürgerstrafrechtlichen Subjektsqualität. 185 Ein Bürger dürfe bei der eigenen Aussage weder unzulässig getäuscht 186, noch gezwungen 187, noch verlockt werden (§ 136a StPO). 188 Insbesondere dürfe der beschuldigte Bürger die Aussage gänzlich ver180

Vgl. Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 26/2. Ausführlich siehe Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 128 ff. 181 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 31. 182 Vgl. Folgerung zu Jakobs bei Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität. Feindstrafrechtliche Tendenzen 2004, S. 6. 183 Im ehemaligen Inquisitionsprozess war der Beschuldigte der mehr oder weniger rechtlose Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung. Durch den Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogenen Übergang zum Anklageverfahren (vgl. z. B. Beulke, W.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 18) hat sich seine Stellung grundlegend geändert: Der Beschuldigte ist nicht mehr bloß Prozessobjekt, sondern nunmehr auch Prozesssubjekt. D. h., er ist mit eigenen Rechten ausgestattet, deren Nichteinhaltung gegebenenfalls die Aufhebung des Urteils bewirken kann. Vgl. auch Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 643. 184 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 296; Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999) 624 ff., 624, 636, 639. 185 Vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 624 f., 636. 186 Dabei bezeichnet Lesch die Durchführung von „Überrumplungs- und Überlistungsmanövern“ unter Berufung auf den Normzweck der Wahrheitsfindung im Sinne einer fehlerfreien Aussage als unzulässige Täuschung im Sinne des § 136a StPO (Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 643 ff.; vgl. auch ders.: GA 2000, 355 ff., 359). Dagegen legt die

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

weigern, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Das Schweigerecht wie auch die entsprechende Belehrungspflicht gemäß § 136 Abs. 1 StPO seien somit bürgerstrafrechtlich. 189 Der Bürger müsse nicht aktiv an der eigenen Überführung mitwirken, sondern dürfe passiv bleiben, wenn er dies für eine vorzugswürdige Verteidigungsstrategie halte (nemo tenetur se ipsum accusare). 190 Auch die Unschuldsvermutung 191 ist als bürgerstrafrechtlich im Sinne Jakobs anzusehen, da es h.M. (vgl. etwa BGHSt 35, 328 ff., 329; 37, 48 ff., 52 f.; 42, 139 ff., 149) die Täuschung im Sinne des § 136a StPO eng aus und erachtet die „kriminalistische List“ (beispielsweise Fang- und Suggestivfragen, doppeldeutige Erklärungen und partiell auch das Täuschen durch Unterlassen, sofern keine Pflicht zur Aufklärung besteht) als legitim. 187 Zur Begründung des „Rechts“ des Beschuldigten, nicht zur Aussage gezwungen werden zu dürfen, das sich als Ausnahme zur staatsbürgerlichen Pflicht zur Mitwirkung darstellt, vgl. Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 382 f.; vgl. ferner auch ders.: GA 1998, 378 ff., 386. 188 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 624, 636, 639. Ferner stellt nach Lesch das Aushorchen des Beschuldigten durch Privatpersonen nie Zwang nach § 136a StPO (analog) dar – unabhängig davon, ob das in § 136a StPO umschriebene Verhalten der Privatperson dem Staat zurechenbar sei oder nicht (insofern abweichend von der h.M., die zumindest bei behördlichem Auftrag der Privatperson zur Bespitzelung des Beschuldigten in einer Methode im Sinne des § 136a StPO die Möglichkeit einer unzulässigen Beweismethode in Betracht zieht, vgl. BGHSt 44, 129 ff., 134). 189 Pawlik folgert das Schweigerecht aus dem Recht auf Kommunikationsverweigerung seitens des Beschuldigten in seiner Eigenart als Rechtsperson. Andernfalls würde der Beschuldigte kommunikativ wehrlos gestellt werden. Eine Aussagepflicht käme damit einer Rechtlosstellung des Beschuldigten gleich (vgl. Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 383, 389). Pawlik schließt sich im Übrigen der h.M. (BGH NJW 1989, 844 f.) an und sieht das Schweigerecht in den Fällen als gewahrt an, in denen der Beschuldigte auf sozialadäquates Nachfragen beziehungsweise von sich aus Angaben zum Tathergang macht (Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 386 f., 389). 190 Nach Lesch leitet sich der nemo-tenetur-Grundsatz nicht aus der Menschenwürde her (anders: BVerfGE 55, 144 ff., 150 f.; 56, 37 ff., 44 f., 50; BVerfG NStZ 1995, 555 f., 555), sondern stelle sich als unselbständiger Reflex des Rechts auf freie Verteidigerauswahl im Strafverfahren sowie Ausfluss des Zwecks der Ausschaltung von Fehlerquellen und damit des Interesses zutreffender Wahrheitserforschung dar. Insofern sei der nemo teneturGrundsatz auch nur auf die Aussagefreiheit bei förmlichen Vernehmungen beschränkt. Ein absolutes Recht auf Selbstbezichtigungsfreiheit bestehe dagegen nicht (Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 638 f.; vgl. auch ders.: GA 2000, 355 ff., 356 f., 359, 363; ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 103 f., 146). 191 Besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, der Verfassungsrang zukommt (BVerfGE 82, 106 ff., 114; Herleitung aber umstritten, vgl. statt vieler: Stuckenberg, C.F.: Untersuchungen zur Unschuldsvermutung 1998, S. 48 ff.). Die Unschuldsvermutung verbietet es, Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln, ohne im konkreten Strafverfahren einen gesetzlichen, ordnungsgemäßen Schuldnachweis (BVerfGE 74, 358 ff., 371). Zum Problemkreis, ob und inwiefern Absprachen im Strafprozess gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, vgl. Stuckenberg, C.-F.: Untersuchungen zur Unschuldsvermutung 1998, S. 113 ff. wie auch BGHSt 43, 195 ff.

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts

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dem Status des Bürgers als Rechtsperson entspricht, diesen nicht bereits vor der positiven Überführung der Tat als Täter zu behandeln. Der Staat müsse ferner im Rahmen des Schuldnachweises im Gegensatz zum Beschuldigten 192 „mit offenen Karten“ spielen. Heimliche Ermittlungsmethoden seien im Bürgerstrafrecht nicht erlaubt. 193 Da der Bürger weiterhin Rechtsperson sei, müsse zudem Waffen 194- beziehungsweise Wissensgleichheit zwischen Anklage und Verteidigung bestehen. 195 Eine entsprechende bürgerstrafrechtliche Ausgestaltung könnte etwa das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers (§ 147 Abs. 1 StPO) darstellen. Auch die Prozessmaximen und deren Regelungen im Strafverfahrensrecht wie der Unmittelbarkeitsgrundsatz (§§ 250, 261 StPO), das Mündlichkeitsprinzip (§ 261 StPO), der Beschleunigungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 MRK) und das Öffentlichkeitsprinzip (§ 169 GVG, Art. 6 MRK) dürften bürgerstrafrechtlich sein, da sie Rechte des Täter wahren und damit der Subjektsstellung des Bürgers im Sinne Jakobs entsprechen. Der materiell-rechtlichen Ausgestaltung des Bürgerstrafrechts als Tatstrafrecht 196 entspricht prozessual das Erfordernis eines Anfangsverdachts, also des Verdachts, dass überhaupt eine Straftat begangen wurde. 197 Im Rahmen des bei Vorliegen eines Anfangsverdachts eingeleiteten Ermittlungsverfahrens müsse wiederum der Status des Bürgers als Rechtsperson beachtet werden. Bei Jakobs heißt das vor allem, dass gegenüber Rechtspersonen kein physischer Zwang angewendet werden darf. Dieser sei gegenüber dem Bürger nicht notwendig, weil jener aus Einsicht am Verfahren teilnehme. Seine Anwesenheit müsse demgemäß nicht erzwungen werden. 198 Zwar wurde bereits aufgezeigt, dass der Bürger im Bürgerstrafrecht das Recht hat, sich nicht selbst zu belasten. Er ist nicht aufgrund seines Rechtspersonenstatus verpflichtet, die Tat zu gestehen – das wäre wohl selbst von einer Rechtsperson zu viel verlangt. Dennoch greift die Person im Recht nach Jakobs zumindest nicht zu Maßnahmen, die eine Sachaufklärung Zur Bezeichnung der Unschuldsvermutung als Metapher, vgl. Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 104 f. 192 Vgl. dagegen zur Offenlegung der Beweise („disclosure“) der Verteidigung im angloamerikanischen Rechtkreis Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 147, insbesondere Fn. 554. Danach besteht in England und Wales seit dem Criminal Procedure and Investigation Act 1996 auch für die Verteidigung eine generelle Offenlegungspflicht bei Verfahren vor dem Crown Court. 193 Umkehrschluss zu Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. 194 BVerfGE 38, 105 ff., 111; 63, 45 ff., 61; 63, 380 ff., 391 ff. 195 Vgl. zur „Waffengleichheit“ im Bürgerstrafrecht im Sinne Jakobs: Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263. 196 Siehe oben, Kapitel 1 C.I.1. 197 Vgl. auch Schlussfolgerung zum prozessualen Bürgerstrafrecht bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263. 198 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

unmöglich machen und das strafrechtliche Verfahren vereiteln würden: Die Person im Recht verdunkle keine Tatumstände und entziehe sich auch nicht durch Flucht der Ermittlung. 199 Insofern sind nach Jakobs die Untersuchungshaft (§§ 112, 112a StPO), die Sicherungsverwahrung, die Blutentnahme (§ 81a StPO) und die Überwachung ohne Wissen des Beschuldigten 200 rein physische Zwangsmittel, die im Bürgerstrafrecht nicht angewendet werden dürften. 201 Lesch hält dagegen die klassischen Haftgründe wie Flucht, Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr für zulässig, soweit die ursprüngliche Funktion der Untersuchungshaft (Gewährleistung der Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung) nicht unterlaufen wird. Nur den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO sieht er aufgrund seines Charakters als rein präventiv-polizeiliche Sicherungshaft in materieller Hinsicht als fragwürdig an. 202 Zudem dürften auch im Bürgerstrafrecht Zwangsmittel angewendet werden, wenn der Beschuldigte sich der Zwangswirkung freiwillig aussetze, also etwa freiwillig Wahrheitsdrogen einnehme, sich hypnotisieren lasse oder sich einem Lügendetektortest unterziehe, um sich bei erdrückender Beweisnot vom Tatvorwurf zu entlasten. In einem solchen Falle werde die Stellung als Rechtsperson nicht verletzt, sondern im Gegenteil sogar gewahrt. 203 Im Übrigen befindet Lesch auch den Einsatz von Brechmitteln und Blutentnahme als körperliche Untersuchung nach § 81a StPO trotz ihres Zwangsmittelcharakters für unbedenklich 204, da dem Bürger eine Mitwirkungspflicht im Strafprozess obliege. Der Bürger sei im Rahmen des § 81a StPO nicht bloß zur passiven Duldung, sondern sogar zur aktiven Mitwirkung verpflichtet. 205

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Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93. Dem dürfte Lesch wohl zustimmen, wenn er folgert, dass ein genereller Rechtsanspruch auf die Verheimlichung einer Straftat die Qualität des Beschuldigten als Person zerstören und ihn auf die Stufe eines empirischen Triebwesens als tiergleich-kreatürliche Existenz stellen würde, vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 638. 200 Zumal Maßnahmen wie das Abhören in Wohnungen wiederum dem Internbereich des Täters unterfielen. 201 Umkehrschluss zu Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. zu § 112a StPO als Ausdruck „polizeirechtlicher Verschmutzung“ des Strafrechts auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840. 202 Vgl. Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 167 f. 203 Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 640 f. und insofern in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung, die die polygraphische Untersuchung mit Zustimmung des Beschuldigten nicht als Verstoß gegen § 136a StPO und Art. 1 GG ansieht (vgl. BGHSt 44, 308 ff., 318 f.; a. A. noch BGHSt 5, 332 ff., 332 f.; BVerfG NStZ 1981, 446 f., 446), wenngleich diese ein völlig ungeeignetes Beweismittel darstelle. 204 Vgl. dahingegen das Urteil des EGMR v. 11. 7. 2006 zum Verstoß der zwangsweisen Verabreichung von Brechmitteln im Fall Jalloh gegen Art. 3 und Art. 6 EMRK in: NJW 2006, 3117 ff. (siehe auch Fn. 346); vgl. zudem Besprechung bei Heintschel-Heinegg, B.: JA 2006, 904 ff.

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts

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II. Beschaffenheitsmerkmale des Feindstrafrechts Jakobs als Schöpfer des theoretischen Konstruktes hält sich selbst bezüglich der inhaltlichen Kriterien des feindstrafrechtlichen Modells eher bedeckt. So vehement er sein feindstrafrechtliches Konzept auch gegen die teilweise harsche Kritik verteidigt, so zaghaft fällt doch die inhaltliche Konkretisierung aus. Seine Ausführungen verlieren sich stattdessen oftmals in abstrakten Andeutungen und Benennung von Beispielen, ohne jedoch mehr als eine Groborientierung vorzugeben. Allerdings gibt Jakobs vier Kennzeichen eines (tendenziellen) Feindstrafrechts an die Hand 206: In der Tendenz werde die Strafbarkeit zur Erfassung künftigen Unrechts weit vorverlagert (1), trotz dieser Vorverlagerung finde keine proportionale Reduktion der Strafbarkeit statt (2), die Strafrechtsgesetzgebung gehe in eine präventive Bekämpfungsgesetzgebung über (3) und prozessuale Garantien würden abgebaut (4). 1.

Interna berücksichtigende Vorverlagerung der Strafbarkeit

Im Gegensatz zum Bürgerstrafrecht werde im Feindstrafrecht nicht zwischen internem und externem Verhalten unterschieden. Im Rahmen des Feindstrafrechts würden auch Interna des Täters zur Begründung der Strafbarkeit herangezogen, um effektiven Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. 207 Damit gehe zugleich eine Vorverlagerung der Strafbarkeit 208 einher. So werde beispielsweise im Rahmen des § 30 StGB 209 die bloße Verabredung zu einem Verbrechen mit Strafe belegt, obwohl der Täter lediglich in seiner Privatsphäre tätig wurde, ohne dass sein Verhalten nach außen gedrungen wäre. 210 Zwar öffnen die Täter beim Beteili205

Insofern entgegen der h.M. (BGHSt 34, 39 ff., 45 f. m.w. N.), die dem Bürger nur eine passive Duldungspflicht auferlegt, vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 638 f.; ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 189 ff.; kritisch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 505 f. 206 Die nachfolgende Aufzählung der Kennzeichen des Feindstrafrechts entstammt der Ausführung Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51 f. 207 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756, 761. 208 Kritisch zu den Metaphern der Vorverlagerung oder Vorfeldkriminalisierung Schroeder, F.-C.: Jakobs-FS 2007, S. 627 ff. 209 Vgl. Entstehungsgeschichte und Ausführungen zu § 30 StGB bei Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 45 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 93 f.; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 295. 210 Jakobs zu Vorverlagerung bei § 30 StGB: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756, 765 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93, 95. Die Legitimation des § 30 StGB wird ebenso wie die generelle Zulässigkeit von Vorfeldkriminalisierungen grds. angezweifelt. Nicht bloß bei Jakobs wird sowohl § 30 in seinen diversen Varianten wie auch die allgemeine Vorverlagerung von Strafbarkeit als Ausprägung eines „Feind-“ oder auch „Gesinnungsstrafrechts“ aufgefasst,

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

gungsversuch ihre Privatbereiche, jedoch nur im Verhältnis zueinander. „Dieser entstandene, gemeinsame Bereich bleibt jedoch gegenüber Außenstehenden verschlossen; denn daß sich jemand auf andere Menschen einläßt, legitimiert keine öffentliche Einmischung.“ 211 Die deliktsvorbereitende soziale Beziehung ist gleichfalls privat. 212 Mit Berücksichtigung dieses Privatbereichs zur Begründung von Strafbarkeit werde der Täter als Feind behandelt und nicht als Bürger. 213 Vorverlagerungen finden sich zudem bei Kriminalisierungen materieller Vorbereitungshandlungen, soweit diese im Internbereich erfolgen 214, wie zum Beispiel einige Staatsschutzdelikte 215 oder die Bildung krimineller und terroristischer Vervgl. z. B. die Ausführungen zur Berücksichtigung nicht äußerlich manifestierter Merkmale zum Zwecke der Strafbarkeit (im Anschluss an Jakobs in ZStW 97 (1985), 751 ff., 756, 765 f.) bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; vgl. auch Beck, W.: Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung 1992, S. 204 ff.; zu § 30 Abs. 2, 3. Alt. StGB, vgl. Fieber, U.: Die Verbrechensverabredung 2001, S. 187 f.; ähnlich zur Unvereinbarkeit des § 30 mit den Grundsätzen des Tatstrafrechts Köhler, M.: Strafrecht AT 1997, S. 545 ff.; a. A. Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 231 f. Insofern verwundert es auch nicht, dass der zunächst kritisch verwendete Terminus des „Feindstrafrechts“ bei seiner Einführung durch Jakobs 1985 viel Zustimmung erfahren hat. 211 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 757. 212 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 757. 213 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. 214 Jakobs beschreibt also nicht alle materiellen Vorverlagerungen als feindstrafrechtlich, sondern nur die den Internbereich bestrafenden Vorverlagerungen. Beispielsweise sind die meist als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestalteten Umweltstraftaten nach §§ 324 ff. StGB nicht feindstrafrechtlicher Natur, sofern ein externes Verhalten sanktioniert wird, wie etwa bei der Luftverunreinigung nach § 325 Abs. 1 StGB. Auch wenn eine tatsächliche Gefährdung der Gesundheit etc. nicht nachweisbar ist (Vorverlagerung, da die bloße Eignung genügt), so hat die Handlung (Ausstoßen von Schadstoffen in die Luft) sich nach Außen hin manifestiert. Insofern ist die allgemein gehaltene Kritik bei Hamm an der Trefferquote der Vorverlagerungen im Umweltstrafrecht in Hinsicht auf den Feind als betroffenen Normadressat zu wenig differenziert (vgl. Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 117). Vgl. auch Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 760, der das Umweltstrafrecht in seiner abstrakten Charakterisierung als typisches Risikostrafrecht gleichfalls gegen das konzeptionelle Feindstrafrecht anführt, da keine Feinde betroffen werden. Sofern hierunter auch die materiellen Vorverlagerungen im Umweltstrafrecht fallen, geht Saliger jedoch ebenso wenig auf die bei Jakobs getroffene Abgrenzung feindstrafrechtlicher Regelungen nach den berücksichtigten Täterinterna ein. Die Eigenheit der Umweltdelikte als Gefährdungsdelikte führt nicht zwangsläufig dazu, dass diese feindstrafrechtlich sind, sondern es danach zu fragen, ob die entsprechende Norm Interna des Täters bestraft. Nur dann ist das Gefährdungsdelikt feindstrafrechtlich ausgestaltet. Die gleiche Kritik ist an Kindhäuser zu üben, wenn er die Straßenverkehrsdelikte in ihrer Eigenschaft als Gefährdungsdelikte, die keinen Verletzungserfolg voraussetzen (etwa das generelle Verbot gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, ein Fahrzeug im fahruntüchtigen Zustand zu führen), zur Verneinung des Feindstrafrechts auf deskriptiver Ebene benennt (Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 96). Ein sich in fahruntüchtigem Zustand befindlicher Fahrer eines Kraftfahrzeuges manifestiert sein normuntreues Verhalten nach außen, indem er eine öffentliche Straße benutzt. Interna des Täters werden in diesem

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einigungen (§§ 129, 129a und b StGB 216) und insbesondere, wenn sie sich auf zukünftige Taten 217 beziehen. Des Weiteren seien abstrakte Gefährdungsdelikte feindstrafrechtlich zu interpretieren, sobald sich die Strafbarkeit nicht allein aus einer externen Störung, welche aus der Unabsehbarkeit potentieller Schadensverläufe folge, ergebe. 218 Folge die Strafbarkeit eines Verhaltens also nicht allein daraus, dass das Verhalten die Schadensneigung objektiv in sich trage, sondern werde vielmehr der konkrete, interne Kontext zu diesem Zwecke berücksichtigt, werde die Privatsphäre des Täters als strafbarkeitsbegründendes Kriterium hinzugezogen, so dass es sich in der Folge um Feindstrafrecht handle. 219 Nach Jakobs wird unter anderem bei den Alternativen des Herstellens und Verschaffens im Rahmen der Urkundsdelikte (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB) 220 sowie der Geldfälschung (§ 146 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) auf den inneren Planungszusammenhang abgestellt und somit gegen die Privatheitsmaxime als Ausdruck des Tatprinzips verstoßen. Gleichfalls sehe die Vorbereitung eines Explosionsoder Strahlenverbrechens gemäß § 310 StGB 221 sowie die Unterhaltung von friedensgefährdenden Beziehungen gemäß § 100 StGB 222 eine feindstrafrechtliche Berücksichtigung von Interna vor. Der Täter werde demzufolge bestraft, obwohl sich das störende Verhalten nicht nach außen manifestiert habe. Vielmehr werde die tätereigene Privatsphäre zur Begründung der Strafbarkeit herangezogen und die geplante Rechtsgutsverletzung erst gar nicht abgewartet. Eine solche – nach Jakobs feindstrafrechtliche – Bestrafung muss vor allem auch in den Fällen sinnvoll erscheinen, in denen eine der eigentlichen RechtsFall also gerade nicht berücksichtigt, so dass es sich hier bereits im Grundsatz nicht um eine feindstrafrechtliche Norm handelt. 215 Vgl. zu den Vorverlagerungen im Rahmen des politischen Strafrechts etwa auch Hefendehl, R.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 453 ff.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 83 f. 216 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 839 f.; vgl. ferner unter Bezugnahme auf Jakobs: Cancio Meliá, M.: Jakobs-FS 2007, S. 27 ff., 30 ff. Zur mangelnden Unrechtsbegründung der §§ 129, 129a StGB vgl. auch Beck, W.: Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung 1992, S. 206 ff. 217 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 778 f.; ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 218 Vgl. auch die Differenzierung zwischen unechten und echten Vorbereitungsverboten bei Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 207 ff. Danach sind unechte Vorbereitungsverbote gegeben, wenn der Verbotsgrund rein objektiv aus der abstrakten Gefahr folgt. Ein echtes Vorbereitungsverbot liegt dagegen vor, wenn das Verbot nicht allein am konkreten Verhalten anknüpft, sondern auf einen bestimmten deliktischen Planungszusammenhang abstellt. 219 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772. 220 Bezüglich der Urkundsdelikte anderer Ansicht Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 145. 221 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772 f., wobei Jakobs sich auf § 311b StGB a.F. bezieht. 222 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 761 f.

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gutsverletzung nachfolgende Strafe gar nicht möglich ist. So verliert etwa eine nachträgliche Strafe konsequenter Weise bei terroristischen Selbstmordattentätern ihren Sinn, da der zu bestrafende Täter nicht länger existent ist. Wer nicht überleben will, ist auch mit nichts zu bedrohen – Abschreckung, Normeinübung, Strafe und Sühne 223 werden bedeutungslos. Bestraft würden nicht gefährliche Taten, sondern gefährliche Täter 224, deren willentlich gesteuertes Internverhalten bereits geeignet sei, Rechtsgüter zu verletzen. Daher könne auch bei einem neutralen Verhalten des Täters allein dessen Gefährlichkeit eine Strafbarkeit begründen, so dass eine Verlagerung zum Gefährdungsstrafrecht stattfinde. 225 Wie ein derart beschaffenes, ideales Feindstrafrecht ausgestaltet sein könnte, wird von Jakobs in einem Vergleich mit den Ausführungen bei Zachariä eindrucksvoll vor Augen geführt: „Der Richter würde gegen Jeden, der in eine Apotheke tritt und Gift fordert, gegen Jeden, der sich ein Gewehr kauft oder Leitern und Stricke angeschafft hat, zu inquirieren berechtigt seyn, ob dies nicht in der Absicht geschehen sey, ein Verbrechen zu verüben.“ 226

Damit werde im Feindstrafrecht im Vergleich zum Bürgerstrafrecht ein Wandel zum täterorientierten Strafrecht vollzogen. Werde also bereits die Anmaßung eines abstrakt gefährlichen Verhaltens durch den Täter bestraft, obgleich die Verletzungshandlung selbst noch ausstehe, sei die Strafe auf die reinen Deliktspläne gestützt 227 und damit feindstrafrechtlich. Auch der Angriff auf den Luftverkehr 223 Bei Selbstmordattentätern läuft die Strafe unter Zugrundelegung sämtlicher Straftheorien – nicht bloß im Rahmen der positiven Generalprävention – leer: Das strafrechtliche Abschreckungspotential versagt in Bezug auf den Selbstmordattentäter, da dieser spezialpräventiv selbst durch den eigenen Tod nicht von der Durchführung der Tat abgehalten wird. Das gleiche muss für die generalpräventive Abschreckung potentieller Selbstmordattentäter gelten. Die Vergeltung der Tat als absoluter Strafzweck scheitert ebenso am Tod des Selbstmordattentäters wie dessen Resozialisierung. Indem der terroristische Schläfer und Selbstmordattentäter dem Staat das Tötungsmonopol (bzw. in Deutschland die lebenslange Freiheitsstrafe) abspricht, verliert der Staat an Drohpotential. Er wird machtlos (Reuter, C.: Mein Leben ist eine Waffe 2002, S. 11). Inwieweit die Strafzwecke im Hinblick auf die (noch existenten) Hintermänner und (Mit-)Organisatoren greifen, mag hier dahinstehen, da die Strafe zumindest im Bezug auf den Vordermann ihren Zweck verfehlt. Zudem fehlt den überlebenden Hintermännern regelmäßig die Einsicht über die Grausamkeit ihrer Tat(en). Strafrechtlich fehlt es damit an einer befriedigenden Antwort auf Selbstmordattentate seitens der „Opferstaaten“. Es scheint sich vielmehr so zu verhalten, dass eine erfolgreiche Prävention nur intern durch täternahe, muslimische Institutionen und Personen stattfinden kann. 224 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 771. 225 Vgl. hierzu auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 269. 226 Zitiert bei Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 762. 227 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772. Ebenso sieht Lagodny gegenwärtig eine Entwicklung in der Gesetzgebung, zunehmend den „bloßen bösen Gedanken“ zu sanktionieren und damit Vorbereitungsdelikte zu schaffen (Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 2).

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gemäß § 316c Abs. 4 StGB (entspricht § 316c Abs. 3 StGB a.F.), für den bereits das Sich-Verschaffen einer Waffe zum Anlass genommen wird, dem Täter eine Angriffsabsicht zu unterstellen, ist nach Jakobs exemplarisch für den Trend zu feindstrafrechtlichen Vorverlagerungen. Das Besorgen einer Waffe gelte schließlich gemeinhin als straflose Vorbereitungshandlung. 228 Folglich werde auf den Planungszusammenhang des Täters abgestellt 229 und in der Konsequenz der Täter als Feind behandelt: „Solche Entkleidungen des Subjekts von seiner Privatsphäre gehören nicht mehr zum bürgerlichen Strafrecht, sondern zum Feindstrafrecht.“ 230

Das Feindstrafrecht diene daher insbesondere auch der Verhinderung zukünftiger Taten. Eine solche Tendenz sei neben den bereits benannten Organisationsdelikten nach §§ 129, 129a und b StGB den §§ 30 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG a.F. 231 (bandenmäßiger Anbau von Betäubungsmitteln) zu entnehmen. 232 Ferner komme das präventive, feindstrafrechtliche Element in einigen so genannten Partialnormen zum Ausdruck. Partialnormen seien solche Normen, die ein bestimmtes „Klima“ schützen, um die Geltungsbedingungen der Hauptnormen, die konkrete Rechtsgüter schützen, zu gewährleisten. 233 Indem Partialnormen die eigentliche Hauptnorm (quasi vorsorglich) absichern, würden sie automatisch Strafbarkeitsvorverlagerungen in Hinsicht auf die Hauptnorm beinhalten. Als Beispiele für Partialnormen zählt Jakobs unter anderem § 111 StGB (öffentliche Aufforderung zu Straftaten), die Aufstachelung zum Angriffskrieg nach § 80a StGB, Volksverhetzung gemäß § 130 StGB 234, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten gemäß § 126 StGB sowie die Bedrohung (§ 241 StGB) auf. Diese Delikte (von Jakobs auch „Klimaschutzdelikte“ genannt 235) seien dann feindstrafrechtlicher Natur, wenn die Bestrafung erfolge, obwohl der Täter lediglich in seinem eigenen Organisationskreis tätig werde, also sein Verhalten nicht extern wirke. 236 Auch hier fragt Jakobs konsequenter Weise nach der Öffentlichkeit des Täterverhaltens als Kriterium für die Abgrenzung des Bürgerstrafrechts vom Feindstrafrecht. Denn liege kein öffentliches Verhalten vor, 228

Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 773. Insofern sind nach Jakobs auch nur diejenigen abstrakten Gefährdungsdelikte mit dem Tatprinzip vereinbar, welche die generelle Gefahr des Verhaltens bestrafen, nicht aber diejenigen, die auf die Gefahr des speziellen Planungszusammenhangs abstellen (Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 784 f.). 230 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 773. 231 Nunmehr in § 30a Abs. 1 BtMG n.F. geregelt. 232 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 233 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 775. 234 Zur Eigenschaft des § 130 StGB als sog. Klimadelikt vgl. auch Brugger, W.: JA 2006, 687 ff., 691. 235 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 782. 229

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könne auch das Vertrauen in die Grundnorm nicht tangiert werden. Vielmehr erfolge die Strafe im Hinblick auf die zukünftige, in der Hauptnorm unter Strafe gestellte Rechtsgutsverletzung 237 aufgrund der generellen Gefährlichkeit des Täters. In diesem Sinne seien auch die Klimaschutztatbestände nach § 130 StGB (Volksverhetzung) und § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) tendenziell feindstrafrechtlich ausgerichtet, da der Täter sich hierbei eben keine fremde Organisation anmaße. 238 2.

Fehlende Proportionalität der Strafe zur Tatschuld

Nach Jakobs fehlt es im Feindstrafrecht – im Gegensatz zum Bürgerstrafrecht 239 – an der Proportionalität von Strafe und Tatschuld. Dies lasse sich insbesondere an den Normierungen verdeutlichen, die feindstrafrechtliche Vorverlagerungen 240 zum Inhalt haben. Obgleich der Täter im Rahmen einer Vorfeldtat noch vergleichsweise weit entfernt von der eigentlichen Rechtsgutsverletzung sei, finde keine Reduktion der Strafe statt, die der mangelnden Rechtsgutsverletzungsnähe Rechnung trage. 241 Demgemäß mache sich zum Beispiel der Rädelsführer beziehungsweise Hintermann einer terroristischen Vereinigung bereits nach § 129a StGB strafbar, indem er etwa die Vereinigung gründe – selbst wenn die Gründung (oder auch die Betätigung in der Vereinigung, vgl. § 129a StGB) in der Privatsphäre erfolge. Trotz dieser vorverlagerten Strafbarkeit drohe dem Rädelsführer der terroristischen Vereinigung gleichfalls wie demjenigen, der einen Mord 242 versucht habe (bei fakultativer Versuchsmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB), eine Strafe von nicht weniger als drei Jahren (§ 129a Abs. 4 i.V. m. Abs. 1 StGB) 243, obwohl letzterer mit dem unmittelbaren Ansetzen bereits wesent236 Im Umkehrschluss zu Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 775: Bürgerstrafrechtlich ist eine Partialnorm, wenn der Täter sich die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Opfer und Hauptnorm anmaßt. Vgl. auch Ausführungen bei Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 87. 237 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 781 f. 238 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 779 f. 239 Zum Tatunrecht im Sinne der positiven Generalprävention bei Jakobs vgl. Kapitel 1 C.I.2. 240 Siehe hierzu den vorhergehenden Unterpunkt (Kapitel 1 C.II.1.). 241 Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 242 Gemäß § 129a Abs. 1 StGB stellt ein Mord (§ 211 StGB) einen entsprechend strafbaren Vereinigungszweck dar. 243 Zu dem regelmäßig angestellten Vergleich der Strafbarkeit von §§ 211, 212, 22, 23 Abs. 1 StGB und § 129a StGB siehe Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93 sowie ders. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 46 und ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff.,295.

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lich näher an die Verwirklichung der Rechtsgutsverletzung herangerückt sei. Das verwirklichte Tatunrecht stehe im Rahmen des Feindstrafrechts also nicht im Verhältnis zum Strafmaß, denn der Feind werde bestraft, lange bevor die eigentliche Tat überhaupt begangen wurde. Insofern werden im Feindstrafrecht vergleichsweise harte Strafen selbst für bloße Vorbereitungshandlungen vorgesehen. Dies erklärt sich daraus, dass sich die Strafe im Feindstrafrecht nach Jakobs zwar nicht proportional zur Tatschuld, jedoch proportional zur Gefährlichkeit des Feindes bemisst. 244 Da die Gesinnung des Feindes im Sinne Jakobs und die damit von ihm ausgehende Gefährlichkeit jedoch in jedem Stadium der Tat gleich bleibt, ist die im Rahmen des Feindstrafrechts verhängte Strafe von der Planung der Tat bis hin zu ihrem Abschluss gleich zu bemessen. Eine Herabsetzung der Strafe nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Tatausführung kommt in der Konsequenz nicht in Betracht. Darüber hinaus kommt es mangels des Erfordernisses einer tatsächlich begangenen Tat im Feindstrafrecht nach Jakobs nicht auf die Intensität der Rechtsgutsverletzung im Sinne einer räumlich-zeitlichen Nähe zum Angriffsobjekt an. Es dürfte also unerheblich sein, inwiefern die Verletzung nahe lag (Versuch, Vorfeld etc.). Abzustellen ist danach einzig auf die grundsätzliche Bereitschaft des Feindes, ein Rechtsgut zu verletzen. Danach wäre der Grad der Gefährlichkeit des Täters der Maßstab für die Strafzumessung. Im Regelfall dürfte die Strafe aufgrund der feindstrafrechtlichen Zielsetzung des optimalen Rechtsgüterschutzes wohl – von einer Verweisung außer Landes oder der hierzulande abgeschafften Todesstrafe abgesehen – im (lebens-)langen Freiheitsentzug liegen. Schließlich stellt der Feind nach Jakobs eine permanente Rechtsgutsgefahr dar, gegen die konsequent vorzugehen ist (= „das zur Vermeidung einer Wiederholung Zweckmäßige ist zu tun“ 245). Und so folgert auch Jakobs, dass es sich der Sache nach bei der Strafe im Feindstrafrecht um eine vorweggenommene Sicherungsverwahrung handeln dürfte. 246 3. Übergang zur präventiven Bekämpfungsgesetzgebung Anders als das Bürgerstrafrecht beinhalte das Feindstrafrecht auch die Abwehr zukünftiger Angriffe. 247 Folglich habe die Sicherung des Feindes als Gefahrenquelle frühzeitig stattzufinden; der Feind müsse schnellst möglichst „ausgeschaltet, kaltgestellt“ 248 werden. Der Feind verletze nämlich bereits dadurch, dass er in 244

Vgl. auch Schlussfolgerung bei Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 81. Vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 104. 246 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93. 247 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 245

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

seinem rechtslosen Zustand verharre, so dass der Bürger durch ihn beständig bedroht wird. 249 Im Rahmen des Feindstrafrechts erfolge demgemäß eine Gesetzgebung, die der Bekämpfung drohender Gefahren, und nicht bloß der Sanktionierung einer bereits verwirklichten Rechtsgutsgefahr diene. Charakteristisch für ein Feindstrafrecht sei daher, dass „Bekämpfungsgesetze“ erlassen werden, die präventiven Rechtsgüterschutz erstreben. Einen solchen, präventiven Sicherungstrend beobachtet Jakobs in der aktuellen Strafgesetzgebung. 250 Beispielsweise werden Bekämpfungsgesetze in Bezug auf die Wirtschaftskriminalität 251, den Terrorismus 252, die Organisierte Kriminalität 253, aber auch im Hinblick auf Sexualstraftaten und andere gefährliche Straftaten 254 erlassen. Per Gesetzgebung solle das Verbrechen 255 an sich bekämpft 256, also die Begehung schwerwiegender Straftaten im Keim erstickt werden. Des Weiteren kann auch die Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff. StGB als präventive Legislativmaßnahme und damit als qualitative Bekämpfungsrechtsetzung herangezogen werden. Zwar hat hier der Täter bereits eine schwerwiegende Rechtsgutsverletzung begangen, die zum Anlass genommen wird, ihn wegen seiner Gefährlichkeit dauerhaft einzusperren. Präventiv ist die Maßnahme der Sicherungsverwahrung jedoch dahingehend, dass weitere (zukünftige) Straftaten durch den als gefährlich eingestuften Delinquenten verhindert werden sollen. Als gefährlich gilt der Täter, weil er wiederholt straffällig wurde beziehungsweise die vorhergehenden und die aktuelle Straftaten eine gewisse Schwere 257 aufweisen. 248 Vgl. ob dieser radikalen Ausdrucksweise Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 249 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93. 250 Zur Sicherheit im Strafrecht (etwa „Sicherheitsstrafrecht“ bzw. „Sicherheitsstaat“) vgl. beispielsweise Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003; Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 35 f.; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff.; Hassemer, W.: JuS 1987, 257 ff.; ders.: ZRP 1992, 378 ff., 380; ders.: StraFo 2005, 312 ff., 314; Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff.; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1997, S. 1 f.; Stratenwerth, G.: ZStW 105 (1993), 679 ff.; Wohlers, W.: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts 2000. 251 „Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. 7. 1976 (BGBl. I, S. 2034); „Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 15. 5. 1986 (BGBl. I, S. 721). 252 Art. 1 des „Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus“ vom 19. 12. 1986 (BGBl. I, S. 2566). 253 „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl. I, S. 1302). 254 „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ vom 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160). 255 „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186). 256 Aufzählung der erlassenen Bekämpfungsgesetze bei Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41 f.

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Insofern handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung um Zwang gegen den Feind im Sinne Jakobs. Würde sich der ehemals gefährliche Straftäter nämlich freiwillig unterwerfen, bedürfte es gar keiner Sicherung mehr – der Täter verhielte sich damit rechtstreu. 258 Gleiche Erwägungen müssen erst recht im Bezug auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB zu Buche schlagen. Dabei wird der Täter nach Ende der Strafhaft in Sicherungsverwahrung genommen, weil sich erst nach seiner Verurteilung Anhaltspunkte für seine erhebliche Gefährlichkeit ergeben (und soweit die übrigen Voraussetzungen des § 66 StGB erfüllt sind). Bezüglich zukünftiger Straftaten ist die Sicherungsverwahrung damit eine feindstrafrechtlich ausgerichtete Verdachtsstrafe, da selbige nur prognostisch, also aufgrund bestimmter Anhaltspunkte, die den Verdacht fortwährender Gefährlichkeit des Verbrechers begründen, ergeht. 259 Zudem stelle das Luftsicherheitsgesetz 260 und insbesondere dessen (zwischenzeitlich für verfassungswidrig erklärter 261) Art. 14 feindstrafrechtliche Bekämpfungsgesetzgebung im Sinne einer präventiven Abwehr drohender Rechtsgutsverletzungen dar 262, da danach entführte (Passagier-)Flugzeuge abgeschossen werden durften, um weitere Terroranschläge wie diejenigen des 11. Septembers frühzeitig zu verhindern. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass sich das Merkmal der Bekämpfungsgesetzgebung aufgrund der prägenden präventiven Ausgestaltung partiell mit anderen von Jakobs umschriebenen Kriterien eines Feindstrafrechts überschneidet, insbe257 Die erforderliche Schwere ergibt sich nach § 66 StGB bei einer Verurteilung zu mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe, wenn der Täter (wiederholt) zu einer Freiheitsstrafe bzw. einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung verurteilt wurde bzw. jene noch verbüßt (§ 66 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 StGB), wenn der Delinquent aufgrund seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) oder wenn bestimmte Delikte, beispielsweise Sexualdelikte, wiederholt begangen wurden (§ 66 Abs. 3 StGB). 258 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 42. 259 Vgl. zur präventiven, täterstrafrechtlichen Orientierung der Sicherungsverwahrung unter Bezugnahme auf feindstrafrechtliche Tendenzen etwa auch Lüderssen, K. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 405 ff., 412 ff. Siehe ferner zur gesellschaftlichen Exklusion des zum Feind erklärten, da gefährlichen Strafgefangenen, durch die Sicherungsverwahrung: Apel, M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 355 ff., 360 ff., vor allem S. 362. 260 LuftSiG vom 11. 1. 2005 (BGBl. I, S. 78) als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben. Das LuftSiG beruht auf der EU-Verordnung 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABIEG Nr. L 355 v. 30. 12. 2002). Vgl. hierzu auch Kapitel 2 C.I.4. und Kapitel 2 C.II.2.b). 261 Siehe BVerfG NJW 2006, 751 ff. 262 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 848.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

sondere der Einschränkung prozessualer Garantien. So werden beispielsweise in strafrechtlichen Normen zur Überwachung verdächtiger Personen und zur Datenübermittlung, die im Rahmen der Bekämpfung Organisierter Kriminalität 263 erlassen wurden, Prozessmaximen wie die Unschuldsvermutung, Schweigerechte des Beschuldigten oder die Voraussetzung eines Anfangsverdachts vernachlässigt. 264 Auf die prozessuale Prägung des Feindstrafrechts soll jedoch im nachfolgenden Unterpunkt gesondert eingegangen werden. 4. Einschränkung prozessualer Garantien Verfahrensgarantien des Bürgerstrafrechts wie zum Beispiel das Recht des Beschuldigten auf rechtliches Gehör, der nemo tenetur-Grundsatz oder die Unschuldsvermutung finden in einem Feindstrafrecht gar keine oder zumindest nur eingeschränkte Berücksichtigung, denn der Feind sei kein Rechtssubjekt; seine Bestrafung sowie die Durchführung des Strafverfahrens habe einzig nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu erfolgen: Erlaubt sei, was nütze, um die Gefahr zu bannen. Verfahrensrechtliche Garantien zugunsten des Feindes würden dagegen die Effizienz des Strafrechts hemmen. Beispielhaft soll die Reduzierung von Prozessgarantien am Prinzip der Unschuldsvermutung dargelegt werden. Der in dubio pro reo-Grundsatz findet seine Rechtsgrundlage in Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie in § 261 StPO und schließlich übergreifend in dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip. 265 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird gegen diesen Grundsatz verstoßen, wenn eine gerichtliche Entscheidung ergeht, welche dem Angeklagten Schuld zuweist, ohne dass er „vorher auf gesetzliche Weise für schuldig befunden wurde und ohne dass er Gelegenheit gehabt hätte, seine Verteidigungsrechte auszuüben“. 266 Dabei genügt es bereits, wenn eine Begründung den Verdacht erregt, dass das Gericht den Angeklagten vorverurteilt, ihn also bereits als schuldig betrachtet. 267 Die Unschuld des Angeklagten ist also bis zum rechtskräftigen Nachweis der Schuld im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren zu vermuten, um eine unvoreingenommene Behandlung des Beschuldigten zu gewährleisten 268 und ihn vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkom263 „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl I, S. 1302). 264 Vgl. hierzu auch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499, 501; Wolter, J.: ZStW 107 (1995), 793 ff., 794 m.w. N. 265 Engländer, A.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 26; zur streitigen Herleitung vgl. etwa Walter, T.: JZ 2006, 340 ff., 344 f. 266 EuGRZ 1983, 475 ff., 479. 267 EuGRZ 1987, 399 ff., 405, 409. 268 Creifelds, C. / Weber, K.: Creifelds 2004, S. 1361; vgl. auch Engländer, A.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 26.

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts

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men, denen aber kein rechtsstaatliches, prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist, zu schützen. 269 Diese Vermutung zugunsten des Beschuldigten muss in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren widerlegt werden, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Die Darlegungslast trifft dabei die Staatsanwaltschaft. Da die Bestrafung des Feindes nach Jakobs Ausführungen aber nicht erfordert, dass bereits eine Tat begangen wurde, sondern vielmehr auch zukünftige, potentielle Taten sanktioniert werden dürfen (so die Idealform des Feindstrafrechts), kann eine solche unvoreingenommen Behandlung des Angeklagten nicht garantiert werden. Der Beschuldigte, der wegen einer zukünftigen, potentiellen Tat vor Gericht gebracht wird, kann sanktioniert werden, ohne dass eine konkrete (Tat-)Schuld erwiesen wäre, da er einzig aufgrund seiner generellen Gefährlichkeit bestraft werden darf. Zwar muss wohl auch im Feindstrafrecht praktikabler Weise eine gewisse Tatsachengrundlage (Basistatsache 270) bestehen, aufgrund derer der Feind verwahrt werden kann. Beispielsweise könnte im Rahmen des Feindstrafrechts eine Person, die sich in Afghanistan aufgehalten hat, verhaftet werden, weil ihr Aufenthalt vielleicht terroristisch motiviert war und diese damit gegebenenfalls gefährlich ist. Eine gewisse Tatsachengrundlage (hier der Aufenthalt) besteht in diesem Fall; sie bildet die Prognosebasis für die Gefährlichkeitsprognose (Prognosewertung). Ist dagegen nicht sicher, ob sich der Betroffene in Afghanistan aufgehalten hat oder ob er nur jemandem ähnlich sieht, der dort war, fehlt es schon an der Basistatsache. In diesem Fall bliebe wohl – will man nicht jeden vorsorglich wegsperren und damit überfüllte Gefängnisse, aber leere Straßen riskieren – eine „Unschuldsvermutung“ beziehungsweise „in dubio pro reo“ zumindest zu einem bestimmten Grad bestehen. 271 Freilich wären diese eher auf eine Art „Ungefährlichkeitsvermutung“ beschränkt. Eben diese Überlegung steht etwa auch hinter den §§ 129 ff. StGB: Strafgrund ist die eigentlich bezweckte und der bloßen Vereinigung an sich nachfolgende Tat. Die Gründung der Vereinigung beziehungsweise Mitgliedschaft in der Vereinigung per se wird als Handlungsunrecht deklariert, um vordergründig eine Tat und damit auch eine gegebene Tatschuld zu konstruieren, obgleich es an der eigentlichen, später bezweckten Tat und damit auch an einer Tatschuld diesbezüglich fehlt. Insofern kann jedoch auch die Unschuldsvermutung nicht vollumfänglich greifen. Zwar gilt sie im Rahmen der §§ 129 ff. StGB hinsichtlich des Nachweises, dass eine entsprechende Vereinigung vorliegt, deren Zweck in der Begehung von (bestimm269

Vgl. BVerfGE 19, 342 ff., 347 f.; 35, 311 ff., 320; 74, 358 ff., 369 ff.; 82, 106 ff.,

118 ff. 270 Vgl. zu den Begrifflichkeiten Basistatsache, Prognosebasis und Prognosewertung etwa Walter, T.: JZ 2006, 340 ff., 343. 271 Insofern wird man sich wohl an der h.M. (vgl. etwa BGHSt 27, 298 ff., 301; OLG Koblenz NJW 78, 2043 f., 2044; Meyer-Goßner, L.: StPO 2007, § 261 Rn. 27) orientieren können, die gegenwärtig den in dubio pro reo-Grundsatz bei Prognosenormen nur bezüglich der Prognosebasis, nicht aber in Hinsicht auf die Prognosewertung anwendet.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

ten) Straftaten liegt. Hinsichtlich der mit der Vereinigung bezweckten Tat selbst findet die Unschuldsvermutung jedoch keine vollumfängliche Berücksichtigung, da ohne das Erfordernis einer Tatschuld auch keine Unschuld vermutet werden kann. Da es danach im Feindstrafrecht im Sinne Jakobs jedoch auch nicht auf die spätere (tatsächliche) Rechtsgutsverletzung ankommt, sondern die Strafbarkeit im Regelfall auf einem weit vorgelagerten Verhalten beruht (siehe §§ 129 ff. StGB), bezieht sich der Anfangsverdacht ebenfalls auf das Vorverhalten und setzt damit im Vergleich zum Bürgerstrafrecht früher ein, so dass in der Folge die strafprozessuale Ermittlungstätigkeit gleichfalls vorgelagert wird. 272 Materielle Vorverlagerung und prozessuale Verschiebung des Anfangsverdachts stehen daher in einem proportionalen Verhältnis. Doch trotz der Reduzierung von Prozessgarantien und Verteidigungsrechten, verbleibt dem Feind nach Jakobs auch im Feindstrafrecht ein Minimum an Rechten – wohl existenzieller Natur – erhalten: Die Behandlung als Feind „muss nicht heißen, nunmehr sei alles erlaubt, auch eine maßlose Aktion; vielmehr mag dem Feind eine potentielle Persönlichkeit zugestanden werden, so dass bei seiner Bekämpfung nicht über das Erforderliche hinausgegangen werden darf“. 273 Es gelte demnach selbst im Feindstrafrecht zumindest ein eingeschränkter Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der entsprechend bei verfahrensrechtlichen Maßnahmen zu berücksichtigen ist. Ansonsten dürfe jeglicher strafprozessualer Zwang angewendet werden, der zur Verhinderung von Straftaten seitens des Feindes nütze. Folgerichtig sind danach auch präventive Ermittlungsmaßnahmen (vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung) zulässig. Das Feindstrafrecht zeichne sich demgemäß dadurch aus, dass der Beschuldigte seinen Status als Prozesssubjekt weitgehend verliere, indem ihm die Verfahrensgarantien eines Bürgerstrafrechts abgesprochen oder seine Prozessrechte zumindest eingeschränkt werden. Prozessuale Maßnahmen beschränken sich danach auf reinen Zwang: „Dieser Zwang richtet sich nicht gegen die Person im Recht – diese verdunkelt nicht und flieht nicht – sondern gegen das Individuum, das mit seinen Ängsten und Trieben dem ordentlichen Rechtsweg gefährlich wird; sich insoweit als Feind geriert.“ 274

Jakobs geht dementsprechend davon aus, dass der Feind sich nicht seiner Folgenverantwortung für die Tat stellen wird, sondern vielmehr alles unternimmt, um sich der Strafe zu entziehen, nämlich entweder flieht oder Beweise beseitigt. Um ein ordnungsgemäßes Strafverfahren zu gewährleisten, könne daher nur mit prozessualen Zwangsmitteln gegen den Feind vorgegangen werden. Derlei 272

Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 274 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. 273

B. Materielle und prozessuale Inhalte des Feindstrafrechts

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Maßnahmen seien beispielsweise die Untersuchungshaft (§ 112 und insbesondere § 112a StPO 275), die Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB) oder sogar auch die Blutentnahme (§ 81a StPO 276). Ebenso zählt Jakobs zu den feindstrafrechtlichen Zwangsmaßnahmen die Überwachung ohne Wissen des Beschuldigten, zum Beispiel die Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO), der Einsatz verdeckter Ermittler (§ 110a StPO) und sonstige geheime Ermittlungen (§ 100c StPO). 277 Überhaupt sei ein Großteil der im 8. Abschnitt des ersten Buchs der StPO geregelten Maßnahmen feindstrafrechtlicher Natur, denn „man schicke einem Bürger keinen V-Mann ins Haus“. 278 Feindstrafrecht gleiche sich aufgrund der präventiven Ausgestaltung dem Polizeirecht an. 279 Als weiteres Beispiel greift Jakobs die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG heraus, welche seines Erachtens eine der „krassesten“ feindstrafprozessualen Regelungen ist, die in Parallele zum materiellen Strafrecht der Abwehr terroristischer Gefahren dient. 280 Danach kann selbst der Kontakt des Gefangenen zu seinem Verteidiger untersagt werden, wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht und bestimmte Tatsachen dafür sprechen, dass die Gefahr von einer terroristischen Vereinigung ausgeht. Ferner nimmt Jakobs auch auf ausländische Regelungen Bezug. Insbesondere bilde die kriegsmäßig anmutende Verfolgung von Terroristen seitens der USA außerhalb ihres Territoriums infolge der Terroranschläge am 11. September durch Verfahren, die mangels Trennung von der Exekutive wenig justizförmig scheinen, ein Paradebeispiel für feindstrafrechtliches Prozessgebaren. Hier werde deutlich, dass ohne Rücksicht auf – auch zivile – Verluste gegen den Feind vorgegangen werde. 281 Auch die Gefangenen von Guantánamo bilden ein Beispiel für die – zunehmend unter die öffentliche Kritik geratende – rechtliche Entpersonalisierung und für die Entgrenzung des Krieges gegen den Feind. 282 275 Hierzu Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41: „Wenn nach der Strafprozessordnung beim dringenden Verdacht bestimmter Taten, etwa gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Eigentum, eine Wiederholungsgefahr per se einen Haftgrund für die Untersuchungshaft abgibt, so deshalb, weil die nun einmal zur Orientierung unverzichtbare kognitive Seite personalen Verhaltens mehr oder weniger offenbar weggefallen ist; es geht demgemäß um die Sicherung einer Gefahrenquelle ...“ 276 Offen bleibt freilich, wie Jakobs sich dann die Verfolgung von Trunkenheitsfahrten im „Bürgerstrafrecht“ vorstellt. 277 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 296. Vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 846. 278 Jakobs zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 886. Vgl. aber auch Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296. 279 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840. 280 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; Verweis auf die Kontaktsperre aber auch bei Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296. 281 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Bei Pawlik gehen die strafprozessualen Einschränkungen gegenüber dem Feind sogar so weit, dass dem gefährlichen Individuum eine Aussagepflicht auferlegt werden kann. 283 Damit könnte im Feindstrafrecht letztlich sogar Folter 284 angewendet werden, um eine Stellungnahme des Feindes zum Tatgeschehen zu bewirken. Aber auch sonstige Erzwingung, Täuschung und (falsche) Versprechungen wären opportun, um dem Feind ein Geständnis zu entlocken. Damit dürfte das Individuum auch unter atypischen Geständnisdruck gesetzt werden, zum Beispiel indem eine emotionale Beziehung aufgebaut wird, aufgrund derer es dem Beschuldigten auf Dauer unmöglich ist, die Beantwortung der vom anderen Partner als bedeutsam deklarierten Fragen zu verweigern. 285

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich Jakobs zwar weitgehend enthält, den Begriff des Feindstrafrechts inhaltlich – über einige Beispiele hinaus – zu füllen, doch es zeichnet sich ab, welche Tendenzen Jakobs als feindstrafrechtlich aus dem bestehenden (!) Recht herausfiltern möchte. Jakobs geht nämlich davon aus, dass das bestehende ordentliche Recht als solches zwar bürgerstrafrechtlich geprägt ist, jedoch behauptet er, dass jenes bereits von feindstrafrechtlichen Normierungen durchzogen beziehungsweise unterlaufen ist: „So wie es unlauter ist, sich die schwierige Legitimation des Feindstrafrechts dadurch zu ersparen, daß dieses – statt auf sich gestellt – mehr oder weniger heimlich im Bürgerstrafrecht untergebracht, genauer: verborgen wird 286 , so ist es gleichfalls unlauter, die Selbstverständlichkeit des Bürgerstrafrechts dadurch zu missbrauchen, daß Feinde zu Bürgern erklärt werden, was freilich [...] in moderner Zeit nicht selten geschieht.“ 287

Jakobs geht sogar von einer „mittlerweile kaum noch übersehbaren Menge an feindstrafrechtlichen Strängen und Partikeln“, welche in das allgemeine Strafrecht eingeführt wurden, aus. 288 Damit verortet Jakobs Feindstrafrecht (zumindest in 282

Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 44. Umkehrschluss zu Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 383: Dem Beschuldigten als Rechtsperson (Bürger) kommt ein Recht auf Kommunikationsverweigerung, also ein Schweigerecht zu. 284 Und entsprechend ist nach Pawlik auch nur die Folter gegenüber einem Bürger tabu, vgl. Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35. Die Zulässigkeit von Folter gegen den Feind wird – wohl mit Absicht – offen gelassen, vgl. hierzu auch die Ausführungen Kapitel 1 D.II.2. 285 Umkehrschluss zu Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 386 f.; Beispiel entlehnt aus BGHSt 42, 139 ff. 286 Anmerkung: Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser dieser Arbeit. 287 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47. 283

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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der Tendenz) im geltenden Recht. Diesen Fall, dass Feindstrafrecht in das Bürgerstrafrecht eindringt und sich mit diesem vermischt, sieht Jakobs allerdings als besonders bedrohlich an. 289 Durch die Überlagerung von Feind- und Bürgerstrafrecht könnten die beiden Strafrechtspole nicht voneinander abgegrenzt werden; in der Folge komme es unweigerlich zu einer Vermengung von „Krieg“ und „Strafrecht“. 290 „Krieg“ dürfe aber nicht gegen Bürger, die sich den staatlichen Regelungen unterwerfen, sondern eben nur gegen Feinde geführt werden. Gegen prinzipielle Rechtsabweichler (z. B. Terroristen) könne nun einmal nicht rechtsstaatlich vorgegangen werden, so dass diese auch nicht unter den Begriff des bürgerlichen Verbrechers zu subsumieren seien. Es sei auch inkonsequent, einen Feind einmal als Rechtsgutsstörung und einmal als Rechtsperson zu begreifen. Es könne nicht angehen, dass man sich des Feindes zunächst mit kriegerischen Mitteln bemächtige, ihn dann aber im Rahmen des Strafprozesses wieder wie einen normalen Bürger behandele, indem zum ordentlichen Prozedere nach Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung übergegangen werde. 291 Daher bedürfe es einer strikten Trennung zwischen dem Bürgerstrafrecht und dem Feindstrafrecht: „Es ist die kaum erst begonnene Aufgabe der Wissenschaft, die Regeln des Feindstrafrechts zu identifizieren und aus dem Bürgerstrafrecht auszusondern, um bei diesem um so nachdrücklicher auf der Behandlung des Verbrechers als Rechtsperson beharren zu können.“ 292

Nach Jakobs müssen also sämtliche feindstrafrechtliche Regelungen von dem Bürgerstrafrecht abgespalten werden: Erforderlich sei eine Sondierung aus dem Bürgerstrafrecht in ein eigenständiges Regelwerk. 293 Dabei ergänze das Feindstrafrecht als selbständige Bestrafungsgrundlage das Bürgerstrafrecht und fülle die Strafbarkeitslücken, die durch rechtslose Personen, nämlich Feinde, entstehen, und sichere damit den weiteren Bestand der Strafrechtspflege. 294

288

Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93. Vgl. etwa auch Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität. Feindstrafrechtliche Tendenzen 2004, S. 16; Uwer, T. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 37 ff., 44 f. 290 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 93. 291 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 47; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 95. 292 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53 f. 293 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53 f. Vgl. aber schon, wenn auch zurückhaltender formuliert, Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 784; ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 850. 294 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53 f. 289

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

I. Die Verwendungsebenen des Feindstrafrechtsbegriffes bei Jakobs Zunächst verwendet Jakobs den Begriff des Feindstrafrechts beschreibend. Insbesondere im Hinblick auf seine Ausführungen zur Vorfeldkriminalisierung 295 erschöpfte sich die Bedeutung des Feindstrafrechts in einem plakativen Schlagwort für gegenwärtige Tendenzen in der deutschen Strafrechtspflege. Die Wortschöpfung diente insoweit überwiegend der Deutung strafrechtlicher Begebenheiten und Intentionen, auch wenn Jakobs bereits zu diesem Zeitpunkt Vorbereitungen traf, um seine Kreation weiterentwickeln zu können: „Freilich sind Situationen möglich, vielleicht sogar zur Zeit gegeben, in denen Normen, die für einen freiheitlichen Staat unverzichtbar sind, ihre Geltungskraft verlieren, wenn man mit der Repression wartet, bis der Täter aus seiner Privatheit heraustritt. Aber auch dann ist Feindstrafrecht nur als ein ausnahmsweise geltendes Notstandsstrafrecht legitimierbar. Die zugehörigen Strafvorschriften müssen deshalb vom bürgerlichen Strafrecht streng unterschieden werden, am besten auch äußerlich.“ 296

Jakobs beschreibt Feindstrafrecht somit als möglicherweise zulässige Legislativmaßnahme zur Rettung eines Staates, dem es an rechtlicher oder politischer Stabilität mangelt: Ist der Bestand der Ordnung akut gefährdet (z. B. im Kriegszustand), wird der Staat harte Strafen verhängen, um zumindest kurzfristige Effektivität zu erreichen; ein Staat ohne akute Existenzprobleme wird dagegen seine Sanktionierung auf langfristige Stabilität ausrichten. 297 Feindstrafrecht ist daher eine Art Härtefallmaßnahme, nämlich Notstandsstrafrecht, um die akute Geltungsschwäche des Staates auszugleichen. Diese kritische Grundhaltung hat Jakobs auch vierzehn Jahre später auf der bereits benannten Berliner Tagung 1999 beibehalten und weiter ausgebaut. In seinem Vortrag über „Das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft vor den Herausforderungen der Gegenwart“ stellte er wiederum fest, dass „noch nicht ausgemacht sei, dass sich das Feindstrafrecht als Recht erweise.“ 298 Doch während Jakobs 1985 noch anzweifelte, ob bereits eine Situation eingetreten ist, die ein Feindstrafrecht zwecks Geltungserhalts der Normen erforderlich mache 299, sei dies nunmehr (1999) zu bejahen. Nach seiner Auffassung haben sich die Vorzeichen des deutschen Rechtsstaates aufgrund des sozialen und kulturellen Wandels in den 295

Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 – 785. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 783 f. 297 Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/1. Vgl. aber auch Jakobs Ausführungen in: ZStW 107 (1995), 843 ff., 846 f. über die wechselseitige Abhängigkeit von Gesellschaft und Strafrecht. 298 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 299 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 784. 296

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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letzten Jahren derart verändert 300, dass die Gewährleistung der Normgeltung nicht anders möglich sei, als ein Feindstrafrecht im Sinne eines deutschen Sonderstrafrechts einzurichten 301: Der entwicklungs- und kulturell bedingten immanenten Gefahren könne sich unser Kulturkreis nicht mit den Mitteln des Polizeirechts allein erwehren, sondern es bedürfe der Institutionalisierung eines Feindstrafrechts zur Gefahrenabwehr. 302 Die Gesetzgebung habe bereits auf die Änderungen im gesellschaftlichen Umfeld reagiert und etliche feindstrafrechtliche Normierungen im Gesetz aufgenommen. Das Feindstrafrecht sei zum Zukunftsmodell avanciert, zu dem keine heute ersichtliche Alternative besteht, wolle die Strafrechtswissenschaft in der modernen Gesellschaft nicht mangels Effektivität marginalisiert werden. 303 Diese Aussage von Jakobs lässt aber durchaus Zweifel an dem bloß beschreibenden Charakter des Feindstrafrechts aufkommen. Insofern stellt sich die Frage, ob seine Darstellungen zum Feindstrafrecht eine Wandlung durchlebt haben, indem der Schwerpunkt vom Deuten des Strafrechts de lege lata auf die Umwandlung in ein Strafrecht de lege ferenda verlegt wurde. Die Schlussfolgerung, Jakobs wolle als Begründer des Konzepts das Strafrecht in die Richtung der eigenen Idee lenken, erscheint zumindest nicht abwegig. In den rechtswissenschaftlichen Abhandlungen über das Modell des Feindstrafrechts bei Jakobs werden daher insbesondere zwei Ebenen der Begriffsverwendung diskutiert, nämlich ob Jakobs den Begriff des Feindstrafrechts deskriptiv (beziehungsweise „analytisch“) oder affirmativ (beziehungsweise „normativ“ oder „präskriptiv“) gebraucht. 304

300

Zum Einfluss kultureller, politischer, wirtschaftlicher sowie sozialer Prozesse auf das angloamerikanische Strafrecht, vgl. auch Garland, D.: Culture of Control 2001, Preface S. viii ff. Anhand der Beispiele USA und Großbritannien beschreibt und beleuchtet Garland die partielle Rückkehr zum „antimodernen“, punitiv geprägten Sanktionsapparat in Form eines effizienten Bestrafungs- und Kontrollstaates, für den die Leitlinien der vormaligen restriktiv gehandhabten Sanktionierung zum Zwecke der Rehabilitation und Erziehung von Straftätern nicht weiter verbindlich sind. 301 Inwiefern ein solches Konzept von einem Feindstrafrecht noch die Vermutung nahe legt, es handele sich um vorübergehendes Notstandsstrafrecht zur Erreichung kurzfristiger Effektivität, eine bewusste Ausnahme, die nicht zum dauernden Gebrauch taugt (so Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. – 25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005), mag hier dahinstehen. 302 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52, 53. 303 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53 f. 304 Vgl. bereits Fragestellung bei Puppe auf der Tagung „Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ 1999, wiedergegeben bei Nutzinger, T. / Sauer, D.: JZ 2000, 407 ff., 407; ferner etwa auch Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 2, 13 f., 18 ff.; Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 279; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 413;

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

1.

Deskriptive und affirmative Ebene bei Jakobs

Jakobs möchte sich jedenfalls offensichtlich nicht über die deskriptive Ebene hinaus festschreiben lassen. Dass er die Institutionalisierung eines Feindstrafrechts fordert, bestreitet Jakobs nämlich bis heute. So hat Jakobs nach den Darstellungen Sauers 305 auf die harsche Kritik, die seinem Konzept auf dem Aachener Strafverteidigertag 2005 entgegengehalten wurde, vielmehr darauf verwiesen, dass er eben die strafrechtliche Entwicklung (und zwar nicht nur des deutschen Strafrechts) aufzeige. Er habe diese Entwicklung weder zu verantworten noch sei er Befürworter der gegenwärtigen Situation. Auch auf der Trierer Tagung „ Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat?“ im Jahr 2005 verweist Jakobs darauf, dass er keine rechtspolitischen Postulate aufstelle, sondern lediglich Tendenzen und Eigenschaften des Strafrechts de lege lata aufzeige. Er wolle nicht propagieren, sondern beschreibe nur, wie die Gesellschaft mit dem Feind umgeht. Das Feindstrafrecht sei ihm egal. Er stelle nur fest, dass es jenes gebe. 306 Auf den ersten Blick scheint die Aussage Jakobs, er deute das gegenwärtige Strafrecht bloß deskriptiv-kritisch, jedenfalls nicht abwegig. Schließlich verweist Jakobs vermehrt darauf, dass Feindstrafrecht ein Zeichen dafür sei, dass der freiheitliche Staat nicht (mehr) bestehe 307 und dass zumindest zweifelhaft sei, ob jenes überhaupt Recht ist. 308 Entsprechend erklärt Jakobs: „Durch die Isolierung des Feindstrafrechts und das Aufzeigen von Feldern zukünftigen Feindstrafrechts, zeigt man, wo die Gefahren für das Bürgerstrafrecht liegen.“ 309 Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Kaleck, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 281 ff., 283 f.; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 300 f.; Sack, F.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 15 ff.; Sander, L. K. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 253 ff., 256 ff.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 347; Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff., 321. Ebenso Saliger im Rahmen seines Vortrags vom 25. 3. 2006 auf der Strafrechtsverteidigertagung „Wieviel Sicherheit braucht die Freiheit“ in Frankfurt am Main vom 24. –26. 3. 2006 (Vortrag mit Fundstelle nunmehr abgedruckt unter Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 757, 759 f.). Vgl. ferner Greco, L.: GA 2006, 96 ff., 102 ff. (deskriptive, denunziatorisch-kritische, legitimatorisch-affirmative Verwendung); mit Bezugnahme auf Greco auch Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 127 ff. Dagegen Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 72, die dem Jakobsschen Feindstrafrecht weder einen deskriptiven noch einen wertenden Gehalt zuschreibt, sondern von einer rein „dogmatischen“ Theorie ausgeht. Ähnlich Polaino Navarrete, M.: Jakobs-FS 2007, S. 529 ff., 538 ff.; 550. 305 Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1703 f. 306 Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005. 307 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 783. 308 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51.

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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Allerdings relativiert Jakobs die getroffenen Aussagen dahingehend, dass die Bezeichnung „Feindstrafrecht“ nicht prinzipiell pejorativ gemeint sei, da es als „Feindstrafrecht immerhin mindestens für ein regelgeleitetes und deshalb nicht spontan-affektives Verhalten“ steht. 310 Gleichfalls sei eine Verteufelung des Feindstrafrechts keine Lösung für das Problem, „wie man mit den Individuen umgehen soll, die sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lassen.“ 311 Diese Relativierung, dass feindstrafrechtliche Regelungen durchaus auch positiv gesehen werden können, da sie zumindest reine Willkür ausschließen und einen Lösungsentwurf für aktuelle Problemlagen darstellen könnten, lässt jedoch noch nicht auf eine zwangsläufig affirmative Beziehung Jakobs zum Feindstrafrecht schließen. Vielmehr erscheint dies noch als Abwägung von Pro- und Contra-Kriterien und damit als bloße Deutung, der sich Jakobs nach eigenen Worten verpflichtet hat. Andererseits schließt die grundsätzliche Kritik am Feindstrafrecht seitens Jakobs nicht aus, dass er selbst seinem Konzept affirmativ gegenüber steht. Schließlich hat auch derjenige Vorsatz, der den Erfolg billigend in Kauf nimmt, auch wenn jener ihm höchst unerwünscht ist. 312 Auf Jakobs übertragen, meint dies: Jakobs mag die Entwicklung, die das Strafrecht nimmt, an sich vielleicht nicht befürworten, dies schließt aber nicht aus, dass er unter diesen ohnehin gegebenen Umständen für ein Feindstrafrecht plädiert. Entsprechend drängt sich auch die Frage auf, warum Jakobs nicht eine Summe von 100% auf deskriptiver Ebene veranschlagt, wenn er öffentlich verkündet: Seine Ausführungen seien „zu 98% deskriptiv“ zu verstehen. 313 Doch zum Verbleib der übrigen 2% gibt Jakobs keine Auskunft, ob diese Summe nicht doch auf die Forderung bezüglich eines Feindstrafrechts aufgeschlagen werden muss. Einige seiner Ausführungen legen jedenfalls die Vermutung nahe, dass Jakobs doch eine affirmativ geprägte Beziehung zum Feindstrafrecht unterhält und eine Neuorientierung des Strafrechts befürwortet. Zum einen spricht die Ausdrucksweise Jakobs für die Forderung nach der Institutionalisierung eines separaten Feindstrafrechts: Zu einem Feindstrafrecht bestehe „keine heute ersichtliche Alternative“. 314 Das heißt aber, Jakobs sieht keinen anderen Weg, als dass das Strafrecht seiner Konzeption folgt – immerhin sind die von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Tendenzen ohnehin schon 309

Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005. 310 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 88. 311 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93. 312 BGHSt 7, 363 ff., 363, 369. 313 Jakobs auf dem 29. Strafverteidigertag in Aachen, zitiert nach Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1703 f. Ähnlich (95%) Jakobs auf der Strafrechtslehrertagung in Frankfurt / Oder im Mai 2005, vgl. Tagungsbericht bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 886. 314 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

im gegenwärtigen Recht angelegt. Jakobs baut also auf den Tendenzen auf, die er dargetan hat, um sein Konzept einzuführen – und zwar als einzig begehbaren Weg, den die Strafrechtspflege beschreiten könne. Wer jedoch mit seinem Vorschlag die Wahlmöglichkeit nimmt, weil er zugleich die ausschließliche Richtigkeit für sich beansprucht, der beschreibt üblicher Weise nicht nur einen Zustand, sondern fordert, gerade indem er die nach eigenem Empfinden alleinige Lösung aufzeigt, dass eben jener Lösung auch gefolgt wird. Bereits der oben zitierte Ausspruch könnte daher als Beleg gesehen werden, dass Jakobs im Feindstrafrecht prinzipiell ein tragfähiges und effizientes Zukunftsmodell erblickt, unabhängig davon, ob jenes nun Recht sei. Darüber hinaus scheint bereits der Vorschlag selbst von einem affirmativen Verhältnis des Verwenders zur Begrifflichkeit zu zeugen, denn andernfalls benennt man eine solche Alternative wohl gar nicht erst und macht sie insbesondere nicht im Rahmen einer öffentlichen Fachtagung publik. Würde sich Jakobs einer feindstrafrechtlichen Sonderregelung tatsächlich strikt verschließen, hätte er dann nicht folgerichtig darauf hinwirken müssen, dass die als Feindstrafrecht identifizierten Normen „rückgängig“ zu machen sind 315, also aus dem Gesetz gestrichen werden müssen 316 und zwar, ohne sie in einem gesonderten Regelkatalog für Feinde aufzunehmen?! Des Weiteren versteckt Jakobs seine Forderung oftmals hinter Generalisierungen und der Eigenart, seine Beobachtungen als richtig zu unterstellen, um zugleich jeden anderen Lösungsweg zu versperren. Indem Jakobs nämlich seine Ausführungen als Faktum darstellt, wird auch die von ihm vorgeschlagene Handlungsmöglichkeit zur tatsächlichen Gegebenheit. So Jakobs etwa bei folgender Formulierung: „Es ist die kaum erst begonnene Aufgabe der Wissenschaft, die Regeln des Feindstrafrechts zu identifizieren und aus dem Bürgerstrafrecht auszusondern, um bei diesem um so nachdrücklicher auf der Behandlung des Verbrechers als Rechtsperson beharren zu können. Damit ist die hauptsächliche Herausforderung an das Selbstverständnis der Strafrechtswissenschaft bezeichnet: Sie hat das, was unter dem Namen des Strafrechts läuft, zu scheiden, also die Ergänzung des Strafrechts durch ein Feindbekämpfungsrecht zur Sprache zu bringen. Wenn sie die Notwendigkeit des letzteren nicht anerkennen will, wird 315

Vgl. auch Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 42, 50 ff., der Jakobs vorwirft, dass dieser, wenn er schon auf eine Unterscheidung zwischen Bürgerund Feindstrafrecht hinwirke, sich gerade als Jurist nicht in die Rolle eines stillen Beobachters zurückziehen dürfe, sondern gerade auch die Vereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen bewerten müsse. 316 So lautete immerhin Jakobs Vorschlag in Bezug auf einige subjektiv angereicherte Gefährdungsdelikte, die Vorbereitungen sanktionieren wie etwa § 267 StGB (in der Alternative der bloßen Herstellung einer unechten Urkunde als Vorbereitungshandlung) oder auch bezüglich der „Klimaschutzdelikte“ §§ 130, 131, 140 StGB: „Diese Delikte widersprechen der gesellschaftlichen Einstellung der Kommunikation auf freie Bürger; sie [...] sind schlicht zu streichen.“ (Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 858).

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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sie von der wirtschaftlich dominierenden Gesellschaft mangels Effektivität marginalisiert werden. Wenn sie alles, was unter dem Namen ‚Strafrecht‘ läuft, gleich behandelt, kapituliert sie mit ihrem Distinktionsvermögen vor der Politik, gibt sich also selbst preis.“ 317

Jakobs benutzt nicht den Konjunktiv, um eine Möglichkeit aufzuzeigen, sondern er benennt die Aufgabe der zukünftigen Strafrechtswissenschaft, nämlich die Sondierung feindstrafrechtlicher Regelungen aus dem geltenden Recht, als Tatsache („Es ist ...; Damit ist ...“). Auf diese Weise setzt er aber freilich zugleich seine Konzeption vom selbständigen Feindstrafrecht durch. Ähnlich verhält es sich mit nachfolgender Ausführung: „Wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatlichen Eigenschaften [...] nicht nehmen will, sollte das, was man gegen Terroristen tun muß, wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg.“ 318 Hier fingiert Jakobs ebenfalls, dass der Staat in einer bestimmten Art und Weise gegen Terroristen vorgehen müsse, um seinem Modell Nachdruck zu verleihen. Weiterhin ist auch auffällig, dass Jakobs in einer neueren Publikation „Staatliche Strafe“ 319 das Feindstrafrecht als Bekämpfungsmittel mit anderen gesetzlich legitimierten Sicherungsmaßnahmen gleichstellt und damit suggeriert, auch beim Feindstrafrecht handele es sich um eine legitime oder zumindest legitimierbare Angelegenheit: „Wer sich nicht unter eine bürgerliche Verfassung zwingen lässt, darf zur Trennung gezwungen werden, wobei es an dieser Stelle, bei der Frage nach der Legitimation von Sicherungsmaßnahmen, gleich stehen dürfte, ob nun der Feind aus dem Land hinausgeworfen oder mangels einer Möglichkeit der Landesverweisung in die Sicherungsverwahrung hineingeworfen oder mit einer Sicherungs-‚Strafe‘ belegt wird oder anderes mehr. Jedenfalls muß das Recht nicht wegen des hartnäckig Abweichenden darauf verzichten, wirklich zu werden; mit anderen Worten, wer die Garantie nicht leistet, er werde sich als Person im Recht verhalten, muß auch nicht als Person im Recht behandelt werden.“ 320

Darüber hinaus lässt auch die emotionale Ausdrucksweise Jakobs, wenn er über das Feindstrafrecht spricht, weniger auf eine Selbstbeschränkung zur Beschreibung hin, sondern vielmehr auf eine Forderung schließen. Die Verwendung provokativer Bezeichnungen und Redefiguren sowie die drastische Darstellung seines Konzepts („Feind“, „Unperson“ 321, „kaltstellen“ 322 beziehungsweise „eliminieren“, „Krieg“ 323) zeugt nicht von affektiver Neutralität.

317 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53 f. 318 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 92. 319 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004. 320 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 44. 321 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Deshalb liegt es nahe, anzunehmen, dass Jakobs die deskriptive Ebene verlässt und sich zumindest partiell auf einer affirmativen Ebene bewegt. Auch Jakobs neuere Ausführungen zum Kampf gegen den Terror deuten in diese Richtung, denn danach kann der praktisch optimale Rechtsstaat (!) seinen „Feinden“ als Gefahrenquellen begegnen. Daher ist es ihm möglich, seine Gestalt trotz der Angriffe seiner Feinde zu wahren. 324 Der Begriff des Optimalen wird jedoch subjektiv nur verwendet, wenn dahinter das Bedürfnis steht, etwas solle auch wirklich so sein, wie es der Verwender selbst beschreibt. Nach der herkömmlichen Differenzierung zwischen deskriptiver und affirmativer Ebene der Verwendung des Feindstrafrechtsbegriffs spricht aufgrund der angestellten Überlegungen also einiges dafür, dass Jakobs seit 1999 besonders der letztgenannten Ebene zugetan ist. 325 2.

Verbleibende Zweifel

Im Rahmen der der 30. Strafverteidigertagung vom 24. –26. 3. 2006 in Frankfurt am Main hatte Jakobs am 25. 3. 2006 einen Vortrag gehalten 326, in dem er 322

Jakobs, G.: in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840. 323 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53; den Begriff „Krieg“ gleichfalls verwendend Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 92, 95 und ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 44. 324 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 851. 325 So im Ergebnis zum Beispiel Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005) 852 ff., 856; Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 2, 13, 18 ff.; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 413, 418 f.; Fahl, C.: StraFo 2006, 178 ff., 178; Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 71; Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 112 f.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 83, 93; Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008, S. 146 ff.; Malek, K.: HRRS 8 –9/2006, 316 f., 316; Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 217 f., 225; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 126 f.; Sacher, M.: Sonderwissen 2006, S. 97; dies.: ZStW 118 (2006), 574 ff., 608 f.; Sander, L. K. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 253 ff., 258 ff.; Schulz, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff., 621; Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 220; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a. Zur Deutung als zumindest auch normativ bzw. als „Einheit von Beschreibung und Wertung“ vgl. Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 757. Letztlich – trotz Andeutung – offen gelassen bei Greco, L.: GA 2006, 96 ff., 102 ff. 326 Der Vortrag „Feindstrafrecht? – Eine Untersuchung zu den Bedingungen von Rechtlichkeit“ von Günther Jakobs anlässlich des 30. Strafverteidigertages 2006, der sich im Übrigen weitgehend mit seinem Vortrag auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht? – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 24. 11. 2005 deckt, ist abgedruckt in HRRS 8 –9/2006, S. 289 ff.

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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dem Feindstrafrecht einleitend wie auch abschließend jeglichen rechtspolitischen Charakter absprach. 327 In der anschließenden Diskussionsrunde stritt Jakobs (erneut) eine affirmative Verwendung des Feindstrafrechtsbegriffes vehement ab. Er verwende den Terminus deskriptiv, nicht präskriptiv. 328 Ihm sei die Auflösung des Feindstrafrechts sogar genehm, es wäre jedoch kein Ansatz einer Auflösung feindstrafrechtlicher Tendenzen erkennbar. Auf die eine Frage, ob er der Ansicht sei, wir bräuchten zwei Strafgesetzbücher (ein bürger- und ein feindstrafrechtliches), antwortete Jakobs, er wolle natürlich keine zwei Strafrechtsgesetzbücher. Er wolle aber das Bewusstsein stärken, dass sich in unseren Gesetzen bereits Feindstrafrecht befindet und dass Normen wie §§ 129a, 130 StGB Fremdkörper in unserem Strafrecht seien. Insofern stellt sich nach der oben beschriebenen, herkömmlichen Deutung nach deskriptiver und affirmativer Ebene die Frage, ob Jakobs sich mit der Absicht trägt, seine vorher getroffenen (insbesondere schriftlichen) Aussagen zurückzuziehen oder abzumildern. Einen affirmativen Charakter kann man den deutlichen Worten Jakobs, der das Feindstrafrecht im Laufe der Diskussion auch als ein „hässliches Gesicht“ in unserem Rechtsstaat bezeichnete, jedenfalls kaum entnehmen. 329 Auch die sonstigen Ausführungen Jakobs auf besagter Tagung betonten sein nach wie vor kritisches Verhältnis zum Feindstrafrecht. 330 Beispielsweise gab Jakobs an, in einem annähernd ideal-feindstrafrechtlich ausgeprägten Staatswesen wolle er nicht leben. Ferner distanzierte Jakobs sich von krass feindstrafrechtlichen Maßnahmen wie etwa der Folterung: „Es gibt Dinge, die tut man sich selbst nicht an.“ Das vehemente Bestreiten einer affirmativen Bedeutung des Feindstrafrechts seitens Jakobs widerspricht natürlich massiv seinen schriftlichen Ausführungen, bei denen er mehrfach über eine bloße Beschreibung hinausgeht. Zwar würde auch eine Prognose ein Mehr zur bloßen Beschreibung darstellen, so dass zu überlegen wäre, ob Jakobs das Feindstrafrecht womöglich nur prognostiziert, nicht aber fordert. Eine prognostische Verwendung entspräche jedenfalls einem Minus zum affirmativen Wortgebrauch, da sie nicht zwingend eine positive Wertung beinhaltet. Gleichwohl ist eine Prognose auf die Zukunft ausgerichtet, nur dass eben eine Entwicklung (neutral) vorausgesagt und eben nicht (affirmativ) angeregt wird. Jakobs würde danach feindstrafrechtliche Tendenzen in Aussicht stellen, ohne diese jedoch zu befürworten.

327

Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, S. 289 ff., 290, 297. Eingearbeitet in: Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, S. 289 ff., 290. 329 Vgl. vorherige Fn. 328. 330 Auch Aponte sieht die „mit jedem neuen Beitrag immer deutlicher hervortretende Skepsis gegenüber bestimmten feindstrafrechtlichen Phänomenen“, auch wenn die sprachliche Zweideutigkeit Jakobs durchaus zu kritisieren sei (Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 132, 141). 328

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Allerdings kann letztlich keine Klarheit gewonnen werden, wie Jakobs den Begriff des Feindstrafrechts tatsächlich verwendet. Mit seinen schriftlichen und verbalen Äußerungen hat Jakobs sich jedenfalls hinsichtlich dieser Frage zu oft selbst in Widerspruch gesetzt, als dass daraus noch eine verlässliche Antwort entnommen werden könnte. 3. Feindstrafrecht als systemimmanente Kritik an der vorherrschenden Rechtsgutslehre Darüber hinaus hat das Konzept des Feindstrafrechts für Jakobs einen willkommenen Nebeneffekt, denn seine Ausführungen sind nicht nur geeignet, Tendenzen der gegenwärtigen Strafgesetzgebung und Kriminalpolitik aufzuzeigen, um Feindstrafrecht, wie Jakobs sagt, zu identifizieren und kritisch zu würdigen. Vielmehr erscheint die Unterscheidung von Bürger- und Feindstrafrecht als latente Diffamierung der herrschenden Auffassung 331, Strafe und damit (Bürger-)Strafrecht habe vornehmlich den Rechtsgüterschutz zur Aufgabe und sei somit personfunktional 332 ausgerichtet. Denn im Gegensatz dazu ist das Bürgerstrafrecht bei Jakobs grundsätzlich in einem gesamtgesellschaftlichen Bezugrahmen zu sehen. Die Strafe dient danach stets der Erhaltung des gesellschaftlichen Systems, nämlich der Einübung von Normanerkennung, so dass das Strafrecht bei Jakobs systemfunktional ist. 333 Hält man sich nunmehr vor Augen, welche Aufteilung Jakobs im Rahmen von Bürger- und Feindstrafrecht vollzieht, zeigt sich bekanntermaßen, dass Bürgerstrafrecht – wiederum auf die Gesellschaft bezogen – bürgerliche Freiheitssphären reguliert. Dagegen wird die nach überwiegender Ansicht dem herkömmlichen Strafrecht obliegende Funktion des Rechtsgüterschutzes nach Jakobs dem Feindstrafrecht zugeschrieben. 334 Das „Feind“-Strafrecht ist jedoch grundsätzlich negativ besetzt, wie sich bereits aus der Ablehnung hervorrufenden Wortwahl ergibt. Gerade diese fehlende Neutralität wird dem Feindstrafrecht als deskriptivem Begriff schließlich vorgeworfen. 335 Auch wenn man Jakobs keine gezielte, sondern allenfalls eine strafrechtssystematisch immanente Kritik an der Rechtsgutsleh331

Vgl. bereits Fn. 138. Das Strafrecht orientiert sich danach an der Person und dem Ausmaß ihrer Verantwortlichkeit für die begangene Tat, siehe Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, z. B. S. 14; vgl. auch ders. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 339. Vgl. auch Fn. 150. 333 Siehe bereits Fn. 150. Ausführlich Differenzierungen zum Funktionalismusbegriff: Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004. 334 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756. Kritisch Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 224 f. 335 Vgl. Greco, L.: GA 2006, 96 ff., 107 ff.; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 128; vgl. auch Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 301; 332

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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re unterstellen kann, so führt die Überspitzung des Rechtsgüterschutzes durch das wörtlich und inhaltlich negativ besetze Feindstrafrecht im Ergebnis freilich dazu, dass die Verfechter einer eigentlich am Rechtsgüterschutz ausgerichteten Strafrechtslehre ihre eigene Strafrechtsinterpretation unbemerkt in Zweifel ziehen. Denn gerade im grundsätzlich befürworteten Rechtsgüterschutz liegt doch das Ziel des Feindstrafrechts. Jakobs pervertiert damit quasi den Rechtsgüterschutz durch das Feindstrafrecht 336 und rückt zugleich die eigene Ausgangsposition des systemfunktionalen Strafrechtsansatzes in ein besseres Licht. Entsprechend ist bei Jakobs bereits 1985 zu lesen: Das Prinzip des Rechtsgüterschutzes „verführt zur Gläubigkeit an die Legitimation all dessen, was mit dem Rechtsgutsbegriff in einen positiven Zusammenhang gebracht werden kann.“ Gerade bei strikter Weiterentwicklung des rechtsgutsbezogenen Ansatzes könne doch etwa auf Täterinterna zur Begründung von Strafbarkeit abgestellt werden, denn ein möglichst frühzeitiges Eingreifen diene unzweifelhaft dem Rechtsgüterschutz. 337 Die kaum zu verhehlende Zweideutigkeit in Jakobs Ausführungen mag daher auch darauf abzielen, Kritik seitens der Anhänger des personfunktionalen Ansatzes heraufzubeschwören, obwohl er doch „nur“ ihre eigene Lehre zuspitzt. 4.

Fazit

Unbestritten beschreibt Jakobs die feindstrafrechtliche Ausprägung des Strafrechts de lege lata, indem er Normen benennt, die nach der eigenen Begriffsbestimmung Feindstrafrecht darstellen. Der Terminus Feindstrafrecht wird dabei zunächst benutzt, um aktuelle Tendenzen in der Gesetzgebung aufzuzeigen 338, wobei Jakobs jene durchaus kritisch bewertet. Die Benennung von Vorfeldkriminalisierung, unproportionaler Strafzumessungsreduktion, Bekämpfungsgesetzgebung sowie Einschränkung prozessualer Rechte und Garantien als Merkmale des Feindstrafrechts findet danach auf einer deskriptiven Ebene statt.

Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 226 f. 336 Vgl. insofern auch Haffke, B.: Arthur Kaufmann-FS 1993, S. 449 ff., 455: „Ironischer Weise liefere gerade das als strafrechtseinschränkende Prinzip des Rechtsgüterschutzes die beste Legitimation für die Vorverlagerung der Kriminalisierung: Wird der Täter nämlich dadurch definiert, daß er dem Rechtsgut potentiell gefährlich werden kann, wird er als Rechtsgutsfeind definiert, so gibt es auf der Grundlage der Logik dieser Argumentation keine Selbstbegrenzung strafrechtlicher Sozialkontrolle; strafrechtseinschränkende Argumente müssen extern beschafft werden ...“ 337 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f. 338 Ebenso stellt Dencker unter Berufung auf die Wortprägungen Jakobs eine tendenzielle Entwicklung von einem „Bürgerstrafrecht“ hin zu einem „Feind“- oder „Gefährlichkeitsstrafrecht“ in der Strafrechtspflege fest (Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264).

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Zudem mögen etliche Aspekte nahe legen, dass Jakobs in einem zweiten Schritt die nach seinen Ausführungen ohnehin bereits bestehenden feindstrafrechtlichen Tendenzen befürwortet und die eigenständige Ausarbeitung dieser Regelungen de lege ferenda fordert. Allerdings lassen die widersprüchlichen Äußerungen von Jakobs lediglich Mutmaßungen zu; die tatsächliche Verwendungsabsicht wird wohl auch weiterhin im Unklaren bleiben. Ferner sind Jakobs Ausführungen zum Feindstrafrecht als Kritik an der vorherrschenden Rechtsgutslehre zu verstehen. Durch die Pervertierung der Rechtsgutslehre im Rahmen des Feindstrafrechts wird schließlich die eigene Position Jakobs gestärkt, das (Bürger-)Strafrecht diene der gesamtgesellschaftlichen Erhaltung, mithin der Einübung in Normanerkennung.

II. Ebenen des Feindstrafrechts bei Lesch und Pawlik Im Folgenden soll untersucht werden, welchen Standpunkt Jakobs Schüler – wobei hier nur auf Heiko Hartmut Lesch und Michael Pawlik eingegangen werden soll – im Hinblick auf Bürger- und Feindstrafrecht vertreten. 1.

Das Feindstrafrecht bei Lesch

Bei Lesch ist von einem Feindstrafrecht nie explizit die Rede. Dennoch ist die Anlehnung an Jakobs gesellschaftstheoretische Herleitung schwer zu übersehen, vergleicht man den bei Lesch verfolgten Strafzweck 339 und die Wahl seiner Begrifflichkeiten (Person, Subjekt, Individuum, tiergleich-kreatürliche Existenz, Bürger 340) mit derer Jakobs. Lesch stimmt auch insoweit mit Jakobs überein, dass das geltende Recht Normen beinhaltet, die vornehmlich der Gefahrenabwehr dienen und damit einen feindstrafrechtlichen Charakter (im Sinne Jakobs) aufweisen. So sei etwa der rein präventiv geprägte § 112a StPO bedenklich. 341 Allerdings ist bei Lesch auffällig, dass er einige Normen, die Jakobs als feindstrafrechtliche Regelungen bezeichnet, dem Bürgerstrafrecht zuordnet. Wie bereits dargestellt 342, unterliegt zum Beispiel die Untersuchungshaft bei Lesch in Bezug auf die klassische Ausprägung der Haftgründe Flucht beziehungsweise Fluchtgefahr sowie Verdunklungsgefahr keinerlei Bedenken 343, während Jakobs derlei 339

Vgl. Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 599. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 637 f.; ders.: GA 2000, 355 ff., 362, 365; ders.: Strafprozessrecht 2001, S. 103, 118, 190; vgl. auch (unter Bezugnahme auf Jakobs) ders.: JA 2002, 602 ff., 605. 341 Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 167 f. 342 Siehe hierzu Kapitel 1 C.I.4. 343 Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 167 f. 340

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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Zwangsmittel grundsätzlich nicht im Bürgerstrafrecht platziert. 344 Darüber hinaus plädiert er im Gegensatz zu Jakobs teilweise sogar für eine Schärfung prozessualer Eingriffsmöglichkeiten. Insbesondere sei der nemo tenetur-Grundsatz zu reduzieren; ein absolutes Recht auf Selbstbezichtigungsfreiheit bestehe nicht. Niemand habe das Recht, sich durch Leugnen von einer Straftat zu distanzieren, wolle er als Person ernst genommen werden. 345 Dem Bürger obliegt danach vielmehr eine Mitwirkungspflicht im Strafprozess. Beispielsweise sind nach Lesch Zwangsmittel wie Blutproben oder Brechmittelverabreichung als körperliche Untersuchung nach § 81a StPO zulässig. 346 Auch läge kein unzulässiger Zwang im Sinne des § 136a StPO vor, wenn der Beschuldigte sich einer Privatperson offenbart, die – dem Staat zurechenbar – unzulässige Methoden im Sinne des § 136a StPO anwendet, da die Aussage „der alleinigen Regie des Beschuldigten unterworfen“ bliebe. 347 Entsprechend schränkt Lesch die Rechte des Beschuldigten im Bürgerstrafrecht verstärkt ein; auch wenn der Staat bei der Strafverfolgung an die rechtlichen, insbesondere grundrechtlichen Garantien der Person gebunden bliebe. 348 In Bezug auf die praktische Anwendung feindstrafrechtlicher Regelungen übertrifft Lesch damit seinen akademischen Lehrer Jakobs. Denn während um den affirmativen Gehalt der Ausführungen von Jakobs zum Feindstrafrecht aufgrund ihrer Zweideutigkeit heftige Debatten geführt werden 349, tritt Lesch offen für ein feindstrafrechtlich orientiertes Strafrechtskonstrukt ein. 350 Schließlich beschneidet Lesch – obwohl er dem Täter nach den obigen Ausführungen grundsätzlich den Status als Rechtsperson belässt – die Verfahrensrechte des Beschuldigten radikal. 351 Damit setzt er letztlich das dem Feindstrafrecht zugrunde liegende Konzept um, wenn gleich er – im Gegensatz zu Jakobs – die Trennung von Bürger- und Feindstrafrecht nicht einfordert.

344

Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94 wie auch Kapitel 1 C.I.4. Vgl. Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 638. 346 Vgl. Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 189 ff. Dahingegen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Jalloh den Zwangseinsatz von Brechmitteln bei polizeilichen Ermittlungen als unverhältnismäßig und damit als einen Verstoß gegen Art. 3 und 6 EMRK gewertet, vgl. das Urteil des EGMR v. 11. 7. 2006 in: NJW 2006, 3117 ff.; vgl. auch Besprechung bei Heintschel-Heinegg, B.: JA 2006, 904 ff. sowie oben Fn. 204. 347 Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 359, 370; vgl. auch Kapitel 1 C.II.4. 348 Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 118. 349 Siehe diesbezüglich Kapitel 1 D.I. 350 So auch Schulz, L. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 315 ff., 323. 351 Vgl. hierzu auch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 505. 345

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

2.

Das Feindstrafrecht bei Pawlik

Wie zuvor bei Lesch ist auch bei Pawlik die Orientierung an der Terminologie Jakobs offensichtlich. 352 Darüber hinaus stimmt Pawlik insofern mit Jakobs deskriptiver Ebene überein, dass sich das Feindstrafrecht im Strafrecht de lege lata ausweitet. 353 Das gegenwärtige Strafverfahren weise die Tendenz auf, den Beschuldigten als Individuum zu behandeln. 354 Zwar sei Feindstrafrecht „mit dem die bisherige Rechtspraxis beherrschenden Legitimiationsparadigma nicht mehr plausibel vermittelbar“ 355, damit sagt Pawlik jedoch nicht aus, dass die Legitimität eines Feindstrafrechts grundsätzlich außer Frage steht. Vielmehr erweckt diese Aussage den Eindruck nach einer Forderung, die Rechtswissenschaft solle sich um ein neues Begründungsprofil der staatlichen Strafgewalt bemühen. 356 Allerdings schloss Pawlik ebenfalls (wie Lesch) die Behandlung eines Täters als bloßes Individuum ohne Rechte als normativ legitimierbar zunächst prinzipiell aus. 357 Andererseits weisen die Ausführungen Pawliks zu den internen und externen Störungen der Rechtsordnung 358 offensichtliche Parallelen zum Jakobsschen Feindstrafrecht auf. So führt Pawlik zur Behandlung externer in Abgrenzung zur Bestrafung interner Täter aus: Nur ein Gesellschaftsmitglied, dem die Rechtsordnung reale Freiheit eröffnet, sei Adressat der gesellschaftlichen Mitwirkungspflicht. Dagegen trifft denjenigen, der außerhalb der Gesellschaft steht, keine Mitwirkungspflicht. Daher kann der Externe die Rechtsordnung nicht als Bürger angreifen und kein Unrecht des Bürgers verwirklichen. Der Staat könne den Außenstehenden folglich auch nicht den bürgerlichen Regeln der Bestrafung unterwerfen. Zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes müsse jedoch zumindest insofern (strafrechtlicher) Zwang angewendet werden, dass künftige Gütersicherheit garantiert wird. Gegen den Außenstehenden dürfe daher Gefahrenabwehr betrieben werden. 359 Ferner ist von Pawlik zu lesen: „Angesichts der Bedrohungen, die der internationale Terrorismus möglicherweise noch für uns bereithält, sollten wir zwar nicht vorschnell behaupten, so weit (d. h. zur Folter, Anm. d. Verf.) dürfe es niemals kommen [...]. Gegenüber Bürgern muß Folter verboten bleiben.“ 360 Damit ist 352

Z. B. Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 75 ff. Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 63. 354 Pawlik, M.: GA 1997, 378 ff., 379. 355 Pawlik, M.: Das unerlaubte Verhalten beim Betrug 1999, S. 63 f. 356 Dahingehend vgl. schließlich auch die Darstellung der Straflegitimation in Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004. 357 Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380. 358 Vgl. bereits Fn. 61. 359 Pawlik, M.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 357 ff., 373 (mit Verweis in Fn. 84 auf Jakobs, G. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 37), 379 f. 353

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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zwar das Folterverbot gegenüber Bürgern absolut – ob dies aber auch in Bezug auf Feinde gilt, wird an dieser Stelle wohl bewusst offen gelassen. Völlig abwegig scheint die Entrechtlichung des Feindes für Pawlik jedenfalls nicht zu sein, wenn er kommentiert, dass der Frankfurter Kindesentführungsfall noch „unterhalb der Schwelle, auf der jenes äußerste Mittel der Suspendierung des Bürgerstatus einzelner Individuen in Erwägung gezogen werden dürfte“, gelegen habe. 361

III. Feindstrafrecht als Strafrecht im Begründungsmodell von Jakobs Während Lesch das Feindstrafrecht in Form einer verstärkten (jedoch nicht vollständigen! 362) Entrechtlichung des Individuums gedanklich bereits umgesetzt hat, ohne dies allerdings ausdrücklich zuzugeben und ohne auf eine sonderrechtliche Trennung hinzuarbeiten, sind bei Jakobs und Pawlik durchaus Legitimationszweifel vorhanden. Entsprechend prognostiziert Jakobs das Feindstrafrecht zwar als staatliche Kampfansage gegen gefährliche Täter für die Zukunft, weiß aber um das verfassungsrechtliche Rechtfertigungsdilemma eines Notstands- und Sonderstrafrechts für bestimmte Täter („es sei noch nicht ausgemacht, dass sich jenes als Recht erweise“ 363 etc.). In der gegenwärtigen Diskussion wird Jakobs daher auch immer wieder vorgeworfen, es handele sich beim Feindstrafrecht weder um Straf recht, noch überhaupt um Recht. Insofern sei seine Bezeichnung „Feindstrafrecht“ – selbst bei Unterstellung eines rein deskriptiven Charakters – falsch gewählt. 364 Nachfolgend sollen daher Argumentationslinien bei Jakobs nachgezogen werden, aus denen sich die Qualität des Feindstrafrechts als Strafrecht ergibt oder zumindest ergeben kann. 1.

Die Bezeichnung „Feindstrafrecht“

Nach Jakobs gelten (bürger-)strafrechtliche Grundsätze wie etwa das Tatprinzip, der Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG oder auch die Unschuldsvermutung im Feindstrafrecht nicht. Daher drängt sich die Frage auf, ob und inwiefern Feindstrafrecht überhaupt Straf recht ist und warum Jakobs die Bekämpfungsmaß360

Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35. Pawlik, M.: FAZ Nr. 51 v. 1. 3. 2003, S. 35 (zum Fall Jakob von Metzler / Daschner). 362 Eine vollständige Entrechtlichung wäre auch nach Lesch nicht legitimierbar (Lesch, H. H.: Strafprozessrecht 2001, S. 118). 363 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 364 Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 26; Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268, 276, 284; Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 76; Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704. 361

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

nahmen gegen „Feinde“ eben als Feindstraf recht bezeichnen musste. Geht man davon aus, dass Straf recht sich gerade durch die rechtsstaatlich, liberal gewährleisteten Mindestanforderungen bestimmt, welche das Feindstrafrecht unzweifelhaft nicht aufweist, dann läge sicherlich schon gar kein Straf recht vor. 365 Die Gemeinsamkeit von Strafrecht und Feindstrafrecht beliefe sich vielmehr einzig auf den Namen. 366 Dass Feindstrafrecht dennoch Straf recht ist, lässt sich nach Darstellung Jakobs allerdings aus folgender Überlegung herleiten: Der Gesetzgeber hat bereits entscheiden, dass die anfangs aufgeführten Tendenzen dem Straf recht zuzuordnen sind, indem er sie in das Strafgesetzbuch beziehungsweise die Strafprozessordnung aufgenommen hat. 367 Damit hat die Legislative offensichtlich entschieden, dass die Sicherung von gefährlichen, wenn auch gegebenenfalls bloß potentiellen Tätern einer straf rechtlichen Regelung bedarf. 368 Insofern wäre lediglich wie folgt zu subsumieren: Im StGB wie in der StPO (und auch dem EGGVG, vgl. §§ 31 ff.) gibt es gegenwärtig Normen, die bestimmte, wenig rechtsstaatlich geprägte Merkmale aufweisen. Durch die Aufnahme in strafrechtliche Regelwerke sind diese Normen aber grundsätzlich dem Straf recht zugehörig. Löst man diese aus dem bestehenden Strafrechtsregelwerk, wie von Jakobs gefordert, ändert sich die generelle Zuordnung nicht. Der Täter, vor dem die Allgemeinheit beschützt werden muss, wird entsprechend von der staatlichen Strafgewalt mit einer Art Sicherungs-„Strafe“ 369 belegt. Dass es nach diesem Verständnis von Straf recht keinesfalls auf bestimmte, traditionelle straf- und strafverfahrensrechtliche Grundsätze ankommt, auf denen das ordentliche Strafrecht begründet ist, ist folglich irrelevant. Die Zuordnung zum Strafrechtssystem wurde an anderer Stelle durch den Gesetzgeber entschieden. Eine gegenteilige Zuweisung, etwa zum Gefahrenabwehrrecht oder als eigenständiges „Sicherungsrecht“, kann danach gleichsam nur durch den Gesetzgeber selbst erfolgen. Überdies kann gegen die Ansicht 370, nach der Feindstrafrecht aufgrund der fehlenden Orientierung am Tatstrafrecht schon begrifflich kein Strafrecht ist, ein365

So Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268, 276, 284; Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704. Kritisch Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 45 f. 366 Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268; Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704. 367 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 839; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 294. 368 In diese Richtung geht etwa auch die Argumentation des BVerfG anlässlich der Entscheidung zu den Straftäterunterbringungsgesetzen einiger Bundesländer, vgl. BVerfG NJW 2004, 750 ff., 751 f.: Zwischen Strafe und präventiver Sanktion eines Straftäters bestehe ein Sachzusammenhang, nämlich die Anlasstat. Insofern dürfe der Bundesgesetzgeber auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Rahmen des Strafrechts regeln. 369 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 44. 370 Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 284, 286 f.

C. Die Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht

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gewendet werden, dass sie nicht berücksichtigt, dass es bereits ein Sonderstrafrecht gibt, welches Täterstrafrecht darstellt: Das Jugendstrafrecht ist separat geregelt und eben kein Tatstrafrecht. Dennoch wird wohl nicht angezweifelt werden, dass das Jugendstrafrecht straf rechtliche Regelungen enthält. Offensichtlich sind also durchaus Ausnahmen zur straf rechtlichen Grundkonzeption zulässig. Damit ist es aber für die strafrechtliche Zuordnung ebenfalls unbedeutend, ob ein vom ordentlichen Strafrecht abweichender Strafzweck verfolgt wird. Ist dieser im ordentlichen Strafrecht nach Jakobs die Bestätigung der gesellschaftlichen Identität und Einübung von Normanerkennung im Sinne der positiven Generalprävention, stellt sich im Jugendstrafrecht die Erziehung eines jugendlichen Täters und im Feindstrafrecht die Sicherung vor dem Täter als primäres Ziel dar. Gleichwohl sind jeweils straf rechtliche Regelungen gegeben, weil der Täter eben bestraft wird – unabhängig davon, ob die Strafe aufgrund seiner Tat oder seiner Persönlichkeit erfolgt. Damit mag Feindstrafrecht zwar nicht an die Grundsätze des herkömmlichen Strafrechts anknüpfen; sein Charakter als eben strafendes Recht kann ihm hierdurch jedoch nicht abgesprochen werden. Im Gegenteil: Nur das Strafrecht kann jemanden zum Täter stilisieren und diesen „dann durch Untersuchungshaft und Strafhaft für lange Zeit [...] kaltstellen“. 371 2.

Feindstrafrecht als Recht im Begründungsmodell Jakobs

Von der Frage, ob Feindstrafrecht Straf recht ist, ist die Frage zu unterscheiden, ob Feindstrafrecht Recht ist, also überhaupt legitimationsfähig ist. An dieser Stelle soll lediglich auf das Begründungsmodell Jakobs abgestellt werden. Dagegen erfolgt (noch) keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Legitimationsfähigkeit des Konzepts nach dem geltenden deutschen Recht. Jakobs selbst betont zwar, dass die Rechtmäßigkeit des Feindstrafrechts noch nicht feststehe. 372 Andererseits stellt er bekanntermaßen fest, dass „die Bezeichnung „Feindstrafrecht“ nicht prinzipiell pejorativ gemeint ist. [...] Feindstrafrecht steht immerhin mindestens für ein regelgeleitetes und deshalb nicht spontanaffektives Verhalten.“ 373 Der Staat hebt in rechtlich geordneter Weise Rechte auf. 374 Damit ist auch im Rahmen des Feindstrafrechts reine Willkür verboten. Es darf nicht jedes Mittel zur Bekämpfung des Feindes angewendet werden. 375 Viel371

Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51; ablehnend wohl Pawlik, der die Sichtweise eines Beschuldigten als Individuum für rechtlich nicht legitimierbar erachtet (Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380). 373 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 88. 374 Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296. 372

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

mehr soll selbst dem Feind eine gewisse potentielle Persönlichkeit 376 zugestanden werden, so dass auch bei seiner Sanktionierung ein bestimmtes Maß an Erforderlichkeit gewahrt werden muss. 377 Dieser Aspekt verbietet es jedenfalls nach Jakobs, die fehlende Rechtmäßigkeit des Feindstrafrechts schlechthin zu unterstellen. Zwar ist das Feindstrafrecht gegenüber dem Feind selbst kein Recht 378, aber es bindet doch den Staat, seine Organe und Funktionäre an bestimmte Regelungen, zum Beispiel des Feindstrafrechts als ultimo ratio. Es ist also wenigstens Recht zwischen den Bürgern. 379 Zudem müsse auch ein Rechtsstaat in der konkreten Wirklichkeit Abstriche machen, wolle er als solcher generell bestehen bleiben. Vielmehr geht es auch im Rechtsstaat um das praktisch Optimale und das sei eben – immerhin im Rahmen der Erforderlichkeit – die Ausgrenzung von Feinden und die Entziehung der Rechte, die sie für ihre Taten benötigen, namentlich das Recht auf Verhaltensfreiheit. 380 „Ein alles umfassender Rechtsstaat könnte diesen Krieg [gegen den Terror] nicht führen; denn er müsste seine Feinde als Personen behandeln und dürfte sie demgemäß nicht als Gefahrenquellen behandeln. Beim praktisch optimalen Rechtsstaat verhält es sich anders, und das bringt ihm die Chance, nicht an den Attacken seiner Feinde zu zerbrechen.“ 381 Die herkömmliche Strafe verliert bei Feinden ihren Sinn, da sich diese nicht in Normtreue einüben können. Nach dem generalpräventiven Ansatz von Jakobs verbleibt danach gar keine andere Möglichkeit, als den Feind aus dem „Bürgerstrafrecht“ auszunehmen. Theoretisch ist nach dem Begründungsansatz Jakobs 375 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 376 Vgl. hierzu auch Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 43: Abstrakt, dem Begriff nach, mag der Täter noch als Rechtsperson verharren, aber der wirklich Umgang mit ihm wird zum Umgang mit einem Feind. Die Entpersonalisierung erfolgt aber lediglich punktuell, denn auch der zu sichernde Verbrecher behält sein Recht auf körperliche Unversehrtheit etc. 377 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 378 Vgl. hierzu auch Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27: „... nach einer Rechtsordnung kann nicht gegen einen Täter wie gegen einen Hund vorgegangen werden. Daran ändern auch Metaphern nichts wie etwa die verbreitete Rede, der Täter habe sich durch die Tat selbst außerhalb der Ordnung gestellt; hätte er das, wäre die Reaktion gegen ihn als rechtliche überhaupt nicht mehr möglich“ (Hervorhebungen durch den Verf.). 379 Während etwa Agamben Notstandstrafrecht – als welches das Feindstrafrecht bei Jakobs charakterisiert wird (vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 385 ff., 784) – als „Raum ohne Recht“, also als gänzlich rechtslosen Zustand bezeichnet (Agamben, G.: Ausnahmezustand 2004, S. 62), differenziert Jakobs zwischen der Rechtlosigkeit im Verhältnis zum Feind und dem Recht, das zumindest zwischen den Bürgern bestehe, so Jakobs auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat“ vom 23. –25. 11. 2005 im Rahmen seines noch unveröffentlichten Vortrages „Das Problem des Feindstrafrechts“ vom 24. 11. 2005; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff. Fn. 13; ders.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 294. 380 Sinngemäß Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 847, dort auch Fn. 17. 381 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 851.

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft

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die Legitimität eines Feindstrafrechts möglich, was natürlich vor allem daran liegt, dass die Menschenwürde danach keine grundlegend zu berücksichtigende Legitimationsanforderung 382 darstellt. 383

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft Jakobs Ausführungen zum Feindstrafrecht haben inzwischen einen Sturm der Entrüstung entfacht und entsprechend setzt sich die Rechtswissenschaft – in unzähligen Aufsätzen – überwiegend kritisch mit dem Thema auseinander. Nachfolgend sollen die wichtigsten Etappen der Diskussion und die wesentlichen Argumente, die gegen das Konzept und die Institutionalisierung des Feindstrafrechts vorgebracht werden, wiedergegeben werden. Dabei beschränkt sich die hier erfolgende Darstellung auf direkte Kritik am Feindstrafrecht. Auf die indirekte Kritik, die gegenüber teilweise mit den Merkmalen des Feindstrafrechts zusammenhängenden oder überschneidenden Diskussionsbereichen und ähnlichen Phänomenen (Stichwörter wären etwa Risiko-, Gefährdungsstrafrecht, Verpolizeilichung, Präventionsoder auch Sicherheitsstrafrecht) geäußert wird, wird an dieser Stelle nicht eingegangen.

I. Erste Reaktionen auf das Feindstrafrecht nach Jakobs Eine vertiefte Diskussion des Feindstrafrechts seitens der Rechtswissenschaft erfolgte nach der Einführung des Begriffs durch Jakobs 1985 384, als er mit jenem die Problematik von Vorfeldkriminalisierungen umschrieb, nicht. Dies lag zum einen daran, dass Jakobs den Begriff lediglich als plakatives Schlagwort für die sich abzeichnende Tendenzen in der deutschen Strafrechtspflege zu verwenden schien und ansonsten auf die inhaltliche Konkretisierung weitgehend verzichtete. Zum anderen rührte die Folgenlosigkeit seiner Wortschöpfung freilich daher, dass Jakobs den aufgeführten Tendenzen im Kern kritisch gegenüber stand: „Die Bindungen [des ordentlichen Strafrechts] sind für den freiheitlichen Staat konstitutiv; wer sie löst, gibt ihn preis. Das Vorhandensein von Feindstrafrecht ist also nicht ein Zeichen der Stärke des freiheitlichen Staates, sondern ein Zeichen dafür, daß er insoweit überhaupt nicht vorhanden ist.“ 385

382 383 384 385

Vgl. hierzu auch das Vorwort bei Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999. Siehe hierzu unten Kapitel 3 C. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 783.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Auch die Reaktion der Rechtswissenschaft auf den von Jakobs auf der Tagung „Die Deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ im Jahr 1999 gehaltenen Vortrag, in welchem jener die Institutionalisierung eines eigenständigen Feindstrafrechts erstmalig als unabdingbar darstellte, war zunächst verhaltend. 386 Doch die anfängliche Verschüchterung schlug alsbald in Empörung um. Diese Anfangsphase der Diskussion war vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sehr emotional reagiert und argumentiert wurde. Insbesondere der Begriff des Feindes wie auch Jakobs drastische, totalitär anmutenden Ausführungen („Krieg“ gegen „Unpersonen“ 387, welche als „störende Umwelt beharren“ 388, „kaltstellen“ 389) mögen im Nachhinein nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, die Stimmung aufzuheizen. Jakobs wird entsprechend vorgeworfen, er bediene sich althergebrachter Klischees vom „Feind als moralisch Bösen“ und spitze diese in seiner Unterscheidung in „Feind- vs. Bürgerstrafrecht“ provozierend zu, so dass im Auditorium letztlich das Begriffspaar des Guten und Bösen in den Köpfen hängen bliebe. 390 Offensichtlich reflektiert das Modell des Feindstrafrechts bestimmte alltagsweltliche Vorstellungen von Freund- und Feinddenken und greift damit Begrifflichkeiten auf, die auf subjektiven Beziehungen von Individuen untereinander aufbauen, also emotionale Termini darstellen. Auch aufgrund der erheblichen Suggestivkraft des von Jakobs verwendeten Begriffs war jedenfalls zu erwarten, dass die Diskussion zunächst leidenschaftlich, wenn auch relativ konturenlos und unsachlich geführt worden ist. Vor allem wurde pauschal darauf verwiesen, dass die Gegenüberstellung von Bürger und Feind eine Ähnlichkeit mit der Dichotomie von Freund und Feind und der rechtlichen Handhabung im nationalsozialistischen Unrechtsstaat aufweise. 391 Eser machten Jakobs Ausführungen insofern 386 Vgl. die unmittelbare Reaktion von Burgstaller (S. 105), Streng (S. 298 f.) und Fuchs (S. 301) auf der Tagung „Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ zitiert bei Ambos, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, 103 ff., 105 sowie bei Tellenbach, S. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 295 ff., 298 f., 301. Vgl. ferner etwa auch den Tagungsbericht von Nutzinger, T. / Sauer, D.: JZ 2000, 407 ff., 407. Vgl. aber Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 504 ff., der als einer der ersten die „bellizistische“ Grundhaltung Jakobs im Kampf gegen „den Feind im Inneren“ beschrieben hat. 387 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 388 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 389 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 390 Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 794 ff. Vgl. ferner auch Düx, H.: ZRP 2003, 189; Funk, A.: KrimJ 2002, 132 ff., 137; Günther, K.: KJ 1994, 135 ff.; 139; Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 234; Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff., 656 f. 391 Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 659; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445. Mit Verweis auf Eser

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft

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„buchstäblich angst“. 392 Darüber hinaus fielen bereits auf der oben benannten Tagung selbst wertende Umschreibungen des Feindstrafrechts als „moralisch korrumpierend“, da die Strafrechtspolitik durch das Verhalten von Verbrechern nicht beeinflusst werden dürfe – selbst wenn sie eine Behandlung als Feind verdient hätten. 393 Ingeborg Puppe bezeichnete das Postulat nach einem Feindstrafrecht in der Konsequenz als eine Schlechterstellung des Feindes gegenüber dem Bürger und schloss diese Feststellung mit dem wenig greifbaren Argument: „Das sei ein gefährlicher Gedanke, davor müsse man warnen.“ 394 Ähnlich mahnt der Frankfurter Strafrechtslehrer Lüderssen, die Gleichheit des Bürgerrespekts nicht aufzugeben. Die Praxis möge der Versuchung des Feindstrafrechts – betitelt als „diese gefährliche Theorie“ – widerstehen. 395

II. Vertiefung der kritischen Diskussion durch die Rechtswissenschaft Doch wohl nicht zuletzt infolge des Vergleiches mit der NS-Diktatur wurde die Kritik seitens der deutschen Strafrechtswissenschaftler zunehmend vehementer und insbesondere nach einigem zeitlichem Abstand hat der Tagungsbeitrag Jakobs zu Recht eine lebhafte, überwiegend kritische 396 Diskussion entfacht, die bis heute andauert – neuerdings wird der Begriff des Feindstrafrecht sogar als Reizvokabel 397 bezeichnet. In dieser zweiten Diskussionsphase wurde die Kritik am Feindstrafrecht punktueller und war weniger und jedenfalls nicht mehr ausschließauch Düx kritisch gegenüber Jakobs Modell des Feindstrafrechts: Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 194 f. 392 Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 444. Vgl. aber auch Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 189, bei dem die „kalte Aufteilung in Menschen und Nicht-Menschen Angst erzeugt“. 393 Jareborg, N. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000), S. 411 ff., 414. 394 Puppe zitiert von Cornils, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 427 ff., 430 f. 395 Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720. 396 Vgl. aber Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des Rechtsstaates 2007, der angesichts der gegenwärtigen Terrorgefahr ein strafrechtliches Feindrecht befürwortet. Der Feind habe keinen Anspruch, nach Maßgabe der Rechtsordnung behandelt zu werden, weil er gerade diese bekämpft. Indem das Strafrecht de lege lata dem Terroristen aber noch immer eine Subjektsstellung einräume, sei es überkommen und genüge den Anforderungen an eine wirksame Terrorismusbekämpfung nicht (Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des Rechtsstaates 2007, S. 62, 68 ff.). 397 So Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstrafrecht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm; ders.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 5. Ähnlich auch Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

lich von Emotionen getragen. Ferner kann sogar ein drittes Diskussionsstadium ausgemacht werden, das sich durch eine deutliche Radikalisierung der Positionen auszeichnet. 398 Diese Entwicklung mag nicht zuletzt ihre Ursache darin haben, dass das Jakobssche Feindstrafrecht durch die allgemeine – medial und politisch geschürte 399 – Massenhysterie nach den Terroranschlägen des 11. Septembers in New York und „exakt 911 Tage“ 400 später in Madrid 2004, die Anschläge auf die Londoner Verkehrssysteme im Juli 2005 sowie die fehlgeschlagenen Terrorakte mittels Autobomben in London und Glasgow im Juli 2007 einen gewissen Reiz auf Politik und die verunsicherte Gesellschaft ausübt, rechtstaatliche Schranken als lästigen Ballast einer effektiven Gefahrenabwehr abzuschütteln. Hier sollen nunmehr einige wesentliche Kritikpunkte, die im Rahmen der beiden letztgenannten Diskussionsphasen gegen das Feindstrafrecht vorgebracht wurden, herausgegriffen werden. Dabei soll an dieser Stelle die Kritik an Normen oder Maßnahmen außer Acht gelassen werden, die nach Ansicht Jakobs feindstrafrechtlich geprägt sind (etwa die Folterung von Terroristen). Vielmehr beschränkt sich die folgende Darstellung auf grundlegende Beanstandungen gegenüber dem gesamten Konzept des Feindstrafrechts, wie es von Günther Jakobs vorgestellt und für die Zukunft prognostiziert wurde. 1.

Die (straf-)rechtliche Qualität des Feindstrafrechts

In einem 2001 erschienen Aufsatz von Schünemann musste Jakobs Konzept des Feindstrafrechts sich herber Kritik aussetzen. Ebenso wie der Münchner Strafrechtsprofessor bereits 1995 die normativistisch-funktionalistische Methode Jakobs als Zirkelschluss und in der Konsequenz als folgenlose Dogmatik deklariert hatte 401, bezeichnete er nunmehr das Feindstrafrecht als irreführende (aber prägnante, wenn nicht gar provokante) Metapher; ein Musterbeispiel für folgenlose beziehungsweise zirkuläre Argumentation 402:

und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 225 ff., 227, dort insbesondere Fn. 9: „... auch wenn mit diesem Begriff [gemeint ist das Feindstrafrecht, Anm. der Verfasserin] derzeit überwiegend noch provoziert und skandalisiert wird.“ Vgl. auch Hassemer im Geleitwort zu Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 1: „Der Topos ‚Feindstrafrecht‘ elektrisiert derzeit geradezu, innerhalb und außerhalb Deutschlands, innerhalb und mittlerweile auch außerhalb der Rechtswissenschaft.“ 398 Vgl. Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 151. 399 Vgl. hierzu auch Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 225 ff., 234. 400 Der Terroranschlag von New York war nach amerikanischer Schreibweise am 9/11. 401 Schünemann, B.: GA 1995, 201 ff., 221.

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft

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„Durch die Prägung eines Schlagwortes im strengen Sinne wird eine außerordentliche diffizile Regelungsproblematik buchstäblich erschlagen, indem eine neue Kategorie wie ein deus ex machina plötzlich auftaucht (typisch bei Jakobs auf S. 51 403), und dann anschließend (scheinbar!) einfach subsumiert wird, so daß echte Begründung durch Inversionsschlüsse ersetzt werden. Schärfer ausgedrückt, sollen durch ein Aperçu, um das es sich bei dem Ausdruck ‚Feindstrafrecht‘ bestenfalls handelt, radikale Neuentwicklungen im Strafrecht und Strafprozeßrecht, deren Legitimation einen komplizierten Abwägungsprozeß und mit Sicherheit die Etablierung neuartiger und wirksamer Kautelen voraussetzt, von der Legitimationsnotwendigkeit freigestellt werden, weil es zu einem ‚Feindstrafrecht‘ keine ersichtliche Alternative gebe und weil Totalität des darin liegenden Krieges davon abhänge, was von einem ‚Feind‘ (wer hat die Definitionsmacht?) alles befürchtet werde (sic!).“ 404

Die Pauschalität des Begriffs Feindstrafrecht könne nicht umschreiben, welchen Wandlungen (Modernisierung etc.) das Strafrecht ausgesetzt ist und wie es auf selbige reagieren muss. Zugleich widerspreche die Qualifikation als „Unperson“ den strafrechtlichen Zurechnungsregelungen, nach denen die Person im Strafrecht definiert wird. 405 Auch wird Jakobs vorgeworfen, er bilde durch die Exklusion des Feindes als Adressat des herkömmlichen Strafrechts eine eigene Gruppe unvernünftig Handelnder außerhalb des § 20 StGB, ohne dafür Kriterien zu benennen. Dabei fehle es dem von Jakobs als Feind bezeichneten Täter regelmäßig gerade nicht an der Fähigkeit zu kommunizieren, so dass nicht ersichtlich sei, warum der Feind, selbst wenn er die Rechtsordnung ablehnt, aus der Rechtsordnung auszuschließen sei. 406 Cancio Meliá schließt die Qualität des Feindstrafrechts als Straf recht bereits begrifflich aus, da es sich hierbei nicht um Tatstrafrecht handele. 407 Partiell wird darüber hinaus die Ausgestaltung des Feindstrafrechts als Recht, also als legitimierbare Maßnahme, kategorisch ausgeschlossen. So ist bei Prittwitz zu lesen, dass Feindstrafrecht ohnehin kein Recht sei. Es bringe nur kurzfristige Vorteile, 402 Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 212. Vgl. darüber hinaus auch zur Bezeichnung des Feindstrafrechts als gefährliche „dogmatische Überhöhung“ der in den USA im Zuge des war on terrorists erfolgten Vermischung von Straf- und Kriegsrecht dens.: GA 2003, 299 ff., 313. Vgl. zudem auch Kunz, K.-L.: Eser-FS 2005, S. 1375 ff., 1391 zur argumentativen Tautologie bei Jakobs unter Berufung auf Schünemann. 403 Betrifft Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 – 56. 404 Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 212. 405 Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 212. Vgl. auch Sacher, M.: ZStW 118 (2006), 574 ff., 607, die das Feindstrafrecht als „eine viel zu kurz greifende Vereinfachung bei der Suche nach einer Lösung moderner Probleme der Kriminalität“ umschreibt. 406 Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 114. Vgl. auch Bung, J.: HRRS 8 – 9/2006, 317 ff.,321. Zur grundlegenden Kritik am Personenverständnis bei Jakobs vgl. zudem Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 39 ff., 48. 407 Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 268, 276, 284; vgl. auch Kapitel 1 D.III.1.

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

gäbe aber den Anspruch, als Rechtswissenschaft auftreten zu können, auf und beraube sich langfristig der Existenzberechtigung. 408 Weiterhin bestünden erhebliche Zweifel, ob eine Marginalisierung der Strafrechtspflege ohne die Legitimation eines Feindstrafrechts tatsächlich zu erwarten ist. 409 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Sauer: Das Feindstrafrecht „träte neben das hergebrachte Straf- und Strafprozessrecht („Bürgerstrafrecht“) mit all seinen Prinzipien wie etwa dem Übermaßverbot oder der Unschuldsvermutung, hätte mit ihm im Grunde aber nichts mehr gemein außer der Bezeichnung Strafrecht.“ 410 Weiterhin: Feindstrafrecht ist „überhaupt kein Recht. Es handelt sich vielmehr schlicht um den Vorschlag, das Recht zugunsten eines vermeintlichen Gewinns an Sicherheit zu suspendieren.“ 411 Auch Albrecht spricht in diesem Zusammenhang von einem Missbrauch des Begriffs „Recht“. 412 Gleichfalls sei die Herleitung des Feindstrafrechts nach Kant bei Jakobs verfehlt, da die Unterscheidung von Bürger und Feind bei Kant lediglich im Naturzustand zu treffen sei, nicht aber für den rechtlichen Zustand gelte. In letzterem gelte ausschließlich ein Bürgerstrafrecht. 413 Paeffgen entrüstet sich überdies, dass der Hinweis auf die schrecklichen Terroranschläge vom 11. September offenbar jegliche Begründungsanforderungen ersetze. 414 Entziehe man dem Angeklagten Rechte, ginge damit ein Verlust des gesellschaftlichen Selbstverständnisses einher. Denn mit der Wahl feindlicher Mittel im Rahmen eines Feindstrafrechtes, stelle man sich mit den „Terroristen“ auf eine Stufe und werde sich selbst untreu. 415 Weiterhin wird vorgetragen, dass Feindstrafrecht sich der Mittel eines totalitären Staatssystems bediene: Recht bedeute in beiden Fällen dasjenige Mittel anzuwenden, welches dem Staat von Nutzen ist. 416 Das Strafrecht dürfe nicht als Waffe gegen alles und jeden funktionalisiert werden; die Forderung nach Waffengleichheit mit dem „Feind“ ginge ins Endlose, dabei sollte in einem Rechtsstaat das Streben nicht darauf gerichtet sein, die Waffen derer zu erhalten, die sich 408 409

Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795. Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff.,

661. 410

Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1703. Sauer, D.: NJW 2005, 1703 ff., 1704. 412 Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858. Ähnlich auch Frommel, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 59 ff., 76. 413 Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858. 414 Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff., 655. 415 Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 647 ff., 656 f.; vgl. auch Jung, H.: GA 2006, S. 724 ff., 726. 416 Prantl, H.: SZ v. 28. 4. 2004, S. 4. 411

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft

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unrechtmäßig verhalten. 417 Mit einem Feindstrafrecht werde letztlich auf die Bedrohungsszenarien reagiert, die medial oder durch die Politik erst entstanden beziehungsweise aufgebauscht wurden. 418 Dabei dränge sich der Eindruck auf, der Staat vergelte Unrecht mit noch mehr Unrecht. 419 2.

Strafverfahrensrecht

Auf verfahrensrechtlicher Ebene wurde zunächst grundsätzlich kritisiert, dass Jakobs Ausführungen zum Strafprozessrecht karg ausfielen und einer näheren Ausgestaltung bedürften; auf viele verfahrensrechtliche Maßnahmen und Normen, die nach der Begriffsbestimmung Jakobs feindstrafrechtlich geprägt seien, werde gar nicht eingegangen. 420 Jedenfalls läge aber in der Aberkennung der Personalität des Einzelnen zumindest offensichtlich ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. 421 Zudem werde im Feindstrafrecht der nemo tenetur-Grundsatz verletzt 422, da der Feind gezwungen werde, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Zugleich bedürfe es im Feindstrafrecht nicht einmal mehr eines Anfangsverdachts 423, also tatsächlicher, konkreter Anhaltspunkte in Bezug auf eine verfolgbare Tat, um Ermittlungen aufzunehmen. Stattdessen genüge ein Generalverdacht in dem Sinne, dass der Betroffene aufgrund allgemeiner Merkmale dem Raster eines bestimmten Tätertypus unterfällt. Ohne einen konkreten Anfangsverdacht werden die Grenzen von repressiver Strafverfolgung und präventivem Polizeirecht verwischt 424 und damit das Legalitätsprinzip beeinträchtigt. Weiterhin sei bei Anwendung von Feindstrafrecht auch das Prinzip der Waffengleichheit (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) verletzt 425, wonach Staatsanwaltschaft und Beschuldigter sich ebenbürtig sind und dem Beschuldigten Mittel zur Verfügung stehen, sich gegen die Gewaltmittel der Anklage zu verteidigen. Werden jedoch die Verteidigungsrechte des Feindes 417

Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158, 161. Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 159. 419 P.-A. Albrecht auf der internationalen Strafrechtstagung 2005, vgl. http://presse.euv -frankfurt-o.de/Uni_on/Uni_on_46.pdf, S. 2; vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 854. 420 Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 111 f.; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 660. 421 Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Sacher, M.: Sonderwissen 2006, S. 97 f.; Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 211; ders.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 226; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 660. Ebenso Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10. Vgl. auch Abhandlung bei Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 30 ff. 422 Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720; vgl. auch Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 505. 423 Umkehrschluss zu Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; vgl. auch Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720. 424 Vgl. Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720. 425 Vgl. Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264. 418

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

verkürzt und Beweise nicht offen gelegt 426, stehen ihm als Prozessbeteiligtem keine gleichwertigen „Waffen“ zur Verfügung; er kann sich nicht angemessen verteidigen. 3. Materielles Strafrecht In materieller Hinsicht wird dem Feindstrafrechtsmodell insbesondere vorgeworfen, dass der Begriff des „Feindes“ kein hinreichend abgrenzbares Entscheidungskriterium beinhalte. Weder biete die Definition des Feindes selbst ausreichend exakte Vorgaben, aus denen sich objektiv die Zuordnung „Feind“ oder „Bürger“ treffen ließe. Noch habe Jakobs hinreichend berücksichtigt, dass die Einordnung als Feind in der Praxis von einer politischen Entscheidung abhinge, so dass im Ergebnis der aktuelle Inhaber der Definitionsmacht maßgeblich sei. 427 Der Bürger muss aber erkennen können, welche Rechtsfolgen ein bestimmtes Verhalten nach sich zieht 428, andernfalls wäre der Bürger der staatlichen Willkür ausgeliefert. Insofern werde im Zuge eines Feindstrafrechts allem voran gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. 429 Kritisiert wird des Weiteren, dass Feindstrafrecht Täterstrafrecht sei, da gleich einem Gesinnungsstrafrecht lediglich die Täterpersönlichkeit bestraft werde, ohne dass es auf eine konkrete Tat ankomme. 430 Das Tatstrafrecht sei jedoch Errungenschaft eines souveränen Rechtsstaates. Dies begründe sich aus der Unsicherheit personenbezogener Prognosen, wodurch einem Täterstrafrecht eine hohe Fehlerwahrscheinlichkeit in Bezug auf Verurteilungen inne wohne. Zugleich enthalte ein reines Täterstrafrecht kein geregeltes Maßprinzip für den Strafausspruch. Im Übrigen verböten es bereits prinzipielle Gründe, einen Menschen für seine Person statt für seine Tat haftbar zu machen. 431 Mit dem Täterstrafrecht einhergehend 426

Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 145 ff.; Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10; Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445; Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 36 f.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89 ff., 95; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 513; Schünemann, B.: GA 2001, 205 ff., 212. 428 Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 47. 429 Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160. So wohl auch Bung, J.: HRRS 8 –9/2006, 317 ff., 319; Sacher, M.: Sonderwissen 2006, S. 97 f.; dies.: ZStW 118 (2006), 574 ff., 608; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a. Zur Problematik der Bekämpfung von „Feinden“ im Hinblick auf deren Bestimmtheit vgl. ferner Frommel, M.: KritV 1990, 279 ff., 282. 430 Vgl. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 16; Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; vgl. auch Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 41. sowie Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 22 f. 431 Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 159 ff. 427

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft

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werde der im Strafrecht vorherrschende Schuldgrundsatz, nach dem die Strafe zugleich ein sittliches Unwerturteil über die Tat – nicht den Täter – enthält, nicht gewahrt. 432 4.

Verfassungsrecht

Da die strafrechtlichen Rahmenbedingungen oftmals aus verfassungsrechtlichen Geboten abgeleitet werden, wie zum Beispiel dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dem Übermaßverbot und der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG, überschneidet sich die Kritik am Feindstrafrecht auf strafrechtlicher und verfassungsrechtlicher Ebene partiell. Entsprechend wurde an früherer Stelle bereits auf die Nichtbeachtung der aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Unschuldsvermutung und den Schuldgrundsatz (Herleitung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG 433) hingewiesen. Auch die frühe Kritik, das Feindstrafrecht verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 434, soll hier nochmals Erwähnung finden. Im Übrigen soll allerdings nur noch auf sonstige – bisher noch nicht genannte – verfassungsrechtliche Kritikpunkte eingegangen werden. Beispielsweise werden generelle, verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Gleichsetzung von Krieg und Feindstrafrecht angemeldet 435, da Strafrecht nicht zugleich Kriegsrecht sein dürfe. Des Weiteren erhebt Jahn insbesondere im Hinblick auf Art. 18 GG (Verwirkung von Grundrechten) verfassungsrechtliche Einwände gegen das Konzept des Feindstrafrechts. Selbst bei nachhaltig gesetzeswidrigen Verhalten könne es eine ungeschriebene Missbrauchsklausel mit Rücksicht auf Art. 18 GG nicht geben 436, da Art. 18 S. 1 keine Verwirkung von Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vorsieht. Eine Grundrechtseinschränkung aus einem ungeschriebenen Missbrauchsvorbehalt oder zum 432 Vgl. Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 99. Ähnlich auch Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 43. 433 Siehe etwa BVerfGE 50, 205 ff., 214 m.w. N.; 80, 244 ff., 255; 90, 145 ff., 173. 434 Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720; Puppe zitiert von Cornils, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 427 ff., 430 f.; vgl. auch die zeitlich nachfolgende Kritik bei Landau, H.: NStZ 2007, 121 ff., 122; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 343 ff.; vgl. ferner Ausführungen bei Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 34 ff. 435 Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 662. 436 Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 235 f.; zudem kritisch zur Weite des Feindstrafrechtsbegriffes bei Jakobs in Hinblick auf Art. 18 GG Dannecker: „Man könne allenfalls dann von einem Feindstrafrecht sprechen, wenn in materieller Hinsicht die Voraussetzungen für eine Verwirkung von Grundrechten vorliegen. Das deutsche Verfassungsrecht erlaube eine solche Aberkennung jedoch nur in sehr viel engeren Grenzen, als Jakobs dies annehme. Deshalb müsste der Begriff des Feindstrafrechts viel enger gefasst werden.“ (Dannecker zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 885).

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Kap. 1: Das Feindstrafrecht

Gemeinwohl käme daher nicht in Betracht. 437 Zudem werde der Verstoß gegen die Objektformel des Grundgesetzes geradezu zum Programm erhoben. 438 Die Objektformel besagt nach der Prägung Dürigs, dass „die Menschenwürde getroffen ist, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“. 439 Durch den Verlust von Prozessrechten sowie die Erosion von Grundrechten 440 zum Zwecke reiner Effektivität werde der Beschuldigte im Feindstrafrecht jedoch entrechtlicht und ihm werde der Status als (Rechts-)Subjekt aberkannt. Damit werde er zum bloßen Objekt im staatlichen Strafverfolgungsszenarium. Im Feindstrafrecht läge daher bereits deshalb „ein fragwürdiger Ansatz“, weil ein an dem Menschenwürde-Prinzip (Art. 1 Abs. 1 GG) orientiertes Recht niemanden „extra legem“ stellen dürfe. 441 Eine derartige Teilung der Menschenwürde dürfe es nicht geben. 442 Zudem sei die Menschenwürde nach Art. 1 GG unveräußerlich; sie stehe dem Menschen prinzipiell zu und werde nicht erst vom Staat verliehen. 443 Insofern sei es auch nicht zulässig, den Personenstatus an die Voraussetzung der Normtreue zu knüpfen. 444 Mit

437 Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 526. Kritisch hierzu Jakobs, auch wenn er Jahn insoweit zustimmt, dass ein Rechtsbruch im rechtsstaatlichen Ideal auch nur mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden dürfe. Gerade das Gebilde des idealen Rechtsstaates bei Jahn verkenne jedoch „die Spannung zwischen Begriff und Wirklichkeit“. Der Rechtsstaat könne auch dadurch zerstört werden, dass er sich nicht mit den erforderlichen Mitteln zur Wehr setzen darf. Dann verbleibe nämlich schlimmstenfalls nur noch ein abstrakter Begriff, jedoch kein wirklicher Rechtsstaat: „Soll die Wirklichkeit nicht leiden, muss sich das Maß der Perfektion des Rechtsstaats nach der jeweiligen Lage richten [...]. Es gilt also, eine Balance von Perfektion und Wirklichkeit herzustellen, und die Frage, ob das gelungen ist, lässt sich nicht durch einen Verweis auf die bestehende Notstandsverfassung beantworten, sondern nur im Blick auf das, was der konkrete Konflikt erforderlich macht. Bei dieser Lage hat der Rechtsstaat, einschließlich der in ihm enthaltenen Notstandsverfassung, seine andauernde Wirklichkeit zur selbstverständlichen Geschäftsgrundlage. Entfällt diese, dann ist staatliche Wirklichkeit – nicht in der schieren Barbarei, aber doch – eine Etage tiefer zu suchen.“ (Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 418 ff., 425). 438 Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 236; so auch Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff. 439 Hierzu Dürig, G.: AöR 81 (1956), 117 ff. 440 Zur Erosion von Grundrechten siehe Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 194 f. 441 NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 223. 442 Vgl. Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 852; Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 26; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 419. 443 Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; vgl. auch Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 854; Köhler zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 882. 444 Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff., 110; Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 42 f.; Kunz, K.-L.: Eser-FS 2005, S. 1375 ff., 1391; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 312 f.

D. Die Rezeption des Feindstrafrechts durch die Rechtswissenschaft

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der Missachtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG widerspreche das Feindstrafrecht zwangsläufig auch dem Menschenbild des Grundgesetzes. 445 Ferner werde das Interesse des Täters an beziehungsweise sein Grundrecht auf Resozialisierung – abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG 446 – im Rahmen des Feindstrafrechts nicht berücksichtigt. 447 Zudem seien Art. 101 GG (Unzulässigkeit von Ausnahmegerichten; keine Entziehung des gesetzlichen Richters), Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) sowie Art. 104 GG (Freiheitsentziehungsvoraussetzungen und Verbot der körperlichen Misshandlung) durch ein Feindstrafrecht nach der Konzeption Jakobs nicht ausreichend gewahrt. 448 Es sei letztlich verfassungsrechtlich geboten, dem Konzept des Feindstrafrechts, das gesetzliches Unrecht legitimieren wolle, eine klare Absage zu erteilen. 449

445 Näher hierzu Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 343. 446 Ständ. Rsp. seit dem „Lebach-Urteil“ v. 5. 6. 1973 (BVerfGE 35, 202 ff., 235 f.). 447 Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 99. 448 Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100. 449 Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 856.

Kapitel 2

Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs A. Einführung Wie im ersten Teil aufgezeigt wurde 450, stellt Jakobs die These auf, dass die deutsche Strafgesetzgebung seit einigen Jahren tendenziell auf ein Feindstrafrecht zusteuert und dass bereits feindstrafrechtliche Normen im geltenden Recht verankert sind. Im vorliegenden Kapitel wird die These Jakobs auf ihre deskriptive Richtigkeit hin überprüft, indem die Beschaffenheitsmerkmale eines tendenziellen Feindstrafrechts, so wie Jakobs sie darstellt, mit den strafgesetzlichen Reformen und generellen Entwicklungslinien der deutschen Strafgesetzgebung seit den siebziger Jahren verglichen werden. Der Untersuchungszeitraum von annähernd vierzig Jahren wurde deshalb ausgewählt, da in diesem temporären Rahmen ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei den aufgezeigten Rechtsetzungsverläufen lediglich um kurzlebige Modeerscheinungen handelt. Darüber hinaus bieten sich die Siebziger Jahre zur Grenzziehung an, weil ab diesem Zeitpunkt ein eingehender Wandel in der Strafgesetzgebung stattgefunden hat. Insofern wird nämlich mehrheitlich vorgetragen, dass die weitgehenden Entkriminalisierungstendenzen der Reformtätigkeit des Gesetzgebers ab den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts von dem primären Streben des Reformgebers nach Ausweitung des strafrechtlich relevanten Bereichs abweichenden Verhaltens abgelöst wurden. 451 Insbesondere ist seitdem auch eine Veränderung des sprachlichen Umgangs mit dem Täter oder jedenfalls mit bestimmten Tätern durch den Gesetzgeber zu verzeichnen, die sich zum Beispiel anhand der so genannten Bekämpfungsgesetze 452 nachvollziehen lässt: Bereits nach der legislativen Wortwahl ist der Täter nicht mehr zu behandeln und zu resozialisieren, sondern er muss in bestimmten Bereichen eben „bekämpft“ werden. 453 450

Kapitel 1, vor allem Punkt D. Vgl. zum Beispiel Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264; Eser, A.: Maihofer-FS 1988, S. 109 ff., 124 ff., 130 ff.; Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 2; Hassemer, W.: StraFo 2005, 312 ff., 312 f.; Hirsch, H. J.: H. Kaufmann-GS 1986, S. 133 ff., 150 f., 160; Roxin, C.: JA 1980, 545 ff., 547; Scheffler, U.: GA 1995, 449 ff., 450; ders.: Schwind-FS 2006, S. 123 ff., 125; Wolter, J.: GA 1999, 158 ff., 158 f. 452 Vgl. hierzu noch Kapitel 1 C.II.4. und Kapitel 2 B.III. 453 Vgl. auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 2. 451

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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Allerdings muss an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen werden, dass dieser Wandel die deutsche Strafgesetzgebung nach dem Nationalsozialismus betrifft. Auch werden die ostdeutschen Bundesländer bis zur Wiedervereinigung an dieser Stelle nicht in die Untersuchung einbezogen. Schließlich war das aufgrund historischer Fehltritte errungene, liberal-rechtstaatliche Strafrecht bis 1990 im geteilten Deutschland nur dem Westen zu Eigen. Anhand der Entwicklung eben dieses Strafrechts ist zu untersuchen, ob überhaupt beziehungsweise inwiefern ein Feindstrafrecht im Sinne Jakobs existiert. Dazu müssten zum einen die bei Jakobs beschriebenen Normmerkmale des Feindstrafrechts (Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, zu Vorverlagerung und Tatschuld unproportionaler Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung und Einschränkung prozessualer Garantien) die Strafrechtsentwicklung (mit-)prägen. Zum anderen das gegenwärtige Strafrecht bestimmte Täter als Feinde im Sinne Jakobs behandeln und damit den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess maßgeblich mitgestalten. Denn sollten zwar die nach Jakobs feindstrafrechtlichen Beschaffenheitsmerkmale mit der aktuellen Entwicklung im Strafrecht kongruent sein, die Merkmale jedoch de lege lata in allen Deliktsbereichen anzufinden und damit auch Beschuldigte betroffen sein, die unmöglich als generell vom Recht abgewandte Feinde im Sinne Jakobs betrachtet werden können, stellt sich die Frage, ob das Jakobssche Konzept des Feindstrafrechts bereits aufgrund der fehlenden Adressatenkorrektheit versagt. Darüber hinaus soll ein Blick auf die Entwicklung in Rechtsprechung und Kriminalpolitik geworfen werden, um diese auf Parallelen beziehungsweise Unterschiede im Vergleich zu den getroffenen Feststellungen zur Gesetzgebung zu prüfen. Ferner wird ein kurzer Ausblick auf die zukünftige Entwicklung in Bezug auf ein mögliches Feindstrafrecht gewagt.

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene – Übereinstimmungen des Feindstrafrechts mit der Entwicklung der Strafgesetzgebung Jakobs benennt zunächst materielle Vorverlagerungen, die den Internbereich eines Täters zur Begründung von Strafbarkeit heranziehen oder bloße Vorbereitungshandlungen sanktionieren 454 beziehungsweise sich auf kommende Taten konzentrieren, als Indiz für ein bestehendes Feindstrafrecht. Ferner werden fehlende Proportionalität der Strafzumessung zur Tatschuld, der Erlass von „Bekämpfungsgesetzen“ sowie die Einschränkung prozessualer Garantien von Jakobs als Beschaffenheitsmerkmale des Feindstrafrechts 455 benannt, die die Strafgesetzgebung de lege lata bereits aufweise. 454 Vgl. zur tendenziell feindstrafrechtlichen Vorfeldkriminalisierung Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff. sowie oben Kapitel 1 C.II.1.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

I. Feindstrafrechtliche Vorverlagerungen im materiellen Recht Jakobs bezeichnet unter anderem Normen wie § 30 456 (Verbrechensverabredung), §§ 129 bis 129b 457 (Strafbarkeit krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen), 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 458 (Herstellen einer unechten und Verfälschen einer echten Urkunde), § 146 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (Geldfälschung), § 310 StGB 459 (Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlenverbrechens) sowie §§ 30 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG a.F. 460 als in der Tendenz feindstrafrechtliche Gesetzgebung 461, da die aufgeführten Normen den inneren Planungszusammenhang des Täters, also Interna berücksichtigen, oder / und der Verhinderung zukünftiger Taten dienen. Ferner seien einige Vorverlagerungen im Rahmen von „Klimaschutzdelikten“ feindstrafrechtlicher Natur, nämlich die Strafbarkeitskonstellationen, in denen der Täter sich gar keine fremde Organisation anmaßt oder wiederum kommende Taten den Bestrafungsgegenstand bilden, so etwa bei §§ 130, 140 StGB. 462 Neben diesen von Jakobs bereits angesprochenen Straftatbeständen lassen sich weitere Vorfeldverlagerungen anführen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte erlassen wurden und die nach der Begriffsbestimmung Jakobs in der Tendenz feindstrafrechtlich ausgerichtet sind. 1. Vorverlagerungen im Rahmen der Wirtschaftsdelikte Durch das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ 463 wurden 1986 die wirtschaftlichen Missbrauchstatbestände unter anderem um § 152a StGB erweitert. 464 § 152a StGB erklärte das Herstellen, Verschaffen, Feilhalten oder Überlassen falscher Vordrucke zu Euroschecks und Euroscheckkarten in Gebrauchsabsicht zum Verbrechen. Damit wurde ähnlich Jakobs Darlegungen zu den Alternativen des Herstellens und Verschaffens im Rahmen der Urkunds455 Zu den typischen Kennzeichen des Feindstrafrechts im Allgemeinen vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51 f. 456 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 45 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 93 f. 457 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 839 f. 458 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 757; a. A. Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 145. 459 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 772 f., wobei Jakobs sich auf § 311b StGB a.F. bezieht. 460 Nunmehr § 30a BtMG n.F. 461 Vgl. generell zur Vorverlagerung Kapitel 1 C.II.1. 462 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 779 f.; vgl. zu § 130 StGB auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 83. 463 WiKG 2 vom 15. 5. 1986 (BGBl. I, S. 721). 464 Eser, A.: Maihofer-FS 1988, S. 109 ff., 131 f.

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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delikte (§ 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB) und der Geldfälschung (§ 146 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) 465 auf den inneren Planungszusammenhang abgestellt, um Strafbarkeit im Vorfeldstadium zu begründen. Gleiches gilt nunmehr für die Neufassung des § 152a StGB (Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln zur Täuschung im Rechtverkehr) durch das „Fünfunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union“ vom 28. 5. 2001 466 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln. Darüber hinaus wurden infolge der Verweisung des § 152a Abs. 5 StGB auf § 149 StGB weitere Vorbereitungshandlungen zur Fälschung der benannten Objekte unter Strafe gestellt. Überdies wurden durch besagtes Gesetz bestimmte Vorbereitungshandlungen des Computerbetrugs in § 263a Abs. 3 StGB erfasst 467, die ebenfalls Interna des Täters („deren Zweck die Begehung einer solchen Tat [§ 263a Abs. 1 StGB Anm. d. Verf.] ist“) zur Begründung von Strafbarkeit berücksichtigt. 2.

Vorverlagerungen im Betäubungsmittelstrafrecht

Der unter Strafe stehende Handlungskatalog im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität hat permanente Ergänzung und Ausweitung erfahren (Prinzip der Totalprohibition 468 bzw. Umfeldkriminalisierung 469). 1972 wurde beispielsweise der Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) und die Mitteilung über die Möglichkeiten zum unbefugten Umgang (§ 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG) unter Strafe gestellt. 470 Der bloße Besitz von Betäubungsmitteln stellt ebenso wenig eine direkte Rechtsgutsgefährdung dar wie die Mitteilung über die Möglichkeiten zum Erwerb. Gleiches gilt für den bloßen Anbau, die Herstellung oder die Einführung nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (bzw. über den Verweis auf § 29 BtMG auch §§ 30, 30a BtMG). Insofern wird bereits unterstellt, der Täter werde die Betäubungsmittel entweder an andere Personen weiterreichen oder selbst zu sich nehmen. Demzufolge wird ein Planungszusammenhang hinsichtlich der späteren Verwendung – nämlich der körperlichen Einnahme – stillschweigend vorausgesetzt, der für die Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz entscheidend ist, denn Zweck des Gesetzes ist gerade die Abwehr von Gesundheitsgefahren (Schutz der „Volksgesundheit“ 471). Fraglich ist dabei freilich, warum eine eigenverantwortliche Verletzung des eigenen Körpers plötzlich strafbar sein sollte. 472 Auch 465 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 756 f.; a. A. Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 145. 466 BGBl. I, S. 2838. 467 Vgl. Rompe, M.: JA 2004, 424. 468 Vgl. Köhler, M.: ZStW 104 (1992), 3 ff., 8. Zur Tendenz umfassender Pönalisierung vgl. aber auch Hassemer, W.: JuS 1987, 257 ff, 259. 469 Vgl. zur Begrifflichkeit Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 77 f. 470 BR-Drucks. 665/70 (neu), S. 13 ff.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

die 1982 erfolgte Kriminalisierung der Verherrlichung des unbefugten Umgangs mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 12 BtMG) 473 stellt – jedenfalls mindestens wenn sie auf zukünftige Taten anderer Personen bezogen ist – keine Anmaßung eines fremden Organisationskreises dar. Insofern können Jakobs Ausführungen zu § 130 StGB (Volksverhetzung) analog herangezogen werden. 474 3. Vorverlagerungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität 475 Durch das „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ von 1994 476 wurden im Rahmen des „Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität“ 477 §§ 275 ff. StGB neu erlassen. Danach wurde der Umgang mit falschen Ausweispapieren sanktioniert, um organisierte Schleusertätigkeiten und internationale Kraftfahrzeugverschiebungen zu unterbinden. 478 § 275 StGB bedroht bereits die bloße Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen, also reines Verhalten im Internbereich mit Strafe. § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB bestraft das Beschaffen, Verwahren oder einem anderen Überlassen von falschen amtlichen Ausweisen in der Absicht, dessen Gebrauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen. Hier wird wiederum auf den Planungszusammenhang des Täters abgestellt, um vorgelagerte Strafbarkeit zu begründen. Mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz 479 wurde der Versicherungsmissbrauch in § 265 StGB aufgenommen, durch den nach der gesetzgeberischen Intention auch international organisierte Kfz-Verschiebungen entgegentreten wer471 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Neuordnung des deutschen Betäubungsmittelrechts vom 9. 11. 1979 aus: „Der ständige Anstieg der Rauschgiftdelikte zwingt, zum Schutze der Volksgesundheit und der sozialen Interessen der Gesellschaft als äußerste Maßnahem auch verschärfte strafrechtliche Vorschriften gegen diese Kriminalität zu erlassen.“ (BR-Drucks. 546/79, S. 35). 472 Im Strafgesetzbuch muss jedenfalls ein „anderer“ Mensch am Körper verletzt werden, §§ 223 ff. StGB. Gleichfalls scheiden Teilnahmehandlungen bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung aus. 473 BR-Drucks. 546/79, S. 35 f. Zu den Erweiterungsmaßnahmen im Betäubungsmittelrecht vgl. auch Wohlers, W.: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts 2000, S. 180 ff. 474 Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 779 f.; vgl. auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 83 sowie oben Kapitel 1 C.II.1. 475 Zur – insbesondere im Hinblick auf 103 Abs. 2 GG – problematischen Begriffsbestimmung der Organisierten Kriminalität vgl. etwa Albrecht, P.-A.: KritV 1997, 229 ff., 230 ff.; Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 26 Rn. 14 ff.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 156 ff.; Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 55 ff.; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 499 ff.; Schwind, H.-D.: Kriminologie 2006, § 29 Rn. 3 ff. Vgl. ferner auch Soiné, M.: Kriminalistik 2005, 409 ff., 410 ff. 476 Vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186). 477 Vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 1, 18. 478 Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 555. 479 „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“ vom 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704).

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den sollte. 480 Dazu wurde die Strafbarkeit ins Vorfeld von Betrugshandlungen ausgedehnt. 481 Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 265 ist die Absicht, sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen. Das in § 265 StGB als strafbar beschriebene Verhalten muss sich nicht störend nach Außen hin auswirken 482, sondern kann bereits aufgrund der bloßen Absicht, später einen Betrug zu verwirklichen, bestraft werden. Eine Schadensmeldung bei der Versicherung als störende Handlung im Externbereich ist nicht notwendig. Darüber hinaus wurde die ohnehin vorgelagerte Missbrauchsnorm noch erweitert, indem Handlungen versicherungsfremder Dritter unter Strafe gestellt wie auch das Überlassen einer versicherten Sache an einen anderen erfasst wurden. 483 Entsprechend macht sich bereits derjenige strafbar, der eine an sich wertneutrale Handlung vornimmt, etwa sein versichertes Kraftfahrzeug an einen anderen verkauft, wenn dies in der Absicht geschieht, das Fahrzeug anschließend als gestohlen zu melden. Sanktioniert wird der subjektive Kontext, so dass die Regelung feindstrafrechtlich ausgeprägt ist. 4.

Vorverlagerungen im Rahmen von Sexualdelinquenz

Mit dem „Siebenundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetz“ vom 23. 7. 1993 484 wurde die Strafbarkeit im Bereich des § 184 StGB auf Besitz und vorgelagerte Besitzverschaffungshandlungen von Kinderpornographie erweitert 485, so dass im Ergebnis ein reines Internverhalten des Täters unter Strafe gestellt wurde. Durch das „6. Gesetz zur Reform des Strafrechts“ vom 26. 1. 1998 486 wurde der sexuelle Missbrauch von Kindern in §§ 176 bis 176b StGB umfassend neu geregelt. 487 Dabei wurde unter anderem in § 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB der Grundtatbestand durch das Kriterium der Wiederholungsgefahr qualifiziert. 488 Damit wurde auf die bloße Möglichkeit einer erneuten Gefahr – also noch nicht einmal auf das Erfordernis eine konkreten Planungszusammenhangs – abgestellt. Eine Bestrafung nach § 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB erfolgte daher vor allem im Hinblick auf zukünftige Taten. 489 Mit dem „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die 480 BT-Drucks. 13/8587 S. 65; vgl. auch Hörnle, T.: Jura 1998, 169 ff., 176; Perron in Schönke, A. / Schroeder, H. (Hrsg.): StGB 2006, § 265 Rn. 1; Zopfs, J.: VersR 1999, 265 ff., 265. 481 Fischer, T.: StGB 2008, § 265 Rn. 1. Vgl. auch Zopfs, J.: VersR 1999, 265 ff., 265. 482 Kritisch auch Zopfs, J.: VersR 1999, 265 ff., 273. 483 Fischer, T.: StGB 2008, § 265 Rn. 1. 484 BGBl. I, S. 1346. 485 Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 866. 486 BGBl. I, S. 164, 704. 487 Vgl. Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 13 Rn. 40. 488 Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 14 Rn. 42. 489 Die Vorschrift ist inzwischen nicht mehr existent.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“ (SelbstbG) vom 27. 12. 2003 490 wurde die Vorverlagerung nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB eingeführt. Danach ist bereits strafbar, wer auf ein Kind durch Schriften einwirkt mit der Absicht, es zu sexuellen Handlungen zu motivieren. Erfasst werden insofern auch Datenspeicher (§ 11 Abs. 3 StGB), also insbesondere die Kommunikation über Internet. 491 Gleichfalls wurde die Verabredung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in § 176 Abs. 5 Alt. 2 StGB unter Strafe gestellt, die als Vergehen nicht von § 30 Abs. 2 StGB erfasst wird. 492 In beiden Fällen folgt die Strafbarkeit im Vorbereitungsstadium aus der Hinzuziehung der Interna, nämlich der Intention des Täters sowie mit Blick auf zukünftige Rechtsgutsverletzungen. 5. Vorverlagerungen zur Bekämpfung des Terrorismus Das Staatsgefährdungsdelikt der Anleitung zu Straftaten nach § 130a StGB wurde 1976 durch das „Vierzehnte Strafrechtsänderungsgesetz“ 493 (neben der Befürwortung von Straftaten und der Anleitung, § 88a StGB) eingeführt. 494 Danach wurde wegen vollendeter Anleitung (als bloße Vorbereitungshandlung zur späteren Tat) bestraft, auch wenn die eigentliche Straftat (zu der angeleitet wurde) noch nicht begangen wurde. Damit sollte politisch motivierte Gewaltkriminalität unterbunden werden. 495 Nach zwischenzeitiger Aufhebung wurde § 130a StGB (Anleitung zu schweren Straftaten) durch das „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“ von 1986 496 in einer erweiterten Fassung wieder aufgenommen, wonach nunmehr in § 130a Abs. 2 Nr. 1 bereits die Eignung als Anleitung genügt. Die tatsächliche Wirkung der Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) auf andere ist damit für die Strafbarkeit ohne Belang (abstraktes Gefährdungsdelikt). Die Schrift muss nach Abs. 2 entgegen Abs. 1 nicht ihrem Inhalt nach zur Anleitung bestimmt sein, sondern es genügt die Absicht, die Bereitschaft anderer zur Begehung bestimmter Taten zu fördern oder zu wecken. 497 Dies wird wiederum ermittelt, indem auf den Kontext der Schrift und vor allem das geistige Umfeld des Verfassers der Schrift 490

BGBl. I, S. 3007. Kritisch Hörnle, T.: GA 2006, 80ff., 82 f.: Die Übergabe eines Comic-Heftes, um sich mit einem Kind anzufreunden und es später zu missbrauchen wäre danach strafbar, die Übergabe einer Tafel Schokolade zu diesem Zweck nicht. Ebenfalls kritisch zur Vorverlagerung des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB Amelung, D. / Funcke-Auffermann, N.: StraFo 2004, 265 ff., 267. 492 Vgl. Amelung, D. / Funcke-Auffermann, N.: StraFo 2004, 114 ff., 122; dies.: StraFo 2004, 265 ff., 267. 493 Vom 22. 4. 1976 (BGBl. I, S. 1056). 494 Klughardt, W.: Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus 1984, S. 104 ff. 495 Tröndle, H. / Fischer, T.: StGB 2004, § 130a Rn. 1. 496 TerrorBG vom 19. 12. 1986 (BGBl. I, S. 2566). 497 Kritisch Dencker, F.: StV 1987, 117 ff., 121. 491

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abgestellt wird. Durch Berücksichtigung vermeintlicher Absichten des Verfassers wird die Strafbarkeit durch subjektive Verdachtsmomente begründet. Geht man überdies im Grundsatz davon aus, dass die Anleitung mit der Anstiftung nach § 26 StGB zu vergleichen ist, wäre der Täter eines § 130a StGB benachteiligt, da die Strafbarkeit nach § 26 StGB voraussetzt, dass die Haupttat zumindest ins Versuchsstadium (§ 22 StGB) gelangt ist. Dieses Erfordernis entfällt bei § 130a StGB. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 130a StGB sich auf den Straftatenkatalog nach § 126 StGB bezieht (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten), der wiederum nur Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB als Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit bestimmt. Damit ist die Norm mit § 30 Abs. 1 StGB vergleichbar, der jedoch nach Jakobs ausdrücklich 498 eine feindstrafrechtliche Vorverlagerung darstellt. Gleiches muss dann aber erst recht für § 130a StGB gelten, der bereits die bloße Eignung zur Anleitung genügen lässt. Des Weiteren sind §§ 129a und b StGB, obgleich Jakobs jene bereits als materielle Vorverlagerungen benannt hat, aufgrund ihrer offensichtlich herausragenden Bedeutung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zur Sprache zu bringen. Die Bildung terroristischer Vereinigungen im Inland nach § 129a StGB 499 bedroht unter anderem die bloße Gründung oder Mitgliedschaft in der Vereinigung mit Strafe. Eigentlicher Strafgrund dieser Vorfeldkriminalisierung 500 ist dabei der Zweck, auf den die Vereinigung abzielt (vgl. zunächst die in § 129a Abs. 1 StGB genannten Katalogtaten). Die Zweckausrichtung wurde durch das „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze“ 501 durch Einführung von Abs. 2 und 3 noch erweitert. Nach Abs. 3 begründet nunmehr das bloße Androhen einer Straftat im Sinne des Abs. 1 oder 2 die Strafbarkeit. Durch die Ausrichtung der Sanktionsnorm an dem Vereinigungszweck wird jedenfalls vornehmlich auf ein bloßes Internum abgestellt; der Täter wird aufgrund zukünftiger Taten als Feind der Rechtsordnung bestraft. Für die materiell-rechtliche Vorverlagerung in § 129b StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen im Ausland), die durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz 502 2002 eingefügt wurde, gilt dasselbe. 503

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Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 45 f.; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 93 f. Eingeführt durch „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes“ vom 18. 8. 1976 (BGBl. I, S. 2181). 500 Vgl. zur Charakterisierung des § 129a StGB als Vorfelddelikt – unter dem Hinweis, dass über § 30 StGB sogar eine „doppelte“ Vorverlagerung möglich ist – auch Weißer, B.: JZ 2008, 388 ff., 390 f. 501 TerrorismusBekG vom 22. 12. 2003 (BGBl. I, S. 2836). 502 Vom 22. 8. 2002 (BGBl. I, S. 3390). 503 Vgl. auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 83; Stock, J.: Schwind-FS 2006, S. 741 ff., 746. 499

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

II. Fehlende Proportionalität von Strafe und Tatschuld Als weiteres feindstrafrechtrechtliches Kennzeichen benennt Jakobs die mangelnde Strafbarkeitsreduktion in Proportionalität zur Vorverlagerung von strafbaren Verhaltensweisen. 504 Beispielhaft wird von Jakobs die Strafbarkeit des Rädelsführers beziehungsweise Hintermanns einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB mit der Strafbarkeit wegen versuchten Mordes verglichen 505: Der Rädelsführer oder Hintermann wird nach § 129a Abs. 4 StGB in den Fällen der Absätze 1 und 2 (wenn z. B. die terroristische Vereinigung mit dem Ziele eines Mordes gegründet wird, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) mit nicht unter drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert. Der Täter, der einen Mord nach § 211 StGB versucht hat, wird – zumindest wenn von der fakultativen Versuchsmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht wird, was meistens der Fall sein dürfte – gleichfalls mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren belegt (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dabei befindet sich der Täter eines versuchten Mordes im Zuge seines unmittelbaren Ansetzens zur Tat gemäß § 22 StGB in einem Stadium, das wesentlich näher am eigentlichen Verletzungserfolg (der Tötung) liegt, als der Rädelsführer (oder Hintermann) bei § 129a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 StGB. Ähnlich verhalte es sich mit der Strafandrohung des § 30 StGB 506, die sich an der Strafbarkeit des Verbrechensversuchs orientiere – wenn auch mit obligatorischer Strafmilderung (§§ 30 Abs. 1 S. 2, 49 Abs. 1 StGB). Nachfolgend werden ähnliche feindstrafrechtliche Strafschärfungen, die entweder unverhältnismäßig im Verhältnis zur Tatschuld erscheinen und die aufgrund ihres Präventionscharakters überhaupt nicht an der Tatschuld orientiert sind, aufgeführt. Außerdem sollen noch einige andere gesetzgeberische Absurditäten Erwähnung finden, die sich kaum mit der bisherigen Ausgestaltung der Strafzumessung vertragen. 1.

Unverhältnismäßige Strafschärfungen im Wirtschaftsstrafrecht

So erscheint der Mindeststrafrahmen des § 152b Abs. 2 StGB, der durch das „Fünfunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union“ vom 28. 5. 2001 507 zur Bekämpfung 504 Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51. 505 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 46; ders. HRRS 3/2004, 88 ff., 93. Vgl. auch oben Kapitel 1 C.II.2. 506 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 95. 507 BGBl. I, S. 2838.

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln eingefügt wurde, relativ hoch. Vorgesehen ist für die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung einer Fälschung nach § 152b StGB eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren (bereits das Grunddelikt nach Abs. 1 ist als Verbrechen gemäß § 12 Abs. 1 StGB ausgestaltet), wobei über den Verweis in § 152b Abs. 5 StGB auf § 152a StGB auch Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedroht sind. Dagegen ist der vollendete Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB), ebenso wie der vollendete Betrug (§ 263 StGB). Der Betrug als Mitglied einer Bande nach § 263 Abs. 5 StGB ist zwar als Qualifikation aufgrund der Strafandrohung ein Verbrechen nach § 12 Abs. 1 StGB, aber auch hier ist lediglich den Mindeststrafrahmen von einem Jahr, nicht aber von zwei Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen (ebenso verhält es sich beim schweren Bandendiebstahl nach § 244a StGB). Ferner kann eine Strafvorschrift in Bezug auf die Ausgestaltung des Strafrahmens unverhältnismäßig erscheinen, wenn die erlassene Vorschrift selbst eine Vorverlagerung enthält, jedoch – trotz des frühen Vollendungszeitpunktes – nicht die Möglichkeit der tätigen Reue eingeführt wird. 508 Dies war der Fall, als im Zuge des „Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ 509 die Strafnormen des UWG um progressive Kundenwerbung (§ 6c UWG) und Wirtschaftsspionage (§ 17 UWG) erweitert wurden, ohne dass eine Vorschrift der tätigen Reue eingefügt wurde. 510 Kurios ist auch der im Zuge des „Ersten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. 7. 1976 511 erlassene § 264 Abs. 3 StGB. Entgegen des sonstigen Charakters des strafrechtlichen Vermögensschutzes kann danach auch die leichtfertige Begehung bestraft werden (fahrlässiges abstraktes Gefährdungsdelikt). 512 Die Regelung existiert heute noch in Form des § 264 Abs. 4 StGB, der eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe für ein leichtfertig begangenes Vermögensdelikt vorsieht 513 und ist vergleichbar mit § 261 Abs. 5 StGB, wonach derjenige, der leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer in Absatz 1 oder 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird.

508 Bei Delikten mit frühem Vollendungszeitpunkt ist eine Vorschrift der tätigen Reue regelmäßig eingefügt, vgl. etwa §§ 129 Abs. 6, 142 Abs. 4, 158, 261 Abs. 9, 306e, 330b StGB. 509 WiKG 2 vom 15. 5. 1986 (BGBl. I, S. 721). 510 Achenbach, H.: NJW 1986, 1835 ff., 1835 f., 1840. 511 BGBl. I, S. 2034. 512 Hirsch, H. J.: H. Kaufmann-GS, S. 133 ff., 151. 513 Kritisch etwa auch Albrecht, P.-A.: KritV 1993, 163 ff., 168; Hirsch, H. J.: H. Kaufmann-GS, S. 133 ff., 151 (jeweils entsprechend zu § 264 Abs. 3 StGB a.F.).

102

Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

2. Feindstrafrechtliche Strafschärfungen in Form der Vermögensstrafe und des erweiterten Verfalls Mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 514 wurden die Vermögensstrafe nach § 43a StGB 515 und der erweiterte Verfall nach § 73d StGB zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität eingeführt: Mittel, die für Aufbau, Erhaltung oder Intensivierung einer auf kriminellen Erwerb gerichteten Organisation bestimmt sind, sollten entzogen werden. 516 Dabei war vorgesehen, die Vermögensstrafe oder den erweiterter Verfall als Sanktion zusätzlich zur ohnehin verhängten Strafe anzuordnen, wobei beide Maßnahmen unabhängig von einem Tatnachweis (bezogen darauf, ob das einzuziehende Vermögen aus einer Straftat stammt) ausgestaltet waren. 517 Die Verhängung einer solchen Sanktion ohne konkreten Tatnachweis und zur Verhinderung zukünftiger Straftaten, stellt sich als präventive Gefahrenabwehr dar. Es fehlt an einer Orientierung des Strafausspruchs an der Tatschuld (einer begangenen Tat!) 518, so dass Vermögensstrafe und erweiterter Verfall feindstrafrechtlich geprägt sind. 519 Durch das „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ von 1994 520 wurde im Rahmen des „Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität“ 521 der Anwendungsbereich der Einziehung und des erweiterten Verfalls gemäß § 73d StGB ausgeweitet, insbesondere in Bezug auf Straftaten nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Waffengesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG 522). Ferner wurden §§ 43a, 73d StGB 514

BGBl. I, 1302. Die Vermögensstrafe nach § 43a StGB ist zwischenzeitlich vom Bundesverfassungsgericht wegen Unvereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 GG für nichtig erklärt worden, vgl. BVerfG StV 2002, 247 ff. (zugleich BGH NJW 2002, 1779 ff.). 516 Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 15 f. Vgl. auch Park, T.: Vermögensstrafe 1997, S. 29 f. unter Berufung auf BT-Drucks.12/989, S. 1. 517 Weßlau, E.: KritV 1997, 238 ff., 239. Zur Vermögensstrafe vgl. auch Park, T.: Vermögensstrafe 1997, S. 19, 157. 518 Des Weiteren ist die Vermögensstrafe auch nicht mit dem Schuldprinzip vereinbar, da sich die Höhe Vermögensstrafe nach der der Höhe des tätereigenen Vermögens und nicht nach dem Unrechtsgehalt der Tat richtet (Park, T.: Vermögensstrafe 1997, S. 45). 519 Zu den feindstrafrechtlichen Elementen der Vermögensstrafe vgl. auch Park, T.: Vermögensstrafe 1997, S. 157 f. 520 Vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186). 521 Vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 1, 18. 522 Zur Neufassung des am 08. 04. 2006 in Kraft getretenen § 34 Außenwirtsschaftsgesetz durch das „12. Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung“ vgl. etwa Schulz, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff. 515

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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in § 256 StGB für die bandenmäßige begangene räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) eingeführt. 523 Gleichfalls war § 43a StGB nach § 30c BtMG auf die Fälle der §§ 29a, 30, 30a, 30b BtMG anwendbar. Auch bei einer Strafbarkeit wegen Geldwäsche wurde gemäß § 261 Abs. 7 StGB in bestimmten Fällen (Bandenund gewerbsmäßige Aktivität) die Möglichkeit eingeräumt, von §§ 43a, 73d StGB Gebrauch zu machen. 3.

Sonstige zur Tatschuld unproportionale Strafschärfungen

Das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten“ vom 6. 9. 1989 524 führte zu einer Erweiterung der §§ 239a und b StGB, indem die herkömmliche Dreiecksstruktur als Strafbarkeitsvoraussetzung aufgegeben und der Anwendungsbereich zur sachgemäßen Bekämpfung „typischer Erscheinungsformen terroristischer Gewaltkriminalität“ 525 auch auf das Zwei-Personen-Verhältnis ausgedehnt wurde. 526 Diese Ausweitung führte freilich dazu, dass der Strafrahmen in einigen Fällen des sich Bemächtigens im ZweiPersonen-Verhältnis mit einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren unnatürlich hoch wurde. Schließlich war die dem neuen Wortlaut nach erfasste Situation in §§ 239a und b StGB oftmals bereits in anderen Vorschriften mit (wesentlich geringerer Mindest-)Strafe bedroht, wie etwa in § 177 StGB (sexuelle Nötigung – nicht unter einem Jahr), §§ 253, 255 StGB (räuberische Erpressung – nicht unter einem Jahr, vgl. § 249 StGB) oder § 240 StGB bei entsprechender Gewaltanwendung (Nötigung – bis zu drei Jahren). Insofern hat es sich hierbei nicht bloß um eine in Bezug auf den Strafrahmen zur Tatschuld partiell unproportionale, sondern vor allem um eine unüberlegte Strafbarkeitsausweitung gehandelt. 527 Ferner wird der Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt, nach § 30a Abs. 1 BtMG mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren bestraft. Diese hohe Freiheitsstrafe erscheint gerade im Fall des Anbaus als qualitative Vorfeldkriminalisierung selbst unter 523

Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 557. BGBl. I, S. 1059. 525 BT-Drucks. 11/4359, S. 13. 526 Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 22 f.; Fischer, T.: StGB 2008, § 239a Rn. 6. 527 Die nötige Korrektur dieses gesetzgeberischen Fauxpas wurde bekanntlich durch die Rechtsprechung geführt. Zur gerichtlichen Auslegungsentwicklung der §§ 239a und b StGB im Zwei-Personen-Verhältnis vgl. beispielsweise Zöller, M. A.: JA 2000, 476 ff., 479 ff. Zum nunmehrigen Erfordernis einer stabilen Bemächtigungslage siehe BGHSt 40, 350 ff., 355, 359; BGH NStZ 1999, 509 f., 509; 2006, 448 f.; BGH NStZ-RR 2004, 333 ff., 334 und jüngst BGH NStZ 2007, 32 f. 524

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Berücksichtigung einer Bandenaktivität als eher unproportional zur Tatschuld. Überhaupt sind die Mindest- und Höchststrafen bei den Betäubungsmittelstraftaten nach §§ 29 ff. BtMG dafür, dass das strafbare Verhalten vielfach in das sonst straflose Vorbereitungsstadium ausgedehnt wird, vergleichsweise hoch. 528 Insofern bestehen Ähnlichkeiten zu Ausführungen Jakobs zu den Klimaschutzdelikten der §§ 130, 140 StGB. Richtet sich die Strafbarkeit eigentlich gegen zukünftiges Verhalten – im Falle der Klimaschutzdelikte zum Beispiel das Aufstacheln zu weitergehenden Straftaten – schlägt Jakobs eine Angleichung an den Strafrahmen des § 323c StGB vor. 529 Auch die Strafschärfungen im Rahmen der Sexualdelikte haben partiell zu unproportionalen Strafrahmen geführt. 530 Die §§ 176 –179 StGB sehen nunmehr eine Freiheitsstrafe zwingend vor – ein Geldstrafe kommt nicht in Betracht, selbst wenn es sich um einen bagatellartigen Fall ohne Körperkontakt handelt, zum Beispiel einem Kind ein pornographisches Bild gezeigt wird (§ 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB). 531 Gleichfalls benachteiligen die Fälle, in denen typische Beihilfehandlungen zu täterschaftlichen Delikten aufgewertet werden, den Täter im Rahmen der Strafzumessung evident und sind wenig schuldorientiert. Seit dem Strafrechtsänderungsgesetz vom 11. 2. 2005 532 bildet etwa § 233a StGB einen verselbständigten Beihilfetatbestand (einem Menschenhandel nach §§ 232, 233 StGB Vorschub leisten durch Anwerben, Befördern, Beherbergen etc.), bei dem auch der Versuch strafbar ist. 533 Der bloße Versuch einer Beihilfe ist vom Grundsatz her (§ 27 StGB) jedoch nicht unter Strafe gestellt. Auch die die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 5 StGB ist als zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe ausgeformt. 534 Die Tat ist im Falle der Unterstützung einer Vereinigung zu den in Abs. 1 und 2 bezeichneten Zwecken mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn (!) Jahren bedroht. Damit findet hier keine Milderung der Höchststrafe im Vergleich zu § 129a Abs. 1 und 2 StGB statt. Dagegen wäre bei einer Beihilfehandlung nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf maximal drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes zu erkennen (obligatorische Strafmilderung).

III. Der Erlass von Bekämpfungsgesetzen Im Rahmen des Feindstrafrechts sind gefährliche Individuen als potentielle Gefahrenquellen frühzeitig zu eliminieren. Erstrebt wird präventiver Rechtsgü528 529 530 531 532 533 534

Vgl. hierzu auch Köhler, M.: ZStW 104 (1992), 3 ff., 9. Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 782. Siehe auch Hettinger, M.: Küper-FS 2007, S. 95 ff., 106 f., 110. Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 85. BGBl. I, S. 239. Michel, S.: JA 2005, 560. Kritisch Dahs, H.: NJW 1976, 2145 ff., 2148.

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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terschutz. In der Folge werden Gesetze zur Bekämpfung drohender Gefahren erlassen, so genannte „Bekämpfungsgesetze“. Von Jakobs werden als Bekämpfungsgesetze aufgezählt 535: Das „Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. 7. 1976 536, das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 15. 5. 1986 537, Art. 1 des „Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus“ vom 19. 12. 1986 538, das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 539, das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ vom 26. 1. 1998 540 wie auch das „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ vom 28. 10. 1994. 541 1. Gesetzgeberisches Bekämpfungsvokabular Das „Bekämpfungsgesetz“ 542 hat sich offensichtlich fest in der deutschen Gesetzgebung etabliert. Neben den bereits von Jakobs genannten Gesetzen sind in den letzten dreißig Jahren unter anderem noch das „Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ vom 28. 3. 1980 543, das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ vom 27. 6. 1994 544, das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13. 8. 1997 545, das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 546, das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“ vom 12. 4. 2001 547, das „Fünfunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 28. Mai 2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln“ 548, das „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ 535

Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41 f. 536 BGBl. I, S. 2034. 537 BGBl. I, S. 721. 538 BGBl. I, S. 2566. 539 BGBl. I, S. 1302. 540 BGBl. I, S. 160. 541 BGBl. I, S. 3186. 542 Kritisch zur Bezeichnung als „Bekämpfungsgesetzgebung“ Hettinger, M.: NJW 1996, 2263 ff., 2264. Vgl. zudem Kritik bei Hassemer, W.: ZIS 2006, 266 ff., 269. 543 „Achtzehntes Strafrechtsänderungsgesetz – Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ (BGBl. I, 373). 544 „Einunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz – Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (BGBl. I, S. 1440). 545 BGBl. I, S. 2038. 546 BGBl. I, S. 845. 547 BGBl. I, S. 539. 548 BGBl. I, S. 2838.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

vom 9. 1. 2002 549, das „Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit“ vom 23. 7. 2002 550, das „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze“ vom 22. 12. 2003 551 und das „Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung“ vom 23. 7. 2004 552 – an dieser Stelle wird auf Vollständigkeit verzichtet. 2.

Gesetzesgeberische Bekämpfungsbegründungen

Die Bekämpfungsgesetze weisen neben der oftmals ausdrücklichen Bezeichnung als eben solche eine weitere Besonderheit auf: Zu ihrer Legitimierung beruft sich der Gesetzgeber regelmäßig und in erhöhtem Maße auf die allgemeine Sicherheit, die aus aktuellem Anlass gefährdet sei (sog. Anlass- oder Krisengesetzgebung 553). Die Gesetzesbegründung zur Novellierung des bundesdeutschen Opiumsgesetzes (von 1929) im Jahre 1970 lautete beispielsweise: „Der Missbrauch von Rauschgiften, die im Opiumsgesetz als Betäubungsmittel bezeichnet werden, droht ein gefährliches Ausmaß zu erreichen. Dieses Phänomen lässt sich nicht mehr als eine vorübergehende Mode deuten oder abtun. Einer Seuche gleich breitet es sich mehr und mehr auch in der Bundesrepublik Deutschland aus. Immer weitere Kreise der Bevölkerung werden von dieser Welle erfaßt. In besonderem Maße droht der Jugend Gefahr, oft schon während der Pubertät.“ 554 Im Rahmen dieser „Anti-Haschisch-Kampagne“ beschrieb Scheerer schon damals den politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf 555: Politiker und Medien griffen beliebige Prognosen über die Gefahr des Drogenkonsums (z. B. jugendliches Frührentnertum 556) auf und wiederholten sie gegenseitig als Argumentation zur Begründung der gegenwärtigen Bekämpfungspolitik. Dadurch gewann das jeweilige Argument in der öffentlichen Meinung erst recht an Überzeugungskraft und rechtfertigte schließlich die Durchsetzung der politischen Maßnahmen. Mit ähnlichen Begründungsmechanismen wartetet auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des deutschen Betäubungsmittelrechts vom 9. November 1979 auf: „Der ständige Anstieg der Rauschgiftdelikte zwingt, zum 549

BGBl. I, S. 361. BGBl. I, S. 2787. 551 BGBl. I, S. 2836. 552 BGBl. I, S. 1842. 553 Vgl. Voß, M: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 31 f.; sinngemäß etwa auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 85. 554 BR-Drucks. 665/70 (neu), S. 5. 555 Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff., 225. 556 Vgl. Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff., 225. 550

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Schutze der Volksgesundheit und der sozialen Interessen der Gesellschaft als äußerste Maßnahmen auch verschärfte strafrechtliche Vorschriften gegen diese Kriminalität zu erlassen.“ 557 Vergleichbare Argumentationsstränge wurden Mitte der neunziger Jahre im Rahmen der Schärfung der Sexualdelikte 558 vorgetragen 559, nachdem die Öffentlichkeit mit einigen schweren Sexualstraftaten 560 konfrontiert wurde: „Die in letzter Zeit bekannt gewordenen schweren Straftaten, insbesondere an Kindern begangene Sexualdelikte, haben gezeigt, dass der Schutz der Bevölkerung vor Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftätern verbessert werden muss“. 561 Gleichfalls berief sich der Bundesrat im Gesetzesantrag zur nachträglichen Sicherungsverwahrung 562 auf die akut gefährdete allgemeine Sicherheit: „Furchtbare Verbrechen aus jüngster Zeit, die zum Teil von einschlägig vorbestraften Personen begangen worden sind, haben deutlich gemacht, dass der Schutz der Allgemeinheit vor schweren Straftaten der Verbesserung bedarf. Er muss wieder den hohen Rahmen einnehmen, der ihm gebührt.“ 563 Als derartige Anlassgesetzgebung ist vor allem auch die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus zu bezeichnen. Bereits in den 70er Jahren zu Zeiten der Roten Armee Fraktion (RAF) wurde auf terroristische Anschläge, insbesondere Geiselnahmen und Flugzeugentführungen, mit der Verabschiedung von „Anti-Terror-Gesetzen“ durch die Regierenden reagiert. 564 Durch das 11. und 12. Strafrechtsänderungsgesetz (StÄG) vom 16. 12. 1971 565 wurden Angriffe auf 557

BR-Drucks. 546/79, S. 35. „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704), das unter anderem die Ergänzung und Neugestaltung der Sexualstraftaten beinhaltete (Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 46). 559 Vgl. zu diesen gesetzgeberischen Vorgängen auch die demnächst erscheinende Dissertation von Stockhausen, H.-C.: Metamorphose der Strafrestaussetzung 2007; siehe ferner auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 5. 560 Der Sexualmord an der 7-jährigen Natalie A. aus Epfach 1996; Januar 1997 verschwand die 10-jährige Kim K. im niedersächsischen Varel. Auch sie wurde erst sexuell missbraucht und später getötet (vgl. hierzu auch Albrecht, H.-J.: Schwind-FS 2006, S. 191 ff., 198; Schmidt-Jortzig, E.: NStZ 1998, 441 ff., 441; Ullenbruch, T.: NStZ 1998, 326 ff., 326 m.w. N.); ferner machte der belgische Fall „Dutroux“ Schlagzeilen (vgl. hierzu aus kriminologischer Sicht Haas, H.: NZZ Nr. 202 v. 31.8. / 1. 9. 1996, S. 17). Dutroux hatte 1995/96 mehrere Mädchen im Alter zwischen acht und neunzehn Jahren entführt, sexuell missbraucht und teilweise auch getötet, nachdem er bereits 1989 zu zwölf Jahren Haft wegen Entführung und Missbrauch an fünf Kindern verurteilt worden war. 561 BR-Drucks. 163/97; zugleich BT-Drucks. 13/8586. 562 Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. 7. 2004, BGBl. 2004 I, S. 1838. 563 BR-Drucks. 177/04 (ähnlich, allerdings abgeschwächt in BT-Drucks15/899). 564 Kutscha, M.: Innere Sicherheit als Gefahr? 2002, S. 32 ff., 32. 565 BGBl. I, S. 1977, 1979. 558

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

den Luftverkehr (§ 316c StGB), erpresserischer Menschenraub (§ 239a StGB) und Geiselnahme (§ 239b StGB) in das Strafgesetzbuch aufgenommen. 566 Insbesondere nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 wurde mit umfangreichen Bekämpfungsgesetzen reagiert, etwa dem „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze“ 567 oder dem Luftsicherheitsgesetz 568, dessen (mit Urteil vom 15. 2. 2006 für verfassungswidrig erklärter 569) § 14 Abs. 3 eine unverkennbar situative Ähnlichkeit mit den Flugzeuganschlägen in New York aufwies. Danach durfte vor der eigentlichen (weiteren 570) Rechtsgutsverletzung (z. B. Zerstörung von Eigentum, Tod von Menschen durch den Aufprall) der Angriff aus der Luft abgewehrt werden, ohne dass dabei Rücksicht auf das Leben etwaiger unbeteiligter Passagiere genommen werden musste. § 14 LuftSiG diente dementsprechend der präventiven Bekämpfung von Terrorakten, wobei zu diesem Zweck auch Kollateralschäden in Kauf genommen wurden. 571 Darüber hinaus beinhaltet das Luftsicherheitsgesetz aber auch die Befugnis zur Kontrolle von Personen und Fracht (§ 5 LuftSiG) und sieht Zuverlässigkeitsüberprüfungen des Flughafenpersonals oder Bediensteter von Flugplätzen und Fluggesellschaften vor (§ 7 LuftSiG), wobei auch Flugpraktikanten, Flugschüler und Mitglieder von Flugsportvereinen der Überprüfung unterfallen. Weiterhin wurden zur Terrorismusbekämpfung durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG und § 47 Abs. 2 AuslG 572 Legitimationsgrundlagen geschaffen, unter Sympathieverdacht mit Terroristen stehende Ausländer an der Einreise zu hindern oder außer Landes zu weisen. 573

566 Eser, A.: Maihofer-FS 1988, S. 109 ff., 130 f; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 198 f. 567 TerrorismusBekG vom 22. 12. 2003 (BGBl. I, S. 2836). 568 LuftSiG vom 11. 1. 2005 (BGBl. I, S. 78) als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben. Das LuftSiG beruht auf der EU-Verordnung 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABIEG Nr. L 355 v. 30. 12. 2002). 569 BVerfG NJW 2006, 751 ff. 570 „Weiteren“ Rechtsgutsverletzung insofern, dass durch die Entführung der Maschine ohnehin bereits Güter, welche beispielsweise durch §§ 223 ff., 234, 239, 239a, 239b, 240 StGB geschützt sind, beeinträchtigt worden sein können. Zudem wird bei beabsichtigten Crashs, wie bei den Terroranschlägen des 11. Septembers, unvermeidlich auch auf das Rechtsgut Leben der Insassen eingewirkt. 571 Vgl. zum feindstrafrechtlichen und „System sprengenden“ Charakter des LuftSiG Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 848. 572 In der Fassung vom 9. 1. 2002 (Art. 11 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes, BGBl. 2002 I, S. 368, 369 f.). 573 Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 17. Zu § 8 AuslG vgl. auch Fehn, B. J.: Kriminalistik 2004, 709 ff., 709 f.

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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3. Gesetzgeberische Bekämpfungsrechtsentwicklung am Beispiel der Sicherungsverwahrung Auch die bereits erwähnte Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff. StGB ist präventive Legislativmaßnahme zur Verhinderung weiterer Straftaten durch ein gefährliches Individuum (ohne an der Tatschuld orientiert zu sein 574) und damit Bekämpfungsgesetz gegen den Feind. 575 Nachfolgend werden einige Etappen auf dem Weg zur heutigen Ausfertigung der Sicherungsverwahrung aufgezeigt. Durch das Sexualdeliktsbekämpfungsgesetz vom 26. 1. 1998 576 wurde zunächst die Voraussetzungsschwelle für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gesenkt (§ 66 Abs. 3 StGB). 577 Die Begrenzung der ersten Unterbringung auf zehn Jahre wurde aufgehoben (§ 67d Abs. 1 StGB). Zugleich wurde die Neuregelung auf nahezu alle „Altfälle“ erstreckt 578, ohne dass eine Übergangsvorschrift oder Ausnahmeregelung für Härtefälle getroffen wurde. 579 2001 wurden in einigen Ländern Straftäterunterbringungsgesetze erlassen (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen) 580, die jedoch wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden – wenngleich sie bis 30. 9. 2004 in Kraft blieben. 581 Seit 2002 ist das Gericht nicht mehr verpflichtet, bereits in der Hauptverhandlung zu entscheiden, ob der betreffende Täter gefährlich ist, sondern kann sich die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (vorbehaltene Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB 582). Zugleich wurde die Beschränkung der Maßregelverhängung nach § 66 StGB auf eine zeitige Freiheits574 Vgl. etwa Leipold, K.: NJW 2006, 135 f., 136; Stoiber, E. in: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 3 ff., 3. 575 Siehe bereits Kapitel 1 C.II.3. 576 BGBl. I, S. 160. 577 Zur vertieften Auflistung vgl. Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 866 f.; Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 321; Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 12 Rn. 35; ders.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 706, 717 ff.; Schmidt-Jortzig, E.: NStZ 1998, 441 ff., 442; Schneider, H. J.: JZ 1998, 436 ff., 444. 578 Ohne dass hierin ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG oder das Rückwirkungsverbot zu sehen sei, vgl. BVerfG NJW 2004, 739 ff.; kritisch etwa: Sánchez Lázaro, F. G.: ZIS 2008, 195 ff., 197 ff. 579 Vgl. Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 322; Kreuzer, A.: ZIS 2006, 145 ff., 146 f.; Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 706, 717 ff.; Ullenbruch, T.: NStZ 1998, 326 ff., 326 f. 580 Albrecht, H.-J.: Schwind-FS 2006, S. 191 ff., 203; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.):Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 47; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 227. 581 BVerfGE 109, 190 ff. 582 „Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherheitsverwahrung“ vom 21. 8. 2002 (BGBl. I, S. 3344).

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

strafe aufgehoben, so dass Sicherungsverwahrung auch neben einer Freiheitsstrafe zulässig ist. 583 Weitergehend wurde 2004 die nachträgliche Sicherungsverwahrung ins Strafgesetzbuch aufgenommen (§ 66b StGB), die nunmehr auch für heranwachsende Täter 584 ausgesprochen werden kann (§ 106 Abs. 3, 4 JGG 585, § 106 Abs. 5, 6 JGG 586). 587 Nach § 66b Abs. 2 StGB kann die Sicherungsverwahrung durch das Gericht auch bei einem Ersttäter nachträglich angeordnet werden, wenn zumindest eine Anlasstat des Katalogs und mindestens eine fünfjährige Freiheitsstrafe vorliegen. 588

IV. Einschränkung prozessualer Garantien Als feindstrafrechtlichen Zwang 589, der den Beschuldigten die Prozesssubjektsqualität abspricht, macht Jakobs unter anderem die Vorschriften über die Untersuchungshaft (§§ 112, 112a StPO), die Blutentnahme (§ 81a StPO) sowie die Überwachung ohne Wissen des Beschuldigten wie etwa §§ 100a, 110a und c StPO aus. Besonders die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG sei in diesem Sinne feindstrafrechtlicher Natur. 590

583

Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 707. Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist, § 1 Abs. 2 JGG. 585 Eingeführt durch „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“ vom 27. 12. 2003 (BGBl. I, S. 160). 586 Eingeführt durch „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ vom 23. 7. 2004 (BGBl. I, S. 1838). 587 Vgl. zur nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 88; Kreuzer, A.: ZIS 2006, 145 ff., 146. 588 Kritisch Kreuzer, A.: ZIS 2006, 145 ff., 146, 149 f. 589 Zur Untauglichkeit des physischen Zwangs als alleiniges Differenzierungskriterium für feindstrafrechtliches Prozessrecht vgl. unten Kapitel 2 B.V.3.a). Insofern beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen zum tendenziell Feindstrafprozessrecht vorgreifend auf Merkmale, die besser geeignet zur Deskription der prozessualen Ebene des Feindstrafrechts scheinen wie etwa präventive Verbrechensverhütung, vorgelagerte Ermittlungstätigkeit (auch in den Internbereich) und die fehlende Beteiligung des Betroffenen als Person am Prozess. 590 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 846. 584

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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1. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität Insbesondere die Reformen von strafprozessualen Vorschriften mit Bezug zur Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität überschneiden sich oftmals, so dass sich eine klare Grenzziehung bisweilen schwer gestaltet (vgl. auch die Zusammenlegung im Rahmen des „Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ 591). Dies mag vor allem daran liegen, dass Rauschgifthandel und -schmuggel einen Großteil der Organisierten Kriminalität ausmachen (in den Jahren 2002 –2004 zwischen 32 und 37 Prozent 592). Daher werden die durch Reformen ergangenen Verkürzungen strafprozessualer Garantien im Bereich von Betäubungsmittel- und Organisierter Kriminalität zusammen dargestellt. 593 Mit Änderung durch das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 594 fanden Vorfeldmaßnahmen Einzug in das repressive Strafrecht, die von Jakobs zwar teilweise bereits als feindstrafrechtlich benannt wurden, hier jedoch aufgrund der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit der Maßnahmenerweiterung nochmals erwähnt werden sollen. Geregelt wurden der Einsatz verdeckter Ermittler nach §§ 110a ff. StPO, die Schleppnetzfahndung nach § 163d Abs. 2 S. 1 StPO oder auch der Einsatz technischer Mittel gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 2, 100d Abs. 1 S. 1 StPO. 595 Auch Maßnahmen nach § 98a, b und c StPO (Rasterfahndung 596, Datenabgleich), die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a und b StPO sowie das Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes innerhalb und außerhalb von Wohnungen nach §§ 100c ff. StPO wurden eingeführt oder erweitert. 597 Die Rasterfahndung nach § 98a StPO wurde dabei nicht an den Verdacht der Verwirklichung eines bestimmten Straftatbestan591

Vom 15. 7. 1992 (BGBl. I, S. 1302). Vgl. Lagebericht des BKA zur Organisierten Kriminalität 2004, abrufbar unter: http://www.bka.de/lageberichte/ok/2004kf/lagebild_ok_2004_kurzlage.pdf. 593 Partiell lassen sich zudem Überschneidungen zur Terrorismusbekämpfung nicht vermeiden. 594 BGBl. I, S. 1302. 595 Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr 2002, S. 49 ff., 54; vgl. auch Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 46 f., 53, 85 ff. 596 Rasterfahndung meint im Strafprozessrecht den Abgleich personenbezogener Daten nach bestimmten Prüfungsmerkmalen unter Einsatz der Datenverarbeitung zum Zweck der Strafverfolgung, um Nichtverdächtige auszuschließen oder Personen festzustellen, die ermittlungsbedeutende Prüfungsmerkmale erfüllen (§ 98a ff. StPO). Rasterfahndung im Polizeirecht – geregelt durch landesrechtliche Vorschriften – ist zulässig, um (zukünftige) Straftaten von erheblicher Bedeutung zu verhindern (Creifelds, C. / Weber, K. (Hrsg.): Creifelds 2004, S. 1048 „Rasterfahndung“). 597 Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 501 f. 592

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

des gebunden, sondern es wurden allgemeine Deliktsbereiche (verkatalogisierte Generalklauseln) als Anknüpfungspunkte benannt. 598 Im Rahmen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes 599 (im Zusammenhang mit dem G 10) soll die Rasterfahndung insbesondere zur Verhinderung terroristischer Anschläge beitragen. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 600 wurden weitere strafprozessuale Einführungen, Anpassungen, Neuregelungen im Bereich der § 100a bis § 111p StPO vorgenommen. Die hier aufgezählten strafprozessualen Ermittlungsmöglichkeiten dürften sich allesamt als feindstrafrechtlicher Zwang gemäß den Ausführungen Jakobs darstellen, da die Ermittlungen den Privatbereich des Betroffenen tangieren, teilweise ohne konkreten Verdacht zulässig sind und auch mit Zukunftsbezug angewendet werden dürfen, wie etwa bei der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation nach § 100a S. 1 StPO, wonach die Anordnung auch ergehen darf, wenn der Betroffene eine der benannten Straftaten der Nr. 1 bis 5 zu begehen versucht (sofern der Versuch strafbewährt ist). § 110a Abs. 1 S. 2 StPO sieht den Einsatz verdeckter Ermittlung zur Aufklärung einer Straftat bei Wiederholungsgefahr vor, ist also ebenfalls (zumindest auch) präventiv ausgestaltet. Damit wird die bürgerstrafrechtliche Unschuldsvermutung verletzt; es handelt sich um präventive Vorfeldtätigkeit der Ermittlungsbehörden und somit um Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. 2. „Feindstrafrechtlicher Zwang“ im Rahmen der Sexualdelinquenz Im Zuge der Reformen der Bekämpfung der Sexualdelinquenz wurden nicht nur strafprozessuale Rechte der Beschuldigten eingeschränkt, sondern die Subjektsqualität der Betroffenen wurde darüber hinaus auch auf strafvollzuglicher Ebene gemindert. Das heißt, dass über den gesetzlichen Abbau von Rechten im Ermittlungs- und Hauptverfahren hinaus auch der verurteilte Sexualstraftäter durch Gesetz an Subjektsqualität verloren hat. Dies lässt sich einmal anhand der bereits aufgezeigten Rechtssetzungstendenz bei der Sicherungsverwahrung 601 nachvollziehen. Denn obgleich die Sicherungsverwahrung nicht ausschließlich gegen Sexualstraftäter verhängt wird, lässt sich ein Zusammenhang gerade zwischen der Sexualdelinquenz und der Entwicklung der Sicherungsverwahrung kaum leugnen. 602 598

Vgl. Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997,

S. 68. 599

Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. 10. 1994, BGBl I, S. 3186. BGBl. I, S. 845. 601 Vgl. oben Kapitel 2 B.III.3. 602 Die Maßregel der Sicherungsverwahrung wird bei Sexual- und Gewaltdelikten bei weniger Vortaten und häufiger angeordnet als dies im Rahmen anderer Delikte der Fall ist, vgl. Dessecker, A.: NStZ 1998, 1 ff., 6; Kinzig, J.: ZRP 1997, 99 ff., 100 f., 104. 600

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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Zum anderen sind Rechte des Verurteilten weggefallen, wie etwa bestimmte Zustimmungserfordernisse. Durch das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ (SexualdelBekämpfG) 603 wurde zum Beispiel im Rahmen der §§ 56c, 57 Abs. 3 S. 1, 59a Abs. 2 S. 3, 68b Abs. 2 S. 2, 70a Abs. 3 S. 1 StGB die Anordnung einer Heilbehandlung (insbesondere auch psychotherapeutische Behandlung) ohne Zustimmung des Verurteilten ermöglicht. 604 Ebenso wenig bedarf es einer Zustimmung des wegen einer Sexualstraftat Verurteilten zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt, wenn eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren ausgesprochen wurde, § 9 Abs. 1 StVollzG (Sollvorschrift bis 31. 12. 2002; ab 1. 1. 2003 obligatorisch). 605 Ferner wurde der Straftatenkatalog des § 181b StGB erweitert (Führungsaufsicht) und die unbefristete Führungsaufsicht bei Therapieverweigerung zugelassen. Überdies wurde die Privilegierung bei Bagatellverurteilungen (§ 32 BZRG) abgeschafft und die Verlängerung der Registerfristen bei Sexualstraftätern (§§ 34, 41, 46 BZRG) beschlossen. 606 Mit dem „Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes“ vom 30. 4. 1998 607 wurden die §§ 58a, 161a, 168e StPO und damit die Möglichkeit der Videovernehmung bei besonders schutzwürdigen Zeugen eingeführt. § 255a StPO ermöglichte zugleich die Verwendung einer früheren richterlichen Videovernehmung anstelle der Zeugenaussage selbst. Die gesetzgeberische Begründung führte vornehmlich den Schutz von Kindern als Opfer oder Zeugen von Sexualdelikten im Verfahren an, auch wenn die Videovernehmungsvorschrift nunmehr allgemein ausgestaltet wurde. 608 Die Umgehung von Unmittelbarkeitsgrundsatz und Mündlichkeitsprinzip ging dabei zulasten des Beschuldigten. Durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes“ vom 26. 8. 1998 609 wurde zudem eine Offenbarungspflicht für therapeutisch tätige Berufsgruppen unter bestimmten Voraussetzungen institutionalisiert. 610 Dem Sexualstraftäter wurden insofern etliche bislang gewährte strafprozessuale wie auch nachprozessuale Rechte abgesprochen. 603

Vom 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160). Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 325; Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 12 Rn. 32; Schöch, H.: NJW 1998, 1257 ff., 1259. 605 Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 12 Rn. 34; Schmidt-Jortzig, E.: NStZ 1998, 441 ff., 442; Schöch, H.: NJW 1998, 1257 ff., 1260 f. 606 Hammerschlag, H. / Schwarz, O.: NStZ 1998, 321 ff., 325; Laubenthal, K.: Sexualstraftaten 2000, S. 12 Rn. 33, 36; Schneider, H. J.: JZ 1998, 436 ff., 444 f.; vgl. auch Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 867 f. 607 BGBl. I, S. 820. 608 Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 868. 609 BGBl. I, S. 2461. 610 Albrecht, H.-J.: ZStW 111 (1999), 863 ff., 869; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 47; Rosenau, H.: StV 1999, 388 ff., 397. 604

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

3. Prozessuale Einschränkungen mit Bezug zur Terrorismusbekämpfung 1974 wurde durch das „Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts“ 611 („Lex Baader-Meinhof“) zum Zwecke der Verhinderung einer möglichen Konspiration zwischen Verteidiger und beschuldigtem Terrorist die Möglichkeit der Mehrfachverteidigung abgeschafft (§ 146 StPO a.F.: „Die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger ist unzulässig.“ 612) sowie die Anzahl der Verteidiger pro Angeklagten auf drei begrenzt (§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO). 613 In § 138d Abs. 2 StPO wurde der Verteidigerausschluss wegen des Verdachts des Verkehrsmissbrauchs zur Begehung von Straftaten und zur Gefährdung der Anstaltssicherheit geregelt. 614 Aus Anlass von Hungerstreiks der RAF-Häftlinge wurden §§ 231a und b sowie § 265 StPO eingeführt (Schuldhaftes Sich-Versetzen in einen die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand und dadurch wissentliche Verhinderung der ordnungsmäßigen Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung; Verhandlung in Abwesenheit), um Prozessverschleppungen durch vorsätzlich herbeigeführte Verhandlungsunfähigkeit gesetzlich zu unterbinden. Darüber hinaus wurden die Antrags- und Erklärungsrechte der Verteidigung beschränkt (§ 257 StPO) 615 und die Möglichkeit der Verkündung des Beschlusses über den Ausschluss der Öffentlichkeit in nicht öffentlicher Sitzung (§ 174 GVG) eingeräumt. 616 Mit dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes“ vom 18. 8. 1976 617 wurde der Verteidigerausschluss auf andere Verfahren erweitert (138a Abs. 4, 5, 138c Abs. 5 StPO) und nach §§ 148, 148a StPO durfte der schriftliche Verkehr mit dem Verteidiger in Verfahren nach § 129a Näheres zu den Offenbarungsbefugnissen und -pflichten gemäß § 182 Abs. 2 StVollzG bei Hildebrandt, J.: Schweigepflicht im Behandlungsvollzug 2004. 611 Vom 20. 12. 1974 (BGBl. I, S. 3393). 612 Vgl. Laufhütte in Karlsruher Kommentar – StPO 2003, § 146 Rn. 1. Im Rahmen des Strafverfahrensänderungsgesetzes vom 30. 1. 1987 (BGBl. I, S. 475) wurde § 146 StPO dahingehend geändert, dass die Fälle verbotener gemeinschaftlicher Verteidigung auf die gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter wegen derselben Tat (im Sinne des § 264 StPO) oder wegen verschiedener Taten in einem Verfahren reduziert wurden. Insbesondere ist das Verbot der sukzessiven Verteidigung damit weggefallen (Laufhütte in Karlsruher Kommentar – StPO 2003, § 146 Rn. 1; Meyer-Goßner, L.: NJW 1987, 1161 ff., 1163). 613 Vgl. Hassemer, W.: KritV 1988, 336 ff., 340; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 198 m.w. N. 614 Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220. 615 Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 198. 616 Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220. 617 BGBl. I, S. 2181.

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StGB überwacht werden. 618 Ferner wurden die Durchsuchungs- und Identitätsfeststellungsbefugnisse (§§ 103 Abs. 1 S. 1, 163b, c StPO) sowie die Haftgründe für die Untersuchungshaft in § 112 Abs. 3 StPO erweitert. 619 Danach konnte die Untersuchungshaft in Bezug auf terroristische Straftaten ohne Vorliegen eines herkömmlichen Haftgrundes (§ 112 Abs. 2 StPO) angeordnet werden. 620 Durch das „Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus“ vom 27. 1. 1977 (Straßburg) wurden die Möglichkeiten der europäischen Länder eingeschränkt, die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen mit dem Hinweis auf politisch motivierte Täter zu verweigern. Weiterhin trat 1977 als Reaktion auf die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die RAF das „Kontaktsperregesetz“ 621 in Kraft. Danach durfte bei ernsthaften Gefahrenlagen, die von einer terroristischen Vereinigung ausgehen, jedwede Verbindung von Gefangenen untereinander wie auch mit der Außenwelt einschließlich des schriftlichen und mündlichen Verkehrs unterbrochen werden (§ 31 ff. EGGVG). 622 Die Kontaktsperre ist nach Jakobs eine der „krassesten“ feindstrafprozessualen Regelungen de lege lata. 623 Das „Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung“ vom 14. 4. 1978 624 sah überdies eine Erweiterung der Durchsuchungsbefugnisse (§§ 103, 105, 108 StPO), eine Herabsetzung der Verdachtsschwelle für den Verteidigerausschluss im Verfahren wegen Straftaten nach § 129a StGB (§ 138a, c StPO), die Isolationshaft (§ 119 StPO) sowie den obligatorischen Einsatz von Trennscheiben für den mündlichen Verkehr mit dem Verteidiger vor (§ 148 Abs. 2 StPO). Zudem wurde die Zulässigkeit von Kontrollstellen und Identitätsfeststellungen gesetzlich geregelt (§§ 111, 127, 163b, c StPO). 625 1986 war durch das „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“ 626 die Errichtung von Straßensperren (§ 111 StPO) und die Wohnblockdurchsuchung (§ 103 Abs. 1 S. 2 StPO) zur Ergreifung eines Beschuldigten möglich geworden. 627 Das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung ei618

Dahs, H.: NJW 1976, 2145 ff., 2146; Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220. Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 198. 620 Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 189; Klughardt, W.: Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus 1984, S. 190. 621 Vom 30. 9. 1977 (BGBl. I, S. 1877). 622 Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1220. 623 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; Verweis auf die Kontaktsperre aber auch bei Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52. Im Übrigen vgl. oben Kapitel 1 C.II.4. 624 BGBl. I, S. 497. 625 Vogel, H.-J.: NJW 1978, 1217 ff., 1221. 626 TerrorBG vom 19. 12. 1986 (BGBl. I, S. 2566). 627 Dencker, F.: StV 1987, 117 ff., 119. 619

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

ner Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten“ vom 9. 6. 1989 628 sollte die Bekämpfung des Terrorismus von innen heraus bewerkstelligen. Zu diesem Zweck wurde eine Kronzeugenregelung eingeführt. 629 Zudem führte das Gesetz zu Einschränkungen des Versammlungsrechts in §§ 17a, 27 Abs. 2; 29 Abs. 2 Nr. 1a VersammlungsG, indem passive Bewaffnung (so genannte Schutzwaffen wie Helme, Gasmasken, Arm- und Beinschoner) und Vermummung 630 verboten wurden, obgleich derartige Ausrüstung objektiv nicht zwingend auf Gewaltbereitschaft schließen lässt. 631 Der präventive und damit in Jakobs Terminologie feindstrafrechtliche Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) wurde auf § 125 StGB (Landfriedensbruch) erweitert. 632 Das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. 1. 2002 633 regelte die Übermittlung von Daten, die Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz erhoben haben, an Polizei und Staatsanwaltschaft beziehungsweise vice versa (§ 7 Abs. 4 G 10; vgl. im Übrigen §§ 10, 24 BKAG; §§ 19 ff. BVerfSchG; § 9 Abs. 3 BNDG). 634 Gleichfalls zur Bekämpfung des Terrorismus wurden „gläserne Konten“ (welche abwertend und in kritischer Anlehnung an die Rasterfahndung auch als „Zasterfahndung“ bezeichnet werden) eingeführt. Der freie Zugriff auf sämtliche Bankdaten und Kontoinformationen durch die Konten-Evidenz-Zentrale bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 635 soll organisierte Geldwäsche und Finanzsysteme von Terror-Netzwerken aufdecken; erlaubt ist nach § 24c Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) auch eine Erstellung von Kontenprofilen (sog. Konten-Screening). 636 Die Auskunft des Verfassungsschutzes gegenüber 628

BGBl. I, S. 1059. Zunächst befristet bis Ende 1993, sodann bis zum 31. 12. 1995 und anschließend wiederum bis zum 31. 12. 1999 verlängert (kritisch Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht 1997, S. 49). 1999 wurde die Kronzeugenregelung zwar nicht verlängert; eine Regelung im Bereich terroristischer Straftaten ist jedoch nunmehr in §§ 129 Abs. 6, 129a Abs. 7 StGB enthalten. Ferner sehen § 31 BtMG und § 261 Abs. 9, 10 StGB eine sog. „kleine Kronzeugenregelung“ vor. Darüber hinaus wurde die Neukonzeption der Kronzeugenregelung bereits bei der Nichtverlängerung grds. in Betracht gezogen (vgl. BR-Drucks. 15/2771); die Bundesregierung hat 2007 einen Entwurf zur Neuauflage der Kronzeugenregelung für mittelschwere und schwere Straftaten (wohl Delikte im Bereich des § 100a StPO) beschlossen. 630 Zur Vermummung als „in der Tat“ die Wende zum „Feindstrafrecht“ oder Gefährlichkeitsstrafrecht“ repräsentierend Albrecht, P.-A.: KritV 1988, 182 ff., 202. 631 Vgl. auch Kritik bei Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 264 f.; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff., 321. 632 Zur Erweiterung vgl. Meyer-Goßner, L.: StPO 2007, § 112a Rn 7. 633 BGBl. I, S. 361. 634 Paeffgen, H.-U.: GA 2003, 646 ff., 652 f. Vgl. auch Griesbaum, R.: Nehm-FS 2006, S. 125 ff., 133; Stock, J.: Schwind-FS 2006, S. 741 ff., 747. 635 § 24c Kreditwesengesetz (KWG) in der Fassung vom 21. 6. 2002 (Art. 6 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, BGBl. 2002 I, S. 2053 f.); vgl. auch FAZ vom 4. 4. 2002, S. 11. 629

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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Banken in Bezug auf Konten und Kontenbewegungen des Bankkunden unterliegen ferner keiner richterlichen Kontrolle. 637 Ebenfalls der Justizkontrolle entzogen, ist die Einleitung der Strafverfolgung nach Ermessen des Bundesnachrichtendienstes nach Art. 1 § 1 bis § 3 Gesetz zu Art. 10 GG (G 10). Danach darf der internationale Fernmelde- und Briefverkehr ohne konkreten Anfangsverdacht auf Gefahren allgemeiner Straftaten geheim überwacht werden. 638 Durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG und § 47 Abs. 2 AuslG 639 wurden Legitimationsgrundlagen geschaffen, unter Sympathieverdacht mit Terroristen stehende Ausländer an der Einreise zu hindern oder außer Landes zu weisen. 640 Alles in allem erfolgte im Rahmen der Terrorismusbekämpfung offensichtlich eine weitreichende Einschränkung von Rechten im Vorfeld von und während der Ermittlungstätigkeit wie auch im Hauptverfahren. Potentielle Terroristen werden im Zuge der Rechtsetzungsentwicklung tendenziell weniger als Person behandelt als andere Verdächtigte, da im Rahmen der Terrorismusbekämpfung massiv einschränkende Gesetze angewendet werden können, nämlich feindstrafrechtliche Normen im Sinne Jakobs. 4. Weitere prozessuale Einschränkungen Im Rahmen des „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ 641 wurden Verteidigungsrechte verkürzt, indem der Anwendungsbereich des Selbstleseverfahrens durch Streichung der §§ 251, 256 StPO aus der bisherigen Fassung des § 249 Abs. 2 StPO erweitert wurde. Die Verteidigung wurde dadurch in ihrem Äußerungsrecht nach § 257 StPO geschwächt. 642 Zum Zwecke der strafferen Durchführung des 636 Bereits durch das „Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten“ vom 25. 10. 1993 (Geldwäschegesetz, BGBl. I, S. 1770) waren Versicherungen und Kreditinstitute verpflichtet worden, eine Verdachtsanzeige (gegen ihre eigenen Kunden) bei Verdacht auf Geldwäsche zu stellen (kritisch etwa Spies, T.: StraFo 2005, 324 ff., 324 f.), vgl. hierzu etwa auch Saliger, F. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 447 ff., 460 f. 637 § 8 Abs. 5 Bundesverfassungsschutzgesetz in der Fassung vom 9. 1. 2002 (Art. 11 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes, BGBl. 2002 I, S. 361). 638 Vgl. Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr? 2003, S. 49 ff., 55. 639 In der Fassung vom 9. 1. 2002 (Art. 11 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes, BGBl. 2002 I, S. 368, 369 f.). 640 Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 17. Ferner ist im Bundesinnenministerium eine Verschärfung des Ausländerrechts geplant, um eine verstärkte Kontrolle ausländischer Studenten zu gewährleisten. Dazu sollen künftig auch die Bürgen des Betroffenen vor der Visumserteilung überprüft werden und die Aufenthaltserlaubnis soll zwecks Intensivierung der Meldepflicht bei den Behörden auf „mindestens ein Jahr“ halbiert werden (Der SPIEGEL Nr. 43 v. 23. 10. 2006; S. 17). 641 Vom 28. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3186).

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Verfahrens 643 darf das Gericht dem Verteidiger nunmehr aufgeben, Anträge und Begründungen nur noch schriftlich vorzutragen (§ 257a StPO). 644 Der Katalog des § 112 Abs. 3 StPO a.F. (Untersuchungshaft ohne herkömmlichen Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO) wurde um die besonders schwere Brandstiftung nach § 307 StGB a.F. und die besonders schwere Körperverletzung nach § 225 StGB a.F. (in Abs. 2 war eine Fahrlässigkeitsvariante enthalten!) erweitert. 645 Außerdem wurde die Strafprozessordnung unter Berücksichtigung technischer Innovationen um etliche Vorschriften ergänzt. Das „Passgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung“ vom 19. 4. 1986 646 führte beispielsweise § 163d StPO (Schleppnetz- und Reusenfahndung) als Legitimationsgrundlage für die nunmehr technisch möglich gewordene, moderne Methode der Verbrechensbekämpfung zum Abgleich von Daten ein. 647 Mit „Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung“ vom 14. 8. 2002 648 wurden die §§ 100 ff. StPO um den Einsatz von IMSI 649-Catchern vervollständigt (§ 100i StPO). Zwar mag – auch nach dem Jakobsschen Verständnis – nicht jede Anpassung der Ermittlungsmethoden an technischen Fortschritt feindstrafrechtlicher Natur sein. Viele dieser Angleichungen sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie (auch) ohne Wissen des Betroffenen zulässig sind, also heimliche Ermittlungsmethoden (neben besagtem § 100i StPO auch §§100c, f, 110a StPO 650 – Abhörmaßnahmen und Einsatz technischer Mittel ohne Wissen des Betroffenen, Verdeckte Ermittler) bilden. Zudem stellen etliche dieser Bestimmungen Vorfeldmaßnahmen (§§ 98a, 163d StPO) dar. Heimliche Ermittlungen und Vorfeldmaßnahmen tragen jedoch unter Zugrundeund Auslegung der Begriffsbestimmung Jakobs feindstrafrechtrechtliche Züge. 651 Ferner wurde mit dem „Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse“ vom 12. 8. 2005 652 der Richtervorbehalt für molekulargenetische Untersuchun642

Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 555 f. BT-Drucks 12/6853, S. 34. 644 Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 556. 645 Dahs, H.: NJW 1995, 553 ff., 555. 646 BGBl. I, S. 537. 647 Hettinger, M.: Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht der Gegenwart 1997, S. 46 f.; vgl. zu § 163d StPO auch Kühl, K.: NJW 1987, 737 ff., 738 ff. 648 BGBl. I, S. 3018. 649 International Mobile Subscribe Identity. Mit dem IMSI-Catcher ist es möglich, die einem Mobiltelefon zugeordnete Rufnummer zu ermitteln und den Standort eines eingeschalteten Handys zu lokalisieren. 650 Eingeführt durch „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl. I, S. 1302). 651 Auch wenn Jakobs derlei Ermittlungsmaßnahmen in die Kategorie des physischen Zwangs einordnet und sie aus diesem Grund als feindstrafrechtliche Regelungen benennt (Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94). Zur Kritik am Merkmal des physischen Zwangs als alleiniges Kriterium für prozessuales Feindstrafrecht vgl. oben Kapitel 2 B.V.3.a). 643

B. Überprüfung der deskriptiven Ebene

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gen von Spuren gestrichen, indem § 81f Abs. 1 StPO nur noch auf § 81e Abs. 1 StPO verweist. Für § 81e Abs. 2 StPO gelten daher §§ 161, 163 StPO (Anordnung durch Staatsanwaltschaft oder die Beamte des Polizeidienstes). 653 Gleichfalls wurde die Zulässigkeit einer DNA-Analyse nach § 81g Abs. 1 S. 2 StPO zu Zwecken künftiger Strafverfolgung erweitert. Es genügt nunmehr, dass der Beschuldigte wiederholt Straftaten – ohne dass diese von erheblicher Bedeutung sein müssen 654 – begangen hat oder diese voraussichtlich begehen wird. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten wurde dem Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichgestellt. 655 Berücksichtigt werden wiederum präventive Gesichtspunkte der Verbrechensbekämpfung; der Strafprozess verliert seinen Charakter als bloß repressive Verbrechensverfolgung und weist damit – nach der Begriffsbestimmung von Jakobs – partiell einen feindstrafrechtlichen Charakter auf. 5.

Prozessuale Vorverlagerungen aufgrund materieller Vorfeldkriminalisierung

Mit der bereits beschriebenen Vorverlagerung im materiellen Recht 656 wird zwangsläufig auch der Zeitpunkt der einsetzenden Ermittlungstätigkeit im Strafprozess vorverlagert. 657 Insofern sind prozessuale Vorverlagerungen, die sich infolge feindstrafrechtlich ausgestalteter materieller Vorverlagerungen ergeben, ebenfalls tendenzielles Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. So verhält es sich beispielsweise bei den bereits benannten materiellen Vorverlagerungen der §§ 129a und b StGB. Indem die Strafbarkeit materiell früher einsetzt, müssen auch die Ermittlungsbehörden ihre Arbeit früher aufnehmen. Im Regelfall geht dies mit einer präventiven Abwehr im Strafprozess einher. An verschiedenen Stellen wurde bereits auf Raster-, Schleppnetzfahndung, gläserne Konten und ähnliche Maßnahmen 658 als derartige Vorfeldmaßnahmen eingegangen. Auch der zur Aufnahme der Ermittlungstätigkeit erforderliche Tatverdacht setzt in einer solchen Vorfeldsituation früher ein. Insofern garantieren die materiellen Vorverlagerungen zugleich auch den Einsatz strafprozessualer Erkenntnismittel zum frühesten Zeitpunkt. Ähnliches ergibt sich für die materiellen Vorverlagerungen nach §§ 30, 130a StGB. Hier wurde ebenso eine für das Bürgerstrafrecht nach Jakobs untypische Strafbarkeit 652

BGBl. I, S. 2360. Michel, S.: JA 2006, S. 239 f., 239. 654 Vgl. auch Jasch, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 267 ff., 270; ders. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 571 ff., 572 f. 655 Michel, S.: JA 2006, S. 239 f., 239. 656 Vgl. Kapitel 1 C.II.1. 657 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752. Siehe auch oben Kapitel 1 C.II.4. 658 Vgl. z. B. Kapitel 2 B.IV.1. 653

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

konzipiert, die bezüglich der eigentlichen Rechtsgutsverletzung noch vor dem unmittelbaren Ansetzen im Sinne des § 22 StGB verfolgbar ist. Der Beschuldigte ist damit einer verfrüht einsetzenden Maschinerie von Ermittlungstätigkeit im Strafprozess ausgesetzt. Dabei ist besonders zu beachten, dass die Ermittlungsergebnisse, die im Rahmen frühzeitig einsetzenden Verfolgungstätigkeit wie etwa der Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100a S. 1 Nr. 1c) StPO aufgrund des Verdachts einer Tat nach § 129 ff. StGB gewonnen werden, auch wenn sich der Verdacht bezüglich der §§ 129 ff. StGB nicht erhärtet, in Bezug auf die Taten, zu denen sich die Vereinigung zusammengeschlossen hat, verwertbar sind. 659 Eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft wegen §§ 129 ff. StGB ist dazu nicht erforderlich. 660 Materielle und damit einhergehende prozessuale Vorverlagerungen entstehen darüber hinaus aber auch durch die verstärkte Bezugnahme auf Generalklauseln, dehnbare Begrifflichkeiten und universelle Rechtsgüter zur Umschreibung von Strafbarkeit. 661 Das heißt, die durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter werden teilweise derart weit und offen formuliert, dass eine Verletzung des Rechtsguts sehr schnell gegeben ist. Insofern kann die Vorverlagerung der Strafbarkeit im Feindstrafrecht materiell wie auch prozessual noch verdoppelt werden, indem neben der Berücksichtigung von Interna zugleich weite Rechtsbegriffe und Schutzgüter für die Strafbarkeit umschreibenden Normen gewählt werden. Dergestalt verhält es sich etwa im Betäubungsmittelstrafrecht, welches die „Volksgesundheit“ 662 schützt. Das Rechtsgut ist bereits beim Auskundschaften von Bezugsquellen 663 gefährdet. 664 Durch die Unbestimmtheit der Schutzgüter können Verhaltensweisen als strafbar definiert werden, die vormals als bloße Vorbereitung nicht von Strafbarkeitsbestimmungen erfasst wurden. Ein vergleichbarer Behelf materieller und verfahrensrechtlicher Vorverlagerung gegenüber Feinden ist die Umschreibung eines Phänomens, das bekämpft werden soll, mit (zumeist) prägnanten, aber offenen Begrifflichkeiten, die dann ins Strafrecht importiert werden. Die Konturenlosigkeit der Termini ermöglicht eine beliebig Erweiterung der unterfallenden Personen und Eigenschaften. Als Beispiele lassen sich insbesondere der Terrorismusbegriff 665, der nahezu das gesamte Umfeld eines auch nur irgendwie 659

Vgl. zu § 100a StPO auch Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 241 m.w. N. 660 BGH NJW 1979, 990 ff.; BGH NJW 1979, 2524 f. 661 Hassemer, W.: ZRP 1992, 378 ff., 381; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 454; vgl. auch Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 19; ders.: KritV 1993, 163 ff., 164; Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff., 249; Neubacher, F.: ZStW 118 (2006), 855 ff., 861 f.; Stratenwerth, G.: ZStW 105 (1993), 679 ff., 682 ff. m.w. N. 662 Vgl. die Begründung zur Novellierung des Betäubungsmittelrechts vom 9. November 1979 in BR-Drucks. 546/79, S. 35. 663 BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 20. 664 Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 454.

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terroristisch gearteten Verhaltens erfasst 666, oder das Schlagwort der „Organisierten Kriminalität“ anführen. Auch die Begriffe der „Korruption“, der „Bande“ in § 30a BtMG 667 und der „Gewerbsmäßigkeit“ lassen grundsätzlich Spielräume offen, die eine Ausweitung ins Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung ermöglichen. Unabhängig von der genauen Art der materiellen Vorverlagerung setzt jedenfalls die Ermittlungstätigkeit früher ein.

V. Tatsächliche Kommunikation von Feindbildern als Merkmal des Feindstrafrechts Bisher konnte aufgezeigt werden, dass etliche Normen die von Jakobs als feindstrafrechtlich beschriebenen Beschaffenheitsmerkmale (materielle Vorverlagerungen, zur Vorverlagerung unproportionaler Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung und Einschränkung von Verfahrensgarantien) aufweisen. Damit ist der Deskription der Strafrechtsentwicklung seitens Jakobs – zumindest was die Existenz der Merkmale selbst betrifft – grundsätzlich beizupflichten. Dementsprechend stößt der deskriptive Inhalt des Feindstrafrechts in der Rechtswissenschaft mehrheitlich auf Zustimmung 668, wenn auch partiell die emotionale und

665 Vgl. Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980, S. 95 f.; vgl. zudem Weigend, T.: NehmFS 2006, S. 151 ff., 163. 666 Dencker, F.: StV 1987, 117 ff., 117. 667 Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff., 249. 668 Vgl. etwa Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 24 f.; Arnold, J.: HRRS 8 –9/ 2006, 303 ff., 304; Haffke, B.: ZStW 107 (1995), 761 ff., 785 ff.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Kalek, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 281 ff., 294 f.; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 301; Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 226 f.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 351; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 231; vgl. auch Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 108 f., 117, wobei Sinn allerdings den Abbau prozessualer Garantien über §§ 33 ff. EGGVG hinaus angezweifelt (Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 109); a. A. Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 48, der bereits die materiell-rechtlichen Vorverlagerungen als feindstrafrecht de lege lata ablehnt (S. 45). Ferner negiert Gössel bestehendes prozessuales Feindstrafrecht, da die von Jakobs genannten Vorschriften vor allem der Sicherung des Strafverfahrens und jedenfalls nichts ausschließlich der Gefahrenabwehr dienen. Dies könne allenfalls bei §§ 112a StPO, 33 ff. EGGVG angedacht werden, jedoch stellen hier die §§ 115 StPO, 34 EGGVG klar, dass der Täter eben nicht als rechtsloses Individuum behandelt wird (Gössel, K. H.: F.-C.: SchroederFS 2006, S. 33 ff., 47 f.). Allerdings muss Gössel an dieser Stelle entgegengehalten werden, dass bereits der Abbau – also nicht lediglich die totale Aberkennung – prozessualer Garantien bei Jakobs als feindstrafrechtlich beschrieben wird (vgl. etwa Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52), zumal auch beim Feind nicht über das Erforderliche hinausgegangen werden dürfe, so dass zumindest eine potentielle Persönlichkeit erhalten bleibe (Jakobs, G. in: Eser, A. u. a.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

schlagwortartige Bezeichnung der Entwicklung als Feindstrafrecht auf Widerstand trifft. 669 Allerdings könnte die Schlussfolgerung, dass der These vom Feindstrafrecht deskriptiv zuzustimmen ist, trotz des Vorhandenseins der von Jakobs benannten Merkmale im gegenwärtigen Strafrecht übereilt getroffen worden sein. Schließlich bilden nicht nur die aufgeführten und bereits überprüften Kennzeichen, sondern auch der Feind als Adressat den Inhalt des Feindstrafrechts. Gesetze müssten also nicht nur feindstrafrechtliche Merkmale beinhalten, sondern sich auch gegen Feinde im Sinne der Definition Jakobs richten, um der Bezeichnung als Feindstrafrecht gerecht zu werden. Es müssten folglich Feindbilder kommuniziert werden; der Norminhalt müsste gerade ein „feindliches“ Verhalten charakterisieren und bekämpfen. Damit könnte das Feindstrafrecht jedoch – obwohl die von Jakobs beschriebenen Merkmale im gegenwärtigen Strafrecht vorhanden sind – auf deskriptiver Ebene scheitern, wenn etwa die Tätergruppen (z. B. Terroristen, Mafiosi, Mitglieder der Organisierten, Wirtschafts- und Betäubungsmittelkriminalität, Sexualdelinquenten), die nach Jakobs regelmäßig dem Feindbegriff unterfallen, gar nicht von der Gesellschaft als „Feinde“ kommuniziert werden. Ist dies zumindest teilweise der Fall, könnte die Darstellung Jakobs ferner auch aus dem Grund deskriptiv untauglich sein, dass nicht ausschließlich der Feind von den feindstrafrechtlichen Merkmalen betroffen wird oder nach dem gesetzgeberischen Ziel betroffen werden soll, sondern auch der bürgerliche Täter. 1.

Überprüfung der gesellschaftlichen Kommunikation über den „Feind“ in den von Jakobs benannten Täterbereichen

Der Feind ist nach Jakobs ein Individuum, das sich vermutlich dauerhaft vom Recht abgewandt hat. Dies kann in seinem gesamten Lebensstil, aber auch nur (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51). Auch bleibt bei Gössel unberücksichtigt, dass es sich beim Feindstrafrecht um einen Idealtypus handelt [vgl. oben Kapitel 1 A.II.2)] und es daher auch Zwischenformen der feindstrafrechtlichen Ausprägungen gibt, wonach eine vollkommene Einschränkung prozessualer Garantien eben nicht erforderlich ist. Ferner lehnt auch Kindhäuser die Eignung des Feindstrafrechts ab, das Strafrecht de lege lata sachgerecht wiedergeben zu können (Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 96 ff.). Zur Kritik an der zugrunde liegenden Argumentation, soweit die materielle Rechtslage betroffen ist, vgl. bereits Fn. 214. 669 Siehe etwa Greco, L.: G 2006, 96 ff., 107 ff.; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 128; vgl. auch Cancio Meliá, M.: Jakobs-FS 2007, S. 27 ff., 30 Fn. 12, der unter Bezugnahme auf die beiden vorgenannten Autoren eine diagnostische Eignung des Begriffs „Feindstrafrecht“ zur Tatbestandsanalyse im Besonderen Teil allenfalls im Bereich der Terrorismusstraftaten für möglich erachtet, jedoch dem „Feindstrafrecht“ eine gewisse Nützlichkeit zur Umschreibung der Gesamtentwicklung zugesteht: „... es handelt sich aber [bei dem Feindstrafrecht, Anm. der Verfasserin] um ein Weitwinkelobjektiv, das zwar nicht für Nahaufnahmen, wohl aber für Panoramabilder taugt.“

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in einzelnen Lebensbereichen, etwa dem Erwerbsleben, zum Ausdruck kommen. Aufgrund der fehlenden Orientierung des Feindes am geltenden Recht können sich die Gesellschaftsmitglieder nicht auf Normbefolgung seinerseits verlassen. Der Feind bietet damit nicht die kognitive Mindestgarantie, sich wie ein Bürger zu verhalten. Durch seinen Zustand bedroht er permanent Rechtsgüter und ist somit Gefahrenquelle. 670 Dies gilt nach Jakobs insbesondere für Mitglieder krimineller und terroristischer Vereinigungen sowie für Beteiligte der Organisierten und Wirtschaftskriminalität, außerdem für Sexualstraftäter, für Delinquenten der Betäubungsmittelkriminalität, für Hochverräter und Menschenrechtsverletzer. 671 Damit sich die Prognose von Jakobs hinsichtlich eines tendenziellen Feindstrafrechts im deutschen Recht überhaupt als deskriptiv korrekt erweisen kann, müssten die benannten Tätergruppen in der Gesellschaft und – im Rahmen der Prüfung der deskriptiven Richtigkeit in der Rechtsetzung – vor allem auch vom Gesetzgeber als Feinde im Sinne der Definition Jakobs kommuniziert werden. Dies kann wohl insbesondere dann angenommen werden, wenn die Täter vom Gesetzgeber als grundsätzlich „gefährlich“, „dauerhaft“ oder „hochgradig kriminell“, „schwere Verbrecher“ und „in hohem Maße rechtsgütergefährdend“ eingestuft werden. In einer Vielzahl der von Jakobs aufgezählten Beispiele kann man kaum umhinkommen, dies zu bejahen. Insofern ist die im Zusammenspiel von Medien, Politik und Gesetzesbegründung verwendete Sprache deutlich: Bestimmte Täter sind danach besonders gefährlich und müssen daher auch mit besonderen Mitteln bekämpft werden. Die Gesetzesbegründungen der ergangenen Strafschärfungen im Rahmen der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung 672 nahm Bezug auf die „schweren Straftaten“ der jüngsten Vergangenheit 673, aufgrund derer der Schutz vor Sexualdelikten und „anderen gefährlichen Straftätern“ verbessert werden muss. 674 Auch bei der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 675 berief sich der Gesetzgeber auf „furchtbare Verbrechen“, die von „einschlägig vorbestraften Personen“ begangen worden sind und die Anlass zur Verbesserung des Schutzes vor „schweren Straftaten“ geben. 676 Die strafrechtlichen Sondermaß670 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52. Vgl. zudem oben Kapitel 1 A.I.1.c). 671 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 52; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 47; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 90. 672 „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704. 673 Vgl. dazu bereits Fn. 560. 674 BR-Drucks. 163/97; zugleich BT-Drucks. 13/8586. 675 „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ v. 23. 7. 2004, BGBl. 2004 I, S. 1838. 676 BR-Drucks. 177/04 (ähnlich, allerdings abgeschwächt in BT-Drucks15/899).

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

nahmen werden insofern vornehmlich mit der Eigenschaft des Sexualdelinquenten als gefährlicher Täter gerechtfertigt. 677 Dem entspricht auch die – insbesondere mediale – Etikettierung als „Monster, Bestien, Perverse und Abartige“, der vor allem Sexualstraftäter ausgesetzt sind. 678 Eine ähnliche, wenn nicht noch intensivere Feindkommunikation wird seit dem 11. September 2001 in Bezug auf Terroristen beziehungsweise Selbstmordattentäter geübt. 679 Die Anschläge auf das World Trade Center wie auch die nachfolgenden Anschläge in Europa gaben weltweit 680 Anlass, verschärfte Ermittlungsmaßnahmen und Sanktionen zu erlassen. Der mutmaßliche Drahtzieher Osama bin Laden wurde – insbesondere vorgelebt durch die USA – alsbald als die Personifizierung des Bösen sowie als Symbol des Terrors schlechthin verstanden 681 und es wurden global Feindzuweisungen gegenüber (vor allem islamistischen) Terroristen als besonders gefährlich und radikal von Medien 682 und Politikern vermittelt. Auch im Bereich der Betäubungs- 683 und Organisierten Kriminalität 684 wie beispielsweise der Mafia sowie gegenüber Menschenrechtsverletzern und Kriegsver677 Vgl. zum Prozess der Übertragung von Rachegelüsten der Bevölkerung auf die Justiz und zu den daraus resultierende Strafschärfungen auch Rückert, S.: DIE ZEIT v. 24. 5. 2006, im Internet abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/22/Strafe_xml?page=all. Kritik zur deskriptiven Zuordnung des Sexualstraftäters zum Feindbegriff nach Jakobs, da diese nur durch das medial aufgeheizte Vorurteil der Allgemeinheit, nicht aber durch den Gesetzgeber getroffen werde, bei Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 90 ff. Diese Schlussfolgerung wirkt allerdings inkonsequent, da Krauß selbst zugibt, dass der Gesetzgeber dem öffentlichen Druck nachgegeben und härtere Maßnahmen bzw. Bekämpfungsgesetze gegen Sexualstraftäter erlassen hat (Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 91). Insofern behandelt der Gesetzgeber den Sexualstraftäter schließlich doch als Feind im Sinne Jakobs. 678 Tondorf, G. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 5 f., 5. 679 In diesem Sinne auch Denkowski, C. v.: Kriminalistik 2006, 11 ff., 21 f.; Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 18. 680 Vgl. dazu in Bezug auf die deutsche Anti-Terror-Gesetzgebung oben Kapitel 2 B.I.5.; zu den Auswirkungen auf die US-amerikanische Terrorismusbekämpfung und die AntiTerrorpolitik Großbritanniens vgl. unten Kapitel 2 D. und Kapitel 2 D.II.1. 681 So z. B. der Medienwissenschaftler Dr. Christian Schicha (Philipps-Universität Marburg) in seinem Vortrag „Der 11. September 2001 – Symbolische Politikvermittlung in den Medien“ auf der Tagung „Medien und Terrorismus“ am 15. 7. 2006 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Vgl. ferner Hetzer, W.: Kriminalistik 2006, 428 ff., 430. 682 Vgl. etwa auch die bei Prittwitz, C.: StV 2006, 610 f. benannten Zeitungsartikel in Bezug auf die Benutzung des Feindbegriffs gegenüber Dschihadisten u. a. bei Sofsky (SZ v. 24. 8. 2006, S. 11). Darüber hinaus siehe Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff. 683 Zur Diminuierung des Subjekts bzw. Verlust des Bürgerstatus des Drogenkonsumenten im Betäubungsmittelstrafrecht Haffke, B.: ZStW 107 (1995), 761 ff., 785 ff. 684 Vgl. etwa die Darstellung der politischen Diskussion um den Kampf und die polizeiliche Aufrüstung gegen das organised crime als „enemy within“ bei Volk, K.: The Principles of Criminal Procedure, S. 1.

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brechern wie etwa dem ehemaligen Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawiens, Slobodan Miloševi´c, werden erfahrungsgemäß Feindzuweisungen kommuniziert, so dass Jakobs hinsichtlich der als dem Feindbegriff zugehörigen Tätergruppen in der gegenwärtigen strafrechtlichen Verständigung im Großen und Ganzen Recht zu geben ist. Denn auch wenn der Versuch im Hinblick auf eine allgemeine Definition des Feindes bei Jakobs wenig griffig ist und kaum eine klare Abgrenzung ermöglicht 685, so sind jedenfalls die bei Jakobs dem Feindbegriff unterfallenden Tätergruppen auch überwiegend vom Gesetzgeber sowie von der Gesellschaft als besonders gefährlich angesehen, auch wenn die seitens Jakobs vorgegebene Sortierung nicht in jedem Einzelfall überzeugen mag. Etwa wird die Tätergruppe der Wirtschaftsdelinquenten in der gesellschaftlichen Wirklichkeit kaum oder jedenfalls weniger einheitlich als die vorangegangen Beispiele dem Feindbegriff unterfallen, sondern vielfach (noch) als „Weiße Kragen-Kriminalität“ verstanden und ist daher als Kategorie des Feindstrafrechts abzulehnen. 686 Damit können die Darstellungen Jakobs im Hinblick auf die Tendenz zur feindstrafrechtlichen Rechtsetzung in der aktuellen Strafrechtsentwicklung in Hinsicht auf die von Jakobs beschriebenen Normmerkmale und die benannten Tätergruppen auf deskriptiver Ebene grundsätzlich bejaht werden. 2. Überprüfung der deskriptiven Adressatenkorrektheit feindstrafrechtlicher Regelungen Allerdings müsste das Ziel der oben beschriebenen Rechtsetzung, die die von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Beschaffenheitsmerkmale aufweist, gerade in der Verfolgung und Sicherung der als Feinde bezeichneten und kommunizierten Tätertypen liegen. Andernfalls bestünden Bedenken hinsichtlich der deskriptiven Richtigkeit der Behauptung Jakobs, das deutsche Strafrecht sei von Normen durchzogen, mit denen Feinde als Adressaten der entsprechenden Regelungen bekämpft werden sollen. Bei Normen wie etwa §§ 129, 129a und b StGB, dem verfassungswidrigen Luftsicherheitsgesetz, der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 ff. StGB, der Kontaktsperre nach §§ 33 ff. EGGVG ist unschwer zu erkennen, dass sie der Sicherung und Abwehr von (kommunizierten) Feinden im Sinne Jakobs dienen. Terroristen, Mitglieder krimineller Vereinigungen und etwa triebhafte Sexualstraftäter richten sich nicht nach geltenden Gesetzen (bzw. sind nicht in der Lage, sich nicht danach richten). Neben diesen offensichtlich an Feinde gerichteten Rechtsetzungsakten 685

Vgl. dazu bereits Kapitel 1 E.II.3. sowie unten Kapitel 3 C.I.2. Beispielweise wird der sich in Zahlungsschwierigkeit befindlichen Arbeitgeber, der durch Vorenthaltung der Arbeitnehmerbeiträge versucht, die Firma zu retten und sich wegen § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) strafbar macht, in der gesellschaftlichen Vorstellung kaum unter den Feindbegriff subsumiert werden. 686

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

gibt es jedoch auch Normierungen feindstrafrechtlicher Prägung, die gar nicht oder zumindest nicht nur den Feind betreffen und die nach den obigen Ausführungen die deskriptive Richtigkeit des Feindstrafrechts in Zweifel ziehen könnten. Beispielsweise wurde aufgezeigt, dass der Versicherungsmissbrauch gemäß § 265 StGB als Vorfeldkriminalisierung unter Berücksichtigung des Planungszusammenhangs feindstrafrechtliche Züge aufweist. 687 Erklärte Zielsetzung der Norm war bekanntermaßen auch die Bekämpfung international organisierte Kfz-Verschiebungen. 688 Nach der gesetzgeberischen Intention sollten also durchaus Täter bestraft werden, die sich in ihrem Erwerbsleben dauerhaft und wesentlich vom geltenden Recht abgewandt haben und mithin Feinde sind. Doch die Norm trifft daneben natürlich auch jedwede Form des geplanten „normalen“ Versicherungsbetruges weit im Vorfeld des unmittelbaren Ansetzens nach § 22 StGB. Danach sind etwa auch die in universitären Strafrechtsklausuren beliebten Konstellationen des „warmen Abrisses“ durch Dritte oder den Hauseigentümer selbst erfasst. Der Knecht, der vom veramten Gutsherrn beauftragt wurde, den Gutshof in Brand zu setzen, damit die Versicherungssumme ausgezahlt wird, ist wahrlich kein Feind im Sinne der Formel Jakobs (wenn er nicht gerade seinen Lebensunterhalt mit solcherlei Unternehmungen verdient). Ebenso wenig ist einem Urlauber, der bereits eine Tathandlung im Sinne des § 265 StGB begeht, indem er etwa eine mangels erwünschter Leistungsfähigkeit für ihn unbrauchbare Kamera verschenkt, um später eine Diebstahlsanzeige aufzugeben und Erstattungsansprüche gegen die Reisegepäcksversicherung geltend zu machen 689, ein generell rechtsfeindlicher Wille zu unterstellen – insbesondere, wenn derselbe Urlauber anschließend von seinem ursprünglich gefassten Beschluss Abstand nimmt und die Schadensmeldung unterlässt. 690 Auch §§ 152a (Fälschung von Zahlungskarten etc.), 263a Abs. 3 (Computerbetrug), 267 Abs. 1 Alt. 1 und 2 StGB (Urkundenfälschung) sind trotz ihrer feindstrafrechtlichen Tendenz (Interna berücksichtigende Vorverlagerungen) kaum geeignet, nur Feinde im Sinne Jakobs als Normadressaten zu erfassen. Hamm führt die Untauglichkeit weiterer Vorverlagerungen, allein den Feind als Adressaten zu betreffen, weiterhin anhand des unerlaubten Waffenbesitzes und des Besitzes pornographischer Schriften vor Augen: „Dass bereits der Besitz von Waffen oder Munition auch den mit Strafe bedroht, der eine Pistole geerbt oder gefunden hat und sie geradezu angewidert, weil er Waffen hasst, auf dem Kleiderschrank oder im Wandsafe im Schlafzimmer versteckte, damit die Kinder sie nicht finden, ohne eine Waffenbesitzkarte zu beantragen, macht ihn mit Sicherheit noch nicht zum ‚Individuum, das sich auf Dauer vom Recht abgewendet hat und dies durch sein Verhalten demonstriert‘. [...] Der Besitz pornographischer Schriften und 687

Vgl. oben Kapitel 2 B.I.1. BT-Drucks. 13/8587 S. 65. 689 Beispiel für die „beispielslose Pönalisierung von vergleichsweise harmlosen Vorbereitungshandlungen“ entnommen bei Hörnle, T.: Jura 1998, 169 ff., 176. 690 Gleichwohl beinhaltet § 265 StGB keine Vorschrift über die tätige Reue. 688

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Darstellungen mag in der Vorstellung unter Strafe gestellt worden sein, dass dies in manchen Fällen der erste Schritt zur Begehung von Sexualdelikten ist. Aber bevor ein solcher ‚Vorfeldtäter‘ die Anforderungen an den Jakobs’schen Feindbegriff erfüllt, muss er schon mehr tun als sich selbst an Schmuddelbildchen zu verlustieren.“ 691

Die Strafnormen des Betäubungsmittelrechts bergen ähnliche Probleme bei der Feindzuweisung. Zwar sind Hersteller von Drogen oder auch Drogenhändler sicherlich unter den Feindbegriff nach Jakobs zu subsumieren. Problematisch ist aber der Fall, in dem der Täter wegen seiner Drogensucht eine Straftat im Sinne der §§ 29 ff. BtMG begeht, zum Beispiel sich Besitz verschafft (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG). Inwiefern der süchtige Drogenkonsument Feind ist, und nicht etwa eine kranke und heilbedürftige wie im Übrigen auch resozialisierungsfähige 692 Person, ist dann gegebenenfalls eine Frage der Schuldfähigkeit, aber auf jeden Fall eine Frage der Definitionsmacht. 693 Auch die populäre Bekämpfungsgesetzgebung als Merkmal feindstrafrechtlicher Gesetze ist nicht immer gegen Feinde gerichtet, wie sich anhand des „Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ 694 und des „Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ 695 unschwer erkennen lässt. 696 Zum einen wurde die Einführung der Umweltdelikte im Strafgesetzbuch damit begründet, dass dadurch die Normen „verstärkt ins Bewußtsein der Bevölkerung“ treten sollten. 697 Das heißt, Adressat der Bekämpfungsgesetzgebung ist gerade der Bürger, in dessen Bewusstsein die Normen aufgenommen werden sollen, und nicht der Feind. Zum anderen wird beispielsweise bei § 324 StGB jeder bestraft, der ein Gewässer verschmutzt, und nicht ausschließlich der großindustrielle Dauerverschmutzer, 691 Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 117. Vgl. auch weiteres Beispiel zu § 184b Abs. 4 S. 2 StGB (Vater zieht die beim 13-jährigen Sohn gefundenen, pornographischen Schriften aus dem Verkehr, indem er sie zu dessen Schutz im Safe wegschließt) bei Hamm, R. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 521 ff., 530 f. 692 Wobei sich hier die spannende Frage stellt, ob eigentlich der Feind nach Jakobs resozialisierungsfähig ist. Wie muss dann mit dem Feind in der Sicherungsverwahrung verfahren werden, der sich spontan entschließt, nicht mehr Feind sein zu wollen? Oder verbleibt es bei dem Grundsatz: Einmal Feind, immer Feind? Eindeutige Antworten sind bei Jakobs nicht zu finden. 693 Zur generellen Frage der Definitionsmacht und damit zusammenhängend der – entgegen der von Jakobs behaupteten Selbstexklusion – Exklusionswirkung von (Feind-) Strafrecht vgl. unten Kapitel 3 C.I.1.a). 694 „Achtzehntes Strafrechtsänderungsgesetz – Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität“ vom 28. 3. 1980 (BGBl. I, 373). 695 „Einunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz – Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität vom 27. 6. 1994 (BGBl. I, S. 1440). 696 Vgl. etwa auch Ausführungen bei Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 760. 697 BT-Drucks. 8/2382, S. 10.

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der regelmäßig Schadstoffe ins Meer abführt oder ähnliches. Davon abgesehen, ist es wiederum eine Frage der Definitionsmacht, ob der Großindustrielle, der für die permanente Schadstoffentsorgung in die Umwelt verantwortlich ist, überhaupt als Feind angesehen werden kann und wird. Vernachlässigt man jedoch die speziellen Bekämpfungsgesetze und stellt auf das Bekämpfungsrecht per se ab, zielen die entsprechenden Gesetze jedenfalls durchaus auf den Feind als Adressaten ab. Dies ergibt sich bereits aus der Wortwahl des Gesetzgebers, denn nach dem allgemeinen Sprachverständnis werden weniger Straftäter – jene sind zu verfolgen –, sondern vielmehr Feinde „bekämpft“. 698 Vor allem strafprozessual versagt das Jakobssche Konzept vom Feindstrafrecht jedenfalls dahingehend, tatsächlich auch nur an – wiederum im Sinne Jakobs – „Feinde“ adressiert zu sein. Nach Jakobs zeichnen sich feindstrafrechtliche Prozessregelungen durch physischen Zwang aus, der angewendet werden müsse, da der Feind keine Folgenverantwortung übernimmt, sondern sich der Strafe zu entziehen versucht. Daher stelle etwa die Untersuchungshaft, die den Betroffenen durch die Inhaftierung zur Teilnahme am Prozess zwingt, grundsätzlich (also unabhängig davon, ob § 112 StPO Abs. 1 oder Abs. 3 oder § 112a StPO einschlägig ist) ein feindstrafrechtliches Zwangsmittel dar. 699 Die Feststellung, dass von dieser Maßnahme nicht nur Feinde betroffen sind, erübrigt sich beinahe. Natürlich sind Feinde im Sinne Jakobs betroffen, zum Beispiel, wenn es in § 112 Abs. 3 StPO heißt, dass Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten einer Straftat nach §§ 129a oder b StGB bereits ohne einen Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO angeordnet werden darf. Gleichfalls mag dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StGB aufgrund seines temporären Moments die Ausrichtung gegen dauerhaft vom Recht Abgewandte immanent sein. Das verhindert jedoch nicht, dass daneben auch gegen Bürger im Sinne der Definition Jakobs die Untersuchungshaft angeordnet werden kann, etwa gegen einen einmaligen Totschläger aus Affekt ohne Familienanbindung, aber mit Fremdsprachenkenntnissen und Zweitwohnsitz im Ausland. Auch das von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichnete Zwangsmittel der Blutprobenentnahme gemäß § 81a StPO 700, deren Hauptanwendung in 698

Vgl. auch Frankenberg, G.: KJ 2005, 370 ff., 382; Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 9; Hettinger, M.: NJW 1996, 2263 ff., 2264; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 82; Kühl, K.: NJW 1987, 737 ff., 737; Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008, S. 143 f.; Scheffler, U.: Schwind-FS 2006, S. 123 ff., 126; Schroeder, F.-C.: Jakobs-FS 2007, S. 627 ff., 631, insbesondere Fn. 24; a. A. Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 95, wonach die Wortwahl der „Bekämpfung“ nicht speziellen Personen (Feinden), sondern vielmehr bestimmten Phänomenen gelte. Schließlich sei die „Bekämpfungsgesetzgebung“ auf eine tradierte legislatorische Terminologie zurückzuführen, die keineswegs strafrechtsspezifisch sei. Nach Schulz, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff., 622 f. gilt die Bekämpfung sprachlich „nur dem Gegner, noch nicht dem Feind“. 699 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94.

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der Bemessung des Blutalkoholgehalts liegt 701 und die etwa beim alkoholisierten Führer eines Kraftfahrzeugs vorgenommen wird, richtet sich kaum gegen einen generellen Feind der Rechtsordnung. Die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO – nach Jakobs ebenfalls rein physischer Zwang gegen Feinde 702 – trifft gemäß dem Katalog in Abs. 2 zum Beispiel auch Verdächtige einer Tat nach §§ 211, 212, 249 bis 251, 253, 255, 306 ff. StGB. Dass in diesen Verdachtsfällen eine Person überwacht werden darf, die nicht zwangsläufig dauerhaft vom Recht abgewandt ist, liegt auf der Hand. Damit steht im Ergebnis fest, dass die Regelungen, die die von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Merkmale aufweisen, sich jedenfalls nicht in jedem Fall an Feinde der Rechtsordnung richten, sondern partiell auch Eingriffsgrundlagen gegen Bürger und deren Freiheiten bieten. 3. Konsequenz: Deskriptive Untauglichkeit des Feindstrafrechts? Fraglich bleibt damit, ob die oben aufgezeigte Mangelhaftigkeit in Bezug auf die Adressatenkorrektheit dazu führt, dass das Feindstrafrecht bereits auf deskriptiver Ebene untauglich ist. Zu diesem Schluss gelangt Hamm in Bezug auf die materiell-rechtlichen Vorverlagerungen: „Ich hoffe bisher gezeigt zu haben, dass Jakobs Unrecht hat, wenn er die Vorverlagerung des materiellen Strafrechts als Folge des Kriegszustandes mit den Feinden des Rechts bezeichnet.“ 703 Dabei übersieht Hamm aber zum einen, dass Jakobs nicht den generellen Trend zu Vorverlagerungen im materiellen Strafrecht als feindstrafrechtlich bezeichnet, sondern nur Interna berücksichtigende Vorfeldkriminalisierungen. 704 Zum anderen hat Jakobs in seinem dualistischen Strafrechtskonzept von Bürger- und Feindstrafrecht bereits den grundsätzlichen Lösungsweg aus dem Dilemma der Adressateninkorrektheit aufgezeigt: Normen, die die von ihm dargestellten Kennzeichen eines typischen Feindstrafrechts aufweisen, sich jedoch nicht primär an Feinde richten, sondern vielmehr regelmäßig auch den Bürger betreffen, sind „überflüssiges“ Feindstrafrecht wie etwa die Verbrechensverabredung nach § 30 StGB. 705 Auch § 267 Abs. 1, 1. und 2. Alt. StGB (Urkundenfälschung) und § 140 StGB (Beloh700

Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94. Mitbedingt dadurch, dass den Beschuldigten keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung trifft (beispielsweise Blasen in einen Alkoholtest, Gehen auf gerader Linie etc.), vgl. dazu im Allgemeinen etwa Beulke, W.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 241; a. A. Lesch, H.: Strafprozessrecht 2001, S. 189 ff. (siehe hierzu auch schon Kapitel 1 C.I.4. und D.II.1.). 702 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. 703 Hamm, R. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 105 ff., 120. 704 Vgl. bereits Fn. 214. 705 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff, 94. 701

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nung und Billigung von Straftaten) sind danach nicht legitimierbar, da sie an den Bürger adressiert sind. Sie sind nach Jakobs „schlicht zu streichen“. 706 Insofern erkennt und moniert Jakobs gerade, dass in etlichen Normen der Strafrechtsordnung der Bürger wie ein Feind behandelt wird. 707 Dies ändert jedoch nichts an der deskriptiven Richtigkeit in Bezug auf die Tendenz des Gesetzgebers, die von Jakobs als feindstrafrechtlich bezeichneten Merkmale als Gesetze ins Strafrecht einzubringen, um damit eben „Feinde“, also im Jakobsschen Sinne gesellschaftliche „Dauer-Fehlgänger“ zu bekämpfen. Die teilweise unbefriedigende Trefferquote, nämlich dass Bürger ebenfalls betroffen werden, ist schließlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass das deutsche Strafrecht kein idealtypisch ausgeprägtes Feindstrafrecht ist, sondern eben nur eine Mischform. Es darf daher nicht verwundern, dass die Adressaten Feind und Bürger in einigen Normbereichen gleichfalls durchmischt werden. 708 Im Ergebnis kann daher auch die Argumentation, wie sie etwa auch von Saliger vorgebracht wird 709, das Feindstrafrecht sei aufgrund der fehlenden Feindspezifität etlicher Regelungen bereits auf deskriptiver Ebene abzulehnen, nicht überzeugen. Auffällig ist allerdings die dargelegte Treffunsicherheit der Adressaten im feindstrafrechtlichen Prozessrecht. Entweder ist die Durchmischung der Adressaten im prozessualen Feindstrafrecht besonders stark ausgeprägt, weil das deutsche Feindstrafrecht eben nur eine tendenzielle, sehr partielle Annäherung an den Idealtypus bildet. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum sich die bloß tendenziell feindstrafrechtliche Ausgestaltung gerade im Prozessrecht abweichend niederschlagen sollte. Oder aber – und diese Vermutung liegt wesentlich näher – die Ausführungen Jakobs zum feindstrafrechtlichen Prozessrecht sind generell wenig geeignet, den Feind vom Bürger zu differenzieren und müssen daher konkretisiert werden. a) Tauglichkeit des Kriteriums des physischen Zwangs zur Adressatendifferenzierung im Prozessrecht Bekanntermaßen benennt Jakobs vor allem den reinen physischen Zwang als Kriterium für den feindstrafrechtlichen Charakter einer strafprozessualen Norm. 710 706

Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 858. Freilich ergibt sich diese – nach Jakobs kaum zu legitimierende – Durchmischung bürgerstrafrechtlich adressierter Normen feindstrafrechtlichen Inhalts vor allem gerade aufgrund des bei Jakobs zur Grundlage erklärten Dualismus von Normeinübung und Rechtsgüterschutz und damit der strikten Absonderung des Feindstrafrechts vom Bürgerstrafrecht [vgl. dazu unten Kapitel 3 B.III.2.a)]. 708 Dies liegt vor allem aus dem Grund nahe, dass neben dem Feindstrafrecht auch der Feindbegriff selbst einen idealtypischen Charakter aufweist [hierzu noch näher Kapitel 3 B.III.2.b)]. 709 Saliger, F.: JZ 2006, 756 ff., 760 f. 710 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94. 707

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Dieses feindstrafrechtliche Merkmal des physischen Zwangs im Prozessrecht folgert er aus der Überlegung, dass der Feind im Gegensatz zum Bürger keine Folgenverantwortung übernimmt, sondern sich der Strafe zu entziehen versucht. 711 Er müsse daher zur Teilnahme am Prozess gezwungen werden. Dagegen nehme der Bürger aus Einsicht am Verfahren teil. Seine Anwesenheit müsse demgemäß nicht erzwungen werden. 712 Diese Ausführungen mögen, theoretisch betrachtet, in sich logisch und durchdacht erscheinen, aber in der Praxis verhält es sich nicht entsprechend, dass nur der Feind flieht oder Beweise beiseite schafft. Bisweilen neigt vielmehr auch der Bürger dazu – sei es aus Scham, aus Angst oder ähnlichem – den Versuch zu unternehmen, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die Person, die einmalig etwas verbrochen hat und nachfolgend versucht, die Tat zu vertuschen, vielleicht sogar weitgehend rückgängig zu machen, weil sie sie inzwischen bereut (zum Beispiel veruntreutes Geld wieder in die Kassenbestände überführen), der ist kein dauerhaft vom Recht abgewandter Feind im Sinne Jakobs und dennoch möchte er nicht der Tat überführt werden. Es ist doch gerade menschlich nachvollziehbar, wenn auch alles andere als tugendhaft, dass der grundsätzlich rechtstreue Bürger, der weiß, dass er einen Fehler begangen hat, der Bestrafung entgehen möchte – bereits ein Kind verhält sich dementsprechend. Es erscheint daher wenig sinnvoll, die Differenzierung von bürger- und feindstrafrechtlichen Prozessvorschriften an die Neigung des Beschuldigten zu knüpfen, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Dieses Merkmal ist nicht feindspezifisch, was sich im Übrigen auch umgekehrt daraus ergibt, dass zum Beispiel terroristische Attentäter, die den vorgenommenen Anschlag überlebt haben, in etlichen Fällen bereitwillig Auskunft über die Tat und deren Hintergründe gaben. Ramzi-Binalshib etwa, einer der Hauptplaner des 11. Septembers, ließ sich noch vor seiner Verhaftung öffentlich und ausgiebig interviewen. 713 Terroristen sind unzweifelhaft Feinde nach der Definition Jakobs und dennoch neigen sie als solche demzufolge nicht zwangsläufig dazu, die Tat zu verdunkeln oder sich durch Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. In ihren Augen stellt die Straftat schließlich vielmehr eine Heldentat dar, derer man sich nicht schämen muss, sondern deren Konsequenzen man sogar demonstrativ und mit Stolz trägt. Das belegen zahlreiche Bekennerschreiben radikaler Gruppen nach Terroranschlägen oder aktuell auch das Geständnis des Angeklagten im amerikanischen Quaida-Prozess, Zacharias Moussaoui, er sei in die Anschläge des 11. Septembers eingeplant gewesen und habe einen Jet ins weiße Haus steuern sollen. Moussaoui gibt offen zu, er sei der Feind und er betrachte alle Amerikaner als Feinde; Gott solle Bin Laden schützen. 714 Auch der Al Quaida-Chef Scheich Mohammed brüstete sich damit, dass er für die Anschläge vom 11. September „von A bis Z“ verantwortlich gewesen sei. Er übernehme ferner die Verantwortung 711 712 713 714

Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 94. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, S. 88 ff., 93. Vgl. Reuter, C.: Stern Nr. 31 v. 28. 7. 2005, S. 22 ff., 25 mit weiteren Beispielen. Vgl. Meldung in SPIEGEL ONLINE v. 28. 3. 2006.

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für Bali und den Versuch, schon 1993 die Türme des World Trade Centers zum Einsturz zu bringen. Auch seine Mitwirkung bei der Planung der Angriffe auf den Panamakanal, den Londoner Big Ben, die Börse in New York, die Nato in Brüssel sowie der Mordanschläge gegen Henry Kissinger und die US-Präsidenten Clinton und Carter wie auch auf Papst Johannes Paul II. gestand Scheich Mohammed freimütig, wenn nicht gar prahlerisch. 715 Gerade bei Terroristen – die nach Jakobs unzweifelhaft Feinde sind – kann daher nicht davon gesprochen werden, der Feind versuche, seiner Folgenverantwortung zu entfliehen. Damit versagt bereits die Herleitung des feindstrafrechtlichen prozessualen Zwangs als entscheidendes Differenzierungskriterium zu bürgerstrafrechtlichen Prozessmaßnahmen. Das heißt natürlich nicht, dass gar kein physischer Zwang im feindstrafrechtlichen Prozessrecht enthalten ist. Feindstrafrecht ist physischer Zwang 716 gegen den Feind zur Sicherung der Allgemeinheit. Es liegt daher auch nahe, dass prozessuale Maßnahmen des Feindstrafrechts gleichfalls eine physische Zwangswirkung aufweisen. Schließlich kann eine effektive und frühzeitige Sicherung des Feindes nur erfolgen, wenn das Prozessrecht weitreichende Handlungsfreiheiten und damit einhergehend Zwangsmaßnahmen zur Überführung des Feindes erlaubt. Aber diese Zwangswirkung kann eben nicht das entscheidende Merkmal zur Abgrenzung zwischen bürger- und feindstrafrechtlichen Prozessvorschriften darstellen. Vielmehr ist hier eine Parallele zu Jakobs Ausführungen zur Zwangswirkung der Strafe selbst zu ziehen. Die Zwangswirkung der Strafe kommt nicht nur im Feindstrafrecht vor, sondern ist natürlich auch im Bürgerstrafrecht mit der Wegnahme von Interaktionsmitteln 717 verbunden. Übertragen bedeutet das: Nicht allein im Feindstrafprozessrecht darf physischer Zwang angewendet werden, sondern im Bürgerstrafrecht geht gleichfalls eine Zwangswirkung mit strafprozessualen Maßnahmen einher – auch wenn die Zwangswirkung hier nicht im Vordergrund steht, sondern in erster Linie der Tataufklärung dient (während sie im Feindstrafrecht auch Sicherungscharakter aufweist). Beispielhaft soll dies am vereinfachten Verfahren des Strafbefehls (§§ 407 ff. StPO) veranschaulicht werden: Der Strafbefehl richtet sich gegen Beschuldigte eines Vergehens (§ 407 Abs. 1 StPO) und ergeht in einfach gelagerten Fällen, in denen ohne Hauptverhandlung nach der Aktenlage entschieden werden kann, insbesondere bei Verkehrsstraftaten. 718 Trotz Durchbrechung des Grundsatzes des richterlichen Gehörs stellt der Strafbefehl unzweifelhaft eine bürgerstrafrechtliche Maßnahme dar: Zunächst ermöglichen lediglich solche Straftaten den Erlass, die wohl unstreitig dem Spektrum bürgerstrafrechtlicher Delinquenz zufallen. Adressat des Strafbefehls ist insofern ein Bürger im 715

Der Spiegel Nr. 12 v. 19. 3. 2007, S. 124 ff., 125. Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 55; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff., 89. 717 Vgl. oben Kapitel 1 A.I.2.c)bb). 718 Vgl. etwa Engländer, A.: Strafprozessrecht 2006, Rn. 288. 716

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Sinne Jakobs. Ferner kann der Bürger ohne die Durchführung einer – gegebenenfalls stigmatisierenden – Hauptverhandlung zu seiner Folgenverantwortung stehen, indem er den Strafbefehl akzeptiert. Die Übernahme der Folgenverantwortung wäre nach Jakobs schließlich geradezu prägnant für den Bürgerstatus. Gegen den Strafbefehl kann der Bürger Einspruch einlegen. Unterlässt er dies, wird der Strafbefehl rechtskräftig (§ 410 Abs. 3 StPO). Das bedeutet jedoch, dass dem Bürger in diesem Fall eine Pflicht zur Antwort auferlegt wird und seinem Schweigen den durch den Strafbefehl bis dato lediglich geäußerten Verdacht (!) bekräftigt. Insofern wohnt dem Strafbefehlsverfahren, obwohl es grundsätzlich eine beschleunigende und vereinfachende Regelung darstellt, eine Zwangswirkung inne, ohne dass diese den vornehmlichen Zweck der §§ 407 ff. StPO bildet. Zwang gibt es demzufolge (sinnvoller Weise) auch im prozessualen Bürgerstrafrecht. Für sich alleine genommen kann die physische Zwangswirkung daher kein maßgebliches Abgrenzungskriterium für feindstrafrechtliche Prozesshandlungen bieten. Vielmehr sind Jakobs Ausführungen zu konkretisieren. b) Erforderliche Konkretisierung des prozessualen Feindstrafrechts im Theorienmodell von Jakobs Es ist ganz sicher nicht Aufgabe der vorliegenden Arbeit, eine wie auch immer geartete Konkretisierung des Feindstrafprozessrechts vorzustellen. Diese Aufgabe obliegt Jakobs als dem Begründer des Feindstrafrechts selbst. Allerdings bietet das Jakobssche Strafrechtskonstrukt einige Anhaltspunkte, anhand derer das Feindstrafrecht in der Lesart Jakobs in prozessualer Hinsicht dahingehend modifiziert werden könnte, dass eine gesteigerte Adressatenkorrektheit erreicht wird. Dies ist vor allem aus dem Grund von Interesse, um aufzuzeigen, dass nicht alle von Jakobs genannten, strafprozessualen Regelungen, die physischen Zwang vermitteln, deskriptiv eine – nach Jakobs – feindstrafrechtliche Maßnahme darstellen. Bei der Frage, nach welchen Merkmalen sich feindstrafrechtliches Prozessrecht im Sinne Jakobs konkret bemessen müsste, ist insbesondere den materiellen Abweichungen des Feindstrafrechts vom Bürgerstrafrecht, wie sie nach Jakobs bestehen, Rechnung zu tragen. Denn die materiellen Regelungen bestimmen insofern den Inhalt des Strafanspruchs, der durch das Prozessrecht nachgewiesen und durchgesetzt werden soll. Das feindstrafrechtliche Prozessrecht müsste daher in der Konzeption von Jakobs geeignet sein, die materiellen Besonderheiten eines „Feindstrafrechts“ hinreichend zu berücksichtigen, um den nach Jakobs rechtsabgewandten „Feind“ überführen zu können. Dies gilt umso mehr, da gerade im „Feindstrafrecht“ die Effektivität der Strafrechtspflege von Jakobs immer wieder als oberstes Gebot hervorgehoben wird. Wie bereits erläutert 719, lässt sich materielles Feindstrafrecht nach Jakobs vor allem bei Vorfeldkriminalisierungen nachvollziehen, die den Internbereich des Täters für die Strafbarkeit berücksichtigen. Daraus ergäbe sich für das feindstraf-

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rechtliche Prozessrecht in der Lesart Jakobs zunächst zweierlei. Einerseits beträfen prozessuale Maßnahmen im Feindstrafrecht auch den Internbereich des Täters, da dieser auf andere Art und Weise kaum Erfolg versprechend erforscht werden kann. Andererseits folgt aus der Eigenart der von Jakobs als feindstrafrechtlich beschriebenen Vorbereitungsstraftaten, dass der Anfangsverdacht zu einem früheren Zeitpunkt einsetzt und damit die Möglichkeit, Ermittlungsmaßnahmen anzuordnen, entsprechend vorgelagert werden müsste. Darüber hinaus soll der „Feind“ nach Jakobs auf materieller Ebene präventiv bekämpft werden, also auch schon für ein zukünftiges Verhalten zur Verantwortung gezogen werden können. Daraus lässt sich in Bezug auf die prozessuale Ebene im Rahmen des Jakobsschen Feindstrafrechts schließen, dass Ermittlungsmaßnahmen nicht nur repressiv zur Verfolgung einer bereits begangenen Tat, sondern auch präventiv zur „Verfolgung“ beziehungsweise Vermeidung einer zukünftigen Tat angeordnet werden dürften. Des Weiteren ist der „Feind“ nach Jakobs keine Person; demzufolge müsse er auch im Prozessrecht nicht wie eine solche behandelt werden. Vielmehr sei seine generelle Gefährlichkeit zu unterstellen, so dass Verfahrensgarantien zugunsten des Bürgers für ihn nicht oder zumindest nur eingeschränkt gelten. 720 Insbesondere müsse danach der Staat den „Feind“ im Gegensatz zum „Bürger“ nicht darüber aufklären, dass er Gegenstand von Strafbarkeitsermittlungen ist. Denn der „Feind“ ist nach Jakobs – unabhängig vom jeweiligen Verfahrensstadium – kein gleichberechtigter Beteiligter, dem der Staat offen gegenüber treten muss. Daher dürfen nach Jakobs (nur) im Feindstrafrecht prozessuale Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen ergriffen werden. Die prozessuale Ausgestaltung des Feindstrafrechts wäre also in konsequenter Anwendung des Jakobsschen Strafrechtsmodells vor allem durch eine frühzeitig einsetzende beziehungsweise vorgelagerte Ermittlungstätigkeit gekennzeichnet, die sich auch auf den normativen Internbereich erstrecken und zudem zur präventiven Verhütung von Straftaten angeordnet werden dürfte. Überdies ist unter Bezugnahme auf Jakobs der Abbau von Prozessgarantien im Feindstrafrecht bezeichnend, insbesondere auch die weitgehende Rechtslosstellung des Feindes als „Unperson“, die sich etwa aufgrund heimlicher Ermittlungstätigkeit nicht gegen Maßnahmen wehren kann, der der Staat nicht offen gegenüber tritt und die quasi wie Nichtbeteiligter am Verfahren behandelt wird. Daraus ergibt sich für die von Jakobs benannten Beispiele prozessualen Feindstrafrechts Folgendes: In Bezug auf die heimliche Überwachung des Beschuldigten (etwa §§ 100a und c, 110a StPO) wie auch die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG ist Jakobs recht zu geben. Diese Vorschriften behandeln den Betroffe719

Vgl. etwa Kapitel 1 C.II.1. Diese Konkretisierung umschreibt Jakobs selbst als den „Abbau von Verfahrensgarantien“ im Feindstrafrecht (Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52). 720

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nen kaum als am Strafverfahren beteiligte Person: Er wird vom Staat nicht in Kenntnis gesetzt, dass er Beschuldigter ist; sein „bürgerliche“ Recht auf einen Verteidiger wird durch das Verbot der Kontaktaufnahme in seinem Kernbereich eingeschränkt. Die aufgeführten Maßnahmen werden regelmäßig gegen Feinde im Sinne Jakobs angeordnet (gegen Terroristen, Beteiligte an Betäubungsmittel- und Organisierter Kriminalität). Dagegen ergibt sich hinsichtlich der Ausführungen Jakobs zur Untersuchungshaft ein differenziertes Bild. Die Untersuchungshaft nach § 112 Abs. 1 StPO ist mit Blick auf die Haftgründe nach Abs. 2 entgegen der Auffassung Jakobs nicht „feindstrafrechtlich“. Zwar stellt sie einen physischen Zwang dar. Dieser allein genügt jedoch nach den obigen Ausführungen nicht zur Kennzeichnung des Feindstrafrechts im Jakobsschen Sinne. Vielmehr berücksichtigen die herkömmlichen Haftgründe der Flucht (Abs. 2 Nr. 1), Fluchtgefahr (Abs. 2 Nr. 2) oder Verdunklungsgefahr (Abs. 2 Nr. 3), dass der beschuldigte Bürger sich nicht in jedem Fall der Folgenverantwortung stellt oder dass er sich als Unschuldiger durch etwaiges Positionieren günstiger Indizien oder ähnlichem eine bessere Ausgangslage verschaffen möchte. Die Anordnung der Untersuchungshaft setzt dabei einen dringenden Tatverdacht voraus, sie ist repressiv ausgerichtet und dient der Verfahrens- und Beweissicherung. Sie hat nicht den Zweck einer vorweggenommenen Strafe und dient nicht der Sicherung der Allgemeinheit vor dem Täter. Abweichend fällt dahingegen die Zwecksetzung der Untersuchungshaft nach § 112a StPO aus. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr birgt ein präventives Moment und weist damit den – wie von Jakobs behaupteten – feindstrafrechtlichen Charakter auf. § 112a StPO trifft dementsprechend auch regelmäßig oder jedenfalls eher Feinde in der Definition Jakobs (vgl. auch den enthaltenen Straftatenkatalog in Abs. 1 Nr. 1 und 2) als dies bei § 112 Abs. 1 und 2 StPO der Fall ist. § 112 Abs. 3 StPO ist gleichfalls – unter Zugrundelegung der Jakobsschen Begrifflichkeiten – feindstrafrechtlicher Prägung, da es danach keines Haftgrundes nach Abs. 2 für die Anordnung der Untersuchungshaft bedarf. Der Betroffene wird vorsorglich in Gewahrsam genommen. Dabei stellt sich § 112 Abs. 3 StPO allerdings als durchmischtes Prozessrecht gegen „Bürger“ und „Feind“ dar, da nicht zwangsläufig allen Straftaten, die das Vorliegen eines Haftgrundes nach Abs. 2 als Voraussetzung entfallen lassen, ein feindstrafrechtlicher Charakter inne wohnt. 721 Insofern weist die benannte Regelung teilweise „überflüssiges Feindstrafrecht“ auf. 722 Die Blutprobenentnahme gemäß § 81a StPO ist wiederum entgegen der Ansicht Jakobs kein feindstrafprozessuales Zwangsmittel, sondern wird zum Zwecke der Beweissicherung gegen den Bürger angeordnet, der sich konkret verdächtig gemacht hat. Sie ist nicht auf präventive Strafverfolgung ausgerichtet, sie ergeht offen gegenüber dem Beschuldigten, sie muss von einem Arzt vorgenommen 721

Anordnungen im Falle der §§ 129a und b StGB treffen sicherlich Feinde, wohingegen es sich bei §§ 211, 212, 226, 306b und c StGB nicht unbedingt dergestalt verhält, dass der Betroffene sich (vermutlich) dauerhaft vom Recht abgewendet hat. 722 Vgl. dazu oben Kapitel 2 B.V.3.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

werden und darf nicht ausgeführt werden, wenn ein gesundheitlicher Nachteil zu befürchten ist. Eine „feindstrafrechtliche“ Ausrichtung ist demzufolge nicht zu erkennen. Insofern wird jedenfalls deutlich, dass Jakobs selbst auf deskriptiver Ebene das „Feindstrafrecht“ konkretisieren muss, um den Adressaten der Maßnahme, in seiner Terminologie „Bürger“ und „Feinde“, gerecht zu werden.

VI. Ergebnis der Überprüfung der deskriptiven Ebene Insgesamt ergibt sich für die deskriptive Überprüfung des Feindstrafrechts auf Rechtssetzungsebene, dass Jakobs grundsätzlich zuzustimmen ist. 723 Es wurde dargelegt, dass die von Jakobs als feindstrafrechtlich umschriebenen Merkmale (materielle Vorverlagerungen im Internbereich, zur Vorverlagerung unproportionale Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung und Einschränkung von Verfahrensgarantien) in der Gesetzgebung zunehmend berücksichtigt und eingebracht worden sind. Zweck solcher Regelungen ist tendenziell die Bekämpfung von als dauerhaft vom Recht abgewandt geltenden Personen, nämlich in der Regel gesellschaftlich kommunizierten Feinden wie etwa Sexualstraftäter, Terroristen und Beteiligte der Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität. Teilweise findet sich jedoch auch – nach der Grundkonzeption Jakobs – überflüssiges Feindstrafrecht in den strafrechtlichen Regelungen de lege lata, das zwar präventiven Rechtsgüterschutz anstrebt, aber wenig geeignet ist, den Feind als Adressaten herauszufiltern. Dieses ist nach Jakobs nicht in einem gesonderten Strafrecht unterzubringen, sondern grundsätzlich aus dem Gesetz zu streichen. Insofern ist das von Jakobs skizzierte Feindstrafrecht auf deskriptiver Ebene durchaus tauglich, eine Tendenz in der gegenwärtigen Rechtsetzung zu beschreiben. Ob darüber hinaus das Jakobssche Strafrechtsmodell hinsichtlich der straftheoretischen Grundlagen ohne Weiteres auf das praktizierte Strafrecht übertragen werden kann oder ob sich daraus weitere Einschränkungen in Bezug auf als Feindstrafrecht verstandene Strafnormen ergeben, soll an dieser Stelle noch offen bleiben. 724 Abstriche hinsichtlich der deskriptiven Korrektheit der These vom Feindstrafrecht sind jedoch im Rahmen der von Jakobs als feindstrafrechtlich benannten 723

So im Ergebnis auch Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89; Krauß, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 79 ff., 81; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 301; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 351; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 27 ff., 31; Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 108 f., 117. Vgl. auch Sack, F.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 9 in Bezug auf die gesetzgeberische Bekämpfungsrhetorik. Zur deskriptiven Ebene des Feindstrafrechts im EU-Strafrecht siehe ferner Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff., 127 ff. Vgl. zudem die deskriptive Auflistung feindstrafrechtlicher Tendenzen auf internationaler Ebene bei Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 22 ff., 33; vgl. ferner ders.: JoJZG 1/2008, 12 ff., 14. 724 Siehe hierzu aber unten Kapitel 3 C.III.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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strafprozessualen Regelungen zu machen, da sich der physische Zwang im Prozessrecht unmöglich nur gegen den Feind, sondern auch gegen den Bürger richtet. Damit ist das Merkmal des physischen Zwangs allein als hinreichendes Abgrenzungskriterium von Bürger- und Feindstrafrecht wenig dienlich; vielmehr ist es erforderlich, das strafprozessuale Feindstrafrecht zu konkretisieren, indem zum Beispiel auf präventive Verbrechensverhütung, vorgelagerte Ermittlungstätigkeit in den Internbereich und die fehlende Beteiligung des Betroffenen als Person am Prozess abgestellt wird. Bei Konkretisierung der prozessualen Ausführungen hat sich das Konzept des Feindstrafrechts damit als im Ergebnis grundsätzlich taugliche Deskription der Tendenzen in der Rechtsetzung erwiesen.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts mit der Entwicklung in Kriminalpolitik und Rechtsprechung Nachdem die deskriptive Ebene des Feindstrafrechts hinsichtlich der Rechtssetzung bestätigt wurde, stellt sich die Frage, ob und inwiefern sich Jakobs Beschreibung des Feindstrafrechts als Entwicklungstendenz des deutschen Strafrechts auch auf die Entwicklung in Kriminalpolitik und Rechtsprechung übertragen lässt.

I. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der Kriminalpolitik Dass die Kriminalpolitik den Trend zu einem tendenziellen Feindstrafrecht unterstützt beziehungsweise mitbestimmt, ergibt sich bereits daraus, dass den vorhergehend angeführten Gesetzen feindstrafrechtlichen Inhalts 725 allesamt zunächst ein jeweiliger Gesetzesentwurf zugrunde lag, der beim Bundestag von einem nach Art. 76 Abs. 1 GG Initiativberechtigten eingebracht wurde. Die Strafgesetzgebung ist danach stets ein Produkt der aktuellen Kriminalpolitik, wie sie von verschiedenen Parteien, Ministerien und Bundesorganen betrieben wird. Daraus folgt, dass die herrschende Kriminalpolitik den Trend zum Feindstrafrecht befürwortet, da andernfalls die Gesetzesentwürfe für die spätere als feindstrafrechtlich benannte Regelungsmaterie kaum eingebracht und beschlossen worden wären. Doch auch darüber hinaus kursieren politische Vorschläge und Forderungen, deren Befolgung die gegenwärtigen feindstrafrechtlichen Regelungen erweitern und ausbauen, wenn nicht gar übertreffen würden. Letzteres ist beispielsweise der Forderung Ronald Schills, ehemaliger Richter und Gründer der Hamburger SchillPartei, zu entnehmen, nicht therapierbare Sexualstraftäter vor ihrer Freilassung zu kastrieren. 726 Eine derartige präventive Zwangsmaßnahme gegen gefährliche 725 726

Vgl. oben Kapitel 2 B. Schill im Interview mit dem Focus v. 3. 9. 2001, S. 69.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Verbrecher dürfte an die idealtypische Ausformung des Feindstrafrechts nach Jakobs heranreichen. Überdies wurden und werden weitere politische Forderungen erhoben, die Feinde nach der Definition Jakobs bekämpfen sollen. Sinniert wird insofern etwa über den Verzicht auf die Hinzuziehung eines Verteidigers (in England bereits der Fall 727), über die Erweiterung des Einsatzes verdeckter Ermittlungsmethoden und der Speicherung von Telefon- und Internetdaten, über DNA-Fingerprinting (bereits bei Ladendieben!) sowie die Verwendung biometrischer Daten im Personalausweis 728, über die generelle Videoüberwachung öffentlicher Plätze und in Bahnhöfen 729, über die Zulässigkeit von Folter oder deren Androhung jedenfalls zur Gefahrenabwehr 730 sowie über das präventive 731 und dauerhafte Wegsperren von Feinden zugunsten der „Wehrhaftigkeit“ des Staates. Anhand dieser beziehungsweise vergleichbarer politischer Empfehlungen sollen nachfolgend feindstrafrechtliche Entwicklungstendenzen in der Kriminalpolitik aufgezeigt werden, wobei auch öffentlich ausgetragene Debatten als Spiegel des gesellschaftlichen und politischen Klimas berücksichtigt werden. 1.

Präventivhaft, Filterprogramme gegen Bombenbauanleitungen und weitere Vorschläge zur Bekämpfung des Terrorismus Aufsehen erregten zunächst die Äußerungen des ehemaligen deutschen Innenministers Otto Schily (SPD), der einem Spiegel-Interview den Terroristen im Rahmen der Verhandlungen gegen den mutmaßlich an den Anschlägen in New York beteiligten Attentäter Mzoudi antwortete: „Wenn ihr den Tod so liebt, dann könnt ihr ihn haben.“ 732 Zwar plädierte Schily nicht explizit für die grundsätzliche Liquidierung 733 oder aber die Institutionalisierung eines zweiten Guantánamo 727 Zwar haben verhaftete oder festgehaltene Personen in England grundsätzlich das Recht, kostenlosen Rechtsbeistand zu konsultieren (vgl. section 58 (1) PACE in Verbindung mit dem Code of Practice C). Ausnahmsweise ist jedoch die sofortige Vernehmung und damit das Hinausschieben der Verteidigerkonsultation zulässig, wenn zum Beispiel ein mindestens im Rang eines superintendent stehender Polizeibeamter der Ansicht ist, dass die Verzögerung der Vernehmung zu einem Beweisverlust führen könnte (vgl. dazu para 6.6 (b)(i) Code C in der seit dem 31. 12. 2005 gültigen Fassung und auch para 11.1 (a). Allerdings darf der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, ohne dass daraus negative Schlüsse gezogen werden könnten.), vgl. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 152 f. sowie in dieser Arbeit unten Kapitel 2 D.II. 728 Vgl. Kapitel 2 C.I.2. 729 Vgl. etwa die Forderungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und CDU-Sicherheitsexperte Clemens Binninger nach den misslungenen Bombenanschlägen vom 31. 7. 2006 auf zwei Regionalzüge, wiedergegeben in: Der Spiegel Nr. 34 v. 21. 8. 2006, S. 36 f.; vgl. auch Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 23. 730 Siehe dazu Kapitel 2 C.I.3. 731 Zur Präventivhaft gegen Terroristen vgl. etwa Schily in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff. sowie in dieser Arbeit unten Kapitel 2 C.I.1.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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für Attentäter, dennoch näherten sich einige Ausführungen an ein tendenzielles Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. Schily forderte die Verkürzung von Rechten und vorzeitiges Eingreifen gegenüber Terrorverdächtigen. Er sprach in diesem Zusammenhang über die Einrichtung einer „Art Sicherheitshaft, die den Inhaftierten bestimmte Rechte zubilligt, wie etwa anwaltlichen Beistand und gerichtliche Überprüfung“. 734 In Zeiten des Terrorismus sei es als letztes Mittel zur Gefahrenabwehr erforderlich, dass eine vorübergehende Freiheitsbeschränkung – auch ohne konkreten Tatverdacht – rechtlich zulässig sei. 735 Danach würde der potentielle (Atten-)Täter noch vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung überwacht und schließlich verhaftet. Die bloße Persönlichkeit des Verdächtigen, insbesondere seine Herkunft und Religion, böte folglich Veranlassung, ihn kategorisch als gefährlich einzustufen und ihn damit als Feind zu behandeln. Er dürfte im Vorfeld einer möglichen Rechtsgutsverletzung zur präventiven Abwehr mit prozessualen Maßnahmen und ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts konfrontiert werden, so dass sich die vorgeschlagene Präventivhaft sowie die vorangegangene Überwachung als feindstrafrechtliche Regelung darstellen. Grundsätzlichen Zuspruch fanden Schilys Ausführungen zur Sicherungshaft im Übrigen bei dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU), der den Kampf gegen den Terrorismus mit den Kategorien des finalen Rettungsschusses verglich. 736 Zur wirksamen Bekämpfung und Verhinderung terroristischer Anschläge schlug Beckstein zudem vor, Filterprogramme gegen Bombenbauanleitungen im Internet entwickeln lassen. 737 Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ergänzt die 732 Bundesinnenminister Schily in einem Interview mit dem SPIEGEL, wiedergegeben in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff.; vgl. auch FAZ Nr. 201 v. 30. 8. 2005, S. 4; Die Zeit Nr. 20 v. 6. 5. 2004, S. 1. 733 Politische Attentate wie etwa die Liquidierung mutmaßlicher Al Quaida-Repräsentanten entsprächen nicht unserem Rechtsverständnis. Bei der Bekämpfung des Terrorismus verschwömmen jedoch die Grenzen zwischen Straf-, Polizei- und Kriegsrecht. Im Krieg wiederum nehme man sich das Recht, zu töten. Dies führe jedenfalls zu der Frage nach einem Notwehrrecht gegenüber Terroristen, die Massenmorde planen. Auch die gezielte Tötung eines Attentäters im äußersten Fall könne unter Umständen als Notwehr zu rechtfertigen sein (Schily in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff., 47). 734 Schily in: Der Spiegel Nr. 18 v. 26. 4. 2004, S. 44 ff. Hierzu und zu vergleichbaren Forderungen vgl. auch Darstellung bei Denkowski, C. v.: Kriminalistik 2006, 11 ff. Zur Unvereinbarkeit einer Präventivhaft gegen „Gefährder“ mit der EMRK vgl. Walther, S. C.: ZIS 2007, 464 ff., 470 ff. 735 Schily wiedergegeben in SPIEGEL ONLINE v. 03. 8. 2005. 736 So Beckstein im ZDF Nachtduell vom 03.08.05 im Diskurs mit dem Fraktionsvize der Grünen Hans Christian Ströbele. 737 Beckstein wiedergegeben in SPIEGEL ONLINE v. 16. 9. 2005. Zum Problemfeld des Cyberterrorismus lesenswert: Hoffman, B. / Weimann, G.: Terror on the Internet 2006. Danach hat sich das Internet zum globalen Konfliktfeld entwickelt und dient modernen terroristischen Organisationen zur Propaganda, Rekrutierung von Anhängern und Planung von Terroranschlägen. Auf terroristischen Websites werden Unterlagen und Videobänder

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Empfehlungen der Politik zur effektiven Terrorismusabwehr, indem er die Teilnahme an Ausbildungslagern in Afghanistan und Co. sowie die Sammlung von Geldern für terroristische Anschläge unter Strafe stellen möchte. 738 Dazu sollen die §§ 129 ff. StGB erweitert werden, wobei dann auch die Strafbarkeit von Einzeltätern – nicht wie bisher nur von Gruppen ab drei Personen – vorgesehen ist. 739 Gleichsam wollen die Koalitions-Parteien CDU, CSU und SPD die Erforderlichkeit von Änderungen des Strafrechts im Hinblick auf die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen oder Aktivitäten prüfen. 740 Den aktuellen Vorschlägen entsprechend wurde nun jüngst von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ein neuer § 89a StGB zur Ergänzung des Staatsschutzrechtes vorgestellt. Danach soll die Vorbereitung der in § 129a Abs. 1 StGB genannten Straftaten, die bestimmt und geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen oder die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu untergraben, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. Die Regelung soll abschließend die nach bisherigem Recht problematischen Fälle, also insbesondere Einzeltäter, die terroristische Ausbildung beziehungsweise das SichAusbilden-Lassen, die Finanzierung von Anschlägen sowie das Sich-Verschaffen und die Verwahrung von entsprechenden Waffen, Stoffen und Vorrichtungen erfassen. Überdies soll in § 91 StGB n.F. die Anleitung zu Gewalttaten, insbesondere im Internet, unter Strafe gestellt werden, wobei bereits die objektive Eignung 741 genügen soll, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine Gewalttat mit einer staatsschutzrelevanten Zielsetzung zu begehen. 742 Den Vorschlägen 743 lassen sich die üblichen (materiellen wie auch prozessualen) Vorverlagerungen zur Bekämpfung des Terrorismus entnehmen. Der Terrorist ist „Feind“; jegliches Verhalten, das nur annähernd geeignet ist, terroristische Aktivität zu entfalten, ist umfassend zu bekämpfen. Insofern werden zur Fortschreibung zum Download bereitgestellt, die als Anleitung zur Anfertigung von explosiven Westen, Autobomben oder chemikalischen Waffen dienen (vgl. etwa auch Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 104, 106 f.; Der Spiegel Nr. 42 v. 16. 10. 2006, S. 32 f.). 738 Vgl. Schäuble in Schäuble, W. / Prantl, H.: ZRP 2006, 71; Der Spiegel Nr. 29 v. 16. 7. 2007, S. 24 ff., 25. 739 Vgl. hierzu: Der Spiegel Nr. 29 v. 16. 7. 2007, S. 24 ff., 25. 740 Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD „Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit.“ vom 11. 11. 2005, S. 116, abrufbar unter: http://www.spiegel.de /media/0,4906,12178,00.pdf. Denn nach dem BGH fällt das Werben für die Ideologie oder die Ziele einer terroristischen Vereinigung insbesondere nicht unter § 129a Abs. 5 StGB in der Fassung des 34. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 22. 8. 2002 (vgl. BGH NJW 2007, 2782 ff., vor allem S. 2783; Besprechung bei Mansdörfer, M.: HRRS 10/2007, 366 ff.). 741 Im Gegensatz zu den §§ 111, 130a StGB, nach denen die Anleitung dazu „bestimmt“ sein muss, einen bestimmten Schaden eintreten zu lassen. 742 So eine Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz v. 18. 9. 2007. 743 Zu den genannten und weiteren geplanten Neuregelungen vgl. auch Weißer, B.: JZ 2008, 388 ff., 393.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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des „Anti-Terror-Kampfes“ auf politischer Ebene alle Register gezogen und entsprechende Maßnahmen zügig umgesetzt. Erst mit Beschluss des Bundestags vom 1. 12. 2006 wurden das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) 744 und das Gemeinsame-Dateien-Gesetz (ATDG) 745 verabschiedet. Letzteres ermöglicht unter anderem eine Zusammenarbeit von Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, Landeskriminalämtern, Zollkriminalamt, Militärischem Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesverfassungsschutzbehörden, die die traditionelle Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufweicht. 746 Dabei werden in einer „Anti-Terror-Datei“ verdächtige Personen (§ 2 S. 1 Nr. 1, 2 ATDG) und deren Kontaktpersonen (§ 2 S. 1 Nr. 3 ATDG) erfasst wie auch Vereinigungen, Stiftungen und Unternehmen mit möglichen Verbindungen ins terroristische Milieu gemäß § 2 S. 1 Nr. 4a) ATDG verzeichnet. Neben persönlichen Daten ist auch die Speicherung von Informationen über Bank-, Telefon- und InternetVerbindungen möglich, § 2 S. 1 Nr. 4b) ATDG. 2.

Erweiterung der Aufzeichnung und Übermittlung biometrischer Daten

Des Weiteren als präventive Regelungsmaterie zur Bekämpfung gefährlicher Straftäter im Gespräch ist die Verwendung genetischer Fingerabdrücke und die generelle Nutzung biometrischer Daten. 747 Etliche Politiker plädieren diesbezüglich für eine Ausweitung der Speicherung von DNA-Analysen und damit einhergehend für die Lockerung der gesetzlichen Beschränkungen für Gen-Dateien. Nach einem Gesetzesentwurf der damaligen Bundesregierung soll der genetische Fingerabdruck nicht mehr bloß bei schwerwiegenden Straftaten wie etwa Tötungsdelikten, Sexualverbrechen oder schwererem Diebstahl 748 Anwendung finden, sondern eine Registrierung der entsprechenden genetischen Informationen soll zukünftig bereits möglich sein, wenn der Verdächtige wiederholt einfache Straftaten begangen hat und weitere Delikte dieser Art zu erwarten sind. 749 Der ehemalige Bundesinnenminister Schily (SPD) wie auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Norbert Röttgen gehen mit ihren Forderungen noch 744

BGBl. 2007 I, S. 2. BGBl. 2006 I, S. 3409. 746 Roggan, F. / Bergemann, N.: NJW 2007, 876 ff., 877. Kritisch auch Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 33; Gusy, C. / Pohlmann, K.: vorgänge 178/2007, 53 ff., 59 ff. Anderer Ansicht Nehm, K.: NJW 2004, 3289 ff. 747 Biometrische Daten sind neben dem Fingerabdruck (Fingerlinienbild) zum Beispiel Iris- und Retina-Merkmale, Gesichtserkennung, Venenerkennung, Handschrift oder auch das Stimmprofil. 748 Zur DNA-Identitätsfeststellung und deren Voraussetzungen vgl. § 81g StPO. 749 Auskunft der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gegenüber dem Stern, Artikel v. 11. 5. 2005, abrufbar unter: http://www.stern.de/politik/deutschland/?id=540240. 745

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

über diesen Gesetzesentwurf hinaus. Sie verlangen eine Gleichstellung mit dem normalen Fingerabdruck. Nach der Union solle zudem gänzlich auf den nach dem Entwurf vorgesehenen Richtervorbehalt verzichtet werden. 750 Ferner stellte Schily im Sommer 2005 einen neuen Reisepass mit biometrischen Merkmalen vor. Andere Reisepässe werden in Deutschland seit dem 1. November 2005 nicht mehr ausgegeben. Der elektronisch ausgestattete Pass ist mit Ausstellungsdatum ab dem 26. Oktober 2006 vor allem Voraussetzung für eine visa-freie Einreise von EU-Bürgern in die USA. Dort wird bereits seit dem 1. Oktober 2003 die Abgabe und Speicherung von Fingerabdrücken und Fotos als Bedingung für die Einreise deutscher Staatsbürger verlangt. 751 Die Überwachung des Reisewesens und die Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG 752 sind wesentliche Elemente der Forderungen nach einem Mehr an Sicherheit. 3.

Folter und deren Androhung

Während in den USA auch auf oberster Regierungsebene 753 Stimmen zu vernehmen sind, Folter 754 fortan – gerade gegen Terroristen – als erforderliche Verhörmethode zu legitimieren, findet die Folter in Deutschland wenig (offene) Befürworter. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) äußerte sich gegenüber der ZEIT, dass – unter Berufung auf die UN-Folterkonvention – jede erniedrigende Handlung verboten sei. 755 Bundesinnenminister Schäuble lehnt eine Folterung Gefangener durch deutsche Sicherheitsbehörden ebenfalls kategorisch ab, relativiert das Verbot jedoch dahingehend, dass im Anti-Terror-Kampf Informationen auch genutzt 750

Stern v. 11. 5. 2005, abrufbar unter: http://www.stern.de/politik/deutschland/?id =540240. 751 SPIEGEL ONLINE v. 1. 6. 2005. 752 Vgl. zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 65, 1 ff., 41 ff. (Volkszählungsurteil). 753 Vgl. zum Beispiel die Forderungen des US-Vizepräsidenten Richard Cheney nach einer gesetzlichen Grundlage für Misshandlungen von Gefangenen durch die CIA, die beim US-Senat bislang auf heftigen Widerstand stößt (FOCUS ONLINE v. 26. 10. 2005). 754 Folter ist nach dem BGH die „vorsätzliche schwere körperliche oder physische Misshandlung einer Person durch staatliche Organe oder durch mit staatlicher Billigung tätig werdende Personen“, ohne dass der Zweck der Misshandlung noch zwingend (im Gegensatz zum noch engeren rechtshistorischen Folterbegriff) in der Erlangung von Informationen oder in der Erzwingung eines Geständnisses liegen muss (BGHSt 46, 292 ff., 303). Zum Begriff der „Folter“ vgl. etwa Eisele, J.: JA 2005, 901 ff., 902 f.; Hilgendorf, E.: JZ 2004, 331 ff., 334 f.; Norouzi, A. B.: JA 2005, 306 ff., 307; Reemtsma, J. P.: Folter im Rechtsstaat? 2005, S. 51 f. 755 DIE ZEIT Nr. 5 v. 26. 1. 2006, Interview abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/05 /Zypries.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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werden dürfen, wenn sie durch Folter erlangt wurden. 756 Dennoch gehen auch Vertreter der Gegenposition an die Öffentlichkeit, wie etwa Michael Wolffsohn, Professor für Geschichte an der Bundeswehrhochschule in München. Jener erklärte, Folter beziehungsweise deren Androhung müsse im Kontext mit terroristischen Anschlägen rechtlich zulässig sein, und rief mit seiner Äußerung Empörung bei SPD, CDU und Grünen hervor. 757 Von rechtstheoretischer Seite erhält seine Ansicht Unterstützung seitens des Heidelberger Rechtsprofessors Winfried Brugger. In bestimmten Fällen 758 dürfe die Polizei nicht nur foltern, sie sei aus verfassungsrechtlichen Gründen sogar dazu verpflichtet, wenn kein anderes Erfolg versprechendes Mittel zur Verfügung stünde (Ermessensreduzierung auf Null), zumal den Staat eine besondere Gewährleistungspflicht zum Lebensschutz 759 obliege. 760 Einen Höhepunkt fand die öffentliche Debatte im Zuge der Rechtsbewertung der Folterandrohungen des Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner. 761 Das Entführungsdrama um Jakob von Metzler ließ Etliche an der generellen Illegitimität der Folter oder deren Androhung für den Fall zweifeln, dass hierdurch noch eine Rettung des Opfers möglich schien. Gerade, wenn im Vordergrund nicht die Aussageerzwingung, sondern die Rettung von Menschenleben (sog. Rettungs-, Gefahrenabwendungs- oder Präventivfolter) steht und insbesondere bei schwerer Kriminalität wie beispielsweise Terrorismus, Menschenhandel oder Mord, fällt es leicht, in dem mutmaßlichen Täter den Feind zu sehen, gegen den Folter als präventive, feindstrafrechtliche Maßnahme erlaubt ist. Ein solcher gemeingefährlicher 756 SPIEGEL ONLINE v. 16. 12. 2005. Insofern übereinstimmend Beckstein (CSU), vgl. FOCUS ONLINE v. 15. 1. 2006. Dagegen kritisch etwa Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008, S. 32 f. 757 Vgl. Jäger, F.: FAZ Nr. 139 v. 18. 6. 2004, S. 35; SPIEGEL ONLINE v. 11. 5. 2004. 758 Brugger bildete hierzu den (fiktiven) Beispielsfall – angelehnt an den sog. „ticking bomb case“ (vgl. Fn. 775): Die Stadt S „wird durch einen Terroristen bedroht, der eine tödliche chemische Bombe versteckt hat. Bei der Geldübergabe wird der Terrorist von der Polizei gefaßt und in Gewahrsam genommen. Der Erpresser schildert den Beamten glaubhaft, daß er vor der Übergabe den Zünder der Bombe aktiviert hat. Die Bombe werde in fünf Stunden explodieren und alle Bewohner der Stadt sowie der Umgebung töten [...]. Trotz Aufforderung gibt der Erpresser das Versteck der Bombe nicht preis. Androhungen aller zulässigen Zwangsmittel helfen nichts ...“ (Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff., 165). 759 Parallelen in der Argumentation zu Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Danach steht der einzelnen Person ein Recht auf Sicherheit zu, welches der Staat zu gewährleisten hat. 760 Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff., 171. 761 Daschner hatte 2002 im Fall des entführten Bankierssohn Jakob von Metzler an einen Untergebenen die Anweisung erteilt, den Tatverdächtigen Magnus Gäfgen den Aufenthaltsort des entführten Kindes durch Androhung bzw. notfalls durch Durchführung von Folter (man werde Gäfgen „unter ärztlicher Aufsicht Schmerzen, jedoch ohne Verletzungen, zufügen, um ...“, vgl. LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693) zu entlocken. Zur Folterung selbst kam es nicht mehr, da der Verdächtige den Ort schon unter der Androhung selbiger preisgab. Wie die Untersuchungen später ergaben, war der Junge zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits tot.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Täter sei „Nicht-Mensch“ und könne sich per se nicht auf die Garantie aus Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 1 Abs. 1 GG oder auf das Recht aus Art. 3 EMRK 762 berufen. 763 Vor diesem Hintergrund ist eine breit gefächerte, öffentliche Kontroverse um die Rechtmäßigkeit von Folter(androhung) zur Erlangung von Informationen entstanden 764, welche die Aktualität und Brisanz dieses Themas widerspiegelt und lokal über die Grenzen der Bundesrepublik hinausgeht. a) Exkurs: Die Folterdebatte in den USA Aufgrund des thematischen Zusammenhangs mit der deutschen Folterdebatte soll kurz die Situation und Diskussion um Foltermaßnahmen in den USA 765 wiedergegeben werden. Wie eingangs bereits erwähnt, äußern einige US-Politiker ihren Wunsch nach der Institutionalisierung der Folter als rechtmäßiges prozessuales Institut zur Erlangung von Informationen sehr offen. US-Vizepräsident Richard Cheney hat in Form der Vorlage eines neuen Anti-Folter-Gesetzes an den USSenat eine Art Sonderlizenz für die CIA befürwortet, nach der die CIA von dem generellen Folterverbot ausgenommen werden soll. Cheney beruft sich insofern 762

Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) hat als völkerrechtlicher Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 2 GG den Rang eines einfachen Bundesgesetzes (vgl. BVerfG NJW 2004, 3407 ff.; BVerfGE 74, 358 ff., 370) und ist bei der Auslegung des deutschen Rechtes zu berücksichtigen. 763 So etwa lauteten die teilweise heftig kritisierten Ausführungen des Berliner Richters Andreas Ohlsen zum Fall Gäfgen in seinem Leserbrief im Tagesspiegel v. 19. 12. 2004. 764 Jedoch ist nicht jeder, die Folter im Einzelfall befürwortenden Ansicht, eine Tendenz zum Feindstrafrecht zu entnehmen. Oftmals wird in bestimmten Situationen wie dem Daschner-Fall lediglich versucht, den Vernehmenden aufgrund der extremen Konfliktlage individuell zu rechtfertigen oder zumindest zu entschuldigen, ohne dass der Folterung Tatverdächtiger eine generelle Zustimmung oder gar staatliche Legitimierung erteilt wird, indem der Vernommene als Feind beurteilt wird. Zum Diskussionsstand vgl. etwa Braum, S.: KritV 2005, 283 ff.; Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff.; ders.: FAZ Nr. 58 v. 10. 3. 2003, S. 8; Brunkhorst, H. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 103 ff.; Christensen, R. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 133 ff.; Erb, V.: Jura 2005, 24 ff.; ders.: NStZ 2005, 593 ff.; ders.: Stellungnahme zum „Fall Daschner“ 2004; Heuser, S.: Menschenwürde 2004, S. 116 f.; Hilgendorf, E.: JZ 2004, 331 ff.; Jerouschek, G.: JuS 2005, 296 ff.; Kudlich, H.: JuS 2004, 376 ff.; Krasmann, S. / Wehrheim, J.: MschrKrim 2006, 265 ff.; Merkel, R.: Jakobs-FS 2007, S. 375 ff. 376 ff.; Norouzi, A. B.: JA 2005, 306 ff.; Prantl, H.: SZ v. 19. 11. 2004, S. 13, ders.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008, S. 43 ff.; Reemtsma, J. P.: Folter im Rechtsstaat? 2005; Roxin, C.: Eser-FS 2005, S. 461 ff.; ders.: Nehm-FS 2006, S. 205 ff.; Stübinger, S. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 277 ff.; Wagenländer, G.: Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter 2006; Wittreck, F. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 161 ff. sowie Beiträge in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006. Vgl. auch Stellungnahme und weitere Nachweise bei Fischer, T.: StGB 2008, § 32 Rn. 13 ff. 765 Vgl. zur Folterdebatte in den USA die Beiträge in: Greenberg, K. J. (Hrsg.): The Torture Debate in America 2006 sowie in: Levinson, S. (Hrsg.): Torture 2005.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

145

auf die Notwendigkeit von Folter seitens des US-Geheimdienstes in Bezug auf die nationale Sicherheit der USA und den von Präsident George W. Bush ausgerufenen Anti-Terror-Krieg. 766 Der republikanische Senator McCain setzte dagegen bei der Verabschiedung des Militärhaushalts 2006 durch, dass als Gesetzeszusatz jede „entwürdigende, grausame und unmenschliche Behandlung“ in amerikanischen Gewahrsam verboten wird. Das Gesetz wurde von einer überwältigenden Mehrheit der Republikaner und Demokraten angenommen. Bislang bemühen sich Cheney, aber auch Bush, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Bush hat mit der Einlegung eines Vetos gegen das Gesetz gedroht. 767 Bislang ist die Folter in den USA gesetzlich jedenfalls nicht legitimiert. Allerdings liegen Informationen vor, dass sie in der Praxis (insbesondere zur Gewinnung von Informationen über bevorstehende Terroranschläge) angewendet wird. 768 Die Folterexzesse in dem irakischen US-Gefängnis Abu Ghraib 769 dürften noch jedem im Gedächtnis haften. Dabei ist nach wie vor unklar, ob und inwiefern die generelle Verschärfung der Befragungen von Gefangenen durch Vorgesetzte oder gar vom Präsidenten persönlich angeordnet wurde. 770 Das US-Regime foltere heimlich, auch wenn solche Aktivitäten öffentlich geleugnet werden, oder verlagere die „Folterstätten“ in ausländische Staaten wie Jordanien, Ägypten oder auf die Philippinen (sog. „Outsourcing“), wo in der USA verbotene Vernehmungsmethoden ungehindert praktiziert werden können. 771 Zudem werde das Folterverbot nicht selten umgangen, indem der Inhaftierte statt direkter Folter, indirekten Foltermethoden in Form von „Stress und Zwang“ ausgesetzt wird. 772 Darunter fallen zum Beispiel das Tragen von Augenbinden, stundenlanges Verharrenmüssen in unbequemer Position, drastische Temperaturwechsel, Schlafentzug, Dauerlärm oder auch die permanente Bestrahlung mit grellem Licht. 773 Diese Methoden lassen sich nach einer engen Wortlautauslegung nicht unter den Begriff der „Folter“ subsumieren und wurden dementsprechend vom US-Justizminister Alberto Gonzales für Verhöre Terrorverdächtiger in Guantánamo explizit erlaubt. 774

766

FOCUS ONLINE v. 26. 10. 2005. Siehe etwa FAZ.NET v. 3. 11. 2005. 768 Vgl. auch Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 138. 769 Vgl. hierzu etwa Artikel in SPIEGEL ONLINE v. 15. 3. 2006; FAZ.NET v. 17. 2. 2006; FAZ Nr. 40 v. 16. 2. 2006, S. 44; ZEIT ONLINE v. 15. 2. 2006. 770 Vgl. etwa Meldung in DIE ZEIT Nr. 25 v. 9. 6. 2004. 771 Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 138, 151; vgl. auch Fischer Weltalmanach 2007, S. 510; Marx, R.: KJ 2006, 151 ff., 151; Der Spiegel Nr. 12 v. 19. 3. 2007, S. 124 ff., 126. 772 Zur Problematik des Folterbegriffs auch in Bezug auf psychologische Folter vgl. auch Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 124 f. 773 Vgl. auch Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 139; Marx, R.: KJ 2006, 151 ff., 156. 767

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Die gegenwärtige Folterpraxis ohne gesetzliche Grundlage lehnt insbesondere der in Harvard lehrende Strafrechtler Alan Dershowitz ab. Unter Zugrundelegung des „ticking bomb case“ 775 plädiert er für eine gesetzliche Einführung der Folter für Extremfälle, in denen faktisch Folter angewendet werde. Folter dürfe danach ausschließlich in dem Fall praktiziert werden, in dem sie der Verhütung besonders schwerer Straftaten dient wie etwa die Bedrohung einer ganzen Stadt. 776 Dagegen genüge die Bedrohung einer einzelnen Person regelmäßig nicht: „Das Argument für so ein außergewöhnliches Mittel wie die Folter ist nicht besonders stark, wenn es nur um eine Person geht.“ 777 Auch könne Folter nur durch besondere, richterliche Anordnung (torture warrant) legitimiert werden und die Transparenz des Prozederes müsse sichergestellt werden. Weiterhin dürfe die Anwendung von Folter keine tödlichen Folgen erwarten lassen. 778 Zur Begründung seiner Forderung führt Dershowitz an, dass die Legitimation der Folter innerhalb des Rechtssystems zumindest demokratischer sei als die gegenwärtige Handhabung, bei der im Verborgenen gefoltert werde und niemand Rechenschaft ablegen müsse. 779 Treffe die USA keine konkrete Regelung – unabhängig davon, ob die Folter generell verbo774 DIE ZEIT Nr. 5 v. 26. 1. 2006, abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/05/Zypries. Vgl. ferner auch Marx, R.: KJ 2006, 151 ff., 153 ff. zur Auslegung und Entwicklung des Folterbegriffs durch die Bush-Administration. 775 Das viel diskutierte „Szenario der tickenden Bombe“ beschreibt die (fiktive) Notsituation, in der ein Terrorist inhaftiert ist, der sich weigert, Informationen über eine Bombe preiszugeben, welche in Kürze explodieren wird, vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 140 m.w. N. Aufgegriffen wurde die Thematik etwa bei Luhmann, N.: Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen? 1993, S. 1 (vgl. auch Variante bei Brugger in Fn. 758). Dershowitz stellte bei einem Vortrag abschließend die Frage, wie viele der Zuhörer im ticking bomb case (ohne tödliche Folgen erwarten zu müssen) foltern würden, woraufhin sich beinahe alle Anwesenden meldeten. Interessanter Weise erhoben die verbleibenden Zweifler ihre Hand bei der Abwandlung der Frage, ob sie der Ansicht sind, dass in einem solchen Fall gefoltert werde, vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 150. 776 Dershowitz bedient sich im Übrigen bei der Frage der Abschussermächtigung von entführten und als Bomben dienenden Passagierflugzeugen des gleichen Argumentationsstranges: Absolute Moralität gebe es nicht, in „der Demokratie führt das dazu, extrem schwierige Abwägungen zwischen zwei Übeln treffen zu müssen. Ein Beispiel: Ein entführtes Flugzeug mit 300 Passagieren fliegt auf einen Wolkenkratzer zu. Es muss entschieden werden, ob das Flugzeug abgeschossen wird. Wenn nur zehn Leute im Wolkenkratzer sind, schießt man das Flugzeug nicht ab. Denn es gibt die Möglichkeit, dass die 300 Leute die Entführer überwältigen. Aber wenn 1000 Leute im Gebäude sind, schießt man es ab. Die Zahlen entscheiden über die moralische Abwägung.“(Dershowitz im Interview mit der ZEIT: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51 /Amerika_2fFolter.). 777 Dershowitz im Interview mit der ZEIT in: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51/Amerika_2fFolter. 778 Zu den Voraussetzungen der Folter vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 142, 151, 158 f.; ders.: San Francisco Chronicle v. 22. 1. 2002, p. A-19. 779 Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 153.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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ten, grundsätzlich oder nur mit richterlicher Anordnung erlaubt werde – komme es unwillkürlich zu Geheimdienstwillkür und zu Exzessen wie in Abu Ghraib. 780 b) Die Folterlegitimierung nach Dershowitz in Parallele zum Feindstrafrecht nach Jakobs Folter ist eine – zumindest auch – präventive Maßnahme, die dem Betroffenen jegliche Subjektsqualität abspricht. Sie wird angewendet gegenüber Menschen, die vermutlich eine massive Bedrohung rechtlich geschützter Güter darstellen und ist damit idealtypisches Feindstrafrecht im Sinne Jakobs. Dershowitz fordert demnach die gesetzliche Institutionalisierung einer feindstrafrechtlichen Verhaltensalternative 781, so dass man zu der Auffassung gelangen könnte, Dershowitz befürworte ein feindstrafrechtliches Rechtsmodell. Allerdings wird dabei übersehen, dass Dershowitz zunächst einmal Kritik übt und einen gegenwärtigen rechtlichen Missstand anprangert 782, nämlich dass Folter trotz fehlender gesetzlicher Grundlage praktiziert wird. Dies erinnert wiederum an die Ausführungen Jakobs zum Feindstrafrecht. 783 Denn das Feindstrafrecht dient Jakobs in erster Linie zur kritischen Beschreibung einer akuten Misere im Strafrecht. Erst im zweiten Schritt schlagen Jakobs wie auch Dershowitz vor, den aufgezeigten Missstand zumindest insofern zu beheben, dass eine legitime Basis für die ohnehin praktizierte Regelung errichtet wird. Nach Dershowitz ist es danach demokratischer, die Folter unter engen Voraussetzungen einzuführen und ihren Einsatz damit auf einige wenige und extreme Ausnahmefälle zu reduzieren 784, statt sie ohne festgelegte Begrenzungen anzuwenden. Nach Jakobs muss ohnehin bestehendes Feindstrafrecht offen gelegt und ausgesondert werden, damit wenigstens gegen Bürger weiterhin 780

Vgl. Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 163; vgl. auch ders. in: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51/Amerika _2fFolter. 781 Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 153. 782 Die prinzipiell eher ablehnende Haltung Dershowitz’ zur Folter lässt sich darüber hinaus aus dem Umstand folgern, dass er „Torturing Suspects“ als Überschrift des 3. Kapitels seines Buches „Why Terrorism Works“ (2002) gewählt hat. Chapter 3 (p. 105 –130) beschreibt nämlich „How an Amoral Society Could Fight Terrorism“, d. h. Dershowitz verortet die Folter grds. in der Kategorie nicht-demokratischer, sondern vielmehr tyrannischer und totalitärer Bekämpfungsmaßnahmen – wie etwa auch die kollektive Bestrafung (etwa der Familienangehörigen eines Terroristen), die Totalüberwachung der Privatsphäre ohne Tatverdacht oder der präventive Assassination von Personen mit Bedrohungspotential. Damit kommt zum Ausdruck, dass derartige feindstrafrechtliche Maßnahmen von vornherein negativ besetzt und jedenfalls auf demokratischer Grundlage in Reinform nicht möglich sind, wobei Dershowitz hier bereits andeutet, dass teilweise eine abgeschwächte Form der Maßnahmen ggf. auch in Demokratien zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden kann. 783 Vgl. zur Deutung Jakobs oben Kapitel 1 D.I. 784 Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 141, 153.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

rechtsstaatlich vorgegangen werden kann. Sieht man diese Parallelen in den Ausführungen von Jakobs und Dershowitz, muss man bei Dershowitz zu dem Schluss kommen, dass er kein Befürworter des Feindstrafrechts gegen Terroristen und ähnliche Täter ist, also trotz anklingender Forderung nach Folter, nicht affirmativ zu der Maßnahme steht. Entsprechend lehnt er die Folter in einem Interview mit einer deutschen Zeitung auch ausdrücklich ab: „Ich habe mich niemals für den Gebrauch der Folter ausgesprochen, nicht mal in Fällen von Terror gegen Menschenmassen“; „ich bin gar nicht für Folter“. 785 Auch die vehemente Ablehnung der eigens in die Diskussion gebrachten Maßnahme erinnert insofern an die Haltung Jakobs zum Feindstrafrecht. Und gleichsam sieht Dershowitz wie Jakobs in Bezug auf das Feindstrafrecht keine derzeitig gangbare Alternative. Beide prognostizieren, dass eine bereits praktizierte feindstrafrechtliche Regelung auch für die Zukunft Bestand haben wird, und verlangen daher wenigstens eine (verbesserte) gesetzliche Grundlage: Legitimierung der Folter in engen Grenzen statt praktisch unbegrenzter Folterung bei Dershowitz beziehungsweise ein separates Feindstrafrecht gegen gefährliche Täter statt ein feindstrafrechtlich durchmischtes Strafrecht gegen Bürger bei Jakobs. 4.

Der Abschuss „fliegender Bomben“

Eine der Folterdebatte vergleichbare Diskussion wurde durch die Einführung des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) 786 losgetreten. Das LuftSiG wurde am 11. 1. 2005 787 als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben erlassen. 788 Es trat am 15. Januar 2005 in Kraft und enthielt in § 14 folgende Bestimmung: (1) Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben. (2) Von mehreren möglichen Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf nur so lange und so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. (3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen 785 Dershowitz im Interview mit der ZEIT in: Die ZEIT Nr. 51 v. 15. 12. 2005, abrufbar unter: http://zeus.zeit.de/text/2005/51/Amerika_2fFolter. 786 Zum feindstrafrechtlichen Charakter des LuftSiG vgl. bereits Kapitel 2 B.III.2. 787 BGBl I, S. 78. 788 Das LuftSiG beruht auf der EU-Verordnung 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABIEG Nr. L 355 v. 30. 12. 2002).

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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eingesetzt werden soll und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist. (4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung anordnen. Im Übrigen kann der Bundesminister der Verteidigung den Inspekteur der Luftwaffe generell ermächtigen, Maßnahmen nach Absatz 1 anzuordnen.

§ 14 Abs. 3 LuftSiG bildete danach die gesetzliche Grundlage für den Abschuss entführter Luftfahrzeuge, die – ähnlich den Terroranschlägen vom 11. September 2001 – als „fliegende Bomben“ missbraucht werden. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens war das Gesetz auf Widerstand gestoßen. Zunächst wurde angezweifelt, dass dem Bund die Regelungskompetenz für den Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr von Gefahren aus der Luft zukommt. 789 Darüber hinaus wurde der unbestimmte Wortlaut moniert und die staatlich angeordnete Tötung von Menschenleben. Eine Abwägung „Leben gegen Leben“ sei mit Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 GG (Lebensschutz) unvereinbar. 790 Dennoch wurde das Gesetz von der Mehrheit des Bundestages – gegen die Stimmen der FDP – beschlossen und spiegelte insoweit das herrschende politische Klima wieder, effektive Gefahrenabwehr gegen Terroristen betreiben und zu diesem Zweck auch Kollateralschäden in Kauf nehmen zu wollen. Nach der Kosten-NutzenAnalyse des Gesetzgebers war die Sicherheit der Allgemeinheit in einem solchen Extremfall höherrangig einzustufen als das Leben der Entführer und vor allem auch der zivilen Besatzung und Passagiere, welche jedoch spätestens durch den Aufprall ohnehin zu Tode kommen würden. Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnete das Gesetz zwar, empfahl jedoch zugleich dessen rechtliche Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. 791 Weiterhin wurde auch die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens angekündigt und Verfassungsbeschwerden von mehreren Privatpersonen gegen § 14 Abs. 3 GG eingelegt. Mit Urteil vom 15. 2. 2006 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde für erfolgreich und § 14 Abs. 3 für nichtig. 792 Neben 789

Ablehnend die CDU / CSU-Fraktion (BT-Drucks. 15/2649) und die Redebeiträge der der Abgeordneten Binninger (BT-Prot. 15/89, S. 7890 f., 115/89, S. 10538) und Bosbach (BT-Prot. 15/89, S. 7884 f.). 790 Vgl. zum Streitstand etwa Hilgendorf, E. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 107 ff., 124 ff., 130 ff.; Hirsch, B.: KritV 2006, 3 ff.; Isensee, J.: JakobsFS 2007, S. 205 ff., 214 ff.; Lüderssen, K.: StV 2005, 106 ff.; Otto, H.: Jura 2005, 470 ff., 477 ff.; Pawlik, M.: JZ 2004, 1045 ff. und ders.: FAZ Nr. 165 v. 19. 7. 2004, S. 29; Sinn, A.: NStZ 2004, 585 ff.; Tröndle, H. / Fischer, T.: StGB 2007, § 34 Rn. 16a bzw. die leicht abgewandelte und ergänzende Nachfolgerauflage: Fischer, T.: StGB 2008, § 34 Rn. 11a. Zusammenfassung der Stellungnahmen von Parteien, Experten und Rechtswissenschaft bei Dreist, P. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 77 ff., 88 ff. 791 Hecker, W.: KJ 2006, 179 ff., 179. 792 BVerfG NJW 2006, 751 ff.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

der fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergebe sich die Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs. 3 GG aus der Unvereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) des Grundgesetzes, soweit tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs dem Einsatz der Waffengewalt ausgesetzt werden. 793 Vor allem aus den Reihen der CDU, aber wohl mit Zustimmung der SPD, wird nunmehr eine Verfassungsänderung in Bezug auf Art. 35 GG vorgeschlagen, die eine künftige Amtshilfe für die Polizei durch die Bundeswehr zur Abwehr terroristischer Gefahren mit militärischen Mitteln vorsieht. Danach wäre etwa auch der Abschuss von Terrorfliegern möglich, solange dabei keine Unschuldigen zu Schaden kommen. Die CDU erwägt ferner eine Neufassung des Art. 87 GG, nach der die Bundeswehr auch im Inland zum „Schutz ziviler Objekte“ eingesetzt werden darf, um beispielsweise Stadien und Flughäfen zu bewachen. 794 Nach einem Gesetzesvorschlag des Bundesinnenministers Schäuble soll zur Ermöglichung des Abschusses entführter Flugmaschinen Art. 87a Abs. 2 GG neu gefasst werden, so dass die Streitkräfte für einen „Quasi-Verteidigungsfall“ eingesetzt werden könnten. 795 5.

Fazit

Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Politik sich vielfach nicht mit den bereits bestehenden „feindstrafrechtlichen“ Regelungen zufrieden gibt, sondern gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung 796, der Verfolgung und Prävention von Sexualdelikten 797, aber auch der allgemeinen Verbrechensbekämpfung 793 Dagegen wurde in Russland im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung unlängst eine ähnliche Vorschrift erlassen, die die Streitkräfte im Notfall ermächtigt, sowohl gekaperte Flugzeuge wie auch Schiffe anzugreifen, vgl. Meldung in SPIEGEL ONLINE v. 22. 2. 2006. Über die Notwendigkeit eines deutschen Seesicherheitsgesetzes zur Abwehr von Angriffen zu Wasser vgl. ferner Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Interview mit dem SPIEGEL (Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 17). 794 Der Spiegel Nr. 43 v. 23. 10. 2006, S. 17. 795 Hierzu Sieber, U.: ZStW 2007, S. 1 ff., 35 f. m.w. N. Vgl. auch: Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 28. 796 Siehe hierzu auch die jüngsten Vorschläge in Bezug auf weitere Sicherheitsgesetze, insbesondere von Innenminister Schäuble (CDU), wie z. B. die heimliche Online-Durchsuchung (hierzu lesenwert: Die Zeit Nr. 38 v. 13. 9. 2007, S. 1), die umfassende Speicherung von Fingerabdrücken bei den Meldeämtern, den „großen Spähangriff“ (gemeint ist – in Ergänzung zum „großen Lauschangriff“ – die videotechnische Überwachung von Wohnungen oder auch Internetlokalen; vgl. etwa SPIEGEL ONLINE v. 8. 12. 2007) und die Benutzung der Mautdaten zur Verfolgung schwerer Straftaten (Der Spiegel Nr. 15 v. 7. 4. 2007, S. 18; Der Spiegel Nr. 16 v. 16. 4. 2007, S. 24 ff., 24 f.; Der Spiegel Nr. 29 v. 16. 7. 2007, S. 24 ff., 25. Vgl. ferner zu diesem und weiteren Beispielen auch den Leitartikel in: Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 19, 22 f. sowie das Interview mit dem Innenminister auf S. 31 ff.). Nach Schäuble soll vor allem auch die Unschuldsvermutung im Rahmen der Gefahrenabwehr – gerade in Bezug auf die Bekämpfung terroristischer Straftaten – nicht gelten. Zu Recht wird daher etwa von Prantl der Vergleich mit dem Jakobsschen Feind-

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durchweg materielle und prozessuale Verschärfungen fordert. Die betroffenen Tätertypen werden als dauerhaft gefährlich eingestuft, sind Feinde der Gesellschaft und bedrohen diese permanent. Mit den allgegenwärtigen Forderungen nach mehr Sicherheit durch Strafrecht geht die Politik den Weg des geringsten Widerstandes, so dass sich im Ergebnis die These Jakobs vom deutschen Trend zum Feindstrafrecht auch auf die gegenwärtige Kriminalpolitik übertragen lässt.

II. Feindstrafrechtliche Tendenzen in der deutschen Rechtsprechung Eine abschließende Untersuchung, ob und inwiefern die Rechtsprechung Gesetze feindstrafrechtlich im Sinne Jakobs auslegt oder tendenziell feindstrafrechtlichte Maßnahmen durch die staatlichen Strafverfolgungsorgane zulässt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und muss daher unterbleiben. 798 Dennoch soll dieser Frage anhand einiger ausgewählter Beispiele nachgegangen werden. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die bloße Anwendung von Gesetzen, die nach Jakobs feindstrafrechtlich ausgeprägt sind, noch keine Kategorisierung der Rechtsprechung ermöglicht. Schließlich ist die Judikative an die Rechtsordnung gebunden und muss nach deren Inhalt entscheiden, also grundsätzlich auch in dem Fall, dessen Beurteilung sich nach einer tendenziell feindstrafrechtlichen Norm richtet. Die Rechtsprechung wendet insofern lediglich die durch den Gesetzgeber vorgegebenen – gegebenenfalls feindstrafrechtlichen – Normen an, wenn gleich letztinstanzlich das Bundesverfassungsgericht selbstverständlich die Verfassungswidrigkeit einer Regelung feststellen und damit feindstrafrechtliche Vorschriften strafrecht gezogen (siehe Online-Interview der Süddeutschen Zeitung mit Heribert Prantl v. 18. 4. 2007). 797 Vgl. beispielsweise auch die Forderung des innenpolitischen Sprechers der Union, Wolfgang Bosbach, eine Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Auflage bezüglich eines Autoverbots für Sexualstraftäter zu schaffen, um Folgeverbrechen zu verhindern. Die meisten Sexualstraftaten würden nämlich mithilfe eines Fahrzeugs vorbereitet und begangen, so dass Sexualstraftäter nach Verbüßung der Haftstrafe weder ein Auto besitzen noch fahren dürfen sollen (SPIEGEL ONLINE v. 17. 10. 2006). 798 Vgl. allerdings Rath, J.: Gesinnungsstrafrecht 2002. Rath untersucht die „Versubjektivierung von Merkmalen des objektiven Tatbestandes“ anhand dreier BGH-Entscheidungen (Provokation von Auffahrunfällen durch „verkehrsgerechte“ Fahrweise; Täuschungshandlung i. S. d. § 263 StGB durch die Behauptung wahrer Tatsachen; Rechtsbeugung bei der Behandlung einer Rechtssache in „angemessener“ Zeit, sog. „Schill-Urteil). Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass in den genannten Entscheidungen jeweils das Merkmal der „bösen Absicht“ in den objektiven Tatbestand hineininterpretiert wurde, um letztlich eine Strafbarkeit zu begründen (Rath, J.: Gesinnungsstrafrecht 2002, S. 14 ff.). Die alleinige Bezugnahme auf subjektive, also täterinterne Elemente im objektiven Tatbestand, die zur Überwindung der Tatsache dient, dass keine objektiv erkennbare Störung nach außen gedrungen ist, entspricht aber nach Jakobs weniger bürger-, sondern vielmehr tendenziell feindstrafrechtlichen Erwägungen (siehe dazu bereits Kapitel 1 C.II.1.).

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für nichtig erklären kann. Allerdings ist insofern zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung dem Gesetzgeber in Bezug auf die Schaffung und den Inhalt von Straftatbeständen eine Einschätzungsprärogative und damit einen weiten Ermessens- und Prognose-Spielraum einräumt. 799 Die Tendenz der Rechtsprechung für oder wider Feindstrafrecht kann sich jedoch entweder daraus ergeben, dass ein feindstrafrechtliches Gesetz explizit für wirksam oder für nichtig erklärt wird, wobei die Entscheidung gerade auf dem feindstrafrechtlichen Charakter der Norm beruhen muss. Oder eine entsprechende Tendenz könnte sich daraus ergeben, dass eine neutrale Norm feindstrafrechtlich interpretiert beziehungsweise eine feindstrafrechtliche Norm restriktiv angewendet wird. 1. Zum Feindstrafrecht divergierende beziehungsweise legislatives Feindstrafrecht abschwächende Rechtsprechung Zunächst gibt es etliche Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen die Gerichte Gesetze und Maßnahmen eng an der Verfassung auslegen, ohne bestimmte Täter, deren Taten besonders verachtenswert erscheinen und die nach Jakobs der Kategorie „Feind“ zuzuordnen sind, nach anderen Maßstäben zu beurteilen als „bürgerliche“ Delinquenten. Diese Entscheidungen, von denen einige hier stellvertretend aufgeführt werden, sind zunächst dadurch gekennzeichnet, dass selbst der Täter, der dem Feindbegriff von Jakobs unterfällt, nicht als Feind behandelt wird, sondern als Rechtssubjekt, das mit den gleichen Rechten ausgestattet ist, wie jeder andere Straftäter auch. In Bezug auf die Auslegung tendenziell feindstrafrechtlich geprägter Normen zeigen die nachfolgenden Entscheidungen auf, dass die Rechtsprechung um eine verfassungsrechtliche und restriktive Interpretation der in Frage stehenden Vorschriften bemüht ist, mit der Folge, dass die legislative Ausrichtung am Feindstrafrecht wenigstens abgeschwächt wird. Die tendenzielle Annäherung an den Idealtypus wird durch diese Rechtsprechung vollständig oder zumindest teilweise rückgängig gemacht. a) Der Fall Motassadeq Mounir al Motassadeq stand in regem Kontakt mit den bei den Anschlägen vom 11. September 2001 ums Leben gekommenen Attentätern Atta, Alshehhi und Jarrah sowie dem mutmaßlich an der Vorbereitung der Anschläge beteiligten Binalshib. Er teilte deren islamistische Einstellung und Antipathie gegen die Politik der USA und Israels. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Alshehhi vermutlich mit den Vorbereitungen für die Terroranschläge beschäftigt war, nahm Motassadeq 799

Vgl. zum Beispiel BVerfGE 77, 170 ff., 214 f.; 88, 203 ff., 262; 90, 145 ff., 173; BVerfG NJW 1983, 1751 ff., 1756; 2001, 1952 ff., 1954; 2004, 2073 ff., 2079; BVerfG NVwZ 2004, 597 ff., 599.

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weitgehend dessen Angelegenheiten wahr, wie etwa die Abwicklung des Mietvertrages und die Überweisung des fälligen Semesterbeitrags. Zudem hatte er im Sommer 2000 an Schießübungen in einem Lager der Al Quaida in Afghanistan partizipiert. 800 Im eingeleiteten Strafverfahren vor dem Hamburger Oberlandesgericht wurde Motassadeq entsprechend vorgeworfen, er habe durch die Übernahme von Alltagsgeschäften den wahren Aufenthaltsort der Attentäter und deren terroristische Vorbereitungen verschleiert und sich damit an den Anschlägen beteiligt. Motassadeq bestritt dagegen, von den Plänen gewusst zu haben. Der seit 2002 in US-Gewahrsam befindliche und ebenfalls der Attentatsvorbereitung verdächtige Binalshib konnte hierzu im Strafverfahren gegen Motassadeq nicht vernommen werden, da die US-Regierung die erforderliche Mitwirkung versagte. Auch konnte nach den Feststellungen des OLG nicht geklärt werden, ob Binalshib Angaben zur Tatbeteilung des Angeklagten gemacht hat. Ein zu den Ermittlungen in den USA vernommener FBI-Beamter konnte nicht als Zeuge gehört werden, da er zu dieser Frage keine Aussagegenehmigung erhielt. Ferner hatten das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium des Inneren Auskünfte zum Inhalt von Protokollen verweigert (Sperrerklärung nach § 96 StPO), die durch US-Stellen übermittelt worden waren und Aufschluss über geheimdienstliche Vernehmungen Binalshibs hätten geben können. 801 Dass der Zeuge Binalshib damit unerreichbar war, gab nach Auffassung des Gerichts nicht dazu Anlass, das Verfahren auszusetzen und führte auch nicht zu einem Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Der Grundsatz des „fair trail“ dürfe nicht Vorschriften der StPO ersetzen. Die Erreichbarkeit eines Zeugen sei jedoch in § 244 Abs. 3 StPO geregelt und vorliegend konkret erörtert worden. Zugleich kommen hier der Grundsatz der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sowie der Beschleunigungsgrundsatz zum Tragen. Im Übrigen stehe etwaigen Bedenken im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO das potentielle Korrektiv des Wiederaufnahmeverfahrens gegenüber. 802 In der Folge wurde Motassadeq vom Hamburger Oberlandesgericht wegen Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen sowie zum versuchten Mord und zur gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 4. 3. 2004 die Entscheidung des HansOLG Hamburg aufgehoben. 803 Danach habe das OLG sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, dass der Tatbeteiligte Binalshib für eine Vernehmung nicht zur Verfügung stand und auch nicht geklärt werden konnte, inwiefern er im 800 Zu diesen und weiteren Feststellungen vgl. im Einzelnen BGHSt 49, 112 ff. (entspricht StV 2004, 192 ff.); Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff., 243. 801 Vgl. BGHSt 49, 112 ff., 117. 802 Vgl. Wiedergabe des OLG bei Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff., 244. 803 BGHSt 49, 112 ff. (zugleich StV 2004, 192 ff.); Anmerkungen von Gaede, K.: StraFo 2004, 195 ff.; Gössel, K . H.: Jura 2004, 696 ff.; Müller, H. E.: JZ 2004, 926 ff.; Norouzi, A. B.: JA 2005, 169 ff.; Strate, G.: HRRS 7/2004, 239 ff., 243 ff.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Rahmen seiner Vernehmung durch US-amerikanische Stellen Angaben über die Einbindung des Angeklagten in Planung und Vorbereitung der Terrorakte vom 11. September 2001 machte. 804 Der BGH führt hierzu aus: „Kann ein zentrales Beweismittel wegen einer Sperrerklärung oder einer verweigerten Aussagegenehmigung nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden, obwohl ohne die Sperrerklärung oder verweigerte Aussagegenehmigung die Erhebung des Beweises ein Gebot der Aufklärungspflicht gewesen wäre (§ 244 Abs. 2 StPO) beziehungsweise ein Beweisantrag des Angeklagten auf Erhebung des Beweises aus keinem der in § 244 Abs. 3 – 5 StPO genannten Ablehnungsgründe hätte zurückgewiesen werden können, muss der Tatrichter die hierdurch bedingte Einschränkung seiner Erkenntnismöglichkeiten sowie die Beschneidung der Verteidigungsrechte des Angeklagten bei seiner Überzeugungsbildung berücksichtigen und in den Urteilsgründen im Rahmen der Beweiswürdigung erörtern. Andernfalls ist seine Beweiswürdigung lückenhaft und der Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 20 Abs. 3 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzt.“ 805

Zwar habe die Unerreichbarkeit eines Beweismittels grundsätzlich bei der Würdigung der erhobenen Beweise außer Betracht zu bleiben. Habe allerdings der ausländische Staat ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, dürfe es nicht unberücksichtigt bleiben, wenn er andere, für die Tataufklärung zentrale Beweismittel, die potentiell zur Entlastung des Angeklagten geeignet sein könnten, dem deutschen Strafgericht vorenthält. Andernfalls sei die Gefahr nicht auszuschließen, dass der ausländische Staat durch die selektive Gewährung von Rechtshilfe den Ausgang des in Deutschland geführten Verfahrens in seinem Sinne steuert. Dies könne im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht geduldet werden. 806 Das Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, dass selbst ein Beschuldigter wie Motassadeq, der aufgrund seiner ideologischen Prägung der Feindkategorie nach Jakobs zuzuordnen ist, von den deutschen Strafgerichten nicht als Feind ohne Rechte behandelt wurde. Obgleich sich der Verdacht aufgrund seines kulturellen, sozialen und religiösen Umfelds kaum ausräumen lässt, Motassadeq habe doch von den Anschlägen Kenntnis gehabt und diese mitverwirklicht, wurden letztlich weder allgemeine Verfahrensrechte verletzt, sondern diese umgekehrt sogar ausdrücklich angewendet, was zu einem milderen Urteil geführt hat (sieben Jahre Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung), noch durften die Anforderungen an den zu erbringenden Schuldnachweis wegen der Ungeheuerlichkeit des Tatvorwurfs abgeschwächt werden. Die Schuld des Angeklagten musste einem Bürger gleich bewiesen werden; eine präventive Sicherung durch lebenslange Freiheitsstrafe gegen den Feind wurde abgelehnt. 807 Insofern 804 805 806

BGHSt 49, 112 ff., 124. BGHSt 39, 112 ff., 118. BGHSt 39, 112 ff., 124 f.

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liefert die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall Motassadeq geradezu ein Paradebeispiel „antifeindstrafrechtlicher“ Rechtsprechung. b) Der „Große Lauschangriff“ Unter einem „Lauschangriff“ wird das heimliche Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen innerhalb einer Wohnung verstanden. Werden die Gespräche des Betroffenen dabei von außen und insbesondere durch technische Mittel wie Wanzen oder Richtmikrophone überwacht, spricht man von einem „Großen Lauschangriff“. 808 Der Lauschangriff wurde mit Wirkung zum 1. 4. 1998 in Gestalt des Art. 13 Abs. 3 GG durch verfassungsänderndes Gesetz in das Grundgesetz eingefügt. 809 Danach dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine besonders schwere Straftat begangen hat, und wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die einfachgesetzliche Umsetzung des Art. 13 Abs. 3 GG erfolgte durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 durch Ergänzung der §§ 100c ff. StPO. 810 Der Lauschangriff ist entsprechend der Begriffsbestimmung Jakobs feindstrafrechtlicher Natur, da es sich um eine geheime Maßnahme handelt 811, der Betroffene somit nicht als Bürger offen mit der Ermittlung konfrontiert, sondern quasi rechtslos gestellt wird. Zudem ist die Wohnung normativer Interbereich des Täters und dürfte somit im Bürgerstrafrecht nicht durch den Staat überwacht werden. 812 Dies gilt erst recht, wenn der Betroffene innerhalb der Wohnung schutzwürdige Interna seiner privaten Lebensführung äußert. Darüber hinaus wurde die Maßnahme erlassen, um die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen; sie stellt folglich Bekämpfungsgesetzgebung gegen Feinde im Sinne Jakobs dar. Mit Urteil vom 3. 3. 2004 entschied das Bundesverfassungsgericht 813, dass zwar Art. 13 Abs. 3 GG mit der Verfassung in Einklang steht 814; die einfachgesetzliche 807

Im Übrigen kann auch der Entscheidung des BVerfG, das über den Widerruf der Aufhebung der Untersuchungshaft zuungunsten von Motassadeq zu urteilen hatte, keine Tendenz zur präventiven Sicherung von Terroristen entnommen werden, vgl. BVerfG StV 2006, 139 ff. 808 Dagegen findet ein „kleiner Lauschangriff“ statt, wenn ein verdeckter Ermittler als Kommunikationspartner des Betroffenen zur Informationserlangung eingesetzt wird, vgl. Valerius, B.: JA 2006, 15 ff., 15 m.w. N. 809 „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ (Artikel 13) vom 26. 3. 1998, vgl. BGBl. I, S. 610. 810 BGBl. 1998 I, S. 845. 811 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. auch ders.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 846. 812 Vgl. hierzu auch Kapitel 1 C.I.1.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Umsetzung habe dagegen den Vorgaben des Art. 13 Abs. 3 GG nicht hinreichend Rechnung getragen. Zur Begründung führte der Senat an, dass eine Änderung von Gesetzen grundsätzlich möglich ist, sofern der verfassungsändernde Gesetzgeber Art. 79 Abs. 3 GG (sog. Ewigkeitsklausel) beachtet. Die Grundgesetzänderung darf somit nicht die in Art. 1 und 20 GG festgelegten Grundsätze tangieren. „Dabei führt ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs“ nach Art. 1 GG. 815 Art. 13 Abs. 3 GG war insofern jedoch an dem Menschenwürdegehalt des in Art. 13 GG geschützten Grundrechts zu messen: „Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat einen engen Bezug zur Menschenwürde und steht zugleich im nahen Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private – eine höchstpersönliche – Entfaltung. Dem Einzelnen soll das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, gerade in seinen Wohnräumen gesichert sein.“ 816 Dies führe schließlich dazu, dass Art. 13 Abs. 3 GG dahingehend zu verstehen sei, „dass seine gesetzliche Ausgestaltung die Erhebung von Informationen durch die akustische Wohnraumüberwachung dort ausschließen muss, wo die Ermittlungsmaßnahme in den durch Art. 13 I i. V. mit Art. 1 I und Art. 2 I GG geschützten unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung vordringen würde.“ 817 Diesen Anforderungen genügen die §§ 100c ff. StPO nicht. § 100d Abs. 3 StPO verbiete zwar die Überwachung von Berufsgeheimnisträgern; ein Überwachungsverbot für Gespräche mit engsten Vertrauten sei dagegen einzig in dem Fall vorgesehen, in dem sämtliche Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen. Die zentrale Überwachungsgrundlage, § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, sei ebenfalls verfassungswidrig, da sich seine Anwendbarkeit nicht auf „besonders schwere Straftaten“ (wie in Art. 13 Abs. 3 GG vorgesehen) beschränke. 818 In der Folge wurde der Gesetzgeber verpflichtet, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen. Am 1. 7. 2005 ist das Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. 3. 2004 betreffend die akustische Wohnraumüberwachung in Kraft getreten. 819 Danach darf die akustische Wohnraumüberwachung gemäß 813

BVerfGE 109, 279 ff.; zugleich BVerfG NJW 2004, 999 ff.; Anmerkungen von Krey, V.: Schwind-FS 2006, S. 725 ff., 732 ff.; Löffelmann, M.: NJW 2005, 2033 ff.; Roggan, F. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 51 ff.; Ruthig, J.: GA 2004, 587 ff.; Sauer, H.: JA 2005, 16 ff; vgl. ferner auch Krehl, C. / Eidam, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 138 ff. 814 Abweichend das Minderheitenvotum der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt, wonach Art. 13 Abs. 3 GG insgesamt als verfassungswidrig anzusehen ist, vgl. NJW 2006, 999 ff., 1020 ff. 815 BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1002. 816 BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1002. 817 BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1003. 818 BVerfG NJW 2004, 999 ff., 1004 ff.; vgl. zudem Sauer, H.: JA 2006, 16 ff., 17.

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§ 100c Abs. 4 StPO nur angeordnet werden, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Werden derartige Äußerungen erfasst, die den Kernbereich betreffen, ist die Überwachung nach § 100c Abs. 5 StPO zu unterbrechen und die Erkenntnisse sind unverzüglich löschen. Sie unterliegen einem Verwertungsverbot. 820 Das vorbezeichnete Urteil hat somit dazu geführt, dass eine vormals feindstrafrechtliche Norm zumindest abgeschwächt wird. Das heißt nicht, dass der Lauschangriff nunmehr als qualitativ bürgerstrafrechtliche Ermittlungsmethode anzusehen ist – dies ist nach der Definition Jakobs unzweifelhaft nicht der Fall, da die akustische Wohnraumüberwachung auch in der Neufassung heimlich in einen Internbereich (Wohnung) eindringt, die der staatlichen Kontrolle üblicherweise entzogen ist. 821 Zudem ist kritisch anzumerken 822, dass selbst bei unverzüglichem Löschen von Äußerungen, die den Kernbereich privater Lebensführung betreffen, eine Verletzung von Interna und damit der Menschenwürde bereits stattgefunden hat. Bürgerstrafrechtlich sind die Vorschriften durch die Neufassung demzufolge zwar nicht geworden, sie sind aber zumindest weniger feindstrafrechtlich ausgeprägt, als dies von der Gesetzgebung zunächst vorgesehen war. c) Die Vermögensstrafe Die aufgrund ihrer fehlenden Orientierung am Schuldgrundsatz sowie ihrer präventiven Ausrichtung feindstrafrechtlich geprägte 823 Vermögensstrafe nach § 43a StGB a.F. 824 wurde dagegen vom Gericht nicht lediglich in ihrer Anwendbarkeit 819 Vom 24. 6. 2005 (BGBl. I, S. 1841). Kritisch zur Umsetzung Krehl, C. / Eidam, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 138 ff., 148 ff.; Krey, V.: Schwind-FS 2006, S. 725 ff., 736 ff. 820 Vgl. zu den Grenzen des „Großen Lauschangriffs“ etwa auch die Entscheidung in BGH NJW 2005, 3295 ff. (Anmerkungen von Lindemann, M. / Reichling, T.: StV 2005, 650 ff.; Valerius, B.: JA 2006, 15 f.; vgl. ferner auch Kolz, A. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 585 ff.). Danach unterliegt das mittels akustischer Raumüberwachung gewonnene Selbstgespräch des Beschuldigten einem Verwertungsverbot. Ein Selbstgespräch stelle kein „Gespräch“ i. S. d. § 100c Abs. 4 S. 3 StPO dar, da hierdurch keine Äußerung erfolgt, die dazu bestimmt ist, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden. Vielmehr habe das Selbstgespräch höchstpersönlichen Charakter und sei daher zum Kernbereich der privaten Lebensführung zu zählen. 821 Beachtenswert ist insofern jedoch das „bürgerstrafrechtlich“ orientierte Minderheitenvotum der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt, die von einer generellen Verfassungswidrigkeit des Art. 13 Abs. 3 GG ausgehen. Art. 13 Abs. 3 GG überschreite die materielle Grenze, die Art. 79 Abs. 3 GG Eingriffen in die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG setzt (NJW 2006, 999 ff., 1020). 822 Vgl. etwa Minderheitenvotum der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt: NJW 2006, 999 ff., 1020; Sauer, H.: JA 2005, 16 ff., 17.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

eingeschränkt. Vielmehr verkündete der BGH mit Urteil vom 20. 3. 2002 825, dass die Vermögensstrafe mit dem Grundgesetz unvereinbar 826 und damit nichtig ist. Die Vermögensstrafe ist eine Strafe, kein Instrument der Gewinnabschöpfung. Als solche muss die gesetzliche Ausgestaltung der Vermögensstrafe es von ihr dem Betroffenen ermöglichen, Art und Ausmaß der staatlichen Sanktion vorherzusehen. Dieser Verpflichtung aus Art. 103 Abs. 2 GG ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen. Zwar steht das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG im Spannungsverhältnis mit dem Schuldprinzip, wonach dem Richter zur Vermeidung unverhältnismäßiger und ungerechter Strafen tendenziell ein Strafrahmen vorgegeben sein muss, aus dem er die im Einzelfall angemessene Strafe zu entnehmen hat. 827 Im Rahmen der Vermögensstrafe ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift jedoch weder, in welchen Fällen des Verweises eines Tatbestands auf § 43a StGB a.F. neben dem Freiheitsentzug die Vermögensstrafe angeordnet werden soll. Noch wird dem Richter ein konkreter Strafrahmen vorgegeben, denn Gegenstand der Vermögensstrafe ist das gesamte Vermögen des Betroffenen, dessen Wert der Richter notfalls schätzen muss. 828 Der gesetzliche Strafrahmen soll jedoch auch den Unwertgehalt ausdrücken, den der Gesetzgeber dem strafbaren Verhalten beimisst. Er dient dem Richter zur Orientierung für die Einordnung des von ihm zu entscheidenden Einzelfalls. Diese Funktion kann ein Strafrahmen ohne bestimmte oder zumindest bestimmbare Obergrenze jedoch nicht erfüllen. Der Richter muss somit selbst einen Strafrahmen festlegen und erfüllt demzufolge eine Aufgabe, die der Rechtsetzung obliegt. 829 Durch das Zusammentreffen mehrerer Strafen lässt sich zudem die Schuldangemessenheit der Strafe schwerer bestimmen, als dies bei der Festsetzung einer einzigen Strafe, die in ihren Wirkungen auf den Täter besser abschätzbar ist, der Fall ist. Insofern besteht auch die Gefahr einer Kollision mit dem Schuldprinzip. 830 2.

Tendenz offen gelassen

Ferner hat sich die Rechtsprechung in einigen Fällen offen gehalten, ob feindstrafrechtliche Erwägungen – gerade unter dem zunehmenden Druck der gegen823

Vgl. hierzu Kapitel 2 B.II.2. Eingeführt durch Art. 1 des „Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 (BGBl. I, S. 1302). 825 BGH NJW 2002, 1779 ff. 826 Zur abweichenden Auffassung der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff vgl. BGH NJW 2002, 1778 ff., 1785. 827 BGH NJW 2002, 1779 ff., 1780. 828 BGH NJW 2002, 1779 ff., 1781 ff. 829 BGH NJW 2002, 1779 ff., 1783 ff. 830 BGH NJW 2002, 1779 ff., 1783. 824

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wärtigen Sicherheitspolitik – in der Zukunft eine Rolle spielen können beziehungsweise werden. a) Das Urteil im Fall Daschner Das Landgericht Frankfurt am Main 831 entschied im bereits skizzierten Entführungsfall, dass die polizeiliche Androhung von Schmerzen zur Rettung eines Menschenlebens auf Anordnung des Vize-Polizeipräsidenten Daschner unzulässig war. Da die beiden Angeklagten keine Revision eingelegt haben, bleibt das Urteil vorerst das letzte Wort der Rechtsprechung zur Folter beziehungsweise zu parallel gelagerten ticking bomb-Fällen. Daschner wurde wegen Verleitung eines Untergebenen zur Nötigung im Amt gemäß § 357 Abs. 1 i.V. m. § 240 Abs. 1 StGB verurteilt. Die zwangsweise Durchsetzung einer Aussage, insbesondere die Drohung mit Schmerzzufügung, sei – auch zur Gefahrenabwehr – nach den polizeirechtlichen Vorschriften (§ 12 Abs. 4 HessSOG i.V. m. § 136a StPO; § 52 Abs. 2 HessSOG) verboten. Auch die Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB griffen vorliegend nicht – selbst wenn davon ausgegangen werde, dass jene überhaupt auf hoheitliches Handeln anwendbar sind. Unabhängig davon, dass im Ausgangsfall das entführte Kind bereits tot war und damit keine objektive Notwehr- oder Notstandslage mehr vorlag und zudem die Erforderlichkeit des Mittels zu verneinen sei 832, sei die Androhung der Schmerzzufügung jedenfalls weder geboten im Sinne des § 32 StGB noch angemessen im Sinne des § 34 StGB, da die Handlung gegen Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG verstoßen habe. 833 „Dieser fundamentale Satz der Verfassung findet sich auch in Art. 104 I 2 GG wieder, wonach festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen. Nach Art. 1 I 1 GG ist die Menschenwürde unantastbar. Keine Person darf durch die Staatliche Gewalt zum Objekt, zu einem Ausbund von Angst und Schmerzen gemacht werden.“ 834

Dieser Grundsatz wird im Folgenden noch konkretisiert. So beruft sich das Gericht weitergehend auf Art. 3 EMRK 835, betont die systematische Stellung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG an der Spitze der deutschen Verfassung und verweist auf die historisch gewachsene Bedeutung der Achtung der Menschenwürde nach den „Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes“, deren Gehalt durch die Ewig831

Vgl. LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff. Insofern bestand als milderes Mittel beispielsweise die Möglichkeit, den Beschuldigten vorrangig mit den Angehörigen des Opfers zu konfrontieren, vgl. LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693. 833 LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693. 834 LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693. 835 Zum Verstoß der Folter gegen Art. 3 EMRK vgl. auch Eisele, J.: JA 2005, 901 ff., 903. 832

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

keitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG besonders geschützt und die Voraussetzung eines Rechtsstaates schlechthin sei. 836 Abschließend äußert das Gericht die Hoffnung, dass „durch die umfangreiche Resonanz in der Öffentlichkeit [...] sich der Blick auch für die Gefahren weitet, die ein Abweichen von der Absolutheit des Art. 1 I 1 GG mit sich bringt.“ 837 Die an Art. 1 Abs. 1 GG ausgerichtete Begründung des Gerichts mutet zunächst konsequent anti-feindstrafrechtlich an. Auch der Verbrecher, dessen Tat sich als absolut verachtenswert darstellt, ist nicht rechtlos zu stellen und als Subjekt zu behandeln; er ist sogar vor jeder anderweitigen Behandlung aktiv zu schützen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass auch ein Freispruch – unter der Prämisse, dass die Handlung der Individuen zwar strafrechtlich durch § 32 StGB gedeckt, öffentlich-rechtlich aber verboten ist 838 – nicht unbedingt als feindstrafrechtlich bezeichnet werden könnte. 839 Die Norm des § 32 StGB bildet vielmehr eine persönliche Rechtfertigung des Individuums für den Einzelfall, die ausnahmsweise die Rechtswidrigkeit und damit auch die Strafbarkeit entfallen lassen kann. Sie hat kein generell staatlich gewährtes Feindstrafrecht zum Inhalt. Als tendenziell feindstrafrechtlich kann dagegen die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit der Folter zur Gefahrenabwehr 840 bezeichnet werden, die jedoch mehrheitlich 841 abgelehnt wird. Die gerichtliche Entscheidung im Fall Daschner ging in ihren tragenden Gründen freilich den ambitioniertesten Weg gegen solche Tendenzen: Dem Staat sei nicht nur die Androhung von Folter im konkreten Fall verboten; der Staat dürfe die Androhung durch Individuen nicht einmal vor dem Hintergrund der Nothilfe dulden. Damit wurde das feindstrafrechtliche Instrumentarium der Folterdrohung im konkreten Fall gänzlich – und damit auch zulasten des Schutzes des eigentlichen Opfers von Metzler – abgelehnt. Nicht ganz zu dieser Konsequenz der Begründung passen allerdings die außerordentlich milden Strafen für die Angeklagten. Weitere Einschränkungen machte das Gericht auch in einem obiter dictum: So führte es weiter aus, dass die Frage der Legitimität von Folter und deren Androhung hier nur für den Einzelfall zu entscheiden war. Dagegen sei die „abstrakte Diskussion verfassungsrechtlicher Grundsätze“ 842 nicht die Aufgabe des Gerichts. Die Jurisprudenz stoße bei tatsächlichem Eintreten der bislang 836

LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 693 f. LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 697. 838 So etwa Erb, V.: Jura 2005, S. 24 ff., 30; ders.: NStZ 2005, 593 ff. 839 Siehe hierzu auch Fn. 764. 840 Vgl. z. B. Brugger, W.: JZ 2000, 165 ff. 841 Vgl. etwa Christensen, R. in: Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005, S. 133 ff., 160; Hilgendorf, E.: JZ 2004, 331 ff., 338; Jerouschek, G.: JuS 2005, 296 ff., 300 f.; Kudlich, H.: JuS 2004, 376 ff., 377; Prantl, H.: SZ v. 19. 11. 2004, S. 13; Reemtsma, J. P.: Folter im Rechtsstaat? 2005, S. 128 f.; Roxin, C.: Eser-FS 2005, S. 461 ff., 466. 842 LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 696. 837

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theoretisch diskutierten Ausnahmesituationen (ticking bomb-Fälle) in Bezug auf die Anwendbarkeit von Foltermaßnahmen in eine juristische Grauzone und an ihre Grenzen. 843 Insofern und aufgrund der Tatsache, dass es sich hier nur um die Auffassung einer Strafkammer eines Landgerichts handelt, bleibt es letztlich offen, ob die Rechtsprechung in besagten Ausnahmekonstellationen Folter zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr nicht doch als legitimierbar erachtet. 844 Daraus lässt sich jedoch auch keine abschließende Stellungnahme hinsichtlich einer feindstrafrechtlichen oder anti-feindstrafrechtlichen Position der Rechtsprechung im Folterdiskurs entnehmen. b) Die Nichtigkeitsbegründung des § 14 Abs. 3 LuftSiG § 14 Abs. 3 LuftSiG 845 ermächtigte bekanntermaßen die Streitkräfte zum Abschuss von Luftfahrzeugen, die als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen missbraucht werden sollen, und wurde durch den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 15. 2. 2006 für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt. 846 Der Entscheidung liegt zunächst zugrunde, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 35 GG zum Erlass der Regelung fehlt. Art. 35 GG ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht deshalb einschlägig, weil der Bund nicht von seiner Kompetenz nach Art. 73 Nr. 1 GG (Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung) Gebrauch gemacht hat. Dies ergibt sich aus Abschnitt 3 des Gesetzes (§§ 13 – 15 LuftSiG), der mit „Unterstützungen und Amtshilfe durch die Streitkräfte“ überschrieben ist. Danach handelt es sich bei dem Einsatz nicht primär um die Wahrnehmung einer eigenständigen Aufgabe des Bundes, sondern „im Rahmen der Gefahrenabwehr“ und der „Unterstützung der Polizeikräfte der Länder“ (§ 13 Abs. 1 LuftSiG) um die Hilfe bei der Bewältigung einer den Ländern obliegende Aufgabe. 847 Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG erlaubt es dem Bund nicht, die Streitkräfte bei der Bekämpfung 843

LG Frankfurt a. M. NJW 2005, 692 ff., 696. Vgl. aber auch BVerfG NJW 2005, 656 f. Zwar wurde die Verfassungsbeschwerde von Magnus Gäfgen, der die durch die Polizei erfahrene Behandlung als Folter monierte und hieraus ein Verfahrenshindernis sowie die Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots ableitete, bereits mangels schlüssiger Darlegung einer entsprechenden Rechtsverletzung nicht zur Entscheidung angenommen. Gleichwohl stellte das Gericht abstrakt fest, dass die Anwendung von Folter „die Vernehmungsperson zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung ihres verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs“ mache und „grundlegende Voraussetzungen der individuellen und sozialen Existenz des Menschen“ zerstöre (vgl. BVerfG NJW 2005, 656 f., 657). 845 Erlassen im Rahmen des LuftSiG vom 11. 1. 2005 (BGBl. I, S. 78). 846 BVerfG NJW 2006, 751 ff.; Anmerkungen beispielsweise von Burkiczak, C. M.: JA 2006, 500 f.; Hecker, W.: KJ 2006, 179 ff.; Merkel, R.: JZ 2007, 373 ff. Kritisch: Hillgruber, C.: JZ 2006, 209 ff., 214 ff. 847 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 754. 844

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen mit spezifisch militärischen Waffen einzusetzen. Dies folgt notwendig aus der Aufgabenausrichtung im Zuständigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden, wonach die Art der eingesetzten Hilfsmittel entsprechend an der sonst üblichen Qualität der zur polizeilichen Aufgabenbewältigung herangezogenen Mittel orientiert sein muss. Dies ist aber beispielsweise bei Bordwaffen eines Kampfflugzeuges, wie sie zu Maßnahmen des § 14 Abs. 3 LuftSiG verwandt werden dürfen, nicht der Fall. 848 Entsprechendes gilt für Art. 35 Abs. 3 GG, wobei § 14 Abs. 3 LuftSiG darüber hinaus mit dem Satz 1 dieser Vorschrift unvereinbar ist, weil danach die Bundesregierung und nicht – wie im LuftSiG vorgesehen – ein Einzelminister die Entscheidung über den Einsatz trifft. 849 Der durch das Bundesverfassungsgericht zunächst festgestellte Verstoß gegen Art. 35 GG und die daraus folgende Nichtigkeit aus formellen Gründen lassen für sich genommen noch keinen Aufschluss über das „Ob“ einer feindstrafrechtlichen Orientierung des Gerichts zu. Zur Klärung dieser Frage, ist vielmehr die weitere Begründung der Nichtigkeit des § 14 Abs. 3 LuftSiG heranzuziehen. Danach ist die streitige Norm zudem aus materiellen Gründen verfassungswidrig. Sie ist mit dem Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht vereinbar – jedenfalls soweit tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeuges vom Einsatz der Waffengewalt betroffen werden. 850 Die einem solchen Einsatz ausgesetzten Passagiere und Besatzungsmitglieder „befinden sich in einer für sie auswegslosen Lage. Sie können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt beeinflussen. Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der Staat, der in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG greift, behandelt sie als bloße Objekte einer Rettungsaktion zum Schutze anderer.“ 851 Denn „eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.“ 852 Danach ist es für das Bundesverfassungsgericht „unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich 848 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 755. Die Frage, ob die Qualität der Maßnahme mit den „Waffen“ übereinstimmt, die von den Vollzugsbehörden der Länder nach deren Recht über die Anwendung unmittelbaren Zwangs eingesetzt werden dürfen, wurde allerdings vom BVerfG nicht aufgeworfen. 849 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 756 f. 850 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 757 f. 851 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 758. 852 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 758.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeuges in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, [...] vorsätzlich zu töten.“ 853 Dagegen ist § 14 Abs. 3 LuftSiG materiell-verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit sich die Einsatzmaßnahme gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder gegen den- oder diejenigen richtet, denen ein solcher Angriff zuzurechnen ist. 854 Im letzteren Fall widerspricht der Abschuss trotz der mit an Sicherheit angrenzender Tötung des Aggressors nicht der Menschenwürdegarantie. Vielmehr wird gerade auf die Subjektsstellung des Angreifers Bezug genommen, wenn ihm sein Verhalten zugerechnet wird und er insofern die Folgenverantwortung trägt. 855 Diese Argumentation des Bundesverfassungsgerichts dürfte im Übrigen deckungsgleich mit dem Begründungsmodell der Vorschriften über den finalen Rettungsschuss 856 sein, da sich auch in diesem Fall die tödliche Maßnahme gegen den Angreifer selbst richtet. Damit bleibt festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht zwar die Hinnahme von Kollateralschäden gemäß § 14 Abs. 3 GG im Rahmen der Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte – so das gesetzgeberische Anliegen im Abschnitt 3 des LuftSiG nach Auslegung des Bundesverfassungsgerichts – nicht dulden wollte. Stattdessen sind die Menschenwürde und das Recht auf Leben der tatunbeteiligten Insassen als gleichwertig mit der staatlichen Verpflichtung zum Lebensschutz der potentiellen Opfer zu erachten, die gegebenenfalls durch den von den Entführern des Luftfahrzeuges beabsichtigten Absturz betroffen werden. Insofern scheint der Entscheidung wenig feindstrafrechtliches Gedankengut innezuwohnen. Allerdings hat sich das Gericht – vergleichbar dem Urteil des Landgerichts Frankfurt im Fall Daschner – durch die Bezugnahme auf das gesetz853

BVerfG NJW 2006, 751 ff., 758. Nach Depenheuer kommt diese Argumentation einer Einladung an Terroristen gleich, ihre Terrorakte zukünftig in Deutschland mittels unschuldiger Geiseln zu verüben. Die Menschenwürde avanciere zum absoluten Handlungsstopp staatlicher Selbstbehauptung. Dadurch werde die ohnehin aufgrund der Lückenhaftigkeit der Sicherheitsverfassung minimierte Abwehrbereitschaft des Staates gegenüber dem Terrorismus zusätzlich geschwächt und die Asymmetrie im Kampf gegen den Terror noch verschärft. Die Entscheidung verdeutliche insofern die verfassungsrechtliche Flucht aus der Verantwortung für das politische Gemeinwesen. Der Ausnahmezustand werde verdrängt und stattdessen werde in einen wirklichkeitsblinden und letztlich verantwortungslosen Verfassungsautomatismus abgeglitten (vgl. Depenheuer, O.: Selbstbehauptung des Rechtsstaates 2007, S. 20, 25 ff., 28 f., 80 f.); vgl. ferner auch die Kritik bei Isensee, J.: Jakobs-FS 2007, S. 205 ff., 228 ff. 854 BVerfG NJW 2006, 751 ff., 757, 760. 855 Die Ausführungen des BVerfG erinnern insofern an die Argumentation Jakobs, der bürgerliche Täter werde gerade durch die Strafe, die sich als Kommunikationsakt darstellt, als Person ernst genommen (vgl. Jakobs, G.: Das Schuldprinzip 1993, S. 27), wenn gleich der Abschuss natürlich weniger repressive Strafe als vielmehr präventive Abwehr darstellt. 856 Vgl. Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder wie etwa § 63 Abs. 2 S. 2 RhPfPOG, § 60 Abs. 2 S. 2 HSOG, Art. 66 Abs. 2 S. 2 BayPAG, § 54 Abs. 2 BadWürttPolG, § 64 Abs. 2 ThürPAG, § 65 Abs. 2 S. 2 SachsAnhSOG, § 34 Abs. 2 SächsPolG.

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geberische Anliegen, die streitige Norm betreffe die Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte und die Regelungskompetenz leite sich entsprechend aus Art. 35 GG ab, einer eindeutigen Stellungnahme entzogen. 857 Hierdurch musste das Gericht nämlich nicht entscheiden, ob der Einsatz der Bundeswehr in vergleichbaren Extremfällen gegebenenfalls aus Gründen der Landesverteidigung beziehungsweise zum Schutze der Zivilbevölkerung geboten ist – insofern käme dem Bund die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 1 GG zu. Es bleibt also offen, ob eine Tötung unschuldiger Personen durch den Staat stets und ausnahmslos verfassungsrechtlich – auch durch eine Verfassungsänderung – ausgeschlossen ist. 858 3.

Tendenziell feindstrafrechtliche Rechtsprechung

Darüber hinaus spielt im Rahmen der Urteilsbegründung der Grundgedanke einer effektiven Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung sowie einer wirksamen Aufklärung gerade schwerer Verbrechen zunehmend eine tragende Rolle. 859 Dies hat partiell zur Folge, dass gerade die Rechte bestimmter Beschuldigter besonders eingeschränkt werden. Insofern geht das feindstrafrechtliche Potential der Rechtsprechung über die bloße Gesetzesanwendung hinaus. Vielmehr kann sie durch Auslegung eigenes, feindstrafrechtlich geprägtes Recht entwickeln, wie nachfolgend an einigen Beispielen aufgezeigt werden soll. a) Die Auslegung des Begriffs „Handeltreiben“ im Betäubungsmittel-, Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz Der Begriff des Handeltreibens ist neben §§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1; 30a Abs. 1 und 2 Nr. 1, 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) auch in §§ 17 Abs. 1 Nr. 1, 18 Nr. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 lit. c, Abs. 3 Nr. 1 Waffengesetz (WaffG) enthalten. Diesen Vorschriften ist zunächst gemeinsam, dass der Gesetzgeber in der Form des Handeltreibens – sowie im Übrigen durch zahlreiche andere Handlungsalternativen wie zum Beispiel dem Einführen, der Inbesitznahme oder dem Erwerben im BtMG, KWKG und WaffG – Strafbar857

Vgl. auch Fazit bei Merkel, R.: JZ 2007, 373 ff., 385. Schenke, W.-R.: NJW 2006, 736 ff., 738; vgl. auch Arnold, J.: HRRS 8 –9/2006, 303 ff., 313. 859 Vgl. u. a. BVerfGE 34, 238 ff., 248; 44, 353 ff., 374; 46, 214 ff., 222; 77, 65 ff., 76; 80, 367 ff., 375; 106, 28 ff., 49; BGHSt 44, 13 ff., 15; 46, 266 ff., 273; 47, 172, 179. Kritisch Hassemer, W.: StV 1982, 275 ff.; ders.: StV 90, 328 ff. Zum weitergehenden Begründungsmodell der „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“ in der Rechtsprechung des BVerfG und zu dessen Herleitung vgl. etwa Landau, H.: NStZ 2007, 121 ff. 858

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keitsvorverlagerungen 860 geschaffen hat, da Verhaltensweisen sanktioniert werden, die weit vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung liegen. Zweck dieser Vorverlagerungen ist frühzeitige Prävention. Es soll verhindert werden, dass Objekte und Substanzen, deren Umgang allgemein als riskant einzustufen ist, unkontrolliert in den Verkehr gelangen können. Zudem richten sich die Vorschriften an Täter, die aufgrund der Art der Deliktsbegehung als gefährlich und damit als Feinde der Gesellschaft gelten, wie beispielsweise Straftäter im Bereich der Drogenkriminalität. 861 Entsprechend handelt es sich bei den genannten Normen um durch den Gesetzgeber geschaffenes (tendenzielles) Feindstrafrecht nach dem Jakobsschen Modell. Anhand des Begriffs des Handeltreibens in den obigen Gesetzesvorschriften soll weiterhin aber auch aufgezeigt werden, dass sich auch die Rechtsprechung den – nach Jakobs – feindstrafrechtlichen Tendenzen nicht verschließt. Insofern wird nämlich die Vorgabe durch den Gesetzgeber nicht restriktiv ausgelegt, sondern es wird infolge eines weiten Gesetzesverständnisses die Strafbarkeit so weit vorverlagert, wie es der Wortlaut der entsprechenden Norm gerade noch zulässt. Anknüpfungspunkt bildet hierbei die Rechtsprechung zum Begriff des „Handeltreibens“ nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG, die erst kürzlich Gegenstand eine Vorlagebeschlusses des Großen Senats 862 war. Nach dem weiten Gesetzesverständnis der Rechtsprechung reicht es für die Annahme vollendeten Handeltreibens bereits aus, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen eintritt, aber keine Einigung mit dem Lieferanten erzielt. 863 Handeltreiben ist kein Erfolgsdelikt 864, so dass weder der Abschluss eines Vertrags noch dessen Erfüllung oder die Anbahnung bestimmter Geschäfte vorausgesetzt wird. 865 Auch 860

Zur Vorfeldkriminalisierung und entsprechenden Normierungen vgl. Ausführungen bei Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff. (bzw. Kapitel 1 C.II.1. dieser Arbeit). 861 Vgl. Ausführungen zum Feindbegriff in Bezug auf Drogenkriminalität bei Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 52, wobei fraglich bleibt, ob beispielsweise der Drogendealer nicht vielmehr von der Gesellschaft profitiert bzw. sogar auf deren Mitglieder als potentielle Käufer angewiesen ist und sich insofern gerade nicht außerhalb des Gesellschaftssystems bewegen, sondern parasitär auf Kosten der Gesellschaft leben will. 862 Vgl. BGH, Beschluss vom 26. 10. 2005 – GSSt 1/05 in NJW 2005, 3790 ff.; zum Vorlagebeschluss vgl. BGH StV 2005, 334 ff.; zum Anfragebeschluss vgl. BGH StV 2003, 501 ff.; Anmerkungen von Weber, K.: JR 2006, 139 ff. 863 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHSt 29, 239 ff., 239 f.; 30, 359 ff., 361; BGH NStZ 2000, 207 f., 207. Bestätigt durch den vom 3. Strafsenat angerufenen großen Senat für Strafsachen, BGH NJW 2005, 3790 ff. (Vorlagebeschluss BGH StV 2005, 334 ff.). Dagegen liegt nur ein versuchtes Handeltreiben vor, wenn der Angeklagte, in der festen Absicht, Betäubungsmittel zu erwerben, mit „Dealern“ in Kontakt tritt, die nicht bereit sind, Ware an ihn abzugeben. In diesem Fall fehlt es an dem Merkmal der „ernsthaften Verkaufsverhandlungen“ zur Annahme einer vollendeten Tat, vgl. StV 2006, 136. 864 BVerfG NJW 2007, 1193 f., 1193.

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hindert es die Vollendung nicht, wenn die Verhandlungen mit einem verdeckten Ermittler geführt werden 866 oder die angebotene Ware nicht im Besitz des Anbieters oder gar nicht existent ist beziehungsweise nicht beschafft werden kann 867, also ein tatsächlicher Absatz von Anfang an unmöglich ist. 868 Insofern wird die durch den Gesetzgeber ohnehin bereits getroffene Vorverlagerung der Strafbarkeit nicht restriktiv durch die richterliche Auslegung beschränkt, sondern im Gegenteil noch erweitert: Die Vollendung erstreckt sich danach auch auf Fallkonstellationen, die typischer Weise dem Versuch zugerechnet werden. Damit bekräftigt und optimiert die Rechtsprechung das gesetzgeberische Mittel der Vorfeldkriminalisierung zur Verfolgung des kriminalpolitischen Ziels einer effektiven Bekämpfung jeglicher Betäubungsmitteldelinquenz zulasten des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG 869. 870 Die Auslegung ist von nicht zu gering schätzender Bedeutung, da dem unerlaubten Handeltreiben ein großer Stellenwert in der strafrechtlichen Praxis zukommt. 871 Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum „Handel treiben“ im Betäubungsmittelstrafrecht sind entsprechend auf die Parallelvorschriften im Kriegswaffenkontrollgesetz (§ 17 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 KWKG) und im Waffengesetz (§§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 lit. c, Abs. 3 Nr. 1 WaffG) zu übertragen. Hinsichtlich der Handlungsalternative des Handeltreibens im KWKG, das durch das Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen vom 5. November 1990 872 als neues Tatbestandsmerkmal eingefügt worden ist, hat der Gesetzesentwurf der Bundesregierung 873 explizit auf den Begriff des Handeltreibens im Sinne des § 29 865

BGHSt 29, 239 ff., 240; 30, 359 ff., 361. BGH StV 1981, 276 f., 276; BGHSt 30, 277 ff., 278; BGH NStZ 2000, 207 ff., 208. 867 BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 31; BGHSt 25, 290 ff., 291; BGH MDR 1980, 683 ff., 684; BGH NStZ 1986, 557 ff; BGH NStZ 2000, 207 ff., 208. 868 Dies wirkt sich besonders krass in den Fällen des sog. „agent provocateur“ aus [vgl. hierzu den nachfolgenden Unterpunkt, Kapitel 2 C.II.3.b)]. Der zur Tat Provozierte wird im Vorstadium wegen Vollendung (!) bestraft, obwohl er durch den Lockspitzel zur vermeintlichen Tat „angestiftet“ wurde und ohne dass eine tatsächliche Rechtsgutsverletzung hätte eintreten können. 869 Zur Wortsinngrenze des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG vgl. jüngst auch BVerfG NJW 2007, 1193 f. 870 Zur Kritik an dem weiten Gesetzesverständnis der Rechtsprechung wird u. a. angeführt, dass die Grenzen zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung verschwömmen und keine klare Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme möglich sei, vgl. Roxin, C.: StV 1992, 517 ff., 518; ders.: StV 2003, 619 ff., 620; Endriß, R. / Kinzig, J.: NJW 2001, 2317 ff., 2319 m.w. N. 871 Vgl. Weber, K.: JR 2006, 139 ff., 139 f. 872 BGBl. 1990 I, S. 2429. 873 BT-Drucks. 11/4609, S. 9. 866

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Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG Bezug genommen. 874 Im Waffengesetz befindet sich sogar eine Legaldefinition des Waffenhandels in Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 zum Waffengesetz vom 11. 10. 2002 875, nach der der fehlende Umsatz ein vollendetes Handeltreiben gleichfalls nicht ausschließt, da auch Handlungsalternativen wie das bloße „Feilhalten“ oder „Bestellungen aufsuchen oder entgegennehmen“ erfasst sind. Ferner spricht für ein einheitliches Gesetzesverständnis neben der Einheit der Rechtsordnung und Art. 103 Abs. 2 GG, dass sich auch sonstige Tatbestände des Nebenstrafrechts, die um die Alternative des Handeltreibens bereichert wurden, sich am Betäubungsmittelrecht orientieren. Das im Arzneimittelrecht enthaltene Tatbestandsmerkmal Handeltreiben (§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG) ist als deckungsgleich mit dem entsprechenden Begriff des Betäubungsmittelrechts zu verstehen. 876 Des Weiteren wird auch in der Gesetzesbegründung zum Transplantationsgesetz (§§ 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1 TPG) in Parallele zu § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG angeführt: „Verhandlungen vor Vertragsschluss, Verkaufsangebote, selbst ernsthafte, wenngleich misslungene Ankaufsbemühungen in Weiterveräußerungsabsicht sind auf Umsatz gerichtet und stellen vollendetes Handeltreiben dar.“ 877 b) Die Rechtsprechung zum „agent provocateur“ Von dem Schlagwort des „agent provocateurs“ werden die Fälle erfasst, in denen der allenfalls Tatgeneigte durch einen polizeilichen Lockspitzel erst zu einer bestimmten Tat verleitet wird. Das heißt, es wird auf Veranlassung oder mit Einwilligung einer staatlichen Stelle auf eine Zielperson eingewirkt, um deren Verhalten so zu steuern, dass sie einer Straftat überführt werden kann. 878 Derartige Tatprovokationen werden überwiegend im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität veranlasst 879 und damit in einem Delinquenzbereich, dessen Akteure der Feindkategorie nach Jakobs zuzuordnen sind. Dabei bleibt der „agent provocateur“ mangels Vollendungswillen in Bezug auf die Haupttat regelmäßig straflos, während der Angestiftete trotz Fehlens einer realen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus Vollendung bestraft wird. Der allenfalls Tatgeneigte wird also in eine Straftat getrieben, aus der er dann bestraft werden kann. Anknüpfungspunkt ist nicht einmal eine Vorverlagerungsnorm wie § 30 StGB, sondern die generelle Gefährlichkeit eines bestimmten Tätertypus, der zwecks Überführung und insofern auch zwecks Sicherung direkt in die vermeintliche Rechtsgutsverletzung – die schließlich seine 874 875 876 877 878 879

Vgl. BGH NJW 2005, 3790 ff., 3791 f.; vgl. auch Weber, K: NJW 2004, 66 ff., 66. BGBl. 2002 I, S. 3970. BGH NJW 2005, 3790 ff., 3792; BGH NStZ 2004, 457 ff., 458. BT-Drucks. 13/4355, S. 30. Weber, K.: BtmG 2003, Vor §§ 29 ff. Rn. 775. Weber, K.: BtmG 2003, Vor §§ 29 ff. Rn. 774.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Gefährlichkeit bestätigt – getrieben wird. Abgestellt wird insofern eigentlich auf die bloße Bereitschaft des Betroffenen, eine Tat zu begehen (abstrakte Gefährdung), so dass im Ergebnis vielmehr die Täterpersönlichkeit als die konkrete Tat bestraft wird, denn gerade zu dieser wäre es ohne das tatprovozierende Verhalten gar nicht gekommen. 880 Hierdurch zeigt sich wiederum der präventive Charakter der Lockspitzel-Praxis, denn letztlich soll einer unbestimmten Tat, von der zulasten des Tatgeneigten unterstellt wird, er werde sie noch begehen, voraus gegriffen werden. Indem der Betroffene nämlich auf eine vermeintliche bestimmte Tat angesetzt wird, ist die Allgemeinheit vor der unbestimmten zukünftigen Tat geschützt. Die Zulässigkeit des „agent provocateurs“ folgt dabei aus dem Erfordernis einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung 881 und schließt insofern anstandslos an den Trend zur Bekämpfungsgesetzgebung an – auch wenn ein Gesetz in diesem Fall gerade noch fehlt. Die Rechtsprechung bildet somit ein eigenes ungeschriebenes Bekämpfungsgesetz. Über die generelle Zulässigkeit des „agent provocateurs“ als gesinnungsstrafrechtliche und präventive Bekämpfungsmaßnahme hinaus, weist auch die für diese Fälle von der Rechtsprechung entwickelte „Strafzumessungslösung“ 882 eine feindstrafrechtliche Orientierung auf. Danach wirkt sich selbst der unzulässige Einsatz des Lockspitzels – wenn etwa kein Anfangsverdacht im Sinne des § 160 Abs. 1 StPO bestand – nur als Strafmilderungsgrund auf Strafzumessungsebene aus. 883 Die Unzulässigkeit führt also nicht zur Straflosigkeit des zur Tat Provozierten und dürfte insofern als eine Art Garantie zu sehen sein, als gefährliche geltende Täter wegzusperren.

880

Eine einprägsame Metapher für die Fälle der Tatbegehung unter staatlicher Aufsicht (neben dem Geschäft mit dem angedachten Drogendealer etwa auch das Anheuern eines vermeintlichen Auftragskillers, der sich als sich als Polizist entpuppt) bildet insofern Dershowitz: It is like „building a trap for a wolf that is eating the farmer’s sheep and baiting it with a dead animal“ (Dershowitz, A. M.: Why Terrorism Works 2002, S. 17, wonach derartige Prävention mit der Situation vergleichbar ist, dass der Bauer dem für seine Schafherde gefährlichen Wolf ein totes Tier als Köder vorwirft, damit die Falle erst zuschnappt). Interessant ist die Metapher vor allem auch in der Hinsicht, dass Dershowitz den in die Falle gelockten Täter als Wolf darstellt. Dies erinnert unweigerlich an die Ausführungen zur tiergleich-kreatürlichen Existenz des gefährlichen Individuums und seiner Bekämpfung als vergleichsweise Jagd auf ein wildes Tier bei Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41; Lesch, H. H.: GA 2000, 355 ff., 363; Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 379 f. Der grundsätzlich gefährliche Täter wird jeweils als (wildes) Tier gesehen, das nicht zum selbständigen Denken befähigt, sondern überwiegend Instinkt geleitet ist. Sein Verhalten muss daher (staatlich) gelenkt, in den Worten Jakobs „fremd verwaltet“ werden. 881 Vgl. etwa BVerfG NJW 1995, 651 f., 652; BGHSt 47, 44 ff., 50. 882 Grundlegend BGHSt 32, 345 ff., 355. 883 BGHSt 32, 345 ff., 355; 45, 321 ff., 325 f., 335 f.; 47, 44 ff., 47.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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c) Die Vernehmung von V-Leuten insbesondere in Fällen der Organisierten Kriminalität Ein weiteres Beispiel tendenziell feindstrafrechtlicher Rechtsbildung stellt die Rechtsprechung zur Vernehmung von V-Leuten dar. V-Leute sind externe Vertrauenspersonen im oder mit Kontakten zum kriminellen Milieu, die die Strafverfolgungsbehörde bei der Aufklärung von Straftaten unterstützen. 884 Insofern besteht seitens der V-Leute selbst wie auch seitens der Behörden ein reges Interesse an der Wahrung seiner Anonymität. Denn andernfalls drohen den V-Leuten Racheakte aus der kriminellen Szene und der Staat wäre zudem der milieuinternen Informationsquelle beraubt. Das beschriebene Interesse an der Geheimhaltung der Person des V-Mannes kollidiert jedoch im Strafprozess mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit. Danach ist grundsätzlich jeder Zeuge in der Hauptverhandlung persönlich zu vernehmen, § 250 StPO. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz dient der Wahrheitsfindung, er sichert jedoch auch das Konfrontations- und Fragerecht des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK, da die Verteidigung durch die unmittelbare Anwesenheit des Zeugen in die Lage versetzt wird, selbst Fragen an jenen zu richten. Wird der V-Mann nunmehr in der Hauptverhandlung unmittelbar als Zeuge vernommen, birgt dies die Gefahr, dass seine Identität enthüllt wird – selbst wenn von den Möglichkeiten der §§ 68 Abs. 2 und Abs. 3 (Verschweigen des Wohnorts, Verzicht auf Angaben zur Person), 247 S. 1 (Ausschluss des Angeklagten), 247a StPO (Videosimultanübertragung 885), § 172 Nr. 1a GVG (Ausschluss der Öffentlichkeit) zum Schutze des V-Mannes Gebrauch gemacht wird. Dieser Gefahr kann nach dem zuvor Gesagten grundsätzlich dadurch begegnet werden, dass die Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung durch die Verlesung eines Vernehmungsprotokolls ersetzt wird. Dies setzt jedoch eine Ausnahmesituation nach § 251 StPO voraus. § 251 StPO beinhaltet jedoch keine Regelung, dass eine Verlesung ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die persönliche Vernehmung Rechtsgutsbeeinträchtigungen des Zeugen erwarten lässt. Um dennoch zu einer Ausnahmekonstellation zu gelangen, in der § 251 StPO einschlägig und damit eine Verlesung statt der persönlichen Vernehmung zulässig ist, behilft sich die Praxis mit folgender Konstruktion: Die obere Dienstbehörde erlässt eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO analog 886, nach der der V-Mann nicht benannt werden darf. Gleichfalls kann der Richter die Kontaktdaten des V-Mannes nicht beim polizeilichen Vernehmungsbeamten in Erfahrung bringen, da dieser wegen § 54 Abs. 1 StPO zu Verschwiegenheit verpflichtet ist. Das Gericht kann zwar eine Überprü884

Vgl. im Detail BGHSt 32, 115 ff., 121. Zur Videosimultanübertragung von V-Leuten unter optischer und akustischer Abschirmung vgl. BGH StV 2002, 639 ff.; BGH StV 2006, 682 f.; kritisch dazu Schuster, F. P.: StV 2007, 507 ff. 886 BGHSt 32, 115 ff., 123 m.w. N. Bei verdeckten Ermittlern im Sinne der §§ 110a ff. StPO besteht dagegen in § 110b Abs. 3 StPO eine direkte Grundlage für die Sperrerklärung. 885

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

fung der Sperrerklärung verlangen, führt diese jedoch zu keinem anderen Ergebnis, bleibt es beim Status quo. 887 Der Zeuge ist in absehbarer Zeit unerreichbar im Sinne von § 244 Abs. 3 StPO; seinem Erscheinen in der Hauptverhandlung stehen „andere nicht zu beseitigende Hindernisse“ entgegen (§ 223 Abs. 1 StPO). Danach kann der Zeuge durch einen Richter vernommen werden und schließlich doch das Vernehmungsprotokoll gemäß § 251 Abs. 1 StPO in der Hauptverhandlung verlesen werden. 888 Überdies kann – da § 251 StPO lediglich ein Verlesungsverbot enthält – der Vernehmungsbeamte des V-Mannes als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden, der V-Mann selbst wird hierdurch aber wohl kaum ersetzt. Dass dies keinesfalls selbstverständlich ist, zeigt das österreichische Recht. Hier kann das Verlesungsverbot weder durch die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen umgangen werden (unzulässige Umgehung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nach § 252 Abs. 4 ÖstStPO) noch bildet die Unerreichbarkeit eines Zeugen einen Verlesungsgrund gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 ÖstStPO. 889 Die feindstrafrechtliche Ausrichtung der Rechtsprechung zeigt sich hier zunächst an der generellen Zulässigkeit des Einsatzes von V-Leuten. Bedient sich der Staat einer solchen Ermittlungsmethode, nutzt er die interne Vertrauensposition des V-Mannes aus und leitet die Informationsgewinnung ohne Wissen des Betroffenen und oftmals im weit vorgelagerten Stadium eines konkreten Delikts ein. Damit handelt es sich beim Einsatz von V-Leuten um prozessuales Feindstrafrecht 890, das – anders als der Einsatz verdeckter Ermittler nach §§ 110a ff. StPO – keine Regelungsgrundlage in der Strafprozessordnung findet. Dennoch erachtet die Rechtsprechung den Einsatz von V-Personen zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der insbesondere auch der Rauschgifthandel gehört, als notwendig und zulässig. 891 Folglich geht es primär um die Sicherung einer Gefahrenquelle, so dass es sich hierbei – wie schon im Rahmen der Behandlung des „agent provocateurs“ – um ungeschriebenes Bekämpfungsrecht gegen bestimmte Tätertypen handelt. Vertieft wird diese feindstrafrechtliche Prozessmaßnahme im Hauptverfahren, indem der V-Mann bei Vorliegen einer Sperrerklärung nicht persönlich vernommen, sondern vielmehr eine Verlesungsausnahme wegen Unerreichbarkeit nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO konstruiert wird. Der Staat schafft schließlich die Unerreichbarkeit durch die Sperrung des V-Mannes selbst. 892 Die Rechtsprechung lässt die staatliche Fiktion 887 Erzwingen kann das Gericht die Änderung der Behördenentscheidung jedenfalls nicht (BGHSt 32, 115 ff., 126). Die komplette Sperrung eines Zeugen muss allerdings auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, vgl. BGH NStZ 2005, 43 f., 43; Anmerkungen von Ellbogen, K.: JA 2005, 334 ff. 888 BGHSt 32, 225 ff., 126 f. 889 ÖstOGH NStZ 2005, 346 ff.; Anmerkungen von Rosbaud, C.: HRRS 4/2005, 131 ff. 890 Vgl. schon Jakobs zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 886: Einem Bürger schicke man keinen V-Mann ins Haus. 891 BVerfGE 57, 250 ff., 284; BGHSt 32, 115 ff., 121 f. m.w. N.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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ausdrücklich zu und trägt damit dazu bei, dass zulasten des bespitzelten Betroffenen der Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO) umgangen und zugleich dessen Frage- und Konfrontationsrecht (Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK) beschnitten wird. d) Der Vernehmungsrichter als Zeuge vom Hörensagen insbesondere in Fällen von Sexualdelinquenz und Organisierter Kriminalität § 252 StPO bestimmt ausdrücklich ein Verlesungsverbot für den Fall, dass der zur Zeugnisverweigerung berechtigte Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Die Rechtsprechung legt den Anwendungsbereich des § 252 StPO jedoch grundsätzlich über den Wortlaut hinaus aus. Danach enthält die Vorschrift neben dem ausdrücklichen Verlesungsverbot auch ein Verwertungsverbot 893, so dass die frühere Aussage des nunmehr Zeugnis verweigernden Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht durch andere Beweise, zum Beispiel der Vernehmung der Verhörperson als Zeuge vom Hörensagen, eingeführt werden kann. Eine konsequente Handhabung würde allerdings zu erheblichen Beweisschwierigkeiten und gegebenenfalls zum Freispruch führen, wenn der betreffende Zeuge die einzige Person, die Angaben zum Tatgeschehen machen kann, oder jedenfalls Hauptbelastungszeuge ist. Eine solche Fallkonstellation ergibt sich regelmäßig bei Opfern häuslicher Gewalt oder sexuellen Übergriffen durch Angehörige. Nicht untypisch ist in der Praxis auch die plötzliche Verlobung der (Zwangs-)Prostituierten mit ihrem Zuhälter. Während die Betroffenen in der Regel im Ermittlungsverfahren noch aussagen, verweigern sie in der Hauptverhandlung infolge der familiären Belastung, psychischem oder physischem Druck (zumeist) ihre Aussage gemäß § 52 StPO. 894 Eine Ersetzung der Aussage des Zeugen durch Verlesung der Vernehmung im Ermittlungsverfahren kommt sodann mangels Einschlägigkeit einer Ausnahmesituation des § 251 StPO nicht in Betracht, zumal § 252 StPO dem ebenfalls explizit entgegensteht. Selbst die Vorführung einer eventuell im Ermittlungsverfahren durchgeführten Bild-Ton892

Vgl. Schuster, F. P.: StV 2007, 507 ff., 509. Andernfalls wäre die Vorschrift überflüssig, vgl. BGHSt 2, 99 ff., 102; 42, 391 ff., 397; 45, 203 ff., 205. 894 In England / Wales wurde das Problem anderweitig, im Ergebnis aber ähnlich, gelöst. Dort besteht schon gar kein Zeugnisverweigerungsrecht für Angehörige wie etwa die Kinder oder die Eltern des Beschuldigten. Selbst der Ehegatte hat nur ein sehr eingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht. Nach section 80 PACE ist seine Aussage zwar grundsätzlich von der Anklage nicht erzwingbar, bei Aufruf durch die Verteidigung steht ihm jedoch kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Wird dem Angeklagten allerdings eine Körperverletzung gegenüber dem aussagenden Ehegatten selbst, eine Körperverletzung oder eine Sexualstraftat gegenüber einer unter sechzehn Jahre alten Person bzw. ein diesbezüglicher Versuch oder Beihilfe vorgeworfen, besteht selbst bei Aufruf durch die Anklage kein Zeugnisverweigerungsrecht des Ehegatten (Janicki, K.: Beweisverbote im deutschen und englischen Strafprozeß 2002, S. 192; Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 149; vgl. auch Kapitel 2 D.II. der vorliegenden Arbeit). 893

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Aufzeichnung nach § 255a Abs. 1 und 2 StPO ist dann nicht mehr möglich. 895 Nach der grundsätzlichen Auslegung des § 252 StPO als Verwertungsverbot wäre es darüber hinaus eigentlich auch unzulässig, die Verhörperson als Zeuge vom Hörensagen zu vernehmen. Um dennoch den Schuldnachweis gegen einen solchen Täter, der sich oftmals – wenn auch nicht ausschließlich – im Bereich der Sexualdelinquenz (familiäre Übergriffe) und der Organisierten Kriminalität (Zwangsprostitution) bewegt und damit einen Feind nach der Begriffsbestimmung Jakobs darstellt, führen zu können, umgeht die Rechtsprechung ihre eigens aufgestellte Interpretation des § 252 StPO 896: Das Verwertungsverbot des § 252 StPO beziehe sich nur auf nichtrichterliche Vernehmungen, bei richterlichen Vernehmungen im Ermittlungsstadium dürfe hingegen der Richter im Hauptverfahren als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden. Dies wird damit begründet, dass das Gesetz einer richterlichen Vernehmung zwar nicht ausdrücklich in § 252 StPO, dafür aber in anderen Vorschriften – namentlich den §§ 251, 254 StPO – ein höheres Vertrauen entgegenbringe. 897 Die Bezugnahme auf die §§ 251, 254 StPO erscheint jedoch sachfremd: Bei den genannten Vorschriften ist die Privilegierung der richterlichen Vernehmung aufgrund ihrer höheren Beweiskraft im Interesse des Schutzes der Wahrheitsfindung durchaus berechtigt. Bei richterlichen Vernehmungen kann eher eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitsgrundsatz gemacht werden, da neben der richterlichen Unabhängigkeit auch der Tatsache eine gewisse Bedeutung zukommt, dass dem Beschuldigten beziehungsweise seinem Verteidiger dort auch zumindest theoretisch stärkere Beteiligungsrechte gemäß § 168c StPO zustehen (vgl. allerdings § 168c Abs. 3 und Abs. 5 StPO). Gleiches gilt für die erweiterte Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch § 255a Abs. 2 StPO. § 252 StPO hat hingegen mit der Beweisqualität nichts zu tun, wie es sich gerade daraus ergibt, dass die Norm grundsätzlich als Verwertungs- und eben nicht bloß als Verlesungs- beziehungsweise Vorführungsverbot angesehen wird. 898 Diese Vorschrift bezweckt vielmehr die Gewährleistung eines umfassenden Schutzes des Persönlichkeitsrechtes eines Angehörigen, der die Folgen einer unüberlegten, aber richtigen Aussage so – ohne zu lügen – wieder rückgängig machen kann (vgl. auch § 77d StGB zur Rücknahme des Strafantrages). 895 Vgl. Diemer in Pfeiffer, G. (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur StPO, § 255a StPO, Rn. 11 m.w. N. 896 So war bezeichnender Weise auch das erste Urteil vom 15. 1. 1952 (BGH NJW 1952, 356 ff.), in dem der BGH darüber entschied, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Verhörsperson über die frühere Aussage eines Zeugen vernommen werden darf, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, ein Fall der Sexualdelinquenz. 897 BGHSt 2, 99 ff., 106; 21, 218 f., 219. 898 Beweisverwertungsverbote dienen in Deutschland dem Individualrechtsschutz. Anders als im angloamerikanischen Rechtskreis hat sich der Schutz der Wahrheitsfindung nicht als weiteres Grundmotiv durchsetzen können. Vgl. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 68 f. m.w. N.

C. Übereinstimmungen des Feindstrafrechts

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Statt um die vorgeschobene Beweisqualität wird es der Rechtsprechung bei der Privilegierung der richterlichen Vernehmung im Rahmen von § 252 StPO wohl vielmehr darum gehen, den Staatsanwaltschaften insbesondere für den Bereich der Sexualdelinquenz ein (in der Praxis regelmäßig genutztes) Mittel zur Hand zu geben, bereits im Ermittlungsverfahren effektiv Beweis sichernde (d. h. gerichtsverwertbare) Zeugenvernehmungen durchzuführen, um gerade in diesem Bereich die Strafverfolgung zu effektivieren. Schließlich werden wesentliche Teile der Beweiserhebung in das Ermittlungsverfahren, in dem Verteidigungsrechte im Vergleich zur Hauptverhandlung nur eingeschränkt bestehen, verlagert. Auch wenn das Grundurteil 899 dieser Rechtsprechung bis vor die Zeit der gegenwärtigen Bekämpfungsstrategien zurückreicht, so hat sich das Verfahren im Rahmen der effektiven Bekämpfung von familieninternen Sexualstraftätern und in den Fällen der vorgeschobenen Verlobung bei Zwangsprostitution jedenfalls etabliert. Es ist davon auszugehen, dass in den genannten Fallkonstellationen kaum mehr ein Verfahren ohne richterliche Vernehmung durchgeführt wird. 900 Insofern unterstützt die Auslegung des § 252 StPO durch die Gerichte die aktuelle Hinentwicklung zum Feindstrafrecht. Flankiert wird diese tendenziell feindstrafrechtliche Interpretation des § 252 StPO durch die eher zaghafte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Verstößen gegen Art 6 Abs. 3 lit. b EMRK. So muss dem Beschuldigten bei richterlicher Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren zwar frühzeitig ein Pflichtverteidiger bestellt werden, damit die Beteilungsrechte von diesem auch tatsächlich ausgeübt werden können. Das Ermessen nach § 141 Abs. 3 StPO ist also zur Wahrung des Frage- und Konfrontationsrechtes auf Null reduziert. Ein Konventionsverstoß führt jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, sondern ist lediglich in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (sog. Beweiswürdigungslösung). 901 Zusätzlich stellt sich die Frage, inwieweit damit eine Umgehung des doch recht eng gefassten § 255a Abs. 2 StPO einhergeht. 4.

Fazit

Im Allgemeinen hält sich die Rechtsprechung im Vergleich zum deutschen Gesetzgeber in ihrer Tendenz zum Feindstrafrecht eher zurück, indem sie legislatives Feindstrafrecht abmildert und Täter, die dem Feindbegriff Jakobs zuzuordnen 899

Urteil des BGH vom 15. 1. 1952 (BGH NJW 1952, 356 ff.). Vgl. auch Nr. 248 (1) RiStBV, wonach empfohlen wird, „nach der ersten Aussage einer Prostituierten unverzüglich, möglichst im Anschluss an die polizeiliche Vernehmung, eine richterliche Vernehmung herbeizuführen, da Prostituierte erfahrungsgemäß nicht selten ihre Aussage gegen den Zuhälter in der Hauptverhandlung nicht aufrechterhalten oder zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichbar sind“. 901 Insofern systemkonforme Auslegung in Bezug auf die Strafzumessungslösung bei Tatprovokationen, vgl. BGHSt 46, 93 ff., 105. 900

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

sind, im Strafprozess gleich einem „Bürger“ behandelt. Neben den oben aufgeführten Beispielen (Fall Motassadeq, Großer Lauschangriff, Vermögensstrafe) zeigt sich dies etwa auch anhand der Versuche der Rechtsprechung 902, die Anwendung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB durch einschränkende Auslegung des Begriffs der „neuen Tatsache“ enge Grenzen zu setzen 903, oder auch den eher restriktiv gehaltenen Verurteilungen nach §§ 129 ff. StGB. 904 Im Rahmen der vorgenannten Organisationsdelikte ist die Zurückhaltung insbesondere auf den Umstand zurückzuführen, dass die Rechtsprechung keine ungleichen Ansprüche an den Schuldnachweis gegen Bürger oder Feinde im Sinne Jakobs stellt. Vielmehr gilt auch in letzterem Fall, dass sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen zu beweisen sind. Bei §§ 129 ff. StGB muss danach der Nachweis erbracht werden, dass eine Vereinigung zum Zwecke der Begehung von Straftaten beziehungsweise Taten im Sinne des § 129a Abs. 1 oder 2 StGB besteht. Gerade der schwer erbringbare Nachweis der mit der Bildung bezweckten Straftaten dürfte etwa im Mainzer Hell’s Angels-Prozess mitursächlich dafür gewesen sein, dass die Anklage wegen der Bildung und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen wurde. Es genügte eben nicht, dass entsprechende Straftaten tatsächlich begangen worden waren, sondern deren Bezweckung mit der Vereinigung war nachzuweisen. Eine vereinfachte Beweisführung wird insofern auch gegen Personen, die der Feinddefinition Jakobs entsprechen, abgelehnt. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof 905 im Rahmen der §§ 129 ff. StGB nunmehr Zurückhaltung bei der Auslegung des Merkmals der Unterstützungshandlung angedeutet, wenn etwa eine die Vereinigung unterstützende Handlung zugesagt wurde, das Vorhaben jedoch später fehlschlägt. 906 Auch die neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, eine präventive polizeiliche Rasterfahndung sei zumindest nur bei einer konkreten Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig, schränkt praktiziertes Feindstrafrecht ein. Demnach hat die allgemeine Bedrohungslage nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten nicht den Anforderungen genügt, die an die präventive Rasterfahndung zu stellen sind. 907 Der Beschluss des Bundesgerichtshofs 908, nach dem eine wegen des 902

Vgl. etwa BVerfG NJW 2006, 3483 ff., BGH NJW 2007, 1148 ff., BGH NStZ 2005,

561 ff. 903

Vgl. auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15. Vgl. auch Zopfs, J. in: Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006, S. 31 ff., 42. 905 Vgl. BGH 2 BJs 10/05 – 8 StB 3/05 v. 19. 05. 2005. 906 Besprechung und Kritik bei Bader, M.: NStZ 2007, 618 ff. 907 Vgl. BVerfG NJW 2006, 1939 ff. (kritisch Hillgruber, C.: JZ 2006, 209 ff., 212 ff.). Die Entscheidung als „vehemente richterliche Kritik auch an den Tendenzen in der Strafrechtswissenschaft und der Politik, ein Feindstrafrecht zu etablieren“ deutend: Prantl, H.: SZ v. 24. 5. 2006, S. 4. 908 BGH, Beschluss v. 31. 1. 2007 – StB 18/06 in NJW 2007, 930 ff. mit Anm. von Hamm, R.: NJW 2007, 932 ff.; vgl. auch Kutscha, M.: NJW 2007, 1169 ff. 904

D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen

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Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung angeordnete, verdeckte Online-Durchsuchung 909 insbesondere nicht auf § 102 StPO gestützt werden kann und damit mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig ist, zeigt ebenfalls die Zurückhaltung deutscher Gerichte, strafprozessuale Regelungen feindstrafrechtlich – im Sinne Jakobs – zu interpretieren. Trotz der insgesamt wohl überwiegenden Ablehnung der Gerichte, Gesetze und Maßnahmen nach feindstrafrechtlichen Deutungsmustern auszulegen, kann sich auch die Judikative feindstrafrechtlichen Einflüssen nicht gänzlich verwehren. Selbst wenn im konkret vom Gericht zu beurteilenden Einzelfall die Notwendigkeit feindstrafrechtlicher Einwirkungen verneint wird, behält sich die Rechtsprechung teilweise eine eindeutige Stellungnahme hinsichtlich der generellen Legitimierbarkeit einer feindstrafrechtlichen Maßnahme für den Extremfall vor (Daschner-Fall, Luftsicherheitsgesetz). Darüber hinaus bildet sie zur effektiven Bekämpfung bestimmter Kriminalitätslagen teilweise sogar eigenes Feindstrafrecht (Handeltreiben, V-Leute, richterliche Vernehmung). 910 Auch wurden zwar beispielsweise die Landes-Straftäterunterbringungsgesetze vom Bundesverfassungsgericht mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder als unzulässig erachtet. 911 Doch trotz der für verfassungswidrig erklärten und damit fehlenden gesetzlichen Grundlage sah die Entscheidung die weitere Sicherungsverwahrung der Betroffenen vor, da deren Freiheitsinteresse hinter dem überragenden Allgemeininteresse des Schutzes vor schweren Straftaten zurücktrete. Mittels „Hochgefährlichkeits-Terminologie“ wurden bestimmte Straftäter zu Nicht-Bürgern degradiert und damit Feindstrafrecht umgesetzt. 912 Jakobs Beobachtungen werden daher auf deskriptiver Ebene auch hinsichtlich der Tendenzen in der Rechtsprechung nicht widerlegt.

D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen Jakobs selbst bezieht sich in seinen Ausführungen zum Feindstrafrecht nicht allein auf die deutsche Rechtsordnung, sondern verortet auch im ausländischen Recht feindstrafrechtliche Tendenzen. Dabei zieht Jakobs überwiegend Parallelen zur Terrorismusbekämpfung der USA 913, die terroristischen Attentätern den Krieg 909 Gemeint ist die bei bestehender Internetverbindung heimlich durchgeführte Installation einer Überwachungssoftware auf einem Zielcomputer, um den Zugriff auf die dort angelegten Dateien von außen zu ermöglichen. Zum technischen Hintergrund der OnlineUntersuchung siehe auch Buermeyer, U.: HRRS 4/2007, 154 ff. 910 Zu „feindstrafrechtlichen“ Rechtsprechungspraktiken in Spanien siehe Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 25. 911 BVerfGE 109, 190 ff. 912 Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 227 f.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

erklärt hat und mit ihnen als Feinde (enemy combatants 914) verfährt. 915 Der nach dem 11. September 2001 erlassene, nunmehr unbefristet gültige 916 USA PATRIOT Act 917 etwa sieht unter anderem höhere Strafen für die Unterstützung und Finanzierung terroristischer Organisationen vor, senkt die Anforderungen an strafprozessuale Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, verschärft insbesondere die Grenzkontrollen und Einreisebedingungen und beschneidet die Rechte von Ausländern mit Aufenthalts- beziehungsweise Arbeitserlaubnis (alien residents). Danach ist es dem Attorney General (Generalstaatsanwalt) zum Beispiel gestattet, eine ausländische Person in Haft zu nehmen, bei der „Gründe zu der Annahme“ bestehen, dass sie die nationale Sicherheit gefährdet. 918 Während der USA Patriot Act allerdings noch eine Anklage oder Ausweisung innerhalb von sieben Tagen vorsieht, erlaubt die nachfolgende military order des Präsidenten der Vereinigten Staaten vom 13. 11. 2001 die Inhaftierung auf unbegrenzte Zeit und bestimmt einen Prozess vor besonderen Militärtribunalen. Die Gefangenen verlieren insofern ihren rechtlichen Status, werden zu enemy combatants erklärt, denen keine Rechte der Genfer Konvention und dem amerikanischen Strafprozessrecht zustehen, und sind damit einer rein faktischen Herrschaft unterworfen. 919 Zwar hat der Oberste Gerichtshof der USA am 28. 6. 2006 den Einsatz von Sondertribunalen für Gefangene von Guantánamo für rechtswidrig erklärt. 920 Doch bereits im September 2006 hat der US-Kongress ein reformiertes Anti-Terrorgesetz gebilligt. 921 Das neue Gesetz erlaubt der US-Regierung, mutmaßliche Terroristen vor so genannte Militärausschüsse, die nach dem Vorbild der verbotenen Sondertribunale fungieren, statt vor zivile Gerichte zu stellen. Allerdings können die Terrorverdächtigen nunmehr vor dem Militärrichter von einem Anwalt verteidigt werden. Auch verbietet das Gesetz eine „grausame, unmenschliche oder herabwür913

Vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 44. Zur Unvereinbarkeit der mit dem personellen Status als „unrechtmäßige Kombattanten“ einhergehenden Umgehung von kriegsrechtlichen Normen vor dem Hintergrund des humanitären Völkerrechts siehe Wieczorek, J: Unrechtmäßige Kombattanten 2005. 915 Vgl. auch Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff., 345 f.; Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 221; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 37 ff.; Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 109. Zur Behandlung als Nichtbürger in den USA siehe zudem Cole, D. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 165 ff. 916 Vgl. Fischer Weltalmanach 2007, S. 509. 917 Abkürzung für „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism“; in Kraft getreten am 26. 10. 2001. 918 Vgl. hierzu und zu weiteren Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen durch den USA PATRIOT Act Funk, A.: Cilip 70 Nr. 3/2001, 63 ff., 69 f.; ders.: Cilip 80 Nr. 1 1/2005, 51 ff., 53; Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 110; Walther, S. C.: ZIS 2007, 464 ff., 464 ff. 919 Agamben, G.: Ausnahmezustand 2004, S. 9 f. 920 EuGRZ 2004, 791 ff. mit Anm. Maierhöfer, C.: EuGRZ 2004, 797 ff. Vgl. auch Der Spiegel Nr. 36 v. 4. 9. 2006, S. 74 ff., 82; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 191; Fischer Weltalmanach 2007, S. 510; Maierhöfer, C.: EuGRZ 2005, 460 ff., 460. 921 Vgl. auch Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 39. 914

D. Exkurs: Feindstrafrecht in ausländischen Strafrechtsordnungen

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digende“ Behandlung der Verdächtigen, ohne jedoch festzulegen, was darunter zu verstehen ist, so dass „alternative Verhörmethoden“ durchaus in Betracht kommen. Zudem kann kein Rechtsmittel gegen die Haftbedingungen eingelegt werden. Bush rechtfertigte das Anti-Terrorgesetz im Senat mit den Worten: „Man darf nicht vergessen, dass es immer noch einen Feind gibt, der den USA Schlechtes will.“ 922 Die seit den Anschlägen auf das World Trade Center vorherrschende USamerikanische Politik der „zero tolerance“ 923 ist gleichfalls in diesem Zusammenhang zu sehen und stellt insofern einen Wesenszug des Feindstrafrechts dar. Jakobs nimmt überdies Bezug auf die three-strikes-Gesetze („three strikes and you are out“) einiger US-Bundesstaaten, die vor allem an der Sicherung und Prävention von Wiederholungstätern orientiert sind. 924 Feindstrafrecht lässt sich des Weiteren auch in der Behandlung von Sexualstraftätern in einigen US-Bundesstaaten nachweisen. Die Gesetze gegen Sexualstraftäter (sexually violent predators) werden als „Raubtiergesetze“ bezeichnet und sehen unter anderem vor, dass Triebtäter öffentlich bekannt gemacht werden dürfen. 925 Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass der Sexualdelinquent als besonders gefährlich eingestuft wird, mit der kriminalpolitischen Konsequenz, dass er abweichend zu behandeln und insbesondere die Öffentlichkeit hinreichend vor dem individuellen Täter zu warnen ist. Der angedeutete supranationale Trend zum Feindstrafrecht wird ferner in einigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen aufgegriffen. So liegt beispielsweise eine Untersuchung über die feindstrafrechtliche Tendenz der Rechtsetzung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität in der Schweiz vor. 926 Darin zeigt die Verfasserin auf, dass die nach Jakobs feindstrafrechtstypischen Merkmale auch in Vorschriften des schweizerischen Strafrechts ihren Niederschlag gefunden haben. Normen wie zum Beispiel Art. 260ter (Kriminelle Organisation 927), Art. 305bis (Geldwäscherei 928) und Art. 305ter SchweizStGB (Mangelnde Sorgfalt bei Fi922

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,439918,00.html. Vgl. hierzu etwa auch Kühne, H.-H.: DRiZ 2002, 18 ff., 20. 924 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 38. Vgl. zudem Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 26; Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 275; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 345 f. m.w. N. 925 Vgl. Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff., 26; Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 9, 133; ders.: KZfSS Sonderheft 43/2003, S. 36 ff., 40; vgl. auch Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 39. Die öffentliche Kenntlichmachung von Sittlichkeitsverbrechern kann etwa über Internet erfolgen, vgl. z. B. http://www.isp.state.˜id.us/identification/sex_offender/predators_list.html. Nach dem – wenn auch milderen – britischen Äquivalent existiert ein Pädophilen-Register und Sexualstraftäter müssen z. B. erniedrigende Gemeinschaftsarbeit ableisten (vgl. Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 9 m.w. N.). 926 Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004. 927 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. 3. 1994, in Kraft seit 1. 8. 1994 (AS 1994, S. 1614, 1618; SchweizBGBl. 1993 III, S. 277). 923

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nanzgeschäften und Melderecht 929) seien dadurch gekennzeichnet, dass objektiv neutrale, also sozialadäquate Handlungen bereits die Strafbarkeit, die zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in das Vor- beziehungsweise Umfeld traditioneller Deliktsbegehung ausgedehnt werde, begründen können. Der Schwerpunkt der Strafverfolgung im Rahmen Organisierter Kriminalität verlagere sich damit auf die Prävention. 930 Auch werde im Schweizer Strafverfahrensrecht zwecks Effektivität auf feindstrafrechtliche Methoden wie verdeckte Ermittlungen oder Telefonabhörungen zurückgegriffen, wobei die Ermittlungstätigkeit weitgehend ins Vorfeld der eigentlichen Deliktsbegehung vorgelagert werde. Insbesondere der Zugriff auf das umfassende Informationsspeichersystem JANUS 931, der nicht an das ursprüngliche Verfahren gekoppelt ist, für das die Informationen ursprünglich beschafft wurden, ermögliche in der Praxis eine allgemeine Vorfeld- und Verdachtsforschung. 932 Vom spanischen Rechtswissenschaftler Cancio Meliá erfährt der Leser, dass das Feindstrafrecht auch in der spanischen Strafgesetzgebung Einzug gefunden hat. 933 Seit Mitte der neunziger Jahre werde das spanische Strafrecht zunehmend repressiver, indem permanent neue Straftatbestände geschaffen sowie harte Strafen eingeführt werden. Beispielhaft werde die Weitergabe einer Dosis Kokain als Vorfeldkriminalisierung mit einem Strafrahmen von drei bis neun Jahren Freiheitsstrafe belegt. 934 Dem Delikt wird damit ein höherer Unrechtgehalt zugeschrieben als etwa der fahrlässigen Tötung (ein bis vier Jahre), obgleich bei ersterem noch kein tatsächlicher Erfolg im Sinne einer individuellen Rechtsgutsverletzung eingetreten ist, sondern lediglich auf eine Gesundheitsbeschädigung oder allenfalls die siechende Tötung des Drogenkonsumenten hingearbeitet wird. Ein ähnlicher Trend zeichne sich etwa in der Bekämpfung des Sexualstrafrechts und des Terrorismus ab. 935 So zeichne sich die spanische Anti-Terror-Politik durch präventive 928 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 23. 3. 1990, in Kraft seit 1. 8. 1990 (AS 1990, S. 1077, 1078; SchweizBGBl. 1989 II, S. 1061). 929 Fassung gemäß Ziff. I des BG vom 18. 3. 1994, in Kraft getreten am 1. 8. 1994 (AS 1994, S. 1614, 1618; SchweizBGBl. 1993 III, S. 277). 930 Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 78 ff., 99 ff., 213. 931 JANUS ist die Datenbank der kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Schweizer Bundes gemäß Art. 11 Abs. 1 ZentG und dient unter anderem als Ermittlungsinstrument im Strafverfahren. Vgl. hierzu Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 167 ff. 932 Stegmann, A.: Organisierte Kriminalität 2004, S. 183, 213. 933 Wenngleich Cancio Meliá auch davon ausgeht, dass Feindstrafrecht bereits dem Begriff nach kein „Strafrecht“ darstellt (Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 282 ff.; vgl. auch oben S. ?? ff.), bestreitet er jedenfalls nicht dessen faktische Existenz, siehe Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 282. 934 Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 272 m.w. N. 935 Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 273, 280 jeweils m.w. N. Weitere Beispiele für spanisches Feindstrafrecht im Bereich von Sexualdelinquenz und Terrorismusabwehr bei Muñoz Conde, F.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 23 ff. Zum als im

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Gesetzgebung in Form von Strafbarkeitsvorverlagerungen, Umfeldkriminalisierungen und frühzeitig einsetzender Intervention aus. 936 Ferner wurde bereits im islamischen Recht 937 Feindstrafrecht gesucht und gefunden sowie im Rahmen der argentinischen Strafrechtsentwicklung auf das „Strafrecht des Feindes“ 938 Bezug genommen. Offensichtlich macht sich das Feindstrafrecht also auch in anderen Rechtsordnungen breit. Vorliegend soll ausländisches Feindstrafrecht anhand zweier Staaten, nämlich Kolumbien und Großbritannien, nachgezeichnet werden. Auf Kolumbien fiel die Wahl zum einen aufgrund der hervorstechenden Untersuchung von Aponte, die sich mit einem wohl annähernd idealtypisch ausgeprägten Feindstrafrecht, namentlich der „Justiz ohne Gesicht“, auseinander setzt. Zum anderen kann anhand dessen Bezug auf einen außereuropäischen Rechts- und Kulturkreis genommen werden. Großbritannien dagegen bietet sich aufgrund seiner europäischen Zugehörigkeit und seiner zugleich angelsächsischen Rechtsausrichtung für eine feindstrafrechtliche Analyse an. Ferner hat sich der britisch-gebürtige Gesellschaftsanalytiker David Garland, der gegenwärtig einen Lehrstuhl für Jura und Soziologie an der New York University innehat, in seiner Monografie „The Culture of Control. Crime and Social Order in Contemporary Societiy“ 939 mit den wesentlichen Veränderungen in der Strafrechtspflege und der gesellschaftlichen Kriminalitätsregulation in Großbritannien (und den – hier zu vernachlässigenden – USA) beschäftigt. Garland nimmt zwar in seiner Untersuchung nicht explizit zum Feindstrafrecht nach Jakobs Stellung – was aufgrund des abweichenden Kulturkreises auch zu erwarten war. Die deskriptive Strafrechts- und Gesellschaftsbetrachtung des angloamerikanischen Soziologen stellt aber in Form des Strukturtypus der „criminology of the other“ eine Parallele oder jedenfalls ergänzende kriminalpolitische Strategie zum Feindstrafrecht bei Jakobs vor 940, die gerade wegen der Unwahrscheinlichkeit des wissenschaftlichen Austauschs beider Autoren den Vergleich herausfordert.

spanischen Schrifttum überwiegend als feindstrafrechtlich interpretierten Código Penal von 2003 siehe ferner die Nachweise bei Gonzáles Cussac, J. L.: Feindstrafrecht 2007, S. 10 Rn. 13. 936 Aierbe, P. M.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 37 ff., 37. 937 Thiée, P. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 195 ff. 938 Elbert, C. A.: ZStW 118 (2006), 953 ff., 956. 939 Garland, D.: The Culture of Control 2001. 940 Vgl. hierzu auch Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstrafrecht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm; ders.: vorgänge 178/2007, 5 ff., 18 ff. Wiederum, unter Berufung auf Sack, von einer Parallele von Jakobs „Feindstrafrecht“ zu Garlands „criminology of the self and the other“ ausgehend: Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 110 Rn. 33.

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I. Feindstrafrecht in Kolumbien nach Aponte Während Jakobs als Schöpfer des Feindstrafrechts durch Beispiele selbigen Terminus allenfalls stichwortartig umschreibt und eher generelle Tendenzen aufzeigt, gelingt es Aponte in seiner Dissertation „Krieg und Feindstrafrecht“ 941 dem Begriff des Feindstrafrechts eine konkrete Gestalt zu verleihen und ihn inhaltlich auszufüllen. 942 Aponte beschreibt die Situation der Strafrechtspflege in Kolumbien: Parallel zum ordentlichen kolumbianischen Strafrecht existiert eine eigenständige Strafgesetzgebung, deren Zielsetzung in der effektiven Verfolgung und Bestrafung von solchen Tätern besteht, die für bestimmte Problem- und Gefährdungslagen des kolumbianischen Staates (mit-)verantwortlich gemacht werden. Diese Notstandsgesetzgebung weicht dabei vor allem auf strafprozessualer Ebene vehement von einem durch Verfahrensrechte geprägten bürgerstrafrechtlichen Idealtypus ab. 943 Ihren feindstrafrechtlichen Höhepunkt erreichte die Notstandsgesetzgebung in der annähernd idealtypisch ausgeformten „Justiz ohne Gesicht“, wie noch aufgezeigt wird. 1.

Staatliche Problemlage als Nährboden des Feindstrafrechts

Feindstrafrecht als „effektives“ Strafrecht entsteht nach Jakobs vor allem in Krisensituationen, die den Staat und seine Ordnung akut gefährden. Nur der politisch und gesellschaftlich instabile Staat versuche, durch harte Strafen kurzfristige Effektivität zu erreichen, also Strafe quasi als Kampfmittel einzusetzen. Der Staat ohne unmittelbare Existenzprobleme werde hingegen kurzfristige Ineffektivität in Kauf nehmen und seine Sanktionierung in Hinblick auf die langfristige Sicherung des inneren Friedens ausrichten. 944 Entsprechend verwundert es nicht, dass gerade in einem Staat wie Kolumbien, dessen Geschichte von langwierigen Bürgerkriegen beziehungsweise bürgerkriegsähnlichen Zuständen durchzogen ist, das Feindstrafrecht Fuß fassen konnte. In Kolumbien herrscht ein „interner Kriegszustand“ 945, der die staatliche Macht gegenüber bewaffneten Gewaltakteuren wie Guerillagrup941

Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004. Vgl. auch Schneider, H.: HRRS 5/2005, 177 ff., 177. 943 Eine ähnliche Strafrechtssituation herrscht nach Wolf Paul in Brasilien; allerdings hat sich hier ein informelles, also nicht gesetzlich geregeltes Parallelstrafrecht herausgebildet, das vor allem in der polizeilichen Verfolgungs- und Ermittlungstätigkeit rechtsstaatliche und grundrechtliche Standards vermissen lässt (siehe hierzu Paul, W. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 203 ff.). 944 Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/1. Vgl. zur wechselseitigen Abhängigkeit von Gesellschaft und Strafrecht aber auch ders.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 846. 945 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 31. 942

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pen, Paramilitärs oder Drogenhändlern 946 kontinuierlich schwächt. Zur Bekämpfung der zunehmenden Dezentralisierung und Entmachtung des kolumbianischen Staates wurde von der Regierung wiederholt der Ausnahmezustand ausgerufen. 947 Neben einer Reform des Strafgesetzes 1980 folgten diverse Notstandsgesetze 948, wie etwa zur Bekämpfung des Drogenhandels (1986), Antiterrorgesetze (1988) sowie das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ (1990), die in Co-Existenz neben dem ordentlichen Strafrecht angewendet wurden. Vorliegend soll vornehmlich auf das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ von 1990 eingegangen werden, da dieses besonders eindrucksvoll die annähernd idealtypische Ausformung von Feindstrafrecht vor Augen führt. Anlass zum Erlass des benannten Gesetzes bildete die von Drogenterroristen bewirkte Tötung von über hundert Beamten der Justizverwaltung sowie zahlreichen Mitgliedern der Staatspolizei in den Jahren 1989 und 1990. Darüber hinaus wurden die Angehörigen des Justizapparats, die nicht getötet worden waren, regelmäßig korrumpiert oder Opfer massiver Einschüchterungen, so dass die Justiz quasi lahm gelegt war. 949 2.

Das Statut zur Verteidigung der Justiz als kolumbianisches Feindstrafrecht

Die inhaltliche Ausgestaltung des „Statutes zur Verteidigung der Justiz“ bezog sich also zum einen auf eine effektive Bekämpfung der Korruption und zum anderen auf den Schutz der von staatlicher Seite am Strafprozess Beteiligten. Beides sollte gewährleistet werden, indem der Prozess der absoluten Geheimhaltung unterlag und zudem rechtsstaatliche Garantien weitestgehend eingeschränkt wurden: Der Beschuldigte durfte weder wissen, wer ihn verurteilt, noch welcher Staatsanwalt ihn angeklagt hatte. 950 Aufgrund der bezeichneten Anonymität des Justizapparates wird dieses Sonderstrafrecht auch als „Richter ohne Gesicht“ beziehungsweise „Justiz ohne Gesicht“ bezeichnet. 951 Die Geheimhaltung der Person des Richters, des Staatsanwalts, der Zeugen und Gutachter wirkte sich auf den gesamten Strafprozess aus. Beschlüsse wurden nicht unterschrieben und auch sonst konnten alle erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung der Anonymität 946

Daneben zählt Aponte auch Selbstverteidigungsgruppen, Organisierte Kriminalität und Terroristen zu den antistaatlichen Gewaltinhabern, vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 23; siehe auch ders. in Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 162. 947 Vgl. hierzu Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 62 ff., der insofern von einer „Kultur des Ausnahmezustands“ und einer „Strafrechtsordnung im permanenten Ausnahmezustand“ spricht. 948 Aufzählung aus Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 64 ff. 949 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 19, 66. 950 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 19. 951 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 19.

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ergriffen werden. 952 Damit konnten sogar bestimmte Beweismittel beziehungsweise Beweisergebnisse zur Sicherung der Anonymität vorenthalten werden. 953 Generell konnte Beweismaterial nur im Hauptverfahren diskutiert werden, so dass die Verteidigung des Beschuldigten drastisch reduziert wurde. An der Öffentlichkeit (und damit Transparenz) der Verhandlung fehlte es ebenfalls. 954 Durch die absolute Geheimhaltung aller für den Prozess relevanter Personen und Daten sollte sichergestellt werden, dass weder ein Freikauf des Beschuldigten erfolgen noch Prozessbeteiligte bedroht werden konnten. Hierdurch sollte wiederum die Justiz gestärkt werden und insbesondere dem Drogenterrorismus Einhalt geboten werden. Zudem wurde die Untersuchungshaft temporär über Gebühr ausgedehnt, so dass sie faktisch zur eigentlichen Strafe mutierte. 955 Vielfach war die zu erwartende Freiheitsstrafe an Dauer geringer als die Inhaftierung in Untersuchungshaft selbst ausfiel. Des Weiteren sah das Statut eine vehemente Befugniserweiterung zugunsten der Kriminalpolizei vor, indem für deren Ermittlungstätigkeit die Voraussetzung eines richterlichen Beschlusses aufgegeben wurde. 956 Auch wurden Funktionen der Kriminalpolizei auf das Militär übertragen mit dem Argument, dass die Behörden in bestimmten Gebieten nicht präsent seien. 957 Die Leitung der Staatsanwaltschaft über die Ermittlungstätigkeit war daher nur noch formaler Natur. 958 Neben diesen radikalen Einschränkungen der Rechte von Beschuldigten wurde sich vor allem darauf verständigt, dass ein auf Strafe lautendes Urteil für ein effizientes Strafrecht unabkömmlich war. Effizienz wurde also mit der Verhängung von Strafurteilen gleichgesetzt; Verfahrensgarantien des Beschuldigten dagegen wurden als Hindernis für den Ablauf einer effizienten Kriminaljustiz angesehen. 959 Unterstützung auf materiell-rechtlicher Ebene erfuhr die nach Außen suggerierte, abstrafende Härte der Justiz durch die starke Tendenz der Notstandsgesetze zur Vorfeldkriminalisierung 960, so dass nach dem Prinzip der Totalprohibition die Verurteilung gesichert ist. Diese Merkmale der „Justiz ohne Gesicht“ von 1990 – die im Jahr 2000 vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde 961 – verdeutlichen das Wesen eines beinahe idealen Feindstrafrechts: Es existiert neben dem ordentli952 953 954 955 956 957 958 959 960 961

Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 67. Vgl. Schneider, H.: HRRS 5/2005, 177 ff., 178. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 284. Vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 204. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 68. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 266. Vgl. Schneider, H.: HRRS 5/2005, 177 ff., 178. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 20, 68 f., 233. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 126. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 74.

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chen Strafrecht als Sonderstrafrecht für spezielle Täter (Feinde), insbesondere für politische und Drogenterroristen sowie sonstige Mitglieder der Organisierten Kriminalität. Die „Justiz ohne Gesicht“ ist präventive Bekämpfungsgesetzgebung, nämlich primär zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Verfahrensbeteiligten und der Leistungsfähigkeit des Staatsapparates erlassen. In der Tendenz wird die Strafbarkeit vorverlagert, so dass der Täter einen Teil seiner Interna zugunsten des Rechtsgüterschutzes abtritt. Verfahrensgarantien werden radikal beschränkt: Die Kriminalpolizei unterliegt in ihrer Ermittlungstätigkeit keinem Richtervorbehalt. Das Recht auf Verteidigung wird im Ermittlungsverfahren minimiert; der Grundsatz „in dubio pro reo“ außer Kraft gesetzt. Prinzipien wie die Transparenz, Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens sind infolge der anonymisierten Justiz hinfällig. Ein fairer Prozess kann demgemäß nicht mehr garantiert werden. Einziger Zweck des Sonderstrafrechts ist die Gewährleistung von Effizienz; Ziel ist das auf Strafe lautende Urteil, damit dem Feind das Zweckmäßige widerfährt. Zugleich soll der Staat intern gestärkt werden.

II. Feindstrafrecht in Großbritannien In Großbritannien 962 geht trotz der historischen Vorbildeigenschaft für das liberale Strafrecht Europas zunehmend der Geist des repressiven Strafrechts um. Dieser manifestiert sich in Regelungen, die in der Bundesrepublik Deutschland bisher undenkbar sind, wie etwa den Einschränkungen des Schweigerechts des Beschuldigten nach ss. 34 –39 des „Criminal Justice and Public Order Act 1994“ 963 (CJPOA). Nach section 35 CJPOA ist das Schweigen vor Gericht grundsätzlich als Schuldindiz verwertbar. Dies gilt auch in einem bestimmten Umfang für das Schweigen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren (ss. 36, 37). 964 Auch die Bestimmungen über den Verzicht auf die Hinzuziehung eines Verteidigers spiegeln den repressiven Trend wieder: Verhaftete oder festgehaltene Personen haben nach section 58 (1) des „Police and Criminal Evidence Act 1984“ 965 (PACE) in Verbindung mit dem Code of Practice C 966 zwar grundsätzlich das Recht, jederzeit einen 962

Großbritannien ist hier untechnisch gemeint. Verwiesen wird vorliegend auf die Strafgesetzgebung in England / Wales, auch wenn die Regelungen in Schottland und Nordirland weitgehend vergleichbar ausgestaltet sind. 963 Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts1994/Ukpga_19940033_en_1.htm. 964 Dahingegen war das Schweigen des Beschuldigten nach dem Common Law generell nicht verwertbar. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 150 ff. und dort insb. auch Fn. 572 (S. 151). Schuster hält deshalb in Großbritannien unter mittelbaren Zwang zur Selbstbezichtigung erlangte Geständnisse im deutschen Strafprozess für unverwertbar (Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 201 ff.). 965 Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/si/si1988/Uksi_19881200_en_1.

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Anwalt (solicitor) zu verlangen. Über dieses Recht muss der Beschuldigte auch belehrt werden. Allerdings ist das Hinausschieben der Verteidigerkonsultation und damit die Vernehmung in Abwesenheit eines angeforderten Anwalts nunmehr in bestimmten Ausnahmefällen zulässig, beispielsweise wenn ein mindestens im Rang eines superintendent stehender Polizeibeamter der Ansicht ist, dass die Verzögerung der Vernehmung zu einem Beweisverlust führen könnte (vgl. dazu para 6.6 (b) (i) und auch para 11.1 (a) Code C in der seit dem 31. 12. 2005 gültigen Fassung). 967 Immerhin dürfen die beiden Bestimmungen über das Hinausschieben der Verteidigerkonsultation und die Einschränkung des Schweigerechts (ss. 36, 37 CJPOA) seit der Entscheidung John Murray vs. UK des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 968 nicht kombiniert werden. Der Beschuldigte darf – solange er keinen Zugang zum Verteidiger hat – schweigen, ohne dass daraus negative Schlüsse gezogen werden dürfen. 969 Die oben beschriebenen Beispiele mögen zwar nicht ausschließlich den Feind als Regelungsadressaten ansprechen; an sich betreffen die Vorschriften alle Verdächtigen gleichermaßen. Dennoch wird faktisch wohl gerade von der Befugnis, dem Beschuldigten die unverzügliche Hinzuziehung eines Anwalts zu verweigern, Gebrauch gemacht, wenn die Befragung bestimmte, nämlich als gefährlich eingeschätzte Täter betrifft. Überdies überrascht es nicht, dass auch die Einschränkungen der Selbstbelastungsfreiheit mit der Begründung einhergingen, insbesondere professionelle Kriminelle und Terroristen 970 würden – entgegen den sonst vernommenen Personen – über Gebühr von ihrem Recht zu Schweigen Gebrauch machen und somit das Rechtssystem ausnutzen. Während man bei diesen Regelungen jedoch die Gesetzesbegründungen zur Hilfe nehmen und sich einigermaßen anstrengen müsste, um die feindstrafrechtliche Komponente herauszuarbeiten, gelingt dies bei anderen Normen ohne viel Mühe. Zu nennen ist hierfür die bereits angesprochene Ausnahme vom Zeugnisverweigerungsrecht des Ehegatten in bestimmten Fällen. 971 Wird dem Beschuldigten zum Beispiel ein Sexualdelikt gegenüber einer unter sechzehn Jahre alten Person (bzw. Versuch oder Beihilfe hieran) vorgeworfen, steht dem aussagenden Ehegatten entgegen der Grundnorm nach section 80 PACE kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Anderen Angehörigen, wie etwa den Kindern des Beschuldigten, gebührt ein solches Recht ohnehin nicht. 972 Die Schlechterstellung des Beschuldigten wegen des Tatvorwurfs, spe966

Code C ist abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/si/si2005/20053503.htm. Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 152 f. m.w. N. 968 EGMR v. 8. 2. 1996 – 41/1994/488/570 – John Murray gegen Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1996, 587 ff. 969 Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 152 Fn. 582. 970 So etwa die Begründung der Association of Chief Police Officers (ACPO), vgl. Bucke, T. / Street, R. / Brown, D.: The right of silence 2000, S. 2. 971 Vgl. bereits Fn. 894. 967

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zielle Delikte (etwa Sexualstraftaten) begangen zu haben oder noch zu begehen und besonders gefährlich 973 zu sein, deckt sich insofern mit der inhaltlich getroffenen Aussage über das Feindstrafrecht bei Jakobs. Konsequent lässt sich britisches Feindstrafrecht jedoch vor allem an der Anti-Terror-Gesetzgebung nachvollziehen. 1.

Die britischen Anti-Terror-Gesetze

Nach dem Erlass etlicher befristeter Notstandsgesetze bildete der „Terrorism Act 2000“ 974 das erste unbefristete Anti-Terrorismus-Gesetz Großbritanniens. Dieser regelte unter anderem die Erweiterung der polizeilichen Eingriffsbefugnisse in Bezug auf verdachtsunabhängige Kontrollen und Durchsuchungen von Personen und Fahrzeugen (ss. 43, 44). Ferner erhielt die Polizei neben dem Zugang zu Bank- und Finanzdaten die Erlaubnis, ohne richterliche Anordnung Wohnungen zu durchsuchen (section 42). Nach section 41 konnte eine wegen Terrorismus verdächtigte Person sieben Tage und bis zu achtundvierzig Stunden ohne richterliche Genehmigung in Polizeigewahrsam genommen und befragt werden. Der „Criminal Justice Act 2003“ 975 erweiterte in section 306 die Frist, in der der Verdächtige ohne Beschuldigung festgehalten werden konnte, auf vierzehn Tage. 976 Nach den Anschlägen in New York wurden die Anti-Terror-Maßnahmen noch verschärft. Im „Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001“ 977 (ATCSA) wurden Befugnisse legitimiert, die unter dem „Terrorism Act 2000“ noch abgelehnt worden waren. Insbesondere Part 4 ATCSA ist hier zu nennen. Danach durfte der Home Secretary (Innenminister) gegen Ausländer ohne gerichtliches Urteil präventiv die Haft anordnen, wenn der begründete Verdacht besteht, die Person ist Terrorist und stellt eine Gefahr für die Innere Sicherheit dar (ss. 23 i.V. m. 21 978). 979 Am 16. 12. 2004 wurde Part 4 ATCSA jedoch von den Law Lords (Lordrichter) als unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 5 und 14 der EMRK) erklärt. 980 Die Festnahmebefugnisse seien Ausländer 972 Janicki, K.: Beweisverbote im deutschen und englischen Strafprozeß 2002, S. 192; Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 149. 973 Zur britischen Diskussion über ein spezielle Unterbringungsanordnung für gefährliche Gewalttäter (Personen mit einer „Dangerous Severe Personality Disorder“) siehe Lau, S.: MschrKrim 2004, 451 ff. 974 Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/ACTS/acts2000/20000011.htm. 975 Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2003/20030044.htm. 976 Vgl. Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 46. 977 ATCSA abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2001/20010024.htm. 978 Insofern ähnlich der US-Regelung im USA PATRIOT ACT, vgl. Kapitel 2 D. 979 Zur Legitimitätsbegründung der Inhaftierung terrorverdächtiger Ausländer vor dem Hintergrund eines Ausweisungsverbots bei Staaten, in denen eine nicht menschenrechtskonforme Behandlung droht, vgl. Bois-Pedain, A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 209 f.; Sinn, A.: ZIS 2006, 107 ff., 110.

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diskriminierend 981 und es fehle an jeglicher gerichtlichen Kontrolle. Part 4 ATCSA wurde daher im März 2005 durch den „Prevention Terrorism Act 2005“ 982 (PTA) ersetzt. Anstelle der Verhaftung ist dem Secretary of State seitdem die Anordnung von Auflagen (control orders) gegen verdächtige Personen gestattet, wobei nunmehr nicht nur Ausländer, sondern auch Briten Betroffene der Maßnahmen sein können. 983 Nur bei schwereren Rechtseinschränkungen muss das Gericht nach section 1 (2)(b) die Anordnung treffen. Die control orders dienen der Prävention sowie der Begrenzung der Ausübungsmöglichkeiten terroristischer Aktivitäten. Die Weisungen können sich insofern gemäß section 1 (4) auf die Nutzung bestimmter Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen (Mobiltelefon, Internet). Sie können Fortbewegungs-, Berufs oder Kontaktbeschränkungen beinhalten, wie etwa Hausarrest oder elektronische Fußfesseln. Dem Verdächtigen kann auferlegt werden, den Pass der Behörde auszuhändigen, Fotografien anfertigen zu lassen und vorab Informationen über den jeweiligen Aufenthaltsort und mögliche Kommunikationspersonen weiterzugeben. Kontrollanordnungen können für ein Jahr verhängt werden, wobei die Verlängerung jährlich möglich ist. Der Verstoß gegen control orders kann zu einer Inhaftierung bis zu fünf Jahren führen. 984 Der am 30. 5. 2006 in Kraft getretene „Terrorism Act 2006“ 985 schafft weitere Eingriffsbefugnisse sowie neue Straftatbestände und baut bestehende Regelungen zur Terrorismusbekämpfung aus. In Part 1 des Gesetzes wird nunmehr etwa auch die Anregung, Unterstützung und Glorifizierung von Terrorakten unter Strafe gestellt, wobei die Höchststrafe bei sieben Jahren Freiheitsentzug liegt (Clause 1). Auch die Verbreitung entsprechender Schriften bei identischem Strafrahmen (Clause 2) und die Vorbereitung von Terrorakten als Täter oder Teilnehmer werden mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Clause 5) bestraft. Die terroristische Ausbildung und Anleitung zu terroristischen Straftaten wird mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (Clause 6), ebenso wie das örtliche Beiwohnen eines solchen Trainings (Clause 8). Part 2 des Gesetzes erweitert die Befugnisse des Home Secretary, terroristische Gruppen zu verbieten. Die ss. 23 und 24 erlauben es den police officers im Rang eines superintendent eine Haftverlängerung zu autorisieren. Dass das eben beschriebene Anti-Terror-Recht unzweifelhaft feindstrafrechtliche Züge aufweist, dürfte nach den bisherigen Ausführungen zum Feindstrafrecht 980 Vgl. auch Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 859; Bois-Pedain. A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 212; Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 48; Maierhöfer, C.: EuGRZ 2005, 460 ff. 981 Vgl. Bois-Pedain. A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 213. 982 Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/ACTS/acts2005/20050002.htm. 983 Bois-Pedain. A. d.: HRRS 6/2006, 209 ff., 212; Fischer Weltalmanach 2006, S. 200; Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 49. 984 Hayes, B.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 45 ff., 49. 985 Abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2006/20060011.htm.

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nicht weiter verwundern und soll daher hier nur noch kurz zusammengefasst werden. Die britische Anti-Terror-Gesetzgebung drückt namentlich (Terrorism Act 2000, Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001, Prevention Terrorism Act 2005, Terrorism Act 2006) bereits aus, welchen Straftaten energisch entgegen getreten werden soll. Terroristische Taten und Täter sollen bekämpft, Sicherheit effektiviert werden, so dass es sich bei den genannten Gesetzen um den britischen Ableger der Bekämpfungsgesetzgebung handelt. Materiell-rechtlich werden Vorfeldnormen erlassen (Part 1 des Terrorism Act 2006), denen mit vergleichsweise harten Strafen begegnet wird. Besonders ausgeprägt sind die prozessualen Einschränkungen durch Maßnahmen, die auch im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung und partiell verdachtsunabhängig zulässig sind (z. B. ss. 42 –44 des Terrorism Act 2000), massiv Freiheitsrechte des Betroffenen beschränken und dessen Intimsphäre kaum berücksichtigen (z. B. Haft, control orders) sowie teilweise ohne richterliche Überprüfung angeordnet werden dürfen. Die Maßnahmen, gerade die control orders nach section 1 (4) des Prevention Terrorism Act 2005, dienen überwiegend der Prävention, sind also zukunftsorientiert. Die Wesensmerkmale des Feindstrafrechts, wie sie von Jakobs formuliert wurden, liegen damit allesamt vor. 2.

Jakobs Feindstrafrecht und Garlands Culture of Control

Einem dem Feindstrafrecht bei Jakobs in einigen wesentlichen Punkten entsprechendes Strukturmodell, die „criminology of the other“, ist in der Untersuchung der Entwicklung der Strafjustiz und der gesellschaftlichen Begegnung mit Kriminalität in Großbritannien von Garland vorzufinden. Bereits der Titel der Arbeit „The Culture of Control“ gibt Aufschluss über einen bestimmten Trend im britischen Strafrecht: Die Bestrafung als Gegenstand der Strafverfolgung tritt zunehmend hinter dem Aspekt der sozialen Kontrolle zurück. Bedingt ist dies durch das allgemeine Bedürfnis nach Sicherheit, das mit Prävention befriedigt wird. 986 Vorbeugende Verbrechensbekämpfung verlagert wiederum die Kontrolle abweichenden Verhaltens vor, indem materiell die Strafbarkeit beziehungsweise prozessual die Strafverfolgung früher einsetzt. Hier klingt bereits eine Entsprechung zur von Jakobs beobachteten Vorverlagerung 987 im deutschen Recht an. Feindstrafrechtliche Parallelaspekte deutscher und britischer Entwicklung werden jedoch vor allem bei den Ausführungen Garlands zu den aktuell vorherrschenden kriminologischen Strömungen deutlich. Nach Garland stehen sich die „criminology of every day life“ und die „criminology of the other“ gegenüber. Die 986

Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 12, 16 f. Unter Verweis auf die Ausführungen zum feindstrafrechtlichen Prozessrecht in Kapitel 1 C.II.4. und Kapitel 2 B.IV. ist vorliegend – obgleich Jakobs den Schwerpunkt auf die materielle Vorverlagerung legt – auch die automatisch mit der materiellen Vorfeldkriminalisierung einhergehende prozessuale Vorverlagerung erfasst. 987

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

„criminology of every day life“ fasst verschiedene kriminologische Theorien („crime as opportunity“, „situational crime prevention, diverse rational choiceAnsätze etc.) zusammen, deren Ausgangspunkt die Normalität von Kriminalität im alltäglichen und modernen Leben ist. 988 Dieses Kriminalitätsverständnis wird auch als „criminology of the self” bezeichnet, was soviel bedeutet wie: Der Täter ist „einer von uns“. Der Straftäter ist hiernach normaler Rechtsbrecher, der rational Erfolgsaussichten gegen Entdeckungsrisiko und Strafhöhe abwägt. Diese Sichtweise entspricht auf deskriptiver Ebene weitgehend dem Strafrecht, das von Jakobs als Bürgerstrafrecht bezeichnet wird. Der Täter ist der Strafe zugänglich, das heißt nach Jakobs kommunikationsfähig. Er wird als grundsätzlich „gut“ angesehen, so dass er trotz Straftat dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge zugehörig bleibt. 989 Die „criminology of the other“ sieht den Straftäter dagegen als den „Anderen“ (alien other), der sich nicht dem Gesellschaftssystem anpasst. Der Andere ist amoralische Gefahrenquelle (amoral behaviour of dangerous offenders) und hochgradig asozial (profoundly anti-social); er gehört nicht zu „uns“. Die Rede ist vor allem von sexual predators, drug-addicts and career criminals. 990 Die Darstellung deckt sich deskriptiv mit dem Feindstrafrecht als Gegenstück des Bürgerstrafrechts bei Jakobs – auch insofern, dass dem Täter die kognitive und moralische Kommunikationsfähigkeit abgesprochen wird. 991 Während der delinquente Bürger (the self ) den herkömmlichen Mitteln des Strafrechts zugänglich ist, muss der Feind (the other) weggesperrt und unschädlich gemacht werden: „The only practical and rational response to such types, as soon as they offend if not before, is to have the ‚taken out of circulation‘ for the protection of the public.” 992 Wie im Feindstrafrecht nach Jakobs kann die Verbrechens-„verfolgung“ in der angloamerikanischen Variante also vor der eigentlichen Rechtsgutsverletzung einsetzen. Das Feindstrafrecht bei Jakobs wie auch der bei Garland beschriebene, gegenwärtig im Strafrecht Anwendung findende Strukturtypus der „criminology of the other“ dienen kriminalpolitisch umgesetzten Effektivitätserwägungen, was 988

Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 16, 127 f. So auch Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstrafrecht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm. 990 Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 135. 991 Vgl. auch Fritz Sack auf seinem Berliner Vortrag anlässlich der Verleihung des Werner-Holtfort-Preises 2005 an die Redaktion Bürgerrechte & Polizei / CILIP „Feindstrafrecht – Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?“ vom 27. 5. 2005, weitgehend identische Fassung im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm. 992 Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 136: Es ist der einzig praktikable und vernünftige Weg, auf solche Tätertypen zu reagieren, indem man sie zum Schutz der allgemeinen Sicherheit aus dem Verkehr zieht, sobald sie straffällig geworden sind – wenn nicht schon vorher. 989

E. Ausblick

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sich wiederum auf die Sprache auswirkt. Der feindstrafrechtlichen Bekämpfungssprache entsprechen Phrasen wie „we should condemn more and understand less“, „truth in sentencing“, „zero tolerance“, „prison works“ und die Forderung nach „austere“ (strengen) Gefängniskonditionen. 993

III. Fazit Die auffallende Ähnlichkeit der Strafrechtskonzeption von Jakobs mit dem bei Garland deskriptiv festgehaltenen Strukturtypus der „criminology of the other“, die schwerlich auf dem wissenschaftlichen Austausch beider Autoren beruht, ist bereits als starkes Indiz, wenn nicht gar als Beweis dafür zu sehen, dass Feindstrafrecht beziehungsweise die damit umschriebenen Merkmale als kriminalpolitische Strategie nicht auf die nationale Ebene beschränkt sind. Vielmehr zieht das Feindstrafrecht supranationale Bannkreise, die vielleicht mal mehr, mal weniger zu einer idealtypischen Ausprägung führen. Dies belegen auch zahlreiche Publikationen, die sich mit dem Feindstrafrecht in ausländischen Rechtsordnungen beschäftigen, und von denen einige oben benannt wurden. Gleichfalls kann der Trend auch nicht nur auf Europa beschränkt werden, wie die Ausführungen zu feindstrafrechtlicher Rechtsetzung in Kolumbien und den USA ergeben haben. Daher ist der These Jakobs, tendenziell nähere sich das Strafrecht einem Feindstrafrecht an, soweit sie sich auf die deskriptive Ebene des Feindstrafrechts beschränkt, selbst im Hinblick auf außernationale beziehungsweise sogar außereuropäische Rechtsordnungen zuzustimmen.

E. Ausblick: Zukünftiges Feindstrafrecht – Die prognostische Ebene bei Jakobs Bekanntermaßen sagt Jakobs über das eigens entwickelte Feindstrafrecht, dass jenes auch zukünftig bestehen werde. 994 Eine strafrechtsklimatische Trendwende und damit die Abkehr vom Feindstrafrecht seien derzeit nicht einmal im Ansatz erkennbar. Zurückzuführen sei diese Entwicklung zunächst auf die gegenwärtige Sicherheitspolitik, die vor allem auf kurzfristige Effektivität des Strafrechts abziele. 995 Ferner seien gesellschaftliche Bindungen wie Religion, Familie und Nationalität in Auflösung begriffen. Soziale wie auch kulturelle Umbrüche 996 993 Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 9, 13; vgl. auch ders.: KZfSS Sonderheft 43/2003, S. 36 ff., 40. 994 Vgl. bereits Kapitel 1 D.I.2. 995 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.).: Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 49.

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

führten infolge von Globalisierung und Multikulturalität vermehrt dazu, dass gesellschaftliche und damit auch rechtliche Verpflichtungen von Individuen nicht verbindlich angenommen werden. Stattdessen bilden diese Individuen ihre Identität außerhalb des sozialen wie rechtlichen Gefüges. Entsprechend wird nach Jakobs Einschätzung „die Zahl der Feinde nicht so bald abnehmen, vielmehr eher noch zunehmen“. 997 Da eine Prognose auf Wahrscheinlichkeiten beruht und auf zukünftige Zustände ausgerichtet ist, ist die prognostische Ebene bei Jakobs zwar gegenwärtig keiner vollumfänglichen Überprüfung zugänglich – die These kann allenfalls im Nachhinein auf ihre Korrektheit hin analysiert werden. Wohl aber sprechen die tatsächlichen Umstände, auf denen die Prognose Jakobs beruht, für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Feindstrafrecht auch zukünftig, wenn nicht sogar noch stärker am Idealtypus angelehnt, ins deutsche Strafrecht Eingang finden wird. Zunächst konnte aufgezeigt werden, dass sich bereits zahlreiche Normen im deutschen Strafrecht befinden, die einen (tendenziell) feindstrafrechtlichen Charakter tragen. Darüber hinaus werden besonders aus Richtung der Politik permanent Forderungen nach mehr Sicherheit durch Bekämpfungsrecht gegen bestimmte Straftäter laut, deren kriminelle Umtriebe eine besondere Allgemeingefährdung zugeschrieben wird. Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Globalisierung grenzüberschreitende, kriminelle Betätigungsfelder etwa im Bereich von Wirtschafts- und Organisierter Kriminalität – von Terrorismus 998 ganz abgesehen 999 – eröffne. Solche und andere Kriminalitätsbereiche sowie deren Akteure werden politisch wie auch medial als akute Bedrohung der Inneren Sicherheit verhandelt, mit der Konsequenz, dass Feindzuweisungen kommuniziert werden. 1000 Die Vermittlung eines derartigen Bedrohungsszenariums führt unweigerlich zu einem Strafrecht mit Präventivcharakter und beifolgend zu feindstrafrechtlichen Regelungsinstrumentarien. 1001 Entsprechend werden in der Debatte um die „Innere Sicherheit“ 1002, das „Sicherheitsstrafrecht“ 1003 und den „Sicherheitsstaat“ 1004 dem Feindstrafrecht vergleichbare Argumentationsstränge 996 Insofern wohl Bezug nehmend auf Huntingtons These vom „Clash of Civilzations“, künftige Konflikte seien solche zwischen den großen Kulturkreisen (Huntington, S. P.: Kampf der Kulturen 2006, vgl. bereits das Vorwort auf S. 11 ff.). 997 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.).: Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52 f. 998 Vgl. etwa Windolph, J.: Kriminalistik 2006, 356 ff., 359. 999 Vgl. auch die Neufassung des Art. 73 GG, der in Abs. 1 Nr. 9a nunmehr ausdrücklich die Gesetzgebungskompetenz über die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus regelt. Dadurch kommt konkludent zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus einen hohen Stellenwert einräumt. 1000 Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 9 f. 1001 Vgl. Silva Sánchez, J.-M.: Die Expansion des Strafrechts 2003, S. 35, 43 ff. 1002 Vgl. etwa Ausführungen zur Diskussion in Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005; ders.: KrimJ 2006, 82 ff. Im Sinne eines Grundrechts auf Schutz vor Kriminellen und damit

E. Ausblick

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angeführt. Die feindstrafrechtliche Bekämpfungsgesetzgebung dient grundsätzlich dem Schutz der allgemeinen Sicherheit vor besonderen Gefahren wie etwa Betäubungsmittelkriminalität, Terrorismus oder Sexualstraftaten. 1005 Das gegenwärtig viel zitierte und der Sicherheitsgesetzgebung als Begründung dienende „Grundrecht auf Sicherheit“ 1006 findet sich gleichsam im Feindstrafrechtsmodell von Jakobs: Der Feind ist „Gefahrenherd“ und stellt ein permanentes „Sicherheitsproblem“ dar. 1007 Deshalb darf der Staat ihn gerade nicht als Person zu behandeln, da er andernfalls zugleich das Recht auf Sicherheit der anderen Personen verletze. 1008 Überdies offenbart sich die Parallelität von Feind- und Sicherheitsstrafrecht im Effektivitätsgedanken: Innere Sicherheit soll durch „effektives“ Strafrecht garantiert werden – Effektivität durch Strafurteile ist nach Aponte bekanntermaßen typisches Wesensmerkmal praktizierten Feindstrafrechts. 1009 Eine effektive Kriminalitätsbekämpfung im Namen der Sicherheit wird in erster Linie als Aufgabe der Polizei wahrgenommen 1010 – gerade die zunehmende Verpolizeilichung 1011 kennzeichnet jedoch auch das Feindstrafrecht. 1012 Die Grenzen von Sicherheitsstaat, für die Ergänzung des Strafrechts um Sicherungsmaßnahmen oder sogar die Ablösung durch ein Kriminal-Sicherheitsrecht vgl. Tipke, K.: Innere Sicherheit 1998. 1003 Z. B. Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff.; Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 23; GöppingerSchneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 2; Stratenwerth, G.: ZStW 105 (1993), 679 ff.; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff. 1004 Grundlegend Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980; vgl. auch Braum, S.: KritV 2005, 283 ff., 284; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff.; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff. Zur ähnlichen Bezeichnung als „Präventionsstaat/-strafrecht“ bzw. „Sicherheitsrecht“ siehe Denninger, E.: KritJ 1988, 1 ff.; ders.: Aus Politik und Zeitgeschichte B10 –11/2002, 22 ff.; Frehsee, D.: StV 1996, 222 ff., 225 f.; Saliger, F. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 447 ff.; Schieler, A.: KritV 2005, 265 ff.; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 26; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12; Wohlers, W.: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts 2000. 1005 Vgl. zu den Gesetzesbegründungen der Bekämpfungsgesetze Kapitel 2 B.III.2. 1006 Grundlegend Isensee, J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983. Das Grundrecht auf Sicherheit ist danach die einklagbare Gesamtheit aller staatlichen Schutzpflichten (Isensee, J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983, S. 33). 1007 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842. 1008 Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94. Vgl. auch Kapitel 1 A.I.2.a)aa)(1). 1009 Vgl. Ausführungen zum kolumbianischen Feindstrafrecht nach Aponte, Kapitel 2 D.I. 1010 Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 15. 1011 Zum erstarkenden Einfluss des Polizeirechts auf das materielle und prozessuale Strafrecht, insbesondere im Rahmen zunehmender Sicherheitsinteressen, vgl. etwa Feststellungen bei Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff., 57, 60 f.; Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a; Hassemer, W.: StV 1988, 267 f., 267; Hefendehl, R.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 453 ff., 475; Kindhäuser, U.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 81 ff., 93 f.; Weißer, B.: JZ 2008, 388 ff., 393 f. Zur Polizeiorientierung im Sonderrechtssystem der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

Risikostrafrecht und Feindstrafrecht sind augenscheinlich fließend; das eine Phänomen stellt sich als ein Indiz für das andere dar. 1013 Entsprechend untermauert die Schwerpunktverlagerung zur Gefahrenabwehr den Trend zum Feindstrafrecht 1014 und bestätigt die Korrektheit der Prognosebasis bei Jakobs. Eine Abkehr vom feindstrafrechtlichen und zugleich sicherheitsorientierten Strafrechtssystem, wie es derzeit etwa durch materielle beziehungsweise prozessuale Vorverlagerungen zum Ausdruck kommt, ist ferner nicht zu erwarten, solange Gefährdungslagen wie zum Beispiel der Nahost-Konflikt 1015 oder das iranische Atomprogramm Anlass geben, über bestmögliche Sicherheit – insbesondere auch gegen terroristische Anschläge 1016, deren Ausmaß international drastische Eskalations- und Gefährdungsstufen erreicht hat 1017 – nachzudenken. Es ist insofern zu erwarten, dass vgl. Frommel, M.: KritV 1990, 279 ff., 280 f.; Klawitter, E.: KritV 1997, 248 ff., 248; Krauß, D.: KritV 1993, 183 ff., 187; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 2, 34, 36. Vgl. ferner auch Jahn, M. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 545 ff., 554 f., 558. Danach findet eine Gewichtsverlagerung zwischen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungstätigkeit und polizeilicher Initiativermittlung (z. B. Kontrollstellen gemäß § 111 StPO; Raster- und Schleppnetzfahndung) statt. Letztere wird vermehrt der förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft vorgeschaltet, um den Sachverhalt hinsichtlich der Voraussetzungen eines Anfangsverdachts zu erforschen, wobei unklar ist, ob es überhaupt jemals zu einem Anfangsverdacht kommen wird. 1012 Zur Parallelität von Feindstrafrecht und Verpolizeilichung vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 848; ders.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296. 1013 Zum Zusammenhang zwischen Risikostrafrecht und Feindstrafrecht vgl. insofern auch Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 218, 221, 225, 227. Danach sei das Feindstrafrecht die „fatale und unbedingt abzulehnende Konsequenz eines Risikostrafrechts“. Ebenfalls einen Zusammenhang von „Sicherheits-„, „Risiko-„ oder „Interventionsstrafrecht“ und der Bekämpfung von Feinden sehend: Arnold, J.: HRRS 8 – 9/2006, 303 ff., 309. Vgl. auch Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff.; Kalek, W. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 281 ff., 294 f.; Streng, F. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 227 ff., 247. 1014 Vgl. auch den Untertitel „Sicherheitsstrafrecht als Entwicklung vom Bürgerstrafrecht zum Feindstrafrecht“ bei Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff., 289 (Untertitel), 290 (Wiederaufgriff des Themas im Unterpunkt B). 1015 Vgl. auch Prognose bei Schlarmann, H. / Spiegel, J.-P.: NJW 2007, 870 ff., 870. 1016 Zur fortdauernden Bedrohung durch die al-Quaida vgl. etwa Hoffman, B.: Terrorismus 2006, S. 425 ff. 1017 Das massive Bedrohungslage der westlichen Welt durch den internationalen Terrorismus zeigt sich insbesondere an den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 (nach eher zurückhaltenden Schätzungen über 3000 Tote, davon allein 2750 in New York), die im März 2004 in Madrid verübten Bombenanschläge auf den Bahnverkehr (über 190 Tote, mindestens 1400 Verletzte) und die Anschläge auf die Londoner Verkehrssysteme im Juli 2005 (über 50 Tote), vgl. etwa Der Spiegel Nr. 36 v. 4. 9. 2006, S. 94 ff., 94 f.; vgl. auch Schaubild in: Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 18 ff., 21. Die jüngst (August 2006) vereitelten Anschläge Londoner Dschihadisten, bei denen mittels an den Kontrollen vorbeigeschmuggelten Flüssigsprengstoffs mindestens drei Passagiermaschinen mit Ziel

E. Ausblick

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der, nicht zuletzt durch Globalisierung 1018 und technischen Fortschritt bedingten, komplexen Bedrohungsqualität von potentiellen Gefahren in der modernen (Welt-)Risikogesellschaft 1019 auch zukünftig Rechnung getragen wird. Entsprechend führt der für seine klassisch-liberale Strafrechtsauffassung bekannte Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer – unter Beibehaltung seiner generellen Kritik am modernen Präventionsstrafrecht 1020 – im Eröffnungsvortrag 1021 des 30. Strafverteidigertages in Frankfurt am Main aus: Der Trend USA in die Luft gesprengt werden sollten (vgl. hierzu im Einzelnen etwa Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 90 ff.), reihen sich mühelos in die Eskalationsserie ein und hätten bei ungehindertem Ablauf des planmäßigen Geschehens wohl einen neuen, traurigen Höhepunkt in der Geschichte des Terrorismus gesetzt. Gleiches gilt für die drei fehlgeschlagenen Anschläge mittels Autobomben in London und Glasgow im Juli 2007 [siehe hierzu etwa: Der Spiegel Nr. 28 v. 9. 7. 2007, S. 118 ff.). Zwar betreffen die aufgezählten Terrorakte andere westliche Staaten, dennoch ist auch Deutschland der Gefahr ausgesetzt, nicht nur – wie im Fall des Attentäters Mohammed Atta (siehe auch Kapitel 2 B.II.1.a)aa)] – als Finanzierungs-, Logistik- und Rekrutierungsraum ausländischer krimineller Vereinigungen genutzt (siehe hierzu Griesbaum, R.: Nehm-FS 2006, S. 125 ff., 125), sondern auch Ziel terroristischer Anschläge zu werden. So belegen der misslungene Anschlag vom 31. 7. 2006, zu dessen Zweck in zwei verschiedenen Regionalzügen Kofferbomben deponiert worden waren, die jedoch aufgrund von Fehlzündungen nicht explodierten (vgl. Der Spiegel Nr. 34 v. 21. 8. 2006, S. 36 f.; Der Spiegel Nr. 15 v. 7. 4. 2007, S. 32 ff., 34 f.), und der i. R. d. „Operation Alberich“ im September 2007 verhinderte Terroranschlag auf den US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein sowie amerikanische und usbekische Konsulate in Deutschland (vgl. Der Spiegel Nr. 37 v. 10. 9. 2007, S. 20 ff.), dass Deutschland sich mit dem globalen Terrorismus auseinander setzen muss. 1018 Zu den Gefahren der Globalisierung wie etwa Terrorismus, Internet-, Umwelt- und Organisierter Kriminalität wie auch Steuer- und Subventionskriminalität, vgl. beispielsweise Schünemann, B.: GA 2003, 299 ff.; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 4 ff. 1019 Zur Risikogesellschaft vgl. grundlegend Beck, U.: Risikogesellschaft 2003 (erstmals erschienen 1986). Zur Fortführung als Weltrisikogesellschaft vgl. Beck, U.: Das Schweigen der Wörter 2002, S. 13 ff.; ders.: Weltrisikogesellschaft 2007. Vgl. darüber hinaus Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 49 ff., ders. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 47 ff., 51 ff; ders.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 221 ff.; ders. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 225 ff., 235; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 3, 16 ff. 1020 Nach Hassemer wird das Strafrecht zunehmend für kriminalpolitische Ziele funktionalisiert, ohne dass tatsächliche Effektivität hinreichend sicher zu erwarten ist (Hassemer, W.: JuS 1987, 257 ff., 264 ff.; vgl. auch ders.: ZRP 1992, 378 ff., 380, 382; ders.: StV 1994, 333 ff., 333, 336 f.). Verpolizeilichung und Prävention stellen sich danach als Fremdkörper unserer Rechtskultur dar (Hassemer, W.: StV 1988, 267 f., 267. Vgl. auch weitere Kritik bei ders.: Maihofer-FS 1988, S. 183 ff., 197 ff.; ders.: KritV 1990, 260 ff., 265 ff.; ders.: StV 1994, 333 ff., 333). Im Rahmen seiner Kritik am Präventionsstrafrecht lehnt Hassemer auch das Feindstrafrecht vehement ab: „Sorgen machen mir auch aktuelle Entwicklungen, die auf den ersten Blick ganz disparat sind, auf den zweiten aber darin übereinkommen, dass sie zu früh die rechtsstaatliche Geduld verlieren, dass sie auf sofortiger, notfalls rücksichtsloser Problemlösung bestehen. Als Beispiele unter vielen greife ich die sog. Folter-Debatte und die aufkommende Unterscheidung von „Bürgerstrafrecht“ und „Feindstrafrecht“ heraus. Beide sind Kinder einer radikalen Option für Prävention“ (Hassemer, W.: StraFo 2005,

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Kap. 2: Überprüfung der deskriptiven Ebene bei Jakobs

zum Gefahrenabwehrrecht ist stabil; „er antwortet auf normative Desorientierung, Verbrechensfurcht und Kontrollbedürfnisse einer Risikogesellschaft“. Es kommt nunmehr darauf an, „diesen Trend ernst zu nehmen und über ein rechtsstaatliches Sicherheitsstrafrecht nachzudenken“. 1022 Auch die oben beispielhaft dargestellte 1023 feindstrafrechtliche Parallelentwicklung in anderen Staaten 1024 spricht im Zuge von Europäisierung, Globalisierung und Internationalisierung für den zukünftigen Ausbau feindstrafrechtlicher Normen als Sonderstrafrecht und stützt somit die Zukunftsthese von Jakobs. Auf europäischer Ebene 1025 ist in diesem Kontext etwa die Betonung des „Grundrechts auf Sicherheit“ im (vorerst wohl gescheiterten) Entwurf der neuen EU-Verfassung kennzeichnend. Artikel II-66 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) etwa ist zu entnehmen: „Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“ Der in Kapitel IV (Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) befindliche Artikel III-257 Abs. 1 beginnt: „Die Union bildet einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ...“. Abs. 3 besagt darüber hinaus: „Die Union wirkt darauf hin, durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität sowie von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, zur Koordinierung und Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden sowie durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen und erforderlichenfalls durch die Angleichung der strafrechtlichen Bestimmungen ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten.“ Im bislang ausgearbeiteten Verfassungsentwurf scheint die Sicherheit einen wichtigen – wenn nicht gar den wichtigsten – Stellenwert in der Zweckverfolgung der EU-Rechtsetzung eingenommen zu haben. Mit dieser Prioritätenverteilung geht zugleich die Verlagerung von einer repressiven zu einer präventiven Verbrechensbekämpfung einher. Präventive Verbrechensbekämpfung wiederum bietet sich gerade für den Fall an, dass (vermeintlich oder realiter) besonders gefahrträchtige Situationen überwunden werden müssen. Entsprechend wird auf den einzelnen Täter, der zu einer bestimmten Gefahrenlage beiträgt, präventiv mit Strafe eingewirkt, indem zur Vermeidung der eigentlichen Rechtsgutsverletzung früher (Vorfeldkriminalisierungen) und zur Vermeidung von Wiederholungen härter (temporär längere Sicherung) bestraft wird. Der EU-Verfassungsentwurf spiegelt insofern das poli312 ff., 315; vgl. darüber hinaus zum „gefährlichen Weg zum Feindstrafrecht“ Hassemer, W.: FR v. 27. 3. 2006, S. 7). 1021 Abgedruckt in StV 2006, 321 ff. 1022 Hassemer, W.: StV 2006, 321 ff., 332. Siehe ergänzend auch Hassemer, W.: ZIS 2006, 266 ff., 269 f., 273. 1023 Siehe Kapitel 2 D. 1024 Vgl. hierzu auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 10, 16. 1025 Vgl. etwa auch Lüderssen, K.: GA 2003, 71 ff., 79, der eine europarechtliche Hinentwicklung zum Feindstrafrecht im Rahmen des Umgangs mit der Organisierten Kriminalität für die Zukunft jedenfalls nicht als vollkommen abwegig prognostiziert.

E. Ausblick

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tische und gesellschaftliche Klima wider und setzt damit den nationalen Trend zur Ausrichtung des Rechts am Sicherheitsgedanken auf europarechtlicher Ebene konsequent fort. 1026 Wie oben dargestellt, bedeutet die Rechtsorientierung an der allgemeinen Sicherheit zugleich eine Übernahme feindstrafrechtlicher Interpretationsmuster. Im Rahmen der Diskussion über die gemeinsamen Mindeststandards für Strafverfahren in der Europäischen Union 1027, die später wohl auch als Rechtfertigung oder „Feigenblatt“ 1028 für die Einführung eines Prinzips der gegenseitigen Anerkennung dienen sollen, hat der deutsche Vorsitz etwa vorgeschlagen, besondere Maßnahmen zur „Bekämpfung von Kriminalität, die auf die Zerstörung der Grundlagen des Rechtsstaates abzielt“ zuzulassen. Die Verfolgung dieser schweren und komplexen Formen der Kriminalität, insbesondere des Terrorismus, könne unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit Einschränkungen der Verfahrensrechte rechtfertigen. 1029 Eine Abkehr vom Feindstrafrecht oder zumindest die Reduzierung feindstrafrechtlicher Regelungsmaterie im deutschen Strafrecht scheint daher auch aus dem europäischen Blickwinkel kaum wahrscheinlich, sondern stärkt vielmehr die These Jakobs, es werde zukünftig eher mehr als weniger Feinde und damit Feindstrafrecht geben.

1026 Zur Betonung des Sicherheitsgedankens in der Partnerschaft von Deutschland und Europa vgl. auch den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD „Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit.“ vom 11. 11. 2005, S. 126 (abrufbar unter: http://www.spiegel.de/media/0,4906,12178,00.pdf). Bereits im ersten Satz in Punkt „IX. Deutschland als verantwortungsbewusster Partner in Europa und der Welt“ unter „1. Europa“ lässt sich lesen: „Die Europäische Union ist Garant für politische Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Deutschland und Europa.“ 1027 Vgl. dazu Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 261 ff., 272 ff. 1028 Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise 2006, S. 274. 1029 Aktueller Vorschlag mit Fundstellen wiedergegeben bei Vogel, J. / Matt, H.: StV 2007, 206 ff., 207.

Kapitel 3

Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts A. Einführung Wie im zweiten Teil dieser Arbeit nachgewiesen wurde, hat das Feindstrafrecht auf Rechtsetzungsebene Fuß gefasst. Die Prognosebasis bei Jakobs ist insoweit – sieht man einmal vom Korrekturbedürfnis hinsichtlich des bei Jakobs zu weit formulierten feindstrafrechtlichen Prozessrechts ab 1030 – bezüglich der deskriptiv enthaltenen Elemente des Feindstrafrechts korrekt. Vor dem Hintergrund, dass neben dem bereits bestehenden Feindstrafrecht sogar eine Ausweitung feindstrafrechtlicher Regelungsmaterie sowie gegebenenfalls eine Annäherung an den Idealtypus für die Zukunft zu erwarten ist, erscheinen zwei Fragestellungen besonders untersuchungsrelevant: Zunächst muss geklärt werden, ob und inwiefern das bereits bestehende oder auch das konkret für die Zukunft geforderte Feindstrafrecht beziehungsweise die theoretische Grundkonzeption des Feindstrafrechts – losgelöst von rechtsstaatlichen Überlegungen – überhaupt zweckmäßig sein kann. 1031 Die Untersuchungen zur Zweckmäßigkeit umfassen dabei zunächst die potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts. Ist es nämlich dem Feindstrafrecht gar nicht möglich, die von ihm verfolgten Ziele zu erreichen, die über das herkömmliche Bürgerstrafrecht hinausgehen, besteht schon kein Bedürfnis, Feindstrafrecht im deutschen Recht umzusetzen. Weitergehend ist auch die Erforderlichkeit in die Analyse miteingebunden, da es an der Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts auch fehlt, wenn sich – entgegen der Ansicht Jakobs 1032 – eine gleich geeignete, aber mildere Alternative bietet. Für den Fall, dass die generelle Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts zu bejahen ist, schließt sich dann die Frage nach der (bis dahin ausgeblendeten) Rechtmäßigkeit des Feindstrafrechts nach dem geltenden deutschen Verfassungsrecht an. Denn selbst, wenn das Feindstrafrecht die mit ihm bezweckten Erfolge erzielt und gleich1030

Vgl. oben Kapitel 2 B.V.3.a) und b). Diese Frage stellt sich vor allem auch, weil Jakobs selbst angibt, mit dem Feind sei „das zur Verhinderung von Wiederholungen Zweckmäßige und sonst nichts“ zu tun (vgl. Fn. 118) beziehungsweise müsse die Behandlung des Feinds nach reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen erfolgen (vgl. Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109). 1032 Nach Jakobs besteht derzeit gerade keine Alternative zum Feindstrafrecht, vgl. bereits Fn. 303. 1031

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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sam als mildestes Mittel erscheint, darf sich der deutsche Rechtsstaat dennoch nicht jedes Mittels bedienen. Vielmehr muss eine hinreichende Berücksichtigung staats- und verfassungsrechtlicher Grundprinzipien gewährleistet werden, denen das Feindstrafrecht nach Ansicht seiner Kritiker 1033 gerade nicht Rechnung trägt.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen ist zu klären, welche grundsätzlich anerkennenswerten Zwecke das Feindstrafrecht verfolgt und ob beziehungsweise inwiefern diese Ziele durch die Institutionalisierung eines (nicht unbedingt idealtypisch ausgeprägten) Feindstrafrechts auch erreicht werden oder jedenfalls werden können. Wird die Geeignetheit bejaht, ist ferner zu überlegen, ob das Feindstrafrecht die einzige und mildeste Möglichkeit bietet, die besagten Ziele zu erreichen.

I. Ziele des Feindstrafrechts Die Vielschichtigkeit rechtspolitischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge im Rahmen von Legislativinstrumentarien lässt erwarten, dass der feindstrafrechtlichen Rechtsetzung mehrere, gegebenenfalls sich überschneidende Intentionen zugrunde liegen. In Anlehnung an Jakobs Ausführungen und dem im vorangehenden Kapitel Gesagtem soll das Feindstrafrecht vor allem bestimmten Sicherheitsinteressen nachkommen. 1034 Die Sicherheitsbelange können sich allerdings auf den Bürger als individuelle Person oder den Staat als gesellschaftliches, politisches und rechtliches System beziehen. Entsprechend ist im Rahmen der Zweckbestimmung des Feindstrafrechts zwischen dem Ziel der persönlichen Sicherheit und dem Ziel der staatlichen Sicherheit durch Feindbekämpfung zu differenzieren. 1. Persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung Persönliche Sicherheit wird bewirkt, indem die Rechtsgüter des Bürgers vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Im Hinblick auf den Bürger stellt sich daher der Rechtsgüterschutz 1035 als Aufgabe des Feindstrafrechts dar. Dabei verfolgen feindstrafrechtliche Normen selbstverständlich auch die Ahndung bestimmter Täter, so dass der Zweck des Feindstrafrechts insofern zumindest auch in der 1033 1034

Vgl. oben Kapitel 1 E.II.4. Vgl. insbesondere Kapitel 2 E. Siehe auch Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff.,

296. 1035

Vgl. v. a. Kapitel 1 A.I.2.c) und II.1. dieser Arbeit.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

repressiven Strafverfolgung liegt. Rechtsgüterschutz kann insofern durch weniger Rechte im Strafverfahren und lange Haftstrafen oder Sicherungsverwahrung bewirkt werden. In Abgrenzung zum Bürgerstrafrecht, das – unabhängig, ob man sich der herrschenden Meinung anschließt und Rechtsgüterschutz als Aufgabe des herkömmlichen Strafrechts ansieht oder ob man Jakobs Auffassung folgt und den Rechtsgüterschutz im Bürgerstrafrecht ablehnt – gleichfalls die repressive Strafverfolgung zum Gegenstand hat, sind allerdings zwei Komponenten des Feindstrafrechts von besonderer Bedeutung, die sich gleichfalls auf dessen Zweckbestimmung auswirken, nämlich eine temporäre und eine personelle Komponente. Temporär ist das Feindstrafrecht weiter gefasst als das Bürgerstrafrecht und dient nicht bloß der Strafverfolgung, sondern ist zukunftsorientiert und bezweckt damit vor allem die präventive Sicherung. Der Rechtsgüterschutz ist auf künftige Gütersicherheit, mithin auf Verbrechensverhütung 1036 angelegt. In personeller Hinsicht ist Feindstrafrecht die Gegenwehr eines Staates gegen rechtslose oder zumindest punktuell rechtsignorante Individuen zum Schutze seiner Bürger. Demzufolge bezweckt das Feindstrafrecht bezogen auf den Bürger dessen persönliche Gütersicherung durch die Bekämpfung von Feinden. Dieser Zweck ist am Gemeinwohl orientiert und daher grundsätzlich anerkennenswert. 1037 2.

Staatliche Stabilisierung

Neben dem individuellen 1038 Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes ist bei Jakobs auch eine staatliche Stabilisierungsfunktion des Feindstrafrechts auszumachen. 1039 Das Feindstrafrecht dient damit nicht nur dem Schutz des Bürgers und seiner Rechtsgüter, sondern kann auch zum Schutz des Staates eingesetzt werden. Insofern soll Feindstrafrecht als „hartes“ Strafrecht die Effektivität der Strafrechtspflege 1040 erhalten, dadurch zumindest kurzfristige Stabilität schaffen 1036 Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 49 f.; ders.: Staatliche Strafe 2004, S. 41. 1037 Zur Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger zu schützen, vgl. etwa auch BVerfGE 49, 24 ff., 54. Von einer solchen Verpflichtung geht auch Jakobs aus (vgl. Jakobs, G.: HRRS 3/2004, 88 ff., 94). Eine Stellungsnahme, ob und inwieweit darüber hinaus ein staatlicher Schutzauftrag bzw. ein „Grundrecht auf Sicherheit“ des Bürgers (Isensee, J.: Das Grundrecht auf Sicherheit 1983; vgl. bereits Fn. 1006) besteht, ist insofern nicht erforderlich. 1038 „Individuell“ ist hier nicht in Anlehnung an das „Individuum“ (= Feind) bei Jakobs zu verstehen, sondern meint – bezogen auf Rechtsgüter – vielmehr „der Person (= Bürger) zustehende“, also „persönliche“ Rechtsgüter. 1039 Jakobs, G.: Strafrecht AT 1993, 1/1; vgl. ferner ders.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 783 f.; ders.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 846 sowie Ausführungen in der vorliegenden Arbeit in Kapitel 2 D.I.1. 1040 Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 49.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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und somit die durch rechtslose Individuen bedrohte Existenz des Staates sichern. Als derartiges Notstandsstrafrecht liegt der Zweck des Feindstrafrechts in der staatlichen Stabilisation und Bestandssicherung, wobei die bezweckte Stabilisierung zunächst natürlich durch tatsächliche Feindbekämpfung bewirkt werden soll. Darüber hinaus kommt neben der Systemstabilisierung durch tatsächliche Effizienz eine – zumindest mittelbar beabsichtigte oder jedenfalls in Kauf genommene 1041 – Stabilisierung durch die dem Feindstrafrecht immanente Symbolwirkung in Betracht. a) Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen Das Feindstrafrecht verfolgt den Zweck, Feinde zu bekämpfen und damit Problemlagen zu beseitigen, die durch Feinde und deren kriminelle Aktivitäten entstehen. Durch die tatsächliche Überwindung von derartigen Krisensituationen, die den Staat und seine Rechtsordnung existenziell belasten, wird folglich eine faktisch reale Stabilisierung des Staatsapparates angestrebt. b) Stabilisierung durch Symbolwirkung feindstrafrechtlicher Maßnahmen Auch wenn Jakobs auf den Zweck der Stabilisierung des Staates durch feindstrafrechtliche Symbolik nicht ausdrücklich eingeht, kann der symbolische Gehalt des Feindstrafrechts aus der Übertragung des Gedankens abgeleitet werden, dass – in Abgrenzung zum Polizeirecht – nur das Strafrecht Personen zu Tätern stilisieren könne. 1042 Danach ist nämlich auch nur das Feindstrafrecht in der Lage, Individuen eine Täterschaft in feindlicher Absicht zuzuschreiben. Ausgehend von dieser Grundidee, dass durch das Feindstrafrecht bestimmte Täter als Feinde kenntlich gemacht werden, kommt als gesetzgeberischer Zweck des Feindstrafrechts auch eine symbolische Funktion in Betracht. Grundsätzlich liegt die symbolische Funktion bei Rechtssetzungsakten darin, die Außenwelt zu beeinflussen. Zugleich dienen Symbole der Zusammenfassung beziehungsweise Vereinfachung von Sachverhalten wie auch der Abgrenzung. 1043 Übertragen auf das Feindstrafrecht könnte die symbolische Funktion zunächst dem Zweck dienen, den Feind kenntlich zu machen (Abgrenzungsfunktion) und die durch ihn verursachten Problemlagen für die Öffentlichkeit verständlich darzustellen (Vereinfachungsfunktion). Zugleich könnte hierdurch die öffentliche Auf1041 Zum Verhältnis der Symbolwirkung des Feindstrafrechts zu den auf tatsächliche Bekämpfungserfolge angelegten Zwecksetzungen siehe unten Kapitel 3 B.II.2.b)dd). 1042 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840. 1043 Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 347 f.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

merksamkeit auf spezifische Kriminalitätsfelder gelenkt und die Allgemeinheit für derartige Gefährdungssituationen sensibilisiert werden (Publizitätsfunktion). Weiterhin könnte das Feindstrafrecht durch die Abgrenzung des Bürgers vom deklarierten Feind die Steigerung des Kollektivbewusstseins und als Ausdruck strafgesetzgeberischer Agilität die Stärkung des Sicherheitsgefühls (Sicherheitsfiktionsfunktion) in der Gesellschaft bezwecken. Dementsprechend könnte der Staat über eine mögliche Stabilisierung durch tatsächliche Feindbekämpfung hinaus auch durch die bloße Symbolwirkung des Feindstrafrechts stabilisiert werden.

II. Potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts Das Feindstrafrecht müsste nunmehr geeignet sein, die zuvor dargelegten Zwecke (individueller Rechtsgüterschutz und staatliche Stabilisierung) weitgehend 1044 zu erfüllen beziehungsweise den erstrebten Erfolg jedenfalls zu fördern. 1045 Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung über die Geeignetheit einen weiten Prognose- und Gestaltungsspielraum ein. 1046 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn der Einschätzung über die Geeignetheit strafrechtlicher Maßnahmen eine komplexe Gefährdungslage zugrunde liegt, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Dem Gesetzgeber muss es in einem solchen Fall erlaubt sein, quasi experimentell eine Strafnorm zu erlassen und anhand dieser praktische Erfahrungen zu sammeln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass nicht schnell genug auf eine Bedrohungssituation reagiert wird und sie die Krise in der Folge noch verschärft. Dagegen scheidet ein Prognosespielraum aus, wenn Unsicherheiten der Prognose durch gesicherte empirische Daten und verlässliche Erfahrungssätze ausgeräumt werden können. 1047 Besteht jedoch eine Einschätzungsprärogative zugunsten des Gesetzgebers, ist ein Strafgesetz nur dann als ungeeignet zu beurteilen, wenn es von Vorneherein keine Effizienz erwarten lässt. Die Maßnahme darf sich also nicht als vollkommen wirkungslos beziehungsweise völlig unzulänglich darstellen. 1048 1044 Die sog. Teiltauglichkeit führt nicht zur generellen Untauglichkeit, vgl. BVerfGE 71, 206 ff., 217 f.; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 174 f. m.w. N. 1045 BVerfGE 63, 88 ff., 115; 67, 157 ff., 173; 90, 145 ff., 172. 1046 Vgl. etwa BVerfGE 77, 170 ff., 214 f.; 88, 203 ff., 262; 90, 145 ff., 173; BVerfG NJW 1983, 1751 ff., 1756; 2001, 1952 ff., 1954; 2004, 2073 ff., 2079; BVerfG NVwZ 2004, 597 ff., 599. 1047 BVerfGE 106, 62 ff., 151. 1048 Vgl. BVerfGE 77, 170 ff., 215 sowie Ausführungen bei Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 175; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 173 f.; Stächelin, G.: Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat 1998, S. 123 f.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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Jakobs geht auf die Frage nach der tatsächlichen Eignung des Feindstrafrechts nicht explizit ein. Vielmehr wird die grundsätzliche Geeignetheit des Feindstrafrechts von Jakobs stillschweigend vorausgesetzt, wie sich der bereits zitierten Aussage von Jakobs, zu einem Feindstrafrecht bestehe keine Alternative, wolle die Strafrechtswissenschaft nicht mangels Effektivität marginalisiert werden 1049, entnehmen lässt. Doch während Jakobs die Geeignetheit des Feindstrafrechts als unumstößliches Faktum einführt, wird andernorts die tatsächliche Effektivität des Feindstrafrechts – sowohl abstrakt 1050 wie auch bezogen auf spezielle 1051, nach Jakobs als feindstrafrechtlich einzuordnende Maßnahmen – durchaus angezweifelt. Sollten sich diese Zweifel in der Bekämpfungsrealität durchsetzen, wäre eine empirische erwiesene Grundlage für die Ineffizienz des Feindstrafrechts gegeben und die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts würde bereits an der Geeignetheit scheitern. 1. Geeignetheit in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung Die Geeignetheit des Feindstrafrechts, durch die effektive Bekämpfung der von Jakobs ausgemachten Feinde individuelle Rechtsgüter vor Verletzungen zu schützen, ist anhand der jeweiligen Eignung der einzelnen feindstrafrechtlichen Merkmale (materielle Vorverlagerungen, unproportionale Strafschärfungen, Bekämpfungsgesetzgebung und prozessuale Einschränkungen) zu bestimmen. Dabei soll zunächst zugunsten einer übersichtlichen Darstellung die Zwecktauglichkeit der benannten Merkmale in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherung überprüft werden, um dann im Anschluss die Zwecktauglichkeit in Bezug auf die Feindbekämpfung zu hinterfragen.

1049 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53 f. 1050 Zu nennen ist hier vor allem die Kritik von Aponte, wonach das Feindstrafrecht faktisch nicht in der Lage sei, tatsächliche Problemlagen zu beheben. Vielmehr werde der „kleine Mann“ für die gesellschaftlichen Missstände zur Rechenschaft gezogen (vgl. etwa Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 69; vgl. auch Rezension bei Schneider, H.: HRRS 5/2005; 178 ff., 179). Zur Ineffizienz des Feindstrafrechts aufgrund mangelnder Prognosemöglichkeiten, die „Zielgruppe“ des Feindstrafrechts zuverlässig und frühzeitig zu bestimmen, vgl. Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 345 f. Zur allgemeinen Kritik an der vermeintlichen Alternativenlosigkeit der Strafrechtspflege gegenüber dem Feindstrafrecht vgl. Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 661. 1051 Vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen zur Eignungskritik an feindstrafrechtlichen Maßnahmen in Kapitel 3 B.II.1.a), b), c) und d).

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

a) Geeignetheit materieller Vorverlagerungen zur Gütersicherheit Die materiellen Vorverlagerungen 1052 dienen der Gütersicherung, indem sie die Strafbarkeit von Feinden möglichst frühzeitig vor der drohenden, irreparablen Rechtsgutsverletzung, die bei feindlichen Straftaten naturgemäß schwer wiegt, begründen. So bieten etwa die Verbrechensverabredung nach § 30 StGB wie auch die §§ 129, 129a und b StGB oder die Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens gemäß § 310 StGB die Möglichkeit, bereits im Vorfeld der Rechtsgutsverletzung einzugreifen, so dass es erst gar nicht zum eigentlich schädigenden Ereignis kommt. Ebenso verhält es sich mit den Interna berücksichtigenden Vorverlagerungen im Betäubungsmittelstrafrecht wie etwa die Strafbarkeit des Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG), die Mitteilung über die Möglichkeiten zum unbefugten Umgang (§ 29 Abs. 1 Nr. 20 BtMG) oder auch die Verherrlichung des unbefugten Umgangs mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 12 BtMG), bei den Wirtschaftsdelikten (beispielsweise §§ 146 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 152a, 263a Abs. 3 StGB), den Vorverlagerungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (§§ 265, 275, 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB) oder der Sexualdelinquenz (§§ 176 Abs. 1 Nr. 3, 176a Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5, 184 StGB). 1053 Allerdings könnten die materiellen Vorverlagerungen gerade aufgrund ihrer Berücksichtigung von Interna ungeeignet sein, Feinde zu überführen. Da sich Interna eben nicht nach Außen manifestieren, dürfte ein entsprechender Nachweis einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Beispielhaft soll vorliegend auf den Fall des so genannten Schläfers eingegangen werden, um zu verdeutlichen, dass bestimmte Feinde trotz der durch die materiellen Vorverlagerungen ermöglichten rechtzeitigen Eingriffs- und Strafbefugnis nicht in jedem Fall zur Verantwortung gezogen werden können. aa) Kritik an der Effizienz materieller Vorverlagerungen am Beispiel des „Schläfers“ Unter einem „Schläfer“ ist eine Person aus dem islamischen Kulturkreis zu verstehen, die zum Beispiel in afghanischen Trainingscamps ausgebildet wurde 1054, um sich dann in den Staaten der westlichen Welt ein unauffälliges Leben „aufzubauen“ und dort auszuharren, bis der Befehl zum terroristischen Angriff 1055 1052

Vgl. hierzu oben Kapitel 2 B.I. Zu den benannten Vorverlagerungen siehe auch die jeweiligen Unterpunkte in Kapitel 2 B.I. dieser Arbeit. 1054 Allerdings wird die Teilnahme an terroristischen Trainingscamps immer weniger zur Voraussetzung für die Durchführung von Terroranschlägen. Die im August 2006 in London festgenommenen Dschihadisten, die mehrere Transatlantikflüge sprengen wollten (vgl. hierzu auch Fn. 1017), hatten mehrheitlich kein Trainingslager durchlaufen und waren britischer Staatsbürgerschaft. Ähnlich verhält es sich in anderen bekannt gewordenen Fällen, 1053

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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erfolgt, der für den Ausführenden zumeist den sicheren Tod bedeutet (so genannte „lebende Bomben“). 1056 Dabei versteht sich der religiös beziehungsweise ideologisch motivierte Schläfer regelmäßig als Erlöser der Menschheit; seiner Ideologie liegt in der Regel ein rettendes Prinzip mit hohem ethisch-moralischen Anspruch zugrunde. 1057 Insofern stellt Gewalt in erster Linie einen sakramentalen Akt beziehungsweise eine von Gott auferlegte Pflicht dar, welche in direkter Reaktion auf eine theologische Anforderung oder ein Gebot erfüllt wird. 1058 Dagegen achtet der fanatische Täter das Menschenleben anderer gering. Der Lebensschutz untersteht der ideologischen Zielsetzung und selbst der Wert des eigenen Lebens steht hintenan 1059, denn die Tat ist aus seiner Sicht moralisch gerechtfertigt und im Namen Gottes sogar geboten. 1060 Der Tod ist für diese Täter insofern eine wünschenswerte Angelegenheit 1061, ein erstrebenswertes Heilziel, vor dem man sich nicht zu fürchten braucht. Insbesondere der aus Ägypten stammende Mohammed Atta hat so dass inzwischen weniger eingeschleuste Fanatiker, sondern vielmehr abgedriftete Einwanderer als größtes Risiko gelten. Jedenfalls müsse gemutmaßt werden, dass zunehmend Einzeltäter, die sich zu einer Mini-Zelle zusammenschließen, ohne in engerer Beziehung zu einer Terrororganisation zu stehen, Anschläge begehen werden, um „im Dienst einer großen Sache zu handeln – und irgendwie zur al-Quaida zu gehören“. „Die Stunde der Amateure“ sei angebrochen (Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 90 ff., 95 f.; Der Spiegel Nr. 35 v. 28. 8. 2006, S. 20 ff., 21 f.). 1055 Zum Begriff und Bedeutungswandel des Terrorismus vgl. Hoffman, B.: Terrorismus 2006, Kapitel 1 (S. 21 –70); Weigend, T.: Nehm-FS 2006, S. 151 ff., 155 ff. Zur Problematik des Terrorismusbegriffs vgl. weiter auch Albrecht, H.-J.: Nehm-FS 2006, S. 17 ff.; Dershowitz, A. M.: Why Terrorism works 2002, S. 4 („One man’s terrorist is another man’s freedom fighter“); Pfahl-Traughber, A.: Kriminalistik 2004, 364 ff., 366 f.; Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 17 ff.; Soiné, M.: Kriminalistik 2005, 409 ff., 412 ff. 1056 Vgl. etwa die Definition des Schläfers bei Schwind, H.-D.: Kriminologie 2006, § 30 Rn. 41 f. oder Nehm, K.: NJW 2002, 2665 ff., 2671. Zu einem weiteren Begriffsverständnis siehe beispielsweise Enzenberger, H. M.: Schreckens Männer 2006, S. 9 ff. 1057 Vgl. Göppinger, H: Kriminologie 1997, S. 566. 1058 Hoffman, B.: Terrorismus 2006, S. 148. 1059 Dies belegen zahlreiche Taten, bei denen das Leben als Waffe eingesetzt wird, eindrucksvoll. Auch von den Entführern der Flugzeuge, welche am 11. September 2001 am Welthandelszentrum explodierten, wurde der Verlust des eigenen Lebens planmäßig in Kauf genommen. Ebenso stellt der Verlust des eigenen Lebens keinen Hindernisgrund für palästinensische Selbstmordattentäter in Israel dar, die sich Sprengstoff am Körper befestigen und diesen am Zielobjekt zünden. Mit der Versprechung durch den Kampf mit den Ungläubigen sei ihnen ein paradiesisches Leben ihm Jenseits beschert, schulten ab 2000 afghanische und saudi-arabische Spezialisten auch junge Frauen, so genannte „schwarze Witwen“, zu perfekten Selbstmordattentäterinnen, welche insbesondere während des Geiseldramas im Moskauer Nord-Ost-Theater im Oktober 2002 weltweite Beachtung fanden (vgl. auch Thamm, B. G.: ZGdP Nr. 9, 52. Jg. 2003, 6 ff., 12 f.). 1060 Siehe auch Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff., 104. 1061 Zumal Mitglieder radikal-islamischer Gruppen wie Hisbollah, Hamas oder Islamischer Dschihad nicht selten mit der verhängnisvollen Überzeugung ausgestattet sind bzw. werden, als Märtyrer mit dem augenblicklichen Einzug in das Himmelreich und dem

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

sich in der westlichen Welt einen Namen als Schläfer gemacht, indem er lange Zeit in Hamburg in einer bürgerlichen Scheinlegalität gelebt hat, bis er auf Abruf eines der Passagierflugzeuge entführte, die am 11. September 2001 in die New Yorker Twin Towers flogen. 1062 (1) Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit Bei dem Phänomen des Schläfers handelt es sich um eine Form der Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit 1063: Die äußerlich deutlich sichtbaren Verhaltensweisen des Täters unterscheiden sich gar nicht oder zumindest nur wenig von denen der Durchschnittspopulation. 1064 In der Betrachtung des Lebenslängsschnitts lassen sich daher bei diesem Tätertypus über alle Lebensbereiche hinweg keine erheblichen sozialen Auffälligkeiten, die sonst auf zukünftige Kriminalität hinweisen, feststellen. 1065 Allerdings weichen die nach außen nicht deutlich sichtbaren Relevanzbezüge des Täters, also dessen bestimmende Grundintentionen und besonders ausgeprägte Interessen 1066, oftmals von denen der Durchschnittspopulation ab. Soziale Unauffälligkeit kann daher gerade auch als Fassade eines bürgerlichen Lebensstils inszeniert werden, um eine quasi subkulturelle Wertorientierung zu verbergen. 1067 Die Relevanzbezüge des Täters sind dabei in der Regel äußerst einseitig. Er orientiert sich ausschließlich an bestimmten Prinzipien, die für ihn als alles überragende Werte empfundenen werden. Zwar sind diese im Allgemeinen von der Durchschnittspopulation durchaus anerkannt, der Täter betont diese Werte jedoch über die Maßen, idealisiert sie und richtet seine gesamte Lebensführung danach aus. Andere verbindliche soziale Wertmaßstäbe fehlen ihm dahingegen. 1068 Beispielsweise werden Werte wie Anerkennung und Reichtum oder auch immaterielle Motive wie religiöses und ideologisches Streben grundsätzlich gebilligt. Den Lebensinhalt jedoch allein an einem dieser Prinzipien zu messen und dafür alle anderen Grundmaximen aufzuopfern, hat regelmäßig zur Folge, dass Werte der Durchschnittspopulation missachtet werden und gegen Rechte anderer verstoßen Empfang von 72 Jungfrauen für die Aufrechterhaltung des Islam gegen die verwerfliche Lebensführung Ungläubiger belohnt zu werden. 1062 Vgl. Schwind, H.-D.: Kriminologie 2006, § 30 Rn. 41; vgl. allgemeiner Klimke, D. in: KrimJ 2002, 89 ff., 91; ferner auch Der Spiegel Nr. 36 v. 4. 9. 2006, S. 94 ff., 94. 1063 Vgl. auch Göppiner-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15. 1064 Bock, M.: Kriminologie 2007, Rn. 526; Göppinger-Bock.: Kriminologie 2008, § 18 Rn. 46. 1065 Göppinger-Bock.: Kriminologie 2008, § 18 Rn. 47; vgl. auch Bock, M.: Kriminologie 2007, Rn. 527. 1066 Vgl. Bock, M.: Kriminologie 2007, Rn. 532. 1067 Schneider, H.: NStZ 2007, 555 ff., 558. 1068 Göppinger-Bock.: Kriminologie 2008, § 18 Rn. 52.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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wird. Dabei wird die Gefahr einer Rechtsgutsverletzung noch gesteigert, wenn der Täter sich besonders intensiv einer seinem Leitbild entsprechenden Subkultur hin- und von nicht in die Subkultur involvierten Personen abwendet. Denn dies kann zum Verlust der Realitätskontrolle führen. Der Täter nimmt dann die Subkultur nicht mehr als besondere Welt wahr, die sich maßgeblich von der Umwelt unterscheidet. 1069 (2) Übertragung der Überlegungen zur Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit auf den Schläfer Übertragen auf den in der Regel religiös beziehungsweise ideologisch motivierten Schläfer bedeutet dies: Der Täter richtet sich grundsätzlich nach den Vorgaben seiner Ideologie (bzw. nach den Werten, die er als solche von Leitfiguren vermittelt bekommt 1070); er lebt für sie, ohne dies jedoch im westlichen Staat – zumindest nicht in vollem Umfang – nach Außen zur Kenntnis zu bringen. 1071 Eine Kompensation durch andere Werte, insbesondere durch jene des westlichen „Gastlandes“ erfolgt nicht, da der Täter einseitig an seinen Grundprinzipien festhält, so dass andere Wertmaßstäbe und soziale Ordnungen nicht an ihn heranreichen. Die vom Täter als überragend empfundene eigene Wertsetzung wird uneingeschränkt verfolgt – ohne Rücksicht auf Verluste. Da der Schläfer außerhalb der Gesellschaft steht, werden auch schwerwiegende Gesetzesüberschreitungen für das „hehre“ Ziel in Kauf genommen, getreu dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“. Doch da diese Verstöße sich hinter dem für die Außenwelt gelebten Schleier der Legalität vollziehen, bleibt die Öffentlichkeit über die den geltenden Gesetzen zuwiderlaufenden Interna oder vielleicht sogar die Externa des Täters im Unklaren. (3) Effizienzprobleme mangels Kenntnis der Täterinterna Der Schläfer, aber auch andere Täter im Rahmen der Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit wie etwa auch etliche Mitglieder der Organisierten Kriminalität oder manche Sexualstraftäter, verhalten sich äußerlich sozial unauffällig. Insofern gestaltet es sich schwierig, solchen Tätern überhaupt auf die Schliche zu 1069

Schneider, H.: NStZ 2007, 555 ff., 561. Dabei wird die Religion regelmäßig nur als Vehikel benutzt. Der Dschihad in Gottes Auftrag ist nicht tatsächlich der Grund des Terrorismus, sondern lediglich eine zusätzliche Legitimation, vgl. Reuter, C.: Mein Leben ist eine Waffe 2002, S. 31. 1071 Dies geht einher mit der Popitz beschriebenen Generalisierung: „Wer soziale Gewohnheiten einhält, erweckt auch Vertrauen in seine Normkonformität, wer vom Üblichen abweicht, gerät in Verdacht, auch eher andere Normen zu verletzen“ (Popitz, H.: Normative Konstruktion von Gesellschaft 1980, S. 27). Insofern ist die (vermeintliche) Angepasstheit oder gar Überkonformität des Schläfers lediglich Strategie zur Vermeidung eines solchen „Generalmisstrauens“. 1070

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

kommen. 1072 Materielle Vorverlagerungen wie §§ 129a und b StGB nützen wenig, wenn das wahre Gesicht des Schläfers doch erst mit dem terroristischen Attentat zu Tage tritt. 1073 Trotz materieller Vorverlagerung ist dann faktisch der Rechtsgüterschutz unterblieben, weil die Interna eben – wie vom Täter beabsichtigt – bis zur eigentlichen Tat, die gerade durch die Vorverlagerung frühzeitig verhindert werden sollte, nicht bekannt wurden. Handelt es sich noch dazu um die Tat eines Selbstmordattentäters, kann weder aus der vorgelagerten noch aus der vollendeten Tat bestraft werden. Aus diesem Blickwinkel stellt sich die Vorverlagerung eher als überflüssig und wenig geeignet dar, wirkliche Rechtsgütersicherheit zu gewährleisten und Feinde im Vorfeld von der Güterverletzung zu bekämpfen. Die strafrechtliche, aber auch die informelle Sozialkontrolle können damit bei einem Täter, der zu keiner Zeit als realer Mensch in Erscheinung tritt 1074, schwer Fuß fassen. In der Folge unterbleibt ein Eingriff trotz der materiell-rechtlichen Möglichkeit lange Zeit und auf allen Ebenen. Die nicht-reale Existenz des Schläfers wirft daher die Frage auf, wie man dem kriminellen Akt eines solchen Täters überhaupt zuvorkommen kann. 1075 bb) Effizienzüberprüfung Allerdings bedeutet die Geeignetheit des Mittels im Sinne der Möglichkeit, den angestrebten Zweck zu fördern, nicht, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht werden oder erreichbar sein muss. Die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. 1076 Danach ist eine Interna berücksichtigende Vorverlagerung von Strafbarkeit durchaus geeignet, Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Denn auch wenn einige Schläfer oder andere, sich sozial unauffällig verhaltende Kriminelle zu spät als solche erkannt werden, so reicht es doch für die Geeignetheit aus, dass durch die Vorfeldkriminalisierung zumindest die erkannten Kriminellen bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit zur Rechenschaft gezogen werden können. Auch Schläfer können Fehler begehen und als vom Recht abgewandte Individuen identifiziert werden. In diesem Fall sind materielle Vorverlagerungen wie §§ 129a und b, 310 StGB 1072

Vgl. hierzu auch Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 22. Vergleichbar stellen sich auch die prozessualen Vorverlagerungsmaßnahmen wie etwa Terrordateien, nachrichtendienstliche Vorfeldermittlungen, Rasterfahndung, Überwachung und der Einsatz von V-Leuten zur Unterwanderung gerade bei Einzeltätern, die an keinem terroristischen Trainingscamp teilgenommen haben, als nutzlos dar (vgl. hierzu auch Der Spiegel Nr. 35 v. 28. 8. 2006, S. 20 ff., 22). 1074 Zur generellen „Unsichtbarkeit“ terroristischer Attentäter vgl. im Übrigen auch Walter, M. / Neubacher, F.: KrimJ 2000, 98 ff., 98. 1075 So auch Klimke, D.: KrimJ 2002, 89 ff., 93 f. Vgl. ferner Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15. 1076 BVerfGE 67, 157 ff., 175. 1073

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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sicherlich von Nutzen, um den Täter aufgrund des der eigentlichen Rechtsgüterverletzung vorhergehenden Verhaltens oder gar der bloßen Absicht diesbezüglich vorab zu sichern. 1077 Darüber hinaus können Täter auch bei Straftaten unerkannt bleiben, deren Strafbarkeit herkömmlich, also ohne der Rechtsgutsverletzung vorgelagert zu sein, begründet wird. Dies kann aber nicht dazu führen, der generellen Strafbarkeit der Rechtsgutsverletzung die Eignung abzusprechen. Auch die übrigen benannten Vorfeldkriminalisierungen ermöglichen grundsätzlich die frühzeitige Sicherung des Feindes, indem sie eine dem eigentlich schädigenden Ereignis vorgelagerte Strafbarkeit begründen. Gefährliche Täter wie etwa Sexualstraftäter, Terroristen und Mitglieder der Organisierten Kriminalität können hierdurch aus dem Verkehr gezogen werden, bevor sie einen beziehungsweise einen allzu großen Schaden angerichtet haben. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern wird der Sexualstraftäter etwa bereits zu dem Zeitpunkt der Strafverfolgung ausgesetzt, in dem er mit dem anvisierten Opfer durch Email oder Bildträger etc. in der Absicht Kontakt aufnimmt, es zu sexuellen Handlungen zu bewegen (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 i.V. m. § 11 Abs. 3 StGB). Derartige materielle Strafbarkeitsvorverlagerungen, wie beispielsweise auch die durch bloße Vereinigung begründete Strafbarkeit gemäß §§ 129 ff. StGB, bilden die Grundlage eines frühzeitigen Zugriffs auf den Feind im Sinne der Definition Jakobs und sind damit geeignet, derartige Feinde effektiv von der Begehung von Rechtsgutsverletzungen abzuhalten. Eine identische Argumentation liegt der politischen Forderung zugrunde, nach der bereits die Teilnahme an terroristischen Ausbildungslagern und Sympathiewerbungen für terroristische Vereinigungen 1078 eine Strafbarkeit begründen sollen. Den bereits bestehenden beziehungsweise konkret geforderten materiellen Vorfeldkriminalisierungen ist daher, ebenso wie dem feindstrafrechtlichen Merkmal der Interna berücksichtigenden Strafbarkeitsvorverlagerung per se, durchaus die abstrakte Eignung zum effektiven Rechtsgüterschutz zuzuerkennen. Die generelle Geeignetheit ist den materiellen Vorverlagerungen damit trotz der teilweisen Ineffektivität im Bereich der Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit nicht abzusprechen, zumal auch die übrigen Strafnormen keine effektivere Alternative zur Erfassung der Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit – sei es im Rahmen von Feind- oder von Bürgerstrafrecht – bieten. b) Geeignetheit von zur Tatschuld unproportionaler Strafrahmen zur Gütersicherheit Die zur Tatschuld unproportionalen Strafrahmen feindstrafrechtlicher Normen dienen dem Rechtsgüterschutz durch die Sicherung des Täters, der infolge der 1077 Dieselben Überlegungen gelten insofern zur generellen Geeignetheit prozessualer Vorverlagerungen im Feindstrafrecht. Vgl. hierzu auch Kapitel 3 B.II.1.c)bb) und cc). 1078 Vgl. hierzu Kapitel 2 C.I.1.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

staatlichen Aufsicht nicht in der Lage ist, Individualinteressen zu verletzen. Der sichernde Freiheitsentzug ist dabei umso wirkungsvoller, je länger er andauert. Einen klassischen Fall der Sicherung von Feinden stellt etwa die partiell geforderte Präventivhaft 1079 von Terroristen dar, indem vor einem möglichen Attentat – also ohne entsprechende Tatschuld – unter Terrorismusverdacht stehende Personen in Gewahrsam genommen werden. Allerdings kann die Präventivhaft in dem Fall, dass mehrere terroristisch motivierte Personen in der Haft zueinander finden, dazu führen, dass Beziehungen zwischen Terroristen geknüpft und neue Pläne für einen Terroranschlag ausgearbeitet werden. Darüber hinaus können Personen, die bis dato bloße Sympathisanten einer Ideologie waren, sich bei Zusammenführung mit ideologischen Fanatikern selbst zu Fanatikern entwickeln. 1080 Insofern ist etwa ein Lager wie Guantánamo ein Sammelpool ideologischer Helden, die die Sympathisanten gegebenenfalls erst zum Terrorismus anregen und damit das Märtyrertum noch schüren. Durch die Sicherung des Feindes könnten damit dessen kriminelle Bestrebungen Zuspruch erfahren und noch intensiviert werden, so dass eben kein präventiver Rechtsgüterschutz gewährleistet würde und die Sicherung als ineffektiv angesehen werden müsste. Dagegen spricht jedoch, dass die oben beschriebenen Nachteile einer Zusammenführung von Straftätern im Rahmen des Vollzugs der Freiheitsstrafe bereits aus dem Bürgerstrafrecht bekannt sind. 1081 Insofern kann diesen Nachteilen begegnet werden, indem etwa Personen getrennt untergebracht werden und ausschließlich unter Aufsicht kommunizieren dürfen oder indem gar ein Kontaktverbot ausgesprochen wird. Zudem geht von dem Inhaftierten zumindest zum Zeitpunkt der Haft keine Bedrohung für das ursprünglich gefährdete Rechtsgut aus oder jedenfalls wird die ursprüngliche Gefahr reduziert, da der präventiv Verwahrte nicht uneingeschränkt mit der Außenwelt kommunizieren und seinen ursprünglichen Plänen nachkommen kann. Die Sicherungshaft ist danach jedenfalls grundsätzlich geeignet, einer Rechtsgutsverletzung vorzubeugen und damit effektiv Sicherheit zu gewährleisten. Auch die im Vergleich zur bürgerstrafrechtlichen Sanktionserwartung hohen Freiheitsstrafen im Rahmen der § 129a Abs. 4 StGB 1082 und § 30 StGB 1083, der 1079

Vgl. hierzu auch Kapitel 2 C.I.1. So auch die kritische Anmerkung zu Guantánamo von Advocat général André Vandoren (Brüssel) auf der Trierer Tagung „Feindstrafrecht – Vereinbar mit dem Rechtsstaat?“ vom 23.11. bis 25. 11. 2005 in seinem Vortrag vom 24. 11. 2005 sowie Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff., 346. 1081 Vgl. etwa zusammenfassend z. B. Eisenberg, U.: Kriminologie 2005, § 37 Rn. 1 ff.; Kaiser, G. / Schöch, H.: Strafvollzug 2002, § 13 Rn. 14 ff. 1082 Siehe hierzu Fn. 505. 1083 Siehe hierzu Fn. 506. 1080

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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bandenmäßigen Begehung einer Fälschung gemäß § 152b StGB 1084 oder der Betäubungsmittelkriminalität und Sexualdelinquenz 1085 ermöglichen eine längerfristige Ingewahrsamnahme des Feindes und damit dessen Sicherung. Gleichfalls ermöglicht die Sicherungsverwahrung gemäß §§ 66 ff. StGB eine langfristige, gegebenenfalls sogar lebenslange Sicherung gefährlicher (Wiederholungs-)Täter über deren Tatschuld hinaus. Hierdurch können zukünftige, regelmäßig schwere Straftaten verhindert werden 1086, so dass die Geeignetheit gleichfalls zu bejahen ist. 1087 Ferner gestattet das feindstrafrechtliche Sanktionsinstrumentarium des erweiterten Verfalls 1088 den Zugriff auf feindliches Vermögen mit der Folge, dass die kriminelle Organisation mit diesen Finanzmitteln nicht mehr unterhalten oder gar ausgebaut werden kann. Eine Eignung, effektiv und damit vor allem für eine längere Dauer Freiheitsmittel zu entziehen und hierdurch Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, ist damit zu bejahen. c) Geeignetheit prozessualer Einschränkungen zur Gütersicherheit Wie sich aus den obigen Grundsatzüberlegungen 1089 zur Konkretisierung des prozessualen Feindstrafrechts ergeben hat, sind feindstrafrechtliche Verfahrensvorschriften unter anderem durch die Vorverlagerung des Anfangsverdachts und damit durch frühen Einsatz der Ermittlungstätigkeit, die auch den Internbereich des Verdächtigten nicht ausspart, geprägt (z. B. Rasterfahndung und Datenabgleich gemäß §§ 98a ff. StPO, großer Lauschangriff). Über die bloße repressive Strafverfolgung hinausgehend, dienen die Regelungen zudem der zukünftigen Verhütung von Straftaten (etwa der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a StPO). Dem Feind kann im Strafprozess ferner die Subjektsstellung ganz abgesprochen oder jedenfalls herabgesetzt werden, indem ihm etwa bestimmte Rechte vorenthalten werden (vgl. etwa die Kontaktsperre nach §§ 31 ff. EGGVG) und er über die ihn belastenden Ermittlungsmaßnahmen nicht in Kenntnis gesetzt werden muss (z. B. der Einsatz verdeckter Ermittler, § 110a StPO).

1084

Vgl. hierzu Kapitel 2 B.II.1. Zur Betäubungsmittel- und Sexualdelinquenz siehe oben Kapitel 2 B.II.3. 1086 Natürlich kann der Sicherungsverwahrte auch in der Sicherungsverwahrung Straftaten begehen, jedoch ist das Risiko insofern herabgesetzt, dass der Inhaftierte die Straftaten jedenfalls nicht in Freiheit begehen kann und er während der Verwahrung unter besonderer staatlicher Aufsicht steht. 1087 Zur Zweckmäßigkeit der Sicherungsverwahrung vgl. auch die Beispiele bei Stoiber, E.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 3 ff., 7 f. 1088 Oben Kapitel 2 B.II.2. 1089 Vgl. hierzu Kapitel 2 B.V.3.b). 1085

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

aa) Ineffizienzüberlegungen am Beispiel von Datenabgleich und -überwachung Insbesondere der Bereich des oftmals als „Tatenschutz“ diffamierten Datenschutzes erfährt zunehmend feindstrafrechtliche Einschränkungen, die vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) betreffen. Gerade diese Einschränkungen sind jedoch der verstärkten Kritik ausgesetzt, zur gezielten Verbrechensaufklärung und -verhinderung wenig beitragen zu können beziehungsweise schlicht ungeeignet zu sein. Gegen die Geeignetheit von Datenabgleich und -überwachung wird etwa teilweise geltend gemacht, der globale Datenaustausch sei schwer zu kontrollieren und es erscheine beinahe unmöglich, die relevanten Daten überhaupt oder zumindest zeitnah aus den Kommunikationsnetzwerken herauszufiltern. Zudem können die derart erlangten Informationen aufgrund ihrer Vielzahl kaum verarbeitet und analysiert werden. 1090 Dies verdeutliche vor allem das Versagen der amerikanischen Geheimdienste: Trotz Datenüberwachung, die die amerikanischen Geheimdienste frühzeitig in Kenntnis über geplante Terrorakten setzte, konnten die Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 nicht verhindert werden, da die exakten Angaben über Ort und Zeit nicht aus der Datenmasse separiert werden konnten. 1091 Ein ähnlicher Vorwurf wird den Geheimdiensten im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September gemacht: Zwei der Entführer standen auf der Liste der Terrorismusverdächtigen 1092 des FBI beziehungsweise tauchten in den Abhörprotokollen des Verfassungsschutzes auf – dennoch durften sie an Bord der Flugzeuge, die sie dann entführten. 1093 In diesem Sinne trügen die Überwachungsmaßnahmen faktisch nicht zur Rechtsgütersicherheit bei; die Maßnahmen könnten allenfalls die Strafverfolgung erleichtern – die Verhinderung von Straftaten könnten sie dagegen nicht bewirken, wie am Beispiel der deutschen Kofferbomber vom 31. 7. 2006 zu erkennen sei. 1094 Die Täter, die die Kofferbomben in zwei verschiedenen Regionalzügen deponierten, wurden von den Bahnhofkameras aufgezeichnet, so dass eine spätere Identifizierung möglich war. Die Explosion und die dadurch verursachten Rechtsgutsverletzungen hätten – ebenso wie im von 1090 Beispielweise waren die 32.000 erfassten Datensätze im Rahmen der Rasterfahndung des BKA nach dem 11. 9. 2001 nicht handhabbar und mussten durch aufwendige Abgleiche weiter eingeschränkt werden, vgl. Kant, M.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 13 ff., 15. Zur massiven Zunahme terroristischer Websites im Internet vgl. etwa Hoffman, B. / Weimann, G.: Terror on the Internet 2006. Vgl. ferner auch Der Spiegel Nr. 33 v. 14. 8. 2006, S. 90 ff., 94, 96, 104, 106 f.; Der Spiegel Nr. 42 v. 16. 10. 2006, S. 32 f. 1091 Ulfkotte, U.: Propheten des Terrors 2001, S. 133. 1092 Kritisch in Bezug auf die UN- und EU-Terrorlisten und deren Auswirkungen im deutschen Recht Meyer, F. / Macke, J.: HRRS 12/2007, 445 ff. 1093 Vgl. Strossen, N.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 65 ff., 73. 1094 Vgl. Der Spiegel Nr. 34 v. 21. 8. 2006, S. 36 f. wie auch bereits Fn. 1017.

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Kameras übersäten London 1095 – durch die Überwachungskameras jedoch kaum verhindert werden können. 1096 Darüber hinaus wird in Bezug auf die Datenüberwachung zu bedenken gegeben, dass keine Auswertung von Daten möglich sei, wenn die Täter gar nicht oder jedenfalls nicht elektronisch kommunizieren. 1097 In der Literatur wird auch der Rasterfahndung (§ 98a StPO i.V. m. der Durchführungsvorschrift § 98b StPO) eine eher geringe Eignung zum effektiven Rechtsgüterschutz nachgesagt. 1098 So habe beispielsweise die groß angelegte Rasterfahndung nach dem 11. September 2001, in deren Rahmen die Landesämter Daten an Universitäten, bei Einwohnermeldeämtern und beim Ausländerzentralregister erhoben hatten, nicht den erwünschten Erfolg gebracht und trotz allumfassender, offener Kriterien (männlich, 18 –40 Jahre, Student oder ehemaliger Student, islamische Religionszugehörigkeit, Geburtsland) keine Schläfer zutage gefördert. 1099 Gleichwohl wäre ein Attentäter wie Atta 1100 zwar als männlicher Student, der – erlaubter Weise – die Moschee besucht, unter das Raster gefallen. Gerade jener hatte jedoch seine Identität gar nicht verschleiert. Die religiöse Grundeinstellung von Atta war bekannt, so dass die Rasterfahndung – ebenso wenig wie etwa ein biometrischer Fingerabdruck im Reisepass oder Personalausweis – hier kaum neue Erkenntnisse bringe, geschweige denn Terroranschläge verhindere. 1101 Auch die Geeignetheit der Telekommunikationsüberwachung (§§ 100a ff. StPO) wird partiell in Zweifel gezogen: Gegen die prozessualen Abhörmaßnahmen könnten technische Aufspürgeräte oder elektronische Störsender eingesetzt werden. 1102 Beide Varianten ließen die Datenüberwachung leerlaufen. Zudem könnte eingewendet werden, dass die Überwachung der Telekommunikation in den Fällen keinen (rechtzeitigen) Nutzen bringt, in denen sich die Kommunikationspartner einer fremden Sprache oder gar einer Codierung bedienen, so dass der Gesprächsinhalt 1095

Der Spiegel Nr. 35 v. 28. 8. 2006, S. 20 ff., 21. Im Rahmen eines bundesdeutschen Programms für zivile Sicherheitsforschung wird nunmehr an der Entwicklung neuer Techniken zur Verhinderung von Terroranschlägen gearbeitet wie zum Beispiel Sensortechnik, Roboterpatrouillen und Röntgenanlagen, um Attentäter früh zu identifizieren und damit den Schutz von Bahnhöfen, Flug- und Seehäfen zu optimieren (Der Spiegel Nr. 38 v. 18. 9. 2006, S. 54 f.). Zudem soll im Berliner AntiTerror-Zentrum eine „Internet Monitoring und Analysestelle“ (IMAS) eingerichtet werden, um vor allem islam-extremistischen Online-Aktivitäten nachzugehen (Der Spiegel Nr. 39 v. 25. 9. 2006, S. 19). 1097 Vgl. auch Strossen, N.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 65 ff., 75. 1098 Vgl. etwa Frankenberg, G.: KJ 2005, 370 ff., 386; Hilbrans, S.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 268 ff., 276 f.; Kett-Straub, G.: ZIS 2006, 447 ff., 451 m.w. N. 1099 Vgl. etwa Kant, M.: Cilip 80 Nr. 1/2005, 13 ff., 13 f. 1100 Vgl. hierzu oben Kapitel 3 B.II.1.a)aa). 1101 Müller-Heidelberg, T.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 82 ff., 92; vgl. auch Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 191 f. 1102 Glauben, P. J.: DRiZ 1993, 41 f., 42. 1096

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

trotz akustischer Kenntnisnahme nur erschwert oder überhaupt nicht entschlüsselt werden kann. bb) Gegenüberlegungen Trotz der Bedenken, die bezüglich der Effizienz einiger feindstrafrechtlich ausgestalteter Prozessnormen im Rahmen der Datenüberwachung bestehen können, muss die Geeignetheit bejaht werden. Denn selbst wenn das Feindstrafprozessrecht bestimmte Fehlschläge verbuchen muss, muss auch das Erfolgspotential der Regelungen bedacht werden. Die modernen Strafermittlungsmethoden wie etwa der Einsatz von verdeckten Ermittlern oder von V-Leuten, die Raster- und Schleierfahndung oder die Überwachung der Telekommunikation nach § 100c StPO dienen dem Zweck, bestimmte Täter aufzuspüren und zu überwachen, die mit herkömmlichen Mitteln aufgrund der heutzutage bestehenden Möglichkeiten kaum zu verfolgen sind. Mobilität, Internationalität und Anonymität der modernen Gesellschaften erleichtern gerade gut organisierten Verbrechergruppierungen grenzüberschreitend Spuren zu verwischen, indem zum Beispiel Geld im Ausland gewaschen, das Aussehen des Täters verändert wird und die Mitglieder des Netzwerkes arbeitsteilig handeln, ohne sich untereinander zu kennen. 1103 Dank Maßnahmen wie Datenabgleich, Raster- und Schleppnetzfahndung können bestimmte Geldwäsche-, Handlungs- oder Aufenthaltsmuster festgestellt werden, durch die wiederum Kontakte bekannt und Täter überführt werden können. Dabei ist herauszustellen, dass sich die Geeignetheit nicht auf eine potentielle Leistungssteigerung der Strafverfolgung beschränkt. Die Datenüberwachung ist beispielsweise trotz ihrer Schwächen durchaus in der Lage, Anschläge wirksam zu vereiteln. In Deutschland sind seit dem 11. September 2001 sechs Terroranschläge mittels Daten-, insbesondere Telekommunikationsüberwachung vereitelt worden, so zum Beispiel ein Anschlag auf die Love Parade in Berlin vor ca. zwei Jahren. Dies findet allerdings in den Medien kaum oder gar keine Erwähnung. 1104 Bekannt geworden ist dagegen der Erfolg der Schleppnetzfahndung im Rahmen der Schleyer-Entführung 1105 durch die RAF 1977: Nachdem die Erpresserbriefe nicht mehr in Deutschland, sondern am Pariser Bahnhof Gare du Nord aufgegebenen wurden, untersuchte das BKA jene auf Speichelspuren. Dabei stellte man fest, dass die zwar nicht die Briefumschläge, jedoch die Briefmarken nur von 1103

Vgl. Rogall, K.: GA 1985, 1 ff., 2. Auskunft von Dr. David Th. Schiller (Politikwissenschaften), der unter anderem im Forschungsbereich Terrorismus bei der amerikanischen Rand Corporation (Santa Monica) sowie bei Control Risk Ltd. London tätig war, im Anschluss an seinen Vortrag „‚When it bleeds, it leads the headlines ...‘ – Zur eindimensionalen Medien-Perzeption des Terrorismus“ auf der Tagung „Medien und Terrorismus“ am 15. 7. 2006 an der Johannes GutenbergUniversität Mainz. 1105 Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B.IV.3. 1104

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einer Person angefeuchtet worden waren. Daraufhin wurden die Personendaten der 25- bis 35-jährigen Reisenden des Nachtexpresszuges von Deutschland nach Frankreich, der kurz vor dem Aufgabedatum in Paris angekommen war, überprüft. Aus dem circa 3000 Namen umfassenden Bestand konnte schließlich der Terrorist Lotze ermittelt werden. 1106 Auch führte etwa eine Ende der 1970er Jahre durchgeführte Rasterfahndung zum Zwecke der Aufdeckung von unter falscher Identität angemietetem Wohnraum dazu, dass eine konspirativ genutzte Wohnung der RAF ausfindig gemacht wurde. 1107 Ferner konnte im Rahmen der „Operation Alberich“ im September 2007 ein Terroranschlag einer Gruppe von in Pakistan ausgebildeter Islamisten, die im Oktober 2006 aufgrund verdächtiger E-Mails zwischen Deutschland und Pakistan dem Abhördienst NSA (National Security Agency) aufgefallen war, verhindert werden. 1108 Im Ergebnis erhöhen die feindstrafprozessualen Maßnahmen somit jedenfalls die Chance, Rechtsgüter zu schützen, selbst wenn sie im Einzelfall versagen können. Im Übrigen wird teilweise außer Acht gelassen, dass die Effizienz der Maßnahme wesentlich von der Qualität der Durchführung abhängt. So ist beispielsweise die Telekommunikationsüberwachung eines Gespräches in einer fremden oder codierten Sprache nicht von vorneherein ungeeignet, wenn Fachmänner wie Dolmetscher und Verschlüsselungsexperten zu Rate gezogen werden. Zudem kann auf amerikanische Vergleichsuntersuchungen zur Datenüberwachung hingewiesen werden, nach denen die Betroffenen sich zum Zeitpunkt des Abhörens regelmäßig sicher fühlten und daher auch keinerlei schützende Gegenmaßnahmen ergriffen. 1109 Schließlich spricht auch der häufige Einsatz der Telekommunikationsüberwachung im Ermittlungsverfahren und die prozentual höheren Anklageund Verurteilungsquoten für deren praktische Eignung. 1110 cc) Ergebnis zur Geeignetheit feindstrafprozessualer Maßnahmen Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die durch die Vorverlagerung des Anfangsverdachts früher einsetzende Ermittlungstätigkeit geeignet ist, sich vor der beabsichtigten Rechtsgutsverletzung des Feindes zu bemächtigen und damit Gütersicherheit zu gewährleisten. Dies folgt bereits aus den 1106

Wittig, P.: Jus 1997, 961 ff., 962 unter Zitierung eines Interviews des SPIEGELS mit dem ehemaligen Präsidenten des BKA Herold. 1107 Vgl. Kett-Straub, G.: ZIS 2006, 447 ff., 447 f. m.w. N. 1108 Vgl. Der Spiegel Nr. 37 v. 10. 9. 2007, S. 20 ff. 1109 Böttger, A. / Pfeiffer, C.: ZRP 1994, 7 ff., 14. 1110 Vgl. hierzu die Untersuchung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg zur „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“, im Internet abrufbar unter: http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente /dokumentation/jahrbuch/2005/strafrecht/forschungsSchwerpunkt/pdf.pdf.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Ausführungen zur materiellen Vorverlagerung der Strafbarkeit 1111, denn insofern bedingt die materielle Vorfeldkriminalisierung gerade den früheren Einsatz des staatlichen Strafverfolgungsapparates. 1112 Die Aufhebung der Beschränkung des Tätigwerdens der Strafverfolgungsorgane auf rein repressives Handeln und der damit einhergehenden Ausweitung in das Feld der (polizeilichen) Gefahrenvorsorge kann dementsprechend durch die Möglichkeit des vorzeitigen Eingriffs gleichfalls zu einer Intensivierung des Rechtsgüterschutzes führen, etwa indem der Beschuldigte bei bestehender Wiederholungsgefahr aufgrund noch nicht begangener, erheblicher Straftaten in Untersuchungshaft genommen wird (§ 112a StPO). Die Untersuchungshaft begründenden, potentiellen Taten können während der Haftzeit kaum ins Verwirklichungsstadium gelangen, so dass in diesem temporären Rahmen eine effektive Verbrechensbekämpfung und Gütersicherung stattgefunden hat. Gleiches gilt für den Einsatz verdeckter Ermittler im Falle des § 110a Abs. 1 S. 2 StPO, der die Zulässigkeit des Einsatzes zur Aufklärung einer Straftat bei Wiederholungsgefahr bestimmt: Die – zumindest auch – präventive Ausgestaltung der Maßnahme ermöglicht den Zugriff auf den Täter, bevor dieser im Hinblick auf die die Wiederholungsgefahr begründenden Taten auch nur unmittelbar zur Rechtsgutsverletzung angesetzt hat. Die generelle Eignung der feindstrafprozessualen Vorfeld- und Präventivmaßnahmen zur Effektivierung von Rechtsgüterschutz ist somit zu bejahen. Der Abbau von prozessualen Rechten im Feindstrafrecht führt schließlich zu keiner abweichenden Bewertung in Hinsicht auf die generelle Geeignetheit des Feindstrafrechts. Das Feindstrafrecht entledigt sich der bürgerstrafrechtlichen Verfahrensgrundsätze, indem es etwa die Unschuldsvermutung, das Recht auf Verteidigerkonsultation, den Unmittelbarkeitsgrundsatz oder auch das Öffentlichkeitsprinzip außer Acht lässt oder zumindest deren Reichweite verringert. 1113 Die hier bereits mehrfach Erwähnung gefundene Kontaktsperre (§ 31 ff. EGGVG) oder auch der Einsatz von Trennscheiben (§ 148 Abs. 2 StPO) schränken etwa das Recht des Beschuldigten auf den Kontakt und den Austausch mit dem Verteidiger ein. In der Folge wird ein konspiratives Zusammenwirken von Beschuldigten und Verteidiger erschwert und die Fluchtgefahr verringert. Auch Maßnahmen wie der Einsatz verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) beziehungsweise von V-Leuten, die Beobachtung eines Verdächtigen (§ 163 StPO) oder die Telekommunikationsüberwachung in Wohnräumen gemäß § 100c StPO, über die der Verdächtigte nicht in Kenntnis zu setzen ist, können durch die erlangten Informationen (Bewegungsbilder, soziale Kontakte, Insiderwissen etc.) kriminelle Strukturen und Absichten aufdecken. Insofern sind derartige Einschränkungen durchaus geeignet, dem Miss1111

Vgl. oben Kapitel 1 C.II.1. Vgl. hierzu auch Kapitel 2 B.IV.5. 1113 Zu den einzelnen Normen, die einen solchen Rechtsabbau beinhalten, siehe Unterpunkte in Kapitel 2 B.IV. 1112

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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brauch der im Bürgerstrafrecht prozessual zugestandenen Rechte vorzubeugen und die Strafverfolgung wie auch Verbrechensverhütung zu effektivieren. d) Geeignetheit der Bekämpfungsgesetzgebung zur Gütersicherheit Laut Gesetzesbegründungen dienen die Bekämpfungsgesetze 1114 regelmäßig dem Schutz eines als bedroht vermittelten Rechtsgutes wie etwa der Volksgesundheit 1115 im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität, der sexuellen Selbstbestimmung 1116 oder auch der allgemeinen Sicherheit. 1117 Die grundsätzliche Eignung erklärt sich dadurch jedoch nicht von selbst. aa) Statistik als Eignungskriterium Das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 bewirkte laut Lagebericht des Bundeskriminalamtes nicht etwa den Rückgang der Rauschgiftdelikte für die Zukunft, vielmehr verdoppelte sich die Zahl der begangenen Delikte von 1993 bis 2001 annähernd (von 122.240 auf 246.518). 1118 Die erfassten Rauschgiftdelikte sind bis 2005 sogar kontinuierlich weiter auf 276.740 Fälle gestiegen. 1119 Auch die Anzahl der Ermittlungsverfahren im Delinquenzbereich der Organisierten Kriminalität nahm danach trotz des „Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 1120 erst im Jahr 2002 deutlich ab, dies lasse jedoch nicht auf einen Rückgang der Organisierten Kriminalität schließen. Die Lageerkenntnisse seien vielmehr vom Ressourceneinsatz und vom Ausmaß der Intensität der Strafverfolgung abhängig. 1121 Das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13. 8. 1997 1122 konnte gleichfalls den gene1114

Aufzählung der Bekämpfungsgesetze siehe oben Kapitel 2 B.III. Vgl. etwa BR-Drucks. 546/79, S. 35. 1116 Begründungen des „Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und des „Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704) in BR-Drucks. 163/97; zugleich BT-Drucks. 13/8586. 1117 Vgl. Begründung zum „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ v. 23. 7. 2004 (BGBl. 2004 I, S. 1838) in BR-Drucks. 177/04. 1118 Siehe Rauschgiftjahresbericht 2001 des BKA im Rahmen der aktuellen Tendenzen, S. 5 ff., abrufbar unter: http://www.bka.de/lageberichte/rg/2001/b_aktuelle_tendenzen.pdf. 1119 Zu den Zeitreihen der Rauschgiftdelikte vom Jahr 1987 bis 2005 siehe PKS 2005 – Gesamtausgabe, S. 222 ff., abrufbar unter: http://www.bka.de/pks/pks2005 /download/pks-jb_2005_bka.pdf. 1120 BGBl. I, S. 845. 1121 Kurzfassung des Lagebildes Organisierte Kriminalität 2003 Bundesrepublik Deutschland des BKA, S. 14, abrufbar unter: http://www.bka.de/lageberichte/ok/2003kf /lagebild_ok_2003_kurzlage.pdf. 1115

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

rellen Anstieg der Verfahrenszahl der Korruptionsstraftaten in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht verhindern. 1123 In den Jahren 1997 bis 2003 wurden laut PKS konstant zwischen 50.000 und 55.000, 2004 und 2005 sogar über 55.000 Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung Fälle erfasst. 1124 Das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ vom 26. 1. 1998 1125 schien insofern wenig „bekämpfenden“ Einfluss auf die Sexualstraftaten zu nehmen. Auch die Ausweitung der Sicherungsverwahrung 2004 1126 mit besonderem Augenmerk auf die Sexualdelinquenz spricht dafür, dass die 1998 erlassenen Bekämpfungsgesetze gegen sexuell motivierte Straftaten 1127 wohl nicht den erhofften durchschlagenden Erfolg erzielten. Andererseits darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass gerade die Aussagekraft von Kriminalstatistiken über den wirklichen Umfang von Kriminalität und die gegenwärtige Sicherheitslage eher gering zu schätzen ist. Dunkelfeld, Anzeigeverhalten und Ermittlungsaufwand sind nur einige unbekannte Variablen, die die PKS zur Heranziehung einer verlässlichen Analyse über die Kriminalitätsbelastung als unbrauchbar erscheinen lassen. 1128 Die Ungeeignetheit der Bekämpfungsgesetzgebung folgt also nicht bereits daraus, dass die PKS oder ähnliche Statistiken keinen Rückgang der Kriminalität nach dem Erlass von gerade diese Kriminalität bekämpfenden Gesetzen ausweist. Vielmehr kann die Bekämpfungsgesetzgebung auch gerade zu einer Steigerung des Anzeigeverhaltens der Bürger geführt haben, da durch die Kampfgesetze das Vertrauen des Bürgers in die Effektivität der Strafverfolgung gesteigert wurde. Aus geringen oder jedenfalls kaum wahrnehmbaren Verfolgungs- oder Verurteilungszahlen kann nicht auf die generelle Ungeeignetheit geschlossen werden. 1129 1122

BGBl. I, S. 2038. Vgl. Bundeslagebild Korruption 2004 des BKA, S. 12, abrufbar unter: http://www .bka.de/lageberichte|::|ko|::|blkorruption2004.pdf. 1124 Vgl. PKS aus den Jahren 1998 bis 2005 (Abschnitt: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung), im Internet abrufbar unter: http://www.bka.de/. 1125 BGBl. I, S. 160. 1126 „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“ v. 3. 7. 2004, BGBl. 2004 I, S. 1838. 1127 „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704). 1128 Zu den Unsicherheiten der PKS im Hinblick auf ihre Aussagekraft über wachsende Kriminalitätsbelastungen und die gegenwärtige Sicherheitslage vgl. etwa Bock, M.: Kriminologie 2007, Rn. 791; Göppinger-Münster.: Kriminologie 2008, § 23 Rn. 30 ff.; Lehne, W.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 110 ff.; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 186 ff. 1129 Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 176. 1123

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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bb) Optimalität als Eignungskriterium Etliche Nachbesserungen der Bekämpfungsgesetze durch erneute Bekämpfungsgesetze mögen deren Effektivität zunächst eher dürftig erscheinen lassen. So folgte etwa dem „Ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. 7. 1976 1130 zehn Jahre später das „Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 15. 5. 1986 1131; das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15. 7. 1992 1132 wurde ausdrücklich nachgebessert durch das „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. 5. 1998 1133 und auch das „Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit“ vom 23. 7. 2002 1134 scheint seinen Zweck nicht vollständig gerecht geworden zu sein, da nach zwei Jahren bereits das „Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung“ vom 23. 7. 2004 1135 folgte. Die mutmaßlichen Defizite der 1998 erlassenen Bekämpfungsgesetze gegen sexuell motivierte Straftaten 1136, die wohl durch die Ausweitung der Sicherungsverwahrung 2004 1137 aufgearbeitet werden sollten, haben bereits Erwähnung gefunden. 1138 Allerdings müssen Gesetze, deren Effektivität aufgrund gesetzgeberischer Unvollkommenheit von Anfang an oder infolge situativer Veränderungen nachträglich zumindest teilweise reduziert ist, nicht von vornherein absolut ineffektiv und damit ungeeignet im Rahmen der Zwecktauglichkeit sein. Straftäter passen sich naturgemäß neuen Regelungen an, ergreifen entsprechende Abwehrmaßnahmen und nutzen Strafbarkeits- sowie Strafverfolgungslücken aus. Der Gesetzgeber ist dann folgerichtig dazu gezwungen, hierauf zu reagieren. Die bloße Nachbesserung von Gesetzen darf bereits aus diesem Grund nicht auf die generelle Ungeeignetheit derselben schließen lassen. Gleichfalls schließt eine verminderte Geeignetheit die Zwecktauglichkeit nicht grundsätzlich aus, solange der erstrebte Erfolg noch irgendwie gefördert wird. 1139 Dem entspricht es auch, dass dem Gesetzgeber bei komplexen Sachverhalten zugestanden wird, die Entwicklung zu beobachten und 1130

BGBl. I, S. 2034. BGBl. I, S. 721. 1132 BGBl. I, S. 1302. 1133 BGBl. I, S. 845. 1134 BGBl. I, S. 2787. 1135 BGBl. I, S. 1842. 1136 „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 160) und „Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts“ v. 26. 1. 1998 (BGBl. I, S. 164, 704). 1137 Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. 7. 2004, BGBl. 2004 I, S. 1838. 1138 Siehe Kapitel 3 B.II.1.d)aa) bis cc). 1131

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Erfahrungen zu sammeln. Erweist sich eine Regelung später als mängelbehaftet, ist der Gesetzgeber entsprechend zu einer Änderung angehalten. 1140 Fehlende Optimalität der Bekämpfungsgesetze und entsprechende Nachbesserungen stehen der Geeignetheit daher nicht im Wege. Vielmehr können Legislativakte in Ermangelung einer abschließenden, unveränderlichen Bewertungsgrundlage keine absolute Perfektion erreichen und unterliegen daher naturgemäß einem permanenten Anpassungsprozess in Bezug auf gesellschaftliche, technische, politische und andere Entwicklungen. cc) Maßnahmenbündelung als Eignungskriterium Vorangehend wurde die Geeignetheit im Hinblick auf effektiven Rechtsgüterschutz vor allem anhand des Bekämpfungsgesetzes als einheitliches Ganzes überdacht. Die Bekämpfungsgesetze bilden jedoch eine Art Maßnahmenpaket des Gesetzgebers, in dem auf materieller wie auch prozessualer Ebene Maßnahmen gebündelt werden, mit deren Hilfe bestimmte Kriminalitätsphänomene zurückgedrängt und bekämpft werden sollen. Betrachtet man die einzelnen Normen innerhalb der Bekämpfungsgesetzgebung differenziert, stößt man zwangsläufig auch auf die feindstrafrechtlichen Komponenten der Vorfeldkriminalisierungen, der zur Tatschuld unproportionalen Strafrahmen und der prozessualen Einschränkungen, deren Geeignetheit zum Rechtsgüterschutz bereits bejaht wurde. Dabei gilt auch hier, dass nicht jede Ungeeignetheit der Maßnahme in der konkreten Situation zur generellen Ungeeignetheit führt. 1141 Etwa lässt die Überlegung die Geeignetheit des Luftsicherheitsgesetzes 1142 nicht entfallen, dass der zur Bekämpfung des Terrorismus aus der Luft ursprünglich erlassene § 14 LuftSiG insofern Effizienzzweifeln unterliegt, dass die Flugzeugentführung mit großer Wahrscheinlichkeit entweder gar nicht vor der Kollision mit dem Zielobjekt oder zumindest nicht so früh bekannt wird, dass ein Abschuss über unbewohntem Gebiet möglich ist. Sollte nämlich die entsprechende Kenntniserlangung realiter wider Erwarten doch rechtzeitig erfolgen, ist die Verhinderung eines noch größeren Unglücks jedenfalls durch den planmäßigen Abschuss der Maschine möglich. Ebenso wenig darf die Zwecktauglichkeit des § 14 LuftSiG mit der Begründung verneint werden, Terroristen könnten sich die Regelung zu Nutzen machen und den Abschuss gezielt 1139 BVerfGE 90, 145 ff., 172. Ähnlich auch jüngst die Argumentation des BVerfG (Beschluss v. 26. 2. 2008 – 2 BvR 392/07) im Rahmen seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 173 Abs. 2 S. 2 StGB (Geschwisterinzest), wonach die Lückenhaftigkeit des strafrechtlichen Schutzes in Bezug auf den von der Strafnorm erfassten Zweck jedenfalls nicht die generelle Eignung des Straftatbestandes in Frage stellt. 1140 BVerfGE 33, 171 ff., 189 f.; 37, 104 ff., 118; 43, 291 ff., 321. 1141 Vgl. auch Fn. 1076. 1142 Zum Luftsicherheitsgesetz als Bekämpfungsgesetz und im Allgemeinen vgl. oben Kapitel 2 B.III.3. und C.I.4.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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herbeiführen. Ein derartiger Einzelfall kann nach dem oben Gesagten gleichfalls nicht die mögliche Geeignetheit in anders gelagerten Fällen untergraben. Danach ist die Eignung der Bekämpfungsgesetzgebung zum Rechtsgüterschutz insofern zu bejahen, dass die einzelnen Maßnahmen, die in einem Bekämpfungsgesetz zusammengefasst werden, eben diese Eignung aufweisen. Inwiefern der Betitelung als Bekämpfungsgesetz darüber hinaus noch ein anderer, nämlich symbolischer Zweck anhaftet, wird an anderer Stelle noch aufzuzeigen sein. 1143 e) Geeignetheit der Maßnahmen zur Feindbekämpfung Nachdem festgestellt wurde, dass die feindstrafrechtlichen Maßnahmen grundsätzlich geeignet sind, Rechtsgüterschutz zu gewährleisten, ist nunmehr von Interesse, ob sie auch der personalen Komponente der Gütersicherheit gerecht werden. Dazu müsste das Feindstrafrecht geeignet sein, die Rechtsgüter vor Feinden zu schützen, indem nicht bloß Kriminalität an sich, sondern speziell Feinde bekämpft werden. Folglich müsste das Feindstrafrecht sich an den Feind als Adressaten richten und diesen betreffen. Fehlt es dagegen gänzlich oder zumindest teilweise an einer solchen Adressatenkorrektheit, ist fraglich, welche Konsequenzen hieraus bezüglich der Geeignetheit erwachsen. Da sich die nachfolgenden Überlegungen zu den Auswirkungen von möglichen Adressatenmängeln auf die Geeignetheit zum Rechtsgüterschutz vor Feinden mit denjenigen auf die Geeignetheit zur Strafverfolgung von Feinden decken, soll hier beide Zweckbestimmungen Erwähnung finden. aa) Adressatenmängel Dass die bislang erfolgte gesetzliche Umsetzung von Feindstrafrecht wie auch die Forderungen nach weitergehendem Feindstrafrecht durchaus Feinde im Sinne der Definition Jakobs betreffen können, wurde im Rahmen der Überprüfung der Adressatenkorrektheit auf deskriptiver Ebene bereits ausgeführt. 1144 Es wurde jedoch gleichfalls festgestellt, dass feindstrafrechtliche Normen sich nicht ausschließlich auf den Feind auswirken, sondern mitunter auch den Bürger in seiner Lebensführung und -gestaltung betreffen. Der Bürger kann entweder fälschlich verdächtigt werden, Feind zu sein, so dass Feindstrafrecht unmittelbar auf ihn angewendet wird (direkte Betroffenheit). 1145 Er kann aber auch schlichtweg in den 1143

Vgl. Kapitel 3 B.II.2. Vgl. Kapitel 2 B.V.2. 1145 Die direkte Betroffenheit von Bürgern durch feindstrafrechtliche Normen hat vor allem im kolumbianischen Notstandsrecht verheerende Ausmaße angenommen, vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 69. Siehe ferner auch Kapitel 3 B.II.2.a)aa) in dieser Arbeit. 1144

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Wirkbereich feindstrafrechtlicher Maßnahmen geraten (indirekte Betroffenheit). Derartige Adressatenmängel sind auf materieller Ebene insbesondere bei dem nach seiner Zielsetzung 1146 und aufgrund der Berücksichtigung von Interna feindstrafrechtlich ausgestalteten Versicherungsmissbrauch gemäß § 265 StGB, dem unerlaubten Waffenbesitz, dem Besitz pornographischer Schriften, dem Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen nach § 30 StGB wie auch den Strafvorschriften des Betäubungsmittelrechts zu verzeichnen. Von diesen Regelungen werden partiell jedenfalls auch Bürger erfasst. Gleichfalls erweist sich die zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens eingeführte Geldwäsche (§ 261 StGB) 1147 dem Wortlaut nach als wenig adressatenfest. 1148 Vielmehr bestand bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. 3. 2004 1149 die erhöhte Gefahr, dass selbst Strafverteidiger dem Anwendungsbereich der Norm zu unterfallen. Prozessual verbleiben nach den hier aufgestellten Kriterien, wonach der physische Zwang nicht ausschlaggebendes Merkmale des Feindstrafprozessrechts sein kann 1150, beispielsweise noch die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO. Hier wird jede Person, die den Anschluss benutzt, abgehört, wie beispielsweise der Anrufer, andere Familienmitglieder, Gäste etc. 1151 Nicht anders verhält es sich bei den übrigen Überwachungsmaßnahmen, wobei die Rasterfahndung ein nahezu klassisches Beispiel bildet. 1152 Die Sicherungsverwahrung kann gegen einen Täter ergehen, dessen Gefährlichkeitsprognose fälschlich zu seinen Lasten erging. Die Kronzeugenregelung kann dazu führen, dass ein Straftäter die eigene Verantwortung auf andere abwälzt und zum Zwecke der eigenen Strafreduzierung wahrheitswidrig Dritte belastet. 1153 Die Folterung von Verdächtigen – wäre sie denn rechtlich zulässig – birgt die Gefahr, dass der Gefolterte unter der psychischen und physischen Belastung schließlich auch Verbrechen gesteht, die er nicht begangen hat, nur um den Qualen zu entgehen. 1154 Die Möglichkeit, 1146

Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B.V.2. sowie Fn. 686. BGBl. 1992, S. 1302 ff. 1148 Vgl. auch Kritik bei Fischer, T.: StGB 2008, § 261 Rn. 4d. Danach ist die Geldwäsche als Gefährdungs-Tatbestand so gefasst, dass ihn fast jeder verwirklicht. 1149 Nach BVerfGE 110, 226 ff. sind Strafverteidiger zumindest nur noch in dem Fall mit Strafe nach § 261 StGB bedroht, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten. 1150 Siehe dazu Kapitel 2 B.V.3.a). 1151 Pütter, N.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 204 ff., 209 f.; vgl. auch Böttger, A. / Pfeiffer, C.: ZRP 1994, 7 ff., 15; Deckers, R. / Gercke, B.: StraFo 2004, 84 ff., 88. 1152 Albrecht, P.-A.: Innere Sicherheit als Gefahr? 2002, S. 49 ff., 59; ders.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 137; Wolter, J.: ZStW 107 (1995), 793 ff., 804 ff. Vgl. ähnliche Kritik zur Anti-Terror-Datei bei Zopfs, J. in: Juristische Zeitgeschichte, Jahrbuch Bd. 8 (2006/2007), 395 ff., 405 f. 1153 Vgl. Hassemer, W.: StV 1986, 550 ff., 551; Hoyer, A.: JZ 1994, 233 ff., 234. 1154 Die historisch verankerte Kritik an der Folter ist etwa nachzulesen bei Hilgendorf, E.: JZ 2004, 331 ff., 332; Jerouschek, G.: JuS 2005, 296 ff., 297 f. 1147

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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dass Personen, von denen eben keine Dauergefahr ausgeht, als direkt oder indirekt Betroffene in den Anwendungsbereich feindstrafrechtlicher Regelungen fallen, ist somit grundsätzlich gegeben. bb) Konsequenz in Bezug auf die Eignung zur Feindbekämpfung Bezüglich der Auswirkungen von Adressatenmängeln auf die Geeignetheit des Feindstrafrechts zur Feindbekämpfung ist nunmehr danach zu differenzieren, wer dem Gesetzeszweck nach Adressat der feindstrafrechtlich ausgestalteten Maßnahme ist und wer tatsächlich von der feindstrafrechtliche Merkmale aufweisenden Maßnahme betroffen wird: Manche Vorschriften richten sich trotz ihrer feindstrafrechtlichen Ausgestaltung nach ihrer unmittelbaren Zweckbestimmung überhaupt nicht an den Feind als Adressaten und ihre tatsächliche Anwendung beschränkt sich einzig auf den Bürger. In dieser Konstellation ist schon fraglich, ob die Geeignetheit zur Feindbekämpfung überhaupt festgestellt werden kann, denn eben dieser Zweck soll im Bürgerstrafrecht gar nicht verfolgt werden. Geht man allerdings mit Jakobs davon aus, dass es de lege lata bereits zu einer Vermischung von feindstrafrechtlichem und bürgerstrafrechtlichem Regelungsgehalt gekommen ist, dann ist konsequenter, wenn auch gesetzgeberisch misslungener Weise der Zweck der Feindbekämpfung in den bürgerstrafrechtlichen Normen feindstrafrechtlicher Prägung mit enthalten. Durch den Rückgriff auf feindstrafrechtliche Instrumentarien innerhalb einer bürgerstrafrechtlichen Regelung wird der Zweck der Feindbekämpfung in die bürgerstrafrechtliche Norm transferiert. Allerdings ist die Geeignetheit zur Feindbekämpfung und damit die Eignung zum Rechtsgüterschutz vor Feinden in dem benannten Fall, dass die Strafvorschrift unmittelbar auf den Bürger abzielt und faktisch auch ausschließlich auf Bürger angewendet wird, evident zu verneinen. Der Zweck der Feindbekämpfung kann hier offensichtlich nicht erreicht werden, da Feinde überhaupt nicht mit dem Regelungsgehalt in Berührung kommen. In diesem Sinne als vollkommen wirkungslos und demzufolge ungeeignet 1155, Rechtsgüter vor Feinden nach der Definition Jakobs zu schützen, dürften sich etwa die Gesetze zur Bekämpfung der Umweltkriminalität, die nach Jakobs als Bekämpfungsgesetzgebung feindstrafrechtlich ausgeprägt sind – darstellen. Normen mit typisch feindstrafrechtlichem Inhalt, die zwar auch Feinde treffen können, sich jedoch nach ihrer primären Zweckbestimmung an den Bürger richten (wie etwa § 30 StGB) sind zwar nach Jakobs überflüssig und daher zu streichen. 1156 Fraglich ist jedoch, ob ihnen auch die generelle Eignung zur Feindbekämpfung abzusprechen ist. Die Geeignetheit erfordert bekanntlich nur, dass die Vorschriften 1155

Vgl. bereits Fn. 1048. Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 858; ders.: HRRS 3/2004, 88 ff, 94. Vgl. hierzu bereits Kapitel 2 B.V.3. 1156

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

den ihnen obliegenden Zweck fördern. 1157 Davon ausgehend, dass der Zweck der Feindbekämpfung aufgrund der feindstrafrechtlichen Ausprägung der Norm jedenfalls mit enthalten ist, muss die Geeignetheit unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, dass die Regelungen partiell zumindest auch Feinde betreffen können, so dass schließlich faktisch Rechtsgüterschutz vor Feinden bewirkt wird – selbst wenn dies nicht primär bezweckt ist. Regelungen, die feindstrafrechtliche Maßnahmen aufweisen, sich in ihrer Zielrichtung gegen den Feind richten und diesen auch überwiegend betreffen, wenngleich ihr Wirkkreis auch auf den Bürger ausstrahlt, wie beispielsweise die Überwachung der Telekommunikation oder die Rasterfahndung, sind gleichfalls generell geeignet, Feinde zu bekämpfen. Für die Geeignetheit genügt es schließlich, dass der angestrebte Zweck weitgehend erfüllt wird. 1158 Dies ist bereits der Fall, wenn neben Feinden auch Bürger von einer feindstrafrechtlichen Maßnahme betroffen sind. So besteht zwar beispielsweise ein gewisses Risiko, durch (präventiv oder repressiv angewendete) Folter falsche Geständnisse beziehungsweise Aussagen zu erhalten und dadurch einen Bürger als Feind zu behandeln oder ihn sogar als solchen zu bestrafen. Dennoch ist die Geeignetheit nicht vollkommen zu negieren, da zugleich die Möglichkeit besteht, dass derjenige, der der Maßnahme unterworfen wird, tatsächlich Feind ist, dieser in Folge der Folterung gesteht und hierdurch die eigene Straftat oder etwa Straftaten von feindlichen Komplizen aufgedeckt oder verhindert werden. Insofern kann die grundsätzliche Eignung zur Feindbekämpfung selbst bei schwerwiegenden feindstrafrechtlichen Eingriffen – ohne an dieser Stelle Rechtmäßigkeitsüberlegungen einfließen zu lassen – nicht verneint werden. Maßnahmen feindstrafrechtlichen Inhalts, deren Zwecksetzung auf die Feindbekämpfung abzielt und die ausschließlich Feinde betreffen, dürften faktisch nicht vorzufinden sein. Ähnlich wie im Bürgerstrafrecht zum Beispiel ein Verdächtiger zu Unrecht verurteilt werden kann, kann im Feindstrafrecht ein Bürger fälschlich für einen Feind gehalten werden, mit der Folge, dass Feindstrafrecht auf ihn angewendet wird. Der völlige Ausschluss von Adressatenmängeln kann danach nicht gewährleistet werden. Gleichwohl widerspricht dieser Umstand nicht der generellen Geeignetheit, denn andernfalls müsste man auch dem Bürgerstrafrecht die Eignung zur Strafverfolgung absprechen, da auch hier falsche Verdächtigungen und Fehlurteile vorkommen können.

1157 1158

Vgl. bereits Fn. 1045. Siehe Fn. 1044.

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f) Ergebnis zur Geeignetheit in Hinsicht auf die individuelle Gütersicherheit durch Feindbekämpfung Nach den oben getroffenen Feststellungen ist das Feindstrafrecht damit grundsätzlich geeignet, Rechtsgüter der Bürger zu schützen und in temporärer Hinsicht insbesondere zukünftige Gütersicherheit herzustellen. Überdies sind die Maßnahmen, die feindstrafrechtliche Merkmale beinhalten, überwiegend geeignet, auch die personelle Komponente des individuellen Rechtsgüterschutzes zu erfüllen, indem sie die Bekämpfung von Feinden ermöglichen. Einzig Normen, die trotz feindstrafrechtlicher Prägung bürgerstrafrechtliche Zielsetzungen verfolgen und die ausschließlich den Bürger betreffen, stellen sich als absolut ungeeignet dar. Eine solche Teiluntauglichkeit führt jedoch – wie bereits angemerkt wurde 1159 – nicht dazu, von einer generellen Zweckuntauglichkeit auszugehen, so dass die Geeignetheit in Hinsicht auf die persönliche Gütersicherheit durch Feindbekämpfung insgesamt zu bejahen ist. 2. Geeignetheit zur staatlichen Stabilisierung Fraglich ist weiterhin die Geeignetheit des Feindstrafrechts, den Zweck der staatlichen Stabilisierung zu fördern. In Betracht kommen nach dem oben Gesagten sowohl eine Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität wie auch durch symbolische Einwirkung feindstrafrechtlicher Maßnahmen. a) Stabilisierung durch tatsächliche Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen Das Feindstrafrecht ist geeignet, den Staat zu stabilisieren, wenn durch die feindstrafrechtlichen Regelungen diejenigen Problemlagen und Krisensituationen, die den Staat beziehungsweise die staatliche Rechtsordnung existenziell bedrohen, beseitigt oder wenigstens entschärft werden können. Als kriminelle Problemlagen, die den Staat in seinem Bestand angreifen, sind vor allem Terrorismus, mafiöse Strukturen beziehungsweise als Oberbegriff Organisierte Kriminalität (oftmals im Zusammenhang mit Rauschgiftdelinquenz) oder politische Radikalisierungsprozesse wie Rechts- beziehungsweise Linksextremismus zu nennen. Die Täter in diesen Delinquenzbereichen sind Feinde im Sinne der Jakobsschen Formel, da sie den Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung nicht anerkennen und somit außerhalb des rechtstreuen Bürgertums stehen. Durch die fehlende Gesetzesakzeptanz stellen derartige Feinde oder Feindgruppierungen eine Art Dauergefahr für den gesetzmäßigen Bestand des Staates dar. Das Feindstrafrecht bezweckt die Schmälerung dieses Gefahrenzustandes, indem durch die Effektivie1159

Vgl. schon Fn. 1044.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

rung der Strafrechtspflege Feinde bekämpft werden, dadurch die Delinquenz in den feindstrafrechtlichen Bereichen abnimmt und in der Folge die Geltungskraft der staatlichen Rechtsordnung gewährleistet wird. Insofern müsste die Entstehung bestimmter Kriminalitätsphänomene unterbunden beziehungsweise jedenfalls die Fortführung bestehender krimineller Strukturen erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Dazu müssten wiederum Feinde vom Regelungsgehalt der entsprechenden Norm de lege lata beziehungsweise – soweit politische Forderungen 1160 für die Zukunft ins Auge gefasst werden – von einem entsprechendem Gesetz de lege ferenda betroffen und hierdurch an (weiteren) Straftaten gehindert werden. Dass das bereits bestehende Feindstrafrecht insbesondere in Form der Bekämpfungsgesetze nach statistischen Quellen keinen vollständigen Rückgang von Problemlagen wie Organisierter oder Rauschgiftkriminalität bewirkt hat, wurde bereits dargestellt. Doch zum einen greift hier gleichfalls der Vorwurf des unzureichenden Aussagewerts von Statistiken. 1161 Zum anderen genügt auch im Rahmen der Überprüfung der Geeignetheit zur staatlichen Stabilisierung die generelle Eignung, die Bekämpfung von Feinden zumindest zu fördern. Ein vollständiger Rückgang ist danach nicht erforderlich. Die Geeignetheit ist vielmehr nur zu verneinen, wenn der Zweck überhaupt nicht erreicht werden kann beziehungsweise empirisch gesichert feststeht, dass die legislative Maßnahme vollkommen wirkungslos ist. 1162 Die empirische Feststellung, dass das Feindstrafrecht staatliche wie gesellschaftliche Problemlagen nicht in den Griff bekommt und daher auch nicht zur staatlichen Stabilisierung beitragen kann, könnte allerdings aus der Untersuchung Apontes zum kolumbianischen Feindstrafrecht 1163 abgeleitet werden. aa) Ineffizienz des kolumbianischen Feindstrafrechts Das kolumbianische Notstandsstrafrecht und insbesondere das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ von 1990, das bis 2000 rechtsgültig war 1164, stellt annähernd idealtypisches Feindstrafrecht dar: Ordentliches Strafrecht und Notstandsgesetzgebung verlaufen zweispurig. Im Notstandsrecht wird materiell die Strafbarkeit vorverlagert. Prozessual werden die Verfahrensgarantien radikal beschränkt. Insbesondere wird der gesamte Strafprozess anonymisiert. Zudem findet eine Auswei1160

Zu den konkret geäußerten Vorschlägen vgl. oben die Unterpunkte in Kapitel 2 C.I. Oben Kapitel 3 B.II.1.d)aa). 1162 Vgl. Fn. 1048. 1163 Zur Ausgestaltung des kolumbianischen Feindstrafrechts nach Aponte siehe bereits Kapitel 2 D.I. 1164 Das „Statut zur Verteidigung der Justiz“ wurde aufgrund seiner geheimen Struktur im Jahr 2000 vom kolumbianischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 74., 346 f. 1161

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tung der kriminalpolizeilichen Befugnisse statt. Adressaten der Notstandsgesetze sind spezielle Täter, die den Bestand des Staates und die Funktionstüchtigkeit seiner Einrichtungen 1165 bedrohen und die daher bekämpft werden sollen. Nach Aponte hat das kolumbianische Feindstrafrecht jedoch weder die gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Problemlagen behoben, nämlich Korruption, politischen und Drogenterrorismus beziehungsweise sonstige Formen der Organisierten Kriminalität, noch die Leistungsfähigkeit des Staatsapparates gesteigert. 1166 Statt eine rechtliche Grundlage für die Beseitigung krimineller Strukturen zu schaffen, verstärkte das Feindstrafrecht die rechtliche Verunsicherung, denn aufgrund der Massengesetzgebung und zahlreicher Spezialvorschriften war die Rechtslage unübersichtlich und chaotisch. 1167 Die Einordnung bestimmter Straftaten war oftmals zufallsabhängig. Beispielsweise wurde der Strafrahmen der Körperverletzung erhöht, wenn die Tat terroristischen Zielen diente oder der Täter einer gesetzlich nicht autorisierten bewaffneten Gruppe angehörte. 1168 Damit wurden gesetzgeberisch völlig offene Rechtsbegriffe gewählt, deren Bejahung oder Verneinung vom Gutdünken der Richter abhing. Im Ergebnis verkümmerte das Notstandsstrafrecht zum politischen Instrument. 1169 Statt einer realen Bekämpfung von Drogenterrorismus und anderer Formen Organisierter Kriminalität wurden Sündenböcke konstruiert 1170 und de facto die Schwachen bestraft – diejenigen, für die die besondere Strafgesetzgebung an und für sich nicht konzipiert worden war und die keine Schuld an den gesellschaftlichen Missständen trugen. 1171 So wurde der Anschein vermittelt, durch die strafrechtliche Sanktionierung könne eine Stabilisierung des Systems, vor allem der Justiz bewirkt werden. Realiter fand eine solche Stabilisierung jedoch nicht statt. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Kolumbien dauerten fort. Die Anforderungen an das Feindstrafrecht, „Effizienz“ zu gewährleisten, konnten daher – so Aponte – in Kolumbien gerade nicht erfüllt werden 1172: 1165 In Kolumbien ist aufgrund der hohen Korruptionsrate und der massenhaften Tötungen von Verfahrensbeteiligten, die den Staat vertreten, insbesondere die Leistungsfähigkeit der Justiz bedroht, vgl. dazu bereits oben Kapitel 2 D.I.2. 1166 Vgl. auch Rezension Schneider, H.: HRRS 5/2005; 178 ff., 179. 1167 Vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 199, 203. 1168 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 118. 1169 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 301, 304. 1170 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 218, 256; vgl. auch ders.: HRRS 8 –9/2006, 288 ff., 303. 1171 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 69, 327, vgl. auch S. 329: Die Beschuldigten sind weit davon entfernt, „gefährliche Mitglieder krimineller Vereinigungen zu sein. In den meisten Fällen gehören diese Menschen, seien sie nun an den vorgeworfenen Straftaten beteiligt oder nicht, zu den ärmeren Schichten, haben keine Ausbildung und leben in ungesicherten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen. [...] Die Notstandsgesetzgebung wurde eingeführt, um Terroristen zu bekämpfen, und in Wirklichkeit wurden diejenigen bestraft, die keine Terroristen sind.“

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

„Nicht ein einziges ernsthaftes Problem, das Kolumbien hat, ist durch die Anwendung des Feindstrafrechts gelöst oder auch nur verbessert worden. Weder dem Drogenhandel, noch den Entführungen, die in Kolumbien ein wirklich großes Problem sind, weder dem Terrorismus, noch der organisierten Kriminalität konnte von diesem autoritären Strafrechtsmodell irgend etwas entgegengesetzt werden. Man kann im Gegenteil ganz klar aufgrund der tatsächlichen Erfahrungen sagen, dass die durch diese Verbrechen aufgeworfenen Probleme durch das Feindstrafrecht noch verschärft worden sind.“ 1173

bb) Übertragbarkeit auf die generelle Geeignetheit zur Stabilisierung Fraglich ist, ob die empirische Untersuchung Apontes über die Ineffizienz der kolumbianischen Notstandsgesetze, die sich überwiegend an besagten „Statut zur Verteidigung der Justiz“ orientiert, sich allgemein auf das Feindstrafrecht übertragen lässt. Wäre dies der Fall, bestünde eine empirisch gesicherte Aussage über die Wirkweise des Feindstrafrechts. Das Untersuchungsergebnis Apontes, dass sich die kolumbianische, feindstrafrechtliche Notstandsgesetzgebung in der Praxis nicht bewährt hat und staatliche Problemlagen durch die Sondergesetzgebung nicht behoben werden konnten, wäre allgemein verbindlich. Entsprechend muss dann das Gesamtkonstrukt des Feindstrafrechts mit Fug und Recht als vollkommen wirkungslos und damit ungeeignet bezeichnet werden, den Staat durch tatsächliche Konfliktlösung zu stabilisieren. Für die Allgemeingültigkeit der Ineffzienzfeststellungen Apontes in Bezug auf staatliche Stabilisation spricht etwa, dass teilweise parallele Argumentationsmuster gegen feindstrafrechtliche Instrumentarien vorgebracht werden. Beispielsweise wird eingeworfen 1174, dass die deutschen Gesetze zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht geeignet sind, das Phänomen der Organisierten Kriminalität zu bewältigen. Danach erfassen die Bekämpfungsgesetze lediglich einzelne Tatverdächtige, die im Hintergrund agierenden Drahtzieher entgingen dagegen regelmäßig der Bestrafung. Ferner könne mit polizeilich-justiziellen Mitteln nicht die Nachfrage nach illegalen Gütern wie Drogen oder Waffen beseitigt werden, so dass die Gefährdungslage trotz der Bekämpfungsgesetzgebung bestehen bliebe. Dennoch bestehen Zweifel an der Allgemeingültigkeit des bei Aponte gefundenen Ergebnisses zur Ineffizienz des kolumbianischen Feindstrafrechts in Form der „geheimen Justiz“. Aponte führt die Ineffizienz auch auf den Umstand zurück, dass das kolumbianische Feindstrafrecht gar nicht Feinde, sondern Bürger treffe. 1175 Bereits diese Feststellung kann etwa für das deutsche Strafrecht, soweit 1172

Vgl. auch Rezension Schneider, H.: HRRS 5/2005; 178 ff., 179. Aponte, A.: HRRS 8 –9/2006, 297 ff., 298. ähnlich auch ders. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 161. 1174 Weßlau, E.: KritV 1997238 ff., 247. 1175 Vgl. Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 69, 327, 329. 1173

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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es eine feindstrafrechtliche Ausgestaltung erfahren hat oder noch weiter erfahren könnte, nicht uneingeschränkt übernommen werden. Zwar wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass auch Bürger in den Anwendungs- und Wirkbereich feindstrafrechtlicher Regelungsmaterie fallen (können) 1176, dennoch stellt sich die Situation in Deutschland – wie vermutlich auch in anderen Staaten, die über tendenziell feindstrafrechtliche Rechtsetzung verfügen 1177 – nicht so dar, dass faktisch überhaupt keine Feinde im Sinne Jakobs betroffen werden. Bereits die Tatsche, dass das kolumbianische Feindstrafrecht offensichtlich eine enorme Adressatentreffunsicherheit aufweist, die anhand anderer feindstrafrechtlich durchzogenen Rechtsordnungen so nicht nachvollzogen werden kann, spricht dagegen, die Ineffizienz des Feindstrafrechts zur staatlichen Stabilisierung zum allgemeingültigen Dogma zu erklären. Weiterhin – und dies mag die hohe Treffunsicherheit der Adressaten mitbedingen – ist die Ausgangssituation des kolumbianischen Staates hinreichend zu berücksichtigen. In Kolumbien herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände, Korruption und Armut, die den eigenen Staat bedrohen. Teile des Landes wurden und werden von verschiedenen politisch und kriminell motivierten Rebellengruppen kontrolliert. Die kriminellen Strukturen sind stark ausgebildet, der Zerfall des staatlichen Systems – trotz Besserungen in jüngster Zeit – weit fortgeschritten. Ist aber die Unterwanderung der Gerichtsbarkeit bereits so massiv ausgeprägt, ist es von vorneherein unwahrscheinlich, dass eine „geheime Justiz“ sich als tragfähig erweist. Vielmehr dürften Manipulationen und Korruption an der Tagesordnung gestanden haben. 1178 Justiz, Militär, Politik und Volk erscheinen in der kolumbianischen Konfliktsituation als Beteiligte auf allen Seiten. Dadurch ist es möglich, Feinde zu relativieren; einen absoluten Feind gibt es dann nicht, der zielsicher bekämpft werden kann. Dagegen dürfte etwa Ausgangspunkt eines europäischen Feindstrafrechts, soweit es vorhanden ist, in einem breiten Konsens über bestimmte Wert und Systemvorstellungen liegen, so dass derjenige, der sich von diesem Konsens entfernt, als absoluter Feind behandelt werden kann. 1179 Zudem folgt eine kolumbianische Notstandsverordnung der anderen; die Rechtslage ist kaum zu überblicken. Insofern ist – so Aponte – nicht die Todesstrafe, die Verhängung von langen Haftstrafen oder die Schaffung prozessrechtlicher oder materieller Notstandsstrafrechtsfiguren das größte Problem, „sondern die richtige Anwendung der bereits vorhandenen Normen“. 1180 Kann die Ineffizienz jedoch auf konkrete Umstände zurückgeführt werden, die dem Feindstrafrecht nicht direkt anhaften, 1176

Siehe hierzu Kapitel 2 B.V.2. und Kapitel 3 B.II.1.e)aa). Siehe oben Kapitel 2 D. 1178 Vgl. dazu auch Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 283; ders.: HRRS 8 –9/2006, 288 ff., 302. 1179 Zu dieser Sichtweise und zu absoluten und relativen Feinden vgl. Aponte, A.: HRRS 8 –9/2006, 288 ff., 298, 300, insbesondere Fn. 2. 1180 Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2002, S. 330. 1177

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

wie eben inkonsequente Bestrafung, fehlerhafte Umsetzung und Anwendung des Feindstrafrechts, dann kann das Untersuchungsergebnis keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Ist die Geeignetheit nämlich von beeinfluss- und veränderbaren Variablen abhängig, kann nicht von einer gesicherten empirischen Erkenntnis die Rede sein. Die Unübertragbarkeit der Ineffizienz der „Justiz ohne Gesicht“ legt auch der Umstand nahe, dass andere tendenziell feindstrafrechtliche Notstandsgesetze in Kolumbien durchaus Erfolge im Kampf gegen Dogenkriminalität, Paramilitär und Guerilla erzielen, wie etwa die 2003 erlassenen Anti-Terror-Gesetze 1181, die Polizeibefugnisse auf das Militär übertragen und Festnahmen und Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, die Überwachung der Telekommunikation oder Bruch des Postgeheimnisses erlauben. 1182 Insofern lassen sich die Worte des Kriminologen Sebastian Scheerer zur amerikanischen (feindstrafrechtlich ausgeprägten 1183) Terrorismusbekämpfung wohl auf das kolumbianische Feindstrafrecht übertragen: „... aus der Tatsache, dass der Kampf bislang wenig kompetent oder jedenfalls unglücklich und im Ergebnis auf jeden Fall erfolglos geführt worden war (um es milde auszudrücken), schließt man allerdings etwas voreilig, dass nie klappen könne, was so lange nicht funktioniert habe. Das ist aber nicht zwingend so.“ 1184

Das Feindstrafrecht ist damit nicht bewiesenermaßen ungeeignet, den Staat zu stabilisieren, so dass es bei dem weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Eignung von Maßnahmen bleibt und es ausreicht, dass hypothetisch Kausalität 1185 zwischen der Maßnahme und dem mit ihr verfolgten Ziel besteht. cc) Historischer Nachweis der potentiellen Geeignetheit zur Stabilisierung Ebenso wie die Geeignetheit bei empirisch gesicherter Wirkungslosigkeit widerlegt werden kann, kann durch den Rückgriff auf reale Erfahrungswerte auch der empirische Nachweis erbracht werden, dass der für die Geeignetheit erforderliche Wirkungszusammenhang besteht. Der Versuch eines solchen Nachweises könnte etwa am Beispiel des Dritten Reichs (1933 –1945) im deutschen Nationalsozialismus unternommen werden. Dies hätte allerdings den Nachteil, dass der andauernde Kriegs- oder zumindest kriegsvorbereitende Zustand des Drit1181 Allerdings wurden die Anti-Terror-Gesetze bereits im August 2005 vom Obersten Gerichtshof wegen eines Verfahrensfehlers für verfassungswidrig erklärt (Fischer Weltalmanach 2006, S. 272). 1182 Vgl. Fischer Weltalmanach 2005, S. 255 f.; Fischer Weltalmanach 2006, S. 271 f. 1183 Siehe hierzu Kapitel 2 D. 1184 Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 83. 1185 Vgl. etwa Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 172.

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ten Reiches zu berücksichtigen wäre. Insofern werden die Untersuchungen zu den feindstrafrechtlichen Methoden im Nationalsozialismus für später vorbehalten 1186 und stattdessen wird nachfolgend auf das SED-Regime der Deutschen Demokratischen Republik Bezug genommen, das sich in der Vergangenheit feindstrafrechtlicher Regelungen zum Zwecke des Staatsschutzes im weitesten Sinne bedient hat und mit deren Hilfe das staatliche System auch tatsächlich – sogar an zeitlicher Dauer das Dritte Reich weit übertreffend – gefestigt wurde. Um die Untersuchung nicht unnötig in die Länge zu ziehen, wird allerdings vorliegend nur ein kleiner Ausschnitt der SED-Strafpolitik behandelt, wobei das Hauptaugenmerk auf dem DDR-Strafrecht nach dem Mauerbau (1961) liegt. Dabei soll erneut ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass an dieser Stelle noch keine rechtsstaatliche 1187 beziehungsweise verfassungsrechtliche Würdigung erfolgt. (1) Feindstrafrecht in der Deutschen Demokratischen Republik Die Präambel des Strafgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (DDR-StGB) vom 12. 1. 1968 1188 nennt als Zweck des systematischen Ausbaus „des sozialistischen Rechts als Instrument der staatlichen Leitung der Gesellschaft“ unter anderem den Schutz „unserer Ordnung gegen die Anschläge ihrer Feinde wie gegen jegliche kriminelle Handlungen“. Wie im Jakobsschen Modell des Feindstrafrechts differenziert das Strafrecht der DDR folglich zwischen zwei Kategorien krimineller Handlungen, nämlich Straftaten, die durch Feinde verübt werden, und sonstigen Straftaten. Der Feind wird dabei zwar in direkten Gegensatz zum staatlichen System der DDR gesetzt, eine inhaltliche Konkretisierung unterbleibt jedoch. Allerdings lässt bereits der nachfolgende Absatz der Präambel Rückschlüsse auf eine Annäherung an den Feindbegriff zu: „Das sozialistische Strafgesetzbuch [...] dient im besonderen dem entschiedenen Kampf gegen die verbrecherischen Anschläge auf den Frieden und die Deutsche Demokratische Republik, die vom westdeutschen Imperialismus und seinen Verbündeten ausgehen und die Lebensgrundlagen unseres Volkes bedrohen. Es dient zugleich dem Kampf geben Straftaten, die aus dem Fortwirken der Überreste der kapitalistischen Zeit erwachsen und durch feindliche Einflüsse und moralische Verfallserscheinungen aus den imperialistischen Staaten genährt werden. Damit gewährleistet das sozialistische Strafrecht den wirksamen Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und der sozialistischen Gesetzlichkeit.“

Das DDR-Strafrecht bezweckt nicht nur Rechtsgüterschutz, sondern grundsätzlich auch die Aufrechterhaltung und ständige Weiterentwicklung der staatlichen Ordnung. 1189 Gerade für diesen Fall, dass das sozialistische System durch delikti1186

Siehe hierzu Kapitel 3 C.I.1.a)aa). Zur Frage, ob und in welchem Sinne die DDR ein Rechtsstaat war, vgl. etwa Krauß, D.: KritV 1993, 183 ff., 186. 1188 Abrufbar unter: www.verfassungen.de. 1187

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

sches Verhalten bedroht wird, wird die legislative Sprache schärfer („Anschläge“, „Kampf“). Der Feind („feindliche Einflüsse“) wird in Zusammenhang gebracht mit Kapitalisten, moralischem Verfall und Imperialisten. Es liegt daher nahe, vor allem politische Gegner beziehungsweise Staatsfeinde unter den Feindbegriff des DDR-StGB zu subsumieren und entsprechend werden etwa die §§ 105 –107 DDRStGB als „Staatsfeindlicher Menschenhandel“ 1190, „Staatsfeindliche Hetze“ und „Staatsfeindliche Gruppenbildung“ überschrieben. Der Feind weist insofern eine besondere Gesellschaftsgefährlichkeit auf, ignoriert also die staatliche Ordnung beziehungsweise wendet sich sogar aktiv gegen sie und muss daher bekämpft werden. Die Parallelen zu den Ausführungen Jakobs sind offensichtlich und es dürfte daher nicht verwundern, dass die Feinde im DDR-StGB mit Mitteln bekämpft werden, die Jakobs dem Feindstrafrecht zuordnet. Dies zeigt sich neben der kriegerisch anmutenden Sprache, die im Zusammenhang mit politischen Delikten zum Schutze des Staates gebraucht wird 1191 und die daher der heutigen Bekämpfungsgesetzgebung nahe kommen dürfte, vor allem an den materiellen Vorverlagerungen, insbesondere den so genannten Unternehmensverbrechen und unter Strafe gestellten Vorbereitungsdelikten, die weit über das Maß unseres heutigen Strafgesetzbuches (vgl. etwa §§ 81 ff. StGB) hinausgehen. Die Unternehmensverbrechen belegen nicht ein konkretes Verhalten, sondern abstrakt das „Unternehmen“ an sich mit Strafe. Unternehmen meint gemäß der Legaldefinition in § 94 DDR-StGB „jede auf die Verwirklichung eines Verbrechens gerichtete Tätigkeit“. Damit ist die Vollendung unabhängig vom jeweiligen Stadium, in dem sich Tat befindet. 1192 Unternehmensverbrechen („wer es unternimmt“) sind etwa die Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten nach § 86 DDR-StGB, der Hochverrat gemäß § 96 DDR-StGB oder die Terrordelikte nach §§ 101 ff. 1193 DDR-StGB. Begründet wird die Vor- und Umfeldkriminalisierung damit, dass die Tatbestände schwere imperialistische Verbrechen gegen die Souveränität und Existenz der DDR darstellen: „Derartige Straftaten müssen zu einem frühstmöglichen Zeitpunkt aufgedeckt und die Beteiligten nachdrücklich zur Verantwortung gezogen werden. Es ist ein typisches Merkmal von Aggressionsakten, deren Vorbereitung und Durchführung, daß mehrere Täter 1189

Speck, J.: Die Rechtsstellung des Beschuldigten im Strafverfahrensrecht der DDR 1990, S. 10 ff. 1190 Hierunter fällt etwa auch die Fluchthilfe. 1191 Vgl. bereits die Polemik im Einleitungssatz der Präambel des Gesetzes zum Schutze des Friedens vom 15. 12. 1950: „Die aggressive Politik der imperialistischen Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs, die auf ein neues Weltgemetzel hinzielt, droht das deutsche Volk in einen mörderischen Bruderkrieg zu verstricken ...“ (vgl. auch Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 197). 1192 Lekschas, J. (Hrsg.): Strafrecht der DDR 1988, S. 187. 1193 Umfasst sind hiervon auch die bereits benannten §§ 105 –107 DDR-StGB.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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oder gar ein verzweigtes Netz von Organisationen daran beteiligt sind und dass solche Verbrechen ‚in Arbeitsteilung‘, Schritten und Etappen verwirklicht werden, so dass es erforderlich wird, sie in einem weiten Tatbestand, eben dem Unternehmenstatbestand, gesetzlich zu erfassen.“ 1194

Neben den Unternehmensverbrechen wird in bestimmten Fällen auch die Vorbereitung, also das Schaffen von Voraussetzungen oder Bedingungen für die Ausführung der geplanten Straftat, ohne mit der Ausführung zu beginnen (Legaldefinition des § 21 Abs. 2 DDR-StGB), bestraft. Vorbereitungsstrafbarkeit besteht etwa bei staatsfeindlicher Hetze nach § 106 DDR-StGB und ungesetzlichem Grenzübertritt gemäß § 213 DDR-StGB. Beide Vorschriften oder beispielsweise auch die Öffentliche Herabwürdigung gemäß § 220 DDR-StGB oder die Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten nach § 249 DDR-StGB pönalisieren ein aus heutiger Sicht größtenteils sozialadäquates, nämlich von Handlungs-, Ausreise- und Meinungsfreiheit gedecktes Verhalten. Die Gesellschaftsgefährlichkeit des Feindes wird weiterhin in der Deliktszuordnung und damit auch im Strafmaß berücksichtigt. Gesellschaftsgefährliche Straftaten sind nämlich nach der Unterteilung des § 1 Abs. 3 DDR-StGB Verbrechen 1195 – Vergehen sind dagegen nach Abs. 2 nur „gesellschaftswidrig“. Das Strafmaß für (einfache) Vergehen beträgt bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (§ 1 Abs. 2 DDR-StGB), während die Mindestfreiheitsstrafe für Verbrechen bei zwei Jahren erst beginnt (§ 1 Abs. 3 DDR-StGB). Da Verbrechen wiederum mit der Gesellschaftsgefährlichkeit gekoppelt sind, trifft den Feind regelmäßig die höhere Verbrechensstrafe. Insgesamt legt das DDR-StGB von 1968 – verglichen mit den bis dahin geltenden Strafnormen – höhere, teilweise sogar doppelt so hohe Mindeststrafen für politische Delikte vor. 1196 Darüber hinaus ist im Rahmen einiger Staatsschutzdelikte in besonders schweren Fällen – trotz weiter Vorverlagerung – die Verhängung der Todesstrafe zulässig, wie etwa bei der Vorbereitung und Durchführung von Aggressionsakten und dem Hochverrat gemäß §§ 86 Abs. 2, 96 Abs. 2 i.V. m. § 60 Abs. 1 DDR-StGB. Gegenüber dem Feind darf danach – nach der Spruchart Jakobs – das zur Verhinderung von Wiederholungen Zweckmäßige veranlasst werden – und sei es dessen Tötung. Dies setzt sich auf prozessualer Ebene fort, etwa dass das Verfahren gegen politische Straftäter beim Staatssicherheitsdienst geführt wur1194

Lekschas, J. (Hrsg.): Strafrecht der DDR 1988, S. 187. Verbrechen sind nach Abs. 3 „gesellschaftsgefährliche Angriffe gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte, Kriegsverbrechen, Straftaten gegen die Deutsche Demokratische Republik sowie vorsätzlich begangene Straftaten gegen das Leben. Verbrechen sind auch andere vorsätzlich begangene gesellschaftsgefährliche Straftaten gegen die Rechte und Interessen der Bürger, das sozialistische Eigentum oder andere Rechte und Interessen der Gesellschaft, die eine schwerwiegende Mißachtung der sozialistischen Gesetzlichkeit darstellen“. 1196 Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 555. 1195

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den, wo das Recht auf einen Verteidiger nach § 61 DDR-StPO nicht realisiert wurde. Gleichfalls kam dem Beschuldigten keine Schutznorm gegen Geständniserpressung zu gute. 1197 Dass darüber hinaus auch der der Staatssicherheitsdienst aufgrund seiner allgegenwärtigen Überwachungs- und Kontrolltätigkeit 1198 ein feindstrafrechtliches Instrumentarium darstellt, liegt auf der Hand. (2) Bewirkte Stabilisierung Die weiten Vorverlagerungen und Anwendungsmöglichkeiten (sog. Gummiparagraphen, unter die vor allem auch das Rowdytum nach §§ 215 f. DDR-StGB fällt) der Strafnormen führten dazu, faktisch jeden bestrafen zu können, der sich einer oppositionellen oder regimefeindlichen Grundgesinnung verdächtig machte, ohne dass es irgendeiner manifesten Außenwirkung bedurft hätte. Durch harte Strafen bis hin zur Todesstrafe, die bis 1981 praktiziert und erst 1987 abgeschafft wurde, Massenverurteilungen, geheime und Schauprozesse sowie eine mächtige Geheimpolizei mit weitreichenden Befugnissen 1199 wurden politische Gegner so effektiv aus dem Verkehr gezogen, dass die das SED-Regime auf große Straflager und Säuberungen nach stalinistischem Vorbild weitgehend verzichten konnte 1200, um die staatliche Macht aufrecht zu erhalten und zu intensivieren. 1201 An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass nicht alle politisch Verfolgten tatsächliche Staatsabtrünnige waren, die den Bestand des Staates oder seine Einrichtungen ernsthaft hätten gefährden können. Solche Opfer mögen im Sinne des DDR-Regimes einen verschmerzbaren Kollateralschaden 1202 dargestellt haben, der für den Staatserhalt in Kauf zu nehmen war. Dass die Deutsche Demokratische Republik trotz des Diktaturcharakters ihres Regimes immerhin von ihrer Gründung am 7. 10. 1949 bis hin zur Wiedervereinigung 1990 um die vierzig Jahre Bestand hatte, ist insofern auch auf die politischen Verfolgungen im Rahmen der Strafjustiz zurückzuführen. Mithin ist anhand des Strafrechts der DDR nachgezeichnet worden, wie durch die Bekämpfung von Außenseitern des Systems und damit von Feinden ein bestimmter Kriminalitätsbereich, den der Staat als problematisch definiert hat (hier die politische Delinquenz), eingedämmt wurde. Dies sicherte den Machterhalt der SED und bewirkte in der Folge die langfristige Stabilisierung des Staates in seiner entsprechenden Gestalt. 1197

Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 556. Vgl. etwa auch Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 38. 1199 Vgl. Fricke, K. W.: Politik und Justiz in der DDR 1979, S. 205. 1200 Rüthers, B. in: Anwalt ohne Recht 2004, S. 95 ff., 102. 1201 Vgl. auch Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 38. 1202 Als solcher Kollateralschaden stellt sich etwa der Fall der vermeintlichen KZWächterin Erna Dorn dar, die 1953 zum Tode verurteilt wurde (siehe hierzu Werkentin, F.: Recht und Justiz im SED-Staat 2000, S. 30 ff.). 1198

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dd) Ergebnis zur Geeignetheit des Feindstrafrechts zur Stabilisierung des Staates durch tatsächliche Effektivität Anhand des DDR-Strafrechts wurde aufgezeigt, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen staatlich umgesetztem Feindstrafrecht und tatsächlich eintretender, sogar langfristiger staatlicher Stabilisierung bestehen kann, der sich etwa auch an Beispielen wie dem Stalinismus (Moskauer Prozesse, Stalinistische Säuberungen) oder der kommunistischen Herrschaft Maos über China nachweisen ließe. Der strafrechtlichen Bekämpfung von Feinden durch materielle Vorverlagerungen, höhere Strafen, eingeschränkte Prozessrechte und Bekämpfungsgesetzgebung wohnt demzufolge ein tatsächliches Stabilisierungspotenzial inne. Danach besteht der für die Geeignetheit erforderliche (hypothetische) Zusammenhang zwischen Feindstrafrecht und tatsächlicher, staatlicher Stabilisation. b) Stabilisierung durch Symbolwirkung feindstrafrechtlicher Maßnahmen Über die Stabilisierung durch tatsächliche Bekämpfung staatlicher Problemlagen hinaus, könnte das Feindstrafrecht auch geeignet sein, den Staat auf andere Weise, nämlich durch seine Symbolwirkung zu stabilisieren. Die Frage nach der Geeignetheit zur Stabilisierung durch Symbolik ist dabei besonders in Bezug auf die moderne Bekämpfungsgesetzgebung von Interesse, da bereits festgestellt wurde, dass die Bekämpfungsgesetzgebung an sich nur ein Maßnahmenbündel darstellt, aus der die generelle Eignung zur Herstellung von Gütersicherheit resultiert. 1203 Dennoch hat Jakobs die Bekämpfungsgesetzgebung als eigenes feindstrafrechtliches Merkmal interpretiert, so dass die Vermutung nahe liegt, die Terminologie des Bekämpfungsrechts eigne sich noch zu einem anderen Zweck als der tatsächlichen Feindbekämpfung, nämlich einem symbolisch Zweck. Dieser Gedanke gewinnt vor dem Hintergrund noch an Substanz, dass die präventiven Bekämpfungsgesetze vor allem in der Literatur 1204 zunehmend als so genannte symbolische Gesetzgebung bezeichnet werden. Die symbolische Gesetzgebung „gebiert“ nach Cancio Meliá – im Zusammenwirken mit punitivistischen Tendenzen – wiederum das Feindstrafrecht. 1205

1203

Siehe Kapitel 3 B.II.1.d)cc). Vgl. etwa Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 270 f., 275 f.; Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff., 57; Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 19 f.; Haffke, B.: KritV 1991, 165 ff.; Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff.; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 237 ff., 253 ff.; Sánchez Lázaro, F. G.: ZIS 2008, 195 ff., 202 ff.; Scheerer, S.: KrimJ 1978, 223 ff., 223; Sieber, U.: ZStW 2007, 1 ff., 16 f.; Steinert, H. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 101 ff.; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989. 1204

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Strafgesetze werden als symbolisch bezeichnet, wenn sie primär anders wirken oder einen anderen Personenkreis ansprechen, als sie vorgeben, insbesondere ihre Wirkungsoptimalität fraglich ist oder sie primär beruhigend auf die Allgemeinheit wirken sollen. 1206 Die symbolischen Wirkweisen, deren Vorhandensein jedenfalls nicht zwingend fehlende Wirkungsoptimalität bedingt 1207, sind jedoch nicht abschließend. 1208 Daher kann hier ein nur ein kleiner Ausblick gewährt werden, welche symbolischen Zwecke das Feindstrafrecht – und insofern vor allem die entsprechende Bekämpfungsgesetzgebung – generell erfüllen kann. Deren abstrakte Eignung zur staatlichen Stabilisation bestimmt sich wiederum danach, ob ein hypothetischer Ursachenzusammenhang zwischen den Symbolfunktionen (Abgrenzungs- 1209, Vereinfachungs-, Publizitäts- und Sicherheitsfiktionsfunktion 1210) und der staatlichen Stabilisierung glaubhaft gemacht werden kann, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt. aa) Staatliche Stabilisation infolge der Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts Bereits dem „normalen“ Strafrecht – nach Jakobs Bürgerstrafrecht – kommt eine Abgrenzungsfunktion zu, die sich daraus ergibt, dass das Strafrecht einen gesellschaftlichen Kommunikationsakt über ein bestimmtes Werteverständnis darstellt. 1211 Denn Verbotsnormen basieren auf gesellschaftlich anerkannten, grund1205 Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 281. Vgl. auch Lautmann, R. / Klimke, D.: KrimJ 2004, 8. Beiheft, 9 ff., 15. Zum Zusammenhang von symbolischer Gesetzgebung und Feindstrafrecht siehe zudem Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 421. 1206 Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 461. Vgl. auch Baratta, A. in: Arthur KaufmannFS 1993, S. 393 ff., 413; Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff., 556; ders.: KritV 1990, 260 ff., 274; Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 37; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 39. 1207 Vgl. etwa Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 275. Im Übrigen beruht schließlich der allgemein anerkannte Strafzweck der positiven Generalprävention auf einer symbolischen Wirkung, nämlich der Einwirkung auf das allgemeine Rechtsbewusstsein (Roxin, C.: Strafrecht AT, § 2 Rn. 38; vgl. auch Baratta, A. in: Arthur Kaufmann-FS 1993, S. 393 ff., 412). Es wäre daher schon aus diesem Grunde verfehlt, jeder Strafnorm mit Symbolgehalt fehlende Wirkungsoptimalität zu unterstellen. 1208 Zu dem Versuch einer Differenzierung der Erscheinungsformen symbolischer Gesetzgebung vgl. etwa Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 25 ff.; vgl. ferner Steinert, H. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 101 ff., 104 ff. 1209 Ob dem Feindstrafrecht darüber hinaus eine Ausgrenzungsfunktion zu eigen ist, ist dagegen an dieser Stelle noch nicht von Belang, da die bloße Kenntlichmachung beziehungsweise Abgrenzung von Bürger und Feind zur Sensibilisierung und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls im obigen Sinne ausreicht. Die Exklusionswirkung des Feindstrafrechts ist vielmehr erst im Rahmen der Untersuchungen zu Art. 1 GG von Interesse [vgl. Kapitel 3 C.I.1.a)]. 1210 Vgl. bereits Kapitel 3 B.I.2.b).

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legenden Verhaltensmustern und reflektieren insofern das Selbstverständnis von Staat und Gesellschaft. Indem durch Strafrecht im Rahmen dieses Selbstverständnisses gesetzlich festgelegt wird, wer Täter und wer Nicht-Täter ist, bildet das Strafrecht zugleich die Grundlage für einen Definitionsprozess. Einem Bürger, der dem in den Strafnormen zum Ausdruck kommenden Werteverständnis zuwiderhandelt, wird nämlich die Eigenschaft als Täter zugeordnet. Dadurch wird er zugleich von den übrigen Gesellschaftsmitgliedern (= Nicht-Täter) abgegrenzt. Dementsprechend wird das Strafrecht als Richtlinie für kollektive Identität durch gesellschaftliche Abgrenzung verstanden: Der Nicht-Täter wird über das gesellschaftliche, in der entsprechenden Strafnorm reflektierte Werteverständnis als „So bin ich nicht.“ vom Täter abgegrenzt. 1212 Ähnlich wie nun das Strafrecht Personen zu Tätern stilisiert 1213 und sie dadurch von den übrigen Gesellschaftsmitgliedern, den Nicht-Tätern, abgrenzt, werden durch das Feindstrafrecht bestimmte Tätertypen zu Feinden deklariert, die wiederum von den Bürgern (= Nicht-Täter und Täter) abgegrenzt werden. Mithin stellt auch Feindstrafrecht eine Kriminalisierung als Mittel zur gesellschaftlichen Identitätsstiftung dar. 1214 Der Strafgesetzgebungsprozess wirkt insofern nach außen, dass der Gesellschaft eine bestimmte Einstellung zu spezifischen Kriminalitätsfeldern und damit ein eigenes Selbstverständnis vermittelt wird. 1215 So ist etwa „Terrorismus“ ein Negativ-Symbol 1216, dessen sich der Strafgesetzgeber in §§ 129a und b StGB bedient, um härter eingreifen zu können. Durch die Schaffung derartiger Vorverlagerungsnormen unter hoher Strafandrohung wird zum Ausdruck gebracht, dass der Terrorist ein besonders gefährlicher Täter ist, der entschieden bekämpft werden muss. Im gesetzgeberischen Kontext und gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs wird der Terrorist nicht mehr nur als Straftäter, sondern als gemeingefährlicher Feind kommuniziert 1217, der sich nicht der gesellschaftlichen Ordnung anpasst und dieser daher auch nicht angehört. Die Terrorismusgesetzgebung veranschaulicht – stellvertretend für das gesamte Feindstrafrecht – die Entstehung gesellschaftlicher Identität durch gesetzgeberisch kommunizierte Abgrenzung. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber regelmäßig solche Feindbilder gesetzlich umsetzt, die von der Gesellschaft mitgetragen werden. Doch da hinter dem Gesetzgeber als abstraktem Begriff politische Akteure stehen, ist auch 1211

Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff., 555; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 255 f. 1212 Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 41, 79 ff., 84 f.; vgl. auch Cancio Melià, M. C.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 271, 276; Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 349; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 460. 1213 Vgl. Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 840. 1214 Cancio Melià, M. C.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 281. 1215 Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 85. 1216 Siehe Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 41. 1217 Vgl. Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 18.

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die Entscheidung, wer als Adressat einer Verbotsnorm betroffen werden soll, eine politische und keine rein gesellschaftliche Entscheidung. Die Etikettierung eines Täters zum Feind ist folglich abhängig von der politischen Definitionsmacht, so dass der Feind im Recht immer ein konstruierter Feind ist. 1218 Das Feindstrafrecht hat somit auch die gesetzgeberische Symbolfunktion, Feinde von straffälligen Bürgern abzugrenzen, um gesellschaftliche Identität zu vermitteln. (1) Der Feindbegriff als geeignetes Abgrenzungskriterium Fraglich ist jedoch, ob das Feindstrafrecht diese Abgrenzungsfunktion hinreichend erfüllen kann und damit geeignet ist, der beschriebenen symbolischen Zwecksetzung nachzukommen. Denn dem Feindbegriff, auf dem gerade das Feindstrafrecht basiert, wird vorgeworfen, eine trennscharfe Abgrenzung in der Realität nicht zu ermöglichen. Dieses Problem stellt sich unabhängig von der Frage, ob man die Feinddefinition von Jakobs (Der Feind sei zumindest in einem Teilbereich vermutlich dauerhaft vom Recht abgewandt. 1219) oder eine – nicht näher bestimmte, sondern allenfalls fallgruppenartige (Terroristen, Organisierte Kriminalität und Rauschmitteldelinquenz, Sexualstraftäter etc.) – gesetzgeberische Vorstellung des zu bekämpfenden Feindes zugrundelegt: Sowohl Jakobs Feinddefinition wie auch die gesetzgeberisch vermittelte Interpretation des Feindes geben in der Theorie wie in der Praxis kaum Aufschluss, wo die exakte Grenze zwischen Feind und Bürger verläuft. Formal scheint der subjektiv besetzte und daher emotional wirkende Feindbegriff eine objektive Abgrenzung unmöglich zu machen. Insofern ist der Feindterminus besonders in der Wissenschaft dem Vorwurf ausgesetzt, keine hinreichend konkrete Grundlage zu erfahren: Weder Jakobs 1220 noch dem Gesetzgeber 1221 gelinge eine hinreichend präzise Ausgestaltung des Feindbegriffs, die eine Abgrenzung zum Bürger möglich mache. In der Praxis fallen schließlich zahlreiche bürgerliche Nicht-Täter wie auch bürgerliche Täter in den Anwendungsund Wirkbereich feindstrafrechtlicher Regelungen. 1222 Allerdings kann der in der Abgrenzungsfunktion liegende, gesetzgeberische Zweck gegebenenfalls auch erreicht werden, wenn gar keine klare Abgrenzung stattfindet, da eben „nur“ ein symbolischer Zweck erfüllt werden soll. Für die 1218

Aponte, A.: HRRS 8 – 9/2006, 297 ff., 299 f. Vgl. Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52. 1220 Dazu etwa Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 150; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445; Greco, L.: GA 2006, 96 ff., 107 ff.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158 f.; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89 ff., 95; vgl. auch Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 2 Rn. 127 f. 1221 Vgl. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10; Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 513. 1222 Siehe dazu Kapitel 2 B.V.2. und Kapitel 3 B.II.1.e)aa). 1219

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Geeignetheit ist daher nicht die tatsächliche Abgrenzung entscheidend, sondern die symbolisch vermittelte Abgrenzung. Symbolisch vermittelt der Gesetzgeber dem Bürger insbesondere durch die zunehmenden Bekämpfungsgesetze, dass seine Sicherheit aufgrund bestimmter Bedrohungsphänomene wie etwa Terrorismus, Sexualdelinquenz, Rauschgiftund Organisierter Kriminalität akut in Gefahr ist. Diese fallgruppenartige Vermittlung spezifischer Gefährdungselemente bleibt beim Bürger im Gedächtnis haften und wird innerlich mit der Einschätzung verknüpft, dass diesen Bereichen eine besondere, über das allgemeine Maß krimineller Gefährdung hinausgehende Gefahr innewohnt. Folgerichtig sind dann auch die Täter besonderes gefährlich, die sich in den entsprechenden Kriminalitätsfeldern betätigen. Diese müssen entsprechend der Terminologie der Bekämpfungsgesetzgebung nicht nur repressiv strafverfolgt, sondern vielmehr auch präventiv bekämpft werden. Die Adressaten der Bekämpfungsgesetzgebung sind nach dem Willen des Gesetzgebers folglich anders, nämlich härter zu behandeln als normale Straftäter – dem entspricht im Regelfall auch der Wille der Allgemeinheit, da die entsprechenden Täter infolge der politischen wie auch medialen Vermittlung als besonders gefährlich gelten. Es entsteht ein politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Kreislauf, der die Etikettierung bestimmter Täter als „anders“ 1223 und „gefährlich“ beinhaltet. Und exakt das dürfte Jakobs meinen, wenn er den Feind als vom Recht abgewandt (= anders) und als gefährliches Individuum beschreibt. Der Gesetzgeber differenziert in diesem Sinne zwischen normalen und gefährlichen Straftätern; letztere sind zu bekämpfen und werden – einmal mehr 1224, einmal weniger offen – zum Feind deklariert oder jedenfalls wie einer behandelt, insbesondere indem sie als moralisch böse diabolisiert 1225 werden. Insofern wird der Gesellschaft anhand der gegenwärtigen Strafrechtspolitik durchaus symbolisch vermittelt, dass es zwei Kategorien an Straftätern gibt, nämlich innerhalb der Gesellschaft stehende Bürger und außerhalb der Gesellschaft stehende Feinde. 1226 Dass faktisch auch Bürger einer an Feinde adressierten Norm unterfallen können, wird der Gesellschaft dagegen symbolisch nicht vermittelt, da sich der Bürger erst gar nicht unter die Bedrohungsphänomene subsumieren wird. Der Bürger grenzt sich ja gerade negativ als „so bin ich nicht“ vom Feind ab. Entsprechend führt Hassemer zum feindstrafrechtlichen Instrument 1227 des Großen Lauschangriffs aus: 1223

Vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 276. Vgl. insbesondere die US-amerikanische Terrorismusbekämpfung, Kapitel 2 D. Zur Feindetikettierung im Rahmen des Terrorismus-Problems vgl. auch Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 79. 1225 Vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 284; Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 217 f., 228; Zopfs, J. in: Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006, S. 31 ff., 37; ders. in: Juristische Zeitgeschichte, Jahrbuch Bd. 8 (2006/2007), 395 ff., 403. 1226 Vgl. etwa zur innerstaatlichen Feinderklärung gegen die RAF Tolmein, O.: Feindstrafrecht und Krieg 2002, S. 5 ff. 1224

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„So wird etwa die Einführung des ‚Großen Lauschangriffs‘ damit schmackhaft gemacht, der richte sich ja nicht gegen Bürger wie Dich und mich, sondern gegen Gangster, Mafiosi, Schwerverbrecher. [...] Er lenkt davon ab, daß wir im Ermittlungsverfahren nicht wissen, ob wir es mit einem ‚Mafioso‘ zu tun haben, und nicht mehr zu ermitteln bräuchten, wenn wir es wüßten. Er kann so den Graben zwischen ‚uns‘ und ‚denen‘ neu vertiefen [...] und er kann dadurch den ‚Großen Lauschangriff‘ scheinbar im Gelände der Feinde einschlagen lassen, weit weg von uns.“ 1228

Insofern mag der Feindbegriff bei Jakobs wenig konkret sein, in der Gesetzgebung funktioniert – insbesondere im Zusammenspiel mit den Medien, wenn nicht gar unter deren Ausnutzung – die Etikettierung als gefährlicher Straftäter beziehungsweise Gesellschaftsfeind und damit auch die symbolische Abgrenzung von krimineller Andersartigkeit dagegen umso besser. (2) Ergebnis zur symbolischen Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts Da es für die hier zu untersuchende Geeignetheit nicht auf die tatsächliche Durchführbarkeit der Differenzierung von Bürger und Feind ankommt, sondern nur auf die symbolisch vermittelte Abgrenzung, muss die Geeignetheit des Feindstrafrechts in Hinsicht auf die Abgrenzungsfunktion bejaht werden. Denn die Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts kann bekanntlich bewirken, dass die Gesellschaft sich als gesamtheitliches Kollektiv gegen die Feinde begreift („so sind wir nicht“). Überträgt die Gesellschaft diese Negativ-Definition wiederum auf den Staat („so sind wir nicht – so ist unser Staat nicht“), harmonieren Staat und Gesellschaft in der Außenwirkung miteinander. Die Bürger sehen eine wesentliche Identität von staatlichen und gesellschaftlichen Wertemustern und empfinden dies als eine Art Kräftebündelung gegenüber dem Feind, denn das durch Abgrenzung entstandene Kollektiv vermittelt zugleich Solidarität und Wehrhaftigkeit. Die hierdurch empfundene Stärkung der Gesellschaft fällt auf den Staat zurück, der die Abgrenzungskriterien letztlich vorgegeben hat. Die Gesellschaft steht hinter dem Staat und trägt seine Entscheidungen mit. bb) Staatliche Stabilisation infolge der Vereinfachungsund Publizitätsfunktion des Feindstrafrechts Die öffentliche Klassifikation komplexer Kriminalitätsformen als Bedrohungsphänomen kann dadurch erleichtert werden, dass der Umfang der Problemlage reduziert und nur eine begrenzte Auswahl an Informationen publiziert wird. Insbesondere werden kriminelle Gefährdungssituationen im Laufe eines Gesetzgebungsverfahrens, in der Tagespolitik und den medialen Kommunikationsträgern mit einem einprägsamen Schlagwort belegt, zum Beispiel Umweltdelinquenz, 1227 1228

Vgl. hierzu Kapitel 2 C.II.1.b). Hassemer, W.: StV 1995, 483 ff., 487 f.

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Schwarzarbeit, Terrorismus, Organisierte Kriminalität oder Rechtsextremismus. Das Schlagwort ist dabei regelmäßig negativ besetzt. Einmal in Umlauf gebracht, werden diese Schlagworte fortlaufend und ohne nähere Erörterung aufgegriffen 1229 mit der Folge, dass der Begriff als vereinfachte Umschreibung des Problemfeldes standarisiert wird. Eine solche Vereinfachungsfunktion erfüllt auch das Feindstrafrecht, denn gerade die Tätergruppen, die nach Jakobs dem Feindbegriff unterfallen, werden mit entsprechenden Schlagworten (Wirtschaftskriminalität, Sexualstraftäter, Terrorismus, Drogen- und Organisierte Kriminalität) bezeichnet. Darüber hinaus findet eine zusätzliche Vereinfachung statt, denn das Feindstrafrecht bildet als Oberbegriff der schlagwortartig benannten Phänomene ein neues Negativ-Symbol, das von Begründungszwang befreit 1230: Wer als Feind tituliert wird, wird automatisch als gefährlich empfunden, ohne dass es einer näheren Begründung dafür bedarf. Mit der Vereinfachungsfunktion geht weiterhin eine öffentliche Prägung einher, denn Schlagworte, wie sie das Feindstrafrecht verwendet (Feind, Feindstrafrecht, Terrorismus, Organisierte Kriminalität etc.), bleiben verstärkt im Gedächtnis haften. Zugleich ist das Feindstrafrecht infolge der Verwendung des Feindbegriffs ein subjektiver, moralische Wertungen vermittelnder Begriff. Derartige emotionale Termini 1231 dürfen grundsätzlich als besonders geeignet angesehen werden, die Gemüter zu erregen, eine Diskussion zu entfachen und damit bestimmte Gegebenheiten ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Man kann wohl sogar sagen, dass das Jakobssche Feindstrafrecht gerade diesem Umstand die enorme (kritische wie unkritische) Beachtung verdankt, die ihm im gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs eingeräumt wird. (1) Stabilisation durch penal populism Die zunehmende Tendenz, Strafe vor allem mit Gefühlen und Empfindungen, die in der Bevölkerung oder jedenfalls in bestimmten Teilen der Bevölkerung vorherrschen, zu rechtfertigen und kaum mehr auf tatsächliche Daten und kriminologische Erfahrungen Bezug zu nehmen, wird bei John Pratt 1232 als “penal populism“ bezeichnet. 1233 Die Öffentlichkeit nimmt insbesondere die Straftaten wahr, über die aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit oder Grausamkeit (z. B. Sexualstraftaten, Mord) in den so genannten popular media unproportional häufig – gemessen an der 1229

Vgl. z. B. zum Terrorismusbegriff Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002,

S. 18. 1230

Vgl. hierzu auch Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 10. Vgl. hierzu bereits Kapitel 1 E.I. 1232 John Pratt ist Professor am Institute of Criminology an der neuseeländischen Victoria University of Wellington. 1233 Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 12, 35. 1231

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tatsächlichen Anzahl der Begehung – berichtet wird. 1234 Die Medien vereinigen insofern Information und Unterhaltung; sie vereinfachen den Umgang mit Kriminalität und erzeugen zugleich bestimmte Emotionen in Hinsicht auf bestimmte Kriminalitätsformen. Dabei wirken die Medien nicht bloß auf die Bevölkerung ein, sondern auch auf die Politik 1235, die die kollektive Kriminalitätsfurcht aufgreift und entsprechende Gesetze zur Maximierung der allgemeinen Sicherheit erlässt. 1236 Hierdurch wird wiederum der Glauben der Allgemeinheit an den Gesetzgeber und damit an den Staat gestärkt. 1237 (2) Schlussfolgerungen für das Feindstrafrecht Die Vereinfachung von Kriminalität durch deren Subjektivierung sowie die medialen Publizierung von Delinquenz erfolgt auch im Rahmen des „Feindstrafrechts“. Dadurch wird dem Bürger (vermeintliches oder reales) Wissen vermittelt, auf dessen Grundlage er Entscheidungen des Gesetzgebers, die dieser zur Lösung eines Konflikts trifft, nachvollziehen kann oder gar unterstützt. Die Vermittlung von Wissen kann – selbst, wenn (oder: erst recht, wenn) Auswahl und Umfang der Informationen beschränkt oder sogar manipuliert sind – folglich ebenfalls eine gewisse Kongruenz zwischen Staat und Bürger herstellen. cc) Staatliche Stabilisation infolge der Sicherheitsfiktionsfunktion des Feindstrafrechts Weiterhin könnte das Feindstrafrecht geeignet sein, das Sicherheitsgefühl in der Gesellschaft zu erhöhen und dadurch den Staat zu stabilisieren. In diesem Sinne kann zunächst die Abgrenzung von Bürger und Feind zweierlei bewirken: Zum einen kann der innere Zusammenhalt einer Gesellschaft erstarken, indem man einen gemeinsamen Gegner definiert und sich von diesem abgrenzt. Entsprechend kann durch die Differenzierung zwischen dem Bürger als Gesellschaftsmitglied und dem außerhalb der Gesellschaft stehenden Feind durch das Feindstrafrecht das gesellschaftliche Kollektivbewusstsein gesteigert werden. Derjenige, der dem Kollektiv bewusst angehört, wird sich in der Regel sicherer fühlen, denn das Kollektiv vermittelt Zusammenhalt, gemeinsame Stärke wie auch das Gefühl von Überlegenheit gegenüber den benannten Außenseitern. Zum anderen vermittelt die Abgrenzungsfunktion des Feindstrafrechts den Eindruck, der Feind sei identifiziert im Sinne einer bestimmten oder jedenfalls 1234

Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 13, 68. Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 4 f. 1236 Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 33. Insofern vergleichbar mit den Überlegungen zum „politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf“ bei Scheerer, vgl. Kapitel 2 B.III.2. 1237 Vgl. hierzu vor allem auch den nachfolgenden Unterabschnitt zur Sicherheitsfunktion des Feindstrafrechts [Kapitel 3 B.II. b)cc)]. 1235

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bestimmbaren Größe. Dadurch erscheint es einfacher, sich der durch den Feind verursachten Gefährdungslagen zu erwehren und einen sicheren Zustand herzustellen: „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.“ Darüber hinaus zeugen die zahlreichen feindstrafrechtlichen Bekämpfungsstrategien und -gesetze von politischer Agilität und Entschlossenheit. 1238 Es entsteht der Eindruck eines aufmerksamen und entschiedenen Gesetzgebers, der sich und damit dem Staat zu helfen weiß. Hierdurch wird der Anschein erweckt, es bestehe kein Grund zur Besorgnis oder jedenfalls tue der Staat das Menschenmögliche und habe die Risiken unter Kontrolle. 1239 Dieser Aspekt wird im Diskurs um die symbolische Gesetzgebung besonders hervorgehoben und als „Ersatz“- oder „Alibireaktion“ 1240 des Gesetzgebers bezeichnet. Mit derartigen Krisengesetzen wird nämlich die Bevölkerung beruhigt und ihn Sicherheit gewogen, während der Gesetzgeber zugleich Handlungsmacht demonstriert. 1241 Eine solche Sicherheitsfiktionsfunktion liegt auch insofern nahe, dass der Gesetzgeber augenscheinlich gerade auf aktuelle Bedrohungsphänomene, die die Öffentlichkeit – vor allem auch durch die mediale Ausschlachtung 1242 – verunsichern 1243 oder verunsichern könnten, prompt mit entsprechenden Bekämpfungsgesetzen reagiert wie etwa 1238 Die Tatsache, dass Politiker teilweise die akuten Nöte und Ängste der Bevölkerung gezielt aufgreifen und der Umsetzung von Maßnahmen, die dem allgemeine Verlangen nach Sicherheit nachkommen, öffentlich Priorität einräumen, ist wiederum in Bezug auf die Hinentwicklung zum penal populism [vgl. hierzu bereits Kapitel 3 B.II.2.b)bb)(1)] zu sehen, vgl. Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 4, 14. 1239 Vgl. Beck, W.: Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierungen 1992, S. 130 f.; Garland, D.: The Culture of Control 2001, S. 133 ff.; Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 270; Prittwitz, C.: Kriminologie. Akteurin und Kritikerin gesellschaftlicher Entwicklung 2005, S. 215 ff., 217 f., 224; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff., 455. 1240 Vgl. Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 360 ff.; Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 31. 1241 Voß, M.: Symbolische Gesetzgebung 1989, S. 32; vgl. auch Cancio Meliá, M.: ZStW 117 (2005), 267 ff., 270 ff.; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff., 192; Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff., 554; Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993, S. 257. 1242 Vgl. hierzu etwa auch die 1996 veröffentliche britische Studie über Urteile, deren Wiedergabe in den Medien und die Auswirkungen auf die öffentliche Meinung („Sentencing and the climate of opinion“) von Ashworth und Hough zitiert bei Pratt, J.: Penal Populism 2007, S. 74, wonach beispielsweise über Verurteilungen und Straftaten von Sexualdelinquenten – gemessen an ihrer eher untergeordneten Rolle in der Kriminalstatistik – unproportional häufig in den Medien berichtet wird. 1243 Eine derartige Verunsicherung zeigt sich etwa anhand einer Erhebung zur Einschätzung und Wahrnehmung der Häufigkeit von vollendeten Sexualmorden im Jahr 2003: In der PKS von 2003 wurden 20 Sexualmorde verzeichnet. Im Vergleich zu 1993 bedeutet dies einen Rückgang von 37,5%. Die Befragten schätzten dagegen die Zahl der verübten Sexualmorde im Jahr 2003 auf durchschnittlich 115 und verschätzten sich im Mittel um 250%. Über 60% der Befragten vermuteten fälschlich eine Zunahme von Sexualmorden; nur 5% gingen zutreffend von einem Rückgang der Sexualmorde aus (vgl. Tabellen bei Pfeiffer, C. / Windzio, M. / Kleimann, M.: MSchrKrim 2004, 415 ff., 417 f.); vgl. hierzu

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im Rahmen der Gesetzgebung zur Bekämpfung der Sexualdelikte oder der AntiTerror-Gesetzgebung. 1244 Die legislativen Bekämpfungsstrategien bringen dabei konkludent zum Ausdruck, dass das jeweilige Kriminalitätsproblem vorrangig behandelt wird 1245 und der Gesetzgeber somit umgehend auf gesellschaftliche Bedürfnisse reagiert. (1) Sicherheitsfiktion als Wahlsteuerung Allerdings wird gerade dem Aktionismus des Gesetzgebers der Vorwurf gemacht, weniger die tatsächliche oder jedenfalls gefühlte Sicherheit der Allgemeinheit im Auge zu haben, sondern vielmehr gesellschaftliche Ängste auszunutzen oder gar zu produzieren, um Wahlstimmen zu gewinnen. 1246 Indem die Politik – neben oder im Zusammenspiel mit den Medien 1247 – wesentlich zur Vergegenwärtigung gesellschaftlicher Gefährdungslagen beitrage und diese möglicherweise über ein Maß anprangere, welches gar nicht dem tatsächlichen Risiko entspricht 1248, werde eine Verunsicherung der Bürger erreicht, die an den Wahlurnen ihren Niederschlag findet 1249: Es werde die Partei gewählt, die dem selbst (zumindest mit-) produzierten 1250 Wunsch nach Sicherheit entspricht. Gerade die zunehmende Beeinflussung der Rechtsetzung durch tagespolitische Belange 1251 ferner die demnächst erscheinende Dissertation von Stockhausen, H.-C.: Metamorphose der Strafrestaussetzung 2007. Auch zu den Auswirkungen des internationalen Terrorismus auf die subjektive Sicherheit durchgeführte Erhebungen von 1999, 2002 und 2004 ergeben, dass die öffentliche Beunruhigung ein relativ hohes Ausmaß angenommen hat. Gerade in der zu den Anschlägen von New York 2001 zeitnahen Untersuchung war ein Viertel der Befragten „stark beunruhigt“ (Sterbling, A. / Burgheim, J.: Kriminalistik 2006, 160 ff., 160 f.). 1244 Hierauf und auf die entsprechenden Gesetzesbegründungen wurde bereits eingegangen, vgl. Kapitel 2 B.III. mit Unterpunkten. 1245 Vgl. Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 106. 1246 Vgl. etwa Albrecht, P.-A.: Die vergessene Freiheit 2003, S. 16; ders.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 857; Hassemer, W.: StV 1990, 328 ff., 330; Günther, K.: Materialheft zur 30. Strafverteidigertagung 2006, 29 ff., 29; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 85; Roxin, C.: JA 1980, 545 ff., 547; Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff., 9 f. 1247 Zum geschlossenen Kreislauf der Furchtvermarktung zwischen Medien und Politik vgl. etwa Diederichs, O.: Cilip 57 Nr. 2/1997, 18 ff., 20; ferner im Hinblick auf terroristische Bedrohungsszenarien z. B. Herzog, F.: KritV 2006, 343 ff., 343, 346. 1248 Zur Dramatisierung von Gewalt und Bedrohung Hassemer, W.: StV 1990, 328 ff. Zur Dramatisierung der Organisierten Kriminalität vgl. etwa Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 29 f. Siehe außerdem zur Dramatisierung von Kriminalität in Medien und Politik Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 703 f.; Pfeiffer, C. / Windzio, M. / Kleimann, M.: MSchrKrim 2004, 415 ff.; Silva Sánchez, J.-M.: Die Expansion des Strafrechts 2003, S. 12 f. 1249 Vgl. Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff., 9 f.; Wohler, W.: Deliktstypen des Präventionsstrafrechts 2000, S. 21. 1250 Vgl. Hirsch, J.: Der Sicherheitsstaat 1980, S. 129.

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führe folglich dazu, dass infolge spektakulärer, im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Kriminalfälle die Gesetzgebungsaktivität rotiert. 1252 (2) Einfluss der Wahlsteuerung auf die Geeignetheit zur Sicherheitsfiktion Der Gebrauch feindstrafrechtlicher Symbolik durch Ausnutzen von Krisensituationen und der hierdurch bewirkten Angstzustände in der Bevölkerung unter Anprangerung von realen oder vermuteten Feinden durch Politiker zur Vermehrung der Wählerstimmen vermag im Gegensatz zur Steigerung des Kollektivsbewusstseins oder der Demonstration eines wehrhaften Staates sicherlich keinen anerkennenswerten symbolischen Zweck darzustellen. Gleichwohl greift der Vorwurf, mit Bekämpfungsgesetzen werde allenfalls der Wähler manipuliert, zu kurz und kann keinesfalls als bewiesenes Faktum dafür gelten, dass das Feindstrafrecht nicht geeignet ist, gesellschaftliche Sicherheit zu symbolisieren. Vielmehr trägt auch hier der Grundsatz, dass eine mögliche Förderung des bezweckten Erfolgs für die Bejahung der Geeignetheit ausreicht. 1253 Nach dem oben Gesagten kann das Feindstrafrecht durch die Abgrenzung von Bürger und Feind zunächst die Stärkung des Kollektivsbewusstseins bewirken sowie die grundsätzliche Identifizierbarkeit des Feindes vermitteln und dadurch das Sicherheitsgefühl verbessern. Zudem kann das Feindstrafrecht von der Bevölkerung als eine effektive Gegenwehr gegen Feinde und entsprechende kriminelle Gefährdungslagen empfunden werden. Die daraus resultierende Beruhigung der Allgemeinheit wirkt als Zufriedenheit in der Gesellschaft in dem Sinne fort, dass auf das öffentliche Sicherheitsanliegen durch den Gesetzgeber reagiert und Individualgüterschutz umgesetzt wird. Der Schutz der Gesellschaft wird dabei in der öffentlichen Meinung regelmäßig auch als Stärkung des Staates empfunden. dd) Verhältnis der Symbolik zu den anderen Zwecken des Feindstrafrechts Obgleich vor allem die Abgrenzungsfunktion als symbolischer Zweck des Feindstrafrechts den Ausführungen Jakobs entnommen werden kann 1254 und sich der Gesetzgeber dieser Symbolik gerade im Rahmen der Bekämpfungsgesetze zunehmend bedient, wird jene nicht in den Gesetzesbegründungen aufgenommen. Danach dienen die Bekämpfungsgesetze vielmehr dem realen Rechtsgüterschutz und der tatsächlichen Beseitigung von Problemlagen. Gleichwohl kommt der 1251 Vgl. Albrecht, P.-A.: KritV 1997, 229 ff., 236; Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 35, 40; Sack, F.: Innere Sicherheit als Gefahr 2003, S. 5 ff., 9 f. 1252 Vgl. zum Korruptionsbekämpfungsgesetz Hettinger, M.: NJW 1996, 2263 ff., 2263. 1253 Vgl. bereits Fn. 1045. 1254 Vgl. bereits Kapitel 3 B.I.2.b).

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Symbolcharakter zumindest latent in der Betitelung der Bekämpfungsgesetze zum Ausdruck, so dass sich die Frage stellt, in welchem Verhältnis Symbolik und die bezweckte tatsächliche Bekämpfung zueinander stehen. Primärziel des Feindstrafrechts ist der individuelle Rechtsgüterschutz. Zugleich ist Feindstrafrecht Notstandsrecht und soll den Staatsbestand sichern. Diese Ziele sind vorrangig, sie sind manifeste Zwecke 1255. Dagegen ist die Symbolik nur ein latenter Zweck, das heißt sie ist automatisch im Feindstrafrecht mitenthalten, ebenso wie dem Bürgerstrafrecht bestimmte Wertungsmuster symbolisch anhaften. 1256 Eine gewisse Symbolik im Rahmen strafrechtlicher Rechtsetzung darf demnach durchaus verfolgt werden. Würde das Feindstrafrecht allerdings keine Eignung zur tatsächlichen Konfliktbewältigung aufweisen und ausschließlich symbolisch wirken, würde die latente Funktion die manifesten Funktionen freilich überlagern. Gesetze, denen ausschließlich Symbolcharakter zukommt, sind jedoch abzulehnen. 1257 3. Gesamtergebnis zur Geeignetheit Nach den oben getroffenen Feststellungen ist das Feindstrafrecht zunächst nicht schlechthin ungeeignet, individuellen Rechtsgüterschutz durch Feindbekämpfung zu bewirken. Es zeigt sich sogar, dass annähernd jede Erweiterung von Strafbarkeit abstrakt geeignet ist, den weit gefassten Zweck der individuellen Rechtsgütersicherheit zu fördern. Auch in Hinsicht auf die tatsächliche Bekämpfung von Problemlagen und dadurch bewirkte Stabilisierung des staatlichen Systems wurde die potentielle Geeignetheit des Feindstrafrechts bejaht. Damit kann das Feindstrafrecht die manifesten Zwecke durchaus erfüllen. Die ebenfalls dargelegte Zwecktauglichkeit des Feindstrafrechts, symbolisch auf die Gesellschaft einzuwirken und dadurch den Staat in seinem Bestand zu festigen, tritt als latenter Zweck des Feindstrafrechts zusätzlich zu den manifesten Zwecken hinzu und ergänzt diese. Zwar mögen einige der hier erbrachten Begründungen zynisch anmuten, insbesondere der Vergleich mit dem DDR-Strafrecht. Doch dem Feindstrafrecht im Rahmen der Geeignetheit eine klare Absage zu erteilen, hieße, den vermeintlich einfachen, jedoch auch den voreingenommenen, unkritischen Weg zu beschreiten, der verkennt, dass eben die bloße Möglichkeit, die gesetzgeberisch verfolgten Ziele zu erreichen, für die Geeignetheit ausreicht. 1258 Mit der Bejahung der Geeig1255 Zur Differenzierung von manifesten und latenten Zwecken vgl. Hassemer, W.: NStZ 1989, 553 ff., 556. 1256 Vgl. zur Symbolik im Bürgerstrafrecht oben Kapitel 3 B.II.2.b). 1257 Noll, P.: ZfSchwR 1981, 347 ff., 364; Roxin, C.: Strafrecht AT, § 2 Rn. 39. 1258 Siehe bereits Kapitel 3 II.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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netheit kommt danach gerade nicht zum Ausdruck, dass das Feindstrafrecht eine rechtlich unbedenkliche Option darstellt, die zwangsläufig zum Erfolg führt. Nicht ohne Grund wird die Prüfung der Geeignetheit in der rechtswissenschaftlichen Literatur regelmäßig als „weitmaschiges Sieb“ verstanden, in dem nur in Ausnahmefällen eine Norm hängen bleibt. 1259 In diesem Sinne möchte ich zum Abschluss der Geeignetheit erneut auf Scheerer Bezug nehmen, den ähnliche Gedanken zur generellen Eignung des US-amerikanischen War Against Terror bewegt haben mögen: Danach „... lässt es sich plausibel begründen, dass der gegenwärtige War Against Terror keineswegs ein völlig utopisches Ziel verfolgt (= Ausmerzung des Terrorismus), sondern durchaus Chancen sieht, sein Ziel zu erreichen. Denn weder ist es a priori aussichtslos, das Militär gegen diesen nach herkömmlichen Maßstäben doch recht unpassenden und atypischen Gegner einzusetzen, noch sollte man allzu schnell der auf den ersten Blick natürlich verführerischen Plausibilität des Arguments vertrauen, dass Länder wie Afghanistan, an denen fremde Truppen schon früher regelmäßig gescheitert seien, auch künftig und gleichsam von Natur aus alle Strategie, die man außerhalb ihrer Grenzen für sie ersönne, scheitern lassen müssten. Der Krieg gegen den Terrorismus kann also durchaus Erfolg haben. Diese Tatsache anzuerkennen ist nicht gleichbedeutend mit dem Glauben an die Zwangsläufigkeit des Erfolges. Die Geschichte kennt keine Zwangsläufigkeiten. Und so wie auch die beste Strategie nicht vollkommen gegen Fehlschläge gefeit ist, so könnten auch die (zweifelsohne vorhandenen) Schwachstellen des War Against Terror unter bestimmten Umständen das ganze Unternehmen in ein Fiasko führen.“ 1260

III. Die Erforderlichkeit des Feindstrafrechts Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Legislativakte dann erforderlich, wenn nicht ein anderes milderes, also weniger grundrechtseinschränkendes Mittel zur Verfügung steht, das eindeutig und in jeder Hinsicht 1261 ebenso tauglich ist wie das vom Gesetzgeber gewählte Mittel. 1262 Da der Erforderlichkeit allerdings eine Prognoseentscheidung zugrunde liegt, wird dem Gesetzgeber – wie schon im Rahmen der Geeignetheitsprüfung 1263 – ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, soweit keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen. 1264 Die Zubilligung einer Einschätzungsprärogative führt freilich zu einer 1259 Appel, I.: Verfassung und Strafe 1998, S. 175 ff.; Hirschberg, L.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 1981, S. 54; Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 178. 1260 Scheerer, S.: Die Zukunft des Terrorismus 2002, S. 77 f. 1261 BVerfGE 30, 292 ff., 319. 1262 BVerfGE 53, 135 ff., 145 f.; 63, 88 ff.,115; 67, 157 ff., 173, 176 f.; 68, 193 ff., 218 f.; 90, 145 ff., 172. 1263 Vgl. Kapitel 3 II. 1264 BVerfGE 39, 210 ff., 230 f.; 77, 84 ff., 106; 88, 203 ff., 262; 90, 145 ff., 173.

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starken Stellung des Gesetzgebers, selbst wenn dieser das schärfste Mittel zur Zweckerreichung wählt, und hat zur Folge, dass Gesetze in der Regel nicht an der Erforderlichkeitsprüfung scheitern. 1265 Insofern ergeben sich kaum Unterschiede zur Prüfung der abstrakten Geeignetheit, so dass bereits aus diesem Grund fraglich ist, ob es einer separaten Erforderlichkeitsprüfung überhaupt bedarf. Zudem spricht nach Dechsling der historische Wandel im Verhältnis von Erforderlichkeitsund Proportionalitätsgebot (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) gegen eine eigenständige Bedeutung der Erforderlichkeitsprüfung. 1266 Danach liegt es nahe, dass die Erforderlichkeitsprüfung keine wesentlichen, neuen Erkenntnisse bringt. Der Schwerpunkt ist entsprechend auf die Untersuchung zur Vereinbarkeit des Feindstrafrechts mit dem geltenden Verfassungsrecht zu verlagern, wohingegen die Durchführung einer Erforderlichkeitsprüfung sich eher als überflüssig darstellt. Gleichwohl wurde Jakobs, als er 1999 auf der Berliner Tagung „Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ in seinem Vortrag ohne nähere Begründung von der generellen Erforderlichkeit des Feindstrafrechts ausging 1267, in der die Tagung kommentierenden Literatur wegen dieser Unterstellung durchaus kritisiert: Es bestünden berechtigte Zweifel, dass eine Marginalisierung der Strafrechtswissenschaft mangels Effektivität ohne Anerkennung der Notwendigkeit des Feindstrafrechts tatsächlich bevorstehe; jedenfalls sei die Alternativenlosigkeit des Feindstrafrechts keinesfalls bewiesen. 1268 Um diese Zweifel an der Alternativenlosigkeit des Feindstrafrechts nicht vollkommen auszublenden, aber dennoch dem eher geringen Stellenwert der Erforderlichkeit Rechnung zu tragen, wird nachfolgend nur eine verkürzte Erforderlichkeitsprüfung durchgeführt. Dabei soll zum einen – wenn auch allenfalls abstrakt und keineswegs erschöpfend – auf die von Jakobs benannten Merkmale des Feindstrafrechts (Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerung, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte, Bekämpfungsgesetzgebung) Bezug genommen und zum anderen die Besonderheiten des abstrakten Konzepts des Feindstrafrechts (Absonderung des Feindstrafrechts vom Bürgerstrafrecht, Idealtypus) berücksichtigt werden. 1265

Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 180. Dechsling, R.: Das Verhältnismäßigkeitsgebot 1989, S. 74 f. Danach stand das Erforderlichkeitsgebot im 19. Jahrhundert noch völlig im Vordergrund: „In dem Ringen um bürgerliche Freiheiten bedeutete es für den Monarchen ein geringere Zugeständnis, sich auf ebenfalls geeignete Alternativen verweisen zu lassen (Erforderlichkeitsgebot) als die Verhinderung seiner Ziele zu riskieren (Proportionalitätsgebot).“ Heute gewährleistet jedoch das „voll entwickelte“ Proportionalitätsgebot „einen durchgehenden Grundrechtsschutz“, so dass dem Erforderlichkeitsgrundsatz nur noch geringe Bedeutung zukommt. 1267 Jakobs bezog sich allerdings nur auf das abstrakte Konzept des Feindstrafrechts; einzelne Normen können dagegen auch nach Jakobs am Erforderlichkeitsgebot scheitern (vgl. dazu den nachfolgenden Unterpunkt). 1268 Prittwitz, C.: ZStW 113 (2001), 774 ff., 795; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 661. 1266

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1. Erforderlichkeit der einzelnen Merkmale des Feindstrafrechts An der Erforderlichkeit des Feindstrafrechts fehlt es zunächst dann, wenn sich das sonst zur Verfügung stehende strafrechtliche Normarsenal als (mindestens) gleichwertig mit den Interna berücksichtigenden Strafbarkeitsvorverlagerungen, den zur Tatschuld unproportionalen Strafrahmen, der Ausweitung prozessualer Eingriffsrechte wie auch der Bekämpfungsgesetzgebung darstellt. So wirft etwa die Terrorismusbekämpfung die Frage auf, warum es neuer und schärferer Regelungsinstrumentarien im Strafrecht bedürfen soll, wenn doch die Delikte, die Terroristen typischerweise verwirklichen (z. B. Mord, Bombenattentate oder Entführungen), ohnehin mit schwerer Strafe bedroht sind. 1269 a) Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen sind nicht erforderlich, wenn bereits die Vollendungs- oder Versuchsstrafbarkeit der herkömmlichen Delikte wie etwa Mord gemäß § 211 StGB oder Totschlag gemäß § 212 StGB als mildere Mittel gleich effektiv Rechtsgüterschutz gewährleisten können. Bezüglich eines Vergleichs der Wirksamkeit von Vorverlagerungen und der Vollendungsstrafbarkeit verhält es sich jedoch gerade im Hinblick auf terroristische Selbstmordanschläge dergestalt, dass der Attentäter nach der Tat eben nicht mehr aus Vollendung bestraft werden kann. Die Effektivität der Vollendungsstrafbarkeit aus §§ 211, 212 StGB ist somit nicht gleichwertig mit derjenigen der Interna berücksichtigenden Vorverlagerung. Auch für den Fall, dass der „Selbstmord“attentäter den Anschlag überlebt, kann das Rechtsgut nicht mehr vorbeugend durch Strafe geschützt werden, da bereits Vollendung eingetreten ist. Dagegen bieten Vorverlagerungen generell eine (präventive) Schutzmöglichkeit und sind somit effektiver als die bloße Vollendungsstrafbarkeit. Gegebenenfalls könnte sich aber die der Vollendung ebenfalls vorgelagerte Versuchsstrafbarkeit als milderes Mittel bei gleicher Eignung erweisen. Der Versuchsbeginn gemäß § 22 StGB liegt gewöhnlich dann vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv keine wesentlichen Zwischenschritte mehr zwischen Ausführungshandlung und der Tatbestandsverwirklichung liegen. Das gefährdete Rechtsgut muss dabei nach Tätervorstellung in konkreter Gefahr sein. 1270 Demzufolge ist der Versuchsbeginn der Tatbestandsvollendung unmittelbar vorgelagert, also in der Regel sehr zeitnah zur Rechtsgutsverletzung. Dies gilt selbst für so genannte Distanzdelikte, bei denen die Wirkungsweise längere Zeit beansprucht 1271, da hier die die Kausalkette in 1269 1270

Vgl. z. B. Weigend, T.: Nehm-FS 2006, S. 151 ff., 151. Vgl. etwa Nachweise bei Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 601.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Gang setzende Handlung, selbst wenn sie bereits den Versuchsbeginn darstellt 1272, dem Vollendungszeitpunkt nur so kurz vorgelagert ist, dass die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung faktisch nur noch schwer gelingt. Die strafrechtliche Interaktionsphase in Bezug auf den (präventiven) Rechtsgüterschutz ist folglich entsprechend knapp bemessen. Wird dagegen die Möglichkeit eröffnet, die Strafbarkeit über den Versuchsbeginn hinaus vorzuverlagern, wird der strafrechtliche Anwendungsradius und damit auch der generelle Rechtsgüterschutz erweitert. Standardbeispiel ist insofern der dem Versuch vorgelagerte § 30 Abs. 2 StGB, der bereits die bloße Verabredung zu einem Verbrechen mit Strafe bedroht. 1273 Auch die Organisationsdelikte gemäß §§ 129 ff. StGB erhöhen die Rechtsgütersicherheit, indem bereits die Bildung von Vereinigungen aufgrund eines bestimmten Planungszusammenhangs strafbar ist. Der zeitliche Abstand zur eigentlichen Rechtsgutsverletzung ist im Fall der §§ 30, 129 ff. StGB größer als beim Versuch; der Rechtsgüterschutz wird durch die frühere Zugriffsmöglichkeit im Strafrecht intensiviert. Die Versuchsstrafbarkeit stellt sich unter diesem Aspekt zwar als zur Interna berücksichtigenden Vorverlagerung milderes, nicht aber als gleich geeignetes Mittel dar, Rechtsgüter zu schützen. Vielmehr gilt: Je umfangreicher die Menge des verbotenen Verhaltens ist, desto effektiver ist auch der Rechtsgüterschutz. 1274 Aus diesem Grund bieten auch konkrete Gefährdungsverbote als Deliktstypus keine gleich effektive Alternative zur Interna berücksichtigenden Vorverlagerung. Sie können erst viel später bei einer konkreten Gefährdung Schutz liefern als beispielsweise die §§ 129 ff. StGB. Gleichfalls erweisen sich abstrakte Gefährdungsverbote nicht als milderes Mittel gleicher Eignung im Vergleich zur Vorbereitungsstrafbarkeit, da abstrakte Gefährdungsdelikte prognoseabhängig sind 1275, während Vorfeldkriminalisierungen, die auf den inneren Planungszusammenhang abstellen, eines Nachweises über die objektiven und subjektiven Tatbestandskomponenten bedürfen. Mithin 1271

Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 603. Zu den Kriterien des Unmittelbaren Ansetzens im Rahmen von Distanzdelikten vgl. etwa BGHSt 43, 177 ff., 179 ff.; BGH NStZ 1998, 294 f., 295 ; 2001, 475 ff., 476; Roxin, C.: JuS 1979, 1 ff., 9 f. 1273 Auch wenn § 30 StGB nach Jakobs „überflüssiges“ Feindstrafrecht darstellt und der deshalb zu streichen sei (vgl. dazu schon oben Kapitel 2 B.V.3.). Jedenfalls sei dessen Strafrahmen – so Jakobs jüngste Ausführungen – im Rahmen der Erforderlichkeit zumindest herabzusetzen: Es geht „um das Erreichbare, um das praktisch Optimale, was heißt, das Feindstrafrecht sei auf das Erforderliche zu beschränken, dies ganz unabhängig von dem sowieso bestehenden Klugheitsgebot, physische Gewalt wegen ihrer korrumpierenden Nebenwirkungen geringzuhalten. Der Gesetzgeber könnte bei dieser Beschränkung leicht, sehr leicht, einen Anfang machen, etwa indem er bei der allgemeinen Verbrechensvorbereitung zur alten Regelung einer Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe für die Störung der öffentlichen Sicherheit zurückkehrte“ (Jakobs, G.: HRRS 8 –9/2006, 289 ff., 296 f.). 1274 Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 198. 1275 Lagodny, O.: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte 1996, S. 210. 1272

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ist hinsichtlich des Merkmals der den Planungszusammenhang berücksichtigenden Vorfeldkriminalisierung die Erforderlichkeit zu bejahen. b) Zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen Zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB) oder Präventivhaft sind sehr scharfe Mittel, um Rechtsgütersicherheit zu gewährleisten. Sie sind aber auch gleichzeitig sehr effektiv: Solange ein Straftäter inhaftiert ist, stellt er allenfalls noch in Ausnahmesituationen (z. B. Steuerung der Aktivitäten aus der Haft) eine Bedrohung für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter dar. Grundsätzlich mag es zwar weniger einschneidende Alternativen geben (z. B. Geldstrafe, zur Tatschuld proportionale Strafrahmen). Im Rahmen dieser Strafmaßnahmen wird dem Täter jedoch auch ein größerer Umfang an Handlungsspielraum belassen als bei einem langfristigen, von der Tatschuld unabhängigen Freiheitsentzug. Gerade die Zubilligung von Handlungsfreiheiten wird insbesondere von Tätern, die fest im kriminellen Milieu verwurzelt sind beziehungsweise sich der staatlichen Rechtsordnung nicht verpflichtet fühlen, zur Begehung neuer Straftaten ausgenutzt, so dass im Ergebnis durch niedrigere, der Tatschuld angemessene Strafen kein gleichwertiger Rechtsgüterschutz zur nicht an der Tatschuld orientierten Freiheitsstrafe bewirkt werden kann. Dem entsprechen die Ausführungen Jakobs, dass ein Staat, der beispielsweise „keine Sicherungsverwahrung kennt“ und „der die Bildung einer terroristischen Vereinigung nur als Tat gegen die öffentliche Ordnung“ mit einer zur Tatschuld proportionalen Strafe bedroht, einen „riesigen Standortvorteil“ bietet, der geradezu einlädt, „in seinem Geltungsbereich zu verweilen, genauer: aktiv zu werden.“ 1276 Darüber hinaus obliegt es der Einschätzung des Gerichts, ob und inwiefern der vorgegebene Strafrahmen auszuschöpfen ist und ob etwa die Sicherungsverwahrung gemäß §§ 66 ff. StGB oder überhaupt ein Strafmaß, das sich nicht an der Tatschuld orientiert, im konkreten Einzelfall zur effektiven Wahrung des Rechtsgüterschutzes erforderlich ist. c) Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte Die Ausweitung der prozessualen Eingriffsrechte und die Einschränkung von Prozessgarantien (z. B. die Kontaktsperre nach §§ 30 ff. EGGVG, heimliche Ermittlungs- bzw. Datenerhebungsmethoden wie etwa die Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100c StPO, der Einsatz verdeckter Ermittler nach §§ 110a ff. StPO oder von V-Männern usw. 1277) genügen dann nicht den Anforderungen an das Erforderlichkeitsgebot, wenn mildere, aber dennoch gleich wirksame Mittel 1276 1277

Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 296 f. Vgl. zu diesen und weiteren Regelungen die Unterpunkte in Kapitel 2 B.IV.

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zur Verfügung stehen. Beispielsweise stellen sich offene gegenüber heimlichen Ermittlungsmethoden als weniger einschneidend dar, da dem Betroffenen gegen verdeckte Informationseingriffe kaum effektiv nutzbare Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. 1278 Allerdings eröffnen offene Ermittlungsmethoden nicht die gleichen Möglichkeiten zur Informationsgewinnung. Gerade im Bereich der Organisierten und Drogen-Kriminalität oder auch des Terrorismus wird in der Regel konspirativ vorgegangen. Unbekannten und Milieu-Externen werden keine Informationen anvertraut, so dass das Einschleusen eines Kontaktmannes, die heimliche Datenüberwachung und Beobachtung oftmals die einzige Chance eröffnet, einen Fahndungserfolg zu verbuchen oder gar eine Straftat zu verhindern. Gleichfalls erfüllen Ermittlungsmaßnahmen wie etwa der Datenabgleich und die Raster- oder Schleppnetzfahndung (§§ 98a, b, c; 163d Abs. 2 S. 1 StPO) das Erforderlichkeitsgebot. Zwar betreffen sie üblicherweise eine große Anzahl an Personen in ihren Grundrechten und sind daher als sehr eingriffsintensiv einzustufen. Gleichwohl ermöglichen es derartige Maßnahmen, selbst in dem Fall (potentielle) Täter zu überführen, dass keine näheren Anhaltspunkte auf die Täterpersönlichkeit hindeuten und die Sozialkontakte unbekannt sind. Auch der Einsatz verdeckter Ermittler, der zumindest auf eine konkret tatverdächtige Zielperson gerichtet ist, ist in einem solchen Fall mangels tatsächlicher, an eine Person anknüpfender Anhaltspunkte weniger erfolgsversprechend. Besteht beispielsweise der konkrete Verdacht, dass unbekannte Täter ein Bombenattentat planen, muss ein anderer Anknüpfungspunkt als eine konkrete Person gefunden werden, um effektiv Rechtsgüter zu schützen. Der zu überprüfende, potentielle Täterkreis wird dann etwa im Rahmen der Rasterfahndung ausgedehnt und ermöglicht es oder bietet zumindest die Chance, Verdächtige aus der breiten Masse herauszufiltern. Die Rechtsprechung bejaht ferner auch das Erfordernis des „agent provocateurs“ zur effektiven Kriminalitätsbekämpfung. 1279 Zwar stellt sich das bloße Abwarten der Ermittlungsbehörden auf die Tatbegehung des Täters als milderes Mittel zur Tatprovokation dar. Wird dem Täter jedoch freie Hand gelassen, geht von ihm eine größere Bedrohung aus, da er – anders als in den Lockspitzelfällen – nicht oder jedenfalls nur in geringerem Umfang der staatlichen Kontrolle unterliegt. Darüber hinaus kann der Lockspitzel als erforderlich angesehen werden, um das Wesen des (potentiellen) Täters aufzuzeigen beziehungsweise um gefährliche Täter auszusondern. Die Beispiele dürften genügen, um zu verdeutlichen, dass die Erweiterung strafprozessualer Befugnisse in der Regel den Erforderlichkeitsgrundsatz erfüllen. Sie stellen – ebenso wie die Einschränkung von Prozessrechten (z. B. Kontaktsperre, 1278 Vgl. auch Schuster, F. P.: Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess 2006, S. 108; Wolter, J.: GA 1988, 49 ff., 85 f. m.w. N. 1279 Siehe hierzu oben Kapitel 2 C.II.3.b).

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Einschränkungen der Öffentlichkeit des Verfahrens etc.) eine zusätzliche Option dar, derer sich in bestimmten Fällen bedient werden kann. Ob in der jeweiligen Situation die Maßnahme darüber hinaus tatsächlich angebracht, also erforderlich ist, ist im Rahmen einer konkreten Erforderlichkeitsprüfung (im Rahmen der Verhältnismäßigkeit strafprozessualer Maßnahmen) erneut zu überprüfen und kann nur von entsprechenden Kriminaltaktikern beantwortet werden. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die benannten strafprozessualen Maßnahmen generell den zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum erweitern, dadurch effektiveren Rechtsgüterschutz ermöglichen und daher grundsätzlich den Anforderungen an die Erforderlichkeit genügen. d) Bekämpfungsgesetzgebung Grundsätzlich übersteht das „Bekämpfungsgesetz“ als Betitelung solchen Normen, die der Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsformen dienen und entsprechende Schärfungen des materiellen sowie prozessualen Straf- und sonstigen Rechts beinhalten. Die Schärfungen weisen dabei regelmäßig die oben genannten, nach Jakobs feindstrafrechtlichen Normmerkmale (Vorverlagerungen, hohe Strafrahmen, erweiterte prozessuale Eingriffsbefugnisse) auf, deren generelle Erforderlichkeit zuvor schon bejaht wurde. In der Konsequenz stellt sich die Bekämpfungsgesetzgebung ihrem Inhalt nach ebenfalls als erforderlich dar. Da allerdings gerade der Bekämpfungsgesetzgebung über den Zweck der tatsächlichen Feindbekämpfung und den dadurch bewirkten Rechtsgüterschutz wie auch der kausal bedingten staatlichen Stabilisierung hinaus noch symbolische Intentionen 1280 anhaften, stellt sich die Frage, ob die Betitelung eines Legislativaktes als „Gesetz zur Bekämpfung von ...“ und entsprechend harte Gesetzesbegründungen 1281 in Bezug auf die mögliche Symbolwirkung ebenfalls erforderlich sind. Die kriegerisch anmutende Ausdrucksweise kann zu einer Stigmatisierung bestimmter Täter(gruppen) führen, die durch den Gebrauch weniger militanter Termini vermieden werden könnte. Danach ist etwa die Betitelung eines Gesetzes als „Gesetz gegen ...“ statt „Gesetz zur Bekämpfung von ...“ milderes Mittel. Allerdings kann ein eher neutral klingendes Gesetzesvorhaben gerade nicht gleich wirksam die symbolischen Wirkungen erzielen, die die Bekämpfungsgesetzgebung zumindest konkludent miterzeugt (Abgrenzung, Publizität, Vereinfachung und Sicherheitsfiktion). Der Gesetzgeber könnte aber die Bevölkerung hinsichtlich bestimmter Bedrohungslagen und besonders gefährlicher Täter durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärungskampagnen sensibilisieren statt auf die stigmatisierende 1280 1281

Siehe hierzu oben Kapitel 3 B.I.2.b). Vgl. Kapitel 2 B.III.2.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Symbolfunktion der Bekämpfungsgesetzgebung zurückzugreifen. Freilich ist jedoch weder gewiss, ob dieses Mittel milder ist, da auch öffentliche Informationsvorgänge eine Stigmatisierung bedingen können, so dass dem Gesetzgeber bezüglich der Erforderlichkeit ohnehin ein Prognosespielraum zuzusprechen ist. 1282 Noch steht sicher fest, ob diesem Mittel die gleiche Eignung zur Aufklärung und Werteverständigung zukommt. Vielmehr lässt sich eine Stigmatisierung normalerweise nicht vermeiden, wenn dem Gesetz zugleich eine Abgrenzungsfunktion zukommt, um der Gesellschaft über eine Negativ-Identifikation das eigene Gesellschaftsbild zu vergegenwärtigen. Darüber hinaus ist im Rahmen der Erforderlichkeit auch der ökonomische Mehraufwand zu berücksichtigen 1283, mit dem Öffentlichkeitsarbeit verbunden ist. Folglich ist ein Bekämpfungsgesetz hinsichtlich seiner Symbolwirkung allenfalls dann nicht erforderlich, wenn gar keine, über das übliche Maß 1284 strafrechtlicher Symbolik hinausgehende Symbolwirkung erreicht werden soll. Da jedoch durch ein Bekämpfungsgesetz in der Regel besonders nachdrücklich auf spezielle Gefährdungslagen hingewiesen oder das gesellschaftliche Werteverständnis und die Gesellschaft als Kollektiv intensiviert werden soll, ist die Erforderlichkeit auch in Hinsicht auf die Symbolwirkung grundsätzlich gegeben. 2.

Erforderlichkeit eines dualistischen Strafrechtssystems

Die einzelnen Merkmale der aktuellen Strafgesetzgebung, die der Definition des Feindstrafrechts bei Jakobs entsprechen, sind damit grundsätzlich erforderlich zur Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsphänomene. Fraglich ist allerdings, ob auch das dualistische Strafrechtsmodell, das Jakobs durch die Absonderung des Bürgerstrafrechts vom Feindstrafrecht konzipiert, ein erforderliches Mittel für einen Staat darstellt, um sich bestimmter Täter zu erwehren und effektiv Rechtsgüterschutz sowie staatliche Stabilität zu gewährleisten. a) Theoretische Notwendigkeit des Dualismus von Bürger- und Feindstrafrecht bei Jakobs Nach der Konzeption von Jakobs dient das als Bürgerstrafrecht bezeichnete herkömmliche Strafrecht bekanntermaßen einzig der Einübung in Normanerkennung als Ausformung der positiven Generalprävention. Weitere Strafzwecke verfolgt das Strafrecht nach Jakobs nicht. Insbesondere stellt sich danach – entgegen der herrschenden Auffassung 1285 – der Rechtsgüterschutz nicht als Aufgabe des 1282 Zum Ermessensspielraum des Gesetzgebers vgl. schon Kapitel 3 B.II. und III., insbesondere Fn. 1264. 1283 BVerfGE 30, 292 ff., 319. 1284 Vgl. hierzu oben Fn. 1207 sowie Kapitel 3 II.2.b).

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(Bürger-)Strafrechts dar: Stelle man lediglich auf den Schutz von Rechtsgütern ab, werde „der Täter [...] nur dadurch definiert, dass er dem Rechtsgut gefährlich werden kann [...].“ Er „ist nur Gefahrenquelle, mit anderen Worten, Feind des Rechtsgutes.“ 1286 Liegt die Zielsetzung einer Norm aber nun gerade im Schutz von Rechtsgütern vor gefährlichen Tätern, sind die entsprechenden Vorschriften nach der theoretischen Grundkonzeption von Jakobs nicht mit dem Strafzweck des Bürgerstrafrechts vereinbar. Folglich ist eine Norm, die Rechtsgüterschutz und eben nicht die Einübung in Normanerkennung verfolgt, zwingend einer anderen Rechtskategorie als dem Bürgerstrafrecht zuzuordnen. Die Notwendigkeit eines separaten Sonderrechts – mag man es Feindstrafrecht, Gefährdungs-, Sicherheits- oder auch Notstandsrecht nennen – ergibt sich danach von selbst: Die beiden Strafrechtsstufen des Bürger- und Feindstrafrechts können aufgrund der divergierenden Zwecksetzung nicht ein- und demselben Recht angehören; die Zweiteilung von Bürger- und Feindstrafrecht ist daher nach dem theoretischen Konzept Jakobs erforderlich. 1287 b) Praktische Notwendigkeit eines Dualismus von Bürger- und Feindstrafrecht Der bei Jakobs konzeptionsbedingte Dualismus von Bürger- und Feindstrafrecht führt freilich zu Problemen: Weder kann in jedem Fall exakt bestimmt werden, ob ein Täter Feind oder Bürger ist, noch wird die Eigenart von Bürgerund Feindstrafrecht als Idealtypus hinreichend berücksichtigt. Jakobs meint zwar mit der Umschreibung des Feindstrafrechts als Idealtypus eher die Intensität des Feindstrafrechts. Das Feindstrafrecht in seiner idealen Ausgestaltung bedeutet danach die absolute Entrechtlichung des Feindes und ist damit de facto Kriegsrecht, in dem alles erlaubt ist. Jakobs scheint im Rahmen seiner Zweiteilung jedoch zu verkennen, dass nicht nur dem Feindstrafrecht, sondern auch dem Feindbegriff Idealcharakter zukommt. Jakobs selbst sagt, dass der Feind nur in einigen Bereichen vollends vom Recht abgewandt ist. 1288 Idealerweise verhält sich ein Feind aber eben in allen Lebensbereichen konträr zur Rechtsordnung. Daraus muss geschlossen werden, dass gerade auch dem Feind ein idealtypischer Charakter zufällt. Der Feind existiert damit nur in der Theorie – und vielleicht annähernd im Kriegsrecht – als absolute Größe, nicht aber in der strafrechtlichen (!) Praxis, so 1285

Vgl. bereits Fn. 138. Jakobs, G.: ZStW 97 (1985), 751 ff., 752 f. 1287 Vgl. auch Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 420; Feijoo Sánchez, B.: JakobsFS 2007, S. 75 ff., 78 ff.; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff, 306 f. 1288 Vgl. bereits Kapitel 1 A.I.2.a)bb)(1). 1286

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dass es – ebenso wie beim Feindstrafrecht – Abstufungen und Mischformen im Rahmen eines Feindcharakters geben kann. 1289 Danach ist der Übergang zwischen Bürger und Feind – unabhängig von den Zuordnungs- und Prognoseschwierigkeiten, denen der Feindbegriff ohnehin unterliegt – fließend. Für die Erforderlichkeit ergibt sich daher folgendes: Im Rahmen strafrechtlicher Symbolik mag es nützen und auch erforderlich sein, den zweistufigen Charakter beizubehalten. Gerade die Abgrenzungs- und die Vereinfachungsfunktion des Feindstrafrechts machen sich das Schwarz-Weiß-Denken zunutze, um auf bestimmte Bedrohungslagen aufmerksam zu machen und das gesellschaftliche Werteverständnis zu prägen. Dagegen wäre es aufgrund der Komplexität unmöglich, auch alle Graustufen der Farbskala, also sämtliche Mischformen von Bürger und Feind symbolisch darzustellen und diese der Gesellschaft zu vermitteln. Nicht erforderlich ist der Dualismus von Feind- und Bürgerstrafrecht dahingegen in Bezug auf den Rechtsgüterschutz und die staatliche Stabilisation durch den tatsächlichen Abbau von Bedrohungslagen. Da der gefährliche Täter strafrechtlich eben kein idealer Feind ist, sondern ein tendenzieller Feind, bedarf es keines separierenden Sonderrechts, weil dem tendenziellen Feind wenigstens auch ein Minimum bürgerlicher Eigenschaften anhaftet. Es entspricht daher vielmehr dem mildesten Mittel bei gleicher Eignung, Bürger- und Feindstrafrecht als strafrechtliche Einheit zu behandeln und bei Bedarf auf das eine oder das andere zugreifen zu können, um gerade auch den Mischformen gerecht zu werden, die sich zwischen Bürger- und Feindstatus bewegen. Ein einheitliches Strafrecht mit bürgerund feindstrafrechtlichen Normelementen wird derartigen Tätermischformen im Einzelfall eher gerecht, weil es sich diesen tendenziell anpassen kann, indem je nach Notwendigkeit Bürger- oder Feindstrafrecht angewendet werden kann, ohne dass sich der jeweilige Rechtsanwender für eine bestimmte Strafrechtsform entscheiden muss. Müsste der Täter dagegen zwingend kategorisiert werden, also seine Strafe entweder nach der einen oder nach der anderen Strafrechtsstufe ausgerichtet werden, ergibt sich folgendes Bild: Ein Täter, der gerade schon Feind ist und der deshalb auf die Feindstrafrechtskategorie fällt, ist besonders schlecht gestellt im Vergleich zu demjenigen, der gerade noch Bürger ist und daher im Bürgerstrafrecht platziert wird. Obwohl sich beide Täter annähernd gleichen, wird einer grundsätzlich als entrechtlichtes Individuum und der andere als Person mit Bürgerrechten behandelt. Dabei wäre es doch milderes Mittel bei gleicher, wenn nicht gar besserer Eignung, beide aus einem Strafrecht zu bestrafen und ihnen damit grundsätzlich denselben Status zuzuschreiben, diesen aber je nach Anwendungsnorm zu variieren, wenn es im Einzelfall erforderlich ist. Im Übrigen dürfte sich durch ein einheitliches Strafrecht das Problem des „überflüssigen“ Feindstrafrechts 1290 relativieren. Die Verbrechensverabredung gemäß 1289 Vgl. auch Jung, H.: GA 2006, S. 724 ff., 726, der die Möglichkeit einer Entmischung von Feind- und Bürgerstrafrecht von Vorneherein für illusorisch hält.

B. Die Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts

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§ 30 StGB ist danach – entgegen Jakobs – kein überflüssiges Feindstrafrecht, sondern vielmehr eine geeignete und erforderliche strafrechtliche Mischform zum frühzeitigen Schutz von Rechtsgütern vor Verbrechen im Sinn des § 12 StGB. Darüber hinaus erspart ein Bürgerstrafrecht mit fließenden Übergängen zu feindstrafrechtlichen Normtypen eine vorschnelle Kategorisierung jeglichen Bekämpfungsrechts (etwa gegen Umwelt- oder Wirtschaftskriminalität) zum Feindstrafrecht, so dass im Ergebnis eine strafrechtliche Mischform aus bürger- und feindstrafrechtlichen Komponenten weniger Adressatenmängel aufweist als ein separates Zwei-Stufen-Strafrecht aus Bürger- und Feindstrafrecht. Da also ein zugleich auf Normerhalt und Rechtsgüterschutz angelegtes Strafrecht mit fließendem Übergang zur präventiven Verbrechensbekämpfung den unterschiedlichen Tätermischformen im Einzelfall eher gerecht wird, ist die die Absonderung des Bürgerstrafrechts vom Feindstrafrecht nicht erforderlich. 3. Ergebnis zur generellen Erforderlichkeit des Feindstrafrechts In Bezug auf die einzelnen Merkmale, die von Jakobs als feindstrafrechtlich interpretiert werden, kommen bisweilen mildere Mittel in Betracht. Gleichwohl stellen sich Interna berücksichtigende Strafbarkeitsvorverlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, erweiterte Prozessualbefugnisse und Bekämpfungsgesetzgebung in ihrer Gesamtwirkung als effektiver dar, Rechtsgüter zu schützen und den Staat zu stabilisieren. Insbesondere bieten sich auch keine außerstrafrechtlichen Alternativen, deren gleiche Wirkung bei weniger Eingriffsintensität gesichert feststünde. Abstrakt gesehen, stellen sich beispielsweise spezielle Notverordnungen, die Einführung eines Notstandsparagraphen in die Verfassung oder die Ausrufung des Kriegszustandes mit entsprechend geltendem Kriegsrecht wesentlich drastischere Maßnahmen dar, als der Versuch, bestimmte Problemlagen mit strafrechtlichen Mitteln in den Griff zu bekommen. Gleichwohl sind mildere Mittel, wie etwa Kulturdialoge, Kommunikations- und Integrationsförderung zur Vorbeugung von Terrorismus und Extremismus selbstverständlich zu empfehlen 1291; deren Wirkungen hängen jedoch wesentlich von der Verständigungsbereitschaft der Gegenpartei ab. Dagegen werden strafrechtliche Maßnahmen und Sanktionen einseitig durch den Staat ausgesprochen, so dass deren Effizienz nicht vom Mitwirkungswillen der Betroffenen abhängt. Die feindstrafrechtlichen Normmerkmale entsprechen also grundsätzlich den Anforderungen an die Erforderlichkeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Darüber hinaus enthält diese Feststellung aber natürlich keine Wertung über die rechtspolitische Notwendigkeit derartiger Strafschärfungen de lege lata oder de lege ferenda.

1290 1291

Vgl. oben Kapitel 2 B.V.3. Vgl. auch Kühne, H.-H.: Schwind-FS 2006, S. 103 ff., 104, 109.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Die Erforderlichkeit eines separaten Feindstrafrechts ist dagegen eher zu verneinen. Zwar ermöglicht gerade die strikte Trennung von Bürger und Feind und damit auch die Separierung von Bürger- und Feindstrafrecht symbolische Funktionen, die anderweitig kaum erzielt werden können. Die strafrechtlichen Symbolwirkungen sind jedoch grundsätzlich nachrangig zu den Zwecken des individuellen Rechtsgüterschutzes und der staatlichen Stabilisierung durch die effektive Bekämpfung von Bedrohungslagen 1292, so dass es wenig überzeugend erscheint, allein hierauf die Erforderlichkeit zu stützen. Im Hinblick auf den individuellen Rechtsgüterschutz und die staatliche Stabilisierung durch die effektive Bekämpfung von Bedrohungslagen ist aber ein separates Sonderstrafrecht weniger anpassungsfähig als ein Gesamtstrafrecht mit bürgerstrafrechtlich-repressiven und feindstrafrechtlichpräventiven Elementen. Daher ist ein Strafrecht, dessen Normen einen Zugriff auf beide Rechtsformen ermöglichen, aufgrund der geringeren Stigmatisierungswirkung und der besseren Anpassungsfähigkeit ein im konkreten Einzelfall milderes Mittel bei (mindestens) gleicher Eignung im Vergleich zu einem abgesonderten Feindstrafrecht.

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts Strafvorschriften müssen materiell im Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung stehen und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen. 1293 Zwar hat sich eine Abspaltung des Feindstrafrechts vom Bürgerstrafrecht, wie sie die dualistische Konzeption von Jakobs vorsieht, nach den obigen Darlegungen bereits als nicht erforderlich erwiesen. In der Folge könnte sich eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit zumindest in Hinblick auf die Institutionalisierung eines vom Bürgerstrafrecht unabhängigen Sonderstrafrechts gegen Feinde erübrigt haben, so dass lediglich das einheitliche Strafrecht, das neben bürgerstrafrechtlichen auch feindstrafrechtliche Regelungen zum Inhalt hat, an der deutsche Verfassung zu messen wäre. Allerdings spricht nicht allein der Gesichtspunkt der Vollständigkeit dafür, wenigstens hilfsgutachterlich auf die Verfassungsmäßigkeit eines separaten Feindstrafrechts einzugehen. Vielmehr erscheint dies sogar vor dem Hintergrund vorzugswürdig, dass anhand des wegen der Abspaltung vom Bürgerstrafrecht eher idealtypisch ausgeprägten Feindstrafrechts die elementaren Abweichungen von der geltenden Verfassung optimal aufgezeigt und dadurch auch die Gefahren, denen der deutsche Rechtsstaat durch ein Feindstrafrecht ausgesetzt ist, besonders eindringlich vor Augen geführt werden können.

1292

Vgl. oben Kapitel 3 B.II.2.b)dd). Ständ. Rsp. vgl. etwa BVerfGE 27, 18 ff., 30; 37, 201 ff., 212; 45, 272 ff., 289; 51, 60 ff., 74; 80, 244 ff., 255; 90, 145 ff., 173. 1293

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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I. Wesentliche Verfassungsverstöße eines vom Bürgerstrafrecht abgespalteten, idealtypischen Feindstrafrechts Das zweistufige Modell des Bürger- und Feindstrafrechts von Jakobs ist nach der Berliner Tagung „Die Deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“ (1999) bekanntermaßen in der Rechtswissenschaft anfangs zögerlich 1294, dann jedoch zunehmend in die Kritik geraten, insbesondere auch in Bezug auf geltendes Verfassungsrecht. Dabei werden Verstöße gegen die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG 1295, den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG 1296, das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG 1297, das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) 1298, Art. 18 GG (Verwirkung von Grundrechten) 1299, das Grundrecht auf Resozialisierung, Art. 101 GG (Unzulässigkeit von Ausnahmegerichten; keine Entziehung des gesetzlichen Richters), Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) sowie Art. 104 GG (Freiheitsentziehungsvoraussetzungen und Verbot der körperlichen Misshandlung) 1300 geltend gemacht. 1301 Allerdings wird von Jakobs gar nicht bestritten, dass sein Feindstrafrechtsmodell nicht mit den geltenden Verfassungsprinzipien in Einklang steht. Vielmehr begründete Jakobs schon auf der oben benannten Tagung das Erfordernis eines 1294

Vgl. hierzu oben Kapitel 1 E.I. Vgl. etwa Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 852; Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 26; Demetrio Crespo, E.: ZIS 2006, 413 ff., 419; Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 42 f.; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160; Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 236; Köhler zitiert bei Heger, M.: ZStW 117 (2005), 865 ff., 882; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 223; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 312 f.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff. 1296 Siehe beispielsweise Lüderssen, K.: StV 2001, 718 ff., 720; Puppe zitiert von Cornils, K. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 427 ff., 430 f.; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 343 ff. 1297 Z. B. Ambos, K.: ZStrR 2006, 1 ff., 15 ff.; Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff., 145 ff.; Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10; Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 263; Eser, A. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 437 ff., 445; Frommel, M.: KritV 1990, 279 ff., 282; Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 158, 160; Hörnle, T.: GA 2006, 80 ff., 89 ff., 95; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Schneider, H.: ZStW 113 (2001), 499 ff., 513; Schünemann, B.: GA 2001, 205 ff., 212. 1298 Insbesondere werde gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Unschuldsvermutung verstoßen, vgl. Bielefeldt, H.: Policy Paper Nr. 4/2004, S. 10; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Schünemann, B.: GA 2001, 201 ff., 205, 211; ders.: NehmFS 2006, S. 219 ff., 226; Schulz, L.: ZStW 112 (2000), 653 ff., 660. 1299 Hierzu Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 235 f., 526. 1300 Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 99 f. 1301 Zu den geltend gemachten Verfassungsverstößen vgl. auch oben Kapitel 1 E.II.4. 1295

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

separaten Feindstrafrechts damit, dass „Rechtlichkeit und Sicherheit [...] nun einmal nicht dasselbe“ sind und daher eine „rechtsstaatlich bestimmte Strafe bereichsweise zu wenig ist“. 1302 Auch seinen jüngst erschienen Aufsatz „Feindstrafrecht? – Eine Untersuchung zu den Bedingungen von Rechtlichkeit“ leitete Jakobs mit den Worten ein: „Der political correctness entspricht das, was ich sagen werde, nicht. Politically correct ist es, in jedem Menschen in jeder Hinsicht eine Person und in jeder Person einen Rechtsgenossen sehen zu wollen, correct genauer: eine Rechtsgenossin oder einen Rechtsgenossen, ausgestattet mit sogenannten Menschenrechten; aber in diesem Vortrag geht es um die Bedingungen von Rechtlichkeit und damit – wenn die Bedingungen fehlen – zugleich um die Grenzen von Rechtlichkeit. Die postulierte Welt des Korrekten mag solche Grenzen nicht kennen; die wirkliche Welt kennt sie.“ 1303

Das (ideale) Feindstrafrecht bei Jakobs findet seinen Ausgangspunkt also gerade unabhängig von den Werten, die durch Rechtsstaat und Verfassung vorgegeben sind, sondern erklärt sich vielmehr aus praktischen Effizienzüberlegungen, die Jakobs rechtstheoretisch einzubetten versucht, wobei die Herleitung, wie oben gezeigt, nicht immer überzeugt. 1304 Jedenfalls stellen sich danach verfassungsrechtliche Zusicherungen als Hemmnis einer effektiven Bekämpfung des Feindes dar, so dass es nicht verwundert, dass Jakobs bereits in dem Vorwort seiner Abhandlung „Norm, Person, Gesellschaft“ hervorhob, es sei durchaus „als Programm“ zu verstehen, dass der Begriff „Menschenwürde“ in seinen rechtsphilosophischen Ausführungen nicht vorkommen werde. 1305 1302 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 49 f. 1303 Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 289. 1304 Jakobs gelingt es zwar durchaus, bestimmte Tendenzen im gegenwärtigen Strafrecht aufzuzeigen. Unabhängig von der Richtigkeit der theoretischen Herleitung durch Berufung auf bestimmte Autoritäten wie Kant, Hobbes, Fichte etc. (Kritik etwa bei Albrecht, P.A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 858; Arnold, J.: HRRS 8 –9/2006, 303 ff., 305 ff.; Bung, J. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 249 ff., 263 f.; Schünemann, B.: Nehm-FS 2006, S. 219 ff., 222 ff.; dagegen Jakobs rechtsphiliosophisch unterstützend: Pérez del Valle, C.: Jakobs-FS 2007, S. 515 ff.) sind aber jedenfalls die Ausführungen Jakobs über das prozessuale Feindstrafrecht in Hinsicht auf den physischen Zwang unzureichend [siehe hierzu Kapitel 1 B.V.3.a)]. Zudem berücksichtigt Jakobs in Bezug auf die prognostizierte Alternativenlosigkeit des Feindstrafrechts nicht genügend, dass auch der Feind ein Idealtypus ist, so dass eine Abspaltung aufgrund der Mischformen weder eine optimale Bekämpfung bestimmter Bedrohungslagen im Einzelfall gewährleistet noch im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich ist [vgl. oben Kapitel 3 B.III.2.b)]. Darüber hinaus stoßen Jakobs Ausführungen zur Selbstexklusion des Feindes auf durchgreifende Bedenken, wie noch zu zeigen sein wird [dazu unten Kapitel 3 C.I.1.a)]. 1305 Jakobs, G.; Norm, Person, Gesellschaft 1999, Vorwort. Sein Schüler Lesch geht sogar soweit und nennt die Menschenwürde eine bloße, „pathetische“ und „amorphe Beschwörungsformel“, durch die nach dem „Zusammenbruch des Dritten Reiches die früheren funktionalen Erklärungsformeln“ ersetzt wurden (Lesch, H. H.: ZStW 111 (1999), 624 ff., 644).

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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Da die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG jedoch nicht zuletzt aufgrund der durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG gewährleisteten Unabänderbarkeit einen besonderen Stellenwert in der Verfassung beziehungsweise sogar den obersten Wert der freiheitlichen Demokratie 1306 einnimmt, soll nachfolgend der Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG durch das zweistufige Modell eines Strafrechts gegen Bürger und Feinde nach Jakobs nachgezeichnet werden. Dabei lohnt insbesondere auch die von Jakobs behauptete Selbstexklusion 1307 des Feindes aus der Gesellschaft einer näheren Überprüfung. Des Weiteren soll die Diskrepanz zwischen dem Jakobsschen Feindstrafrecht und dem Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG aufgezeigt werden, um zu vergegenwärtigen, auf welche praxisrelevanten Differenzierungsprobleme die theoretische Zweiteilung in ein Feind- und Bürgerstrafrecht stößt. 1. Der Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Dabei umfasst die Menschenwürde den sozialen Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt. 1308 Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt nach der Objektformel von Dürig, die in zahlreichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts übernommen wurde 1309, dann vor, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird. 1310 Ein Täter darf insofern keiner Behandlung ausgesetzt werden, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt oder die im konkreten Fall als eine willkürliche Missachtung des Menschen erscheint. 1311 Danach stößt bereits das Bürgerstrafrecht in der theoretischen Konzeption von Jakobs auf Bedenken. 1312 Indem Jakobs nämlich als alleinigen Strafzweck eine 1306 BVerfGE 5, 85 ff., 204; vgl. auch BVerfGE 24, 119 ff., 144; 27, 1 ff., 6; 35, 202 ff., 221; 37, 57 ff., 65; BVerfG NJW 1969, 1707 f., 1707; vgl. etwa auch Enders in Berliner Kommentar zum GG 2006, Art. 1 Rn. 1, 18, 53; Kopp, F.: Obermayer-FS 1986, S. 53 ff., 60. 1307 Vgl. etwa Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 293 f. 1308 BVerfGE 87, 209 ff., 228; vgl. auch BVerfGE 27, 1 ff., 6. 1309 Z. B. BVerfG NJW 1969, 1707 f., 1707 m.w. N.; BVerfGE 45, 187 ff., 228; 87, 209 ff., 228. 1310 Dürig, G.: AöR 81 (1956), 117 ff. Vgl. darüber hinaus auch Darstellung bei Enders, C.: Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung 1997, S. 132 f. 1311 BVerfGE 30, 1 ff., 26. 1312 Zur Problematik eines möglichen Verstoßes der Generalprävention gegen die Menschenwürde, vgl. Badura, P.: JZ 1964, 339 ff.; Neuß, F.: Der Strafzweck der Generalprävention im Verhältnis zur Würde des Menschen 2001, S. 158 ff. Zur Vernachlässigung der Subjektsqualität im Rahmen des als generalpräventive Zuschreibung ausgestalteten

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Variante 1313 der positiven Generalprävention zulässt, zeugt das strafrechtliche Konstrukt von einer zunehmenden Abkehr von der Person des Straftäters zugunsten abstrakter Bedürfnisse des „Systems“. In diesem System stellt die Straftat des Bürgers einen Angriff auf die Normgeltung dar, mit der Folge, dass der Strafe die Funktion zukommt, zu demonstrieren, dass die Norm als Orientierungsmuster sozialer Beziehungen nach wie vor maßgeblich ist. Adressat der Einwirkung ist damit nicht mehr der individuelle Straftäter, sondern ausschließlich 1314 die Gesellschaft. Der einzelne Straftäter hat in diesem System lediglich die Funktion, einen Prozess in Gang zu setzen, an dessen Ende die Einübung in Normanerkennung beziehungsweise die Bekräftigung der normativen Identität der Gesellschaft steht. Er wird insofern zum bloßen Mittel degradiert und für die Zwecke des Gemeinwohls instrumentalisiert. 1315 Diese bei Jakobs systembedingte Reduzierung des Täters auf ein Objekt, das im Bürgerstrafrecht einem staatlichen Demonstrationszweck dient, wird im Feindstrafrecht perfektioniert 1316, indem der Täter als „Unperson“ betrachtet wird, „die sich vermutlich dauerhaft vom Recht abgewendet“ hat 1317 beziehungsweise sich „wie der Satan“ 1318 aufführt. Der Feind ist nach der Grundkonzeption Jakobs kein Gesellschaftsmitglied und hat daher keine bürgerliche Rechtsposition inne. Mithin stehen ihm auch keine Prozess- oder Grundrechte zu, auf die er sich im Strafverfahren berufen kann. Der Feind wird vielmehr als „Gefahrenherd“ und „Sicherheitsproblem“ 1319 gesehen, der „auszuschalten“ beziehungsweise „kaltzustellen“ 1320 ist. Seine Behandlung durch den Staat richtet sich dementsprechend nach reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen. 1321 Bei der Sicherung des Feindes Schuldbegriffs bei Jakobs vgl. ferner z. B. Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 19 Rn. 33 ff.; Schenck, M. v. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 471 ff., 489. 1313 Vgl. hierzu bereits Kapitel 1 A.I. c)aa): In neueren Publikationen (Jakobs, G.: ZStW 107 (1995), 843 ff., 844 f.; ders.: GA 1997, 553 ff., 553; ders. in: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Strafe muss sein 1998, S. 29 ff., 32 ff., 39 f.; ders.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 80 ff., 98 ff., 106 f.; vgl. hierzu auch Lesch, H. H.: JA 1994, 590 ff., 598; Pawlik, M.: Person, Subjekt, Bürger 2004, S. 62 ff.) will Jakobs den Strafzweck der Einübung in Normanerkennung nicht im empirischen Sinne als positive Generalprävention, sondern symbolisch verstanden wissen (vgl. NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 –35, Rn. 217; Schneider, H.: Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten? 2004, S. 79 ff.). 1314 So auch NK-StGB-Paeffgen vor §§ 32 – 35, Rn. 217. 1315 Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 339 ff. 1316 Vgl. schon Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 339. 1317 Jakobs, G. in: Eser / Hassemer / Burkhardt (Hrsg.): Die Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52 f. 1318 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41. 1319 Jakobs, G.: ZStW 117 (2005), 839 ff., 842.

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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geht es damit nicht mehr um den Umgang mit einer Person, sondern der (potentielle) Täter wird quasi einem wilden Tier gleichgesetzt. 1322 Eine solche Betrachtungsweise verstößt offensichtlich gegen die Objektformel. 1323 Der Täter erscheint im Rahmen des Feindstrafrechts als bloßes Objekt im staatlichen Strafverfolgungsszenarium, wobei insbesondere auch durch die Gleichstellung des Täters mit einem Tier der Menschenwürdestatus bestritten 1324 wird. Diese Degradierung des Feindes rechtfertigt sich unter Zugrundelegung des Art. 1 Abs. 1 GG auch nicht etwa dadurch, dass dieser besonders gefährlich ist. Schließlich wurde dem Grundgesetz vor allem aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus 1325 bewusst ein Menschenbild zugrunde gelegt und in zahlreichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1326 näher konkretisiert, das Bezug auf die christlichen Vorstellungen vom Menschen und dessen Gottebenbildlichkeit nimmt 1327 und eine Differenzierung nach Eigenschaften, sozialem Status, Leistung, Rasse, Anschauung oder Überzeugung verbietet. Entsprechend besteht im verfassungsrechtlichen Schrifttum wie in der Rechtsprechung Einigkeit über die durch die Menschenwürde verbürgte 1328 „absolute“ 1329 Gleichheit aller Menschen (vgl. hierzu auch das aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG 1330) 1331 und das hieraus resultierende Verbot der Ausgrenzung von „Asozialen“ 1332 oder „Verbrechern“ 1333 aus dem persönlichen 1320 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. 1321 Jakobs, G.: Norm, Person, Gesellschaft 1999, S. 109. 1322 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 41; Pawlik, M.: GA 1998, 378 ff., 380. 1323 Vgl. auch Hefendehl, R.: StV 2005, 156 ff., 160; Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 236; Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff. 1324 Vgl. Brugger, W.: JA 2006, 687 ff., 689. 1325 Vgl. etwa Enders in Berliner Kommentar zum GG 2006, Art. 1 Rn. 23. 1326 Vgl. nur BVerfGE 4, 7 ff., 15 f.; 12, 45 ff., 51; 24, 119 ff., 144; 28, 175 ff., 189; 30, 173 ff., 193; 32, 98 ff., 107 f.; 35, 202 ff., 225; 45, 187 ff., 227 f.; 50, 290 ff., 353. 1327 Dürig, G.: JR 1952, 259 ff., 260; Häberle, P.: Das Menschenbild im Verfassungsstaat 2005, S. 18, 19 f., 38 f. Fn. 98; ferner Brieskorn, N. in: Kraetzer, J. (Hrsg.): Das Menschenbild des Grundgesetzes 1997, S. 27 ff., 33; Heuser, S.: Menschenwürde. Eine theologische Erkundung 2004, S. 258 ff.; Welker, M. in: Baldermann, I. u. a. (Hrsg.): Menschenwürde 2000, S. 247 ff. 1328 Pieper, A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde 2001, S. 19 ff.; 22. 1329 Z. B. Martini, P.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit 1997, S. 297; Kopp, F.: Obermayer-FS 1986, S. 53 ff., 61. 1330 Siehe zur Ableitung des Art. 3 Abs. 1 GG etwa Hofmann in Schmidt-Bleibtreu, B. / Klein, F. (Begr.): Kommentar zum GG 2004, Art. 1 Rn. 9; Martini, P.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip absoluter Rechtsgleichheit 1997, S. 139. 1331 Die Jakobsche Konzeption könnte freilich zu interessanten Konstellationen im Bereich von aberratio ictus, error in persona oder vielmehr error in objecto führen: Da der

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Gewährleistungsbereich grundrechtlicher Garantien. 1334 „Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen.“ 1335 Die Menschenwürde ist somit dauerhaft 1336 und geht selbst durch „unwürdiges Verhalten“ nicht verloren. 1337 Insofern darf selbst ein gefährlicher Täter nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung gemacht werden. 1338 Eine Unterscheidung zwischen Menschen oder in der Terminologie Jakobs zwischen Bürgern und Feinden ist daher mit Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG prinzipiell unvereinbar. 1339 Die Konstitutionalisierung eines separaten Feindstrafrechts widerspricht gleichfalls Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, der den Staat zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet. a) Die Exklusion des Feindes Das separate Feindstrafrecht ist also nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG zu vereinbaren, denn gegen den Feind wird zweckmäßig, ohne Berücksichtigung der im Menschen per se angelegten Würde vorgegangen. Entsprechend regelt das Feindstrafrecht nach Jakobs eine Exklusion 1340, nämlich den Ausschluss des Feindes aus der Selbstverwaltung des Bürgers und damit nicht nur aus dem Anwendungsbereich Feind danach wohl kein dem Bürger rechtlich gleichwertiger Mensch ist, würde der Täter bei einer Verwechslung der Angriffsobjekte Bürger und Feind allenfalls aus Versuch und Fahrlässigkeit bestraft werden können. Gleiches würde wegen der Ungleichwertigkeit der Objekte für die aberratio ictus gelten (vgl. zu error in persona vel objecto und aberratio ictus etwa Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 12 Rn. 193 ff., 160 ff.; Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 247 ff., 250 ff.). 1332 Vgl. Hofmann in Schmidt-Bleibtreu, B. / Klein, F. (Begr.): Kommentar zum GG 2004, Art. 1 Rn. 7; Pieper, A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde 2001, S. 19 ff.; 21; BVerfGE 87, 209 ff., 228; vgl. auch Heuser, S.: Menschenwürde. Eine theologische Erkundung 2004, S. 117. 1333 BVerfGE 35, 202 ff., 220, 235; 45, 187 ff., 227 f.; 72, 105 ff., 115; BVerfG NJW 1993, 3190 f., 3190. 1334 Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 342 ff. 1335 BVerfGE 39, 1 ff., 41. 1336 Vgl. etwa Brieskorn, N. in: Kraetzer, J. (Hrsg.): Das Menschenbild des Grundgesetzes 1997, S. 27 ff., 34; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100. 1337 BVerfGE 87, 209 ff., 228; vgl. auch Pieper, A. in: Herms, E. (Hrsg.): Menschenbild und Menschenwürde 2001, S. 19 ff.; 21. 1338 Vgl. auch Gössel, K. H.: F.-C. Schroeder-FS 2006, S. 33 ff., 42 f.; Lehnert, M.: ForumRecht 2005, 96 ff., 100; Neumann, U. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 299 ff., 312 f. 1339 Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 343.

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des Bürgerstrafrechts, sondern aus der generellen Sphäre gesellschaftlich zugesicherter Rechte, wobei der Umfang der rechtlichen Exklusion je nach Annäherung an den Idealtypus divergieren kann. Allerdings ist diese Exklusion nach Jakobs eine Selbstexklusion des Feindes, denn nicht der Staat entlasse den Feind aus der Gesellschaft. Vielmehr exkludiere sich der Feind selbst, indem er die gesellschaftlichen Wertmuster nicht anerkennt: „Meist wird der Betreffende wohl nur partiell in der Position eines Feindes stehen, genauer, er wird sich dort hinstellen; denn Exklusion in einer freiheitlichen Gesellschaft ist immer Selbstexklusion: Durch eine Verhaltensänderung könnte der Feind wieder zum Bürger werden. Es verhält sich also nicht so, als lasse die Gesellschaft den Feind nicht ‚herein‘; er selbst hindert sein ‚Hineinkommen‘, weil er seine Bringschuld nicht leistet, also nicht dafür sorgt, daß bei ihm rechtstreues Verhalten vermutet werden kann.“ 1341

Nimmt man mit Jakobs eine Selbstexklusion des Feindes an, ist fraglich, wonach sich diese bestimmt. Auf den unbedingten Willen des Feindes zur Selbstexklusion kann es dabei nicht ankommen, da der Feind es regelmäßig vorziehen wird 1342, im Geltungsbereich bürgerstrafrechtlicher Befugnisse zu inkludiert bleiben. Allerdings ist wohl zumindest das Wissen des Betroffenen vorauszusetzen, dass er durch sein Verhalten die gesellschaftliche Rechtsordnung in einem bestimmten Bereich vollkommen negiert und in der Folge als Feind behandelt werden kann. Danach ist es beispielsweise schlüssig, dass ein Selbstmordattentäter, der durch den Anschlag gerade die Erschütterung eines gesellschaftlichen Systems anstrebt, um alle erforderlichen Tatsachen seiner totalen Absonderung von der gesellschaftlichen Ordnung weiß und sich daher selbst aus dem System ausschließt. Bei den weniger eindeutigen Fällen wie beispielsweise der Organisierten Kriminalität oder der Wirtschaftskriminalität, deren strafrechtliche Regulierung nach Jakobs ebenfalls feindstrafrechtlichen Einflüssen unterliegt, dürfte es allerdings schwerer fallen, dem Täter ein grundsätzlich vorhandenes Wissen von den Umständen, die die Selbstexklusion begründen, zu unterstellen und erst recht, diese Kenntnis nachzuweisen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die wenig trennscharfen Oberbegriffe (Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Terrorismus etc.) gesellschaftlichen, politischen und historischen Wandlungsprozessen unterliegen, die es für den Einzelnen vielfach unmöglich machen nachzuvollziehen, ob sein Verhalten aktuell unter die Definition feindlichen Verhaltens fällt oder nicht. 1343 Eine Selbstexklusion des Feindes anzunehmen, ohne jedoch die Orientierung an einer sicheren Tatsachengrundlage zu gewährleisten, nach der zweifelsfrei bestimmbar ist, was feindlich ist und was nicht, ist zumindest fragwürdig. Viel1340 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 53. Vgl. hierzu auch Kunz, K.-L.: Eser-FS 2005, S. 1375 ff., 1386. 1341 Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 293 f. 1342 Vgl. Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294. 1343 Darauf wird noch im Rahmen der Untersuchung zu Art. 103 Abs. 2 GG zurückzukommen sein (vgl. Kapitel 3 C.I.2.).

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mehr muss dem Umstand, dass der Feind einem politischen Definitionsprozess unterliegt, größere Bedeutung beigemessen werden, als dies bei Jakobs geschieht. Jakobs erkennt zwar, dass die Gesellschaft durchaus selbst bestimmt, wer dem Feindbegriff unterfällt: „Das könnte dahin mißverstanden werden, der Verbrecher habe es in der Hand, sich durch Wandlung zum Feind aus der bürgerlichen Gesellschaft zu verabschieden. So verhält es sich freilich nicht: Die Gesellschaft entscheidet selbst, wer in sie eingeschlossen ist und wer nicht, und – beiläufig – der Feind würde es wohl in der Regel vorziehen, eingeschlossen zu bleiben. Zudem entscheidet die Gesellschaft, inwieweit sie ein- oder ausschließt, und sie entläßt auch den hartnäckigen Verbrecher nicht aus seiner Pflicht, kein Verbrechen zu begehen. – Was die Exklusion von den Rechten und in diesem Sinn die Entrechtlichung angeht, so kann die Gesellschaft freilich ihre Entscheidung nicht abgehoben von dem alltäglich Praktizierten und in dem Sinne von ihrer eigenen Wirklichkeit treffen, wenn das Ergebnis zur Orientierung in eben dieser alltäglichen Praxis taugen soll. Salopp gesprochen, eine abstrakt gedachte Gesellschaft kann zur Person im Recht erklären, ‚wen, genauer: was (!) sie will‘, aber gerade diese ‚Beliebigkeit‘ nimmt ihr die Orientierungskraft in der alltäglichen Praxis. Eine wirklich stattfindende Gesellschaft kommt um eine mehr oder weniger umfassende Exklusion der hartnäckigen Gegner nicht herum.“ 1344

Jakobs zieht jedoch aus dieser Erkenntnis nicht die nötige Konsequenz: Wenn die Gesellschaft, der Staat oder sonstige politischen Machtinhaber doch zuerst wenigstens eine grobe Definition darüber treffen muss, wer Bürger und wer Feind ist, dann basiert doch die gesamte Differenzierung auf einer politischen Entscheidung 1345, auf die der Betroffene gar keinen Einfluss hat. Eine reine Selbstexklusion scheidet unter diesem Gesichtspunkt aber aus, wie Aponte zutreffend aufzeigt: „Die Entscheidung über den Ausnahmezustand (und damit das Notstandsstrafrecht als konkreter Ausdruck des Feindstrafrechts, Anm. d. Verf.) ist vor allem eine politische Entscheidung, und womöglich noch mehr die Entscheidung darüber, wer denn das Ziel der Notstandsnormen ist. Zwei Entscheidungen liegen also dem Feindstrafrecht als politischem Strafrecht zugrunde: die Entscheidung über den Ausnahmezustand und die Entscheidung darüber, gegen welchen Feind sich die Normen richten sollen.“ Aufgrund dieser beiden Entscheidungen, und vor allem aufgrund der zweiten, kann man folgende Schlussfolgerung ziehen: Der Feind ist immer ein konstruierter Feind. Es gibt immer eine Entscheidung über die Feindschaft und über den Feind. Dies ist natürlich nicht nur eine besondere Eigenschaft im kolumbianischen Fall, sondern eine ganz allgemeine. Der Notstand ist nicht nur mit dem Ausnahmezustand verbunden, sondern auch mit Sondersystemen, wie zum Beispiel den Sondernormen gegen die organisierte Kriminalität oder gegen den Terrorismus, die Ausnahmen zu den normalen Spielregeln herstellen. [...] Es ist darum naiv zu glauben, dass der Feind vor allem

1344 1345

146 f.

Jakobs, G.: HRRS 8 – 9/2006, 289 ff., 294. Vgl. auch Aponte, A. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 131 ff.,

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derjenige ist, der sich wie ein Feind benimmt. Sicherlich benehmen sich Terroristen, Selbstmordattentäter oder Kriegsverbrecher ganz extrem wie Kriminelle. Aber in einem so diffusen Bereich wie den Normen gegen die organisierte Kriminalität, gegen den Drogenhandel, Geldwäsche oder den Terrorismus wird der wirkliche Gehalt dieser Normen und vor allem ihr Ziel von einer Entscheidung definiert. Der Feind ist nicht unbedingt derjenige, der sich so benimmt, sondern der als solcher definiert wird. Die von der Kriminologie entwickelte Kategorie der „Definitionsmacht“ kann in diesem Zusammenhang weiterhelfen. Und jedes Land und jede Gesellschaft muss für sich selbst herausfinden, wo die Zentren der Definitionsmacht sitzen. In Kolumbien ist es ganz klar, dass im Zusammenhang mit dem Drogenhandel es nicht die Regierung ist, die darüber entscheidet, was den Drogenhandel ausmacht und wer dazu gehört. Diese Entscheidungen werden in Machtzentren getroffen, die nicht einmal in unserem Land liegen.“ 1346

Danach wird der Feind primär exkludiert, nämlich von denjenigen Inhabern politischer Macht, die den Feind auch definieren. Eine reine Selbstexklusion kommt daher nicht in Betracht, sondern kann allenfalls im Zusammenspiel mit der gesellschaftlichen Exklusion 1347 angenommen werden, wenn der Betroffene in Kenntnis aller Umstände absichtlich die eigene Exklusion anstrebt, wie etwa im oben benannten Beispiel eines durch den Anschlag das System anprangernden Selbstmordattentäters. Denn selbst in diesem Fall ist die Selbstexklusion des Feindes nicht unabhängig von dem vorhergehenden Definitionsprozess zu sehen, sondern die Möglichkeit der Selbstexklusion wird erst durch die der politischen Entscheidung innewohnenden Exklusionswirkung eröffnet. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob die Definitionsmacht bei einem freiheitlich organisierten oder bei einem totalitären Staatsapparat liegt, da der aufgezeigte Definitionsprozess in beiden Rechtsordnungen durchlaufen werden muss, so dass es bei der grundsätzlichen Abhängigkeit der Exklusion des Feindes von einer politischen Entscheidung bleibt. Allerdings zeigt sich in einer totalitären Regierung die auf der Definitionsmacht gründende Ausgrenzung des Feindes in der Regel deutlicher, wie nachfolgend am Beispiel des Nationalsozialismus belegt werden soll. aa) Die Exklusion von Feinden im Nationalsozialismus An dieser Stelle soll nun auf einen Bereich Bezug genommen werden, der bis jetzt bewusst gemieden wurde. Zur Zeit der absoluten Perversion des Rechts durch den Nationalsozialismus 1348 wurden bereits dem Namen nach durch Sondergesetze, insbesondere im Bereich des Strafrechts, bestimmte Personen, die

1346

Aponte, A.: HRRS 8 – 9/2006, 297 ff., 299 f. Zur gesellschaftlich bewirkten Exklusion auch Günther, K.: Materialheft zur 30. Strafverteidigertagung 2006, 29 ff., 37 f.; Jasch, M. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 267 ff., 276 ff. 1347

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nach der nationalsozialistischen Rassenlehre „Fremdvölkische“ 1349 waren, aus dem Anwendungsbereich des „normalen“ Rechts exkludiert. (1) Sonderstrafrecht gegen Juden Zunächst stellt das Sonderstrafrecht gegen Juden, dessen Regelungen aufgrund ihrer Anzahl nicht vollständig wiedergegeben werden können, offensichtlich eine völlig irrationale Exklusion dar, die gar nicht auf einer tatsächlich feindlichen Gesinnung der Betroffenen gegenüber dem Deutschen Reich beruhte. 1350 Nachdem etwa mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums“ vom 7. 4. 1933 1351 erste Schritte zur Entrechtung der Juden 1352 eingeleitet wurden, wurde die Exklusion vor allem mit strafrechtlichen Mitteln vorangetrieben. Das zu den Nürnberger (Rasse-)Gesetzen 1353 zählende „Blutschutzgesetz“ vom 15. 9. 1935 1354 stellte beispielsweise Eheschließungen und außereheliche Beziehungen von „Deutschen“, wobei nach damaligem Verständnis eben nur nichtjüdische, „arische“ Deutsche dem Terminus unterfielen, und Juden unter Strafe (§ 1 f. des Blutschutzgesetzes). 1355 Ergänzt wurde das Blutschutzgesetz durch das ebenfalls auf dem Nürnberger Reichsparteitag am 15. 9. 1935 erlassene „Reichsbürgergesetz“ 1356, das in § 2 Abs. 1 bestimmte, dass „nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er 1348 Vollständige Darstellung bei Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich 1989, S. 57 ff. Zur NS-Strafrechtsgesetzgebung siehe auch Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 423 ff. 1349 Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 488; Majer, D.: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981. 1350 Allerdings war die Sondergesetzgebung gegen „Staatsfeinde“, die allenfalls Feinde ungerechter Machtentfaltung waren, nicht neu. So bedrohten etwa bereits im Kaiserreich die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ das politische System, woraufhin der Staat prompt mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Sozialdemokratie“ (RGBl. 1878 I, S. 351) reagierte (Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 853). 1351 RGBl. 1933 I, S. 175 f. 1352 § 3 des Gesetzes entzog den Juden das Recht zur Ausübung öffentlicher Ämter, vgl. Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 299, 339. 1353 Zu den Nürnberger Gesetzen vgl. z. B. Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 338 ff. 1354 „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, RGBl. 1935 I, S. 295. 1355 Vgl. auch Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 488 f. 1356 RGBl. 1935 I, S. 1146; Darstellung bei Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 340.

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gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen“, Reichsbürger ist. Die nachfolgenden Verordnungen zum Reichsbürgergesetz beinhalteten unter anderem Definitionen beziehungsweise Fallgruppen von „Juden“, „Geltungsjuden“ und „jüdischen Mischlingen“. 1357 Durch die „Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe“ vom 22. 4. 1938 1358 wurde die bewusste Verschleierung „des jüdischen Charakters eines Gewerbebetriebes zur Irreführung der Bevölkerung oder der Behörden“ (§ 1 der Verordnung) ebenso wie der Abschluss eines Rechtsgeschäfts für einen Juden, ohne dies dem anderen Teil offenzulegen (§ 2 der Verordnung), mit Strafe belegt. Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. 11. 1938 1359, die „Polizeiverordnung über das Auftreten der Juden in der Öffentlichkeit“ vom 28. 11. 1938 1360 und die „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. 9. 1941 1361 erlegten den Juden schrittweise weitere Beschränkungen auf, vor allem in Form von Berufs-, Vereinigungs-, Aufenthalts- und Fortbewegungsverboten. Verstöße wurden mit Geld oder Haftstrafe sanktioniert. Zum Beispiel war auch die Benutzung der örtlichen Verkehrsmittel durch Juden ohne entsprechende polizeiliche Erlaubnisbescheinigung mit „Schutz“haft bedroht. 1362 Das nationalsozialistische Institut der „Schutzhaft“ oder auch „Vorbeugehaft“ beschönigte letztlich aber unter dem Missbrauch der ursprünglichen, juristischen Bedeutung den tatsächlichen Vorgang der Deportation der Betroffenen in die Konzentrationslager. 1363 Die Zentralbestimmung des § 1 Abs. 1 der dreizehnten Verordnung zum bereits benannten Reichsbürgergesetz vom 1. 7. 1943 1364 legte fest, dass „strafbare Handlungen von Juden“ „durch die Polizei geahndet“ werden. 1365 Insofern wurden in massivem Umfang Kompetenzen der Justiz an das rechtslose Polizeisystem abgegeben. Diese Umverteilung der Befugnisse endete für den Betroffenen in der Regel mit dem Tod beziehungsweise der Vernichtung im Konzentrationslager. 1366 1357 Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 340 ff. 1358 RGBl. 1938 I, S. 404. 1359 RGBl. 1938 I, S. 1580. 1360 Im Internet abrufbar unter: http://www.verfassungen.de/de/de33\kern 0.125em -\kern 0.1em45|:|juden38\kern 0.125em --\kern 0.1em9.htm. 1361 RGBl. 1941 I, S. 547. 1362 Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 264 f. 1363 Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 520. 1364 RGBl. 1943 I, S. 372; Darstellung bei Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 535 f. 1365 Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich 1989, S. 449 ff.

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(2) Ergänzendes Sonderstrafrecht gegen „Gewohnheitsverbrecher“, „Volksschädlinge“ und „Gemeinschaftsfremde“ Neben dem aufgeführten Sonderstrafrecht gegen Juden gab es im Dritten Reich zahlreiche ergänzende Strafrechtsbestimmungen, um die nationalsozialistische Rassenlehre durchzusetzen. Dabei wurde vor allem auf unbestimmte Rechtsbegriffe 1367 und Generalklauseln zurückgegriffen sowie hohe Strafrahmen für besonders schwere Fälle eingeführt. Wie bereits im Judenstrafrecht wurde im sonstigen Fremdvolk- und Kriegsstrafrecht größtmögliche Unbestimmtheit zur Gesetzesmaxime 1368, um alle von der Rassenvorstellung abweichende Lebenstypen und Existenzformen mit der Waffe des Strafrechts 1369 erfassen zu können. Die angestrebte „Reinigung der Volksgemeinschaft“ führte in der Konsequenz dazu, dass vor allem der Todesstrafe eine besondere Bedeutung zukam. 1370 Mit dem „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßnahmen der Sicherung und Besserung“ vom 24. 11. 1933 1371 wurden beispielsweise Regelungen über die Staffelung des Strafrahmens nach der Anzahl der Taten bei „gefährlichen Gewohnheitsverbrechern“ (§ 20a RStGB) sowie über die Zwangskastration und Sicherungsverwahrung (vgl. §§ 42a ff. RStGB 1372) ins Reichsstrafgesetzbuch eingefügt 1373, wobei letztere im Falle des § 42e RStGB 1374 obligatorisch war, wenn der nach § 20a RStGB verurteilte „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ die Maßregel zum Schutze der „öffentlichen Sicherheit“ erforderte. Nicht die Tat, sondern vielmehr die Zugehörigkeit zum kriminologischen Tätertyp des Gewohnheitsverbrechers bildete hier den Strafgrund. 1375 Das „Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches“ vom 4. 9. 1941 1376 sah ferner in § 1 vor, dass der „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ nach § 20a RStGB und der „Sittlichkeitsverbrecher“ (§§ 176 –178 RStGB) der Todesstrafe verfallen, wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordern. 1377 1366 Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 520 ff., 535. 1367 Vgl. hierzu auch Gribbohm, G.: NJW 1988, 2842 ff., 2843. 1368 Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 652. 1369 Vgl. Werle, G.: JuS 1989, 952 ff. 1370 Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 954, 957. Vgl. auch Gribbohm, G.: NJW 1988, 2842 ff., 2844. 1371 RGBl. 1933 I, S. 995. 1372 Zur Entstehung von den Entwürfen bis zur Einführung der Sicherheitsverwahrung durch den Nationalsozialismus vgl. Kinzig, J.: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand 1996, S. 7 ff. 1373 Vgl. Höpfel, F.: ZStW 115 (2003), 906 ff., 910; Laubenthal, K.: ZStW 116 (2004), 703 ff., 711; Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 663. 1374 Vgl. dazu Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 660. 1375 Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 6 Rn. 8. 1376 RGBl. 1941 I, S. 549 f.

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Gleichfalls dem Zweck, einen bestimmten „Lebenstyp“ zu bestrafen 1378, diente die „Verordnung gegen Volksschädlinge“ 1379 vom 5. 9. 1939. Daher konnte auf der Basis der „Täterwertung“ auch eine geringfügige Tat, die von einer „an sich“ „kriminellen“ Täterpersönlichkeit begangen wurde, zur Verurteilung als Volksschädling führen. 1380 Auch das Konzept eines „Gemeinschaftsfremden Strafrechts“, das allerdings als „minder kriegswichtige Aufgabe“ 1381 nicht realisiert wurde und die Trennung eines Strafrechts für die „gestrauchelten“, aber prinzipiell „ordentlichen Volksgenossen“ einerseits und die „gemeinschaftsfremden Schädlinge im Volkskörper“ andererseits vorsah 1382, gehört in diese Rubrik. 1383 Zu den Gemeinschaftsfremden zählten nach dem Entwurf von 1944 „Versager“, „Landstreicher“, „Taugenichtse“, „Arbeitsscheue und Liederliche“ sowie gemeinschaftsfeindliche Verbrecher und Neigungsverbrecher“, die besonderen „strafrechtlichen Maßnahmen“ zur „Unschädlichmachung“ unterworfen werden sollten. 1384 (3) Sonderstrafrecht gegen Polen Ebenfalls zu nennen ist in diesem Zusammenhang das Sonderstrafrecht der „Polenstrafrechtsverordnung“ vom 4. 12. 1941 1385, das sich gegen Polen und zunächst auch Juden 1386 in den „eingegliederten Ostgebieten“ des Deutschen Reiches richtete. 1387 Zwar mag das Sonderstrafrecht gegen Polen weniger irrational anmuten als das oben benannte „Judenstrafrecht“ im so genannten Altreich, da eine feindliche Einstellung der Polen gegenüber der deutschen Besatzungsmacht sicherlich 1377

Kinzig, J.: Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand 1996, S. 20. Hierzu Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 954, 956 f., 958. 1379 RGBl. 1939 I, S. 1679; Darstellung und Besprechung etwa bei Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 953 ff. 1380 Werle, G.: JuS 1989, 952 ff., 956 f. 1381 Zit. nach Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich 1989, S. 677. 1382 Vgl. die Darstellung bei Werle, G.: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich 1989, S. 619 ff. 1383 Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 344. 1384 Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007, 9 ff., 10; Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 660. 1385 „Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten“, RGBl. 1941 I, S. 759. Vgl. hierzu etwa die Ausführungen bei Majer, D.: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981, S. 744. 1386 Durch § 1 Abs. 2 der Dreizehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1. 7. 1943 (RGBl. 1943 I, S. 372) wurden die Juden dem Anwendungsbereich der Polenstrafrechtsverordnung entzogen. 1387 Zum Sonderstrafrecht in den nicht eingegliederten mittel- und ostpolnischen Gebieten im Generalgouvernement vgl. die Darstellung bei Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 501 ff.; Majer, D.: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich 1981, S. 864 ff. 1378

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(berechtigter Weise) bestand und insofern ein besonderes Strafrecht (in der Logik eines Eroberers) sich noch rechtfertigen ließe. Dennoch verwundert die rechtliche Exklusion insoweit, dass die „Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten“ eben von einer Eingliederung spricht, nicht von einem Ausschluss. Die Polenstrafrechtsordnung sah neben einem stark vereinfachten Strafverfahren (Ziffer 2 der Verordnung) etwa eine allgemeine Gehorsamspflicht von Polen und Juden gegenüber deutschen Direktiven nach Ziffer 1 Abs. 1 der Verordnung vor: Polen und Juden haben sich entsprechend den deutschen Gesetzen und den gegen sie ergangenen Anordnungen der deutschen Behörden zu verhalten. Sie haben alles zu unterlassen, was der Hoheit des Deutschen Reiches und dem Ansehen des deutschen Volkes abträglich ist.

Des Weiteren wurden „Gewalttaten“ gegen Deutsche, „deutschfeindliche Äußerungen“ und „die hetzerische Betätigung einer deutschfeindlichen Gesinnung“ mit Strafe belegt 1388, wobei die strafbare Verhalten generalklauselartig umrissen wurden, so dass annähernd jedes Verhalten darunter subsumiert werden konnte. Der hierdurch eröffnete, weite Anwendungsbereich des Polenstrafrechts gewann vor allem durch die Bestimmung der Ziff. 1 Abs. 3 der Verordnung Bedeutung, denn danach war grundsätzlich die Todesstrafe vorgesehen. Die Polenstrafrechtsverordnung wurde daher oftmals herangezogen, wenn die Ahndung von „Normaldelikten“ von Polen oder polnischen Juden dem Zweck der Aussonderung diente und daher von der üblichen Strafe abweichend ein Verhalten mit der Todesstrafe sanktioniert werden sollte. 1389 bb) Ergebnis zur Exklusion im Nationalsozialismus Die Sonderstrafgesetze und -verordnungen dienten der schrittweisen „Reinigung der Volksgemeinschaft“ und hatten gerade das Ziel, bestimmte Personen aus dem normalen Rechtsstatus zu entlassen beziehungsweise aus dem Geltungsbereich des allgemeinen Strafrechts auszuschließen. 1390 So schrieb etwa der deutsche Strafrechtler Edmund Mezger auf die Einladung des Ministerialrates Rietzsch, am Entwurf des „Gesetzes über die Behandlung von Gemeinschaftsfremden“ mitzuwirken, in 1388 Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 496. 1389 Vgl. Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 496. 1390 Historisch gesehen führte wohl jede staatlich initiierte Teilung der Menschenwürde automatisch zu politisch veranlasster Ausgrenzung missliebiger Personengruppen, die in der jeweiligen Mehrheit als angebliche Bedrohungspotentiale galten (Albrecht, P.-A.: ZStW 117 (2005), 852 ff., 853).

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einem Brief vom 13. Februar 1943 1391, dessen Inhalt Jakobs Ausführungen zum Feindstrafrecht erschreckend ähnelt: „Es gibt künftig nach dem Entwurf in Wahrheit zwei (oder: mehrere) ‚Strafrechte‘: ein Strafrecht für die Allgemeinheit (für das im wesentlichen die bisherigen Grundsätze gelten), und ein (ganz anderes!) Strafrecht für Sondergruppen bestimmter Persönlichkeiten [...]. Das Entscheidende liegt in der Zuweisung zur Sondergruppe. [...] Ist die Zuweisung einmal erfolgt, dann gilt uneingeschränktes ‚Sonderrecht‘ (d. h. also unbestimmte Zuchthausstrafe). Alle sonst vorhandenen juristischen Schwierigkeiten der Strafbemessung scheiden hier aus – die unbestimmte Zuchthausstrafe usw. ‚verschlingt‘ alle sonstigen Differenzierungen [...]“ – auch den „Vergleich mit Mitverurteilten, denn sie sind ja ‚andere‘. Diese Trennung nach Personengruppen scheint mir das eigentlich Wesentliche der Neuordnung zu sein; in ihr liegt ein ‚neuer Anfang‘.“ 1392

Die Anwendung des einen oder des anderen Strafrechts erfolgte auf die Zuweisung des Rechtsanwenders hin. Die Adressaten der Sonderregelungen hatten keinen Einfluss auf ihre Einstufung als gemeinschaftsfremd und dass sie damit der Feinddefinition des Dritten Reiches unterfielen: Unter Beibehaltung ihres bisherigen (straflosen) Verhaltens waren die Betroffenen nunmehr gefährliche „Täter“ und als solche von der „normalen“ Rechtsanwendung ausgenommen sowie einer erhöhten, staatlichen Überwachungs- und Vernichtungsmaschinerie ausgesetzt. Es steht daher außer Frage, dass es sich bei der mit feindstrafrechtlichen Mitteln bewirkten Exklusion von Juden, Polen, körperlich oder geistig Behinderten, Homosexuellen, Bettlern, Landstreichern, Sinti und Roma oder anderen „Gemeinschaftsfremden“ 1393 im Nationalsozialismus nicht um eine Selbstexklusion der von den Regelungen Betroffenen handelte, sondern um eine Exklusion durch die Nationalsozialisten. Dabei möchte man sich nicht die Frage stellen, ob die Exklusion in der Bevölkerung des Deutschen Reiches nicht sogar mehrheitsfähig war. 1394 b) Konsequenz der Exklusionswirkung In totalitären wie auch in freiheitlich organisierten Regimes kann nicht von einer puren Selbstexklusion des Feindes ausgegangen werden, da in beiden Systemen 1391

Siehe hierzu Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007, 9 ff., 10 bzw. ders.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 38. 1392 Zitiert nach Muñoz Conde, F.: JoJZG 1/2007, 9 ff., 10; ders.: Über das „Feindstrafrecht“ 2007, S. 38. 1393 Vgl. etwa zur Verfolgung von Chinesen im Nationalsozialismus Yü-Dembski, D.: Cilip 58 Nr. 3/1997, 70 ff. 1394 Etwa nahmen die Justizbehörden die willkürlichen Verschleppungen und Morde durch die Polizei oftmals hin oder billigten sie sogar, da das politische Freund-Feind-Denken auch in der Justiz wie in den anderen führenden Schichten (Militär, Wirtschaft, Verwaltung) weit verbreitet war (Hirsch, M. / Majer, D. / Meinck, J. (Hrsg.): Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus 1997, S. 520).

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eine vorherige politische Entscheidung über die Definition des Feindes durch die jeweiligen Machtinhaber getroffen werden muss, von der die Ausgrenzung des Feindes maßgeblich abhängt. Danach ist derjenige Feind, der aus (jederzeit änderbaren) Gründen der Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter Dritter zu einem solchen erklärt wird. 1395 Insofern kann die Exklusion allenfalls auch eine Selbstexklusion sein, nicht aber ohne Bezug zur gesellschaftlichen, staatlichen oder sonstig bewirkten Ausgrenzung gesehen werden. Die Annahme einer bloßen Selbstexklusion des Feindes nach Jakobs ist daher abzulehnen. Die Exklusion des Feindes in Form eines separaten Feindstrafrechts stellt einen offensichtlichen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG dar und ist daher mit dem geltenden Verfassungsrecht unvereinbar. Der Staat muss die Menschenwürdegarantie nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG durchsetzen und darf eben nicht durch ein separates Sonderstrafrecht bestimmte, gefährliche Täter nach reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen tiergleich behandeln. Darüber hinaus kann ergänzend festgestellt werden, dass die Annahme einer Selbstexklusion des Feindes, wie sie von Jakobs vertreten wird, in Bezug auf die Vereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG zu keinem abweichenden Ergebnis führt: Die Selbstexklusion des Feindes aus der Gesellschaft wäre ebenso wenig wie die Exklusion durch äußere Einflüsse mit Art. 1 Abs. 1 GG zu vereinbaren, da der Feind sich nicht selbst der Menschenwürde entledigen kann. Die Missbrauchsklausel des Art. 18 GG sieht nur die Verwirkung spezieller Grundrechte vor, nicht aber die Möglichkeit, die im Menschen von Natur aus angelegte Würde zu verlieren. 1396 Die Ausgrenzung bestimmter Menschen (bei Jakobs sind es die Feinde der Gesellschaft) aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen (Straf-)Gesetzes stellt daher in jedem Fall einen Angriff auf die Menschenwürde dar. 1397 2. Der Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG Der in Art. 103 Abs. 2 GG normierte, aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu fassen, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder sich jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. 1398 Der Bürger muss erkennen können, welche Rechtsfolgen ein bestimmtes Verhalten nach sich zieht 1399, insbesondere muss es möglich sein, 1395

Silva Sánchez, J.-M.: ZStW 118 (2006), 547 ff., 551. Vgl. auch Jahn, M.: Das Strafrecht des Staatsnotstandes 2004, S. 235 f. 1397 Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 344. 1398 BVerfGE 25, 269 ff., 285; 73, 206 ff., 234.; 75, 329 ff., 340 ff.; 78, 374 ff., 381 f.; 80, 244 ff., 256 f.; 81, 298 ff., 309; 92, 1 ff., 12. 1396

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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das Verbotene vom Erlaubten abzugrenzen. 1400 Allerdings schließt das Bestimmtheitsgebot die Verwendung von Begriffen nicht aus, die in besonderem Maße der Deutung durch den Richter bedürfen. Denn auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Wegen der Allgemeinheit und der Abstraktheit von Strafnormen ist es unvermeidlich, dass in Grenzfällen zweifelhaft ist, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Der Normadressat muss dann aber anhand der gesetzlichen Regelung, vor allem nach deren Wortlaut, voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen muss daher für ihn wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar sein. 1401 Das Bestimmtheitsgebot dient insofern der Beschränkung staatlicher Willkür und der Gewährleistung umfassender Rechtssicherheit. 1402 a) Unbestimmheit des Jakobsschen Feindbegriffs Gerade diese Zielsetzung kann ein separates Feindstrafrecht unter Zugrundelegung des Feindbegriffs bei Jakobs jedoch nicht garantieren: Der Feind ist nach Jakobs bekanntlich 1403 ein Individuum, dass sich in einem „nicht nur beiläufigen Maß“ durch diverse Verhaltensweisen („seine Haltung“ oder „sein Erwerbsleben“ oder auch „seine Einbindung in eine Organisation“) „jedenfalls vermutlich dauerhaft“ 1404 oder „zumindest mit einigem Nachdruck“ 1405 „vom Recht abgewandt hat“ und sein „Defizit“ in Bezug auf die „kognitive Mindestsicherheit personellen Verhaltens“ schließlich auch „durch sein Verhalten demonstriert“. 1406 Es liegt auf der Hand, dass der Versuch Jakobs, den Feind allein anhand dieser Umschreibung zu definieren, als gescheitert angesehen werden muss, denn die vermeintliche „Definition“ bietet keine ausreichend exakte Grundlage, aus der sich eine objektive Kategorisierung in den „eventuell wohl dauerhaft und nicht nur manchmal oder doch nur partiell, aber dafür in diesem Bereich umso mehr“ vom Recht abgewandten „Feind“ oder den grundsätzlich rechtstreuen „Bürger“ treffen lässt. 1407 Vielmehr strotzt sie vor Unsicherheiten und Wankelmütigkeiten, 1399

Wessels, J. / Beulke, W.: Strafrecht AT 2006, Rn. 47. BVerfGE 25, 269 ff., 285. 1401 BVerfGE 73, 206 ff., 235; 75, 329 ff., 341 f.; 92, 1 ff., 12. 1402 Vgl. auch BVerfGE 73, 206 ff., 234 f.; 75, 329 ff., 340 f. 1403 Vgl. bereits oben Kapitel 1 A.I.2.a)bb)(1). 1404 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52. 1405 Jakobs, G.: Staatliche Strafe 2004, S. 42. 1406 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52. 1407 Fraglich ist danach etwa auch, ob Minderjährige bzw. Jugendliche als Feinde im Sinne Jakobs angesehen werden können – immerhin fallen diese besonders häufig in die 1400

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

die eine willkürliche Subsumtion unter den Feindbegriff ermöglichen und damit gerade einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG Vorschub leisten. Dem Rechtsanwender erschließen sich nämlich weder die Fälle, in denen das „beiläufige“ Maß an kriminellem Verhalten überschritten ist, noch ergeben sich aus dem Feindbegriff bei Jakobs exakte Vorgaben, wann eine dauerhafte Abwendung vom Recht vorliegt oder diese wenigstens zu „vermuten“ ist. Durch die Benutzung offener, wenn nicht gar schwammiger Formulierungen wie „vermutlich“, „mit einigem Nachdruck“ oder „nicht nur beiläufig“ erinnert der Feindbegriff bei Jakobs allenfalls an eine vage Generalklausel, nicht aber an eine konkrete Definition. Selbst der Staat könnte danach dem Feindbegriff unterfallen: Indem der Gesetzgeber nämlich feindstrafrechtliche Regelungen erlässt, die die verfassungsrechtlich gewährleisteten Garantien, insbesondere den Subjektsstatus des Betroffenen in hohem Maße einschränken, missachtet er wohl bewusst und nicht nur beiläufig die geltende Verfassung und verhält sich damit demonstrativ als ein vom (eigentlich geltenden) Recht Abgewandter. Eine solche Annahme wäre aber natürlich in der Hinsicht widersprüchlich, dass der Staat nach Jakobs gerade durch die besondere Bekämpfung von Feinden den Rechtsstaat der Bürger schützen soll. 1408 Auch die durch die beispielhafte Nennung der dem Feindbegriff unterfallenden Tätergruppen und Deliktsformen erfolgte Ergänzung seitens Jakobs, nach der vor allem Terroristen, Mafiosi und sonstige Mitglieder der Organisierten und Wirtschaftskriminalität, ferner Sexualstraftäter und Delinquenten der Betäubungsmittelkriminalität dem Terminus „Feind“ unterfallen 1409, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Die Beispiele geben allenfalls Auskunft darüber, welche Tätertypen vor allem als Feinde kommuniziert werden. 1410 Aber weder können die von Jakobs aufgeführten Beispiele als abschließend noch als in jedem Fall 1411 überzeugend angesehen werden. Zudem ist der Inhalt einer Strafnorm aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen, da Art. 103 Abs. 2 GG auf dessen Rechtssicherheit Kategorie des „Intensiv-„ oder „Vielfachtäters“ (vgl. Puschke, J.: vorgänge 178/2007, 63 ff., 63 f.) – oder ob die bessere Erziehbarkeit eines Jugendlichen die Vermutung dauerhafter Gefährlichkeit ausschließt oder aber der Erziehungsgedanke hinter dem Sicherungsgedanken zurücksteht. 1408 Die Unbestimmtheit des Feindbegriffs wird ferner auch bei Silva Sánchez deutlich, der den nicht erwünschten Embryo mühelos unter den Feindbegriff subsumiert, da dieser (permanent) die elterlichen Rechtsgüter (Zeit, Geld, Wohlstand) bedroht und daher als NichtPerson aus der Verteilung gesellschaftlicher Güter ausgeschlossen wird (Silva Sánchez, J.M.: ZStW 118 (2006), 547 ff., 553). Ein solches – per definitionem erfasstes – Feindbild dürfte Jakobs selbst kaum vor Augen gehabt haben. 1409 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 51, 52. 1410 Vgl. auch Fischer, T.: StGB 2008, Einl. Rn. 12a. 1411 Vgl. die Kritik an der durch Jakobs getroffenen Zuordnung der Wirtschaftskriminalität zum Feindbegriff im Rahmen der tatsächlichen Feindkommunikation auf S. 125.

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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abzielt 1412, so dass die pauschale Zuordnung zu einer Gruppe ohne Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls noch keine Feindschaft begründen darf und somit auch kein hinreichend bestimmtes Kriterium für den „Feind“ darstellen kann. b) Mangelnde Objektivierbarkeit des Feindbegriffs Der Feindbegriff ist ferner auch durch Auslegung nicht objektiv erfassbar, da der Feind ein emotionaler und überwiegend subjektiver Terminus ist. Während im Rahmen des Tatstrafrechts die Strafe durch die Verknüpfung mit der Tat einen objektiven Bezugsrahmen erhält, lässt sich eine objektivierte, allgemeingültige Aussage über die Beschaffenheit einer einzelnen Person als Feind aufgrund der Subjektivität des Feindstrafrechts durch den Anknüpfungspunkt des Tätertyps in den seltensten Fällen treffen. Vielmehr werden in der Regel Feindbilder zugrunde gelegt, die ganze Kollektive aufgrund ihrer Artgleichheit in bestimmten Bereichen dem Feindbegriff unterwerfen, ohne jedoch den konkreten Einzelfall zu berücksichtigen. Dabei bestimmt sich der Feind nach der persönlichen Einschätzung des Einzelnen und variiert damit je nach Tätereinstellung, politischer Lage und Definitionsmacht. Insbesondere die Abhängigkeit von der Definitionszuständigkeit der Machtinhaber birgt aber die Gefahr staatlicher Willkür, deren Verhinderung Art. 103 Abs. 2 GG gerade bezweckt, indem politisch „unbequeme“ oder sonstige, unliebsame Personen durch das Strafrecht aus der Gesellschaft verstoßen beziehungsweise Sündenböcke für akute Problemlagen konstruiert 1413 werden. 1414 Diese Missbrauchsmöglichkeit potenziert sich noch unter dem Aspekt, dass das Wissen und damit auch der gesellschaftliche Status sowie die Definitionsmacht in der modernen Informations- und Wissensgesellschaft 1415 zunehmend ungleichmäßig verteilt ist 1416, so dass führende Interessengruppen das System verstärkt zu lasten von Außenseitern manipulieren können. 1417 1412

BVerfGE 92, 1 ff., 12. Vgl. hierzu insbesondere Aponte, A.: Krieg und Feindstrafrecht 2004, S. 218, 256. 1414 Vgl. zur Sündenbockprojektion etwa Allport, G. W. / Knudsen, K.: Treibjagd auf Sündenböcke 1968; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff., 39; Schneider, H. in: Requate, J. (Hrsg.): Recht und Justiz im gesellschaftlichen Aufbruch 2003, S. 275 ff., 283 ff.; Wagener, S.: Feindbilder 1999, S. 20 ff., 27, 34 f., spezieller etwa auch zur Feindprojektion im Rahmen der Hexenprozesse a.a. O. S. 151 ff.; diesbezüglich im weiteren Sinne auch Zopfs, J. in: Friedrich-Spee-Gesellschaft (Hrsg.): Spee-Jahrbuch 2006, S. 31 ff., 46. 1415 Siehe etwa http://www.wissensgesellschaft.org/. Zur zunehmenden, existenziellen Bedeutung des Zugriffs auf Wissen und Informationen – insbesondere im Rahmen der neuen Kommunikationstechnologien – für eine erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben vgl. z. B. Rifkin, J.: Access 2002. 1416 Über die Bedeutung von Risiken und entsprechendem „(wissenschaftlichen oder antiwissenschaftlichen) Wissen“ auch Beck, U.: Risikogesellschaft 2003, S. 29 f.: Risiken sind „in besonderem Maße offen für soziale Definitionsprozesse. Damit werden Medien 1413

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

Dies gilt im Übrigen selbst dann, wenn man der von Jakobs als tendenzielles „Feindstrafrecht“ bezeichneten Strafrechtsentwicklung nicht den Jakobsschen Feindbegriff zugrundelegt, sondern von dem gefährlichen Täter ausgeht, der gesellschaftlich – ohne nähere Erläuterung – als Feind kommuniziert wird. Auch in diesem Fall des abstrakten, von der Jakobsschen Definition losgelösten Feindbegriffs behindert der subjektive Bezug die objektive Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Adressaten des Feindstrafrechts. c) Fehlende Abgrenzungsinstrumentarien Zudem suggeriert der Jakobssche Feindbegriff, Feind und Bürger ließen sich anhand prognostischer Erkennungssysteme ohne große Mühen von einander abgrenzen. Zwar ist die Idee der Identifikation und „Vernichtung“ der wirklich gefährlichen und sozialschädlichen Straftäter schon alt. Sie findet sich beispielsweise im Marburger Programm von Franz von Liszt in der Forderung wieder, die „Unverbesserlichen“ beziehungsweise „sozial untauglichen Individuen“ durch „Ausstoßen aus der Gesellschaft oder Internierung in derselben“ „dauerhaft oder vorübergehend unschädlich zu machen“. 1418 Die entsprechenden kriminalpolitischen Vorstellungen sind aber vor allem deshalb nicht realisierbar – insoweit sind die Hoffnungen Franz von Liszts unerfüllt geblieben –, weil es der kriminologischen Prognoseforschung 1419 bis heute nicht gelungen ist, Kriterien zu entwickeln, die eine zuverlässige und frühzeitige Differenzierung zwischen den Graden der kriminellen Gefährdung zulassen. 1420 Immerhin legt Jakobs selbst – wie oben gesehen – seinem Feindbegriff auch zugrunde, dass das gefährliche Individuum durch sein Verhalten demonstrieren muss, dass es die kognitive Mindestsicherheit personellen Verhaltens nicht leistet. 1421 Die besagte Demonstration des kognitiven Defizits unterbleibt jedoch gerade in den Bereichen weitgehend, die nach der Terminologie Jakobs, aber auch nach der gesellschaftlichen Kommunikation dem Feindbegriff zuzuordnen sind: Insbesondere bei den terroristischen Schläfern 1422 oder auch im Bereich besonders schwerer Sexualdelikte lebt der Täter unter der und Positionen der Risikodefinition zu gesellschaftlich-politischen Schlüsselstellungen.“ Zur neuen Elite der Wissensarbeiter vgl. auch Rifkin, J.: Das Ende der Arbeit 2005, S. 158 ff. 1417 Vgl. auch Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 346. 1418 Liszt, F. v.: ZStW 3 (1883), 1 ff., 33 ff., 45. 1419 Vgl. etwa zu den in den Verfahren über die Verhängung der nachträglichen Sicherungsverwahrung zum Einsatz kommenden Prognoseverfahren Schneider, H.: StV 2006, 99 ff. 1420 Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 345 f. 1421 Jakobs, G. in: Eser, A. u. a. (Hrsg.): Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende 2000, S. 47 ff., 52. 1422 Vgl. schon oben Kapitel 3 B.II.1.a)aa).

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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Fassade völliger sozialer Unauffälligkeit und verleiht seiner rechtlichen Andersartigkeit damit eben bis zur Tat keinen Ausdruck. Aus kriminologisch-empirischen Gründen ist es daher regelmäßig nicht möglich, die „Zielgruppe“ des Feindstrafrechts vor der eigentlichen Tat auszumachen. 1423 Darüber hinaus bestehen auch keine hinreichend zuverlässigen Prognosemöglichkeiten nach der rechtskräftig festgestellten Tat, die die sichere Feststellung einer dauerhaft feindlichen Gesinnung des Täters zulassen. Im Falle des Selbstmordattentäters erübrigt sich außerdem der repressive Einsatz feindstrafrechtlicher Maßnahmen ohnehin. 1424 Über die eigentliche Prognoseforschung hinaus könnten zwar weitere Verfahren angewendet werden, die das Vorhandensein krimineller Energie testen, indem der Täter beispielsweise durch staatlich engagierte Lockspitzel zu einer bestimmten Tat verleitet wird. 1425 Doch selbst, wenn das Zielobjekt sich zur (vermeintlichen) Tat verleiten lässt, spricht dies nicht zwangsläufig für eine grundsätzliche, „jedenfalls vermutlich dauerhafte“ Abkehr vom Recht. Vielmehr wird dadurch lediglich die Bereitschaft zur „ganz normalen Kriminalität“ nachgewiesen, zu der der Betroffene zudem noch durch den Staat „angestiftet“ wurde. Darüber hinaus erklärt es sich von selbst, dass eine derartige Überprüfung der Tätergesinnung – bei Hunden spräche man entsprechend von einem „Wesenstest“ – bei Terroristen besser zu unterbleiben hat, da der Staat im Rahmen von Terroranschlägen kaum eine umfassende Kontrolle der Situation garantieren kann und die hierdurch entstehende Gefährdung als unverhältnismäßig betrachtet werden muss. Ebenso wenig kann etwa ein Gesinnungstest, wie er in Baden-Württemberg im Rahmen der Einbürgerung von Personen aus Nationen, die der Organisation Islamischer Staaten angehören, seit 2006 vorgesehen ist – unabhängig davon, ob eine solche Überprüfung eine verfassungsrechtlich unzulässige Diskriminierung darstellt –, das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer feindlichen Gesinnung verlässlich bestätigen: Der aus rund dreißig Fragen bestehende Fragebogen kann zum einen leicht umgangen werden, indem die richtigen Antworten auswendig gelernt werden und damit das Ergebnis manipuliert wird. Zum anderen muss nicht jeder, der den Gesinnungstest nicht besteht, ein terroristischer Attentäter sein. Das NichtBestehen kann beispielsweise auch auf fehlende Sprachkenntnisse oder auf eine zwar tief religiöse und mit westlichen Werten nicht übereinstimmende, nicht aber fanatische Verwurzelung mit dem islamischen Brauchtum hindeuten. Es mag dann aus diesen Gründen angebracht sein, dem Betroffenen die Einbürgerung zu verweigern – eine rechtsfeindliche Gesinnung ist damit jedoch nicht belegt. Insofern kann gerade der wesentliche Bestandteil des Jakobsschen Feindbegriffs, nämlich die dauerhaft fehlende kognitive Mindestgarantie rechtstreuen Verhaltens, nicht 1423

Vgl. auch Göppinger-Schneider: Kriminologie 2008, § 30 Rn. 15. Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 346. 1425 Zu der Figur des „agent provocateurs“ vgl. bereits oben Kapitel 2 C.II.3.b). 1424

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

bestimmt werden. Ebenso wenig ist es möglich, danach einen am abstrakten, durch Kommunikation erzeugten Feindbegriff zu messenden Täter sicher bestimmen zu können. Daher ist der Feindbegriff – nicht nur in der Lesart von Jakobs, sondern generell – wie auch das Konzept eines separaten, idealtypischen Feindstrafrechts insgesamt untauglich, den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG nachzukommen.

II. Verfassungsmäßigkeit eines in das Bürgerstrafrecht integrierten, tendenziellen Feindstrafrechts Es versteht sich nunmehr von selbst, dass auch ein einheitliches Strafrecht, das neben dem bürgerstrafrechtlichen Grundbestand teilweise feindstrafrechtrechtliche Züge trägt, aus den oben genannten Gründen nicht verfassungskonform ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch den nur tendenziell feindstrafrechtlich geprägten Normen eben die Verständigung über den „Feind“ zugrunde liegt, die aufgrund ihrer Exklusionswirkung gegen das Menschenwürdegebot des Art. 1 Abs. 1 GG und wegen der fehlenden, sicheren Erkenntnis- und Zuordnungsmöglichkeiten sowie der Subjektivität des Feindbegriffs selbst und der daraus drohenden Gefahr staatlicher Willkür gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG verstößt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man das theoretische Konstrukt des Feindstrafrechts nach Jakobs zum Gegenstand der Betrachtungen macht oder ob man schlichtweg die durch gesellschaftliche Kommunikation erfolgende Etikettierung bestimmter Täter als Feinde, die mit strafrechtlichen Mitteln zu bekämpfen sind, als „Feindstrafrecht“ bezeichnet, da nach beiden Auffassungen der Feindbegriff in das Strafrecht eingeführt wird. Der Feind gehört jedoch allenfalls ins Kriegsrecht 1426 und nicht in ein rechtsstaatlich ausgestaltetes Strafrecht, das sich an der Verfassung und deren obersten Gebot der Menschenwürdegarantie zu orientieren hat. Strafrecht darf danach also gerade nicht zum Notstands- oder Kriegsrecht mutieren, um sich mal eben den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entledigen. Insofern stellt die gesellschaftliche Feindzuweisung gegenüber Tätern, die durch Regelungen im Strafrecht umgesetzt wird, einen Verstoß gegen die Verfassung dar und in diesem Sinne ist ein „Feindstrafrecht“ – ob idealtypisch oder bloß tendenziell, ob separat oder im Bürgerstrafrecht verankert – als Strafrechtsform grundsätzlich abzulehnen.

1426

Den Feind als Begriff aus dem Kriegsvölkerrecht in Bezug auf Terroristen ablehnend und sich am Menschen als Straftäter orientierend etwa Hetzer, W.: Kriminalistik 2004, 508 ff., 515.

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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III. Verfassungsmäßigkeit der von Jakobs benannten Normmerkmale Fraglich ist allerdings, ob mit der Verfassungswidrigkeit des Feindstrafrechts – in der Jakobsschen Konzeption oder verstanden als strafrechtlich regulierte Feindkommunikation – automatisch auch die Verfassungswidrigkeit der von Jakobs als feindstrafrechtlich benannten Normmerkmale (Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, Abbau prozessualer Rechte und Bekämpfungsgesetzgebung) einhergeht. Folgt man dem theoretischen Strafrechtsmodell von Jakobs, der das Bürgerstrafrecht vor allem deshalb vom Feindstrafrecht trennt, weil allein die Einübung in Normanerkennung als Ausformung der positiven Generalprävention den Strafzweck im Bürgerstrafrecht bildet und daher Rechtsgüterschutz nur durch ein separates Strafrecht gewährt werden kann 1427, muss man die benannten Normmerkmale zwangsläufig als verfassungswidrig ansehen, da sie im Konstrukt Jakobs den Bürger wie einen Feind behandeln: Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, der Abbau von prozessualen Rechten und die Bekämpfungsgesetzgebung dienen primär dem (insbesondere präventiven) Rechtsgüterschutz. Dieser Zweck ist jedoch nach Jakobs gerade nicht Gegenstand des Bürgerstrafrechts, so dass folglich der Normadressat derartiger Regelungen auch nicht als Bürger behandelt wird, sondern zum rechtslosen oder zumindest teilweise rechtslosen Feind degradiert wird. Gerade diese rechtlich und damit auch gesellschaftlich kommunizierte Ungleichbehandlung verstößt jedoch nach dem oben Gesagten gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Die aufgeführten Normmerkmale, die sich nach Jakobs grundsätzlich an den Feind richten, wären danach verfassungswidrig. Allerdings vermag die theoretische Ausschließlichkeit des bei Jakobs als Bürgerstrafrecht benannten herkömmlichen Strafrechts und dem – zumindest partiell auch präventiven – Rechtsgüterschutz nicht zu überzeugen. 1428 Gerade in der Ursache, dass es Menschen gibt, die rechtliche Interessen des anderen in einer Weise bedrohen und verletzen, die durch andere Rechtsinstitute wie etwa den zivilrechtlichen Schadensersatz oder die polizeiliche Gefahrenabwehr im Hinblick auf den staatlichen Rechtsgeltungsanspruch und schließlich auch in Bezug auf die Interessen des Opfers und der potentiell bedrohten Gesellschaft nicht zufrieden stellend erfasst werden können, findet das Strafrecht seine Existenzberechtigung. 1429 Es 1427

Vgl. hierzu bereits oben Kapitel 3 B.III.2.a). Vgl. auch schon Kritik bei Hoerster, N.: ZRP 1999, 215 in seiner Rezension zu „Norm, Person, Gesellschaft“ von Günther Jakobs: „Wer an den philosophischen Grundlagen gerade des modernen, dem Schutze individueller Grundrechte dienenden Verfassungsstaates interessiert ist, kann auf Jakobs Vorüberlegungen zu einer Rechtsphilosophie nur mit Befremden reagieren.“ 1428

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

erscheint daher nicht interessengerecht, den Strafzweck des so genannten Bürgerstrafrechts allein auf die Einübung von Normanerkennung einzuengen, wie bei Jakobs geschehen. Vielmehr kommt das Strafrecht zur Anwendung um eine Vielzahl von Zwecken zu erfüllen 1430, von denen jedenfalls einer, wenn nicht sogar der dominierende der Rechtsgüterschutz 1431 ist. Dabei umfasst der Rechtsgüterschutz bereits dem Begriff nach nicht bloß die repressive, sondern auch die präventive Wirkweise. Danach entfällt jedoch die zwingende Trennung von Bürger- und Feindstrafrecht nach dem Kriterium des Rechtsgüterschutzes, so dass folglich der Bürger auch nicht gleich als Feind behandelt wird, nur weil gegen ihn primär rechtsgüterschützende Strafvorschriften angewendet werden. Ebenfalls begründen die benannten Normmerkmale per se noch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, die dem Menschenwürdegebot nach Art. 1 Abs. 1 GG zuwiderläuft. Als Feindstrafrecht können vielmehr allein Normen beziehungsweise Normmerkmale gelten, denen eine derart stigmatisierende Ausgrenzungswirkung zukommt, dass bestimmte Täter den strafrechtlichen Personenstatus verlieren und stattdessen als niedere, ausschließlich gefährliche Individuen behandelt werden. Entsprechend ist auch die Verfassungswidrigkeit der Normmerkmale, insbesondere in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 GG, zu bestimmen: Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, die Einschränkung von Prozessrechten und die Bekämpfungsgesetzgebung sind – in Bezug auf feindstrafrechtliche Grundprinzipien – vor allem dann verfassungswidrig, wenn sie inhaltlich von der Zwecksetzung getragen sind, bestimmte Täter oder Tätergruppen aus dem Anwendungsbereich des „normalen“ Strafrechts beziehungsweise überhaupt aus der üblich gewährten Rechtsstellung zu exkludieren oder die Merkmale jedenfalls faktisch eine Ausgrenzung bewirken. Dies kann und muss im Vorfeld des Normerlasses vom Gesetzgeber oder nachfolgend von den Gerichten jeweils anhand der konkreten Norm und im Einzelfall, vor allem im Rahmen von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft werden, soll jedoch hier ausgelassen werden, da eine solche Untersuchung aufgrund ihres Umfangs den Rahmen dieser Dissertation sprengen würde. Im Allgemeinen kann aber gesagt werden, dass vornehmlich zwei, miteinander zusammenhängende Komponenten die besondere Gefahr bergen, in einem gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes verstoßenden Feindstrafrecht auszuarten: Zum einen kann die beispielsweise zur Begründung einschränkender oder strafschärfender Normen überwiegende Bezugnahme auf gefährliche Täter – statt Taten – zu einer recht1429

Vgl. auch Dencker, F.: StV 1988, 262 ff., 266. Zu den vertretenen Strafzwecken im Einzelnen und insbesondere zur vorherrschenden Vereinigungstheorie vgl. beispielsweise Darstellung bei Roxin, C.: Strafrecht AT 2006, § 3 Rn. 1 ff., 33 ff. 1431 Insofern der ständ. Rsp. sowie der überwiegenden Ansicht in der Literatur zustimmend, vgl. hierzu bereits Fn. 138. 1430

C. Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts

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lichen und damit schließlich geförderten gesellschaftlichen Ausgrenzung eben dieser Tätertypen führen. Zum anderen sollten strafrechtliche „Kampfansagen“ (etwa im Rahmen der Bekämpfungsgesetzgebung) gegen bestimmte Delikte oder die Dämonisierung bestimmter Delinquenten vermieden werden, also insbesondere auf bellizistische Symbolik im Strafrecht verzichtet werden. Krieg und ein rechtsstaatliches Strafrecht sind eben prinzipiell auseinanderzuhalten, andernfalls mutiert der (strafrechtliche) Täter zum entrechteten Feind und der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsstaat besteht allenfalls noch auf dem Papier, nicht aber im praktizierten „Recht“. Insbesondere im Bereich der Sexualdelinquenz und des Terrorismus droht diese Grenze beizeiten überschritten zu werden. 1432 Im Ergebnis können also die einzelnen Normmerkmale, die in der strafrechtlichen Konzeption von Jakobs „Feindstrafrecht“ darstellen, nach der hier vertretenen Ansicht durchaus verfassungskonform der allgemeinen oder individuellen Sicherheit – auch im Strafrecht – dienen, denn materielle Vorverlagerungen, zur Tatschuld unproportionale Strafrahmen, die Einschränkung von Prozessrechten und die Bekämpfungsgesetzgebung verstoßen nicht per se gegen die Verfassung, sondern können im Einzelfall zum Zwecke des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes erforderlich und angemessen sein. Allerdings wird die zulässige Grenze des Rechtsgüterschutzes jedenfalls dann überschritten, wenn ihnen eine stigmatisierende Ausgrenzungswirkung zukommt, da dann die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG in ihrem Kern betroffen ist. Ob dies der Fall ist, muss anhand der konkreten Norm im Einzelfall bewertet werden. Kommt den Normmerkmalen danach keine Ausgrenzungswirkung zu, sollte diesbezüglich auch nicht von „Feindstrafrecht“ gesprochen werden, nur weil das Merkmal nach Jakobs tendenziell dem Feindstrafrecht unterfällt. Denn – wie oben gesehen – basiert Jakobs feindstrafrechtliches Konstrukt auf einer rechtlichen Andersbehandlung des Feindes gegenüber dem Bürger durch gesellschaftliche Kommunikation, die sich aus dem jeweils verfolgten Strafzweck herleitet. Der Strafzweckgedanke bei Jakobs weicht jedoch gerade von den Vorstellungen ab, die sich im herkömmlichen Strafrecht verkörpern und die eben auch den Rechtsgüterschutz miteinschließen – man gedenke etwa den Maßregeln 1433 zur Besserung und Sicherung. Schon aus diesem Grund sollte die Jakobssche Konzeption abgelehnt werden. Vielmehr stellen sich die von Jakobs benannten Normmerkmale dann als Kennzeichen eines Strafrechts dar, das aktuell mit Worten wie „Sicherheitsstrafrecht“ 1434 oder „Risikostrafrecht“ 1435 umschrieben wird und das eben in seiner Ausgestaltung auf 1432 Vgl. hierzu auch Vogel, J.: ZStW 115 (2003), 638 ff., 661 bzw. zur Überschreitung aufgrund politischer und gesellschaftlicher Feindbildzuweisung vgl. Kunz, T.: Der Sicherheitsdiskurs 2005, S. 10, 18. 1433 Vgl. auch Polaino Navarrete, M.: Jakobs-FS 2007, S. 529 ff., 544 ff. 1434 Z. B. Albrecht, P.-A.: Betrifft JUSTIZ 2006, 289 ff.; Frehsee, D. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 14 ff., 23; Stratenwerth, G.: ZStW 105 (1993), 679 ff.; Krauß, D.: StV 1989, 315 ff.

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Kap. 3: Zweck- und Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts

besondere Gefahrsituationen in der modernen Risikogesellschaft 1436 Bezug nimmt und diese strafrechtlich integriert. 1437

1435

Vgl. v. a. Prittwitz, C.: Strafrecht und Risiko 1993; ders. in: Frehsee, D. u. a. (Hrsg.): Konstruktion der Wirklichkeit durch Strafe 1997, S. 47 ff.; Schulz, L. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 619 ff., 622; Seelmann, K.: KritV 1992, 452 ff. 1436 Vgl. bereits Fn. 1019. 1437 Freilich wirft ein solches, durch die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten Sicherheit bezweckendes Strafrecht wiederum die Frage nach seiner Verfassungsmäßigkeit auf. Dies ist jedoch trotz der bereits Erwähnung gefundenen Parallelen zum Feindstrafrecht (vgl. oben Kapitel 2 E.) unabhängig von diesem zu bestimmen und daher hier nicht von Belang (zur allgemeinen Diskussion vgl. etwa die Beiträge in Blaschke, U. u. a. (Hrsg.): Sicherheit statt Freiheit? 2005 und dem Materialheft zur 30. Strafverteidigertagung „Wieviel Sicherheit braucht die Freiheit“ in Frankfurt am Main vom 24. –26. 3. 2006 sowie z. B. Denninger, E.: Aus Politik und Zeitgeschichte B10 –11/2002, 22 ff.; Düx, H.: ZRP 2003, 189 ff.; Frankenberg, G. in: Beestermöller, G. / Brunkhorst, H. (Hrsg.): Rückkehr der Folter 2006, S. 55 ff., 58 ff.; Haffke, B. in: Rode, I. u. a. (Hrsg.): Neue Lust aufs Strafen 2005, S. 35 ff.; Hetzer, W.: MschrKrim 2005, 111 ff.; Naucke, W.: KritV 1993, 135 ff.; Prantl, H.: Der Terrorist als Gesetzgeber 2008; Prittwitz, C. in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a. M. (Hrsg.): Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts 2007, S. 225 ff.).

Schlussbetrachtung Jakobs Konzeption des Feindstrafrechts ist insbesondere durch seine idealtypische Ausgestaltung grundsätzlich geeignet, bestimmte Tendenzen in der Strafgesetzgebung und der Kriminalpolitik aufzuzeigen und Anlass für rechtsstaatliche Bedenken zu geben. Insofern erreicht das Feindstrafrecht das von Jakobs statuierte Ziel der Kenntlichmachung bestimmter eingetretener oder drohender Rechtsstaatlichkeitsverluste in der aktuellen Strafrechts- beziehungsweise der generellen Rechtsentwicklung. Dies wurde etwa am Beispiel der Sicherungsverwahrung, des Luftsicherheitsgesetzes, der Debatte um die Folterung zur Rettung von Menschenleben und der Rechtsprechung zum agent provocateur oder zur Vernehmung von V-Leuten verdeutlicht. Vor allem die Tendenzen in den Kriminalitätsbereichen der Betäubungsmittel- und Organisierten Kriminalität, des Sexualstrafrechts und – von besonderer Aktualität – im Rahmen der Bekämpfung des (internationalen) Terrorismus legen nahe, dass Jakobs darüber hinaus auch in der Hinsicht Recht zu geben ist, dass für die Zukunft noch eine weitere Zunahme feindstrafrechtlicher Einflüsse auf das Strafrecht zu erwarten ist. Dies gilt jedenfalls insoweit, als dass man die Prognose aufgrund der bloßen äußerlichen Merkmalen des Feindstrafrechts im Sinne Jakobs (Interna berücksichtigende Vorverlagerungen, unproportionale Strafrahmen, Bekämpfungsgesetzgebung, Abbau prozessualer Garantien) überprüft, wobei allerdings das strafprozessuale Merkmal des physischen Zwangs nicht zu einer hinreichenden Qualifizierung als Feindstrafrecht genügt. Auch die Entwicklung des Strafrechts auf europäischer beziehungsweise internationaler Ebene (z. B. die Terrorismusbekämpfung in Großbritannien und der USA, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in der Schweiz und Kolumbien) deutet darauf hin, dass zukünftig verstärkt auf ein Feindstrafrecht zur Bekämpfung von wirklichen oder auch nur vermeintlichen Großgefahren zurückgegriffen werden wird. Dagegen sind die Ausführungen Jakobs dahingehend abzulehnen, eine Abspaltung feindstrafrechtlicher Regelungen vom Bürgerstrafrecht zu fordern. Schließlich darf nicht verkannt werden, dass sich das separat zu institutionalisierende Feindstrafrecht nach Jakobs dadurch definiert, dass der Strafzweck im Bürgerstrafrecht ausschließlich in der Einübung in Normanerkennung als Variante der positiven Generalprävention besteht, so dass (präventiver) Rechtsgüterschutz von Vorneherein nicht als Aufgabe des Bürgerstrafrechts in Betracht kommt. Eine solche Sichtweise ist allerdings gewichtigen Einwänden ausgesetzt, da bereits das Bürgerstrafrecht nach Jakobs den bürgerlichen Täter als bloßen Spielball im staatlichen System benutzt, um einen gesellschaftlichen Prozess der Einübung in

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Schlussbetrachtung

Normanerkennung ins Rollen zu bringen: Die Konzeption ist daher in Bezug auf die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes bedenklich. Darüber hinaus deckt sich diese Konstruktion nicht mit dem tatsächlich praktizierten Recht, denn weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung verfolgen durch das Strafrecht allein den Zweck der positiven Generalprävention. Vielmehr stellt sich das Strafrecht eben auch, wenn nicht gar überwiegend als Rechtsgüterschutz dar, so dass die Jakobssche Konstruktion eben im Wesentlichen eine theoretische bleibt. Unabhängig davon ist weder das Feindstrafrecht nach Jakobs noch ein weiter verstandenes, auf bloßer Feindzuweisung basierendes Feindstrafrecht mit der Verfassung in Einklang zu bringen und muss daher als strafrechtliches Modell in einem Rechtsstaat abgelehnt werden. Zwar ist das Feindstrafrecht grundsätzlich geeignet, Rechtsgüter zu schützen und einen Staat entweder durch tatsächliche Gefahrenbekämpfung oder durch vermittelte Symbolik zu stabilisieren. Insbesondere letzteres konnte am Beispiel der DDR aufgezeigt werden. Das Jakobssche Modell eines separaten Feindstrafrechts ist aber im Rahmen realer Verbrechensbekämpfung bereits nicht erforderlich, da es den Idealcharakter, der dem Feindbegriff bei Jakobs selbst zukommt, nicht hinreichend berücksichtigt. Ein separates Sonderstrafrecht ist nämlich weniger flexibel und kann nicht den Tätermischformen gerecht werden, die sich zwischen Bürger- und Feindstatus bewegen. Das dualistische System von Jakobs ist daher im Einzelfall nicht ausreichend anpassungsfähig und neigt von Vorneherein zu einer höheren Mangelhaftigkeit im Hinblick auf fehlerhaft ausgesonderte Adressaten, die unter nur ein Strafrecht fallen dürfen. Darüber hinaus ist das Feindstrafrecht nach Jakobs ebenso wie ein weiter verstandenes Feindstrafrecht, das im Wesentlichen auf eine gesellschaftliche Kommunikation über den Feind abstellt, nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Neben der praktischen Unmöglichkeit, vorab die Feinde der Rechtsordnung mit Hilfe der prognostischen Erkenntnisverfahren aus dem Pool möglicher Normadressaten herauszufiltern, wird gerade der oberste Verfassungswert, nämlich die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 GG durch die Institutionalisierung feindstrafrechtlicher Normen eklatant verletzt. Das Grundgesetz spricht jedem Menschen aufgrund seines Menschs-Seins einen identischen und unantastbaren Würdegehalt zu, durch den sich eine strafrechtliche Schlechterstellung aufgrund einer der Person innewohnenden Gefährlichkeit prinzipiell verbietet. Dagegen stellt das Feindstrafrecht eine gesellschaftliche Exklusion bestimmter Täter und Lebensformen dar, die bereits im Nationalsozialismus zu verheerenden Zuständen geführt hat und die gerade dazu veranlasst hat, die Menschenwürde als höchsten Verfassungsgrundsatz zu konstituieren. Jakobs hat die normativen Prämissen der geltenden Verfassung im Rahmen seiner Ausführungen zur systemfunktionalen Dogmatik als auch zum Feindstrafrecht weitgehend ignoriert und bedient sich damit eines rückschrittlichen, exkludierenden Strafrechtmodells. In der Abgrenzung zu den Lehren Jakobs beginnt sich ressortübergreifend durch Beiträge von Praktikern des Strafrechts und Hoch-

Schlussbetrachtung

285

schullehrern eine personfunktionale Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik zu formieren, die nicht bereit ist, rechtsstaatliche Bindungen des Strafrechts vordergründigen Effizienzbestrebungen zu opfern. Es bleibt zu hoffen, dass diese Stimmen von der Judikatur und Gesetzgebung aufgegriffen werden und Jakobs Ansatz für die Zweiteilung des Strafrechts in Bürger- und Feindstrafrecht keine Zustimmung findet. 1438 Bereits im Jahr 1759 hat Benjamin Franklin jedenfalls davor gewarnt, zugunsten kurzfristiger Sicherheit die Freiheit aufzugeben: „Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.“ Benjamin Franklin (1706 –1790)

1438 So bereits Schneider, H. / Morguet, G. in: Uwer, T. (Hrsg.): Bitte bewahren Sie Ruhe 2006, S. 335 ff., 351 f.

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Sachverzeichnis agent provocateur 167, 170, 250, 283 Anlassgesetzgebung 106 Anti-Terror-Gesetze – Deutschland 107, 141 – Großbritannien 185 – Spanien 179 – USA 176 Bekämpfungsgesetzgebung 55, 96, 102, 104, 109, 112, 116 – 117, 127, 155, 183, 187, 191, 221, 224, 233, 237, 241, 243, 251, 255 – Begründung 106 – Erforderlichkeit 251 – Geeignetheit 215, 217 – 218, 224, 228 – Maßnahmenbündelung 218 – Optimalität 217 – Statistik 215 – Vokabular 105 Bestimmtheitsgrundsatz 78, 88, 158, 166, 257, 259, 268, 272, 274 – 276, 278 Betäubungsmittelstrafrecht 17, 95, 103, 106, 111, 120, 124, 127, 164, 202, 237 – in Kolumbien 180 – in Spanien 178 biometrischer Reisepass 142 Blutentnahme 48, 61, 75, 110, 128, 135 Brechmitteleinsatz 48, 75 Bürger – Begriff bei Lesch 48 – Begriff bei Pawlik 22 – Begriff nach Jakobs 21, 30 – freiheitliche Selbstverwaltung 22 – Internbereich siehe Bürger, freiheitliche Selbstverwaltung 23 – kognitive Mindestgarantie 21 Bürgerstrafrecht

– Beschaffenheitsmerkmale 41 – Grundlagen 20 – Rechtsgüterschutz siehe Feindstrafrecht, Rechtsgüterschutz 38 – Repressivität 45 – Strafe 26 – Strafmaß 43 – Strafzweck 23 – Verfahrensgarantien 45 – Verhältnis zum Feindstrafrecht siehe Feindstrafrecht, Verhältnis zum Bürgerstrafrecht 37 criminology of the other 188 –189 Culture of Control 187 DDR 18, 229, 232 –233, 244 Definitionsmacht 85, 88, 127, 236, 265, 272, 275 Drittes Reich siehe Nationalsozialismus 271 Einübung in Normanerkennung 25, 28, 52, 72, 74, 79, 81, 252, 260, 279, 283 Erforderlichkeit des Feindstrafrechts 245, 255 – Abspaltung vom Bürgerstrafrecht 252 – 253 – Bekämpfungsgesetzgebung 251 – duales System siehe Erforderlichkeit des Feindstrafrechts, Abspaltung vom Bürgerstrafrecht 252 – Prozessrecht 249 – Strafmaß 249 – Vorverlagerungen 247 Ermessensspielraum des Gesetzgebers siehe Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum 152

Sachverzeichnis Erweiterter Verfall 102, 209 Etikettierung des Feindes 124, 236 –237, 251, 278, 280 Exklusion des Feindes 32, 85, 262, 271, 278, 284 – im Nationalsozialismus 265, 270, 284 Fall Daschner 143, 159, 163, 175 Fall Motassadeq 152, 174 Feind – Adressatenkorrektheit 125, 133, 219, 221 – Begriff bei Carl Schmitt 32 – Begriff bei Lesch 29 – Begriff bei Pawlik 32, 34 – Begriff nach Jakobs 29 – 30, 33 – Entpersonalisierung 31 – Fallgruppen 34, 122 – 123, 274 – Fremdverwaltung 35 – kognitive Mindestgarantie 29, 33 – Unbestimmtheit des Begriffs 273, 275 Feindbilder 121 Feindstrafrecht – Abspaltung vom Bürgerstrafrecht 62, 252 – 253, 256 – Begriff bei Lesch 48, 74 – Begriff bei Pawlik 32, 62, 76 – Begriff nach Jakobs 20, 64, 66, 70, 73, 77 – Bekämpfungsgesetzgebung 55, 92 – Beschaffenheitsmerkmale 49 – de lege ferenda 137, 148, 189 – de lege lata 92 – 93, 136 – Grundlagen 28 – 29, 33 – im Ausland 175 – Kritik an der Rechtsgutslehre durch Jakobs 72 – materielle Vorverlagerung 49, 94 – physischer Zwang 37, 130, 137 – Prävention siehe Feindstrafrecht, Rechtsgüterschutz 38 – Prozessrecht 58, 110, 130, 133, 137 – prozessuale Vorverlagerung 60, 119 – Rechtscharakter nach Jakobs 79

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– Rechtsgüterschutz 36, 38, 40, 49, 55 – 56, 72, 76, 105, 197, 200 –201, 214, 244, 248 –249, 253 – Rezeption siehe Rezeption des Feindstrafrechts 81 – Strafe 36 – Strafmaß 54, 100 – Strafrechtscharakter 78, 84 – Strafzweck 35 – Tendenzen in der Rechtsprechung siehe Rechtsprechung 151 – Verhältnis zum Bürgerstrafrecht 37, 39 – Verwendungsebenen 64 – Zwangsmittel 36 Folter 62, 71, 77, 138, 142, 144, 147, 159, 220, 222, 283 Folterlegitimierung nach Dershowitz 147 funktionale Vergeltungstheorie 26 Geeignetheit des Feindstrafrechts 200, 244 – Abgrenzungsfunktion 236, 238 – Bekämpfungsgesetzgebung 215 – Datenüberwachung 210 – DDR 228 – Feindbekämpfung 219, 221, 223 – Prozessrecht 209, 212 –213 – Publizitätsfunktion 238 – Rechtsgüterschutz 201, 206 –207, 209 – Sicherheitsfiktionsfunktion 240 – Staatliche Stabilisierung 223, 238 – Stabilisierungsfunktion 226, 228, 233 – 234, 238, 240 – Strafmaß 207 – Symbolwirkung 233 – Vereinfachungsfunktion 238 – Vorverlagerungen 202, 205 –206 Gefährdungsdelikte 51, 98, 101, 248 Geldfälschung 51, 94 –95 Generalprävention, positive 25, 44, 79, 81, 252, 260, 279, 283 genetischer Fingerabdruck 141 Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum 152, 200, 228, 245, 252

324

Sachverzeichnis

Gewohnheitsverbrecher 35, 268 gläserne Konten siehe Konten-Screening 119 Gleichheitsgrundsatz 83, 89, 257 Großbritannien 179, 183, 185, 187, 283 Großer Lauschangriff 155, 174, 209, 237 Grundrecht auf Resozialisierung 91 Grundrecht auf Sicherheit 191, 194, 198 Handeltreiben 164, 175 Hell’s Angels 174 Idealtypen 17, 39, 41, 130, 138, 152, 180, 253, 256, 263, 278 Judenverfolgung 266, 268 – 269, 271 Jugendstrafrecht 79 Klimaschutzdelikte 53, 94, 104 Kolumbien 179 – 181, 189, 224, 226, 283 Kontaktsperre 61, 110, 115, 125, 134, 209, 214, 249 Konten-Screening 116, 119 Korruption 105, 121, 215, 225, 227 – Bekämpfung in Kolumbien 181 Kriminalität bei sonstiger sozialer Unauffälligkeit 204 – 206 kriminelle Vereinigung 51, 54, 59, 71, 94, 99 –100, 104, 114, 119, 125, 140, 174, 202, 206, 208, 235, 248 Krisengesetzgebung siehe Anlassgesetzgebung 106 Kronzeugenregelung 103, 116, 220 Luftsicherheitsgesetz 57, 108, 125, 148, 161, 175, 218, 283 Lügendetektor 48 Menschenwürde 81, 89 –90, 149, 156, 159, 162, 257, 259, 272, 278 – 279, 284 Missbrauchsklausel gemäß Art. 18 GG 89 Nationalsozialismus 83, 265, 268 – 270 nemo tenetur-Grundsatz 46, 58, 75, 87

Nürnberger Gesetze 266 Objektformel nach Dürig 90, 259 Online-Durchsuchung 150, 175 Organisierte Kriminalität 17, 56, 96, 102, 111, 124, 155, 169, 171, 190, 223, 237, 239 – Bekämpfung in der Schweiz 178 – Bekämpfung in Kolumbien 180 penal populism 239 Polenstrafrechtsverordnung 269 Polizeiliche Kriminalstatistik 216 Präventivhaft 138, 208 Prognosespielraum des Gesetzgebers siehe Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum 152 RAF 107, 114, 212 Rasterfahndung 111, 119, 174, 209, 211 – 212, 220, 222, 250 Rechtsgüterschutz als Ziel des Feindstrafrechts siehe auch Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts, legitime Ziele sowie Feindstrafrecht, Rechtsgüterschutz 197 Rechtsprechung 151, 173 – antifeindstrafrechtliche Beispiele 152, 155, 157 – Beispiele mit offener Tendenz 158, 161 – tendenziell feindstrafrechtliche Beispiele 164, 167, 169, 171 Rechtsstaatsprinzip 58, 89, 257, 272 Rezeption des Feindstrafrechts 81, 83 – Erste Reaktionen 81 – materielles Strafrecht 88 – Prozessrecht 87 – Strafrechtliche Qualität 84 – Verfassungsrecht 89 Risikogesellschaft 193 –194, 282 Risikostrafrecht 192, 281 Schläfer 202, 204 –206, 211, 276 Schleppnetzfahndung 111, 118 –119, 212, 250

Sachverzeichnis Schleyer-Entführung 115, 212 Schweiz 177, 283 SED 229, 232 Selbstexklusion des Feindes 35, 259, 263, 271 Selbstmordanschlag 28, 52, 124, 206, 247, 263, 277 Sexualstrafrecht 17, 56, 97, 104, 107, 109, 112, 137, 150, 171, 237, 281 – in den USA 177 – in Großbritannien 184 – in Spanien 178 Sicherungsverwahrung 48, 56, 107, 109, 112, 123, 174 – 175 Spanien 178 Stabilisierungsfunktion des Feindstrafrechts 198, 200, 223, 226, 228, 232 – Abgrenzungsfunktion 199, 234, 238, 243, 252, 254 – Effektivität feindstrafrechtlicher Maßnahmen 223 – Kolumbien 224 – Publizitätsfunktion 200, 238, 240 – Sicherheitsfiktionsfunktion 200, 240 – Vereinfachungsfunktion 199, 238, 240, 254 Stigmatisierung des Feindes siehe Etikettierung des Feindes 124 Strafe – als kommunikativer Vorgang 24, 26 – symbolische Wirkung 26 Symbolische Gesetzgebung 233, 243, 251 Symbolwirkung des Feindstrafrechts 199, 233, 243 Systemfunktionalismus 39, 72 Täterstrafrecht 79, 88 Tatstrafrecht 41 – 42, 47, 79, 85, 88, 275 Telekommunikationsüberwachung 61, 111, 120, 129, 211 – 212, 214, 220, 222, 228, 249 Terroranschlag siehe Selbstmordanschlag 52

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Terrorismus 17, 56, 77, 98, 105, 107, 114, 120, 138, 143, 150, 152, 175, 190, 208, 210, 218, 223, 228, 235, 237, 239, 247, 250, 255, 281, 283 – Bekämpfung in den USA 61, 175 – Bekämpfung in Deutschland 98, 103, 105, 107, 114 – Bekämpfung in Großbritannien 185 – Bekämpfung in Spanien 179 terroristische Vereinigung siehe kriminelle Vereinigung 54 three-strikes-Gesetze 177 ticking bomb case 146, 159 Todesstrafe 55, 227, 231 –232, 268, 270 Trennscheibe 115, 214 Umweltkriminalität 105, 127, 221 Unschuldsvermutung 46, 58, 78, 87, 89, 112, 214 Untersuchungshaft 48, 61, 75, 79, 110, 115, 118, 128, 135, 182, 214 Urkundsdelikte 51, 94 –95, 126, 129 USA 61, 124, 142, 144, 152, 175, 189, 283 V-Leute 61, 169, 175, 212, 214, 249, 283 Verbrechensverabredung 17, 49, 94, 98 – 100, 119, 129, 167, 202, 208, 220 –221, 248, 254 Verdeckte Ermittler 61, 111, 118, 166, 170, 209, 212, 214, 249 Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 256 – 257, 278 –279 – Bestimmtheitsgebot siehe auch Bestimmtheitsgrundsatz 272, 275 – Exklusionswirkung 262, 271 – Menschenwürde siehe auch Menschenwürde 259 Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts 196 – Erforderlichkeit siehe Erforderlichkeit des Feindstrafrechts 245 – Geeignetheit siehe Geeignetheit des Feindstrafrechts 200 – legitime Ziele 197 –198

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Sachverzeichnis

– Verfassungsmäßigkeit siehe Verfassungsmäßigkeit des Feindstrafrechts 256 Vermögensstrafe 102, 157, 174 Versicherungsmissbrauch 96, 126, 202, 220 Verstärkerkreislauf 106 Vorverlagerungen – Betäubungsmittelstrafrecht 95 – Organisierte Kriminalität 96 – Sexualdelinquenz 97 – Terrorismus 98 – Wirtschaftsdelikte 94

Vorverlagerung, Interna berücksichtigende siehe auch Feindstrafrecht, materielle Vorverlagerung 20, 49, 247 Waffengleichheit 47, 87 Wahlsteuerung 242 –243 Weiße Kragen-Kriminalität 125 Wirtschaftskriminalität 56, 94, 100, 125, 190, 202, 217 zero tolerance 177, 189 Zeugnisverweigerungsrecht 171, 184 Zweckmäßigkeit des Feindstrafrechts siehe Verhältnismäßigkeit des Feindstrafrechts 196