Süddeutsche Jakobiner : Klassenkämpfe und republikanische Bestrebungen im deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts 9783112530528

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Süddeutsche Jakobiner : Klassenkämpfe und republikanische Bestrebungen im deutschen Süden Ende des 18. Jahrhunderts
 9783112530528

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DE GRUYTER

Heinrich Scheel (Ed.)

SÜDDEUTSCHE JAKOBINER

SCHRIFTEN DES INSTITUTS FÜR GESCHICHTE / REIHE 1: ALLGEMEINE UND DEUTSCHE GESCHICHTE

DE

G

DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN

SCHRIFTEN DES INSTITUTS FÜR GESCHICHTE REIHE I: ALLGEMEINE UND DEUTSCHE GESCHICHTE

BAND 13

HEINRICH SCHEEL

SÜDDEUTSCHE JAKOBINER Klassenkämpfe

und republikanische Bestrebungen im deutschen Süden

Ende des 18. Jahrhunderts

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN-1962

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3*4 Copyright 1962 by Akademie-Verlag GmbH

Lizenznummer: 202 • 100/141/62 Satz, Druck und Bindung: 1V/2/14 * VEB Werkdruck Gräfenhainichen * 1687

Bestellnummer: 2083/I/L3 • ES 14 E

MEINER MUTTER

UND DEM ANDENKEN MEINES VATERS

INHALTSVERZEICHNI S

Vorwort

Kapitel I Die sozialökonomischen Verhältnisse und die Verschärfung der Klassenkämpfe nach dem Beginn des Reichskrieges............................................................................. 1. Das Kurfürstentum Bayern................................................................................ 2. Das Herzogtum Württemberg........................................................................ 3. Die Markgrafschaft Baden................................................................................ 4. Die Reichsstädte................................................................................................. 5. Die übrigen Territorien und Territorialsplitter..........................................

1 5 35 51 58 81

Kapitel II Der Widerstand der Massen gegen den Interventionskrieg..................................

97

Kapitel HI Die Zusammenarbeit antifeudaler Kräfte mit Frankreich........................................... 146

Kapitel IV

Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen während des Feldzuges 1796 193 1. Die Stimmung der Massen bei Beginn des Feldzuges....................................... 195 2. Das Verhalten Frankreichs zu den republikanischen Bestrebungen ... 215 3. Die Hintergründe der Politik des bourgeoisen Frankreichs.......................... 241 4. Das Verhalten der französischen Armeen und der Beginn des Volks­ widerstandes ............................................................................................................... 258 Kapitel V Die bürgerlich-liberale Bewegung in Württemberg 1796/1797 ..............................

291

1. Die bürgerlich-liberale Bewegung in der Zeit der Vorbereitung des Landtages................................................................................................................... 293 2. Der Reformlandtag 1797 .......................... 325

Kapitel VI Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten zu Beginn des Rastatter Kongresses 1797/1798 ...................................................................................................... 353 1. Die allgemeine politische und militärische Situation vom Ende des Jahres 1796 bis zum RastatterKongreß........................................................................... 355 2. Die Bestrebungen linksrheinischer Republikaner zur Revolutionierung Südwestdeutschlands..............................................................................................364 3. Der Plan zur Sprengung desRastatter Kongresses.........................................385

VI

Inhaltsverzeichnis

Kapitel VII

Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung im gesamten Süden unter dem Einflufj der helvetischen Revolution 1798/1799 ........................................................ 409 1. Die zunehmende Gärung in Oberschwaben und am Oberrhein . . . . 411 2. Die Radikalisierung in Württemberg und Franken...................................... 425 3. Das Anwachsen der antifeudalen Opposition in Bayern.............................. 438 4. Die revolutionär-demokratischen Bestrebungen zur Bildung einer süd­ deutschen Republik.............................................................................................. 452 5. Die französische Politik gegenüber den Fürsten und den Revolutionären 499 Kapitel VIII

Der 2. Koalitionskrieg 1799-1801 und die Ausläufer der revolutionär-demo­ kratischen Bestrebungen im autjerbayerischen Süden............................................... 523 1. Die Haltung der süddeutschen Fürsten während des Krieges......................525 2. Volksbewaffnungspläne und das Verhalten der Massen im Kriege . . . 535 3. Die Ausläufer der revolutionär-demokratischen Bestrebungen .... 555 Kapitel IX Die republikanischen Bestrebungen in Bayern als letzter Höhepunkt der anti­ feudalen Bewegung in Süddeutschland 1799-1801 ........................................................589 1. Liberale Bestrebungen nach dem Regierungsantritt Maximilian Josephs in Bayern 1799 ...................................................................................................... 591 2. Die Radikalisierung der antifeudalen Bewegung mit dem Beginn des Jahres 1800 ........................................................................................................... 612 3. Republikanische Bestrebungen nach demEinmarsch derFranzosen 1800 634 4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen1800/1801 ........................ 672

Schluhbemerkungen...............................................................................................................698 L Literaturverzeichnis ........................................................................................................... 714

II. Personen- und Ortsregister.............................................................................................. 740

VORWORT

Die vorliegende Arbeit möchte als ein Beitrag zu dem großen Thema des Einflusses der Französischen Revolution auf Deutschland verstanden sein; sie möchte Voraus­ setzungen schaffen helfen, die eine umfassende wissenschaftliche, das heißt mar­ xistische Untersuchung des Gesamtproblems ermöglichen. Mit der Französischen Revolution beginnt die Periode des Sieges und der Festigung des Kapitalismus in den fortgeschrittenen Ländern. Das gilt auch für Deutschland. Die feudale Ord­ nung, die jede Entwicklung in jeder Sphäre des gesellschaftlichen Lebens zu er­ sticken drohte, war überreif; ihr Sturz und die Durchsetzung der bürgerlichen Ge­ sellschaft standen auf der Tagesordnung. Auf Deutschland - zumal es unmittelbarer Nachbar Frankreichs war - mußte darum das welthistorische Ereignis der Franzö­ sischen Revolution einen besonders starken Einfluß ausüben. Im Zuge der Revolution in Frankreich und ihrer Folgen machte Deutschland tiefgreifende Veränderungen durch, die es auf den Weg zu einer bürgerlichen Gesellschaftsordnung führten. Eine solche Feststellung ist verhältnismäßig leicht getroffen, besagt sie doch nur, daß auch in Deutschland die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Entwicklung vom Feu­ dalismus zum Kapitalismus zum Durchbruch gelangte. Von besonderem Interesse aber und nur durch umfangreiche Detailforschungen zu ergründen ist die Art und Weise, wie sich unter den konkreten historischen und nationalen Bedingungen diese Entwicklung durchsetzte. Die Beantwortung dieser Frage hilft spezifische Züge erkennen, die den Verlauf der Geschichte des deutschen Volkes bis in unsere Zeit maßgeblich bestimmten. Sie hilft die Verderber unseres Volkes von den schöpfe­ rischen Kräften sondern und die rechte Orientierung im gegenwärtigen Kampf um die Lösung der Schicksalsfragen der Nation gewinnen. Nirgends werden die histo­ rischen Wurzeln der Kräfte des Fortschritts und der Reaktion von heute in dieser Deutlichkeit bloßgelegt wie an den Knotenpunkten unserer Geschichte. Die Fran­ zösische Revolution als ein welthistorisches Ereignis, das unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklung in Deutschland nahm, ist ein solcher Knotenpunkt. Das Schicksal der deutschen Nation hängt von der Entwicklung der Demokratie ab. Das ist eine Erkenntnis, die zu begreifen nicht schwerfallen sollte, nachdem die Dik­ tatur der deutschen Imperialisten und Militaristen bereits zwei verheerende Kriege über die Völker gebracht hat. Die Erkenntnis ist zudem schon vor mehr als hundert Jahren von Marx und Engels formuliert worden. Nicht zufällig jedoch waren es die Begründer der proletarischen Ideologie, die damit die wahren nationalen Lebens­ interessen des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit zum Ausdruck brachten. Die nationalen Lebensinteressen werden von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung bestimmt und sind dann gewahrt, wenn die Nation den historisch notwendigen Fortschritt auf breitester Basis und darum mit maxi-

VIII

Vorwort

maler Gründlichkeit bewältigen kann, das heißt, die nationalen Lebensinteressen werden in dem Grade gewahrt, wie die Demokratie die inneren und äußeren Be­ ziehungen der Nation gestaltet Die Arbeiterklasse, deren Sieg über die kapitalistische Ausbeuterordnung Verhältnisse schafft, .worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist * 1, gerät zu keiner Zeit in Wider­ spruch mit den Grundinteressen der Nation, sondern ist umgekehrt die einzige Klasse, die uneingeschränkt die historischen Entwicklungsbedürfnisse der Nation zu erkennen und für sie einzutreten vermag. Anders die Bourgeoisie! Selbst in ihrem progressiven Stadium, da sie noch eine aufsteigende Klasse war und der Nation gegenüber einen Führungsanspruch erheben durfte, war sie .unfähig zu einem konsequenten Demokratismus", verhinderte ihr Charakter als Ausbeuterklasse, daß sich ihre Interessen mit denen der Nation vollkommen deckten. »Für die Bourgeoisie ist es vorteilhaft, daß die bürgerliche Revolution nicht gar zu entschieden alle Über­ reste der alten Zeit hinwegfegt, sondern einige von ihnen bestehen läßt, daß also diese Revolution nicht völlig konsequent ist, nicht bis zu Ende geht, nicht entschieden und schonungslos ist...; daß diese Umgestaltungen die revolutionäre Aktivität, Initiative und Energie des einfachen Volkes, das heißt der Bauernschaft und ins­ besondere der Arbeiter, möglichst wenig entwickeln, denn sonst wird es den Ar­ beitern um so leichter fallen, ... die Waffen, mit denen die bürgerliche Revolution sie ausrüstet, die Freiheit, die sie ihnen gibt, und die demokratischen Einrichtungen, die auf dem von der Leibeigenschaft gesäuberten Boden entstehen, gegen die Bour­ geoisie selbst zu kehren.'2 Das gilt mehr oder weniger für jede Bourgeoisie, auch für die französische, obwohl sie eine klassische Revolution durchführte, den König köpfte und eine Republik gründete. .Jawohl, sie hat die Republik errichtet, aber was für eine, - eine wirklich demokratische?’3 Nein! Selbst unter den Jakobinern be­ hielt das Gesetz Le Chapelier, das den Arbeitern das Assoziations- und Streikrecht verweigerte, seine Gültigkeit. War schon die französische Bourgeoisie »unfähig zu einem konsequenten Demo­ kratismus', um wieviel mehr die deutsche! Sie kann geradezu den traurigen Ruhm für sich beanspruchen, das klassische Beispiel für die extremste Inkonsequenz und Kompromißlerei mit den Kräften der feudalen Reaktion geliefert zu haben. In un­ gleich stärkerem Maße waren darum auch ihre positiven Leistungen für die Ent­ wicklung der Nation von vornherein mit negativen Elementen verbunden, die den Lebensinteressen der Nation widersprachen. Ihre antidemokratischen Tendenzen, die ihr in besonders starkem Maße bereits in der aufsteigenden Phase eigen waren, wirkten sich ebenso sehr als antinationale Momente aus. Mit dem Übergang in das Stadium des Imperialismus vermochte die Bourgeoisie, extrem antidemokratisch und reaktionär geworden, in gar keiner Weise mehr die Entwicklungsbedürfnisse 1 Marx/Engels, Manifest der Kommunistischen Partei. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1959, Bd. 4, S. 482. 2 Lenin. W. I., Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1957, Bd. 9, S. 37/38. 3 Stalin, J. W., Die provisorische revolutionäre Regierung und die Sozialdemokratie. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1950, Bd. 1, S. 129.

Vorwort

IX

der Nation zu vertreten; im Gegenteil, sie hat sich in den schlimmsten Feind der Nation verwandelt, und es ist nun die Arbeiterklasse, die als konsequenteste demo­ kratische Kraft die Führung der Nation übernimmt. So wie die Arbeiterklasse zu allen Zeiten der beste Sachwalter der nationalen Interessen war und ist, so ist auch die Ideologie der Arbeiterklasse, der Marxismus-Leninismus, allein in der Lage, eine nationale Konzeption zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Nation voll­ kommen entspricht. .Die Ziele der Kommunisten entsprechen den höchsten Inter­ essen der Nation. * 4 Eine solche auf der Basis des Marxismus-Leninismus entwickelte nationale Kon­ zeption bestimmt heute die Politik der Deutschen Demokratischen Republik, des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden. Sie betrachtet als den Kern der nationalen Frage in der Gegenwart die Beseitigung des deutschen Imperia­ lismus und Militarismus, deren Kriegsvorbereitungen die physische Existenz des ganzen deutschen Volkes bedrohen. Dieser Konzeption liegt die wissenschaftliche Analyse der Widersprüche der gesellschaftlichen Entwicklung und der Klassen­ kämpfe unserer Zeit zugrunde, gesehen auf dem weltweiten Hintergrund der Gegen­ sätze zwischen den proletarisch-revolutionären Kräften auf der einen und den impe­ rialistisch-reaktionären auf der anderen Seite. Die Wissenschaftlichkeit der Analyse schließt die Berücksichtigung der Lehren aus Jahrhunderten deutscher Geschichte ein. Die nationale Konzeption ist darum nicht nur der zuverlässige Kompaß für unseren Weg nach vorn, sondern sie bietet gleichzeitig die sichere Orientierung für das Verständnis unserer nationalen Geschichte insgesamt. Die proletarische Kon­ zeption der nationalen Entwicklung hat ihre Vorgeschichte; Träger der notwendiger­ weise unreiferen, vorproletarischen Konzeption war die Gesamtheit der werktätigen Volksmassen, und ihre Verkünder waren zugleich die Verfechter der entschiedensten demokratischen Forderungen ihrer Zeit. Der Historiker, der über die Geschichte der deutschen Nation im Zeitalter der Französischen Revolution schreiben will, muß hier ansetzen; er muß für diese entschiedensten demokratischen Kräfte Partei er­ greifen, denn sie gaben den nationalen Bedürfnissen ihrer Epoche den klarsten Aus­ druck; er muß diese wahrhaft nationalen Kräfte der Vergessenheit entreißen, in die sie die bürgerliche Geschichtsschreibung gestoßen hat, und das verpflichtende Erbe wieder lebendig machen, damit es uns in unserem gegenwärtigen Kampf um ein einiges, friedliebendes und wahrhaft demokratisches Deutschland beseelt. Aus­ gerüstet mit einer nationalen Konzeption, die den Lebensinteressen des deutschen Volkes vollkommen entspricht, kann der marxistische Historiker Fragen an die Geschichte stellen, deren Beantwortung die Vergangenheit für die Gegenwart nutzbar macht, und gleichzeitig sicher sein, den richtigen Ansatzpunkt für eine exakte und umfassende wissenschaftliche Erforschung des Entwicklungsganges der deutschen Nation zu besitzen. Die bürgerliche Historiographie hat zu keiner Zeit eine solche zuverlässige Orien­ tierung besessen. Imperialistisch entartet, verfälscht sie die Vergangenheit, um die 4 Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien. In: .Einheit, Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus', 15. Jahrg., H. 12, S. 1814, 1960.

X

Vorwort

antinationale Politik der Imperialisten und Militaristen mit historischen Argumenten zu versorgen. Es ist bezeichnend, daß die deutsche bürgerliche Geschichtsschreibung in mehr als einem Jahrhundert kein Werk zustande gebracht hat, das sich in um­ fassender Weise mit dem Problem des Einflusses der Französischen Revolution auf Deutschland auseinandersetzt. Ihr war nichts daran gelegen, eine Problematik zu untersuchen, die geeignet wäre, den Kampf der deutschen Arbeiterklasse um eine demokratische Entwicklung Deutschlands nach innen und außen durch die Aufdeckung der revolutionären und demokratischen Traditionen des deutschen Volkes zu unterstützen. Die Lücke wird auch nicht durch das 1951 erschienene Buch von Fritz Valjavec über die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland im Zeitraum von 1770 bis 1815 ausgefüllt.5 Erstens läßt diese Thematik dem Einfluß der Französischen Revolution nur einen geringen Raum. Zum anderen leidet Valjavecs Darstellung unter der vorgefaßten Meinung, .daß unsere Nation in diesem wichtigen Abschnitt europäischer Geschichte auf der Höhe ihrer politischen und sittlichen Aufgaben gestanden hat'.6 Das ist reinste Apologetik der deutschen Bour­ geoisie, deren Versagen dem deutschen Volk aufgebürdet und als »legitime nationale Eigentümlichkeit' gerechtfertigt wird. Es ist nur nicht Apologetik von jener primi­ tiven Art, die da historisch bewies: »Ausländer, Fremde sind es meist. Die unter uns gesät den Geist Der Rebellion. Dergleichen Sünder, Gottlob I sind selten Landeskinder.'7 Soweit Valjavec mit seinen Materialien dazu beiträgt, diese unsinnige Vorstellung zu zerstören, erwirbt er sich ein Verdienst; soweit er damit auch Plänen bestimmter imperialistischer Kreise in den USA nach 1945 entgegentrat, die mit der These von der politischen Unbegabtheit des deutschen Volkes die Notwendigkeit der Ver­ wandlung Deutschlands in einen Kartoffelacker begründeten, leistete er Nützliches.8 Aber niemals kann man sich damit einverstanden erklären, daß er das Unvermögen des deutschen Bürgertums als Gesamtklasse, seine historische Mission zu erfüllen und im Bündnis mit den Volksmassen die soziale und nationale Frage kompromißlos im bürgerlichen Sinne zu lösen, den Leistungen des französischen Bürgertums eben­ bürtig zur Seite stellt. Ja, Valjavec erlaubt sich sogar die Ungeheuerlichkeit, die deutsche faschistische Barbarei mit der französischen Geschichte von 1792 bis 1814 als Verfehlungen beider Völker zu vergleichen.8 Von einer solchen Warte aus dem9 9 Valjavec. Fritz. Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815. Verlag von R. Oldenbourg, München 1951. * Ebenda, S. 416. 7 Heine, Heinrich, Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen. In: Werke und Briefe in zehn Bänden. Herausgegeben von Hans Kaufmann. Auf bau-Verlag, Berlin 1961, Bd. 2, S. 240. " Valjavec, Fritz, a. a. O., S. 415. * »Mögen unsere Fehler in einem bestimmten Zeitabschnitt der jüngsten Vergangenheit noch so groß gewesen sein, der Wert oder Unwert eines Volkes darf nicht an einer einzelnen, im Grunde willkürlich herausgegriffenen Entwicklungsstufe gemessen werden. Es ist ja auch nicht üblich, Frankreich nach seiner Politik im Zeitalter Ludwigs XIV. oder der Zeit zwischen 1792 und 1814 zu beurteilen.' Ebenda, S. 416.

Vorwort

XI

Problem des Einflusses der Französischen Revolution auf Deutschland gerecht zu werden, ist selbstverständlich unmöglich. Es sind ausländische bürgerliche Historiker, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. 1920 veröffentlichte der Engländer George Peabody Gooch und 1928 der Schweizer Alfred Stern ein Werk zu dieser Frage.10 Beide Historiker sind dem Problem nicht auf den Grund gegangen, sondern haben lediglich das Echo der Fran­ zösischen Revolution in den Köpfen einzelner deutscher Schriftsteller und Philo­ sophen am Ausgange des 18. Jahrhunderts untersucht. Mit Recht sagt Jacques Droz von diesen beiden Werken: .Man weil) nicht, nachdem man sie gelesen, was die deutsche Nation gedacht hat.' 11 Allerdings hält auch das eigene, 1949 erschienene Werk dieses französischen Historikers nicht das, was es im Vorwort verspricht, und schließt nicht die bei seinen Vorgängern richtig erkannte Lücke. Der Kreis, den er in die Betrachtung einbezieht, ist breiter gespannt, aber nimmt dennoch gerade die entscheidende Kraft der geschichtlichen Entwicklung, die Volksmassen, aus. Droz treibt, nicht anders als Gooch und Stern, abstrakte Ideologiegeschichte, losgelöst von den konkreten sozialen Verhältnissen in Deutschland, deren Erforschung er zwar für wünschenswert hält, von denen er jedoch absehen zu können meint.12 Ein solcher idealistischer Ausgangspunkt mufj mit Notwendigkeit zur Verzerrung der histo­ rischen Wahrheit führen: Die demokratischen Bewegungen, in denen die Wirkung der Französischen Revolution ihren gründlichsten und nachhaltigsten Ausdruck fand, werden in ein paar Zeilen oder gar in Anmerkungen abgehandelt13; die rein meta­ physische Rezeption französischer Ideen durch die Mehrheit der bürgerlichen In­ telligenz dagegen - von Droz nicht begriffen als das in der allgemeinen Rückständig­ keit der deutschen Bourgeoisie begründete Unvermögen, die in den Volksmassen vorhandenen revolutionären Potenzen in eine aktive und unüberwindliche Kraft zum Sturz des Feudalismus zu verwandeln - wird umgekehrt in aller Breite dar­ gestellt und die Trennung des geistigen vom politischen Leben sogar als ein wert­ voller Zug des Deutschen schlechthin interpretiert. Den Deutschen kennzeichne ein Missionsgedanke, der sich auf die von Schiller behauptete Überlegenheit seiner moralischen Kultur gründe. Droz ist in dieser abstrakten Vorstellung vom deutschen Wesen so befangen, daß er solchen praktischen Revolutionären wie Forster oder Rebmann natürlich nicht gerecht werden kann. Wenn er im August 1959 auf einem Kolloquium deutscher und französischer Historiker in Leipzig den Verfasser dieser Arbeit davor warnte, Verbreitung und Einflufj entschieden revolutionärer Flug­ schriften, wie sie in Süddeutschland umliefen, zu überschätzen 14, so wäre dabei zu 10 Gooch, George Peabody, Gennany and the French Revolution. London 1920. Stern. Alfred. Der Einflufj der Französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben. Stuttgart u. Berlin 1928. 11 .On ignore, après les avoir lus, ce qu'a pensé la nation allemande.' Droz, Jacques, L'Alle­ magne et la Révolution française. Presses Universitaires de France Paris 1949, S. III. “ Ebenda, S. IV. ,s Ebenda, S. 41 Anm. 1, S. 105, 207. 14 Laube. Adolf. Erstes Kolloquium von Historikern Frankreichs und der DDR. In: .Zeitschrift für Geschichtswissenschaft', 7. Jahrg., H. 6, S. 1348, 1959.

XII

Vorwort

erinnern, daß sich zum Beispiel in ganz Bayern ein einziger Subskribent für Goethes Werke fand, und dieser eine war der preußische Gesandte in München. Droz unter­ schätzt nicht nur, sondern er sieht überhaupt nicht die in den Volksmassen lebendige demokratische Kraft. Zu welchen politischen verderblichen Konsequenzen ein solcher Standpunkt führt, zeigt der ungeheuerliche Satz, mit dem Droz seinen im Dezember 1951 am Institut für europäische Geschichte in Mainz gehaltenen Vortrag über .Deutschland und die Französische Revolution * schloß: .Zum Verständnis des gegen­ wärtigen Deutschland ist es höchst wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß der Begriff der deutschen Mission dem des deutschen Nationalbewußtseins vorausging. * lfi Gemeint ist das Deutschland Adenauers, der eben erst unser Vaterland gespalten hatte, um einer wahrhaft demokratischen Entwicklung des ganzen Deutschlands den Weg zu verlegen; gemeint ist das Deutschland der wiedererstarkenden Imperialisten und Militaristen, deren .Missionstätigkeit' nur wenige Jahre zuvor für Europa in einem Meer von Blut und Tränen endete,- gemeint ist das Deutschland der Revan­ chisten, die nach dem Zusammenbruch 1945 klein begannen, heute aber als .Mis­ sionare des christlichen Abendlandes' schon wieder diktieren wollen und gewissenlos den Frieden der Welt bedrohen. Die Leugnung der Rolle der Volksmassen hat den französischen Historiker die grimmigsten Feinde auch seines eigenen Volkes ver­ kennen lassen. Die Mißachtung der Volksmassen ist eine generelle Erscheinung in der bürgerlichen Historiographie. Sie versperrt ihr den Zugang zum wirklichen Verständnis der histo­ rischen Entwicklung, denn wie will man die Geschichte eines Volkes schreiben, wenn man das eigentliche Volk, die werktätigen Massen, negiert I Die deutsche Geschichte im Zeitalter der Französischen Revolution liegt wie ein riesiges, kaum beackertes Feld vor der marxistischen Geschichtsforschung, die allein die Mittel besitzt, es gründlich zu erschließen. Der Boden verspricht eine reiche Ernte an wissenschaftlichen Kenntnissen und Erkenntnissen, aber er verlangt zugleich, daß beträchtliche Arbeit investiert wird. Tausend Fragen sind zu klären. Für den mar­ xistischen Historiker, der die Geschichtsforschung nicht um ihrer selbst willen treibt, ist es selbstverständlich, daß er solchen Fragen den Vorzug gibt, deren Lösung einen unmittelbaren ideologischen Beitrag für den Sieg der friedliebenden Kräfte des deutschen Volkes in der Gegenwart darstellt. Ausgehend von der nationalen Kon­ zeption der Partei der Arbeiterklasse untersucht darum die vorliegende Arbeit in erster Linie den Kampf der Volksmassen und ihrer mutigsten Sprecher gegen den verrotteten Feudalismus und für die Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschafts­ ordnung, gegen den Partikularismus und für einen deutschen Nationalstaat. Sie orientiert sich auf die entschiedensten demokratischen Kräfte, weil sie hinsichtlich der nationalen Entwicklung eine Grundlinie vertraten, die den Lebensinteressen des deutschen Volkes am meisten entsprach, die, von der Arbeiterklasse fortgesetzt, auf höherer Stufe in der Deutschen Demokratischen Republik zum Siege geführt wurde und auch das künftige einheitliche Deutschland bestimmen wird. Die Arbeit 14 Droz, Jacques. Deutschland und die Französische Revolution. Steiner Verlag, Wiesbaden 1955, S. 33.

Vorwort

XIII

begrenzt die Untersuchung dieser Problematik zeitlich und territorial. Sie beschränkt sich auf das südliche Deutschland in der Zeit zwischen dem Beginn des Reichs­ krieges 1793 und seinem unwiderruflichen Ende 1801, dem Schritt um Schritt die Auflösung des alten Reichsverbandes folgte. Sie wählt also einen Teil Deutschlands und einen Zeitabschnitt aus, worin im Gefolge der Kriege zwischen dem bürger­ lichen Frankreich und der feudalen Koalition die Gegensätze zwischen dem Neuen und dem Alten besonders scharf aufeinanderstiefjen. Dieser Tatbestand rechtfertigt eine so detaillierte Untersuchung wie die vorliegende; gleichzeitig erzwangen die Fülle des zu bewältigenden Materials und der Mangel an marxistischen Vorarbeiten eine solche Beschränkung. Was die bürgerliche Historiographie zur Geschichte Süddeutschlands im aus­ gehenden 18. Jahrhundert zusammengetragen hat, ist umfangreich, aber im Grunde doch vor allem Material und nur in begrenztem Sinne eigentliche Vorarbeit. Im wesentlichen hat sie historische Fakten gesichert und im günstigsten Falle Teil­ erkenntnisse geliefert, die für die vorliegende Arbeit genutzt werden konnten. Die Masse der Darstellungen behandelt landes- und lokalgeschichtliche Themen aller Art, meist in Form von Aufsätzen, die in den verschiedensten landesgeschichtlichen Zeitschriften verstreut sind. Ihr Wert für die vorliegende Untersuchung besteht darin, daß sie da und dort Mitteilungen über oppositionelle Regungen, wenn auch oft nur als lokale Kuriosa bringen. In dieser Art nützlich sind sogar die vielen rein chauvinistischen Machwerke, die sorgfältig alle Exzesse der französischen Truppen registrieren, um sich darüber zu entrüsten, und doppelt entrüstet sind, wenn die Bevölkerung den Franzosen vielfach dennoch vor den Soldaten der Koalition den Vorzug gab. Dasselbe gilt von den Darstellungen, die zu Nutz und Frommen des deutschen Militarismus den in einzelnen Gegenden aufflammenden Volkswiderstand gegen die republikanischen Armeen als Ausdruck eines völkischen Wehrwillens preisen, aber trotz ihrer Kunst in der Verzerrung am Material letztlich scheitern. Die allgemeine Tendenz der bürgerlichen Historiographie, eine Thematik zu meiden, die revolutionäre und demokratische Traditionen im deutschen Volke lebendig er­ halten könnte, erstreckt sich auch auf die Landesgeschichte, obwohl gerade hier kaum ein Gegenstand unbearbeitet bleibt, aus dem sich ein Artikel fabrizieren lägt. Dynastische Geschichtsklitterung dominiert und gibt selbst den verschwindend wenigen Arbeiten, die tatsächlich einzelne revolutionär-demokratische Bestrebun­ gen behandeln, noch das Gepräge. So liegen für das Gebiet des Oberrheins im wesentlichen nur zwei Aufsätze vor, um die Jahrhundertwende von dem Karlsruher Archivrat Obser verfaßt, die denn auch ganz im Sinne des Krähwinkler Magistrats die Revolutionäre als Werkzeuge des Auslandes verleumden und auf diese Weise die Leser zu treuer Anhänglichkeit an das angestammte badische Herrscherhaus erziehen wollen.16 Ähnliche Aufsätze lieferten Heigel und Du Moulin Eckart im ausgehenden 19. Jahrhundert über die18 18 Obser, Karl, Der Marquis von Foterat und die revolutionäre Propaganda am Oberrhein im Jahre 1796. In: .Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins', NF Bd. 7, S. 385 ff., 1892. Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda am Oberrhein im Jahre 1798. In: .Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins*, NF Bd. 24, S. 199 ff., 1909.

XIV

Vorwort

revolutionären Bestrebungen in Bayern, dessen Bevölkerung natürlich »gar nicht dazu angetan' war und die .in dem gesunden Sinne des Volkes nicht Wurzel zu fassen vermochten'.17*19Du Moulin Eckart insbesondere scheute keine Mühe, die .Ehre' eines so namhaften Bayern wie Utzschneider vor dem Verdacht revolutio­ närer Gesinnung zu retten und, Palmström antizipierend, zu beweisen, .daß nicht sein kann, was nicht sein darf *. 18 Maenner, der in der Zeit der Weimarer Republik schrieb, die immerhin das Kind einer Revolution war, glaubt ebenso in der Ge­ schichte den Trost zu finden, daß der deutsche Volkscharakter den gallischen .Blut­ rausch' nicht kennt, .die schwärenden Wunden seines Staates nur selten und immer kurz zum Ausbruch treibt und zu völliger Heilung nicht ausbluten läßt' ie,- seine Darstellung, die übrigens bereits dort schließt, wo die bayerischen Revolutionäre noch gar nicht zu massiver Offensive angesetzt haben, dient ganz eindeutig der Rechtfertigung aller Halbheiten der Novemberrevolution und der blutigen Unter­ drückung der Münchener Räterepublik im besonderen. Für den engen Bereich der Stadt Nürnberg in der Zeit zwischen 1789 und 1796 hat jüngst Ernstberger einige wertvolle Materialien mitgeteilt. Die chronologische Anordnung und der Verzicht auf eine Analyse der sozialen Herkunft seiner Funde machen es ihm möglich, eine Tendenz zunehmender Mäßigung der oppositionellen Kräfte herauszulesen; wenn dann entgegen dieser angeblichen Tendenz dennoch ein Aufruhr ausbricht und die Stadt erschüttert, rettet sich Ernstberger in die Psychologie und meint, daß sich hier .etwas wie eine Torschlußpanik unter den Nürnberger Revolutionsgesinnten anzudeuten' scheine.20 Für Württemberg liefert Hölzle das meiste Material, bettet es jedoch ganz in den Streit zwischen Herzog und Ständen ein, so daß es darin förmlich untergeht.21 Wertvoller als die Darstellungen waren für die vorliegende Arbeit die Akten­ publikationen bürgerlicher Historiker, seien es Veröffentlichungen kleinerer Funde in landesgeschichtlichen Zeitschriften, Dokumentenanhänge oder groß angelegte Editionen. Aus ihnen spricht die Zeit selbst, wenn auch nicht die Zeit schlechthin. In dreifacher Weise ist die Aussagekraft dieser Publikationen eingeschränkt: Erstens handelt es sich bei den kleineren Veröffentlichungen vielfach um Zufalls­ funde; solchem Zufall muß man dankbar sein, aber er ist natürlich kein zulängliches Auswahlprinzip. Zweitens sind die Gesichtspunkte, unter denen vor allem bei grö­ ßeren Editionen die Auswahl erfolgt, so sehr von den Interessen der bürgerlichen 17 Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München. In: Aus drei Jahrhunderten. Vorträge aus der neueren deutschen Geschichte. Wien 1881, S. 206. Du Moulin Eckart, Richard Grat, Regierungsfeindliche Strömungen in Bayern und die auswärtigen Mächte im Jahre 1800. In: Beilage zur .Allgemeinen Zeitung', Jahrg. 1893, Nr. 205 (Beilagen-Nr. 170), S. 5. 19 Du Moulin Eckart, Richard Grat, Eine Ehrenrettung. In: .Forschungen zur Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns', Bd. 5, S. 129 ff., 1897. 19 Maenner, Ludwig, Bayern vor und in der Französischen Revolution. Berlin u. Leipzig 1927, S. 164. N Ernstberger, Anton, Nürnberg im Widerschein der Französischen Revolution 1798-1796. In: .Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte', Bd. 21, S. 462, 1958. 21 Hölzle, Erwin, Das alte Recht und die Revolution. Eine politische Geschichte Württembergs in der Revolutionszeit 1789-1805. München u. Berlin 1931.

Vorwort

XV

Historiographie bestimmt, daß häufig Wesentliches zu Unwesentlichem erklärt und damit von der Aufnahme ausgeschlossen wird. In der von Erdmannsdörffer und Obser bearbeiteten und herausgegebenen mehrbändigen Politischen Correspondenz Karl Friedrichs von Baden zum Beispiel liest man die bezeichnende Anmerkung: .Weitläufige Untersuchungsakten finden sich im Generallandesarchiv, die für die Geschichte der geheimen Propaganda von Interesse sind, aber hier nicht eingehender mitgeteilt werden können. * 22 Drittens sind diese Dokumente in ihrer weitaus über­ wiegenden Mehrzahl Äußerungen der herrschenden Klasse, die notwendig die Regungen des Volkes und revolutionäre Bestrebungen feindlich und darum verzerrt registriert. Während Archivstudien den zweiten genannten Mangel aufheben können, bleibt die letzterwähnte Schwierigkeit immer dieselbe; bei der Überfülle des archivalischen Materials ist auch der Zufall nicht völlig auszuschalten, der den Forscher manche brauchbare oder sogar wertvolle Quelle übersehen läßt. Gerade die Unmöglichkeit aber, sämtliche vorhandenen Archivmaterialien zu durchmustern, macht die genannten Publikationen bei allen Einschränkungen dennoch zu wert­ vollen Hilfen. Dasselbe gilt in noch höherem Maße von Memoiren, Tagebüchern, Briefwechseln etc., die bürgerliche Wissenschaftler herausgegeben haben. Einmal verhindert hier das in der Regel angewandte Prinzip der Vollständigkeit eine einseitige Auswahl; zum zweiten finden sich unter den Verfassern nicht nur Repräsentanten und Verteidiger der bestehenden Ordnung, sondern auch kritische Beobachter und oppositionelle Köpfe. Selbst wenn ihre Opposition nicht über liberale Tendenzen hinausging, beleuchten ihre Darstellungen die Ereignisse aus einem anderen Blick­ winkel als die staatlichen Organe, ergänzen die amtlichen Verlautbarungen und gestatten so eine umfassendere und zuverlässigere Einschätzung. Dieselben Vorzüge besitzen die zeitgenössischen selbständigen Darstellungen und die zeitgenössischen Artikel in Zeitschriften und Zeitungen, die darum auch nach Möglichkeit stets herangezogen wurden. Soweit sie linksrheinischen Ursprungs sind und süddeutsche Probleme behandeln, waren sie für die vorliegende Untersuchung besonders inter­ essant, da sie eine mehr oder minder demokratische Sprache sprechen. Einen ganz hervorragenden Quellenwert besitzt die zeitgenössische Kampfliteratur, in erster Linie natürlich die revolutionäre Flugschrift, das Flugblatt und das Pasquill. Ihre Existenz ist unmittelbares Zeugnis für die revolutionäre Tätigkeit; ihre Dichte und ihre Aufeinanderfolge geben Auskunft über die Intensität dieser Tätigkeit; ihr Inhalt zeigt den ideologischen Reifegrad und die Richtung an, in der die Revolutio­ näre unter den konkreten Bedingungen vorgehen wollten. Zahlreiche revolutionäre Flugschriften befinden sich in den öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken Süddeutschlands, vor allem Münchens; sie sind also ohne Schwierigkeiten zugäng­ lich, sind auch von bürgerlichen Historikern eingesehen, aber von keinem einzigen analysiert und ausgewertet worden. Was bisher geboten wurde, waren armselige Hinweise, abschätzige Beurteilungen und im günstigsten Falle oberflächliche Zu28 Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden 1783-1806. Heidelberg 1892, Bd. 2, S. 376 Anm. 1.

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Vorwort

sammenfassungen. Wenn die vorliegende Arbeit diesen Zeugnissen eine vorzügliche Beachtung schenkt, so ist das keineswegs ein bloßer Akt der historischen Gerechtig­ keit, sondern Ausdruck der prinzipiellen Erkenntnis, daß hier die Avantgarde der Kräfte zu Worte kommt, deren Forderungen den Lebensinteressen des deutschen Volkes am vollkommensten entsprachen und die zu allen Zeiten maßgeblich und am entschiedensten die historische Entwicklung vorangetrieben haben. Selbst wenn diese Kräfte keinen Sieg errangen und der Fortschritt sich nur langsam und qualvoll auf dem Wege von Reformen durchsetzte, die von oben gewährt wurden, so war dennoch die entscheidende innere Ursache auch für diesen Fortschritt der Kampf der demokratischen Kräfte des Volkes. Sinngemäß gelten hier die gleichen Worte Lenins, die er über die Bismarcksche Verfassung äußerte: .Deutschland hat Frei­ heiten erhalten, trotz Bismarcks, trotz deT preußischen Liberalen, nur dank dem nachdrücklichen und hartnäckigen Streben der Arbeiterklasse (teilweise, aber zu sehr geringem Teil, der demokratischen Kleinbourgeoisie) nach weitestgehender Demokratisierung.' 22 23 Ein gut Teil unmittelbarer Zeugnisse revolutionärer Aktivität förderte selbst­ verständlich die Durchsicht des archivalischen Materials zutage, von mittelbaren ganz zu schweigen. Hier lagern gewaltige Schätze, die alle zu heben unmöglich war. Weise Beschränkung War geboten. Am wichtigsten schien die Auswertung der badischen, württembergischen und bayerischen Archivalien. Das Badische General­ landesarchiv in Karlsruhe, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart mit seinem Filialarchiv Ludwigsburg und das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München mit seinen Abtei­ lungen I, II, Geheimes Staatsarchiv und Kreisarchiv haben denn auch neben der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek und dem Stadtarchiv München viel Wertvolles geboten, das in die vorliegende Arbeit einging. Im Deut­ schen Zentralarchiv in Merseburg erwiesen sich vor allem die preußischen Gesandt­ schaftsberichte aus Paris, München, Stuttgart, vom Rastatter Kongreß, aus Regens­ burg usw. als sehr ergiebig; insbesondere für den fränkischen Kreis verfügt das Archiv über unentbehrliche Materialien. Auf glückliche Weise konnte das Säch­ sische Landeshauptarchiv in Dresden durch seine Gesandtschaftsberichte zur Er­ gänzung der preußischen beitragen; ihnen ist unter anderem zu danken, daß ein hochbedeutsamer Verfassungsentwurf südwestdeutscher Revolutionäre für ein republikanisches Deutschland wieder aufgefunden werden konnte. Als sehr nützlich hat sich schließlich auch die Durchsicht einiger tschechoslowakischer Archive er­ wiesen, so der Staatsarchive Tfebon und Kuks, des Staatlichen Zentralarchivs in Prag und der Handschriftenabteilung der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag. Selbstverständlich treffen, was den Wert der Archivmaterialien angeht, dieselben Einschränkungen zu, die für die Aktenpublikationen gelten müssen, das Auswahl­ prinzip ausgenommen. Daß Aktenfetischismus insbesondere den Gesandtschafts­ berichten gegenüber ganz und gar nicht angebracht ist, hat schon Heinrich Lang, 22 Lenin, W. [Über Bismarck und das Bismarcksche Deutschland]. In: Über Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung. Aus Schriften, Reden, Briefen. Dietz Verlag, Berlin 1957, S. 81.

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der der preußischen Gesandtschaft in Rastatt zugeteilt war und also die Praxis sehr wohl kannte, in seiner boshaften und doch treffenden Art festgestellt: »Überhaupt dürften alle Minister und großen Herren glauben, daß es mit solchen Berichten der Gesandten eine ganz eigene Sache ist. Die Herren geben gewöhnlich Dialoge zwi­ schen sich und den fremden Ministern, die in ihrem Leben nicht so gehalten wur­ den; sie selbst geben dabei immer solche scharfsinnigen Antworten, die vielleicht recht zweckmäßig gewesen wären, dem Herrn Gesandten aber in der Tat einen Tag nachher einfallen; sie... pflegen alles so zu deuten, anzustreichen und zu illu­ minieren, wie sie meinen, daß es der allgewaltige Premierminister gern sehen werde, so daß am Ende ein solcher Gesandtschaftsbericht ein Roman, aber ein schlechter ist.' 24 Um die vorliegende Arbeit einem möglichst breiten Leserkreise zugänglich zu ma­ chen, hat der Verfasser alle Zitate, die aus französisch geschriebenen Quellen ent­ nommen wurden, ins Deutsche übersetzt und den entsprechenden französischen Text in der Anmerkung gebracht. In Übereinstimmung mit dem Beschluß der deutschen Publikationsinstitute auf dem Historikerkongreß in Halle 1930 ist in allen Fällen bei der Zitierung der Texte aus dem 18. Jahrhundert die heutige Schreibweise ver­ wendet worden.28 Nur ausgesprochen mundartliche Sonderheiten wurden bei­ behalten, ebenso einzelne Versehen, deren Verbesserung die Vorlage sehr verändert hätte. Der Verfasser hat vielen zu danken, die in verschiedener Weise zur Vollendung der vorliegenden Arbeit beitrugen; im besonderen dankt er der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin für ihre großzügige Förderung, Herrn Prof. Dr. Karl Obermann als wissenschaftlichem Betreuer der Arbeit, den Herren Archivaren der genannten Archive für ihre freundliche Hilfe und Frau Edith Korth, die bei den Korrekturarbeiten half und mit großer Sorgfalt das Register anfertigte. 44 Memoiren des Kail Heinrich Ritters von Lang. Skizzen aus meinem Leben und Wirken, meinen Reisen und meiner Zeit. In zwei Teilen. Braunschweig 1842, T. 1, S. 336. 15 Schultze. Johann, Grundsätze für die äußere Textgestaltung bei der Herausgabe von Quellen zur neueren Geschichte. In: »Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Ge­ schichte', Bd. 43, S. 345 ff., 1930.

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Staat mit einer zentral geleiteten Behördenorganisation zustande zu bringen.10 Zu den kleinsten Landsplittern rechneten die reich sritterschaftlichen Besitzungen, die oft nicht mehr als ein Dorf und vielleicht noch ein halbes umfaßten. Die Masse lag im fränkischen und im schwäbischen Kreis; in jedem gab es etwa 700 reichsritterschaftliche Güter. Iin Durchschnitt gebot der einzelne Reichsritter über rund 250 Untertanen.11 Der Zersplitterung der politischen Organisation entsprach die der ökonomischen Interessen. Damit aber waren einer Überwindung des staatlichen Chaos die größten Hindernisse in den Weg gelegt. .Wo sollte politische Konzentration in einem Lande herkommen, dem alle ökonomischen Bedingungen derselben fehlten?'12 Die Niederlage der frühbürgerlichen Revolution, der Verfall der Industrie und des Handels in einer Zeit, da sich mit der Entdeckung Amerikas der moderne Weltmarkt auftat, die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges haben die Bürgerklasse, die allein die ökonomischen Bedingungen für eine politische Konzentration im natio­ nalen Maßstab schaffen konnte, eine verkrüppelte Entwicklung nehmen lassen. Nur sehr langsam erholte sie sich im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert; Engels sprach vom „Wiederemporkriechen des Bürgertums . * 13 Angesichts des verkrüppelten bürgerlichen Elements konnte sich auch der Absolutismus in Deutschland nur in seiner „allerverkrüppeltsten, halb patriarchalischen Form' durchsetzen.14 Während der Absolutismus in seiner klassischen Form die ökonomische Entwicklung der werdenden Bourgeoisie begünstigte und so die Mittel schuf, seine eigentliche histo­ rische Aufgabe, die Zentralisierung des Staats im nationalen Rahmen, zu lösen, ver­ zerrten die besonderen Bedingungen in Deutschland diese Funktion des Absolutis­ mus in der Weise, daß nur eine provinzielle Zentralisation übrigblieb, die die nationale Zersplitterung vertiefte. Bei dem niedrigen und dazu noch ungleich­ mäßigen Niveau der Entwicklung in Deutschland hatte sich selbst dieser Prozeß nicht vollkommen durchgesetzt. Darum konnten geistliche Fürsten, Reichsstädte und die Zwerggebilde feudaler Grafen und Herren neben den größeren Territorien bestehen bleiben, deren Absolutismus im übrigen auch recht unterschiedlich aus­ gebildet war.

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An der Spitze Bayerns stand ein absoluter Fürst, neben dem die ständische Ver­ tretung nur noch eine sehr geringe Rolle spielte. In der Oberpfalz war die land­ schaftliche Verfassung gänzlich unterdrückt; in dem Nebenlande Neuburg existierte i» Bader, Karl Siegfried, Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung. Köhler Verlag, Stuttgart 1950, S. 115/16. 11 Biedermann, Karl, a. a. O„ S. 11. Berghaus, Heinrich, a. a. O., Leipzig 1860, Bd. 2, S. 268. 12 Marx/Engels, Die deutsche Ideologie. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1958, Bd. 3, S. 178. 19 Engels, Friedrich, (Notizen über Deutschland]. In: Marx/Engels, Ober Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung. Aus Werken, Schriften, Briefen, Dietz Verlag, Berlin 1961, Bd. 1, S. 565. 14 Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, a. a. O., S. 178.

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zwar noch etwas davon, ohne jedoch für den Gesamtstaat Bedeutung zu haben; in Altbayern waren die Stände seit dem letzten Vollandtag 1669 auf eine Landschafts­ verordnung reduziert, die sich aus 6 Rittern, 4 Prälaten und 4 Vertretern der Rent­ amtsstädte zusammensetzte.1S Als integrierende Bestandteile der absoluten Monarchie hatte sich eine umfangreiche Zivil-, Militär- und Pfaffenbürokratie herausgebildet. Dennoch war die Position des absoluten Fürsten sehr schwach. In Altbayern betrug sein Anteil am Bodenbesitz 14%, während die Geistlichkeit über 56% und der weltliche Adel über 24 % verfügte. Der Rest von 6 % verteilte sich auf freibäuer­ lichen und bürgerlichen Grundbesitz.16 Dag die Privilegierten außerdem über 44 % des Territoriums die Gerichtsbarkeit ausübten, schmälerte die Macht des Fürsten beträchtlich.17 Geistlicher und weltlicher Adel konnten die Bevölkerung in einem Mage aussaugen, dag für die landesherrliche Kasse nur ein Bruchteil übrigblieb. Die Geistlichkeit bereicherte sich noch zusätzlich durch die unaufhörlichen Kollekten, von denen sich niemand auszuschliegen wagte.18*Die Kapitalien sämtlicher geistlicher Stiftungen in Bayern wurden auf 60 Millionen Gulden geschätzt.18 Die ständige Finanznot zwang den Fürsten, hier Anleihen aufzunehmen, die ihn abhängig machten und der Geistlichkeit starken politischen Einflug und finanziellen Gewinn garan­ tierten. Der weltliche Adel, den nach dem Zeugnis des bayerischen Historikers und Zeitgenossen Westenrieder »schlechte Erziehung, tierische Unwissenheit und Dumm­ heit' auszeichneten20, sicherte sich seinen Einflug unter anderem dadurch, dag er neben dem Hofstaat den zivilen und militärischen Apparat zu seiner Domäne machte. Der zeitgenössische fortschrittliche Publizist Wekhflin schrieb 1778 in seinem .Anselmus Rabiosus': »Die Ausschweifungen, die Ränke, die Erpressungen dieses Hofpöbels sind unerträglich. Der Kurfürst befindet sich mitten an seinem Hofe wie in einem Lande, in welches von allen Seiten die Feinde eindringen und das in der Plünderung begriffen ist. Dieses Unglück blickt er mit Gelassenheit an.'21 Der Amterkauf war die Regel und sollte die Staatskasse füllen helfen; das Amt aber war wiederum das Mittel, durch Sporteln, Taxen und Bestechungsgelder ein Vielfaches 15 Zimmemumn, Fritz, Bayerische Verfassungsgeschichte vom Ausgang der Landschaft bis zur Verfassungsurkunde von 1818. 1. Teil: Vorgeschichte und Entstehung der Konstitution von 1808. Phil. Diss. München 1940, S. 3/4. Steinwachs, Otto, Der Ausgang der landschaft­ lichen Verordnung in Bayern. In: .Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte*. Bd. 55, S. 61, 1910. *• Brentano, Lujo, Gesammelte Aufsätze. Stuttgart 1899, Bd. 1, S. 235. *’ Schmelzte, Hans, Der Staatshaushalt des Herzogtums Bayern im 18. Jahrhundert mit Be­ rücksichtigung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnisse des Landes. Stutt­ gart 1900, S. 38. In der Oberpfalz lagen die Verhältnisse günstiger für den Kurfürsten, da er dort über 75 % des Territoriums als Gerichtsherr gebot; Maeimer, Ludwig, a. a. O., S. 19. 18 Hausmann, Sebastian, Die Grundentlastung in Bayern. Wirtschaftsgeschichtlicher Versuch. Strafiburg 1892, S. 18. ** Biedermann, Karl, a. a. O„ Leipzig 1880, Bd. 2, S. 1096 Anm. so Wolf. Georg Jacob, Das kurfürstliche München 1620-1800. Zeitgenössische Dokumente und Bilder. München 1930, S. 325. 11 Wekhrlin, Wilhelm Ludwig, Anselmus Rabiosus Reise durch Oberdeutschland. Salzburg u. Leipzig 1778, S. 26.

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des Kaufpreises aus der Bevölkerung herauszuholen.22 Viele Ämter waren bloße Sinekuren für adlige Fräulein; der Adreßkalender vom Jahre 1799 führt zum Beispiel eine Grenzhauptmautnerin zu Stadt am Hof und eine Oberforstmeisterin zu Burg­ lengenfeld auf, die sich nie irgendeiner amtlichen Tätigkeit unterzogen.23 Im Heer war die Zahl der Offiziere Legion. .Man hält zu zwei oder drei Rheinschiffen sogar einen Großadmiral', heißt es in einer zeitgenössischen Reisebeschreibung.24 Wekhrlin bemerkte bissig; .Die Menge der Stabsoffiziere ist so groß, daß die Bayern behaupten, wenn ein Feind vom Land käme, so könnte man ihn bloß mit Generals aus dem Felde schlagen.'25 Gegenüber der starken Position, die Adel und Geistlichkeit in allen Sphären des gesellschaftlichen Lebens innehatten, stellte das Bürgertum in Bayern kein Gegen­ gewicht dar, auf das sich der Fürst stützen konnte. Nach den statistischen Erhebun­ gen des Jahres 1794 lebten in Altbayern 82,2 % der Einwohner auf dem Lande. Von den restlichen 17,8%, die als Bürger galten, weil sie in Städten und Marktflecken wohnten, trieben viele ebenfalls als Ackerbürger Landwirtschaft.23 Das Gesicht der gewerblichen Produktion wurde nahezu völlig durch das zunftmäßig organisierte Handwerk bestimmt. Hazzi stellte in seinen .Statistischen Aufschlüssen über das Herzogtum Bayern' um 1800 fest, .daß beinahe alles bloß handwerksmäßig wie in kleinen Städtchen und nichts ins Große betrieben wird . * 27 Auch die Hauptstadt München war trotz ihrer 38 000 Einwohner kein Zentrum, von dem in industrieller Hinsicht eine mobilisierende Wirkung ausging. Wenn der Reisende Gercken .einige Fabriken von Sammet, Seide und Tapeten' anmerkte, so tat er es nur ihrer Selten­ heit wegen.23 Einen gewissen Namen hatte sich die um die Mitte des 18. Jahrhun­ derts gegründete Nymphenburger Porzellanmanufaktur gemacht, die 1765/66 etwa 300 Arbeiter beschäftigte.23 Nicolai aber, der sie in den achtziger Jahren besichtigte, fand .in allem nur 30 Arbeiter * und bemängelte auch die dort hergestellten Tassen als .dick und unförmlich'.30 Das wenige, was an Manufakturen vorhanden war, K Meyer, Christian, Bayern vor 100 Jahren. Personen und Zustände in Bayern im Zeitalter des Napoleonisznus. München 1900, S. 12/13. ” (Lang, Karl Heinrich Ritter von). Der Minister Graf von Montgelas unter der Regierung König Maximilians von Bayern, o. O. 1814, S. 22. 14 Wolf, Georg Jacob, Das kurfürstliche München..., a. a. O., S. 266. 11 Reinhardstättner, Karl von, Bayern und seine Hauptstadt im Lichte von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen. In: .Forschungen zur Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns', Bd. 3, S. 252, 1895. M Lütge, Friedrich, Die bayerische Grundherrschaft. Untersuchungen über die Agrarverfassung Altbayerns im 16.-18. Jahrhundert. Piscator Verlag, Stuttgart 1949, S. 9/10. 17 Tyska, Karl von, Handwerk und Handwerker in Bayern im 18. Jahrhundert. Staatswiss. Diss. Tübingen 1908, S. 32. 78 Gercken, Philipp Wilhelm, Reisen durch Schwaben, Bayern, angrenzende Schweiz, Franken und die rheinischen Provinzen etc. in den Jahren 1779-1782. Stendal 1783, T. 1, S. 345. m Stieda. W., Die keramische Industrie in Bayern während des 18. Jahrhunderts. Leipzig 1906, S. 57. M Nicolai. Friedrich, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, nebst Bemerkungen über Gelehrsamkeit, Industrie, Religion und Sitten. Berlin u. Stettin 1786, Bd. 7, S. 25.

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arbeitete häufig auf staatliche Rechnung, verdankte seine Fortexistenz - wie die Landshuter Manufaktur für Wollenzeugwaren - ausländischen Unternehmern 31 oder hielt sich mit Mühe kraft kurfürstlicher Privilegien und Einfuhrverbote.32 Daß der Verlag keine große Rolle spielte, ergibt sich schon aus der geringen Zahl der Landweber, die wenig mehr als 3000 Menschen ausmachten und noch dazu häufig für außerbayerische Unternehmer in Augsburg arbeiteten.33 »Industrie und Manu­ fakturen muß man in diesem Lande nicht suchen', stellte Gercken in seiner Reise­ beschreibung lakonisch fest. .Ebenso ist es mit Handel und Wandel beschaffen. * 34 Der Export beschränkte sich im wesentlichen auf Salz, Vieh und Getreide, Ausfuhr­ artikel also, .die größtenteils der Agrikultur angehörten und darum fast nur die materiellen Lebensquellen des Landadels und darum seine relative Macht den Bürgern gegenüber vermehrten'.35 Nur in der Oberpfalz, wo die Feudalverfassung schon stärker unterhöhlt war, lagen die Verhältnisse etwas günstiger.36 Allein in der Linnenweberei arbeiteten hier 1798 über 3000 Stühle mit entsprechend vielen Spinnern. Eine gewisse Bedeutung für den Export besaß auch die Oberpfälzer Glas­ industrie.37 Der Erzbergbau blieb zwerghaft; das wichtigste Bergamt Amberg beschäftigte 1793/94 nur 50 Bergleute, die etwa die Hälfte der vorhandenen Hämmer mit Erz belieferten.38 Es fehlte nicht an Reform- und Förderungsversuchen des Kurfürsten in Industrie und Landwirtschaft, wenn er damit auch nur den engen Zweck verfolgte, mit der Erhö­ hung der Produktivität dem Fiskus größere Quellen zu erschließen. Jede erfolgreiche Reform half bewußt oder unbewußt, die Elemente des Neuen zu entwickeln. Nur waren in Bayern alle diese Versuche mehr oder weniger erfolglos. 1779 unternahm der Kurfürst einen vorsichtigen Versuch, die Verhältnisse wenigstens seiner Grund­ holden zu reformieren. Dem Bauern sollte ein besseres Besitzrecht, das Erbrecht, zuerkannt werden; die Laudemialabgabe, die häufig zur völligen Verschuldung geführt hatte, sollte ratenweise auf 20 Jahre verteilt und das Mortuarium sogar ganz abgeschafft werden. Aber nicht nur die in der Verfügung ausgesprochene Erwartung, daß die anderen Grundherren dem Beispiel des Landesherm folgen würden, blieb unerfüllt, sondern auch auf seinen eigenen Domänen kam die Reform nicht voran. Die Bestimmung, daß jede der beabsichtigten Erleichterungen nur auf ausdrück­ lichen Antrag des Bauern erfolgen sollte, gab der reaktionären Beamtenschaft das 51 Kreuter, B„ Beiträge zur Geschichte der Wollengewebe in Bayern im Zeitalter des Mer­ kantilsystems. In: .Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte *. Bd. 50, S. 305, 1897. 82 Schmelzte, Hans, a. a. O., S. 97. 33 Tyska, Karl von, a. a. O., S. 4, 34. 34 Gercken, Philipp Wilhelm, a. a. O-, Stendal 1784, T. 2, S. 127. 55 Marx. Karl, Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral. Beitrag zur Deutschen Kulturgeschichte. Gegen Karl Heinzen von Karl Marx. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1959, Bd. 4, S. 346. ’• Die Oberpfalz kannte z. B. keine Leibeigenschaft mehr; Lütge, Friedrich, a. a. O., S. 69 ff. 37 Rapp, Georg, Geschichtliche Mitteilungen über die Stadt Amberg und ihre Nachbarstädte mit besonderer Rücksichtnahme auf deren Handel und Erwerbsquellen. Amberg 1881. S. 42. 38 Knauer, Heinrich, Der Bergbau zu Amberg in der Oberpfalz. Ein Beitrag zur vaterländischen Wirtschaftsgeschichte. Phil. Diss. Erlangen u. Amberg 1913, S. 43/44.

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Mittel an die Hand, die Verordnung gründlich zu sabotieren? * Kein besseres Schick­ sal hatten andere landesherrliche Mandate, die den Anbau von Futterkräutem zu fördern suchten, indem sie sie für zehntfrei erklärten.40 Von dem bestimmenden Einfluß des reaktionärsten Teils der herrschenden Klasse, der Geistlichkeit, zeugt unter anderem der Regierungserlaß vom 22. August 1786, der 50 schon abgewürdigte Feiertage erneut zu heiligen gebot.41 Die Pfaffen waren daran wegen der Opfer und anderer Akzidentien, viele Adlige wegen des Besuchs ihrer Brau- und Wirtshäuser interessiert.42 Die Resultate einer solchen Maßnahme waren für die Entwicklung der Produktivität geradezu verheerend angesichts der Tatsache, daß die Zahl der kirchlich vorgeschriebenen Feiertage in Bayern damit die der Sonntage mehrfach übertraf. Statt die feudalen Fesseln zu lockern und neue Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, wurden die Bindungen verstärkt. Einer solchen Vereinigung aufgeklär­ ter Männer wie der Sittlich-ökonomischen Gesellschaft zu Burghausen, die mit der Herausgabe des .Bayerisch-ökonomischen Hausvaters' zur Hebung des Ackerbaus beizutragen sich bemühte, wurde 1791 jede finanzielle Unterstützung durch den Staat entzogen, was einem Todesurteil gleichkam.43 Das Ergebnis einer solchen Adels- und Pfaffenherrschaft war wirtschaftliche Stag­ nation in Stadt und Land. Die kümmerlichen Möglichkeiten der Manufakturentwick­ lung charakterisierte Westenrieder durch folgendes Bild-. .Ich sah... große Schiffe bauen, sah sie mit Waren aller Art befrachten, sah rüstige Steuermänner herbei­ kommen - aber diese ganz vergeblich auf die Ankunft eines Windes warten, welcher die Segel schwellen, das Schiff in Bewegung setzen und die Verführung der Waren begünstigen sollte. * 44 Die Lage des zunftmäßig organisierten Gewerbes wurde immer trostloser. Bei der geringen Kaufkraft der Bevölkerung und gegenüber den billigeren und besseren Manufakturprodukten des Auslands konnte es nicht bestehen. In ver­ zweifeltem Kampf gegen diese Entwicklung griffen die Zünfte zu Mitteln, die das Übel nicht minderten, sondern letzten Endes nur vergrößerten. Sie verschanzten sich hinter ihren Privilegien, bekämpften wütend jede Neuerung, eiferten gegen den angeblichen Kleiderluxus der Bevölkerung, die auswärtige Manufakturprodukte den schlechteren und teureren einheimischen Waren vorzog, erklärten die Zünfte für geschlossen, begrenzten die Aufstiegsmöglichkeiten der Gesellen zum Meister und drosselten auf diese Weise die Produktion. Der Anteil der Handwerker an der erwachsenen männlichen Bevölkerung der bayerischen Städte und Märkte betrug 1771 durchschnittlich nur 37 %.45 Die Meister waren bereits in der Mehrzahl ” Walch, Albert, Die wirtschaftspolitische Entwicklung in Bayern unter Montgelas (1799 bis 1817). Staatswiss. Diss. Erlangen 1935, S. 25/26. 10 Damianoff, Athanasius D„ Die Zehntregulierung in Bayern. Stuttgart 1896, S. 16/17. 41 Maenner, Ludwig, a. a. O„ S. 138. 42 (Rottmanner, Simon), Bemerkungen über Laudemial- und andere grundherrliche Rechte in Bayern. Frankfurt u. Leipzig 1799, S. 201. 43 Reinhardstöttner, Karl von. Die sittlich-ökonomische Gesellschaft zu Burghausen (1765 bis 1802). In: .Forschungen zur Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns', Bd. 3, S. 116, 1895. 44 Schmelzte, Hans, a. a. O., S. 99. 45 Tyska, Karl von, a. a. O., S. 20.

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Alleinmeister, die nicht einen einzigen Gesellen beschäftigten.48 Gesellen sanken zu Plebejern hinab. Viele trieben ihr Handwerk als Pfuscher außerhalb des Rahmens der Zünfte. In München erreichte 1771 die Zahl der Pfuscher im Schneidergewerbe nahezu die der zünftigen Meister; bei Schustern und Perückenmachem war sie sogar größer.17 Wenn die Hauptstadt trotz dieser elenden wirtschaftlichen Lage 38000 Einwohner zählte und ernähren konnte, so war das zu einem guten Teil nur durch den kolossalen Hofstaat möglich, der unter Karl Theodor über 2000 Personen umfaßte und allein ein Sechstel des gesamten Haushalts verschlang.88 Wie das Gewerbe stagnierte die Landwirtschaft. Nur knapp 4 % des Bodens waren bäuerliches Eigentum.89 Sie verteilten sich vor allem unter die rund 13 000 .Bauern­ könige', die mit Hilfe von Gesinde und Tagelöhnern ihre Einödhöfe, geschlossene, bis zu einer Viertelmeile große, an keinen Flurzwang gebundene Wirtschaften, bestellten.50 Es waren bei dem chronischen Landarbeitermangel und der geringen Arbeitsproduktivität des Gesindes weder Musterwirtschaften, noch gaben sie der bayerischen Landwirtschaft das Gesicht. Ebensowenig allerdings taten es auch die 1400 Hofmarksherren, die auf ihren aus der Vereinigung von Grund- und Gerichts­ herrschaft entstandenen Hofmarken eine beträchtliche Eigenwirtschaft betrieben, so daß man von Ansätzen zu einer Gutswirtschaft sprechen kann.51 In der Masse war der Grund und Boden in kleine und mittlere Wirtschaften aufgeteilt, die von hörigen und leibeigenen Bauern bearbeitet wurden. Wie seit Jahrhunderten lastete «auf dem Bauer... der ganze Schichtenbau der Gesellschaft.'82 Er hatte die Masse der direkten Staatssteuern zu tragen, die das Neunfache dessen ausmachten, was Adel, Geistlichkeit und Städte zahlten.58 Weiter belasteten ihn hohe indirekte Steuern und Aufschläge und nicht zuletzt die schamlose Gewinnsucht der korrupten Beamtenschaft. .Beamte und Bauernschinder galten beinahe für Synonyme'; sie wurden als Leute angesehen, .die vom öffentlichen Raube lebten', stellte rück­ blickend das bayerische Finanzministerium in einem Bericht aus dem Jahre 1807 fest.58 Dann aber drückten den Bauern vor allem die Unzahl feudaler Abgaben und Dienste, die er dem Grund-, Gerichts-, Zehnt- und Leibherrn schuldete und die nur zu einem geringen Teil in Geldleistungen umgewandelt waren. Am schlimmsten litt er dort, wo wie bei den Hofmarken der einzelne Feudalherr die verschiedenen Ge­ rechtsame in einer Hand vereinigte. Relativ gering drückte die Leibherrschaft. Schwer wogen dagegen die grundherrlichen Lasten, zumal das in Altbayern ver­ breitete schlechte Besitzrecht ihre häufige Erhöhung begünstigte. Besonders verhaßt44 * 44 Schmelzte, Hans, a. a. O., S. 88. 47 Tyska, Karl von, a. a. O., S. 113 ff. 48 Hoffmann. Ludwig, Geschichte der direkten Steuern in Bayern vom Ende des 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Leipzig 1883, S. 163. Schmelzle, Hans, a. a. O., S. 21. 49 Brentano, Lujo, a. a. O., S. 235. *• Lütge, Friedrich, a. a. O., S. 64. Ebenda, S. 58 ff. M Engels, Friedrich, Der deutsche Bauernkrieg. In: Marx/Engels, Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960, Bd. 7, S. 339. M Maenner, Ludwig, a. a. O., S. 19. 54 Schmelzte, Hans, a. a. O., S. 267.

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waren die Laudemien, die bei jedem Besitzwechsel erhoben wurden. Ursprünglich betrugen sie nur 3 % des Gutswertes, stiegen aber bald auf 5 % und 10 %, wobei der Grundherr und seine Eintreiber alle möglichen Schliche anwandten, diese Sätze zu verdoppeln und zu verdreifachen und schließlich auch die Laudemialpflicht auf die fahrende Habe auszudehnen.55 Häufig genug war der Bauer, der den Hof über­ nahm, auf diese Weise gezwungen, beim Grundherrn einen Kredit aufzunehmen, der nur zu neuen Plackereien führte.56 Von den aus der Gerichtsherrschaft abgeleiteten Verpflichtungen waren die Gerichtsscharwerke oder -fronen am schwersten und lästigsten. In der Hofmark Amerang zum Beispiel betrug Anfang des 18. Jahr­ hunderts die Höhe der Scharwerke im Jahr für einen Handdienstpflichtigen 50 Tage, für einen Spanndienstpflichtigen 30 Tage mit Gespann und 10 Tage ohne Gespann.57 Um das Ausmaß dieser Belastungen voll zu begreifen, muß man sich der Fülle vor­ geschriebener Feiertage erinnern. Der dem Zehntherrn gehörige Zehnt half schließ­ lich jeden Anreiz zum Anbau von Kulturpflanzen zerstören, denn er wurde nicht nur von den größeren Feldfrüchten wie Getreide, sondern auch von Obst, Hopfen, Flachs, Hanf, Tabak usw. erhoben.58 Unter diesen Bedingungen mußte Bayern zu “ Lütge, Friedrick, a. a. O„ S. 141 ff. M HdusnuZnn, Sebastian, a. a. O„ S. 69/70. ” Lütge, Friedrick, a. a. O., S. 127. Lütge verfolgt die reaktionäre Tendenz, die feudale Ausbeutung zu verharmlosen. Das zeigt sich u. a. auch bei der Behandlung der Ablösungssumme für die Scharwerke. Obwohl all­ gemein bekannt ist und auch Lütge selber es bestätigt, welch geringen Wert landesherrliche Mandate in Bayern besaßen (Lütge, a. a. O., S. 103), beruft er sich auf das Mandat von 1724, um seine Annahme von 8 Gulden als in der Regel gültigen Höchstbetrag für die Ablösung zu stützen (ebenda, S. 122). Von dieser Basis aus ist es dann leicht, die von Haus­ mann übernommene Mitteilung, wonach die Bauern einer bestimmten Hofmark für die Ablösung der auf einem halben Hof liegenden Scharwerke 18 Gulden geboten haben, als Ausnahme abzutun (ebenda, S. 126/27). Die Quelle, die Hausmann anzog und die Lütge nicht kennt, findet sich als Nachtrag einer Schrift von Simon Rottmanner, einem der besten Kenner der bayerischen Agrarverhältnisse jener Zeit: .Beitrag zur Geschichte der Frone oder Scharwerk in Bayern. Frankfurt am Main 1798', S. 173 ff. Von der betreffenden Hof­ mark wird hier gesagt, daß die Voreltern des damaligen Besitzers sie 1656 im Rentamt München kauften (S. 173). Da Lütges wie auch Hausmanns Aufstellung der dieser Hofmark zu leistenden Scharwerke unvollständig ist (Lütge, a. a. O., S. 126; Hausmann, a. a. O„ S. 60/61), soll hier noch folgende Ergänzung aus jener Schrift Platz finden: .Unter den oben angeführten Scharwerksverrichtungen habe ich die Jagdscharwerk beizusetzen vergessen, vermöge welcher jeder Untertan gehalten ist, sowohl in den eigenen herrschaftlichen als gestifteten Waldungen mehrere Wochen im Herbste bei dem Fuchsklopfen und Jagden zu erscheinen, wofür er weiter nichts erhält als zerrissene Kleider, müde Füße und nicht selten, wenn er nicht wie die Koppelhunde alle Hecken und Stauden durchschlieft, einen blau­ geklopften Rücken' (S. 183). Auch die Flugschrift .Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern' vom Jahre 1797 sagt ausdrücklich, daß sich die Standesherren nicht mit 8 Gulden Scharwerkgeld begnügen: .Sie lassen sich, wenn sie auch die Frondienste nicht wirklich fordern, nach dem Beispiele der Landesherrschaft zum Scharwerkgelde vom Hofe nicht mit 6, 7, 8 Gulden begnügen, sondern fordern gemeiniglich vom Hofe 16 bis 18 und noch mehr Gulden, und die Untertanen müssen gleichwohl noch sonder­ bar die Jagdfronen und an einigen bestimmten Tagen die ordinäre Scharwerk verrichten * (S. 86). M Damianoff, Athanasius D., a. a. O., S. 13/14. Hausmann, Sebastian, a. a. O., S. 76/77.

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den landwirtschaftlich rückständigsten Gebieten Deutschlands zählen. Weite Strecken anbaufähigen Bodens lagen wüst. .Wenn man, sagt ein Bayer selbst, zu den un­ geheuren Sümpfen, verwildeten Heiden, zahlreichen Pfützen und Viehtriften noch die öden Höfe rechnet, deren Anzahl auf 5000 angegeben wird, so ist gewiß mehr als ein Drittel des Landes nicht bebaut. * 59 Die veraltete reine Dreifelderwirtschaft herrschte nahezu uneingeschränkt. Gercken, der Anfang der 80er Jahre Bayern bereiste, stellte fest: .Der Landmann bleibt lediglich bloß bei seinem Getreidebau, ohne weiter auf etwas anderes auch zu raffinieren... Man findet also auf den Feldern weder Tabak, Färbekräuter, Welschkorn (nur dieses in Wenigen Gegenden), Klee (auch nur in den wenigsten Gegenden), rote Burgunderrüben etc., nichts wie Ge­ treide und etwas mit Kartoffeln angebaut. Auch die Kultur oder Bearbeitung des Ackers selbst ist nicht die beste.' 60 Die bäuerliche Initiative war in Fesseln ge­ schlagen. .Was soll ich ein schönes Haus bauen', sagte der Bauer, .daß meine Grundherrschaft sich dabei wieder den Beutel spicken und von meinen Kindern höhere Laudemien nehmen kann?' 91 Sozial unter den einen Hof bewirtschaftenden Bauern stand die Schicht der Tage­ löhner und des Gesindes, die in Bayern ein Drittel der gesamten bäuerlichen Bevöl­ kerung ausmachte. In der Masse rekrutierten sich diese landlosen Landarbeiter aus der Bauernschaft im engeren Sinne. Bei der herrschenden und von der Feudalklasse wegen der leichteren Eintreibung feudaler Leistungen begünstigten Unteilbarkeit der Höfe blieb für einen Teil der Kinder nur dieser Weg übrig. Darüber hinaus sorgte der in Bayern übliche Gesindezwangsdienst für Auffüllung dieser Schicht. Das Gesinde unterlag dem Züchtigungsrecht und war im Alter, wenn die Arbeits­ kraft nachlief), der Not und dem Elend schutzlos ausgeliefert.62 Immer wieder ein­ geschärfte Heiratsverbote nahmen Knechten und Mägden jede Möglichkeit der Familiengründung, wenn man von der sehr seltenen Gelegenheit zur Einheirat in einen Hof absieht. Wer sich über das Verbot hinwegsetzte, wurde praktisch zum Bettler gemacht. Eine Weiterbeschäftigung als Gesinde gab es nicht, und der Über­ gang zum Tagelöhner war aus demselben Grunde versperrt, aus dem sich die Heiratsverbote für das Gesinde ableiteten. Der feudale Staat fürchtete die Vermeh­ rung der Besitzlosen, für die die Gemeinden unterhaltspflichtig waren, und meinte, die Armut durch Polizeimaßnahmen bekämpfen zu können. Eine Verordnung aus dem Jahre 1783 verbot bei 100 Dukaten Strafe die Errichtung einer neuen Tage­ löhnerwohnung.63 Man wandte also trotz des Landarbeitermangels die rigorosesten Mittel an, um die Zahl der Tagelöhner, die einen eigenen Hausstand führten und darum auch teurere Arbeitskräfte waren, zugunsten der des Gesindes zu reduzieren. Bei diesen kurzsichtigen Methoden, der Armut beizukommen, und vor allem bei dem Fehlen aller Möglichkeiten, größere Massen einer industriellen Beschäftigung Reinkardstöttner, Karl von, Bayern ..., a. a. O„ S. 249. Gercken. Philipp Wilhelm, a. a. O., T. 2, S. 127/28. Lütge, Friedrich, a. a. O.. S. 15. Platzer, Hanns, Geschichte der ländlichen Arbeitsverhältnisse in Bayern. München 1904, S. 199/200. 33 Lütge, Friedrich, a. a. O., S. 173, 175 ff.

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zuzuführen, kann es nicht überraschen, daß die Bettler in Bayern eine wahre Land­ plage darstellten. Etwa 6 % der Gesamtbevölkerung lebten von der Bettelei.64 Die Not sorgte dafür, daß Gewaltverbrechen an der Tagesordnung waren, die wiederum mit mittelalterlicher Grausamkeit bestraft wurden. »Hier sind die Landstraßen auf beiden Seiten mit Galgen bepflanzt, so wie sie in polizierten Ländern mit Maulbeer­ bäumen bepflanzt sind. * 65 Das Bild, das Engels von dem Zustand Deutschlands gegen Ende des 18. Jahr­ hunderts entwarf, trifft buchstäblich und in besonderem Maße auf Bayern zu: »Das ganze Land war eine lebende Masse von Fäulnis und abstoßendem Verfall. Niemand fühlte sich wohl. Das Gewerbe, der Handel, die Industrie und die Landwirtschaft des Landes waren fast auf ein Nichts herabgesunken; die Bauernschaft, die Gewerbe­ treibenden und Fabrikanten litten unter dem doppelten Druck einer blutsaugenden Regierung und schlechter Geschäfte; der Adel und die Fürsten fanden, daß ihre Einkünfte trotz der Auspressung ihrer Untertanen nicht so gesteigert werden konn­ ten, daß sie mit ihren wachsenden Ausgaben Schritt hielten; alles war verkehrt, und ein allgemeines Unbehagen herrschte im ganzen Lande.'66 Die grundlegenden feu­ dalen Abhängigkeitsverhältnisse waren noch so wenig gelockert, daß sich die Keime neuer Produktionsverhältnisse nur ganz kümmerlich entwickeln konnten. Entspre­ chend schwach war die bürgerliche Opposition. Immerhin gab sie sich doch bereits 1776 in dem von dem Ingolstädter Professor Weishaupt gegründeten Illuminaten­ orden einen tätigen Mittelpunkt. Was den Orden auszeichnete, war die scharfe Kritik am Bestehenden, das Interesse an wirtschaftlichen und sozialen Fragen und das Bestreben, unmittelbaren Einfluß auf die Staatsführung zu gewinnen. Der von Knigge entworfene Ordensplan formulierte als Aufgabe: »Unser kleiner Haufe in der Stille muß fest Zusammenhalten und jedem unterdrückten Verdienste beistehen, jedem guten Mann zeitliche Vorteile äußeren Glücks verschaffen und alle Stellen, wo Macht für die gute Sache zu erringen ist, zu gewinnen versuchen. * 67 Getragen wurde diese Organisation von der bürgerlichen Intelligenz, der Avantgarde des Bürgertums, zu der auch einige liberalisierte Adlige stießen. Ihre Geheimbündelei, selbst ein Zeichen der Schwäche, ließ sie nicht die Unterstützung der Volksmassen suchen, über die man sich in aufklärerischer Borniertheit erhob, »denn wie würde man dem dummen Bauernvolk die Aufklärung der Sitten in den Kopf bringen?' 99 Keine zehn Jahre nach seiner Gründung wurde dieser »kleine Haufe * von der feu­ dalen Reaktion brutal und gründlich zerschlagen. Bayern wurde zum Tummelplatz des barbarischsten Obskurantismus, der die bescheidenste geistige Regung unter­ drückte. Die Unzufriedenheit breitester Schichten der Bevölkerung mit den bestehenden Verhältnissen blieb und steigerte sich; aber es war zunächst noch eine ausweglose Unzufriedenheit. »Plötzlich schlug die Französische Revolution wie ein Donner84 85 88 87 88

Schmelzte, Hans, a. a. O„ S. 34/35. (Wekhrlin, Wilhelm Ludwig), a. a. O., S. 22/23. Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, a. a. O„ S. 556. Lennhofl, Eugen, Politische Geheimbünde. Zürich-Leipzig-Wien 1931, Bd. 1, S. 44. Maenner, Ludwig, a. a. O., S. 87.

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schlag in dieses Chaos', heißt es bei Engels in seinen »Deutschen Zuständen'.69 Das französische Volk demonstrierte den feudal geknechteten Massen der europäischen Länder, welch ein Ausweg möglich war. Auch in Bayern zündete das Beispiel. Die Voraussetzungen waren nicht so, daß es hätte kopiert werden können. Das Bürger­ tum war nicht in der Lage, die unzufriedenen Klassen und Schichten zu organisieren und zum Kampf gegen die bestehende Ordnung zu führen. Aber die spontanen Klassenkämpfe erhielten ausgeprägtere antifeudale Züge. Diese Feststellung gilt allgemein; im einzelnen zeigten sich beträchtliche Unterschiede des Reifegrades. Nicht immer und überall läßt sich nachweisen, daß die Unruhen, Forderungen und Wünsche der feudal geknechteten und gefesselten Klassen eine klare Perspektive entwickelten. In der allgemeinen Tendenz jedoch entspricht diese These der histo­ rischen Wirklichkeit. Allein die heftige Reaktion der erschreckten herrschenden Klasse könnte als genügender Beweis gelten. Nach 1789 jagte eine Verordnung die andere, die alle den Obskurantismus festigen und auf diese Weise die feudale Ord­ nung gegen die Wirkung des französischen Beispiels sichern sollten. Die Revolu­ tionsfurcht ging so weit, daß sogar die Veröffentlichungen der Zensurbeamten unter Zensur gestellt wurden.70 Darüber hinaus gibt es zahlreiche direkte Beweise für das Anwachsen und die schärfere Profilierung der antifeudalen Bewegung. Ihre Entwicklung wurde be­ günstigt durch Gegensätze innerhalb der herrschenden Klasse selbst. Drei Gruppie­ rungen standen sich gegenüber: Der Kurfürst mit seiner Regierung und seinem Hof, die landschaftliche Verordnung als eine besonders privilegierte Schicht und die Masse der Feudalherren, die auf dem Lande lebte. Während die erste Gruppe die Politik des Landes bestimmte, bemühte sich die zweite, maßgeblichen Einfluß darauf zu gewinnen. Dabei trat sie als Sprecher des landständischen geistlichen und weltlichen Adels auf, den sie als landschaftliche Verordnung offiziell repräsentierte. Faktisch jedoch bestand ein ebenso großer Gegensatz zwischen der Verordnung und dem Landadel, der jener den Vorwurf machte, sich über die Gesamtheit des Adels erhoben zu haben, sie darum als seine Repräsentation nur bedingt anerkannte und seine Interessen selber auf einem Vollandtag, wie er 1669 zum letztenmal zusammengekommen war, vertreten wollte. Im Streit dieser verschiedenen Rich­ tungen, der in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ständig an Intensität gewann, ergaben sich die verschiedenartigsten Kombinationen: Landschaftliche Verordnung und landständischer Adel fanden sich gegen den Absolutismus des Kurfürsten ebenso zusammen wie Kurfürst und landständischer Adel gegen die bevorrechtete Stellung der Verordnung oder wie Verordnung und Kurfürst gegen die Ansprüche des landständischen Adels. Die sich wandelnde konkrete politische Situation machte mal die eine, mal die andere Kombination möglich. Das Gegeneinander der ein­ zelnen Fraktionen schwächte die herrschende Klasse insgesamt und konnte von der bürgerlichen Opposition ausgenutzt werden. ** Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, a. a. O-, S. 567. n Heigel, Karl Theodor, Censurwesen in Altbayern. In: Neue historische Vorträge und Auf­ sätze. München 1883, S. 248/49.

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1794 erschien der landschaftlichen Verordnung die Finanznot, in die der Kurfürst durch den Reichskrieg geraten war und die ihn in stärkerem Ma$e von Geldbewilli­ gungen der Landschaft abhängig machte, als die geeignete Gelegenheit, mit Forde­ rungen hervorzutreten, die nichts Geringeres als die Mitregentschaft zum Inhalt hatten. Die Verordnung verlangte Einsicht in die Verwendung des Haushalts und nach dem Frieden die Einberufung des Landtages.71 Die in zehn Punkten formu­ lierten Gravamina vom 24. Mai 1794 forderten unter anderem die Zuziehung zur Gesetzgebung.78 Der Kampf wurde öffentlich geführt, und so war diese Be­ schwerdenliste, wenn auch ungewollt, zugleich eine offene Anklageschrift gegen die bestehende Ordnung schlechthin. Schulz, der preußische Geschäftsträger am Mün­ chener Hofe, schrieb über dieses libellum gravaminum: «Inzwischen ist das, was im § 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 von der Hemmung der ordentlichen Justizpflege, von außerordentlichen und die Gestalt geheimer Inquisitionsgerichte tragenden Kom­ missionen, von Kabinettsjustiz, vom widerrechtlichen faktischen Verfahren des Fiskus, von Übersetzung der Dikasterien mit einer unglaublichen Menge unwissen­ der, unerfahrener und zu junger Subjekte, von zu großer Begünstigung der Aus­ länder und endlich vom abscheulichen Diensthandel gesagt wird, so vollkommen wahr, daß aus diesen Beschwerden die wichtigsten Hauptgrundzüge zu einem getreuen Gemälde der jetzigen inneren Landesadministration von Bayern abstrahiert werden können. * 73 Die bürgerlich-liberalen Kreise nutzten die Gegensätze innerhalb der herrschenden Klasse, indem sie die Forderungen der feudal-aristokratischen Opposition aufgriffen und in progressivem Sinne veränderten. Eine anonyme dreibändige Schrift mit dem Titel .Freimütige Gedanken über die allerwichtigste Angelegenheit' erschien um diese Zeit und erregte Aufsehen. Der Verfasser behauptete von sich, ein grund­ besitzender Edelmann in wichtigen Staatsämtern zu sein. Die Forderung nach der Wiederherstellung der Konstitution und der Landstände, dieser .allerwichtigsten , * Angelegenheit war auch noch ganz im Tone der feudal-aristokratischen Opposition gehalten. Dann aber verließ die Schrift diesen engen Rahmen und steigerte sich zu eindeutig liberalen Ansichten. Scharf trat sie gegenüber der landschaftlichen Ver­ ordnung auf, die einen Landtag der Privilegierten einberufen wissen wollte. Im Gegensatz dazu und in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Volkssouveränität wurde die Notwendigkeit einer gerechten Repräsentation der bisher schlecht oder überhaupt nicht vertretenen Bürger und Bauern betont. Aus dem Grundsatz, daß die Nation die Quelle jeder Souveränität darstellt, folgerte die Schrift, daß die Fürsten nur solange ein Recht zur Regierung haben, wie sie im Interesse des Volkes herrschen. Wird es verletzt und zeigt sich der Fürst allen gütlichen Vorstellungen abgeneigt, so ist als letztes Mittel die Insurrektion erlaubt. Diese schon an revolu­ tionär-demokratische Anschauungen grenzende Feststellung beschränkte sich aller­ dings nur auf die Theorie; unter den gegebenen Umständen glaubte der Verfasser, T1 Steinwachs, Otto, a. a. O., Bd. 55, S. 123 ff. n DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 147, Bl. 96-107. 73 Ebenda, Bl. 93. 3 Süddeutsche Jakobiner

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daß in Bayern die Insurrektion als letztes Auskunftsmittel vermieden und auf dem Wege über Reformen die Übereinstimmung zwischen Regierung und Volk wieder­ hergestellt werden könne. Als notwendige Reformen bezeichnete er die Einschrän­ kung des Erbadels, die Verminderung des stehenden Heeres, die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Einführung gleicher Abgaben und vor allem die Wiederherstel­ lung der Konstitution und der Landstände. Die Schrift fand reißenden Absatz; 1795 erlebte sie bereits die dritte Auflage.74 Diese Tatsache kann als ein Zeichen dafür gewertet werden, daß bei aller Rückständigkeit auch in Bayern das Neue sichtbar an Boden gewann. Andererseits hatte die Schrift keine Nachfolger, sondern blieb allein; ein Zeichen dafür, daß das Bürgertum noch keineswegs die Kraft besaß, den Kampf um die Durchsetzung jener Forderungen auch zu organisieren. Die kurfürstliche Regierung war der ständischen Opposition im Sommer 1794 so weit entgegengekommen, daß sie zwar nicht den Vollandtag, aber doch wenigstens den Adjunktentag Anfang August einberufen ließ. .... weil vor hergestelltem Frie­ den einen allgemeinen Landtag zu berufen nicht wohl tunlich sein will , * wie es im Konvokationsreskript vom 15. Juli hieß, sollte die landschaftliche Verordnung mit ihren 16 Mitgliedern, den 4 Rechnungsaufnehmern und dem Landschaftskanzler lediglich um die 16 Adjunkten vermehrt werden, die sich aus dem landständischen Adel rekrutierten.75 Bei der allgemeinen Stagnation des politischen Lebens in Bayern war das ein bedeutsames Ereignis, an dem die Öffentlichkeit ernsthaften Anteil nahm und das sie auf bezeichnende Weise kommentierte. So erschien zur Eröffnung des Adjunktentages ein in München sehr verbreitetes Flugblatt mit dem Titel .Die bayerischen Bauern an die Landschaftsverordneten und Adjunkten': .Jüngst kamen Boten auf das Land und hatten große Schreiben, Sie sollten, sagt man, d' Hofmarksherrn in d' Stadt zusammentreiben. Denn d' Landschaft und der gnädigst Herr, die hätten sich zertragen. Weil man uns Bauern gar zu sehr mit Steuern wollte plagen. Wenn dies ist, kommen wir auch her, zu sehen, wer von beiden Aus ihnen doch wohl Unrecht hat, um das Recht zu entscheiden. Der Kurfürst, sagt man, sei sehr reich und Herr von Millionen, Und dennoch fordert er stets mehr, um seinen Schatz zu schonen. Davon leiht er dann Gelder aus - dem Land, dem er's genommen. Und vermaskiert dann seinen Namen, um Zinsen zu bekommen. Die Landschaft wisse dann nicht mehr, woher was aufzutreiben. Und protestierte übers Land, was Neues auszuschreiben. Dann hat die Landschaft völlig recht; denn, Herrl Wir müssen zahlen So viel, daß uns die Nägel oft vom Finger möchten fallen.' In den folgenden Zeilen zählt das Flugblatt die Unmenge drückender Lasten auf, kennzeichnet die Beamten als ein weiteres Instrument des Adels, Geld aus den Bauern zu pressen, und geißelt die Bettelmönche als betrügerische Parasiten. Das Flugblatt schließt mit den Versen: 74 Steinwachs, Otto, a. a. O„ Bd. 55, S. 124/25. 74 HSA München, Abt. I, Altbayerische Landschaft, Nr. 255.

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.Kurz, glaubt es, Herrn, der Bauernsack muß unaufhörlich geben. Und wenn's noch mehr wollt, können wir wahrhaftig nicht mehr leben. Drum, wenn's gescheit seid, denket nach mit Ständen und Adjunkten und bessert, wo zu helfen ist, in vielen andern Punkten. Ein jeder tu seine Schuldigkeit und sei gerecht und bieder. Dann mag die Welt in Trümmern gehn, wir Bayern bleiben Brüder. Nehmt euch ein Beispiel an der Zeit und schreibt's euch an die Wände: In Frankreich hat man Könige 'köpft, in Polen hängt man Stände. * 7S Die Kritik an den unerträglichen Verhältnissen ist scharf und radikal; selbst der Kurfürst wird nicht geschont. Es fehlt jedoch noch jede Entschlossenheit, selber Hand anzulegen und gründlichen Wandel zu schaffen. Obwohl brennend an der Auseinandersetzung interessiert, begnügen sich die Bauern mit der Rolle des Zu­ schauers. Die Tatsache, daß sich das Flugblatt an die Adresse des Adjunktentages richtete, schließt seine Anerkennung als rechtmäßige Vertretung auch der Bauern­ schaft ein. In der Aufforderung an jeden, seine Schuldigkeit zu tun, steckt die Bereit­ willigkeit, weiterhin die feudalen Lasten zu tragen, die wohl gemindert, aber nicht prinzipiell beseitigt werden sollten. Trotzdem zeugen die Drohung der Bauern, .das Recht zu entscheiden', und insbesondere die Warnung am Schluß doch eindeutig von dem zunehmenden Selbstbewußtsein der antifeudalen Kräfte. Diese Tendenz äußerte sich auch in einer steigenden Flut von Pasquillen auf führende Männer im bayerischen Staatsapparat. Zahl und Ton dieser Schmähschriften be­ unruhigten diese Kreise in einem Grade, daß sie ein kurfürstliches Reskript vom 22. September 1794 erwirkten, das die Obere Landesregierung und insbesondere das Hofoberrichteramt zu schärfsten Gegenmaßnahmen anhielt: .Nachdem ... seit einiger Zeit aber dergleichen ruchlose Stücke öffentlich in der Stadt und auf dem Lande immer häufiger und unverschämter in Umlauf gesetzt zu werden aufs neue beginnen, so ist es der Obern Landesregierung Pflicht ohnehin, auf die Urheber sowie auf die Verbreiter die ... vorgeschriebene Auskundschaftung und Nach­ suchungen einzuschlagen und gegen sie mit den verordneten Strafen zu verfahren, und das zwar um so mehr, wenn, wie bei einem gegenwärtigen der Fall ist, die ver­ räterischen Absichten am Tage liegen, Mißtrauen und Unwillen wider die Staats­ verwaltung und die Staatsdiener unter den Volksklassen zu verbreiten.' 77 Manche dieser Pasquillen beschränkten sich darauf, den Betreffenden verächtlich oder hassenswert zu machen und ihm ein böses Ende zu wünschen. In diese Reihe gehört das folgende Pasquill auf den Grafen Rumford, den Günstling des Kurfürsten: .Es kam ein Mann aus Engeland, fälscht uns die Haar, stutzt uns das Gewand, Stiehlt uns anbei unser täglich Brot; ’• Ebenda. Eine jüngere, in Schreibweise und Wortwahl geringfügig abweichende Abschrift des Flugblattes findet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Rheinwaldiana Nr. 8, Stück 59, S. 111/12. Die im Text gebrachte Fassung geht von der älteren Abschrift aus und übernimmt von der Rheinwaldschen Abschrift nur vereinzelte Abweichungen, wenn sie klarer und sinnvoller erscheinen. 77 HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R„ Fase. 787, Nr. 4, Bl. 100. 3*

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kommt er an' Galgen, so helf ihm Gott; Wir lachen alle und schreien ihm zu; es war ein Schelm und ein Filou. Und wer uns dieses widerspricht, dem sagen wir ins Angesicht: Wer dieses Schurken Tat verehrt, ist auch wie er des Galgens wert. * 78 Andere gingen weiter. Sie griffen nicht nur den einzelnen mißliebigen Großen an, sondern das ganze System der Ausplünderung und Unterdrückung: .Fahr weg, du biederer Mann, fahr weg aus diesem Lande! Dein Schutzgeist leite dich, fahr weg von diesem Strande, Und blick nicht mehr dahin, wo man die Unschuld quält. Die Schurken glücklich macht, die schönste Tat verhehlt...'. Dieses Pasquill nahm auch den Kurfürsten nicht aus; es nannte ihn in einem Atem mit solchen verhaßten Gestalten wie dem milchgesichtigen Major Minucci oder dem teuflischen Pater Frank: .Allwo der Fürst kein Stund dem Wohl des Staates fronet. Wo Landesverräterei alleine wird belohnet, ... Und wo das Milchgesicht zu Pferd den Helden spielt Und seinen Bubenmut an tapfem Helden kühlt. Auch wo ein schwarzer Mann mit noch weit schwärzrer Seele Im Namen Gottes uns verdammen will zur Hölle, ...'. Die Schrift steigerte sich sogar bis zur Aufforderung an die Bayern, zur Selbsthilfe zu schreiten: .Ihr lieben Bayern, fangt doch anders an zu denken; Das Jammern hilft euch nichts, die Schurken muß man henken. Die nur das Paradies von Grunde aus verderben .. Hier aber, gewissermaßen auf dem Höhepunkt des Angriffs, offenbarte das Pasquill seine Unentschlossenheit und seine mangelhafte Einsicht in die Ursachen der un­ erträglichen Zustände. Letztlich sind es doch wieder nur einzelne Persönlichkeiten, die dafür verantwortlich gemacht werden und darum totzuschlagen sind, während andere wie Obemdorff oder Hompesch ausdrücklich davon ausgenommen werden. Von der Übertragung des Regiments in solche Hände erhofft man sich einen gründ­ lichen Wandel der Verhältnisse. Der Schluß des Pasquills zeigt, daß auch der Aufruf an die Bayern zum selbständigen Handeln mehr rhetorische als praktische Bedeutung besaß. Ausgerechnet der Fürstenbund wird um Hilfe gebeten, um Bayern von der Räuberbande im Staatsapparat zu befreien: .Werft keine Fenster ein, laßt diese Bubenstücke, Wir haben Waffen ja, wir haben Schwert und Stricke ... Auf, edle Bayern I zeigt den alten deutschen Mut, Aus Lieb zum Vaterland laßt Leben, Leib und Blut! Hilf, deutscher Fürstenbund, laß uns nicht länger stecken, 78 Bayerische Staatsbibliothek, Handscbriftenabteilung, Rheinwaldiana Nr. 8, Stück 62, S. 115.

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Sonst müssen ja wir biedre Bayern wie Hunde noch verrecken. Nimm dann den wärmsten Dank, wir küssen dir die Hand, Wenn uns geholfen wird von dieser Räuberband.'79 Konsequenter in der Kritik des gesamten Herrschaftssystems war ein anderes Pasquill, indem es den Hof Karl Theodors vom Kurfürsten bis zum letzten Höfling hinab ohne Unterschied der Unterdrückung und schamlosen Bereicherung bezichtigte. Andererseits jedoch nannte es wieder keinen Weg, der aus dem Sumpf herausführte, und war außerdem nicht frei von dem bornierten Lokalpatriotismus des Altbayern, der gern die bestehenden Übel als fremden Import aus der Pfalz betrachtete. Das Pasquill bediente sich biblischer Formulierungen, die sich ähnlich wie Verse leicht einprägten: »In der Zeit, als der Herr Karl Theodor nach München gezogen war, so war in selber Gegend große Freude, und viel Volk war um ihn, und er tat seinen Mund auf und lehrte das Volk und sprach: 1. Selig sind die Bauern; so lange sie Geld haben, will ich sie regieren. 2. Selig sind die Soldaten, denn ich will ihnen die Flügel stutzen. 3. Selig sind die, die da weinen und Leid tragen über das, was meine Apostel zu sich ziehen werden. 4. Selig sind, die da hungert und durstet nach Gerechtigkeit, die ich ihnen auf ewig versagen will. 5. Selig sind, die reinen Herzens sind wie ich, so werden sie Kinder genug bekommen. 6. Selig sind, die da Verfolgung leiden um der Pfälzer willen, denn sie werden Bayern mit Not umringen. 7. Selig sind die sanftmütigen Proponisten, denn sie werden genug unter­ drückt werden. 8. Selig ist München und ganz Bayern, so aller Wucher und Kauderei treiben darf mit Wissen meiner und meiner Apostel, um unsere Säcke zu spicken ...' 89 Die Verfasser der Pasquille blieben naturgemäß verborgen; aus ihrem unterschied­ lichen Stil, der von unbeholfener Reimerei bis zu wohlgesetzter Sprache reicht, ist jedoch einwandfrei zu entnehmen, daß sie ebenso in den werktätigen Schichten wie im gebildeten Bürgertum zu suchen sind. Alle genannten Beispiele nahmen nicht ausdrücklich Bezug auf die Französische Revolution, aber allein schon die Schärfe der Sprache verrät den Einfluß dieses welthistorischen Ereignisses. Die gesellschaft­ lichen Verhältnisse in Bayern waren nicht so entwickelt, daß jede Opposition die französischen Erfahrungen sinnvoll auszuwerten vermochte. Ohne Zusammenhänge zu erkennen, konzentrierte sich der Zorn häufig auf einzelne Erscheinungsformen der herrschenden Ordnung und blieb daher ausweglos. Die Vergeltung mit Strick und Schwert war noch ein primitiver Wunschtraum, aber nicht Teil eines Programms. Je mehr sich darum die unzufriedenen Kreise der Bevölkerung an der Französischen " Ebenda, Stück 18, S. 40/41. Ebenda, Stück 9a, S. 32/33.

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Revolution und ihren Ergebnissen orientierten, um so klarere und entschiedenere Züge nahm die Opposition an. Eine solche Tendenz ist überall mit Händen zu greifen. Selbstverständlich war diese Entwicklung klassenmäßig sehr unterschiedlich. Wenn nach dem Zeugnis des Benediktinerpaters Roman Zirngibl die ganz Elenden, denen die herrschende Ordnung keine andere Existenzmöglichkeit als den Bettel bot, der Französischen Revolution wärmste Sympathien entgegenbrachten, so dominierten hier zweifellos solche primitiven Motive wie die Aussicht auf Plünderung feudaler Reichtümer: «Die Menge der Landstreicher, der Bettler, der Müßiggänger, die alle Waffen tragen könnten und die sich beim ersten Einfalle der Franzosen mit Ver­ gnügen denselben beizählen würden, eben darum, weil sie nichts riskieren und weil die Franzosen sie gut auf unseren Conte bezahlen dürften, vermehren unseren Furcht und Schrecken. Allen diesen Taugenichts und zuvörderst der unzähligen Schinder­ schar, die im Land mit Weib und Kindern herumschweifen, dem Landesmanne unter Bedrohung des Abbrennens Geld und Mehl abpressen, behagen die französischen Grundsätze. Ich höre und sehe mir genug auf dem Lande .. .* 81 Auf ungleich höherer Ebene faßten die Lehren jenes großen Ereignisses im Bürger­ tum und namentlich in der Intelligenz langsam Fuß, um von hier den Weg aufs Land unter die Bauernschaft zu nehmen. Als ein hervorragendes Zeugnis soll hier ein Flugblatt stehen, dessen Klarheit der Gedankenführung und sprachliche Kraft seine unverkürzte Wiedergabe gebieten: .Gebet, welches alle guten Bayern in dieser Zeit der Not und Bedrängnis fleißig beten sollen. Es wurde bei der sogenannten schmerzhaften und wundertätigen Mutter Gottes im Herzogspital zu München gefunden. Wir liefern dasselbe ohne die ge­ ringste Geographie- oder Religionsabänderung. Allmächtiger ewiger Gottl Der du schon einmal uns arme und sündige Men­ schen durch den Tod deines eingeborenen Sohnes Jesus Christus von der Gewalt des Teufels erlöst hast, wende deine Augen, deine grundlose Barm­ herzigkeit auf unser Elend und sieh, wie wir unter der Gewalt noch weit ärgerer Teufel stehen, denn statt eines Satans sind viele tausend über uns gekommen, nämlich die Tyrannen, so sich Könige und Fürsten nennen, ihre schurkischen Minister, Maitressen, Priester, Beichtväter und ungerechte Beamte, die uns mit Füßen treten, unser Blut aussaugen und uns alle ihre erschrecklichen Sünden aufbürden und entgelten lassen. - Die Blutigel heißen Leiningen, Vieregg, Hertling, Lippert, Dietrich, Schneider und Tattenbach. - Ja, o Herr, sogar ein spitzbübischer Fremdling, ein Rumford, erfrecht sich, unsere Ketten noch enger zu schmieden. Sie mißbrauchen dein heiliges Wort zu unserem Verderben, sie wollen dein göttliches Ebenbild in uns fertigen, indem sie uns den Gebrauch der Vernunft versagen; sie lästern dich unaufhörlich, indem sie sich deines allerchristlichen Namens zum Vorwand ihrer höllischen Schandtaten bedienen und sich deine Stellvertreter nennen, wenn sie uns unterdrücken, schinden und auf die Schlachtbank führen. Die Welt, das Werk deiner Allmacht, ist so schön 31 Grill, Irene Maria Regis, Coelestin Steiglehner, letzter Fürstabt von St. Emmeram zu Regens­ burg. München 1937, S. 68.

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und ordnungsmäßig, deine Herrschaft so leicht und gerecht für alles, was ist und lebt, und wir sind noch die nämlichen Menschen, die du erschaffen, erlöst und erhalten hast, aber die ausgearteten Kinder der Finsternis, das Nattern­ gezücht der Fürsten, der Adligen und der arglistigen Priester haben deine ganze Schöpfung verstellt und verunstaltet. Du weißt ja, o Gott, daß es ein König war, der deinen Sohn und unseren Heiland Jesus Christus mit dem Grimm eines Wüterichs zu Bethlehem verfolgte, du weißt, daß es nur Vornehme und Priester waren, die ihn zum schmählichsten Kreuztod verdammten, und daß er nur unter den gemeinen Menschen würdige Jünger, Freunde und Nachfolger gefunden hat. Dennoch sind jene ruchlosen Christusfeinde auch jetzt noch im Besitz unserer Rechte und unseres Eigentums. Sie schwelgen von unserem Schweiß und stolzieren mit unserer Stärke. Sie haben sich gleich einer ge­ waltigen Mauer zwischen dir und uns aufgetürmt, damit kein Strahl von deiner väterlichen Milde zu uns gelangen möge. Darum vernichte sie und erlöse uns von dem Joch der Fürsten, des Adels und arger Priester, die dich und uns ver­ höhnen. Segne, o Herr der Heerscharen, segne die Waffen des Frankenvolks, das der Hauch deiner Barmherzigkeit erweckt hat, um die zweite Erlösung des Menschengeschlechts an Bayern und der ganzen Menschheit zu vollbringen, sende deine Würgeengel vor ihnen Fahnen her, damit er den ruchlosen Stamm der Tyrannen von der Welt vertilge und auch ihre Bundesgenossen für ihre Verwegenheit strafe, stärke die edlen Kämpfer für unsere Rechte und Würden, die Franken, so du zu unserer Befreiung auserwählt hast, kröne sie mit Sieg und züchtige ihre und unsere Feinde, die auch deine Feinde sind, mit dreifachen ägyptischen Strafen, damit das Werk der Erlösung noch einmal vollbracht werde; gleichwie es schon einmal vollbracht wurde durch: Jesum Christum, unseren Herrn, * Amen. 82 Solche Zeugnisse revolutionärer Gesinnung fanden sich nicht nur in der Haupstadt. Unter den Studenten der Universität in Ingolstadt gab es begeisterte Anhänger der französischen Prinzipien; sie sangen das erstmalig in Mainz 1793 veröffentlichte .Trinklied für Freiheitssöhne', eine Umdichtung des .Trinkliedes' von Matthias Claudius: .Umhängt mit Flor den umgestürzten Becher Und trauert um ihn her; Denn auf Europia, ihr Brüder Zecher, Liegt Despotismus schwer ...

Nach Deutschland will ich wohl noch keinem raten. Der aus nach Freiheit geht; Da gibt's nur Durchlaucht, Exzellenz und Gnaden, Auch etwas Majestät. Vom Rhein, vom Rhein, da rufen edle Brüder: Die Freiheit lebet nochl n Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Rheinwaldiana Nr. 8, Stück 19, S. 42/43.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

Herab den Flor, und füllt die Becher wieder I Sie lebe lang und hochl

Und trinkt ihn aus, und lasset allerwegen Der Freiheit Fahnen wehnl Und jauchzt den Franken brüderlich entgegen: So wird, so muß es gehn!' 83 Wenn einige der Studenten in einem nahen Dorf den Bauern halfen, zwei brennende Höfe zu löschen, und ihnen dabei eine Lektion über die Gleichheit hielten84, so zeugt diese Handlungsweise, selbst wenn jede Wirkung ausgeblieben wäre, für die Einsicht in die Notwendigkeit, das Bündnis mit der Bauernschaft zu suchen, und damit für einen beachtlichen Grad der ideologischen Reife. Daß solche Vorstellungen bei den Bauern auf keinen unfruchtbaren Boden fielen, beweist der Ausbruch des Bauern Huber zu Aich, der in einer Schenke zu Mosburg mit dem Gerichtsprokurator Steinberger in Streit geriet und ihm zurief: .Wenn du (den Steinberger meinend) und dein Graf Geld brauchen, so laßt halt eine Steuer einsagen. Wenn nur die Franzosen kommetenl Man muß halt auch's so machen, wie die Franzosen gemacht haben.'85*Der Zensur zum Hohn wurden auf den Märkten Kupferstiche verkauft, die die Hinrichtung Ludwigs XVI. oder einzelne Helden der Französischen Revolution darstellten. Jakobinerlieder fanden im Volke Eingang.88 Gerade im Hinblick auf eine wirksame Propaganda unter den breiten Massen war auch die Tatsache von großer Bedeutung, daß sich Teile der niederen Geistlichkeit für die revolutionäre Ideologie durchaus empfänglich zeigten. Umfangreiche Unter­ suchungsakten über Vorkommnisse im Gebiet des Rentamts Burghausen bestätigen es, und da dieser östlichste Winkel Bayerns keineswegs revolutionären Einflüssen in besonderem Maße ausgesetzt war, sondern eher umgekehrt, so spricht alle Wahr­ scheinlichkeit dafür, daß es anderswo ähnlich aussah. Nach den Angaben eines Verhörsprotokolls vom 9. April 1794 weigerte sich der Pfarrvikar zu Köstlarn, Pater Marian Andlinger, die oratio pro bello während des Gottesdienstes zu beten: .Wir beten es nicht, was geht der Krieg uns an!' Auf Vorhaltungen eines Kollegen, daß die Revolutionsheere schweres Leid über viele geistliche Fürsten, insbesondere über Kurmainz, gebracht hätten, antwortete Andlinger: .Was haben sich die Schwanz­ pfaffen dareinzumischen; hätten sie sich nicht eingemengt I Jetzt nun können sie es selbst ausfechten, und bis da herein kommen die Franzosen nicht * Er wurde nach Rottalmünster strafversetzt, weil er die Bauern von einer Wallfahrt nach Köstlara abgehalten hatte. Aber auch hier setzte er die Propaganda revolutionärer An­ schauungen fort. Vor Gästen, die er an seine Tafel geladen hatte, äußerte er sinn­ gemäß: .Die Untertanen insgesamt sind allzeit über ihren Souveränen, so zwar, daß sie berechtigt seien, Höchstdieselbe, wenn sie fehlten, zu ermahnen, zu züchtigen 84 Maenner, Ludwig, a. a. O„ S. 171. Sauer, Eberhard, Die Französische Revolution von 1789 in zeitgenössischen deutschen Flugschriften und Dichtungen. In: Forschungen zur neueren Literaturgeschichte. Herausgegeben von Franz Muncker. Weimar 1913, Bd. 44, S. 42/43. 64 Maenner, Ludwig, a. a. O„ S. 156. “ HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R„ Fase. 930, Nr. 18. M Maenner, Ludwig, a. a. O„ 5. 157.

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und wohl gar nach Umständen der Sache ihnen das Leben zu nehmen, wie es die Franken ihrem König getan hatten.' Indem er einzelne Einwände beantwortete, steigerte er sich schließlich zu der Erklärung, .daß sich diese Vollmacht auch auf die bayerischen Untertanen über das Leben ihres Landesfürsten erstrecke . * 87 In Altötting gab es unter den Priestern des Malteserkollegiums überzeugte An­ hänger der Französischen Revolution. Eine Haussuchung beim Priester Denkler förderte Schriften von Hus, Kalvin und Hieronymus von Prag zutage.88 Daß er mit der französischen Revolutionsliteratur vertraut war, vermochte er ebensowenig abzustreiten wie sein Kollege, der Priester Forster, bei dem man unter anderem die folgenden Bücher konfiszierte: Konstitutionsurkunde der Franken 1793, Geist der französischen Konstitution von Collot d'Herbois und zwei gedruckte Reden des Eulogius Schneider.89 Schneiders Reden waren in diesem Zusammenhang von beson­ derer Bedeutung, denn er hatte dem niederen deutschen Klerus ein mutiges Beispiel gegeben. Aus dem Franziskanermönch, der vor der Revolution in Augsburg und Stuttgart gewirkt hatte, war der jakobinische Publizist und öffentliche Ankläger beim peinlichen Tribunal in Straßburg geworden, der seiner geistlichen Würde abschwor. Die Priester Denkler und Forster waren, wenn auch auf einer ungleich niedrigeren Stufe, ebenfalls Propagandisten der Ideen der Französischen Revolution. Beide unterhielten enge Beziehungen zu einer Gruppe oppositioneller Bürger in Neuötting, die regelmäßig in den Wirtschaften der Brauer Pallauf und Schmall zusammenkamen. Zu dieser Gruppe gehörten neben den Genannten solche angese­ henen Bürger wie der Kaufmann Gardier und der Stricker Leuterer, die beide die Funktionen von Ratsfreunden innehatten, weiterhin einige Handwerksmeister, ein Prokurist, ein Kapellmusikus, ein Verwalter vom Malteserkollegium und andere.90 Nach dem Vernehmungsprotokoll des Denunzianten Kölbl vom 12. April 1794 hatte der Priester Denkler geäußert: .Ich mag keine Pfaffen; ich schäme mich, wenn ich einen sehe, denn ich muß es aufrichtig gestehen, daß wir Leutebetrüger seien.' Vom Priester Forster sagte der Schreiber Kölbl aus, daß er die Hinrichtung Ludwigs XVI. mit den Worten kommentiert habe: .Was ist's hernach, wenn sie ihn umgebracht; haben sie halt um einen Esel weniger!' Denkler soll dieser Äußerung laut lachend Beifall gezollt haben. Bei anderer Gelegenheit erklärte Forster: «Die Franzosen haben recht, ihre Sache ist gut und billig für die Untertanen.' Beide Priester scheu­ ten auch nicht vor direkter und grundsätzlicher Kritik der bayerischen Verhältnisse zurück. So stellte Forster fest, das bayerische Gesetzbuch .sei dumm und einfältig und nur für Pfaffen und Adel gemacht', während Denkler sich sogar bis zu der Äußerung steigerte: »Ich respektier keinen kurfürstlichen Befehl.' Dabei waren Forster und Denkler offensichtlich keineswegs die einzigen Geistlichen in Altötting, die revolutionären Ideen anhingen, denn auch dem Priester Koller wurde vor­ geworfen, die Hinrichtung Ludwigs XVI. verteidigt und alle Fürsten als .Hurenjakln und Hurenkerle' bezeichnet zu haben.91 87 88 88 88

HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fase. 928, Nr. 9. Ebenda. Ebenda, Fase. 931, Nr. 41. Ebenda, Fase. 928, Nr. 9; Fase. 931, Nr. 41.

81 Ebenda, Fase. 928, Nr. 9.

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Diese Geistlichen spielten als die Gebildeten eine führende Rolle in der Gruppe der Oppositionellen. Den meisten anderen konnte außer ihrer Beteiligung an den Zusammenkünften nichts Belastendes vorgeworfen werden. Nur die beiden Wirte Pallauf und Schmall hatten sich stark exponiert. Bei Pallauf hatte man viele ver­ botene Bücher gefunden, und außerdem stand er im Verdacht, über anderthalb Jahre lang .einen sehr gefährlichen Menschen' beherbergt zu haben. Den Schmall belasteten die Äußerungen: .Patriotisch muß man denken, Pfaffen und Adel muß man ausrotten, Leibgerechtigkeiten und so weiter abschaffen.' .Es hat vor älteren Zeiten keine gegeben,- es soll alles Eigentum werden.' Außerdem hatte er nachweislich seine jakobinische Gesinnung unter die Bauersleute zu tragen gesucht. Als einmal sechs Bauern aus Klebing nach Neuötting kamen, um ihre Getreideabgaben in das herrschaftliche Stadl zu liefern, und beim Schmall Einkehr hielten, redete er auf sie ein: .Ihr seid Narren! Wenn wir französisch wären, so dürften wir nichts geben; ihr Leute seid nicht gescheit, wenn ihr den Herrschaften etwas gebt.' 98 Es war für die Behörden nicht leicht, wirksame Mittel gegen diesen Geist des Aufruhrs zu finden. Er hatte in den kleinen Städten insbesondere bei den bürger­ lichen Schichten Fuß gefaßt, die auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung oder ihres Wohlstandes als Geistliche, Ratsfreunde, Kaufleute, Meister und Wirte An­ sehen genossen und demzufolge auf die übrigen Einwohner großen Einfluß besaßen. Der Regierungsrat beim Rentamt Burghausen, Joseph Edler von Mussinan, hatte als Regierungskommissar der Ratswahl in Neuötting beigewohnt und schrieb am 7. März 1794 voll Sorge: .Ich zweifle, ob Eure Kurfürstliche Durchlaucht eine Stadt­ gemeinde an Lauigkeit im Christentum habe wie diese; ich trage Bedenken, ob ein Ort ist, wo mehr Freiheitssinn als in diesem herrscht; ich habe keinen Anstand, es auf Auffordern des Magistrats zu behaupten, daß die Bürger weder Gehorsam kennen, minder sich der Ordnung unterwerfen wollen.'93 Die Vorstellung, die dieser Bericht erwecken mag, daß Neuötting ein besonders extremes Beispiel von Aufsässigkeit darstellte, ist irrig. Derselbe Edle von Mussinan hatte zwei Tage zuvor in seiner Eigenschaft als Ratswahlkommissar einen Bericht über Krayburg geschrieben, der in mancher Hinsicht noch alarmierender war. Hier hatte der vermögende Bürger und Bäcker Johann Siegmund Lang eine sehr tatkräftige Oppo­ sitionsgruppe um sich versammelt: .Er lästerte auf Bierbänken ungescheut über Religion und Papsttum mit solchen Ausdrücken, die ich der Niederträchtigkeit wegen verschweigen will; las entgegen französische Piecen vor, zeigte seinen Sauf­ brüdern das Licht, welches nach seiner Behauptung er wünscht die Franzosen ein­ mal anzünden. Was konnte anders erfolgen, als daß er von Seiten des Gerichts zum Soldaten abgegeben wurde. Kaum geschah das, so liefen dreißig Bürger und Ge­ sellen im Markte herum, setzten nach ihrem Sinne den Kammerer ab und wollten alle in das Haus des Gerichtsbeamten, der es ihnen verschloß, hinein.' 94 « Ebenda. M Ebenda. •4 Ebenda.

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Diese Meldungen beunruhigten die Herrschenden im höchsten Grade, so daß ein kurfürstliches Reskript vom 29. März 1794 Mussinan beauftragte und bevoll­ mächtigte, diesen Erscheinungen in geheimen Untersuchungen nachzuspüren. Das Reskript sprach davon, »daß in verschiedenen Orten dero Kurlande ein unerlaubter und zum Teile höchst strafbarer Freiheitssinn, die ärgerliche Sittenlosigkeit sowohl bei einigen geistlich- als weltlichen Personen, Veracht- und Verspottung der Religion und überhaupt die heutige Afterphilosophie Wurzel gefaßt habe und, wenn nicht dagegen ungesäumt die wirksamsten Ausrottungsmittel vorgekehrt werden sollten, jene greulichen Übel noch mehr und schneller um sich greifen würden.'95 Mussinan führte die Untersuchungen mit Umständlichkeit und Gründlichkeit durch. Er trug umfangreiches Material gegen Andlinger, Denkler, Forster, Pallauf und Schmall zusammen. Er übersah auch nicht die schwer zu entziffernden Verse, die von frem­ der Hand mit Bleistift auf den Rand eines der beschlagnahmten Briefe des Bäckers Lang geschrieben waren: .Kron und Zepter, gute Nacht! Ihr werdet allgemein verlacht. Weil Freiheit der Fürstenpracht In diesen Zeiten den Garaus macht.' 98

Dennoch war Mussinan mit den Ergebnissen seiner Schnüffelei gar nicht zufrieden. Und er hatte allen Grund dazu. Die Untersuchung verfolgte ja keinen Selbstzweck, sondern sollte das Mittel sein, den Geist der Opposition vernichtend zu treffen. Die Wirkung war eher umgekehrt. Wenn auch die unmittelbar Betroffenen vorsichtig wurden, sich anpaßten und durch Ergebenheitserklärungen den Ausgang der Unter­ suchung zu beeinflussen trachteten, so war andererseits für die Allgemeinheit die Tatsache der Einsetzung eines Untersuchungskommissars nur geeignet, die oppo­ sitionelle Stimmung noch zu verschärfen. Bitter beklagte sich Mussinan in seinem Bericht vom 29. Juli 1794: .Nicht einmal, sagte ich, vielmal geschah es, daß man über dieses Beginnen höhnte, spottete und mich mit Verachtung ansah, daß ich nun beinahe alles zu Feinden habe, die mich umgeben, wo ich ehevor keine wüßte, wenigstens sie nicht so fühlbar kannte, daß sogar an hundert Orten in München tausend Menschen sich erzählten, daß ich als ein Corpus Delicti die Gebeine von dem an Fasttagen gegessenen Fleisch an Eure Kurfürstliche Durchlaucht eingesandt hätte, wo man hier in Neu- und Altötting mancherlei besondere Stücke, die in das Verächtliche fallen, wider die Kommission herumtrug und den Commissair nichts weniger als verschont ließ. Es können ja diese Erdichtungen aus keiner anderen Ursache entspringen, als ja dem Ganzen eine so lächerliche Gestalt zu geben, es so zu erniedrigen, daß die Schuldigen durchschlüpfen und sich das Ganze, wenn es lächerlich gemacht, von selbst verlieren soll. * 97 Eine solche Gegenpropaganda hatte offensichtlich Erfolg, denn die Urteile, die am 23. Dezember 1794 in der•* •* Ebenda. M Ebenda, Fase. 930, Nr. 34. ” Ebenda.

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Geheimen Deputation gesprochen wurden, Helen erstaunlich milde aus: Forster und Denkler erhielten einen bloßen Verweis; der über sie während der Untersuchung verhängte Zimmerarrest wurde als Strafe angerechnet. Pallauf und Schmall kamen mit drei Tagen Bürgerarrest davon, hatten aber außerdem die gesamten Unter­ suchungskosten in Höhe von 439 Gulden 30 Kreuzer zu tragen.08 Bei anderen Gelegenheiten wiederum wurden ausgesprochen brutale exemplarische Strafen verhängt, so im Falle eines Gastwirts von Deggendorf. Der sächsische Ge­ schäftsträger am Münchener Hofe berichtete am 5. Oktober 1794 darüber: .Nachdem die Dreistigkeit, über das Zeitgeschehen zu räsonnieren, zu sehr tadelnswerten Aus­ schweifungen geführt hat, nicht nur in Privathäusern, sondern auch in den Wirts­ häusern und Cafés, hat man geglaubt, sie unterdrücken zu müssen und ein Exempel zu statuieren. Ein Gastwirt, der sich bis zu Angriffen auf den König von Frankreich und mehrere andere Souveräne vergessen hatte, ohne seinen eigenen zu schonen, und sich diesbezüglich die empörendsten Äußerungen in Gegenwart mehrerer Personen erlaubte, die gegen ihn ausgesagt haben, ist zum Pranger und zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden.' 88 Wie aus dem nächsten Bericht vom 9. Ok­ tober hervorgeht, mußte leichte Reiterei die Zurschaustellung des Wirtes sichern, um Proteste der Bevölkerung zu verhindern.100 Ein weiterer Bericht vom 2ö. Oktober bestätigt indirekt, daß solche Maßnahmen keine nennenswerten Erfolge hatten, denn der Hof wurde trotzdem .von allen Seiten durch skandalöse Flugschriften an­ gegriffen, in denen man gegen verschiedene Zweige der Staatsverwaltung wü­ tete.' 101 Der sächsische Geschäftsträger räumte ein, daß ein großer Teil der Kritiken gut fundiert war. Gründe genug zu massiver Unzufriedenheit gab es allenthalben, also gab es auch überall der bestehenden Ordnung gefährliche Äußerungen dieser Unzufriedenheit. Die Bürgerschaft von Ingolstadt erhob 1795 laute Klagen gegen den Magistrat.102 Die Bürger Ambergs bekämpften hartnäckig die bestehende Ratswahlvorschrift, die ihnen keine Einflußmöglichkeit einräumte.103 In Reichenhall protestierte die Bürger­ schaft gegen die .widerrechtlichen Bedrückungen und Gelderpressungen' durch den Magistrat.104 Nach Donauwörth schickte die Regierung am 19. August 1795 ” Ebenda, Fase. 928, Nr. 11. *g La licence de raisonner sur les affaires du temps ayant été portée à des excès très blamab­ les, non seulement dans des maisons particulières, mais aussi dans les auberges et les cafés, on a cru devoir la réprimer et statuer un exemple. Un aubergiste s'étant oublié jusqu'aux attaques sur le Roi de France et plusieurs autres souverains, sans ménager le sien, et d se permettre à leur sujet les propos les plus révoltants, en présence de plusieurs personnes qui ont déposé contre lui, il a été condamné à être exposé sur un échaffaud et à être en­ fermé pendant dix ans dans la maison de conection.' LHA Dresden, Loc. 3468, Minutes des dépêches à S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794, Anhang, Nr. 1677. 1n° Ebenda, Nr. 1678. 101 .... la Cour d'ici est exposée au désagrément d'être attaquée de tous cotés par des brochures scandaleuses, dans lesquelles on se déchaîne contre différentes branches de son administra­ tion publique.' Ebenda, Nr. 1683. ’°* HSA München, Abt. I, Ministerium des Innern, Nr. 26410. 188 Ebenda, Nr. 25651. Ebenda, Nr. 26840.

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Untersuchungskommissare mit dem Auftrag, .den vorgekommenen Winkelzusam­ menkünften ... der Jakobiner auf den Grund zu sehen und uns berichtliche Anzeige hierüber zu erstatten.'105 Hier hatte sich eine oppositionelle Gruppe unter Führung des Krämers Deiringer gegen die Stadtverwaltung zusammengetan. Da der Magi­ strat schriftlichen Vorstellungen gegenüber taub blieb, .so nahm Deiringer seine Zuflucht zu Tätlichkeiten; er stiftete tumultuarische Auftritte auf dem Rathaus, wobei es dann auch Mißhandlungen gegen Ratsglieder absetzte. * 100 In allen diesen Fällen wagte die Regierung nicht, rigoros einzuschreiten, sondern bezog mehr die Linie der Vermittlung und Beruhigung. Verschiedentlich war sie sogar zu sehr weitgehen­ den Zugeständnissen gezwungen. Die im Juli 1795 vom Kurfürsten verfügte Ab­ setzung der Landshuter Regierung, vom Präsidenten Baron von Dachsberg bis zum letzten Mitgliede hinunter, war ein sichtbarer Rückzug der Staatsgewalt vor der anwachsenden Gärung im Volke. .Seit einer Reihe von Jahren', so schrieb am 19. Juli 1795 der preußische Legationssekretär Schulz aus München nach Berlin, .war die Regierung von Landshut durch unbillige Verfahrensweise, die man nicht ohne Schaudern anhören kann, Gegenstand allgemeiner Klagen in ganz Bayern und der bittersten Beschwerden geworden, die an die Person des Landesherrn herangetragen wurden, ohne daß es jemals möglich gewesen war, eine wirkliche Prüfung der erhobenen Beschwerden gegen ein Kollegium zustande zu bringen, dessen Häupter mächtige Beschützer am Hofe besaßen.'107 Wenn nun schließlich doch eingegriffen werden mußte, so hatten daran den entscheidenden Anteil die .von Tag zu Tag sich ständig vervielfachenden und dringenderen Beschwerden eines beträchtlichen Bezirks, der bereit war, im Falle fortgesetzter Weigerung jede Art von Ausschreitungen zu begehen,...'108 Um die feudale Ordnung insgesamt vor schweren Erschütterungen zu bewahren, mußte jene Handvoll ihrer Repräsen­ tanten geopfert werden, obwohl sich ihre Verbrechen nicht prinzipiell, sondern nur gradmäßig von den allgemein in der bayerischen Staatsverwaltung üblichen unterschieden. Das kurfürstliche Kassationsreskript sprach von ungerechten Todes­ urteilen, ungesetzlicher Anwendung der Folter, Korruption, Erpressung, Akten­ fälschung usw.10® Gleichsam um ein Gegengewicht zu schaffen, das den Eindruck des Zurückweichens der Regierung wieder aufhob, führte sie um dieselbe Zeit mit einigem Lärm einen Schlag gegen angebliche Illuminaten, die Anzeigen zufolge eifrig an der Wieder­ herstellung des Ordens arbeiten sollten. Die Furcht vor solchen Geheimbünden *“ Ebenda, Nr. 26130. *“ Ebenda, Nr. 26131. 107 .11 y a nombre d'années que la Régence de Landshut par des procédures et iniquités dont le récit seul fait frémir était devenue l'objet des cris universels dans toute la Bavière et des plaintes les plus amères, portées à la personne du Souverain sans que jamais il eût été possible d'effectuer un examen solide des griefs élevés contre un collège dont les chefs avaient de puissants protecteurs à la Cour.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 141, Bl. 177. 708 .... réclamations de jour en jour plus multipliées et pressantes d'un district considérable prêt à se livrer à toute sorte d'excès en cas de refus plus prolongé, ..Ebenda, Bl. 178. >o» Ebenda.

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war derart ausgeprägt, daß bis ins 19. Jahrhundert hinein von jedem Beamten vor seinem Amtsantritt der Illuminateneid verlangt wurde, worin er beschwor, keinerlei Bindungen zu diesem Orden zu besitzen. Der rationelle Kern dieser zweifellos übertriebenen Furcht bestand darin, dafj der Illuminatismus damals vor allem unter Bürgerlichen und liberalisierten Adligen innerhalb der Beamtenschaft seine An­ hänger gefunden hatte. Angesichts der zunehmenden Gärung im Volke aber waren Aufweichungserscheinungen im Staatsapparat, diesem wichtigsten Unterdrückungs­ instrument oppositioneller Regungen, für die bestehende Ordnung besonders gefähr­ lich. Die Gruppe, die im Sommer 1795 in und um Landshut unter diesem Verdacht verhaftet wurde, rekrutierte sich aus diesen Kreisen. Zu ihr zählte der Baron von Lerchenfeld-Aham, der kurfürstliche Kämmerer Freiherr von Berchem, ein Freiherr von Schleich, der kurfürstliche Rat und Syndikus der Stadt Landshut, Wieland, der pfalzgräflich-birkenfeldische Hofrat Hard, dann noch der Kammerschreiber des Lerchenfeld, Urfahrer, und ein Kaufmann Koidl.110 Lerchenfeld, auf dessen Sitz zu Aham man das Originaldiplom seiner Aufnahme in die Freimaurerloge zu Frank­ furt gefunden hatte, erhielt eine exemplarische Strafe von sechs Jahren Festungs­ arrest, der durch Reskript vom 12. September 1795 in einen Schloßarrest zu Traus­ nitz gemildert wurde.111 Die übrigen kamen mit geringeren Strafen davon, zumal die Öffentlichkeit in der Form für sie Partei ergriff, dafj sie die Anklage auf Motive der persönlichen Rache und Intrige zurückführte.112 Wieland verlor seine Titel und Funktionen und hatte innerhalb einer bestimmten Frist den Aufenthaltsort zu wech­ seln,- Freiherr von Berchem mußte für einen Monat nach Trausnitz in Schloßarrest; dem Urfahrer brachte .sein geäußerter revolutionärer Freiheitssihn' einen Verweis und acht Tage Arrest bei Wasser und Brot ein; Koidl ging ebenfalls in Bürgeiarrest und wurde bei nochmaligem .Verbrüderungsverdacht * mit schärferer Strafe be­ droht; die übrigen erhielten bloße Verwarnungen.113 Die genannten Beispiele zeugen eindeutig von der zunehmenden allgemeinen Gärung im ganzen Lande. Der Klassenkampf verschärfte sich. In der Hauptstadt München verdichtete er sich zu Aktionen, die sowohl in ihrem Ausmaß als auch in ihrer Intensität und Häufigkeit hervorragen und darum besondere Beachtung ver­ dienen. Oft gab ein unbedeutender Vorfall den Massen Anlaß, ihrer Opposition sichtbaren Ausdruck zu verleihen. So war Anfang September 1794 ein Böttcher­ geselle, der im Englischen Garten zu München mehrere Bäumchen beschädigt hatte, zur Strafe des Prangers verurteilt worden. .Dieses Schauspiel rief einen außer­ ordentlichen Volksauflauf hervor, der sich alle möglichen Äußerungen gegen die Regierung und im besonderen gegen den Grafen Rumford (Direktor des Englischen Gartens - H. S.) erlaubte, den er für das Unglück dieses jungen Mannes verant­ wortlich machte. So war man gezwungen, die Zeit abzukürzen, die er dem Anblick 110 111 1,4 119

HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R.. Fase. 927, Nr. 6, Konvolut 3. Ebenda, Konvolut 2. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 141, Bl. 178. HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fase. 927, Nr. 6, Konvolut 2.

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der Öffentlichkeit ausgesetzt sein sollte.'114 Ende November führte die Entlassung eines Schlossergesellen, der die Arbeit an einem Montag verweigert hatte, zu Be­ wegungen seiner Zunftgenossen. Wenn der sächsische Geschäftsträger Beigel am 30. November noch glaubte, daß die Verhaftung der Rädelsführer die Ruhe gesichert hätteI15*, so mußte er am 18. Dezember umgekehrt feststellen, daß sie der Obrigkeit beinahe teuer zu stehen gekommen wäre. Die Gesellen von 34 Zünften hatten auf einen Schlag ihre Werkstätten verlassen und waren auf die Straße gegangen, die Freilassung ihrer zu Gefängnis und Militärdienst Verurteilten Kameraden fordernd. Die Drohung mit dem allerhöchsten Unwillen Serenissimi machte keinerlei Eindruck. Am folgenden Tage schloß sich die Mehrheit der übrigen Zünfte dem Ausstand an. Schließlich verweigerten sogar die Bäcker und Fleischer die Arbeit, so daß die Ver­ sorgung der Stadt unmittelbar bedroht war. Dabei bewahrten die 4000 bis 5000 Streikenden eine bewundernswerte Disziplin: Sie verboten, sich zu bewaffnen und sich in den Wirtshäusern zu betrinken. Gerade diese ruhige Entschlossenheit, die weitergehende Pläne vermuten ließ, erschien der Regierung besonders gefährlich. Sie wagte nicht, Gewalt anzuwenden, und kapitulierte bedingungslos vor den Ge­ sellen. .Man versichert, daß der wahre Beweggrund, der die Haltung der Regierung in dieser Angelegenheit bestimmte, die Furcht vor den schlechten Gesinnungen des Militärs und der Bürgerschaft war, die das Übel verschlimmern konnten, wenn die Dinge bis zum Äußersten getrieben worden wären.'1,6 Um das Gesicht zu wahren, verurteilte die Regierung den Magistrat unter dem Vorwand, voreilig die Strafen verhängt zu haben, zur Zahlung des Lösegeldes für die Schlossergesellen, die zum Militär gesteckt worden waren.117 Im Frühjahr 1795 kündigte sich in der Residenz bereits wieder ein neuer Ausbruch der allgemeinen Unzufriedenheit an, der diesmal nicht nur von den Gesellen, sondern von der gesamten Einwohnerschaft getragen wurde. Die freie Ausfuhr insbesondere von Getreide hatten Aufkäufer, die die verbündeten Armeen versorgten oder zum Teil auch über die Schweiz mit Frankreich Handel trieben, in einem Maße aus­ genutzt, daß das Angebot auf dem Münchener Markt sank, die Preise stiegen und die Bedürfnisse der Einwohner nicht mehr befriedigt werden konnten. Da alle Vor­ stellungen bei Baron von Stengel, dem für die Finanzen Verantwortlichen im Geheimen Rat, dem Mangel und der Teuerung zu begegnen, wirkungslos blieben, begab sich am 12. März eine gemischte Deputation des Münchener Magistrats und 114 .Ce spectacle attira un concours de peuple extraordinaire, lequel se permit toutes sortes de propos contre le gouvernement et en particulier contre le Comte de Rumford. auquel il attribuait le malheur de ce jeune homme. On fut ainsi obligé d’abréger le temps auquel il devait être exposé à la vue du public.' LHA Dresden, Loc. 3468, Minutes des dépêches à S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794, Anhang, Nr. 1668. 111 LHA Dresden, Loc. 3468, Dépêches du chargé d'affaires Beigel adressées à S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794/95, Bl. 28. 114 .On assure que le VTai motif, qui avait déterminé la conduite du gouvernement dans cette affaire, était la crainte des mauvaises dispositions du militaire et de la bourgeoisie qui auraient pu empirer le mal, si les choses avaient été portées aux dernières extrémités.' Ebenda, Bl. 48. Ebenda.

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der Bürgerschaft direkt zum Kurfürsten.118 Nach Beigels Bericht ging ihre Absicht dahin, .ihm die Beschaffenheit ihrer Beschwerden vorzustellen und ihn zu bitten, das Ohr nicht den schlechten Ratschlägen seiner Minister zu leihen, die aus Ehrgeiz und Eigennutz nicht aufhören würden, das Volk zu tyrannisieren und die guten Absichten zu durchkreuzen, die Seine Kurfürstliche Durchlaucht für das Glück ihrer Untertanen haben könnte. Der Kurfürst war von diesem kühnen Schritt der Bürger­ schaft merklich betroffen und noch mehr, als er erfuhr, daß man in der folgenden Nacht an mehreren Stellen der "Stadt aufrührerische Zettel angeheftet hatte, die offen zur Empörung aufforderten und in denen man den Baron von Stengel an den Galgen wünschte. * 119*Tagelange Ministerkonferenzen berieten die Situation. Der preußische Legationssekretär rechnete mit einem Ergebnis, .das aller Wahrschein­ lichkeit nach die Einführung eines Mittelweges zwischen dem absoluten Verbot der Getreideausfuhr und dem, was bisher praktiziert wird, zu sein scheint. * 190 In den Beratungen jedoch setzte sich die Auffassung des Barons von Stengel durch, der jede Beschränkung der freien Getreideausfuhr, die dem Landesherrn wenigstens 200 000 Gulden im Jahr einbrachte, ablehnte. Nach Beigels Bericht .berief er sich besonders auf die Notwendigkeit, in der man sich befand, ein Beispiel der Festigkeit zu geben nach dem der Mäßigung, die der Hof bei Gelegenheit der durch den Starrsinn der Handwerksgesellen im letzten Dezember hervorgerufenen Unruhen gezeigt hatte,...'121 Mit dem Datum vom 16. März 1795 erschien eine .Höchst Landesherrliche Verordnung *, die die geforderte Getreidesperre entschieden ver­ weigerte.122 Diese Unnachgiebigkeit verbitterte,- Gerüchte gingen um, daß die Regierung eine Herabsetzung der Löhne anstrebte und sogar gesetzlich bestimmen wollte, .was und wie viel und oft die Einwohner essen und trinken sollten'.123 Nur für einige Monate gelang es den Behörden, einen Ausbruch des allgemeinen Unwillens zu verhindern. Als dann aber nach einer reichen Ernte Mangel und Teuerung weiter anhielten, schritten die Münchener im September 1795 zur offenen 118 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 143, Bl. 21. “• .... pour lui présenter l'état de ses griefs et le supplier de ne pas prêter l'oreille aux mauvais conseils de ses ministres, qui par des vues d'ambition et d'intérêt ne cessaient de tyranniser le peuple et de contrarier les bonnes intentions que S. A. S. E. pourrait avoir pour le bonheur de ses sujets. L'électeur fut sensiblement frappé de cette démarche de la bourgeoisie, et plus encore lorsqu'il apprit, qu'on avait affiché la nuit suivante dans plu­ sieurs endroits de la ville des écrits séditieux qui invitaient ouvertement à la révolte et dans lesquels on dévouait le B. de Stengel à là potence.' LHA Dresden, Loc. 3468, Dépêches du chargé d'affaires Beigel adressées ä S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794/95, Bl. 90. 1M ,... qui d'après toute probabilité paratt être l'établissement d'un moyen terme entre la défense absolue de la sortie des grains et ce qui s'est pratiqué jusque-lä.' DZA Merseburg, Hep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 141, Bl. 76. 111 .Mr. de Stengel... s'appuya particulièrement sur la nécessité où l'on était de donner un exemple de fermeté après celui de modération, que la Cour avait donné à l'occasion des troubles exités par la mutinerie des garçons de métier au mois de Décembre dernier,.. .* LHA Dresden, Loc. 3468, Dépêches du chargé d'affaires Beigel adressées à S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794/95, Bl. 95. >« Ebenda, Bl. 91-94. la .Deutsche Zeitung', Jahrg. 1795, 19. Stück, Sp. 306.

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Empörung, vor der die Staatsgewalt kapitulieren mußte. Der Aufruhr war nicht wie viele vorangegangene nur eine Angelegenheit der Gesellen, die meist kein Bürgerrecht besaßen, sondern erfaßte die gesamte Einwohnerschaft, die eingesesse­ nen Bürger eingeschlossen. Darüber hinaus setzte er seine Ziele in einer Form durch, daß selbst die höchsten Repräsentanten des Staates dem unmittelbaren Druck der Volksmassen ausgesetzt wurden. Mehrfach schon war die Menge vor das Rathaus gezogen, ohne den Magistrat anzutreffen, der jedesmal schleunigst das Weite ge­ sucht hatte.124 Der sächsische Gesandte Graf Goertz schilderte den weiteren Verlauf in einem Bericht vom 24. September folgendermaßen: .Nachdem sich ein Teil der­ selben (der Menge - H. S.) gestern nachmittag auf dem Rathause versammelt, zogen sie, einige Hundert an der Zahl, zu dem Geheimen Kanzler Freiherm von Hertling, verlangten von ihm, noch den nämlichen Abend dem Kurfürsten ihre Bitten und Beschwerden vorzustellen. Es war vergebens, Vorstellungen bei diesen Menschen Eingang zu verschaffen. Der Geheime Kanzler und der Landesregierungs­ vizepräsident Freiherr von Weichs waren genötigt, mit ihnen nach Hofe zu gehen. Seine Kurfürstliche Durchlaucht, welche eben ihren Sommeraufenthalt verlassen und dem Schauspiele beiwohnten, verließen dasselbe und erteilten einer Deputation des Rats und der Bürgerschaft eine Audienz, worinnen sie dieselben sich ruhig zu betragen befahlen, zugleich aber auch äußerten, es werde eine Kommission nieder­ gesetzt werden, welche ihre Beschwerden untersuchen und, falls sie gegründet wären, ihnen abhelfen würde.'125 Der wartenden Menge vor dem Schloß wurde von einem Balkon aus das Ergebnis mitgeteilt.126 Die Massen schafften vollendete Tatsachen und verhinderten, daß die Regierung es bei leeren Versprechungen be­ wenden ließ. Der Marktscherg mußte auf Verlangen der Bevölkerung ins Gefängnis gesteckt werden, und .ein alter Bürger übernahm die Aufsicht über den Markt.'127 Die Häuser der verhaßten Aufkäufer, die mit den Lebensmitteln einen gewinn­ bringenden Handel nach dem Ausland getrieben hatten, wurden .von der Bürger­ schaft mit Zuziehung eines Polizeibedienten durchsucht, diese Waren in Beschlag genommen und alle den Markt überfahrende zum Verkauf dahin genötigt...'129 Die Unruhen beschränkten sich nicht auf die Hauptstadt. Ein Münchener Brief vom 25. Oktober 1795 versicherte, .daß die Bürger zu Landshut, Straubing und Amberg auch Auftritte gehabt; zu Amberg aber sollen gar 5 Soldaten und 10 Bürger auf dem Platz geblieben sein.'126 Mit Datum vom 24. September 1795 erschien dann das geforderte landesherrliche Ausfuhrverbot für alles Getreide, gemästetes Hornvieh,114 *122 114 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 141, BL 222. LHA Dresden, Loc. 3468, Dépêches françaises et relations allemandes de S. E. Mr. le Comte de Goertz, 1795, Nr. 4. 126 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayera, Fasc. 141, Bl. 222. 127 Kluckhohn, August, Aus dem handschriftlichen Nachlasse L. Westenrieders. München 1881/82, S. 54. 128 LHA Dresden, Loc. 3468, Dépêches françaises et relations allemandes de S. E. Mr. le Comte de Goertz, 1795, Nr. 5. 122 Ou;, Anton Freiherr von. Münchener Neuigkeiten aus den Jahren 1795-1799. In: .Alt­ bayerische Monatsschrift', 3. Jahrg., S. 27, 1901/02. 4 Süddeutsche Jakobiner

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

Schafe und Schweine.130 Ein letzter Versuch der Regierung, wenigstens zu einem kleinen Teil den eigenen Standpunkt zu wahren und die Getreidesperre auf Franken und Schwaben, das Schweineausfuhrverbot auf sechs Wochen zu beschränken, scheiterte an der drohenden Haltung der Bevölkerung. .Es waren von neuem Be­ wegungen zu befürchten , * teilte Graf Goertz am 1. Oktober mit.131 Ein zweites landesherrliches Mandat vom 30. September dehnte die Sperre auf Tirol aus und verzichtete auf jede zeitliche Begrenzung. Die Regierung hatte kapituliert. Sie mußte sogar einräumen, daß eine 36köpfige Bürgerschaftsvertretung dem Magistrat zur Seite gestellt wurde. Der Magistrat selber war zufrieden, mit diesem Zugeständnis über die kritische Situation hinweg­ gekommen zu sein. Jede schärfere Maßnahme, die gedacht war, das so sehr ge­ sunkene Ansehen des Staates zu heben, schien ihm gefährlich und geeignet, die Er­ regung der Bürger erneut aufleben zu lassen. Nach den Septemberunruhen waren vier Bürger, der Bürstenbinder Stumpf, der Knopfmacher Böhm, der Perruqier Wery und der Seidenstrumpfstricker Seyfried, als angebliche Rädelsführer durch den Stadtoberrichter auf höchsten Befehl verhaftet worden. Um seinen mäßigenden Ein­ fluß geltend machen zu können, drängte der Magistrat darauf, daß er in der dafür geschaffenen Untersuchungskommission ebenfalls vertreten war. Bürgermeister und Räte sandten am 9. Dezember 1795 an den Kurfürsten ein Schreiben, in dem sie sich .an Höchstdero bekannte Großmut und Gnade wenden und von da aus Nachsicht und Vergessenheit des Vergangenen untertänigst erbitten, ...' Zur Bekräftigung ihres Anliegens verwiesen sie auf ihre eigenen Anstrengungen, .die Quelle derlei trauriger Auftritte für immer zu verstopfen, die zerrüttete Ordnung wiederherzu­ stellen, alles Mißtrauen zu heben, den behörigen Verband zwischen Magistrat und Bürgerschaft zu bestimmen und letztere durch Aufstellung der Gemeinde-Ausschüsser in ihr gehöriges Geleis zurückzuführen.'132 Die Verhafteten wurden dann auch am 8. Januar 1796, ohne daß ein Urteil gesprochen war, aus dem Arrest entlassen.133 Drei von ihnen, Stumpf, Böhm und Wery, gaben sich mit einem solchen Bescheid nicht zufrieden. Sie gingen zum Angriff über und reichten dem neugebildeten Ge­ meindeausschuß eine Beschwerdeschrift ein, die erstens eine eindeutige Erklärung forderte, daß ihre Inhaftierung zu Unrecht geschah, zweitens die Angabe des Namens des Denunzianten verlangte, um ihn gerichtlich belangen zu können, und drittens eine angemessene Entschädigung für die ausgestandene Pein beanspruchte. Der Gemeindeausschuß übergab die Beschwerde dem Magistrat, der sie am 20. Juni 1796 an den Kurfürsten weiterreichte.134 Als dann am 19. August von höchster Stelle die Ablehnung ¿1er Forderungen erfolgte, wandten sich die drei Bürger mit ihrer Be­ schwerde sogar an die Landschaft. Sie lehnten entschieden die Auffassung ab, daß die Septemberunruhen das Werk einzelner Hetzer gewesen seien und baten um die 130 DZA Merseburg, Rep. 11., Nr. 33 Bayern, Fase. 143, Bl. 82/83. 1,1 LHA Dresden, Loc. 3468, Dépêches françaises et relations allemandes de S. E. Mr. le Comte de Goertz, 1795, Nr. 8. 1M HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fasc. 928, Nr. 12, S. 91/92. Ebenda, S. 99. 1,4 Ebenda, S. 125 ff.

1. Das Kurfürstentum Bayern

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landschaftliche Unterstützung ihrer Sache?35 Diese Hartnäckigkeit und Entschieden­ heit im Auftreten dem Souverän gegenüber zeugen von dem gesteigerten Selbst­ bewußtsein der einfachen Bürger nach ihrer erfolgreichen Aktion im September 1795. Eine solche Haltung ist um so höher zu bewerten, als die Regierung nach dem September eine Reihe militärischer Maßnahmen getroffen hatte, die sich eindeutig gegen die Bevölkerung richteten. Schon bei dem Handwerkeraufruhr Ende 1794 war man sich an höchster Stelle des Militärs nicht mehr sicher gewesen. Nach der Niederlage im September beeilte sich darum die Regierung doppelt, durch Um­ gruppierungen die Zuverlässigkeit der Truppen zu erhöhen. .Die Furcht, nicht auf die militärische Gewalt im Falle von Volksunruhen rechnen zu können, die seit einiger Zeit ziemlich häufig hier stattfinden, ist die Ursache für die eben angeordnete Verlegung der hier garnisonierten bayerischen Regimenter', schrieb Graf Goertz am 8. Oktober 1795 aus München.135 Nach dem Bericht des Legationssekretärs Schulz vom 27. Dezember benutzte die Regierung als Vorwand für die außerordent­ lichen militärischen Sicherungsmaßnahmen .die angebliche Aussage eines hiesigen Franziskanermönches, welcher zu dem Hofkriegsratspräsidenten Fürsten von Isen­ burg gekommen und diesem die Anzeige gemacht haben soll, daß er im Beichtstuhl die Entdeckung einer weit ausgebreiteten Verschwörung gegen das Leben des Kur­ fürsten und die Ruhe des Staats gemacht habe.'137 Obwohl nach derselben Quelle der gesamte Franziskanerkonvent diese Angabe als von Anfang bis Ende erfunden bezeichnete, wurde eine Handvoll Münchener Bürger als der Verschwörung ver­ dächtig ins Gefängnis geworfen.135 Wenn Schulz auch von fünf Bürgern sprach, so kann doch kein Zweifel bestehen, daß es sich um Stumpf, Böhm, Wery und Sey­ fried handelte, denn sein Kollege Hamier berichtete am 17. Januar 1796, auf das Schreiben des Schulz Bezug nehmend, daß jene fünf Bürger kürzlich wieder auf freien Fuß gesetzt worden wären.139 In der Tat hatte das kurfürstliche Reskript vom 8. Ja­ nuar die Freilassung von Stumpf, Böhm, Wery und Seyfried verfügt. Ihre Verhaftung war also wesentlich ein Manöver der Regierung, das ihr helfen sollte, die militärischen Veränderungen vor der Öffentlichkeit zu motivieren. Das Prinzip, das dabei verfolgt wurde, bestand darin, die einzelnen Truppenteile aus der gewohnten Umgebung herauszunehmen und möglichst fern von ihrer engeren Heimat in Garnison zu legen.145 Auf diese Weise kamen nach München vornehmlich Pfälzer und Oberpfälzer Einheiten, .keineswegs Freunde der Bayern', wie der preußische Legationssekretär *“ Ebenda, A. R., Fase. 2636, Nr. 140. ,M .La crainte de ne pouvoir compter sur la force militaire en cas d'émeutes populaires qui depuis quelque temps ont lieu assez fréquemment ici, est la cause d'une dislocation des régiments bavarois garnisonnés ici, qui vient d'être arrêtée. * LHA Dresden, Loc. 3466, Dépêches françaises et relations allemandes de S. E. Mr. le Comte de Goertz, 1795, Nr. 81. 1,7 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33 Bayern, Fase. 152, Bl. 4. Ebenda. i» Ebenda, Bl. 29. ,4# Ebenda, Fase. 143, Bl. 84. 4*

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I. Sozialökonomtsche Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

Schulz schrieb.141 Reibereien und Zusammenstöße mit der Bevölkerung ließen darum auch nicht auf sich warten. .Am Sonntagabend sind zwei schon allhier befindliche Mannheimer Soldaten in einem Brauhaus brav abgeprügelt und zum Haus hinaus­ geworfen worden', berichtete ein Münchener in einem Brief vom 2. November 1795.142 Derselbe Briefschreiber teilte am 22. November mit: .Die hiesigen Mann­ heimer Truppen sind höchst mißvergnügt, und jetzt geben sie alle Schuld, daß sie hierher gemußt, Herrn Geheimen Kanzler und Baron von Stengel; da gibt's gewiß noch was ab. Es ziehen alle Tag über 400 Mann auf die Wacht, und die Stadt ist jetzt voller Schilderhäuser, auch um die Stadt herum gerade genug, was der Bürger­ schaft auch nicht taugen will.' 143 Der Klassenkampf in Bayern hatte mehr oder weniger alle Schichten des antifeudalen Lagers ergriffen. Die Bauern meldeten sich; die Plebejer der Städte, insbesondere die Gesellen, führten machtvolle Aktionen durch, die über den engen zünftlerischen Rahmen hinausragten; das eingesessene Bürgertum, in erster Linie Handwerks­ meister und Kaufleute, opponierte gegen die oligarchischen Magistrate und kämpfte um Einfluß auf die Stadtverwaltung; Angehörige der bürgerlichen Intelligenz, zu der auch ein Teil der niederen Geistlichkeit zu rechnen ist, und einzelne liberalisierte Adlige steigerten ihre Kritik bis zur Negierung des Feudalismus überhaupt. Dennoch behielt der Klassenkampf in Bayern im wesentlichen immer noch spontanen Cha­ rakter. Die konkreten Zielsetzungen der einzelnen Aktionen richteten sich gegen bestimmte Erscheinungsformen der feudalen Ordnung und erhoben sich nicht zu einem prinzipiellen Programm; obwohl die Gärung das ganze Land erfaßt hatte, blieben die Unruhen lokal beschränkt; die Gegensätze innerhalb der antifeudalen Kräfte, so der zwischen Gesellen und Meistern, zwischen städtischen und ländlichen Bewohnern, erschwerten ihren Zusammenschluß gegen den gemeinsamen Feind. So waren die Münchener Unruhen im September 1795, in denen bereits Plebejer und besitzendes Bürgertum Schulter an Schulter kämpften, in ihrer Zielsetzung nicht geeignet, die breiten Massen der Bauernschaft in die Bewegung einzubeziehen. Einem Teil der Bauern brachte die freie Getreideausfuhr bej dem ungeheuren Be­ darf der Armeen gute Preise; es fehlte darum auch nicht an Eingaben von dieser Seite, die sich entschieden gegen jedeSperre aussprachen. Ein Peter Sailer, Schwaiger zu Gergolting, verlangte im Namen der Landbauern die Zurücknahme des Ausfuhr­ verbots,- er bezeichnete die Sperre als .gesetzwidrig veranlaßt', nannte sie .weder nötig, noch gerecht, noch nützlich' und behauptete, daß .sie den größten Teil der Nation zugunsten des kleineren drückt.' 144 Alle diese Mängel in der antifeudalen Bewegung waren Ausfluß der ökonomischen Schwäche der Bürgerklasse in Bayern. Ihre Kraft reichte noch nicht aus, eine gemeinsame Front gegen den gemeinsamen Gegner zu organisieren und zu leiten. Dennoch ist eine zunehmende Reife und Verschärfung des Klassenkampfes unverkennbar, wobei die Gegensätze innerhalb der herrschenden 141 .C'est ä dire nullement amis des Bavarois." DZA Merseburg, Rep. 96, Nr. 167, Lit. L, Bl. 158. *“ Qur, Anton Freiherr von, a. a. O., S. 27. 1U Ebenda, S. 28. 144 HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R„ Fase. 928, Nr. 12, S. 85.

2. Das Herzogtum Württemberg

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Klasse diese Entwicklung begünstigten. In einzelnen Aktionen, wie im September 1795 in München, entwickelte die Opposition eine Kraft, die sogar eine Zeitlang den feudalen Staatsapparat lahmlegen konnte. Hier wurde der herrschenden Klasse deutlich, welche Gefahr sie in ihrer Gesamtheit bedrohte,- die einzelnen Fraktionen stellten unter dem Eindruck der Septemberunruhen die sie trennenden Sonder­ interessen zurück, und die landschaftliche Verordnung bewilligte 1796 widerspruchs­ los die von der Regierung geforderten Gelder.144 145 Die stärkste Förderung erhielt die oppositionelle Bewegung durch die Französische Revolution. Ihre Ideen drangen in die Volksmassen ein, mobilisierten sie und gaben ihren Bestrebungen klarere und bewußtere antifeudale Züge.

2. Das Herzogtum Württemberg

Württemberg gehörte zu den wenigen Territorien, in denen sich die Stände, die merkwürdigerweise völlig vom oligarchischen Bürgertum beherrscht wurden, gegen­ über dem Fürsten bedeutende Rechte zu wahren gewußt hatten. Das hauptsächlichste Privileg der ständischen Vertretung, der sogenannten Landschaft, war die Steuer­ bewilligung; daneben besag sie ein Petitionsrecht, das mit der herzoglichen Ver­ pflichtung, auf Eingaben zu antworten, verbunden war; sie hatte ihre Vertreter in zahlreichen Zweigen der herzoglichen Verwaltung sitzen; sogar auf die Augen­ politik und auf das Heerwesen versuchte sie Einflug zu nehmen.146 Dennoch war die Stellung des Landesherrn nicht so schwach, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. In die Steuereinkünfte zwar mugte er sich mit der Landschaft teilen ,während etwa die Bete und die Schatzungen in die herzogliche Kasse flössen, ge­ hörten andere Steuern wie die sehr einträgliche Akzise der Landschaft. Daneben aber verfügte der Herzog über umfangreiche Einkünfte als feudaler Gerichts-, Leib-, Grund- und Zehntherr. Die Gerichts- und Leibherrschaft hatte er fast ausschlieglich in seiner Hand; die Grund- und Zehntherrschaft besag er im grögten Teile seines Herzogtums.147 Er war der grögte Landeigentümer, und die Einnahmen aus seinem Kammergut flössen so reichlich, dag aus ihnen in normalen Zeiten notfalls der ge­ samte Staatshaushalt bestritten werden konnte.148 Außerdem verstand er, sich auch noch andere Finanzquellen zu erschließen; eifrig nutzte er die Konjunktur des un­ menschlichen Soldatenhandels. Allein die 32 000 Landeskinder, die er zwischen 1786 und 1808 der holländisch-ostindischen Kompanie zur Unterdrückung der Ein­ geborenen in Südafrika und Indonesien lieferte, brachten ihm rund 900 000 Gulden ein.148 In dieser Hinsicht war die Ausgangsposition für die Errichtung einer ab­ soluten Herrschaft also nicht ungünstig. Auch der Feudaladel, der in Bayern kraft 144 Steinwachs. Otto, a. a. O„ Bd. 55, S. 303. 144 Höhle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 16 ff. 147 Knapp, Theodor, Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes. Tübingen 1919, Bd. 1, S. 156. 148 Höhle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O„ S. 5. 144 Prinz, Johannes, Das württembergische Kapregiment 1786—1808. Die Tragödie einer Söldnerschar. Stuttgart 1932, S. 295/96.

2. Das Herzogtum Württemberg

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Klasse diese Entwicklung begünstigten. In einzelnen Aktionen, wie im September 1795 in München, entwickelte die Opposition eine Kraft, die sogar eine Zeitlang den feudalen Staatsapparat lahmlegen konnte. Hier wurde der herrschenden Klasse deutlich, welche Gefahr sie in ihrer Gesamtheit bedrohte,- die einzelnen Fraktionen stellten unter dem Eindruck der Septemberunruhen die sie trennenden Sonder­ interessen zurück, und die landschaftliche Verordnung bewilligte 1796 widerspruchs­ los die von der Regierung geforderten Gelder.144 145 Die stärkste Förderung erhielt die oppositionelle Bewegung durch die Französische Revolution. Ihre Ideen drangen in die Volksmassen ein, mobilisierten sie und gaben ihren Bestrebungen klarere und bewußtere antifeudale Züge.

2. Das Herzogtum Württemberg

Württemberg gehörte zu den wenigen Territorien, in denen sich die Stände, die merkwürdigerweise völlig vom oligarchischen Bürgertum beherrscht wurden, gegen­ über dem Fürsten bedeutende Rechte zu wahren gewußt hatten. Das hauptsächlichste Privileg der ständischen Vertretung, der sogenannten Landschaft, war die Steuer­ bewilligung; daneben besag sie ein Petitionsrecht, das mit der herzoglichen Ver­ pflichtung, auf Eingaben zu antworten, verbunden war; sie hatte ihre Vertreter in zahlreichen Zweigen der herzoglichen Verwaltung sitzen; sogar auf die Augen­ politik und auf das Heerwesen versuchte sie Einflug zu nehmen.146 Dennoch war die Stellung des Landesherrn nicht so schwach, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. In die Steuereinkünfte zwar mugte er sich mit der Landschaft teilen ,während etwa die Bete und die Schatzungen in die herzogliche Kasse flössen, ge­ hörten andere Steuern wie die sehr einträgliche Akzise der Landschaft. Daneben aber verfügte der Herzog über umfangreiche Einkünfte als feudaler Gerichts-, Leib-, Grund- und Zehntherr. Die Gerichts- und Leibherrschaft hatte er fast ausschlieglich in seiner Hand; die Grund- und Zehntherrschaft besag er im grögten Teile seines Herzogtums.147 Er war der grögte Landeigentümer, und die Einnahmen aus seinem Kammergut flössen so reichlich, dag aus ihnen in normalen Zeiten notfalls der ge­ samte Staatshaushalt bestritten werden konnte.148 Außerdem verstand er, sich auch noch andere Finanzquellen zu erschließen; eifrig nutzte er die Konjunktur des un­ menschlichen Soldatenhandels. Allein die 32 000 Landeskinder, die er zwischen 1786 und 1808 der holländisch-ostindischen Kompanie zur Unterdrückung der Ein­ geborenen in Südafrika und Indonesien lieferte, brachten ihm rund 900 000 Gulden ein.148 In dieser Hinsicht war die Ausgangsposition für die Errichtung einer ab­ soluten Herrschaft also nicht ungünstig. Auch der Feudaladel, der in Bayern kraft 144 Steinwachs. Otto, a. a. O„ Bd. 55, S. 303. 144 Höhle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 16 ff. 147 Knapp, Theodor, Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes. Tübingen 1919, Bd. 1, S. 156. 148 Höhle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O„ S. 5. 144 Prinz, Johannes, Das württembergische Kapregiment 1786—1808. Die Tragödie einer Söldnerschar. Stuttgart 1932, S. 295/96.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

seiner starken ökonomischen Stellung ein absolutistisches Regiment so sehr er­ schwerte, besag in Württemberg keinerlei politische Bedeutung. Er hatte sich schon im frühen 16. Jahrhundert in die Reichsunmittelbarkeit begeben, war als reichsfreier Stand also auch nicht in der Landschaft Vertreten und beschränkte sich darauf, den herzoglichen Hof zu bevölkern. Sein zahlenmäßiger Anteil em den Ämtern, die der Landesherr zu vergeben hatte, war gering. So wenig aber der Adel für absolutistische Tendenzen ein Hemmnis darstellte, so wenig konnte ihn der Herzog auch wiederum als Gegenkraft benutzen, die den Einflug des oligarchischen Bürgertums in der Landschaft paralysierte. Die Ausschweifungen und Verschwendungen des Hofes, an denen der Adel als Parasit teilhatte, boten umgekehrt der Landschaft Gelegen­ heit zu verstärkter Einflußnahme, weil sie den Herzog in Finanznot brachten, die nie endete und geschickt in politisches Kapital umgemünzt wurde. Die Landschaft, der entscheidende Gegenspieler der absolutistischen Tendenzen des Fürsten, war im wesentlichen eine Vertretung der städtischen Ehrbarkeit. Die Deputierten wurden von 58 bevorrechteten, größenmäßig sehr unterschiedlichen Stadt- und Amtskörperschaften und von den Behörden der 11 privilegierten Ort­ schaften gewählt. Bestand die wahlberechtigte Stadtkörperschaft aus Bürgermeister, Gericht und Rat, so traten in den Amtskörperschaften zu denselben Magistrats­ personen der Amtsstadt noch die Schultheißen und Gerichte der umliegenden Landgemeinden hinzu. Ausgenommen die elf Dörfer, die die Landstandschaft besaßen und also Bauern als Abgeordnete entsandten, hatten ausschließlich die Stadtge­ meinden das passive Wahlrecht. Die Gesamtzahl der Privilegierten, die das aktive Wahlrecht besaßen, betrug kaum mehr als 1500 Menschen. Die Massen der Stadtund Dorfbewohner waren ausgeschaltet und hatten auch keinen indirekten Einfluß auf die Wahlen, denn mit Ausnahme des Schultheißen, der von der gesamten Dorf­ gemeinde gewählt wurde, ergänzten sich alle anderen Magistratsangehörigen bei Ableben eines von ihnen selber. Eine gewisse Sonderstellung nahmen die 14 Prälaten ein, die ebenfalls Sitz und Stimme in der Landschaft besaßen, offiziell als Vertreter der Untertanen der Klosterämter galten, aber von niemandem gewählt und darum auch nicht im Gegensatz zu den anderen Abgeordneten an die Instruktionen einer Wahlkörperschaft gebunden waren. Da die Prälaten keinen gesonderten Stand bildeten und im übrigen auch ausnahmslos aus bürgerlichen Kreisen kamen, tauchten sie in der Masse der übrigen Deputierten unter. Das Gesicht der Landschaft wurde eindeutig durch die bürgerliche Ehrbarkeit bestimmt.150 In noch stärkerem Maße zeigte es sich in der Zusammensetzung der beiden landschaftlichen Ausschüsse. Da der Landtag nicht in Permanenz tagen konnte und auch von der Berufung durch den Herzog abhängig war, besorgten in der Zwischenzeit ein engererundein größerer Aus­ schuß die Landschaftsgeschäfte. Entscheidend war der achtköpfige engere Ausschuß, denn der größere Ausschuß, der aus dem engeren und acht weiteren Mitgliedern be­ stand, konnte nur zusammentreten, wenn der engere ihn berief. Der engere Ausschuß 1M Nicolai, Friedrich, a. a. O-, Bd. 10, S. 27 S. Hötele, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 8 ff.

2. Das Herzogtum Württemberg

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wurde so zum wichtigsten landschaftlichen Organ. Hier aber führte seit Jahrzehnten die aus der altwürttembergischen Ehrbarkeit stammende Familie Stockmayer Regie. Sie stellte oder bestimmte die einflußreichen juristischen Berater des Ausschusses, den Landschaftsadvokaten, die Konsulenten und Sekretäre, ebenso wie sie bei der Selbstergänzung des Ausschusses das entscheidende Wort sprach.111 Hegel sagte über das Verhältnis zwischen dem Ausschuß und der Familie Stockmayer: .Der größere Teil folgte natürlich dem, der den Schlüssel zum Futterboden hatte, der mit soliderer Stimme zu locken und unter seinem Schafspelz die Wolfsnatur am ge­ schicktesten zu verbergen wußte. So wurde der Ausschuß und mit diesem das Land von den Offizialen des erstem an der Nase herumgeführt.'152 Die Macht der landschaftlichen Organe war um so fester gegründet, als auch die Beamtenschaft, dieses neben dem stehenden Heer wichtigste Instrument jedes ab­ soluten Herrschers, engste Beziehungen zur Landschaft besaß. Statt sich mit Hilfe der Beamtenschaft über die Ständevertretung erheben zu können, wurde der Fürst durch die Beamten geradezu an sie gefesselt. Landschaft und Beamte waren aus demselben Holze geschnitzt; beide entstammten dem Bürgertum und sicherten sich gegenseitig ihre privilegierte Stellung. Versuche des Herzogs, Adlige und Nicht­ württemberger in den Verwaltungsapparat einzuschleusen, stießen auf ihren wir­ kungsvollen gemeinsamen Widerstand. Die höheren Beamten gehörten zu derselben Kategorie ehrbarer Familien, die in der Landschaft das Wort führten; und die mitt­ lere und niedere Beamtenschaft war mit den Magistraten der Stadt- und Land­ gemeinden verschwägert und versippt. Die soziale Bindung des Verwaltungs­ apparates an die Stände machte es unmöglich, irgendein Geheimnis der Regierung vor ihnen zu bewahren. Darüber hinaus hatte die Landschaft auch eine rechtliche Bindung durchzusetzen gewußt, indem Eid und Anstellungsvertrag die Beamten zum Schutz der Verfassung verpflichteten. Die höchste Behörde, der Geheime Rat, den der Herzog bei allen Staatsangelegenheiten zuziehen mußte, war geradezu ein Kontrollorgan zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit aller herzoglichen Ent­ schließungen.15* Endlich diente der Landschaft auch die Beschränkung der äußeren Souveränität des Herzogs als ein Mittel, seine innere zu beschränken: Preußen, Dänemark und Hannover waren offizielle Garantiemächte der landschaftlichen Rechte und hielten ständige Gesandte in Stuttgart, die von der Landschaft bezahlt wurden. Außerdem war dem kaiserlichen Reichshofrat ausdrücklich bei inneren Landesstreitigkeiten die Entscheidung eingeräumt, so daß die Landschaft im Not­ fälle jederzeit die kaiserliche Intervention anrufen konnte.154 Landschaft und Beamtenschaft stellten eine bürgerliche Oligarchie dar, deren Existenz unlöslich mit der Erhaltung der feudalen Ordnung verbunden war. Trotz 1,1 Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 13 ff., 110 ff. ,u Heget, Georg Friedrich Wilhelm, Über die neuesten innem Verhältnisse Württembergs, besonders über die Gebrechen der Magistratsverfassung. In: Sämtliche Werke. Heraus­ gegeben von Georg Lasson. Leipzig 1923, BdL 7, S. 153. 199 Wintterlin, Zur Geschichte des herzoglich württembergischen Kommerzienrats. In: .Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte', NF 20. Jahrg.. S. 310/11, 1911. 19< Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 22/23, 34/35.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

ihrer bürgerlichen Herkunft verfochten sie darum keineswegs grundsätzlich pro­ gressiv-bürgerliche Tendenzen. Die eigene Bereicherung und die Sicherung ihres politischen Einflusses waren die wesentlichen Motive,, die die Handlungen der Land­ schaft bestimmten. Landesherrliche Monopole bekämpfte sie, weil die daraus fließen­ den Einkünfte den Herzog finanziell stärkten und damit unabhängiger machten; dieden Handel lähmende Akzise aber verteidigte sie, weil diese Einnahmequelle der Land­ schaft gehörte.155 Wie wenig es dieser Oligarchie um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ging, zeigen die hartnäckigen Bemühungen Stockmayers 1780, den Salz­ handel, den ein privilegiertes württembergisches Unternehmen betrieb, einem nichtwürttembergisehen zuzuschanzen, das ihm und seinen Kindern beträchtliche Gewinn­ anteile versprochen hatte.156 Dasselbe gilt im großen und ganzen auch von der Beamtenschaft, die ihre Ämter als sichere Pfründe betrachtete und darum an keiner gründlichen Veränderung der Zustände interessiert war. Mehr als jede andere Schicht hemmte sie die Bauernbefreiung, so daß Tausenden die Auswanderung der einzige Ausweg schien. Nicolai, der auf seiner Reise durch den deutschen Süden 1781 einige dieser Auswanderer gesprochen hatte, teilte mit: .Die meisten klagten über Bedrückungen der Beamten, über die Prozesse, über das Sportulieren." 157 Im Gegensatz dazu war der Landesherr aus fiskalischen Gründen ein viel tat­ kräftigerer Förderer des wirtschaftlichen Fortschritts. So wurde auf seine Initiative 1755 eine Kommerziendeputation eingerichtet, die sich neben der mit Verwaltungs­ arbeiten überlasteten herzoglichen Rentkammer als Sachverständigenkollegium aus­ schließlich mit Fragen der industriellen Entwicklung beschäftigen sollte.158 Im selben Jahr erging ein Aufruf, Projekte zur Verbesserung und Erweiterung der gewerb­ lichen Produktion einzusenden. Unter den eingegangenen Denkschriften befanden sich zwei des Oberamtmanns Müller von Sulz, die sich für die Errichtung von Manufakturen aussprachen, zumal auch die Landwirtschaft dadurch gehoben würde, da die Industrie zum Anbau von Nutzkräutern anregte. Müller war so weitblickend, insbesondere die Entwicklung von Baumwollmanufakturen zu propagieren. Die Denkschriften wurden gedruckt und vom Herzog prämiiert.158 Die zunehmende staatliche Förderung der Baumwollindustrie spiegelte sich in den Entscheidungen der herzoglichen Rentkammer wider. Hatte sie 1765 noch ein Gesuch eines Dr. Seu­ bert, in Urach eine Baumwollspinnerei gründen zu dürfen, mit Rücksicht auf die dortige Leineweberschaft abgelehnt, so antwortete sie 1780 auf die Vorstellungen der Heidenheimer Leineweber gegen die geplante Anlage einer Baumwollspinnerei und -Weberei, daß es sich um ein freies, der Zunft nicht unterworfenes Gewerbe 199 Wintterlin, a. a. O., S. 312/13. 196 Rauch, Moritz von, Salz- und Weinhandel zwischen Bayern und Württemberg In: .Württem bergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte', NF 33. Jahrg., 1927. 197 Nicolai, Friedrich, a. a. O., Bd. 10, S. 209. 198 Krauter, Gerhard, Die Manufakturen im Herzogtum Wirtemberg und ihre durch die wirtembergische Regierung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Tübingen 1951, S. 276. «• Ebenda, S. 242 ff.

im 18. Jh. S. 233/34,

Förderung Phil. Diss.

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handele. Sogar dem Gesuch des Manufakturisten Gülich im Jahre 1785, die Ein­ richtung einer Baumwollspinnerei mit einer englischen Spinnmaschine zu gestatten, stand die Rentkammer nicht mehr grundsätzlich ablehnend gegenüber. Sie bedauerte zwar mit Rücksicht auf die sich von der Spinnerei Ernährenden diese Entwicklung, wollte sich ihr aber nicht entgegenstemmen, da zweifellos andere Länder solche Maschinen einführen würden und Württemberg zu überflügeln drohten.1*0 Die Ent­ scheidungen der Rentkammer waren nicht immer so konsequent progressiv, aber in der großen Linie kann von der landesherrlichen Regierung gesagt werden, daß sie im Rahmen der bestehenden Ordnung den Forderungen der Zeit Rechnung zu tragen versuchte. In zunehmendem Maße entfernte sie sich von der merkantilistischen Be­ vormundung durch Ein- und Ausfuhrverbote, von Monopolverleihungen, von der Begünstigung staatlicher Unternehmungen, zog ausländisches Kapital ins Land und ging zu einer liberaleren Wirtschaftspolitik über.101 Schließlich waren selbst Landschaft und Beamtenschaft, wenn auch oligarchisch in ihrer Gesamtheit, doch bürgerlicher Herkunft und darum dem bürgerlichen Fort­ schritt gegenüber nicht völlig immun. Dafür sprechen die Entscheidungen der Rentkammerbeamten, dafür sprechen die Denkschriften des Oberamtmanns Müller, der sich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch durch eigenes Kapital an der Gründung einer Baumwollmanufaktur in Sulz beteiligte.100 Die Barriere zwischen der bürgerlichen Oligarchie und dem bürgerlichen Kaufmann und Unternehmer war nicht so hoch, daß nicht einzelne Vertreter der ersteren im Kreise der letzteren Fuß faßten und umgekehrt. Für die Landschaft, die sich in den Ausschüssen auf einen ganz engen exklusiven Kreis reduzierte, galt das in beschränkterem Maße. Es ist kein Zufall, daß die erwähnte, auf herzogliche Initiative gegründete und auch von der Landschaft beschickte Kommerziendeputation nichts zuwege brachte.100 Dennoch war die Landschaft nicht so unabhängig, daß sie nicht, abgesehen von dem eigenen fiskalischen Interesse, Sorge für das Wohl der Städte und Ämter tragen mußte, deren Magistrate ihr Auftrag und Vollmacht gegeben hatten. Außerdem veranlaßten die politischen Gegensätze zum Landesherrn die Landschaft häufig, sich zum Sprecher allgemeiner Beschwerden zu machen und bestimmte progressive Forderungen zu vertreten. Solche Motive waren in der landschaftlichen Stellungnahme vom 28. Mai 1782 zur Frage der Auswanderung enthalten. Als eine Ursache dieser bedenklichen Erscheinung nannte sie die außerordentliche Bevölkerungszunahme, der keine Ver­ mehrung der Erwerbsmöglichkeiten entsprach. Wenn sie dabei auf die frühen Heiraten vieler Landeskinder hinwies, die auf diese Art der Rekrutenaushebung zu entgehen suchten, so richtete sich die Spitze dieser Feststellung eindeutig gegen das herzogliche stehende Heer. Aber auch die unerträgliche Wildplage als Folge des landesherrlichen Jagdregals wurde als eine Ursache der Auswanderung angeprangert. Steigerung der Erwerbsmöglichkeiten bezeichnete sie als wirksamstes Mittel, dem Übel zu steuern; dabei erwog sie, sehr vorsichtig und durch das Wörtchen .vielleicht' 1M 1,1 161 ,M

Ebenda, S. 192, 235/36. Ebenda, S. 263 ff. Ebenda, S. 202. Wintterlm, a. a. O., S. 326/27.

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eingeschränkt, als ergiebigste Methode die Vermehrung der Manufakturen, die vor allem einheimische Erzeugnisse wie Wolle und Flachs verarbeiten sollten; weiter sprach sie sich für einen verstärkten Anbau von Futterpflanzen aus, um die Viehzucht zu heben.1*4 Unter diesen Bedingungen standen dem ökonomischen Fortschritt in Württemberg nicht solche erdrückenden Hemmnisse wie in Bayern entgegen. Auf industriellem Gebiete hatte Württemberg zudem schon in vergangenen Jahrhunderten einige Zweige entwickelt, die über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung besaßen: neben der Glasmacherei und Eisenindustrie, die nur wenige Hände beschäftigten, vor allem die Leinenweberei auf der Albhochfläche mit dem Zentrum Urach und die Wollen­ zeugindustrie am Ostrande des Schwarzwaldes mit dem Zentrum Calw. Die wenigen großen Städte, wobei neben Stuttgart mit 20 000 und Ludwigsburg mit knappen 7000 nur noch ein halbes Dutzend andere über 3000 Einwohner zählten16S, waren keine industriellen Mittelpunkte. Enge Zunftgesetze schnürten ihre Gewerbetätigkeit ein und führten zu den bekannten Erscheinungen des Verfalls wie anderswo auch. »Es fällt auf *, stellte Nicolai in seiner Reisebeschreibung fest, .daß seit langer Zeit nur an zwei einzelnen Orten Württembergs, die an Flüssen liegen, in Urach und Calw, und an beiden Orten durch große Handlungsgesellschaften ein ins Große gehender vorzüglicher Kunstfleiß ist erweckt worden; an anderen Orten nicht... In Stuttgart ist der Kunstfleiß im allgemeinen gar nicht zu suchen.' 166 Beide Kompanien arbeiteten mit feudalen Privilegien. Die Calwer Kompanie hatte auf diese Weise die gesamte Zeugweberei Württembergs von sich abhängig gemacht. Jeder Zeug­ macher mußte zunächst seine Produkte der Handelskompanie anbieten, die sie bei Ablehnung mit einem Stempel versah. Womit die Ware als minderwärtig klassi­ fiziert war und nur zu einem geringeren Preise anderwärts verkauft werden konnte.167 Die Zeugmacher, die in direktem Auftrage der Kompanie arbeiteten, waren der Zunftordnung unterworfen und besaßen überhaupt keine Bewegungsfreiheit Nur ein Bruchteil der 5000 bis 6000 Beschäftigten war in gemeinsamen großen Be­ triebsräumen bei der Endverarbeitung bzw. bei der Herstellung besonders feiner Warensorten tätig,- die Masse arbeitete im Verlag, führte ein Hungersdasein und be­ ackerte nebenbei noch ein kleines Stückchen Land, um überhaupt existieren zu können.168 Bei der Uracher Leinwandhandelskompanie lagen die Verhältnisse ähn­ lich. Die Monopolstellung hemmte außerordentlich die Ausweitung dieser Industrie­ zweige in Württemberg und bot dennoch keinerlei Sicherung gegenüber der an­ wachsenden ausländischen Konkurrenz. Um konkurrenzfähig zu bleiben, ließ die 1,4 Miller, Max, Die Auswanderung der Württemberger nach Westpreußen und dem Netzegau 1776-1786. Stuttgart 1935, S. 71/72. lu (Rändel, Adolph Friedrich), a. a. O., S. 48. IU Nicolai, Friedrich, a. a. O., Bd. 10, S. 44/45. 1.7 Kulischer, Josef, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Mit einer Einleitung von Professor Dr. Jürgen Kuczynski. Verlag Kütten & Loening, Berlin 1954, Bd. 2, S. 130. 1.8 Troeltsch, Walter, Die Calwer Zeughandlungskompagnie und ihre Arbeiter. Studien zur Gewerbe- und Sozialgeschichte Altwürttembergs. Jena 1897, S. 191, 235/36.

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Galwer Kompanie durch die Behörden die Aufkaufpreise senken, anstatt die Pro­ duktionstechnik zu verbessern und den Schritt von der dezentralisierten zur zentrali­ sierten Manufaktur zu tun. Solche feudalen Methoden führten in die Sackgasse und zum Zusammenbruch der Kompanie 1797.160 Es war ein Zeichen für das Heran­ wachsen kapitalistischer Produktionsverhältnisse im Schofje der bestehenden Ordnung, wenn die Uracher Kompanie 1793 auf die feudalen Privilegien verzichtete und sich in eine private Firma verwandelte.170 Der Einbruch in die Monopolstellung der beiden Kompanien auf dem Textilgebiete erfolgte von der Baumwollindustrie her. Dieser Zweig machte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beachtliche Fortschritte, zumal ihm, war der Grundstein einmal gelegt, als einem nicht zunftgebundenen Gewerbe relativ weniger feudale Hemm­ nisse den Aufstieg erschwerten. Die 1757 gegründete dezentralisierte Zitzmanufaktur in Sulz beschäftigte 1764 schon insgesamt 1750 Personen. 1761 entstand in Kirch­ heim unter Teck eine andere Baumwollmanufaktur. 1766 verlegte der Augsburger Unternehmer Schüle seine Zitzmanufaktur nach Heidenheim; er machte sich auf dem Gebiete der Veredelung von Baumwollwaren zum Pionier, indem er dort eine zentrali­ sierte Manufaktur für Kattundruck ins Leben rief, die zwar bald wieder einging, aber ebenso schnell wieder neu gegründet wurde. 1776 begann man im Ludwigsburger Waisenhaus mit der Baumwollspinnerei und -Weberei Weitere Manufakturen ent­ standen 1780 in Cannstadt und Ebingen.171 Diese ansteigende Entwicklung setzte sich bis in die Mitte der 90er Jahre fort.172 Auch die Maschenwarenindustrie, ins­ besondere die Strumpfwirkerei mit ihrem Schwerpunkt im Stuttgarter und Balinger Bezirk, machte Fortschritte. 1770 wurden anstelle der hölzernen eiserne Wirkstühle eingeführt.173 Die Seidenweberei allerdings litt lange unter der Voreingenommen­ heit, sie mit der Seidenraupenzucht verbinden zu müssen, die in dem gegebenen Klima immer wieder Katastrophen erlebte. Als unrentabel erwies sich die vom Staate mit beträchtlichen Mitteln unterstützte Luxusindustrie, wie Golddrahtziehereien, Bijouterie- und Porzellanmanufakturen.174 Dafj nur ein Teil der zahlreichen Manu­ fakturgründungen Bestand hatte, zeigt die Stärke der feudalen Hemmnisse wie den Mangel an Kapital. Darum wurden auch die Bestrebungen der kapitalkräftigeren Schweizer Unternehmer von landesherrlicher Seite gern geduldet, württembergische Untertanen im Verlag für sich arbeiten zu lassen. In den Oberämtem Balingen und Tuttlingen wurde Seide für sie gesponnen; in Ebingen beschäftigten sie zahlreiche Strumpfwirker. Selbst in das Monopol der Calwer und Uracher Kompanien drangen

1,0 1,1 171 1,1 1,4

Berthold, Rudi, Zur Geschichte der Entwicklung der Produktionsverhältnisse in der württembergischen Zeugmacherei von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Institut für Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, Forschungs­ seminar Prof. Kuczynski. Arbeitsbericht Nr. 1, S. 31/32. Karr, Grete, Die Uracher Leinenweberei und die Leinwandhandlungskompagnie. Ein Bei­ trag zur Wirtschaftsgeschichte Altwürttembergs. Stuttgart 1930, S. 80 ff. Riede, Hugo, Die Entwicklung der württembergischen Textilindustrie. Phil. Diss. Heidel­ berg 1937, S. 25/26, 50. Krauter, Gerhard, a. a. O., S. 196 ff. Riede, Hugo, a. a. O., S. 42. Wintterlin, a. a. O., S. 323.

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sie ein: Während in den Oberämtem Bebenhausen, Böblingen und Herrenberg Schweizer Leinwandverleger auftraten, ließen Wollenzeugmanufakturisten Tuch­ macher in Ebingen für sich arbeiten.175 Insgesamt zeigte also die industrielle Ent­ wicklung Württembergs bei allen Hemmnissen und Unzulänglichkeiten deutlich eine aufsteigende Tendenz und förderte die Keime des Neuen. Ähnliches galt auch für die Landwirtschaft. Verschiedene Umstände wirkten sich für die Agrar- und Viehproduktion recht günstig aus. Erstens hatten die Bauern zumeist ein gutes Besitzrecht, das Erbrecht. Weiter war die Vereinigung der entscheidenden feudalen Rechte in der Hand des Landesherrn durchaus vorteilhaft im Vergleich etwa zu Bayern, wo der einzelne kleine Feudalherr dem Bauern unmittelbar im Nacken saß. Schließlich betrieb der Landesherr keine nennenswerte Eigenwirtschaft, so daß es auch keine Ackerfronen und keinen Gesindezwangsdienst gab. Unter diesen Bedingungen konnte verschiedentlich und allmählich der Ackerbau intensiviert, der Schritt zur verbesserten Dreifelderwirtschaft getan und die Brache mit Klee, Esper, dann auch mit Kartoffeln, Reps und Runkeln bebaut werden.176 Auf dem Gebiete der Viehzucht besaß das Land seit längerem einen guten Ruf. Es züchtete vor allem Pferde und Schafe, die einen wichtigen Exportartikel darstellten.177 Das Bild wäre einseitig und darum unrichtig, wollte man nur die schwachen Milderungen der feudalen Fesseln anmerken und darüber die starken feudalen Fesseln selber vergessen. Gab es auch keine Ackerfronen, so waren doch die verschiedenartigsten landesherrlichen Fronen, Gerichtsfronen, grundherrliche Fronen zu leisten, zu einem großen Teil Fuhrdienste, die durch die willkürliche Ausschreibung und ihre meist ungemessene Höhe die bäuerliche Wirtschaft empfindlich störten.178 Am verhaßtesten waren die Jagdfronen, zumal sich damit stets die Klage über den unermeßlichen Wildschaden verband, den das herzogliche Jagdprivileg verschuldete. Wenn auch der Landesherr fern war und sich der Druck dadurch milderte, so blieb es doch nur eine Milderung. Die Höhe der Abgaben drückte ebenso hart wie ihre Vielzahl, die zu keiner Zeit des Jahres den Bauern zur Ruhe kommen ließ. Häufig schränkten sie die Bewegungsfreiheit auch noch dadurch ein, daß sie in der Form ganz bestimmter Naturalien gefordert wurden.178 Die Intensivierung der bäuerlichen Wirtschaft stieß darum beständig auf Schwierigkeiten. Charakteristisch sind die Beobachtungen Nicolais: .Der größte Teil im Württembergischen kennt den Esper- und Kleebau nur noch sehr wenig und das so herrliche Produkt, den Reps,... kaum den Namen nach. Und an den wenigen Orten, wo man Reps-, Esper- und Kleebau besser kannte und treiben wollte, wurde man von unwissenden und eigennützigen Vorstehern und Kameralbeamten sogar daran gehindert.'180 Diese Hemmnisse wirkten sich auf die Lage der ländlichen Bevölkerung um so schlimmer aus, als das vorherrschende Erbrecht zu einer teil­ weise extremen Aufsplitterung der Bauerngüter geführt und eine breite Schicht ,7ä Krauter, Gerhard, a. a. O., S. 227. 1,4 Herzog Karl Eugen und seine Zeit. Herausgegeben vom Württembergischen Geschichtsund Altertumsverein. Esslingen a. N. 1907, Bd. 1, S. 315. i’- Ebenda, S. 323 fi. 178 Knapp, Theodor, a. a. O., S. 17, 31, 114. 178 Ebenda, S. 154. 180 Nicolai. Friedrich, a. a. O„ Bd. 10, Beilagen, S. 75.

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Landarmer hervorgebracht hatte. Es gab Fälle, daß ein Hof unter 100 Besitzer aufgeteilt war und der einzelne nicht mehr als 1/i« Morgen Land zu bewirtschaften hatte.181 Andererseits half diese Entwicklung auch wieder dem Fortschritt zum Durchbruch, denn diese Masse der Landarmen stellte eine wesentliche Voraussetzung für den industriellen Aufschwung dar. Aus ihnen vor allem rekrutierten sich die Arbeitskräfte der Verleger und Manufakturisten. Im Vergleich zu Bayern war Württemberg sozialökonomisch entschieden entwickel­ ter. Auch das Selbstbewußtsein des Bürgertums litt nicht wie in Bayern unter der jede lebendige Regung erstickenden Pfaffenherrschaft und dem Druck des im Staats­ apparat dominierenden Adels. Der zwar oligarchische, aber doch bürgerliche Cha­ rakter der Ständevertretung begünstigte die Entwicklung der bürgerlichen Ideologie. Selbst solche Männer wie Georg Kemer und Friedrich Christoph Cotta, die beide zu französischen Bürgern wurden und damit das entschiedenste Bekenntnis zur Revolution ablegten, haben sich nicht von der Vorstellung lösen können, in den Ständen die Vertreter der Volksfreiheit zu erblicken.182 Es steht auf einem anderen Blatt, daß eine solche Illusion früher oder später zu einem gewaltigen Hemmnis werden mußte, weil sie die Einsicht in die Notwendigkeit eines radikalen Vorgehens trübte. Zunächst förderte sie die Mündigkeitserklärung des Bürgertums. Es ist kein Zufall, daß Württemberg so viele und so überragende bürgerliche Ideologen hervor­ gebracht hat. Große Publizisten, die die öffentliche Meinung zu einer für den Feudalismus bedrohlichen Macht entwickelten, wie der leidenschaftliche Christian Daniel Schubart oder der überlegene Spötter Wilhelm Ludwig Wekhrlin, aufrechte Kämpfer gegen Fürstentyrannei und für den bürgerlichen Fortschritt, waren gebür­ tige Württemberger. Die Karlsschule, vom Herzog zur Heranbildung ergebener Staatsdiener gegründet, brachte den Dichter der .Räuber' und glühende Revolutio­ näre wie Georg Kemer hervor. Die mutigsten und begabtesten Zöglinge bildeten einen Freiheitsklub, der die despotische Ordnung der Schule ständig durchbrach, die großen Ereignisse jenseits des Rheins seit dem 14. Juli 1789 mit stürmischer Begeisterung verfolgte und Verbindungen zu den Klubs in Straßburg anknüpfte. Das Tübinger Stift war erfüllt von den Ideen Kants, Rousseaus und schließlich der Französischen Revolution. Der revolutionäre Klub der Tübinger Stipendiaten, als .Unsinnskollegium' getarnt, zählte solche hervorragenden Geister wie Hegel, Hölderlin und Schelling zu seinen Anhängern.183 .Die Franzosen fanden namentlich unter der jüngeren Generation die eifrigsten Bewunderer und die bereitwilligsten Nachahmer', stellte in seinen autobiographischen Notizen der Schriftsteller Rehfues fest, der damals selbst dem Tübinger Stift als Stipendiat angehört hatte.184 Die 181 Knapp. Theodor, a. a. O., S. 155. ,!i Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 90, 95. ,M Obermann. Karl, Deutsche Jugend zur Zeit der Französischen Revolution. In: .Aufbau. Kulturpolitische Monatsschrift', Jahrg. 1946, S. 667 ff. 1M Kaufmann, Alexander, Bilder aus dem Tübinger Leben zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Aus dem literarischen Nachlaß Philipp Josephs von Rehfues. In: .Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte', NF 3. Jahrg., S. 112, 1874.

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bürgerliche Intelligenz, die sich in ihren besten Vertretern zu den Wortführern aller antifeudalen Schichten und Klassen aufwarf, hatte in Württemberg einen besonders kräftigen Boden. Ein anschauliches Bild, wie sehr bereits über die notwendig schmale Schicht der Intelligenz hinaus die Masse der Bürger an Selbstbewußtsein gewonnen hatte, ver­ mögen die Ereignisse in Stuttgart kurz vor der Huldigung des neuen Herzogs Lud­ wig Eugen zu geben, der am 24. Oktober 1793 den Thron bestiegen hatte. Ein Zeitgenosse berichtet darüber in einem Brief vom 5. April 1794, den Hennings in seinem »Genius der Zeit * 1797 abdruckte: Die kritische militärische Lage hatte den Herzog gezwungen, sämtliche Reserven einschließlich seines Leibregiments an die Grenze zu werfen. Bevor und während ein neues Regiment für den Dienst in der Residenz errichtet wurde, hatte die Bürgerschaft ein rund 500 Mann starkes Korps aus angesehenen Bürgern gebildet, die sich selber ausrüsteten und täglich mit einer Kompanie den Dienst auf dem Schloß versahen. Am Huldigungstage war das neue reguläre Regiment aufgestellt, so daß die Bürgergarde wieder abgelöst werden konnte. .Diese Ablösung geschah durch eine Handvoll Invaliden, die einen Korporal an ihrer Spitze hatten, weil der adlige Offizier, der eigentlich mit einer Kompanie des neuen Regiments das Schloß besetzen sollte, es wider seine Ehre hielt, eine nur aus den angesehensten Bürgern der Residenzstadt bestehende Garde unmittelbar abzulösen.' Dieser Schimpf erbitterte die ganze Stadt. Die Bürger .rannten auf den Schloßplatz, wo sich bald das Volk zu mehreren Tausenden versammelte, sprachen im Angesicht des Hofes von Undankbarkeit, verlangten Genugtuung für den so unverdienten Schimpf; und falls sie ihnen nicht widerfahre, so drohten sie laut damit, daß sie nicht huldigen würden. Es gab viele Absendungen und Unterhand­ lungen zwischen dem Hof und ihnen. Da sich aber die Gärung nur vermehrte und jeden Augenblick in Insurrektion und prompte Volksjustiz auszubrechen schien, so versprach der Herzog völlige Genugtuung. Diese bestand darin, daß die unschick­ lich abgelöste Bürgerwache gleich wieder aufs Schloß zog und den anderen Tag von dem adligen Herrn durch eine Kompanie Linientruppen und mit allen militärischen Ehrenbezeugungen von neuem abgelöst wurde. Eine Menge Volks war dabei ver­ sammelt und freute sich laut dieses erhaltenen Triumphs. * 185 Dieser Vorfall zeigt das wohlhabende Bürgertum der Hauptstadt als gehorsame Untertanen, denen der Schutz des Landesherrn als ehrenhafte Pflicht erschien. In ihrer Stellung als voll­ gültige Staatsbürger aber durch den Adel beleidigt, scheuten sie nicht davor zurück, Unruhen zu erregen und dem Fürsten mit der Aufkündigung des Gehorsams zu drohen. Spontan solidarisierten sich mit diesen Bürgern die Massen der städtischen Bevölkerung, vor deren gewaltiger Kraft der Herzog schließlich kapitulierte. Der Aufruhr vor dem Huldigungstage verfolgte keine antifeudalen Ziele, aber er enthielt und entwickelte bereits beachtliche antifeudale Potenzen. ,M .Der Genius der Zeit”, Jahrg. 1797, 8. Stück, S. 509/10. Vgl. auch Pfister, Albert, Aus den Tagen des Herzogs Ludwig Eugen von Württemberg. Nach bisher unbenutzten Aufzeich­ nungen zusammengestellt. In: »Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte', NF 3. Jahrg., S. 165/66, 1894.

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Es war vor allem die Französische Revolution, die diese Potenzen ins Bewußtsein hob und eine breite antifeudale Strömung hervorrief. Sie erfaßte sowohl die besten Vertreter des angesehenen Bürgertums, insbesondere die Intelligenz, als auch die Massen der städtischen und ländlichen Bevölkerung. Als der neuernannte sächsische Geschäftsträger für Bayern den Ort seiner künftigen diplomatischen Tätigkeit, München, erreicht hatte, schrieb er in seinem ersten Bericht vom 20. Juli 1794 nach Dresden: .Ich kann übrigens Euer Exzellenz nicht den Geist des Jakobinismus ver­ heimlichen, der in allen Orten verbreitet ist, durch die ich gekommen bin, und namentlich im Herzogtum Württemberg, und was noch auffallender ist: Es sind die Priester und die Gebildeten, die zum Teil von diesem Irrwahn angefallen sind.'188 Ähnliches äußerte der Geheimsekretär Johann Christoph Schwab in seinen 1796 verfaßten Aufzeichnungen über die Regierungszeit seines Herzogs Ludwig Eugen: .... es ist gewiß, und ich weiß es aus eigener Erfahrung, daß, so wenig die Hand * lungsart des französischen und besonders des Pariser Volkes gebilligt wurde, doch die Grundsätze, auf welchen die Französische Revolution beruhte, einen beinahe allgemeinen Beifall fanden und daß selbst unter den aufgeklärten Klassen zwar kein grober, aber doch ein feiner Demokratismus herrschte. Die Grundsätze dieses feinen Demokratismus lassen sich nach dem Begriff, den ich davon habe, auf den Satz reduzieren, daß der Regent dem Volke subordiniert, oder, wie man sich auch auf eine gelindere Art auszudrücken pflegt, daß der Regent bloß um des Volkes und nicht das Volk um des Regenten willen da sei. * 187 Knapp und präzise stellte er fest: .Das Publikum, im Durchschnitt genommen, war mehr oder weniger französisch gesinnt.'188 Solche Urteile stimmten mit den französischen Beobachtungen völlig überein; am 9. Mai 1794 berichtete der französische Gesandtschaftssekretär Bacher aus Basel nach Paris: .Die Einwohner Schwabens und des Herzogtums Württemberg im besonderen nehmen weiterhin lebhaftesten Anteil an der Französischen Revo­ * lution. 188 Bacher stützte sich dabei auf Agentenberichte wie den folgenden, in dem es unter anderem hieß: .Die Regierung ist außerdem gezwungen, die Rechte der Einwohner zu respektieren und selbst häufig ihren Wünschen und ihren Forderungen nachzugeben, die sie mit mehr Freimut und Energie aussprechen seit dem Beginn der Französischen Revolution und mehr seit dem Triumph Frankreichs über die ver­ bündeten Despoten... Die Einwohner, der Bauer und der Bürger der Städte, ha­ ben . . . nach der Gelegenheit getrachtet, ihrer Liebe zu Frankreich Ausdruck zu geben. Die Jugend des Landes ist zum Teil von der Freiheit begeistert. Man kann hier sagen, daß in diesem Lande die Emigranten so schlecht angesehen wurden, daß 188 .Je ne saurais au surplus cacher à V. E. l'esprit de Jacobinisme répandu dans tous les endroits par où j'ai passé, et nommément dans le Duché de Wirtemberg, et ce qu'il y a de plus singulier, ce sont les prêtres et les gens lettrés qui sont en partie attaqués de cette manie.' LHA Dresden, Loc. 3468, Minutes des dépêches â S. E. Mr. le Comte de Loss, l'année 1794, Nr. 1. 187 Pfister, Albert, Aus den Tagen..., a. a. O., S. 134. >88 Ebenda, S. 182. 198 .Les habitants de la Souabe et du duché de Wurtemberg en particulier continuent à prendre la part la plus vive à la Révolution française.' Papiers de Barthélemy, Ambassadeur de France en Suisse 1792-1797. Publiés par Jean Kaulek. Paris 1889, Bd. 4, S. 83.

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sie noch vor der Kriegserklärung zu dem Schluß kamen, sich davonzumachen. Patriotische Lieder und besonders die Hymne der Marseiller sind übersetzt und im ganzen Lande verbreitet worden. Zahlreiche junge Leute sind mutig genug gewesen, zu wiederholten Malen die Trikolore zu hissen und für die Sache der Freiheit glück­ liche Ereignisse zu feiern. * 190 Übergriffe adliger Emigranten stieben darum nicht nur auf den Widerstand der unmittelbar Betroffenen, sondern lösten häufig förmliche Demonstrationen aus. Als einige Offiziere vom Corps Condé am 11. April 1795 in der württembergischen Stadt Herrenberg einzelne Bürger belästigten, liefen gleich etliche hundert mit Flinten, Prügeln und Äxten bewaffnete Einwohner zusammen, um diesem Gesindel auf den Leib zu rücken. Das Oberamt mußte zwei Emigranten in Schutzhaft nehmen, um sie vor dem Tode zu bewahren und .einem besorgenden größeren Unheil und allgemei­ ner Unordnung vorzubeugen,...'181 Bezeichnend ist auch die Beschwerde eines nahe der württembergischen Landesgrenze am Kniebis stationierten Regiments­ kommandeurs dieses Emigrantenkorps vom 25. Mai 1796. Er beschuldigte die benachbarten Württemberger, seine Husaren systematisch zur Desertion zu ver­ leiten, indem sie sie in ihren Quartieren aufsuchten, sie zum Verkauf ihrer Pferde bewegten, ihnen den halben Preis im voraus zahlten und sie so nach Freudenstadt und Dornstetten auf württembergischen Boden lockten, wo ihnen gegen den Rest des Geldes die Pferde abgenommen wurden.102 Mochte immerhin hier der aus dem Pferdehandel erzielte materielle Gewinn die wesentliche Triebkraft gewesen sein, so schadeten diese Praktiken doch objektiv den Gegnern der Franzosen. Bei der verbreiteten profranzösischen Gesinnung erschien den beteiligten Württembergern eine solche Handlungsweise zweifellos auch moralisch gerechtfertigt. Die Franzosenbegeisterung war noch nicht die allgemeine Bereitschaft, es ihnen gleichzutun. Dennoch bedeutete allein die Übernahme bestimmter Losungen der Französischen Revolution, selbst wenn die Unruhen weiterhin spontan, lokal und klassenmäßig begrenzt blieben, eine Verschärfung des Klassenkampfes. Das zeigt beispielsweise der Gesellenaufruhr im Juni 1794 in Stuttgart. Er begann wie viele Handwerkerunruhen vor ihm als Kampf der ausgebeuteten Gesellen gegen die IM .Le gouvernement est forcé au reste de respecter les droits des habitants et même de céder souvent â leurs vœux et à leurs demandes qu'ils prononcent avec plus de franchise et d'énergie depuis le commencement de la Révolution française et plus encore depuis le triomphe de la France sur les despotes coalisés... Les habitants, le paysan et le bourgeois des villes ont recherché . . . l'occasion de mettre au jour leur amour pour la France. La jeunesse du pays est en partie enthousiasmée de la liberté. On peut dire ici que dans ce pays les émigrés ont été si mal vus qu'ils ont pris le parti de s'en aller même avant la déclaration de guerre. Des chansons patriotiques et notamment l'hymne des Marseillais ont été traduites et répandues dans le pays. Grand nombre de jeunes gens ont été assez courageux pour arborer à plusieurs reprises la cocarde tricolore et célébrer les événements heureux pour la cause de la liberté.' Obsez, Karl, Zwei Denkschriften eines französischen Agenten über Württemberg aus dem Sommer 1794, In: .Württembergische Vierteljahrs­ hefte für Landesgeschichte', NF 11. Jahrg., S. 126, 1900. 1,1 V&ster, Albert, Die Condéer in Württemberg. In: .Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte', 7. Jahrg., S. 97, 18S4. lst HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 311, Denkschrift des Louis Joseph de Bachy.

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ausbeutenden Meister. Im Mai hatten nahezu alle Schuhmachergesellen aus Protest gegen die Entscheidung eines Streits zwischen einem ihrer Berufsgenossen und seinem Meister Stuttgart verlassen und sich in die nahe Reichsstadt Eßlingen begeben. Im Einverständnis mit dem Eßlinger Magistrat hatte der Herzog von Württemberg sie durch Soldaten zurückholen und die Anführer in den Turm werfen lassen. Dieser Gewaltakt empörte die Gesellen der übrigen Handwerke, die Miene machten, die Eingekerkerten zu befreien. Aus einer innerzünftlerischen Auseinander­ setzung wurde ein Kampf, dessen Spitze sich direkt gegen den feudalen Staat rich­ tete. Die daraufhin angeordnete Verdoppelung der Wachen schreckte nicht ab, wie der preußische Gesandte von Madeweiß berichtete, .sondern sie rotteten sich nichts­ destoweniger den 22. des Abends gegen 6 Uhr zusammen, insultierten die Wache und jedermann, der ihnen begegnete, schrien in den Straßen Vive la Nation, es lebe Freiheit und Gleichheit. Bald gesellten sich zu ihnen Weingärtner, deren es hier viele gibt, eine Menge Buben und vorzüglich viel Weibsleute, und so zogen sie vor die Oberamtei, wo sie die Fenster und Jalousieladen mit Steinen einwarfen, die ihnen von den Weibsleuten zugetragen wurden.'193 Mit knapper Not nur konnten sich Oberamtmann und Kommandant vor der Menge retten. .Die hiesige Garnison, die ungefähr aus 600 Mann besteht, war zu schwach, um den Aufrührern, die mit den Weibsleuten fast auf 4000 angewachsen waren, zu widerstehen.'194 Eine zur Residenz des Herzogs nach Ludwigsburg geschickte Staffette mußte von dort ein Infanteriebataillon und Dragoner zu Hilfe rufen, um den Aufruhr ersticken zu kön­ nen. Die Losung .Vive la Nation, es lebe Freiheit und Gleichheit' hob den Hand­ werkeraufstand über vorangegangene hinaus. Sie gab der Bewegung ein größeres Kraftgefühl, indem sie das Bewußtsein erzeugte, in den siegreichen Franzosen mo­ ralische Verbündete zu besitzen. Darüber hinaus erleichterte die Losung die Über­ windung des rein zünftlerischen Charakters der Bewegung und die Verbreitung der Front der Aufrührer durch die Weingärtner. Das wohlhabende Bürgertum aller­ dings blieb trotz Sympathie für die französischen Ideen unberührt Es hatte nicht die Kraft und den Mut, sich an die Spitze zu stellen, sondern fürchtete in seiner Schwäche die Kraft der Volksbewegung und machte sich zum Verteidiger der bestehenden Ordnung. Der Herzog, der am 24. Juni für einige Stunden nach Stutt­ gart kam, dankte den Bürgern für ihr gutes Betragen.195 Oberamtmann und Magi­ strat fühlten sich jedoch nach diesen Ereignissen und unter dem Eindruck zahlreicher anonymer Drohschriften so wenig sicher, daß sie in einer Eingabe vom 12. Juli den Herzog baten, .für beständig ein hinlängliches Militär allhier in Garnison' zu legen.198 Zwei solche Pasquille beschäftigten Ende Oktober und Anfang November den Herzog und seinen Geheimen Rat, ein Beweis dafür, daß das Reskript vom 19. April, worin allen Verfassern anonymer Eingaben mit Strafe gedroht wurde, ohne Wirkung 1M 1,4 ”3 ,M

DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 20. Ebenda. Ebenda, Bl. 21. HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 243, Nr. 63.

6 Süddeutsche Jakobiner

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geblieben war.107 Dem Hofrichter und Regierungsrat von Normann war des Nachts ein Pasquill an die Haustüre geheftet worden, worin ihm geraten wurde, sein Amt schleunigst niederzulegen, wenn er nicht sein Haus in Flammen aufgehen sehen und selbst am Galgen enden wollte. In Normann griff das Pasquill den vom Herzog protegierten Adel nichtwürttembergischen Ursprungs an, der die Landeskinder wie .mecklenburgische oder pommersche Hunde * behandelte.198 Die andere Drohschrift, von ungelenker Hand geschrieben, war an den Herzog selbst gerichtet. Die Skala der Forderungen reichte vom Verbot der Läusepuderherstellung - .der Puder muß verboten werden zu machen, und der Puder kostet sehr viel Frucht, denn die Vor­ nehmen haben meistens Niß und Läus vor Faulheit' - über die Einschränkung der Luxusbauten - .was hilft uns die Solitude, das Säuhäusle bei Egolsheim, der Ein­ siedel und Gravendel und Hohenheim oder Euch' - die Abschaffung der hohen Beamtengehälter - .wir wollen es uns herzlich gefallen lassen, einen Herzog zu haben, aber nicht 6000 oder mehr Besoldungsherren' - bis zur schleunigen Be­ endigung des Krieges - .macht, daß es Frieden gibt, oder wir werden noch den Franzosen helfen.' 199 Der Herzog wollte zunächst öffentlich zu beiden Schriften Stellung nehmen, das heißt den Ankläger Normanns zur ordnungsgemäßen Eingabe einer Beschwerde auffordem und dem zweiten Verfasser mit der dumm-frechen Erklärung antworten, .daß die niederen und dürftigeren Klassen von jeher die höheren und wohlhabenden mit scheelen Augen angesehen, welches besonders heutzutage bei den so sehr mißverstandenen Grundsätzen von Freiheit und Gleich­ heit der Fall sei; daß aber Seine Herzogliche Durchlaucht nicht alle Armen reich machen, noch alle Niederen in einen ‘höheren Stand versetzen könne...' 209 Der Geheime Rat überzeugte ihn dann jedoch davon, daß es vorteilhafter sei, ins­ geheim nach den Verfassern zu fahnden, Militär nachts patrouillieren, die Beleuch­ tung verbessern und unter der Hand die Aussetzung einer Belohnung für die Ergreifung der Täter bekanntmachen zu lassen.201 Im Vergleich zu Stuttgart fanden sich in kleineren Städten, wo die soziale Differen­ zierung weniger ausgeprägt war, die oppositionellen Kräfte leichter zusammen, wenn auch in der Regel auf niedrigerem politischen Niveau. So berichtete Madeweiß im März 1794 von großen Unruhen in Tuttlingen, .indem die Bürger daselbst den herzoglichen Oberamtmann förmlich in Verhaft genommen haben. Der Herzog ist daher genötigt gewesen, daselbst Militär hinzuschicken und demselben sogar Ka­ nonen mitzugeben.' 202 Aber mit Soldaten allein war es auch nicht getan. Die herzog­ liche Regierung mußte sich zu fühlbaren Zugeständnissen an die Bürgerschaft bequemen: .Wir wollen daher', hieß es in der Resolution vom 16. August 1794 an die Stadt Tuttlingen, .der Bürgerschaft überlassen haben, aus ihrer Mitte vier ihrer Stadtverfassung kundige, bescheidene und wohl prädizierte Männer als ihre künf­ tigen Gemeindedeputierten zu erwählen, dem Magistrat zu präsentieren und bestä­ tigen zu lassen, damit dieselbigen in Gemeinschaft mit dem Ratscollegio nicht nur bei den Kirchenvisitationen und Verlesung der Stadtrechnungen, sondern auch bei 1,7 Ebenda, A 211, Nr. 51. 1(8 HSA Stuttgart, A 202, Ruhr. 46, Nr. 113. 1W Ebenda. ”* Ebenda. 201 Ebenda. “2 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 19.

2. Das Herzogtum Württemberg

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Verhandlungen in besonders wichtigen Gemeindeangelegenheiten anwohnen, die zuvor eingeholten Gesinnungen des beträchtlichsten Teils der Bürgerschaft in der Ordnung und mit Bescheidenheit vortragen, und, wenn sie je mit Überzeugung glauben, als ob durch den magistratischen Schluß zu viel oder zu wenig geschehe, geziemende Vorstellungen machen oder auch an die höhere Behörde die Sache anbringen mögen,.. ' 203 Wenn auch ihre Vorstellungen keine aufschiebende oder gar aufhebende Wirkung des obrigkeitlichen Beschlusses besaßen, sondern die Ent­ scheidung der höheren Behörde vorbehalten blieb, so hatte sich die Tuttlinger Bürgerschaft doch Repräsentanten erkämpft, wie sie andere württembergische Städte nicht besaßen.204 Im Gegensatz zum Stuttgarter Beispiel, wo die eigentlichen, über das Bürgerrecht verfügenden Bürger die plebejischen Schichten in ihrem Kampf mit der Staatsgewalt allein ließen oder sogar hemmten, wurde in Tuttlingen die Aktion von eben diesen Bürgern im Bunde mit den übrigen Einwohnern getragen. Ober­ haupt ist festzustellen, daß die plebejischen Schichten sich stets als kampfbereite Bundesgenossen erwiesen, während die Bürger häufig genug mit der feudalen Staats­ gewalt paktierten. Die Verhältnisse auf dem Lande waren ebenso mit sozialem Zündstoff angereichert wie die der Städte. Über die Stimmung der Bauern berichtete der Brief eines Zeit­ genossen vom 24. April 1794 aus Stuttgart: .Das Landvolk gefällt mir hier recht gut; es ist verständig und doch naiv, hat mehr Gefühl seiner Würde, als man sonst in Deutschland unter den Bauern findet, und drückt sich seines breiten Dialekts un­ geachtet wohl aus. Von dem französischen Krieg haben sie sehr einfache, aber desto fester gewurzelte Begriffe. Der Hof und der Adel waren liederliche Burschen und plagten die Landleute; diese haben sich ihrer endlich mit Gewalt erwehrt und sie aus dem Lande gejagt. Die großen Herren in der ganzen Welt nehmen sich der verjagten Vornehmen an, aber den Franzosen steht der liebe Gott sichtbarlich bei.' 205 Die Sympathie für die Franzosen hatte neben der Übereinstimmung in den allgemeinsten Prinzipien für einen Teil der Landleute auch besondere konkrete wirt­ schaftliche Gründe. Der von den Feudalmächten verursachte Interventionskrieg beraubte sie eines wichtigen Absatzmarktes vor allem für ihre Pferdezucht.204 Bacher aus Basel meldete am 4. Mai 1794 nach Paris: «Sie haben soeben einen ihrer Vertrauensleute geschickt, um der französischen Republik Pferde anzubieten. Sie haben auch Lebensmittel im Überfluß und murren laut über die Hindernisse, die von den Österreichern gegen ihre Ausfuhr ebenso wie gegen die der Waren im all­ gemeinen errichtet sind.'207 Die verstreute Siedlungsweise der Bauern erschwerte :°* Ober die Unwirksamkeit und Gebrechen der württembergischen Magistratsverfassung, o, Ö. 1797, S. 39. 204 Ebenda, S. 36/37. 105 .Der Genius der Zeit', Jahrg. 1797, 8. Stück, S. 517. 204 Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 24/25. 2(7 .Ils viennent d'envoyer un de leurs affidés pour offrir des chevaux à la République fran­ çaise. Ils regorgent aussi de denrées et murmurent hautement des entraves mises par les Autrichiens à leur exportation de même qu'à celles des marchandises en général. * Ebenda, S. 83. 5*

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

naturgemäß im Gegensatz zu den Städten, wo auf engem Raum Tausende zusammen­ lebten, das gemeinsame Handeln, so daß sich der Klassenkampf auf dem Lande in geringerem Maße bis zu großen offenen Unruhen steigern konnte. Aber schon die stärkere Intensität der einzelnen Übergriffe gegen die feudale Ordnung verdeutlicht seine Verschärfung. So teilte der Geheimsekretär Schwab in seinen Aufzeichnungen mit........ die Bauern überhaupt liefen mit Gewehr in die Wälder, wilderten daselbst und stahlen Holz. Wollten die Jäger sie abhalten und greifen, so liefen sie Gefahr, von ihnen erschossen zu werden. * 208 Wiederholt und mit großer Sorge sprach Made­ weiß in seinen Berichten von dem .Geist der Unruhe und Unbotmäßigkeit, der bald mehr, bald weniger ausbricht und fast immer durch das Militär gedämpft werden muß.'2M Am 27. August 1794 meldete er: .... die Unbotmäßigkeit ist hier so groß geworden, daß alle Augenblicke ein Kommando bald nach diesem, bald nach jenem Orte marschieren muß, um Ordnung und Ruhe daselbst wiederherzustellen,..210

Die Verschärfung des Klassenkampfes war eine Tatsache. Die Vorstellung dagegen, daß sich das Land am Vorabend einer Revolution befände, entsprach nicht dem ge­ gebenen Entwicklungsstände der Klassenkräfte. Die Einschätzung, wie sie der fran­ zösische Agent Rivals in Basel in einem Bericht vom 30. Juni 1794 nach Paris gab, bedarf daher starker Korrekturen. Er schrieb: .Nach dem, was wir von Württemberg erfahren, ist es nicht mehr eine aufrührerische Bewegung, die man dort fürchtet, sondern richtig ein allgemeiner Aufstand, dessen Ziel ein Regimewechsel sein wird: Die Umgegend von Stuttgart ist in Waffen, und diese Stadt ist schon im Begriff ge­ wesen, den Vorzug, die obersten Werkzeuge des herzoglichen Despotismus zu beher­ bergen, teuer zu bezahlen ... Einiger Beistand von unserer Seite würde genügen, um dort bald einen Nationalkonvent zu erleben.'211 Es ist richtig, daß die herrschende Klasse von einer solchen Furcht ergriffen war. Eine solche Furcht ist aber keineswegs ein zuverlässiger Maßstab für die reale Kraft der Opposition. Die Massen des werk­ tätigen Volkes entwickelten starke revolutionäre Potenzen, aber ihnen fehlte die entsprechende Führung durch die Bürgerklasse. Sie hatte in größerem Maße als in Bayern die feudale Ordnung ökonomisch und ideologisch unterhöhlt, aber war ande­ rerseits durch den besonderen Charakter des ständischen Labens in Württemberg auch wieder stärker gehemmt. Die bürgerliche Oligarchie verknüpfte die Gesamt­ heit der Bürgerklasse durch viele Fäden mit dem feudalen Staat. Einzelne oppo­ sitionelle Elemente, die in die Landschaft eindrangen, bildeten eine verschwindende

zM * « 110 211

Pfister, Albert, Aus den Tagen..., a. a. O., S. 187/85. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 55. Ebenda, Bl. 33. .D'après ce que nous apprenons du Wurtemberg, ce n'est plus un mouvement séditieux qu'on y craint, mais bien une insurrection générale dont l'objet sera un changement de régime: les environs de Stuttgart sont en armes, et cette ville a déjà été sur le point de payer cher l'avantage de renfermer les premiers instruments du despotisme ducal... Il nous suffirait de quelque protection pour y voir bientôt une convention nationale.' Papiers de Barthélemy. .., a. a. O., Bd. 4, S. 170.

3. Die Markgrafschaft Baden

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Minorität und vermochten den starken Einflug der Oligarchie nicht anzutasten. Eine für Bacher bestimmte Denkschrift eines französischen Agenten vom Sommer 1794 sagte durchaus zutreffend: .Aber die Minderheit ist zu schwach ..., und nur in dem gegebenen Augenblick, wo das Vaterland in Gefahr ist und mit lauter Stimme die Hilfe guter und talentierter Männer fordert, wird diese Minorität einiges Über­ gewicht haben. * 212 Das Kräfteverhältnis der Klassen war für den historischen Fort­ schritt noch ungünstig, und es bedurfte mehr als bloß .einigen Beistandes * von französischer Seite, um die Ständevertretung in einen Konvent zu verwandeln.

3. Die Markgrafschaft Baden Die Markgrafschaft Baden unterschied sich in ihrer politisch-staatlichen Struktur sowohl von Bayern als auch von Württemberg. Baden konnte als die reinste Ver­ körperung dessen gelten, was Marx und Engels in der .Deutschen Ideologie' vom staatlichen Leben in Deutschland zur Zeit des Absolutismus allgemein feststellten: .Die Ohnmacht jeder einzelnen Lebenssphäre (man kann weder von Ständen noch von Klassen sprechen, sondern höchstens von gewesenen Ständen und ungebornen Klassen) erlaubte keiner einzigen, die ausschließliche Herrschaft zu erobern. Die notwendige Folge davon war, daß während der Epoche der absoluten Monarchie ... die besondre Sphäre, welcher durch die Teilung der Arbeit die Verwaltung der öffentlichen Interessen zufiel, eine abnorme Unabhängigkeit erhielt, die in der modernen Bürokratie noch weiter getrieben wurde. Der Staat konstituierte sich so zu einer scheinbar selbständigen Macht..213 Da es in Baden nie einen kräftigen landsässigen Adel gegeben hatte, ist es auch nicht zu erbitterten Kämpfen zwischen dem Fürsten und den Landständen gekommen; diese Adelsvertretung erlosch bereits im 17. Jahrhundert. Andererseits war die städtische Entwicklung durchaus zwerghaft,- die große Mehrzahl der Einwohner der vielen kleinen Städte lebte als Ackerbürger; ein kräftiges Bürgertum, das politische Machtansprüche stellen konnte, gab es noch nicht.214 An der Spitze des darum abnorm unabhängigen Staatsapparates stand der Markgraf. Er bestimmte nach seinen Bedürfnissen die Höhe der jährlichen Schatzung, der wichtigsten direkten Steuer, von der Adel und Geistlichkeit und auch jedes Geldvermögen befreit blieben. Ebenso flössen die anderen direkten und die indirekten Steuern in seine Kassen. Als Feudalherr besaß er den weitaus größten Teil des Grund und Bodens und vereinigte in seiner Hand nahezu alle Rechte, die sich aus der Gerichtsherrschaft herleiteten.213 :l: .Mais la minorité est trop faible.... et ce n'est que dans le moment actuel où la patrie en danger demande à grands cris l'assistance des hommes de bien et de talent, que cette minorité aura quelque prépondérance.' Obser, Karl, Zwei Denkschriften.. ., a. a. O., S. 122. ,,a Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, a. a. O., S. 178. :1< Windelband, Wolfgang, Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs. Leipzig 1916, S. 39. Ludwig, Theodor, Der badische Bauer im 18. Jahrhundert. Straßburg 1896, S. 16/17.

3. Die Markgrafschaft Baden

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Minorität und vermochten den starken Einflug der Oligarchie nicht anzutasten. Eine für Bacher bestimmte Denkschrift eines französischen Agenten vom Sommer 1794 sagte durchaus zutreffend: .Aber die Minderheit ist zu schwach ..., und nur in dem gegebenen Augenblick, wo das Vaterland in Gefahr ist und mit lauter Stimme die Hilfe guter und talentierter Männer fordert, wird diese Minorität einiges Über­ gewicht haben. * 212 Das Kräfteverhältnis der Klassen war für den historischen Fort­ schritt noch ungünstig, und es bedurfte mehr als bloß .einigen Beistandes * von französischer Seite, um die Ständevertretung in einen Konvent zu verwandeln.

3. Die Markgrafschaft Baden Die Markgrafschaft Baden unterschied sich in ihrer politisch-staatlichen Struktur sowohl von Bayern als auch von Württemberg. Baden konnte als die reinste Ver­ körperung dessen gelten, was Marx und Engels in der .Deutschen Ideologie' vom staatlichen Leben in Deutschland zur Zeit des Absolutismus allgemein feststellten: .Die Ohnmacht jeder einzelnen Lebenssphäre (man kann weder von Ständen noch von Klassen sprechen, sondern höchstens von gewesenen Ständen und ungebornen Klassen) erlaubte keiner einzigen, die ausschließliche Herrschaft zu erobern. Die notwendige Folge davon war, daß während der Epoche der absoluten Monarchie ... die besondre Sphäre, welcher durch die Teilung der Arbeit die Verwaltung der öffentlichen Interessen zufiel, eine abnorme Unabhängigkeit erhielt, die in der modernen Bürokratie noch weiter getrieben wurde. Der Staat konstituierte sich so zu einer scheinbar selbständigen Macht..213 Da es in Baden nie einen kräftigen landsässigen Adel gegeben hatte, ist es auch nicht zu erbitterten Kämpfen zwischen dem Fürsten und den Landständen gekommen; diese Adelsvertretung erlosch bereits im 17. Jahrhundert. Andererseits war die städtische Entwicklung durchaus zwerghaft,- die große Mehrzahl der Einwohner der vielen kleinen Städte lebte als Ackerbürger; ein kräftiges Bürgertum, das politische Machtansprüche stellen konnte, gab es noch nicht.214 An der Spitze des darum abnorm unabhängigen Staatsapparates stand der Markgraf. Er bestimmte nach seinen Bedürfnissen die Höhe der jährlichen Schatzung, der wichtigsten direkten Steuer, von der Adel und Geistlichkeit und auch jedes Geldvermögen befreit blieben. Ebenso flössen die anderen direkten und die indirekten Steuern in seine Kassen. Als Feudalherr besaß er den weitaus größten Teil des Grund und Bodens und vereinigte in seiner Hand nahezu alle Rechte, die sich aus der Gerichtsherrschaft herleiteten.213 :l: .Mais la minorité est trop faible.... et ce n'est que dans le moment actuel où la patrie en danger demande à grands cris l'assistance des hommes de bien et de talent, que cette minorité aura quelque prépondérance.' Obser, Karl, Zwei Denkschriften.. ., a. a. O., S. 122. ,,a Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, a. a. O., S. 178. :1< Windelband, Wolfgang, Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs. Leipzig 1916, S. 39. Ludwig, Theodor, Der badische Bauer im 18. Jahrhundert. Straßburg 1896, S. 16/17.

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[. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der IClassenkämpfe

Die unabhängige Stellung ermöglichte es dem Landesherrn, in relativ starkem Maße die Entwicklung der Produktivkräfte zu fördern. Die Grenzen dieser Förderung wurden bestimmt durch die rein fiskalischen Motive, die den allgemein feudalen Rahmen nicht überschritten, den Konservatismus des Verwaltungsapparates und den gewaltigen Kapitalmangel. Immerhin konnte in Baden eine Zeitlang ein Mann wie Johann August Schlettwein, der bedeutendste deutsche Physiokrat, wirken. Vom physiokratischen System aber sagte Marx, daß es .die erste systematische Fassung der kapitalistischen Produktion' darstellte.219 Schlettwein erhielt 1769 sogar die Möglichkeit, seine Ideen in dem völlig heruntergewirtschafteten Dorf Dietlingen, dann auch in Bahlingen und Theningen, versuchsweise in die Praxis umzusetzen.214 *217 Die Beamtenschaft begegnete in ihrer Mehrheit diesen und anderen Reformversuchen mit Mißtrauen und auch aktivem Widerstand. .Man kann die schönsten Ver­ ordnungen machen - was helfen diese einem Lande, wenn sie schlecht oder gar nicht befolgt werden? * fragten die .Briefe über die Verfassung der Markgrafschaft Baden * aus dem Jahre 1788.218 Dennoch konnten die landesherrlichen Reformen nicht in dem Maße wie etwa in Bayern sabotiert werden. Wenn auch die gegebenen Be­ dingungen die volle Ausnutzung progressiver Reformen erschwerten, so schuf doch auch die Verordnung von 1760 immerhin einige Entwicklungsmöglichkeiten, indem sie in das erstarrte Zunftleben eingriff und die Bestimmung aufhob, wonach der Meister nur eine bestimmte Zahl von Gesellen beschäftigen durfte.219 Das neuge­ gründete Karlsruhe erhielt sogar die volle Gewerbefreiheit, so daß ein Wagenbauer Sattler-, Stellmacher- und Eisenschmiedegesellen in seiner Werkstatt arbeiten lassen konnte.220 Ebenso bedeutete die Aufhebung der Leibeigenschaft 1783 zumindest eine potentielle Hebung der Produktivität in der Landwirtschaft.221 Die industrielle Entwicklung Badens litt unter der Zwerghaftigkeit und Zersplitte­ rung des Territoriums, das noch nicht einmal einheitliche Maße kannte. Vor allem aber litt sie unter dem Kapitalmangel. Nicht badische, sondern kapitalkräftige Schweizer Bürger waren es daher, die mit einigem Erfolg als Pioniere des indu­ striellen Fortschritts in Baden auftraten. Die vor den Toren Basels gelegenen badischen Oberlande, die Herrschaften Rotteln und Badenweiler und die Land­ grafschaft Sausenburg, waren zunächst ganz auf Schweizer Kapital angewiesen. Sie hatten keine Städte, die diesen Namen verdienten, und kein finanzkräftiges Bürger­ tum. Das Eindringen des ausländischen Kapitals wurde dadurch begünstigt, daß die Oberlande im Gegensatz zu den übrigen Landesteilen weder Zölle noch Akzise kannten. Vor allem aber fanden sich hier in den vielen Landarmen, die der Ackerbau 214 Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Herausgegeben von Friedrich Engels. Dietz Verlag, Berlin 1955, Bd. 2, S. 361. 517 Krebs, Alfred, J. A. Schlettwein und die physiokratischen Versuche in Baden. In: .Zeit­ schrift für Geschichte des Oberrheins*, NF Bd. 24, S. 601 ff., 1909. 118 (Herzog, Ernst Siegmund), Briefe über die Verfassung in der Markgrafschaft Baden, o. O. 1788. Windelband, Wolfgang, a. a. O., S. 101. Weech, Friedrich von, Karlsruhe. Geschichte der Stadt und ihrer Verwaltung. Karlsruhe 1895, Bd. 1. S. 50. 5,1 Ludwig, Theodor, a. a. O.. S. 153 ff.

3. Die Markgrafschaft Baden

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allein nicht ernähren konnte, die notwendigen Arbeitskräfte. Zum Teil traten die Schweizer Unternehmer als bloße Verleger auf, die ihre Baumwolle von Heim­ arbeitern, häufig mit ebenfalls gelieferten Werkzeugen, verarbeiten ließen. So erwarb ein Aargauer 1755 für Badenweiler und Hochberg die Konzession, einen solchen Verlag zu gründen.222 Die Produzenten, von jedem Rohstoff- und Absatzmarkt ge­ trennt und völlig auf Verleger angewiesen, mußten mit Löhnen zufrieden sein, die weit unter den in der Schweiz üblichen lagen. Außer Verlegern setzten sich auch Schweizer Manufakturisten in den Oberlanden und in Hochberg fest. So errichtete 1753 ein Berner in Lörrach eine zentralisierte Baumwollmanufaktur, die 200 Arbeiter beschäftigte. Im Gefolge der Schweizer traten dann schließlich einheimische Unter­ nehmen hervor. Die Schopfheimer Bleiche verarbeitete jährlich bis zu 300 000 Ellen Schweizer Textilien und brachte solche Gewinne, daß sie in den 60er Jahren in Binzen bei Lörrach eine eigene Baumwollspinnerei und -Weberei errichten konnte.222 Die Unterlande hielten in der Entwicklung der Textilindustrie mit den Oberlanden nicht Schritt, weil sowohl einheimisches wie ausländisches Kapital fehlte. Nur mit Hilfe staatlicher Monopolverleihungen waren einzelne Erfolge zu erzwingen. Das Kon­ sortium Pforzheimer Kaufleute, das 1752 die bis dahin unter staatlicher Leitung un­ rentabel arbeitende Tuchmanufaktur des Waisenhauses übernahm, erhielt zahlreiche Privilegien, die das Unternehmen sicherten. Anfangs verlegte es die Meister in der unteren Markgrafschaft, später ließ es im Württembergischen arbeiten, wo die Calwer Zeughandelskompanie schon bessere Arbeitskräfte herangebildet hatte. Zwar überstand die Manufaktur manche schwere Absatzkrise und festigte sich, aber zu­ gleich hemmte sie durch ihr Monopol eine Ausbreitung der Tuchindustrie,224 Neben dem Textilgewerbe hatten andere Industriezweige, selbst wenn sie beträchtliche Posten im Außenhandel darstellten, für die Herausbildung fortgeschrittener Produk­ tionsformen nur untergeordnete Bedeutung. Sie waren alle mehr oder weniger rein handwerksmäßig organisiert. Die Pforzheimer Bijouteriewarenindustrie be­ schäftigte zwar im Jahre 1800 über 1000 Personen, aber sie verteilten sich auf 80 Betriebe.224 Die Glasmacher arbeiteten auf enger genossenschaftlicher Basis, und die Schwarzwälder Uhrenindustrie trug im Gegensatz zur Schweizer, die eine weit­ gehende Arbeitsteilung kannte, den Charakter eines Kunstgewerbes.224 Durchaus unbedeutend blieb in diesem Zeitraum die Schwerindustrie, der Erzbergbau und die Verarbeitung seiner Produkte, obwohl gerade auf diesem Gebiet der Landesherr immer wieder durch staatliche Vorschüsse größere Ergebnisse zu erzwingen ver­ suchte.227 :n Gothein. Eberhard. Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Land­ schaften. Straßburg 1892, Bd. 1, S. 728. **• Kaiser, Wilhelm, Die Anfänge der fabrikmäßig organisierten Industrie in Baden. In: .Zeit­ schrift für Geschichte des Oberrheins', NF Bd. 46, S. 617, 1933. 04 Gothein, Eberhard. Wirtschaftsgeschichte..., a. a. O., S. 715 fi. Kaiser, Wilhelm, a. a. O., S. 618. “• Gothein, Eberhard. Wirtschaftsgeschichte..., a. a. O., S. 806, 836. 217 Ebenda, S. 771 ff. Vgl. auch Baier, Hermann, Die markgräfler Eisenwerke bis 1800. In: .Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins', NF Bd. 40, S. 351 Anm. 4, 1927.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

In der Landwirtschaft war man nirgends in Süddeutschland so weit wie in Baden auf dem Wege der Lockerung der feudalen Fesseln vorangegangen. Verschiedene Be­ dingungen, wie sie auch in Württemberg gegeben waren, erleichterten diese Ent­ wicklung: Gutes Besitzrecht der Bauern, Konzentration der feudalen Rechte in der Hand des Landesherrn und seine geringe Eigenwirtschaft, schließlich seine relative Unabhängigkeit in Verbindung mit der Tatsache, daß er physiokratischen Ideen zuneigte, die eine Intensivierung der Agrarproduktion forderten. Wenn auch alle Reformen nur im fiskalischen Interesse erfolgten und sich selten in vollem Umfang durchsetzen ließen, so waren sie doch bemerkenswerte Ansätze. Die bemerkens­ wertesten waren die Schlettweins. Allein schon die gründliche Untersuchung des gegebenen Zustandes und der Ursachen der völligen Verarmung des Dorfes Diet­ lingen, dessen Bewohner dem Verhungern nur noch durch die Auswanderung nach Übersee entgehen zu könnemmeinten, war ein Verdienst. Feudale Abgeben und Dienste, Plackereien der Beamten und Wucher hatten sie bis aufs letzte ausgesogen.228 Schlett­ wein ging an die Gründung einer .Hilfskasse für die Landwirtschaft , * da sich die Dietlinger unmöglich aus eigener Kraft emporarbeiten konnten. Er half ihnen bei der Vergrößerung ihres Viehbestandes, drängte auf Bebauung der Brache mit Klee und Esparsette, auf Übergang zur Stallfütterung, Verbesserung der Wiesen; er verlangte die Aufhebung aller Abgaben, die nicht nach dem Ertrage der Wirtschaft gemessen waren, die Umwandlung der Frondienste in Geldzahlungen, die Freiheit des Handels und Gewerbes für diesen Ort und anderes mehr. Bei der traurigen Ausgangsposition, bei den beschränkten finanziellen Mitteln, die Schlettwein durch Appelle »an Men­ schenfreunde für arme Dörfer' mühsam zusammenbettelte, bei der Isoliertheit dieses winzigen physiokratisch verwalteten Fleckchens konnte er, wie er selber wußte, keine schnellen und durchschlagenden Erfolge erringen. 1774 hatten ihn seine Gegner zur Strecke gebracht. Er nahm seinen Abschied.228 Immerhin war der Mark­ graf doch soweit von den physiokratischen Ideen beeinflußt, daß er das Experiment noch einige Jahre fortsetzen und auch verschiedene andere Reformversuche unter­ nehmen ließ. 1783 fiel die Leibeigenschaft, soweit sie sich auf die Abgaben und nicht auf die Dienste der Bauern erstreckte,- da sie nicht viel eingetragen hatte, war sie leicht zu beseitigen. 1785 erklärte eine Verordnung die feudalen Abgaben mit Aus­ nahme des Zehnt und aller unständigen Abgaben gegen einen 25fachen Jahresbetrag für ablösbar; die Höhe der Ablösung überschritt die Leistungsfähigkeit der meisten Bauern; darum ist von dieser Möglichkeit einzig in der Herrschaft Badenweiler merklicher Gebrauch gemacht worden, so daß dort bis 1800 etwa ein Viertel bis ein Drittel der Erblehen in freies Eigentum verwandelt war.230 Die Fronordnungen von 1786 und 1790 verfolgten den Zweck, durch bessere Ausnutzung und gleichmäßigere Verteilung diese feudale Leistung gewinnbringend zu machen und gleichzeitig zu mildern.231 Die Verwandlung der Fronen in Geldleistungen gelang nur in einzelnen 2W “» 280 “

Krebs. Alfred, a. a. O-, S. 606 ff. Ebenda, S. 614 ff. Ludwig, Theodor, a. a. O., S. 171 ff. Ebenda, S. 166.

3. Die Markgrafschaft Baden

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Gebieten wie in der Grafschaft Eberstein und der Herrschaft Mahlberg, wobei der Landesherr lohnende Geschäfte machte: Abgesehen davon, dafj die Mahlberger Bauern die Jagdfronen nach wie vor leisten mußten, zahlten sie jährlich für die Be­ freiung von den Transport- und Baufronen über 5000 Gulden, während der Staat ganze 400 Gulden als Löhne für die früher in der Fron zu leistenden Arbeiten aus­ gab.282 Bei aller Begrenzung schafften solche Reformen doch Raum für eine Weiter­ entwicklung der Produktivkräfte. Wertvolle Anregungen in dieser Hinsicht gingen dabei von der Gemeinnützigen Gesellschaft in Karlsruhe aus, die die besondere Förderung des Markgrafen genofj. Man schritt zur verbesserten Dreifelderwirtschaft, führte den Anbau von Futterkräutern und die Stallfütterung ein, hob dadurch die Viehwirtschaft, sicherte zugleich eine bessere Düngung des Ackers, man pflanzte Handelsgewächse wie Krapp und Hanf und verbesserte die Rebsorten.283 Die Lage der Bauernschaft war trotz der Lockerung der feudalen Fesseln im ganzen gedrückt und unbefriedigend. Ein beträchtlicher Teil der Bauern, der privaten Grundherren wie fremden Fürsten, Reichsrittern, Reichsklöstern, Stiftungen unter­ stand, war davon überhaupt ausgeschlossen. Für die Gesamtheit ging die Lockerung nicht weit genug, so dafj der badische Bauer im allgemeinen noch immer grund­ herrlich abhängig und dem Gerichtsherrn fronpflichtig blieb.284 Die Landarmut war groß. In der Ebene setzte sich auf der Basis des Erbrechts eine derartige Auf­ splitterung der bäuerlichen Güter durch, dafj beispielsweise eine Abgabe von 14 Gulden und einigen Kreuzern, die auf dem Dorfe Bahlingen lag, sich auf 168 Posten verteilte.288 In den höhergelegenen Gebieten des Schwarzwaldes kannte man diese Aufsplitterung des bäuerlichen Besitzes nicht, weil der karge Boden sie nicht ge­ stattete. Dennoch waren diese Höfe nicht gut gestellt. Sie ertranken in Schulden,im Hochbergischen stand jeder zehnte Bauer kurz-vor dem Bankrott. Die Aus­ wanderung ganzer Familien nach Übersee war in Baden zu einer gewöhnlichen Er­ scheinung geworden.288 Die Bauernschaft bildete die Masse der werktätigen Bevölkerung, zumal auch die Ackerbürger der Städte noch halbe Bauern waren und die verlegten Weber und Spinner auf dem Lande ihr Gewerbe meist als Nebenbeschäftigung trieben. Der Bauer, der Hauptlastträger der feudalen Gesellschaft, hatte Grund zur Unzufrieden­ heit mit den bestehenden Verhältnissen. Eine ökonomisch starke Bourgeoisie, die die aus jener Unzufriedenheit sich entwickelnden revolutionären Energien organi­ sieren und politisch nutzen konnte, hatte das kleine badische Territorium noch nicht hervorgebracht. Den Bauern fehlte diese Führung, aber sie besagen seit 1789 in unmittelbarer Nachbarschaft jenseits des Rheins das große Beispiel, an dem sie sich bis zu einem gewissen Grade selber orientieren konnten. Die Französische Revolution m Ebenda, S. 25. 2,3 Drais, Karl Wilhelm Ludwig von, Geschichte der Regierung und Bildung von Baden unter Carl Friedrich. Karlsruhe 1816, Bd. 1, S. 103 ff.; Karlsruhe 1818, Bd. 2, S. 220 ff. Vgl. auch (Galier, Niklas), a. a. O., passim. 234 Ludwig, Theodor, a. a. O., S. 179/80. 233 Ebenda, S. 60. 234 Ebenda, S. 89 ff.

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L Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

gab ihren spontanen Ausbrüchen eine Perspektive, die sie aus 6ich selber nicht zu entwickeln vermochten. Der Rhein war kein unüberschreitbarer Graben gegen revo­ lutionäre Ideen, zumal enge wirtschaftliche und auch verwandschaftliche Kontakte zwischen den Menschen beider Ufer bestanden. Die Kleineisenmanufaktur in Rastatt holte sogar einen guten Teil ihrer Arbeitskräfte aus der Gesellenherberge in Straf­ bürg oder auch aus französischen Waffenfabriken. Sie importierte auf diese Weise jakobinische Propagandisten, die es später ungestraft wagen durften, die geforderten Kriegsfronen zu verweigern.237 Durch die ständige Berührung mit dem revolu­ tionären Frankreich verschärfte sich der Klassenkampf in Baden in besonderem Mafe. Bereits 1789 waren hier am Oberrhein umfangreiche Bauernaufstände aus­ gebrochen, die nur mit starken militärischen Machtmitteln niedergeworfen werden konnten.236 Die Ursachen der Unzufriedenheit beseitigte man damit nicht; sie ver­ mehrten sich nach Ausbruch des Krieges vielmehr. Jetzt drückte zusätzlich die Gegenwart der feudalen Armeen, mit denen weitere Beschränkungen, Kriegsfronen und Verheerungen aller Art verbunden waren. Bezeichnend für die Stimmung ist die Tatsache, daf einerseits der Hofbuchhändler Macklot in Karlsruhe auf seinen konter­ revolutionären Schriften sitzenblieb und in einer Eingabe vom 10. März 1794 die Behörde bat, sie ihm abzukaufen und umsonst unter der Landbevölkerung zu ver­ teilen; andererseits wies das Oberamt Hochberg am 15. Februar mit grofer Be­ sorgnis darauf hin, daf der .Weltbote', eine Strafburger Zeitung, .auch von unseren Bauern, die ein solches mit den ärgerlichsten Invektiven gegen Deutschland, dessen Beherrscher und bürgerliche Verfassung angefülltes heilloses Blatt nicht gehörig zu verdauen wissen, in zerschiedenen Gemeinden ebenso wie in Freiburg und vorder­ österreichischen Landen überhaupt häufig gelesen werde. * 236 Am 1. Juli 1794 meldete Bacher nach Paris: .Es haben schon einzelne Insurrektionen stattgefunden, die Unzufriedenheit herrscht dumpf und wird nicht zögern, bei der ersten Gelegenheit auszubrechen. Die Österreicher setzen ihre unerhörten Plackereien fort und reizen dadurch die Bevölkerung der Reichsstände mehr und mehr zum Auf­ stand, die wie Feindesland behandelt werden und nur den Augenblick herbeisehnen, das Joch mit Sicherheit abwerfen zu können. * 240 Der Bericht des Agenten Rivals vom 20. Oktober 1794 nach Paris sprach von einer Versammlung von rund 800 ba­ dischen Bauern, die über Mittel und Wege berieten, sich die Österreicher vom Halse zu schaffen; den dagegen einschreitenden Behörden gegenüber behaupteten sie, nur über Möglichkeiten des Lebensmittelexports beratschlagt zu haben.241 Geradezu als ärgsten Feind betrachteten die Bauern das Emigrantenkorps des Prinzen Condé. i8’ Gothein, Eberhard. Wirtschaftsgeschichte..., a. a. O., S. 779. Badischer Militäralmanach. Carlsruhe 1860, 7, Jahrg., S. 97 ff. :M G LA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6289. :4° .11 y a déjà eu des insurrections partielles, le mécontentement régne sourdement et ne tardera pas d'éclater à la première occasion. Les Autrichiens continuent leurs vexations inouïes et soulèvent par là de plus en plus le peuple des États de l'Empire, qui sont traités en pays ennemis et ne soupirent qu'après le moment de pouvoir secouer le joug avec sûreté.' Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 171/72. * Ebenda, S. 373. «

3. Die Markgrafschaft Baden

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Magister Laukhard, der selber als Korporal eine Zeitlang dieser Truppe angehört hatte, sagte in seiner Lebensbeschreibung : .Es ist ganz unbeschreiblich, wie verhaßt das Gesindel der Emigranten und ihre Truppen in den Gegenden des Oberrheins wegen ihres Stehlens und Raubens geworden sind. Wer nur ihren Namen nennt, setzt das Epithetum Spitzbube, Galgenstrick, Halunke oder sonst einen Ehrentitel dieser Art hinzu I* 242 Es fehlte nicht an Bemühungen sogar von markgräflicher Seite, einen Abzug dieser Truppen aus Baden bei der kaiserlichen Generalität zu erwirken. .Aber wohin? * fragte General von Seckendorff. .Kein Mensch will das Corps haben!'243 Auf Grund von Berichten aus Karlsruhe und Schaffhausen konnte Bacher am 16. November 1794 dem Wohlfahrtsausschuß mitteilen, daß sich der Haß bereits in blutigen Auseinandersetzungen äußerte: .Die Bauern der Markgrafschaft Baden, verdrossen über die Quälereien durch die Emigranten, haben auf Husaren des Korps Condé Feuer gegeben. Sie haben einige getötet und mehrere andere verletzt.' sii Die Last der Einquartierungen führte zu ähnlichen Zusammenstößen mit dem öster­ reichischen Militär. Eine Zeitungsmeldung aus Baden vom 2. Mai 1795 sagte: .Der Mißmut darüber und der eigene Mangel der Einwohner an den Notwendigkeiten des Lebens, der es ihnen unmöglich macht, die Forderungen der k.k. Truppen zu erfüllen, gibt Anlaß zu den traurigsten Mißhelligkeiten zwischen ihnen, welche an mehreren Orten bis zu Mordtaten und anderen Ausschweifungen gediehen sind.' 245 Diese einzelnen Aktionen der Selbsthilfe waren mehr als dumpfe Ausbrüche einer geschun­ denen Bevölkerung. Dahinter steckte eine Gesinnung, wie sie sich auch bei den Bauern des Dorfes Tannenkirch in der badischen Herrschaft Rotteln dokumentierte. Hier war das vorderösterreichische Kloster St. Blasien Grundherr über verschiedene Bauerngüter, die es im Interesse eines geregelten Zinseinganges nicht zerstückeln lassen wollte. St. Blasien konnte sich dabei auf einen Vertrag mit dem Markgrafen von Baden berufen, der als Gerichtsherr ihm in dieser Frage Unterstützung zu­ gesichert hatte. Nach dem Bericht des St. Blasischen Kammersekretärs erklärten die Tannenkircher darauf .in echt französischem Tone: Der Landesfürst habe kein Recht, ohne ihr Vorwissen und Einwilligung, in Betreff ihrer Güterverteilungen, mit einem fremden Fürsten Trakten einzugehen.'249 Die herrschende Klasse begriff die Gefahr, die ihr von unten drohte. Es ist kein Zu­ fall, daßMittel794 von Baden die Anregung an verschiedene kleinere deutsche Fürsten ausging, zur Stärkung ihrer Sicherheit einen besonderen Bund zu bilden. Er sollte erstens dazu dienen, dem Kriege gegen Frankreich mehr Kraft und Einheitlichkeit zu geben, zweitens .auch wohl durch vertrauliche Zusammensicht all demjenigen, wo142 Laukhard, Friedrich Christian, Leben und Schicksale, von ihm selbst beschrieben. Leipzig 1797, T. 4, Abt. 2, S. 187. 243 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 218. 244 .Les paysans du Margraviat de Bade ennuyés d'être vexés par les émigrés ont fait feu sur des houzards du corps de Condé. Us en ont tué quelques-uns et blessé plusieurs autres.' Papiers de Barthélemy.... a. a. O., Bd. 4, S. 434. 245 .Deutsche Zeitung *, Jahrg. 1795, 25. Stück, Sp. 423. 243 Prasse, Max, Die Agrarverfassung des Schwarzwaldes vor der Bauernbefreiung. Wirt­ schaftsgeschichtliche Studien. Staatswiss. Diss. Basel 1937, S. 67.

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I. Sozialökonotnische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

durch der gefährliche Revolutionsgeifit angefacht und verbreitet werden möchte, sorg­ fältig nachspüren und über dagegen ohnverzüglich zu machende zweckmäßige landes­ herrliche Vorkehrungen sich gemeinsam zu benehmen."217 Nach dem Vorschlag führender badischer Staatsmänner sollte schon auf der vorbereitenden Konferenz in Wilhelmsbad beraten werden, »wie selbst nach hergestelltem Frieden ein gewisser ständiger Militärfuß ohne Aggravio der Untertanen zu unterhalten sei, um die etwa fortdauernde Verbreitung anarchischer Grundsätze und ihre Folgen hintertreiben zu können." 248 In Wilhelmsbad, wo Ende September 1794 der Markgraf von Baden und der Landgraf von Hessen-Kassel zusammenkamen, um sich über den Kreis der Fürsten zu einigen, die zum Eintritt in den Bund aufgefordert werden sollten, wurde als erste Maßregel gegen revolutionäre Umtriebe beschlossen, in beiden Ländern .einerGesellschaft von Gelehrten zumDruck undHerausgabe ihrer antijakobinischen Schriften allen Vorschub gnädigst angedeihen zu lassen und sie allenfalls mit Privi­ legien zu versehen." 249 Ein zu diesem Punkt angefertigtes Memorandum führte im einzelnen aus, daß es darauf ankäme, .a) gefährliche Schriften anzuzeigen; b) gute Schriften anzupreisen; c) Antirezensionen über absichtlich boshafte Rezensionen zu machen; d) die Kunstgriffe der Gelehrten und Buchhändlerbande aufzudecken; e) wenn die Gegner schreien, noch weit lauter zu schreien."240 Daß aus dem ganzen Projekt des Fürstenbundes nichts wurde, lag nicht etwa an einem Nachlassen des Klassenkampfes, sondern am Widerstand des Kaisers, der eine Neuauflage des anti­ österreichischen Bundes von 1785 witterte und darum die Fürsten darauf hinwies, ihre Energie besser im Rahmen der bestehenden Kreisassoziationen wirken zu lassen.251

4. Die Reichsstädte Die Reichsstädte, früher Zentren des bürgerlichen Fortschritts, waren tief von ihrer einstigen Höhe herabgesunken. .Troia fuitl * So seufzte der fortschrittliche Publizist Wekhrlin, als er Augsburg kennenlemte.262 .Fuimus Troies!" wollte er über die Tore Nördlingens schreiben.259 Die territorialstaatliche Entwicklung in Süddeutschland hatte die Reichsstädte so isoliert und eingeschnürt, daß ihnen der Atem ausging und sie allmählich erstickten. Ihr Horizont schrumpfte zusammen, sie trockneten ein, versteinerten. Das in ihren Mauern konzentrierte Bürgertum stieß sich an den un­ gezählten Hemmnissen wund, die den Ausweg aus diesem Kerker versperrten. Die herrschende Oligarchie, das Patriziat, war völlig feudalisiert und kannte kein anderes Ziel als das der Erhaltung der eigenen Position, der jede Neuerung und jede Locke147 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 165. 248 Ebenda, S. 181. 148 Ebenda, S. 186. Ebenda, S. 188. 751 Ebenda, S. 268 ff. ut (Wekhrlin. Wilhelm Ludwig), a. a. O„ S. 36. 243 Ebeling, Friedrich W.. Wilhelm Ludwig Wekhrlin, Leben und Auswahl seiner Schriften. Zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1869, S. 20.

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I. Sozialökonotnische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

durch der gefährliche Revolutionsgeifit angefacht und verbreitet werden möchte, sorg­ fältig nachspüren und über dagegen ohnverzüglich zu machende zweckmäßige landes­ herrliche Vorkehrungen sich gemeinsam zu benehmen."217 Nach dem Vorschlag führender badischer Staatsmänner sollte schon auf der vorbereitenden Konferenz in Wilhelmsbad beraten werden, »wie selbst nach hergestelltem Frieden ein gewisser ständiger Militärfuß ohne Aggravio der Untertanen zu unterhalten sei, um die etwa fortdauernde Verbreitung anarchischer Grundsätze und ihre Folgen hintertreiben zu können." 248 In Wilhelmsbad, wo Ende September 1794 der Markgraf von Baden und der Landgraf von Hessen-Kassel zusammenkamen, um sich über den Kreis der Fürsten zu einigen, die zum Eintritt in den Bund aufgefordert werden sollten, wurde als erste Maßregel gegen revolutionäre Umtriebe beschlossen, in beiden Ländern .einerGesellschaft von Gelehrten zumDruck undHerausgabe ihrer antijakobinischen Schriften allen Vorschub gnädigst angedeihen zu lassen und sie allenfalls mit Privi­ legien zu versehen." 249 Ein zu diesem Punkt angefertigtes Memorandum führte im einzelnen aus, daß es darauf ankäme, .a) gefährliche Schriften anzuzeigen; b) gute Schriften anzupreisen; c) Antirezensionen über absichtlich boshafte Rezensionen zu machen; d) die Kunstgriffe der Gelehrten und Buchhändlerbande aufzudecken; e) wenn die Gegner schreien, noch weit lauter zu schreien."240 Daß aus dem ganzen Projekt des Fürstenbundes nichts wurde, lag nicht etwa an einem Nachlassen des Klassenkampfes, sondern am Widerstand des Kaisers, der eine Neuauflage des anti­ österreichischen Bundes von 1785 witterte und darum die Fürsten darauf hinwies, ihre Energie besser im Rahmen der bestehenden Kreisassoziationen wirken zu lassen.251

4. Die Reichsstädte Die Reichsstädte, früher Zentren des bürgerlichen Fortschritts, waren tief von ihrer einstigen Höhe herabgesunken. .Troia fuitl * So seufzte der fortschrittliche Publizist Wekhrlin, als er Augsburg kennenlemte.262 .Fuimus Troies!" wollte er über die Tore Nördlingens schreiben.259 Die territorialstaatliche Entwicklung in Süddeutschland hatte die Reichsstädte so isoliert und eingeschnürt, daß ihnen der Atem ausging und sie allmählich erstickten. Ihr Horizont schrumpfte zusammen, sie trockneten ein, versteinerten. Das in ihren Mauern konzentrierte Bürgertum stieß sich an den un­ gezählten Hemmnissen wund, die den Ausweg aus diesem Kerker versperrten. Die herrschende Oligarchie, das Patriziat, war völlig feudalisiert und kannte kein anderes Ziel als das der Erhaltung der eigenen Position, der jede Neuerung und jede Locke-147 * 148 147 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 165. 248 Ebenda, S. 181. 148 Ebenda, S. 186. Ebenda, S. 188. 751 Ebenda, S. 268 ff. ut (Wekhrlin. Wilhelm Ludwig), a. a. O„ S. 36. 243 Ebeling, Friedrich W.. Wilhelm Ludwig Wekhrlin, Leben und Auswahl seiner Schriften. Zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1869, S. 20.

4. Die Reichsstädte

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rang zur Gefahr wurde. Die Oligarchie hatte die gesamte politische Macht in ihren Händen vereinigt und lieg sich weder in der Anwendung tyrannischer Methoden, noch in dem parasitären Lebensstil von irgendeinem Feudalherrn übertreffen. .Nichts kommt dem infamen Benehmen dieser kleinen bürgerlichen Aristokraten der Städte gleich', sagte Engels.254 Das nichtpatrizische besitzende Bürgertum stellte nur dort eine bedeutende Kraft dar, wo es dank besonders günstiger Umstände groge Handels- und Finanzgeschäfte treiben konnte. So profitierten die Frankfurter Kauf­ leute aus der Tatsache, dag ihre Stadt das bedeutendste Messe- und Börsenzentrum Süddeutschlands und darüber hinaus war. Augsburg mit seinen zwölf Bankhäusern folgte als zweiter Börsenplatz. Für den ökonomischen Fortschritt aber hatte diese Kapitalkonzentration geringe Bedeutung. Die Gelder fanden kaum den Weg in den Handel, geschweige in die Industrie, sondern wurden vornehmlich in gewinnbringen­ den Anleihen untergebracht. «Die Kaufmannschaft verabsäumt den ökonomischen Handel, um der Spekulation mit barem Gelde anzuhängen. Diese Gattung Speku­ lation hat den Fehler, dag sie dem Publikum nichts nützt *, stellte Wekhrlin fest.255 Diese geldgierigen Bankiers lebten von der Schuldenwirtschaft der feudalen Terri­ torialstaaten, die eigene Stadt nicht ausgenommen, und hatten wie alle Gläubiger höchstes Interesse daran, dag die Schuldner nicht starben. Verfall und Fäulnis wurden ihnen eine Quelle des Wohlstandes; .sie wugten . * wie Engels sagt, .dag sie im trüben am besten fischen konnten; sie liegen sich unterdrücken und beleidigen, weil sie an ihren Feinden eine Rache nehmen konnten, die ihrer würdig war; sie rächten sich für das ihnen zugeiügte Unrecht, indem sie ihre Unterdrücker betrogen.' 259 Aber die meisten Reichsstädte boten noch nicht einmal diese Möglichkeiten des Erwerbs, so dag die Kaufmannschaft ganz auf den ständig schrumpfenden Handel angewiesen war. Ulms einstmals blühender Leinwandexport sank in der Zeit von 1780-1791 um mehr als 40 %.257 Der Nürnberger Handel wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts förmlich erdrosselt: Preugen, Österreich und schlieglich auch Rüg­ land errichteten Schutzzölle; der polnische Markt ging mit den Teilungen Polens verloren,- mit dem Beginn der Koalitionskriege fiel auch der Westen als Absatzmarkt nahezu aus.258 Die Reichsstädte verfügten über keine Mittel, diesem Verfall zu be­ gegnen. Der einzig mögliche Ausweg, die Produktion kapitalistisch zu entwickeln und die Konkurrenz durch billige Manufakturwaren aus dem Felde zu schlagen, war durch die versteinerte Zunftverfassung versperrt. Das Beispiel des Augsburger Unter­ nehmers Schule war eine seltene und nicht einmal vollkommene Ausnahme dieser Regel. Er verstand es, die Kapitalkraft der Bankiers und die alten Handelsbe­ ziehungen der Kaufleute für seine Kattunproduktion auszunutzen, und war ebenso unermüdlich in der Verbesserung der Produktionstechnik tätig, vor allem auf dem Gebiete des Druckverfahrens und der Farbenbereitung. Die Weberzunft geriet völlig 224 235 254 227 248

Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, a. a. O., S. 566. (Wekhrlin, Wilhelm Ludwig), a. a. O.. S. 44. Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, a. a. O., S. 566. Kahn, Rudolf, Die Leinenweberei auf der Schwäbischen Alb. Jena 1924, S. 13. Süssheim, Karl, Preußens Politik in Ansbach-Bayreuth 1791-1806. Berlin 1902, S. 228/29.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

in seine Abhängigkeit; er allein beschäftigte 1785 etwa 3500 Menschen. * 59 Ein Gut­ achten der Augsburger Ratskonsulenten von 1794 machte ihn für die Zersetzung der alten Ordnung verantwortlich: .Die weitläufigen Bleichen, Rollen, Niederlagen, Druck- und Reibstuben und Farbgewölbe außer der Stadt wußte Herr v. Schule gegen das Verbot von 1770 durchzusetzen. * 290 Aber auch einem solchen erfolgreichen Unternehmer, um dessen Dienste sich bedeutende deutsche Territorialfürsten be­ mühten, beschnitt die reichsstädtische Enge wirklich echte Entwicklungsmöglich­ keiten..Man legte demAufkommen seiner Unternehmung tausend verhaßte Schwierig­ keiten in den Weg.' 291 Von oben hemmte der Magistrat, von unten rebellierten die Zünfte, von außen türmten die Nachbarn Zollmauern auf: In den 90er Jahren ver­ schlechterten sich Augsburger Produktion und Handel rapide. Die Ausnahme zer­ brach an der Regel. Typisch für die Verhältnisse in den süddeutschen Reichsstädten waren die Beobach­ tungen, die Nicolai in dem industriell immerhin noch bedeutenden Nürnberg machte: »Man wird gewiß kaum noch eine Stadt anzeigen können, worin so viel und so mancherlei Art von Industrie vereinigt ist und in der doch seit langen Zeiten fast keine Verbesserungen der Industrie vorgegangen sind.' 292 Das gesamte gewerbliche Leben wurde durch die verknöcherte Zunftverfassung bestimmt. Das aus fünf Rats­ herren bestehende Rugamt verfolgte mit unnachsichtlicher Strenge jede Verletzung und sorgte durch Vertreibung tüchtiger Kräfte ungewollt dafür, daß in dem nahen Fürth auf ansbachischem Boden und unter freieren Bedingungen eine gefährliche Konkurrenz entstand.293 .Solange dieses Amt sich nach den alten Handwerksord­ nungen richtet, bringt es dem Staate mehr Schaden als Nutzen', stellte Nicolai fest. .Das Rugamt meint: Fiat justitia et pereat mundus I' 294 In anderen Reichsstädten sah es häufig noch schlimmer aus. .Welche Einöde würde Regensburg sein, wenn die sämtlichen Gesandtschaften aus der Stadt weg wären I* rief Nicolai aus. .Ohne die gemeinen Handwerker kennt man da keine Künstler, noch weniger Manufak­ * turen. 295 Ähnlich urteilte Wekhrlin: »Regensburg ist eine finstere, melancholische, in sich selbst vertiefte Stadt. Kaum wird sie durch Höfe der Gesandten, welche den deutschen Reichskonvent formieren, aufgehellt, daß man sich von einer Straße in die andere finden kann.'299 Hoffnungslos war die Lage der kleinen Reichsstädte. Ein 244 Dirr. P„ Augsburger Textilindustrie im 18. Jahrhundert. In: .Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg', Bd. 37, S. 36 ff., 1911. 244 Ebenda, S. 42. 242 (Wekhrlin, Wilhelm Ludwig), a. a. Q„ S. 45. 242 Nicolai, Friedrich, a. a. O., Bd. 1, S. 263. 248 »Der Handwerksgeselle, der mit seinem Mädchen ohne priesterliche Einsegnung zu Bette geht, kann in Nürnberg nie das Meisterrecht erlangen, und so wird das naheliegende Fürth mit fleißigen Arbeitern bevölkert.' (Rebmann, Andreas Georg Friedrich), Wanderungen und Kreuzzüge durch einen Teil Deutschlands, von Anselmus Rabiosus dem Jüngern. Altona 1796. In: Georg Friedrich Rebmann, Hans Kiekindiewelts Reisen in alle vier Weltteile und andere Schriften. Herausgegeben von Hedwig Voegt. Verlag Rütten & Loening, Berlin 1958, S. 162. 244 Nicolai, Friedrich, a. a. O., Bd. 1, Beilagen, S. 97. 145 Ebenda, Bd. 2, S. 392/93. 244 (Wekhrlin, Wilhelm Ludwig), a. a. O., S. 34.

4. Die Reichsstädte

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Bericht aus Rottweil vom Jahre 1793 stellte fest, dag die Stadt .ohne alle Kommerzialeinflüsse, ohne allen Aktivgewerbshandel und Manufakturen' war. .Nicht ein einziger Stuhl von den ehemals so beträchtlichen Tuchmanufakturen ist mehr im Gange, und ebenso sind auch die übrigen Kunstgewerbsquellen... bis auf den Grund * vertrocknet 267 Die Reichsstädte ertranken in Schulden. Da trotz des allgemeinen Niedergangs die Ausgaben dieselben blieben bzw. sich sogar bei der wachsenden Verschuldung durch die notwendig zunehmenden Zinszahlungen erhöhten und die herrschende Oligarchie nicht ein Jota ihrer Pfründen aufzugeben bereit war, stieg die steuerliche Belastung der Einwohner relativ und absolut. Von dem Nürnberger Bürger wurde gesagt, dag er dem Fiskus auf indirektem und direktem Wege jährlich mehr als zwei Drittel seines Einkommens abzugeben hatte.268 Mit noch größerer Wucht aber drückte die Oligarchie dort, wo sie wie in Nürnberg, Ulm, Rottweil usw. über ein neimenswertes Hinterland gebot, auf die Bauernschaft. Die feudale Aus­ beutung der Bauern durch die Stadt war schlimmer als in den größeren Territorien und hatte die heftigste Feindschaft zwischen Stadt und Land zur Folge. In einer Eingabe an den Kaiser um die Mitte des 18. Jahrhunderts erklärten die Rottweiler Bauern, lieber unter den Türken als unter den Rottweilern leben zu wollen.286 Aus den komplizierten sozialen Verhältnissen der Reichsstädte ergaben sich die verschiedenartigsten Widersprüche. Mit dem zunehmenden Verfall verschärften sie sich; hinzu kam der Einflug der revolutionären Ereignisse in Frankreich; im Ergebnis trat um die Mitte der 90er Jahre eine deutliche Häufung städtischer Unruhen ein. Entsprechend dem Entwicklungsgrad, dem Miteinander und Gegeneinander der ein­ zelnen Klassenschichten und Klassen waren diese Unruhen in ihrem Umfang wie in ihren Zielen recht unterschiedlich: Reichsstädtische Bauern kämpften gegen ihre schamlose Ausbeutung durch die Stadt; rechtlose Plebejer empörten sich gegen die Bevorrechteten; Handwerksgesellen standen gegen ihre Meister auf, die ihnen alle Aufstiegsmöglichkeiten verwehrten; Meister und Gesellen erhoben sich gegen Kauf­ leute und Unternehmer, die die Zunftprivilegien durchbrachen; die gesamte Stadt­ bevölkerung kämpfte gegen die oligarchische Stadtverwaltung, die ihr jede Mitbe­ stimmung versagte. Dabei liegen örtliche und zeitliche Besonderheiten noch die ver­ schiedenartigsten Kombinationen der einzelnen sozialen Kräftegruppen zu. Bei aller Beschränktheit in ihren Möglichkeiten und in ihren Zielen, die nicht selten reak­ tionär zünftlerischen Charakter trugen, wirkten diese Unruhen fortschrittlich, indem sie die bestehende Feudalordnung erschüttern halfen. Verschiedene Reichsstädte entwickelten sich sogar zu Unruhezentren, deren progressive Wirkung über die Gren­ zen ihrer unmittelbaren Gebiete hinausging. Ein solches Zentrum war Nürnberg. .Man mug nach Nürnberg wandern', sagte Reb­ mann, .wenn man einen Kommentator zu den Proklamationen haben will, die in 2” Rottweils wirtschaftliche Lage 1793. Denkschrift von Job. B. von Hofer an den Schwä­ bischen Kreis. Mitgeteilt von Dr. Eugen Mack. Rottweil a. N. 1925, S. 7, 11. 2,8 Süssheim, Karl, a. a. O., S. 230. 168 Bader, Karl Siegfried, Die Reichsstädte des schwäbischen Kreises am Ende des alten Reiches. In: .Ulm und Oberschwaben, Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben', Bd. 32, S. 53, 1951.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

diesem Kriege tagtäglich erscheinen und so pomphaft von den Vorteilen der deut­ schen Verfassung sprechen.'270 Die Nürnberger zogen diesen Proklamationen die Korrespondenzen aus Frankreich vor, die der »Friedens- und Kriegs-Courier', die führende Tageszeitung Nürnbergs, abdruckte.271 Was dort vor sich ging, galt als beispielhaft. Der Wunsch, es den Bastillestürmern gleichzutun, beseelte die Hand­ werker, allen voran die Schlosser, Schneider und Schreiner, als sie Ende Juni 1793, »mit starken Prügeln versehen, unter ungestümer Absingung einiger Freiheits- und * Aufforderungslieder auf die Straße gingen. Mit Hilfe von 300 Mann fränkischer Kreistruppen wurde der Aufruhr am dritten Tage zwar niedergeschlagen, doch die Lage blieb nach wie vor kritisch. Andere Zünfte begannen, sich ebenfalls zu rühren, so daß der Magistrat sich zu Verhandlungen und schließlich auch zu Zugeständ­ nissen herbeilassen mußte.272 Bezeichnend für die weiterhin rebellische Stimmung unter der Bevölkerung war das Mandat des Magistrats vom 1. März 1794. Es sollte eine angeblich letzte gütliche Mahnung an verschiedene Zünfte und einzelne Professionisten sein, »von dem Wege der Tätlichkeit abzustehen, das Erscheinen auf dem Rathause in ungewöhnlich großer Anzahl zu unterlassen, die öffentlichen Plätze, wo sie nicht eigne Geschäfte haben, zu meiden und aller ferneren Einmischung in die Polizeiangelegenheiten sowie aller unerlaubten Zusammenrottierungen und Ver­ abredungen sich zu enthalten, auch weder das obrigkeitliche Amt noch ihre Mit­ bürger auf diese oder andere Art zu beeinträchtigen und zu stören, .. " 275 Solche Mahnungen konnten ihren Zweck nicht erreichen, solange die Ursachen der Unzufriedenheit nicht beseitigt waren. Ständig fanden sich Anlässe, die die all­ gemeine Unzufriedenheit bis zu offenen Ausbrüchen steigerten. So hatte Ende Juli 1794 der Pfleger in Altdorf einige Bürger dieses Ortes nach Nürnberg bringen lassen, wo sie im Rathaus eine mehrtägige Arreststrafe »wegen unbegründeter und in einem empörenden Ton ... angebrachter Beschwerden', die Gemeindewieseh betreffend, verbüßen sollten. Am 30. Juli früh erschienen rund 70 Altdorfer vor dem Rat und verlangten die sofortige Freilassung der Eingekerkerten. Sie machten ihre Drohung wahr, »daß im Weigerungsfälle noch mehr erscheinen würden', und erzwangen am Nachmittag die Erfüllung ihrer Forderung.274 Der Magistrat hielt den Vorfall für so wichtig, daß er ihn durch seinen Bevollmächtigten der fränkischen Kreisver­ sammlung mitteilen ließ, zumal in dem nürnbergischen Städtchen Lauf ein gleich­ zeitiger Aufruhr nur mit Mühe verhindert werden konnte und »doch hieraus die ’’,0 (Rebtrunui, Andreas Georg Friedrich), Wanderungen..., a. a. O.. S. 164. Eine frühere Schrift Rebmanns, »Kosmopolitische Wanderungen durch einen Teil Deutschlands. Leipzig 1793', hatte ähnlich schonungslos über die nürnbergischen Zustände geurteilt und wurde von dem Polizeiamtmann als »eines der infamsten und skandalösesten Pasquille' dem Magistrat denunziert, der daraufhin am 24. Dezember 1793 allen Nürnberger Buchhändlern auftrug, sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Exemplare dem Verleger zurückzusenden. Emstberger, Anion, Nürnberg..., a. a. O., S. 455. 171 Emstberger, Anton, Nürnberg..., a. a. O-, S. 410. «’» Ebenda, S. 448 fi. r7S DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a, Fränkischer Kreis, 15 B, Anlage zum Bericht vom 10. 3. 1794. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a. Fränkischer Kreis, 16 B, Bl. 4.

4. Die Reichsstädte

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Stimmung des Volkes immer hervorleuchte'. Wie der Vertreter Ansbach-Bayreuths, Graf Soden, berichtete, ersuchte die Kreisversammlung sämtliche Mitglieder, dem Beispiel Nürnbergs zu folgen und derartige Vorfälle allen bekanntzumachen, um notfalls gemeinsam rechtzeitige Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. * 75 War im Juli 1794 Lauf noch ruhig geblieben, so erlebte es Anfang September sogar blutige Auseinandersetzungen: Die zu den Plebejern gehörenden sogenannten Rußigen oder Feuerarbeiter waren in den Gemeindewald gegangen, um Eicheln zu schlagen, wurden aber von der in ihren Vorrechten verletzten Bürgerschaft mit Gewalt daraus vertrieben. Mit scharfgeladenen Gewehren und Säbeln kehrten die Rußigen zurück. Die Kämpfe setzten sich bis in die Stadt fort, wo schließlich die Bürgerschaft die Oberhand gewann, nachdem sie den vom Nürnberger Magistrat eingesetzten Pfleger, der dem Druck der Rußigen nachgegeben hatte, im Arrest genommen hatte.278 In Nürnberg selber zeigten die Unruhen deutlich den radikalisierenden Einfluß der Ereignisse in Frankreich. Symbole der Französischen Revolution tauchten verschie­ dentlich auf. Am 30. Juli 1794 hatten Unbekannte auf dem Marktplatz eine Stange mit der roten Freiheitsmütze aufgestellt und .an mehreren Orten grobe Pasquille angeschlagen', wie Soden berichtete.277 Es handelte sich um den 30strophigen .Psalm, vorzusingen Adel, Schreibern und Genannten, nach der geistreichen Melodie: Ein Vogelfänger bin ich ja *. Die Verfasser waren in Kreisen zu suchen, die das Bürgerrecht genossen und dieses Recht im Sinne der Mitbestimmung anerkannt wissen wollten: .So lang die Bürgerschaft nicht wählt die Genannten selbst, so ist's gefehlt; sie wird von Adels Tyrannei, vom teuren Brot, Bier, Fleisch nicht frei.' Diese Bürger sprachen noch nicht von der Notwendigkeit eines gewaltsamen Umsturzes, aber sie drohten immerhin damit, daß die Plebejer solche Absichten verfolgten: .Letzthin hört' ich an einem Ort reden viel bedenkliche Wort; der Schluß fiel endlich dahin aus: Mit'm Adel woll'n wir machen Garaus!...

Ihr uns abgestohl'nes Gut teilen wir unter die Armut, wählen uns selbst einen Rat, wie es Franzosen und Polen tat.

Will es Nachbar leiden nicht, dann, Brüder, ist es unsre Pflicht, uns so zu betragen dabei, damit ganz Franken werde frei... i7t Ebenda. « Ebenda, Bl. 175. * 177 DZA Merseburg, Rep. 44 C, Auswärtiges Departement. 670, Bericht vom 4. fl. 1794. 6 Süddeutsche Jakobiner

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

So sagten sie, und schwuren auch, nach dieser Leute ihrem Brauch, wenn's sein muß, wollten sie eher sterben, als so nach und nach verderben. Laßt diesen Wink nicht außer Acht, Ihr, die bisher aus eigner Macht geherrschet über unser Geld, sonst kommt ihr schimpflich aus der Welt I'278 Sehr aufschlußreich für den hohen Grad des plebejischen Radikalismus ist der Hinweis auf das französische Vorbild und die Bereitschaft, den Aufstand über die Mauern der Stadt hinauszutragen. Einzelnen Exemplaren des »Psalms' waren Nachschriften, offensichtlich plebejischer Herkunft, beigefügt. Das am Schönen Brunnen angeklebte Exemplar verkündete außerdem: »Mit so Kokarden ziehen wir Vor Eure Wohnung und Quartier, Euch Schurken und infamste Horden, Euch große Dieb im Staat zu morden. Dann machen wir uns alle freil Vivat Frankreich, leb hoch dabei I In allem: Vivatl Hochl' Eine andere Nachschrift war »Eure Todespost' überschrieben und lautete.»Euch Große in dem Rat, Euch Bürgerfeind dazu. Die schlägt man in ein Faß Und schickt's dem Schinder zu I'279

Es ist bemerkenswert und bestätigt die Existenz enger Kontakte mit dem revolutio­ nären Frankreich, daß der Volkskommissar Bourbotte bei der Rhein-Mosel-Armee Kenntnis von dem Wortlaut dieser Nachschriften erhielt; er bezeichnete die erste als an die Bürgergarde, die zweite als an den Magistrat gerichtet und teilte sie beide in französischer Übersetzung am 27. August 1794 dem Wohlfahrtsausschuß mit.280 878 Ditlurth, Franz Wilhelm Freiherr von. Die historischen Volkslieder vom Ende des Sieben­ jährigen Kriegs 1763 bis zum Brande von Moskau 1812. Berlin 1872, S. 154 ff. *’• Emstberger, Anton, Nürnberg?.., a. a. O., S. 457. Aulard, François Alphonse, Recueil des actes du Comité de salut public avec la correspon­ dance officielle des représentants en mission et le registre du Conseil exécutif provisoire. Paris 1904, Bd. 16, S. 377/78. Die französischen Übersetzungen der Pasquille lauten: ,À la maison de ville. Vous les grands dans le conseil. Du bourgeois les ennemis déclarés. Souffrez que, pour votre sommeil. Les postes que votre conduite vous a préparés Soient d'être serrés dans un tonneau Et abandonnés ainsi aux bourreaux.

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Kennzeichnend für die verbreitete profranzösischeStimmung war auch der Vorfall am 16. August 1794, als eine Volksmenge .ein kleines Wachkommando von zwölf Mann, welches vier französische Auswanderer, die man irrig für die aus Lichtenau ent­ wichenen vier französischen Offiziers angesehen und zu Verhaft nehmen wollte, mit Gewalt daran' hinderte.291 Mitte September 1794 fand man nahe dem Rathaus eine anonyme Drohschrift angeheftet. Unter dem Titel .Bekanntmachung allen Brüdern' wurden in 21 Strophen die an dem Elend der Bevölkerung Verantwortlichen an­ geprangert und alle Unterdrückten aufgefordert, sich auf den Tag der Rache vor­ zubereiten. Die Reihe derer, denen mit dem Galgen gedroht wurde, war lang; sie umfaßte einerseits die ganze herrschende Oligarchie mit ihrem Anhang, den Pfaffen, Beamten und Schreibern, die zum Teil sogar namentlich genannt wurden: .Nun, Brüder, hört, wie kann's mehr sein, dafj einer mehr kann leben? Man tut uns vor das teuer Geld nur Dreck und Wasser geben. Das macht die große Adelsbrut, der Deputation Höllenglut, Die vielen Pflastertreter, die Pfaffenrott und Verräter. * Andererseits griff die Drohschrift mit gleicher Schärfe die Zünfte der Bäcker, Fleischer, Fragner und die Kornjuden an. Diese Frontstellung kennzeichnet die Schrift als plebejisch. Sie machte keinen großen Unterschied zwischen den Hoch­ gestellten und diesen Kleinen, denn in dem täglichen Existenzkampf erschienen den Plebejern gerade die letzteren als unmittelbare Gegner: »Ja ehender, Brüder, wird’s nicht Fried, bis wir uns alle rühren. Und allen Schurken groß und klein die Hälse derb zuschnüren. Dann, Menschenfeinde, gute Nacht, euch Fragner hat man auch gedacht, Ihr tut die Armen schinden, man wird euch Wuchrer finden.' Die angedrohten Mittel waren kompromißlos radikal, ohne daß aber eine Vor­ stellung von dem vorhanden gewesen wäre, was an die Stelle des alten Zustandes gesetzt werden mußte. Die Erkenntnis ging nur so weit, daß die bestehende Ordnung unerträglich und allein mit Gewalt zu beseitigen war: Au corps de garde. C'est avec telle cocarde que nous passerons Devant vos quartiers et devant vos maisons. Horde infâme, scélérats conjurés. Voleurs dans l'État, votre sentence est portée. Nous ne serons libres que quand vous aurez péri. Vive la France et qu'elle soit à jamais chériel * 891 DZA Merseburg, Rep. 44 C, Auswärtiges Departement, 670, Bericht vom 17. fl. 1794. 6*

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»In einigen Tagen bricht es aus, die großen Feuerflammen, Da ziehen wir mit Kanonen aus und lagern uns zusammen. Und hauen, stechen, schienen drein, kein Schurke soll nicht sicher sein. Die Redlichen im Lande schützt Gottes Vaterhande. * 282 Gegen Ende des Jahres beunruhigte die Behörden ein neues Pasquill: .Aufforderung an alle braven Bürger.' Es griff nicht wie das vorgenannte unterschiedslos die ver­ schiedenen Schichten an, sondern konzentrierte die Wucht seiner Anklage auf den Rat der Stadt, dessen Herrschaft mit Waffengewalt gestürzt werden sollte. Die Anklage lautete auf Diebstahl an öffentlichen Geldern. Auf Heller und Pfennig wurden ihm die .dem aerario abgestohlenen' Summen präsentiert: 11 880 Gulden Erlös aus dem Eisen und Kupfer, das beim Abbruch der Zugbrücken gewonnen worden war, 166 082 Gulden 22 Kreuzer für die herausgenommenen und verkauften Wasserrohren, 5 075 350 Gulden 48 Kreuzer für das eingeschmolzene und zu Geld gemachte Geschütz und anderes mehr. Wo blieben, so wurde gefragt, die öffentlichen Einnahmen aus dem Waisenhaus, dem Zinsmeisteramt, dem Umgeld, dem Tuchhaus, dem Unschlitthaus, den Pflegeämtern, Pfarreien, Schulen, der Bürgerlosung? Mehr als 9 Millionen Gulden seien von den Ratsherren veruntreut und als ihr privater Besitz bei der Englischen Bank hinterlegt worden. Der Herrschaft dieser diebischen Despoten ein Ende zu machen, war dringendes Gebot: .Noch ist es Zeitl Noch habt Ihr Kräfte, aber säumt auch nicht mehr lange! Sonst seid Ihr unvermöglich, und die Fesseln der Tyrannei, die Ihr werdet zerbrechen wollen, wird man so eng schmieden, daß Ihr darunter werdet verschmachten. Darum auf, Ihr Brüder, oder Ihr seid auf ewig verloren! * 282 Ernstberger hat Unrecht, wenn er aus der Tatsache, daß diese Sprache im Vergleich zur .Bekanntmachung allen Brüdern' .sichtlich lahmer und zahmer' war und daß .eine weit humanere, viel weniger revolutionäre Art der Revolution' propagiert wurde, die Tendenz einer allgemeinen Mäßigung herausliest.284 Wenn der Ton DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94a Fränkischer Kreis, 16 B, Bl. 244/45. Ditfurth hat dieses Gedicht mit einigen geringfügigen Abweichungen von dem im DZA Merseburg vorhandenen Text in seiner Sammlung der historischen Volkslieder abgedruckt; es fehlt lediglich die 7. Strophe, die Ditfurths 6. Strophe folgen muß: .Dies ist der Wunsch der ganzen Stadt und auch der ganzen Lande, daß so ein schönes Ende hat in unsenn Vaterlande. Beamte schmeißen wir hinab, die Großen finden auch ihr Grab, und die Verwalter hängen; es trifft auch Consulenten.' Ditiurth, Franz Wilhelm Freiherr von, a. a. O., S. 159 ff. tu Ernstberger, Anton, Nürnberg..., a. a. O-, S. 460. Ebenda. S. 459.

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weniger gewalttätig war, so hatte das seine Ursache einzig in der sozialen Herkunft des Dokumentes. Die .Bekanntmachung allen Brüdern' stammte eindeutig aus plebejischen Kreisen, die am meisten geschunden wurden und dementsprechend radikal auf Vergeltung drängten. Die .Aufforderung an alle braven Bürger * dagegen verrät schon im Titel und erst recht durch seinen Inhalt, daß dahinter Kräfte standen, die auf der sozialen Stufenleiter eine höhere Sprosse erklommen hatten und darum auch keinen plebejischen Radikalismus entwickelten. Entgegen Ernstberger ist viel­ mehr umgekehrt festzustellen, daß die .Aufforderung * im Vergleich zum .Psalm', ebenfalls nicht-plebejischen Ursprungs, eine Steigerung der revolutionären Gesin­ nung ausdrückte; hatte der »Psalm * sich noch darauf beschränkt, echte Mitbestim­ mung zu fordern und mit der Wut der Plebejer zu drohen, so rief die .Aufforderung * bereits zum bewaffneten Sturz des Magistrats. Ebensowenig überzeugend ist der Kommentar Ernstbergers zu einem anderen Pas­ quill, das Anfang März 1795 in Nürnberg auftauchte: .An die sogenannten Genann­ ten des Größeren Rats zur beliebigen Entsiegelung.' Es ist eine vernichtende Satire auf die Nürnberger Verhältnisse, die mit einem Käsleib verglichen werden, und auf die Genannten, die sich zwar als Vertreter der Bürgerschaft bezeichneten, aber vom patrizischen Rat, dem auch die Ernennung der Mitglieder dieser Körperschaft allein zustand, nur bemüht wurden, um sich bei unpopulären Maßnahmen hinter ihnen zu verbergen: .Viertausend Jahre nach der Flut, Die Moses uns beschreiben tut. Da lag ein Käsleib voller Grind Und Maden, wie die Käsleib sind. Er lag an einem sichern Ort. Die Mäuse liefen fort und fort. Sie hielten manch Consilium, Wie sie den Käsleib wenden um. Doch keiner wollt ihn beißen an. Sie fanden soviel Unrat dran. Da gab es schwarze Mäuselein, Die wollten beim Consilio sein. Jedoch sie wurden exkludiert. Darob sie viel Verdruß verspürt. Der Käsleib blieb an seinem Ort Und fault und stinkt noch immer fort * 285 Ernstberger glaubt, hier einen neuen Beleg für seine These von der abnehmenden revolutionären Gärung gefunden zu haben: »Die Selbstironie, eine Nürnberger Sondereigenschaft, wenn nicht ein fränkischer Stammeszug, betrachtete sich im Zerrspiegel und fand das Bild zwar traurig, nahm es aber nicht tragisch.' 2se Diese gemütliche Deutung vergißt lediglich, daß eine Satire eben eine Satire ist und kein Ebenda, S. 461. =«• Ebenda, S. 460/61.

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revolutionärer Aufruf. Daß ausgerechnet noch keinen Monat darauf Nürnberg neuerdings von Unruhen geschüttelt wurde, paßt zwar ganz und gar nicht in seine Linie, aber wird flugs passend gemacht: Der Aufruhr wird aus einer .Torschlußpanik unter den Nürnberger Revolutionsgesinnten' erklärt und so entwertet.267 Offen­ sichtlich haben die Akten des nürnbergischen Staatsarchivs, die Emstberger be­ nutzte, nicht viel über diese Unruhen hergegeben; dennoch hätten die von ihm selbst mitgeteilten Tatsachen, daß trotz Einsatz aller verfügbaren militärischen Kräfte die Empörung erst nach fünf Tagen im wesentlichen unterdrückt werden konnte und der Magistrat noch ein ganzes Vierteljahr danach die Bürgermiliz ständig aufziehen ließ, ihn vor solchen voreiligen Urteilen bewahren sollen. Ernst­ bergers Aufsatz, wenn er auch für ein enges Gebiet wertvolle Materialien zur Geschichte der revolutionären Bewegung erschließt, ist dennoch keine Ausnahme von der durch die bürgerliche Historiographie befolgten Regel, revolutionäre Er­ scheinungen in ihrer Bedeutung nach Möglichkeit herabzustimmen. In der Nacht vom 1. zum 2. April 1795 standen die Plebejer Nürnbergs auf. Dabei zeigten sie allerdings dieselben Schwächen, die in jener Drohschrift .Bekannt­ machung allen Brüdern' zum Ausdruck kamen. Auf sich selber gestellt, trugen sie ihren Angriff nur gegen einzelne Erscheinungsformen der feudalen Mißwirtschaft vor, die sie am unmittelbarsten drückten; um ihre Aktivität gegen die Grundfesten der feudalen Ordnung zu wenden, hätten sie einer überlegenen Führung bedurft. Der Plebejeraufruhr, dem sich viele Gesellen anschlossen, richtete sich zunächst gegen die Meister der Bäckerzunft, wandte sich in seinem Verlauf aber auch gegen die Brauer, Fleischer und Fragner. Den Anlaß bildete die Weigerung der Bäcker­ meister, diesmal wieder dem alten Brauch zu entsprechen und die Ostereierkuchen ihren Kunden unentgeltlich abzugeben. Nach dem Bericht des Grafen Soden ging die aufgebrachte Menge in der Nacht des 1. April tätlich gegen die Meister vor, zog in der folgenden Nacht abermals .vor alle Bäckerhäuser der Stadt, hieb die Brot­ läden mit Beilen in Stücke, warf Fenster und Läden ein, trieb in einigen Häusern noch mehr Unfug und lärmte die ganze Nacht hindurch mit größter Ausgelassenheit und insolentesten Drohungen von Aufhängen und ähnlicher Behandlung der Flei­ scher und Bierbrauer.' 288 Ein Dekret des Magistrats vom 3. April hatte an die Bürgerschaft mit dem Hinweis auf die Gefährdung ihres Eigentums appelliert, .diesem immer weiter um sich greifenden Unwesen nachdrücklichst und ernstlichst zu steuern'.289 Der Aufruhr wäre mit diesen Mitteln nicht zu ersticken gewesen, wenn man nicht zugleich den rebellierenden Massen beachtliche Zugeständnisse gemacht hätte. Die meisten Bäcker hatten schon in der ersten Nacht die Lieferung der geforderten Eierkuchen zugesagt. Entweder auf Veranlassung des Magistrats oder, wie die .Deutsche Zeitung' berichtete, auf dringendes Verlangen der Bier­ brauer selber wurde das Maß um 2 Pfennige billiger abgegeben. Die Zeitung bemerkte dazu, daß .es noch nie geschehen ist, daß der Preis des Bieres um soviel187 * 188 187 Ebenda, S. 462. 188 DZA Merseburg, Kep. 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis, 18 B, Bl. 129. 888 Ebenda, Bl. 140/41.

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auf einmal höher oder niedriger gestiegen sei'. * 90 Man wagte auch nicht, mit aller Strenge gegen bestimmte, von den Plebejern angewandte Praktiken vorzugehen, die mit der bestehenden Ordnung nicht zu vereinbaren waren. Soden schrieb am 6. April 1795: .Indessen fährt der Pöbel annoch fort, Getränke und Viktualien wagenvollweise ohne Entrichtung der Abgaben öffentlich hier einzuführen und zu * verkaufen. 291 Nicht zu Unrecht sahen die Plebejer in dem Ergebnis des Aufruhrs einen Erfolg. Dieses Bewußtsein bringt der Kupferstich zum Ausdruck, der in der ersten Aprilhälfte als Flugblatt verbreitet wurde: Er zeigt eine Gruppe vorwiegend Jugendlicher, die mit Steinen Fenster und Läden eines Bäckerhauses zertrümmern, während eine unübersehbare Menge dem zuschaut und der Bäckermeister selber sich auf das Dach zu retten sucht. Die Unterschrift stellt mit Genugtuung fest, daß auf diese Weise die Bäcker .zu ihrer Schuldigkeit verwiesen wurden . * 292 Bevor sich schließlich der Magistrat daranwagte, die Anführer des Aufruhrs gefangenzusetzen, ließ er die Wachen verdoppeln und Tag und Nacht sieben Bürgerkompanien, davon eine zu Pferd, durch die Stadt patrouillieren.299 Erst am 22. Juni hob ein Erlaß des Magistrats diese Ausnahmebestimmungen auf.294 Bei den sich verschärfenden Spannungen fand die Obrigkeit häufig nicht einmal mehr die Kraft, durch nachträgliche Strafverfolgung die verletzte Autorität not­ dürftig wiederherzustellen. So konnten ein Jahr später, im März 1796, die Rußigen gegen einen Schreiber vom Schöffenamt, der sich der Erpressung schuldig gemacht hatte, tätlich vorgehen, ohne wegen dieser Übergriffe zur Rechenschaft gezogen zu werden.299 Als dann im April der Magistrat wieder einmal ein Exempel statuieren wollte und die Anführer der unruhigen Schuhmachergesellen mit ein- und drei­ tägigem Arrest bestrafte, beschwor er nur einen Solidaritätsstreik aller anderen herauf. Sie beherrschten tagelang die Straße und drohten, .ihre Meister totschlagen zu wollen . * Der Bericht des Grafen Soden fuhr fort: .Und kaum hatte sich dieser Lärm gelegt, so ging ein neuer mit den hiesigen Zimmergesellen.., an.'296 Die Unruhen rissen 1796 kaum noch ab. Am 4. Juni griffen die Rußigen wieder zur Selbsthilfe. In einer Anzahl von mehr als 200 fielen sie auf dem Markt über die Bauern her, die die Butter zu einem überhöhten Preise feilboten. Sie nahmen ihnen die Ware fort und verkauften sie eigenmächtig zur Hälfte des geforderten Preises.297 Eine Woche später wiederholte sich derselbe Vorgang, nur richtete er sich diesmal gegen die Holz feilbietenden Bauern, die unter tätlicher Bedrohung gezwungen wurden, das Holz abzuladen und um ein Drittel billiger zu verkaufen.298 Rebmann nannte die Rußigen .echte deutsche Sanskulotten, rauh und gutmütig. Sie waren es, :M 1,1 *» 2,3 SM 293 394 2,7 293

Ebenda, Bl. 138. .Deutsche Zeitung', Jahrg. 1795, 17. Stück, Sp. 272/73. DZA Merseburg, Rep, 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis, 18 B, BL 138. Ebenda, BL 149. Ebenda, BL 172. Emstbergez, Anton, Nürnberg..., a. a. O., S. 463/64. DZA Merseburg, Rep. 44 C, Auswärtiges Departement, 676, BL 25. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis, 20 B, Bericht vom 25. 4. 1796. Ebenda, Bericht vom 4. 6. 1796. Ebenda, Bericht vom 12. 6. 1796.

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welche die Wagen der bürgerlichen Deputierten zogen, als diese - leider vergebens den Kaiser um Hilfe gegen ihre Blutegel anflehten. Sie waren es, die sich's heraus­ nahmen, ein kleines Maximum festzusetzen und mit gewissenhafter Redlichkeit die teuren Lebensmittel um einen wohlfeilen Preis auf dem Markte zu verkaufen. Gutes Volkl Du willst ja von deinen Despoten nicht mehr als satt Brot, und auch das verweigern sie dirl ** 00 Verschärft wurde die Situation für den Nürnberger Magistrat noch durch den Druck, den Hardenberg von den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth her auf die Stadt ausübte. Ein Bericht aus Nürnberg, den Rebmann in seiner Zeitschrift .Das neue graue Ungeheuer * abdruckte, sprach sogar im Zusammenhang mit jenem Plebejeraufruhr im April 1795 von einem allgemeinen Gerücht, »daß die unruhigsten Anführer des Haufens durch ausgeteilte Laubtaler ermuntert worden sein sollten'. Dafl die angeblichen Laubtaler nur preußischer Herkunft sein konnten, deutete der Korrespondent durch die unmittelbar darauffolgende Mitteilung an: .Der preu­ ßische Gesandte soll der Stadt Garnison angeboten haben, weil die gewöhnliche wahrscheinlich zu schwach sein würde, die Ordnung zu schützen.'300 Die Berech­ tigung jenes Gerüchts ist nicht verbürgt, dennoch ist es keineswegs ausgeschlossen, daß Hardenberg auch solche Mittel benutzte, um seinem Ziel, der Annexion Nürn­ bergs, näherzukommen. Frankfurt a. M. hat von Seiten des annexionslüsternen Hessen-Kassel ähnliche Erfahrungen machen müssen.301 Im übrigen hatten diese Methoden räuberischer Nachbarn für die Entwicklung des Klassenkampfes eine völlig untergeordnete Bedeutung; sie waren überhaupt nur anwendbar, weil bereits diese Kämpfe in den Reichsstädten tobten. Trotz des vielfältigen Druckes von unten und außen hat das Patriziat der Oppo­ sition keine nennenswerten politischen Zugeständnisse gemacht. Das einzige war die Zustimmung zur Einsetzung einer Ararialdeputation 1794, die aus Rats- und Genanntenmitgliedem bestand und die Finanzverwaltung des Magistrats kontrol­ lieren sollte. Aber erstens hatte diese Deputation ausschließlich beratende Befugnis, und zweitens sorgte ihre Zusammensetzung dafür, daß der herrschenden Oligarchie daraus keine ernste Gefahr erwuchs. Die Genannten bezeichneten sich zwar als Bürgerschaftsvertretung gegenüber dem Rat und führten auch gelegentlich das Wort von der Volkssouveränität im Munde. Aber ein Teil der Genannten gehörte selber zum Patriziat, und alle Mitglieder dieser Institution wurden durch den Rat bestimmt, so daß eine entschiedene Opposition von dort nicht ausgehen konnte.302 Gefährlich für die Oligarchie war der Massendruck von unten. Wenn das Patriziat ihm zu widerstehen vermochte, so dankte es dies nicht der eigenen Stärke. Oft genug rettete es sich nur dadurch aus gefährlichen Situationen, daß es seine Autorität verleugnete und Verletzungen der bestehenden Ordnung nicht ahndete. Stark war das Patriziat dank der Uneinheitlichkeit seiner Gegner. Handgreifliche Auseinandersetzungen m (Rebmann, Andreas Georg Friedrich), Wanderungen..., a. a. O., S. 163. .Das neue graue Ungeheuer , * Altona 1795, 3. Stück, S. 92. M1 Kracauer, L„ Frankfurt am Main und die französische Republik 1795-1797. In: .Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst *, 3. Folge, Bd. 3, S. 204, 1891. Süssheim, Kart, a. a. O., S. 232 ff.

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zwischen Bauern und Plebejern auf dem Markt wegen der Lebensmittelpreise schä­ digten zwar das Ansehen des Magistrats, aber zugleich verhinderten sie das Zu­ sammenfinden zweier mächtiger antifeudaler Kräfte. Gegen Gesellenunruhen konnte sich das Patriziat auf die Bürgergarde stützen. Preußenfreundliche Bestrebungen innerhalb der Kaufmannschaft, die sich von einer Annexion Nürnbergs günstige Perspektiven für den Handel versprach, begegnete es mit der preußenfeindlichen Haltung der Masse, die in der Zugehörigkeit zu dieser Militärdespotie kein locken­ des Ziel erblicken konnte.’03 Dieses Gegeneinander war möglich bei weitgehend gemeinsamer Sympathie für die Französische Revolution. Diese Sympathie war beim besitzenden Bürgertum wesentlich passiv und bestätigte auf diese Art seine poli­ tische Unreife, im Kampf gegen die feudale Ordnung die Führung zu übernehmen. Die große Masse bewies Mut und Kraft zur Aktivität, aber führungslos verzettelte sie sich. So erklärt sich bei vielen die Hoffnung auf Hilfe von außen. In anderen Reichsstädten fanden sich die oppositionellen Kräfte besser zusammen, ohne jedoch in der Regel die nötige Einheitlichkeit zu erreichen, um die Oligarchie stürzen zu können. Was erreicht werden konnte, waren Teilerfolge wie in Ulm, wo die Bürgerschaft dem Patriziat die Anerkennung einer Interessenvertretung ab­ trotzte. Heftige Unruhen waren dem voraufgegangen. Sie entzündeten sich im August 1794, als der Magistrat, ohne die Bürgerschaft ausreichend zu unterrichten, fünf Kanonen abtransportieren ließ, die der schwäbische Kreis für den Reichskrieg angefordert hatte. Biesters .Berlinische Monatsschrift * berichtete: .Hierüber auf­ gebracht versammelte sich bei Anbruch des genannten Morgens (am 9. August H. S.) ein Haufen Bürger an dem Tore, spannte ohne allen Tumult mit Gelassenheit und Entschlossenheit die Pferde ab und zog die Kanonen selbst wieder in das Zeug­ haus zurück.'304 Sämtliche Zunftvorgesetzte erklärten sich mit dieser Selbsthilfe Ulmer Bürger solidarisch. Gegenüber dieser geschlossenen Front war der Magistrat machtlos. Er besaß nicht mehr die Kraft, den Vorfall zu untersuchen und Rädels­ führer festzustellen. Die Vorgeladenen verweigerten jede Einzelaussage, da sie gleichsam im Auftrage aller Bürger gehandelt hätten. Große Menschenmengen, die sich in drohender Haltung vor dem Amt einfanden, demonstrierten die Richtigkeit dieser Erklärung.303 Sichtbarer Ausdruck der zunehmenden Radikalisierung war die in diesen Tagen erschienene Flugschrift .Freimütige Gedanken über die höchst notwendige Staatsverbesserung der freien Republik Ulm, von wahrheitsliebenden filmischen Bürgern *. Dem Magistrat wurde darin wegen zahlloser Verfehlungen das Recht abgesprochen, weiterhin das Regiment zu führen. Ausgehend von der Erkenntnis, daß alle Menschen von Geburt gleich sind, forderte die Schrift die Bürger auf, ohne Rücksicht auf Familie und Titel eine neue Obrigkeit zu wählen. Allerdings wurde dieser Gedanke nicht konsequent zu Ende geführt, denn die Bürger sollten dabei mit den gutgesinnten Elementen des alten Magistrats zu“» Ebenda, S. 241 ff. .Berlinische Monatsschrift', Bd. 25, S. lfl, 1795. m Dürr, Lore, Innere Kämpfe in der Reichsstadt Ulm am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Ulm 1951 (Maschinenschrift), S. 46.

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sammenarbeiten.300 Die Schrift rief zu einer öffentlichen Versammlung am 28. August auf, um die zu treffenden Maßnahmen zu beraten.907 Obwohl die Flugschrift anonym erschien, war doch der Säcklermeister Kaspar Feßlen als ihr Verfasser allgemein bekannt. Der Magistrat lud ihn und den Webermeister Seitzer, der vor allem für die Verbreitung Sorge getragen hatte, zum Verhör vor. Wieder durfte die Obrigkeit es angesichts der drohenden Menge vor dem Rathaus nicht wagen, streng durchzugrei­ fen und die beiden zu verhaften. Auf Umwegen nur gelangte sie zum Ziel. .Ordnung und Ruhe liebende Bürger, insonderheit aus der Zunft der Kaufleute und *, Krämer wie es heißt, also die wohlhabenderen Bürger vor allem, sorgten dafür, daß die verfassungsmäßigen Formen nicht gröblich verletzt wurden.908 Sämtliche Zunftvorgesetzte, durch das Gespenst einer von Gesellen und Plebejern getragenen Revolution geschreckt, rückten von der Schrift des Feßlen ab.900 Die Kaufmanns­ gilde regte an, aus Vertretern aller Zünfte .eine beständige Repräsentation zu wäh­ len, um deren Anerkennung der hochlöbliche Magistrat geziemend gebeten werden solle, worauf sie mit Hochdemselben die Grundverfassung, Gesetze, Verhältnis zwi­ schen Rat und Bürger, Finanzen usw. untersuchen möchte'.810 Am 27. August hatten 19 Zünfte ihre Repräsentanten gewählt; als 21. und letzte Zunft folgte die der Bauleute am 1. September diesem Beispiel. Am 28. August fand die erste Versamm­ lung der Repräsentanten statt, die einstimmig den Rechtsgelehrten Leonhard Holl zu ihrem Syndikus wählte. Außerdem wurde eine Einladung an die städtischen Kollegien und Beamten beschlossen, gemeinsam mit den gewählten Repräsentanten über die Mittel zur Beseitigung der Mißbräuche in der Verwaltung der Stadt zu beraten: .Wir sind entschlossen, Gut und Blut aufzuopfem, um Tumulte zu ver­ hindern, Kommissionen, Exekutionen und Prozesse vor den höchsten Reichs­ gerichten zu verhüten. Bei solchen Gesinnungen glauben wir, berechtigt zu sein. Sie zu unseren Versammlungen einladen zu dürfen. * 911 Angesichts der größeren Gefahr eines offenen Aufruhrs beeilte sich der Magistrat, am 5. September den Ausschuß unter dem Vorbehalt kaiserlicher Zustimmung .als ein von den Bürgern selbst vorgeschlagenes Mittel zur Beruhigung' anzuerkennen.912 Der Vorbehalt war die Hintertür, durch die der Magistrat allen echten Zugeständ­ nissen auszuweichen gedachte. Während er beim Reichshofrat gegen die Bürger­ schaft intrigierte, bewies nach den Worten eines zeitgenössischen Beobachters sein wieder schärfer werdender Ton, .daß die Sanftmut und Billigkeit, die sich im An­ fänge unverkennbar zeigte, mehr ein Kind der Furcht als eine Frucht fester, auf Gerechtigkeit und Liebe gebauter Grundsätze war'.919 Er verbot der Repräsentation

808 8M 910 811 811 818

(Feilen, Kaspar). Freimütige Gedanken über die höchst notwendige Staatsverbesserung der freien Republik Ulm, von wahrheitsliebenden ulmischen Bürgern, im Jahr des ulmischen Kanonen-Arrests. o. O. 1794. Ebenda, S. 11. .Berlinische Monatsschrift', Bd. 25, S. 20, 1795. Dürr, Lore, a. a. O., S. 49. .Berlinische Monatsschrift', Bd. 25, S. 46, 1795. Ebenda, S. 45. Dürr, Lore, a. a. O., S. 50/51. .Berlinische Monatsschrift', Bd. 25, S. 24, 1795.

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die Herausgabe jeder Art von Druckschriften. Duren Eingaben, die neben zahlreichen kleineren Beschwerden, sich auf das Prinzip der Volkssouveränität berufend, in irgendeiner Form Beteiligung an der Regierung forderten, begegnete der Magistrat mit hartnäckigem Widerstand. «Der regierende Bürgermeister erlaubte sich sogar... gegen einige, die ihm eine Beschwerdeschrift überreichten, solche hart beleidigenden Worte, wie sie kein wohlgezogener Mensch, geschweige eine reichsstädtische Ma­ gistratsperson gegen ihre Mitbürger, sich erlauben soDte."314 Am 12. Dezember 1794 schließlich konnte der Magistrat ein kaiserliches Patent vom 20. November veröffentlichen, das ihm ein scharfes Vorgehen zu ermöglichen schien. Das Patent verfügte folgende Maßnahmen: Strenge Untersuchung und Bestrafung in der Ka­ nonenangelegenheit; sofortige Auflösung des Bürgerausschusses; Verbot aller vom Magistrat nicht ausdrücklicherlaubten Versammlungen; Verhängung einer Gefängnis­ strafe über Feßlen und Seitzer von 6 bzw. 3 Wochen bei Wasser und Brot; Ver­ warnung des Syndikus Holl wegen .unanständiger und pflichtwidriger Schreibart". Der schwäbische Kreis wurde angewiesen, den Magistrat bei der Durchführung dieser Maßnahmen notfalls militärisch zu unterstützen.319 Aber indem der Magi­ strat, dem Patent folgend, gleichzeitig gegen den Ausschuß, den Sprecher der Bürger im engeren Sinne, und gegen Feßlen vorging, dem die Sympathie der Gesellen und Plebejer gehörte, führte er beide Kräfte wieder zu einer machtvollen Opposition zusammen. Wie im August erschienen die Einwohner zu den wiederaufgenommenen Verhören in großen Haufen; führenden Mitgliedern des Magistrats wurden nachts die Fenster eingeworfen oder gar vor ihren Türen Galgen aufgerichtet.319 Nach verbüßter Gefängnisstrafe brachte Feßlen einen Kupferstich heraus, der in Hunderten von Exemplaren in Ulm zirkulierte. Der Stich stellte Feßlen als Märtyrer der Wahr­ heit in der Gefängniszelle dar; unter dem Bild war zu lesen: .O Wahrheit! erstgebor'ne Tochter des Himmels! Dich - ach - I dich darf ich zwar wohl kennen - ! aber - I einstweilen nicht nennen - ! 1 I' Links vom Bilde war eine Waage dar­ gestellt, deren eine Schale mit dem Licht durch die andere Schale, die einen Geld­ sack trug, hoch nach oben geschnellt wurde. Der Kommentar lautete: .Ach, wo ist Bürgerehre, so lang es noch so ist." Das Pendant dazu rechts des Bildes zeigte eine Waage im Gleichgewicht; sie trug einen Handwerker und einen Patrizier; ein Toten­ kopf darunter stand als Symbol der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt.317 Solchen Widerstand konnten Magistrat und Reichshofkanzlei nicht einfach negieren. Sie griffen zu dem bewährten Mittel der Spaltung der Opposition. Während der radikalen Richtung die Faust gezeigt und Feßlen als ihr sichtbares Haupt wegen des Kupferstiches erneut ins Gefängnis geworfen wurde31B, kam man der liberalen Bürgerschaft, die in Wien einen Prozeß gegen ihre Obrigkeit angestrengt hatte, einen Ebenda, S. 26. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis, 17 B, Bl. 193-195. Dürr, Lore, a. a. O., S. 59. Ein Faksimile des Kupferstiches findet sich bei Noutary, Jean, Les relations historiques avec la France. In: Le Wurtemberg. Ensslin und Laiblin Verlag, Reutlingen 1950, S. 241. ’** Dürr, Lore, a. a. O., S. 64.

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Schritt entgegen. Das kaiserliche Urteil, das im Juli 1795 gefällt wurde, bestand einer­ seits auf der Untersuchung der Kanonenangelegenheit, andererseits aber willigte es in die Wahl eines neuen Bürgerausschusses zur Vorlage von Bitten und Beschwerden. Der neue Ausschuß repräsentierte das eingesessene Bürgertum mit verbrieftem Bürgerrecht. Die von ihm in einer Liste aufgeführten Beschwerden wiederholten die schon von der alten Repräsentation vorgebrachten liberalen Forderungen. Eine .Beleuchtung', die zur Begründung der einzelnen Klagepunkte erschien, vertrat unter Berufung auf Montesquieu die Notwendigkeit des Gleichgewichts der Gewalten und bezeichnete die bestehende Verfassung als von jeher fehlerhaft und der gegen­ wärtigen Zeit erst recht nicht mehr entsprechend. Der Magistrat versuchte, die Kritik als französisch beeinflußt zu diffamieren, vermochte sie aber nicht mehr zu unterdrücken,- er nahm zur Verzögerungstaktik bei der Erörterung der Beschwerden Zuflucht, bis durch das Erscheinen der Franzosen in Ulm 1796 eine neue Situation eintrat.319 Das in diesen Klassenkämpfen erreichte Ergebnis, die offizielle Anerkennung eines Bürgerausschusses, war dürftig genug; im Vergleich zu Nürnberg jedoch, das noch nicht einmal ein solches Resultat hervorbrachte, war es beachtlich. Dieser Erfolg war die Frucht des zeitweiligen Zusammengehens mit den niederen Schichten der Einwohnerschaft; diese beschränkte Aktionseinheit aber war wiederum nicht etwa Folge einer im Vergleich zu Nürnberg fortgeschritteneren Entwicklung Ulms, son­ dern gerade umgekehrt.- Weil die Differenzierung der Ulmer Bevölkerung noch nicht den Grad wie in Nürnberg erreicht hatte, konnte die Bewegung einheitlicher sein. Ein anschauliches Bild von den geringen ökonomisch progressiven Energien der Ulmer Bürger vermittelt ein zeitgenössischer Beobachter in Biesters .Berlinischen Monatsschrift'. Ohne die Verantwortung für die Verschuldung der Stadt von dem Magistrat nehmen zu wollen, stellte er dennoch fest: .Ich glaube nun zwar nicht zu irren, wenn ich, meinen Beobachtungen zufolge, einen Teil dieses Verderbens der Schläfrigkeit, womit die Gewerbe, der Ungeschicklichkeit und Unwissenheit, womit die Handwerke getrieben werden, zuschreibe. Denn eine kleine Anzahl tätiger Männer ausgenommen, begnügt sich der größte Teil der Kaufmannschaft mit lässiger Betreibung des meistens ererbten Handels; und finden sich gleich einige sehr ge­ schickte Arbeiter in verschiedenen Professionen, so begnügen sich doch die meisten mit dürftiger Kenntnis und fahrlässiger Verrichtung ihrer Geschäfte, welches die schlimmen Begriffe bestätigt, die man mir von dem ulmischen Schul- und Erziehungs­ wesen gemacht hat.' 330 Die zeitweilige Einheit der bürgerlichen Opposition wurde hier also begünstigt durch die relative ökonomische Rückständigkeit. Ein Nachteil wirkte sich zum Vorteil aus. Selbstverständlich war eine solche Erscheinung nur sehr bedingt positiv; sie war verbunden mit liberaler Mäßigung der Opposition und konnte niemals wirklich aus der feudalen Sackgasse heraushelfen. Grundvoraus­ setzung jedes echten, in die Zukunft weisenden politischen Fortschritts blieb die Herausbildung einer ökonomisch starken Bourgeoisie. Nürnberg, in dem dieDifferen”• Ebenda, S. 65 ff. .Berlinische Monatsschrift , *

Bd. 25, S. 29, 1795.

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zierung des Bürgertums in dieser Richtung bereits weiterentwickelt war, befand sich gleichsam in einem Zwischenstadium: Es litt unter dem Widerspruch einer relativ fortgeschritteneren Differenzierung, die den Gegensatz zu den plebejischen Schichten schon deutlich empfinden lieg, und einer absolut genommen ungenügenden Differen­ zierung, die keine selbstbewußte, zur Führung und zum Zusammenschluß der diver­ gierenden antifeudalen Kräfte befähigte Bourgeoisie hervorgebracht hatte. Augs­ burg dagegen, das immerhin einen Unternehmer wie Schüle entwickelt hatte, war weiter als Nürnberg, und darum führte der Klassenkampf hier auch zu größeren Ergebnissen als in Ulm. In Augsburg erzwang die Opposition die Bildung eines Bürgerausschusses, bestehend aus 6 Ratsdeputierten und 16 aus der Bürgerschaft frei gewählten Abgeordneten, der mit bedeutenden Machtbefugnissen ausgestattet war und die Herrschaft des Patri­ ziats empfindlich beschränkte. Die Bewegung, die solche Erfolge erzielte, begann keineswegs einheitlich, aber wurde schließlich doch von dem Besitzbürgertum zu diesem einheitlichen Ziel gesteuert. Anfangs 1794 standen Weber, Meister und. Ge­ sellen, gegen die Kaufleute und Unternehmer auf; während jene durch die Einfuhr ostindischer Textilien den einheimischen Handwerkern die Verdienstmöglichkeiten beschnitten, übten diese einen unerhörten Lohndruck aus, um der ausländischen Konkurrenz gewachsen zu sein. Zu Tausenden durchzogen am 25. Februar 1794 die Weber die Straßen, prügelten buchstäblich den Bürgermeister zur Ratssitzung und mahnten durch Steinwürfe in die Ratsstube, ihrem Begehren unverzüglich nachzu­ kommen und die Einfuhr fremder Waren zu verbieten. * 21 Die Stadtgarde wagte nicht einzuschreiten; der Zeugmeister verweigerte sogar die Ausgabe von Munition: .Auf keine Bürger schieße man nicht; er gebe keine Anweisung auch nicht zu einem Körnlein Pulver. * 222 Der Bürgermeister wurde nach beendeter Ratssitzung als Geisel auf das Weberzunfthaus geschleppt und hier festgehalten, bis das Dekret verkündet war, das die Entfernung der in der Stadt befindlichen ausländischen Waren verfügte und ihre Einfuhr für die Zukunft verbot. Mit Jubel und Gelächter und mit dem Ruf .Die Weber haben gesiegt I' quittierte die Menge diesen Entscheid.323 Gleichzeitig aber nutzte die Reformpartei, die gerade von den Kaufleuten und Unternehmern geführt wurde, gegen die sich der Weberaufruhr eigentlich richtete, die bedrängte Lage der Obrigkeit geschickt aus: Mit der Forderung nach Mitwirkung der Gesamt­ bürgerschaft am Stadtregiment sicherte sie sich die politische Unterstützung der Massen; mit der Ablehnung des aufrührerischen Vorgehens, das die Interessen des Besitzbürgertums unmittelbar bedrohte, machte sie sich wiederum dem Patriziat angenehm. So kam jener Bürgerausschuß zustande, der einerseits das Vertrauen der Bevölkerung zu der auf diese Weise modifizierten Obrigkeit wieder hob, andererni Gulhnann, Friedrich Karl, Geschichte der Stadt Augsburg seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1806. Augsburg o. J., Bd. 6, S. 424 ff. Gulltnann schreibt darüber als ehemaliger Stadtgardehauptmann und Augenzeuge. *“ Ebenda, S. 433. "• Ebenda, S. 427/28.

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seits einen sichtbaren Einbruch in die Machtsphäre der herrschenden Oligarchie darstellte. Die Ende März und Anfang April 1794 durchgeführten Wahlen brachten der Reformpartei eine klare Mehrheit im Ausschuß.3*4 Diese der Feudalordnung gefährliche Entwicklung beunruhigte den Reichshofrat in einem Maße, daß er durch zwei Dekrete vom 8. Mai 1794 die Aufhebung aller Zugeständnisse, des Bürgerausschusses wie des Einfuhrverbotes fremder Waren, vom Rat verlangte. Zunächst wurde im Juni das zugunsten der Weber erlassene Einfuhrverbot aufgehoben; an seine Stelle trat im August ein vertraglicher Kom­ promiß, der zwischen Kaufleuten, Unternehmern und Webern geschlossen wurde. Aber es verging noch geraume Zeit, bis die Herren vom Rat den Mut fanden, auch die Auflösung des Bürgerausschusses bekanntzugeben. Sie taten es erst, nachdem sie sich die militärische Hilfe des schwäbischen Kreises gesichert hatten. Am 24. Dezember 1794 rückten über 600 Mann württembergischer Infanterie und Kavallerie, sogar mit einigen Kanonen, in die Stadt ein.323 Ein Ratsdekret vom 30. Dezember begründete diese Maßnahme damit, daß .der bessere Teil der Bürger­ schaft selbst dem Magistrat seinen Beistand gegen die Ruhestörer aus übelverstan­ dener Vorliebe gegen unwürdige Mitbürger entzogen habe,.. .* 336 Trotzdem ließen sich Kaufleute und Unternehmer nicht mehr aus ihren eroberten Positionen ver­ drängen. Bereits im Frühjahr 1795 war ein neuer Bürgerausschuß durchgesetzt, der nur in der Formulierung seiner Kompetenzen vorsichtiger und zurückhaltender, im übrigen aber dem alten durchaus ähnlich war.327 Der Magistrat konnte um so weniger dagegen tun, als er diese Kräfte zu seinem eigenen Schutz gegen die Gefahr von unten brauchte. Mitte 1795 hatte er die beunruhigende Nachricht erhalten, daß kriegsgefangene Franzosen, die sich in augsburgischen Spitälern befanden, Zu­ sammenkünfte mit verdächtigen Leuten abhielten.323 Am 9. Oktober desselben Jahres erhob sich auf dem Getreidemarkt ein Tumult. Aufgebrachte Bürger ver­ wehrten fremden Händlern den Aufkauf von Getreide und nahmen sogar selbst­ herrlich Arretierungen angeblicher Wucherer vor. Selbst die Stadtgarde hatte daran teil; sie kontrollierte alle Wagen, die die Tore mit Getreide passieren wollten, und wies verschiedene zurück.323 Hinzu kamen die ständigen Reibereien zwischen den Soldaten der Stadtgarnison und dem württembergischen Manutenenzkorps. Dem Betreiben des Bürgerausschusses war es zu danken, daß schließlich die württem­ bergischen Truppen am 1. Mai 1796 wieder aus der Stadt abzogen. Er hatte das Bürgermilitär neu organisiert, so daß es Unruhen wirkungsvoller bekämpfen konnte, und sich zugleich damit steigende Bedeutung gesichert.330 In den anderen Reichsstädten tobten ähnliche Klassenkämpfe, nur waren die Vor­ aussetzungen und Bedingungen vielfach ungünstiger als in den bisher genannten. In ,M Din, P„ a. a. O., S. 86 ff. Ebenda, S. 90 ff. 326 .Deutsche Zeitung', Jahrg. 1795, 4. Stück, Sp. 57/58. ™ Din, P.. a. a. O., S. 94. Cullmartn, Friedrich Karl, a. a. O., S. 521. m Ebenda, S. 525. aw Ebenda, S. 469 ff.

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Regensburg, das als Sitz des Reichstags dürftig seine Existenz fristete, ging die Be­ wegung kaum über zünftlerische Unruhen hinaus. Sie radikalisierten sich unter dem Einflug der französischen Ereignisse. Der Magistrat suchte durch verstärkte Wach­ samkeit vorzubeugen, unter anderem auch dadurch, dag er in die Wirtshäuser Spitzel schickte. .Dem ungeachtet sind der Wachsamkeit der Wachen an den Toren solche Personen entgangen, die aufrührerische Schriften bei sich geführt, welche sie dem gemeinen Mann um ein weniges, auch unentgeltlich, zugestellt haben', hieg es in einem Bericht vom 30. Januar 1795.331 Gefährlich wurde die Situation für den Ma­ gistrat im Mai 1796, als die 150 Stadtsoldaten wegen ausgesucht schlechter Behand­ lung durch ihren Kommandanten meuterten. Die vorübergehende Lähmung der Staatsgewalt hatte sofort Unruhen einzelner Zünfte zur Folge. .Schon gesellte sich ein jeder Unzufriedene zu seinesgleichen, schon wurden hie und da die Namen der Opfer laut genannt, über die der Pöbel herfallen wollte', sagte ein Bericht in Beckers .Nationalzeitung der Deutschen'; aber mit der Beilegung der Meuterei verebbten auch die Unruhen.332 In Frankfurt hatten das Patriziat und die reiche Kaufmannschaft das Heft fest in der Hand. Aus den ersten beiden Bänken des Rats, die Adel und Gelehrte besetzten, rekrutierten sich alle leitenden Beamten, und in den Bürgerkollegien, die ein Auf­ sichtsrecht über die Stadtverwaltung besagen, dominierten die wohlhabenden Kauf­ leute. Alle diese Gremien ergänzten sich selbst und waren bemüht, die unteren Schichten einfluglos und ruhig zu halten. Manufakturarbeiter betrachtete der Rat als ein ausgesprochen unbeständiges und zur Unruhe neigendes Element und wachte darüber, dag ihre Zahl beschränkt blieb. Wer von den Besitzenden sein Geld in der industriellen Produktion anlegen wollte, mugte es meist im benachbarten Ausland, in Kunnainz, Isenburg oder Hessen-Kassel tun. Das groge Frankfurt besag darum kaum mehr als drei Dutzend Manufakturbetriebe, in der Mehrzahl Tabak-, Tuchund Seidenmanufakturen.333 Da bis in den Beginn des Interventionskrieges hinein die wirtschaftliche Lage der Stadt dank ihrer Stellung als Messe- und Börsenzentrum im Vergleich zu anderen Reichsstädten recht günstig war, hatte der Klassenkampf noch keine sehr scharfen Formen angenommen. Das änderte sich während des Krieges. Frankfurt a. M. beherbergte, seitdem die Kriegsfront bis an den Rhein ge­ rückt war, ständig grögere Truppenmengen in seinen Mauern. Wie das vom Kauf­ mann Finger seit dem 1. Januar 1795 geführte Tagebuch bezeugt, herrschte ein stän­ diges Kommen und Gehen.334 Die Lage der Masse der Bevölkerung verschlimmerte sich dadurch in doppelter Hinsicht: Auf der einen Seite nahm die Lebensmittelknapp­ 331 LHA Dresden, Loc. 30 164, Die Reichsstadt Regensburg, in spede die öffentliche Ruhe daselbst. Bi. 1. 3“ .Nationalzeitung', Jahrg. 1796, 22. Stück, Sp. 475/76. Vgl. auch Freytag, Rudolf, Vom Sterben des immerwährenden Reichstags. In: .Verhandlungen des Historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg', Bd. 84, S. 222 ff., 1934. 333 Die Stadt Goethes. Frankfurt am Main im XVIII. Jahrhundert. Herausgegeben von der Stadt Frankfurt am Main durch Heinrich Voelcker. Frankfurt a. M. 1932, S. 51, 92, 124. 334 Vaterstädtisches und Vaterländisches. Auszüge aus S. G. Fingers Tagebüchern von 1795 bis 1818. In: .Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst', NF Bd. 6, S. 161 fE., 1877.

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heit und -teuerung laufend zu, auf der anderen Seite unterbanden die Truppen, die diese zusätzliche Not verschuldet hatten, jeden ernsthaften Vorstoß gegen das herr­ schende Patriziat. Lebensmittelunruhen, die im April 1795 ausbrachen, konnten von den bewaffneten Kräften der Stadt zusammen mit preußischen und sächsischen Einheiten schnell unterdrückt werden.335 Als im Mai ein neuer Aufruhr drohte, ge­ nügte die bloße Demonstration der militärischen Gewalt, um ihn bereits im Keime zu ersticken.333 Ebenso sicherten im Februar 1796 kaiserliche Truppen sofort sämt­ liche wichtigen Plätze, als Zimmergesellen, Maurer, Schlosser, Schreiner und Weiß­ binder in einen Lohnstreik traten.337 Sichtbare Einbrüche in die feudale Ordnung konnten unter diesen Bedingungen nicht erzielt werden. In der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber versuchte eine kleine Gruppe von 24 Bürgern unter Führung des Arztes Geßner Ende 1795, der allgemeinen Unzufrieden­ heit ein einheitliches Ziel zu geben und eine Reform der Verfassung durchzusetzen.338 Geßner hatte zuvor in Nördlingen gelebt und dort schon zu den wenigen gehört, die nach den Worten des fortschrittlichen Publizisten Wekhrlin dazu beigetragen, daß .Nördlingens Horizont sich aufzuheitern begann'.338 Jetzt brachte er eine pro­ grammatische Schrift heraus, die davon sprach, daß xhe ihrer Stumpfheit entfesselte und aus ihrem Todesschlaf zu richtigeren Begriffen und besseren Überzeugungen erwachte Bürgerschaft' sich in jener Gruppe einen Wortführer geschaffen hätte. Sie wandte sich an den äußeren Rat und forderte ihn gemäß .der reinen Urverfassung' auf, .die Bürgerschaft ab deren Repräsentant vorurteilsfrei, ohne gehässige Einflüsse und ganz rücksichtslos mit unerschütterlicher Festigkeit und nachdrücklich zu ver­ treten'.310 Das Mittel, die Diktatur des oligarchischen inneren Rats dadurch zu brechen, daß sich der äußere zum Sachwalter der ganzen Bürgerschaft machte, war verfehlt, denn dieser rekrutierte sich wie jener im wesentlichen aus demselben Kreis der Privilegierten. Während die Ulmer Opposition die Verfassung ihrer Stadt als von jeher fehlerhaft bezeichnete, glaubte die Rothenburger noch, in der .reinen Urverfassung' den Schlüssel zur Lösung der gegenwärtigen Widersprüche zu be­ sitzen. In diesem Gegensatz dokumentierte sich der unterschiedliche Reifegrad. Der Magistrat begegnete der Opposition, indem er durch billige Abgabe von Lebens­ mitteln aus den Stadtmagazinen und ähnliche Maßnahmen die allgemeine Stimmung zu beruhigen trachtete. In einer Verlautbarung vom 14. März 1796 drückte er die Hoffnung aus, .daß sich die ganze Bürgerschaft durch ein ruhiges und pflichtmäßiges Ebenda, S. 168. 333 Ebenda, S. 171/72. 337 Ebenda, S. 186. Bensen. Heinrich Wilhelm, Historische Untersuchungen über die ehemalige Reichsstadt Rothenburg oder die Geschichte einer deutschen Gemeinde aus urkundlichen Quellen bearbeitet. Nürnberg 1837, S. 387. 391 Zitiert bei Ebeling, Friedrich W.. a. a. O., S. 38. Geßner starb nicht in Nördlingen, wie Wekhrlin irrtümlich annahm, sondern verzog nach Rothenburg. Vgl. (Zapf, Georg Wilhelm), Bemerkungen über Anselmus Rabiosus Reise durch Oberdeutschland, in Briefen an Herrn Hofrat M... Ohrdruf (Karlsruhe) 1778, S. 43. 340 Bensen, Heinrich Wilhelm, a. a. O.. S. 407 Anm 2.

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Verhalten dankbar beweisen werde, und untersagt noch ausdrücklich das Absingen ärgerlicher und pasquillantischer Lieder in Wirts- und Bierhäusern'.341 Auf eine ähnliche Weise äußerte sich die Unzufriedenheit und rebellische Stimmung der Bewohner Nördlingens. Nach einem Bericht der .Nationalzeitung * war es .der übelverstandene französische Geist der Freiheit und Gleichheit, welchen sie durch das Singen des Marseiller Liedes u. a. wie auch durch den Umgang der gefangenen Neu­ franken nährten und der sie verleitete, jeden gesetzlichen Zwang als Tyrannenwut (wie es in dem in den Arbeitsstuben, in den Wirtshäusern, Braunbiergelagen und auf den Gassen der Stadt immer laut tönenden Liede heißt) anzusehen . * 342 Anfang 1796 entzündete sich ein Aufruhr an dem Gegensatz, in dem insbesondere die Leineweber­ schaft zum Bürgermeister der Stadt, Georg Christian Tröltsch, stand. Tröltsch ver­ band seine Stellung im Magistrat, den er vollkommen beherrschte, mit einer aus­ gedehnten kaufmännischen und Unternehmertätigkeit. Er war Besitzer einer Bleiche und hatte darüber hinaus den ganzen Garnhandel an sich gerissen. Er hielt sich nicht nur Aufkäufer, die den Bauern der Umgebung die Mühe abnahmen, den Nördlinger Markt mit ihrem Garn aufzusuchen; er sicherte sich auch die Garnproduktion da­ durch, daß er den Bauern Geld vorstreckte und sich im voraus zum Besitzer ihres Arbeitsergebnisses machte. Die Weber der Stadt aber litten unter ständigem Garn­ mangel und waren nicht in der Lage, größere Aufträge zu übernehmen. Solche Be­ stellungen fielen alle Tröltsch zu, der die Arbeit dann mit seinem Garn von den billigeren Landwebern ausführen ließ.’43 Am 8. Februar 1796 zogen sämtliche Meister mit ihren Gesellen auf das Rathaus, wenn nicht anders unter Gewalt­ anwendung den Verzicht des Bürgermeisters auf seine Monopolstellung zu erzwin­ gen. Ein zeitgenössischer Bericht sagte darüber; .Der Magistrat wurde auch hierauf in seiner Ratsstube... in enger Gefangenschaft gehalten, bis die urgierte Entsagungs­ urkunde mit strafbarer Gewalt erpreßt und solcher, die der Weberschaft in ihrer ersten Fertigung nicht genügte, auf deren trotziges Verlangen anoch die gewöhnliche magistratische Unterschrift beigesetzt, auch das Stadtinsiegel aufgedruckt, ja zuletzt noch, weil die Weberschaft auch damit nicht zufrieden sein wollte, von dem Bleich­ eigentümer das .auf immer und ewig' angefügt war. * 344 Dieser Sieg war nicht von Dauer. Bereits am 7. März drohte das Kreisausschreibamt der Nördlinger Weber­ schaft mit Gewalt, wenn sie sich nicht unverzüglich dem Magistrat beugte.343 Eine strenge Kriminaluntersuchung der Vorgänge vom Februar 1796 auf Grund eines kaiserlichen Dekrets zog sich bis ins Jahr 1799 hin. Sogar in den kleinsten Reichsstädten, deren ökonomisches Leben völlig stagnierte und die nahezu abgeschlossen von der Welt für sich vegetierten, war der Boden für die Aufnahme revolutionärer Ideen bereit, wenn auch selten die Kraft ausreichte, um im offenen Kampf an der Feudalordnung zu rütteln. In Schweinfurt war das 341 .Nationalzeitung', Jahrg. 1796, 26. Stück, Sp. 582. Ebenda, 12. Stück, Sp. 270. 343 Dannenbauer, Heinz, Das Leineweberhandwerk in der Reichsstadt Nördlingen. In: .Zeit­ schrift für bayerische Landesgeschichte*, 3. Jahrg., S. 308, 1930. 344 .Nationalzeitung*, Jahrg. 1796, 12. Stück, Sp. 268. 343 Ebenda, 22. Stück, Sp. 479. 7 Süddeutsche Jakobiner

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mittlere Bürgertum eindeutig profranzösisch gesinnt. Ein Subdiakon konnte hier im Juli 1794 eine Predigt .Ober die schuldige Achtung der höheren Stände gegen die niederen' halten; den Druck der Predigt nach dem die Gemeinde verlangte, verhinderte der Magistrat. Eine von ihm bestellte Kommission erhielt den Auftrag, Maßnahmen vorzuschlagen, wie den einreißenden revolutionären Ideen Einhalt geboten werden könnte. * 18 In Dinkelsbühl trotzte die Bürgerschaft 1794 dem reichs­ städtischen Magistrat sogar die Einwilligung zur Bildung einer bürgerlichen De­ putation ab, die .nicht etwa bloß zu Vorlegung bestimmter Beschwerden oder in Rücksicht auf einen anderen vorübergehenden Gegenstand, sondern zu einem unbeschränkten Einfluß in die gemeinen Stadtangelegenheiten bevollmächtigt Wurde,.. .* 817 Von französischer Seite wurde den Bewegungen in den Reichsstädten besondere Auf­ merksamkeit geschenkt. Die Schulden- und Mißwirtschaft des oligarchischen Patri­ ziats erschien als eine Parallele zur Verschwendungssucht des bourbonischen Hofes, die den Ausbruch der Revolution in Frankreich beschleunigt hatte. Voller Optimis­ mus schrieb Bacher am 3. Oktober 1794 aus Basel nach Paris: .Es hat in dieser Beziehung in Nürnberg und Ulm Bewegungen gegeben, die zur Bildung eines Oberwachungs- und Revisionskomitees in jeder dieser Städte geführt haben, ein Beispiel, dem mehrere andere freie Reichsstädte gleich folgen werden. Dieser elektrische Schlag wird sich in Kürze den Gemeinden und Herrschaften, die zwischen diesen Städten liegen, mitteilen, und dann werden wir die Fürsten und Reichsstände zwingen, sich von der Koalition zurückzuziehen, dem Beispiel des Königs von Preußen zu folgen, der zu seinem Schaden aus der Insurrektion im südlichen Preu­ ßen 348 und aus der dumpfen Gärung, die in Berlin und in einigen anderen Teilen seiner Staaten herrscht, gelernt hat, daß er in Pillnitz sein Testament unterschrieben hatte.' 348 Vorsichtiger und realistischer als Rivals die Lage in Württemberg schätzte Bacher hier die Klassenkämpfe in den Reichsstädten ein. Er entwarf kein Bild, das der Situation am Vorabend einer Revolution entsprochen hätte, aber er betonte mit vollem Recht die reichsstädtischen Bewegungen und ihre Bedeutung, die sie über die Stadtmauern hinaus besaßen. Die Reichsstädte waren Unruhezentren. Hier fan­ den sich Drucker, die revolutionäre Flugschriften druckten; von hier gingen auf­ rührerische Lieder über die Märkte ins Land hinaus. Das Gewicht, das solche Erscheinungen für Frankreich und für seinen Sieg über die feudale Konterrevolution besaßen, ist von Bacher nicht überschätzt worden. Eriderlein, Friedrich Leonhard, Die Reichsstadt Schweinfurt während des letzten Jahr­ zehnts ihrer Reichsunmittelbarkeit mit vergleichenden Blicken auf die Gegenwart. Schwein­ furt 1863, T. 2, S. 17. ,4’ .Deutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1800, Bd. 3, S. 74. 148 Gemeint ist Schlesien. tw .11 y a eu à ce sujet des mouvements à Nuremberg et à Ulm qui ont amené l'établissement d'un Comité de surveillance et de révision dans chacune de ces villes, exemple qui va être suivi par plusieurs autres villes libres et impériales. Cette commotion électrique se communiquera dans peu aux communes et seigneuries intermédiaires qui se trouvent entre ces villes, et dès lors nous forceront les princes et États de l'Empire à se retirer de la coalition, à suivre

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5. Die übrigen Territorien und Territorialsplitter

Unter den übrigen staatlichen Gebilden Süddeutschlands, die das Chaos vervoll­ ständigten, hoben sich zwei weniger durch die eigene Bedeutung als vielmehr durch die Tatsache heraus, daß sie in unmittelbaren Beziehungen zu den beiden deutschen Großmächten, zu Preußen und Österreich, standen: Die Fürstentümer AnsbachBayreuth im Nordosten und Vorderösterreich mit dem Breisgau, Schwäbisch-Öster­ reich und verschiedenen verstreuten Besitzungen im Südwesten. Die Kurpfalz als Anhängsel Bayerns, des drittgrößten deutschen Staates, war bedeutungslos, seitdem die Hauptmasse ihres Gebiets von den Franzosen besetzt und sie faktisch auf den rechtsrheinischen Zipfel um Mannheim und Heidelberg reduziert war. Eine relativ große Fläche nahmen die verschiedenen geistlichen Temtorialstaaten ein, die zu den rückständigsten Gebieten zählten, aber als sichere Außenposten der öster­ reichischen Diplomatie eine gewisse Rolle spielten. Was dann noch übrigblieb, waren Zwergstaaten ohne jede eigene Kraft und schließlich eine Unmenge Land­ splitter, die reinsten Verkörperungen des Anachronismus, der die staatliche Ent­ wicklung Deutschlands überhaupt kennzeichnete. Ansbach-Bayreuth hatte durch seinen Obergang an Preußen 1792 gewonnen, obwohl es weiterhin durch Zollmauern von ihm getrennt blieb. Die preußische Verwaltung unter Hardenberg schuf keinen grundsätzlichen Wandel, aber sie konnte doch, gestützt auf die Autorität des großen Militärstaates, im Interesse der öffentlichen Einkünfte einiges bessern. In der Vergangenheit hatte sich der Adel in den Fürsten­ tümern Positionen erhalten und erwerben können, die sich einer absolutistischen Regierung als mächtige Hindernisse in den Weg legten. Alle wichtigen Ämter waren von ihm besetzt, so daß seine reichsritterschaftliche Unabhängigkeit nicht an­ getastet wurde. Übelster Nepotismus herrschte überall.850 Hardenberg ging gegen diese Vetternwirtschaft bei der Ämterbesetzung vor und bereinigte insbesondere die Mischungen der herrschaftlichen Rechte mehr oder minder gewalttätig zugunsten des ansbach-bayreuthischen Staates. Er brachte auf diese Weise die fränkische Reichsritterschaft um rund ein Drittel ihres Besitzes.851 Auf dieser Basis konnte Hardenberg dann auch mit größerem Erfolg als die Markgrafen vor ihm in beschei­ denem Rahmen Wege zur Hebung von Industrie und Landwirtschaft ebnen. Ein guter Grundstock für die Textilindustrie war Ende des 17. Jahrhunderts mit der Ansiedlung der französischen Protestanten in Schwabach und Erlangen gelegt worden. An der Spitze stand die Strumpfwirkerei; aber auch die Baum Wollweberei und -färberei breitete sich aus. Insgesamt waren 1797 in Ansbach-Bayreuth rund l'exemple du roi de Prusse, qui a appris à ses dépens, par l'insurrection de la Prusse méridionale et la fermentation sourde qui règne à Berlin et dans quelques autres parties de ses États, qu'il avait signé à Pillnitz son testament.' Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 334/35. ,M Brandt, Otto, Staat und Kultur der fränkischen Markgrafschaften im Zeitalter Friedrichs des Großen. In: .Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte *, 4. Jahrg., S. 429/30, 1931. Süssheim, Karl, a. a. O., S. 83. Ul Süssheim, Karl, a. a. O., S. 215.

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22 000 Menschen in der Textilindustrie tätig und 4000 Stühle in Betrieb.352 Dabei war der Höhepunkt jedoch schon überschritten. Förderungsmaßnahmen wie staat­ liche Zuschüsse an erfolgreiche Unternehmer vermochten nicht die steigenden Schwierigkeiten zu überwinden, in die ein solcher Kleinstaat durch die Schutzzoll­ politik der größeren Mächte notwendig geriet. Die zunehmende Produktivität in der Strumpfwirkerei durch technische Verbesserungen am Rößchenstuhl wurde auf diese Weise erdrosselt.355 Hardenberg konnte den Niedergang der ansbach-bayreuthischen Textilindustrie nur hemmen, nicht aufhalten. Zu wirklich großen Unternehmungen, die sich gegenüber den überlebten Produktionsverhältnissen durchsetzten, fehlte das Kapital. .Große Kaufleute haben wir ... im Lande eigentlich nicht', schrieb Hardenberg in seiner Denkschrift von 1797. .Unsere Kaufleute sind nur Krämer,... die mehrsten Fabrikanten arbeiten für Rechnung der Nürnberger.' 554 Auch die Avantgarde des Bürgertums, die Intelligenz, ragte nicht aus der territorialen Be­ schränktheit heraus. Die Universität Erlangen war keineswegs ein Zentrum hoher Geistigkeit, sondern eine für die Bedürfnisse des Kleinstaates zugeschnittene Aus­ bildungsstätte einigermaßen gebildeter Beamten.555 Der Versuch Wilhelm Ludwig Wekhrlins 1792, in Ansbach eine politische Zeitung herauszugeben, scheiterte bereits nach einem Vierteljahr.55® Günstiger als in der gewerblichen Produktion war die Entwicklung in der Landwirtschaft. Für die Bauern hatte jetzt die schlimmste Plage, die Wildplage, die alle Bemühungen um eine rationelle Landwirtschaft immer wieder zunichte gemacht hatte, ein Ende: Hardenberg verpachtete die Jagd an die Bauern, die das Wild ausrotteten. .Der Anbau des Klees und anderer Futterkräuter nimmt immer mehr zu, seitdem der Landmann seinen Fleiß gegen die Verheerungen des Wildes geschützt weiß', stellte Hardenbergs Denkschrift 1797 fest.557 Für den Aus­ fall der Jagdeinkünfte hatten die Bauern eine regelmäßige Entschädigung, die Wildbretabtragsgelder oder Hirschensteuer, zu zahlen. Obwohl sie nur einen gerin­ gen Teil der Kosten ausmachte, die früher von den Gemeinden für die im Grunde doch nutzlosen Wildhüter ausgegeben wurden, war der Widerstand so stark, daß sie häufig genug nur mit militärischer Unterstützung eingetrieben werden konnte. Sie blieb in den Augen der Bauern eine zusätzliche Steuer und war noch nicht einmal die einzige: Für die Befreiung von der Einquartierungspflicht hatten sie Service*“ Meyer, Christian, Preußens innere Politik in Ansbach und Bayreuth in den Jahren 1792 bis 1797. Enthaltend die Denkschrift des Staatsministers Karl August von Hardenberg. Berlin 1904, S. 33. 355 Schanz, Georg. Zur Geschichte der Kolonisation und Industrie in Franken. Erlangen 1864, S. 105 ff. 354 Meyer, Christian, Preußens innere Politik..., a. a. O., S. 149. 155 Thüraul, Ulrich, Geschichte der Öffentlichen Meinung in Ansbach-Bayreuth 1789-1815. Phil. Diss. München 1918, S. 29. Böhm, Gottfried, Ludwig Wekhrlin (1739-1792). Ein Publizisten-Leben des achtzehnten Jahrhunderts. München 1893, S. 277 ff. 5,1 Meyer, Christian. Preußens innere Politik.... a. a. O., S. 117. Nach einer Berechnung betrug der jährliche Wildschaden im Umkreis von 200 ansbachischen Dörfern fast die Hälfte des Bodenertrages. Biedermann, Karl, a. a. O., Bd. 1, S. 248.

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und Fouragegelder zu zahlen.356 Außerdem änderte sich an der Fülle der her­ gebrachten Belastungen überhaupt nichts. Hardenberg selber führte in seiner Denk­ schrift als Beispiel für feudale Ausbeutung und Beschränkung jeder Bewegungs­ freiheit die Tatsache an, daß häufig genug vom Bauern die Nachsteuer sogar dann gefordert wurde, wenn er in demselben Dorfe nur von einem Haus ins andere wechselte. Zusammenfassend bestätigte er, daß die Bauern .eine nicht geringe Bürde zu tragen haben. * 359 In den vorderösterreichischen Gebieten, dem Breisgau, der Ortenau und den in Oberschwaben verstreuten Landesteilen, hatte Joseph II. im Sinne des aufgeklärten Absolutismus die Zustände zu modernisieren versucht. Nach seinem Tode jedoch setzte eine verstärkte Reaktion ein. Adel und Geistlichkeit besaßen in den Land­ ständen eine wirkungsvolle Interessenvertretung. Im Breisgau übten sie die hohe und niedere Gerichtsbarkeit aus; sie zogen die Steuern ein, an denen sie zum Teil sogar gewinnbeteiligt waren; die Ortspolizei lag völlig, die Landespolizei weit­ gehend bei ihnen, und selbst auf das Militärwesen hatte die Ständevertretung maß­ geblichen Einfluß.360 Die reichsten deutschen Klöster wie St. Blasien lagen im Breis­ gau; mächtige geistliche Herren wie der Großprior des Johanniterordens in Deutsch­ land gehörten dem breisgauischen Prälatenstand an. Der Landesherr war weit, und seine Befugnisse waren beschränkt. Die städtische Entwicklung und damit die des Bürgertums blieben unter diesen Bedingungen entsprechend kümmerlich. Freiburg und Villingen, die zu den größten Städten zählten, kannten über das zunftmäßig organisierte Gewerbe hinaus keine Industrie und waren mit ihrem weiten Landbesitz feudale Ausbeuter wie der Adel.361 Von Konstanz mit seinen 4600 Einwohnern sagte Gercken, der die Stadt Anfang der 80er Jahre kennenlernte: .Aber einen Ort, der so tot und unbevölkert ist, wie diesen habe ich nicht leicht gesehen. Es ist hier weder Kaufmannschaft, Fabrik, noch sonst irgendein Verkehr, mithin im Grunde eine arme Stadt.' 363 Die geringen Ansätze einer Industrie verdankte Konstanz vor allem ausländischer Initiative. Zuerst waren es Schweizer, in den 90er Jahren dann Lyoner Unternehmer, die mit geringem Erfolg an die Gründung einiger Manufak­ turen gingen.363 Fühlbar wurde die industrielle Entwicklung im Vorderösterreichi­ schen durch Schweizer Verleger vorangetrieben, die auf dem Lande für sich arbeiten ließen. Tausende erwarben sich auf diese Weise als Baumwollspinner oder als Sticker ihr Brot. Vereinzelt versuchten Einheimische, die im Dienste der Schweizer als Ferger zu Geld gekommen waren, eigene Verlagsgeschäfte zu gründen.361 Eine solche Entwicklung wurde begünstigt durch die starke Differenzierung der Bauern­ schaft. Da ein gutes Besitzrecht, das Erbrecht am Hofe, vorherrschte, fand in der 338 Meyer, Christian, Preußens innere Politik..., a. a. O., S. 17/18. Ebenda, S. 195/96. 380 Gothein, Eberhard, Der Breisgau unter Maria Theresia und Joseph II. Heidelberg 1907, S. 4. Ebenda, S. 11. 383 Gercken, Philipp Wilhelm, a. a. O.» S. 153. 383 Baier, Hermann, Zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Konstanz im 18. Jahrhundert In: .Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins', NF Bd. 30, S. 510 ff., 535 ff., 1915. 344 Gothein, Eberhard, Wirtschaftsgeschichte..., a. a. O., S. 738 ff., 751 ff.

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Ebene eine starke Güteraufsplitterung statt die eine breite Schicht Landarmer schuf. Im Gebirge mit seinem kargen Boden hielten sich die großen geschlossenen Bauern­ güter; hier entstanden um so mehr Landlose. Beide, Landarme und Landlose, boten sich den Verlegern als billige Arbeitskräfte an. Einzelne Reformen Josephs II. wie die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Umwandlung einzelner Feudalleistungen in Geldabgaben hatte, soweit sie durchgeführt waren, die folgende Reaktionsperiode nicht mehr rückgängig zu machen gewagt, so daß auch die verbesserte Dreifelder­ wirtschaft mehr und mehr Verbreitung fand.365 Da die Feudalherren keine oder nur geringe Eigenwirtschaft trieben, spielten die Frondienste als lästige Hemmnisse für den landwirtschaftlichen Fortschritt eine geringe Rolle.366 Um so ungünstiger wirkte aber die Tatsache, daß die verschiedenen feudalen Herrenrechte häufig in einer Hand lagen und der einzelne Feudalherr die daraus fließenden Einkünfte unmittelbar einzog. So lastete nach wie vor ein schwerer Druck auf den Bauern. Die Kurpfalz hatte in der Vergangenheit fühlbare landesherrliche Bemühungen erlebt, die ökonomische Entwicklung zu fördern. Mannheim wurde nach hollän­ dischem Vorbild gegründet und genoß anfangs Handels- und Gewerbefreiheit. Hier und in Heidelberg waren alle Ämter ausschließlich mit Bürgerlichen besetzt.367 In der Landwirtschaft wurde insbesondere der Anbau von Handelspflanzen, vor allem des Tabaks, gefördert, der auch in einheimischen Manufakturen verarbeitet wurde.368 Aber alles das waren Ansätze, die unter den Bedingungen des Kleinstaates und der Vorherrschaft des Adels im gesamten Staatsapparat nicht weiterentwickelt wenden konnten, sondern umgekehrt häufig rückläufige Tendenzen zeigten: Mannheim unterlag schließlich doch dem Machtanspruch der Zünfte366; seine bürgerliche Stadtverwaltung degenerierte wie die Heidelbergs zur Oligarchie 370; die landwirt­ schaftliche Entwicklung wurde aufs äußerste durch eine blutsaugerische und korrupte Beamtenschaft erschwert. Ein Zeitgenosse meinte ironisch: .Nichts hat mir einen so hohen Begriff von der Ergiebigkeit des Landes gegeben als die Liste eines kur­ fürstlichen Einnehmers von den Abgaben der Untertanen im Vergleich mit ihrem Wohlstand. Für mich wenigstens wäre es ein unauflösliches Problem, eine Rubrik von Auflagen zu erfinden, die nicht auf dieser Liste stünden; es müßte denn ein Akzis von der Luft sein, die man auf pfälzischem Grund und Boden einatmet.' 871 Immerhin zeugt es für das Selbstbewußtsein des Bürgertums von Mannheim und Heidelberg, daß es unter dem Einfluß der Revolution von 1789 in beiden Städten *** CoÜiein, Eberhard, Der Breisgau..., a. a. O., S. 100. »» Ebenda, S. 7. Schlick. Heinrich, Die rechtsrheinische Pfalz beim Anfall an Baden. Phil. Diu. Heidelberg 1930, S. 37. Schlick. Heinrich, Die wirtschaftlichen und kulturellen Zustände der rechtsrheinischen Pfalz beim Anfall an Baden. In: .Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins'', NF Bd. 45, S. 40S ff., 419, 1932. s»» Gothein, Eberhard, Bilder aus der Kulturgeschichte der Pfalz nach dem 30iährigen Kriege. In: Badische Neujahrsblätter, Bl. 5, Karlsruhe 1395, S. 56. 376 Schlick, Heinrich, Die rechtsrheinische Pfalz..., a. a. O., S. 40. 371 Ebenda, S. 62/63.

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die Einrichtung bürgerschaftlicher Deputationen durchsetzte, die vom Magistrat bei der Beratung wichtiger Angelegenheiten hinzugezogen werden mußten. 1793 mit dem Beginn des Reichskrieges gegen Frankreich konnte sich die städtische Oligarchie allerdings weitgehend von dieser Kontrolle wieder befreien.372 Der Verlust des größten Teils ihres Territoriums im Gefolge dieses Krieges und ihre Reduzierung auf den linksrheinischen Zipfel verwandelte die Kurpfalz schließlich in ein bloßes Anhängsel des reaktionären Bayern ohne eigene Entwicklungsmöglich­ keiten. Zu den rückständigsten Gebieten gehörten die geistlichen Territorien. Die ganze Struktur dieser Staaten, wo die feudale Aristokratie durch Wahlkapitulationen ihre Stellung dem Fürsten gegenüber stets neu festigen konnte, erschwerte den Fort­ schritt. Unzählige Ämter dienten dem Adel als Sinekuren.373 Bezeichnend lautete der erste Paragraph der Instruktion für die Geschäftsführung der selbstverständlich adligen Beamten in den kurmainzischen Oberämtern: .Der kurfürstliche Ober­ amtmann ist nie verbunden, auf dem kurfürstlichen Oberamt anwesend zu sein oder sich einiger amtlicher Geschäfte zu unterziehen. * 374 Rebmann, der Mitte der 90er Jahre durch das Bambergische reiste, stellte fest: .Der gemeine Mann im Bambergischen steht noch auf der untersten Stufe der Kultur. Jeden Funken gesunder Vernunft, der hier und da aufflimmern möchte, sind die Pfaffen sorgfältig zu er­ sticken bemüht. Auch die Amtleute sind gewöhnlich die ausgemachtesten Dumm­ köpfe, da die Ämter größtenteils so gut als verkauft werden. * 373 Ansätze zu einer industriellen Entwicklung über das beschränkte Zunfthandwerk hinaus waren in den geistlichen Territorien, wenn überhaupt vorhanden, äußerst kümmerlich. Bei der Beschreibung seiner Eindrücke vom Bistum Bamberg sagte Nicolai: .Ich hätte an­ statt Reliquien lieber Spuren von der Industrie der Einwohner gesehen; die muß man aber in einem geistlichen Lande eigentlich nicht suchen. * 378 Aus diesem Mangel erklärte sich Gercken auch die vielen Bettler, die er im Würzburgischen und beson­ ders im Bambergischen antraf.977 Aber während sich in den fränkischen Bistümern wenigstens noch in der Landwirtschaft fortschrittliche Methoden in stärkerem Maße durchsetzten 37S, würgten andere geistliche Territorien auch auf diesem Gebiet jede Entwicklungsmöglichkeit ab. Als klassisches Muster kann die Regierung des Spey­ rer Bischofs August Graf von Stimm gelten, der nach dem Verlust seiner Residenz und der linksrheinischen Besitzungen in Bruchsal saß und den Rest seines Bistums tyrannisierte. Mit eiserner Strenge wachte er darüber, daß ihm nicht die geringste feu­ dale Abgabe entging. Während benachbarte Territorien wie Baden die Leibeigenschaft " Ebenda, S. 38 B. * *” Rebmann gab für Mainz die Zahl 3000 an. Ähnlich aufgebläht war das Offizierskorps: Die 4000 Mainzer Soldaten, von denen 1000 Mann invalide waren, wurden von 10 Generälen kommandiert. .Neues graues Ungeheuer . * Upsala 1799, H. 14, S. 124/25. Herse, Wilhelm, Kurmainz am Vorabend der Revolution. Phil. Diss. Berlin 1907, S. 19. ”• (Rebmann. Andreas Georg Friedrich), Wanderungen..., a. a. O., S. 173/74. 378 Nicolai, Friedrich, a. a. O., Bd. 1, S. 147. 377 Gercken, Philipp Wilhelm, a. a. O., T. 2, S. 354. *7’ Ebenda. Nicolai. Friedrich, a. a. O., Bd. 1, S. 147.

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aufhoben oder Leibeigenschaftsgefälle wie teilweise im Bistum Straßburg wenigstens nicht mehr gefordert wurden * 7*, beharrte Stimm auf der Erfüllung des letzten Buchstabens seiner Gerechtsame. Hatte sein Vorgänger die Manumissionsgebühren, die bei der Freilassung aus der Leibeigenschaft zu zahlen waren, um die Hälfte gesenkt, so führte Stimm wieder die alten Sätze ein. *** Kennzeichnend war die Klage der Bauern des Dorfes Neuthard bei Bruchsal nach Stirums Tode 1797 an das Domkapitel: .Wir könnten wohl hier sagen, wie jener böhmische Bauer dem allerhöchstselig verstorbenen Kaiser Joseph II. zugerufen, sich über seinen Edel­ mann beschwerend: Allergnädigster Kaiser! Es sind nur sieben Tage in der Woche, sechs Tage muß ich dem Edelmann fronen, der siebente Tag ist der Tag des Herrn, und wo soll ich Brot für Frau und Kinder hemehmenl'381

Nirgends aber waren die Hemmnisse für den ökonomischen und sozialen Fortschritt größer als in den unzähligen Landsplittern, den kleinen Fürstentümern, Graf­ schaften und Herrschaften, von den ritterschaftlichen Besitzungen ganz zu schwei­ gen. Allein die Zwerghaftigkeit war Hindernis genug. Hinzu kamen die fehlende Geschlossenheit und bei zunehmender Verschuldung der unverhältnismäßige Auf­ wand, der getrieben wurde, um die Ebenbürtigkeit zu beweisen.382 Bemerkenswerte industrielle Tätigkeit gab es nur dort, wo ausländische Unternehmer auftraten: So in Hohenzollern und in den fürstenbergischen Gebieten, wo Schweizer Verleger sticken ließen.383 Wenn sich in der Landwirtschaft fortschrittliche Anbaumethoden durchsetzten und in der fürstenbergischen Baar die Kartoffel um 1800 bereits den sechsten Teil der Nahrungsmittel ausmachte, so handelte es sich um Ausnahmen.384 In der Regel kennzeichnete gerade das hartnäckige Verharren beim Althergebrach­ ten die kleinen feudalen Herren. Ihre Rechtstitel, die ihnen die Abgaben von den alten Feldfrüchten garantierten, wurden fragwürdig, wenn die Bauern neue Früchte kultivierten. Nicht selten hatten die Bauern gutes Besitzrecht; ebenso waren die Fronlasten bei den nur kleinen Eigenwirtschaften der Feudalherren relativ gering; aber solche Vorteile konnten in der drückenden Enge dieser territorialen Splitter nicht in ökonomischen Fortschritt umgemünzt werden.

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Schell, Erwin, Das Hochstift Straßburg rechts des Rheins im Jahre 1802. In: .Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins *, NF Bd. 48, S. 160, 1935. Bühler, Emil, Die Leibeigenschaft im rechtsrheinischen Teil des Fürstbistums Speyer (Fürstentum Bruchsal), vornehmlich im 18. Jahrhundert. In: .Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins', NF Bd. 39, S. 13, 192«. Bühler, Emil. Die Landes- und Gerichtsherrschaft im rechtsrheinischen Teil des Fürst­ bistums Speyer (Fürstentum Bruchsal), vornehmlich im 18. Jahrhundert. In: .Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins', NF Bd. 38, S. 165, 1923. Badet, Karl Siegfried, Zur Lage und Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches. In: .Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte', Bd. 5, S. 353/54, 1941. Cotkein Eberhard. Wirtschaftsgeschichte..., a. a. O., S. 763/64. Barth, F. K„ Der baaremer Bauer im letzten Jahrhundert vor der Mediatisierung des Fürstentums Fürstenberg 1700-1806. In: .Schriften des Vereins für Geschichte und Natur­ geschichte der Baar und der angrenzenden Landesteile in Donaueschingen', H. 17, S. 57, 1928.

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Geradezu verrufen waren die Herrschaftsgebiete der Reichsritter, die insgesamt immerhin über mehr als 400 000 Untertanen geboten.386 Die feudalen Quellen wurden hier bis auf den Grund ausgeschöpft. Zu welchen verzweifelten Mitteln der kleine Feudalherr griff, um seine Einkünfte zu steigern, zeigt das Beispiel des Ortes Burgberg bei Heidenheim. Hier wurden Landlose ausschließlich zu dem Zweck angesiedelt, um von jedem für den Platz, der ihm zum Bau einer Hütte überlassen worden war, jährlich gute 5 Gulden als Grundzinsen, Kammerzinsen, Küchengefälle und Dienstgelder einnehmen zu können. Auf welche Weise diese Armen ihren Lebensunterhalt und die Steuersumme erwarben, blieb ihnen überlassen. Ein Teil der Leute lebte nur von der Bettelei, die übrigens so gut organisiert war, daß ein Vater seinem Sohne als Heiratsgut einen Abschnitt seines Bettelbezirks abtreten konnte.988 Der zeitgenössische Gelehrte von Hoff stellte fest, .daß in diesen kleinen zerstückten Oberherrlichkeiten, wo sich überall Grenzen verschiedener Hoheiten berühren und durchkreuzen, Justiz- und Polizeipflege, Anstalten zur öffentlichen Sicherheit, Armenanstalten, Sorge für Fabrikwesen, Handel und Wandel, Wegbau usw. äußerst erschwert werden; daß diese kleinen Oberherrlichkeiten nur zu oft Schlupfwinkel für Verbrecher, für Diebs- und Vagabundenbanden werden.. .* 397

Die sozialen Verhältnisse in diesen Klein- und Kleinststaaten am Rhein, in Ober­ schwaben und in Franken waren im ganzen so reaktionär und so ohne Perspektive, daß fortschrittliche Zeitgenossen nur mit Erbitterung von diesen Zuständen spre­ chen konnten. Wekhrlin, der 1776/77 Oberdeutschland bereist hatte und darüber eine Schrift, den .Anselmus Rabiosus", veröffentlichte, schrieb darin über die Be­ wohner Oberschwabens : .Sie wissen sehr wenig, ob der Staat ein gemeinschaftliches Oberhaupt hat oder ob er vom Ungefähr regiert wird. Sie würden den Namen des Landesherrn nicht kennen, wenn sie ihn nicht zuweilen an der Spitze der Steuer­ patente nennen hörten. Zur Unterdrückung geboren, erhebt sich ihr Geist, welcher durch das Elend in Unwissenheit und durch Unwissenheit im Elende erhalten wird, nicht von der Erde. * 888 Die Lasten und Fesseln drückten, sie erzeugten auch Unzufriedenheit; aber selbst diese Unzufriedenheit verdichtete sich in diesen Kleinund Kleinststaaten nur schwer zu sichtbarem Widerstand. Noch viel mehr als in den größeren Territorien fehlten entscheidende Voraussetzungen, um von innen her die anachronistischen Zustände zu überwinden. Die Französische Revolution bedeutete für die unterdrückten Massen in diesen zerstückten, zurückgebliebenen Gebieten insofern eine Erlösung, als ihre unklaren Sehnsüchte sich jetzt auf ein Beispiel orientieren konnten und dadurch festere Gestalt annahmen. Das galt in besonderem333 *337 333 Der schwäbische Ritterkreis zählte 160 000, der fränkische 200 000 und der rheinische 90 000 Untertanen. Biedermann, Karl, a. a. O., Bd. 1, S. 11, 338 Ruoff, Friedrich, Die ländliche Verfassung des Nordostens des Königreichs Württemberg im 18. Jahrhundert. In: .Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde', Jahrg. 1909, S. 201. 337 (Hoff, Karl Emst Adolf von), Antwort des Verfassers der Schrift .Das deutsche Reich vor der Französischen Revolution und nach dem Frieden von Lunéville' auf das an ihn gerichtete Schreiben eines freien deutschen Edelmannes. Gotha 1802, S. 16/17. 333 (Wekhrlin, Wilhelm Ludwig), a. a. O„ S. 48.

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Mage für die Gebiete am Rhein, die nächste Zeugen der gewaltigen Veränderungen am anderen Ufer waren. Hier, im Breisgau, im Bistum Stragburg, in der Ortenau, im Bistum Speyer, in der Kurpfalz dokumentierte sich diese ideologische Entwick­ lung 1789 sogar in Sturmpetitionen und bewaffneten Aufständen.38* Die Frankreich ferner liegenden Gebiete wie die fränkischen Territorien gaben keine so eindeutigen Beweise des Fortschritts im Klassenkampf. Zeitgenössische Beobachter aber mugten immerhin konstatieren, .dag Custine bei weiterem Vordringen am Maine so glück­ lich gewesen sein würde, als er es am Rhein gewesen war. Die Freiheit und Gleich­ heit ,.. hatte einen grogen Teil unserer Frankenbauern nach einer Revolution lüstern gemacht,..."380 Der Klassenkampf der Volksmassen gewann auch in diesen am meisten zersplitter­ ten Teilen des südlichen Deutschlands bestimmtere antifeudale Züge. Er inten­ sivierte sich. Keinen geringen Anteil daran hatten die zusätzlichen Lasten, die der unpopuläre Krieg gegen Frankreich mit sich brachte. Die Gebiete am Rhein litten augerdem noch in besonderem Mage unter der Stationierung zahlreicher Truppen­ teile und den damit unvermeidlich verbundenen üblen Begleiterscheinungen. Als dann zu all diesen Bedrückungen auch noch ein Jahr des Migwachses hinzukam, kündigte sich in Teilen des Breisgaus 1795 ein neuer Sturm an. Seine Kraft lägt sich daran ermessen, dag die Feudalherren ihm durch beachtliche Zugeständnisse zu begegnen versuchten. Sie senkten alle Gülten und Pachten um ein Viertel oder sogar um ein Drittel. Das genügte den Bauern nicht. Auf Zusammenkünften in Gotten­ heim forderten sie laut und stürmisch die Herabsetzung um die Hälfte. Die Feudal­ herren sahen darin den Anfang ihres Endes; sie sprachen sich Mut zu und ver­ suchten, Widerstand zu leisten: .Sollten wir aber so unglücklich sein, dag dieses Land von den Feinden erobert und besetzt würde, so ist ohnedem alles verloren. Warum jedoch sollen die Grundherren schon vorher und ohne Not ihre Sache ver­ lieren?' 3,1 Es war vergeblich, und nur weitere Zugeständnisse konnten eine Aus­ weitung und Verschärfung der Unruhen verhindern. Eine zusätzliche Sorge für die herrschende Klasse waren die ständigen Reibereien der Bevölkerung mit den An­ gehörigen des Condäschen Korps. Der breisgauische landständische Konseg erhob die dringendsten Vorstellungen bei der Regierung, das Korps so schnell wie möglich aus dem Lande zu schaffen, da sonst die Bauern zur Selbsthilfe greifen würden. Zuvor schon hatte sich die Regierung selbst am 13. Mai 1795 an den österreichischen Feldzeugmeister Freiherrn von Alvinczy mit der gleichen Bitte gewandt.3** Bei Zusammenstögen mit den Emigranten in Münsterthal gab es Tote und Verwundete. Eine heftige Erregung griff im Volke um sich: .Man werde sich zusammentun', bieg es, »auf alle Gefahr hin, um die Scheusale zum Teufel zu jagen. * 383 Die nassau­ ische Exklave Lahr galt bei den umliegenden Herrschaften als ein besonders gefähr-388 388 Badischer MilitärAlmanach, a. a. O., S. 97 ff. 8,0 Anekdoten und Charakterzüge aus dem Einfalle der Neufranken in Altfranken im Jahr 1796 von einem Augenzeugen, o. O. 1797, S. 10/11. 381 Cothein, Eberhard, Der Breisgau..., a. a. O., S. 122/23. 181 GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1314. 3,3 Bader. Joseph, Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Freiburg 1883, S. 288/89.

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lieber Unruheherd. Auf einer Konferenz badischer und ortenauischer Bevollmäch­ tigter am 9. September 1794, die Fragen der Landesverteidigung besprachen, wurde die Bürgerschaft der Stadt Lahr geradezu als .mit Demokratismus und Sansculottismus angefüllt * bezeichnet. Eine der Konferenz zugekommene Denunziation behaup­ tete sogar, .daß die Lahrer heimlicherweise 6000 Stück Gewehr in die Stadt zu praktizieren gewußt hätten, deren bestimmter Gebrauch leicht zu erraten ist *. Die Konferenzteilnehmer wurden sich schnell einig, daß vom regulären Militär alle Vorkehrungen getroffen werden müßten, .damit dieser inländische und also um so mehr gefährliche Feind mit Nachdruck zu Paaren getrieben wird *. 394 In der Kurpfalz untersagte ein Regierungsdekret vom 10. Januar 1794 alle Ge­ spräche über die große Politik sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei privaten Zusammenkünften. Dieser Maßnahme lagen Mitteilungen zugrunde, wonach .die verwegensten Reden von den in der Stadt ganz wohlbekannten Leuten geführt werden und unter solchen ungescheuten Grüblern, Spöttern, Tadlern und Raison­ neurs ... sogar Personen auf offenen Plätzen sich bezeigt haben sollen, deren Beruf und Pflicht vielmehr ist, dagegen zu eifern'.396 Die vermehrte Aktivität der bürger­ lichen Kräfte äußerte sich unter anderem auch in einer wachsenden Zahl von anonymen Eingaben, die Reformen in den verschiedenartigsten Zweigen der Staats­ verwaltung forderten. Die Regierung bemühte sich, diese Flut einzudämmen, indem sie 1795 bekanntgab, daß sie anonyme Eingaben .platterdings beruhen und ohne Entschließung' lassen würde.396 In dem umkämpften Mannheim fanden sich sogar oppositionelle Kräfte mit dem Ziel zusammen, die Festung den Franzosen in die Hände zu spielen. Von einem solchen Versuch berichtete am 26. Oktober 1794 der sächsische Gesandte aus München: .Nach Briefen aus Mannheim vom 22. d. Mts. soll dort der Buchhändler Bender eine Verschwörung von 500 Bürgern entdeckt haben, unter denen sich Unteroffiziere befinden, die geplant hatten, den Franzosen die Einnahme dieses Platzes zu erleichtern. Es war die Rede davon, ihn über das Neckarfort während eines Nebels anzugreifen. Einer der Unteroffiziere ist verhaftet und in Eisen gelegt worden. Man hat bei ihm einen Plan und eine Liste verschiedener Personen gefunden, über die man jetzt Nachforschungen anstellt.' 397 Viel brachten diese Untersuchungen nicht zutage; es blieb bei der Bestrafung des Unteroffiziers und einer Anweisung an die Mannheimer Polizeidirektion vom 5. Oktober, schärfer auf die unruhigen Köpfe zu achten und im Betretungsfalle »die angemessene Be­ strafung ohne überflüssige Umschweif- und Verzögerung ohnnachsichtlich * vor­ zunehmen.398 ”4 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 146/47. G LA Karlsruhe, Abt. 77, Nr. 5054. Valjavec, Fritz, a. a. O., S. 155/56. .On apprend par des lettres de Mannheim en date du 22. d. c. que le libraire Bender y a découvert une conspiration de 500 bourgeois, au nombre desquels se trouvent des basofficiers qui avaient projeté de faciliter aux Français la prise de cette place. Il était question de l'attaquer par le Fort du Neckar dans un temps de brouillard. Un des basofficiers a été arrêté et mis aux fers. On a trouvé sur lui un plan et une liste de diverses personnes dont on est à la recherche.' LHA Dresden, Loc. 3468, Minutes des dépêches à S. E. Mr. le Comte de Loss, l'année 1794. *•« GLA Karlsruhe, Abt. 77, Nr. 5054.

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Im oberen Schwaben war das Fürstentum Hohenzollem-Hechingen ein besonders lebhaftes Unruhegebiet. Seit langem schon lagen hier die Untertanen im Streit mit der Herrschaft. 1792 hatten sie erneut Klage beim Reichskammergericht erhoben. Ihre Beschwerden betrafen die Wildplage, die-Leibeigenschaft, deren Rechtmäßig­ keit sie bestritten, extraordinäre Steuern, ihr Versammlungsrecht, angemaßte Mono­ pole und Frondienste beim Chausseebau. 1794 sollte ein zwölfköpfiger Ausschuß vom Lande gewählt werden, um den Streit mit der Herrschaft gütlich beizulegen.344 Aber 1795 erbitterte das Jagdunwesen die Bauern erneut in einem Maße, daß sie zur Selbsthilfe griffen und das Wild abzuschießen begannen. Es blieb nicht dabei. In einer Proklamation vom 30. Juni beklagte sich der Fürst: .Verschiedene Gemeinden machen eigenmächtige Verordnungen, verweigern lagerbuch- und vertragsmäßige oder seit undenklichen Zeiten hergebrachte Leistungen, beraten über Befolgung landesherrlicher Befehle und tun die widerrechtlichsten Schritte zur Kränkung Unserer Rechte. Hausen und Starzein haben sich bewaffnet und fallen in die herr­ schaftliche Jagd ein. Die meisten übrigen Gemeinden, selbst Hechingen, haben beschlossen, sie wollen ein Gleiches tun.'400 Ein auf Bitte des Fürsten vom Kreis­ direktorium abgeschicktes Militärkommando rückte ein, nahm den Gemeinden die Gewehre ab und stellte die äußere Ruhe wieder her. Doch nur die Stadt Hechingen ging am 11. September 1795 auf einen Vergleich mit dem Landesherrn ein; die Land­ gemeinden blieben unversöhnlich und lehnten jeden Kompromiß ab.401 Ähnlich wie in Hohenzollem gab auch im fürstlichen Hochstift Augsburg das Jagd­ unwesen 1796 Anlaß zu einem offenen Ausbruch der Unzufriedenheit. Vergebens hatten sich die Bauern gemüht, ihre Felder vor der Wildplage durch hohe Zäune zu schützen, denn die herrschaftlichen Förster rissen nachts wieder ein, was am Tage errichtet war. Proteste der Geschädigten wurden mit Mißhandlungen beantwortet. Als nun 1796 der Erzbischof von Trier, der zugleich Bischof von Augsburg war und hier Asyl gefunden hatte, eines Tages mit großem Gefolge zur Jagd aufbrach, be­ gegneten ihm die aufgebotenen Bauern mit solcher Widersetzlichkeit, daß er schleu­ nigst die Jagd abblies. Sie verweigerten nicht nur die geforderten Treiberdienste, sondern scheuten auch nicht vor persönlichen Drohungengegen hochgestellte Personen wie den kurtrierischen Minister Duminique zurück. Jesuiten, die man in die auf­ sässigen Gegenden schickte, um die Bauern zur Reue über ihr unbotmäßiges Ver­ halten zu bewegen, richteten nichts aus. Der Erfolg gegenüber der fürstlichen Jagd­ gesellschaft hatte die Bauern in ihrer Kampfentschlossenheit bestärkt.442 Im Stift Kempten war dem im Oktober 1793 neugewählten Fürstabt Kastolus von ReichlinMeldegg vor der Huldigung durch vom Lande abgeordnete Ausschüsse die Zusage abgerungen worden, eine Untersuchungskommission einzusetzen, die die Beschwerden der Untertanen prüfen sollte. Ihre Klagen richteten sich gegen die Erhöhung der Küchengefälle und des Erschatzes, die Einführung der Akzise, die Erhebung des ’*’• Cramer, Die Grafschaft Hohenzollem. Ein Bild süddeutscher Volkszustände, 1400-1850. Stuttgart 1873, S. 397 ff. *• Ebenda, S. 402. Ebenda, S. 403/04. 444 .Nationalzeitung', Jahrg. 1798, 34. Stück, Sp. 690/91.

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Illerzolles, die Heranziehung zum Straßenbau und wie überall gegen die Wildplage, alles Lasten, die die ohnehin beängstigende Zunahme der Armen begünstigte. Als dann der Untersuchungsausschuß im Februar 1794 tatsächlich zusammentrat, scheiterten jedoch alle Ausgleichversuche an der Weigerung der Regierung, die für die Bevölkerung günstigen alten Grundbücher, Rezesse und andere Dokumente als Basis der Verhandlungen anzunehmen. Die Folge war ein äußert gespanntes Verhältnis zwischen dem Fürstabt und seinen Untertanen, die seit 1732 eine Art Vertretung in der Landschaft besaßen. Die Landschaft, von den Untertanen der sieben alten Pflegeämter gewählt, besaß eine beratende Stimme bei allen Steuerbewilligungen und machte sich jetzt zum Sprecher der Opposition. Großen Einfluß übte der Sohn des Landschaftskassierers Hösle aus, der den Beginn der Französischen Revolution in Paris selbst miterlebt hatte und in seiner Heimat zum eifrigen Propagandisten ihrer Ideen geworden war.403 In Schwäbisch-Österreich verfolgten die Behörden in dem ehemaligen Weltpriester Joseph Rendler einen Vertreter revolutionärer Grundsätze, dem offensichtlich von der Bevölkerung Sympathie und Unterstützung entgegengebracht wurden; andern­ falls hätte er sich dem Zugriff nicht immer wieder entziehen können. Rendler war im St Blasien gehörenden Amt Blumegg geboren und hatte sich schon frühzeitig die dortigen Behörden durch weitläufige Prozesse zum Feinde gemacht. 1792 war er auf französischem Boden unweit Kolmar als Verwalter tätig. 1794 hielt er sich in der Schweiz nahe Schaffhausen auf und wirkte als Propagandist. Er verfaßte eine .Erklärung und Erläuterung der Rechte und Pflichten des Menschen * und verfocht darin Grundsätze, die seiner Meinung nach .gar nicht weit von den Staatsmaximen Josephs II. abweichen ...; denn er hielt sich nur für den ersten der Staatsverwalter zum Glückstand des größeren Haufens . * Er übersandte diese Schrift denSt.Blasischen Behörden gleichsam als eine Kriegserklärung und fügte hinzu: .Daß ich das Vater­ land zu retten suche, darüber seid Ihr mir bös; ... Wenn Ihr nicht alle Eure Maß­ regeln gegen mich aufhebt und mir meine Ehre nicht öffentlich zurückerstattet, so zwingt Ihr mich, daß ich Euch den Krieg ankünde.' 404 Anders lautete das Begleit­ schreiben an den Vogt Johann Gleichauf im Amt Blumegg, den er zu gewinnen hoffte: .Ich habe vernommen, daß St. Blasien mich bei Euch wie vogelfrei erklärt, und das bin ich auch; denn die Freiheit habe ich immer geliebt, und Gott hat mir selbe ge­ geben und mich dabei geschützt. St. Blasi kann mich so wenig als der Kaiser infam machen; nur ich kann es. Ob ich bei ihnen infam sei oder nicht, das liegt mir sehr wenig daran; vielmehr halte ich es für eine Ehre, sonst müßt ich ein Spitzbub sein wie einige andere, die sie ehren und ernähren ... Was ich immer gepredigt habe, das predige ich noch; ich schicke Euch hier zur Probe, was ich selbst den Franzosen predigte, ohne daß ich unter die Guillotine kam. Weil ich in Frankreich war, so stieg der Groll meiner Feinde um so mehr, gerade als wäre es ein Verbrechen, mit den Franzosen zu tun zu haben. Der mich verfolgt, der verfolgt die Franken, mit denen405 405 Rottenkolber, Joseph, Geschichte des hochfürstlichen Stiftes Kempten. München o. J„ S. 190/91. 444 GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 2640, Schreiben der fürstlichen Regierung zu St. Blasien vom 30. 10. 1794.

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Ihr lieber in Frieden leben solltet wie die Schweizer. Sie kriegen gegen die Landes­ fürsten, mit denen sie nie Fried machen, und auch nicht mit den Untertanen, die gegen sie die Waffen tragen.'405 Seit Mitte 1795 hielt er sich in Bregenz verborgen. Hier verfaßte er eine Schmähschrift gegen den Stadtmagistrat und das kaiserlich­ königliche Kreisamt. Der von der Obrigkeit eingeleiteten Untersuchung entzog er sich durch schleunige Flucht. Da man damit rechnete, daß er in Bayern Unterschlupf zu finden hoffte, wurde der österreichische Gesandte in München angewiesen, die dortige Regierung um Unterstützung bei der Verfolgung zu bitten. Die am 17. Juli 1795 überreichte Denkschrift nannte Rendler einen der gefährlichsten Menschen, Jndem sich nicht allein bei ihm eigenhändig geschriebene und gedruckte Lieder nebst anderen Aufsätzen vorfanden, die ganz in dem Geiste der Volksaufwiegelung verfaßt waren, sondern es zeigte sich noch weiter, daß er selbst eine ganz zum Auf­ ruhr führende sogenannte Erklärung und Erläuterung der Menschenrechte zum Druck gegeben habe und mit den mißvergnügten St. Gallischen Untertanen, deren unruhige Bewegungen kürzlich die Zeitungen meldeten, in genauer Verbindung ge­ standen sei, wobei aber seine unbegrenzte Bosheit noch nicht ihr Ziel fand, da er die Frechheit hatte, meinem am 9ten vorigen Monats vonArlsheim an das kaiserlich­ königliche Kreisamt zu Bregenz erlassenen Schreiben nicht allein gegen dieses, sondern selbst gegen Seine Kaiserliche Majestät Drohungen zu gebrauchen." 408 Vier­ undzwanzig Stunden später, am 18. Juli 1795, lag bereits ein Reskript des bayerischen Kurfürsten vor, das dem Wunsche der österreichischen Regierung entsprach.407

Die Urteile zeitgenössischer Beobachter der fränkischen Verhältnisse stimmen darin überein, daß wohl die große Mehrheit der Bevölkerung Sympathie für die Franzosen hegte, aber nur eine Minderheit sich unter bestimmten Bedingungen für ihre Grund­ sätze aktiv einsetzen würde. Die entscheidende Bedingung war die Anwesenheit siegreicher französischer Armeen. Es gab wohl bürgerliche Kreise, die den revolu­ tionären Prinzipien anhingen und sie propagierten, aber es gab kein Bürgertum, das fähig gewesen wäre, selbständig zu handeln und die Opposition zu organisieren. Die Nachrichten aus den einzelnen Territorien entsprachen diesem Bild. Am stärksten regte sich die oppositionelle Gesinnung in den Fürstentümern Ansbach-Bayreuth. Sie waren ökonomisch weiter als andere entwickelt; sie hatten 1792 einen Herrschaftswechsel erlebt, der fühlbare Veränderungen mit sich brachte; sie waren die unmittelbaren Nachbarn Nürnbergs, das voller Unruhe steckte und Ausgangsort so mancher aufrührerischer Nachrichten und Flugschriften war. Der reaktionäre Verfasser der .Vertrauten Briefe über das Fürstentum Bayreuth *, die 1794 er­ schienen, behauptete zwar, daß im Bayreuthischen nur .einige Kandidaten, bankrotte Kaufleute und liederliche und schlechtdenkende Kerls' Anhänger der französischen Grundsätze waren. Damit stimmten allerdings andere Beobachtungen, die er an­ stellte, gar nicht überein; so schrieb er im 22. Brief: .Einen einzigen Pfarrer sprach ich, der ohnweit Bayreuth die beste Pfarre hat.und dieser Men schsprach von Jakobinern 441 Ebenda, Schreiben Rendlers vom 29, 9. 1794. 404 HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fase. 930, Nr. 20, Bl. 1. «’ Ebenda, Bl. 3.

5. Die übrigen Territorien

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als dem Kem der Menschheit.' Im 23. Brief hieß es: .Man ist überhaupt unter der preußischen Regierung sehr tolerant und ich habe mannigmal in öffentlichen Ge­ sellschaften über die Französische Revolution philosophieren hören, das ich in N. in meiner Stube mir nicht zu sagen getraute.' 408 Am 29. März 1294 fand man auf dem Marktplatz in Bayreuth einen .Aufruf an Bayreuthens Sklaven * angeheftet, der das gallische Licht pries und heftige Angriffe gegen die habsüchtigen Beamten und gegen die offiizielle Zeitung .mit ihren albernen, geschmack- und sinnlosen Unwahrheiten * richtete.40* In der Universitätsstadt Erlangen wehrten sich die in geheimen Orden organisierten Studenten gegen das provokatorische Auftreten der reaktionären west­ fälischen Landsmannschaft. Am 15. und 16. August 1794 gingen sie zu handgreif­ lichen Auseinandersetzungen über und veranstalteten Umzüge, wobei die Marseillaise und das Revolutionslied Qa ira gespielt wurden. Vor den Häusern der französischen Emigranten brachten sie ein .pereat' aus.410 Von der revolutionären Flugschrift .Wiederholter Aufruf an die Deutsche Nation' nahm Graf Soden mit guten Gründen an, .daß solche in hiesigen Landen ausgeheckt worden sei', weil sie auf Grausam­ keiten des letzten ansbachischen Markgrafen Bezug nahm.411 Der Ansbacher Justiz­ rat Büttner schrieb in seiner Selbstbiographie: .Der Schwindelgeist mißverstandener Freiheit spukte mit seinen roten Kappen auch in meinem lieben Vaterlande gar ge­ waltig, und die Monarchenfeinde fanden beim Bürger und Landmann um so leichter Eingang, weil die neue preußische Regierung ihr Konskriptionssystem und Abgaben­ system ziemlich rasch einführte, vorzüglich aber das erstere den Untertanen an­ fänglich überhaupt sehr drückend vorkommen mußte, die der starken Aushebungen nicht gewohnt waren.'412* Ein Brief vom 20. Juli 1795 an den Redakteur der .Eudämonia' berichtete von mehrtägigen Tumulten in Erlangen aus Anlaß der Lebensmittelteuerung. Die Empörung richtete sich vornehmlich gegen einen Auf­ käufer und Armeelieferanten, dessen gefüllte Speicher schließlich von der Menge aufgcbroohcn wurden. Die verfügbare militärische Macht reichte nicht aus, um dieses gewaltsame Vorgehen .insbesondere der Handwerksburschen und geringerer Leute' zu verhindern. Wohlhabende Bürger schalteten sich ein und sorgten für Verteilung der Vorräte gegen Quittung. Als Rädelsführer bezeichnete der Brief einen Studenten Gebhard, der kurz vorher aus Erfurt eingetroffen und drei Tage später über Basel nach Frankreich gereist sein sollte.410 Eine Berichtigung im nächsten Stück der .Eudämonia' nannte einen Gothard aus Heidelberg als Anführer.414 Eine Korre­ spondenz aus Nürnberg, die Rebmann in seinem .Neuen grauen Ungeheuer * ab­ druckte, sprach von ähnlichen Unruhen auch im Dorfe Bruck. Sie schloß mit der 408 Zuranziger, Karl Hermann, Bayreuth vor hundert Jahren. In: .Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken', Bd. 24, S. 8, 1910. «• Thürauf, Ulrich, a. a. O„ S. 71/72. 410 Deuetlein, Emst, Geschichte der Universität Erlangen in zeitlicher Übersicht Erlangen 1927, S. 25. 411 DZA Merseburg, Rep. 44 C, Auswärtiges Departement Nr. 613, Bl. 8 ff. 4“ Thürauf. Ulrich, a. a. O., S. 71. 419 .Eudämonia oder deutsches Volksglück. Ein Journal für Freunde von Wahrheit und Recht', Bd. 1, 4. Stück, S. 349 ff., 1795. 414 Ebenda, 5. Stück, S. 462.

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I. Sozialökonomische Verhältnisse und Verschärfung der Klassenkämpfe

Feststellung: .Sollte das Ende dieses unseligen Krieges nicht bald erfolgen, so möchten noch ernsthaftere Auftritte in unseren Gegenden zu besorgen sein.' 415*

In den Ökonomisch schwach entwickelten geistlichen Territorien besagen die opposi­ tionellen Kräfte naturgemäß weniger Boden, zumal auch die Abwehr durch die geist­ liche Reaktion äußerst wirksam war. Lose Vereinigungen in Form von Lesegesell­ schaften, zu denen sich aufgeklärte, aber durchaus loyale Männer zusammentun wollten, waren im Würzburgischen nicht erlaubt.410 Schließlich kam auf der Grenze im Dorfe Herbolzheim, das schon zur Hälfte zum Fürstentum Schwarzenberg ge­ hörte, eine solche Gesellschaft zustande. Mehr als hundert Personen, liberale Adlige, Beamte, Geistliche, Lehrer, Schreiber, Arzte und andere Vertreter der bürgerlichen Intelligenz, fanden sich alle vierzehn Tage im dortigen Wirtshaus ein, um .einzig und allein gesellschaftliches Vergnügen und freundschaftliche Mitteilung * zu pflegen. Die kritische Einstellung gegenüber dem Bestehenden äußerte sich nur sehr zaghaft in der Organisation der Gesellschaft selber, die .ohne alle Gesetze und ohne einen * Vorsteher auskommen wollte. .In den Zimmern ... hört aller Unterschied des Ranges und Standes auf; keiner hat da mehr, keiner weniger Rechte als der andere.' 417 Hier wurde also im günstigsten Falle theoretisiert und von einer Welt­ verbesserung geträumt. Von den Massen und von der Tat trennte sie eine breite Kluft. Die einzige Form der Beziehung zu den Massen bestand darin, »daß man, solange es die Witterung erlaubte, alle Türen offen stehen ließ', um so der Be­ völkerung einen Einblick in das Treiben der Gesellschaft zu gestatten. Dabei war diese Maßnahme noch nicht einmal freiwillig, sondern erzwungen. Da man fort­ schrittliche Gedanken nicht über den erlesenen Kreis hinaustrug, blieben die ein­ fachen Menschen weitgehend den Einflüssen der herrschenden reaktionären Ideo­ logie ausgesetzt. .Die Landleute, durch einen bigotten Mann aufgehetzt, glaubten einen Jakobinerklub zu sehen, machten sich davon die gräßlichsten Vorstellungen und konnten nur dadurch einigermaßen besänftigt werden', daß man ihnen in der genannten Weise die Harmlosigkeit der Gesellschaft vor Augen führte.418 Ein etwas offensiverer Geist zeigte sich unter der studentischen Jugend der Universität Würz­ burg. Im Gegensatz zu den bestehenden studentischen Vereinigungen, die wie der Amicistenbund bloße Kneipgesellschaften waren, bemühte sich Mitte 1794 der in der Oberpfalz gebürtige Medizinstudent Popp, einen Menschheitsbund zu gründen, der sich die wechselseitige Vervollkommnung, Förderung der Sittlichkeit und Auf­ klärung über philosophische Gegenstände zum Ziel setzte. Popp fand sein Vorbild in den Schriften der Freimaurer, Illuminaten und ähnlicher Vereinigungen. Der Ge­ heimbundcharakter und die kurze Lebensdauer des Bundes - Popp wurde bereits im April 1795 verhaftet - gestatteten keine große Ausdehnung, so daß er nur spärlich über die Handvoll Mitglieder hinauswuchs, die den ersten Kem bildeten.419 Die 415 .Das neue graue Ungeheuer', Altona 1795, 3. Stück, S. 93. 4,4 Göbl, S., Die erste öffentliche Lesegesellschaft in Würzburg. Ein Beitrag zur Geschichte des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal. In: .Archiv des historischen Vereins von Unter­ franken und Aschaffenburg', Bd. 36, S. 193 ff., 1893. 417 .Deutsche Zeitung', Jahrg. 1795, Sp. 721/22. 418 Ebenda, Sp. 723. 4,8 HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fase. 928, Nr. 13, 1. Konvolut.

5. Die übrigen Territorien

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schriftlichen Arbeiten, die einzelne Mitglieder für den Bund leisteten, dienten aus­ schließlich der Selbstverständigung. So legte Wachter im Dezember 1794 einen Aufsatz mit dem Thema vor: .Welches wäre wohl die beste und sicherste Art, unserem Zwecke bei jeder Menschenklasse Eingang zu verschaffen?' Immerhin ver­ sanken sie nicht restlos in der Geheimbündelei, sondern hatten offene Augen für das Zeitgeschehen. Traupel schrieb in einem seiner Bundesaufsätze: .In Ulm ist Rebellion - - - Anderswo steht es auf der Spitze - - - Was gibt das? - Brüder 1 Wir nähern uns immer mehr und mehr großen Veränderungen. * 420 Popp selber fand Anfang 1795 sogar Anschluß an eine Gruppe entschiedener Revolutionäre mit dem Zentrum Gießen, worüber später in anderem Zusammenhänge berichtet wird.

In den Kleinstaaten Frankens waren die Voraussetzungen für einen wirkungsvollen Klassenkampf gegen die herrschende Feudalklasse womöglich noch schlechter. An­ dererseits waren die Gründe zur Unzufriedenheit keineswegs geringer. So fand der Straßburger .Weltbote , * wie der Vertreter Ellwangens der schwäbischen Kreisdepu­ tation am 31. März 1794 besorgt mitteilte, selbst in Heidenheim seine Leser.421 So fehlte es auch nicht an den verschiedenartigsten lokalen Unruhen. Am 3. Juni 1794 ersuchte der Gesandte des Fürstentums Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein den frän­ kischen Kreis .um den sozietätsmäßigen Beistand, auch eventualiter um die etwa nötige Kreisexekution * gegen das Städtchen Sindringen, das sich weigerte, in Zukunft die Ordinari-Kontribution in der alten Höhe zu zahlen, und von sich aus den Beitrag gesenkt hatte. Die Kreisversammlung sagte ihre Unterstützung für den Fall zu, daß .durch jene Widersetzlichkeit die öffentliche Ruhe leiden ... würde,.. .* 422 Als in­ folge der Kriegskosten im Fürstentum Hohenlohe-Öhringen 1795 und 1796 die Kontribution erhöht werden sollte, sandten die Bauern der Ämter Kirchensall, Michelbach, Langenbeutingen und Neuenstein ihre Deputierten mit Protestresolutio­ nen zur Residenz.423 Aus einer Entscheidung des Reichshofrats vom 22. Mai 1795 geht hervor, daß die Bauern der zur Grafschaft Erbach-Fürstenau gehörenden Ge­ meinde Hetzbach 1794 eigenmächtig das Wild abschossen und sich auch der vom Landesherrn befohlenen Untersuchung widersetzten. Darüber hinaus hatten die Bauern entgegen den herrschaftlichen Forstgerechtsamen Holz geschlagen und schließlich auch die Abgabe des Weidgeldes für Ziegen und Schafe verweigert. Der Reichshofrat verlangte unbedingten Gehorsam, .besonders sich aber aller tumultuarischen Zusammenkünfte und strafbaren Rottierungen zu enthalten'. Der Kreis war angewiesen, notfalls Exekutionstruppen zu schicken.424 Solche Unruhen, jede für sich allein genommen, stellten für die herrschende Klasse noch keine ernsthafte Gefahr dar. In ihrer Gesamtheit aber, verbunden mit den verschiedenartigsten Formen des Aufbegehrens im übrigen Süddeutschland und vor allem mit der Französischen Revolution als Hintergrund, erhielten sie ein Gewicht, das die herrschende Feudal­ klasse mit gutem Grund zittern machte. 410 Ebenda, 2. Konvolut. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6289. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis, 16 A. 40 Fischet, Wolfram, Hohenlohe im Zeitalter der Aufklärung. Phil. Diss. Tübingen 1951, S. 400. 4,4 DZA Merseburg, Rep, 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis, 19 A. 8 Süddeutsche Jakobiner

Der niedergehende Feudalismus drückte der gesellschaftlichen Verfassung in Süd­ deutschland seinen Stempel auf. Stagnation und Fäulnis gingen von ihm aus. Die herrschende Klasse war korrupt und verkommen. Die Werktätigen in Stadt und Land lebten im Elend. Das Bürgertum, von der Geschichte zur Ablösung der alten Gesellschaftsordnung berufen, kroch zäh und mühsam empor. Die Keime des Neuen, die sich allen Hemmnissen zum Trotz im Schoße des Alten herausbildeten, und die Unzufriedenheit der Massen mit dem Bestehenden vermochten nicht die feudalen Fesseln zu sprengen. Das Aufbegehren wurde massiver, aber es blieb lokal, spontan, ziellos. »Die reine Sackgasse', sagte Engels.1 Die Französische Revolution schuf den dringend notwendigen Durchbruch; sie eröffnete den antifeudalen Kräften Süd­ deutschlands einen Ausblick, sie gab ihnen einen Kompaß, ein Ziel. Das Bürgertum gewann an Selbstbewußtsein, der Klassenkampf verschärfte sich. Der Grad der Intensivierung war in den einzelnen Territorien und Gebieten naturgemäß unter­ schiedlich, aber die Verschärfung selbst war allgemein. Die Erklärung des Reichs­ krieges forderte notwendig zur Stellungnahme heraus. Auch jetzt, mit dem fran­ zösischen Beispiel vor Augen, konnten die antifeudalen Kräfte noch nicht zum Generalangriff auf die Festung des Feudalismus antreten. Im Klassenkampf er­ oberten sie da und dort einen Graben im Vorfeld. Das waren Erfolge, die angesichts der elenden Voraussetzungen nicht gering geschätzt werden dürfen. Aber auch dort, wo sie keine sichtbaren Ergebnisse erzielten, unterhöhlten und schwächten sie durch ihren Kampf die Position des Feudalismus, direkt und indirekt Allein indem die Volksmassen die herrschende Klasse zwangen, einen guten Teil ihrer Energien auf die Unterdrückung der Gärung und Unruhe im eigenen Lande zu konzentrieren, leisteten sie einen Beitrag zum Sieg des Fortschritts. Der Fortschritt, welthistorisch gesehen, hing damals wahrlich nicht vom Sieg oder auch nur von größeren Erfolgen der antifeudalen Kräfte in Süddeutschland ab. Der Fortschritt im internationalen Maßstab und damit auch für Süddeutschland war gesichert, wenn es gelang, den Sieg der Revolution in Frankreich zu stabilisieren. Er war bedroht durch die feudale Konterrevolution im Innern und von außen. Die Jakobinerdiktatur zertrümmerte den inneren Feind, von dem die größte Gefahr aus­ ging; damit zugleich schwächte sie die Position der äußeren Konterrevolution, die zur Durchsetzung ihrer Ziele auf die Unterstützung durch die reaktionären Kräfte in Frankreich selbst angewiesen war. Trotzdem blieb die äußere Konterrevolution für die bürgerliche Ordnung in Frankreich eine Gefahr. Wenn sie in der Hauptsache 1 Engels, Friedrich. (Notizen über Deutschland], a. a. O., S. 566.

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II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

in den Jahren 1794 bis 1796 beseitigt werden konnte, so in erster Linie dank der gewaltigen Anstrengungen, die vom jakobinischen Wohlfahrtsausschuß unternom­ men wurden und deren Auswirkungen über den Sturz der Jakobiner hinaus an­ dauerten. Zu einem weit geringeren, aber darum doch nicht unwesentlichen Teil war dieser Sieg von weltgeschichtlicher Tragweite auf das Verhalten der Volksmassen der Staaten zurückzuführen, die sich zur konterrevolutionären Koalition zusammen­ geschlossen hatten und Frankreich bekriegten. Gerade in dem Zeitabschnitt, da Preußen sich aus der Koalition zu lösen begann und schließlich ganz Norddeutsch­ land mit sich zog, erhielt das Verhalten der Volksmassen Süddeutschlands ein be­ sonderes Gewicht. Die konterrevolutionäre Koalition gegen Frankreich war eine Koalition fürstlicher Räuber, geeint durch Revolutionsfurcht und gemeinsame Beutegier, zerspalten durch unüberwindliches Mißtrauen untereinander. Solange man militärische Erfolge er­ rang, konnte die Aussicht auf räuberischen Gewinn das gegenseitige Mißtrauen, übervorteilt zu werden, zeitweilig in den Hintergrund drängen; als Ende 1793 sich die Niederlagen häuften und 1794 die Franzosen sogar entscheidende Siege erringen konnten, die die Grenzen der bürgerlichen Republik im wesentlichen sicherten, ver­ mochte selbst die gemeinsame Revolutionsfurcht nicht mehr die tiefen Gegensätze unter den Verbündeten zu überbrücken. Verschiedene weitblickende Politiker und Militärs erkannten schon früh, daß unter solchen Bedingungen, da die divergieren­ den räuberischen Interessen offen zutage traten und ein gemeinsames Handeln unmöglich machten, gerade die Fortsetzung des Krieges die feudale Ordnung viel stärker als ein Frieden gefährdete, der die Tatsache der Niederlage eingestand. In diesem Sinne schrieb Erzherzog Karl am 9. August 1794 aus dem Hauptquartier Fouron-le-Comte an den Kaiser: Nur bei engstem Einvernehmen der Verbündeten und äußerster Anstrengung könne den Franzosen entgegengetreten werden. Da das Einvernehmen fehle, sei ein schneller Friede, selbst ein Separatfriede, geboten. Denn nicht der Friede, sondern die Erschöpfung der Finanzen und die Zerrüttung der Armee begünstigten das Obergreifen der revolutionären Grundsätze auf Deutsch­ land. Des Gegners .Mittel nehmen immer zu, unsere immer ab; je länger wir strei­ ten, desto schwächer werden wir, desto schwerer wird uns ein Friede'.12 Wie die Gegensätze unter den Verbündeten ein echtes Zusammenwirken im Kriege verhin­ derten, so machten sie auch einen gemeinsamen Friedensschluß unmöglich. Einer verdächtigte den anderen geheimer Unterhandlungen mit Frankreich. Als dann Preußen in der Tat auf einen Separatfrieden hinsteuerte und ihn 1795 in Basel unter Dach und Fach brachte, bemühte sich Österreich im Gegenteil, die Koalition durch gutes Einvernehmen mit England und Rußland zu festigen und den Krieg fortzuset­ zen, Von irgendwelcher Siegeszuversicht unter der kämpfenden Truppe konnte dabei keinerlei Rede mehr sein. Der kaiserliche Oberleutnant Jenik von Bratric, der den Krieg seit Anbeginn in vorderster Linie erlebt hatte, äußerte im Zusammen­ hang mit dem preußischen Separatfrieden im April 1795 in seinem Tagebuch die 1 Zeissberg, Heinrich Ritter von, Quellen zur Geschichte der Politik Österreichs während der französischen Revolutionskriege (1793-1797). Wien 1885, Bd. 2, S. 383.

II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

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Hoffnung: .So wäre es wohl außer allem Zweifel, daß man unsere Armee der weit überlegenen französischen Macht wird nicht aufopfern, besonders da jetzt diese republikanische Macht durch die Eroberung Niederlands, Hollands und des ganzen linken Rheinufers eine fast unbezwingliche Stärke erhielt. * 5 Selbst die militärischen Erfolge Clerfayts im Herbst 1795 vermochten nicht, diese defaitistische Stimmung in der Armee zu überwinden. Die Aufkündigung des Waffenstillstandes im Mai 1796 von österreichischer Seite veranlaßte den inzwischen zum Hauptmann beförderten Jenik von Bratric zu der Feststellung: .Man braucht eben nicht stark in der Politik, Diplomatik, und wie alle diese schönen Dinge heißen, bewandert sein und doch bloß mit natürlichem Verstände einsehen, daß in diesem, ganze Länder zugrund gerichteten (soll heißen: richtenden - H. S.) Kriege durchaus nichts zu gewinnen ist, aber wohl nur zu viel verloren gehen darf.' 34 Nicht zuletzt wandte sich die öster­ reichische Kriegspolitik gegen Preußen, das mit dem Friedensschluß die Absicht verband, aus der eigenen Schwäohe Kapital zu schlagen, die vom Krieg zermürbten süddeutschen Staaten dem österreichischen Einfluß zu entziehen und sie in die friedebringenden preußischen Arme zu treiben. Die Fortsetzung des Koalitions­ krieges dagegen sicherte die Vorherrschaft Österreichs über Süddeutschland. Es ist das historische Verdienst der Bauern und Bürger der süddeutschen Terri­ torien, den ungerechten und reaktionären Interventionskrieg der herrschenden Feudalklasse gegen das revolutionäre Frankreich nicht unterstützt und nach Mög­ lichkeit erschwert zu haben. Diese Tatsache ist als der hervorragendste Beitrag der Volksmassen in diesen Jahren für den Sieg des Fortschritts zu werten. In mehrfacher Hinsicht ragt dieser Beitrag hervor: Erstens setzte hier die Aktivität der Volks­ massen an einem Punkte an, der für Sieg oder Niederlage des Neuen entscheidend war. Zweitens erfolgte dieser Beitrag auf der breitesten Basis, die möglich war; in dem Chaos der vielen Teilstaaten und bei dem fehlenden ökonomischen Zusammen­ halt war die Zersplitterung des Klassenkampfes charakteristisch; der Kampf gegen die allen gemeinsamen zusätzlichen Belastungen durch den verhaßten Krieg über­ wand bis zu einem gewissen Grade die schwächende Isolierung. Drittens kämpften hier die Massen mit einem relativ hohen Bewußtsein, das die Ebene einer prinzipiel­ len Auseinandersetzung mit der herrschenden Feudalordnung erreichte; die lokalen Unruhen richteten sich in der Regel nur gegen einzelne Äußerungen der feudalen Unterdrückung, gegen die Wildplage hier, gegen die Amterbesetzung dort; die Aus­ einandersetzungen unterschieden sich häufig kaum von früheren, die sich aus dem Streit um den Anteil am Mehrprodukt ergaben, ohne daß die feudale Ordnung selbst in Frage gestellt wurde; hinter der aktiven Ablehnung des Interventionskrieges jedoch trat in immer stärkerem Maße eine ausgeprägte antifeudale Gesinnung her­ vor, wie sie in einem Flugblatt vom August 1794 formuliert wurde: .Und im schlimmsten Fall, die Franzosen kämen, eroberten unser Land, und wir würden mit ihnen vereinigt: - Wir würden alsdann an die Stelle der fürstlichen Souveränität die unserige setzen, Sklaverei mit Freiheit vertauschen und künftig freier und glück­ 3 Jenik z Bratric, Jan, Denik jeho vojenske sluiby z let 1778-1779. Bl. 305/06. 4 Ebenda, Bl. 364.

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II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

licher leben.'5 Der Widerstand der Massen gegen den Interventionskrieg war ein hervorragender Ausdruck des sich verschärfenden Klassenkampfes. Er zeichnete sich aus durch sein hohes ideologisches Niveau, durch seine Breite und vor allem durch seine Ergebnisse: Er war eine fühlbare Waffenhilfe für das revolutionäre Frankreich, das den gesellschaftlichen Fortschritt in Europa verkörperte. Der Kampf der Massen gegen den ungerechten Krieg äußerte sich in den verschie­ denartigsten Formen. Er begann mit einfachen örtlichen Empörungen gegen einzelne drückende Begleiterscheinungen des Krieges und steigerte sich bis zur aktiven Unterstützung des revolutionären Verteidigungskrieges der Franzosen. Eine all­ gemeine Begleiterscheinung waren die erhöhten Steuerforderungen. Die sieben Ge­ meinden des zum Fürstentum Schwarzenberg gehörenden Amtes Seehaus protestier­ ten in einer Eingabe vom 15. Januar 1796 dagegen, daß ihnen .neben den fünf schon bestimmten Steuern noch eine freiwillige Kriegssteuer nicht bloß abgefordert, son­ dern vielmehr, ohngeachtet sie eine freiwillige sein sollte, abgedrungen * worden war.6 Sie protestierten ebenso gegen übermäßige Einquartierungen, die häufig genug mit Exzessen der einquartierten Soldaten verbunden waren.7 Eine andere sehr fühlbare Begleiterscheinung war die Verknappung und Verteuerung der Lebens­ mittel. Dieser Prozeß hatte zunächst langsam eingesetzt, um dann plötzlich unerträg­ liche Ausmaße anzunehmen. Wucherische Aufkäufer, die die Armeen versorgten, trieben die Preise in die Höhe. Gegen sie richtete sich der Zorn der Bevölkerung Erlangens oder des ansbachischen Dorfes Bruck, wo unter Gewaltanwendung die Armeelieferanten gezwungen wurden, die schon aufgekauften Lebensmittel billig wieder zu verkaufen. Gegen sie empörten sich im Oktober 1795 die Bürger Augs­ burgs und wurden dabei sogar von Teilen der Stadtgarde unterstützt.8 Solche ele­ mentaren Ausbrüche trugen den Charakter der bloßen Notwehr, aber sie konnten sich auch zu Bewegungen steigern, die durch ihr Ausmaß und ihre Methoden höhere Formen des Widerstandes erreichten. Die Septemberunruhen in München 1795 ent­ standen aus ähnlichem Anlaß, legten den feudalen Staatsapparat zeitweise lahm, erzwangen die bedingungslose Kapitulation der Regierung, die den Export der wichtigsten Lebensmittel verbieten mußte, und erkämpften darüber hinaus den Bürgern eine Vertreterkörperschaft beim Magistrat der Stadt.® Der Widerstand gegen den Krieg, der mit diesen Aktionen effektiv geleistet wurde, blieb indirekt und war nur insofern fraglos bewußt, als dahinter die tiefe Friedenssehnsucht der Massen stand. Der direkte Widerstand, der sich in Sabotagehandlungen bei der Bewaffnung, in passiver und aktiver Gegenwehr bei Rekrutierungen, in Meutereien und ähnlichen Formen äußerte, setzte keineswegs immer einen höheren Bewußtseinsgrad voraus ‘ Erklärung des vom Herrn Prinzen von Koburg den 30. Julius 1794 ergangenen Aufrufs, niedergeschrieben von einem rheinländischen Bürger, o. O. im Monate August 1794, S. 6. • Staatsarchiv Tfebon, Arbeitsstelle Cesky Krumlov, Zentralkanzlei Schwarzenberg, A 4 K y 3 i, BL 453. 7 Ebenda, Bl. 437 ff., 452 ff. • Vgl. S. 76, 93. • Vgl. S. 30 ff.

II. Widerstaad gegen den Interventionskrieg

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als der indirekte Widerstand. Als die Ulmer Bürgerschaft am 9. August 1794 den Abtransport der fünf Kanonen zum Rhein verhinderte, waren verschiedene und zum Teil sich widersprechende Motive wirksam.10 Die einen empörte in erster Linie die Selbstherrlichkeit, mit der der Magistrat in dieser Angelegenheit zu ver­ fahren gedachte; andere fürchteten vor allem, daß Ulm auf diese Weise in einen wehrlosen Zustand versetzt würde; «einige besorgten auch, dafj die Franzosen, wenn sie von diesem ulmischen Darlehen Nachricht erhielten, es zu seiner Zeit die Stadt könnten hart entgelten lassen . * 11 Dafj auch das Motiv der bewußten Unterstützung der französischen Sache eine beträchtliche Rolle spielte, ergibt sich schon aus dem großen Anteil, den der republikanisch gesinnte Säcklermeister Feßlen an dem Auf­ ruhr hatte. In dem unruhigen Nürnberg war dieser Beweggrund zweifellos noch mehr ausgeprägt. Ein in der zweiten Septemberhälfte 1794 dort verbreiteter anony­ mer Aufruf an die Bürgerschaft, «nicht zu leiden, dafj einiges schwere Geschütz aus dem nürnbergischen Zeughaus nach Mainz abgeführt werde , * versetzte den Magi­ strat in helle Aufregung.12 Er forderte in einem Mandat auf, «dergleichen Ruhestörer und Aufwiegler ausfindig' zu machen, und traf Gegenmaßnahmen, so daß der Abtransport des Geschützes ungehindert erfolgen konnte.10 Als ein wichtiger, den revolutionären Defaitismus fördernder Faktor wirkte sich die allgemeine Abneigung gegen den brutalen und stumpfsinnigen militärischen Zwangsap.parat des Feudalabsolutismus überhaupt aus. In Bayern kam dazu noch im besonderen die ebenso allgemein verbreitete feindselige Einstellung Österreich gegenüber. Österreich betrachtete Bayern als Annexionsgebiet und preßte gleich­ zeitig Gut und Blut für den Krieg gegen Frankreich aus dem Land. Bayern befand sich in der schimpflichen Lage, Bundesgenosse und auserkorenes Opfer in einem zu sein. Der Schritt von der Österreichfeindschaft zur Frankreichfreundschaft und damit zur Parteinahme gegen den Interventionskrieg war nicht groß. Sehr anschau­ lich zeigt sich das in dem schlecht und recht gereimten Flugblatt «Zuschrift der bayerischen Bauern an ihren lieben alten Herrn Kurfürsten Karl Theodor . * Nach einer einleitenden Erklärung, die das innige Verhältnis zum Fürsten betont, heißt es in dem Flugblatt: «Nun hört, man schickt ein' Zettel raus zum Krieg gen die Franzosen. Die armen TeufelI Ist's noch nicht aus? Man sagt, sie hätten weder Hof noch Haus, nicht einmal eine Hosen.

Ihr seid ja sonst ein kluger Herr, laßt euch nur nicht befangen) Gebt, was euch trifft, zum deutschen Heer und sonst um keinen Tambour mehr, als Reichsgesetz verlangen. * 19 Vgl. S. 71 ff. 11 «Berlinische Monatsschrift', Bd. 25, S. 16, 1795. 11 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a Fränkischer Kreis 17 A, Bl. 3. 11 Ebenda, Bl. 4.

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II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

Eine solohe Zurückhaltung wird angeraten, weil mehr als der Verdacht besteht, daß es entgegen der offiziellen Verlautbarung in diesem Kriege nicht um den Schutz Bayerns geht. Der Krieg wird im Interesse Österreichs geführt, und der bayerische Generalquartiermeister, Freiherr von Hohenhausen, der einst Offizier in österrei­ chischen Diensten war und jetzt so lautstark vom Kampf fürs Vaterland spricht, ist nichts anderes als ein Parteigänger und Sendling Österreichs: .Fürwahr, Herr Kurfürst, das scheuen wir nicht, wenn's gilt für Land und Leute,doch sagen wir euch ins Gesicht: Wir trauen diesem Helden nicht, er tut zu dick und breite. Dann kam er auch von Österreich als Invalid herüber. Das hebt uns Bayern den Magen gleich, denn wie lief; wohl dies Österreich an uns was Gutes über.' Daß dennoch der Erfüllung der Reichspflichten in diesem Reichskriege das Wort geredet wird, zeigt einerseits die Furcht vor Österreich, dem kein Grund geboten werden sollte, mit einem Schein des Rechts gegen Bayern vorzugehen. Zum andern war eine Beschränkung auf die Reichspflichten der Absicht gleichzusetzen, den küm­ merlichsten militärischen Beitrag zu leisten, der auch auf französischer Seite kaum übel vermerkt wurde. Die abschätzige Darstellung der Franzosen in der ersten zitierten Strophe verfolgt ebenfalls den Zweck, große Kriegsanstrengungen zu ver­ hindern. Sie will die Vorstellung erwecken, daß von dieser Seite gar keine bedeu­ tende Gefahr drohen kann. Außerdem hilft sie, den loyalen Charakter der Kritik an der bayerischen Kriegspolitik zu betonen. Auf keinen Fall darf diese Darstellung als eine Verurteilung des revolutionären Frankreichs angesehen werden. Die große Hochachtung vor ihm, die so gar nicht zu dem Bilde von den .armen Teufeln' paßt, verrät sich in einer anderen Strophe des Flugblattes: .Drum seht, Herr Kurfürst, soll's gut gehn, laßt Bayern uns anführen. Und sollten die’s nicht recht verstehn, so laßt sie nur nach Frankreich gehn, dort lehrt man Kommandieren. * Es ist nicht ausgesprochen, aber für jeden Zeitgenossen war es vollkommen klar, daß die darauffolgende und letzte Strophe auf Österreich als den wirklich gefähr­ lichen Feind Bayerns zielte: .Indeß verseht nur brav das Land mit Flinten und Kanonen. Und gibt's dann Lärm fürs Vaterland, bei Gottl da sind wir bei der Hand, es soll sich keiner schonen.'14 14 HSA München, Abt. I, Altbayerische Landschaft, Nr. 255.

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Das Flugblatt nimmt Partei gegen Österreich und gegen den Interventionskrieg; die Konsequenz dieser Parteinahme, das Bündnis mit Frankreich gegen Österreich, wind noch nicht gezogen, aber sie ist bereits für den hellhörigen Zeitgenossen als Perspektive angedeutet. Grotte Schwierigkeiten bereitete nicht nur der bayerischen Regierung, sondern in allen süddeutschen Territorien der passive und aktive Widerstand gegen die Rekrutierungen. Der sächsische Gesandte am Münchener Hof berichtete unter dem 31. Juli 1794, daß bei den Aushebungen in den pfalz-neuburgischen Ämtern Lau­ ingen und Gundelfingen eine regelrechte Revolte ausbrach, die erst durch eine Abteilung Militär aus Neuburg erstickt werden konnte.11 *15 In einem Gespräch, über das er am 12. Oktober berichtete, gestand ihm Graf Vieregg die große Verlegenheit der Regierung, den Krieg fortsetzen zu müssen, während sich die Ressourcen er­ schöpften: .Graf von Vieregg hat über diese Angelegenheit mir gegenüber die bittersten Klagen geäußert, und was dem Kurfürsten, wie er mir sagte, den größten Kummer bereitet, ist die Tatsache, daß man trotz allem, was er für die gemeinsame Sache leistet, nicht zufrieden ist; man fordert von ihm täglich neue Leistungen und Lieferungen von Lebensmitteln und Rekruten, die er unmöglich beschaffen kann; namentlich ist der Widerwille der bayerischen Untertanen gegen den Militärdienst sehr groß trotz aller Maßnahmen, die man anwendet, um sie gutwillig zu stimmen. * 16 In den anderen Territorien sah es ähnlich aus. Weil er vorzeitige Unruhe fürchtete, verbot in Württemberg der Zensor 1793 sogar die Anzeige eines Gedichtes von Schlotterbeck, eines Lehrers an der Karlsschule, das für die geplante Rekruten­ aushebung gegen Frankreich Propaganda machen wollte. Auf den Einspruch des Verfassers bestätigte der Geheime Rat diese Maßnahme mit der Begründung, daß das Gedicht .unter dem Landvolk widrige associationes idearum verursachen könnte'.17 Schlotterbecks ehemaliger Kollege an der Karlsschule, Jakob Friedrich Abel, faßte die Sache vorsichtiger an und schrieb eine Geschichte des Franzosen­ einfalls unter Melac, um seine Landsleute auf Umwegen für den Kampf gegen Frankreich zu gewinnen.18 Als im Januar 1794 der Ludwigsburger Oberamtmann Kemer in seinem Amtsbereich befehlsgemäß eine Rekrutenauswahl durchführte, stieß er allerorts auf größte Schwierigkeiten. Er hielt es darum für rätlicher, «der­ gleichen Geschäfte durch herzogliches Militärkommando ausführen zu lassen als durch die Zivilobrigkeit.. .* In Ludwigsburg selbst, der Residenz des Württem­ bergers, protestierte die gesamte Bürgerschaft energisch gegen die Aushebung und 11 LHA Dresden, Loc. 3468, Minutes des dépêches à S. E. Mr. le Comte de Löss, l'année 1704. 18 .Le C. de Vieregg m'a fait sur cet objet les plaintes les plus amères, et ce qui peine, m'a-t-il dit, le plus l'Électeur, c’est que malgré tout ce qu'il fait pour la cause commune, on n'est pas content, et on exige de lui tous les jours de nouvelles prestations et livraisons de subsistances et de recrues qu'il est impossible de se procurer, l'éloignement d 1M * >» ,SI

Pfister, Albert, Der Milizgedanke..., a. a. O., S. 29/30. Höhle, Erwin, Das alte Recht..., a. a .O., S. 117 ff., 124 ff. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 237. HSA Stuttgart, A 202, Ruhr. 24, Nr. 34. Möglicherweise war es der Verfasser des nicht­ gedruckten Aufrufs', der sich daraufhin zu selbständigem Handeln entschloß und eine Propagandaschrift für das Aufgebot unter dem Titel herausbrachte: .Schreiben eines Württembergers an seine Mitbürger aus Veranlassung des Landaufgebots. Stuttgart 1794. * Eine Entgegnung, die den Krieg gegen das revolutionäre Frankreich unklug und ein Verbrechen nannte, ließ jedoch nicht lange auf sich warten: .Antwort auf das Schreiben eines Württembergers an seine Mitbürger wegen des Landaufgebotes, o. O. 1795.'

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Wildschaden, Justizpflage und verschiedene Abgaben, den Volksmassen das Land verteidigungswert machen konnten.153 Unter diesen Umständen war von der Aus­ hebung der 67 000 Mann schon bald keine Rede mehr, und die Aufstellung der 14 000 Mann Miliz zeitigte Erscheinungen, die den Herzog fürchten ließen, «die Landmiliz werde endlich in wahre Nationalgarden ausarten . * 15* Der preußische Ge­ sandte Madeweiß hatte bereits am 29. März 1794 aus der Kenntnis der allgemeinen Stimmung vor den möglichen Folgen gewarnt: .Denn womit will man einem in Masse bewaffneten Volke, das ganz verkehrte Begriffe von Freiheit hat, widerstehen, wenn es aufzubrausen anfängt, zumal wenn man, wie dieses bei den mehrsten Reichs­ fürsten der Fall ist, hierzu weder hinlängliches noch geübtes Militär hat?'155

Zunächst ließ schon die Bereitschaft der Bevölkerung, an der Bewaffnung teil­ zunehmen, viel zu wünschen übrig. Der Oberamtmann von Möckmühl berichtete am 7. März, daß sich sowohl die Amtsstadt wie die Mehrzahl der Orte widerspenstig zeigten; im September weigerten sich die Bewohner immer noch, .ihre Namen zur Landmiliz aufzeichnen zu lassen, weil sie befürchteten, die Rheingrenzen decken zu müssen'.158 Der Amtmann von Rosenfeld teilte am 12. März mit, daß drei seiner Amtsorte die Konsignierung rundweg ablehnten, neun weitere und die Stadt selbst sich zwar aufzeichnen ließen, aber heftige Ablehnung gegen das Exerzieren äußer­ ten.157 Dem Maulbronner Oberamtmann erklärten die Vorsteher von sieben Orten, .daß ihre Einwohner aus Furcht, daß sie zu Soldaten weggenommen und an den Rhein geführt werden möchten, sich durchaus der Konsignierung nicht fügen wollten, daher sie, die Vorsteher, aus Furcht vor Mißhandlungen oder Gefahr vor feindseligen Beschädigungen ihres Eigentums sich nicht getrauten, diese Listen heimlich zu machen und einzuschicken, denn es würde doch nichts helfen, da ihre Untergebenen sich zu keinem Exerzieren bequemen würden.'158 In Vaihingen beschloß sogar die Stadt- und Amtsversammlung am 10. April, mit den benachbarten sieben Ober­ ämtern eine Konferenz durchzuführen, die die Aufhebung der Milizanstalten be­ antragen sollte.159 Knittlingen erzwang am 20. April die Einstellung des Exerzierens: .Das Geschrei wider die ganze Anstalt wurde allgemein; sie sagten, man wolle sie leibeigen machen, keiner solle zum Exerzieren gehen, bis man die ganze Bürger­ schaft zusammenkommen lasse und einen Durchgang halte, ob sie darein willige.'180 Der in den Oberämtem Herrenberg und Nagold ebenfalls erzwungene Aufschub machte wiederum die Amtsuntertanen Wildbergs rebellisch, die dem Oberamtmann die Zusage abpreßten, mit den Milizübungen aufzuhören, wenn sich nicht innerhalb eines Vierteljahres Herrenberg und Nagold gleichfalls beteiligten.181 Ähnliche Ebenda, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 188, Nr. I, 6. Pfister. Albert, Aus den Tagen..., a. a. O„ S. 168. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 19. HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 201, Nr. 9. Ebenda, Nr. 12. 148 Ebenda, Nr. 8. ‘w Ebenda, Nr. 16. >« Ebenda, Nr. 8. Ebenda, A 573, Bü. 5532, Bericht vom 9. 6. 1794. ,M 1,4 155 *”

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Schwierigkeiten gab es in Göppingen, Gröningen, Bisingen, Münchingen, Möglingen und anderen Orten.102 In Murrhard führte die Bestrafung eines Milizangehörigen Ende Juni zu schweren Tumulten; die Mannschaft weigerte sich, das Exerzieren fortzusetzen und demonstrierte durch die Stadt; der Maurer und Schweinehirt Johannes Kübler erklärte öffentlich, ,er sei ein Rebeller, er wolle einer sein . * Der Oberamtmann beschuldigte insbesondere einen aus Stuttgart zurückgekehrten Miurrharder, durch seine Berichte über den dortigen Gesellenaufruhr die Unruhen geschürt zu haben.19® Der Widerstand ging keineswegs nur von den durch den Milizdienst unmittelbar Betroffenen aus, sondern wurde moralisch und teilweise auch recht tatkräftig von der übrigen Bevölkerung unterstützt. So berichtete der Oberamtmann von Mark­ gröningen am 7. August über die rebellische Gesinnung der Schwibertinger, die den Stadtsubstitut nachts verprügelt und am Huldigungstage Händel begonnen hatten: .Allein nicht genug, dafj die Schwibertinger Landmiliz nebst ihren Vätern und Müttern und Anverwandten sich nur dieser Anstalt widersetzten, existiert auch unter den übrigen Bürgern in anderen politischen Dingen der nämliche Geist der Unruhe, der Aufhetzerei, des Ungehorsams und der Widersetzlichkeit'194 Daij solche Er­ scheinungen nicht nur in den genannten Orten, sondern allgemein verbreitet waren, bestätigte rückblickend eine 1797 erschienene Flugschrift: J3ie Offiziere muhten oft stundenlang die Leute durch die Trommel odei Glocke zu den Waffenübungen zu­ sammenrufen lassen, bis sie nur einen kleinen Teil der Mannschaft zusammen­ brachten. Verwiesen sie es nun den Leuten, so war die Antwort: Sie wären über ihrer Väter und nicht des Herzogs Brot und würden keinen Zug tun, bis alle bei­ sammen wären. * 195 Die Skala des Widerstandes reichte von der dumpfen Unlust bis zu einer kaum noch verschleierten Ablehnung des herrschenden Systems, die sich auch in dem Argument äufjerte, »dafj bei einem Massenaufgebot keiner ein Vorrecht vor einem anderen hätte, daij folglich ihr Herzog wie jeder andere zu marschieren hätte,..199 Diese oppositionelle Haltung gegenüber der Obrigkeit fand ihr Gegenstück in den freundschaftlichen Gefühlen für die Franzosen. Alle Zeitgenossen stimmten in dieser Beobachtung überein: .Der gemeine Mann zweifelte sehr daran', stellte Johann Gottfried Pahl fest, »dafj er verbunden sei, sich für seinen Fürsten aufzuopfern, denn er glaubte noch immer, der Krieg der Republikaner sei nur gegen die Schlösser; und in jedem Falle war das Leben eben doch das Edelste. Diese Stim­ mung war so allgemein, dafj man tausend gegen eines setzen konnte, dafj die MannEbenda, A 213, Bund 200. Ebenda, Bund 201, Nr. 10, Bericht vom 26. 6. 1794. VgL auch S. 47. Ebenda, Bund 200. Unmaßgebliche Gedanken über die vielen Gebrechen einer Landmiliz und wie ein dauer­ haftes, stehendes, den vaterländischen Einkünften angemessenes, aus Landeskindem bestehendes Militär in Württemberg zu erzielen sein möchte? Zur Beherzigung der Württem­ berg: sehen Prälaten und Landschaft, o. O. im Monat Januar 1797, S. 8. 1M .... les paysans disaient hautement que, dans une levée en masse, personne n'était privi­ légié, que leur duc devait par conséquent marcher comme un autre. * Papiers de Barthé­ lemy. .., a. a. O., Bd. 3. S. 403, 405.

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schäft, wenn einst der Aufruf an sie erginge, nicht einmal in Bewegung gebracht werden dürfte.'147 Die anonyme Flugschrift aus dem Jahre 1797 »Muß Württem­ berg sich das Fell über die Ohren abziehen lassen?' lehnte energisch den Vorwurf der Kriegsuntüchtigkeit ab, der den Württembergern wegen ihrer Haltung zum Miliz­ dienst verschiedentlich gemacht worden war: .Nein! Die Meinung, von den Fran­ zosen haben wir nichts zu besorgen, wenn sie auch in das Land kommen (welche beinahe allgemein war); die Einbildung, daß sie Gleichheit und zügellose Freiheit, alles Recht und Gerechtigkeit, Silber und Gold ins Land und in Umlauf bringen würden, waren schuld, daß ihnen der größte Teil innerlich gewogen gewesen und die Verbesserung seiner Umstände von ihrer Ankunft erwartet hatte. Die Franzosen haben mir nichts Leides getan, was soll ich mich entgegenstellen? sprach dieser; auf meiner Wanderschaft bin ich lange in Frankreich herumgeloffen, es ist mir nichts als Liebes und Gutes widerfahren, versicherte jener. * 148 Nach dem Zeugnis eines anderen Zeitgenossen waren alle Mühe und aller Aufwand, die in das Projekt der Volksbewaffnung gesteckt wurden, unnütz vertan, .in dem der gemeine Mann durch einen bloßen Befehl nie dahin gebracht werden würde, die Waffen gegen einen Feind zu ergreifen, dem er im Herzen recht gab, und kein Triebwerk gefunden werden könne, ihn gegen denselben in Flammen zu setzen'.148 Bis zu welchem Grade sich die für die Organisation Verantwortlichen den Massen anpassen mußten, um von ihnen überhaupt gehört und nicht von vornherein verlacht zu werden, zeigt ein Vorgang, von dem der Geheimsekretär Johann Christoph Schwab in den Aufzeichnungen über die Regierung seines Herzogs Ludwig Eugen berichtete: Man hatte einen Stabsoffizier, mit natürlicher Beredsamkeit und popu­ lärem Ton begabt, in das Land ausgeschickt, um für die Miliz Stimmung zu machen. Die Art und Weise allerdings, wie er seine Mission zu einem Erfolg zu führen ge­ dachte, konnte bei den herrschenden Kreisen nur Entsetzen erregen: .Unter der vorigen Regierung seid ihr fünfzig Jahre lang betrogen worden', rief er den jungen Burschen zu. .Herzog Ludwig Eugen hält Wort: er verspricht euch, daß ihr bloß euer Vaterland verteidigen und nicht an den Rhein gehen sollt. Man wird euch also nicht dazu zwingen: und wer will hunderttausend Mann zwingen, wenn sie nicht wollen ?'170 Ein solcher Ton entsprach zwar nicht der Subordination, zu der seine Auftraggeber 1.7 (Pahl, Johann Gottfried), Geheimnisse eines mehr als fünfzigjährigen württembergischen Staatsmannes, o. O. 1799, S. 96. ,M Muß Württemberg sich das Fell über die Ohren abziehen lassen? Oder kann es sich seiner Haut wehren? Schwibertingen 1797, S. 10. 1.8 Pahl, Johann Gottfried, Materialien zur Geschichte des Kriegs in Schwaben im Jahre 1796. Nördlingen 1797/98, S. 103. 1,4 Pfister, Albert, Aus den Tagen. .., a. a. O., S. 168/69. 171 .Die Ausschuß-Mannschaft machte, wie es allgemein bekannt ist, nicht selten große Un­ ordnungen; wurden sie vor die bürgerliche Gerichtsbarkeit gefordert, so beriefen sie sich auf die Freiheiten, die ihnen in der Anstands-Rede versprochen worden, und glaubten sich schon durch Anziehung des Soldaten-Röckchens, wenn sie vor das Amt gefordert wurden, vor aller Strafe gesichert, denn militärische hatten sie nach der im Jahr 1794 gegebenen und schädlicherweise zur allgemeinen Wissenschaft gekommenen Instruktion ohnehin nicht zu befahren.' Unmaßgebliche Gedanken..., a. a. O., S. 9.

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die Miliz erziehen wollten, aber er entsprach durchaus dem Grad des Bewußtseins und Selbstbewußtseins breiter Massen. Mit der Waffe in der Hand wurden sie noch kühner. Die Achtung der lokalen Staatsorgane sank171, ohne daß die Autorität der militärischen Vorgesetzten gewann.172 Die antifeudale Gesinnung, die aus den freundschaftlichen Gefühlen für die Fran­ zosen sprach, äußerte sich konkret in Obergriffen gegen die bestehende Ordnung. .Hier im Württembergischen hat diese Landmiliz schon viel Unordnung gemacht', schrieb Madeiweiß am 12. Juli 1794, jund man hat alle Klugheit nötig, sie in den gehörigen Schranken zu halten. * 173 Wie der Geheimsekretär Schwab bestätigte, nahmen sich di« Milizangehörigen überall mehr als andere Untertanen heraus: .Sie wollten an mehreren Orten in der Kirche nicht mehr bei der Katechisation vorstehen; sie verlangten den Rang von den Magistratspersonen und wollten sie aus ihren Kirchenstühlen verdrängen174; sie glaubten, ihrer Zivilobrigkeit nicht mehr soviel Gehorsam und Respekt wie bisher schuldig zu sein. Besonders hielten sie sich für berechtigt, ihr Gewehr gegen das auf die Felder gehende Wild gebrauchen zu dürfen.'175*Klagen häuften sich auf Klagen sowohl von den Oberforstmeistern und anderen Beamten als auch von Offizieren.173 Der Oberforstmeister im Qberamt Böblingen berichtete am 22. März von Wildereien der Landmiliz aus vier Amtsorten, wobei sogar einem Förster angedroht wurde, ihn kurzerhand über den Haufen zu schießen. Wie wenig er mit diesen Übergriffen fertig wurde, beweist 6eine zwei Monate später geäußerte Bitte um Verhaltungsmaßregeln, .im Fall dieses Übel allem Anschein nach auch in andere Gegenden des gnädigst mir anvertrauten Oberforstes 171 .Die Vorurteile gegen den Militärstand hatten überdies zur Folge, daß auch nicht einmal der vorgesetzte geringe Grad von Bildung bei den einzelnen Teilen dieses Korps erreicht wurde. Vermöge der irrigen Meinung, aus jedem Zaunstecken lasse sich ein Offizier schnitzen, - die Dressierung des gemeinen Manns hätte keine Kenntnisse, weder durch Routine noch Theorie erlangt, nötig, - ein elendes Exerzier-Reglement wäre der Inhalt, die Kunst, das Gewehr zu präsentieren, der höchste Zielpunkt alles Wissens des Subalternen, wurden Leute zu Offiziers gemacht, die heute, da sie ihr Patent erhielten, noch ebensoviel wußten als der Bauembursch, den sie morgen dressieren sollten. Diese Herren, denen mehr oder weniger Respekt gebührt, wann sie, mit der Feder hinter dem Ohr, vor ihrem Corpore Juris oder dem Rechenfilz sitzen, erschienen dann, ihrer Unkunde in dem neu angetretenen Fach bewußt mit saurem Gesicht in dem Felde des Mars: ihre Verlegenheit ihr auffallend ungeschicktes Benehmen, ihr Mangel an Erklärungskenntnissen, ihr exmilitärisches Air benahm ihren Untergebenen allen Respekt sie wurden bei den jungen mutwilligen Burschen zum Gelächter, dem sie auch durch den Stock als dem einzigen Mittel, wodurch sie ihren Beruf zur Befehlshaberwürde hätten erweislich machen können, keinen Einhalt tun konnten, weil ihnen der Gebrauch desselben mit Recht untersagt war: die übrigen Strafmittel aber, die sie in Händen hatten, konnten nicht wirksam sein, weil sie nicht schnell genug erfolgten, indem die Justiz zwischen den Landmiliz-Offizieren und der Zivil-Obrigkeit geteilt war.' Darstellung des gegenwärtigen Zustands der württembergischen Landmiliz. Nebst Vor­ schlägen zur Einrichtung eines Militär-Etats, welcher sowohl dem politischen Ansehen des Herzogtums als auch seinen Finanzen angemessen ist. o. O. 1796, S. 8/9. 174 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 24. 1,4 Vgl. HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 201, Nr. 7 und 15. »’s Pfister, Albert, Aus den Tagen..., a. a. O-, S. 167. VgL auch: Unmaßgebliche Gedanken..., a. a. O„ S. 6/7. 174 Pfister, Albert, Aus den Tagen..., a. a. O., S. 168.

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sich verbreiten würde,..177 Im August sollte ein Kommando von 30 Husaren Ab­ hilfe schaffen, nachdem Landmiliz gemeinsam mit der anderen Bevölkerung den Wildzaun niedergerissen hatte178; aber im Dezember war bereits erneut von Forst­ exzessen im Böblinger Oberamt die Rede.179*Der Oberforstmeister am Stromberg meldete am 12. Juni, nachdem er eine Woche zuvor über die allgemein verbreitete Wilderei geklagt hatte, daß die Landmiliz nun bereits Treibjagden veranstaltete.189 .Seitdem die Landmiliz aufgestellt ist, hört man nichts mehreres, als daß dieselbe fast täglich in Städten und Dörfern herumspaziert, schießt, auch auf das Feld mit Gewehr läuft und Jagd auf Hasen macht', hieß es in dem Bericht des Tübinger Oberforstmeisters vom 24. Mai. Einer dieser Gesetzesverletzer aus dem Orte Hagel­ loch erklärte ihm kühn, daß er die Tauben von den Hanf- und Flachsfeldern weg­ geschossen habe, .weil dem vielen Taubenhalten doch niemand Einhalt tun wolle, so notwendig auch für den Bauersmann dergleichen Produkte seien, ja das erste, was man auf dem Leib haben müsse, ...'181 Andere, die der Oberforstmeister zur Verantwortung ziehen wollte, reagierten auf seine Vorladung überhaupt nicht Die Berichte, die der Oberforstmeister zu Engelberg am 9. Juni einsandte, bewiesen, .dafj die Bürger nicht nur ungesoheut haufenweise aufs Wildem ausgehen, die Hasen und anderes Wildbret totschießen und sich zueignen, sondern auch die Waldungen durch schädliches Holzen, Grasen, Viehweiden und Laubrechen total ruinieren und dabei so gewalttätig und unverschämt sind, daß sie nach den Förstern schießen und daß diese und ihre Subalternen, wenn sie die Leute ob den gröbsten Exzessen an­ treffen, selbigen ruhig und gelassen zusehen müssen,...'182*Oberstleutnant von Wolf äußerte in einer Denkschrift, die er am 17. Juli aus Tübingen an den Herzog sandte, daß dahinter System steckte, daß nämlich .alle Bürger die Landmiliz zu Exzessen aufmuntern, statt sie davon abzuhalten, besonders in Ansehung der Wald- und Wildereiexzesse, die man so zu vervielfältigen sucht daß die Regierung endlich ge­ zwungen werde nachzugeben, um die Sachen nicht auf das Äußerste zu treiben.'188 Er riet Unnachgiebigkeit an, da Nachgiebigkeit 1789 in Frankreich zur Revolution geführt habe. In diesem Sinne drohte dann auch ein Reskript, das am 3. August an alle Oberämter ausging, mit exemplarischen Strafen, ohne jedoch dem Wildern steuern zu können.184 Oberamtmann Kemer, der von Ludwigsburg nach Maulbronn versetzt war und sich sehr um die Entwicklung der Miliz bemühte, urteilte im September aus der Kenntnis der Vorfälle in seinem neuen Oberamt, daß die Miliz .nicht zur Erhaltung der Ord­ nung, wenigstens nicht ohne Beihilfe des herzoglichen regulären Militärs gebraucht 177 178 n» 188 181 182 188 188

HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 212, Nr. 712. Ebenda, A 214, Nr. 189. Ebenda, A 213, Bund 201, Nr. 15. Ebenda, A 212, Nr. 712. Ebenda. Ebenda. HSA Stuttgart, A 11, Bü. 1. Ebenda, A 10, Bü. 16.

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werden' kann.181 Hochgestellte Offiziere, wie der Generalmajor Nicolai, hatten schon viel früher diese Erkenntnis gewonnen; sogar Georg Kemer gegenüber, der im Herbst 1794 als inoffizieller Unterhändler Frankreichs auftauchte, hielt Nicolai mit seinem Urteil nicht zurück: .Er erhob bittere Klagen über die Unzulänglichkeit der Nationalmiliz, über ihre Disziplinlosigkeit, über ihre geringe Bereitwilligkeit und das geringe Vertrauen, das sie verdient. * 186 Oberstleutnant Geppert vom Tiroler Scharfschützenkorps bereiste 1795 im Auftrage des Wiener Hofkriegsrats Schwaben und das Rheingebiet, um sich vom Zustande der Volksbewaffnung zu überzeugen. Er mußte feststellen, daß der Herzog von Württemberg keineswegs Herr der Miliz war, und riet davon ab, die Einrichtung weiter zu forcieren.187 In Württemberg bedurfte es dieses Ratschlages schon gar nicht mehr. Wie der fran­ zösische Gesandte in Basel, Barthélemy, dem Wohlfahrtsausschuß am 22. November 1794 mitteilte, verfolgte der Herzog den Plan, die Miliz zu entwaffnen und dafür durch Zwangsaushebung die regulären Truppen um 6000 bis 8000 Mann zu ver­ mehren, was allerdings auf den heftigsten Widerstand der Landschaft stieß.188 Nur um das Gesicht zu wahren, wurde die Miliz nicht offiziell aufgelöst. Johann Gottfried Pahl sagte: .Man trieb die Übungen der Landmiliz nur noch ehrenhalber fort.188 Mit dem Zusammenbruch der Volksbewaffnungspläne Württembergs, des ersten und bedeutendsten schwäbischen Kreisstandes, zerfielen naturgemäß auch die Pläne des Kreises insgesamt. Schon der Beschluß vom 12. Februar 1794 hatte keine bemerkenswerte Aktivität in dieser Richtung hervorgebracht, wenn Württemberg und Baden ausgenommen werden, die unabhängig davon eigene Projekte aufgestellt hatten. Hohenzollem-Hechingen meldete dem schwäbischen Kreisausschreibamt vielmehr, daß es bei seiner zu Unruhen und Empörungen geneigten Bevölkerung den Beschluß vorerst nicht auszuführen wagte.188 Bayern hatte es bei bloßen Ent­ würfen für eine Volksbewaffnung bewenden lassen. In einem Gespräche mit dem preußischen Geschäftsträger Schulz im Februar 1794 äußerte der bayerische Staats­ minister von Vieregg, daß man aus denselben Gründen in Bayern nichts und nur in der Pfalz auf Druck der Nachbarn und des Kaisers einiges, wenn auch ungern und in Grenzen, unternommen habe. Bei günstiger Gelegenheit sollten auch die dort getroffenen Maßnahmen wieder rückgängig gemacht werden.181 Dieser Haltung entsprachen die im Stile delphischer Orakel abgefaßten Anweisungen an die im schwäbischen Kreise gelegenen bayerischen Exklaven Mindelheim und Wiesensteig : Auf ihre Anfrage vom 14. April 1794, wie sie sich zum Beschluß des Kreises ver­ halten sollten, wurde ihnen zu reflektieren geboten, .daß Unsere Untertanen nicht 188 Pfister, Albert, Der Milizgedanke..., a. a. O., S. 39. 1M .O fit des plaintes amères sur l'insuffisance de la milice nationale, sur son indiscipline, sur son peu de volonté, sur le peu de confiance qu'elle mérite.' Wohlurill, Adolf, Georg Kemer. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Französischen Revolution. Hamburg u. Leipzig 1886, S. 164/65. 187 Heini, Otto, a. a. O„ S. 59. 188 Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 447. 188 (Pahl, Johann Gottfried), Geheimnisse..., a. a. O., S. 99. 180 Politische CorreSpondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 125 Anm. 2. 181 Wendland, Wilhelm, a. a. O., S. 161.

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über ihre Kräfte überspannt und das Land, statt die Gefahr des Verderbens von sich abzuwenden, durch solche außerordentlichen Aufgebote nicht in das Verderben gebracht werde . * 192 Die Auslegung dieses Bescheides konnte nur negativ sein. Wo ernsthafte Anstrengungen gemacht wurden, gab es auch die bekannten ernsthaften Schwierigkeiten. Madeweiß berichtete am 19. Juli 1794: »So hat z. B. die Reichsstadt Schwäbisch-Hall den Herzog (von Württemberg - H. S.) ersucht, ihr ein Kommando zu schicken, das auch wirklich abzugehen den Befehl bereits erhalten, um ihre Untertanen zu zwingen, sich bei der Landmiliz einschreiben zu lassen.'183 Ein zum 4. September 1794 erneut einberufener Kneiskonvent setzte die Frage der Volksbewaffnung wieder auf die Tagesordnung. Sumerau machte sich allein schon wegen der damit verbundenen finanziellen Belastung keine ülussionen mehr über den Beitrag, den die kleineren schwäbischen Stände leisten würden: »Sie kommen kaum mit dem Ihrigen aus; durch üble Wirtschaft und übertriebene Pracht und Verschwendung sind die Stände selbst Geld und Kredit los, und ihre Untertanen sind durch überspannte Abgaben erschöpft, weil die Auslagen . .. nebst anderen Beutelschneidereien nur auf die Untertanen verlegt wenden und nur selten ein gut denkendes Dominium zu finden ist, das durch Übemehmung eines Teils dieser Aus­ lagen seine Untertanen erleichtert.'184 Zwar bestätigte dieser Kreistag nochmals die Aufstellung der Landmiliz, aber Madeweiß, der darüber am 8. November 1794 berichtete, bezweifelte mit vollem Recht die Realisierbarkeit des Beschlusses, .indem die mehrsten und hauptsächlich die geistlichen Stände zu erkennen gegeben haben, daß die. Exzesse der württembergischen Landmiliz sie abschreckten, ihren Unter­ tanen Waffen in die Hände zu geben. Wahr ist es, daß die württembergische Land­ miliz unendlich viel Exzesse gemacht hat und noch macht und daß alle Augenblick reguläres Militär marschieren muß, um sie wieder in Ordnung zu bringen und im Zaum zu halten.' 18S Der als Inspekteur Anfang 1795 ausgeschickte Oberstleutnant von Geppert kam dann schließlich auch zu der Überzeugung, daß man von weiteren Bemühungen ablassen sollte, zumal »in der Tat die Gemüter in mehreren Gegenden von Schwaben gar nicht am besten gestimmt sind'.188 Die Zusage des Kreiskonvents, daß jeder Stand trotz Überforderung der Kräfte sehen würde, was er in der Frage der Volksbewaffnung noch zu leisten vermochte, bewertete er richtig als eine glatte Absage. Madeweiß konstatierte in seinem Bericht vom 17. März 1795: .Aus dieser dem von Geppert gegebenen Antwort des Kreiskonvents erhellt ganz deutlich, daß es mit der schwäbischen Kreislandmiliz, wovon im vorigen Jahr so viel Aufhebens gemacht ward, gänzlich ein Ende hat und daß sie, wenn ich so sagen darf, in der Geburt erstickt ist.'187 >" 1M ,M 1K 1,4

HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 275. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 28. Heini, Otto, a. a. O., S. 56. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 43. Heini, Otto, a. a. O., S. 59. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 2, Bl. 62.

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n. Widerstand gegen den Interventionskrieg

Bemerkenswerte Anstrengungen in der Volksbewaffnung wurden sonst in Süd­ deutschland nur noch im Fränkischen unternommen. Der fränkische Kreisschluß vom 18. Januar 1794 war durch Stimmenmehrheit zustande gekommen, nur wog diese Mehrheit an politischer Bedeutung weniger als die Minderheit Ansbach-Bay­ reuth und damit Preußen sprachen sich von vornherein energisch dagegen aus. Hardenberg lehnte eine solche Maßnahme prinzipiell ab. Am 10. Januar schrieb er nach Berlin: .Wenn man auch darauf rechnen kann, daß in Euer königlichen Majestät fränkischen Fürstentümern diese Bewaffnung von den Untertanen nicht gemißbraucht werden würde, so könnte dieses wohl bei anderen, zumal wo schon längst Unzufriedenheit, Streit mit dem Landesherrn und Widersetzlichkeit geherrscht hat, der Fall nicht sein. Den Feind würde man vielleicht vertreiben helfen, nachher aber im Gefühl der Kraft Forderungen durchsetzen wollen, die man bis itzt ver­ geblich machte. Dieses würde dann in solchen Staaten, wo kein Militär ist, äußerst gefährlich werden . . . Wer kann die Folgen berechnen?'196 Bemerkenswert ist die Weitsicht dieser Stellungnahme; Hardenberg fürchtete weniger die unmittelbaren Gefahren, aber er trug um so größere Bedenken gegenüber den mittelbaren Folgen. Preußen hatte daneben noch andere Gründe, dem Plan der Volksbewaffnung zu widersprechen. Finanziell völlig erschöpft, hatte es Ende 1793 mitgeteilt, daß es außerstande wäre, die Kosten für den Feldzug 1794 zu tragen. Da Österreich weder helfen wollte noch konnte, machte Preußen den Vorschlag, die Verpflegung seiner Truppen dem Reiche aufzubürden. Das Projekt der Volksbewaffnung jedoch be­ lastete die Stände mit neuen Ausgaben, so daß der preußische Antrag keine reelle Chance mehr besaß. Darum wurden auch die preußischen Geschäftsträger bei den vorderen Reichskreisen am 22. Januar 1794 angewiesen, allen Volksbewaffnungs­ absichten entgegenzutreten und bereits gefaßte Beschlüsse in dieser Richtung zu hintertreiben.194 Aus demselben Grunde bekämpfte der kurbrandenburgische Ver­ treter beim Reichstage, Graf von Goertz, auch das kaiserliche Kommissionsdekret vom 20. Januar 1794 mit größter Heftigkeit Er wurde am 31. Januar von Berlin angewiesen, vor dem Reichstage die Erklärung abzugeben, .daß nämlich, wenn die Volksbewaffnung stattfinden oder die Reichsverpflegung unserer Truppen nicht bewilligt werden sollte. Wir unfehlbar Unsere Armee in Unsere Staaten zurückziehen und das Reich dem Kaiser und sich selber überlassen würden . * 400 Darüber hinaus sabotierte Preußen auch direkt die Volksbewaffnung im fränkischen Kreis: Die fränkische Reichsritterschaft wollte dem Kreisbeschluß nachkommen und forderte von ihren Untertanen eine Charitativ- und Rekrutensteuer, um damit die Kosten des Aufgebots zu bestreiten. Darauf untersagten die ansbach-bayreuthischen Behör­ den den ritterschaftlichen Untertanen, soweit sie mittelbar auch dem preußischen König unterstanden, prompt die Zahlung der Steuer; wer sie bereits entrichtet hatte, sollte bis zur Rückerstattung die herrschaftlichen Gefälle verweigern.201 1,8 DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 10 a. Bd. 1, Bl. 64/65. 1M Wendland, Wilhelm, a. a. O., S. 133. DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 10 a, Bd. 1, Bl. 175. K1 Süssheim. Karl, a. a. O„ S. 142.

II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

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Preußen stand mit seiner ablehnenden Haltung nicht allein. Berichte, die in Regens­ burg über die negativen Erfahrungen Württembergs einliefen, verstärkten die Bedenken auch bei anderen fränkischen Reichsständen.802 Einzig im Fürstbistum Würzburg machte die Volksbewaffnung einige Fortschritte. In anderen Territorien fehlte es an Bemühungen der Behörden wie an Bereitschaft der Massen. Die zur Grafschaft Henneberg gehörige Oberaufsicht zu Schleusingen berichtete am 27. Mai 1794, .daß es da noch am warmen Eifer und altdeutschem Mute mangele. Die Absicht des Reichen und Wohlhabenden sei mehr auf Flüchten als auf Verteidigen gerichtet, und der Mittelmann und Ärmere glaube, nicht viel oder gar nichts ver­ lieren zu können. Letztere Klasse, die die zahlreichste sei, verlange daher auch, daß bei allgemeinen Verteidigungsanstalten die von Adel und die Wohlhabenden, für welche die Gefahr größer sei, gleich den Bauern sich mitrüsten und fechten. * 203 In Hohenlohe gab man alle Bemühungen auf, als die Untertanen trotz der Versiche­ rung, daß sie keine Soldaten werden sollten, ihre Registrierung verweigerten und auch zu den angesetzten Übungen nicht erschienen.204 Das Urteil, das der bayerische Vertreter im Kreiskonvent, Gravenreuth, bereits am 10. April 1794 über die Volks­ bewaffnung in Franken fällte, hatte durchaus endgültigen Wert. Er teilte seinem Kurfürsten mit, daß sie .mit Ausnahme von Würzburg soviel als nichts bedeutet und auch wahrscheinlich in dieser Unbedeutenheit verharren wird, da einesteils die mehrsten Stände gar keine Anstalten zur Volksbewaffnung machen und Preußen andemteils . . . alle mögliche Hindernisse in den Weg legt'.208 Dieser Widerstand bewirkte schließlich, daß der Reichstag in seinem Gutachten vom 5. Mai die Volks­ bewaffnung nicht für verbindlich erklärte, sondern sie dem .Ermessen patriotischer Landesherren' überließ.208 Der Volksbewaffnungsgedanke gegen die Französische Revolution hatte elendiglich Schiftbruch erlitten. Der Aufruf des österreichischen Oberbefehlshabers, des Prinzen von Koburg, vom 30. Juli 1794 an die deutsche Nation, worin insbesondere die Bewohner des Rhein- und Mosellandes zur Bewaffnung aufgefordert wurden, blieb ohne jeden greifbaren Erfolg. Im Gegenteil: selbst Wendland, der entgegen der historischen Wahrheit das geplante allgemeine Aufgebot volkstümlich nennt, muß 301 Der sächsische Kurfürst z. B„ durch seine Grafschaft Henneberg fränkischer Kreisstand, entschied am 10. März 1794, .daß ein allgemeines Aufgebot des Landvolks zu Errichtung des abgezielten Endzwecks keineswegs hinlänglich und in manchen Rücksichten bedenklich sein wüTde, ob man gleich die Bewaffnung der Grenzbewohner, welche in einigen vor­ liegenden Landen mit behöriger Vorsicht veranstaltet worden, besonders gegen streifende feindliche Parteien nicht für zweckwidrig und unnützlich ansehen könne.” LHA Dresden, Loc. 5127, Das wegen des Krieges mit Frankreich in Antrag gebrachte allgemeine Aufgebot der fränkischen Kreisuntertanen samt anderen dahingehörigen Maßregeln betr. 1794, Bd.l, Bl. 110. 1(13 LHA Dresden, Loc. 5127, Das wegen des Krieges mit Frankreich in Antrag gebrachte allgemeine Aufgebot der fränkischen Kreisuntertanen samt andern dahingehörigen Maß­ regeln betr. 1794, Bd. 1, Bl. 198. 304 Fischer, Wolfram, a. a. O„ S. 353/54. !M HSA München, Abt. Geheimes Staatsarchiv, K. schw. 476, Nr. 13. “* Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 118.

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U. Widerstand gegen den Interventionskrieg

zugeben: .Statt der erhofften erhebenden Wirkung erntete er nur Spott und offen gehässigen Widerspruch.' 207 Als ein Beispiel kann die fünfzehnseitige, im August gedruckte .Erklärung des vom Herrn Prinzen von Koburg den 30. Julius 1794 ergan­ genen Aufrufs' gelten. Wahrscheinlich hat die Schrift ihren Ausgang vom Rhein­ land genommen, aber sie fand dann sehr schnell ihren Weg bis in weit vom Rhein entfernte Gebiete Süddeutschlands. Graf Soden, der ansbach-bayreuthische Vertreter beim fränkischen Kreiskonvent, hatte sie in Nürnberg in die Hand bekommen und bezeichnete sie in seinem Bericht vom 12. September als ein »vom hiesigen Pöbel gierigst aufgenommenes aufrührerisches Pamphlet,...' 208 Die Schrift geht mit den 261 Wendland, Wilhelm, a. a. O„ S. 216. Wendlands Arbeit, um die Jahrhundertwende er­ schienen, ist ein eindeutiger Beitrag der bürgerlichen Historiographie zur ideologischen Ver­ teidigung der militaristischen und imperialistischen Politik des damaligen Deutschlands, die auf eine Neuaufteilung der Welt hinauslief. Seine Zielsetzung verrät Wendland bereits im ersten Satz: .Zu allen Zeiten ist es die Pflicht des wehrhaften freien Deutschen gewesen, für die Sicherung seiner Heimat in eigener Person bewaffnet einzutreten.' (S. 1.) Mit dieser Phrase haben Großbourgeoisie und Junker den ersten Weltkrieg vorbereitet, und Wendland bemüht die Geschichte, um die Phrase glaubwürdiger zu machen. Der unwissenschaftliche, den Klassenstandpunkt negierende Ausgangsort und die apologetische Absicht können nichts anderes als eine unwissenschaftliche, die historische Wahrheit verfälschende Darstellung zum Ergebnis haben: .Nicht künstlich erregt', behauptet Wendland, »sondern der Not und dem Wunsche aller entsprungen, ergreift der Volksbewaffnungsgedanke je länger, desto weitere Kreise. Es ist eine unwiderstehliche, tiefgehende zukunftsreiche Bewegung.' (S. 142.) Um diese Behauptung aufrechterhalten zu können, beschränkt sich Wendland vornehmlich auf die Darlegung der von den Vertretern der herrschenden Klasse entworfenen Volks­ bewaffnungspläne, vermeidet jede wirkliche Untersuchung des Verhaltens der Volksmassen und macht sich der gröbsten Unterschlagungen schuldig. Wendland weiß z. B. genau, wie wenig die Bevölkerung Württembergs zum Kampf gegen die Franzosen gewillt war, aber diese historische Tatsache verkriecht sich bei Wendland in die euphemistische Formulierung: .Die schwäbische Landmiliz wollte trotz aller Bemühungen Louis Eugens nicht zustande kommen.' (S. 212.) Wendland weiß ebenso genau, daß im bayerischen Reichskreis kein Finger gerührt wurde,- Wendland hilft sich dadurch, daß er diesen Kreis unerwähnt läßt und dafür Karl Theodors Bemühungen um die Volksbewaffnung in der Kurpfalz in den Himmel hebt. (S. 122, 162/63.) Da es ihm an dieser Stelle darum geht, Ranke zu widerlegen, der mit Recht die vom bayerischen Minister Vieregg geäußerte Abneigung gegenüber der Volksbewaffnung ernst nimmt, erfährt man hier sogar ausnahmsweise einmal etwas über Widerstände im Volke; ihre Unterdrückung wird als Beweis der Treue deT bayerischen Regierung zum Volksbewaffnungsgedanken gewertet. Völlig unverständlich bleibt in der Darstellung Wendlands, wie diese .unwiderstehliche' Bewegung so elend im Sande verlaufen konnte. Wendland sucht die entscheidende Ursache im preußischen Verpflegungsantrag. (S. 107.) Aber dann wiederum beweist er seitenlang, daß dieser Antrag weder in Wien noch im Reiche die geringsten Chancen besaß und daß auch die preußische Drohung, seine Trup­ pen abzuziehen, nicht wirkte. .Man wußte in Wien, daß man das Reich hinter sich habe und daß man mit dessen Hilfe die Preußen so lange werde hinhalten können, daß unterdessen die Aufstellung der Reichsarmee und die Durchführung der Volksbewaffnung bewerk­ stelligt werden konnte.' (S. 159.) So muß dann schließlich das Reichsgutachten vom 5. Mai 1794 herhalten, das die Volksbewaffnung als nicht verbindlich für alle Stände erklärte. (S. 177/78.) Wie ein solcher Beschluß die .der Not und dem Wunsche aller' entsprungene Bewegung daran hindern sollte, wenigstens in Süddeutschland eine »unwiderstehliche * zu werden, bleibt Wendlands Geheimnis. 208 DZA Merseburg, Rep. 44 C, Auswärtiges Departement, Nr. 670.

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verlogenen Deklamationen des Prinzen radikal zu Gericht: Der Krieg der Fürsten ist nicht der Krieg des Volkes. Schon die Anrede des fürstlichen Aufrufs, die die Bauern und Bürger als Brüder und Freunde bezeichnet, ist pure Heuchelei. .Wo ist je ein Beispiel, daß sich ein deutscher Fürst so herabgelassen, Bürger und Bauern Brüder und Freunde zu nennen?'209 Ironisch wird vom Verfasser der Schluß gezo­ gen, daß der Aufruf lediglich an Adel und Fürsten, nicht aber an das Volk gerichtet sein kann. Der Autor bedauert, daß diese Tatsache in der Erklärung des Koburg nicht deutlich genug wird, und schlägt darum eine Neufassung des Aufrufs vor: .Er könnte und sollte also lauten: Deutsche, fürstliche und adlige Freunde und Brüderl' Die nun folgende Travestie des ursprünglichen Aufrufs ist eine schonungslose Entlarvung der volksfeindlichen Ziele, die in diesem Kriege von der herrschenden Klasse verfolgt wurden.219 Das Volk kann an diesem Kriege nicht interessiert sein: .Und im schlimmsten Fall, die Franzosen kämen, eroberten unser Land, und wir würden mit ihnen vereinigt: - Wir würden alsdann an die Stelle der fürstlichen Souveränität die unsrige setzen, Sklaverei mit Freiheit vertauschen und künftig freier und glücklicher leben.' 211 Die aus dieser Erkenntnis sich logisch ergebende Konsequenz wurde allerdings noch nicht in vollem Umfange gezogen. Wie schon die genannte Flugschrift .Wiederholter Aufruf an die deutsche Nation' konzentrierte sich auch diese Schrift auf die Friedensforderung: Sofortiger Friede mit Frankreich bei gegenseitigem Verzicht auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten und auf alle überspannten Ansprüche. Wenn auch den Franzosen Bedingungen in all­ gemeinster Form gestellt wurden, so richtete sich die Spitze doch eindeutig gegen die eigene herrschende Klasse. Um den Frieden zu erreichen, war Gewalt gegen die nötig, die ihm entgegenstanden, die deutschen Fürsten. Ein Massenaufgebot hatte nur dann Sinn, wenn es gegen diese Peiniger des Volkes zielte: .Wir müssen uns, noch ehe uns unsere Kräfte ganz entzogen werden, alle bewaffnen und so bewaffnet zu unseren Fürsten sagen: Macht Friedel!I Es koste auch, was es wollet Im Wei­ gerungsfall tun wir es ohne euer Zutun und sagen zu den Franzosen: Brüder, wir wollen Freunde und gute Nachbarn von euch sein, wollen uns in eure Regierung, in eure Ökonomie ... nicht mischen . .. Wir wissen zwar gar wohl, daß euch unsere Fürsten ungerechterweise anfielen. Ihr seid aber zu gerecht, als daß wir die Strafe unserer Fürsten tragen sollen. Wollt ihr aber eure Forderungen zu hoch spannen und das Blutvergießen dem Frieden vorziehen, so wißt, daß unser deutscher Mut und unsere Standhaftigkeit imstande sein werden, euren Siegen einen starken, ja unüberwindlichen Damm vorzusetzen;. .. Sollten aber unsere Fürsten schief zu diesem Vertrage sehen, so wollen wir auch mit ihnen schon fertig werden,- ihre Soldaten sind unsere Söhne. Unsere Freiheit, unser Glück ist das Glück ihrer Sol­ daten.' 212 CM Erklärung des vom Herrn Prinzen von Koburg ... ergangenen Aufrufs..., a. a. O., S. 3. 110 Ebenda, S. 8 ff. Ebenda, S. 6. “» Ebenda, S. 14/15.

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II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

In vielem gleicht diesem Pamphlet ein Artikel, der im zweiten Stück des .Neuen grauen Ungeheuers' 1795 unter dem Titel erschien: .Stimme eines deutschen Bür­ gers bei Gelegenheit des Kurmainzl. Friedensantrags.'213 Auch hier wurde vom Aufruf des Koburgers gesagt, daß er an die falsche Adresse gerichtet sei: .Man kann sich des Lachens, aber auch des Abscheus vor politischen Verdrehungen und Sophistereien nicht enthalten, wenn man die Proklamation in ihre Bestandteile auf­ löst, die der Prinz von Koburg bei einem von den hundert meisterhaften Rückzügen dieses Krieges erließ. Wenn diese Proklamation nicht bloß an die Geistlichkeit, den Adel und die Fürsten gerichtet sein soll, so hat sie durchaus keinen Sinn. Nur diese können allenfalls aufgefordert werden, ihre güldenen und silbernen Gefäße und ihr Blut zur Verteidigung des Kaisers - nicht doch, des Adels, der müßigen Pfaffen­ stifter, der Fronen, der Leibeigenschaft, des Preßzwangs - herzugeben, denn sie sind die einzigen, die dabei gewinnen.'216 Auch hier wurde nicht die Losung aus­ gegeben, sich an die Seite der französischen Armeen zu stellen und mit ihrer star­ ken Hilfe das feudale Joch abzuwerfen: .Aber Friedel Friedel Friede um jeden Preis sei die Losung aller Deutschen, die es mit ihrem Vaterlande gut meinen. Erklärt laut, deutsche Bürgeri daß ihr weder eure Hände noch euer Geld weiter zu diesem ab­ scheulichen Kriege geben wollt. Verlaßt im Notfall eure Fahnen I Hier ist es Ehre, ist es Menschlichkeit, sie zu verlassen, und Schande, ihnen zu folgen! Werft eure Feldzeichen, eure Verdienstmedaillen vor die Füße eurer Treiber und erklärt laut, daß der ein Verräter seines Vaterlandes sei, der diese schandbaren Zeichen einer Mörderverschwörung länger tragen will! Tod über den, der sie je wieder aufnehmen will, diese Waffen der Unehre I'215 Im übrigen analysierte der Verfasser des Artikels den Charakter des Krieges gründ­ licher als jenes Pamphlet und ging auch in seiner Zielsetzung darüber hinaus. Die im Zusammenhang mit dem kurmainzischen Friedensantrag aufgestellte Behaup­ tung, daß man den Krieg nicht um Eroberungen und um der Einmischung in Frank­ reichs innere Angelegenheiten willen geführt habe, widerlegte er durch Hinweise auf offizielle Verlautbarungen aus früherer Zeit und verglich die Reichsstände mit Sündern, .welche die Sünde, d. h. die Macht zu sündigen, verlassen habe und welche also die Sünde nun auch notgedrungen verlassen müssen'.216 Der Verfasser stellte mit Nachdruck fest, daß erstens .der Krieg ein ungerechter und wider alle Billigkeit und Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Erfolges angefangener Krieg ist'217; daß zweitens .wir deutschen Bürger bei diesem Kriege nie etwas gewinnen - aber wohl gar viel verlieren können'.216 Die Reichsverfassung, die Religion und die deutschen Reichsländer, die zu erhalten von bezahlten Schreibern immer wieder aufgerufen wurde, bezeichnete er ironisch als kostbare Dinge, .die uns ungeweihten Sterblichen n* .Neues graues Ungeheuer. Herausgegeben von einem Freunde der Menschheit', 2. Stück, S. 46 ff., 1795. Ebenda, S. 58/59. 211 Ebenda, S. 64/65. »“ Ebenda, S. 47. 117 Ebenda, S. 51. “• Ebenda, S. 57.

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aber nicht viel mehr zu sein dünken als die diamantenen Schlösser in Feen­ märchen, ..210 Der Verfasser hielt es für möglich, dag Frankreich die links­ rheinischen Eroberungen zurückgeben könnte, wenn man in diesen Gebieten eine der französischen ähnliche Verfassung einführte. Aber selbst wenn Frankreich auf der Rheingrenze bestehen sollte, hätte es Gründe und Recht für sich.220 Die in der .Erklärung des Herrn Prinzen von Koburg den 30. Julius 1794 ergangenen Aufrufs * an die Franzosen gerichtete Warnung, ihre Forderungen nicht zu hoch zu spannen, fehlte also hier. Gemeinsam war wiederum beiden Autoren die Hoffnung, auch ohne gründliche Umwälzung und mit den Fürsten den Frieden und eine Besserung der Verhältnisse zu erlangen. In dem Artikel wird das sehr deutlich gesagt, aber gleich­ zeitig auch als eine bloge Zwischenlösung gekennzeichnet: .Eine plötzliche Auf­ lösung unserer Verfassung würde zu schrecklich für uns sein. Mag allmählich eine bessere gebaut werden, und dann werden die alten Ruinen von selbst in Staub zer­ fallen I Deutschlands Bewohner sind im ganzen noch nicht reif genug zu einer republikanischen Verfassung. Ein kleinlichtes Interesse trennt die einzelnen Länder des Reichs, trennt in diesen Ländern wieder die einzelnen Menschen voneinan­ der.'221 Die prinzipiell republikanische Gesinnung fand hier stärkeren Ausdruck als in jenem Pamphlet; dem entsprach auch eine Ausweitung des Ziels der Volks­ bewegung über den sofortigen Friedensschlug hinaus: .Wenn ich oben die deut­ schen Bürger aufforderte, nach geschlossenem Frieden wieder ruhig zu ihren Hütten zurückzukehren, so konnte ich der Natur der Sache nach keineswegs unbedingte Unterwerfung unter die vorige Tyrannei darunter verstehen, die ohnedem nicht lange dauern würde, da die Deutschen sie schwerlich mehr ein Jahrhundert ruhig ertragen würden. Bei dem Frieden mug zugleich aller Rebellion, aber auch allem Druck und aller absichtlichen Hinderung der Bildung des Volks vorgebaut werden. Daher würde billig dabei Bedacht zu nehmen sein auf 1. unbeschränkte Preg- und Lehrfreiheit, 2. bessere Justizpflege, 3. Aufhebung der unnützen geistlichen Stifter und des überflüssigen Hofprunks, 4. Aufhebung der unbilligen Vorrechte des Adels, 5. Wiederherstellung der Landstände in ihre eigentliche Bestimmung, 6. Reduzierung der stehenden Armeen auf eine kleine Anzahl Soldaten durch all­ gemeine Konventionen, dag keine Macht pin gewisses bestimmtes Verhältnis zur Volksmenge überschreiten wolle.' 222 Der Artikel schlog mit drohenden Warnungen an die deutschen Fürsten, die Zeichen der Zeit zu beachten und auch die Stimme eines deutschen Bürgers nicht gering anzuschlagen: .Spreche ich stark, kühn, frei, so kommt es daher, weil ich überzeugt bin, dag ich wahr rede, weil ich gewig bin, dag die Majorität in Deutschland so denkt und auch so spricht, wo sie vor euren Schergen sicher ist. * 228 Das Verhalten Ebenda, S. =» Ebenda, S. m Ebenda, S. Ebenda, S. “ Ebenda, S.

59. 65/66. 63/64. 72/73. 75/76.

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der Volksmassen zu den Versuchen der herrschenden Klasse, ein allgemeines Auf­ gebot zustande zu bringen, bestätigte diese stolze Gewißheit. Der französische Nachrichtendienst war über das Schicksal der Volksbewaffnungs­ pläne genau informiert. Während der junge Metternich im August 1794 noch eine Denkschrift entwarf, die in der herrschenden Klasse alle Bedenken gegen die Anwendung solcher revolutionären Mittel zerstreuen sollte224, konnte Bacher be­ reits im selben Monat mit Bestimmtheit nach Paris melden: »Das Massenaufgebot, womit der Kaiser die französische Republik hat bedrohen wollen, ist eine Chi­ märe.' 225 Es war eine Chimäre in jeder Hinsicht. Die großen Pläne zerrannen, und das wenige, was man da und dort mit Mühe realisierte, hatte keinerlei militärischen Kampfwert. Beides hing ursächlich miteinander zusammen. So wenig die feudale herrschende Klasse entgegen den Interessen der Massen ein Volksaufgbot zustande bringen konnte, so wenig war sie auch fähig, moderne Kampfmethoden zu ent­ wickeln. Was zeitgenössische Kritiker darüber in bezug auf Württemberg fest­ stellten, gilt für andere Territorien ebenso. Der anonyme Autor der »Darstellung des gegenwärtigen Zustands der württembergischen Landmiliz * sagte von den Organisatoren der Volksbewaffnung, »daß sie in diejenigen militärischen Kennt­ nisse - welche die Organisation eines Heeres zum Vorwurf haben, das nur um weniges mehr leisten soll als eine Irokesenhorde - keine größere Einsicht haben als der Maulwurf in das kopernikanische System'.226 »Was sind im Grunde die Land­ milizen heutzutage?' fragte ein württembergischer Offizier und gab die Antwort: »Schwerfällige Maschinenüberbleibsel der älteren Landesverteidigung. Sie stehen in Parallele mit unserem alten Geschütz und unserer alten Waffen- und Kriegs­ rüstung, deren Andenken noch in den alten Zeughäusern, so wie jenes der Landmiliz in den vermodernden Chroniken verehrt wird,...' 227 Als 1796 der Ernstfall eintrat, zerstoben die letzten Illusionen. Der warnende Artikel »Über das Selbstbewaffnen der deutschen Untertanen in Schwaben und am Rhein”, der noch nach dem Rheinübergang Jourdans und Moreaus in der von Reb­ mann in Paris herausgegebenen .Schildwache' erschien, bekämpfte einen Plan, der faktisch um diese Zeit bereits aufgegeben war. Abscheu und Fluch der Welt und Nachwelt verdienten die Fürsten, die .einen guten Teil aller ihrer Untertanen auf­ opfern und ihr Blut Hießen lassen wollen, um einen Feind, den der Wahnsinn und der Frevel der Angreifer herbeilockte, dadurch auf einige Tage aufzuhalten.'226 a4 Ober die Notwendigkeit einer allgemeinen Bewaffnung des Volkes an den Grenzen Frank­ reichs. Von einem Freunde der allgemeinen Ruhe. August 1794. In: Aus Metternichs nach­ gelassenen Papieren. Herausgegeben von dem Sohne des Staatskanzlers Fürsten Richard Mettemich-Winneburg. Wien 1880, Bd. 1, S. 340 S. m .La levée en masse dont l'Empereur avait voulu menacer la République française est une chimère.' Papiers de Barthélemy..., a. a. O-, Bd. 4, S. 234. 08 Darstellung des gegenwärtigen Zustands..a. a. O., S. 5. m (Vaznbühler, Ferdinand Friedrich Gottlob von), Auszüge aus Briefen über deutsche Staats­ sachen, betreffend die Organisation eines vaterländischen Militärs. Württembergs Freunden gewidmet, o. O. 1797, S. 9/10. 118 .Die Schildwache', Bd. 1, 2. Stück, S. 57, 1796.

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Aber nicht nur die militärische Sinnlosigkeit macht ein solches Unternehmen zum Verbrechen. Ein Verbrechen ist es, den armen Landmann in einen Krieg mit allen seinen Folgen miteinzubeziehen, dessen Ziele seinen Interessen entgegengesetzt sind. «Fluch dem grausamen Spötter, der das leere Wort deutsche Fieiheit noch auszusprechen wagt I - * 229 Der Krieg gegen Frankreich selbst ist ein Verbrechen: «Die Franken sehnen sich nach dem Frieden. Sie freuen sich über ihre zahlreichen Siege nur insofern, als diese ein Mittel sind, endlich diesen Frieden herbeizuführen. Aber gibt es wohl für die Republik einen gründlichen Frieden, ehe die Despoten so weit gebeugt sind, daß sie von Frankreich Gesetze annehmen müssen? Nein! Ohne die Rheingrenze, ohne mächtige Hilfsquellen durch eroberte Länder kann Frankreich seine zerrütteten Finanzen nicht gründlich und schnell genug wiederherstellen. Die ungerechten Angreifer müssen den Schaden, den die Republik erlitten hat, wenigstens einigermaßen ersetzen.'230 Appelle an die Einsicht der Fürsten haben sich als sinn­ los erwiesen, und so muß zur revolutionären Gewalt als einzigem Auskunftsmittel gegriffen werden: «Spott dem Narren, der auf den gekrönten und installierten Pöbel noch durch die Stimme der gesunden Vernunft zu wirken gedenkt und nicht einsieht, daß bloß Fäuste des gemeinen, noch weit edleren Pöbels dazu dienen können, solche Buben zu ihrer Pflicht zurückzubringen.'231 In diesem Sinne schloß der Artikel mit dem Aufruf: «Ja, ihr Bürger des rechten und linken Rheinufers, bewaffnet euch, aber kehrt eure Waffen gegen eure Treiber und zwingt sie zum Frieden! Haltet sie zurück, wenn sie feig entfliehen wollen, laßt sie des Krieges Greuel und Jammer mit Augen sehen, und, wenn sie dennoch von Bewaffnung sprechen, so stellt sie zuerst den feindlichen Schwertern entgegen 1 -' 232 Die süddeutschen Fürsten wagten und vermochten nicht, gegen die Heere Moreaus und Jourdans 1796 das bewaffnete Volk aufzubieten. Die Badenser machten diese Erfahrung früher als andere: Als am 20. September 1795 die Festung Mannheim vor den Franzosen kapituliert hatte, verfügte der Geheime Rat die Einstellung der Landesbewaffnung in allen badischen Oberämtern und Ämtern.233 Nachdem Clerfayt am 22. November Mannheim wieder genommen hatte, wagte auch ein Ratsbeschluß vom 26. November, erneut von der Volksbewaffnung zu sprechen.234 Die Schwierig­ keiten blieben notwendig dieselben. Das Oberamt Yberg beispielweise hielt mit der Austeilung der Waffen zurück, weil es fürchtete, daß die Bewohner sie gegen die Condeer richten würden: manche Orte wie Wetterspach verweigerten überhaupt die Wiederaufnahme der Übungen.233 Oberforstmeister von Stetten berichtete am 26. Mai 1796 aus Kandern, wo er das sonntägliche Exerzieren leitete, von einem besonders krassen Fall von Insubordination und schloß mit den geharnischten «» Ebenda, S. 61. Ebenda, S. 67/6S. **• Ebenda, S. 61. DI Ebenda, S. 69/70. *“ Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 335. tu Ebenda, Anm. 2. *** GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 4576, Berichte des Majors Medicus vom 14. 12. 1795, 11. 2. und 10. 5. 1796. 11 Süddeutsche Jakobiner

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Worten: .Noch muß ich hier anmerken, daß, solange nicht andere Mittel ergriffen und hinlängliche Instruktionen zur Verhütung ferneren so häufig vorfallenden respektwidrigen Fehlens gegeben werden, so wird in den Oberlanden nie nichts Rechtes errichtet werden können. Denn sowohl der Kommandant als die Offiziers dienen alsdann nur zum Spott und allgemeiner Verachtung und Gelächter, für welche Ehre ich mich ganz untertänigst bedanken muß. * 238 Als dann am 24. Juni 1796 Moreau den Rhein überschritt, gab es nirgendwo einen badischen Widerstand. Das Oberamt Emmendingen wehrte sich entschieden gegen die Aufforderung Sumeraus, den Landsturm ausrücken zu lassen; 237 dieselbe ein­ mütige und standhafte Weigerung äußerten die Oberämter Hochberg, Rotteln und Badenweiler.238 Die badische Volksbewaffnung erwies sich als vollkommen wirkungs­ los. Einzig in den vorderösterreichischen Gebieten wurde die Miliz verschiedent­ lich in Kampfhandlungen verwickelt.239 Sumerau hatte hier am 3. Juli die gesamte Bevölkerung zum Widerstande aufgerufen. Die Hoffnung des Generals Fröhlich jedoch, .daß ein solcher Aufstand der treuen Breisgauer den erwünschten Ausschlag geben könne', erwies sich als ein gründlicher Irrtum.240 Er selbst mußte am 18. Juli der Auflösung des Landsturms zustimmen.241 Wie es in Württemberg nach den Worten eines zeitgenössischen Beobachters nicht anders zu erwarten war, .so ver­ sagte sie (die Landmiliz - H. S.) überall den Dienst, und nicht eine einzige Ge­ meinde war dahin zu vermögen, daß sie ihre Leute in Bewegung gesetzt hätte.'242 Bemühungen von Seiten des zweiten kreisausschreibenden Standes Konstanz, den schwäbischen Kreis zu einem Volksaufgebot zu veranlassen, blieben ohne Echo. Die Herrschaft Mindelheim wurde am 14. Juli von München angewiesen, diesen Antrag mit der Begründung abzulehnen, daß Württemberg als erster kreis­ ausschreibender Stand ihn nicht unterzeichnet hätte.243 Das Flugblatt .Ein wahres Wort an alle Völker Europas, besonders an die Deutschen gesprochen', worin ein Gottlieb Gutgemeint zur tatkräftigen Unterstützung der österreichischen Armeen aufrief, wurde in Bayern von den Behörden sofort unterdrückt244 An eine Volks­ bewaffnung dachte man in Bayern weniger als zuvor. Mit steigender Angst ver­ folgte Karl Klocker, Abt von Benediktbeuren, das Tiroler Aufgebot und schrieb am 14. Juni 1796 an Lippert: .Allein was ich sonderbar befürchte, ist, daß die Tiroler selbst kaum getreu bleiben werden, indem sehr viel arme unvermögende Leute aller­ orten angetroffen werden, die eben Sansculotten abgeben werden und zu allem Mutwillen am leichtesten zu verleiten sind, weil sie am wenigsten dabei ver«• Ebenda, Nr. 5577. 1,7 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 392/93. tsB Ebenda, S. 395. Vgl. auch GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5583, Bericht Liebensteins vom 13. 6. 1797. »3» Bader, Joseph, Die ehemaligen breisgauischen Landstände..., a. a. O., S. 144 ff. 240 Ebenda, S. 142. 141 Ebenda, S. 148. ,4t Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., S. 104. 144 Hertling, Karl Freiherr uon, Zum Feldzug des Jahres 1796 in Schwaben. In: .Historisch­ politische Blätter für das katholische Deutschland', Bd. 144, S. 296, 1909. 144 DZA Merseburg, Rep. 96, Nr. 167, lat. M, Bl. 105 ff.

II. Widerstand gegen den Interventionskrieg

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Heren.'245 Auch in den fränkischen Territorien, die wie Würzburg einiges zur Organisierung der Volksbewaffnung getan hatten, trat keine einzige Milizeinheit den siegreich vordringenden Franzosen entgegen. Engels hat in seinem Aufsatz .Die auswärtige Politik des russischen Zarentums * äußerst ehrenvolle Worte für die Polen gefunden, deren Kampf um die nationale Unabhängigkeit die Kräfte der reaktionären Koalition ebenfalls in Anspruch nahm, so daß das revolutionäre Frankreich entlastet wurde und siegen konnte: .Polen fiel, aber sein Widerstand hatte die französische Revolution gerettet, und mit der französischen Revolution begann eine Bewegung, wogegen auch das Zarentum ohnmächtig ist. Und das werden wir im Westen den Polen nie vergessen. * 240 Dieses Urteil besteht zu vollem Recht, aber es ist zu ergänzen. Den Polen vornehmlich ist es zu verdanken, daß die Koalition auseinanderbrach, daß Preußen und mit Preußen ganz Norddeutschland aus dem Kriege ausschied. Daneben hat stets und nach dem Fall Polens in verstärktem Mage die Haltung der Volksmas6en in Deutschland eine Rolle gespielt. Seit den Verhandlungen zu Basel war insbesondere den Volksmassen Süddeutschlands eine große Verantwortung gegeben. Sie haben keine so gewaltigen Schlachten wie die Polen geschlagen; ihr Anteil am Sieg der Französischen Revolution und damit des Fortschritts ist weit geringer. Aber er ist vorhanden. Auch die Volks­ massen Süddeutschlands haben mit ihrem Widerstande gegen den ungerechten Interventionskrieg der feudalen Reaktion dem historischen Fortschritt Waffenhilfe geleistet. Und das sollten wir als Deutsche auch nicht vergessen. 245 Stadtarchiv München, Archiv des Historischen Vereins von und für Oberbayern, Lipperts Nachlaß, Lit. M, 5/1, Brief Nr. 31. *4* Engels, Friedrich, Die auswärtige Politik des russischen Zarentums. In: .Die neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens*. 8. Jahrg., S. 151, 1890.

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Der Klassenkampf der Massen in Stadt und Land, der in den verschiedenartigsten Formen und gegen die verschiedenartigsten Erscheinungen feudaler Unterdrückung geführt wurde, hatte sich in den Jahren 1794 bis 1796 in einem Grade verschärft, daß von einer antifeudalen Bewegung in Süddeutschland gesprochen werden kann. Um allerdings zu einem Generalangriff auf die herrschende Ordnung anzutreten, fehlten dieser Bewegung noch wesentliche Voraussetzungen. Es fehlten vor allem die notwendige Einheitlichkeit und die Führung durch ein kräftiges Bürgertum; beide Mängel bedingten einander und hatten weitere zur Folge. Das Kräfte­ verhältnis zwischen herrschender Klasse und antifeudaler Bewegung war ungünstig für einen revolutionären Umsturz. Wenn dennoch überall in Süddeutschland ein­ zelne Gruppen entstanden, die mehr oder weniger entschieden darauf hinarbeiteten, so aus der Erkenntnis heraus, daß in internationalem Maßstab das Kräfteverhältnis viel günstiger aussah. Sie betrachteten die große französische Nation als den ge­ gebenen Bundesgenossen, dessen Unterstützung den antifeudalen Elementen mit einem Schlag das Übergewicht über die herrschende Feudalklasse in Süddeutschland garantierte. Die Mainzer Republik 1792/93, die auch nicht ausschließlich aus eigener Kraft, sondern mit französischer Hilfe errichtet worden war, hatte den Beweis geliefert. Der Widerstand der Massen gegen den Interventionskrieg zielte, wenn auch vorwiegend unbewußt, auf ein solches Bündnis hin. Die entschiedenen Revolutionäre Süddeutschlands, ermutigt durch Haltung und konkrete Maßnahmen Frankreichs, trieben die Entwicklung bewußt in dieser Richtung voran. In dieser bewußten und zielgerichteten Zusammenarbeit mit Frankreich fand in den ersten Jahren nach dem Beginn des Reichskrieges die antifeudale Bewegung in Süddeutsch­ land ihren höchsten Ausdruck. Frankreich wußte den Wert solcher Bundesgenossenschaft zu schätzen und tat das seinige, sie zu entwickeln und zu stärken. Es knüpfte Verbindungen mit oppo­ sitionellen Gruppen in Süddeutschland, schickte Emissäre aus, um solche Gruppen zu gründen, gab ihnen Aufträge, unterstützte sie ideell und, wenn nötig, auch materiell. Der 9. Thermidor des Jahres II (27. Juli 1794) war zwar ein prinzipieller Wende­ punkt in der französischen Entwicklung - wie später noch eingehend dargelegt wird -, führte aber dennoch zu keinem abrupten Bruch mit dieser Praxis. Der Sturz der Jakobinerherrschaft und die Errichtung der großbourgeoisen Diktatur zeigten an, daß in dem Kampf um Leben und Tod gegen die Konterrevolution das bürgerliche Frankreich einschneidende Siege errungen hatte. Der Terrorismus der Jakobiner, die schärfste Waffe der Revolution nach innen und außen, war überflüssig geworden nach der Zertrümmerung des inneren Feindes und .durch den Sieg von

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Fleurus, 24. Juni 1794, der nicht nur die Grenzen befreite, sondern Belgien und indirekt das linke Rheinufer an Frankreich überlieferte,..."1 Aber der Krieg ging weiter, und Frankreich konnte kein Interesse daran haben, auf die Hilfe deutscher Gruppen zu verzichten, solange es keine anderen Bundesgenossen besag. Der wichtigste Ausgangsort der französischen Propaganda- und Organisationstätigkeit für Süddeutschland war die französische Gesandtschaft in dem zur neutralen Schweiz gehörigen Basel. Ein Dekret des Wohlfahrtsausschusses vom 21. November 1794 bestätigte ausdrücklich diese schon zuvor geübte Praxis der Gesandtschaft und gab eindeutige Richtlinien für die Arbeit: .1. Artikel - Der Bürger Barthélemy, Gesandter der Republik in der Schweiz, wird ermächtigt, Geheimagenten ohne Vollmacht und ohne offiziellen Charakter in die Länder der Koalition zu schicken mit der Verpflichtung, unverzüglich dem Wohl­ fahrtsausschuß Nachricht über ihre Namen, Qualität und Fähigkeit zu geben. 2. Artikel - Er kann für diese Missionen Ausländer verwenden, deren Ergebenheit gegenüber der Republik klar festgestellt ist 3. Artikel - Zweck deT Mission dieser Agenten ist, die Gesinnungen der Völker und der Regierungen in bezug auf die Republik und auf die verbündeten Mächte zu erforschen; über die geeignetsten Mittel zur Spaltung und Auflösung der Koalition zu berichten, die Meinung der Völker durch Bekanntmachung der wahren Tat­ sachen und der reinen Grundsätze für die französische Republik günstig zu stimmen; in den Orten, wo sie sich befinden, alle erreichbaren Auskünfte sowohl über den Handel im allgemeinen wie über die Herkunft der unbedingt notwendigen Waren und der Schiffsvorräte zu sammeln und miteuteilen. 4. Artikel - Diese Agenten unterhalten eine regelmäßige Korrespondenz mit dem Bürger Barthélemy. 5. Artikel - Sie können stets unmittelbar an den Wohlfahrtsausschuß schreiben, wenn sie es für nötig erachten.. .' * 1 Engels an V. Adler, London, 4.12.1889. In: Marx/Engels, Ausgewählte Briefe, Dietz Verlag, Berlin 1953, S. 493. * .Article 1er - Le citoyen Barthélemy, ambassadeur de la République en Suisse, est autorisé ä envoyer dans les pays coalisés des agents secrets sans mandat et sans caractère, à la charge de donner sur-le-champ avis au Comité de Salut public de leurs noms, qualité et capacité. Article 2 - n pourra employer dans ces missions des étrangers, dont le dévouement à la République serait bien constaté. Article 3 - L'objet de la mission de ces agents sera d'observer les dispositions des peuples et des gouvernements relativement & la République et aux puissances coalisées. De rendre compte des moyens les plus propres ä diviser et à dissoudre la coalition, de disposer en faveur de la République française l'opinion des peuples en faisant connaître la vérité des faits et la pureté des principes. De recueillir sur les lieux où ils se trouveront et de communiquer tous les renseignements qu'ils pourront se procurer tant sur le commerce en général que sur l'extrac­ tion des objets de première nécessité et des munitions navales. Article 4 - Ces agents entretiendront une correspondance habituelle avec le citoyen Barthélemy. Article 5 - Ils pourront écrire directement au Comité de Salut public toutes les fois qu’ils le jugeront nécessaire.' Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 44/45.

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Der eigentliche Kopf der französischen Propaganda- und Nachrichtenzentrale in Basel war nicht Barthélemy selbst, sondern sein Gesandtschaftssekretär Théobald Bacher. Beide hatten schon in vorrevolutionärer Zeit im diplomatischen Dienst ge­ standen. Barthélemy war nie über girondistische Gedankengänge hinausgelangt, während Bacher sich stets der herrschenden Strömung anzupassen verstand. Aus seiner konterrevolutionären Gesinnung heraus nannte Barthélemy in seinen Erinnnerungen Bacher bei aller Hochschätzung seiner beruflichen Tüchtigkeit .hinter­ hältig, gehässig, boshaft, verfolgungssüchtig * und rühmte sich sogar der Sabotage der Propagandaarbeit: .Der Wohlfahrtsausschuß ließ mir sehr häufig eine Menge ins Deutsche übersetzte Schriften schicken, die auf die Propagierung der revolu­ tionären Lehre abzielten und die ich in der Schweiz und in Deutschland zirkulieren lassen sollte. Ich habe sie immer ins Feuer geworfen. Einige Male hat man mir Mainzer beigeben wollen, deren Aufgabe es hätte sein sollen, solcher Art Broschüren zu schreiben. Ich habe mich geweigert, sie aufzunehmen.' 3 Mag auch diese Dar­ stellung, nach 1815 geschrieben und von dem Bestreben diktiert, jede revolutionäre Betätigung zu leugnen, nicht ganz korrekt sein, so ist doch soviel daran richtig, daß Barthélemy an Aktivität weit hinter Bacher stand. Seit Jahren in dieser Eigenschaft in Basel tätig, hatte Bacher zahlreiche Verbindungen knüpfen können, die es ihm ermöglichten, zum erfolgreichsten Experten des Nachrichtendienstes für das süd­ liche Deutschland zu werden. Er arbeitete unter der Herrschaft der Jakobiner wie unter'der der Großbourgeoisie nach dem 9. Thermidor auf diesem Sektor. So be­ richtete er am 19. Juni 1794 an Buchot von der zunehmenden Gärung in den der Schweiz benachbarten Gebieten Deutschlands und fuhr fort: .Ich habe Emissäre, die dort mit vollen Händen die revolutionären 'Erzeugnisse verbreiten, die nacheinander in Frankreich erscheinen. Es gibt eins, das großen Eindruck machen würde, wenn es in großer Zahl in deutscher Sprache gedruckt wäre, das ist der Bericht Robespierres über die Existenz des höchsten Wesens und die Unsterblichkeit der Seele. Ich bitte dich, Bürger Kommissär, mich zu bevollmächtigen, davon in Basel 2000 Exemplare in deutscher Schrift drucken zu lassen...'♦ Am 1. Juli 1794 teilte er Buchot mit: »Ich bin zur Zeit damit beschäftigt, die Markgrafschaft Baden, den Schwarzwald und Württemberg so zu bearbeiten, daß die Leute dieses Landes vorbereitet werden, uns im nächsten September gut zu empfangen oder auch früher, wenn wir zur Formierung einer Armee am Oberrhein kommen, um diesen Fluß zu überschreiten, 9 .Le Comité de Salut public me faisait très fréquemment adresser une multitude d'écrits, traduits en allemand, qui tendaient à propager la doctrine révolutionnaire, et qu'on voulait que je fisse circuler en Suisse et en Allemagne. Je les ai toujours jetés au feu. On a voulu quelquefois attacher auprès de moi des Mayençais, dont la fonction eü été d'écrire de ces sortes de brochures: je me suis refusé de les recevoir.' Mémoires de Barthélemy 1768 à 1819. Publiés par Jacques de Dampierre. Paris 1914, S. 73, 117. 4 .J'ai des émissaires qui y répandent avec profusion les productions révolutionnaires qui paraissent successivement en France. Il en est une qui ferait grande sensation si elle était imprimée avec profusion en langue allemande, c'est le rapport de Robespierre sur l'existence de l'Être suprême et l'immortalité de l'âme. Je te prie, citoyen commissaire, de m'autoriser à en faire tirer 2000 exemplaires à Bâle en caractères allemands...' Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 150.

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den größten Schlag führen zu können und das einfachste Mittel zur Revolutionierung ganz Deutschlands zu erlangen. Ich habe geschickte Agenten, die mich mit allen ihren Kräften unterstützen/5 Daß Bachers Verbindungen noch weiter ostwärts reichten, bestätigte er mit dem Hinweis auf den Nürnberger Kaufmann Tobias Kiesling, der es übernehmen wollte, allein 1000 Exemplare jener Schrift von Robes­ pierre zu verbreiten.6 Eine Zusammenfassung der Nachrichten, die bei ihm ein­ gingen, schickte Bacher regelmäßig jede Dekade nach Paris.7 Basel war der wichtigste Ausgangspunkt des französischen Propaganda- und Nachrichtendienstes für Süddeutschland, aber nicht der einzige. Auch Straßburg spielte eine Rolle, wo sich Christoph Friedrich Cotta, der württembergische Revo­ lutionär und Bruder des berühmten Verlegens, niedergelassen hatte und sein deutsch­ sprachiges »Straßburger politisches Journal für Aufklärung und Freiheit * herausgab, das die Ideen der Französischen Revolution unter seinen Landsleuten verbreiten sollte.6*Vor allem aber gingen direkt von Paris aus Fäden bis weit nach Deutschland hinein. Allein die vielen deutschen Emigranten in Paris sorgten auf die verschieden­ artigste Weise dafür, daß ihr Anliegen, auf die Verhältnisse in Deutschland zu wirken, nicht vergessen wurde. Besonderer Förderung durch das Direktoriums­ mitglied Reubell erfreuten sich die Mainzer Emigranten mit Hofmann und Dorsch an der Spitze. Der von Böhmer. Nimis und Blau herausgegebene .Pariser Zuschauer' wurde mit Reubeils Unterstützung in Tausenden von Exemplaren im Rheinland ver­ breitet? In der Gunst Reubells stand auch der frühere preußische Gesandtschafts­ sekretär Karl Wilhelm Théremin, der als unbesoldeter Beamter direkt im Büro für Auswärtige Angelegenheiten auf dem deutschen Sektor tätig war.10 Verschiedene Verbindungslinien gingen unmittelbar von der französischen Regierung nach Süd­ deutschland, denn sie ließ nicht alles durch die schwer zu kontrollierende Gesandt­ schaft in Basel laufen und hatte nie darauf verzichtet, Aufträge an Emissäre direkt zu vergeben. Darum auch bestimmte das Dekret des Wohlfahrtsausschusses vom 21. November 1794 an Barthélemy, daß jeder Emissär in jedem Falle unmittelbar mit der Zentrale korrespondieren durfte. Der Agent Probst beispielsweise ging Anfang 1794 im unmittelbaren Auftrage des Wohlfahrtsausschusses nach Nürnberg, von wo aus er mit allen möglichen Städten zwischen Kopenhagen, Leipzig und Linz in brieflichen Verkehr trat,- die Gesandtschaft in Basel wurde von Paris aus 5 .Je suis occupé dans ce moment A travailler le margraviat de Bade, la Forêt-Noire, et le pays de Wurtemberg, de manière à préparer des gens de ce pays A nous bien recevoir au mois de septembre prochain, ou plus tôt si nous parvenons A former une armée sur le HautRhin, pour passer ce fleuve, et gagner le plus grand coup à porter, et le moyen le plus simple de mettre toute l'Allemagne en révolution. J'ai des agents intelligents qui me se­ condent de toutes leurs forces/ Ebenda, S. 171. • Ebenda, S. 150. ’ Guyot, Raymond, Le Directoire et la paix de l'Europe. Dès traités de Bâle à la deuxième coalition (1795-1799). Paris 1911, S. 85. 8 Leser, Christoph Friedrich Cotta. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig 1876, Bd. 4, S. 519. 8 Guyot, Raymond, a. a. O.. S. 117/18. 10 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fase. 347, Bd. 2, BL 1/2, 129.

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am 2. April 1794 lediglich von der Tatsache dieser Mission unterrichtet.11 Neben den selbstverständlich befolgten Regeln der Konspiration macht es diese Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Beziehungen zwischen deutschen Oppositionellen und französischen Kreisen schwer, in jedem Falle den konkreten Inhalt der Verbindung zu ergründen. Häufig kann nicht mehr als die bloße Existenz einer solchen Beziehung festgestellt werden. Die rückständigen und ganz im Fahrwasser der österreichischen Politik schwimmen­ den geistlichen Territorien Frankens boten zuwenig Anknüpfungspunkte, um die Aufmerksamkeit des französischen Propaganda- und Nachrichtendienstes auf sich zu lenken. Der Kreis um den Medizinstudenten Popp in Würzburg besaß darum zu­ nächst keine direkte Verbindung mit der französischen Republik. Auf sich selbst gestellt, erhob er sich in dieser Umgebung ideologisch auch nur wenig über sein Vorbild, den Illuminatenorden.12 Das änderte sich jedoch, als Popp engere Fühlung mit einer Gruppe von Revolutionären erhielt, die ihr Zentrum wahrscheinlich in Gießen hatten und direkte Beziehungen zu Frankreich pflegten. Es liegen rund 500 Seiten Untersuchungsberichte, Abschriften von Beweismaterialien und auf­ gefangene Briefe vor, die einen guten Einblick in die Bestrebungen der Revolutionäre gestatten.1314 Eine führende Rolle im Gießener Bunde spielte der in Wetzlar als Hof­ meister tätige Damm, dessen Vater in Würzburg ansässig war und der auch den Kontakt mit Popp herstellte und aufrechterhielt. Seine Gesinnungsgenossen suchte und fand er ausschließlich in der bürgerlichen Intelligenz. Obwohl das von ihm ent­ worfene Statut ausdrücklich nur den Fürsten und ihrem Anhang den Beitritt zu seinem revolutionären Bunde verweigerte, schränkte ein Bildungszensus den Kreis der möglichen Mitglieder doch erheblich ein: »Mitglieder können aus allen Klassen und Beschäftigungen sein, nur keine Herrscher und ihre Familien, keine Höflinge. Doch wird eine gewisse Ähnlichkeit der Kultur und Beschäftigung gefordert, damit das volle Zutrauen, der Gemeingeist und die Harmonie der Gesellschaft nicht gestört werden.' 11 Dem Popp teilte er mit, .daß er in einer Gesellschaft von Gelehrten stehe, worunter viele Schriftsteller wären . * 15* Gute Verbindungen bestanden offenbar zu den Universitäten, denn in einem anderen Briefe Damms hieß es: .Unsere Reisenden sind zurück, und ihr letzter Aufenthalt war Jena. Sie brachten die tröstlichsten, die besten Nachrichten mit.' 13 Als Haupt­ beteiligte wurden den Behörden Anfang April 1795 neben Damm die ebenfalls als Hofmeister in Wetzlar tätigen Ebel, Wittenbach und Holzmeister denunziert. Der 11 Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 4. *• Vgl. S. 94/95. 11 HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R„ Fase. 928, Nr. 13, Konvolut I und II. Enthält u. a. die Abschriften der von Denunzianten aufgefangenen Briefe, einen umfangreichen Auszug aus dem Untersuchungsbericht Und Abschriften der bei den Verhaftungen gefundenen belastenden Dokumente. 14 Ebenda. Konvolut II, Beilagen zu dem Extrakte aus der über die MedidneT Poppische Inquisitionssache abgelegten Relation, S. 275/76. 15 Ebenda, Kovolut I, Extractus aus der über die Medidner Poppische Untersuchung abgeleg­ ten Relation, S. 66. " Ebenda, Konvolut IL Beilagen..., S. 255.

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Jurist Holzmeister hatte allerdings zu dieser Zeit bereits seine Stellung in Wetzlar aufgegeben und sich angeblich nach Mannheim oder Heidelberg gewandt Der Denunziant war wiederum ein Hofmeister, und zwar der bei dem Kammergerichts­ rat Freiherrn von Weinbach angestellte Valentin Schlezer. Offensichtlich hielt Damm ibn für einen zuverlässigen Gesinnungsgenossen, denn er hatte dem Popp als seine neue Anschrift die des Freiherrn von Weinheim mit der Versicherung mitgeteilt: .Ich bekomme auf diese Weise alle Briefe sicher und frei. * 17 Schlezer erbrach jedoch zwei Briefe des Popp und ein Antwortschreiben von Damm und händigte sie seinem Brotherrn aus, der sofort den Münchener, den Mainzer und den würzburgischen Hof unterrichtete. Popp wurde in der Nacht vom 9. zum 10. April 1795 in Würzburg verhaftet. Der Untersuchungsbericht gibt selbstverständlich kein vollkommen zutreffendes Bild von der Organisation und den revolutionären Plänen der Beteiligten. Alle waren daran interessiert, unbekannt gebliebene Dinge zu verheimlichen, nur Vermutetes zu leugnen und Nachweisbares zu 'verharmlosen. Von Popp sagte der Untersuchungs­ bericht: »Inquisit hat auch dieses gegen sich, daß er in der Untersuchung ver­ schiedener Lügen sich schuldig machte. Er leugnete vom Anfänge die Existenz des Bunds, gab alle Entwürfe desselben für Projekte aus, die er nicht ausgeführt habe.'18*In den folgenden Verhören jedoch konnte er bei dieser Aussage nicht blei­ ben und nannte Namen einiger Beteiligter: Die Rechtsstudenten Widmann, Wachter, Volkmuth, Traupel, Rosalino, Sallwerk, Kuhn, Metz und den Mediziner Ekard. Aber nur Wachter wurde von ihm durch das Geständnis belastet, einen Bruchteil seiner Korrespondenz mit Damm eingesehen zu haben, da er «auf die Wetzlarer sehr begierig' gewesen sei10; die übrigen bezeichnete Popp als nicht unterrichtet, als passiv oder als nur vorübergehend am Bunde interessiert. Daß verschiedene Mit­ glieder in der Tat bald wieder abfielen, bestätigt ein Brief Popps an Damm vom 25. März 1795.20 Nachdrücklich leugnete Popp auch jede Absicht der Ausbreitung seines Bundes über Würzburg hinaus, obwohl er in einem Briefe vom 31. März 1795 an Damm geschrieben hatte: .O wäre ich nur nicht auf Würzburg itzt hieher ge­ heftet, ich würde eine Reise, die gewiß interessant wäre, nach Tübingen vornehmen und da ein paar Monat verweilen, denn da hätte ich Aussichten.' 21 Daß mit dieser Bemerkung mehr als ein bloßer Traum ausgedrückt werden sollte, verraten die darauffolgenden zwei chiffrierten Zeilen, die aufgelöst lauten: .Wenn euer Plan große Geldunterstützung hat, vielleicht von Frankreich, 60 unterstützt mich zu Reisen.'22 Eine Woche zuvor hieß es in einem Briefe: .Ich habe auch Hoffnung, die besten jungen Köpfe Württembergs in etlichen Wochen zu meinem Zwecke zu gewinnen. Wenn ihr mir gehörige Hilfe leistet, werde ich es bald auch hoch bringen können.' 22 17 18 ” 50 11 a

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda,

S. 235/36. Konvolut I, Extractus..., S. 180. S. 79. Konvolut I. Konvolut I, Extractus..., S. 134.

55 Ebenda, Konvolut I.

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III. Zusammenarbeit antifeudaler Kräfte

Der Kreis, den Damm um sich versammelte, verfocht von Anbeginn revolutionäre Ziele. In den Grundsätzen, die Damm bei der Konstituierung aufgestellt hatte, heißt es: .Überzeugt, daß Revolution nur allein die gegenwärtigen Menschen um­ schaffen kann, muß der Verbundene sie wünschen, ob sie gleich sein Zweck nicht ist. Er muß stehen können, wenn sie hereinbricht. Er weiß es, daß die Generation, die sie erfährt, unglücklich ist — er hofft bei ihr keine Stunde der Freude, keinen Augenblick der behaglichen Ruhe. Er steht da, wo der Sturm am mächtigsten wirbelt: Fürchtet er, so trete er jetzt zurück!'24 Und weiter: .Revolutionen sind ein Werk der Naturnotwendigkeit. Sie sind das Fieber, das die kränkelnde Maschine reinigt oder zerstört. - Revolutionen werden unausbleiblich. . . Revolution räumt uns den Schutt hinweg, sie endigt unsere Arbeit nicht, sie öffnet erst das Feld unserer großen Wirksamkeit als Gesellschaft. * 28 Obwohl hier noch deutlich die Voreingenommen­ heit des bürgerlichen Aufklärers zu spüren ist, der die mit den revolutionären Er­ eignissen verbundene Unordnung als schrecklich empfindet, obwohl weiter die typische Überheblichkeit des aufklärerischen Intellektuellen sichtbar wird, der den Massen bloß die Arbeit des Schutträumens zuweist und zur positiv schöpferischen Leistung nur sich und seinesgleichen für fähig hält, so ist dennoch dieses Bekenntiiis zur Notwendigkeit der Revolution ein hervorragendes Beispiel fortschrittlichen Den­ kens im Deutschland jener Zeit. Im Vergleich dazu hinkte der Kreis um Popp sehr nach. Popp hat in der Untersuchung diesen Unterschied stark hervorgehoben und dabei zweifellos übertrieben, um in den Augen seiner Richter ungefährlich zu erscheinen. Bis zu einem gewissen Grade und bis zu einer gewissen Zeit konnte er es mit gutem Recht tun, denn noch am 14. Februar 1795 hatte er an Damm geschrie­ ben: .Ihr wollt die Despoten kühn vom Throne stürzen und wir mit Hilfe der Zeit die Despotie ausrotten aus der Wurzel.'28 Aber es kann kein Zweifel daran bestehen, daß sich Popp immer mehr den Auffassungen der Gruppe von Damm näherte. Nach dem Empfang des Briefes, der die Grundsätze des Dammschen Bundes mitteilte, antwortete Popp am 25. März 1795: .Die Gesetze sind ganz nach meiner Seele und meiner Denkart harmonierend.' 27 Ende Februar/Anfang März 1795 übersandte Damm an Popp einen Aufruf .An die deutschen Jünglinge!', der zu konkreten revolutionären Handlungen aufforderte. Ein Lied .Allons!', nach der Marseiller Melodie zu singen und dieselben Absichten verkündend, wer dem beigelegt.28 Popp bestätigte am 11. März den Empfang und schrieb: .Das Überschickte überall, wo es mit Sicherheit gelesen werden kann, zu verbreiten, hätte deiner Anempfehlung nicht bedurft,. , 28 Am 25. März hieß es sogar: .Den Aufruf und das schöne Lied Allons werde ich wohl zum Druck befördern helfen und können.'80 Der Aufruf verkündete nichts weniger als den bewaffneten Kampf gegen die fürstliche Tyrannei: .Brüder! - wer “ “ “ 17 24 *•

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

Konvolut II, Beilagen..., S. 262. S. 270, 271/72. S. 342. Konvolut I. Konvolut I, Extractus.. ., S. 69. Konvolut II, Beilagen..., S. 350/51.

” Ebenda, Konvolut I.

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ihr auch seid - auf Universitäten, in Städten oder Dörfern, hört die Stimme eines Bruders. So gewiß der Tag, der Ostern heißt, kommen wird, so gewiß wird Mainz bald in Republikanerhänden sein. Ha, deutsche Jünglinge, dann hat unsere Stunde geschlagen! Dann ruft uns das Vaterland zu seinem Dienste auf, dann ruft uns die Liebe zur Freiheit an den Rhein. Freiheit! Freiheit dem bedrängten deutschen Vater­ lande, Freiheit, Freiheit - komme, wer sie gegen die 300 deutschen Sultane ver­ fechten helfen will -. Schon stehen auf dem Kampfplatze für Freiheit Legionen von Brabändern, von Flamändem, Lüttichern und Batavern und fechten gegen ihre ehe­ maligen Tyrannen - und noch steht kein deutscher Mann vom rechten Rheinufer in Waffen für Freiheit - wehe! wehe! Schande und ewiges Verderben uns, wenn wir säumen, unsere Ehre zu retten, unserem still seufzenden Vaterlande zu Hilfe zu kommen - zu Mainz weht die Fahne für deutsche Republikaner, auf Brüder laßt uns hineilen und schwören zu siegen — oder zu sterben. Oder wollen wir zagen und feigherzig genug sein, zurückzubleiben und zu warten, bis die Despoten kom­ men, um uns auszuheben und für ihre Sache bluten zu lassen ~ wollen wir das? unser Blut gezwungen für unsere Despoten fließen lassen? * 31 Warnend wird auf die Schande hingewiesen, mit der ein solches Verhalten den Namen Deutschlands bedeckt. .Auf denn nach Mainz! Da sei unser Sammelplatz, Brot und Waffen werden wir finden, um unsere Tyrannen zu bekämpfen. * 32 Sehr ausführlich setzt sich der Aufruf mit dem Begriff des Vaterlandes auseinander, wie ihn die Fürsten im Munde führen, mit der .Heuchelsprache der falschen Räte zu Regensburg, die auch von einem Vaterlande sprechen,.. * . 33 Was die Herrschenden unter dem Vaterland begreifen, ist etwas ganz anderes als was das Volk darunter versteht: .O, ich beschwöre euch, meine Brüder, seht mit offenen, ungeblendeten Augen die Ver­ fassung unseres armen Vaterlands, die zwar herrlich gut, vortrefflich ist für alle Großen, Höflinge, Pfaffen und niedere Schmeichler, - aber wahrlich nicht für das Volk, für die Väter und Verwandten von uns, deren Geld und Gut, Schweiß und Arbeit das Vaterland ist, das jene lieben und sich für die Zukunft erhalten wollen: zahlen wir gern, daß jene prächtig sein können, hungern wir gern, daß jene schwel­ gen können, fronen wir gern, daß jene faulenzen können - ja, dann haben wir ein Vaterland, und jene sind die Väter des Vaterlandes, und alles, was sie tun, ist vater­ ländisch, und wenn sie uns Stück für Stück auswärts um Geld verkaufen, so ist's Vaterlandsliebe, und wenn sie uns für ihre drückenden Vorrechte dem Tod ent­ gegenschicken, so ist's Vaterlandsliebe, eine Liebe, wie der Eigentümer von Herden zu seinen Rindern und Schafen hat, mit deren Haut und Wolle er sich kleidet, mit deren Fleische er sich sättigt.'34 Jeder Appell an die Einsicht und Gerechtigkeits­ liebe der Fürsten ist sinnlos. Es ist die Aufgabe vornehmlich der Jugend, die be­ stehenden Verhältnisse zu ändern. .Unsere Väter, meine Brüder, sind an ihr Haus­ wesen gebunden und können zu ihrem Besten nichts wagen - aber wir Jünglinge, 11 ” ” M

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

Konvolut II, Beilagen..., S. 276 S. S. 281/82. S. 283. S. 284/85.

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wir sind frei - wir können ausziehen, um mit den Waffen in der Hand, in Verbrüderung mit republikanischen Heeren wiederzukommen und Freiheit mitzubringen für die schönen Gefilde unseres guten Vaterlandes - ... eilt zum Sammelplätze, deutsche Jünglinge - Hermanns Söhne soll unser Losungswort sein.' 35 Der Aufruf steckte Ziele, wie sie im damaligen Deutschland radikaler nicht gestellt werden konnten; er forderte die einheitliche bürgerliche deutsche Republik. Der Aufruf wurde von Popp begeistert aufgenommen, wie allein die Bereitschaft, für seine Verbreitung zu sorgen, beweist. .Wäre ich nur gleich von diesem Plane unter­ richtet gewesen T schrieb er am 25. März. .Und jetzt - besser unterrichtet.'93 Den Wunsch, stärker ins Vertrauen gezogen zu werden, äufierte er mehrfach. In dem Briefe vom 31. März motivierte er sein Anliegen mit der Notwendigkeit, Fragen seiner nicht weniger begeisterten Gesinnungsgenossen beantworten zu können: .Man fragt mich bald um dieses, bald um jenes, z. B. die Zahl, den Unterhalt, den Tag der Abreise, Kleidung und Bedenklichkeiten mancher Art; ob man beisammen­ bleibe oder (was keiner will und worüber ich jedem die Versicherung geben muß, dafi es nicht geschehe) ob sie verteilt würden.'37 Eine Stelle des Briefes vom 25. März läfit vielleicht die Vermutung zu, dafi sie darangingen, sich mit Waffen zu versorgen: .Auf hiesiger Festung stehen zwei eroberte Fahnen. Ich und einer meiner Brüder besahen das Zeughaus, und während sich einer mit den Vorzügen unterhielt, raubte der andere.' 38 Möglicherweise stellt diese Mitteilung aber auch nur die Antwort dar auf Damms Frage vom 17. März, wie Popp in den Besitz des Stück Fahnentuches aus dem Bauernkriege gelangte, das er als Freundschaftsgeschenk nach Wetzlar gesandt hatte: .Dein an uns geschicktes Läppchen ist in zehn Teile verschnitten worden, und jeder besitzt nun ein kleines Partikel davon. Wir danken dir dafür, wünschen aber zugleich zu wissen, wie du dazu gekommen seist.' 33 Auch eine solche blofi symbolische Handlung ist von Bedeutung, denn sie unter­ streicht, indem sie an die grofie revolutionäre Tradition des deutschen Volkes an­ knüpfte, die Konsequenz und den Radikalismus des Standpunktes, den Damm, Popp und ihre Freunde einnahmen. Eindeutig jakobinische Gesinnung zeigte sich in Popps Frage vom 11. März: .Glaubt ihr nicht, dafi der gegenwärtige Moderantism in Frank­ reich, der so heftig vom Konvente sowohl als von den Journalisten verbreitet wird, Schlaffheit hervorbringen, die Republikanergründe verdrängen und so nach und nach Monarchie wieder herstellen könne? O - ein grafischer GedankeI * 40 Was es Teilen der herrschenden Klasse erleichterte, mit dem republikanischen Frank­ reich Verhandlungen aufzunehmen, war für die deutschen Revolutionäre berech­ tigter Grund zur Beunruhigung. Damm nahm diesen Einwand ernst und liefi ihn von demjenigen aus seinem Kreise beantworten, der den Verbindungsmann der Gruppe 55 M ” 33 11 «

Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda. Ebenda, Ebenda,

S. 288/89. Konvolut I.

Konvolut n, Beilagen..., S. 257. S. 351.

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ID. Zusammenarbeit antifeudaler Kräfte

mit Frankreich machte und darum die Verhältnisse dort am besten kannte. Damm hatte bereits von ihm in seinem Briefe vom 17. März gesprochen, wo es hieg: .Nur noch einen Brief warten wir ab, und erhalten wir diesen morgen, so reist einer aus unserer Mitte übermorgen ab über den Rhein, um seine Erbschaft in Ordnung zu bringen, und dann, denke ich, sollen wir uns zusammen bald auf der Hochzeit sehen.'41*Am 29. März teilte er mit: JDer eine, von dem ich dir neulich schrieb, ist nun wirklich fort aus unserem Freundschaftszirkel (Gott geleite ihn auf seiner Wanderschaft), und wir erwarten nun bald wichtige Nachrichten. Er hinterlieg vor seiner Abreise noch die Beantwortung der von dir an uns gemachten Frage... Ich rücke sie dir hier wörtlich ein. * 48 Die Antwort untersucht die verschiedenen Mög­ lichkeiten, die der Royalismus nutzen könnte, um wieder zu Einflug zu gelangen: Im Konvent kann der Royalismus nicht Fug fassen, denn der Konvent ist in seinen Handlungen von der öffentlichen Meinung abhängig: das Volk führt .eine Art Ober­ aufsicht' über ihn, und der Konvent selbst ist .immer aus seiner Mitte * geboren. Der Verfasser vertritt die Meinung, dag auch der Sturz Robespierres durch den Konvent nicht ohne Hilfe des Volkes möglich gewesen war. .Wie hat Robespiene mit seiner Partei seinen so grogen Kredit verloren? Als Republikaner wahrlich nicht, aber offenbar als Tyrann, ich möchte sagen, als Monarch des Konvents und Volks. Wenn Besorgnisse gegründet sein sollten, so mügte erwiesen werden, dag durch Robespierres tyrannisches System das gekränkte Volk der Liebe zur Monarchie genähert worden sei, ist aber nicht das Gegenteil vielmehr die notwendige richtige Schlugfolge? Das französische Volk hat freilich vom Anfänge der Revolution bis hieher von der Freiheit und republikanischen Verfassung das gehoffte Gute nach Wunsch noch nicht ganz empfunden,- soll es nun deswegen sich in die Anne eines Königs werfen oder nicht vielmehr noch lieber selber Meister seines Schicksals bleiben wollen? * Adel und Geistlichkeit als einst herrschende Klasse sind derartig dezimiert, dag sie viel zu schwach sind, um die öffentliche Meinung verführen zu können. Ernstere Gefahr geht von den Journalisten und Schriftstellern aus, da sie über die Presse starken Einflug ausüben können. Als einen unüberwindlichen Wall gegen eine solche Propaganda aber betrachtet der Verfasser die Pressefreiheit, die es den viel zahlreicheren Verfechtern der Wahrheit ermöglicht, den Irrlehren mit aller Kraft entgegenzutreten und sie unwirksam zu machen. Das Migtrauen gegen den Thermidorkonvent ist ungerechtfertigt; wenn es selbst einzelne Verräter in seinen Reihen geben mag, so sprechen seine Handlungen doch eindeutig für die Güte seiner Mehrheit. Diese Analyse der Situation in Frankreich gewinnt durch ihre Haltung zu den Jakobinern besonderes Interesse. Bereits in den oben zitierten Sätzen wurde nicht nur der groge Kredit Robespierres beim Volke betont, sondern auch seine republi­ kanische Tugend nicht bezweifelt. Sehr vorsichtig war die kritische Bemerkung formuliert, dag unter der Jakobinerdiktatur die Wohltaten der Revolution vom 41 Ebenda, S. 255. 44 Ebenda, Konvolut I.

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Volk« »noch nicht ganz empfunden' werden konnten. An anderer Stelle wird sogar ausdrücklich von den »ehemals ebenso wichtigen als nötigen Diensten' der Jakobiner gesprochen. Die Analyse geht aber über die bloße historische Rechtfertigung noch hinaus. Als ein entscheidendes Kriterium für das berechtigte Vertrauen in den gegenwärtigen Konvent und die öffentliche Meinung wird gerade die faktische Fort­ existenz der jakobinischen Partei genannt. »Es gab Schurken unter den Jakobinern, und die es waren, sind es noch, müssen verzweifeln oder des Verrätertodes sterben, und die braven Männer, die unter ihnen waren, waren und sind noch gute Republi­ kaner, die fürs beste der Republik nun nicht weniger tätig sein können, obschon sie aufhören, Jakobiner zu heißen, wodurch sie nichts als einen Namen verloren haben.' 43 Das war im Grunde ein Bekenntnis zu den Jakobinern als den treuesten Republikanern. Die deutschen Revolutionäre empfanden, daß der 9. Thermidor die Gefahr einer konterrevolutionären Entwicklung begünstigte. Unbekannt mit der Lehre vom Klassenkampf, getrennt durch die Voreingenommenheit der Gebildeten von den Massen, begriffen sie nicht, dafj in der Tat die Französische Revolution ihren Höhepunkt unwiderruflich überschritten hatte. Sie suchten nach Gegengrün­ den, um ihre Befürchtungen zu widerlegen, und nahmen dabei den Schein für das Sein. In der revolutionären Diktatur Robespierres sahen sie monarchistische Züge, in den konterrevolutionären Äußerungen der Presse nichts als die üble Gesinnung einzelner. Allerdings darf bei der Bewertung der Fehleinschätzung nicht vergessen werden, daß erstens darin eine Wunschvorstellung wirksam war, die den Revolu­ tionären Ehre machte, und daß zweitens Frankreich auch nach dem 9. Thermidor die Förderung revolutionärer Bestrebungen in Deutschland zunächst fortsetzte.

Die vorliegenden Materialien machen es in hohem Grade wahrscheinlich, daß die Gruppe um Damm und damit indirekt auch Popp insbesondere Verbindungen zu Mainzer Revolutionären besaßen, die in Paris als Emigranten lebten und auf den Fall der Festung warteten, um an den Ort ihrer früheren revolutionären Tätigkeit zurückzukehren. Dafür spricht die Wahl von Mainz als Sammelplatz für alle deut­ schen Freiheitskämpfer: dafür sprechen die Sympathien für die Jakobiner, denn die Mainzer Revolutionäre hatten 1792/93 nur in heftigem Kampf gegen die girondistische Politik der Armeeführung und mit Hilfe der Jakobiner die Gründung ihrer Republik durchgesetzt; dafür sprechen schließlich auch Pläne und Maßnahmen der linksrheinischen Revolutionäre nach der Eroberung von Mainz, revolutionie­ rend auf das rechtsrheinische Deutschland zu wirken. Die Entdeckung der geheimen Verbindungen im Frühjahr 1795 setzte den Bestrebungen der Kreise um Damm und Popp ein frühzeitiges Ende. Zweifellos wäre insbesondere von dem Anhang Popps eine bedeutende umstürzlerische Wirkung auch dann nicht ausgegangen, wenn dieses Ereignis nicht eingetreten wäre. Die ausschließliche Konzentration auf die bürgerliche Intelligenz, noch dazu nur auf Studenten, ohne Rückhalt bei einem ökonomisch starken Bürgertum und ohne Beziehung zu den Volksmassen stellte das entscheidende Hemmnis dar. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß die ” Ebenda. 12 Süddeutsche Jakobiner

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studentische Verschwörung wie im Negativen auch im Positiven in den deutschen Verhältnissen jener Zeit wurzelte und als ein Ausdruck der antifeudalen Bewegung zu gelten hat, der durch seinen Radikalismus hervorragt. Die Strafe, die von der Würzburger Justiz über -Popp verhängt wurde, war ver­ hältnismäßig milde. Offensichtlich unter Berücksichtigung seiner Jugend und der ungleich größeren Verantwortung des Kreises um Damm wurde er am 23. Juli 1795 nur zu einem Vierteljahr Festungsarrest, zur Ausweisung und zur Bezahlung der Untersuchungskosten verurteilt. Wenn man ihm unmittelbar nach der Urteils­ verkündung sogar noch den Erlaß des Arrestes mitteilte, so war das Motiv nur scheinbar Großmut; man erhoffte eine größere Geständnisfreudigkeit Popps auf Kosten seiner Freunde: .Es wurde ihm hierauf vorgestellt, nachdem ihm der Festungsarrest in Gnaden erlassen sei, so hoffe man, daß er von der Dammischen Verbindung mehr als bisher angeben werde,... Er bestand aber darauf, daß er nicht mehr wisse,.. .* 44 Popp ging in seinen Heimatort Hirschau in der Oberpfalz zu­ rück, wo er noch manche politische Schnüffeleien auszuhalten hatte, sich dann als Kaufmann eine Existenz gründete und wahrscheinlich in der allgemeinen Misere des kleinstädtischen Bürgertums versank. Vom 5. April 1796 liegt ein Gesuch Popps an den bayerischen Kurfürsten um die Erteilung einer Eheerlaubnis vor,- darin schrieb er: .Als Jüngling wurde ich im Auslande irregeführt, jedoch wieder zurecht­ geleitet und gebessert.'45 Das Zentrum, auf das sich die Aufmerksamkeit des französischen Propagandaund Nachrichtendienstes in Franken richtete, konnte selbstverständlich nicht die Residenzstadt eines geistlichen Territoriums sein, auch wenn sie zugleich eine Uni­ versität in ihren Mauern beherbergte. Das Zentrum war die Reichsstadt Nürnberg, weil Nürnberg trotz des Verfalls immer noch eine zentrale Bedeutung besaß. Nürn­ berg war der Sitz des fränkischen Kreiskonvents, der seit 1790 in Permanenz tagte. Nürnberg war ein wichtiger Handelsknotenpunkt, in den mit den Waren Mitteilun­ gen und Neuigkeiten aus allen Richtungen zusammenflossen und von dem aus sie wiederum umgekehrt leicht in alle Richtungen verbreitet weiden konnten. In Nürn­ berg gab es, wenn auch nicht sehr zahlreich, ein vermögendes Bürgertum, das in scharfem Gegensatz zum herrschenden Patriziat stand. Nürnberger Pressen waren bereit, revolutionäre Pamphlete zu drucken, denn Nürnberger Handwerker und Plebejer hatten in ihren Klassenkämpfen beachtliche revolutionäre Potenzen ent­ wickelt. Bacher rechnete damit, daß sich die in immer neuen Unruhen äußernde allgemeine Gärung in Nürnberg den benachbarten Territorien und Herrschaften zwangsläufig mitteilen würde.46 So verwundert es nicht, daß der französische Propa­ ganda- und Nachrichtendienst schon sehr früh in Nürnberg Fuß zu fassen suchte. Bereits Ende Dezember 1792, als das Reich noch keinen Krieg gegen Frankreich führte, hatte der damalige Außenminister Lebrun den Agenten Louis-Marc Rivals beauftragt, sich nach Nürnberg zu begeben. Allerdings vermochte Rivals damals 44 Ebenda, Konvolut II. 44 Ebenda. 44 Vgl. S. 80.

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nicht Boden zu fassen, obwohl er dem Bürgermeister gegenüber andeutete, dafj ein freundliches Verhältnis Nürnbergs zu Frankreich nur nützlich sein könne. Da die Stadt Entschädigungen für Lieferungen während des Siebenjährigen Krieges zu erwarten hätte, wurde ihm sicherer Aufenthalt nur für 24 Stunden gewährt. Der ebenfalls in Nürnberg weilende österreichische General Graf von Colloredo drängte so entschieden auf die Abreise von Rivals, dafj die Stadt nichts für ihn zu tun wagte. Nach zwei Nächten schon verlief Rivals am 12. Januar 1793 Nürnberg, um sich nach Basel zu begeben.47 Ein gutes Jahr später wurde mit mehr Nutzen der Agent Probst nach Nürnberg geschickt. Ein Schreiben aus Paris vom 2. April 1794 unterrichtete Barthélemy davon, dafj Probst sich zu seinem Bestimmungsort begeben hätte.48 Die Österreicher wurden auf ihn erst im August aufmerksam. Baron von Thugut, der leitende österreichische Minister, teilte dem Grafen Lehrbach in einem Briefe vom 20. Oktober 1794 über die Tätigkeit des Probst eine Zusammenfassung der Nach­ richten mit, die ihn erreicht hatten. Danach hatte Probst sich vom August bis zum 16. September in Nürnberg aufgehalten und war dann nach Augsburg gegangen. In Nürnberg hatte er mit einer Gruppe vermögender Kaufleute Verbindung auf­ nehmen können, die ihn nach Kräften unterstützten. An der Spitze standen die Brüder Justus Christian Kiesling und Jean Tobias Kiesling.48 Der letztere war, möglicherweise durch Probst, auch Bacher gut bekannt, der ihn in einem Bericht vom 19. Juni 1794 nach Paris einen .glühenden Revolutionär * nannte, der «stets mit einem durch den Enthusiasmus des Patriotismus bestimmten Eifer der Französischen Revolution gedient hat. * Dieser Kiesling hatte sich bereit erklärt, 1000 Exemplare einer Rede Robespierres zu verbreiten, die Bacher als Flugschrift in deutscher Sprache drucken lassen wollte.50 Nach Thuguts Informationen hatte Jean Tobias Kiesling auch die Adresse seiner Firma für die Korrespondenz des Probst zur Ver­ fügung gestellt. Sein Bruder Justus Christian Kiesling schofj dem französischen Agenten beträchtliche Summen vor und begleitete ihn auf verschiedenen kleinen Reisen nach Ansbach, Erlangen, Lichtenau, Regensburg und anderen Orten. Als weitere mit Probst in Verbindung stehende Nürnberger Kaufleute nannte Thugut Johann Mohrhard, Karl Gottlieb Kiesling, Johann Jakob Reichel und Johann Jakob Herzogenrath. Probst entwickelte eine sehr vielseitige Tätigkeit Im Vordergrund stand dabei offensichtlich der Propaganda- und Nachrichtendienst. Er verschlang den größten Teil der Gelder, die Justus Christian Kiesling vorschoft und innerhalb von etwa sechs Wochen eine Summe von 3449 Dukaten ausmachten. .Die beträchtlichsten Auslagen waren für übersetzte, gedruckte und verbreitete französische Schriften zum Unterricht der Deutschen, das Postgeld für Briefe von und nach Basel, Baden 4T 48 48 88

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Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Paris 1887, Bd. 2, S. 29 ff. Ebenda, Bd. 4, S. 4. Zeissberg, Heinrich Ritter von. a. a. O., Wien 1890, Bd. 3, S. 7. «Tobie Kiesling, banquier à Nuremberg, ardent révolutionnaire, se charge seul de la distri­ bution de mille exemplaires. Il n'a cessé de servir la Révolution française avec un zèle dirigé par l'enthousiasme du patriotisme...' Papiers de Barthélemy.... a. a. O., Bd. 4, S. 150. Vgl. auch S. 152.

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(in die Schweiz), Schaffhausen, Hamburg, Altona, Gothenburg, Kopenhagen, Leip­ zig, Regensburg, Amberg, Passau, Salzburg, Linz, Augsburg, München, Stuttgart etc. ;...'91 Seine Korrespondenz und seine Reisen verfolgten zweifellos zu einem Teil den Zweck, den Handel mit Frankreich wieder zu beleben und insbesondere den Import kriegswichtiger Waren in die Republik zu betreiben. So verhandelte er mit dem Augsburger Kaufmann Max Christoph Graf, der Ulmer Gerste und Mehl als Haarpuder, kalzinierte Pottasche und Salpeter als Alaun über Basel nach Frank­ reich zu liefern bereit war. Vier französischen kriegsgefangenen Offizieren, die aus Lichtenau flüchten konnten, beschaffte er mit Hilfe seiner Nürnberger Freunde Pässe in die Schweiz.51 52* Wie weit seine Verbindungen zu den sozial niederen Be­ völkerungsschichten reichten, ist ungewiß ; jedenfalls aber fand sich am 16. August 1794 sehr schnell eine Volksmenge zusammen, die ein Wachkommando mit Gewalt daran hinderte, vier französische Emigranten festzunehmen, die man irrtümlicher­ weise für die vier geflohenen kriegsgefangenen Offiziere hielt.55 Für den Aufruhr in Erlangen 1795, der sich gegen die Armeelieferungen richtete, machte Thugut in einem Briefe vom 19. Juni 1795 den Agenten Probst direkt verantwortlich.54 Das Urteil, das Barthélemy am 5. Mai 1795 in einem Schreiben an den Wohlfahrts­ ausschuß über Probst fällte, spricht dafür, daß er als ein echter Jakobiner der Re­ volutionierung der Massen große Bedeutung beimaß. Es war die Frage aufgetaucht, ob man ihm einen offizielleren Charakter geben sollte; Barthélemy meinte dazu: .Der Bürger Probst hat Bildung, er ist sehr arbeitsam, aber er hat sich als so warmer Parteigänger der Guillotine und des Terrorismus erwiesen, daß ich es nicht für klug halte, ihn aus der Rolle eines geheimen und nicht anerkannten Agenten herauszunehmen.'55 Daß seine Verbindungen bis in die höchsten Spitzen Nürnbergs reichten, war angesichts der guten Dienste, die er der Stadt bereits geleistet hatte, sehr wahrscheinlich. Seiner Fürsprache war es wesentlich zu danken, daß Nürnberg in das Dekret der Nationalversammlung einbezogen wurde, das die Hansestädte von dem Depot über die an Franzosen geliehenen oder von diesen schuldigen Gel­ dern befreite. Am 15. März 1795 unterrichtete er die Nürnberger von dem Beschluß und erbat eine Empfangsbestätigung seines Schreibens über .den Freund Kiesling, der immer meine Adresse kennen wird...' 56 Thugut rechnete damit, daß Probst bei seinen engen Beziehungen zu einflußreichen Kaufleuten in den reichsstädtischen Behörden einzelne Verbündete besaß. So riet er im Oktober 1794 Lehrbach drin­ Zeissberg, Heinrich Ritter von, a. a. O.. Bd. 3, S. 7/8. Ebenda. Vgl. S. 65. Zeissberg. Heinrich Ritter von, a. a. O., Bd. 3, S. 253. .Le citoyen Probst a de l'instruction, il est très laborieux, mais il s'est montré si chaud partisan de la guillotine et du terrorisme, que je crois qu’il ne serait pas prudent de le sortir du râle d’agent secret et non avoué.' Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Paris 1894, Bd. 5, S. 226. 99 .Veuillez bien, citoyens, me faire parvenir par la voie de l'ami Kiesling, qui connaîtra toujours mon adresse, un récépissé, qui constate cette remise que je suis chargé de faire passer au Gouvernement pour être conservée dans ses archives.' DZA Merseburg, Rep. 44 C, Nr. 94, Bd. 1, S. 89. Vgl. auch Süssheim, Karl, a. a. O., S. 237.

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gend ab, beim Magistrat von Augsburg, wo sich Probst gerade aufhielt, einen offiziellen Auslieferungsantrag zu stellen. Auf diese Weise erführen zu viele von der Absicht, ihn festzusetzen, und Probst würde rechtzeitig gewarnt werden. Thugut empfahl vielmehr, sich nur einem einzelnen zuverlässigen Magistratsangehörigen anzuvertrauen und die nötigen Maßnahmen zur Festnahme des französischen Agenten zu verabreden.57 Es verging aber doch noch mehr als ein halbes Jahr, ehe Thuguts Plan gelang. Auf seiner Durchreise Anfang Juni 1795 nutzte Lehrbach die Furcht des Nürnberger Magistrats vor einer Wiederkehr der Unruhen aus, die im April die Stadt erschüttert und eine Art Ausnahmezustand zur Folge hatten. Lehr­ bach sprach die Vermutung aus, daß Probst, dieser .französische Emissär und Erzjakobiner', hinter den Unruhen steckte; er forderte dessen Verhaftung und Auslieferung an den kaiserlichen Hauptmann Frölich.58 Am 15./16. Juni konnte er Thugut mitteilen, daß er mit Hilfe eines Senators den Probst bei dem Kaufmann Kiesling festgenommen hatte.50 Thugut riet unbedingte Geheimhaltung an, um einem französischen Austauschantrag aus dem Wege zu gehen. Gegen die Häupter der französischen Partei in Nürnberg sollte man Untersuchungen einleiten; wenn sie auch in wesentlichen Punkten nicht überführt werden könnten, so dürfte zu­ mindest ein heilsamer Schrecken bewirkt werden.80 Bereits im nächsten Jahr aber befand sich wieder ein neuer Agent in den Mauern der Reichsstadt Er nannte sich von Reibell und gab sich als ein aus dem Links­ rheinischen geflüchteter Edelmann aus.81 Wahrscheinlich war er identisch mit Reibell dem Alteren, der aus Speyer stammte und sich in direktem Auftrag des Direktoriums über Genf, Luzern, München, Augsburg, Regensburg nach Nürnberg begeben hatte. Zu seinen Geschäften gehörte es, wie Probst der französischen Regierung Nachrichten aus dem nördlichen Europa zu beschaffen. In Nürnberg selbst sollte es ihm gelungen sein, mit den wichtigsten Staatsmännern, Gelehrten und Kaufleuten Beziehungen anzuknüpfen. Dem Schicksal des Probst entging er durch rechtzeitige Abreise.82 Das Urteil Guyots, der Reibells Tätigkeit als nahezu fruchtlos bezeichnet, muß entschieden angezweifelt werden. Es ist vielmehr sehr wahrscheinlich, daß die Behauptung, er habe Kontakte mit wichtigen Staatsmännern angeknüpft, durchaus ernst genommen werden muß. Alles spricht nämlich dafür, daß Reibell die sehr wertvolle Verbindung zu der Gruppe um den fränkischen Kreisgesandten Zwanziger hergestellt hat. Über diese Gruppe berichtete ein anderer französischer Agent, ein gewisser Stephani. In einem Brief an das Direktorium vom 31. Juli 1796 bezeichnete er Zwanziger, Rhodius und Helmreich als aufrechte Zeissberg, Heinrich Ritter von, a. a. O„ Bd. 3, S. 8. Emstberger. Anton. Nürnberg..., a. a. O„ S. 463. Zeissberg, Heinrich Ritter von, a. a. O., Bd. 3, S. 253. Ebenda, S. 345. Der Austausch des Probst erfolgte Später gegen den ehemaligen kaiser­ lichen Residenten in der Schweiz, von Greiffenegg, der von den Franzosen zu diesem Zweck im Sommer 1796 in Freiburg gefangengenommen worden war. Guyot Raymond, a. a. O., S. 85. Bailleu, Paul, Preußen und Frankreich von 1795-1807. Diplomatische Correspandenzen. Leipzig 1881, T. 1, S. 100. G- Guyot. Raymond, a. a. O-, S. 86.

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Gesinnungsgenossen, die selbst .in den kritischsten Augenblicken' zu Frankreich hielten. Sie hatten sich bereit erklärt, den französischen Armeen militärische Naohrichten zu übermitteln und ihren ganzen Einflug im Dienste der französischen Republik zu nutzen. Sie haben dieses Versprechen nach dem Zeugnis Stephanis gewissenhaft erfüllt.05 Guyot sieht keine Beziehung zwischen Reibell und Stephani; er hält den Namen Stephani für ein Pseudonym und meint, dag dieser Agent der Armee Jourdans voraufging, um sie mit Nachrichten über die Bewegungen des Feindes zu versorgen.04 Es ist aber durchaus möglich, dag jener Stephani mit dem castellschen Konsistorialrat und verdienstvollen Pädagogen Heinrich Stephani identisch war, der zum Freundeskreis um Zwanziger gehörte. Demnach hätte Reibell nicht nur die Verbindung zu der Gruppe um Zwanziger hergestellt, sondern zugleich in der Gruppe einen Mittelsmann gewonnen, der an seiner Statt den direkten Ver­ kehr mit den französischen Stellen besorgte. Dafür sprechen der Name, die jahre­ lange Verbindung mit dem castellschen Gesandten Zwanziger und vor allem ihre gemeinsame eindeutige Sympathie für die Französische Revolution. Davon zeugt der Brief, den Zwanziger am 8. April 1792 an Stephani geschrieben hatte: .Offenbar lenkt die göttliche Vorsehung alles nach und nach in den Weg einer deutschen Revolution, wobei nur diejenigen einbügen können, die von dem gemeinen Besten immer nur nehmen und nichts dafür geben wollen. Auch in hiesigen Gegenden regt sich der Verfolgungsgeist gegen die der letzterwähnten, Gefahr laufenden Klasse so verhagte Demokratie, und dadurch wird das Mag vollgemacht.' 00 Nicht zufällig trafen Zwanziger und seine Freunde, als sie sich im August 1796 zum Haupt­ quartier Jourdans begaben, wieder auf Reibell, der anschliegend Zwanziger und Rhodius auf ihrer Reise nach Paris begleitete.00 Ebensowenig kann ein Zweifel daran bestehen, dag mit Reibell zusammen die Pläne für die Errichtung einer fränkischen Republik entworfen wurden, über die später noch ausführlich zu be­ richten sein wird. Franken war zersplittert, uneinheitlich; aber es besag eine Stadt wie Nürnberg, Knoten­ punkt wichtiger Handelsstragen, trotz des Niederganges ein wichtiges industrielles Zentrum und wegen des Niederganges ein Herd sozialer Unruhen. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem revolutionären Frankreich reichte bis in die Kreise des besitzenden Bürgertums. Bayern dagegen war verhältnismägig grog und ge­ schlossen, aber ökonomisch so gleichförmig rückständig, dag der französische Nach­ richten- und Propagandadienst seine Anknüpfungspunkte erstens spät und zweitens zunächst ausschlieglich bei der Avantgarde des Bürgertums, der bürgerlichen In­ telligenz, fand. Hier gab es Elemente, die sich, auch wenn sie ihr Brot als Beamte im bayerischen Staatsapparat erwarben, doch so weit aus der Misere des gesell­ schaftlichen Lebens herausgehoben hatten, dag sie sich an grogen revolutionären “ Ebenda, S. 308. 91 Ebenda. S. 308. " Zwanziger, Karl Hermann, Friedrich Adolph von Zwanziger, gräflich castellscher Geheimrat und Kreisgesandter 1745-1800. In: Neujahrsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, H. 11. München u. Leipzig 1916, S. 22/23. M Ebenda, S. 26.

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Konzeptionen begeistern konnten. Fournier und Du Moulin Eckart haben in den Pariser Archiven eine stattliche Reihe von Berichten gefunden, die Zeugnis von der Zusammenarbeit republikanisch gesinnter Bayern mit dem revolutionären Frank­ reich ablegen. * 7 Als Verfasser solcher Berichte werden die Brüder Gaume und ein gewisser Frey genannt. Frey verwies in einem seiner Berichte ausdrücklich auf den Anteil eines Freundes an dieser Arbeit, »eines der besten Köpfe und wärmsten Republikaner in Deutschland, der sich den verstellten Namen Frank wählte,..88 Daß auch der Name Frey als Pseudonym aufzufassen ist, geht allein schon aus der Zusammen­ stellung Frank und Frey, die ein Bekenntnis darstellt, hervor. Von den Brüdern Gaume legte einer sich den Decknamen La Terre zu. Sie berichteten in französischer Sprache und hatten neben Bayern auch noch Tirol in den Bereich ihrer Beobachtungen einbezogen. Auf der Stufenleiter der Bildung stand Frey unter ihnen; seine Berichte liegen in deutscher Sprache vor, die nicht frei von stilistischen Mängeln und ortho­ graphischen Fehlern ist. Sein Arbeitsbereich beschränkte sich auf Bayern. * 8

Die Verpflichtungen, die diese Männer eingingen, erfüllten sie nicht als bezahlte Agenten, sondern aus ihrer revolutionären Gesinnung heraus. Wenn Frey den Wunsch äußerte, dafj Frankreich im Falle ihrer Verhaftung ihre Auslieferung als französische Bürger fordern sollte, so sprach daraus gewiß Sorge um ihre persön­ liche Sicherheit, aber ebensosehr auch die innige Verbundenheit mit der Mutter­ republik, Sie betrachteten sich als französische Bürger in dem Sinne, dafj sie diesen Begriff milderndes freien Bürgers schlechthin gleichsetzten. Gaume rechnete durchaus mit der Möglichkeit, bei seiner revolutionären Arbeit Opfer eines Anschlags auf sein Leben zu werden. In diesem Falle wünschte er, dafj Frankreich die betreffende Regierung für den Mord verantwortlich mache, um auf diese Weise nachträglich die öffentliche Anerkennung als gefallener Kämpfer für die Freiheit zu erwerben.70 Eine Preisgabe der eigenen Nationalität war damit keineswegs verbunden, sondern es sprach daraus lediglich die Achtung Frankreichs als Mutterrepublik und Be­ schützerin aller freiheitlichen Regungen in den anderen Ländern. Die Geldsummen, die Frey von französischer Seite erhielt, betrachtete er ausschließlich als eine not­ wendige Hilfe zur Erfüllung seiner konspirativen Aufgaben, da er aus eigenen Mitteln den größeren Aufwand und die Auslagen für die Beschaffung wichtiger Papiere und dergleichen nicht bestreiten konnte. Er erklärte, daß .dieser Wirkungs­ kreis schon von jeher mein einziger Wunsch war', und betonte für sich und seinen Freund Frank, daß .der wärmste Anteil, den wir beide an der Sache selbst nehmen, hinlänglicher Ersatz für alle Mühe ist,.. .* 71 ” Fournier, August, nluwinaten und Patrioten. In: Historische Studien und Skizzen. Prag u. Leipzig 1885. Reihe 1, S. 211 ff. Du Moulin Eckart, Richard Graf, Bayerische Zustände und die französische Propaganda im Jahre 1796. In: .Forschungen zur Kultur- und Literatur­ geschichte Bayerns', Bd. 2, S. 168 ff., 1894. “ Fournier, August, a. a. O., S. 218. •• Ebenda, S. 217, 219. 70 Du Moulin Eckart, Richard Graf. Bayerische Zustände..., a. a. O., S. 172/73. 71 Fournier, August, a. a. O„ S. 219.

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TO. Zusammenarbeit antifeudaler Kräfte

Die Verbindung zwischen diesen bayerischen Republikanern und Frankreich ist aller Wahrscheinlichkeit nach durch denselben Reibell hergestellt worden, der Anfang 1796 im Auftrage des Direktoriums über die Schweiz, München, Augsburg, Regensburg nach Nürnberg reiste.71 72* 74 Frey erwähnt mehrfach den .Bürger R.', der ihm den Vorschlag machte, »für die Sache der Menschheit zu arbeiten', ihm aus­ führliche Instruktionen erteilte und ihm »für einen großen, gedrängt überschriebenen Bogen fein Papier einen Louisdor * antrug.72 Demnach ist anzunehmen, daß die Korrespondenz über Reibell ging, und Guyots Ansicht von der Nutzlosigkeit dieser Mission wäre ein zweites Mal widerlegt. Die Instruktion, die Frey von Reibell erhielt und nach der er seine Berichte anzufertigen hatte, ist sehr umfangreich, wird aber von der Gaurnes in dieser Hinsicht noch übertroffen.7* Hinweise auf eine propagandistische Einflußnahme sind keinem der unsystematisch aneinander­ gereihten 16 Punkte zu entnehmen, aus denen Freys Instruktion bestand. In den ersten sechs Punkten wurde nach dem politischen Zustand überhaupt gefragt, nach politischen Neuigkeiten, nach der Bevölkerungsbewegung, den militärischen Hilfs­ quellen, dem Stand des Ackerbaus und der Viehzucht, nach Art und Preisbewegung der wichtigsten Lebensmittel. Ein anderer Teil der Punkte verlangte Nachrichten über Stimmungen, Strömungen, Vorkommnisse und Veränderungen bei Hofe, im Staatsapparat, auf diplomatischer Ebene, Hinweise auf Personen, die in den ver­ schiedenartigsten Kreisen Einfluß besaßen oder siah durch besondere Unter­ nehmungen auszeichneten. Ferner sollte das Augenmerk auf das Kommen und Gehen fremder und insbesondere solcher Personen gerichtet werden, die nach Frankreich reisten bzw. von dort zurückkehrten. Punkt 11 wünschte konkrete Auskünfte über Truppenbewegungen und ihre Stärke. Nach der öffentlichen Meinung wurde im achten Punkt gefragt, aber auch das ganz allgemein und ohne damit die Aufforderung zur Einflußnahme zu verbinden. Uber ein allgemeines Bild von Bayern hinaus ging es also vor allem darum, Anknüpfungspunkte festzustellen und Unterlagen zu beschaffen, die ein erfolgreiches diplomatisches oder auch militärisches Vorgehen Frankreichs erleichtern konnten. Bezeichnend für die Haupt­ richtung der Nachrichtentätigkeit ist jene Mitteilung Freys, daß er die ihm an­ gebotenen Gelder anzunehmen genötigt sei, .weil ich zur Beförderung der Ge­ schäfte meine einfache philosophische Lebensart mehr aristokratisieren muß, folglich auch gezwungen bin, in Gesellschaften, zu Konzerten, Tables d'höte, Schauspielen zu gehen, welches alles mehrere Auslagen für Kleider und anderen Aufwand er­ fordert, den ich außerdem niemals machen würde.' 75 Die Begrenzung der Agententätigkeit Freys auf solche Bereiche war zweifellos zu einem wesentlichen Teil darin begründet, daß das großbourgeoise Frankreich, das 1795 in Basel einträgliche Seperatverträge mit feudalen Mächten zu schließen ge­ lernt hatte, eine solche Politik fortzusetzen trachtete. Die französische Republik 71 71 74 74

Vgl. S. 163. Fournier, August, a. a. O., S. 218/19. Ebenda. Ebenda, S. 219.

Hl. Zusammenarbeit antifeudaler Kräfte

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nutzte den Winter 1795/96 zu gewaltigen Rüstungen, um 1796 erneut zur Offen­ sive übergehen zu können. Der Kriegsplan sah einen gemeinsamen Angriff der Maas-Sambre-Armee unter Jourdan, der Rhein-Armee unter Moreau und der Italien-Armee unter Bonaparte mit dem Ziel vor, bis in die österreichischen Erblande vorzustoßen und dort den Frieden zu diktieren. Während Bonaparte sich der Weg durch Oberitalien bahnte, sollten Jourdan vom Niederrhein durch Franken und Moreau vom Oberrhein durch Schwaben und Bayern vorrücken. Für diese ge­ waltigen Operationen galt es, alle zur Verfügung stehenden Reserven einzusetzen; das hieß unter anderem auch Ausnutzung der Gegensätze im feindlichen Lager und der Kriegsmüdigkeit der süddeutschen Fürsten im besonderen. Die Instruktion für Frey berücksichtigte diese Bedürfnisse. Ein zweiter Grund für die bloße Nachrichtentätigkeit Freys Lag in der Beschränkt­ heit der bürgerlichen Opposition in Bayern selbst. Der französische Nachrichten­ dienst durfte die oppositionellen Elemente, mit denen Verbindung aufzunehmen gelang, nicht überfordern, wenn brauchbare Ergebnisse erzielt werden sollten. In Baris war von oppositionellen Regungen in Bayern wenig bekannt Lediglich an die einstige Existenz des aufklärerischen Illuminatenordens erinnerte man sich. Das geht aus zwei inhaltlich gleichartigen Pariser Aktennotizen hervor, von denen die eine vom 8. April 1796 folgenden Wortlaut hat: .Der Orden der Illuminaten ... ist ehemals in Bayern sehr verbreitet gewesen. Freunde von Grundsätzen und der Menschlichkeit hatten sich da vereinigt, um sich dem Fortschritt des zivilen und religiösen Despotismus entgegenzustellen; sehr aufgeklärte öffentliche Beamte gehörten zu dieser Zahl. Weishaupt, sehr berühmter Professor an der Universität zu Ingolstadt, war an ihrer Spitze. Dieser Geheimorden näherte sich viel den Frei­ maurern, aber war mehr instruiert und mehr dem Interesse der Volksunterdrücker entgegengestellt.' Es zeugt für die geringe Zahl sicherer Anknüpfungspunkte, auf die Frankreich rechnete, wenn der Schreiber dieser Notiz auf die Möglichkeit auf­ merksam machte, daß sich trotz Verbot und schärfster Verfolgung noch einzelne ehemalige Illuminaten finden und gewinnen liegen. »Es scheint mir wichtig, unseren Korrespondenten in München zu fragen, ob er frühere Mitglieder des Ordens der Illuminaten kennt und ob er nicht ein Mittel hätte, dafj sie sich im Dienste der französischen Republik nützlich erweisen.' 76 Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß die Verbindung mit Frey im Ergebnis solcher Bemühungen zustande kam, denn Freys Berichte setzten bereits am 14. Mai 1796 ein. Außerdem gingen Freys Ge­ dankengänge weit über die der Illuminaten hinaus. Die Berichte, die Frey nach Paris sandte, haben für den Historiker den Vorzug, daß sie sich nicht auf nackte Mitteilungen beschränken. Vielmehr enthalten sie eine Fülle allgemeiner Betrachtungen, persönlicher Urteile und Wünsdhe, die einen relativ guten Einblick in die Vorstellungswelt dieses frühen bayerischen Demokraten gewähren: Frey war stolz auf die Leistungen der bayerischen Aufklärung: .Es gab in Bayern immer sehr aufgeklärte und helldenkende Köpfe,...' Allerdings waren 7* Engel, Leopold, Geschichte des Illuminaten-Ordens. Ein Beitrag zur Geschichte Bayerns. Berlin 1906, S. 418/19.

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die Bedingungen für ihr Wirken die denkbar ungünstigsten. .Wenn jemals ein Land über Berge von Hindernissen sich zur Wahrheit emporschwingen mufjte, so hatte Bayern gewiß die höchsten hiervon zu übersteigen. * 77 Als hartnäckigstes Hindernis bezeichnete er die schwarze Brut der Jesuiten. .Diesem ungeachtet ist Bayern das Land, wo sich von Zeit zu Zeit einzelne, von dem Augenblicke an aber, als Ganganelli mit einem Schnitt die nur allzu fruchtbaren Väter kastrierte, eine Menge Talente zeigten, die sich durch Schriften, Kenntnisse und jede andere Art von Eifer für die Wahrheit und gute Sache rühmlichst auszeichneten,... die nun geradeweg das Übel beim Kopfe faßten und das mächtige Vorurteil, die Pfafferei, in ihrer wahren Gestalt darstellten. * Mit der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 durch Papst Clemens XIV. datierte also Frey den eigentlichen Beginn der Auf­ klärung in Bayern. .Anno 1774 bis 1784 wurden eine Menge Schriften in Bayern herausgegeben und mit Eifer verbreitet, welche in mancher Hinsicht selbst der französischen Revolutionszeit würden Ehre gemacht haben,...' Einen ganz hervor­ ragenden Platz nahm dabei nach Freys Ansicht der Illuminatenorden ein, von dem er sagte, daß er .mit den nämlichen Artikeln im kleinen handelte, mit welchen gegenwärtig die französische Nation im großen handelt. Diese wichtige bayerische Kompagnie war schon sehr zahlreich und würde mit ein wenig mehr V orsicht, Klugheit und ehrlichem Sinne ganz gewiß das geleistet haben, was die Menschheit von ihr fordern durfte. * 7B Bei aller Hochschätzung und sogar Überschätzung des Ordens war Frey dennoch kein kritikloser Bewunderer. Die Feststellung, daß es den Illuminaten in ausreichendem Maße an .ehrlichem Sinne' mangelte, war ein Vorwurf von prinzipieller Bedeutung. Frey urteilte als Demokrat und verurteilte damit die bornierte aristokratische Isolierung der Illuminaten, die mehr oder weniger auf die Massen des werktätigen Volkes herabsahen. Die innige Verbundenheit Freys mit den Volksmassen, insbesondere mit den Bauern, spricht aus allen seinen Berichten. Mit aller Entschiedenheit wehrte er sich gegen die generalisierenden, abschätzigen Urteile aufgeklärter Zeitgenossen, so auch Friedrichs II., der in seiner .Histoire de mon temps' Bayern ein irdisches, von Tieren bewohntes Paradies genannt hatte. Frey korrigierte dieses Bild treffend und scharf: .Wenn er nun von sogenannten Menschen spricht, die er als gekröntes Haupt hatte kennenlemen und mit ihnen als Vorständen des Landes hat bekannt werden können, so mag er wohl noch zuwenig gesagt haben, denn man wünscht auch in Bayern ziemlich laut, daß die Höfe einmal aufhören möchten, kostbare Menagerien zu sein, oder, was am leichtesten wäre, daß die Höhlen dieser aller­ schädlichsten Raubtiere für je und allzeit zerstört werden könnten. Dieser Philosoph würde aber gewifj sehr unlogisch schließen, wenn er den Einwohnern im ganzen genommen Verstand und Beurteilung absprechen wollte.'70 Frey schätzte die 77 Du Moulin Eckart. Richard Graf. Bayerische Zustände..., a. a. O„ S. 178. ” Ebenda, S. 179. 71 Ebenda, S. 178. Diese Überzeugung teilten auch andere bayerische Zeitgenossen, ohne wie Frey revolutionäre Demokraten zu sein. So schrieb Simon Rottmanner, Sohn eines Bauern, Jurist, führender Praktiker und Theoretiker einer fortschrittlichen Landwirtschaft: .Es hat schon vor vielen Jahren zu tagen angefangen; aber hernach ward der Himmel wieder

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Eigeninitiative des Volkes und ihre Ergebnisse sehr hoch ein: .Es hat gegenwärtig ganz allein aus sich selbst, mehr als man glauben wurde, hiervon gelernt, und jeder eben nicht genaue Prüfer muß sich überzeugen, daß es für physisches und mo­ ralisches Gute mehr als hinlängliche Empfänglichkeit besitze.'80 Zusammenfassend stellte er fest: ....man kann nun mit Gewißheit behaupten, daß die Generation von 1760, nach der mittleren Klasse von Menschen betrachtet, fast ganz für die Wahrheit gestimmt sei. Das Reich der Dummheit hat in Bayern wirklich ein Ende.'81 Als ein sichtbares Zeichen dieser Tatsache wertete Frey die Abnahme des geistlichen Einflusses auf die Massen. .Die Leibwache der Religion hat einen großen Teil von ihrem Ansehen verloren, doch schätzt man die Mönche noch ein wenig mehr als die Weltgeistlichen, weil jene auch mehr Gelegenheit haben, ihre Menschlichkeiten vor dem Volke geheimzuhalten, als der Pfarrer, der immer in ihrer Mitte lebt... Vor zwanzig Jahren war ein Geistlicher und vorzüglich ein Mönch der nächste an Gott, Ein Bauer hielt sich für zeitlich und ewig glücklich, einen Sohn ins Kloster zu bringen, und man durfte zählen, daß der zweite Sohn eines jeden reichen Bauern Mönch wurde. Jetzt aber denkt man ganz anders: Die Studenten haben an der Zahl mehr als um die Hälfte abgenommen, und die Klöster haben jährlich Mangel an Kandidaten und finden in der Not nur arme und elende Schwachköpfe, von welchen ihnen auch noch unter den Probejahren die Hälfte davonläuft, obgleich in Rücksicht dessen die Klosterdisziplin unendlich gemildert ist. Wenn ich überhaupt bestimmen soll, in welchem Grad von Ansehen der Geistliche beim Volke im Jahre 1796 stehe, so muß ich behaupten, daß man ihn, alles eingerechnet, für nichts mehr, aber auch für nichts weniger hält als für ein Ding, welches gut ist, wenn man es in der Not hat. Die Religion steht also viel höher als ihre Diener. * 82 Selbstverständlich war das Volk noch .eifrig katholisch', aber der krasse Aberglaube, der es wie eine Fessel an den Klerus gekettet hatte, starb in zunehmendem Maße aus. Vor allem der Bauer bewies einen erfreulich praktischen Sinn; er verachtete die Andächtelei der Bet­ brüder und -Schwestern, die nicht oft genug zur Beichte laufen konnten. .Man scheut sogar ihren Umgang, weil man sie für Pfaffenspione hält.' 88 Geradezu liebevoll zeichnete Frey den Charakter der bayerischen Werktätigen in Stadt und Land: .Man sagt zwar, daß der Bayer grob sei; aber seine Grobheit besteht nur in seinem rauhen Ton, der selbst seinen Grund in Mangel an Falschheit, Schwatz­ haftigkeit und Feigheit hat,...' Offenherzigkeit, Treue, Gutmütigkeit und gesunde Sinnenfreude zeichneten den Bayern aus. .Er ist auch gegen niemand argwöhnisch, schüchtern und zurückhaltend als einzig und allein gegen seine Obrigkeit und gegen die, von denen er durch eigene Erfahrung versichert ist, daß sie falsche

80 81 “ 38

wölkigt. Bayern ist immer zur Aufklärung reif; man spreche nut: Fiat lux. * (Rottmanner, Simon), Ofellus Rusticus oder der Verteidiger der Brache in Bayern über die Rezension in der neuen allgemeinen deutschen Bibliothek, XV. Band, S. 364. Frankfurt 1796, S. 43. Du Moulin Eckart, Richard Crai, Bayerische Zustände..., a. a. O., S. 178. Ebenda, S. 180. Ebenda, S. 185. Ebenda, S. 184.

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Leute und Betrüger sind. * 8485 *87 Gewiß gab es Ausnahmen von der Regel, aber auch nur als eine Folge der feudalen Ausbeutung, die verelendete Bauern zu Trinkern machte und sie demoralisierte, so daß sie sich am Ende sogar zu Spitzeldiensten für die Behörden hergaben. Viel schärfer prangerte darum Frey das aus einer be­ schränkten Wohlhabenheit resultierende, zwar ewig nörgelnde, aber zur Tat un­ fähige städtische Spießertum an: .... ein wahrer Spießbürger teilt mit seiner dicken Ehehälfte, wenn er wohl zu leben hat, den Tag in zwei Teile: den einen widmet er der Kirche, den anderen einer Gesellschaft im Garten vor der Stadt, wo ein Spiel, mehrere Maß Bier mit einem Braten täglich ihrer wartet. In diesen Gesellschaften wird dann wenig politisiert, aber desto mehr Ehre abgeschnitten und über böse Zeiten geklagt.' 88 Mit großer Hochachtung sprach Frey von den Handwerkern im allgemeinen, die im Gegensatz zu den Mitgliedern der herrschenden Feudalklasse ihre Reihe von Dieben und Betrügern peinlich sauber hielten. Sarkastisch folgerte er:.... und ich glaube, daß dieser Stand deswegen unter die niederen Stände gezählt wird, welchen man niemals ein Gefühl für Ehre zutrauen kann, von denen man nie etwas Großes erwarten darf. Die Fürsten und der Adel verstehen das Ding besser,.. .* 08 Freys ganzer Haß und seine ganze Verachtung gehörten der Feudalaristokratie und ihrer ideologischen Hauptstütze, dem Klerus. Am Beispiel des Grafen Bettschart, dessen durch Jahre fortgesetzte Verbrechen als Geheimer Rat und Staatsreferendar der Herzogtümer Sulzbach und Neuburg schließlich selbst die Münchener Regierung nicht mehr zu decken wagte, demonstrierte er den Grad der Verkommenheit. Er schilderte den Adel in seiner skrupellosen Geldgier, seinem hohlen Stolz, seiner grenzenlosen Dummheit und erbärmlichen Feigheit. Sich auf den sensus communis berufend, nannte er den Grafen Vieregg, Staats- und Konferenzminister unter Karl Theodor, einen ausgemachten Erzdummkopf. .Ich habe eine Menge Leute von Kenntnissen über ihn gesprochen, und es war nicht eine einzige Person, die ihm auch nur allein von dem .Erz' ein Lot streitig gemacht hätte... Seine zweite Tugend ist Geiz in sehr hohem Grade, seine dritte Adelsstolz und die vierte Tyrannenart, die aber von seiner ersten notwendig im Zaume gehalten ... wird.' 07 Als meist feig und dumm bezeichnete Frey auch die Offiziere. Um so brutaler verhielt sich die herr­ schende Klasse gegenüber oppositionellen Gedanken und Regungen: .Überhaupt ist gegenwärtig hier jedes mindeste gefährlich, und die Aristokraten scheinen nun an Denunziationen und Grausamkeiten einen Ersatz für ihre Furcht und ihren Zorn zu * suchen. 00 Keine Dorfgemeinde konnte zur Beratung ihrer Angelegenheiten zu­ sammentreten, so hatte Karl Theodor verfügt, ohne daß der Scherg den Vorsitz führte und auf diese Weise jede offene Aussprache verhinderte. Diese Furcht vor den Volksmassen wurde zur schlotternden Angst, die nur noch die feige Flucht 84 85 84 87 88

Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda. Ebenda.

S. S. S. S. S.

186/87. 184. 192. 197. 192.

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kannte, als die Nachricht vom Rheinübergang Moreaus eintraf. Als typische Bei­ spiele schilderte Frey den Fürsten Bretzenheim, den Minister Tattenbach und den Kriegsratspräsidenten Fürst Isenburg, die am 29. Juni Böllerschüsse, wie sie von den Bürgern bei Gewitter abgegeben wurden, mit Kanonenschüssen verwechselten und nun zitterten, nicht mehr rechtzeitig mit der wertvollsten Habe abreisen zu können. Man schickte eiligst Kundschafter aus, und der »General der Chevau-lägers, Fürst Bretzenheim, ritt nach Dachau und legte sich in höchsteigener Person auf den Boden, um zu hören, woher die Kanonade komme. * 89 Den Klerus, die ideologische Hauptstütze des Feudalismus, teilte Frey entsprechend den Methoden der Erziehungsarbeit in drei Gruppen. Die erste arbeitete nach wie vor mit den abgegriffenen Mitteln der Orthodoxie, mit der Furcht vor der Hölle und dem Fegefeuer. Die zweite Gruppe war in ihren Methoden, die Französische Revolution zu paralysieren, beweglicher: »Sie steckt sich hinter Aufklärung, ärgert sich über die alten rohen Zeiten, lobt die neueren, läßt dem französischen Donner­ wetter sehr viel Spielraum und gesteht sogar, dal} selbes die Luft reiner und gesünder machen könnte, spricht dann wieder von der Liebe des Apostels Johannes, der Süßigkeit des Schoßes Jesu..., endet dann ganz sanft mit der Hauptsache der christlichen Duldung und beständigen Ergebung in den Willen Gottes.' Der Einflug dieser beiden Gruppen war gering, gemessen an dem der dritten, die »mit der bekannten Peitsche der Inquisition * einhertrat und es darauf anlegte, »in aller christ­ lichen Milde ihre Opfer erst methodisch zu zerfleischen und dann langsam hin­ . * zuschlachten 90 Diese dritte Gruppe mit dem .Groginquisitor * Lippert an der Spitze gab den Ton an. In der Stadt hatte sie ihr Auge vornehmlich auf die Buchhändler, auf dem Lande auf solche Pfarrer geworfen, die selbständige Gedanken zu ent­ wickeln wagten. Denn wenn auch in der Regel die Vorstellungen der Landpfarrer »sich selten über die Grenzen ihres Stalles und ihres Bierkruges' erstreckten, so gab es doch auch »wahre praktische Gelehrte und einige Originalköpfe * unter der nie­ deren Geistlichkeit.91 Frey trieb keine simple Schwarzweißmalerei; wo Leute mit Geist auf der Seite der herrschenden Klasse standen, da nannte er sie. Seine demokratische Parteilichkeit wußte trotzdem zwischen Freund und Feind sauber zu scheiden. Wenn ein leitender Beamter in der Regierung den Einfluß Lipperts bekämpfte, so wog das noch keines­ wegs den unfruchtbaren Adelsstolz desselben Beamten auf. Aus ähnlichem Grunde erklärte sich Freys scharfes Urteil über Westenrieder: .Dessen Schriften sind alle so, daß man seine Bücher schon bei der zweiten Zeile wegen der auffallenden Unrichtigkeiten und Widersprüche hinter die Türe werfen und den Autor ver­ wünschen möchte.' 92 Westenrieders Verdienste um die Aufklärung in Bayern waten nicht zu bestreiten, aber er begriff die Aufklärung rein gedanklich und nicht als Ausdruck einer gesellschaftlichen Bewegung. Seine Furcht vor der praktischen »• 99 91 92

Ebenda, S. 205/06. Ebenda, S. 180/81. Ebenda, S. 181/82. Fournier, August, a. a. O., S. 221 Anm. 1.

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Anwendung gewonnener theoretischer Erkenntnisse durch die Volk&massen band ihn an die herrschende Klasse. Für den Demokraten Frey war eine solche Haltung die eines Feiglings. Frey verlangte die tägliche lebendige Auseinandersetzung mit der Reaktion. Ihr zunehmender Druck konnte nur vermehrten Gegendruck erzeugen: .Sie knüpft das Band gleicher Denkungsart und Herzen nur um so viel enger und fester und entzündet das Feuer zur Teilnahme. Man glaubt, nach der Pest reine Luft zu atmen, wenn man im Zirkel biederer Freunde der Wahrheit ist, und da wird dann jeder Gedanke doppelt gefaxt. Oft würden gute Bücher, die uns aller Vor­ sorge ungeachtet nicht fehlen, ungelesen bleiben, wenn nicht das Verbot dazu auf­ forderte. Das beste aber, was die Inquisition stiftet, ist, daß sie dem Charakter der Menschen eine Stärke und Kraft verschafft, deren sich nie ein Schurke rühmen konnte.' Bs Freys Ansichten von den bayerischen Zuständen ruhten eindeutig auf revolutionär­ demokratischen Grundsätzen; dem entsprachen die Ziele. Frey war Republikaner. Sein Blick umfaßte dabei aber nicht nur die engere bayerische Heimat, sondern das ganze unglückliche, zersplitterte Deutschland. Ganz Deutschland zu einer nach dem Beispiel Hollands von Frankreich abhängigen Republik zu machen, das war das am weitesten gesteckte Ziel: .Ich weiß nun wohl, daß es ein groß Stück Arbeit sei, Deutschland zu einer Republik nach dem Beispiel von Holland zu machen, aber ich zweifle doch noch, ob nicht glückliche Umstände manchmal mehr entscheiden als unsere Pläne. Das scheint mir aber gewiß, daß Deutschland, unter hundert Despoten zerstückt, nie gleiche Interessen, nie gleiche Denkungsart, nie einen Gemeinsinn erlangen werde, folglich nie soviel Tätigkeit erlangen könne, als nur zur Selbsterhaltung nötig ist,- es bleibt ewig eine passive Macht, die der Stärkere nach Belieben zu seinem Vorteil benützt, um seinen Nachbarn zu schaden. * Die volle staatliche Unabhängigkeit für die deutsche Republik ins Auge zu fassen erschien Frey noch nicht möglich. Die Größe der Aufgaben forderte die Anlehnung an Frankreich, das auf diese Weise die Rolle eines Protektors übernahm. Anderer­ seits brauchte Frankreich nicht nur der Gebende zu sein: .Der Deutsche ist aber gemacht, seine Rechte und seine Freiheit standhaft und mit bestem Mute zu be­ schützen, wodurch die Grenzen der Mutter Gallia von dieser Seite ewig gesichert blieben.' M Das war gewissermaßen Freys Maximalprogramm, formuliert in seinem Bericht vom 29. Mai 1796. In dem Bericht vom 15. Juni entwickelte er weniger weit gesteckte Ziele: .Auch heute ist nodh mein Wunsch, und er wird immer derselbe bleiben, Deutschland nämlich als eine oder als mehrere Republiken zu sehen.' Der Gedanke an die Bildung mehrerer deutscher Republiken bedeutete bereits eine erste Einschränkung. .Im Falle aber zu diesem großen Endzweck die Mittel fehlten oder die rechte Zeit noch nicht da sein sollte, so möchte ioh doch gar so gerne, daß der für alle Länder gleich schädliche Einfluß von Fürsten, Pfaffen und Adel auf die Völker so viel als möglich gehemmt und wenigstens in der möglichst kürzesten Zeit M Du Moulin Eckart. Richard Gral, Bayerische Zustände..., a. a. O., S. 181. Ebenda, S. 171.

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ganz vertilgt werden möchte, damit trotz der hundert verschiedenen Regierungs­ formen und darum sich immer kreuzenden Interessen bei der deutschen Nation eine Art von G eineinsinn festgestellt werden könnte. * 95 Frey kannte die deutschen Zustände gut genug, um zu wissen, daß ohne Hilfe von außen, nur aus der eigenen revolutionären Kraft heraus, die große Aufgabe nicht in Angriff genommen werden konnte. Selbst wenn Bayern vorangehen und auf seinem engen Territorium die notwendigen Veränderungen beginnen sollte, brauchte es Hilfe von außen, die Frey von den französischen Waffen erwartete: „Es bleibt dem, der Kopf und Herz am rechten Flecke hat, nichts mehr zu wünschen übrig, als dafj glückliche Umstände den mächtigen Arm herbeileiten möchten, welcher auch das Reich der Schurkerei, das gegenwärtig noch den verlassenen Thron der Dumm­ heit besetzt hält, zerschmettern und dann in den ewigen Abgrund stürzen kann. Dies Geschäft würde kaum ein Jahr fordern. * 96 Eine der ersten Maßnahmen wäre die Aufhebung der Klöster und Staatsgüter, .deren Fett ein approbierter Balsam gegen die Geschwüre dieses Landes ist. Sobald einmal ein einziger aufhört, für Tausende zu fressen, so essen sich Tausende gleich satt.' 97 Voraussetzung war in jedem Falle die französische Unterstützung. Unverkennbar ist seine Sorge, dafj die Rückständig­ keit Bayerns Frankreich abhalten könnte, Hand an eine gründliche Veränderung der Verhältnisse zu legen. Darum registrierte er in seinen Berichten jeden Ansatz einer progressiven Entwicklung und entwarf ein Bild, das bei aller Treue des Details ins­ gesamt doch einen etwas zu günstigen Eindruck hinterlieg. Es ist mehr als fraglich, ob Freys allgemeine Betrachtungen den zuständigen Stellen lesenswert erschienen. Seine maximalen und minimalen Wünsche haben die fran­ zösische Politik gewiß nicht beeinflußt. Die Naivität, mit der er sie äußerte, zeugt von der Abgeschlossenheit der wenigen bayerischen Demokraten. Während der Kreis um Fopp und Damm zumindest über die Bedeutung des 9. Thermidor reflek­ tierte, leuchtete für Frey die französische Republik in unveränderter Reinheit. War sein Blick nach dieser Seite begrenzt, so verdient andererseits jedoch sein nicht territorial beschränkter Patriotismus und die Lauterkeit seiner republikanischen Gesinnung höchste Anerkennung. Frey ließ es als revolutionärer Demokrat nicht bei dem bloßen Wunsche nach französischer Hilfe bewenden, sondern er trug seinen Teil dazu bei, solche glücklichen Umstände herbeizuführen. Letztlich der einigen deutschen Republik diente seine Tätigkeit für Frankreich. In Württemberg waren die Voraussetzungen für eine französische Einflußnahme nicht nur angesichts der fortgeschritteneren sozialökonomischen Entwicklung gün­ stiger,- insbesondere boten hier die politischen Gegensätze zwischen dem Landes­ herrn und den Landständen für Frankreich schon sehr früh die Möglichkeit, sich einzuschalten. Während die Landschaft in zunehmendem Maße auf die Beendigung des Krieges drängte, hielt der Herzog an der österreichischen Politik fe6t. Die Land­ schaft gewann in diesem Kampfe ständig an Einfluß; so konnte sich der aus hessenhomburgischen Diensten wegen jakobinischer Grundsätze verjagte Assessor und ” Ebenda, S. 171/72. ” Ebenda, S. 180.

•’ Ebenda, S. 195.

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spätere Hofrat Kämpf 1794 in Württemberg niederlassen und sich als Vermittler eines Friedens mit der französischen Republik der Landschaft anbieten.M Kämpf besa§ Verbindungen, die über Frankfurt a.M. und Basel nach Paris gingen. Am 1. August 1794 sandte Bacher aus Basel an Buchot nach Paris einen Brief, der von einer Mittelsperson am 27. Juli in Frankfurt geschrieben war -und eine Mitteilung Kampfs weiterleitete. Sie besagte, dafj die Stände entschlossen waren, selbständig in Frie­ densverhandlungen mit Frankreich zu treten, wenn der Herzog diesen Schritt nicht täte,- sie hätten die Vermittlung, die Kämpf ihnen anbot, angenommen. ** Sogar der in ganz Württemberg als feuriger Revolutionär bekannte Georg Kemer durfte es im Oktober 1794 wagen, sein Geburtsland zu betreten und Beziehungen aufzunehmen, die mit dem angeblich privaten Charakter seiner Reise nicht mehr zu vereinbaren waren. Er hatte seinen Besuch, und zwar offensichtlich in Überein­ stimmung mit Kämpf, gründlich vorbereitet. In seinem Bericht über die Ergebnisse der Reise sagte er: ....ich habe mich mit noch größerer Leidenschaftlichkeit der Idee gewidmet, die Handelsbeziehungen zwischen Schwaben und Frankreich wieder­ herzustellen. Ich hatte meine Korrespondenz mit Württemberg, dem mächtigsten Stande Schwabens, sozusagen verdoppelt und zur Unterstützung von meinen Freun­ den eine Menge dieser Idee zugetane Menschen zusammengebTacht, während ein Bürger Hessen-Homburgs mit Namen Kämpf, ein begabter Mensch und seit einiger Zeit in Stuttgart ansässig, seinerseits für dasselbe Ziel mit einer Uneigennützigkeit arbeitete, die republikanischen Herzen eigen ist.'100 Kämpf war nidit der einzige Stützpunkt der französischen Propaganda in Württemberg. Das geht sowohl aus den Worten Kerners hervor wie aus den zahlreichen Hinweisen Bachers auf seine Gewährsmänner in Schwaben. Aber Kämpf war der wichtigste. Darum war es auch Kerners Bestreben nach seiner Ankunft in Stuttgart am 5. Oktober 1794, sich sogleich mit ihm in Verbindung zu setzen: .Am 14. Vendémiaire in Stuttgart angekommen, nutzte ich den Tag des 15., um meine alten Freunde wiederzusehen und mit dem Bürger Kämpf zu dem Zweck Bekanntschaft zu machen, uns über alle zu ergrei­ fenden Maßnahmen zu verständigen, um in Übereinstimmung und nach einem ge­ meinsamen Plan vorzugehen ~ was auch geschehen ist, so dafj ich vor allem diesem einleitenden Verfahren den Erfolg meiner Reise verdanke.'101 M Hötzte, Erurin, Altwürttemberg und die Französische Revolution. In: .Württemberg:sehe Vierteljahrshefte für Landesgeschichte', NF 35. Jahrg., S. 276, 1929. M Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 220/21. lw .. .. je me suis attaché avec un acharnement encore plus grand à l'idée de rétablir les rapports commerciaux entre la Souabe et la France. J'avais pour ainsi dire doublé ma correspondance avec le Wirtemberg, l'État le plus puissant de la Souabe, et rallié à l'aide de mes amis une foule d'hommes bien intentionnés à cette idée, pendant qu'un citoyen du pays de Hesse-Hombourg - nommé Kaempf, homme de talents et établi depuis quelque temps à Stouccard, travaillait de son côté au même but avec un dés­ intéressement propre aux âmes républicaines.' Wohhoill. Adolt. a. a. O., S. 156/57. 101 .Arrivé le 14 vendémiaire à Stouccard, j'employais la journée du 15 pour revoir mes anciens amis, à lier connaissance avec le dt. Kaempf afin de nous concerter sur toutes les mesures à prendre pour agir de concert et d'après un plan commun - ce qui s'est aussi fait de manière que c'est surtout à cette opération préliminaire que je dois le succès de mon voyage.' Ebenda. S. 158/59.

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Bacher, mit dessen Wissen und Einverständnis Kerner sein kühnes Unternehmen durchführte, war zunächst ernstlich um ihn besorgt. Am 12. Oktober schrieb er an Buchot: »Indem ich zugleich den Mut des jungen Kerner bewundere, bin ich sehr unruhig über diesen Schritt, zu dem ihn sein Eifer für die Revolution veranlaßt hat, und ich wende mich über sein Schicksal erst beruhigen, wenn ich ihn nach Schaff­ hausen zurückgekehrt weiß, wo er Aufenthalt nehmen wind, um seine Korrespon­ denz mit Deutschland zu pflegen, die guten Gesinnungen unserer Anhänger zu nähren und sie über den wirklichen Gesichtspunkt aufzuklären, in dem man die verschiedenen Ereignisse sehen muß, die sich nacheinander in Frankreich ereig­ * nen. 102 Fünf Tage später verfügte Bacher bereits über beruhigende und sehr erfreuliche Nachrichten. Am 17. Oktober schrieb er an Buchot: »Doktor Kerner ist in Stuttgart von Staatsbeamten und Leuten von Ansehen sehr gut aufgenommen worden, so am Hofe wie im Lande. Die Energie und die Wärme, womit er die Vorteile der deutschen Neutralität zu entwickeln gewußt hat, indem er die Not­ wendigkeit darlegte, sich mit allen geeigneten Mitteln der französischen Republik zu nähern und die Freundschaft einer so gewaltigen benachbarten Macht zu ge­ winnen, hat alle Wirkungen hervorgebracht, die man wünschen konnte. * 103 Am 12. November sandte er den von Kemer abgefaßten Bericht an den Wohlfahrts­ ausschuß.104 Während der Vater Kemers als herzoglicher Beamter den Besuch des Sohnes kalt aufnahmlos, drängte 6ich eine große Anzahl Personen um ibn und überhäufte ihn mit Zeichen der Zuneigung und Freundschaft.100 Neben vielen Privatleuten emp­ fingen ihn auch Mitglieder des Geheimen Rats, der Regierung und der Landschaft. »Am 14. Tage hatte ich eine Audienz bei dem Herzoglichen Geheimen Sekretär Schwab, der von dem Herzog expresse Erlaubnis dazu verlangt und erhalten batte.'107 Überall trat er als bloßer Privatmann auf, der rein zufällig mit der Lage der Dinge vertraut war und ebenso zufällig Verbindungen zu Personen in Frankreich besaß, die bei der Wiederherstellung guter Beziehungen zwischen beiden Ländern nützlich sein konnten. Sein steigender Einfluß schien dem Hofe schließlich so ge­ fährlich zu wenden, daß er ihm die baldige Abreise anempfahl. Kerner verließ seinen Geburtsort mit der Bitte einflußreicher Landschaftsmitglieder, sich in Paris ,ot »Tout en admirant le courage du jeune Kerner, je suis très inquiet sur la démarche que son ardeur pour la Révolution lui a fait faire et je ne serai tranquille sur son sort que quand je le saurai de retour à Schaffhouse, où il restera en station pour soigner sa correspondance avec l'Allemagne, entretenir les bonnes dispositions de nos partisans et les éclairer sur le véritable jour sous lequel il faut envisager les différents événements qui se passent suc­ cessivement en France.' Papiers de Barthélemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 252. lra .Le docteur Kemer a été très bien accueilli à Stuttgard par les gens en place et en crédit tant à la Cour que dans le pays. L'énergie et la chaleur avec lesquelles il a su développer les avantages de la neutralité germanique, en représentant la nécessité de chercher par tous les moyens practicables de se rapprocher de la République française et à gagner l'amitié d'une puissance voisine aussi formidable, a produit tout l'effet qu'on pouvait désirer.' Ebenda, S. 365. 1M Ebenda, Bd. 5, S. 10. 104 Kerner, Justinus, a. a. O., S. 79. 1M WoMwill, AdoU, a. a. O., S. 159. 107 Ebenda, S. 151. 13 Süddeutsche Jakobiner

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für Württemberg zu verwenden. Er hat in der Folgezeit auch an der Verbindung der Landschaft mit Paris gearbeitet; aber einmal mag Paris nicht allzu großes Ver­ trauen in die Stände gesetzt haben, und zum anderen sohreckten die Stände wieder davor zurück, bindende Verhandlungen über den Kopf des Herzogs hinweg ein­ zugehen, der den kurmainzischen Friedensantrag beim Reichstag zu unterstützen versprochen hatte. Schon in seinem Bericht beschuldigte Kerner die Landschaft einer ekelhaften Langsamkeit. Rückschauend wiederholte er in einem Briefe vom 2. Ok­ tober 1795 diesen Vorwurf, sprach von Wankelmut, Feigheit und sogar von Betrü­ gerei.108 Als dann Anfang 1795 die Tatsache preußisch-französischer Verhandlungen kein Geheimnis mehr blieb, wurden auch die württembergischen Stände wieder aktiver und schickten Kämpf zur Wiederaufnahme der Verbindungen nach Basel. Nach dem preußisch-französischen Friedensschluß bewirkten sie sogar beim Herzog, daß er den Landschaftskonsulenten Abel als offiziellen herzoglichen Gesandten gleich­ falls dorthin delegierte.100 Kämpf übernahm jetzt die Rolle eines Gehilfen Abels, ohne auf eigene Initiative zu verzichten. Das Urteil des gleichzeitig für verschiedene deutsche Höfe tätigen Korrespondenten Heinrich Wilhelm von Bülow in einem Bericht vom 4. November 1795 lautete über ihn:.... ein sehr guter Beobachter und gescheiter Kopf. Er ist dem württembergischen Legationsrat Abel als Gehilfe bei­ * gegeben. 110 Sehr enge Beziehungen knüpfte Kämpf in dieser Zeit zu den deutschen Revolutionären Christoph Friedrich Cotta, dem Straßburger Publizisten, und Georg List, der bei einem Baseler Handelshaus angestellt war und für die französische Propaganda arbeitete. Dieser Umgang war es zweifellos, der Kämpf bei dem immer noch in Basel weilenden preußischen Unterhändler Hardenberg in einen .üblen Verdacht' brachte.111 Am 25. September 1795 schloß Kämpf für Württemberg mit den Volksrepräsentanten bei der Rheinarmee einen Vertrag, der eine einmonatige Waffenruhe vorsah und die Franzosen eindeutig begünstigte.112 Allerdings wurde dieser Vertrag vom Direktorium als die militärischen Operationen hemmend ver­ worfen. Aber auch der Herzog hätte ihn angesichts der militärischen Erfolge nicht ratifiziert, die Österreich Ende 1795 dank der verräterischen Armeeführung PicheM° Ebenda, S. 154. ,M Vreede, George Guillaume, La Souabe après la paix de Bâle. Recueil de documents diplo­ matiques et parlementaires, concernant les négociations avec la République française et la lutte des États de Wurtemberg contre Frédéric II, dernier Duc-Électeur (1795-1805). Utrecht 1879, S. 1. 110 LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und aus Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 16. Bülow war auf Anraten seines Gönners, des englischen und kurhannoverschen Gesandten beim Reichstag zu Regensburg, v. Ompteda, als Korrespondent nach Basel gegangen und am 22. Oktober 1795 dort eingetroffen. Seine Briefe an Ompteda wurden z. T. von Heinrich Ulmann veröffentlicht, der in seiner Vorrede bedauert, daß Bülows bezahlte Berichte .bis jetzt nicht an den Tag gekommen' seien. Heinrich Ulmann, Briefe über und von dem Freiherrn, späteren Fürsten Karl August von Hardenberg, preußischen Staatsminister, nachherigen Staatskanzler aus den Jahren 1795 und 1814/15. Darmstadt 1924, S. 16. Die dem sächsischen Hof übersandten Berichte sind unter dem angegebenen Locat im LHA Dresden zu finden. 111 Ulmann, Heinrich, a. a. O., S. 47. 1,0 Vreede, George Guillaume, a. a. O., S. 47.

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grus erzielen konnte. Kämpf wurde zurückberufen.11’ Die Verbindung wurde in den folgenden Monaten durch Georg Liât aufrechterhalten, der häufige Reisen nach Franken, Schwaben und insbesondere nach Stuttgart unternahm.113 114 Charakteristisch für die Beziehungen, die Frankreich mit Württemberg suchte, war die Tabsache, daß die Mittelsmänner wohl aus den Reihen der revolutionären De­ mokraten kamen, die eigentlichen Partner aber im Lager der herrschenden Feudal­ klasse saßen. Frankreich nutzte bestehende Gegensätze innerhalb dieses Lagers wie die zwischen den Ständen und dem Herzog aus, unterstützte oppositionelle Strö­ mungen, die den Krieg beenden wollten, und hoffte so, nach dem Baseler Frieden nun auch die Reste der Koalition sprengen zu können. Diese Tendenz steigerte sich mit den Vorbereitungen zur neuen militärischen Offensive Anfang 1796. Eine her­ vorragende Rolle spielte in diesem Zusammenhang der ehemalige Marquis Poterat. Pierre Claude de Poterat war ein übler Hasardeur und Hochstapler. Unter dem ancien régime hatte er seinen simplen Adelstitel in den anspruchsvolleren Grafen­ titel verwandelt und es verstanden, mit aller Welt Beziehungen anzuknüpfen. Seine zweideutigen Geschäfte ließen ihn, zu seinem Glück, für einige Zeit in der Bastille verschwinden. Durch die Revolution 1789 aus der Gefängnishaft befreit, nutzte er diese Tatsache, um sich wiederum in die Umgebung einflußreicher Männer zu drängen. Unter der Jakobinerherrschaft wegen Lebensmittelspekulationen erneut ins Gefängnis geworfen, stiegen mit dem Machtantritt der Großbourgeoisie auch für ihn wieder die Chancen. Seine persönliche Bekanntschaft mit Tbugut, die er während giessen Urlaubsreise vor 1789 in Frankreich gemacht hatte, ließen ihn dem Wohlfahrtsausschuß geeignet erscheinen, im August 1795 geheime Friedensunter­ handlungen in Wien anzubahnen. Obwohl diese Mission erfolglos blieb, erreichte er, daß das Direktorium ihn am 27. November 1795 wiederum mit Vollmachten für Unterhandlungen mit Wien ausstattete. Bezeichnend für Poterat war das Mittel, von dem er sich diesmal Erfolge versprach. Er hatte in Erfahrung gebracht, daß Thugut als österreichischer Gesandter bei der Pforte für den französischen Nach­ richtendienst gearbeitet und bis 1789 eine Pension von den Bourbonen erhalten hatte.115 Die Drohung mit einem Skandal sollte Thugut gefügig machen. Aber die 113 Vgl. Briefentwurf Friedrich Eugens an Hardenberg vom 28. 9. 1795. HSA Stuttgart, A 10, Bü. 17. Vgl. auch Brief Bülows an Ompteda vom 16. 11. 1795. Ultnann, Heinrich, a. a. O., S. 47. 114 Cuyot, Raymond, a. a. O., S. 220. 114 Der französische Außenminister Delacroix behauptete in einem Gespräch mit dem preu­ ßischen Gesandten Sandoz-Rollin, daß Thugut in Konstantinopel sogar die Chiffre des Wiener Hofes an Frankreich verraten habe. Sandoz-Rollin berichtete am 12, August 1796 über diese Äußerungen von Delacroix nach Berlin: .Es ist derselbe Herr von Thugut fuhr er fort, dessen Käuflichkeit in einem Briefe Ludwigs XVI. an den Grafen von Vergennes bewiesen ist. Ordnen Sie doch an, sagte der König darin, daß man Thugut seine Pension zahle: er hat uns große Dienste in Konstantinopel geleistet und unter anderen den, die Chiffre seines Hofes auszuliefem.' (.C'est ce même Sr. de Thugut, continua-t-il, dont la véna­ lité est prouvée dans une lettre de Louis XVI au Comte de Vergennes. Arrangez-vous donc, y disait le Roi, de payer à Thugut sa pension; il nous a rendu de grands services à Con­ stantinople, et entre autres celui de livrer le chiffre de sa Cour.') DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fasc. 348, Bd. 3, Bl. 167. 13*

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hochgeschraubten französischen Forderungen ebenso wie die österreichischen Waffenerfolge in dieser Zeit ließen auch diese Mission scheitern.114 Nach Basel zurückgekehrt, schrieb Poterat am 4. Januar 1796 an den Außenminister Delacroix: »Es bleibt Ihnen nur übrig, den Krieg bis aufs Messer und mit äußerster Kraft zu führen."117 Dennoch hielt sich Poterat weiterhin in Basel auf, um über den dortigen österreichischen Gesandten, Baron von Degelmann, die Verbindung mit Wien aufrechtzuerhalten. In den folgenden Monaten entwickelte sein geschäftiger Kopf ein neues Projekt, um dessen Annahme in Paris und Wien er sich ebenso eifrig wie vergeblich bemühte: Die Einberufung eines allgemeinen Friedenskongresses in Hamburg.118 Am 1. April 1796 erhielt er dann vom Direktorium den Auftrag, die süddeutschen Fürsten von der Koalition abzusprengen. Er sollte sie für ein Offensiv- und Defen­ sivbündnis auf der Basis der Anerkennung der Rheingrenze gewinnen. Die fran­ zösische Gegenleistung sollte neben der Entschädigung für die linksrheinischen Verluste in der Garantie ihres jetzigen und zukünftigen Besitzstandes bestehen.11* Poterat hatte außerdem den Auftrag, Militärspionage zu treiben und insbesondere Fühlung mit dem Emigrantenkorps des Prinzen Condé aufzunehmen, um Teile davon zum Überlaufen zu bewegen. Alte finanzielle Verpflichtungen, die der Sekretär und politische Berater des Prinzen, Chevalier de Contye, Poterat gegenüber batte, sollten diesem die Wege ebnen.120 Inzwischen jedoch hatte er bereits wieder­ um ein anderes Projekt verfolgt: Er hatte Verbindungen zu süddeutschen Revolutio­ nären angeknüpft mit dem Ziel, überall Aufstände zu erregen und in ihrem Verlauf ganz Süddeutschland zu republikanisieren. Seit Ende März hielt er das Terrain für hinlänglich vorbereitet. Eine französische Invasicuisarmee sollte den Anstoß geben und entsprechende Hilfe lasten. Am 3. April bat er in einem Brief an Carnot um die Übertragung des Kommandos über die Invasionsarmee. Großsprecherisch be­ hauptete er: »Mit einem guten Stabschef, zwei sehr tüchtigen Ingenieuren, drei fähigen und nicht diebischen commissaires ordonnateurs und einer Kompanie Artille­ risten verpflichte ich midi, Schwaben in einem Monat zu erobern."121 Am 13. April folgte bereits das nächste Schreiben, worin er Moreau für unfähig erklärte, ein solches Unternehmen auch nur zu begreifen, und die schon bekannte Forderung wiederholte: »Ich habe meine Kräfte geprüft; ich kenne den ganzen Umfang der Verpflichtung, die ich eingehe... Geben Sie mir die Mittel, um die ich Sie gebeten lls Guyot. Raymond, a. a. O., S. 134 ff. Nach Barthélemy habe Poterat sogar verlangt, zur Sicherung Frankreichs einen 10 Meilen (60 km) breiten Streifen deutschen Gebietes mit Feuer und Schwert in eine Wüste zu verwandeln. Mémoires de Barthélemy__ _ a. a. O., S. 151. 111 »n ne vous reste qu'à faire la guerre à outrance et avec la plus extrême vigueur.' Guyot, Raymond, a. a. O., S. 137. 1,8 Ebenda, S. 174. 118 Hüfier, Hermann/Luckwaldt, Friedrich, Quellen zur Geschichte des Zeitalters der Fran­ zösischen Revolution. Innsbruck 1907, T. 2, Bd. 1, S. 36 ff. Obser, Karl, Der Marquis..., a. a. O., S. 399. 111 »Avec un bon chef d'état-major, deux ingénieurs très habiles, trois commissaires ordonnateurs capables et point voleurs, et une compagnie d'ouvriers d’artillerie je m'engage à conquérir la Souabe en un mois.' Guyot, Raymond, a. a. O., S. 208.

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habe.'122 Zehn Tage später drängte er erneut auf positive Antwort und versäumte nicht, die größten Hoffnungen zu erwecken: .Wir haben schon mit einigen Führern dieser Gegenden konferiert. Sie planen, das ganze Land zum Aufstand zu bringen, d. h. die Markgrafschaft und den Breisgau mit Ausnahme des Freiburger Distrikts, auf den sie nicht so zählen; sobald wir unsererseits imstande sein werden, sie zu unterstützen, können sie in der Markgrafschaft 20000 Mann, alle bewaffnet, zu­ sammenziehen und 10 000 Mann im Schwarzwald, denen sie werden Waffen geben müssen, denn dort sind die Männer entwaffnet worden; aber sie haben davon genug zur Verfügung, um sie damit auszurüsten. Sie werden die Armee mit Lebensmitteln, Futter, Pferden und allem, was sie brauchen wird, versorgen.'123 In einem Briefe an Delacroix vom 1. Mai 1796 plädierte er nachdrücklich dafür, seinem Aufstands­ plan den Vorzug vor Separatverhandlungen mit den Reichsständen zu geben, die unter dem Druck der kaiserlichen Truppen ständen und darum auch keine ernst­ haften Unterhandlungen zu führen wagten.124 Am 3. Mai 1796 endlich entschloß sich das Direktorium, auf Poterat« Pläne ein­ zugehen und ihn mit ihrer Durchführung zu beauftragen. Die entsprechende An­ ordnung an den Außenminister lautete: .Das vollziehende Direktorium nimmt, Bürger Minister, den Vorschlag, der ihm gemacht wurde, bestens auf, die kühne Er­ hebung der Bewohner der Markgrafschaft und des Breisgaus zu unterstützen. Es fordert Sie daher auf, den Bürger Poterat zu bevollmächtigen, sein Einvernehmen mit den Führern dieses Unternehmens weiterhin aufrechtzuerhalten, ihnen zum Gelingen den mächtigen Beistand Frankreichs und im Falle eines Fehlschlags Ent­ schädigungen zu versprechen, die den Verlusten gleichkommen, die seine Führer erleiden könnten. Gleichfalls werden Sie ihn anweisen, sich mit dem Oberkomman­ dierenden Moreau und mit General Laborde, der am Oberrhein eingesetzt ist, zu verständigen. Das Direktorium wird sie von dieser Anordnung und von der Absicht benachrichtigen, wo durch Truppenbewegungen der Erfolg des Insurrektionsplans dieser deutschen Patrioten zu begünstigen ist, die, einmal selbständig geworden, von den französischen Waffen nichts für ihre Freiheit zu befürchten und bis dahin alles von ihnen zu hoffen haben, um sie zu erobern. * 12S Delacroix ging weit darüber hinaus und bezeichnete in einem Schreiben an Poterat vom gleichen Tage es als *“ .J'ai consulté mes forces; je connais toute l'étendue de l'engagement que je contracte... Donnez-moi les moyens que je vous,ai demandés. * Politische Correspondenz.... a. a. O.. Heidelberg 1915, Bd. 6, S. 105. 1,3 .Nous avons déjà conféré avec quelques-uns des chefs de ces contrées. Ils proposent de soulever tout le pays, c'est à dire le Margraviat et le Brisgau, excepté le district de Fribourg sur lequel ils ne content pas autant; aussitôt que de notre côté nous serons en mesure de les soutenir, ils peuvent rassembler 20 000 hommes tous armés dans le Margraviat et 10 000 dans la Forêt-Noire auxquels ils seront forcés de donner des armes, car ceux-là ont été désarmés, mais ils en ont à leur disposition assez pour leur en donner. Us fourniront l'armée de subsistances, fourages, chevaux et de tout ce dont elle aura besoin.' Ebenda, S. 106. *“ Ebenda, S. 106/07. .Le Directoire exécutif accueille avec empressement, citoyen ministre, la proposition qui lui est faite de secouer la généreuse insurrection des habitants du Margraviat et du Brisgau. Il vous invite en conséquence à autoriser le citoyen Poterat à suivras ses intelligences avec les

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seine Aufgabe, in Süddeutschland eine Republik zu errichten, Nationalgarden zu organisieren und Vertreterversammlungen einzuberufen. Er sollte sich außerdem mit dem französischen Residenten in Chur, Comeyras, verständigen, der angewiesen wäre, die vorhandene revolutionäre Gärung in Tirol zu fördern, um die geplante Insurrektion bis über die Alpen greifen zu lassen. Poterats größenwahnsinniger Wunsoh allerdings, das Oberkommando über die Rheinarmee übertragen zu be­ kommen, wurde zurückgewiesen. Und noch in einer anderen Hinsicht legte man ihm Zügel an: Die nötigen Gelder für das Unternehmen wurden nicht ihm, sondern Bacher anvertraut.129 Diese Maßnahme war um so ärgerlicher für Poterat, als seine Beziehungen zur offiziellen französischen Gesandtschaft in Basel keineswegs die besten waren. Wie Barthélemy in seinen Memoiren schreibt, bildete Poterat mit seinen Helfern ein regelrechtes Komitee, das unabhängig von der Gesandtschaft und ihr entgegen­ wirkte. Zu dieser Gruppe gehörten vor allem Bassal, ehemals Pfarrer, Konvents­ mitglied und Präsident des Jakobinerklubs, sein Adjutant Topinot le Brun, vormals Geschworener beim Pariser Revolutionstribunal, dann das ehemalige Konvents­ mitglied Sergent und schließlich der französische Resident in Graubünden Comeyras, der sich längere Zeit in Basel aufhielt. Die Gruppe erfreute sich des Vertrauens insbesondere von Delacroix, mit dem Poterat vor allem korrespondierte.117 Heinrich Wilhelm von Bülow berichtete dem Dresdner Hofe am 6. Juli von Poterats Treiben: „Man wußte allgemein, daß er einen ausgebreiteten Briefwechsel untenhielt und kraft der in Händen habenden französischen und österreichischen Pässe, wann er wollte, hingehen konnte, wo es ihm beliebte. Man erfuhr ferner, daß er als eine Kreatur Camots und Reubeils es mit derjenigen Partei halte, welche den Ambassadeur Barthélemy stürzen wollte,.. .* 120 Nach Mitteilungen von Barthélemy war der Beschluß des Direktoriums vom 12. März 1796, Bacher wegen des Verdachts der Teilnahme an einer Verschwörung gegen die Sicherheit der Republik zu verhaften, Bassais Werk. Bacher aber konnte sich völlig rechtfertigen, so daß er schon einen Monat später wieder auf seinen alten Posten zurückkehren durfte.128 chefs de cette entreprise, A leur promettre les secours puissants de la France pour la faire réussir et, en cas de malheur, des indemnités égales aux pertes que ses chefs pourraient faire. Vous lui prescrirez également de se concerter avec le général en chef Moreau et avec le general Laborde, employé sur le haut Rhin. Le Directoire va les prévenir de cette disposition et de l'intention où il est de favoriser par des mouvements de troupes le succès du pian d'insurrection de ces patriotes allemands qui, devenus indépendants, n'auront jamais rien à redouter des armes françaises pour leur liberté et qui jusque-là doivent tout attendre d'elles pour la conquérir.' Debidour, A., Recueil des actes du Directoire exécutif. Paris 1911, Bd. 2, S. 287/88. ln Guyot, Raymond, a. a. O., S. 209. Mémoires de Barthélemy..., a. a. O., S. 149 ff. LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und aus Paris, den französischen Krieg betr. 1795/96/97, Bl. 101. JS* Mémoires de Barthélemy. .., a. a. O., S. 149/50. Debidour, A.. a. a. O., Paris 1910, Bd. 1, S. 787/88; Bd. 2, S. 51, 131.

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Am gleichen 3. Mai 1796, an dem das Direktorium den Außenminister anwies, Poterat zur Fortsetzung der Insurrektionsvorbereitungen zu bevollmächtigen, gin­ gen die entsprechenden Erlasse an die Generäle Moneau und Laborde hinaus. Darin wurde von der großen und günstigen Gelegenheit gesprochen, .der Freiheit in Deutschland Eingang zu verschaffen und eine mächtige Diversion zugunsten der Waffen der Republik am Rhein durchzuführen'. Insbesondere wies das Direktorium auf die Erleichterung des Rheinübergangs und der Erstürmung der feindlichen Batterien und Verschanzungen hin. Laborde sollte in direkten Kontakt mit Poterat treten, und Moreau wurde aufgefordert, sich den Gesamtplan sehr angelegen sein zu lassen und entsprechend zu betreiben.130 Die offizielle Vollmacht für Poterat wurde am 4. Mai ausgefertigt und befand 6ich spätestens am 13. Mai in seiner Hand. Sie hielt sich im Wortlaut eng an den Beschluß des Direktoriums vom 3. Mai; in einem Punkt jedoch ging sie darüber hinaus: .Das vollziehende Direktorium be­ vollmächtigt den Bürger Poterat, den Einwohnern des Markgraftums Baden, des Breisgaus und jeder anderen Gegend Deutschlands, welche ihre Unabhängigkeit zu verschaffen sich wünschen, in seinem Namen den mächtigsten Beistand der frän­ kischen République zu versprechen,..131 Die Ausweitung der Vollmacht, die fran­ zösische Unterstützung den Einwohnern auch .jeder anderen Gegend Deutschlands' zuzusagen, entsprach in einem gewissen Grade den Auffassungen, wie sie Delacroix in seinem Brief vom 3. Mai formuliert hatte. Eine solche Vollmacht gab Poterat eine größere Bewegungsfreiheit im Verkehr mit den deutschen Revolutionären, deren Verbindungen weiter als nur nach Baden und dem Breisgau reichten. Jede Mög­ lichkeit der Revolutionierung sollte genutzt werden. Dennoch verfolgte das Direk­ torium dabei keine größeren Pläne und hatte konkret nur die Insurrektion in der Markgrafschaft und im Breisgau im Auge. Das geht eindeutig aus seinem Schreiben an den Regierungskommissar bei der Rhein-Mosel-Armee, Haussmann, vom 6. Mai hervor: Es unterrichtete ihn sehr präzise von dem Insurrektionsplan, .der die ganze Markgrafschaft und den Breisgau mit Ausnahme des Freiburger Bezirks umfaßt, der gleichwohl durch das zwingende Beispiel seiner Nachbarn mit fortgerissen werden wird. * 132 Der bedeutendste Kopf und die treibende Kraft unter den süddeutschen Revolutio­ nären, die mit Poterat zusammenarbeiteten, war der 1752 in Durlach gebürtige Georg Friedrich List.133 Er hatte nach seinen eigenen Angaben, die er am 24. März 1799 dem helvetischen Direktorium machte, in der Schweiz den Kaufmannsbenif 1M .Cette circonstance présente tous les caractères d'une occasion grande et favorable d'intro­ duire la liberté en Allemagne et de faire une diversion puissante en faveur des aimes de la République sur le Rhin.' Debidour, A., a. a. O., Bd. 2, S. 286/87. 131 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 374. Die Abschrift, die Feldzeugmeister de Latour am 16. Juni 1796 an den Markgrafen von Baden sandte, ist irrtümlich vom 17. April datiert. 138 .... un plan insurrectionel qui embrasse tout le Margraviat et le Brisgau, à l'exception du canton de Fribourg, qui néanmoins sera entraîné par l'exemple pressant de ses voisins.' Debidour, A., a. a. O., Bd. 2, S. 320. lM Obier, Karl, Der Marquis..., a. a. O., S. 390. Hansen, Joseph, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution. Bonn 1931, Bd. 1, S. 58 Anm. 1

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erlernt, in dieser Branche gearbeitet, sich in seinen Mußestunden aber mit dem Recht und den Staatswissenschaften vertraut gemacht, so daß er 1781 als Finanz­ kammerrat in kurpfälzische Dienste treten konnte. Jm Jahre 1787 mußte er jedoch als Angehöriger des Illuminatenordens vor den Verfolgungen Karl Theodors in die Schweiz flächten.134 Dem entspricht die Mitteilung Kampfs, wonach List seinen Posten verlor, weil er sich sehr entschieden .Bedrückungen widersetzte'. Er ging zunächst nach Lindau, später nach Basel, arbeitete als Handlungsgehilfe und wurde schließlich 1794 Kassierer beim Baseler Handlungsbause Nikolaus Preiswerck.133 Was sein einstiger Mitstreiter Kämpf Über den Charakter Lists sagt, ist beeinflußt von dem Bestreben, die eigene revolutionäre Vergangenheit zu leugnen; daher der überheblich moralisierende Ton. Trotzdem muß er die wirklich bedeutenden Qua­ litäten dieses Mannes anerkennen, und das, was er tadelt, seine vorwärtsdrängende revolutionäre Energie, erhöht ihn in unseren Augen erst recht. Kämpf hebt Lists .natürliche Gutmütigkeit , * seinen .Feuereifer für das Gute und Gerechte' hervor und tadelt, daß ihm das .Maßhalten, jenes stille Abwägen fehlte'. .Fest war List, weil er sanftere Gefühle nicht kannte; er war es aus Einseitigkeit und darum aus wildem Hange für das einmal Ergriffene. Ohne Schwächen, ohne Vorurteile zu haben, beherrschte ihn irgendeine Neigung mit tyrannischer Gewalt, weil es ihn wenig kostete, sie vor seinem Verstand, der bei ihm die Stelle der Vernunft vertrat, zu rechtfertigen, indem er sich niemals selbstsüchtiger Absichten, groben Eigen­ nutzes, immer nur jener kosmopolitischen Weitherzigkeit bewußt war, welche dem Rechtsgefühl und zugleich dem plumpen Stolze roher und zumal gutartiger Men­ schen schmeichelt;... Sein Geist war ohne Tiefe, aber hell, fessellos, umsichtig. Darum erschaute er leicht das Schwache, Fehlerhafte, daß bloß scheinbar Ehren­ werte des Bestehenden; darum riß ihn das Neue, Außerordentliche, frei, kühn und glänzend Einherschreitende hin. . . Einen solchen Menschen mußte der Geist der Französischen Revolution mächtig ergreifen; ihr greuelvoller Gang konnte ihn nicht zur Besinnung bringen. * 133 Lists Begeisterung für die Französische Revolution war also, um ein Wort von Engels zu modifizieren, nicht von deutscher Art, nicht nein metaphysisch, sie galt nicht nur den Theorien der französischen Revolutionäre.137 Er war ein echter Jako­ biner, und zwar über den 9. Thermidor hinaus. Einzelheiten über seine revolutionäre Tätigkeit in der Zeit zwischen dem Bastillesturm und dem Sturz Robespierres sind nicht bekannt. Bacher nannte ihn in einem Brief an Buchot vom 5. Mai 1794 einen Geheimkorrespondenten des einen Monat vorher zusammen mit Danton hingerichteten Herault des Sächelles.138 Daß er zumindest sehr engen Kontakt 1M Das Schreiben Lists ist in seinem vollen Wortlaut abgedruckt bei Obser. Karl, Die revo­ lutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 246 ff. Das kurfürstliche Bestallungsdekret ist vom 21. November 1781 datiert; Obrer, Karl, Der Marquis..., a. a. O., S. 391 Anm. 1. Vgl. außerdem Hansen, Joseph, a. a. O., Bonn 1935, Bd. 3, S. 586 Anm. 3. ,w Hurter. Friedrich, Denkwürdigkeiten aus dem letzten Decennium des 18. Jahrhunderts. Schaffhausen 1840, S. 35. *“ Ebenda, S. 36/37. 117 Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, a. a. O., S. 567. *" Papiers de Barthälemy..., a. a. O., Bd. 4, S. 78.

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mit den Mainzer Revolutionären besessen hatte, beweist sein amtlicher Lebens­ lauf, den er als französischer Kommissär in Speyer 1800 abfaßte, worin er sich auf das Zeugnis von Winkelmann, Metternich, Meyenfeld, Moßdorf, Wede­ kind, Fiesse und Hofmann berief. Er war auch jener ungenannte .Kaufmann vom linken Rheinufer , * der Anfang August 1795 im Einverständnis mit dem Mainzer Emigranten Boehmer in Paris 6000 Livres für ein Preisausschreiben über die Frage der Rheingrenze ausgesetzt hatte; Boehmer verteidigte die untadelige Gesinnung des Veranstalters gegenüber Verdächtigungen, die aufikamen, und gab die ein­ gegangenen und preisgekrönten Arbeiten in einer Sammlung heraus.139 6000 Livres waren keine geringe Summe, und List war kein vermögender Mann; ihn kenn­ zeichnete aber, wie Kämpf bestätigt, eine vollkommene Selbstlosigkeit, und solche Ausgaben .sowie das Unterstützen verarmter, für ihn und die gemeinschaftliche Sache tätiger Patrioten kosteten ihn, den Vater einer zahlreichen Familie, alles das, was er sich mühsam erwarb. * 140 Aus einem Brief Reubeils vom 29. August 1795 geht hervor, daß List um dieselbe Zeit beauftragt war, im Fricktal eine gegen die Österreicher und Emigranten gerichtete Spionage zu organisieren. .Aber da mein Vertrauen in List nicht vollkommen ist und General Pichegru über diesen Punkt ebenso denkt, habe ich ihn gebeten, von seiner Seite aus eine Überwachung ein­ zurichten.' 141 Das Mißtrauen Pichegrus, der bereits seinen offenen Verrat vorberei­ tete, kann nur für die Zuverlässigkeit der Gesinnungen Lists sprechen. Über die Rolle, die er von 1795 auf 1796 im Zusammenhang mit den Bemühungen Kampfs um die Trennung Württembergs von der Koalition spielte, wurde bereits ge­ sprochen.142 Nach der Darstellung, die List in dem bereits genannten Schreiben vom 24. März 1799 an das helvetische Direktorium gab, hatten er und seine Freunde im Frühjahr 1796 zunächst mit dem Agenten Bassal zusammengearbeitet und Pläne für eine revolutionäre Erhebung in Süddeutschland entwickelt. Bassal sei dann jedoch durch Poterat ersetzt worden.143 Diese Darstellung ist ungenau, denn Bacher sprach noch am 20. Juni von dem Gespann Poterat und Bassal.144 Trotzdem besitzt Lists Dar­ stellung einen rationellen Kern: In dem Moment, da Poterat den Auftrag des Direktoriums erwirkte, wurde Bassal auf den zweiten Platz gedrängt, obwohl die Verbindungen dieses ehemaligen Präsidenten des Jakobinerklubs zu den deutschen Revolutionären zweifellos viel älter und inniger waren. Dem Hasardeur und Hoch­ stapler Poterat konnten List und seine Freunde kein echtes Vertrauen entgegen­ bringen; sie haben schließlich auch wesentlich dazu beigetragen, daß seine un*“ Hansen, Joseph, a. a. O„ Bd. 3, S. 586 Anm. 3. .Europäische Annalen *. Jahrg. 1798, 6. Stück, S. 240. 144 Hurter. Friedrich, a. a. O., S. 44. 141 .Mais comme ma confiance dans List n'est pas entière, et que le général Pichegru pense de même sur ce point, je l'ai prié d'organiser de son c3té une surveillance.' Hansen, Joseph, a. a. O-, Bd. 3, S. 586 Anm, 3. 141 Vgl. S. 176/77. 143 Obser. Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 247. 144 Debidour, A., a. a. O., Bd. 2, S. 744 Anm. 4.

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sauberen Geschäfte aufgedeckt wurden und das Direktorium seine Verhaftung beschloß. List war kein willfähriges Werkzeug in den Händen eines solchen Agenten wie Poterat, sondern ein entschlossener Revolutionär, der zupackte, wenn Verrat im Spiele war. Sehr bald hatte er ihm .ganz andere Absichten als die Befreiung Deutschlands angespürt... Zum Erzählen allzu weitläufige Umstände nötigten mich, Poterat bei dem General Laborde schriftlich zu denunzieren; dies veranlaßte seine Verhaftung'.144 145 Es gibt mehr Vermutungen als sichere Gründe, die die Verhaftung Poterats erklären. Barthélemy behauptet in seinen Erinnerungen, daß die durch ihn und seine Leute in der ganzen Schweiz hervorgerufene Besorgnis wegen der ständigen Verdächtigung der Schweizer Neutralität das Direktorium zu dieser Maßnahme veranlaßte.14* Ein allgemein erhobener Vorwurf war der der Doppelspionage einerseits für Frankreich, andererseits für den Prinzen Condé. Bacher beschuldigte ihn in einem Briefe vom 20. Juni, mit österreichischen Emissären und mit Emigranten zu fraternisieren, denen gegenüber er sich mit Vollmachten, ihnen die Rückkehr nach Frankreich zu ermöglichen, brüstete.147 Der österreichische Gesandte Degelmann schrieb am 24. Juni an Thugut: .Man betrachtet den bewußten Emissär hier allgemein als einen * Doppelspion. 148*Dieselbe Auskunft gab der preußische Gesandte in Paris, SandozRollin, am 6. August nach Berlin.148 Der Baseler Korrespondent von Bülow teilte am 6. Juli mit: .Soviel ist zuverlässig, daß, seitdem das Condéische Corps sich den schweizerischen Grenzen genähert hat, man laut äußerte, daß er mit besagten Emi­ grierten und dem Anführer derselben nicht ohne Verbindung sei.' Bülow ergänzte diese Nachricht am 28. Juli: .Hauptsächlich drückt ihn jetzt seine Verbindung mit dem Prinzen von Condé, und ein bei gedachtem Prinzen zu Müllheim 6 Stunden von hier abgestatteter nächtlicher Besuch soll einen für Frankreich gefährlichen Anschlag zum Gegenstände gehabt haben. * 150 Bacher beschuldigte ihn außerdem maßloser Übertreibungen in bezug auf die zu erwartende revolutionäre Erhebung ttnd berief sich dabei auf das Zeugnis eines Kaufmannes aus dem Breisgau, der für Frankreich Militärspionage trieb und Poterat als einen unvorsichtigen Schwätzer ohne die ge­ ringste Fähigkeit bezeichnete, das Zutrauen der Deutschen zu gewinnen, deren Sprache er ebensowenig kenne wie ihre Empfindungen.151 Charakteristisch ist auch eine Wendung, die Bülow gebrauchte: Er .spielte eine äußerst auffallend ge­ heimnisvolle Rolle.' Dieses Gebaren war geeignet, seiner Person den Schein einer 144 Obrer, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 247. Jägerschmidt hatte eben­ falls Anteil an der Entlarvung und Verhaftung Poterats. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Bericht des Obérantes Badenweiler vom 30. 8. 1796. 148 Mémoires de Barthélemy..., a. a. O., S. 152. 147 Debidour, A., a. a. O., Bd. 2, S. 744 Anm. 4. 148 .On regarde ici généralement l'émissaire en question comme un espion double.' Obser, Karl, Der Marquis..., a. a. O., S. 400 Anm. 3. 148 DZA Merseburg, Hep. 11, Nr. 89, Fasc. 348, Bd. 3, BL 155. 1M> LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und aus Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 107, 141. 151 Debidouz, A., a. a. O., Bd. 2, S. 744 Anm. 4.

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Bedeutung zu geben, die ihr überhaupt nicht zukam. Was sich an Korrespondenten und mittelmäßigen Diplomaten in Basel aufhielt, ließ sich denn auch weitgehend täuschen. Bülow schrieb: »Dieser Vorfall (Poterats Verhaftung - H. S.) erregt hier um so mehr ein außerordentliches Aufsehen, als man den starken Anhang, den dieser Mann in Frankreich hatte, kennt und man nicht zweifelte, daß er bei dem dereinstigen Friedenswerke eine Rolle spielen wende. * 152 Die süddeutschen Revo­ lutionäre waren aus einem anderen Holze geschnitzt, um auf einen Mann wie Poterat hereinzufallen. Auf ihre Intervention hin ordnete das Direktorium am 29. Juni Poterats Verhaftung an.153 Sie erfolgte auf Requisition Barthelemys am 4. Juli durch Schweizer Behörden.154 Am 10. Juli erging der Befehl an Barthälemy und den General Labozde, ihn unter sicherer Bewachung nach Paris bringen zu lassen.155 Damit war allerdings das Direktorium dem Prinzen Condä lediglich zu­ vorgekommen, denn wie jenes so mißtraute auch dieser dem ehemaligen Marquis und hatte darum Vorbereitungen zu seiner Gefangennahme getroffen.155

Die Zweideutigkeit und die Hochstapelei Poterats sind eine Sache, die zielbewußte und intensive Arbeit eines Kerns deutscher Revolutionäre eine andere, auch wenn die Umstände es so fügten, daß beide eine Zeitlang sich miteinander berührten.157 Der Kopf der Gruppe war Georg List. Nach dem Zeugnis von Kämpf gehörten außerdem dazu .ein Württemberger, der längst in Frankreich lebte, und ein gewisser, bei Basel wohnhafter Badenser namens Jägerschmidt, welcher bereits in revo­ lutionärem Verkehr mit den Bauern des badischen Oberlandes stand'.158 Hinter dem Württemberger verbarg sich zweifellos Christoph Friedrich Cotta. Ernst Jäger­ schmidt stammte aus Kandern, war der Sohn eines Arztes und lebte als Faktor auf dem Zäßlinschen Eisenwerke im linksrheinischen Niederschönthal. Zu seinen Mit­ arbeitern in den badischen Oberlanden zählten sein Schwager, der Pfarrer Wix in Feuerbach, weiterhin Pfarrer Eisenlohr in Bettberg, Johann Georg Dörfflinger, Sohn de6 Britzinger Vogts, der Britzinger Vogt selbst, die Vögte von Mappach und Efringen, Landkommissar Ludwig, Jagdinspektor Muser, ein Dr. Leußer, Fritz Hoyer und vor allem Christoph Hoyer, der Sohn des ehemaligen Burgvogts von Müllheim 1,1 LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 107,174. 1M Debidour, A„ a. a. O-, Bd. 2, S. 744/45. Vgl. oben Anm. 145. 154 GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1331. Brief Degelmanns vom 6. 7. 1796. Debidour, A., a. a. O., Paris 1916, Bd. 3, S. 56. 154 Obser, Karl, Der Marquis. . ., a. a. O., S. 400/01. Offensichtlich aber konnten Poterat keine Verrätereien nachgewiesen werden, denn am 6. August bereits verfügte das Direktorium seine Freilassung. Er durfte nicht in Paris bleiben und mußte sich zu seinem ständigen Wohnsitz begeben. 1798 gelang es ihm nochmals, einen Auftrag zu erhalten und in be­ sonderer Mission in den Breisgau geschickt zu werden. Erst unter dem Konsulat verschwand er endgültig von der politischen Bildfläche. 1803 verbrachte er erneut einige Monate im Gefängnis. 1808 starb er. Debidour, A., a. a. O.. Bd. 1, S. 137 Anm. 2; Bd. 3, S. 276. 147 Die Behauptung Obsers, daß Poterat .vermöge seiner Vergangenheit zu dem Werke wie kein anderer geeignet war', kennzeichnet .wie keine andere' das absolute Unvermögen dieses bürgerlichen Historikers, das Wesen revolutionärer Bewegungen zu begreifen. Obser, Karl, Der Marquis. . ., a. a. O„ S. 387. 156 Hurter, Friedrich, a. a. O., S. 54.

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III. Zusammenarbeit antifeudaler Kräfte

und Handlungsgehilfe, der schon früher mit den Franzosen zusammengearbeitet hatte.lw Weiterhin gehörten zum Kern der Revolutionäre Linck, der am 14. Mai von Foterat beauftragt worden war, die Insurrektion in der rechtsrheinischen Pfalz zu organisieren16°, dann Kämpf in Stuttgart und der Fabrikant Haller in Ludwigs­ burg, mit dem List nach der Aussage Kampfs eine lebhafte Korrespondenz unter­ hielt.161 Beteiligt waren außerdem an den revolutionären Vorbereitungen der Prin­ zipal des Georg List, Nikolaus Preiswerck16i, und Remigius Frey, der beim Zoll beschäftigt war, beides Baseler Bürger.163 Die genannten Namen umfassen selbst­ verständlich nur die bekannt gewordenen, nicht aber sämtliche Angehörige der lei­ tenden Gruppe. Poterat schrieb am 27. Mai an Delacroix.- »Ich habe mehr als 20 Emissäre, die jetzt die Markgrafschaft, den Schwarzwald und einen Teil Schwabens mit von uns verfaßten Instruktionen bereisen und von denen einige Träger regu­ lärer Vollmachten sind, die ich ihnen anvertraut habe und die sie verlangt haben, um den Eigentümern, die sich erheben sollen, eine Garantie zu geben. * 164

Überaus wichtig ist die Feststellung, daß der Kem der südwestdeutschen Revo­ lutionäre sich nicht mehr allein aus der bürgerlichen Intelligenz, sondern bereits auch aus dem Handels- und Industriebürgertum rekrutierte. Diesem hohen Ent­ wicklungsstand der Bewegung entsprach eine bemerkenswert klare Vorstellung von den in erster Linie zu lösenden Problemen: Zwei Hauptaufgaben standen vor dem deutschen Volk, die Lösung der sozialen und der nationalen Frage. Obwohl die letztere stets eine von der ersten, der Grundfrage, abgeleitete Frage darstellt, war sie doch als ungelöste Frage zugleich das größte Hindernis bei der Bewältigung jener Grundaufgabe. Die nationale Zersplitterung hemmte die Herausbildung eines starken Bürgertums, das im Bunde mit den Massen aus eigener Kraft den Feuda­ lismus zu zerschlagen vermochte. Die südwestdeutschen Revolutionäre spürten die enge Wechselbeziehung beider Fragen,- sie betrachteten die Lösung der sozialen Frage als die grundlegende Aufgabe, aber sie vernachlässigten darüber nicht die nationale Frage, ohne deren Lösung auch die Grundaufgabe nicht endgültig und vollkommen bewältigt werden konnte. Die Situation war äußert kompliziert: Die historisch bedingte Schwäche des Bürgertums konnte und mußte durch die aktive Unterstützung des bürgerlichen Frankreichs kompensiert werden; darum verbanden Obser, Karl, Der Marquis..., a. a. O., S. 393 ff. .Nationalzeitung', Jahrg. 1798, Sp. 257/58. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Bericht des Oberamtes Badenweiler vom 30. 8. 1795. 1M Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 6, S. 115. 1,1 HSA Stuttgart, A 30, Nr. 149, Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1800. 1tB Staatsarchiv Trebon, Arbeitsstelle Cesky Krumlov, Zentralkanzlei Schwarzenberg, A 4 Ky 3i, Bl. 420/21, »• Ebenda, Bl. 412. ,M Die Übereinkunft ist mehrfach in deutscher Sprache abgedruckt, u. a. bei Soden, Julius, a. a. O., S. 42 ff. Ein Exemplar des zweisprachigen Druckes befindet sich im DZA Merse­ burg, Rep. 11, 94 a Fränkischer Kreis 25 A, Bl. 87/88.

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Bestrafung zuzuführen. Der dritte Artikel mäßigte zwar die in Jourdans Proklamation ausgesprochenen Drehungen, indem allen Geflüchteten während der folgenden zwanzig Tage ungestraft die Rückkehr mit ihrem Eigentum gestattet wurde, aber seine Sprache mußte in fürstlichen Ohren herausfordernd klingen: .Allen Ein­ wohnern des fränkischen Kreises, selbst auch höchst- und hohen Ständen' stand der Weg offen. Hier erfolgte nicht nur eine bloße Gleichsetzung des fürstlichen Herrn mit dem einfachen Manne des Volkes, sondern geradezu eine Zurücksetzung. Und diese Worte standen in einer Übereinkunft, die von beiden Seiten gutgeheißen warl Die übrigen elf Artikel nannten die Höhe der Kontribution - sie betrug 6 Millionen Livres in klingender Münze, 2 Millionen Livres in Naturalien und 2000 Pferden die Termine für diese Leistungen und andere die Kontribution betreffende Details. In dem einzig verbindlichen französischen Text bedienten sich die Unterzeichner ausschließlich der republikanischen Zeitrechnung,- nur in der zum Druck an­ gefertigten Übersetzung hatte die Deputation die in Deutschland übliche Datierung bescheiden in Klammem danebengesetzt. Wenn das Dokument deutlich das Bestreben der Deputation verriet, sich nach dem Ausdruck Harsdorffs den französischen Grundsätzen zu nähern, und darum den hohen fränkischen Ständen sehr bedenklich erscheinen mußte, so enthielt es anderer­ seits Bestimmungen, die vortrefflich geeignet waren, letztlich doch die Zustimmung der Masse jener Stände zu gewinnen. Es waren das die Bestimmungen, die gegen Preußen zielten und dem Kampf gegen die Hardenbergsche Revindikationspolitik die unschätzbare Hilfe der mächtigen Republik sicherten. Die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth genossen die preußische Neutralität und konnten darum selbst­ verständlich nicht zu den Kontributionszahlungen herangezogen werden; das war im zwölften Artikel der Konvention berücksichtigt. Der Passus war aber so gefaßt, daß sich diese Befreiung nicht auf das revindizierte Gebiet bezog: .Die Markgraftümer Ansbach und Bayreuth, nach dem statu quo, in welchem sie vor dem Kriege waren..., sind von ihrem Beitrag zu der Kontribution ausgenommen. * Mithin er­ klärte die französische Republik indirekt die preußischen Erwerbungen als unrecht­ mäßig. Natürlich besaß der Kreistag trotz dieser Erklärung allein nicht die nötigen Mittel, um gegen den zu erwartenden Widerstand der starken preußischen Militär­ macht die Kontribution in den revindizierten Gebieten tatsächlich einzutreiben. Darum verpflichtete der zehnte Artikel die französischen Militärstellen zur aktiven Hilfeleistung: .Alle Militärkommandanten sind schuldig, die zur Eintreibung der Kontribution erforderliche Hilfe gegen alle diejenigen, welche die Zahlung ver­ weigern sollten, auf Requisition der zu deren Eintreibung aufgestellten Personen zu leisten.' Die Übereinkunft gab also der Kreisversammlung Mittel in die Hand, der verhaßten preußischen Annexionspolitik nicht mehr allein mit papiemen Protesten entgegenzutreten. Hardenberg traf umgehend Gegenmaßnahmen, um die .höchst insiduösen * Be­ stimmungen unwirksam zu machen. Er ölte zunächst ins französische Hauptquartier zu Jourdan, den er am 11. August in Lauf sprechen konnte. Hier rannte er offene Türen ein, denn Jourdan hatte .die Übereinkunft bereits aus anderen Gründen, ver­

2. Das Verhalten Frankreichs

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mutlich weil er freie Hände behalten wollte, für seine vielen Bedürfnisse nach Be­ lieben zu fordern,... an eben dem Tage annulliert'.1*1 Ein Schreiben des Generals Ernouf, gegeben im Hauptquartier zu Büchenbach am 11. August, an die fränkische Kreisdeputation erklärte die fünf Tage zuvor getroffene Konvention »für null und nichtig'; der Kontraktbruch wunde damit begründet, daß die Deputation das Doku­ ment widerrechtlich publiziert hätte, bevor der Oberkommandierende und der Regierungskommissar es ratifizieren konnten.162 Selbstverständlich war das ein bloßer Vorwand, denn die Übereinkunft war mit Vorwissen und Vollmacht Jourdans abgeschlossen worden und bedurfte keiner weiteren Bestätigung. Die der Deputation nahestehenden Kreise vermuteten als wirkliche Ursache die Intervention Harden­ bergs 163, aber es besteht kein Grund, an dessen Aussage zu zweifeln, wonach die Annullierung bereits vor seiner Ankunft ausgesprochen war, weil man anders mehr aus dem Lande herauszuholen hoffte. Konnte Hardenberg mit der Entwicklung im französischen Hauptquartier zufrieden sein, so keineswegs mit der auf dem Kreistag. Durch die Aufhebung der Konvention ermuntert war er hier zur Offensive übergegangen und hatte die Annahme einer Er­ klärung verlangt, daß die Deputation ihre Vollmacht überschritten habe. .Die Kreis­ versammlung bezeigte zuerst viel Geneigtheit, solche zu desavouieren', berichtete Hardenberg dem König.164 Die in der Konvention versteckten republikanischen Tendenzen stimmten bedenklich. Der Gesandte für das zu Sachsen gehörige Henne­ berg-Schleusingen stellte fest, .daß der Vergleich sich von der bisherigen Be­ handlungsart der Geschäfte namens der Stände, deren bloße Stimmführer die Ge­ sandten sind, absondert und 6ich durch Einführung französischer Grundsätze und Sprache, besonders einer Art von Volksgewalt auszeichnet.' Er verwies auf Formu­ lierungen der Präambel, auf die republikanische Datierung und auf einzelne Artikel. Beim ersten Artikel fiel ihm auf, daß .statt bloße Sicherheit des Eigentums und der Personen zu begehren, sich immer auf die Proklamation des Generals Jourdan be­ rufen wird, welche doch für die Beherrscher der Kreislande äußerst beleidigend und nichts weniger als fähig ist, den Untertanen Zutrauen und Gehorsam Sir dieselben einzuflößen'.16* Das Auftreten Zwanzigers jedoch genügte, um der Diskussion eine entschiedene Wendung zu geben. Hardenberg berichtete dem König: »Allein die Rückkunft des von Zwanziger veränderte die Stimmung, und ich erhielt Nachricht von neuen Bewegungen und Absendungen in das französische Hauptquartier; auch wurden mir von Euer Königlichen Majestät Kreisgesandtschaft die kahlen Ent­ schuldigungen der Kreisversammlung angezeigt, dafj der General Ernouf die mehr­ gedachte Klausel veranlaßt habe, zugleich, daß eine befriedigende Maßregel des*•* *•* Ebenda, Bl. 85, Ebenda, Bl. 91. 1M Staatsarchiv Trebon, Arbeitsstelle Cesky Krumlov, Zentralkanzlei Schwarzenberg, A 4 K y 3 i» Bl. 411. >•* DZA Merseburg, Rep. 11, 94 a Fränkischer Kreis 25 A, Bl. 85. 1M LHA Dresden, Loc. 5124. Die zwischen dem fränkischen Kreis und der französischen Generalität wegen der Kriegskontributionen getroffene Übereinkunft, 1796, Bd. 1, Bl. 34.

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Kreises nicht erfolgen werde,... '1M Hardenberg veranlagte daraufhin am 15. August die sofortige Abberufung des ansbach-bayreuthischen Direktorialgesandtien beim Kreistag in der ausdrücklich geäugelten Absicht, »auf die Sprengung dieser von schädlichen Grundsätzen belebten Kreisversammlung zu arbeiten, die offenbar den Plan hat, einen Nationalkonvent des fränkischen Kreises zu bilden, und sich einen Repräsentativcharakter anmagt, der in der Verfassung gar nicht gegründet ist'.187 Hardenbergs Absicht scheiterte. Der Kreistag vertraute sich ganz der Führung Zwanzigers an, der erneut kn französischen Hauptquartier vorstellig wurde. Der Oberkommandierende blieb bei der Verwerfung der Übereinkunft; die 8 Millionen Livres, die der fränkische Kreis sich darin zu zahlen verpflichtete, waren bei dem schlechten Zustand der Maas-Sambre-Armee und im Vergleich zu den 25 Millionen, die der schwäbische Kreis aufbringen mugte, ganz zu schweigen von den Summen, die Bonaparte aus Italien herausholte, durchaus ungenügend. Trotzdem ist nicht anzunehmen, dag Jourdan ausgesprochen unfreundlich reagierte. Verschiedene An­ zeichen sprechen dafür, dag er den republikanischen Plänen, wie sie Zwanziger und Rhodius verfolgten, Sympathien entgegenbrachte. Seinen Anordnungen, in den be­ setzten Städten nach französischem Vorbild die Stragen zu beleuchten und die Häuser zu numerieren, mögen in erster Linie militärische Gesichtspunkte zugrunde gelegen haben; aber solche Dinge wie die obligatorische Einführung der neuen Zeitrechnung neben der alten in den periodischen Druckschriften und die Umbenennung der Re­ gierungen in Direktorien oder der Magistrate in Munizipalitäten kamen diesen Be­ strebungen eindeutig entgegen.188 Schlieglich und vor allem sprach die Förderung dafür, die der Konzeption Zwanzigers und Rhodius' sowohl bei ihrem ersten Aufent­ halt in Würzburg als auch jetzt im Hauptquartier durch den französischen Agenten Reibell zuteil wurde. Mit Reibell zusammen nämlich entwarfen sie den detaillierten Plan einer fränkischen Republik; mit Reibell zusammen reisten sie nach Paris, um ihr Projekt in Verbindung mit der Kontributionsangelegenheit vor den höchsten Stellen zu vertreten. Leider sind Einzelheiten über die gedachte Gestalt der fränkischen Republik nur aus preugischen Berichten zu entnehmen, die auf ungenauen Angaben aufbauten und darum sehr allgemein gehalten waren.188 Danach sollten die bisherigen Landesherren und Stände keineswegs aufgehoben werden,- sie würden wie früher ihre Vertreter zur Kreis­ versammlung entsenden. Der Charakter des Kreistages aber sollte nun entschieden und endgültig in der Richtung verwandelt werden, die er in Ansätzen bereits be­ schritten hatte, das heigt, er sollte eine Vertreterkörperschaft des Gesamtkreises werden und mithin die eigentliche Souveränität erhalten. Dementsprechend hatte er auch seinen Namen zu ändern und sich Senat zu nennen. Da diesem staatlichen Gebilde die monarchische Spitze fehlte, erschien die Bezeichnung Republik gerecht*’• DZA Merseburg, Rep. 11, 94a Fränkischer Kreis 25 A Bl. 85. Ebenda, Bl. 86. 1M Hutzelmann, Christian, a. a. O., S. 45. 19’ DZA Merseburg, Rep. 44 C, 94, S. 179, Bericht des Legationssekretärs Schuster vom 17. 8. 1796. Bailleu, Paul, a. a. O., S. 100, Bericht des Sekretärs beim fränkischen Landes­ ministerium Bayard vom 12. 10. 1796. Vgl. auch Süssheim. Karl, a. a. O., S. 190.

2. Das Verhalten Frankreichs

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fertigt. Die erste Aufgabe des Senats würde die Ausarbeitung einer Verfassung sein, die unter anderem auch für die Untertanen eine dem Geist der Zeit entsprechendere Behandlung vorsehen sollte. Die preußischen Gewährsmänner hatten gewiß kein Interesse daran, die Pläne Zwanzigers und Rhodius' zu verharmlosen. Das Projekt war in der Tat so harmlos, wie es sich hier darstellt. Wir dürfen Bayard, einem dieser Gewährsmänner, durchaus glauben, wenn er meldete, daß es .die Zustimmung mehrerer reichsritterschaftlicher Glieder erhalten haben soll,..170 Im Grunde war das Ganze nichts anderes als eine feudale Adelsrepublik mit einigen aufklärerisch­ humanen Prinzipien, eine Mischung von Reaktion und Fortschritt, wobei die Reak­ tion die Grundlage und der Fortschritt Beiwerk blieb. Ohne die aufklärerisch­ humanen Gesinnungen Zwanzigers und Rhodius' zu bezweifeln, ist doch festzustellen, daß sie in erster Linie Verteidiger obsoluter Zustände waren. Gewiß bedeuete eine solche Republik für die Stände die Preisgabe mancher Souveränitätsrechte und für den Kreis als Ganzes eine größere Geschlossenheit, die auf die wirtschaftliche Ent­ wicklung einen günstigen Einfluß haben mochte, aber am Prinzip der feudalen Struk­ tur änderte sich nichts. Mit diesem Projekt in der Tasche reisten Zwanziger und Rhodius in der Begleitung von Reibell am 15. August über Frankfurt nach Paris. Wie aus dem Bericht der Schwarzenberger Regierung an den Fürsten vom 29. August hervorgeht, behaupteten sie, dazu den Auftrag des Kreistages zu besitzen.171 Tatsächlich hatten sie sich aber die Vollmacht selbst ausgestellt und konnten es mit einem gewissen Recht tun, da sie nach dem Ausscheiden des Stimmführers von AnsbachnBayreuth die Majorität der Stimmen auf ihre Personen vereinten. Erst von Frankfurt aus, so schilderte Harden­ berg den Vorgang, .zeigten sie dem Kreiskonvent an, daß sie nötig gefunden hätten, nach Paris zu gehen, um womöglich eine Übereinkunft mit dem französischen Gouvernement zu treffen." Bezeichnenderweise befürchtete er von ihrer Tätigkeit dort in erster Linie .geheime Intrigen und Insinuationen aller Art gegen Preußen, gegen jede mögliche Vergrößerung hier in Franken * und dann erst sehr vage .wohl gar Beförderung des mir ganz bekannten Plans, aus Franken und Schwaben Repu­ bliken zu bilden,...'172 Um diesen Gefahren entgegenzuwirken, sandte er durch den Geheimen Sekretär Bayard an den preußischen Gesandten in Paris, SandozRollin, am 23. August eine ausführliche Denkschrift.173 Bayard, der mit den frän­ kischen Problemen aufs beste vertraut war, sollte dem Gesandten bei der Über­ wachung und Durchkreuzung der Pläne von Zwanziger und Rhodius behilflich sein. Nur ganz am Rande war in dem Schreiben an Sandoz-Rollin auf die Gefahr revo­ lutionärer Umwälzungen hingewiesen; den Hauptgegenstand bildete die Recht­ fertigung der bisherigen preußischen Revindikationspolitik und die Erörterung der Möglichkeiten neuer Erwerbungen, insbesondere der Einverleibung Nürnbergs. Der Widerstand dieser Stadt war gerade in jenem Zeitpunkt außerordentlich schwach,174 174 Bailleu, Paul, a, a. O., S. 100. 171 Staatsarchiv Trebon, Arbeitsstelle Cesky Krumlov, Zentralkanzlei Schwarzenberg. A 4 Ky 3i. Bl. 411. 171 DZA Merseburg, Rep. 11, 94 a Fränkischer Kreis 25 A, Bl. SS. 179 Ebenda, Bl. 80 ff. 17 SQddeuUehe Jakoblaer

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

da die Zugehörigkeit zu Preußen ihr die Vorteile der Neutralität gebracht und sie von der drückenden französischen Besetzung befreit hätte. Hardenberg versäumte nicht den erbitterten Feind Frankreichs, Österreich, als die treibende Kraft aller antipreußischen Intrigen im fränkisahen Kreis darzustellen, und er scheute sich ebensowenig, französische Töne anzuschlagen und von dem Joch der despotischsten Aristokratie' in Nürnberg zu sprechen. Wie gering er die Gefahr einer fränkischen Republik einschätzte, ergibt sich aus seiner Feststellung: «Das unglücklichste Er­ eignis, das uns treffen könnte, wäre ein Erfolg der Österreicher.'174 Wie Bayard, der den fränkischen Deputierten bereits am 19. August nach Frankreich nachgeschickt worden war, aus eigener Anschauung berichtete, hatten die beiden Grund, .über die Art zufrieden zu sein, mit welcher sie im ganzen Lande auf­ genommen wurden'.174 175176 Solchen «Republikanern * öffneten sich die Türen, die echten Revolutionären wie List geschlossen blieben. Zwanziger unterhielt geradezu intime Beziehungen zum Finanzminister Faypoult179; er verkehrte mit Carnot und mit dessen rechter Hand im Kriegsministerium, General Clarke 177 ; er genoß ein solches Vertrauen, daß er sogar nach Beendigung seiner fränkischen Mission im Oktober in französischem Auftrage nach Wien geschickt werden konnte, um die Möglich­ keiten eines Friedenschlusses zu sondieren.178 In Paris traten die fränkischen Depu­ tierten scharf antipreußisch auf und propagierten gleichzeitig ihre Konzeption von der Umgestaltung des Kreises. Sandoz-Rollin bezeichnete Zwanziger darum in seinem Bericht vom 8. September sehr verzerrt als .einen wütenden Demagogen und einen bewußten Österreicher'.178 Daß Zwanziger in beiden Richtungen Fortschritte machte, konnte Sandoz-Rollin aus der Haltung des Außenministers Delacroix gegen­ über der beabsichtigten preußischen Annexion Nürnbergs herauslesen: .Das hieße ein ärgerliches Beispiel bieten; das hieße die Freiheiten und Immunitäten der be­ sagten Städte zu offen mit Füßen treten', erklärte Delacroix in einem Gespräch am 4. September. .Ich war vor allem erstaunt', schrieb Sandoz-Rollin, .bei ihm zu be­ merken, daß er die Reichsstädte gewissermaßen als kleine, über Deutschland ver­ 174 .L'événement le plus malheureux, qui puisse nous arriver, serait un succès des Autrichiens.' Ebenda, Bl. 83. 176 Bailleu, Paul, a. a. O.. S. 100. tn Ebenda, S. 99. 177 .Staatsarchiv', Bd. 7, S. 514 ff., 1802. Wie gut Zwanziger es verstand, seine Panser Ver­ bindungen in der Heimat ins rechte Licht zu rücken, bestätigt eine Bemerkung in den Erinnerungen des sächsisch-weimari sehen Kanzlers Friedrich von Müller; .Mir war aus meiner akademischen Zeit in Erlangen eine sehr vorteilhafte Meinung von dem General Clarke geblieben; ich erinnerte mich, daß man in Franken in den Jahren 1796 und 1797 seine Humanität und Rechtlichkeit höchlich gerühmt hatte, als ein Mitglied des Kreistages zu Nürnberg, der Geheimrat von Zwanziger, mit ihm zu unterhandeln beauftragt war.' Müller, Friedrich von, Erinnerungen aus den Kriegszeiten 1806 bis 1813. Leipzig 1911. S. 4/5. ”9 Hüßer, HermarmiLuckwaldt, Friedrich, a. a. O., S. 75 ff., 79 ff. ln .Un démagogue enragé et un Autrichien identifié.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fasc. 348, Bd. 3, Bl. 233.

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streute Demokratien ansah'.160 Sandoz-Rollin war allerdings der Meinung, daß man französischerseits in den Verhandlungen über eine neue Konvention mit dem frän­ kischen Kreis die preußischen Proteste gegen die Artikel 10 und 12 der alten Über­ einkunft gebührend berücksichtigt hätte.161 Tatsächlich aber traf das nur teilweise zu. Die am 16. September zwischen Delacroix und der fränkischen Deputation ab­ geschlossene Konvention ließ die Frage der von Preußen revindizierten Gebiete lediglich offen und setzte nach wie vor die militärische Unterstützung durch fran­ zösische Truppen bei der Eintreibung der Kontribution fest.162 Die Mißerfolge und Niederlagen, die inzwischen die Maas-Sambre-Armee zu verzeichnen hatte, ließen eine Mäßigung ratsam erscheinen,- darum begnügte man sich mit der alten Kontri­ butionshöhe von 8 Millionen und vermied auch eine offensichtliche Brüskierung Preußens. Eine Heranziehung der annektierten Gebiete zur Kontributionszahlung war nicht ausdrücklich vorgesehen, ebensowenig aber eindeutig verworfen, sondern faktisch von der Gunst der Situation abhängig gemacht. Frankreich war an einer Ausdehnung der preußischen Macht in Süddeutschland nicht interessiert. Eine fränkische Republik im Sinne Zwanzigers und Rhodius' setzte dieser Gefahr einen Damm entgegen; außerdem beraubte sie gleichzeitig Österreich eines bedeutenden Einflußgebietes im deutschen Reich, und schließlich sollte sie ohne aktive Anteilnahme der Volksmassen realisiert werden. Das waren drei Gesichtspunkte, die Frankreich bestimmten, dem Projekt Sympathie entgegen­ zubringen und es ioi Rahmen des Möglichen unverbindlich zu fördern. Mit den Niederlagen und dem fluchtartigen Rückzug der Armee Jourdans war diese Möglich­ keit verschüttet; die neue Übereinkunft vom 16. September wurde gegenstandslos und ebenso der Plan einer fränkischen Republik.

3. Die Hintergründe der Politik des bourgeoisen Frankreichs Die unterschiedlichen Verhaltensweisen Frankreichs gegenüber den republikanischen Bestrebungen in Süddeutschland während des Feldzuges von 1796, der schändliche Wortbruch an den revolutionären Demokraten und die vorsichtige Förderung des aristokratischen Projekts einer fränkisahen Republik, machen es nötig und erleichtern es zugleich, in das Wesen der französischen Politik gegenüber Süddeutschland in diesem Zeitabschnitt einzudringen. Man darf die Ursachen des unterschiedlichen Verhaltens nicht in den individuellen Gesinnungen der Hauptbeteiligten suchen wollen. Ein solches Verfahren bleibt an Oberflächenenscheinungen kleben, ver­ schüttet die wesentlichen Zusammenhänge und führt in die Irre. Wenn Moreau die erste Mine gegen die Politik der Unterstützung des Insurrektionsplans am Ober­ rhein legte, so war das zweifellos eine Sache der persönlichen Gesinnung. Er180 181 180 .Ce serait offrir un exemple fâcheux; ce serait fouler trop ouvertement aux pieds les fran­ chises et les immunités des dites villes... Je fus étonné surtout de lui voir envisager les villes impériales comme autant de petites démocraties répandues sur la surface de l'Alle­ magne. .Ebenda, BL 222. 181 Ebenda, Bl. 233. 182 Debidour, A., a. a. O., Bd. 3, S. 622 ff. 17*

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streute Demokratien ansah'.160 Sandoz-Rollin war allerdings der Meinung, daß man französischerseits in den Verhandlungen über eine neue Konvention mit dem frän­ kischen Kreis die preußischen Proteste gegen die Artikel 10 und 12 der alten Über­ einkunft gebührend berücksichtigt hätte.161 Tatsächlich aber traf das nur teilweise zu. Die am 16. September zwischen Delacroix und der fränkischen Deputation ab­ geschlossene Konvention ließ die Frage der von Preußen revindizierten Gebiete lediglich offen und setzte nach wie vor die militärische Unterstützung durch fran­ zösische Truppen bei der Eintreibung der Kontribution fest.162 Die Mißerfolge und Niederlagen, die inzwischen die Maas-Sambre-Armee zu verzeichnen hatte, ließen eine Mäßigung ratsam erscheinen,- darum begnügte man sich mit der alten Kontri­ butionshöhe von 8 Millionen und vermied auch eine offensichtliche Brüskierung Preußens. Eine Heranziehung der annektierten Gebiete zur Kontributionszahlung war nicht ausdrücklich vorgesehen, ebensowenig aber eindeutig verworfen, sondern faktisch von der Gunst der Situation abhängig gemacht. Frankreich war an einer Ausdehnung der preußischen Macht in Süddeutschland nicht interessiert. Eine fränkische Republik im Sinne Zwanzigers und Rhodius' setzte dieser Gefahr einen Damm entgegen; außerdem beraubte sie gleichzeitig Österreich eines bedeutenden Einflußgebietes im deutschen Reich, und schließlich sollte sie ohne aktive Anteilnahme der Volksmassen realisiert werden. Das waren drei Gesichtspunkte, die Frankreich bestimmten, dem Projekt Sympathie entgegen­ zubringen und es ioi Rahmen des Möglichen unverbindlich zu fördern. Mit den Niederlagen und dem fluchtartigen Rückzug der Armee Jourdans war diese Möglich­ keit verschüttet; die neue Übereinkunft vom 16. September wurde gegenstandslos und ebenso der Plan einer fränkischen Republik.

3. Die Hintergründe der Politik des bourgeoisen Frankreichs Die unterschiedlichen Verhaltensweisen Frankreichs gegenüber den republikanischen Bestrebungen in Süddeutschland während des Feldzuges von 1796, der schändliche Wortbruch an den revolutionären Demokraten und die vorsichtige Förderung des aristokratischen Projekts einer fränkisahen Republik, machen es nötig und erleichtern es zugleich, in das Wesen der französischen Politik gegenüber Süddeutschland in diesem Zeitabschnitt einzudringen. Man darf die Ursachen des unterschiedlichen Verhaltens nicht in den individuellen Gesinnungen der Hauptbeteiligten suchen wollen. Ein solches Verfahren bleibt an Oberflächenenscheinungen kleben, ver­ schüttet die wesentlichen Zusammenhänge und führt in die Irre. Wenn Moreau die erste Mine gegen die Politik der Unterstützung des Insurrektionsplans am Ober­ rhein legte, so war das zweifellos eine Sache der persönlichen Gesinnung. Er180 181 180 .Ce serait offrir un exemple fâcheux; ce serait fouler trop ouvertement aux pieds les fran­ chises et les immunités des dites villes... Je fus étonné surtout de lui voir envisager les villes impériales comme autant de petites démocraties répandues sur la surface de l'Alle­ magne. .Ebenda, BL 222. 181 Ebenda, Bl. 233. 182 Debidour, A., a. a. O., Bd. 3, S. 622 ff. 17*

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

steckte tief in royalistischen Intrigen, so daß Mallet du Pan am 10. April 1796 dem Wiener Hof erklären konnte: .Moreau ist durchaus kein Republikaner; er ist der begrenzten Monarchie zugetan,...'183 Wickham wußte sogar von Versprechungen Moreaus, mit seiner Armee die Restauration unterstützen au wollen.184 Aber ent­ scheidend ist nicht, wer aus welcher Gesinnung die erste Mine legte, sondern ent­ scheidend für den geschichtlichen Verlauf ist allein, dafj niemand die Mine fort­ räumte, dafj sich im Gegenteil überall Hände fanden und dafj sie stark genug waren, die Politik der Revolutionierung Süddeutschlands zu torpedieren. Selbst unwillige Hände halfen dabei. Delacroix beispielsweise war gewiß kein Royalist; er neigte zu den Jakobinern und hatte das Unternehmen Poterats in seinen Anfängen kräftig gefördert. Es ist nicht anzunehmen, und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dafj er persönlich im weiteren Verlauf der Dinge dem Projekt ebenso kräftig geschadet hätte. Aber das änderte nichts daran, daß er in einem Schreiben vom 7. Oktober 1796 Bacher für seine verderbliche Aktivität am Oberrhein Lobesworte der Regierung übermittelte: .Ich mache mir ein Vergnügen daraus. Ihnen ihre Befriedigung und meine besondere Hochachtung zu bezeugen. * 185 Die Politik Frankreichs wurde nicht von diesem oder jenem Staatsmann oder Militär bestimmt, sondern von den Interessen der herrschenden Klasse, und diejenigen Staatsmänner und Militärs waren als Politiker erfolgreich, deren Anschauungen jene Interessen am besten zum Ausdruck brachten. Nur auf der Grundlage der Lehre vom Klassenkampf als dem Entwicklungsgesetz einer Gesellschaft, die noch Ausbeuter und Ausgebeutete kennt, ist auch in der Frage nach den Hintergründen des französischen Verhaltens eine wissenschaftlich befriedigende Antwort möglich. Die Klasse, die seit dem 9. Thermidor in Frankreich die Herrschaft unumschränkt ausübte und als herrschende Klasse die Politik bestimmte, war die Großbourgeoisie. Diese Klasse war konterrevolutionär. Selbstverständlich war sie nicht konter­ revolutionär im Sinne der feudalen Reaktion, die von der Wiederherstellung vor­ revolutionärer Zustände träumte; darum verkörperte sie auch gegenüber den euro­ päischen Feudalmächten weiterhin den gesellschaftlichen Fortschritt. Sie war konter­ revolutionär in dem Sinne, daß sie der Weiterentwicklung der Revolution ein Ende setzte und umgekehrt die in der Revolution von den Volksmassen errungenen demokratischen Freiheiten systematisch liquidierte. Die Bourgeoisie konnte diese Rolle spielen, weil die Volksmassen zuvor den Feudalismus in Frankreich mit Stumpf und Stiel ausgerottet und damit die Grundlage für die Herrschaft der Bourgeoisie geschaffen hatten. Der Plebs hatte, wie Engels sagte, alle Arbeit ge­ leistet. Er hatte es selbstverständlich nicht in dem Bewußtsein getan, eine bürgerliche Klassengesellschaft zu errichten, die den Werktätigen das gerade Gegenteil von 199 .Moreau n'est nullement républicain; il tient au système de la monarchie limitée,. . .* Correspondance inédite de Mallet du Pan avec la Cour de Vienne (1794-1798). Publiée par André Michel. Paris 1884, Bd. 2, S. 52. 194 Matfaez, Albert, Le Directoire du 11 brumaire an IV au 18 fructidor an V. Paris 1934, S. 253. 199 .Je me fais un plaisir de vous témoigner sa satisfaction et mon estime particulière.' Otto, Friedrich, a. a. O., S. 41.

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Freiheit Gleichheit und Brüderlichkeit brachte. Die Revolution konnte nicht durch­ geführt werden, .ohne daß diese Plebejer den revolutionären Forderungen der Bourgeoisie einen Sinn unterlegten, den sie nicht hatten, die Gleichheit und Brüder­ lichkeit zu extremen Konsequenzen poussierten, die den bürgerlichen Sinn dieser Stichworte total auf den Kopf stellten,.. .* 18a Mit jedem Sieg, den die Massen im Laufe der Revolution über den Feudalismus errangen, geriet darum die Bour­ geoisie in immer größeren Gegensatz zu ihren opfenmutigsten Verbündeten. Ein offener Bruch war jedoch unmöglich, solange die feudale Ordnung nicht endgültig vernichtet war und also die Gefahr der Restauration des ancien régime bestand, der die Bourgeoisie ohne die Volksmassen mehr als einmal erlegen wäre. Es war die historische Leistung der kleinbürgerlichen Jakobinerdiktatur, den Sieg der Revolution endgültig sichergestellt zu haben. .Der ganze französische Terrorismus war nichts als eine plebejische Manier, mit den Feinden der Bourgeoisie, dem Ab­ solutismus, dem Feudalismus und dem Spießbürgertum, fertig zu werden. * *187 Damit 184 aber hatte sich die historische Berechtigung der politischen Herrschaft des Klein­ bürgertums erschöpft. Dem unumschränkten Machtantritt der Klasse, die als Be­ gründerin der kapitalistischen Ordnung zur Ablösung des Feudalismus ausersehen war, stand nichts mehr im Wege. Sie kehrte ihre ganze Kraft gegen den Freund von gestern, in dem sie ihren neuen Feind sah, weil er zum Opfer ihrer Ausbeutung bestimmt war. »Am 27. Juli fiel Robespierre, und die Bourgeoisorgie begann.'188 Was auf den 27. Juli 1794 in Frankreich folgte - Thenmidorkonvent, Direktorium, später Konsulat und Kaisertum -, waren nur verschiedene Formen der unumschränk­ ten Herrschaft der Großbourgeoisie, die sich daranmachte, die Früchte der von den Volksmassen durchgekämpften Revolution auf Kosten derselben Volksmassen rücksichtslos zu genießen. Zwischen Herrschern und Beherrschten tat sich ein breiter, unüberbrückbarer Graben auf. Immer notdürftiger verhüllten die repu­ blikanischen Formen die unumschränkte Diktatur des Kapitals. Die Klubs, über die die Jakobinerdiktatur die Verbindung zu den Volksmassen besaß, wurden aufgelöst, ihre Mitglieder verfolgt, eingekerkert, erschlagen. Das Volk wurde, nachdem es in den Aufständen des Germinal und Prairial noch einmal aufbegehrt hatte, stumm gemacht. Die republikanischen Tiraden der Bourgeoispolitiker waren hohl und voller Heuchelei. Nichts mehr von hochherziger Begeisterung, die unter dem Sahrecken loderte; brutaler Egoismus kennzeichnete die Herrschaft der Bour­ geoisie.188 Dieser Wandel im Verhältnis zu den Volksmassen kannte nicht ohne tiefgreifende Folgen für das Verhältnis zu den anderen Völkern sein. .Wer eben die Demokratie, das heißt die fortschrittliche Aktivität der Volksmassen, die sich mit größtmöglicher Geschlossenheit und höchstmöglichem Bewußtsein außerhalb und innerhalb der 184 Engels an K. Kautsky, London, 20. 2. 1889. In: Marz/Engels, Ausgewählte Briefe, a. a. O., S. 487. i” Marx, Kari, Die Bourgeoisie und die Konterrevolution, a. a. O., S. 107. 188 Engels an K. Kautsky, London, 20. 2. 1889. In: Marx/Engels, Ausgewählte Briefe, a. a. O., S. 488. Vgl. Mathiez, Albert. Le Directoire du 11 brumaire..., a. a. O., S. 21 ff.

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staatlichen Machtsphäre manifestiert, im Innern bekämpfte, der mußte nach außen die Tendenz verfolgen, andere Völker zu unterjochen.'190 Engelberg, der hier zitiert wird, trifft diese Feststellung im Hinblick auf Napoleon; sie gilt im Prinzip ebenso für den voraufgegangenen Abschnitt der Bourgeoisherrschaft, denn die bonapartistische Konterrevolution konnte nur auf dem Boden der konterrevolutionären Bourgeoisie entstehen, sie wuchs aus ihr hervor.101 Die Sucht nach Eroberungen ist der Bourgeoisie als einer Ausbeuterklasse grundsätzlich eigen, und so waren solche Tendenzen auch bereits spürbar, als sich die Französische Revolution noch in der aufsteigenden Phase befand. Hatte die Konstituante am 22. Mai 1790 aller Er­ oberungspolitik feierlich entsagt, so machte sich die Gironde seit Ende 1792 die Idee der natürlichen Grenzen zu eigen. Indem am 19. November 1792 der National­ konvent im Namen der französischen Nation dekretierte, allen Völkern, die ihre Freiheit erringen wollen, militärische Hilfe zuteil werden zu lassen, bereitete die Gironde die Expansion vor. Es ist bezeichnend, daß Robespierre sich scharf dagegen aussprach.100 Trotzdem wäre es falsch, hinter dieser Bereitschaft zur Hilfeleistung nur verkappte bourgeoise Annexionssucht suchen zu wollen. Frankreich - das ist die Bourgeoisie zusammen mit den breiten Massen des Volkes - führte einen revolutionären Verteidigungskrieg auf Leben und Tod gegen die feudale Koalition. Frankreich war isoliert, und der einzige Bundesgenosse, auf den es rechnen konnte, waren die vom Feudalismus geknechteten Volksmassen der am Koalitionskrieg beteiligten Länder. Das französische Volk war nicht an Eroberungen interessiert, wohl aber an der Befreiung anderer Völker vom feudalen Joch, weil sie die Front der äußeren Feinde schwächte und die eigene Revolution sichern half. Diese Ten­ denz und nicht die annexionistische der girondistischen Bourgeoisie dominierte. Nicht zufällig forderte in der Zeit der größten Gefahr gerade die entschiedenste revolutionäre Richtung, die Partei der Plebejer, die Partei der Pariser Kommune, der alle Eroberungsabsichten fremd waren, den Propagandakrieg und die Republikanisieiung Europas als einziges Rettungsmittel.103 Aber die Elemente der Eroberung verstärkten sich in dem Maße, wie die Republik gegenüber den konter­ revolutionären Interventionsarmeen Erfolge erringen konnte und die Bedrohung der Grenze beseitigte. .Ende 1793 war diese schon ziemlich gesichert, 1794 fing gut an, die französischen Armeen machten fast überall Fortschritte. Die Kommune mit >m Zur Frage des Charakters der französischen Kriege in bezug auf die Entwicklung in Deutschland in den Jahren 1792 bis 1815. Protokoll der Arbeitstagung des Instituts für Geschichte an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 18. November 1956. In: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Schriften des Instituts für Geschichte, Reihe 3. Akademie-Verlag, Berlin 1958, Bd. 2, S. 88. ”* Vgl. Lenin, W. !.. Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960. S. 260. m Vgl. Soboul, Albert, La Révolution française 1789-1799. Éditions sociales Paris 1951, S. 210 ff. Codechot, Jacques, La Grande Nation. L'expansion révolutionnaire de la France dans le monde 1789-1799. Aubier Paris 1956, Bd. 1, S. 71 ff. ,M Engels an V. Adler, London, 4. 12. 1889. In: Marx/Engels, Ausgewählte Briefe, a. a. O., S. 493.

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ihrer extremen Richtung wurde überflüssig;...'194 Indem Robespierre die Kom­ mune enthauptete, ebnete er der erobemmgslüsternen Bourgeoisie den Weg. Mit den weiteren Erfolgen wurden schließlich Robespierre und die Jakobinerdiktatur selber überflüssig. Ihre historische Leistung im Innern hatten sie vollbracht, indem sie gleichzeitig den auswärtigen Feind schlugen. Der Kampf gegen die innere feudale Konterrevolution war vom Kampf gegen die äußere überhaupt nicht zu trennen; der Sieg über die äußere ermöglichte den Sieg über die innere und umgekehrt. Da die Basis der inneren Reaktion durch die Veränderung der Eigentumsverhältnisse zusehends schwächer wurde, stellte sogar die äußere Reaktion die größere Gefahr dar. Zur Zeit der Jakobinerherrschaft war der entscheidende Punkt, auf den die Kräfte konzentriert werden mußten, die Grenze. »Was den Schrecken angeht, so war er wesentlich Kriegsmaßregel", sagte Engels.195 Und diese Schreckensherrschaft wurde .total überflüssig durch den Sieg von Fleurus, 24. Juni 1794, der nicht nur die Grenze befreite, sondern Belgien und indirekt das linke Rheinufer an Frankreich überlieferte, und da wurde Robespierre auch überflüssig und fiel 24. Juli'.196 Mit dem Machtantritt der Bourgeoisie im Thermidor begann darum nicht nur eine antidemokratische Innenpolitik. .Im auswärtigen Bereich kennzeichnet die For­ derung nach den natürlichen Grenzen einen nicht weniger wichtigen Wandel im Vergleich zur Politik der revolutionären Regierung', konstatiert Albert Soboul und gibt daher seiner Darstellung der Zeit des Thermidorkonvenbs die Überschrift .Die bourgeoise Reaktion und der Eroberungskrieg'.197 Ähnlich urteilt Manfred in der von der sowjetischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Welt­ geschichte: .Im Laufe der Fortführung des Krieges begann sich sein Charakter zu verändern. Die Folgen des Thermidor-Umsturzes und der Machtergreifung durch die Großbourgeoisie fingen an, sich auf die Ziele des Krieges und die Mittel seiner Durchführung auszuwirken.'198 Dieser Wandel erfolgte selbstverständlich nicht von einem Tag zum anderen. Einmal gab es innere Widerstände zu überwinden. Eine zunächst noch starke Fraktion forderte den Frieden auf der Basis der alten Grenzen. Zu ihr gehörten vor allem die Royalisten, wobei zu bemerken ist, daß diese Roya­ listen bis auf eine hoffnungslose Minderheit keineswegs die Wiederherstellung vor­ revolutionärer Zustände, sondern eine bürgerliche konstitutionelle Monarchie anstrebten.199 Zum anderen wurde die Republik sehr bald wieder in die Lage ver­ setzt, sich gegen den auswärtigen Feind verteidigen zu müssen. Wenn 6ie zunächst 1M Engels an K. Kautsky, London, 20. 2. 1869. Ebenda, S. 488. 185 Ebenda. 1M Engels an V. Adler, London, 4. 12. 1889. Ebenda, S. 493. *•’ »Dans le domaine extérieur, la revendication des frontières naturelles marque un chan­ gement non moins important, avec la politique du gouvernement révolutionnaire.' Soboul, Albert, a. a. O., S. 296. ,M „Flo Mepe npo/tonwèHHH boAhm xapaKTep ee Hanan MeHHTcn. Ha qennx boühn h cnoco6ax ee Bereithh cTajiw cnaaiiBaTCH nocjie«CTBHH TepMHflopnaHCKoro nepeBopoTa h aaxBaTa BJiacTM upyimofi öypwyasHeit.“ BceMupHaa HcropuH b jtecHTH TOMax (Weltgeschichte in zehn Bänden). Verlag für sozial-ökonomische Literatur, Moskau 1959, Bd. 6, S. 65. *** Vgl. Mathie z, Albert, Le Directoire du 11 brumaire..., a. a. O., S. 240 ff.

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1794/95 ihre Serie militärischer Siege noch forteetzen und mit den Friedensschlüssen zu Basel und Den Haag tiefe Breschen in die Koalition schlagen konnte, so erntete sie die Früchte der Anstrengungen der Jakobiner, deren militärisches Werk nicht so schnell zu ruinieren war. Die Rückschläge, die dann erfolgten, haben ihre Ursache darin, daß die bourgeoise Reaktion dem revolutionären Schwung der Massen das Rückgrat gebrochen hatte. Die maß- und schamlose Bereicherungssucht der Bour­ geoisie reduzierte die moralischen und materiellen inneren Ressourcen zur sieg­ reichen Fortsetzung des Krieges in gefährlichster Weise. Neue Quellen zur Abwehr des auswärtigen Gegners mußten gefunden werden. Man fand sie in den eroberten Gebieten, die für Kriegszwecke teilweise völlig ausgeleert wurden.400 So erwuchs selbst aus der Verteidigung heraus für die Bourgeoisie die Notwendigkeit, zu erobern. Mit den militärischen Erfolgen des Jahres 1796 wunde die Eroberung zum Prinzip der französischen Kriegführung. .Der verheißene ewige Friede war um­ geschlagen in einen endlosen Eroberungskrieg. Die Vernunftgesellschaft war nicht besser gefahren , * heißt es in Engels' Antidühring. .Es fehlten nur noch die Leute, die diese Enttäuschung konstatierten, und diese kamen mit der Wende des Jahr­ * hunderts. 201 Gemeint waren die utopischen Sozialisten. Darum werden die Kinder 200 in der Sowjetunion auch gelehrt, .daß sich der Charakter der Kriege Frankreichs in der Zeit des Direktoriums, beginnend mit dem italienischen Feldzug von 1796 und 1797, veränderte. Im Verlauf dieses Feldzuges vollzog sich die Wendung vom gerechten Krieg zum ungerechten, zum Eroberungskrieg... Den gleichen Charakter trugen auch alle anderen napoleonischen Kriege.' 202*Die Eroberungspolitik ist die Kehrseite der antidemokratischen Innenpolitik; beides zusammen bildet die eine Seite des Wesens der zur Herrschaft gekommenen Bourgeoisie. Die andere Seite ihres Wesens ist der Antifeudalismus, der auch in ihren Eroberungskriegen gegen das feudale Europa gegenwärtig war und ihnen noch für lange Zeit einen fort­ schrittlichen Charakter verlieh. Über die Frage des Charakters der französischen Kriege ist es unter den deutschen marxistischen Historikern vor einigen Jahren zu einem lebhaften Meinungsstreit gekommen 20a, der noch nicht zu einem einheitlichen Standpunkt geführt hat. In jüngster Zeit hat Bock wiederum gegen die oben dargelegten Einschätzungen des Verfassers Stellung genommen.204 Seiner Meinung nach kann erst nach der Nieder­ lage Preußens 1806 davon gesprochen werden, daß Frankreich ungerechte Er­ oberungskriege führte. Er glaubt sich hierin mit Lenin einig, den er verschiedent200 Ebenda, S. 113 ff. M1 Engels, Friedrich, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft. Dietz Verlag, Berlin 1953, S. 314/15. 201 Jefimow, A. W./Awetjanow, A. P„ Methodische Anleitung zur Geschichte der Neuzeit 1640-1870. Volk und Wissen Verlag, Berlin 1954, S. 218. :M Darüber orientiert am besten der bereits genannte Protokollband: Zur Frage des Charakters der französischen Kriege..., a. a. O. 204 Bock, Helmut, Rezensioh von: Joachim Streisand, Deutschland von 1789-1815. Vgl. ins­ besondere Abschnitt 4 der Rezension: Zum Charakter der französischen Kriege um 1800. In: .Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung', 3. Jahrg., H. 1, S. 190 ff., 1961.

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lieh zitiert. Gewichtig im Sinne der Auffassung Bocks ist allerdings nur eine der angezogenen Äußerungen: In der Tat sprach Lenin im Zusammenhang mit dem Tilsiter frieden von einer Zeit, »als die Epoche der revolutionären Kriege Frank­ reichs abgelöst wurde von einer Epoche imperialistischer Eroberungskriege,..205 Doch gibt es andere Bemerkungen Lenins, die sehr deutlich machen, daß er hier keineswegs den Zeitpunkt präzisieren wollte, zu dem der Umschlag erfolgte. Allein die im gleichen Zusammenhang gewählte Formulierung, daß Napoleon den Besieg­ ten .zur Führung neuer Raubkriege * (kursiv von mir - H. S.) Hilfstruppen ab­ preßte, kennzeichnet mindestens den unmittelbar voraufgegangenen Krieg gegen Preußen unzweideutig als einen Eroberungskrieg.200 In seiner Schrift über die Junius-Broschüre wiederum verknüpfte Lenin den Umschlag mit der Gründung des napoleonischen Kaiserreichs.207 An anderer Stelle schließlich machte er den Sieg der Reaktion im Innern über die revolutionäre Demokratie zum entscheidenden Kriterium.208 Die Widersprüchlichkeit in den angezogenen Äußerungen ist eine scheinbare. In allen Fällen ging es Lenin ausschließlich darum, festzustellen, daß ein Umschlag vom gerechten Verteidigungskrieg zum ungerechten Eroberungskrieg stattgefunden hat. Eine exakte Fixierung des Zeitpunktes war für ihn durchaus unwesentlich, wenn es sich darum handelte, die Atempause von Brest-Litowsk zu erläutern oder der Negierung nationaler Kriege durch Rosa Luxemburg zu wider­ sprechen oder vor dem großen Oktober auf die revolutionär-demokratische Scho­ nungslosigkeit der Jakobiner zu verweisen. Die Streitfrage würde zu einem guten Teil gegenstandslos werden, wenn Bock mit seiner Behauptung recht hätte, daß die Begriffe .fortschrittlich' und .gerecht' gleich­ zusetzen sind, also der Begriff .gerecht' etwa als .berechtigt im Sinne des Fort­ schrittes' oder als .historisch gerechtfertigt' zu begreifen ist. Dann steht »gerecht * als Synonym für .fortschrittlich', und da der Verfasser den französischen Kriegen den fortschrittlichen Charakter über 1796 hinaus nicht abspricht, so sind sie histo­ risch gerechtfertigt, also im Sinne Bocks gerecht. Der Verfasser stimmt jedoch Engelberg zu, der sagt: »Die Berechtigung dieses Gleichsetzens sei füglich in Zweifel gesetzt. * 208 Der Versuch Bocks, zu beweisen, daß Lenin diese Begriffe prinzipiell gleichordnete, kann nicht überzeugen.210 Wenn in der .Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien * vom Novem­ ber 1960 in Moskau der Marxismus-Leninismus der Leitstern .für die Errichtung SM Lenin, W. I., Referat über die Ratifizierung des Friedensvertrags. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960, Bd. 27, S. 174. Lenin, W. I„ Die Hauptaufgabe unserer Tage. Ebenda, S. 149. 2(17 Lenin, W. I., Über die Junius-Broschüre. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960, Bd. 22, S. 314. 708 Lenin, W. I., Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960, Bd. 25, S. 373. 248 Zur Frage des Charakters der französischen Kriege..., a- a, O., S. 94. 210 Bock, Helmut, a. a. O., S. 192. Überdies hat Lenin die Kennzeichnung »gerecht *, wie sie Wilhelm Liebknecht gebrauchte, in Anführungsstriche gesetzt, die in der Wiedergabe bei Bock fehlen. Vgl. Lenin. W. L, Sozialismus und Krieg. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960, Bd. 21, S. 301.

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der gerechtesten Gesellschaft - des Kommunismus' (kursiv von mir - H. S.) genannt wird211, so ist mit dieser Charakterisierung des großen Ziels sein all­ umfassender humanistischer Inhalt bestimmt. Selbstverständlich ist der Kommu­ nismus zugleich die fortschrittlichste Gesellschaftsordnung, jedoch nicht darum, weil «gerecht * und .fortschrittlich * prinzipiell identische Begriffe sind, sondern weil der sozialökonomische Fortschritt, von der internationalen Arbeiterklasse erstrebt und errungen, uneingeschränkt und notwendig die ganze Menschheit einer lichten Zukunft entgegenführt, in der die Gerechtigkeit in ihrer umfassenden humanisti­ schen Bedeutung verwirklicht wird. Ganz anders hat sich der gesellschaftliche Fortschritt in der Vergangenheit voll­ zogen, als Ausbeuterklassen noch an der Spitze der Kräfte standen, die ihn gegen den Widerstand überlebter herrschender Klassen durchsetzten. Der Fortschritt, den die Bourgeoisie in ihrer aufsteigenden Phase bewirkte, war mit unmenschlichen Leiden der Masse der werktätigen Bevölkerung verbunden. Diese Tatsache zu betonen haben die Klassiker des Marxismus-Leninismus nie versäumt. Wenn Marx im 24. Kapitel seines .Kapitals' die ursprüngliche Akkumulation analysiert, so steht für ihn die historische Notwendigkeit, also Fortschrittlichkeit dieses Prozesses außer Frage. Gleichzeitig jedoch unterstreicht er die ganze Gemeinheit, Scham- und Gewissenlosigkeit, womit die Bourgeoisie .von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blutund schmutztriefend' diesen Prozeß realisiert.212 »Hat sie je einen Fortschritt zuwege gebracht, ohne Individuen wie ganze Völker durch Blut und Schmutz, durch Elend und Erniedrigung zu schleifen?', fragte er mit dem Blick auf die historische Mis­ sion der englischen Bourgeoisie in Indien.213 Das sind moralische Urteile, gefällt vom Standpunkte eines Mannes, der seine Sache mit der des Proletariats verbunden hat und darum auch das Recht zu solchen Urteilen besitzt. Denn das Proletariat ist berufen, die Mensohheit aus ihrer Vorgeschichte, in der die Unmenschlichkeit gerade in ihrer letzten Phase, der bürgerlichen Gesellschaft, alle Lebensäußerungen am ungehemmtesten durchdringt, zur Emanzipation zu führen und die eigentliche Geschichte der Menschheit zu eröffnen, wo .der menschliche Fortschritt nicht mehr jenem scheußliohen heidnischen Götzen' gleicht, .der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken wollte'.214 In dieser historischen Leistung, die im sozialistischen Weltsystem bereits Wirklichkeit geworden ist, erfüllen sich zugleich die in vergangenen Jahrhunderten von den werktätigen Massen geborenen Träume einer befreiten Menschheit, die verpflichtendes humanistisches Erbe der internatio­ nalen Arbeiterklasse sind. Es erfüllen sich nicht zuletzt auch die Ideen, für die das Volk in der Französischen Revolution sein Blut vergoß, Ideen, die die Schranken der bürgerlichen Klasseninteressen überstiegen und einen allgemeinen mensch111 Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien, a. a. O„ S. 182S. Marx, Karl, Das Kapital, a. a. O., Bd. 1, S. 801. Iia Marx, Kazl, Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien. In: Manc/Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Verlag für fremdsprachliche Literatur, Moskau 1950, Bd. 1, S. 331. Ebenda, S. 332.

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liehen Charakter annahmen, aber am Ende den realen Klasseninteressen der Bour­ geoisie unterliegen mußten, Ideen, die über die Ideen des ganzen alten Weltzustandes hinausführten: .Die revolutionäre Bewegung, welche 1789 im Cercle social begann, in der Mitte ihrer Bahn Ledere und Roux zu ihren Hauptrepräsentanten hatte und endlich mit Babeuis Verschwörung für einen Augenblick unterlag, hatte die kom­ munistische Idee hervorgetrieben, welche Babeufs Freund, Buonarotti, nach der Revolution von 1830 wieder in Frankreich einführte. Diese Idee, konsequent aus­ gearbeitet, ist die Idee des neuen Weltzustandes.' 815 Von dieser Warte aus gefällte moralische Urteile über historische Erscheinungen haben nicht nur theoretische Berechtigung, sondern gerade in unserer Epoche, die »die Epoche des Triumphes des Sozialismus und Kommunismus im Weltmaßstab * ist 218, hervorragende prak­ tische Bedeutung. Die französische Bourgeoisie konnte, weil sie gegenüber dem Feudalismus das fortschrittliche Element verkörperte, das werktätige Volk für sich gewinnen und so an die Stelle der alten Gesellschaftsordnung eine neue setzen. Nur für eine begrenzte Zeit war ein solches Zusammenwirken mit den Volksmassen möglich, .deren wahres Lebensprinzip . . . mit dem Lebensprinzip der Revolution nicht zusammenfiel, deren reale Bedingungen der Emanzipation wesentlich verschieden sind von den Bedin­ gungen, innerhalb deren die Bourgeoisie sich und die Gesellschaft emanzipieren konnte'217. Zur unumschränkten Herrschaft gelangt, vertrat die Bourgeoisie als antifeudale Klasse nach wie vor den gesellschaftlichen Fortschritt, aber offenbarte gleichzeitig als Ausbeuterklasse nach innen und außen ihren antidemokratischen Charakter. In diesen beiden Seiten ihres Wesens liegt der Schlüssel zum Verständ­ nis ihres Verhaltens zu den revolutionären Demokraten 1796 in Süddeutschland. Einerseits befähigte die französische Bourgeoisie die süddeutschen Revolutionäre, an die Organisierung einer groß angelegten Insurrektion zu gehen; sie tat es einmal durch ihre bloße beispielgebende Existenz als eine zur Herrschaft gelangte pro­ gressive Klasse und zum zweiten durch die Schwächung der süddeutschen Feudal­ staaten im Ergebnis der kriegerischen Auseinandersetzungen. Andererseits half sie den bestehenden Feudalgewalten bei der Unterdrückung derselben revolutionären Demokraten; sie tat es als antidemokratische, eroberungssüchtige Ausbeuterklasse, die bei einem Erfolg der süddeutschen Revolutionäre sowohl eine Belebung der demokratischen Kräfte im eigenen Lande als auch einen hartnäckigeren Widerstand gegen ihre imperialistischen Tendenzen befürchtete. Einerseits also brach die fran­ zösische Bourgeoisie mit ihren Kriegen dem Fortschritt Bahn, andererseits machte sie sich zum Völkerhändler. Für die gesellschaftliche Entwicklung war die erste Tatsache die entscheidende. Demgemäß erfüllten die französischen Kriege auch als Eroberungskriege eine fortschrittliche Funktion. Diese Erkenntnis gilt es ständig 115 MarxlEngels, Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1957, Bd. 2, S. 126. Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien, a. a. O., S. 1796. an Marx/Engels, Die heilige Familie..., a. a. O., S. 86.

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gegenwärtig zu haben, wenn auch im folgenden bei der Darstellung der französi­ schen Kriegsziele im Hinblick auf das Verhalten gegenüber den revolutionär-demo­ kratischen Bestrebungen in Süddeutschland ihre antidemokratische und imperia­ listische Seite notwendig ausführlicher behandelt werden muß. Zwei Ziele verfolgte die französische Bourgeoisie in ihrer Deutschlandpolitik: Das erste Ziel war die Gewinnung der Rheingrenze, das zweite, das im engsten Zusam­ menhang mit dem ersten stand, war die Errichtung eines dominierenden Einflusses im Reich. Nur unter dieser Bedingung war die Rheingrenze zu halten, wie um­ gekehrt die Rheingrenze günstigste Bedingungen schuf, um im Reiche Fuß zu fassen. Das Zaubermittel, das der französischen Diplomatie zur Sicherung des ersten Ziels und gleichzeitig zur Erreichung des zweiten diente, war das Entschädigungsverspre­ chen. Bei einer Annexion des Linksrheinischen durch Frankreich verloren viele deutsche Fürsten Teile ihres Herrschaftsgebiets. Sie sollten entschädigt werden durch Säkularisierung des geistlichen Besitzes im Rechtsrheinischen. Das Säkularisierung-sprojekt kostete Frankreich nicht einen Pfifferling und war zugleich hervorragend geeignet, die Front der deutschen Feudalfürsten zu spalten, die welt­ lichen gegen die geistlichen zu hetzen und dem Sohutzherm der geistlichen Staaten, Österreich, Bundesgenossen zu entziehen. Bei durchgehender Säkularisierung war für die weltlichen Fürsten mehr zu gewinnen, als sie im Linksrheinischen verloren hatten. Der erste deutsche Fürst, der auf dieser Basis mit Frankreich verhandelte, war der preußische König. Die Baseler Verlragsurkunde sprach offiziell nur von der weiteren Besetzung der linksrheinischen Gebiete Preußens durch die Truppen der Republik: im zweiten der sechs Geheimartikel aber waren bereits Entschädigungsverhandlungen festgelegt, falls beim allgemeinen Friedensschluß mit dem gesamten Reich das linke Rheinufer an Frankreich fiele.218 Die Tatsache, daß eine der beiden deutschen Großmächte sich faktisch auf die Basis des Entschädigungs­ projektes begab, machte seine Realisierung wahrscheinlich und regte naturgemäß den Appetit der Klein- und Mittelfürsten mächtig an. Nach dem Ausscheiden Preußens aus der Koalition gewannen aber gerade die Klein- und Mittelfürsten, vor allem in Süddeutschland, das nicht wie der Norden neutral wurde, für Frankreich ein besonderes Interesse. Preußen blieb als Gegenspieler Österreichs für die fran­ zösische Diplomatie von Wert, die sich darum auch sehr bemühte, Preußen über die Neutralität hinaus zu einem Bündnis mit Frankreich zu bewegen. Dabei lag es keineswegs in der Absicht der Republik, Preußen auf Kosten Österreichs zur deut­ schen Vormacht werden zu lassen. Preußen sollte, eingezwängt zwischen der Furcht vor Österreich und der Hoffnung auf Frankreich, seine Neutralität verlassen und zu einem abhängigen französischen Bundesgenossen werden. Die Pläne, die Preußen an den Friedensschluß von Basel knüpfte, nämlich dem Reiche als Friedensbringer zu erscheinen und auf diese Weise die Klein- und Mittelfürsten an sich zu ziehen, stießen nicht nur auf den selbstverständlichen Widerstand Österreichs, sondern wurden auch von Frankreich torpediert. Schon zwei Monate nach Basel spürte Hardenberg sehr klar die französische Absicht, »die Reichsstände stückweise von :18 Clercq, M. de. Recueil des traités de la France. Paris 1864, Bd. 1, S. 232 ff.

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ihren Bindungen zu ihrem Oberhaupt zu trennen und sie vielmehr, mit Preußen, an die französische Regierung als an Preußen selbst zu binden. Diese letzten Ab­ sichten scheinen die des Wohlfahrtsausschusses zu sein, der zweifellos eher Separat­ verträge mit den gewichtigen Reichsfürsten, eine Spaltung in Deutschland und den Umsturz der deutschen Verfassung wünscht als eine allgemeine Pazifikation mit dem ganzen Reich.. .' 219 Frankreichs Streben ging im Grunde darauf hinaus, nicht nur Österreich, sondern auch Preußen aus dem westlichen Deutschland zu ver­ drängen, um dort selbst Fuß zu fassen. Preußen, das man zu gewinnen trachtete, lockte man mit Arrondierungsaussichten östlich der Elbe. So griff Carnot mehrfach das Projekt der Verpflanzung des Herzogs von Mecklenburg ins Westfälische auf und begründete es gegenüber dem preußischen Gesandten am 23. August 1796 damit, .daß eine gewisse Distanz für die Ruhe der beiden Länder nötig ist' 22°. Frankreich konnte seine Ziele in Deutschland nur erreichen, wenn es die traditionelle deutsche Zersplitterung im Prinzip aufrechterhielt. Sehr deutlich schrieb Merlin von Douai am 4. Januar 1795: .... durch eine gut abgewogene Teilung Deutsch­ lands können wir eine prächtige und dauerhafte Wirkung erzielen. Aber man muß dazu ein wenig die Philosophie beiseite legen; und ich fürchte immer, daß es unter uns noch Leute gibt, die mehr der Menschheit als ihrem Vaterlande ver­ bunden sind,'221 Mit zynischer Offenheit wurde den Idealen der Aufklärung der Abschied gegeben. Aus diesen Worten sprach nicht mehr das revolutionäre Bürgertum, das in den Völkern der Staaten, die es bekriegten, Verbündete suchte und ihnen dabei den Weg wies zur Lösung der sozialen und nationalen Frage; hier sprach die kalt rechnende Bourgeoisie, die aus der Verteidigung heraus zur Er­ oberung und Unterdrückung dieser Gebiete und Völker überging. Die Konservierung der deutschen Uneinigkeit aber setzte bis zu einem gewissen Grade auch die Kon­ servierung der sozialen Rückständigkeit voraus. Sie machte daher die Zusammen­ arbeit mit den weltlichen Fürsten zur notwendigen Konsequenz der französischen Deutschlandpolitik. In den feudalen deutschen Mittel- und Kleinstaaten fand sie die Basis für die Errichtung einer dominierenden Stellung in Deutschland. Im April 1795 hatte Sieyès als Mitglied des Wohlfahrtsausschusses einen entsprechenden Plan entwickelt, in dem bereits der Terminus .Rheinbund' enthalten war. Sieyès war 219 .... détacher partiellement les États d'Empire des liaisons avec son chef et de les attacher plutôt, avec la Prusse, au gouvernement français qu'à la Prusse même. Ces dernières vues paraissent celles du Comité de salut public, qui désire sans doute plutôt des paix parti­ culières avec les princes prépondérants de l'Empire, une scission en Allemagne et le boule­ versement de la constitution germanique, qu'une pacification générale avec tout le Corps...' Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 5. 229 .... une certaine distance est nécessaire à la tranquillité des deux pays.* Ebenda, S. 86. 221 .... nous pouvons, par un partage bien concerté de l'Allemagne, faire une opération superbe et durable. Mais il faut pour cela mettre un peu la philosophie de côté,- et j'appréhende toujours qu'il n'y ait encore parmi nous des gens plus attachés au genre humain qu'à leur patrie.' Reynaud. M. Jean, Vie et correspondance de Merlin de Thionville. Paris 1660, T. 2, S. 156.

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

nicht der erste, der die Perspektiven der französischen Deutschlandspolitik in dieser Weise systematisierte. Zwei Monate zuvor hatte das Konventsmitglied Dentzel dem Ausschuß einen ähnlichen Plan eingereicht.282 Diese Politik wurde den französischen Gesandten und Agenten, die auf Deutschland einwirken sollten, zur Richtlinie gemacht. So sprach die Instruktion des Direktoriums vom 24. Februar 1796 für den Gesandten Rivals am Hofe des Landgrafen von Hessen-Kassel von einer Bedrohung der Freiheit und Unabhängigkeit der kleinen Staaten durch die verbündeten Großmächte, gegen die allein eine Konföderation mehrerer Reichsstände unter französischem Schutz Sicherheit böte. Rivals sollte den Landgrafen durch die Aussicht auf reichen Landgewinn auf Kosten der geistlichen Stände und auf die Erhebung seines Hauses zu einer Macht zweiter Ordnung be­ wegen, diese Pläne zu begünstigen und selbst vorbereitende Verhandlungen mit anderen Reichsfürsten zu führen. Sehr aufschlußreich war der Schlußteil der Instruk­ tion: .Um die Unruhe zu zerstreuen, die man in Deutschland wegen unserer repu­ blikanischen Prinzipien und ihrer Verbreitung empfangen zu haben scheint, wird der Bürger Rivals schließlich Sorge tragen zu erklären, daß Frankreich in einer Epoche, in der es keine reguläre Regierung hatte, überdies hingerissen durch den Wirbelwind einer Revolution, die nicht immer die Wahl der Mittel zuließ, die Propagierung seiner Prinzipien hat wünschen können, indem es darin die sicherste Garantie seiner Unabhängigkeit zu finden hoffte, aber daß es, nachdem es sich heute auf allen Gebieten der Staatsmacht konsolidiert hat, eine strikte Neutralität zwischen den Völkern und den Souveränen beobachten und sich auf Beziehungen des guten Einvernehmens und eines gegenseitigen Vorteils beschränken wird. * 223 In dieselbe Richtung wies die bereits erwähnte Instruktion, die das Direktorium am 1. April 1796 Poterat gab: Offensiv-und Defensivbündnis der süddeutschen Fürsten mit Frankreich auf der Basis der Anerkennung der Rheingrenze; Entschädigung für die linksrheinischen Verluste und Garantie ihres jetzigen und zukünftigen Besitz­ standes.224 Mochte es auch so scheinen, als ob diese Instruktion durch jene andere vom 3. Mai, die die revolutionäre Bewegung zu unterstützen befahl, restlos beiseite gelegt war, so bewiesen doch die Ereignisse nach dem Rheinübergang Moreaus das gerade Gegenteil. Die Förderung der revolutionären Elemente hatte am Ende nur den Zweck, die innere Position der Fürsten zu schwächen, sie einzuschüchtern und den französischen Wünschen gefügiger zu machen. Die Peitsche der Revolutionie­ rung ergänzte die Wirkung, die das Zuckerbrot der Säkularisation ausübte. War man m Sorel, Albert. L'Europe et la Révolution française. Paris 1892, Bd. 4, S. 298/99. .Enfin le dtoyen Rivals, pour dissiper les alarmes que l'on paraît avoir conçues en Alle­ magne sur nos principes républicains et leur propagation, aura soin de déclarer que la France, A une époque où elle n'avait pas de gouvernement régulier, emportée d'ailleurs par le tourbillon d'une révolution qui ne laissait pas toujours le choix des moyens, a pu désirer la propagation de ses principes, espérant y trouver la garantie la plus sûre de son indé­ pendance, mais que l'ayant aujourd'hui consolidée par tous les actes de la puissance, elle gardera une exacte neutralité entre les peuples et les souverains et se bornera aux relations de la bonne intelligence et d'une utilité réciproque.' Debidour, A., a. a. O.. Bd. 1, S. 671. at HüSet, Hermann/Luckwalilt, Friedrich, a. a. O.» S. 36 ff.

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dem Ziel, mit den Fürsten zu einem Einvernehmen zu gelangen, nahegekommen, so wunde die französische Unterstützung der Revolutionäre nicht nur überflüssig, sondern sogar zu einer direkten Gefahr für das angestrebte Einvernehmen. Die französische Großbourgeoisie hat nicht gezögert, von diesem Augenblicke an die einstigen Bundesgenossen zu desavouieren und direkt zu bekämpfen. Sie tat es um so lieber, als sie von revolutionären Erhebungen am Oberrhein eine Steigerung der Aktivität der demokratischen Kräfte im eigenen Lande befürchtete. Ganz offen war diese Rücksicht auf die innenpolitische Lage Frankreichs in jener grundsätzlichen Anweisung des Direktoriums vom 12. August an Haussmann ausgesprochen: .Sorgen Sie dafür, daß der Friede der Familien, Folge des geschlossenen Waffenstillstandes, in Schwaben nicht gestört werde, damit unsere benachbarten Departements sich derselben Ruhe erfreuen können...' 225 Die Erfolge dieser Politik lagen im Sommer 1796 sichtbar auf der Hand. Aus einer Mischung von Furcht und Habgier wetteiferten die süddeutschen Fürsten, sich der Gnade des Siegers auszuliefern. Sie bangten um ihre Kronen und hofften zugleich, durch äußerste Willfährigkeit auf Kosten ihrer geistlichen Kollegen reiche Beute zu machen. Württemberg schickte gleich zwei Delegationen an verschiedene Adressen, die sich dann doch beide in Moreaus Hauptquartier trafen und am 17. Juli einen Waffenstillstand abschlossen.226 Baden brachte ihn am 25. Juli unter Dach und Fach.227 Dem Beispiel seiner größten Kreisstände folgte der gesamte schwäbische Kreis am 27. Juli.226 Bezeichnend war die Instruktion des Kurfürsten von Bayern an Hertling, den Pfleger des bayerischen Amtes Mindelheim, das zum schwäbischen Kreise gehörte. Er gab Anweisung, sich der Mehrheit des Kreistages anzuschließen, die den Waffenstillstand befürwortete, obwohl Bayern dadurch in die seltsame Lage geriet, als schwäbischer Kreisstand sein Truppenkontingent zurückzuziehen, als bayerischer Reichsstand aber an der Seite der kaiserlichen Armee den Krieg fortzu­ setzen.229 Die französischen Erfolge schienen überwältigend, und so beeilten sich Württemberg und Baden, den Waffenstillstand bereits im August in einen endgültigen Frieden umzuwandeln. In den offenen Bestimmungen des Friedensvertrages vom 7. August trat Württemberg alle seine linksrheinischen Besitzungen ab, öffnete das Land den französischen Truppen und versprach darüber hinaus, nie mehr gegen die Republik die Waffen zu führen. Dieser letzte Punkt kam den französischen Plänen schon sehr weit entgegen, denn er trug bereits im Kern die Loslösung vom Reichs­ verband in sich: »Der Herzog von Württemberg ... wird in Zukunft keiner der Re­ publik feindlichen Macht irgendein Kontingent oder Hilfe an Mannschaft, Pferden, Lebensmitteln, Geld, Kriegsmunition oder auf andere Weise, unter welchem Rechts­ anspruch es auch sei, zur Verfügung stellen, selbst wenn er dazu als Glied des Deut­ schen Reiches aufgefordert werden sollte. * Die Geheimartikel legten die Entschädi,,s .Faites en sorte que la paix des familles, suite de l'armistice qui a été conclu, ne soit point troublée dans la Souabe, afin que nos départements voisins puissent jouir de la même tran­ * quillité. Debidour, A., a. a. O., Bd. 3, S. 338. .Europäische Annalen", Jahrg. 1796, 8. Stück, S. 230/31, Ebenda, S. 232 ff. !t9 Ebenda, S. 234 ff. Hertling, Karl Freiherr von. Zum Feldzug..., a. a. O., S. 298/99.

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gung für die linksrheinischen Verluste durch zu säkularisierende Gebiete im Rechts­ rheinischen fest und verpflichteten Württemberg, andere Reichsstände ebenfalls zum Verzicht gegen Entschädigung zu bewegen.230 Der badische Friedensvertrag vom 22. August glich dem Württembergs, der von der französischen Regierung ge­ wissermaßen als verbindliches Muster hingestellt wurde.231 Am 7. September schloß auch Bayern zu Pfaffenhofen seinen Waffenstillstand. Geschickt die Spannungen zwischen Bayern und Österreich durch das Ausspielen des Annexionsplans steigernd, hatte es Frankreich möglich gemacht, daß Moreau den Vertrag mit all seinen sohweren Bedingungen zu einem Zeitpunkt unter Dach und Fach bringen konnte, als nach den Siegen des Erzherzogs Karl über Jourdan der Rückzug der Franzosen nur noch eine Frage von Tagen war.232 Die Furcht um ihren Bestand, ihre Gegensätze untereinander, ihre hemmungslose Ländergier trieben die weltlichen Stände in die Arme Frankreichs, dem damit der Weg zur Gewinnung des dominierenden Einflusses im Reich geebnet wurde. Bis zu welchem erstaunlichen Grade sich die Interessen des reaktionären deutschen Partikularismus mit denen der französischen Großbourgeoisie deckten, zeigte das Vorgehen der Gesandten der Reichsstadt Frankfurt a. M. Auch Frankfurt bemühte sich im August um einen Friedensvertrag, der zugleich die Unabhängigkeit der Stadt garantieren sollte, und schickte aus diesem Grunde zwei Unterhändler, Oelsner und Basse, nach Paris. Der Frankfurter Magistrat war in einer besonders gefährlichen Situation: Er hatte hohe Kontributionszahlungen zu leisten, ohne über die nötigen Mittel zu verfügen. Der Landgraf von Hessen bot dem Direktorium an, die Schuld zu begleichen, mit dem Hintergedanken, die französische Zustimmung zur Ein­ verleibung der Stadt in sein Territorium zu erhalten.883 Bei der zerrütteten Finanz­ lage Frankreichs erschien das hessische Angebot so verlockend, daß Oelsner und Basse mit ihrem Anliegen in Paris wenig Gegenliebe fanden. In dieser Situation ver­ fielen beide auf den Gedanken, sich auf dem Umwege über die Presse Gehör zu verschaffen. In zahlreichen Pariser Zeitungen erschienen plötzlich Artikel, die der Öffentlichkeit geschickt begreiflich machten, daß es höchstes Interesse Frankreichs sein mußte, in Deutschland das Prinzip der Veruneinheitlichung festeuhalten.284 So brachte der .Moniteur * am 25. August einen Beitrag Oelsners, der auf die Frage ant­ wortete: .Ist es im Interesse der französischen Republik, daß das rechtsrheinische Deutschland in entgegengesetzter Richtung revolutioniert und die Unabhängigkeit der Mächte geringer Ordnung vernichtet wird, damit sich auf den Trümmern des 530 .Le Duc de Wurtemberg... ne fournira, à l'avenir, à aucune puissance ennemie de la République, aucun contingent ou secours en homme, chevaux, vivres, argent, munitions de guerre ou autrement, à quelque titre que ce soit, quand même il en serait requis comme Membre de l'Empire Germanique.' Cletcq, M. de. a. a. O., S. 283 ff. * Ebenda, S. 292 ff. « 1,1 Du Moulin Eckart, Richard Graf, Der Waffenstillstand.,., a. a. O., S. 59 ff. «s Vgl Schreiben des preußischen Legationssekretärs Formey aus Frankfurt vorn 9. August 1796, DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 164, J 33. Kracauer, J., a. a. O., Bd. 3, S. 81 ff.

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Reiches eine große Militärmacht erhebe?' 238 Oelsner lenkte die Aufmerksamkeit der Franzosen auf die rund zwölf Millionen Deutsche rechts des Rheins, die nicht zu Preußen oder Österreich gehörten und die beste Schutzwehr für Frankreich und seine Rheingrenze bilden könnten. Voraussetzung wären allerdings die Aufrecht­ erhaltung der Zersplitterung und eine wirksame Sicherung gegen die Gefahr einer Annexion und Vereinigung durch eine der deutschen Großmächte: .Die Deutschen, in Völkerschaften zerteilt, schauen mit ziemlicher Gleichgültigkeit auf den großen Teil, den man von ihrem Reiche losreißt. Einmal geeint als Nation würde die Er­ innerung an ihren früheren Besitz zusammen mit dem Ehrgeiz erwachen, ihn zu­ rückzufordern.' Oelsner warnte Frankreich, den Föderalismus gänzlich abzutun: .Diese Art von politischem Mechanismus konnte nicht einer Lage entsprechen, in der die Regierung die Aktivierung aller sozialen Kräfte brauchte,- dagegen als Barrieresystem existiert nichts Besseres; es gibt den rechten Grad von Trägheit, den der Damm braucht, um dem Ungestüm der Wogen zu widerstehen... Also um längs des Rheins eine Barriere ähnlich der des Jura zu erhalten, muß man verhindern, daß die kleinen Mächte Deutschlands unter das Joch eines Herrschers geraten. Dazu genügt es nicht, sie isoliert zu erhalten; man muß einen neuen deutschen Bund unter dem Schutze Frankreichs aufrichten.' Oelsner schlug die Aufteilung des rechts­ rheinischen Deutschland und seine Zusammenfassung in neun bis zwölf Gebiete unter je einen Großherzog vor; da aber selbst diese Föderation bei gutem Ein­ vernehmen untereinander Frankreich gefährlich werden könnte, sollte das Prinzip der Spaltung unter anderem dadurch verstärkt werden, daß die freien Städte nicht nur erhalten, sondern auch vergrößert würden und gleiche Rechte wie die Fürsten genössen. Zur Frage der Säkularisation erklärte er sehr nüchtern, daß der geistliche Fürst zwar keine schlechteren Besitzansprüche besäße als sein weltlicher Kollege, aber darum seinem Schicksal doch nicht entgehen könne: .Nach dem Beispiel des Heilands muß er sterben, damit die anderen leben.' 238 Nicht umsonst verbanden m .Est-il de l'intérêt de la République française que l'Allemagne de la rive droite du Rhin soit révolutionnée en sens inverse, et que l'indépendance des puissances d'un ordre inférieur soit anéantie, pour que des débris de l'Empire il s'élève une vaste puissance militaire?' Der Artikel findet sich abschriftlich im DZA Merseburg, Rep. 11, 91 Frankreich, varia publica Nr. 25, Bl. 32 ff. 2M .Les Allemands, partagés en peuplades, voient avec assez d'indifférence la forte portion qu'on détache de leur Empire. Une fois réunis en corps de nation, leur souvenir de ce qu'ils ont possédé se réveillerait avec l'ambition de la réclamer... Ce genre de méchanisme politique ne pouvait pas convenir i une position où le gouvernement avait besoin de la mise en activité de toutes ses forces sociales,- cependant comme système des barrières, il n'en existe pas de meilleur; il donne le juste degré d'inertie qu'il faut à la digue pour résister à l'impétuosité des flots... Eh bien, pour obtenir le long du Rhin une barrière semblable à celle du Jura, il faut s'opposer é ce que les petites puissances d'Allemagne ne subissent le joug d'un maître. Pour cet effet il ne suffit pas de les conserver isolées, il faut qu'une nouvelle ligue germanique s'établisse sous les auspices de la France... À l'exemple du Sauveur il est obligé de mourir, pour que les autres vivent.' Ebenda, Bl. 34/35/36. 18 Süddeutsche Jakobiner

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Oelsner und Sieyès persönliche Beziehungen; nicht zufällig war es Dentzel, den Oelsner für Frankfurts Sache gewann.237 Mit großem Geschick formulierte der Ab­ gesandte eines deutschen Partikulargebildes die Prinzipien der französischen Deutschlandpolitik, brachte sie auf einen Nenner mit den Sonderinteressen seiner Auftraggeber und konnte so seine Mission erfolgreich beenden. Im Oktober erhielt Frankfurt seinen geheimen Friedens- und Neutralitätsvertnag.238 Die Stellung Frankreichs zum Projekt einer fränkischen Republik lag durchaus auf der gleichen Linie der Erhaltung des reaktionären Partikularismus in Deutschland. Er war nicht zu konservieren, ohne daß er bestimmten Modifikationen unterworfen wurde. Gerade in Franken hatte das preußische Vorgehen bewiesen, daß er in der bestehenden Form nicht mehr lebensfähig war, sondern Schritt um Schritt dem preu­ ßischen Großmachtstreben zu erliegen drohte. Eine relative Zusammenfassung der einzelnen schwachen Teile derart, wie es Zwanziger und seine Freunde durch die Umwandlung des Kreistages in eine gemeinsame souveräne Körperschaft beab­ sichtigten, bot Frankreich die verschiedenartigsten Vorteile.- Zum ersten konnte dem Expansionsdrang Preußens ein Damm entgegengesetzt werden; Frankreich wollte es nach Osten abdrängen und keine starken Positionen in Süddeutschland erringen lassen. Zum zweiten bedeutete die Bildung einer souveränen Kreisrepräsentation eine weitgehende Lösung vom Kaiser und damit von Österreich, dessen Einfluß auf Süddeutschland beseitigt werden sollte. Zum dritten und vor allem hatte die Redu­ zierung der partiksularistischen Auswüchse eine Konsolidierung des Partikularismus zur Folge, der ja nach außen nur darum kräftiger auftreten konnte, weil er auch im Innern in seiner modernisierten Form größere wirtschaftliche Entwicklungsmöglich­ keiten besaß. Das Projekt der fränkischen Republik ähnelte in wesentlichen Zügen dem Plan, den Barthélemy in einer Denkschrift vom 17. August 1796 in bezug auf den schwäbischen Kreis entwickelt hatte, wobei zu erinnern ist, daß der royalistisch gesonnene Barthélemy zu den heftigsten Gegnern und Verfolgern der süddeutschen revolutionären Demokraten gehörte. In dieser Denkschrift hieß es: .Es wird für Frankreich von Wichtigkeit sein, zur Deckung seiner Grenzen Schwaben zu einem sicheren Vorposten und natürlichen Verbündeten zu machen und alle möglichen Vorteile für den Handel daraus zu ziehen. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre es nötig, daß Frankreich Schwaben von der Zugehörigkeit zum Reiche loslöste und keiner Großmacht Besitz in diesem Kreise zugestände. Wenn dieses Land einmal unab­ hängig ist, müßte man, um alle mit Umwälzungen notwendig verbundenen Er­ schütterungen zu vermeiden, diesem Kreise seine Verfassung in Form eines Föderativ­ systems verbürgen, wobei alle seine großen und kleinen Stände erhalten und die wesentlichsten Mängel der Konföderation dieses Landes korrigiert werden. Man würde diese Konföderation einheitlicher, kräftiger und geschlossener gestalten, indem man die fünf reichsritterschaftlichen Kantone, die Besitzungen des Hauses Österreich in Schwaben und die des Bischofs von Straßburg zusammen mit einigen zum oberrheinischen Kreis gehörenden Gebieten des Fürsten von Hanau vereinte, Kracauer, J„ a. a. O., Bd. 3, S. 189. w» Ebenda, S. 211 ff.

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eine gerechtere Verteilung im Militärischen und ökonomischen und ein Schieds­ gericht einrichtete. Eine derartige Verfassung würde für Frankreich und seinen Handel sehr vorteilhaft und nützlich sein.'239 Sehr bedeutsam ist in der Denkschrift Barthélémy^ sein mehrfacher Hinweis auf die Vorteile, die dem französischen Handel dabei erwuchsen. Diese Vorteile leiteten sich nicht nur daraus ab, daß der schwäbische Kreis dann politisch eng mit Fran­ kreich verbunden Wäre, sondern auch aus der relativen Vereinheitlichung des Kreises selbst, die sich naturgemäß günstig auf die wirtschaftliche Entwicklung aus­ wirkte. Die Modifizierung des deutschen Partikularismus, die Beseitigung seiner schlimmsten Auswüchse, die durchaus nicht seiner Überwindung dienen sollte, hatte also zwei Seiten: Eine reaktionäre - die Konsolidierung des Partikularismus - und eine progressive zugleich - die Schaffung günstigerer Bedingungen für den ökono­ mischen Fortschritt. Deutlich spiegelt sich diese antifeudale Komponente auch in einer Denkschrift des Straßburgers und ehemaligen Jakobiners Jean Frédéric Prœsamlé wider. In den .Politischen Ansichten über die allgemeine Befriedigung Europas', die er im Spätsommer 1796 zu Papier brachte, bezeichnete er als nächste Ziele die Zurückdrängung Preußens und die Vergrößerung der deutschen Mittel­ staaten auf Kosten der geistlichen Fürsten. Er sah darin jedoch nicht nur eine not­ wendige Sicherung Frankreichs, sondern zugleich eine Vorbereitung des Sieges der Revolution im übrigen Europa: .Der gotischen Verfassung des Reiches ist ein Ende zu setzen, und große Fürstentümer sind dort zu bilden; das ist ein hervorragendes Mittel, die Revolution in Europa zu erleichtern, weil Deutschland eine Menge ent­ schlossener und aufgeklärter Patrioten umfaßt, die in einem Lande, das in den Händen einiger Fürsten konzentriert ist, mehr Beistand finden werden, als wenn es unter einige Hunderte kleiner Tyrannen zerstreut und zerteilt ist, deren Despotismus gewöhnlich drückender als der der mächtigen Fürsten ist; das ist bereits ein Weg zum Glück der Menschheit.' 240 In diesen beiden Seiten widerspiegelte sich das zwie­ spältige Wesen der französischen Bourgeoisie. Während sie als Ausbeuterklasse, die 239 .La France sera intéressée à faire de la Souabe un avantposte assuré pour couvrir ses frontières, une alliée naturelle et en tirer tous les avantages possibles pour le commerce. Il conviendrait, pour arriver à ce but, que la France détachât la Souabe de la dépendance de l'Empire et qu'elle n'accordât de possession dans ce cercle à aucune grande puissance. Ce pays étant une fois indépendant, pour éviter toutes les secousses inséparables des révolutions, il faudrait assurer à ce cercle sa constitution en forme d'un système fédératif, en conservant tous ses grands et petits États et en corrigeant les défauts les plus essen­ tiels de la confédération de ce pays. On rendrait cette confédération plus uniforme, plus énergique et plus serrée, en y réunissant les cinq cantons de la noblesse immédiate, les possessions de la Maison d'Autriche en Souabe, les possessions de l'Ëvêque de Strasbourg, avec quelques terres du Prince de Hanau, qui faisaient partie de cercle du Haut-Rhin, en y établissant une répartition plus juste dans l'état militaire et économique et un tribunal d'arbitrage. Une pareille constitution serait très avantageuse et très utile â la France et à son commerce." Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 460/61. “* .11 faut mettre fin â la constitution gothique de l'Empire et y former de grandes princi­ pautés; c'est un grand moyen de faciliter la révolution en Europe, parce que l'Allemagne renferme une quantité de patriotes fermes et éclairés qui trouveront plus d'appui dans un pays concentré entre les mains de quelques princes que s'il était disséminé et partagé entre lô*

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Eroberungsziele verfolgte, sich das imperialistische divide et impera zu eigen machte und den feudalen Partikularismus im Prinzip zu erhalten suchte, verlangte sie als antifeudale Klasse die Beseitigung solcher feudalen Hemmnisse, die ihr das Ein­ dringen auf dem deutschen Markt erschwerten. Darum mußte sie in gewissem Grade an der Einführung bürgerlicher Reformen interessiert sein. Das zusammen mit dem französischen Agenten Reibell konzipierte Projekt der fränkischen Republik trug dieser Tatsache auch ausdrücklich Rechnung, wenn es eine dem Geist der Zeit ent­ sprechendere Behandlung der Untertanen vorsah. Die antifeudale Komponente der französischen Außenpolitik war für den historischen Fortschritt in dieser Zeit ent­ scheidend. Daraus erklärt sich, daß auch die süddeutschen Demokraten in den folgenden Jahren ihre Hoffnungen immer wieder auf Frankreich setzten und den französischen Waffen trotz bitterer Enttäuschungen den Sieg wünschten.

4. Das Verhalten der französischen Armeen und der Beginn des Volkswiderstandes Marschall Soult nannte in seinen Memoiren die Zeit um 1794 die Epoche der höchsten militärischen Tugenden unter den französischen Soldaten: .In allen Dienst­ graden derselbe Eifer, derselbe Drang, über die Pflicht hinauszugehen; wenn der eine sich auszeichnete, suchte der andere ihn durch seinen Mut, sein Können, seine Taten zu übertreffen; das war das einzige Mittel voranzukommen ; die Mittelmäßig­ keit fand gar keine Gelegenheit, sich zu empfehlen... Ich kann sagen, das ist der Abschnitt meiner Laufbahn, wo ich am meisten gearbeitet habe und die Chefs mir am anspruchsvollsten erschienen sind__ Die Eroberer Hollands überquerten bei 17 Grad Kälte die Flüsse und die vereisten Meeresarme, und sie waren fast nackt; sie befanden sich indessen im reichsten Lande Europas; alle Verlockungen hatten sie vor Augen,- aber die Disziplin erfuhr nicht die leiseste Beeinträchtigung... Oft habe ich die Soldaten vor der Schlacht Zuteilungen, die man an sie machen wollte, zurückweisen gesehen, wobei sie ausriefen: .Nach dem Sieg wird man sie uns geben I" 241 quelque centaines de petits tyrans dont le despotisme est ordinairement plus accablant que celui des princes puissants; c'est déjà un acheminement vers le bonheur de l'humanité.' Eine Abschrift der .Vues politiques sur la pacification générale de l'Europe' von Prœsamlé fand sich im Staatsarchiv Kuks, Arbeitsstelle Opoino, Colloredo-Mannsfeldsches Archiv, Sign. 31/10, Nr. 3. 141 .Dans tous les rangs, le même zèle, le même empressement d'aller au delà du devoir; si l'un se distinguait, l'autre cherchait à le surpasser par son courage, ses talents, ses actions; c'était le seul moyen de parvenir; la médiocrité ne trouvait point à se faire recommander... Je puis le dire, c'est l'époque de ma carrière où j'ai le plus travaillé et où les chefs m'ont paru les plus exigeants.. . Les conquérants de la Hollande traversaient par dix-sept degrés de froid les fleuves et les bras de mer gelés, et ils étaient presque nus; cependant ils se trouvaient dans le pays le plus riche de l'Europe; ils avaient devant les yeux toutes les séduc­ tions; mais la discipline ne souffrait pas la plus légère atteinte... J'ai souvent vu les soldats refuser avant le combat les distributions qu'on allait leur faire, et s'écrier: .Après la victoire, on nous les donnerai' * Mémoires du maréchal-général Soult. Publiés par son fils. Paris 1854, Bd. 1, T. 1. S. 198/99.

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Eroberungsziele verfolgte, sich das imperialistische divide et impera zu eigen machte und den feudalen Partikularismus im Prinzip zu erhalten suchte, verlangte sie als antifeudale Klasse die Beseitigung solcher feudalen Hemmnisse, die ihr das Ein­ dringen auf dem deutschen Markt erschwerten. Darum mußte sie in gewissem Grade an der Einführung bürgerlicher Reformen interessiert sein. Das zusammen mit dem französischen Agenten Reibell konzipierte Projekt der fränkischen Republik trug dieser Tatsache auch ausdrücklich Rechnung, wenn es eine dem Geist der Zeit ent­ sprechendere Behandlung der Untertanen vorsah. Die antifeudale Komponente der französischen Außenpolitik war für den historischen Fortschritt in dieser Zeit ent­ scheidend. Daraus erklärt sich, daß auch die süddeutschen Demokraten in den folgenden Jahren ihre Hoffnungen immer wieder auf Frankreich setzten und den französischen Waffen trotz bitterer Enttäuschungen den Sieg wünschten.

4. Das Verhalten der französischen Armeen und der Beginn des Volkswiderstandes Marschall Soult nannte in seinen Memoiren die Zeit um 1794 die Epoche der höchsten militärischen Tugenden unter den französischen Soldaten: .In allen Dienst­ graden derselbe Eifer, derselbe Drang, über die Pflicht hinauszugehen; wenn der eine sich auszeichnete, suchte der andere ihn durch seinen Mut, sein Können, seine Taten zu übertreffen; das war das einzige Mittel voranzukommen ; die Mittelmäßig­ keit fand gar keine Gelegenheit, sich zu empfehlen... Ich kann sagen, das ist der Abschnitt meiner Laufbahn, wo ich am meisten gearbeitet habe und die Chefs mir am anspruchsvollsten erschienen sind__ Die Eroberer Hollands überquerten bei 17 Grad Kälte die Flüsse und die vereisten Meeresarme, und sie waren fast nackt; sie befanden sich indessen im reichsten Lande Europas; alle Verlockungen hatten sie vor Augen,- aber die Disziplin erfuhr nicht die leiseste Beeinträchtigung... Oft habe ich die Soldaten vor der Schlacht Zuteilungen, die man an sie machen wollte, zurückweisen gesehen, wobei sie ausriefen: .Nach dem Sieg wird man sie uns geben I" 241 quelque centaines de petits tyrans dont le despotisme est ordinairement plus accablant que celui des princes puissants; c'est déjà un acheminement vers le bonheur de l'humanité.' Eine Abschrift der .Vues politiques sur la pacification générale de l'Europe' von Prœsamlé fand sich im Staatsarchiv Kuks, Arbeitsstelle Opoino, Colloredo-Mannsfeldsches Archiv, Sign. 31/10, Nr. 3. 141 .Dans tous les rangs, le même zèle, le même empressement d'aller au delà du devoir; si l'un se distinguait, l'autre cherchait à le surpasser par son courage, ses talents, ses actions; c'était le seul moyen de parvenir; la médiocrité ne trouvait point à se faire recommander... Je puis le dire, c'est l'époque de ma carrière où j'ai le plus travaillé et où les chefs m'ont paru les plus exigeants.. . Les conquérants de la Hollande traversaient par dix-sept degrés de froid les fleuves et les bras de mer gelés, et ils étaient presque nus; cependant ils se trouvaient dans le pays le plus riche de l'Europe; ils avaient devant les yeux toutes les séduc­ tions; mais la discipline ne souffrait pas la plus légère atteinte... J'ai souvent vu les soldats refuser avant le combat les distributions qu'on allait leur faire, et s'écrier: .Après la victoire, on nous les donnerai' * Mémoires du maréchal-général Soult. Publiés par son fils. Paris 1854, Bd. 1, T. 1. S. 198/99.

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So waren die Soldaten der Revolution, die Jakobinerarmeen. Die Soldaten, die Moreau und Jourdan 1796 über den Rhein führten, hatten schon ein anderes Gesicht Ein deutscher Augenzeuge, der keineswegs zu ihren fanatischen Gegnern rechnete, sondern offensichtlich Sympathien für die Ideen der Französischen Revolution hegte, schrieb am 28. August 1796: »Wenn es möglich wäre, das eigentliche Ver­ hältnis nach einer biogen Schätzung so genau anzugeben, so möchte ich wohl 6agen, daß etwa ein Zehntel der französischen Armeen aus gröberen und feineren Räubern, Spitzbuben und Beutelschneidern besteht. Ein Zehntel mögen dann rechtliche, edle Leute und wahre Republikaner sein. Die übrigen acht Zehntel aber sind Egoisten und sinnliche Menschen, die zwar nicht rauben und niemanden mißhandeln, aber sich doch im Übermaß auf Kosten der Einwohner der eroberten Länder wohl sein lassen und für ihren Nutzen sorgen.'242 Das waren die Soldaten, die unter dem Direktorium kämpften. Verglichen mit den gepreßten Söldnern der feudalen Heere standen sie immer noch auf einem ungleich höheren Niveau. Sie stritten im Bewußt­ sein, durch die Revolution zu freien Menschen geworden zu sein. Dennoch war der moralische Abstieg offensichtlich. Die Ursache lag nicht bei ihnen; sie war in der Tatsache begründet, daß die konterrevolutionäre Bourgeoisie die unumschränkte Herrschaft angetreten hatte und allen Äußerungen das gesellschaftlichen Lebens ihren Stempel aufdrückte.243 Ebenso wie die Großbourgeoisie im Innern daranging, die im Laufe der Revolution von den Volksmassen erkämpften demokratischen Rechte zu liquidieren, so suchte Sie auch die Armee ihres demokratischen Charakters zu entkleiden, den sie unter den Jakobinern erhalten hatte. Seit dem Thermidor herrschte die Tendenz vor, die Soldaten wieder zum passiven Gehorsam zu erziehen. Sie verloren das Recht, an der Wahl ihrer Offiziere teilzunehmen, sie verschwanden als Geschworene bei den Militärgerichten und konnten Ende 1796 auch nicht mehr Richter sein.244 Der sicht­ barste Ausdruck des gründlichen Wandels, der sich in der Armee durchsetzte, war die Tatsache der massenhaften Desertion. Vom Oktober 1794 bis zum Januar 1796 fiel der Truppenbestand um nahezu die Hälfte, nämlich von 750 000 auf 410 000 Mann.245 Es waren nicht immer die Schlechtesten, die der Armee den Rücken kehr­ ten, und es waren nicht immer die Besten, die blieben. Was blieb, wurde zu Berufs­ soldaten, die sich an das Kriegsleben gewöhnt und die Bindung zu ihren Heimatorten 242 Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O„ S. 672. *43 Vgl. Bourdeau, Henri, Les armées du Rhin au début du directoire (Sambre-et-Meuse Rhin-et-Moselle). La situation générale, les effectifs, l'état matériel et moral. Paris 1909. 3,1 Mathiez. AlbertjLetebvre. George. Die französische Revolution. Europäische Verlags­ anstalt, Hamburg 1950, Bd. 3, S. 87. 245 Ebenda, S. 73. Bei dem Rückzüge Moreaus aus Bayern im September 1796 kam es sogar vor, daß einzelne Soldaten die Truppe verließen, um in Bayern ansässig zu werden. So berichtete der Galerieinspektor und Maler M. Huber in seinem Tagebuch, daß der Korporal Chergaud und die Gefreiten Colle, Nicola und Jage, die alle in Schleißheim als Sauvegardisten Dienst getan hatten, zurückblieben und sich als Tagelöhner verdingten. Als Moreau im Jahre 1600 wieder nach Bayern vordrang, waren sie immer noch da. Stadtarchiv München, Archiv des historischen Vereins von und für Oberbayern, Msc. 357, Tagebuch des Galerieinspektors und Malers M. Huber über die von 1796-1816 in und um Schleiß­ heim vorgefallenen Kriegsbegebenheiten, Bl. 3, 10, 11.

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und ihrer zivilen Tätigkeit verloren hatten. Auf diese Weise entwickelten sich die Armeen zu Organen, die immer weniger die Nation als Ganzes repräsentierten und immer mehr zur bloßen bewaffneten Macht der herrschenden Klasse herabsanken. Über deren Politik hatte sich der preußische Gesandte Sandoz-Rollin am 6. Mai 1796 treffend geäußert: »Man hört es und sieht es: Die Gelegenheit, Geld zu schneiden und zu raffen, drängt hier jede andere Erwägung in den Hintergrund und wird zur Triebfeder ihrer Unternehmungen und, wie ich zu sagen wage, ihrer Politik. * 248 Die Kriege wurden zur wichtigsten Einnahmequelle des Staates und die Armeen zu Hauptageinten der Schatzkammer. Daß die Truppen vom Lande lebten, das sie eroberten, war selbstverständlich. Darüber hinaus aber bezeichnete das Direktorium in einem Erlaß vom 31. Juli an Jourdan es als seinen ausdrücklichen Willen, »nichts zu schonen' und »alles, was nicht für die Armee absolut notwendig sein wird, auf das linke Rheinufer und in unsere Kriegsdepots fließen' zu lassen.247 Ein entsprechendes Dekret wurde am 12. August an Haussmann bei der Rhein-Mosel-Armee gegeben: »Das vollziehende Direktorium verpflichtet Sie, Bürger Kommissar, alle Sorgfalt darauf zu verwenden, daß der Verbrauch der Rhein-Mosel-Armee nicht die berechtigten Bedürfnisse der Truppen übersteigt. Sie wenden sich folglich mit dem commissaire ordonnateur en chef ins Einvernehmen setzen, damit der Überschuß an allen Arten von Vorrat in die Depots der Rheindepartements und besonders nach Straßburg und Hüningen abgeführt wird.' 248 Es ging dem Direktorium dabei nicht etwa nur um eine vor­ sorgliche Sicherung für mögliche künftige Kriegsanstrengungen, sondern auch und in erster Linie um nackte, unmittelbare Bereicherung. Sowohl Haussmann als auch Joubert, Regierungskommissar bei der Sambre-Maas-Armee, waren darum angewie­ sen, Kunstschätze zu beschlagnahmen; Spezialisten standen zur Verfügung, »um eine Auswahl der Werke zu treffen, an denen sich die Republik auf Grund des Rechts der Eroberung zu bereichern willens ist'.248 Der ganze Plan des Feldzuges 1796 in Süddeutschland war von derartigen Rücksichten in einem Maße bestimmt, 144 »On le voit et on l'entend: l'occasion de rançonner et de ramasser quelque argent fait céder ici toute autre considération et devient le mobile de leurs entreprises et j'oserais dire de leur politique.' Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 67. 147 .Mais nous ne devons rien ménager lorsqu'il s'agit de notre intérêt dans un pays que nous ne nous proposons pas de conserver, et l'intention formelle du Directoire est que vous fassiez affluer sur la rive gauche du Rhin et dans nos places de guerre tout ce qui ne sera pas absolument nécessaire à l'armée que vous commandez.' Debidour, A., a. a. O., Bd. 3, S. 235. 148 »Le Directoire exécutif vous engage, citoyen commissaire, à donner tous vos soins pour empêcher que les consommations de l'armée de Rhin-et-Moselle n'excèdent pas les besoins reconnus des troupes. Vous vous concertez en conséquence avec le commissaire ordon­ nateur en chef pour que le surplus de toutes les différentes natures d'approvisionnement soit réservé dans les places des départements du Rhin et particulièrement à Strasbourg et Huningue.' Ebenda. S. 338. 848 .Le ministre de l'intérieur a ordre d’envoyer en Allemagne le plus promptement possible les artistes propres à faire choix des productions dont la République doit s'enrichir par droit de conquête. * Ebenda, S. 528. Godechût, Jacques, Les commissaires..., a. a. O., Bd. 1, S. 350.

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daß man sie letzten Endes für sein Scheitern verantwortlich machen darf. Die Ka­ tastrophe setzte ein, als es Erzherzog Karl gelungen war, sich mit dem vor Jourdan zurückweichenden Wartensleben zu vereinen. Erzherzog Karl konnte sich nun mit überlegenen Kräften bei Amberg auf Jourdan stürzen, ohne daß der ahnungslose Moreau einen Finger rührte; so wunde nicht nur Jourdan, sondern auch Moreau zum Rückzug gezwungen. Das wäre unmöglich gewesen, wenji beide Armeen sich zu einer einzigen übermächtigen Armee vereint hätten, um gemeinsam den Rhein zu überschreiten und gegen die österreichischen Erblande vorzustoßen. Die militä­ rischen Vorteile einer so angelegten Operation lagen auf der Hand. Den Ausschlag aber gaben nicht sie, sondern die unmittelbaren finanziellen Vorteile. Ein Vorstoß in zwei Kolonnen machte es möglich, ganz Süddeutschland unter Kontribution zu setzen; im anderen Falle wäre es nur das halbe Süddeutschland gewesen. Kurz­ sichtige Raubgier also bereitete die Niederlage.260 Über die unmittelbare Bereicherung hinaus verfolgte die französische Bourgeoisie fernerliegende, aber ebenfalls in ihren materiellen Interessen begründete Ziele: Sie dachte an Süddeutschland als an einen gewinnbringenden Absatzmarkt. Die mili­ tärische Besetzung bot die günstige Gelegenheit, eine wichtige Voraussetzung dafür zu erfüllen und die Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen. Unter dem 29. August ging darum an Moreau wie an Jourdan die Anweisung des Direktoriums, bei Strafe der Konfiskation die Einfuhr von Waren englischer Herkunft in die eroberten Län­ der zu verbieten.251 Wenn diese Maßnahme ausschließlich damit motiviert wurde, daß es gelte, dem .unversöhnlichsten Feinde' zu schaden und die Mißstimmung in England gegen die eigene Regierung zu steigern, so war doch der weitergehende Gedanke, den Konkurrenten auszuschalten, darin durchaus lebendig. Besonders sinnfällig äußerte sich diese Tendenz in dem Dekret des Direktoriums vom 16. August an Moreau. Es war darin von den Seidenmanufakturen in Konstanz die Rede, die durch Lyoner Flüchtlinge einen großen Aufschwung genommen hätten und nun angeblich eine ernsthafte Gefahr für die Lyoner Industrie darstellten. .Infolgedessen beauftragt Sie, Bürger General, das vollziehende Direktorium, einige im Manu­ fakturfach versierte Personen damit zu betrauen, 1. alle Maschinen, deren vollendete Arbeitsweise ihre Erhaltung verdient, aus Konstanz fortschaffen und nach Frank­ reich transportieren zu lassen; 2. alle anderen zerstören zu lassen; 3. gleichfalls alle Einrichtungen, sowohl gemauerte wie hydraulische und mechanische, die zum Betrieb der genannten Seidenmanufakturen oder anderer, der Lyoner Industrie ent­ sprechender gebaut sein können, zerstören zu lassen.'262 Die französische Bouri» Vgl. Codechot, Jacques, Les commissaires..., a. a. O., Bd. 1, S. 317, 338. 01 Debidour, A., a. a. O., Bd. 3, S. 487. ut .En conséquence, le Directoire exécutif vous charge, citoyen général, de commettre quel­ ques personnes versées dans l'art des manufactures à l’effet: 1° de faire enlever de la ville de Constance et transporter en France toutes les machines dont la perfection du travail peut mériter la conservation; 2° de faire détruire toutes les autres; 3° de faire détruire également tous les établissements soit en maçonnerie: soit en hydraulique et en mécanique qui peuvent avoir été construits pour l'usage desdites manufactures de soieries ou autres analogues à l'industrie lyonnaise." Ebenda, S. 380.

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geoisie war also gründlich und wollte schon die bloße Möglichkeit einer künftigen Konkurrenz radikal vernichtet wissen. Es kann kein Zweifel bestehen, daß diese Kriegsziele, die eindeutig Eroberungs­ charakter trugen, das moralische Antlitz der gesamten Armee, die solche Kriegs­ ziele realisierte, beeinflussen mußten. Die chauvinistische bürgerliche Historio­ graphie, insbesondere auf dem Gebiete der Landesgeschichte um die Jahrhundert­ wende, hat mit sehr durchsichtigem Eifer alle erreichbaren Nachrichten über Plün­ derungen und Ausschreitungen der französischen Truppen im Feldzug 1796 mit­ geteilt und zusammengetragen. Das Ergebnis war ein verzerrtes Bild, das der Lüge vom »Erbfeinde * Frankreich diente und dienen sollte. Zweifellos wurde geplündert, und gerade solchen Zeitgenossen wie Johann Gottfried Pahl, der dem bürgerlichen Frankreich und seinen Prinzipien mit Sympathie begegnete, prägte sich diese Tat­ sache, weil sie seine Erwartungen enttäuschte, besonders stark ein. Seine 1797/98 gesammelten »Materialien zur Geschichte des Krieges in Schwaben im Jahre 1796' leiden darum auch an Übertreibungen nach der negativen Seite. Er selbst hat das später erkannt und in seinen Denkwürdigkeiten festgestellt, »daß in der Darstellung dieser Notizen und in den dieselben begleitenden Raisonnements, insoweit sie das Betragen der französischen Truppen betrafen, die Farben oft zu grell aufgetragen seien, ein Fehler, der freilich um so schwerer zu vermeiden stand, da die Aufnahme und die Bearbeitung der Tatsachen zu einer Zeit geschah, wo die Eindrücke der erlittenen Mißhandlungen noch neu waren'.253 Selbst Max Lenz mußte nach dem Erscheinen der ersten Bände der »Politischen Correspondenz Karl Friedrichs von * Baden 1892 zugeben, daß das düstere Bild vom Hausen der Franzosen »nach unseren Akten für Baden wenigstens einigermaßen der Korrektur' bedurfte.254 Nahezu übereinstimmend sagen die Quellen aus, daß sich die Soldaten der RheinMosel-Armee zu Beginn des Feldzuges geradezu überraschend gut verhalten haben. Der Baseler Korrespondent Freiherr von Bülow meldete unter dem 6. Juli: .... so groß die Furcht der fliehenden Einwohner der Markgrafschaft Baden auch immer ist, so gewiß ist es doch, daß bis jetzt über Mangel guter Mannszucht nicht geklagt wird.'855 Am 18. Juli berichtete Edelsheim aus Karlsruhe: »Man beträgt sich aber wechselseitig bis jetzt ungemein gut, und es ist fast unbegreiflich, wie ruhig sich die Besatzung dermalen noch verhält Einige Exzesse in den ersten Stunden ab­ gerechnet, ereignet sich wenig und selten etwas zu neuen Vorstellungen.' 266 Ein anderer Bericht aus Karlsruhe vom 21. Juli: »Kein Mensch ist hier geplündert oder gröblich beleidigt worden; die strengste Mannszucht wird hier gehalten, und alles lebt in Ruhe, kurz es ist, als ob kein Mann Franzose hier wäre.'257 Derartige erfreuliche Erscheinungen verschwanden auch in der Folgezeit nicht, wenn sie auch 753 Pohl, Johann Gottfried, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Tü­ bingen 1840, S. 109. 444 lenz, Max, Ein deutscher Kleinstaat in der Französischen Revolution. In: »Preußische Jahrbücher', Bd. 70, S. 687/88, 1892. ™ LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 107. “• Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 405. 247 Ebenda, S. 411.

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viel seltener wurden; Pahl bringt in seinen »Materialien * verschiedentlich Beispiele dafür.25® Wenn insgesamt jedoch die Moral beträchtlich sank und auf dem Rückzug ihren Tiefpunkt erreichte, so darf dabei nicht übersehen werden, daß die fran­ zösischen Armeen selbst im Zustande der Verwahrlosung immer noch ungleich bedürfnisloser als die feudalen Armeen waren: »Durch einen Umstand werden dem Landmann die Durchzüge der Franzosen noch erleichtert, den, daß sie nicht viel Vorspann brauchen. Ein Hauptmann bei den deutschen Armeen läßt vielleicht soviel Gepäck nachführen als ein ganzes französisches Regiment. Da trägt auch der Capitain seinen Ranzen auf dem Rücken, und sein Kommißbrot hängt an einer gefloch­ tenen Weide gemeiniglich am Säbel, . . .* 259 Dieselbe Beobachtung machte der Schriftsteller Rehfues, damals noch Tübinger Stipendiat: »Man staunte über die unter ihnen herrschende Disziplin und fand, daß sie in bezug auf die Verköstigung weit leichter zu befriedigen seien als die Österreicher.' 260 Wie dieser Augenzeuge es getan, muß das Verhalten der Kaiserlichen zum Vergleich herangezogen werden, wenn einseitige Urteile vermieden werden sollen. Mochten die Württemberger unter dem Druck der Franzosen gestöhnt haben, so demonstrierten die Österreicher nach dem Rückzug Moreaus, daß sie noch viel mehr als die Franzosen aus der Bevöl­ kerung herauszuholen verstanden.201 Dasselbe stellte am Oberrhein der Pfarrer von Steinen fest, der den Kaiserlichen in froher Erwartung entgegengesehen batte.202

Die sinkende Moral bei den französischen Armeen war eine Tatsache. Schon am 21. Juli schrieb Bülow aus Basel: »Die Franzosen betragen sich auf unserer Nach­ barschaft im Badischen nicht mehr so gut und regelmäßig als am Anfang; der dem rohen Haufen unter ihnen eigene Geist fängt jetzt gleichfalls an, sich dort zu zeigen, und wie ich leider vernehme, wird der so teuer ausgestellten Versicherung ohnerachtet nicht immer mit gehörigem Nachdruck geholfen. * 203 Seine aristokratische Borniertheit erlaubte diesem Korrespondenten nicht, die wahren Gründe für die sinkende Moral zu erkennen, und so machte er in hergebrachter überheblicher Weise den Geist des »rohen Haufen * verantwortlich. Das Direktorium, das unter anderem in einem Dekret vom 30. Juli an Moreau auf die Unterbindung von Plünderungen und Exzessen der Soldaten drang, kam der Wahrheit schon näher, wenn es schrieb: »Wir sind unterrichtet, daß mehrere Generale nicht erröten, sie (die Soldaten - H. S.) durch ihr Vorbild zu rechtfertigen.' 2M Darin steckte bereits das Eingeständnis, daß*** *** PM, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., S. 138, 146, 239, 307, 525/26. Michael, der sich keine Gelegenheit entgehen läßt, den Druck der französischen Besatzung auf Freiburg zu betonen, muß ebenfalls zugeben, daß von Plünderungen, Gewalttätigkeiten und Mißhandlungen in der Stadt während des ganzen Vierteljahrs, in dem die Franzosen in Freiburg standen, so gut wie keine Rede war. Michael, Wolfgang, a. a. O., S. 157. s" Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O„ S. 149. n0 Leube. Martin, a. a. O„ S. 174. “* Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 163/64. L>4! Schmitthenner, Adolf, a. a. O„ S. 143. LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 116. 94 »Nous sommes informés que plusieurs généraux ne rougissent pas de les autoriser par leur exemple.' Debidour, A.. a. a. O., Bd. 3, S. 221.

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der moralische Verfall an der Spitze begann und sich von oben nach unten aus­ breitete. .Ein schamloser Delmas ließ sich ansehnliche Geschenke machen, erhob dann Requisitionen aller Art und nahm zuletzt mit Gewalt oder diebischerweise. * So urteilte General Eickemeyer über seinen Kriegskameraden.285*Andere wie Van­ damme oder Laroche waren nicht besser, eher schlimmer.288 Der Regierungskommis­ sar Haussmann war für namhafte Bestechungsgelder keineswegs unempfänglich. Um einen Aufschub für den dritten und vierten Kontributionstermin zu erhalten, ließ die badische Regierung 2200 Louisdor in seine Tasche gleiten.287 In den badischen Oberlanden scheute sich der Kommandant von Hüningen, General Tuncq, nicht, seinen Forderungen persönlich mit Faustschlägen Nachdruck zu ver­ schaffen.288 Immerhin wurden in diesem Fall, wie der Korrespondent Bülow am 11. August aus Basel berichtete, einige Gegenmaßnahmen von übergeordneter Stelle ergriffen: .Der bekannte General Tuncq hat besonders im Amte Rotteln ehegestem als ein wahres Ungeheuer gehaust; allein auf die erhobene Klage ist heute der General Reynier abends eingetroffen und hat nicht nur alles - so viel tunlich gewesen ist - revidiert, sondern er hat auch die vorgefallene Szene gegen den fast immer betrunkenen General Tuncq ernstlich zu untersuchen den Anfang gemacht.'289 Das Direktorium wies am 12. August Moreau sogar an, Tuncq und seinen Adju­ tanten General Perrin wegen .schändlichen Betragens' vor ein Kriegsgericht zu stellen.270 Ein solches Exempel, das man statuierte, hatte nicht die Kraft, den Beispielen unbestrafter persönlicher Bereicherung die Wirkung zu nehmen. Trotzdem wäre mit solchen disziplinarischen Maßnahmen zweifellos einiges erreicht worden, wenn nicht ein ganz anderes Krebsübel die Armeen befallen hätte. Die demoralisierenden Übergriffe hoher Offiziere waren auch nur eine Folge dieses Krebsübels. Es bestand darin, daß die Armee aufis engste mit den privaten Finanzgesellschaften verbunden war, die dem Direktorium die zur Kriegführung notwendigen Gelder vorschassen. Einzig die Armeen konnten aus ihren Eroberungen den Gesellschaften die Summen mitsamt den beträchtlichen Gewinnen zurückerstatten. Jeder Armee war darum ein riesiger Apparat mit dem commissaire ordonnateur en chef an der Spitze zur syste­ matischen Ausplünderung der eroberten Gebiete zugeteilt. Die Finanzgesellschaf­ ten hatten auf diesen Apparat direkt oder indirekt den entscheidenden Einfluß; sie 285 Denkwürdigkeiten des Generals Eickemeyer. Herausgegeben von Heinrich König. Frank­ furt am Main 1845, S. 286. 248 PaM, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., S- 127, 348 ff. 2,7 Politische Correspondenz..., a. a. O„ Bd. 2, S. 451. 248 GLA Karlsruhe, Abt. 48, Konvolut 999, Fase. 800, Protokoll über das Vergehen des Generals Tuncq, Lörrach, 11. 8. 1796. 2,2 LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 180. 2,0 Debidour, A„ a. a. O„ Bd. 3., S. 334. Godechot behauptet, daß Moreau und Haussmann sich darüber hinwegsetzten und Tuncq weiterplündern ließen. Godechot, Jacques. Les commissaires..., a. a. O., Bd. 1, S. 362/63. Dem widerspricht jedoch die Mitteilung der .Europäischen Annalen*, wonach Tuncq noch vor Ende August suspendiert wurde. .Euro­ päische Annalen', Jahrg. 1796, Stück 4, S. 334.

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infizierten ihn in allen seinen Teilen mit ihrem Prinzip der schamlosen persönlichen Bereicherung. Offiziell hatte das Kommissariat den Auftrag, die Versorgung der Truppen zu gewährleisten und durch Eintreibung der Kontributionen die leeren Kassen und Depots der Republik zu füllen. Weder die eine noch die andere Aufgabe aber wurde mit Ernst betrieben. Alle Energie konzentrierte sich darauf, auf Kosten der Soldaten, auf Kosten der Republik und vor allem auf Kosten der eroberten Länder die eigene Tasche zu füllen. »Was das Elend, welches diese Übeltäter anrich­ ten, so allgemein macht, ist ihre ungeheure Menge. Nicht die Armee nur, jede Division derselben hat ihren General-, Proviant-, Fourage-, Pferd- etc. Kommissär; die Unterkommissäre ihre Commis und diese wieder ihre Employés, so daß dieser Taugenichtse unzählige sind. * Sehr aufschlußreich waren die Bemerkungen dessel­ ben Zeitgenossen über die soziale Zusammensetzung der Mitarbeiter dieses Appa­ rates: .Die Kommissäre sind größtenteils Söhne reicher Handelsleute; dadurch wird es wahrscheinlich, daß sie ihre Stellen gekauft haben. Die Employés sind meist Ci-devants, die diesen Stand ergriffen haben, um 6ich dem Soldatenstande zu ent­ ziehen und um ihre schändlichen Talente zu nützen.' 271 Die Methoden, sich zu bereichern, waren so zahllos wie die Gelegenheiten. Man setzte exorbitante Requisitionen fest, um gegen entsprechende Bestechungssummen in den Forderungen nachzulassen oder sogar darauf ganz zu verzichten. Statt einer Geisel hob man drei aus, um sich zwei wieder abkaufen zu lassen.272 »Schmiede, Schneider, Wagner, Riemer, alles muß für die Republik unentgeltlich arbeiten; nicht weil der Staat es nicht bezahlt, sondern weil die Bezahlung in die Taschen der Kom­ missäre fällt... Hat eine Division oder ein marschierender Trupp 50 Pferde nötig, so requiriert der Kommissär 100; von diesen läßt er sich 50, jedes mit einem Laub­ taler, abkaufen. So macht er den Landmann arm, sich reich und die Republik zum Gegenstände allgemeiner Verwünschungen. * 273 Nur ein kümmerlicher Bruchteil der Werte, die im Rechtsrheinischen aus der Bevölkerung herausgeholt wurden, gelangte wirklich in die Kassen und Depots der Republik. Von den mehr als 4 Millionen Livres, die Frankfurt an Kontributionen zahlte, sah das Direktorium nicht einen Sou, da sie restlos in den Taschen der mit ihrer Eintreibung beauftragten Kompagnie Iamotze verschwanden.274 Die für die Depots in Straßburg und Hüningen bestimm­ ten Naturalien wurden, sobald sie das linke Rheinufer erreicht hatten, verschleudert. Der Herzog von Württemberg, durch das Waffenstillstandsabkommen zur Lieferung von Pferden verpflichtet, profitierte von dieser Praxis und kaufte im Elsaß Pferde auf, die im Rechtsrheinischen gestohlen worden waren und nun auf dem anderen Ufer zu Schleuderpreisen angeboten wurden.273 Man scheute sogar davor nicht zurück, die eigenen Soldaten um Löhnung und Verpflegung zu betrügen. »Un­ beschreiblich ist auch daher', so stellte Soden fest, .der Haß der französischen Offiziere und Soldaten gegen das Kommissariat. Es konnte ihnen nicht unbemerkt 2,1 272 272 274 Ï7S

.Europäische Annalen', Jahrg. 1796, S. Stück, S. 215/16. Soden, Julius Grat von, a. a. O., S. 185/86. .Europäische Annalen *. Jahrg. 1796, 8. Stück, S. 215/16. Godechot. Jacques. Les commissaires.... a. a. O., Bd. 1, S. 321/22. Ebenda, S. 348/49.

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bleiben, dag die Kommissärs in Überflug schwelgten, die kostbarsten Equipagen, leckersten Tafeln, Mätressen und dergleichen besagen, indes der Soldat, der sein Leben täglich zu Markte trug, darbte'.27* Ein solches von der Bourgeoisrepublik sanktioniertes Erpressungs- und Raubsystem konnte bei den höheren Offizieren keine andere Wirkung haben als die, es den Kommissären gleichzutun. Selbst­ verständlich übertrug sich der moralische Verfall der Führung auf die Soldaten. Dieselben Soldaten der Rhein-Mosel-Armee, die unmittelbar nach dem Rhein­ übergang noch die musterhafteste Disziplin gezeigt hatten, sanken insbesondere während des Rückzuges zu Beutemachern herab. Der Pfarrer von Steinen im ba­ dischen Oberland zog aus der Tatsache, dag die zurückflutenden Truppen alle möglichen Gegenstände zu Geld machen wollten, den Schlug: JDas Schwabenland mug schändlich ausgeraubt worden sein.' 277 Dabei herrschte in dieser Armee während des ganzen Feldzuges noch eine ungleich grögene Ordnung als bei der Maas-Sambre-Armee. Allein die Tatsache, dag die Waffenstillstandsabkommen die Kontributionen fixiert und ihre Eintreibung in die Hände der bestehenden Gewalten gelegt hatten, schränkte die Willkür der Kommissäre ein, und für die Gebiete, die noch nicht auf diese Weise erfagt waren, hatte Haussmann eine regelrechte Ver­ waltungsorganisation geschaffen, die systematisch alle möglichen Einkünfte aus Zinsen, Zöllen, Zehnten und dergleichen für die Republik einziehen sollte.279 Bei der Maas-Sambre-Armee war an solche regulierenden, die Willkür hemmenden Magnahmen überhaupt nicht zu denken. Sie hatte den Feldzug beginnen müssen, ohne im entferntesten hinreichend verproviantiert zu sein. Moreau hatte seine Truppen auf französischem Territorium zur Offensive bereitgestellt; er war so ausgerüstet, dag sein Vorgehen zunächst ausschlieglich von militärischen Rück­ sichten und nicht zugleich von der Sorge bestimmt wurde, wie diese Truppenmasse vom eroberten Lande verpflegt weiden konnte. .Das Schlachtvieh brächten die Franzosen in Menge selbst mit', wurde dem Markgrafen aus Karlsruhe berichtet.27* Die Maas-Sambre-Armee dagegen stand zwischen Lahn und Sieg auf erobertem Gebiet, das restlos ausgesogen war und die Truppen nur völlig ungenügend ver­ pflegen, geschweige denn für die Offensive verproviantieren und equipieren konnte. Die Armee mugte auf ihrem Vormarsch so breit wie nur irgend möglich auseinandergezogen werden, denn es kam darauf an, ein Maximum an bewohntem Lande zu berühren und so die Versorgung einigermagen zu sicheni. Bedeutend verschärft wurde die Lage noch durch die in Franken grassierende Viehseuche, so dag die Tnansportmittelfrage ewig ungelöst blieb. Unter diesen Bedingungen mugten sich die Einrichtung des Kommissariats und der in ihm herrschende Geist geradezu verheerend auf die Truppe auswirken. Nicht nur das Beispiel dieser schamlosen Räuber verleitete die Soldaten, sondern die nackte Not zwang sie zu Ausschreitungen gegenüber der Bevölkerung. Bricard, der als einfacher Kanonier am Feldzug der Maas-Sambre-Armee teilnahm, schrieb unter 570 277 479 278

Soden, Julius Graf von. a. a. O.,(S. 189. Schmitthennet, Adolf, a. a. O., S. 125/26. Godec/ioi, Jacques, Les commissaires..., a. a. O„ Bd. 1, S. 352/53. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 2, S. 439.

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dem 20. Juli in sein Tagebuch: .Der Notstand, in dem sich die Armee befand, ver­ hinderte häufig, dieser Plünderung ein Ende zu setzen, denn die Soldaten erhielten während der meisten Zeit keinerlei Lebensmittel und waren gezwungen, sie in den Dörfern zu holen; allmählich gewöhnten sie sich an den Raub.' 280 Am 2. August notierte er: .Wenn im Gegenteil die Administratoren überwacht worden wären, würden die Lebensmittel angekommen sein, und die Vorgesetzten hätten den Sol­ daten zurückhalten können. * 281 Eine gute Woche später, am 11. August, schrieb er: .Die Brigandage machte immer weitere Fortschritte. Raub, Notzucht, Mord wurden alle Tage begangen...' 282 Die vielen Marketender kauften den Soldaten die Beute sofort zu Spottpreisen ab.283 Die Kunde von den Ausschreitungen eilte der Armee voraus, so daß vor allem die Dorfbewohner überall die Flucht ergriffen, um sich und ihre bewegliche Habe in den Wäldern zu verbergen, Ihre Abwesenheit ver­ schärfte den Mangel, unter dem die Truppen ohnehin schon litten; also nahm die Plünderung noch größere Ausmaße an.284 Die Städte waren im allgemeinen vor direkten Plünderungen sicherer. .In den Städten drängte sich alles zu dem Kom­ mandanten und erbat sich schriftliche Sauvegarde, welche man an die Haustüren heftete. Die französischen Generals und Kommandanten oder vielmehr ihre Se­ kretärs waren auch damit sehr freigebig, ihre Bureaux machten aus der Austeilung solcher Sauvegardes einen eigenen Erwerbungszweig ; ganze Strafen wurden um einen geringen Preis damit tapeziert.' 285*Um so mehr litten die Städte unter den offiziellen Requisitionen. .Alles genau zusammengehalten , * konstatierte der zeit­ genössische Verfasser der .Anekdoten und Charakterzüge', .hatte der Städter, wenn­ gleich geschützt durch die Ringmauern, wenig vor dem Dörfer, dessen offenes Ort jedem Anfalle ausgesetzt war, nur sehr wenig voraus'.288 Dem einfachen Soldaten wie dem Kanonier Bricard war es ebenso klar wie der Armeeführung oder auch dem Direktorium, dafj die Zügellosigkeit der Truppe die militärischen Operationen ernsthaft gefährdete. Sie verwandelte das Hinterland in feindseliges Gebiet. Jourdan mußte eine beträchtliche Truppenzahl zur Deckung seiner Verbindungswege zum Rhein abstellen, um nicht von jedem Munitionsnach­ schub und allen Naohrichten abgeschnitten zu werden. Diese Truppen fehlten dann beim Hauptheer. Bricard sah großes Unheil im Falle eines Rückschlags voraus.287 280 .L'état de détresse où se trouvait l'armée empêchait souvent d'arrêter ce pillage, car les soldats ne recevaient point de vivres la plupart du temps, et étaient obligés d'aller en cher­ cher dans les villages; petit à petit ils se familiarisaient avec le voL' Journal du canonnier Bricard..., a. a. O., S. 208. 781 .Si, au contraire, les administrateurs avaient été surveillés, les vivres seraient arrivés, et les chefs auraient pu retenir le soldat.' Ebenda, S. 214. 181 .Le brigandage faisait toujours des progrès: le vol, le viol et l'assassinat étaient commis tous les jours.. .' Ebenda. S. 218. 283 Godechot, Jacques, Les commissaires.... a. a. O., Bd. 1, S. 325. 28‘ Journal du canonnier Bricard.... a. a. O., S. 207. 485 Soden, Julius Graf von, a. a. O., S. 60/61. 188 Anekdoten und Charakterzüge.... a. a. O., S. 114. 287 Journal du canonnier Bricard..., a. a. O., S. 208.

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Verschiedentlich drängte das Direktorium auf energische Gegenmaßnahmen.268 Der Regierungskommissar Joubert konnte dagegen nur feststellen, daß die Indisziplin der Generäle alle Anstrengungen in dieser Richtung unwirksam machte.289 Es hieß das Pferd beim Schwänze aufzäumen, wollte man bei den Soldaten beginnen, die selbst das Opfer der bourgeoisen Bereicherungssucht waren. Der Augenzeuge und Verfasser der .Anekdoten und Charakterzüge * stellte nüchtern und treffend fest: .Beherzigt man die Lage dieser Römer, so sieht man, daß sie gleichsam gezwungen waren, so schändlich zu verfahren.' 290 Bei den Kommissaren hätte man beginnen müssen. .Sie waren Rabenväter der Armee. * 291 Die französischen Armeen, die 1796 in Süddeutschland eindrangen, waren also alles andere als tätige Propagandisten der bürgerlichen Freiheit. Sie demonstrier­ ten die bourgeoise Realität, die sich beträchtlich von den Träumen des Citoyen unterschied. Die .Minerva' von Archenholz brachte im Septemberheft folgende Darstellung, die treffend den Wandel im moralischen Antlitz der Armeen charak­ terisierte: .Was nun die politischen und militärischen Grundsätze der Franken betrifft, so hört man die Worte Menschenrecht, Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft, Nation, Republik und ähnliche selten oder gar nicht. Ebensowenig sieht man die Grundsätze, welche durch jene Worte bezeichnet wenden, ausüben. Wer sich etwa unter den Franzosen die Retter der unterdrückten Menschheit, die Rächer des Unrechtes denken wollte oder wer etwa glaubte, daß dieselben die Menschen­ freunde und Patrioten aufsuchten und unterstützten, die ungerechten Großen und Unterdrücker hingegen straften oder Mißbräuche abstellten, der würde sich gänz­ lich betrügen. Der Grundsatz Krieg den Schlössern, Friede den Hütten scheint sich vielmehr in den entgegengesetzten umgeändert zu haben. Und wenn hin und wieder einzelne Schlösser und ansehnliche Häuser, auch geistliche, besonders übel mit­ genommen worden sind, so geschah es nicht um des Standes ihrer Bewohner willen, sondern weil man darin eher etwas zu finden hoffte. Denn man verfuhr auf ähnliche Art mit Leuten des gemeinsten Standes, von denen man etwa erfahren hatte, daß sie reich seien. Bei dem Einmarsch der republikanischen Truppen wurden vielmehr die Schlösser geschont, die herrschaftlichen Kassen und Güter blieben unberührt. Selbst nach den Häusern der Emigrierten oder nach ihren zurückgelassenen Ver­ mögen fragte man nicht. Man forderte die Kontributionen und Lieferungen von den Kommunen. Die Anführer aßen und tranken und ließen sich wohl sein mit den Aristokraten und solchen Personen, welche sich kurz zuvor immer als die grimmig­ sten Feinde der Französischen Revolution gezeigt hatten, ohne sich im mindesten um Denk- und Handlungsweise zu bekümmern. Man scheint vielmehr keine wei­ teren Maximen zu befolgen als die: den Feind zu schlagen und vom Sieg den größtmöglichen Vorteil zu ziehen. Die rückkehrenden Fürsten und Großen werden also bei diesen Umständen ihre Habe unversehrt finden; sie werden sich von den dem Franzosen geleisteten Kontributionen loszuwinden suchen, den Untertanen von den gewöhnlichen Lasten nichts erlassen, und so wird der gemeine Mann, der ruhige ™ Debidout, A., a. a. O., Bd. 3, S. 298 ff. 269 Godechot, Jacques, Les commissaires..., a. a. O., Bd. 1, S. 325. 290 Anekdoten und Charakterzüge..., a. a. O„ S. 36. 291 Ebenda, S. 110.

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Bürger und Bauen der an dem schrecklichen Unheil des Kriegs unschuldig ist, am Ende ganz allein dabei leiden müssen. Wer hierin nicht erkennt, daß die Französische Revolution, die eigentlich anfangs zum Besten des unterdrückten Teils der Mensch­ heit geschah, ihre Natur gänzlich umgeändert habe, der muß wirklich sehr blöde sein."292 Die französischen Armeen in ihrer Gestalt, wie sie die Diktatur der Großbourgeoisie hervorgebracht hatte, waren handfeste Realitäten, mit denen sich die Volksmassen Süddeutschlands auseinandersetzen mußten. Ihre militärischen Schläge erschütterten die herrschende Feudalordnung, und diese Leistung war vom Gesichtspunkt der historischen Entwicklung fraglos die entscheidende. Die revolutionären Demokraten Süddeutschlands taten darum recht, sich in ihrem antifeudalen Kampf auf diesen Faktor zu orientieren. Die französischen Armeen Waren Repräsentanten des histo­ rischen Fortschritts, aber - und das kompliziert die Situation außerordentlich dieser Fortschritt stand unter dem Zeichen der Bourgeoisherrschaft, die in anta­ gonistischem Gegensatz zu den werktätigen Massen stand,- dieser Fortschritt hatte selbst antagonistischen Charakter. Diese Widersprüchlichkeit spiegelte sich in dem Verhalten der Armeen: Einerseits wirkten sie als eine bedeutende antifeudale Kraft; andererseits traten sie antidemokratisch und imperialistisch auf. Beide Seiten waren unlöslich miteinander verbunden, wobei gerade die antidemokratische und impe­ rialistische Seite den Massen sehr schnell bewußt wurde, weil sie sich unmittelbar und auf ihre Kosten auswirkte. Sie äußerte sich in der Zusammenarbeit mit den feudalen Gewalten und in der Behandlung des Landes als erobertes Gebiet. Die Aus­ einandersetzung der Volksmassen mit dieser widersprüchlichen Realität der fran­ zösischen Armeen war darum ein äußert komplizierter und keineswegs gleichmäßiger Prozeß. Sie manifestierte sich sowohl in der Unterstützung dieser Armeen als auch in einem aktiven Widerstand. Mit gutem Recht kann man die Weitsicht der revo­ lutionären Demokraten loben, die über der antidemokratischen Seite, unter der sie litten, nicht die wichtigere antifeudale Seite vergaßen und darum auch in den kommenden Jahren stets den französischen Waffen den Sieg wünschten. Man beginge einen großen Fehler, wenn man formal logisch nun umgekehrt die Volksmassen tadelte, die sioh in einzelnen Gegenden Süddeutsohlands gegen die französischen Armeen zum Widerstand erhoben. Schon die Achtung vor der Aktivität der Volks­ massen sollte uns davor bewahren, diesen Widerstand als schlechthin reaktionär abzutun oder höchstens als moralisch gerechtfertigte Notwehr gegenüber Plünde­ rungen und Exzessen anzuerkennen. Allein die Tatsache, daß die überwiegende Masse des Volkes den Franzosen auch in den Gegenden, in denen es dann gegen sie aufstand, zuvor mit Vertrauen und freudiger Erwartung entgegengesehen hatte, be­ weist das Unzulängliche einer solchen schematischen und vereinfachenden Betrach­ tungsweise. So unterschiedlich wie die Motive waren die Kräfte, die an diesem Widerstand teilhatten, und ihre Ziele. Die historische Einschätzung und Wertung des Phänomens des Volkswiderstandes gegen die Armeen der Republik setzt darum eine Untersuchung dieser Motive, Kräfte und Ziele voraus. ”* .Minerva', Jahrg. 1796, Bd. 3, S. 456 ff.

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Der Widerstand im Fränkischen gegen die Maas-Sambre-Armee Jourdans begann bereits in der Zeit, da sie noch siegreich vordrang. Die ersten, die in größeren Haufen gegen die Franzosen zogen, waren überraschenderweise die Bauern des Rhöngebirges, das die Armee Jourdans auf ihrem Vormarsch überhaupt nicht be­ rührt hatte. In der Nacht des 24. August erbrach ein Haufe Rhönbauem die Tore Kissingens. drang in die Stadt ein und fiel über die fünfzigköpfige französische Be­ satzung her. die geplündert und. soweit sie sich nicht durch die Flucht retten konnte, gefangengenommen wurde. Mutig geworden durch diesen Erfolg, stieß der Haufe weiter in Richtung Schweinfurt vor. Nachdem er am 28. August noch Zuzug erhalten hatte, wagte er einen Angriff auf die Besatzung von Geldersheim. Auch hier wurde Beute gemacht. Allerdings werden die Verluste nicht gering gewesen sein, denn der Haufe zog sich nach Niederwern zurück. Andere Haufen trafen nach und nach hier ebenfalls ein, so daß man sich schließlich 6tark genug fühlte und es auch laut ver­ kündete. gegen Schweinfurt zu ziehen. Nach der Darstellung des Verfassers der .Anekdoten und Charakterzüge', der in dieser Gegend zu Hause war und darum Selbsterlebtes berichten konnte, war es der durchreisende fuldaische Geheime Rat und Oberamtmann Freiherr von Münster, der die Ausführung dieses Vorhabens ver­ hinderte. Er mahnte zum Verlassen dieser Gegend, .die bei einem friedlichen Be­ tragen bisher besser gefahren sei *, und zur Rückkehr in die eigenen Dörfer. Während ein Teil dem Rat folgte, beharrte ein anderer bei dem Vorhaben, um sich dann aber auch vor einem anrückenden Kommando französischer Infanterie und Kavallerie zurückzuziehen.2*3 Ganz zweifellos war das die Rhönbauern bestimmende Motiv das des Beutemachens. Sie hatten von den Plünderungen der Franzosen gehört und gedachten, ihnen den Raub wieder abzunehmen und auf diese Weise selbst ein Vermögen zu erwerben. Höhere Absichten wie die Befreiung vom fremden Eroberer dahinter zu vermuten, verbietet schon die Tatsache, daß die Anführer der Haufen meistens kaiserliche Deserteure waren. Die einheimische Bevölkerung jedenfalls erwartete von ihnen nichts Gutes; die Schweinfurter verstärkten sogar die bedrohte und schwache fran­ zösische Besatzung durch eigene .bürgerliche Mannsahaft, die im Falle der Not den Republikanern gegen die anrückenden Bauern wirklich beizustehen von freien Stücken sich anheischig gemacht hatte'.2*4 Daß ein Teil der Bauern den Ab­ mahnungen des Freiherrn von Münster, der als Feudalherr und fuldaischer Beamter die Obrigkeit danstellte. Gehör schenkte, ist weniger interessant, als daß der andere Teil seine Worte in den Wind schlug. Die ganze Aktion war ohne und gegen den Willen der Obrigkeit unternommen worden. Wir haben es also hier mit einer Er­ scheinung zu tun, der weder nationale, noch knechtselige reaktionäre Motive zu­ grunde lagen; die Bauernhaufen waren nichts anderes als Räuberbanden, wie sie sich im 18. Jahrhundert verschiedentlich in bergigen Waldgegenden Deutschlands bildeten. Dieses Bandenwesen war keine schlechthin kriminelle Erscheinung, sondern sehr handgreiflicher Ausdruck eines sozialen Protestes gegen die Ungerechtigkeit der bestehenden Gesellschaftsordnung, die den Wenigen Glücksgüter in Fülle gab m Anekdoten und Charakterzüge..., a. a. O., S. 129 ff.

* »

Ebenda, S. 131.

4. Der Beginn des Volkswiderstandes

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und die Vielen zu bitterer Armut verurteilte. Nicht zufällig wählte der junge Schiller, aufbauend auf Liedern und Erzählungen, wie sie das Volk sang und verbreitete, einen Räuber zum Helden, um seiner Rebellion gegen die verrottete Feudalordnung Ausdruck zu verleihen. Das Bandenwesen war eine Form des sozialen Protests, aber natürlich noch eine sehr primitive Form. Sie war rein negativ in der bewußten Miß­ achtung der Obrigkeit, verfolgte nur den nächsten Zweck des Beutemachens und blieb darum im Grunde ziel- und auswegslos. Aus dieser Beschränktheit erklärt sich in dem vorliegenden konkreten Falle das Vorgehen der Bauernhaufen aus der Rhön gegen die Franzosen. Ganz zweifellos waren im Widerstand, den die Bewohner des Spessart den Franzosen leisteten, in starkem Maße dieselben Elemente wirksam. Die Aktionen richteten sich im wesentlichen gegen einzelne Trupps sogenannter »Bündelträger *, französischer Soldaten ohne Gewehr, die als Verstärkung über den Spessart zur Hauptarmee gingen. Bewaffnete Trupps wie das Detachement von zehn Chasseuren und einem Offizier, das die Postverbindung von Rohrbach nach Würzburg aufrechterhalten sollte, waren dagegen einigermaßen sicher. Auch hier im Spessart spielten kaiser­ liche Deserteure eine führende Rolle. Die Aktionen beschränkten sich nicht auf Überfälle und Ausplünderungen der Franzosen, sondern gingen Hand in Hand mit groben Verletzungen insbesondere der feudalen Jagdprivilegien. Vergeblich schärften die kurmainzischen Behörden den Spessartbauern das Verbot des Flintentragens ein. Schließlich mußten sogar die kurfürstlichen Förster angewiesen werden, zu­ sammen mit französischen Chasseuren die Wälder nach Deserteuren und Wilddieben durchzukämmen. Viel wunde damit gewiß nicht erreicht, denn der Weg über den Spessart blieb so unsicher, daß die französischen .Bündelträger' es vorzogen, das Gebiet südlich zu umgehen und über Miltenberg in Richtung Würzburg zu marschieren.295 Was die Situation im Spessart von der in der Rhön unterschied, war lediglich die Tatsache, daß der Spessart den französischen Vormarsch über sich ergehen lassen mußte. Man darf daher annehmen, daß hier das Motiv der getäuschten Erwartung, der Vergeltung und Entschädigung eine Rolle spielte und die räuberischen Überfälle auf die Franzosen gewissermaßen rechtfertigte. Vom Spessart abgesehen, ließ sonst die Bevölkerung, wie der Verfasser der .Anek­ doten und Charakterzüge * betont, Plünderungen und Mißhandlungen im allgemeinen widerstandslos über sich ergehen, solange die französische Armee noch im Vor­ marsch war.296 Vorfälle wie im bambergischen Ebermannstadt, wo einige Bürger auf die Franzosen schossen, die daraufhin das Städtchen anzündeten und in Asche legten, blieben Ausnahmen.297 Erst mit dem fluchtartigen Rückzug der Maas-Sambre-Armee, der bei Amberg am 24. August begann, nahm der Widerstand in zunehmendem ns Wirth, Josef, Kriegsbegebenheiten im Jahr 1796. Bericht des Vizedomamtes Aschaffenburg aus dem Staatsarchiv Würzburg. In: .Heimat und Geschichte. Jahresgabe der Aschaffen­ burger Zeitung für den Geschichtsverein Aschaffenburg', S. 34 ff., 1939. Anekdoten und Charakterzüge..., a. a. O.. S. 144. 01 Rapp, Georg, Der Kampf Österreichs unter Erzherzog Karl gegen die Franzosen unter Jourdan in der Oberpfalz 1796 mit besonderer Rücksichtnahme auf die Kriegslage in und um Amberg und Sulzbach. Amberg 1S86, S. 37. Soden, Julius Graf von, a. a. O., S. 121. 19 Süddeutsche Jakobiner

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Grade Massencharakter an. Selbstverständlich hat die relative Wehrlosigkeit der Franzosen dabei eine große Rolle gespielt, aber andererseits erreichte auf dieser heillosen Flucht auch die Disziplinlosigkeit und mit ihr die Not der Bevölkerung ihren Höhepunkt. Der Widerstand begann dort, wo der Rückzug einsetzte, in der Oberpfalz. Er wurde im wesentlichen von den Bauern getragen, was nicht ausschloß, daß auch ver­ schiedentlich Bürger in den Kampf mit eingriffen. So war es in Neumarkt der Tor­ schmied, der' den Kaiserlichen eine schnellere Verfolgung der bei Deining ge­ schlagenen Division Bernadotte möglich machte. Um Zeit zu gewinnen und Ordnung in seinen Rückzug zu bringen, hatte Bernadotte das obere Stadttor verrammeln und durch eine Abteilung Scharfschützen sichern lassen. Unter ihrem Feuer zerschlug jener Schmied mit kräftigen Hammerschlägen die Sperre und öffnete das Tor den Verfolgern.288 Atif ihrer Flucht ins Nürnbergische wurden die Franzosen ver­ schiedentlich von den Bauern angegriffen, »So kamen in der Nacht vom 22. auf den 23. August mehrere Wagen meist schwer Blessierter in Altdorf an, die mehrentedls Wunden von zwei- und dreizackigen Gabeln oder an Armen und Beinen häufige Querschnitte von Sicheln und Sensen mitbrachten,.. .* 288 Bis in den nördlichsten Zipfel der Oberpfalz waren versprengte französische Trupps auf der Flucht geraten. Ein solcher Trupp in Stärke von 400 Mann traf am 26. August im Dorfe Kastl un­ weit Kemnath ein. Aus diesem Städtchen rückte unter Führung des Landrichters sogleich eine starke Truppe bewaffneter Bürger aus, um den Bauern Hilfe zu leisten. Es bestand zunächst nur die Absicht, die Franzosen zum friedlichen Abzug zu be­ wegen, aber ein einzelner Schuß, der einen Bürger niederstreckte, löste dann einen blutigen Kampf aus, in dessen Verlauf die Franzosen in die Flucht getrieben wurden.300 Sofern die Bevölkerung in größeren geschlossenen Gruppen agierte, war offensichtlich die jeweilige örtliche Obrigkeit führend beteiligt, denn wie in Kemnath der Landrichter, so stand an der Spitze der Einwohner von Kirchenthumbach, die bei Thurndorf eine Schar Franzosen vertrieben, der Pflegkommissär.301 Es ging den Bewohnern dieser Dörfer und Städtchen in erster Linie und fast ausschließlich nur darum, ihr Gebiet vor Plünderungen zu schützen; überall, wo die Obrigkeit noch Einfluß auf die Dinge nehmen konnte, drängte sie darauf, die Selbsthilfe auf rein defensive Maßnahmen zu beschränken. Überfälle auf Transporte und zerstreute Trupps mit dem Ziel, Beute zu machen und Vergeltung zu üben, unternahmen die Bauern mehr oder minder heimlich und auf eigene Faust. Insbesondere im Gebiet des Fränkischen Jura bis Bamberg waren solche Fälle häufig.302 Ein französischer ”9 Schrauth, J. B., Geschichte und Topographie der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz. In: .Verhandlungen des historischen Vereines von Oberpfalz und Regensburg', Bd. 19, S. 56/57, 1860. 299 Die Franzosen im nürnbergischen Gebiet im Augustmonat 1796. Frankfurt u. Leipzig 1797, S. 44. M0 Der Kriegsschauplatz in der oberen Pfalz 1796, samt der Reisebeschreibung der durch Österreichs tapfere Krieger in Bamberg geretteten ambergischen Geiseln. Amberg 1802, S. 115 ff. 301 Sehneidawind, Franz Joseph Adolf, Geschichte des Feldzuges der Franzosen in Deutschland 1796 und 1797. Darmstadt 1838, S. 43.

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Offizier, der Amberg mit 24 Transportwagen verlassen hatte, verlor bis Bamberg davon 20, einschließlich der Begleitmannschaften, die niedergemacht worden waren.303 Als die retirierende Armee unterhalb Bambergs den Main überschritt, wurde in den Dörfern des Main-, Hz- und Baunachgrundes Sturm geläutet; ohne Unterschied der Feudalherrschaft, der sie angehörten, griffen die Einwohner zu Sensen und Mist­ gabeln, um den Franzosen entgegenzutreten. Aber auch hier wie in der Oberpfalz diente die Bewaffnung noch nicht offensiven Zielen. Soden berichtete: «Im Mainund Baunachgrund und überhaupt allenthalben, wo noch eine obrigkeitliche Person vorhanden war, welche ihr Ansehen und die gesetzliche Unterordnung geltend zu machen wußte, begnügten sich die Einwohner größtenteils damit, daß sie sich bei Annäherung eines französischen Korps in Bewaffnungsstand setzten und dann mit demselben einen förmlichen Waffenstillstand errichteten, welcher ohngefähr folgen­ den lakonischen Inhalts war: .Bauer nit kripp, nit schieß, nit hau, nit stech: Franzos nit kripp, nit hau, nit schieß, nit stech!' War ein solcher Vertrag geschlossen, so wurde er heiliggehalten, den Franzosen die nötigen Bedürfnisse verschafft, und sie zogen, von dem bewaffneten Volk stets beobachtet, ganz friedlich weiter.'304 Die gesamten Verteidigungsanstalten dienten also nur zur Verhinderung von Obergriffen und Plünderungen. Selbst zur Versorgung der Truppen mit dem Notwendigsten war die Bevölkerung bereit, wenn damit der Durchzug diszipliniert und beschleunigt werden konnte. Das Zusammenwirken bewaffneter Bauern mit den Österreichern hatte bis zu diesem Zeitpunkt zufälligen Charakter. Der Rittmeister und Eskadrons­ kommandant Graf von Wratislaw beispielsweise, der sich am 2. September bereits auf halbem Wege zwischen Bamberg und Würzburg befand, hatte von dergleichen noch nicht gehört. Er sprach in einem Brief an Franz Georg von Metternich lediglich von dem Gerücht, daß Bauern des Odenwaldes und des Spessarts sich bewaffnet hätten, um französische Nachzügler totzuschlagen und ihnen die Beute abzu­ nehmen.305 Die Szene wandelte sich bedeutend, je mehr sich die fliehenden Franzosen der Rhön und dem Spessart näherten. Unmittelbar nach seiner Ankunft in Schweinfurt am 31. August gestand Jourdan in einem Schreiben- an das Direktorium: «Ich darf Ihnen nicht verheimlichen, daß die von der Armee begangenen Greuel aller Art alle Einwohner gegen uns bewaffnet haben und daß, obwohl der Feind der Armee nicht mehr auf den Fersen ist, die Verbindungen nicht mehr sicher sind. Die Ein­ wohner halten jeden an, der einzeln reist, und schlagen ihn tot. Sie leiten die feind­ lichen Streifscharen auf unsere Trosse, unsere Parks und unsere Streifkorps. Eine Menge Nachzügler oder Plünderer sind von den Bauern totgeschlagen oder von den Österreichern gefangengenommen worden, die von den ersteren geführt wurden. Die Städte und Dörfer sind verlassen, und die Armee ist dadurch der Mittel beraubt, 909 309 904 Ms

18’

Soden, Julius Graf von, a. a. O., S. 218. Hutzelmann, Christian, a. a. O„ S. 48. Soden, Julius Graf von, a. a. O„ S. 219/20. Staatliches Zentralarchiv Prag, Abt. V, Metternichsches Familien archiv, Frandsco-Georgicum, Varia, Fase. 4.

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existieren zu können. Es ist unmöglich, ein Pferd oder einen Wagen im ganzen Lande zu beschaffen. Oft kann man sogar keine Führer auftreiben. Ich habe schreckliche Exempel statuieren lassen, Dörfer sind verbrannt, Einwohner, die mit der Waffe in der Hand gefangen wurden, erschossen worden; aber das verschlimmert lediglich die Stimmung.. .* 308 Jourdan mufjte dem Direktorium sein Versagen und die Un­ fähigkeit der Armee, noch irgendeine Wendung zu erzielen, begreiflich machen, und so mag er, was den durch die Bauern verursachten Schaden und deren Zu­ sammenwirken mit den Österreichern betrifft, damals noch übertrieben haben. Nach der Niederlage bei Würzburg am 3. September aber wurde seine Schilderung bitterste Wirklichkeit. Von der günstigen Rückzugslinie nach Frankfurt a. M. ab­ geschnitten, mufjte Jourdan seinen Weg durch den Spessart und die Rhön nehmen, Gebiete, deren Bewohner bereits in der Zeit des Vormarsches den Franzosen zu schaffen gemacht hatten. An der fränkischen Saale fielen Tausende von Bauern nachts über den Generalstab her, der sich unter Ernouf zusammen mit der gesamten Armeeverwaltung schon nach Neustadt zurückgezogen hatte. Mit knapper Not konnte sich Ernouf selber retten, nachdem er die wichtigste Korrespondenz vernichtet hatte, um sie nicht in die Hände der Bauern fallen zu lassen.307 Tausende von Bauern sammelten sich bei Hammelburg, Tausende rückten vom Spessart gegen ein französisches Korps bei Obemburg vor, das mit Geschütz von Aschaffenburg aufgebrochen war, um die Kommunikation mit der Hauptarmee wiederherzustellen.308 Sehr bald aber gaben die Bauern diese Art des Kampfes in starken Haufen auf und konzentrierten sich auf den ihnen angemesseneren Kleinkrieg.300 Die grofjen Haufen boten lohnende Ziele für französische Geschütze, während die Guerilla, gestützt auf genaue Lokalkenntnis, aus fast absolut sicherem Hinterhalt geführt wurde und außerdem ungleich größere Beute einbrachte. Die Guerillakämpfer warfen sich auf isolierte Detachements, über­ fielen Verwundetentransporte und Trofjwagen, blockierten Strafen, schnitten Nach­ richtenverbindungen der Franzosen ab und störten ihre Bewegungen auf jede Art. Eine Meldung aus Fulda vom 1. September berichtete: .Ein Detachement von 200 Franzosen wurde von diesen Leuten niedergemetzelt, so dafi nur 25 Mann davon hierher entrinnen konnten. Zur nämlichen Zeit führten die Franzosen einen Transport .Je ne dois pas vous ignorer, citoyens directeurs, que les horreurs de tous genres commises par l'armée ont armé tous les habitants contre nous et que, quoique l'ennemi ne soit plus derrière l'armée, les communications n'en sont pas plus sûres. Les habitants arrêtent et assassinent tout individu voyageant isolément. Os conduisent les partis ennemis sur nos équipages, nos parcs et nos partis. Quantité de traînards ou de pillards ont été assassinés par les paysans ou faits prisonniers par les Autrichiens, conduits par les premiers. Les villes et les villages sont abandonnés et l'armée est privée par là des moyens de pouvoir subsister. Il est impossible de se procurer un cheval ni une voiture dans tout le pays. Souvent même on ne peut se procurer de guides. J'ai fait faire des exemples terribles, des villages ont été brûlés, des habitants pris les armes à la main ont été fusillés; mais cela achève d'aigrir les esprits.. ‘ Debidour, A., a. a. O„ Bd. 3, S. 562. .Taschenbuch für die neuste Geschichte', 5. Jahrg., S. 171, 1799. MB Sehneidawind. Franz Joseph Adolf, a. a. O., S. 146, 149. Soden, Julius Graf von. a. a. O., S. 224.

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von 200 österreichischen Gefangenen nach Hammelburg, sechs Meilen von hier. Die Gefangenen machten sich durch Hilfe der Landleute aus ihrer Gefangenschaft los und zerstreuten die Eskorte, nachdem sie einen Teil davon niedergehauen hatte.' 310 Der Frankfurter Kaufmann Finger notierte unter dem 4. September in sein Tagebuch: .Drei heute hier als Flüchtlinge angekommene Kanoniere versichern, sie hätten nebst mehrerer Mannschaft 62 Kanonen zu Schiffe eskortiert und herunterbringen wollen. Zwölf Stunden von hier aber hätten die Bauern sie überfallen, ihre Kame­ raden niedergemacht und alle Schiffe mit den Kanonen in Beschlag genommen. * 311 Der preußische Legationsrat Formey in Frankfurt behauptete in seinem Bericht vom 7. September, daß die Bauern den größten Teil der Konvois, darunter Geldtransporte, zugrunde gerichtet oder erbeutet hätten.312 Die Franzosen besaßen praktisch keine Möglichkeit, wirkungsvolle Gegenmaß­ nahmen zu ergreifen. Einzig der enge Zusammenschluß aller Teile der retirierenden Armee hätte Schutz bieten können; aber das war eine Utopie. Die Dörfer, durch die sie marschierte, waren menschenleer. Die Notwendigkeit allein, sich fernab vom Wege Lebensmittel zu beschaffen, führte ständig zu neuer Zersplitterung und gab den bewaffneten Bauern tausend Gelegenheiten, mit Übermacht über die Detache­ ments herzufallen. Also griffen die Franzosen zu dem völlig unzulänglichen Mittel, durch Anzünden von Ortschaften und Erschießungen gefangener Bauern zu strafen und abzuschrecken. Nach dem Urteil sämtlicher zeitgenössischer Beobachter mit Einschluß Jourdans trugen diese Maßnahmen lediglich zur Verstärkung der Er­ bitterung bei. Noch weniger machten natürlich offizielle Verlautbarungen über an­ gebliche Fortschritte der Franzosen auf die Bevölkerung Eindruck. So behauptete der Kommandant zu Frankfurt, Brigadegeneral Duvignot, noch am 3. September in einer gedruckten Erklärung, .daß der vorgegebene Rückzug der Sambre- und MaasArmee, welchen Obeigesinnte ausgebreitet haben, ganz falsch ist. Diese Armee rückt siegreich vorwärts, und die Rhein- und Mosel-Armee hat den Feind völlig geschlagen und ist den 30. August in München eingezogen . * 313 Der Frankfurter Kaufmann Finger kommentierte dieses Dekret am Tage seiner Verkündigung mit den Worten: »Was der Bursche doch so impertinent lügen kann, da die von der Armee ... täglich zurückkommenden Flüchtlinge einhellig laut das Gegenteil aus­ sagen!' 314 Die Verluste, die die bewaffneten Bauern den Franzosen zufügten, gingen in die Tausende.310 Zu einem guten Teil verdankten die Bauern ihre Erfolge der kräftigen 910 DZA Merseburg, Rep. 96, Nr. 167, lat. M, Bl. 156, Kurfürstlich gnädigst privilegierte Münchner Zeitung, 15. 9. 1796. 911 Vaterstädtisches und Vaterländisches. Auszüge aus S. G. Fingers Tagebüchern..., a. a. O., S. 204. 312 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 164, J 33. 9,9 DZA Merseburg, Rep. 96, Nr. 169, Lit H, Bd. 8, Bl. 57. 914 Vaterstädtisches und Vaterländisches. Auszüge aus S. G. Fingers Tagebüchern..., a. a. O., S. 203. 919 Ebenda. Anekdoten und Charakterzüge..., a. a. O., S. 144. Hüßet, Hermann, Rheinischwestphälische Zustände zur Zeit der Französischen Revolution. Briefe des kurkölnischen Geheimen Rats Johann Tillmann von Peltzer aus den Jahren 1795-1798. Bonn 1873, S. 59.

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österreichischen Unterstützung, die jetzt viel intensiver und systematischer als am Anfang geleistet wurde. .Von der kaiserlichen Armee mit Munition versehen, sogar durch Reiterei und Kanonen gedeckt, besetzten sie die ihnen bekannten Schlupf­ winkel bis zur günstigen Gelegenheit, die manchen von ihnen zum reichen Mann * machte. 318 Auch kriegsrechtlichen Schutz bemühte sich die österreichische Armee­ führung den Bauern zu geben. So ließ Erzherzog Karl auf Grund standrechtlicher Erschießungen gefangener Bauern durch die Franzosen den General Jourdan wissen, .daß die bewaffneten deutschen Bauern die deutschen Nationalgarden ausmachten, welche wohl das Recht haben, zur Verteidigung ihres Eigentums aufzustehen; würde Jourdan sich ferner eine solche Behandlung gegen die deutschen Bauern erlauben, so solle das nämliche an allen französischen Nationalgarden ausgeübt werden'.317 In dieser Erklärung steckte noch eine weitergehende Möglichkeit: Als deutsche Nationalgarden hätten die Bauern den Schutz der Armee besessen, wären aber zu­ gleich auch ihrer Befehlsgewalt unterstellt worden. Der in den Jahren zuvor von oben betriebene und gescheiterte Plan einer Volksbewaffnung gewann unter den günsti­ geren Bedingungen eines von unten gewachsenen Widerstandes wieder größere Chancen. Jedoch nur teilweise und vorübergehend gelang dies, denn in dem Wider­ stand waren starke Elemente wirksam, die sich mit der Verteidigung der feudalen Ordnung, dem Hauptanliegen der Armeeführung, nicht auf einen Nenner bringen ließen. Die Bauern des Spessart und des Odenwaldes kämpften mit dem Ziel, den Plünderungen der Franzosen zu wehren und selbst Reichtümer zu erbeuten. Ihre Anführer suchten sie nicht in den Reihen des Feudaladels; entweder waren es Förster wie der Revierjäger Philipp Witt im Spessart318 oder Deserteure wie der ehemalige Husarenkorporal, der in der Gegend der Saale und Rhön einen Haufen führte 31°, oder selbst Bauern. Sie gewannen eine Bedeutung, wie sie mit ihrer Stellung im feudalen System nicht mehr zu vereinbaren waren. Nicht nur Erzählungen, die von Mund zu Mund gingen, sondern sogar gestochene Porträts sorgten für ihre Popu­ larität320 Vereinzelt stellten sich auch Vertreter der bürgerlichen Intelligenz, wie der Physikus Dr. Reder aus Mellrichstadt, den Bauern zur Verfügung. Seinen Schritt begründete er mit den Worten: .Es ist mir nicht möglich, einen Franken von Ausländern miß­ handeln zu lassen. * 321 Dieser Dr. Reder fiel im Kampfe in der Nähe von Neustadt. Wenn der Fürstbischof von Würzburg ihm zu Beginn des zweiten Koalitionskrieges im April 1799 ein Denkmal setzen ließ 322, so war das eine sehr späte Ehrung, die *“ Anekdoten und CharakterzGge..., a. a. O„ S. 144. >i’ Stadtarchiv München, Wehramt 265, Kurfürstlich gnädigst privilegierte Münchner Zeitung, 13. 10. 1796. ais Enderlein, Friedrich Leonhard, a. a. O., S. 75. Schneidawind, Franz Joseph Adolf, a. a. O„ S. 146. m Der österreichische Diplomat Komrumpf legte seinem Schreiben vom 3. Oktober 1796 an Franz Georg von Metternich das Bildnis von einem .im fränkischen Kreis wirklich existie­ renden Bauemanführer * bei. Staatliches Zentralarchiv Prag, Abt. V, Mettemichsches Familienarchiv, Frandsco-Georgicum, Varia, Fase. 3. 911 .Nationalzeitung', Jahrg. 1797, 8. Stück, Sp. 165. m Ebenda, Jahrg. 1800, 5. Stück, Sp. 106.

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ganz und gar nicht den gemischten Gefühlen entsprach, mit der die herrschende Feudalklasse den Ereignissen 1796 gegenüberstand: Überall hatten die Obrigkeiten sich die redlichste Mühe gegeben, die Bauern vom Kampfe abzuhalten323, eben weil diese Selbsthilfe ihnen gefährlich wunde. Trotz seiner Genugtuung über die französischen Verluste schrieb der kurkölnische Geheimrat von Peltzer am 17. Sep­ tember aus Arnsberg: .Doch der ganze Auftritt gefällt mir nicht'324 Ein Bericht, den die .Nationalzeitung' am 22. September abdruckte, bezeichnete den Widerstand der Bauern geradezu als eine .unselige Folge' des Krieges, warnte vor der Rache der Franzosen und fuhr dann fort: «Aber - noch schlimmer für den Staat ist das beim Bauern, der Franzosen ungestraft erschlagen und berauben durfte, erregte Gefühl von Kraft und Eigenmacht.' 32S Der Bischof von Fulda bemühte sich darum mit allem Nachdruck, seine Untertanen von bewaffneten Aktionen gegen die fliehen­ den Franzosen abzuhalten.320 Trug der Widerstand der Bauern, selbst wenn er sich in der Abwehr französischer Plünderungen und im eigenen Beutemachen erschöpfte, zumindest potentiell anti­ feudale Elemente in sich, so war das in noch stärkerem Maße der Fall, wenn, wie eindeutig beim Dr. Reder, nationale Motive eine Rolle spielten. Der feu­ dalen Reaktion waren nationale Gesichtspunkte fremd; am entschiedensten wur­ den sie naturgemäß von bürgerlichen Elementen vertreten. Zweifellos gehörten die in ihren Erwartungen von den Franzosen enttäuschten Kräfte, die die anti­ demokratische und imperialistische Seite der französischen Außenpolitik zu einer scharf antifranzösischen Haltung führte, nicht zu den entwickeltsten und weit­ sichtigsten, weil sie darüber die wesentlichere antifeudale Seite vergaßen, aber sie waren deswegen noch keineswegs reaktionär. In gewiß beschränktem Sinne äußerte sich in einer so begründeten Franzosenfeindschaft sogar ein Protest gegen die anti­ nationale Haltung der Feudalklasse. Sehr deutlich sprach sich diese Tendenz in einem in der .Minerva' abgedruckten .Schreiben aus den Rheingegenden' vom 13. Dezember aus, .das neuerliche Betragen der Franzosen betreffend : * .Eine be­ sondere Bemerkung hat man dabei gemacht, die zwar auffallend, aber doch in der Natur der Dinge sehr wohl begründet ist und also wohl vorauszusehen war. Es ist folgende: Gerade diejenigen Leute, die vorher den Höfen geschmeichelt hatten, die die Sache der Fürsten contra die Völker mit Wut verteidigten und das Autodafé über jeden ehrlichen Mann aussprachen, der sich etwa unterstand, vom Volk als von einer Sache zu sprechen, die denn auch einige Rücksicht verdiene - kurz, die so­ genannten Aristokraten waren nun diejenigen, die mit eben der Geschäftigkeit den Franken und ihren Anführern hofierten. Dahingegen die sogenannten Demokraten sich zurückhielten und gegen die Republikaner einen ebenso starken Haß zu hegen schienen, als sie vorher gegen alles, was ihnen Tyrannei schien, gehegt hatten. S23 514 5,5 3M

Soden, Julius Graf von, a. a. O., S. 225. Hütter. Hermann, Rheinisch-westphälische Zustände..., a. a. O., S. 59. .Nationalzeitung', Jahrg. 1796, 38. Stück, Sp. 855/56. LHA Dresden, Loc. 2665, Des Grafen von Goertz Abschickung an den kurbayerischen Hof und dessen daselbst geführte Negoziation betr., 1796, Bd. 2, Bl. 282.

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Gewiß ist's, daß, wenn es zu einem Aufstand gegen die Franzosen gekommen wäre, wie es späterhin das Ansehen hatte, derselbe hauptsächlich von letzterer Partei würde unterstützt worden sein.' 327 Obwohl kaum festgestellt weiden kann, in welchem Maße diese Tendenz im Gebiete der Rhön und des Spessart, wo von einem Aufstand gesprochen werden muß, vor­ handen war, so ist an ihr selbst doch nicht zu zweifeln. Diese bürgerlichen Elemente gaben bei aller Feindschaft gegenüber dem Eroberer auch keineswegs ihre anti­ feudalen Wünsche auf, zumal ohne ihre zumindest teilweise Erfüllung an einen echten nationalen Widerstand überhaupt nicht zu denken war. Sie ordneten sie gewissermaßen dem nationalen Widerstand unter. Als ein sprechendes Beispiel kann der ebenfalls von der .Minerva' im Novemberheft abgedruckte .Aufruf an die Fürsten und Völker Deutschlands' dienen, dessen Verfasser von dem Heraus­ geber Archenholz .als würdiger Gelehrter und warmer Freund der Freiheit' be­ zeichnet wurde.328 Der Verfasser forderte den allgemeinen Aufstand, nicht um ¿Las republikanische Frankreich zu vernichten und die Revolution vom eigenen Lande fernzuhalten, sondern um von den Franzosen einen schnellen Frieden zu erzwingen. Um den Aufstand zu bewirken, nützten allerdings keine fürstlichen Proklamationen, die zur Verteidigung von Zuständen aufriefen, die in den Augen der Massen keines­ wegs verteidigungswert waren. Statt dessen sollte dem Volke etwa gesagt werden : .Ihr habt Euch nun durch eigene Erfahrungen überzeugt, daß die Franzosen nicht gekommen sind. Eure etwaigen Leiden zu mindern und Euren Beschwerden, die Ihr vielleicht haben könntet, abzuhelfen;' statt des Befreiers kam der Eroberer. Gegen ihn galt es, in Masse aufzustehen. .Wir versprechen Euch alsdann als Lohn Eurer Tapferkeit den Frieden. Wir versprechen Euch Abhilfe aller billigen Beschwerden. Wir versprechen Euch allgemeine Freiheit und Gleichheit insofern, daß jeder Ein­ wohner unserer Länder durch ¿las Gesetz in gleichem Maße geschützt und keiner vor dem anderen begünstigt werden soll.' Ebenso müßte die Entfernung aller hö­ fischen Lügner und Schmeichler gesichert weiden. Vor allem aber .versprechen wir heilig und teuer, daß wir die vollkommenste Preßfreiheit herstellen wollen'. Die Einsicht in ¿lie Notwendigkeit, bürgerliche Reformen durchzuführen, ohne die ein echter Volkskrieg schlechterdings unmöglich war, kennzeichnet den Verfasser als progressiv. Seine Grenzen zeigen sich einmal darin, daß er als typischer Aufklärer die Feudalfürsten zu überreden versucht, die Initiative zu ergreifen. Zum zweiten zeigen sie sich in der völligen Verkennung des Charakters des Krieges von Seiten der Koalition. Der Krieg war kein gerechter Verteidigungskrieg gegen den fremd­ ländischen Eroberer, sondern er wurde von den Hauptmächten mit räuberischen und reaktionären Zielsetzungen geführt. Unter den gegebenen Bedingungen, da die Masse des Volkes nicht unter einer Fremdherrschaft litt, wohl aber unter dem Joch des Feudalabsolutismus, war eine Umwandlung des Charakters des Krieges durch die aktive Anteilnahme der Volksmassen nicht möglich; sie hätten lediglich als ein zusätzliches Werkzeug zur Durchsetzung der räuberischen und reaktionären Ab.Minerva', Jahrg. 1797, Bd. 1, S. 69. *** Ebenda, Jahrg. 1796, Bd. 4, S. 321 ff.

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sichten der Koalition gedient. Trotzdem dürfen darüber nicht die progressiven Po­ tenzen, die dem nationalen Motiv des Widerstandes zugrunde lagen, vergessen werden. Der Widerstand, der aus der Bevölkerung heraus der Armee Moreaus geleistet wurde, war im ganzen bedeutend schwächer und erreichte auch im einzelnen nicht die Intensität wie im Spessart oder in der Rhön. Die Rhein-Mosel-Armee blieb disziplinierter, ihr Rückzug wurde nicht wie bei der Sambre-Maas-Armee eine heillose Flucht. Obwohl aber die Armee Moreaus insbesondere zu Beginn des Feld­ zuges - im Gegensatz zu der Jourdans - relativ wenig Grund zu Klagen von Seiten der Bevölkerung bot, stieg sie überraschenderweise dennoch - wieder im Gegensatz zur Maas-Sambre-Armee - sogleich auf den Widerstand bewaffneter Einwohner. Zentren dieses frühen Widerstandes waren der Breisgau und das Rench- und Kap­ peler Tal im Stragbungischen. Im Breisgau war der Widerstand von behördlicher Seite organisiert und erfolgte durch Milizverbände, die eng mit den regulären Truppen unter General Fröhlich zusammenwirkten. Am 3. Juli hatte Regierungs­ präsident von Sumerau die Breisgauer aufgerufen, sich bei ihren Behörden zu melden und bewaffnet auf den Sammelplätzen zu Hecklingen, Kenzingen und Her­ bolzheim zu erscheinen.32* Die Milizen nahmen hier an den Abwehrkämpfen der Österreicher am 7. und 14. Juli Anteil, wobei ßich insbesondere die Freiburger hervorgetan haben sollen. Unmittelbar danach aber lösten sich die Milizverbände wieder auf, da General Fröhlich, um nicht umgangen zu werden, den Breisgau räu­ men mugte.330 Der Widerstand der breisgauischen Milizen war zweifellos von dem Wunsch getragen, den Krieg von ihren Heimatorten femzuhalten. Aber darüber hinaus verrät die Tatsache, dag er auf behördliche Initiative hin und ebenso unter behördlicher Leitung erfolgte, eine Anerkennung der bestehenden Ordnung und sogar die Bereitschaft, sie zu verteidigen. Die herrschende Feudalklasse stand hier noch auf relativ festem Boden und vermochte beträchtliche Teile der Bevölkerung widerspruchslos ihren reaktionären Zwecken dienstbar zu machen. Die Einsatz­ bereitschaft ¿1er Freiburger Miliz gegen die Franzosen war ganz aus dem Geist der Vendée geboren, der schon List und seine Freunde veranlagt hatte, den Freiburger Distrikt bei den Insurrektionsvonbereitungen ausdrücklich auszunehmen. * 31 Neben der allgemeinen Rückständigkeit, die der Breisgau mit anderen Gegenden teilte, wirkte sich die dynastische Bindung an das Kaiserhaus und vor allem der starke klerikale Einflug aus. Das letztere bestätigte sehr nachdrücklich der protestantische Pfarrer von Steinen im benachbarten badischen Oberland: .Die Österreicher Bauern sind um deswillen, weil von unserer Seite keine Gegenwehr geschieht, sehr auf­ gebracht. nennen uns Patrioten und französische Ketzer und würden uns nicht gut behandeln, wenn sie Gewalt bekämen.' 332 Der Widerstand, den die Bauern im stnagbungischen Rench- und Kappeler Tal leisteten, ist mit dem im Breisgau nicht gleichzusetzen, denn erstens war er nicht von oben organisiert, und zweitens beschränkte er sich auf ihren eigentlichen und Bader, Joseph, Die ehemaligen breisgauischen Landstände..., a. a. O„ S. 142 Anm. 3. «• Ebenda, S. 144 ff. ,SI Schndtthemur, Adolf, a. a. O., S. 123. « Vgl. S. 179.

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engsten Wohnbezirk. Im Renchtal fand er auch keineswegs die einmütige Unter­ stützung der Bauern; im Gegenteil, nachdem ihre Abwehr am Hubacker Hof ohne große Mühe gebrochen war, fanden sich andere, die den Franzosen bereitwillig Kundschafterdienste leisteten und ihnen den Weg auf den Roßbühl wiesen, wo sie über die schwäbischen Truppen herfielen. Der Widerstand der Kappeler Bauern erschöpfte sich darin, den Zugang zu ihrem Tal zu versperren, das übrigens den Franzosen ziemlich unwichtig war, da es als Sackgasse endete und keinen Weg über das Gebirge öffnete. Einzig aus diesem Grunde blieben die Kappeler Bauern auch erfolgreich in ihrem Bemühen, ihre Dörfer vor den Verheerungen des Krieges zu schützen.333 Das Kappeler Tal war keine Vendee; es war ein abseitiges Tal, das seine Abgeschiedenheit verteidigte. Von diesen Beispielen am Oberrhein abgesehen, stieß Moreau bei seinem Vormarsch sonst auf keinen nennenswerten Widerstand. Lediglich da und dort wehrten sich Ein­ wohner gegen marodierende Trupps. Die harmloseste Form war die bloße Drohung: .Wir hatten, dem Rate eines französischen Offiziers zufolge, die Einrichtung ge­ troffen', so berichtete Pahl aus Neubronn in der Nähe der württembergischen Grenze, .daß sich, sobald wir sie auf der Straße hereinkommen sahen, alle Männer und Jünglinge unter der Linde versammelten, und dieser Anblick machte sie be­ scheidener, als sie wohl in der Tat sein mochten'.334*Im Pfarrdorfe Murr dagegen zahlten die Franzosen am 26. Juli einen Plünderungsversuch mit drei Toten und sieben Schwerverletzten.333 Größere und für die Franzosen gefährlichere Ausmaße nahm der Widerstand noch vor dem Rückzug der Armee dort an, wo eine längere Besatzung den Druck auf die Bevölkerung verstärkte. So erlebte Dillingen am 4. September einen förmlichen Aufruhr, als die Franzosen Vergeltung üben wollten, weil die Bewohner zur Selbst­ hilfe gegriffen und einige Plünderer erschlagen hatten.336 Das eindrucksvollste Beispiel lieferten die Bewohner des Bistums Speyer im Rechtsrheinischen. Moreau hatte hier in der Residenz Bruchsal 2500 Mann unter dem Kommando des Generals Scherb zur Beobachtung der von 2000 Österreichern unter Oberst von Skai gehal­ tenen Festung Philippsburg zurückgelassen. Sehr bald geriet die Bevölkerung in schärfsten Gegensatz zu den Franzosen. Die bischöflich-speyerische Regierung hatte nämlich am 28. Juli mit Moreau ein Abkommen geschlossen, in dem sie die franzö­ sische Zusicherung, das Bistum nicht als feindliches Land zu behandeln, mit der Zahlung von 400 000 Livres in klingender Münze und 200 000 Livres in Naturalien erkaufte. Diese Summe aber wurde nicht von der Regierung bezahlt, sondern auf die einzelnen Gemeinden aufgeschlüsselt und sollte von den Franzosen selbst ein­ getrieben werden.337 Der Widerstand der Bauern gegen die französischen Kontri­ butionskommandos war also zu gleicher Zeit ein Widerstand gegen die eigene Obrigkeit. Wie ein Schreiben vom Oberrhein bestätigte, das der .Pariser Zuschauer * 333 334 333 333 333

Badischer Militär-Almanach, a. a. O., S. 114. Pahl, Johann Gottfried, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben..., a. a. O., S. 107/08. Pahl, Johann, Gottfried, Materialien.. „ a. a. O., S. 386/87. Ebenda, S. 407 ff. .Europäische Annalen', Jahrg. 1796, 11. Stück, S. 203.

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am 7. November veröffentlichte, richtete 6ich der Widerstand sogar in erster Linie gegen die eigene Regierung: .In Bruchsal empfing man die Franken als Brüder, segnete sie als die Erretter Deutschlands, und als die fürchterlichen Kontributionen aufgelegt wurden, wies sie das Volk an die herrschaftlichen Vorräte von Geld, Früchten, Wein und Vieh. Die schlangenartige Regierung hatte aber bald den General Scherb auf ihre Seite gebracht. Das Volk sollte schwitzen, damit ihm der Freiheitskitzel benommen würde. Allein es stand in Masse gegen die Exekution auf und wollte seine Regierung, welche die Franken geblendet hatte, zur Strafe ziehen. - Die Franken aber betrachteten das Volk als ihre eigenen Feinde; das Resultat war, daß sich dasselbe an den Kommandanten von Philippsburg wandte, um Schutz gegen die ungeheuren Bedrückungen zu finden. * 338 Der Kommandant von Philippsburg, Oberst von Skai, tat natürlich das Seinige hinzu, die Bauern in ihrer Opposition zu bestärken und sie zum offenen Kampfe zu ermuntern. Er ließ einen Aufruf ausgehen: -An die würdigen, deutschen Bürger des Brurheins und alle ihres­ gleichen! Bewaffnet euch, deutsche Biedermänner, gegen die Drohungen eures Todfeindes zu Bruchsal . . . Achtet die Drohungen eurer gefangenen Regierung nicht, denn sie führt die ihr aufgedrungene Sprache eurer Feinde. Eure Bewaffnung für euer Eigentum, für euer Leben ist keine Rottierung, kein Komplott, keine Rebellion, es ist Pflicht gegen euch selbst, gegen eure Nachkommen, gegen eure Konstitution, gegen Kaiser und Reich. . . Vereinigt euch unter euch selbst, sodann mit den Bewaffneten eures Reichsoberhauptes, und euer Vaterland ist gerettet..339 Von den Bauern unterstützt, konnte Skai nun von Philippsburg aus immer kühnere und weitere Ausfälle und Streifzüge gegen die Franzosen unternehmen. Die Hauptannee Moreaus trat ihren Rückzug ungeschlagen und geordnet an. Auf diese Weise bewahrte sie eine relativ gute Disziplin. Das schloß nicht aus, daß die Armee als Ganzes wie jeder einzelne Soldat bestrebt war, aus den Gebieten, die man verlassen mußte, möglichst große Werte mitzunehmen. War die Disziplin rela­ tiv gut, so verschlechterte sie sich doch absolut. Hierin und in der Vorstellung, einer retirierenden Armee verhältnismäßig leicht einen Teil der Beute abjagen zu können, lagen die Hauptunsachen für den Widerstand aus der Bevölkerung, auf den Moreau in zunehmendem Maße stieß. Sergeant Fricasse, Teilnehmer an diesem Feldzug, berichtete unter dem 14. September, daß unweit von Augsburg die Nachhut, der er angehörte, von allen Seiten blockiert war, daß es sogar für sie leichter gewesen wäre, nach München zurückzukehren als zur französischen Grenze durchzubrechen. .Und welche waren das, die uns blockierten? Das war ein Teil der Bauern, die dazu dienten, unsere Parks, die Transporte von Kranken und armen Verwundeten auf­ zubringen; sie ergriffen, was sie erlangen konnten, und schlugen sie nacheinander tot. Sie schnitten uns die Straßen, die wir passieren mußten, durch große Gräben und gefällte über den Weg gelegte Bäume ab, während die Österreicher und die Legion Conde uns veranlaßten, den Rest unserer Munition aufzubrauchen, um uns ”9 Abgedruckt in: .Eudämonia oder deutsches Volksglück', Bd. 3, 6. Stück, S. 507/03, 1796. 399 HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 194, Nr. 9. Vgl. auch Remling, Franz Xaver. Die Rheinpfalz in der Revolutionszeit 1792-1798. Speyer 1866, Bd. 2, S. 297.

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leichter fassen zu können. * 340 Nach den Mitteilungen des Sergeanten Fricasse stachelten die Österreicher die Beutelust der Bauern durch lügenhafte Behauptungen auf, daß die französische Armee sich nahezu in ihrer Gewalt befinde, ein großer Teil zwischen München und Augsburg gefangen worden sei und nur 3000 Mann entkommen wären, die auf dem Rückzüge sich nicht zu schlagen verstünden.341 Auch das Korps des Generals Tarreau, das die südliche Flanke der Hauptarmee zu decken hatte, fand nach der Niederlage bei Isny am 20. September grimmige Feinde in den Bauern, die einem im Walde eingeschlossenen Trupp französischer Infanterie vernichteten.342 General Ferino, der es erleben mußte, daß Bauern in dem zur Herr­ schaft Mindelheim gehörenden Kirchdorf auf ihn schossen, drohte, das Städtchen Mindelheim an allen vier Ecken anzuzünden, als der Gerichtsschreiber sich über die schlechte Disziplin der Truppen bei ihm zu beklagen wagte.343 Das hohenzollemsche Dorf Bärenthal ging wirklich in Flammen auf, nachdem die Bewohner sich gegen Ausschreitungen der Truppen zur Wehr gesetzt, fünf Franzosen er­ schlagen und drei verletzt hatten.344 Der badische Landeskommissar beim fran­ zösischen Hauptquartier, Hofrat Herzog, berichtete Mitte Oktober aus Lörrach, daß die Franzosen die Vorstädte des fürstenbeigischen Engen niederbrannten und die Stadt selbst ebenso wie das auerspergische Thengen mit einigen umliegenden Dör­ fern verwüsteten, .weil die Einwohner nicht nur einzelne Soldaten auf der Land­ straße ermordet, sondern auch französische Bagage angefallen und geplündert . * haben 343 All diese Widenstandsaktionen konnten den planmäßigen Rückmarsch der Armee nirgends ernsthaft behindern, die sogar kräftig genug war, den österreichischen Verfolgern bei Biberach am 2. Oktober eine schwere Niederlage zuzufügen. Dazu war die Bereitschaft der Bevölkerung nicht allgemein genug. Außerdem verhin­ derten vielfach die Obrigkeiten mit Erfolg eine Ausweitung des Widerstandes. Der Bleicher Johannes Jerg aus dem württembergisehen Ebingen schrieb in seiner Chronik: .Auf den Rückzug und Schrecken haben die benachbarten Katholiken unsere Nachbarorte und uns Ebinger zum Landsturm wollen verleiten, sind etliche Male Sturm hierher geritten, als brenne es an einigen Orten, allein unser Beamte, ,4° .Et quels étaient ceux qui nous bloquaient? C'était une partie des paysans qui servaient à prendre nos parcs, des convois de malades et de pauvres blessés; ils prenaient ce qu'ils pouvaient avoir et de suite les mettaient à mort. Ils nous coupaient les routes dans les­ quelles nous devions passer par de grands fossés et des abattis d'arbres qu'ils croisaient dans la route, pendant que les Autrichiens et la légion de Condé nous faisaient user le reste de nos munitions afin d'avoir plus de facilité de nous prendre. * Journal de marche du Sergeant Fricasse de la 127e demi-brigade 1792-1802. Édité par Lorédan-Larchey. Paris 1882, S. 96/97. 541 Ebenda, S. 97. 542 .Europäische Annalen', Jahrg. 1796, 11. Stück, S. 211. 443 Brunnemeyer. Joseph Philipp, a. a. O., S. 461/62. 844 Die Franzosen in Hohenzollern, insbesondere im Franziskanerkloster Hedingen im Jahre 1796. In: .Diözesanarchiv von Schwaben. Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete', 24. Jahrg., S. 176, 1906. 845 G LA Karlsruhe, Abt. 48, Konvolut 999, Fase. 801.

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der Bettulius, hat keinen Mann fortgelassen.' 346 Der Widerstand wurde jedoch stärker, je mehr die Franzosen sich dem Schwarzwalde näherten. Nach den Tagebuchaufzeichnungen des Sergeanten Fricasse trafen sie schon westlich von Stockach auf vollkommen verlassene Dörfer, deren Bewohner mit Weib und Kind den Marsch der Armee aus dem Hinterhalt auf jede Weise zu erschweren suchten. Sie wagten sogar einen Überfall auf das Pulvermagazin, der allerdings abgeschlagen wurde. Fricasse behauptete, daß den Bauern als Ansporn eine zweijährige Befreiung von allen Abgaben versprochen worden wäre.347 Wenn auch eine derartige Zusage durchaus unwahrscheinlich ist, so schließt das keineswegs aus, daß sich in den Köpfen der Bauern aus gelegentlichen Äußerungen oder Wünschen solche Vor­ stellungen bildeten und die Kampfbereitschaft erhöhten. Der intensivste Widerstand wurde im Schwarzwald und im Rheintal von Teilen der Bevölkerung geleistet. Es war Erzherzog Karls Absicht gewesen, Moreau den Weg zu verlegen. Aus diesem Grunde hatte er den Feldmarschall Petrasch mit 7000 Mann von Mannheim zur Säuberung des Rheintals voraufgeschickt. Petrasch stieß dabei zunächst auf die Kolonne des Generals Scherb, dem es allerdings gelang, rechtzeitig der Umzingelung zu entgehen und sich gegen den Widerstand der speyerischen Bauern, die ihm bei Untergrombach und Weingarten den Weg zu verlegen suchten, nach Kehl durchzuschlagen.348 Vor Kehl und bei seinem Versuch am 18. September, diese Festung im Überfall zu nehmen, fand Petrasch eifrige Unter­ stützung bei einigen tausend Mann Miliz aus der vorderösterreichischen Ortenau; die ortenauischen Bauern waren zuvor von den Franzosen sehr gedrückt worden und hatten insbesondere unverhältnismäßig viele Handfröner für Schanzarbeiten beim Festungsbau stellen müssen.346 Einige Tage vorher hatte ein kaiserlicher Leut­ nant schon die Oppenauer im Renchtal und die Kappeler Talbauern mobilisiert und mit ihnen die Kniebisschanze besetzt, um den Weg nach Kehl zu versperren.350 Nach dem mißglückten Handstreich auf Kehl übernahm Petrasch mit dem Gros seiner Kolonne die Blockierung dieses Passes. Moreau beschloß darum, mit der Masse der Armee seinen Rückweg durch das Höllental und Freiburg zu nehmen. Das schwere Geschütz und sämtliches Fuhrwerk folgte allerdings unter Bedeckung dem Lauf des Rheins in Richtung auf Höningen. Im Breisgau war von Seiten öster­ reichischer Militärs offiziell zur Volksbewaffnung und Bildung von Milizen auf­ gerufen worden. Solange nur einzelne kaiserliche Streifkorps bis in den Breisgau vorgedrungen waren, spielten die geschlossenen Formationen der Milizen aber kaum eine Rolle. Die bewaffneten Breisgauer führten vielmehr einen Kleinkrieg, über­ fielen in verschiedenen Orten die zahlenmäßig schwachen französischen Besatzungen und unterbanden vor allem in dem Gebiet zwischen den Donauquellen und der Schweiz alle Kommunikation Moreaus mit Frankreich. Einzelne von der Haupt­ armee getrennte Trupps sich zurückziehender Franzosen fielen mit Sicherheit in Chronik des Bleichers Johannes Jerg (1771-1825). Ein Heimatbuch der Stadt Ebingen. Daniel Verlag, Balingen 1953, S. 18. M’ Journal de marche du Sergeant Fricasse..., a. a. O„ S. 101/02. 348 Badischer Militär-Almanach, a. a. O., S. 128. 949 Ebenda, S. 28, 126. 319 Bader, Joseph, Die breisgauischen Landstände..., a. a. O., S. 150/51.

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ihre Hände. Eickemeyer berichtete von einer solchen Gruppe Kommissäre mit einem Generaladjutanten, die aus Furcht .vor etwaigem Verlust ihres so hübsch erwor­ benen Geldes und anderer Dinge von Wert' sich selbständig gemacht und den kürzeren Weg südlich des Schwarzwaldes eingeschlagen hatten. Die Bauern nahmen diesen vornehmen Plünderern den gesamten Raub ab, schafften jedoch die jämmer­ lich um ihr Leben Bangenden über die Schweizer Grenze. Mit der persönlichen Sicherheit gewannen diese auch sogleich wieder ihre Unverschämtheit zurück: .Bei ihrer Ankunft in Schaffhausen reklamierten die Herren den ihnen geraubten Raub, und der Generaladjutant machte, neben anderen Dingen von Wert, auf nicht we­ niger als zwölf- bis dneizehntausend Franken Anspruch, mit genauer Angabe der Münzsorten, welche meistens in Gold bestanden.' 351 Nicht immer gingen die bewaffneten Bauern mit den Franzosen, die ihnen in die Hände fielen, so glimpflich um. Hofrat Herzog berichtete im Oktober aus Lörrach über eigene Erlebnisse im Gebiet um Waldshut: »Die Landleute in dortiger Gegend sind, wie leicht zu erachten, in voller Verzweiflung und dürsten nach Rache, so daß es für einzelne Reisende äußerst gefährlich ist, für Franzosen angesehen zu werden: ich selbst bin auf der Landstraße von zu Dutzenden attroupierten Bauern, ob ich kein Franzose sei, questioniert worden. * 352 Freiherr von Bülow schrieb Ende Sep­ tember aus Basel an den Dresdner Hof: »Diese Landleute rottieren sich auf unserer Nachbarschaft in mehreren Tausenden zusammen, werden jedem Reisenden gefährlich und unternehmen zwischendurch schon jetzt Handlungen, die im ganzen Umfange des Wortes abscheulich genannt zu werden verdienen.'363 Gleichsam als Beleg fügte er einen Aufruf des auf dem rechten Rheinufer kommandierenden Generals Desenfans vom 26. September aus Lörrach an die Bewohner der Waldstädte und des Schwarzwaldes bei. Es war eine schwache Proklamation, die mit Täuschungen arbeiten mußte, die keinen mehr täuschten. So sprach Desenfans von österrei­ chischen Agenten, die «das falsche Gerücht’ von der Flucht der französischen Armeen verbreiteten, so drohte er mit einer .imposanten Militärmacht', die ein­ zusetzen er lediglich zögerte, um noch einmal durch eine .väterliche Unterweisung' auf die Einwohner einzuwirken. Er versprach die Bestrafung jedes französischen Soldaten, der Exzesse beging, und forderte andererseits die Anzeige und Aus­ lieferung der Anführer, die zum gewaltsamen Aufstande hetzten.334 Diese »väterliche Unterweisung' hatte selbstverständlich nicht den geringsten Erfolg, so daß die Franzosen auf jeden Überfall mit vermehrten Plünderungen und Verheerungen antworteten und die wechselseitige Erbitterung stieg.333 Die größte Furcht ergriff den Freiherrn von Bülow gerade wegen der möglichen innenpolitischen Folgen: »Ebenso zuverlässig aber weiß man auch, daß das Aufsteben und gewaltsame Betragen der Landleute in Schwaben und besonders im österreichischen Breisgau und Schwarzwalde, die hier und da in Ausschweifungen übergehen, die traurige 3,1 Denkwürdigkeiten des Generals Eickemeyer.. ., a. a. O., S. 292 ff. 353 GLA Karlsruhe, Abt 48, Konvolut 999, Fase. 801. 353 LHA Dresden, Loc. 4875, Relationen des Frhn. H. W. v. Bülow aus Basel und Paris, den französischen Krieg betr., 1795/96/97, Bl. 131. Ebenda, Bl. 132. asB Ebenda, Bl. 137.

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Folgen zurücklassen, solche Zerrüttungen erwirken, die d^s Unheil der gegen­ wärtigen Zeit noch um ein sehr großes vermehren, und daß solche, wenn das gegenwärtige Unheil weiter tun sich reißt, zu einem sehr großen Teil der ehemaligen Übel, des in der Geschichte des 16. Jahrhunderts so ausgezeichneten Bauernkrieges, die gerechte Befürchtung geben. * 356 In der Tat blieben auch solche Erscheinungen nicht aus, die die Berechtigung solcher Befürchtungen von Seiten der herrschenden Klasse unterstrichen. Dem Baron Joseph Karl von Weiden, einem fränkischen Feudalherrn, der sich gerade auf seinen schwäbischen Gütern befand, erging es jedenfalls nicht viel anders als dem Götz von Berlichingen vor knappen 300 Jahren; er wurde von einem starken Bauemhaufen förmlich gezwungen, sich an seine Spitze zu stellen, wenn er nicht seinen Sitz in Flammen aufgehen sehen wollte.357 Insbesondere in den Gebieten am Oberrhein, wo wie in Baden die Beamten zur Durchsetzung der strikten Neutralität angehalten worden waren, andererseits österreichische Offiziere die Erregung über die Ausschreitungen der Franzosen ausnutzten und auf bewaffnete Gegenwehr dräng­ ten, war die Autorität der Behörden auf das schwerste gefährdet.358 Wie das Amt Mungelsheim Anfang September meldete, hatten bei einem kleinen Gefecht .Munzesheimer Einwohner sich sehr unbesonnen und hernach ungehorsam gegen das Amt betragen. * Ein abschriftlich beigefügter »sehr impertinenter Aufruf' zum Widerstand gegen die Franzosen, .an alle Orte des Heiligen Römischen Reichs * ge­ richtet, mußte die badischen Behörden in der Tat beunruhigen. In ungelenker, aber außerordentlich scharfer Sprache wurden darin die Landesfürsten angeklagt, ihre Untertanen feige im Stich gelassen und dann Verträge mit den Franzosen geschlossen zu haben, .die kein Landesfürst halten kann, weil sie zum Teil das Blutgeld ihrer Untertanen teils mitgenommen oder verschwendet, folglich außerstande sind, ihr Versprechen zu halten.' Wenn also nun die ganze Last auf die einfachen Bürger ge­ wälzt würde, so verdankten sie es .der Unmenschlichkeit unserer Landesfürsten, weil sie sich geweigert, das Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches zu unter­ . * stützen 35* Bei aller Kaisertreue und Franzosenfeindschaft ist der Einfluß revo­ lutionärer Vorstellungen unverkennbar. Gegenüber der Hauptarmee, die Moreau dann geschlossen und planmäßig über den Schwarzwald und schließlich bei Hüningen über den Rhein führte, war die Form der Guerilla wirkungslos. Die Kämpfe der bewaffneten Einwohner beschränkten siah daher vornehmlich auf Unterstützungsaktionen des regulären Militärs, die von otdentlichen Milizverbänden geleistet wurden. So überfielen und besetzten am 10. Oktober kaiserliche Husaren zusammen mit einem Bataillon Landmiliz, das von benachbarten Orten gestellt wurde, Alt-Breisach. Bei der Einnahme von Waldshut leistete die Miliz unter der Führung eines Appellationsrats Hilfe. Die Rheinviertier Miliz unter dem Hofrat Hyrt war bei der Eroberung von Rheinfelden am 24. Ok­ tober beteiligt. Milizverbände zogen mit Erzherzog Karl bis vor Hüningen, um nach dem Rheinübergang der Franzosen am 26. Oktober zurückgeschickt und aufgelöst 356 Ebenda, BL 131. 357 Enderlein, Friedrich Leonhard, a. a. O., S. 75. Badischer Militär-Almanach, a. a. O., S. 127/28. 3M GLA Karlsruhe, Abt. 48, Konvolut 999, Fase. 800.

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zu werden.340 Ortenauische Milizformationen in Stärke von 2000 Mann wurden bei der Belagerung der Festung Kehl verwendet, die am 9. November fiel.391 Diese Er­ folge machten Erzherzog Karl und seine Umgebung geneigt, den Volksbewaffnungs­ gedanken auch anderswo zu fördern. Das Gebiet des Bischofs von Fulda, der seine Bauern von bewaffneten Aktionen abgehalten und so den Rückzug Jourdans er­ leichtert hatte, belegte er mit schweren Requisitionen.342 Hardenberg berichtete am 21. Oktober aus Ansbach: .Man hat die Bauern des Landes Baden gezwungen, die Waffen zu ergreifen und die Rheinufer zu bewachen, trotz der Proteste des mark­ gräflichen Ministeriums. Die Amtmänner im Lande Fürstenberg, die nicht in die Bewaffnung der Bauern nach dem Wunsche der Kaiserlichen einwilligten, sind ver­ haftet worden. Mit dieser in mehrfacher Hinsicht gefährlichen Maßnahme, die über­ all auf Anordnung und mit Autorität des Erzherzogs und ohne die Mitwirkung der Souveräne geschieht und die natürlicherweise die Untertanen von diesen entfernen und sie den Kaiser als ihren Herrn betrachten lassen mufj, scheint das österreichische Kabinett den Plan zu verfolgen, den Reichsständen alle Macht- und Verteidigungs­ mittel zu entziehen.' 363 In den ersten Monaten des Jahres 1797, als die militärische Lage Österreich zwang, alle erreichbaren Hilfsquellen auszuschöpfen, entwickelte der kaiserliche und österreichische Gesandte beim schwäbischen Kreis, Graf Fugger zu Dietenheim, eine große Geschäftigkeit, um ein Massenaufgebot des gesamten Kreises zustande zu bringen. Am Main verfolgte, wenn auch weniger eifrig und mit einigen inneren Vorbehalten, der mainzische Hofkanzler Freiherr von Albini ähn­ liche Pläne.344 Beide wurden von Erzherzog Karl sehr ermuntert. Alle diese Bemühungen endeten aber wie frühere mit einem Fiasko. Sie scheiterten an der mangelnden Bereitschaft der Massen, sich für die Interessen der herrschenden Feudalklasse zu opfern. Diese Tatsache gilt im weitesten Sinne. Sie gilt sowohl für die Gebiete, in denen die Bevölkerung nicht gesonnen war, überhaupt zu den Waffen zu greifen, als auch für die meisten Bereiche, in denen die Massen aktiven Wider­ stand gegen französische Übergriffe geleistet hatten und auch in Zukunft leisten würden. Einmal war es ja nicht so, daß ganz Süddeutschland ausnahmslos unter der antidemokratischen und imperialistischen Seite der französischen Kriegsführung ge­ litten hatte. Moreau stieß in Schwaben nicht nur auf bewaffneten Widerstand; es Heini, Otto, a. a. O., S. 64. M1 Stadtarchiv München, Wehramt 265, Kurfürstlich gnädigst privilegierte Münchner Zeitung, IS. 10. 1796. 3,! LHA Dresden, Loc. 2665, Des Grafen von Goertz Abschickung an den kurbayerischen Hof und dessen daselbst geführte Negoziation betr., 1796, Bd. 2, Bl. 282. .On a forcé les paysans du pays de Bade de prendre les armes et de garder les bords du Rhin, malgré les protestations du ministère du Margrave. Les baillis dans le pays de Fürstenberg, qui ne sont pas prêtes au gré des Impériaux à l'armement des paysans ont été arrêtés. Avec cette mesure dangereuse à plusieurs égards, qui partout se fait par ordre et de l'autorité de l'Archiduc et sans la concurrence des souverains, et qui doit naturellement éloigner les sujets de ceux-ci et leur faire envisager l'Empereur comme leur maître, le cabinet autrichien semble combiner le plan d'ôter aux États de l'Empire tous les moyens de force et de défense.' DZA Merseburg, Rep. 11, 94a Fränkischer Kreis, 25 A, Bl. 165. M1 Ernstberger, Anton, Österreich-Preußen von Basel bis Campoformio 1795-1797. Prag 1932, T. 1, S. 431 ff.

4. Der Beginn des Volkswiderstandes

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fanden sich ebenso auch willige Bauern, die als Kundschafter, als Führer und durch Bereitstellung von Transportmitteln seinen Rückzug erleichterten.865 Zum anderen sorgten die kaiserlichen Truppen dafür, daß die zweifellos verbreitete Enttäuschung über das französische Auftreten stark abgeschwächt wurde und die bisherige Fran­ zosenfreundschaft sich nicht in blindwütige Feindschaft verwandelte. Graf Königsegg-Aulendorf, den Ende Februar 1797 der Graf Fugger als kaiserlichen und öster­ reichischen Gesandten beim schwäbischen Kreis ablöste, berichtete von einem kaiserlichen General, der es für angebracht hielt, daß man »die Reichsstände so wie eine Zitrone behandle und so lange drücken müßte, bis der letzte Tropfen ausgepreßt . * sei 366 Daß nach solchem Prinzip verfahren wurde, konnte Württemberg bestätigen, das .wie ein geächtetes Land * behandelt wurde.867 Das bestätigte der Pfarrer im badischen Steinen: .Aber die Kaiserlichen waren nicht mehr wie vormals so gut auf das Land zu sprechen. Sie hielten uns für Patrioten. An Zahlen war nicht mehr zu denken.'606 Das bestätigte selbst der mainzische Hofkanzler Albini, indem er im November feststellte, daß nur der Bedrücker gewechselt hätte, die Bedrückung selbst aber geblieben wäre.366 Unter diesen Bedingungen konnten auch solche einseitig franzosenfeindlichen und insbesondere von Sumerau geförderten Propagandaschrif­ ten wie Michael Armbrusters .Sündenregister der Franzosen während ihres Aufent­ halts in Vorderösterreich und Schwaben * nicht die gewünschte Wirkung tun; schon bei der Materialsammlung zu dieser Schrift hatte Armbruster, wie er Sumerau am 7. Januar 1797 klagend mitteilte, selbst von Seiten der vorderösterreichischen .Ober­ ämter und der städtischen Magistrate nicht ganz jene allgemeine Unterstützung an Materialien und Aktenstücken erhalten, die er bei der Publizität seines patriotischen Zweckes hoffen durfte'.370 Daß seine Ausbeute im Württembergischen besonders spär­ lich war, kann erst recht nicht verwundern. Das Oberamt Ebingen, dem Armbruster in einem vorgedruckten Brief vom 18. November 1796 seinen Wunsch mitteilte, ging nicht darauf ein, zumal ihm auf Anfrage auch aus Stuttgart davon abgeraten wurde.671 Schließlich war die Bewaffnung der Bevölkerung, selbst wenn sie sich gegen die Franzosen gerichtet hatte, ein Vorgang, der ihr Selbstibewußtsein auch gegenüber ihren feudalen Obrigkeiten hob und häufig genug in eine Selbsthilfe gegen die eigenen Unterdrücker einmündete. Erzherzog Karl mußte am 23. Oktober 1796 aus seinem Hauptquartier zu Heitersheim eine Proklamation erlassen, die die Bauern des schwäbischen Kreises mit der Exekution bedrohte, da sie an verschiedenen Orten, stark durdh die gegen die Franzosen ergriffenen Waffen, den Behörden den548 * 548 Seida und Landensberg, Franz Eugen Freiherr ' von. Politisch-militärische Geschichte des merkwürdigen Feldzuges vom Jahre 1799, in besonderer Rücksicht auf die Armee Sr. Kö­ niglichen Hoheit des Erzherzogs Karl. Ulm 1801, S. 110. w Ebenda, S. 343. MT Dizinger, Carl Friedrich, Denkwürdigkeiten..., a. a. O„ S. 21. Schmitiheimer. Adelt, a. a. O., S. 137/38. M* Emstberger, Anton, Österreich-Preußen..., a. a. O-, S. 344. ™ GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 204. "* HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 193, Nr. 8. 20 Süddeutsche Jakobiner

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Gehorsam verweigerten und sich gegen sie empörten.372 Ähnliche Folgen hatte die Bewaffnung der Bauern im Speyerisehen. In einem Bericht aus dieser Gegend, den die .Nationalzeitung" am 17. November abdruckte, hieß es: J)ie Bewaffnung der Bauern hatte die Folge, daß sich die meisten Ortschaften des Brurheins als ein militärisches Korps unter dem Kommando des Festungskommandanten von Philipps­ burg, des Obristen von Skai, betrachten und den Befehlen ihrer bürgerlichen Obrigkeit noch itzt den Gehorsam versagen. Indessen kann man von dem Obristen von Skai als einem einsichtsvollen Manne sicher erwarten, dafj er diesen Teil der speyerischen Untertanen wieder in ihre Ordnung zurückweist; dieses wird ihm um so leichter werden, als die Anführer derselben vernünftige und sonst gute Bürger sind. Auf der anderen Seite hofft man, dafj der brave Fürstbischof die Herzen seiner verirrten Untertanen durch Güte und einige Aufopferungen leicht gewinnen werde. So würde er z. B. einen großen Jubel unter ihnen erregen, wenn er die dem Land­ mann so lästigen Fuhrfronen aufheben und nach dem Beispiele anderer Provinzen in eine mäßige Geldabgabe verwandeln wollte. Man glaubt, er würde jene Fron­ dienste um so eher größtenteils entbehren können, da er wenigstens vor dem Einfalle der Franzosen immer zwischen 300 bis 400 Pferde und Maulesel zu halten gewohnt war. Es verlautet wirklich, daß er, um die Landschatzungskasse zu erleichtern, in Friedenszeiten nicht mehr so viel Militär wie vorher halten wolle.' 373 Die Waffen also, die die Bauern gegen die Franzosen erhoben hatten, gedachten sie nicht aus der Hand zu legen,- sie wollten stark bleiben für die Auseinandersetzung mit ihrer feudalen Obrigkeit. Der zeitgenössische Beobachter hielt es für geraten, dieser Ge­ fahr für die bestehende Ordnung nicht mit Gewalt, sondern durch Zugeständnisse zu begegnen. An der antifeudalen Haltung der Massen, die selbst aus dem Kampf gegen die Sol­ daten der Republik neue Kräfte zog, scheiterte abermals das Projekt einer Volks­ bewaffnung. Baron von Thugut, der leitende österreichische Minister, erblickte mit vollem Recht in den bewaffneten Bauern und Bürgern, die durch keinen entnervenden Drill in willenlose Werkzeuge der herrschenden Klasse verwandelt waren, eine große Gefahr für die feudale Ordnung. Er sorgte dafür, daß die Aktivität der Anhänger dieses Plans sehr bald erlahmte.374 Der Frieden von Campoformio gab dem Projekt den letzten Stoß. Der Volkswiderstand in einzelnen Teilen Süddeutschlands während des Feldzuges von 1796 kam unmittelbar einer reaktionären Sache, der Sache der feudalen Koalition, zugute, die einen ungerechten, auf Eroberung abzielenden Krieg gegen das republi­ kanische Frankreich führte. Mit dieser Feststellung ist jedoch der Widerstand selbst noch nicht charakterisiert. Er war uneinheitlich. Zu einem Teil - es war der geringere Teil - stellten vorwiegend Ignoranz und Bigotterie, der Fanatismus der Vendée, die treibenden Kräfte dar. Das gilt für den Breisgau, wo sich Bauern und Bürger bereits,: Anfang Januar 1797 schickte der Erzherzog auf Ersuchen des Landesherrn ein Exekutions­ kommando nach Hohenzollern-Hechingen, um die Bauern zu entwaffnen und die Autorität des Fürsten wiederherzustellen. Cramer, J., a. a. O., S. 404. 1,3 .Nationalzeitung , * Jahrg. 1796, 46. Stück, Sp. 1031. 374 Ernstberger, Anton, Österreich-Preußen..., a. a. O., S. 432 ff.

4. Der Beginn des Volkswiderstandes

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fanden, auf obrigkeitliche Anordnung und unter obrigkeitlicher Führung sich zu Milizen zu formieren und fern von ihren Heimatorten Schulter an Schulter mit regulären Truppen zu einem Zeitpunkt gegen die Franzosen zu kämpfen, da sie den revolutionären Grundsatz .Friede den Hütten, Krieg den Palästen * noch nicht Lügen gestraft hatten. Zu einem anderen Teil - es war der weitaus überwiegende Teil kämpften Bauern und Bürger einen gerechten Kampf um die Sicherung ihrer ma­ teriellen Existenz, die durch die antidemokratische und imperialistische Zielsetzung der französischen Kriegsführung bedroht war. Das war überall gegeben, wo die in ihren Erwartungen betrogene Bevölkerung — wie in der Oberpfalz oder im Bambergischen - die französischen Truppen am Plündern hinderte oder wo sie mit oder ohne Einwilligung der Obrigkeiten, mit oder ohne Unterstützung durch die Kaiser­ lichen — wie überall auf dem Rückzüge Moreaus und Jourdans — Vergeltung zu üben oder ihnen auch nur die Beute wieder abzujagen suchte. Der Widerstand im Breisgau gegen die sich zurückziehende Armee Moreaus kann darum nicht mit dem gleich­ gesetzt werden, den die Franzosen auf ihrem Vormarsch dort fanden. Das heißt selbstverständlich nicht, daß die reaktionären Elemente im Widerstand nicht mehr existierten. Zweifellos wies auch der verständliche Wunsch der Bauern des Kappeler Tals, den Krieg mit seinen Verheerungen von ihren Dörfern fernzuhalten, ebenso wie die Beutegier der Rhönbauern reaktionäre Züge auf. Man kann sogar so weit gehen und als gewiß annehmen, daß überall, wo die Bevölkerung die Waffen gegen die Franzosen erhob - nicht nur dort, wo sie es auf Weisung der Obrigkeit oder kaiserlicher Offiziere tat - reaktionäre Motive eine Rolle spielten. Aber für die historische Entwicklung ungleich bedeutungsvoller und zum Teil auch subjektiv von stärkerem Gewicht waren die Elemente im Widerstand, die letztlich antifeudalen Charakter trugen, angefangen von dem primitiven Protest gegen die bestehende Ordnung, wie er sich in den Räubermethoden der Spessarter und Rhönbauern kund­ tat, über die Illusion von einer Minderung der feudalen Lasten als Belohnung für aktiven Einsatz im Widerstandskampf, über die Mißachtung, Verletzung oder sogar Bekämpfung obrigkeitlicher Anordnungen wie im Speyerisahen bis zu Ansätzen eines nationalen Widerstandes gegen einen fremdländischen Eroberer. Dabei lag noch nicht einmal das Bedeutungsvollste des Volkswiderstandes darin, daß in dieser oder jener Form antifeudale Grundinteressen durchbrachen; das wichtigste Resultat war der Widerstand selbst,war die Tatsache, daß Massen zu den Waffen griffen, daß sie zur Selbsthilfe schritten, daß dabei ihr Selbstbewußtsein in einem Grade er­ starkte, der die herrschende Klasse mit Schrecken erfüllte. Sprechenden Ausdruck gaben die Volksmassen ihrem gesteigerten Selbstbewußtsein, indem sie ihre Leistungen in diesem Kampfe zu Liedern verdichteten.375 Daß solche selbstbewußten Massen auch zu besseren Kämpfern gegen die feudale Unterdrückung wurden, be­ wiesen schon 1796 die Bauern von Hohenzollem-Hechingen und im Speyerischen. Wenn also auch die Feststellung, wonach der Volkswiderstand 1796 unmittelbar der reaktionären feudalen Koalition zugute kam, ihre Berechtigung behält, so darf dar­ über die historisch bedeutsamere Erscheinung nicht vergessen werden, daß derselbe S7a Ditiurth, franz Wilhelm Freiherr von, a. a. O., S. 182 ff. 20’

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IV. Das Scheitern der republikanischen Bestrebungen

Widerstand mittelbar auch die bestehende Feudalordnung unterhöhlen half. Der oberrheinische Revolutionär, dessen Bericht der .Pariser Zuschauer' am 7. November abdruckte, charakterisierte die Situation nach dem Feldzuge mit den Worten: ,Ohngeachtet der Greuel, welche in Deutschland verübt wurden, ohngeachtet die Bauern in Masse gegen die Franken aufgestanden sind, so glüht dennoch das Revolutions­ feuer allenthalben unter der Asche. * 376 ”* Abgedruckt in: .Eudämonia oder deutsches Volksglück', Bd. 3, 6. Stück, S. 503, 1796.

1. Die bürgerlich-liberale Bewegung in der Zeit der Vorbereitung des Landtages Wie wenig die gewiß verbreitete Enttäuschung über das Verhalten der französischen Armeen die in ihren Grundinteressen wurzelnde antifeudale Gesinnung der werk­ tätigen Massen und des Bürgertums, das zu ihrer Führung berufen war, zu erschüttern vermochte, bewies die starke bürgerlich-liberale Bewegung, die schon während des Feldzuges von 1796 und unmittelbar danach noch kräftiger in Württemberg ein­ setzte. Die Tatsache jedoch, daß es sich hier zunächst tun eine bürgerlich-liberale und nicht um eine revolutionär-demokratische Bewegung handelte, ist zweifellos zu einem Teil auf die desillusionierende Wirkung zurückzuführen, die von der Politik der französischen Großbourgeoisie ausging. Verschiedene Voraussetzungen für eine solche radikale Entwicklung waren gegeben: Die intensive profranzösische Stimmung der breiten Massen und die Existenz eines führenden revolutionären Kems, der eng mit den leitenden Köpfen der revolutionär-demokratischen Be­ wegung am Oberrhein zusammenarbeitete, um sich ihr nach ihren ersten Erfolgen anschließen zu können. Friedrich Streim, der anonyme Verfasser der Flugschrift .Der Eremit Kaphta an die Bürger Württembergs und Schwabens , * die im Herbst 1796 erschien1, hielt eine revolutionär-demokratische Entwicklung durch die Masse der württembergischen Bevölkerung für gewiß, .wenn die Franzosen so ins deutsche Reich gekommen wären, wie sie schon vor einigen Jahren zu kommen versprachen, und nur Krieg mit den Schlössern und Friede mit den Hütten zu führen schienen. Manches Schloß ließen sie unangetastet, und manche Hütte steht öde und rein aus­ geplündert. Wie viele unserer deutschen Bürger würden die französische Verfassung umarmt und die französischen Soldaten mit Entzücken gehegt und gepflegt haben - hätten die Franzosen Wort gehalten. Wie mancher reiche Einwohner unseres Landes hätte durch Verbrüderung unserer Mitbürger mit den Franzosen um sein Vermögen, um sein Leben selbst kommen können. Denn dieses wird doch hoffentlich keiner von euch leugnen, daß sich die Sache der Franzosen bei vielen unserer Deut­ schen sehr empfahl, sehr empfehlen mußte, weil sie dem inneren Gefühl des Men­ schen, seinem immerwährenden Sehnen und Trachten nach Freiheit, nach Un­ abhängigkeit - sei es auch nur Veränderung - schmeichelte, aber sich auch nur so lange empfahl, bis sich der größte Teil der Anhänger des französischen Systems 1 (Streim, Friedrich), Der Eremit Kaphta an die Bürger Württembergs und Schwabens. Oder: Wie ist der Schaden^ den die Neufranken in diesen Gauen verursachten, wieder in etwas gutzumachen. Germanien 1796.

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V. Die bürgerlich-liberale Bewegung in Württemberg

durch das Einrücken der französischen Truppen betrogen fand... Und warum fand man sich betrogen? Weil die Franzosen nicht kamen, wie sie zusagten, und dadurch die innere Ruhe und Ordnung Deutschlands sicherten.' 2 Die feudale Wirklichkeit jedoch, die nach wie vor auf der Bevölkerung lastete, ließ die Enttäuschung nicht so unbegründet tief dringen, daß mit der Idealvorstellung von der französischen Armee auch die von der bürgerlichen Gesellschaftsordnung verlorenging. Der .Eremit Kaphta' selbst, der seine Abneigung gegen eine gewaltsame Umgestaltung der Verhältnisse immer wieder betonte, bemühte sich sehr, die eine von der anderen zu trennen, indem er die Übergriffe und Plünderungen der Truppen »den Mühselig­ keiten, Ungemächlichkeiten und den daraus entstehenden unmoralischen und un­ zivilisierten Handlungen des Krieges' zuschrieb. .Ich will nichts weniger als die Plünderungen der Franzosen verteidigen, sondern den mir sehr wahrscheinlichen Grund, warum sie es auch selbst nach der Übereinkunft des Waffenstillstandes immer noch taten, euch vor Augen zu stellen suchen, um eure Urteile über eine Nation, die ihre Freiheit sucht, und deren Soldaten, die diese erkämpfen sollen, teils zu trennen, teils zu mildern.'1 .Kaphta' vertraute .der Gerechtigkeitsliebe und der Billigkeit der französischen Nation' in einem solchen Grade, daß er seinen Landsleuten sogar Hoffnung auf eine Entschädigung für durch Plünderungen ver­ lorengegangenes Gut machte. Er riet, sich an das Direktorium zu wenden: .Wir Bürger in unserem Lande kriegten nicht mit euch; unsere Fürsten machten sich's zur Pflicht, dies zu tun und euch in euren Revolutionsangelegenheiten zu hindern, auf­ zuhalten. ..'4 Nach wie vor also wurde der scharfe Gegensatz in der Frage des Interventionskrieges zwischen dem Willen der feudalen Spitze und dem der Volks­ massen unterstrichen. Wenn das Verhalten der französischen Truppen einer revolutionär-demokratischen Entwicklung abträglich war und die gemäßigte Opposition daraus Nutzen zog, so ist damit doch nur zu einem Teil begründet, warum die bürgerlich-liberale Be­ wegung in Württemberg nach dem Feldzuge von 1796 eine solche Massenbasis erhalten konnte. Die wesentliche Ursache dafür lag eindeutig in den innerpolitischen Besonderheiten dieses Territorialstaates. Die Existenz einer einflußreichen land­ schaftlichen Vertretung, in der der Adel keinen Sitz hatte, die den absolutistischen Bestrebungen des Landesherrn Widerstand leistete, auch in der alle bewegenden Frage des Friedens mit Frankreich dem allgemeinen Wunsche entsprach und seit langem auf Verhandlungen gedrängt hatte, schien dem Bürgertum und breiten Kreisen des Volkes eine Möglichkeit zu bieten, auch im Rahmen der bestehenden Verfassung begrenzte bürgerlich-liberale Forderungen durchzusetzen. Die verbrei­ tete und von den Landschaftsvertretern mit Eifer genährte Illusion, in der Land­ schaft eine Repräsentation des Volkes zu besitzen, hemmte die Herausbildung einer revolutionär-demokratisch«! Bewegung. Umgekehrt profitierte die bürgerlich­ liberale Bewegung von dieser Illusion, denn sie konnte dadurch leichter die anti­ 1 Ebenda, S. 11 ff. 9 Ebenda, S. 5. 4 Ebenda, S. 7.

1. Die Zeit der Vorbereitung des Landtages

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feudalen Kräfte unter ihrem Banner der Reform zusammenfassen. Weiterhin ist festzustellen: Obwohl die Landschaft alles andere als eine Volksvertretung dar­ stellte, waren ihre Mitglieder doch Bürger. Die städtische Ehrbarkeit Württembergs, die die Deputierten stellte, war nicht so allgemein wie das Patriziat der Reichsstädte abgeschlossen und parasitär. Es bestand also die Möglichkeit, daß vereinzelt auch Vertreter natürlich sehr gemäßigt bürgerlich-liberaler Prinzipien in der Landschaft Fuß faßten. Selbstverständlich befanden sich solche Elemente unter den gewöhn­ lichen Umständen in einer hoffnungslosen Minorität. Ein Agent Frankreichs und genauer Kenner der württembergischen Verhältnisse bestätigte in einer für Bacher angefertigten Denkschrift sowohl die Existenz progressiver Kräfte in der Landschaft wie ihre außerordentliche Schwäche, um jedoch fortzufahren: .. . . nur in dem wirk­ samen Augenblick, wo das Vaterland in höchster Gefahr laut die Hilfe guter und talentierter Männer verlangt, wird diese Minderheit einiges Übergewicht haben. * 8 Mit anderen Worten: Zunehmender Druck von unten vermochte selbst die olig­ archische Landschaft in bescheidenen Grenzen zu einem Instrument der bürger­ lichen Opposition zu machen. Der notwendige zunehmende Druck von unten stellte sich mit dem Einmarsch der Franzosen 1796 ein. Er schwächte sich auch nicht ab nach dem Rückzüge Moreaus, sondern intensivierte sich eher. Die Front der Opposition vom einfachen schwä­ bischen Bauern bis zur Landschaft hatte den Herzog Ludwig Eugen zum Abschluß des Waffenstillstandes und des Friedensvertrages mit Frankreich gezwungen. Die Neutralität war mit hohen Kontributionsverpflichtungen erkauft worden. Trotzdem wagte es Ludwig Eugen auch nach den Siegen des Erzherzogs Karl nicht, von die­ ser Linie abzuweichen und sich wieder völlig der Politik Österreichs unterzuordnen. Er hätte sich der schärfsten Opposition der Stände und des ganzen Landes gegen­ übergesehen, das unsäglich unter der Anwesenheit der kaiserlichen Truppen litt. Dieser Opposition die Stirn zu bieten, wäre ihm nur bei engster Anlehnung an Österreich und damit gleichzeitig auf Kosten der eigenen Selbständigkeit möglich gewesen. Verhandlungen, die der Erbprinz Friedrich in dieser Richtung in Wien führte, wurden gemeinsam von den Ständen und dem Geheimen Rat torpediert.1 Der Herzog brauchte die Stände, um in die durch die Kriegslasten völlig zerrütteten Finanzen wieder Ordnung zu bringen. Er hatte bereits nach Abschluß des Waffen­ stillstandes dem Drängen des landschaftlichen Ausschusses nachgegeben und der Einberufung des Landtages zugestimmt, der seit über 25 Jahren nicht mehr zusam­ mengetreten war und nun über die Verteilung der französischen Kontributions­ lasten beschließen sollte. Ursprünglich war die Eröffnung des Landtags bereits für den 22. September vorgesehen. Ein herzogliches Dekret verschob jedoch mit Rücksicht auf die .fortdauernden nahen Kriegsunruhen' den Termin, bis die not­ wendige .Sicherheit des Vaterlandes von außen eingetreten sein wird', bekräftigte s .Mais la minorité est trop faible et cette opposition resterait illusoire par la majorité des machines votantes, et ce n'est que dans le moment actuel où la patrie en danger demande à grands cris l'assistance des hommes de bien et de talent, que cette minorité aura quelque prépondérance.' Obser, Karl, Zwei Denkschriften..., a. a. O., S. 122. • Hoirie, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 163 ff.

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V. Die bürgerlich-liberale Bewegung in Württemberg

aber zugleich die prinzipielle Zusage, indem es dem Wunsch des größeren Aus­ schusses auf Entlassung entsprach.7 Für die Landschaft bedeutete dies Zugeständnis unter den gegebenen Bedingungen die große Gelegenheit, nicht nur ihre Stellung gegenüber dem Landesherrn zu befestigen, sondern darüber hinaus sich Macht­ befugnisse zu erobern, die bisher allein herzogliche Prärogative waren. Friedrich Eugen versuchte, sich dagegen zu sichern, indem er sich am 22. August an den preu­ ßischen König als einen der Garanten der württembergischen Verfassung wandte und seine Unterstützung gegen mögliche Übergriffe durch die Stände erbat: .Ich verhehle mir nicht, daß im Moment diese fast immer sehr stürmischen Versamm­ lungen die Ruhe meines Landes gefährden können, aber da ich mit Grund fürchte, daß die Vollziehung des Waffenstillstands auf Hindernisse stoßen könnte, wenn ich mich dem gänzlich widersetzte, habe ich ihren Wünschen zugestimmt, und ich meine, daß es nichts zu fürchten geben wird, wenn Eure Majestät gütigst zu den Vorsichts­ maßregeln beitragen wollen, die ich im Augenblick für die öffentliche Sicherheit für nötig halte.' 8 Die viel größere, weil tiefergehende Gefahr für den Bestand der württembergischen Verfassung drohte jedoch gar nicht von der Landschaft selbst sondern vielmehr von der breiten bürgerlich-liberalen Bewegung, die sich, jetzt während der Vor­ bereitungen zum Landtag herausbildete und maßgeblichen Einfluß auf dessen Ver­ handlungen zu nehmen entschlossen war. Es war eine bürgerliche Bewegung, die ihre Spitze gegen die beiden hervorragenden Exponenten des Feudalismus richtete, sowohl gegen die Fürstenherrschaft, die sie konstitutionell beschränken wollte, als auch gegen die Oligarchie der Landschaft, die sie in eine echte Landesrepräsen­ tation zu verwandeln bestrebt war. Es war eine liberale Bewegung, die den revo­ lutionären Weg zu vermeiden und durch Reformen ihr Ziel zu erreichen suchte. Die führende Kraft in dieser Bewegung war das Bürgertum, das sich auf die Zustimmung breitester Kreise des Volkes stützte. Die Aktivität dieser bürgerlich-liberalen Be­ wegung äußerte sich zunächst in einer wahren Flut von Flugschriften, die die gesamte Öffentlichkeit mobilisierte, Die Zahl der Titel ging weit über die hundert hinaus. Hier wurden der Bevölkerung all die Beschwerden und Reformforderungen, deren Beseitigung bzw. Durchführung man von dem künftigen Landtag erwartete, zur Diskussion vorgelegt, das heißt, die breite Öffentlichkeit nahm sich das Recht, den Deliberationen des Landtages zuvorzukommen, ihnen eine bestimmte Richtung vorzuschreiben und auf diese Weise die Ständeversammlung unter Druck zu setzen. 7 Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg im Jahr 1797. Eine offizielle Zeitschrift, herausgegeben von D. Elias Gottfried Steeb. Tübingen u. Stuttgart 1797, H. 1, S. 22/23. 8 .Je ne me cache pas, que dans ce moment-ci ces assemblées presque toujours très orageuses peuvent compromettre la tranquillité de mon pays, mais craignant avec raison, que l'exécution de l'armistice pourrait trouver des entraves, si je m'y opposais absolument, j’ai accédé à leurs désirs et je me persuade, qu'il n'y aura rien à craindre, si Votre Majesté veut bien concourir aux précautions, que je crois dans ce moment nécessaires à la sûreté publique.* DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 16 o, BL 15. Friedrich Eugen bat zu diesem Zweck Harden­ berg als preußischen Gesandten nach Stuttgart zu schicken. Im Antwortschreiben aus Berlin vom 7. September wird mitgeteilt, daß Hardenberg in den fränkischen Fürstentümern unabkömmlich sei. Ebenda, Bl. 16.

1. Die Zeit der Vorbereitung des Landtages

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Schon die Erörterung derartiger Probleme außerhalb des dafür zuständigen Land­ tags war etwas Neues im politischen Leben Württembergs. Neu aber war auch die Schärfe des Tons, in dem sich die antifeudalen Kräfte hier zu Worte meldeten. Neu war vor allem, daß sich das allgemeine Interesse nidit auf die der Kompetenz des Landtags verfassungsrechtlich zugebilligten Gebiete beschränken ließ, sondern sich auch anderen wesentlichen Staatsangelegenheiten zuwandte. «Es hat meine Lands­ leute ein Impetus politicus angewandelt', stellte ein Zeitgenosse fest. *

Die nach dem Wunsche des Herzogs einzige Aufgabe des Landtags bestand darin, über die Kriegslastenverteilung zu befinden und entsprechende Steuern zu bewil­ ligen. Es war eine Frage, die alle anging, denn alle waren als Steuerzahler daran beteiligt Darum auch beschäftigte sich ein großer Teil der Flugschriften mit diesem wichtigen Problem. Den Anfang machte die bereits im August anonym erschienene, einen Bogen starke Schrift «Über das Prinzip der französischen BrandschatzungsRepartition'.1® Ihr Verfasser war der Tübinger Professor der Rechte Johann Christian Majer. Er vertrat folgenden Grundsatz in dieser Frage: «Alles, was mit solchem Lösegeld oder Sühneschilling vom Verderben gerettet worden ist, das wird nun auch zur Aufbringung desselben zu katastrieren und in den dazu erforderlichen Steuerstock zu begreifen sein. Wird davon die ganze Masse zu Kapital angeschla­ gen, so ergibt sich aus der Vergleichung der Brandschatzungssumme mit dem dadurch geretteten Kapital: mit wieviel Prozent Verlust das Kapital von der Plün­ derung freigekauft worden sei. Nach diesen Prozenten muß sich dann jeder mit seinem Anteil, den er an der ganzen Masse hat, besteuern lassen.'11 Der hier formulierte Grundsatz stand in erklärtem Widerspruch zu dem gewöhnlich gehand­ habten Steuersystem, das vor allem die werktätige Bevölkerung belastete, und wurde auch von der Masse der übrigen Flugschriftautoren entschieden verfochten. Der Verfasser der Übersicht «Über die neueste Lage Württembergs', die Pahl in seine «Materialien zur Geschichte des Kriegs in Schwaben im Jahre 1796' aufnahm, stellte nach der Durchsicht von etwa dreißig Druckschriften zu diesem Thema fest: «Der Grundsatz, daß die Kontribution ein vertragsmäßiger Kaufschilling für die Be­ freiung unseres Vermögens von feindlicher Mißhandlung sei - den am Ende alle jene Verfasser annehmen -, hebt den alten tyrannischen Mißbrauch auf, der alle Steuerlasten nur auf den Landmann und seine Besitzungen wälzt, und hat bereits im ganzen Lande die Meinung ausgebreitet, die auch ohne Zweifel geltend gemacht wird, daß die Kontribution nach dem genauesten Verhältnisse auf alles im Staat liegende Vermögen repartiert werden müsse,.. .* 12 Majer hatte es als Zweck seiner Schrift bezeichnet, «Anlaß zu weiteren Diskussionen zu geben', und dabei ins­ besondere an solche Diskussionsteilnehmer gedacht, «die eben nun gerade um ihre Stimmen nicht gefragt werden'.12 * Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., S. 370. 10 (Majer, Johann Christian), Über das Prinzip der französischen Brandschatzungs-Repartition. Tübingen im August 1796. 11 Ebenda, S. 6. 11 Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., S. 110/11. ” (Majer. Johann Christian), a. a. O., S. 16.

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V. Die bürgerlich-liberale Bewegung in Württemberg

Diesen Zweck erfüllte die Schrift in vollem Maße. Auch die Kritik an ihr lieg nicht auf sich warten; nicht eine Kritik, die das Herkommen verteidigte, sondern eine solche, die Majers mangelhafte Konsequenz bei der Anwendung des Prinzips der Vermögenssteuer angriff. Majer hatte nämlich Grund und Boden ebenso wie an­ gelegte Kapitalien von der Katastrierung mit der Begründung ausnehmen wollen, daß diese Art von Vermögen von den Franzosen nicht hätte fortgetragen werden können.14*Ihm antwortete Hofgeriohtsassessor Dr. Danz: «Auch Personen, Grund und Boden, Kapitalien und Besoldungen sind mittelbarerweise durch ein solches Lösegeld vom Verderben gerettet worden und übernehmen daher auch billig bei Entrichtung desselben ihre Quoten.'16 Im entgegengesetzten Falle würde wie üblich wieder dem mittleren Bürger und dem ärmeren Landmanne die Hauptlast aufgebürdet werden. Einzig nachgewiesener Kriegsschaden berechtigte zu einer entsprechenden Minderung der Quote. Nicht der Besitzende, sondern umgekehrt, .wem sein Vermögen nur dürftigen Unterhalt gewährt', sollte von der außerordent­ lichen Abgabe befreit bleiben.18* Dieselbe Auffassung vertrat der Kanzleiadvokat Zeller aus Stuttgart, wobei er warnend feststellte: ^Daß alle Lasten beinahe ganz allein auf der unteren Volksklasse in Frankreich ruhten, hat vorzüglich die Re­ volution bewirkt, und eine ähnliche Art der Erhebung öffentlicher Abgaben ist bei­ nahe im ganzen übrigen Europa. * 17 Der Kammerrat und Hospitalpfleger Kapf aus Stuttgart sagte ganz unverblümt, wen Majers Exemtionen vor allem begünstigten und wen er am wenigsten geschont wissen wollte: .Noch Enden sich anderwärtige Quellen und Beiträge zur Bestreitung der französischen Kontribution. Hierher gehört der Beitrag des Landesherrn und seiner Kammer.' 18 Als Kritiker Majers in der gleichen Richtung traten weiterhin auf: Der Schäfereiverwalter Steeb, der allerdings die Besoldungen vom Beitrag ausgenommen wissen wollte1#, Oberamt­ mann Spittler aus Beilstein 20, Kanzleiadvokat Bunz aus Ludwigsburg 21, Rat Trefz aus Stuttgart, der allein sechs einen Bogen starke Druckschriften zu dieser Frage herausbrachte und insbesondere die geistlichen Institutionen zur Zahlung heran­ 14 Ebenda, S. 11. “ (Danz. Wilhelm August Friedrich), Gedanken über das Prinzip der französischen Brandschatzungs-Repartition. Stuttgart am 1. September 1796, S. 8. 14 Ebenda, S. 11, 13/14. 17 (Zeller, Johann Friedrich). Über die Umlegung feindlicher Kriegsschatzung, Entschädigung der Geplünderten und derer, die durch Heereszüge an Häusern und Gütern Schaden er­ litten haben, auch über die Anlage geflüchteter Güter. Stuttgart 1796, S. 8/9. ia (Kapf, Johann Wilhelm), Materialien zur Erörterung der Frage: Wie kann die französische Kontribution umgelegt werden? Stutttgart 1796, S. 13. ’• Steeb, Johann Heinrich, Vorschlag, wie der durch den bisherigen Krieg verursachte Land­ schaden Württembergs am leichtesten und wenigsten drückend getilgt werden könnte. Tübingen 1796. 20 (Spittler, Heinrich Aaron), Von der Verteilung des Beitrags zu der französischen Kriegs­ kontribution im Herzogtum Württemberg. Stuttgart 1796. 21 (Bunz, Georg Christian Heinrich). Auch ein Wort über die Reparation der an Frankreich zu entrichtenden Kriegskontribution. Stuttgart im September 1796.

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ziehen wollte22, Rentkammerbuchhalter Weckherlin 2S, der Professor der Rechte in Tübingen Christian Gottlieb Gmelin 24, Amtspfleger Visdher aus Altenstaig 25 und ffiihlreiche andere. Kammerrat Kapf stieß in einer zweiten Flugschrift über das engere Problem der Kontributionsaufteilung zur Kritik am geltenden Steuersystem überhaupt vor. «Die württembergische Steuereinrichtung hat beinahe das Alter eines Jahrhunderts erlebt; eine Revision desselben ist unvermeidlich , * stellte er fest.26 Majer, der sich mehrfach mit seinen Kritikern auseinandersetzte27, gab am 1. Ok­ tober 1796 auf. Grund der bis zu diesem Zeitpunkt geäußerten Ansichten folgende Vergleichszahlen: Nur zwei Autoren hatten sich in der Repartitionsfrage für die Benutzung der gewöhnlichen Steuerkataster, allerdings mit zeitweiliger Zuziehung neuer Steuergattungen, ausgesprochen; zwanzig traten für eine vorübergehende besondere Umlage ein, wobei zwei sie auf die unmittelbar vor Plünderungen Bewahrten beschränkten, während achtzehn sie auf sämtliche Vermögen ausdehnen wollten; zwei Verfasser forderten darüber hinaus eine gänzliche Veränderung des bisherigen Steuersystems.38 Diese Aufstellung, obwohl zu einem relativ frühen Zeitpunkt verfaßt, trifft in ihren Proportionen auch auf die Gesamtzahl der zu diesem Thema erschienenen Flugschriften zu. Sie illustriert das Kräfteverhältnis innerhalb der reformatorischen Bewegung: Nur eine verschwindend kleine Mino­ rität war mit geringfügigen Abweichungen vom Herkommen zufrieden; die Masse verlangte ein entschiedenes, allerdings noch auf das vorübergehende Problem der Kontribution beschränktes Abgehen; und abermals nur eine verschwindende Min­ derheit forderte bereits prinzipielle Reformen auf dem gesamten Gebiet des Steuer­ wesens. Die öffentliche Diskussion der Repartitionsfrage veranlaßte viele Flugschrift­ autoren, sich Gedanken über die Quellen des Wohlstands und die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu machen. Indem sie dabei auf feu­ dale Hemmnisse stießen und die Notwendigkeit begründeten, sie zu überwinden, tl (Tteiz, Karl Benjamin), Staatswirtschaftliche Betrachtungen über die Bezahlung feindlicher Kontributionen. Von einem Württemberger in Rücksicht auf sein Vaterland. 6 Stücke. Stutt­ gart 1796. 15 (Weckherlin, Ferdinand August), Der patriotische Württemberger von Umlegung der fran­ zösischen Kriegssteuer. Billig und willig. Stuttgart 1796. 14 (Gmelin, Christian Gottlieb), Was ist bei Verteilung der französischen Brandschatzung und anderer Kriegsschäden den Rechten und der Klugheit gemäß? Tübingen 1796. '* Vischer, Friedrich Ferdinand, Gedanken über die Reparation der französischen Brand­ schatzung in Württemberg. Tübingen, aufgesetzt in der Mitte des Septembers 1796. ta Kapi, Johann Wilhelm, Bemerkungen über die Entstehung und Bildung des württembergischen Steuersystems. Stuttgart 1797, S. SO. 27 Majer, Johann Christian, Rezension der sämtlichen Schriften über das Prinzip der fran­ zösischen Brandschatzungs-Repartition. Tübingen im September 1796. Fortsetzung der Rezension der sämtlichen Schriften über das Prinzip der französischen BrandschatzungsRepartition. Tübingen 1796. 28 Majer, Johann Christian, Stimme eines Württembergers über das Prinzip der französischen Brandschatzungs-Repartition. Verteilungsprinzipien von Brandschatzungen und Kriegsschäden aus zwanzig Flugschriften vorgelegt und geprüft. Tübingen 1796, S. XU.

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formulierten sie Reformforderungen, die an der entscheidenden, der ökonomischen Grundlage der bestehenden Ordnung rüttelten. Steeb beschloß seinen Beitrag mit Vorschlägen zur Förderung der einheimischen Woll- und Leinenindustrie und der Viehzucht. Trefz widmete das fünfte und sechste Stück seiner .Staatswirtschaftlichen Betrachtungen über die Bezahlung feindlicher Kontributionen * ganz der Industrie und Landwirtschaft. Er konstatierte: .Den Feldbau wie die Gewerbe muß man, wenn beides zum Wohl des Staates recht gut gedeihen soll, nicht beherrschen, sondern nur leiten. Und hierzu ist wohl das einfachste und beste Mittel, die Hindernisse wegzuräumen, welche der möglichen Vervollkommnung im Wege stehen, und die Mittel zu zeigen, wodurch er verbessert werden kann. * 28 Als ein solches Mittel propagierte er den Futteranbau auf der Brache, der in jeder Weise gefördert wer­ den müsse, unter anderem durch die Abschaffung des Zehnten von den so gewon­ nenen Produkten. .Lieber baut der Bauer solche nicht, als daß er die Pfarrmagd auf seinem Acker herumwaten und die beste Stelle abgrasen sieht. * 30 In einer Druck­ schrift vom Februar 1797 setzte sich Parrot außerdem für die Aufteilung und Bebauung der Allmenden, für die Reduzierung der vielen Feiertage ein und warf die Frage der Leibeigenschaft und des Besitzrechtes auf: .Einein der vorliegenden allgemeinen Rücksicht nicht gleichgültige Frage wäre die, wie die Befreiung von der Leibeigenschaft und den Leibeigenschaftsgebühren und wie überhaupt der freie Besitz der verschiedenen Hub-, Sold-, Wittum-, Fall- und Gnadenlehen usw. ohne Nachteil für die Herrschaft, das Kirchengut und die pia corpora befördert werden könnten. Es ist schon längst erwiesen, und die Rentkammer ist vollkommen überzeugt, daß dieser eingeschränkte Besitz dem Wohlstände überhaupt und der Landwirtschaft insbesondere sehr schädlich sei. Manche allgemeine Einrichtungen und Anstalten werden dadurch in ihrem Fortgang gehindert, und dieses Über­ bleibsel der alten Zeiten widerspricht der Aufklärung des zu Ende gehenden acht­ zehnten Jahrhunderts.' 31 Wie in der Landwirtschaft sollten auch im Gewerbe be­ stimmte feudale Fesseln gesprengt werden: .Die Abschaffung mancher die Industrie tötenden Verordnungen und Einrichtungen der Zünfte macht schon lange einen der sehnlichsten Wünsche der arbeitsamen Klassen aus.'32 Die Frage, wie die französische Kontribution verteilt werden sollte, bewegte als erste die öffentliche Meinung. Noch in der ersten Septemberhälfte erschien eine Flugschrift, die bereits einen Monat später eine zweite Auflage erlebte und von deren Verfasser der Herausgeber der neuen Auflage behauptete: .Dieser Mann war der erste, der vor das Publikum trat und unverhohlen sagte, der Landtag hätte noch weit wichtigere Dinge abzumachen als bloß die Reparütion der Landsteuer.' 33 Die** ** (Tietz, Karl Benjamin), a. a. O., 6. Stück, S. 7. 10 Ebenda, S. 12. 31 (Parrot, Johann Leonhard), Theoretische und praktische Abhandlung über die Art, wie die französische Kriegskontribution ungelegt, und über die Mittel, wie einige Zweige der Staats­ wirtschaft im Herzogtum Württemberg zu einer größeren Vollkommenheit gebracht werden könnten. Stuttgart im Februar 1797, S. 75. 31 Ebenda, S. 87. 33 Über den bevorstehenden Landtag auf den 22. September 1796 von einem württembergischen Bürger nebst einem Schreiben des Herausgebers an den Verleger. Frankfurt u. Leipzig 1796, 2. Auf!., S. 3.

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französische Kontribution war eine vorübergehende Belastung; wenn auch bei ihrer Aufteilung neue Prinzipien angewendet würden, so bliebe das doch ebenfalls nur ein vorübergehender Erfolg. Es war aber nach Meinung des Verfassers an der Zeit, durch den Landtag Grundübel zu beheben. Bei einer solchen Zielsetzung drängte sich notwendig eine ganz andere Frage in den Vordergrund: «Die erste Frage ist natürlich, wie man es wohl angreifen solle, um den Landtag mit tüchtigen Man­ datarien zu beschicken.'34 Von der Zusammensetzung der Versammlung hing es wesentlich ab, ob sie sich an die Ausmerzung bestehender Grundübel machen würde oder nicht. Der Verfasser unterschied unter den zur Wahl von Landtagsdeputierten berechtigten Ständen drei Richtungen. Die eine ¿Richtung befand sich ganz im Fahrwasser der landschaftlichen Ausschüsse, betrachtete den Landtag als eine for­ male Angelegenheit und dachte an keinerlei Veränderung: »Man wind also auch bei diesem Landtag eine sonderbare Gruppe von Männern beieinander versammelt dasitzen und ratschlagen sehen; denn ein sprachloses Kopfknicken wird alles sein, was derlei Herren Stellvertreter bei dem Umfragen und Sammeln der Stimmen aus­ zeichnen wird.' 35 Eine andere Richtung dagegen sah in den derzeitigen Ausschuß­ mitgliedern keineswegs die berufenen Sprecher. Um sich ihnen gegenüber durch­ zusetzen, sollten die Stände die hervorragendsten Männer zu Deputierten wählen, die nur die eine Bedingung zu erfüllen hatten, württembergische Untertanen und Bürger einer Munizipalität zu sein. Um wirklich nur die besten zu schicken, sollten die Stände nicht in jedem Falle eigene Abgeordnete wählen, sondern auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, anderen Gewählten ihre Vollmachten zu übertragen. Zwölf ausgezeichnete Deputierte wären mehr als 58 mittelmäßige. Die dritte Rich­ tung, der auch der Beifall des Verfassers gehörte und die er die .behutsame' nannte, verfolgte dasselbe Ziel, aber auf anderem Wege: Jeder Stand sollte dem Herkommen gemäß einen Magistratsangehöngen als Vertreter entsenden, ihm jedoch eine bin­ dende detaillierte Instruktion mitgeben; weiterhin sollte der so zusammengesetzte Landtag die Ausschußmitglieder sofort nach Hause schicken und die Leitung der Landtagsarbeiten selbst in die Hand nehmen. Folgenden Gegenständen mußte der Landtag sein Hauptaugenmerk widmen: Entfernung der vielen Adligen aus den zivilen und militärischen Stellen; Verbesserung der Besoldungen für die Masse der Staatsdiener; Fragen der Miliz und des regulären Militärs,- Abschaffung der Selbst­ ersetzung der Ausschüsse; Einführung einer jährlichen Rechnungslegung über die landschaftlichen Gelder vor den Ständen; Untersuchung der Praktiken der Rentkammer,- Beseitigung des Despotismus und Nepotismus bei der Ämterbesetzung.

Das alles waren Ziele, die den Rahmen der feudalen Gesellschaftsordnung noch keineswegs sprengten, aber doch schon scharfe Kritik an der herkömmlichen poli­ tischen Ordnung übten. Die dem Landtag gestellten Aufgaben richteten ihre Spitze eindeutig gegen die unumschränkte politische Macht der Zentralgewalt und der ständischen Oligarchie, der beiden Exponenten der herrschenden Feudalklasse. Nur 34 Ebenda, S. 10. “ Ebenda, S. 11.

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scheinbar blieb der Verfasser auch in den Kampfmitteln im Rahmen der verfassungs­ rechtlichen Möglichkeiten, wenn er die »behutsame' Lösung bevorzugte. Obwohl nach seinem eigenen Eingeständnis die Majorität der Landstände Veränderungen abgeneigt war, konnte er sich für diesen Weg entscheiden, weil er einen durch und durch unverfassungsmäßigen Faktor einbezog, den massiven Druck von unten: «Allein, man darf zehn gegen eines wetten, daß es bei diesen Leuten nur auf einen Stofj von äugen ankommt, so schließen sie sich allmählich an ihre mutvolleren Mit­ landstände an,..." 36 Für einen zunehmenden Druck von unten sorgte die Fülle von Flugschriften, die die öffentliche Meinung mobilisierten und immer radikalere Töne anschlugen. Einen ganz entschiedenen Bruch mit dem Herkommen vollzog der Kanzleiadvokat Karl Friedrich Dizinger in seiner Schrift «Deduktion des Besteuerungsrechts der deutschen Fürsten' 37. Er lehnte die Observanz als Quelle des Verfassungsrechts überhaupt ab und anerkannte ausschließlich die auf Vernunft begründeten «Prin­ zipien des reinen Rechts * als solche. Nicht aus göttlicher Gnade, nicht aus uralten Privilegien sind die Vollmachten der Regenten abzuleiten, sie sind vielmehr das Ergebnis des Unterwerfung«Vertrages aller, der auf dem die Gesellschaft begrün­ denden Vernunftvertrag aufbaut Der Inhalt des Unterwerfungsvertrags besteht darin, daß sich die Gesellschaft eine staatliche Ordnung gibt und damit dem im Naturzustand herrschenden Krieg aller gegen alle ein Ende bereitet. Der Regent übt seine Vollmachten also auf Grund des Willens aller aus. «Das Staatsoberhaupt hat aber auch die Pflicht, seine Handlungen seinen eigenen Gesetzen gemäß einzurich­ ten.' Die Gesetze «müssen also alle Glieder des Staates ohne Ausnahme und dem­ nach auch das Staatsoberhaupt verbinden, weil sonst, wenn nur einer ausgenommen wäre, die Rechte und das Eigentum der anderen nicht sicher wären'.38 Der Wille aller, der im Interesse aller das Staatsoberhaupt mit besonderen Vollmachten aus­ stattete, ist darum berufen, Pflichtverletzungen des Staatsoberhauptes zu verhindern: «Es muß also notwendigerweise,... wenn das Staatsoberhaupt als Glied des Staates die Rechte und das Eigentum der übrigen verletzt und seine Pflichten nicht freiwillig erfüllt, um den Staat zu erhalten, das ihm übertragene Recht insoweit wieder auf alle zurückfallen, daß die alle oder, weil dieses nicht möglich ist, ihre Stellvertreter das­ selbe durch die zweckmäßigsten Mittel anhalten können, seine Pflichten zu erfüllen und die Rechte der übrigen Staatsglieder nicht zu verletzen.'39 Dizingers Lehrmeister war Rousseau, dessen Ideen in den französischen Jakobinern die leidenschaftlichsten und konsequentesten Anhänger gefunden hatten. Dizinger war kein Jakobiner; er wollte das bestehende politische System durch Reformen so ” Ebenda, S. 15. 87 (Dizinger, Carl Friedrich), Deduktion des Besteuerungsrechts der deutschen Fürsten und Beantwortung der Frage: Wann, wie, und auf welche Glieder der einzelnen deutschen Staaten sind die denselben von der französischen Nation auferlegten Kontributionen rechtmäßig umzulegen? Nebst einem Anhang über einige wichtige staatswirtschaftliche Gegenstände. Stuttgart 1796. « Ebenda, S. 27. Ebenda, S. 29.

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verändern, daß es seiner Theorie entsprach; er negierte die Möglichkeit, daß sich der allgemeine Wille unmittelbar äußerte. Aber die logische Konsequenz dieser auf der volonté générale basierenden Theorie führte ihn doch zu reformatorischen Forderungen, die ganz entschieden antifeudal waren und auch bereits demokratische Elemente enthielten: «Jeder deutsche Regent muß demnach seinen Pflichten gemäß sich aller widerrechtlichen Eingriffe in die Redite und das Eigentum jedes einzelnen enthalten und muß, wenn von ihm oder seinen Vorfahren dergleichen geschehen sind, selbige wieder freiwillig aufheben, oder aber muß er sich gefallen lassen, von den Stellvertretern aller (Landstände, größerer Rat) dazu angehalten zu wer­ den.'40 Dizinger dachte dabei an verschiedene Steuern, die nur auf einzelnen Schichten lasteten, an die Monopole, die nur einzelne bereicherten, an all die Gelder, die der Fürst für Luxusbauten, Hofschranzen, Vergnügungen, überflüssiges Militär verschwendete und so dem eigentlichen Staatszweck entzog. Für die Zukunft ver­ langte er öffentliche Rechnungslegung über alle Staatseinnahmen und -ausgaben und ebenso öffentliche Verhandlungen der Landtage zur Kontrolle durch die, die sie vertraten, durch das Völk. In die Reihe dieser Flugschriften, die die Notwendigkeit betonten, über die Regelung der Kontributionsverteilung hinaus sich an die Lösung anderer und bedeutenderer Fragen zu wagen, gehörte auch Streims bereits erwähnter Traktat «Der Eremit Kaphta an die Bürger Württembergs und Schwabens . * 41 Der Autor ging dabei von der prinzipiellen Auffassung aus, daß alles einem Wechsel unterworfen wäre: .Mit jedem Zeitalter wechselt der Geschmack. Diesem Wechsel ist jede Meinung, jedes System, jede Weisheit, jede Torheit, jede Wahrheit, die Tugend selbst unterworfen. Sollte etwa eine Regierungsverfassung von diesem Wechsel allein ausgeschlossen * sein? 42 Allerdings sah «Kaphta * bewußt davon ab, von dieser Grundauffassung her ein Gesamtbild der dem Zeitalter entsprechenden Verfassung zu entwickeln,- er begnügte sich mit einigen Winken, .wie ihr euren wirklichen Zustand nicht nur den Umständen nach, sondern dem Geschmack des Zeitalters etwas gemäß verbessern könntet'.43 Eine solche Selbstbeschränkung war Halbheit; sie war verbunden mit einer, wenn auch nicht grundsätzlichen, so doch faktischen Anerkennung der ge­ gebenen Verfassung, die eben nur .etwas' verbessert werden sollte. Man gewinnt bei der Lektüre den Eindruck, als ob sich ein Demokrat hier selbst Zügel angelegt habe, um den Rahmen der bürgerlich-liberalen Bewegung nicht zu sprengen und in ihr wirken zu können. Auch seine mehrfachen Beteuerungen, unbedingter Gegner des Aufruhrs zu 6ein, können diesen Eindruck nicht abschwächen, sondern bestärken durch ihre übertriebene Ausdrucksweise eher diesen Verdacht.44 In der Frage der 44 41 42 44 44

Ebenda, S. 34/35. Vgl. S. 293. (Streim, Friedrich), Der Eremit Kaphta..., a. a. O., S. 14. Ebenda, S. 22. .... ich setze voraus, daß ich mit Menschen rede, die ... zu einem Aufruhr so wenig die Hand bieten werden als ich zur allgemeinen Vergiftung eines Orts.' Ebenda, S. 21. Oder: .Vor dem Angesichte des allmächtigen Gottes schwöre ich es. daß ich jeden mit eigener Hand ermorden würde, der Aufruhr predigte,...' Ebenda, S. 22.

21 Süddeutsche Jakobiner

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Kontributionsverteilung vertrat .Kaphta' selbstverständlich die Meinung, daß jeder ohne Ausnahme und entsprechend seinem Vermögen herangezogen werden sollte ; vom Fürsten als dem »ersten Bürger des Staates * erwartete er, dafj er sich ganz oben an den Kopf der Liste setzte. Ebenso wollte er Ausländer und Adlige aus allen Ämtern entfernt wissen. Das stehende Heer bezeichnete er als »überflüssig, kost­ spielig und nachteilig' und wollte die Landesverteidigung ganz dem bewaffneten Volk übertragen. Er forderte die Abschaffung der Naturalbesoldung, weil sie den Preiswucher begünstigte, trat aber dafür um so entschiedener für eine angemessene Bezahlung der im Staatsdienst Tätigen ein. Insbesondere der Schulstand, der .ver­ dienteste', aber am schlechtesten bezahlte, lag ihm am Herzen; hier war allerdings nicht nur die Besoldung, sondern auch die Auswahl der Schulmeister gründlich zu verbessern. »Kaphta' empörte sich gegen die Mißachtung des Volkes, die darin zum Ausdruck kam, daß der Unterricht häufig völlig unzureichenden Kräften anvertraut wurde. Als Beispiel führte er einen ausgedienten Husaren an, der auf diese Weise zu einer Versorgung gekommen war; «Er flucht, säuft und prügelt wie - ein Husar. Vielleicht, daß er als solcher verdiente, Rittmeister zu sein, aber als Schulmann verdient er nichts mehr als - den Ofen einzuheizen und den Boden zu fegen. * 45 Über die Wahl der Landtagsdeputierten äußerte sich »Kaphta * nicht direkt, weil offensichtlich diese Frage einer größeren untergeordnet war. In dem Moment näm­ lich, Wo die Magistrate nicht mehr selbstherrlich schalteten und walteten, sondern wirklich vom Vertrauen des Volkes getragen waren, bereitete die Wahl der Land­ tagsmitglieder keine Schwierigkeiten mehr. Tiefer als andere vor ihm und entschie­ den demokratischer konzentrierte er das Feuer seiner Kritik auf die örtlichen Obrigkeiten: .Mancher Bube, der im Herzen nichts Gutes will und im Kopf die Kräfte nicht hat, es auszusinnen, ist euch als obrigkeitliche Person hingesetzt zur Geißel, zur Zuchtrute, nicht als Vater, und mancher brave Biedermann steckt in einem Winkel, und die Fähigkeiten seines Kopfes wie die Schönheiten seines Her­ zens sind deswegen verachtet, werden deswegen nicht vom Staate benutzt, weil ihr ihn nicht, sondern euer Magistrat ihn wählt, der nur zu gerne Männer scheut, die, im Heiligtume der Wahrheit eingeweiht, solche als echte Söhne derselben ohne Scheu überall verkünden; euer Magistrat, der hie und da Vettern und Schwäger hat, die er gerne teils versorgen, teils mit in sein Interesse ziehen will, um einerseits Familiensaahen zu begünstigen und andererseits dem (wie sie es nennen) Räsonnie­ ren des Pöbels und Beurteilen ihrer schlimmen und unklugen Handlungen vor­ beugen zu können.' 46 Aus dieser Kritik ergab sich folgerichtig die echt demo­ kratische Forderung: »Bei den Wahlen eurer obrigkeitlichen Personen seid auf­ merksamer und trachtet dahin, es von euren Fürsten dahin zu bringen, daß ihr, das gesamte Volk, sie wählen und, wenn es die Umstände erfordern, wieder absetzen könnt.' 47 JCaphta' begriff, daß das Problem der Volksrepräsentation nicht durch Winkelzüge oder einige Veränderungen bei den Wahlen zum Landtag zu lösen war. 45 Ebenda, S. 25. « Ebenda, S. 20/21. 47 Ebenda, S. 20.

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sondern an der Basis angepackt werden mußte. Er begriff auch, daß er dabei sehr weit ging: .Wahr ist, daß dieser mein Vorschlag aufrührerisch klingt/ 48

Das eine Anliegen der zuletzt genannten Flugschriften, nämlich die Aufmerksam­ keit der öffentlichen Meinung auch auf andere, wichtigere Gegenstände als die Kontributionsverteilung zu lenken, wurde unbedingt erreicht. Der Kanzleiadvokat Schott stellte in seiner vom Oktober datierten Flugschrift fest: .Die Frage: Wie soll die französische Kontribution verteilt werden? ist durch die verdrängen worden: Wer kann zum Landtag abgeordnet werden? Beinahe überall, in öffentlichen und Privatzirkeln, ist nur ein Gegenstand des Gesprächs.' 48 Wie es in jenem Traktat entwickelt worden war, der als erster über das Repartitionsproblem hinauswies, hatte folgerichtig im Streit der Meinungen die Zusammensetzung des Landtags die zentrale Bedeutung erhalten. Dizinger hatte unmittelbar auf seine erste Schrift eine zweite folgen lassen, die auf jener aufbaute und entsprechend den dort dargelegten Prinzipien des Vernunft­ rechts zu dem neuen zentralen Problem Stellung nahm.50 Unter ausdrücklicher Be­ rufung auf die in seiner .Deduktion' formulierten Erkenntnis, daß bei Pflicht­ verletzungen des Staatsoberhauptes das ihm übertragene Recht wieder auf alle zurückfällt, antwortete er auf die von ihm selbst gestellten Fragen knapp und präzise: .Nicht also auf der Gnade des Fürsten, wie einige Schmeichler derselben zu beweisen vergebens versuchten; nicht auf schwankendem Herkommen, das als ein schwacher Damm so leicht durchstochen werden kann,- nicht auf oft mit schwe­ rem Gelde erkauften Handfesten, die man höchstens als Privilegien behandelte, welche nicht nur auf das strengste ausgelegt werden mußten, sondern die auch wohl widerrufen werden konnten, beruht die Landsiandschaft, sondern sie ist wie der Staat gegründet auf Vernunft - also notwendig. Ebensowenig kann es auch ab­ hängen von der Willkür der Fürsten, wann die Landstände, die Stellvertreter aller, zusammenkommen sollen... Ebenso kann es von keines anderen, sondern bloß von dem Willen desjenigen Volks, zu dessen Zeit die widerrechtlichen Handlungen seines Fürsten oder seiner Räte es notwendig machen, das auf dasselbe zurück­ gefallene Recht auszuüben, abhängen, wem es die Vollziehung desselben überlassen will.'51 Dizinger räumte ein, daß in der Vergangenheit Prälaten und Mitglieder der städtischen Obrigkeit durchaus geeignete Vertreter aller gewesen sein mochten. Im Lauf der Zeit jedoch wurden sie bestochen, so daß sie nun nur noch ihre Privat• Ebenda, S. 21. u (Schott. Karl August Heinrich), Meine Meinung über die Fragen: Was ist in Absicht der Beschreibung der Deputierten zu den Landtagen dem Gesetz und dem Herkommen gemäß? Ist die gesetzliche Bestimmung mit dem Landesrepräsentationsrechte wesentlich verbunden? Was erheischen Billigkeit und die gegenwärtigen Zeitumstände? Frankfurt u. Leipzig 1796, S. 1. 40 (Dizinger, Carl Friedrich), Beiträge zur Beantwortung der Fragen: Worauf gründet sich die Landstandschaft? Hängt es von der Willkür des Fürsten ab, wann die Landstände, die Reprä­ sentanten seines Volks, zusammenkommen sollen oder nicht? und besonders der Frage: Konnte durch ihre Voreltern den Gliedern der einzelnen deutschen Staaten das Recht, ihre Repräsentanten selbst zu wählen, entzogen werden oder nicht? Rostock 1796. 51 Ebenda, S. 8 ff. 21*

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interessen verfolgten. Für die große Masse des Volkes waren die Verhältnisse un­ erträglich geworden: Während Tausende aus Mangel an Nahrung auswandern muß­ ten oder auch als Soldaten an fremde Fürsten verkauft wurden, besetzten Ausländer die einträglichsten Ämter; während Manufakturgründungen wegen ungenügender finanzieller Unterstützung scheiterten, flössen Unsummen für entbehrliche Importe aus dem Lande; während der Bauer oft nicht satt zu essen hatte, mästete sich das sorgsam gehegte Wild auf seinen Feldern. .Und ungeachtet dieses Drucks und dieser Ungerechtigkeiten sehen wir die Landstände, die Stellvertreter des Volks, gleich­ gültig und ruhig. * 52 Zwei Giundübel waren nach Dizinger für die Unwirksamkeit dieser Volksrepräsentation — denn als solche sollten und wollten die Landstände betrachtet werden - verantwortlich zu machen: Erstens das Unverhältnismäßige der Repräsentation, das einem Prälaten, der keinen Grunduntertanen besaß und darum auch keinen repräsentierte, und einem Stadtdeputierten, der für einige tau­ send Einwohner sprach, die gleiche Stimme gab. »Dann aber zweitens: Was für Männer sind denn das, die auf dem Landtage erscheinen? Keine von dem Volke gewählten Personen, sondern Prälaten und Schultheißen oder Bürgermeister der Städte, die ihre Stellen mehrenteils der Gnade des Fürsten verdanken,...' M Dem Einwand, daß sich seit altem her der Landtag nur aus diesen Kreisen rekrutierte, begegnete Dizinger mit der geradezu revolutionär-demokratischen Feststellung: .Wer hat die Verträge mit den Fürsten geschlossen, worin bestimmt wurde, daß nur allein die Ritter, die Prälaten und die Verwandten des Gerichts oder Rats auf den Landtagen erscheinen sollen? - das Volk nicht!!’ 54 Dizinger hatte sich mit dieser Schrift die Aufgabe gestellt zu zeigen, .wie die allenfallsigen Fehler und Mängel der bestehenden Staatsverfassungen am besten ver­ bessert und wie den Revolutionen auf die beste Art vorgebeugt werden kann'.55 Seine konkreten Vorschläge jedoch hielten sich keineswegs in den bescheidenen Grenzen, die er in dieser programmatischen Erklärung andeutete. Der Landtag, wie er ihn forderte, hatte auch nicht mehr eine entfernte Ähnlichkeit mit der bestehen­ den ständischen Einrichtung, wohl aber ähnelte er dem französischen Konvent. Das aktive wie das passive Wahlrecht sollte allen Bürgern gehören, und die Zahl der Deputierten war nach der Summe der zu repräsentierenden Einwohner des Landes zu bestimmen; über den Wahlmodus selbst vermied er zwar nähere Angaben und beschränkte sich in einer Anmerkung auf einen allgemeinen Hinweis, aber auch dieser ließ das französische Vorbild erkennen: .Die beste Art und Weise hier anzugeben, wie die Repräsentanten des Volkes zu wählen, liegt außer dem Plane dieser Schrift. Griechenland, Rom, England, Frankreich u. dgl. können uns hier am besten belehren; man nehme von ihnen das beste. * 56 Mit einem solchen Landtag, einer wirklichen Repräsentation des Willens aller, wäre in der Tat ein Instrument et 53 M » M

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S. S.

20. 23. 24/25. 3. 26 Anm.

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geschaffen, um grundlegende Veränderungen durchzusetzen; er würde .sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben, sondern sich mit Hauptsachen beschäftigen'.117 Im Gegensatz zu Dizinger, der seine staatsrechtlichen Auffassungen kompromißlos aus den Prinzipien der Vernunft ableitete und darum auch in der Frage des Land­ tags sich zumindest theoretisch gründlich vom Hergebrachten löste, nahm die Masse der anderen Flugschriftenverfasser eine mehr vermittelnde Stellung ein. Allerdings unterschied sich diese Mittlerstellung immer noch grundsätzlich von der eines Spittler, des Göttinger Professors, den der Herzog zur Verstärkung des Geheimen Rats nach Stuttgart berufen hatte. Spittler, der auch mit einer Flugschrift an die Öffentlichkeit trat, ging es in erster Linie um die Erhaltung der althergebrachten Verfassung; wenn er in verschiedenen Punkten den Forderungen des Tages ent­ sprach, so waren das Zugeständnisse.38 Für die Masse der übrigen Autoren dagegen waren diese .Zugeständnisse * das Wesentliche. Dies gilt es im Auge zu behalten, auch wenn ihre Mittlerstellung sie notwendig zur Inkonsequenz zwang. Als Beispiel kann Jakob Friedrich Märklin aus Stuttgart dienen, der im September seine jGedanken über die Wahl der Abgeordneten zum württembergischen Landtage' ver­ öffentlichte." In der Vorrede sprach er vom sichtbar gesunkenen Ansehen des Herkommens, so daß .man selbst unter dem größeren Teile des Volks die Frage nicht selten hört, ob denn das, was einmal herkömmlich ist, auch so sein müsse'.80 Die Darstellung selbst aber begann er mit einem einzigartigen Lob der württem­ bergischen Verfassung, das ihm den Weg zu einer gründlichen Kritik versperrte: .Wir haben eine Landesverfassung, so gut, wie sie wenige Völker haben, und besser, als sie keines der an uns grenzenden deutschen Länder hat.' 81 Auch er behauptete das unbedingte Recht der Bürger, vertrauenswürdige Männer aus ihrer Mitte zu Deputierten zu wählen, gleichgültig ob sie Magistratsmitglieder waren oder nicht. Die Begründung leitete er jedoch nicht in erster Linie aus bürgerlichen verfassungs­ rechtlichen Erwägungen ab, sondern aus der gegebenen württembergischen Ver­ fassung selbst. Natürlich war eine solche Beweisführung nicht möglich, ohne den gültigen Dokumenten einen Sinn unterzulegen, den sie nicht hatten, und entspre­ chend gering war ihre Überzeugungskraft. Märklin war also schließlich doch gezwungen, darüber hinauszugehen und wesentliche Teile der württembergischen Verfassung grundsätzlich in Frage zu stellen: »Bürgert Es ist herkömmlich, daß die Abgeordneten zum Landtag von Gericht und Rat mit Zuziehung der Amtsschult­ heißen gewählt werden. Es ist herkömmlich - ist es darum auch rechtlich not­ * wendig? 82 Da die Landtagsabgeordneten im Namen aller Bürger berieten und beschlossen, war es selbstverständlich .rechtmäßig und im bürgerlichen Leben auch üblich, daß derjenige, von welchem ein anderer abgeordnet wird, seinen Abgeord»7 Ebenda, S. 27. ” Hoirie, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 180/81. ” (Märklin, Jakob Friedrich), Gedanken über die Wahl der Abgeordneten zum württem­ bergischen Landtage, o. O. im September 1796. M Ebenda, S. 3. « Ebenda, S. 5. •* Ebenda, S. 10.

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neten auch selbst wähle,..Sofort aber drängte in diese Überlegung, die das feudale Herkommen überwunden zu haben schien, die eben nur scheinbar über­ wundene alte Vorstellungswelt mit der Frage: .Aber habt ihr nicht vielleicht dieses Recht der Wahl euren Gerichten auf immer übertragen?' Die Antwort zeigte die­ selbe Zwiespältigkeit. Einerseits argumentierte Märklin als bürgerlicher Vernunft­ rechtler, indem er aus der Möglichkeit der Übertragung auch die Möglichkeit der Zurücknahme folgerte, »weil Rechte, welohe auf eines jeden Person beruhen, einem anderen nie ganz eigen werden können . * Mit seinem Hauptargument aber bewegte sich Märklin wieder ganz in den Bahnen feudal-juristischer Federfuchserei: .Ich frage nur: Wann habt ihr euch dieses Rechts der eigenen Wahl eurer Ab­ geordneten ausdrücklich auf immer begeben? - Wenn man euch das nicht sagen kann, so ist es noch euer, und ihr tretet in den vollen Besitz desselben, sobald ihr anfangt, es auszuüben.' 88 Ähnlich führte Märklin seinen Angriff gegen die andere wesentliche Seite des Herkommens bei der Landtagswahl: .Es ist herkömmlich (doch das nicht ohne alle Ausnahme), daß die Abgeordneten zum Landtage aus der Mitte der Gemeindevorsteher selbst gewählt werden. Ist es aber auch in allen Fällen notwendig? Ist es in allen Fällen klug?' 84 Die Antwort operierte schon gar nicht mehr mit vernunftrechtlichen Argumenten, sondern ausschließlich mit Gründen der Billigkeit, dem sogenannten gesunden Menschenverstand. Der mangelhaften Kon­ sequenz in der theoretischen Beweisführung entsprach der praktische Rat, den Märklin den Württembergern gab; statt das feudale Herkommen zu überwinden, sollten sie sich an ihm vorbeidrücken: Die Eignung sollte das einzige Kriterium bei der Wahl der Landtagsdeputierten sein, .und, wenn man strenge über den Buch­ staben mit euch rechten und keinen für einen Abgeordneten gelten lassen wollte, der nicht Mitglied eines Gerichts oder Rats ist, was hindert euch, in diesem Fall einen solchen Mann zugleich in euer Gericht oder (euren - H. S.) Rat aufzunehmen? Es muß ein braver Mann sein, sonst hättet ihr ihn nicht zu eurem Abgeordneten zum Landtage gewählt; - wird er nicht auch außerdem eurem Gericht und Rat, wenig­ stens als Ehrenmitglied, gut anstehen? * 85 Der Kanzleiadvokat Zeller aus Stuttgart steuerte in seiner Flugschrift .An die Wäh­ ler der Deputierten zum nahen Landtag' noch weniger als Märklin auf prinzipielle Veränderungen der württembergischen Verfassung hin: .Verdammt sei jeder in Württemberg, in dessen Kopf Revolutionsideen spuken; schön und fest ist das Gebäude der württembergischen Staatsverfassung; allein in jedem Gebäude sind Reparationen nötig; wer nie nach seinem Haus durch Sachkundige sehen läßt, wird das Eindringen des Regens und Winds bald zur Folge haben. * 88 Zeller hatte schon in seiner Schrift über die Kontributionsverteilung warnend auf das Beispiel der Französischen Revolution verwiesen; rechtzeitige Lehren aus diesem Ereignis sollten 88 ** « M

Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 12. Ebenda, S. 13/14. (Zeller. Johann Friedrich), An die Wähler der Deputierten zum nahen Landtag in Württem­ berg. Frankfurt u. Leipzig 1796. S. 11.

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ähnliches in Württemberg vermeiden helfen.67 In bezug auf den Landtag war Zeller darum überzeugt, daß er keine Versammlung Privilegierter, sondern eine wirkliche Volksrepräsentation sein müsse. Er forderte die Wahl befähigter Deputierter, gleich­ gültig, ob sie dem Magistrat bisher angehört hatten oder nicht, durch sämtliche württembergische Bürger. Er glaubte jedoch, diese Forderung im wesentlichen aus den geltenden Bestimmungen ableiten zu können, und wo das offensichtlich völlig unmöglich war, da gab er die Forderung preis. Die vierzehn Prälaten erschienen als Deputierte kraft ihrer Würde, nicht kraft ihrer Wahl durch die Einwohner der Klosterorte, und Zeller fand sich damit ab. Für die gewählten Deputierten, soweit sie nicht Magistratsmitglieder waren, schlug er wie Märklin ihre gleichzeitige Auf­ nahme als Gerichts- oder Ratsverwandte vor. Um der Mißwirtschaft der Ausschüsse zu begegnen, riet Zeller ebenfalls nur eine konsequente Anwendung der in der landschaftlichen Verfassung gegebenen Möglichkeiten an. Der zusammengetretene Landtag sollte die gewöhnlich nur der Form halber angebotene Niederlegung der Funktionen durch die Ausschüsse diesmal annehmen und auf Rechnungslegung bestehen.68 So wenig konsequent im Sinne der bürgerlichen Ideologie die Ausführungen Zellers, Märklins und anderer auch waren, so hatten sie doch den gewaltigen Vorteil für sich, daß sie in unmittelbare, auf die gegebene Situation zugeschnittene praktische Vorschläge ausmündeten. Da durch herzogliches Generalreskript vom 4. September zur Wahl der Landtagsdeputierten aufgefordert worden war, genügten keine all­ gemeinen Feststellungen, auch wenn sie frei von Zugeständnissen an das Her­ kommen waren. Die Opposition mußte wissen, wie die nächsten konkreten Schritte aussehen sollten. Die kühnsten Städte und Ämter gingen bereits zur Tat über, allen voran Nagold, das in seinem Stadtschreiber Ludwig Hofacker einen fähigen und entschlossenen Sprecher der Reformbewegung besaß. Der Magistrat von Nagold ergriff die Initiative und lud durch ein Rundschreiben vom 10. September andere Städte und Ämter des Oberlandes zu einer Konferenz ein, auf der Einmütigkeit über den Wahlmodus im Sinne des freien passiven Wahlrechtes zum Landtag erzielt werden sollte. Darüber hinaus war beabsichtigt, -das noch besonders zu notieren, was in das allgemeine Cahier eingetragen werden soll', also eine gemeinsame Be­ schwerdeliste zusammenzustellen, um sie den künftigen Landtagsdeputierten als Instruktion mit auf den Weg zu geben.61 Daß die entschlossensten Köpfe im Ober­ land alle Anstrengungen unternahmen, um auch andere württembergische Gebiete in die Bewegung einzubeziehen, beweist ein Brief Hofackers an den Stadtschreiber des hoch im Norden gelegenen Beilstein. Hofacker versicherte ihn der eigenen Entschlossenheit, teilte ihm die Liste der vom Landtag durchzusetzenden Forderun­ gen mit und rief ihn auf, in diesem Sinne Verbindung mit allen herzustellen, die irgend zu gewinnen waren.7® « M •• 70

Vgl. S. 298. (Zeller, Johann Friedrich), An die Wähler. . ., a. a. O., S. 8 ff. HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 573, Bü. 5371. HSA Stuttgart, A 11, Bü. 28, Beilage 44.

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Der Nagolder Vorlandtag wurde von Sindelfingen, Böblingen, Wildberg, Reichen­ bach, Freudenstadt, Dornstetten, Liebenzell, Wildbad, Neuenbürg, Ebingen und natürlich Nagold beschickt und begann am 15. September seine Beratungen.71 Das Ergebnis war eine wahrscheinlich von Hofacker redigierte und 24 Punkte um­ fassende Beschwerdeschrift, die nicht nur Anregungen der Flugschriftenliteratur aufgriff, sondern vielfach darüber hinausging und neue Gesichtspunkte in die Debatte warf. Scharf wandte sie sich gegen den oligarchischen Charakter der Land­ schaftsausschüsse, deren Arbeit faktisch nicht zu kontrollieren war; sie forderte darum einen regelmäßig alle neun Jahre einzuberufenden Landtag und eine Aus­ schußreform. Die Ausschüsse sollten sich nicht mehr selbst ergänzen; alle drei Jahre war ein Drittel des engeren Ausschusses durch Mitglieder des größeren Ausschusses zu ersetzen; beide Organe sollten den Magistraten jährlich über ihre Tätigkeit Rechenschaft ablegen. Der Bevormundung durch Landschaftsadvokaten, -konsulenten und -Sekretäre war dadurch ein Ende zu bereiten, daß die Städte und Ämter der Landesversammlung nur wirklich Befähigte als Kandidaten zur Wahl in die Ausschüsse präsentierten; daraus ergab sich folgerichtig, daß der Kreis der zu Wählenden nicht auf Magistratsmitglieder beschränkt bleiben konnte. Ebenfalls alle neun Jahre sollten die Magistrate, die sich bisher selbst ergänzten, .durch das ganze Volk oder alle Bürger der Kommune gewählt werden, und, um sich zu erinnern, daß sie bloß allein zu seinem Besten arbeiten, (sollte - H. S.) ihr Amt nicht beständig oder lebenslänglich sein.' Der Adel war aus der staatlichen Verwaltung zu ver­ drängen, und der Geistlichkeit sollte der übergroße Einfluß in weltlichen Sachen, vor allem im Schulwesen genommen werden. Auch beim Militär war der Adel über­ flüssig, denn der Vorlandtag erwog die Auflösung des stehenden Heeres und den Ausbau einer von bürgerlichen Offizieren kommandierten Landmiliz. Die Be­ steuerung des Kapitalbesitzes und Maßnahmen gegen die Wildplage wie zur Regu­ lierung verschiedener Abgaben sollten vor allem die Landbevölkerung entlasten.72 Schließlich erklärten die Versammelten entgegen der Observanz es als ihr gutes Recht, jeden selbständigen, vertrauenswürdigen und befähigten Bürger ohne Rück­ sicht auf seine Zugehörigkeit zum Magistrat als Landtagsdeputierten zu wählen, und teilten dies in einer gemeinsamen Eingabe dem herzoglichen Geheimen Rat mit.72 Mit diesem Beschluß ebenso wie mit der Forderung nach einer von sämtlichen Bürgern alle neun Jahre durchzufiührenden Magistratswahl gaben die Teilnehmer dieser Konferenz, die ja in erster Linie Magistratsmitglieder umfaßte, freiwillig be­ deutende Vorrechte preis: Das Recht der ausschließlichen Kandidatur bei der Wahl der Landschaftsdeputierten, das Selbstergänzungsrecht und die lebenslängliche Amtsdauer. Ein solcher Schritt war ein bemerkenswertes Zeugnis für den starken Druck der öffentlichen Meinung, dem die Magistrate in den Amtsversammlungen unmittelbar ausgesetzt waren. ’* Grube, Wolter, Der Stuttgarter Landtag 1457-1957. Von den Landständen zum demokra­ tischen Parlament. Emst Klett Verlag, Stuttgart 1957, S. 453/54. 71 HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 573, Bü. 5377. 73 Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 1, S. 25.

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Die herzoglichen Behörden spürten diesen Druck nur mittelbar und waren keines­ wegs geneigt ihm nachzugeben. Der geheime Rat reagierte darum auf jene Eingabe des Vorlandtages schroff ablehnend und verlangte in einem Reskript vom 17. Sep­ tember an die Oberamtleute jener Ämter, »eine anderwärtige, der Landesverfassung und bisherigen Observanz und der darauf sich gründenden Vorschrift Unseres gnädigsten Konvokationsreskripts vom 4. September gemäße Wahl eines Deputierten zum Landtag aus ihres Magistrats Mitten unverweilt vorzunehmen . * *74 Gegen diese 71 landesherrliche Entscheidung erhoben sich sofort Gegenstimmen. Als erster ant­ wortete darauf mit einer Flugschrift der Amtsschreiber Bolley aus Waiblingen, der später in der Oppositionsbewegung noch eine bedeutende Rolle spielen sollte; .Noch ein Beitrag zur Beantwortung der Frage; ,Wer kann zum württembergischen Land­ tag abgeordnet werden?' * Sehr ausführlich analysierte Bolley die geltenden Landes­ gesetze und die bisherigen Gepflogenheiten bei der Landtagswahl, um festzustellen, dafj Gesetzestexte wie Observanz keineswegs so eindeutig waren und den Geheimen Rat darum auch nicht zu einer solchen Stellungnahme berechtigten, wie er sie am 17. September gegeben hatte. Neben diesen rein juristischen Gründen führte Bolley den entscheidenden politischen Gesichtspunkt an; .Wenn die Landtagsdeputierten nicht Stellvertreter der Magistrate, wenn sie Stellvertreter des ganzen Volkes sind; wenn ihre Bestimmung sich nicht auf die Angelegenheit eines Standes beschränkt, wenn sie die Angelegenheiten aller württembergischen Bürger umfaßt; sollten die Landtage nicht der Vereinigungspunkt aller geistigen Kräfte des Landes, sollten sie nicht der Vereinigungspunkt der einsichtsvollsten Männer, der besten und fähigsten Köpfe aus allen Ständen sein? * 75 Die Gegenseite hatte über den Reformationseifer gelärmt, der auch in diesem Ansinnen zum Ausdruck käme und 6ich durch seine Neuerungslust und Schärfe .als epidemischer Eifer des Zeitalters * offenbarte. Bolley versuchte einerseits, diese so charakterisierte Gefahr für die bestehende Ordnung zu leugnen, indem er die weite Verbreitung solcher Tendenzen unter den Württem­ bergern in Frage stellte; gleichzeitig aber benutzte er sie auch als Druckmittel, um ein Entgegenkommen anzuraten: .Und wenn die Krankheit allgemein wäre, hätte sie dann nur durch die Türen der Rathäuser nicht eindringen können?... Und sollte dann auch nicht ein kleines Nachhelfen erlaubt, sollte auch dieses mit dem ge­ hässigen Namen von Reformation zu belegen sein? * 74 Während im allgemeinen die Verteidiger des Alten noch nicht in den publizistischen Kampf eingriffen und die Opposition dieses Feld ganz allein beherrschte, meldete sich hier doch der Kanzleiadvokat Rümmelin aus Ludwigsburg als heftiger Ver­ teidiger der Observanz in einer Flugschrift zu Wort: »Inzwischen, verehrliche Re­ präsentanten unserer glücklichen Nation, erkennen Sie, eingedenk der Verfassung des Landes, diejenigen einzelnen Abgeordneten der Städte und Ämter, welche sich auf eine grundgesetzwidrige Art in Ihre Versammlung einschleichen wollen, 71 Ebenda, S. 26. 75 (Bolley, Heinrich Ernst Ferdinand), Noch ein Beitrag zur Beantwortung der Frage: Wer kann zum württembergischen Landtag abgeordnet werden? o. O. 1796, S. 29/30. ’• Ebenda, S. 31/32.

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schlechterdings nicht als pares curiae,.. .* 77 Sofort sah sich Rümmelin schärfsten Angriffen ausgesetzt. Eine Gegenschrift Bolleys folgte auf dem Fuße.7879 Ein nächster Flugschriftautor schaltete sich ein und antwortete Rümmelin: .Ich ehre gewiß das Herkommen, solange es sich mit dem Geist eines Instituts vereinigen läßt; wo aber dieses der Fall nicht ist, da halte ich es auch nicht für ein Verbrechen, wenn man vorgefaßte Meinungen öffentlich zu bekämpfen wagt in der Absicht, einem an sich so ehrwürdigen Institut diejenige Würde, denjenigen Nachdruck wieder zu ver­ schaffen, welchen der Geist der gegenwärtigen Zeit und das dringendste Bedürfnis des Vaterlandes in mehr als einer Rücksicht heischt. In Fällen, wo die gesetzlichen Bestimmungen schwankend sind, kann altes Herkommen ... nicht entscheiden ... Die Vernunft übt früh oder spät ihre unverjährten Rechte aus, und ihr Licht be­ leuchtet oft Schätze, die jahrhundertelang unbemerkt im Winkel gelegen haben.'78 Dem Engherzigen, der die Unruhe der Zeit zum Vorwand nahm, um dem Abweichen vom Herkommen zu widerraten, entgegnete der Autor: .Auch in stürmischen Zeiten läßt sichs gut über Landeswohlfahrt sprechen, ja sogar gerade in einem solchen Zeitpunkt...' 80 Ein anderer Kontrahent Rümmelins schloß seine Streitschrift gegen diesen Verteidiger der Observanz geradezu mit einem Aufruf zum Ungehorsam: .Wähleri Seid auf eurer Hut, laßt euch durch Subtilitäten, durch inkonsequente Drohungen nicht irre machenI Wählt rechtschaffene, biedere, entschlossene Männer; ... Gewählte! Bleibt bieder und entschlossen... Entsprecht diesem Vertrauen, welches das württembergische Publikum in euch gesetzt hat, und laßt euch, wenn ihr durch legale und unerschlichene Stimmensammlung von euren Mitbürgern gewählt worden seid, (durch - H. S.) keine weiteren Legitimationsanstände abschrecken, die man euch machen will.' 81 Nachdem sich Rümmelin noch einmal Anfang 1797 hervorgewagt hatte82, griff auch Johann Gottfried Pahl - der gar kein Württem­ berger war, sondern als Pfarrer und Publizist in dem freiherrlich gemmingschen Dorfe Neubronn nahe der württembergischen Grenze lebte - mit einer äußerst wirk­ samen Satire in diesen Streit ein. Er schilderte darin eine Amtsversammlung zu 77 (Rümmelin, Johann Christian Friedrich), Über die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Land­ tagsdeputierten im Württembergischen. Stuttgart 1796, S. 22. 79 (Bolley, Heinrich Ernst Ferdinand), Bemerkungen über die Schrift: Über die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Landtagsdeputierten im Württembergischen. Als Anhang zu meiner Schrift: Noch ein Beitrag zur Beantwortung der Frage: Wer kann zum württembergischen Landtag abgeordnet werden? o. O. 1796. 79 (Theuss, Friedrich Ludwig Wilhelm). Gedanken eines Württembergers über den bevor­ stehenden Landtag und die Wahlfähigkeit der zu demselben abzuordnenden Deputierten, o. O. 1796, S. 23/24. 94 Ebenda. S. 8. 91 Zufällige und flüchtige Gedanken eines württembergischen Bürgers, nicht Gelehrten, nicht Raisonneurs bei Durchlesung der kürzlich erschienenen Schrift: Über die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Landtagsdeputierten in Württemberg. Warschau 1796, $. 14/15. 89 (Rümmelin, Johann Christian Friedrich), Antwort des Verfassers der Schrift: Über die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Landtagsdeputierten im Württembergischen auf die dagegen erschienenen Bemerkungen von dem Verfasser der Schrift: Noch ein Beitrag zur Beant­ wortung der Frage: Wer kann zum württembergischen Landtag abgeordnet werden? o. O. 1797.

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Ypsilon, wo durch das Eingreifen des Schulmeisters Sebastian Käsbohrer statt des befähigten Magisters Gmelin der dumme Bürgermeister Wuretsak zum Abgeordneten gewählt wurde, eben weil er Magistratsperson war. Die nötige Instruktion für seine verantwortungsvolle Tätigkeit erhielt er von seinem Weibe: .Auf dem Landtage schreibt man nicht, da spricht man nur. Und wenn du auch nichts zu sprechen wissen solltest, so ist die Ehre doch dieselbe. Und kommt das Votieren an dich, so darfst du ja immer nur sagen: Ich halte es mit meinem Vormann oder mit dem Herrn Hofrat Stockmayer oder mit dem Herrn Prälaten von Murrhard, und dann ist die Sache richtig. * 83* Ungeachtet des herzoglichen Vetos waren verschiedene Städte und Ämter ent­ schlossen, vollendete Tatsachen zu schaffen und Landtagsdeputierte zu wählen, die nicht dem Magistrate angehörten. Dabei ergab sich mitunter ein heftiger Gegensatz zwischen dem Magistrat der Amtsstadt, der auf sein Vorrecht, im Namen von .Stadt und Land' Sitz und Stimme auf dem Landtag zu führen, nicht verzichten wollte, und dem Amt im engeren Sinne, nämlich den zum Amt gehörigen Dorfgemeinden, die jenes Vorrecht bekämpften und einen Mann ihres Vertrauens zum Landtag deputieren wollten. Die Amtsversammlungen, die über Wahl und Instruktion des Landtagsdeputierten zu befinden hatten und an denen die Amtssschultheißen als dörfliche Vertreter teilnahmen, bildeten den Schauplatz dieser Auseinandersetzungen und des wachsenden Druckes von unten. Wo die Stadt- und Amtsschreiberei nicht in einer Hand lag, sondern neben dem Stadtschreiber ein Amtsschreiber fungierte, besaßen die Dörfer noch * dazu im letzteren einen besonders kundigen Anwalt, der nicht nur die mangelnde Gewandtheit der Amtsschultheißen gegenüber dem Ma­ gistrat der Amtsstadt ausglich, sondern auch zum Interessenvertreter der Dörfer auf dem Landtag geeignet war.94 So gelang es in der Amtsversammlung zu Waiblingen den Schultheißen, geschickt die zufällige Abwesenheit von acht Magistratsmitgliedem nutzend, auf den Amts­ schreiber Heinrich Bolley als Landtagskandidaten die Mehrheit der Stimmen zu vereinen und den Kandidaten des Stadtmagistrates, den Bürgermeister von Waib­ lingen, zu schlagen. Als die Regierung auf den Protest des Magistrats die Wahl des Amtsschreibers verwarf, fügten sich die Schultheißen und gaben nun ihre Stimme dem Magistnatskandidaten. Bolley nannte dies Verhalten ungesetzlich, denn die .Amtsvertreter hatten .weder vorher das Gericht und den Rat ihrer Dörfer noch die Gemeindedeputierten noch die ganze Gemeinde zusammenberufen', um sich Voll­ macht für eine solche Entscheidung gaben zu lassen.85 In Urach machte die Amts83 (Pahl. Johann Gottfried), Wohlgemeintes, in Vernunft und Schrift bestgegründetes, jedoch unmaßgebliches Gutachten über die Wahlfähigkeit eines Landtagsdeputierten in Württem­ berg: auf ausdrückliches Verlangen der ehrsamen Amtsversammlung zu Ypsilon, salvo meliori, gestellt, aus Liebe zur Wahrheit an den Tag gegeben und den sämtlichen württembergischen Ortsmagistraten devotest dediziert von Sebastian Käsbohrer, p. t. Schulmeister zu Ganzlosen, o. O. gedruckt am ersten April 1797, S. 17. 94 Grube. Walter, Dorfgemeinde und Amtsversammlung in Altwürttemberg. In: .Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte', 13. Jahrg., S. 218, 1954. 83 HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 93, Nr. 884.

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Versammlung in ähnlicher Situation den Versuch zu einem Kompromiß: Man einigte sich einerseits auf die gemeinschaftliche Wahl eines Magistratsmitgliedes der Amts­ stadt, gestattete andererseits den Amtsschultheißen die Wahl eines „codeputatus", für den die Dorfgemeinden die Kosten zu tragen hatten und den der Stadtmagistrat als «membium magistratus supernumerarium' in seine Reihen aufnahm.89 Im Amt Maulbronn wurde der Amtsschreiber Lang von den Amtsschultheißen als Landtags­ abgeordneter gewählt. Einen Widerstand der Stadt konnte es hier nicht geben, weil sie durch den Prälaten auf dem Landtag vertreten wurde und darum nicht zum Wahlkörper gehörte. Um der Form zu genügen, ließ sich Lang außerdem als ordent­ liches Mitglied in den Magistrat von Zaisersweiher aufnehmen, ohne jedoch, wie es die Observanz verlangte, seine Funktion als Amtsschreiber aufzugeben.87 Die Vor­ steher des Klosteramtes Alpirsbach schließlich trugen ihren Angriff gegen das Herkommen in der Weise vor, daß sie dem Klosterprälaten das Recht bestritten, als ihr Vertreter auf dem Landtage zu fungieren. Die Prälaten hatten durch die Re­ formation die Eigenschaft von Grundherren, von der sie ihre Landstandschaft ab­ leiteten, verloren und waren zu reinen Kirchenvorstehem geworden, so daß nun die ehemaligen Klosterhintersassen bzw. deren Vorsteher dieses Recht für sich bean­ spruchten. In allen diesen Fällen verhielt sich der landschaftliche Ausschuß schroff ablehnend und bestand ebenso wie der Herzog auf die Einhaltung der Observanz. Den Anspruch Alpirsbachs lehnte er rundweg ab. Das Klosteramt hätte lediglich die Möglichkeit, dem Prälaten Wünsche und Beschwerden mit auf den Weg zu geben, die aber, da der Prälat ja nicht durch Wahl die Eigenschaft des Deputierten erlangte, auch nicht das Gewicht einer Vollmacht und Instruktion besaßen, wie sie den weltlichen Ab­ geordneten erteilt werden konnten.88 Die Doppelwahl Langs zum Landtags­ deputierten und Magistratsmitglied bezeichnete der Ausschuß als einen .in fraudem legis et observantiae gesuchten Ausweg' in der Annahme, daß »der gedachte Amts­ schreiber nicht gemeint sein wird, seine Amtsschreibeiei zu resignieren, welches aber geschehen müßte, wenn er die Fähigkeit erlangen wollte, als Deputierter bei dem künftigen Landtag zu erscheinen . * 89 Ebenso selbstverständlich, wie der Aus­ schuß den Uracher Kompromiß verwarf, nahm er im Waiblinger Streit für den Stadt­ magistrat und gegen Heinrich Bolley Partei. Einzig in zwei Fällen konnten sich Landtagsdeputierte, deren Wahl unter Miß­ achtung der Observanz erfolgt war, durchsetzen; allerdings geschah es auch nur mit großen Schwierigkeiten und durch nachträgliche Anerkennung des Herkommens. Es handelte sich um den Stadtschreiber Ludwig Hofacker, der von Stadt und Amt Nagold einstimmig zum Deputierten gewählt worden war, und um den Professor der Rechte in Tübingen Elias Gottfried Steeb, den die Amtsversammlung von Reichen­ bach nominiert hatte. Beide waren nachträglich Magistratsmitglieder geworden, 8t Bensing, Fritz, Die Vertretung von .Stadt und Amt' im altwürttembergischen Landtag unter besonderer Berücksichtigung des Amtes Nürtingen. Wirtschaftswiss. Diss. Tübingen 1924, S. 89. 87 Ebenda, S. 67/68. w Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 1, S. 32 ff. ” Ebenda, S. 31.

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aber ihr Mandat wurde dennoch nicht anerkannt, weil sie wie Lang nicht auf ihr Amt als Stadtschreiber bzw. Professor verzichteten.00 Daraufhin etablierten sich beide in Stuttgart als Privatkonsulenten, Steeb für Reichenbach und Hofacker für die sechs Schwarzwaldämter Nagold, Altensteig, Dornstetten, Freudenstadt, Hom­ berg und Wildberg. In der Instruktion Nagolds vom 15. März 1797 für den anstelle Hofackers gewählten Deputierten wurde ausdrücklich betont, dag die Wahl des ersten völlig legal erfolgte und man darum auch .die vorläufige Einmischung des engeren landschaftlichen Ausschusses nicht anerkennen * könne; nur .einstweilen * sei an dessen Stelle ein anderer getreten, der verpflichtet wurde, .sich vor Ablegung eines Voti für Stadt und Amt Nagold des Rates und Beistandes unseres Stadt­ schreibers Hofacker, den wir mit mehreren Städten und Ämtern als unseren gemein­ schaftlichen Privatkonsulenten bei dem Landtag aufgestellt haben', zu bedienen.01 Da die Deputierten aller genannten Ämter durch ihre Instruktion an die Ratschläge dieser Konsulenten gebunden waren K, hatten Hofacker und Steeb einen beträcht­ lichen Einflug auf die Versammlung, zumal sie ihn auch auf andere Abgeordnete auszudehnen verstanden. Ihr Wohnsitz, das Gasthaus zum Hirschen, erhielt auf diese Weise den Charakter eines Fraktionszentrums der entschiedenen Reformer.03 So waren die Einwirkungsmöglichkeiten der beiden Augenstehenden zweifellos be­ deutend, aber sie konnten natürlich nur noch stärker werden, wenn Hofacker und Steeb vollberechtigte Mitglieder des Landtags wurden. Diese Erkenntnis veranlagte die beiden Gegner der Observanz schlieglich doch, dieser hassenswerten Observanz auch noch den letzten Tribut zu entrichten: Sie entsagten ihren Ämtern als Stadt­ schreiber und Professor, das heigt, sie opferten ihre materielle Sicherheit, um dafür die offizielle Anerkennung ihrer Mandate einzutauschen. Die Haltung, die die landschaftlichen Ausschüsse gegenüber den Versuchen, mit dem Herkommen zu brechen, eingenommen hatten, bewies allen Reformfreunden, dag nicht der geringste Fortschritt zu erzielen war, wenn diese oligarchischen Körper­ schaften ihren Charakter nicht gründlich veränderten. Da die Landschaft das Instru­ ment sein sollte, mit dem allein der Widerstand des Herzogs gegen jede Reform zu brechen war, mugte sie in allen ihren Organen reformerisch gesinnt sein. Der Stockmayerische Ausschug war weit entfernt davon. Wie schon auf dem Nagolder Vorlandtag wurde er darum nun auch das Ziel heftiger publizistischer Angriffe. Das wenigste, was die öffentliche Meinung in bezug auf die Ausschüsse verlangte, war ihre Neuwahl.04 Heftige Kritik richtete sich auch gegen die usurpierte Allgewalt des Landschaftssekretärs und der anderen Offizialen, die ursprünglich nur als Hilfs­ organe der Ausschüsse gedacht waren.03 Nach Hegels Ansicht hatte .kein Geistlicher je eine grögere Macht über das Gewissen seiner Beichtkinder gehabt als diese poli,0 Bensmff, Fritz, a. a. O„ S. 69/70. 91 HSA Stuttgart, LB, Bund 534. ** Ebenda. 93 Grube, Walter. Der Stuttgarter Landtag..., a. a. O., S. 459. 94 (Danz, Wilhelm August Friedrich), Etwas über die bisherigen landschaftlichen Ausschüsse in Württemberg. An die Deputierten zum bevorstehenden Landtage, o. O. 1797. 96 (Danz, Wilhelm August Friedrich), Freimütige Betrachtungen über die Organisation der landschaftlichen Ausschüsse. Dem bevorstehenden württembergischen Landtage gewidmet. 1. Stück, o. O. 1797.

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tischen Beichtväter über das Amtsgewissen der Ausschußverwandten'. 99 Aber Kritik und Forderungen blieben dabei nicht stehen. Die Stimmen mehrten sich, die den geltenden und aus dem Jahre 1638 stammenden Ausschußstatus für veraltet er­ klärten und für eine der Zeit entsprechende neue Ausschußverfassung eintraten.97 Friedrich Gutscher unternahm es, dieser Forderung ein verfassungsmäßiges Mäntel­ chen durch den Nachweis umzuhängen, daß die Ausschüsse in ihrer Geschichte bereits verschiedentliche Veränderungen erfahren hätten." Die geforderten Re­ formen lagen alle in der Richtung, dem oligarchischen Charakter der Ausschüsse ein Ende zu bereiten. Dazu gehörte vor allem die Abschaffung der Selbstersetzung und die Einführung einer regelmäßigen Rechenschaftslegung. Die von Hofacker ver­ faßte Flugschrift .Entwurf einer neuen landschaftlichen Ausschußverfassung' propa­ gierte dementsprechend die direkte Wahl der Ausschußmitglieder durch die Städte und Ämter, wobei alle Bürger wahlfähig sein sollten, und periodische, alle zehn Jahre einzuberufende Landtage." Die Vorschläge Hofackers deckten sich mit denen ähnlicher Schriften. Darüber hinaus aber ging er mit seiner Forderung, an die Stelle der bisherigen zwei Ausschüsse einen aus zehn Mitgliedern bestehenden zu setzen. In vielen Instruktionen, die Städte und Ämter ihren Deputierten nach Stuttgart mit­ gaben, nahm ebenso das Verlangen nach einer Ausschußreform einen hervorragenden Platz ein.100 Sehr heftig bewegte die öffentliche Meinung auch die Frage der Beschäftigung von Ausländem, das heißt im wesentlichen von Adligen im Staatsdienst. Da der Adel im Württembergischen reichsfrei war, besaß er kein Bürgerrecht und wurde darum den Ausländem zugezählt. Vor allem bevölkerte der Adel den Hof, der nur der Repräsentation diente und Unsummen verschlang. .Warum nimmt der Herzog bei seinem Hofstaate keine Einsparungen vor, wo sie meistens solche Leute träfen, welche auch ohne Besoldungen von ihren eigenen Mitteln leben könnten und ohnedas, da sie beinahe lauter Ausländer sind, keinen Anspruch auf Brot und Versorgung in unserem Vaterlande haben? * 191 fragte ein Zeitgenosse. Aber nicht nur bei Hofe, auch in den Dikasterien, beim Militär und beim Forstwesen besetzte der Adel gerade die einträglichsten Stellen, ein Zustand, gegen den die öffentliche Meinung jetzt Sturm lief. Der schon zitierte Zeitgenosse stellte fest: «Nie hat sich die Stimme des Volks kühner und bestimmter dagegen erhoben als eben itzt, und die ganze Nation erwartet von dem künftigen Landtage die gänzliche Abschaffung des­ selben.'192 Der Adel war wahrlich ein dankbarer Gegenstand der Satire, und so fehlte es auch nicht an zahlreichen Flugschriften, die mit der Waffe der Satire gegen ihn zu Felde zogen. Besonders erfolgreich zeigte sich darin Johann Gottfried Pahl, M Heget. Georg Friedrich Wilhelm, Ober die neuesten innem Verhältnisse..., a. a. O., S. 154. ” Instruktion oder Staat des engeren und großen landschaftlichen Ausschusses in Württem­ berg nebst den dahin einschlagenden neuesten Grundgesetzen und einigen Bemerkungen für die neue Abfassung des Ausschußstaats, o. O. 1797. M (Gutscher, Friedrich), Die wichtigsten Reformen der landständischen Ausschüsse Württem­ bergs. o. O. 1797. n (Hofacker, Ludwig), Entwurf einer neuen landschaftlichen Ausschußverfassung, o. O. 1797. 100 HSA Stuttgart, LB, Bund 534. 101 Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., S. 112/13. 10e Ebenda, S. 114/15.

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der in seinem »Vernunft- und schriftmäßigem Schutz-, Trutz- und VerteidigungsLibell' durch seinen erfundenen Schulmeister Käsbohrer aus Ganzlosen die Adligen in einer Weise verteidigen ließ, die sie erst recht bloßstellte: »Sie sind für uns die Tonangeber in Sachen der Kultur und des Geschmacks; sie sind der Kanal, durch den alle neuen Moden nach Württemberg geleitet werden; sie verdringen durch ihr Beispiel die alte Rauhigkeit der Sitten, die man sonst unschicklich genug alte Redlichkeit genannt hat; sie halten den Pöbel im Zaum, daß er bescheiden und demütig bleibe; sie gründeten den Geist der Kühnheit und Tapferkeit, der unser Militär, wie besonders die Ereignisse von Kehl bezeugen, vor allen übrigen deut­ schen Truppen auszeichnet; durch ihre Vorsorge wimmeln unsere Gebirge von Hirschen, unsere Wälder von Wildschweinen und unsere Getreidefelder von Hasen; sie bestimmen die Wahl der Stücke für unser Schauspiel mit einem Geschmack, als wären sie alle bei Lessing in die Schule gegangen; von ihnen lernen unsere Mädchen Galanterie und Gefälligkeit; sie geben dem Handelsstande Gelegenheit zu profita­ blen Wechselgeschäften; durch sie nähren sich unsere Trödler, unsere Geldnegozian­ ten und unsere Maqueraus; bei ihnen bringt der Kapitalist sein Geld zu den höchsten Zinsen an; sie tragen viel zur Bevölkerung des Landes bei, und man hat einem ehemaligen Oberforstmeister . . . nachgerechnet, daß durch ihn die Seelen­ zahl von Württemberg mit 172 Köpfen vermehrt worden sei. Und eine Klasse, die uns so nützlich ist, sollten wir verlästern oder gar verdringen lassen können? * 103

Diese Schrift wurde nut solchem Beifall von der Bevölkerung aufgenommen, dafj sich sogar ein echter Verteidiger des Adels, der Leutnant Eugen von Scheier in Stuttgart, verleiten lieh, ihr durch eine Gegenschrift Abbruch tun zu wollen. Er nannte sie .Tränen eines Mannes, geweint über den Verfasser einer herumlaufenden Flugschrift,.. .* 104 Unverzüglich aber wurde dem »Tränenmanne' mit einer ge­ pfefferten Satire geantwortet, wobei ihm unter anderem eine für den Adel äußerst unzweckmäßige Argumentation nachgesagt wurde: .Zuerst behauptest du, der Pöbel sei um kein Haar besser oder habe im Durchschnitte keine Unze mehr wahren Menschenwert als der Adel. Aber siehe, das ist schon ein Hauptfehlgriff,... Denn das darf man bei unserem Systeme durchaus nicht zugeben, daß der Bürgerstand dem Adel in Absicht auf die Vorzüge des Geistes und Herzens gleich sei, sondern man muß unverwankt auf dem Prinzip bestehen: Der Adel ist von besserer Natur als das Volk. Gibt man deinen Satz zu, so schärft man den Jakobinern selbst ihre Waffen, und du stehst wie der Butter an der Sonne, wenn dir einer aus ihrer Gilde einwendet: .Sind die Herren von nicht besser als wir, warum wollen sie denn mehr *" (Pahl, Johann Gottfried), Vernunft- und schriftmäßlges Schutz-, Trutz- und VerteidigungsLibell für den württembergischen Adel gegen die demokratischen und jakobinischen Belialssöhne unserer Zeit kurz und einfältig gestellt von Sebastian Käsbohrer, p. t. Schul­ meister zu Ganzlosen. Waldangelloch u. Leipzig im Jahre 1797, S. 38 ff. 104 (Scheier, Eugen von), Tränen eines Mannes, geweint über den Verfasser einer herum­ laufenden Flugschrift, betitelt: Schutz-, Trutz- und Verteidigungs-Libell für den württem­ bergischen Adel etc., nebst einigen Betrachtungen über den Wert und Nutzen dieses und dergleichen Libellen. Frankfurt u. Leipzig 1797.

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V. Die bürgerlich-liberale Bewegung in Württemberg

sein?''105 Sich ebenfalls als angeblicher Verteidiger des Adels ausgebend, schloß ein unbekannter Verfasser sein .Sendschreiben an die Adelsfeinde in Württemberg' mit der Forderung, der adligen Anmaßung ein bürgerliches Selbstbewußtsein ent­ gegenzustellen: .Hört auf, vor uns zu kriechen, so werden wir uns nicht über euch erheben; bezeugt unserem ,von' nicht so viele Achtung, so bilden wir uns auch weniger darauf ein; hört auf, Narren zu sein, so sind wir auch keine. Eure Schmei­ chelei ist die Schöpferin unseres Hochmuts, so wie der Sklavensinn der Völker die Mutter der Tyrannei der Fürsten ist. Dixi. * 108 Dieses Spiel, in der Maske eines Adelsfreundes aufzutreten, wurde eifrig fortgesetzt. So folgte dem .Sendschreiben' sogleich eine scheinbare Polemik von JCäsbohrer” gegen dessen Verfasser107, der wiederum diese Gelegenheit ergriff, um in einer .Erklärung * gegen -Käsbohrer', in Wahrheit aber gegen den Adel zu Felde zu ziehen.108 Eine ganze Reihe von Flugschriften setzte sich in der üblichen Weise, ohne zu den Kunstmitteln der Satire oder der Mystifikation zu greifen, mit dem Problem der Beschäftigung des Adels auseinander. Alle waren sich einig in der Ablehnung eines adligen Vorzugsrechts; trotzdem gab es Unterschiede. Harter, Vikar zu Enzwei­ hingen, warnte vor Überspitzungen, da die ausschließliche Besetzung der Stellen mit Landeskindern zur Trägheit und zum Nepotismus führe.100 Ein anderer Autor ging etwas weiter und nannte als Resultat seiner Reflexionen, .daß brauchbare Landeskinder in der Regel den Fremden immer vorzuziehen seien, daß es aber unklug und zweckwidrig sein würde, sich durch ein gesetzliches Indigenatsrecht auf immer auf dieselben einzuschränken . * 110 Wieder eine andere Flugschrift be­ gnügte sich mit der bloßen Beendigung adliger Privilegien bei der Amteibesetzung und nahm außerdem die Hofdienste dabei aus, die dem Adel vorbehalten bleiben sollten.111 Am detailliertesten formulierte der Verfasser der .Gedanken über die Bedienung der Ausländer in Württemberg' die Forderungen der bürgerlichen Oppo­ sition: ,1. Der Adel hat in Württemberg keinen Voizug vor den bürgerlichen Inwohnern bei Besetzung der Militär- sowie bei Zivil- oder Landesstellen. 2. Aus­ länder sind von allen, sowohl Landes- als Militärstellen ausgeschlossen, so lange Eingeborene mit den erforderlichen und nötigen Fähigkeiten vorhanden sind. ,M Herzliches und aufrichtiges Trost- und Kondolenzschreiben an den guten Mann, welcher über dem Trutzlibell für den württembergischen Adel im Angesichte des ehrlöblichen Publikums bittere Tränen vergossen hat. Erlassen von Hans Willibald Panzhaaf, p. t. Provisor in Ganzlosen. Rummelshausen u. Hebsack im März 1797, S. 27/28. 101 Sendschreiben an die Adelsfeinde in Württemberg von J. v. S. Rom 1797, S. 16. 10’ Mein letztes Wort über den Adel. Vom Käsbohrer. Ganzlosen, gedruckt mit meiner selbst­ eigenen Handdruckerei, 1797. 108 Endliche Erklärung gegen Käsbohrer und seine Nachbeter von J. v. S. Als Anhang und Beschluß aller dieser Schriften. Gabeling u. Geißburg 1797. 1M (Harter, Johann Heinrich Samuel), Gutachten eines patriotisch-kosmopolitischen Münz­ wardeins über das Vorzugsrecht der württembergischen Landeskinder gegen die Ausländer und besonders die Adligen, o. O. im April 1797. 110 Ober das Vorzugsrecht der württembergischen Landeskinder bei Ersetzung öffentlicher Ämter, o. O. im Februar 1797, S. 43. 1,1 Der Adel in Württemberg. Herzenserleichterungen eines Patrioten. In: .Staatsarchiv', Bd. 3. S. 413 ff., 1797.

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3. Wenn ganz besondere Fälle die Anstellung eines Ausländers notwendig machen, so soll sowohl beim Herrn als den Landständen die Genehmigung dazu eingeholt werden. 4. Alle Ausländer, die sich bis daher durch gesetzwidriges Betragen in ihren Ämtern des Zutrauens ihrer Mitbürger verlustig gemacht haben, sollen ihrer Dienste entlassen und diese durch Landeskinder ersetzt werden. 5. Blog der gegenwärtig im Land angestellte Adel, dessen Grogeltern wenigstens schon in Württemberg lebten und der den grögten Teil seines Vermögens im Lande stehen hat und Aktiv­ bürger ist, sowie diejenigen Individuen, die sich durch ihre geleisteten besonders wichtigen Dienste um Württemberg verdient gemacht haben, sollten bei dem näch­ sten Landtag die Rechte württembeigischer Bürger erhalten.'112 Eine sehr umfangreiche Literatur beschäftigte sich mit den Fragen der württembergischen Kriegsverfassung. Das stehende Söldnerheer fand darin nirgendwo einen Verteidiger. Die Bevölkerung kannte es als eine dem Zuchthaus vergleichbare Einrichtung: sie kannte es als das letzte und brutalste Auskunftsmittel der herr­ schenden Klasse, um Empörungen gegen den Druck und die Not niederzuschlagen. Aber nicht nur bei der Masse des Volkes, nicht nur bei dem wohlhabenderen Bürger­ tum und der bürgerlichen Intelligenz herrschten unverhohlene Abneigung und Feindseligkeit; selbst die ständische Oligarchie hegte tiefstes Migtrauen und hat ihren Teil dazu beigetragen, das reguläre Militär, wenn möglich, noch mehr zu diskreditieren. Die Landschaft betrachtete das stehende Söldnerheer als gefähr­ lichstes Instrument in der Hand des Regenten, um absolutistische und gegen das Mitspracherecht der Stände gerichtete Ziele verfolgen zu können. Um dieser Waffe die Schärfe zu nehmen, hatte die Landschaft in den vergangenen Jahren die Miliz als ein Gegengewicht zu fördern getrachtet. Sie hatte damit wohl den vom Herzog geforderten verstärkten Ausbau der regulären Truppen sabotieren können; eine vom militärischen Gesichtspunkt aus ernstzunehmende Streitmacht jedoch hatte sie mit der Miliz nicht auf die Beine gestellt. Es widersprach den ureigensten Interessen der Volksmassen, sich in jener oder auch in dieser Form, als reguläre Soldaten oder auch als Milizangehörige, gegen die Franzosen migbrauchen zu lassen. Die Aufstellung der Miliz scheiterte in erster Linie am Widerstand der Massen. Hinzu kam das grundsätzliche Unvermögen der ständischen Oligarchie als einer Fraktion der herrschenden Klasse, eine echte Volksbewaffnung überhaupt zu wollen und zu organisieren. Wo Massen kämpften, da ging die Initiative auch von den Massen aus und erschreckte die herrschende Klasse. Wo die herrschende Klasse beziehungsweise Teile der herrschenden Klasse als Initiatoren einer Volksbewaffnung auftraten, da blieben es aus Furcht vor dem bewaffneten Volke halbe Magnahmen, zu denen man sich entschlog. Obwohl der Milizgedanke der bürgerlichen Oppo­ sition immer noch ungleich sympathischer war als die Vorstellung von einem starken stehenden Söldnerheer, konnte sie angesichts des Scheiterns der Milizpläne auf eine kritische Auseinandersetzung damit nicht verzichten. Gedanken über die Bedienstung der Ausländer in Württemberg. Den Landtagsdeputierten gewidmet. Wien u. Neapel o. J., S. 7/8. 22 Süddeutsche Jakobiner

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Eine solche kritische Auseinandersetzung erfolgte in der bereits 1796 erschienenen .Darstellung des gegenwärtigen Zustands der württembergischen Landmiliz'.111 Der Verfasser urteilte vom militärwissenschaftlichen Gesichtspunkt; Hauptmann Gentner, der in einer späteren Flugschrift diesen Urteilen voll zustimmte, hielt darum auch den Autor für einen ehemaligen Offizier, der einst bei den herzoglichen Haustruppen, nun aber bei der Landmiliz diente.114 Es war eine vernichtende Kritik, gerichtet an die Adresse der alten Landschaft, die hauptverantwortlich zeichnete und Männer mit der Organisation betraut hatte, die nach des Autors Meinung nicht mehr Einsicht in die Militärwissenschaft besaßen .als der Maulwurf in das kopernikanische System . * 115 Die Bedeutung militärischer Kenntnisse wurde völlig miß­ achtet; besonders drastisch äußerte sich das in der Wahl der Offiziere und Unter­ offiziere: .Vermöge der irrigen Meinung, aus jedem Zaunstecken lasse sich ein Offizier schnitzen, . . . wurden Leute zu Offizieren gemacht, die heute, da sie ihr Patent erhielten, noch ebenso viel wußten als der Bauernbursch, den sie morgen dressieren sollten.'116 Ihre Autorität war so gering wie die der Unteroffiziere, meist .alter, abgelebter Invaliden, denen kaum noch anderthalb Sinne übriggeblieben, die schon seit zehn und zwanzig Jahren das Gewehr gegen den Hirtenstab ... umgetauscht hatten . * 117 Zu allem Überfluß hatte man auch noch den Milizsoldaten selbst unmöglich ausstaffiert: .Man verhunzte seinen menschlichen Körper durch einen scheußlichen Kittel; in seinem Mittelding zwischen Bauernrock und Soldaten­ montierung versagte ihm sogar sein Mädel den Zutritt; der dreieckige Hut zu dem runden Haar, die Art der Befestigung der Patronentasche um den Leib, der zwil­ chene Sack nach Art der Betteljuden, welcher die Stelle des Tornisters vertritt, voll­ enden die militärische Karikatur und die Satire auf den Soldaten.'118 Zusammen­ fassend stellte der Autor fest: .Aus dieser nur flüchtig hingeworfenen Schilderung der Landmiliz ersieht schon der Nichtsoldat hundert Mängel und Gebrechen; der mit militärischen Kenntnissen versehene Mann aber erblickt in der ganzen Ein­ richtung Fehler auf Fehler gehäuft.'119 Gewiß, es war das Urteil eines Offiziers des stehenden Heeres. Aber diese Tatsache konnte einmal die sachliche Richtigkeit dieser Kritik nicht entwerten; andere Flug­ schriftenverfasser, mochten sie aus Mangel an militärischen Kenntnissen weniger scharf urteilen, kamen prinzipiell zu keiner anderen Bewertung. Zum anderen war jener Autor kein Propagandist eines beträchtlichen stehenden Söldnerheeres, sondern er sprach der Notwendigkeit das Wort, .seine Zuflucht zu den Söhnen des Landes zu nehmen und diesen das ehrenvolle Geschäft zukommen zu lassen, ihr Vaterland “• Vgl. S. 132 Anin. 172. 114 Gentner, Patriotische Wünsche, Gedanken und zweckmäßige Vorschläge, vorzüglich zu besserer Sicherstellung des Vaterlandes. Nebst einer kurzen Biographie und Charakteristik statt der Vorrede und Einleitung. Den Landtagsdeputierten Württembergs zur Beherzigung gewidmet, o. O. den 17. März 1797. 111 Darstellung des gegenwärtigen Zustandes..., S. 5. 114 Ebenda, S. 6. 117 Ebenda, S. 9. 118 Ebenda, S. 10. 118 Ebenda, S. 11.

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gegen die Gewalttätigkeiten und Unterdrückungen der Fremden zu schützen'.120 Er sprach der Volksbewaffnung das Wort, die auf den Stand der modernen Kriegs­ wissenschaft zu bringen war, kurz, er sprach für ein Heer, wie es die Französische Revolution herausgebildet hatte. Prinzipiell in der gleichen Richtung argumentier­ ten die anderen Flugschriftenverfasser. Mehr oder weniger unklar über die Gründe, warum die Organisation der Miliz in Württemberg scheitern mußte, waren auch die Vorschläge zur Realisierung einer allgemeinen Wehrpflicht mehr oder weniger realistisch. Ein Autor meinte, das Ziel erreichen zu können, wenn man den Gedanken der Miliz nicht wie bisher mit halben, sondern mit ganzen Mitteln anpackte. Um eine Ausbildung und Organisation auf der Grundlage der modernen Kriegswissen­ schaft zu gewährleisten, sollte das jetzige stehende Militär stark reduziert als Pflanz­ schule zur Herausbildung tüchtiger Offiziere und Unteroffiziere dienen.121

Gründlicher als diese beschäftigte sich eine andere Flugschrift mit den Gebrechen der Landmiliz, um daraus für eine zweckentsprechendere Organisation Zu lernen.122 Das wesentliche Problem sah der Verfasser in der Abneigung der Bevölkerung gegen jede Form des militärischen Dienstes. So richtig er diesen Punkt in das Zentrum der Aufmerksam rückte, so oberflächlich und naiv analysierte er ihn. Seinen Umfragen und Überlegungen nach hatte die Abneigung angeblich vier Ursachen: Erstens wurde in der Vergangenheit die Dienstzeit über die in der Kapitulation versprochene Dauer ausgedehnt; zweitens würden die jungen Männer durch die Dienstzeit ihren Berufen entfremdet; drittens schreckte die Strenge der militärischen Gesetze und Strafen ab; viertens gäben die begüterten Kreise mit ihrer Verachtung des Soldatenstandes den ärmeren ein schlechtes Beispiel. Die Vorschläge zur Besei­ tigung dieser Ursachen waren zum Teil primitiv, zum Teil aber auch recht aufschluß­ reich: Die Verletzungen der Kapitulationen sollten dadurch unmöglich gemacht werden, daß .nicht nur von dem Landesherrn selbst, sondern auch von den Land­ ständen, auf die der württembergische Untertan das größte und unumstößlichste Vertrauen hat, eine vier- oder sechsjährige Kapitulation, je nachdem solches für gut gehalten werden sollte, durch ein Generalreskript feierlichst zugesagt würde'.123 Hinter diesem Vorschlag stand die klare Absicht, dem Herzog die alleinige Verfü­ gungsgewalt über die bewaffnete Macht zu entziehen und die Landschaft mit ein­ zuschalten. Um die Soldaten der zivilen Tätigkeit nicht zu entwöhnen, wußte der Verfasser nichts Besseres, als daß ihnen nach dem täglichen Dienst Gelegenheit geboten werden sollte, noch Arbeiten in ihrem Beruf zu übernehmen; Handwerkern sollte die Soldatenzeit als Wanderjahre angerechnet werden. Die Furcht vor der Brutalität militärischer Strafen tat er simpel als weibisch ab. Die wohlhabenden Kreise wollte er durch die Aussicht auf Unteroffiziers- und Offiziersstellen gewin­ nen; im übrigen durfte es keine Ausnahme von der Militärpflicht geben. Auf diese uo Ebenda, S. 12. 121 Einige Bemerkungen und Wünsche, die Kriegsverfassung Württembergs betreffend. Eine Landtagsschrift. Stuttgart 1796. ia Unmaßgebliche Gedanken..., a. a. O. *“ Ebenda, S. 14. 22»

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Weise meinte er, die Abneigung der Bevölkerung überwinden zu können und die Aufstellung eines Heeres möglich zu machen, das ausschließlich »von dem ersten Stabsoffizier bis auf den gemeinen Mann hinaus' aus Landeskindern bestand. Schon der Herausgeber dieser Schrift war nicht überzeugt, daß auf so simple Art der Widerwillen des Volkes gegen den Militärdienst beseitigt werden würde. In einer Anmerkung bezweifelte er die vom Autor geäußerte Meinung, mehr oder weniger mit Überzeugungsgründen den Widerstand brechen zu können: .Wenigstens müssen wir auf einen ganz anderen Grund der Kultur und Vaterlandsliebe gebracht sein als gegenwärtig, wenn wir so etwas mit einiger Wahrscheinlichkeit hoffen wollen; aber leider scheinen diese Zeiten noch entfernt zu sein, das Bedürfnis einer Militär­ einrichtung aber ist dringend."124 So berechtigt sein Zweifel war, so wenig taugte sein Auskunftsmittel, der Zwang, den er zwischen den Zeilen anriet. Der Zweifel des Herausgebers war auch nur soweit berechtigt, wie er sich auf die von seinem Autor propagierten naiven Vorschläge bezog. Ganz andere Aspekte eröffneten sich, wenn man den Dingen wirklich auf den Grund ging wie der Verfasser der Flugschrift .Muß Württemberg sich das Fell über die Ohren abziehen lassen?".1-5 Offensichtlich auf die Anmerkung jenes Herausgebers Bezug nehmend, leugnete er die prinzipielle Berechtigung des Zweifels. Er versuchte, ihm einmal dadurch zu begegnen, daß er die jüngsten Erfahrungen mit der Miliz weniger negativ bewertete; hier war er im Unrecht. Aber er bewies dann eine wirkliche Einsicht in das Wesen der Volksbewaffnung, als er über die Mittel sprach, mit denen eine Kampfbereitschaft des Mannes aus dem Volke erzeugt werden konnte: .Alles kommt meines Erachtens darauf an, daf} man ihn empfinden lasse, et lebe in seinem Vaterland so glücklich, als der Volkshauie irgendwo in der Welt leben kann... Emp­ finden und fühlen läßt sich aber nichts, als was wirklich vorhanden ist. Man erteile daher dem Land alle die mannigfaltigen und erhabenen Vollkommenheiten, deren es fähig ist und welche in demselben zur Wirklichkeit gebracht werden können. Man entferne alle der Staabswohlfahrt hinderlichen, den emporstrebenden Geist aber niederschlagenden Unvollkommenheiten, die zu heben sind."129 Diese tiefe Einsicht in die Notwendigkeit, erst die sozialen Voraussetzungen schaffen zu müssen, um ernsthaft eine Volksbewaffnung betreiben zu können, befähigte den Verfasser auch, gegen die selbst in der Opposition teilweise vorhandene bornierte Vorstellung vorzugehen, in der württembergischen Verfassung die beste aller Ver­ fassungen zu besitzen: .Was? werden viele mir einwenden, unsere Landesverfassung sollte noch einer Verbesserung bedürfen? Von Möckmühl bis Balingen ist jedem bekannt, daß selbst einsichtsvolle Engländer eingestanden haben: die engländische Verfassung werde für die beste Europas gehalten, unsere übertreffe aber die ihrige noch weit. Der muß aber noch nie über die Schneeschleif der Alb oder des Schwarz­ waldes gekommen sein, der sich mit diesem Ausspruch schmeicheln und brüsten wollte. In einem Land, darinnen der dritte Teil noch gebracht wird, der Emsigkeits­ trieb noch nicht genug erweckt, die Stallfütterung nicht eingeführt ist, der Viehstand 1M Ebenda, S. 14 Anm. VgL S. 131. Muß Württemberg sich das Fell über die Ohren abziehen lassen?..., a. a. O-, S. 14/15.

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noch eine Vergrößerung um die Hälfte verstauet, viele Gegenden noch ganz öde und ungebaut gelassen werden, die so nützliche Bienenzucht in so geringer Achtung und Pflege steht, noch einige Handlungsstraßen zu schlagen sind, die leichtsinnigste Holzverschwendung in Schwang und Gang geht, viele Gattungen von Gewerbschaften noch unbekannt bleiben, der Hoch- und Prachtaufwand alle Schranken überschreitet, viele Dienstverrichtungen zwar völlig unnötig sind, aber doch teuer bezahlt werden, die Verwechslung der Dienstorte das Land jährlich ein Namhaftes kostet und das Studieren bei den vielen Wohltaten, die das Kirchengut aufwendet, ebenso hoch die Eltern zu stehen kommt als in den Landen, wo man aus eigenem Vermögen die niedere und hohe Schule beziehen muß; In einem Land, damit ich noch genug übergehe, wo der unbemittelte Handwerker und Arbeiter nicht jahraus jahrein das Mehl und Brot um den mittleren Preis haben kann; da sollten keine Verbesserungen mehr möglich sein oder nötig gefunden werden!'127 Der Verfasser forderte Verhältnisse, die die ungehemmte Entwicklung der Produktivkräfte möglich machten, also bürgerliche Verhältnisse. Seine Detailforderungen waren so gehalten, daß sie keiner revolutionären Lösung das Wort sprachen. Er hoffte auf Reformen, die zu realisieren alle aufgerufen waren, und er glaubte daran um so mehr, als »unsere Luft und (unser - H. S.) Boden so fruchtbar an Schriftstellern worden ist, ebenso viele sich mit Entdeckung unserer Mängel beschäftigen als vorhin Kriegskommissarien mit Auffindung unserer Habschaften. Die Zeit wird lehren, ob die Stimme derer, welche dem Besten, dem Heil und der Erhaltung Württembergs das Wort reden, allen Söhnen des Vaterlandes durch Mark und Bein dringen und sie zu sorgfältigen Pflegern ihrer Mutter machen wird'.128 Die Frage der Kontributionsrepartition, von der Öffentlichkeit aufgegriffen, hatte wie eine Lawine immer neue Fragen ins Rollen gebracht. Die bedeutendsten sind dargestellt worden, aber es gab darüber hinaus eine Fülle weiterer Probleme, die von der Flugschriftenliteratur angepackt wurden und hier wenigstens angedeutet werden müssen. Eine Reihe von Schriften beschäftigte sich mit dem Erziehungs­ wesen. Ihre Tendenz lief darauf hinaus, die Erziehung nicht mehr im bisherigen Maße der Geistlichkeit zu überlassen, sondern staatlichen Organen unterzuordnen. Professor Jahn aus Ludwigsburg setzte sich für die Bildung eines Schulkollegiums als höchster Behörde ein129; Christian Hehl propagierte die Verbesserung der pädagogischen Ausbildung durch Gründung einer Lehrerpflanzschule.130 Ebenso •» Ebenda, S. 15/16. >*• Ebenda, S. 16/17. lt# (Jahn, Johann Friedrich), Über öffentliche Erziehung und Anstalten. Jedem edlen Württem­ berger. o. O. im November 1796. 1M (Hehl, Christian), Eine ehrerbietige Anfrage an die Abgeordneten zum künftigen Landtage Württembergs. Sollte auf dem Landtage nicht auf die längst aufgesuchten Quellen der Unsittlichkeit zurückgegangen, nicht auf die Beförderung der erkalten wollenden Gottes­ verehrung als eines Haupterfordemi6ses zur Glückseligkeit eines Staats Bedacht genommen und, um eine zweckmäßige Erziehung der Jugend desto sicherer auf die Zukunft erzielen zu können, nicht eine Schullehrer-Pflanzschule angelegt werden? o. O. im Anfänge Februar 1797.

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wurde verschiedentlich eine Hebung von Sitten und Bildung bei der Geistlichkeit gefordert: Nach dem Vorschlag einer Schrift sollten die vier bestehenden Kloster­ schulen aufgelöst und an ihrer Stelle ein einziges Institut geschaffen werden, das bessere Ergebnisse garantierte.131 „Um dem geistlichen Stande mehr Würde zu geben, nehme man den Pfarrern den Getreide- und Obstzehnten, oder was er sonst für einen Namen haben mag', erklärte ein Autor.132 Eine Anzahl Flugschriften be­ schäftigte sich mit der kümmerlichen oder sogar elenden materiellen Lage einzelner Berufe und Bevölkerungsschichten, so der Schreiber, der Advokaten, der ausgedien­ ten Soldaten und überhaupt der Armen. Wieder andere brachten örtliche Beschwer­ den zur Sprache, die aber manchmal durchaus allgemeine Bedeutung besaßen; die von Heuchelin formulierten Forderungen der Bürger Heidenheims nach Beendigung der Wildplage, der Holzteuerung und nach Belebung des Handels kehrten auch in anderen Schriften wieder.193 Die dem Stuttgarter Kanzleiadvokaten Ostertag zu­ geschriebene .Vorstellung und Bitte der Bürgerschaft in Stuttgart * verband ihre besonderen Beschwerden über das herzogliche Bierbraumonopol, die Holzteuerung, die Naturalbesoldung und die schlechte Polizeiverfassung mit solchen allgemeinen Forderungen wie der nach einem guten, deutsch geschriebenen Staatsrecht und anderen schon behandelten grundlegenden Verfassungsänderungen.134 Die ganze unermeßliche Fülle der Beschwerden und Forderungen ist mit den letzten Bemer­ kungen nicht erschöpft, aber doch ausreichend angedeutet. Diese Schriftenhochflut, die sich in einer relativ kurzen Zeitspanne über Württem­ berg ergoß, zeugt für die intensive Anteilnahme breitester Bevölkerungskreise am politischen Geschehen. Die Autoren, in der Mehrzahl kleine Staatsangestellte und Vertreter der bürgerlichen Intelligenz, waren nicht vermögend genug, um nur zum eigenen Vergnügen zu schreiben. Jede Flugschrift mußte abgesetzt werden und wurde abgesetzt, denn sonst hätte nicht in der Zeit vom September 1796 bis zum März 1797, im Durchschnitt genommen, annähernd jeden zweiten Tag eine neue auf dem Markt erscheinen können. Es kam den bürgerlich-liberalen Verfassern nicht bloß darauf an, ihre Meinungen und Forderungen an die Landtagsabgeord­ neten gelangen zu lassen - das wäre auch auf dem Wege der direkten Eingabe möglich gewesen; sie wählten gerade den indirekten Weg über die Flugschriften, um ihren Meinungen und Forderungen durch eine Massenbasis wirkliches Gewicht zu verschaffen. Die gesamte Flugschriftenliteratur war nichts anderes als eine besondere Form der Auftragserteilung durch die Öffentlichkeit an die Landtags­ deputierten, die man - soweit man sie als Vertreter des Volkes noch nicht an­ erkannte - doch zwingen wollte, es zu werden. 1,1 Einige Wünsche, die württembergische Geistlichkeit betreffend. Gewidmet dem PétitionsComité des württembergischen Landtages, o. O. im April 1797. 191 Auch noch ein Wort wegen der Geistlichkeit an den nahen Landtag von rinem Laien, o. O. 1797, S. 10. (Heuchelin, Philipp Christian), Die Bürger Heidenheims an den Magistrat und den Depu­ tierten zum künftigen Landtag. Stuttgart im Dezember 1796. 134 (Ostertag, Johann Jakob). Vorstellung und Bitte der Bürgerschaft in Stuttgart an ihren Stadtmagistrat wegen des bevorstehenden Landtags, o. O. im November 1796.

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Die öffentliche Meinung erwartete, daß der Landtag den in den Flugschriften behandelten Gegenständen seine vorzüglichste Aufmerksamkeit widmete. Dem­ entsprechend beschäftigten sich auch einzelne Autoren mit den Methoden, wie das gewaltige Material am zweckmäßigsten verwertet werden könnte. In einer Flug­ schrift Hehls wurde der Vorschlag gemacht, daß »von den Landschaftskonsulenten ein genaues Verzeichnis sämtlicher auf dem bevorstehenden Landtage vorkommen sollender Punkte ausgefertigt, bei jedem derselben die in den Flugschriften ge­ äußerten Meinungen beigesetzt, so viele Landtagsdeputierte, so viele Exemplare auf dem landschaftlichen Schreibtisch gefertigt und dann jedem der Einberufenen vorläufig ein Exemplar zugestellt und damit aufgegeben würde, jeden Punkt in reife Überlegung zu ziehen und sich gefaßt zu halten, darüber auf dem bevor­ stehenden Landtage seine Meinung schriftlich zu übergeben, welche hernach in den Landtagssitzungen Öffentlich abgelesen, zu den Landtagsakten gelegt, auch vielleicht seiner Zeit wie die gesamten Landtagsverhandlungen dem Drucke übergeben werden dürften.' 125 Um die direkte Einwirkungsmöglichkeit auf die Verhandlungen noch mehr zu erweitern, sollte außerdem eine zwei- bis dreiköpfige Kommission beim Landtag eingerichtet werden, die mündliche Beschwerden entgegennahm, prüfte und vor die Versammlung brachte. Ein anderer Flugschriftautor, Speidel, reali­ sierte bereits zum Teil diese Anregungen, indem er den Deputierten auf 400 Druck­ seiten eine registerartige Zusammenfassung der in den Schriften geäußerten Wünsche, Winke und Vorschläge anbot.128 Es war Aufgabe des Landtages, die Vorschläge in Beschlüsse zu verwandeln und diese Beschlüsse gegen alle Wider­ stände durchzusetzen.

2. Der Reformlandtag 1797 Die Flugschriftenliteratur Württembergs um die Wende 1796/97 hatte ihre Grenzen ; darauf ist bei der Analyse der einzelnen Schriften im Voraufgegangenen stets hin­ gewiesen worden. Aber über ihren Grenzen darf ihr großer progressiver Gehalt nicht aus den Augen verloren werden. Diese Hochflut mehr oder minder klarer bürgerlicher Gedanken war ein positives Phänomen ersten Ranges. Hegel schrieb unter dem Eindruck der Landtagspublizistik: »Die ruhige Genügsamkeit an dem Wirklichen, die Hoffnungslosigkeit, die geduldige Ergebung in ein großes, all­ gewaltiges Schicksal ist in Hoffnung, in Erwartung, in Mut zu etwas anderem übergegangen. Das Bild besserer, gerechterer Zeiten ist lebhaft in die Seelen der la* (Hehl, Christian). Vorschläge eines Württembergers aus der Wüste, wie sämtliche in den bisherigen Flugschriften an die Hand gegebenen Landesangelegenheiten auf dem bevor­ stehenden Landtag auf das kürzeste behandelt und zu der Zufriedenheit der Untertanen darüber eine vergnügliche Auskunft getroffen werden könne, nebst einigen in der Wüste gemachten Bemerkungen. Den Landtagsdeputierten gewidmet o. O. in der Mitte des Februars 1797, S. 12/13. 1M (Speidel, Christian Friedrich), Inbegriff von Wünschen, Winken und Vorschlägen in Be­ ziehung auf den bevorstehenden Landtag Württembergs, o. O. 1797.

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Die öffentliche Meinung erwartete, daß der Landtag den in den Flugschriften behandelten Gegenständen seine vorzüglichste Aufmerksamkeit widmete. Dem­ entsprechend beschäftigten sich auch einzelne Autoren mit den Methoden, wie das gewaltige Material am zweckmäßigsten verwertet werden könnte. In einer Flug­ schrift Hehls wurde der Vorschlag gemacht, daß »von den Landschaftskonsulenten ein genaues Verzeichnis sämtlicher auf dem bevorstehenden Landtage vorkommen sollender Punkte ausgefertigt, bei jedem derselben die in den Flugschriften ge­ äußerten Meinungen beigesetzt, so viele Landtagsdeputierte, so viele Exemplare auf dem landschaftlichen Schreibtisch gefertigt und dann jedem der Einberufenen vorläufig ein Exemplar zugestellt und damit aufgegeben würde, jeden Punkt in reife Überlegung zu ziehen und sich gefaßt zu halten, darüber auf dem bevor­ stehenden Landtage seine Meinung schriftlich zu übergeben, welche hernach in den Landtagssitzungen Öffentlich abgelesen, zu den Landtagsakten gelegt, auch vielleicht seiner Zeit wie die gesamten Landtagsverhandlungen dem Drucke übergeben werden dürften.' 125 Um die direkte Einwirkungsmöglichkeit auf die Verhandlungen noch mehr zu erweitern, sollte außerdem eine zwei- bis dreiköpfige Kommission beim Landtag eingerichtet werden, die mündliche Beschwerden entgegennahm, prüfte und vor die Versammlung brachte. Ein anderer Flugschriftautor, Speidel, reali­ sierte bereits zum Teil diese Anregungen, indem er den Deputierten auf 400 Druck­ seiten eine registerartige Zusammenfassung der in den Schriften geäußerten Wünsche, Winke und Vorschläge anbot.128 Es war Aufgabe des Landtages, die Vorschläge in Beschlüsse zu verwandeln und diese Beschlüsse gegen alle Wider­ stände durchzusetzen.

2. Der Reformlandtag 1797 Die Flugschriftenliteratur Württembergs um die Wende 1796/97 hatte ihre Grenzen ; darauf ist bei der Analyse der einzelnen Schriften im Voraufgegangenen stets hin­ gewiesen worden. Aber über ihren Grenzen darf ihr großer progressiver Gehalt nicht aus den Augen verloren werden. Diese Hochflut mehr oder minder klarer bürgerlicher Gedanken war ein positives Phänomen ersten Ranges. Hegel schrieb unter dem Eindruck der Landtagspublizistik: »Die ruhige Genügsamkeit an dem Wirklichen, die Hoffnungslosigkeit, die geduldige Ergebung in ein großes, all­ gewaltiges Schicksal ist in Hoffnung, in Erwartung, in Mut zu etwas anderem übergegangen. Das Bild besserer, gerechterer Zeiten ist lebhaft in die Seelen der la* (Hehl, Christian). Vorschläge eines Württembergers aus der Wüste, wie sämtliche in den bisherigen Flugschriften an die Hand gegebenen Landesangelegenheiten auf dem bevor­ stehenden Landtag auf das kürzeste behandelt und zu der Zufriedenheit der Untertanen darüber eine vergnügliche Auskunft getroffen werden könne, nebst einigen in der Wüste gemachten Bemerkungen. Den Landtagsdeputierten gewidmet o. O. in der Mitte des Februars 1797, S. 12/13. 1M (Speidel, Christian Friedrich), Inbegriff von Wünschen, Winken und Vorschlägen in Be­ ziehung auf den bevorstehenden Landtag Württembergs, o. O. 1797.

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Menschen gekommen, und eine Sehnsucht, ein Seufzen nach einem reinem, freiem Zustande hat alle Gemüter bewegt und mit der Wirklichkeit entzweit. Der Drang, die dürftigen Schranken zu durchbrechen, hat seine Hoffnungen an jedes Ereignis, an jeden Schimmer, selbst an Freveltaten geheftet... jene Sehnsucht... ist kein zufälliger Schwindel, der vorübergeht. Nennt sie einen Fieberparoxismus, aber er endigt nur mit dem Tode, oder wenn die kranke Materie ausgeschwitzt ist. Er ist eine Anstrengung der noch gesunden Kraft, das Übel auszutreiben.'197 Noch nie hatten Landesherr und Ständevertretung unter einem derartigen Druck der öffent­ lichen Meinung gestanden, wie er sich hier in den Monaten vor dem Zusammentritt des Landtages entwickelte. Und diese Öffentliche Meinung war nicht von einigen hundert Flugschriftautoren gemacht, sondern die Autoren waren umgekehrt Sprecher der Masse der Bevölkerung. Wenn Hölzle behauptet, daß .es unter diesen Schriften nicht an Meinungsmachen fehlt und manche Autoren sich besonders vor­ drängten' 1M, so könnte man ihm recht geben, wenn er die wenigen reaktionären Stimmen meinte, die sich der Flut entgegenzustellen versuchten; aber er zielt auf die radikalen Äußerungen und sieht nicht, daß auch hinter ihnen Massen standen, daß selbstverständlich die verschiedenen Schichten verschieden weitgesteckte For­ derungen erhoben, aber alle zusammen die öffentliche Meinung bildeten. Es war keine Bewegung, die ausschließlich vom gebildeten Bürgertum getragen wurde, auch wenn es allein die Sprecher stellte; die werktätigen Massen standen dahinter. Nur darum konnten die Schriftsteller so kühn auftreten, nur darum wagten sich so selten Gegenschriften hervor, nur darum sahen die herzoglichen Behörden von Zensurmaßregeln und Verfolgungen der Autoren ab, deren Anonymität zu durch­ sichtig war, um Schutz zu bieten. Ein scharfes Vorgehen hätte die Erregung nur noch gesteigert. .Einige unserer Oberforstmeister, welche diesen Geist der feinen Politik nicht begriffen, haben verschiedene von den Schriftstellern, welche besonders auf die Abstellung des Wildschadens drangen, als Aufwiegler denunziert , * berichtete ein Zeitgenosse. .Aber man legte ihre Denunziationen zurück und schwieg.' 139 Es wäre ein Fehler, die Kampfliteratur einfach unter den Begriff der ständischen Bewegung subsumieren zu wollen, nur weil sie den ständischen Landtag als den großen Hebel zur Bewirkung prinzipieller Veränderungen benutzen zu können glaubte. Auch in Frankreich ging der Revolution die Einberufung der General­ stände vorauf. Die württembergische Landschaft stand unter keinem geringeren Druck als der Herzog. .Ehe noch auf das zur Zusammenberufung des ständischen Konvents erlassene fürstliche Reskript die Amtsversammlungen zur Wahl der De­ putierten veranstaltet . . . wurden', hieß es in Posselts .Europäischen Annalen , * .legitimierte sich jenes gefürchtete Phantom, bekannt unter dem Namen der Publizität, als Sprecher der Nation, deckte verjährte Mißbräuche und Staats­ gebrechen, wo nicht immer mit Gründlichkeit, doch mit vieler Freimütigkeit auf, 1,7 Hegel. Georg Friedrich Wilhelm, Ober die neuesten innem Verhältnisse Württembergs.... a. a. O., S. 150/51. 188 Hölzle, Erteilt, Das alte Recht..., a. a. O., S. 171 Anm. 2. *“ Pahl, Johann Gottlried, Materialien..., a. a. O., S. 370/71.

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zeigte Fehler in der Staatsökonomie an und gab nicht undeutlich zu erkennen, was man diesmal von der ständischen Versammlung wünsche, hoffe und erwarte.'140 Diese Erwartungen waren immerhin so weit gespannt, daß bei ihrer Erfüllung von der alten Landschaft nicht viel mehr als vielleicht ihr Name übrigblieb. Der Druck von unten manifestierte sich nicht nur in der Fülle von Traktaten. Er war unmittel­ bar gegenwärtig in vielen Amtskörperschaften bei der Wahl der Deputierten; so, wie die Magistrate zusammengesetzt waren, bestand keine Aussicht, daß sie allein aus sich heraus Männer in den Landtag wählten, die die Reformforderungen ernst nahmen. Das Geleit, das die Massen in Stuttgart den Abgeordneten am 17. März zur Eröffnung des Landtags gaben, war nichts anderes als eine gewaltige Demon­ stration. Die Bewegung, die ihren sichtbarsten Ausdruck in der Flugschriftenliteratur fand, zog ihre Stärke aus den Volksmassen, den wahrhaft demokratischen Kräften. Diese Tatsache spiegelte sich bereits in solchen Flugschriften wider, die auch nur in den leisesten Ansätzen demokratische Prinzipien vertraten. Nicht wenige Trak­ tate gingen sehr viel weiter. Trotzdem trug die Flugschriftenliteratur in ihrer Gesamtheit keinen demokratischen Charakter. Wie Pahl in seinen Denkwürdigkeiten richtig feststellte, fehlte es .dem erwachten bürgerlichen Geiste noch viel an Mut und Kraft, um das, was er als rechtlich und zeitgemäß erkannt hatte, gegen die unermüdeten Wächter der Stabili­ tät geltend zu machen'.141 Vor allem fehlte es ihm an Mut, das Zutrauen und die Sympathie der Volksmassen in eine alle Hemmnisse überwindende Aktivität zu verwandeln. Die Massen brauchten eine Führung, die ihnen den Blick freimachte über das Gestrüpp der nächsten Nöte und Beschwerden auf große Ziele hin. Der Bauer aus sich heraus war dazu nicht in der Lage; im Kopfe des Handwerkers spukten reaktionäre zünftlerische Vorstellungen, die seine Tatkraft häufig genug in falsche Richtungen lenkten.142 Das Bürgertum war berufen, die Massen in den Kampf gegen den Feudalismus zu führen. In Württemberg aber begnügte es sich damit, ihre Sympathie zu erringen; es fürchtete, die einmal in Bewegung geratenen Massen aus der Hand zu verlieren. Letzte Ursache seiner Beschränktheit war seine ökonomische Schwäche. Das württembergische Bürgertum hatte noch nicht einmal solche Höhen der Wirtschaft erklommen, die es zwangen, über die engen Grenzen seines Ländchens hinauszuschauen und nationale Gesichtspunkte zu entwickeln. Es steckte noch tief im bornierten kleinstaatlichen Partikularismus, der aus den Be­ sonderheiten der staatlichen Struktur Württembergs zusätzliche Kraft zog. Die im Bürgertum verbreitete Vorstellung, eine zumindest verbesserungsfähige Verfassung zu besitzen, trübte seinen Blick und hemmte sein Handeln. Der junge Hegel gehörte zu den wenigen, die diese Halbheit im Wollen damals mit scharfem Blick erkannten: .Allgemein und tief ist das Gefühl, daß das Staatsgebäude, so wie es itzt noch 140 .Europäische Annalen', Jahrg. 1797, 4. Stück, S. 27. 141 PaM, Johann Gottfried, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben..., a. a. O-, S. 114. 14? Gerechte Klagen und Bitten eines billig denkenden Bürgers im Namen sämtlicher Zünfte und Handwerker zu Stuttgart der Landesversammlung zur Beherzigung vorgelegt und geweiht. O. O, 1797,

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besteht, unhaltbar ist - allgemein ist die Ängstlichkeit, daß es Zusammenstürzen und in seinem Falle jeden verwunden werde. * Er forderte Tatkraft und Mut, .die einzige Macht, die das Wankende mit Ehre und Ruhe vollends wegschaffen und einen gesicherten Zustand hervorbringen kann. Wie blind sind diejenigen, die glau­ ben mögen, dafj Einrichtungen, Verfassungen, Gesetze, die mit den Sitten, den Bedürfnissen, der Meinung der Menschen nicht mehr zusammenstimmen, aus denen der Geist entflohen ist, länger bestehen, daß Formen, an denen Verstand und Emp­ findung kein Interesse mehr nimmt, mächtig genug seien, länger das Band eines Volkes auszumachen I Alle Versuche, Verhältnissen, Teilen einer Verfassung, aus welchen der Glauben entwichen ist, durch großsprechende Pfuschereien wieder Zutrauen zu verschaffen, die Totengräber mit schönen Worten zu übertünchen, bedecken nicht nur die sinnreichen Erfinder mit Schande, sondern bereiten einen viel fürchterlichem Ausbruch, in welchem dem Bedürfnisse der Verbesserung sich die Rache beigesellt und die immer getäuschte, unterdrückte Menge an der Un­ redlichkeit auch Strafe nimmt... Wenn eine Veränderung geschehen soll, so muß etwas verändert werden'.1*5 So richtig Hegel das Gefährliche der Methode erkannte, moderne bürgerliche Vor­ stellungen in die ständische Verfassung hineinzuinterpretieren, weil sie ihr neuen Glanz gaben und Illusionen verbreiteten, die vom wirksamen Handeln abhielten, so teilte er doch mit den württembergischen Publizisten die Überzeugung, einer Re­ volution durch rechtzeitige Reformen voibeugen zu müssen. Allerdings verlangte er tiefgreifende Reformen, die den Massen demokratische Rechte gewährten. Der ursprüngliche Titel seiner Flugschrift, die er erst 1798 beendete und nie veröffent­ lichte, lautete: .Daß die Magistrate vom Volk gewählt werden müssen . * 1** Er wid­ mete die Schrift nicht wie viele andere Autoren dem Landtag, sondern wählte als Untertitel die Worte: .An das württembergische Volk . * 1*1 Offensichtlich begegnete er also auch dem undemokratisch gewählten Landtage mit berechtigtem Mißtrauen: .Nur zu oft liegt hinter den Wünschen und dem Eifer fürs allgemeine Beste der Vorbehalt verborgen: soweit es mit unserem Interesse übereinstimmt Eine solche Bereitwilligkeit, zu allen Verbesserungen das Jawort zu geben, erschrickt, erblaßt sobald auch einmal eine Anforderung an diese Bereitwilligen selbst gemacht wird.'141 149 Die Wahl der Magistrate durch das Volk betrachtete Hegel als einen Weg, *144 141 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm, Über die neuesten innem Verhältnisse Württembergs.... a. a. O., S. 151. 144 Ebenda, S. 150 Anm. 1. 144 Rosenzweig, Franz, Hegel und der Staat. München u. Berlin 1920, Bd. 1, S. 60. 144 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm, Über die neuesten innem Verhältnisse Württembergs..., a. a. O„ S. 152. Sehr deutlich kommt seine kritische Stellung zur Landschaft in dem Mitte der 90er Jahre entstandenen 3. Fragment seiner Arbeit über .Volksreligion und Christen­ tum' zum Ausdruck: .Aber wann ein Stand - der regierende oder der Priesterstand - oder beide zugleich diesen Geist der Einfalt verlieren, der ihre Gesetze und Ordnungen stiftete und bisher beseelte, so ist sie nicht nur unwiederbringlich dahin - sondern die Unter­ drückung, die Entehrung, Herabwürdigung des Volks ist dann gewifj (daher die Ab­ sonderung in Stände für die Freiheit schon gefährlich, weil es einen esprit de corps geben kann - der bald dem Geiste des Ganzen zuwider wird). Wann dem Volk auch nicht mehr

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um dem Volk wenigstens mittelbaren Einflug auf die Zusammensetzung des Land­ tags zu sichern und dessen gefährlicher Absonderung zu begegnen. Hegel stand auf dem linken Flügel, aber auch dort noch war er Teil der bürgerlich-liberalen Bewe­ gung, die sich in der Flugschriftenliteiatur manifestierte, eine revolutionäre Ak­ tivität der Massen vermeiden wollte und über den ständischen Landtag Reformen erstrebte, die dem Neuen mehr oder weniger breiten Raum geben sollten. Aller Augen schauten auf den Landtag. Die Ausschußfrage war das erste, womit er sich beschäftigen mußte. Es war der entschiedenen Richtung nicht gelungen, die Wahl solcher Deputierten durchzusetzen, die nicht dem Magistrat angehörten. Vor dem Veto der Regierung, die in dieser Frage auch publizistisch unterstützt wurde, wer sie zurückgewichen. Trotzdem verfügte die entschiedene Opposition in der Versammlung über keine geringe Zahl von Anhängern. Auch unter den Magistrats­ mitgliedern gab es oppositionell Gesinnte, und der starke Druck von unten hatte die Entscheidungen der Wahlkörperschaften beträchtlich beeinflußt. Die Rolle, die Hofacker und Steeb als außenstehende Privatkonsulenten spielen konnten, liefert den eindeutigen Beweis. Am 18. März, an dem die eigentlichen Landtagsverhand­ lungen begannen, wurde als erstes der alte Stookmayer als Konsulent zum Rücktritt gezwungen. Dann trat sofort als Sprecher der Opposition der 25jährige Bürger­ meister Viktor Wilhelm Hauff, Abgeordneter für Tübingen, mit einem scharfen Votum auf. Er forderte die Annahme der verfassungsmäßig angebotenen Resignation der alten Ausschußmitglieder; an ihre Stelle sollte ein vorläufiger, nur für die Dauer des Landtags bestimmter Ausschuß treten, der aber auch nur zur Hälfte aus den alten Mitgliedern gewählt werden durfte. Bevor bei Abschluß des Landtages der endgültige Ausschuß bestimmt würde, sollte eine Deputation von Landtagsabgeord­ neten beauftragt werden, «allen bisherigen Ausschußdeputierten und Offizialen Rechenschaft über ihre ganze Amtsführung abzunehmen, über die Habilitât der bisherigen Ausschußmitglieder zur Aufnahme in den zu Ende des Landtags wieder herzustellenden perennierenden Ausschuß dem Pleno zu referieren, die Offizialen nach Erfund der Umstände zu entlassen oder zu bestätigen, auch ein Projekt eines revidierten Ausscbußstaats zu entwerfen und solches dem Pleno zur Deliberation Opfer, nicht mehr Büßungen aufgelegt werden, als es vorher immer gewohnt war, so ist das Ganze zusammen doch nimmer eine Gemeine, die gemeinschaftlich, in dem nämlichen Sinn einmütig vor die Altäre ihrer Gotter tritt - sondern ein Haufe, dem seine Führer heilige Empfindungen ablocken und dabei selbst nicht mitfühlen - wie der Taschenspieler dem gaffenden Publikum Bewunderung, wo er selbst zwar nichts bewundert, aber sich auch nicht stellt - als teile er ihr Staunen, dahingegen jene in Anstand, Gesicht und Worten die Mitempfindung heucheln. - Dieser Kontrast ist dann für den ruhigen Zuschauer desto empörender, je mehr ihn die Einfalt, die Unschuld der Menge rührt - der Anblick des andächtigen Volks, der gegen Himmel gerichteten Blicke - der gefalteten Hände, der gebogenen Knie, des tiefen Seufzens, des brennenden Gebets würde unwiderstehlich mit reiner Wärme sein Herz erheben - wenn nicht die Hauptpersonen des Spiels gerade Bitterkeit in seine Empfindung mischten.' Hegels theologische Jugendschriften nach den Handschriften der Königlichen Bibliothek in Berlin. Herausgegeben von Herman Nohl. Tübingen 1907, S. 38.

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und Beschließung vorzulegen.'147148 Hauff konnte sicher sein, daß sein Votum die Mehrheit der Stimmen erhielt. Jedoch der die Versammlung leitende Konsulent Kerner erschreckte alle mit der geheimnisvollen Mitteilung, .das Vaterland sei in Gefahr und unter solchen Umständen das tübingische Votum höchst bedenklich'.143 Nähere Angaben zu machen lehnte er ab. Er erreichte es in der Tat, daß der Landtag unter dem Eindruck dieser ominösen Warnung sich mit Mehrheit für die provi­ sorische Wiedereinsetzung der alten Ausschüsse entschied. Ein solches Ergebnis und insbesondere die Methoden, mit denen es erzielt wurde, stießen außerhalb wie innerhalb der Versammlung auf energischen Widerstand. In einer ..Dringenden Vorstellung' vom 20. März protestierten die Stuttgarter Zünfte.149 Bürgermeister Hauff sammelte seine unbedingten Anhänger im Landtag, um das Abstimmungsergebnis anzufechten. Ganz zweifellos spielte das illegale Haupt­ quartier der Reformer mit Hofacker und Steeb im Gasthaus zum Hirschen eine bedeutsame Rolle. Ein Erfolg war um 60 eher möglich, als das Kernersche .periculum in mora', wie sich herausstellte, keinen wirklich ernsthaften Hintergrund besaß.160 Hauff trat darum in der nächsten Sitzung am 20. März erneut auf, protestierte feierlich .gegen die vorgestern auf eine mit der Stimmfreiheit ganz unvereinbare und illegale Art vorgegangene Wiedereinsetzung der beiden Ausschüsse' und ver­ langte eine Wiederholung der Abstimmung über sein Votum ohne die Gegenwart der Ausschußmitglieder. Als die Ausschüsse keine Miene machten, darauf ein­ zugehen, drohten Hauff und weitere 24 Deputierte - darunter selbstverständlich die Abgeordneten jener Ämter, die schon bei der Deputiertenwahl im September 1796 am radikalsten mit dem Herkommen brechen und demokratische Grundsätze atigewendet wissen wollten - mit dem Boykott sämtlicher Verhandlungen. Außerdem übergaben sie eine gemeinsame Beschwerde an das herzogliche Geheime Rats­ kollegium.161 Darauf wandelte sich die Situation. Am 21. März beschloß der Land­ tag nahezu einmütig die Wiederholung der Abstimmung. Diesmal endete sie mit dem Siege des Hauffschen Antrags: Von den sechzehn Mitgliedern blieben nur sieben im Amt, die anderen wurden aus den Reihen der Abgeordneten neugewählt, und der Ausschuß erhielt den geforderten provisorischen Charakter.169 Das Echo, das dieser erste Erfolg der entschiedenen Opposition im Land auslöstc, war enthusiastisch. Mit anderen pries der Anonymus Philo insbesondere .den unerschütterlichen Mut eines Jünglings in eurer Versammlung , * nämlich den des 147 Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 1, S. 90. 148 Ebenda, S. 90. 144 (Kapt, Johann Wilhelm), Dringende Vorstellung der Zünfte zu Stuttgart an den Stadtmagistrat allda, die beiden landschaftlichen Ausschüsse betreffend, o. O. den 20. März 1797. 1,4 Hölzle. Eiwin. Das alte Recht..., a. a. O., S. 186. 131 Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O.. H. 1, S. 98 ff. Es waren die Landtagsdeputierten der Stände Tübingen, Böblingen, Wildberg, Winnenden, Ochsenbutg. Großbottwar, Güglingen, Sachsenheim, Dornstetten, Bietigheim, Besigheim, Altcnstaig, Zavelstein, Freudenstadt, Bönigheim, Marbach, Liebenzell, Bulach, Homberg, Neuenbürg, Pfullingen, Wildbad, Sindelfingen, Nagold und Reichenbach. us Ebenda, S. 106 ff.

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jungen Bürgermeisters Hauff, der die Hauptarbeit geleistet hatte.’M Mit dem Bei­ fall aber unmittelbar verbunden war die Aufforderung, bei dem Erreichten nicht stehenzubleiben, sondern neue Aufgaben in Angriff zu nehmen. Philo machte sich dabei zum Sprecher der Armen : .Armut zu mindern, - dies, Stellvertreter der Völker, dies sei euer erster, vorzüglichster Zweck. * 154 Er betrachtete den Landtag durchaus als eine Art Nationalversammlung, wie sie das Jahr 1789 in Frankreich geschaffen hatte,- er forderte auf, sich dort Vorbilder zu suchen. Allerdings sollten sie nicht Robespierre oder Marat heißen, wohl aber Sieyès: .Wenn der rasende Robespierre gleich dem Donner des Himmels seine Stimme erschallen lief), wenn ein wütender Marat mit dem Grimm eines Tigers seine Grundsätze unterstützte, so müssen wir über die sanfte und doch ernste, über die überzeugende und zugleich angenehm belehrende Sprache eines Sieyès in ein edles Staunen geraten.'155 Dieses Bekennt­ nis zu Sieyès, dem girondistischen Politiker, war besonders beachtlich angesichts der Tatsache, daß die feudale Reaktion in diesem abgefallenen Priester immer noch einen der Hauptschuldigen an der Entwicklung sah, die die Dinge in Frankreich nach 1789 genommen hatten. Eine andere Flugschrift, .Das württembergische Volk an seine Stellvertreter in der zweiten Woche des Landtages', pries ähnlich wie Philo die Standhaftigkeit Hauffs: .Du mutiger Jüngling, der du zuerst das Wort der Redlichen führtest, den Angriffen eines Verräters Trotz botest und der guten Sache den Sieg bereitetest, nimm den besonderen Dank des Vaterlandes.'1H Aber ungleich radikaler als bei Philo, der sich vorsichtig gegen den Jakobinismus abgrenzte, verlangte die Schrift ein konsequentes Fortschreiten auf dem eingeschlagenen Wege: »So bleibt denn nicht da stehen, wohin ihr so mächtig eiltet; durohlauft mutig die lange Bahn; schlagt auf dem Wege die Ungerechten nieder und erhöht die Gerechten. Zermalmt alles, was Torheit und Bosheit aufbauten und schmückten! Wer sollte auch euch noch aufhalten, wer gegen euch stehen können? Wagt es einer, so muß es ein Ver­ räter des Vaterlandes sein; zeichnet ihn auf der Stirne, und er ist verloren. Denn wir sind eure Arme; euch sollen eure Feinde fürchten, weil sie uns fürchten müs­ sen.' 157 Das war jakobinisch nicht nur im Ton. Das Volk war der Souverän - .der Majestätsverbrecher, das ist der Beleidiger der bürgerlichen Gesellschaft'158 - und dieses Volk war berechtigt und bereit, unmittelbar und mit eigener Hand einzugrei­ fen, wo seine Repräsentanten auf unüberwindliche Hindernisse stießen. Jakobinisch auch in der Unversöhnlichkeit, forderte die Schrift keine Halbheiten in der Behand­ lung der gestürzten Mitglieder des oligarchischen Ausschusses, etwa die Weiter­ zahlung von Gehältern. .Nein, Stellvertreter des Volkes, das Laster sollt ihr in keinem Falle belohnen. Es soll nicht einmal seinen Raub in behaglicher Ruhe genießen. . . Andere mögen zu anderen Zeiten gütig, ihr müßt gerecht sein. Strafe, ”* Philo an die versammelten Repräsentanten des württembergischen Volks, nebst einer Trost­ rede an die Märtyrer ihrer Grundsätze von Spartagus. Württemberg 1797, S. 5. Ebenda, S. 13. ’»» Ebenda, S. 10. ”• Das württembergische Volk an seine Stellvertreter in der zweiten Woche des Landtages, o. O. 1797, S. 10. Ebenda, S. 6. ,ss Ebenda, S. 7.

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schwere Strafe den Lügnern, den Verleumdern, den Widerspenstigen, den Räubern, den Verrätern des Vaterlandes; aber den Verirrten, den Verführten - Verzeihung und Bruderliebe, wenn sie sich bekehren.'ii9 Die künftigen Aufgaben des Landtags wurden in der Flugschrift nicht im einzelnen präzisiert, aber die Tatsache selbst, daß solche unbedingt gelöst werden mußten, war so formuliert, daß an der un­ eingeschränkten Vollmacht des Landtags zu grundsätzlichen Eingriffen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens kein Zweifel übrigblieb: .Wieviel ist euch noch zu tun übrig, Stellvertreter des Volks I Ihr sollt für die Ruhe von innen und außen, für die Erziehung unserer Kinder, für unsere Freiheit und Glückseligkeit nicht nur einen Tag dauernde, sondern bleibende Anstalten treffen. Denn ihr denkt, wollt und handelt für uns alle; wir alle wollen glücklich sein, und wir können es durch euch. Darum verbindet euch immer enger gegen die verderblichen Pläne, welche die Feinde des Volkes im Dunkeln schmieden. Seid einig, und ihr seid unüberwind­ lich wie wir.'160 Die radikale Tonart dieser Schriften und auch die weitgehende Zielsetzung ins­ besondere der letzten dürfen dennoch nicht die ihnen eigene Inkonsequenz vergessen machen. Dafj die Aufgabenstellung nur ganz allgemein formuliert und von jedem Detail abgesehen wurde, war kein Zufall, sondern deutliches und notwendiges Ergebnis dieser Inkonsequenz. Der am 17. März zusammengetretene Landtag war auf der Grundlage eines Privilegiertenwahlrechts, also undemoknatisch, zustande gekommen. Ihn als Repräsentation des Volkes anzusprechen, hieß bereits auf prin­ zipielle Volksrechte verzichten. Außerdem aber bedeutete es auch ein Anerkennen bestimmter verfassungsrechtlicher Formen, wie sie nun eben einmal bestanden. Eine detaillierte Aufgabenstellung unter diesen Bedingungen hätte notwendig beschei­ dener klingen müssen. Der Sinn dieser Flugschriften bestand jedoch nicht darin, der Aktivität des Landtags Grenzen zu setzen, sondern umgekehrt ihn durch die Steigerung des Drucks von unten vorwärtszutreiben. Darum die allgemeine Auf­ gabenstellung, die alles offen lieg und sich auch besser mit dem radikalen Ton vereinbarte. Die Flugschriften, die konkrete Vorschläge für die nächsten Schritte des Landtages machten, gingen vom Gegebenen aus, das reformiert und nicht auf revolutionäre Weise umgestürzt weiden sollte. Danz' Schrift .Vorschläge zu zweckmäßiger Or­ ganisierung der landschaftlichen Ausschüsse in Württemberg' beispielsweise pries ebenfalls den Sturz der alten Ausschußmitglieder, warnte ebenfalls vor einem Ver­ harren beim Erreichten, aber war in ihren Forderungen konkreter und darum bescheidener. Zum guten Teil griff Danz alte Wünsche auf, die bereits in der Zeit der Vorbereitung des Landtags eine Rolle gespielt hatten: Die Prälaten sollten keinen Platz ohne Instruktion und Vollmacht der Klosterämter erhalten; die Beschränkung der Wahlfähigkeit auf Magistratsangehörige war entweder aufzuheben, oder es mußte dafür gesorgt werden, daß bessere Männer in die Magistrate gelangten; der Landtag sollte regelmäßig wenigstens alle zehn Jahre zusammentreten. Was die Ausschüsse anbetraf, so mußte selbstverständlich mit der Selbstersetzung ein Ende Ebenda, S. 9.

*•« Ebenda, S. 10/11.

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gemacht werden; der größere Ausschuß, der in der Vergangenheit eine völlig untergeordnete Rolle gespielt hatte, sollte jetzt die Verwaltung der Landesgelder übertragen bekommen; um die Ausschußmitglieder in ihren Entscheidungen un­ abhängiger zu machen, sollten sie Diäten beziehen.161 All diese Vorschläge waren Reformvorschläge, die vom Gegebenen ausgingen und es mehr oder weniger dem .Geist der Zeit', also den Ansprüchen des Bürgertums anpassen wollten. Um die klaffende Diskrepanz, die notwendig zwischen dem alten feudalen Recht und den modernen bürgerlichen Zielen bestand, zu überbrücken, müßte der ständischen Verfassung Gewalt angetan werden. Diese Gewaltanwendung und noch mehr die Tatsache, daß die bürgerliche Opposition die öffentliche Meinung mobilisierte und sich auf sie stützte, war in einem Grade progressiv, daß selbst revolutionär-demo­ kratische Töne und Tendenzen dabei mitlaufen konnten. Niemals jedoch vermochten solche Züge das Gesicht der Gesamtbewegung zu bestimmen, die bürgerlich-liberal blieb und sich auf Reformen beschränkte, die als Pfropfreiser auf alte Stöcke gesetzt werden sollten. Als Muster für die Art und Weise, wie diese bürgerliche Reformbewegung sich mit der Feudalverfassung auseinandersetzte und dabei das Alte mit dem Neuen zu verbinden suchte, kann die Schrift .Über das Petitionsrecht' von Christian Friedrich Baz aus Ludwigsburg gelten. Er war schon 1796 in den Ausschuß gewählt worden, gehörte aber auch zu der wiedergewählten Minorität -und sollte als ständischer Führer noch eine hervorragende Rolle spielen. Baz ging von der durch und durch antifeudalen, bürgerlichen Grundvorstellung aus, .daß ein beständiger Fortschritt in allem, was wahr, gut und vollkommen ist, die große Bestimmung unseres Ge­ schlechts aüsmache", daß also auch .sich die Anstalten der bürgerlichen Gesellschaft ins Unendliche abändern müssen, alles bloß für die gegenwärtigen Verhältnisse zweckmäßig, bloß Bildungs-, Leitungs- und Beglückungsmittel für die gegenwärtigen Zeitbedürfnisse sei, daß ein Stillstand in den öffentlichen Anstalten unter die un­ erhörten und undenkbaren Erscheinungen der Menschheit gehöre,...'162 Dieser Tatsache entsprechend fänden 6ich darum auch in allen brauchbaren Verfassungen Mittel und Wege eingebaut, damit .auf eine gesetzmäßige, der öffentlichen Ruhe unschädliche Art die nötigen Verbesserungen von Zeit zu Zeit gemacht, drückende Mißbräuche und Mängel entfernt und die Beschwerden des Volkes gehoben werden . * Als «inen solchen Weg bezeichnete Baz das Petitionsrecht, wobei er es allerdings in einem Sinne deutete, der den alten und eigentlichen Begriff völlig veränderte: .Dieses Recht besteht darin, daß das Volk dem Regenten durch gewisse Behörden, Beamte, Stellvertreter etc. von Zeit zu Zeit seine Wünsche und Beschwerden nach der modernen Sprache seinen Willen — vortragen, um deren Anhörung und Gewährung bitten läßt und daß der Regent diesen Wünschen und Erwartungen ent­ spricht. Das Recht der Petition ist also ein Volksrecht. . . Der Regent, der dieses 1,1 (Danz, Wilhelm August Friedrich), Vorschläge zu zweckmäßiger Organisierung der land­ schaftlichen Ausschüsse in Württemberg, o. O. 1797. 1,1 (Baz, Christian Friedrich), Über das Petitionsrecht der württembergischen Landstände. Für alle und zu allen Zeiten lesbar, o. O. 1797, S. 7/8.

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Recht ehrt und hört, übt dadurch (auch wenn es nicht grundgesetzmäßig wäre) seine Pflicht aus.'163 Aus dieser Definition ergab sich nicht nur das ausdrücklich ein­ geräumte Recht für die Masse des Volkes, ihren Wunsch beziehungsweise Willen an den Regenten gelangen zu lassen, sondern es ergab sich aus der Verpflichtung des Regenten, diesem Wunsch beziehungsweise Willen zu entsprechen, das weitere Recht, bei Verletzung dieser Pflicht den Gehorsam aufzukündigen. Baz zog diesen Schluß, um ihn jedoch im gleichen Augenblick in einer Weise einzuschränken, daß er die revolutionäre Konsequenz verlor: .Das Volk erhält durch die Petition ein Recht, den Fürsten an Verbesserungen zu erinnern und die Erhöhrung seiner Bitten nicht bloß als eine Gnade, sondern als eine Pßicht von ihm zu erwarten. In seinen Stellvertretern ist jemand da, den der Regent kraft der Gesetze hören mußt Die Ab­ stellung der Beschwerden wird dadurch zu einer Bedingung des Gehorsams, dieser äußere sich nun inAbgaben, Diensten oder auf eine andere Art. * 194 Mit der Zwischen­ 193 schaltung der Landschaft erreichte Baz den doppelten Zweck, daß einmal den Volks­ massen die Entscheidung weitgehend entzogen und zum anderen die Landschaft mit der ganzen Autorität des Volkswillens gegenüber dem Regenten ausgerüstet wurde. Baz scheute sich nicht, Argumente aus der Rüstkammer der bürgerlichen Ideologie zu gebrauchen, mit denen in Frankreich revolutionär-demokratische Entscheidungen und Maßnahmen begründet worden waren; aber er war und blieb dabei landschaft­ licher Politiker, der im Grunde doch nur in der Landschaft die berufene Institution sah, um vorsichtig und unter Vermeidung größerer Erschütterungen dem Bürgertum etwas mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Darum widmete Baz in seiner Schrift einen so breiten Raum dem angeblichen Nachweis, daß seine Auffassung den über­ lieferten Gesetzen entsprach. Selbstverständlich überhöhte er dabei eben mit Hilfe seiner Auslegung des Petitionsrechtes die Bedeutung der Landschaft und insbeson­ dere des Landtags gegenüber dem Regenten. Er stellte fest, .daß die Ausübung der Petition nicht bloß dem engeren und größeren landschaftlichen Ausschüsse, den zu Stuttgart anwesenden einzelnen Gliedern des engeren, sondern insbesondere Landes­ versammlungen, und zwar nicht bloß zu gewissen Zeiten, sondern immer und so oft eine Veranlassung dazu vorhanden ist, besonders aber bei der jährlichen Bewilligung der außerordentlichen Abgaben, zukomme;... ja, daß Gegenstände des Petitions­ rechts den Landständen für sich eine gegründete Ursache geben, auch wenn keine neuen Steuern zu regulieren, keine Brandschatzungen zu repartieren sind, auch wenn keine neuen herzoglichen Schulden übernommen werden sollen, den Regenten um die Zusammenberufung einer Landesversammlung zu bitten.'195 Auch wenn es nicht ganz mit dieser Schärfe formuliert wurde, lief schließlich in Baz' Interpretation das Nebeneinander van Fürst und Landschaft auf eine Gewaltenteilung in Exekutive und Legislative hinaus, wobei es außer diesen Gewalten nichts gab, was nicht dem Wandel der Zeiten unterworfen war; .Zwei Einrichtungen sind in Württemberg kraft der Konstitution über alle Veränderung erhaben: die der Ausübung der voll193 Ebenda, S. 11. «• Ebenda, S. 16.

Ebenda, S. 46/47.

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ziehenden Gewalt (der Regierung) durch ein hohes Fürstenhaus, eine einzige angeborene Regentenfamilie, und die der Repräsentation des Volks durch Land­ stände in allem, was für die Wohlfahrt des Ganzen wichtig ist. Alles andere ist seiner Natur, dem Geist und Zwecke der Verfassung und Gesetze nach veränder­ lich.' 168 In derselben Linie, die Abfassung konstitutioneller Gesetze zum ausschließ­ lichen Recht der Landschaft zu machen, lag die Forderung nach Sicherheiten gegen willkürliche Veränderungen der Verfassung. Dabei kam Baz wieder nicht ohne echt demokratische Grundsätze aus: .Keine Landesversammlung, kein Regent darf also eigenmächtig, bloß nach seinem Gutdünken, das kleinste Rad herausheben oder einzelnen derselben eine neue Verrichtung anweisen. Die Freiheit und Sicherheit, die gewisse Erhaltung der bisherigen Rechte des Volks, dessen unverletzliches Recht, über die Abfassung konstitutioneller Gesetze selbst gehört zu werden, erfordern das. Wenn also einzelne Teile dieses ehrwürdigen Ganzen verändert oder aufgehoben werden sollen, so muß das Volk selbst seine Beistimmung dazu erteilt, seinen Stell­ vertretern darüber ausdrückliche Vollmacht gegeben haben. Diesem allein kommt es zu, sich über diesen wichtigen Gegenstand gültig, auf die gehörige Weise, zu * äußern. 187 Auf die gehörige Weise, das hieß: über die Landtagsdeputierten. .Hat aber das Volk auf diese Art, wo nicht allgemein, doch der Mehrheit nach, einmal seinen Wunsch und Willen zu Verbesserungen deutlich zu erkennen gegeben, . . . dann ist auch der Zeitpunkt da, wo weder Landesversammlungen noch Regenten seinem Verlangen mit Grunde länger widerstehen können.'188 Die gleichmäßige Unterordnung von Landtag und Regenten unter den Volkswillen war natürlich nur eine schöne Geste, denn in Wahrheit lief das ganze Verfahren darauf hinaus, den Regenten dem Landtage als dem Sprachrohr des Volkswillens unterzuordnen. Während von Regentenrechten nur in allgemeinen Wendungen die Rede war, wurde der Landschaft ausdrücklich das Recht zugebilligt, notfalls dem Regenten gegenüber das Zwangsmittel der Gelderverweigerung anwenden zu dür­ fen, um seinen Widerstand zu brechen und bestimmte Maßnahmen durchzusetzen.188 Aber eben dieser Anspruch des Landtags, den Volkswillen zu repräsentieren, blieb ohne jede Kraft und darum wirkungslos, wenn er sich auf nichts als die bloße Phrase stützte. Obwohl Baz, wie schon gesagt, im Grunde der ständischen Ver­ tretung die entscheidende Rolle Vorbehalten wollte, mußte er um dieses Zieles willen in engen Grenzen der Demokratie nicht nur in der Phrase, sondern in der Tat fühl­ baren Tribut zollen. Als konstitutionelle Fragen, zu denen sich das Volk auf dem Wege über die Bevollmächtigung der Landtagsdeputierten beistimmend äußern sollte, nannte er die ^Art und Weise, wie die Magistrate, Beamten und Repräsen­ tanten des Volks gewählt, wer hierzu für wahlfähig angenommen, wie die Rechte der Gemeinden und des Volks durch diese ausgeübt, die Gesetze von Zeit zu Zeit reformiert, die öffentlichen Gelder verwaltet, von deren Verwendung Rechenschaft abgelegt, in welcher Ordnung der Wille der Gemeinden und des Volks erforscht •“ Ebenda, S. 52. Ebenda, S. 61. 1,8 Ebenda, S. 69. 23 Süddeutsche Jakobiner

>" Ebenda, S. 85.

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und eingeholt, über allgemeine Angelegenheiten beratschlagt und ihnen das Resul­ tat der Verhandlungen, Arbeiten und Beschlüsse kundgemacht werden, wie lange jedes öffentliche Amt fortgesetzt werden soll etc.'170 Die Tendenz der Lösung solcher Fragen mußte unter den gegebenen Umständen, wenn sich der Landtag auf die öffentliche Meinung stützen wollte - und er mußte sich zumindest in dieser Richtung bemühen, um wirkliches Gewicht zu erhalten notwendig auf eine zu­ mindest teilweise Berücksichtigung der im Volke lebendigen Wünsche hinaus­ laufen. Die ersten Schritte des Landtags waren so, daß sie im allgemeinen die begeisterte Zustimmung der öffentlichen Meinung fanden. Skeptische Äußerungen, wie sie in Streims Flugschrift .Martin von Schlierbach an den Schulmeister Sebastian Käsbohrer in Ganzlosen' gemacht wurden, blieben sehr vereinzelt: .Ich war auch in Stuttgart als am 17. März der wichtige Tag am württembergischen Horizont heraufstieg... Die Menschen drängten sich in Haufen auf die Prozession der Landesdeputierten hin, und diesen sah man es an, daß sie für Wundertäter gehalten wurden. Ich bemerkte manches spöttische Gesicht, und soviel ich nun höre, haben sie sich schon ziemlich miteinander gezankt... Ich denke als immer so für mich hin in meinem Sinn: Geschoren werden wir - scheret nur so, daß es nicht zu plomp kommt. Die Stuttgarter Bürger machen freilich groß Geschrei ob ihrer Nationalversammlung; in Bier- und Weinschenken spricht man von nichts als von den täglichen Verhand­ lungen, und glaub er mir nur, das Ende vom Lied wird sein: Es bleibt beim alten. * 171 Diese Worte waren am 23. März geschrieben worden und spiegelten deutlich das Mißtrauen in die auf undemokratische Weise gewählten Landtagsdeputierten wider, deren mangelhafte Verbundenheit mit den Interessen des Volks 6ich schlagartig gezeigt hatte, als sie auf die Intervention Kerners hin dem ersten Votum Hauffs die Gefolgschaft verweigerten. Trotzdem war die Resignation, die aus dieser Flugschrift sprach, nicht buchstäblich zu nehmen; indem der Autor sich bemühte, die in breiten Kreisen der Bevölkerung vorhandene Illusion von einer Nationalversammlung zu zerstören, half er indirekt und wahrscheinlich sogar bewußt, die Wachsamkeit der Massen gegenüber den Landtagsabgeordneten und damit den Druck von unten zu steigern. Mit dieser Absicht stand er keineswegs allein. Eine andere Flugschrift, »Der Kon­ stitutionsfreund an die Landesversammlung", erklärte im Gegensatz zum .Martin von Schlierbach', im allgemeinen mit den Repräsentanten zufrieden zu sein; trotzdem forderte sie mit aller Entschiedenheit Publizität ihrer Beratungen und Beschlüsse, um eine Kontrollmöglichkeit zu besitzen: .Verzeiht es, würdige Stellvertreter! wenn wir müde sind, gleich unseren Vorfahren erst nach dreißig und mehr Jahren durch Nebenwege zu erfahren, was zur Beförderung des Gemeinwohls im Jahr 1797 für Vorschläge gemacht oder verworfen worden sind... Wir wollen die geraden, auf*» Ebenda, S. 59/60. 1,1 (Streim, Friedrich), Martin von Schlierbach an den Schulmeister Sebastian Käsbohrer in Ganzlosen. Schlierbach u. Mukensturm 1797, S. 13/14.

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rechten Männer von den Feigen und Jaherrn, die Patrioten und Sprecher von den Schmeichlern und Schleichern zu unterscheiden wissen.'1,2 Der Landtag kam dieser Forderung in der Weise nach, daß er noch im April die regelmäßige Herausgabe von Berichten in dem als offiziell erklärten Organ .Der Landtag in dem Herzogtum * Württemberg beschloß. Ihm folgte sehr schnell eine zweite Publikationsreihe, .Die Verhandlungen auf dem württembergischen Landtage *, deren erster Band von Hesler, die anderen von Bunz herausgegeben wurden. Selbstverständlich war das noch keine vollkommene Publizität; die Verhandlungen selbst wurden weiterhin unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt, und die Wiedergabe der Beratungen in den genannten Zeitschriften war weder vollständig noch wortgetreu; dennoch han­ delte es sich um einen recht bemerkenswerten Schritt. Sehr viel mehr als bei jenem Beschluß, der den alten Ausschuß zerstörte, spielte hier die Berücksichtigung der öffentlichen Meinung eine Rolle. Der Sturz der im Ausschuß herrschenden Stockmayerschen Fraktion, die einen prinzipienlosen Kuhhandel mit dem Herzog im Interesse persönlicher Bereicherung trieb, war allein schon vom ständischen Ge­ sichtspunkt aus notwendig; wenn diese Maßnahme gleichzeitig der Forderung der Öffentlichkeit entsprach, so war es nicht viel mehr als ein glückliches Zusammen­ treffen. Die Gewährung der Publizität dagegen bedeutete zu dem damaligen Zeit­ punkt in erster Linie einen Erfolg des Druckes von unten, wobei allerdings auch der zweite Gesichtspunkt nicht aus dem Auge verloren werden darf: Die Ausnutzung dieser Kraft gegenüber dem Herzog für rein ständische Ziele. Daß im Landtag eine starke Partei ernsthaft von der Bevölkerung erhobene Forde­ rungen behandeln wollte, beziehungsweise daß der Druck von unten den gesamten Landtag dazu zwang, bewiesen die Tagesordnung, die sich die Versammlung gab, und die sorgsamen Vorbereitungen zur Behandlung der einzelnen Tagesordnungspunkte. Einstimmig wurde am 5. April der Beschluß gefaßt, .daß die Beratschlagungen und Verhandlungen der Landesversammlung nach folgenden Gegenständen a) Kriegs­ prästationen, b) Organisation des landschaftlichen Korps und seiner Ausschüsse, c) Beschwerden, Bitten und Wünsche geordnet und eingerichtet werden sollen . * 173 Obwohl den neuen Ausschüssen durch ihren provisorischen Charakter feste Zügel angelegt waren, wollte ihnen der Landtag dennoch nicht die notwendigen Vor­ beratungen dieser Gegenstände, wie es sonst üblich gewesen war, allein anvertrauen. Aus diesem Grunde wurden drei gemischte Deputationen gebildet, in denen sowohl Ausschußmitglieder als auch Landtagsabgeordnete vertreten waren. In die erste und dritte Deputation, die sich mit den Kriegsprästationen beziehungsweise mit den Landesbeschwerden zu befassen hatten, wurden am 6. April sogar noch zusätzlich je zwei Landtagsdeputierte aus dem Handwerker- und Bauernstände in der ausdrück­ lichen Absicht gewählt, .um diesen Ständen den Argwohn, daß sie absichtlich von den Deputationen ausgeschlossen worden wären, zu benehmen. * 174 Das votum consultativum in der Kriegsprästationsdeputation wurde Kerner übertragen, dem faktisch ln Der Konstitutionsfreund an die Landesversammlung. o. O. 1797, S. 9/10. *” Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O„ H. 1, S. 181. 174 Ebenda, S. 185. 23*

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einzigen Konsulenten des alten Ausschusses, der in dieser Funktion vom Landtag bestätigt worden war. In der zur Organisation des landschaftlichen Korps und seiner Ausschüsse bestimmten Deputation übernahm diese Aufgabe Georgii, der alte Feind der Stockmayerschen Fraktion und darum einstimmig neugewählter Konsulent. Die Beschwerdendeputation arbeitete zunächst noch ohne einen Konsulenten, erhielt aber bald in Ludwig Hofacker ihren Vorsitzenden. Hofacker vertrat im Landtag Nagold. Sein Name bürgte für Entschlossenheit und Gründlichkeit. Er hatte beides als Initiator des Nagolder Vorlandtages und als Privatkonsulent bei der Durch­ setzung des Hauffschen Votums bewiesen. Einige Jahre zuvor war er sogar revo­ lutionärer Umtriebe beschuldigt worden und hatte sich selbst einen Verehrer der französischen Verfassung in der vorjakobinischen Phase genannt.1711 Hofacker hatte die Flugschriftenliteratur sorgfältig verfolgt und Anfang 1797 eine eigene Zu­ sammenstellung der Forderungen angefertigt, die seiner Meinung nach der kom­ mende Landtag zu bearbeiten haben würde.178 Die Wahl Hofackers zum Vorsitzenden der Beschwerdedeputation konnte also als ein Zeichen gelten, dafj die an den Landtag gerichteten Beschwerden, Bitten und Wünsche durchaus ernst genommen werden sollten. Einen bedeutsamen Komplex bildeten solche Reformforderungen, die die gesamte Gemeindeverwaltung betrafen. Maßnahmen allgemein gegen den Despotismus und Nepotismus bei der Ämterbesetzung zu treffen, batte bereits im September 1796 jene Flugschrift vom Landtage verlangt, die als erste über die Kontributionsrepartition hinaus die Aufmerksamkeit auf andere und wichtigere Gegenstände lenkte.171 *177 Im Zusammenhang mit dem Streit über die Wahlfähigkeit der Landtagsdeputierten wurde dann dieses Thema notwendig erneut berührt, und ,Kaphta' vor allem, aber auch Dizinger fanden scharfe Worte insbesondere gegen die Familien- und Günst­ lingswirtschaft der Magistratsangehörigen.176 Zum Hauptgegenstand aber machte die Frage zum ersten Mal eine Flugschrift, die Ende März 1797, also erst nach Eröffnung des Landtags, erschien. Der Verfasser gab vor, eine Reise durch das Land gemacht und dabei die wesentlichen Beschwerden der Untertanen erfahren zu haben. Er stellte fest: .Der erste und der wichtigste Gegenstand der allgemeinen Be­ schwerden der Untertanen sind unstrittig die vielen Familienverhältnisse auf den Rathäusern und in den Magistraten.' 176 Mit Hilfe des Ernennungsrechts sorgten Beamte und Magistrate dafür, dafj dieser Vetternwirtschaft Dauer verliehen wurde, oder sie vergaben auch die Ämter an solche Kandidaten, die die größten Bestechungs­ summen zu bieten hatten. Die Mittel, die der Verfasser zur Bekämpfung dieser Obel anriet, waren allerdings noch äußerst zahm. Sie trafen nicht die Wurzel, das 171 171 177 178 178

HSA Stuttgart, A 202, Ruhr. 46, Nr. 148, Schreiben Hofackers vom 14. 1. 1793. Hölzle. Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 187. VgL S. 300/01. Vgl. S. 304, 306. Auch ein paar nicht unbedeutende Worte über die schädlichen Familienverhältnisse auf den Rathäusern und in den Magistraten sowie über andere den Untertan bedrückende Mißbräuche. Der Landtagsversammlung besonders ans Herz gelegt, o. O. zu Ende des Monats März 1797, S. 6/7.

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Emennungsrecht, sondern waren oberflächliche und darum absolut unwirksame Maßnahmen. Er meinte, der Vetternwirtschaft steuern zu können, .wenn bei Be­ stätigung der Erwählten auf die höheren Gemeindedienste immer zur ausdrück­ lichen Bedingung gemacht würde, dafj der Bestätigte durch eine Heirat nicht in eine zu nahe Verwandtschaft mit Magistratspersonen treten sollte, wenn den Magistraten gleichfalls gemessenst aufgegeben würde, durchaus keine allzu nahe Verwandtschaft auf den Rathäusern einreifjen zu lassen'.180 Ähnlich sollte dem Bestechungswesen .durch ein geschärftes Verbot geholfen werden, in welchem die unausbleibliche Kassation des Beamten selbst, nicht-weniger die Absetzung der Bürgermeister und Magistratsglieder auf eine solche Bestechung, sie sei hernach groß oder klein, ge­ setzt, auch äufjerst darauf gefahndet würde, dafj sich hiebei (wie es leider so gern geschieht) keine neuen Unterschleife einschleichen',181 Die Untertanen sollten zur Anzeige ihnen bekannt gewordener Bestechungen nicht nur verpflichtet sein, son­ dern auch eine Belohnung dafür empfangen. Einer Reihe von anderen Übergriffen, die sich insbesondere Beamte häufig zuschulden kommen liegen, wollte der Verfasser auf ähnlich zahme Weise begegnen, indem er klare, ihre Vollmachten begrenzende Vorschriften verlangte.182* Ganz anders ging die Flugschrift .Über die Unwirksamkeit und Gebrechen der württembergi sehen MagistratsVerfassung' an diese Frage heran,188 Sie nahm aus­ drücklich auf obige Schrift Bezug, deren Reformvorschläge sie als illusionär kenn­ zeichnete, eben weil sie das Übel nicht an der Wurzel packten. Im Gegensatz dazu sprach aus der Schärfe und Gründlichkeit, mit der die Gebrechen der Magistrats­ verfassung in der zweiten Flugschrift analysiert wurden, eine geradezu demo­ kratische Gesinnung des Verfassers. Er bezeichnete sich als Dolmetscher dessen, .was Tausende im Volke denken, tausend andere empfunden haben und was noch mehrere endlich verbessert zu sehen wünschen'.184 Die Tatsache, »dafj die Magi­ strate des Landes mehr und weniger mit unwissenden, kenntnislosen, schlecht­ gesinnten Menschen besetzt sind *, war so offensichtlich, dafj er sich mit dem Belegen dieser Feststellung gar nicht erst aufhielt. Er analysierte die Ursachen dieses Zu­ standes und gab damit zugleich die Richtung an, in der dem Übel begegnet weiden mußte. Die erste Ursache sah er in der Art und Weise, wie dia Magistratsmitglieder gewählt wurden: .Die ganze Wahlart dieser ist auf falsche Voraussetzungen, Betrug und Täuschung gegründet... Gleich einem Fremdling sieht die Gemeinde leidend zu, wie diejenigen, welche sie regieren sollen, von anderen ihre Gewalt erhalten, 180 Ebenda, S. 13. 181 Ebenda, S. 14. ”* Im Juli brachte derselbe Verfasser eine zweite Schrift heraus, in der in Form eines Ge­ sprächs mit einigen Bauern weitere Beispiele von Beamtenwillkür dargestellt wurden: Nachtrag zu der am Ende des Monats März d. J. herausgekommenen Landtagsschrift über die schädlichen Familienverhältnisse auf den Rathäusern und in den Magistraten sowie über andere den Untertan bedrückende Mißbräuche. Meinen wahrheitliebenden Mit­ bürgern gewidmet, o. O. in der Mitte des Julius 1797. 188 Vgl. S. 49 Anm. 203. 184 Über die Unwirksamkeit..., a. a. O., S. 5.

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welche sie selbst ebenso willkürlich von anderen empfangen haben.'185 Nun wurden zwar die Schultheißen noch von der ganzen Dorfgemeinde gewählt, aber - und das war die zweite Ursache der Gebrechen - die Stimmabgabe erfolgte öffentlich, so daß unverschämteste Wahlbeeinflussung durch Drohungen und Bestechungen nicht nur möglich, sondern gang und gäbe war. Ganz unzweideutig äußerte sich die demokratische Gesinnung des Verfassers dabei in dem Hinweis: .Überall, wo der Stab des Herkommens zerbrochen worden ist und sich Vernunft und Freiheit mit den Gesetzen zu paaren angefangen haben, hat man es daher als einen allgemein herrschenden Gnundartikel der Konstitution dekretiert, daß nicht bloß bei Wahlen, sondern auch bei Abfassung anderer wichtiger Beschlüsse, z. B. bei Fällung pein­ licher Urteile etc. durch zweierlei Kugeln oder verschlossene Zettel gestimmt werden solle. So in der Schweiz, Frankreich, Holland und in vielen größeren und kleineren Staaten und Regierungen. * 188 In einer Anmerkung machte der Verfasser bei dieser Gelegenheit ausdrücklich auf die Bedeutung dieses Gesichtspunktes auch für die geforderte Reform der Aussohußverfassung und der Landtagswahlen aufmerksam. Als dritte Ursache wurde die völlig unzureichende Aufsicht und Kontrolle des Gerichts durch den Rat genannt, die beide zusammen den Magistrat bildeten. Alle wichtigen Kommuneangelegenheiten wurden ausschließlich vom Gericht besorgt, und der zu seiner Überwachung berufene Rat war ähnlich wie der größere Ausschuß dem engeren gegenüber mit so kümmerlichen Rechten ausgestattet, daß er seine Aufgabe nie erfüllen konnte und .man in der Tat verlegen sein würde, ob man den Rat für eine Kopie des großen landschaftlichen Ausschusses oder diesen für eine Kopie des Rats halten soll,...'187 Die vierte Ursache der Gebrechen bestand in der lebenslänglichen Amtsführung der Magistratsangehörigen. Schließlich nannte der Verfasser noch als fünfte Ursache die Vernachlässigung und Verzerrung der Funk­ tion, die die Gemeindedeputierten ausüben sollten. Seiner Ansicht nach bestand ihre Aufgabe darin, .gleich dem Rat eine Art von Aufsicht über den Magistrat zu führen, bei wichtigen Beratschlagungen über Kommune-, Stadt- und Amts- und Landessachen den Sinn und Willen der Gemeinde auszudrücken, dem Magistrat, insofern er sich von dem Interesse dieser entfernen sollte, entgegenzuaibeiten, kurz, für den Magistrat das zu werden, was Landstände und Ständeausschüsse für den Regenten und die Landeskollegien sind oder sein sollen'.188 Tatsächlich jedoch existierten in den meisten Orten überhaupt keine Gemeindedeputierten, und wo sie bestanden, da waren sie ohne Einfluß oder sogar zu Gerichtsboten, Polizeidienern und Denunzianten herabgewürdigt. Die einzige Ausnahme bildete Tuttlingen, wo sie durch ein herzogliches Reskript vom Jahre 1794 einige Bedeutung erlangt hatten. Allerdings hatten sich die Bürger Tuttlingens dieses Zugeständnis, wie schon in anderem Zusammenhang dargestellt worden ist, erst durch offenen Aufruhr erobern müssen.188 In der Tendenz lief die in dieser Flugschrift geübte Kritik auf die For* Ebenda, S. 3, 5, 7. « “* Ebenda, S. 18. Ebenda, S. 20/21. *“ Ebenda, S. 33 ff. *“ Vgl. S. 48/49.

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derung einer Munizipalverfassung hinaus, wie sie in Frankreich durch (he Revolution geschaffen worden war. Zweifellos propagierte der Verfasser nicht den gewaltsamen Umsturz; auch er war noch befangen in der Vorstellung, an bestehende und im Grunde .schöne Gesetze' anknüpfen und auf dem Wege der Reform das Ziel er­ reichen zu können. Was er aber verlangte, waren radikale demokratische Reformen, die energisch mit dem feudalen Herkommen brachen, sich auf .Vernunft und Frei­ * heit gründeten und allein dafür sorgen konnten, daß .nicht ein steter Zunder von innerlicher Gährung und Zwiespalt, ein immer fortdauernder Keim von Mißvergnü­ gen in den Herzen des Volkes unterhalten' wurden.190 Aller Augen sahauten auf den Landtag, auch die der Reaktion. Madeweiß, der preu­ ßische Resident in Stuttgart, sah dem Ereignis zunächst mit Furcht und Schrecken entgegen. In seinem Bericht vom 1. März vertrat er entschieden die Meinung, daß es .Tätlicher gewesen sein dürfte, die Ausschreibung eines Landtags bis nach dem allgemeinen Frieden anstehen zu lassen, wo man den Ausgang der anitzt noch so sehr verwickelten öffentlichen Angelegenheiten gesehen und wo die Gemüter weniger als jetzt von einem gefährlichen Freiheitstaumel, der leicht zu großen Unordnungen Anlaß geben kann, angesteckt gewesen wären,.. .* 101 Seine Furcht wurde durch die ersten Ereignisse nach der Eröffnung des Landtags nur noch ver­ stärkt. Angesichts .der durch die Französische Revolution so sehr gespannten Den­ kungsart eines großen Teils der hiesigen Untertanen, die von nichts als Neuerungen *, träumen zweifelte er sehr an einem ruhigen Verlauf der Verhandlungen.102 Er hatte um so mehr Grand dazu, als auch der Herzog vor dem Druck sichtbar zurück­ gewichen war und entgegen der ursprünglichen Absicht, die Tagesordnung des Landtags auf die Kriegslastenrepartition zu beschränken, in seiner Proposition erklärt hatte, daß außerdem jeder Antrag .über die Mittel, den Wohlstand des Landes zu befestigen und zu erhöhen,... immer doppelt willkommen sein * würde.103 In einem Bericht vom 29. März über die Kämpfe, in denen die Partei Hauffs sich schließlich doch durchsetzte und die Resignation der alten Ausschüsse erzwungen wurde, verwies Madeweiß auf die seiner Meinung nach äußerst bedenkliche Tat­ sache, daß alles sehr tumultuarisch hergegangen und in vorher gehaltenen Klubs ausgemacht worden ist . * 101 Das waren zwar nur Fraktionsbesprechungen, aber in Frankreich hatte es auch so begonnen, bis die Beratungen der Repräsentanten im buchstäblichen Sinne zu öffentlichen Angelegenheiten geworden waren, auf die die Massen unmittelbaren Einfluß gewannen. Seine Hoffnung bestand darin, daß sich die Reformpartei nach diesem Erfolg in die hergebrachte Ordnung füge, die alle Ver­ handlungen und Beratungen auf die vier Wände der Versammlung beschränkte.

Es war keine müßige Hoffnung. Als es galt, den alten Ausschuß zum Rücktritt zu zwingen, verfocht die Reformpartei nur ein gesetzmäßig festgelegtes und anerkann­ tes Recht, wenn auch mit teilweise ungewöhnlichen Mitteln. Die Vorstellung, mit

1M Über die Unwirksamkeit..., a. a. O., S. 4. 1,1 DZA Merseburg. Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 3, Bl. 13. Ebenda. Bl. 17. l« Ebenda, Bl. 19. 1M Ebenda, Bl. 23.

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diesem Erfolg die notwendigen personellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen zu haben, um mit Gründlichkeit an die Beratung wünschenswerter Re­ formen zu gehen, war allgemein und nicht geeignet, die anfänglich gezeigte Energie zu konservieren. Die umständliohe Sorgfalt allein sahon, mit der die drei Deputatio­ nen das umfangreiche Material ihres besonderen Arbeitsgebiets sichteten und ordneten, wirkte als Hemmschuh. Hofackers Deputation brauchte Monate. Der ganze überkommene Stil der Verhandlungen und vor allem das Bewußtsein auch der reformfreudigsten Abgeordneten, Mitglieder einer durch bestehendes Gesetz sanktionierten Versammlung zu sein, stimmten den Ton, wie ihn noch die Flug­ schriften angeschlagen hatten, notwendig herab. Auf welche Bahn der Landtag geraten mußte, wenn die Reformpartei nicht Unter­ stützung bei der Öffentlichkeit suchte, zeigte anschaulich die Rede des Konsulenten Georgii, die er am 2. Mai als Vorsitzender der Deputation, die landschaftliche Verfassungsfragen bearbeitete, vor der Versammlung hielt. Er berichtete, daß die Deputation zur Zeit die Ausschußrechnungen ab 1770 prüfe, um daraus «brauchbare Materialien zur Entwerfung eines zukünftigen Ausschußstaats * zu gewinnen. Um die Zwischenzeit zu nutzen, wolle er seine eigenen Ideen zu dieser Frage vortragen. Diesen Ideen schickte er folgende bezeichnende Bemerkungen vorauf: »Votans hofft, dadurch keinem Tadel sich auszusetzen, daß er kein trockenes Projekt einer neuen Einrichtung vorlegt, sondern von historischen Untersuchungen ausgegangen ist und selbst die Verfassung, die er hier für die Zukunft vorsdhlägt, dem Geist der ur­ sprünglichen Konstitution wieder näheizubringen, ihr ähnlicher zu machen sucht, als sie es durch die Länge der Zeit geworden ist. Wer immer nur fragt, was soll in Zukunft geschehen? und darauf antwortet, ohne zu untersuchen, was ist bisher geschehen? beweist, daß er von der besten Art, Verfassungen einzurichten, keine ganz richtigen Begriffe hat. Überhaupt braucht man, um eine gute Uhr zu haben, nicht immer eine neue sich anzuschaffen; man darf nur die alte von dem Rost, der sich angesetzt hat, säubern, hin und wieder ein paar abgenutzte Räder wegwerfen, einige neue einsetzen; so ist man oft besser als bei einem ganz neuen Werk bedient.'1*9 Das war eine andere Sprache als die Dizingers, der die Verfassung auf Vernunft gegründet wissen wollte, oder die von Baz, als er den beständigen Fortschritt die große Bestimmung des menschlichen Geschlechts genannt hatte. Georgii rückte die Argumentation, die notwendig gewordene Veränderungen begründen sollte, restlos auf die Ebene der Umdeutung des Bestehenden und zog damit den Reformwünschen einen so engen Rahmen, wie es kaum die zahmsten Flugschriften getan hatten. Doch damit nicht genug! Georgii erklärte: «Daß alles, was hier der höchsten Genehmigung gnädigster Herrschaft bedarf, selbst nach gefaßten Schlüssen der Landesversamm­ lung nicht eher Gesetzeskraft erhält, als bis jene Genehmigung erfolgt ist, wird wohl ohne besondere Erinnerung einleuchtend sein.'198 So sprach nicht irgendein Ab­ geordneter, sondern der von der Versammlung einstimmig zum Konsulenten 1M Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O.. H. 2, S. 34/35. Ebenda, S. 35.

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gewählte Georgii. Statt die Versammelten nach vorn zu reißen, engte er ihre Tatkraft ein, wies er warnend auf die Grenzen ihrer Macht. Und er erntete keinen Widerspruch. Das bedeutete: Der Landtag war weder fähig noch willens, das in ihn gesetzte Vertrauen der Volksmassen in Macht umzuwandeln, der gegenüber ein herzogliches Veto zu einem Nichts zusammenschrumpfte, sondern er begnügte sich damit, im Kampf um die Reform die stumpfen und unzulänglichen Waffen zu führen, die seit je zum Arsenal der Stände gehörten. Es war nur folgerichtig, wenn Georgii bei der Darlegung seiner Ideen über die zukünftige Gestalt der Ausschüsse solche Einrichtungen wie die Geheime Truhe und das Recht zur Geheimpolitik erhalten wissen wollte, obwohl gerade sie die Ausschüsse in der Vergangenheit befähigt hatten, sich der Kontrolle der Stände zu entziehen. Verzichtete man auf moderne Kampfmittel in der Auseinandersetzung mit der fürstlichen Gewalt, so mußte man wohl oder übel die alten in halbwegs brauchbarem Zustande halten. In dieser Selbstbeschränkung auf die ständische Plattform äußerte sich bei den Reformern unter den Abgeordneten die Furcht vor der Revolution, bei den vielen anderen außerdem die Sorge um ihre ständisch-feudalen Privilegien. Wenn beide Richtungen sich zusammenfanden, mußte die an Reformen ernsthaft interessierte Partei notwendig an innerer Kraft einbüßen. Hatte der Herzog die Hochflut der Flugschriften widerstandslos über sich ergehen lassen müssen, so fühlte er sich diesem Landtag gegenüber, der nichts Größeres aus sich zu machen wagte, ungleich stärker. Dessen Kampfmittel waren ihm vertraut; darum fand er auch sehr bald den Mut, ihnen zu begegnen. Am 22. Juni genehmigte er im Prinzip den Beschluß der Landschaft, die Öffentlichkeit über ihre Verhand­ lungen durch eine offizielle Landtagsschrift zu unterrichten, aber er versäumte nicht, gleichzeitig daran Bedingungen zu knüpfen und sich gegebenenfalls ein Zensurrecht vorzubehalten: .Wenn daher gleich Seine Herzogliche Durchlaucht die unter dem Titel .Der Landtag' erscheinende offizielle Landtagsschrift der ordentlichen Zensur­ behörde nicht zu unterwerfen gedenken, solange Sie keinen Anlaß finden werden, hierin eine Änderung vorzunehmen, so erwarten Höchstdieselbe,... daß bei diesem offiziellen Blatt die nötige Diskretion hiernach werde beobachtet werden. Wobei es sich dann von selbst versteht, daß besonders bei solahen Aktenstücken, die auch in entfernterer Beziehung mit Auswärtigen stehen, ohne vorgängige Anfrage bei dem Herzoglichen Geheimen Ratscollegio gar keine Publikation durch den Druck statthabe.'197 Hieran anknüpfend trug sich der Herzog mit der weitergehenden Absicht, alle Druckereierzeugnisse wieder der Zensur zu unterwerfen. Einen solchen Plan konnte er in Erwägung ziehen, weil erstens mit der Eröffnung des Landtags die Zahl der Flugschriftenpublikationen rieh merklich verringert hatte - eine Folge der verhängnisvollen Vorstellung, daß alles gesagt und es nun Sache des Landtags wäre, die erhobenen Forderungen zu realisieren - und weil sich zweitens offen­ sichtlich der Landtag selbst nicht mit der möglichen und nötigen Entschiedenheit auf die Kraft der öffentlichen Meinung stützen wollte. 1,7 Ebenda, Heft 3, S. 210.

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In ihrer Antwort vom 19. Juni gingen die Abgeordneten nicht nur auf die Haltung des Herzogs zur offiziellen Landtagsschrift, sondern auch auf seine allgemeinen Zenzurabsichten ein, von denen sie gehört hatten. Obwohl beides aufs engste zusammenhing, unterschieden sie sorgfältig zwei Punkte, argumentierten sie auf zwei Ebenen und bestätigten damit erneut, daß die bürgerlich-liberale Bewegung in ihnen nur halbe Sprecher besaß. Was die allgemeine Zensur anging, so erklärten sie lediglich: .Insofern diese Anstalt eine Erneuerung älterer schon längst be­ stehender Gesetze enthält, mithin hier nur von Exekution der letzteren die Frage ist, vermögen Subsignierte nicht dieselbe als Beschwerde anzusehen, können jedoch nicht umhin, hier devotest zu bezeugen, daß sie mit Vergnügen zu einer diesfallsigen Änderung der gesetzlichen Normen die Hände geboten haben würden. * Sie wollten ^nait Wiederholung einer sohon so oft erörterten Materie und der für und wider die Zensur streitenden Gründe nicht beschwerlich fallen * und machten darum nur geltend, daß ihrer Meinung nach die faktisch bestehende Preßfreiheit einem Lande, .das eine so glücklich gemäßigte Regierungsform wie Württemberg hat *, ent­ spreche. 108 Sie verwiesen auf das englische Beispiel und verschmähten selbst nicht das klägliche Argument, daß angesichts des geringen Umfangs und der mangelhaften Geschlossenheit Württembergs die Zensur unwirksam bleiben müßte, da dann die Schriftsteller außerhalb des Landes drucken lassen würden und die einheimischen Buchdrucker und -händler das Nachsehen hätten. Anstatt offensiv vcrzugehen, über­ ließen die Abgeordneten die Initiative ganz dem Herzog. Sie wünschten, daß er seine Absichten in einem Generalreskript präzisieren möge, um gegebenenfalls detaillierte Vorstellungen erheben zu können. Ungleich kräftiger, aber in der Hauptsache eben auch mit ganz anderen Argumen­ ten trat der Landtag dagegen in eigener Sache auf. Er wehrte sich gegen die in der herzoglichen Genehmigung eingefügte Klausel, wonach auch die offizielle Landtags­ schrift unter Umständen der Zensur verfallen konnte, und stellte mit aller Ent­ schiedenheit fest, .daß der Druck landständischer Verhandlungen nicht von der landesherrlichen Erlaubnis (was in der Zensuranstalt notwendig liegt) abhängig gemacht werden könne . * Als Begründung führte er die alte ständische Auffassung ins Feld, wonach .die Landstände, als Korps betrachtet, als eine mit Euer Herzog­ lichen Durchlaucht kontrahierende Partie anzusehen sind, daher auch die Rechte genießen müssen, die jedem Paciscenten der Natur der Sache nach zustehen. Nun hat jeder padscierende Teil das Recht, zur Erreichung seines Zweckes alle recht­ mäßigen Mittel zu gebrauchen, ohne erst die Bewilligung des anderen Teik nötig zu haben . * 1” Daß die Publikation der landschaftlichen Verhandlungen zu diesen rechtmäßigen Mitteln gehörte, versuchten die Stände nun allerdings auch mit moderneren Gesichtspunkten, wenn auch nicht ohne Einschränkungen, zu stützen. .Sie werden dadurch in den Stand gesetzt, dem Publikum von der Art, wie sie ihrer Pflicht Genüge zu leisten suchen, Rechenschaft abzulegen, dem Volk echt patriotische Gesinnungen einzuflößen, hingegen auch von dem Publikum auf sich zurückwirken zu lassen und seihst das öffentliche Urteil, das bei allgemeiner Bekanntmachung i« Ebenda, S. 212.

Ebenda, S. 215/16.

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der Verhandlungen eher offenbar wird, ohne sich aut sklavische Art davon abhängig zu machen (kursiv von mir - H. S.), zum Vorteil der guten Sache zu benutzen.' 200 Nahm die Beteuerung, das Urteil der öffentlichen Meinung nur in Grenzen zu respektieren, diesem Gesichtspunkt einen guten Teil seiner Kraft, so tat das Ver­ sprechen noch ein übriges, sich innerhalb der Schranken zu halten, die Konstitution und allgemeine Gesetze vorschrieben. So endete denn auch die landschaftliche Erklärung ganz im Stile früherer Vorstellungen mit dem Hinweis auf das Her­ kommen, nach dem ständische Publikationen ohne herzogliche Genehmigung durch­ aus möglich waren. Sehr bald meldeten sich kritische Stimmen, um festzustellen, daß die vom Landtag geleistete Arbeit keineswegs an die Ideen heranreichte, wie sie in der Publizistik geäußert worden waren. In einem Artikel der von Bunz herausgegebenen zweiten offiziellen Landtagsschrift wurde zwar die Gruppe der Unzufriedenen, »denen die allgemeine Landesversammlung zu wenig tut', gegenüber den vielen, .die man die echten Konstitutionsfreunde oder die Gemäßigten nennen könnte', als unbedeutend bezeichnet, ihre Existenz aber bestätigt.201 Eine solche kritische Stimme, die in­ dessen Erreichtes anerkannte und darum immer noch Hoffnung auf den Landtag setzte, ließ Pahl in seinen .Materialien * zu Wort kommen,- der Artikel war vom 2. August datiert und stellte fest: .Daß unsere Repräsentanten nicht alle gerechten Erwartungen erfüllen, daß die Geschäftigkeit des Hofes rastlos und unermüdet ist, sein Interesse zu bewachen, daß das Herkommen und der Schlendrian nur allzu oft die Ansprüche der Vernunft aufheben, daß man gerade in den Hauptsachen am gewissenhaftesten bei dem Gewohnten verharrt - das sind lauter Dinge, die sich alle leicht voraussehen ließen. Indes sind doch bereits mehrere Schritte geschehen, die nicht nur politische Aufklärung, sondern auch Mut und Energie verraten und in unserem Lande nie erhört wurden. Wenn einst die Beschwerdedeputation mit ihren Resultaten hervortritt, dann wird sich erst der Charakter der Landesversamm­ lung in einem unzweideutigen Lichte zeigen müssen.' 202 Einen guten Monat später erschien eine Flugschrift, deren besonderes Anliegen die Beseitigung der Beamten­ willkür war, und gab der Unzufriedenheit in noch dringlicheren Worten Ausdruck: .Noch wartet der Untertan Württembergs sehnsuchtsvoll auf den ersprießlichen Erfolg, den der kostspielige Landtag auf die Landesverfassung haben soll; er weiß sich zwar wohl zu bescheiden, daß große, auf das Wohl eines ganzen Landes ab­ zweckende Pläne auch lange und reife Überlegungen, mithin Zeit brauchen; je länger aber dieser Landtag schon dauert, desto gespannter, desto ausgedehnter 6änd auch die Erwartungen des Untertans von ihm,...'203 Aber gerade dieses Warten190 * 190 Ebenda, S. 216. Die Verhandlungen auf dem württembergischen Landtage. Im Jahre 1797. Bd. 2, S. 170. ,M Pahl, Johann GoUlried, Materialien..., a. a. O„ S. 683. Lukas der Weingärtner, eine den württembergischen Volksvertretern gewidmete Zeit­ schrift über die anhaltenden, nicht nur den Untertan bedrückenden, sondern auch dem herrschaftlichen und Staatsinteresse höchst nachteiligen Eigenmächtigkeiten einiger Be­ amten. Ein Anhang zu den Familienverhältnissen und deren Rachetag. o. O. im Monat September 1797, S. 3.

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auf erlösende Beschlüsse von oben entnervte die bürgerlich-liberale Bewegung; sie legte 6ich damit selbst Fesseln an. «Unsere politischen Schriftsteller fangen an zu verstummen', berichtete jener in Pahls »Materialien' abgedruckte Autor, .teils weil das Publikum ihrer satt ist, teils weil der Hof seine Aufmerksamkeit auf freimütige Urteile seit einiger Zeit verdoppelt . * 204 Auch ein außenstehender wie Goethe, der sich im September 1797 in Württemberg aufhielt, stellte Ermüdungserscheinungen fest: .Die Wogen des Landtags haben sich gelegt, und man erwartet nun, was aus der Infusion sich nach und nach präzipitieren wird *, heißt es in einem Brief vom 11. September an den Weimarer Herzog. Goethe hat mit dem ihm eigenen Sinn für das Wesentliche das Krebsübel durchaus richtig erkannt, wenn er in seinem Bericht fortfuhr und erklärte: »Der Hauptsinn einer Verfassung wie die württembergische bleibt nur immer: die Mittel zum Zwecke recht fest und gewiß zu halten, und eben deswegen kann der Zweck, der selbst bewegliah ist, nicht wohl erreicht werden.' 205 Dieses Goethewort kennzeichnet die ständische Verfassung in der Hauptsache als einen Bestandteil der Feudalordnung, der im wesentlichen reaktionären Zwecken dient und darum, für sich genommen, ganz und gar ungeeignet ist, den Keimen des Neuen zum Durchbruch zu verhelfen. Deswegen muß auch hier, wie es der Verfasser schon auf dem XI. Internationalen Histarikerkongreß in Stockholm tat200, dem liberalen deutsch-englischen Historiker Carsten widersprochen werden, der den Ständen einen Ehrenplatz in der deutschen Geschichte mit der Begründung zu­ sprechen will, daß »sie den Geist konstitutioneller Regierung und Freiheit im Zeit­ alter der absoluten Monarchie bewahrten'.207 Die Kritik erfolgt nicht vom Stand­ punkte etwa des Westberliner Historikers Oestreich, der den Ständen zum Vorwurf macht, durch ihre Knauserigkeit die Territorialfürsten »zu einem gewissen Verzicht auf militärische Macht und aktive auswärtige Politik' erzogen zu haben200,- mit Recht spürt Carsten aus einer solchen Auffassung den reaktionären deutschen Historismus mit seinem Machtfetischismus heraus und prangert sie gebührend an.200 Die Kritik wendet sich vielmehr gegen den der Darstellung Carstens zugrunde liegenden Gedanken einer kontinuierlichen Entwicklung der parlamentarischen Vertretungen und damit einer .Freiheit' aus dem Mittelalter bis in die bürgerliche Gegenwart. Solche Vorstellungen sind in der heutigen bürgerlichen Geschichts­ schreibung sehr verbreitet, wie unter anderem die Arbeit von Walter Grube über 104 Pahl, Johann Gottfried, Materialien..., a. a. O., 5. 683. >w Briefwechsel des Herzogs - Großherzogs Carl August mit Goethe. Herausgegeben von Hans Wahl. Berlin 1915, Bd. 1, S. 248/49. ä« Die Sektionssitzungen des XI. Internationalen Historikerkongresses in Stockholm, August 1960. In: »Zeitschrift für Geschichtswissenschaft', 11. Jahrg., H. 1, S. 164, 1961. ,w »They preserved the Spirit of constitutional government and liberty in the age of absolute monarchy'. Carsten, Francis Ludwig, Princes and Parliaments in Germany. Clarendon Press, Oxford 1959, S. 444. 108 Oestreich, Gerhard. Verfassungsgeschichte vom Ende des Mittelalters bis zum Ende des alten Reichs. In: Bruno Gebhard, Handbuch der deutschen Geschichte. Union Verlag, Stuttgart 1955, Bd. 2, S. 347. m Carsten, Francis Ludwig, a. a. O-, S. 430.

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den «Stuttgarter Landtag 1457-1957' und verschiedene Beiträge auf dem XI. Inter­ nationalen Historikerkongreß beweisen.210 Letzten Endes laufen alle diese Darstel­ lungen bewußt oder unbewußt darauf hinaus, die historische Notwendigkeit revolu­ tionärer Umgestaltungen zu leugnen und die reaktionäre bürgerliche Ordnung unserer Tage mit dem Glanz einer jahrhundertealten Tradition zu umgeben. So unwissenschaftlich wie der Zweck, so unwissenschaftlich ist die Methode. Sie klammert sich an juristische Formen, abstrahiert vom wirklichen Leben, von den Klassenkämpfen, unterscheidet weder die verschiedenen Gesellschaftsformen noch die Stadien jeder einzelnen und endet bei unhistorischen Konstruktionen. Den «Frei­ heitsgedanken', den nach Carsten die Stände lebendig erhielten, so daß die liberale Bewegung des 19. Jahrhunderts an dieses Erbe anknüpfen konnte211, hat der Zeit­ genosse Hegel in seiner Heimat trotz des bürgerlichen Anstrichs als das erkannt, was er wirklich war, nämlioh als eine feudale Freiheit, als patrizische Privilegien, die - um mit Mehring zu sprechen - «nicht den Absolutismus vernünftiger mach­ ten, sondern neben die Mißbräuche der monarchischen nur die Mißbräuche der aristokratischen Gewalt stellten'.212 Wenn in Württemberg der Liberalismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an das sogenannte «gute alte Recht' anknüpfte, so geschah es wahrlich nicht zu seinem Vorteil. Diese Tradition half, dem Liberalis­ mus die Entschiedenheit zu nehmen, die Deutschland bitter nötig gehabt hätte, um sich nicht noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein mit feudalen Resten plagen zu müssen. Eine ganz andere Frage i6t es, ob die antifeudalen Kräfte nicht die ständischen Formen oder auch den ständischen Gedanken nutzen konnten, um die alte Ordnung zu unterminieren und der neuen bürgerlichen den Weg zu ebnen. Selbstverständlich konnten diese Möglichkeiten genutzt werden und wurden sie genutzt. Schließlich ist sogar die französische Nationalversammlung aus den vom Könige einberufenen Generalständen hervorgegangen. Aber das Entscheidende ist der Wandel im Inhalt. Wenn beispielsweise in Baden, das mit den ständischen Institutionen restlos auf­ geräumt hatte, bäuerliche Gemeinden die Wiederherstellung der Landstände ver­ langten, so verbanden sie damit revolutionäre Vorstellungen von einer wahrhaften Volksvertretung, die mit den historischen Ständen nur noch den Namen gemein hatte. Die ständische Reformbewegung in Württemberg entwickelte insbesondere dadurch, daß sie bis zu einem gewissen Grade die werktätigen Massen einbezog, ebenfalls durchaus Potenzen, um die alten Formen mit einem neuen Inhalt zu füllen, womit notwendig am Ende auch die alten Formen zersprengt würden. Die Stände hatten ebenso wie auch alle anderen Institutionen innerhalb des Feudalsystems, sofern die antifeudalen Kräfte und das Bürgertum im besonderen darin Einfluß gewinnen konnten, als Mittel zum Zweck, das heißt als ein Instrument zur Um­ wälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse, ihren Wert. Sie wurden dagegen zum 110 Grube. Walter, Der Stuttgarter Landtag..., a. a. O. Die Sektionssitzungen des XI. Inter­ nationalen Historikerkongresses..., a. a. O., S. 163. 211 Carsten, Francis Ludwig, a. a. O., S. 434. 211 Mehring, Franz, Die neuen Hegelingen. In: Zur Geschichte der Philosophie. Berlin 1931, S. 106.

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Hemmschuh der Entwicklung, wenn das Bürgertum sich aus Schwäche oder Furcht mit ihrer Hilfe an der notwendig revolutionären Umgestaltung vorbeizudrücken versuchte. Wenn Georgii die württembergische Verfassung nur von einigem Rost gesäubert, im übrigen aber erhalten wissen wollte, so konservierte er mit der feu­ dalen Form auch ihren feudalen Inhalt. Darum konnten auch die Göttinger Ideologen der feudalen Reaktion wie Rehberg und Brandes den ständischen Gedanken als Waffe zum Kampf gegen die Ideen der Französischen Revolution benutzen. Was die Stände auf diese Weise in die Zukunft hinüberretteten, war nicht, wie Carsten meint, der Gedanke der Freiheit schlechthin, sondern die .Freiheit * der reaktionären Feudalklasse, selbst innerhalb der sich durchsetzenden bürgerlichen Ordnung eine maßgebliche Rolle zu spielen. Der württembergische Reformlandtag hatte in den ersten Monaten seines Bestehens einige Beschlüsse zustande gebracht, die die Kriegslastenrepartition und die land­ schaftliche Verfassung betrafen. In der Kriegskostenfrage trat er, abweichend vom bisherigen Steuersystem, für eine Vermögenssteuer ein und war bemüht, die herzog­ liche Rentkammer besonders zu belasten. Was die landschaftliche Verfassung an­ ging, so hielt er sich durchaus an Georgiis Rat, an der guten alten Uhr nur unbrauch­ barste Teile zu entfernen und zu ersetzen. Solche Kernstücke der bürgerlichen Reformbewegung wie die Periodizität des Landtags und die Wahl der Magistrate durch das Volk blieben in der zur Vorbereitung derartiger Beratungsgegenstände eingesetzten Kommission stecken und gelangten nie vor das Plenum. Beschlossen wurde, der Selbstersetzung der Ausschüsse ein Ende zu machen und beim Aus­ scheiden einzelner Mitglieder die Neuwahl distriktweise durch die Amtskörper­ schaften vornehmen zu lassen; außerdem sollte die Ausschußverwaltung einer jähr­ lichen Revision unterliegen. Mit Mehrheit wunde weiterhin der Antrag angenom­ men, den Amtskörperschaften die Hälfte der Diäten für ihre Landtagsdeputierten zu erlassen und sie aus der Landeskasse zu bezahlen. Ein gedrucktes Schreiben der Landschaft vom 8. August, worin die bisherigen Leistungen des Landtags hervor­ zuheben nicht versäumt wurde, hatte vorher in der Diätenfrage zustimmende Äußerungen der Ämter gefordert.214 Mit diesem Beschluß sollte Vollzähligkeit und größere Geschlossenheit des Landtags erzielt werden. Lag die finanzielle Last ganz auf den Schultern der Ämter, so bestand erstens die Gefahr, daß insbesondere die kleineren die Kosten durch Abberufung ihrer Deputierten und Gewaltübertragung an die Verbleibenden einzusparen suchten. Außerdem machten Diäten die Abgeord­ neten von Instruktionen und Sonderwünschen ihrer Ämter unabhängiger. Während der Landtag durch Übernahme eines Teils der Kosten die Unabhängigkeit der Abgeordneten erhöhte, war man andererseits bestrebt, die der Prälaten ein­ zuschränken. Wie Madeweiß berichtete, machte Georgii den Vorschlag, den Wün­ schen der Klosterhintersassen, wie sie besonders hartnäckig von denen in Alpirs­ bach verfochten wurden, in der Form entgegenzukommen, .daß die Prälaten, ehe sie auf Landtagen erschienen oder ihre Gewalten zur Landschaft schickten, Amts­ versammlungen hielten, in denen sie präsidieren könnten, sich aber in ihren Ab119 HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 573, Bü. 5371.

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Stimmungen auf den Landtagen und den zu erteilenden Gewalten nach dem Schlüsse der Amtsversammlungen richten müßten,.. ' 214 All diese Deliberationen gingen nicht in die Tiefe und waren nicht geeignet, irgend etwas von Grund aus zu ändern. Überlegungen in dieser Richtung blieben bloße Andeutungen. So war man in der Diätenfrage darauf gestoßen, daß die Abgeordneten das Land nur sehr unverhältnis­ mäßig repräsentierten, da manches Amt nur 1000, ein anderes aber 24 000 Menschen umfaßte; eine gleichmäßigere Aufteilung wurde zwar für wünschenswert gehalten, aber im selben Atemzuge kapitulierte man vor den Schwierigkeiten der Aufgabe: «Man würde daher ohne große anderwärtige Inkonvenienzien zu einem ganz neuen Repräsentationssystem wenigstens für jetzt nicht wohl schreiten können. ' * 215

.Wenn einst die Beschwerdedeputation mit ihren Resultaten hervortritt, dann wird sich erst der Charakter der Landesversammlung in einem unzweideutigen Lichte zeigen müssen', so hatte Anfang August jener Zeitgenosse geschrieben, den Pahl in seinen .Materialien' zu Wort kommen ließ. In der Tat hatte der Landtag hier die beste Gelegenheit, als Interessenvertretung der breiten Massen des Volkes zu wirken, denn es ging meist um Beschwerden, die darum besonders stark empfunden wurden, weil sie unmittelbar drückten. Einige Beschlüsse des Landtags schienen den Erwartungen, die die Massen in ihn setzten, zu entsprechen. Die von ihm geforderte Aufhebung der Weinmostakzise beispielsweise trug der Lage der in der Regel armen Weinbauern Rechnung. Ausdrücklich mit Rücksicht auf die werktätige Bevölkerung sprach sich die Versammlung für die Einführung einer Steuer auf Luxushunde und -pferde, Perücken, goldene und silberne Taschenuhren, Ringe, Tabatieren usw. aus: «Man erleichtert also dem Dürftigen die Last, die ihn ohnehin schwer genug drückt, indem man gewisse Luxusartikel mit einer höheren Abgabe als andere Vermögensteile belegt.'819 Verschiedentlich fand hierbei sogar in die an den Herzog gerichteten Vorstellungen ein Ton Eingang, wie er in den land­ schaftlichen Schriftstücken sonst nicht, wohl aber in der Flugschriftenliteratur zu finden war. In der Eingabe des Landtags gegen die Bevorzugung des Adels und der Ausländer hieß es-. .Die Denkart des Zeitalters hat den Bürger wachsamer als je auf seine Rechte gemacht. * Es wurde als ein Vorteil der höheren Kultur bezeichnet, .daß das öffentliche Urteil Geburt, Stand und Protektion heutzutag weit weniger als ehedem als Rechtstitel bei der Bewerbung um öffentliche Ämter gelten läßt, vielmehr die Würdigkeit zu letzteren mehr nach den Fähigkeiten des Geistes und des Herzens und nach der Brauchbarkeit der Kandidaten für die Gesellschaft ab­ zumessen pflegt'.817 Der Landtag unterstützte sein Anliegen noch dadurch, daß er seinen Forderungen eine Reihe diesbezüglicher Beschwerden voraufschickte, die er .teils aus der öffentlichen lauten Stimme, teils aus den sehr gehäuften Instruktionen der Deputierten' entnommen hatte.218 Die Forderungen selbst allerdings waren so formuliert, daß nicht sogleich, sondern sehr allmählich die Beschäftigung des Adels auf ein entsprechendes Maß zurückgedrängt werden sollte. **■ DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 3, Bl. 74. sis Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 4, S. 235/36. **• Ebenda, S. 94/95. «» Ebenda, S. 248/49. »»• Ebenda, S. 255.

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Ähnlich im Ton und ebenso mit ausdrücklicher Berufung auf die öffentliche Meinung war die Eingabe des Landtags gefaßt, die Forstbesahwenden betreffend: .Bei lang­ wierigen Schäden und Krankheiten wird der vernünftige Arzt niemalen zu Palliativ­ mitteln seine Zuflucht nehmen, er wird, um den Kranken zu retten, den Grundstoff der Krankheit untersuchen und nur durch Zerstörung desselben die Gesundheit wiederum herbeiführen können. * Die Abgeordneten beriefen sich auf die .Würde, die sie als Stellvertreter des württembergischen Volks bekleiden und die sie berech­ tigt, die Wünsche ihrer Mitbürger in Eurer Herzoglichen Durchlaucht landesväter­ lichen Schoß niederzulegen,... * Sie bekannten sich zu Grundsätzen, .die dem bisherigen forsteilichen System gerade entgegenstehen,..Sie vertraten die Auf­ fassung, .daß die Quelle sämtlicher, seit zwei Jahrhunderten fortexistierender Forst­ beschwerden teils in der übermäßigen Ausdehnung der Regalitätsbegriffe, die manchen drückenden Gesetzen von Forst- und Jagdwesen ihr Dasein gegeben haben, teils aber auch in der Art, wie die Oberforstmeisterstellen besetzt worden, einzig und allein zu suchen sei . * 11* Die sehr detaillierte und darum auch sehr umfang­ reiche Vorstellung mündete in 25 Bitten und Wünsche aus, die alle wichtigen Beschwerden, von der Besetzung der Forstmeisterstellen bis zum Laubrechen, berücksichtigten. Mag der Ton dieser Beschlüsse, die in der von einem Hofacker und von keinem Georgii geleiteten Deputation vorbereitet waren, auch schärfer gewesen sein, mag ihr Inhalt, weil er unmittelbar gefühlte Beschwernisse der Volksmassen betraf, auch einen stärkeren Beifall der Öffentlichkeit gefunden haben, so blieben es doch landschaftliche Bitten und Wünsche, die der herzoglichen Bestätigung bedurften. Und diese Bestätigungen blieben aus. Auf verschiedene Vorstellungen reagierte der Herzog überhaupt nicht, auf andere ließ er lange mit der Anwort auf sich warten, um dann auch nur seine abweichende Meinung kundzutun. Der Landtag hätte die Bestätigung seiner Bitten und Wünsche ohne weiteres erzwingen können, wenn er sich nicht nur bei ihrer Begründung auf die öffentliche Meinung berufen, sondern diese Macht wirklich zu seiner Unterstützung mobilisiert hätte. Es war das einzig taugliche Mittel. An Zündstoff fehlte es nicht, um die Massen in Be­ wegung zu bringen, und die kaiserliche Armee tat das ihrige hinzu, ihn zu ver­ mehren. Madeweiß berichtete unter dem 7. Juni von so unerhörten Requisitions­ und Vorspannforderungen, daß Württemberg und das übrige Schwaben die daraus resultierenden Schulden .vielleicht in keinem Jahrhunderte werden abtragen können'.220 Dringend und voller Furcht wünschte er für Oberdeutschland das Ende des Krieges herbei, .weil darin', wie er am 4. Oktober schrieb, .eben der Geist des Aufruhrs und eine zügellose und übel verstandene Freiheit und Unabhängigkeit herrscht, der schlechtdenkende Leute zu allem, auch den ungerechtesten Unter­ nehmungen fähig macht, besonders wenn sie nichts zu fürchten und sogar Unter­ stützung zu hoffen haben'.221 Aber weder der Landtag insgesamt, noch die Gruppe «• Ebenda, S. 285 ff. m DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 3, Bl. 49. “> Ebenda, Bl. 90.

2. Der Reformlandtag

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der Reformer allein dachte daran, die Forderungen aus den vier Wänden des Sitzungssaals hinauszutragen und sich der Kraft der Massen zu bedienen. Der Reformlandtag fürchtete den Appell an das Volk, weil er die Revolution fürchtete. Er suchte die notwendige Unterstützung gegenüber dem Herzog in einer anderen Richtung, er suchte sie bei der französischen Bourgeoisie. Die Landschaft hatte in den letzten Jahren immer auf eine Beendigung des Krieges mit Frankreich hingedrängt; bei den Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen 1796 waren ihre Vertreter direkt beteiligt gewesen. Dem Direktorium war also die profranzösische Haltung der Stände bekannt. Auf der anderen Seite empfahl sich die französische Bourgeoisie den Ständen durch die Tatsache, daß sie 1796 von einer Revolutionierung des Landes abgesehen hatte. Die Voraussetzungen schienen günstig, um das Wagnis zu rechtfertigen, Kontakte mit leitenden französischen Politikern zu suchen und sie als Bundesgenossen bei den inneren Auseinander­ setzungen mit dem Herzog zu gewinnen. Angeblich zur Abwehr neuer kaiserlicher Requisitionsforderungen gab der Landtag seine Zustimmung zur Einsetzung einer geheimen Deputation, der neben Georgii, Kerner, Märklin und Klüpfel auch solche entschiedener Reformer wie Baz, Hauff und Hofacker angehörten. Die Deputation machte sich unverzüglich an die Arbeit. Am 24. Oktober richtete sie ein Schreiben an Abel, der sich in herzoglichem Auftrag in Paris befand, aber gleichzeitig Kon­ sulent der Landschaft war, und bat um die Beantwortung mehrerer Fragen, um die Kontaktmöglichkeiten zu sondieren. Die entscheidende Frage lautete: .Ob das fran­ zösische Gouvernement und namentlich ein oder mehrere derjenigen Männer, die seit der Revolution vom 18. Fructidor an der Regierung teilhaben, bereits eine rich­ tige Idee von der württembergischen Verfassung und den Landständen, von den Rechten, Pflichten und Verhältnissen der letzteren besitzen und ob sich daher nicht hoffen lasse, daß jenes entweder schon ein wirkliches Interesse an der Erhaltung der württembergischen Verfassung und namentlich der ständischen Rechte nehmen oder doch ein solches anzunehmen bewogen werden könnte.' Dieser Frage vorauf ging eine andere sehr bezeichnende und sehr ängstliche, nämlich die, ob es ^wahr­ scheinlich sei, dafj auf den Fall, dafj Serenissimo und den Landständen kein Friedens­ bruch vorgeworfen werden könnte, das französische Gouvernement gleichwohl auch revolutionäre Projekte in dem Vaterland ausführen würde'.222 Am gleichen 24. Oktober ging Baz von Stuttgart nach Paris ab. Ihm folgte noch unter dem gleichen Datum, aber nicht mehr von ihm mit unterschrieben, ein zweites Schreiben an Abel, das Bazens Eintreffen ankündigte und noch einmal die Linie der Außen­ politik abzeichnete, die man verfolgen wollte: Widerstand gegen alle Versuche Österreichs, Württemberg erneut in den Krieg gegen Frankreich zu zerren, und Gewinnung der Sympathie und Unterstützung Frankreichs, das auf Revolutionie­ rungsabsichten verzichten sollte, für die landschaftlichen Ziele: .Von Seiten des kaiserlichen Hofs läßt sich für Württembergs Landstände..., zumal nach den neuesten Vorfällen, wenig Ersprießliches erwarten; sie müssen daher fürchten, daß, 1X1 Vreede. George Guillaume, a. a. O., S. 57. 24 Süddeutsche Jakobiner

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V. Die bürgerlich-liberale Bewegung in Württemberg

wenn sie nicht dem französischen Gouvernement ein Interesse für sich einflößen können, sie bei einer bevorstehenden Umwälzung der Dinge leicht Gefahr laufen können.' 223 Mußte Baz auch noch einmal auf Grund des energischen herzoglichen Einspruchs zurückgerufen werden, so trotzte die Landschaft allem Widerstand, als der am 17. Oktober geschlossene Frieden von Campoformio bekannt und der Reichsfriedenskongreß zu Rastatt vorbereitet wurde. Sie wollte selbst dort vertreten sein, wo die wichtigen Entscheidungen fielen, und schickte Mitte November Baz nach Paris und Ende des Monats Georgii nach Rastatt.224 Es konnte kein Zweifel bestehen, daß das Direktorium die bestehenden Gegensätze zwischen Landschaft und Herzog zum eigenen Vorteil ausnutzen würde. Wie Georgii am 30. November aus Rastatt berich­ tete, hatte Bonaparte ihn .mit ausgezeichneter Höflichkeit' empfangen; mehrfach sagte er ihm .alles Verbindliche von der Ehre, die man Volksrepräsentanten erweisen müsse'.225 Wie weit sich das Interesse der französischen Großbourgeoisie mit dem der Landschaft deckte, mußte die Zukunft lehren. Indem die Führer der bürgerlich­ liberalen Bewegung den Appell an das Volk vermieden und bei Frankreich Unter­ stützung suchten, hatten sie den absolut zuverlässigen Bundesgenossen gegen die bloße Aussicht auf einen immer unsicheren Bundesgenossen vertauscht. « Ebenda, S. 62. ° Höhle. Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 200/01. * “* Sammlung von Lebensbeschreibungen, Briefen und sonstigen Urkunden betreffend die Georgii'sche Familie. Zugleich Beiträge zur Geschichte Württembergs und Deutschlands. Stuttgart 1876, S. 89, 92.

1. Die allgemeine politische und militärische Situation vom Ende des Jahres 1796 bis zum Rastatter Kongreß

Die Erfolge des Erzherzoges Karl im Sommer 1796 hatten die französischen Armeen gezwungen, das gesamte rechtsrheinische Deutschland zu räumen. Den Krieg ent­ schieden diese Erfolge jedoch nicht. Die Entscheidung fiel in Italien. War der Plan des Direktoriums, Österreich durch die Maas-Sambre-Armee und die Rhein-MoselArmee einerseits und die italienische Armee andererseits in die Zange zu nehmen, durch das Scheitern der Operationen in Deutschland auch mißglückt, so machte doch der gewaltige Siegeszug Bonapartes in Oberitalien alles wett. Im April 1796 war er Herr Piemonts, im Mai war die Lombardei in seinen Händen. Nur Mantua leistete acht Monate lang erbitterten Widerstand. Nachdem Bonaparte vier zum Entsatz der Festung vorgeschickte Armeen geschlagen und Mantua selbst am 2. Februar 1797 kapituliert hatte, war der größte Teil der kaiserlichen Streitkräfte vernichtet, und kein Riegel versperrte mehr den Weg in die österreichischen Erblande. Am 7. April rückte die französische Voïhut in Leoben in der Steiermark ein. Allerdings barg dieser gewaltige Vorstoß auch gewaltige Gefahren, die keiner besser als Bonaparte kannte. Nicht nur daß auch seine Siege mit Verlusten erkauft worden waren und daß er mit um so hartnäckigerem Widerstand rechnen mußte, je mehr er sich der Hauptstadt näherte, noch größere Gefahr drohte in seinem Rücken von der Bevölkerung insbesondere Venetiens, die unsäglidh gelitten hatte und durch einen Aufstand Verbindungslinien und Rückweg blockieren konnte. Darum drängte er beim Direktorium darauf, die anderen beiden Armeen erneut den Rhein über­ schreiten zu lassen, darum forcierte er mit allem Nachdruck die Friedens­ verhandlungen mit den Vertretern Wiens in Leoben. Am 18. April wurde der Präli­ minarfrieden von Leoben unterzeichnet. Österreich verzichtete auf Niederlande und Lombardei und wurde durch venezianisches Gebiet, Istrien und Dalmatien ent­ schädigt. Was das Reiah anbetraf, so sollte laut Artikel 5 auf einem Kongreß Bevollmächtigter der endgültige Frieden .auf der Basis der Unverletzlichkeit des Deutschen Reiahes' geschlossen werden.1 Allerdings hob der folgende Artikel dieses Zugeständnis faktisch auf, denn darin anerkannte der Kaiser .die durch die Gesetze der französischen Republik bestimmten Grenzen Frankreichs'.2* Der selbständig von Bonaparte geschlossene Präliminarfrieden fand keineswegs den ungeteilten Beifall des Direktoriums in Paris. Der von ihm angestrebten An­ 1 .11 sera tenu un congrès formé de plénipotentiaires respectifs, pour y traiter et conclure la paix définitive entre les deux puissances sur la base de l'intégrité de l'Empire Germanique.' Clercq, M. de, a. a, O-, S. 319. 1 .S. M. l'Empereur et Roi ... reconnaît les limites de la France décré tées par les loix de la République française.' Ebenda. S. 320.

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erkennung der Rheingrenze widersprach der 5. Artikel, wenn auch der 6. Artikel allen möglichen Winkelzügen wieder Raum lieh. Die Nachgiebigkeit Bonapartes verdroß um so mehr, als inzwischen die beiden Armeen am Rhein verheißungsvolle Erfolge melden konnten. Am 18. April, dem Tage der Unterzeichnung des Präli­ minarfriedens, war General Hoche, der neue Befehlshaber der Maas-Sambre-Armee, bei Neuwied über den Rhein gegangen und hatte die Österreicher bis hinter die Nidda getrieben. Am 20. April überschritt auch Moreau unterhalb Straßburgs den Fluß, nahm Kehl im Handstreich und schob sich bis zu den Schwarzwaldpässen vor. Diesen Operationen setzte Bonaparte am 23. April, wieder ohne die Bestätigung des Direktoriums einzuholen, durch Kuriere ein Ende, die den Oberkomman­ dierenden der beiden Armeen die Nachricht vom Abschluß des Präliminarfriedens überbrachten. Um die Rheingrenze zu sichern, hatte das Direktorium außer diesen militärischen Operationen inzwischen auch politische Maßnahmen im Linksrheinischen selbst eingeleitet. Frankreich hatte das Linksrheinische nach der Wiederbesetzung im wesentlichen als erobertes Gebiet behandelt, das enorme Kontributionen zu zahlen und die dort stationierten Truppen zu versorgen hatte. Von den bürgerlichen Er­ rungenschaften hatte die Bevölkerung wenig zu spüren bekommen. Linksrheinische bürgerliche Revolutionäre hatten den Kampf gegen die fortbestehenden starken Reste des feudalen Staatsapparates nur unter größten Schwierigkeiten, lediglich von vereinzelten französischen Militärs und Beamten unterstützt, führen können. Hoche, dem Anfang 1797 das Kommando über die Maas-Sambre-Armee und die Verwaltung des gesamten linksrheinischen eroberten Gebiets übertragen worden war, hielt es im Hinblick auf die aus dem Lande zu ziehenden Mittel für vorteilhaft, sich der alten feudalen Verwaltungen zu bedienen. JJie Erfahrung muß uns von dem Wahn geheilt haben, Europa munizipalisieren zu wollen , * schrieb er am 2. Februar den Direktoren. »Bevor man also weiß, ob unsere Anschauungen die der Deutschen werden können, von denen uns die Natur so unterschieden hat, laßt uns den Krieg auf ihre Kosten führen, da ja ihr gegenwärtiger Souverän uns dazu zwingt.'3 Wenn Frankreich den Frieden und das Rheinufer habe, sei es immer noch Zeit und auch leichter, die Bevölkerung für die französische Ordnung zu gewinnen. In der Tat verfügte er am 12. März, daß vom 21. März an -die alten Regierungen, die Beamten, die Kriminal- und Zivilgerichtshöfe, die Handelsgerichte, welche vor dem Eintritt der französischen Truppen ... angestellt waren, ihre Amtsverrichtungen wieder antreten . * 4 Der Frieden war jedoch näher, als Hoche Anfang Februar wohl glaubte. Und gerade im Hinblick auf die Friedensverhandlungen war es für die französische Seite von großem Vorteil, wenn sie sich in ihrem Bestreben, das Linksrheinische vom Reiche5 5 .L'expérience doit nous avoir corrigés de notre manie de vouloir munidpaliser l'Europe ... Avant donc de savoir, si nos opinions peuvent devenir celles des Germains, de qui la nature nous a fait si différents, faisons la guerre à leurs dépens, puisque leur souverain actuel nous y contraint." Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 3, S. 879. ‘ Ebenda, S. 901.

1. Politische und militärische Situation

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loszureiften, nicht nur auf die Bajonette, sondern auch auf Teile der linksrheinischen Bevölkerung stützen und berufen konnte. Hoche selbst revidierte sich und gab Anweisungen, die Propaganda für französische Grundsätze aufzunehmen. Am 6. April fragte er beim Direktorium an, ob er auf eine unabhängige Republik oder auf den Anschluß an Frankreich hinarbeiten solle: .Der erstere Vorschlag würde von den Einwohnern zweifellos bei weitem bevorzugt. * 5 Das Direktorium stimmte in seiner Antwort vom 13. April der republikanischen Propaganda unter den Einwohnern zu: »Aber sie scheinen nicht empfänglich, in diesem Zeitpunkt durch die Vereinigung ihres Gebiets mit dem der Republik zu französischen Bürgern zu werden. Sie wären eher befähigt, eine besondere Republik zu bilden, und unter diesem Gesichtspunkt ist es nützlich, sie zu veranlassen, nach einer neuen Ordnung der Dinge zu streben. Wir glauben indessen nicht, daft sie vor einer gewissen Zeit einen unabhängigen Staat bilden können; aber wenn der Fortschritt der Aufklärung und die Annäherung der Interessen in den verschiedenen Bezirken Ihnen derartig scheinen, daft man ihnen das innere Regime der Republik geben kann, autorisieren wir Sie, es dort durch Verordnung einzuführen, die von Ihnen allein ausgehen muft. Indem wir ihnen gleichwohl unsere Verfassung geben, beabsichtigen wir nicht, uns unseres Eroberungsrechts zu berauben.'5 *8 So entstand, getragen von deutschen Repu­ blikanern und unterstützt von den französischen Organen, die dsrhenanische Be­ wegung. Die Cisrhenanen sammelten 6ich um ihre grün-weift-rote Fahne, gründeten Klubs und entfalteten in kurzer Zeit eine lebhafte Agitation unter der links­ rheinischen Bevölkerung. Anfang Mai hatte das Direktorium den Präliminarfrieden, wenn auch widerstrebend, gebilligt. Dazu zwang allein die innenpolitische Situation. Die Neuwahl eines Drittels des Rats der Fünfhundert und des Rats der Alten am 10. April hatte der rech­ ten Opposition einen großen Sieg gebracht. Um das Direktorium zu stürzen und die demokratischen Elemente, die Nachfahren der Jakobiner, endgültig mundtot zu machen, brauchte diese Partei den Frieden. Sie setzte als Präsidenten an die Spitze des Rats der Fünfhundert den General Pichegru, der schon 1795 in landes­ verräterische Unterhandlungen mit Condé getreten war. Unter diesen Bedingungen konnte das Direktorium nicht seinen erfolgreichsten General desavouieren, sondern es muftte umgekehrt ihn so eng wie möglich an sich binden. Außerdem lieft der Widerspruch zwischen dem 5. und 6. Artikel des Präliminarfriedens in bezug auf 5 .La première de ces propositions serait sans doute adoptée avec plus de plaisir par les habi­ tants.' Ebenda, S. 946. * .Mais ils ne paraissent pas susceptible de devenir en ce moment citoyens français par la réunion de leur territoire ä celui de la République. Ils seraient plutôt propres à former une République séparée, et c'est sous ce point de vue qu'il est utile de les faire aspirer A un nouvel ordre de choses. Nous ne pensons pas, au reste, qu'ils puissent former de quelque temps encore un État indépendant; mais si le progrès des lumières et le rapprochement des intérêts dans les divers bailliages vous paraissent tels qu'on pût leur appliquer le régime intérieur de la République, nous vous autorisons à l'y introduire sous le titre de règlement, qui doit émaner de vous seul. En leur donnant toutefois notre constitution, nous ne prétendons pas nous priver de nos droits de conquête.' Ebenda.

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das linke Rheinufer noch alle Möglichkeiten offen. Man konnte einerseits auf das Reunionsdekret vom 30. März 1793 verweisen, das die Vereinigung des Gebiets zwischen Landau und Bingen mit Frankreich festlegte; man konnte andererseits behaupten, daß die versprochene Integrität des Reiches sich wohl auf die Verfassung, nicht aber auf das Territorium beziehen sollte. Dementsprechend wurde Bonaparte aufgetragen, bei seinen weiteren Verhandlungen, die den Präliminarfrieden in einen endgültigen verwandeln sollten, die Rheingrenze zu fordern. Es verging ein halbes Jahr, ehe dieser endgültige Frieden zustande kam. Österreich machte Schwierigkeiten. Sie hatten jedoch nicht etwa darin ihren Grund, daß der Kaiser als berufener Hüter der territorialen Integrität des Reichs der Abtretung des Linksrheinischen nicht zustimmen zu können meinte,- daß solche Skrupel ihn nicht plagten, wurde sehr bald aktenkundig. Österreich hoffte einfach auf bessere Bedingungen im Zusammenhang mit den konterrevolutionären Umtrieben der royalistischen Partei in Frankreich, deren Absichten es kannte und nach Möglich­ keit unterstützte. Inzwischen hatte diese Richtung mit dem Ausscheiden Letourneurs und dem Eintritt Barthélemys ins Direktorium ihren Einfluß beträchtlich verstärken können. Doch alle Hoffnungen auf einen Umsturz in Frankreich wurden zu Wasser durch den Staatsstreich vom 18. Fructidor. Im Auftrage der Mehrheit des Direk­ toriums hatte am 4. September General Augereau, von Bonaparte zu diesem Zwecke nach Paris geschickt, mit militärischer Gewalt eingegriffen und dem royalistischen Spuk ein Ende bereitet. Seine führenden Vertreter wurden, sofern sie nicht recht­ zeitig flüchten konnten, verhaftet, verurteilt und verbannt. Auch Moreau, der Be­ weise für die landesverräterische Korrespondenz Pichegrus erbeutet, sie aber lange Zeit zu unterschlagen versucht hatte, verlor sein Kommando über die Rhein-MoselArmee. Die Gefahr von rechts war abgewehrt. Der winzige Feudalherr Graf Friedrich zu Solms-Laubach verriet einen tieferen Einblick in das allgemeine Geschehen als mancher seiner großen Klassengenossen, wenn er es als einen Vorteil des 18. Fruc­ tidors bezeichnete, .daß endlich die Kabinette der Koalition ihre Erbsünde aufheben müssen, an eine nahe contre révolution zu glauben,...' 7 Die Friedensverhandlungen in Bonapartes Hauptquartier nahmen nun einen schnel­ leren Verlauf. Am 17. Oktober 1797 konnte der Frieden zu Campoformio geschlossen werden. In Italien hatte man sich auf Kosten Venedigs geeinigt, in Deutschland wollte man es auf Kosten des Reiches tun. Bis auf die Bestimmung, daß der Herzog von Modena durch den österreichischen Breisgau entschädigt werden sollte, waren die letzteren Abmachungen alle in Geheimartikeln formuliert.6 Sie zeigten, dafj der Kaiser ebensowenig wie jeder andere Reichsfürst für den territorialen Bestand des Reiches einzutreten gewillt war, wenn ihm als Lockpieise die Vergrößerung seines unmittelbaren Besitzes angeboten wurde. Gegen das Recht zur Annexion des Erz­ bistums Salzburg und des bayerischen Innviertels gab der Kaiser das linke Rhein­ ufer von Basel bis Andernach, die Festung Mainz und den Mannheimer Brückenkopf eingeschlossen, preis. Wenn er sich nicht mit der Abtretung des gesamten Links’ Isenburg, Wilhelm Karl Prinz von, a. a. O., S. 197. 8 Clercq, M. de, a. a. O., S. 339 ff.

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rheinischen über Andernach hinaus befreunden konnte, so geschah es wiederum nicht aus reichspatriotischen Gründen, sondern eindeutig aus Rivalität gegenüber Preugen, dem keine Handhabe gegeben werden sollte, für linksrheinische Verluste Entschädigungen im übrigen Reich zu verlangen. So wenig Österreich als Hüter der territorialen Integrität auftrat, so wenig kümmerte es die Integrität der Reichs­ verfassung. Indem es sich die Annexion des Erzbistums Salzburg ausbedang, anerkannte es faktisch die Säkularisation geistlicher Güter als Entschädigungs­ prinzip und ging damit in der Zerstörung der alten Reichsverfassung voran. Frank­ reich und Österreich versprachen, auf dem in Kürze stattfindenden Kongreß in Rastatt, wo der Frieden mit dem Reich geschlossen werden sollte, ihren ganzen Einflug auf die ReichsbevoUmächtigten im Sinne dieser Geheimartikel geltend zu machen. Um der Reichsdeputation jede ernsthafte Möglichkeit eines Protestes zu nehmen, fand sich der Kaiser bereit, Mainz und die anderen Reichsfestungen zu räumen und seine Truppen zurückzuziehen. Wie der Präliminarfrieden zu Leoben erhielt auch der von Bonaparte geschlossene Frieden zu Campoformio erst nach heftigem Widerstreben die Billigung des Direk­ toriums. Besonderen Anstog nahm es daran, dag wieder nicht der Gesamtverlauf des Rheins, sondern nur ein Teil als Grenze Frankreichs von Seiten Österreichs zu­ gestanden war. Um so grögere Bedeutung erhielt für das Direktorium die cisrhenanische Bewegung, mit deren Hilfe vollendete Tatsachen geschaffen werden konnten. Ihre Agitation begann erste Früchte zu tragen. Um ihr noch grögere Wirkungs­ möglichkeiten zu verschaffen und Hemmnisse zu beseitigen, die ihr überall von den alten Behörden in den Weg gelegt wurden, verfügte die von Hoche als oberstes Verwaltungsorgan geschaffene Mittelkommission am 14. August die Einführung der Pressefreiheit in den besetzten Gebieten. Ausdrücklich wurde .den Magistraten und jeder anderen Obrigkeit bei Strafe der Absetzung und Verhaftnehmung ver­ boten, weder mittel- noch unmittelbar die Pregfreiheit zu hindern'. * Hoche schil­ derte in einem Brief an das Direktorium vom 13. September die Erfolge der Cisrhenanen in gewig übertrieben leuchtenden Farben: JDie Bewohner des linken Rheinufers verkünden laut die Menschenrechte; schon hat sich der ganze Bezirk von Rheinbach unabhängig erklärt und den Namen der cisrhenanischen Republik angenommen. Bald wird, wenn Sie wollen, von Landau bis Düsseldorf, zwischen unseren durch die Konstitution bestimmten Grenzen und dem Rhein, eine den Franzosen befreundete Republik entstehen. Es ist an Ihnen, Bürger Direktoren, zu entscheiden, von welchem Nutzen uns ein freies Volk zwischen dem Reich und uns sein kann.'10 Um aus dem Stadium der biogen Agitation herauszukommen und 0 Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 3, S. 1114. 10 .Les habitants de la rive gauche du Rhin proclament hautement les droits de l'homme et déjà le canton entier de Rheinbach s'est déclaré indépendant et a pris le nom de République cisrhénane. Bientôt, si vous voulez, de Landau à Dusseldorf, paraîtra, entre nos frontières constituelles et le Rhin, une république amie des Français. C'est à vous, citoyens Directeurs, à juger de quelle utilité peut nous être un peuple libre entre l'Empire et nous. * Chuquet, Arthur, Quatre généraux de la Révolution. Hoche, Desaix, Kléber, Marceau. Lettres et notes inédites, suivies d'annexes historiques et biographiques. Paris 1911, Bd. 2, S. 245/46.

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zugleich die werbende Kraft der Cisrhenanen zu starken, verfugte die Mittel­ kommission am 15. September: .Die Gemeinden der fünf ersten Bezirke der er­ oberten Länder auf dem linken Rheinufer, welche den Freiheitsbaum errichtet und förmlich den Wunsch geäußert haben, die Regierungsform, worunter sie vor der Ankunft der französischen Armeen standen, zu verändern und dafür eine republi­ kanische Verfassung unter dem Namen der Cisrhenanischen Republik einzuführen, sollen vom 1. Vendémiaire VI (21. September 1797) von allen Feudallasten und Zehnten gänzlich befreit sein. * 11 Jetzt griff das Direktorium ein. Von Anbeginn hatte es die Bestrebungen nach einer selbständigen linksrheinischen Republik nur deswegen fördern lassen, weil eine Anschlußpropaganda geringere Aussichten zu haben schien. Daß die Vereini­ gung mit Frankreich das Endziel war, daran hatte es unter den entscheidenden Männern nie einen Zweifel gegeben. Jetzt, nach dem 18. Fructidor und vor der Unterzeichnung des endgültigen Friedens, war es an der Zeit, der cisrhenanischen Bewegung eine neue Marschrichtung zu geben: Statt Errichtung einer selbständigen Republik Vereinigung des Linksrheinischen mit Frankreich. Bereits am 16. Sep­ tember schrieb das Direktorium in diesem Sinne an Hoche.12 Der Brief erreichte jedoch den Empfänger nicht mehr, da Hoche am 19. September in Wetzlar verstorben war. Ein entsprechendes Dekret des Direktoriums erging dann am 5. Oktober an General Augereau, der anstelle von Hoche das Kommando über die zur Deutschland­ armee vereinigte Maas-Sambre- und Rhein-Mosel-Armee erhalten hatte. Das Dekret verfügte erstens die Aufhebung jener Verfügung der Mittelkommission vom 15. September, zweitens die Aufhebung der Mittelkommission selbst und die Über­ tragung aller Vollmachten an General Augereau; ¿1er dritte Artikel lautete: .Die Einwohner des eroberten Landes auf dem linken Rheinufer, die durch ein äußeres Zeichen ihr Verlangen zum Ausdruck bringen wollen, ihre Regierungsform zu verändern und ihre Freiheit wiederzuerlangen, können dafür nichts anderes tun als die Nationalkokarde der französischen Republik annehmen, deren Farben blau-weiß­ rot sind. * 13 Um die Tatsache des massiven Eingriffs zu verschleiern, wurde der Druck dieses Dekrets verboten. In dem Begleitschreiben zu diesem Erlaß an Augereau verstieg sich ¿las Direktorium sogar zu der unverfrorenen Behauptung, daß .die Idee zu einer tisrhenanischen Republik nur von Freunden Österreichs und der ehemaligen Landesherren eingegeben sein konnte, um Frankreich der Hilfsmittel zu berauben, die es aus diesem Lande ziehen kann . * 14 11 Hansen, Joseph, a. a. O-, Bd. 3, S. 1211 Anm. 3. 11 Ebenda, S. 1212/213. *’ .Les habitants des pays conquis sur la rive gauche du Rhin, qui voudront manifester par un signe extérieur leur vœu de changer la forme de leur gouvernement et de recouvrer leur liberté, ne pourront prendre à cet effet que la cocarde nationale de la République française portant les couleurs bleue, blanche et rouge.* Ebenda, Bd. 4, S. 122. Vgl. auch Mathiez. Albert, Le Directoire et la République cisrhénane. In: .Annales révolutionaires', NF Bd. 8, S. 707 ff., 1916. 14 .... l'idée d'une République cisrhénane n'a pu être suggérée que par les amis de l'Autriche et des anciens souverains du pays, pour priver la France des ressources qu'elle peut tirer de ce pays.' Ebenda, S. 122/23. VgL auch Mathiez, Albert, Le Directoire et la République cisrhénane, a. a. O.

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Die dsrhenanischen Republikaner verwandelten sich in Propagandisten der Reunion. Entscheidend nicht nur für sie, sondern objektiv entscheidend war die soziale Frage. Eine oppositionelle Haltung aus nationalen Gründen hätte sie zu Werkzeugen der feudalen Reaktion gemacht, die sich den Teufel um nationale Belange scherte und mit den verrotteten feudalen Zuständen auch den antinationalen Partikularismus konservieren wollte. Eine Bejahung der Reunion dagegen eröffnete die Aussicht auf die Einführung bürgerlicher Verhältnisse und im besonderen der Konstitution des Jahres HI, mithin auf das Ende der Behandlung des Landes als erobertes Gebiet durch Militärs und von Paris aus eingesetzte Beamte. Die in der französischen Konstitution vorgesehene Wahl örtlicher Staatsorgane sicherte eine relative Selbst­ verwaltung. Die Cisrhenanen betrachteten sich nicht als Handlanger französischer Annexionspolitik, sondern als Repräsentanten eines souveränen Volkes, das frei­ willig den Anschlug an Frankreich suchte. In diesem Sänne war die Erklärung verfagt, die im .Auftrag des hiezu von allen Zentralausschüssen der Föderation der Patrioten des linken Rheinufers bevollmächtigten Generalausschusses' am 13. No­ vember abgegeben wurde.15 Sie proklamierte .im Angesicht des Höchsten Wesens die Volkssouveränität , * verbannte die Fürsten als Feinde der Nation für immer aus diesen Gebieten, hob sämtliche feudalen Rechte und Einrichtungen auf, verfügte die Trennung vom Reich und verkündete die Vereinigung des souveränen Volkes, jum seine politische Independenz zu sichern', mit der französischen Republik.

Inzwischen hatte man von französischer wie von kaiserlicher Seite Vorbereitungen zur Beschickung des Rastatter Kongresses getroffen, auf dem der Frieden mit dem Deutschen Reiche ausgehandelt werden sollte. Am 13. November hatte Bonaparte aus der Hand des Augenministers Talleyrand die Vollmaaht erhalten, als Vor­ sitzender der französischen Deputation in Rastatt zu fungieren. Die Instruktionen, die in Talleyrands Büro ausgearbeitet worden waren, gaben der Deputation auf, einmal den Gesamtverlauf des Rheins als französische Grenze durchzusetzen und zum anderen .unwiderruflich das heilsame Werk zu vollenden, das im Frieden von Münster begonnen wurde und das während anderthalb Jahrhunderte unvoll­ endet geblieben ist'.16 Das heigt: Mit Hilfe der Säkularisation geistlicher Gebiete die Mittelstaaten festigen, ihre Souveränität gegenüber den deutschen Grogmächten stärken und sie zugleich an Frankreich binden. Talleyrand hatte in seinen Betrach­ tungen, die er als Basis für die Instruktionen der Rastatter Deputation ausarbeitete, am 2. November festgestellt: .Wenn ich es mir angelegen sein lasse zu beweisen, dag wir uns weder mit Preugen noch mit Österreich ausschlieglich verbinden dürfen, so darum, weil ich überzeugt bin, dag es in unserer Macht liegt, auf dem bald zu eröffnenden Kongresse das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Häusern zu er­ halten und, eben durch ihren Gegensatz, zu vorteilhaften Ergebnissen zu gelangen, zur Stabilität des Corps germanique, dessen neue Organisation fest begründet sein11 * 11 Hansen, Joseph a. a. O., Bd. 4, S. 321 S. 11 .... pour couronner sans retour le salutaire ouvrage qui fut commencé à la paix de Munster, et qui, pendant un siècle et demi, est demeuré imparfait.' Sorel, Albert, a. a. O., Paris 1903, Bd. 5, S. 262.

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und sich in der Meinung der Menschen durchgesetzt haben muß, bevor wir unser Föderativsystem endgültig einrichten können. * *1718Was Napoleon später mit dem 11 Rheinbund realisierte, war hier schon klar konzipiert. Im Widerspruch zu seinen Verpflichtungen, die er in Campoformio eingegangen war, aber im Vertrauen auf ihren geheimen Charakter, hatte der Kaiser durch ein Hofdekret vom 1. November die Reichsstände zur Beschickung des Kongresses ein­ geladen und scheinheilig aufgefordert, .daß sie ... das gemeinsame Wohl des deut­ schen Vaterlandes mit edlem Pflichtgefühl und deutscher Standhaftigkeit wirksamst unterstützen und also vereint mit ihrem Reichsoberhaupt den längst gewünschten, auf der Basis der Integrität des Reiches und seiner Verfassung zu gründenden billigen und anständigen Frieden bestens befördern und beschleunigen werden'.14 Aber diese Lüge zerplatzte schnell. Bonaparte sorgte in Rastatt dafür, daß die Wahrheit über die Prinzipien der französisch-österreichischen Abmachungen in Campoformio früh zur Kenntnis der deutschen Fürsten gelangte. Wie die badische Deputation unter dem 28. November berichtete, erklärte er ihr in einer Unterredung: .Die dermalige kaiserliche Aufforderung an die Reichsdeputation, fest an die Grundsätze der Integrität zu halten, sei eine wahre Komödie, denn man sei vor­ besagtermaßen über die Abtretung des linken Rheinufers und die daraus notwendig fließenden Folgen wechselseitig übereingekommen. * 19 Ebensowenig ließ er die geistlichen Fürsten über die Notwendigkeit der Säkularisationen im unklaren. Nach den Mitteilungen des Grafen von Reden, der in Rastatt Bremen und Hannover vertrat, trieb Bonaparte mit dem Gesandten des Fürstbistums Würzburg, dem Grafen Stadion, geradezu sein Spiel. Nachdem seine Frage nach der Bevölkerungsstärke des Bistums beantwortet war, stellte er fest: »Das ist viel für einen Kirchenfünsten. Aber wie das vereinbaren mit dem Gelübde der Armut? Sie wissen, daß die Geist­ lichen demütig und arm sein müssen und daß die Reichen nicht ins Himmelreich gelangen, und ist es nicht doch so, daß ein Kurfürst von Mainz, ein Bischof von Würzburg Paläste, Gärten, Truppen hat? Wie das vereinbaren mit der Schrift, die sagt, daß es leichter ist, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in den Himmel komme? * 20 Mochte mancher solche Reden noch als starke 11 .Si je m'attache à prouver que nous ne devons point nous lier exclusivement soit i la Prusse, soit à l’Autriche, c’est que je. suis convaincu qu'il est en notre pouvoir de tenir, dans le con­ grès qui va s'ouvrir, la balance entre ces deux maisons, et d'arriver, par leur opposition même, à des résultats avantageux, à la stabilité du Corps germanique, dont il est nécessaire que la nouvelle organisation soit établie et appréciée avant que nous puissions former définitivement notre système fédératif.' Pallain, G., Correspondance diplomatique de Talleyrand. Le ministère de Talleyrand sous le Directoire. Paris 1891, S. 175. 18 .Europäische Annalen', Jahrg. 1797, 11. Stück, S. 201. 18 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 15. 20 .C'est beaucoupp pour un prince ecclésiastique. Mais comment arranger cela avec le vœu de pauvreté? Vous savez, que les ecclésiastiques doivent être humbles et pauvres, et que les riches ne peuvent pas entrer dans le ciel, et ne voilà t'il pas (sicl), qu'un Électeur de Mayence, un Évêque de Wurzbourg a des palais, des jardins, des troupes. Comment arranger cela avec l'Écriture, qui dit, qu'il est plus aisé, qu'un chameau passe aisément par le trou d'une aiguille qu'un riche n'entre dans le de!?' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, C 1, Bl. 4.

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Worte auffassen, die einschüchtern sollten, so wurde die Heuchelei des Kaisers für jeden offenbar, als die bereits in Campoformio in Aussicht genommene und dann in Rastatt durch die geheime Militärkonvention vom 1. Dezember beschlossene Räumung der Festung Mainz durch die Österreicher erfolgte.21 Am 30. Dezember hatten französische Truppen die Festung besetzt. Unter diesen Umständen war es lächerlich, auf der Fiktion von der Integrität des Reiches beharren zu wollen. Die französische Seite bezeichnete die Vollmacht der Reichsdeputation als unzureichend und lehnte alle Verhandlungen auf dieser Basis rundweg ab. Am 8. Januar 1798 beschloß der Reichstag zu Regensburg, der De­ putation eine neue, diesmal unumschränkte Vollmacht zu erteilen. Darauf konnten Mitte Januar in Rastatt von beiden Seiten die Legitimationen ausgewechselt werden und die offiziellen Verhandlungen beginnen. Alle Fürsten, die seit 1795 Separat­ verträge abgeschlossen hatten, rechneten jetzt mit der in den geheimen Artikeln jener Abkommen versprochenen Beute. Die Mehrzahl der anderen beeilte sich, Ver­ säumtes nachzuholen und durch ihre Gesandten in Rastatt und Paris ihre Will­ fährigkeit zu demonstrieren. Jeder war bereit, seinen Nachbarn aufzuopfern, wenn er nur selbst tüchtig zulangen durfte. Die geistlichen Herren, die in erster Linie von der allgemeinen Begehrlichkeit bedroht waren, unterschieden sich dabei nicht wesentlich von ihren weltlichen Kollegen,- der Bischof hatte nichts dagegen, wenn man die Klöster schluckte, und der Erzbischof war gern bereit, die Bischöfe preis­ zugeben, wenn es ihm nur selbst nicht an den Kragen ging. So trug jeder dazu bei, die Uneinigkeit untereinander zu vergrößern und die Durchführung der Pläne Frankreichs zu fördern. Für Frankreich hatte dieser Länder- und Menschenschacher erstrangige Bedeutung. Er war das Mittel, dem Reich den letzten Rest eines Gemeingefühls zu rauben, die Rivalität zwischen Preußen und Österreich zu steigern, die mittleren Territorial­ staaten durch die Aussicht auf fette Beute dem Einfluß dieser beiden Großmächte zu entziehen und dem eigenen zu unterwerfen. Bonaparte hatte bereits Ende No­ vember 1797 im Gespräch mit der badischen Deputation diese Perspektive offen entwickelt: .Frankreich habe gar kein Interesse, das deutsche Reich und selbst nicht einmal dessen Verfassung zu zertrümmern, vielmehr müsse der Republik daran gelegen sein, daß die mindermäohtigen Fürsten nicht von den größeren ver­ schlungen und aufgerieben weiden. Österreich und Preußen wären desfalls gleich gefährlich für alle deutschen Reichsstände,- Frankreich hingegen sei und müsse ihr natürlicher Schutzgeist und Advokat um seines eigenen Interesses willen sein. Dazu werde es auch künftig um so mehr sich in dem Stand befinden, da die festen Punkte am Rheinufer, nämlich Mainz und Kehl, bei jedem ungleichen Unternehmen jener Mächte eine hinlängliche französische Armee den bedrängten Reichsständen augen­ blicklich zur Hilfe eilen machen könnten und würden. * 23 « Clercq, M. de. a. a. O., S. 345 ff. ** Politische Correspondenz..a. a. O-, Bd. 3, S. 15.

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2. Die Bestrebungen linksrheinischer Republikaner zur Revolutionierung Südwestdeutschlands Das Verhalten der französischen Bourgeoisie gegenüber den revolutionär-demo­ kratischen Bestrebungen und das entsprechende Auftreten der Armeen 1796 hatten zweifellos bei großen Teilen der süddeutschen Bevölkerung Enttäuschung und Erbitterung zur Folge gehabt. Wenn aber Verteidiger der Reaktion häufig daran die Hoffnung knüpften, daß damit das Volk den angeblichen Vorzug, unter väterlich gesinnten Feudalfürsten zu leben, wieder schätzen lernte, so irrten sie gründlich. Gegenüber der täglich neugewonnenen Erkenntnis, Opfer der feudalen Unter­ drückung und Ausbeutung zu sein, wog die einmalige Enttäuschung leicht, die Erinnerung daran verblaßte. Die aktiven süddeutschen Revolutionäre, die der bourgeoise Wortbruch am tiefsten getroffen hatte, waren trotzdem am wenigsten bereit, vor den bestehenden Gewalten zu Kreuze zu kriechen. Der Klassenkampf gegen den Feudalismus war eine gesetzmäßige historische Tatsache, die nichts aus der Welt schaffen konnte, es sei denn der Sieg über den Feudalismus. Die fran­ zösische Republik als das Ergebnis eines solchen Sieges konnte darum die ihr inne­ wohnende beispielhafte Kraft für alle anderen, die immer noch das feudale Joch trugen, nie ganz verlieren. In diesem Sinne war auch das Schreiben jenes Revo­ lutionärs vom Oberrhein abgefaßt, aus dem schon mehrfach zitiert wurde und das am 7. November 1796 das Blatt der ehemaligen Mainzer Klubisten, der .Pariser Zuschauer', abdruckte: .Indessen seid versichert, Republikaner, daß euch das Volk nicht ha§t, viel weniger der Freiheit abgeneigt ist. Wir durchschauen wohl die Höllenpläne, die den Völkern Ekel wider die Revolution einflößen sollten... Die Pfälzer sind bei den Österreichern verhaßt, aber auch besonders für die Freiheit gestimmt. Die Schwaben, welche zuviel Anhänglichkeit für die Franken bezeugt haben, werden auf die schimpflichste Weise mißhandelt. Die Patrioten zu Ulm will der Kaiser seine Rache besonders fühlen lassen. Gern möchten die deutschen Fürsten die eisernen Jahrhunderte der Barbarei, der Dummheit und des Aber­ glaubens wieder hereinführen; alle in biederer Wahrheit verfaßten Schriften und Blätter sind verboten;... Es wird aber den Despoten nicht gelingen, den anbrechen­ den Tag aufzuhalten III * 13 Die Lage der werktätigen Massen war nach dem Rückzug der Franzosen 1796 nur noch unerträglicher geworden. Zu dem Üblichen kamen die mannigfachen Folgen der Kriegshandlungen und dann der täglich zunehmende Druck der österreichischen Requisitionen und Einquartierungen, alles zusätzliche Lasten, die die herrschende Klasse nach alter Gewohnheit auf die Schultern der Massen zu wälzen suchte. Es bestand für die Volksmassen kein Grund, sich aus Enttäuschung über die Fran­ zosen vertrauensvoll unter die Fittiche ihrer alten Herren zu flüchten. Und sie taten es auch nicht. Im Gegenteil, die speyerisahen und hohenzollemschen Bauern be­ nutzten die Waffen, mit denen sie die Franzosen bekämpft hatten, nun zur Durch­ setzung ihrer Forderungen gegenüber der eigenen Herrschaft In Württemberg19 19 .Eudämonia oder deutsches Volksglück', Bd. 3, 6. Stück, S. 510 ff., 1796.

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ergriff die bürgerlich-liberale Bewegung alle Schichten des Volkes. In der Reichs­ stadt Ulm verstummte auch nach Abzug der Franzosen die Opposition nicht; der Führer des Bürgeraussohusses, Syndikus Holl, brachte im Frühjahr 1797 eine Schrift heraus .Über einige bei der Reichsstadt-Ulmischen Staatsverfassung vor­ kommende Hauptmängel und Gebrechen als die erste Quelle und nächste Ver­ anlassung zu den seit den letzten dreißig Jahren unter der dasigen Bürgerschaft bemerkten Bewegungen und angebrachten Beschwerden . * 24 Darin wurde die Ein­ richtung einer Vertreterkörperschaft der Bürger und unter ausdrücklicher Berufung auf Montesquieu die Teilung der Gewalten gefordert.28 Als der Magistrat im Juni die von der Bürgerschaft verlangte Verteilung der Einquartierung nach dem Vermögen ablehnte2*, steigerte sich die Unruhe der Bevölkerung. Das von Nübling heraus­ gegebene Volksblatt .Der ulmische Bürgerfreund', worin ¿1er Bürgerausschuß .andere Begriffe über bürgerliche und politische Verhältnisse in Umlauf zu bringen suchte', fand reifenden Absatz und brachte es trotz Verbot auf fünf Nummern.27 Die erst 1796 verkündete neue Jagdordnung wurde ohne Scheu verletzt; man bedrohte die Ober­ förster und schoß das Wild in den Revieren des regierenden Patriziats. Wieder zogen ganze Haufen vor das Rathaus und warfen die Scheiben ein. Einen ersten Erfolg konnte die Opposition am 25. Juli mit der kaiserlichen Anerkennung des Bürger­ ausschusses buchen.28 Einen weiteren Erfolg bedeutete im August die Verkündigung eines neuen Einquartierungsplans auf der Grundlage teils des Vermögens, teils des Einkommens.28 In der Reichsstadt Reutlingen bot die schwierige Lage, in die die Stadt durch die enormen Kriegsschulden geraten war, der Opposition unter der Führung des Dr. Fezer die Gelegenheit, dem Magistrat gegenüber eine Art Volks­ vertretung in Gestalt des von den zwölf Zünften beschickten Zwölferausschusses durchzusetzen, das heißt, nach Meinung der reaktionären Kreise ,im Grunde ein comité de salut public mit ausgedehnter Gewalt zu bilden und das Heft der Re­ gierungsgewalt so ziemlich an sich zu ziehen'.80 Der Zwölferausschuß konstituierte sich am 23. April 1797, wählte den Dr. Fezer zu seinem Sprecher und verlangte, daß seine Verfügungen .ebenso angesehen werden, als ob die ganze Bürgerschaft darüber einen Beschluß gefaßt hätte,...'81 Unter den vielen .Ökonomie-Verbesserungs­ vorschlägen', die vom Ausschüsse ausgingen, fand sich die Forderung nach Einsicht “ (Höll, Johann Leonhard), Ober einige bei der Reichsstadt-Ulmischen Staatsverfassung vor­ kommende Hauptmängel und Gebrechen als die erste Quelle und nächste Veranlassung zu den seit den letzten dreißig Jahren unter der dasigen Bürgerschaft bemerkten Bewegungen und angebrachten Beschwerden. Zur Belehrung ihrer Mitbürger und Zunftgenossen dar­ gestellt, gewidmet und verfaßt von dem gegenwärtig im Jahr 1797 bestehenden bürgerlichen Ausschuß und Syndikus, o. O. 1797. “ Ebenda, S. 11/12. ** .Nationalzeitung', Jahrg. 1797, 31. Stück, Sp. 661/62, 17 Ebenda, 42. Stück, Sp. 885. Gradmann, Johann Jakob, Das gelehrte Schwaben oder Lexikon der jetzt lebenden schwäbischen Schriftsteller, o. O. 1802, S. 418. “ Dürr, Lore, a. a. O., S. 85 ff. ” .Nationalzeitung', Jahrg. 1797, 34. Stück, Sp. 733/34. “ .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1799, Bd. 3. S. 256. 11 Ebenda, S. 266.

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in das Rechnungswesen des Magistrats, nach einem neuen Steuergesetz, das die Bewohner ohne Ausnahme nach dem Vermögen besteuerte, nach der Abkaufbarkeit der Leibeigenschaft, .welche die Menschenwürde entehrt und deswegen in unserem helleren Zeitalter, wo man die ursprünglichen Menschenrechte stets mehr schätzen lernt, mehrfällig aufgehoben wurde', und anderes mehr.32 Im Sommer 1797 gelang es dem Zwölferausschuß sogar, verschiedene seiner Mitglieder in einflußreiche Magistratsstellen zu lancieren.33 Wie in Reutlingen, so zwang der Druck von unten auch in Augsburg und im Hochstift Kempten den Magistrat beziehungsweise den Fürstabt, die bisher Steuerfreien ebenfalls zu besteuern.31 In Hohenlohe-Kirchberg verweigerten die Bauern die von der fürstlichen Herrschaft geforderten Kontri­ butionszahlungen für die durchziehenden kaiserlichen Truppen.33 Wie stark die revolutionären Potenzen am rechten Rheinufer waren, wunde zu Beginn des Jahres 1798 offenbar. Am Rhein wirkten auf die Entwicklung des Klassenkampfes drei Vorgänge fördernd ein, die sich in dieser Zeit am jenseitigen Ufer abspielten. Es handelte sich einmal um die ciarhenanische Agitation, zum zweiten um die verstärkte Aktivität der jakobinischen Partei, die durch den 18. Fruc­ tidor eine bedeutend größere Bewegungsfreiheit erhalten hatte, und schließlich um die Vorbereitungen und ersten Ansätze der helvetischen Revolution. Man kann nicht sagen, daß die Cisrhenanen in der Einwirkung auf das Rechtsrheinische da­ mals eine Hauptaufgabe gesehen hätten. Ihr wichtigstes Anliegen bestand darin, die Rückkehr der feudalen Fürsten und Herren zu verhindern, die starken Reste feudaler Verfassung und Verwaltung in ihren Gebieten zu beseitigen und auch aus dem Status eines eroberten Landes herauszukommen. Das war sowohl möglich durch die Konstituierung einer selbständigen cisrhenanischen Republik als auch durch den Anschluß an Frankreich. Gerade diese Beschränkung auf den engen eigenen Bereich war es, die die heftige Kritik eines so entschiedenen Revolutionärs wie Andreas Georg Friedrich Rebmanns herausforderte. Wie er selbst zugab, war er .einst ein warmer Apostel der Rheingrenze * 33; aber er hatte diese Anschauung aufgegeben, nachdem er, in Deutschland verfolgt, über Altona und Holland 1796 nach Paris geflohen war und hier die bourgeoise Realität kennengelernt hatte. In einer französisch abgefaßten anonymen Schrift »Blick auf den Rhein', die er 1797 nach dem 18. Fructidor an die Mitglieder der beiden Räte in Paris verteilen ließ, bezeichnete er es zwar als eine .offenbare Notwendigkeit seit dem gegenwärtigen Kriege, das Land diesseits des Rheins vom Reiche abzutrennen', denn Koblenz, Mainz und Worms dürften nie wieder zu Ausgangspunkten der Konterrevolution und Intervention weiden 37 ; er scheute sich nicht, die Dringlichkeit auch damit zu “ Ebenda, S. 273. “ Ebenda, S. 314 ß. 3i Pahl, Johann Gottfried, Denkwürdigkeiten zur Geschichte von Schwaben während der beiden Feldzüge von 1799 und 1800. Nördlingen 1802, S. 21/22. .Nationalzeitung', Jahrg. 1797, 25. Stück. Sp. 544 ff. “ Bihl. a. a. O., S. 294. M .Laterne bei Tag für die mittlere Volksklasse', Paris 1797, Nr. 2, S. 10. 37 .... nécessité évidente depuis la guerre actuelle de détacher le pays en deçà du Rhin de l'Empire.' Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 4, S. 170.

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begründen, dafj insbesondere das räuberische Betragen der republikanischen Agenten und Generäle in diesen Gebieten eine solche Gefahr begünstige. Aber einer Lösung des Linksrheinischen vom Reiche konnte er nur dann das Wort reden, wenn es das Ziel war, das Gebiet nicht mit Frankreich zu vereinigen, sondern .eine rheinisch-deutsche Republik entsprechend den Grundlagen der französischen Ver­ fassung zu errichten . * 38*.Die Vereinigung dieser Länder würde den Grund zu einer dem Fortgang der guten Sache gefährlichen Nationaleifersucht legen , * stellte er in einer Ergänzungsschrift zu jener ersten fest.38 Für Rebmann bedeutete die Ver­ einigung nackte Annexion, eine linksrheinische Republik dagegen den Beginn einer revolutionären Umgestaltung ganz Deutschlands. Aus diesem Grunde auch ver­ urteilte er in den schärfsten Worten die Bereitschaft der Cisrhenanen, auf einen Wink von Paris hin über Nacht zu Propagandisten der Reunion zu werden. In seiner Zeitschrift .Die neue Schildwache' druckte er einen anonymen Brief vom Ende September über die dsrhenanische Konföderation ab, worin es hiefj: ....für sie (die Annexion - H. S.) sprechen alle gegenwärtigen Beamten in diesen Ländern, die meisten ehemaligen Mainzer Klubisten, alle, welche den Deutschen auf dem rechten Rheinufer nicht Kraft und Willen Zutrauen, sich endlich einmal vom Joch der Anarchie, die man mit dem Namen Deutsche Verfassung stempelt, los* zureifjen. 40 In der zweiten Nummer seiner .Laterne * urteilte er scharf und bitter : .Was man in diesen Ländern sogenannte Patrioten nannte und angestellt hat, ist meistens der - Auswurf der Nation. Die wahren Patrioten leiden und zeigen sich nicht eher, bis einst die Zeit kommt, wo sie Gelegenheit haben werden, für wahre Freiheit ihres Landes zu wirken.'41 Ebenso im November im zwölften Heft der .Geißel': .Die Minister Custinens, die elenden Schreier Böhmer, Stamm, Dorsch etc. kriechen um die neuen Herrscher, um Prokonsulate zu erschnappen. * 42 Revolutionäre Leidenschaft und stolzes Nationalbewußtsein sprachen aus Rebmanns Kritik, aber beide liehen ihn in diesem Fall über das Ziel hdnausschiefjen und machten ihn ungerecht. Der alte Mainzer Jakobiner Stamm wird uns bald als mutiger Propagandist der Revolution im Rechtsrheinischen begegnen. Aber auch unabhängig vom Verhalten der einzelnen Cisrhenanen zum übrigen Deutschland war die Tat­ sache, dafj im Linksrheinischen die bürgerliche Ordnung im Rahmen der fran­ zösischen Republik durchgesetzt weiden sollte, ein so gewaltiges progressives Ereignis, dafj das andere Ufer davon nicht unberührt bleiben konnte. Dazu waren die vielfältigen Bindungen zwischen den Menschen diesseits und jenseits des Rheins viel zu eng; dazu drängten vor allem die gesellschaftlichen Verhältnisse im Rechts­ rheinischen viel zu entschieden auf Veränderung. Es bedeutete mehr als eine schöne Geste, wenn in der schon genannten Souveränitätserklärung des Generalausschusses der cisrhenanischen Föderation vom 13. November 1797 ein 6. Artikel eingefügt 38 .... de former une République rheno-germanique d'après les bases de la constitution fran­ çaise.' Ebenda. " Ebenda, S. 173. « Ebenda, S. 169. 41 .Laterne bd Tag für die mittlere Volksklasse', Paris 1797, Nr. 2, S. 10/11 Anm. 41 Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 4, S. 308. 26 Süddeutsche Jakobiner

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war, der lautete: .Das Volk dieser Länder wird nie gegen das deutsche Volk, wie­ wohl es sich von demselben trennt, die Gefühle der aufrichtigsten Bruderliebe ver­ leugnen und mit Sorgfalt seine Verhältnisse, die zwischen Deutschland und der französischen Republik bestehen, zu unterhalten suchen.'4S Auch die von dem Cisrhenanen Metternich in Bingen herausgegebenen ^Politischen Unterhaltungen am linken Rheinufer', die sich in ihrem 53. Stück vom 25. November teilweise geradezu krampfhaft bemühten, die Vorzüge des Anschlusses gegenüber der Selb­ ständigkeit zu beweisen, betrachteten es als Aufgabe des Linksrheinischen, nun als Teil der ^wohltätigen Sonne' Frankreichs auf die Völker zu wirken, .um sie zur großen Völkerverjüngung zu reifen.'44 Der »Aachener Zuschauer' brachte am 28. Oktober sogar die Meldung von einer bereits gedruckten Proklamation, die die Bewohner rechts des Rheins bis zum Main aufforderte, eine transrhenanische Republik zu bilden.45 Die Furcht der feudalen Reaktion im Rechtsrheinischen, daß die republikanischen Bestrebungen der Cisrhenanen übergreifen könnten, war darum keineswegs unbegründet. Der Kommandant der Festung Ehrenbreitstein, Oberst von Sechter, erließ, .nachdem sich Aufwiegler und Störer der öffentlichen Ruhe von dem linken Rheinufer auf diese Seite begeben haben', am 6. September eine Verordnung, die jedem von ihnen die standrechtliche Erschießung androhte und jedem Denunzianten ein »ansehnliches Douceur' versprach.4* Der am kurmainzischen Hofe akkreditierte preußische Legationssekretär Formey verfolgte die Entwicklung mit größter Aufmerksamkeit. Am 12. September schrieb er aus Frank­ furt: »Man versichert mir, daß diese Feinde der öffentlichen Ruhe auch ihre Ab­ gesandten auf dem rechten Rheinufer haben, um die Gemüter vorzubereiten und Anhänger zu gewinnen.' 47 Im Oktober unternahm er schließlich sogar eine mehr­ wöchige Reise ins Linksrheinische, um sich unmittelbar ein Bild von den Bestre­ bungen der Republikaner machen zu können. Seine Beobachtungen, die er in zwei langen Berichten zusammenfaßte, bestärkten ihn in seinen Befürchtungen.46 Die cisrhenanische Agitation war jedoah nur ein Faktor, der zur Verschärfung des Klassenkampfes und zur Entwicklung revolutionärer Bestrebungen beitrug. Ein weiterer Faktor war der Aufschwung, den die jakobinische Richtung nach dem 18. Fructidor in ganz Frankreich erlebte. Das Direktorium hatte den Staatsstreich mit Hilfe der Armee durchgeführt, um nicht an das Volk appellieren zu müssen. Aber die Ausschaltung der Royalisten kam dennoch notwendig den Linken zugute, die in den vielen vom Direktorium wieder zugelassenen cercles con6titutionelles " Ebenda, S. 325. 44 Ein Exemplar dieser Nummer befindet sich im Staatsarchiv Kuks, Arbeitsstelle Opoino. Colloredo-Mannsfeldsches Archiv, Korrespondenz des Franz Gundakar Colloredo-Mannsfeld, Sign. 31/11, Bl. 1/2. 41 Hermanns, Will, Josef Görres - Cisrhenanenbriefe. In: .Rheinische Vierteljahrsblätter', Jahrg. 19. S. 430 Anm. 26, 1954. 44 Hansen, Joseph, a. a. O-, Bd. 3, S. 1172 Anm. 3. 47 .On m'assure que ces perturbateurs du repos public ont aussi leurs missionnaires sur la rive droite du Rhin, pour préparer les esprits et faire des prosélytes.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 164, J. 34. “ Ebenda.

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des Landes den beherrschenden Einfluß gewannen. Die deutschen Revolutionäre knüpften große Hoffnungen daran. Rebmann, der den 18. Fructidor .als Augen­ zeuge, sogar hie und da als Mitwirker - soviel ein Privatmann mitwirken kann von Anfang bis Ende verfolgt * hatte 49, pries das Glück, .ihn erlebt und das Größte gesehen zu haben, was in unserem Jahrhundert vorgefallen ist *. 50 Er griff sogleich zur Feder, um seine deutschen Leser in einer .Geschichte der Revolution vom 18. Fruktidor' von den Vorgängen zu unterrichten. Wenn er unter ihrem unmittel­ baren Eindruck die progressive Bedeutung weit überschätzte, so drückt sich darin eine unerwartet intensive Wiederbelebung von Hoffnungen aus, die er bereits begraben hatte. Mit unbestechlichem Blick als Revolutionär und als Deutscher hatte er die Politik des Direktoriums vor dem 18. Fructidor geprüft. Das Ergebnis hatte er in der zweiten Nummer seiner .Laterne * 1797 veröffentlicht: »Wir betrachten die jetzigen fränkischen Gewalthaber bloß aus einem einzigen Gesichtspunkte. Wir fragen, was hat die Sache der Menschheit und der Freiheit von ihnen zu erwarten? Wir fragen als Deutsche und in Hinsicht auf Deutschland und beantworten diese Fragen mit Ehrlichkeit und . . . mit einiger Sachkenntnis. Die Gründer des größten Resultats der menschlichen Vernunft, das wir kennen, der fränkischen Republik, haben die Früchte ihrer Arbeiten nicht mehr gesehen, ja selbst kaum hoffen können. . . Die, welche jetzt glänzen, waren damals unbekannte, subalterne Menschen von Talent und Ehrgeiz - vielleicht auch fremd dem heiligen Enthusiasm, der das Werk gründete. Um sie zu erheben, mußten wir erst um vieles fallen. . . Um sich zu erhalten, sich zu erheben, mußten sie freilich die Grundsäulen des großen Gebäudes nicht vollends umreißen lassen. Diese stehen noch, haben sich befestigt, und diese Menschen genießen des Vorteils, welchen ihnen ihr Standpunkt gewährt, ohne sich um uns oder um die Vollendung des Gebäudes zu bekümmern. Wenn wir darin in­ zwischen bequem und sicher wohnen, so sind sie es wahrlich nicht, denen wir da­ für Dank schuldig wären.' Als typisch für die Entwicklung bezeichnete es Rebmann, .daß die Achtung der Kabinette gegen unsere Regierung gerade im umgekehrten Verhältnis zur Rechtschaffenheit derselben steigt oder fällt und daß die Könige sich erst seit der Zeit mit uns verbinden und uns höfeln, wo wir wirklich schlechter geworden sind . * Mit bemerkenswertem Mut und klarem Blick charakterisierte er die bourgeoise Deutschlandpolitik: .Wer... glaubt, daß unserem Kabinett daran liege, die Ausrottung der Tyrannei und die Herrschaft der Gesetze in Europa zu befördern, Deutschlands Völker glücklich zu sehen,... politische Reformationen zu befördern, der irrt sich sehr,... Bestechung einiger schwächerer Staaten, um von Zeit zu Zeit sie zu pressen, und (wenn es sich bequem tun läßt) Einverleibung einiger Provinzen mit der fränkischen Republik, um auf Kosten dieser armen Länder Prokonsuls zu versorgen, die man hier fürchtet, und Kreaturen zu befördern, denen man hier keine Stelle anzuweisen wagt. Wenn die Revolutionärs in Deutschland ... also auf 49 Rebmann, Andreas Georg Friedrich, Geschichte der Revolution vom 18. Fruktidor oder der Sturz Camots, Barthäemys, Pichegrus und mehrerer. Paris 6. Jahr der Freiheit, S. 1. " Ebenda, S. 17. 25*

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Frankreich bei ihren Unternehmungen rechnen, so irren sie sich und werden viel­ leicht zum Opfer einer Politik werden, welche, wenn sie auch zu Zeiten Miene macht, Gärungen in angrenzenden Despotien unterstützen zu wollen, dabei nichts Ernst­ liches sucht, sondern bloß Freude daran hat, wenn ihre Feinde auch durch innere Schwäche verhindert werden, ihr zu schaden.' B1 Was Rebmanns Analyse so wertvoll macht, ist die Tatsache, daß sie nicht in eine fruchtlose Resignation auslief. Die Notwendigkeit einer revolutionären Umgestal­ tung der deutschen Verhältnisse bestand; die Umwälzung mußte erfolgen, gleich­ gültig ob mit oder ohne Hilfe der französischen Bourgeoisie, ja sogar auch gegen denen Willen. Rebmanns Enttäuschung über die französische Deutschlandpolitik ließen ihn darum seine revolutionären Energien nur sinnvoller verwenden. Seinen Verallgemeinerungen lagen nicht zuletzt die bitteren Erfahrungen zugrunde, die die süddeutschen Revolutionäre 1796 machen mußten. Er forderte sie auf, daraus zu lernen. .Bei dieser Umwandlung rechne ich auf keine Propaganda, auf keine frän­ kischen Freiheitsprediger, überhaupt nicht im geringsten auf den Beistand der Franken", hatte er schon in der ersten Nummer seiner .Laterne' erklärt. .Alles, was ihr im höchsten Falle von der fränkischen Regierung zu erwarten das Recht habt, (und auch das wird noch Mühe kosten) ist, daß sie euch nicht hindert. Ihr seid blind genug gewesen, um euren feilen Schriftstellern bisher aufs Wort zu glauben, daß die Franken große Freude darüber haben würden, wenn an den Grenzen des Rheins eine Republik entstünde. Ihr habt euch getäuscht, und diejenigen unter euch, welche die Geschichte des Feldzuges vom Jahr 1796 näher kennen, werden euch mehr über diese Täuschung sagen können. Es gibt noch immer in Frankreich Leute von Ein­ fluß, deren kleinliche Politik es lieber sieht, wenn sie kleine fürstliche Insekten und ausgemergelte Völker zu Nachbarn hat, als wenn sich nahe bei ihr eine mächtige Republik bildet.' Er sprach zu den Süddeutschen, nicht zuletzt auch zu denen unter ihnen, die wie die speyerischen Bauern ungewollt am Ende doch nur die deutsche Reaktion durch ihren bewaffneten Kampf gegen die Franzosen unterstützt hatten: .Aber wenn ihr nur ernstlich wollt, wenn ihr nur zur Hälfte für eure Verbesserung den Mut und die Beharrlichkeit anwendet, welche ihr zeigtet, indem ihr gegen die Franken und gegen euch selbst fochtet, so muß diese kleinliche Politik eurer Kraft weichen. Ihr sollt keinen fremden Beistand haben, ihr selbst müßt eure Freiheit erkämpfen, oder ihr verdient das Schicksal, das sonst eurer wartet ... Es muß im südlichen Deutschland eine Revolution ausbrechen.' 61 Der 18. Fructidor, der die royalistische Partei zu Boden schlug, das Direktorium säuberte und der jakobinischen Partei durch die Wiedereröffnung konstitutioneller Klubs neue Wirkungsmöglichkeiten bot, schien jedoch günstigere Bedingungen zu schaffen, als Rebmann bisher erkennen konnte. Von seinem vernichtenden Urteil über das Direktorium in seiner alten Zusammensetzung brauchte er kein Wort zurückzu­ nehmen; er war vielmehr überzeugt davon, .daß das Direktorium durch sein so lange befolgtes Gleichgewichtssystem, durch seine Einbildung, der Patrioten nicht mehr zu M .Laterne bei Tag für die mittlere Volksklasse', Paris 1797, Nr. 2, S. 5 ff. « Ebenda, Nr. 1, S. 23 ff.

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bedürfen, durch die Eitelkeit und Leichtgläubigkeit mit welcher es sich von den Schmeicheleien der Royalisten und der fremden Kabinette betören ließ, eigentlich schuld an dem Übermaße des Unglücks ist das uns zu so verzweifelten Rettungs­ mitteln zwang . * 91 Zu dem Staatsstreich selbst, der zugegebenermaßen nicht ohne Verletzung der Konstitution durchgeführt werden konnte, sagte er vorbehaltlos ja: „Es ist besser, wider die Regeln der Fakultät zu genesen, als methodisch zu Tode kuriert zu werden.' 91 Nach Rebmanns Überzeugung bestand der Hauptgewinn, den der 18. Fructidor brachte, in einem veränderten Verhältnis der französischen Regierung zum feindlichen Auslande. Die Hoffnungen der verbündeten Mächte auf einen konterrevolutionären Umsturz im Innern Frankreichs, auch wenn sie ent­ täuscht wurden, mußten die Regierung in der Erkenntnis bestärken, „daß sie nicht sowohl die Despoten als den Despotismus im allgemeinen zu bekämpfen habe und daß der Krieg zwischen uns und den fremden Mächten nicht wie jeder andere mit Niederlegung der Waffen aufhört, eine Wahrheit, die sie freilich um wohlfeileren Preis hätte kaufen können. Sie hat erfahren, daß sie durchaus kein Kabinett auf den Euß wie die anderen Kabinette ausmachen kann und darf, wenn sie nicht bei dem Spiele verlieren will. Sie hat erfahren, daß sie nie von den Despoten, sondern nur von den Völkern Allianzen und freundschaftliche Verbindungen erwarten kann und daß sie verloren ist, sobald sie sich auf Kosten der Völker die Despoten - seien sie mit Krone und Zepter versehen, oder seien sie elende Oligarchen einer kleinen Aristokratie - zu Freunden machen will. Sie muß, sie wird auf das System der konstituierenden Versammlung: Krieg den Palästen, Friede den Hütten, zu­ rückkommen und einsehen, daß Frankreichs Macht weniger auf seinen Kanonen als auf seinen Grundsätzen beruht *. 59 Zwei nächste konkrete Maßregeln ergaben sich nach Rebmann daraus: Erstens die Aufrichtung einer wArt von revolutionärer Diktatur , * um jede konterrevolutionäre Entwicklung im Innern zu unterbinden, und zweitens die „Umgebung der Franken­ republik mit einem Gürtel von demokratischen Republiken, durch Interesse und Dankbarkeit mit dem unsrigen verbündet. Dazu gehört Zerstreuung der schweize­ rischen Oligarchie und der kleinen Fürsten-Insekten von der deutschen Seite.'56 Eine Fußnote zu dieser letzten Maßnahme unterstreicht ihre Wichtigkeit und be­ stätigt gleichzeitig Rebmanns aktiven Anteil an den Umsturzvorbereitungen, wie sie von deutschen Revolutionären 1796 getroffen worden waren: „Dieses System, von dessen Notwendigkeit und Möglichkeit ich seit zwei Jahren immer überzeugt gewesen bin, an dessen Ausführung in Hinsicht auf Deutschland ich mit unermüdeter Anstrengung gearbeitet habe und noch arbeite, wird und muß noch die Grundlage der fränkischen Kabinettspolitik werden. Der 18. Fructidor hat die Häupter der Fraktion gestürzt, welche ihm bisher im Wege standen. Carnot und Barthélemy sitzen nicht mehr im Direktorium. Diese Veränderung der Umstände erlaubt mir jetzt, die Geheimnisse der Negoziationen und des Rückzugs der fränkischen Armeen im Jahre 1796 in etwas aufzudecken ... Moreau und noch einer unserer treuen Beamten u Rebnuznn, Andreas Georg Friedrich, Geschichte deT Revolution..., a. a. O-, S. 67. “ Ebenda, S. 69. 65 Ebenda, S. 77/78. M Ebenda, S. 79/80.

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in der Schweiz weiden hoffentlich bald der Fraktion nachfolgen, zu welcher sie gehören, und dann - ça irai'63 Es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß Rebmann hier auf Bacher zielte, der neben Barthélemy und Moreau 1796 besonders tätig gewesen war, die Pläne Lists und seiner Freunde zu durchkreuzen. Die Notwendig­ keit eines Wandels der französischen Außenpolitik war für Rebmann so wenig fragwürdig, daß er sogleich auch seine persönliche Wirksamkeit darauf orientierte: »Arbeiten, die vielleicht zur Vorbereitung der Freiheit Deutschlands beitragen können, fordern jetzt auf einige Tage meine ganze Anstrengung. * 58

Bei allem Optimismus verlor er sich doch nicht völlig in kritikloser Begeisterung. Er unterschied zwischen der Wirkung des 18. Fructidor nach außen und nach innen. Die letztere hielt er für entschieden geringer; er erklärte, .daß wir auch im Innern dadurch viel, wenngleich nicht soviel gewonnen haben, als wir billigerweise hätten erwarten können. Ich gestehe Ihnen freiwillig, daß ich diesen großen Schlag für weiter nichts als für eine ziemliche Palliativkur ansehe; um ganz zu retten, hätte er weit vollständiger und weit allgemeiner sein müssen. * S9 An anderer Stelle formulierte er seine Ansicht über die innere und äußere Wirkung des 18. Fructidor scharf pointiert folgendermaßen: .Frankreich ist freilich noch unter der Revolution, aber es ist demohngeachtet weit über der Gegenrevolution.'60 Offensichtlich er­ blickte Rebmann nicht mehr in den »unglücklichen sogenannten Terroristen der Vorstädte, welche von der Metzelei von Grenelle und Vendôme noch übriggeblieben waren und herbeieilten, um die Regierung zu verteidigen'M, die Kraft, die fähig und geeignet war, einen gründlichen Wandel im Innern zu bewirken. Er begrüßte es jedenfalls, daß nicht ihnen, sondern dem Militär die Hauptrolle bei dem Staats­ streich übertragen worden war. Ihm schienen vielmehr die Armeen den Kern der Nation auszumachen, so daß die Regeneration im Innern auoh von hier ausgehen mußte. Kaum zwei Wochen nach dem 18. Fructidor sah er bereits Differenzen zwischen dem Direktorium und dem Militär voraus: .... die Zukunft bietet uns Aussichten zu möglichen Spaltungen zwischen der Regierung und unseren Heer­ führern dar, um so mehr, da unsere Armeen nicht bloße Maschinen sind und gar wohl in Versuchung kommen möchten, sich um das Innere zu bekümmern, mit unseren Ministern, ihren Kreaturen und ihren Beschützern Abrechnung zu halten und einst auf Vergeltung der Dienste zu dringen, welche sie der Republik geleistet haben. Bei unseren Armeen ist der Kem der Nation;... sie sind aufgeklärt genug, um durch alle Proklamationen hindurch zu sehen, wer schuld daran ist, daß man sie zu diesem Notfall rufen mußte. * 82 Rebmann, der die Entwicklung vom Standpunkte eines zwar radikalen, aber in seinem Erkenntnisvermögen notwendig beschränkten Moralisten betrachtete, drang nicht bis zum Grund der Dinge vor. So blieben die Enttäuschungen nicht aus. Der n “ " " « ”

Ebenda, Ebenda, Ebenda. Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. 80 Anm. S. 64. S. 85/86. S. 77. S. 74/75. S. 75/76.

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am 17. Oktober geschlossene Friede zu Campoformio bewies, daß das erneuerte Direktorium ebensowenig wie das alte einen Propagandakrieg führen wollte. Schmerzlich getroffen schrieb Rebmann imNovemberimzwölftenHeftseiner.Geißel': »Einen einzigen Monat noch Krieg, und Augereau, der brave, tapfere, treue Augereau wäre Deutschlands Bonaparte geworden, der Breisgau, statt jetzt zur Abfindung eines italienischen Herzogs hingegeben zu weiden, hätte die Fahne der Freiheit aufgesteckt, und die Transrhenanische Republik würde der Welt einen Beweis ge­ geben haben, was ein kraftvolles, unverdorbenes Volk durch eine vernünftige Form auszuriohten vermag ... So lebt denn wohl, süße Hoffnungen 1 So fahre denn hin, mühevolle Arbeit mehrerer Jahre! So verfalle denn, GermanienI Aber nicht auf ewig! Neue Kämpfe beginnen einst, und du wirst glorreicher aus deiner Ver­ nichtung hervortreten, mein teures Vaterland! Dein Volk wird die schimpflichen Artikel vernichten, welche zu Udine unterzeichnet wurden. Alles, was jetzt die Freunde der Freiheit in Deutschland tun können, besteht darin, daß sie sich aneinanderschließen und im Notfall selbst zu dem in jedem anderen Falle gefährlichen Mittel der geheimen Gesell schäften ihre Zuflucht nehmen, damit der Funke nicht ganz verlösche. * 65 So antidemokratisch wie die Außenpolitik der französischen Regierung war ihre Innenpolitik. Das Direktorium, das die Demokraten nicht weniger als die Royalisten fürchtete, bereitete schon unmittelbar nach dem 18. Fructidor Maßnahmen vor, um deren für die Großbourgeoisie gefährlich starke Stellung zu zerbrechen. Der preu­ ßische Gesandte Sandoz-Rollin berichtete am 5. Oktober aus Paris: .Von Seiten der Royalisten brauahte die französische Regierung gegenwärtig keine Befürchtungen mehr zu hegen;... Vielmehr vor den Jakobinern und Terroristen wird sie sich sichern müssen. Die letzteren hatten sich geschmeichelt, da sie sahen, daß die Regierung sich ihnen näherte, an die ersten Plätze der Republik gerufen zu werden und ge­ nügend Einfluß zu gewinnen, um ihrerseits das Direktorium zu beherrschen. Nach­ dem sie in ihrer Erwartung betrogen wurden, versuchen sie nunmehr, sich fürchten zu lassen oder als unentbehrlich zu gelten. Die Regierung, die ihre Umtriebe über­ wacht, wird sie im Zaume zu halten und rechtzeitig zu unterdrücken wissen.'41 Die Spannung zwischen der Linken und dem Direktorium war also eher stärker als schwächer geworden, weil die Linke stärker geworden war. Große Hoffnungen hatte Rebmann in die Armee gesetzt, und hier gab es in der Tat Bestrebungen, die der Politik des Direktoriums entgegenstanden. In General Augereau gewannen die Jakobiner einen nicht unbedeutenden Bundesgenossen. Er hatte am 18. Fructidor den Staatsstreich durchgeführt, die royalistische Konteru Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 4, S. 308/09. M .Ce n'est plus du côté des royalistes que le gouvernement français peut avoir présentement des craintes; ... C'est plutôt du côté des Jacobins et des terroristes qu'il devra se garantir. Ces derniers s'étaient flatté, en voyant le gouvernement se rapprocher d'eux, d'être appelles aux premières places de la République, et de gagner assez d'influence pour gouverner à leur tour le Directoire. Trompés aujourd'hui dans leur attente et cherchant à se rendre redoutables ou nécessaires, le gouvernement qui surveille leurs menées, saura les contenir et les réprimer lorsqu'il en sera temps.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fasc. 356, Bl. 109.

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révolution im Keime erstickt, die Herrschaft des Direktoriums gesichert und sich unmittelbar darauf mit ihm überworfen. Wie Laréveillère-Lépeaux, einer der Direk­ toren, in seinen Memoiren berichtet, gingen Augereau die Maßnahmen gegen die Aristokraten nicht weit genug. Um gründlich aufräumen zu können, verlangte er einen Site mit beratender Stimme im Direktorium.6* Sein besonderes Mißtrauen richtete sich gegen den Direktor Reubell und gegen Bonaparte, die er beide be­ schuldigte, nach der Alleinherrschaft zu streben. .Augereau war ein erklärter Feind Bonapartes und Reubells, und er machte keinen Hehl daraus *, berichtete SandozRollin am 31. Januar 1798 nach Berlin. .Er sagte laut und schrieb ebenso, dafj er wohl jene aus dem Direktorium ausstofjen könnte, die er am 18. Fructidor dort gehalten hatte,- zu lange hätte man geduldet, dafj Advokaten die gesamte Gewalt besäßen, ohne die Generäle der Armeen daran zu beteiligen; vor allem müsse man den Anschlägen eines Generals und eines Direktoriumsmitgliedes zuvorkommen und sie aufhalten, die Frankreich allein regieren wollen.' 66 Ein solcher Beschützer der Republik wurde dem Direktorium nicht nur unbequem, sondern gefährlich. Solange er in Paris blieb, konnte es nicht auf bewaffnete Hilfe zur Unterdrückung der Jakobiner rechnen. .Wir ergriffen unsere Maßnahmen, um diesen verderblichen Plänen Einhalt zu gebieten', schrieb Laréveillère-Lépeaux. .Um Augereau zu be­ lohnen und gleichzeitig auszuschalten, liefjen wir ihm das Kommando über die Deutschland-Armee übertragen. * 67 Mochten die Direktoren aufatmen, den Mann, der sie am 18. Fructidor gerettet hatte, fern von Paris zu wissen; für die revolutionär-demokratisch gesinnten Kräfte auf dem gesamten linken Rheinufer war Augereaus Übernahme des Oberbefehls über die Deutschland-Armee, womit gleichzeitig die Zivilgewalt in den besetzten Gebieten verbunden war, ein großer Gewinn. Er dachte nicht daran, wie es das ge­ habte Direktorium tat, die Jakobiner zu zügeln. Er selbst sprach eine jakobinische Sprache, wenn er Ende Oktober in Koblenz, einem Bericht des früheren Bürger­ meisters zufolge, erklärte, er habe .die Macht, unser Land nicht nur diesseits, sondern auch jenseits zu travaillieren. Er sei es gewesen, welcher Italien um­ gearbeitet, und es würde ihm ein leichtes sein, diese Länder zu revolutionieren. So­ bald der Krieg anfängt, wird er die andere Rheinseite sowie die diesseitige be­ waffnen, um mit diesen in dem Eingeweide aller Potentaten, welche keinen Frieden machen wollten, zu wüten . * 66 Tags darauf hielt er in der republikanischen Volks­ gesellschaft in Bonn eine Rede gegen die Fürsten, die in den Worten gipfelte: M Mémoires de Laréveillére-Lépeaux, publiés par son fils. Paris o. J., Bd. 2, S. 171/72. “ .Augereau était l'ennemi déclaré de Buonaparte et de Reubell, et il ne s'en cachait pas; il disait hautement et écrit de même, qu'il savait bien faire descendre du Directorial ceux qu'il y avait maintenu au 18 Fructidor; que c'était trop longtemps endurer que des avocats gardassent toute l'autorité, sans y faire concourir les généraux des armées; qu'il fallait sur­ tout prévenir et arrêter les complots d'un général et d'un directeur, qui tendaient à vouloir gouverner seuls la France.' DZA Merseburg, Rep. 11. Nr. 89, Fasc. 356, Bl. 88. •’ .Nous primes nos mesures pour arrêter ces pernicieux desseins. Four récompenser et pour écarter en même temps Augereau, nous lui fîmes donner le commandement d'armée d'Alle­ magne.' Mémoires de Laréveillère-Lépeaux. .., a. a. O., S. 172. 48 Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 4, S. 236.

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.Jagt sie, zerschmettert sie, die Despoten!'89 Dem Kölner Magistrat gegenüber bezeichnete er es als seinen Wunsch, obwohl der Friedensschkiß von Campofoimio bereits bekanntgegeben war, .nicht nur hiesige Stadt, sondern ganz Deutschland, wenn es von ihm abhinge, glücklich zu machen *. 70 Es versteht sich, daß ein solches Auftreten des Oberkommandierenden die Herzen gerade der entschiedenen Repu­ blikaner gewinnen mußte. Die Gunst der Umstände Ende 1797 ließ es möglich er­ scheinen, zwar gegen den Willen des Direktoriums, aber doch mit französischer Unterstützung, nämlich der Augereaus und seiner Deutschland-Armee, eine re­ volutionäre Umwälzung in Deutschland einzuleiten. Diese Aussicht begeisterte Rebmann; hier liegt auch eine Ursache dafür, daß er Ende November das Angebot, in Mainz eine Richterstelle beim obersten Tribunal zu übernehmen, nicht ablehnte und am 9. Januar 1798 dieses Amt antrat.71 Auch als Oberbefehlshaber der Deutschland-Armee arbeitete Augereau gegen den leitenden Kopf des Direktoriums, Reubeil, und gegen Bonaparte, die wichtigste militärische Stütze dieser Regierung. Seine Agenten sammelten belastendes Material gegen diesen General und beschuldigten Reubeil des Aristokratismus.72 Die vielen abschätzigen Urteile, die Bonaparte in dieser Zeit über Augereau fällte, die Tat­ sache, daß er es auf dem Wege nach Rastatt vermied, Augereaus Hauptquartier zu berühren, zeugen von dem schroffen Gegensatz.73 Als Militär stützte sich Augereau bei seinen Plänen zunächst auf die Armee. Wie Sandoz->Rollin berichtete, hatten seine Ansichten in der Tat Eindruck auf seine Offiziere gemacht; .alle waren unter­ einander Verpflichtungen eingegangen, Augereau verbunden zu bleiben und, wenn nötig, auf Paris zu marschieren . * 74 Auf Bajonette allein aber konnte er sich nicht stützen. Seine gegebenen Verbündeten waren die Jakobiner, die sich in den cercles constitutionelles und Volksgesellschaften politische Zentren geschaffen hatten. In dem Gebiet, das seiner unmittelbaren Kontrolle unterstand, waren es deutsche Republikaner. Augereau hat auf sie, wie unter anderem seine Rede vor der Bonner Volksgesellschaft beweist, radikalisierend, und zwar in Richtung auf eine Revo­ lutionierung auch des Rechtsrheinischen eingewirkt. Drei Mitglieder des Straf­ bürger .club des citoyens actifs * bezeichneten unabhängig voneinander Augereau als ihren Auftraggeber, als sie im Rechtsrheinischen als revolutionäre Propagandisten auftraten. Der beim Strasburger Kriminalgericht tätige Dr. Schwan erklärte dem Schultheißen seines Geburtsorts Willstädt, .es stünde etwas Großes bevor, und er sei in geheimen Aufträgen vom General Augereau in das Land geschickt worden . * 75 99 .Chassez-les, écrasez-les, les despotes! * Ebenda, S. 239 Anm. 3. 79 Ebenda, S. 244. 71 Wtasky, Nadeschda von, A. G. F. Rebmann. Leben und Werke eines Publizisten zur Zeit der großen Französischen Revolution. Phil. Diss. Heidelberg 1907, S. 103. n Cuyot, Raymond, a. a. O., S. 572/73. 71 Gouvion Sainl-Cyr, Mémoires sur les campagnes des armées du Rhin et de Rhin-et-Moselle, de 1792 jusqu'à la paix de Campo-Formio. Paris 1829, Bd. 4, S. 208. 74 .Tous avaient pris entr'eux des engagements de rester attachés à Augereau et de marcher au besoin sur Paris.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fasc. 358, Bl. 88/89. 75 (Haller, Karl Ludwig von). Geheime Geschichte der Rastatter Friedensverhandlungen in Verbindung mit den Staatshändeln dieser Zeit. Germanien 1799, T. 2, S. 204.

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Der bei der Magazinverwaltung in Straßburg als Kommissar angestellte und in Bahlingen gebürtige Kreutner vertraute seinem Stiefbruder in Theningen an, jes gingen wichtige Sachen vor, von denen die ganze Welt reden werde, es gebe eine allgemeine 'Veränderung, es komme alles unter französischen Schutz und werde nächstens zum Ausbruch kommen,-... und sein General Augeneau, von dem er geschickt sei, werde dabei recht emporkommen . * 76 Und Georg List schrieb in einem an das helvetische Direktorium gerichteten Gesuch vom 24. März 1799, das Angaben über seine Ver­ gangenheit enthält: .Im Herbst 1797 erschien B(ürger) Augereau als General en chef zu Straßburg; das Projekt einer deutschen Republik war abermals an der Tagesordnung. Ich wurde zu ihm berufen und die Sache verabredet. * 77 Ganz offen­ sichtlich trieb Augereau Vorbereitungen, den von Bonaparte geschlossenen und vom Direktorium sanktionierten Frieden von Campoformio zu torpedieren. Der Krieg, den er dann mit seiner Deutschland-Armee führen würde, wäre ein revo­ lutionärer Krieg, in dessen Gefolge wie in Italien Republiken entstünden. Bonaparte verdankte seinen italienischen Erfolgen eine Machtstellung, vor der das Direktorium schon mehr als einmal kapituliert hatte. Warum sollte Augereau sich nicht in Deutschland eine ähnliche Position erobern können? Aber die deutschen Revolutionäre setzten nicht allein auf Augereau. Ihr Optimismus gründete sich zugleich und wahrscheinlich in erster Linie auf die revolutionäre Umgestaltung, die sich in der Schweiz vorbereitete. Die Schweizer Revolution war im wesentlichen ein Werk der Schweizer selbst.78 Das Bürgertum hier war ökono­ misch stark genug, um das feudal-patrizische Regiment unerträglich zu finden und auf seinen Sturz hinzuarbeiten. Die Vielzahl der Kantone mit ihren verschiedenen Gesetzgebungen, Münzen, Maßen, Gewichten, mit ihren zahlreichen Zolltaxen und konfessionellen Zänkereien, mit einer feudal gedrückten Bevölkerung in Stadt und Land waren lästige Hemmnisse geworden. Die Französische Revolution und die Gründung der cisalpinischen Republik in der unmittelbaren Nachbarschaft zeigten den Ausweg. Der herrschenden Oligarchie boten umgekehrt diese Ereig­ nisse nur neuen Anlaß, noch entschiedener auf ihren Vorrechten zu beharren und allen angestrebten Lockerungen den hartnäckigsten Widerstand entgegenzusetzen. Dem entsprach auch ihre Außenpolitik. Wenn auch formal neutral, so war die alte Schweiz doch ein Bollwerk der Konterrevolution, das sich wie ein Riegel zwischen die französischen und die cisalpinische Republik schob. Frankreich brauchte dringend zur Sicherung seiner Positionen in Italien eine befreundete Schweiz, deren günstige Verbindungswege ihm offen standen. Zu der inneren Notwendigkeit, die feudalen Fesseln zu sprengen, trat insbesondere nach dem Frieden von Campoformio also noch ein anderer, von außen durch das französische Interesse herangetragener Zwang. Für die revolutionäre Partei in der Schweiz war der entscheidende Gesichts­ punkt, der sie den Umsturz vorbereiten und durchführen hieß, die innere Situation ; lediglich der Zeitpunkt des Umsturzes wunde zu einem wesentlichen Teil durch die ’• Politische Correspondenz..., a. a. O„ Bd. 3, S. 91. 77 Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 247. ” Vgl. zum folgenden Rufer, Alfred, Helvétique (République). In: Dictionnaire historique et biographique de la Suisse. Neuchâtel 1928, Bd. 4, S. 25 S.

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äußere Lage bestimmt. Die jüngsten Erfahrungen in Italien hatten wieder hand­ greiflich bewiesen, daß eine Revolutionierung durch Frankreich mit dem Verlust der Unabhängigkeit und allen seinen üblen Folgeerscheinungen verbunden war. Ein solches Schicksal galt es durch rechtzeitiges selbständiges Handeln zu vermeiden. Die Konstellation der Kräfte war dafür außerordentlich günstig: Mit der Niederlage Österreichs hatte die Schweizer Oligarchie ihren mächtigen äußeren Rückhalt verloren und war ganz auf sich selbst gestellt; zum anderen war Frankreich wohl brennend an einem revolutionären Umsturz in der Schweiz interessiert, aber in der gegebenen Situation nicht sehr geneigt, ihn mit eigener Hand zu bewirken. Es hatte in Rastatt seine Netze ausgelegt, um die deutschen Fürsten zu fangen, die zweifellos schwieriger wunden, wenn die Revolutionierung des benachbarten Landes durch direkte französische Intervention erfolgte. Die Zusammenarbeit mit Frank­ reich, an der die Schweizer Revolutionäre selbstverständlich nicht vorbeigehen konnten und wollten, versprach unter diesen Bedingungen ungetrübte Ergebnisse. Die entscheidenden Besprechungen fanden in der ersten Dezemberhälfte 1797 in Baris zwischen Bonaparte und Reubeil einerseits und Peter Ochs und César Laharpe andererseits statt. Man einigte 6ich, eine einheitliche helvetische Republik zu schaffen, wobei Mittel und Wege den Schweizern überlassen blieben und Frankreich lediglich massive moralische und politische Unterstützung zu leisten sich verpflich­ tete. So wurde auf Wunsch ihres exilierten Führers Laharpe «lie revolutionäre Bewegung des Waadtlandes unter den besonderen Schutz Frankreichs gestellt und eine Division unter General Ménard an die Grenze geschickt, um die Berner Oli­ garchen von einem militärischen Vorgehen gegen die Waadtländer abzuschrecken. Programmgemäß rollte dann, im Januar 1798 beginnend und ausschließlich von «len Schweizern getragen, die revolutionäre Welle über «las Land. Der Kanton Basel, wo Peter Ochs wirkte, machte den Anfang; von Liestal aus, wo am 17. Januar der Freiheitsbaum errichtet wurde, griff die Bewegung, gestützt vor allem auf die Bauern, immer weiter um sich und gipfelte in der Konstituierung einer National­ versammlung in Basel. Das Waadtland folgte. Ende Januar erhob sich Unter-Wallis. Im Thurgau proklamierte «lie Menge am 1. Februar die Unabhängigkeit. Um einem schrecklicheren Sturm zuvorzukommen, versprach die .bisher so mächtige und un­ nachgiebige Berner Oligarchie eine vom Volk zu bestätigende Verfassung. Das Prinzip der Volkssouveränität eroberte Kanton um Kanton. Noch vor Mitte Februar hatte die Revolution in allen wesentlichen Teilen der Schweiz gesiegt. Gewiß dürfen dabei der diplomatische Druck und die militärische Drohung von französischer Seite nicht gering angeschlagen weiden, aber die eigentliche revolutionäre Arbeit hatte doch die Masse der Schweizer Bevölkerung allein geleistet.

Die militärische Intervention Frankreichs setzte erst nach «liesen Ereignissen ein, wenn auch der Einmarsch der Division Menards ins Waadtland bereits am 28. Januar erfolgte. Dieses Vorgehen war die Folge des unglücklichen Zwischenfalls bei Thierrens, wo zwei französische Husaren, Begleiter des von Ménard an den Befehlshaber der Berner Truppen abgeschickten Unterhändlers, von einer Schweizer Patrouille erschossen wurden. Ménard betrachtete dieses Ereignis als einen Angriff auf die

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Schutzmacht der waadtländischen Republikaner und überschritt die Grenze. Er handelte im Sinne seiner Instruktion, die ihm ein militärisches Eingreifen erlaubte, wenn Bern mit Waffengewalt gegen die revolutionäre Bewegung im Waadtlande vorgehen sollte. Hier war sogar mehr geschehen und auf Soldaten der französischen Republik geschossen worden. Daß Paris um diese Zeit noch an der alten Konzeption festhielt und eine direkte militärische Einmischung vermeiden wollte, beweist die Tatsache, daß dem General Brune, der Menard ablösen sollte, am 27. Januar, also einen Tag vor dem französischen Einmarsch, dieselbe Instruktion mit auf den Weg gegeben wurde, die zuvor auch Ménard erhalten hatte. Im übrigen beschränkte sich Brune, am 4. Februar in Lausanne angelangt, auf die Besetzung des Waadt­ landes, denn weiter vorzustoßen hatte er weder Auftrag noch die nötige militärische Stärke. Selbstverständlich haben die Anwesenheit Brunes auf Schweizer Boden und die aggressive Tonart, in der er mit den Berner Oligarchen verhandelte, den Widerstandswillen der Reaktion bedeutend geschwächt und umgekehrt der re­ volutionären Bewegung in der ganzen Schweiz zusätzlich einen starken Auftrieb gegeben; aber das vermag an der oben getroffenen Feststellung nichts zu ändern, daß die helvetische Revolution in erster Linie ein Werk der Schweizer selbst war. Erst am 17. Februar, nachdem also die revolutionäre Bewegung in verschiedenen Kantonen bereits eindeutig gesiegt und in anderen solche Zugeständnisse erzwungen hatte, die der Schweiz schon ein wesentlich anderes Gesicht gaben, entschloß sich das Pariser Direktorium zur Änderung seiner Linie. Es verlangte ultimativ den Rücktritt der Berner Regierung und befahl am 22. Februar dem General Brune, der in der Zwischenzeit sich militärisch verstärkt hatte, gegen Bern zu marschieren. Die Notwendigkeit des Überganges zur direkten Intervention ergab sich für Frankreich einmal daraus, daß es ihm mit Rücksicht auf die internationale Lage darauf ankam, in der Schweiz so schnell wie möglich vollendete Tatsachen zu schaffen. Zum anderen war bei allen Zugeständnissen, die die Schweizer Oligarchie bereits hatte machen müssen, allein die bloße Fortdauer selbst ihrer eingeschränkten Existenz mit der Gefahr verbunden, daß die reaktionär-feudalen Mächte wieder die Über­ macht gewannen. Schließlich erregten auch die demokratischen Züge der revolutio­ nären Bewegung und ihr starkes Unabhängigkeitsstreben beim Direktorium Be­ denken, ob seine Interessen genügend gewahrt würden. Ein siegreicher Brune in Bern gewährleistete, daß bei der inneren Umgestaltung der Schweiz wie bei der Regelung ihrer auswärtigen Beziehungen Frankreich das entscheidende Wort spre­ chen konnte. So geriet die Schweiz, die ihre Revolution als ein unabhängiges Land begann, am Ende doch unter eine französische Fremdherrschaft, die wohl die sozial­ ökonomische Umwälzung vollendete, aber gleichzeitig unverkennbar antidemokra­ tische und räuberische Züge trug. Mit dieser Darstellung ist jedoch dem historischen Verlauf schon vorgegriffen. Zunächst jedenfalls lag die revolutionäre Initiative ganz in der Hand der Schweizer Patrioten, und ihre verstärkten Anstrengungen nach dem Frieden von Campoformio erhöhten auch die Zuversicht der deutschen Revolutionäre. Rebmann, der einen engen Kontakt mit César Laharpe besaß, unterstützte die Bestrebungen der Schwei-

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zer nach besten Kräften. Er begrüßte den Sturz Barthelemys am 18. Fructidor, denn damit war nach seiner Ansicht der von der Berner Oligarchie bestochene, gefähr­ lichste Gegner der Schweizer Patrioten in Paris aus dem Wege geräumt Er träumte von einer deutschen Revolution im Gefolge der helvetischen mit dem Ziel eines brüderlichen Bundes, der sogar Italien einbezog. So veröffentlichte er im Januar­ heft 1798 seiner «Geißel * einen wahrscheinlich schon im November 1797 geschrie­ benen Artikel .Geißelhiebe für die Schweizer Oligarchen', worin er die .Nach­ kommen Wilhelm Teils * zur Tat aufrief, zugleich aber auch für Deutschland eine großartige Perspektive entwickelte. Er rechnete durchaus mit der Möglichkeit, daß die Schweizer Oligarchen, ähnlich wie die deutschen Fürsten, sich beim französischen Direktorium Schonung erkaufen könnten. .Aber sollte es diesen auch gelingen (und was gelingt nicht durch Geld in Paris?), neue Stützen zu finden; sollte das fränkische Kabinett sich auch nach dem 18. Fructidor nicht überzeugen wollen, daß seine Macht auf dem allgemeinen Fall des Despotismus in Europa beruhe - wozu brau­ chen wir denn gerade immer und ewig die Franken? - Nachkommen Wilhelm Teils! Reicht Germanien die linke und Italien die rechte Hand! Wir sind bereit, sie zu fassen und den großen Bund zu knüpfen. Ihr seid unterdrückt, aber ihr habt Kraft; auch wir sind unterdrückt, und auch wir haben Kraft; die Scheidewand, welche Despotismus und Kabinettspolitik zwischen uns aufgestellt haben, fällt; ein neuer Koloß tritt auf; der Rhein, eure Gebirge, Mantua sind unsere Festen... Selbständig, groß und trotzig stehen wir da,...' 70 Die Betonung der Selbständigkeit richtete ihre Spitze eindeutig gegen die großbourgeoise Politik Frankreichs, die Tochter­ republiken als halbkoloniale Anhängsel zu behandeln. Durch den befreundeten Laharpe erfuhr Rebmann dann von dessen erfolgreicher Aussprache mit Bonaparte, der als Militär und Schöpfer der dsalpinischen Republik zu gut die Bedeutung einer eng mit Frankreich liierten Schweiz begriff, um dem Anliegen des Führers der waadtländischen Revolutionäre gegenüber gleichgültig zu bleiben. Offensichtlich unter dem Eindruck dieses für ihn ersten sichtbaren Erfolges schrieb Rebmann um diese Zeit in seiner .Fortsetzung der Ideen über Revolutionen in Deutschland', die im Febnuarheft 1798 der .Geißel' veröffentlicht wurde: .Wenn wir bei der fränkischen Regierung Männer zu Regenten hätten, die in ihrem Fache wären, was Bonaparte in dem seinigen ist; wenn nicht unsere fünf Männer sehr mittelmäßige und durch Weihrauch und kleinliche Politik leicht zu verirrende Menschen wären; wenn man fränkischerseits nur immer den Grundsatz bedacht und befolgt hätte, daß die Völker voneinander unabhängig sind und daß es Unsinn von Seiten einer republikanischen Regierung ist, andere Völker abhalten zu wollen, ihre Verfassung zu verändern, daß es Torheit ist, mit einem sogenannten Souverän lieber eine Allianz zu schließen als mit Völkern, so wären wir jetzt schon, wo wir sein sollten.'80 Was nun allerdings die revolutionäre Bewegung in der Schweiz anbetraf, so begriff nicht nur Bonaparte, sondern auch das Direktorium die Notwendigkeit ihrer Unterstützung. Darum fand Peter Ochs mit seinen Umsturz­ plänen in Paris ein offenes Ohr; darum erhielt der französische Geschäftsträger ’• .Die Geißel'. 2. Jahrg., H. 1, S. 8, 1798.

80 Ebenda, H. 2, S. 132.

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Mengaud den Auftrag, sie mit allen diplomatischen Mitteln zu fördern; darum wurde rauch zur militärischen Drohung gegriffen und General Ménard an die waadt­ ländische Grenze beordert. Die Schweizer Patrioten arbeiteten fieberhaft, um in kürzester Frist zu offenen militärischen Aktionen überzugehen. Rebmann war an diesen Vorbereitungen unmittelbar beteiligt. Das Aprilheft 1798 der .Geißel' veröffentlichte unter dem Titel .Zwei Aktenstücke zur Geschichte der jetzt beginnenden Schweizer Revolution * zwei Briefe von Ochs aus Paris an Basel, denen Rebmann die folgende bedeutsame Anmerkung, geschrieben am 27. Januar, beifügte: .Mit Wonne sage ich jetzt, daß der erste Schritt zur Schweizer Revolution - die Petition der geächteten Patrioten des Pays le Vaud (Waadtlandes - H. S.) ans Direktorium - auf meinem Zimmer in Paris geschah. Diese Bittschrift und der Vorschlag zu dem darauf erfolgten tröstenden Beschluß, welcher alle, die in der Schweiz um Wiederherstellung alter Rechte bitten und den Schutz des Direktoriums anflehen würden, der besonderen Protektion der Frankenrepublik versichert, wur­ den in meinen vier Wänden verfaßt und die Übersetzung dieses Beschlusses, die den Schweizern Mut gab zu sprechen, von mir verfertigt, um überall in die Schweiz versandt zu werden. * 81 Die genaue Datierung dieser Mitteilung und vor allem die Motive, die Rebmann veranlaßten, das Unternehmen auf jede Weise zu fördern, ergeben sich aus einer zweiten Anmerkung : .Die Revolution der Schweiz ist keinem Zweifel mehr unterworfen. Ein neuer, gestern den siebenten Pluviôse (26. Januar) ab­ geschickter Beschluß des Direktoriums besteht mit Männlichkeit auf der Befreiung einiger Patrioten, welche die Aristokraten von Bern gefangengenommen haben,... Württemberg! Merke auf die Stimme, welche dir ruftl * 83 Die Hilfe, die er den Schweizer Patrioten zuteil werden ließ, gehörte ganz zweifellos zu den in seiner Schrift über den 18. Fructidor angekündigten .Arbeiten, die vielleicht zur Vor­ bereitung der Freiheit Deutschlands beitragen können,...' 88 Die Förderung der revolutionären Entwicklung in der Schweiz durch das Direktorium bedeutete keines­ wegs, daß es auch die deutschen Revolutionäre begünstigen wollte. Der Rastatter Kongreß bewies das Gegenteil. Aber auch das Direktorium konnte nicht verhindern, daß eine Schweizer Revolution starken Eindruck auf den deutschen Süden machte und dem Klassenkampf dort einen großen Auftrieb gab. Diese Situation galt es zu nutzen und das Direktorium vor vollendete Tatsachen zu stellen. Rebmann rief die süddeutschen Revolutionäre auf, alle Kräfte zu mobilisieren: .Württemberg! Merke auf die Stimme, welche dir rufti' Die revolutionäre Bewegung in der Schweiz, die cisrhenanische Bewegung und die Pläne Augereaus erhöhten die Gunst der Stunde.

Diese Perspektive Rebmanns war auch die der anderen führenden deutschen Re­ volutionäre. List und Jägerschmidt, die Organisatoren der revolutionären Bewegung von 1796, damals Opfer des bourgeoisen Wortbruchs und eben deswegen zeitweilig um das Vertrauen ihrer Anhänger in Baden gebracht gingen wieder mit Energie ans Werk. Eine neue Offensive zur Revolutionierung Südwestdeutschlands wurde 41 Ebenda, H. 4, S. 39/40. 88 Ebenda, S, 51. 83 Vgl. S. 372. M Korrespondenz des Peter Ochs (1752-1821). Herausgegeben und eingeleitet von Gustav Steiner. Basel 1935, Bd. 2, S. 90.

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vorbereitet Die organisierenden Zentren der Bewegung befanden sich auf dem linken Rheinufer, vor allem in Basel und in Straßburg. In Basel war es der Klub deutscher Freiheitsfreunde, der im Eglinschen Kaffeehaus und im .Drachen' beim alten Erlaoher zusammenkam. Eine führende Rolle spielten hier Ernst Jägerschmidt, damals als Faktor in der Merianischen Fabrik bei Liestal beschäftigt, und ein gewisser Meier, manchmal auch Müller genannt. Wahrscheinlich verbarg sich hinter diesem Namen der aus Ettenheim stammende Fahrländer, der unter dem Pseudonym Karl Meyer später als Sekretär des helvetischen Finanznats tätig war.85 Zu diesem Kreis gehörten außerdem der Revolutionär Schmidt, der früher mit List bei Preiswerck und nun als Kommis bei Sarasin im Lohnhof tätig war, und dessen Bruder. Beide Schmidts fielen durch ihre hochdeutsche Sprache auf, waren .seit etlichen Jahren als enragierte Anhänger des Jakobinismus bekannt * und sollten in Königsberg gebürtig sein." Außerdem wurde ein Edler von Müller genannt, ein aus dem Elsaß stammender Kaufmann, der in Wien ein eigenes Geschäft betrieben, dort auch seinen Titel erworben und schließlich bankrott gemacht hätte.87 Die deutschen und die Schweizer Revolutionäre in Basel sahen einander als eng ver­ bundene Kampfgefährten an. Der .Drachen", einer der Treffpunkte des Klubs deutscher Freiheitsfreunde, war gleichzeitig Versammlungsort der Basler patrio­ tischen Gesellschaft." Eglin, der Besitzer des Kaffeehauses, und Erlacher, der Drachenwirt, waren selbst eifrige Revolutionsanhänger. Die deutschen Republikaner versäumten nicht, dies enge Verhältnis durch aktive Unterstützung der Sache der Schweizer Patrioten zu vertiefen. Der als Mainzer Emissär bezeichnete Müller alias Maier sollte bereits wegen seiner revolutionären Tätigkeit unter dem Basler Land­ volk ausgewiesen werden, wurde jedoch vom französischen Geschäftsträger Mengaud gedeckt." Jägerschmidt rühmte sich offen seines Anteils an der Basler revo­ lutionären Bewegung. Auch die Straßburger List und Schwan bekannten, die Schweizer Revolution durch Beförderung von Flugschriften unterstützt zu haben."88 88 Vgl. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Bericht von Roth vom 27. 1. 1798; vgl. weiterhin die Aussage Essichs in HSA Stuttgart, A 30, Nr. 149, Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1800; vgl. auch Rufer, Alfred, Das Projekt für eine bis zum Main reichende helvetische Republik aus dem Jahr 1799. In: .Politische Rundschau", 25. Jahrg., S. 314, 1946. 88 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291, Bericht vom 1. 2. 1798. 87 Ebenda, Bericht vom 2. 2. 1798. Möglicherweise spielt hier auch die Gestalt des Schweizer Historikers Johannes von Müller mit hinein; er war zwar als Hofrat und Abteilungsleiter im kaiserlichen Außenministerium in Wien tätig, aber auf einer privaten Urlaubsreise wäh­ rend der 2. Hälfte des Jahres 1797 in seine Heimat nahm er enge Verbindungen mit Schweizer Revolutionären und mit französischen Stellen in Basel auf. Nach dem Plan, wie er ihn in einem Brief an Bacher am 20. Dezember 1797 entwickelte, sollte der Umsturz in der Schweiz zugleich der schwäbischen Bevölkerung Gelegenheit geben, sich ihr anzuschlie­ ßen. Henking, Karl, Johannes von Müller 1752-1809. Stuttgart u. Berlin 1928, Bd. 2, S. 423 ff., 438/39. 88 Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 217. 88 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291, Bericht vom 1. 2. 1798. 80 Obser, Karl. Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 215/16, 218/19.

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Das Straßburger Zentrum hatte sich im .Club des citoyens actifs' organisiert?1 Nach den Angaben eines seiner Mitglieder, des im rechtsrheinischen Freistett gebürtigen Kaufmanns Schulmeister, zählte er 80 Köpfe und verfolgte den Zweck, .die Lande diesseits Rheins wie die jenseitigen zu revolutionieren,..91 92*Wie die preußische Gesandtschaft in Rastatt am 16. Februar 1798 berichtete, wollte sie von einem sicheren Gewährsmann, der die führenden Köpfe des Klubs persönlich kannte, erfahren haben, .daß diese öffentlichen Sitzungen nur bestimmt seien, um die geheimen Verschwörungen der Drahtzieher zu beschönigen und mit dem Schein der Öffentlichkeit zu bemänteln, und daß man in den sogenannten vorbereitenden und geheimen Sitzungen an der Bildung der schwäbischen Republik arbeite, einem Gegenstand, mit dem sich Personen beschäftigen, die direkt mit der Regierung Zusammenhängen. Gleiche Gesellschaften sollen in allen großen Städten der Re­ publik, die Deutschland benachbart sind, aufgemacht sein, und es existiert bereits eine Verbindung in Mainz * 9S*. Mit Ausnahme der Behauptung, daß dieser engere Kreis unmittelbaren Kontakt mit dem Direktorium besaß, sind diese Angaben durchaus glaubwürdig. Der engere Kreis verfolgte Pläne, die der Politik des Direk­ toriums gerade entgegengesetzt waren, und schirmte seine Tätigkeit gegen mögliche Verfolgungen von dieser Seite ab. In einer Beschwerde Metternichs, des kaiser­ lichen Bevollmächtigten in Rastatt, an die dortige französische Deputation vom 1. Februar über die Tätigkeit dieser Revolutionäre wurde festgestellt, .daß darunter der ehemals in Willstädt, jetzt aber in Straßburg wohnende Bürger und Doctor medicinae Schwan, der als juré bei dem tribunal criminel angestellt sein soll, eine Hauptrolle spiele, daß er einen gewissen Obsthändler Stampf, der in Straßburg in der Gartengasse No. 12 als Bürger wohnt, einen gewissen Stamm, den ehemaligen Vertrauten des Generals Custine in Mainz, den Professor Hirt, den Apotheker List, welcher sich eines vertrauten Zutritts bei dem General Augereau rühmt, den Obst­ krämer Roll, den Bürger und Glashändler Schwere, alle aus Straßburg, und einen sicheren Schumacher, der bei 17 Jahre bei dem Kaufmann Rübsamen in Straßburg gedient hatte, zu Gehilfen habe'.94 Der hier genannte List ist identisch mit Georg List, der nach dem Scheitern der revolutionären Pläne 1796 von den Basler Behörden verfolgt wurde und nach Straßburg floh, wo er als Mitinhaber einer Apotheke sich und die Seinen ernährte.95 Neben Stamm gehörten als alte Mainzer Revolutionäre 91 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 89. 9e Ebenda, S. 94. ” .Une personne sûre, qui vit sur les lieux et qui connaît personnellement les meneurs de cette société assure, que ces séances publiques ne sont destinées qu'à colorer et ä couvrir de l'apparence de la publicité les trames secrètes des meneurs, et que dans les séances soidisantes préparatoires et secrètes, on travaille à la formation de la république Souabe, objet dont s'occupent les personnes qui tiennent directement au gouvernement. De pareilles sociétés doivent être établies dans toutes les grandes villes de la République avoisinnant l'Allemagne, et il existe déjà une affiliation à Mayence.* DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 2. * (Hallet. Karl Ludwig von), a. a. O., S. 202/03. 95 Hurter, Friedrich, a. a. O., S. 35. Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..a. a. O., S. 247.

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auch Wedekind und Zimmerman zu diesem Klub. *® Als weitere Mitglieder wurden namentlich Kreutner, Baumgärtner und Carl genannt.07 Die Verbindung beider Zentren, des Baslers und des Straßburgers, untereinander und die beider zu Augereau waren sehr eng. Bei der Besprechung im Hauptquartier Augereaus am 11. Januar 1798 waren sowohl List als Vertreter des Straßburger Klubs als auch Maier aus Basel anwesend.08 Die aktive Mitarbeit so vieler ehe­ maliger Mainzer Klubisten sowohl im Basler als auch im Straßburger Klub allein läßt schon mit größter Wahrscheinlichkeit vermuten, daß auch sehr enge Verbin­ dungen zu der cisrhenanischen Bewegung bestanden. Müller alias Maier in Basel wurde ja geradezu als Emissär aus Mainz bezeichnet. Es gibt dafür noch mehr Anhaltspunkte: Der Arzt Georg Christian Wedekind, Mitglied des Straßburger Klubs, siedelte nach der Wiedereinnahme von Mainz durch die Franzosen dorthin über.00 Daß Georg List zu den ehemaligen Mainzer Klubisten in Paris und anderswo freundschaftliche Beziehungen unterhielt, ist bereits an anderer Stelle erwähnt worden.99 100 Es gibt weitere Belege dafür, die in diesem neuen Zusammenhang erhöhte Bedeutung gewinnen: Auf cisrhenanische Fürsprache erhielt er im Frühjahr 1798 vom französischen Regierungskommissär für die besetzten Gebiete, Rudler, ein Amt im Kanton Speyer. Als er 1799 wieder einmal wegen seiner revolutionären Tätigkeit von französischen Organen verfolgt wurde, setzte sich nach einer Meldung des .Beobachters am Donnersberg * vom 29. August 1799 die Zentralverwaltung des Departements Niederrhein für seine Freilassung ein. Lists Name steht auch unter einer Adresse, die die Mainzer am 7. November 1799 dem Direktorium ein­ reichten.101 Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang schließlich die Tatsache, daß er 1800 in seinem amtlichen Lebenslauf unter anderen den einstigen Mainzer Mathematikprofessor Matthias Metternich als Bürgen nannte.102 Metternich aber war der wichtigste cisrhenanisohe Agitator am Mittelrhein und brachte in Bingen seit dem 22. Juli 1797 dreimal wöchentlich seine .Politischen Unterhaltungen am linken Rheinufer' heraus.10* Die von ihm verfaßte Proklamation .An die Bewohner des linken Rheinufers', die im gesamten besetzten Gebiet verbreitet wurde und bei der Reaktion auf dem rechten Ufer die größte Aufregung hervorrief, war in Straß­ burg gedruckt.104 Diese nur indirekten Belege für die enge Zusammenarbeit zwi­ schen Cisrhenanen und den revolutionären Zentren am Oberrhein werden in ihrer Beweiskraft dadurch erhärtet, daß ein direkter Schriftverkehr zwischen Metternich und den Straßburgern in dieser Zeit nachgewiesen werden kann. Es liegen Briefe Metternichs vom 1. und 2. Dezember aus Alzey an Straßburger Freunde vor, die darin von seinen Fortschritten und Schwierigkeiten bei der cisrhenaniscben Pro99 Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O.. S. 206. 97 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 91/92. Vgl. auch (Haller, Karl Ludwig von), a. a. O., S. 203, 98 Ebenda, S. 92. 99 Droz, Jacques, L'Allemagne..., a. a. O., S. 201 Anm. 3. 190 Vgl. S. 182/63. 101 Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 4, S. 1218 Anm. 1. 102 Ebenda, Bd. 3, S. 586 Anm. 3. *” Ebenda, S. 1070. 194 Ebenda, S. 1081 ff., Bd. 4, S. 307. 26 Süddeutsche Jakobiner

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paganda unterrichtet wurden. So schrieb er am 1. Dezember unter anderem: .Ich bin seit etwa acht Tagen in diesen Gegenden. Meine Propagation geht dermal nicht Ein Divisionsgeneral Chäteauneuf-Randon, der zu Kirchheimbolanden residiert, hat sich gar gewaltig formalisiert mit indirektem Drohen, daß ich wohl als Terrorist könne arretiert werden. Also muß ich meine Arbeit ein wenig einstellen, bis Augereau auf die Berichte, die an ihn abgegangen sind, geantwortet hat. * 105*Ist der Brief selbst ein unzweideutiger Beweis für die Zusammenarbeit, so weist die angezogene Stelle außerdem nach, welche große Bedeutung Augereau auch für die dsrhenanische Bewegung besag. Die Voraussetzungen für eine erneute Offensive der deutschen Revolutionäre waren um die Jahreswende 1797/98 entschieden günstiger als 1796. Im besetzten Links­ rheinischen wurden grundsätzliche politische und soziale Veränderungen eingeleitet, in der Schweiz bereiteten sich mächtige demokratische Ausbrüche vor, und da­ zwischen bildeten sich am Oberrhein, eng verbunden mit beiden Bewegungen, ge­ fördert vom Oberkommandierenden der Deutschland-Armee, organisierende Zentren zur Revolutionierung des rechten Rheinufers. Die Verbindungen, die von hier ins Rechtsrheinische ausgingen, reichten bis ins Württembergische. Kämpf, der schon 1796 mit Georg List zusammengearbeitet hatte, war auch jetzt wieder dabei.104 Die Zahl seiner Gesinnungsgenossen hatte zugenommen, zumal die in den Landtag ge­ setzten großen Erwartungen immer mehr zusammenschmolzen. Die Hauptstütz­ punkte fanden sich naturgemäß in den dem Oberrhein näherliegenden Gebieten. Neben den schon aus den revolutionären Bestrebungen des Jahres 1796 bekannten Namen wie Christoph Hoyer, Vogt Gräßlin von Efringen, Pfarrer Wix und Pfarrer Eisenlohr tauchen neue auf wie der Waldhomwirt Pfunder zu Grenzach, die Bauern Muser von Auggen, Grether von Mappach, Tanner von Tannenkirch, die Vögte Hartmann, Steinauer von Brombach und Koch von Welmlingen, der Schaffner Ecken­ stein von Auggen, die Posthalter Steinau von der Kaltenherberge und Kreglinger von Emmendingen, dann vier Einwohner aus Theningen, nämlich Jakob Ehrler, Johann Hess, Georg Heidenreich und Friedrich Zimmermann107. Auf einer Liste, die bei Christoph Hoyer gefunden wurde, waren neben den Straßburger und Basler Klub­ mitgliedern als weitere maßgeblich Beteiligte unter anderen genannt der als Rentkammerrat tätige Bruder des Ernst Jägerschmidt, Hofrat Fischer und der Kreuzwirt Fischer, alle drei aus Karlsruhe, Dr. Posselt, der Amtsschultheiß Hänle zu Lahr und dessen Bruder, ein Apotheker, Hofrat Kämpf in Stuttgart, Posthalter Reimann von der Kaltenherberge, ein Denkmann aus Braunschweig und General Eickemeyer.108 Wie weit diese Liste zuverlässig ist, bleibt ungewiß; möglicherweise enthielt sie auch Namen von Personen, die man im Laufe der Zeit und nach den ersten Erfolgen noch zu gewinnen hoffte. Daß verschiedene der Genannten ihre Zugehörigkeit zum Kreise der Revolutionäre später energisch bestritten, sagt wenig oder nichts. Kein Revolutionär wird sich der herrschenden Klasse freiwillig ans Messer liefern. Darum 105 Ebenda, BdL 4, S. 307. ,M Hurter, Friedrich, a. a. O., S. 60. 107 Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 218, 230, 242/43. ** GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001.

3. Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses

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behält diese Liste, wenn auch mit einigen Vorbehalten, als Ergänzung zu den anderen Mitteilungen ihren Wert, die ausschließlich aus den Untersuchungsakten der feu­ dalen Behörden entnommen sind und sich natürlich nur auf den Kreis beschränken, den aufzudecken diesen Behörden mehr oder weniger gelang. Aber selbst dieses notwendig unvollständige Material läßt doch deutlich erkennen, daß von Basel und Straßburg aus zahlreiche Verbindungen über den Rhein geknüpft werden konnten.

3. Der Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses Der Rastatter Kongreß war ein Menschen- und Länderschacher, in dem sich zwei Ausbeuterklassen begegneten: Die französische Bourgeoisie und die deutsche Feudal­ klasse. Während jene einheitlich und mit einer klaren Konzeption auftrat, war diese durch partikularistische Sonderinteressen unter sich verfeindet und verfolgte ein­ ander widersprechende Ziele. Das deutsche Volk war bloßer Gegenstand des Schachers und darum nur leidender Teil. Gerade die fortgeschrittenen Geister in Deutschland haben diese nationale Schande tief empfunden. Der Schwabe Hölderlin, der um diese Zeit und wahrscheinlich sogar in Rastatt selbst an der Vollendung seines Hyperion arbeitete1M, gab seinem Gefühl in der Strafrede seines Helden gegen die Deutschen Ausdruck: ist das nicht wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt? * 110 Rebmann geißelte sowohl den Verrat der Fürsten an den Interessen der Nation als auch das Komplott, das das bourgeoise Frankreich mit diesen Verrätern einzugehen im Begriff war. Er veröffentlichte im 15. Heft seines .Neuen grauen Ungeheuers' einen satirischen Beitrag, der zur Subskription für ein Monument einlud, das am Rhein aufzurichten war. Es sollte unter anderem Ger­ maniens Schutzgöttin darstellen, der ein Neufranke Fesseln anlegte, und dem Kaiser, dem Preußenkönig, den übrigen .blödsinnigen Fürsten' samt ihren .verächtlichen Weibern' gewidmet sein,

.die jetzt den Namen ihres ehrwürdigen Vater­ lands vertilgten unter den Nationen und zum Spott der Nachwelt machen aber auch dafür zum schrecklichen Beispiele ihres verderblichen Einflusses allen Völkern Europens geworden sind I'111 Campoformio und Rastatt schwemmten viele Illusionen vom Gottesgnadentum und von der landesväterlichen Sorge der deutschen Fürsten aller Größenordnungen hinweg. So schrieb der junge Rotteck, der wenige Jahre zuvor mit dem Freiburger 1M Hölderlin, Friedrich, Sämtliche Werke. Herausgegeben von Christoph Theodor Schwab. Stuttgart u. Tübingen 1846, Bd. 2, S. 296. 110 Ebenda, Bd. 1, S. 142/43. 1,1 .Neues graues Ungeheuer', Upsala 1799, H. 15, S. 56. 29*

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behält diese Liste, wenn auch mit einigen Vorbehalten, als Ergänzung zu den anderen Mitteilungen ihren Wert, die ausschließlich aus den Untersuchungsakten der feu­ dalen Behörden entnommen sind und sich natürlich nur auf den Kreis beschränken, den aufzudecken diesen Behörden mehr oder weniger gelang. Aber selbst dieses notwendig unvollständige Material läßt doch deutlich erkennen, daß von Basel und Straßburg aus zahlreiche Verbindungen über den Rhein geknüpft werden konnten.

3. Der Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses Der Rastatter Kongreß war ein Menschen- und Länderschacher, in dem sich zwei Ausbeuterklassen begegneten: Die französische Bourgeoisie und die deutsche Feudal­ klasse. Während jene einheitlich und mit einer klaren Konzeption auftrat, war diese durch partikularistische Sonderinteressen unter sich verfeindet und verfolgte ein­ ander widersprechende Ziele. Das deutsche Volk war bloßer Gegenstand des Schachers und darum nur leidender Teil. Gerade die fortgeschrittenen Geister in Deutschland haben diese nationale Schande tief empfunden. Der Schwabe Hölderlin, der um diese Zeit und wahrscheinlich sogar in Rastatt selbst an der Vollendung seines Hyperion arbeitete1M, gab seinem Gefühl in der Strafrede seines Helden gegen die Deutschen Ausdruck: ist das nicht wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt? * 110 Rebmann geißelte sowohl den Verrat der Fürsten an den Interessen der Nation als auch das Komplott, das das bourgeoise Frankreich mit diesen Verrätern einzugehen im Begriff war. Er veröffentlichte im 15. Heft seines .Neuen grauen Ungeheuers' einen satirischen Beitrag, der zur Subskription für ein Monument einlud, das am Rhein aufzurichten war. Es sollte unter anderem Ger­ maniens Schutzgöttin darstellen, der ein Neufranke Fesseln anlegte, und dem Kaiser, dem Preußenkönig, den übrigen .blödsinnigen Fürsten' samt ihren .verächtlichen Weibern' gewidmet sein,

.die jetzt den Namen ihres ehrwürdigen Vater­ lands vertilgten unter den Nationen und zum Spott der Nachwelt machen aber auch dafür zum schrecklichen Beispiele ihres verderblichen Einflusses allen Völkern Europens geworden sind I'111 Campoformio und Rastatt schwemmten viele Illusionen vom Gottesgnadentum und von der landesväterlichen Sorge der deutschen Fürsten aller Größenordnungen hinweg. So schrieb der junge Rotteck, der wenige Jahre zuvor mit dem Freiburger 1M Hölderlin, Friedrich, Sämtliche Werke. Herausgegeben von Christoph Theodor Schwab. Stuttgart u. Tübingen 1846, Bd. 2, S. 296. 110 Ebenda, Bd. 1, S. 142/43. 1,1 .Neues graues Ungeheuer', Upsala 1799, H. 15, S. 56. 29*

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Landsturm an den Rhein gezogen war, nun mit geradezu revolutionärer Empörung: .Wir sind jetzt also modenesischl So weit hat die Liebe der Breisgauer zu ihrem Landesherrn, ihre Treue und Tapferkeit dieselben gebracht, daß sie nun gleich einer Schafherde an einen bankrotten Italiener verhandelt werden. Landesväter, Volks­ glück, Nationalwillen, Menschenrechte - leere Wortei Wenn Länder verwüstet, Städte niedergebrannt, Völker verarmt werden, wer denkt da an Entschädigung? Wenn aber ein 70jähriger Roué in Gefahr steht, den kleinen Rest seiner Tage ohne Hof leben und sein Handwerk, die Schäflein zu scheren, aufgeben zu müssen, da wird sogleich die politische Waage hergeholt, um ihm Länder und Menschen nach dem Gewicht zuzuteilen.' 112 Der Rastatter Schacher hatte eine positive Seite: In dem Maße, wie er die deutschen Fürsten als gierige und skrupellose Räuber entlarvte, förderte er ungewollt ein gesamtdeutsches Nationalbewußtsein im Volke. Als sich in Rastatt .die schön gekräuselten, schön gepuderten und allerliebst behaarbeutelten, bedegten und mit Lyoner elegant gesticken Hofkleidern gar wunderschön geputzten deutschen fürtrefflichen Herrn Abgesandten an der Seite der mit runden Hüten und in schlichten Fracks gekleideten Republikaner' einfanden lls, dachte keiner von ihnen daran, daß auch das Volk zu dem auf seinem Rücken auszutragen­ den Handel etwas zu sagen hätte. Am 21. Januar 1798 jedoch bemächtigte sich dieser Herren bei all ihren Gegensätzen untereinander eine gemeinsame heftige Er­ regung. Der hochfürstlich hessen-darmstädtische Abgeordnete, Regierungsrat Strecker, trommelte die fürstlichen Gesandtschaften mit dem kaiserlichen Plenipotentiarius an der Spitze eilig zusammen, weil er alarmierende Nachrichten mitzu­ teilen hatte. Am folgenden Tage wurde seine Anzeige auf der 17. Sitzung der Reichs­ deputation offiziell zu Protokoll gegeben.114 Sie besagte, .daß verschiedene Straß­ burger Volksaufwiegler, unter welchen einer namens Schwarz genannt wird, ver­ wegen genug sind, gedruckte aufrührerische Zettel, deren Abschrift hier angefügt ist, sogar auf dem rechten Rheinufer, selbst in der Nähe dieses Friedenskongresses und namentlich in den hanau-lichtenbergischen Ämtern Lichtenau und Willstädt, in der Ortenau, auch in der Gegend um Lahr zu verbreiten. Sie wenden dem Ver­ nehmen nach alles an, um die Untertanen zum Aufruhr zu reizen und Unterschriften zu sammeln, die schon von mehr als 500 Menschen bewirkt worden sein sollen. * 115 Das genannte Flugblatt trug die Überschrift .Freiheit - Gleichheit . * Der Text lautete: .Schon lange hat das deutsche Volk nach seiner Freiheit geseufzt, und die Ungleich­ heit der Stände war schon lange der Gegenstand seines Hasses und seiner Verach­ tung. Es fühlt seine Würde und die Wahrheit, daß in ihm die Allgewalt und das Recht liegt, sich Gesetze zu geben, die eines freien Volkes würdig sind. Mutig steht es also gegen jene Menschertverkäuler auf, welche, ohne es zu fragen, Staaten und Völker mit der nämlichen Willkür teilen, mit der sie sie bis jetzt beherrschten. lu Bader, Joseph, Geschichte der Stadt Freiburg..., a. a. O., S. 316. 111 Winke über Deutschlands alte und neue Staatsverfassung. Von einem deutschen Staats­ bürger. Germanien 1798, S. 1. 114 LHA Dresden, Loc. 8152, Den Friedenskongreß in Rastatt betr., Bd. 3, Bl. 137. «• Ebenda, Bl. 170.

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Deutschlands Volk erklärt also hiermit, daß es das Joch jederart abwirft und einen unabhängigen Freistaat bildet. Jeder, der es wagt, sich unseren Rechten entgegenzu­ setzen, wird als Vaterlandsverräter bestraft, und wehe dem Fürsten, der unsere Rache reizt.' 118 Das Volk klopfte an die Tür des Kongresses. Sonderkuriere trugen die Nachricht in alle Residenzen, zumal inzwischen auch die badische Gesandtschaft aus den Oberlanden und Graf Lehrbach von der Regierung in Freiburg Estafetten empfangen hatten, die die Anzeige Hessen-Darmstadts be­ stätigten und ergänzten.117 So berichtete der bayerische Vertreter, von Zentner, am 22. Januar seinem Kurfürsten, .daß im Schwarzwalde, in der oberen Markgrafschaft Baden und in den in hiesiger Nachbarschaft liegenden darmstädtischen Ämtern sich französische Emissärs mit Aufrufen an das Volk... zeigen, wodurch das Volk schon wirklich in solche Gärung gebracht worden sei, daß man die schlimmsten Folgen davon und vielleicht gar eine gewaltsame Sprengung des Kongresses zu fürchten habe... Diese Volksbewegung, welche wie in Italien auch hier aus Frank­ reich geleitet wird, in Verbindung mit den Unruhen in der Schweiz kann von den schreckbarsten Folgen für das ganze südliche Deutschland werden. Die Völker scheinen an den Veränderungen ihrer bisherigen Oberherrn Anteil nehmen und sich keine neue Oberherrschaft gegen ihren Willen mehr aufdringen lassen zu wollen. Die Polen und Venetianer sind warnende Beispiele für sie geworden. Die hiesigen Unterhandlungen können dadurch eine ganz andere Richtung erhalten.'118 Man muß sagen, daß die plötzliche Gefahr in den Hirnen verschiedener Vertreter der herrschenden Klasse geradezu erstaunliche prinzipielle Erkenntnisse reifen ließ. Das trifft auch auf den Freiherrn von Lamezan zu, der dem Rest der bayerischen Rheinpfalz auf dem rechten Ufer vorstand, durch Zentner ebenfalls von den Vor­ fällen schleunigst unterrichtet worden war und dessen Bericht am 23. Januar folgendermaßen kommentierte: .In unseren an Begebenheiten so furchtbaren Jahr­ zehnten hätte man freilich auch diesseits schon vor Jahren abmerken und fast be­ rechnen können, daß die Fortsetzung des unseligen Krieges das Hauptmittel zum Fortschritt der französischen revolutionären Prinzipien gewesen, daß man dadurch die Dinge, die nach fünfzig und mehreren Jahren erst zu ihrer Entstehung gelangen können, zur allzu frühzeitigen Reife gebracht habe und daß freilich die, so derlei Dinge übersehen, nun sich kaum im Stande sehen werden, ihren eigenen Produkten zu widerstehen... Unter dieser Lage, die das ganze südliche Deutschland zittern macht, ist es wahrlich eine der unauflöslichsten Aufgaben, wenn man fragt, wie eine geringe, zerstreute, ohnehin ohne politische Konsistenz sich befindende kleine Provinz, gleich die Rheinpfalz ist,... sich gegen diesen Einbruch schützen könne. * 119

Die Agitation der deutschen Revolutionäre in Straßburg und Basel hatte auf dem rechten Rheinufer schlagartig eingesetzt, als im Basler Land die demokratische Erhebung ihren Anfang nahm. Das besonders Bemerkenswerte in dieser Agitation 118 Ebenda, Bl. 171. Die Abschrift des Flugblattes findet sich in zahlreichen Archiven. 1,7 DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 1, Bd. 1, Bl. 186. Politische Correspondenz..., a. a. O. Bd. 3, S. 83. 118 HSA München, Abt. n, B Nr. 303, Anteil am I. Reichskrieg gegen Frankreich. >’• Ebenda.

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war die weitgespannte Zielsetzung der Revolutionäre, wie sie auch in dem bereits zitierten Flugblatt ihren Ausdruck fand. Erstens orientierte sie die Massen auf die Notwendigkeit einer radikalen Beseitigung des Feudalismus in ganz Deutschland, auch wenn ihr unmittelbares Wirkungsgebiet zunächst nur einen Teil des Vater­ landes erfassen konnte. Zweitens propagierte sie die Errichtung einer unabhängigen deutschen Republik. Drittens richtete sie sich mit aller Entschiedenheit gegen den Rastatter Kongreß. In allen, besonders deutlich aber in den beiden letzten Punkten widersprach diese Zielsetzung der Politik des Direktoriums. Die französische Bour­ geoisie war im Begriffe, mit den Klein- und Mittelfürsten auf Kosten des deutschen Volkes ein Bündnis einzugehen; sie war nicht an einer selbständigen dsrhenanischen Republik interessiert und also erst recht nicht an einer deutschen, die schließlich auch das Linksrheinische einbezog und zu einem gewaltigen Konkurrenten auf­ wachsen würde. Die Stoßrichtung der revolutionären Propaganda zielte sowohl gegen den partikularistischen Feudalabsolutismus wie gegen die französische Bour­ geoisie, die im Prinzip, wenn auch mit einigen Modifikationen, seine Erhaltung wünschte. Das Nahziel der Bewegung war darum auf die Sprengung des Rastatter Kongresses gerichtet, der sinnbildlich für das Zusammengehen französischer Bour­ geois und deutscher Feudaler stand. Dieses Ziel war insonderheit auch deswegen gut gewählt, weil es breite Kreise anzusprechen geeignet war, die sich instinktiv dagegen wehrten, wie Vieh verhandelt zu werden, ohne dabei unbedingt tiefere Ein­ blicke in die geschichtliche Notwendigkeit zu besitzen. Viele Gemeinden äußerten in dem auf Erfahrung begründeten Mißtrauen, daß alle Veränderungen von oben nur Verschlechterungen für sie bedeuteten, in verschiedenartigster Form ihre Ab­ neigung, als Tauschobjekte zu fungieren. Bei dem hessisch-darmstädtischen Mi­ nister von Gatzert erschienen im Januar mehrere Deputationen aus dem Hanauer Land und erklärten, nicht badisch werden zu wollen. .Ihre Abneigung gegen eine etwaige Vertauschung äußere sich so lebhaft, daß nur dieser Gedanke allein sie zum Aufruhr bewegen könnte. * 120 Der vorderösterreichische Regierungspräsi­ dent von Sumerau nannte das ganze Gebiet am Rhein zwischen Mainz und Basel »wegen den bevorstehen sollenden Austauschungen und Abtretungen ohnehin höchst mißvergnügte Provinzen'.121 Graf Lehrbach, der sich auf Informationen des Prä­ laten von Schuttem stützte, schrieb am 25. Januar an Thugut: .Überhaupt fürchten sich alle fremden Untertanen, badisch zu werden, und äußern laut, daß sie eher zur französischen Republik übergingen.'122 Mitte Januar gingen die Revolutionäre aus Straßburg und Basel zur Offensive über. Ein gewisser Celsus, der den größten Teil des Rheinufers, Schwaben und Franken bereist hatte, sandte am 7. März 1798 aus Augsburg dem preußischen König einen Bericht, in dem es hieß; .Es ist dies, Sire, keine Chimäre, sondern jedem nur wenig aufmerksamen Beobachter muß es von selbst in die Augen fallen, daß die neuerlich in Frankreich errichtete Propaganda, die ihren Hauptsitz in Straßburg und auf der deutschen Seite des Rheins schon sehr ausgebreitete Verbindungen, selbst in den 120 Obser. Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 211. 121 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 85.

lt: Ebenda, S. 88.

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Staaten Ihrer Königlichen Majestät hat, ihr Werk mit der größten Tätigkeit be­ treibt, daß ihre zahllosen Emissäre sich neben den arglistigen «Überredungen auch, wo es ihnen nötig scheint, ansehnlicher Bestechungen und glänzender Versprechun­ gen bedienen und daß es ihnen schon an sehr vielen Orten gelungen sei, sich zahl­ reiche Anhänger zu verschaffen,.. * . 185 Einzelheiten darüber können nur auf Grund des natürlich einseitigen und lückenhaften Materials rekonstruiert werden, das die feudalen Behörden bei ihren Untersuchungen zusammengetragen haben. Der hessen­ darmstädtische Amtsschaffner Ströhlin in der Grafschaft Hanau-Lichtenberg gab am 22. Januar zu Protokoll, daß ihm bei seinem letzten Aufenthalt am 20. Januar in Straßburg mehrere Einwohner vertraulich mitgeteilt hätten, .daß 1) mehrere und zwar an zwölf Emissarien diesseits des Rheins gegangen wären, um die Revolution zu bewirken, und zwar vorzüglich in den württembergischen Landen, von woher Ein­ wohner nach Straßburg gekommen wären und Kokarden von schwarz, grün und roter Farbe gezeigt und erklärt hätten, daß die Franzosen nicht allein Kokarden hätten, sondern sie auch; 2) am Freitag, dem 19. huius, 6000 Stück vierfarbiger Kokarden von Straßburg über den Rhein herübergeschickt worden seien; 3) einer der Emissaires selbst erklärt, daß in den hessen-darmstädtischen Ämtern die Revo­ lution nicht auszuführen und nichts zu tendieren wäre, weil die Untertanen zu sehr wohl mit ihren Landesherm und deren Offizianten zufrieden wären; 4) der Friedens­ kongreß zu Rastatt kaum noch zwei Tage dauern würde, indem sie solchen aus­ einanderjagen und die Gesandten umbringen wollten. 5) Eines der Hauptanstiftungs­ mittel sei, daß man den diesseitigen Untertanen insinuiere, daß man nunmehr von Seiten der Herrschaften alle rückständigen Gelder einfordern lassen werde, wovon sie aber durch die Revolution befreit sein würden.'184 Auffallend ist die Tatsache, daß Ströhlin mit diesem Wissen nicht von sich aus zur Obrigkeit ging, sondern erst vorgeladen werden mußte; und diese Vorladung erfolgte aus der bloßen Vermutung heraus, daß er von den revolutionären Umtrieben .unterrichtet worden sein mochte'.184 Daß eingeweihte Straßburger ihm im Ver­ trauen diese Eröffnungen machten, läßt ebenfalls starke Zweifel an seiner Loyalität gegenüber der Herrschaft aufkommen. Unter diesen Umständen verliert seine unter Punkt 3 gemachte Aussage bedeutend an Glaubwürdigkeit; sie klingt vielmehr wie eine Entschuldigung seines auffälligen Betragens. Auch inhaltlich ist sie durchaus unsinnig, denn selbstverständlich würde eine revolutionäre Bewegung am Oberrhein nicht an den Grenzen der lächerlichen hessen-darmstädtischen Exklaven haltmachen. Von Bedeutung sind dagegen Ströhlins Mitteilungen über den Vertrieb eigener Kokarden, die sich von den französischen unterschieden. Bei der Angabe ihrer Far­ ben ist ihm offensichtlich ein Irrtum unterlaufen, der dann auch in der Note des kaiserlichen Bevollmächtigten vom 1. Februar, die sich unter anderem auch auf Ströhlins Aussagen stützte, berichtigt wurde.126 Die Kokarden trugen dasselbe cisrhenanische Grün-weiß-rot, das das Direktorium in den besetzten linksrheinischen 1!J DZA Merseburg, Rep. 11, 91 Frankreich, varia publica. Nr. 36, Bl. 51. ,M Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 66/87. la Ebenda, S. 86. ,£* (Haller, Karl Ludwig von), a. a. O., S. 202.

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Gebieten verboten hatte. Sie bestätigen erneut den engen Zusammenhang der Straß­ burger Revolutionäre mit den Cisrhenanen und unterstreichen ihr Streben nach einer unabhängigen deutschen Republik. Daß es sich bei der im Punkt 5 des Protokolls charakterisierten Argumentation der Agitatoren keineswegs um eine bloße Insinua­ tion handelte, bestätigte Graf Lehrbach, indem er die Unruhe unter der badischen Bevölkerung darauf zurückführte, daß die Regierung .jüngst noch die ausständigen Kontributionen mit Gewalt eingetrieben hätte'.187 Ebenso stellte Hofrat Hugo in einem Bericht aus Lörrach vom 19. Januar an den Kammerpräsidenten von Gayling fest: .Die Exekutionen der hiesigen Burgvogtei und besonders der Einnehmerei Kandern machen sehr widrigen Eindruck. * 148 Von den Straßburger Emissären, die sich ins Rechtsrheinische begaben, ging Kreut­ ner in die badische Herrschaft Hochberg nach Theningen, wo sein Stiefbruder Jakob Ehrler wohnte, und hielt sich dort vom 17. bis zum 20. Januar auf.129 In der .Krone * trat er vor den versammelten Bauemburschen mit dreifarbiger Schärpe auf und verkündete ihnen, daß ein revolutionärer Umsturz unmittelbar bevorstünde. Er appellierte an ihr Selbstbewußtsein, sich nicht wie das Vieh auf dem Rastatter Markt verhandeln zu lassen, und forderte sie auf, die Pläne der Revolutionäre aktiv zu unterstützen. Einzelheiten darüber würden von ihm diejenigen erfahren, die sich durch ihre Unterschrift zur Mitwirkung bereit erklärten.190 So ergebnislos, wie Obser gern glauben machen möchte, war Kreutners Auftreten offensichtlich nicht, denn es fanden sich neben Ehrler die Theninger Hess, Heidenreich und Zimmermann zu separaten Besprechungen in der .Krone * bei Kreutner ein. Wegen ihrer Teilnahme daran und der Nichtanzeige der dort besprochenen Pläne wurden sie später zu Arreststrafen verurteilt.191 Kreutner übernahm es auch, in der Herrschaft Baden­ weiler die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Da dort in Müllheim der mit den revolutionären Plänen vertraute und bereits 1796 erprobte Christoph Hoyer wohnte, konnte er sich darauf beschränken, ihm über Jakob Ehrler ein Paket mit Aufrufen und einem Begleitschreiben zuzuschicken, das ihn aufforderte, .auch diese Gegenden vorzubereiten, um sich der Bewegung anzuschließen, welche oberhalb und unterhalb im Begriff stehe loszubrechen'.192 Unglücklicherweise irrte sich Ehrler im Adres­ saten und übergab das Paket am 20. Januar dem Kaufmann Gustav Hoyer in Müll­ heim, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als das Material der Oberamtsbehörde aus­ zuhändigen. Christoph Hoyer und Ehrler wurden noch in derselben Nacht verhaftet und von nicht weniger als 50 Mann Infanterie und 11 Dragonern, die man in Frei­ burg ausgeliehen hatte, nach Karlsruhe transportiert.199117 * 118 117 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 88. 118 Ebenda, S. 82. Obser, der keine Gelegenheit vorübergehen läfjt, die Revolutionäre zu diffa­ mieren, übernimmt trotz Kenntnis der Ausführungen Lehrbachs und Hugos selbstverständ­ lich unbesehen die von Ströhlin im Protokoll gegebene Darstellung und schreibt: .Um die Menge leichter zu gewinnen, behaupteten sie, die LandesherTsdiaft wolle alle rückständigen Gelder eintreiben.' Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 209. ln Politische Correspondenz..., a. a. O„ Bd. 3, S. 91. 1M Obset, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., S. 221. *« Ebenda, S. 243. *“ Ebenda, S. 222. *“ Ebenda, S. 222/23, 227.

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Die anderen Emissäre des Strasburger Klubs bearbeiteten die Straßburg näher liegenden Gebiete mit ihrem Gewirr von Grafschaften, Herrschaften und anderen Landsplittern. Schwarz sorgte für die Verbreitung der gedruckten Flugblätter in Neumühl, Willstädt, in der Ortenau und in Lahr. Professor Hirt agitierte öffentlich in Auenheim, einem Ort im hessen-darmstädtischen Hanau-Lichtenberg. Schumacher, der sich seit längerer Zeit in Altenheim, einer zur nassauischen Grafschaft Lahr gehörigen Exklave, aufhielt, besaß über den Obsthändler Stampf ständige Ver­ bindung mit der Straßburger Zentrale und verbreitete eifrig eine gedruckte Freiheits­ rede, die Dr. Schwan am 30. Dezember im Straßburger Münster gehalten hatte. Am 16. Januar stellte sich Dr. Schwan zusammen mit einigen anderen Emissären selbst dort ein. Auf einer Bauernversammlung am 18. Januar im .Hirschen', die wahr­ scheinlich Schumacher als eine Aussprache über die Kaufmöglichkeiten von National­ gütern einzuberufen und zu tarnen verstanden hatte, sprach Schwan über Volks­ freiheit, die Vorzüge der französischen Verfassung und forderte die Bauern zur Errichtung eines Freiheitsbaumes auf. Die Behörden wurden aufmerksam, und es gelang ihnen, Schumacher und Stampf zu verhaften, während Schwan mit zwei Begleitern in die badische Herrschaft Mahlberg nach Ichenheim entkam. Hier hielt er am 19. Januar im .Hecht' wiederum eine Versammlung ab, verurteilte aufs heftigste den Rastatter Handel und propagierte die republikanische Verfassung. Von Ichenheim begab sich Schwan ins Hochbergische nach Emmendingen.194 Weitere Details über die Agitation der Straßburger sind dem Bericht des kaiserlichen Leut­ nants Allmann zu entnehmen, den dieser am 19. Januar aus Rust an seinen Re­ gimentskommandeur richtete, der ihn sogleich an den General von Kempf in Frei­ burg weiterleitete. Allmann hatte von einem nicht näher bezeichneten Dorfschulzen ein Exemplar des bekannten Aufrufs erhalten und außerdem erfahren, .daß die näm­ lichen französischen Aufwiegler, wo sie hinkommen, Unterschriften darauf sammeln und das Volk versichern, daß, wenn sie nur aus jedem Orte 30 Unterschriften deshalb bekämen, sie ihnen zum Ausbruche Hilfe senden würden. Keinen solchen gedruckten Zettel konnte bemeldeter Schulze bekommen, weil die französischen Emissärs den Leuten sorgfältig verböten, keinen dieser gedruckten Zettel in dem ersten Augenblick aus den Händen zu geben, sondern nur ihren Freunden und Bekannten hievon Wissenschaft zu machen.' 199 Die letzte Feststellung hat beson­ deren Wert. Sie gibt der Überzeugung des Dorfschulzen Ausdruck, daß in der Tat viele Einwohner mit den Plänen der Revolutionäre sympathisierten.134 * 134 (Haller, Karl Ludwig von), a. a. O., S. 203/04. Wie Danican behauptet, sollten List und General Isar die gewaltsame Befreiung der beiden Verhafteten mit Hilfe eines Trupps Soldaten, die ihre Uniformen mit Zivilkleidem zu tauschen hatten, erwogen haben. (Danican, Auguste), Cassandra oder einige Betrachtungen über die französische Revolution und die gegenwärtige Lage von Europa. Cairo 1799, S. 81. Die französische Ausgabe der Schrift Danicans erschien bereits im Juli 1798. ,M DZA Merseburg, Rep. 11, 91 Frankreich, varia publica, Nr. 36, Bl. 44. Der württembergische Kammerherr Boecklin von und zu Boecklinsau und Herr zu Rust berichtete am 21. 1. 1798 nach Stuttgart, dafj entgegen der Mitteilung Allmanns nicht 30, sondern schon 20 Unterschriften in einem Ort genügen sollten, um auf Unterstützung rechnen zu können. HSA Stuttgart, A 202, Rubr. 46, Nr. 113.

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Das Vorgehen der deutschen Republikaner in Basel war mit dem der Straßburger zeitlich und inhaltlich abgestimmt. Den ersten Schritt tat hier Jägerschmidt, indem er am 12. Januar den republikanisch gesinnten Waldhomwirt Pfunder aus Grenzach nach Basel einlud und ihn in groben Zügen mit dem geplanten Unternehmen bekanntmachte: „Es müsse eine totale Veränderung im Lande geben und der Mark­ graf mit seiner ganzen Dienerschaft beiseite geschafft werden. Man würde sodann eine republikanische Verfassung anordnen und den Untertanen Erleichterungen in ihren Abgaben verschaffen. In Rastatt würde mittels Auseinanderjagung der Ge­ sandten der Anfang mit der Revolution gemacht werden, und wenn sie davon durch einen Kurier Nachricht bekämen, so würde man auch hier oben mit der Freimachung der Leute verfahren und damit über St. Blasien bis nach Oberschwaben kontinuieren.'199 Jägerschmidt rechnete für den Anfang mit 8000 Bauern. Wenn er behaup­ tete, dal} die französische Regierung den Plan billigte, so sagte er wahrscheinlich bewußt eine Unwahrheit, um nicht erst Bedenken aufkommen zu lassen.197 Dagegen besteht kein Grund, an seiner Versicherung zu zweifeln, daß Augereau militärische Hilfe in Stärke von 600 Mann zugesagt habe. Die Mitteilung wiederum, daß in wenigen Tagen französische Husaren Lörrach besetzen würden, war offensichtlich in erster Linie an die Adresse des Bürgermeisters von Lörrach, Weidenbach, ge­ richtet, um ihn unter Druck zu setzen und ihn für das Unternehmen zu gewinnen. Pfunder erhielt den Auftrag, eine Begegnung Jägerschmidts mit Weidenbach in Grenzach zu vermitteln. Die Zusammenkunft fand am 18. Januar am verabredeten Orte statt, nur daß an Stelle Jägerschmidts sich Maier eingefunden hatte. Weidenbach, der sich mit Ober­ forstmeister von Stetten in Verbindung gesetzt hatte, übernahm die Rolle eines Lockspitzels und ging scheinbar auf die Pläne der Revolutionäre ein, um möglichst viel von ihnen zu erfahren.198 Maier stellte ihm eine lange Reihe von Fragen, wie sie in ähnlicher Form auch von den Straßburgern den Gemeinden vorgelegt wurden: .1. Wie ist das Oberamt zu fangen? 2. Wieviel Gewehre sind in der Stadt? 3. Wie erfaßt man die Kassen? 4. Wie werden diese versorgt? 5. Wieviel Mannschaft macht das Oberamt aus? 6. Wieviel zu Pferde? 7. Wieviel müssen zur Bewachung der Polizei zu Hause bleiben? 8. Wer bewacht die Gefangenen und wo? 9. Wie benach­ richtigt man die Freiheitsfreunde mit Sicherheit? 10. Wie schafft man die Uniformen an? 11. Wie werden die Nationalgüter am vorteilhaftesten verkauft? 12. Wer organi­ siert die Nationalgarden? 13. Wie bekommt man eine hinlängliche Kasse? 14. Wie erhält man die öffentliche Ordnung? 15. Wo stecken die Gewehre? 16. Wer führt 1,9 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Vemehmungsprotokoll Pfunders vom 29. 1. 1798. 197 Dieser Behauptung steht auch die Aussage des Kommissars Ludwig gegenüber, dem der Vogt Gräßlin über sein Zusammentreffen mit Jägerschmidt in Basel berichtet hatte: .Jäger­ schmidt habe ihm gesagt, warum die Oberländer solange druckten; sie sollten doch machen, daß es einmal vorangehe; sie sollten sich an die Württemberger anschließen; diese hätten einen Landschaftsgesandten in Paris, und an diesen sollten die Oberländer sich aueh wen­ den; man müsse aber demselben wenigstens 100 oder 200 Louisdor schicken, damit er sich in Paris den Weg bahnen könne.' Ebenda, Nr. 6291, Vernehmungsprotokoll Ludwigs vom 7. 2. 1798. 199 Ebenda, Nr. 5001, Vernehmungsprotokoll Weidenbachs vom 28. 1. 1798.

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die Truppen an? 17. Welche Strafen nimmt man und welche Wegführer? 18. Wel­ ches sind die Sammelplätze? 19. Wer versieht die KurieTstellen? 20. Wie wird indes die Nation vorgestellt? 21. Wie erfaßt man die Reichstruppen? 22. Wie bekommt man * Pferde? 1,9 Die Fragen sind ungeordnet und nicht in jedem Fall präzise; für Obser ein hinreichender Grund, um von einem «konfusen Schriftstücke * zu sprechen.140 Er vergißt dabei geflissentlich, daß die Fragen von Maier erst im Laufe der Unter­ haltung zu Papier gebracht wurden - daher das Ungeordnete - und daß jede zweifellos von einer ausführlichen mündlichen Erläuterung begleitet war - daher die teilweise ungenügende Präzision. Manche der Fragen, die die künftige Organi­ sation des Landes betreffen, greifen sehr weit aus, aber sie waren deswegen nicht unsinnig, zumindest hatten sie agitatorischen Wert. Die Masse der Fragen verlangte Auskünfte, die zu besitzen für die Organisatoren einer bewaffneten Erhebung von größter Bedeutung war. Weidenbach versprach schriftliche Auskünfte, die er an den Kommissar Schmidt im Lohnhof zu Basel schicken sollte.141 Die agitatorische und organisatorische Tätigkeit der Basler Emissäre war damit selbstverständlich nicht erschöpft, wenn auch das vorliegende Material wenig hergibt. Wir wissen, daß Maier in Emmendingen war und dort mit Christoph Hoyer zusammentraf142 ; wir wissen, daß Hoyer noch kurz vor seiner Arretierung acht Briefe nach Basel, Theningen, Straßburg, Lahr, Bischofsheim am hohen Steg, Karlsruhe und Durlach bei der Post aufgab 14S; wir wissen, daß beim Waldhornwirt Pfunder mehrfach kon­ spirative Treffen stattfanden.144 Der konkrete Aufstandsplan war von den deutschen Revolutionären mit dem Haupt­ quartier Augereaus zu Offenburg abgesprochen worden. Die Franzosen hatten ver­ tragsgemäß das von ihnen noch unter Moreau in der zweiten Aprilhälfte 1797 be­ setzte rechtsrheinische Gebiet zu räumen. Die Zurücknahme der Truppen hinter den Rhein entsprach nicht den geheimen Wünschen Augereaus und erfolgte darum nur zögernd. Nach den Mitteilungen des eingeweihten Kämpf war es der im wesent­ lichen von Georg List entwickelte Plan der Revolutionäre, «den Rastatter Kongreß durch die Oberländer Bauern, welche bewaffnet heranziehen sollten, in dem Augen­ blick auseinanderzusprengen und sich hierauf wie ein reißender, in seinem Laufe sich vergrößernder Waldstrom über Schwaben zu ergießen, wenn Augereau über den Rhein zurückgehe. Sein Regiment des Guides sollte Zurückbleiben und sich an die Bauern anschließen.' 145 Die Guides stellten eine Elitetruppe dar, die den übrigen Einheiten gegenüber eine privilegierte Stellung einnahm. Sie war von Augereau offensichtlich zu dem Zweck geschaffen worden, für die Durchführung seiner Pläne eine besonders zuverlässige Truppe zu besitzen.140 Nach den Mitteilungen des Friedrich Essich, eines ehemaligen Studenten und im Dienst der helvetischen ,s» 144 141 14> 149 144 144

GLA Karlsruhe, Abt 74, Nr. 6291. Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 220. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Vemehmungsprotokoll Weidenbachs vom 28. 1. 1798. Politische Cotrespondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 93. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Protokoll des Geheimen Rats vom 29. 1. 1798. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 81. Hurter, Friedrich, a. a. O., S. 58/59. 144 «Neueste Weltkunde', vom 24. 4. 1798.

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Republik stehenden deutschen Revolutionärs, hat List selbst im Sommer 1799 in einer Gesellschaft von Schweizern berichtet, daß ihm einige hundert französische Guides zur Durchführung seines Planes versprochen worden waren.147 Im Prinzip bestä­ tigten das auch die Aussagen, die Christoph Hoyer im Verhör machte. Er selbst war am 11. Januar Zeuge einer Unterredung, die List und Maier mit Agut, dem Ad­ junkten des Generaladjutanten Augereaus, in Offenburg hatten. Es handelte sich, wie List betonte, um die letzte Rücksprache, bevor man zum entscheidenden Schlage, der auf den 16./17. Januar festgesetzt war, ausholen wollte: .Er, List,... nehme am verabredeten Tag einige Dorfschaften zusammen, marschiere damit nach Rastatt, besetze diese Stadt, gebe den Gesandten Sauves-Gardes und haranglere die fran­ zösische Gesandtschaft mit einer dem Zweck, sich freizumachen, angemessenen Rede, unterdessen würden die Bruchsaler nach Karlsruhe rücken, und er, List, begebe sich sodann auch dahin. Der Generaladjutant habe zwar dem List hierbei den Vorwurf gemacht, daß er die Sache zu leicht nehme, ihm aber doch allen Bei­ stand versprochen und zur Erinnerung für den General einen kleinen Denkzettel von dem List erhalten.'148 Der konterrevolutionäre Propagandist und Emigrant Danican, in dem Bestreben, die deutschen Fürsten von Verhandlungen mit der Republik überhaupt abzuschrecken, vergröberte gewaltig, wenn er in seiner im Juli 1798 abgefaßten Schrift .Cassandra' behauptete, daß Augereau alle zwischen Straßburg und Lauterburg kantoni erenden Truppen bei Selz zusammenziehen, den Rhein überschreiten und den Kongreß sprengen lassen wollte. Einzelheiten jedoch wie die, daß der Kommandeur des Regiments des Guides, Fournier, in Straßburg logierte, um List nahe zu sein und vertrauliche Besprechungen mit ihm zu führen, verdienen Glaubwürdigkeit.148 An der Zusage militärischer Unterstützung durch Augereau jedenfalls kann kein Zwei­ fel bestehen. List durfte in gutem Glauben Hoyer gegenüber behaupten: .Nun sei es anders als vor zwei Jahren, und es werde auch besser gehen als damals, wo man nicht gewollt. Nun aber wolle man, indem der General Augereau ein sehr guter Freund von ihm sei und alles tue, was er wolle. Es sei alles schon eingeleitet und könne nicht fehlen.'150 Gelang die Aktion, so ergaben sich für Augereau, da alle Dinge wieder in Fluß gerieten, die vielfältigsten Möglichkeiten, mit seiner Rhein­ armee eine bedeutende Rolle zu spielen. Daß Nachrichten von den Plänen, das rechte Rheinufer zu revolutionieren, bis zu den französischen Soldaten hinunter­ gedrungen waren, macht ihr allerdings auf hessen-darmstädtischen Protest hin ver­ hinderter Versuch wahrscheinlich, in dem im Hanau-Lichtenbergischen gelegenen Auenheim einen Freiheitsbaum aufzurichten.181 Nach den Informationen des preu­ ßischen Kabinetts sollen derartige Unternehmungen französischer Truppen in Höchst und Hochheim sogar mit Erfolg durchgeführt worden sein.1“ Der in jener141 * 141 148 **• 1M 151 112

HSA Stuttgart, A 30, Nr. 149, Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1SOO. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 92. (Danican, Auguste), a. a. O., S. 78 ff. HSA Stuttgart, A 30, Nr. 149. Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1800. Obser. Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 210/11. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fase. 358, Bd. 1, Bl. 67.

3. Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses

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Besprechung mit dem Adjunkten des Generaladjutanten auf den 16./17. Januar fest­ gelegte Termin für die große Aktion mußte offensichtlich verschoben werden, denn um diese Zeit setzte ja gerade erst die intensive Agitation der Straßburger ein. Posselts .Neueste Weltkunde' bezeichnete den 18. Januar als Datum für den Beginn des Unternehmens.153 Nach den Informationen der preußischen Gesandtschaft in Rastatt sollte am 21. Januar, dem Jahrestag der Hinrichtung Ludwigs XVI., der Kongreß gesprengt werden.154 Eine Meldung aus Karlsruhe, die von der .National* Zeitung aufgenommen wurde, bezeichnete den 24./25. Januar als den Tag, an dem das Zeichen zum Aufstand gegeben werden sollte.155 Die deutschen Revolutionäre waren erfüllt von Optimismus und Kampfesfreude. Diese Gesinnung äußerte sich deutliclf in dem kurzen Briefwechsel, denjägerschmidt mit dem Hofrat Hugo zwischen dem 22. und 25. Januar führte. Hugo hatte nach dem mißglückten Versuch 1796, Jägerschmidt zu fassen, an dessen Brotgeber Zäßlin geschrieben und ihn aufgefordert, seinem Angestellten die Teilnahme an revolutio­ nären Umtrieben zu untersagen. In einem Brief vom 22. Januar erinnerte er ihn daran und wies darauf hin, daß Jägerschmidt erneut zusammen mit Maier Umsturz­ pläne verfolge. Statt Zäßlin antwortete am gleichen Tage noch Jägerschmidt selbst. Er nannte Hugo einen schlechten Mann und forderte ihn auf, ein Menschenfreund zu werden. Auf die Erwiderung Hugos vom 24. Januar folgte einen Tag später ein zweiter Brief Jägerschmidts: .Ich nehme den Ausdruck .schlechter Mann' mit Freu­ den zurück, wenn ich Dinen wirklich Unrecht getan habe. Vorerst, glaube ich aber, müssen wir den Sinn des Wortes Menschenfreund unter uns berichtigen. Ein Menschenfreund ist nach meinem Begriff derjenige, dessen edles Gefühl das all­ gemeine Wohl dem Privatinteresse eines einzigen, einer Familie oder mehrerer Familien vorzieht und auf alle Weise unterstützt. Wenn diese Definition richtig ist, dann sehe ich nicht ein, warum ein Durlachisches Landeskind das Wohl seines Geburtslandes nicht wünschen sollte, vielmehr erkenne ich, daß es seine Pflicht sei, eben diese Wohlfahrt nach allen Kräften und Talenten suchen zu befördern. Daß Sie mit mir nicht ganz einig sind oder doch wenigstens Privatinteresse Sie leitet, muß ich aus Ihrem Betragen von 1796 schließen - Betragen, das ja selbst der Herr Landvogt mißbilligt hatte und das nichts weniger als politisch war. Sie dürsteten damals mit Ihren Gefährten nach meinem Blut, und warum? Kannten Sie meine Absichten, kennen Sie sie jetzt? War es löblich, in Gegenwart Herrn Meister Zäßlins, der mich besser kennt, ehrlos von mir zu reden, von mir, dessen Herz Sie mißkennen - der Sie nie beleidigt hat? Muß denn meine Meinung gerade der Ihrigen gleichen, um lobenswürdig zu sein? Ist keine Denkungsart richtig, bloß die Ihrige? Sie haben mich äußerst beleidigt, Herr Hofrat, Sie haben nach meinem Leben getrachtet; da ich aber ein echter Menschenfreund bin, ist schon lange alles vergessen, alles ver­ ziehen, und zur Strafe wünsche ich, daß es Ihnen wohl gehen möge; warum fürchten Sie sich denn? Das Gewissen eines rechtschaffenen Mannes sichert ihn, nur Despoten183 184 183 .Neueste Weltkunde' vom 31. 1. 1798. 184 DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 1, Bl. 186. 188 .Nationalzeitung', Jahrg. 1798, 6. Stück, Sp. 117.

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VI. Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten

schnauppen nach Rache und Leben und beschleunigen dadurch die Epoche ihres Falls. Es wäre für Sie ein Unglück gewesen, wenn Sie mich bekommen hätten,- die Schurken, die geholfen haben, sind teils gestürzt und sollen es gewiß alle werden ; glauben Sie, daß ich wohl unterrichtet bin.' Jägerschmidt schloß mit dem von Hugo selbstverständlich nicht annehmbaren Ansinnen, sich in Basel zu treffen und die Auseinandersetzung mündlich fortzuführen.156 Für Anfangserfolge, die Sprengung des Rastatter Kongresses eingeschlossen, be­ saßen die Revolutionäre bei auch nur geringer militärischer Unterstützung durch Augereau durchaus reale Chancen. Mehr zu Sagen und weitere Perspektiven zu entwickeln, ist bei den vielen unbekannten Größen, die dann und dabei eine Rolle gespielt hätten, nicht möglich. Aber selbst, whnn es nur Anfangserfolge geblieben wären, rechtfertigten sie das Wagnis der Revolutionäre. Der Rastatter Kongreß beunruhigte und empörte die Massen der Bevölkerung am gesamten Oberrhein und darüber hinaus. Die preußische Gesandtschaft berichtete am 13. Februar-, .Allen Nachrichten zufolge, die hier eintreffen, herrscht in Schwaben wie in allen Ländern, die bedroht zu sein scheinen, säkularisiert zu werden oder den Herrn zu wechseln, eine Gärung und eine Unzufriedenheit, die die Einwohner dieser Gebiete aus reiner Rache wohl dazu bringen könnten, den Republikanismus jedem anderen sie betreffenden Wechsel vorzuziehen.' 157 Der Resident Kursachsens in Frankfurt am Main, von Kotteritz, meldete unter dem 14. Februar seiner Regierung : .... ich habe Grund, Eurer Excellenz versichern zu können, daß sich auch in diesen Gegen­ den der revolutionäre Geist in einer sehr ausgeprägten Weise verbreitet, daß es nicht mehr die französischen Emissäre allein sind, die heimlich und wirksam daran arbeiten, das französische System zu realisieren, alle alten Regierungen umzu­ stürzen und ihr demokratisches Regime zu verallgemeinern, sondern daß es auch viel nichtswürdige und verabscheuungswürdige deutsche Personen gibt, die sich überall einschleichen und unter denen vornehmlich das Apostolat des ehemaligen und verruchten Professor Hofmann und Konsorten sehr zahlreich ist,...'158 In der bayerischen Kurpfalz rieten die leitenden Behörden am 23. Januar dem Kur­ fürsten, militärische Umgruppierungen vorzunehmen, um in Mannheim .der täglich auch hier zweideutig werdenden Stimmung der Bürgerschaft' und in Heidelberg *“ GLA Karlsruhe, Abt 74, Nr. 5001. 1,7 .D'après toutes les nouvelles qui en arrivent id, il règne dans la Souabe comme par tous les pays qui semblent être menacés d'être sécularisés ou de changer de maîtres une fermen­ tation et un mécontentement qui pourraient bien porter les habitants de ces contrées par pure vengeance à préférer le républicanisme à tout changement à leur égard.' DZA Mer­ seburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 1, Bl. 290. 116 .Mais je suis fondé è pouvoir assurer à Votre Excellence, qu'aussi dans ces contrées l’esprit révolutionnaire se propage d'une manière très marquée, que ce ne sont plus les émissaires français seuls, qui travaillent sourdement et efficacement, pour réaliser le système français, de renverser tous les andens gouvernements et de généraliser leur régime démocratique, mais qu'il y a beaucoup d'indignes et d’abominables têtes allemandes, qui se glissent partout et dont surtout l'apostolat de son ancien et exécrable Professeur Hofmann et con­ sorts est très nombreux,...' LHA Dresden, Loc. 2724, Des von Kötteritz aus Frankfurt am Main erstattete Relationen, Bd. 1, Bl. 163/64.

3. Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses

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,dem nicht ganz ruhigen Betragen dortiger Einwohner' notfalls mit Waffengewalt entgegenzutreten.159 Die Mannheimer Polizei berichtete am 29. Januar davon, daß ein Dutzend Bürger der Stadt, die namentlich genannt wurden und fast ausschließ­ lich dem Handwerkerstand angehörten, im linksrheinischen Frankenthal bei der Pflanzung des Freiheitsbaumes teilgenommen hatten.190 Im Bistum Speyer, dessen Bewohner schon 1796 den Behörden aktiven Widerstand geleistet hatten, erhoben die Bauern nach dem Tode des Bischofs Stirum 1797 die Forderung nach Minderung ihrer Lasten. Das Dorf Neuthard erklärte in seiner Ein­ gabe an das Domkapitel: .Die Fronlast ist unter der letzten Regierung so unbarm­ herzig ausgeübt worden, daß es auszustehen kaum möglich war.'101 Die Bemerkung von List, daß die Bruchsaler während seines Marsches auf Rastatt gegen Karlsruhe rücken würden, bestätigt, daß im Speyerischen beachtliche revolutionäre Kräfte am Werke waren. Dasselbe ergibt sich für die badischen Unterlande aus seiner Absicht, die Sprengung des Rastatter Kongresses mit Hilfe der Bewohner einiger Dorfschaften durchzuführen.102 Das Straßburg gegenüberliegende Ländergewirr war von den Emissären besonders intensiv bearbeitet worden. Im Amt Durbach herrschte nach Meinung des Amtmanns trotz äußerlicher Ruhe eine gefährliche Gesinnung unter den Einwohnern.199 Der Landvogt von Hochberg glaubte zwar, seiner Land­ bevölkerung sicher zu sein, vermutete aber in der Stadt Emmendingen revolutionäre Herde.104 Auch im Breisgau gärte es. Ein Privatbrief aus Basel vom 18. Januar be­ richtete über die dortigen Vorgänge und fuhr fort: .Wir sind heute weniger ruhig denn gestern, im Breisgau spukt's gleichfalls.'195 Das Basler Wochenblatt .Der freie Schweizer' brachte eine Nachricht vom 1. Februar aus Freiburg, die lautete: .Es tut nicht mehr lange gut bei uns. Der Freiheitskitzel steigt unseren Bauern so gewaltig, daß sie keinen Zaum mehr dulden wollen. Die Untertanen der Abtei St. Blasius stehen im Begriffe, ihre Ketten abzuwerfen und mit der Verbrennung des Klosters den Anfang zu machen. Im Badischen ist dem Freiheitsdrange kein Einhalt mehr zu tun, und selbst spukt es im Vorderösterreichischen, wo man sich ganz laut eine republikanische Verfassung wünscht.' 100 Am entschiedensten machte sich der revolutionäre Geist in der unmittelbaren Nach­ barschaft von Basel, in den badischen Oberlanden, bemerkbar. Nachrichten, die beim kaiserlichen Divisionskommando in Freiburg eingingen, sprachen davon, daß HSA München, Abt. II, B Nr. 303, Anteil am 1. Reichskrieg gegen Frankreich, ,M GLA Karlsruhe, Abt. 77, Nr. 3645, Protokoll des kurpfälzischen Regierungs-Rats vom 6. 2. 1798. 1,1 Bühler, Emil, Die Landes- und Gerichtsherrschaft.., a. a. O., S. 165. 1,9 In dem Rastatt nahegelegenen Rothenfels bezeichnete sich der Brauer Franz Michael Gerig, Stellvertreter des Schultheißen und Anwärter auf das Schultheifjenamt, selbst als Citoyen und wurde von der Gemeinde auch so genannt. Noch nach dem Abzug der Franzosen hatte er die Einstellung aller Zahlungen an die Herrschaft propagiert. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6289, Denunziation des Pfarrers Dietz aus Rothenfels vom 18. 4. 1798. ,u Ebenda, Bericht vom 31. 1. 1798. 1M Ebenda, Nr. 5001, Bericht vom 20. 1. 1798. >*• DZA Merseburg. Rep. 67 B, Nr. 20, c 1, BL 167. 1M Obrer, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 228 Anm. 2.

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VL Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten

ein aus dem Hochbergischen gebürtiger Provisor von Aarau in der Schweiz Briefe revolutionären Inhalts an den Waldhomwirt Pfunder richtete, daß dieser und der Vogt Hartmann in Basel um Unterstützung für einen Umsturz nachgesucht hätten, dafj beim Basler Schwanenwirt .ein Muser von Auggen, Grether von Mappach und Tanner von Tannenkirch zusammengekommen und über die vorgebliche Revolution im Badischen sprechen, wobei es nach ihrer Sage sehr wild hergehen soll . * 187 Nach der Mitteilung eines Forstverwalters aus Kandern vom 20. Januar fanden in Basel ausgedehnte Zusammenkünfte badischer Revolutionäre statt: »Gestern war eine große Versammlung der Verschwörer in Basel. Ich habe selbst früh vor Tagesanbruch sehr viele durch Lörrach passieren gesehen. Sehr viele sollen von den unteren Gegenden heraufgekommen sein. Das Komplott besteht hauptsächlich aus der Klasse der reichen Bauern. Die M(user) von A(uggen) sollen hauptsächlich mit an der Spitze stehen.'188 In Basel wußte man, daß die Bewohner des Oberamts Rotteln fordern wollten .1. Erleichterung in den Abgaben, 2. Abschaffung des Kelterweins, 3. willfährige Antwort auf die Vorstellung der Vorgesetzten vom August 179618i, 4. Auszahlung des Kriegsfrongeldes, 5. Herstellung der Landstände u. dergl.'178 Auf einer vom Hofrat Hugo am 22. Januar in Lörrach einberufenen Versammlung der Gemeindevorsteher des Oberamts wurde ihm erklärt, dafj bei Nichterfüllung der Forderungen die Einwohner kaum ruhig bleiben würden.171 Als am gleichen Tage in Basel der Freiheitsbaum errichtet wurde, fanden sich nach Hugos Ermittlungen zwar .aus allen anstoßenden Ländern mehr Leute als aus dem hiesigen Oberamte ein, aus dem nur 80-100 Köpfe, groß und klein, gegenwärtig gewesen, und doch sollen schon über 1000 Basler Kokarden von Einwohnern des Oberamtes Rotteln erkauft worden sein'.172 Auch der Bericht des von Sumerau zur Erkundung der Lage ausgesandten vorderösterreichischen Polizeidirektors Schmidlin bestätigte, .wie übel es in der Gegend von Basel mit der Ruhe der diesseitig angrenzenden Ortschaften aus­ . * sieht 178 Die meisten kleinen Länder und Ländchen am Oberrhein waren überhaupt nicht in der Lage, der Bewegung mit militärischer Gewalt energisch zu begegnen oder auch nur zu drohen. Selbst Baden, das doch wenigstens über einige Truppen verfügte, scheute davor zurück. In seinem Gutachten vom 20. Januar, das die Billigung auch des Markgrafen fand, schlug der Geheime Rat Brauer vielmehr vor, durch teilweises Entgegenkommen beruhigend auf die Stimmung im Oberland zu wirken. Die Sol­ daten würden umgekehrt das Mißtrauen steigern und im Ernstfall doch nicht aus­ reichen.178 Das Oberamt Hochberg drängte am 22. Januar auf schnellen Abtransport der verhafteten Hoyer und Ehrler, da das sie bewachende Militär die Einwohner »w GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382, Bericht des Generals Kempf vom 20. 7. 1798. lu Ebenda, Abt. 74, Nr. 5001, Schreiben aus Kandern vom 20. 1. 1798. »« Vgl. S. 198. in Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 82. 171 Ebenda, S. 87. Obset, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O„ S. 230. 1,1 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Bericht Hugos vom 24. 1. 1796. 1,1 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 85. 1M GLA Karlsruhe, Abt 74, Nr. 5001.

3. Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses

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Emmendingens empöre.171 *175 Einzig, die vorderösterreichische Regierung traf sofort energische Gegenmaßnahmen. Sumerau erließ am 20. Januar eine Verordnung an die Stabsämter im Breisgau und das Oberamt in der Ortenau, sich unter anderem der zuverlässigsten Ortsvorgesetzten zu bedienen, um ,auf solche boshaften Auf­ wiegler genau zu wachen, sie im Betretungs falle handfest zu machen und in obrig­ keitliche Hände einzuliefern’.178 Außerdem veranlaßte Sumerau die Verstärkung der an der Schweizer Grenze zu Rheinfelden stehenden österreichischen Truppen durch ein Kommando Kavallerie und Infanterie und ließ dem badischen Oberamt Rotteln Hilfe anbieten. Einmal der Stimmung der Einwohner wegen, aber auch weil diese Hilfe nur zu leicht ein Danaergeschenk werden und zu einer Abhängigkeit Badens von Österreich führen konnte, wollten jedoch die badischen Stellen nur im äußersten Notfälle davon Gebrauch machen.177 Sumerau forderte weiterhin am 20. Januar über Graf Lehrbach in Rastatt, daß der Kommandant der kaiserlichen und Reichsarmee, Feldmarschalleutnant von Staader, angewiesen werde, weitere Truppen nach demBreisgau zu beordern.178 Eine entsprechende Bitte, die Metternich als kaiserlicher Plenipotentiär im Namen der Reichsdeputation formulierte, ging am 24. Januar von Rastatt durh Kurier an Staader ab. Metternich drängte auf ge­ eignete militärische Maßnahmen, da die vorhandenen Truppen für Vorderösterreich vielleicht genügen mochten, aber .die angrenzenden Reichslande in keiner solchen Kriegsverfassung stehen, daß sie dem Sturm mit Erfolg entgegengehen könnten . * 178 Staader antwortete am 26. Januar, daß er bereits durch den Generalmajor von Kempf aus Freiburg von den Ereignissen unterrichtet worden sei und entsprechende In­ struktionen ausgegeben habe.188 Sumerau hatte inzwischen von sich aus, ohne die Zustimmung aus Karlsruhe einzuholen, eine Infanteriekompagnie und eine Schwadron Dragoner nach Lörrach marschieren und in den umliegenden Ortschaften Quartier machen lassen.181 Aber alle diese militärischen Sicherungen stellten, wie Sumerau am 22. Januar an Lehrbach schrieb, noch immer keinen ausreichenden Schutz für die bestehende Ordnung dar, wenn sie auch .einem gewaltsamen Aus­ bruch scheinbarlich noch einigen Einhalt tun' könnten. .Das beste Rettungsmittel dürfte aber wohl sein, wenn Eure Excellenz, sofern es möglich ist, bei der Fran­ zösischen Friedensgesandtschaft zu bewirken geruhen wollten, daß den Franzosen ernstlich eingeboten werde, sich weder heimlich noch öffentlich einzumischen und diesen Volksaufstand zu begünstigen; vorzüglich aber zu verhindern, daß in Straß­ burg und anderswo in Frankreich keine aufrührerischen Schriften mehr gedruckt und auf diesseitiges Gestade zur Volksaufwiegelung herübergebracht werden.'188

Die leitenden Beamten in den badischen Oberlanden waren unabhängig von Sumerau schon am 18. Januar zu der Überzeugung gekommen, daß .vor allen Dingen in Basel sondiert werden solle, ob die Gesandtschaft von Frankreich Einfluß habe'.188 171 177 ”• *“ wr

Ebenda. *’• Ebenda, Abt. 79, Nr. 2652. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 84, 87. 178 Ebenda, S. 82. DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, c 2, Bl. 59/60. 180 Ebenda, Bl. 64. Obset, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 229. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 85. 183 Ebenda, S. 81.

27 Süddeutsche Jakobiner

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VI. Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten

Ebenso schlug Metternich der Reichsdeputation vor, der französischen Gesandt­ schaft in Rastatt eine offizielle Mitteilung von der revolutionären Agitation auf dem rechten Rheinufer zu machen und eine Gegenerklärung zu erbitten.184 In der am 24. Januar abgefaßten Note gab man sich den Anschein, den Aussagen der Ver­ hafteten keinerlei Glauben zu schenken, die »eine fremde Hand' verantwortlich machten, .unter deren Antrieb und Leitung dieses ruhestörerische Vorhaben zum Ausbruche befördert werden sollte. Zu allem diesen wird der französische Name * gemißbraucht. 185* Lediglich, um den angeblich lügenhaften Behauptungen ihre Wirkung auf die Bevölkerung zu nehmen, wurde die französische Gesandtschaft er­ sucht, sich davon zu distanzieren. Am 1. Februar folgte eine zweite Note, die Details über die Agitation der Straßburger Klubmitglieder mitteilte und forderte, die ge­ nannten Personen zur Rechenschaft zu ziehen.188 Die Auskünfte, die Hofrat Hugo in Basel, die Reichsdeputation in Rastatt oder Sandoz-Rollin in Paris erhielten, waren für sie äußerst beruhigend. .Zu drei wiederholten Malen' versicherte der erste Se­ kretär der Basler Gesandtschaft dem Hofrat Hugo, .daß die französische Regierung dergleichen Leute nicht kenne und sich in ihre Sachen nicht mische, sondern sie als Landstreicher anzusehen seien.'187 Auf die Noten Metternichs antwortete die französische Deputation jedesmal umgehend. Sie lehnte es zwar in ihrer Antwort vom 25. Januar als eine Zumutung ab, noch mit einer besonderen Erklärung her­ vorzutreten, und bezeichnete auch in ihrer Note vom 2. Februar es nicht als ein Vergehen, wenn die Straßburger Emissäre die französische Verfassung gepriesen hätten, aber ließ dabei keinen Zweifel, daß von einer Unterstützung der revolutio­ nären Bestrebungen durch das Direktorium keine Rede sein könne.188 Metternich nannte es einen Bescheid, mit dem .man vollkommen zufrieden sein kann'.188 Dieselben Versicherungen gaben die Mitglieder der Gesandtschaft auch in persönlichen Gesprächen ab. Der Gesandtschaftssekretär Rosenstiel behauptete einem Mitglied der badischen Deputation gegenüber, umgekehrt Beweise zu be­ sitzen, .daß die französischen Emigranten die Triebfeder davon seien, und wenn schon auch irregeführte und schlechtdenkende französische Bürger mit dabei wirk­ ten, so seien doch jene die Urheber, und er müsse seinen Rat wiederholen, nur nicht blöde zu sein, sondern jeden, der sich über solchem Unwesen betreten lasse, gleich beim Kopf zu nehmen und nach aller Strenge zu behandeln'.180 Natürlich war die Bewegung alles andere als eine royalistische Verschwörung; Rosenstiel wollte mit einer solchen Version nur die Gelegenheit nutzen und Maßnahmen gegen die Emigranten anregen.181 Der französische Gesandte Bonnier führte mit 184 188 188 188 180 181

Ebenda, S. 88. 185 (Haller, Karl Ludwig von), a. a. O., S. 198/99. Ebenda, S. 201 ff. 187 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 82. (Haller, Karl Ludwig van), a. a. O., S. 200/01, 207/08. DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, c 2, Bl. 70. Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, 5. 91. Aber so völlig aus der Luft gegriffen, wie Obser glaubt, brauchen solche Behauptungen doch nicht gewesen zu sein. Auch die Emigranten, selbstverständlich aus ganz anderen Gründen, waren an einer Sprengung des Rastatter Kongresses interessiert und mögen immerhin versucht haben, einzelne agents provocateurs in die Bewegung einzuschleusen.

3. Plan zur Sprengung des Rastatter Kongresses

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gutem Recht Grundzüge der französischen Deutschlandpolitik ins Gefecht, wenn er dem preußischen Vertreter in Rastatt, von Dohm, die negative Haltung zu den Revolutionierungsplänen lächelnd damit begründete, daß es kaum ausgerechnet Frankreichs Anliegen sein dürfte, die schlechte deutsche Verfassung zu refor­ mieren.1®2 Talleyrand sprach die Wahrheit, wenn er am 21. Februar an Bonaparte schrieb, daß das Direktorium, sobald es von den Absichten der Revolutionäre Nachrichten er­ halten hatte, .nicht wartete, daß der kaiserliche Plenipotentiär ein Zetergeschrei anstimmte', sondern unverzüglich handelte.1®3 Das Direktorium und Bonaparte hatten aufmerksam die Entwicklung verfolgt, die sich im Hauptquartier Augereaus anbahnte. Reubeil behauptete dem preußischen Gesandten gegenüber, schon länger als einen Monat von den Anschlägen dieses Generals zu wissen; .es ist Zeit, diesen Umtrieben ein Ende zu setzen.'1®1 Nun folgte Schlag auf Schlag. Schon um die Jahreswende war die Deutschland-Armee wieder in zwei selbständige Armeen, nämlich in die Rhein- und die Mainz-Armee, geteilt worden; der letzteren wurde Hatry vorgesetzt und Augereau auf das Kommando am Oberrhein beschränkt.1®5 Am 28. Januar veröffentlichte der dem Direktorium nahestehende .Rédacteur * eine Straßburger Meldung vom 21. Januar, worin von einem Komplott gegen Bonaparte und Reubell die Rede war: .An der Spitze des Komplotts stehen hier ein gewisser List, Apotheker, in der Meisengasse wohnhaft, und der schon allzu bekannte Wedekind. Diese beiden... sind die Hauptagenten Augereaus, in dessen Namen und für den alles das geschieht. Agut, Generaladjutantadjunkt, und die Generäle Isar und Gross arbeiten mit ihnen und sollen den Geist der Armee auf dieses Ereignis vor­ bereiten. Die Chefs haben ihren Anhang in zwei Versammlungen der Freunde und Brüder in Straßburg, und ein gewisser Schwan, Chirurgus, ist der Hauptunterhändler und Hin- und Herläufer, dessen sie sich bedienen.'198 Hatte diese anonyme Meldung noch Zweifeln Raum gelassen, so brachte die Be­ kanntgabe des Dekrets vom 27. Januar und die am 29. Januar angeordnete Ver­ setzung Augereaus völlige Klarheit. Augereau wurde faktisch vom Armee-General zum Divisionsgeneral degradiert, indem ihm das Kommando über die 10. Division in Perpignan übertragen wurde, aus der er eine Armee gegen Portugal machen Es fällt auf, daß Kämpf in seinen Denkwürdigkeiten von einem Nachklang der condéischen Verschwörung spricht (Hurter, Friedrich, a. a. O., S. 60) und der Emigrant Danican er­ staunliche Detailkenntnisse über die revolutionären Bestrebungen verrät ([Danican, Auguste], a. a. O., S. 78 ff.). *“ DZA Merseburg, Rep. 81, Nr. 5, Bd. 1, Bl. 204/05. Ähnlich beruhigende Versicherungen hatte Sandoz-Rollin in Paris von Talleyrand erhalten. Ebenda. Rep. 11, Nr. 89, Fase. 358, Bl. 127/28. 1U .... il n'attendit pas que le plénipotentiaire impérial jetât les hauts cris...' Pallain, G., a. a. O., S. 203. 1(1 .11 est temps d'arrêter ces menées.' Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 170. 1,1 Memoiren von Paul Barras, Mitglied des Direktoriums. Mit einer allgemeinen Einleitung, Vorworten und Anhängen. Herausgegeben von George Duruy. Stuttgart-Leipzig-Berlin— Wien 1896, Bd. 3, S. 131/32. 1M Übersetzung und Abdruck in: .Neueste Weltkunde * vom 5. 2. 1798. 27*

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VI. Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten

sollte. Die Lobsprüche, die man ihm mit auf den Weg gab, änderten nichts an der Tatsache.197 Der eng mit ihm verbundene General Isar wurde von ihm getrennt und zur Englandarmee versetzt.198 Der Erlaß vom 27. Januar ordnete dann die schärfsten Maßregeln zur Unterdrückung der revolutionären Bewegung im Rechts­ rheinischen an, hinter der angeblich England stehen sollte, das an einer Sprengung des Rastatter Kongresses interessiert war. Im 1. Artikel wurde die französische Ge­ sandtschaft in Rastatt angewiesen, die Verhaftung und Auslieferung solcher fran­ zösischer Bürger zu fordern, die direkten oder indirekten Anteil an der Bewegung hatten und sich nicht auf von Frankreich besetztem Boden befanden. Der 2. Artikel beauftragte die Kommissare des Direktoriums bei den Zentralverwaltungen und bei den Kriminalgerichten des Ober- und Niederrheins, alle Anstifter und Helfershelfer, die in diesen Gebieten wohnten oder sich dort vorübergehend aufhielten, vor Ge­ richt zu stellen und zu bestrafen. Der 3. Artikel befahl den Oberbefehlshabern der Rhein- und der Mainz-Armee, festzustellen, wer vom Militärpersonal und auch von den Einwohnern der zurZeit von den französischen Truppen besetzten, aber nicht mit Frankreich vereinigten Gebiete sich solcher Vergehen schuldig gemacht hatte, um ihn den Kriegsgerichten zur Bestrafung zu überliefern. Im 4. Artikel waren die Mi­ nister der Justiz, des Krieges, der auswärtigen Angelegenheiten und der Allgemeinen Polizei beauftragt, für die Durchführung dieses Dekrets auf ihrem jeweiligen Sektor zu sorgen.199 Am 1. Februar machte die französische Gesandtschaft die Reichsdepu­ tation in Rastatt mit dem Inhalt dieses Erlasses bekannt.209 Sehr viel hing in diesen Tagen von Augereau ab. Würde er die vom Direktorium angeordneten Maßnahmen widerspruchslos hinnehmen oder würde er die großen Worte, die er gegen das Direktorium gesprochen hatte, in die Tat umzusetzen wagen? Die deutschen Revolutionäre waren bereit, ihn dabei zu unterstützen. Der von ihnen geplante Marsch auf Rastatt spielte die Rolle des Hauptkettengliedes, das ergriffen werden mußte, um alle übrigen Glieder ebenfalls in Bewegung zu bringen. Wurde das Unternehmen mit Entschiedenheit angepackt, und gelang dieser erste Schlag, dann wäre das Dekret vom 27. Januar nie erlassen oder im Handum­ drehen in ein bloßes Stück Papier verwandelt worden. Augereau hätten sich hundert Möglichkeiten eröffnet, in das Geschehen einzugreifen und das Direktorium vor vollendete Tatsachen zu stellen, die es nicht gestattet hätten, ihn nach Perpignan abzuschieben. Ganz zweifellos hätten sich kriegerische Handlungen daraus ent­ wickelt, deren Ergebnisse zwar nicht abzusehen waren, die aber auf jeden Fall wie in der Schweiz und im Gegensatz zu 1796 von revolutionären Volksbewegungen begleitet gewesen wären. Daß die auf Augereau hoffenden und mit ihm gemeinsam planenden deutschen Revolutionäre genau diese Perspektive verfolgten, hat Reb­ mann 1798 im Aprilheft seiner .Geißel * eindeutig bestätigt: .Als Deutscher hätte ich gewünscht, daß die auf dem linken Rheinufer gelegenen Länder den großen Weg zur Vollendung in Gemeinschaft mit den übrigen zurückgelegt hätten; sie Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 170. 1M Memoiren von Paul Barras..., a. a. O„ Bd. 3, S. 151. 1M Politische Cörrespondenz. . ., a. a. O., Bd. 3, S. 89/90. 200 (Haller, Karl Ludwig van), a. a. O., S. 205 ff.

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allein waren zu schwach, um allein mit Glück wandern zu können. Die Fortsetzung des Krieges hätte, wenn Augereau im Besitz seines Einflusses geblieben wäre, unaus1 bleiblich zu diesem erwünschten Resultat führen müssen.' 201 Aber Augereau hatte nicht das Zeug zu einem solchen Wagnis. Schon bei den Verhandlungen mit List im Hauptquartier war das offensichtliche Bestreben spürbar, sich nicht zu expo­ nieren. Die Warnung Aguts an List, die Sache nicht leicht zu nehmen, verriet die Distanz eines sympathisierenden Beobachters, der wohl an einem Gelingen inter­ essiert ist, aber sich selbst nicht allzusehr engagieren will. Augereau setzte nicht alles auf eine Karte; er wollte sich im Falle des Millingens einen Rückzugsweg offenhalten. Das aber war das sicherste Mittel, das Unternehmen mißlingen zu lassen. Nach den Verhaftungen einzelner in den Plan Eingeweihter wie Christoph Hoyers mußten die deutschen Revolutionäre damit rechnen, daß ein Handstreich gegen den Kongreß auf vorbereitete Abwehrmaßnahmen treffen würde. Unter diesen Bedingungen war eine französische militärische Unterstützung notwendiger denn je. Blieb sie aus, mußte das Unternehmen scheitern. So geschah es denn auch. Nach den Aufzeichnungen Kampfs nahmen die Dinge folgenden Verlauf: .Der Chef des Augereauschen Generalstabes gab aus eigenem Antrieb dem Regiment des Guides kurz vor der geheimnisvollen Stunde den Gegen­ befehl, über die Rheinbrücke nach Straßburg zu marschieren. Die bewaffneten Bauern kamen am Sammelort an, fanden keine helfenden Franzosen und, nachdem sie die gehabte Absicht zu erkennen gegeben und Unordnungen begangen hatten, liefen sie wieder in ihre Heimat. List, der sich bis in die Nähe von Rastatt gewagt hatte, entging mit Mut dem ihm nachsetzenden badischen Militär. * 202 List selbst erwähnte in einem an das helvetische Direktorium gerichteten Gesuch vom 24. März 1799 dieses Ereignis in einem knappen Satz, der die Darstellung Kämpfs bestätigt: .Die Sache wurde unternommen und mißlang aus Verschulden eines Divisions­ generals.'203 Wenn beide Augereau selbst nicht mit der Verantwortung für den Verrat belasteten, so kann dennoch kein Zweifel bestehen, daß die Dinge einen anderen Verlauf genommen hätten, wenn Augereau wirklich entschlossen gewesen wäre. Er scheute das Risiko und unterwarf sich dem Spruch des Direktoriums. Im ersten Zorn ließ er wohl drohende Worte fallen, aber dann meldete er in Paris noch nicht einmal einen Protest an.2M Sang- und klanglos verschwand er am 4. Februar aus Straßburg, um seinen neuen Posten zu übernehmen. In Perpignan angekommen, beeilte er sich, seine Dienstfertigkeit zu beweisen, und lieferte dem Direktorium einen langen Bericht über die Stimmung in den Städten und Gebieten, die er auf seiner Reise passiert hatte. .Zählen Sie auf mich wie auf sich selbst', versicherte er den Direktoren, die er vor kurzem noch gern gestürzt hätte.205 1,1 .Die Geißel', 2. Jahrg., H. 4, S. 68/69, 1798. mz Hurter, Friedrich, a. a. O., S, 59. 141 Obrer, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 248. ™ Gouvion Saint-Cyr, Mémoires..., a. a. O., Bd. 4, S. 215. Memoiren von Paul Barras.... a. a. O., Bd. 3, S. 150. !w Godechot, Jacques, Quelques notes d'Augereau sur l'esprit public en France au mois de ventôse an VI (février 1798). In: .Annales historiques de la Révolution française'. Bd. 8, S. 441, 1931.

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VI. Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten

Wieder waren die deutschen Revolutionäre getäuscht worden. Maier aus Basel sprach es dem Waldhornwirt Pfunder gegenüber offen aus.206 Allerdings wurden die persönlichen Verfolgungen, die das Dekret vom 27. Januar vorsah, nicht mit großem Nachdruck durchgeführt. Die Basler Klubmitglieder blieben davon natur­ gemäß gänzlich unberührt; die sich dort vollziehenden Umwälzungen gaben ihnen umgekehrt sehr bald wieder neuen Mut. Für die Straßburger war die Lage un­ günstiger. Anfang Februar wurden Georg List und Dr. Schwan gerichtlich ver­ nommen. Sie verfolgten dabei die Taktik, nicht nur jede Beteiligung an den revo­ lutionären Vorbereitungen im Rechtsrheinischen zu leugnen, sondern auch jedes Wissen darum. Ihr mehrfacher Aufenthalt jenseits des Rheins hätte ausschließlich geschäftlichen Zwecken gedient; ihr Verkehr mit Augereau hätte rein persönlichen Charakter getragen. Lediglich die Unterstützung der Schweizer Revolutionäre gaben sie zu, was ihnen aber unter den gegebenen Umständen als Verdienst angerechnet werden mußte.207 Wahrscheinlich waren solche Aussagen unter den Beteiligten und auch mit Augereau im Falle einer frühzeitigen Entdeckung von vornherein ab­ gesprochen worden. Das Direktorium seinerseits war gewiß daran interessiert, den revolutionären Kem zu zerschlagen; aber ihm konnte nicht daran gelegen sein, durch allzu gründliche Untersuchungen eine Reihe hoher Offiziere bloßzustellen und Unruhe in die Armee zu tragen. Ihm genügte in bezug auf die Armee die Ent­ fernung Augereaus und die Auflösung des Corps des Guides, das eskadronsweise anderen Husarenregimentem einverleibt wurde.208 Den deutschen revolutionären Kem zerstörte das Direktorium erstens durch die Auflösung des Straßburger Klubs am 16. März 209 und zweitens durch die Anordnung, die führenden Köpfe List und Schwan als lästige Ausländer auf das rechte Rheinufer abzuschieben. Dr. Schwan konnte sich auf seinen vierzehnjährigen Aufenthalt in Straßburg und mithin auf sein französisches Bürgerrecht berufen, so daß seine Ausweisung unterblieb. Georg List be­ saß nicht diese Chancen.210 Er hatte inzwischen eine Anstellung beim Kanton Speyer erhalten, mußte sie jedoch nach 14 Tagen wieder aufgeben.211 Er entzog sich der Gefahr der Auslieferung durch schleunige Flucht in die Schweiz, wo er unter dem angenommenen Namen Laiblin zunächst in einem Berner Handelshaus, später als Notariatsgehilfe arbeitete.212 Die feudalen Behörden im Rechtsrheinischen waren sich trotz des Dekrets vom 27. Januar nicht sehr sicher. Sie wußten sehr genau, daß mit der Ausschaltung der organisierenden Zentren auf dem linken Rheinufer nicht die eigentlichen Ursachen möglicher Unruhen in ihren Ländern beseitigt waren. Metternich warnte darum in einem Schreiben vom 3. Februar, worin er Staader von den französischen Antworten und Maßnahmen unterrichtete, vor jeder Minderung der militärischen Wachsamkeit 20* Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 229. m Ebenda, S. 215/16. 208 „Neueste Weltkunde' vom 24. 4. 1798. 200 Ebenda, 21. 3. 1798. 110 Ebenda, 23. 3. 1798. 211 Ebenda, 19. 4. 1798. Hansen, Joseph, a. a. O„ Bd. 4, S. 1218 Anm. 1. 2,2 Obser, Karl. Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O„ S. 248.

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und betonte, „daß es eine Sache der ersten Notwendigkeit bleibe, dieselbe in Kraft zu erhalten und sogar womöglich zu verstärken'.213 Die badische Regierung, in deren Oberlanden es am heftigsten gärte und die nicht über die Mittel verfügte, um mit brutaler Gewalt auftreten zu können, verlegte sich auf eine Politik der Ver­ sprechungen und kleinen Zugeständnisse. Damit vertrug sich keine harte Bestrafung derjenigen, die nachweislichen Anteil an den revolutionären Bestrebungen ge­ nommen hatten. So fielen denn auch die Urteile recht milde aus. Der schwer be­ lastete und schon durch seine Vergangenheit als Revolutionär gekennzeichnete Christoph Hoyer erhielt nur eine halbjährige Arreststrafe, aus der er nach weniger als drei Monaten gegen Kaution entlassen wurde, weil er nach Venedig auswandern wollte. Jakob Ehrler wurde mit einem Verweise aus der Untersuchungshaft ent­ lassen, und die drei Theninger, die mit ihm und Kreutner geheim konferiert hatten, kamen mit einigen Tagen Arrest davon.214 Als Kreutner selbst noch kein halbes Jahr später wegen Erbschaftsangelegenheiten im Oberamt Hochberg auftauchte, wurde die zuständige Behörde lediglich angewiesen, ihn zu beobachten und nur dann zu verhaften, wenn man ihn bei gesetzwidrigen Handlungen ertappte; das in einem solchen Falle notwendige Verhör sollte nicht Vergangenes aufrühren, sondern sich ausschließlich auf das unmittelbar zur Verhaftung führende Faktum beschränken.213 Ein Exempel allerdings glaubte man der Autorität wegen statuieren zu müssen. Dazu suchte man sich ausgerechnet den Skribenten Kummer aus Lörrach aus, der im betrunkenen Zustande Drohreden gegen die Regierung von sich gegeben hatte, und steckte ihn für ein Jahr ins Arbeitshaus.21* Am 22. Januar beschloß der Geheime Rat in Karlsruhe die Absendung einer zwei­ köpfigen Untersuchungskommission in die Oberlande. Obwohl als ihre Hauptauf­ gabe bestimmt war, Anhängern und Verbreitern revolutionärer Gesinnungen nachzu­ spüren, um sie zu verwarnen, geringere Vergehen an Ort und Stelle zu bestrafen und bei schwereren Fällen die Betreffenden gefangen nach Karlsruhe zu schicken, ist ihre Tätigkeit von ihren zusätzlichen Aufträgen vollkommen überwuchert worden. Ihr einziges Opfer war jener besagte Skribent Kummer. Der Kommission war außer­ dem aufgegeben, Bittschriften, die herkömmliche Einrichtungen verändert wissen wollten, mit der Zusicherung gründlicher Behandlung entgegenzunehmen, Klagen über schlechte Verwaltung sofort zu prüfen und ihre Ursachen abzustellen.217 Im Oberamt Rotteln stellte die Kommission fest, daß die Einwohner dem Staat und anderen feudalen Stellen die enorme Summe von 400 000 Gulden schuldig waren, so daß sie von sich aus den Vorschlag machte, die Kriegssteuer um die Hälfte zu DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, c 2, BL 70. 214 Obser, Karl. Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 242/43. GLA Karlsruhe, Abt. 74. Nr. 5001, Referatsprotokolle vom 8. 3., 2. 4., 2. 7. 1798. Schuhmacher und Stampf, die im Rechtsrheinischen verhaftet worden waren, sind als französische Bürger wahrscheinlich auf dringendes Verlangen der Munizipalität Straßburg freigelassen worden. DZA Merseburg. Rep. 67 B. Nr. 20. d 2, Bl, 2. 119 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001, Protokoll des Geheimen Rats vom 28. 6. 1798. **• Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O., S. 243. 117 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 5001.

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senken und die Schulden der Staatskasse an die Einwohner für geleistete Dienste und Lieferungen unverzüglich zu bezahlen. Das machte zusammen etwa 45 000 Gul­ den aus. Entsprechende Erleichterungen erhielt auch das Oberamt Badenweiler. Die Beschwerden der Bauern richteten sich einmal gegen Übergriffe einzelner Be­ amten, die von der Kommission auch sofort gerügt wurden, vor allem * aber gegen einzelne Formen der feudalen Ausbeutung, so gegen das Tauf- und Totengeld, die Kelterweinabgabe, das Taubenfluggeld, den Blut-, Bienen- und kleinen Brachzehnt.218 Die Kommission riet in allen diesen Fällen Nachgiebigkeit an, ohne daß allerdings mehr als die Abschaffung des Tauf-, Toten- und Taubenfluggeldes dabei heraus­ kam.218 Die erbetene Reduktion der Schatzung wurde bereits im Gutachten der Kommission abgelehnt. Von prinzipieller Bedeutung war die Forderung nach Wiedereinführung der Landstände, die man durchaus unhistorisch als Volksvertre­ tung auffaßte und darum durch die von den Gemeinden gewählten Ortsvorsteher wählen lassen wollte, wobei ausdrücklich zur Bedingung gemacht wurde, daß kein Landtagsmitglied ein staatliches Amt bekleiden durfte.220 Ebenso grundsätzlich war die von den in Lörrach zusammenberufenen Gemeindevorstehern getroffene Fest­ stellung: .Die erwerbende und verzehrende Klasse stehe nicht im gehörigen Gleich­ gewicht, und Eure Hochfürstliche Durchlaucht hätten zuviel fremden Adel in Diensten.'221 Die Eingaben, die beim Grenzacher Vogt zur Weiterleitung eingereicht wurden, waren nach dem Urteil der Kommission .in einer Sprache abgefaßt, welche... sehr von derjenigen verschieden ist, welche sie führen, wenn sie mit fürstlichen Be­ amten oder mit uns insbesondere sprechen würden, in welchem Falle sie sich viel beruhigter stellen und nichts von dem Groll bemerken lassen würden, der in ihren Herzen zu stecken scheint und wahrscheinlich nicht in Grenzach allein, sondern großenteils auch an anderen Orten zu finden sein wird,' Eine Eingabe verlangte rundheraus die Abschaffung beziehungsweise Ablösung sämtlicher Bodenzinse, .weil uns unbekannt ist, woher selbige abstammen, und bei geringen Jahrgängen das ganze Gut den Zins nicht trägt *. Eine andere Eingabe stellte fest, daß die Bezahlung der Kriegsfronen zwar immer versprochen wurde, aber nie erfolgte, und begehrte darum, .daß unsere Herren das vom kaiserlichen Militär erhaltene Geld an Ihro Kaiserliche Majestät zurückgeben, damit wir wissen, daß wir umsonst gefront haben'.222 Wie diese Sprache, so bestätigten auch die zuvor gemachten Erfahrungen der Kom­ mission, daß breite Kreise der Bevölkerung nichts mehr von den vorgesetzten Be­ hörden erhofften, sondern bloß noch auf die nächste günstige Gelegenheit warteten, um sich mit Gewalt vom feudalen Joch zu befreien. Die Kommission arbeitete in einer ihr durchaus feindlichen Atmosphäre. Das ging so weit, daß sie sogar ihre Berichte für Karlsruhe nicht der einheimischen, sondern der Basler Post an1,8 Ebenda, Kommissionsberichte vom 22. 1., 3. 2., 5. 2., 8. 2. 1798. 118 Ebenda, Heferatsprotokoll vom 1. 3. 1798. Ebenda, Kommissionsbericht vom 22. 1. 1798. * Ebenda. " 1X1 Ebenda, Kommissionsbericht vom 17. 2. 1798.

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vertraute.223 Selbst der Pfarrer war man sich nicht mehr ganz sicher, geschweige denn der Ortsvorgesetzten. Aus diesem Grunde, da .weder irgendein Geistlicher noch ein Ortsvorgesetzter bisher dem Oberamt die mindeste Nachricht von den hie und da bemerklich gewesenen Volksaufwieglungen gemacht, auch bei ihren Unter * gebenen sich dieser wichtigen Sache nicht mit Eifer... angenommen haben', ent­ schloß sich die Kommission am 29. Januar zu einem Schreiben an beide, in dem eine bessere Aufsichtsführung von ihnen verlangt wurde.224 Wie wenig Erfolg diese Maßnahme und andere Erklärungen der Kommission hatten, bewies ihr Bericht vom 2. Februar: Einerseits stellte er fest, daß die Anwesenheit des kaiserlichen Militärs die Opposition gedämpft habe. «Auf der anderen Seite können wir aber auch nicht bergen, daß Nachrichten, die wir erst gestern durch einen von den Gesinnungen hiesiger Landleute wohlunterrichteten vernünftigen Mann sowohl als durch andere Wege erhalten haben, zufolge allem Ansehen nach ein großer Teil der Einwohner des hiesigen Oberamtes nur auf einen günstigen Augenblick und auf zugesicherte Hilfe ihrer Nachbarn wartet, um seine auf Veränderung ihrer Landesverfassung und Befreiung von ihren Abgaben zielenden Absichten mit Gewalt durchzusetzen, daß manche Landleute ihre Absichten durch den äußerlichen Schein der Zufrieden­ heit zu verbergen suchen und daß wir in unserer Aufmerksamkeit nicht nachzulassen Ursache haben. In dieser Besorgnis bestärkt uns nicht wenig der merkwürdige Um­ stand, daß ohnerachtet unsere Ankunft, welche nun schon bald vor 14 Tagen er­ folgt ist, in dem ganzen Oberamt bekannt geworden sein muß, weil wir mehrere allgemeine Ausschreiben an die Geistlichen sowohl als auch Ortsvorgesetzten er­ lassen haben, und ohnerachtet Neugierde sowohl als gegründete und ungegründete Klagen sonst Leute in Menge herbeiführten, wenn jemand von Euer Hochfürstlichen Durchlaucht Beamten sich mit besonderen Aufträgen in hiesiger Gegend einfindet, dennoch bis auf den heutigen Tag außer denjenigen Vorgesetzten und Untertanen, welche wir zu uns beschieden hatten, beinahe niemand zu uns gekommen ist und selbst von den Geistlichen sich nur wenige bei uns eingefunden haben, welches uns entweder auf ein nicht ruhiges Gewissen oder auf eine große Furcht, sich bei den Übelgesinnten unangenehm zu machen, schließen läßt.' 222 Angesichts dieser Situation beauftragte die badische Regierung ihre fähigsten Politiker, sich intensiv mit diesen Fragen zu befassen. So entstand die umfangreiche Denkschrift Reitzensteins, die er am 19. Februar vorlegte.224 Reitzenstein hatte vier Jahre lang dem Oberamt Rotteln vorgestanden, bis er ab 1796 im diplomatischen Dienst Verwendung fand. Um die innere Ruhe zu festigen, sollte man sich seiner Meinung nach von dem Grundsatz leiten lasen, .daß man hauptsächlich diejenigen Abgaben abzustellen suche, mit welchen Begriffe von Leibeigenschaft oder Immo­ ralität am leichtesten in Verbindung gesetzt werden können, mit denen daher die öffentliche Meinung, die vielleicht in der benachbarten Schweiz herrschend werden 123 134 93 94

Ebenda, Bericht vom 27. 1. 1798. Ebenda, Bericht vom 31. 1. 1798. Ebenda, Bericht vom 8. 2. 1798. In vollem Wortlaut abgedruckt bei Obser, Karl, Die revolutionäre Propaganda..., a. a. O„ S. 249 ff.

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VI. Die erneute Offensive der revolutionären Demokraten

dürfte, einen zu grellen Kontrast machen könnte'.227 Er trat daher unbedingt für die Abschaffung der Kelterweinabgabe, des Salzmonopols und einiger unbedeu­ tender feudaler Lasten ein; außerdem gab er sehr nachdrücklich zu bedenken, ob nicht besser auf die Gemeinde- und herrschaftlichen Fronen überhaupt verzichtet und statt dessen die Schatzung entsprechend erhöht werden sollte, um alle not­ wendigen Dienstleistungen daraus bezahlen zu können. Der damit erreichte Zweck, .daß in diesem an die Schweiz grenzenden Land das gehässige, den Revolutionärs immer mit zum ersten Vorwand dienende Wort .Fronen' auf einmal aus der Finanz­ sprache verbannt würde , * lohne einen solchen Versuch.228 Wollte Reitzenstein einer­ seits durch begrenztes Entgegenkommen die Bevölkerung gewinnen, so war er andererseits auch darauf bedacht, im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten die staatliche Autorität zu festigen. Aus diesem Grunde empfahl er Strukturveränderun­ gen in der Verwaltung des Oberamts, eine hinlängliche Besoldung der Ortsvorsteher, um sie an den Staat zu binden, die Verstärkung der Polizeiorgane und eine Ver­ besserung der Lage der Schulmeister, die als Erzieher folgsamer Untertanen eine bedeutsame Funktion zu erfüllen hatten. Die totale Ebbe in der Staatskasse machte aber selbst solche bescheidenen Veränderungen unmöglich. Die Ursachen der allgemeinen Unzufriedenheit blieben, also auch die Unzufrieden­ heit selbst. Als die Untersuchungskommission am 21. Februar ihre Tätigkeit in den Oberlanden einstellte, war sie vorsichtig genug, kein größeres Verdienst in Anspruch zu nehmen als das, .den Samen dieser Unruhen durch ernstliches Bemühen... we­ nigstens zum Teil vertilgt zu haben'.228 Bezeichnend ist das Schicksal des Blumen­ wirtes Kiaiber aus Kandern, der die Zusammenkünfte bei seinem Schwager, dem Waldhornwirt Pfunder, angezeigt hatte: Ein Pasquill charakterisierte ihn als einen schäbigen Denunzianten, und er wurde derartig angefeindet, daß sich die Behörden mit einer öffentlichen Belobigung seiner Tat und mit der Aussetzung einer Prämie für die Entdeckung des Pasquillanten schützend von ihn stellen mußten.230 Wenn die herrschende Feudalklasse am Oberrhein den Ausbruch einer revolutio­ nären Bewegung Anfang 1798 abermals verhindern konnte, so verdankte sie diesen Erfolg in erster Linie dem bourgeoisen Direktorium, daß den deutschen Revolutio­ nären nicht nur die geringste Hilfe versagte, sondern sogar ihre Vorbereitungen gründlich und tatkräftig zerschlagen half. Selbst nach überstandener unmittelbarer Gefahr erwiesen sich die feudalen Behörden als zaghaft und schwach. Die mühsam wiederhergestellte Ruhe war äußerlich, denn mit und nach der siegreichen Revo­ lution in der Schweiz erlebten die antifeudalen Kräfte bereits einen neuen, ihren höchsten Aufschwung in dieser Periode. 01 Ebenda, S. 251. ”a Ebenda, S. 253. 121 GLA Karlsruhe, Abt 74, Nr. 5001, Bericht vom 21. 2. 1796. iw Ebenda, Bericht vom 26. 5. 1798.

1. Die zunehmende Gärung in Oberschwaben und am Oberrhein

Die herrschende Feudalklasse kam im deutschen Süden nicht mehr zur Ruhe. Eben noch hatte sie vor der akuten Gefahr eines revolutionären Ausbruchs gezittert, der ihrem Menschen- und Länderhandel in Rastatt ein Ende setzen wollte. Kaum war diese Drohung von ihrem Haupte genommen, ängstigten sie neue revolutionäre Regungen unter den Volksmassen. Mit gutem Grund fürchtete sie vor allem die ansteckende Wirkung der Ereignisse in der Schweiz, die am 22. März 1798 zur Proklamierung der helvetischen Republik geführt hatten. Bereits Anfang März war das Gerücht bis nach Frankfurt am Main gedrungen, wonach .viele Sendboten des unveränderlichen Systems des Abbé Sieyès, die ganze Welt zu republikanisieren, sich von der Schweiz ausgehend in Oberschwaben ausbreiten und diesen Landesteil derart bearbeiten sollen, daß man dort jetzt in sehr großer Unruhe ist'.1*3Während Kotteritz, der dies berichtete, als Resident des kaisertreuen sächsischen Hofs in der sich abzeichnenden neuen Koalition ein wirksames Mittel zur Bekämpfung dieser Gefahr begrüßte , * sah Anfang April der preußische Resident in Stuttgart, von Madeweiß, in einem raschen Friedensschluß die beste Gegenmaßnahme: «Es wäre freilich für das Wohl und die Ruhe der hiesigen Gegenden sehr zu wünschen, daß der Gang der Sache in Rastatt etwas schneller wäre, indem die Revolution in der Schweiz unleugbar großen Eindruck in vielen Gegenden in Schwaben und auch in Württemberg gemacht hat. Ich habe sogar Schweizer Briefe gelesen, die es als gar nichts Unmögliches ansehen, daß es auch in Schwaben noch zu einer Revolution kommen könnte, und die sogar äußerten, daß der bekannte Oberzunftmeister Ochs in Basel, der an den unglücklichen Ereignissen seines Vaterlandes einen so wesent­ lichen Anteil hat, solche sehr betreibe. Mir scheint diese Äußerung aus der Ursache nicht ganz unwahrscheinlich zu sein, weil dieser Mann zu allem fähig und Schwaben die eigentliche Kornkammer der Schweiz ist.' 9 Zu solchen Briefen Schweizer Aristo­ kraten gehörte auch der des Berner Professors Karl Ludwig von Tscharner, der sich auf vorderösterreichisches Gebiet nach Waldshut geflüchtet hatte und von dort am 30. April an den Grafen Metternich nach Rastatt schrieb: .Man zählt mehr auf die Eroberungen der Drucker als auf die der Kanonen; mir bekannte Sendboten be­ arbeiten in diesem Augenblick die Reichsstädte Schwabens; im Herzogtum Württem­ 1 .Beaucoup des apôtres du système constant de l'Abbè Sieyès de républicaniser le globe entier, expulsés de la Suisse, se répandent dans la Haute Souabe et doivent travailler cette province de sorte, qu'on y est maintenant dans de très grandes inquiétudes.' LHA Dresden, Loc. 2724, Des von Kotteritz aus Frankfurt erstattete Relationen, Bd. 1, Bl. 193/94. 1 Ebenda, Bl. 214. 3 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 3, Bl. 174.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

berg muß man sich auf alles gefaßt machen; die Explosion wird erst erfolgen, wenn der Sieg sicher ist. * 4 Alle diese feudalen Zeugen, die sich leicht vermehren ließen, waren in der für alle absteigenden Ausbeuterklassen typischen Wunschvorstellung befangen, daß die eigentliche Ursache der Unruhe in Umtrieben fremder Agenten, nicht aber in ihrem eigenen verrotteten Herrschaftssystem gesucht werden müsse; aber alle - und das ist das Wesentliche - bestätigten die Tatsache der zunehmen­ den Gärung. In den Basel benachbarten badischen Oberlanden klagten die Beamten im Juni 1798 über den .fatalen Eindruck *, den die Nachricht von der Abschaffung aller Zehnten durch die Schweizer Nationalversammlung machte, so daß .viele Leute in dieser Gegend auch danach lüstern * wurden. Der Kammerkonsulent Roth warnte, die geringste Schwäche zu zeigen, da sonst der Geist der Widersetzlichkeit .sich wie ein Lauffeuer überall verbreiten' würde; er versprach, .nicht einen Halm von dem jetzt einzuheimsenden Heuzehnten nachzulassen', und wollte dafür notfalls Truppen requirieren.5 Aber mag eine solche Gesinnung ihm auch geholfen haben, innerhalb eines guten halben Jahres vom Kammerkonsulenten zum Amtmann aufzusteigen, die zunehmende Gärung der Bevölkerung verstärkte er höchstens damit. In seinen Berichten vom Anfang März 1799 nach Karlsruhe waren Ratlosigkeit, Ohnmacht und Furcht an die Stelle einstiger Entschlossenheit getreten. In den fürstenbergischen Ländern, die an den Schaffhausener Bezirk der Schweiz grenzten, trug sich die Herrschaft mit dem Plan, den anwachsenden Druck von unten durch die Aufhebung der Leibeigenschaft aufzufangen.6 Im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen forderten die Bauern nicht nur dasselbe, sondern sie setzten es auch durch und erzwangen darüber hinaus weitere Zugeständnisse. Sie huldigten am 26. Juni 1798 dem neuen Landesherrn erst, nachdem er einen Vergleich unterzeichnet hatte, der die Leibeigenschaft aufhob, den herrschaftlichen Wild­ bestand auf drei Tiergärten reduzierte, die Hag- und Jagdfronen fixierte, die übrigen Dienste milderte, die Erhebung des Hauptfalls beschränkte, die Schulden der Landes­ steuerkasse und die Steuerrückstände der einzelnen Gemeinden liquidierte und die Heranziehung der Steuerfreien zur Landesschuldentilgung versprach. Außerdem stimmte der Fürst der Bildung einer Steuerdeputation aus zwölf Vertretern der Stadt und des Landes zu, die das Aufsichtsrecht über die Landesschulden und das Recht der Steuer- und Anleihebewilligung besaß.78Madeweiß wünschte dem Fürsten, .daß er durch eine kluge und weise Regierung seine in der Tat sehr unruhigen Untertanen von seinen väterlichen Gesinnungen gegen sie überzeugen und sie zu guten Bürgern machen möge'.0 Der Landvogt von Rottenburg in der vorderöster­ 4 .On compte plus sur les conquêtes des imprimeurs que sur celles des canons; des apôtres à moi connus travaillent dans ce moment les villes libres impériales de la Souabe; dans le Duché de Wurtemberg il faut s'attendre à tout, et l'explosion ne se fera qu’après la victoire assurée.' SZA Prag, Abt.V, Mettemichsches Familienarchiv, Frandsco-Georgicum, Varia, Fasc. 4. 6 Politische Correspondenz..a. a. O., Bd. 3, S. 111. * Barth, F. K., a. a. O., S. 40. 7 Cramer, J., a. a. O„ S. 405 ff. 8 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fasc. 37, Bd. 3, Bl. 200.

1. Obetschwaben und Oberrhein

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reichischen Niederen Grafschaft Hohenberg klagte lebhaft über die Wirkung der vor allem aus dem angrenzenden Württemberg ausgehenden revolutionären Pro­ paganda. Er riet in einem Schreiben an Sumerau vom 6. Mai, den .Freiheits- und Revolutionspredigern' im ganzen schwäbischen Kreis die österreichische Geheim­ polizei auf den Hals zu hetzen, .denn die Aufruhrbewegungen in hiesigen Gegen­ den werden wirklich zu laut und zu frequent *. 9 Das überstieg jedoch, wie Sumerau feststellen mußte, die Kraft der Freiburger Polizeidirektion.10 Zweifellos stand das württembergische Beispiel dem anonymen Verfasser der 1798 in Straßburg er­ schienenen Flugschrift .Über die Notwendigkeit eines landständischen Kongresses in Oberschwaben' vor Augen. Er ging jedoch bereits weit darüber hinaus: Nicht eine herkömmliche Ständevertretung, sondern eine aus Urwahlen hervorgehende Volksrepräsentation, die ganz Oberschwaben vertrat, war mit dem landständischen Kongreß gemeint.11 Im Kemptener Land forderten die Bauern über ihre landstän­ dische Vertretung .die Zurückgabe der ihnen von den Förstern durch List und Gewalt abgemarkten und entrissenen Hölzer und Viehweiden' und verlangten dar­ über hinaus, .daß zur Tragung der Kriegskosten alle bisher befreit gebliebenen Grundstücke, Güter und Besitzungen, auch selbst das herrschaftliche Eigentum, der allgemeinen Kollektation einverleibt werden sollen'.12 Im Allgäuer Gebiet des Hochstifts Augsburg, wo es bereits in den vergangenen Jahren wegen der Wildplage zu offenen Widersetzlichkeiten gekommen war, ver­ suchte die herrschende Klasse, die zunehmende Gärung in einem Blutbad zu er­ tränken. Unter der Losung .Entweder wir oder das Wild - eins muß hin seinl' ver­ einigten sich die Bauern zu einer förmlichen Verbindung, schossen das Wild nieder, .achteten auf kein hierauf sich beziehendes Regierungsdekret, nahmen den Jägern das Wildbret weg, raubten und zerrissen die Jagdzeuge, kurz: sie wollten das Jagd­ wesen ganz zerstören, ohne sonst in einem Stücke den Gehorsam aufzukündigen... Sie schrieben gewöhnlich unter die Regierungsbefehle, welche ihren Ungehorsam verboten, neben dem lateinischen L. S. (loco sigilli - H. S.) .laßt's schwatzen'1* Die Regierung zu Dillingen erklärte die Bauern für Rebellen und schickte zu ihrer Unter­ drückung außer 40 bischöflich-augsburgischen Soldaten die doppelte Zahl kaiser­ licher Sklavonier, die kein Wort Deutsch verstanden. Nur nachts und durch Wälder näherten sie sich dem Unruhezentrum Oberdorf, wo zwei voraufgesandte Hofräte eine vielköpfige Menge unbewaffneter Bauern unter dem heuchlerischen Versprechen, eine gütliche Einigung mit ihnen treffen zu wollen, auf dem Schloßhof zusammen­ riefen. Das im Walde versteckte und durch einen Spion schnell herbeigeholte Militär umzingelte darauf das Schloß, besetzte alle Zugänge und begann ein blutiges Ge­ metzel unter den Wehrlosen. Von denen, die nicht tot oder verwundet auf dem Platze blieben, wurden zwanzig ins Zuchthaus geworfen und sechzehn ins kaiserliche * GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1388. 19 Ebenda, Schreiben Sumeraus vom 15. 5. 1798. 11 Hölzle. Erwin, Württemberg im Zeitalter Napoleons und der deutschen Erhebung. Eine deutsche Geschichte der Wendezeit im einzelstaatlichen Raum. Stuttgart u. Berlin 1937, S. 53 Anm. 2. 11 .Nationalzeitung', Jahrg. 1798, 18. Stück, Sp. 380.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Militär gesteckt, »indes die Erbitterung im Lande teils in Klagen und Verwünschun­ gen ausbricht, teils noch mehr Wut im Innern kocht als zuvor'.13 In den schwäbischen Reichsstädten erhielten die demokratischen Kräfte durch die Schweizer Ereignisse ebenfalls Auftrieb. Dieselbe Oligarchie, die in Bern und in anderen Schweizer Städten gestürzt worden war, hatte hier immer noch die Herr­ schaft inne. In Augsburg erhoben im September 1798 die Schneidergesellen die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung. Die Entschlossenheit, mit der die Altgesellen dies Verlangen vor dem Handwerksgericht vertraten, versuchte man dadurch zu brechen, dafj man sie in Arrest setzte. Daraufhin traten sämtliche Schneidergesellen und mit ihnen viele Schuster, Schlosser, Schäftler in einen Protest­ streik, zogen durch die Strafen .und forderten die Freilassung der Altgesellen mit Ungestüm'. Der Streik dauerte volle sechs Tage und endete mit der Ausweisung der Altgesellen am 16. September, denen sich die übrigen Gesellen aus Solidarität anschlossen. Diese plebejische Erhebung erlitt damit zwar keine Niederlage, aber erzielte auch keinen Erfolg; das Bürgertum ging ihr gegenüber mit dem patrizischen Stadtregiment Hand in Hand und sicherte als Bürgermilitär mit der Waffe die herr­ schende Ordnung.1* In der Reichsstadt Efjlingen hatte der Magistrat in einer öffentlichen Verlautbarung vom 8. März 1798 vor den revolutionären Umtrieben der Syndikatsdeputation gewarnt.15 Die Syndikatsdeputierten waren 1792 von der Bürgerschaft zur Führung eines Prozesses gegen den Magistrat bevollmächtigt worden und betrachteten sich auch jetzt noch als ihre berufenen Sprecher. Sie hatten, wie aus der gedruckten Antwort vom 12. März auf die Warnung des Magistrates hervorgeht, ohne dessen Wissen die Entschädigungsverhandlungen in Rastatt zum Anlafj genommen, um den Anschluß der Stadt an Württemberg zu betreiben, .dessen Grundgesetze jeden Ein­ wohner gegen Gewalt und Unterdrückung sichern und dessen Landstände für das Wohl des Volkes wachen, wenn es auch vielleicht dem Fürsten einmal beifallen sollte, die Grenzlinie seiner Gewalt zu überschreiten, welches jedoch bei der gegen­ wärtigen Stimmung der Völker und dem Geiste der Zeit so leicht nicht zu besorgen ist,...' Ungescheut bekannten sich die Deputierten zu diesem Schritt, »denn, wir gestehen es vor Gott und der Welt, wir können es nicht länger unter dem eisernen Zepter aushalten, womit die Mehrheit unseres Magistrates uns im Staube darnieder hält; wir wollen nicht länger unseren sauren Schweif) verschwenden lassen; wir wollen nicht im Elende schmachten, um ein Dutzend Familien zu bereichern; wir wollen unsere angestammten Menschenrechte nicht mit Füfjen treten lassen,.. .'ie Der Magistrat denunzierte diese Schrift beim Reichshofrat als .Revolutionsprokla­ mation' und erwirkte im Mai 1798 die Suspendierung der Deputation.17 In Reut­ lingen dagegen gelang es der vom Zwölferausschufj geführten Opposition bei den Wahlen 1798 sogar, ihren entschiedensten Sprecher, Dr. Fezer, in das Amt des regierenden Bürgermeisters zu bringen.18 *’ 15 11 *•

Ebenda, Sp. 691/92. “ Ebenda, Sp. 855/56. CLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382. ’• Ebenda. .Neueste Weltkunde' vom 28. 5. 1798. .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1799, Bd. 3, S. 326.

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Die Ulmer Opposition spielte innerhalb der antioligarchischen Bestrebungen in den schwäbischen Reichsstädten eine zentrale Rolle. Dazu befähigte sie in erster Linie ihre starke Stellung gegenüber dem eigenen Magistrat die aus ihrer inneren Ge­ schlossenheit resultierte; Bürger, Plebejer und Bauern bezogen hier eine gemeinsame Frontstellung. Das im Frühjahr 1798 in der Reichsstadt zirkulierende Gedicht .An Ulms Bürger' sprach im Namen der Stadt- und Landbevölkerung; die erste und die letzte Strophe lauteten: .Der Bürger ist der erste Mann im Staate, und keinen Vorzug hat der Mann im Rate, als Bürger sind wir alle gleich. Ja dem, der stolz und blähend sich will heben, dem muß man deutlich zu verstehen geben, er sei der erste Tor im Deutschen Reich.

Kongreß zu Rastatt! Du wirst hintergangen. Man schickt Gesandte, die von dir verlangen mit kriechend schmeichelndem Besuch: Der Konstitutionen fernre Dauer; es wünsche sie der Bürger und der Bauer. Der Lüge! - Beide geben ihr den Fluch. * 10 Sie fluchten nicht nur der alten Verfassung, sondern machten sich daran, sie in ver­ schiedenen Bereichen außer Kraft zu setzen. In dem zu Ulm gehörigen Dorfe Alten­ heim lehnte sich die ganze Gemeinde gegen obrigkeitliche Verfügungen auf und verhinderte, daß wegen Wildfrevel verhängte Strafen vollstreckt wurden. * 0 Die entschiedensten oppositionellen Kräfte und zwar wiederum in Stadt und Land waren bereits so kühn, die Gemeinsamkeit ihrer Gesinnung durch ein gemeinsames äußeres Abzeichen zu dokumentieren. Der im Auftrag des vorderösterreichischen Landespräsidiums die Entwicklung in den schwäbischen Reichsstädten sorgfältig beobachtende Oberamtsrat Dr. Herr aus Günzburg berichtete am 12. August: .Der Neuerungs- und Revolutionsgeist ist bereits in jener Stadt so weit gediehen, daß sich mehrere Bürger durch Tragen eines grünen Bandes am Knopfloch oder Hut vor anderen auszeichnen... Auch auf dem Lande des dortigen Gebietes, nämlich in dem Orte Merklingen, haben sich schon diese Unterscheidungszeichen einschleichen wollen,.. .* 21 Der entschieden demokratische Charakter der Opposition äußerte sich auch darin, daß ihr die Organisationsmöglichkeiten im Rahmen der in Sonder­ interessen befangenen Zünfte nicht mehr genügten. Der Bürgerausschuß unter der Führung des Syndikus Holl erklärte dem Magistrat, daß er in Zukunft nicht mehr die einzelnen Zünfte in Gruppen, sondern stets die gesamte Bürgerschaft zusammen­ berufen würde, weil sich so der .allgemeine Wille' klarer feststellen ließe.22 M GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382. Vgl. auch Etidrif), Julius, Die Ulmer Aufklärung 1750 bis 1810. Ulm 1942, S. 17. Hier ist die erste Strophe des Gedichts in leicht veränderter Fassung ebenfalls abgedruckt. n GLA Karlsruhe, Abt 79, Nr. 1382, Bericht des Dr. Herr vom 12. 8. 1798. n Ebenda. R Dürr, Lote, a. a. O., S. 94.28 28 SOddeutscbe Jakobiner

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VIL Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Wie die Eglinger fühlten auch die Ulmer insgeheim vor, ob mit einer Einverleibung ihrer Stadt durch Württemberg zu rechnen wäre, das mit seiner ständischen Ver­ fassung jedem anderen Territorium vorzuziehen war. Der Ulmer Magistrat war durch eine Nachricht der Frankfurter Oberpostamtszeitung vom 1. März darauf aufmerksam geworden, die von derartigen Bestrebungen in Ulm, Memmingen und Reuttlingen zu berichten wugte. Außerdem war von einem ulmischen Abgesandten die Rede, der in Rastatt mit den französischen und württembergischen Gesandten Gespräche geführt und sich dann nach Paris begeben habe.23 In Rastatt selbst hatte Aufenthalt und Weiterreise des ulmischen Deputierten ebenfalls Aufsehen erregt.24 Syndikus Holl, vom Magistrat Ulms darüber befragt, antwortete freimütig, dag in der Tat der Bürgerausschug .sich nicht ganz wie eine Herde behandeln lassen und bei der Austeilung des politischen Loses nicht ganz untätig bleiben * wollte, darum einen engeren Ausschug gebildet und durch diesen schlieglich einen Bevollmächtig­ ten abgeschickt habe, der bei geeigneten Stellen zuverlässige Erkundigungen ein­ ziehen sollte. Dag dies alles ohne Wissen der Obrigkeit geschah, begründete er damit, dag .der Magistrat das Zutrauen seiner Bürgerschaft verloren' habe und von ihm keine Hilfe, sondern nur Widerstand zu erwarten gewesen wäre.25 Der Abgesandte des engeren Ausschusses war, wie der Oberamtsrat Dr. Herr für die vorderösterreichische Regierung ermitteln konnte, ein gewisser J. G. Müller, der eigentlich Bärenstecher hieg, im Württembergischen geboren war, in Cleve eine Buchhandlung und in Kehl eine Tabakfabrik betrieben hatte, bis ihm beim Bom­ bardement dieser Stadt sein ganzer Besitz zusammengeschossen worden war. In Ulm erhielt er als hervorragender Kenner der Tabakverarbeitung eine hochbezahlte Anstellung, die ihm 1000 Gulden eintrug, bei der neuerrichteten Tabakfabrik Hoch­ eisen, Seeger und Compagnie, ohne dag sein unternehmender Geist davon ausgefüllt wurde. .Er ist ein Mann von sehr vielen Kenntnissen und beinahe in der ganzen Welt bekannt', schrieb Dr. Herr. «Er ist ein groger Freund von Projekten und will alles im grogen tun; er ging anfänglich damit um, das Ulmer Ried in eine Kolonie zu verwandeln, Fabriken anzulegen und weitaussehende Dinge zu unternehmen, wobei es aber immer und hauptsächlich an Geld und anderer Unterstützung fehlte.'28 Nun hatte er den ebenfalls ins Groge gehenden politischen Auftrag des engeren Bürgerausschusses übernommen. Nach den Ermittlungen, die der ulmische Rats­ konsulent Miller in Rastatt anstellte, hatte Müller alias Bärenstecher Eingang bei der französischen Gesandtschaft gefunden und im Namen des engeren Ausschusses ” GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382, Bericht des Dr. Herr vom 6. 6. 1798. 11 So berichtete die preußische Gesandtschaft am 24. 2. 1798 aus Rastatt nach Berlin: .Die Unzufriedenheit dieses Bürgers mit seinem Magistrat und den üblen Geist der Einwohner dieser Stadt kennend, die sich mit ihrem großen Territorium sehr wohl in eine Republik zu verwandeln wünschen und in Paris als dafür geeignet gehalten werden könnte, betrachten wir diese Maßnahme als gefährlich.' (.Connaissant le mécontentement de ce bourgeois contre son magistrat et le mauvais esprit des habitants de cette ville, qui avec son grand territoire pourrait bien vouloir se former en république et être jugée à Paris propre pour cela, nous voyons cette mesure dangereuse. ) * DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 25. » GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382, Bericht des Dr. Herr vom 6. 6. 1798. “ Ebenda.

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um die Hilfe des Direktoriums dafür gebeten, .daß Ulm von dem aristokratischen Druck des Magistrates befreit, die Menge der bisher eingeschlichenen Mißbrauche abgeschafft und der Bürgerschaft bei der Verwaltung des gemeinen Wesens Anteil gegeben werde. Wenn dieses nicht geschehe, so würde sich die Bürgerschaft lieber der Landeshoheit von Württemberg unterwerfen, wo sie doch wenigstens glaubte, besser zu fahren als unter der bisherigen Patriziatsregierung. * 87 Wahrscheinlich ging die Zielsetzung der Ulmer Opposition noch über das hier Mitgeteilte hinaus, und Dr. Herr hatte sicher mit seiner Vermutung recht, daß »die Mißvergnügten in Ulm ... mit auswärtigen, besonders reichsstädtischen Klubs in einer geheimen Kon­ föderation stehen und nach einem konzentrierten Plane handeln . * 88 Wie die preu­ ßische Gesandtschaft in Rastatt Anfang April 1798 von Reisenden, die eben aus Paris eingetroffen waren, erfuhr, hatte sich Müller dort mit einem anderen Deutschen zusammengetan und dem Direktorium vorgeschlagen, .zum Mittelpunkt der schwä­ bischen Republik die Stadt Ulm zu machen und sie durch andere Reichsstädte und die benachbarten Gebiete des reichsunmittelbaren Adels zu erweitern'.27 28* 32Die An­ nahme, daß Müller nicht bloß für Ulm sprach, wird dadurch erhärtet, und sie ist schließlich von ihm selbst in einem späteren Briefe an das helvetische Direktorium bestätigt worden, worin er sich als »Repräsentant von Ulm und anderen Reichs­ städten in Rastatt und Paris' bezeichnete.20 Die Ulmer Opposition war bemüht, die französische Regierung für ihre Bestrebun­ gen zu interessieren; wenn überhaupt, so konnte sie nur dann auf Erfolg hoffen, wenn sie mehr als das kleine Ulm vertrat. Aus der ersten Zielsetzung ergab sich darum notwendig die zweite, nämlich die Unterstützung und Koordinierung der oppositionellen Regungen in den anderen schwäbischen Reichsstädten. Vornehm­ lich dem ersten Ziel, aber mittelbar auch dem zweiten dienten die Kampfschriften des Schweizer Buchhändlers und gebürtigen Ulmers Heinzmann. Heinzmann hatte am 6. Mai 1798 seine Heimatstadt aufgesucht; aber schon am nächsten Tage war ihm durch den Bürgermeister bedeutet worden, daß er die Stadt unverzüglich wieder zu verlassen habe. Heinzmann nahm diese Maßregelung zum Anlaß, um in einem gedruckten Schreiben an Posselt, den Herausgeber der .Weltkunde' 21, und in einem in Straßburg in französischer Sprache erschienenen Traktat22 die Willkür des aristo­ 27 Ebenda. w Ebenda. n .Le bourgeois d'Ulm, nommé Müller,... est associé à un autre et doit avoir proposé au Directoire exécutif de faire de la ville d'Ulm le centre de la République Souabe et d'aug­ menter par d'autres villes impériales et les territoires de la noblesse immédiate qui l'avoi­ sinent.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 168. M Amtliche Sammlung der Acten aus der Zeit der Helvetischen Republik (1798-1803), im Anschluß an die Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede. Freiburg 1940, Bd. 12, S. 393. 21 Das Schreiben wurde sowohl in der .Neuesten Weltkunde' wie in den .Beilagen zur Ober­ rheinischen Zeitung', in der .Nationalzeitung', den .Staatanzeigen' und im .Moniteur uni­ versel' abgedruckt. Gradmann, Johann Jakob, a. a. O., S. 228. 32 Exposé d'un traitement arbitraire et violent éprouvé par un citoyen d'Ulm de son magistrat. Modèle du gouvernement aristocratique de la Souabe. 1 Prairial an VI de la République, Strasbourg. 28»

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VU. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

kratischen Regiments in Ulm und in Schwaben überhaupt anzuprangem: .Es ist für die Regierung Frankreichs und für alle Republikaner von Wichtigkeit, eine Be­ gebenheit kennenzulemen, die jede Sicherheit verletzt und großen Widerwärtig­ keiten die Bürger aussetzt, die sich der heiligen Sache der Freiheit und des Glücks der Völker gewidmet haben. Diese Begebenheit ist so grausam, so unerhört und so neu in ihrer Art, daß sie in der Zeit, in der wir leben, nahezu unglaublich ist, und der Bericht wird sicherlich auf alle freien und aufrichtigen Herzen Eindruck ma­ chen, die ehrlich auf die Fortschritte und die Befestigung der wahren Freiheit bedacht sind. * 83 Die Schwäche des Magistrats verriet sich darin, daß er kein anderes Gegenmittel wußte, als durch den Ratskonsulenten Dr. Härlin eine lahme Verteidigungsschrift verfassen und drucken zu lassen, in der der kaiserliche Festungskommandant als der eigentliche Initiator und der Magistrat als bloßes ausführendes Organ dar­ gestellt wurde.34 Diese Schrift gab Heinzmann die gewünschte Gelegenheit, mit Widerlegungen zu antworten, die rasch und umsichtig verbreitet wurden.35 Zwar konnte der kaiserliche Bevollmächtigte die meisten der nach Rastatt geschickten Exemplare konfiszieren lassen, aber - so berichtete Dr. Herr - .dessen ohngeachtet wußten Heinzmann und seine Freunde so viele Stücke ins Publikum zu bringen, daß nun diese Broschüre aller Orten und vorzüglich von den mißvergnügten Bürgern der schwäbischen Reichsstädte mit vieler Teilnahme gelesen wird. Die lebhafte Sensation, womit diese Schrift von den mißvergnügten Bürgern in Ulm aufgenom­ men und verschlungen wurde, hat den dortigen Magistrat so außer Fassung ge­ bracht, daß er sich gar nicht getraut, eine Verfügung zu treffen, diese Schrift zu unterdrücken oder auf die Verfasser und Verbreiter derselben, die man vielleicht entdecken könnte, zu inquirieren.' 35 Ganz eindeutig dokumentierte sich die Tendenz, die reichsstädtische Opposition in Schwaben zu koordinieren und ihr in Ulm ein lenkendes Zentrum zu geben, in der im Sommer 1798 erschienenen, zwei Bogen starken Flugschrift .Aufforderung und 35 .H importe au gouvernement de France et A tous les républicains de connaître un fait, qui blesse toute sûreté et expose A de grands malheurs les citoyens qui se sont voués A la sainte cause de la liberté et du bonheur des peuples; ce fait est si cruel, si inouï et si neuf en son genre, qu'il est presque incroyable au temps où nous vivons, et l'exposé fera sûrement sensation sur tous les cœurs francs et sincères, qui de bonne foi s'attachent au progrès et A l'affermissement de la vraie liberté I' GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382, Beilage zum Bericht des Dr. Herr vom 19. 6. 1798. 34 (Härlin, Johann Gottfried Benjamin), Aktenmäßige Darstellung betreffend den von Ulm auf Verlangen des dasigen k. k. H. Festungskommandanten Obristen von Schaumburg sich zu entfernen angewiesenen Buchhändlers G. Heinzmann. Mit Beilagen von Nr. 1-4. Ulm 1798. 54 Vorläufige Replik auf ein magistratliches Entschuldigungsblatt, datiert Ulm, den 6. Juni 1798. Freimütige und ernsthafte Prüfung und Widerlegung der sogenannten aktenmäßigen Dar­ stellung des Magistrats der Reichsstadt Ulm, betreffend die Landesverweisung des ulmischen Bürgers und Buchhändlers J. G. Heinzmann. Von einem reichsstädtischen Bürger. Mainz u. Köln bei Hammer, Juli 1798. Gradmann, Johann Jakob, a. a. O., S. 229. 33 GLA Karlsruhe. Abt. 79, Nr. 1382, Bericht des Dr. Herr vom 8. 9. 1798.

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Belehrung an alle reichsstädtischen Bürger in Schwaben'.37 Dr. Herr, der am 12. August in einem Bericht darauf aufmerksam machte und ihr eine weite Ver­ breitung bestätigte, schätzte Absicht und Bedeutung der «Aufforderung und Be­ * lehrung von seiner Warte durchaus richtig ein: »Wenngleich diese Schrift nicht so laut die Sprache des Revolutionsgeistes führt, so ist sie doch voll eines sehr ent­ scheidenden Neuerungsgeistes und bezielt offenbar, diesen unter alle Städte zu ver­ breiten und so durch eine gefährliche Konspirationsaufforderung gleichsam zum Gemeingeiste zu machen. Zwar will sie ihre böse Absicht mit dem Schleier reichs­ konstitutionsmäßiger Maßregeln beschönigen, allein die darinnen aufgestellten, den reichsoberhauptlichen Gerechtsamen so nachteiligen Grundsätze beweisen deutlich das Gegenteil. Ich besorge daher, daß diese so ganz eigentlich für den gemeinen Bürger verfaßte Flugschrift die vorhabende Ausgleichung des Zwistes der Bürger­ schaft mit dem Magistrat in Ulm ... erschweren und die Forderungen der Bürger­ schaft an den Magistrat Überspannen dürfte. Da diese unglückliche Reichsstadt abermals der vorzüglichste Verbreitungsort dieser unruhestiftenden Schrift ist, so ergibt sich hieraus eine neue Bestätigung, daß der eigentliche Sitz und Keim der Revolutionsseuche für Oberschwaben in Ulm sowie für Niederschwaben in Stuttgart sei.' 38 Die in der Vorrede geäußerte Absicht, »das Ganze dem gemeinen Bürger, dem Handwerksmanne ebenso verständlich' zu machen, unterstreicht den demo­ kratischen Charakter der Ulmer Opposition.39 Noch deutlicher wird die revolutionär­ demokratische Gesinnung in den abschließenden konkreten Ratschlägen: .Vereinigt euch zuerst in der Stille untereinander, wendet euch zuerst in Privatbriefen an ein­ zelne gute Freunde in benachbarten Reichsstädten, entwerft eine neue, jeder Reichs­ stadt im allgemeinen anpassende Konstitution; wenn ihr damit fertig seid, so zieht noch einige andere gutgesinnte, patriotische Mitbürger in eure Verbindungen; wenn ihr diese gewonnen habt, so legt diese neue Konstitution euem ganzen Bürger­ schaften zur Prüfung vor; findet sie Beifall, so laßt dieselbe Mann für Mann unter­ zeichnen, ernennt Deputierte, redliche Männer von Verstand und Einsicht, schickt dieselben, mit gültigen Instruktionen und mit der neuentworfenen Konstitution versehen, an den Kaiser, an die Reichsgerichte und an den Kongreß zu Rastatt, laßt sie eure Lage mit den lebhaftesten Farben schildern, laßt im Namen einer Anzahl von mehreren Tausenden unzufriedener Bürger Hilfe und Unterstützung fordern; ... seid beharrlich, und es wird gelingen;...' Die Ulmer Opposition ließ es nicht bei diesen Ratschlägen bewenden, sondern ging mit gutem Beispiel voran: Der Bürgerausschuß arbeitete den Entwurf einer neuen Verfassung mit teilweise entschieden demokratischen Zügen aus. Der äußere Rat sollte als Repräsentation der gesamten Bürgerschaft ohne Rücksicht auf Stände und Zünfte von den einzelnen Stadtquartieren und auch vom Landgebiet, in dem die ,T Aufforderung und Belehrung an alle reichsstädtischen Bürger in Schwaben, die Gefühl für bürgerliche Ruhe haben und denen das Wohl ihrer Zeitgenossen und Nachkommen am Herzen liegt. Von einem reichsstädtischen Bürger. Mainz o. J. M GLA Karlsruhe, Abt. 79, Nr. 1382, Bericht des Dr. Herr vom 12. 8. 1798. M Aufforderung und Belehrung..., a. a. O„ S. 8. 45 Ebenda, S. 28/29.

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Leibeigenschaft aufzuheben war, gewählt werden, wobei allerdings ein Zensus den Kreis der Wahlberechtigten einschränkte. Der innere Rat, der aber ebenfalls direkt von der Bürgerschaft gewählt werden sollte und dessen Präsident die Funktion des Bürgermeisters ausübte, bildete die Exekutive. Die Legislative sollte vom äußeren Rat unter Mitwirkung des inneren ausgeübt werden. Alle Gesetze bedurften jedoch außerdem noch der Sanktionierung durch die Bürgerschaft.41 Wahrscheinlich griffen diese Bestrebungen zur Zusammenfassung der reichsstädtischen Opposition sogar noch über den schwäbischen Kreis hinaus, denn nachdem bereits ein von den oligarchischen Magistraten beschickter schwäbischer Städtetag am 12. März die Hilfe von Kaiser, Reichstag und Reichsdeputation gegen die »Übel­ gesinnten' und für die Erhaltung der bestehenden Verfassung angerufen hatte, folgten die fränkischen Städte am 23. Mai ebenfalls diesem Beispiel.42*Der Druck der Opposition hatte jedenfalls schon eine solche Kraft erhalten, daß die bedrohten Magistrate nicht nur klägliche Hilferufe an Kaiser und Reich aussandten, sondern daß bei einzelnen Vertretern des reichsstädtischen Patriziats bereits die Erkenntnis aufdämmerte, daß dieser Kraft nicht mehr allein mit Repressalien zu begegnen war. So forderte der Vertreter Heilbronns auf dem Kongreß der schwäbischen Reichs­ städte zu Ulm am 6. März dazu auf, .die Magistrate von Seiten des Kollegiums auf­ merksam auf die Fortschritte des menschlichen Geistes zu machen, ... schädlichen Vorrechten aus Liebe zum gemeinen Wohl, selbst wenn sie privilegiert wären, zu entsagen und durch freiwillige Kommunikationen mit den Bürgern sowohl ihren Beirat zu prüfen als ihr Vertrauen uns eigen zu machen'.42 Der Schweizer Johann Georg Müller, Schulmann in dem Schwaben benachbarten Schaffhausen, faßte seine Eindrücke über die dortige Entwicklung in einem Brief vom 8. September 1798 in die Worte zusammen: .Es ist überhaupt eine sonderbare Krisis. Während der langen Unterhandlungen zu Rastatt wird der benachbarte Boden immer mehr unterhöhlt und der Zusammensturz einer Höhle könnte den Erdboden weit und breit nach­ reißen.' 44 Am nördlichen Oberrhein war der mobilisierende Einfluß der Schweizer Ereignisse schwächer, um so stärker aber der der bürgerlichen Umwälzungen, die unter der Leitung des französischen Regierungskommissars Rudler im besetzten Linksrheini­ schen vorgenommen wurden. Zudem betrachteten dsrhenanische Kreise trotz An­ nexion die Einführung der bürgerlichen Ordnung auf dem linken Ufer nach wie vor als eine Vorstufe für die Umgestaltung ganz Deutschlands. Diese Bestrebungen hatten mit dem Scheitern der Pläne Augereaus zweifellos einen schweren Rückschlag er­ litten, aber sie waren gerade von den entschiedensten linksrheinischen Revolutio­ nären keineswegs aufgegeben worden. Sie mußten lediglich unter den veränderten Bedingungen andere Formen annehmen. Rebmann entwickelte, ausgehend von den nun einmal gegebenen Tatsachen, eine neue Perspektive. In dem Aufsatz .Einige 41 a 41 44

Dürr. Lore, a. a. O., S. 98. .Nationalzeitung', Jahzg. 1798, 25. Stuck, Sp. 508. .Neueste Weltkunde' vom 11. 4. 1798. Der Briefwechsel der Brüder J. Georg Müller und Joh. v. Müller, a. a. O., S. 145.

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Worte über mich selbst und mein Schicksal und bei Gelegenheit desselben , * der 1798 im Aprilheft der .Geißel * erschien, schrieb er: .Die Teilung Deutschlands... ist nunmehr nach.... Unter solchen Umständen mag kein freier Mann fürs erste das Bürgerrecht eines Volks von 30 Millionen beibehalten, das sich wie einen Kuchen unter drei oder vier Gewalthaber verteilen läßt. Ich mag weder Preufje noch Öster­ reicher, noch Hesse sein, wenn ich einer dieser Mächte wie ein Sklave zufallen soll, über den das Los geworfen wird. Und so werde ich Franke, nicht weil ich Custinen gehöfelt habe oder weil ich auf Freiheit, die von anderen geschenkt wird, viel Wert lege, sondern weil das Volk am linken Rheinufer doch Wochen lang eine Art von Stellvertretern gehabt und sich selbst mit Frankreich vereinigt hat, weil doch in Köln, in Worms und Alzey Freiheitsbäume nicht auf Befehl, sondern aus eigener Regung und selbst zu einer Zeit gepflanzt wurden, wo es noch ein großes Problem war, ob die Republik Frankreich die verwegenen Sprecher schützen würde."45

Rebmann scheute sich auch nicht, jetzt die Autorschaft seiner in der .Laterne * Veröffentlichten, entlarvenden Kritik an der französischen Deutschlandpolitik zu leugnen, als das Direktorium Ende März 1798 seine Ernennung zum Richter in Mainz nicht bestätigte und seine Ausweisung aus den besetzten linksrheinischen Gebieten anordnete.46 Rebmann tat dies und setzte sich damit durch, weil er im Linksrheinischen am besten für die Revolutionierung des übrigen Deutschlands ar­ beiten zu können glaubte: .Freunde der Freiheit in Deutschlandl Wenn, wie kaum mehr einem Zweifel unterworfen ist, einige mächtige Raubtiere euer Vaterland vollends unter sich teilen: ...wenn der Troß der Obskuranten das Übergewicht erhält; so eilt in die Gegenden des linken Rheinufers. ... lagt uns alle gemeinschaft­ lich unsere Kräfte vereinigen, um in unseren deutschen, nun frei gewordenen De­ partements der Welt zu zeigen, was ein moralisches, kräftiges Volk durch ver­ nünftige Formen auszurichten vermag. Laßt euch nicht durch den Gedanken abschrecken, daß Frankreich uns eine Zeitlang stiefmütterlich behandeln möchte; diese Prüfungszeit ist kurz, und in längstens einem Jahre wählen wir selbst unsere Obrigkeiten. Wenn wir echten Freiheitsfreunde uns die Hand reichen, so sind wir allmächtig. Das Departement von Donnersberg, die schönen Rheinufer müssen zur Freistätte aller deutschen Freiheitsfreunde werden, die auf ihr altes Vaterland noch wirken wollen. Von diesem Sinai aus möge noch einst eine vernünftige Form, eine auf Menschenrecht beruhende Gesetzgebung von Deutschen für Deutschland aus­ gehen. So unmäßig vorteilhaft auch dieser Friedensschluß für die Überbleibsel der Koalition ist; so wenig er auch den billigen Erwartungen der Republikaner ent­ spricht; so sehr auch dabei die Überwundenen statt der verdienten Strafe gewonnen haben; so ist er doch der Fortpflanzung der Freiheit weit günstiger als die Staats­ männer glauben, die ihn so schnell unterzeichneten. Was kümmert uns im Grunde, daß Hessen-Darmstadt etwa Frankfurt, Bayern Nürnberg und Windsheim ver­ schlingt ... Wir geflüchteten Freiheitsfreunde leiten indes von Mainz aus die öffent­ liche Meinung, wir lachen der Zensuren in Deutschland, da wir in Mainz drucken « .Die Geißel', 2. Jahrg., H. 4, S. 72/73, 1798. 44 .Neueste Weltkunde' vom 19. und 21. 4. 1798.

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lassen, was wir wollen, und ein Kahn führt es ja über den Rhein! Die Schweiz vollendet indes ihre... Umwandlung; die dsalpinische Republik erhält Kraft und Bedeutung. Je ärger es über den Rhein inzwischen hergehen mag, desto besser für uns, denn desto eher müssen Seiner Kaiserlichen Majestät neu eingetauschte und eingefeilschte Untertanen Rache nehmen... Was sind drei, fünf, zehn Jahrei Die Grundsätze, nicht die Waffen müssen die Despoten stürzen. Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, nicht zum Geschenk erhalten.'17 War die Möglichkeit der revolutionären Einwirkung mit Hilfe einer von Augereau geführten Armee zer­ schlagen, so blieb doch die Möglichkeit des ideologischen Einflusses, wenn sich der Erfolg auch erst in Jahren zeigen sollte. Ähnlich wie Rebmann entwickelte der alte Mainzer Klubist Becker im Frühjahr 1798 den Gedanken, das Linksrheinische zum Sammelplatz fortschrittlicher Geister zu machen, die aus dem rechtsrheinischen Deutschland an eine zu gründende Zentralschule nach Mainz zu berufen wären: .Es kann nicht fehlen, daß durch eine Anstalt dieser Art der Same demokratischer Grundsätze auch noch auf anderen Boden als republikanischen werde verbreitet werden.' 46 In der Tat traten die Munizipalitäten von Köln und Mainz im Juli mit dem Wunsche an Rudler heran, für die in ihren Städten zu errichtenden Zentral­ schulen namhafte Gelehrte aus Deutschland zu gewinnen. Köln nannte Schelling, den Mathematiker Pfaff aus Helmstedt und den Religionsgeschichtler und Orien­ talisten Paulus aus Jena; Mainz schlug den verfolgten Gründer des Illuminaten­ ordens Weishaupt vor. ** An Fichte hatte sich schon im März als ehemaliger Schüler der Franzose Perret mit einer entsprechenden Anfrage gewandt; er betrachtete die Annexion des linken Rheinufers vor allem als ein Mittel, .den in Deutschland ver­ folgten Freunden der Freiheit einen Zufluchtsort anbieten und die Befreiung Ger­ maniens vorbereiten' zu können.10 Es fehlte denn auch nicht an zahlreichen Alarmnachrichten, die bei den fürstlichen Gesandtschaften in Rastatt eintrafen und von propagandistischen Absichten links­ rheinischer Revolutionäre berichteten. So erhielt die preußische Gesandtschaft von einem Gewährsmann aus Frankfurt einen Brief vom 14. März, der vor Mainzer oder Pfälzer Emissären warnte, die insbesondere die hessischen Gebiete zu bearbeiten sich vorbereiteten.51 Diese Nachricht bestätigte wenig später ein anderer Spitzel, der in Mainz von Äußerungen des republikanischen Inspektors des Klosters St. Jakobi gehört haben wollte, wonach die transrhenanische Republik näher sei, als man auf « .Die Geißel', 2. Jahrg., H. 4, S. 78 ff., 1798. 411 Becker, J. N., Beschreibung meiner Reise in den Departementen vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im 6. Jahre der französischen Republik. In Briefen an einen Freund in Paris. Berlin 1799, S. 58. " Hansen, Joseph, a. a. O., BdL 4, S. 882, 890. M .... offrir aux amis de la liberté persécutés en Allemagne un asyle et préparer l'affran­ chissement de la Germanie.' J. C. Pichte, Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe, gesammelt und herausgegeben von Hans Schulz. Leipzig 1925, Bd. 1, S. 587. Vgl. auch Kirchner, Werner, Der Hochverratsprozeß gegen Sinclair. Ein Beitrag zum Leben Hölderlins. Verlag Simon, Maxburg/Lahn 1949, S. 87. Perret hatte Bonaparte als diplomatischer Sekretär nach Rastatt begleitet und unterhielt enge Beziehungen zu deutschen Republikanern wie Sinclair. 11 DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 87.

1. Oberschwaben und Oberrhein

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dem rechten Ufer glaube; »mit Hessen-Kassel, wo die Propagandisten sehr glücklich vorgearbeitet hätten, werde der Anfang gemacht werden/ 82 Eine klerikale Flug­ schrift bezeichnete es als den Plan der Dorsch, Blau, Metternich, Hofmann und anderer, .das linke Rheinufer zur Pflanzschule des Hochverrats, der Empörung und Zerstörung zu machen, alle unruhigen Köpfe, Aufrührer und die verworfensten Bösewichter, die künftig verbannt oder dem Strang und Schwert entlaufen werden, darin aufzunehmen und von diesem Mittelpunkt aus nach und nach das ganze Deutschland sowie das übrige Europa zu revolutionieren . * 53 Wie sehr die herr­ schende Feudalklasse diese Propaganda fürchtete und wie wenig sie ihr entgegenzu­ stellen vermochte, beweist der Vorschlag des Ministers von der Schulenburg an das preußische Kabinett vom 6. Mai 1798, durch Bestechungen ein Stillschweigen oder doch einen gemäßigteren Ton .bei den vorzüglicheren Hauptskribenten der heftigen revolutionären Partei, einem Rebmann, Riem pp.', zu erkaufen. Mit gutem Grund fürchtete das Kabinett, dabei an den Unrechten zu geraten, und lehnte den Vor­ schlag ab.M Es fehlte ebensowenig an den viel bedeutungsvolleren Nachrichten über spürbare Wirkungen der linksrheinischen Propaganda. Der kurtrierische Geheimrat Kalt schrieb am 14. März aus Hanau: .Es gibt auch diesseits Menschen genug und es fehlt an Emissarien nicht, die gemeiner Hand das Revolutionssystem ziemlich un­ gescheut predigen, und Verzweiflung vermag auch bei dem besten Menschen alles. Selbst in hiesigen Gegenden... ist ein böser Geist nicht untätig.' 85 Dieselbe Fest­ stellung, daß die revolutionäre Gesinnung auf dem rechten Rheinufer täglich mehr Boden gewinne, traf auch Kotteritz Ende Juni in Frankfurt am Main. Am 22. Juni waren in der Stadt die Schmiede-, Glaser-, Schreiner- und Schustergesellen in den Streik getreten und hatten Unruhen ausgelöst, die erst am 25. Juni erstickt werden konnten.88 Den Anlaß dazu hatte der Streit zwischen einem Schmiedemeister und einem Gesellen gegeben. Da das Gericht den Meister, der den Gesellen ge­ schlagen und verletzt hatte, nicht mit der nötigen Strenge bestrafte, gingen die Schmiedegesellen auf die Straße; die Gesellen anderer Handwerke erklärten sich solidarisch und schlossen sich ihnen an. Es war kein regelloser Tumult. Die Aus­ ständigen hatten sich eine Spitze gegeben, die die Demonstrationen leitete. Wie Kotteritz berichtete, wurde der Anführer Buonaparte genannt; seine sechs Adjutan­ ten trugen Stöcke mit den Farben der Republik. .Der Magistrat, der den Geist und die Gefühle der niederen Klasse der Einwohner dieser Stadt kannte und fürchtete, wagte nicht, sofort die Anstifter dieser Unruhen zu ergreifen und die erforderliche** ** Ebenda, Bl. 151. a Deutschland am Rande des Abgrunds oder das Entschädigungsprinzip durch Säkularisatio­ nen! in seiner ganzen Widerrechtlichkeit, Nichtigkeit und Verderblichkeit dargestellt und allen deutschen Patrioten ans Herz gelegt Von einem Vaterlandsfreunde. Hamburg u. Altona 1798, S. XV. “ DZA Merseburg, Rep. 11, 91 Frankreich, varia publica. Nr. 36. Bl. 104, 107. u Hansen, Joseph, a. a. O., Bd. 4, S. 593. M Vaterstädtisches und Vaterländisches, Auszüge aus S. G. Fingers Tagebüchern..., a. a. O.. S. 227/28.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Energie im allgemeinen zu zeigen, zumal drei Kompanien seines Militärs als Reichs­ kontingent in Philippsburg abwesend waren, der Rest der Garnison nicht sehr be­ trächtlich und auch nicht zu geneigt war, gegen diese Menschenklasse vorzu­ gehen.' 57 Obwohl das Besitzbürgertum, wie Kotteritz betonte, in seiner Mehrzahl ebenfalls republikanisch gesinnt war, fühlte es sich doch durch den Plebejerauf­ stand in seinen Sonderinteressen so bedroht, daß es sich zu vierzehn Bürgerkompa­ nien formierte, die Ansammlungen mit Waffengewalt zerstreute, die Gesellen­ herbergen stürmte und den Aufruhr erstickte. Drei oder vier Tote, etwa dreißig Schwerverletzte und noch mehr Leichtverletzte wurden gezählt. Ober 300 Gesellen, vornehmlich aus dem Ansbachischen, aus Preufjen und den Hansestädten, verliefen Frankfurt. Die erbärmliche Sorge der Bürger um ihren unmittelbaren Besitz hatte den völlig kopflosen und allgemein gehabten Magistrat wieder einmal gerettet. In dem gleichen Brief vom 29. Juni 1798, der von den Frankfurter Ereignissen handelte, berichtete Kotteritz, dafj einige Dörfer im Isenburgischen der Regierung einmütig Bedingungen gestellt hätten, unter denen sie bei ihrem gegenwärtigen Souverän bleiben wollten; bei Ablehnung der Bedingungen drohten sie, die französische Re­ gierung anzurufen und sich ihr zu unterstellen.58 Ähnliche Nachrichten über Anschlufjgesuche an Frankreich beunruhigten die Be­ hörden der bayerischen Kurpfalz. Die Schaffhausener Zeitung hatte am 21. März 1798 eine Meldung vom 13. März aus Paris gebracht, wonach Deputierte aus Mann­ heim beim Direktorium die Republikanisierung der Pfalz und ihre Vereinigung mit Frankreich betrieben. Polizeiliche Nachforschungen nach den Beteiligten in Mann­ heim selbst blieben ergebnislos; sie bestätigten jedoch die Existenz des Gerüchts, dafj eine Petition mit 400 Unterschriften nach Paris abgesandt worden sei, die zwar nicht den Anschluß der gesamten Pfalz, aber doch den der Stadt Mannheim fordern sollte. Darüber hinaus geriet der Polizei ein Exemplar der fünfzehnseitigen Flug­ schrift »Mannheim ist in Gefahr, oder ein Wort zur Zeit an Mannheims Bewohner von einem Staatsmanne' in die Hände. Als Druckort und Jahr war Germanien 1798 angegeben. Die Mannheimer Behörden waren der Meinung, daß die Schrift im links­ rheinischen Frankenthal gedruckt und von dort in die Stadt eingeschmuggelt worden war. Der unbekannte Verfasser machte den Einwohnern klar, dafj die Abtretung des linken Rheinufers und die Schleifung der Festungsanlagen, wodurch die Garnison überflüssig würde, den wirtschaftlichen Ruin der Stadt bedeutete, ein Schicksal, das einzig und allein durch den Anschluß an Frankreich vermieden werden könnte. Man hielt es in München für notwendig, am 5. August eine .speziale Sicherheitskommis­ sion' unter dem Vorsitz des Regierungsvizepräsidenten Freiherrn von Hövel für 57 «Le magistrat connaissant et craignant l'esprit et les sentiments de la basse classe des habi­ tants de cette ville, n'osa pas de saisir tout de suite les auteurs de ces troubles et de montrer en général une énergie convenable, d'autant que trois compagnies de leur militaire se trouvant absentes comme contingent d'Empire à Philippsbourg, le reste de la garnison n'est pas bien considérable ni trop disposé à agir contre cette classe de gens.' LHA Dresden, Loc. 2724, Des von Kotteritz aus Frankfurt erstattete Relationen, Bd. 1, Bl. 308. M Ebenda, Bl. 310.

2. Württemberg und Franken

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Mannheim einzusetzen, die .eine genauere Wachsamkeit auf die Polizei und be­ sonders auf den Geist und die Gesinnungen hiesiger Einwohnerschaft im ganzen * •* üben sollte.® * In den der Pfalz benachbarten speyerischen Gebieten war der Druck von unten so stark geworden, daß sich der Bischof zu der Verordnung vom 22. Juni 1798 ent­ schloß, die in dem ihm verbliebenen rechtsrheinischen Teil des Bistums die Leib­ eigenschaft aufhob und alle Untertanen von den .aus der Leibeigenschaft her­ rührenden, lediglich auf den Personen und nicht auf den Gütern haftenden Ab­ gaben als a) von dem Leibzins, b) von dem Hauptrecht, Besthaupt oder Todfall und c) von den Manumissionsgebühren' ohne Entschädigung befreite.64* Verschiedene Ausnahmen reduzierten jedoch den Wert dieser Verordnung, die angesichts der übrigen schweren Feudallasten kaum mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein darstellte. Die Gärung unter der Bevölkerung war auch nach wie vor groß. Die Bruchsaler Bürger kämpften um das Recht der Ratswahl, das ihnen nach dem Dreißigjährigen Kriege genommen worden war, und sollten nun durch eine Unter­ suchungskommission und militärische Exekution eingeschüchtert werden. Am 25. Juni ließ der Fürstbischof an alle Untertanen eine Ermahnung ausgehen, .damit Ihr auf die unter Euch herumschleichenden Verräter des Vaterlandes desto genauer wacht, ihren ruchlosen, verführerischen Einlispelungen kein Gehör gebt und nur um desto fester an Uns Euch anschließt'.81

2. Die Radikalisierung in Württemberg und Franken .In Württemberg sieht es am windigsten aus', schrieb Johann Georg Müller am 8. September 1798 seinem Bruder, dem Historiker Johann von Müller, nach Wien.62 Dieses Urteil war zu einer Zeit gesprochen, da sich das Verhältnis zwischen Herzog und Landschaft außerordentlich verschärft hatte. Aber nicht in dieser Spannung lag der Urgrund der zunehmenden Gärung. Ähnliche Einschätzungen waren bereits ein halbes Jahr früher gegeben worden, als die Beziehungen zwischen Landesherrn und Ständen vorübergehend recht günstig waren. So schrieb die preußische Gesandtschaft in Rastatt in einem Bericht an den König vom 13. März: .Württemberg ist das Land, wo der erste Ausbruch am meisten zu befürchten ist.'68 Nachrichten, die beim kaiserlichen Divisionskommando in Freiburg eingingen, besagten: .Die allgemeine Sprache lautet in der Gegend von Stuttgart und Ulm: So kann es nicht bleiben, es muß eine Änderung geschehen. Die Truppen der Franken werden meistens über •B HSA München, Abt. n, B Nr. 303, Anteil am ersten Reichskrieg gegen Frankreich 1798. Ein Exemplar der genannten Flugschrift liegt bei. M Remling, Franz Xaver, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer (Jüngere Urkunden). Mainz 1853, S. 763. •* .Neueste Weltkunde' vom 19. 7. 1798. *2 Der Briefwechsel der Brüder J. Georg Müller und Joh. v. Müller. . .. a. a. O., S. 145. ” .Le pays où la première explosion est le plus à craindre est celui de Wurtemberg.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, BL 66.

2. Württemberg und Franken

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Mannheim einzusetzen, die .eine genauere Wachsamkeit auf die Polizei und be­ sonders auf den Geist und die Gesinnungen hiesiger Einwohnerschaft im ganzen * •* üben sollte.® * In den der Pfalz benachbarten speyerischen Gebieten war der Druck von unten so stark geworden, daß sich der Bischof zu der Verordnung vom 22. Juni 1798 ent­ schloß, die in dem ihm verbliebenen rechtsrheinischen Teil des Bistums die Leib­ eigenschaft aufhob und alle Untertanen von den .aus der Leibeigenschaft her­ rührenden, lediglich auf den Personen und nicht auf den Gütern haftenden Ab­ gaben als a) von dem Leibzins, b) von dem Hauptrecht, Besthaupt oder Todfall und c) von den Manumissionsgebühren' ohne Entschädigung befreite.64* Verschiedene Ausnahmen reduzierten jedoch den Wert dieser Verordnung, die angesichts der übrigen schweren Feudallasten kaum mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein darstellte. Die Gärung unter der Bevölkerung war auch nach wie vor groß. Die Bruchsaler Bürger kämpften um das Recht der Ratswahl, das ihnen nach dem Dreißigjährigen Kriege genommen worden war, und sollten nun durch eine Unter­ suchungskommission und militärische Exekution eingeschüchtert werden. Am 25. Juni ließ der Fürstbischof an alle Untertanen eine Ermahnung ausgehen, .damit Ihr auf die unter Euch herumschleichenden Verräter des Vaterlandes desto genauer wacht, ihren ruchlosen, verführerischen Einlispelungen kein Gehör gebt und nur um desto fester an Uns Euch anschließt'.81

2. Die Radikalisierung in Württemberg und Franken .In Württemberg sieht es am windigsten aus', schrieb Johann Georg Müller am 8. September 1798 seinem Bruder, dem Historiker Johann von Müller, nach Wien.62 Dieses Urteil war zu einer Zeit gesprochen, da sich das Verhältnis zwischen Herzog und Landschaft außerordentlich verschärft hatte. Aber nicht in dieser Spannung lag der Urgrund der zunehmenden Gärung. Ähnliche Einschätzungen waren bereits ein halbes Jahr früher gegeben worden, als die Beziehungen zwischen Landesherrn und Ständen vorübergehend recht günstig waren. So schrieb die preußische Gesandtschaft in Rastatt in einem Bericht an den König vom 13. März: .Württemberg ist das Land, wo der erste Ausbruch am meisten zu befürchten ist.'68 Nachrichten, die beim kaiserlichen Divisionskommando in Freiburg eingingen, besagten: .Die allgemeine Sprache lautet in der Gegend von Stuttgart und Ulm: So kann es nicht bleiben, es muß eine Änderung geschehen. Die Truppen der Franken werden meistens über •B HSA München, Abt. n, B Nr. 303, Anteil am ersten Reichskrieg gegen Frankreich 1798. Ein Exemplar der genannten Flugschrift liegt bei. M Remling, Franz Xaver, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe zu Speyer (Jüngere Urkunden). Mainz 1853, S. 763. •* .Neueste Weltkunde' vom 19. 7. 1798. *2 Der Briefwechsel der Brüder J. Georg Müller und Joh. v. Müller. . .. a. a. O., S. 145. ” .Le pays où la première explosion est le plus à craindre est celui de Wurtemberg.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, BL 66.

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VU. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

alles erhoben. Nicht ohne Grund soll man ein wachsames Auge auf die Grenadiers in Stuttgart haben, die meistens wurmig sein sollen.' 84 Die Stimmung der Volks­ massen hatte sich unter dem Einfluß der Schweizer Ereignisse sichtbar radi­ kalisiert.88 Entgegen allen Erwartungen zeigte Herzog Friedrich II., der im Dezember 1797 auf Friedrich Eugen gefolgt war und als Erbprinz eine entschieden antiständische und prokaiserliche Haltung eingenommen hatte, nach seinem Regierungsantritt der Landschaft ein überraschendes Entgegenkommen. Er billigte nicht nur die Sendung Georgiis nach Rastatt und die von Baz nach Paris, sondern gab sogar die Zusage, die zu erwartenden neuen Erwerbungen dem alten Lande Württemberg zu in­ korporieren. Er zerstreute damit die Furcht der Landschaft, daß er die als Entschädi­ gung gewonnenen Gebiete in unmittelbare herzogliche Verwaltung nehmen und dem Geltungsbereich der württembergischen Verfassung entziehen würde, um sich so eine Basis für die Errichtung einer absoluten Herrschaft zu gründen. In der Außenpolitik setzte er wie die Landschaft auf die französische Karte. Zwei Gründe im wesentlichen bestimmten Friedrich II. zu dieser Schwenkung: Erstens bot die französische Seite bei dem beginnenden Länderschacher in Rastatt größere Gewinn­ möglichkeiten als der Kaiser, und zweitens war der österreichische Rückhalt bei einem Zusammengehen der Stände mit Frankreich für den Herzog zu schwach, um ihre Machtansprüche zurückzuweisen. Im Bunde mit Frankreich konnte er hoffen, sie zu überspielen. Die Annäherung des Herzogs an die Stände fand ihren sinn­ fälligen Ausdruck in der Einsetzung einer von beiden Seiten beschickten Vergleichs­ deputation, die die Standpunkte beider Kontrahenten in allen Fragen auf den gleichen Nenner bringen sollte.88 Die Stimmung im Lande duldete jedoch nicht, auf handgreifliche Ereignisse so lange zu warten, bis die Vergleichsdeputation nach umständlichem Für und Wider vielleicht in dieser oder jener Frage zu einer Eini­ gung gelangte. Der Jahrestag der Einberufung des Landtags näherte sich; die Früchte der Arbeit dieses Jahres aber waren so mager, daß die Deputierten Be­ denken tragen mußten, damit vor ihre Auftraggeber in den Ämtern zu treten.

Die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Landschaft war weit verbreitet und nahm schließlich Gestalt in einer geplanten Eingabe an den Landtag an, die von der Stadtund Amtsversammlung zu Winnenden am 17. März entworfen und mit einem Be­ gleitbrief an verschiedene andere Städte und Ämter verschickt wurde. Im wesent­ lichen waren es zwei Vorwurfe, die man erhob: Erstens, daß durch wechselseitiges Mißtrauen keine Einmütigkeit in der Landschaft herrsche, was sich schon am Anfang in dem vom Deputierten Hauff mit Recht bekämpften Vorgehen des Konsulenten Kerner geäußert hatte und den Bestand der Verfassung gefährde; zweitens, daß die Abgeordneten sich zu Schritten wie der Einsetzung einer Vergleichsdeputation be­ wegen ließen, ohne zuvor die Auftraggeber unterrichtet und die nötigen Vollmachten14 * 14 GLA Karlsruhe, Abt 79. Nr. 1382, Bericht des Generals Kempf vom 20. 7. 1798. 44 DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 84. 44 Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O.. S. 206 ff.

2. Württemberg und Franken

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eingeholt zu haben. Diese Erfahrungen bestätigten nach Meinung derAmtsversammlung von Winnenden vollauf die Berechtigung des alten Wunsches, .daß nämlich vor allen Dingen die durch die angenommene Interpretation der Landesgrund­ verfassung den Landständen genommene Freiheit, jeden zum Deputierten zu wählen, von dem sie die Meinung der Tüchtigkeit und zu dem sie vorzügliches Vertrauen haben, wiederhergestellt werden möchte,...' 67 Das war nicht nur ein Mißtrauens­ votum an die Adresse der Landschaft, sondern zugleich eine Aufforderung an andere Amtsversammlungen, die Geschicke des Landes in die eigenen Hände zu nehmen. Es war also der Druck von unten, der den Landtag am 9. Marz zu der dringenden Bitte an den Landesherrn bewegte, wenigstens »mit einigen der gravaminum den Anfang zu machen und dadurch die Deputierten in den Stand zu setzen, bei ihrer Nachhausekunft ihre Mitbürger mit frohem Mut und mit neuen belebenden Hoff­ nungen zu erfüllen'.88 Und es war der Druck von unten, der den Herzog am 17. März zwang, dieser Bitte in fast allen ihren Punkten nachzukommen. Das Reskript vom 17. März versprach, der Bevorzugung des Adels ein Ende zu machen und ins­ besondere bei der Besetzung der Forstmeister-, Offiziers- und Beamtenstellen auf württembergische Bürger zurückzugreifen: es kam verschiedenen Jagd- und Forst­ beschwerden der Einwohner entgegen, milderte einige Kanzleitaxen, die Vikariats­ und Aufzugskosten, beseitigte das herrschaftliche Biermonopol in Stuttgart, ver­ zichtete auf Einkünfte aus dem Salpetergraben und gestattete unter Verzicht auf jedes Vorkaufsrecht die freie Ausfuhr von Pferdefohlen.8® Madeweiß kommentierte dieses Ereignis mit den Worten: »Es ist nicht zu leugnen, daß Seine Durchlaucht in manchen Punkten den jetzigen Zeitumständen haben nachgeben und von ihren Rechten etwas nachlassen müssen.'70 Die preußische Gesandtschaft nannte einige der bewilligten Forderungen sogar .sehr stark'.71 Die Landschaft beauftragte zwar ihre Vertreter in der Vergleichsdeputation, noch diverse Modifikationen des Re­ skripts vom 17. März zu beantragen 72, aber im allgemeinen war sie mit diesem Erfolg durchaus zufrieden. Sie beeilte sich, den herzoglichen Entscheid an alle Ämter zu versenden und in einem Begleitschreiben gleichen Datums die eigene In­ itiative kräftig herauszustreichen.73 Darauf vertagte sich das Plenum, überließ einem vierundzwanzigköpfigen verstärkten Ausschuß für die Zwischenzeit die Geschäfte und trat erst im November wieder zusammen. Dieser Ausschuß hatte nichts Eiligeres zu tun, als am 3. April die von der Amtsversammlung zu Winnenden ausgehende Kritik dem Herzog als revolutionär zu denunzieren und die Bestrafung der Initia­ toren zu verlangen.74 •’ 98 •• 70 71 71 79 74

HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 213, Bund 213, Nr. 6. Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O.. H. 6, S. 153. Ebenda, S. 169 ff. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 296, Fase. 37, Bd. 3, BL 164. Ebenda, Rep. 81, Nr. 5, Bd. 2, BL 41. Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 7, 2. Beilage, S. 15 ff. HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 573, Bü. 5371. Ebenda, A 213, Bund 213, Nr. 6.

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VIL Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Anders als die Landschaft urteilten breite Schichten des Volkes über die Resultate. Die Ergebnisse in der Schweiz führten ihnen die Kümmerlichkeit dieser Zugeständ­ nisse so recht vor Augen und machten sie kühner. Die Unzufriedenheit äußerte sich in Unruhen, wie sie im April aus Göppingen gemeldet wurden.75 Sie äufjerte sich in Flugschriften. Eine solche Schrift, die im Juni 1798 erschien und bezeichnenderweise vorgab, in Basel gedruckt zu sein, stellte zum Reskript vom 17. März nüchtern fest, .daß der Herzog nichts bewilligt hat, was besondere Aufmerksamkeit verdiene,nichts, was außer den Grenzen der Verfassung, dem Inhalt älterer Gesetze und den gerechten Wünschen und Erwartungen des Volks läge. Alle diese Verfügungen sind von keiner Wichtigkeit, insofern das Volk bloß einen Teil dessen zurückerhält, was es früher oder später verloren hat und selbst jetzt zum Teil mit neuen Aufopferun­ gen erkaufen muß. * 70 Immerhin wertete der Verfasser das Reskript als einen Anfang, der aber fortgesetzt werden müßte. Um die Richtung anzuzeigen, in der fortgeschrit­ ten werden sollte, nannte er .die Abstellung einiger gesetzwidrig eingeführter Ab­ gaben, die Verbesserung der bürgerlichen und peinlichen Justizpflege, des Kirchenund Schulwesens, die Verbesserung des Nahrungsstandes, die Aufhebung der Leib­ eigenschaft, eine zweckmäßigere Einrichtung des Militärwesens usw...' 77.

Ungleich schärfer noch, ja geradezu mit jakobinischer Entschiedenheit, die den Herzog und seine Räte ebensowenig wie den Landtag und seine Konsulenten schonte, urteilte der Verfasser der Flugschrift .Das Neueste über Württemberg'. Der vor­ gebliche Druckort Mainz war schon so etwas wie ein Programm. Der Autor verglich .die merkwürdige gnädigste Resolution vom 17. März (die einiger halbbewilligter Bitten der Landesversammlung erwähnt) mit den Vollmachten der Landesdeputier­ ten (worin von den Rechten des württembergischen Volkes gesprochen wird)' und stellte sarkastisch fest: .Der Pomp, womit diese gnädigste, allein sehr unvollständige Resolution in alle Welt ausgesendet wurde, gleicht mehr einer geschminkten Hof­ dame, die höchstens einige Landtagsdeputierte in ihr durchlöchertes Netz ver­ stricken kann, als einem schuldlosen Mädchen, in dessen reinem Auge ein reines, wohlwollendes und argloses Herz glänzt. Aus der Aufschrift dieser Resolution läßt sich schon ihre ganze Nullität erweisen. Das Ganze kommt mir vor, als wenn ein Schuldner seinem Gläubiger einen Korb voll stinkender Eier statt der Schuldsumme brächte und in die Welt hineinschrie: .Schaut auf, ihr Herrn, ich habe bezahltI' Was kann auch wirklich dem ehrlich denkenden Württemberger daran liegen - ob ihm einige Forstknechtsplätze, einige Kastenknechtsplätze mehr offen stehen oder nicht? Und wer wird's ihm verargen, wenn er zu denen, die, Stellvertreter des Volks, eine solche Resolution mit ihrem Lobgesange begleiten, die Worte zuruft: .FreundeI Wir anderen lassen uns nicht durch Stellen abfangen l - Wir wollen weder Waldvögte, noch Vizepräsidenten, weder herzogliche Lieutenants mit, noch herzogliche Lieute­ nants ohne Rekommendationsstiefel werden (hohe steife Glanzstiefel, wie sie nach preußischem Muster württembergische Offiziere trugen - H. S.); - wir wollen « DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, BL 196. ’• (Cutscher, Friedrich), Unparteiische Beleuchtung der neuesten Staatseinrichtung in dem Herzogtum Württemberg. Basel im Junius 1798, S. 27. 77 Ebenda, S. 30.

2. Württemberg und Franken

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Bürger eines Staates werden, in dem das Gesetz und nicht die Willkür thront; eines Staats, der von ihnen durch gleiche Verteilung der Gewalten gesichert und gegen äußere Gewalttätigkeit durch die Organisation einer Bürgerarmee geschützt ist." 78*Der Verfasser scheute sich nicht, das ganze Reskript ein Betrugsmanöver zu nennen, an dem die Landschaft bewußt oder unbewußt nicht unbeteiligt war: »Es sollte mich nicht wundem, wenn man dem Unterzeichner dieser Resolution es als einen bitteren Spott anrechnete, auf solche Forderungen eine Antwort gegeben zu haben, in der Adlige, Bürgerliche, Forstmeister, Waldvögte, Wildschäden, Vize­ präsidenten, Taxen, Salpeter, Bier und Pferdsfohlen, alles unter- und durcheinander geworfen ist wie Staub und Sand - die man den Leuten in die Augen wirft, damit 6ie nicht sehen sollen. Was nicht sehen sollen? Daß der Hof es jetzo so wenig ehrlich meine als zuvor... Daß in dem geheimen Ratskollegium Männer sitzen, die das Vertrauen des Landes nicht verdienen,... Dafi das Regierungskollegium seine Pflichten schlecht erfülle, wie aus der großen Zahl von bestechlichen, unwissenden oder trägen Beamten, aus der allgemeinen Anarchie, die in den meisten Ämtern herrscht, aus dem sinkenden Ansehen der Amtleute, dem Verfall der Erziehung und der sichtbaren Zunahme der Kriminalfälle erhellt. Daß die Landesversammlung kein besseres Bild darbiete. Daß die erste Schuld davon in ihrer Komposition, in der beschränkten Wahl der Deputierten unter einer dem Einflüsse der herzoglichen Beamten unterworfenen Bürgerklasse liegt. Daß ihre Konsulenten die wider­ sprechendsten Bedienungen in einer und der nämlichen Person anhäufen und ver­ einigen.' 78 Die hier gebotene Kritik an den bisherigen Bemühungen in Württemberg, der For­ derung des Tages nachzukommen, traf; sie war scharf und vernichtend. Sie war erfüllt von berechtigtem Mißtrauen sowohl gegen den Herzog wie gegen die Stände. Sie war bürgerlich-demokratisch, denn sie forderte statt eines Privilegiertenlandtags eine echte Volksrepräsentation und statt lächerlicher .Beschlüsse und Reskripte, die weder das Gepräge der Selbsterfindung noch des freien Willens tragen und um so weniger befriedigen, je unvollkommener sie der Vernunft und dem Bedürfnis hul­ digen', eine .Radikalkur'.80 Aber - und darin bestand ihre Schwäche - sie ließ die Zeitgenossen ohne Antwort auf die Frage, wie diese Radikalkur durchzuführen war» Statt einer Antwort gab der Verfasser lediglich seiner Zuversicht in den Sieg des Fortschritts Ausdruck, wie sie von jedem bürgerlich-liberalen Aufklärer ver­ treten wurde, wenn er sie auch mit der Drohung der Revolution verband: .Das Bild der Zukunft wird nicht das der Gegenwart sein, und wo die Vernunft nicht ver­ mögend wird, eine rechtliche Ordnung aus dem Chaos hervorzurufen, da könnte leicht die Schneide des Schwerts den gordischen Knoten lösen. Dies denen zur Nachricht, denen es vielleicht noch bis jetzo unbekannt ist, daß Bajonette nicht mehr zureichen, seitdem der freie Mann nur die Hand an sein Schwert legen darf, um die Sklaven erbleichen zu machen.' 81 Die Revolution war letztes Auskunftsmittel, das anzuwenden .der Starrsinn der einen, ihre Unverschämtheit, bald mit Kleinmut 78 Das Neueste über Württemberg, den Schwaben gewidmet. Mainz 1798, S. 4/5. ” Ebenda, S. 5/6. 80 Ebenda, S. 3/4, 7. 81 Ebenda, S. 8.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

gepaart, bald in wilde Gewalttätigkeit ausartend', im Prinzip rechtfertigte, aber das er wegen der damit verbundenen .Irrungen' gern vermieden hätte.82 Bei allem Haß gegen die fürstliche Gewalt, bei aller Verachtung des Adels, bei aller Einsicht, .daß die morschen Bande der alten, durch Vorurteil und Gewalt geheiligten Ordnungs­ losigkeit durch keine neuen und besseren Bindungsmittel ersetzt sind und daß es bis itzt, aller Anstrengungen, aller Wünsche, aller Versprechungen, aller Bedürfnisse ungeachtet, noch ein sowohl politisch als moralisch leerer Raum existiert * M, ver­ mochte er dieses Vakuum nur mit dem Wunschtraum einer konstitutionellen Mon­ archie auszufüllen: .Ein Thron, von freien Bürgern umringt, ist glänzender als eine Staatskutsche, die zwanzigtausend Gulden kostet, als eine Hoflivreesrechnung von sechzigtausend Gulden, als zwei Mohren, die, wahre Farben des Todes, bei der Huldigung dem herzoglichen Wagen zur Seite stunden.'84 In der Kritik des Be­ stehenden radikal-demokratisch, war der Verfasser in seinem Bilde von der Zukunft und von dem Wege zu ihr noch stark in den Vorstellungen der liberalen Aufklärung befangen. Seine Schilderung der allgemeinen Stimmung in Württemberg charakteri­ sierte zugleich treffend die eigene Haltung: .Der auffallendste Zug, den man in Württemberg sowie in den meisten deutschen Ländern findet, ist ein bestimmtes Vorgeiühl naher politischer Veränderungen, ein Mißvergnügen, das mehr oder weniger laut ist, je nachdem es auf mehr oder weniger geläuterten Einsichten beruht und mit mehr oder weniger lachenden Privatverhältnissen verknüpft ist.'88 Die Schrift gab einem .Vorgefühl' Ausdruck, aber noch keinem zielklaren Wollen, das nicht in Verlegenheit geriet, wenn es nach dem Wege zu den politischen Ver­ änderungen gefragt wurde. Trotzdem besaß die Flugschrift einen bedeutenden positiven Wert, eben in jener treffenden Kritik des Bestehenden und ebenso in der Forderung nach einer Radikal­ kur, die, wenn nicht anders, auch durch eine Revolution verwirklicht werden durfte. Dieser positive Gehalt der Schrift wird besonders deutlich, wenn man ihn mit den Auffassungen vergleicht, die Hegel inzwischen entwickelt hatte. Hegel hatte seiner Schrift, als er sie Anfang 1797 begann, den Titel gegeben .Daß die Magistrate vom Volk gewählt werden müssen * und sie dem württembergischen Volk gewidmet. Im Laufe der Arbeit an dem Werk strich er zunächst die Widmung und ersetzte in der Überschrift das Wort .Volk' durch das Wort .Bürger': .Daß die Magistrate von den Bürgern gewählt werden müssen. * Schließlich verwarf er den gesamten Titel und schrieb statt dessen: .Über die neuesten innem Verhältnisse Württembergs, beson­ ders über die-Gebrechen der Magistratsverfassung.' 88 Die Geschichte des Titels spiegelt den Wandel im Inhalt. Ausgehend von der Erkenntnis, daß eine Repräsen­ tation die .mittelbare oder unmittelbare Wahl dessen voraussetzt, der repräsentiert werden soll'87, hatte er ursprünglich die Wahl der Magistrate durch das Volk “ *9 84 “ M ”

Ebenda, S. 1. Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 5. Ebenda, S. 2. Hegel, Georg Friedrich Wilhelm, a. a. O-. S. 150 Aura. 1. Rosenzweig, Franz, a. a. O., S. 61.

2. Württemberg und Franken

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gefordert, so daß der von den Magistraten gewählte Landtag wenigstens eine in­ direkte Volksrepräsentation darstellte. Nun aber trug er Bedenken, »einem un­ aufgeklärten, an blinden Gehorsam gewöhnten und von dem Eindruck des Augen­ blicks abhängigen Haufen plötzlich die Wahl seiner Vertreter zu überlassen . * Jetzt zäumte Hegel das Pferd beim Schwänze auf und behauptete; .Solange alles übrige im alten Zustande bleibt, solange das Volk seine Rechte nicht kennt, solange kein Gemeingeist vorhanden ist, solange die Gewalt der Beamten nicht beschränkt ist, würden Volkswahlen nur dazu dienen, einen völligen Umsturz unserer Verfassung * herbeizuführen. Wie sollte das Volk seine Rechte kennenlemen und Gemeingeist entwickeln, wenn nicht in der Anwendung dieser Rechtei Wie sollte der alte Zu­ stand verändert und die Gewalt der Beamten beschränkt werden, wenn nicht durch das Volk! Indem Hegel die Dinge auf den Kopf stellte, verbaute er sich jeden gang­ baren Ausweg und war dabei ehrlich genug, es zuzugeben: .Die Hauptsache wäre, das Wahlrecht in die Hände eines vom Hofe unabhängigen Korps von aufgeklärten und rechtschaffenen Männern niederzulegen. Aber ich sehe nicht ein, von welcher Wahlart man sich eine solche Versammlung versprechen könnte, sei es auch, daß man die aktive und passive Wahlfähigkeit noch so sorgfältig bestimmte.' 88 Die Schrift hatte mit der Preisgabe des Gedankens der Volkswahl nicht nur ihren wesentlichen positiven Gehalt verloren, sondern sie büßte damit auch an Schärfe der Kritik des Bestehenden ein. Unverändert kritisierte Hegel die verfassungsrecht­ liche Stellung des Fürsten, .der ex providentia majorum alle Gewalten in sich ver­ einigt und für seine Anerkennung und Achtung der Menschenrechte keine Garantie . * gibt 88 Seine Kritik an den höheren Offizialen der Landschaft, den Konsulenten und Advokaten, war sogar eher noch schärfer geworden. Aber - und das ist von entscheidender Bedeutung - dieser Angriff diente zugleich als Schild für den Aus­ schuß, das Kernstück der überlebten landschaftlichen Verfassung: .Die Anmaßungen der höhern Offizialen waren es vorzüglich, was in altern und neuem Zeiten alles Übel über die Landschaft gebracht hat... Der Ausschuß selbst war nie anmaßend. Seine Konsulenten und Advokaten waren es.'90 Anfang 1797 hatte er kühn ge­ schrieben: .Wenn eine Veränderung geschehen soll, so muß etwas verändert werden. Eine so kahle Wahrheit ist darum nötig gesagt zu werden, weil die Angst, die muß, von dem Mute, der will, dadurch sich unterscheidet, daß die Menschen, die von jener getrieben werden, zwar die Notwendigkeit einer Veränderung wohl fühlen und zugeben, aber, wenn ein Anfang gemacht werden soll, doch die Schwachheit zeigen, alles behalten zu wollen, in dessen Besitze sie sich befinden,... Das Schauspiel einer solchen Schwäche darf ein Volk, dürfen Deutsche nicht geben.'01 Jetzt dagegen hieß es: .Solange man das Reformieren und das Zurücknehmen versuchter und schädlich befundener Reformen nicht in seiner Gewalt hat, so tut man wohl, wenn man bei solchen Veränderungen stehen bleibt, deren Folgen sich in ihrem ganzen 98 Haym, RudoU. Hegel und seine Zeit. Vorlesungen über Entstehung und Entwicklung, Wesen und Wert der Hegelschen Philosophie. Leipzig 1927, S. 66. “ Ebenda, S. 67. M Hegel, Georg Friedrich Wilhelm, a. a. O., S. 153. g* Ebenda, S. 152. 29 Süddeutsche Jakobiner

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Umfang übersehen und berechnen lassen, und wenn man sich begnügt, die Quellen der Mißbräuche zu verstopfen.'92 Hegel selbst gab das Schauspiel der Schwäche, vor dem er gewarnt hatte. Es war die typische Schwäche des liberalen deutschen Bürgertums, das jedesmal Furcht vor der eigenen Courage bekam, wenn es seine Erkenntnisse mit Hilfe der Volksmassen in die Tat umsetzen sollte. Hegel ver­ leugnete die von ihm erkannte Wahrheit,- er strich die Segel und akzeptierte die ständische Vertretung, die nach einjähriger Tätigkeit nicht mehr als das Reskript vom 17. März zuwege gebracht hatte. Einige Freunde in Stuttgart, mit denen er seine Gedanken über diese Fragen austauschte, rieten ihm unter den gegebenen Um­ ständen von einer Veröffentlichung ab. Einer von ihnen schrieb ihm am 7. August 1798 nach Frankfurt: .Solange übrigens nicht andere Einrichtungen in Absicht auf die Gesetzgebung gemacht sind, kommt bei vielen Landtagen gerade soviel heraus, als wenn in 27 Jahren einmal einer gehalten wird. Sie sind nicht viel mehr als eine neue Last für das getäuschte Volk... Unter diesen Umständen würde auch die Bekanntmachung Ihres Aufsatzes für uns mehr ein Übel als eine Wohltat sein.'03

Beides, die Nichtveröffentlichung der Arbeit Hegels, die ihren vorwärtsdrängenden Charakter verloren hatte, und die Veröffentlichung der Schrift .Das Neueste über Württemberg', die eine Radikalkur verlangte und die Möglichkeit einer Revolution zumindest ins Auge faßte, waren Folgen der zunehmenden Radikalisierung in Württemberg.91 Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem Erreichten setzte die landschaftliche Vertretung unter Druck und trieb sie zu weitergehenden Forderun­ gen. Die Landschaft war dazu um so eher geneigt, als die Harmonie zwischen ihr und dem Herzog nur vorübergehend war und sehr bald von den gegensätzlichen Interessen wieder gesprengt wurde. Der im Februar vorgelegte herzogliche Plan einer Militärverstärkung fand ebensowenig die Zustimmung der Landschaft wie ihr Ende März entworfener Gegenplan die des Herzogs. Während jener vor allem die stehenden Truppen vermehren wollte, legte dieser das Hauptgewicht auf die Miliz, die die absolutistischen Tendenzen des Herzogs nicht förderte, sondern weit­ gehend von der Landschaft kontrolliert werden konnte. Der Schritt, mit dem die Landschaft sich wieder an die Spitze der öffentlichen Meinung zu stellen suchte, um sie zu nutzen und gleichzeitig zu zügeln, war der am 11. Mai 1798 von ihrem ver­ stärkten Ausschuß beschlossene Antrag auf Aufhebung der Leibeigenschaft: .Eltern und Voreltern waren nicht befugt, die angeborenen Menschenrechte ihrer Nach­ kommen zu veräußern und diesen, ehe sie noch geboren waren, die Verbindlichkeit “ Ebenda, S. 153. *a Rosenkranz, Karl, Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben. Supplement zu Hegels Werken. Berlin 1844, S. 91. M Mehring hatte nicht die Möglichkeit, der Geschichte der Hegelschen Schrift nachzuspüren und so zu erkennen, daß ihre einzelnen Teile verschiedenen Zeiten und Stadien der Aus­ einandersetzung angehören. Er deutet das Schicksal der Schrift darum auch nicht im Zusammenhang mit der Entwicklung der oppositionellen Bewegung, sondern vereinfacht die Dinge, wenn er vermutet, daß die Rücksicht auf den .schwäbischen Sultan Friedrich, der die Tiberius und Nero offen als die Vorbilder seiner Herrschertätigkeit betrachtete', zum Verzicht auf den Druck der antiabsolutistischen Schrift veranlaßte. Mehring, Franz, a. a. O., S. 104.

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aufzulegen, nicht dem Staate, sondern einem Dritten gewisse Dienste zu leisten oder einen jährlichen Leihzins und andere Abgaben zu bezahlen. Die persönliche und Lokalleibeigenschaft ruht mithin auf keinem zu rechtfertigenden Grunde, son­ dern verletzt vielmehr das Gesetz der Natur von der Gleichheit und beleidigt die Rechte der Menschheit. * 81 Es waren starke Worte; mit der Berufung auf die Menschenrechte erhielten sie sogar einen radikalen Anstrich, den die Landschaft bisher stets vermieden hatte. Aber natürlich blieben es darum doch nur Worte eines Antrags an Seine Herzogliche Durchlaucht, von .Dero Zuneigung und Wohlwollen gegen Ihr Volk' man die Realisierung erhoffte. Weigerte sich der Herzog, so ver­ wandelte sich die kraftvoll formulierte Forderung in einen bloßen frommen Wunsch. Obwohl die Landschaft bereit war, den größten Teil der Ablösungskosten zu über­ nehmen, lehnte der Herzog den .auf eine der Verfassung zuwiderlaufende Art und in auffallenden Ausdrücken' abgefaßten Antrag schroff ab.86 Er brach offen mit den Ständen, indem er Anfang Juni einen unbedeutenden Anlaß aufgriff, um die Ver­ gleichsdeputation zu sprengen und auch die Zusammenarbeit des herzoglichen mit dem landschaftlichen Deputierten in Rastatt zu verbieten. Er forderte die Stände sogar auf, keine ihrer Verhandlungen mehr ohne herzogliche Erlaubnis durch den Druck zu publizieren.87 Der landschaftlich verstärkte Ausschuß antwortete ihm am 7. Juli: Er lehnte jede herzogliche Zensur als eine Beschränkung der gesetzmäßigen Bestimmung der Landschaft ab, .die Befugnisse des Volks zu verfechten'.88 Neben der rein rechtlichen Begründung dieser Auffassung wurde dabei auch die politische ins Feld geführt, daß der Landschaft äußerst daran gelegen sein müsse, .bei dem Volk die Oberzeugung zu bewirken, daß seine Sache nicht in ungetreuen Händen ist, daß seine Repräsentanten von dem, was in ihren Kräften steht, nichts versäu­ men'.88 Dieser Gesichtspunkt in Verbindung mit der Klage über die geringe Zahl der Abnehmer der Landtagsschrift und über .die gegen die Repräsentanten ver­ breiteten falschen Gerüchte' bestätigte die allgemeine Unzufriedenheit mit den bisherigen Ergebnissen.100 Um so nachdrücklicher mußte der Ausschuß auf seiner Forderung nach Aufhebung der Leibeigenschaft beharren und auch die Begründung des Antrages verteidigen: .Jede Leibeigenschaft ist ein trauriges Denkmal eines nicht rechtlichen Zustandes, worin in der Vorzeit ein Mensch durch den anderen versetzt ward, eines Zustandes, der mit der Natur eines mit Freiheit und Vernunft begabten Wesens nicht übereinstimmt oder mit anderen Worten dem Naturrecht zuwider ist... Was aber die Art, wie die untertänigste Bitte vorgetragen ward und die, wie es scheint, noch einen Hauptanstand rege machte, insbesondere die Berufung auf die Rechte der Menschheit betrifft, so geruhen Euer Herzogliche Durchlaucht “ Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 7, 4. Beilage, S. 56/57. Sich für die Aufhebung der Personalleibeigenschaft einzusetzen, war den Deputierten der reform­ freudigen Schwarzwaldämter wie Wildberg schon in ihrer Instruktion vom März 1797 aufgetragen worden. HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 573, Bü. 5371. M Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg.,., a. a, O., H. 8, S, 87. 07 .Nationalzeitung', Jahrg. 1798, 26. Stück, Sp. 531. M Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg..., a. a. O., H. 8, S. 18. M Ebenda, S. 102. 100 Ebenda, S. 104. * 29

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gnädigst zu beherzigen, daß die Erlassung der Leibeigenschaft aus dem positiven Rechte nicht hergeleitet werden kann... Wollte man also diese Bitte begründen, wollte man die Gefühle des landesväterlichen Herzens rege machen, so konnte es nicht anders als durch Berufung auf das Naturrecht, auf die Rechte der Menschheit selbst geschehen. * 101 Der Druck von unten einerseits und der Widerstand des Fürsten gegen jedes weitere Zugeständnis andererseits zwangen die führenden Köpfe der Landschaft, neue, radi­ kalere Wege zu beschreiten. Die entschiedensten Reformer schlossen sich enger zusammen; sie bildeten einen .Zirkel edler freier Menschen', für den Hofacker mit Eifer warb.102 Baz, eines seiner Mitglieder, erklärte im engeren Ausschuß.- .Unsere Konstitution, so sehr sie von denen, die gute Besoldungen haben, gerühmt wird, ist armselig und hat vor anderen deutschen Staaten wenig oder nichts zum voraus. Sie bedarf einer Verbesserung, die aber nicht erfolgen kann, wenn man nichts weiter als Harmonie (mit der Herrschaft) verlangt.'105 Wenn die Politik der Vereinbarung in dieser Schärfe verworfen wurde und die Mittel der ständischen Verfassung ein­ gestandenermaßen nicht ausreichten, so war der Ausweg doch nicht der, nun mit den Volksmassen den fürstlichen Widerstand zu brechen. Das hätte den totalen Umsturz der Verfassung, also auch die Preisgabe der ständischen Vorrechte be­ deutet, die keine heftigeren Verteidiger als die Mitglieder und Offizialen der Land­ schaft besaßen. .So lebhaft ich auch überzeugt bin', schrieb Georgii am 10. Oktober 1798 nach Paris an Abel, .daß unsere hochgerühmte württembergische Konstitution nichts weniger als vollkommen und daß sie ohne einen glücklichen Zusammenfluß äußerer Umstände nicht viel Bedeutendes leisten kann, so kann ich doch sagen, daß ich nie eine solche Revision für rätlich oder ausführbar gehalten habe,... Ich habe die Sache nie anders angesehen, als daß der Macherlohn einer neuen Konstitution uns viel teurer zu stehen kommen könnte, als die ganze Verbesserung wert wäre. * 101 Der Ausweg, den die führenden Köpfe der Landschaft zu beschreiten sich ent­ schlossen, war eine enge Anlehnung an die französische Regierung mit dem Ziel, mit ihrer Hilfe eine Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Herzog und Ständen zugunsten der letzteren herbeizuführen. In diesem Sinne arbeitete Georgii in Rastatt; für dieses Ziel versuchte er Abel zu gewinnen, der aus Furcht vor mög­ lichen revolutionären Konsequenzen immer noch zur Politik der Vereinbarung neigte: .Es sind nämlich zwei, wie mir deucht, sehr verschiedene Dinge, ob man durch jenes Gouvernement eine Totalrevision der Verfassung bewirken, oder ob man unter seinem Schutz und durch die Erwerbung seiner Protektion, unter Voraus­ setzung der bestehenden Verfassung, den Landständen als repräsentativem Korps des Landes im Gegensatz gegen die Herrschaft, mithin dem Land selbst Vorteile zu verschaffen bemüht ist... Ich gebe Ihnen zu, daß die Zeitumstände und die ver­ änderte Beschaffenheit der Grundsätze (des französischen Gouvernements - H. S.) •°‘ Ebenda, S. 109 ff. 101 HSA Stuttgart, A 11, Bü. 28, Brief Hofackers an Gerst vom 7. 6. 1798; Beilage Nr. 10 zum Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 7. 1801. Holzte, Erwin, Das alte Recht.., a. a. O„ S. 215. !M vreede, George Guillaume, a. a. O., S. CXVIII.

2. Württemberg und Franken

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hiebei die größte Behutsamkeit gebieten, aber ich glaube nur, daß, weil man auf diesem auf Extreme geraten kann, man deswegen den Weg nicht ganz verlassen müsse,..105 In diesem Sinne der »Wiedergeburt ohne totale Umwälzung , * aber doch radikaler und konsequenter als Georgii in Rastatt war in Paris Baz tätig. Aus­ gehend von der in seiner Schrift »Über das Petitionsrecht' aufgestellten Behauptung, daß der Fürst eigentlich zur Erfüllung aller Petitionen verpflichtet sei, weil sie den Volkswillen ausdrückten, propagierte Baz nun eine klare Gewaltenteilung, wobei dem Herzog die Exekutive, den Ständen aber die gesamte Legislative vorbehalten sein sollte. Hartnäckig kämpfte er um die französische Sympathie für eine solche Verfassung, die in kürzester Zeit bürgerliche Reformen in Württemberg möglich machte und, wie er in einer Eingabe an Talleyrand vom 9. Mai formulierte, »auf die Interessen des Volkes zugeschnitten und der Garantie einer republikanischen Regierung würdig' wäre.10® Die französischen Politiker gaben nichtssagende oder hinhaltende Antworten, aber sie lehnten die Bestrebungen der Landschaft nicht rundheraus ab. Möglicherweise konnten sie eines Tages der französischen Bourgeoisie nützlich werden. Für den Herzog war diese Ungewißheit Quelle höchster Verlegenheit: Sollte er den Vor­ stellungen Wiens und Petersburgs Gehör schenken, die vor Frankreich warnten? In diesem Falle verscherzte er die großen Entschädigungen, die er nur mit fran­ zösischer Hilfe erwerben konnte, und erleichterte er ganz gewiß das Werben der Landschaft um die französische Sympathie. Aber andererseits boten wiederum die beiden großen Feudalmächte seiner ungeschmälerten Machtstellung als Landesherr den sichersten Schutz. Wie Friedrich II. dem mecklenburgischen Gesandten an­ vertraute. rechnete er mit der Möglichkeit, daß die Landschaft französische Truppen zu Hilfe rief; dies voraussehend und von dem österreichischen und von dem rus­ sischen Gesandten heftig bearbeitet, verfüge er nun über Befehle an den General Staader, der auf die erste Anforderung des Herzogs hin sofort ein genügend starkes Korps österreichischer Truppen marschieren ließe. Die preußische Gesandtschaft in Rastatt, die diese Mitteilung weitergab, sah bereits neue kriegerische Verwick­ lungen und versank in Furcht und Ratlosigkeit: »Allenthalben scheint es, daß die Lage dieses Fürsten, dessen Staaten das Zentrum Schwabens ausmachen, im höchsten Grade unsicher ist, so daß es nicht abzusehen ist, wie er sich wird behaupten können, und die Folgen davon könnten nur die unheilvollsten für ganz Deutschland sein.'107 Letzte Ursache dieser prekären Situation war die zunehmende revolutionäre Gärung in breiten Schichten der Bevölkerung. Die sich Anfang 1799 nähernde Gefahr eines 105 Ebenda, S. CXIX. ,M »... calculée sur les intérêts du peuple et digne de la garantie d'un gouvernement républi­ cain.' Hôlzle. Erwin, Altwürttemberg..., a. a. O., S. 279. Vgl. auch Hôlzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 216/17. 107 .Partout il parait que la situation de ce Prince, dont les États font le centre de la Souabe, est si éminemment précaire, qu'il n'est pas à prévoir comment il pourra se contenir et les suites n'en pourraient que des plus funestes pour toute l'Allemagne.' DZA Merseburg, Rep, 81, Nr. 5, Bd. 3, Bl. 107.

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erneuten Kriegsausbruches steigerte trotz aller damit verbundenen Schrecken und Nöte die Gärung. In dem zersplitterten Franken war eine ähnliche Radikalisierung zu beobachten; nur fehlte ihr die Gleichmäßigkeit und relative Einheitlichkeit, die in dem ge­ schlossenen Württemberg möglich waren. Die Bewegung zersplitterte sich noch stark in Einzelaktionen und richtete sich hauptsächlich gegen nächste, unmittelbare Bedrückungen. Die zwar noch zum schwäbischen Kreis gehörige, aber nahezu völlig von fränkischen Territorien eingeschlossene Reichsstadt Schwäbisch-Hall stand in heftigem Rechtsstreit mit den Bewohnern ihres ausgedehnten Landgebiets. Der Prozeß lief seit längerem in Wien und Wetzlar. Um ihn durch Mobilisierung der Öffentlichkeit zugunsten des Landes zu beeinflussen, brachten die bevollmächtig­ ten Deputierten am 12. August 1798 eine Flugschrift über den Inhalt des Streits heraus. Die Klagen richteten sich gegen Forderungen des Magistrats in bezug auf die Viehakzise, den Bodenschatz, den Straßenbau, die Erhöhung der Handlohn­ abgaben, das Umgeld, die Kriegssteuern und das Stammgeld.108*Hinter diesen vielen Einzelbeschwerden stand aber ganz offensichtlich ein größeres Ziel, das prinzipielle Veränderungen vorsah. Die am 26. November herausgebrachte Gegenschrift des Magistrats .zur Belehrung der Landleute' beschwor diese denn auch: .Laßt euch nicht durch das unverschämte Vorgeben, daß die Reichsstadt-Hallische Regiments­ verwaltung aus der oligarchischen in eine wahlfähige und repräsentative werde umgeschaffen werden, täuschen.'100 In dem benachbarten Fürstentum Hohenlohe, insbesondere im Gebiet des Fürsten von Hohenlohe-Kirchberg, gärte es ebenfalls unter den Bauern. Anfang 1798 er­ schienen sie in Scharen in der Residenz Kirchberg und verlangten Einsicht in die Landschaftsrechnungen. Da die militärische Streitmacht des Fürsten sich auf ganze zehn Mann beschränkte, blieb ihm nichts anderes übrig, als der Forderung nach­ zugeben. In einer Regierungssitzung am 28. Februar, die der Fürst persönlich leitete, wurden den Deputierten der Gemeinden die Rechnungen vorgelegt. Es gelang zwar, die Deputierten zufriedenzustellen, zumal der Fürst aus privaten Mitteln 2000 Gul­ den in die Kontributionskasse gab, aber nicht so die Bauern. Im März rotteten sich wieder in Lendsiedel 200 Bauern zusammen und beschlossen, keine Kriegssteuern zu zahlen, bevor nicht alle ihre Beschwerden behoben waren. Solche Versamm­ lungen wiederholten sich trotz Verbot. Der Bauer Melchior Michelbacher aus Stein­ kirchen tat sich als Organisator des Widerstandes besonders hervor; er veranlaßte auch die umliegenden Gemeinden, die Steuern zu verweigern. Am 17. und 18. April machte die Regierung den kläglichen Versuch, militärische Gewalt zu demonstrieren, und schickte nach den Orten Klein-Almerspan, Herbolzhausen und Steinkirchen je einen Soldaten.110 Das nach Steinkirchen gesandte einköpfige Exekutionskommando erschien bereits am nächsten Tage wieder in Kirchberg mit der Erklärung, daß einige Bauern .ihm angekündigt hätten, sich auf angeblichen Befehl des Landes sogleich nach Haus zu verfügen . * 111 In seiner Hilflosigkeit wandte sich der Fürst von Hohen108 .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1799, Bd. 5, S. 55 ff. ,M Ebenda, S. 77. 118 Fischer, Wolfram, a. a. O., S. 403 ff. 1,1 Ebenda, S. 366 Anm. 1.

2. Württemberg und Franken

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lohe-Kirchberg am 11. Juli 1798 an den preußischen König und erbat aus dem benachbarten Ansbach-Bayreuth militärische Unterstützung: .Der ruhmvolle preu­ ßische Name wird allein und bei einer noch geringen Anzahl an Mannschaft hin­ länglich sein, den irregeführten Untertanen Respekt gegen die gesetzmäßigen und notwendigen Verfügungen ihrer rechtmäßigen Obrigkeit einzuflößen und sie zu ihrer Pflicht auf der Stelle zurückzuführen. * 112 Die Behörden in Ansbach-Bayreuth aber hatten mit den eigenen Untertanen zu tun. Wie Kotteritz erfahren hatte und am 27. Februar 1798 berichtete, .sollen sie zum größten Teil mehr als jemals ihrer gegenwärtigen Regierung überdrüssig sein, indem sie sich namentlich nicht an das militärische Regime gewöhnen wollen, das man wie in den anderen preußischen Staaten dort einführt'.113 Als einen für die Gesinnungen der Einwohner typischen Fall führte er folgendes Ereignis an: .In Erlangen haben Studenten, nachdem sie den Stadtkommandanten um Erlaubnis gebeten, ein aka­ demisches Fest zu feiern, und viele Bürger sich ihnen zugesellten, ein Freiheitsfest gegeben, auf dem eine Göttin der Freiheit auftrat, vor der sich die alte Zeit in der allegorischen Gestalt eines abgelebten und gebrechlichen Greises niederwarf; die Zukunft (trat auf - H. S.) als eine junge und schöne Person mit allen Attributen, wobei nur der Freiheitsbaum fehlte. Man ist so weit gegangen, einen Adler mit abgeschlagenem Kopfe vor die Füße der Tänzer zu werfen.'114 Das preußische Kabinettsministerium wies am 19. April den Senat der Universität auf die Gefähr­ lichkeit der geheimen Studentenorden hin, die .echte Prinzipien eines Jakobiner­ klubs' verträten.113 Hardenberg, der ebenfalls zur Wachsamkeit aufgefordert wor­ den war, antwortete am 24. Mai aus Ansbach: .Indessen glaube ich, vorderhand meine Beobachtungen um so mehr bloß auf die Hauptstädte Ansbach, Bayreuth und. Erlangen einschränken zu müssen, da der Samen zu jeder Revolution immer zuerst in den größeren Städten und unter den kultivierteren Ständen ausgestreut wird und Wurzel faßt,... Was mir vorzüglich zu wünschen übrigbleibt, wozu ich aber in den gegenwärtigen Verhältnissen keine Mittel in Händen habe, besteht darin, daß der besonders in Nürnberg herrschende verdorbene Volksgeist und die Bewegungen und Machinationen der dort befindlichen mehreren, in das französische Revolutions­ system eingeweihten Subjekte genau beobachtet und kontrolliert werden könnten. Denn wenn irgendein Plan zu einer Revolution in Franken existiert, so ist... gewiß Nürnberg das Zentrum, wo die hauptsächlichste Einleitung gemacht und von wo aus llc Ebenda, S. 365 Anm 1. 111 .... lesquels pour la plus grande partie doivent être plus que jamais impatients de leur gouvernement actuel, ne voulant surtout pas se faire au régime militaire, qu'on y introduit, comme dans les autres États prussiens.' LHA Dresden, Loc. 2724, Des von Kötteritz aus Frankfurt erstattete Relationen, Bd. 1, Bl. 186. 114 .A Erlangen les étudiants ayant demandé au commandant de la ville la permission de célébrer une fête académique, beaucoup de bourgeois se sont associés & eux, et ont donné une fête à la liberté, où il y a eu une déesse de liberté, devant laquelle s'est prosterné le vieux temps, sous le personnage allégorique d’un vieillard décrépit et cassé; le temps ä venir sous une jeune et belle personne avec tous les attributs modernes, et où il n'a manqué que l'arbre de la liberté. On est allé si loin de jeter aux pieds des danseurs un aigle à tête coupée.' Ebenda, Bl. 186/87. 119 Deuerlein, Ernst, a. a. O., S. 27.

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VH. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

auch die Ausführung vorbereitet wird; daher sich auch mehrere berüchtigte Ge­ schäftsmänner alle ersinnliche Mühe geben zu verhindern, daß diese Reichsstadt nicht in preußische Hände kommt, weil sie dadurch ihre Revolutionspläne für Fran­ ken und ganz Deutschland völlig untergraben sehen würden.“110 Wenn Hardenberg auch mit dieser Attacke gegen Nürnberg zweifellos die Neben­ absicht verfolgte, in Berlin für die Annexion der Reichsstadt Stimmung zu machen, so war seine Furcht vor den revolutionären Potenzen in Nürnberg doch echt und auch begründet. Zweifellos hatten die Truppen Jourdans während ihres fünfzehn­ tägigen Aufenthalts in der Reichsstadt im August 1796 der Begeisterung für die republikanischen Ideale schweren Abbruch getan. Dennoch waren die Zustände Nürnbergs ganz und gar nicht so, daß sich die oppositionellen Kräfte aus Enttäu­ schung über die Franzosen willig unter das herkömmliche oder auch unter das preu­ ßische Joch begeben konnten. Wenn sich die Mehrheit der Bürger Anfang September 1796 aus Furcht vor einer Wiederkehr Jourdans dafür aussprach, den Schutz des neutralen Preußens zu suchen, so war das eine Notlösung, die im übrigen schnell vorüberging, und keineswegs Ausdruck der Sympathie für diesen Militärstaat. Ein vielstrophiges Gedicht .Politischer Guckkasten 1796', das Ende des Jahres in Nürn­ berg zirkulierte, gab treffend die Stimmung breiter Schichten wieder. Es geißelte das Verhalten der Franzosen, aber den eigenen Magistrat und Preußen nicht minder: Die preußische Versklavung hätte die nümbergische Plünderung der Bürger nur zeit­ weilig abgelöst. Schließlich endete der .Politische Guckkasten' mit der Aufforderung, die kommenden Ereignisse nicht stillschweigend zu erdulden, sondern sie aktiv mit­ zugestalten.117 Daß sich diese Aktivität gegen die nürnbergischen Zustände und nicht etwa gegen die Franzosen richten sollte, versteht sich von selbst. Der Krieg gegen Frankreich war der Nürnberger Bevölkerung nach wie vor verhaßt. Be­ zeichnend war der Bericht des preußischen Legationsrats Schuster aus Nürnberg vom 12. April 1797: .Das bei der Ausrückung der fränkischen Kreistruppen ins Feld in 244 Köpfen bestandene nümbergische Kontingent ist nun bis auf vier Mann aus­ gerissen, und die Standläufer befinden sich beinahe alle in hiesiger Stadt.'118 Die Deserteure scheuten sich also nicht im geringsten, dorthin zurückzukehren, wo sie bekannt waren; im Gegenteil, die Stimmung der Masse der Bevölkerung schien ihnen der sicherste Schutz. Hardenberg hatte guten Grund, Nürnberg als das Zen­ trum einer möglichen revolutionären Bewegung in Franken zu fürchten.

3. Das Anwachsen der antiieudalen Opposition in Bayern

Die Opposition in Bayern hatte sich bis 1796, soweit sie von den Volksmassen getragen wurde, vorwiegend in spontanen Ausbrüchen gegen einzelne Erscheinungs­ formen feudaler Unterdrückung Luft gemacht. Die Ideen der Französischen Re­ volution waren zwar schon bis in entlegenste ländliche Bezirke vorgedrungen, wirk**• DZA Merseburg, Rep. 11, 91 Frankreich, Varia publica, Nr. 36, Bl. 138. 117 Ernstberger, Anton, Nürnberg..., a. a. O., S. 466/67. 118 DZA Merseburg, Rep. 44 C, Nr. 676, Bd. 1, Bl. 175.

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VH. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

auch die Ausführung vorbereitet wird; daher sich auch mehrere berüchtigte Ge­ schäftsmänner alle ersinnliche Mühe geben zu verhindern, daß diese Reichsstadt nicht in preußische Hände kommt, weil sie dadurch ihre Revolutionspläne für Fran­ ken und ganz Deutschland völlig untergraben sehen würden.“110 Wenn Hardenberg auch mit dieser Attacke gegen Nürnberg zweifellos die Neben­ absicht verfolgte, in Berlin für die Annexion der Reichsstadt Stimmung zu machen, so war seine Furcht vor den revolutionären Potenzen in Nürnberg doch echt und auch begründet. Zweifellos hatten die Truppen Jourdans während ihres fünfzehn­ tägigen Aufenthalts in der Reichsstadt im August 1796 der Begeisterung für die republikanischen Ideale schweren Abbruch getan. Dennoch waren die Zustände Nürnbergs ganz und gar nicht so, daß sich die oppositionellen Kräfte aus Enttäu­ schung über die Franzosen willig unter das herkömmliche oder auch unter das preu­ ßische Joch begeben konnten. Wenn sich die Mehrheit der Bürger Anfang September 1796 aus Furcht vor einer Wiederkehr Jourdans dafür aussprach, den Schutz des neutralen Preußens zu suchen, so war das eine Notlösung, die im übrigen schnell vorüberging, und keineswegs Ausdruck der Sympathie für diesen Militärstaat. Ein vielstrophiges Gedicht .Politischer Guckkasten 1796', das Ende des Jahres in Nürn­ berg zirkulierte, gab treffend die Stimmung breiter Schichten wieder. Es geißelte das Verhalten der Franzosen, aber den eigenen Magistrat und Preußen nicht minder: Die preußische Versklavung hätte die nümbergische Plünderung der Bürger nur zeit­ weilig abgelöst. Schließlich endete der .Politische Guckkasten' mit der Aufforderung, die kommenden Ereignisse nicht stillschweigend zu erdulden, sondern sie aktiv mit­ zugestalten.117 Daß sich diese Aktivität gegen die nürnbergischen Zustände und nicht etwa gegen die Franzosen richten sollte, versteht sich von selbst. Der Krieg gegen Frankreich war der Nürnberger Bevölkerung nach wie vor verhaßt. Be­ zeichnend war der Bericht des preußischen Legationsrats Schuster aus Nürnberg vom 12. April 1797: .Das bei der Ausrückung der fränkischen Kreistruppen ins Feld in 244 Köpfen bestandene nümbergische Kontingent ist nun bis auf vier Mann aus­ gerissen, und die Standläufer befinden sich beinahe alle in hiesiger Stadt.'118 Die Deserteure scheuten sich also nicht im geringsten, dorthin zurückzukehren, wo sie bekannt waren; im Gegenteil, die Stimmung der Masse der Bevölkerung schien ihnen der sicherste Schutz. Hardenberg hatte guten Grund, Nürnberg als das Zen­ trum einer möglichen revolutionären Bewegung in Franken zu fürchten.

3. Das Anwachsen der antiieudalen Opposition in Bayern

Die Opposition in Bayern hatte sich bis 1796, soweit sie von den Volksmassen getragen wurde, vorwiegend in spontanen Ausbrüchen gegen einzelne Erscheinungs­ formen feudaler Unterdrückung Luft gemacht. Die Ideen der Französischen Re­ volution waren zwar schon bis in entlegenste ländliche Bezirke vorgedrungen, wirk**• DZA Merseburg, Rep. 11, 91 Frankreich, Varia publica, Nr. 36, Bl. 138. 117 Ernstberger, Anton, Nürnberg..., a. a. O., S. 466/67. 118 DZA Merseburg, Rep. 44 C, Nr. 676, Bd. 1, Bl. 175.

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ten mobilisierend und gaben den Bestrebungen der Massen bewußtere antifeudale Züge, aber es fehlte in diesem von Pfaffen und Dunkelmännern beherrschten und ökonomisch erschreckend rückständigen Lande die Kraft, die dem Drängen und Wollen der Massen eine zielklare Führung geben konnte. Das Bürgertum war schwach und unentwickelt. Der Kreis entschiedener Revolutionäre, den diese Klasse stellte, war klein und noch so wenig mit den Massen verbunden, daß er selbst beim Vormarsch Moreaus nicht an die Öffentlichkeit trat. Seine Aktivität erschöpfte sich im wesentlichen darin, durch Nachrichtentätigkeit die Operationen der französischen Armeen zu erleichtern, die die Unzulänglichkeit der Revolutionäre wettmachen und den entscheidenden Anteil an der Veränderung der Dinge haben sollten. Auch der Kreis bürgerlicher Liberaler war vor 1796 über einen vereinzelten programma­ tischen Vorstoß nicht hinausgelangt. Die Schrift .Freimütige Gedanken über die allerwichtigste Angelegenheit', die prinzipiellen Reformen wie der Aufhebung der Leibeigenschaft und der Einberufung eines alle Schichten repräsentierenden Land­ tags das Wort sprach, erlebte zwar von 1794 auf 1795 drei Auflagen, hatte aber keine Nachfolger. Dieser Vorstoß war zudem unter Ausnutzung der feudal-aristo­ kratischen Kritik unternommen worden, die von der landständischen Verordnung und dem landständischen Adel an dem Absolutismus der kurfürstlichen Regierung geübt wurde. Die Münchener Septemberunruhen aber hatten den streitenden Frak­ tionen der herrschenden Klasse die gemeinsame Gefahr von unten so deutlich ge­ macht, daß sie die Fehde untereinander vorübergehend einstellten und der liberalen Opposition den Ansatzpunkt nahmen. Das Fehlen einer führenden Kraft war die Ursache, daß die in den Massen aufgestaute Unzufriedenheit sich beim Vormarsch Moreaus einseitig in einem Haß auf Österreich und die kaiserlichen Truppen entlud und darüber den unmittelbaren Feind, die eigene herrschende Klasse, vergaß.110 Inzwischen war die Entwicklung vorangeschritten. Schon die Annäherung der fran­ zösischen Rheinarmee hatte die Meinungsverschiedenheiten zwischen Landschaft und Krone erneut ausbrechen lassen. Während der Kurfürst Sicherheit in enger Anlehnung an Österreich suchte, fürchtete die landschaftliche Verordnung, daß gerade diese verhaßte Bindung die Massen zur Rebellion treiben könnte. Darum riet sie schleunige Verhandlungen mit den Franzosen an und forderte am 21. Juni 1796 in einer Eingabe vom Kurfürsten, einen Unterhändler .nach Basel oder selbst nach Paris mit zweckmäßigen Weisungen abzusenden,...'120 Zugleich sprach sie die Erwartung aus, an den Verhandlungen beteiligt zu sein. Karl Theodor lehnte am 23. Juni schroff ab: .Die Unterhandlungen bei dem Friedensgeschäfte sind Unsere Sache. * 121 Nicht weil er anderen Sinnes geworden wäre, sondern weil er gegenüber dem Kaiser das Odium des Treubruchs gegebenenfalls auf die Stände wälzen wollte, bevollmächtigte er vor seiner Flucht den ihn vertretenden dirigieren­ den Rat, bei notwendig werdenden Verhandlungen mit den Franzosen auch Land­ schaftsdeputierte hinzuzuziehen.122 Unter dem übereilt abgeschlossenen Waffen110 Vgl. S. 13 ff., 165 ff., 210 ff. ««• DZA Merseburg, Bep. 96, Nr. 167, Lit M, Bd. 1, Bl. 88. 1!t Ebenda, Bl. 91. Ebenda, Bl. 143.

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Stillstand zu Pfaffenhofen vom 7. September standen darum auch die Namen der ständischen Vertreter. Dieser Erfolg der Landschaft wurde mit dem schnellen Rück­ zug Moreaus zu einem Mißerfolg. Der Kurfürst sparte nicht mit den heftigsten Vorwürfen an die Adresse der Unterzeichner und betrachtete sich als durch die getroffenen Abmachungen nicht gebunden.123 Trotzdem hielt die landschaftliche Verordnung an ihrer Konzeption fest, die als nächstes Ziel die bewaffnete Neutralität Bayerns vorsah. Einmal bestärkten sie darin die Siege Bonapartes in Italien, die den Krieg doch noch zugunsten Frankreichs entschieden, zum anderen die unverändert heftige antiösterreichische Stimmung der Bevölkerung. Der Feldzug Moreaus hatte zwar die Erwartungen der Revolutionäre in Bayern nicht erfüllt, aber er hatte auch nicht so arge Enttäuschungen wie Jourdan in Franken hinterlassen. Daß sich die Unzufriedenheit der Massen gleichsam in der Osterreichfeindschaft absorbierte, wirkte sich in diesem Falle günstig auf ihr Verhältnis zu Frankreich aus. Sie hatten nicht bewußt auf eine revolutionäre Umgestaltung hingearbeitet und konnten darum auch nicht enttäuscht sein, wenn sie ausblieb; ebensowenig belasteten die mit dem französischen Vormarsch verbundenen Kriegsdrangsale ihre Erinnerung, denn ein­ mal kämpfte Moreau gegen das verhaßte Österreich, und zum anderen hatten sie von den kaiserlichen Truppen Schlimmeres erlebt und erlebten es erneut Die Münchener beobachteten bei der Rückkehr des Kurfürsten Anfang Oktober 1796 ein feindseliges Schweigen. Zahlreiche Zuschauer hatten sich zwar eingefunden, um dem Aufzug beizuwohnen, aber - wie Hamier berichtete - »ohne daß ein einziger Beifallsruf die tiefe Stille dieser ganzen Menge unterbrach'.124 Unter dem 10. No­ vember meldete er: »Die Steuern kommen nicht herein. Die Ämter, in denen sich eine Zeitlang der Krieg abgespielt hat, berufen sich auf ihre Zahlungsunfähigkeit. Andere sehr beträchtliche Bezirke werden durch die österreichischen Durchzüge und Requisitionen ausgeschöpft... Aus diesem Stand der Dinge resultiert eine völlige Entblößung der Kassen, eine fortschreitende Preissteigerung aller Gegen­ stände des unbedingt notwendigen Bedarfs und eine wachsende allgemeine Un­ zufriedenheit besonders der weniger wohlhabenden Klassen in Stadt und Land. * 123 Der Druck ließ nicht nach, sondern wurde nur unerträglicher. Wie aus Ingolstadt Mitte Juni 1797 berichtet wurde, bewegten sich die österreichischen Offiziere wie in einem eroberten Lande.126 Blutige Zusammenstöße häuften sich. Der sächsische Gesandte in Regensburg teilte seinem Kollegen in Rastatt am 1. Januar 1798 mit: »Von den österreichischen Truppen werden nach der Dislokationsliste 29 Bataillons und 45 Eskadrons in Bayern verlegt... Diese Truppen begehen auf dem Marsch m Ebenda, Bl. 170. 1,1 .Le cortège passa sans qu’une seule acclamation interrompit le silence profond de tout ce monde.' Ebenda, Bl. 167. 111 .Les contributions ne rentrent point. Les baillages où le théâtre de la guerre a été établi pendant quelque temps, se fondent sur leur insolvabilité. D'autres districts très considérables s'épuisent par les passages et les réquisitions autrichiennes... Il résulte de cet état des choses un dénuement absolu des caisses, une hausse progressive de tous les objets de première nécessité et un mécontentement général croissant particulièrement dans les classes moins aisées tant des campagnes que des villes.' Ebenda, Bl. 187. Ebenda, Ut. N, Bd. 2. Bl. 98.

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große Exzesse. In Donauwörth ist es zu blutigen Auftritten gekommen. Der bayrische Kommandant hat bei diesem Vorfall Wunden bekommen, und ein bayrischer Offizier ist an den seinigen gestorben. Die Einquartierungen drücken die hiesige Bürger­ schaft und Einwohner völlig nieder, und dieselben bezeigen ihren Unwillen und (ihr - H. S.) Unvermögen, diese Last länger zu tragen.'127 Die Landschaft schlug Alarm. In einer Eingabe an den Kurfürsten vom 30. März 1798 schilderte sie die durch Einquartierungen, Lieferungen, Vorspann und Erpressungen unerträglich gewordene Lage des bayerischen Bauern.128 Die nächste Eingabe vom 20. April war schon um einige Grade schärfer. Der offene Ausbruch der Unzufriedenheit Ende März im benachbarten Hochstift Passau mag dazu beigetragen haben, wo nach dem Bericht des preußischen Legations­ sekretärs Kaufmann aus Regensburg vom 9. April 1798 .das Landvolk über eine von dem Herrn Fürstbischof aus dringender Not auferlegte Landtaxe zu mehreren Tausenden in die Stadt kam und sowohl die Loslassung eines ihrer Anführer, welcher sich dieser Anstalt widersetzt hatte und daher eingezogen war, sondern die Auf­ hebung des neuen Ansinnens überhaupt mit Gewalt verlangte und allen ihm dagegen gemachten eindringenden Vorstellungen von der äußersten Notwendigkeit dieser Auflage kein Gehör geben wollte . * 128 In der Nähe einquartierte österreichische Truppen in Stärke von 800 Mann waren am 1. April herbeigerufen worden und hatten den Aufruhr zusammengeschossen. Ein solcher Einsatz der verhaßten Sol­ dateska in Bayern würde wahrscheinlich das Gegenteil bewirkt haben. Die Sicherheit der herrschenden Klasse verlangte umgekehrt die unverzügliche Entfernung der österreichischen Truppen. Das war denn auch der Inhalt der landschaftlichen Ein­ gabe vom 20. April: .Wenn zu Erreichung dieses Zweckes nicht mit allen Kräften und mit bisher noch nicht beobachteter Tätigkeit hingearbeitet wird, so ist das gänz­ liche Verderben des Landes unfehlbar. Der Druck des Landmannes wird nun schon zu schwer, als daß er ihn länger ertragen könnte; und was wird die nahe Folge davon sein? Nicht freiwilliger, sondern erzwungener unglücklicher Aufstand... Wer kann aber die Folgen so eines unglücklichen Aufruhrs berechnen? Wer der Revolution, wenn sie einmal ausbricht, sogleich wieder Einhalt tun? . . . Sehen wir mit Un­ befangenheit auf die dermalige Lage hin, so finden wir das Land durch diese frem­ den Truppen bereits schon militärisch okkupiert und willkürlich behandelt, wobei unser gnädigster Landesfürst gleich einem Statthalter und Bayern gleich einer zins­ baren Provinz erscheinen.' 130 Die Landschaft steigerte sich bis zu der Drohung, die österreichhörigen Regierungspolitiker Vor der Öffentlichkeit anzuprangern, wenn nicht unverzüglich das Steuer herumgeworfen würde. Der preußische Geschäfts­ träger Hamier bestätigte am 26. April diese Einschätzung; er bezeichnete als Ur­ sachen der allgemeinen tiefen Unzufriedenheit das Treiben der verabscheuten öster121 LHA Dresden, Loc. 8153, Wechselschriften zwischen den kursächsischen Gesandtschaften zu Rastatt und Regensburg, Bd. 1. 128 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 156, Bl. 148 ff. *2’ Ebenda, Rep. 67 B, Nr. 1, c7, Bd. 8. ,M Ebenda, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 156, Bl. 155/56,

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reichischen Soldateska und die kurfürstliche Verwaltung, die alle Mißbräuche und Laster zu einem vollkommenen System vereinigt hätte. .Nichts ist gewisser, als daß der innere Zustand Bayerns in hohem Grade beunruhigend ist * 131 Kurfürst Karl Theodor begriff zwar die Gefährlichkeit seiner persönlichen Lage, wenn er daran dachte, für einige Zeit aus dem Lande zu gehen132 ; aber gerade seine Furcht vor der Revolution und seine Abwehr der ständischen Machtansprüche hiel­ ten ihn wiederum im österreichischen Lager fest. Er traf umgekehrt Vorbereitungen, der sich bildenden zweiten Koalition beizutreten und sie durch ein für bayerische Verhältnisse starkes Truppenkontingent zu unterstützen. Da die Kassen leer und von den Ständen keinerlei Beiträge zu erwarten waren, beschaffte er sich am 7. Sep­ tember 1798 die päpstliche Vollmacht, der Geistlichkeit die enorme Abgabe von 15 Millionen Gulden aufzuerlegen.1*3 Der Nuntius Ziucci in München hatte dieses Geschäft mit Eifer in der Hoffnung betrieben, daß seine persönlichen Schulden in Höhe von 300 000 Gulden vom Kurfürsten aus Dankbarkeit übernommen würden.13* Mit dieser Aktion wollte sich Karl Theodor nicht nur von Bewilligungen der Land­ schaft unabhängig machen, sondern er führte gleichzeitig einen Angriff gegen den gewichtigen Stand der Prälaten. Ein Aderlaß von 15 Millionen Gulden bedeutete eine beträchtliche ökonomische Schwächung des hohen Klerus, die sich auch als politische Schwächung der ständischen Opposition auswirken mußte. Ein sächsischer Bericht aus Regensburg meldete daher auch unter dem 30. November 1798: .Die Aufhebung der in Bayern gelegenen Abteien und anderer geistlicher Stiftungen bis auf 15 Millionen Werts, und wozu die päpstliche Erlaubnis gegeben worden, findet bei der Landschaft und Geistlichkeit unerwarteten Widerspruch.'133 Dem Bericht waren Denkschriften der Landschaft und des Prälatenstandes sowie eine Flugschrift beigelegt, die die Rechtmäßigkeit dieser Auflage bestritten. Wenn der Schreiber den Widerspruch unerwartet nannte, so verriet er allerdings kein großes Verständnis für die Situation in Bayern. Unerwartet war höchstens, daß die Landschaft nicht noch heftiger protestierte.138 Aber als eine Fraktion der herrschenden Klasse, die letztlich mit dem Kurfürsten im selben Boot saß, das auf einem bedenklich un­ ruhigen Meer trieb, besaß sie nur eine sehr beschränkte Bewegungsfreiheit. Auf der Grundlage der ständig zunehmenden Gärung unter den Massen und be­ günstigt durch die Spannungen innerhalb der einzelnen Fraktionen der herrschenden Klasse meldete sich jetzt schon viel nachdrücklicher und vor allem konstanter als 1794/95 die bürgerliche Opposition zu Wort. Dabei zeigte die Richtung, in der sie ihren Angriff vortrug, ganz deutlich den starken Einfluß des Beispiels, das die württembergische liberale Bewegung gab. 1797 erschien von einem unbekannten Verfasser die Flugschrift .Über den Wert und die Folgen der ständischen Frei.Bien de plus certain, que l'état assez alarmant de l'intérieur de la Bavière.' Ebenda, BL 159. Steinwachs, Otto, a. a. O., Bd. 56, S. 49. .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1799, Bd. 1, S. 268 S. Rail, Hans, Kurbayem in der letzten Epoche der alten Reichsverfassung 1745-1801. C. H. Beck'sehe Verlagsbuchhandlung, München 1952, S. 415. 133 LHA Dresden, Loc. 30150, Kurbayem, 1798. iss Vgl. auch .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1799, Bd. 1, S. 278 S.

1,1 1.3 153 1.4

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heilen in Bayern'. Es war eine programmatische Schrift, die im selben Jahr einen Nachdruck, im nächsten bereits eine erweiterte Auflage erfuhr und allein schon durch die vielen Gegenschriften, die sie hervorrief, ihre Bedeutung dokumentierte. Sie leitete gleichsam die Flut von Pamphleten in Bayern ein, die bis über die Jahr­ hundertwende hinaus anhielt. Der Verfasser redete keiner Revolution von unten das Wort, im Gegenteil, wie er in seiner Vorerinnerung beteuerte, sah er den Zweck seiner Schrift gerade darin, die drohende Revolution vermeiden zu helfen: .Es gibt kein Ländchen im deutschen Reiche, so klein es auch sein mag, wo nicht der größere Haufe das aus Frankreich dahergeflatterte Losungswort .Freiheit und Gleichheit' einander sich zuruft, über Despotendruck lärmt und den Edlen und Priester be­ schimpft, bloß von nachahmender Modesucht hingerissen und unwissend, die Ur­ sache seines Lärmens und Schimpfens oder die Quelle des vermeinten Druckes auch anzugeben. Selbst Bayern, dieses seinem angeborenen Fürsten von jeher so sehr ergebene, seiner alten Verfassung so unverbrüchlich getreue Volk, ist nicht frei von dieser neumodischen Seuche... Der bayerische Bürger und Landmann, durch das Beispiel der Neufranken gereizt und von deren Verfassung noch weniger als von seiner eigenen unterrichtet, wagt schiefe Vergleichungen zwischen Frankreich und Bayern und glaubt, die nämlichen Ursachen der Unzufriedenheit zu finden, welche die Neufranken zu haben vermeinten.' 137138 Diese Darstellung kontrastierte seltsam mit der noch seltsameren Behauptung, daß ausgerechnet die .herrliche Verfassung' des Reiches mit ihrem Religionsfrieden, der Kammergerichts- und Reichsexekutions­ ordnung Deutschland vor jeder revolutionären Gefahr .mit Macht und Kraft * zu schützen vermöge.133 Offenbar glaubte der Verfasser diesen seinen eigenen Worten nicht; aber er brauchte sie ebenso wie den diffamierenden Ton in seiner Schilderung des französischen Einflusses, um nicht selbst revolutionärer Absichten verdächtigt zu werden. Immerhin flössen auch solche Formulierungen in seine Vorerinnerung ein: .Die Rechte des Fürsten und des Volkes betrachtete ich immer für heilige, un­ verletzliche Rechte, und der strengste Kritikaster wird mir auch nicht das mindeste Wörtchen heraustorquieren, wodurch mir irgendein gewagter Angriff auf diese Rechte nur dem Scheine nach zur Last gelegt werden könnte.'133 In der Tat ver­ mied der Verfasser jedes direkte kritische Wort an die Adresse des Fürsten; aber seit wann besaß im feudalen Bayern das Volk .heilige, unverletzliche Rechte *? Hinter den Loyalitätsbeteuerungen verbarg sich der aufgeklärte und von den fran­ zösischen Ideen nicht unbeeinflußte Liberale, der Reformen verlangte, die zum Teil prinzipieller Natur waren: .Man muß... seine (des Volkes - H. S.) gegrün­ deten Beschwerden ungesäumt abstellen, vor allem aber die erste Quelle der Unzu­ friedenheit aufsuchen und verstopfen, ehe sie in einem unaufhaltsamen Strom her­ vorbricht.' 140 Diese erste Quelle aber waren die .nach der Barbarei der Vorzeit riechenden, mit den heutigen Umständen und Bedürfnissen nicht mehr vereinbar­ liehen Vorrechte * der privilegierten Stände.141 137 Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayeni. o. O. 1797, S. VI, VIII. 138 Ebenda, S. VI. Ebenda, S. XIV. 1M Ebenda, S. VUI. 141 Ebenda. S. XV.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Auf diese feudalen Vorrechte des Adels konzentrierte der Verfasser sein Feuer. Er ging auf ihren historischen Ursprung zurück und kennzeichnete die ottonische Handfeste, einen Vertrag vom Jahre 1311 zwischen dem Herzog Otto von Nieder­ bayern und den Ständen, die sich damit die Niedergerichtsbarkeit über die Grund­ untertanen und die Steuerfreiheit erkauften, als Ausgangspunkt einer Entwicklung, die die alte freie Verfassung Bayerns mehr und mehr zerstörte. In der Folge er­ weiterten die Stände nicht nur territorial, sondern auch inhaltlich ihre Vorrechte auf Kosten des Volkes; sie schafften sich in der Landschaft und in der landschaftlichen Verordnung Organe, die zwar für das Land zu sprechen vorgaben, in Wahrheit aber blofje Interessenvertretungen der Privilegierten waren. Der Verfasser argumentierte in seiner Widerlegung des historischen Anspruchs, den der Adel zur Verteidigung seiner Vorrechte ins Feld führte, zunächst nicht mit allgemeinen vernunftrecht­ lichen Prinzipien, sondern begegnete ihm mit dem historischen Nachweis noch älterer Ansprüche des Volkes, die der Adel nur durch .die widernatürlichste Usur­ pation' an sich gerissen hatte. In der weiteren Auseinandersetzung vermischten sich jedoch historische Argumentation und Begründungen des liberalen Aufklärers immer mehr. Der Anspruch der Landschaft beispielsweise, als Repräsentant des ganzen Volkes betrachtet zu werden, wurde einerseits damit widerlegt, dafj keine Urkunde existiert, in der ihr ausdrücklich oder auch stillschweigend eine solche Vollmacht erteilt wurde. Andererseits war das Argument, dafj sich gefreite Stände und un­ gefreite Landesunteranen wie Beklagter und Kläger gegenüberstünden und der Beklagte natürlich nicht als Vertreter des Klägers auftreten könnte, ganz aus dem Bereich des Vernunftrechts entnommen.142 Der Verfasser bestritt nicht nur den repräsentativen Charakter des Landtags und der landschaftlichen Verordnung, son­ dern nannte sie geradezu schädlich: .So ungültig auch die Abschlüsse derselben in Absicht des gemeinen Mannes waren, so könnte man sie doch immer so gelten lassen, wenn nur nicht die Stände dabei ihr eigenes Interesse jenem der gemeinen Untertanen vorgezogen, das ihrige von Landtage zu Landtage immer mehr be­ festigt und erweitert, dagegen das der Untertanen vernachlässigt, man darf sagen, zu unterdrücken gesucht hätten.' 143 Die Tätigkeit der landschaftlichen Verordnung war noch negativer als die des Landtags zu bewerten, da dieser nur in grofjen Ab­ ständen, jene dagegen jährlich zusammentrat.144 Die Schädlichkeit wurde dann im einzelnen an Hand der verschiedenen Vorrechte untersucht, die sich die Stände auf diese Weise zu verschaffen gewufjt hatten. Alle diese Privilegien, angefangen von der Steuerfreiheit über den Aufschlag, das jus collectandi et subcollectandi, die Hofanlagen, die niedere Gerichtsbarkeit, die Scharwerke bis zu den Laudemien, beraubten den Staat wertvoller Einnahmen und bedrückten gleichzeitig die Masse des Volkes. Bei der Schilderung der Bedrückung fand der Verfasser sehr scharfe Worte. So sagte er von dem Gesindezwangsdienst, den sogenannten Waiseljähren: .Sie (die Bauernburschen und -dimen - H.S.) werden wie Sklaven an der Küste der Bar­ barei zusammengetrieben, mit den schwersten Arbeiten beladen, mit der schlech>“ Ebenda, S. 30 ff.

Ebenda, S. 35.

144 Ebenda, S. 42.

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testen Kost manchmal statt dieser mit Schlägen gefüttert und nicht selten am Ende statt des Geldes mit Stock und Geige belohnt, indessen ihre armen, oft schon sehr alten Eltern die kraftvollen Hände ihrer Kinder entbehren und ihre eigene Haus­ und Feldarbeit mit größtem Schaden ihrer Güter versäumen müssen.'145 Aber die Kritik des Verfassers ging nicht so weit, daß er die feudalen Lasten schlechthin angriff. Er geißelte den angeblichen Mißbrauch, den die gefreiten Stände auf Grund ihrer Vorrechte damit trieben. Manche feudale Einrichtung, die objektiv die öko­ nomische Entwicklung hemmte, verteidigte er sogar gegen Verletzungen durch den Adel. So eiferte er gegen die Methode der Hofmarksherren, alle Gattungen von Handwerkern auf ihren Hofmarken anzusetzen und auf diese Weise den Kampf der städtischen Zünfte gegen die Pfuscher unwirksam zu machen: .Jedermann weiß, daß durch dieses anmaßliche Recht der Stände die Städte und Märkte in Bayern, deren Bürgerschaften größtenteils in Gewerbs- und Handwerksleuten bestehen und wohin auch die letzten außer nur jener, der der Bauersmann auf dem Lande bedarf, nach der älteren Landesverfassung allein gehörten, von ihrem ehemaligen Wohl­ stände sehr weit heruntergebracht worden sind. * 146 Die Kritik des Verfassers an den städtischen Verhältnissen ging denn auch nicht über die allgemeine Feststellung hinaus, daß besonders in den Hauptstädten .allgemach eine unvermerkte Art von Patriziat sich einschleicht, Nepotismus, Parteilichkeit, Kabale usw. herrscht, der manchmal nur durch Schleichwege ohne Verdienst und Kenntnis auf seinen Posten hinaufgehobene Vorsteher seine Mitbürger despotisiert und der Magistrat sich für den Herrn der Stadt, der Kammerkassen, der milden Stiftungen und der bürger­ lichen Gerechtigkeiten betrachtet, den Bürger aber wie seinen Untertan behandelt, welcher nur aus bloßer Herrengunst sein Dasein habe.'147 Seine ganze Aufmerksam­ keit wurde von der in der Tat wichtigeren Agrarfrage absorbiert, deren Lösung eine Grundbedingung für den gesamten ökonomischen Fortschritt bedeutete. Aber wie er es hier an der nötigen Konsequenz vermissen ließ, so überspitzte er anderer­ seits wieder, wenn er sich für Bayern .beinahe keine andere, wenigst keine vorteil­ haftere Anlage zur Industrie als den Ackerbau' denken konnte.148 Beides, die Be­ schränkung in den Reformforderungen und die Unterschätzung der gewerblichen Industrie, hatte dieselbe Wurzel, nämlich die ökonomische und bewußtseinsmäßige Rückständigkeit des bayerischen Bürgertums. Der Verfasser wußte darum auch keinen anderen Ausweg als den Appell an den Fürsten. Nicht umsonst hatte er jedes kritische Wort an solchen Feudalrechten ver­ mieden, die der Kurfürst selbst beanspruchte. Er versuchte vielmehr, das Verhältnis zwischen dem Fürsten und den Ständen als ein prinzipiell gegensätzliches darzu­ stellen und nachzuweisen, daß diese jenen um die wertvollsten Einnahmen betrogen. Empörende Mißstände in der kurfürstlichen Verwaltung, an denen kein kritischer Beobachter vorbeigehen konnte, wurden nicht dem Feudalsystem als Ganzem zur Last gelegt, dessen hervorragendster Repräsentant eben der Fürst war, sondern >« 144 147 148

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

S. S. S. S.

75/76. 77/78, 82. 80.

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VH. Der Aufschwung der anti feudalen Bewegung

ausschließlich dem verhängnisvollen Einfluß der Stände. Die faktische Unmöglich­ keit für den Untertanen, gegen unrechtmäßigen Druck den Schutz höherer Gerichte zu suchen, erklärte er richtig aus der Tatsache, daß die Justiz vom Adel beherrscht wurde,- die Frage der Verantwortung des Fürsten für diesen Zustand aber warf er überhaupt nicht auf.149 Der Verfasser hing der Illusion an, daß der Fürst, von ein­ sichtsvollen Männern beraten, sich mit der Masse der werktätigen Bevölkerung gegen seine eigene Klasse verbünden könnte. In diesem Sinne waren die konkreten Vorschläge gehalten, mit denen die eigentliche Schrift schloß: .Der Bogen ist zu gespannt, er muß brechen. Nur ist es notwendig, daß man einem gewaltsamen Bruche vorbeuge. Die besten Mittel scheinen mir diese zu sein: 1. Ein Landtag, der erste, der diesen Namen verdiente,- denn die bisherigen waren weiter nichts als Ständetage. 2. Eine wahre Repräsentation der Untertanen auf diesem Landtage und für alle fol­ genden Zeiten. 3. Die Untertanen müssen sich unter der Aufsicht der Landesherrschaft ihre Reprä­ sentanten selbst wählen dürfen. 4. Weil die Untertanen bei weitem der größte Teil der Landesbewohner sind und alle übrigen nähren müssen, so sollen sie auch auf dem Landtage und bei den land­ schaftlichen Versammlungen wenigst ebenso viele Repräsentanten und Stimmen haben als die drei gefreiten Stände miteinander. 5. Die Gegenstände der Beratschlagungen des Landtags sind alle obberichteten Be­ schwernisse der Untertanen und deren bestmöglichste Abstellung. 6. Vor allem sollte die gnädigste Landesherrschaft geruhen, aus rechtschaffenen und einsichtsvollen Männern, die keinem der drei gefreiten Stände beigetan und ge­ borene, von ihrem Vaterlande gute Kenntnis besitzende Bayern sind, eine Kom­ mission zusammenzusetzen, welche den Plan zum künftigen Landtage, zur Wahl der Repräsentanten der Untertanen, zu den Beratschlagungen, den Gegenständen, Beschwerden, Abschlüssen usw. zu entwerfen und der höchsten Landesherr­ schaft vorzutragen hätte usw. * 150

Von oben also, vom Fürsten, sollte der erste Anstoß ausgehen. Aber - und damit machte der Verfasser einen großen Schritt über den Standpunkt des liberalen Auf­ klärers hinaus - nach diesem ersten Anstoß besaß das werktätige Volk in seinen Repräsentanten Organe, um seine Interessen selbständig zu vertreten. Die Forderung nach einer Stimmenzahl, die der der drei gefreiten Stände entsprach, war gewiß noch gemäßigt; der Fürst, über dessen Verhältnis zur Repräsentation nichts ausgesagt war, konnte bei strittigen Fragen jedenfalls eine Art Schiedsrichterstellung ein­ nehmen. Vielleicht aber rechnete der Verfasser wie bei der Einberufung der General­ stände in Frankreich mit der Unterstützung durch einzelne Vertreter der gefreiten Stände, so daß eine Mehrheit gesichert war, die auch der Fürst respektieren mußte. Über die Stellung des Fürsten zur Repräsentation zu sprechen, schien offensichtlich noch nicht opportun, solange der erste Schritt, die Wahl der Vertreter, nicht von ihm eingeleitet war. Daß mit der Einführung der Repräsentation im Grunde auch “• Ebenda, S. 74.

1S* Ebenda, S. 90 ff.

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eine konstitutionelle Beschränkung der fürstlichen Gewalt beabsichtigt war, leidet keinen Zweifel. Nicht in der eigentlichen Flugschrift, sondern in einem als Anhang ihr beigegebenen konstruierten Streitgespräch über die Berechtigung, eine solche Schrift vor die Öffentlichkeit zu bringen, wurden zwar vorsichtig, aber doch deutlich genug solche Perspektiven entwickelt. Auf die Behauptung des A., die Schrift wäre empörend, antwortete B. mit dem Hinweis auf ihre Mäßigung: .Die Schrift, über welche dieses harte Urteil gesprochen wird, bestreitet nicht im geringsten die fürst­ lichen Rechte, sondern nur die Mißbrauche des Adels und der Geistlichkeit. Die meisten anderen politischen Schriften, deren Verfasser ich zum Teil oben genannt habe, gehen viel weiter und wagen es sogar, die willkürliche Gewalt der Fürsten zu beschränken und ihnen den Vorschlag zu machen, daß sie sich selbst freiwillig die Hände binden sollen, damit ihre Nachfolger, Minister und Räte den Völkern nur Gutes, nicht Böses tun sollen. * Aber schon bei dem nächsten Einwand, daß öffent­ liche Druckschriften kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Bedrückungen wären, ging B. aus seiner Reserve heraus und belud den Fürsten wie die Land­ stände mit der Verantwortung für die bestehenden Obel: .Man hat Jahrhunderte ge­ schwiegen, aber das Obel ward immer ärger. Lange waren Fürsten, Minister, Räte und Landstände; aber die Bedrückungen des Volkes haben sich stets vermehrt und vergrößert, und niemand verteidigte die Rechte der Menschheit... Die Zeit der Finsternis ist vorbei, und jetzt noch das Stillschweigen gebieten wollen, wäre ein Beweis, daß man nicht wisse, was in der Welt vorgeht und geschieht... Die will­ kürliche Gewalt in der Hand des Fürsten oder der Aristokraten ist verderblich.'161 Die schließliche Absicht, nicht nur die willkürliche Gewalt der Aristokratie zu be­ seitigen, sondern auch die des Fürsten in eine konstitutionell beschränkte zu ver­ wandeln, äußerte B. offen, als A. behauptete, daß die Landstände nur eine beratende Stimme besäßen: .Kann nicht auch der Fürst durch Leidenschaften, z. B. durch den Eroberungsgeist, hingerissen oder auch aus Schwachheit durch Minister und Räte irregeführt werden? Wer entscheidet hier über Recht oder Unrecht? Wenn die Repräsentanten nur raten dürfen, wann es der Fürst fordert, wenn ihr Widerspruch auch bei den wichtigsten Angelegenheiten, z. B. bei der Frage, ob Krieg geführt oder ein Teil des Landes veräußert werden solle oder nicht, bloß als ein Rat an­ gesehen wird, den der Fürst befolgen oder verwerfen kann, so lohnt es der Kosten nicht, daß das Land Landstände habe und besolde.'192 Der Kunstgriff des Verfassers, seine weitergehenden Absichten nicht selbst zu äußern, sondern einem anderen in den Mund legen, war ein durchsichtiges Manöver. Auf diese Weise konnte er sich den Anschein großer Mäßigung geben, das Augen­ merk der Leser auf die nächste Aufgabe konzentrieren und dennoch die Konse­ quenzen andeuten, die schon weniger gemäßigt waren. Offenbar aber war dieser Kunstgriff doch nicht so durchsichtig, daß er nicht verschiedene Zeitgenossen täuschte. Der preußische Gesandte in Regensburg berichtete ausführlich über Auf­ bau, Inhalt und Forderungen dieser Schrift; vom Anhang bemerkte er nur, daß mit 1,1 Ebenda, S. 95/90. l« Ebenda, S, 107. 30 Süddeutsche Jakobiner

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

ihm die Pressefreiheit und insbesondere die Veröffentlichung dieser Schrift ver­ teidigt wurde.153 Selbst der ausgesprochen feindlich gesonnene Rezensent in der Oberdeutschen Allgemeinen Literaturzeitung vom 11. Oktober 1797, dem der Ver­ fasser in der zweiten Auflage seiner Schrift ausführlich antwortete, ging mit keinem Wort auf den Anhang ein.134 Dabei fand sich in diesem Anhang, für den der Verfasser nicht verantwortlich zeichnete, auch eine solche Formulierung: .Die Schlüsse und Grundsätze der Philosophie sind mächtiger geworden als alle Kriegsheere der * Könige! 165 Der gewählte Vergleich erinnert zu stark an die Niederlage der Koa­ lition der Könige im Interventionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich, um noch als naives Vertrauen des Aufklärers in die Macht der bloßen Idee ohne ihre Umsetzung in materielle Gewalt gewertet werden zu können. Die Französische Revo­ lution hat Pate bei der Schrift gestanden, gewiß nicht in ihrer jakobinischen Phase, wohl aber in ihrem Beginn, da sie über die konstitutionelle Monarchie noch nicht hinausgegangen war. Taktische Rücksichten liefen es dem Verfasser ratsam er­ scheinen, diese Quelle seiner Ansichten zu verschleiern. Wie schon gesagt, hatte die Schrift eine in Bayern bis dahin ungekannte Wirkung. Die erste Auflage und mit ihr der von einem geschäftstüchtigen Verleger veran­ lagte Nachdruck waren im Nu vergriffen, so daß sich der Verfasser 1798 zu einer zweiten Auflage mit einer Titelvignette, die den Bauernstand dem Landschaftskörper bereits zuteilte, und mit einem neuen Anhänge entschloß, in dem er sich mit der genannten Rezension in der Literaturzeitung auseinandersetzte.153 Dabei konnte er in seiner Vorrede bereits auf eine andere Flugschrift hinweisen, die, wenn sie auch seinen Auffassungen widersprach, doch durch ihn wesentlich veranlaßt war. Es handelte sich um den .Versuch über den Ursprung und Umfang der landständischen Rechte in Bayern'.157 Diese Arbeit war von dem Landschaftsarchivar Panzer mit dem Ziel angefertigt, das Ansehen der Landschaft in den Augen der Öffentlichkeit wesentlich zu heben. Die Vorrede war zwar vom 16. November 1796 datiert, aber die Arbeit selbst erst 1798 gedruckt. Das Inhaltsverzeichnis avisierte als einen Nach­ trag eine Auseinandersetzung mit der Schrift .Ober den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten . * Panzer versuchte, aus der allgemeinen Opposition gegen die österreichische Politik des Kurfürsten für die Landschaft Kapital zu schlagen und ihr Recht auf Bewilligung, Erhebung und Verwaltung der Steuern, auf Teil­ nahme an Gesetzgebung, Kriegserklärungen und Friedensschlüssen zu behaupten und als geradezu segensreich hinzustellen.158 Er war klug genug, die hergebrachte Repräsentation nicht für die vollkommenste zu halten, nannte jedoch ihre Umbildung in eine verhältnismäßige Repräsentation ein schwieriges Unternehmen und schlug »M DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 76/77. 154 Ober den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern. Zweite mit Anmer­ kungen versehene Auflage, samt einem ganz neuen Anhänge, o. O. 1798, S. 19 ff. Ober den Wert..., a. a. O., 1797, S. 100/01. Über den Wert..., a. a. O., 1798, S. V/VI. 157 (Panzer, Georg Wolfgang), Versuch über den Ursprung und Umfang der landständischen Rechte in Bayern. Ein Beitrag zum bayerischen Staatsrechte, o. O. 1798, 1. Abt. 1M Ebenda, S. 36 ff.

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darum vor, das Interesse der Landeseinwohner mit der Landschaft besser dadurch zu verbinden, daß die Feudalherren ebenfalls besteuert und die Vorrechte der Geburt teils aufgehoben, teils fixiert würden, um eine weitere Ausdehnung der Ungleichheit in den Rechten zu verhindern. Kleine Zugeständnisse also sollten die Landschaft in ihrer bisherigen Form retten und ihren Anspruch stärken, als Landesrepräsentation zu gelten.189 Panzer als Archivar der Landschaft und gewissermaßen als ihr offiziöser Sprecher war nicht ihr einziger Verteidiger. Schon 1797 war ein .Gegenstück zu der neuen Flugschrift: Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern * erschienen.189 1798 wurde ein weiterer proständischer »Beitrag zur Prüfung der Schrift' veröffentlicht.191 Sogar noch im Jahre 1800 hielt es ein Verteidiger der Landschaft für angebracht, eine .Beurteilung der anonymischen Schrift: Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten * herauszubringen.182 Umgekehrt aber knüpften auch die Anhänger von Reformen an das bahnbrechende Werk an, so Christoph von Aretin in einer 1799 anonym erschienenen Flugschrift19S, so die im selben Jahr veröffentlichte Schrift »Über die Quellen des wachsenden Mißvergnü­ gens in Bayern', die sich ausdrücklich als Nachtrag jenes ersten grundlegenden Werkes bezeichnete.184 Die Schrift »Über den Wert und die Folgen der ständischen * Freiheiten wirkte bahnbrechend; aber sie konnte natürlich nur so wirken, weil die bestehenden Verhältnisse in jeder Hinsicht zur Fessel geworden waren und das sich in ihrem Schoße entwickelnde Neue gebieterisch ihre Veränderung verlangte. Diese Forderung, eben weil sie einem allgemeinen Bedürfnis entsprang, hatte sich selbst­ verständlich schon vor dem Erscheinen der genannten Schrift auf diese oder jene Weise, in Unruhen, in Pamphleten und Abhandlungen, geäußert. Die Schrift wurde nicht wie Athene aus dem Haupte Zeus’ plötzlich geboren, sondern ihre Bedeutung und das Geheimnis ihrer Wirkung bestanden darin, daß sie im rechten Zeitpunkt das allgemeine, aber noch recht uneinheitliche Begehren programmatisch zusammen­ faßte. Gute Vorarbeit hatte vor allem schon die landwirtschaftliche Reformliteratur ge­ leistet. Ein hervorragender Pionier auf diesem Gebiet war Simon Rottmanner, selbst bäuerlicher Herkunft. Als Sohn eines reichen Bauern aber konnte er das Gymnasium und die Universität zu Ingolstadt besuchen. Nach abgeschlossenem Jurastudium war er als Rechtskonsulent und Verwalter beim Grafen von Preysing tätig. Er ver­ folgte die erreichbare landwirtschaftliche Literatur, machte Studienreisen in die Main- und Rheingegend, heiratete eine reiche Bauerswitwe und kaufte schließlich •s» Ebenda, S. 49 ß. »® DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 77 1,1 Beitrag zur Prüfung der Schrift: Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern, o. O. im Erntemonat 1798. Der Verfasser stützte sich auf Panzers Arbeit, auf die er ausdrücklich verwies (S. 14). 162 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 78. 163 (Aretin, Christoph von), Ein neuer Landtag, die wichtigste Angelegenheit für Bayern, o. O. 1799. 1M (Pelkhouen, Johann Nepomuk von), Über die Quellen des wachsenden Mißvergnügens in Bayern. Ein Nachtrag zu der Abhandlung über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten, o. O. 1799. 30»

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den kleinen Edelsitz Ast, den er zu einer Musterwirtschaft entwickelte.168 Mit Stolz sagte er von sich: .Ich habe nicht nur alle Gegenden meines Vaterlandes genau kennengelemt und die meisten Länder im Reiche, besonders am Rhein mit dem Auge eines Ökonoms öfter durchreist, sondern selbst schon vieles für den Kleebau, für den Anbau der Brache und für die Stallfütterung geschrieben; und ich habe bei meiner Wirtschaft schon zwanzig Jahre eine vollständige Stallfütterung. * Aus seinen Schriften könne man erkennen, «daß ich fast alle ökonomischen Bücher gelesen habe und daß ich mich bemühe, die Theorie mit der Erfahrung zu verbinden'.188 Rottmanner beschränkte sich nicht auf die Propagierung moderner agrarwissen­ schaftlicher Erkenntnisse; er begriff zu gut, daß die bestehende sozialökonomische Ordnung einfach keinen Raum für die Entwicklung fortgeschrittener Produktions­ methoden lieg. .Kann der Bauer', so fragte er in einer anonym erschienenen Schrift 1797, .in den dermaligen Umständen bei den vielen Fron- oder Scharwerksdiensten, bei den vielen Getreideabgaben an die Grundherren, bei seinem elendigen Leib­ rechte oder Freistift, vermög deren er und seine Kinder nach Willkür des Grund­ herrn vom Gut gejagt werden können, bei dem dermaligen Mangel an Dienstboten, bei seinen schlechten Hütten und Ställen, ohne Geld, ohne Futter und Stroh, bei entkräfteten Ackern, bei so verschiedenen Richtern, bei so kostbaren Vermessungen der Gründe und Taxen, bei so vielerlei Einsprüchen der Zehntherren, der Grund­ herren und Nachbarn, bei so vielerlei Dienstbarkeiten und Hindernissen, die er aus eigener Kraft nicht beseitigen kann, die Stallfütterung und die hochgepriesene Kultur unternehmen?'167 Rottmanners Schriften waren darum zugleich politische Kampfschriften. Mit gutem Recht konnte er 1796 von sich sagen: .Ich war der erste, der meine Landleute auf Forstwirtschaft und Forstwissenschaft aufmerksam machte, der erste, der es zu behaupten wagte, daij, wenn die Kultur bestehen soll, die Menge des Wildes vermindert werden müsse und daij der Landmann, der in den dermaligen Zeiten so viele Abgaben zu bestreiten hat, dasselbe nicht mit seinem Getreide füttern könne. Ich verteidigte den Landmann wider die neuen Eingriffe einiger Zehntherren, wider die Exzesse der Gerichtspraxis und wider die Mißbrauche der Jäger, Schörgen und Wasenmeister. Ich wagte es zuerst, die Schädlichkeit des Leibrechts und der Freistifte zu zeigen, und machte Vorschläge zu dem weit nützlicheren Erbrecht, wo­ durch das Schicksal des großen Haufens arbeitender Menschen erleichtert würde.'188 Rottmanner blieb dabei immer der Agrarfachmann; aber wie er mit seinen kritischen Arbeiten dazu beigetragen hatte, daß die Schrift .Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten' geschrieben werden konnte, so schärfte umgekehrt das darin zum Ausdruck kommende Anwachsen der Opposition auch seine Feder. Am weitesten ging er in seinen Angriffen auf die Geistlichkeit, besonders auf das lu HoBmarm, Ludwig, ökonomische Geschichte Bayerns unter Montgelas 1799-1817. In: Bayerische Wirtschafts- und Verwaltungsstudien. Herausgegeben von Georg Schanz. Er­ langen 1885, Bd. 2, H. 1, S. 60/61. 1M (Rottmanner, Simon). Ofellus rusticus..., a. a. O., S. 8 ff. ln (Rottmanner, Simon), Sammlung von Beurteilungen einiger bayerischer politischer Druck­ schriften. Von einem Zuschauer auf dem Lande, o. O. 1797, S. 26 ff. (Rottmanner, Simon), Ofellus rusticus..., a. a. O„ S. 9.

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Mönchsunwesen. In der Auseinandersetzung mit einer Schrift, deren Verfasser die kulturellen Leistungen der Klöster hervorhob und die rhetorische Frage stellte: .Was war Bayern vor den gestifteten Klöstern gegen jetzt? , * erklärte Rottmanner: .Die Handwerker sind zur Kultur weit notwendiger als die Klöster, und diese würden ohne jene wenig kultiviert haben. Man könnte also auch fragen: Was war Bayern vor den Schmieden, Seilern, Wagnern, was war es vor den Handwerken und Kün­ sten? ... Können die dermaligen Mönche bei ihrer ganz geänderten Lebensart noch einen Anspruch auf die Verdienste ihrer ältesten Vorfahren machen? Ich frage weiter: Was könnte Bayern sein, wenn wir von der ungeheuren Menge der Klöster und Mönche befreit und ihre unermeßlichen Güter für die Schulen und Erziehung der Jugend, für die Armen und zum wahren Nutzen des Staats verwendet wür­ den?'169 Rottmanner teilte diese Auffassung mit vielen. Der Fürstabt Coelestin Steiglehner von St. Emmeram zu Regensburg schrieb am 16. April 1798 dem Abt von Benediktbeuren: .Das Publikum deutet nun mit Fingern auf die Klöster und erwartet unsere Säkularisation,...' 170 Darum warnte er am 12. Dezember 1798 auch seinen Freund Roman Zirngibl, den Probst von Haindling, vor jeder übergroßen Strenge bei der Abgabeneintreibung: .Mit Exekution aber müssen wir Geistlichen schonend zu Werke gehen, damit wir nicht die ersten sind, welche den Untertan zur Verzweiflung bringen und zum Aufruhr reizen.'171 Sprach Rottmanner in bezug auf die Klöster einer Radikalkur das Wort, so trat er den Grundherrn doch weniger entschieden gegenüber. In seinem .Beitrag zur Geschichte der Frone oder Scharwerk in Bayern *, dessen erster Teil 1798 erschien, stellte er zwar die Rechtmäßigkeit ihrer Privilegien mit dem Hinweis in Frage, daß .ihre Vorfahren bei der Erlangung ihrer Freiheiten eben nicht den geradesten Weg gegangen sind', aber er behandelte die Privilegien schließlich doch als gegebene Tatsachen, an denen er zunächst nicht rüttelte.172 Er appellierte vielmehr an die Feudalherren, von sich aus nach dem Beispiel einzelner Adliger, wobei er an Maxi­ milian von Preysing denken mochte, in ihren Forderungen nachzulassen und so die unerträgliche Lage der Bauern zu mildern. In der speziellen Frage der Scharwerke trat er dafür ein, daß die besonders drückenden ungemessenen Dienste nicht bloß in gemessene, sondern zugleich in eine mäßige jährliche Geldabgabe verwandelt würden. Der Ton jedoch, in dem er die gegebenen Zustände schilderte, verriet, daß er solche Reformen als ein allernotwendigstes Minimum betrachtete: .Die Sklaven, deren Dasein doch vor so vielen Jahrhunderten aufgehört hat, waren also weit besser daran als unsere heutigen ständischen Untertanen, die die ungemessene Scharwerk verrichten müssen, ob sie schon ihren Personen nach freie Leute und Mitglieder der Nation sind. Es ist endlich einmal Zeit, das uns alle nährende Landvolk von einem Joche zu befreien, welches es in der Folge ganz niederdrücken und zur fürchterlichsten Verzweiflung hinreißen würde. Exempla trahuntl'173 1,1 170 171 171 173

(Rottmanner, Simon), Sammlung.. ., a. a. O., S. 10 ff., 18 ff. Grill, Regis, a. a. O., S. 74. Ebenda, S. 69. (Rottmanner, Simon), Beitrag zur Geschichte der Frone..., a. a. O., S. VT/VII. Ebenda, S. 150.

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VIL Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Wenn Rottmanner noch in der Weise der Aufklärer die Gewißheit schließlicher Befreiung von den feudalen Fesseln abstrakt auf die Philosophie und den .holden Genius der Zeit * gründete, so ist bei ihm doch gleichzeitig schon die innige Be­ rührung mit den Massen spürbar, die der reinen Aufklärung fremd blieb. Rottmanners ganze Sympathie, ja Liebe, gehörte den Werktätigen, insbesondere den Bauern. Der Gedanke, daß auch der Bauernschaft eine Repräsentation gebührte, klang mit in der zunächst noch negativen Feststellung: .Die Bauern sind nur die lei­ denden Glieder des Staatskörpers, deren Stimme nie gehört wird. Sie getrauen sich kaum, über Bedrückungen zu weinen, denn selbst ihre Seufzer werden gestraft. * 174 Es war nur ein kleiner Schritt von dieser Feststellung zu der einer anderen Flug­ schrift aus dem gleichen Jahre, wonach es für einen «gemeinen schlichten Bauern­ verstand ... zu hoch und unbegreiflich ist, wie doch diese gnädigen Herren es dahin haben bringen können, sich zu alleinigen Sprechern des ganzen Volkes aufzuwerfen und dem Bauernstand, der doch bei weitem der allergrößte ist und allen übrigen Brot und Nahrung verschaffen muß, den Mund zu verschließen, sogar dann zu ver­ schließen, wenn über sein Wohl und Wehe allein die Rede ist'.175 Am Ende stand die Forderung nach einer bäuerlichen Vertretung, wie sie die Schrift .Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten' formuliert hatte.

4. Die revolutionär-demokratischen Bestrebungen zur Bildung einer süddeutschen Republik Auf der Basis der allgemeinen Verschärfung des Klassenkampfes erreichten die revolutionär-demokratischen Kräfte in Süddeutschland um die Wende von 1798/99 ihren höchsten Aufschwung. Ihr wichtigstes Zentrum war Württemberg. Die württembergischen Revolutionäre hatten sich bei der Offensive zu Beginn des Jahres 1798, die in dem Plane zur Sprengung des Rastatter Kongresses gipfelte, nicht so exponiert, daß sie die Gegenmaßnahmen des Direktoriums und der feudalen Re­ aktion so stark wie die Revolutionäre am Rhein trafen. Sie konnten darum jetzt zu einem revolutionären Zentrum werden, das die versprengten Kader am Oberrhein wieder sammelte, alte Verbindungen festigte und vor allem neue knüpfte. Den Kem bildete die schon in der Bewegung von 1796 tätige Gruppe um Haller und Kämpf. Ihr Kreis, der sich den unverfänglichen Namen .Gesellschaft' gab, hatte sich bedeutend erweitert. Zu einem Teil waren es Angehörige der bürgerlichen Intelligenz, so der Kanzleiadvokat Dr. Lang aus Weilheim, Sohn des dortigen Stadt­ pfarrers und .nach allen Umständen ein fähiger Mann', wie selbst die später vom Herzog eingesetzte Untersuchungskommission zugeben mußte17B; weiterhin der Posthalter Adam Karl August Eschenmeyer aus Plochingen, der es später bis zum Heidelberger Universitätsprofessor brachte, der Kanzleiadvokat Johann Ludwig 174 Ebenda. S. 118. 1,5 Etwas über die Bevölkerung in Bayern, o. O. 1798, S. 20. HSA Stuttgart, A 11, Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskommission vom 21. 2. 1800.

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VIL Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Wenn Rottmanner noch in der Weise der Aufklärer die Gewißheit schließlicher Befreiung von den feudalen Fesseln abstrakt auf die Philosophie und den .holden Genius der Zeit * gründete, so ist bei ihm doch gleichzeitig schon die innige Be­ rührung mit den Massen spürbar, die der reinen Aufklärung fremd blieb. Rottmanners ganze Sympathie, ja Liebe, gehörte den Werktätigen, insbesondere den Bauern. Der Gedanke, daß auch der Bauernschaft eine Repräsentation gebührte, klang mit in der zunächst noch negativen Feststellung: .Die Bauern sind nur die lei­ denden Glieder des Staatskörpers, deren Stimme nie gehört wird. Sie getrauen sich kaum, über Bedrückungen zu weinen, denn selbst ihre Seufzer werden gestraft. * 174 Es war nur ein kleiner Schritt von dieser Feststellung zu der einer anderen Flug­ schrift aus dem gleichen Jahre, wonach es für einen «gemeinen schlichten Bauern­ verstand ... zu hoch und unbegreiflich ist, wie doch diese gnädigen Herren es dahin haben bringen können, sich zu alleinigen Sprechern des ganzen Volkes aufzuwerfen und dem Bauernstand, der doch bei weitem der allergrößte ist und allen übrigen Brot und Nahrung verschaffen muß, den Mund zu verschließen, sogar dann zu ver­ schließen, wenn über sein Wohl und Wehe allein die Rede ist'.175 Am Ende stand die Forderung nach einer bäuerlichen Vertretung, wie sie die Schrift .Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten' formuliert hatte.

4. Die revolutionär-demokratischen Bestrebungen zur Bildung einer süddeutschen Republik Auf der Basis der allgemeinen Verschärfung des Klassenkampfes erreichten die revolutionär-demokratischen Kräfte in Süddeutschland um die Wende von 1798/99 ihren höchsten Aufschwung. Ihr wichtigstes Zentrum war Württemberg. Die württembergischen Revolutionäre hatten sich bei der Offensive zu Beginn des Jahres 1798, die in dem Plane zur Sprengung des Rastatter Kongresses gipfelte, nicht so exponiert, daß sie die Gegenmaßnahmen des Direktoriums und der feudalen Re­ aktion so stark wie die Revolutionäre am Rhein trafen. Sie konnten darum jetzt zu einem revolutionären Zentrum werden, das die versprengten Kader am Oberrhein wieder sammelte, alte Verbindungen festigte und vor allem neue knüpfte. Den Kem bildete die schon in der Bewegung von 1796 tätige Gruppe um Haller und Kämpf. Ihr Kreis, der sich den unverfänglichen Namen .Gesellschaft' gab, hatte sich bedeutend erweitert. Zu einem Teil waren es Angehörige der bürgerlichen Intelligenz, so der Kanzleiadvokat Dr. Lang aus Weilheim, Sohn des dortigen Stadt­ pfarrers und .nach allen Umständen ein fähiger Mann', wie selbst die später vom Herzog eingesetzte Untersuchungskommission zugeben mußte17B; weiterhin der Posthalter Adam Karl August Eschenmeyer aus Plochingen, der es später bis zum Heidelberger Universitätsprofessor brachte, der Kanzleiadvokat Johann Ludwig 174 Ebenda. S. 118. 1,5 Etwas über die Bevölkerung in Bayern, o. O. 1798, S. 20. HSA Stuttgart, A 11, Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskommission vom 21. 2. 1800.

4. Bestrebungen zur Bildung einer süddeutschen Republik

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Müller aus Sulz, der Pfarrer Denzer zu Ilsfeld im Oberamt Lauffen, aus Stuttgart der Antiquar Steinkopf, der Kanzleiadvokat Johann Friedrich Zeller, der Regierungs­ registrator und -Sekretär Hauff und der Kanzlist Magister Neuffer. Das gewerbe­ treibende Bürgertum war neben dem Fabrikanten Haller durch Männer wie die Kaufleute Ludwig Friedrich Ofterdinger, dessen Haus in Stuttgart ein wichtiger Ver­ sammlungsort der Revolutionäre wurde, Rehfus aus Ebingen, Lieb aus Stuttgart und den Konditor und Spezereihändler Johann Jakob Schneckenburger aus Tuttlingen vertreten. Von besonderer Bedeutung war die Tatsache, daß eine beträchtliche An­ zahl junger Offiziere der herzoglichen und Kreistruppen mit der .Gesellschaft * in Verbindung traten und zum Teil darin eine führende Rolle spielten; in erster Linie sind hier der Oberleutnant Karl Friedrich von Penasse und die Leutnante Christian Friedrich Ludwig Bauer, Christian Leopold Pelletier und Karl Streim, dann aber auch Karl Friedrich Kerner, Walter, Georgi und Wibbeking zu nennen, die meist in Stuttgart, Ludwigsburg oder Eßlingen stationiert waren.177 Enge Verbindungen bestanden zwischen den Württembergern und der Reichsstadt Ulm. In Ulm wirkte neben dem Bürger Johann Kindervater, der schon in der ersten Hälfte der 90er Jahre als Mitglied der Lesegesellschaft und Freimaurerloge hervor­ getreten war178* , der Kaufmann Christoph Heinrich Wechsler, wie Kindervater in 180 der Lesegesellschaft tätig, Mitglied des Bürgerausschusses und seit 1796 mit Haller und Linck verbunden. Ein an Haller adressierter Brief Wechslers vom 6. August 1797 bewies, .daß derselbe schon im Jahre 1797 mit dem Fabrikanten Haller und anderen Revolutionsprojektanten an der Republikanisierung Schwabens gearbeitet, dabei vorzüglich auf die Unterstützung der für die Sache zu gewinnenden württembergischen Untertanen gerechnet und durch sein Schreiben den Fabrikanten Haller mit der größten Lebhaftigkeit zu fernerer Mitwirkung in der Ausführung dieses Planes aufgefordert hatte'.178 Die Vermutung des Ulmer Magistrates, daß Wechsler auch 1798 bei der geheimen Absendung Müllers alias Bärenstechers nach Paris beteiligt war und ihn bis nach Stuttgart begleitet hatte, war durchaus begründet.184 Daß die Reichsstadt Reutlingen mit ihrem Bürgermeister Fezer an der Spitze und darüber hinaus eine ganze Reihe anderer schwäbischer Städte in die revolutionären Bestrebungen einbezogen waren, bewies ein Brief des Straßburgers Friedrich Cotta an Fezer, worin er ihm den Rheinübergang Jourdans 1799 anzeigte und fortfuhr: .Ich habe, mein Lieber, Deine und Freund R.'s Briefe empfangen und danke dafür, bitte aber zugleich inständig um baldige Fortsetzung und Komplettierung der doppelten Liste braver Männer aus den schwäbischen Städten. Der Augenblick ist gekommen... Gott wird ferner mit der großen Sache sein. Klugheit und Mut.'181 Als Anhänger des revolutionären Projekts in anderen Städten wurden namentlich genannt Leth aus Bruchsal, Kaufmann Stoll aus Heilbronn, Kirchenrat Mieg und der 177 Ebenda, Bü. 27. 178 Ebenda, Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskonunission vom 28. 2. 1800; vgl. auch Endriß, Julius, a. a. O., S. 55/56, 106 Anm. 18. 178 HSA Stuttgart, Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskonunission vom 31. 1. 1800. 180 Ebenda. Schreiben des Magistrats vom 5. 2. 1800. 181 Ebenda, A 30, Nr. 149, zitiert im Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1800.

VIL Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Schaffner Hedäus aus Heidelberg.182 Weitere Beziehungen bestanden zwischen den Württembergern und dem Kreis um den hessen-homburgischen Gesandten in Rastatt und Freund Hölderlins, Isaak von Sinclair. Nach den Aussagen seines ehemaligen Schützlings Blankenstein, der später zum Verräter an ihm wurde, hat Sinclair in Rastatt mit Baz revolutionäre Pläne verfolgt und auch zu Hofacker auf solcher Basis Beziehungen unterhalten.188 Die Bekanntschaft Sinclairs mit Kämpf datierte bereits aus dessen Homburger Zeit. Über seinen nahen Freund Jung, der 1798 seinen Dienst in Homburg quittierte und sich nach Mainz begab, war Sinclair auch mit den dortigen Klubisten verbunden. Sinclair gehörte zu den klarsichtigen Revolutionären, die auch die Jakobinerdiktatur als notwendige Phase der Französischen Revolution begriffen hatten.184 Nicht im einzelnen nachweisbare, aber dennoch eindeutige Kontakte konnten die Württemberger mit Münchener Revolutionären herstellen.185 Das württembergische Zentrum arbeitete aufs engste mit den deutschen Revolutio­ nären im Linksrheinischen und in der Schweiz zusammen. Die von dem württembergischen Herzog eingesetzte Kommission zur Untersuchung der revolutionären Bestrebungen stellte in einem Zwischenbericht vom 25. Februar 1800 eine Liste von zwanzig besonders Belasteten auf, unter denen Revolutionäre vom jenseitigen Rhein­ ufer die ersten fünf Plätze einnahmen. An erster Stelle war der unentwegte Jägerschmidt genannt, der damals nicht mehr Faktor, sondern Münzdirektor in Nieder­ schönthal war. Auf ihn folgte der Architekt Krutthofer, einst in herzoglich-zweibrückenschen Diensten, in Mannheim und Heilbronn ansässig, jetzt aber im Links­ rheinischen und in der Schweiz als führender Revolutionär tätig und mit Linck schon seit 1796 bekannt; er nannte sich auch Mauerbrecher, stand angeblich einer Firma Ballista und Comp. in Worms vor, hielt sich bald in Zürich im Hauptquartier des Generals Lecourbe, bald in Basel auf. An dritter Stelle war Georg List, an vierter Linck und an fünfter Maier alias Fahrländer genannt, alle drei erprobte Revo­ lutionäre.188 Ein anderes Verzeichnis, das die von den Verhafteten als beteiligt oder zumindest unterrichtet bezeichneten Personen aufführte, nannte unter den Überrheinern außerdem Rebmann, die Mainzer Dr. Wedekind und Petersen, den Hand­ lungsgehilfen Schmidt aus Basel, einen Rehm und den aus Stuttgart stammenden Heller in Frankenthal, den gebürtigen Ulmer Johann Michael Affsprung, der 1796 Schweizer Bürger geworden war, und den ehemaligen Benediktiner Franz Xaver Bronner aus Donauwörth, der sich ebenfalls in der Schweiz niedergelassen hatte.187 Die Verbindung zwischen den Revolutionären auf französischem oder helvetischem Boden und denen in Schwaben wurde durch briefliche Korrespondenz und durch 188 Ebenda, All, Bü. 27. >“ Ebenda, A202, Rubr. 77, Nr. 1. 1M Hettgsberger. Käthe, Isaak von Sinclair, der Freund Hölderlins. Berlin 1920, S. 28 ff., 67, 97. lw Wie Neumann berichtet, eröffnete ihm Jahrzehnte danach ein Angehöriger dieser Gruppe, der spätere Sekretär im bayerischen Medizinalkollegium Kraus: .Wir wollten hier zu München am Ende des vorigen und im Beginn des laufenden Jahrhunderts im Verein mit dem benachbarten Schwaben eine süddeutsche Republik gründen. Unsere Versammlungen hielten wir in einem Keller in der Weinstraße, wo sich auch schwäbische Abgeordnete ein­ * fanden. Neumann, Kazl Friedrich, Der Plan zu einer süddeutschen Republik am Ende des 18. Jahrhunderts. In: .Deutsche Jahrbücher für Politik und Literatur', Bd. 10, S. 287, 1864. 1M HSA Stuttgart, A 11, Bü. 30. 197 Ebenda, Bü. 29 A.

4. Bestrebungen zur Bildung einer süddeutschen Republik

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Emissäre aufrechterhalten. Die schriftlichen Mitteilungen und Aufträge waren häufig als Geschäftsbriefe getarnt, ihre Absender durch angenommene Namen und ihre Empfänger möglichst durch Deckadressen gesichert. Oberleutnant Penasse schrieb als Philipp Braun und ließ für ihn bestimmte Briefe an die Adresse der Jungfer Wörnerin in Stuttgart schicken. Wo man der Post nicht trauen durfte und dennoch auf sie angewiesen war, versandte man auch Bücher, in denen zwischen Decke Buchbinderpapier der eigentliche Brief verborgen lag. Nach Möglichkeit erfolgte die Nachrichtenübermittlung zumindest teilweise durch direkte Boten: .Sie lassen die Briefe nicht auf dem ganzen Wege durch die Post gehen, sondern schicken sie von der Schweiz oder diesseitigen Orten durch Boten an einen bestimmten Ort, wo sie einen Spediteur haben, der sie sodann durch die Post weiterbefordert: So scheinen sie bisher von der Schweiz nach Lörrach und von da nach Tuttlingen durch Boten gebracht und erst von Tuttlingen entweder auf der Route nach Ulm oder nach Stuttgart durch die Post gelaufen zu sein.'188 In Tuttlingen war es Schneckenburger, der als Anlaufstelle für aus Basel durch Boten überbrachte Briefschaften diente und ihre Weiterspedierung auf dem Post­ wege veranlagte. Die Verbindung zu Schneckenburger hatte der in Lörrach ge­ bürtige Bäckermeister Vollmer hergestellt, der ihn aus der Zeit ihrer gemeinsamen Arbeit in Neuchâtel von 1793 bis 1795 als .guten Patrioten * kannte und für geeignet hielt, die Korrespondenz Jägerschmidts nach Ulm, Augsburg, Regensburg und München zu besorgen. Vollmer, der sich auch Remlow nannte, war ein wichtiger Verbindungsmann Jägerschmidts für alle Stützpunkte zwischen Zürich und Mainz; darüber hinaus bereiste er als Emissär Oberschwaben, bediente sich aber auch anderer wie eines gewissen Möfiner als Briefboten nach Tuttlingen.188 Ein weiterer wichtiger Anlaufpunkt und Emissär zugleich war Hedäus von Heidelberg. Er emp­ fing sowohl von Krutthofer Briefe, die ihn unter dem Decknamen Johann Jakob Fischer erreichten180 und die er an Penasse weiterspedierte, als auch umgekehrt von Penasse, die er an Krutthofer weiterleitete. Zweimal begab er sich 1799 im Auftrage Krutthofers persönlich nach Stuttgart, um den führenden Köpfen der .Ge­ sellschaft' schriftliche Botschaften und mündliche Weisungen zu übermitteln.181 Der tätigste Emissär, der die meisten leitenden Revolutionäre jenseits des Rheins wie in Schwaben kannte, darum auch beachtliches Wissen über Ausmafi und Zusammen­ hänge der revolutionären Bestrebungen besafj, war der Sohn eines württembergischen Pfarrers und ehemaliger Tübinger Stipendiat Friedrich Essich. Er hatte sich schon vor einigen Jahren in die Schweiz begeben, war dort als Hofmeister, als Sekretär und nach der helvetischen Revolution auch im Dienste der jungen Republik tätig gewesen. Nachdem er mit den deutschen Revolutionären und deren Plänen bekannt geworden war, wurde er ihr eifriger Mitarbeiter und übernahm als landeskundiger 188 188 188 181

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,

Bü. 30, Bericht der Untersuchungskommission vom 25. 2. 1800. Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskommission vom 28. 1. und 13. 3. 1800. A 30, Nr. 149, Brief Ballistas vom 31. 10. 1799. All, Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskommission vom 8. 4. 1800.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Verbindungsmann zu Haller, Eschenmayer, Penasse, Ofterdinger und anderen wich­ tige organisatorische Aufgaben. Als Decknamen, den er verschiedentlich benutzte, wählte er die Umkehrung seines eigentlichen Namens Essich, nämlich Gisse.1*2 Korrespondenz und Reisen kosteten Geld, das aufzubringen dem einzelnen nicht immer leicht hei. Zum Teil veranstaltete man Sammlungen unter den Gesinnungs­ genossen; so hatten Hauff und Zeller für eine geplante Reise Eschenmayers und Hallers nach Mainz oder Mannheim zum französischen General Mangin Geld­ beiträge versprochen.192 Die Reisekosten der Emissäre nach Schwaben wurden um­ gekehrt von ihren Absendern bestritten; Hedäus erhielt alle notwendigen Gelder von Krutthofer, der sie angeblich zu einem Teil wieder vom General Mangin ersetzt bekam. Darüber hinaus gewährte Krutthofer auch den württembergischen Revo­ lutionären finanzielle Unterstützung; so übermittelte in seinem Auftrage Hedäus dem Lang drei oder vier Louisdor; so händigte Krutthofer dem Penasse persönlich einen Betrag Silbergeld aus, um eine Informationsreise des Leutnants Pelletier nach Ulm zu ermöglichen. Nach der Aussage Essichs verfügten die Revolutionäre jenseits des Rheins über eine Kasse, deren Bestand im Sommer 1799 700 Louisdor betragen habe.1M Diese Summe mag - wie man aus der Angabe des Hedäus schlie­ ßen könnte - zum Teil aus französischer Quelle stammen. Andererseits stellte die herzogliche Untersuchungskommission fest, daß Gesinnungsgenossen aus den ba­ dischen Oberlanden Zuschüsse lieferten.192 Was die Kommission an Tatsachen über das Ausmaß und die Organisiertheit der revolutionären Bestrebungen ermitteln konnte, war selbstverständlich bruchstück­ haft. Ihr standen als Material nur eine Anzahl beschlagnahmter Briefe und die Aus­ sagen von etwa zwei Dutzend mehr oder weniger Beteiligter zur Verfügung, die in der Regel nur das zugaben, was nicht mehr zu bestreiten war; zudem befand sich unter den Verhörten kein einziger führender Kopf vom jenseitigen Rheinufer und auch nicht eine solche zentrale Gestalt wie der Kanzleiadvokat Lang, der rechtzeitig die Flucht ergreifen konnte. Der Bericht der Untersuchungskommission vom 25. Fe­ bruar 1800 schloß darum auch mit der bezeichnenden Einschränkung: »Höchst­ wahrscheinlich ist es allerdings, daß die Gesellschaft, wenn sie (sich - H. S.) auch nicht, wie Essich behauptet, bereits auf mehrere Tausend erstreckt, viel zahlreicher ist und daß noch andere mehr bedeutende Personen dazugehören, als unterdessen in Erfahrung gebracht werden konnte. * 199 Der Hinweis auf bedeutendere Personen, die möglicherweise in den Kreis einzu­ beziehen waren, zielte ganz klar auf die oppositionellen Kräfte in der württem­ bergischen Landschaft. In der Tat profitierten die Revolutionäre von der Ver­ schärfung des Gegensatzes zwischen Herzog und ständischer Vertretung. Die daraus resultierende Radikalisierung maßgeblicher ständischer Führer hatte einen Grad angenommen, daß es den Revolutionären möglich und nützlich erschien, Verbindung >•» >” 104 lM «•

Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda.

Bü. 30, Bericht der Untersuchungskommission vom 25. 2. 1800. Bü. 29 A, Bericht der Untersuchungskommission vom 30. 1., 18. 2. und 21. 2. 1800. A 30, Nr. 149, Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1800. A 11, Bü. 30, Bericht der Untersuchungskommission vom 25. 2. 1800.

4. Bestrebungen zur Bildung einer süddeutschen Republik

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zu ihnen mit dem Ziel aufzunehmen, sie noch weiter voranzutreiben. Der »Zirkel freier Menschen', der die entschiedensten Reformer vereinte und allein schon durch seine Existenz und seinen Namen die zunehmende Radikalisierung anzeigte, zählte zu seinen Besuchern die Mitglieder der »Gesellschaft * Haller und Lang.197 Um­ gekehrt fanden sich in der »Gesellschaft * auch Reformer wie Hofacker, Danz und Trefz ein.198 Den stärksten Einfluß übten die Revolutionäre auf Baz aus, der in Paris Linck und dessen revolutionäre Gesinnung kennengelernt hatte und im Verkehr mit Kämpf das vertrauliche Du gebrauchte.199 Kräftige Unterstützung erhielt die Tendenz der Zusammenführung der verschiedenen oppositionellen Richtungen durch den französischen Sonderbeauftragten Théremin. In ihrem Werben um die französische Sympathie hatten die ständischen Reformer über Baz in Paris und Georgii in Rastatt bis über den Sommer 1798 hinaus keinerlei Erfolge buchen können. Georgii resignierte geradezu und vertrat in einem Bericht an den Ausschuß vom 28. September die Meinung, daß die Franzosen nach dem Vorbild Richelieus, der die Protestanten in Frankreich verfolgte, in Deutschland aber unterstützte, in bezug auf die Fürsten verfahren, das heißt »von der Revolution abstrahieren und rein aus Politik handeln' würden.209 Im Herbst jedoch schienen die Aussichten günstiger werden zu wollen. Die französische Regierung hatte Grund, mit der Haltung des Herzogs von Württemberg auf dem Rastatter Kongreß unzu­ frieden zu sein. Im Gegensatz zum Badenser, der sich ganz auf Frankreich orientierte, versuchte Friedrich, eine mittlere Linie zu beziehen und gerade entgegen der pro­ französischen ständischen Opposition die Beziehungen zu Österreich nicht zu zer­ reißen. Unter diesen Umständen erachtete es Talleyrand für angebracht, sich dem Werben der Stände aufgeschlossener zu zeigen und auf diese Weise den Druck auf den Herzog zu verstärken. So erklärt sich die Sendung Théremins, der im Auftrage des französischen Außenministers im Oktober 1798 nach Stuttgart reiste. Théremin war überzeugter Republikaner. Aus republikanischer Gesinnung hatte er seinen Posten bei der preußischen Gesandtschaft in London aufgegeben und Frank­ reich seine Dienste angeboten. Mit einer auf Sachkenntnis beruhenden Schrift gegen die englische Regierung hatte er sich eingeführt. Da er als ehemaliger Deutscher über die deutschen Verhältnisse womöglich noch besser unterrichtet war, arbeitete er in der entsprechenden Abteilung des Außenministeriums. Die preußische Gesandt­ schaft in Rastatt war schockiert und alarmiert, als sie von einer möglichen Ent­ sendung Théremins nach Stuttgart erfuhr: »Sein revolutionärer Kopf soll dort zweifellos dafür sorgen, daß die Keime des Jakobinismus, die da so allgemein ver­ breitet sind, Früchte tragen.' 291 In der Tat vertrat Théremin den Gedanken einer Republikanisierung Süddeutschlands, und diese Gesinnung war Talleyrand keines­ wegs unbekannt. Ihm lagen verschiedene Denkschriften Théremins, darunter die ,n ig9 ,M tM

Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 235. HSA Stuttgart, A11, Bü. 27, Schreiben Hubers vom 20. 3. 1800. Ebenda, Bü. 25, Ziffer 48, Bl. 205/06. Vgl. auch S. 507. Hölzle, Erwin, Das alte Recht..., a. a. O., S. 225. »Sa tête révolutionnaire doit sans doute s'exercer pour y faire fructifier les germes de Jacobinisme, qui y sont si généralement répandus.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 4, Bl. 166.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

vom September 1798 vor, in der er im Falle der Wiederaufnahme der Feindselig­ keiten die Errichtung einer schwäbischen Republik warm empfahl: .Das Direktorium würde bei dieser Maßnahme zwei Hauptvorteile finden: Es würde den Kaiser aus der Nachbarschaft der Republik entfernen, indem es dafür sorgte, daß er den Breis­ gau und seine übrigen Besitzungen, bekannt unter dem Namen Schwäbisch-Öster­ reich, verlöre; es würde einen Stützpunkt in Deutschland haben und könnte sich nach Belieben in die Angelegenheiten dieses Landes mischen. Unter diesem doppel­ ten Gesichtspunkt würde die Grenze am Oberrhein ebenso fest verbürgt sein wie die der Alpen. Es hinge vom Direktorium ab, diesen neuen Staat nach Wunsch zu vergrößern, und vielleicht läge es in seinem Interesse, bei dieser Gelegenheit das Projekt auszuführen und an Stelle der gegenwärtig bestehenden zwei Großmächte drei in Deutschland zu schaffen. * 202* Offensichtlich hatte man um diese Zeit im Außenministerium bereits den Gedanken ins Auge gefaßt, Théremin zur Sondierung des Terrains nach Süddeutschland zu schicken, denn er entwickelte in der gleichen Denkschrift schon die nächsten Schritte, die er, mit einer solchen Mission betraut, unternehmen würde: .Ich müßte Baden, Stuttgart, Ulm, Augsburg, Kempten und vielleicht Konstanz durchreisen, denn die hervorzurufende Bewegung muß von einer großen Stadt ausgehen. Ich würde einige Briefe für Gelehrte dieser verschiedenen Städte brauchen. Die Universität Tübingen ist voller Schüler Kants, spekulativer Philosophen, denen es aber nicht leid täte, sich ein wenig mit Realitäten zu be­ schäftigen, und die nützlich sein können, da die Basis ihrer Spekulationen die Frei­ heit ist. Es wäre sehr zu wünschen, daß ich einige Mittel besäße, um Zutritt zu den Höfen Badens und Stuttgarts und selbst der Prinzen zu erhalten und so Gelegenheit zu haben, ihre Intrigen mit Österreich und die Hindernisse zu beurteilen, die sie der Emanzipation der Völker in den Weg legen könnten. Der Bürger Frey aus Basel, vor einigen Monaten Gesandter beim Direktorium, hat mir während der Zeit vieles über eine nahe Insurrektion in Schwaben und von einem Kem erzählt, der dort bestand, um eine Republik zu errichten, wovon er mit großer Freude sprach. Diese Insurrektion ist inzwischen im Keim erstickt worden, aber wenn in Ihrem Ge­ schäftsbereich über diesen Gegenstand einige Auskünfte existierten, würde ich um deren Mitteilung bitten, oder ich würde über Basel reisen, um darüber noch einmal mit dem Bürger Frey zu sprechen. * 20S 202 .Le Directoire trouverait à cette mesure deux avantages principaux: il écarterait l'Empereur » .Quant aux dispositions insurrectionnelles dans notre voisinage et en partie aussi chez nous, il paraît bien, comme vous en avez déjà fait la remarque..., que les éléments en sont préparés partout; ils n'écloront qu'en raison des circonstances plus ou moins favorables.' Ebenda, S. 297. «• Ebenda, S. 180. LHA Dresden, Loc. 8154, Relationen der kursächsischen Gesandtschaft beim Rastatter Friedenskongreß betr., Bd. 0, Bl. 60. nl Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 387. *“ Ebenda, S. 188. 181 HSA Stuttgart, A 11, Bü. 28, Beilage 11, Aussage Essichs vom 29. 1. 1800.

4. Bestrebungen zur Bildung einer süddeutschen Republik

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Bereits der Titel des Verfassungsentwurfs war bedeutsam. In aller Offenheit wurde hier verkündet daß das Endziel eine Republik war, die alle Deutschen umfaßte. Damit wurde den bourgeoisen Konzeptionen Frankreichs und der Schweiz, die beide, soweit sie die revolutionäre Bewegung überhaupt zu fördern gewillt waren, kein ein­ heitliches bürgerliches Deutschland zuließen, eine eigene nationale Konzeption entgegengestellt; damit wurde den revolutionären Kräften in Deutschland selbst, die sich nur allzu leicht in die überkommenen partikularistischen Vorstellungen zer­ splittern konnten, ein einigendes großes Ziel gesteckt Die ersten drei Grundartikel des Verfassungsentwurfs lauteten:

.1. Die deutsche Völkerschaft ist ihr einziger Oberherr. Sie verfaßt und vollzieht ihre Gesetze und straft die Obertreter derselben. 2. Sie bildet einen einzigen unzerteilbaren Körper unter einem und dem­ selben Gesetze; keine Abteilung derselben hat eine abgesonderte Gewalt. Sie ist der eine und unzerteilbaxe deutsche Freistaat. 3. Keine Macht und kein Ausspruch kann je einen Teil von ihr trennen. Sie handhabt ihre Oberherrschaft und die Unzerteilbarkeit ihrer Be­ sitzungen durch Aufbietung aller ihrer Kräfte und macht mit niemandem Friede, der sich einen Teil ihrer Oberherrschaft oder ihrer Besitzungen anmaßt, bis dieser genötigt ist, von seinen Anmaßungen abzustehen."

Dem letzten der genannten Artikel gebührt besondere Beachtung. Er findet sich weder in der französischen Direktorialverfassung vom 22. August 1795, noch selbst­ verständlich in der helvetischen Verfassung vom 12. April 1798, die der Schweiz von Frankreich mehr oder weniger aufoktroyiert wurde. Diese Betonung der eigenen Souveränität, die jede Art von Bevormundung ausschloß und notfalls mit Waffen­ gewalt zu sichern war, hieß nichts anderes als eine entschiedene Absage an die Praxis der französischen Großbourgeoisie, die Tochterrepubliken in halbkoloniale Anhängsel Frankreichs zu verwandeln. Mehr oder weniger empfanden alle diese Republiken, so sehr sie auch die Befreiung von den feudalen Fesseln als gewaltigen objektiven Fortschritt begrüßten, den Würgegriff der übermächtigen französischen Ausbeuterklasse, die die Reichtümer dieser Länder nach Frankreich abzog, sich ihre Märkte sicherte und ihnen als Konkurrenten den eigenen inneren und äußeren Markt versperrte.825 Nicht nur der Konterrevolution, auch solchen Anmaßungen sollte die künftige deutsche Republik nach der Ansicht der deutschen Revolutionäre .durch Aufbietung aller ihrer Kräfte’ begegnen. Wie sämtlichen zehn Konstitutionen, die bis zu diesem Zeitpunkt in den verschie­ denen Tochterrepubliken entstanden, lag auch dem deutschen Entwurf die franzö­ sische Direktorialverfassung des Jahres III zugrunde.828 Der Verfasser des Ent04 Entwurf einer republikanischen Verfassungsurkunde, wie sie für Deutschland taugen möchte, o. O. im 7. Jahr der MutterTepublik, S. 5. Sö Godechot, Jacques. La grande nation..., a. a. O., Bd. 2, S. 536 ff. lw Ebenda, S. 421. Es handelte sich um die Verfassung Bolognas vom 4. 12. 1796, die dspadanische Verfassung vom 27. 3. 1797, die erste dsalpinische Verfassung vom 9. 7. 1797. die ligurische Verfassung vom 2. 12. 1797, die Verfassung von Wallis vom 16. 3. 1798, die

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VH. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

wurfs hatte darüber hinaus verschiedene Konstitutionen der Tochterrepubliken zum Vergleich herangezogen, wie aus den einleitenden Bemerkungen eindeutig hervor­ geht.387 Es ist anzunehmen, daß er dabei die helvetische Verfassung besonders gründlich studierte. Die Konstitution des Jahres UI bestätigte einerseits die end­ gültige Beseitigung der Feudalordnung, andrerseits war sie ein Instrument zur Er­ richtung und Sicherung der Diktatur der Großbourgeoisie; sie beschnitt die demo­ kratischen Rechte der Volksmassen und sah eine strenge Gewaltentrennung vor, die eine Wiederholung der revolutionär-demokratischen Jakobinerdiktatur unmög­ lich machen sollte. Tatsächlich aber hat die Bourgeoisie ihre Herrschaft nur unter ständiger Verletzung dieser Verfassung aufrechterhalten können, bis sie mit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire und der Konsularverfassung des Jahres VII den Weg zur Militärdiktatur beschritt. Die Konstitutionen der Tochterrepubliken in dieser Epoche zeigen darum, insbesondere wenn sie wie die helvetische von Frank­ reich direkt oktroyiert wurden, schon deutliche Tendenzen des Übergangs zur Konsularverfassung mit ihrer starken Exekutivgewalt. Der deutsche Verfassungsentwurf wies manchmal ähnliche Züge auf, wenn auch die Motive andere waren. Die Einschränkung demokratischer Freiheiten erfolgte nicht aus antidemokratischer großbourgeoiser Gesinnung, sondern in erster Linie aus der berechtigten Furcht vor der Reaktion, deren Einfluß mit ihrem Sturz noch nicht ge­ brochen war. .Ein Volk muß demnach Mißtrauen in sich selbsten setzen', hieß es im Vorbericht; .es hat den Feind in seinem Schoße; es wäre zu schwankend, wenn es die Auswahl seiner Verteidigungsmittel sich selbst unbedingt überließe. Die feind­ seligeren Atome müssen von der Auswahl ausgeschlossen werden; die nützlicheren Charaktere allein, die Menschen allein, deren Leidenschaften nur auf den Endzweck der freien Gesellschaft hinarbeiten, müssen ausgesucht werden; sie allein werden die Mittel, welche der Staat hat, gehörig anwenden.'588 Zwischen die Verfassung des Jahres III und die helvetische gestellt, rückt der Entwurf der deutschen Revolutionäre entschieden von der letzten ab und an die erste heran. Während diese noch die allge­ meinen Menschen- und Bürgerrechte und -pflichten voranstellte, verzichtete jene wie die Konsularverfassung darauf. Zu dieser Frage erklärte der Autor des Entwurfs: .Es ist offenbar ein Fehler in den neuen Verfassungsurkunden, daß die heiligen, un­ wandelbaren, unveräußerlichen Menschen- und Gesellschaftsrechte nicht von den Formen selbst getrennt worden, nach welchen sie in Ausübung sollen gesetzt wer­ den. Der Verfasser der Urkunde für Deutschland hat keine innere Abänderung jener Rechte und Grundartikel zugelassen, weil sie auf die ewige Natur des Menschen und seine Freiheit gegründet sind. Dafür hat er gefühlt, daß Zeit und Umstände leicht eine Änderung der Form gestatten oder fordern können; und diese hat er zugegeben. Nach diesem Plane ist er versichert, daß das Volk, dem diese Urkunde wird, immer ein freies Volk bleiben werde, wenn andere Nationen mit ihrer Form römische Verfassung vom 20. 3. 1798, die helvetische Verfassung vom 12. 4. 1798, die batavische Verfassung vom 23. 4. 1798, die zweite cisalpinische Verfassung vom 10. 9. 1798 und die neapolitanische Verfassung vom 23. 1. 1799. Entwurf einer republikanischen Verfassungsurkunde..., a. a. O„ S. IX ff. Ebenda, S. VI/VH.

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auch die nicht besonders herausgehobenen Menschenrechte werden umgeschmolzen und - verhunzt haben.'326 Dementsprechend lieg der Entwurf dem dritten Teil, der die Verfassungsform darlegte und Abänderungen erfahren durfte, zwei andere Teile voraufgehen, die zu allen Zeiten ihre Gültigkeit behalten sollten: Den ersten Teil, der in acht Artikeln die «Rechte der menschlichen Gesellschaft * formulierte, und den zweiten Teil mit seinen 99 «Grundartikeln der Verfassung des deutschen * Freistaates. Auf diese Weise wurden nicht nur die menschlichen Grundrechte auf Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Sicherheit und Ruhe, sondern auch die Grundbestimmungen über den staatlichen Aufbau, über die Befugnisse und Pflichten der staatlichen Organe, über den Inhalt der Gesetze, über das Strafrecht, das Erbrecht usw. für unabänderlich erklärt. Die Bürger wählten in Urversammlungen die Wahlmänner, die wiederum die Richter und die Gesetzräte wählten. Diese bestanden aus einem 100- bis 500köpfigen Erstrat, der die Gesetze entwarf, und einem 60- bis 250köpfigen Zweitrat, der die Gesetze prüfte, annahm oder ablehnte. Beide zusammen wählten die aus fünf Männern gebildete ausübende Gewalt, den Staatsrat. Alle übrigen staatlichen Ämter waren diesen drei Gewalten untergeordnet und wie diese als mittel- oder unmittelbar vom Volke erteilt zu betrachten. Verschiedene Grundartikel verhinderten die Ausnutzung der verfassungsmäßigen Möglichkeiten durch die Konterrevolution. So bestimmte der 16. Artikel: «Die Mehrheit der Stimmen drückt die Annahme und den Willen des deutschen Volkes aus. Dieses will allemal, was der Erhaltung der menschlichen Gesellschaftsrechte und der Grundartikel seiner Verfassung gedeihlich ist. Die Personen, welche diese nicht wollen, gehören nicht zum deutschen Volke.' 330 Oder der 25. Artikel: «Keiner kann ein Amt bekleiden, als insoweit er die erforderlichen Kenntnisse und An­ hänglichkeit an die menschlichen Gesellschaftsrechte und an die Grundartikel der deutschen Verfassung besitzt. * 331 Oder der 48. Artikel: «Die Gesetze, Urteile und Verfügungen, die nicht zur Erhaltung der menschlichen Gesellschaftsrechte und der Grundartikel der deutschen Verfassung beitragen oder derselben entgegen­ stehen, sind ungültig.' 332 Zum Staatverbrecher wurde jeder Beamte erklärt, der sich der aktiven oder passiven Bestechung schuldig machte, mit seinem Amt Neben­ absichten verfolgte und nicht eine völlige Gleichheit gegenüber seinen Mitbürgern beobachtete, wie umgekehrt auch jede wissentliche Täuschung des Beamten oder jeder Angriff auf ihn als Staatsverbrechen galt. Staatsverbrecher waren weiterhin «tätige Feinde des Vaterlandes und ihre Mithelfer', wobei eine Anmerkung den Be­ griff der Tathandlung selbst auf Reden und Schriften ausdehnte. Dementsprechend gewährte auch der 81. Artikel die Meinungsfreiheit nicht ohne Einschränkung: «Die Freiheit der Meinungen ist unantastbar, soweit sie sich mit der Ruhe, Ordnung, dem Wohl des Staats, den Menschen- und Gesellschaftsrechten und Grundartikeln der Verfassung vertragen. * 333 Gegen die Gefahr eines Übergewichts der Exekutive legten die Grundartikel fest, daß der Staatsrat in seiner Finanzverwaltung einer Ebenda, S. IX/X. Ebenda, S. 12.

Ebenda, S. 7. Ebenda, S. 16/17.

M1 Ebenda, S. 8.

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strengen Kontrolle durch die Legislative unterworfen war, keinen Krieg ohne ihre Zustimmung führen und ebenso keine Truppenbewegungen veranlassen durfte, wenn eine Verordnung der Gesetzräte es verbot. Der 97. Grundartikel setzte fest: .Die Nationalfarben sind rot im Umfange, gelb in der Mitte, und die Einlage blau. Jeder Bürger ist schuldig, sie im Vaterlande zu tragen unter der Strafe, als Widerspenstiger angesehen zu werden.' 334 Den starken Umfang der Gesamtverfassung - sie zählte 547 Artikel, während die französische aus 408 Artikeln und die helvetische aus nur 116 Artikeln bestand begründete der Autor damit, .daß er die ersten Grundlinien der Hauptgesetze mit entfliegen ließ. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, wie langsam eine Revolution vor­ wärts zu ihrem Ruhepunkte schreite, wo die Gesetzgeber sich lange besinnen, ehe sie die natürlichsten und gerechtesten Grundgesetze anerkennen. * 333 Die Verfassungsform, die sich in 26 Abschnitte mit insgesamt 440 Artikeln gliederte, durfte zwar abgeändert werden, doch machte die Bedingung, daß 9/io der Räte, 4/s des Staatsrats und 1B/zo der Wahlmänner ihre Zustimmung geben mußten, eine solche Änderung nahezu unmöglich. Der erste Abschnitt der Verfassungsform sah die territoriale Einteilung des deutschen Freistaates in Kreise, Bezirke und Ge­ meinden analog dem französischen Muster vor. Der zweite Abschnitt behandelte den bürgerlichen Zustand der Staatsglieder: Im Gegensatz zur französischen Ver­ fassung war das Gesinde vom Bürgerrecht nicht ausdrücklich ausgenommen, wohl aber wurde die republikanische Gesinnung zur Grundbedingung gemacht; dement­ sprechend war ein Bürgereid verlangt, der jedoch nicht wie der französische und der helvetische die antijakobinische Verpflichtung enthielt, .einem gerechten Haß gegen Anarchie und Zügellosigkeit anzuhangen'.333 Die Stimmfähigkeit war allerdings mit dem Bürgerrecht nicht identisch, sondern setzte voraus, daß der Bürger .schrei­ ben und lesen kann, seine Bürgerrechte und die Ausübung derselben hat, geheiratet ist oder einundzwanzig Jahr und eigenes Vermögen hat und nie ein größeres und entehrendes Verbrechen begangen hat'.337 Wahlfähig war jeder Stimmfähige, der rechnen konnte. Von den Wahlen, den Ur- und Wahlversammlungen handelten der dritte und vierte Abschnitt: Man folgte im allgemeinen dem französischen Vorbild. Während aber dort die Wahlfähigkeit von einer genau festgesetzten Vermögenshöhe abhing, bestimmte der Entwurf ein anderes Verfahren, um die Begüterten zu be­ günstigen, ohne dabei die Minderbemittelten völlig auszuschließen: .Ein Drittel der Wahlmänner wird aus den mindestbegüterten, ein Drittel aus den mittelmäßig be­ güterten und ein Drittel aus den begütertsten Bürgern genommen. Die Steuerliste dient hier zur Richtschnur.' 333 Die Rechte der Wahlmänner gingen insofern über die der französischen hinaus, als sie die Rechnungen der Gemeinden kontrollierten. Das letzte Wort, das sie bei Verfassungsänderungen besaßen, fehlte dafür den Ur­ versammlungen, denen es die französische Verfassung zusprach. ’M Ebenda, S. 19. Ebenda, S. XI/XH. Kaiser, Simon/Strickler, Johann, a. a. O., T. B., S. 15. ”T Entwurf einer republikanischen Verfassungsurkunde..., a. a. O., S. 25/26. »• Ebenda, S. 31.

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Im fünften bis neunten Abschnitt wurden die Vollmachten der Legislative fest­ gelegt im zehnten die der Exekutive. .Der Verfasser kann nicht bergen , * hieß es im Vorbericht, .daß er oft in Verlegenheit war, wenn er das Gleichgewicht zwischen den Gesetzräten und dem Staatsrate handhaben sollte. Die vielen Intrigen, die bis itzt in den Gesetzräten gegen die Vollziehungsräte gespielt wurden und die die gute Sache nur gar nicht beförderten; die Kraft, welche ein Vollziehungsrat von­ nöten hat, um die Maschine in behendem Gange zu erhalten, waren es, die ihn oft nötigten, seinem Staatsrate viele Gewalt einzuräumen;... dies geschah besonders in den Vorschriften zur Einführung der republikanischen Verfassung... Allein bei den wichtigsten Punkten hat der Verfasser dafür gesorgt, daß der Staatsrat keinen Miß­ brauch von seiner Gewalt machen könne, die übrigens gewiß niemandem als dem Bösgesinnten so fürcherlich vorkommen wird. Und da dafür gesorgt worden, daß die Gesetzgebung nur aus unterrichteten Republikanern bestehe, welche ganz ge­ wiß den Staatsrat immer nach Bedürfnis der Zeiten besetzen werden, so hat man, wenn diese Urkunde angenommen wird, nichts minder zu fürchten als einen 18. Fructidor.' ”* In der Tat beschränkte sich die Machtsteigerung der Exekutive im wesentlichen auf die Übergangszeit, in der die Verfassung eingeführt werden sollte; sonst hielt sich der Entwurf eng an das französische Muster. So gab es keinen solchen Artikel wie in der helvetischen Konstitution, der der Legislative eine mindestens dreimonatige Unterbrechung ihrer Sitzungen im Jahr vorschrieb. Sie hatte wie in Frankreich das Recht, sich zu vertagen; aber in diesem Falle trat ein Zwischen­ ausschuß in Funktion, der aus je neun Mitgliedern beider Gesetzräte zu bilden war und die Tätigkeit des Staatsrats zu überwachen hatte. Offensichtlich verfolgte der Verfasser mit dieser Maßnahme keinerlei Schwächung der Legislative, sondern es waren Sparsamkeitsgründe, die ihn dazu bewegten. Ausdrücklich verwies er nämlich im Vorbericht auf jenen Zwischenausschuß, um dem ungerechtfertigten Einwand der Kostspieligkeit der republikanischen Verwaltung zu begegnen, .den man aber wenigstens in Deutschland nicht machen sollte, wo das zahllose Heer von Fürsten, Herzögen, Grafen, Baronen, Prälaten, Pröpsten, Prioren, Bischöfen, Kurfürsten, Konsistorien samt allen ihren Ober- und Unterbeamten, Kanzlisten und Einnehmern eine ungeheure Masse Millionen auffraßen *. 340 Eine Einflußnahme der Exekutive auf die Gesetzgebung war insofern gegeben, als der Erstrat seine Beschlüsse dem Staatsrat vorlegen mußte, der seine Stellungnahme beifügte, bevor sie an den Zweit­ rat zur Prüfung gelangten. Jedoch war der Erstrat nicht verpflichtet, eine etwa abweichende Meinung des Staatsrats zu berücksichtigen, sondern hatte lediglich diese Stellungnahme zusammen mit dem eigenen Beschluß dem Zweitrat zuzuleiten. Umgekehrt konnte der Staatsrat dem Erstrat auch die Aufhebung bestehender Ge­ setze Vorschlägen. Andererseits wich der Entwurf aber auch darin vom franzö­ sischen Vorbild ab, daß die Gesetzräte vom Staatsrat ernannte Beamte wegen er­ wiesener Gesetz- und Verfassungswidrigkeit absetzen konnten,- ebenso behielten sie sich das Recht der Absetzung Gewählter vor. Der Entwurf bestimmte auch nicht «» Ebenda, S. XHI/XIV. »" Ebenda, S. XIV.

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wie die helvetische und später die Konsularverfassung, dafj die ausscheidenden Mitglieder der Exekutive in den Senat beziehungsweise Zweitrat aufgenommen werden mufjten. Der 11. und 12. Abschnitt der Verfassungsreform beschäftigte sich mit den Kreisund Gemeindeverwaltungen. Zunächst fällt auf, dafj von einer Bezirksverwaltung keine Rede war, obwohl der Kreis in Bezirke untergliedert sein sollte. Möglicher­ weise aus den bereits erwähnten Sparsamkeitsgründen war darauf verzichtet und lediglich neben den von den Wahlmännem gewählten Bezirksrichtem ein von der Exekutive ernannter Bezirksaufseher vorgesehen. Die Gemeinden wählten ihre Ver­ waltungen selbst, während die Kreisverwaltungen von den Wahlmännem bestimmt wurden. Dabei war den Gesetzräten ein hohes Mafj von Kontrollrechten über die Kreisverwaltung zugebilligt und dieser wiederum sogar über den vom Staatsrat be­ stellten Kreisaufseher, ganz im Gegensatz zur französischen und erst recht zur hel­ vetischen Konstitution, wo der Statthalter des Direktoriums sogar die Präsidenten der Verwaltungen und Tribunale nominierte. Der 9. Artikel des 11. Abschnitts lautete: .Die Kreisverwaltung besorgt unter der Aufsicht der Gesetzräte, des Staats­ rates, seiner Minister und Kreisaufseher alles, was die Verwaltung, Ruhe und Sicher­ heit des Kreises betrifft, und ist für die Vollziehung der ihrer Obsorge übergebenen Gesetze, Verordnungen, Befehle und Erklärungen verantwortlich. Sie zernichtet die Kundmachungen der Kreisaufseher, wenn sie den Vorschriften einer höheren Be­ hörde entgegen sind und zeigt dies dem Staatsrate und den Gesetzräten an. Sie er­ mahnt die nachlässigen Beamteten und begehrt die Absetzung der Pflichtverges­ senen.' 341 Monatlich hatten die Kreisverwaltungen dem Staatsrat wie den Gesetz­ räten über ihre Angelegenheiten zu berichten. Außerdem hatten die Gesetzgeber in der Zeit, da der Zwischenausschufj amtierte, .die Pflicht, über den Gang der Ge­ schäfte bei den zerschiedenen Behörden in den Kreisen zu wachen, und das Recht, ihn einzusehen, ohne jedoch denselben Vorschriften machen zu können'.342 Diese Bestimmungen bestätigen erneut, dafj die deutschen Republikaner die Exekutive keineswegs übermächtig werden lassen wollten. Der 13. bis 20. Abschnitt handelte von der jurisdiktionellen Gewalt. Der öffentliche Ankläger und der Gerichtsschreiber wurden zwar nicht wie nach der französischen Konstitution von den Wahlmännem gewählt, sondern vom Staatsrat ernannt, aber die Gesetzräte mufjten ihre Zustimmung geben, wenn er sie wieder absetzen wollte. Von einem Recht, wie es das helvetische Direktorium besafj, die Gerichtshöfe abzu­ setzen und sie bis zu den künftigen Wahlen zu ersetzen, konnte keine Rede sein. Die folgenden drei Abschnitte handelten von der Staatskasse, von der bewaffneten Macht und von den auswärtigen Verhältnissen. Ein bemerkenswerter Unterschied bestand in der Behandlung der geheimen Artikel in Verträgen mit anderen Mächten: Wäh­ rend sie in Frankreich wie in der Schweiz der Legislative vom Direktorium nicht vorgelegt zu werden brauchten, forderte es der deutsche Verfassungsentwurf, .so­ bald es ohne Nachteil des Freistaates geschehen kann und sie in Erfüllung gegangen sind'.343 Sehr detailliert und bedeutend umfangreicher als in der französischen Ver341 Ebenda, S. 74.

ä4t Ebenda, S. 49.

344 Ebenda, S. 97.

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fassung waren die Bestimmungen über das Schulwesen, von dem der 24. Abschnitt handelte. Es gab Gemeindeschulen, Kreisschulen und Hauptschulen, die den Uni­ versitäten entsprachen. Auffallend ist die Förderung insbesondere der minder­ bemittelten Schüler und Lehrer, die bei gleicher Leistung den Vorzug vor ver­ mögenderen haben sollten. Der 9. Artikel lautete: .Die Kinder der armen Bürger­ klasse erhalten die Schulbücher einmal unentgeltlich; die beiden anderen Klassen schaffen sie ihren Kindern selber an. Kein Kind darf die Schulen versäumen; die Gemeinden sind dafür verantwortlich. * 314 Der 25.Abschnitt setzte die National­ feiertage fest Im 26. und letzten Abschnitt waren 27 .vorläufige Artikel zur Einführung dieser Verfassung' festgelegt, die bewiesen, daß der gesamte Entwurf nicht das Produkt eines rein spekulativen Verfassungsrechtlers war, sondern ein Programm und eine Anleitung zum Handeln. Zweifellos hat hier die helvetische Verfassung Pate ge­ standen, die sich als ein vorzügliches Instrument zur Revolutionierung der Schweiz erwiesen hatte und ebenfalls mit der Angabe der Mittel schloß, .die Konstitution ins Werk zu setzen'.345 Der erste vorläufige Artikel ging davon aus, daß die Um­ wälzung zunächst nur in einzelnen Gebieten erfolgen würde, und bestimmte: .Wenn eine beträchtliche Gegend sich zur neuen Ordnung der Dinge bekennt, so er­ nennen jede drei Gemeinden und nach Verhältnis der Umstände jede Gemeinde einen Gesetzgeber. Diese Gesetzgeber vereinigen sich in dem Hauptorte der Gegend und wählen aus ihrer Mitte einen Ausschuß, welcher unter der Billigung der Ge­ setzgeber die ausübende Gewalt versieht. Diese Verfassungsart dauert, bis einiger­ maßen eine allgemeine Gesetzgebung zustande kommt.' 346 Die Forderung, daß jeder Stimmfähige lesen und schreiben und jeder Wahlfähige rechnen könne, wurde für die erste Zeit nicht erhoben. Auf die Gefahr der inneren Konterrevolution hatte der Verfasser schon in seinem Vorbericht hingewiesen: .Die Bosheit ist in einem Staate, der aus dem Laster erwachte, oft so künstlich verhüllt, daß nur ein erfahrenes, reines Auge die Schwärze durch das weiße Gewand erblickt. Mancher heimliche Freund des knechtischen Systems heuchelt dem Freiheitshelden die schönste Huldi­ gung, während er den Augenblick erlauert, die Waffe der Gewalt, die ihm auf seine verstellte Redlichkeit hin anvertraut wird, gegen seine Mitbürger mit Vorteil zu kehren.'347 Dementsprechend entzog der 5. Artikel allen Geistlichen und Adligen, die nicht auf ihre Privilegien verzichtet hatten und nicht zweifelsfrei als Anhänger der Republik bekannt waren, die Stimm- und Wahlfähigkeit. Es genügte ein starker Verdacht gegen ihren Bürgersinn, um sie aus allen Stellen zu entfernen, in die sie nach ihrer Verzichts- und Loyalitätserklärung gelangt waren. Ebenso sollten laut Artikel 6 .die ehemaligen Beamten, welche sich willkürliche Bedrückungen oder schlechte Verwaltung haben zuschulden kommen lassen, ... sowie jeder andere, der der Einführung der neuen Verfassung durch Rat oder Tat entgegengearbeitet oder “4 Ebenda, S. 99. Kaiser, Simon/Strickler, Johann, a. a. O., T. B., S. 31 B. ,M Entwurf einer republikanischen Verfassungsurkunde..., a. a. O., S. 105. «’ Ebenda, S. VII.

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sich als Feind der republikanischen Verfassungsform geäußert hat, solange von allen öffentlichen Stellen ausgeschlossen (sein - H. S.), bis sie in Rücksicht ihrer auf­ richtigen Sinnesänderung einzeln begnadigt worden'. * 48 Außerordentlich bedeutsam war im Vorbericht die vom Verfasser getroffene Fest­ stellung : .Nichts ist bei dem Übergange von der Sklaverei zur Freiheit gefährlicher als die Langsamkeit. Das Entzücken über das neue Dasein geht durch die Ermüdung des Ungeduldigen verloren, der mitten in seinem fröhlichsten Zuge aufgehalten wird; und die Wirkungen, welche der in schnellen Umlauf gesetzte Geist zum Besten der Aufklärung, der Sitten und der Industrie verspricht, ersticken alle unter der träge sich dahinschleppenden Last der Revolution.'848 Aus dieser Erkenntnis resultierte das Bestreben, schnell und radikal die alte Ordnung zu beseitigen, um an ihre Stelle ohne Aufschub die neue zu setzen. In der helvetischen Verfassung war die Aufhebung der Feudallasten sehr vage gehalten und hatte eigentlichen Wert nur für die Zukunft: .Der Grund und Boden kann mit keiner Last, Zins oder Dienstbar­ keit beschwert werden, wovon man sich nicht loskaufen könnte. * 350 Der deutsche Verfassungsentwurf dagegen dekretierte in seinem 19. vorläufigen Artikel klar und eindeutig: .Die Lehenlasten sind an sich selbst und in allen ihren gegen­ wärtigen, künftigen oder rückständigen Wirkungen durch die Annahme der Ver­ fassung abgeschafft. * 881 Lediglich im ersten Jahr der republikanischen Ordnung sollten die feudalen Abgaben noch zugunsten des Staates erhoben werden. Ebenso rigoros waren die von der feudalen Justiz gesprochenen ungerechten und despo­ tischen Urteile mit allen ihren Folgen zu vernichten. Nach Aufteilung der Ge­ meindeländereien und einer klaren Übersicht über den Umfang des Staats­ gutes, dem die Kloster- und anderen geistlichen Güter zugeschlagen wurden, sollte möglichst jeder Bauer, der weniger als sechs Morgen Acker besaß, den ihm an sechs Morgen fehlenden Boden aus Staatsbesitz erhalten; entsprechend war jeder Hand­ werker zu bedenken, dessen Vermögen nicht den Wert von sechs Morgen Acker ausmachte. Die Vorteile der neuen Verfassung, darunter das Recht eines jeden, jedes Gewerbe zu treiben, galten von dem Augenblicke ihrer Annahme. Um alle diese Maßnahmen und andere schnell und gründlich durchzusetzen, wur­ den dem Staatsrate außerordentliche Vollmachten zugebilligt. Der 13. vorläufige Artikel lautete darum: .Der Staatsrat ist befugt, zur Rettung des Vaterlandes und zur schleunigen Gründung der republikanischen Verfassung und Ordnung alle Mittel zu ergreifen, die nicht geradezu den Gesellschafts- und Menschenrechten widersprechen. Er muß sogleich alle Befehle ergehen lassen, welche der Verfassung und ihrem Geiste angemessen sind. Er muß alle Verfügungen der untergeordneten Stellen zernichten, insofern sie nicht nach dem Geiste der Verfassung sind oder nicht den Gang der neuen Ordnung der Dinge befördern. Er muß alle jene obrig­ keitlichen Personen absetzen, welche nicht im Geiste der neuen Ordnung der Dinge arbeiten oder zu arbeiten wissen, und ernennt andere an ihre Stellen. So oft die Ebenda, S. 106. «• Ebenda, S. VTO. Kaiser, Simon/Strickler, Johann, a. a. O., T. B„ S. 11. MI Entwurf einer republikanischen Verfassungsurkunde..., a. a. O., S. 109.

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Hälfte jener obrigkeitlichen Personen, welche das Volk wählt, abgesetzt ist, so müssen die Wahlmänner, von welchen sie gewählt worden, auf ihre Kosten zur Nachwahl derselben zusammenberufen werden. Alle diese Maßregeln haben solange statt, bis die Gesetzräte, auf den wirklichen ruhigen Gang der neuen Ordnung be­ gründet, erklären, daß dieser außerordentliche Zustand aufzuhören habe. Der Staats­ rat ist schuldig, den Gesetzräten von jeder solchen genommenen Maßregel aufs schleunigste Rechenschaft zu geben. * 352 Obwohl der deutsche Verfassungsentwurf von dem französischen Muster ver­ schiedentlich abwich und Erfahrungen berücksichtigte, die inzwischen gewonnen werden konnten, lagen die Abweichungen keineswegs alle in der Richtung auf die Verfassung des Jahres VIII. Wurde an einer Stelle der Exekutive mehr Macht zu­ gebilligt, so an anderer der Legislative. Insgesamt blieb die Exekutive wie in dsr französischen Verfassung und entgegen der helvetischen in der Rangfolge die zweite Gewalt im Staate. In verschiedener Hinsicht war der Entwurf sogar noch demokratischer als sein Vorbild. Wie der Verfasser in seinem Vorbericht bemerkte, ging es ihm bei verschiedenen Artikeln einzig darum, .die Unabhängigkeit der Räte gegenseitig zu handhaben, den Staatsrat in den Finanzen zu leiten, die Kriege zu erschweren, ohne die Führung derselben zu lähmen, wenn sie gehörig angefangen worden, dem Volke mehr Hand in den Finanzen zu lassen, die Schulen zu organi­ sieren etc.' 363 Starke diktatorische Vollmachten wurden der Exekutive nur für die Übergangszeit der Einführung der Verfassung zugebilligt. Eine solche Diktatur hatte keinen großbourgeoisen antidemokratischen, sondern einen revolutionären Cha­ rakter, weil sie ihre Spitze gegen die Reaktion richtete. Ein wesentlicher Vorzug des Verfassungsentwurfs bestand gerade darin, daß der Autor sich nicht auf die Bestimmung des künftigen Idealzustandes beschränkte, sondern zugleich die ge­ gebenen gegenwärtigen Möglichkeiten zur Durchsetzung dieses Ziels berück­ sichtigte und .vorläufige Artikel zur Einführung dieser Verfassung' formulierte. Der Autor war kein Phantast; er erklärte in seinem Vorbericht, .daß wir noch ein halbes Jahrhundert durchleben müssen, ehe eine vollkommene Staatsverfassung als ausüblich kann vorgelegt werden, worin von dem alten Wüste Adel und dergleichen nichts mehr gemeldet werden darf, selbst um die letzte Idee davon zu vertilgen'.31* Damit wurde jedoch keineswegs der Gesamtentwurf entwertet; er behielt seine Bedeutung als Kompaß, der die Richtung für die Umwandlung der vorläufigen Artikel zur Einführung der Verfassung in endgültige angab und vor allem auf ein einheitliches und unabhängiges Deutschland orientierte. Der Vorbericht des Ent­ wurfs schloß mit der Kampflosung: .Freiheit und Heil dem deutschen Vaterlandl'355 Der Verfassungsentwurf war das gemeinsame Programm der süddeutschen Re­ volutionäre, soweit sie mit dem württembergischen Zentrum in Verbindung standen. Es galt, dieses Programm und mit ihm die gleichfalls in Basel hergestellten rot-gelb­ blauen Kokarden, die Farben der künftigen Republik 35S, so schnell und so weit wie möglich zu verbreiten. Als der Entwurf noch unter der Presse lag, wußte man in “« Ebenda, S. 107/08. Ebenda, S. XVI. 38 Süddeutsche Jakobiner

* Ebenda, S. XH. » Ebenda, S. I. "• Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 190.

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Kempten bereits von seiner Existenz.3*7 Am 9. März meldete Amtmann Roth aus Lörrach: .Die sogenannte deutsche Konstitution ist nunmehr in Basel gedruckt und geht vor die hiesige Gegend reißend hinweg... Ebenso verteilt man auch sogenannte deutsche Nationalkokarden in Basel häufig unter unsere Leute. * 338 Zwei Tage später gab er die Meldung eines Spitzels und Augenzeugen weiter, wonach von dieser Konstitution .ganze Ballen auf Güterwagen von Basel ins Württembergische ge­ schickt' wurden und an die zweihundert Markgräfler in Basel selbst diesem Ver­ fassungsentwurf durch Unterschrift ihre Zustimmung gegeben hatten.338 Der württem­ bergische Herzog verfügte am 16. März das Verbot der Schrift, das am gleichen Tage durch Eilboten den örtlichen Behörden mitgeteilt wurde, in deren Bereich Buchhandlungen existierten.938 Große Wirkung hat dieses Verbot gewiß nicht gehabt, denn Johann Gottfried Pahl bestätigte in seinen Denkwürdigkeiten, daß die Schrift .im südlichen Deutschlande von Hand zu Hand gegeben wurde . * 331 .Es war sehr ernstlich von einer Donaurepublik die Rede *, stellte der damalige Tübinger Stipen­ diat und spätere Schriftsteller Rehfues in seinen autobiographischen Notizen fest.332 Über die revolutionierende Wirkung vor allem im badischen Oberlande ging aus Lörrach eine Alarmnachricht nach der anderen ab. Besonders anfällig waren .unsere aufgeklärten Leute', schrieb Roth am 7. März. .Und dabei verschlägt's lediglich nichts, wenn die französischen Truppen sich noch so ungebührlich aufführen. Ich habe durch die Erfahrung das als sehr wahr und richtig erfunden, was mir schon vor zwei Jahren ein französischer Offizier gesagt hat: Man haßt unsere Soldaten wegen ihrer schlechten Aufführung, aber man liebt gleichwohl unsere Grund­ sätze.' 333 Am 9. März teilte er mit: .Von Geistlichen erhalten wir, was noch nie geschehen ist, vertrauliche Anzeigen und Berichte von bedenklichen Bewegungen ihrer Untergebenen.' 333 Ein Vertrauensmann in Basel eröffnete dem Amtsassessor Meier, daß die Revolution mit den ersten Waffenerfolgen der Franzosen durch­ geführt würde, .daß solche mithin auch im Badischen um so unvermeidlicher sei, als viele reiche desfallsige Bauern solches durchaus verlangten . * 333 Als sich Meier am 13. März wegen der Verbreitung der Kokarden beschwerdeführend an den Regierungsstatthalter in Basel wandte, erhielt er zwar die Versicherung, daß die Schweizer Behörden sich davon ebenso wie von dem Verfassungsentwurf distanzier­ ten, aber er erfuhr auch, .daß schon einige Individuen aus dem Badischen sich bei ihm (dem Statthalter - H. S.) gemeldet, um ihn um Rat zu fragen, wie eine Revolution zu bewirken und auszuführen sei'. Weiterhin bestätigte ihm der Statt­ halter, .daß einige Markgräfler mit neuen, für die präsumtive schwäbische Republik DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 5, Bl. 196. Politische Correspondenz. .a. a. O., Bd. 3, S. 181. 989 Ebenda, S. 182. HSA Stuttgart, A 202, Rubr. 46, Nr. 90. Pahl, Johann Gottfried, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben..., a. a. O„ S. 125. Kaufmann, Alexander, a. a. O„ S. 112. .On halt nos soldats ä cause de leur mauvaise conduite, mais on aime pourtant nos principes.' Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 181. 988 Ebenda. 888 Ebenda, S. 183.

988 988 381 9,1 989

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erdichteten Kokarden in Basel herumgelaufen' wären.3*4 Ein Kommentar aus der Feder Roths zu Meiers Bericht nannte als einen der Badenser, die sich beim Basler Statthalter Rat holten, den .Altvogt Sutter von Auggen, der sich mit seinem wütenden Anhang am ungebärdigsten beträgt *. Roth betrachtete die Aussagen des Statthalters als einen Beweis, .daß ihm die Pläne unserer Revolutionsmänner nicht unbekannt sind. Er hat sie und andere mit ihren Wünschen gerade nach Luzern an den Direktor Ochs verwiesen.' 337 Am 15. März meldete Amtmann Baumgärtner aus Pforzheim, daß die Verfassungsurkunde, nachdem ihre Existenz schon zuvor bekannt geworden war, auch dort aufgetaucht sei: .Sie weckt bei dem Übelgesinnten alle seine bis­ herigen geheimen Hoffnungen, die man ihm auf dem Gesichte lesen, kann. Bei dem Gutdenkenden aber erregt sie die höchste Bestürzung, weil man besorgt, es möchte damit gehen wie ehemals mit dem Entwurf der schweizerischen Konstitution, wel­ che der Ausführung ebenfalls vorangeschickt wurde. Ich werde in meinem Ge­ schäftskreis alles mögliche anwenden, die Ausbreitung dieser Schrift zu verhindern; hierinnen werde ich aber schwerlich glücklich sein, weil sie wahrscheinlich an viele Orte gesandt werden wird und sie immer ein Freund dem anderen insgeheim zum Lesen gibt.'348 Ebenso bestätigte der Pfarrer von Steinen, dafj der Verfassungs­ entwurf gierig aufgenommen und ein großer Teil des Volkes von diesen Ideen ergriffen wurde.344 Die badischen Behörden und ihre Handlanger waren so ziemlich ratlos. Einer ihrer Spitzel, die im übrigen nicht billig waren370, stellte auch nur fest: .Jenen verderb­ lichen Schriften den Weg ganz zu verschließen, ist nach Lage und Umständen oft unmöglich... Die suevische Konstitution wird daher dem Buchhändler Flick auch ein einträglicher Artikel werden.' Er versprach sich nichts von obrigkeitlichen Ermahnungen, denn .die Regierung ist mit diesen Leuten in Disharmonie und jede öffentliche Belehrung verdächtig oder nach der Lage der Dinge untunlich . * Die notwendige Gegenpropaganda sollte vielmehr in der Art der .Cassandra' Danicans erfolgen, deren Verbreitung er warm empfahl.371 Wie sehr die Behörden bereits aus der Defensive heraus operieren mußten, verraten verschiedene Denkschriften ba­ discher Beamter aus diesen Tagen. Liebenstein riet in einer solchen vom 14. März, der Gärung in der Bevölkerung durch .liebreiches und freundliches Betragen' zu begegnen und .Schonung und Nachsicht, soviel es die Umstände erlauben, in Er­ hebung der Abgaben bei gegenwärtigem großen Geldmangel * zu üben.372 Eine andere Denkschrift vom 15. März sprach sich für eine raffinierte publizistische Gegenpropaganda aus: .Für Leser, die schon mit etwas mehr Übersicht nachdenken können, wünschte ich jetzogleich einen längeren Aufsatz, worin dem Verfasser der in Basel gedruckten Urkunde für den deutschen Freistaat für seine gute Meinung M* GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291. M7 Ebenda. MB Ebenda. Schtnitthenner, Adoll. a. a. O., S. 146. ,7(l Aus einer Rechnung des Amtmanns Roth vom 10. 8. 1798 geht hervor, daß dem Leonhard Wagner, Sergeant beim Schweizer Militär, in drei Raten eine Summe von insgesamt 132 Gulden gezahlt wurde. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291. ”* Ebenda, Brief vom 13. 3. 1798. 178 Ebenda. 3S»

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gedankt, doch ehe man ihm beipflichten könne, über abzudruckende solche Para­ graphen seiner Schrift, die teils vage, teils schrecklich wegen der den Gewalthabern bleibenden Willkür sind, bestimmtere Fragen oder Fälle (ohne ängstliche Kasuistik) vorgelegt würden, daß er uns darüber belehren möge II Nur wähle man zu solchen Arbeiten keine hitzigen Eiferer, keine Dickköpfe und keine ängstlichen Men­ schen.' 573 Die starke Wirkung des revolutionären Programms im Badischen verwundert nicht angesichts des Anteils, den die Bevölkerung bereits an früheren revolutionären Projekten genommen hatte. Auggen, Efringen, die Kalteherberge, Müllheim galten wie ein Jahr zuvor als Stützpunkte der umstürzlerischen Propaganda.374 Im übrigen aber entsprach es auch der durchaus vernünftigen Konzeption der Revolutionäre, etappenweise vorzugehen, der neuen Verfassung ein Gebiet nach dem anderen zu erobern und darum zunächst das Badische besonders intensiv zu bearbeiten. Sie berührte sich im Prinzip mit den Vorstellungen, die Thäremin in seiner Denkschrift für Talleyrand vom 19. März 1799 entwickelt hatte, wonach ebenfalls zuerst die unmittelbar an die Schweiz grenzenden Gebiete - er nannte den Breisgau, die vier Waldstädte und die Landgrafschaft Nellenburg - und schließlich ganz Schwaben republikanisiert und zum Anschluß an Helvetien veranlaßt werden sollten.373 In einem entscheidenden Punkte jedoch wich die Konzeption der deutschen Revolutio­ näre gründlich davon ab: Bei allem Wert, den sie auf engste Zusammenarbeit und brüderliche Verbundenheit mit der Schweiz legen mußten, wollten sie nicht deut­ sches Gebiet in ein Anhängsel der Schweiz verwandeln; ihr Ziel war ein souveränes republikanisches Deutschland, das schrittweise zu verwirklichen war. Die erste Etappe auf diesem Wege sollte die Errichtung einer badischen Republik sein. Wäh­ rend Flick die deutsche Konstitution druckte, hatte darum gleichzeitig der Graveur Huber zu Basel .in aller Eile den Auftrag zur Fertigung eines Stempels erhalten, welcher von ihm auch wirklich gefertigt und an seine Besteller abgegeben worden und wovon er noch einen Abdruck besitzt, worauf die römischen Fasces mit dem Beil, oben mit der Freiheitsmütze, von einem doppelten Eichenzweig umschlungen, abgebildet und in der Umschrift die Worte zu lesen sind: Das souveräne badische Volk,.. .'37# Ob nach diesem Muster Siegel oder Münzen hergestellt werden sollten, vermochten die markgräflichen Behörden nicht mit Sicherheit zu ergründen. Ein Vertrauensmann in Basel hatte erfahren, daß der Revolutionär Maier den Auftrag dazu erteilt und das fertige Stück am 4. März in Empfang genommen habe.377 Wie die sächsische Gesandtschaft in Rastatt am 13. März auf Grund von Mitteilungen 3n Ebenda. 174 Politische Correspondenz., „ a, a. O-, Bd, 3, S. 182 Anin. 1. »» Ebenda, Bd. 6. S. 144. ’T« Ebenda, Bd. 3. S. 189. 3,7 Ebenda, S. 180. Abweichend von der obigen Beschreibung sagte er, daß .in der Mitte eine Säule und Basis, oben mit der Freiheitskappe * dargestellt sei. Der Basler Kupferstecher Christian von Mechel berichtete wiederum: .Es stellt ein Bund Pfeile vor mit der Inschrift umgeben.' Ebenda, S. 188. Daß die im Text angeführte Beschreibung die einzig zutreffende ist, ergibt sich aus einer Zeichnung, die ein Spitzel bei Huber nach einem Abdruck an­ fertigte und an Roth übersandte. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291, Bericht vom 20. 3. 1799.

5. Zur französischen Politik

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des kaiserlichen Vertreters berichtete, handelte es sich keineswegs nur um das eine Muster, sondern um mehrere mit verschiedenen Umschriften wie .Souverainitö du peuple de Bade, de Wurtemberg pp.' 378 Auf den ersten Schritt, die Republikanisierung Badens, sollten demnach unmittelbar die nächsten folgen. Die deutschen Revolutionäre versäumten nicht, sich auch der Unterstützung durch verschiedene, in der Nähe stationierte französische Generäle zu versichern. Jägerschmidt bemühte sich, General Desenfants zu gewinnen.379 Amtmann Roth berich­ tete am 23. März aus Lörrach, .daß alle französischen Generäle und Stabsoffiziere, welche hierdurch passieren, hautement versichern, wir könnten einer Revolution nicht entgehen, da solche eine Folge des großen Plans ihres Gouvernements sei. Unter anderen gab uns auch der sonst so brave Divisionsgeneral Desenfants, der gestern von uns zur Hauptarmee abgereist ist und seine Frau mit vier Kindern hier zurückgelassen hat, diesen leidigen Trost. * 380 Nach dem, was ein markgräflicher Spitzel in Basel erkundete, sollte auch General Ferino von dem Druck des Ver­ fassungsentwurfs unterrichtet worden sein und geantwortet haben, .daß er keine Ordre dazu habe. Wenn das Volk aber eine andere Konstitution annähme, so würde er es dabei beschützen.'381 Eine solche Zusage war außerordentlich ermutigend, aber entscheidend blieb doch die Haltung, die das französische Direktorium zu den republikanischen Bestrebungen der deutschen Revolutionäre einnahm.

5. Die französische Politik gegenüber den Fürsten und den Revolutionären

Rastatt war für die französische Großbourgeoisie, indem sie die Gegensätze zwischen den einzelnen deutschen Feudalstaaten nutzte und verschärfte, die große Gelegen­ heit, die Rheingrenze zu erobern und in Deutschland selbst Fuß zu fassen. Das deutsche Volk sollte Objekt des Handels sein, und wenn es wie im Januar 1798 in seinen besten Vertretern, den deutschen Revolutionären, als selbständig handeln­ des Subjekt auftreten und dem Menschen- und Länderschacher ein Ende zu bereiten sich anschickte, dann fanden sich französische Bourgeois und deutsche Feudale zusammen, um einen solchen Anspruch energisch zu unterdrücken. Die großbour­ geoise Politik war zutiefst amoralisch; nicht zufällig wurde ein Mann wie Talleyrand, die Inkarnation der Amoralität, der erfolgreichste Außenminister der Bour­ geoisie. Diesem Charakter der französischen Politik entsprach es, sich die von ihr verratenen revolutionären Kräfte trotzdem auch wiederum nutzbar zu machen. Ohne sie ernsthaft fördern zu wollen, konnte Frankreich doch mit einer solchen Förderung drohen. Sehr richtig hatte der Komitialgesandte von Seckendorif in seinem Schreiben vom 11. März 1798 an den badischen Markgrafen erkannt, daß Frankreich den um sich greifenden Revolutionsgeist wie einen .Alliierten' nutzte, um sich den Rücken 378 LHA Dresden, Loc. 8154, Relationen der kursächsischen Gesandtschaft bei dem Rastatter Friedenskongreß betr., Bd. 6, Bl. 59. 378 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 188. 388 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291. 381 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 180.

5. Zur französischen Politik

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des kaiserlichen Vertreters berichtete, handelte es sich keineswegs nur um das eine Muster, sondern um mehrere mit verschiedenen Umschriften wie .Souverainitö du peuple de Bade, de Wurtemberg pp.' 378 Auf den ersten Schritt, die Republikanisierung Badens, sollten demnach unmittelbar die nächsten folgen. Die deutschen Revolutionäre versäumten nicht, sich auch der Unterstützung durch verschiedene, in der Nähe stationierte französische Generäle zu versichern. Jägerschmidt bemühte sich, General Desenfants zu gewinnen.379 Amtmann Roth berich­ tete am 23. März aus Lörrach, .daß alle französischen Generäle und Stabsoffiziere, welche hierdurch passieren, hautement versichern, wir könnten einer Revolution nicht entgehen, da solche eine Folge des großen Plans ihres Gouvernements sei. Unter anderen gab uns auch der sonst so brave Divisionsgeneral Desenfants, der gestern von uns zur Hauptarmee abgereist ist und seine Frau mit vier Kindern hier zurückgelassen hat, diesen leidigen Trost. * 380 Nach dem, was ein markgräflicher Spitzel in Basel erkundete, sollte auch General Ferino von dem Druck des Ver­ fassungsentwurfs unterrichtet worden sein und geantwortet haben, .daß er keine Ordre dazu habe. Wenn das Volk aber eine andere Konstitution annähme, so würde er es dabei beschützen.'381 Eine solche Zusage war außerordentlich ermutigend, aber entscheidend blieb doch die Haltung, die das französische Direktorium zu den republikanischen Bestrebungen der deutschen Revolutionäre einnahm.

5. Die französische Politik gegenüber den Fürsten und den Revolutionären

Rastatt war für die französische Großbourgeoisie, indem sie die Gegensätze zwischen den einzelnen deutschen Feudalstaaten nutzte und verschärfte, die große Gelegen­ heit, die Rheingrenze zu erobern und in Deutschland selbst Fuß zu fassen. Das deutsche Volk sollte Objekt des Handels sein, und wenn es wie im Januar 1798 in seinen besten Vertretern, den deutschen Revolutionären, als selbständig handeln­ des Subjekt auftreten und dem Menschen- und Länderschacher ein Ende zu bereiten sich anschickte, dann fanden sich französische Bourgeois und deutsche Feudale zusammen, um einen solchen Anspruch energisch zu unterdrücken. Die großbour­ geoise Politik war zutiefst amoralisch; nicht zufällig wurde ein Mann wie Talleyrand, die Inkarnation der Amoralität, der erfolgreichste Außenminister der Bour­ geoisie. Diesem Charakter der französischen Politik entsprach es, sich die von ihr verratenen revolutionären Kräfte trotzdem auch wiederum nutzbar zu machen. Ohne sie ernsthaft fördern zu wollen, konnte Frankreich doch mit einer solchen Förderung drohen. Sehr richtig hatte der Komitialgesandte von Seckendorif in seinem Schreiben vom 11. März 1798 an den badischen Markgrafen erkannt, daß Frankreich den um sich greifenden Revolutionsgeist wie einen .Alliierten' nutzte, um sich den Rücken 378 LHA Dresden, Loc. 8154, Relationen der kursächsischen Gesandtschaft bei dem Rastatter Friedenskongreß betr., Bd. 6, Bl. 59. 378 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 188. 388 GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6291. 381 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 180.

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VII. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

freizuhalten.382 Es erwies sich verschiedentlich als ein recht wirksames Druckmittel, die Masse der Fürsten noch gefügiger zu machen, wenn die französischen Bevoll­ mächtigten in Privatgesprächen einige revolutionäre Töne anschlugen. Die preu­ ßische Gesandtschaft berichtete am 13. März von einem solchen Vorfall: .Sie fragten dieser Tage jemand, ob er nicht glaube, daß das bayerische Volk endlich der schlechten Verwaltung des Kurfürsten überdrüssig würde, wobei sie hinzufügten, daß man, wenn die Völker es wollen, allen diesen Fürsten den Gnadenstoß geben muß. Diese Ausdrücke... sind die allgemeinen und gebräuchlichen, deren sich diese Friedensunterhändler bedienen. * 383 Die an sich schon außerordentlich schroffen und ultimativen Worte, mit denen die französischen Bevollmächtigten am 3. März von der sich windenden Reichsdepu­ tation die Anerkennung der Rheingrenze verlangten, erhalten auf diesem Hinter­ grund erst ihr volles Gewicht: .Die fränkische Republik hat gleich anfangs mit einer Offenheit, von der sie sich nie entfernen wird, die Basis angegeben, ohne welche kein Friede gemacht werden kann... Die Republik konnte erwarten, daß man, alle Umgehungen und Ausflüchte vermeidend, ihr mit derselben Offenheit antworten würde. Es ist Zeit, diesen Diskussionen ein Ende zu machen. Die Minister der fränkischen Republik verlangen daher von der Reichsdeputation eine positive Erklärung, ob sie der vorgeschlagenen Basis beitreten wolle oder nicht.'384 Eine solche Sprache, hinter der die Drohung mit einer Revolution stand, begriff die Reichsdeputation gut; am 11. März schon hatte sie der Abtretung des Rheinufers zugestimmt. Die nächste französische Forderung vom 15. März, das Prinzip der Säkularisation für die Entschädigungen zu akzeptieren, wurde von ähnlichen, kaum verhüllten Drohungen begleitet. Ein preußischer Bericht vom 26. März zitierte einen der französischen Bevollmächtigten: .Sie wissen nicht, was Sie mit Ihrer Schwer­ fälligkeit anrichten; nehmen Sie sich in acht; wenn Sie länger säumen, wird sich binnen kurzem, ohne daß wir es hindern werden, eine deutsche Republik auf Ihrem rechten Rheinufer bilden. * Der Sekretär dieses Bevollmächtigten sollte sogar gesagt haben: »Alles ist vorbereitet und bereit, um in Württemberg und Schwaben eine Republik zu schaffen, und wir haben direkte Verbindungen in Bayern und München; Bayern wird sich daran anschließen, wenn der Friede zustande zu kommen zögert.'385 Ebenda, S. 95. Ma »Hs demandèrent à quelqu'un ces jours-ci, s'il ne croyait pas que le peuple bavarois ne se lasserait pas enfin de la mauvaise administration de l'Électeur, ajoutant, si les peuples le veulent, il faut donner le coup de grâce à tous ces princes. Ces expressions... sont les termes communs et usuels dont se servent ces négociateurs de la paix.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 66. Im Konzept des Berichts findet sich statt des Wortes .Gnaden­ stoß' — coup de grâce der Ausdruck .Fußtritt' = coup de pied. Ebenda. Rep. 81, Nr. 5, Bd. 2, Bl. 7. 584 »Europäische Annalen *, Jahrg. 1798, 6. Stück, S. 325. .Vous ne savez pas ce que vous faites avec vos lenteurs; prenez y garde, si vous traînez plus longtemps, sous peu il se formera, sans que nous l'empêcherons, une République Allemande sur votre Rhin droite.' .Tout est préparé et prêt pour faire une république dans le pays de Wurtemberg et en Souabe, et nous avons des connexions directes en Bavière et à Munich; la Bavière s’y joindra, si la paix tarde à se faire.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 2, Bl. 116.

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Treilhard, das spätere Direktoriumsmitglied, erklärte der preußischen Gesandtschaft in Rastatt: .Sie wissen selbst, wie sehr der Geist der Revolution sich überall aus­ breitet. Wenn man keinen schnellen Frieden macht und nicht der Entschädigungsart durch die Säkularisationen zustimmt, wird dieser Geist überall um sich greifen, und Sie sind davon nicht verschont.'380 Am 4. April antwortete die Reichsdeputation, sie sähe .sich gedrungen, auch noch in die verlangte, durch Säkularisationen zu er­ zielende Entschädigungen für den auf dem linken Rheinufer entstehenden Verlust sich einzulassen,...' 387 Selbstverständlich durfte die französische Diplomatie das Druckmittel der Revolutionsdrohung nicht unbegrenzt anwenden und dadurch ungewollt dazu beitragen, daß die deutschen Feudalfürsten sich über ihre Gegensätze hinweg zur Abwehr der gemeinsamen Gefahr zusammenfanden. Es fehlte nicht an solchen Forderungen im feudalen Lager. Vornehmlich rührten sie von denjenigen her, die bei dem eingelei­ teten Handel leer ausgehen oder sogar Opfer sein würden. Der regierende Graf von Solms-Laubach, Vertreter der wetterauischen und westfälischen Grafenbank, legte den Rastatter Gesandtschaften Anfang April eine solche Denkschrift vor.388 .Die Stimmung ist nicht überall gleich, und das Geheimnis ist gefunden, das Volk wider seine Neigung zum Aufstand zu bringen', hieß es darin. .Eine Fraktion ersetzt leicht die Stelle der Meinung, und leider I zählt jedes Dorf Einwohner, die fähig wären, eine zu bilden. Die meisten, deren Betragen die Obrigkeit bestimmte, ihr Ansehen gegen sie eintreten zu lassen, setzen den Augenblick einer sich darbietenden Ver­ änderung für den ihrer Rache an. * Selbst zu einer gemäßigten Revolution von oben sei es zu spät: .Gehörte es noch zu den denkbaren Begebenheiten, eine Verbesse­ rung der Verfassung ohne Gewalttätigkeit und Schreckensmaßregeln zur Behaup­ tung äußerer Unabhängigkeit und Begründung einer bürgerlichen Freiheit vor­ zunehmen, so würde man noch gerne in diesem Sinn revolutionär sein und die in unmerkbare Parzellen geteilte deutsche Staatsgewalt in den Händen eines einzigen vereint sehen. Solche philosophischen Träume sind aber itzt nicht mehr zu ihrer Zeit. Politische Intoleranz und die Macht der Bekenner der neuen Lehre erlauben nicht, unter anderen Formen zu suchen, was sie ausschließlich in den ihrigen gefun­ den zu haben glauben. Wer jetzt ausbessern will, wird gewöhnlich zum Umreißen gezwungen.'389 Letztes und einziges Auskunftsmittel, .das Feuer so fern als möglich “• .Vous savez vous-même, dit-il, combien l'esprit de révolution s'étend partout Si l’on ne fait une prompte paix et qu'on ne consent pas au mode d'indemniser par les sécularisations, cet esprit gagnera partout, et vous n'en ¿tes pas exempts.' Ebenda, Bl. 125. .Europäische Annalen", Jahrg. 1798, 7. Stück, S. 7. 933 Freimütige Gedanken. Als handschriftliche Beilage zum Bericht der preußischen Gesandt­ schaft in Rastatt vom 11. April 1798. DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20. d 2, Bl. 182-184 und Rep. 81, Nr. 5, Bd. 2, Bl. 118-124. Auch als Flugschrift erschienen unter dem Titel .Freimütige Betrachtungen über den bisherigen Geschäftsgang beim hohen Friedenskongreß, o. O. 1798'. Heigel, Karl Theodor, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflösung des alten Reiches. Stuttgart u. Berlin 1911, Bd. 2, S. 311. “• DZA Merseburg, Rep. 81, Nr. 5, Bd. 2, Bl. 120/21.

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von der glühenden Asche zu halten', und Frankreich die Einmischung in die deut­ schen Verhältnisse zu verwehren, bliebe darum das gemeinsame Vorgehen der bei­ den deutschen Großmächte im Interesse sämtlicher feudaler Grundeigentümer. In der Tat beunruhigten den Berliner Hof alle möglichen Nachrichten über an­ gebliche Umtriebe französischer Emissäre aufs höchste. Als dem Minister von der Schulenburg am 21. April eine Schweizer Mitteilung in die Hände geriet, die behauptete, daß französische Emissäre mit falschen Pässen als Handwerker, Mu­ siker, Kaufleute nach Preußen eingeschleust würden, ließ das Kabinett sofort am gleichen Tage eine aufgeregte Warnung an die verschiedensten Behörden, vor allem in den polnischen Gebietsteilen, aber auch an Hardenberg in Ansbach-Bayreuth, und Anfragen nach Rastatt und an den Gesandten in Paris ausgehen.390 Die Ra­ statter Gesandtschaft war ganz in der Revolutionsfurcht befangen und bestärkte durch ihre Antwort das Kabinett in seinen Ängsten.391 Ihr Mitglied Graf Goertz versorgte Mitte Mai nicht nur den eigenen Hof, sondern auch verschiedene andere mit Materialien .aus einer guten Quelle' über französische Umsturzpläne, obwohl allein die Diktion und der faustdick aufgetragene Zynismus der Aussagen dieses angeblichen Agenten das Ganze als ein antifranzösisches Machwerk verrieten.392 Anders reagierte Sandoz-Rollin. Aus guter Kenntnis der französischen Verhältnisse bildete er sich ein klares Urteil und war dementsprechend bemüht, seinen Auftrag­ gebern die Furcht vor dem Gespenst der Revolution zu nehmen. Er konnte sich dabei auf verschiedene beruhigende Äußerungen leitender französischer Politiker stützen. Merlin de Douai hatte ihm erklärt: .Ist der Friede in Deutschland einmal gemacht, werden wir von diesem Moment an darauf verzichten, das zu revolutionieren, was nicht in unsere Grenzen aufgenommen wird, und die Welt vollkommen in Ruhe lassen.'393 Talleyrand hatte ihm versichert, mehr als hundert Briefe an französische Agenten geschrieben und ihnen untersagt zu haben, Bestrebungen zur Republikanisierung Deutschlands zu fördern.391 Auf eine Anfrage des preußischen Kabinetts über die in Paris lebenden deutschen Revolutionäre und ihren Einfluß auf das Direktorium antwortete Sandoz-Rollin daher sehr klar und entschieden: .Die An­ sammlung einiger Deutscher in Paris ist in diesem Zeitpunkt um so weniger gefähr­ lich, als sie, größtenteils mit den Jakobinern verbunden und verknüpft, allen Zugang zur Regierung verloren haben. * 395 Das Direktorium, das sich anschickte, den Wahl­ erfolg der Jakobiner im April durch den Staatsstreich vom 11. Mai wieder zunichte ’w Ebenda, Rep. 11, 91 Frankreich, varia publica, Nr. 36, Bl. 61 ff. 391 Ebenda, Bl. 119/20. m LHA Dresden, Loc. 3147, Den Friedenskongreß zu Rastatt betr., Bd. 2, Bl. 23 ff. Der fran­ zösische Gesandtschaftssekretär Rosenstiel sagte von Goertz, er wäre .fortwährend von seiner Phantasie irregeführt, die ihn nur von Revolutionen träumen ließ' (.continuellement égaré par son imagination qui ne lui faisait rêver que révolutions.. .*). Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 109. S’1 .La paix faite une fois en Allemagne, nous renoncerons dis ce moment à révolutionner ce qui n'entrera pas dans nos limites, et nous laisserons le monde parfaitement en repos.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 69, Fasc. 358, Bl. 203. 9,4 Ebenda, Bl. 234. «Le rassemblement de quelques Allemands A Paris est d'autant moins dangereux dans ce moment, que faufilés et liés pour la plupart avec les Jacobins, ils ont perdu tout accès auprès du gouvernement' Ebenda, Bl. 220.

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zu machen, konnte keine jakobinische Außenpolitik treiben. Im Gegensatz zur Rastatter Gesandtschaft beantwortete Sandoz-Rollin darum auch das Schreiben des Kabinettsministeriums vom 21. April eindeutig negativ: «Gewiß, ganz gewiß sind die Eurer Majestät gegebenen Nachrichten über das Projekt, Preußen zu revolutio­ nieren, ein Lügengewebe; jawohl, ganz gewiß. * s#e Preußens Furcht war damit nicht zu zerstreuen. Sie stand Pate bei den Verhandlungen, die im April zwischen Wien und Berlin aufgenommen wurden. Zum Glück für Frankreich war das Mißtrauen Preußens gegenüber seinen feudalen Standesgenossen nicht geringer als seine Furcht vor der Revolution. Die Separat­ verhandlungen, die Frankreich mit Österreich von Ende Mai bis Anfang Juli in Selz führte, beobachtete Preußen mit größter Besorgnis. Mit ängstlicher Zurückhaltung begegnete es dem Werben Rußlands und Österreichs im Sommer 1798 für den Eintritt in eine neue Koalition. Rußland, das bis dahin stets andere ermuntert hatte, die Kastanien aus dem französischen Feuer zu holen, traf jetzt ernsthafte Anstalten, Frankreich entgegenzutreten. Der Griff Bonapartes nach den jonischen Inseln, nach Malta, nach Ägypten und die möglichen Folgen dieser Eroberungen vertrugen sich nicht mit den russischen Expansionsabsichten. Österreich hatte in Selz erfahren müssen, daß Frankreich nicht einmal mehr daran dachte, die in Campoformio ge­ machten Entschädigungsversprechen zu halten. Im Juli schloß der Kaiser mit dem Zaren eine Militärkonvention. Um Preußens Beitritt zu verhindern, hielt es die französische Diplomatie für an­ gebracht, gelegentlich mit Nachdruck auf die Gefahr der Revolution hinzuweisen, die mit der Erneuerung des Krieges notwendig wieder akut würde. Jean Debry, einer der französischen Bevollmächtigten in Rastatt, bezeichnete zwar Ende Juni einem preußischen Vertreter gegenüber den Frankreich zugeschriebenen Umsturz­ plan als von England erdichtet. .Man wolle keine Regierung, mit der man in fried­ lichen Verhältnissen stehe, in ihrer Verfassung stören; nach der Meinung Friedrich des Großen halte man sich aber berechtigt, gegen einen Feind sich aller Mittel zu bedienen, wodurch ihm Schaden zugefügt werden könne. * 397 Nach der Mitteilung Sandoz-Rollins vom 14. Juli erklärte ihm der neue Direktor Treilhard, .daß die Erfolge des Krieges zweifelhaft sein könnten, aber daß die Erfolge des revolutio­ nären Geistes es nicht sein würden; ein Umstand, der in ernsthafte Betrachtung gezogen werden sollte".’06 Noch massiver drohte am 22. Juli Talleyrand: .Ver­ geblich würde man hoffen, die Republik mit einem neuen Kriege zu verwirren und zu verderben; man würde dabei kein Glück haben. Revolutionäre Lauffeuer mit stark ausgebreiteten Verzweigungen sind vollkommen fertig und warten nur auf M .Certainement et très certainement les avis donnés è V. M. sur le projet de révolutionner la Prusse sont un tissu de mensonges; oui très certainement' Ebenda, Rep. 11, 91 Frankreich, varia publica, Nr. 36, Bl. 129. 117 LHA Dresden, Loc. 3147, Den Friedenskongreß zu Rastatt betr., Bd. 2, Bl. 62. ”• .... que les succès de la guerre pourraient être douteux, mais que les succès de l'esprit révolutionnaire ne le seraient pas; circonstance qui devait être prise en sérieuse consi­ dération.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fasc. 359, Bl. 232. Ebenso bei Bailleu, Paul. a. a. O., Bd. 1, S. 218.

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das Zeichen, angezündet zu werden; ihre Explosion würde die Welt umstürzen.' 309 Ende August gaben Österreich und Rußland ihre Bemühungen auf, Preußen für die neue Koalition zu gewinnen. Ebenso erfolglos allerdings endeten auch die französischen Versuche, Preufjen zu einem Bündnis mit Frankreich zu bewegen. Gerade um die sich bildende neue Koalition von vornherein zu paralysieren, mußte für Frankreich ein solches Bündnis sehr willkommen sein. Es schickte, nachdem der bisherige Gesandte Caillard nichts zu erreichen vermochte, Ende Juni sogar einen so bedeutsamen Repräsentanten dsr Republik wie Sieyès nach Berlin. Es sparte nun auch umgekehrt nicht mit den bün­ digsten Versicherungen, allen Revolutionierungsabsichten abgeschworen zu haben. Sieyès erhielt am 24. Juli von Talleyrand die Weisung, .diese heimliche Angst zu zerstören, die in Berlin wie anderswo ein Mißtrauen uns gegenüber wachhält, das unseren Eröffnungen unaufhörlich schadet, weil man uns nur mit dem Projekt beschäftigt glaubt, Deutschland zu revolutionieren'.400 Dem Mitglied der von der Revolutionsfurcht ständig gepeinigten preußischen Deputation in Rastatt, Jacobi, erklärte Roberjot am 26. Juli: .Diese Beschuldigung ist derart verjährt, sie ent­ springt einer derartigen Unredlichkeit, sie ist derartig Lügen gestraft durch die weise Haltung des Direktoriums, durch die nachgewiesene Protektion, die es den Königen gewährt, die mit der Republik Verträge abgeschlossen haben, durch die Bemühungen, im Innern die Personen, die noch irregeführt sind, im Zaume zu halten, daß man sie nicht ohne Entrüstung hören kann. * 401 Vergebens! Preußen war nach dem schändlichen Raube an Polen ein Opfer dieses Raubes geworden und nicht mehr in der Lage, eine aktive Politik zu treiben. Von den widerstreitenden Gefühlen des Mißtrauens, der Revolutionsfurcht und der Begehrlichkeit geschüttelt, wußte es keinen anderen Ausweg als die Flucht in die Neutralität. Das verächtliche Wort, das Sieyès über den leitenden preußischen Minister, den Grafen von Haugwitz, sprach, charakterisierte nicht nur ihn, sondern die preußische Außenpolitik über­ haupt: .Haugwitz ist viel weniger Minister für auswärtige Angelegenheiten als vielmehr ein Türhüter mit dem Auftrag, den Angelegenheiten den Eintritt zu ver­ wehren.' 402 .Vainement voudrait-on espérer d'embarrasser et de perdre la République avec une nou­ velle guerre, on ne réussirait pas. Des traînées de poudre révolutionnaire ayant des rami­ fications fort étendues sont toutes prêtes et n'attendent que le signal d'être allumées; leur explosion bouleverserait le monde.' Ebenda, Bl. 246. 400 .Vous vous attacherez à détruire cette terreur secrète qui entretient à Berlin comme ailleurs une méfiance de nous qui nuit sans cesse à nos ouvertures, parce qu'on ne nous croit occupés que du projet de révolutionner l'Allemagne. * Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 483. 441 .Cette inculpation est tellement surannée, elle est faite de si mauvaise foi, elle est tellement démentie par la conduite sage du Directoire, par la protection signalée qu'il accorde aux rois qui ont traité avec la République, par les efforts à contenir dans l'intérieur les personnes qui restent encore égarées, qu’on ne peut l'entendre sans indignation.' Montarlot. P./ Pingaud, L., Le congrès de Rastatt. Correspondance et documents. Paris 1912, Bd. 1, S. 240. .Haugwitz est beaucoup moins le ministre des affaires étrangères qu'une sentinelle placée â la porte avec le consigne d'empêcher les affaires d'entrer.' Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 483 Anm. 1.

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Unter diesen Bedingungen, da einerseits sich der österreichische Widerstand in Rastatt versteifte und sich die kommende bewaffnete Auseinandersetzung immer deutlicher ankündigte und da andererseits Preußen als Verbündeter Frankreichs nicht zu gewinnen war, mußte sich die französische Außenpolitik noch entschiedener auf die deutschen Mittelstaaten orientieren. Die dringendsten Hinweise in dieser Richtung kamen gerade von Sieyès aus Berlin, der schon sehr früh die Ergebnis­ losigkeit seiner Mission erkannte. Am 14. Juli schrieb er an Talleyrand: .Die Politik Frankreichs kann es nicht sein, diese dritte Partei Deutschlands verschwinden und auch nicht zu sehr sich schwächen zu lassen, diese unabhängigen Staaten, die seine interessantesten zukünftigen Verbündeten, seine notwendigen Schützlinge sein müssen.'405 Talleyrand arbeitete ein Memorandum zur Vorlage beim Direktorium aus, worin er denselben Gedanken entwickelte, einen Bund der Mittelstaaten als Puffer zwischen Frankreich einerseits und Preußen und Österreich andererseits zu errichten, und zur Erhärtung jene Worte von Sieyès zitierte.404 An Sieyès schrieb er am 13. August: .Euer Prinzip ist das meine. Ich habe es immer vertreten. * 406 Die französische Diplomatie ging ungesäumt dazu über, diese Konzeption zu realisieren. Roberjot entwickelte dem Vertreter der württembergischen Landschaft, Georgii, am 2. August folgende Gedankengänge: .Bis jetzt sei Deutschland nichts als eine österreichische oder auch unter gewissen Umständen preußische Provinz,- ... es liege Frankreich daran, diesem Unwesen ein Ende zu machen und Deutschland in den Stand zu setzen, daß es nicht bloß durch die eigennützigen Absichten des einen oder anderen beherrscht werde. Die Mittel, die man französischerseits dazu an­ wenden wolle, bestehen darin: Nachdem Deutschland an Ausdehnung und Flächen­ gehalt durch gegenwärtigen Reichsfrieden verloren, den Fürsten mehr Kraft zu geben und sie in den Stand zu setzen, sich nicht mehr wir bisher durch Österreich beherrschen zu lassen.' Die größere Kraft sollten sie aus der allgemeinen Säkulari­ sation und der Einschmelzung der Reichsritterschaft, der kleinen Grafen und Fürsten gewinnen. Da Roberjot zu einem Landschaftsdeputierten sprach, nannte er als wei­ teres Ziel, daß .die Fürsten durch gute ständische Verfassungen außer Stand gesetzt würden, den Völkern wie bisher zu schaden . * 400 In den Verhandlungen mit fürst­ lichen Vertretern war davon natürlich keine Rede. Ende September hatte Rivals, der französische Gesandte in Kassel, den Auftrag erhalten, den Landgrafen als .Angel­ punkt und Haupt einer Zwischenliga, die sich aus den inneren Fürsten Deutschlands bilden würde', zu gewinnen.407 Der leitende hessische Minister, Baron von Waitz, griff das Projekt mit Eifer auf, ebenso der Vertreter Hessen-Kassels in Rastatt, von Steube.408 In dieselbe Richtung lief die Anregung des französischen Gesandt444 .La politique de la France ne peut pas être de laisser disparaître ni même de laisser trop s'affaiblir ce tiers parti de l'Allemagne, ces États indépendants qui doivent être ses futurs alliés les plus intéressants, ses protégés nécessaires.' Ebenda, S. 481. 444 paiiain_ c.. a. a. O., S. 267. 405 .Votre principe est le mien. Je l'ai toujours professé.' Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 485. 444 Sammlung von Lebensbeschreibungen..., a. a. O., S. 174. 407 .... le pivot et le chef d'une ligue intermédiaire qui se formerait des princes intérieurs de l'Allemagne,...' Bailleu, Paul, a. a. O., Bd. 1, S. 485 Anm. 1. 408 Politische Correspondenz..., a. a. O., Bd. 3, S. 136.

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schaftssekretärs Rosenstiel im Dezember, daß sich Pfalz-Zweibrücken, Baden, Württemberg, Hessen und Mainz zusammensetzen und sich über ihre Entschädi­ gungsforderungen vergleichen mögen.40* Solche Unterhandlungen blieben natürlich nicht verborgen. So berichtete der sächsische Resident in Frankfurt unter dem 23. Dezember, daß Rastatter Nachrichten zufolge .davon die Rede sein soll, unter der Leitung und dem Schutz Frankreichs einen Bund zwischen den Häusern Würt­ temberg, Baden, Hessen-Kassel und Darmstadt und vielleicht dem Kurfürsten von Mainz zu bilden mit dem Ziel, für ihre Sicherheit zu sorgen und im Notfall gemein­ same Sache mit Frankreich zu machen.' 409 410 Die Sendung Théremins im Oktober nach Stuttgart fügt sich unter diesem Gesichts­ punkt der Bemühungen um die Mittelsstaaten erst in den richtigen Zusammen­ hang.411 Da Frankreich des württembergischen Herzogs nicht sicher sein konnte, schien es angebracht, mit den ständischen Führern Verbindung aufzunehmen und auf diese Weise einen Druck auf ihn auszuüben. Da Théremins Neigung zum Republikanisieren dem Außenministerium bekannt war, bedeutete seine Wahl offensicht­ lich, daß der Druck bis zur massiven Drohung mit der Revolution gesteigert werden sollte. Die intensiven französischen Bemühungen, die Mittelfürsten an sich zu ziehen, verbieten anzunehmen, daß mit Théremins Sendung weitergehende Absichten verfolgt wurden. Abel, der sich im Oktober beim Außenministerium Gewißheit ver­ schaffen wollte, erhielt von dem Generalsekretär die Auskunft, daß .keine Rede von nachteiligen und revolutionären Absichten' sein könne,- .vielmehr sei das System des Gouvernements, die deutschen Fürsten vom zweiten und dritten Range mög­ lichst zu soutenieren'. Wie Abel von anderer Seite erfuhr, hatte dieser Beamte selbst einen Aufsatz angefertigt, .um dieses System zu empfehlen und den Nachteil zu zeigen, welcher aus einer Revolution in Deutschland für Frankreich entstehen würde'. Allerdings, so meinte Abel, könnte im Kriegsfälle auf das Mittel der Revo­ lution unter Umständen zurückgegriffen werden.412 Dieselbe Sprache führten in Rastatt die französischen Deputierten, wie die preußische Gesandtschaft am 10. De­ zember feststellte: .Sie sagen laut, daß die Republik keinen revolutionären Plan habe, ausgenommen im Kriegsfälle, wo dies immer eine sehr mächtige Waffe dar­ stelle, deren sie sich gegen ihre Feinde bedienen würde.'413 Mit dem Beginn des Jahres 1799 schickte das Direktorium sogar einen offiziellen Gesandten, Trouvé, an den württembergischen Hof und dokumentierte damit sehr deutlich seine Absicht, mit dem Fürsten zu einem Einvernehmen zu gelangen. Trouvé unternahm auch keinen Schritt, um wie Théremin mit der ständischen Opposition oder gar mit den 409 Ebenda, S. 134. 410 .... qu'il doit être question de former sous les auspices et la protection de la France une association entre les maisons de Wurtemberg, de Bade, de Hesse-Cassel et Darmstadt et peut-être l'Électeur de Mayence, ayant pour objet de pourvoir à leur sûreté et de faire au besoin cause commune avec la France.' LHA Dresden, Loc. 2724, Des von Kötteritz aus Frankfurt a. M. erstattete Relationen betr.. Bd. 1, Bl. 475. 411 Vgl. S. 457 ff. 411 HSA Stuttgart A 11, Bü. 28, Beilage 13, Bericht Abels vom 31. 10. 1798. 419 .Ils disent hautement que la République n'aurait aucune vue révolutionnaire, excepté en cas de guerre où ce serait toujours une arme très puissante dont elle se servirait contre ses ennemis.' DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 20, d 4, Bl. 216.

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Revolutionären Kontakte‘aufzunehmen, sondern lieft umgekehrt diesen Kreisen er­ klären, daft er zum Revolutionieren keinen Auftrag besitze.414 Dieses Verhalten Trouves wie die Berichte, die Baz aus Rastatt schickte, irritierten das württembergische revolutionäre Zentrum. Kämpf schrieb am 20. Februar 1799 an Baz: .Du weiftt, was ich wünsche, was ich hoffe, freilich nach Deinem für mich nur zu instruk­ tiven Brief nicht wohl mehr mit Zuversicht hoffen kann. Hier und in Stuttgart durchkreuzen sich die widersprechendsten Gerüchte... Was sagst Du dann zu Tfrouväs) Benehmen? Was sagt Freund Sinclair dazu? - Ich begreife ihn und seine Absendung nicht. Maske kann es nicht sein. Wozu die gegen einen so winzigen Hof! Doch lassen wir ihn ruhen. Jourdan macht vielleicht bald alle diplomatische Taktik * überflüssig. 415 Die Revolutionäre klammerten sich an die Hoffnung, daft mit dem Wiederbeginn des Krieges ihre Pläne dennoch realisiert werden könnten. Diese Hoffnung schien um so mehr berechtigt, da erstens die Revolutionsdrohung als politisches Druck­ mittel von der französischen Diplomatie immer noch verschiedentlich angewandt wurde und da zweitens bei den deutschen Feudalgewalten die Furcht vor der Revo­ lution unvermindert fortbestand, ja, durch die intensiven Vorbereitungen der deut­ schen Revolutionäre bedeutend gesteigert wurde, von denen man annahm, daft sie im Einverständnis mit Frankreich handelten. Hedäus erschien Anfang 1799, von Krutthofer abgesendet, in Stuttgart mit dem Auftrag, die Verbindung der Revo­ lutionäre untereinander zu festigen und zugleich Nachrichten über die Stellung der kaiserlichen Armee einzuziehen.418 Essich, der um die gleiche Zeit von Jägerschmidt nach Württemberg geschickt worden war, erklärte das Interesse an den Bewegungen der Kaiserlichen daraus, .daft Mauerbrecher wirklich unter den kaiserlichen Offi­ zieren Freunde habe und daft er besonders auf das Regiment Bender im Fall einer Revolution in Schwaben grofte Hoffnung setze'.417 Essich konferierte mit vielen schwäbischen Revolutionären im Stuttgarter Raum und unterhielt eine ausgedehnte Korrespondenz mit anderen im Lande und jenseits des Rheins. Im besonderen hatte ihm Jägerschmidt aufgetragen, mit Mengaud Verbindung aufzunehmen, der als französischer Geschäftsträger in der Schweiz mit den deutschen Revolutionären in Basel ausgezeichnet zusammengearbeitet und bedeutenden Anteil an der helve­ tischen Revolution genommen hatte, sich aber jetzt angeblich in Stuttgart aufhalten sollte.418 Um die Osterzeit kam sogar Krutthofer persönlich nach Ludwigsburg und Stuttgart, um die Volksstimmung zu erkunden, die Ausbreitung und festere Ver­ bindung des Netzes der Revolutionäre zu betreiben und die Militärspionage zu organisieren.418 Unter anderem stattete er Penasse mit dem nötigen Geld aus, damit dieser den Leutnant Pelletier nach Ulm schicken konnte, wo erkundet werden sollte, .wie es dort mit den Kaiserlichen stehe und was es sonst Neues gebe'.420 4,4 418 414 4,7 418 «»

Hölzle, Erwin, Das alte Recht.., a. a. O-, S. 240. HSA Stuttgart, A 11, Bü. 29 A. Ebenda, Bericht der Untersuchungskommission vom 8. 4. 1800. Ebenda, Bericht der Untersuchungskommission vom 26. 2. 1800. Ebenda, A 30, Nr. 149, Bericht der Untersuchungskommission vom 5. 5. 1800. Ebenda. 420 Ebenda, A 11, Bü. 29 A, Aussage Penasses vom 14. 3. 1800.

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VU. Der Aufschwung der antifeudalen Bewegung

Pelletier unternahm die Reise, nachdem er auf Veranlassung Krutthofers von dem Eßlinger Bortenmacher Schade Kindervaters Adresse in Ulm erhalten hatte. Den schriftlichen Bericht über die Ergebnisse seiner Erkundungen lieh ei’ durch den Posthalter Eschenmayer über Heidelberg an Krutthofer gelangen.421 In der Tat war es schwer, nicht an ein geplantes Zusammenwirken der Revolutionäre mit französischen Stellen zu glauben, wenn etwa Reubeil am 15. Februar zu SandozRollin äußerte: .Man erfährt nie genug, wieviel Mühe wir haben, den revolutionären Ausbruch in Deutschland und den ungestümen Eifer unserer Armeen aufzuhalten.'422 Sandoz-Rollin, der keineswegs zu denen gehörte, die in Umsturzbestrebungen ständig einen integrierenden Bestandteil der französischen Außenpolitik sahen, war in diesem Falle davon überzeugt: .In Schwaben wird beim ersten Kanonenschuß, den Österreich abfeuert, eine Revolution ausbrechen; eine Revolution, die bis jetzt durch die Friedenshoffnungen zurückgehalten worden ist. Der Herr Théremin, wie ich er­ fahre, ist nach Stuttgart geschickt worden, um sie zu schüren. * 423 In Rastatt war diese Überzeugung fast so allgemein verbreitet wie die Furcht davor. .Was man mit Sicherheit voraussehen kann *, hieß es in einem preußischen Bericht vom 30. Januar, .ist das, daß im Falle eines neuen Krieges Österreichs, in den das Reich einbegriffen würde, die französische Regierung ihre militärischen Operationen mit den schreck­ lichen Waffen der Revolution beginnen wird, mit denen sie so offen die ganze Welt bedroht. Schwaben würde unfehlbar das erste Objekt dieser grausamen Politik sein.' 424 Ähnlich urteilte der sächsische Gesandte Loeben am 6. Februar: .Die Höfe von Baden und Württemberg sind, ihrer Friedensschlüsse ungeachtet, in der größten Unruhe. Sie haben um so mehr Grund dazu, als es fast außer Zweifel ist, daß es zum Plan der französischen Regierung gehöre, ganz vorzüglich Schwaben womöglich zu revolutionieren. * 425 Reitzenstein im Auftrage des badischen Mark­ grafen und Abel in dem des württembergischen Herzogs intervenierten Anfang Februar in Paris.42® Die badische Deputation in Rastatt wandte sich in einer Note vom 13. März an die französischen Bevollmächtigten, und der Markgraf selbst richtete am 26. März eine Beschwerde an das helvetische Direktorium.427 4X1 Ebenda, Aussagen Penasses und Eschenmayers vom 14. 3. 1800. 40 »On ne saura jamais assez combien nous avons des peines d'arrêter l'explosion révolu­ tionnaire en Allemagne et d'arrêter l'ardeur impétueuse de nos armées.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 89, Fasc. 364, Bl. 107. ’ Ebenda. Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 5, Bl. 3. HSA Stuttgart, A 11, Bü. 22, Bericht des Geheimen Rats vom 28. 11. 1800. Ebenda, Filiale Ludwigsburg, A214, Nr. 609, Bericht Seuberts vom 8. 1. 1801. DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 16 O, Bl. 76. Hartmann, a. a. O., S. 64.

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Vni. Der 2. Koalitionskrieg

Schwarz bezeichnet; dem Schneider Christian Braun wurde im besonderen vor­ geworfen. daß er für die Rebellen Kokarden und Fahnen angefertigt hatte; vom Schuhmacher Haller war gesagt, dafj er .die Stürmungs- und Plünderungspläne, die Pflanzung des Freiheitsbaumes und alle Henkersprojekte nach dem Muster der vor­ maligen Revolutionsszenen in Frankreich, die er in Paris zum Teil selbst mitgemacht, ausgesonnen und vorläufig angeordnet hat'; als .einer der gefährlichsten * schließlich wurde der Provisor Roller bezeichnet.221 Der demokratische Charakter der Erhebung äußerte sich indirekt auch in der panischen Furcht, von der die besitzenden Kreise des an die 50 km von Knittlingen entfernten Ludwigsburg ergriffen wurden; Nicolai sprach davon, daß .ein Teil der Einwohner von Ludwigsburg aus Furcht (vor - H. S.) einer Plünderung schon ihre Effekten geflüchtet hat *. 225 Selbstverständlich waren die Knittlinger bemüht, benachbarte Orte in ihre Bewegung einzubeziehen und ihr auf diese Weise eine größere Kraft zu verleihen. Nach einem Gespräche des Schwarz mit dem Bauern Jakob Wilhelm Daniel aus dem eine gute Stunde entfernten Dertingen, der sich am Tage des Schwöraktes zusammen mit seinem Schwiegersohn gerade in Knittlingen aufhielt und von dem Ereignis sehr beeindruckt war, wurde sogleich verabredet, daß Schwarz am nächsten Morgen mit einigen Knittlingem in Dertingen erscheinen werde. Tatsächlich traf er am 5. Januar mit sieben Begleitern hier ein. Er versicherte sich zunächst des guten Willens des im Ort einquartierten französischen Kommandos und begab sich dann mit dem kommandierenden Wachtmeister zum Dertinger Stabsamtmann Mieg.226 Schwarz eröffnete ihm, .daß in Stuttgart eine Patriotische Gesellschaft sich zusammengetan, die die Absicht habe, den bisherigen Bedrückungen der Untertanen ein Ende zu machen, das bisherige Gubernium in Stuttgart zu stürzen, ein neues dagegen zu substituieren und die Untertanen der vielen ihnen widerrechtlich aufgebürdeten Abgaben und Lasten zu entheben; zu solchem Ende seien mit ihm drei Emissäre ausgeschickt, um dieses dem Landvolk zur Wissenschaft zu bringen und dieses zur Ruhe und Zufriedenheit so lange ernstlich zu erinnern, bis hienächstens die weiteren Verhaltungsbefehle von der neuen Regierung einlangen werden, welches längstens inner zwei Tagen hieher erfolgen müßte; diese werden aber nicht an die bisherigen herzoglichen Beamten, sondern an die Kommunebeamten (i. e. Schultheißen und Bürgermeister) geschickt werden, weil erstere ohnedies die Schrift .Über Württem­ berg an die Württemberger', wovon die Stuttgarter Gesellschaft doch jedem Beamten einige Exemplarien zur Publikation zugesandt habe, nicht öffentlich verlesen haben. * 227 Schwarz forderte Mieg auf, sämtliche Einwohner durch die Bürgerglocke zusammen­ zurufen, damit er seinen Auftrag erfüllen könne. Der Amtmann weigerte sich und blieb auch fest, als Schwarz drohte, sich sonst des Beistandes des französischen Militärs zu bedienen. Daraufhin ließ Schwarz durch seine Knittlinger Begleiter und I2‘ 129 **• m

HSA DZA HSA HSA

Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 609. Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 16 o. Bl. 88. Stuttgart Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 603, Bericht Wächters vom 10. 8. 1801. Stuttgart A 11, Bü. 22, Bericht Miegs vom 5. 1. 1801.

3. Ausläufer revolutionär-demokratischer Bestrebungen

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die französischen Husaren die Bürgerschaft zur Versammlung in einem nahe­ gelegenen Wirtshaus aufbieten. »Nachdem nach und nach sich ungefähr fünfzig ein­ gefunden hatten, las er ihnen seine Proklamation vor, forderte sie zum Schwören auf und erklärte am Ende, daß er nun auf die herrschaftlichen Kästen und Keller los­ gehen, der Amtskasse und Früchte sich bemächtigen und den Wein der Bürgerschaft und dem Militär austeilen wolle.'228 Ein Teil der Anwesenden folgte ihm, mit Äxten bewaffnet, zusammen mit etwa achtzehn Husaren, die ihre Säbel geholt hat­ ten, zum Pfleghof. Schwarz hatte offensichtlich gehofft, dafj die bloße Drohung mit der Gewalt ihm die Tore öffnen würde; aber als der Amtmann mit den im Pfleghof befindlichen Leuten Miene machte, Gewalt mit Gewalt zu beantworten, ließ Schwarz davon ab. »Er begnügte sich daher, dem Daniel wegen seiner fehlgeschlagenen Hoff­ nungen Vorwürfe zu machen, und ging unter der Drohung, daß er nächstens mit stärkerer Begleitung wiederkommen und den Amtmann samt allen herrschaftlichen Anhängern in Ketten und Banden auf den Asperg führen lassen werde, mit seiner Gesellschaft in der Abenddämmerung wieder nach Knittlingen zurück. * 223 Die Der­ tinger nannten es »eine schöne Sache *, wenn die von Schwarz geäußerte Entwicklung verwirklicht würde,- aber sie hatten zu wenig Vertrauen in die hinter ihm stehenden Kräfte, um ihn aktiver zu unterstützen.230 Immerhin schien dem Stabsamtmann die Stimmung der Einwohner nicht dazu angetan, jetzt die acht von ihm selbst als Helfer des Schwarz denunzierten Dertinger Bürger zu verhören, wozu er am 10. Januar von Stuttgart aufgefordert worden war. Erst ein halbes Jahr später fand man den trau­ rigen Mut dazu.231 Unmittelbar darauf wurde auf Befehl des französischen Kommandanten in Stuttgart Fornier d'Albe, der damit dem wiederholten Drängen des herzoglichen Geheimen Rates willfahrte, Schwarz verhaftet, allerdings nicht den württembergischen Be­ hörden ausgeliefert, sondern unter Bewachung ins französische Hauptquartier nach Salzburg geschickt.232 Der Kreis um Schwarz in Knittlingen wurde dadurch nicht abgeschreckt, zumal Schwarz seine Verhaftung ein bloßes Mißverständnis genannt und seine Getreuen aufgefordert hatte, in seinem Sinne weiterzuarbeiten. Die Füh­ rung übernahm nun * der Schulprovisor Roller, »der sich zuvor als Schwärzens Adjutant geriert hatte und bei dem Schwörakte auf die tätigste Weise mitwirkte', unterstützt von dem Gerichtsschreiber Schumacher.233 Roller bemühte sich wie Schwarz um die Ausweitung der Empörung. So schrieb er an seinen Kollegen, den Schulmeister Bosinger in Dürrmünz: »Freund I Wenden Sie doch alles an, daß Ihre Mitbürger standhaft und fest in ihren patriotischen Gesinnungen bleiben. Sie kennen mich, ahmen Sie mir nach. Gehen Sie in die Mitte Ihrer Mitbürger und sprechen Sie Standhaftigkeit zu. Ich bleibe an der Spitze meiner Mitbürger, tun Sie und Ihr Provisor das nämliche. Verderben droht nur - wenn wir uns nicht aufraffen. Suchen Sie wahren Patriotismus auszubreiten - nicht nur in der Schule - sondern auch im DZA Merseburg, Bep. 67 B, Nr. 16 o. Bl. 82. “• HSA Stuttgart Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 603, Bericht Wächters vom 10. 8. 1801. **** Ebenda 251 Ebenda, Schreiben Miegs vom 22. 5. 1801. DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 16 o. Bl. 77, 81. Ebenda, Bl. 83. 8S Süddeutsche Jakobiner

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Vitt. Der 2. Koalitionskrieg

bürgerlichen Stand. Ich gebe Ihnen keinen Dank für all Ihre Bemühungen in der Schule, wenn Sie nicht auch darauf dringen, dal) das Ganze umgestürzt wird. Dik­ tieren Sie patriotische Aufsätze mit Religion verwebt - kurz, tun Sie alles, was in dieser Sache zu tun ist. Gruft und Bruderliebe von Ihrem Freund R.'234 Dieses .freche und aus den verdorbensten Gesinnungen geflossene Schreiben , * wie Nicolai es charakterisierte S35, kennzeichnet Roller in unseren Augen umgekehrt als einen wahrhaft humanistischen Volkslehrer, der seine Pflicht nicht in der Vermittlung des ABC und Einmaleins erschöpft sah. Er verstand, daft Schule und gesellschaftliches Leben untrennbar verbunden sind, daft die Schule wohl zur Verbreitung fortschritt­ licher Ideen beitragen kann und soll, daft darüber hinaus aber der Platz des Volks­ lehrers inmitten des Volkes ist, dessen Kampf allein den Sieg des Neuen verbürgt.

Mutig gemacht durch die französische Hilfe bei der Verhaftung von Schwarz und durch die Tatsache, daft die Besatzung in Knittlingen wegen einiger Schüsse, die in der Nacht vom 7. Januar aus den Häusern fielen, Patrouillen ausschickte und keine Versammlungen auf der Strafte mehr duldete, lieft der Geheime Rat den Provisor Roller am 9. Januar durch einen Polizeikommissar verhaften und in das Stutt­ garter Zivilgefängnis transportieren. Noch in derselben Nacht aber ging beim Ge­ heimen Rat ein scharfer Protest des französischen Kommandanten in Stuttgart Fomier d'Albe ein, der die ohne seine Erlaubnis erfolgte Verhaftung willkürlich nannte, die sofortige Auslieferung Rollers forderte und durchsetzte.236 Auf den schrift­ lichen Einspruch des Geheimen Rats vom nächsten Tage reagierte der Kommandant, indem er Roller demonstrativ und unverzüglich auf freien Fuft setzte, der sich wieder nach Knittlingen begab. In einer Antwort auf den Einspruch behauptete er nach­ drücklich sein Recht auf Ausübung der hohen Polizei und erklärte, daft nach den Berichten der örtlichen Kommandanten keinerlei Unruhen erregt worden seien.237 Erst das Eintreffen des Divisionsgenerals Souham am 11. Januar in Stuttgart brachte anscheinend eine Wendung; auf die ihm vorgetragenen Klagen erwiderte er dem Regierungsrat von Mandelsloh: .Die Inkonsequenz eines jungen Mannes, dessen Kopf noch von Revolutionsgrundsätzen voll zu sein scheint, hat diese Sache so weit geführt. Ich billige diese Grundsätze nicht, und ich werde mich in die Anordnungen des Gouvernements ebensowenig mischen, als ich diese Einmischung von meinen Untergebenen zu gestatten gesonnen bin. D'Albe ist nun unter meinem Kommando, und die Regierung des Landes darf die Besorgnis, daft revolutionäre Bewegungen von dem französischen Militär begünstigt werden sollten, vollkommen unterdrücken; indem ich mit Vergnügen selbst in benötigten Fällen die militärische Gewalt zur Unterdrückung einer jeden Unordnung in Tätigkeit setzen werde.'238 Er stellte für den Polizeikommissar einen Passierschein nach Knittlingen aus, worin alle französischen Stellen angewiesen waren, ihn bei der Ausübung seiner Aufträge nicht zu hindern.238 SM HSA Stuttgart, Filiale Ludwigsburg, A214, Nr. 609, Beilage zum Bericht Seuberts vom 8. 1. 1801. “ DZA Merseburg, Rep. 67 B, Nr. 16 o, Bl. 83. «• Ebenda, Bl. 84, 90. ai Ebenda, Bl. 85, 91/92. ssa HSA Stuttgart, A 12, Bü. 20, Bericht von Mandelsloh vom 12. 1. 1801. *" Ebenda.

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Es ist möglich, daß revolutionäre Gesinnung das Verhalten der Offiziere und Sol­ daten in der Knittlinger Angelegenheit mitbestimmte. Es gibt allerdings wenig derartige Beispiele. So gingen Anfang November 1800 aus den pfälzischen Orten Rohrbach und Nußloch Nachrichten in Mannheim ein, daß Soldaten der polnischen Legion dort Freiheitsbäume gepflanzt hätten. Hier waren es polnische Soldaten, die sich zweifellos in besonderem Maße als Freiheitskämpfer empfanden. Der Befehls­ haber der Legion konnte natürlich diese Vorgänge nicht billigen und versicherte, .daß er niemals zu revolutionären Fürschritten die Hand bieten würde, es sei denn, daß sein Gouvernement solches befehle; gegenwärtig sei die Ordre, die Landes­ verfassungen nirgends zu beeinträchtigen,...'240 Im Speyerischen halfen franzö­ sische Soldaten um die nämliche Zeit dem ehemaligen Kammerprokurator Leth, der sich revolutionärer Gesinnungen verdächtig gemacht hatte und von den Öster­ reichern verschleppt werden sollte, aber entweichen konnte, zu einer Entschädigung auf Kosten des Bischofs. In diesem Falle war es aber schon recht fraglich, ob nicht vielmehr reelle Dienste belohnt wurden, die Leth als Kundschafter der Franzosen geleistet haben mochte, was er bestritt, aber andere als gewiß behaupteten.241 Daß sich Franzosen für Privatpersonen einsetzten, kam auch anderswo vor, ohne daß politische Hintergründe vorhanden sein mußten. So ließ General Dessolle im Januar 1801 die herzoglichen Zimmer und Weinkeller im Stuttgarter Schloß versiegeln, um die Befriedigung der Forderungen zu erzwingen, die ein gebürtiger Elsässer an den längst verstorbenen Herzog Karl zu haben versicherte.242 Ohne die Möglichkeit auszuschließen, daß revolutionäre Gesinnungen vor allem in den niederen Chargen des Militärs eine Rolle spielten, scheint das Verhalten der Franzosen in der Knittlinger Angelegenheit jedoch vorwiegend von einem anderen Gesichtspunkt bestimmt gewesen zu sein. Der Herzog Friedrich hatte sich der Koa­ lition vor allem darum angeschlossen, um sich mit kaiserlicher Unterstützung gegen die Stände durchzusetzen und eine absolute Herrschaft aufzurichten. Die fran­ zösischen Siege verdarben ihm das Konzept, und die Stände bekamen neuen Auf­ trieb. Um so hartnäckiger hielt Friedrich II. am österreichischen Bündnis fest und entschloß sich erst sehr spät zur Preisgabe dieser aussichtslosen Politik; auch das nicht ohne Vorbehalte. Dieser Widerspenstigkeit gegenüber verstärkte Frankreich seinen Druck und scheute sich auch nicht, lokale Empörungen wie die in Knittlingen zu dulden und bis zu einem gewissen Grade sogar zu fördern, die nicht nur wie die Zusammenarbeit mit den Ständen den Herzog verärgerten, sondern ihn als Angriffe auf seine Herrschaft überhaupt erschrecken mußten. Für eine solche Einschätzung gibt es direkte und indirekte Belege: Wider besseres Wissen - denn er hatte Schwarz wegen erwiesener Unruhen verhaften lassen - leugnete der Stuttgarter Komman­ dant die Existenz dieser Unruhen und setzte sogar Roller wieder auf freien Fuß. Die Vollmacht des Generals Souham für den Polizeikommissar war auch mehr eine !4° HSA München, Abt. Geheimes Staatsarchiv, K. schw. 400, Nr. 5, S. 310/11. 141 .Nationalzeitung , * Jahrg. 1801, Sp. 482 ff., 702 ff., 949 ff. su DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 5, BL 3/4. 38*

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schöne Geste als eine wirkliche Hilfe. Denn als der Kommissar in Knittlingen ein­ traf, hatten sich Roller und Schumacher aus dem Staube gemacht »und zwar - wie das Oberamt Maulbronn vermutet - auf unmittelbare Veranlassung des franzö­ sischen Depotkommandanten zu Knittlingen, der aller Wahrscheinlichkeit nach dies­ falls einige Winke von hieraus (aus Stuttgart — H. S.) bekommen hatte . * 243 Der Versuch, andere Beteiligte zu verhaften, scheiterte am Widerstand der Einwohner, die sich zu Hunderten einfanden und die Polizeibüttel mit Prügel heimschickten. Ebensowenig gelang es, für Roller einen neuen Provisor durchzusetzen, denn er wurde von der Bevölkerung, die sich schützend vor den Präzeptor Braun stellte, einfach verjagt.244 Das alles war möglich unter den Augen einer französischen Be­ satzung. Schwarz selbst hatte nach seiner Verhaftung dem herzoglichen Polizeikommissar ausdrücklich erklärt, daß er »von dem französischen, in Bruchsal kommandierenden General... in seinem Unternehmen begünstigt worden war'.245 Obwohl gefangen zum Hauptquartier nach Salzburg transportiert, erschien er dort vor Moreau als »württembergischer Deputierter'.246 Darum klingt auch die Mitteilung des franzö­ sischen Kommandanten in Stuttgart an den Geheimen Rat vom 13. Februar nicht sehr glaubwürdig, daß Schwarz in Salzburg aus dem Gefängnis entwichen und, falls aufgegriffen, nach Straßburg zu überführen sei, wo er wegen dort verübter Delikte vor Gericht gestellt werden sollte.247 Das konnte durchaus eine verdeckte Schutz­ maßnahme sein, um Schwarz vor dem Zugriff der württembergischen Behörden zu sichern. Nach einem Bericht des Oberamtes Maulbronn soll er in der Tat in der zweiten Februarhälfte .wieder in Knittlingen gewesen sein und den Mut der Un­ ruhestifter aufs neue angefeuert haben'.246 Die Knittlinger waren noch Anfang März weit entfernt davon zu kapitulieren und stellten, um gegen Überraschungen ge­ sichert zu sein, jede Nacht Patrouillen zu Pferd und zu Fuß aus.246 Ihr Beispiel er­ mutigte andere Gemeinden. So berichtete Madeweiß am 11. Februar, daß .ver­ schiedene Oberämter gar keine Steuern mehr bezahlen und einige sogar so weit gegangen sind, daß sie den ihnen zugeschickten Pressern erklärt haben, daß, da der Herzog ausgewandert sei und die Franzosen anitzt zu befehlen hätten, sie zu keinen Abgaben an diesen Fürsten mehr verbunden wären . * 250 Auch Moreau persönlich benutzte die Opposition, um den Herzog gefügig zu machen. Nach seiner Ankunft in Stuttgart am 10. April gab er dem Geheimen Rat gegenüber, wie Madeweiß berichtete, sinngemäß folgende Erklärung ab: .Ich gebe HSA Stuttgart A 12, Bü. 20, Nr. 131, Bericht von Mandelsloh vom 16. 1. 1801. Ebenda, Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 609, Bericht des Superintendenten vom 18.1.1801. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 5, Bl. 3. Hölzle, Erwin, Das alte Recht.., a. a. O., S. 270. HSA Stuttgart A 11. Bü. 23. Ebenda, Bericht des Geheimen Rats vom 7. 3. 1801. Ein letztes Mal tauchte Schwarz - nun aber schon eindeutig als Flüchtling - Anfang Mai in seinem Heimatort beim Vater in Heimerdingen auf. Ebenda, Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 609, Bericht des Oberamts Leonberg vom 7. 6. 1801. 144 Ebenda, Bericht Seuberts vom 2. 3.1801. 150 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 298, Fase. 37, Bd. 5, Bl. 31. 141 144 144 “ «« 148

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dem Herzog sein Land so wieder, wie ich es angetroffen, als ich es eingenommen. Wenn ich den fast einmütigen Wünschen seiner Untertanen, die über ihn miß­ vergnügt sind und von ihm unterdrückt werden, hätte Gehör geben wollen, so würde er wohl schwerlich wieder in solches zurückgekommen sein. Sagen Sie Ihrem Fürsten, der im Auslande ebenso allgemein wie in seinem eigenen gehaßt wird, daß für ihn nur eine Partei zu ergreifen übrigbleibe, diese nämlich, menschlich und ge­ recht zu sein, mit einem Worte, sein bisheriges Betragen gegen seine Untertanen gänzlich zu ändern, die nie die Behandlung verdienen, die er sich gegen sie erlaubt hat.' 291 Einige Tage später erteilte Moreau dem Herzog eine sehr deutliche prak­ tische Lektion darüber, wer der Stärkere sei und wem unterzuordnen sich verlohne. Friedrich II. hatte verfügt, die während des Krieges von seinen Kontingenten deser­ tierten und sich in Stuttgart aufhaltenden Soldaten zu arretieren und auf den Hohenasperg zu bringen. Unter Gewaltandrohung verlangte Moreau vom Geheimen Rat, ihm die zwölf Arrestanten unverzüglich vorzuführen, denen dann ein General seines Stabes erklärte: »Ihr seid frei, und ihr könnt gehen, wohin ihr wollt.'292 Am 9. Februar 1801 war der 2. Koalitionskrieg durch den Frieden von Luneville be­ endet worden. Kaiser und Reich hatten in die Abtretung des linken Rheinufers ge­ willigt und dem schon in Rastatt beschlossenen Entschädigungsprinzip für links­ rheinische Gebietsverluste durch rechtsrheinisdie Säkularisationen zugestimmt. Frank­ reich eröffneten sich glänzende Perspektiven für die Errichtung einer Vorherrschaft in Süddeutschland. Nach der Bestätigung der Friedensbedingungen durch den Reichs­ tag und nach dem Austausch der Urkunden am 16. März in Paris setzte langsam der Abzug der französischen Truppen aus dem Reich ein. Jetzt erschien auch der württembergische Herzog wieder im Lande. Er brachte die Reste seiner Truppen mit, die den Krieg überlebt hatten. Am 20. Mai begab er sich, von Militär begleitet, persönlich nach Knittlingen. Es war zweifellos nicht, wie der unüberbietbar naive Justinus Kemer meinte, des Herzogs »imposante Gestalt und Rede'29S, sondern die mili­ tärische Demonstration, die die Knittlinger überzeugte, daß weiterer Widerstand zwecklos war. Andererseits wagte es der Herzog mit Rücksicht auf die Stimmung der Bevölkerung auch nicht, exemplarische Strafen über die Aufrührer zu ver­ hängen. Roller blieb flüchtig, und Schumacher, der sich am Ende selbst gestellt hatte, wurde lediglich zur Zahlung der Untersuchungskosten verurteilt; als Freiheits­ strafe rechnete die von ihm erduldete Untersuchungshaft. Der Einwohnerschaft Knittlingens insgesamt verzieh der Herzog »aus höchster Milde'.291 In Dertingen wurden zwar der Bauer Daniel mit acht Monaten Festungsarbeit sowie der Zahlung der Untersuchungskosten und sein Schwiegersohn mit sechs Tagen Turm bestraft, aber gleichzeitig im Gnadenwege sämtliche Strafen erlassen.299 Dieselben Rück­ sichten veranlaßten den Herzog, nun auch die Angelegenheit der seit zwei Jahren 5S1 Ebenda, Bl. 44. tst »Vous ätes libres, et vous pouvez aller oü vous voulez.' Ebenda, Bl. 46. Vgl. auch HSA Stuttgart, All, Bü. 23, Bericht des Geheimen Rats vom 21. 4.1801. Kerner, Justinus, a. a. O., S. 213. HSA Stuttgart Filiale Ludwigsburg, A 214, Nr. 609, Reskript vom 27. 8. 1801. 255 Ebenda, Nr. 603, Reskript vom 12. 9. 1801.

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eingekerkerten Führer des revolutionären Zentrums in Schwaben ohne viel Auf­ hebens zu bereinigen. Die weniger belasteten waren schon in den ersten Monaten des Jahres 1800 wieder in Freiheit gesetzt oder wie Hedäus an Pfalz-Bayern ausgeliefert worden.250 Haller, Ofterdinger, Streim, Essich, Eschenmayer, Penasse, Bauer und Baz hatte man im Mai 1800 nach dem Rheinübergang Moreaus ostwärts in sichere Festungen transportiert.257 Penasse und Bauer waren hier auf österreichischem Boden am 26. August durch ein Kriegsgericht zum Tode verurteilt worden, und zwar Penasse zum Tode durch den Strang und Bauer zur Strafe des Arquebusierens; doch der Herzog hatte am 5. September von Wien aus verfügt, die Vollstreckung auszu­ setzen.858 Nach der Rückkehr in sein Land entlieft er am 28. Mai 1801 Baz aus dem Arrest .gegen juratorische Kaution, sich auf jedesmalige Verlangen zu stellen, und unter der Bedingung, unter keinerlei Vorwand von allem Vorgegangenen an irgend­ jemand Eröffnung zu tun, noch sich Schritte zu erlauben, welche auf seine ehe­ maligen landschaftlichen Verhältnisse Bezug hätten,., 252 Alle übrigen, einschlieftlich Penasse und Bauer, wurden durch herzogliches Dekret vom 24. Oktober freigelassen und zugleich des Landes verwiesen; doch durften Haller und Ofter­ dinger bereits nach sechs Wochen, Bauer nach drei Monaten zurückkehren.280 Frankreich hatte jetzt noch das Druckmittel der ständischen Opposition in der Hand und wandte es in den folgenden Jahren auch regelmäftig an, wenn sich der Herzog nicht wunschgemäft willfährig zeigte. Etwas anderes als Mittel zum Zweck, den Fürsten vor den Karren der französischen Politik zu spannen, ist die Unterstützung der Opposition nicht gewesen. Als Friedrich II. sich im dritten Koalitionskrieg ein­ deutig auf die französische Seite schlug, gab ihm Napoleon auch prompt den Frei­ brief zum vollkommenen Umsturz der bestehenden Verfassung und zur Errichtung eines despotischen absolutistischen Regiments. .Jagen Sie die Kerle wegl * So hatte Napoleon 1805 gesprochen, und die landschaftliche Vertretung hörte auf zu be­ stehen.281 Angesichts des Kräfteverhältnisses war um die Jahrhundertwende eine Orientierung auf den unmittelbaren Umsturz in Württemberg nicht möglich. Wenn dennoch Un­ ruhen mit diesem Ziel ausbrachen, so geschah es spontan und unter Verkennung der Kräftekonstellation. Die Führer wurden in den Unruhen selbst geboren und zeigten, bei aller Hochschätzung ihrer revolutionären Gesinnung, typische Züge lokaler Beschränktheit, die. die Unruhen überhaupt charakterisierten. Daraus resul­ tierte als wesentlichster Fehler die Vorstellung, im französischen Militär keinen Gegner, sondern einen Freund zu besitzen. Die Besonderheit der Lage in WürttemHSA Stuttgart, A11, Bü. 29 A. Ebenda, Bü. 27, Herzogliche Ordre vom 10. 5. 1600. Ebenda, A 30, Nr. 149. Ebenda, A 11, Bü. 27. Ebenda, Bü. 29 A. Penasse starb 1844 in Aarau als ein Veteran der Armee Napoleons, dem er bis Waterloo die Treue gehalten hatte. Neuer Nekrolog der Deutschen, 22. Jahrg., T. 2, Weimar 1846, S. 1017. 221 .Chassez les bougres!' Pahl, Johann Gottfried, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben..., a. a. O., S. 292. 280 2” *** “• 2,0

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berg, die Ausnutzung der Opposition durch die Franzosen als Druckmittel gegen­ über dem Herzog, begünstigte diese Illusion; an der Tatsache änderte das jedoch nichts, daß es sich um eine Illusion handelte, aus der sich die Fehleinschätzung des Kräfteverhältnisses ergab. Die führenden württembergischen Revolutionäre, die 1798/99 eine so hervorragende Aktivität entwickelt hatten, hielten sich 1800/01 zurück. Der Hinweis Schwarz * auf eine patriotische Gesellschaft in Stuttgart, die das Unternehmen angeblich zentral leitete, beruhte entweder auf einem Verkennen der Ziele, die sich die revolutionäre Opposition unter den gegebenen Bedingungen noch stecken konnte - die Berufung des Schwarz auf die Flugschrift «Über Württem­ berg an die Württemberger * gegenüber dem Stabsamtmann von Dertingen macht diese Möglichkeit sehr wahrscheinlich 262 - oder war rein agitatorischer Natur. Der Kem der württembergischen Revolutionäre hielt sich nicht nur deswegen zurück, weil die Verhaftungswelle ihn dezimiert hatte. Sondern vor allem, weil er die Illu­ sion von der französischen Gunst nicht teilte. Ihr Blick ging über den lokalen Rahmen eines Oberamtes und Württembergs hinaus und war durch bittere Erfahrungen geschärft. Ihr Ausweg war dennoch nicht die Resignation, sondern Sammlung der Kräfte für künftige Kämpfe, die nicht morgen oder übermorgen zu erwarten waren, aber einmal ausgefochten werden mußten. Ihre Einsicht in das Kräfteverhältnis und in die geschichtlichen Zusammenhänge war sogar bis zu der Erkenntnis aufgestie­ gen, daß der Kampf für die Überwindung der feudalen Ordnung und für die Eman­ zipation des Bürgertums nur dann erfolgreich geführt werden konnte, wenn er die Enge des Territorialstaats verließ und sich mit dem Kampf um die nationale Einheit Deutschlands verband. Hervorragenden Ausdruck fand diese Erkenntnis in der anonymen Flugschrift .Über Württemberg an die Württemberger im Monat Ok­ tober 1800'.«» In der bürgerlichen Historiographie ist diese Schrift mehrfach zitiert, aber nie analysiert worden. Vreede bringt einen Auszug in französischer Übersetzung und vernimmt lediglich .die würdige Sprache eines Bürgers', beileibe nicht die eines Revolutionärs.264 Hartmann nennt die Schrift .ohne Maß in der Form, aber inhaltlich nicht grundlos'; im übrigen erfahren wir nur, daß sie die Landschaft und vor allem den Herzog kritisiert265 Hölzle rechnet den Verfasser den .gebildeten Kreisen Württembergs' zu und umgeht eine Stellungnahme.266 Der Franzose Noutary erkennt in der .boshaften' Schrift nicht mehr als eine Zusammenfassung der .Beschwerden der Anhänger des Friedens mit Frankreich', die gegen die Politik des Herzogs opponierten.267 Die Flugschrift rief nicht zur revolutionären Aktion auf; aber das «• Vgl. S. 574. Über Württemberg an die Württemberger im Monat Oktober 1800. Mainz u. Altona 1801. Einer anderen Ausgabe, die im Gegensatz zu dieser nicht in Antiqua, sondern in Fraktur gesetzt ist, fehlen Verlags- und Ortsangaben auf dem Titelblatt; dafür findet sieh auf der letzten Seite die Mitteilung: .Gedruckt zu Hohen-Asperg . * 244 Vreede, George Guillaume, a. a. O., S. LXVII/LXVm. 2(6 Haztmmn, ]., a. a. O., S. 28. 221 Hölzle, Erwin, Das alte Recht.., a. a. O., S. 273. 2,7 Noutary, Jean, Les relations historiques avec la France. In: Le Wurtemberg. Ensslin und Laiblin Verlag, Reutlingen 1950, S. 258/59.

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sagt nichts gegen ihren revolutionären Ursprung und Charakter. Dafür sprechen zunächst äufjere Merkmale: Die Flugschrift gab als Ort und Verlag an: .Mainz und Altona bei Peter Hammer 1801 *. Wahrscheinlich trifft keine einzige dieser Angaben zu.268 Ein Verleger Peter Hammer existierte überhaupt nicht; die Leipziger Bücher­ kommission hatte schon 1796 festgestellt, dafj dieser Name .auf alle Fälle' erdichtet sei.289 Aber er wurde mit Vorliebe gerade von radikalen Publizisten, die von vorn­ herein nicht mit einem legalen Vertrieb ihrer Schriften rechnen konnten, als Verleger angegeben und orientierte den Käufer über die Tendenz des Inhalts. Auch Rebmann benutzte verschiedentlich diese Kennzeichnung.270 Die Verlagsorte Mainz und Altona stellten ein Bekenntnis dar. Im linksrheinischen Mainz sag Vollmer, der Verleger und Leidensgenosse Rebmanns, der sich schmeicheln durfte, in den Augen der Reaktion als einer der gefährlichsten Buchhändler zu gelten. Ein im Auftrage des Kaisers in Wien angefertigtes Schreiben vom 23. August 1800 an die sächsische Regierung beispielsweise wies darauf hin, dafj die herannahende Leipziger Herbst­ messe zweifellos genutzt würde, um die .gefährlichsten aller Revolutionsschriften' einzuschleusen, und verlangte, .dafj gleich nach Ankunft der Bücherballen in der künftigen Michaelismesse das Gewölbe des Buchhändlers Vollmer aus Mainz oder seines... Commissionairs untersucht und der ganze Vorrat jener Schriften konfis­ ziert und vernichtet * werde.271 Der sächsische Kurfürst wollte ganz sicher gehen und verfügte daraufhin, .nicht nur auf die Vollmerische, sondern auch auf andere verdächtig scheinende Buchhandlungen, unter welche z. B. die Mainzischen über­ haupt .und hiernächst z. T. die Altonaischen zu rechnen sein möchten', ein wach­ sames Auge zu haben.272 Das dänische Altona, der erste Zufluchtsort Rebmanns, von dem aus er die heftigsten Anklagen gegen seine Verfolger richtete, galt also der Reaktion mit gutem Grund nach Mainz als gefährlichster Ausgangsort revolutionärer Schriften. Die Behauptung unserer Flugschrift, in Mainz und Altona verlegt zu sein, war allein schon ein Programm. Schließlich brauchte auch die in einer anderen Aus­ gabe auf der letzten Seite mitgeteilte Bemerkung .Gedruckt zu Hohen-Asperg' nicht 248 Die auf Veranlassung des Barons von Gayling im badischen Pforzheim als möglichem Druckort angestellten Nachforschungen blieben ergebnislos. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6289, Protokoll des Geheimen Rats vom 18. 1. und Schreiben des Oberamtmannes Baumgärtner vom 1. 6. 1801. *•» LHA Dresden, Loc. 4604, Die Konfiszierung und Zensur der Bücher ... betr., Bd. 11, Bl. 20. Arnold nennt die Angabe einen .mehr als hundertjährigen, aus dem Französischen (Pierre Marteau, zuerst 1662) herübergenommenen Autorenwitz, eine direkte Neckerei und Heraus­ forderung der Behörden *. Arnold, Robert F., Geschichte der deutschen Polenliteratur von den Anfängen bis 1800. Halle 1900, S. 142. 270 Die Hefte 14 und 15 des .Neuen grauen Ungeheuers' erschienen z. B. gleichzeitig als Heft 2 und 3 der Zeitschrift .Kameleon oder das Tier mit allen Farben. Eine Zeitschrift für Fürstentugend und Volksglück. Köln bei Peter Hammer 1799 *. Vgl. auch S. 418, Anm. 35. 271 LHA Dresden, Loc. 10744, Nr. 83, Die von Vollmern in Mainz verbreiteten gefährlichen Schriften betr., 1800. 2,2 LHA Dresden, Loc. 2424, Die Bücherzensur und Einschränkung des Mißbrauchs der Presse­ freiheit betr., 1799, Bd. 3, Bl. 155.

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nur ein allgemeiner symbolischer Hinweis auf die herzogliche Tyrannei zu sein, sondern konnte darüber hinaus ein Bekenntnis zu ihren letzten Opfern, zu Männern wie Baz, Haller, Penasse, Bauer und die anderen Revolutionäre, darstellen. Wenn Vreede den revolutionären Charakter der Flugschrift leugnet, so kann er als Begründung anführen, daß der Autor den Despotismus des Herzogs vor allem an der Willkür demonstrierte, mit der er die alte Verfassung zerbrach. Dabei unterliefen auch solche Formulierungen, daß Friedrich II., wenn er weiterhin wie zu Beginn seiner Regierungszeit »auf den Rat ehrlicher Männer' gehört hätte, .eine der schönsten Provinzen Deutschlands als weiser und gerechter Fürst mitten durch den Sturm der Zeiten' hätte führen können.273 Der Verfasser sprach davon, daß der Herzog .durch Revolutionsgespenster in seinen Träumen gestört' worden wäre.274 Er griff Preußen als Garantiemacht der württembergischen Verfassung an, denn es .schweigt zu allen Verletzungen derselben und vermehrt dadurch mit jedem Tag in einem beträchtlichen Teil des südlichen Deutschlands die revolutionäre Stim­ mung ...' 276 Nachdem die despotische Raserei des Herzogs sich derartig gesteigert hatte, dafj er seine Feinde, Freunde und Kreaturen in einem Atem beschimpfte, die Ausschüsse jetzt auf Einberufung des Landtages drängten und mehrere Mitglieder des Geheimen Rats mit Entlassungsgesuchen drohten, hoffte der Verfasser, daß dem Wüterich doch noch Einhalt geboten werden könnte.273 Aus ihrem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet machen diese Äußerungen den Autor zu einem bloßen Verteidiger der ständischen Verfassung. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er wie andere, die sich erst 1798 dem revolutionären Zentrum anschlossen, 1797 noch große Hoffnungen auf den Reformlandtag gesetzt hatte. Den Traum, daß unter einem einsichtigen Fürsten sich die bürgerliche Ordnung ohne Umsturz ver­ wirklichen lasse, träumte er mit vielen Revolutionären. Der Verfasser klammerte sich aber nicht an diesen Traum, sondern hielt sich an die württembergische Realität.

Wie sah diese Realität aus? Der Herzog .stürzt sich blindlings in die Arme der wildesten Herrschsucht. Die gesetzliche Organisation des Geheimen Rats wird das erste Opfer seiner fürstlichen Willkür *. 277 Mit der Ernennung Normanns zum Vize­ präsidenten wird auch die Regierung .dem System der unbedingten Knechtschaft untergeordnet'.278 Der Herzog wirft sich zum Richter in eigener Sache auf und zitiert die Ausschußmitglieder zur Untersuchung vor eine Kabinettskommission. Er jagt die Ausschüsse auseinander und läßt sie durch gefügigere ersetzen. .Um die öffentliche Aufmerksamkeit von diesen Frevelszenen abzuwenden, benützt der Hof die Aufwallungen jugendlicher Hitze, und der gerechte Unwille über den herzoglichen Usurpator erhält den Namen einer Verschwörung.'279 Der Krieg, für den er allein die Verantwortung trägt, gibt ihm Gelegenheit, .nach Belieben und Willkür mit dem Blut der Württemberger schalten und walten und es eimerweise wie seinen Weinzehnten verkaufen' zu können.280 Nach der Besetzung des Landes durch die Franzosen verweigert er jeden schuldigen Beitrag zu den Kontributionen 278 Über Württemberg..a. a. O., S. 1. 878 Ebenda, S. 5. 878 Ebenda, S. 16/17. 278 Ebenda, S. 2 . 278 Ebenda, S. 4.

874 Ebenda, S. 2. 277 Ebenda, S. 1. 298 Ebenda, S. 11.

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und lägt das Land alle Lasten allein tragen, .um einst als geldreicher Despot über ausgehungerte Sklaven zu herrschen'.281 Das war in groben Umrissen das Bild, das der Verfasser vom Fürsten entwarf. Von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung der Schrift war die Beurteilung der Landschaft als des berufenen Organs zur Verhinderung herzoglicher Willkür. Der Verfasser übte vernichtende Kritik, und das nicht nur etwa gegenüber den bestehenden Ausschüssen mit der herzoglichen Kreatur Stockmayer an der Spitze, sondern auch an dem Verhalten der vorangehenden, in denen die Reformer noch das große Wort sprachen. «Die Landschaftsausschüsse erschöpften sich in ver­ geblichen Vorstellungen... Die Ausschußmitglieder erscheinen vor der Kabinetts­ kommission und geben Red und Antwort, wo Schweigen die einzige Waffe war, die ihrer Würde zukam... Friedrich II. schickte den Ausschüssen ihre Entlassung - anstatt die Bajonette des Herzogs zu erwarten, treten die Ausschüsse ab.'282 Das Mag der Schuld an der Entwicklung, das die Landschaft trug, war nicht geringer als das des Herzogs, denn er konnte nur zum Despoten werden, weil die Landschaft Schritt um Schritt feige zurückwich. Was konnte solch ein scharfer Kritiker im Ernst von den neuen Ausschüssen erwarten, die unter dem Befehl eines Stockmayer standen, .dessen Leben eine ununterbrochene Reihe schmutziger Tage ist?...' 288 Im Grunde erwartete er nichts, denn seine schwache Hoffnung, die er im Zusammenhang mit der Landtagsforderung und den angeblichen Entlassungs­ gesuchen von Mitgliedern des Geheimen Rats äußerte, setzte das Unwahrscheinliche voraus, daß «die Feigheit selbst zu einem Moment von Hochgefühl und das Ver­ brechen zu einer Anwandlung von Pflicht gelangt'.284 Als Feiglinge und Verbrecher hatten die gehandelt, die die Verfassung schützen sollten. Welchen Wert der Autor einer Verfassung noch beimaß, die auf diese Art von Feiglingen verraten und von Verbrechern genotzüchtigt werden konnte, zeigte sich darin, daß er sie ausschließlich als Demonstrationsobjekt verwendete, um die Haltung sowohl des Herzogs als auch der Stände zu charakterisieren. In den entscheidenden Schlußpassagen war von der ständischen Verfassung keine Rede mehr. Wichtig war weiterhin die Stellung, die der Autor gegenüber der stärksten Macht im Lande, der französischen Besatzung, einnahm. Er vermied jede Äußerung, die den Leser gegen die Republik feindselig stimmen konnte. Er empfand es offen­ sichtlich als ein durchaus gesetzmäßiges Resultat des Krieges, daß .österreichische Heere vor der Allgewalt republikanischer Waffen' flohen. Die Parteinahme für Frankreich in diesem Kriege verriet sich auch in der Schärfe, mit der Österreich kritisiert wurde, das die württembergischen Kontingente .vorzugsweise jeder Ge­ fahr, jeder Not, jedem Elend preisgibt, so daß sie in wenigen Monaten beinahe auf die Hälfte zusammenschmelzen. Die Mißhandlungen jeder Art, die Württemberg in diesem Krieg so wie Bayern von Österreich erfahren mußte, übersteigen bei weitem 581 Ebenda, Ebenda, *“ Ebenda, 284 Ebenda,

S. S. S. S.

13. 2/3. 16. 17.

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die Sühneopfer, die Frankreich verlangt hat'.245 Österreich mißhandelte also Württemberg, während Frankreich nur gerechte Sühne forderte, auch wenn die Kontributionen — eine natürliche Folge des herzoglichen Verhaltens - besonders hoch waren. Dennoch - bei aller Parteinahme für Frankreich, die grundsätzlicher Art war - ließ der Verfasser keinen Zweifel, daß von den französischen Truppen nicht die geringste positive Hilfe zu erwarten war. Sehr nüchtern, ohne daß auch nur die Andeutung einer Enttäuschung noch mitschwang, stellte er fest, daß die Armee Moreaus sogar .in der anhaltenden Raserei Friedrichs II. ihren be­ währten Vorteil * fand, indem sie Württemberg als feindliches Land behandeln und belasten durfte.288 Frankreich suchte nichts anderes als den eigenen Vorteil und konnte ihn am besten mit dem Herzog als Verhandlungspartner realisieren. Des Autors Zorn traf nicht die französische Großbourgeoisie, sondern den Fürsten, der ein Landesvater zu sein vorgab: .Menschlicher denn gegen sein Land ist dieser Friedrich II. gegen sein Gewild; denn in eben dem Augenblick, wo er jede Unterhandlung mit den Franken zugunsten der Württemberger untersagt, negoziiert er für jenes mit so glücklichem Erfolg, daß fränkische Husaren auf Kosten von Stadt und Amt Ludwigsburg die herzoglichen Hasen und das herzogliche Geflügel bewachen, das dem Landmann eben die Felder verheert, deren Früchte er mit den fränkischen Magazinen und den herzoglichen Kästen teilen muß... Die herzoglichen Paläste, die herzoglichen Landhäuser erhalten keine Einquartierung, während der schuldlose Bürger seine kleine Behausung täglich in eine Kaserne verwandelt sieht. Kein herzoglicher Keller hat noch die dürstenden Krieger gelabt, mit denen der ärmere Bürger und Landmann täglich den wenigen Wein und das Brot teilt, das er seiner sauren Arbeit dankt.' 287 So vorsichtig, wie der Verfasser hier die Worte setzte, um die Gefahr einer falschen, antifranzösischen Frontstellung zu vermeiden, so vorsichtig bereitete er die Württemberger auf ein mögliches Einschreiten des französischen Militärs gegen Steuerverweigerungen wie in Knittlingen vor, wobei er wiederum die Verantwortung dafür ganz der herzoglichen Regierung aufbürdete. Diese Andeutung findet sich in dem Absatz, der die Darstellung der bisherigen Entwicklung abschloß und zugleich noch einmal in knappen Worten die gegebene Situation umriß: .Württem­ berger - vernehmt's I In dem Augenblick, wo ihr unter der Last von regelmäßigen und unregelmäßigen, gesetzlichen und gesetzwidrigen Requisitionen, Kontributio­ nen, Abgaben und Steuern erliegt, wo dieser Friedrich II. eure Kinder wie Neger auf britischem Markt feilbietet, wo seine Minister unverschämt genug sind, die Gegenwart der Franken selbst zur Zernichtung der letzten Reste von Recht und Freiheit benutzen zu wollen, wo das Verhalten eurer Repräsentanten euch beinahe keinen Trost, das Benehmen der meisten eurer schlechtorganisierten Magistrate keine Linderung gewährt, wo den wenigen rechtlichen Beamten ihre Rechtlichkeit ,8S Ebenda, S. 8. Nicht viel mehr als von Österreich wollte der Verfasser von Preußen wissen, das annexionistische Ziele verfolgte und den deutschen Norden bereits unter seine Militär­ diktatur gebracht habe. Ebenda, S. 9. “• Ebenda, S. 12. Ebenda, S. 11/12.

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Vni. Der 2. Koalitionskrieg

selbst als Verbrechen angerechnet wird, wo eure geistlichen Vorsteher laut für eben den Menschen beten, den sie in der Stille verfluchen, wo ein wahres neapolitanisches Schreckensystem besonders unter den gebildeten Klassen täglich mehr den Keim bürgerlicher Tugenden erstickt und den Samen aller Niederträchtigkeiten schleu­ nigst entwickelt, in diesem Augenblick erbarmt sich eurer der sanfte Fürst, und der großmütige Tyrann bewilligt euch im Übermaß seiner Gnade fünfzigtausend Gulden als huldreiche Beisteuer zu den vierzig Millionen, die euch seine Regierung, seine Herrschsucht und seine Bundbrüchigkeit kosten.' 288 Der Verfasser sprach zu den Württembergern schlechthin, nicht zu einem engeren Kreis, etwa dem des gebildeten Bürgertums, dem er selbst entstammte. Gerade das gehobene Bürgertum, das durch Stellung und Bildung zum Vorkämpfer bürger­ licher Freiheit berufen war, zeigte die schlimmsten moralischen Schwächen. Darum sprach der Verfasser zum Volk, der einzigen Kraft, die der Herzog fürchten mußte und die allein einen gründlichen Wandel bewirken konnte. Nur .mit einer an­ scheinenden Tollheit' hatte der Herzog das Landsturmprojekt betrieben; in Wahr­ heit verfolgte er damit kalt rechnend den Plan, .einige Tausend rechtlicher Bürger auf die Schlachtbank zu liefern und das Land für jeden künftigen Widerstand gegen fürstliche Allgewalt desto untüchtiger zu machen".289 Während der Aristokratismus der ständischen Vertreter den Appell an die Massen verbot, bekannte sich der Verfasser unzweideutig zum demokratischen Widerstandsrecht des Volkes. Aus dieser Gesinnung heraus ging er sogar noch weiter und übte Kritik an den Massen wegen versäumter Widerstandspflicht: .Das feige Stillschweigen des Landes' er­ mutigte den Herzog zu neuen Anschlägen auf Verfassung und Freiheit; gegen Gesetz und Recht ließ er die Württemberger um die Ehre würfeln, .gleich anderem Ab­ schaum an England gegen britisches Geld verkauft zu werden. Auch hierzu schweigt das Land'.290 Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Verfasser eine revolutionäre Erhebung prinzipiell bejahte. Er distanzierte sich nicht von den Anfang des Jahres verhafteten Revolutionären, sondern leistete ihnen einen Dienst, wenn er die Existenz einer Verschwörung bestritt und von .Aufwallungen jugendlicher Hitze' sprach; im gleichen Atemzuge solidarisierte er sich mit ihnen, die .der gerechte Unwille über den herzoglichen Usurpator' geleitet hatte. Nicht die Insurrektion an sich, sondern .unzeitige Insurrektionen' verurteilte er, die das gegebene Kräfteverhältnis ver­ kennen, darum mit schweren Niederlagen enden müssen und so ungewollt zur Festigung der Herrschaft von .Unvernunft und Willkür' beitragen. In der gegebenen Situation waren Insurrektionen unzeitig; nachdrücklich warnte er vor ihnen. Anstatt sich in territorial begrenzten Einzelaktionen zu verzetteln und dem Gegner Gelegen­ heit zu bieten, die progressiven Kräfte stückweise zu zerschlagen, galt es, den Kampf für den bürgerlichen Fortschritt mit dem Kampf um die nationale Einigung zu verbinden und so ein Feld vorzubereiten, auf dem der Sieg mit Gewißheit errungen wird. Ebenda, S. 18/19. Ebenda, S. 13. «« Ebenda, S. 3, 5.

3. Ausläufer revolutionär-demokratischer Bestrebungen

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Mit diesem »bürgerlichen Rat', der eine kluge Warnung mit einer begeisternden Perspektive verknüpfte, schloß der Verfasser seine Schrift: »Ich habe in diesen wenigen Linien des gerechtesten Unwillens heiliges Feuer in eurer Brust zu ent­ zünden gesucht, nicht damit ihr euch wie ungeduldige Kinder gegen einen tyran­ nischen Schulmeister erhebt, sondern um als Männer, standhaft im Unglück, fest in ihren Entschlüssen, weniger um Rache denn um Rettung des Vaterlands, weniger um den Genuß des Augenblicks als die bleibenden Vorteile der Zukunft bekümmert, den nicht mehr entfernten Augenblick abwarten mögt, wo die Deutschen werktätiger denn bisher mit der unseligen Trennung der deutschen Völkerschaften die Haupt­ ursache alles inneren und äußeren Unglücks, ihres vergangenen und gleichzeitigen Elends enden werden und wo mit dem ersten kraftvollen Wunsch einer National­ vereinigung die Zeit beginnen wird, wo endlich ein deutsches Volk über deutschen Boden und deutsche Kräfte gebieten und somit die unseligen Jahrhunderte schließen wird, während denen Deutschland der periodische Raub fremder Heere, die tägliche Beute innerer Tyrannen und das beständige Opfer äußerer Politik war. Bis dahin lebt dem stillen furchtbaren Gefühl eurer gegenwärtigen Schmach; drückt dies Bild in die letzten Falten eures Herzens, damit es in mannhaften Handlungen einst wieder hervortrete. Glaubt mir, eine solche Ruhe jagt größeres Entsetzen in das Herz der vielköpfigen Hyder Politik als leere Schimpfreden Furcht in dem Gemüt derjenigen erzeugen, die schon jetzo in dem Vorgefühl der nahen Zukunft den Richter finden, dessen Anblick sie von einer Raserei in die andere stürzt Hütet euch, durch unzeitige Insurrektionen das vollständige Heilmittel unmöglich zu machen, durch einen übel berechneten Unmut den Tag der Rettung zu entfernen und mit eigener Hand den Siegeskranz zu flechten, den Unvernunft und Willkür um ihr Schlangenhaupt zu winden wähnen. Ruhe, und noch einmal - männliche, nicht sklavische Ruhe, damit die Verzweiflung der Vernunft nicht vorgreife und der ausharrende Mut nicht gezwungen werde, an die trostlosen Konvulsionen des Ungefährs sich anzuschlie­ ßen.' »t Ebenda, S. 19/20.

1. Liberale Bestrebungen nach dem Regierungsantritt Maximilian Josephs in Bayern 1799

Wie das übrige Süddeutschland befand sich auch Bayern 1799 faktisch unter der Herrschaft Österreichs, das vor dem Beginn der Feindseligkeiten an die 80000 Mann und danach immer noch beträchtliche Truppenmengen im Lande zu stehen hatte. Man möchte meinen, dafj unter diesen Umständen die antifeudalen Kräfte erst recht an keinerlei Offensive denken konnten und die Reaktion wie überall sonst im Süden im Vormarsch begriffen war. In Bayern sah es dennoch anders aus. Die liberale Opposition, die sich mit der Flugschrift .Über den Wert und die Folgen der stän­ dischen Freiheiten in Bayern' 1797 unüberhörbar zu Wort gemeldet hatte, Gegen­ schriften provozierte und 1798 mit einer Neuauflage dieses programmatischen Dokuments ihre Existenz nachdrücklich bekräftigte *, verstummte 1799 nicht, son­ dern trat umgekehrt noch vielstimmiger und lauter auf. Die radikale Opposition allerdings, die sich um die Wende des Jahres 1798/99 in der Schrift .Über Süd­ deutschland' bereits mit einem republikanischen Programm an die Öffentlichkeit gewendet hatte2, konnte sich nicht steigern, sondern zog sich zurück. Ihre Kon­ zeption, die auf die französischen Bajonette baute, brach mit der Niederlage Jourdans bei Stockach zusammen. Aber daneben spielte ein anderer Grund eine Rolle, der gleichzeitig die wesentliche Ursache für das unerwartete Anschwellen der liberalen Opposition darstellte; Der Tod Karl Theodors und der Regierungsantritt Maximilian Josephs IV. Als am 12. Februar in München bekannt wurde, dafj Karl Theodor einen Schlag­ anfall erlitten hatte, ergriff höchste Erregung die ganze Stadt. Das Volk sehnte seinen Tod herbei, und .jedermann beklagte sich diese Tage, dafj man vor innerer Unruhe und vor Furcht und Kummer, dafj es wieder besser gehen könnte, nicht essen, nicht schlafen und nichts denken könne'.3 Für die Haltung der ländlichen Bevölkerung war das Wort eines Bauern typisch, der mit seinem Fuhrwerk die Stadt verlassen wollte, aber die Tore wegen des sterbenden Kurfürsten geschlossen fand: .Hättet ihr lieber die Tore gesperrt, als er hier ankam', sagte er der Wache, .jetzt ist es zu spätl' Möglicherweise ist das Wort gar nicht gesprochen worden, aber es wurde kolportiert und vom Regensburger Domkapitular Graf Sternberg als eine Äußerung festgehalten, die die allgemeine Stimmung treffend kennzeichnete.4 Als 1 Vgl. S. 442 ff. 1 *Vgl. * * S. 469 ff. 9 Kluckhohn, August, a. a. O., S. 62. 4 Leben des Grafen Kaspar Sternberg, von ihm selbst beschrieben. Herausgegeben von Franz Palacky. Prag 1868, S. 49/50. Dieselbe Anekdote notierte auch Lorenz Westenrieder: Wolf, Georg Jacob, Ein Jahrhundert München 1800-1900. Zeitgenössische Bilder und Dokumente. München 1919, S. 29. 89 Süddeutsche Jakobiner

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

die Glocken am 16. Februar das Ende verkündeten, hallte die Stadt vom Jubel wider. »Ich wage nicht, der Feder anzuvertrauen, was die Leute hier sagen', schrieb der künftige dirigierende Minister an den Thronfolger.5*Was das Volk sagte, das fand seinen Niederschlag in der Flugschrift .Gespräch im Reich der Toten *, die unmittel­ bar nach dem Ableben Karl Theodors erschien.® Der preußische Resident in Mün­ chen, Harnier, fügte seinem Bericht vom 27. Februar bereits die Schrift bei, die zwar .nicht öffentlich verkauft , * aber dennoch von aller Welt «verschlungen * wurde.7 In Form eines Gesprächs zwischen Karl Theodor und seinem Vorgänger, dem Kurfürsten Maximilian Joseph, in fünffüßige Jamben gesetzt und in das Reich der Schatten verlegt - .Das Reich der Schatten ist das Reich der Wahrheit, aus dem die Titel all verwiesen sind * —, wurde die Regierung des jüngst Verstorbenen einer vernichtenden Kritik unterzogen. Unter den wenigen, die an seinem Sterbelager weinten, mag es Leuten wie Lippert oder dem österreichischen und päpstlichen Gesandten Ernst gewesen sein, weil sie das Ende ihres beherrschenden Einflusses voraussahen. Alle anderen heuchelten Trauer oder gaben sogar ihrer Freude offen Ausdruck. Was ist die Ursache? fragt Max Joseph. Karl Theodor antwortet:

.Der allgewalt'ge Trieb zur Änderung, der unumschränkt den Pöbel aller Art und jedes Stands beherrscht. Man huldigt stets der neuaufgehenden Sonne.' 8 Doch Max Joseph läßt es nicht gelten. Allen bezahlten Panegyrikern zum Trotz nennt er die wahre Ursache:

.Du schränktest alle Denkfreiheit ein und legtest Sklavenfesseln dem Geiste der Untertanen an. Erhob sich irgendwo ein denkender und aufgeklärter Mann, so wurde er gedrückt, verfolgt, beschimpft und dadurch andre, den Wissenschaften sich zu weihn, zu schüchtern. Und Bayern, das bei mir mit Riesenschritten vorwärtsgerückt war, ging durch deine Leitung, die du doch mäzenatisch nennen willst, noch mehr zurück als vor Jahrhunderten... Mit Frankreichs Revolution kannst du den Druck doch nicht entschuldigen, der lange zuvor von deinem Despotismus zeugte.' 9 5 Doeberl, Michael, Entwicklungsgeschichte Bayerns. München 1928, Bd. 2, S. 377. * Gespräch im Reich der Toten zwischen Karl Theodor, Kurfürsten von Pfalzbayem, und Max Joseph, seinem Regierungsvorfahrer, o. O. 1799. 1 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 160, Bl. 84. 9 Gespräch..., a. a. O., S. 6/7. 9 Ebenda, S. 9/10.

1. Liberale Bestrebungen

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Verfolgt wurden tüchtige Männer wie Hillesheim, zugrunde gerichtet die Schulen, gefördert allein die Werkzeuge der Jesuiten, Schamlose Habsucht verführte Karl Theodor zum Amterverkauf mit allen seinen schlimmen Folgen, machte ihn zum Komplizen der Verbrechen eines Bettschart, lieg ihn die durch Einquartierungs­ lasten bis zur Verzweiflung ausgesogene Bevölkerung immer stärker pressen. Un­ verhüllt trieb er es mit seinen Mätressen und trat so die Moral mit Fügen, die er den Untertanen predigen lieg. So schlecht wie seine Regierung im Innern war seine Augenpolitik: .Ich kann fürwahr nichts Angenehmes dir darüber sagen. Deine Politik war nichts als sklavische Abhängigkeit vom Österreich'sehen Kabinett... Die groge Nation, die hätte dich ganz sicher eines Besseren belehrt, wärst du nicht noch zur rechten Zeit gestorben... Ich breche ab. Es könnte der Verdrug mich sonst zu bitter machen. Wäre nicht der edle Max ein Mann nach meinem Herzen, den die Natur mit ihren schönsten Gaben zum Fürsten ausgestattet hat, so mügte ein Blick auf Bayern mir das Herz zerreigen. Leb wohl, Karl Theodor l Dein rächendes Gewissen zeige dir zur steten Strafe das Glück, das du mit Fügen von dir stiegest: Die Wohlfahrt Bayerns unter einem guten Fürsten !* 10

Unverkennbar, wenn zunächst auch nicht in sehr starken Worten, äugerte sich hier der Hag gegen Österreich, während Frankreich als die .groge Nation' apostrophiert wurde. Der Salzburger Erzbischof, der die Schrift am 2. März in Händen hatte, merkte die antiösterreichische Tendenz besonders an, wobei er hinzufügte, dag täglich neue Stücke dieser Art erschienen, und bat Wien um Verhaltungsmagregeln.11 Ein solches anderes Stück, das Harnier zusammen mit dem .Gespräch' am 27. Februar nach Berlin sandte, war das Gedicht .Ein paar Worte an die BojerNation am Tage der Huldigung 1799 *. In elf Strophen wurde der raubgierige öster­ reichische Adler geschmäht, der seine Klauen nach Bayern ausstreckte, und Maxi­ milian zugejubelt, der als junger bayerischer Löwe den Räuber verjagte: .Lagt finstere Stürme Stürme sein. Nach Regen lächelt Phöbusschein Auf unsre Erde her. Steht! wie ein rauher Felsen fest. « Ebenda, S. 24/25. 11 Staatsarchiv Kuks, Arbeitsstelle Opoino, Colloredo-Mannsfeldsches Archiv, Korrespondenz des Erzbischofs von Salzburg, Hieronymus, an seinen Bruder, den Fürsten Colloredo, 1789 ff., Sign. F 61, 11 (1799), Bl. 12. 39«

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Wenn auch Ostreichs Sturmwind bläst, Er bläst sich auch bald leer - III'12 Mit unüberbietbarer Schärfe machte sich hier der Haß auf Österreich Luft. Nun war allerdings Österreich keineswegs vertrieben wie im Gedicht, sondern hatte Zehn­ tausende seiner Soldaten im Lande. Diese Tatsache erklärt, daß .die Polizei sogleich die (gleichfalls gedruckt erschienenen) sehr unklugen ,paar Worte' in Beschlag * nahm.12 Eine solche Maßnahme wog zunächst nicht schwer. Die Freude über das Ende des alten Despoten und das Vertrauen in Maximilian Joseph waren anfangs unbegrenzt. Der Gegensatz, in dem er stets in Fragen der Innen- und Außenpolitik zum alten Kurfürsten gestanden hatte, schien einen gründlichen Wandel auf beiden Gebieten zu gewähr­ leisten. Eine anonyme Schrift, die ein Jahr später herauskam, schilderte rückblickend die Situation folgendermaßen: .Nicht leicht kann ein Fürst bei dem Antritt seiner Re­ gierung eine so günstige Volksstimmung, einen so allgemeinen Enthusiasmus für sich antreffen als der jetzige Kurfürst in Bayern, Maximilian Joseph. Das Übermaß der Freude und Hoffnungen, welchen sich das Volk dahingab, bezeichnete das Übermaß der Mißbräuche, welche es bisher gedrückt hatten. Jede Klasse der Bürger, jeder ein­ zelne Bayer bildete sich die glänzendsten Erwartungen. Ein Wunsch aber war fast allen gemein - der Wunsch, die schimpflichen Fesseln gebrochen zu sehen, die an Österreich gekettet hielten... Der Anfang der neuen Regierung entsprach mehr als in einer Rücksicht den Erwartungen der Vaterlandsfreunde. Einige Schurken und Taugenichtse wurden entfernt, redliche und geschickte Männer dafür angestellt, die unter der vorigen Regierung teils verbannt, teils unterdrückt, teils verkannt waren."14 Am 21. Februar war Graf Montgelas, der ehemalige Illuminat, zum dirigierenden Minister geworden. Die ersten, die fielen, waren die namhaftesten Verfechter des Obskurantismus mit Lippert an der Spitze. In Liedern voll Spott und Hohn begrüßte die Bevölkerung ihren Sturz: .Es sah einst am Gestad des Nils der Tränen eines Krokodils, das just am letzten Knochen fraß, ein armes Weib mit Jammer an. Denn der Gefressene war ihr Mann. Auch die Empfindung hat man da, Als man den Lippert weinen sah. So wußte man die Ursach schon, das End der Inquisition. Man sah einander fröhlich an, dankt Gott und Maximilian.'18 “ DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 160, Bl. 99. 13 Ebenda, Bl. 84. 14 Die Stimme der öffentlichen Meinung über Max Joseph, Kurfürsten von Bayern. Eine Skizze, o. O. 1800, S. 3 ff. 13 Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Rheinwaldiana, Nr, 8, Stück 24, S. 47. Vgl. ebenda, Stück 21 .Lied, in der Karwoche zu singen' und Stück 22 .Abschiedslied an H. von Lippert'.

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Die ehemaligen Werkzeuge Lipperts beeilten sich, den Anschluß an die neue Ara ja nicht zu verpassen und sich von den eigenen Handlungen unter der vorigen Re­ gierung zu distanzieren. Der Regierungsrat von Mussinan, der im März 1794 mit geheimen Untersuchungen des .strafbaren Freiheitssinns' und der .ärgerlichen * Sittenlosigkeit im Rentamt Burghausen beauftragt worden war1S, bat in einer Ein­ gabe vom 16. April um die Erlaubnis, auf eigene Kosten eine 75seitige Recht­ fertigungsschrift mit dickem Aktenanhang drucken zu lassen. Er wehrte sich gegen die Vorwürfe, .vor Annahme dieses Geschäfts und nachhin mit der bestandenen ge­ heimen Untersuchungsdeputation in München in einer Verbindung gestanden,... die Weisungen überschritten und die Beteiligten gedrückt * zu haben. Dem damaligen Auftrag, der ihn .schon des Namens wegen und noch mehr aber der Wesenheit geheimer Untersuchung ärgerte', wollte er nur aus dem Pflichtgefühl eines gehor­ samen Dieners nachgekommen sein.17 Die ersten Maßnahmen der Regierung verrieten ihre Entschlossenheit, verschiedenes gründlich zu verändern. Am 25. Februar begann Montgelas mit der Vereinheit­ lichung und Zentralisierung der Verwaltung, indem er an Stelle der vielen Minister für die einzelnen Landesteile vier Fachministerien schuf; am 23. April ersetzte er die zahllosen Oberbehörden durch die Einrichtung einer Generallandesdirektion. Der Ämterverkauf war sofort verboten worden; Anordnungen, die eine Eignungs­ prüfung der Beamten verlangten, folgten einige Monate später.16 Ein Reskript vom 2. April schaffte das alte Bücherzensurkollegium ab und ersetzte es durch eine Bücherzensurspezialkommission mit dem aufgeklärten Westenrieder als Vor­ sitzenden.16 Franz Babo, der im März die Leitung der National-Schaubühne in Mün­ chen übernommen hatte, führte am 28. Mai zum erstenmal Schillers .Kabale und * Liebe auf.20 Diese Veränderungen erregten auch im übrigen Deutschland Aufsehen. Während Österreich mit Unruhe die Entwicklung verfolgte - der kaiserliche Ge­ sandte in München sprach von einem Werk der Illuminaten, die er den Jakobinern gleich setzte 21 -, schrieb Archenholz in der .Minerva' einen begeisterten Artikel .Über die Aufkläiungsaussichten in Bayern'; Die Zeiten des Obskurantismus .sind nun vorüber, und man kann von dem neuen Beherrscher der Bayern alles erwarten, was einem aufgeklärten Fürsten in unseren Tagen obliegt. Die Wahl seiner Minister hat die Beistimmung des ganzen Landes.'22 In der Tat war sogar die Landschaft mit der neuen Regierung zunächst sehr zufrieden, denn Maximilian Joseph ver­ sprach nicht nur, die hergebrachten Rechte und Freiheiten der Stände zu schützen, sondern er lieferte auch einen handgreiflichen Beweis; Da die vom Papst im Sep­ tember 1798 genehmigte Eintreibung der fünfzehn Millionen Gulden aus geistlichem*• Vgl. S. 25. HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fase. 928, Nr. 9. Meyer, Christian, Bayern..., a. a. O., S. 24/25. Heigel. Karl Theodor, Censurwesen..., a. a. O., S. 250/51. Heigel. Karl Theodor, Die Theaterzensur unter Kurfürst Karl Theodor. In: .Forschungen zur Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns', 3. Bd., S. 125, 1895. 11 Heigel, Karl Theodor, Deutsche Geschichte..., a. a. O„ S. 334. « .Minerva', Jahrg. 1799, Bd. 2, S. 361.

*• ” 18 18 10

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Besitz unendliche Schwierigkeiten machen mußte, verzichtete die Regierung auf diesen gewaltsamen Weg und war es zufrieden, wenn der Prälatenstand verfassungs­ mäßig einen beträchtlichen außerordentlichen Beitrag bewilligte.23 Die bürgerlich­ liberalen Kreise waren naturgemäß von dem neuen Kurs hell begeistert, schienen doch alle Hemmnisse beseitigt zu werden, die bisher ihren gemäßigten Zielen ent­ gegenstanden. Für revolutionäre Lösungen fehlte, wie sich bald herausstellen sollte, zwar nicht das objektive, aber doch das subjektive Bedürfnis. Die werktätigen Massen in Stadt und Land waren nicht weniger in der Illusion befangen, nun bald aller Sorgen ledig zu sein. Als ein Beispiel kann das Vorgehen des Bürstenbinders Johann Stumpf und des Knopfmachers Anton Böhm in München gelten. Sie waren damals nach den Sep­ temberunruhen 1795 mit anderen verhaftet, kurz darauf aber wieder freigelassen worden und hatten nun ihrerseits zusammen mit dem Perückenmacher Wery, der aber bald starb, Klage auf Entschädigung erhoben.24 Karl Theodor hatte ihre Ein­ gabe abgewiesen. In der sicheren Hoffnung auf besseren Erfolg unter dem neuen Herrn wiederholten sie jetzt nach mehr als drei Jahren ihren Versuch. Mit einer Befürwortung der 36 Gemeindevertreter vom 6. Mai 1799 ging die Eingabe an den Magistrat, der sie am 20. Mai an den Kurfürsten weiterleitete.23 Das kurfürstliche Reskript vom 25. Juni bestätigte die Schuldlosigkeit der klagenden Bürger,- weiter ging es allerdings nicht. Im Gegenteil, es verteidigte im Prinzip das Verhalten der vorigen Regierung: .Es ist Uns sehr unangenehm gefallen, itzt bei Unserem Re­ gierungsantritte von einigen Unserer hiesigen Bürgerschaft das Andenken eines Auftritts erneuern zu sehen, über welchen niemand mehr als der hiesige Magistrat und die Bürgerschaft den Schleier der Vergessenheit hängen zu lassen wünschen sollte. Wenn einmal die Ordnung der Dinge so weit überschritten ist, wie sie es den 23. September 1795 war, so kann es nicht ohne Beschädigung und Kränkung vieler, auch unschuldiger Individuen ablaufen. Dafür können aber nur jene verantwortlich sein, welche solche Ausschweifungen veranlaßt, daran teilgenommen und die Re­ gierung zu Einschreitungen gezwungen haben, welche in den Tagen der gesetz­ lichen Ordnung freilich nicht eingetreten sein würden.'20 Es ist schwer zu sagen, inwieweit diese Stellungnahme bereits desillusionierend ge­ wirkt hat. Unter der Landbevölkerung jedenfalls waren die Hoffnungen auf gründ­ liche Veränderungen recht hartlebig. Sämtliche Hofmarksuntertanen des Freiherrn von Schuß auf Steinburg verlangten in einer am 26. Juni von Johann Georg Hainz et consortes in ihrem Namen unterzeichneten Beschwerdeschrift weitgehende Er­ leichterungen ihrer Scharwerkspflichten. Ohne einen Bescheid abzuwarten, be­ gannen sie von sich aus, bestimmte Dienste zu verweigern. Der Freiherr von Schuß wandte sich daraufhin am 28. Juni in einem Schreiben an den Kurfürsten: .Meine Hofmarksuntertanen, welche bis auf gegenwärtiges Jahr eine gemessene Menatund Handscharwerk ohne alle Weigerung verrichtet haben, fangen auf einmal an, » Vgl. S. 445. Steinwachs, Otto. a. a. O„ Bd. 57, S. 42/43. “ HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R„ Fase. 928, Nr. 12. “ Ebenda, A. R., Fase. 2636, Nr. 140.

24 Vgl. S. 32/33.

1. Liberale Bestrebungen

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sich derselben zu widersetzen aus der einzigen Ursache, weil sie gehört zu haben vorgeben, daß die Scharwerk aller Art aufgehoben werden. Diese Untertanen sind zwar unrecht daran, ihre Scharwerksbefreiung auf den erwähnten falschen Ruf zu bauen, allein ich kann ob periculum in mora nicht zuwarten, bis sie höheren Ortes eines Besseren belehrt werden,.. .' Aus diesem Grund erbat er eine kurfürstliche Aufforderung zum Gehorsam mit der Drohung der Exekution.27 Auf solch ein grob parteiisches Verfahren lieh sich der Kurfürst jedoch nicht ein. Montgelas hatte in einem Memorandum, das eine Art Reformprogramm darstellte, auf die Notwendig­ keit hingewiesen, die bäuerlichen Lasten zu fixieren.28 Die zuständige Behörde in Straubing wurde am 30. Juni also beauftragt, beide Seiten vorzuladen und den Streit zu entscheiden. Die Verhandlungen zogen sich beträchtlich in die Länge, und ob­ wohl den Bauern zweimal, am 28. Juni und am 9. August, befohlen wurde, .bei fünfzig Reichstaler Strafe die Scharwerke uti ante litem motam pendente lite zu ver­ richten', scheinen sie des glücklichen Ausgangs ihrer Streitsache so sicher gewesen zu sein, daß sie der Befehl wenig beeindruckte. In einer erneuten Eingabe an den Kurfürsten vom 8. Oktober stellte der Freiherr von Schuh fest.- .Die Krankheit der Einbildung, als dürften die Untertanen ihren Herrschaften die Schuldigkeit durch­ aus nicht mehr leisten und ihnen den Gehorsam nach Willkür absprechen, ist bei­ nahe epidemisch geworden. Ein einziger Bauernkönig steckt oft, einem räudigen Schafe gleich, ganze Gemeinden an,...' 28 Das Wort war nicht auf Rottmanner, den Vorkämpfer der bürgerlichen Reformen in der Landwirtschaft, gemünzt, aber Rottmanner hätte darauf Anspruch erheben können. Das Diffamierende des Vergleichs, von einem Verteidiger des Überlebten ausgespien, hätte ihn kaum gestört, denn für ihn hatten .der Genius der Zeit, die Philosophie und die Politik * über Menschen wie den Freiherrn von Schuß längst das Urteil gesprochen. .Weg mit euren Privilegien, Gedingen und Observanzen', rief er ihnen zu, .welche dem Endzwecke aller Staatsverfassungen und der allgemeinen Glückseligkeit gerade entgegen sind. Privilegierte Unterdrücker des Volkes führen immer Recht und Eigentum im Munde und verteidigen die Heiligkeit der Leibeigen­ schaft und Knechtschaft und der Monopolien, in deren Genuß und Besitz sie sich befinden... Die grauesten Vorurteile halten vor dem allgemein erweckten Forschungs­ geist nicht mehr aus, und man bemüht sich vergebens, das hell brennende Licht zu ersticken. Ein Herkommen, das die Glückseligkeit des Volkes vernichtet und freie Menschen zu Knechten umschafft, das die Landeskultur hemmt, den Staat arm und ohnmächtig macht und die unveräußerlichen Rechte der Menschheit vertilgt, ist tyrannische Usurpation, welche die Grundfesten aller Staaten untergräbt: es hat keinen rechtlichen Grund und läßt sich weder durch Verjährung noch durch Verträge rechtfertigen. Eigentum kann nur insoweit bestehen und als heilig geachtet werden, als es dem Endzwecke des gesellschaftlichen Verbandes nicht entgegen ist. Wenn *’ Ebenda, A. R., Fase. 1775, Nr. 579. a Doeberl. Ludwig, Maximilian von Montgelas und das Prinzip der Staatssouveränität. München 1925, S. 12, 22/23. ” HSA München, Abt. Kreisarchiv, A. R., Fase. 1775, Nr. 579.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

durch Eigentum die Rechte und Freiheiten des Volkes zerstört werden, so ist es kein rechtliches Eigentum, es ist widerrechtliche Usurpation, welche durch Willkür und Gewalt sanktioniert worden ist.'30 Diese starken Worte, geradezu ein Aufruf an die Landbevölkerung zur Abschüttelung des Jochs, entstammen der Vorrede der von Rottmanner 1799 anonym veröffentlichten Flugschrift »Bemerkungen über Laudemial- und andere gmndherrliche Rechte *. Ein Vergleich mit seinen noch unter Karl Theodor erschienenen Publikationen zeigt eine viel offenere und entschiedenere Sprache, die sich nicht mehr scheute, die Menschenrechte und den Contrat social als die einzigen unveränderlichen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens zu be­ zeichnen. Das Ziel, das Rottmanner in dieser Schrift letztlich verfocht, lautete »Frei­ heit und Eigentum * für jeden Bauern, Freiheit von all den drückenden Abgaben und Diensten und volles Eigentum am Grund und Boden. »Diejenigen, die immer schreien, daß das Bauernvolk zuerst in den Schulen gut gebildet werden müsse, ehe man es zum Genuß des Eigentums hinführt, haben entweder keinen wahren Emst, das Schicksal der Menschen zu verbessern; oder sie greifen es aus Unverstand ver­ kehrt an. Armut und Sklaverei werden den Unterricht in den Schulen ewig ver­ hindern ... Freiheit und Eigentum sind der Grundstoff der Sittlichkeit.' 31 Die Klarheit, mit der Rottmanner Gegenwart und Zukunft umriß, stand jedoch in einem seltsamen Gegensatz zu der verschwommenen Vorstellung vom Wege, der aus der Gegenwart in die Zukunft führen sollte. In der Kritik des Bestehenden und der daraus entspringenden Zielsetzung besaß er das Format eines Revolutionärs, in der Überwindung des Widerspruches zwischen dem Heute und dem Morgen aber erwies er sich als Vertreter eines schwächlichen Liberalismus. Er fürchtete die Revo­ lution : »Rüttelt nicht das Tier aus dem Schlafe, das ihr für einen Esel haltet', rief er den Feudalherren zu. »Im Erwachen wird es ein wütender Löw, der alles zu Boden wirft und sich unter den Trümmern begräbt.' 32 Andererseits aber war auch sein Vertrauen in die Wirksamkeit von Reformen gründlich erschüttert: »Man darf als sichere Regel annehmen, dafj alle Mandate, die dem Landmann beschwerlich sind, streng und genau befolgt werden, besonders wenn damit Strafen und Taxen ver­ bunden sind; dagegen alle diejenigen, welche die Aufhebung oder Einschränkung der Beutelschneiderei, die Erleichterung des Landvolks und die Beförderung der Kultur zur Absicht haben, ganz gewiß nicht befolgt werden. * 33 Seine voraufgeschick­ ten Bemerkungen »An den Herausgeber * schloß er mit einigen Versen, die ihm be­ wiesen, daß auch unter den ewig getäuschten Bauern selbst der Glaube an Erleich­ terungen von oben erstorben war: »Von seinem milden Hofmarksvater Durch Frondienst abgezehrt lag Jost Auf faulem Moos. Ein frommer Pater 30 (RoUBiatmet, Simon). Bemerkungen..., a.a_O., S. VH/VHI. Ähnlich scharf äußerte sich Joseph Socher in seiner Schrift: Leben und Taten des berüchtigten und landverderblichen D. Her­ kommens, auch Observantius genannt, o. O. 1799, S. 89/90. 31 (Rottmanner, Simon), Bemerkungen..., a. a. O., S. 189/90. 33 Ebenda, S. XIII. ” Ebenda, S. 195.

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Gab in dem letzten Kampf ihm Trost. Bald, sprach er, wird euch Gott entbinden Vom Joch, das euch so hart gedrückt. Die Ruhe, die euch nie beglückt, Freund! werdet ihr im Himmel finden. Ach, Herr, rief er, so dumpf und hohl Wie aus dem Grab, wer kann das wissen? Wir armen Bauern werden wohl Im Himmel fronweis donnern müssen.' 54 Rottmanner wußte keinen anderen Ausweg aus dem Dilemma, als es dennoch wieder einmal mit einem Appell an die Einsicht der Großen zu versuchen und seine Hoff­ nung auf Reformen von oben zu setzen. Nur um ein weniges sollten die Feudalherren von ihrer Macht und ihrem Reichtum ablassen; ihre privilegierte Stellung brauchte dabei nicht verlorenzugehen. »Wenn ihr auf uns herabseht, so betrachtet uns - nicht als eure Brüder - als Menschen. * 35* 34 37 Der peinliche Eindruck, den diese er­ bärmliche Bitte hinterläßt, wird in etwas gemildert durch die an die Regierung des Kurfürsten Maximilian Joseph gerichtete Feststellung: .Unsere Regierung hat schon viel für das Wohl des Vaterlandes getan, aber es bleibt noch weit mehr zu tun übrig; und unsere billigen Wünsche sind noch bei weitem nicht erfüllt.' 33 Ungeachtet der mangelhaften Konsequenz jedoch hat Rottmanner als Kritiker des Bestehenden und Propagandist einer bürgerlichen Agrarverfassung Bedeutendes geleistet. Wenn die Hofmarksuntertanen des Freiherrn von Schuß die Rechtmäßigkeit der Scharwerks­ forderungen bestritten, wenn die Regierung Montgelas' auf eine liberalere Wirt­ schaftspolitik hinsteuerte und beispielsweise im Dezember 1799 den Bierzwang auf­ hob, der Wirte und Bauern zum ausschließlichen Bezug des Bieres von den Brauereien der Feudalherren verpflichtet hatte, so war Rottmanner gewollt und un­ gewollt daran beteiligt. Die Unterstützung, die er mit seiner Kritik dem bäuerlichen Widerstand gab, war gewiß ungewollt3T, aber dafür um so bedeutsamer, denn dieser Widerstand der Massen war der entscheidende Hebel zur Durchsetzung liberaler Reformen. Die Reformen wurden notwendig, und die Regierung Montgelas' führte einige durch. Indem sie so handelte, verfolgte sie kein anderes Ziel als die Festigung der Herr­ schaft der Feudalklasse insgesamt. Grundsätzlich hielt sie sowohl am Zunftzwang 34 « 34 37

Ebenda, S. XXIV. Ebenda, S. XIII. Ebenda, S. 185. Rottmanner sagte von sich: .Ich war vielleicht der erste, der es wagte, unser Elend und Drangsal mit Freimütigkeit aufzuzeichnen und Vorschläge zu machen, wie die Kultur in ihrem ganzen weiten Umfange befördert und dem Volke, das durch Observanzen und Usurpationen an das Sklavenjoch gebunden ist, mehr Freiheit und Eigentum verschafft werden könne. Ich will aber auch ein Beispiel der Unterwürfigkeit des Gehorsams und der Ehrerbietung für alle sein,...' Ebenda, S. 186. An die Bauern gewendet erklärte er: .Hütet euch vor Ausschweifungen, die das Vaterland und euch in den Abgrund stürzen könnten. Faßt Mut! Eure Bitten und Wehklagen werden nicht immer vergeblich sein und eure Geduld und Gehorsam noch sicher belohnt werden.' Ebenda, S. 153.

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wie an der Grundherrschaft fest. Aber sie lockerte beides, und zwar in einem Grade, der den Produktivkräften wieder begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten eröffnete und dennoch nicht die Feudalordnung selbst aufhob. Natürlich stärkte sie damit im Grunde das bürgerliche Element, das eines Tages diese Ordnung zerbrechen würde. Zunächst jedoch verlängerte sie mit dieser Politik das Leben der Feudalklasse, das unter den Bedingungen der tödlichen Stagnation, wie sie in Bayern herrschte, un­ mittelbar bedroht war. Die Regierung als Repräsentantin der herrschenden Feudal­ klasse bewies mit ihrer Politik ungleich größeren Weitblick als die Masse der Feu­ dalen, die in ihrer bornierten Beschränktheit verbissen um jedes kleine Vorrecht kämpften und dabei das Gesamtinteresse ihrer Klasse verkannten. Zu ihrem eigenen Besten mußte ihnen Montgelas Gewalt antun, ihren stupiden Widerstand brechen und die gesamte politische Macht in seiner Regierung zusammenfassen. Nur auf diese Weise war es möglich, die notwendigen Lockerungen durchzusetzen und zu­ gleich dafür zu sorgen, daß diese Lockerungen den Rahmen der Feudalordnung nicht sprengten. Im Kampf gegen den frondierenden Adel insgesamt und gegen die landschaftliche Verordnung im besonderen konnte die Regierung die liberale Opposition als Bundesgenossen auf einer kurzen Wegstrecke gut gebrauchen. Obwohl das Ver­ hältnis zur Landschaft zunächst recht günstig war, hatte es Montgelas mit gutem Grund vermieden, bei seinen Veränderungen in der Staatsverwaltung ihren Beirat einzuholen.36 Er wußte, daß sein Bestreben, auf Kosten provinzieller und ständischer Sonderrechte eine starke Zentralgewalt zu errichten, über kurz oder lang ein Ende des Einvernehmens herbeiführen würde. Es war gut, für diesen Fall ein Eisen im Feuer zu haben, vor dem sich die landschaftliche Verordnung fürchtete und das sie hinderte, allzu ungebärdig aufzutreten. Aus diesem Grunde erhielt die Druckschrift „Ein neuer Landtag, die wichtigste Angelegenheit für Bayern * am 2. Mai 1799 auf Antrag der Bücherzensurspezialkommission von dem Geheimen Ministerialdepartement in Landschaftssachen das stillschweigende Permittatur.38* Der Verfasser, Christoph von Aretin, ein liberalisierter Adliger, verlangte die Einberufung des seit dem Jahre 1669 nicht mehr zusammengetretenen Landtages, „um Trost, Hoffnung, Mut, Zutrauen und Gemeinsinn im bayerischen Publikum, d. i. bei Ständen und Untertanen zu erwecken, zu stärken und zu verbreiten . * 48 Aretin wünschte, die stän­ dische Vertretung, die in ihrer gegenwärtigen Form als landschaftliche Verordnung im Grunde nur sich selbst und noch nicht einmal die Gesamtheit der Feudalherrn, geschweige denn das Land repräsentierte, in ein Organ zu verwandeln, das auch den liberalen Kräften ein Mitspracherecht gewährte. Die Schrift „Ober den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten' hatte eine solche Forderung schon 1797 mit großer Schärfe erhoben.41 Aretin knüpfte daran an, aber er trat betont gemäßigt auf. In der Begründung seines Anliegens führte er zwar neben dem allgemeinen Bedürfnis 38 Steinwachs, Otto, a. a. O., Bd. 57, S. 45. ” HSA München, Abt. I, Altbayerische Landschaft, Lit. S. 7 a 2, IL Landtags- und Ausschuß­ verhandlungen, Serie V, Nr. 794. w (Aretin, Christoph von), a. a. O., S. 14. " Vgl. S. 442 ff.

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und der Tatsache, daß der letzte Landtag der Verordnung nur für neun Jahre und nicht für fünf Menschenalter Vollmachten erteilt hatte, schließlich auch noch »die bei der Landschaftsverordnung eingerissenen Mißbräuche' an, verzichtete aber auf nähere Erläuterungen. .Nur den letzten Punkt will der Verfasser aus besonderer Bescheidenheit... gegenwärtig unberührt lassen, versichert aber aufs heiligste, daß er, wenn man ihn dazu zwingt, alles, was er davon weiß, ohne Schonung mit den erforderlichen Beweisen bekannt machen wird.' 41 42 Mit behördlicher Genehmigung wurde dieser Warnschuß der Landschaft vor den Bug gegeben. Mit behördlicher Ge­ nehmigung konnte Aretin erklären: .Es muß aber nicht jede Besserung bezweckende Vorkehrung oder Änderung, d. i. Reform, mit dem Namen Revolution als verdächtig, heillos, ungesetzlich oder schrecklich dargestellt werden. Seit der Einnahme der Bastille spielt und schreckt man nur zu oft ungeziemend mit dem Laute Revolution, ohne zu bedenken und zu wissen, was man damit sagen wolle und solle. Revolutionen gibt es in der Geschichte aller Staaten mehrere oder wenigere, totale oder partielle, mehr oder minder gewaltsame, blutige oder unblutige, gedeihliche oder schädliche, langsame oder schnell erschütternde.'43 Die Regierung ließ die Schrift passieren, weil sie erstens die von ihr selbst eingeleiteten und geplanten Veränderungen theo­ retisch rechtfertigte, weil sie zweitens eine nützliche Drohung von einer Seite dar­ stellte, die die aristokratische Landschaftsverordnung mehr fürchten mußte als eine starke feudalbürokratische Zentralgewalt, und weil die Schrift drittens tatsächlich auf nichts anderes als auf mäßige Reformen abzielte: «Was... die Furcht vor einer Revolution betrifft, so ist sie vom künftigen Landtag im schrecklichen, bei den meisten gewöhnlichen Pariser Sinn nicht zu befürchten. Zu Landtagen kommen Güterbesitzer, bekannte einheimische Gewerbe und Familie habende Personen. Es ist aber nicht denkbar, daß je eine nur in etwas beträchtliche Zahl solcher Leute Revolutionen be­ günstige, viel weniger aber errege. * 44 Die Landtagsforderung wurde zur Hauptlosung der liberalen Opposition. Wenige Wochen nach Aretin erhob Ignaz Hübner dieselbe Forderung in der Flugschrift .An die Stände Bayerns'. Noch bescheidener fast als Aretin verlangte er nichts weiter als die Berufung der gefreiten Stände und hoffte von ihnen, daß sie »mit un­ befangenem Herzen nicht bloß ihre Freiheiten, sondern auch die Rechte sämtlicher Landesuntertanen wiederherstellen...' 45 Man ist versucht, diese Hoffnung einfach naiv zu nennen, aber ein solches Urteil wird der komplizierten Situation nicht ge­ recht. Hübner stand all den Neuerungen, die von der Regierung ausgingen und wieder Licht in das obskure Bayern brachten, positiv gegenüber: .Und seht, liebe Landsleutei Was unternahm unser neuer Landesfürst schon seit vier Monaten zur Gründung unseres Glücks F46 Aber Hübner verkannte auch nicht die Tendenz der Zusammenfassung aller politischen Macht in einer Zentralgewalt, die jedes Mitspracherecht, sei es feudaler oder bürgerlicher Kreise, ausschloß. Ein ständischer 41 (Aretin, Christoph von), a. a. O„ S. VI. « Ebenda, S. 53. 44 Ebenda. S. 52. 45 (Hübner, Ignaz), An die Stände Bayerns. Ein Wort zur Zeit gesprochen von einem in Ge­ schäften grau gewordenen Patrioten. Frankfurt u. Leipzig 1799, S. 12. 44 Ebenda, S. 7.

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Landtag, von ungleich größerem Gewicht als die Verordnung, konnte in gewissem Grade einen Damm gegen diese Gefahr bilden, selbst wenn er zunächst nichts anderes tat, als seine mehr als ein Jahrhundert mißachteten verfassungsmäßigen Rechte zu bekräftigen. Mit Berufung auf die Verfassung und mit dem ausdrücklichen Hinweis auf Eingriffe in ständische Rechte, von der Regierung verschuldet im Zuge der von ihr ausgehenden und im allgemeinen begrüßenswerten Veränderungen, forderte Hübner einen Landtag, damit »diesen und so anderen Mißbräuchen, Mängeln und Beschwerden ... nun auf einmal von Grund aus abgeholfen werden' konnte.47 Bei aller Mäßigung war diese Schrift Ausdruck der Tatsache, daß die liberale Opposition sich nicht nur als Werkzeug der Regierung zur Einschüchterung der land­ schaftlichen Verordnung gebrauchen lassen wollte, sondern eigene Ziele verfocht. Sie wollte einen Anteil an der politischen Macht. Auf sich allein gestellt zu schwach, um diesen Anspruch durchzusetzen, nutzte sie die Gegensätze innerhalb der herrschenden Klasse aus. In vielem ging sie mit der Regierung konform, in manchem aber stellte auch der landständische Adel einen brauchbaren Bundesgenossen dar.

Der Gedanke, über den alten ständischen Landtag dem bürgerlichen Liberalismus Positionen im Staate zu erobern, war nicht so restlos abwegig, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag. Es gab auch innerhalb des ständischen Adels liberalisierte Adlige, die gewiß nicht zahlreich, aber auch nicht einflußlos waren und sich vor allem durch Aktivität auszeichneten. Einen ersten Vorstoß unternahm diese Gruppe am 6. August mit einer Eingabe an die landschaftliche Verordnung. Um ihrem An­ liegen erhöhte Wirkung zu verschaffen und andere Standesgenossen zum Beitritt zu veranlassen, ließen sie ihre Eingabe zugleich als Flugschrift unter dem Titel er­ scheinen .Bittliche Vorstellung mehrerer Individuen des Ritter- und Adelsstandes in Bayern an die Hochlöbliche Landschaft'. Johann Nepomuk Freiherr von Pelkhoven, der auch zu den Unterzeichnern gehörte, ist ihr wahrscheinlicher Verfasser. Neben ihm hatten die Eingabe weitere fünfundzwanzig seiner Standesgenossen unter­ schrieben, die nahezu alle in der Gegend um Straubing begütert waren.46 Den kon­ kreten Anlaß hatte der Beschluß des Ritterstandes innerhalb der landschaftlichen Verordnung vom 31. Mai gegeben, der nach dem Vorbild des Prälatenstandes49 der Regierung einen außerordentlichen Beitrag in Höhe von 200000 Gulden bewilligt hatte. Ein landschaftliches Reskript vom 7. Juni hatte die ständischen Adligen im Lande aufgefordert, die entsprechenden Zahlungen in den folgenden vier Wochen zu leisten. Pelkhoven und seine Freunde stellten nun mit Nachdruck fest, weder ver­ mögend noch schuldig zu sein, diese Summe zu zahlen. Sie verwiesen auf ihre ge­ ringen Einnahmen, die in keinem Verhältnis zu ihren Ausgaben stünden, zu denen sie ihre gesellschaftliche Stellung verpflichtete. Sie erklärten kategorisch, daß die der « Ebenda, S. 11/12. 48 Entgegen der Angabe von Steinwachs, Otto, a. a. O., Bd. 57, S. 67, fehlen in der gedruckten .Bittlichen Vorstellung' die Unterschriften, möglicherweise um den Kreis der Petenten größer erscheinen zu lassen. Der Öffentlichkeit wurden die Namen erst bekanntgemacht durch die Gegenschrift .Appendix zur bittlichen Vorstellung mehrerer Individuen des Ritter- und Adelsstandes in Bayern an die Hochlöbliche Landschaft', o. O. 1800, S. 9/10. « Vgl. S. 595/96.

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Verordnung 1669 erteilte Vollmacht längst erloschen sei, alle landschaftlichen Reskripte daher keine Rechtskraft mehr besäßen und also ein neuer Landtag ein­ berufen werden müsse. .Wir sind weder Egoisten, noch Aristokraten, noch Freunde des Depotismus; wir verlangen nicht, Usurpatoren der Menschenrechte zu sein; wir fühlen die Not unserer Mitbürger und wollen das Äußerste uns gefallen lassen, um sie aus dieser Lage zu befreien; wir sind von dem Grundsätze durchdrungen, daß die Erhaltung des einzelnen auf die Wohlfahrt des Ganzen gegründet ist. Aber Menschen sind und waren wir, ehe wir Bürger geworden; was unsere Mitbürger von uns ver­ langen, daß wir nicht auf Unkosten ihrer Rechte und Wohlfahrt existieren sollen, das verlangen wir auch von ihnen: Wir wollen leben und machen wie sie auf mensch­ lichen und bürgerlichen Genuß dieses Lebens Anspruch.' 50 Solche Worte aus dem Munde adliger Herren klingen wie pure Heuchelei und haben auch zu ihrer Zeit verschiedentlich Unglauben hervorgerufen. Die Gegenschrift .Appendix zur bittlichen Vorstellung , * obwohl auch sie sich für die Einberufung des Landtags aussprach, wies darauf hin, daß die Petenten .fast sämtlich in den frucht­ bareren Gegenden Bayerns - um Straubing herum wohnen , * polemisierte gegen das Klagelied über die Not des Adels und fragte, warum er denn nicht in den ver­ flossenen 130 Jahren auf einen Landtag gedrängt habe.51 Soweit diese Polemik sich gegen den Adel in seiner Gesamtheit richtete, hatte sie alle Gründe für sich. Aber es war ja nicht der gesamte Adel, der die .Bittliche Vorstellung * unterschrieben hatte, sondern, wie es im .Appendix' hieß, .vorderhand freilich erst eine sehr kleine Minorität des gesamten Ritter- und Adelsstandes'.53 Diese kleine, aber mutige Minorität bestand aus liberalisierten Adligen, die unter der wirtschaftlichen Stagnation schwer litten und gebildet genug waren, um die Notwendigkeit be­ stimmter bürgerlicher Reformen zu begreifen. Es sei daran erinnert, daß ein be­ deutender Teil der Mitglieder des Illuminatenordens sich ebenfalls aus dem ge­ bildeten Adel rekrutiert hatte. Pelkhovens Lehrer war Weishaupt, der Begründer dieses Ordens, gewesen.55 Der Kreis um Pelkhoven kann geradezu der liberalen Opposition zugerechnet werden, was einige aus seiner Herkunft abzuleitende Be­ sonderheiten nicht ausschließt. Den überzeugenden Beweis lieferte die Flugschrift .Über die Quellen des wachsenden Mißvergnügens in Bayern *, die bald nach der .Bittlichen Vorstellung' erschien und mit größter Wahrscheinlichkeit ebenfalls Pelk­ hoven zum Verfasser hatte. Sie machte es sich zur Aufgabe, den .gegen die privile­ gierten Stände erregten Unwillen durch genauere Beleuchtung zu mildem und... zu zeigen, ... daß es noch andere, nähere Quellen des einreißenden Mißvergnügens gebe, die in ihren Folgen gefähricher und unheilbarer sind'.54 Die adlige Herkunft des Verfassers ergab sich unzweideutig aus dem ersten Teil der Aufgabenstellung. 40 (Pelkhoven, Johann Nepomuk von). Bittliche Vorstellung mehrerer Individuen des Ritter­ und Adelstandes in Bayern an die Hochlöbliche Landschaft. Mit einem Vorberichte, o. O. 1799, S. 10/11. 41 Appendix zur bittlichen Vorstellung..., a. a. O., S. 11. 41 Ebenda. 49 Neuer Nekrolog der Deutschen. Ilmenau 1832, 8. Jahrg.. Bd. 18, T. 2, S. 575/76. 44 (Pelkhoven, Johann Nepomuk von). Über die Quellen..., a. a. O-, S. VH.

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Die Auseinandersetzung über 95 Seiten hin mit der adelsfeindlichen Streitschrift .Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten' war pro domo geführt. Trotzdem kann nicht behauptet werden, daß seine Verteidigung ausgesprochen bor­ niert und reaktionär gewesen wäre. Der Verfasser leugnete nicht, daß viele Vorwürfe zu Recht bestanden, daß also beispielsweise der Anspruch des ständischen Adels, als Obereigentümer zugleich Repräsentant der Untertanen zu sein, unhaltbar war: .Ich ehre die Wahrheit, und diese gestattet mir nicht zu widersprechen, daß die gemeinen Untertanen von der Zeit an, als sie sich mit ihren Herren in die Eigentums­ rechte teilten, eigene Repräsentanten haben sollten.' 55 Aber er wehrte sich dagegen, die Schuld für den gegenwärtigen Zustand ausschließlich den Ständen zuzuschrei­ ben. Schuld hatte - und das betonte er mit größtem Nachdruck — der Hof, der die Stände benutzte, um das Volk in Schranken zu halten, und gleichzeitig den Wider­ willen des Volks von sich auf die Stände lenkte, die ihm gehorchten. Der histo­ rischen Kritik zwar hielt diese Argumentation nicht stand, aber dennoch hatte sie eine nicht unbedeutende positive Seite. Sie half die Illusion zerstören, daß mit dem Regierungsantritt Maximilian Josephs dem bürgerlichen Fortschritt unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet worden wären, lenkte das Feuer auf die, wenn auch nicht reaktionärste, so doch kräftigste Interessenvertretung der Feudalherr­ schaft und verfocht das Prinzip der aktiven Teilnahme aller an der Staatsgewalt. Die liberale Adelsopposition verteidigte die ständischen Freiheiten unter dem Ge­ sichtspunkt, daß hier verfassungsmäßige Voraussetzungen zu einer solchen Mit­ bestimmung bestanden, die nicht vernichtet werden durften, sondern ausgebaut werden mußten. .Nein, solange nicht das Übel aus dem Grunde gehoben wird, kann Bayern keine andere Gestalt erhalten. Die Beschränkung der ständischen Freiheiten allein würde nicht zureichen; sie würde dem Despotismus nur freiere Wirksamkeit verschaffen.' M Welche Gestalt Bayern annehmen sollte, wurde in dem ebenfalls über 90 Seiten langen zweiten Abschnitt der Flugschrift dargestellt. Die hier entwickelten Grund­ sätze waren so kompromißlos liberal, daß Steinwachs darüber die adlige Herkunft der Flugschrift verkannte und sie in die unmittelbare Nachbarschaft eindeutig revo­ lutionär-demokratischer Stimmen rückte.57 Der Verfasser bezeichnete als die Ele­ mente der bürgerlichen Glückseligkeit Freiheit, Gleichheit, Sicherheit und Eigentum. Aus dem Prinzip der Freiheit leitete er die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, die Freiheit der Kritik an den staatlichen Maßnahmen, das Recht des Volkes auf Teil­ nahme an der Gesetzgebung und die Gewerbefreiheit ab. Unter der Gleichheit be­ griff er die Gleichheit vor dem Gesetz, das keine Klasse vor der anderen begünstigen durfte, ohne seine Bestimmung einzubüßen, Ausdruck des allgemeinen Willens zu sein. Die Sicherheit verbürgte den Schutz der Person vor jeder Willkür. Ebenso war das Eigentum ein Recht, das Belastungen durch den Staat verbot, wenn sie das Ver­ hältnis zum allgemeinen Besten überschritten. Um die vier genannten Elemente zu u Ebenda, S. 43. M Ebenda, S. 87. 57 Steüwachs, Otto, a. a. O., Bd. 57, S. 65.

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gewährleisten, mußten die drei staatlichen Gewalten, die gesetzgebende, die voll­ ziehende und die richterliche, streng getrennt bleiben. Außerordentlich beachtlich war, was der adlige Verfasser von der gesetzgebenden Gewalt sagte: .Die gesetz­ gebende Gewalt, da ihr Gegenstand der Ausdruck des allgemeinen Willens ist, hört auf, ihrem Zwecke zu entsprechen, wenn sie nur auf einige Individuen des Volkes be­ schränkt ist. Die Gesetze sind dann nicht mehr der Ausdruck desallgemeinen, sondern des Willens dieser Individuen. Die gesetzgebende Gewalt ist demnach die Sache der ganzen Nation und unveräußerlich.' 58 Die gegebenen Verhältnisse in Bayern ent­ sprachen diesen Forderungen in keiner Weise. Da keine Gewaltenteilung bestand, herrschte Despotismus. „Es ist die Wesenheit des Despotismus, nicht nur über die Handlungen, sondern auch über die Gesinnungen zu gebieten. Der Unterdrückte soll niemals zur Erkenntnis seiner Rechte kommen.' 69 Darum wurden mit Hilfe der geistlichen Hierarchie Intoleranz und Aberglaube gepflegt, die Schulen im erbärm­ lichsten Zustande gehalten, die üluminaten verfolgt und eine willkürliche und grausame Rechtsprechung geübt. Der Verfasser verteidigte die ständischen Frei­ heiten, deren Fehlerhaftigkeit er sogar ausdrücklich betonte, nicht prinzipiell, son­ dern nur unter den gegebenen Umständen. „Hier will ich nur vor der Ungerechtig­ keit warnen, die man begehen würde, wenn man die Stände ohne Entschädigung jener Vorzüge berauben wollte, die nur in der vom Throne unternommenen Usur­ pation der Souveränitätsrechte ihren Grund haben; sobald diese Rechte dem Volke wiedergegeben werden, sobald die Aufhebung der Tyrannie... den Unterschied der Stände, die Existenz eines erblichen Adels, einer begüterten Geistlichkeit und monopolischer Zünfte überflüssig macht, ... so glaube ich zuversichtlich, daß der größere Teil der privilegierten Klassen edelmütig auf die bisher ihnen zugestandenen Vorzüge Verzicht tut, um an dem weit reineren, unbeneideten Glücke der Freiheit und Gleichheit ihrer Mitbürger teilzuhaben. * 60 Was Bayern brauchte, war eine neue Konstitution, beraten und gebilligt durch eine Nationalversammlung aller Stände und Klassen, die Bauern ausdrücklich eingeschlossen. „Wie kann es aber in Bayern wohl je zu einer Nationalversammlung kommen? Laßt uns dankbar noch eine Seite unserer gegenwärtigen Verfassung benützen, um gleichsam auf einer weislich vor­ bereiteten Brücke zu einem besseren Zustande überzugehen. Diese Seite bietet uns die so sehr geschmähte, herabgewürdigte landschaftliche Verordnung dar.' 61 Auch gegen den Willen der landesherrlichen Macht, „welche das größte Interesse hat, die Nation niemals zusammenzuberufen', durfte und mußte nach althergebrachtem und nur verschüttetem Recht die Verordnung den Landtag einberufen.62 Mit der Feststellung, daß die Regierung nicht das geringste Interesse an einem Landtag besaß, traf die Flugschrift genau ins Schwarze. Bereits in der geheimen Staatskonferenz vom 24. August hatten sich Montgelas und die anderen Minister mit aller Entschiedenheit dagegen ausgesprochen.63 So richtig die Schrift also in s9 “ «■ ••

(Pelkhoven. Johann Nepomuk von). Über die Quellen..., a. a. O., S. 108. Ebenda, S. 110. “ Ebenda, S. 117. Ebenda, S. 182. 82 Ebenda, S. 184. Zimmermann, Fritz, a. a. O., S. 94.

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dieser Hinsicht urteilte, so sehr irrte sie sich aber, wenn sie von der landschaftlichen Verordnung ernsthafte Schritte zur Einberufung des Landtages erwartete. Das anfänglich gute Verhältnis der Verordnung zur Regierung hatte sich zwar bald getrübt, so daß sie schon im August wieder dazu überging, Geldforderungen der Regierung zu verweigern. Als Argument diente der Hinweis auf ihre mangelnde Vollmacht, die ihr nur ein neuer Landtag erteilen konnte. Aber die darin ein­ geschlossene Forderung nach der Einberufung eines Landtags war eine hohle Phrase, die sich als solche erwies, wenn die Regierung sich den Anschein gab, ernsthaft darauf eingehen zu wollen. Die Mitglieder der Verordnung hatten eine Position inne, die erstens beträchtliche Diäten abwarf und zweitens ein gesellschaftliches und politisches Ansehen mit sich brachte, das sie über ihre Klassengenossen hinaushob. Ein Landtag gefährdete diese Stellung in jedem Falle. Von der liberalen Opposition bürgerlicher oder auch adliger Provenienz hatten sie das Schlimmste zu erwarten, nämlich nicht nur ihre Ersetzung durch andere, sondern auch strukturelle Ver­ änderungen der landschaftlichen Organisation überhaupt. Die Masse der Landtags­ abgeordneten würde zwar nicht so weit gehen wollen und das Hergebrachte im Prinzip verteidigen, aber mit der landschaftlichen Verordnung war sie ebenfalls unzufrieden. Anfang Oktober hatte sich auch diese Fraktion in einer Flugschrift zu Wort gemeldet, der Verordnung Schwäche oder gar Gefälligkeit dem Fürsten gegenüber vorgeworfen und energisch nach einem Landtag verlangt: .Willst du noch länger warten, bis gewisse monströse Ideen vom vierten Stande noch mehr in Umlauf kommen und bis du nicht mehr verbessern kannst, ohne auf das gewalt­ samste durchgehends erschüttert und notgedrungen ins Ungewisse hin, wer weiß wie, geändert zu werden? * 64 Nur wenige Mitglieder der Verordnung würden angesichts dieser Stimmung ihrer Kommittenten einen Landtag überleben. Die Regierung hatte also mit der Verordnung verhältnismäßig leichtes Spiel. Muckte die Landschaft auf, so brachte Montgelas sie zum Schweigen, indem er mit dem Liberalismus drohte. Auf diese Weise würgte er auch ihren Versuch ab, die durch die Zentralisierungsmaßnahmen erfolgte Machtsteigerung der Regierung dadurch auszugleichen, daß die verkümmerte Ständevertretung von Neuburg, Sulzbach und Oberpfalz wieder belebt und mit der altbayerischen vereinigt würde. Die kur­ fürstliche Antwort vom 11. Juli ging scheinheilig auf dieses Projekt ein, nur meinte sie, daß dann die ganze Bevölkerung, .wovon die arbeitsame Klasse der Bauern den größten Teil ausmache , * von der Vereinigung profitieren sollte.65 Die Drohung mit einer Repräsentation des vierten Standes veranlaßte die Verordnung, das Projekt unverzüglich fallen zu lassen. Die Wirksamkeit solcher Einschüchterungen erklärt sich aus der Tatsache, daß die Regierung eine liberale Gesinnung keineswegs immer nur vortäuschte, sondern in engen Grenzen und auf bestimmten Gebieten auch wirklich praktizierte. Die Schwäche der liberalen Adelsopposition bestand darin, diese Seite zu unterschätzen oder gar zu negieren und umgekehrt den erzreaktionären** ** Stündliche Notwendigkeit eines Landtages in Bayern, kurz und nur zum Teile dargestellt, o. O. 1799. S. 24. Steinwachs, Otto, a. a. O„ Bd. 57, S. 48.

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Charakter der Verordnung über der anderen Tatsache zu vergessen, daß sie ein Gegengewicht gegenüber dem absoluten Machtanspruch der Zentralgewalt dar­ stellte. Die Verordnung verkörperte, auch als Gegengewicht, die Reaktion und konnte nicht das Instrument sein, um eine Repräsentation zu erkämpfen, die der Regierung eine umfassend liberale Politik diktierte. Deutlich äußerte sich in dieser Fehleinschätzung die Befangenheit des liberalen Adels in alten ständischen Vor­ stellungen, von denen der gleichzeitige bürgerliche Liberalismus entschieden freier war. Die bürgerlichen Liberalen gingen darum in der Regel einen anderen Weg, nämlich den der Zusammenarbeit mit der Regierung. Weitgesteckte politische Ziele waren hierbei ebensowenig zu erreichen, aber eng begrenzten bürgerlichen Reform­ wünschen bot sich Aussicht auf Erfolg. Die Regierung ihrerseits arbeitete ehrlich mit diesen Kräften zusammen, soweit sie sich mit dieser engen Aufgabenstellung begnügten. Gingen sie darüber hinaus, so wurden sie im günstigsten Falle als agents provocateurs gegenüber den frondierenden Ständen gebraucht, im anderen Falle aus dem Amte gejagt. Als Schulbeispiel kann das Schicksal Joseph Utzschneiders dienen. Utzschneider war ein Pionier des kapitalistischen Unternehmertums in Bayern. Als neuntes Kind eines Bauern 1763 geboren, hatte er einige Zeit die Dorfschule und dann auf Grund seiner überragenden Leistungen die Lateinschule besucht, von wo ihn jedoch die hochmütige Behandlung durch die Kinder von Adligen bald wieder vertrieb. Erst die Förderung durch seinen Onkel, der als Kammerdiener zugleich intime Beziehungen zur Herzogin Marie Anna unterhielt, ermöglichte ihm ein Hochschulstudium und den Eintritt in den Staatsdienst.6* In allen staatlichen Funktionen, die er bekleidete, und ebenso als privater Unternehmer förderte er auf vielfältige Weise die Entwicklung der Produktivkräfte und wurde zu einem Bahn­ brecher kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Als junger Mensch schon machte er sich mit dem Erstlingswerk der klassischen bürgerlichen Ökonomie, der .Unter­ suchung über das Wesen und die Ursachen des Wohlstands der Nationen * von Adam Smith, bekannt, den er über alle anderen Ökonomen stellte. Dreißigjährig über­ setzte er des Italieners Mengotti kritische Auseinandersetzung mit dem Colbertismus, eine Propagandaschrift für die kapitalistische freie Konkurrenz. .So tief und gründlich Smith über die Nationalreichtümer eines jeden Landes schreibt, so deut­ lich entwickelt Mengotti seine vortrefflichen Grundsätze', sagte Utzschneider in seiner Vorrede.67 Mit Recht pries die Festschrift, die die Technische Hochschule in München 1906 zum 100. Jahrestag des bayerischen Königreiches herausbrachte, Utzschneider als den bedeutenden Wegbereiter der kapitalistischen Entwicklung in Bayern. Auf seine Initiative ging die Gründung einer Forstschule, der ersten tech­ nischen Fachschule, zurück; er trieb die notwendige Detailvermessung des Landes voran; er schuf landwirtschaftliche Mustergüter, setzte sich für die Melioration der68 68 Stahl, Woligang, Joseph von Utzschneider und seine Bedeutung für die deutsche optische Industrie. Phil. Diss. Erlangen 1929, S. 12 ff. 67 Bauernfeind, Carl Max von, Joseph von Utzschneider und seine Leistungen auf staats- und volkswirtschaftlichem Gebiet. München 1880, S. 11. 40 Süddeutsche Jakobiner

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bayerischen Moore ein; von ihm veranlagt, entwickelte der Ingenieur Reichenbach seine Wasserhebemaschinen; er begann eine fabrikmäßige Produktion in den Betrieben, die er gründete; er war der kapitalistische Unternehmer, der Reichenbach und Fraunhofer Arbeitsmöglichkeiten schaffte und damit den Grundstein für die mechanische und optische Industrie Münchens legte.48 Nachdem Utzschneider nach seinem Eintritt in den Staatsdienst 1784 hauptsächlich im Forst- und Salinenwesen tätig gewesen war, erhielt er mit dem Thronwechsel 1799 und der Einrichtung der Generallandesdirektion eine ihrer sieben Direktorenstellen, wurde außerdem geheimer Referendar im Finanzministerium und als solcher ins­ besondere mit den landschaftlichen Angelegenheiten betraut. Montgelas wußte, was für eine Kraft er an Utzschneider besaß. In seinen Memoiren nannte er ihn .einen Mann voller Ideen und Pläne, von einer lebhaften Phantasie, von einer unermüd­ lichen Aktivität, der einer der ausgezeichnetsten Administratoren sein würde, wenn er der Reflektion Zeit gäbe, seine Entwürfe ausreifen zu lassen, und wenn er nicht alle dem Detail gewidmeten Augenblicke für verloren hielte,.. .* 48 Die letzten einschränkenden Bemerkungen sagen weniger über den Beurteilten aus, kenn­ zeichnen aber dafür um so mehr den Beurteiler, der dem Neuen gegenüber nur in engen Grenzen zu Konzessionen bereit war. Die Kühnheit der Vorschläge Utzschneiders zeigte dessen Streben, die Regierung weiter auf dem Wege des gesell­ schaftlichen Fortschritts voranzustoßen, als sie mit ihrem Klasseninteresse ver­ einbaren konnte. Auf die Dauer war darum eine Zusammenarbeit nicht möglich; früher oder später mußte es zum Bruch kommen. Schon Utzschneiders erster großer Vorstoß endete mit einem Mißerfolg. Am 18. Juli war auf kurfürstlichen Befehl eine Spezialkommission gebildet worden, der auch Utzschneider angehörte und die die Mängel im Militärwesen untersuchen sollte, um darauf aufbauend zu einer neuen Militärverfassung zu gelangen. Bereits am 30. Juli trat Utzschneider in der Spezialkommission mit entsprechenden Vor­ schlägen auf. Bei der Unübersichtlichkeit der bestehenden Militärorganisation, bei den Bereicherungsmöglichkeiten, die sie unzähligen Beamten und Offizieren bot, hätte eine Untersuchung des gegenwärtigen Zustandes Monate gedauert und doch kein klares Bild ergeben. Utzschneider stellte darum nüchtern fest: .Die alten Gebrechen zu untersuchen, würde eine vergebliche Mühe sein; ...der sicherste Weg, zum Zweck zu gelangen, ist immer, mit dem Entwurf zu einer dem Lande 88 Dyck. Walther von, Die Technik in Bayern zur Zeit der Regierung Maximilian Josephs I. In: Darstellungen aus der Geschichte der Technik, der Industrie und Landwirtschaft in Bayern. Festgabe der Königlichen Technischen Hochschule in München zur Jahrhundertfeier der Annahme der Königswürde durch Kurfürst Maximilian IV. Joseph von Bayern. München u. Berlin 1906, S. VlUff. u .... un homme rempli d'idées, de vues, d'une imagination ardente, d'une activité infatigable, qui serait un des administrateurs les plus distingués, s'il donnait à la réflexion le temps de mûrir ses projets et s'il ne regardait comme perdus les instants consacrés au détaiL . • •' Denkwürdigkeiten des Grafen Maximilian Joseph von Montgelas über die innere Staats­ verwaltung Bayerns (1799-1817). Herausgegeben von G. Laubmann und M. Doeberl. München 1908, S. 65.

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anpassenden Militärverfassung den Anfang zu machen. * 70 Ausgehend von dem Zweck des Militärs, die Sicherheit im Innern und nach außen zu gewährleisten, unterschied er Friedens- und Kriegszeiten. In Friedenszeiten genügte eine geringe Truppenzahl, «wenn gute Gesetze, wenn gute Erziehung, wenn Gelegenheit, auf allerlei Weise den notwendigen Lebensunterhalt zu gewinnen, wenn im Staate unter den verschiedenen Klassen der Einwohner wenige Reibungen vorhanden sind'.71 Anders sah es in Kriegszeiten aus, die starke Truppenzahlen verlangten. Aber das eine, ein starkes Heer im Kriege, war nicht möglich ohne das andere, ein geringes Militär im Frieden. Wurde das Geld schon im Frieden für ein großes Heer aus­ gegeben, so fehlte es im Kriege,- drückte diese Last im Frieden die Bevölkerung, so untergrub sie die Verteidigungsbereitschaft im Kriege: «Nur diejenige Nation äußert gegen einen Angriff von außen Kraft und Stärke, welcher es im Lande zur Friedenszeit wohlging; eine gute Verfassung, unter welcher man mit seiner Person, mit seinem Eigentume, mit allem demjenigen, was man liebt, sicher ist, verteidigt jedermann gerne.'72 Solche Gesichtspunkte waren der bisherigen Militärverfassung fremd: .Man wollte großen Staaten nachahmen und verfiel dabei ins Kleinliche: man wollte in Bayern - gleich anderen großen Staaten - eine stehende Armee haben und hatte im Grunde nur eine Wachtparade.'73 Sie verschlang Unsummen, drückte auf das Land und war im Kriege so gut wie wertlos: .Was hat in Kriegszeiten ein Häufchen Soldaten von 12 000 Mann zu bedeuten; sind sie einmal geschlagen, so hat alles ein Ende,- dieses beweist uns die bayerische Geschichte.'74 Utzschneiders Vorschlag lief auf eine allgemeine Wehrpflicht hinaus. Das Land sollte in sechzehn Militärkantone mit je einem Hauptort eingeteilt werden. .Alle jungen waffenfähigen Menschen von vierzehn bis dreißig Jahren sollen in jedem Militärkanton konskribiert und gehalten sein, nach und nach das Exercise bei ihrem im Centro des Kantons liegenden Regimenté oder Bataillon oder Eskadron zu lernen, doch sollen sie des­ wegen aus ihrem Kanton zu gehen niemals gezwungen werden können. * 75 Die Heimatnähe erleichterte Ausbildung und Übungen, von bescheidenen Offizieren ge­ leitet; sie gestattete großzügige Beurlaubungen und schnelle Einberufungen. Wäh­ rend im Frieden weit weniger als 12 000 Mann gleichzeitig unter Gewehr zu stehen brauchten, konnte die Truppe im Kriegsfälle in wenigen Tagen auf 50 000 bis 70 000 Mann gebracht werden. Es war nicht so, wie Montgelas behauptete, daß Utzschneider, wenn er einen großen Gedanken entwarf, für Details kein Auge besaß. Seine nachgelassenen Papiere beweisen, daß er auch auf diesem ihm fremden Gebiete gründliche Studien betrieben hatte.76 In seinem Vortrag vom 30. Juli gab er kluge Hinweise auf die militärische Ausrüstung, die bis zur Pflege der Gewehre gingen. Vom Generalstab verlangte er, daß er seine Arbeit wie eine Wissenschaft betriebe. Nicht mangelhafte Ausgereiftheit 70 Utzschneider, Joseph, Vortrag bei der kurfürstlich gnädigst angeordneten Spezialkommission in Militärsachen. In: Materialien zu einem künftigen Landtage in Bayern. Herausgegeben von v. W„ einem bayerischen Landstande. Regensburg 1800, S. 9/10. 71 Ebenda, S. 11. « Ebenda, S. 13. « Ebenda, S. 14. 74 Ebenda, S. 21. 74 Ebenda, S. 15 ff. 74 HSA München, Abt. n, Handschriften. II. Kriegs- und Heerwesen, Nr. 69. 40»

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machte Utzschneiders Militärplan unannehmbar, sondern sein bürgerlich-demo­ kratischer Inhalt. Die von ihm genannten unabdingbaren Voraussetzungen - gute Gesetze, gute Erziehung, Gelegenheit für jeden, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, das heißt, verteidigungswerte Zustände zu schaffen - lagen nicht innerhalb der Möglichkeiten des bayerischen Feudalstaats. Utzschneider mußte seinen Vortrag ad acta legen und schrieb dazu: »Dieser wirklich vor einer Militärkommission gemachte Vortrag hatte keine Wirkung, sondern Seine Kurfürstliche Durchlaucht entfernten den Referenten von allem Militärgeschäft und befahlen darauf die Separation der 7. Deputation von der Generallandesdirektion. * 77 Utzschneider wurde in der Folgezeit innerhalb der Regierung zum hartnäckigsten Befürworter eines Landtages, dessen Spitze sich in erster Linie gegen die Verordnung als den schlimmsten Feind jedes Fortschritts richten sollte. Am 10. August unternahm Utzschneider einen ersten Vorstoß. Bayern hatte sich die Gewogenheit des Zaren teuer erkaufen müssen; 24 000 Mann sollte es der Koalition zuführen. Die Ver­ ordnung war nicht bereit, Mehrforderungen zu bewilligen. Die Gelegenheit schien günstig, um die Regierung zu einschneidenden Maßnahmen zu veranlassen. Utz­ schneider argumentierte in seinem Antrag vom 10. August folgendermaßen: .Der Adel, die Geistlichkeit und die Städte bezahlen nur dons gratuits nach einem übel­ berechneten Verhältnisse,... Der Bauer bezahlt nach einem unverhältnismäßigen Hof- und Steuerfuß und fühlt dennoch jede außerordentliche Abgabe an den Staat sehr schwer, besonders da derselbe itzt wirklich alle Lasten des Krieges mit den Staatskassen beinahe allein trägt... Die bayerische notwendige und nicht notwendige Geistlichkeit verzehrt dermalen jährlich mehrere Millionen Gulden; diese könnte füglich alle Jahre dem Staate ein beträchtliches Opfer machen. Allein - wer führt dieses aus, ohne sich unendliche Weitläufigkeiten auf den Hals zu ziehen?... Die dermalige landschaftliche Verordnung ist zu schwach, zu ohnmächtig, um zu helfen, selbe zehrt selbst von den Mißbräuchen und Vorurteilen,... Wo ist nun Rettung zu suchen? - Ganz allein in dem Zutrauen eines guten, vorurteilsfreien, seine Nation liebenden und von ihr wieder geliebten Fürsten zu der Nation - in einem Landtage. Die auf dem Landtage versammelten Stände können und wollen dasjenige gewiß alles bewilligen, was die dermalige landschaftliche Verordnung weder kann noch * will. 78*Utzschneiders Memorandum machte auf den Kurfürsten Eindruck; er schrieb ihm am 13. August: .Ich habe Ihre Denkschrift wieder und wieder gelesen; ich finde ihren Inhalt von solcher Bedeutung, daß ich mich entschlossen habe, sie Ihnen zurückzuschicken, damit sie jedem Minister zugestellt werde und jeder seine Mei­ nung schriftlich gebe.'78 Das Ergebnis ist bekannt: Die Minister lehnten am 24. August die Einberufung des Landtags einmütig ab. Aber es gab einen Gesichtspunkt in dem Memorandum, den 77 HSA München, Abt. I, Altbayerische Landschaft, Lit S, 7 a 2, II. Landtags- und Ausschuß­ verhandlungen, Serie V, Nr. 796. 78 Ebenda, Nr. 795. ” «J'ai lu et relu votre mémoire, je trouve son contenu d'une telle importance, que je me suis déterminé à vous le renvoyer pout qu'il soit communiqué à chaque ministre et que chacun donne son avis par écrit.' Ebenda.

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die Regierung nicht von der Hand wies, sondern gegen die Landschaft auszunutzen gedachte: die Beseitigung der empörenden Steuerungleichheit. Die Regierung stellte sich vor Utzschneider, in dem die Verordnung bald ihren unversöhnlichsten Gegner erkannte. Am 6. September beschwerte sich die Landschaft: .Nahe dem Throne wird schon eine geraume Zeit an dem Plane gearbeitet, den Prälaten-, Ritter- und Adels­ stand zu vernichten. Statt solider Verbesserungen eine größere Verwirrung, Projekte und Neuerungen. Man läßt Druckschriften im Publikum zirkulieren, welche die Stände auf die ungezogenste Art beschimpfen.'80 Die Regierung antwortete am 21. September durch ein kurfürstliches Reskript: .Mißbräuche dürfen gefügt werden, sonst bleiben sie ewig. Lassen wir die zu Menschen geborenen Geschöpfe immer Menschen werden, lassen wir sie Gebrauch von ihren Verstandeskräften machen, lassen wir sie raisonnieren, wir wollen sie nicht drücken, nicht drücken lassen.'81 In der Tat, die Regierung verstand es, wenn nötig, sehr schöne Worte zu machen. Mit der Steuerrektifikation war es ihr ernst, denn hier ging es um ihre Einnahmen. Der mit Pfalz-Neuburg Anfang Oktober ausgehandelte Deputationsabschied konnte als Muster gelten und legte fest, daß die künftige Land- und Konsumtionssteuer von allen Bewohnern ohne Ausnahme entsprechend der Bodenfläche beziehungsweise dem Verbrauch zu leisten war.82 Was die Steuerrektifikation anbetraf, so ging Utzschneider mit der Regierung konform. Gar nicht einig mit ihr war er in der Landtagsfrage. Für ihn war die Beteiligung der Öffentlichkeit am Staatsleben keine Redensart, mit der man der aufbegehrenden Landschaft das Maul stopfte, sondern ein echtes Anliegen, aus bürgerlich-liberaler Gesinnung geboren, die mit zunehmendem Widerstand der Regierung immer stärker demokratische Züge annahm. Am 4. November trat er in der Staatskonferenz erneut mit der Landtagsforderung hervor. Trotz des amtlichen Charakters, der ihm in der Form wie in der Sache Zurückhaltung aufzwang, war diese .Privatmeinung * ungleich radikaler gehalten als der Antrag vom 10. August. .Unordnung in der Staatswirtschaft, Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Militär­ verfassung und vorzüglich Mangel an Gemeingeist , * das waren nach Utzschneider die drei Grundübel, unter denen Bayern litt, das sich noch dazu im Kriege befand. .Der Krieg wird um und vielleicht auch bald in Bayern geführt; dieser Krieg ist keiner der gewöhnlichen Kriege, er ist zerstörend, und ein Friede ist leider noch lange nicht zu erwarten! Frankreich, übermächtig durch Gemeingeist und - wie die Geschichte lehrt - unbezwingbar, weil es Republik ist; die koalisierten Mächte ohne Gemeingeist, voll von Mißtrauen und gezwungen, in der Ferne einen schwachen, ihre eigene Kraft verzehrenden Krieg zu führen; unser Vaterland Bayern wegen seiner geographischen Lage mitten auf dem Kriegsschauplätze selbst in diesen verderblichen Krieg, und zwar mit der Republik Frankreich verwickelt, der wir niemals schaden, von ihr aber unsere Vernichtung empfangen können; wo sollen 80 Steinwachs, Otto, a. a. O., Bd. 57, S. 50. 81 Ebenda, S. 51. 88 .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1799, Bd. 6, S. 86 ff.

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diese Verhältnisse hinführen?'83 Ordnung in die Finanzen zu bringen, war die dringendste Aufgabe, zumal der Krieg Unsummen verschlang. Utzschneider ver­ langte Einsparungen der Hofhaltung; sie muhte aus dem Kammergut bestritten werden, das außerdem einen verhältnismäßigen Beitrag zu den Staatslasten zu geben hatte; weiter sollte eine Steuerrektifikation erfolgen, ohne die das regelmäßige jähr­ liche Defizit nicht beseitigt werden konnte; schließlich war zur Abtragung der unter der vorigen Regierung angehäuften Schulden und zur Bestreitung dringender gegen­ wärtiger Ausgaben der Verkauf einiger geistlicher Güter unbedingt notwendig. Alle diese Maßnahmen waren nicht auf bloßem Verordnungswege zu realisieren, sondern setzten einen .wirksamen Gemeingeist * voraus: .So erscheint die Notwendigkeit und der Drang, einen allgemeinen Landtag einzuberufen, niemals mehr als in der gegen­ wärtigen Lage der Dinge.' 84 Utzschneider war nicht naiv genug zu glauben, daß der Gemeingeist, der die französische Republik unbezwingbar machte, durch die ein­ fache Einberufung des alten historischen Landtags auch für Bayern gewonnen war. Sehr vorsichtig deutete er die Richtung an, in der Modifikationen nötig waren: Zunächst sollten alle Entscheidungen ausnahmlos im Plenum und nie in den Aus­ schüssen gefällt werden; dann aber sollte vor allem jeder Stand zu Worte kommen und überhaupt die gesamte Öffentlichkeit an den Verhandlungen Anteil nehmen. .So wie Seine Kurfürstliche Durchlaucht Höchstihre Anträge an die versammelten Stände dem aufmerksamen Publikum bekanntmachen, so muß auch die Stimme jedes einzelnen Standes bekannt werden; bescheidene Publizität herrsche bei der ganzen Handlung; auf Publizität und auf die redlichen Gesinnungen Seiner jetzt regierenden Kurfürstlichen Durchlaucht, welche den Gemeingeist gewiß rege machen und ihn in Tätigkeit erhalten werden, zähle ich ganz allein.' B$ Utzschneider ließ es bei diesen Andeutungen bewenden; erst mußte die Einberufung des Landtags genehmigt sein, dann konnte im einzelnen über das Wie beraten werden.

2. Die Radikalisierung der antifeudalen Bewegung mit dem Beginn des Jahres 1800 Die für die Koalition sich ständig verschlechternde Lage auf dem Kriegsschauplatz verschärfte die Gegensätze und ließ den Ruf der Opposition nach einem Landtag noch lauter werden. Utzschneider hatte seine Forderung mit dem Hinweis ein­ geleitet, daß der Krieg nun .vielleicht auch bald in Bayern geführt' werde. Anfang 1800 vervielfachte sich die Zahl der Flugschriften, die mit immer größerem Un­ gestüm die Landtagsforderung vertraten. Da Verordnung wie Regierung ihr aus dem Wege ging, richtete sie sich objektiv gegen beide. Auf der anderen Seite wurden dadurch auch bürgerliche und adlige Opposition notwendig näher zusammengeführt. Reaktionäre Beobachter, die jede Art von Opposition verurteilten, waren vielfach

u Utzschneider, Joseph, Privatmeinung des kurfürstlich geheimen Referendärs in landschaft­ lichen Angelegenheiten über den gegenwärtigen Zustand der bayerischen Staatswirtschaft. In: Materialien zu einem künftigen Landtage..., a. a. O„ S. 37/38. 84 Ebenda, S. 42/43. 8S Ebenda, S. 45.

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diese Verhältnisse hinführen?'83 Ordnung in die Finanzen zu bringen, war die dringendste Aufgabe, zumal der Krieg Unsummen verschlang. Utzschneider ver­ langte Einsparungen der Hofhaltung; sie muhte aus dem Kammergut bestritten werden, das außerdem einen verhältnismäßigen Beitrag zu den Staatslasten zu geben hatte; weiter sollte eine Steuerrektifikation erfolgen, ohne die das regelmäßige jähr­ liche Defizit nicht beseitigt werden konnte; schließlich war zur Abtragung der unter der vorigen Regierung angehäuften Schulden und zur Bestreitung dringender gegen­ wärtiger Ausgaben der Verkauf einiger geistlicher Güter unbedingt notwendig. Alle diese Maßnahmen waren nicht auf bloßem Verordnungswege zu realisieren, sondern setzten einen .wirksamen Gemeingeist * voraus: .So erscheint die Notwendigkeit und der Drang, einen allgemeinen Landtag einzuberufen, niemals mehr als in der gegen­ wärtigen Lage der Dinge.' 84 Utzschneider war nicht naiv genug zu glauben, daß der Gemeingeist, der die französische Republik unbezwingbar machte, durch die ein­ fache Einberufung des alten historischen Landtags auch für Bayern gewonnen war. Sehr vorsichtig deutete er die Richtung an, in der Modifikationen nötig waren: Zunächst sollten alle Entscheidungen ausnahmlos im Plenum und nie in den Aus­ schüssen gefällt werden; dann aber sollte vor allem jeder Stand zu Worte kommen und überhaupt die gesamte Öffentlichkeit an den Verhandlungen Anteil nehmen. .So wie Seine Kurfürstliche Durchlaucht Höchstihre Anträge an die versammelten Stände dem aufmerksamen Publikum bekanntmachen, so muß auch die Stimme jedes einzelnen Standes bekannt werden; bescheidene Publizität herrsche bei der ganzen Handlung; auf Publizität und auf die redlichen Gesinnungen Seiner jetzt regierenden Kurfürstlichen Durchlaucht, welche den Gemeingeist gewiß rege machen und ihn in Tätigkeit erhalten werden, zähle ich ganz allein.' B$ Utzschneider ließ es bei diesen Andeutungen bewenden; erst mußte die Einberufung des Landtags genehmigt sein, dann konnte im einzelnen über das Wie beraten werden.

2. Die Radikalisierung der antifeudalen Bewegung mit dem Beginn des Jahres 1800 Die für die Koalition sich ständig verschlechternde Lage auf dem Kriegsschauplatz verschärfte die Gegensätze und ließ den Ruf der Opposition nach einem Landtag noch lauter werden. Utzschneider hatte seine Forderung mit dem Hinweis ein­ geleitet, daß der Krieg nun .vielleicht auch bald in Bayern geführt' werde. Anfang 1800 vervielfachte sich die Zahl der Flugschriften, die mit immer größerem Un­ gestüm die Landtagsforderung vertraten. Da Verordnung wie Regierung ihr aus dem Wege ging, richtete sie sich objektiv gegen beide. Auf der anderen Seite wurden dadurch auch bürgerliche und adlige Opposition notwendig näher zusammengeführt. Reaktionäre Beobachter, die jede Art von Opposition verurteilten, waren vielfach

u Utzschneider, Joseph, Privatmeinung des kurfürstlich geheimen Referendärs in landschaft­ lichen Angelegenheiten über den gegenwärtigen Zustand der bayerischen Staatswirtschaft. In: Materialien zu einem künftigen Landtage..., a. a. O„ S. 37/38. 84 Ebenda, S. 42/43. 8S Ebenda, S. 45.

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schon nicht mehr in der Lage, zwischen den einzelnen Richtungen zu differenzieren. Das traf auch auf Graf Goertz zu, brandenburgisch-preußischen Gesandten beim Reichstag in Regensburg, der die bayerische Flugschriftenliteratur eifrig verfolgte und detaillierte Berichte darüber nach Berlin sandte. Er glaubte, in Utzschneider .unstreitig' den Mann zu sehen, .der bei allem, was in dieser wichtigen Angelegen­ heit dermalen heimlich und öffentlich betrieben wird, als der Haupturheber und -beförderer angesehen werden darf'.88 Er gab damit, wie er betonte, zugleich ein verbreitetes Urteil wieder. Als ganz im Geiste Utzschneiders geschrieben bezeichnete er die Flugschrift .Die Landstände in Bayern. Was waren sie? Was sind sie? Was sollen sie sein?'. Der Verfasser kam in der Tat aus dem bürgerlich-liberalen Lager, es war der Pfarrer Joseph Socher, den schon der revolutionäre Demokrat Frey 1796 in seinen Berichten nach Paris zu den wahren praktischen Gelehrten und Original­ köpfen gerechnet hatte.87 Aber trotz der Anleihe bei der erregenden Kampfschrift des Abbé Sieyès im Titel reichte Socher an Utzschneiders Entschiedenheit nicht heran. Utzschneiders apodiktische Feststellung, daß Frankreich unbesiegbar sei, .weil es Republik ist *, war ein kaum noch verhülltes Bekenntnis zu den Grundprinzipien der Französischen Revolution. Socher meinte, .auf die ausländischen Grundsätze der transzendentalen Theorie der Menschenrechte * verzichten und seine liberalen Forderungen .ausschließend auf die eingeborenen Wahrheiten des bayerischen Rechtes und der bayerischen Geschichte' gründen zu können.88 Wenn er dabei auch diesem Recht und dieser Geschichte notwendig Gewalt antat, so mußte diese Methode doch mäßigend wirken. Immerhin steigerte er sich am Ende der Schrift bis zu der Formulierung: .Soll uns, wie wir jetzt stehen, ein Landtag frommen, so muß er sich erstens als wahre Nationalrepräsentation konstituieren; dann auf eine dauerhafte Art organisieren; dann zu einer radikalen, nicht bloß palliativen Kur der Landesgebrechen den Anfang machen.'88 Goertz rechnete zu den von Utzschneider inspirierten Schriften aber auch den .Neuesten landständischen Bundbrief mit Erläuterungen', obwohl er ganz eindeutig aus den Kreisen der Adelsopposition stammte.80 Angeblich war dieser Bundbrief bereits von einigen bayerischen Landständen unterzeichnet, um nächstens dem Kurfürsten übergeben zu werden; als Flugschrift gedruckt, wollte er zeigen, .wie man handeln soll, wenn man eine Landesversammlung in Bayern ernstlich wünscht,...'81 Die Landstände, die unterzeichnen würden, taten darin in ihrem und ihrer Grundholden Namen .als deren Vögte und Vertreter' kund und zu wissen, 88 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 3. 67 Du Moulin Eckart, Richard Grat, Bayerische Zustände..., a. a. O., S. 161/82. Socher war ein begeisterter Anhänger Kants; Kant wiederum äußerte sich sehr anerkennend über Socher: .Von allen meinen Schülern hat mich keiner so gut verstanden als ein armer Pfarrer bei München.' Meyer. Christian, Bayern..., a. a. O., S. 35. 88 (Socher, Joseph), Die Landstände in Bayern. Was waren sie? Was sind sie? Was sollen sie sein? o. O. 1800, S. Vn/VTO. » Ebenda, S. 241/42. •» DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 3. 81 Neuester landständischer Bundbrief mit Erläuterungen, o. O. 1800. S. 2.

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.daß sie von nun an, bereitwillig, bei künftiger Landesversammlung zu erscheinen, bis dahin fest entschlossen seien, der Landschaftsverordnung oder deren Beamten keine Steuerbeiträge mehr zu reichen, sondern diese, jedoch nur unter Voraus­ setzung der baldigsten Zusammenberufung des Landtags, einstweilen unmittelbar an ihren gnädigsten Landesfürsten gelangen zu lassen . * 02 Die Flugschrift übernahm es, den in der genannten Schrift von Aretin nur angedeuteten Punkt über die Mißbräuche bei der landschaftlichen Verordnung auszuführen, und prangerte deren Vetternwirtschaft, unverhältnismäßigen Kostenaufwand, Korruption und Willkür an. Der Bundbrief erregte beträchtliches Aufsehen und erlebte sofort drei Nach­ drucke.83 Obwohl wie in der .Bittlichen Vorstellung * betont wurde, daß die Stände auch ohne landesherrliche Berufung zusammentreten könnten, ist es unwahrschein­ lich, daß hinter dem Bundbrief die Gruppe um Pelkhoven stand. Der Anspruch, gleichzeitig im Namen der Grundholden auftreten zu können, verriet nicht die Absicht, über den historischen Landtag hinauszugehen, und war ebensowenig im Sinne Pelkhovens und seiner Freunde wie das wenn auch bedingte Bündnis mit dem Fürsten gegen die Verordnung. Es fehlte denn auch nicht an einer sofortigen Gegen­ schrift von anderen Anhängern des Landtags, die den im Bundbrief vorgeschlagenen Weg ablehnten, weil er, indem er faktisch das Recht der Steuererhebung dem Fürsten übertrug, die Zentralgewalt stärkte.84 Die Adelsopposition war in der Landtagsforderung also keineswegs einheitlich. Pelkhoven war auch mit Utzschneider nicht einer Meinung, wie er es in seiner Antwort auf den .Appendix', die Gegenschrift zur .Bittlichen Vorstellung', deutlich äußerte.80 Im Rahmen dieser Darstellung kann darauf verzichtet werden, die einzelnen Strömungen im Detail zu untersuchen. Hier genügt die Feststellung, daß die Konzentration der verschieden­ artigsten Gruppierungen auf die Landtagsforderung bis zu einem gewissen Grade ein einigendes Band darstellte und der Opposition insgesamt eine gewisse Stärke verlieh. Die Regierung, die noch im September 1799 so schöne Worte über die Notwendig­ keit gefunden hatte, die Menschen raisonnieren und dabei nicht drücken zu lassen, griff jetzt unbedenklich zum Mittel des Drucks. Merkwürdigerweise richtete sich der Angriff gerade gegen den Bundbrief, der doch immerhin ein bedingtes Zu­ sammengehen mit dem Fürsten gegen die Verordnung vorschlug. Am 30. Januar 1800 teilte ein kurfürstliches Reskript der Landschaft die Verfügung vom gleichen Datum an die Generallandesdirektion mit, den Urhebern und Verbreitern jener .schändlichen Druckschrift' nachzuspüren, .alle vorfindlichen Exemplarien zu konfiszieren, die dabei beteiligten Buchhändler bis auf Unsere weitere Verordnung zu incarcerieren, ob sich nicht etwa da und dort unter Unseren leider I verführten Landständen auf den strafwürdigen Bundbriefsentwurf Bezug habende Konventikel** ** Ebenda, S. 5/6. ” Steintoachs, Otto, a. a. O., Bd. 57, S. 67. M Notwendige Beilage zum neuesten landständischen Bundbrief, o. O. 1600. M (Pelkhoven. Johann Nepomuk von), Briefe über den Appendix zur bittlichen Vorstellung mehrerer Individuen des Bitter- und Adelsstandes in Bayern an die Hochlöbliche Landschaft und andere damit verwandte Gegenstände. Von dem Verfasser der bittlichen Vorstellung, o. 0.1800, S. 55.

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wirklich bilden dürften, genauestes Aufsehen zu haben,..99 Gewifj, der Bund­ brief ging insofern über viele andere Flugschriften hinaus, als er zu konkreten Aktionen aufrief; aber die .Bittliche Vorstellung' war mit ihrer Vollmachtsentziehung keine weniger konkrete Aktion gewesen, ohne dafj solches Geschütz gegen sie aufgefahren wurde. Die wesentliche Ursache für das Vorgehen der Regierung lag darin, dal; die Verordnung selbst drei Tage zuvor in aller Form die Einberufung des Landtages verlangt und damit eine neue Situation geschaffen hatte. Dieser Entschluß War weder einmütig noch mit Entschiedenheit gefaxt, sondern trug alle Kennzeichen der Zwangslage, in die der Druck von oben wie von unten die Verordnung ge­ bracht hatte. Die offizielle Vollmachtsentziehung konnte sie ebensowenig negieren, wie sie die Vorstöfje der Regierung passiv hinnehmen durfte, wenn sie sich nicht zur vollständigen Bedeutungslosigkeit verurteilen wollte. Am 18. November 1799 hatte der Kurfürst Utzschneider zum Spezialkommissar für die Ausarbeitung einer Steuer­ rektifikation ernannt.97 Am 9. Januar 1800 teilte die Regierung der Verordnung die Tatsache dieser Ernennung mit, forderte sie zu aktiver Mitarbeit an diesem Projekt auf und verlangte außerdem die Ausschreibung zweier Standsteuern, nachdem die Regierung bereits selbstherrlich zwei Landsteuern ausgeschrieben hatte.98 Am 27. Januar protestierte die Verordnung gegen die fortlaufenden Verfassungsverletzun­ gen, die sie davon überzeugten, .dafj mit revolutionären Grundsätzen durchdrungene Menschen offenbar mit rastlosem Eifer daran arbeiten,... nach und nach alles aus den Fugen zu reifjen *, und verlangte, zugleich unter Berufung auf die Vollmachts­ kündigung verschiedener Landstände, die Einberufung eines Landtags.99 Unter diesen Bedingungen, da die Verordnung, wenn auch nur aus einer Zwangs­ lage heraus, selbst nach einem Landtag verlangte, war der Bundbrief, gerade weil er nicht mehr als den historischen Landtag anstrebte, für die Regierung ein un­ willkommener Bundesgenosse der Verordnung geworden. Darum machte die Re­ gierung, die in keinem Falle der Forderung nachzukommen gedachte, Jagd auf ihn. Darum andererseits erhielt Utzschneider den Auftrag, über das Ansuchen der Ver­ ordnung vom 27. Januar ein Gutachten in der Ministerkonferenz am 1. Februar in Anwesenheit des Kurfürsten zu liefern. Man brauchte den ungestümsten liberalen Rufer nach einem Landtag, um die Verordnung zu schrecken und zum Verzicht auf die eigene Forderung zu bewegen. Nur war Utzschneider nicht der Mann dazu, sich als blofjes Werkzeug gebrauchen zu lassen. Er begriff seine Situation und formulierte sein Gutachten äufjerst geschickt in einer Weise, die der Abneigung der Regierung gegenüber einem Landtag Rechnung trug und dennoch geradezu demokratische Prin­ zipien propagierte. Utzschneider charakterisierte eingangs sehr scharf und treffend die Zwangslage, aus der heraus die Verordnung zu einem unfreiwilligen Befürworter des Landtags wurde. Er betonte, bereits in seinen Voten vom 10. August und 4. November 1799 für einen Landtag eingetreten zu sein, ohne sich allerdings über das Wie zu äufjern.88 * 88 HSA München, Abt. Kreisarchiv, G. R., Fase. 787, Nr. 4, Bl. 115. 87 Ebenda, Abt. I, Altbayerische Landschaft, Lit. S, 7 a 2, II. Landtags- und Ausschufjverhandlungen, Serie V, Nr. 796. 18 .Teutsche Staatskanzlei', Jahrg. 1800, Bd. 2, S. 296 ff. ” Ebenda, S. 304 ff.

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Das sollte jetzt geschehen. .Einen allgemeinen Landtag in Bayern halten, heißt im Grunde nichts anderes als die Stimme der Nation über die Verbesserung der Landes­ verfassung, über die Mittel zur Landesdefension und zu einer kraftvollen Regierung vernehmen; es hängt von Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht als Landesfürsten... ganz allein ab zu bestimmen, wie Höchstdieseiben die Stimme der Nation vernehmen * wollen. 100 Utzschneider ging noch viel weiter, um seine Hörer zu beruhigen: .Sämtliche Landstände und vielleicht auch die zum Landtage sich meldenden freien Güterbesitzer auf einen Platz zusammenrufen zu lassen, werde ich niemals anraten: diese Maßregel würde großen Lärm im In- und Auslande, viel Geschrei, vielen Widerspruch und am Ende wahrscheinlich doch keine konsequenten vernünftigen Resultate hervorbringen... In keinem Lande kann man die Politik dem großen Haufen überlassen; man nehme die unmenschlichen Erschütterungen in Frankreich, die Schwäche des polnischen Reichstages zum Beispiele, und man wird sich von dieser Wahrheit leicht überzeugen.'101 Nach Utzschneiders Vorschlag war folgender Weg zu beschreiten: Einige sachkundige Männer sollten auf der Basis der alten bayerischen Landesfreiheit eine neue, den Zeitumständen angepaßte Landesfreiheit, .also einen förmlichen Staatsgrundvertrag', entwerfen. Vom Kurfürsten genehmigt, würde der Entwurf unverzüglich .an sämtliche Landstände und auch an alle Ge­ meinden in Bayern abgesendet werden, damit sowohl die Landstände als sämtliche Gemeinden hierüber unter einem vorgeschriebenen Termine ihre Erklärung zur Annahme oder Nichtannahme dieses bayerischen Staatsgrundvertrages abgeben können'.102 Utzschneider vertrat damit das demokratische Prinzip in einem er­ staunlich weitgehenden Maße. Keiner mehr oder weniger fragwürdigen Volks­ vertretung, sondern dem .großen Haufen' selbst war die letzte Entscheidung über die .alle Verhältnisse des regierenden Fürsten zur Nation bestimmende Verfassung' in die Hand gelegt. Die begrenzte Zahl der Landstande verschwand in der Masse der bäuerlichen und bürgerlichen Gemeinden. Derselben Urabstimmung war nach Utzschneiders Vorschlag die neue landschaftliche Verordnung unterworfen, deren Mitglieder vom Kurfürsten lediglich vorgeschlagen wurden. Am 3. Februar brachte Utzschneider noch einen Nachtrag zu seinem Votum vom 1. Februar ein, der vornehmlich von der Landesverteidigung handelte und die Notwendigkeit der Orientierung auf die werktätigen Massen noch deutlicher machte.103 .Die dermalige Regierung hat neben dem vielen Guten, das sie getan hat, auch den wesentlichen Fehler gemacht, daß sie noch wirklich für das Landvolk nichts getan hat: das Landvolk in den herobem Staaten — über eine Million Men­ schen in der Zahl - ist unbedingt den Landrichtern, den Gerichtsschreibern, den Schergen, den Jägern, den Hofmarksbeamten und durch diese unbedingt den fremden Armeen überlassen.'104 In zehn bis zwölf Wochen nämlich, so schätzte Utz­ schneider, würden die Franzosen in Bayern stehen. Dieser für die Regierung nicht IM Präliminarien eines neuen Landtages in Bayern. 2. Lieferung, o. O. 1800, S. 7 (1. Fassung). 101 Ebenda, S. 8/9. »•» Ebenda, S. 12. ,« Ebenda, S. 40/41. 1(1 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 69.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Dieser .Umschlag oder Appendix zu allen gegenwärtigen und künftigen Prälimina­ rien' stellte als Motto ein Zitat voran, das jede politische Überzeugung mit seltener Klarheit als klassengebunden bezeichnete: .Man kann aus der Lage eines jeden mit Zuverlässigkeit auf seine politischen Grundsätze schließen. * 14i Diese Grund­ anschauung befähigte den Verfasser, unbeeinflußt von überkommenen Vorstellungen oder progressiven Beteuerungen, nüchtern das materielle Interesse der wider­ streitenden Parteien als Kriterium zu benutzen und sichere Urteile zu fällen. Ein solches Urteil lautete: .Das Interesse und die fernere Subsistenz des Adels und der Geistlichkeit in Bayern beruhen heutzutage auf Gründen, die dem Wohl der Nation gerade entgegengesetzt sind und die mit demselben in beständigem Widerspruche * stehen. 143 Raub, Plünderung, Diebstahl und Mordbrennerei waren diese Gründe, und wenn sich die Privilegierten ein Verdienst zusprechen konnten, so war es dies, durch physischen und geistigen Druck über Hunderte von Jahren das Volk zu­ sammengeschweißt zu haben, so daß es heute als eine einheitliche Kraft ihnen gegenübertreten konnte. Der Prüfer des Utzschneiderschen Votums wollte die bayerische Staatsverfassung erhalten wissen. .Ich weiß nicht *, antwortete ihm der Autor, .ob man noch Mensch sein kann, wenn man in einem Lande eine Verfassung zu haben glaubt, wo durch die eingeführte grausamste Ungerechtigkeit sicherlich drei Millionen Menschen auf die Zahl einer einzigen -zurückgesetzt, wo diese Million in dem gesegnetsten Lande Bayern auch noch von weltlichen und geistlichen zu politischen und moralischen Lasttieren herabgewürdigt ist, und dieses geschieht da noch alles verfassungsmäßig! 11'1M In seiner Beweisführung, daß die Landschaft auch als Gegengewicht gegen fürstliche Willkür nicht taugte, sondern nur einen zweiten Abgrund darstellte, ging der Ver­ fasser, seiner Grunderkenntnis getreu, sogar bis zur klaren Verurteilung selbst der fürstlichen Gewalt: .Es ist ein trauriges Lächeln, das sich an dem Gesichte eines jeden ehrlichen Mannes äußern muß, wenn er in dem Schriftwechsel des Hofes und der Landschaft von Jahrhunderten her keinen anderen Inhalt liest als wechselseitige Erinnerungen an wechselseitige Pflichten, von denen noch nie eine erfüllt worden, wechselseitige Beschwerden, an deren Abstellung man beiderseits gar nicht dachte,... Heute gibt es die Landschaft der Hofpartei schriftlich und läßt es sogar noch drucken, daß sie alles eigenmächtig verfüge, daß dieselbe den Schweiß der Untertanen, welche getreulich zu vertreten unsere Pflicht, die uns immer die heiligste sein muß, erfordert, an Unwürdige verschleudere und die Einkünfte zu einem niedrigen und ganz anderen Zwecke verwendet, als der Fürst sich durch sein Fürsten­ wort selbst mündlich und schriftlich anheischig gemacht hat; - sie stellt daher ihren Fürsten als einen Despoten und überwiesenen Lügner dar. - Morgen antwortet der Fürst ebenfalls schriftlich und sagt da den Verordneten: Ihr seid diejenigen, welche, anstatt dieselben zu repräsentieren, sie zugrunde richten, da ihr alle Abgaben und Staatslasten von euch ablehnt und dieselben ganz allein auf das Volk hinwälzt, wäh­ rend ihr demselben den Rest davon als Grund- und Hofmarksherren noch vollends auspreßt;... Nein, das Volk kann in eurer Mitte nie eine Repräsentation haben: *“ Umschlag oder Appendix..., a. a. O„ S. 2.

>•’ Ebenda, S. 20.

1,4 Ebenda, S. 40.

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2. Radikalisierung antifeudaler Bewegung

Ich bin daher als Regent verpflichtet, dasselbe gegen euch zu repräsentieren und zu vertreten. Hier gibt also der Fürst den Ständen gleichfalls schriftlich zu erkennen, daß sie die eigentlichen Blutegel der Nation sind. Was muß nun ein ehrlicher Mann denken und ein wahrer Patriot fühlen, wenn er sieht, daß dieses alles, so oft geschrieben, weiter zu nichts dienen darf, als der Nation damit Sand in die Augen zu werfen,.. .* 16S Mit derselben klarsichtigen Konsequenz vernichtete er alle möglichen Illusionen, die sich an die Tatsache heften konnten, daß sich ein Teil des ständischen Adels selbst in der .Bittlichen Vorstellung , * im .Bundbrief' usw. gegen die Verordnung empört hatte. Für ihn waren auch diese Adligen Glieder der herr­ schenden Klasse und darum Feinde, die ausschließlich eigene Interessen verfochten: .Nicht Aufklärung, nicht Gefühl für Menschheit... waren es, die jene... Schriften ... verursacht haben, sondern der Druck und die Insolenz eines Teils der Stände zwang endlich den anderen zu schreiben.'186 Die liberalen Töne der aufsässigen Adligen ließ er bestenfalls als Ausdruck der Selbsterkenntnis gelten, daß ihre Tage gezählt waren; .allein sie sind einhellig einverstanden, sobald es darauf ankommt, lieber den künftigen gänzlichen Untergang abzuwarten als gegenwärtig ihre Monopolien fahren zu lassen'.167 Ausgehend von dem tiefen Gedanken, daß letztlich das materielle Interesse das politische Denken der Menschen bestimmte, führte den Verfasser die Logik seiner Beweisführung theoretisch über Utzschneider hinaus. Er war sich dessen auch bewußt, denn er erklärte, daß .der Utzschneiderische Vorschlag noch lange nicht die gehörige Vollkommenheit besitzt,...'166 Wenn er weiter an anderer Stelle den Vorschlag .das in jeder Hinsicht damals noch gegründete bekannte Votum' nannte169, so konnte man erwarten, daß neue, weitergehende, der fortgeschrittenen Entwicklung angemessene Lösungen geboten wurden. Hier aber enttäuschte der Verfasser. In der Praxis blieb er im Prinzip auf der Position stehen, die Utzschneider am 1. Februar eingenommen hatte: Fürst und Volk mußten sich zusammenfinden, um gegen den Widerstand der privilegierten Stände Bayern einer schöneren Zukunft zuzuführen. Gemessen an der Kühnheit, mit der er die verlogene Katzbalgerei zwischen Fürst und Ständen zur Täuschung des Volkes gegeißelt hatte, war sein Auskunftsmittel zur Abstellung fürstlicher Übergriffe unsagbar kläglich: Er wußte nichts Besseres, .als gleichwohl zu warten, bis das Schicksal einmal einen Fürsten schickt, der Verstand genug hat, um mit Friedrich II. einzusehen, daß er mehr nicht sein könne und dürfe als der erste Beamte im Staat,...'170 Die Radikalisierung äußerte sich in seinen praktischen Forderungen nur gegenüber den privilegierten Ständen; aber hier war sie im Vergleich zu dem, was Utzschneider und Hazzi im Februar verlangt hatten, doch recht beträchtlich. Nicht ihre Einschränkung, sondern ihre Ausschaltung aus dem politischen Leben propagierte der Verfasser: .Nur derjenige, welcher ganz vom Verdienste leben muß, und nicht der privilegierte Müßiggänger kann allein wissen, was den Erwerb befördert oder hindert, und dieser ist im Getreideland Bayern niemand anderes als der Bauer... Die Zeit ist endlich da, wo der Fürst, *•’ Ebenda, S. 48 ff. *“ Ebenda. S. 12.

1M Ebenda, S. 51. Ebenda, S. 60.

1,7 Ebenda, S. 59. ,7I> Ebenda, S. 18.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

durch langwierigen Schaden klug gemacht, für gut finden muß, sich künftig an den Nährstand allein (Kursiv von mir - H. S.) anzuschließen, da seine wahre und einzige Goldgrube mit aller möglichen Vorsorge sicherzustellen und der Nation ihre un­ veräußerlich-natürlichen Rechte wieder zu verschaffen.'171 Die Ideen, die Utzschneider in amtlicher Eigenschaft geäußert hatte, und das positive Echo, das sie im liberalen Lager fanden, machten diesen Referendar in Landschafts­ sachen für die Regierung untragbar. Dennoch stürzte er zunächst nicht. Gerade die Planlosigkeit der Angriffe von extrem-reaktionärer Seite, die in Utzschneider die Regierung treffen wollte und ausnahmslos in den leitenden Politikern Mordbrenner sah, gestattete nicht, jetzt Utzschneider fallen zu lassen. Montgelas begründete der preußischen Gesandtschaft gegenüber dieses Verhalten, die darüber am 20. April nach Berlin berichtete: .Was Herrn Utzschneider anbelangt, so ist es sicher, daß der Referendär (ein feuriger Kopf, fruchtbar und reich an Theorien, der aber weder den Brauch des Geschäftsganges noch seinen Stil beherrscht und deshalb nichts für leichter hält, als sich über alle Formen hinwegzusetzen) schon oft genug ungeeignete Dinge dem Kurfürsten vorgelegt und Projekte zur Sprache gebracht hat, die, obwohl vermischt mit gesunden und interessanten Ideen, zum großen Teil unbrauchbar und sogar extravagant waren. Deshalb verdient er, ohne daß man indessen seine Ab­ sichten bis jetzt tadeln kann, von den landschaftlichen Angelegenheiten entfernt zu werden. Der Kurfürst ist auch schon völlig bereit gewesen, als der schroffe Ton der Stände in dieser Hinsicht und noch dazu die von bestimmten Mitgliedern an­ gewandte intrigante Art, die Entlassung zu bewirken, zu der Erwägung veranlaßte, daß es nicht der Würde des Kurfürsten entspräche, sich von den einen das Gesetz vorschreiben oder von den anderen sich nötigen zu lassen. Einzig aus dieser Über­ legung ist die Entlassung von Herrn Utzschneider aufgeschoben und auf einen vom Souverän selbst gewählten Zeitpunkt verlegt worden.'172* Montgelas schützte Utzschneider und distanzierte sich von ihm zu gleicher Zeit. Er mußte vorsichtig manövrieren, um das Staatsschiff vom linken Kurs, den Utzschneiders Vorstoß ihm gegeben hatte, zurückzubringen, ohne dabei in das Fahr­ wasser der extremen Reaktion zu geraten. Die Bücherzensurspezialkommission wurde durch das Reskript vom 18. Februar angewiesen, .der seit einiger Zeit in Preß­ 171 Ebenda, S. 56, 61. 171 .Quant au Sr. Utzschneider, qu'il était certain que le référendaire (tête ardente, fertile et meublée de théories, mais sans avoir l'usage des affaires ni leur style, et ne trouvant par cela même rien de plus facile que de sauter par- dessus toutes les formes) avait fait dire assez souvent des choses déplacées à l'Électeur, mis sur le tapis des projets en bonne partie impraticables et même extravagants, quoique mêlé d'idées saines et intéressantes, et mérite par là, sans que du reste on soit fondé jusqu'à présent à accuser ses intentions, d'être éloigné des affaires avec les États. Qu'aussi l'Électeur y avait déjà été tout disposé, lorsque le ton décidé des États à cet égard et encore le genre d'intrigue employé par certains membres pour effectuer le renvoi, avait fait juger qu'il ne serait pas de la dignité de l'Électeur, de se faire faire la loi par les uns ou forcer la main par les autres. Qu'uniquement par cette considération le renvoi du Sr. Utzschneider avait été différé et remis au moment choisi par le Souverain lui-même.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fasc. 169, Bl. 116.

2. Radikalisierung antifeudaler Bewegung

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frechheit ausartenden Preßfreiheit, besonders dem Umlauf mehrerer, ohne diesortige Zensur oder Wissenschaft gedruckten, zu Zwietracht und Mißverständnissen füh­ renden Schriften Einhalt zu tun'.174 Entsprechende Drohungen der Spezialkommis­ sion an die Adresse der Buchdrucker, Buchhändler und Buchbinder folgten auf dem Fuße. Ein neues Reskript vom 4. März schrieb der Kommission vor, Schriften über innere und äußere Staatsangelegenheiten nur nach Ausfertigung einer Spezial­ bewilligung zu dulden.174 Utzschneider wurde faktisch kaltgestellt, obwohl er im Amte blieb. Nur zu gerne lenkte unter diesen Bedingungen auch die landschaftliche Verordnung wieder ein. Statt auf der ihr selbst unangenehmen Forderung nach einem Landtag zu beharren, ließ sie sich auf dem Wege über eine schriftliche Abstimmung unter ihren paar hundert Kommittenten ihre Vollmacht bis zum ge­ schlossenen Frieden erneuern.175*Der Minorität gegenüber, die ihr die Vollmacht aberkannte, war sie jetzt gerechtfertigt; der Regierung gegenüber aber hatte sie gerade auf die wichtigste Waffe verzichtet, mit der sie bisher deren Forderungen ablehnen konnte, eben die Berufung auf die mangelnde Vollmacht. Für die ab­ solutistischen Bestrebungen der Regierung war die Verordnung weniger als zuvor ein ernsthafter Gegner. Montgelas fand in seinen Denkwürdigkeiten dafür die euphemistische Formulierung: .Sie (die Verordnung - H. S.) entsprach vollkommen dem Vertrauen, das man ihr bezeugte. * 174 Für die liberale Opposition aber bedeutete diese Entwicklung das Scheitern ihrer Pläne, entweder mit Hilfe der Regierung oder durch Ausnutzung verfassungsmäßiger Möglichkeiten oder auf beiden Wegen zugleich Mitbestimmungsrechte zu erobern. Ein Kopf wie Utzschneider, voller progressiver Ideen, war unter diesen Bedingungen als Regierungsbeamter zur Sterilität verurteilt. Bezeichnend war seine Stellungnahme auf einer Konferenz am 25. Mai mit Hompesch, Zentner und Montgelas, wo der letztere eine gemeinsame Sitzung der Staatsminister mit der Verordnung vorschlug, um Maßnahmen zur Landesverteidigung zu beraten. Vor guten drei Monaten hatte Utzschneider noch konkrete Vorschläge in dieser Frage machen können,- jetzt waren sie sinnlos. .Ich erklärte, daß diese Maßregel wegen Mangel an allem, selbst an Zeit, fruchtlos, in Hinsicht der Übermacht der Franzosen und der k. k. Pläne aber selbst für Bayern gefährlich werden dürfte. Ein Neutralitätssystem hätte von Anfang an beibehalten werden müssen.' 177 Die Ereignisse schritten voran, und neue, größere Möglichkeiten schienen sich anzubieten. Am 28. Juni stand General Decaen mit 4000 Franzosen vor den Toren Münchens. Der Galerieinspektor und Maler Huber schrieb unter diesem Datum in sein Tagebuch: »...die bürgerliche Kavallerie als auch die Infanterie paradierten HSA München, Abt. Kreisarchiv, A R-, Fase. 2806, Nr. 1261, Bl. 115. Heigel, Kari Theodor, Censurwesen..., a. a. O., S. 253. Steinwachs, Otto. a. a. O., Bd. 57, S. 6B/69. .Elle répondit parfaitement à la confiance qu'on lui témoigna.' Denkwürdigkeiten des Grafen Maximilian Joseph von Montgelas..., a. a. O., S. 66. 177 HSA München, Abt I, Altbayerische Landschaft, Lit. S, 7 a 2, II. Landtags- und Ausschuß­ verhandlungen, Serie V, Nr. 797. 174 174 171 174

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

und rührten die Spiele, dann fing auch die französische Musik an, und so zogen die Franzosen mit klingendem Spiel und brennenden Lunten zwischen dringenden Zuschauern zur Bewunderung der Franzosen in München ein.'178

3. Republikanische Bestrebungen nach dem Einmarsch der Franzosen 1800 Der Einmarsch der Armee Moreaus in Bayern war kein Spaziergang. Üble und übliche Begleiterscheinungen wie Exzesse und Plünderungen blieben darum nicht aus. So berichtete unter dem 26. Juni 1800 der Landrichter aus dem zu Bayern gehörigen, aber noch im Schwäbischen gelegenen Türkheim von Feldverwüstungen, Pferderaub und anderen Plünderungen durch die Franzosen: «Selbst begünstigt werden die Räubereien in der Stille, weil sogar Depositenkassen gehalten werden, wo das geraubte Geld abgelegt wird; es ist außer Zweifel, daß besonders zur Nacht­ zeit Abteilungen in kleinere Orte nur deswegen fortgeschickt werden, damit sie viel zurückbringen. * 179 Verschiedentlich flohen darum die Einwohner vor den anrückenden Franzosen. Der Galerieinspektor Huber aus Schleißheim berichtete von Leuten aus Schwabhausen und Dachau, die mit ihren Habseligkeiten hinter den Mauern Münchens Schutz suchten.189 Darum gab es auch vereinzelt Gewalttätig­ keiten von Seiten der Bevölkerung gegen Armeeangehörige. Freiherr von Hertling meldete am 23. Juni aus Mindelheim: «Auch hörte man von mehreren Orten in der Gegend, daß einzelne marschierende Franzosen in den Wäldern durch Flintenschüsse teils schwer verwundet, teils getötet worden seien; von ersteren wurden mehrere in das hiesige Spital gebracht.'181 Eine Mitteilung aus Landsberg vom 24. Juni sagte: «Verflossenen Freitag wurde das Schlagwerk an der Turmuhr in Landsberg laufend; dieses brachte die Franzosen in Alarm, sie liefen aus den Häusern, verließen ihre Posten und riefen: ,Bauer kuml"182 Ein von Generalleutnant Grenier zu Regensburg am 14. August herausgegebener zweisprachig gedruckter «Aufruf an die Bewohner der durch den linken Flügel der Rheinarmee in Besitz genommenen Länder' stellte fest: «Es ereignen sich täglich in euren Gegenden gehäufte Meuchelmorde. Mehrere Einwohner und fränkische Militärpersonen fielen unter den Streichen einiger Böse­ wichter, die in den Wäldern umherstreifen. Die Urheber dieser Verbrechen sind Vagabunden, zu denen sich einige übelgesinnte Landesbewohner gesellen, die sich täglich neuer Missetaten schuldig machen. Euer vorzüglichstes Interesse, ihr Land­ leute, ist es, eure Gegenden von den Frevlern zu reinigen,... Entdeckt die Schlupf­ winkel, wo sie sich verbergen.'188 Das Waffentragen wurde verboten, und die 1,8 Stadtarchiv München, Archiv des Historischen Vereins von und für Oberbayern, Msc. 357, Tagebuch des Galerieinspektors und Malers M. Huber über die von 1796-1816 in und um Schleißheim vorgefallenen Kriegsbegebenheiten, Bl. 5. 17’ HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 361. •so Stadtarchiv München, Archiv des Historischen Vereins von und für Oberbayern, Msc. 357, a. a. O., Bl. 5. 181 HSA München, Abt. H, Alte Abt. B, Nr. 361. 181 Stadtarchiv München, Wehramt 388. ,8S HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 361.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

und rührten die Spiele, dann fing auch die französische Musik an, und so zogen die Franzosen mit klingendem Spiel und brennenden Lunten zwischen dringenden Zuschauern zur Bewunderung der Franzosen in München ein.'178

3. Republikanische Bestrebungen nach dem Einmarsch der Franzosen 1800 Der Einmarsch der Armee Moreaus in Bayern war kein Spaziergang. Üble und übliche Begleiterscheinungen wie Exzesse und Plünderungen blieben darum nicht aus. So berichtete unter dem 26. Juni 1800 der Landrichter aus dem zu Bayern gehörigen, aber noch im Schwäbischen gelegenen Türkheim von Feldverwüstungen, Pferderaub und anderen Plünderungen durch die Franzosen: «Selbst begünstigt werden die Räubereien in der Stille, weil sogar Depositenkassen gehalten werden, wo das geraubte Geld abgelegt wird; es ist außer Zweifel, daß besonders zur Nacht­ zeit Abteilungen in kleinere Orte nur deswegen fortgeschickt werden, damit sie viel zurückbringen. * 179 Verschiedentlich flohen darum die Einwohner vor den anrückenden Franzosen. Der Galerieinspektor Huber aus Schleißheim berichtete von Leuten aus Schwabhausen und Dachau, die mit ihren Habseligkeiten hinter den Mauern Münchens Schutz suchten.189 Darum gab es auch vereinzelt Gewalttätig­ keiten von Seiten der Bevölkerung gegen Armeeangehörige. Freiherr von Hertling meldete am 23. Juni aus Mindelheim: «Auch hörte man von mehreren Orten in der Gegend, daß einzelne marschierende Franzosen in den Wäldern durch Flintenschüsse teils schwer verwundet, teils getötet worden seien; von ersteren wurden mehrere in das hiesige Spital gebracht.'181 Eine Mitteilung aus Landsberg vom 24. Juni sagte: «Verflossenen Freitag wurde das Schlagwerk an der Turmuhr in Landsberg laufend; dieses brachte die Franzosen in Alarm, sie liefen aus den Häusern, verließen ihre Posten und riefen: ,Bauer kuml"182 Ein von Generalleutnant Grenier zu Regensburg am 14. August herausgegebener zweisprachig gedruckter «Aufruf an die Bewohner der durch den linken Flügel der Rheinarmee in Besitz genommenen Länder' stellte fest: «Es ereignen sich täglich in euren Gegenden gehäufte Meuchelmorde. Mehrere Einwohner und fränkische Militärpersonen fielen unter den Streichen einiger Böse­ wichter, die in den Wäldern umherstreifen. Die Urheber dieser Verbrechen sind Vagabunden, zu denen sich einige übelgesinnte Landesbewohner gesellen, die sich täglich neuer Missetaten schuldig machen. Euer vorzüglichstes Interesse, ihr Land­ leute, ist es, eure Gegenden von den Frevlern zu reinigen,... Entdeckt die Schlupf­ winkel, wo sie sich verbergen.'188 Das Waffentragen wurde verboten, und die 1,8 Stadtarchiv München, Archiv des Historischen Vereins von und für Oberbayern, Msc. 357, Tagebuch des Galerieinspektors und Malers M. Huber über die von 1796-1816 in und um Schleißheim vorgefallenen Kriegsbegebenheiten, Bl. 5. 17’ HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 361. •so Stadtarchiv München, Archiv des Historischen Vereins von und für Oberbayern, Msc. 357, a. a. O., Bl. 5. 181 HSA München, Abt. H, Alte Abt. B, Nr. 361. 181 Stadtarchiv München, Wehramt 388. ,8S HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 361.

3. Republikanische Bestrebungen nach 1800

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Gemeinden, in denen ein Meuchelmord vorfiel, wurden mit militärischer Exekution bedroht. Eine zweisprachig gedruckte .Kundmachung' von bayerischer Seite, gegeben den 24. August zu München, warnte die Untertanen ebenfalls vor Ex­ zessen.184 In 500 Exemplaren wurde das kriegsgerichtliche Urteil über einen Bauern aus Linda auf Kosten des Verurteilten gedruckt und verbreitet, der wegen eines allerdings nicht vorsätzlichen Mordes an einem Franzosen zwanzig Jahre in Eisen gelegt wurde.188 Solche Vorfälle gab es also; aber sie bestimmten keineswegs das Verhältnis der Bevölkerung zu den siegreichen Franzosen. Im Gegenteil: Die Masse aller zeit­ genössischen Äußerungen rühmte gerade im Gegensatz zu dem Verhalten der Kaiserlichen das gute Betragen der französischen Truppen. Die Österreicher be­ nahmen sich auch als Geschlagene denkbar schlecht. Schon im Schwäbischen hatte die Bevölkerung für den sich zurückziehenden Kray nur Hohn und Verwünschungen. Als er noch bei Ulm stand, waren auf seinen Befehl 36 000 Obstbäume umgeschlagen worden, um freies Schußfeld zu erhalten. Aus Sorge, Moreau würde ihm die Rückzugslinie abschneiden, gab er im Juni diese starke Stellung auf und zog mit dem Gros der Truppen in östlicher Richtung ab. In einem Gedicht .Auf den Abzug der Österreicher von Ulm 1800', das nach der Melodie des Abendliedes Paul Ger­ hards «Nun ruhen alle Wälder' zu singen war, kommentierte ein Ulmer dieses Ereignis: Statt den mit eitlen Worten angekündigten Sieg zu erfechten, gaben die Kaiserlichen nun Fersengeld:

.Des falten wir die Hände und jauchzen, daß zum Ende der wilde Krieg sich neigt. Viel schadeten uns Feinde, doch haben unsre Freunde sich noch barbarischer bezeugt. Drum geht, Ihr Jammerbrüder, geht hin und kommt nie wieder, kein Mensch euch hier begehrt! Schon über Jahr und Tage habt ihr zu unsrer Plage des Landes bestes Mark verzehrt.'

Der Verfasser zweifelte nicht an dem endgültigen Sieg Frankreichs, das in der Person des ersten Konsuls ihm sogar berufen schien, ganz Europa neuzugestalten:

.Drum, guter Franz der Zweite, breit' aus dein Flügelein beide und nimm dein Häuflein ein! Es hat schon viel gelitten und wenig Ruhm erstritten und ist nun schüchtern, schwach und klein. 184 Stadtarchiv München, Wehramt 168.

185 Ebenda.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Was willst du deine Lieben noch fernerhin betrüben mit Krieg und Ungemach? Verhüte du den Schaden und gib in hohen Gnaden Europens erstem Konsul nach I'188

Im Bayerischen war das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Österreichern eher noch schlechter als besser. Aus Abensberg und Umgebung wurde berichtet: „Seit dem Verluste bei Biberach kommt nun alles wieder von Schwaben zurück und zeigt statt Demut der Besiegten einen eigentlichen Destruktionsgeist, dessen trauriger Wirkung nur durch Mut Einhalt getan werden konnte. Dieser befiel aber unsere Einwohner um so mehr, je unerträglicher diese Troßleute waren, die von hier und der Gegend nicht eher wegzogen, als bis die Franzosen bei Landsberg und Augsburg über den Lech zogen und in Bayern selbst vordrangen. * 187 Der Landrichter von Pfaffenhofen meldete am 1. Juli unbeschreibliche Exzesse der Kaiserlichen vor ihrem Abmarsch. Ein Leutnant mit dreißig kroatischen Husaren ging schließlich so weit, Bürgermeister und Ratsdiener ohne jeden Grund fünfzig Stockschläge verabfolgen zu wollen. .Alle gütlichen Mittel waren vergebens, und man war genötigt, die Sturm­ glocke anzuziehen. Hier ergriff sie wieder der angewohnte Schrecken, und sie nahmen den Reißaus.'188 Die öffentliche Meinung in München, das noch keinen Franzosen gesehen, aber Nachrichten aus anderen Gegenden erhalten hatte, war Mitte Juni eindeutig profranzösisch: .Man ist viel zufriedener mit dem Betragen der Franzosen gegen 1796 und hegt mehr Widerwillen gegen die Kaiserlichen. * 188 .Als wir uns München näherten', so schrieb Divisionsgeneral Decaen, .war ich angenehm überrascht, auf der Straße drei- bis viertausend Personen beiderlei Ge­ schlechts anzutreffen ; viele waren mehr als eine halbe Meile uns entgegengegangen. Das größte Vertrauen, ich könnte sogar sagen, die Freude spiegelte sich auf allen Gesichtern. Bei Ankunft in einer französischen Stadt würden wir gewiß nicht mehr Neugierige gesehen haben, um uns so zu empfangen . * Und über den Einzug in München selbst: .Ich war erfreut, alle Fenster mit Zuschauern besetzt und den Eifer zu sehen, mit welchem man von allen Seiten herbeikam, um die Franzosen zu schauen. Bei diesem hinreißenden Anblick schien es, als ob wir vielmehr Befreier als Feinde waren.'180 Unmittelbar nach seinem Einzug in die Hauptstadt erließ Decaen 1M Steiß, Karl/Mehring, Gebhard, a. a. O., S. 751/52. 167 Stoll, Franz Xaver, Kriegsberichte aus den Jahren 1800 und 1809, was sich in der Stadt und dem Landgerichte Abensberg ereignet. Herausgegeben von J. R. Schuegraf. In: .'Ver­ handlungen des historischen Vereins für Niederbayern', Bd. 7, S. 163, 1860. 1M HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 361. 1M Rott, Jakob, a. a. O. 1,0 .Lorsque nous approchâmes de Munich, je fus agréablement surpris de rencontrer sur la route trois à quatre mille personnes des deux sexes; beaucoup s'étaient avancées & plus d'une demi-lieue au-devant de nous. La plus grande confiance, je pourrait même dire la joie se peignait sur toutes les figures. Arrivant dans uns ville française, nous n'aurions certainement pas vu plus de curieux venir ainsi à notre rencontre... Je fus flatté de voir

3. Republikanische Bestrebungen nach 1800

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am 30. Juni auch eine zweisprachige Ordre, die seine Soldaten vor Exzessen warnte.1*1 Es war eine gewinnende Geste, die ein Münchener am 29. Juni in seinem Tagebuche festhielt: .Indessen zog ein Bataillon leichter Infanterie in die Kreuzkaseme und verschenkte alles von unserem bayerischen Militär an unbedeutenden Kleidungs­ stücken ... Zurückgelassene an hiesige Arme.' 192 In einem Brief vom 3. Juli hieß es: «Im ganzen kann man noch nicht über den Einmarsch, Besetzung und das Betragen der feindlichen Armee klagen; im Gegenteil ist ihre Behandlung als unserer Eroberer sehr menschlich. Ich war gestern um 3 Uhr wieder in Schwabing und sah, daß leider die Nichtkenntnis der feindlichen Sprache und der rauhe, beleidigende Charakter unserer Landleute an den meisten Exzessen schuld ist.' 199 Landshut war von den Franzosen schlimm mitgenommen worden,- aber auch hier richtete sich der Zorn der Einwohner nicht gegen sie: »Wir würden das nicht auszustehen gehabt haben, was wir dem Widerstand der Kaiserlichen unter Erzherzog Ferdinand mutmaßlich auf höheren Befehl (denn Kray war mit Landshut sehr unzufrieden) zu danken haben', meldete ein Brief vom 13. Juli. Ein anderer vom 18. Juli gab nähere Details: .Wer kann an das Elend der ganz unschuldigen Bürger, wer kann ohne Verachtung an die Urheber davon denken! - Der Krieg bringt schreckliche Obel, oft unausweich­ liche mit sich,- ist es hier aber notwendig gewesen, die Stadt der Plünderung preis­ zugeben, da die schwache Deckung derselben bereits aufgefordert und ihr un­ gekränkter freier Abzug angeboten war, am siebenten nämlich? War es nicht toll und wider alle Kriegsregeln, nachdem schon alles in voller Retirade war, noch zum Unglück der Bürger aus den Kellern zu feuern? War man nicht übermannt? Doch es ist geschehen. Jeder wird wissen, welche unauslöschlichen Empfindungen es in seinem Herzen zurückließ und wer seine Achtung und Liebe verdient.'194 Sehr eindrucksvoll waren auch die ordnungsmäßigen kriegsgerichtlichen Verfahren der Franzosen. Eine Münchener Tagebuchnotiz vom 21. September berichtete von einem solchen Prozeß gegen drei des Mordes an einem Franzosen angeklagte Bauern: .Jedermann durfte dem Kriegsrecht beiwohnen, und es wurde ausdrücklich gefragt, ob sich niemand als Stellvertreter ihrer annehmen wolle, welches dann der kur­ fürstliche Auditor Gruber übernahm und die Sache dahin brachte, daß solche frei­ gesprochen und entlassen worden sind.' 191 Sehr instruktiv ist ein Vergleich dreier Stimmen, die alle um nahezu die gleiche Zeit ihre Gedanken dem Papier anvertrauten und dabei recht unterschiedliche Grund­ ansichten besaßen. Die erste war ziemlich konservativer Observanz und froh, daß die Sorge um das Nächste die Menschen hemmte, an weitergehende prinzipielle Veränderungen zu denken. Sie äußerte sich am 20. Juli auf Grund von Unterhal­ tungen im begrenzten Kreise folgendermaßen: .Im ganzen fürchtet man den Fran­ zosen und haßt den Kaiserlichen, wünscht, den einen nie gesehen, den anderen nie toutes les croisées garnies de spectateurs et l'empressement avec lequel on arrivait de tous les côtés pour voir les Français. À ce ravissant spectacle, il semblait que nous étions plutôt des libérateurs que des ennemis.' Mémoires et journaux du général Decaen, a. a. O., S. 43 ff. 111 Stadtarchiv München, Wehramt 168. 1K Rott. Jakob, a. a. O. Ebenda. ,w Ebenda. »•» Ebenda.

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IX Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

gekannt zu haben. Einstimmig ist aber die Meinung, daß der Freund in einem Tage mehr Schaden verübt als der Feind in drei. Man würde den Kaiserlichen das mit Fluchen und Verwünschungen gegeben haben, was man den Franken mit Schmerzen gibt.'19ft Die zweite Stimme vom gleichen Datum gehörte einem gemäßigten Liberalen, der den Gedanken an Revolution und Republik weit von sich wies und meinte, daß bei Auswechselung einiger leitender Beamter die bestehende Regierungs­ form noch tragbar wäre. Er schrieb: .Sie kamen als Sieger, Eroberer und Feinde, und wie haben sie uns behandelt? - Mehr als menschlich, großmütig und edel! Sie werden vielleicht wegziehen, und der schwarze Undank (wird - H. S.) ihnen auf der Ferse folgen. Dies ist die Sprache der Republikaner, dieser Mensch ist fran­ zösisch gesinnt, würde mir so mancher Adlige oder Höfling entgegenkreischen, wenn ich diese meine Meinung laut äußern würde, allein, da dies im Grunde weder mir noch der guten Sache etwas hülfe, so will ich schweigen,.. .* 197 Die dritte Stimme gehörte einem ausgesprochenen Franzosenfreund und äußerte sich unter dem 17. Juli folgendermaßen: .Zieht, Menschen, die ihr uns den Frieden mit eurem Blute erkauft habt; es möge euch wohl durch euer ganzes Leben gehen! - Wer redlich und gerade denkt, wird euch segnen. Denn alles Übel, das eure Gegenwart über Deutschland brachte, war Folge des Krieges, daran ihr unschuldig wart. Der Soldat, der heute bis morgen lebt, kann kein Lamm, Kopfhänger oder strenger Moralist sein. Ihr fügtet uns lange das Böse nicht zu, das unsere verbündeten Freunde im reichlichen Maße über uns schütteten. Mein Herz vergibt gerne jedem, aber ver­ gessen wird es nie den Besseren! Friede euch, Friede der Menschheit! Wenn unsere Ernte unsere Scheunen füllt, wenn drückende Teuerung von uns weicht, wenn Ströme vom Blute unserer Brüder zu fließen aufhören, wenn Witwen und Waisen, die arme Klasse der Menschen wieder einen Bissen Fleisch essen und der Landmann mit Freudentränen den Himmel segnet und dankt, wenn alles, selbst die zerstörte Natur, froher auflebt und jung und alt sich seines Daseins freut, so gebührt euch der Lohn! - Nur der Unvernünftige, Neidische oder Bösartige kann euch noch hassen oder als Feinde der Menschheit betrachten; er, der wie ein Schurke euer Angesicht floh, sein Bestes mit sich nahm und seine Brüder ihrem Schicksale überließ! ... Ihr hattet unser ganzes Schicksal in Händen, habt uns besiegt, erobert und bleibt mitten im Siege Menschen! - Es heißt: Ihr habt geplündert, Exzesse gemacht; was tat unser Freund, wie würde er in Landshut an eurer Stelle gehandelt haben, wo er an dem Blute so vieler Unschuldiger schuld ist? Wie würde er in eurem Lande gewütet haben? - Weg mit dem Bilde; Friede euch, Ruhm und Segen! - Friede und Wohl den Völkern, und Vergessenheit über alles, was geschehen ist!'198 Die Stimmen aus allen drei Lagern bestätigten die allgemein günstige Gesinnung den Franzosen gegenüber, selbst wenn sie wie im ersten Fall ihre Kraft nur aus dem Vergleich mit den Kaiserlichen zog. Eine solche Gesinnung stand in diametralem Gegensatz zur offiziellen bayerischen Politik, die an der Seite Österreichs den Krieg gegen Frankreich fortsetzte. Mißtrauen in die staatliche Leitung war das geringste, “• Ebenda. in Ebenda. lM Ebenda.

3. Republikanische Bestrebungen nach 1800

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was sich aus diesem Gegensatz mit Notwendigkeit ergab. Eine Tagebuchnotiz vom 15. Juni stellte fest: .Man hat alle Liebe, alles Vertrauen, allen Mut verloren, weil man sich verkauft, geäfft, verraten glaubt. Es ist wirklich für jeden Gefühlvollen unsere Lage höchst schmerzhaft. Man entblößt das Land von allen streitbaren Männern, die verschwinden, man weif} nicht wohin und warum.'1*9 Die Überzeugung war weit verbreitet, daß die .Subsidien die einzige Ursache an allen dermaligen Drangsalen Bayerns wären, daß uns außer diesem die Gallier aufs freundschaft­ lichste behandelt und an uns weder Kontribution noch Requisitionen gefordert . * hätten 200 Sehr bald bildeten sich auf dem Boden dieser allgemeinen Unzufriedenheit die ersten Keime einer aktiven und prinzipiellen Kritik heraus. Die Anwesenheit der Franzosen war bereits ein Faktor, der die bestehende Ordnung empfindlich störte. Die Soldaten nahmen selbstverständlich keinerlei Rücksicht auf das ausschließliche Privileg des Hofes, Treibjagden zu veranstalten. IhrVerhalten ermunterte Münchener Bürger, es ihnen gleichzutun. Sie liehen sich von ihrer Einquartierung Uniform­ röcke, die sie für die kurfürstlichen Wildhüter unangreifbar machten, und be­ teiligten sich daran.201 Der Auftrag der Regierung an den Stadtmagistrat vom 6. Juli, .das Jagen streng zu verbieten', bestätigte mehr die Tatsache der Gesetzesverletzun­ gen, als daß er ihnen Einhalt gebieten konnte.202 Alle möglichen kleinlichen behörd­ lichen Verbote wie das Tabakrauchen auf offener Straße wurden nach dem Beispiele der Franzosen auf provozierende Weise mißachtet. Die Hutmachergesellen warfen regelmäßig das Schilderhaus des Bürgerpostens am Kosttor um, ohne daß es möglich gewesen wäre, derartige Übergriffe zu ahnden. Die französischen Soldaten, die zu­ sammen mit der Bürgerwache den Ordnungsdienst versahen, ließen jeden wegen solcher Verstöße Arretierten wieder laufen.200 Solche Erscheinungen, auch wenn sie, einzeln genommen, harmlosen Bubenstreichen gleichkamen, besaßen symptomatische Bedeutung. Was ein Zeitgenosse und Gegner eines Umsturzes befürchtete, daß näm­ lich .böse Beispiele, ... langer, vielleicht oft vertrauter Umgang mit religions- und sittenlosen Galliern, vorzüglich auf den Wachstuben', der bestehenden Ordnung gefährlich werden könnten, war nicht unbegründet.204 In den Café- und Wirts­ häusern durften sich die Franzosenfreunde bereits außerordentlich offene Worte erlauben. Hier feierte man ihre Ankunft: .Nun werde es in Bayern bald besser wer­ den.' Hier konnte der jüngste Angestellte eines reichen Kaufmanns einem kurfürst­ lichen Hofdiener öffentlich ins Gesicht sagen: .Wenn auch jemals der Kurfürst wieder nach München kommen sollte, glaubt ihr denn, daß wir nach ihm oder euch Ebenda. 2011 Beiträge zur Vaterlandskunde Bayerns oder freimütige Schilderung der Geistlichkeit und des Bürgerstandes, auch des Betragens der Franzosen in diesem Lande, o. O. 1800, S. 13. 201 Fahrmbachar, Hans, Aus Münchens Zeiten der Franzosennot. Zur Erinnerung an das schwere Jahr 1800/01. Auf Grund der Kriegsdeputations- und Generalhofkommissariatsakten er­ zählt München 1900 S. 55/56. 202 Stadtarchiv München, Wehramt 168. :M Fahrmbacher. Hans, a. a. O., S. 56/57. 204 Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O-, S. 10. 42 Süddeutsche Jakobiner

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

etwas fragen werden?'206 Hier erntete ein französischer Soldat aus dem Elsaß, der die Münchener aufforderte, Republikaner zu werden, lauten Beifall sogar von dem Hoffriseur Kammerloher.20® Waren das noch Worte oder solche Taten, die an Oberflächenerscheinungen der herrschenden Ordnung kratzten, so berührte das Verhalten gegenüber den direkt oder indirekt vom Kurfürsten befohlenen militärischen Maßnahmen schon einen Lebensnerv des bestehenden Regimes. Es begann bereits an der Grenze mit der Weigerung dortiger Einwohner, den Vormarsch der Franzosen zu erschweren. Ein bayerischer Hauptmann meldete am 7. Juni seinem Oberkommandierenden, dem Herzog Wilhelm, daß er die Untertanen des eine Stunde nördlich Landsberg ge­ legenen Ortes Kaufering nur mit Gewalt dazu bewegen konnte, die Brücke über den Lech abzudecken. Am selben Tage teilte er mit, daß der Vorpostenkommandant in Landsberg .die zuverlässige Nachricht erhalten, daß von hier Leute seien aus­ geschickt gewesen, unsere Stärke, Position, Lage und die Anzahl des Geschützes und (der - H. S.) Munition zu erforschen'.207 Nicht nur durch passiven Widerstand also, sondern durch aktive Schädigung der militärischen Operationen der verbündeten Truppen wurde der Vormarsch der Franzosen von Teilen der bayerischen Bevölke­ rung unterstützt. In den östlichen Gebieten, wo sich zunächst ähnliche Gelegen­ heiten nicht boten, äußerte sich die Ablehnung der kurfürstlichen Kriegspolitik vornehmlich im Widerstand gegen die Rekrutenaushebungen. Die Aufstellung des zusätzlichen Landesdefensionskorps machte die größten Schwierigkeiten. Im Land­ gericht Kötzting, wo sich .auf beschehenes obrigkeitliches Vorrufen kein Bursch zur gesetzmäßigen Kapitulantenauswahl gestellt' hatte, mußten Kavallerieabteilun­ gen die Dienstunwilligen zusammentreiben.200 Natürlich war mit so gepreßten Leuten kein Staat zu machen. Sie dersertierten in Massen. Der Kurfürst hoffte vergebens, sie durch den Erlaß des Generalpardons vom 23. Juli wieder zu den Fahnen zurück­ holen zu können.200 Diese Ansätze zu aktivem Widerstand gegen die Regierungspolitik und zu prin­ zipieller Kritik an der bestehenden Ordnung auf der Basis einer allgemeinen Unzu­ friedenheit bestätigten das Bild, das in einem Münchener Brief vom 3. Juni, also schon Wochen vor dem Einmarsch der Franzosen, von der Stimmung der Bevölke­ rung entworfen worden war. DerBriefschreiber unterschied drei Parteien: Die Partei, die sich mit der Politik der Regierung solidarisierte, nannte er die der Pfälzer; sie galten als Fremde, die keinen Zugang zur Masse der Bevölkerung besaßen. Die andere Partei bildeten die Bayern, die keine Aufrührer, aber unbedingte Gegner des österreichischen Bündnisses waren,- der Briefschreiber selbst zählte sich zu ihr. .Nun gibt es aber noch eine beträchtliche, ja ungemein zahlreiche Menge, die weder m Ebenda, S. 16. “• Fahrmbacher. Hans. a. a. O., S. 57. ™ HSA München, Abt. n. Alte Abt. B, Nr. 336. 106 Tumulte entstanden auch in den Landgerichten Reichenhall, Traunstein und Marquartstein, als die Holzmeister in den Gebirgen zur Reknitenstellung aufgefordert wurden. Neuer Nekrolog der Deutschen, 2. Jahrg., T. 2, Ilmenau 1826, S. 688. Heilmann, Joachim, Der Feldzug von 1800 in Deutschland. Mit besonderer Bezugnahme auf den Anteil der bayerischen Truppen bearbeitet. Berlin 1886, S. 93.

3. Republikanische Bestrebungen nach 1800

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Pfälzer noch Bayern, sondern ganz Republikaner sind. Sie haben aber kein Vaterland wie die Franken, sondern ihr Vaterland ist da, wo sie herrschen. Ihnen gilt die Ge­ burt des Menschen gleich: Bayer oder Türk,...'210 Die letzten Sätze des Zitats kennzeichnen den Verfasser als typischen deutschen Spießbürger, der ein halbes Jahrhundert später den Kommunismus mit den gleichen unsinnigen Argumenten be­ kämpfte. In unserem Zusammenhang allein wichtig aber ist die Bestätigung der Tatsache, daß republikanische Bestrebungen mit einer Massenbasis rechnen konnten. Allerdings bedurfte es einer Führung, um die noch sehr allgemeinen, mehr oder weniger unklaren radikalen Tendenzen in eine zielgerichtete Kraft zu verwandeln. Es gab eine solche Führung: Die bayerischen revolutionären Demokraten, die sich zum erstenmal um die Wende des Jahres 1798/99 mit der programmatischen Flug­ schrift .Über Süddeutschland' an die Öffentlichkeit gewendet hatten.211 Inzwischen waren sie zahlenmäßig und organisatorisch stärker geworden; unter den veränderten Bedingungen, die mit dem siegreichen Vordringen der Franzosen gegeben waren, intensivierten sie ihre Wirksamkeit und stellten eine Kraft dar, die zu Buche schlug. Das heißt nicht, daß sie stark genug gewesen wären, aus eigenen Mitteln eine revo­ lutionäre Umwälzung durchzuführen oder gar die französische Politik gegenüber Deutschland zu bestimmen. Dazu fehlten bei der Rückständigkeit der bayerischen Verhältnisse die Voraussetzungen. Sie brauchten die Hilfe Frankreichs und wußten es. Mit französischer Unterstützung jedoch durften sie auf einen Erfolg ihrer Be­ mühungen hoffen. Die herrschende Feudalklasse hatte guten Grund, die revolu­ tionäre Bewegung zu fürchten, und auch die französische Armeeführung konnte nicht achtlos an ihr vorbeigehen. Das revolutionäre Zentrum befand sich in München. Über seine Organisation und Tätigkeit liegen verschiedene zeitgenössische Berichte vor. Die erste öffentliche Denunziation erfolgte von liberaler Seite, die damit ihre grundsätzliche Revolutions­ feindlichkeit dokumentierte. Der Denunziant war nach den Mitteilungen des öster­ reichischen Polizeispitzels Armbruster der Professor Salat.212 Er veröffentlichte 1801 als .Beiträge zur Vaterlandskunde Bayerns' die Sammlung .Vertrauliche Briefe aus München vom 1. Julius bis letzten Dezember 1800, an einen Freund außerhalb Bayerns geschrieben'.213 Salat als Aufklärer war überzeugt, daß die von den Pfaffen gepflegte Bigotterie und Dummheit ebenso wie die Privilegienwirtschaft nicht auf­ rechtzuerhalten waren. Der Adel mußte auf verschiedene Privilegien, so bei der Ämterbesetzung und Besteuerung, verzichten, seine Feudalforderungen mäßigen und der Ablösbarkeit aller Lasten zustimmen, wenn er nicht seine Existenz aufs Spiel setzen wollte. Die nach Maximilian Josephs Regierungsantritt begonnenen Re­ formen bewegten sich in dieser Richtung und fanden darum den ungeteilten Beifall des Verfassers. Alles sollte von oben und durch freiwilligen Entschluß der Privi­ legierten, aber nie und nimmer durch eine demokratische Revolution von unten «• Rott, Jakob, a. a. O. ™ Vgl. S. 469. 118 Fournier, August, a. a. O., S. 248. 513 Beiträge zur Vaterlandsurkunde.. ., a. a. O., S. 5 ff. Die .Vertraulichen Briefe' machen den Inhalt der .Beiträge' aus. Die .Beiträge' sind außerdem in extenso in der .National­ zeitung', Jahrg. 1801, Stück 23, 25 und 31, abgedruckt. 42«

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bewirkt werden. Die liberale Gesinnung des Verfassers mag ihn den Münchener Revolutionären vertrauenswürdig gemacht haben, so dal} er einigen Einblick in ihre Organisation gewinnen konnte, die er nun schamlos verriet. Nach dem Zeugnis des Professors Salat hatten sich die Revolutionäre in einem Klub organisiert. Vorzüglicher öffentlicher Sammelpunkt war der B-Garten. Als .Klubisten-Chef' bezeichnete er einen gewissen N. „Daß dieser Revolutionsklub mit auswärtigen, vorzüglich jenseits des Rheins, Zusammenhänge, ist sehr wahrschein­ lich. Der Name des Chefs desselben, der seit der Anwesenheit der Franzosen etliche Mal hier war, ist mir nicht bekannt worden. Der Unterchef aber, ein geborener Elsässer oder Rheinländer, der die hiesige Versammlung dirigierte, hieß S.... e und gab sich für einen französischen Kapitän aus. Eingeborene Franzosen sind, wie man mir sagte, nicht dabei. Doch zweifle ich an diesem Vorgeben, weil einige ihre Hauswirte fragten, ob sie den Klub nicht besuchten. Ihre Hauptloge halten sie in dem B... v. H... Hause in der W... Straße, und kleinere Zirkel versammeln sich in den Häusern einiger Mitglieder. Einer der tätigsten Klubisten ist ein gewisser V..., ehemals sogenannter Hofmeister und in ziemlich dürftigen Umständen, jetzt aber wohlgekleidet, mit Sackuhren, Ringen und barem Gelde wohlversehen. Im Monat Julius 1800 war er, seinem Vorgeben nach, in Braunau auf Mission; und im August wollte er eine Reise nach Wien machen.' 214 Dafj diese Angaben im wesent­ lichen den Tatsachen entsprachen, bestätigen die Aussagen des späteren Sekretärs im Medizinalkollegium Kraus, der sich ein Menschenalter danach als Teilnehmer an diesen Bestrebungen bekannte: .Wir wollten hier zu München, am Ende des vorigen und im Beginn des laufenden Jahrhunderts, im Verein mit dem benachbarten Schwaben, eine süddeutsche Republik gründen. Unsere Versammlungen hielten wir in einem Keller in der Weinstraße, wo sich auch schwäbische Abgeordnete einfanden. Alle Vorbereitungen waren getroffen; wir hatten eine geheime Druckerei; gedruckte Proklamationen lagen da in Masse und warteten der Verkündigung. * 215 Beide Gewährsleute bestätigten die Existenz eines organisierten und organisieren­ den Zentrums, beide bestätigten die Verbindung zu außerbayerischen Revolutionären. Die Angabe von Kraus, dafj es sich bei den Nicht-Bayern um schwäbische Revo­ lutionäre handelte, verdient unbedingte Glaubwürdigkeit. Abgesehen davon, dafj es die freiwillige Angabe eines Beteiligten war, verlangte auch die ganze Zielsetzung einer süddeutschen Republik, in der rein gebietsmäßig Schwaben eine bedeutende Rolle spielte, Kontakte in dieser Richtung. Mit einigen Vorbehalten andererseits ist der Annahme der .Vertraulichen Briefe * zu begegnen, daß die Verbindungslinien vorzüglich ins Linksrheinische gingen und Abgesandte von dort im Münchener Zentrum eine leitende Stellung innehatten. Hier wirkte sich zu einem Teil zweifellos die spießbürgerlich-reaktionäre Vorstellung aus, daß bei allen revolutionären Um­ trieben letzten Endes immer Frankreich seine Hand im Spiele haben mußte. Ganz deutlich drückte sich das in der folgenden Behauptung der .Vertraulichen Briefe * aus: .Der Klub läßt sich angelegen sein, von München aus alles nach Paris zu be­ 214 Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O., S. 18. 115 Neumann, Karl Friedrich, a. a. O., S. 287.

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richten und auf jeden, dem er gram ist, die gröbsten Verleumdungen im Moniteur einrücken zu lassen. So hat z. B. dieses Blatt die schändlichsten Dinge von unserem Minister der auswärtigen Geschäfte erzählt und sogar, aus Rache gegen diesen, die Ehre einer gewissen jungen Dame gröblich beleidigt.' 216 Es ist durchaus möglich, daß die bayerischen Revolutionäre auch auf diese Weise für ihre Sache warben, indem sie die öffentliche Meinung in Frankreich gegen die Regierung des Kurfürsten zu beeinflussen versuchten; die französische Presse - Frankreich befand sich immerhin im Kriege mit Bayern - hatte für Nachrichten dieser Art sicher ein ähnliches Inter­ esse wie der Generalstab Moreaus für Berichte revolutionärer Emissäre über mili­ tärische Angelegenheiten aus Braunau oder Wien. Aber das schloß eine echte Unter­ stützung der Gesamtheit der revolutionären Ziele keineswegs mit Notwendigkeit ein. Die Behauptung Professor Salats, daß ein französischer Bürger aus dem Links­ rheinischen, womöglich sogar ein Hauptmann, das Münchener Zentrum .dirigierte', ist unglaubwürdig, nicht so allerdings die Teilnahme linksrheinischer Revolutionäre überhaupt. Als das schwäbische Zentrum 1798/99 den Höhepunkt seiner Wirksamkeit erreichte, arbeitete es eng mit revolutionären Kräften von jenseits des Rheins zu­ sammen. Der schwäbischen Organisation war das Rückgrat gebrochen worden, so daß sie 1800 am Oberrhein nur spärlich und in Württemberg überhaupt nicht in Er­ scheinung trat, was jedoch nicht ausschließt, sondern umgekehrt gerade wahrschein­ lich macht, daß nun verschiedene unentwegte Revolutionäre dieses Kreises neue Möglichkeiten bei einem Anschluß an die bayerische Bewegung erhofften, die sich jetzt erst kräftig entfaltete. Diese Annahme stützt sich nicht nur auf die Mitteilungen von Kraus und Salat, son­ dern wird auch durch das Erscheinen einer Flugschrift erhärtet, deren Titel lautete: .Constitution der Republik Frankreich vom Jahre 8. Mit aufklärenden Noten, Basel 1800.' Es liegt kein Grund vor, den angegebenen Druckort nicht für echt zu halten. Basel aber war der Hauptausgangsort der Propaganda für eine schwäbische Republik gewesen; hier war der .Verfassungsentwurf' gedruckt worden 217; von hier aus versuchte Jägerschmidt selbst noch im Jahre 1800, für einen revolutionären Umsturz im Badischen zu arbeiten.212 Obwohl die .Constitution' im Bayerischen verbreitet wurde, kennzeichnete sie aber ihr Inhalt eindeutig als außerbayerisches Produkt und den Bestrebungen der südwestdeutschen Revolutionäre zugehörig. Die Flugschrift machte ihre Leser mit dem Text der Konsularverfassung bekannt und kommentierte ihn mit eigenen Noten. Im Unterschied zu sämtlichen programma­ tischen Äußerungen der bayerischen Revolutionäre, angefangen von der Schrift .Über Süddeutschland' bis zu den neuesten Veröffentlichungen, die noch im ein­ zelnen analysiert werden, propagierten die .aufklärenden Noten' eine Vereinigung Süddeutschlands mit den deutschen Teilen der Schweiz, einen Gedanken also, den die Revolutionäre im deutschen Südwesten 1798/99 energisch verfolgt hatten, von dem Bayern jedoch unberührt geblieben war. In der ersten Note hieß es: .Die Schweiz würde vielleicht besser daran sein, wenn sie ihre italienischen Grafschaften an die :is Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O„ S. 19. «» Vgl. S. 486. Vgl. S. 567/68.

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dsalpinische Republik, dann Wallis und das Gebiet am linken Aare-Ufer an Frank­ reich abtreten, dafür aber folgende Vergrößerung und Grenzen, vielleicht unter dem Namen Süddeutschland, erhalten würde: Von Mainz nach dem Main hinauf auf den Fichtelberg, nach der dermaligen böhmischen Grenze hin, bis wo die Enns in die Donau fällt, nach der Enns hinauf auf den höchsten Rücken der salzburgischen, tiro­ lischen und Graubündner Eisberge an den Gotthard- und Furkaberg, von da nach der Aare hinab in den Rhein bis nach Mainz. * 219 Auffallend war auch die Gleich­ setzung der Schweiz mit den süddeutschen Gebieten, wie sie die siebente Note vornahm: .Würde Schweiz, Franken, Bayern und Schwaben eine Landesmasse mit einer ähnlichen Konstitution (ähnlich der Konsularverfassung - H. S.) bilden, so würde diese Provinz, die gegen sieben Millionen Menschen zählen dürfte, für die ersten Regierungsglieder mit der verhältnismäßigen Summe von 650 000 Gulden gewiß auslangen. Was kosten aber nicht jetzt in Franken, Schwaben, Bayern und der Schweiz alle Fürsten, alle ersten Magistratspersonen, alle Landschaftsglieder?... Und doch ist die Regierung größtenteils schlecht und das Volk unglücklich und jeder Willkür preisgegeben."229 Der Verfasser .vergaß", daß die Schweiz bereits eine hel­ vetische Republik war; er .vergaß * es, um Frankreich nicht wegen der halbkolo­ nialen Zustände dort kritisieren zu müssen und dennoch indirekt den Gedanken propagieren zu können, für den sich viele Schweizer 1798/99 nicht unempfänglich gezeigt hatten: durch die Verbindung sprachlich verwandter Gebiete zu einer grö­ ßeren Ländermasse an Gewicht und damit an Unabhängigkeit zu gewinnen. Eine solche Stimme, die die Vereinigung Süddeutschlands mit der Schweiz befürwortete, war eine Einzelerscheinung unter den in Bayern verbreiteten revolutionären Schrif­ ten, die nach Ausdehnungsmöglichkeiten der süddeutschen Republik höchstens in südöstlicher Richtung suchten. Die Existenz dieser Stimme bestätigt den Anteil außer­ bayerischer Revolutionäre an der bayerischen Bewegung; die Einmaligkeit einer solchen Stimme jedoch widerlegt die Behauptung der .Vertraulichen Briefe", daß im MüncheneT Klub Nicht-Bayern die Führung innehatten. Die leitenden Köpfe des revolutionären Zentrums in München waren Bayern. Die detailliertesten Angaben über diesen Kreis machte Johann Michael Armbruster, der als Mitarbeiter der Wiener Polizeidirektion in der Zeit vom 24. September bis zum 21. Oktober 1801 Bayern durchreiste und über die Ergebnisse seiner Spitzeltätigkeit einen aufschlußreichen Bericht abfaßte.221 Armbruster betrachtete die Erscheinungen von einem extrem-reaktionären, österreichischen Standpunkt. Hinzu kommt, daß die Spitzeltätigkeit sein Beruf geworden war, er also durch möglichst zahlreiche .Enthüllungen' seine eigene Tüchtigkeit zu beweisen und die Anerkennung seiner Brotgeber zu gewinnen trachtete. Aus diesen Gründen ergaben sich Verzerrungen der tatsächlichen Situation. Armbruster denunzierte Minister, Geheimräte, Legations­ räte, geistliche Räte, Kabinettssekretäre und sogar den Direktor der Münchener**• **• Constitution der Republik Frankreich vom Jahre 8. Mit aufklärenden Noten. Basel 1800, S. 6. m Ebenda, S. 21/22. 01 Der Bericht ist publiziert bei Fournier, August, a. a. O., S. 235 ff.

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Polizei, indem er sie alle ganz im Stile der konterrevolutionären Literatur der neun­ ziger Jahre zu mehr oder weniger tätigen Mitgliedern der Illuminatenpartei machte, die .den Kurfürsten und die meisten Zweige der Staatsverwaltung in ihrer Gewalt' hätten und angeblich den totalen Umsturz aller bestehenden Verhältnisse an­ strebten.222 Armbruster klassifizierte hier eine Politik als revolutionär, wie sie Bayern unter Montgelas eingeschlagen hatte und die tatsächlich kein anderes Ziel verfolgte, als durch Ausmerzung der allerschlimmsten Auswüchse des Feudalismus und Überwindung der tödlichen Stagnation die Herrschaft der Feudalklasse zu er­ halten. Immerhin mußte auch Armbruster zugeben, daß .viele in dem Rufe’ der Gleichgültigkeit und Untätigkeit für den Orden als Korporation * standen, und sogar den .Mangel eines Zentralpunktes und einer planmäßigen Organisation * fest­ stellen MS, Erscheinungen also, die der behaupteten Gefährlichkeit dieser Richtung entschieden widersprachen. Was der Bericht über die wirklich revolutionäre Be­ wegung auszusagen hatte, verdient dagegen stärkste Beachtung. Armbruster stellte den Illuminaten die Partei der Patrioten gegenüber, .die von dem Illuminatenorden nicht nur ganz unabhängig ist, sondern trotz der Ähnlichkeit der Tendenz und der Grundsätze mit demselben bisher in offenem Kampfe stand'.224 .Jene sind geheime, verkappte, diese offene Feinde des Fürsten; jene wirken in den höheren, kultivierteren Ständen, diese in den niederen Volksklassen; jene haben mehr Ausdehnung, mehr Macht durch Stand, Stellen und Einfluß, diese mehr Gemein­ geist, mehr zusammenwirkende planmäßige Tätigkeit; jene haben den Zweck, zu herrschen, schon erreicht, diese wollen ihn erst erreichen, daher sind jene in einem Zustande von Ruhe, diese in steter sichtbarer Bewegung.' 225 Obwohl diese Gegen­ überstellung den Fehler hat, daß das eine Vergleichsobjekt, die Partei der Illuminaten, in dieser Gestalt nur im Hirn des Polizeispitzels existierte, charakterisiert sie doch mit recht sicherem Blick die Partei der Patrioten. Allerdings ergibt die weitere Analyse, daß der extrem-reaktionäre Standpunkt Armbruster auch hier nicht die volle Wahrheit erkennen ließ: Er differenzierte ungenügend zwischen Liberalen, die eine Revolution vermeiden wollten, und überzeugten Revolutionären. Für ihn waren die liberale und die revolutionäre Bewegung nicht zwei Richtungen, sondern lediglich zwei zeitlich aufeinanderfolgende Etappen ein und derselben Rich­ tung, nämlich der Partei der Patrioten. In seiner Darstellung ging die in zahllosen Flugschriften zunächst propagierte Land­ tagsforderung von den Patrioten aus, die auf diese Weise die Revolution vorbereiten wollten. .Damals hielt man noch in Bayern selbst, wie im Auslande, diese Faktion für das Organ der Illuminaten, mit deren System ihre Handlungen in einem auf­ fallenden Einklang zu stehen schienen. * Eine Korrektur dieser irrigen Ansicht sei jedoch sehr bald möglich gewesen, als man von den Plänen erfuhr, wie sie vor­ nehmlich Utzschneider entwickelte: .... die Illuminaten zu stützen, ihre Stelle mit Gliedern der Patriotenverbrüderung zu besetzen, das Feudalsystem und die Zehnten aufzuheben, den Prälatenstand auszumerzen, den Adel zu schwächen und - was das ln Ebenda, S. 236. Ebenda, S. 236.

Ebenda, S. 239/40. “» Ebenda, S. 249/50.

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distinktive Prinzip dieser Faktion war - den Bauernstand nicht bloß unter die Land­ stände aufzunehmen, sondern demselben ein überwiegendes Gewicht in der Staats­ verwaltung zu geben, kurz, die monarchische Verfassung mit der demokratischen zu amalgamieren... Mit dem Einmärsche der Franzosen in die bayerischen Länder beginnt eine neue Epoche. Die Patriotenfaktion erklärte sich gewissermaßen als eine Art von Nationalrepräsentation und suchte im Gewirre des Kriegs und durch fran­ zösische Unterstützung in einigen Wochen zu erreichen, was nach ihren früheren Entwürfen das Werk einiger Jahre gewesen wäre. Klubs wurden formiert, Missionäre ausgesendet, Flugschriften und Aufrufe ausgeteilt, kurz, die ganze Revolutionstaktik angewendet, um einen allgemeinen Aufstand zu erregen.'229 Richtig beobachtet war die zunehmende Radikalisierung der liberalen Opposition, richtig beobachtet auch der Zeitpunkt des offenen Hervortretens der Revolutionäre, aber durchaus falsch war es, die liberale Bewegung geschlossen in die revolutionäre einmünden zu lassen, auch wenn einzelne Liberale sich zu Revolutionären entwickelten. Dieser Fehler macht verschiedene Angaben Armbrusters über die führenden Köpfe des revolutionären Zentrums in München zweifelhaft. Mit Recht suchte er sie vornehmlich unter der bürgerlichen Intelligenz, der Avantgarde des Bürgertums, die teilweise auch im Staatsapparat nicht unbedeutende Posten einnahm: .Mehrere Räte und selbst Professoren der juridischen Fakultät in Landshut, Männer von unruhigem Geiste, aber vielen Talenten, stehen in ihrer Verbindung. * 227 In dieser Hinsicht stimmen alle Zeugnisse, die nähere Mitteilungen über den führenden Kern enthalten, überein. General Decaen, der mit Vertretern der Bewegung verhandelt hatte, sagte, daß .sich alle durch ihr persönliches Verdienst, ihre Bildung, das Ansehen, das sie in der Gesellschaft genossen, auszeichneten und daß sie außerdem alle Eigentümer waren'.229 Die .Vertraulichen Briefe * gaben die Worte des fran­ zösischen Stadtkommandanten Ritay wieder, der sich einem Bekannten des Ver­ fassers gegenüber geäußert haben sollte, .daß sich unter dieser Rotte Menschen finden, die euer Fürst reichlich bezahlt'.229 Dasselbe bekräftigte Montgelas, wenn er in seinen Memoiren betonte, daß sich an den Umsturzvorbereitungen .Leute beteiligten, welchen man es nicht hätte zutrauen sollen,.. .* 239 Montgelas nannte «• Ebenda, S. 243/44. Ebenda, S. 245. as .Je dois dire aussi que ceux qui désiraient un nouvel ordre de choses en Bavière ... étaient tous distingués par leur mérite personnel, leur instruction, la considération dont ils jouissaient dans la société, et qu'en outre ils étaient tous propriétaires." Mémoires et journaux du général Decaen, a. a. O., S. 118. •** Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O., S. 15. An anderer Stelle heißt es: .So dienen bereits einige - vom Kurfürsten teuer bezahlte - öffentliche Beamte diesen Volksverführern zu ihren Absichten, oder sagt nicht ein gewisser L... v. H.. . den Bauern, zu denen er als kurfürstlicher Kommissär geschickt wird: .Liebe Leute! Ich sehe wohl ein, daß dies für euch zu hart ist; allein der Kurfürst befiehlt's - und mir und euch bleibt nichts übrig als gehorsamen!' - Gibt's wohl ein sicheres Mittel, die Untertanen dem Fürsten abwendig zu machen? Doch man kennt diesen Mann schon als einen der eifrigsten und verschmitztesten * Klubistenl Ebenda, S. 20. îM Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsministers Maximilian Grafen von Montgelas..., a. a. O„ S. 48.

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keine Namen; die .Vertraulichen Briefe' beschränkten sich auf die Angabe einiger Initialen, die mit einer Ausnahme nicht sicher identifiziert werden können; nur Armbruster bezeichnete eine ganze Reihe namentlich als Patrioten. Bei einem guten Teil der Genannten erscheint jedoch ihre Zugehörigkeit zu diesem Kreise recht zweifelhaft; sie gehören eher ins liberale Lager, das Armbruster nicht sauber von der revolutionären Gruppe zu trennen wußte. Das gilt für den Pfarrer Anton Bucher in Engelbrechtsmünster, diesen Feind der jesuitischen geistlichen Dressur231, oder für Simon Rottmanner, den hervorragenden Anwalt der geknechteten Bauern, die beide nach Armbruster zum .leitenden Ausschuß der Verbindung' gehörten.232* Rottmanner war zu sehr praktischer Reformer, um ein revolutionärer Politiker zu sein. In die Nachricht, daß Hellersberg, ein Schwiegersohn Rottmanners und aktiver Verfechter liberaler Reformen 23S* , den Plan zur Bildung einer .Republik nach Frank­ reichs Muster' entworfen habe, setzte selbst Armbruster einigen Zweifel, so daß er hinzufügte: .der Sage nach'.234 Unsicher ist auch die Beteiligung des Direktors der National-Schaubühne, Babo, von dem der Bericht anmerkte, daß er am Namenstage des Kurfürsten ein Singspiel .Armand * aufführen ließ, .dessen Held als Verfechter der Freiheit des Volkes von dem Kardinal Mazarin verfolgt und durch eine Volks­ empörung von der Strafe befreit wird, die gegen ihn ausgesprochen ist'.235 Immer­ hin hatte schon Frey 1796 über Babo geäußert: .Wirklich scheint dieser Mann ziem­ lich gut zu wissen, wie man den Mantel nach dem Winde wenden müsse, aber doch in der Stille der guten Sache anzuhängen.'235 Zweifelhaft ist schließlich auch die Zugehörigkeit des Freiherm von Aretin, den zwar Armbruster nicht nannte, aber Kraus als Verfasser von Flugschriften und -blättern dieses Kreises bezeichnete.237 Außer der Kraus'schen Angabe findet sich lediglich eine Anspielung des bayerischen Strafrechtlers Anselm Ritter von Feuerbach aus dem Jahre 1824 in einer Denkschrift, worin er sich gegen die bornierte Protestantenhetze des damaligen Appellations­ gerichtspräsidenten Aretin wehrte: .Als im Jahre 1796 die französischen Republi­ kaner unter Moreau Süddeutschland überschwemmt hatten, als damals viele, welche sich jetzt sehr ungern dessen noch erinnern, über die Errichtung süddeutscher Republiken sehr ernste und laute Träume hatten, als damals der heilige Thron der ehrwürdigen Wittelsbacher in seinen Grundfesten wankte, als damals der aus seiner Hauptstadt entflohene letzte Wittelsbach pfälzischer Linie von süddeutschen Jako­ binern mit Schmäh- und Lästerschriften verfolgt wurde: hat etwa damals schon der Freiherr Christoph von Aretin für die Sache Wittelsbachs sich erhoben und gegen die perduelles mit dem Schwerte der Faust oder des Geistes gestritten? Es ist von 231 Vgl. Heigel. Karl Theodor, Der Humanist Anton Bucher. In: Aus drei Jahrhunderten. Vor­ träge aus der neueren deutschen Geschichte. Wien 1881, S. 134 ff. >M Fournier, August, a. a. O., S. 247. 333 Hoffmann, Ludwig, Ökonomische Geschichte Bayerns..., a. a. O„ S. 51 ff. 714 Fournier, August, a. a. O., S. 244. Ebenda, S. 246. 333 Du Moulin Eckart, Richard Crai, Bayerische Zustände..., a. a. O., S. 200. 137 Neumann, Karl Friedrich, a. a. O., S. 287,

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dieser Art aus jener Zeit bisher nichts verlautet, wenigstens nichts, worauf sich Frei­ herr von Aretin als auf einen in ganz Bayern wohlbekannten Fall ganz ohne weiteres berufen könnte. * 238 Ganz anders liegen die Dinge bei solchen Männern wie Strobel, Hazzi und Utzschneider, die Armbruster ebenfalls als Patrioten denunzierte. Der Münchener Buch­ händler und Verleger Professor Johann Baptist Strobel spielte zweifellos eine bedeutende Rolle in diesem Kreise. »Durch die Buchhandlung des Professors Strobel, die in München öffentlich die Patrioten-Buchhandlung heißt', so berichtete Arm­ bruster, .kommen unvermerkt die älteren und neueren Flugschriften dieser Faktion in Umlauf... Die meisten Flugschriften der Patrioten werden in München selbst, die wütendsten aber in Pappenheim, an der Grenze von Schwaben und Franken, ge­ druckt'.238 Unter den Bedingungen der französischen Besetzung war Strobel von der Reaktion geradezu gefürchtet, so daß selbst der Polizeidirektor Baumgartner ihm nicht zu nahe zu treten wagte. Völlige Hilflosigkeit sprach aus der Klage Baum­ gartners an das Generalhofkommissariat: .Was helfe es, wenn der geistliche Rat Westenrieder als Vorstand des Zensurkollegiums dem Buchhändler Strobel auch einmal einen Ballen revolutionärer Schriften konfiszieren ließet Unter der Ägide der Franzosen hätte der Strobel es wagen können, den geistlichen Herrn Rat einfach wegen Geschäftsbeeinträchtigung zu denunzieren. * 210 Als dann der Kommandant der Münchener Bürgerwehr Lipowski bei einer Haussuchung sogar vier Ballen solcher Flugschriften fand und beschlagnahmte, protestierte Strobel energisch unter Berufung auf französischen Schutz und auf die von der französischen Verfassung garantierte Preßfreiheit.241 Strobel war nicht nur Verleger und über seine Buch­ handlung Verbreiter revolutionärer Flugschriften, sondern sogar wahrscheinlich Verfasser einer solchen. Das Manuskript der .Danksagungsadresse' jedenfalls war dem Drucker Zangl von dem französischen Offizier übergeben worden, der bei Strobel in Quartier lag.242 Mit welcher Offenheit er seine revolutionäre Oberzeugung äußerte und damit sogar bestallte Hüter der bestehenden Ordnung gleichsam in die Flucht trieb, belegt eine Episode, die sich anläßlich des Einzuges der polnischen Donaulegion Ende November in München abspielte und von einem Augenzeugen notiert wurde: .Bei ihrem Einzuge standen ich und der Polizeidirektor hiesiger Stadt auf dem Markte und gingen bei dem B. Strobel, der auf einem Schrannensack stand, vorbei. Nun, fing dieser an, geht es dem Doktor Observantius nahe, jetzt wird er die Hufeisen verlieren und so fort. Wegen der Handvoll Polacken wohl nicht, dachte ich mir. Allein ich sah gleich ein, daß dieser bekannte Schreckensmann seine Hoff­ nung auf das Ganze baute, und wollte ihm eben sagen: Der ehrliche Mann verliert deswegen den Kopf nicht, als der Polizeidirektor von ihm wich und mir zuwinkte, ihm zu folgen. Mir war es lieb, denn wer wollte sich gern mit einem Manne in Streit 2M Feuerbach, Anselm Ritter non. Biographischer Nachlaß. Veröffentlicht von seinem Sohne Ludwig Feuerbach. Leipzig 1853, Bd. 2, S. 229. 2,8 Fournier, August, a. a. O., S. 245/46. 240 Fahrmbacher, Hans, a. a. O., S. 58. 241 Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O„ S. 193. 242 Fournier, August, a. a. O., S. 246 Anm. 2.

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einlassen, der wegen seiner Höflichkeit bekannt ist und das edle Herz hat, seine eigenen Landsleute dumm zu nennen, weil sie österreichischen und bayerischen Gefangenen Bier, Brot und Geld gaben I Man müsse sie verhungern lassen, die Hunde, glaubte er I ! I ' 248 Von Joseph Hazzi sagte Armbruster, daß er .eines der tätigsten Mitglieder dieser * Faktion war.244 Im Februar 1800 hatte er sich noch mit den .Zehn Geboten' auf der Linie der radikalen liberalen Opposition bewegt242,- inzwischen war er zum Re­ volutionär gereift. An seiner Identität mit dem in den .Vertraulichen Briefen * er­ wähnten B... v. H..., dessen Haus in der W.. .Straße als zentraler Versammlungsort denunziert wurde, ist nicht zu zweifeln, zumal auch Kraus von Zusammenkünften in der Weinstraße sprach und Hazzi ausdrücklich als Mitglied der Gruppe bezeich­ nete.246 Da Hazzi dem General Decaen neben anderen als kenntnisreich und .den Franzosen sehr ergeben' genannt wurde, forderte dieser im Juli von dem General­ hofkommissariat dessen Verwendung im Dienste der französischen Armee.247 Er war dann auch zunächst als Marschkommissär beim General Debilly, wenig später im topographischen Büro tätig, das zur Vermessung des bayerischen Territoriums auf Befehl des Generalstabschefs Dessolle eingerichtet worden war. In dieser Eigen­ schaft kam er weit im Lande herum und konnte viel in organisatorischer und pro­ pagandistischer Hinsicht für die Bewegung tun. Armbruster behauptete, daß Hazzi in eigener Person an der Verbreitung revolutionärer Flugschriften teilnahm.248 Durch seine Tüchtigkeit erwarb er sich die Hochschätzung Moreaus und anderer maßgeb­ licher Franzosen, die ihn zu einer Studienreise nach Frankreich einluden. Am 18. Juni 1801 trat er diese Reise an. General Clérembault, der sich damals gerade in München aufhielt, notierte unter diesem Datum in sein Tagebuch: .Heute ist der Regierungsrat Hazzi, der während der Anwesenheit der Franzosen in München so sehr beschäftigt war, wegen seiner bekannten republikanischen und demokratischen Gesinnung, nach Paris gereist, ohne daß man den Zweck seiner Reise kennt.' 249 Daß er dabei, wie Armbruster meinte, »mit geheimen Aufträgen der Patrioten * versehen war280, ist angesichts der Tatsache, daß um diese Zeit über einen Frieden mit Bayern in Paris verhandelt wurde, nicht ausgeschlossen. Jedenfalls bestärkten ihn seine auf der Reise gewonnenen Erfahrungen in der Erkenntnis, daß .nur freies Eigentum und freie Kultur' zur Blüte eines Landes führen könnten. In diesem Sinne war er nach seiner Rückkehr literarisch tätig, bis ihn Napoleon gewann, bei dem Aufbau des neugegründeten Großherzogtums Berg mitzuarbeiten. Als Staatsrat in Düsseldorf hatte er maßgeblichen Anteil an der Einführung des Code civil im Rheinland.231 249 Fortgesetzte Notaten aller Merkwürdigkeiten, die in meinem Vaterland Bayern sich seit dem Augenblicke ereigneten, als das französische Heer es betrat. 1800. Bei Rott, Jakob, a. a. O. 944 Fournier, August, a. a. O„ S. 245. !4i Vgl. S. 625 S. 244 Neumann, Karl Friedrich, a. a. O., S. 287. 947 .... comme très dévoués aux Français.' Mémoires et journaux du général Decaen, a. a. O., S. 73. 248 Fournier, August, a. a. O., S. 245. 242 Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O., S. 192, 298 Fournier, August, a. a. O., S. 245. 241 Hoffmann, Ludwig, Ökonomische Geschichte Bayerns..., a. a. O., S. 44/45.

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Der bedeutendste Kopf des revolutionären Zentrums in München war jedoch un­ streitig Joseph Utzschneider. Was er für die Entwicklung Bayerns allgemein in wirtschaftlicher und besonders in technischer Hinsicht geleistet hat, ist an anderer Stelle kurz skizziert worden.252 Bauemfeind tat recht, wenn er als Rektor der Mün­ chener Technischen Hochschule in seiner Antrittsrede 1880 Utzschneider den Stu­ denten als das große Vorbild schilderte, dem sie nacheifern sollten.255 Aber dieses Vorbild besaß in den Augen der Bourgeoisie einen Makel: Utzschneider hatte in einem bestimmten Abschnitt seines Lebens revolutionäre Ziele verfolgt. Die bürger­ liche Historiographie, eifrig bemüht, den Auftrag der Bourgeoisie zu erfüllen und selbst das wenige, was sie an revolutionärer Tradition aufweisen konnte, noch zu leugnen, hat denn auch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts den störenden Fleck vom Bilde Utzschneiders wegzuputzen versucht. Nachdem Neumann 1864 die Äußerung von Kraus veröffentlicht hatte, der neben Hazzi auch Utzschneider als Anhänger der republikanischen Bestrebungen bezeichnete254, beschäftigte sich Heigel 1871 mit diesem Problem.255 Er stieß dabei auf die Memoiren des Münchener Galeriedirektors Männlich, der 1817 niedergeschrieben hatte, wie ihm im Frühjahr 1801 durch den Kriegskommissar Rochelle detaillierte Mitteilungen über die revolutionären Umtriebe mit Utzschneider als Haupt des Ganzen gemacht wurden. .War Utzschneider - unstreitig einer der verdienstvollsten Bayern in neuerer Zeit - wirklich Mitglied oder Vorstand des Revolutionsklubs, wie Männlich aus Rochelles Munde erfuhr, wie auch Neumann von Kraus hörte?' 259 So fragte Heigel und gab sich redliche Mühe, das Gegenteil glaubhaft zu machen. Als wichtigstes Argument diente ihm eine schmale, von Utzschneider selbst 1837 veröffentlichte Schrift. Wie aus der Vorrede hervorgeht, hatte ihn ein Kammerabgeordneter in den schlimmen Zeiten der Reaktion der dreißiger Jahre bezichtigt, um die Jahrhundert­ wende hochverräterische Pläne verfolgt zu haben, und diesen Vorwurf durch den Hinweis auf Utzschneiders Votum vom 1. Februar 1800 und den .Entwurf einer neuen Erklärung der Landesfreiheit * begründet, die er in Häberlins Staatsarchiv publiziert gefunden hatte. Utzschneider druckte darauf diese in der Tat nicht revo­ lutionären, sondern entschieden liberalen Dokumente zusammen mit zwei von ihm ausgearbeiteten kurfürstlichen Schriftstücken kommentarlos ab und überließ es dem Publikum, .zu entscheiden, ob dieselben revolutionär waren'.25,7 Die anderen Be­ weisgründe Heigels waren noch schwächer als dieser: Es handelte sich im wesent­ lichen darum, daß Utzschneider bei seiner Beschäftigung durch die Franzosen Schwierigkeiten machte und daß er im November 1800 in die Zeitung eine Erklärung Vgl. S. 607/08. Bauernieind, Carl Max von, a. a. O. Neumann, Karl Friedrich, a. a. O., S. 287. Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O. Dieser Aufsatz erschien bereits zehn Jahre zuvor in Räumers historischem Taschenbuch, Jahrg. 1871, unter dem Titel .Das Projekt einer süddeutschen Republik im Jahre 1800 *. 999 Ebenda, S. 186. Utzschneider, Joseph von. Mit welchen Schwierigkeiten begann im Jahre 1799 und 1800 die Regierung des Königs Maximilian Joseph in Bayern? München 1837, S. 4. äsi 153 ss* -,s

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eingerückt haben wollte, worin er bestritt, ein Flugschriftenautor zu sein, um aller­ dings im Dezember merkwürdigerweise auf den inzwischen genehmigten Abdruck der Erklärung zu verzichten; schließlich sollte die Glaubwürdigkeit Rochelles nach Heigel .namentlich dadurch erschüttert * werden, daß Utzschneider im Juni 1801 zwar entlassen, aber nicht verfolgt und 1807 auch wieder in den Staatsdienst zurück­ berufen worden war. 1885 veröffentlichte Fournier seinen Fund, den er im Archiv des Wiener Innen­ ministeriums gemacht hatte, nämlich den Bericht Armbrusters, der wiederum Utz­ schneider zu den führenden Revolutionären zählte und der Argumentation Heigels einen argen Stoß versetzte. Fournier erklärte denn auch: .Und doch darf man es nicht ohne weiteres beiseitesetzen, wenn z. B. Rochelle in seinem Gespräche mit Männlich den geheimen Referendar Utzschneider als die tonangebende Persönlich­ keit im Klub der Revolutionäre nennt - einen Mann, der im Jahre 1801 auch tat­ sächlich seines Dienstes entlassen wurde. Es scheint mir nicht ausreichend, diesen direkten Hinweis lediglich mit Erklärungen, welche Utzschneider später selbst über seine Haltung in dieser Sache abgab, entkräften zu wollen.' 258 Fournier fand, wie er meinte, einen gangbareren Weg, um Utzschneiders .Ehre * zu retten: Da nach Arm­ bruster die Revolutionäre dem General Moreau zwei Pläne vorgelegt hatten, den einer konstitutionellen Monarchie, von Utzschneider entworfen, und den einer Re­ publik, der Sage nach von Hellersberg ausgearbeitet, machte Fournier flugs daraus zwei Fraktionen, wobei die gemäßigte .dem angestammten Fürsten treu bleiben und denselben nur durch eine Konstitution binden wollte. Damit ist wohl auch der vielbesprochenen Persönlichkeit Utzschneiders der richtige Platz in der Geschichte . * angewiesen 238 Wohl kaum! Denn der nächstliegende Gedanke ist selbstverständlich der, daß es sich hierbei um ein Minimal- und ein Maximalprogramm derselben Partei handelte. Dieser für die bürgerliche Säuberung des Utzschneiderbildes unbefriedigende Stand rief denn auch den bajuwarischen Historiker und Grafen Richard du Moulin Eckart auf den Plan, der 1897 den Aufsatz »Eine Ehrenrettung' veröffentlichte. Im Grunde tat er nichts anderes, als daß er die Argumente Heigels wieder aufwärmte und den für die Sache höchst überflüssigen Nachweis erbrachte, daß die Herren von der Landschaft und der Abbe Salabert im besonderen, der die von Männlich berichtete Aussage Rochelles sofort dem Kurfürsten hinterbrachte, Utzschneider wie die Pest haßten. Du Moulin Eckart meinte, auf diese Weise die ganze Angelegenheit auf .eine mit dem größten Raffinement eingeleitete Intrige * reduzieren zu können.288 .So bleibt nur unklar, wie Rochelle zu der Anschuldigung gegen Utzschneider kam', behauptete der Ehrenretter 2el, obwohl er natürlich die Mitteilung Mannlichs kannte, daß Rochelle Utzschneider im Klub selbst gesehen und gesprochen hatte. Diese klare Auskunft entwertete er durch aus den Fingern gesogene Annahmen: Vielleicht hatte Rochelle Utzschneider nur halb verstanden; vielleicht hatte er nur die gegen 288 288 180 281

Fournier, August, a. a. O., S. 231. Ebenda, S. 251. Du Moulin Eckart, Richard Graf. Eine Ehrenrettung, a. a. O., S. 141. Ebenda, S. 155.

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Utzschneider gerichteten Vorwürfe der Landschaft aufgegriffen; vielleicht hatte er auch nur dienstlich Differenzen mit Utzschneider gehabt, der als Befehlsempfänger nicht taugte. Das Windige einer solchen Beweisführung gestand ungewollt der Ehrenretter am Ende selbst ein, wenn er mit der Phrase schloß: .Mehr aber als alle Argumente sprachen für ihn die Taten, die er während der Regierung zweier Könige vollbracht, seine Verdienste, die ihn in die Reihe der bedeutendsten Männer Bayerns stellen.'242 Die bürgerliche Historiographie des 20. Jahrhunderts hat diese Art Ehrenrettungsversuche nicht fortgesetzt. Utzschneider war lange tot, und es gab andere Vorbilder für die studentische Jugend, die den imperialistischen Zielen der Bourgeoisie besser entsprachen. Utzschneiders führender Anteil an den revolutionären Bestrebungen wurde von drei Zeitgenossen bezeugt: von dem Teilnehmer Kraus, von dem Unbeteiligten Männ­ lich, der die Aussage des Franzosen Rochelle berichtete, und von dem Polizeispitzel Armbruster. Bei der Verschiedenartigkeit der Zeugen, die unabhängig voneinander urteilten und von denen höchstens dem letzten Befangenheit vorgeworfen werden könnte, ist es ein Unding, ihre Aussagen auf rein persönliche Intrigen zurückführen zu wollen. Der Weg Utzschneiders ins revolutionäre Lager ergab sich mit logischer Konsequenz aus seiner demokratischen Grundhaltung, die selbst aus einem so offi­ ziellen Dokument wie dem »Entwurf' hervorleuchtete. Er war kein Revolutionär um jeden Preis, wohl aber ein unermüdlicher Pionier bürgerlicher Verhältnisse. Seine Methoden, dem Neuen zum Siege zu verhelfen, paßte er den wechselnden Be­ dingungen an. Solange er im Staatsapparat wirken konnte, kämpfte er für eine liberale Gesetzgebung; als privater Unternehmer leistete er Beispielhaftes; unter den Bedingungen der französischen Besatzung aber durfte er davon träumen, die Bahn für den kapitalistischen Fortschritt mit einem Schlage vom feudalen Gerümpel säubern zu können. Utzschneider hat den Schritt ins revolutionäre Lager mit der nötigen Vorsicht getan, denn die französische Zustimmung und Unterstützung war ungewiß und mußte erst gewonnen werden. Legte General Decaen schon Wert darauf, daß die von ihm angeforderten Spezialisten ausdrücklich durch das General­ hofkommissariat zur Dienstleistung für die französische Armee verpflichtet wurden, so tat Utzschneider im Gegensatz zu seinem Kollegen Hazzi noch ein übriges: Er protestierte zunächst und unterrichtete auch den Kurfürsten davon.243 Utzschneider war nicht immer so vorsichtig. Wenn ihn der Zorn packte, wurde er sehr deutlich. Das zeigt ein Bericht der kurfürstlichen Einquartierungskommission in München vom 12. September 1800. Sie hatte einem französischen Bataillonschef Quartier im Hause Utzschneiders zugewiesen, der dessen Aufnahme mit der Begründung ab­ lehnte, bereits zwei Einquartierungen zu haben. Er erschien persönlich bei der Kommission und erklärte dort nach einigem Wortwechsel »mit einer zuverlässig unanständigen Heftigkeit, daß er weiter von der ganzen Sache nichts mehr hören wollte, sondern ein für allemal keine neue Einquartierung annehmen werde; des ws Ebenda, S. 156. “* Heigel. Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O., S. 190.

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weiteren behalte er sich aut eine andere Zeit bevor, wo man den Herren Quartiers­ kommissaren beweisen werde, daß sie Paläste mit Einquartierung verschonen, um andere außer allem Verhältnisse zu drücken.' 294 Eine solche .andere Zeit' herbeizuführen, wirkte die Partei der Revolutionäre auf den verschiedenartigsten Gebieten. Sie baute auf der verbreiteten profranzösischen Gesinnung auf, knüpfte an das elementare Aufbegehren gegen einzelne Maß­ nahmen der Regierung, gegen bestimmte Seiten der herrschenden Ordnung an und bemühte sich, die Bewegung aus dem Stadium der Spontaneität hinauszuführen. Große Bedeutung hatte dabei ihre systematische Zersetzungsarbeit unter den Truppen. Sie war den Revolutionären doppelt wichtig, denn erstens trug sie wesent­ lich zur Schwächung des feudalen Staates bei, und zweitens verpflichtete sie bis zu einem gewissen Grade die französische Armeeführung, die einen solchen Bundes­ genossen schwerlich leichter Hand abweisen konnte. Als Beleg für diese Zer­ setzungstätigkeit liegen verschiedene Lieder vor, die - zum Teil handschriftlich, zum Teil gedruckt - im Lande verbreitet wurden. Eines dieser Lieder war dem «Abmarsch der Landesdefensionsarmee von München, den 27. Juni nachts um 10 Uhr 1800' gewidmet. Kampfgeist und Kampfstärke des Korps wurden grausam per­ sifliert, um ihm in den Augen der Bevölkerung wie der Soldaten selbst das letzte Ansehen zu nehmen. Wie die Werbung und Ausbildung begann auch die erste Strophe mit hochtönenden Worten: .Seit wir so viele Helden sehn. Die steif einher wie Preußen gehn. Mit großen Hüten auf dem Kopf, Und dreizehn Zoll den Zopf Ist uns in unserm Leben lang Vor keinem Franken bang: Und kommen sie zu uns herein. So schlagen wir darein. Bum - bum - bum - bum etc.'

Die fünfte und letzte Strophe dagegen schilderte das Korps auf seiner elenden Flucht: .Und lauft halt die ganze Macht Bei trüber, finstrer Nacht, Zu dreizehntausend wohl gezählt Durch Wald und weites Feld. Behüt Gott euch Herrn, auf Wohlergehn I Laßt euch nicht wieder sehn. Bis wir von den Franzosen los. Sonst macht ihr in die Hos'. Bum — bum - bum - bum etc. * 265 1,4 HSA München, Abt. II, Alte Abt B, Nr. 361. 485 Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Rheinwaldiana Nr, 8, Stück 30, S. 57/58.

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Ein anderes Lied, .Arie eines bayerischen Deserteurs im Bauemkittel", war ebenfalls für das Landesdefensionskorps bestimmt und propagierte nicht nur die Fahnenflucht, sondern sogar den Übergang zum Feinde:

.Gehab dich wohl, Maximilian, Tyrann von Gottes Gnaden I Dies Leben steht mir nicht mehr an. Trug's lang genug mit Schaden. Ich bin des Elends herzlich satt: Wer kann mir's nun verdenken. Wenn ich von des Verderbens Pfad Mich will zum Bessern lenken?' In den zwölf folgenden Strophen wurde geschildert, wie er zu den Soldaten gepreßt wurde, wie das Bitten und Flehen seiner alten Eltern beim Kurfürsten nichts nützte und wie noch nicht einmal die gehörige Montur geliefert werden konnte: .Und noch — wie ich itzt steh und geh — Trag ich den alten Kittel; Voll Ungeziefer - Ach und Weh Ist Fliehn das letzte Mittel. Den großen Taler Handgeld gab Mir meine Dorfgemeinde: Und so stehl ich dir gar nichts ab Und geh getrost zum Feinde. Ich gehe nun um einen Rock, Um Schuhe, Strumpf und Hosen; Der Korporal führt keinen Stock Für uns bei den Franzosen." Nachdem es in weiteren drei Strophen die Prügeldisziplin und die Unfähigkeit der Offiziere gegeißelt hatte, die allein auf dem Exerzierplatz ihren Mann standen, schloß das Lied: .Nein, nein, mein Maxi behüt dich Gott Und dein Soldatenleben I Magst fernerhin dein elend Brot, Wer dazu Lust hat, geben. Doch nur Geduld! in kurzer Zeit Wirst du es ganz ersparen. Wir nehmen ohne dein Geleit Die Flucht in ganzen Scharen. Ja mit Erfahrung wird man klug. Und wie das Sprichwort saget: Man trägt solang zum Brunn den Krug, Bis ihn das Kind zerschlaget." 268 CM Bayerische Nationallieder..., a. a. O., S. 29 ff.

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Das dritte Lied, .Abschied eines bayerischen Grenadiers von seinen Kameraden', war an die Adresse des Subsidienkorps gerichtet: .Lebt wohl, ihr meine Kameraden t Wenn ihr es unter Max noch könnt; Ich aber dank für seine Gnaden, Die ich genoß beim Regiment. Ich schwor ihm und dem Vaterlande Treu' auf Kapitulation: Doch nicht zu sein und unsrer Schande Für fremden Sold und Sklavenlohn.' Auch hier waren in den folgenden fünfzehn Strophen von der schlechten Behandlung die Rede; vor allem aber richtete sich der Zorn gegen die Bestimmung des Korps, im Dienste der skrupellosen englischen Krämernation und an der Seite des ver­ räterischen Österreich zu streiten. Der Ausweg, den die letzten fünf Strophen den Angehörigen des Subsidienkorps wiesen, war noch sehr allgemein gehalten: Sie sollten die Fahne der Schande verlassen und ihre Energien für die Errichtung eines freien Vaterlandes verwenden. Wie das im einzelnen geschehen sollte, blieb ungesagt: .Wie wär's, wenn ihr zurücke kehrtet Als Vaterlandes Legion; Für euch und euer Land euch wehrtet; Wär das mehr Ehre nicht und Lohn? Kapitulant im Bauernkittel, Kehr um zurück ins Vaterland! Es hat genug zum Solde Mittel Für dich, und reichliches Gewand. Dich rufen Vater, Mutter, Brüder; Dein Mädel freut sich, dich zu sehn. Und finden, kommst du ihnen wieder, Im Hause neues Wohlergehn. Nun gut! ich gehe, euch zu melden, Ihr schämt euch, Mietlinge zu sein: Und streiten wollet ihr als Helden Für euer Vaterland allein. Und Welt und Nachwelt wird euch preisen; Die Stimm' der Ehre, der Natur Sagt euch, des wahren Kriegers Eisen Sei für des Landes Freiheit nur.'287 In demselben Sinne war das bereits zitierte, von der preußischen Gesandtschaft am 11. Mai abschriftlich mitgeteilte Lied .Über den Subsidientraktat mit England' 288 um zwei Strophen erweitert worden. Die neue letzte Strophe lautete: Ebenda, S. «5 ff. 48 Süddeutsche Jakobiner

5,8 Vgl. $. 624/25.

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»Tragt ihr noch bayerisch Gepräg, Zerreißet diese Ketten I Nur Deutschlands alter Freiheitsweg Kanns Vaterland noch retten. Daher zurück ins Vaterhaus; Verlasset Österreichs Scharen! Schon lang war unser Land ihr Schmaus ; Denkt, was wir vormals waren!'2W Die beachtlichen Erfolge dieser Zersetzungstätigkeit lassen sich aus der Pro­ klamation ablesen, die Maximilian Joseph am 12. August an die Truppen des Landesdefensionskorps zu richten gezwungen war. In einem Begleitschreiben an das Generalkommando begründete er die Notwendigkeit des Aufrufs ausdrücklich damit, daß »eine gefährliche Desertion unter Unserem Landesdefensionskorps einzureißen beginnt und diese wahrscheinlich durch irrige Begriffe über die Subsidien und durch boshafte Aufwiegelungen veranlaßt wird *. Er wußte, daß das Mißvergnügen bis hoch in Offizierskreise reichte, und ließ darum »zugleich sämtliche Ober- und Unterofficiers in Unserem Höchsten Namen ernsthaft warnen, auf die ihnen untergebenen Truppen wachsam zu sein, alle verdächtigen Personen oder Flugschriften von den­ selben sorgfältig entfernt zu halten und in Äußerung ihrer Meinungen über politische Angelegenheiten die geziemende Behutsamkeit zu beobachten . * 270 Die zu Amberg, der Zufluchtsstätte des Kurfürsten nach der Besetzung Münchens, ausgefertigte Proklamation stellte eingangs fest: »Es ist Uns die Anzeige zugekommen, daß gefährliche und boshafte Aufwiegler sich bei Euch eingeschlichen haben, die unter dem Vorwande, als wenn ihr für fremden Dienst verkauft seid, euch zur Desertion zu verleiten suchen und sich sogar erkühnen, euch Schutz gegen die mandatmäßige Strafe zu versprechen.' 271 Im weiteren wurde energisch bestritten, daß die eng­ lischen Subsidien die bayerischen Soldaten zu Mietlingen degradierten, die für fremde Interessen fechten sollten, und den Unbelehrbaren wurde mit den Kriegs­ artikeln gedroht. Die Proklamation schloß mit der Aufforderung, sich ein Beispiel an den Soldaten des Subsidienkorps zu nehmen, die angeblich vorbildliche Disziplin gewahrt hätten. Mit wie wenig Recht die letzte Behauptung aufgestellt war, verriet das Journal des Münchener Platzmajors Magg, der unter dem 20. Juli notiert hatte: »Soeben werde ich verlässigt, daß außer der Stadt gegen 450 bayerische Deserteure verkleidet sich aufhalten, welche alle vom Subsidienkorps entwichen und einhellig die äußerst üble Behandlung von den Kaiserlichen zur Ursach angeben. * 272 In der Bayerische Nationallieder..., a, a. O., S. 3. Der neue Titel des Liedes gesinnten Bayern bei dem Ausmarsche der 12 000 Mann bayerischer welche an England gegen die Republik Frankreich verkauft wurden.' weiterte Fassung hat im Gegensatz zur ersten eine einwandfreie Metrik, nur geringfügig vom ursprünglichen Text ab. «• HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 337. 171 Ebenda. 2,2 Heilmann, Joachim. Der Feldzug von 1800..., a. a. O., S. 39 Anm.

lautete: »Die gut­ Subsidientruppen, Diese zweite, er­ aber weicht sonst

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Zeit des Waffenstillstands fraternisierten Offiziere vom Subsidienkorps ungescheut mit den Franzosen in München.278 .Das bayerische Militär zu verführen und nach und nach für sich zu gewinnen , * wie es in den »Vertraulichen Briefen' hiefj 271 *274, gehörte zweifellos zu den dringend­ sten Aufgaben der Revolutionäre. Darüber hinaus wagten sie sich sogar daran, die österreichische Armee in ähnlichem Sinne zu bearbeiten. Diesem Ziel diente die Adresse .Die Österreichische Armee an den Kaiser Franz II. * Unwahrscheinlich ist es, dafi diese Adresse tatsächlich österreichischen Ursprungs war; wahrscheinlich hatte sie einen bayerischen Verfasser; gewifj ist jedenfalls, dafi sie in Bayern ver­ breitet wurde. Ein Exemplar wurde, wie General Decaen erfuhr, Mitte Oktober in Straubing, das an der durch den Waffenstillstand festgesetzten Demarkationslinie zwischen Österreichern und Franzosen lag, bei dem Buchhändler Kienmayer be­ schlagnahmt, der daraufhin verhaftet wurde. Dem General Decaen erschien die Adresse so bedeutsam, dafj er sie in französischer Übersetzung unter seinen Auf­ zeichnungen bewahrte.275 Gedruckt war sie als Anhang der bereits erwähnten Flug­ schrift .Die Stimme der öffentlichen Meinung über Max Joseph, Kurfürsten von Bayern', .ohne dafi man den Zusammenhang zu erraten vermag', wie Goertz in seinem Bericht vom 17. November aus Regensburg feststellte.275 Ein unmittelbarer Zusammenhang bestand tatsächlich nicht, wohl aber ein mittel­ barer: Wie .Die Stimme der öffentlichen Meinung * die Politik des bayerischen Kur­ fürsten verurteilte, so klagte die Adresse die des Kaisers an,- beide Fürsten bezogen englische Subsidien und lieferten dafür Menschen, die auf dem Schlachtfeld ver­ bluteten. .Schon neun Jahre fochten wir gegen ein Volk, das uns nie etwas zuleide getan, das vielmehr schon oft unsere Achtung und Bewunderung gefesselt hat.' So lief) der Verfasser die kaiserlichen Soldaten sprechen. .Wir gehorchten, weil wir gewöhnt sind zu gehorchen, und dachten nicht weiter darüber nach. Aber allmählich fällt die Binde von unseren Augen. Wir sehen, dafj wir unser Blut blofj für englisches Gold verspritzen sollen, das in den Beutel Deiner Minister fällt. Wir sehen, dafi Du mit unserem Leben spielst wie mit Deinen Siegelstangen und dafj Du mit unbegreif­ licher Blindheit Dich, uns und Deine Länder ins Verderben stürzen willst. Magst Du das immerhin für Dich tun - wir wollen Dich nicht daran verhindern. Aber uns und unsere Landsleute mit in Dein Verderben ziehen - das sollst Du nicht.' Die Fortsetzung des Krieges war ein Verbrechen. In Italien triumphierte Bonaparte, in Deutschland Moreau, und Augereau führte frische Truppen vom Main heran. Selbst wenn das Unmögliche gelänge, die Franzosen über den Rhein zurückzuwerfen, so würden sie im nächsten Frühjahr erneut vorstofjen. «Öffnungen auf eine neue Koalition waren irreal, und außerdem lehrte die bittere Erfahrung, dafj kombinierte Armeen nichts ausrichteten. »Bedenke also wohl, was Du unternimmst. Du laufest Gefahr, dafj wir, des ewigen Krieges müde, uns an die Tore der Kaiserburg zurück271 Fahztnbacher, Hans, a. a. O., S. 58. 274 Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O., S. 20. Mémoires et journaux du général Decaen, a. a. O., S. 99/100. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fasc. 173, Bl. 63. 43»

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ziehen. Das Volk wird Dir dann den Frieden gebieten. Denke an Ludwig Capet, und nimm Dich in acht, nicht auch aus Kaiser Franz dem Zweiten zum Franz Habsburg zu werden. Für Dein Leben darfst Du unbesorgt sein; man kennt Dich zu gut, um Dich des Todes schuldig zu halten. Aber Dein Thugut, Lehrbach und Saurau, Dein Kriegsrat, ja selbst Deine Kaiserin könnten bei längerer Kriegssucht Opfer ihrer Wut werden. Noch einmal, das englische Gold, das in Wien und München regiert, das unseren geliebten Erzherzog von uns entfernt hat - soll uns nicht auch unglück­ lich machen. Dafür bürgt der Geist, der uns beseelt. * 277 Daß eine solche Propaganda zumindest günstigen Boden vorfand, bestätigten die täglich in München anlangenden kaiserlichen Deserteure. Sie berichteten von Meutereien ganzer ungarischer und kroatischer Bataillone. Am 3. September war sogar eine Kompanie ManfrediniInfanterie geschlossen zu den Franzosen übergelaufen.278 Im Zusammenhang mit der Zersetzungsarbeit unter dem Militär erscheint ein Passus der .Vertraulichen Briefe' von Bedeutung, der von der Tätigkeit der Emissäre des Münchener Klubs berichtete: .Das Petschaft, dessen sich die Missionäre des Klubs auf Reisen bedienen, ist ungefähr von der Größe eines Groschenstückes und enthält drei leere Felder, über welchem ein Merkur schwebt. Ihre Reisen gingen bisher 777 Die österreichische Armee an den Kaiser Franz II. In: Die Stimme der öffentlichen Mei­ nung. .., a. a. O„ Anhang. «s Fahztnbacher, Hans, a. a. O., S. 68. Nach Hohenlinden war die Disziplin restlos zerstört. Der preußische Generalmajor von Heymann berichtete am 6. Januar 1801 aus Bayreuth über Äußerungen bayerischer Offiziere, die Augenzeugen gewesen waren. Der Kommandeur des bayerischen Subsidienkorps erklärte ihm, .daß er es als sein größtes Glück betrachtete, die kaiserliche Armee verlassen zu haben, daß die Disziplinlosigkeit und die Plünderung einen unglaublichen Punkt erreicht hatten, vot allem seitdem sie sich in den Staaten des Kaisers befand; daß Offiziere von ihren eigenen Soldaten, die sie am Plündern hindern wollten, verwundet worden waren; daß man auf sie zu schießen gezwungen war, um die Offiziere herauszuhauen, . . . Ein Offizier der Chevau-légers des Kurfürsten ... fügte hinzu, daß er als Augenzeuge gesehen hat, daß die österreichischen Soldaten an drei ver­ schiedenen Orten, wo sich das Hauptquartier befand - aber alle drei in den Staaten Seiner Kaiserlichen Majestät - Feuer gelegt hatten, um dadurch den Rückzug ihrer Armee zu er­ zwingen; daß diese drei Orte nahezu vollkommen vom Feuer verzehrt worden sind; daß die Autorität des Offiziers gegenüber dem Soldaten absolut null War.' (.... qu'il regardait comme son plus grand bonheur d’avoir quitté l'armée impériale, que l'indiscipline et le pillage était à un point incroyable, et surtout depuis qu'elle était dans les Ëtats de l'Empereur; que des officiers avaient été blessés par leur propres soldats, qu'ils voulaient empêcher de piller, qu'on a été forcé de tirer sur eux pour dégager les officiers,... Un officier des chevau-légers de l'Électeur ... a ajouté, qu'il avait vu comme témoin oculaire que les soldats autrichiens avaient mis le feu à trois différents endroits où se trouvait le quartier général, mais toift trois dans les États de S. Mté Impériale, pour forcer par là

la retraite de leur armée, que ces trois endroits avaient été consumés presque entièrement par le feu; que l'autorité de l'officier sur le soldat était absolument nulle. *) DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fasc. 178, Bl. 15/16. Am 16. Januar erreichte Heymann die folgende, am 8. Januar verfaßte Mitteilung über die österreichische Armee: .Die kaiserliche Armee hat ihre Desorganisation nicht überwunden. Man hat auf das Regiment Kaunitz feuern müssen. Die Gegenwart des sehr geliebten Erzherzogs Karl hält allein das Gebäude der Monarchie aufrecht, das am Einstürzen ist.' (.L'armée impériale n'est point remise de sa désorganisation. On a dû faire feu sur le régiment de Kaunitz. La présence du bienaimé archiduc Charles soutient seul l'édifice de la monarchie prêt à s'écrouler. *) Ebenda, Bl. 21.

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einerseits nach Österreich, Salzburg, Tirol, andererseits nach der Oberpfalz, Böhmen und ins Nürnbergische, Ansbachische und Bayreuthische. In jedem der genannten Länder waren drei Emissäre, und alle drei mußten von drei zu drei Tagen an den Klub in München unter einer gewissen Adresse berichten, ohne daß einer dem anderen etwas von seiner Korrespondenz anvertrauen durfte. Briefe durften zu Augs­ burg, Ansbach und Regensburg, aber nicht in Nürnberg auf die Post gegeben werden. In Tirol und den österreichischen Staaten überhaupt ging man behutsamer zu Werke und brauchte Boten oder Fuhrleute zur Übermachung der Briefe. Den Aposteln, die sich in der Oberpfalz aufhielten, wurde aufgetragen, sich zu erkundigen und ein­ zuberichten : ob unser Kurfürst zu Amberg oft und wohin er auf die Jagd gehe, ob er seine Familie im Kloster Waldsassen besuche, wo sich damals die Frau Kurfürstin aufhalten sollte etc.'279 Die Zahlenmystik - drei leere Felder im Petschaft, drei Emissäre in jedem Land, dreitägige Berichterstattung — mag vom Denunzianten nur benutzt worden sein, um den Bestrebungen einen geheimnisvoll-schaurigen Anstrich zu geben ; sie kann aber auch durchaus von den Revolutionären selbst aus der Praxis zeitgenössischer Geheimbünde übernommen sein. Die Aufträge für die Emissäre in der Oberpfalz werden kaum so wie angegeben gelautet haben; wahrscheinlich sollte der kurfürstliche Hof in Amberg beobachtet werden, und was dabei herauskam, waren solche mageren Mitteilungen, die der Denunziant für Aufträge nahm. Diese Dinge hatten für die revolutionäre Partei eine völlig untergeordnete Bedeu­ tung; anders für die Franzosen. Die französische Diplomatie war naturgemäß höchst interessiert zu erfahren, ob englische Abgesandte in Amberg ein- und ausgingen und dergleichen. Nicht nur die Abspaltung Bayerns von der Koalition war in den Bereich des Möglichen gerückt, sondern auch der in Rastatt mißlungene Plan eines unter französischem Einfluß stehenden dritten Teils Deutschlands, in dem Bayern eine bedeutende Rolle spielen würde, gewann an Aktualität. Über diplomatische Kanäle in der unteren Ebene zunächst gab Frankreich solche Absichten ganz un­ zweideutig zu erkennen. Freiherr von Hertling war als Pfleger der bayerischen Exklave Mindelheim vom französischen General DessoUe zur Teilnahme an einem engeren schwäbischen Kreiskonvent befohlen worden, wo über die französischen Kontributionen verhandelt wurde. Gleichzeitig aber diente Hertling dem fran­ zösischen Generalkontrolleur Malezewsky als Mittelsmann für eine diplomatische Fühlungnahme. Am 27. Juli 1600 gab Hertling ein Schreiben Malezewskys an die Regierung weiter und schrieb dazu: «Hierbei darf ich nicht unerwähnt lassen, daß dasjenige, was der controlleur général Malezewsky am Schlüsse seines Schreibens über die günstigen Gesinnungen des général en chef wegen Bayern beifügt, mir bei jeder Gelegenheit absichtlich zu erkennen gegeben wird, um allenfalls hiervon Gebrauch zu machen. Obiger Malezewsky sowohl, welcher das Zutrauen des Generals Moreau in vorzüglichem Maße genießt, als ein gewisser Laquiante, der erst dieser Tage aus dem Innern von Frankreich ankam und lediglich im diplomatischen Fach gebraucht zu werden scheint, beeifern sich sehr, mich überzeugen zu wollen, wie sehr es der Wunsch und die Absicht der französischen Regierung sei, sich das s” Beiträge zur Vaterlandskunde.... a. a. O., S. 18/19.

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Wohlwollen und die Zuneigung Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht zu erwerben.' 280 Möglichkeiten territorialer Gewinne in Oberschwaben und ein gemeinsamer Grenz­ streifen mit der Schweiz, der dem bayerischen Salz- und Getreidehandel zugute käme, wurden angedeutet. Auf höchster diplomatischer Ebene war man auf französischer Seite noch zurück­ haltend, um sich nicht vorzeitig festzulegen und mit vorteilhaften Ergebnissen zufrieden zu sein, wenn man vorteilhaftere erhalten konnte. Wie Graf Cetto, der Vertraute des Kurfürsten, am 10. Juli aus München berichtete, trug Moreau seinen Eröffnungen gegenüber eine .an Gleichgültigkeit grenzende Gelassenheit * zur Schau. .Die Folge der Unterredung aber klärte ziemlich auf, warum auf die kurfürstliche Antwort die nämliche Wichtigkeit nicht mehr gelegt zu werden scheint. Dieser General wollte nämlich durch die einstimmige Aussage der binnen wenig Tagen häufig sich eingestellten Deserteurs von dem Subsidienkorps wissen, bei letzterem sei ein großes Mißvergnügen eingerissen, weshalb dieses Korps in mehreren Ab­ teilungen mit österreichischen Truppen dergestalt vermischt worden, daß solches wie Kriegsgefangene mit der kaiserlichen Armee ziehen müsse.' 281 Frankreich war also sowohl daran interessiert, über die Vorgänge am Hofe in Amberg unterrichtet zu sein, als auch selbstverständlich an militärischen Nachrichten und der weiteren Zersetzung der feindlichen Armeen. Wenn das revolutionäre Zentrum in München Emissäre in die Nähe des Kurfürsten einerseits und nach Böhmen, Salzburg, Öster­ reich und Tirol andererseits ausschickte, so erfüllte es unzweifelhaft in erster Linie französische Wünsche.292 Für die revolutionären Demokraten Bayerns war das eine selbstverständliche Hilfe, die sie dem republikanischen Frankreich leisteten, in dem sie den natürlichen Bundesgenossen sahen und von dem sie wiederum tatkräftige Unterstützung für die Verwirklichung ihrer Ziele erwarteten. Parallel mit der Zersetzungsarbeit unter den Truppen und der Spionagetätigkeit zugunsten der republikanischen Armee ging eine breite und intensive Propaganda. Die bayerischen Revolutionäre begriffen ihre historische Aufgabe, die die deutsche Bourgeoisie als Ganze versäumte: Die Massen in einen demokratischen Kampf gegen die feudale Gesellschaft zu führen. Wie die französische Bourgeoisie lenkten sie ihre Propaganda auch auf das Land. Der Verfasser der «Vertraulichen Briefe * bezeichnete es als eines ihrer Hauptanliegen, «Missionäre in den Provinzialstädten, Märkten und auf dem Lande zu unterhalten, die das Volk nach ihren Absichten Hertling, Karl Freiherr von. Ein Beitrag zur Geschichte des schwäbischen Kreises. In: «Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland', Bd. 155, S. 596/97, 1915. “> HSA München, Abt. II, Alte Abt. B, Nr. 361. wt Über die Spionagetätigkeit Einheimischer zugunsten der Franzosen vgl. Mémoires et journaux du général Decaen, a. a. O., S. 70/79, 97 fi., 104/05. Was Salzburg und Tirol angeht, so mag darüber hinaus auch die Absicht, die Bevölkerung zu insurgieren, eine beträchtliche Rolle gespielt haben. Der Boden in Salzburg war dafür nicht ungünstig. Der Verfasser einer 1SOO erschienenen Reisebeschreibung stellte empört fest, daß die Schriften Paines und anderer Revolutionäre unter den Salzburger Bauern kursierten, «die dann tapfer auf Monarchen und Geistlichkeit schon mitschimpfen . * Mack, Joseph, a. a. O., S. 61. Der später veröffentlichte Aufruf des Münchener revolutionären Zentrums wandte sich ausdrücklich auch an die Bewohner Salzburgs und Tirols. Vgl. S. 684.

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leiten - aufrührerische Flugschriften zu verbreiten'. Und an anderer Stelle: .Um solche Schriften vorzüglich unter dem gemeinen Volke nur recht sehr in Umlauf zu bringen, steckten und liegen die Klubisten solche den Bürgern und Bauern auf der Schranne (Kommarkt) heimlich in die Säcke (Taschen - H. S.) stecken.'283 Die­ selbe Tendenz stellte Armbruster fest: .Vorzüglich suchten sie, Advokaten, Öko­ nomen, Landbeamte, Schullehrer und die sogenannten Bauemkönige an sich zu ziehen. Um die letzteren ins Feuer zu hetzen, lieg Strobel die Bildnisse einiger der­ selben malen und in seinem Pantheon merkwürdiger Bayern aufstellen.28* Dieser Zelebritätskitzel, verbunden mit einigen anderen Kunstgriffen, die auf die grogen Motive Eigenliebe und Eigennutz sehr schlau kalkuliert waren, hatte groge Wirkung. Nicht nur von den Bürgern, sondern selbst in den elendesten Bauernhütten, wohin die Illuminaten nie Einflug gehabt hatten und - nach dem mehr aristokratischen System des Ordens - nie Einflug suchten, wurden die Flugblätter der Patrioten verschlungen, und so ward auch dieser bisher noch unverdorbene Teil des baye­ rischen Volkes ein Werkzeug des Zeitgeistes.' 285 Die Revolutionäre brachen gründlich mit der Illusion, wie sie nach dem Regierungs­ antritt Maximilian Josephs allenthalben herrschte und wie sie die Liberalen nach wie vor zu verbreiten suchten, mit Hilfe des Kurfürsten einen echten Wandel der Dinge herbeizuführen. Die Revolutionäre sahen im Kurfürsten richtig den hervor­ ragendsten Repräsentanten des Feudalsystems; dieses war nicht restlos zu über­ winden, wenn nicht jener fiel. Sie waren darum überzeugte Antimonarchisten. Diese Anschauung verkündeten sie offen in der Flugschrift .Danksagungsadresse von der bayerischen Nation an Max Joseph IV.' Die Schrift mug bereits in der ersten Augusthälfte 1800 erschienen sein, denn schon in der zweiten Augusthälfte war die bayerische Polizei eifrig bemüht, nach Verfasser, Drucker, Verleger und Verbreiter zu fahnden. Mit beigender Ironie dankte die Schrift dem Kurfürsten für die an­ geblichen Wohltaten, die Bayern unter seiner kurzen Regierungszeit erfahren hatte, angefangen von den fürstlichen Privatschulden, die abzuzahlen die Bevölkerung die Ehre hatte, über die Bevorzugung der Pfälzer vor den Bayern, die Unterstützung der französischen Emigranten, die enormen Gehälter für die Minister, die kost­ spieligen Bauten und die unnötigen Uniformen für die Beamten bis zu den gewalt­ samen Rekrutierungen für die Armee, .mit der du den freiheitliebenden, dagegen Fürsten, Adel, Pfaffen und alle Volksquäler hassenden Franzosen den Garaus machen wolltest'. Zwar hatte er den angeblichen Freiwilligen, die .gleich Übeltätern in Ketten geschlossen herbeigeführt werden mugten', versprochen, sie nur die Grenzen ihres Vaterlands verteidigen zu lassen, aber er konnte sein Fürstenwort nicht halten, 283 Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O-, S. 20, 17 Anm. 284 Strobel beabsichtigte darüber hinaus, eine Bildnissammlung bayerischer Staatsmänner, Gelehrter, Künstler, merkwürdiger Bürger und Landmänner, mit biographischen Be­ merkungen versehen, in Lieferungen herauszugeben. Zu diesem Zweck lieg er die von ihm gesammelten Porträts durch den Wiener Friedrich John in Kupfer stechen. Die erste Liefe­ rung mit den Kupfern und Biographien des Freiherrn von Weichs, des Pfarrers Anton Bucher und des Pfarrers Georg Alois Dietl erschien jedoch erst nach Strobels Tode: Galerie denkwürdiger Bayern in zwanglosen Lieferungen mit Kupfern von John. München 1807. 184 Fournier, August, a. a. O., S. 243/44.

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.weil England einige Millionen Geld, das weise Fürsten nicht ausschlagen und höher dis das Blut der Untertanen schätzen müssen, welches keinen Wert hat, wohl aber den Grund und Boden düngt, auf dem selbe erschlagen werden, gezahlt und deinen treuen Ministern mit Brillanten besetzte Tabaksdosen geschenkt hat'.28® Mutig flüchtete er auf das bloße Gerücht von der Annäherung der Franzosen nach Lands­ hut, um dort das Voreilige seiner Handlungsweise zu begreifen und nun in Gestalt .eines fahrenden Landshuter Boten * ab und an in seiner Hauptstadt zu erscheinen, damit er .von den Einwohnern Münchens für keine feige Memme angesehen * würde. Gleichzeitig sorgte er dafür, daß .die dem Lande, dem Untertan gehörigen * Schätze ins neutrale Preußische abtransportiert wurden, .damit du auf jeden schlimmen Fall doch bei dir hättest, wovon du mit deinen Lieblingen leben könn­ . * test 287 .Als sich die Neufranken endlich doch den Toren Münchens näherten, bist du mit den Deinigen entwichen — hast den Rest der Armee nächtlicherweile dir nachfolgen lassen, somit die Stadt und das ganze Land der französischen Großmut preisgegeben und den Untertan vollends überzeugt, daß sie sich auch ohne Fürsten und Militär selbst zu verteidigen, zu regieren und die Gefahren, in die sie ihr viel­ geliebter Regent versetzt hat, mit männlicher Klugheit abzuwenden wissen. Wir danken dir nun herzinniglich für alle die Wohltaten, die du uns so reichlich zu­ bereitet - wir sind erfreut, daß dir unsere Drangsale ganz gleichgültig sind und du mit den Deinigen munter, fröhlich und sorgenlos gut essen und trinken kannst. Hast du nun Lust, die dem Lande von den Franzosen aufgelegte Kontribution zu zahlen und die von den Einwohnern Münchens an die französischen Heere abgegebenen, mehrere Millionen abwerfenden Requisitionen, die du uns nebst noch unzähligen Plagen und Qualen verursacht hast und eben daher zu vergüten schuldig bist, zu zahlen, so schicke hiezu die für Bayerns Blut erhaltenen Sterlinge und befreie uns durch deine Abwesenheit itzt und in Ewigkeit vor allem Übel. Amen!II' 288 Ein Programm legte die republikanische Partei in der um die gleiche Zeit erschie­ nenen Schrift vor, die den Titel trug: .Wahrer Überblick der Geschichte der baye­ rischen Nation, oder das Erwachen der Nationen nach einem Jahrtausend . * Die 75 Seiten starke Flugschrift bot auf den ersten 65 Seiten eine summarische Dar­ stellung der ganzen bayerischen Geschichte von den Anfängen bis auf den gegen­ wärtigen Tag, um aus den historischen Erfahrungen Lehren für die Zukunft zu ziehen. Nicht zufällig begann die Darstellung mit dem Hinweis auf den keltischen Ursprung der Bayern, der sie mit den Galliern stammesverwandt machte. Anfangs lebten sie unter einer republikanischen Verfassung, und nur die vielen Wanderungen und Einfälle fremder Völker zwangen sie, sich einen Herzog als Heerführer zu wählen. Das Unglück des bayerischen Volkes begann mit den Karolingern, die mit der Zerstörung der alten Freiheiten den Anfang machten. .Die Geschichte beweist es der Nation klar genug, daß nach der Unterjochungsgeschichte im achten Jahr­ hunderte sich ein Unglück an das andere reihte und daß es itzt nach einem Jahr­ tausende ... zertrümmert, geplündert, ausgezogen, auf allen Seiten in Sklavenketten tM Danksagungsadresse von der bayerischen Nation an Max Joseph IV. o. O. 1800, S. 10/11. m Ebenda, S. 13. Ebenda, S. 13 ff.

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gebunden dasteht. - Unter der schwachen Regierung der karolingischen Könige war es, wo die Geistlichkeit ihr heutiges Übergewicht und so viele Besitzungen erlangte, die Zehnten sich zueignete; wo während des Faustrechts sich Stragenräuber zu heutigen Rittern, Adligen und Grundherren schwangen, die zwei Stände bildeten und dem Volke blog Knechtschaft, das eiserne Joch der Sklaverei über­ liegen. Nach den verschiedenen Launen der schwäbisch- und sächsischen Herzöge mugten die Bayern immer nur bald dahin, bald dorthin in Krieg ziehen, und dann, als die wittelsbachische Familie den Herzogthron auf eine schändliche und un­ gerechte Art errang - machte sich wohl diese Familie vom ersten bis zum letzten Regenten würdig eines Anspruches auf Bayerns Dankbarkeit? Haben sie sich nicht vom ersten bis zum letzten, Max Joseph III. ausgenommen, wie Unsinnige betragen, bloge Mietlinge des Hauses Österreich vorgestellt, sich davon hundertmal betrügen und ausziehen lassen? Und doch sind sie bis auf diese Stunde noch nicht klüger geworden.'28* Drei Fragen ergaben sich: .1. Wie mug sich Bayern itzt betrachten, was mug es tun? 2. Wie mug es Österreich betrachten? 3. Was wird die Republik Frankreich itzt tun?' 280 Die Beantwortung dieser Fragen bildete das Programm der bayerischen Revolutionäre. Auf die erste Frage lautete die Antwort: .Bayern wird sich... weder in die Arme eines Herzogs noch in die Arme der dermaligen wittelsbachischen Familie werfen, sondern sich eine zweckmägigere Verfassung geben.'2*1 Die alte republikanische Freiheit, wie sie Bayern vor tausend Jahren besag, wies den einzigen Weg, der das Land vor dem Untergang retten konnte: .Bayern, vereint mit Schwaben, wird das österreichische Joch abschütteln und eine Vormauer bilden, und, da sich Schwaben, vereinigt mit einem Teile Frankens, in der nämlichen Lage befindet, auch vor der Unterjochung durch Karl den Grogen... eine freie Nation war, unter den darauf­ folgenden Herzogen ein ebenso migliches Schicksal hatte... und sich unter Hunderte von Despoten zerstückelt und von ihnen mighandelt sieht, so werden diese ehemals zwei deutschen Hauptnationen sich brüderlich nach dem Winke der Natur die Hände reichen und sich eine auf Unabhängigkeit, Freiheit und Gleichheit gegründete Ver­ fassung geben und den beiden Ständen, dem Priester- und Adelsstände, einen gleich brüderlichen Verein anbieten; die Priester sollen alle in ihrem Amte zu leben haben und der Adel nach der Billigkeit seiner Forderungen entschädigt werden, wenn sie anders den neuen Nationalbund gleich standhaft mitbeschwören und sich als Landsleute mit Vergessung aller Vorgänge wieder frei wie biedere Bayern und Deutsche umarmen, worauf selbst die bisher von der Landschaft gewechselten Schriften hinzielten. Ziehen sie aber hier verräterisch die Hand zurück, so mag sie gleiches Schicksal mit den Auswürflingen Frankreichs treffen, und sie stehen als wahre Betrüger und Verräter der Nation da.' 282 ”• Wahrer Überblick der Geschichte der bayerischen Nation oder das Erwachen der Nationen nach einem Jahrtausend. Strafjburg 1800, S. 68/69. Wie Kraus bestätigt, ist der angegebene Druckort Strafjburg eine Fiktion. Neumann, Karl Friedrich, a. a. O., S. 287. ”° Wahrer Überblick..., a. a. O., S. 66. ”• Ebenda, S. 68. m Ebenda, S. 71/72.

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Wurde hier den Feudalen immerhin noch die Möglichkeit geboten, sich unter für sie günstigen Bedingungen dem neuen Zustande anzupassen, so gewährte die Ant­ wort auf die zweite Frage Österreich auch nicht die geringste Schonung: Das Haus Habsburg war auszulöschen. .Die an sich gerissenen Länder sind des despotischen Joches schon lange müde. Ober- und Unterösterreich, Steiermark, Kärnten und Tirol sind ursprüngliche Teile Bayerns, haben die natürlichsten Verhältnisse damit und werden sich zu seiner Zeit mit Freude mit dem Urlande wieder verbinden. Böhmen, das alte Bojerland, ist von der Natur selbst zu einem eigenen Staate, zu einer eigenen Nation geschaffen, ist zu seinem größten Nachteil an Österreich gekettet, wird von diesem nur für seine Melkkuh angesehen und ... ergriff schon öfter die Gelegenheit, sich von dieser österreichischen Erzhyder loszuwinden ... So wird auch das an Öster­ reich gefesselte Ungarn seine Ketten zerreiben, seine eigene Nationalkraft fühlen, über sich selbst erröten, daß es so lange für das in Übermaß und Wollust schwim­ mende Wien ein reichlicher Speiseschrank sein mußte.' 29S Die Antwort auf die dritte Frage war entscheidend, denn von ihr hing das Schicksal der beiden voraufgehenden Antworten ab: .Die Republik Frankreich, die nun zum letzten Male durch die schändliche Treulosigkeit Österreichs und die Habsucht Englands das Schwert zu ziehen gezwungen war, wird ihrem neuen Losungsworte: Friede oder Todl getreu bleiben; - nicht bloß zum Ausplündem und (zur - H. S.) Verwüstung der unschuldig und ohnehin unglücklichen deutschen Länder - zur Er­ pressung der von zehnjährigen Plagen der Österreicher noch übriggebliebenen wenigen Pfennige oder gar zur Vertilgung oder Verkleinerung der bayerischen Nation seine tapferen Heere nach Deutschland geschickt haben; sondern die Nationen ehren und der Gottheit für ihre erfochtene Freiheit auch dadurch Ehrfurcht und Dankgefühl bezeigen, daß sie dieses angeborene Recht der Menschheit auch den nun eroberten deutschen Nationen gibt; das wieder gutmacht, was ihre Könige nahmen, den Keim ewiger Kriege, das Erzhaus Österreich, ganz stürzt... und zur eigenen Sicherheit Frankreichs und des republikanischen Systems Süddeutschland in Frei­ heit verbindet... Gegen die Barbaren von Norden und Osten wird durch das freie Süddeutschland nicht nur eine mächtige Vormauer hingestellt, sondern auch da­ durch die Freiheit eben dieser Völker vorbereitet sein ... Und so setzen sich zugleich der große Held der Republik Bonaparte und der glänzende Sieger von Deutschland Moreau die schönsten Denkmäler. * 294 In seinen Grundlinien entsprach dieses Programm dem, was die bayerischen Revo­ lutionäre bereits Anfang 1799 in ihrer ersten öffentlichen Kundgebung, der Schrift .Über Süddeutschland , * gefordert hatten.295 Auch damals war von einer Bayern, Schwa­ ben und einen Teil Frankens umfassenden Republik die Rede, die einen machtvollen Damm gegen die Barbarei des Nordens und Ostens darstellen würde; auch damals war schon angedeutet, daß dann in nicht ferner Zeit die süddeutschen Republikaner die einzigen deutschen Nachbarn der cisalpinischen Republik wären. Der enge Zu­ sammenhang zwischen dieser ersten Äußerung und dem Programm vom August 1800 ergibt sich nicht nur aus der Gleichartigkeit der Ziele, sondern wurde darüber m Ebenda, S. 72/73,

Ebenda, S. 73 ff.

“» Vgl. S. 469 ff.

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hinaus ausdrücklich bestätigt; eine Anmerkung im »Wahren Überblick' verwies auf diesen Vorläufer: »Sieh hierüber ein eigenes Werk über Süddeutschland, 1799.'2,8 Einiges, wenn auch nichts Wesentliches, hatte sich in den Ansichten der Revolutio­ näre allerdings verändert. Der Ton gegenüber Österreich war ungleich schärfer ge­ worden, obwohl der Haß gewiß derselbe war. Anfang 1799 hatte Frankreich einfach noch nicht diese militärischen Erfolge wie Mitte 1800 errungen, so daß wohl der bayerische Wunsch nach einer Schwächung, aber nicht der nach einer Vernichtung des habsburgischen Kolosses laut werden konnte. Um ein weniges hatte sich auch das Verhältnis der Revolutionäre zu Frankreich gewandelt, das einen 18. Brumaire erlebt hatte. Obwohl sie nach wie vor auf die französische Unterstützung bauten und bauen mußten, war jetzt doch schon eine Spur Skepsis spürbar, die damals fehlte. Hinter der Behauptung, Frankreich werde nicht seine Heere zur Ausplünderung und Erpressung der Einwohner nach Deutschland geschickt haben, steckte die Furcht, daß es doch so sein könnte, steckte der Wunsch, daß es nicht so sein möge, aber keine absolute Zuversicht. Nicht von ungefähr erinnerte die Schrift daran, daß Bayern sich 1796 schon einmal gerettet wähnte: »Mit welcher Freude, mit welcher zuvorkommenden Freundlichkeit gingen ihnen die lange harrenden Bayern nicht entgegen; aber wie sehr sahen sie sich auch in ihrer Erwartung betrogenI - Da­ gegen wurden aber auch die Republikaner für ihre schiefe Politik von Karl Theodor und dem bayerischen Adel schändlich geprellt; der Waffenstillstand wurde ge­ brochen, verachtet und wider Frankreich neue Kabalen angesponnen; nur die Ohn­ macht verweigerte, mehr zu tun. * 297 Daß Frankreich aus diesen bösen Erfahrungen gelernt hätte und den Weg der Zusammenarbeit mit ihnen fände, darauf setzten die Revolutionäre ihre größten Hoffnungen. Was sie dafür tun konnten, das taten sie. Sie veröffentlichten 1800 sogar eine französische Übersetzung jener ersten Schrift von 1799 unter dem Titel »Sur l'Allemagne méridionale', um größere Kreise der französischen Armee mit ihren Zielen und mit den Vorteilen bekanntzumachen, die Frankreich aus einer Unterstützung dieser Bestrebungen ziehen konnte. Die Schrift war für diesen Zweck besonders geeignet, da sie ja die Form eines Memorandums für die französische Regierung trug. Ein Nachsatz zu der französischen Fassung machte die Zertrümmerung des feudalen Jochs ganz im Sinne des »Überblicks' zur Pflicht der Republik, »indem sie Bayern und Schwaben der Freiheit wieder zurück­ gibt, deren sie durch den König Karl beraubt wurden,.. .* 299 Das Erscheinen der »Danksagungsadresse * und des »Wahren Überblicks * als pro­ grammatische Äußerungen einer entschieden revolutionären Partei erregte starkes Aufsehen. Die Reaktion machte mobil. Am 18. August hatte der Münchener Polizei­ direktor Baumgartner den Kurfürsten von dem Erscheinen des »Überblicks * unter­ richtet. Das Hofkommissariat, dem inzwischen auch die »Danksagungsadresse * in die Hände geraten war, beauftragte den Hofrat am 21. August, unverzüglich UnterWahrer Oberblick..., a. a. O„ S. 74 Anm. *• ’ Ebenda, S. 60. *** .... en rendant la Bavière et la Souabe à la liberté dont ils ont été privés par le roi Charles,...' Sur l'Allemagne méridionale. Adressé au Gouvernement français par les citoyens du midi de l'Allemagne au mois d'Octobre 1798. o. O. 1800. S. 23 Anm.

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suchungen einzuleiten.20® Am 22. August wurden die Polizeidirektion in München, die Landesdirektion in Neuburg und die Regierungen von Straubing, Burghausen und Landshut angewiesen, .nicht nur alle Sorge zu tragen, daß diese und andere derlei Schriften unterdrückt, konfisziert und ihre Verbreitung verhindert werden, sondern auch auf Entdeckung der Verfasser, Drucker, Verleger und Verbreiter nachzuspüren und alle (zu — H. S.) erlangenden Notizen und (zu - H. S.) treffenden Verfügungen sowohl an Uns als an Unseren Hofrat, welchem die Hauptuntersuchung übertragen ist, jedesmal schleunigst anzuzeigen . * 30® Der preußische Gesandte am Hofe in Amberg, Heymann, bestätigte in seinem Berichte vom 25. August die Un­ ruhe des Kurfürsten über die revolutionären Pamphlete, die München über­ schwemmten.301 Am 26. August sandte Baumgartner einen ersten Bericht, der nichts als das Eingeständnis der Ergebnislosigkeit aller bisherigen Bemühungen enthielt; um den üblen Eindruck, den eine solche Meldung machen mußte, zu verwischen, beteuerte er, .daß die Dankadresse zwar etwas mehr als der Überblick, letzterer aber sehr wenig bekannt sei, welches schon daraus erhellt, daß diejenigen, die da­ von reden, selten den wahren Titel des letzten zu nennen wissen'.302 Das war ein ebensowenig überzeugendes Pflästerchen wie seine andere Versicherung, daß der größte Teil derjenigen, die von dem Inhalt gehört oder die Schriften selbst gelesen hatten, mit Indignation davon sprächen. Der .Allgemeine Literarische Anzeiger * vom 10. Oktober 1800 zählte umgekehrt die .Danksagungsadresse' und den .Über­ blick' zu den revolutionären Broschüren, die sich .als am stärksten verbreitete" auszeichneten .und nicht nur in München, sondern auch auf dem Lande absichtlich in Umlauf gebracht wurden,...' 303 Hätte Baumgartner die Wahrheit gesprochen, so wäre die Gegenschrift höchst über­ flüssig gewesen, die Anfang September prompt erschien. Gift und Galle spie sie; .Seit einiger Zeit schleichen in der finstersten Nacht zwei Lästerschriften wie Nacht­ eulen herum,... Die erste, Danksagungsadresse betitelt, füllt nicht einen mittel­ mäßigen ganzen Bogen aus, so sehr hat sich der plumpgrobe Witz des Fabrikanten gleich in einem winzigen Geschmiere abgestumpft. Dieses neid- und rachestrotzende Machwerk ist ein förmliches infames Pasquill, welches um so sträflicher ist, weil es den Namen der Nation eigenmächtig brandmarkt, voll der ungerechtesten, ab­ geschmacktesten Inzichten in dem pöbelhaftesten Wäschertone aus schwarzer Galle zusammengekritzelt. Die Kritik kann sich mit so einer Kloake nicht besudeln.' 304 Was den geifernden Kritiker allerdings nicht abhielt, noch weitere zwei Seiten lang in diesem Stile dagegen zu polemisieren. Dem «Überblick' begegnete er mit anbie­ dernden Lobpreisungen des loyalen Verhaltens der führenden französischen Militärs, 3,3 300 301 303 333 334

Heigel. Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O-, S. 167. HSA München, Abt. Geheimes Staatsarchiv, K. schw. 110, Nr. 2, Bl. 418. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 176, Bl. 23. HSA München, Abt. Geheimes Staatsarchiv, X. schw. 110, Nr. 2, Bl. 384. Rott, Jakob, a. a. O. Politisches Gespräch zwischen dem Verfasser der patriotischen Schutzschrift für Bayerns Staats- und Kriegsverhältnisse und einem Fremden, den 1. September 1800. Nebst kurzer Beleuchtung zweier im Finstern schleichenden Lästerschriften, o. O. 1800, S. 27.

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die nicht daran dächten, die Erwartungen der Revolutionäre zu erfüllen: .Adel, Bürger und Volk samt den Republikanern bilden gleichsam nur Eine einfrachtvolle Versammlung. Der Obergeneral Moreau, dessen humane Seele, wie man es anrühmt, zu allen tunlichen Milderungen der Stadt lenkbar ist, und der Platzkommandant Ritay fahren fort, mit aller philosophischen Großmut, Ordnung und Disziplin zu befördern. Die strengste, exakteste Stadtpolizei hält Wache über das Ganze. * 305 Auch der gemäßigt liberale Verfasser der »Vertraulichen Briefe * hielt es für nötig, diese beiden Schriften anzuprangern und durch eine panegyrische Darstellung der kur­ fürstlichen Familie ihre Tendenzen zu bekämpfen.308 Die Revolutionäre spotteten der Wut der Reaktion. Die Flugschrift .Wohlverdientes Todesurteil des Joseph N. vulgo Patriot' brachte nach dem Zeugnis von Goertz »zwei mit hämischer Satire erdichtete gerichtliche Verurteilungen der Verfasser von beiden... Schriften... nebst angehängtem Spottlied auf Fürsten, Adel und Geist­ lichkeit'.307 Sie intensivierten ihre Propaganda. Für eine weite Verbreitung be­ sonders geeignet, weil leicht einzuprägen, war die folgende Travestie des Vater­ unsers mit derselben Tendenz: .Vater unser, Bonaparte, der du bist im Himmel des Ruhms und der Ehre, geheiligt werde dein Name im Tempel der Freiheit, zu uns komme dein Reich der Vernunft, dein Wille geschehe, wie im Himmel beschlossen war, dal) ihn sein Auserwählter ans Licht bringen sollte, also auch auf Erden zu London und Venedig, unser täglich Brot gib uns heute und fernerhin ohne viele Mitesser, und vergib uns unsere Schulden, nicht wie die Ablaßkrämer für teure Zahlung, als auch wir vergeben unseren Schuldigem bei unseren Weibern und Töch­ tern, führe uns nicht in Versuchung, ihnen noch mehr nachzusehen, sondern erlöse uns vor Übel solcher Eingriffe wie vor dem Joch der Aristokraten, denn dein ist das Reich, die Menschenrechte zu schützen, und die Kraft, Frankreich einen rühmlichen Frieden zu erkämpfen, und die Herrlichkeit dieser und der Nachwelt, als Held und Sieger unvergeßlich zu bleiben in Ewigkeit. Amen. * 308 Äußerst wirkungsvoll waren kurze, in Verse gesetzte Pamphlete. Zweifellos haben selbst dickleibige Flugschriften damals eifrige Leser gefunden, aber die Form des revolutionären Liedes sprach die Massen noch unmittelbarer an. Vielfach hat man ihnen bekannte Melodien unter­ legen können, so daß die revolutionäre Propaganda im wahrsten Sinne des Wortes von Mund zu Mund ging. Ein solches Lied, .Gesang der Franzosen , * ließ diese .Tuiskons Heldensöhnen' zurufen:

.Reicht als Brüder uns die Hände, Rächt mit uns der Menschheit Ehr, Sprecht, es komme der Tyrannen Ende, Und das schönste Bild der Gottheit schände Keine Sklavenkette mehr. * 300 Ebenda, S. 35. **• Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O., S. 11, 21 ff. *7 DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 63. 148 Bayerische Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Rheinwaldiana Nr. 8, Stück 54, S. 107/08. In ähnlicher Weise wurde auch das Glaubensbekenntnis travestiert. Ebenda. M> Ebenda, Stück 42, S. 81/82.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

An Schillers .Lied an die Freude' klang der nur drei Druckseiten füllende .Repuplikanische Bruderkufj' an: .Allen wahren Demokraten Naher und entfernter Staaten Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft! Friede freien Nationen I Krieg den Szeptern und den Kronen, Die die Völker frevelhaft Um ihr Recht und Freiheit bringen Und des Landes Mark verschlingen l Krieg der stolzen Adelschaft, Die den Landmann und den Bürger Für gekrönte Menschenwürger Und für sich als Lastvieh braucht I Krieg und ewige Bataille Jeder heuchelnden Canaille, Die ihr Gift in Honig taucht. Wenn sie, ohne zu erröten. Gar zum göttlichen Propheten sich mit stolzer Keckheit lügt Und, um die Vernunft zu töten. Uns mit heilgen Fabelreden Schon von Jugend auf betrügt; Die, um uns ins Netz zu locken. Uns im Himmel fette Brocken Unter Sing und Sang verheizt Und dabei uns dummen Tröpfen Aus den wohlgefüllten Töpfen (Eh wir noch das Fett abschöpfen) Suppe, Fleisch und Kohl entreißt I Auf dann, Frankenl füllt die Gläser Bayern! Schwaben! Mit dem besten Traubensaft I Trinkt aufs Weh der Ohrenbläser Einer jeden Völkerschaft! Tod und Feindschaft den Neronent Allen braven Nationen Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft!!!' 810 al° Republikanischer Bruderkufj im ersten Jahre deutscher Freiheit, o. O. o. J. Wahrscheinliche Vorlage des .Bniderkusses' ist das kritische Huldigungsgedicht des fortschrittlichen Preufjen Hans von Held .Patriotische Gefühle beim Geburtsfeste Friedrich Wilhelm des Hl., des

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Bemerkenswert an diesem Gedicht ist, daß der Trinkspruch, mit dem es endete, entweder von den Franken oder von den Bayern oder von den Schwaben aus­ gebracht werden konnte, je nachdem, in welchen Zipfel Süddeutschlands das Flug­ blatt gelangte. Darin spiegelte sich die programmatische Forderung der Revolutio­ näre, eine ganz Süddeutschland umfassende Republik zu gründen. Diese Tatsache ist von großer Bedeutung, beweist sie doch, daß die revolutionären Kräfte nicht richtungslos wucherten, sondern von einer Partei in einer einheitlichen Richtung gelenkt wurden. Dasselbe ist bei der Sammlung .Bayerische Nationallieder am Ende des achtzehnten Jahrhunderts und im letzten Jahre der Sklaverei * festzustellen. Die Sammlung wird im September/Oktober 1800 im Druck erschienen sein; Goertz führte sie am 24. November in seiner für Berlin bestimmten Liste als Nr. 35 an.311 Sie bestand aus 27 Gedichten, von denen einzelne dem Publikum schon früher be­ kannt waren, und einem Anhang von zwei Prosastücken in dramatischer Form, .Szenen unserer Tage' überschrieben. Auf solche Lieder, die den Subsidientraktat verurteilten und zur Desertion aufforderten, ist bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen worden.312 Verschiedene Stücke schilderten insbesondere die elende Lage und die Hoffnung des Bauern auf Befreiung von seinen Unterdrückern, so .Sehnsucht', .Der arme bedrängte Bauer', .Zwei Bauern vor dem Porträt ihres gnädigen Herrn Grafen *, «Der neue Landtag in Bayern', .Die Hoftafel in der Resi­ denz des gnädigsten Landesherrn', .Abendlied eines Fröners', so auch das zweite Prosastück.313 Andere Gedichte rechneten scharf, teils in satirischer Form, mit den Untaten des Kurfürsten und seiner Helfershelfer ab, wozu auch die Aufklärer vom Schlage Westenrieders gehörten, die in der Ära Lippert unter der gleichen Inqui­ sition gelitten hatten, die sie jetzt als Zensoren selbst praktizierten.314 Es gab Hohelieder an die Freiheit, worunter einzelne, so die Ode .Die Freiheit', über eine be­ trächtliche sprachliche Kraft verfügten.315 Nahezu die Hälfte aller Gedichte brachte in irgendeiner Form zum Ausdruck, daß man von den siegreichen Franzosen die entscheidende Hilfe erwartete, um das Joch des Feudalismus abwerfen zu können. Gleichsam als das versifizierte Programm, das der .Wahre Überblick' verkündet hatte, konnte das Lied .Die Bayern an die Neufranken' gelten: Der seit dem 15. Juli andauernde Waffenstillstand vertrug sich schlecht mit den Zielen der Revolutionäre; darum ließ das Gedicht die Bayern sagen: .Ihr Helden, aufl zum Kampfe fort! Ihr habt gerechte Sache. Gehtl rächet den Gesandtenmord, Er fordert eure Rache.

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besten der Könige *. Von der 13. Zeile ab decken sich die Verse des .Bruderkusses' damit nahezu wörtlich. Held selbst sagte, daß sein Gedicht am 3. August 1800 im Druck erschienen sei: .Annalen der leidenden Menschheit. In zwanglosen Heften', H. 10, S. 357, 1801. Ein Abdruck des Heldschen Gedichtes findet sich ebenda, S. 354 ff. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173. 3“ Vgl. S. 653 ff. Bayerische Nationallieder..., a. a. O., S. 33/34, 38 ff., 41, 42, 43, 59 ff., Anhang S. 7 ff. Ebenda, S. 17 ff.. 35 ff., 49 ff., 61 ff., 69 ff., 72/73. Ebenda, S. 46 ff., 51/52, 53, 57 ff.

DL Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

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Demütigt Wien, zerstört das Reich, Das alles Übel schickte. So lang es ihm nur glückte. Auf uns, wie allbekannt, und euch.

Entreißt den ungerechten Raub Gesalbten Räuberhänden; Verbrennt die Adler all zu Staub Und reißt sie von den Wänden. Verteilet Habsburgs Hurenlohn Tirol und Böhmen, Kärnten, Und Bayern soll nun ernten Für sich, nicht für des Kaisers Thron. Und dann versprach uns Decaens Ruhm An seiner Truppen Spitze, Dafi er Person und Eigentum Und Freiheit uns beschütze. Und soll er sein Versprechen nicht Auch halten und erfüllen Und unsre Sehnsucht stillen. Die laut zu seinem Herzen spricht? Und konnte Mailand Buonapart' Republikanisieren, Kann Moreau ja auf gleiche Art Den Wunsch realisieren: Zu stiften eine Republik Aus Bayern, Schwaben, Franken. Was wären dies für Schranken Für Frankreich - und für uns - welch Glück I' 816

Bereits in ihren Titeln zeigten den Einfluß des Programms das Gedicht .Der Nacht­ wächter aus dem Lande der Freiheit an die Bayern, Schwaben und Franken um * Mitternacht 317 und .Ein Trinklied der Bayern, Schwaben und Franken; oder in Süddeutschland'.’18 Ein Hohelied .An die Freiheit * schloß mit den Versen:

.Edle Freiheit I Deutschlands Süden Seufzt wie einst dein Frankenland. Wünschen können wir den Frieden, Kommt er uns an deiner Hand. Segnend kehr' mit ihm hernieder. Dann ist aller Wunsch erfüllt: Schwabe, Bayer, Frank sind Brüder; Recht steht auf der Freiheit Schild.'318 “• Ebenda; S. 11/12, 14.

Ebenda, S. 16.

“• Ebenda, S. 44/45.

«♦ Ebenda. S. 57.

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Die Einheitlichkeit und Intensität dieser revolutionären Propagandaerzeugnisse spiegeln die höhere Entwicklung wider, die die Bewegung, gemessen an 1798/99 und erst recht an 1796, genommen hatte. Im Anfang waren die revolutionären Kreise kaum über die theoretische Anerkennung der Revolution hinausgekommen und warteten auf dieses große Ereignis wie auf ein Geschenk; jetzt bildete zwar auch die französische Armee nach wie vor die entscheidende Größe, aber daneben war doch schon eine wirkungsvolle Bearbeitung der Bevölkerung getreten. Im Anfang beschränkte sich die Beziehung der Revolutionäre zu den werktätigen Massen, insbesondere zu den Bauern, auf eine fruchtlose Sympathie; jetzt waren es gerade die Massen, an die sie sich wandten, um die Revolution auf eine feste Grundlage zu stellen. Zeitgenössische Stimmen bestätigten, daß diese Propaganda auf fruchtbaren Boden fiel. Bürgermeister und Rat von Amberg in der Oberpfalz berichteten am 12. Juli 1800 dem Kurfürsten, .wie eine so andere über die eingebildete französische Frei­ heit und Gleichheit zum Druck beförderte Flugschrift auch heimlich in die kurpfalz­ bayerischen Länder eingeschlichen wurde; hierdurch auch einige hiesige neumodische Bürger verleitet, gegen die bisherigen urältest besten Observanzen auf ganz andere Einrichtungen zu denken, die bei den Ratswahlen von uralten Zeiten her genau be­ obachteten Formalitäten für zweckwidrig zu erklären, sich selbst die Bestellung obrigkeitlicher Personen anzumaßen, die zur Aufrechterhaltung der gemeinen Stadt oder der Stadtkammer ohne allen auch mindesten Beitrag der Bürgerschaft gewid­ meten Grundstücke zu dieser letzteren gänzlichem Umsturz sogleich eigenmächtig und willkürlich unter sich zu verteilen, dann um dieses zu bewerkstelligen, in mehreren Zechstuben unzulässige Versammlung zu halten, die anderen gutdenken­ den Bürger durch Drohungen und in anderen Wegen in ihr Interesse zu ziehen und hierüber sogar einen Prozeß anzufangen,.. .* 320 Die preußische Gesandtschaft stellte in ihrem Bericht vom 4. September aus München fest, daß die äußere Ruhe zwar noch nicht gestört wurde; .aber es ist unmöglich, nicht mit Sorge innezuwerden, daß gleichzeitig die Stimmung gegen den Hof immer erbitterter wird. Es sind nicht irgendwelche bösartigen Pamphlete, Werke der Finsternis, womit diese Beobachtung zur Genüge begründet wäre; es ist die öffentliche Meinung, die man überall laut ertönen hört.' 321 Das Militär war durch und durch zersetzt. Als Österreich im Sep­ tember mit einigem Lärm seine Bereitschaft zur Beendigung des Waffenstillstands demonstrierte, um dann aber doch gegen den Preis der Festungen Philippsburg, Ulm und Ingolstadt eine Verlängerung der Waffenruhe zu erkaufen, da erließ auch der bayerische Kurfürst am 16. September einen Aufruf. Er sollte Kampfesmut er­ zeugen, war aber nichts anderes als eine ohnmächtige Beschwörung der in Uniform­ röcke gepreßten Bauern, der defaitistischen und revolutionären Propaganda kein 310 HSA München, Abt. I, M. Inn. 7, Fase. 1103, Nr. 25651. .Mais il est impossible de ne pas s'apercevoir avec peine, qu'en même temps les esprits s'aigrissent de plus en plus contre la Cour. Ce ne sont pas quelques pamphlets virulents, œuvres des ténèbres, par lesquels cette observation serait suffisamment fondée; c'est la voix publique qu'on entend retentir partout.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fasc. 169, Bl. 310. 44 Süddeutsche Jakobiner

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IX Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Gehör zu schenken: .Der Krieg beginnt aufs neue, SoldatenI... Unwissende Schwätzer, selbstgetäuschte oder durch boshafte Nebenabsichten geleitete Menschen, Staatsverräter sind beschäftigt, durch lügenhafte Gerüchte euch falsche Begriffe über eure Bestimmung beizubringen und dadurch auf eine arglistige Art euch zu hintergehen... Diese Elenden kennen den geraden Sinn des Kriegers nicht; ... er kämpft, statt über Krieg und Frieden ängstlich zu vernünfteln,.. .* 388 Goertz in Regensburg schickte der Fortsetzung seiner Liste bayerischer Flugschriften vom 17. November folgende Bemerkungen voraus: .In Rücksicht der allgemeinen, in Bayern herrschenden Stimmung kann ich hiebei nicht unbemerkt lassen, dafi selbst mehrere französische Militärpersonen hohen und niederen Rangs, welche dieselbe näher zu untersuchen und kennenzulernen Gelegenheit gehabt haben, ihr Erstaunen nicht genug zu erkennen geben konnten, wie sehr revolutionäre Grundsätze, so wild und ausschweifend, wie sie in Frankreichs unglücklichsten Perioden nur immer sein konnten, überall und nicht nur bei dem Bürger und Landmann, sondern, was beinahe unglaublich ist, bei der Geistlichkeit und bei dem Adel auf dem Lande und in den Provinzialstädten im Schwange sind,..323

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen 1800/1801 Die bayerischen Revolutionäre waren bisher von Frankreich noch nicht so grausam enttäuscht worden wie ihre Gesinnungsgenossen in Schwaben und am Oberrhein. Immerhin aber war ihre Zuversicht in die französische Hilfe nach den Erfahrungen des Jahres 1796 auch nicht mehr völlig unbegrenzt. Sie rechneten mit keiner bedingungs­ losen Unterstützung; nur wenn es gelang, Frankreich von der Kraft der Bewegung zu überzeugen, bestand Hoffnung. Darum verging auch mehr als ein Monat nach dem Einmarsch der Franzosen in München, bevor der leitende Kern der Revolutio­ näre offiziell bei der Armeeführung vorstellig wurde. Die Zwischenzeit wurde ge­ nutzt, die Organisation zu festigen und möglichst sichtbare Erfolge der revo­ lutionären Propaganda insbesondere unter den bayerischen Truppen zu erzielen. Sie begannen die Unterhandlungen erst, als sie annehmen durften, von der französischen Seite als ein gewichtiger Partner akzeptiert zu werden. Allein unter dieser Voraus­ setzung war auf die so notwendige Hilfe zu rechnen. Die offizielle Kontaktaufnahme wurde dadurch vorbereitet, dafj die Revolutionäre zunächst einzelne Persönlichkeiten ins Vertrauen zogen. Die Ergebnisse waren nicht entmutigend. Verschiedene fran­ zösische Offiziere brachten dem Projekt offensichtlich Interesse entgegen. Der in Ehrenbreitstein gebürtige Brigadechef Karl Joseph Boyer war begeistert. Die Brigadegeneräle Durutte und Debilly zeigten sich zumindest interessiert.384 Der Offizier Krokowiecky übernahm es sogar, die .Danksagungsadresse' dem Drucker zu überbringen, auf diese Weise nicht nur den Verfasser Strobel deckend, sondern zugleich beim Drucker die Autorität der französischen Besatzung in die Waagschale311 * 311 Heiltnann. Joachim. Der Feldzug von 1800..., a. a. O„ S. 37. •» DZA Merseburg. Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 57. s“ Fahtmbacher, Hans, a. a. O., S. 59.

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IX Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Gehör zu schenken: .Der Krieg beginnt aufs neue, SoldatenI... Unwissende Schwätzer, selbstgetäuschte oder durch boshafte Nebenabsichten geleitete Menschen, Staatsverräter sind beschäftigt, durch lügenhafte Gerüchte euch falsche Begriffe über eure Bestimmung beizubringen und dadurch auf eine arglistige Art euch zu hintergehen... Diese Elenden kennen den geraden Sinn des Kriegers nicht; ... er kämpft, statt über Krieg und Frieden ängstlich zu vernünfteln,.. .* 388 Goertz in Regensburg schickte der Fortsetzung seiner Liste bayerischer Flugschriften vom 17. November folgende Bemerkungen voraus: .In Rücksicht der allgemeinen, in Bayern herrschenden Stimmung kann ich hiebei nicht unbemerkt lassen, dafi selbst mehrere französische Militärpersonen hohen und niederen Rangs, welche dieselbe näher zu untersuchen und kennenzulernen Gelegenheit gehabt haben, ihr Erstaunen nicht genug zu erkennen geben konnten, wie sehr revolutionäre Grundsätze, so wild und ausschweifend, wie sie in Frankreichs unglücklichsten Perioden nur immer sein konnten, überall und nicht nur bei dem Bürger und Landmann, sondern, was beinahe unglaublich ist, bei der Geistlichkeit und bei dem Adel auf dem Lande und in den Provinzialstädten im Schwange sind,..323

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen 1800/1801 Die bayerischen Revolutionäre waren bisher von Frankreich noch nicht so grausam enttäuscht worden wie ihre Gesinnungsgenossen in Schwaben und am Oberrhein. Immerhin aber war ihre Zuversicht in die französische Hilfe nach den Erfahrungen des Jahres 1796 auch nicht mehr völlig unbegrenzt. Sie rechneten mit keiner bedingungs­ losen Unterstützung; nur wenn es gelang, Frankreich von der Kraft der Bewegung zu überzeugen, bestand Hoffnung. Darum verging auch mehr als ein Monat nach dem Einmarsch der Franzosen in München, bevor der leitende Kern der Revolutio­ näre offiziell bei der Armeeführung vorstellig wurde. Die Zwischenzeit wurde ge­ nutzt, die Organisation zu festigen und möglichst sichtbare Erfolge der revo­ lutionären Propaganda insbesondere unter den bayerischen Truppen zu erzielen. Sie begannen die Unterhandlungen erst, als sie annehmen durften, von der französischen Seite als ein gewichtiger Partner akzeptiert zu werden. Allein unter dieser Voraus­ setzung war auf die so notwendige Hilfe zu rechnen. Die offizielle Kontaktaufnahme wurde dadurch vorbereitet, dafj die Revolutionäre zunächst einzelne Persönlichkeiten ins Vertrauen zogen. Die Ergebnisse waren nicht entmutigend. Verschiedene fran­ zösische Offiziere brachten dem Projekt offensichtlich Interesse entgegen. Der in Ehrenbreitstein gebürtige Brigadechef Karl Joseph Boyer war begeistert. Die Brigadegeneräle Durutte und Debilly zeigten sich zumindest interessiert.384 Der Offizier Krokowiecky übernahm es sogar, die .Danksagungsadresse' dem Drucker zu überbringen, auf diese Weise nicht nur den Verfasser Strobel deckend, sondern zugleich beim Drucker die Autorität der französischen Besatzung in die Waagschale311 * 311 Heiltnann. Joachim. Der Feldzug von 1800..., a. a. O„ S. 37. •» DZA Merseburg. Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, Bl. 57. s“ Fahtmbacher, Hans, a. a. O., S. 59.

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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werfend. Die Annahme der .Vertraulichen Briefe', daß Franzosen an den Zu­ sammenkünften der Revolutionäre teilnahmen, da doch einige ihre Wirte fragten, ob sie nicht den Klub besuchten, wird durch die Aussage des Kriegskommissars und mit Moreau befreundeten Rochelle bestätigt: Er wurde dort förmlich eingeführt und lernte dabei Utzschneider .als das Haupt der Verschwörung * kennen.325 Anfang August 1800 schließlich suchte dann eine offizielle Deputation der Revo­ lutionäre den General Decaen auf. Sie wurde zwar nicht ermutigt, aber auch nicht eindeutig abgewiesen. Der Verlauf dieser Unterredung ist uns aus den Aufzeich­ nungen des Generals bekannt. Die Abgesandten eröffneten ihm, .daß man 2U einer Erhebung gegen den Kurfürsten und seine Regierung bereit wäre, daß man, wenn ich die Bewegung begünstigen wollte, gleich alles für das Unternehmen rüsten und daß die Fahne der bayerischen Freiheit in München und im ganzen von der fran­ zösischen Armee besetzten Teil Bayerns entrollt werden würde. Ich antwortete darauf, daß es meiner Meinung nach nicht in der Absicht der französischen Regierung läge, einer derartigen Unternehmung eine weithin sichtbare Protektion zu gewähren, und das um so mehr, als ich glaubte, daß es ihr System wäre, so bald wie möglich zu einem allgemeinen Frieden zu gelangen; daß sie sich demnach von diesem System entfernen würde, wenn sie eine Insurrektion in Bayern unterstützte, wo die Öster­ reicher noch ihre Armee hatten. Ich fügte hinzu, daß man über ein solches Projekt nachdenken und vor allem die Folgen und die Wirkungen der Französischen Revo­ lution betrachten müßte; daß, wenn auch die Beseitigung der Mißbräuche, die Ver­ nichtung der Privilegien und Feudalrechte, die Glaubensfreiheit usw., sowie der Wunsch nach einer besseren Regierung sehr mächtige Motive wären, um auf das gesteckte Ziel marschieren zu lassen, man aber ebenfalls alles abwägen müßte, was bei einer Revolution herauskommen könnte, die sich vielleicht nicht so lenken ließe, wie man es wollte; daß man also vielmehr dem, worüber man sich beklagte, durch Maßnahmen abzuhelfen trachten sollte, die mit der Zeit die gegenwärtige Regierung Bayerns verbesserten, anstatt daran zu arbeiten, sie zu stürzen; daß andererseits auch beachtet werden müßte, daß, wenn die französische Regierung ihre Protektion nicht gewähren wollte, ich die Bevölkerung Bayerns für zu schwach hielt, um allein zu handeln, und daß das Land vor allem an Preußen und Österreich grenzte, die gewiß alle Anstrengungen machen würden, um hier jede freiheitliche Unternehmung zu unterdrücken. Man war mit meiner Antwort und meinen Bemerkungen nicht zu­ frieden. Gleichwohl kam man einige Tage später wieder, um mir neue dringende Anträge zu machen, denen ich ein Ende setzte, indem ich sagte, daß sich der Ober­ kommandierende in Augsburg befände; daß man zu ihm gehen möge und daß, wenn er die Vorschläge annehme, er mir befehlen würde, was er für angemessen erachtete, und daß ich dann machen würde, war er mir vorschriebe. * 329 In einem Brief vom355 355 Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O., S. 179. SM .... on vint m'informer qu'on était disposé à un soulèvement contre ¡'Électeur et son gou­ vernement; que, si je voulais favoriser le mouvement, on allait tout préparer pour l'entre­ prendre, et que l'étendard de la liberté bavaroise serait arboré à Munich et dans toute la partie de la Bavière occupée par l'armée française. Je répondis alors que je ne pensais pas qu'il fût dans l'intention du gouvernement français qu'il fût donné une protection apparente à une 44*

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DL Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

8. August unterrichtete Decaen Moreau von dem Wunsch der Revolutionäre, unter dem Schutze Frankreichs eine Franken, Schwaben und Bayern umfassende Republik zu gründen.3*7 Decaen hatte keine klare Absage erteilt, sondern die Deputation an Moreau ver­ wiesen. Insofern blieben noch alle Möglichkeiten offen. Andererseits aber hatte er schwerwiegende Bedenken geäußert und deutlich zu verstehen gegeben, daß seines Erachtens ein weniger gewaltsamer Weg, der Weg der Reformen, größere Aus­ sichten auf Erfolg besäße. Diese Stellungnahme mußte dem revolutionären Zentrum zu denken geben. Decaen sagte über die weitere Entwicklung: .Der Mißerfolg ihrer ersten Schritte machte ihnen viel Sorge, denn sie glaubten ganz aufrichtig, unter dem Schutz der französischen Armee alles auszuführen, was sie sich vorgenommen hatten. Indessen gaben sie nicht «lie Hoffnung auf, daß die Zukunft ihrem Vaterland und ihren Absichten günstiger sein könnte. Man fuhr fort, Pamphlete zu verbreiten, und es erschienen davon mehrere in dem Zeitpunkt, wo die Rede davon war, daß die Feindseligkeiten wieder beginnen würden.' 328 Im September schien Österreich den Krieg wieder aufnehmen zu wollen. Unter den Flugschriften, die jetzt verbreitet wurden, nannte Decaen neben dem «Republikanischen Bruderkuß', der sich an Bayern, Franken und Schwaben wandte und dem Ziel einer ganz Süddeutschland umfassenden Republik diente, auch .Die Zeichen der Zeit oder die letzten Zuckungen des Adels und der Pfaffen in Bayern'. Diese Schrift verlangt besondere Aufmerk­ samkeit. Ihr revolutionärer Ursprung leuchtete überall durch. Schon der Titel, der Verlag .Peter Hammer * und die französische Datierung .Jahr IX * deuteten ihren pareille entreprise, d'autant plus que je croyais que son système était d'atteindre à la paix générale le plus tôt que cela lui serait possible; qu'il s'écarterait donc de ce système s'il protégeait une insurrection en Bavière où les Autrichiens avaient encore leur année. J'ajoutai qu'il fallait réfléchir sur un tel projet et surtout considérer les suites et les effets de la Révolution française; que, si l'anéantissement des abus, l'abolition des privilèges et des droits féodaux, la liberté des cultes, etc., ainsi que le désir de voir exister un meilleur gouvernement, étaient des motifs bien puissants pour engager è marcher vers le but qu'on s'était proposé, il fallait aussi mettre en balance tout ce qui pourrait arriver d'une révolution qu'on ne pourrait peut-être pas conduire comme on le voudrait; ainsi, qu'il faudrait plutôt tâcher de remédier A ce dont on se plaignait par des mesures qui, avec le temps, amélio­ reraient le gouvernement actuel de la Bavière au lieu d'agir pour le renverser; que, d'un autre côté, il fallait aussi faire attention que, si le gouvernement français ne voulait pas accorder sa protection, je trouvais que la population de la Bavière était trop faible pour agir seule, et le pays étant surtout en contact avec la Prusse et l'Autriche qui feraient certainement tous leurs efforts pour y comprimer toute entreprise en faveur de la liberté. On ne fut pas satisfait de ma réponse et de mes observations. Néanmoins on revint quelques jours après, me faire de nouvelles sollicitations auxquelles je mis lin en disant que le général en chef était à Augsbourg; qu'on allât vers lui, et que, s'il accueillait les propositions, il m'ordonnerait ce qu'il jugerait convenable; et qu'alors je ferais ce qu'il me prescrirait.' Mémoires et journaux du général Decaen, a. a. O., S. 117/18. ir7 Ebenda, S. 117 Anm. 1. -*** .Le non-succès de leurs premières démarches leur fit beaucoup de peine, car Ils croyaient bien sincèrement mettre à exécution, sous l'égide de l'armée française, tout ce qu'ils avaient prémédité. Cependant ils ne désespérèrent pas que l'avenir pourrait être plus favorable à leur patrie et A leurs desseins. On continua de répandre des pamphlets et il en parut plu­ sieurs dans le moment où il fut question que les hostilités allaient probablement recom­ mencer.' Ebenda, S. 118/19.

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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Radikalismus an.329 Dennoch fehlte die für bayerische Bewegung charakteristische Zielsetzung einer aus Bayern, Schwaben und Franken bestehenden Republik; mehr noch: es fehlte die Forderung nach der Republik überhaupt. Bezeichnend war die als Motto vorangestellte Abwandlung der ersten Strophe aus Schubarts .Fürsten­ gruft”:

.Da liegen sie, die stolzen Kastentrümmer, Ehmals die Götzen dieser Weltl Da liegen sie, vom fürchterlichen Schimmer Des blassen Tags erhellt.” 339

Schubart hatte von .Fürstentrümmern * gesprochen; hier dagegen wurde das Feuer auf die privilegierten Stände gerichtet und der Fürst gewissermaßen ausgeklammert. .Die Zeichen der Zeit * stellten eine weitere Auseinandersetzung mit jener reaktio­ nären Hetzschrift dar, die, nach den Vorstößen Utzschneiders im Februar von Törring verfaßt, sich an .Ohr und Herz' des Kurfürsten wandte, um ihn vor den .Mord­ brennern' zu warnen, die sich seine Ratgeber nannten.931 Der Verfasser wußte gut über den Weg Bescheid, den die reaktionäre Hetzschrift genommen hatte: .Der Aufsatz wurde nicht gedruckt, sondern er rollte unter den Adligen und Priestern nur geschrieben herum, welche den Aufsatz mit innigster Wonne lasen und feurig küßten. Man scheute den freien Weg der Publizität und schlich so im Finstern herum, bis dieser Aufsatz auf den schon bestimmten Wegen zur Person des Kur­ fürsten kam.' 332 In der Tat war das Manuskript von Bühler über die preußische Gesandtschaft an Montgelas und an Kaeser gelangt, der sie dann dem Fürsten vorgelesen hatte.333 Das Wissen um solche Details läßt darauf schließen, daß der Verfasser ähnlich wie Utzschneider und Hazzi einen nicht unbedeutenden Posten im Staatsapparat einnahm, der ihm Einblick in manche Zusammenhänge gewährte. Dabei stand er jedoch der Regierung Montgelas eindeutig feindlich gegenüber; er rechnete darum auch mit dem sofortigen Verbot seiner Schrift, einer Maßnahme allerdings, die nur den Absatz steigern und eine zweite Auflage schneller nötig machen würde. Der Verfasser legte seine Auseinandersetzung so an, daß er im 1. Teil das reaktionäre Pamphlet in vollem Wortlaut abdruckte und im 2. Teil seine eigenen kritischen .erläuternden Anmerkungen * auf mehr als hundert Seiten dazu gab. Diese Methode gestattete keine systematische Darlegung seiner Anschauungen, aber hatte den Vorteil größerer Lebendigkeit. Für den vorliegenden Zweck jedoch empfiehlt sich eine knappe Zusammenfassung seiner Hauptgesichtspunkte. .In Bayern herrscht Willkür der Landstände, Unfreiheit der Nation, Gesetzlosigkeit in dem Gesetzbuche "• Vgl. S. 582. 330 Die Zeichen der Zeit oder die letzten Zuckungen des Adels und der Pfaffen in Bayern. Köln, bei Peter Hammer, Jahr IX, S. II. Maenner, der die Schrift in seinem Literatur­ verzeichnis aufführt, gibt in eckigen Klammem als deren Verfasser Leth an. Maenner. Ludwig, a. a. O-, S. 230. 331 VgL S. 628. 331 Die Zeichen der Zeit..., a. a. O., S. V. 338 DZA Merseburg. Rep. 11, Nr. 33, Fase. 169. BL 147.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

und Privatwille im ganzen.'334 Die Hauptschuld an diesen Zuständen trugen Adel und Geistlichkeit. Jenen bezeichnete er als .die betörteste, aufgeblasenste, feigste und kriechendste Menschenklasse, ohne Kopf und Herz, Menschen, die kein fröh­ liches Gesicht sehen, ohne nicht gleich die böse Lust zu fühlen, eine Kralle ihres bösen Gewissens darauf zu kratzen,...'835 Und der Priester blieb .unter allen erdenklichen Umständen, Zeiten, Gestalten und Verhältnissen immer der nämliche: Des Himmels stolzer Vertrauter, der Vernunft geschworener Feind und der Mensch­ heit gefühlloser Tyrann *. 388 Ihr gemeinsames Opfer war das arbeitende Volk, in erster Linie die Bauern, die den bei weitem überwiegenden Teil der Nation aus­ machten. Es versteht sich, daß die Landschaft, die sich fast ausschließlich aus diesen beiden Kasten rekrutierte, ebensowenig Repräsentant der Nation sein konnte, wie die Magistratsmitglieder die Bürger repräsentierten.387 Nach dem Adel und der Geistlichkeit war die Feudalbürokratie das nächste Grundübel. Sie beschäftigte ein Heer überflüssiger Menschen. .Die meisten sind Leibtrabanten der Gewalt, Papier­ motten, die in Akten umherwühlen und darin die Bestimmung des Menschen zu suchen wähnen... Da sie gänzlich Fremdlinge in staatsrechtlichen Untersuchungen sind, so erröten sie nicht, den Staat an Adlige und Priester zu verraten. Vor Mäch­ tigeren fallen sie auf die Knie, den Ohnmächtigen hingegen treten sie in den Staub... Sie sind Organe des Despotismus und glauben, daß ein besserer Zustand für die Menschen nicht passe, weil er ewig unter der eisernen Zuchtrute der Tyrannei gehalten werden müsse.' 388 In diese Kategorie war der erste Minister Bayerns, Montgelas, eingeschlossen: .Dieser Fremdling heuchelt Aufklärung und ward der erste Seelenmakler Bayerns. Er riet zu Subsidientraktaten für fremdes Interesse, sucht alles zu verwirren, um im Trüben zu fischen.' 388 Wollte die Kritik konsequent sein, so durfte sie nicht bei dem ersten Mann unter dem Thron enden. Sie war es, wenn auch bei weitem nicht mit der Schärfe, mit der Adel, Geistlichkeit und Be­ amtenschaft gegeißelt wurden. Die Verantwortung für den Soldatenhandel und für die Unterdrückung des Volkes überhaupt trug letzten Endes doch der Fürst; der Verfasser deutete es in einer allgemeinen Bemerkung an.840 Mehrfach warnte er davor, sich unter den gegebenen Umständen in dem Streit zwischen Fürst und Land­ schaft einfach auf die Seite des ersteren zu schlagen. Beide beriefen sich auf die bayerische Konstitution, die keine war, sondern ein Monstrum .mit Lappen von allen Farben umhangen, aus Schlangen, Vögeln, Lämmern und Tigern zusammen134 Die Zeichen der Zeit.., a. a. O., S. 75. MI Ebenda, S. 102. “* Ebenda, S. 113. 3)7 .Seitdem sich die Magistrate zu Herren der Bürgerschaft aufgeworfen haben, können sie nicht mehr als Vertreter der Bürgergemeinde angesehen werden, ihre Vorrechte sind auf Lug und Trug gegen die Bürger gerichtet sie sind Verzehrer des bürgerlichen Fleißes und daher auch Ursache des Verfalls der Bürger.' Ebenda, S. 71 Anm. ’’’ Ebenda, S. 80 ff. *" Ebenda, S. 40. 348 .Für die oberste Allgewalt der Natur ist der Mensch nur eine Kleinigkeit. Daß ihn aber auch die Herrscher ... als solche behandeln, indem sie ihn teils tierisch als bloßes Werkzeug ihrer Absichten belasten, teils in ihren Privatstreitigkeiten gegeneinander aufstellen, um sie schlachten zu lassen, - das ist keine Kleinigkeit sondern Umkehrung des Endzweckes der Schöpfung selbst.' Ebenda, S. 41/42.

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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gekuppelt, ohne Hände und Füße,... Dieses auf die verschiedenartigste Weise bloß willkürlich gemachte Gehacke ist zugleich der Talisman, den der Hof und die Land­ stände in ihren jährlichen kostspieligen Fehden gegeneinander gebrauchen . * 341*Er leugnete entschieden, .daß der Fürst die Untertanen vertrete; diese Sophisterei zielt nur dahin, um den Ständen ihre anmaßliche Repräsentation zu entreißen . * 343 Im Grunde spielten Hof und Verordnung das gleiche Spiel, nur mit verteilten Rollen.

Die Klarheit, mit der der Verfasser die Gemeinsamkeit der Interessen von Hof und Privilegierten erkannte, stand in seltsamem Widerspruch zu dem Weg, der aus den unerträglichen Verhältnissen herausführen sollte. Der Verfasser berief sich auf Kant, den .Zermalmer des Herkommens , * der verlangt hatte, .daß die Fürsten, ob sie gleich autokratisch herrschen, dennoch republikanisch regieren, das ist, das Volk (die ganze Nation) nach Prinzipien behandeln sollen, die dem Geiste der Freiheitsgesetze (wie ein Volk mit reifer Vernunft sie selbst vorschreiben würde) gemäß sind, wenngleich dem Buchstaben nach es um seine Einwilligung nicht gefragt würde’.343 Darum trat der Verfasser nicht als ein prinzipieller Gegner der Monarchie auf; nicht die Herrschaftsform, sondern die Art der Regierung entschied über ihre Recht- oder Unrechtmäßigkeit: .... die Monarchie ist kein Hindernis der allgemeinen Freiheit, sie ist vielmehr ein gewähltes Mittel dazu; aber die Aristo­ kratie der Priester und Adligen, die gewöhnlich in monarchischen Staaten haust, ist die Pestbeule am Körper des Staates... Sie sind die Scheidewand zwischen Fürsten und Volk und verhindern den ersteren an allen zweckmäßigen Einrichtungen.'344 Darum erwartete der Verfasser vom Fürsten, .daß er sich an die Nation schließe und ihr die Freiheit verschaffe, sie nicht als Mittel, sondern als Zweck betrachte. Freilich verlassen ihn dabei die alten schon vermoderten Stützen, aber aus deren Trümmern entstehen weit stärkere und dauerhaftere Stützen. Die Nation hebt dann mit tausend Kräften den Thron hoch empor, und Adlige und Pfaffen müssen mit­ halten oder weichen, gegen die ganze Nation werden sie nichts vermögen'.345 Die Hauptstütze würde der Bauernstand sein.343 Voraussetzung und Mittel zugleich, den genannten Staatszweck zu erreichen, war die Annahme einer schriftlich fixierten, nicht aus zerstreuten und willkürlichen Urkunden abgeleiteten, sondern einheitlichen und umfassenden Konstitution, die Freiheit und Eigentum der ganzen Nation garantierte, alle Vorrechte und alle Willkür beseitigte. .Eine wahre Repräsentation 341 Ebenda, S. 69/70. Ähnlich S. 47 Anm.: .Die bayerische Konstitution soll ein Geheimnis bleiben, welche der Zankapfel zwischen Hof und Ständen ist, worüber auf Kosten der Nation gespielt und gestritten wird.' Oder S. 97/98: .Der Hof wiU keinen Landtag, nicht deswegen, weil er vielleicht glauben könnte, daß eine Versammlung von Aristokraten nicht viel Gutes beschliessen werde, sondern weil er oder die Minister ihn fürchten, weil auch diese die Pflicht, Rechenschaft abzulegen, vergessen haben und bei einer Abforderung schwerlich werden bestehen können... Also deswegen werden auch die Landtagsschriften unterdrückt, und sucht jetzt Hof und Verordnung eins das andere zu retten.' 341 Ebenda, S. 73 Anm. Ebenda, S. 29. 344 Ebenda, S. 38. 343 Ebenda. S. 122. 343 Ebenda. S. 25.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

der Untertanen * wachte über die Reinerhaltung dieses Grundgesetzes: ,Es soll kein Kastengeist mehr existieren, sondern die ganze Nation soll aus den verschiedenen Klassen sich freie Stellvertreter wählen, welche die Volksrechte gegen die fürst­ lichen Anmaßungen mit Kraft und Redlichkeit verteidigen. * 347 Das Ziel war also eine konstitutionelle Monarchie. Was aber sollte geschehen, wenn es dem Fürsten an Einsicht und Willen mangelte, mit der gesamten Nation in einen öffentlichen Vertrag zu treten? Der Verfasser war nicht auf die liberale Lösung eingeschworen. Indem er dem Volk das Recht und die Pflicht zum Widerstand gegen Unterdrückung zusprach, bekannte er sich eindeutig zu einem revolutionär-demo­ kratischen Prinzip: .Eine unrechtmäßige Konstitution aber zu verändern und in eine rechtmäßige umzuwandeln, ist Pflicht für jeden Menschen, und hat niemand das Recht zu behaupten, daß er das Alte nicht verlassen will.'348 Auch nicht der Fürst I .Jetzt... fordert die gedrückte Nation nach Pflicht und Rechten förmliche Staatsverhältnisse; und dieser Zeitpunkt ist es, den die Fürsten gewöhnlich versehen. Sie weigern sich selbst der öffentlichen Verhältnisse, von welchen sie der Adel und PfafEheit ohnehin nach Kräften hinweggehalten..., und Fürst und Stände fallen früher oder später, wenn auch hundert Opfer des Volks bluten - sie fallen aber gewiß.'343 Auch die revolutionäre Lösung also war ein Weg, den der Verfasser prinzipiell bejahte. Frankreich war ihn mit Erfolg gegangen: .Frankreichs Unglück ist gestürzt, und in einer neuen Konstitution blüht das Glück desselben.'390 Obwohl die neue Konstitution als der Angelpunkt dargestellt war, von dem aus die gesamte Ordnung umgewälzt werden konnte, umriß der Verfasser ihren Inhalt nur in den allgemeinsten Wendungen. Da er sich mit einer reaktionären Hetzschrift auseinandersetzte, die der Vorstoß Utzschneiders provoziert hatte, könnte man an­ nehmen, daß vielleicht Utzschneiders .Entwurf' in den Augen des Verfassers als annehmbares Muster galt. Daß er ihn kannte, ist gewiß. Erstens war der .Entwurf * schon Ende Juni veröffentlicht worden351,- zweitens polemisierte die Schrift gegen Utzschneiders Absicht - ohne allerdings dessen Namen zu nennen -, die Schul­ aufsicht weiterhin den Pfarrern zu überlassen.353 Da dies die einzige, noch dazu negative Anspielung auf den .Entwurf * war, fiel er als Muster der künftigen Kon­ stitution aus. Ein Gegenstück wurde nicht geboten. Um so merkwürdiger berührt die Tatsache, daß der Verfasser den Leser in einer Anmerkung auf die republika­ nische Flugschrift hinwies, die er mit vollem Titel, Erscheinungsort und -jahr an­ führte: .Constitution der Republik Frankreich vom Jahre 8. Mit aufklärenden Noten. Ebenda, S. 61/62. »“ Ebenda. S. 76. «• Ebenda, S. 121. »“ Ebenda, S. 45. 551 Materialien zu einem künftigen Landtage..., a. a. O„ S. 6. Möglicherweise war Utzschneider selbst der Herausgeber, denn die ganze Sammlung bestand ausschließlich aus den von ihm verfaßten Dokumenten vom 30. Juli und 4. November 1799, vom 1. und 3. Februar 1800 und dem .Entwurf'. Außerdem wußte der Herausgeber ungewöhnlich gut über das Schicksal des .Entwurfs' Bescheid; in der Vorbemerkung hieß es, daß Utzschneider das Dokument Ende Februar dem Ministerium überreichte, keinen Beifall fand und des Demokratismus beschuldigt wurde. Die Zeichen der Zeit.., a. a. O-, S. 112. Vgl. dazu (Utzschneider, Joseph). Entwurf..., a. a. O., S. 106.

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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Basel 1800.'858 Seltsam widersprüchlich war das Ganze: .Die Zeichen der Zeit' plädierten für eine konstitutionelle Monarchie; sie betrachteten den Entwurf, den Utzschneider im Februar in der gleichen Absicht vorgelegt hatte, als überholt; sie brachten keine eigenen anderen Vorschläge in dieser Richtung; aber sie verwiesen auf eine Flugschrift, die eine süddeutsche Republik mit einer dem französischen Vorbild ähnlichen Verfassung propagierte. Der Widerspruch klärt sich für den Betrachter, wenn er sich der Unterredungen erinnert, die die Dëputation der Revolutionäre mit Decaen hatte. Aus den Bemer­ kungen des Generals hatte die Abordnung entnehmen müssen, dafj ein weniger radikales Programm möglicherweise größere Aussichten besäße, auf eine wohl­ wollende Haltung der französischen Regierung zu stofjen. Die Flugschrift .Die Zeichen der Zeit' war ein Versuch, der den Gedankengängen Decaens entgegenkam, den revolutionär-demokratischen Ausgangsort dabei aber nicht verleugnen konnte und darum ein liberales Mäntelchen trug, das überall ein wenig zu kurz geraten war. .Die Zeichen der Zeit' vermitteln eine Vorstellung, wie das Programm einer konstitutionellen Monarchie ausgesehen haben mag, das die Revolutionäre nach dem Zeugnis Armbrusters zusammen mit dem republikanischen Programm dem Oberkommandierenden Moreau vorlegten.854 Zur Diskussion standen offensichtlich nicht die unterschiedlichen Ansichten zweier, durch prinzipielle Gegensätze getrenn­ ter Gruppen - wie Fournier will855 -, sondern die minimalen und maximalen Wünsche einer und derselben Gruppe von Revolutionären. Allein die Tatsache, dafj sich alle bedeutenden Köpfe, die auf eine Veränderung mit Hilfe der Franzosen hofften, in einem gemeinsamen, geschlossenen Zentrum vereinten, das selbst nach dem Scheitern des Plans den Untersuchungsorganen der Regierung keine nennens­ werten Angriffsflächen bot, verbietet die Annahme eines Nebeneinander so grund­ sätzlich verschiedener Auffassungen, wie es die liberale und die revolutionär­ demokratische waren. Der Verlauf der Verhandlungen der Revolutionäre mit Moreau ist aus den Memoiren des Galeriedirektors Männlich bekannt, die nicht in jedem Wort, aber doch im grofjen und ganzen zuverlässig sind. Mannlichs Gewährsmann war der Kriegs­ kommissar Rochelle, der sich freundschaftlicher Beziehungen zu Moreau rühmte. Nach dessen Darstellung fanden bei dem Oberkommandierenden drei Unterredun­ gen statt.855 Bei der ersten Unterredung reagierte Moreau auf das Anliegen dar Revolutionäre zunächst in der Weise, dafj er auf die Notwendigkeit hinwies, ein solches Unternehmen wie die Gründung einer Republik sorgfältig vorzubereiten und vor allem genügend fähige Männer zu gewinnen, die ein Abgleiten in an­ archische Zustände verhindern konnten. ' Die Deputierten versicherten, in dieser Hinsicht vollkommen gerüstet zu sein und übergaben zum Beweise dessen eine Liste ihrer führenden Köpfe. Auf ihre Bitte um Unterstützung antwortete Moreau, dafj sein Auftrag lautete, Bayern zu schlagen, aber nicht, es zu republikanisieren. Er entliefj sie freundlich mit dem Rat, sich die Dinge nochmals reiflich zu überlegen. 141 Ebenda, S. 45 Anm. 354 Fournier, August, a. a. O., S. 244. 444 Ebenda, S. 251. 444 Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O„ S. 177 S.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Der Inhalt dieser Aussprache war nicht so, daß alle Hoffnungen zerstört worden wären. Eine zweite Unterredung folgte, in der die Revolutionäre Moreau über dia Gesamtheit der Umsturzvorbereitungen informierten und ihm nun auch eine Liste mit den Namen ihrer führenden Anhänger in den Landstädten überreichten. Sie betonten insbesondere die Vorteile, die Frankreich aus der Existenz einer republika­ nischen Schutzwehr gegenüber Österreich ziehen könnte, wurden aber mit demselben Bescheid wie beim ersten Mal entlassen. Als sie ein drittes Mal vorsprechen wollten, wurden sie von Moreau nicht mehr empfangen. Wie Rochelle behauptete, hätte er ihnen ausrichten lassen, er werde sie, falls sie ihn abermals belästigen sollten, die Treppe hinunterwerfen lassen. Die Haltung des Oberkommandierenden zu den Bemühungen der Revolutionäre bestätigte zum wiederholten Male die entschiedene Abneigung des großbourgeoisen Frankreich, dessen antidemokratischen Tendenzen im Innern mit dem 18. Brumaire einen neuen Gipfel erreicht hatten, in Deutschland demokratische Bewegungen zu unterstützen. Die Konsularregierung suchte nicht das Bündnis mit den Volksmassen, sondern mit ihren Unterdrückern, den deutschen Fürsten. Wenn Moreau nicht von vornherein jede Kontaktaufnahme mit revolutionären Kräften vermied, so lediglich darum, weil auch sie in gewissem Grade als Instrument zur Durchsetzung der anti­ demokratischen Politik dienen konnten. Es war nützlich, den Kreis der führenden bayerischen Revolutionäre genau zu kennen und Unterlagen darüber zu besitzen. Erstens hatten sie unmittelbaren Wert für den militärischen Nachrichtendienst. Zum anderen dienten sie mittelbar der französischen Diplomatie, die mit dem Hinweis auf die revolutionären Bewegungen schrecken oder auch durch sichtbare Distan­ zierung davon das Vertrauen des Fürsten gewinnen konnte, um seinen Übergang von der Koalition zum französischen Bündnis zu beschleunigen. Zahlreiche Äuße­ rungen französischer Militärs belegen, daß mit dieser Methode gearbeitet wurde. Der preußische Gesandte Heymann in München, der am 25. August in seinem Bericht das Projekt einer bayerisch-schwäbischen Republik erwähnte, fügte hinzu: .Man versichert, daß es der General Moreau und die gutdenkenden Franzosen sind, die es bisher verhindert haben. * 937 Goertz, der mit Schrecken in seinem Regens­ burger Bericht vom 17. November die Ausbreitung der revolutionären Stimmung in allen Bevölkerungsschichten Bayerns feststellte, merkte mit Genugtuung an, .daß selbst Beispiele sich zeigten, wo sogar diese französischen Militärpersonen ihren Mißmut darüber nicht verbergen konnten und, auf die traurigen Beispiele ihres Vaterlandes hinweisend, vor ähnlichem Unglücke warnen und die tollkühnen Frei­ heitsprediger zurechtweisen mußten . * 938 Nach dem Zeugnis der .Vertraulichen Briefe' machte Ritay, französischer Brigadechef und bis in den September 1800 hinein Stadtkommandant von München, einen Bekannten des Verfassers auf die revolutionären Umtriebe aufmerksam: .Die Beweise davon habe ich in meinen Händen. Man hat mir Anträge gemacht, worüber ich erstaunte. Unter diesen Re­ volutionsmännern zeichnet sich aus ein gewisser B -, ein Mensch eines verruchten .On prétend que c'est le général Moreau et les Français bien pensants qui l'ont empêché jusqu'ici.' DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fasc. 170, Bl. 23. Ebenda, Fasc. 173, Bl. 57.

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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Sinnes, unserem Robespierre nicht unähnlich.' 350 Auch Decean soll dem General­ hofkommissariat von den republikanischen Plänen Mitteilung gemacht haben?00 Dem Kommandanten der Münchener Bürgerwehr erklärte Moreau auf dessen Be­ fragen: »Mein Gott! Man weih nicht, was man will! Eine Republik kostet viel Blut, wir haben sie!'381 Es versteht sich, daß diese Erklärung bei der Generalhofkommis­ sion größte Genugtuung auslöste. Selbstverständlich blieb auch den Revolutionären nicht die Gefahr verborgen, unter Umständen von den Franzosen als bloßes Mittel zur Erreichung höchst eigennütziger Zwecke benutzt zu werden, die mit ihren Zielen nicht in Einklang zu bringen waren. Diese Erkenntnis war in dem schon genannten Gedicht »Die Bayern an die Neu­ * franken angedeutet: »Ja wahrlich - ja bei Gottl das hieß Sich wirklich schlecht beschützen. Wenn man uns andern überließ. Sobald wir nimmer nützen.' 302

Eine sehr offene Kritik an dem bisherigen Verhalten der Franzosen übte die revo­ lutionäre Flugschrift »Die süddeutschen Untertanen über Krieg und Frieden mit Frankreich', die wahrscheinlich Ende September erschienen war und nach dem Zeugnis des »Allgemeinen Literarischen Anzeigers * vom 10. Oktober zu den am meisten verbreiteten zählte303: »Als die Franken über die Grenzen ihres Gebietes vordrangen, hörte man nichts als Heiligkeit der Menschenrechte proklamieren; sie wollten nichts weniger sein als Wiederhersteller der unterdrückten Menschheit; Rache ward allen Zwingherren geschworen; der Krieg sollte den Kabinetten eine teure Lektion sein. Geduldig ertrugen die Landleute durch zehn Jahre alles das unabsehbare, unausdrückliche Elend, durch fränkische Proklamationen in den süßen Wahn versetzt, beim künftigen Frieden einen gemäßigteren besseren Zustand zu erhalten... Aber wie wurden wir getäuscht; bei jedem der geschlossenen Frieden hatte man unser vergessen... Die verschiedenen Frieden enthielten nichts als Grenz­ berichtigungen und Sicherstellung der Regierungen, Schuldenwesen und Titel. Die Untertanen wurden selbst von der großen Nation wie eine Ware vertauscht, ab­ getreten u. dgl., ohne sich im geringsten um diese bekümmert zu haben.'300 Das Ergebnis war die Fortdauer des alten Jochs, waren »geheime Polizeien, Brief­ erbrechungsinstitute, Zensuren, Jakobinerriecherei u. dgl. . * 395 Solche Erfahrungen waren betrüblich, aber sie konnten die Revolutionäre nicht verleiten, von ihrer Parteinahme für das bürgerliche Frankreich abzulassen. Nach wie vor wurden in der Flugschrift die Kriege der feudalen Reaktion scharf verurteilt und die Gesetz“• 380 381 383 383 380 388

Beiträge zur Vaterlandskunde..., a. a. O., S. 15. Fahrtnbacher, Hans, a. a. O., S. 59. Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O., S. 193. Bayerische Nationallieder..., a. a. O-, S. 12. Rott, Jakob, a. a. O. Die süddeutschen Untertanen über Krieg und Frieden mit Frankreich, o. O. 1800, S. 13 ff. Ebenda, S. 15.

IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

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mäßigkeit der Siege Frankreichs betont, das in der Revolution einen Gemeinwillen hervorgebracht, neue militärische Kampfformen entwickelt und die öffentliche Mei­ nung in anderen Ländern als Bundesgenossen gewonnen hatte. Wie schon .Die Zeichen der Zeit *, so hoffte auch diese Flugschrift, durch Mäßigung in der Form günstigere Voraussetzungen für eine französische Unterstützung zu schaffen. Nicht die bürgerliche Republik, sondern die bürgerliche Monarchie wurde darum als Losung ausgegeben. Der Fürst, dem zwar ein guter Wille konzediert, aber gleichzeitig sein Unvermögen bescheinigt wurde, aus eigener Kraft der Zwischentyrannei des Adels und der Geistlichkeit ein Ende zu machen, sollte erhalten bleiben, zumal die fürstliche Landeshoheit als eine Schöpfung der fran­ zösischen Politik im Westfälischen Frieden angesehen wurde. Dieses Zugeständnis betraf jedoch nur die Form und nicht den Inhalt: .Hat Frankreich damals die iürstlichen Gerechtsamen in ihrem Zusammenhänge hervorbringen können, so wird es Pflicht der Republik, das begonnene Gebäude zu vollenden und für die von Frankreich geschaffenen Staaten Untertaneraechte zu konstituieren.'308 In erster Linie sollte den Bauern, die .eigentlich die Nation' ausmachten, die Selbständigkeit garantiert werden; das hieß konkret: .Aufhebung aller Leibeigenschaft, aller Hörig­ keit, Fronenpflicht, unter welch immer für einem Namen und Titel, der Handlohn­ leistungen, der drückenden Zehntpflichtigkeit und Aufhebung des ausschließlichen Jagdrechtes der Zwangsherren.'367 Neu war diese Zielsetzung nicht, und sie hatte in den Augen Moreaus ebensowenig Gnade gefunden wie die republikanische. Neu aber war der Adressat: .Bonaparte, Bürger KonsulI Empfange hier die Bitte von Millionen Menschen, die in dem blutigen Freiheitskriege unermeßlichen Schaden ohne Ursache für ganze Generationen erlitten haben.'368 So begann die Einleitung der Schrift. Nicht mehr ein untergeordneter General, selbst wenn er Moreau hieß, sondern das Haupt Frankreichs und der Begründer zahlreicher Republiken in den eroberten Ländern wurde unmittelbar angesprochen. Neu aber war vor allen Dingen der gar nicht mehr flehende, sondern männlich fordernde Klang dieser Bitte. In den bisherigen Friedensverhandlungen war stets nur von Entschädigungen der Großen die Rede gewesen; das sollte anders werden: .Was wir hier fordern, liegt schon in der Natur eines wohlgeordneten Staates, wäre schon lange Fürstenpflicht gewesen; aber weil die Regierungen uns dieses bei dem besten Willen nicht gewähren können, so stellen wir hiermit öffentlich diese Gewährung als Entschädigung und Genug­ tuung bei den Friedensverhandlungen dar.'339 Nicht als eine kleine Verschwörer­ gruppe, sondern als Sprecher von Millionen Bauern meldeten die Revolutionäre ihre Forderung an: .Die große Republik... wird also von Millionen Bauern feierlich um Unterstützung ihrer gegenwärtigen Forderungen gebeten. * 370 In dem abschließenden Wunsch der Flugschrift, daß Bonaparte entsprechende Friedensbedingungen stellen werde, schwang unverkennbar die drohende Warnung mit, daß andernfalls .die M Ebenda, Ebenda, Ebenda, “» Ebenda, Ebenda,

S. 19. S. 18. S. 3. S. 18. S. 18/19.

4. Das Seheitern der revolutionären Bestrebungen

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Sicherheit der Regierungen, mit denen er Frieden schließen will', gefährdet sei.171 .Bonaparte! Wirke, solange es Tag ist, es wird Nacht werden, und du wirst nicht mehr wirken können, die Völker Süddeutschlands hoffen, - vertrauen in dich.' S1t Der Anspruch der bayerischen Revolutionäre, als Sprecher von Millionen feudal Geknechteter in Süddeutschland auftreten zu können, mag überheblich wirken. Zu Unrecht! Ihre umfangreiche Aufklärungsliteratur, die sie unter das Volk brachten, darunter auch die letztgenannte Flugschrift, bewies, daß sie sich um ein echtes Mandat bemühten und keine hohlen Worte reden wollten. Ihre Volksverbundenheit gab ihnen die Kraft, ihren Wert als Partner selbst einem Bonaparte gegenüber zu betonen. Sie waren biegsam genug, um sich in die monarchische Staatsform zu fügen, die Frankreich offensichtlich erhalten wissen wollte, aber sie waren zu spröde, um Wachs in französischen Händen zu sein. Ein Mann wie Utzschneider wußte um seinen Wert - selbst Armbruster sagte von ihm, daß er nach fast allgemeinem Urteil .der einzige Mann ist, der im Finanzfache tiefe und ausgebreitete Kenntnisse besitzt' 578 - und wollte kein bloßes Werkzeug Frankreichs sein. Er wollte auch nicht mehr seine Fähigkeiten der Besatzungsmacht in Bayern leihen, die durch den Mund Moreaus so eindeutig ihre Unterstützung verweigert hatte. Mit Berufung auf seine Augenschwäche beantragte er am 6. No­ vember seine Entlassung aus dem topographischen Büro und setzte sie beim wider­ strebenden Decaen auch durch.374 Um die gleiche Zeit ersuchte er um Aufnahme einer persönlichen Erklärung, datiert vom 13. November 1800, in die .kurfürstlich gnädigst privilegierte Münchener Zeitung *. Darin bestritt er energisch die von einigen Leuten bei verschiedenen Anlässen aufgestellte Behauptung, der Autor mehrerer während der Anwesenheit der Franzosen erschienenen Schriften zu sein, .indem es von jeher niemals in meinen Grundsätzen war, an solchen Flugschriften einigen Anteil zu nehmen,- ich bin weder Aristokrat noch Demagoge, weder Uluminat noch Obskurant, weder Jakobiner noch Jesuit, - ich bin Bayer, ich bin Freund jeder guten, festen Regierung, welche die Publizität gewiß nie zu scheuen hat, ich bin Feind aller Unordnungen und Mißbräuche...' 373 In diesem Sinne hätte er als kur­ fürstlicher Beamter gewirkt und verschiedene Vorschläge unterbreitet, zu denen er sich ausdrücklich bekannte. Es ist möglich, daß Utzschneider tatsächlich kein Flug­ schriftenautor war. Aber diese Feststellung sagt ebensowenig über seine Rolle aus, die er im Klub spielte, wie sein Bekenntnis zu .jeder guten, festen Regierung, welche die Publizität gewiß nie zu scheuen hat *. Für den Revolutionär Utzschneider war diese Erklärung nicht unwürdig, aber möglicherweise sehr nützlich, um sich gegen Indiskretionen der französischen Militärbehörden zu sichern, Als dann später Rochelle tatsächlich den Namen Utzschneiders preisgab, war sich Montgelas sehr 871 Ebenda, S. 20. An anderer Stelle wird ausdrücklich gesagt: .Die Landleute wünschen, das auf dem Friedenswege zu erhalten, was sie einst werden leider mit Gewalt durchsetzen * müssen. Ebenda, S. 15. m Ebenda, S. 20. ,7’ Fournier, August, a. a. O„ S. 249. 174 Heigel. Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O„ S. 191. 871 Ebenda, S. 188.

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DL Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

wohl der Schwierigkeiten bewußt, die einem zuverlässigen Nachweis der Schuld entgegenstanden. »Wenn es wahr ist, daß Utzschneider an der Spitze der Ver­ schwörung steht', sagte er zu Männlich, »so bin ich sicher, daß er seine Maßregeln so gut getroffen und alle Umstände so klug erwogen hat, daß es schwer sein wird, ihn anzugreifen'.376 Im übrigen ist die Utzerschneidersche Erklärung nie in die Zeitung gekommen. Zunächst hatte Graf Törring ihre Aufnahme verweigert, und als schließlich der Kurfürst selbst die Erlaubnis erteilte, erklärte Utzschneider in einem Dankschreiben vom 30. Dezember 1800, daß sich bei den inzwischen veränderten Verhältnissen die öffentliche Rechtfertigung erübrige.377 Die Verhältnisse hatten sich in der Tat beträchtlich verändert. Am 28. November waren die Feindseligkeiten wieder eröffnet worden; am 3. Dezember hatte Moreau bei Hohenlinden den verbündeten Truppen eine entscheidende Niederlage bereitet; kein einziger kaiserlicher Soldat befand sich mehr auf bayerischem Boden, wohl aber standen die Franzosen als übermächtige Sieger zwei Tagemärsche vor Wien; Österreich war auf die Knie gezwungen und hatte am 25. Dezember in einen Waffen­ süllstand willigen müssen, der keine Wiederaufnahme des Krieges von seiner Seite zuließ, sondern es zu einem schnellen Friedensschluß verpflichtete. Die von den bayerischen Revolutionären propagierte Vernichtung des Hauses Habsburg schien möglich. Unter diesen Bedingungen unternahmen die entschiedensten unter ihnen — ob Utzschneider dazugehörte, ist ungewiß - abermals einen Versuch, ihre Stimme in die Waagschale zu werfen. Sie wählten nicht mehr den Weg über Gespräche mit maßgebenden Militärs, sondern bemühten sich ausschließlich, die Volksmassen Süddeutschlands für ihre republikanischen Ziele zu mobilisieren. Vom Januar 1801 bis in den Februar hinein verbreiteten sie eine gedruckte »Bekanntmachung an die Bewohner Bayerns, Schwabens, Frankens, Tirols und Salzburgs'. Am 11. Februar überreichte Hardenberg, der sich in Berlin aufhielt, an Haugwitz ein ihm über­ sandtes Exemplar mit der Bemerkung: »In der Reichsstadt Nürnberg und in anderen Städten des südlichen Teils von Deutschland wird ein gedruckter Aufruf an die Be­ wohner der dortigen Gegenden öffentlich verkauft, der sich durch seinen revo­ lutionären Inhalt auffallend auszeichnet.'378 Das überreichte Exemplar hatte die Form eines einseitig bedruckten Flugblattes.378 Außerdem aber wurde die »Bekannt­ * machung auch noch in Gestalt einer achtseitigen Flugschrift vertrieben, die auf ihrem Titelblatt vermerkte: »Gedruckt im Monat Februar 1801 *. Das einseitige Flug­ blatt hatte die Presse wahrscheinlich bereits im August 1800 verlassen. Dafür spricht die Angabe am Ende über Ort, Zeit und Körperschaft, von der die. Bekanntmachung * ausging: »Beschlossen im Gemeinderat zu München, den 1. August des letzten Jahrs der deutschen Sklaverei.' Dafür spricht die Mitteilung des Teilnehmers Kraus: »Gedruckte Proklamationen lagen in Masse da und warteten der Verkündigung.' 380 Ebenda, S. 182. Ebenda, S. 189. DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 94 a, No. 25, Lil. B, BL 155. Ebenda, Bl. 156. Auch der badische Markgraf hatte ein Exemplar dieses Flugblattes als Anlage eines Briefes vom 22. 1. 1801 von Goertz aus Regensburg erhalten. GLA Karlsruhe, Abt. 74, Nr. 6289. 580 Neumann, Karl Friedrich, a. a. O„ S. 287.

4. Dai Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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Die achtseitige Flugschrift dagegen war ein Nachdruck vom Anfang Februar 1801 und zeugt davon, dal} die Revolutionäre die Mobilisierung der Massen auf breitester Basis anstrebten. Die Zeit drängte. In Lunéville wurde — und zwar ohne die Stimme des Volkes zu hören - über den Frieden verhandelt. Es galt, diese Stimme schnell und unüber­ hörbar ertönen zu lassen. Die bayerischen Revolutionäre nahmen sich noch nicht einmal die Zeit, eine neue, die jüngsten Ereignisse berücksichtigende Proklamation zu entwerfen und zu drucken. In ihren Grundzügen entsprach die alte, die zur un­ mittelbaren Verteilung bereit lag, auch der neuen Situation,- also wurde sie unver­ züglich unter die Menge gebracht. .Nachbarn, Freunde und Landsleutet' lautete die Anrede. .Da unser liebes Vaterland - Süddeutschland - in dem gegenwärtigen Kriege mit der Republik Frankreich durch alle schrecklichen Obel des Krieges... beinahe bis zur Verzweiflung gebracht ist - ... dieser ungeheure Krieg von dem übermütigen Österreich allein auf Kosten dieses unseres unglücklichsten Süd * deutschlands immer geführt wurde und zum Ende und Frieden noch kein Anschein ist - vielmehr in der itzigen Lage, wenn auch der Friede zustande käme, eine noch traurigere Zukunft vor unseren Augen läge, indem, wenn die Hunderte unserer sauberen Landesherren von Kurfürsten, Herzogen, Fürsten, Grafen, Prälaten, Ba­ ronen und Rittern wieder zurückkämen, sie nur die alten Erpressungen ver­ doppeln ... und Grausamkeiten auf Grausamkeiten gehäuft würden; ... So ist es wahrhaft höchste Zeit, dafj die seit Jahrhunderten im Sklavenjoche seufzenden Völker aus der erzwungenen Schlafsucht erwachen, die Würde der Menschheit ver­ teidigen und so ihr wahres Interesse im natürlichen Verein besorgen/591 Die Hoffnung auf die noch in Bayern, Württemberg und Tirol bestehenden Landschaften zu setzen, wurde mit dem Hinweis auf die jüngsten württembergischen Erfahrungen als vergeblich abgetan. Unbedingt geboten war es, sich über die Rolle des Hauses Österreich klar zu werden, das seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert nichts anderes tat, als andere Nationen zu unterjochen, Länder zu verheeren und Millionen Menschen auf die Schlachtbank zu führen. Die Rache sollte darin bestehen, ,dalj wir diesem Unwesen einmal ein Ende machen und von dem alten verderblichen Reichsverbande uns loszählen, uns nach dem Drange aller politisch- und natür­ lichen Verhältnisse in einen freien, mächtigen Staatskörper, wie ehedem im 8. Jahr­ hunderte vor der Unterjochung durch Karl den Grofjen, zusammenschliefjen, alle unsere Produkte der Natur und Industrie ohne die bisherigen Neckereien der Sperren und Mauten frei einander mitteilen und uns so eine eigene, auf die natürlichen Rechte der Menschheit, auf die reine Religion und den allgemeinen Wohlstand ge­ gründete Konstitution geben".Wî An die Bewohner Tirols und Salzburgs ging ein besonderer Ruf, sich ihrem natürlichen Mutterlande Bayern anzuschliefjen. Die Proklamation endete mit folgenden Anweisungen: .Um im ganzen zu diesem er­ habenen Zwecke zu gelangen, ist es notwendig, dafj die Bewohner dieser Länder für ihr wahres Interesse und für die wahren Grundsätze der Rechte der Menschheit, 981 Bekanntmachung an die Bewohner Bayerns, Schwabens, Frankens, Tirols und Salzburgs, o. O. gedruckt im Monat Februar 1801, S. 2/3. 888 Ebenda, S. 5/6.

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der Religion und des allgemeinen Glückes hinlänglich aufmerksam gemacht und die Wahlen der Stellvertreter und amtsfähigen Bürger vorbereitet werden. Das süd­ deutsche Vaterland legt nun diese Vorbereitung den Beamten, Pfarrern und jedem aufgeklärten Volksfreunde, jeder Gemeinde sowie jedem Vater die Zurückrufung seiner an England wie Schlachtochsen verkauften oder sonst im Felde stehenden Söhne zur vorläufigen Pflicht und (zu - H. S.) jetzigem Geschäfte auf. Noch im künftigen Monate (Ort und Tag bekommen noch eine nähere Bestimmung) werden dann die Stellvertreter der Gemeinden, vielmehr Distriktausschüsser, zu einer allge­ meinen süddeutschen Nationalversammlung oder (einem — H. S.) süddeutschem Landtage zusammengerufen, um unter dem Schutz der durch die Macht der Freiheit sieggewohnten französischen Waffen diesen neuen Nationalbund zu schließen und zur Konstitution, ewigem Frieden, Sicherheit und Wohlstand das Weitere einzu­ leiten, und Gott wird unser edles Bestreben als seiner höchsten Lehre und dem Zwecke der Menschenschöpfung ganz allein angemessen segnen. * 883 Die .Bekanntmachung * gab in knappester Form dasselbe Programm wieder, das der .Überblick' breiter ausgeführt hatte. Darüber hinaus gab sie in bestimmterer Form als der .Überblick * Anweisungen, sich für die kommenden Ereignisse zu rüsten: Aufklärung der Bevölkerung, Vorbereitung der Wahlen, Zurückberufung aller Sol­ daten. Mit diesem Programm war die Deputation der Revolutionäre zu Decaen und zu Moreau gegangen, dem sie durch Vorlage der Namenslisten zu beweisen ver­ suchten, dafj die Bewegung stark und organisiert genug wäre, um - natürlich unter dem Schutze der französischen Armee - eine süddeutsche Nationalversammlung und mit ihr die Republik zu begründen. Die .Bekanntmachung' war damals nicht unter das Volk gebracht worden. In Massen gedruckt, blieb sie ungelesen in der geheimen Druckerei liegen, denn, wie Kraus sagte, .die Antwort lautete abschlägig, und der gut angelegte Plan mufite unterbleiben. Ohne französische Zustimmung und Beihilfe durften wir mit dem Wagnis nicht heraustreten'.884 Ein knappes halbes Jahr später traten sie dennoch heraus, und die .Bekanntmachung * fand ihre Leser. Die Stimmung der Bevölkerung berechtigte zu einigen Hoffnungen: Das Ansehen der Obrigkeiten war denkbar tief gesunken; Ende November 1800 hatte München einen Aufruhr der untersten Schichten erlebt; die Bauern, die ihre Erzeugnisse auf den Münchener Markt brachten, bewegten sich wie künftige Herren und liefen sich kaum noch etwas von den Polizeibehörden sagen.885 Aber von den Franzosen, die den Ausschlag gaben, war nichts zu erwarten; für Frankreich hatten die Revo­ lutionäre nach seinen überwältigenden militärischen Siegen auch als Mittel zum Zweck an Wert verloren. Wenn die Revolutionäre jetzt mit der .Bekanntmachung * heraustraten, so war es ein verzweifelter Versuch, doch noch das künftige Schicksal Deutschlands mitzubestimmen. Nicht alle, die ein halbes Jahr zuvor das Programm für realisierbar gehalten hatten, schlossen sich dem verzweifelten Unternehmen vom Januar/Februar 1801 an. Ein Ebenda, S. 6/7. 884 Neutrutnn, Karl Friedrich, a. a. O., S. 287. 385 Fahrznbacher. Hans, a. a. O., S. 99, 101.

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Teil war von der völligen Aussichtslosigkeit überzeugt resignierte und hoffte ledig­ lich, daß die zurückkehrenden Fürsten aus der allgemeinen Unzufriedenheit, die sich in den revolutionären Schriften am schärfsten geäußert hatte, Lehren ziehen und nützliche Reformen durchführen mögen. Dieser Überzeugung gab das .Poli­ tische Glaubensbekenntnis eines aufrichtigen Bayers über die Schicksale seines * Vaterlandes Ausdruck. Erscheinungsort und -datum dieser Flugschrift lauteten: .München, den 1. Jänner 1801 *. Die Zeitangabe war zweifellos echt, denn Goertz führte die Schrift in einer Fortsetzung seines Verzeichnisses auf, die er am 26. Januar zusammengestellt hatte.38* Mit bemerkenswerter Klarsicht entwarf der Verfasser zunächst ein Bild von den Schicksalen Deutschlands, die es in naher Zukunft er­ fahren würde: .1. Ich glaube, daß Bonaparte der größte Mann des XVIII. Jahr­ hunderts ist, daß aber die deutschen formellen Republikaner keinen Messias an ihm erleben. II. Ich glaube, daß die itzige deutsche Reichsverfassung mit dem künf­ tigen Friedensschlüsse sich selbst auflöse. III. Ich glaube, daß der Rhein die Grenze Deutschlands gegen Frankreich für ewige Zeiten bleibe. IV. Ich glaube, daß die Schweiz einen Distrikt vom deutschen Lande erhalte. V. Ich glaube, daß die Fran­ zosen in Deutschland zwar große Staatenveränderungen hervorbringen, aber keine formellen Republikanisierungen unternehmen werden. VI. Ich glaube, daß in Deutsch­ land größere Staaten mit voller, aber immer noch erblicher Souveränität errichtet werden. VII. Ich glaube, daß die geistlichen Fürsten, Reichsstädte und Reichsritter­ schaft ihr Ende erreicht haben. * 387 Die folgenden Glaubensartikel äußerten sich all­ gemein über den Inhalt des Staatszweckes und des Zeitgeistes, um daran an­ schließend auf die bayerischen Verhältnisse überzugehen. Als‘Staatszweck be­ zeichnete der Verfasser die Sicherung der .Freiheit aller Untertanen gegeneinander, gegen die Regierung und gegen außen', ohne jedoch auf nahe Erfüllung zu rechnen. .Ich glaube, daß keiner der verschiedenen deutschen Staaten diesen Zweck erreiche und daß alles noch auf dem persönlichen Charakter der Fürsten hafte, welches für die Zeitdauer die größte Unsicherheit gewährt. * 388 Das Wesen des allgemeinen Zeit­ geistes sah er darin, .daß er die Regierungen in einer eigenen, die Regierungs­ maximen enthaltenden Urkunde durch Volksrepräsentanten vom Bösen abgehalten wissen wolle und daß er gegen die drückenden Vorrechte der üblichen Geistlichen und Magistrate (wahrscheinlich Druckfehler; soll heißen: der Adligen - in der da­ maligen Schreibweise: Adlichen -, Geistlichen und Magistrate - H. S.) im höchsten Grade aufgebracht sei, um den Bauernstand als den eigentlichen Staatsaktionär zur Gleichheit der Rechte emporzuheben . * Er war überzeugt, .daß neben der zu ge­ schehenden geographischen Revolution der neuen deutschen Staaten auch andere Reformen nach dem Zeitgeiste notwendig sind', und nannte die Befriedigung des Zeitgeistes eine Pflicht und erste Regierungskunst.388 a“ DZA Merseburg, Rep. 11, Nr. 33, Fase. 173, BL 81. 587 Politisches Glaubensbekenntnis eines aufrichtigen Bayers über die Schicksale seines Vater­ landes. München, den 1. Jänner 1801, S. 3/4. Ebenda, S. 4/5. Ebenda, S. 6. 45 Süddeutsche Jakobiner

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Es waren durch und durch bürgerliche Vorstellungen, die wohl in einer bürgerlichen Republik, aber unter den gegebenen Umständen eben nur zu einem geringen Teile in Erfüllung gehen konnten. Der Verfasser suchte billigen Trost in der Behauptung, .daß eine Volksrevolution die Tochter des Despotismus sei, die nie glücklich mache *, und klammerte sich an den Kantischen Gedanken, »daß eine Republik nicht auf ge­ wissen regierenden Personen, sondern nur auf der materiellen Verfassung und Re­ gierungsart der herrschenden Personen beruhe'.300 Dasselbe Argument hatten .Die Zeichen der Zeit * verwendet, um das Minimalprogramm der Revolutionäre theo­ retisch zu rechtfertigen.301 Der Verfasser machte sich dieses Programm nicht nur in dem einen Punkte, sondern im Prinzip zu eigen, jedoch mit dem Unterschied, dafj es für ihn kein Minimal-, sondern ein Maximalprogramm darstellte. Nahezu alles, was er für Bayern wünschte, war abhängig von der Einsicht und dem guten Willen des Fürsten. Er hoffte auf eine Annäherung von Fürst und Volk auf der Grundlage gegenseitiger Amnestie und Amnesie, denn hatte das Volk durch laute Äußerungen der Unzufriedenheit gesündigt, so der Fürst nicht minder durch den Subsidienvertrag. Gefahr ging von den Adligen, Geistlichen und ihren Helfershelfern aus: .Sie haben sich eigene Listen von rechtlichen Männern, die ihnen verhaßt sind, ver­ fertigt, um sodann den Kurfürsten zur Verfolgung derselben als Jakobiner zu mißbrauchen; um ihre Privatsache, ihre Selbstsucht, zur Sache des Fürsten zu er­ heben.'303 Diese letzte Feststellung bestärkt die Annahme, daß der Verfasser als einstiger Anhänger des revolutionären Klubs sprach, der den Mißbrauch der Moreau übergebenen Listen fürchtete. Den Absichten der Reaktionäre stellte er die Über­ zeugung gegenüber, .daß Max Joseph der den Adligen und Geistlichen verhaßten Vaterlandsfreunde bei Ausführung seiner Regierungspläne vorzüglich bedürfe'.303 Was diese Pläne anbetraf, so nahm der Verfasser von vornherein einige Abstriche von dem vor, was damals .Die Zeichen der Zeit' als Minimum gefordert hatten und was auch heute nach des Verfassers eigener Definition den Inhalt des Zeitgeistes ausmachte: .Ich glaube, daß keine Volksrepräsentanten errichtet werden; aber eine landesherrliche Konstitution.' Er wollte damit zufrieden sein, weil .eine mon­ archische, unbeschränkte Herrscherform, wenn in ihrer Konstitution die geeigneten Regierungsmaximen enthalten sind, rötlicher ist als eine durch Erbaristokratie be­ schränkte Regierung'.304 Der alten Landschaft weinte er keine Träne nach; sie hatte zu verschwinden samt der Patrimonialgerichtsbarkeit, den Gerichtsschar­ werken, den Zehnten, der Steuerfreiheit, den Klöstern und auch der Zensurkommis­ sion. Selbstverständlich würden sich die Privilegierten wehren, und es bestand die Gefahr, daß der Fürst ihnen in den wesentlichen Dingen nachgab. .Ich glaube aber, daß die Aufhebung der Landschaft mit Gestattung der Privatrechte ein verkehrter Kunstgriff der Regierung wäre, weil denn auch hier zwar die Regierungsgewalt er­ weitert, das Volk aber, gegen die Forderungen der Vernunft, in der Sklaverei fort”» Ebenda, S. 4/5. m Vgl. S. 677. Politisches Glaubensbekenntnis..., a. a. O., S. 9. * Ebenda, S. 9/10. *• JM Ebenda, S. 12/13.

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gelassen würde.' Die Zuversicht, daß ein solches .Despotenmanöver' nicht Wirklich­ keit würde, gab ihm - und hier brach sichtbar die alte republikanische Gesinnung durch - das Volk: .Ich glaube, daß dieses verkehrte Manöver eine wahre Volks­ revolution sicher herbeiführen würde.'395 Ein solches Programm, wie es das .Politische Glaubensbekenntnis * entwickelte, war trotz seines Verzichts auf die Republik, trotz der Abstriche, die es an den in den «Zeichen der Zeit * erhobenen Forderungen machte, immer noch verhältnismäßig radikal; in vielem erinnerte es an den Utzschneiderschen Verfassungsentwurf vom Februar 1800. Die Realisierung des Programms, das den Repräsentanten der herr­ schenden Feudalklasse in eine Art Bürgerkönig verwandeln wollte, setzte unter den gegebenen Umständen eine Volksbewegung voraus, die, einmal in Aktion, dabei gewiß nicht stehengeblieben wäre; sie setzte voraus, was die entschiedenen Revo­ lutionäre anstrebten, als sie zu etwa der gleichen Zeit die .Bekanntmachung' unter den Volksmassen verbreiteten. Diese Bemühungen blieben gewiß nicht ohne alle Wirkung ; aber sie waren bei weitem nicht stark genug, um irgendeinen Einfluß auf die Friedensverhandlungen zu gewinnen, es sei denn, daß sie die Verhandlungs­ position Frankreichs stärkten. Am 9. Februar 1801 war der Friede in Lunéville mit Kaiser und Reich geschlossen worden. Am 24. August schließlich fanden auch die französisch-bayerischen Verhandlungen mit der Unterzeichnung eines Friedens­ vertrages ein Ende. Dem Kurfürsten war reichlicher Ländergewinn und die Garantie seines Besitzes zugesagt, und das napoleonische Frankreich gewann einen zuverläs­ sigen Vasallen. Der Staatsrat Boulay de la Meurthe, der am 28. November dem Ge­ setzgebenden Körper den Vertrag zur Annahme vorlegte, sagte in seinem Kommentar dazu unter anderem: .Ohngeachtet so vieler Beweise von Übelwollen und so vieler feindseliger Handlungen ließ der Sieger, nachdem die Heere der Republik seine Staaten überschwemmt hatten, anstatt gerechte Rache zu üben, Ordnung und Kriegs­ zucht darin herrschen; das Eigentum und die Obrigkeiten im Lande wurden gehand­ habt, und trotz des laut geäußerten Wunsches einer großen Anzahl Einwohner wurde die bestehende Regierungsform respektiert.' 399 Nicht mit dem Volk, sondern mit dem Fürsten verbündete sich das großbourgeoise Frankreich. Die bayerischen Revolutionäre wurden im buchstäblichen Sinne ver­ raten. Bevor Moreau am 9. April München verließ, machte er, wie Montgelas in seinen Denkwürdigkeiten schrieb, .die Regierung auf die Notwendigkeit einer Über­ wachung jener Übelgesinnten aufmerksam, welche sich mit verräterischen Anträgen ihm genähert hatten, ohne gleichwohl dieselben benennen zu wollen'.397 Der Friedensvertrag von Lunéville hatte wie andere Verträge zuvor bestimmt, daß kein Untertan in den während des Krieges besetzten Gebieten wegen seiner politischen Meinungen und Handlungen zur Verantwortung gezogen werden sollte; auf diese Weise pflegte sich Frankreich seine Parteigänger zu erhalten, um unter Umständen SM Ebenda, S. 14. Friedenstraktat zwischen der französischen Republik und dem Kurfürsten von Pfalz-Bayern nebst den darüber gehaltenen französischen Staatsreden, o. O. 1802, S. 13/14. 3,7 Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsministers Maximilian Grafen von Montgelas..., a. a. O., S. 54. 45*

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wieder auf sie zurückgreifen zu können. Im Falle Bayerns jedoch verletzten die Franzosen den von ihnen selbst stipulierten Artikel des Vertrages. Daß sie die ihnen von den Revolutionären anvertrauten Namenslisten der Regierung auslieferten, ist unwahrscheinlich.398 Das sie jedoch Utzschneider als führenden Kopf denunzierten, ist eine unbestreitbare Tatsache. Der Denunziant, Kriegskommissar Rochelle, war nicht ein beliebiger Franzose, der zufällig von den Bestrebungen erfahren hatte und ebenso zufällig einem beliebigen Münchener gegenüber eine Bemerkung fallen­ lief). Rochelle war vielmehr derjenige, mit dem Moreau über die Pläne der Revo­ lutionäre beriet, mit dem er die ihm übergebenen Listen durchging und der den um­ fassendsten Einblick in den Klub genommen hatte.990 Die Eröffnung ebenso wie der Zeitpunkt und die Person, der er sie machte, waren sorgfältig überlegt. Am Abend seiner Abreise, die einige Zeit nach der Moreaus erfolgte, gab er Utzschneiders Namen einem Manne preis, dessen Einfalt die Gewähr bot, daß seine Nachricht sicher und doch nicht zu früh den Kurfürsten erreichte. Er zog Männlich dem ge­ wiegten Salabert vor, mit dem er zwar denselben vertrauten Umgang gehabt hatte, der aber gewiß in Rochelle um weitere Angaben gedrungen wäre und unverzüglich Schritte unternommen hätte. So aber verging Zeit, die Rochelle zur Abreise brauchte. Er hatte - und das war der Hauptzweck - der kurfürstlichen Regierung einen hand­ greiflichen Beweis der französischen Loyalität gegeben; darüber hinaus weitere Revolutionäre ans Messer zu liefern, die zu anderer Zeit wieder nützlich werden konnten, lag nicht im französischen Interesse. Dringende Briefe, die Männlich auf Befehl des Kurfürsten Rochelle hinterhersandte und worin er weitere Angaben er­ bat, wurden von diesem abschlägig beschieden.400 Für die Einleitung einer Untersuchung gaben die Hinweise Rochelles nur eine dürftige Grundlage ab. Immerhin versuchte man es. Montgelas schrieb in seinen Denkwürdigkeiten: .Auf Grund dessen sowie anderweitig eingezogener Erkundi­ gungen wurden Nachforschungen eingeleitet, welche zu manchen Entdeckungen führten; allein die im Friedensvertrag ausbedungene allgemeine Amnestie gab Anlaß, dieselben fallenzulassen.'401 Viel mehr als begründete Verdachtsmomente wurden kaum zutage gefördert, auch wenn nach dem Zeugnis von Montgelas noch zu Beginn der dreißiger Jahre .wegen dieser abenteuerlichen Unternehmung einer süddeutschen Republik mehrere Personen hier in München unter polizeilicher Auf­ sicht' standen.409 Aber es waren nicht nur die geringen Anhaltspunkte und die im Friedensvertrag ausbedungene Amnestie, die diese Untersuchung im Sande verlaufen ließen. Die innere und äußere politische Lage vertrug einfach keine großen Ver,M Von Fahnnbacher, der um die Jahrhundertwende die Kriegsdeputations- und Generalhof­ kommissionsakten durchsah, wird behauptet, daß die Franzosen das in sie gesetzte Ver­ trauen der Revolutionäre auf diese Weise mißbrauchten. Fahrmbacher, Hans, a. a. O., S. 59. Eine Bestätigung für diese Behauptung ließ sich jedoch nicht auffinden. Heigel, Karl Theodor, Die Jakobiner in München, a. a. O., S. 178/79. 440 Ebenda, S. 182/83. 401 Denkwürdigkeiten des bayerischen Staatsministers Maximilian Grafen von Montgelas. .., a. a. O., S. 54. Neumann, Karl Friedrich, a. a. O., $. 288.

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folgungsaktionen, die notwendig Unruhe erzeugten. Die sich anbahnenden be­ deutenden Veränderungen im gesamten Gefüge Deutschlands verlangten ein Bayern, das, von keinen inneren Gegensätzen zerrissen, sein ganzes Gewicht in die Waag­ schale werfen konnte. Der Kurfürst hatte von seinem ursprünglich großen Kredit bei der Bevölkerung so gut wie alles verloren. Als er am 14. April nach München zurückkehrte, gab, wie der österreichische Gesandte berichtete, das Volk .kaum einen Laut von sich'. *® 5 Nicht massive Drohungen und Verfolgungen, sondern Zu­ rückhaltung war geboten. Diese Zurückhaltung wurde auch gegenüber dem am schwersten belasteten Utzschneider geübt. Hierbei sprach allerdings noch ein anderer Gesichtspunkt mit: Utzschneider war der von der Landschaft bestgehaßte Mann, der in seiner amtlichen Eigenschaft die schonungslosesten Angriffe gegen dieses Boll­ werk der Reaktion vorgetragen hatte und auch jetzt nach der Rückkehr des Kur­ fürsten das gefürchtete Projekt einer gleichmäßigen Besteuerung wieder mit Eifer betrieb. Eine Entlassung Utzschneiders als Revolutionär hätte die gesamte bisherige Regierungspolitik im Innern verstärkten Angriffen der Landschaft ausgesetzt. Der Vorwurf des Jakobinismus, der schon vor zwei Jahren gegen den Referendär in Landschaftssachen erhoben, von Montgelas aber abgewehrt worden war, hätte sich als berechtigt erwiesen. Nun hatte die Landschaft zwar keineswegs die Bevölkerung hinter sich, dennoch mußte die Regierung mit dieser Ständevertretung rechnen. Der akute Geldmangel, der der Regierung noch nicht einmal die Auszahlung der Be­ soldungen erlaubte und eine kräftige Einflußnahme auf die Gestaltung der künftigen territorialen Verhältnisse in Deutschland erschwerte, machte eine Annäherung an die Landschaft unbedingt notwendig. Indem Montgelas am 10. Juni 1801 Utz­ schneider seines Amtes enthob, wobei ihm eine jährliche Pension von 2500 Gulden zugestanden wurde, sicherte er sich einen doppelten Vorteil: Erstens kam er der Landschaft entgegen, die denn auch am selben Tage in die Übernahme einer An­ leihe von einer halben Million Gulden willigte; zweitens entledigte er sich eines führenden Revolutionärs, ohne ihn als solchen zu decouvrieren. Montgelas wußte sehr gut, weshalb er Männlich ermahnte: .Hier ist das tiefste Stillschweigen geboten, ich empfehle es Ihnen nochmals an. * *° Für die Reaktion war die Verabschiedung Utzschneiders ein Erfolg, wenn auch kein völlig befriedigender. Salabert schrieb in einem Briefe vom 11. Juni.- .Ein Schurke weniger... Der Schaden, den dieser Mann angerichtet hat, ist unermeßlich. Es hat große Mühe gekostet, dieses monstre zu entfernen. Es gäbe noch viele andere, denen man die Giftzähne ausziehen müßte. * 408

Für die Revolutionäre war die Entlassung Utzschneiders ein Beweis für die Richtig­ keit ihrer Voraussage, daß die Rückkehr des Kurfürsten nur der Reaktion diente. Strobel verfaßte und verlegte ein Gedicht .Abschied an Utzschneider', das als Flug­ blatt erschien und in dem unter anderem gesagt wurde:403 * 403 Du Moulin Eckart, Richard Grat, München und Wien, a. a. O., S. 167. 444 Heigel, Karl Theodor. Die Jakobiner in München, a. a. O., S. 182. 4M .Un coquin de moins...' Bayern, Adalbert Prinz von, Max I. Joseph von Bayern, Pfalzgraf, Kurfürst und König. Bruckmann Verlag, München 1957, S. 418.

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.So war vor achtzehnhundert Jahren Der Gottmensch auch den Observanten seiner Zeit, Den Pharisäern und den schriftgelehrten Narren Ein Revolutionär wie Du..408 Es gereicht den entschiedenen bayerischen Revolutionären zur Ehre, daß sie selbst unter den sich ständig verschlechternden Bedingungen von ihren Zielen nicht so leicht abließen. Der Luneviller Friede vom Februar 1801 hatte ihre einstige Hoffnung auf französische Unterstützung in aller Form und unwiderruflich zu Grabe getragen. Dennoch schwiegen die Revolutionäre nicht. Noch im Juni 1801 hieß es in einem Briefe des preußischen Generals und Gesandten Heymann aus München: .Wir wer­ den mit jakobinischen Flugschriften und Pamphleten überschüttet. Alle zielen auf Demokratie und völlige Gleichheit.'407 Dazu gehörte die Flugschrift .Ober die Folgen des Friedens in Bayern'408, die in keiner Zeile mehr der französischen Hilfe gedachte, aber mit jeder Zeile die Massen Haß und Verachtung gegenüber der herrschenden Klasse lehrte, um sie entschlossen zu machen, aus eigener Kraft den feudalen Unterdrückern ein Ende zu bereiten. Diese Orientierung ausschließlich auf die eigenen Mittel zeigte, daß die Revolutionäre ideologisch entschieden gewachsen waren. Wie ihre Gesinnungsgenossen im deutschen Südwesten vor ihnen hatten sie nun, an Erfahrungen reicher geworden, die Illusion von der Befreierrolle Frankreichs überwunden. Auch insofern zeigten sie sich auf der Höhe ihrer Aufgaben, als sie die objektiv fortschrittliche Rolle Frankreichs dennoch erkannten und nicht in den Fehler verfielen, ihre Enttäuschung über seine Haltung in heftigen Anklagen zu äußern. Der Feind stand im eigenen Lande, und auf ihn richtete sich ihr Feuer. Ihr Bekenntnis zum republikanischen Prinzip, wie es Frankreich immer noch beispiel­ gebend verwirklicht hatte, blieb unerschüttert. Darum lauteten auch die Angaben über Erscheinungsort und -jahr auf dem Titelblatt der Flugschrift: «Straßburg, im 9. Jahre der Republik . * Der Friedensschluß erschwerte ganz offensichtlich die revolutionäre Propaganda unter den Massen. Über der unmittelbaren Aussicht, endlich der vielfältigen Opfer an Gut und Blut für den Moloch Krieg ledig zu sein, vergaß man nur zu leicht die Grundübel der bestehenden Ordnung und gab sich Illusionen über die Zukunft hin. Die Flugschrift «Ober die Folgen des Friedens in Bayern' verfolgte darum als nächsten Zweck, die Köpfe von ungegründeten Wunschvorstellungen zu befreien und für Realitäten zugänglich zu machen: .Allein so großen Anteil wir nun an dem Frieden zu nehmen berechtigt sind, so will sich doch immerhin der Zweifel hieunter einmengen, ob wohl auch am Ende die Folgen dieses Friedens, worüber wir uns so sehr freuen, für uns so gut und erwünscht sein werden, daß es der Mühe lohne oder daß wir Ursache haben, so sehr darüber zu frohlocken.' 409 Da Bayern nach wie vor ein schlecht regiertes Land bleibt und jedermann danach trachtet, die im Kriege ent­ standenen Verluste wettzumachen, werden die Grundübel nur noch heftiger hervor404 407 448 444

Fournier. August, a. a. O., S. 246 Anm. 2. Bayern. Adalbert Prinz von, a. a. O., S. 418. Ober die Folgen des Friedens in Bayern. Straßburg im 9. Jahre der Republik. Ebenda, S. 4.

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treten und .die Menschen wieder wie Fische untereinander leben, wo die größeren die kleineren verschlingen'.410 Richter und Advokaten werden wie bisher das Recht zu einer feilen Metze verwandeln, die Adligen werden .gleich hungrigen Wölfen' über den Landmann herfallen, die Geistlichen werden .nun ärger wüten und toben als zuvor, damit die Menschen fleißig in ihrer Dummheit erhalten und jedes ver­ nünftige Fünkchen Lichts von selben entfernt oder vertilgt werde’, und der mili­ tärische Despotismus wird es an Gewalttätigkeiten gegenüber dem Bürger und Bauern nicht fehlen lassen.411 Äußerst scharf ging der Verfasser mit dem Kurfürsten ins Gericht, an den so mancher in Erinnerung an seine ersten Regierungsmaßnahmen noch einige Erwartungen knüpfen mochte: .Von einem dürftigen und bis über die Ohren verschuldeten Fürsten, dem es noch dazu am Kopf und Herzen fehlt, läßt sich schlechterdings keine Abstellung der Ungebühren und Beschwerden, keine gute Einrichtung im Lande hoffen, denn ein solcher Fürst ist zu abhängig von seinen Schulden, von seiner Eingeschränktheit und von seinen übrigen Umständen und * Verhältnissen. 412 Von seiner Rückkehr waren ausschließlich verstärkte Ausplünde­ rung des Landes und vermehrte Knechtung der Meinungsfreiheit zu erwarten, zumal verschiedene .Broschüren, welche zu München in kurzer Zeit hintereinander an das Licht traten, die Mängel der Regierung aufzudecken, und endlich die verschiedenen Vorschläge, welche daselbst den fränkischen Heerführern gemacht wurden', ihn sehr beunruhigten.419 .Dieses werden nun die ungefähren Erwartungen und Folgen des jetzigen Friedens sein. Allein ein Friede von dieser Art ist der elendeste Zustand, der sich denken läßt. - Ein solcher Friede ist eine elende Sklaverei und verwandelt das Land in wüste Gegenden, wo wilde Tiere miteinander kämpfen und elende Men­ schen ihr Leben hinschleppen, die weder Stärke noch Mut haben, sich ihren Anfällen zu widersetzen.' 414 Der Frieden, den der Verfasser für erstrebenswert ansah, mußte von anderer Art sein. .Nur ein solcher Frieden kann wahren Wert haben, der mit der Gerechtigkeit verknüpft ist. Nur ein solcher Frieden kann gerecht sein, wo die Rechte der Mensch­ heit respektiert werden und die Sklaverei verbannt ist, wo eine natürliche und ver­ nünftige Freiheit, wo Sicherheit des Eigentums und des Lebens herrscht, und mit einem Worte, wo die allgemeinen Quellen zur Beförderung der größtmöglichsten Nationalglückseligkeit eröffnet sind. * 415 Die positive Lösung, die der Verfasser vertrat, machte er den Lesern zunächst auch nur in der Weise deutlich, daß er auf konkrete negative Erfahrungen verwies. Eine solche Erfahrung besagte, daß die sogenannte alte bayerische Konstitution, die Erklärte Landesfreiheit, .im Grunde ge­ nommen nur lediglich ein Schirm, eine Schutzwehr für die adligen und geistlichen * Despoten darstellte; sie machte es möglich, daß das Land in ärgste Obel wie den letzten Krieg, «eine Ausgeburt der Adligen und der Pfaffen', gestürzt wurde, ohne daß der .Bauernstand, welcher eigentlich die bayerische Nation bildet' und seinen Balg hergeben mußte, auch nur gefragt wurde; mit ihr waren die unzähligen feudalen Plackereien und .größten Ungerechtigkeiten, die man erfunden hat, um den Bauem414 Ebenda, S. 13. 414 Ebenda, S. 37.

4“ Ebenda, S. 16 ff. 414 Ebenda, S. 41.

Ebenda, S. 27/28. «•» Ebenda, S. 41/42.

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stand in beständiger Sklaverei zu erhalten', verbunden.414*Eine andere Erfahrung besagte, dafj fürstliche Reformen nie .den Keim und die eigentlichen Quellen des Verderbens' antasteten und, sofern sie zu einigen Hoffnungen Anlafj gaben, sehr schnell durch entgegengesetzte Verordnungen wieder wirkungslos gemacht wur­ den.417 Nicht die wenigen guten Mandate, sondern viele .die Würde der Nation verachtende und beleidigende Handlungen , * zu denen der Verfasser auch den An­ spruch auf das Gottesgnadentum des Fürsten rechnete, charakterisieren dessen Re­ gierung.418*Der Krieg aber und der abscheuliche Subsidientraktat des Kurfürsten im besonderen .sind offenbare Verbrechen der beleidigten Nation und ein solch sträf­ licher Verrat, wodurch er sich der Regierung des Landes allenthalben verlustig ge­ macht hat. Wenn man zwischen Ludwig XVI., welcher wegen seiner an der frän­ kischen Nation begangenen Untreue in Paris hingerichtet wurde, und zwischen unserem Kurfürsten eine Vergleichung anstellen wollte, so wäre ersterer gegen den letzteren in gewisser Hinsicht wahrhaftig noch ein Engel zu nennen'.414 Die Frage, was an die Stelle des unbrauchbaren alten Regiments treten sollte, be­ antwortete der Verfasser im einzelnen nicht völlig eindeutig. Mehrfach geht der Ruf an die Gesamtheit der Bevölkerung, das Geschick in die eigenen Hände zu nehmen.- .Es ist demnach höchste Zeit, auf eure Rechte, auf eure Freiheit, auf euer Eigentum zu denken und solches in genügsame Sicherheit zu setzen I Übt daher eure angeborenen Rechte aus,...'420 Zwei Wege schienen dem Verfasser in dieser Richtung gangbar: Einmal war es der Zusammentritt eines allgemeinen öffentlichen Landtages mit einer entsprechenden Beteiligung des dritten Standes; zum anderen war es die Bildung einer Nationalversammlung in der Weise, wie sie die .Bekannt­ machung' propagiert hatte.421 Offenbar hielt der Verfasser unter den gegebenen Be­ dingungen den ersten Weg für erfolgversprechender, denn hier konnte man an Be­ stehendes anknüpfen und womöglich sogar den alten Gegensatz zwischen Land­ schaft und Regierung ausnutzen.422 Daß er einen Kompromiß mit den Adligen für möglich erachtete, beweist seine Aufforderung an sie, .dieser Sache all möglichen 414 Ebenda, S. 44 ff. 417 Ebenda, S. 51 ff. Der Verfasser führt unter anderem als Beispiel die Lockerung der Zen­ surbestimmungen an, die jedoch die Regierung nicht hinderte, mit den schärfsten Mitteln gegen den .Neuesten landständischen Bundbrief', den .Wahren Oberblick' und die .Dank­ sagungsadresse' vorzugehen. Ebenda, S. 59/60. 4,2 Ebenda. S. 79. "» Ebenda, S. 85. 420 Ebenda, S. 91. 421 Mit ausdrücklicher Berufung auf dieses revolutionäre Dokument fragte der Verfasser: .Wäre es demnach für das Land nicht weit nützlicher und besser, wenn die Nation sich selbst eine Verfassung, eine Staatsregierung gäbe und dasjenige befolgte, wozu wir in einer jüngst im Druck erschienenen Bekanntmachung aufgefordert wurden, als dafj wir unter einem sowohl an physischen als moralischen Kräften blutarmen Regenten, der uns weder raten noch helfen, sondern nur Verwirrungen auf Verwirrungen häufen kann, der uns nicht den geringsten Nutzen, wohl aber den größten Schaden bringt noch länger umsonst auf der Schüssel haben und mit soviel Millionen für nichts und wieder nichts unterhalten sollten?" Ebenda, S. 82. 422 Verschiedentlich wird in der Flugschrift auf diesen Gegensatz bei eindeutiger Parteinahme für die Landschaft verwiesen. An einer Stelle wird sogar von der .Stimme des Volkes und der es repräsentierenden Landschaft' gesprochen. Ebenda, S. 76.

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Nachdruck zu geben, damit ihr euch dadurch rücksichtlich eurer Forderungen einer billigen Entschädigung würdig macht'.4*’ Die Entscheidung, wie weit eine Rück­ sichtnahme auf alte Verhältnisse geboten war, überlieg der Verfasser jedoch ganz dem Landtag beziehungsweise der Nationalversammlung: .Wisset, dag keine Ge­ wohnheit, kein Gesetz, keine oberherrlichen Rechte so heilig oder so verbindlich seien, dag sie nicht verändert werden mügten, wenn es der Vorteil des gemeinen Wesens erheischt. Dringt daher vor allem auf einen öffentlichen Landtag, oder wenn ihr lieber wollt, so tretet selbst in einen freien Verein zusammen, denn freie Na­ tionen haben ein Recht, sich überall und zu allen Zeiten zu versammeln. Dieses Recht haben sie nie vergeben können, weil es ein angeborenes, ein unverlierbares Recht ist. Es ist hier der Ort nicht, weitere in das Detail gehende Vorschläge zu machen, indem sich solche, wenn ihr euch anders vereinigen wollt, in der Folge gleichsam von selbst darbieten werden. * 424 Zweifellos spricht aus dieser recht vage gehaltenen Perspektive eine Unsicherheit, die sich nur zu gut aus der Situation nach dem Luneviller Frieden erklärt. Was die Schrift den Massen noch geben konnte, war weniger ein konkretes Nahziel als vielmehr eine Kräftigung ihres Selbstbewugtseins im all­ gemeinen, das der herrschenden Klasse eine unveränderte Fortsetzung ihrer alten Tyrannei in zunehmendem Mage unmöglich machte. Insofern war auch dieser Aus­ läufer der revolutionären Publizistik in Bayern eine historische Tat. An den Schritten, die Bayern in den folgenden Jahren nach vom tat, hatten alle oppositionellen Strömungen Anteil. Den geringsten Beitrag leistete die ständische Adelsopposition, und auch das nur insoweit, wie sie sich Waffen aus der Rüst­ kammer der liberalen Ideologie ausborgte, um die bestehende reaktionäre Landschaft zu bekämpfen. Diese ständische Opposition starb mit der von ihr bekämpften Land­ schaft. Jene gegen diese ausspielend, zog Montgelas der gesamten Ständeverfassung den Boden unter den Fügen fort. Mit der Aufhebung der Klöster erfolgte der erste groge Schlag; die Entmündigung der Städte durch Entzug ihrer Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt war der zweite; die Säkularisation liquidierte schlieglich den gesamten Prälatenstand. Was jetzt nach 1803 von der Ständevertretung noch übrigblieb, führte ein Schattendasein und löste sich 1808 ohne viel Aufhebens in ein Nichts auf. Ungleich bedeutender war der Beitrag der bürgerlich-liberalen Opposition, insbesondere durch ihr Bestreben, über eine breite Flugschriftenliteratur in Stadt und Land eine öffentliche Meinung zu schaffen und für sich zu gewinnen. Ihre Grenzen bestimmte die Re­ volutionsfurcht, die sie veranlagte, trotz Aufklärung und trotz des grogen fran­ zösischen Beispiels noch weitgehend in feudalen Kategorien zu denken; statt ihren Anspruch ganz aus der bürgerlichen Ideologie herzuleiten, suchte sie ihre Recht­ fertigungsgründe zu einem guten Teil im historischen Recht; statt die politische Herrschaft zu erstreben, begnügte sie sich, eine politische Mitbestimmung im Rah­ men der überkommenen Ständeverfassung zu propagieren. Die liberale Bewegung hat bis 1803 an der Landtagsforderung festgehalten und das öffentliche Interesse dafür wachzuhalten gesucht. Kennzeichnend war dabei aber eine zunehmende 4,4 Ebenda, S. 93. 454 Ebenda, S. 98. Vgl. auch ebenda, S. 34 Anin.

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IX. Letzter Höhepunkt antifeudaler Bewegung in Süddeutschland

Mäßigung.425 So stellte die liberale Opposition am Ende für die Regierung Montgelas keinen ernsthaften Gegner mehr dar, als sie die alte Landschaft liquidierte und an ihre Stelle keine neue Repräsentation setzte, sondern die gesamte Staats­ macht in ihren eigenen Händen konzentrierte. Montgelas gewann schließlich sogar ihre unbedingte Unterstützung, indem er auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete bürgerliche Reformen einleitete, die die tödliche Stagnation überwinden halfen und die Revolution vermieden. Die Herrschaft der Feudalklasse wurde nicht vernichtet, aber sie wurde untergraben. Die Reformen der Regierung Montgelas waren nicht freiwillige Geschenke an die Untertanen, sondern Ergebnisse des antifeudalen Klassenkampfs der Volksmassen. Die Massen stellten die entscheidende Kraft dar, die dem Fortschritt zum Durch­ bruch verhalf. Die liberalen Ideologen trugen in dem Grade dazu bei, wie es ihnen gelang, die Massen für diese Ziele zu mobilisieren. Sie taten es, aber mit tausend Bedenken, vielfach unbewußt und ungewollt. Anders die revolutionären Demo­ kraten! Ihre Kritik an der Feudalordnung war kompromißlos radikal; sie trugen diese Kritik bewußt unter die Massen; sie taten ihr möglichstes, das Vertrauen der Massen in die eigene Kraft zu entwickeln und sie mit dem Bewußtsein zu erfüllen, zum Sturz der verrotteten Feudalordnung berufen zu sein. Diese Leistung hebt die revolutionären Demokraten hoch über die zweifellos verbreitetere liberale Oppo­ sition hinaus und weist ihnen einen Ehrenplatz in der Geschichte zu. Der entschei­ dende Schritt allerdings von der Propagierung des revolutionären Umsturzes zum revolutionären Umsturz selbst unterblieb wie überall im deutschen Süden in diesen Jahren. Der Kreis bayerischer Revolutionäre stellte eine vorgeprellte Avantgarde dar, die sich im wesentlichen aus der bürgerlichen Intelligenz rekrutierte und kein ökonomisch starkes Bürgertum hinter sich hatte. Die revolutionäre Avantgarde suchte die Gunst der Zeit zu nutzen und bei den siegreichen Franzosen die Stärke zu bor­ gen, die das eigene Bürgertum nicht besaß. Die französische Großbourgeoisie ver­ sagte ihre Hilfe. Aktionen der Massen unter diesen Bedingungen wie etwa die Unruhen in Regensburg im Januar 1801 428 oder der Aufruhr im Rentamt Landshut, der einen allgemeinen Landtag erzwingen wollte427, konnten die Spontaneität und lokale Begrenztheit niemals überwinden und mußten darum mit Niederlagen enden. Der Rückzug der revolutionären Demokraten, nur zögernd und widerstrebend von ihnen angetreten, wurde unvermeidlich. 421 Vgl. die Flugschrift die am Ende der gesamten liberalen Literatur zur Landtagsfrage stand: Ein gutgemeintes Wort, vielleicht zu seiner Zeit gesprochen. Von einem Landtagsfreunde, o. O. 1803. Der Utzschneidersche .Entwurf' z. B. war für den Verfasser keineswegs mehr akzeptabel, sondern nur noch ein anregendes Studienobjekt: .Denn wenn er gleich nicht das ist, wofür man ihn halten mochte, so enthält er doch an mehreren Stellen Ideen, die nicht gerade deswegen zu verwerfen sind, weil sie sich in schlechter Gesellschaft befinden. * Ebenda, S. 45. 424 LHA Dresden, Loc. 30164, Die Reichsstadt Regensburg, in spede die öffentliche Ruhe daselbst betr.. Bl. 16 ff. 427 Bitteraul, Theodor. Die Gründung des Rheinbundes und der Untergang des alten Reiches. München 1905, S. 61.

4. Das Scheitern der revolutionären Bestrebungen

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Die Erhebung der Massen, für die die Revolutionäre gearbeitet hatten, blieb aus. Und dennoch hat diese Bewegung gerade in Bayern ganz bedeutende Wirkungen hervorgebracht. Sie in erster Linie hat die Voiksmassen in einem Grade mobilisiert, daij sie nicht mehr auf die alten Ausgangspositionen zurückgeworfen werden konn­ ten. Der Druck von unten hielt an. Als am 9. Juni 1802 die Gesellen fast aller Zünfte Münchens in den Streik traten, weil sie an den abgewürdigten Feiertagen nicht ohne gleichzeitige Lohnerhöhung arbeiten wollten, mufjte sich der Kurfürst in höchsteigener Person zu dem Versuch bequemen, die Streikenden durch be­ ruhigende Versicherungen zur Rückkehr an die Arbeit zu bewegen. Die Respekt­ losigkeit, mit der die Gesellen dem Landesherrn gegenübertraten, war sympto­ matisch: .Der Kurfürst kam selbst auf die Hauptwache und sah der Sache zu', berichtete Westenrieder. .Man versprach den Burschen, dafj auf ihre Forderung die nur möglichst ersinnliche Rücksicht genommen werden würde,- allein das befrie­ digte sie gar nicht; sie wollten auf der Stelle alles schriftlich haben. Sie arbeiteten nichts, sondern waren auf der Herberge.' 428 Oder hören wir die am selben 9. Juni 1802 datierte und als anonyme Flugschrift verbreitete .Dringendste Bitte an Max Joseph IV. von der Bauernmannschaft am Isartale , * die die Aufhebung des von den Grundherren erzwungenen Frondienstes verlangte: .Gnädigster Fürstl Vater Maxi Verbündet sind wir zu mehr als fünfzehn Gemeinden, und es kostet uns nicht viele Mühe, sondern nur ein Wort, und das ganze Isar- und Donautal Unterlandes tritt unserem Bunde bei, um gegen diese unsere Würger und Tyrannen für einen Mann zu stehen und sie uns mit Gewalt vom Halse zu schaffen. Wir insgesamt flehen deine Vaterlandsliebe mit Ehrfurcht an, hebe die Frone auf,...' 420 Dieser massive Druck von unten, an dessen Entwicklung die revolutionären Demokraten einen hervor­ ragenden Anteil hatten, war es in erster Linie, der die jetzt verstärkt einsetzenden bürgerlichen Reformen zur zwingenden Notwendigkeit machte. Was noch wenige Jahre zuvor unmöglich schien, wurde möglich: Das rückständige Bayern schritt seinen süddeutschen Nachbarn in der Reformgesetzgebung voran, die den Zerfall der feudalen Ordnung beschleunigte und der kapitalistischen Entwicklung den Weg bahnte. Kluckhohn, August, a. a. O., S. 70. 4it Dringende Bitte an Max Joseph IV. von der Bauemmannschaft am Isartale um Aufhebung der Fronen, o. O. 1802, S. 26/27.

SCHLUSSBEMERKUNGEN

Vielfalt und Unterschiedlichkeit der geschilderten Ereignisse zwischen 1793 und 1801 im süddeutschen Raum erschweren eine zusammenfassende Einschätzung, machen sie aber gleichzeitig um so notwendiger. Das Ganze ist ein Stück Geschichte des Klassenkampfes der feudal ausgebeuteten .und unterdrückten Volksschichten gegen die bestehende und für die Errichtung einer bürgerlichen Gesellschafts­ ordnung. Die Skala des Klassenkampfes reichte von primitiven, lokal begrenzten Protesten gegen einzelne Erscheinungsformen des Feudalismus, wobei keineswegs immer der Blick nach vom, sondern häufig genug in die Vergangenheit gerichtet war, bis zu klaren und entschieden revolutionär-demokratischen Bestrebungen. Spiegelte das erste Extrem die relative Rückständigkeit der deutschen Entwicklung wider, so bewies doch die Gesamtheit der Kämpfe, dafj auch in Süddeutschland die Zeit für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen reif war. Die Zeit war reif, das heifjt: Die neuen Produktivkräfte waren mit den alten Pro­ duktionsverhältnissen in Konflikt geraten. Manufakturen und erste Ansätze zu maschineller Produktion stiegen sich an den Zunftschranken wund, neue Anbau­ methoden an der bestehenden Agrarverfassung; der Entwicklung des Verkehrs ver­ sperrte die abnorme territoriale Zersplitterung den Weg. Die Störung der Einheit der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse im Produktionssystem war tiefgehend. Alles litt unter dieser Krise in der Produktion, die ihren sinnfälligsten Ausdruck in der massenhaften Zerstörung von Produktivkräften fand. Der Fall der Reichsstädte von ihrer einstigen Höhe als Zentren der gewerblichen Produktion, die Verödung anbaufähigen Bodens, die Verwandlung von Handwerkern in Halb­ bauern und von Bauern in Bettler zeigten das erschreckende Ausmag der Zerstörung. Um so wichtiger wurden die im Schofje der alten Ordnung langsam und mühselig heranwachsenden Ansätze des Neuen, die den Weg zur Überwindung dieser Krise wiesen. Der Konflikt zwischen Altem und Neuem äugerte sich in der Zuspitzung und Verschärfung des Klassenkampfes, der sich zu spontanen Aktionen verdichtete, die sowohl in ihrem Ausmag als auch in ihrer Intensität und Häufigkeit aus dem steten, in der gesamten Feudalzeit lebendigen ökonomischen Kampf um den Anteil am Mehrprodukt hervorragten. Auf der Grundlage dieses Konflikts waren neue gesell­ schaftliche Ideen, neue politische Anschauungen, sogar neue politisch-ideologische Organisationen entstanden, angefangen von schüchternen Lesegesellschaften über solche praktisch-ökonomischen Vereinigungen wie die Sittlich-ökonomische Gesell­ schaft zu Burghausen oder die Gemeinnützige Gesellschaft in Karlsruhe bis zum Illuminatenorden. Die bürgerliche Intelligenz als die Avantgarde des Bürgertums,

Schlußbemerkungen

der historisch zur Ablösung des Feudalismus berufenen Klasse, war erfüllt von den Ideen der Aufklärung. Aber hatten diese neuen gesellschaftlichen Ideen und politischen Anschauungen bereits begonnen, die Massen als die entscheidende Triebkraft bei der Durchsetzung des Fortschritts zu mobilisieren und zu organisieren? Die Antwort mufj für die Zeit vor dem Ausbruch der Französischen Revolution im allgemeinen negativ lauten. Die deutsche Aufklärung hatte es nicht vermocht. Auf ihrem Boden erwachsen, trat Kant 1788 mit seinem Werk .Kritik der praktischen Vernunft * hervor, worin sich nach einem Wort von Marx und Engels der Zustand Deutschlands am Ende des 18. Jahrhunderts vollständig widerspiegelte: .Kant beruhigte sich bei dem blofjen .guten Willen', selbst wenn er ohne alles Resultat bleibt, und setzte die Verwirk­ lichung dieses guten Willens, die Harmonie zwischen ihm und den Bedürfnissen und Trieben der Individuen, ins Jenseits. Dieser gute Wille Kants entspricht voll­ ständig der Ohnrfiacht, Gedrücktheit und Misere der deutschen Bürger, deren klein­ liche Interessen nie fähig waren, sich zu gemeinschaftlichen, nationalen Interessen einer Klasse zu entwickeln, und die deshalb fortwährend von den Bourgeois aller anderen Nationen exploitiert wurden. Diesen kleinlichen Lokalinteressen entsprach einerseits die wirkliche lokale und provinzielle Borniertheit, andererseits die kosmo­ politische Aufgeblähtheit der deutschen Bürger.'1 Viel früher, allerdings auch viel weniger exakt, aber im Kern durchaus richtig hatte Théremin nach seinen in Süd­ deutschland gewonnenen Erfahrungen die spezifische Besonderheit der deutschen bürgerlichen Ideologie erkannt; er nannte die Deutschen ein .von Natur aus spe­ kulatives Volk, das die Theorie der Freiheit sehr weit getrieben hat, aber das gar nicht aus sich selbst zu handeln weifi und das weder im Gedanken noch in der Aus­ führung die Kühnheit besitzt, die den französischen Republikaner in so hervor­ ragender Weise charakterisiert'? Marx und Engels führten diesen kennzeichnenden Zug nicht metaphysisch auf irgendeine natürliche Veranlagung zurück, sondern wissenschaftlich exakt auf den kleinbürgerlichen Charakter, den die Entwicklung des deutschen Bürgertums nach dem Bauernkrieg unter den Bedingungen der zwei­ ten Leibeigenschaft und der territorialen Zersplitterung erhielt. Kühnheit setzt Stärke voraus. Wo in Deutschland sollte das Bürgertum diese Stärke gewinnen? Anders war die Entwicklung in Frankreich gelaufen. Der französische Liberalismus erwuchs aus den wirklichen Klasseninteressen eines national geeinten Bürgertums, spiegelte den aus diesen Interessen geborenen unbeugsamen Willen, der konkrete Resultate verlangte. Der deutsche Liberalismus war dem deutschen Bürgertum an­ gemessen, das im kleinen Schacher sein Auskommen fand. Sein .beschönigender *, Wortführer Kant, .trennte daher diesen theoretischen Ausdruck von den Interessen, die er ausdrückt, machte die materiell motivierten Bestimmungen des Willens der französischen Bourgeois zu reinen Selbstbestimmungen des .freien Willens’, des 1 MazxlEngels, Die deutsche Ideologie, a. a. O., S. 177. * .... peuple naturellement spéculatif et qui a poussé très loin la théorie de la liberté, mais qui ne sait point agir par lui-même et qui n'a ni dans la conception, ni dans l'exécution l'audace qui caractérise si éminemment le républicain français.' Politische CorreSpOndenz.. ., a. a. O., Bd. 6, S. 142.

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Schlußbemerkungen

Willens an und für sich, des menschlichen Willens, und verwandelte ihn so in rein ideologische Begriffsbestimmungen und moralische Postulate’.3 Wo sich darum die liberale Opposition in Deutschland zu Worte meldete, war ihr Auftreten im all­ gemeinen gekennzeichnet durch mangelnde Energie und unüberwindliche Revolu­ tionsfurcht. Am wohlsten fühlte sich das liberale Bürgertum, wenn ihm das Handeln von den bestehenden Gewalten abgenommen wurde, der oder jener Fürst sich auf­ geklärt gab und eine scheinbar liberale Regierungspolitik verfolgte. Erst mit dem Ausbruch der Französischen Revolution begannen die neuen gesellschaftlichen Ideen und politischen Anschauungen, die Massen auch in Deutschland sichtbar zu mobili­ sieren und zu organisieren. In Frankreich hatte das Bürgertum sich wirklich an die Spitze der Bewegung gestellt, hatten die Volksmassen eine bürgerlich-demokra­ tische Umwälzung durchgeführt, die von der alten feudalen Ordnung keinen Stein mehr auf dem anderen ließ. Die angestrebte Harmonie zwischen Theorie und Praxis reduzierte sich hier nicht auf moralische Postulate, sondern realisierte sich in der lebendigen Wirklichkeit. Die Macht des Beispiels zündete. Mochte das deutsche Bürgertum auch in seiner überwältigenden Mehrheit von seiner anfänglichen Begeisterung sehr schnell zurückkommen, als die praktischen Konse­ quenzen der Umwälzung die Jakobinerdiktatur zeitigten, das Beispiel selbst war nicht aus der Welt zu schaffen. Es hatte den von Despoten, Aristokraten und Pfaffen geschundenen Volksmassen unendlich mehr zu sagen als die moralische Entrüstung, mit der sich das Bürgertum in seinen .alten ruhigen heiligen römischen Dunghaufen' * zurückziehen wollte. Ja, es gestattete ihm sogar nicht einmal den Rückzug in diese warme Gemütlichkeit. Die Unruhen am Rhein 1789, die Volksbewegung in Sachsen 1790 waren deutliche Anzeichen, daß der französische Brand überzugrei­ fen begann und auch in Deutschland Nahrung fand. Die erschreckten Feudalmächte machten sich daran, den Brandherd selbst auszutreten, und mußten dabei erleben, daß sie ihn umgekehrt nur zu noch hellerer Flamme entfachten. Überall dort, wo die siegreichen französischen Armeen im Gegenangriff deutschen Boden betraten, erzwangen sie die handgreifliche Auseinandersetzung mit ihren Ideen, die nach Taten verlangten. Auch im deutschen Bürgertum fanden sich Kräfte, die unter die­ sen Bedingungen den Spießbürger abstreiften, zu konsequenten Revolutionären wurden und sich an die Spitze der Bewegung zum Sturze des Feudalismus stellten. So entstand 1792/93 die Mainzer Republik, die erste bürgerliche Republik auf deutschem Boden. Seit dem Frieden von Basel, der das nördliche Deutschland aus dem Kriege aus­ klammerte, war es Süddeutschland, wo im Zuge der militärischen Auseinander­ setzungen auch eine ständige und intensive Auseinandersetzung mit der französischen bürgerlichen Realität erfolgen mußte. Dieser Tatbestand macht den deutschen Süden zum interessantesten Teil Deutschlands während des ausgehenden 18..Jahrhunderts, Unter den Bedingungen eines starken politischen Einflusses Frankreichs im Gefolge errungener oder zu erwartender militärischer Siege bekam hier auch der deutsche Libe­ * MatxjEngels, Die deutsche Ideologie, a. a. O., S. 178. 4 Engels, Friedrich, Deutsche Zustände, a. a. O., S. 568.

Schlußbemerkungen

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ralismus Farbe. In Württemberg und Bayern warf er die Frage des Mitbestimmungs­ rechtes auf und mobilisierte für dieses Ziel durch eine ausgedehnte Flugschriften­ literatur sogar die öffentliche Meinung. Sein Wesen veränderte der deutsche Libe­ ralismus allerdings nicht. In Württemberg erhob er sich zu dieser begrenzten Kühn­ heit, weil die Besonderheiten der württembergischen Verfassung - die Existenz einer gewählten landständischen Vertretung und ihre einheitlich bürgerliche Struk­ tur — solche Ansprüche als legitim erscheinen ließen. Die eifrig gepflegte Vor­ stellung, die beste aller bestehenden Verfassungen zu besitzen, hatte eine besonders penetrante Lokalborniertheit zur Folge und diente gleichzeitig als erwünschte Bremse, um die Bewegung unter Kontrolle zu behalten und eine revolutionäre Ent­ wicklung zu verhindern. Wenn die absolutistischen Tendenzen des Herzogs die liberale Opposition schließlich zwangen, mit Frankreich zu Staatsmännern, so verließ sie dabei keinen Augenblick das tiefgehende Unbehagen vor dem energischen fran­ zösischen Bourgeoisliberalismus. In Bayern hatte die liberale Opposition Maximilian Joseph bei seinem Regierungsantritt wie einem Messias zugejubelt. Sie vergaß darüber erstens, daß Bayern nicht die Welt war, sondern ein lächerlicher Kleinstaat; sie vergaß darüber zweitens, daß Maximilian Joseph als Repräsentant der herrschen­ den Feudalklasse kein anderes Ziel verfolgen konnte als das der Festigung der Herrschaft seiner Klasse insgesamt. Die liberalen Lockerungen, zu denen er sich verstand, waren unumgänglich zur Überwindung der auch für die Feudalklasse tödlichen Stagnation in jeder Lebenssphäre; sie brachen nicht die Reaktion, sondern machten sie wieder lebensfähig und belasteten die künftige Entwicklung mit ihr. Um die Jahrhundertwende radikalisierte sich dann mit den zunehmenden militärischen Erfolgen der Franzosen die bayerische liberale Opposition. Soweit sie ihren ty­ pischen Charakter behielt, war die Radikalisierung nichts anderes als die Folge steigender Revolutionsfurcht; die durch Kriegslasten bis an den Rand der Ver­ zweiflung getriebenen Volksmassen sollten durch liberale Reformen von revolutio­ nären Ausbrüchen abgehalten werden. Soweit die Radikalisierung aus dem Willen entsprang, die Gunst der Stunde - die unter den Schlägen der französischen Armee sich offenbarende Hilflosigkeit und Schwäche der herrschenden Feudalklasse - zu nutzen, bedeutete sie Preisgabe des gemäßigten Liberalismus und Übergang zu wahrhaft revolutionär-demokratischen Prinzipien. Die Notwendigkeit, in die das südliche Deutschland nach dem Basler Frieden geriet, sich handgreiflich mit der Französischen Revolution und ihren Ergebnissen aus­ einanderzusetzen, gab nicht nur dem deutschen Liberalismus Farbe, sondern schuf auch Bedingungen für die Herausbildung revolutionärer Bestrebungen, wie sie nir­ gends im Deutschland jener Zeit - das von Frankreich okkupierte Linksrheinische ausgenommen - ihresgleichen hatten. Zunächst galt es, zur Kardinalfrage jener Jahre, zum Kriege zwischen Frankreich und der feudalen Konterrevolution, Stellung zu nehmen. Vom Ausgang dieser Auseinandersetzung hing der Fortschritt im Welt­ maßstab ab. Die Volksmassen nahmen nicht immer bewußt und dennoch eindeutig für den Fortschritt Partei; sie dokumentierten ihre Parteinahme in den verschieden­ artigsten Formen des Widerstandes gegen den Interventionskrieg. Auf dieser Basis konnten sich revolutionäre Zentren herausbilden, die sich das Ziel steckten, die

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Schlußbemerkungen

Sympathie für die Sache der Franzosen in eine aktive Kraft für eine gründliche Umwälzung in Deutschland selbst zu verwandeln. Diese Zentren waren über ganz Süddeutschland verstreut, unterschieden sich in ihrer Zusammensetzung, ihrer Reife und ihrer Einflußmöglichkeit. Der Popp-Dammsche Kreis, dessen Mitglieder sich aus der studentischen Jugend rekrutierten, begriff wohl theoretisch die Notwendigkeit des Zusammengehens mit dem Volke, hatte aber praktisch noch keine Wurzeln darin geschlagen und wurde darum auch ein leichtes Opfer der zupackenden feudalen Reaktion. Der Kreis um die Brüder Kiesling und andere Nürnberger Kaufleute vertrat offensichtlich in erster Linie merkantile Interessen, die durch den Krieg beeinträchtigt wurden; ihre soziale Stellung verbot der Reaktion, mit der gleichen Rücksichtslosigkeit wie gegen Popp und seine Freunde vorzugehen, aber hemmte diese Bürger zugleich, wahrhaft glü­ hende Revolutionäre zu werden. Die Gruppe um Zwanziger gar verfolgte im gün­ stigsten Falle liberale Ziele und hat in diesem Zusammenhang keinen Platz. Anders steht es um den Revolutionär Frey, der als Beispiel für die relativ nicht unbedeu­ tende, wenn auch absolut kleine Zahl seiner bayerischen Gesinnungsgenossen gelten kann: Er besaß ein unmittelbares Verhältnis zu den werktätigen Massen. Aus diesem Vorzug leitete sich sein jakobinischer Radikalismus ab. Dieser kleinbürgerlichen Haltung im guten, demokratischen Sinne aber stand eine kleinbürgerliche Be­ schränktheit gegenüber, wie sie in dem rückständigen Bayern das Bürgertum über­ haupt charakterisierte. Durch keine lebendigen wirtschaftlichen Beziehungen unter­ einander verbunden, lebte es über das ganze Land zerstreut und konnte darum zunächst auch in seinen besten Vertretern keine wirklich organisierende Führung entwickeln. Was sie zu tun vermochten, leisteten sie: Sie kritisierten das Bestehende und halfen durch Nachrichtenübermittlung den Franzosen, auf die sie ihre ganze Hoffnung setzten. Nicht mehr nur Keimzelle, sondern bereits ein funktionierendes revolutionäres Zentrum bildete sich am Oberrhein um List in enger Verbindung mit dem württembergischen Kreis um Kämpf heraus. Hier war die bürgerliche Intelli­ genz, dann aber auch schon der Unternehmer und schließlich das radikale Klein­ bürgertum vertreten. Die relativ große ideologische und organisatorische Reife die­ ser Bestrebungen erklärt sich nur zu einem Teil aus den, an Bayern und Franken gemessen, entwickelteren ökonomischen Verhältnissen; wichtiger war die unmittel­ bare Nähe des klassischen Beispiels revolutionärer Veränderungen jenseits des Rheins. List, unstreitig der führende Kopf, zählte seiner damaligen sozialen Stellung nach weder zur bürgerlichen Intelligenz noch zum Unternehmertum; er war ein Kleinbürger, noch dazu im Angestelltenverhältnis und erst später eine mühselige selbständige Existenz fristend. Was ihn zum führenden Revolutionär reifen ließ, war das Erlebnis des französischen Weges. Es kennzeichnete alle wahrhaften Revolutionäre Süddeutschlands, daß sie nicht in kleinstaatlichen Vorstellungen befangen blieben, sondern auf eine Republik hin­ arbeiteten, die ganz Deutschland umfassen sollte. Der Aufruf, den Damm an Popp übersandte, richtete sich an die deutschen Jünglinge schlechthin. Frey erklärte, daß ohne die Überwindung der Zersplitterung unter hundert Despoten Deutschland

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stets Opfer stärkerer Nachbarn bleiben müsse. List und seine Freunde schließlich betrachteten sich als Sprecher und berufene Stellvertreter der gesamten deut­ schen Nation. Eine solche Zielsetzung macht deutlich, daß sich die Revolutionäre der engen Wechselbeziehung zwischen der sozialen Frage und der Frage der natio­ nalen Einheit durchaus bewußt waren. Eine Lösung der ersten war nicht endgültig und vollkommen zu erreichen, wenn nicht auch die letzte gelöst würde. Während aber im Kreis um Damm und Popp beide Fragen gleichsam zu einer einzigen ver­ schmolzen, verstanden schon Frey und erst recht die Männer um List, daß der sozialen Frage die grundlegende Bedeutung zukam. Es war Schwärmerei und Ausdruck der Tatsache, daß man in Würzburg und Wetzlar noch weit von wirklicher revolutionärer Arbeit entfernt war, wenn man beide Aufgaben in einem Zuge durch ein in Mainz gebildetes Freikorps deutscher Jünglinge, unterstützt von den französischen Waffen, lösen zu können meinte. List und seine Freunde waren praktische Revolutionäre, die das Kräfteverhältnis zwischen Fortschritt und Reaktion einzuschätzen wußten. Die Umsturzvorbereitungen mußten sich unter den damaligen Bedingungen zunächst auf ein Teilgebiet Deutschlands konzentrieren, in dem die Voraussetzungen beson­ ders günstig waren. Erst wenn der neuen Ordnung eine Provinz erobert war und von dieser Provinz wiederum revolutionäre Impulse ausgingen, konnte man daran denken, das feudale Deutschland gleichsam aufzurollen und im Ergebnis auch die nationale Einheit zu verwirklichen. Zur richtigen Einschätzung des Kräfteverhältnisses gehörte jedoch vor allem die Einsicht in die unbedingte Notwendigkeit tätiger französischer Unterstützung. Diese Einsicht war allen Revolutionären gemeinsam. Auf der einen Seite stand die Vielzahl süddeutscher Fürsten, die zwar keineswegs untereinander die freundschaftlichsten Gefühle hegten, aber der unmittelbaren revolutionären Gefahr gegenüber weit­ gehend solidarisch fühlten. Ihre eigene militärische Macht war noch nicht einmal ihre stärkste Waffe, denn die meisten besaßen kaum mehr als eine Wachtparade. Ihre Stärke bestand vielmehr in der Schwäche ihrer Gegner, in der Kraftlosigkeit des Bürgertums, dessen Hände das Banner der bürgerlichen Freiheiten nicht zu erheben vermochten, um die Massen unter diesem Zeichen in den Kampf zu führen. Außerdem konnten die Fürsten auf die feudale Großmacht Österreich zählen, dessen Soldaten zu Zehntausenden in Süddeutschland lagen. Auf der anderen Seite standen die ausgebeuteten und unterdrückten Volksmassen. Mobilisiert und organisiert stellten sie eine unüberwindliche Kraft dar; unter den gegebenen Bedingungen jedoch, da das Bürgertum als Klasse seine historische Aufgabe nicht erfüllte, waren sie nichts anderes als gewaltige ungenutzte revolutionäre Potenzen. Als Führer der Massen boten sich die Kreise der Revolutionäre an, eine verschwindende Minder­ heit, die niemals das leisten konnte, was das Bürgertum als Ganzes versäumte. Im­ merhin aber war es 1792/93 einem solchen Kreis gelungen, die Mainzer Republik zu gründen. Die objektiven und subjektiven Bedingungen dort und damals deckten sich in vielem mit denen, wie sie in Süddeutschland ein paar Jahre später gegeben waren: Dieselbe territoriale Zersplitterung, dieselben feudal geknechteten Volks­ massen, dieselbe ökonomische und politische Schwäche des Bürgertums, dieselbe verschwindend kleine Minorität entschiedener bürgerlicher Revolutionäre. Was das 40 Süddeutsche Jakobiner

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Schlufjbemerkungen

Kräfteverhältnis damals im Gebiet zwischen Bingen und Landau mit einem Schlage zugunsten des Fortschrittes veränderte, waren die Waffenerfolge der Franzosen. Unter aktivem französischen Schutz konnten Forster und seine Freunde die rheinisch­ deutsche Republik errichten. Warum sollte eine ähnliche Entwicklung jetzt nicht in Süddeutschland möglich sein, da Frankreich sich anschickte, seine Armeen über den Rhein marschieren zu lassen? Die Revolutionäre um List kalkulierten 1796 die französische Hilfe als den ausschlaggebenden Faktor für die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu ihren Gunsten mit ein. Ungleich intensiver als die Mainzer Jakobiner, deren führende Köpfe aus einer Lesegesellschaft hervorgegangen und überwiegend Theoretiker waren, bereiteten sie die Volksmassen auf die zu erwar­ tenden Ereignisse vor. Klug konzentrierten sie sich dabei zunächst auf den engen Bezirk am Oberrhein, wo der Übergang der französischen Armee erfolgen sollte. Darüber hinaus sorgten sie lediglich für Verbindungslinien, die bis in die Pfalz, nach Württemberg und Oberschwaben reichten. Alles kam darauf an, die Insurrektion mit größter Intensität an einem Punkt erst einmal beginnen zu lassen. Ihr Beispiel selbst und der durch sie wesentlich erleichterte Vormarsch der französischen Armee würden für eine schnelle Ausweitung sorgen und wenigstens zunächst das halbe Süddeutschland für die Revolution erobern. Diese Rechnung ging nicht auf, weil der ausschlaggebende Faktor, die aktive fran­ zösische Unterstützung, ausfiel. Frankreich befand sich nicht mehr wie 1792/93 in der aufsteigenden Phase der Revolution, in der seine einzigen auswärtigen Bundes­ genossen die Volksmassen der Feudalstaaten waren, die es bekriegten. Hatte die ent­ schiedenste revolutionäre Partei, die Partei der Kommune, zur Zeit der Jakobiner­ diktatur noch den Propagandakrieg und die Republikanisierung Europas als ein­ ziges Rettungsmittel gegen den Ansturm der feudalen Konterrevolution verfochten, so verfolgten Danton und Robespierre schon eine ganz andere Politik: Sie suchten den Weg zum Frieden durch Teilung der Verbündeten. .Beide gingen zusammen gegen die Kommune, um vor allen Dingen die Leute zu stürzen, die den Propaganda­ krieg, die Republikanisierung Europas wollten. Das gelang, die Kommune (Hébert, Cloots etc.) wurde geköpft. * s Bereits unter der Jakobinerdiktatur begann also jener folgenschwere Wandel in der französischen Außenpolitik: Nicht mehr die Volks­ massen der Feudalstaaten, sondern die Gegensätze unter den feudalen Mächten stellten für das republikanische Frankreich den wichtigsten Bundesgenossen dar. Hatten Danton und Robespierre noch vorwiegend aus Angst vor der scheinbaren Übermacht der Koalition so gehandelt, so handhabte nach dem 9. Thermidor die Großbourgeoisie diese Politik vornehmlich als das adäquate Mittel, Eroberungsziele vorzubereiten und zu sichern. Die neue herrschende Ausbeuterklasse, die im Innern die von den Volksmassen erkämpften demokratischen Rechte systematisch abbaute, konnte kein Freund revolutionär-demokratischer Umwälzungen in Deutschland sein. .Die Tragik ist', sagt Engels, .daß die Partei des Krieges à outrance, des Krieges um die Völkerbefreiung, recht behält und daß die Republik mit ganz Europa fertig 5 Engels an V. Adler, London, 4. 12. 1689. In: MatxfEngels, Ausgewählte Briefe, a. a. O., S. 493.

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wird, aber erst, nachdem diese Partei selbst längst geköpft und statt des Propaganda­ krieges nun der Basler Friede und die Bourgeoisorgie des Direktoriums kommt.' * Es war eine Tragik vornehmlich für das deutsche Volk, das, angesichts der Schwäche seines Bürgertums auf fremde Hilfe angewiesen, so um die grofje Gelegenheit kam, seiner seit Jahrhunderten von volksfeindlichen Kräften bestimmten Geschichte eine entschiedene Wendung zur Demokratie hin zu geben und Meilensteine für die Zu­ kunft zu stecken, die einen Metternich und einen Bismarck unmöglich gemacht hätten. Es war eine Tragik, dafj die französischen Armeen, denen die Sympathie breitester Volksschichten gehörte, diese Massen grausam enttäuschten und sich als Eroberer bewegten, gegen die in verschiedenen Gegenden sich das Volk sogar mit der Waffe erhob. So wurden zum Teil die ungeheuren progressiven Potenzen, die in den Massen schlummerten und von jakobinischen Armeen für den Sieg über den gemeinsamen feudalen Gegner genutzt worden wären, in eine verkehrte Richtung gelenkt. Der Widerstand gegen die plündernden Eroberer zur Sicherung der nackten Existenz war zweifellos gerecht und diente dennoch einer schlechten Sache. Er nützte der feudalen Reaktion, die im Kriege gegen Frankreich nach wie vor den ge­ sellschaftlichen Fortschritt bekämpfte, den bei aller antidemokratischen Gesinnung die französische Bourgeoisherrschaft dennoch verkörperte. Dafj der Volkswiderstand auch beachtliche antifeudale Elemente enthielt beziehungsweise entwickelte, daß auch bereits das Motiv des Kampfes für die nationale Unabhängigkeit und gegen eine Fremdherrschaft darin aufkeimte, vermag an der Gesamteinschätzung nichts zu ändern. Es zeugt von der ideologischen Reife der süddeutschen Revolutionäre, dafj sie trotz böser Erfahrungen und heimtückischen Verrats die Orientierung auf Frankreich als das Zentrum des gesellschaftlichen Fortschritts in Europa nicht preisgaben. Sie gaben preis - auch das ein Zeichen des ideologischen Wachstums - die naive Vor­ stellung von einer idealen Einheit aller Kräfte, die an der Umwälzung in Frankreich teilhatten und sie bejahten. Sie lernten tiefer schauen. Sie lernten differenzieren zwischen den herrschenden Bourgeois einerseits, die die Erbschaft der Revolution angetreten hatten, um sie frech der eigenen Bereicherung nutzbar zu machen auf Kosten des französischen Volkes, auf Kosten fremder Länder, und den Citoyens andererseits, die zum Opfer dieser Politik bestimmt waren. Mit seltener Klarheit hat vor allem Rebmann diese Erkenntnis formuliert und nachdrücklich für ihre Ver­ breitung gesorgt. Ihren konkreten Niederschlag fand diese Erkenntnis in dem Plan der Revolutionäre am Oberrhein und in Schwaben, den Rastatter Kongreß zu sprengen, auf dem sich französische Bourgeois und deutsche Feudale zusammen­ gefunden hatten, um deutsches Land und deutsches Volk unter sich zu verhökern. Möglicher und wichtigster Bundesgenosse der Revolutionäre bei diesem Unter­ nehmen war die jakobinische Partei, die im Zusammenhang mit den Ereignissen um den 18. Fruktidor einen starken Aufschwung genommen hatte und in Augereau einen gewichtigen Anwalt besafj. Mochten persönliche Ressentiments auch ungleich mehr als prinzipielle Erwägungen seine Haltung bestimmen — er stellte als Held des * Ebenda, S. 493/94. 46«

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Schlußbemerkungen

18. Fruktidor und als Oberkommandierender der Deutschlandarmee eine Macht dar, die zählte. Zusätzliche Kraft hofften die Revolutionäre aus der cisrhenanischen und aus der republikanischen Bewegung in der Schweiz zu gewinnen. Die erste geriet in ihrem Bestreben, die Herrschaft der französischen Prokonsuln im Linksrheini­ schen zu beenden und das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der geltenden Verfassung zu erlangen, zwangsläufig in einen Gegensatz zum Direktorium. Die zweite trug, da sie erst am Beginn ihrer großen Laufbahn stand, noch alle Zeichen der unverdorbenen Jungfräulichkeit an sich und versprach darum eine große propagandistische Wirkung auf die benachbarten deutschen Gebiete. Schließlich durften die Revolutionäre auch in dem deutschen Nationalgefühl, das durch den Rastatter Kongreß tief beleidigt wurde und gerade darum an lebendiger Kraft ge­ wann, einen wertvollen Bundesgenossen sehen. Das Unternehmen blieb jedoch wie 1796 in den Anfängen stecken. Die Bourgeoisie hatte ihre Herrschaft schon zu fest begründet, hatte die Demokratie schon zu sehr gedrosselt und unmittelbar nach dem 18. Fruktidor die Zurückdrängung des jakobinischen Einflusses zu gründlich be­ trieben, als daß von dieser Seite noch eine Änderung ihrer Politik erzwungen werden konnte. Um unter den sich ständig verschlechternden Bedingungen dennoch das Wagnis zu unternehmen, war Augereau nicht der Mann. Er ließ seine treuesten An­ hänger, die Revolutionäre im deutschen Südwesten, feige im Stich. Inzwischen hatte die revolutionär-demokratische Umwälzung in der Schweiz ihren Anfang genommen. Die französische Bourgeoisie hatte ihr Plazet dazu gegeben, weil auf andere Weise diese Gebirgsfestung mit ihren wichtigen Alpenpässen nicht für Frankreich zu sichern war. Das Direktorium hatte zwar nicht versäumt, einer wahr­ haft demokratischen Entwicklung hier alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen; so hatte es der Helvetik eine Verfassung oktroyiert, die der undemokratischen Konsularverfassung bereits näherkam als der in Frankreich noch geltenden Konsti­ tution vom Jahre 1795. An der Tatsache jedoch, daß die Massen in Bewegung geraten waren und die Revolution mit eigener Hand durchführten, konnte das nichts ändern. Sie beseelte die Revolutionäre im deutschen Südwesten mit neuer Hoffnung, die ihren höchsten Ausdruck in dem zu Basel gedruckten Entwurf einer republi­ kanischen Verfassung für ganz Deutschland fand. Verschiedentlich hatte es sogar den Anschein, als wenn ein Übergreifen der Schweizer Bewegung auf Süddeutsch­ land die französische Billigung erhalten könnte. Der Abgesandte Talleyrands in Stuttgart, Theremin, war ihr eifrigster Propagandist. In jedem Fall galt es vor allem, die helvetische Republik für diesen Gedanken zu gewinnen. Zwei Umstände kamen diesem Bemühen entgegen: Erstens der demokratische Charakter der helvetischen Revolution, die im Gegensatz zum hartgesottenen bourgeoisen Frankreich noch solidarisch mit den revolutionären Bestrebungen in Schwaben empfinden konnte, zumal enge sprachliche, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen an die ehemalige Zusammengehörigkeit erinnerten; zweitens die schon in kürzester Zeit von der Helvetik gesammelte bittere Erfahrung, daß ein so kleines Land von Frankreich nur als Halbkolonie behandelt wurde. Zahlreiche und nicht einflußlose Schweizer sympathisierten ehrlich mit dem Gedanken der Verbindung mit einem repüblikanisierten deutschen Süden. Von deutscher und helvetischer Seite wurden Anstrengungen

Schlufjbemerkungen

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in Paris unternommen, das französische Plazet zu erhalten. Vergebens I Frankreich hatte zwar die Bestrebungen der deutschen Revolutionäre wie einen Aliierten im Rücken des Gegners behandelt, als es galt, in Rastatt die Bereitschaft der Fürsten zur Unterwerfung unter die französischen Bedingungen zu erzwingen und ihren Übergang in das Lager der sich bildenden zweiten Koalition zu verhindern; aber es hatte stets nur mit der Revolution gedroht und niemals im Ernste daran gedacht, die Drohung zu verwirklichen. Die außenpolitische Linie, die es Deutschland gegenüber verfolgte, lief eindeutig auf die Bildung eines Bundes deutscher Mittelfürsten unter französischem Protektorat hinaus. Der Thronwechsel in Bayern Anfang 1799 schien solche Pläne außerordentlich zu begünstigen, so daß die Drohung mit der Revo­ lution nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich für das Projekt wurde. Wieder einmal gab die französische Bourgeoisie die deutschen Revolutionäre preis, und auch der Schweiz blieb unter diesen Umständen nichts anderes übrig, als die Teil­ nahme Schweizer Bürger an den Umsturzvorbereitungen in Schwaben zu leugnen. Die militärischen Erfolge Erzherzog Karls zu Beginn des Krieges 1799 schufen zu­ dem eine Situation, in der ohnehin konkreten revolutionären Absichten der Boden entzogen wurde. Als sich die Lage auf dem Kriegsschauplatz in der Folgezeit wieder zugunsten Frankreichs wandelte, war von intensiven und koordinierten republikanischen Be­ strebungen im deutschen Südwesten keine Rede mehr. Ansätze in dieser Richtung blieben lokal begrenzt. Nach dem Machtantritt Napoleon Bonapartes, der die Revo­ lution für beendet erklärte, löste sich auch die letzte Illusion auf, in irgendeiner Form aktive französische Unterstützung für eine demokratische Umwälzung zu erhalten. So wie Görres für das Linksrheinische alle Hoffnung auf eine demokra­ tische Selbstverwaltung aufgab, so mußten die Revolutionäre im deutschen Süd­ westen erst recht ihre viel weitergehenden Pläne begraben. Aber so wie Görres dennoch an der Vereinigung des Linksrheinischen mit Frankreich festhielt, weil sie Teilnahme an der fortschrittlichen bürgerlichen Entwicklung bedeutete, so blieben auch die südwestdeutschen Revolutionäre trotz aller Enttäuschungen in ihrer prin­ zipiellen Parteinahme für das bürgerliche Frankreich fest und trugen ihren Teil dazu bei, den erneuten Versuch einer Volksbewaffnung zum Scheitern zu bringen. Das bourgeoise Frankreich konnte nicht die Rolle eines aktiven und - angesichts des für den Fortschritt ungünstigen innerdeutschen Kräfteverhältnisses - entschei­ denden Helfers in einer demokratischen Revolution spielen; abeT es konnte als siegreiche bürgerliche Großmacht die Positionen der herrschenden Feudalklasse in Deutschland schwächen und hat sie geschwächt. Es war ein irreales Unterfangen Jägerschmidts im Jahre 1800, die durch den siegreichenVormarsch der französischen Armee bewirkte Erschütterung des feudalen Staatsapparates ausnutzen und gleich­ sam hinter ihrem Rücken einen demokratischen Umsturz am Oberrhein durchführen zu wollen; unter den gegebenen Bedingungen war ein solches Unternehmen nicht ohne Frankreich und erst recht nicht gegen seinen Willen zu verwirklichen. Rea­ listisch dagegen war die Losung, die das württembergische Zentrum ausgab: Eine Orientierung auf den unmittelbaren Umsturz war nicht möglich, ein zeitweiliger Rückzug also notwendig; die neue Offensive sollte dann einsetzen, wenn die fort­

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Schlußbemerkungen

schriftlichen Kräfte genügend erstarkt waren, um ganz aus eigenen Mitteln - und zwar im gesamtdeutschen Rahmen - die brennenden Fragen der Zeit zu lösen, das heißt ein einiges bürgerliches Deutschland zu gründen. Die revolutionäre Bewegung in Bayern 1800/01 war eine späte Frucht, ökonomisch besonders rückständig und fern vom Rhein hat Bayern länger als der Westen Süd­ deutschlands gebraucht, um seine fortgeschrittensten Kräfte bis zu dieser Höhe zu entwickeln. Daß die bayerische Bewegung ihre größte Intensität zu einem Zeitpunkt entfaltete, da anderswo bereits die Losung für einen zeitweiligen Rückzug ausgegeben war, beweist zweierlei: Erstens hatte sie von Frankreich noch nicht solche gründ­ lichen Enttäuschungen wie die Revolutionäre am Oberrhein und in Schwaben erlebt. Gewiß hatte das Verhalten Moreaus 1796 nicht den Erwartungen der Männer um Frey entsprochen; aber einmal konnten sich die französischen Truppen nur kurze Zeit in Bayern halten, und zum anderen stellten die bayerischen Revolutionäre da­ mals nur ein kleines Häuflein dar, das noch nicht die Spur eines organisierenden Einflusses auf die Volksmassen zeigte. Weiterhin war die bayerische Bewegung relativ isoliert gewachsen, hatte erst spät und nur lockere Verbindung mit den schwäbischen Gesinnungsgenossen aufgenommen und konnte darum aus deren Erfahrung wenig lernen. Den großen Mangel der völlig ungenügenden Einwirkung auf die Massen hatte sie inzwischen überwunden und eine Vielzahl von Flug­ schriften und -blättern unter das Volk gebracht, wie sie selbst der Südwesten nicht aufzuweisen hatte. So viel war auch den bayerischen Revolutionären klar, daß sie auf französische Hilfe niemals rechnen konnten, wenn sie sich nicht als Verhand­ lungspartner empfahlen, die realen Einfluß besaßen und so etwas wie eine Macht darstellten. Um die Überwindung der Isolierung von den Gleichgesinnten im übrigen Süddeutschland bemühten sie sich ebenfalls; sie knüpften Kontakte zu schwäbischen Revolutionären und zeigten auch in ihrer Zielsetzung, einer Bayern, Schwaben und Franken umfassenden Republik diese Tendenz. Die Tatsache jedoch, daß die revo­ lutionäre Bewegung im Südwesten ihren Höhepunkt bereits überschritten hatte, schränkte die Ergebnisse dieser Bemühungen zwangsläufig sehr ein. Es blieb eine bayerische und wurde keine süddeutsche Bewegung. Spezifisch bayerische Züge kennzeichneten auch ihr Programm: Der nahezu von allen Bayern geteilte tiefe Haß gegen das annexionslüsterne Österreich äußerte sich hier in der extremen Forderung, diesen Staat bis auf den Grund zu zerstören und die einst zum bayerischen Stammesland gehörigen österreichischen Gebiete wieder mit dem alten Mutterlande zu vereinen. Obwohl eine Zertrümmerung dieser stärksten deutschen Feudalmacht und ebenso die Möglichkeit einer selbständigen nationalen Entwicklung für Tschechen und Ungarn progressive Bedeutung besaßen, sind doch Züge eines borniert baju­ warischen Chauvinismus in dieser Forderung unverkennbar. Später als ihre Ge­ sinnungsgenossen im Südwesten, aber ebenso folgerichtig teilten die bayerischen Revolutionäre deren Schicksal. Eine Zeitlang als Mittel zum Zweck gebraucht, wur­ den sie am Ende vom bourgeoisen Frankreich skrupellos fallengelassen. Der französischen Großbourgeoisie war nicht daran gelegen, in Deutschland Be­ dingungen zu schaffen, die der ungehemmten Entwicklung der bürgerlichen Kräfte dienten. Bonaparte suchte darum nicht das Bündnis mit Bürgern und Bauern, son-

Schlußbemerkungen

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dem das mit den Fürsten, von denen er einige erhöhte und andere verwarf. Ver­ worfen wurden die geistlichen Fürsten und die Menge kleiner Zaunkönige, erhöht die mittleren weltlichen Fürsten, die denn auch am eifrigsten auf schleunige Rati­ fizierung des Lunéviller Friedens und Verteilung der Beute drängten. Wenn dennoch zwei Jahre bis zum endgültigen Abschluß dieses Geschäfts vergingen, so lag es daran, daß die widerstreitenden Wünsche, Beschwerden, Ansprüche und Entwürfe der gierigen fürstlichen Räuber Verwirrung über Verwirrung häuften. Die im Oktober 1801 gebildete, mit unbeschränkten Vollmachten ausgestattete acht­ köpfige Reichsdeputation spielte bei dem Entschädigungsgeschäft nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das Zentrum aller Entscheidungen über die zukünftige Gestalt des Reiches lag nicht bei seiner Vertretung, sondern in der Hauptstadt des Siegers, in Paris. Hier war die Börse, an der Land und Leute verhandelt wurden. Hierher schickten die Fürsten ihre Gesandten, um durch schamlose Bestechung französische Geneigtheit und diesen oder jenen konkreten Vorteil zu ergaunern. In Nebendingen konnte wohl eine mit Louidors gefüllte goldene Dose einige Wirkung erzielen, im ganzen jedoch dokumentierten diese Methoden lediglich die erbärmlichste Kriecherei der Fürsten vor dem Sieger, der sich das Einverständnis Rußlands zu verschaffen gewußt und schließlich in Amiens auch mit England Frieden geschlossen hatte, so daß es nichts mehr gab, was ihn an der Durchsetzung seiner Ziele in Deutschland hindern konnte. Auf der Grundlage der französischen Gesamtkonzeption, ohne die Reichsdeputation und ohne den Kaiser, wurden in Separatverträgen die Verluste und Gewinne der Reichsstände bis ins Detail in Paris festgelegt. Wie wenig Frankreich gewillt war, sich vom Reich in seine Verteilungspläne hineinreden zu lassen, und wie weit die fürstliche Habgier und ihre würdelose Abhängigkeit von Frankreich gingen, bezeugt der mit Preußen am 28. Mai 1802 geschlossene Vertrag. Im 14. Artikel wurde dem König ausdrücklich gestattet, die ihm von Frankreich als Entschädigungen für die linksrheinischen Verluste zugesprochenen Gebiete sofort nach dem Austausch der Ratifikationen in Besitz zu nehmen.7 Anfang August ließ Friedrich Wilhelm HI. seine Truppen die Okkupation durchführen. Bayern folgte seinem Beispiel. Baden wartete erst vorsichtig die französische Aufforderung ab, die dann auch Anfang September überbracht und umgehend erfüllt wurde. Nachdem also in Paris die Aufteilung der Beute im wesentlichen festgelegt und sogar mit ihrer Besitznahme begonnen war, wurde schließlich doch noch die Reichsdeputation in die Verhandlungen einbezogen, denn das französische Kind brauchte einen deutschen Namen. Sie erhielt von Frank­ reich und Rußland als vermittelnden und, wie Talleyrand dreist behauptete, .voll­ kommen uninteressierten Mächten' 8 einen Entschädigungsplan vorgelegt, der zwar noch einige Redaktionen durchmachte, aber im Prinzip endgültigen Charakter trug. Am 25. Februar 1803 konnte die Reichsdeputation ihren Hauptschluß mit kaiser­ licher Zustimmung dem Reichstag zur Genehmigung vorlegen. An den Beratungen im Reichstag hatten die abgetretenen Reichslande ebenso wie die säkularisierten und 7 Clercq. M. de. a. a. O., S. 587. 8 .... puissances parfaitement désintéressés...' Ebenda, S. 594.

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Schlußbemerfaangen

mediatisierten Stände schon keinen Anteil mehr; das Todesurteil über sie wurde vollstreckt, bevor es rechtskräftig geworden war. Die zweimonatigen Beratungen endeten mit einem Reichsgutachten, das beim Kaiser die Ratifizierung des Reichs­ deputationshauptschlusses beantragte. Das entsprechende kaiserliche Dekret traf am 27. April 1803 beim Reichstag ein. Der Reichsdeputationshauptschluß entsprach den Zielen der französischen Deutsch­ landpolitik, wie sie seit dem Machtantritt der französischen Großbourgeoisie immer nachdrücklicher verfolgt worden war. Der Rhein war völkerrechtlich Frankreichs Grenze geworden. Über ein Drittel Deutschlands hatte Bonaparte seine unbedingte Vorherrschaft errichtet. Österreich war nach Osten gedrängt und hatte seine wich­ tigsten Stützen im Reich, die geistlichen Fürsten, eingebüßt. Was noch an reichsoberhauptlichen Funktionen dem Kaiser blieb, beschränkte sich auf Formen ohne Inhalt. Preußen gehörte zwar zu den Staaten, die reichen Gewinn aus dem allge­ meinen Zusammenbruch heimtrugen, aber auch hier war es Frankreich gelungen, der Begehrlichkeit Grenzen zu setzen und vor allem die Ausdehnung nach Süddeutsch­ land zu verhindern. Die Basis seines dominierenden Einflusses fand Frankreich in solchen Staaten wie Bayern, Württemberg, Baden und Hessen. Ihnen vor allem wurden darum die 112 Reichsstände geopfert, die von der Landkarte verschwanden: Geistliche Fürsten, gefürstete Grafen und die Masse der Reichsstädte. Die Ver­ größerung und Arrondierung ihrer Gebiete machte sie zu Mittelstaaten, die öster­ reichischen und preußischen Vormachtbestrebungen wirksamen Widerstand leisten konnten; andererseits wurde ihre Ausdehnung in solchen Grenzen gehalten, daß sie Frankreich nicht gefährdeten, sondern umgekehrt in ihm ihren natürlichen Be­ schützer suchen mußten. Die Fürstenherrschaft stellte für die französische Großbourgeoisie eine Sicherung gegen die Gefahr eines national geeinten bürgerlichen Deutschlands dar, das die Geschichte auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Ein solches Deutschland mußte zu einem mächtigen Konkurrenten werden und war niemals unter französische Herr­ schaft zu bringen. Naiv verwundert hatten die bürgerlich-liberalen .Europäischen * Annalen schon bei der Mitteilung des französisch-russischen Entschädigungsplans bemerkt: .Es ist sehr auffallend, daß in diesem Plane gar nichts zum Besten der Untertanen... ausbedungen ist. Alles ist bloß auf Diskretion dahin gegeben.' * In­ dem die französische Großbourgeoisie die Herrschaft der deutschen Fürsten konser­ vierte, handelte sie als kapitalistische Ausbeuterklasse, die entsprechend ihrer anti­ demokratischen Innenpolitik nach außen Eroberungstendenzen entwickelte. Engels charakterisierte darum den Reichsdeputationshauptschluß treffend als Ergebnis eines .vom Ausland im Interesse des Auslands' entworfenen Plans, wobei .die Un­ einigkeit der deutschen Fürsten' dem Ausland, das heißt Rußland und Frankreich, den .beiden Garanten der deutschen Reichszerrüttung , * die besten Dienste leistete. Ebenso wie die feudalen Großmächte betrachtete auch Frankreich .die kleineren Reichsstände als bloßes Eroberungsgebiet'.10 Dennoch ist damit nicht alles gesagt. * .Europäische Annalen', Jahrg. 1802, 12. Stück, S. 258/59. 10 Engels, Friedrich, Die auswärtige Politik..., a a. O., S. 152.

Schlu^betnerkungen

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Der eigentliche Gewinner war das bürgerliche Frankreich, nicht das erzfeudale Rußland, und das war für Deutschland Glück im Unglück. Engels vergaß auch diesen Gesichtspunkt nicht: .Das französische Joch war wenigstens ein modernes, das die deutschen Kleinstaaten zwang, mit den schreiendsten Übelständen ihrer bisherigen Daseinsweise aufzuräumen. * 11 Frankreich wandte zur Durchsetzung seiner Ziele Deutschland gegenüber in einem Mafje revolutionäre Mittel an, wie es eben nur ein bürgerlicher Staat der feudalen Reaktion gegenüber tun konnte. Die Beseitigung der allerübelsten Kleinstaaterei, ein revolutionärer Vorgang, versetzte der reaktionären Vorstellung vom Gottesgnadentum feudaler Fürsten einen emp­ findlichen Stofj und eröffnete den Produktivkräften im Rahmen feudaler Mittel­ staaten größere Entwicklungsmöglichkeiten. Die süddeutschen Revolutionäre taten darum recht, die objektiv progressive Rolle Frankreichs nie aus dem Auge zu ver­ lieren und sich nicht aus ihrer subjektiven Enttäuschung heraus in eine antifranzö­ sische Frontstellung drängen zu lassen, die sie zu Werkzeugen der Reaktion de­ gradiert hätte. Aber obwohl Frankreich zahlreiche feudale Institutionen vernichtete, beseitigte es nicht die Feudalklasse selbst, sondern bestätigte sie in ihrer herrschen­ den Stellung; obwohl es die Zersplitterung Deutschlands bedeutend reduzierte, be­ seitigte es nicht die Zersplitterung selbst, sondern modernisierte sie und machte sie damit lebensfähiger. Beides war Vorbedingung für die Errichtung eines dominieren­ den Einflusses in Deutschland. In der Tat haben die fürstlichen Lakaien das Ver­ trauen nicht getäuscht, das Frankreich in sie setzte. Bereits im dritten Koalitions­ krieg marschierten im französischen Heer bayerische, württembergische, badische und hessische Kontingente. Dankbar für die Königs- und Grofjherzogstitel, die ihnen der Erbe der Französischen Revolution verlieh, zahlten sie auch dann noch den Blut­ zoll mit ihren Landeskindern, als Napoleon daranging, ganz Europa in Fesseln zu schlagen. .Und das Ergebnis war, dafj die Geschichte sich über diese, an Kriegen und Tra­ gödien (Tragödien ganzer Völker) ungewöhnlich reiche Epoche hinweg vom Feuda­ lismus zum .freien' Kapitalismus entwickelte.'12 Der Fortschritt setzte sich auch in Deutschland durch trotz Fortdauer der Fürstenherrschaft und des Partikularismus. Die revolutionär-demokratischen Bestrebungen in Süddeutschland am Ausgange des 18. Jahrhunderts haben ihren Teil dazu beigetragen. Sie haben als eine treibende Kraft gewirkt, indem sie der unumgänglichen Notwendigkeit, den Feudalismus zu überwinden, den entschiedensten Ausdruck gaben und die Volksmassen in diesem Sinne mobilisierten. Wenn Napoleon als Eroberer die süddeutschen Fürsten zwang, bescheidene bürgerliche Reformen durchzuführen, weil Frankreich zwar kein ge­ eintes bürgerliches Deutschland, aber doch eine Nachbarschaft brauchte, in der es sich als kapitalistisch wirtschaftende Macht entfalten konnte, so war ihm das nur möglich, weil der entsprechende Druck von unten, nicht zuletzt dank der Tätigkeit der süddeutschen Revolutionäre, vorhanden war. .Nach der Lehre des Sozialismus', 11 Ebenda, S. 153. “ Lenin, W. I., Ein unglückseliger Frieden. In: Werke. Dietz Verlag, Berlin 1960, Bd. 27, S. 35/36.

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Schlußbemerkungen

sagt Lenin, .... ist die wirkliche Triebkraft der Geschichte der revolutionäre Kampf der Klassen; Reformen sind ein Nebenprodukt dieses Kampfes, ein Nebenprodukt, weil sie Ausdruck erfolgloser Versuche sind, diesen Kampf abzuschwächen, ihm die Schärfe zu nehmen usw.'13 In dem Mage, wie das bourgeoise Frankreich den Feudalismus in Deutschland schwächte und die Durchsetzung bürgerlicher Errungen­ schaften förderte, war es, gewollt oder ungewollt, objektiv ein Bundesgenosse auch der entschiedensten antifeudalen, der revolutionär-demokratischen Kräfte. Diese Tatsache wird erstens dadurch bestätigt, daß die Höhepunkte der revolutionär-demo­ kratischen Bestrebungen in Süddeutschland stets mit Ereignissen zusammenfielen, die sich in Frankreich abspielten beziehungsweise von ihm ausgingen oder unterstützt wurden und die Position der deutschen Feudalklasse schwächten; entweder waren es militärische Offensiven wie 1796 und 1800 oder der Aufschwung der jakobinischen Partei 1797/98 oder die helvetische Revolution 1798/99. Eine zweite Bestätigung schließlich ist die prinzipiell positive Haltung der Revolutionäre gegenüber Frank­ reich auch dann, wenn es die revolutionär-demokratischen Bestrebungen desavou­ ierte. In dem Maße jedoch, wie Frankreich die Fürstenherrschaft in Deutschland stabilisierte und eine radikale Umwälzung verhindern half, machte es sich zum Bundesgenossen der Reaktion. Engels nannte es eine Tragik, daß es nicht das jako­ binische, sondern das bourgeoise Frankreich war, das das feudale Europa in die Knie zwang. Unter den gegebenen Bedingungen, da das deutsche Bürgertum sich als unfähig er­ wies, die Volksmassen zum Sturm gegen Feudalismus und Partikularismus zu führen, mußte die soziale Revolution, die in Deutschland auf der Tagesordnung stand, als eine Revolution von oben mit allen ihren einer demokratischen Entwicklung ab­ träglichen Folgen beginnen. Wenn die französische Bourgeoisie eine Politik des Bündnisses mit den deutschen Feudalen betrieb, so geschah es niemals aus Feigheit; sie handelte als eine kraftvoll herrschende Ausbeuterklasse, die ihre Interessen zu wahren wußte. Die noch nicht herrschende, aber zur Herrschaft berufene deutsche Bourgeoisie hat als Klasse auch in den folgenden Jahrzehnten nicht den kleinlichen Krämergeist und die Bedientenhaftigkeit abgestreift, die ihr vergangene Jahr­ hunderte aufgeprägt hatten. Sie hat vielmehr alles getan, damit der Übergang zur kapitalistischen Ordnung und zur nationalen Einheit, in einer Revolution von oben begonnen, im Bündnis mit der herrschenden Feudalklasse auch in einer Revolution von oben und im Kampf gegen die demokratischen Kräfte vollendet wurde. .Die nationale Einheit ergab sich nicht aus der demokratischen Revolution , * sagt Walter Ulbricht. .Daher ist die Demokratie auch nicht zum Inhalt des sich herausbildenden deutschen Staates und der ihn kennzeichnenden nationalen Idee geworden. Das Bündnis der Bourgeoisie mit den feudal-junkerlichen Kräften bedeutete die Herr­ schaft der bürgerlich-junkerlichen Reaktion über das deutsche Volk. Das war not­ wendig verbunden mit aggressiven außenpolitischen Zielen, mit den Bestrebungen 13 Lenin, W. L, Noch einmal über rin Dumakabinett. In; Werke. Dietz Verlag, Berlin 1958, M. 11, S. 57.

Schlußbemerktmgen

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nach Expansion und Herrschaft über fremde Völker.'11 Diesem Weg, der in der Epoche des Imperialismus das deutsche Volk in die größte Katastrophe und tiefste Erniedrigung seiner Geschichte führte, steht der andere gegenüber, der Weg der Demokratie, der den wahren Interessen des deutschen Volkes entspricht. Kämpfer für die Durchsetzung dieses Weges waren auch die süddeutschen Revolutionäre am Ende des 18. Jahrhunderts. Sie erwiesen sich als Führungskräfte zu schwach, um ohne Hilfe, geschweige denn gegen den Willen des fortgeschrittensten Staates jener Zeit die in den Volksmassen,ruhenden gewaltigen revolutionären Potenzen in eben­ solche Handlungen zu verwandeln. Dennoch besitzt ihre historische Leistung un­ vergänglichen Wert. Wenn der Revolutionär Popp aus Würzburg seinen Gesinnungs­ genossen in Wetzlar ein Stück Fahnentuch aus dem Bauernkriege als Gruß und Ge­ löbnis übersandte, so war das eine symbolische Handlung von tiefer und allgemeiner Bedeutung. Die süddeutschen Revolutionäre haben die Fahne der kämpfenden Demo­ kratie, die von den Fürsten 1525 in den Staub getreten war, wieder aufgepflanzt. Ein Sieg unter ihr blieb ihnen versagt, aber sie haben sie weitergereicht an die Barrikadenkämpfer der Revolution von 1848. Auch sie unterlagen, aber jetzt nahm die deutsche Arbeiterklasse die Fahne in ihre starken Hände und führt sie endlich und endgültig auf einer höheren Stufe zum Sieg. Im Bündnis mit den anderen werk­ tätigen Schichten hat sie auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Repu­ blik den ersten wahrhaft demokratischen Staat in der deutschen Geschichte errichtet und zugleich das Beispiel für die gesetzmäßig notwendige Entwicklung in ganz Deutschland gegeben. In dem jahrhundertelangen Kampfe um eine demokratische Entwicklung des deutschen Volkes, die heute dank der Existenz der Deutschen Demokratischen Republik gesichert ist, nehmen die süddeutschen Revolutionäre des ausgehenden 18. Jahrhunderts einen Ehrenplatz ein. 14 Ulbricht, Walter, Des deutschen Volkes Weg und Ziel. In: .Einheit, Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus', 14. Jahrg., H. 9, S. 1171, 1959.

I. VERZEICHNIS DER BENUTZTEN LITERATUR

A. Archivalische Quellen

1.

Deutsches Zentralarchiv Merseburg (DZA Merseburg)

Rep. 11 Auswärtige Beziehungen Nr. 33 Bayern Fase. 141. 143, 147, 152, 15«, 160, 169, 170, 173, 178 Nr. 89 Frankreich Fase. 347, 348, 356, 358, 359, 364, 366 Nr. 91 Frankreich Fase. 25, 36 Nr. 94 a Fränkischer Kreis No. 15, Lit. B No. 16, Lit. A. B No. 17, Lit. A, B No. 18, Lit. B No. 19, Lit. A No. 20, Lit. B No. 25, Lit. A, B Nr. 164 J Mainz No. 33. 34 Nr. 298 Württemberg Fase. 37, Bd. 2, 3, 4, 5 Nr. 305 Württemberg Fase. 226 Rep. 44 B Ansbach-Bayreuth in preußischer Zeit Nr. 27 p Rep. 44 C Fränkisches Ministerium Nr. 1 Auswärtige Sachen No. 94, 613, 670, 676 Rep. 67 B Reichskriege mit Frankreich Nr. lc, 7 Nr. 10 a Nr. 16 o Nr. 20 c, 1, 2, 5 Nr. 20 d, 1, 2, 4, 5, 6 Rep. 81 Gesandtschaften und Konsulate Rastatt Nr. 5, Bd. 1, 2. 3 Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett, ältere Periode bis 1797 Nr. 167, Lit L. M, N Nr. 169, Lit. H Nr. 170, Lit. N

L Literaturverzeichnis 2. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (HSA München) Abt. I Ministerium des Innern 7 Fase. 1103. Nr. 25651 Fase. 1113. Nr. 26130, 26131 Fase. 1118, Nr. 26410 Fase. 1130, Nr. 26840 Altbayerische Landschaft Lit. S 7 a 2 I. Landschaftsverfassung Serie VI, Nr. 255 II. Landtags- und Ausschuftverhandlungen Serie V, Nr. 794, 795, 796, 797 Abt. II Handschriften II. Kriegs- und Heerwesen, Nr. 23, 69 HI. Kriegs- und Heeresgeschichte im allgemeinen, Nr. 35 IV. Kriegs- und Heeresgeschichte im einzelnen, Nr. 9 Alte Abt. B Nr. 275, 303, 322 a, 337, 361 Abt. Geheimes Staatsarchiv K. schw. 109, Nr. 389, 390 K. schw. 110, Nr. 2 K. schw. 400, Nr. 5 K. schw. 407, Nr. 1 K. schw. 408, Nr. 64 K. schw. 476, Nr. 13 Abt. Kreisarchiv Generalregistratur (G. R.) Fase. 787, Nr. 4 Fase. 927, Nr. 6 Fase. 928, Nr. 9,11,12,13 Fase. 930, Nr. 18,20, 34 Fase. 931, Nr. 41 Fase. 1230, Nr. 10 Antiquarregistratur (A. R.) Fase. 1775, Nr. 579 Fase. 2636, Nr. 140 Fase. 2806, Nr. 1261

3. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HSA Stuttgart) A9 A 10 A 11

A 12 A 30

Kabinettsakten HI, 2 Bü. 8 Kabinettsakten IH, 3 Bü. 16, 17 Kabinettsakten HL 4 Bü. 1, 21, 22, 23, 25, 27, 28, 29 A, 30 Kabinettsakten III, 5 Bü. 20 Kriegsakten Nr. 149

715

716

I. Literaturverzeichnis

A 202 Geheimratsakten Ruhr. 24, Nr. 34 Ruhr. 46, Nr. 90,113,148 Ruhr. 77, Nr. 1 LB Landschaftskonventsakten Bund 534 Staatsfilialarchiv Ludwigsburg A 211 Oberratsakten, Generalia Nr. 51 A 212 Oberratsakten, Generalia Nr. 712 A 213 Oberratsakten, Spedalia Nr. 484, 884 Bund 188, Nr. 1 Bund 193, Nr. 8 Bund 194, Nr. 9 Bund 195 Bund 200 Bund 201. Nr. 7, 8. 9, 10, 12. 15, 16 Bund 213, Nr. 6 Bund 243, Nr. 63 A 214 Oberratsakten, Kommissionen Nr. 189, 222, 311, 603, 609 A 239 a Polizeideputationsakten Nr. 6 A 573 Akten von Stadt und Amt Wildberg Bü. 5371, 5377, 5532, 5533

4. Badisches Cenerallandesarchiu Karlsruhe (GLA Karlsruhe) Abt. 48 Staatssachen Konvolut 918, Fase. 736 Konvolut 999, Fase. 800, 801 Abt. 65 Handschriften Nr. 1379 Abt. 74 Baden Generalia Nr. 4575, 4576, 5001, 5577, 5581, 5582, 5583, 6289, 6291, 6484, 9476 Abt. 77 Pfalz Generalia Nr. 3645, 5054 Abt. 78 Bruchsal Generalia Nr. 2396 Abt. 79 Breisgau Generalia Nr. 204, 1314, 1331, 1382, 1388, 2487, 2640, 2652

5. Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden (LHA Dresden)

Loc. 2424 Loc. 2665 Loc. 2724

Die Bücherzensur und Einschränkung des Mifjbrauchs der Pressefreiheit betr., Bd. 3, 1799 Des Grafen von Goertz Abschickung an den kurbayerischen Hof und dessen daselbst geführte Négociation betr., Bd. 2, 1796 Des von Kotteritz aus Frankfurt am Main erstattete Relationen betr., Bd. 1, 2, 3, 1797-1800

I. Literaturverzeichnis Loc. 3147 Loc. 3468 Loc. 3468 Loc. 3468

Loc. 3468 Loc. 4604 Loc. 4875

Loc 5124 Loc 5127

Loc. 8152 Loc 8153

Loc 8154 Loc 10744 Loc. 30150 Loc. 30164

717

Den Friedenskongreß zu Rastatt betr., Bd. 2, 3, 1798/99 Minutes des dépêches à S. E. Mr. le Comte de Löss, 1794 Minutes des dépêches à S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794, Anhang Dépêches du chargé d'affaires Beigel adressées & S. E. Mr. le Comte de Loss, 1794/95 Dépêches françaises et relations allemandes de S. E. Mr. le Comte de Goertz, 1795 Die Konfiszierung und Zensur der Bücher insgleichen die Leipziger und andere Zeitungen betr., Bd. 11, 1796-1798 Relationen des Freiherrn H. W. von Bülow aus Basel und aus Paris, den fran­ zösischen Krieg betr., 1795-1797 Die zwischen dem fränkischen Kreis und der französischen Generalität wegen der Kriegskontributionen getroffene Übereinkunft betr., Bd. 1, 1796 Das wegen des Kriegs mit Frankreich in Antrag gebrachte allgemeine Aufgebot der fränkischen Kreisuntertanen samt anderen dahingehörigen Maßregeln betr., Bd. 1, 1794 Den Friedenskongreß in Rastatt betr., Bd. 3, 1798 Wechselschriften zwischen den kursächsischen Gesandtschaften zu Rastatt und Regensburg betr., Bd. 1, 1797/98 Relationen der kursächsischen Gesandtschaft beim Rastatter Friedenskongreß betr., Bd. 6, 1799 Die von Vollmer in Mainz verbreiteten gefährlichen Schriften betr., 1800 Kurbayern, insonderheit . . . die Aufhebung der Klöster und Besteuerung des bayerischen Klerus betr., 1798 Die Reichsstadt Regensburg, in spede die öffentliche Ruhe daselbst betr., 1793, 1796/97, 1801

6. Staatliches Zentralarchiv Prag (SZA Prag)

Abt.V Metternichsches Familienarchiv Francisco-Georgicum Varia, Fase 3, 4

7. Staatsarchiv Kuks

Arbeitsstelle Opoüno Colloredo-Mannsfeldsches Archiv Korrespondenz des Franz Gundakar Colloredo-Mannsfeld Sign. 31 Korrespondenz des Erzbischofs von Salzburg, Hieronymus, an seinen Bruder, den Fürsten Colloredo, 1789 S. Sign. F 61 8. Staatsarchiv Tfebon

Karl Schwarzenbergsches Archiv Orlik Sign. II, 6 Arbeitsstelle Cesky Krumlov Zentralkanzlei Schwarzenberg Sign. A 4 k y 3 i

718

I. Literaturverzeichnis

9. Stadtarchiv München Wehramt Nr. 168, 265, 387, 388 Archiv des Historischen Vereins von und für Oberbayern Lipperts Nachlaß Tagebuch des Galerieinspektors und Malers M. Huber

10. Bayerische Staatsbibliothek München Handschriftenabteilung Rheinwaldiana Nr. 8

11. Bibliothek des Nationalmuseums Prag Handschriftenabteilung Jana Jenlka rytire z Bratfic Denik jeho vojenskö sluiby z let 1778-1799, Sign. XVni, D 9

B. Gedruckte Quellen 1. Flugschriften Sur l'Allemagne méridionale. Adressé au gouvernement français par les citoyens du midi de l'Allemagne au mois d’Octobre 1798. o. O. 1800. Anekdoten und Charakterzüge aus dem Einfalle der Neufranken in Altfranken im Jahr 1796 von einem Augenzeugen, o. O. 1797. Antwort auf das Schreiben eines Württembergers an seine Mitbürger wegen des Landaufgebotes, o. O. 1795. Appendix zur bittlichen Vorstellung mehrerer IndividuAi des Bitter- und Adelstandes in Bayern an die hochlöbliche Landschaft, o. O. 1800. (Aretin, Christoph von). Ein neuer Landtag, die wichtigste Angelegenheit für Bayern, o. 0.1799. Die österreichische Armee an den Kaiser Franz II. In: Die Stimme der öffentlichen Meinung über Max Joseph, Kurfürsten von Bayern. Eine Skizze. Anhang, o. O. 1800. Aufforderung und Belehrung an alle reichsstädtischen Bürger in Schwaben, die Gefühl für bürgerliche Ruhe haben und denen das Wohl ihrer Zeitgenossen und Nachkommen am Herzen liegt. Von einem reichsstädtischen Bürger. Mainz o. J. (Baz, Christian Friedrich), Über das Petitionsrecht der württembergischen Landstände. Für alle und zu allen Zeiten lesbar, o. O. 1797. Notwendige Beilage zum neuesten landständischen Bundbrief, o. O. 1800. Beitrag zur Prüfung der Schrift: Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern, o. O. im Erntemonat 1798. Beiträge zur Vaterlandskunde Bayerns oder freimütige Schilderung der Geistlichkeit und des Bürgerstandes, auch das Betragen der Franzosen in diesem Lande, o. O. 1801. Bekanntmachung an die Bewohner Bayerns, Schwabens, Frankens, Tirols und Salzburgs, o. O. gedruckt im Monat Februar 1801. Einige Bemerkungen und Wünsche, die Kriegsverfassung Württembergs betreffend. Eine Land­ tagsschrift. Stuttgart 1796. (Bergsträier, Heinrich Wilhelm), Über die rechtswidrige Verhaftung des Kanzleidirektors Bergsträfjer auf Veranstaltung seines Landesherrn, des regierenden Grafen Karl von Erbach-Schön­ berg, und über die ihm dagegen von seiner Königlichen Hoheit, dem Herrn Erzherzog Karl von Österreich, widerfahrene gerechte Behandlung samt Anfang und Ende des Erbacher Land­ sturms. Mit Urkunden. Wetzlar 1801.

I. Literaturverzeichnis

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Etwas über die Bevölkerung in Bayern, o. O. 1798. Dringendste Bitte an Max Joseph IV. von der Bauernmannschaft am Isartale um Aufhebung der Fronen, o. O. 1802. (Bolley, Heinrich Ernst Ferdinand), Noch ein Beitrag zur Beantwortung der Frage: Wer kann zum württembergischen Landtag abgeordnet werden? o. O. 1796. (Bolley, Heinrich Emst Ferdinand), Bemerkungen über die Schrift: Über die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Landtagsdeputierten im Württembergischen. Ais Anhang zu meiner Schrift: Noch ein Beitrag zur Beantwortung der Frage: Wer kann zum württembergischen Landtag abgeordnet werden, o. O. 1796. Republikanischer Bruderkuß im ersten Jahre deutscher Freiheit, o. O. o. J. Neuester landständischer Bundbrief mit Erläuterungen, o. O. 1800. (Bunz, Georg Christian Heinrich), Auch ein Wort über die Reparation der an Frankreich zu entrichtenden Kriegskontribution. Stuttgart im September 1796. Constitution der Republik Frankreich vom Jahre 8. Mit aufklärenden Noten. Basel 1800. (Danican, Auguste), Cassandra oder einige Betrachtungen über die Französische Revolution und die gegenwärtige Lage von Europa. Cairo 1799. Danksagungsadresse von der bayerischen Nation an Max Joseph IV. o. O. 1800. (Danz, Wilhelm August Friedrich), Gedanken über das Prinzip der französischen Brandschatzungsrepartition. Stuttgart am 1. September 1796. (Danz, Wilhelm August Friedrich), Etwas über die bisherigen landschaftlichen Ausschüsse in Württemberg. An die Deputierten zum bevorstehenden Landtage, o. O. 1797. (Danz, Wilhelm August Friedrich), Freimütige Betrachtungen über die Organisation der land­ schaftlichen Ausschüsse. Dem bevorstehenden württembergischen Landtage gewidmet. 1. Stück, o. O. 1797. (Danz, Wilhelm August Friedrich). Vorschläge zu zweckmäßiger Organisierung der landschaft­ lichen Ausschüsse in Württemberg, o. O. 1797. Darstellung des gegenwärtigen Zustands der württembergischen Landmiliz. Nebst Vorschlägen zur Einrichtung eines Militäretats, welcher sowohl dem politischen Ansehen des Herzogtums als auch seinen Finanzen angemessen ist. o. O. 1796. Deutschland am Rande des Abgrunds oder das Entschädigungsprinzip durch Säkularisationen. In seiner ganzen Widerrechtlichkeit, Nichtigkeit und Verderblichkeit dargestellt und allen deutschen Patrioten ans Herz gelegt. Von einem Vaterlandsfreunde. Hamburg und Altona 1798. (Dizinger, Carl Friedrich), Deduktion des Besteuerungsrechts der deutschen Fürsten und Be­ antwortung der Frage: Wann, wie und auf welche Glieder der einzelnen deutschen Staaten sind die denselben von der französischen Nation auferlegten Kontributionen rechtmäßig um­ zulegen? Nebst einem Anhang über einige wichtige staatswirtschaftliche Gegenstände. Stuttgart 1796. (Dizinger. Carl Friedrich), Beiträge zur Beantwortung der Fragen: Worauf gründet sich die Landstandschaft? Hängt es von der Willkür des Fürsten ab, wann die Landstände, die Re­ präsentanten seines Volks, zusammenkommen sollen oder nicht? und besonders der Frage: Konnte durch ihre Voreltern den Gliedern der einzelnen deutschen Staaten das Recht, ihre Repräsentanten selbst zu wählen, entzogen werden oder nicht? Rostock 1796. Entwurf einer republikanischen VeTfassungsurkunde, wie sie für Deutschland taugen möchte, o. O., im 7ten Jahr der Mutterrepublik. Erklärung des vom Herrn Prinzen von Koburg den 30. Julius 1794 ergangenen Aufrufs, niedergeschrieben von einem rheinländischen Bürger, o. O. im Monate August 1794. Endliche Erklärung gegen Käsbohrer und seine Nachbeter von J. v. S. Als Anhang und Beschluß aller dieser Schriften. Gabeling und Geißburg 1797. (Fehlen. Kaspar), Freimütige Gedanken über die höchst notwendige Staatsverbesserung der freien Republik Ulm, von wahrheitsliebenden ulmischen Bürgern, im Jahr des ulmischen Kanonen-Arrests. o. O. 1794. Über die Folgen des Friedens in Bayern. Straßburg im 9. Jahre der Republik. 47 Süddeutsche Jakobiner

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I. Literaturverzeichnis

Die Franzosen im Schwarzwald. Der Wahrheit, meiner Laune, meinen Freunden und meinem Vaterlande gewidmet, o. O. 1799. Friedenstraktat zwischen der französischen Republik und dem Kurfürsten von Pfalzbayern nebst den darüber gehaltenen französischen Staatsreden, o. O. 1802. Gedanken über die Bedienstung der Ausländer in Württemberg. Den Landtagsdeputierten gewidmet. Wien und Neapel o. J. Zufällige und flüchtige Gedanken eines württembergischen Bürgers, nicht Gelehrten, nicht Raisonneurs, bei Durchlesung der kürzlich erschienenen Schrift: Über die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Landtagsdeputierten in Württemberg. Warschau 1796. Unmaßgebliche Gedanken über die vielen Gebrechen einer Landmiliz und wie ein dauerhaftes, stehendes, den vaterländischen Einkünften angemessenes, aus Landeskindern bestehendes Militär in Württemberg zu erzielen sein möchte. Zur Beherzigung der württembergischen Prälaten und Landschaft, o. O. im Monat Januar 1797. (Gentner), Patriotische Wünsche, Gedanken und zweckmäßige Vorschläge, vorzüglich zu besserer Sicherstellung des Vaterlandes. Nebst einer kurzen Biographie und Charakteristik statt der Vorrede und Einleitung. Den Landtagsdeputierten Württembergs zur Beherzigung gewidmet, o. O. den 17. März 1797. Gespräch im Reich der Toten zwischen Karl Theodor, Kurfürsten von Pfalzbayern, und Max Joseph, seinem Regierungsvorfahrer, o. O. 1799. Politisches Gespräch zwischen dem Verfasser der patriotischen Schutzschrift für Bayerns Staats­ und Kriegsverhältnisse und einem Fremden, den 1. September 1800. Nebst kurzer Beleuchtung zweier im Finstern schleichenden Lästerschriften, o. O. 1800. Politisches Glaubensbekenntnis eines aufrichtigen Bayers über die Schicksale seines Vaterlandes. München, den 1. Jänner 1801. (Gmelin, Christian Gottlieb), Was ist bei Verteilung der französischen Brandschatzung und anderer Kriegsschäden den Rechten und der Klugheit gemäß? Tübingen 1796. (Gutscher, Friedrich), Die wichtigsten Reformen der landständischen Ausschüsse, o. O. 1797. (Gutscher, Friedrich), Unparteiische Beleuchtung der neuesten Staatseinrichtung in dem Herzogtum Württemberg. Basel im Junius 1798. (Härlin, Johann Gottfried Benjamin), Aktenmäßige Darstellung betreffend den von Ulm auf Verlangen des dasigen k. k. H. Festungskommandanten Obristen Baron von Schaumburg sich zu entfernen angewiesenen Buchhändlers G. Heinzmann. Mit Beilagen von Nr. 1-4. Ulm 1798. (Harter, Johann Heinrich Samuel), Gutachten eines patriotisch-kosmopolitischen Münzwardeins über das Vorzugsrecht der württembergischen Landeskinder gegen die Ausländer und be­ sonders die Adligen, o. O. im April 1797. (Hazzi, Joseph), Die zehn Gebote für Bürger und Bauern im lieben bayerischen Vaterlande, auch für andere deutsche Staaten anwendbar. 3. Lieferung der Präliminarien zum künftigen Landtag, o. O. Februar 1800. (Hehl, Christian), Eine ehrerbietige Anfrage an die Abgeordneten zum künftigen Landtage Württembergs. Sollte auf dem Landtage nicht auf die längst aufgesuchten Quellen der Un­ sittlichkeit zurückgegangen, nicht auf die Beförderung der erkalten wollenden Gottesverehrung als eines Haupterfordernisses zur Glückseligkeit eines Staats Bedacht genommen und, um eine zweckmäßige Erziehung der Jugend desto sicherer auf die Zukunft erzielen zu können, nicht eine Schullehrer-Pflanzschule angelegt werden? o. O. im Anfänge Februar 1797. (Hehl, Christian), Vorschläge eines Württembergers aus der Wüste, wie sämtliche in den bisherigen Flugschriften an die Hand gegebenen Landesangelegenheiten auf dem bevor­ stehenden Landtag auf das kürzeste behandelt und zu der Zufriedenheit der Untertanen darüber eine vergnügliche Auskunft getroffen werden könne, nebst einigen in der Wüste gemachten Bemerkungen. Den Landtagsdeputierten gewidmet, o. O. in der Mitte des Februars 1797. (Herzog, Ernst Siegmund), Briefe über die Verfassung in der Markgrafschaft Baden, o. O. 1788. (Heuchelin, Philipp Christian), Die Bürger Heidenheims an den Magistrat und den Deputierten zum künftigen Landtag. Stuttgart im Dezember 1796.

I. Literaturverzeichnis

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(Hofacker, Ludwig), Entwurf einer neuen landschaftlichen Ausschußverfassung. o. O. 1797. (Hoff, Karl Emst Adolf von). Antwort des Verfassers der Schrift .Das deutsche Reich vor der Französischen Revolution und nach dem Frieden von Lunöville' auf das an ihn gerichtete Schreiben eines freien deutschen Edelmannes. Gotha 1802. (Holl. Johann Leonhard). Über einige bei der Reichsstadt ulmischen Staatsverfassung vor­ kommende Hauptmängel und Gebrechen als die erste Quelle und nächste Veranlassung zu den seit den letzteren dreißig Jahren unter der daaigen Bürgerschaft bemerkten Bewegungen und angebrachten Beschwerden. Zur Belehrung ihrer Mitbürger und Zunftgenossen dargestellt, gewidmet und verfaßt von dem gegenwärtig im Jahr 1797 bestehenden bürgerlichen Ausschuß und Syndikus, o. O. 1797. (Hübner, Ignaz), An die Stände Bayerns. Ein Wort zur Zeit gesprochen von einem in Ge­ schäften grau gewordenen Patrioten. Frankfurt und Leipzig 1799. Instruktion oder Staat des engem und großen landschaftlichen Ausschusses in Württemberg nebst den dahin einschlagenden neuesten Grundgesetzen und einigen Bemerkungen für die neue Abfassung des Ausschußstaats. o. O. 1797. (Jahn, Johann Friedrich), Über öffentliche Erziehung undAnstalten. Jedem edlen Württemberger, o. O. im November 1797. (Kapf, Johann Wilhelm), Materialien zur Erörterung der Frage: Wie kann die französische Kontribution umgelegt werden? Stuttgart 1796. (Kapt, Johann Wilhelm), Bemerkungen über die Entstehung und Bildung des württembergischen Steuersystems. Stuttgart 1797. (Kapf, Johann Wilhelm), Dringende Vorstellung der Zünfte zu Stuttgart an den Stadtmagistrat allda, die beiden landschaftlichen Ausschüsse betreffend, o. O. den 20. März 1797. Gerechte Klagen und Bitten eines billig denkenden Bürgers im Namen sämtlicher Zünfte und Handwerker zu Stuttgart der Landesversammlung zur Beherzigung vorgelegt und geweiht, o. O. 1797. Der Konstitutionsfreund an die Landesversammlung, o. O. 1797. Über Krieg, Subsidientraktate und Volkszutrauen. Gedanken Macchiavellis und Friedrichs des Großen mit Anmerkungen des bayerischen Herausgebers, o. O. 1800. Der Mainzer Landsturm. Aschaffenburg 1799. Über den bevorstehenden Landtag auf den 22. September 1796, von einem württembergischen Bürger nebst einem Schreiben des Herausgebers an den Verleger. Frankfurt u. Leipzig 1796. Lukas der Weingärtner, eine den württembergischen Volksvertretern gewidmete Zeitschrift über die anhaltenden, nicht nur den Untertan bedrückenden, sondern auch dem herrschaft­ lichen und Staatsinteresse höchst nachteiligen Eigenmächtigkeiten einiger Beamten. Ein Anhang zu den Familienverhältnissen und deren Rachetag. o. O. im Monat September 1797. (Majer, Johann Christian), Über das Prinzip der französischen Brandschatzungsrepartition. Tübingen im August 1796. (Majer, Johann Christian), Rezension der sämtlichen Schriften über das Prinzip der fran­ zösischen Brandschatzungsrepartition. Tübingen im September 1796. (Majer, Johann Christian), Fortsetzung der Rezension der sämtlichen Schriften über das Prinzip der französischen Brandschatzungsrepartition. Tübingen 1796. (Majer, Johann Christian). Stimme eines Württembergers über das Prinzip der französischen Brandschatzungsrepartition. Verteilungsprinzipien von Brandschatzungen und Kriegsschäden aus zwanzig Flugschriften vorgelegt und geprüft, Tübingen 1796. (Märklin, Jakob Friedrich), Gedanken über die Wahl der Abgeordneten zum württembergischen Landtage, o. O. im September 1796. Zuverlässige Nachrichten und unbefangene Bemerkungen über den württembergischen Hoch­ verratsprozeß. Mit wichtigen Beilagen, o. O. 1805. Nachtrag zu der am Ende des Monats März d. J. herausgekommenen Landtagsschrift über die schädlichen Familienverhältnisse auf den Rathäusern und in den Magistraten sowie über andere den Untertan bedrückende Mißbräuche. Meinen wahrheitliebenden Mitbürgern ge­ widmet. o. O. in der Mitte des Julius 1797. 47'

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I. Literaturverzeichnis

Bayerische Nationallieder am Ende des achtzehnten Jahrhunderts und im letzten Jahre der Sklaverei, o. O. o. J. Das Neueste über Württemberg. Den Schwaben gewidmet. Mainz 1798. Stündliche Notwendigkeit eines Landtages in Bayern, kurz und nur zum Teile dargestellt, o. O. 1799. (Ostertag, Johann Jakob), Vorstellung und Bitte der Bürgerschaft in Stuttgart an ihren Stadt­ magistrat wegen des bevorstehenden Landtags, o. O. im November 1796. (Pahl, Johann Gottfried), Vernunft- und schriftmäßiges Schutz-, Trutz- und Verteidigungslibell für den württembergischen Adel gegen die demokratischen und jakobinischen Belialssöhne unsrer Zeit, kurz und einfältig gestellt von Sebastian Käsbohrer, p. t. Schulmeister zu Ganz­ losen. Waldangelloch und Leipzig im Jahre 1797. (PaM, Johann Gottfried), Wohlgemeintes, in Vernunft und Schrift bestgegründetes, jedoch unmaßgebliches Gutachten über die Wahlfähigkeit eines Landtagsdeputierten in Württemberg; auf ausdrückliches Verlangen der ehrsamen Amtsversammlung zu Ypsilon, salvo meliori, gestellt, aus Liebe zur Wahrheit an den Tag gegeben und den sämtlichen württembergischen Ortsmagistraten devotest dediziert von Sebastian Käsbohrer, p. t. Schulmeister zu Ganzlosen, o. O. gedruckt am ersten April 1797. (Pahl, Johann Gottfried), Geheimnisse eines mehr als fünfzigjährigen württembergischen Staats­ mannes. o. O. 1799. (Panzer, Georg Wollgang), Versuch über den Ursprung und Umfang der landständischen Rechte in Bayern. Ein Beitrag zum bayerischen Staatsrechte. Erste Abteilung, o. O. gedruckt im Jahre 1798. (Parrot, Johann Leonhard), Theoretische und praktische Abhandlung über die Art, wie die französische Kriegskontribution umgelegt, und über die MitteL wie einige Zweige der Staats­ wirtschaft im Herzogtum Württemberg zu einer größeren Vollkommenheit gebracht werden könnten. Stuttgart im Februar 1797. (Pelkhoven, Johann Nepomuk von), Uber die Quellen des wachsenden Mißvergnügens in Bayern. Ein Nachtrag zu der Abhandlung über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten, o. O. 1799. (Pelkhoven, Johann Nepomuk von). Bittliche Vorstellung mehrerer Individuen des Ritter- und Adelstandes in Bayern an die hochlöbliche Landschaft. Mit einem Vorberichte, o. O. 1799. (Pelkhoven, Johann Nepomuk von), Briefe über den Appendix zur bittlichen Vorstellung mehrerer Individuen des Ritter- und Adelstandes in Bayern an die hochlöbliche Landschaft und andere damit verwandte Gegenstände. Von dem Verfasser der bittlichen Vorstellung, o. O. 1800. Philo an die versammelten Repräsentanten des württembergischen Volks. Nebst einer Trostrede an die Märtyrer ihrer Grundsätze von Spartagus. Württemberg 1797. Präliminarien eines neuen Landtages in Bayern. 2. Lieferung (1. Fassung), o. O. 1800. Präliminarien eines neuen Landtages in Bayern. 2. Lieferung (2. Fassung), o. O. 1800. Unparteiische Prüfung des untertänigst gehorsamsten Antrages über einen Landtag in Bayern, o. O. 1800. (Rottmanner, Simon). Ofetlus Rusticus oder der Verteidiger der Brache in Bayern über die Rezension in der Neuen Allgemeinen Deutschen Bibliothek. XV. Band, S. 364. Frankfurt 1796. (Rottmanner. Simon), Sammlung von Beurteilungen einiger bayerischer politischer Druck­ schriften. Von einem Zuschauer auf dem Lande, o. O. 1797. (Rottmanner, Simon), Beitrag zur Geschichte der Frone und Scharwerk in Bayern. Frankfurt am Main 1798. (Rottmanner, Simon), Bemerkungen über Laudemial- und andere grundherrliche Rechte in Bayern. Frankfurt u. Leipzig 1799. (Rottmanner, Simon), Beitrag zur Geschichte der Frone und Scharwerk in Bayern. 2. Teil. Frankfurt am Main 1800. (Rümmelin, Johann Christian Friedrich), Ober die Wahlfähigkeit zu der Stelle eines Landtags­ deputierten im Württembergischen. Stuttgart 1796.

I. Literaturverzeichnis

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(Rümmelin, Johann Christian Friedrich), Antwort des Verfassers der Schrift: Über die Wahl­ fähigkeit zu der Stelle eines Landtagsdeputierten im Württemberg!sehen auf die dagegen erschienenen Bemerkungen von dem Verfasser der Schrift: Wer kann zum württembergischen Landtag abgeordnet werden? o. O. 1707. (Scheier, Eugen von), Tränen eines Mannes, geweint über den Verfasser einer herumlaufenden Flugschrift, betitelt: Schutz-, Trutz- und Verteidigungslibell für den württembergischen Adel etc., nebst einigen Betrachtungen über den Wert und Nutzen dieses und dergleichen Libellen. Frankfurt u. Leipzig 1797. (Schott. Karl August Heinrich), Meine Meinung über die Fragen: Was ist in Absicht der Beschreibung der Deputierten zu den Landtagen dem Gesetz und dem Herkommen gemäfj? Ist die gesetzliche Bestimmung mit dem Landesrepräsentationsrechte wesentlich verbunden? Und was erheischen Billigkeit und die gegenwärtigen Zeitumstände? Frankfurt u. Leipzig 1796. Schreiben eines Württembergers an seine Mitbürger aus Veranlassung des Landaufgebots. Stuttgart 1794. Sendschreiben an die Adelsfeinde in Württemberg von J. v. S. Rom 1797. (Socher, Joseph), Leben und Taten des berüchtigten und landverderblichen D. Herkommens, auch Observantius genannt, o. O. 1799. (Socher, Joseph), Die Landstände in Bayern. Was waren sie? Was sind sie? Was sollen sie sein? o. O. 1800. (Speidel. Christian Friedrich), Inbegriff von Wünschen, Winken und Vorschlägen in Beziehung auf den bevorstehenden Landtag Württembergs. O. O. 1797. (Spittler, Heinrich Aaron), Von der Verteilung des Beitrags zu der französischen Kriegs­ kontribution im Herzogtum Württemberg. Stuttgart 1796. Steeb, Johann Heinrich, Vorschlag, wie der durch den bisherigen Krieg verursachte Land­ schaden Württembergs am leichtesten und wenigsten drückend getilgt werden könnte. Tübingen 1796. Die Stimme der öffentlichen Meinung über Max Joseph, Kurfürsten von Bayern. Eine Skizze, o. O. 1800. (Streim, Friedrich), Dei Eremit Kaphta an die Bürger Württembergs und Schwabens. Oder: Wie ist der Schaden, den die Neufranken in diesen Gauen verursachten, wieder in etwas gutzumachen. Germanien 1796. (Streim, Friedrich), Martin von Schlierbach an den Schulmeister Sebastian Käsbohrer in Ganzlosen. Schlierbach u. Mukensturm 1797. Über Süddeutschland. Von einem süddeutschen Bürger im Monat Oktober 1798 dem fran­ zösischen Gouvernement zur Beherzigung vorgelegt, o. O. 1799. (Theuss, Friedrich Ludwig Wilhelm), Gedanken eines Württembergers über den bevorstehenden Landtag und die Wahlfähigkeit der zu demselben abzuordnenden Deputierten, o. O. 1796. (Tretz, Karl Benjamin), Staatswirtschaftliche Betrachtungen über die Bezahlung feindlicher Kontributionen. Von einem Württemberger in Rücksicht auf sein Vaterland. 6 Stücke. Stuttgart 1796. Herzliches und aufrichtiges Trost- und Kondolenzschreiben an den guten Mann, welcher über dem Trutzlibell für den württembergischen Adel im Angesichte des ehrlöblichen Publikums bittere Tränen vergossen hat. Erlassen von Hans Willibald Panzhaaf, p.t. Provisor in Ganzlosen. Rummelshausen u. Hebsack im März 1797. Wahrer Überblick der Geschichte der bayerischen Nation oder das Erwachen der Nationen nach einem Jahrtausend. Strafjburg 1800. Umschlag oder Appendix zu allen gegenwärtigen und künftigen Präliminarien, bittlichen Vor­ stellungen, Bundbriefen und bayerischen Landtagsschriften nebst ihren Erläuterungen, Beilagen, Prüfungen, Briefen und Gesprächen darüber, o. O. 1800. Die süddeutschen Untertanen über Krieg und Frieden mit Frankreich, o. O. 1800. Über die Unwirksamkeit und Gebrechen der württembergischen Magistratsverfassung, o. O. 1797.

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(Utzschneider, Joseph), Vortrag bei der kurfürstlich gnädigst angeordneten Spezialkommission in Militärsachen. In: Materialien zu einem künftigen Landtage in Bayern. Herausgegeben von v. W., einem bayerischen Landstande. Regensburg 1800. (Utzschneider, Joseph), Privatmeinung des kurfürstlich geheimen Referendars in landschaft­ lichen Angelegenheiten über den gegenwärtigen Zustand der bayerischen Staats wirtschaft. In: Materialien zu einem künftigen Landtage in Bayern. Herausgegeben von v. W., einem bayerischen Landstande. Regensburg 1800. (Utzschneider, Joseph), Entwurf zu einer neuen Erklärung der Landesfreiheit in Bayern. In: Materialien zu einem künftigen Landtage in Bayern. Herausgegeben von v. W., einem baye­ rischen Landstande. Regensburg 1800. (Utzschneider, Joseph), Nachtrag zu meinem Voto vom 1. Februar 1800, den Landtag in Bayern betreffend. Über eine Landesdefensionsarmee. In: Präliminarien eines neuen Landtages in Bayern. 2. Lieferung (1. Fassung), o. O. 1800. (Vambühler, Ferdinand Friedrich Gottlob von), Auszüge aus Briefen über deutsche Staats­ sachen. betreffend die Organisation eines vaterländischen Militärs. Württembergs Freunden gewidmet, o. O. 1797. Die Verwaltung der württembergischen Landeskasse durch die vormaligen, nun kassierten Aus­ schüsse der württembergischen Landstandschaft. Aus den landschaftlichen Rechnungen, Akten und Urkunden gezogen, o. O. 1799. (Vischer, Friedrich Ferdinand), Gedanken über die Répartition der französischen Brand­ schatzung in Württemberg. Aufgesetzt in der Mitte des Septembers 1796. Tübingen 1796. Das württembergische Volk an seine Stellvertreter in der zweiten Woche des Landtages, o. O. 1797. Über das Vorzugsrecht der württembergischen Landeskinder bei Ersetzung öffentlicher Ämter, o. O. im Februar 1797. (Weckherlin, Ferdinand August), Der patriotische Württemberger von Umlegung der fran­ zösischen Kriegssteuer. Billig und willig. Stuttgart 1796. Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern, o. O. 1797. Über den Wert und die Folgen der ständischen Freiheiten in Bayern. Zweite mit Anmerkungen versehene Auflage, samt einem ganz neuen Anhänge, o. O. 1798. Winke über Deutschlands alte und neue Staatsverfassung. Von einem deutschen Staatsbürger. Germanien 1798. Mein letztes Wort über den AdeL Vom Käsbohrer. Ganzlosen, gedruckt mit meiner selbst­ eigenen Handdruckerei 1797. Auch noch ein Wort wegen der Geistlichkeit an den nahen Landtag von einem Laien, o. O. 1797. Ein gutgemeintes Wort, vielleicht zu seiner Zeit gesprochen. Von einem Landtagsfreunde, o. O. 1803. Auch ein paar nicht unbedeutende Worte über die schädlichen Familienverhältnisse auf den Rathäusern und in den Magistraten sowie über andere den Untertan bedrückende Mißbrauche. Der Landtagsversammlung besonders ans Herz gelegt, o. O. zu Ende des Monats März 1797. Einige Wünsche, die württembergische Geistlichkeit betreffend. Gewidmet dem PétitionsComité des württembergischen Landtages, o. O. im April 1797. Muß Württemberg sich das Fell über die Ohren abziehen lassen? oder kann es sich seiner Haut wehren? Schwibertingen 1797. Württembergs Landesrepräsentanten oder die landschaftlichen Ausschüsse in Württemberg im Jahr 1800. Germanien 1800. Über Württemberg an die Württemberger im Monat Oktober 1800. Mainz u. Altona 1801. (Zapf. Georg Wilhelm), Bemerkungen über Anselmus Rabiosus' Reise durch Oberdeutschland, in Briefen an Herrn Hofrat M ... Ohrdruf 1778. Die Zeichen der Zeit oder die letzten Zuckungen des Adels und der Pfaffen in Bayern. Köln, bei Peter Hammer, Jahr IX.

I. Literaturverzeichnis

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(Zeller, Johann Friedrich}, Über die Umlegung feindlicher Kriegsschatzung, Entschädigung der Geplünderten und derer, die durch Heereszüge an Häusern und Gütern Schaden erlitten haben, auch über die Anlage geflüchteter Güter. Stuttgart 1796. (Zeller, Johann Friedrich), An die Wähler der Deputierten zum nahen Landtag in Württemberg. Frankfurt u. Leipzig 1796. 2. Periodica

i

Europäische Annalen. Herausgegeben von Ernst Posselt. Tübingen, Jahrg. 1796, 1797, 1798, 1802. Annalen der leidenden Menschheit. In zwangslosen Heften. (Herausgegeben von August von Hennings.) (Altona), H. 10, 1801. Satirische Blätter. Herausgegeben von Janus Eremita (Johann Christoph Gretschel). T. 3, Hohnstadt 1800. Eudämonia oder deutsches Volksglück. Ein Journal für Freunde von Wahrheit und Recht. Bd. 1, Leipzig 1795, Bd. 3, Frankfurt 1796. Die Geißel. Herausgegeben von Georg Friedrich Rebmann. 2. Jahrg., H. 1, 2, 3, 4, Paris 1798. Der Genius der Zeit. Ein Journal. Herausgegeben von August von Hennings. Altona, Jahrg. 1797. Der Landtag in dem Herzogtum Württemberg im Jahr 1797. Eine offizielle Zeitschrift. Heraus­ gegeben von Elias Gottfried Steeb. Tübingen u. Stuttgart 1797. Laterne bei Tag für die mittlere Volksklasse. (Herausgegeben von Andreas Georg Friedrich Rebmann.) Nr. 1, 2, Paris 1797. Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Herausgegeben von Johann Wilhelm von Archenholz. Hamburg, Jahrg. 1796, Bd. 3, 4, Jahrg. 1797, Bd. 1, Jahrg. 1799, Bd. 2. Berlinische Monatsschrift. Herausgegeben von Johann Erich Biester. Bd. 25, (Dessau) 1795. Nationalzeitung der Teutschen. (Herausgegeben von Rudolf Zacharias Becker.) Teutschland (Gotha), Jahrg. 1796, 1797, 1798, 1799, 1800. Die Schildwache. (Herausgegeben von Andreas Georg Friedrich Rebmann.) Bd. 1, Paris 1796. Staatsarchiv. Angelegt und geordnet von dem Geheimen Justizrat Häberlin zu Helmstedt. Bd. 3, 5, 7, Braunschweig 1797, 1800, 1802. Teutsche Staatskanzlei von Johann August Reufj, herzogl. württembergisdhen Regierungsrat. Ulm, Jahrg. 1799, Bd. 1, 2, 3, 5, 6, 8, 9, Jahrg. 1800, Bd. 1, 2, 3. Taschenbuch für die neueste Geschichte. Herausgegeben von Ernst Ludwig Posselt. 5. Jahrg., Nürnberg 1799. Das neue graue Ungeheuer. Herausgegeben von einem Freunde der Menschheit (Andreas Georg Friedrich Rebmann.) 3. Stück, Altona 1795. Neues graues Ungeheuer. Herausgegeben von einem Freunde der Menschheit (Andreas Georg Friedrich Rebmann.) 2. Stück, Upsala 1795. Neues graues Ungeheuer. Herausgegeben von Freunden der Menschheit (Andreas Georg Friedrich Rebmann.) H. 14, 15, Upsala 1799. Die Verhandlungen auf dem württembergischen Landtage. Im Jahre 1797. (Herausgegeben von Hesler, fortgesetzt von Bunz.) Bd. 2. Neueste Weltkunde. Herausgegeben von Ernst Ludwig Posselt. Tübingen, Jahrg. 1798. Deutsche Zeitung oder moralische Schilderungen der Menschen, Sitten und Staaten unsrer Zeit. Mit besonderer Rücksicht auf Deutschland. (Herausgegeben von Rudolf Zacharias Becker.) Gotha, Jahrg. 1795. 3. Dokumente, Memoiren, Briefe, Tagebücher und zeitgenössische Darstellungen

Anekdoten und Charakterzüge aus dem Einfalle der Neufranken in Altfranken im Jahre 1796 von einem Augenzeugen, o. O. 1797. Aulard, François Alphonse, Recueil des actes du Comité de salut public avec la correspondance officielle des représentants en mission et le registre du Conseil exécutif provisoire. Bd. 16, Paris 1904.

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REGISTER

DER PERSONEN, ORTE UND GEOGRAPHISCHEN

BEZEICHNUNGEN Aarau (schweiz.) 398, 560 Aare (Fl.) 644 Abel, Jakob Friedrich (1751-1829), Pro­ fessor an der Karlsschule in Stuttgart 105 Abel, Konrad Christoph (1751 -1823), württ. Gesandter in Paris und Landschaftskonsulent 176, 351, 434, 459, 464, 475, 477, 506, 508, 514, 519 Abensberg (bayerJ 636 Adenauer, Konrad XII Adler, Victor 150. 244, 245, 704 Affsprung, Johann Michael (1748-1808), helvet. Regierungssekretär 454 A g u t, Adjunkt des Generaladjutanten von Augereau 394, 395, 401, 403 Ägypten (türk.) 503 Aham (bayer.) 28 A i c h (württ.) 22 Aichstetten (waldburg.) 4 Alb (Geb.) 40, 59. 322 A 1 b i n i, Franz Joseph Freiherr von (1748 bis 1816), mainz. Regierungskanzler 118, 286, 287, 531, 541, 543, 544, 549, 551, 552 Albrecht in. Achilles (1414-1486), Markgraf von Ansbach, Bayreuth und Bran­ denburg 232 Algeyer, Michael, Bauer in Elzach 121 Allgäu 205,413 A 11 m a n n, kaiserl. Leutnant 391 Alpen (Geb.) 180, 379, 458, 469, 644 Alpirsbach (württ.) 314, 348, 571 A 1 q u i e r, Charles Jean Marie (1752-1826), franz. Gesandter in München 511, 517, 518 Altbreisach siehe: Breisach A11 d o r f (nürnberg.) 62, 272 Altenheim, (nassau-using.) 117, 391 Altenheim (ulm.) 415 Altensteig (württ.) 299, 315, 330 Altona (dän.) 70, 94, 162, 366, 423, 581, 582 Altötting (bayer.) 23, 25, 628 Alvensleben, Philipp Karl Freiherr von (1745-1802), preufj. Minister 564

Alvinczy von Barbereck, Joseph Freiherr (1735-1810), kaiserl. Generalfeld­ zeugmeister 88 Alzey (linksrhein.) 383, 421 Amberg (bayer.) 8, 26, 31, 162, 261, 271-273, 656, 659, 660, 666, 671 Ambotten, von, Kommandant von Würz­ burg 209 Amerang (bayer.) 11 Amerika 5 Amiens (franz.) 709 Amorbach (mainz.) 546 Andernach (linksrhein.) 358, 359 Andlinger.Marian, Pfarrvikar zu Köstlam 22, 25 Ansbach (Fürstentum) 4, 59, 63, 70, 81, 82, 92, 108, 115, 136, 232, 236, 239, 296, 424, 437, 469, 564, 659 Ansbach (ansb.-bayreuth.) 82, 161, 286, 437, 502, 659 Archenholz, Johann Wilhelm von (1743 bis 1812), Publizist und Herausgeber der .Minerva' 268, 278, 553, 595 A r e t i n, Christoph Friedrich Freiherr von (1772-1824), bayer. Hofrat und Flug­ schriftenautor 449, 600, 601, 614, 647 Arl shei m (Schweiz.) 92 Armbruster, Johann Michael (1761 Iris 1814), Publizist und österr. Polizeispitzel 287, 532, 533, 546, 565, 628, 641, 644-649. 651, 652, 661, 679, 683 Arndt, Erwin 202 Arnold, Robert F. 582 Arnsberg (köln.) 277 Aschaffenburg (mainz.) 271, 274, 544, 546 Ast (bayer.) 450 Athene, griech. Göttin 449 A u e n h e i m (hanau-lichtenberg.) 391, 394 Auersperg, Joseph Franz Anton Graf von (1734-1795), Bischof von Passau 106 Augereau, Pierre François Charles (1757 bis 1816), franz. General 358, 360, 373,

II. Personen- und Ortsregister 374, 376, 380, 362-384, 392-394, 396, 401 bis 404, 420, 422, 534, 657, 705, 706 Auggen (bad.) 384, 398, 497, 498 Augsburg (Bistum) 90, 413, 636 Augsburg (Reichsstadt) 4. 8, 23, 58-60, 75, 76, 102, 161-163, 166, 189, 205, 281, 282, 366, 388, 414, 455, 458, 509, 659, 673 Aulard, François Alphonse 64, 111 Avemarie, Friedrich 545 Awerjanow, A, P. 246

Baar (iürstenberg.) 86 Babenhausen flügger.) 565 Babeuf, François Noel (Cajus Gracchus) (1760-1797), franz, utopischer Kommunist 249 Babo, Joseph Marius (1756-1822), bayer. Beamter und Theaterdichter 595, 647 Bacher, Theobald Jakob Justinus (1748 bis 1813), franz. Gesandtschaftssekretär und Geschäftsträger in Basel und Regensburg 45, 49, 51, 56, 57, 80, 122, 126, 142, 151, 152, 160, 161, 174, 175, 180, 182, 184, 197, 217, 219, 221, 222, 242, 295, 372, 381, 465, 467, 468, 517, 534 B a c h y , Louis Joseph de, Offizier im Corps Condé 46 Baden (bad.) 124, 198 Baden (Markgraischaft) 3, 4, 51-55, 57, 84, 85, 118, 120, 123, 125, 134, 151, 161, 179, 181, 186, 190, 197, 198, 201, 202, 219, 221, 223, 226, 253, 262, 263, 285, 286, 347, 380, 387, 397-399, 458, 464, 478, 483, 485, 496, 498, 499, 506. 508, 511, 513, 519, 521, 525, 526, 535, 536, 538, 550, 563, 568, 569, 643, 710 - Oberland (bad.) 4, 52, 53. 117, 124, 144, 185, 188, 195-197, 200, 218, 219, 222, 264, 266, 279, 387, 397-399, 405, 408, 412, 456, 486, 496, 513, 535, 537, 567, 571 - Unterland (bad.) 53, 118, 124, 200, 219, 397 Baden, Karl von (1786-1818), bad. Prinz 525 Baden, Karl Ludwig von (1755-1801), bad. Erbprinz 199, 525 Baden, Wilhelm von (1792-1859), bad. Prinz 202 B a de n w e i 1 e r (bad.) 52 -54, 144,184, 186, 189, 190, 196-198, 222, 223, 225, 390, 406

741 Bader, Joseph 88, 121, 122, 144. 279, 283, 386, 552 Bader. Karl Siegfried 5, 61. 86, 207 Bahlingen (bad,) 52, 55, 376 Baier, Hermann 53, S3 BailledeBeauregard, Louis Philibert (1740-1809), franz. General 486 B a i 11 e u , Paul 163, 238-240, 251, 260, 401, 402, 479, 503-505, 511, 516, 519 Balingen (württ.) 41, 322, 553, 557, 561, 562, 571 Ballista, Hieronymus, Deckname von Krutthofer 454, 455, 557, 563 Bamberg (Bistum) 4, 85, 272, 273, 289, 469, 531, 552 Baraguay d'Hilliers, Louis (1764 bis 1812), franz. General 543, 544 Bärenstecher, Kaufmann in Ulm, iden­ tisch mit Müller, J. G. 416, 453, 473 Bärenthal (hohenzoller.) 282 Barras, Paul François Jean Nicolas (1755 bis 1829), Mitglied des franz, Direktoriums 401-403, 518 Barth, F.K., 86,412 Barthélem y,François(1747-1830),franz. Gesandter in Basel und Direktoriumsmitglied 45, 49. 50, 56. 57, 81, 111, 113, 122, 126, 130, 142, 150-153, 161, 162, 174, 175, 178, 180, 182, 184, 185. 217, 256, 257, 358, 369, 371, 372, 379 Basel (Schweiz. Kanton) 377 Basel (Schweiz.) 45, 49, 50, 52, 80, 93, 100, 113, 117, 122, 126, 134, 145, 150, 151, 161, 162, 166, 174, 176, 178, 180, 182, 184, 185, 189, 190, 196, 197, 211, 216, 217, 219 bis 226, 246, 250. 262-264, 284, 286, 358, 377, 380, 381, 383, 385, 387, 388. 392, 393, 396-400, 404, 411, 412, 428, 439, 454, 455, 458, 459, 473, 486. 495-499, 507, 517, 521, 563. 643, 644, 679, 700, 706 Bassal, Jean (1752-1802), franz. Agent in Basel 180. 183, 188, 216 Basse, Detmar Friedrich Wilhelm (1764 bis 1836), Frankfurter Kaufmann und Diplo­ mat 254 B a 11 i e, Franz Xaver, fürstenberg. Ober­ amtmann in Stühlingen 207 Bauer, Bruno 249 Bauer, Christian Friedrich Ludwig (geb. etwa 1775), württ. Leutnant 453, 564, 580, 583 Bauernfeind, (Karl Maximilian von 607, 618, 650

742 Baumann, Franz Ludwig 205 Baumgartner, Anton (1761-1831), Polizeidirektor in München 623, 648. 665, 666 Baumgärtner, Oberamtmann in Pforz­ heim 198, 497, 582 Baumgärtner, Anton, Mainzer Jakobiner 383 B a u n a c h (FL) 273 B a y a r d, D. T., ansb.-bayreuth. Geheim­ sekretär 238 - 240 Bayern (Kurfürstentum) XII, XIV, 3, 5-16, 18, 19, 22, 27, 34, 38, 40, 42, 43, 45, 50-52, 81, 85, 92, 103, 104, 108, 110, 116, 119, 134, 138, 144, 164-169, 171, 173, 190, 202, 210, 211, 213-215, 228, 229, 253, 254, 259, 421, 438, 440-446. 448-452, 464, 469, 470, 472, 474, 483, 484, 500, 511, 529-531, 535, 536, 540, 54S, 564, 565, 570, 580, 584, 591-595, 600-614, 616 bis 618, 620, 622, 623, 626, 628-634, 636, 639, 641, 643-646, 648-650, 652, 657, 659 bis 666, 669, 670, 672-676, 679, 680, 683 bis 685, 687, 688, 690-692, 695, 697, 701, 702, 707-710 - Oberbayern (bayer.) 118 - Niederbayern (bayer.) 118 Bayern, Adalbert Prinz von 691, 692 Bayern, Ludwig von (1786-1868), bayer. Erbprinz 530 . Bayreuth (Fürstentum) 4, 59, 63, 70, 81, 82, 92, 108, 136, 232, 236, 239, 296, 437, 469, 502, 659 Bayreuth (ansb.-bayreuth.) 92, 93, 437, 658 Baz, Christian Friedrich (1763-1808), Mit­ glied des württ. Landschaftsausschusses 333-335, 342, 351, 352, 426, 434. 435, 454, 457, 459-462, 507, 520, 521, 528, 529, 570, 580, 583 Beaumann, H., Deckname von Danican 509 Bebenhausen (württ.) 42 Becker, Johann Nikolaus (geb. 1773), linksrhein. Publizist 422 Becker, Rudolf Zacharias (1752 -1822), Herausgeber der .Deutschen Zeitung' und der .Nationalzeitung der Teutschen * 77 Bigoz, Louis (1763-1827), helvet. Außen­ minister 475, 478 B e i g e 1, Georg Wilhelm Sigismund (1753 bis 1837), sächs. Geschäftsträger in Mün­ chen 26, 29, 30, 45, 105

II. Personen- und Ortsregister B e i 1 s t e i n (tvürtt.) 298, 309 Belgien siehe; Niederlande Bender, Buchhändler in Mannheim 89 Bender, Blasius Kolumban Freiherr von (1713-1798), kaiserl. Generalfeldmarschall 507 Benediktbeuren (bayer.) 144, 451 Bensen, Heinrich Wilhelm 78 B e n s i n g, Fritz 314, 315 B e r c h e m, Johann Nepomuk Freiherr von (geb. 1758), bayer. Kämmerer 28 Berg (Grofjhzm.) 649 Berghaus, Heinrich 4, 5 Bergsträßer, Heinrich Wilhelm (1765 bis 1814), Kanzleidirektor von ErbachSchönberg 539, 541, 552, 554 Berlichingen, Götz von (1480-1562), fränk. Ritter 285 Berlin (DDR) XVII, 41, 244 Berlin (preug.) 7, 27, 80, 136, 177, 184, 207, 211, 212, 296, 329, 374, 416, 422, 438, 479, 503-505, 593, 613, 632, 669, 684 Bern (Schweiz.) 378, 380, 414, 473, 474, 560 Bernadotte, Jean Baptiste Jules (1763 bis 1844), franz. General 272, 485, 512, 514-518 Berthold, Rudi 41 Besigheim (württ.) 330 Bethlehem (paldstin.) 21 Bettberg (bad.) 185 Bettschart, Karl Theodor Graf von, bayer. Staatsreferendar für Sulzach und Neuburg 170, 593 B e 11 u 1 i u s, Oberamtmann in Ebingen 283 Bezzel, Oskar 118, 119, 126, 127, 485 Biberach (Reichsstadt) 113, 204, 282, 534, 636 Bickensohl (bad.) 535 Biedermann, Karl 3-6, 82, 87 Biester, Johann Erich (1749-1816), Her­ ausgeber der .Berlinischen Monatsschrift' 71, 74 Bietigheim (württ.) 330 B i h 1, 107, 366, 532 Bingen (linksrhein.) 358, 368, 383, 704 Binzen (bad.) 53 Birkenfeld-Gelnhausen, Wilhelm Pfalzgraf von (1752-1837), Herzog in Bayern 640 Bischofsheim (linksrhein.) 393

IL Personen- und Ortsregister

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¡singen (württ.) 130 i sm ar c k, Otto Fürst von XVI, 705 i 11 e r a u f, Theodor 696 lankenstein, Alexander Wilhelm Lud­ wig (geb. 1783), Lotteriedirektor in HessenHomburg 454 lau, Felix Anton (1754-1798) Mainzer Jakobiner 152, 423 lumegg (sankt-blas.) 91 öblingen (württ.) 42, 132, 310, 330 o c k , Helmut 246, 247 Ockenheimer, Karl Georg 554 odensee 205, 469 oecklin von Boecklinsau, Franz Friedrich Sigismund August Freiherr von (1745-1813), württ. Kammerherr und Be­ sitzer von Rust 391 öhm, Anton, Knopfmacher in München 32, 33, 596 öhm, Gottfried . 82 öhmen (österr.) 482, 659, 660, 664, 670 öhmer, Georg Wilhelm (1761-1839), Mainzer Jakobiner und Herausgeber des .Pariser Zuschauers * 152, 183, 367 öhmerwald (Geb.) 469, 481 oleg, Johann Kaspar, Schlosserobermeister in Ludwigsburg 106 o 11 e y, Heinrich Ernst Ferdinand (1770 bis 1847), Amtsschreiber in Waiblingen 311-314 o 1 o g n a (Republik) 4B7 onaparte. Napoléon(1769-1821), franz. General und Erster Konsul 167, 238, 244, 247, 352, 355-359, 361-363, 373 bis 377, 379, 401, 413, 422, 423, 440, 468, 512, 526, 533, 534, 558-560, 566, 580, 621, 635, 636, 657, 664, 667, 670, 682, 683, 687, 707, 708, 710 önigheim (württ.) 330 o n n (linksrhein.) 374 onnier d'Arco, Ange Elisabeth Louis Antoine (1750-1799), franz. Gesandter in Rastatt 400, 513 opfingen (Reichsstadt) 206 o s i n g e r, Schulmeister in Dürrmünz 575 Ötzingen (bad.) 535 oulay de la Meurthe, Antoine Jac­ ques Claude Joseph (1761-1840), franz. Staatsrat 556, 689 Bourbotte, Pierre (1763-1795), franz. Volksrepräsentant bei der Armee 64

743

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Bourdeau, Henri 259 B ox b e rg (pfälz.) 127 Boyer, Charles Joseph (1762-1832), franz. General 672 Brandenburg (pzeuij.) 480 Brandes, Ernst (1758-1810), hannov. konterrevolutionärer Publizist 348 Brandt, Otto 81 Braubach, Max 558 Brauer, Johann Nikolaus Friedrich (1754 bis 1813), bad. Geheimer Rat 199, 398 Braun, Präzeptor in Knittlingen 573, 578 Braun, Christian, Schneider in Knittlingen 574 Braun, Johann, Nachtwächter in Knittlingen 573 Braun, Philipp, Deckname von Penasse 455 Braunau (österr.) 642, 643 Braunschweig (braunschw.-wolfenbüttel.) 384 Bregenz (vorderösterr.) 92, 469 Breisach (vorderösterr.) 217, 285, 534, 535, 552 Breisgau (vorderösterr.) 81, 83, 84. 88, 117, 120, 122, 123, 179, 181, 184, 185, 190, 201, 216, 218, 222, 225, 226, 279, 283, 284, 288, 289, 358, 373, 397, 399, 458, 498, 536, 551 Breitling, Richard 569 Bremen (Reichsstadt) 362 Brentano, Lujo 6, 10 Brest-Litowsk (UdSSR) 247 Bretzenheim. Karl August Friedrich Joseph Fürst von (1769-1823), natürL Sohn des bayer. Kurfürsten Karl Theodor 171 Bricard, franz. Kanonier 209, 266, 267 B r i t z i n g e n (bad.) 198 Brombach (bad.) 384 B r o n n e r, Franz Xaver(1758-1850), helvet. Regierungssekretär 454 Brötzingen (bad.) 124 Bruchsal (speyer.) 85, 86, 280, 281 289, 453, 464, 540, 572, 578 Bruck (ansbach-bayreuth.) 93, 102 Brune, Guillaume Marie Anne (1763 bis 1815), franz. General 378 Brunnemayr, Joseph Philipp 204, 282 Büchenbach (württ.) 237

IL Personen- und Ortsregister

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Bucher, Anton (1746-1817), Pfarrer in Engelbrechtsmünster 647, 661 Buchot, Philibert (1751-1812), franz. Außenminister 151, 174, 175, 182 ühler. Emil 86, 367 ühler, Karl Freiherr von (1748-1811), russ. Gesandter in München und Stuttgart 622, 628, 675 u 1 a c h (württ.) 330 ü 1 o w, Heinrich Wilhelm Freiherr von (1750-1810), Korrespondent deutscher Höfe in Basel 176, 177, 180, 184, 185. 189, 219, 222, 262-264, 284 u n z, Georg Christian Heinrich (geb. 1765), Kanzleiadvokat in Ludwigsburg und Flug­ schriftenautor 298, 337, 345, 528 uonarotti, Filippo Michele (1761 bis 1837), ital.-franz. Revolutionär und Kampf­ genosse Babeufs 249 u r g b e r g (reichsritterschaitl.) 87 urghausen (bayer.) 9, 22, 24, 212, 595, 666, 698 urglengenfeld (bayer.) 7 üttner, Heinrich Christoph (1766-1816), Justizrat in Ansbach 93

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aillard, Antoine Bernard (1737-1807), franz. Gesandter in Berlin 504 alw (württ.) 40 ampoformio (Venetian.) 286, 288, 352, 359, 362, 363, 373, 375, 376, 378, 385, 503, 511, 530 annstadt (württ.) 41, 190 a r 1, linksrhein. Revolutionär 383 a r n o t, Lazare Nicolas Marguerite (1753 1823), Mitglied des franz. Direktoriums 178, 180, 240, 369, 371 ar st en, Francis Ludwig 346-348 a s t e 11 (Gratschaft) 230 elsus, preuß. Reisender 388 etto, Anton Freiherr von (1756-1847), bayer. Gesandter in Paris 512, 529, 535, 660 hampionnet, Jean Etienne (1762 bis 1800), franz. General 209 häteauneuf-Randon, Alexandre (gest. 1816), franz. General 384 h e r g a u d, franz. Korporal 259 h u q u e t, Arthur 359 hur (schweiz.) 180 isalpinische Republik 376, 379, 422, 644, 664

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Clarke, Henri Jacques Guillaume (1765 bis 1818), franz. General 240 Claudius, Matthias (1740-1815), Dichter 21 Clemens XIV., (1705-1774), Papst 168 C1 e r c q, M. de 250, 254, 355, 358, 363, 535, 709 Clärembault, franz. General 649 C1 e r f a y t, Franz Sebastian Karl Graf von (1733-1798), Reichsfeldzeugmeister 101, 143 Cleve (linksrhein.) 416 C 1 o o t s , Johann Baptist (Anacharsis) (1755 bis 1794), dt. Reolutionär 704 Colle, franz. Gefreiter 259 Colloredo-Mannsfeld, Franz de Paula Gundakar Fürst von (1731-1807), Reichsvizekanzler 107, 108, 110, 368, 593 Colloredo-Waldsee, Hieronymus Joseph Franz Graf von (1732-1812), Erz­ bischof von Salzburg 107-111, 593 Colloredo-Waldsee, Wenzel Joseph Graf von (1738-1822), kaiserl. Generalfeld­ zeugmeister 161 Collot d'Herbois, Jean Marie (1750 bis 1796), Mitglied des Wohlfahrtsaus­ schusses 23 Comeyras, Pierre Jacques Bonhomme (gest. 1798), franz. Resident in Chur 180 C o n d i, Louis Henri Joseph Prince de (1756 bis 1830), Befehlshaber des franz. Emi­ grantencorps 46, 56, 57, 111, 178, 184, 185, 281, 357 Conrad, Unternehmer in Ludwigsburg 461 C o n t y e, Jean Baptiste de (geb. 1750), Be­ rater des Prinzen Condd 178 Cotta, Christoph Friedrich (1758-1838), deutscher Jakobiner und Publizist in Straß­ burg 43, 152, 176, 185, 190, 227, 228, 453, 478 Cotta, Johann Friedrich (1764-1832), württ. Buchhändler und Verleger 528 C r a m e r, J, 90, 288, 413 Custine, Adam Philippe (1740-1793), franz. General 88, 227, 367, 382, 421

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Dachau (bayer.) 171, 634 Dachsberg, Johann Nepomuk Joseph Freiherrvon (1733-1798), Regierungspräsi­ dent von Landshut 27

IL Petsonen- und Ortsregister

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D a 11' A r m i, Andreas Michael Ritter von (1765-1842), Bankier und Generalkontrol­ leur der Staatsschuldenkommission in Mün­ chen 213 almatien (venetian.) 355 amianoff, Athanasius 9, 11 a m m , Hofmeister in Wetzlar 153 bis 155, 157-160, 173, 702, 703 a m p i e r r e, Jacques de 151 in emark (Königreich) 37 a n i c a n, Louis Michel Auguste (1763 bis 1848), franz. Emigrant und konterrevolu­ tionärer Publizist 391, 394, 401, 497, 509 a n i e 1, Jakob Wilhelm, Bauer in Dertingen 574, 575, 579 annenbauer, Heinz 79 a n t o n , Georges Jacques (1759-1794), Mitglied des Wohlfahrtsausschusses 182, 704 a n z, Wilhelm August Friedrich (1764 bis 1803), Gerichtsassessor in Tübingen und Flugschriftenautor 298, 315, 332, 333, 457 armstadt (hess.-darmst.) 540, 544 a u c h e r, Heinrich. Buchbinder in Nürn­ berg 114 ebidour.A. 180,181,183-185,187, 215-217, 226, 229, 241, 252, 253, 260, 261, 264, 268, 274 ebilly, Jean Louis (1763-1806), franz. General 649, 672 ebry, Jean Antoine Joseph (1760-1834), franz. Gesandter in Rastatt 503, 513, 517, 520 ecaen, Charles Mathieu Isidore (1769 bis 1832), franz. General 565, 633, 636, 637, 646, 649, 652, 657, 660, 670, 673, 674, 679, 681, 683, 686 e g e 1 m a n n, Bernhard Freiherr von, österr. Gesandter in Basel 178, 184, 185, 196 eggendorf (bayer.) 26 e i n i n g (bayer.) 272 e i r i n g e r, Krämer in Donauwörth 27 elacroixdeContaut, Charles, (1741 bis 1805), franz. Außenminister 177 bis 181, 186, 188-191, 216, 218-221, 225, 240-242 Delmas, Antoine Guillaume (1768-1813), franz. General 264 Den Haag (holländ.) 246

745 Denkler, PriesteT in Altötting 23, 25, 26 Denkmann, Revolutionär aus Braun­ schweig 384 D e n t z e 1, Georges Frédéric (1755-1820), Mitglied des franz. Konvents 252, 256 D e n z e r, Pfarrer in Ilsfeld 453 Dertingen (württ.) 574, 579, 581 Desaix de Voygoux, Louis Charles Antoine (1768-1800), franz. General 359 Disent ans, Nicolas Joseph (1765-1808), franz. General 285, 499, 521 Dessolle, Jean Joseph Paul Augustin (1767-1828), franz. General 577, 649, 659 Deuerlein, Ernst 93, 437 Deutsche Demokratische Repu­ blik IX. XI, XII, 713 Deutscher Orden 544 Deutschland VII, IX-XIH, XVI, 3 bis 5, 7, 12, 13, 21, 60, 62, 99, 100, 113, 116, 138, 141, 145, 151, 152, 154, 156, 157, 159, 165, 172, 175, 181, 184, 190, 202, 206, 214, 216, 228, 236, 240, 244, 247, 251, 252, 254-257, 270, 272, 278, 281, 290, 293, 294, 347, 352, 355, 358, 366-369, 371-373, 375, 376, 379, 380, 382, 383, 385-388, 420 bis 424, 435, 438, 443, 457, 458, 468, 470, 477, 479, 480, 482, 483, 486-488, 491, 495, 498, 499, 502, 504-506, 508-510, 513, 516, 517, 521, 529, 531, 534, 554, 559, 561, 569, 581, 583, 587, 595, 638, 640, 641, 656, 657, 659, 664, 665, 670, 680, 684, 686, 687, 691, 699 bis 704, 706-713 - Norddeutschland 100, 145, 700 - Oberdeutsclhland 6, 78, 87, 350 - Süddeutschland XI, XIII, XV, 3, 4, 38, 54, 58, 59, 81, 88, 95, 99-101, 117, 119, 120, 136, 138, 145, 149-152, 178, 180, 183, 190, 191, 203, 214, 215, 233, 241, 242, 249, 250, 256, 260, 261, 268, 269, 286. 288, 370, 380, 387, 411, 452, 457, 458. 463, 466, 469-472, 479-483, 496, 518, 521, 525, 531-533, 542, 546, 560, 564, 565, 570. 579, 583, 591, 641, 643, 644, 647, 664, 665, 669, 670, 674, 683, 685, 696, 698-704, 706. 710 bis 712 Südwestdeutschland 5, 364, 380, 643, 692, 706-708 Dietl, Georg Alois (1752-1809), Pfarrer in Hofberg bei Landshut 661

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Dürrn (bad.) 124 Dürrwächter, Alexander, Schreiner in Knittlingen 573 Durutte, Joseph François (1767-1827), franz. General 672 D u r u y, Georges 401 Düsseldorf (berg.) 359, 649 D u v i g n o t, franz. General 275 Dyck, Walter von 608

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i e 11 i n g e n (bad.) 52, 54 i e t z, Pfarrer in Rothenfels 397 i e z, Ludwig, Kupferschmied in Knittlingen 573 i 11 (bad.) 124 ¡Hingen (augsburg.) 280, 413 ilsberg (piälz.) 539. 549 inkelsbühl (Reichsstadt) 80, 532 irr, P. 80, 76 i t f u r t h, Franz Wilhelm Freiherr von 64, 66 itterich (Dietrich), FranzGeorgvon, bayer. Regierungsrat 20 izinger, Carl Friedrich, (1774-1842), Kanzleiadvokat in Stuttgart und Flug­ schriftenautor 206, 287, 302, 303, 305 bis 307, 338, 342, 463, 464, 569 o e b e r 1, Ludwig 597 o e b e r 1, Michael 592, 608 o h m, Christian Konrad Wilhelm von (1751 bis 1820), preufj. Gesandter in Rastatt 401 onau (Fl.) 205, 212, 463, 470, 481, 534, 644, 697 onaueschingen (fürstenberg.) 545 onauwörth (bayer.) 26, 112, 441, 454, 624 onnersberg (linksthein.) 383, 421, 422, 553, 558, 560 ärfflinger, Vogt in Britzingen 198 örfflinger, Johann Georg, bad. Revo­ lutionär 185, 225 ornstetten (württ.) 46, 310, 315, 330, 571 orsch, Anton Joseph (1758-1819), Mainzer Jakobiner 152, 367. 423 raisvonSauerbronn, Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Freiherr (1755-1830), bad. Beamter 55 r e s d e n (DDR) XVI resden (sächs.) 45, 486, 512 r o z. Jacques XI, XIL 383 0 h r i n g, Eugen 246 u m i n i q u e, Ferdinand Freiherr von (1742-1803), tri er. Regierungskanzler 90 u Moulin Eckart, Richard Graf Xin, XIV, 165, 168, 169, 172, 212, 254, 530, 535, 613, 622, 647, 651, 691 urbach (bad.) 397 u r 1 a c h (bad.) 124, 181, 198-200, 224, 225, 393 ürr, Lore 71-73, 207, 365, 415, 420 ürrmünz (württ.) 575

IL Personen- und Ortsregister

Ebel, Hofmeister in Wetzlar 153 Ebeling, Friedrich W. 58, 78 Eberbach (ptälz.) 549 Ebermannstadt (bamberg.) 271 Eberstadt (reichsritterschaftl.) 252 Eberstein (bad.) 55 Ebingen (württ.) 41, 113, 282, 287, 310, 453, 537, 571 Ebnet (vorderösterr.) 121 Eckenstein, Schaffner in Auggen 384 Edelsheim, Georg Ludwig Freiherr von (1740-1814), bad. Geheimer Rat 199, 226, 262, 478, 486, 526 Efringen (bad.) 124, 125, 185, 384, 498 E g e 1 s e e (menuning.) 205 E g 1 i n, Kaffeehausbesitzer in Basel 381 Egolsheim (württ.) 48 Ehrenbreitstein (trier.) 368, 672 Ehrler, Jakob, bad. Revolutionär 384, 390, 398, 405 Eickemeyer, Rudolf (1753-1825), Mainzer Jakobiner und franz. General 200, 264, 284, 558, 559 Eisenlohr, Christian August (1752-1832), 185, 384 Pfarrer in Bettberg 124 Eisingen (bad.) 154 E k a r d, Student in Heidelberg Elbe (Fl.) 251 Ellwangen (Probstei) 95 203, 545 Ellwangen (ellwang.) E 1 s a 5 (franz.) 123, 265, 381, 485, 640 121 Elzach (vorderösterr.) 124, 144, 198. Emmendingen (bad.) 224, 384, 391, 393, 397, 399 80. Enderlein, Friedrich Leonhard 276 En drifj, Julius 415,453 Engel, Leopold 167 Engelberg, Emst 244, 247 Engelberg (württ.) 133 Engelbrechtsmünster (bayer.) 647

IL Personen- und Ortsregister

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Engels, Friedrich VII, VIII, 3, 5, 10, 13, 14, 51, 52, 59, 99, 144, 150, 182, 202, 242 - 246, 248, 249, 699, 700, 704, 710 bis 712 n g e n (fürstenberg.) 282, 534 n gland (Königreich) 17, 100, 196, 202, 261, 306, 402, 481. 503, 515, 530, 547, 569, 586, 623, 624, 655, 656, 662, 664, 686, 709 n n s (Fl.) 534, 644 nzweihingen (laürtt.) 318 rbach (Grafschatt) 230, 535, 539, 552, 554 rbach-Fürstenau (Grafschäft) 95 rbach-Schönberg (Grafschaft) 541, 554 rbach-Schönberg, Karl Graf von (gest. 1816), regierender Graf 539 rdmannsdörffer, Bernhard XV, 4, 197 r e m i t a, Janus, Pseudonym von Gretschel 570 rfurt (mainz.) 93 r 1 a c h e r, Johann, Gastwirt in Basel 381 r 1 a n g e n (ansb.-bayreuth.) 81, 82, 93, 102, 161, 162, 209, 437, 465, 466 rnou f, Jean Augustin (1753-1827), franz. General 235, 237, 274 rnstberger, Anton XIV, 62, 66 bis 69, 114, 163, 286 -288, 438 r t h a 1, Franz Ludwig Philipp Karl Anton Freiherr von (1730-1795), Bischof von Würzburg und Bamberg 94, 119 r t h a 1, Friedrich Karl Joseph Freiherr von (1719-1802), Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Bischof von Worms 362, 506, 539, 541, 547 schenmayer, Adam Karl August (1768-1852), Posthalter in Plochingen 452, 456, 461, 508, 556, 562, 563 scher, Hans Konrad (1767 -1823). schweizer Publizist 476 s s i c h , Friedrich, württ. Revolutionär 381, 393, 455, 456, 476, 478, 483, 486, 507, 556, 557, 562-564, 580 6 1 i n g e n (Reichsstadt) 47, 207, 228, 414, 453 II e n h e i m (strafjburg.) 117, 381, 480 III i n g e n (bad.) 198 uropa Xn, 21, 102, 144, 152, 163 244, 246, 252, 257, 258, 298, 322, 356, 369, 379, 385, 391, 423, 481, 509, 519, 554, 635, 636, 704, 705, 711, 712

747 Fahrmbacher, Hans 639, 640, 648, 657. 658, 672, 681, 686, 690 Fahrländer, Samuel, Sekretär des helvet. Finanzrates 381, 454, 480, 557 Faypoult, Guillaume Charles (1752 bis 1817), franz, Finanzminister 240 Fechenbach-Laudenbach, Georg Karl Franz Ignaz Freiherr von (1749-1808), Fürstbischof von Würzburg 276, 362 Fellenberg, Philipp Emanuel (1771 bis 1844), helvet. Gesandtschaftssekretär in Paris 473, 474 F e r i n o, Pierre Marie Bartholomé (1747 bis 1816), franz. General 282, 499 Ferthof en (memming.) 205 Fehlen, Kaspar, Säcklermeister in Ulm 72, 73, 103, 206 Feuerbach (bad.) 185 Feuerbach, Ludwig 648 Feuerbach, Paul Johann Anselm Ritter von (1775-1833), bayer. Strafrechtler 647, 648 Fezer, Johann Jakob (geb. 1760), Mitglied des Zwölferausschusses und Bürgermeister in Reutlingen 365, 414, 453, 532 Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814), Philosoph 422 Fichtelberg (Geb.) 644 Fichtelgebirge (Geb.) 481 Fiesse, (geb. 1757), Mainzer Jakobiner 183 Finger, Samuel Gottlieb (1777 -1827), Kaufmann in Frankfurt a. M. 77, 275, 423, 547 Fischer, Gastwirt in Karlsruhe 384, 485 Fischer, Johann Jakob, Deckname von Hedäus 455 Fischer, Karl Friedrich (1755-1821), Hofrat in Karlsruhe 384 Fischer, Wolfram 95, 137, 436 Fleurus (österr.-niederländ.) 150, 245 Flick, Samuel, Buchdrucker in Basel 486, 497, 498 Detouches, Emst von 623 F o r m e y, preufj. Legationssekretär in Frank­ furt a. M, 254, 275, 368 Fornierd'Albe, GaspardHilarion, franz. Kommandant in Stuttgart 575-578 Forster, Bartholomäus, (geb. 1753), Priester in Altötting 23, 25, 26 Forster, Johann Georg Adam (1754 bis 1794), Mainzer Jakobiner XI, 704

748 Forster, J. M. 213 Fournier, franz. Regimentskommandeur 394 Fournier, August 165, 166, 171, 511. 627, 628, 641, 644, 647, 649, 651, 661, 679, 683, 692 Fouron-le-Comte (österr.-niederländ.) 100 Frank, Deckname eines bayer. Revolutio­ närs 165 Frank, Ignatius (1725-1795), Beichtvater des bayer. Kurfürsten Karl Theodor 18 Franken (Reichskreis) XVI, 4, 5, 7, 31, 63, 82, 87, 88, 95, 108, 110, 118, 136, 137, 153, 160, 164, 167, 177, 190, 207 bis 210, 215, 229-241, 256, 266. 270, 276, 388. 425, 436-438, 440, 464-466, 468, 480, 483, 511, 564, 570, 644, 663, 664. 670, 674, 675, 684, 685, 702, 708 Frankenthal (linksrhein.) 397, 424, 454 Frankfurt a. M. (Reichsstadt) 4, 9.11, 28, 59, 70, 77, 78, 169, 174, 239, 254, 256, 265, 272-274, 300, 305, 308, 317, 368, 396, 411, 421-424, 432, 506, 534, 536, 539, 544, 547, 551, 554, 567, 601, 625. Frankreich (Republik) VII, X, XI, XIII, 17, 29, 45, 57, 61-65, 73, 80, 85, 88, 91, 93, 99-105, 111, 113, 115, 116, 120 bis 123, 126, 128, 131, 133, 134, 137, 139 bis 143, 145, 149-151, 153, 154, 157-166, 172 bis 175, 177-179, 184-191, 197, 200 - 202, 211, 212, 215, 219, 222. 224, 225, 228, 230, 240-247, 249-258, 261, 262, 265, 266, 269, 278, 283, 288, 295, 298, 306, 326, 331, 334, 340, 341, 351, 352, 355 - 361, 363, 364, 366 bis 372, 374, 376 - 380, 385. 387, 388, 394, 399, 401-403, 418, 421, 424, 426, 435, 438, 440, 443. 446, 448, 457, 461-463, 468 bis 472, 474-482, 485-488, 491, 492, 499, 502 bis 507, 509-512, 515-521, 525-530, 533, 534, 536-538, 543, 544, 548, 555-560, 562, 565-568, 571, 574, 577, 579-581, 584, 585, 592, 593, 611-613, 616, 617, 621, 635, 638, 641-644, 647, 649, 656, 659, 660, 663 - 665, 667, 670, 672, 674, 678, 680-683, 685 bis 687, 689, 692, 699-701, 704-712 Franz II., (1768-1835), röm.-deutscher Kaiser 58, 70, 91, 92, 100, 108, 134, 136, 140, 142, 197, 203, 206, 229, 256, 281, 285, 286, 355, 356, 358, 359, 362-364, 385, 406, 419, 420, 422, 426, 439, 458, 480, 503,

IL Personen- und Ortsregister 511, 512, 516, 526, 527, 534, 541, 543. 582, 635, 657, 658, 670, 689, 709, 710 Franz, Eugen 235 Frauenaurach (ansb.-bayreuth.) 484 Fraunhofer, Joseph (1787-1826), bayer. Physiker 608 Freiburg (vorderösterr.) 83, 88, 122, 123, 163, 181, 190, 225, 226, 263, 283, 386, 387, 390, 391, 397, 399, 425, 552 Freistett (harutu-lichtenberg.) 382 Freudenstadt (uriirU.) 46, 207, 310, 315, 330, 571 Frey, Deckname eines bayer. Revolutionärs 165-173, 213, 214, 472, 613, 647, 702, 703, 708 Frey, Remigius (1765-1809), Bürger in Basel und helvet. Deputierter in Paris 186, 190, 458, 459, 473, 475 Freyberg-Eisenberg, Max Freiherr von 210 F r e y t a g, Rudolf 77 F r i c a s s e , franz. Sergeant 281 -283 Fricker, linksrhein. Emissär 562 F r i c k t a 1 (vorderösterr., später helvet.) 183, 463 Friedrich II. (1712-1786), König von Preußen 81, 168, 176, 456, 457, 459, 460, 501, 503, 625, 631 Friedrich II. (1754-1816), Herzog von Württemberg 295, 425-429, 432-435, 452, 454, 456, 457, 459, 460, 464, 475, 477, 482, 485, 496, 506, 508, 511, 521, 525, 527 bis 529, 532, 535, 548, 557, 564, 568 bis 571, 573, 578-586, 701 Friedrich August III. (1750-1827), Kurfürst von Sachsen 137, 582 Friedrich IL Eugen (1732-1797), Herzog von Württemberg 177, 189, 190, 222, 253, 265, 296-298, 307, 314-316, 319, 321, 326, 337, 341, 343, 344, 349-352, 426 Friedrich Wilhelm II. (1744—1797), König von Preußen 80, 136, 233, 237, 250, 296 Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), König von Preußen 385, 388. 389, 425, 437, 465, 466, 484, 503, 513. 668, 709 Fröhlich, Michael von (1740-1814), kaiserl. General 144, 204, 218, 222, 279 Frölich, von, kaiserl. Hauptmann 163 Fugger zu Di etenheim, Joseph Maria Graf von (gest. 1820), österr. Gesandter beim schwäb. Kreis 286, 287, 550 Fulda (Bistum) 552

II. Personen- und Ortsregister Fulda (iuld.) 274, 545 Furkaberg (Geb.} 644 Fürstenberg (Fürstentum) 86, 286, 412 Fürth (ansb.-bayteuth.) 60, 465, 531 Fürth (piälz.) 539, 540

Gabeling (erdichteter Ortsname) 318 G a g e r n, Hans Christoph Ernst Freiherr von (1766-1852), hessen-nassau. Diplomat 126 Galier, Niklas Franz Lambert Graf von (1761-1800), österr. Kameralist 4, 55 Gallia siehe: Frankreich Ganganelli, siehe: Clemens XIV. Ganzlosen (erdichteter Ortsname) 313, 317, 336 G a r d i e r, Joseph, Kaufmann in Neuötting 23 Gatschina (russ.) 530 G a t z e r t Christian Hartmann Samuel Frei­ herr von (1739-1807), hessen-darmstädt. Minister und Gesandter in Rastatt 388 Gaum, Wilhelm, Amtmann in Durlach 200, 225 Gaume, Gebrüder, bayer. Revolutionäre 165 Gaylingvon Altheim, Christian Hein­ rich Freiherr von (1743-1812), bad. Ge­ heimer Rat 123, 125, 390, 567, 582 Gebhard, Student und Revolutionär 93 Gebhard, Bruno 346 Gebhart^ Peter (1759-1807), Gerichts­ herr und Kaufmann in Kempten 205 Geismar, Martin von 554, 555 Geißburg (erdichteter Ortsname) 318 Geldersheim (würzb.) 270 Gemmingen-Hornberg, Otto Hein­ rich Freiherr von (1755-1836), bad. Ge­ sandter in Wien 526 Genf (schweiz.) 163 Gentner, württ. Hauptmann und Flug­ schriftenautor 320 Georgi, württ. Leutnant 453 G e o r g i i, Eberhard Friedrich von (1757 bis 1830), württ. Landschaftskonsulent 338, 341, 342, 348, 350-352, 426, 434, 435. 457, 459, 462, 505, 520 Geppert, Menrad von (1740-1814), kaiserl. Oberstleutnant 134, 135 Gercken, Philipp Wilhelm (1722-1791), Publizist 7, 8, 12, 83, 85 Gergolting (bayer.) 34

749 Gerhardt, Paul (1607-1676), Kirchen­ liederdichter 635 G e r i g, Franz Michael, Schultheißsteilver­ treter in Rothenfels 397 Germanien siehe: Deutschland Germersheim (linksthein.) 485 Gernsbach (bad.) 124 G e r s t, Johannes, Mitglied des württ. Land­ schaftsausschusses 434, 460, 462, 528, 553, 561, 562, 564 Gegner, Johann Augustin Philipp (1738 bis 1801), Arzt in Nördlingen und Rothen­ burg 78 Gießen (hess.-darmst.) 95, 153 Gisse, Friedrich, Deckname von Essich 456, 564 Gleichauf, Johann, Vogt in Finzen 91 G m e 1 i n , Magister, erdichtete Gestalt 313 G m e 1 i n, Christian Gottlieb (1750-1823), Professor in Tübingen und Flugschriften­ autor 299 Gobi, S. 94 Godechot, Jacques 229, 244, 260, 261, 264-268, 403, 487 G o e r t z, Johann Eustach Graf von Schlitz, gen. von (1737-1821), preuß. Gesandter in Regensburg und Rastatt 136, 447, 502, 613. 620, 629, 657, 667, 669, 672, 680, 685, 687 G o e r t z, Karl Heinrich Johann Wilhelm Graf von Schlitz, gen. von (1752-1826), sächs. Gesandter in München 31-33, 112, 204, 212, 214, 277, 286 Goethe, Johann Wolfgang von (1749 bis 1832), Dichter XII, 77, 115, 346 Gooch, George Peabody XI Göppingen (württ.) 130, 428 Görres, Joseph (1776-1848), linksrhein. Publizist 368, 558, 559, 707 Gotha (sächs.-gotha.) 87 Gothard, siehe: Gebhard G o t h e i n, Eberhard 53, 56, 83, 84, 86, 88 Gothenburg (Göteborg) (schwed.) 162 Gottenheim (vorderosterr.) 88 Gradmann, Johann Jakob (1750-1817). württ. Pfarrer und Publizist 365, 418, 532 Graf, Max Christoph, Kaufmann in Augs­ burg 162 G r ä ß 1 i n, Vogt in Efringen 124, 125, 384, 392 Graubünden (schweiz.) 180

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Gravenreuth, Karl Ernst Freiherr von (1771-1826), bayer. Gesandter beim fränk. Kreis und in Wien 137 Greiffenegg, von, österr. Resident in der Schweiz 163 Grenier, Paul (1768-1827), franz.General 634 renzacb (bad.) 384, 392, 406 r e t h e r, Vogt in Mappach 198, 384, 398 retschel, Johann Christoph (1766 bis 1830), Publizist und Herausgeber der .Sa­ tirischen Blätter' 570 riechenland 306 rill, Irene Maria Regis 20, 451 r Önin gen (württ.) 130 roJ, franz. General und Adjutant von Augereau 401 r o fj b o 11 w a r (württ.) 330 rof)-Sachsen (pfälz.) 127 rofj-Villars (württ.) 572 ru be, Walter 310,313,315,346,347 ruber, bayer. Gerichtsbeamter 637 üg ling en (württ.) 330 ülich, Jeremias Friedrich (1733-1808), württ. Unternehmer 39 u 11 m a n n, Friedrich Kart Stadtgarde­ hauptmann in Augsburg 75, 76 undelfingen (bayer.) 105 ü n z (bayer.) 206 ünzburg (vorderösterr.) 415, 532, 546 unzenhausen (ansbach-bayreuth.) 115 ünzler, Christian Heinrich (1758-1842), Stadtoberhauptmann in Stuttgart und Re­ gierungsrat 569 ut gerne i n t, Gottlieb, Pseudonym eines konterrevolutionären Flugschriftenautors 144 utscher, Jakob Friedrich (1760-1834), württ. Landschaftsregistrator und Flug­ schriftenautor 316, 428 u y o t, Raymond 152, 163, 164, 166, 177, 178, 180, 216, 375

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äberlin, Karl Friedrich (1756-1808), Staatsrechtler in Helmstedt und Heraus­ geber des .Staatsarchivs' 650 a g e 11 o c h (württ.) 133 ähnle, Konrad, Bäcker in Knittlingen 573

IL Personen- und Ortsregister H ä h n 1 e , Ludwig, Bäcker in Knittlingen 573 H a i n d 1 i n g (bayer.) 451 H a i n z, Johann Georg, Bauer der Hofmark Steinburg 596 Halle (preufi.) XVII Haller, Schuhmacher in Knittlingen 574 Haller, Albert von (1758-1823), helvet. Geschäftsträger in Mailand 475 Haller, Friedrich Konrad, Unternehmer in Ludwigsburg 186, 227, 456, 457, 460 bis 463, 471, 516, 553, 556, 561, 562, 564, 580, 583 Haller, Karl Ludwig von (1768-1854), Publizist 375, 382, 383, 389, 391, 400, 402 Hals (bayer.) 106 Hamburg (Reichsstadt) 162, 178, 423 Hammelburg (fuld.) 274, 275 Hammer, Peter, erdichteter Verlegername 418. 582, 674, 675 Hanau (hess.-kassel.) 423 Hanau-Lichtenberg (hess.-darmst. Grafschaft) 388, 389, 391, 394 Handschuhsheim (pfälz.) 127 H ä n 1 e, Amtsschultheilj in Lahr 384 H ä n 1 e, Georg Friedrich (1763-1824), Apo­ theker in Lahr 384 Hannover (Kurfürstentum) 37, 362 Hansen, Josef 181-183, 356, 359 bis 361, 366-368, 373, 374, 383, 404, 422, 423, 556, 558, 560 Hard, Johann Baptist, pfalzgräfl.-birkenfeld. Hofrat 28 Hardegg, Johann Ignaz Graf von (1772 bis 1848), kaiserl. Major 545, 550, 551 Hardenberg, Karl August Freiherr von (1750-1822), preufj. Minister 4, 70, 81 bis 83, 136, 176, 177, 230, 232-234, 236 bis 240, 250, 286, 296, 437, 438, 465 bis 467, 484, 502, 684 Härlin, Johann Gottfried Benjamin (1749 bis 1830), ulm. Ratskonsulent 418 Harms, Richard 119, 543 Harnier, Heinrich Wilhelm Karl (1767 bis 1823), preufj. Geschäftsträger in Mün­ chen 33, 211, 212, 440, 441, 592, 593. 621, 622 H a r r a n t, Valentin Freiherr von (1761 bis 1834), bad. Major 124, 126 Harsdorf, Sigmund Christoph von (1757-1831), nürnberg. Gesandter beim fränk. Kreis 230, 234-236

II. Personen- und Ortsregister

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Harstall, Adalbert Freiherr von (1796 bis 1814), Bischof von Fulda 277, 286 Harter, Johann Heinrich Samuel (geb. 1766), Vikar in Enzweihingen 918 Hartmann, bad. kevolutionär 384, 398 ärtmann, J. 572, 573, 581 a r t u n g, Fritz 4, 232 a t r y, Jacques Maurice (gest. 1802), franz. General 401, 536 auenstein (vorderösterr.) 120 auff, August Friedrich (gest. 1809), Re­ gierungssekretär in Stuttgart 453, 456, 460, 462, 555, 564 a u f f, Viktor Wilhelm Friedrich (geb. etwa 1772), Bürgermeister in Tübingen und Landtagsmitglied 329, 330, 331, 336, 341, 351, 426, 570 a u g, Eduard 205 a u g w i t z, Christian August Graf von (1752-1831), preufj. Minister 504, 684 a u s e n (hohenzollern-heching.) 90 a u s m a n n , Sebastian 6, 11 a u s m a n n, Wilhelm 206 aussmann, Nicolas (1761-1846), Re­ gierungskommissär bei der franz. Armee 181, 187, 190, 200, 216-218, 220, 221, 225 bis 228, 253, 260. 264, 266 a y m , Rudolf 431 a z z i, Joseph (1768-1845), bayer. Generallandesdirektionsrat 7, 626. 627, 631, 648-650, 652, 675 ébert, Jacques René (1757-1794), Mit­ glied des franz. Konvents 704 e b s a c k (württ.) 318 e ch i ng en (hohenzollem-hechittg.) 90 e c k 1 i n g e n (vorderösterr.) 279 edâ us, Schaffner in Heidelberg 444, 455, 456, 507, 557, 562, 564, 580 e d i n g e n (hohenzollemsigmating.) 282 e g e 1, Georg Wilhelm Friedrich (1770 bis 1831), Philosoph 37, 43, 315, 316. 325 bis 329, 347, 430-432 eggbach (Abtei) 4 e h 1, Christian, württ. Flugschriftenautor 323, 325 Heidelberg (pfâlz.) 81, 84, 93, 127, 154, 189, 396, 454, 455, 508, 540, 543, 548 Heidenheim (württ.) 41, 87, 95, 204, 324 Heidenreich, Georg, Bauer in Theningen 384, 390 40 Süddeutsche Jakobiner

751 H e i g e 1, Karl Theodor von XIII, XIV, 14, 501, 595, 633, 647 -652, 666, 672, 679, 681, 683, 690, 691 Heilbronn (Reichsstadt) 189, 190, 420, 453, 454, 464, 553, 572 Heilmann, Joachim 548, 549, 640, 656, 672 Heimerdingen (württ.) 572, 578 Heine, Heinrich X Heini, Otto 120, 122, 123, 134, 135, 286 H e i n z e n, Karl 8 Heinzmann, Johann Georg (1757-1802), Buchhändler in Bem 417, 418, 476 Heitersheim (vorderösterr.) 287 Held, Hans Heinrich Ludwig von (1769 bis 1842), preuf). Kriegsrat und Publizist 668, 669 H e 1 f e r t, Josef Alexander Freiherr von 476 Heller, Wilhelm Friedrich (geb. 1756), linksrhein. Revolutionär 454 Hellersberg, Karl Sebastian Heller von (1772-1818), bayer. Generallandesdirek­ tionsrat 647, 651 H e 1 m r e i c h , fränk. Revolutionär 163, 230 Helmstedt (braunsckw.-wollenbüttel.) 422 Helvetien siehe: Schweiz Hengsberger, Käthe 454 H e n k i n g , Karl 381, 474 Henneberg-Schleusingen (sächs. Grafschaft) '137, 237 Henning, Nagelschmied in Knittlingen 573 Hennings, August von (1746-1826), Publizist und Herausgeber des .Genius der Zeit' 44 Heppenheim (tnaiiiz.) 539 Herault des Sächelles, Jean Marie (1760-1794), Mitglied des Wohlfahrtsaus­ schusses 182 Herbolzhausen (kohenlohfsch) 436 Herbolzheim (vorderösterr.) 279 Herbolzheim (würzb.) 94, 436 Herbst, Philipp Jakob (gest. 1806), Pfarrer in Steinen 126, 195, 201, 222, 263, 266, 279, 287, 497 Herkules III. (1727-1803), Herzog von Modena 358, 373, 386

752 Hermann, (17 v. d. Ztr. - 19), german. Stammesfürst 157, 545 Hermanns, Will 368 Herr, Joseph, Oberamtsrat in Günzburg 415-419 Herrenberg (württ.) 42, 46, 129, 571 H e r s e , Wilhelm 85 H e r 11 i n g, Johann Friedrich Freiherr von (gest. 1806), bayer. Minister und Hof­ kanzler 20, 31 Hertling, Karl Freiherr von 144, 253, 660 Hertling, Wilhelm Hubert Franz Xaver Freiherr von (1758-1816), Pfleger der bayer. Herrschaft Mindelheim 253, 634, 659 Herzog, Emst Sigmund (1747-1820), bad. Hofrat 52, 207, 282, 284 Herzogenrath, Johann Jakob, Kaufmann in Nürnberg 161 H e s 1 e r, E. F„ Hofrat in Vaihingen und Herausgeber der .Verhandlungen auf dem württembergischen Landtage' 337 Hess, Johann, Bauer in Theningen 384, 390 Hessen siehe: Hessen-Kassel Hessen-Darmstadt (Landgrafschalt) 126, 127, 387, 421, 506, 536 Hessen-Homburg (Landgrafschaft) 174, 535 Hessen-Kassel (Landgrafschaft) 70, 77, 423, 480, 505, 506, 517, 710 Hetzbach (erbach.) 95 Heubach (württ.) 205 Heuchelin, Philipp Christian, Kanzlei­ advokat in Heidenheim und Flugschriften­ autor 204, 324 Heusenstamm (mainz.) 544 H e y m a n n , Johann Friedrich Augustin von (gest. 1801), preufj. General und Gesandter in München 658, 666, 680, 692 Hieronymus (gest. 1416), Reformator und Anhänger von Hus in Prag 23 Hillesheim, Alois Friedrich Wilhelm von (geb. 1756), bayer. Hofkammerrat 593 Hirschau (bayer.) 160 Hirt, Professor in Strafjburg 382, 391 Hochberg (bad.) 53, 55, 144/ 196, 201, 390, 391, 397. 398, 405, 535, 536 Hoche, Lazare (1768-1797), franz. General 356, 357, 359, 360 Hocheisen, Johann Ludwig, Unternehmer in Ulm 416

IL Personen- und Ortsregister

Hochheim (mainz.) 394 Höchst (mainz.) 394, 552 Hockenheim (pfälz.) 127 Hofacker, Ludwig, Stadtschreiber von Nagold und Mitglied des württ. Landschafts­ ausschusses 309, 310, 314-316, 329, 330, 338, 342, 350, 351. 434, 454, 457, 461, 462, 529, 570 Hofer, Johann Baptist von (1759-1838), Gerichtsassessor und Schuldirektor in Rott­ weil 61 Hoff, Karl Ernst Adolf von (1771-1837), Hofrat in Gotha und Flugschriftenautor 87 Hoffmann, Ludwig 10, 450. 627, 647, 649 Hofmann, bayer. Rittmeister 623 Hofmann, Andreas Joseph (1752-1849), Mainzer Jakobiner 152,183, 396, 423, 485 Hohenasperg (württ.) 528, 529. 564, 570, 575, 579, 581, 582 H o h e n b e r g (vorderösterr.) 413 Hohenhausen, Sylvester Joseph Freiherr von (1735-1814), bayer. Generalquartier­ meister 104 Hohenlinden (bayer.) 534, 535, 658, 684 Hohenlohe (Fürstentum) 95, 137, 436 Hohenlohe-Kirchberg (Fürstentum) 107, 366, 436 Hohenlohe-Kirchberg, Christian Friedrich Karl Fürst von (1729-1819), regierender Fürst 107, 436, 437 Hohenlohe-Neuenstein (Fürsten­ tum) 230 Hohenlohe-Öhringen (Fürstentum) 95 Hohenlohe-Waldenburg (Fürsten­ tum) 95 Hohenstadt (reichsritterschaftl.) 205 H oh en th al, Peter Friedrich Graf von (1735-1819), sächs. Gesandter in Regens­ burg 467 Hohenzollern (Fürstentum) 86, 90, 282 Hohenzollern-Hechingen (Fürsten­ tum) 90, 134, 288, 289, 412 Hohenzollern-Hechingen, Her­ mann Friedrich Otto (1748-1810), regieren­ der Fürst 412 Hohenzollern-Hechingen, Joseph Wilhelm (1717-1798), regierender Fürst 90, 288

II. Personen- und Ortsregister

Hohnstadt (erdichteter Ortsname) 570 Hölderlin, Friedrich (1770-1843), Dichter 43, 385, 422, 454 Holl, Johann Leonhard (1748-1634), Syndikus der ulm. Bürgerschaftsrepräsen­ tation 72, 73, 365, 415, 416 Holland (Republik) 101, 172, 258, 340, 366 Höllental (vorderösterr.) 226, 283 Hölzle, Erwin XIV, 35-37, 43, 128, 174, 186, 188-190, 204, 206, 295, 307, 326, 338, 352, 413, 426, 434, 435, 457, 459, 474, 485, 507, 521, 527, 529, 535, 570, 571, 578 Holzmeister, Hofmeister in Wetzlar 153, 154 Homburg (hess.-homburg.) 454 Hompesch-Bollheim, Franz Karl Freiher von (gest. 1800), bayer. Minister 18, 617, 620, 633 Homberg (württ.) 315, 330, 571 H ö s 1 e, Revolutionär im Stift Kempten 91 Hövel, Ludwig Wilhelm Alexander Freiherr von (1746-1829), pfälz. Regierungsvize­ präsident 424 Hoven, Friedrich Wilhelm von (1760 bis 1838), Arzt in Ludwigsburg 484, 485 Hoyer, Christoph, Handlungsgehilfe und bad. Revolutionär 185, 196, 215, 225, 384, 390, 393, 394, 398, 403, 405, 485 Hoyer, Fritz, Handlungsgehilfe und bad. Revolutionär 185, 196 Hoyer, Gustav, Kaufmann in Müllheim 390 Hubacker (straiburg.) 280 Huber, Jakob, Bauer in Aich 22 Huber, Jakob Friedrich, württ. Polizei­ kommissar 457 Huber, Johann Friedrich (1766-1832), Graveur in Basel 498 Huber, Michael, Galerieinspektor und Maler in Schleifjheim 259, 633, 634 Hübner, Ignaz (geb. 1749), Stadtsyndikus in Ingolstadt und Flugschriftenautor 601, 602 Hüffer, Hermann 178, 240, 252, 275, 277, 476 Hugo, Christoph Gottlieb Michael (gest , 1799) bad. Hofrat 390, 395, 396, 400, 485 Höningen (franz.) 218, 260, 264, 265, 283, 285, 486 40*

753 Hurter, Friedrich 182, 183, 185, 222, 382, 384, 393, 401, 403 Hus, Jan (1369-1415), Reformator 23 Hutzelmann, Christian 209, 238, 273 H y r t, Franz Joseph von, ötting.-wallerstein. Hofrat und Oberamtsrat des Damenstifts in Säckingen 285, 541, 542 Ichenheim (bad.) 391 Ihringen (bad.) 535 Iller (Fl.) 205, 534 11 s f e 1 d (württ.) 453 11 z (FI.) 273 Indien 248 Indonesien 35 Ingolstadt (bayer.) 21, 26, 112, 167, 440, 449, 534, 621, 627, 671 Inn (Ft.) 469, 534, 623 Innviertel (österr.) 358 Ionische Inseln (oenetian.) 503 Isar (FI.) 213, 481, 697 Isar (Izard), franz. General und Adjutant von Augereau 391, 401, 402 Isenburg (Fürstentum) 77, 424, 534 Isenburg, Friedrich Wilhelm Fürst von (gest. 1804), bayer. Kriegsratspräsident 33, 171 Isenburg, Wilhelm Karl Prinz von 120, 358 I s n y (Reichsstadt) 282 I st ri en (Venetian.) 355 Italien 238, 355, 358, 374, 376, 377, 379, 387, 440, 481, 560, 565, 657 - Oberitalien 167, 355, 534 Jacobi-Klöst, Constans Philipp Wilhelm Freiherr von (1745-1817), preufj. Gesandter in Rastatt 504 Jage, franz. Gefreiter 259 Jägerschmidt, Emst Alexander, linksrhein. Revolutionär 184, 185, 188, 190, 196, 197, 200, 222-224, 226, 380, 381, 384, 392, 395, 396, 454, 455. 473, 474, 476, 478, 480, 483, 486, 499, 507, 521, 553, 556, 557, 560-562, 564, 567, 568, 643, 707 Jägerschmidt, Karl Friedrich Viktor (1774-1863), Rentkammerrat in Karlsruhe 384 Jahn, Johann Friedrich (gest. 1800), Pro­ fessor in Ludwigsburg und Flugschriften­ autor 323 J e f i m o v , A. W. 246

754 Jena (sachsen-weimar.) 153, 230, 422 Jenlk z BratMc, Jan Voitech Baltazar Ignäc (1756-1845), kaiserl. Oberleutnant bzw. Hauptmann 100, 101, 204, 205 Jerg, Johannes (1767-1838), Bleicher in Ebingen 282, 537 Jesus Christus, bibl. Gestalt 20, 21, 171, 255 Johannes, bibl. Gestalt 171 John, Friedrich (1769-1843), Kupferstecher in Wien Joseph II. (1741-1790), röm.-deutscher Kaiser 83, 84, 86, 91, 107, 120, 512 Jost, bayer. Bauer, dichterische Gestalt 598 Joubert, Barthélemy Catherine (1769 bis 1799), Regierungskommissär bei der franz. Armee 216, 260, 268 Jourdan, Jean Baptiste (1762-1833), franz. General 110, 142, 143, 164, 167, 207, 209, 210, 229, 233-238, 241, 254, 259 bis 261. 267, 270, 273-276, 279, 286, 2B9, 438, 440, 453, 462, 478, 507, 515, 517, 518, 520, 521 542, 555, 591 Jung, Franz Wilhelm (1757-1833), hess.homburg. Hofrat 454 J u r a (Geb.) 255 Jura, fränkischer (Geb.) 272

K a e s e r, Johann Nepomuk von (gest. 1827), Kabinettssekretär von Maximilian IV. Joseph 620,675 Kahn, Rudolf 59 Kairo (türk.) 391 Kaiser, Simon 463, 490, 493, 494 Kaiser, Wilhelm 53 Kaiserstuhl (Geb.) 535 Kalt, P„ trier. Hofkammerrat 423 Kalteherberge (bad.) 196, 222 bis 224, 384, 498 Kalvin, Johann (1509-1564), Reformator 23 Kammerloher, Friseur in München 640 Kämpf, Wilhelm Ludwig, hess.-homburg. Hofrat und Pfleger in Ehlingen 174, 176, 177, 182, 183, 185, 188-190, 384, 393, 401, 403, 452, 454, 457, 459, 461, 473, 478, 507, 520, 702 Kandern (bad.) 143, 185, 390, 398, 408 Kant, Immanuel (1724-1804), Philosoph 43, 458, 613, 677, 699

II. Personen- und Ortsregister Kapf, Johann Wilhelm (1755-1807), Kammerrat in Stuttgart und Flugschriften­ autor 298, 299, 330 K a p h t a, Pseudonym von Friedrich Streim 293, 294, 303, 304, 338 Kappel (strafburg.) 279, 280, 289, 538 Karl der Grobe (742 -814), König der Franken und röm. Kaiser 470, 663, 665, 685 Karl Alexander (1736-1806), Mark­ graf von Ansbach-Bayreuth 93, 232 Karl August (1757-1828), Herzog von Sachsen-Weimar 346 Karl n. Eugen (1728-1793), Herzog von Württemberg 38. 42, 43, 577 Karl Friedrich (1728-1811), Mark­ graf von Baden XV, 51, 53-55, 57, 58, 117, 123, 125, 126, 181, 196, 197. 199 bis 202, 219, 222-224, 262, 266, 392, 398. 406, 407, 457, 485, 499, 508, 511, 513. 519. 521, 525-527, 550, 564, 684 Karl Friedrich Wilhelm (1712 bis 1757), Markgraf von Ansbach 115 Karl Ludwig Johann (1771-1847), Erzherzog und Reichsgeneralfeldmarschall 100, 204, 254, 261, 276, 283, 285-288, 295, 355, 476, 509, 517-519, 525, 528, 535, 537, 539, 541-543, 545, 549-553, 564, 565, 658, 707 Karl Theodor (1724-1799), Kurfürst von Bayern 6, 8. 10, 14-19, 23-25, 27, 29-33, 92, 103-106, 112, 116, 118. 126, 137, 138, 160, 170, 182, 210, 214, 229, 253, 387, 396, 439,-443, 445, 446, 448, 472, 500. 510, 511, 535, 592-596. 598, 621, 665 Karoline (1776-1841), Gemahlin von Maximilian IV. Joseph von Bayern 659 Karlsruhe (DBR) XVI Karlsruhe (bad.) 52, 55, 57, 78, 124, 198-200, 262, 266, 384, 390, 393-395, 397, 399, 405, 406, 412, 464, 526, 553, 698 Kärnten (österr.) 565, 664, 670 Karr, Grete 41 Käsbohrer, Sebastian, erdichtete Gestalt 313, 317, 318, 336 Kassel (hess.-kassel.) 505 K a s 11 (bayer.) 272 Kaufbeuren (Reichsstadt) 113 Kaufering (bayer.) 640 Kaufmann, preufj. Legationssekretär in Regensburg 441

II. Personen- und Ortsregister

Kaufmann, Alexander 43, 496 Kaufmann, Hans X K a u 1 e k, Jean 45 Kaunitz-Rietberg, Wenzeslau« Anton Fürst von (1711-1794), österr. Minister 658 Kautsky, Karl 243, 245 Kehl (bad.) 112, 117, 196, 200, 218, 283, 286, 317, 356, 363, 416, 517, 534, 538 Kembs (tranz.) 197, 198, 200, 224, 225 Kemnath (bayer.) 272 Kempf, Friedrich Anton von, kaiserl. Generalmajor 391, 398, 399, 426 Kempten (Abtei) 90, 91, 106, 207, 366, 413 Kempten (Reichsstadt) 113, 205, 458, 478, 496 Kenzingen (vorderösterr.) 279 Kerchnawe, Hugo 542 Kerner, Andreas Justinus (1786-1862), Dichter 106, 175, 579 Kerner, Christoph Ludwig (gest. 1799), Oberamtmann in Ludwigsburg 105, 133, 175 Kerner, Georg (1770-1812), württ. Revo­ lutionär und franz. Agent 43, 134, 174 bis 176 Kerner, Johann Georg (1752-1804), württ. Landschaftskonsulent 330, 336, 337, 351, 426 Kerner, Karl Friedrich (1775-1840), württ. Leutnant 453 Kiekindiewelt, Hans, erdichtete Ge­ stalt 60 Kienmayer, Buchhändler in Straubing 657 Kiesling, Jean Tobias, Kaufmann in Nürnberg 152, 161-163, 702 Kiesling, Justus Christian, Kaufmann in Nürnberg 161, 702 Kiesling, Karl Gottlieb, Kaufmann in Nürnberg 161, 702 Kindervater, J. Johann, ulm. Revolutionär 453, 508 K i n z i n g (Fl.) 463 Kippenheim (bad.) 117 Kirchberg (hohenlohisch) 436 Kirchbrombach (erbach.) 552 Kirchdorf (bayer.) 282 Kirchensall (hohenlohisch) 95 Kirchenthumbach (bayer.) 272

755 Kirchheim unter Teck (württ.) 41 Kirchheimbolanden (linksrhein.) 384 Kirchner, Werner 422 Kissingen (würzb.) 270 K1 a i b e r, Gastwirt in Kandern 408 Kléber, Jean Baptiste (1753-1800), franz. General 359 Klebing (bayer.) 24 Klein-Almerspan (hohenlohisch) 436 Kleinkems (bad.) 197 KleiservonKleisheim, Joseph, (gest. 1830), fürstenberg. Geheimrat 463, 477 Klocker, Karl (1748-1805), Abt von Benediktbeuren 144, 451 Kluckhohn. August 31, 591, 697 K1 ü p f e 1, Heinrich Immanuel (1758-1823), Mitglied des württ. Landschaftsausschusses 351 Knapp, Theodor 35, 42, 43 8 Knauer, Heinrich 46, 283 Kniebis (württ.) Knigge, Adolf Freiherr von (1752-1796), Publizist 13 Knittlingen (württ.) 129, 571 bis 579, 585 Koblenz (linksrhein.) 366, 374 Koch, Bauer in Welmlingen 384 K o i d 1, Georg Jakob, Kaufmann in Lands­ hut 28 23 K ö 1 b 1, Schreiber in Neuötting Koller, Priester in Altötting 23 Kolmar (tranz.) 91 Köln (linksrhein.) 375, 418, 421, 422, 564, 675 König, Heinrich 264 Königsbach (bad.) 125 Königsberg (preui.) 381 Königsegg-Aulendorf, Ernst Graf von (1755-1803), österr. Gesandter beim schwäb. Kreis 287 Konstantinopel (türk.) 177, 554 Konstanz (Bistum) 4, 144 Konstanz (vorderösterr.) 83, 261,458 Kopenhagen (dän.) 152, 162 Kork (hanau-lichtenberg.) 200, 554 Kornrumpf, Gottfried von, österT. Diplo­ mat 276 K o r t h. Edith XVII Köstlarn (bayer.) 22

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Kotteritz, Thomas Ernst von, sächs, Resi­ dent in Frankfurt a. M. 396, 423, 424, 437, 507, 536, 547, 551, 554 ö t z t i n g (bayer.) 640 r a c a u e r, L. 70, 254, 544 rähwinkel (erdichteter Ortsname) X raus, bayer. Revolutionär 454, 642, 643, 647, 649, 650, 652, 663, 684, 686 rau ter. Gerhard 38,41,42 ray von K r a j o w a, Paul Freiherr von (1735-1804), kaiserl. Feldzeugmeister 534, 553, 635, 637 r a y b u r g (bayer.) 24 r e b s, Alfred 52, 54 reglinger, Posthalter in Emmendingen 384 reuter.B. 8 r e u t n e r, linksrhein. Revolutionär 376, 383, 390, 405 reuznach (linksrhein.) 217 rokowiecky, franz. Of&àer 672 r o n a c h (bamberg.) 531 rotzingen (Dorderôsterr.) 121 rumba ch (vorderôstezr.) 534 rutthofer, linksrhein. Revolutionär 454 -456, 460, 462, 468, 507, 508, 516, 557, 561, 562 übler, Johannes, Maurer und Schweine­ hirt in Murrhard 130 u c z y n s k i, Jürgen 40, 41 ühlungsbergen (oorderösterr.) 121 u h n , Student in Würzburg 154 uks (CSSR) XVI u 1 i s c h e r, Josef 40 ummer, Schreiber in Lörrach 405

Laborde, Henri François de (1764-1833), franz. General 179, 181, 184, 185, 215, 216, 218, 220 La harpe, Frédéric César (1754-1838), Schweizer Revolutionär und Mitglied des helvet. Direktoriums 377-379, 473, 476, 477 Lahn (Fl.) 266 Lahr (nassau-using.) 88, 89, 117, 121, 384, 386, 391, 393 L a i b 1 i n, Deckname von List Georg 404, 474 Lakanal, Joseph (1762-1845), franz. Re­ gierungskommissar im Linksrheinischen 556, 558, 560

IL Personen- und Ortsregister

L a m e z a n, Ferdinand Adrian Freiherr von (1741-1817), pfälz. Regierungsvizekanzler 387 Lamotze, Jasmin, franz. Nationalagent 265 117, 217, 358, Landau (linksrhein.) 359, 704 634, 636, 640 Landsberg (bayer.) 27, 28, 31, 637, Landshut (bayer.) 638, 646, 662, 666. 696 Lang, Amtsschreiber in Maulbronn 314, 315 452, Lang, Kanzleiadvokat in Weilheim 456, 457, 460-462, 564 Lang, Johann Sigmund, Bäcker in Krayburg 24, 25 Lang, Karl Heinrich Ritter von (1764 bis 1835). Publizist XVI, XVII, 7, 531 Lange, Gottlob Christian (1751-1808), Direktor der württ. Kabinettskanzlei 189 Langenbeutingen (hohenlohisch) 95 Lanz, Heinrich, Läufer am Hofe in Karls­ ruhe 200 Laquiante, franz. Diplomat 659 Lareveilläre-Läpeaux, Louis Marie (1753-1824), Mitglied des franz. Direk­ toriums 374 Laroche, Antoine (1757-1831), franz. General 264 L a s s o n, Georg 37 La Terre, Deckname eines der Brüder Gaume 165 Latour, Maximilian Graf de Baillet de (1737-1806), kaiserl. Feldzeugmeister 181, 196, 201 Laube, Adolf XI Laubmann, G. 608 Lauf (nümb.) 62, 63, 236 Lau ff en (württ.) 453 Lauingen (bayer.) 105 Laukhard, Friedrich Christian (1758 bis 1822), Publizist 57 Lausanne (schweiz.) 378 Lau t e rbu r g (franz.) 394 Lebon, André 196 Lebrun, Charles François (1739-1824), franz. Außenminister 160 Lech (Fl.) 462,478,481, 637, 640 Le Chapelier, Isaac René Guy (1754 bis 1794), Mitglied der franz, konstituie' renden Versammlung VIII Ledere, Théophile (1770-1794), franz. Enragé 249

TL Personen- und Ortsregister

Lecourbe, Claude Jacques (1759-1815), franz. General 454, 557 Lefebvre, George 259 Legerle, Nagelschmied in Pforzheim 198 Lehrbach, Ludwig Konrad Graf von (1750-1805), österr. Gesandter in Mün­ chen, Rastatt und beim schwäb. Kreis 161-163, 211, 387, 388, 390, 399, 525, 550, 658 Leiningen (Graischait) 536 Leiningen-Guntersblum, Wilhelm Karl Graf von (1737-1809), bayer. Minister 20 Leipzig (DDR) XI, 6, 9 Leipzig (sächs.) 57. 152, 162, 272, 300, 305, 308, 317, 565, 573, 601 Lendsiedel (hohenlohisch) 436 L e n i n, W. I. VUI. XVI, 244, 246, 247, 711, 712 Lennhoff, Eugen 13 Lenz, Max 262 Leoben (ästen.) 355, 359 Leonberg (württ.) 578 Lerchenfeld-Aham, Baron von, bayer. Freimaurer 28 Leser 152 Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781), Dichter 317 L e t h, Ehrhart von, Hofrat und Kammer­ prokurator in Bruchsal 453, 577, 675 Letourneur, Charles Louis François Honoré (1751-1817), Mitglied des franz. Direktoriums 358 L e u b e, Martin 206, 263 Leu fier, bad. RevolutionAr 185 Lei .erer, Stricker in Neuötting 23 Leutkirch (Reichsstadt) 113 Levai, Jean François (1761-1834), franz. General 538 Leyden, Clemens Wenzeslaus Graf von (1771-1830), bayer. Landschaftsverordneter 628 Lichtenau (haaau-lichtenberg.) 386 Lichtenau (nümb.) 65, 161, 162 Lieb, Kaufmann in Stuttgart 453 Liebenstein, Johann Ludwig Friedrich von (gest. 1824), Landvogt von Hochberg 144, 497 Liebenzell (uriirtt.) 310, 330 Liebknecht, Wilhelm 247 Lienhard, Emst, Schneider in Stuttgart 558

757 Liestal (Schweiz.) 377, 381 Limburg (Craischait) 230 Limburg-Stirum, Damian August Philipp Karl Graf von (1721 — 1797), Fürst­ bischof von Speyer 85, 86, 107, 108, 126, 288, 397 L i n c k, W., linksrhein. RevolutionAr 186, 189, 220, 221. 227, 233. 453, 454, 457. 460, 474, 477, 556 Linda (bayer.) 635 Lindau (Reichsstadt) 182 Lindenfels (pfälz.) 540 Linksrheinisches 163, 250. 356, 358, 360, 367, 368, 384, 398, 420-422, 454, 556, 558. 559, 561, 642. 643, 701. 706, 707 Llpowski, Felix Joseph (1764-1842), Bürgerwehrkommandant in München 648, 681 Lippert, Johann Kaspar von (1724 bis , 1800) bayer. Regierungsrat und Kabinetts­ sekretär 20, 144, 171. 592, 594, 595, 669 Linz (ästen.) 152 List, Albrecht 509 List, Georg Friedrich (geb. 1752), links­ rhein. Revolutionär 176, 177, 181 bis 191, 196, 201, 218-222. 224-227, 230, 233, 372, 376, 380-384, 391, 393, 394, 397, 401, 403, 404, 454, 474, 560-562, 564, 702-704 L o e b e n, Otto Ferdinand Graf von (1741 bis 1804), sächs. Gesandter in Rastatt 475, 508 L o f e r (salzb.) 110 Lohr (mzinz.) 546 Lohrbach (pfälz.) 127 Lombardei 355 London (engt.) 457. 527, 667, 704 Lorädan-Larchey 209, 282 Lorenz, Reinhold 549 Lörrach (bad.) 53, 126, 195, 222, 282, 284, 390, 392, 398, 399, 405, 406, 496, 499, 535, 538, 567 Loss, Johann Adolf Graf von (1731-1811), sächs. Minister 26, 29, 30, 45, 89, 105, 106, 112 Luckwaldt, Friedrich 178, 240, 252 Ludwig, bad. Landkommissar 185, 392 Ludwig, Theodor 51, 52. 54, 55 Ludwig XIV. (1638-1715), König von Frankreich X

758 Ludwig XVI. (1754-1793), König von Frankreich 22. 23, 26, 108, 177, 347, 395, 658, 694 Ludwig Eugen (1731-1795), Herzog von Württemberg 44, 45, 47, 48, 105, 106, 118, 122, 128-131, 133-135, 138, 173-176, 295 Ludwigsburg (DBR) XVI Ludwigsburg (württ.) 40, 47, 105, 106, 133, 186, 190, 298, 311, 323, 333, 453, 461, 485, 507, 553, 561, 574, 585 Lunéville (franz.) 87, 541, 685, 689 Lütge, Friedrich 7, 8, 10-12 Lüthardt Samuel Friedrich (1767-1823), helvet. Gesandter in Paris 473 Luxemburg, Rosa 247 Luzern (Schweiz.) 163, 474, 497

Macchiavelli, Niccolo (1469-1527), florentin. Staatsmann 625 Mack, Oberamtsverweser in Lindenfels 540 Mack, Joseph 111, 660 M a c k 1 o t, Hofbuchhändler in Karlsruhe 56 M i de wei fj, Johann Georg von, preufj. Gesandter in Stuttgart und beim schwäb. Kreis 47, 48, 50, 106, 129, 132, 135, 204, 207, 341, 348, 350, 412, 427, 459, 464, 476, 535, 564, 571, 573, 578 M a e n n e r, Ludwig XIV, 6, 9, 10, 13, 22, 675 Magg, Klemens (1762-1824), Platanajor in München 656 M a h 1 b e r g (bad.) 3, 55, 117, 196, 391, 536, 553 Mähren (österr.) 482 Maier, linksrhein. Revolutionär, wahr­ scheinlich identisch mit Müller alias Meyer alias Fahrländer 381, 383, 392-395, 404, 454, 473, 478, 480, 486, 498, 557. 562 Mailand (österr.) 670 Main (Ft.) 88, 273, 286, 368, 381, 449, 464, 469, 481, 482, 543, 547, 646, 657 Mainz (Erzbistum) 22, 77, 85, 118, 119, 531, 534, 536, 540, 541, 543, 544, 546-548, 551, 552 Mainz (linksrhein.) 21, 103, 112, 156, 159, 358, 359, 363, 366, 375, 382, 383, 388, 418, 419, 421, 422, 428, 429. 454 bis 456, 461, 485, 543, 547, 554, 556, 560, 567, 581, 582, 644, 703

II. Personen- und Ortsregister

Mainz (DBR) XII Mainzer Republik 474, 700 Majer, Johann Christoph (1741-1821), Professor in Tübingen und Flugschriften­ autor 297-299 Malezewsky, Generalkontrolleur bei der franz. Armee 659 Mailet du Pan, Jacques (1749-1800), franz. Publizist 242 Malta (Johanniter-Orden) 503 Mandelsloh, Ulrich Leberecht Freiherr Von (1760-1827), württ. Geheimer Rat 576, 578 Manfred, A. S. 245 Manfredini, Federigo Marchese di (1743 bis 1829), kaiserl. General und toskan. Mi­ nister 658 Mangin, Jean François Xavier (1766 bis , 1801) franz. General 456, 557, 561, 562, 567, Mannheim (pfälz.) 81, 84, 89, 112, 118, 127, 143, 154, 190, 217, 283, 396, 397, 424, 425, 454, 456, 512, 516, 517, 539, 543, 548, 561, 577 Männlich, Johann Christian (1740 -1822), Galeriedirektor in München 650-652, 679, 684, 690, 691 Mantua (österr.) 355, 379 Mappach (bad.) 185, 198, 384, 398 Marat, Jean Paul (1744-1793), Mitglied des franz. Konvents 331 Marbach (württ.) 330 Marceau, François Séverin (1769-1796), franz. General 359 M a r e n g o (sardin.) 534, 565 Maria Anna (1722-1790), Witwe des Herzogs Clemens von Bayern 607 Maria Feodorowna (1759-1828), Gemahlin des rass. Zaren Paul I. 527 Maria Theresia (1717-1780), röm.deutsche Kaiserin 83 Marie Therese (1772-1807), Gemahlin des Kaisers Franz II. 658 Markgröningen (württ.) 130 M ä r k 1 i n, Jakob Friedrich (geb. 1771), Magister in Stuttgart und Flugschriften­ autor 307-309, 351 Marktbreit (schwarzenberg.) 467 Marquartstein (bayer.) 640 Marteau, Pierre siehe: Hammer, Peter Marx, Karl VII. VTH, 3, 5, 8, 10, 51, 52, 150, 202, 243, 244, 248, 249, 699, 700, 704

II. Personen- und Ortsregister Masséna, André (1754-1817), franz. General 514, 533. 534, 560 Mathiez, Albert 242, 243, 245, 259, 360 Mauerbrecher, Deckname von Krutthofer 454, 507, 561 Maulbronn (württ.) 133, 314, 571, 572, 578 Maus, H., Oberamtsschreiber in Lohrbach 127 Maximilian in.. Joseph (1727 bis 1777), Kurfürst von Bayern 592 Maximilian IV., Joseph (1756 bis 1825), Kurfürst von Pfalz-Bayern 7, 510, 511, 518, 529, 530, 591-596, 599, 601, 604, 608, 610, 612-617, 619-626, 628, 629, 632, 639-641, 643. 645-647. 650-652, 654-663, 665, 666, 669, 671, 673, 675 bis 678, 680, 682, 684, 688-691, 693, 694, 697, 701 Mazarin, Jules (1602-1661), Kardinal und Minister Ludwigs XIV. 647 Mechel, Christian von (1737-1817), Kupferstecher in Basel 498 Mecklenburg (Herzogtum) 251 Medicus, bad. Major 143 Mehring, Franz 347, 432 Mehring, Gebhard 105, 636 Meier, Emanuel (1746-1817), bad. Ge­ heimer Rat 198, 201 Meier, Gottlob Heinrich, Oberamtsassessor in Lörrach 222, 496, 497 M é 1 a c, Ezéchiel Comte de (gest. 1709), franz. General 105 Mellrichstadt (urärzhj 276 Memmingen (Reichsstadt) 113, 205, 416, 534 Menard, Jean François Xavier (1756 bis 1831), franz. General 377, 378, 380 M e n g a u d, Antoine (1750-1818), franz. Gesandter in der Schweiz 380, 381, 507 Men g au d, François Xavier (1752-1830), franz. General 225, 226 M e n g o 11 i, Francesco (1749 -1830), ital. Ökonom 607 Mergentheim (Hoch- und Deutsch­ meister-Orden) 552 Merk, Gustav 207 Merklingen (ulm.) 415 Merkur, röm. Gott 658 i0 Süddeutsche Jakobiner

759 Merlin de Douai, Philippe Antoine (1761-1838), Mitglied des franz. Direk­ toriums 251, 502, 509, 517, 520, 536 Merlin de Thionville, Antoine Christophe(1762-1833), Mitglied des franz. Konvents 251 Merseburg (DDR) XVI M e r v e 1 d t, Maximilian Graf von (1764 bis 1815), kaiserl. General 553 Metternich, Matthias (1741-1825), Mainzer Jakobiner 183, 368, 383, 423 Metternich-Winneburg, Franz Georg Karl Graf von (1746-1818), kaiserl. Bevollmächtigter in Rastatt 273, 276, 382, 386, 389, 399-401, 404, 509, 518. 519 Metternich-Winneburg, Klemens Wenzeslaus Lothar Graf von (1773-1859), Bevollmächtigter der westfäL Grafenbank in Rastatt 142, 705 Metternich-Winneburg, Richard Fürst von 142 Metz, Student in Würzburg 154 Meyenfeld, Ludwig, Mainzer Jakobiner 183 Meyer, Christian 7, 82, 83, 230, 233, 595, 613 Meyer, Karl, Pseudonym von Fahrländer 480 Michael, Wolfgang 226, 263 Michel, Andri 242 Michelbach (hohenlohisch) 95 Michelbacher, Melchior, Bauer in Steinkirchen 436 Michelstadt (erbach.) 552 M i e g , Kirchenrat in Heidelberg 453 M i e g, Friedrich Heinrich, Stabsamtmann in Dettingen 574, 575, 581 Mietingen (heggbach.) 4 Miller, Gottlieb Dietrich (geb. 1753), ulm. Ratskonsulent 416 Miller, Max 40 Miltenberg (mainz.) 271 M i n c i o (Fl.) 534 Mindelheim (bayer.) 106, 107, 134, 144, 204, 253, 282, 634, 659 M i n u c c i, Franz Xaver Graf von (1767 bis 1812), bayer. Major 18 Mittel-Eschenbach (ansb.-bayreuth.) 531 Möckmühl (württ.) 129,322 M ö g 1 i n g e n (württ.) 130

760 Mohrhard, Johann, Kaufmann in Nürn­ berg 161 Mömpelgard (linksrhein.) 169 Montarlot, P. 504, 514, 517, 518, 520, 537 Montesquieu, Charles de Secondât Baron de (1689-1755), franz. Rechtsphilo­ soph und Publizist 74, 365 Montgelas, Ludwig Graf von 210, 530 Montgelas, Maximilian Karl Joseph Frei­ herr von (1759-1838), bayer. Minister 7, 9, 210, 450, 592, 594, 595, 597, 599, 600, 605, 606, 608, 609, 617, 620, 621-623, 632, 633, 643, 645, 646, 675, 676, 683, 689 bis 691, 695, 696 Moreau, Jean Victor (1763-1813), franz. General 110, 111, 142-144, 167, 178, 181, 190, 204, 215-218, 221, 223, 225, 226, 229, 233, 241, 242, 252-254, 259, 261, 263. 264, 266, 279-281, 283, 285, 286, 289, 295, 356, 358, 371, 372, 393, 439, 440, 533, 534, 565, 566, 569-572, 578-580, 585, 634, 635, 643, 647, 649, 651, 657, 659, 660, 664, 667, 670, 674, 679-684, 686, 688-690, 708 Mosbach (ptälz.) 127 M o s b u r g /bayer.) 22 Mosel (Fl.) 227, 422 Moses, biblische Gestalt 67 Moskau (UdSSR) 247 M o s k a u (russ.) 64 Mofjdorf, August (1758-1843), Mainzer Jakobiner 183 M ö s s n e r, linksrhein. Emissär 455 Mukensturm (erdichteter Ortsname) 336 Müller, linksrhein. Revolutionär, wahr­ scheinlich identisch mit Maier alias Meyer alias Fahrender 381, 383 Müller, Oberamtmann und Unternehmer in Sulz 38, 39 Müller, Edler von, Kaufmann und links­ rhein. Revolutionär 381 Müller, Friedrich von (1779-1849), sächs.weimar. Geheimrat und Kanzler 240 M ü 11 e r, J. G., Pseudonym von Bärenstecher 416, 417, 453, 473, 474, 477 Müller, Jacques Léonard (1749-1824), franz. General 543, 548 Müller, Johannes von (1752-1809), Schweizer Historiker 205, 381, 420, 425 Müller, Johann Georg (1759-1819), Schul­ mann in Schaffhausen 205, 420, 425

II. Personen- und Ortsregister Müller, Johann Ludwig (geb. etwa 1772), Kanzleiadvokat in Sulz 452, 453, 557, 561, 564 Müllheim (bad.) 184, 185, 196, 197, 223, 390, 498, 568 München (DBR) XV, XVI München (bayer.) XII, XIV, 6, 7, 10, 11, 16, 19, 20, 25, 27-29, 31, 33-35, 45, 89, 102, 118, 144, 162, 163, 166, 167, 212, 213, 275, 281, 282, 424, 443, 454, 455, 468-470, 500, 511, 517, 518, 534, 548, 549, 591, 592, 595, 596, 607, 608, 613, 620-623, 626, 633-637, 639, 641, 642, 644, 646, 648-650, 652, 653, 656-662, 666, 667, 671-673, 679-681, 683, 684, 686, 687, 689-693, 697 Münchingen (uifirlt.) 130 M u n c k e r, Franz 22 Mungelsheim (bad.) 285 M ü n i c h, Friedrich 623 Münster (münster.) 361 Münster, Ferdinand Anton Friedrich Joseph Maria Freiherr von (geb. 1751), fuldaischer Geheimrat und Oberamtmann in Fürsteneck 270 Münsterthal (vorderösten.) 88 Murr (württ.) 280 Murrhard (württ.) 130 Muser, Bauer in Auggen 384, 398 Muser, Jagdinspektor in Müllheim 185 M u s s i n a n , Joseph Anton Edler von (1766-1837), Regierungsrat im Rentamt Burghausen 24, 25, 595 Nagold (württ.) 129, 309, 310, 314, 315, 330, 338 Napoleon, siehe: Bonaparte Nassau (Grafschaft) 534, 536 Neapel (Königreich) 319, 515 Neckar (Fl.) 546, 558 Nellenburg (vorderösterr.) 498 Nero, (37-68), röm. Kaiser 432 Neubronn (reichsritterschaftl.) 203, 280, 312 Neuburg (bayer. Herzogtum) 3, 5, 105, 170, 606, 611, 623, 666 Neuchâtel (Fürstentum) 455 Neuenbürg (württ.) 310, 330 Neuenstein (hohenlohisch) 95 Neuenstein, Leopold Freiherr von (1768-1846), Besitzer von Schloß Rodeck bei Kappel 538 N e u f f e r, württ. Kanzleiadvokat 453

II. Personen- und Ortsregister Neukirchen (pfälz.) 540 Neumann, Kar! Friedrich 454, 642, 647, 649, 650, 663, 684, 686, 690 Neumarkt (buyer.) 272 Neumühl (hanau-lichtenberg.) 391 Neuötting (bayer.) 23-25 274, 276 Neustadt (tuürzb.) 86, 397 Neuthard (speyer.) Neuwied (vied.) 356 Ney, Michel (1769-1815), franz. General 547 Nicolai, Ferdinand Friedrich Freiherr von (1730-1814), württ. Kriegsratspräsident 122, 134, 571, 573, 574, 576 Nicolai, Friedrich Christoph (1733-1811), Buchhändler und Publizist in Berlin 7, 36, 38, 40, 42, 60, 85 Nicola, franz. Gefreiter 259 Nidda (FI.) 356 Niederlande (österr.) 101, 123, 150, 210, 245, 355 Niederrade (frankiurt.) 547 Niederschönthal (Schweiz.) 185. 454, 553 Niederwern (würzb.) 270 N i 1 (Fl.) 594 N i m i s , Johann Georg Norbert (geb. 1754), Mainer Jakobiner 152 N o h 1, Herman 329 Nördlingen (Reichsstadt) 58, 78, 79, 131, 366 N o r m a n n, Philipp Christian Friedrich von (1756-1817), württ. Regierungsrat, Hof­ richter und Vizepräsident 48, 528, 529, 535, 584 N o u t a r y, Jean 73, 581 N ü b 1 i n g , Theordor Ulrich (geb. 1766), Buchhändler in Ulm und Herausgeber des .Ulmisehen Bürgerfreundes' 365 Nürnberg (Reichsstadt) XIV, 4, 60-64, 66-71, 74, 75, 80, 93, 103. 114, 138, 152, 160-164, 166, 189, 208, 232, 234, 235, 239, 240, 272, 424, 437, 438, 465, 466, 484, 659, 684 Nürtingen (württ.) 314 N u 61 o c h (pfälz.) 577

Oberachern (Straßburg.) 538 Oberdorf (augsburg.) 413 Oberkamp, Joseph Philipp Ritter von, bamberg. Gesandter beim frank. Kreis 234 Oberkirch (straßburg.) 121, 538 60*

761 Obermann, Karl XVII, 43 O b e r n b u r g (mainz.) 274 Oberndorff, Franz Albert Leopold Graf von (gest. 1799), pfälz. Minister 18,126, 127 Oberpfalz (bayer.) 3, 5-7, 94, 116, 118, 119, 160, 229, 271-273, 289, 606, 659, 671 O b s e r, Karl XIII, XV, 46, 51, 111, 178, 181-188, 196, 199, 225, 226, 295, 376, 381-384, 388, 390, 393. 394, 397-400, 403-405, 407, 474 Ochs, Peter (1752-1821), Oberzunftmeister in Basel und Mitglied des helvet. Direk­ toriums 377, 379, 380, 465, 473, 474, 497 Ochsenburg (württ.) 330 Odenwald (Geb.) 273, 276, 464, 539, 544, 546, 553 Oelbronn (württ.) 572 Oelsner, Konrad Engelbert (1764—1828), diplomat. Unterhändler von Frankfurt a. M. 254-256 Oestrei ch, Gerhard 346 Offenbach (mainz.) 534 Offenburg (Reichsstadt) 393. 394 Öfter dinger, Ludwig Friedrich, Kauf­ mann in Stuttgart 453, 456, 461, 564, 580 Ohrdruf (sächs.-gotha.) 78 O m p t e d a, Dietrich Heinrich Ludwig Frei­ herr von (1746-1803). engl. und hannov. Gesandter in Regensburg 176, 177 Oppenheim (pfälz.) 217 Ortenau (vorderösterr.) 83, 88, 120, 283, 386, 391, 399, 536, 545, 550, 551 Österreich (Erzherzogtum) 59, 81, 100, 101, 103-105, 108 115, 120, 128, 136, 176, 210, 211, 214, 215, 240, 241, 250, 251, 254-256, 271, 272, 286-288, 295, 351, 355, 358-361, 363, 377, 399, 439, 440, 457, 458, 468-470, 480-482, 503-505, 508-510, 512, 513, 515, 516, 518, 525, 526, 529-531, 534, 537, 545, 549, 550, 554, 556, 559, 584, 585, 591, 593-595, 617, 622, 638, 655, 656, 659, 660, 663 bis 665, 671, 673, 674, 680, 684, 685, 703, 708, 710 Ostertag, Johann Jakob, Kanzleiadvokat in Stuttgart und Flugschriftenautor 324 O s t r a c h (hohenzoll.) 518 Otto, Friedrich 219, 242, 468, 534

762 Otto HL (1261-1312), Herzog von Nieder­ bayern 444 O w, Anton Freiherr von 32, 34 Paganel, Pierre (1745 -1826), General­ sekretär des franz. Außenministeriums 459, 506 Pahl, Johann Gottfried (1768-1839), Pfarrer in Neubronn und Publizist 130, 131, 134, 144, 203-206, 259, 262-264, 280, 297, 312, 313, 316, 317, 326, 327, 345, 346, 349, 366, 496, 520, 533, 538, 546, 565, 566, 580 Paine, Thomas (1737-1809), engL-amerikan. Publizist 660 PalackJ, Franz 591 Pallain.G. 362.401 Pal lauf, Brauer in Neuötting 23-26 Palmström, dichterische Gestalt Christian Morgensterns XIV Panzer, Georg Wolfgang (1729-1805), bayer. Landschaftsarchivar 448, 449 Panzhaaf, Hans Willibald, erdichtete Ge­ stalt 318 Pappenheim (reichritterschaUl.) 648 Paris (franz.) XVI, 49, 50, 80, 91, 113, 142, 152, 159, 161, 167. 174-176, 178, 180, 183-185, 189, 197, 211, 219, 221, 224, 226, 228, 239, 240, 254, 262, 263, 284, 351-353, 358, 361, 366, 367, 369, 370, 373-375, 377-380, 383, 392, 400, 401, 403, 416, 417, 422, 424, 426, 434, 435, 439, 453, 457, 459, 463, 464, 466, 469, 472. 473, 475-478, 502, 511, 518, 519. 526, 528, 529, 533, 535, 558, 569, 571, 574, 579, 613, 642, 694, 707, 709 Parrot, Johann Leonhard, württ. Regie­ rungsrat und Flugschriftenautor 189, 190, 300 Parsdorf (bayer.) 534 Passau (Bistum) 106, 441 Passau (pass.) 162 Paul I. (1754-1801), Zar von Rußland 525, 527, 530, 531, 545, 610, 621 P a u 1 i e r, Victor 565 Paulus. Heinrich Eberhard Gottlob (1761 bis 1851), Professor in Jena 422 Pelkhoven, Johann Nepomuk Freiherr von (1763-1830), Regierungsrat in Strau­ bing und Flugschriftenautor 449, 602 bis 605, 614

IL Personen- und Ortsregister Pelletier, Christian Leopold, Leutnant der schwäb. Kreistruppen 453, 456, 507, 508, 557, 564 P e 11 z e r , Johann Tillmann von (1739 bis 1798), kurköln. Geheimer Rat 275, 277 P e n a s s e, Kar) Friedrich von (1773-1846), württ. Oberleutnant 453, 455, 456, 460 bis 463, 475, 507, 508, 516, 556-560, 562 bis 564, 580, 583 Perpignan (franz.) 401-403 Perregeaux, Alphonse Claude Charles Bemardin (1750-1808), franz. Bankier 533 Perret, Claude Camille (geb. 1769), Sekre­ tär Bonapartes in Rastatt 422 Perrin, Adjutant des franz. Generals Tuncq 264 Petersburg (russ.) 435, 527, 622 Petersen, Karl Ludwig (1746-1827), Mainzer Jakobiner 454 Petrasch, Franz Freiherr von, kaiserl. Feldmarschall-Leutnant 283 Pfaff, Johann Friedrich (1765-1825), Pro­ fessor in Helmstedt 422 Pfaffenhofen (bayer.) 212, 254, 440, 472, 636 Pfalz, (bayer.) 19, 81, 84, 85, 88, 89, 112, 119, 126, 134, 186, 189, 190, 281, 387, 396, 424, 425, 464, 513, 539, 548, 704 Pfalz-Zweibrücken (Herzogtum) 477, 506, 510 Pfister, Albert 44-46, 50, 118, 119, 128, 129, 131, 132, 134, 227 Pforzheim (bad.) 125, 497, 582 Pfullingen (württ.) 330 P f u n d e r, Ludwig, Gastwirt in Grenzach 384, 392, 393, 398, 404, 408 Philippsburg (speyer.) 280, 281, 288, 424, 485, 534, 671 Philo, Pseudonym eines württ.' Flugschriftenautors 330, 331 Picard, Ernest 565 Pichegru, Charles (1761-1804), franz. General 176, 177, 183, 357, 358, 369 Piemont (sardin.) 355 Pillnitz (sächs.) 80 P i n g a u d, L. 504. 514, 517, 518, 520, 537 Pinzgau (Salzburg.) 107, 110 Pitt, William der Jüngere (1759-1806), engl. Minister 623 Pius VI. (1717-1799), Papst 595 Platzer, Hanns 12

II. Personen- und Ortsregister Plochingen (württ.) 452 P o (Fl.) 534 Polen (Republik) 17, 59, 63, 145, 504 Pommier (gest. 1800) franz. Kriegskom­ missär 565, 566 Popp, Alois, Student in Würzburg 94, 153-155, 157, 160, 173, 702, 703, 713 Portugal (Königreich) 401 Poschinger, Johann Martin von (geb. 1738), bayer. Hofkammerrat 213 P o s s e 11, Ernst Ludwig (1763-1804), Publi­ zist und Herausgeber der .Europäischen Annalen' und der .Neuesten Weltkunde' 326, 384, 395, 417 P o t e r a t, Pierre Claude Marquis de (1740 bis 1808), franz. Agent XIII, 177-181, 183-186, 188, 190, 191, 196, 216-218, 221, 226, 242, 252 Prag (CSSR) XVI, 23 Prasse, Max 57 Preiswerck, Nikolaus, Kaufmann in Basel 182, 186, 381 Preufjen (Königreich) 37, 59, 80-82, 100, 101, 136, 137, 145, 163, 230, 232, 233, 236, 239-241, 246, 247, 250, 251, 255 bis 257, 286-288, 359, 361, 363, 424, 438, 468, 469, 481, 502-505, 510, 516-519, 525, 529, 530, 558. 560, 561, 583, 585, 662, 673, 709, 710 P r e y s i n g. Maximilian Graf von (1736 bis 1829), Mitglied der bayer. Landschafts­ verordnung 211, 449, 451 Prinz, Johannes 35 P r o b s t, V., franz, Emissär 152, 161 bis 163 Prœsamlé, Jean Frédéric (geb. 1762), strafjburg. Jakobiner 257 Rabenau, Karl W. Freiherr von, Komtur des Hoch- und Deutschmeisterordens 543, 544 Rabiosus, Anselmus, erdichtete Gestalt 6, 60, 78, 87 Raith (württ.) 572 R a 11, Hans 442 Rändel, Johann Adolph Friedrich (1738 bis 1793), Statistiker 4, 40 Ranke, Leopold von 138 Rapp, Georg 8, 271 Rastatt (bad.) XVm, 124, 198-200, 225, 352, 359, 361-363, 375, 377, 382, 385, 386, 392, 394, 395, 397, 399-403, 411, 414 bis 420, 422, 425, 426, 433-435, 440, 441,

763 454, 457, 459, 465, 468, 472, 475, 477, 478, 485, 486, 498, 499, 501-510, 512, 513, 516 bis 518, 520, 521, 536, 539-541, 543, 553, 579, 659, 707 Rauch, Moritz von 38 Raumer, Friedrich von, 650 Rauri s (Salzburg.) 110 Ravensburg (Reichsstadt) 113, 207 Rebmann, Andreas Georg Friedrich (1768 bis 1824), revolutionärer Publizist XI. 60-62, 69, 70, 85, 93, 142, 366, 367, 369 bis 373, 375, 378-380, 385, 402, 420-423, 454, 582, 705 Rechbergund Rothenlöwen, Franz Xaver Alois Graf von (1761-1849), Ge­ sandter Pfalz-Zweibrückens in Regensburg und Rastatt 477, 484, 510 Rechtsrheinisches 217, 221, 250, 254, 265, 280, 366-368, 375, 384, 390, 393, 402, 404, 405, 472, 473 Reden, Franz Ludwig Wilhelm Graf von (1754-1831), Gesandter Hannovers und Bremens in Rastatt 362 Re der, Ignaz (1746-1796), Arzt in Mell­ richstadt 276, 277 Regensburg (Reichsstadt) XVI, 4, 20, 60, 77, 137, 156, 161-163, 166, 176, 211, 363, 440-442, 447, 451, 455, 465, 467, 468. 483, 517, 520, 526, 527, 534, 609, 613, 620, 634, 657, 659, 672, 684, 696 Regnier, Claude Ambroise (1736-1814), franz. General 221, 223 Rehberg, August Wilhelm (1757-1836), hannov. konterrevolutionärer Publizist 348 R e h f u e s, Philipp Joseph von (1779-1843), Schriftsteller und ehemal. Tübinger Stipen­ diat 43, 263, 496 R e h f u s, Kaufmann in Ebingen 453 Rehm, linksrhein. Revolutionär 454 R e i b e 1 d, Ignaz Freiherr von (1746-1810), pfälz. Regierungspräsident 548, 549 Reibell l'Ainä, franz. Agent 163, 164, 166, 229, 238, 239, 258 Reich 3, 86, 136, 138, 160, 211, 235, 241, 250, 251, 253-257, 285, 293, 346, 355, 356, 358, 359, 361-363, 366, 367, 415, 443, 450, 470, 479, 501, 508, 510, 511, 516, 517, 531, 534, 537, 540, 541, 544, 553, 579, 618, 624, 670, 689, 696, 709, 710 Reichard, Heinrich August Ottokar (1751 bis 1828), konterrev. Publizist 208

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Reichel, Johann Jakob (geb. 1749), Kauf­ mann in Nürnberg 161 Reichenbach, Georg (1772-1826), bayer. Ingenieur 608 Reichenbach (taürti.) 310, 314, 315, 330 eichenhall (bayer.) 26, 110, 640 eichlin-Meldegg, Castolus Freiherr von (1743-1804), Fürstabt von Kempten 90, 91, 106, 207 e i m a n n, Posthalter von der Kaltenher­ berge 384 einhardstöttner, Karl von 7, 9, 12 einhardt, Karl Friedrich (1761-1837), franz. Diplomat und Außenminister württ. Herkunft 556 eitzenstein, Sigismund Karl Johann Freiherr von (1766—1847), bad. Gesandter in Paris 195, 223, 226, 407, 408, 478, 486, 508, 511, 513, 514, 518, 525, 526, 569 e m 1 i n g , Franz Xaver 281, 425 e m 1 o w, Deckname des Bäckermeisters Vollmer 455 e m s (Fl.) 205 euch (Fl.) 279, 280, 283 e n d 1 e r, Joseph (geb. 1737), ehemal. Weltpriester im Amt Blumegg 91, 92 e u b e 11, Jean François Baptist (1747 bis 1807), Mitglied des franz. Direktoriums 152, 180, 183, 197, 229, 374, 375, 377, 401, 462, 508, 512, 556 eutlingen (Reichsstadt) 365, 366, 414, 416, 453, 532 e y n a u d, M. Jean 251 eynier, Jean Louis Ebenezer (1771 bis 1814), franz. General 264 Rhein (Fl.) 4, 21, 43, 55, 77, 86-88, 107, 111, 112, 121, 126, 127, 131, 138, 142, 144, 156, 158, 181, 196, 200, 201, 204, 209, 210, 217, 221, 227, 228, 255, 259, 261, 267, 283, 285, 355, 356, 359, 361, 367, 368, 370, 379, 382, 385, 386, 388, 389, 393, 394, 404, 422, 449, 450, 452, 455, 456, 462, 469, 470, 479, 481, 485, 507, 517, 518, 521, 525, 534, 535, 538, 543, 558, 622, 642-644, 657, 687, 700, 702, 704, 708, 710 - Mittelrhein (Fl.) 383 - Niederrhein 167,221,383,402, 560 - Oberrhein XIII, 57, 117, 118, 120, 122, 151, 167, 179, 190, 196, 201 bis 204, 215, 217, 219, 221, 226, 228, 229, 241,

IL Personen- und Ortsregister

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242, 253, 256, 263, 280, 285, 293, 364, 383, 384, 389, 396, 398, 401, 402, 408, 411, 420, 452, 458, 464, 485, 521, 567, 643, 672, 702, 704, 705, 707, 708 - Rheinufer 101, 117, 118, 122, 126, 143, 150, 156, 183, 210, 218, 231, 245, 250, 260, 265, 284, 286, 356, 358-362, 366 bis 368, 374, 381, 383, 384, 386 - 388, 394, 400, 402, 404, 421-424, 454, 456, 482. 483, 500, 501, 579 Rhein-Mosel-Departement (linksrhein.) 558 Rheinbach (littksrhein.) 359 Rheinfelden (vorderösterr.) 120, 285, 399 R h e i n g a u (mainz.) 553 Rheinhausen (speyer.) 485 Rheinviertel (vorgerösterr.) 542 - Oberrheinviertel (vorderSsterr.) 121 Rhode genannt R h o d i u s auf Gnadenegg, Philipp Franz Joseph Ritter von (geb. 1757), Schwarzenberg. Regierungsdirektor 163. 164, 230, 231, 233-235, 238, 239, 241, 466, 467. 553 Rhön (Geb.) 270, 271, 273, 274, 276, 278, 279 Richelieu, Armand Jean Duplessis Duc de (1585-1642), Kardinal und Minister Ludwigs Xm. 457 Richter, Friedrich 206 Riede, Hugo 41 Riem, Andreas (1749-1807), revolutionärer Publizist 423 Ritay, Jean Marie (1761-1819), franz. General 646, 667, 680 Rivals, Louis Marc, franz. Gesandter in Kassel 50, 56, 80, 160, 161, 252, 505 Roberjot, Claude (1753-1799), franz. Ge­ sandter in Rastatt 477, 504, 505, 510, 513. 517, 518, 520, 536, 537 Robespierre, Maximilian Marie Isidor (1758-1794), Mitglied des Wohlfahrtsaus­ schusses 151, 152, 158, 159, 161, 182, 243-245, 331, 681, 704 Rochelle (geb. etwa 1765), franz. Kriegs­ kommissar 650-652, 673, 679, 680,683, 690 R o d e c k (straljburg.) 538 Rodt, Maximilian Christoph Freiherr von (1717-1800), Fürstbischof von Konstanz 474

IL Personen- und Ortsregister

Roggenbach, Adam Franz Xaver Frei­ herr von (1751-1830), Landvogt von Mahl­ berg 553 Rohan-Guémené, Louis Reni de (1734 bis 1803). Bischof von Strasburg 250 Rohrbach (pfälz.) 271, 577 Rolf, Albert 512 Roll, Obstkrämer in Strafjburg 382 Roller, Schulprovisor in Knittlingen 574 bis 57S Rom (Republik) 306 R O s a 1 i n O, Student in Würzburg 154 Rosenfeld (württ.) 129 Rosenkranz, Karl 432 Rosenstiel, Charles Henri (gest. 1825), franz. Gesandtschaftssekretär in Rastatt 400, 459, 502, 506, 513, 514 Rosenzweig, Franz 328, 430 Rofjbühl (Geb.) 280 Rostock (mecklenburg.) 305 Roth. Benjamin Heinrich (gest. 1816). Kammerkonsulent und Oberamtsassessor in Lörrach 381, 412, 486. 496-499, 538, 567, 568 Rothenbücher, Karl 118, 543, 546. 547, 551 Rothenburg (Reichsstadt) 78, 112 Rothenfels (bad.) 397 Rott, Jakob, Münchener Bürger 623, 636, 637, 641, 649, 666, 681 Rottalmünster (bayer.) 22 Rotteck, Karl von (1775-1840), Student und Professor in Freiburg 385 Rütteln (bad.) 52, 57, 123, 125, 126, 144, 195, 196, 198, 222, 265, 398, 399, 405, 407, 408, 536, 568 Rottenburg (vorderösterr.) 412 Rottenkolber, Joseph 91, 106, 207 Rottmanner, Simon (1740-1813), bayer. Reformschriftsteller 9, 11, 168, 169, 449, 450-452, 597-599, 625, 647 Rottweil (Reichsstadt) 61 Rousseau, Jean Jacques (1712-1778), franz. Philosoph 43, 302 Roux, Jacques (1752-1794), Führer der Enragés 249 Rübsamen, Kaufmann in Strafjburg 382 Rudi er. Francisque Joseph (1757-1837), franz. Regierungskommissar im Linksrhei­ nischen 383, 420, 422 Rufer. Alfred 376, 381, 473, 475-477, 480 Rumford, Benjamin Thompson Graf von (1753-1814), bayer. General 17. 20, 28

765 R ü m m e I i n, Johann Christian Friedrich (gest. 1803), Kanzleiadvokat in Stuttgart und Flugschriftenautor 311, 312 Rummelshausen (erdichtetet Ortsname) 318 R u o f f, Friedrich 87 Rußland (Kaiserreich) 59, 100, 202, 503, 504, 515, 530, 534, 709-711 Rust (reichsritterschaitL) 117, 391 Saale (Fl.) 274, 276 Saalfelden (Salzburg.) 110 Sachsen (Kurfürstentum) 214, 237, 396. 480, 483, 700 Sachsen, Clemens Wenzel Prinz von (1739-1812), Erzbischof und Kurfürst von Trier, Bischof von Augsburg und Propst von Ellwangen 90, 545 Sachsen-Koburg-Saalfeld, Fried­ rich Josias Prinz von (1737-1815), kaiserl. Generalfeldmarschall 102, 137-141, 554 Sachsen-Tesches, Albert Kasimir Herzog von (1738-1822), Reichsgeneral­ feldmarschall 125 Sachsenheim (württ.) 330 Säckingen (vorderösterr.) 541 Sailer, Peter, Schwaiger in Gergolting 34 Saint-Cyr, Laurent Gouvion (1764 bis 1830), franz. General 375, 403 S a 1 a b e r t, Abbä Pierre de Tholey de, pfalzzweibrückenscher Minister 651, 690, 691 Salat, Jakob (1766-1851), Pfarrer und Professor in München 641-643 Sallwerk, Student in Würzburg 154 Salzach (Fl.) 534 Salzburg (Erzbistum) 6, 107, 108, 111, 358, 359, 565, 659, 660, 684, 685 Salzburg (Salzburg.) 110, 162, 575, 57e Sandoz-Rollin, David Alfons Freiherr von (1740-1809), preufj. Gesandter in Paris 177, 184, 232, 239 - 241, 251, 260, 373 bis 375, 400, 401, 502, 503, 508, 509, 511, 512, 519, 529, 553 Sankt Bernhard (Geb.) 534 Sankt Blasien (vorderösterr.) 57, 83, 91, 392, 397 Sankt Emmeram (Kloster in Regens­ burg) 451 Sankt Georgen (württ.) 571 Sankt Gotthard (Geb.) 644

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S a r a s i n, Lukas (1730-1802), Unternehmer in Basel 381 a r d i n i e n (Königreich) 515 asbach (strafiburg.) 538 a u e r, Eberhard 22 au rau, Franz Joseph von (1760-1832), österr. Minister 658 ausenberg (bad.) 52 a u 11 e r, Guido 228 c h a d e, Bortenmacher in Eßlingen 508 chaf f hausen (Schweiz.) 57,91,162, 175, 205, 284, 412, 420, 473, 534 c h a n z, Georg 82, 450 chauffier, Dreher in Stuttgart 461, 558 chaumburg, von, kaiserl. Oberst und Festungskommandant von Ulm 418 cheinfeld (schwarzenberg.) 467 ehe!er, Eugen von (gest. 1847), württ. Leutnant 317 c h e 11, Erwin 86 chelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1775-1854), Philosoph 43, 422 c h e n k, Revolutionär in Lörrach 568 cherb, Marc Antoine Elisée (1747-1838), franz. General 280, 281, 283 ch er er, Ferdinand Gerhard von, pfalz.bayer. Oberst 127 chill er, Friedrich (1759-1805), Dichter XI, 43, 271, 484, 595, 66B c h 1 e i c h, Franz Xaver Freiherr von (geb. 1763), bayer. Kämmerer 28 c h 1 e i ß h é i m (bayer.) 259, 634 ch1 esi en 80, 482 chlettwein, Johann August (1731 bis 1802), bad. Rentkammerrat und Physiokrat 52, 54 c h 1 e z e r, Valentin, Hofmeister in Wetzlar 154 c h 11 c k, Heinrich 84 chl i e rb a ch (württ.) 336 chlierbach, Martin von, erdichtete Ge­ stalt 336 chlotterbeck. Johann Friedrich (1765 bis 1840), württ. Hofdichter 105 chmall, Brauer in Neuötting 23-26 chmelzle, Hans 6, 8-10, 13 chmidlin, vorderösterr. Polizeidirektor 398, 532 Schmidt, Gebrüder, linksrhein. Revo­ lutionäre 381, 393, 454 Schmit thenn er, Adolf 126, 195, 201, 222, 263, 266, 279, 287, 497, 538

IL Personen- und Ortsregister Schneckenburger, Johann Jakob (geb. etwa 1773), Konditor und Spezereihändler in Tuttlingen 453, 455, 464 Schneidawind, Franz Joseph Adolf 272, 274, 276 Schneider, Eulogius (eigentl. Johann Georg) (1756-1794), öffentlicher Ankläger im Departement Niederrhein 23 Schneider, Franz Xaver Freiherr von (1757-1827), pfalz-bayer. Geheimer Rat 20 Schön, Theodor 528 Schott. Karl August Heinrich (1768-1807), württ. Kanzleiadvokat und Flugschriften­ autor 305 Schrauth, J. B. 272 Schriesheim (piälz.) 127 Schubart, Christian Friedrich Daniel (1739-1791), Dichter und Herausgeber der .Deutschen Chronik' * 43. 675 Schuegraf, J. R. 636 S e h fl 1 e, Johann Heinrich von (1756-1804), Unternehmer in Augsburg 41, 59, 60, 75 Schulenburg, Friedrich Wilhelm Graf von der (1742-1815), preuß. Minister 423, 502 Schulmeister, Karl Ludwig (1770 bis 1853), Kaufmann in Straßburg 382 Schultze, Johann XVII Schulz, August (1764-1827), preuß. Le­ gationssekretär in München 15, 27, 30, 33, 34, 134 Schulz, Hans 422 Schumacher, Gerichtsschreiber in Knitt­ lingen 572, 573, 575, 578, 579 Schumacher, Handlungsgehilfe in Straß­ burg 382, 391, 405 Schuß, Freiherr von, bayer. Hofmarksherr 596. 597, 599, 623 Schuster, Peter, ansbach-bayreuth. Le­ gationsrat 438 Schuttern (bad.) 117, 388 Schwab, Johann Christoph (1745-1821), Geheimsekretär des Herzogs Ludwig Eugen von Württ. 45, 50, 131, 132, 175 Schwabach (ansb.-bayreuth.) 81, 266, 465, 466 Schwaben (Reichskreis) 3-5. 7, 31, 45, 61, 71, 73, 76, 90, 106-108, 118, 119, 131, 134, 135, 142, 144, 167, 174. 176 bis 178, 186, 190, 203-205, 207. 209, 210, 215, 227-229, 238, 239, 253, 256, 257, 262,

IL Personen- und Ortsregister 284. 286. 287. 294. 297, 303, 350, 365, 366, 388, 393. 396, 411, 413, 417-420, 435, 436, 453-456, 458, 463. 464. 473-480, 482. 483, 498, 500, 507-509, 511, 514, 519, 520, 526, 532, 537. 538, 546, 550, 551, 553, 556, 557, 560, 561, 563-566, 570, 580, 634-636, 642, 644, 648, 660, 663-665, 670, 672, 674, 675, 684, 685, 705 - 708 - Niederschwaben 419 Oberschwaben 83, 87, 206. 392, 411, 413, 419, 455, 704 Schwabhausen (bayer.) 634 Schwabing (bayer.) 637 Schwäbisch-Hall (Reichsstadt) 135 Schwäbisch-Österreich (vordetösterr.) 81, 91, 458, 552 Schwan, J. G., Arzt in Strasburg 375, 381, 382, 391, 401, 404 Schwand (bad.) 123 Schwarz, Glashändler in Strasburg 382, 386, 391 Schwarz, Johann Konrad, württ. Revo­ lutionär 572-578, 581 Sch wa r zach (bad.) 536 Schwarzenberg (Fürstentum) 94, 102, 230, 233, 235, 466, 553 Schwarzenberg, Joseph Johann Först von (1769-1833), regierender Fürst 231 Schwarzenberg, Karl Philipp Fürst von (1771-1820), kaiserl. Generalmajor 541, 549 Schwarzes Meer 481 Schwarz wald (Geb.) 40,55, 57, 151, 178, 186, 196, 283-285, 322, 387, 539, 542, 545 Schweinfurt (Reichsstadt) 79, 80, 233, 234, 270, 273 Schweiz (Eidgenossenschaft) 7, 29, 45, 91, 128, 150, 151, 162, 163, 166, 181, 182, 184, 196, 224, 283, 340, 372, 376-381, 384, 387, 393, 394, 398, 402, 404, 407, 408, 411, 412, 417, 422, 428, 454, 455. 461-464, 473 bis 481, 483, 485-487, 492, 493, 498, 507, 522, 543, 545, 556, 557, 560, 562, 565, 643, 644, 660, 687, 706, 707 Schwibertingen (württ.) 131 Sechter, Johann Freiherr von, kaiserl. Oberst und Kommandant von Ehrenbreit­ stein 368 Seckendorff, Alexander Friedrich Wil­ helm Freiherr von (geb. 1743), kaiserl. Generalfeldwachtmeister 57

767 Seckendorff, Christoph Albrecht Frei­ herr von (1748-1834), württ. und stellv, bad. Gesandter in Regensburg 483, 499 Seeger, Tabakfabrikant in Ulm 416 S e e h a u s (Schwarzenberg.) 102 Seelbach (hohengeroldseck.) 117 Seida und Landensberg, Franz Eugen Freiherr von (1772-1826), Ober­ richter in Augsburg 287, 539 Seilern und Aspang, Joseph Johann Graf von (1752-1838), österr. Gesandter in Regensburg und München 595, 621, 691 S e i t z e r, Johann Friedrich, Webermeister in Ulm 72, 73 Selz (tinksrhein.) 394 Sergent, Antoine Francois (1751-1847), Gehilfe von Poterat 180 Seubert, Unternehmer in Urach 38, 576, 578 Seubert, Johann Karl Ludwig, Oberamt­ mann von Maulbronn 572, 573 Seuffert, Franz Ludwig Johann Michael (1765-1829), Würzburg. Hofkanzler 544 Seyfried, Seidenstrumpfstricker in Mün­ chen 32, 33 Sieg (FI.) 266 Sieyis, Emanuel Joseph (1748-1836), franz. Gesandter in Berlin und Direk­ toriumsmitglied 251, 256, 331, 474, 479, 504, 505, 511, 515, 516, 556, 558, 613, 626 S i g o w s k y, von, kaiserl. Hauptmann 112 Simbschen, Joseph Anton Freiherr von (1746-1820), kaiserl. Feldmarschall-Leut­ nant 553 Sinai (Geb.) 421 Sinclair, Isaac von (1781-1815), hess.homburg. Regierungsrat 422, 454, 459, 507 Sindelfingen (württ.) 310, 330, 571 Sindringen (hohenlohiseh) 95 Skai, Johann Ferdinand Ritter von, kaiserl. Oberst und Kommandant der Festung Philippsburg 280, 281, 288 Smith, Adam (1723-1790), engl. Ökonom 607 So boul, Albert 244, 245 So eher, Joseph (1755-1834), Pfarrer in Oberhaching und Prof, in Landshut 598, 613

768 Soden, Friedrich Heinrich Julius Graf von (1754-1831), ansb.-bayreuth. Gesandter beim fränk. Kreis 63, 68, 69, 93, 114, 115, 138, 208, 210, 235, 265-267, 271, 273, 274, 277 Solms (Gralschatt) 75 Solms-Laubach, Friedrich Ludwig Christian Graf von (1769-1822), Reichshofrat in Wien und regierender Graf 119, 358, 501 Solms-Rödelheim, Friedrich Karl Ludwig Volrat (1762-1818), regierender Graf 120 S o r e 1, Albert 252, 361 Souham, Joseph (1760-1837), franz. General 576, 577 Soult, Nicolas Jean (1769-1851), franz. General 258 Spartagus, erdichtete Gestalt 331 Speidel, Christian Friedrich (1759-1808), württ. Kanzleiadvokat und Flugschriften­ autor 325 Spessart (Geb.) 271, 273, 274, 276, 278, 279, 544, 546 Speyer (Bistum) 85, 86, 88, 107, 280, 288, 289, 397, 425, 485, 577 Speyer (linksrhein.) 163, 183, 383, 404, 485 Spittler, Heinrich Aaron (geb. 1754), Oberamtmann in Beilstein und Flugschrif­ tenautor 298 Spittler, Ludwig Thimotheus (1752 bis 1810), württ. Geheimer Rat 307 Staader, Joseph Freiherr von (1738 bis 1808), Reichsgeneralfeldmarschall-Leutnant 117, 399, 404, 435, 473 Stadion, Friedrich Lothar Franz Graf von (1761-1811), Würzburg. Gesandter in Ra­ statt 362 StadtamHof (bayer.) 7 Stahl, Wolfgang 607 Stalin, J.W. Vm, 111 Stamm, Daniel (gest 1799), Mainzer Jako­ biner 367, 382, 383 Stampf, Obsthändler in Strasburg 382, 391, 405 Stapf er, Philipp Albert (1766-1840), helvet. Gesandtschaftsekretär in Paris 473, 474, 480, 537 S t a r z e 1 n (hohenzollern-htching.) 90 Stauffenberg (bad.) 536

II. Personen- und Ortsregister Steeb, Elias Gottfried, Professor in Tübin­ gen und Landtagsabgeordneter 296, 300, 314, 315, 329, 330 Steeb, Johann Heinrich (1745-1799), Schäfereiverwalter in Tübingen 298 Steiermark (österr.) 355, 565, 664 Steiff, Karl 105,636 Steiglehnen, Cölestin (1738-1819). Fürstabt zu St. Emmeram in Regensburg 20, 451 Stein (bad.) 125 Steinau, Posthalter von der Kaltenher­ berge 384 Steinauer, Vogt in Brombach 384 S t e i n b a ch (bad.) 199 Steinberger, Gerichtsprokurator in Mosburg 22 Steinburg (buyer.) 596, 623 Steinen (bad.) 126, 195, 201, 222, 263, 266, 287, 497 Steiner, Gustav 380 Steinkirchen (hohenlokisch) 436 Steinkopf, Johann Friedrich (1771 bis 1852), Antiquar in Stuttgart 453 Steinwachs, Otto 6, 15, 16, 35, 211, 213, 442, 596, 600, 602, 604, 606. 611. 614, 628, 633 Stendal (pteu§.) 7, 8 Stengel, Stephan Christian Franz Niko­ laus Freiherr von (1750-1822), bayer. Oberlandesregierungsvizekanzler 29,30, 34 Stephani, Heinrich (1761-1850), castellscher Konsistorialrat 163, 164, 230 Stern, Alfred XI Sternberg, Kaspar Maria Graf von (1761-1838), Domkapitular in Regensburg 591 Stetten, Eberhard Ludwig Maximilian Freiherr von (1764-1838), bad. Oberforst­ meister 143, 392 Stettin (pteuß.) 7 S t e u b e , Christoph Erdmann von, hess.kassel. Gesandter irr Rastatt 505 S t i e d a, W. 7 Stockach (vorderisterr.) 283,518,521, 525, 534-536, 542, 555, 591 Stockholm (schwed.) 346 Stockmayer, Friedrich Amandus der Altere (1731-1813), württ. Landschafts­ advokat 37, 38, 313, 329, 527, 529, 570, 584 Stoll, Kaufmann in Heilbronn 453

II. Personen- und Ortsregister

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Stoll, Franz Xaver (gest. 1826), Pfarrer in Abensberg 636 trahlheim, Carl 209 traßburg (Bistum) 86, 88, 538, 545, 663 traßburg (kam.) 23, 43, 117, 118, 152, 220, 221, 226, 227, 260, 265, 279, 356, 376, 381-383, 385, 387-389, 391, 393, 394, 399, 401, 403-405, 413, 417, 472, 520, 560, 578, 692 traubing (bayer.) 31, 112, 597, 602, 603, 657, 666 t r a u fj, Amtsvogt in Fürth im Odenwald 540 t r e c k e r, Johann Ludwig, hess.-darmstädt. Gesandter in Rastatt 386 trei m, Friedrich (geb. 1750), Apotheker in Nagold und Flugschriftenautor 293, 303, 336 t reim, Karl, württ. Leutnant 453, 564, 580 t r e i s a n d, Joachim 246 trick van Linschoten, Paulus Hu­ bert Adrian Jan (gest. 1819), batav. Gesand­ ter in Stuttgart 459 t r i c k 1 e r, Johann 463, 490, 493, 494 t r o b e 1, Johann Baptist, Buchhändler in München 648, 661, 672, 691 t r 6 h 1 i n , hanau-lichtenberg. Amtsschaff­ ner 389, 390 tromberg (Geb.) 133 tühlingen (türstenberg.) 207 t u m p f, Johann, Bürstenbinder in Mün­ chen 32, 33, 596 Stuttgart(DBR) XVI Stuttgart (württ.) 23, 37, 40, 44, 46-49, 130 162, 174, 175, 177, 186, 189, 190, 227, 287, 296, 298-300, 302, 307, 308, 312, 315-317, 321, 324, 327, 330, 336, 341, 351, 384, 391, 411, 425-427, 432, 453-455, 457-459, 461, 463. 464, 474, 476, 478, 485, 486, 506-509, 517, 535, 545, 553, 557, 561, 562, 564, 569, 573 bis 576, 578, 579, 581, 706 Südafrika 35 Sulz (württ.) 38, 39, 41, 453. 546, 557, 571 Sulzbach (bayer. Herzogtum) 3, 170, 271, 606 S u m e r a u, Joseph Thaddäus Freiherr von (gest. 1817), vorderösterr. Regierungspräsi­ dent 120-123, 125, 126, 135, 144, 279, 287, 388, 398, 399, 413, 532, 546, 553

769 Süssheim, Karl 59, 61, 70, 81, 136, 162, 232, 238, 484 Suter, Johann Rudoph (1766-1827), Depu­ tierter im helvet. Großen Rat 474, 477, 556 Sutter, Altvogt in Auggen 497 Suworow, Alexander Wassiljewitsch Fürst von (1730-1800), russ. Generalfeldmar­ schall 533, 621 Szen-Keresty, Siegmund Freiherr von (1745-1823), kaiserl. General 546, 553 Sztarray, Anton Graf von (1740-1808), kaiserl. General 543

Talleyrand-Pärigord, Charles Mau­ rice (1754-1838), franz. Außenminister 361, 362, 401, 435, 457, 464, 468. 478, 479, 498, 499, 503-505, 511-514, 516-519, 529, 534, 556, 706, 709 Tannenkirch (bad.) 57, 384, 398 Tanner, Bauer in Tannenkirch 384, 398 Tarreau, Jean Victor (1767-1812), franz. General 282, 565 Tattenbach, Joseph Ferdinand Graf von (gest. 1802), bayer. Minister und Oberst­ hofmeister 20, 171 Teichenbach (württ.) 571 Teil, Wilhelm, Schweizer Sagengestalt 379 T h e n g e n (auetsperg.) 282 Theningen (bad.) 52, 376, 384, 390, 393 T h 6 r e m i n , Karl Wilhelm, franz. Agent 152, 457-464, 473, 474, 479, 480, 498, 506, 508, 528, 699, 706 T h e u s s, Friedrich Ludwig Wilhelm (geb. 1764), Stadtschreiber in Waiblingen und Flugschriftenautor 312 Thierrens (Schweiz.) 377 T h u g u t, Johann Amadeus Franz de Paula Freiherr von (1736-1818), österr. Minister 161-163, 177, 184, 211, 288, 388, 530, 658 Thun, Leopold Leonhard Raimund Philipp Graf von (1748-1826), Fürstbischof von Passau 441 T h ü r a u f, Ulrich 82, 93 Thurgau (schweiz.) 377 Thumdorf (bayer.) 272 T i b e r i u s (43 V. d. Ztr. - 37), röm. Kaiser 432 Tirol (österr.) 32, 112, 165, 180, 469, 659, 660, 664, 670, 684, 685

770 Topinot-Lebrun, François Jean Bap­ tiste (1769-1801), Sekretär von Bassal und Poterat 180 Törring-Gronsfeld, Johann August Graf von (1753-1826), bayer. Minister und Generallandesdirektionspräsident 628, 675, 684 Traun (Fl.) 534 T r a un s t e i n (bayer.) 640 T r a u p e 1, Student in Würzburg 154 Trausnitz (bayer.) 28 Ti ebon (CSSR) XVI T r e f z, Karl Benjamin (geb. 1754), Offizial bei der Umgeldadministration in Stuttgart 298-300, 457 Treilhard, Jean Baptiste (1742-1810), franz. Gesandter in Rastatt 501, 503, 511, 514 T r i v a, Johann Nepomuk Joseph Florian von (1755-1827), bayer. Oberst 485 Troeltsch, Georg Christian Freiherr von (1731-1813), Bürgermeister von Nörd­ lingen 79 Troeltsch, Walter 40 Troia 58 Trouvé, Charles Joseph (1768-1860), franz. Gesandter in Stuttgart 478, 506, 507, 517 Tscharner, Johann Baptist (1751-1835), helvet. Regierungsstatthalter des Kantons Bern 474 Tscharner, Karl Ludwig Salomon (1754-1841), Professor in Bern 411 Tübingen (württ.) 133, 154, 206, 227, 262, 296-299, 314, 329, 330, 458 T u i s k o , germ. Gott 667 T u n c q , franz. General 264 Türkei (Sultanat) 177, 515 Türkheim (bayer.) 634 Tuttlingen (württ.) 41, 48, 49, 340, 453, 455, 557 T y s k a , Karl von 7-10

Udine (Venetian.) 373 Uhde, Hermann 208 Ulbricht, Walter 712, 713 U1 m (Reichsstadt) 4, 59, 61, 71-75, 80, 95, 103, 189, 205, 06, 227, 287, 364, 365, 415-420. 425, 453, 455, 456, 458. 468, 476, 507, 508, 534, 553, 564, 635, 671 U1 m a n n, Heinrich 176, 177 Umstadt (piälz.) 127 Ungarn (österr.) 664

IL Personen- und Ortsregister Union der Sozialistischen So­ wjetrepubliken 246 Untergrombach (speyer.) 283 U p s a 1 a (schwed.) 85, 385 Urach (württ.) 38, 40, 313 Urfahrer, Ferdinand Maria, Kammer­ schreiber bei Lerchenfeld-Aham 28 Usteri, Paulus (1768-1831), Schweizer Publizist 476 Utzschneider, Joseph (1763-1840), bayer. Referendar in Landschaftssachen XIV, 607-618, 620, 623, 625, 627-629, 631-633, 645, 648, 650-652, 673, 675, 678, 679, 683, 684, 690, 691

Vaihingen (württ.) 129, 572 Vaillant, Pierre, Oberkriegskommissär bei der franz. Armee 535 Valjavec, Fritz X, 89 Vandamme, Dominique René (1771 bis 1830), franz. General 264, 565 Varnbühler, Ferdinand Friedrich Gott­ lob von (1774-1830), württ. Major und Flugschriftenautor 142 Vecsay von Hajnäcskeö, Siegbert Freiherr von (1739-1802), kaiserl. Feld­ marschall-Leutnant 123, 125 V e 11 z é, Alois 542 Vendée (Irans.) 279, 280, 288 Venedig (venetian.) 358, 405, 667 Venetien (Republik) 355 Vereinigte Staaten von Amerika X Vergennes, Charles Gravier Comte de (1719-1787), franz. Minister 177 V i e r e g g, Matthaeus Calorus Graf von (geb. etwa 1725), bayer. Minister 20, 105, 134, 138, 170, 214 Villingen (vorderösterr.) 83 Vischer, Friedrich Ferdinand (geb. 1760), Stadt- und Amtspfleger in Altensteig und Flugschriftenautor 299 V o e g t, Hedwig 60, 114, 115 V O e 1 c k e r, Heinrich 77 Vogtland (sächs.) 208 Volkmuth, Student in Würzburg 154 Vollmer, linksrhein. Revolutionär und Bäckermeister 455, 560 Vollmer, Gottfried Dietrich Leberecht (1768-1815), Verleger in Mainz 582 Vorarlberg (vorderösterr.) 463

IL Personen- und Ortsregister

.3

3

*

33

3 3 3 3 '3 3 3 3 3 3 3

333

333

Vorderösterreich (österr.) 81, 83, 120, 122, 123, 125, 144, 201, 287, 397, 399, 551, 565 Vreede, George Guillaume 176, 351, 434, 478, 508, 514, 540, 581, 583 Waadtland (schweiz. Kanton) 377, 378, 380 Wachter, Student in Würzburg 154 Wächter, Karl Eberhard (1746-1825), württ. Regierungsrat 574, 575 Wagner, Leonhard, Schweiz. Sergeant 497 a h 1, Hans 346 ai b 1 i n g e n (württ.) 311,313 aitz von Eschen, Friedrich Sigmund Freiherr von (1745-1808), hess.-kassel. Minister 505 a 1 c h, Albert 9 aldangelloch (württ.) 317 alderdorff, Phillipp Franz Wilderich Nepomuk Graf von (1739-1810), Bischof von Speyer 425, 577 a ld k i r ch (vorderösterr.) 552 aldsassen (bayer.) 659 a 1 d s e e (vorderösterr.) 113 aid shut (vorderösterr.) 284, 285, 411 aldstädte (vorderösterr.) 284, 498 a 1 d u 1 m (Straßburg.) 538 a 11 i s (schweiz. Kanton) 487, 644 Unter-Wallis (schweiz.) 377 alter, württ. Leutnant 453 a r i n (bad.) 125 a r s c h a u (poln.) 312 artensleben, Wilhem Ludwig Gustav Graf von (1734-1798), kaiserl. General­ feldzeugmeister 261 a t e r 1 o o (belg.) 580 e b e r, Jakob, Bauer in Knittlingen 573 e c h s 1 e r, Christoph Heinrich, Kaufmann in Ulm 227, 453, 556, 564 e c k e r 1 i n. Ferdinand August Heinrich (1767-1828), württ. Rentkammerrat und Flugschriftenautor 299 e d e k i n d, Georg Christian Gottlieb (1761-1831), Mainzer Jakobiner 183, 383, 401, 454 e e c h, Friedrich von 52, 200 e i b e r sb r u n n (mainz.) 546 e i c h s , Joseph Maria Freiherr von (1756-1819), Vizepräsident der Oberlan­ desregierung in München 31, 661

771 Weidenbach, Bürgermeister von Lörrach 392, 393 Weilheim (württ.) 452 Weiltingen (württ.) 569 Weinbach, Freiherr von,kaiserl.Kammer­ gerichtsrat in Wetzlar 154 Weingarten (pfälz.) 283 Weinheim (pfälz.) 539, 540 Weisenstein (bad.) 124 Weishaupt, Adam (1748-1830), Gründer des Illuminatenordens 13, 167, 422, 603 Weitnauer, Alfred 205 Wekhrlin, Wilhelm Ludwig (1739 bis 1792), Publizist 6, 7, 13, 43, 58-60, 78, 82, 87 Weiden, Joseph Karl 'von, Oberamtmann in Mainberg 285 W e 1 m 1 i n g e n (bad.) 384 Welzheim (württ.) 205 Wendland, Wilhelm 117-119, 121, 124, 127, 134, 136-138 Wertheim (Grafschaft) 230 Wertheimer, Eduard 541, 565 W e r y , Franz, Perückenmacher in München 32, 33, 596 Westenrieder, Lorenz (1748-1829), bayer. Historiker 6, 9, 31, 171, 213, 591, 595, 648, 669, 697 Westerheim (bayer.) 206 W e s t f al e n (köln.) 251, 480 Wetterspach (bad.) 143 Wetzlar (Reichsstadt) 153, 154, 157, 360, 436, 539, 703, 713 W i b b e k i n g , württ. Leutnant 453 Wickham, William (1761-1840), engl. Gesandter in der Schweiz 196, 242 Widmann, Student in Würzburg 154 Widmann, Hans 107, 111 535 Wied (Grafschaft) Wieland, Johann Ulrich, Syndikus in Landshut 28 Wien (österr.) 73, 107, 108, 138, 177, 178, 196, 230, 240, 242, 295, 319, 355, 381. 425, 435, 436, 466, 503, 526-528, 537, 565, 580, 582, 593, 621, 622, 642, 643, 658, 664, 670, 684, 691 Wiese (Fl.) 537 Wiesensteig (bdyer.) 134 Wiesloch (pfälz.) 540 Wildbad (württ.) 310, 330 W i 1 d b e r g (württ.) 106, 129, 310. 315. 330, 433

772 Wilhelm IX. (1743-1821), Landgraf von Hessen-Kassel 58, 252, 254, 505, 511 Wilhelmsbad (hess.-kassel.) 58 W i 11 s t ä d t (hanau-Uchtenberg.) 121, 375, 382, 386, 391 Win del band, Wolfgang 51,52 Windsheim (Reichsstadt) 421 Winkelmann Konrad, Mainzer Jako­ biner 183 Wi n n en den (württ.) 330,426,427 Winterer, Lorenz, Gastwirt in Kappel 538 Wintterlin 37-39, 41 Wirth, Josef 271 Witt, Philipp, RevierjAger im Spessart 276 Wittenbach, Hofmeister in Wetzlar 153 W i x, Pfarrer in Feuerbach 185, 384 W o h 1 w i 11, Adolf 134, 174, 175 Wolf, von, württ. Oberstleutnant 133 Wolf, Georg Jacob 6, 7, 213, 591 Wöllwarth, Karl Ludwig Georg Freiherr von (1750-1832), württ. Geheimer Rat 527 Worms (linksrhein.) 366, 421, 454 W ö r n e r i n , Stuttgarter Bürgerin 455 Woyda, Karl (1771-1846), franz. Haupt­ mann poln. Herkunft und Publizist 565-567 W r a s k y, Nadeschda von 375 W r a t i s 1 a w, Graf von, kaiserl. Rittmeister 273 Wrede, Karl Philipp von (1767-1838), bayer. Oberst 548-550 W u r m s e r, Dagobert Sigismund Graf von (1724-1797), kaiserl. Feldmarschall-Leutnant 117 Wurstsak, erdichtete Gestalt 313 Württemberg (Herzogtum) XIV, 3, 4, 35-46, 50, 51, 53, 54, 73, 80, 87, 105, 106, 118, 127, 128, 130-132, 134, 137, 138, 142, 144, 151, 154, 173, 174, 176, 177, 183, 190, 202, 203, 206, 207, 227, 253. 254, 287, 293-300, 303, 308-310, 312 bis 328, 330-334, 337. 342, 344-347, 349 bis 352, 364, 380, 384, 389, 413, 414 416, 417, 425-430, 432, 433, 435, 436, 452, 459, 464, 468, 470-472, 475, 478, 483-486, 496, 499, 500, 506-508, 521, 530. 532, 536, 538, 548, 550, 557, 563, 569-572, 574, 580, 581, 584, 585, 643, 685, 701, 704, 710 Würzburg (Bistum) 4, 85, 94, 137, 145, 362, 469, 544, 552, 553

IL Personen- und Ortsregister

W.ürzburg (würzburg.) 94, 153, 154, 209, 234, 238, 271, 273, 274, 532, 554, 703, 713 Xylander. Anton (gest. Leutnant 623

1849), bayer.

Y b e r g (bad.) 124, 143, 536 Ypsilon (erdichteter Ortsname)

313

Zaisersweiher (württ.) 314 Z a n g 1, Drucker in München 648 Zapf, Georg Wilhelm (1747-1810), hohenlohischer Hofrat und Flugschriftenautor 78 Z fi s s 1 i n, Unternehmer in Niederschönthal 395 Zavel st ein (württ.) 330 Zeissberg, Heinrich Ritter von 100, 161-163 Zeller, Johann Friedrich, Kanzleiadvokat in Stuttgart 298, 308, 309, 453, 456, 460, 555, 564 Z e 11 n e r, Urs Peter Joseph Ludwig (1765-1830), helvet. Geschäftsträger in Paris 473, 478 Zentner, Friedrich Freiherr von (1752 bis 1835), bayer. Geheimer Rat 387, 633 Zeppelin, Johann Karl Graf von (1767 bis 1801), württ. Minister und Präsident des Geheimen Rats 509, 527, 528, 557 Zeus, griech. Gott 449 Zillertal (Salzburg.) 109, 110 Zimmermann, Aloys, Mainzer Jakobiner 383 Zimmermann, Friedrich, Bauer in Theningen 384, 390 Zimmermann, Fritz 6, 605 Zimmermann, Karl 532 Zirngibl, Roman (1740-1816), Propst in Haindling 20, 451 Z i u c c i, Emidio, Nuntius in München 443 Z o e p f 1, Friedrich 107 Zuflucht, Johann Georg, Gerichtsschult­ heiß in Kork 200, 554 Zürich (schweiz.) 454, 455, 533 Zwanziger, Friedrich Adolph von (1745 bis 1800), castellscher Gesandter beim fränk. Kreis 163, 164, 229-231, 233, 234, 237-241, 256, 465-468, 702 Zwanziger, Karl Hermann 93, 164, 230 Z w i n g e nbe rg (ptälz.) 549

SCHRIFTEN DES INSTITUTS FÜR GESCHICHTE AN DER DEUTSCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN

REIHE I: ALLGEMEINE UND DEUTSCHE GESCHICHTE

Es liegen vor: BAND 2

JÜRGEN KUCZYNSKI

Studien zur Geschichte des Kapitalismus 1967. VIII, 240 Seiten - 1 Abbildung - 112 Tabellen - gr. 8* - 12,- DM BAND 3

RUDOLF FORBERGER

Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum Anlang des 19. Jahrhunderts 1958. IX, 456 Selten - 5 Tabellen - 2 Landkarten - 1 Tabellarium - gr. 8* - Ganzleinen 46,- DM BAND S

GERHARD BONDI

Deutschlands Außenhandel 1815—1870 1958. V, 150 Seiten - 25 Tabellen - gr. 8* - 8,- DM

band

e

Revolutionäre Ereignisse und Probleme in Deutschland während der Periode der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917/18 Beiträge zum 40. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1057. XIX, 353 Seiten - gr. 8* - Ganzleinen 8,50 DM

BAND 7

HERWIG FÖRDER

Marx und Engels am Vorabend der Revolution Die Ausarbeitung der politischen Richtlinien für die deutschen Kommunisten (1846-1848) 1900. V, 334 Seiten — gr. 8* — Ganzleinen 19,50 DM

BAND 8

GÜNTER ROSENFELD

Sowjetrußland und Deutschland 1917—1922 1960. VII, 423 Selten - gr. 8* - Ganzleinen 25,- DM BAND 9

ROLF SONNE MAN.'

Die Auswirkung des Schutzzolles auf die Monopolisierung der

deutschen Eisen- u.'d Stahlindustrie 1879—1892 1960. 114 Seiten - 12 Abbildungen, dav. 5 auf 8 Kunstdrucktaf. - 18 Tab. - gr. 8* - 13,- DM

band

io Beiträge zur deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts 1962. V, 289 Seiten - 21 Abbildungen - 25 Tabellen - gr. 8* - Ganzleinen 88,50 DM

BAND 11

DIETRICH EICHHOLTZ

Junker und Bourgeoisie vor 1848 in der preußischen Eisenbahngeschichte 1962. VIII, 244 Seiten - 1 Karte - gr. 8* - Ganzleinen 29,50 DM

BAND 12

WOLFGANG RÜGE

Die Stellungnahme der Sowjetunion gegen die Besetzung des

Ruhrgebietes Zur Geschichte der deutsch-sowjetischen Beziehungen von Januar bis September 1923 1962. XV, 198 Seiten - gr. 8* - 28,- DM

band 13

Vorliegender Band

BAND 15

MARION EINHORN

Die ökonomischen Hintergründe der faschistischen deutschen Intervention in Spanien 1936—1939 1962. IX, 239 Seiten - gr. 8* - 23,- DM BAND 16

FRITZ SCHAAF

Der Kampf der deutschen Arbeiterbewegung um die Landarbeiter und werktätigen Bauern 1848—1890 1962. 371 Selten - gr. 8* - 41,- DM

Die Bände 1 und 14 sind noch nicht erschienen, der Band 4 ist vergriffen

Bestellungen durch eine Buchhandlung erbeten

AKADEMIE-VERLAG

BERLIN