Wie können Metaphern und Tropen im geisteswissenschaftlichen Diskurs des 18. Jahrhunderts systematisiert werden? Welche
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German Pages 236 [238] Year 2011
Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10
Archiv für Begriffsgeschichte Begründet von Erich Rothacker herausgegeben von Christian Bermes, Ulrich Dierse und Michael Erler
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Tropen und Metaphern im Gelehrtendiskurs des 18. Jahrhunderts herausgegeben von E LENA A GAZZI in Zusammenarbeit mit ULRIKE ZEUCH unter Mitwirkung von GUGLIELMO GABBIADINI
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
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INHALT
Elena Agazzi Vorwort ..............................................................................................................
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Katrin Kohl Die Metapher im wissenschaftlichen Diskurs des 18. Jahrhunderts: Theoretische Ansätze .......................................................................................
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Ulrike Zeuch Die Scala naturae als Leitmetapher für eine statische und hierarchische Ordnungsidee der Naturgeschichte .................................................................
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Andreas Blödorn ›Entwickelungs‹-Diskurse. Zur Metaphorik des Entwicklungsbegriffs im 18. Jahrhundert .............................................................................................
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Marita Gilli L’interprétation du processus révolutionnaire grâce à la métaphore scientifique chez Georg Forster .......................................................................
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Christine Künzel Zwischen Verschleierung und Enthüllung: Metaphern der Metapher in ästhetischen Diskursen des 18. Jahrhunderts .............................................
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Elena Agazzi Die Blitzartigkeit der kleinen Form. Gedanken über die Metapher im Bezug auf die Wissenslehre bei Georg Christoph Lichtenberg ..............
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Claudia Stancati Metafore scientifiche nell’origine e nella descrizione del linguaggio ..........
81
Klaus Semsch Funktionen der Metapher im Werk von Denis Diderot ...............................
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Daniela Mangione »Ma… i dialoghi scientifici sono tra le opere più difficili«: retoriche della scienza divulgata nella saggistica di Francesco Algarotti .................... 107
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Inhalt
Charlotte Kurbjuhn Zur Funktion der Metaphern »Umriss« und »Kontur« bei der Genese der deutschsprachigen Kunstliteratur. Entwurf einer Ikonologie ................................................................................. 119 Aurélie Zygel-Basso La Démystification Enchantée: une observation du merveilleux entre métaphores scientifiques et sensorielles dans Histoire et aventures extraordinaires de Duncan Campbell de Daniel Defoe (1720) ..................... 131 Laura Benzi »Schöne Unordnung« und lyrische Metaphern bei F. G. Klopstock ............ 145 Guglielmo Gabbiadini Einige Beobachtungen zur Verwendung organischer Metaphern in Wilhelm von Humboldts agonaler Ästhetik .............................................. 157 Julia Weber »The Darkroom of the Soul«. Die Camera obscura als absolute Metapher einer neuen Epistemologie des Menschen? ................................. 171 Rosamaria Loretelli La camera oscura come metafora narrativa ................................................... 187 Federica La Manna Die anatomische Metapher in den Wochenschriften des 18. Jahrhunderts
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Carsten Zelle Modellbildende Metaphorik im Leib-Seele-Diskurs der ›vernünftigen Ärzte‹ .................................................................................. 209
Abstracts ............................................................................................................ 225 Autorinnen und Autoren .................................................................................. 233
VORWORT
Der trilaterale Kongress der italienischen, französischen und deutschen Gesellschaften für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, der von der Fakultät für Fremdsprachen und Literaturen der Universität Bergamo vom 8. bis 10. Oktober 2009 unter dem Titel »Tropen und Metaphern im wissenschaftlichen Diskurs im Bereich der Geisteswissenschaften« veranstaltet wurde, untersuchte einen zentralen Aspekt der Interferenz natur- und geisteswissenschaftlicher Wissensbestände im 18. Jahrhundert aus sprachwissenschaftlicher, literarischer und anthropologisch-philosophischer Sicht. Die Ergebnisse dieses Kongresses sind in vorliegendem Band zusammengeführt. Im 18. Jahrhundert kommt es zu einer Bedeutungsverschiebung im Bereich der Metaphern. Ursprünglich mit einer konzeptuellen Valenz versehen, erhalten sie nun neue Bedeutungskomponenten im Bereich der Sinneswahrnehmungen. In entscheidender Weise wird dieser Prozess von der Bewusstheit über die Erweiterung des Spektrums der perzeptiven Funktionen auf die »inneren Sinne« beeinflusst (Hutcheson). Letztere werden nicht so sehr mit den Gedanken assoziiert, sondern beziehen sich vielmehr auf Gefühlszustände und moralische Charaktereigenschaften. Ihre kognitive Aufwertung ist nur auf in übertragenem Sinne übermittelte Erfahrungen zurückzuführen, die aus den ursprünglichen perzeptiven Funktionen entstehen. Dabei spielen der große Wissensfortschritt im Laufe des Jahrhunderts im Allgemeinen und insbesondere die Entwicklung der anthropologischen Studien eine wichtige Rolle. Die Beiträge von KATRIN KOHL, ULRIKE ZEUCH und ANDREAS BLÖDORN, die umfassend in das Thema einführen, wenden sich dementsprechend der kognitiven, klassifikatorischen und historisch-semantischen Funktion des metaphorischen Diskurses zu. Sie arbeiten die Veränderung dieser Funktionen von einem rhetorischen Element (elocutio), das in der Tradition des Aristoteles steht, hin zu einem Verbindungsglied zwischen Gedanken, Emotionen und Sprache bei Dumarsais, Gottsched und Sulzer heraus (Kohl). Der dynamische Charakter der Metapher, der sich auch in der Idee der organischen Entwicklung bei Herder ausdrückt, versteinert jedoch sofort in dem Moment, da sich das Modell durchgesetzt hat. Signifikantes Beispiel hierfür sind die Überlegungen zur scala naturae, deren ihr innewohnende Dynamik gerade zu dem Zeitpunkt stillgestellt wird, zum Zeitpunkt der Darwin’schen Entwicklungstheorie Mitte des 19. Jahrhunderts, da die Theoriebildung einen ihrer Höhepunkte erreicht hat, gleichwohl alternative und wirkungsvollere Modelle bereit standen (Zeuch). Die Logik des »Organischen« führte wiederum zum Gebrauch von Metaphern, die ähnlich der des Vertrags in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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Herder das Vorhandensein eines »offenen Systems« implizieren, an dem alle Mitglieder nicht nur zum Zweck der Selbsterhaltung, sondern z. B. auch mit Bildungsansprüchen teilhaben. In diese Richtung weist der Beitrag von GUGLIELMO GABBIADINI zur Verwendung der biologischen Metaphern im Werk von Wilhelm von Humboldt, insbesondere in dessen beiden Essays aus dem Jahre 1795 Ueber den Geschlechtsunterschied und Ueber die männliche und weibliche Form. Gabbiadini diskutiert das von Humboldt entwickelte Naturkonzept, welches auf dem Antagonismus von männlichen und weiblichen Kräften und deren Schicksal, sich vereinigen zu sollen, beruht. Humboldt erneuert das semantische Feld des Diskurses über die menschliche Natur, indem er Beispiele aus den darstellenden Künsten und der Musik anführt. Was genau ist ein metaphorischer Ausdruck? Welche ist seine sprachliche Form? Wie funktionieren Metaphern? Das alles sind umfassende Fragestellungen, die noch heute im Zentrum einer theoretisch-linguistischen Diskussion stehen, wie beispielsweise die Monographie von Vanessa Albus mit dem Titel Weltbild und Metapher (2001) gezeigt hat. Diese theoretischen Fragestellungen sind jedoch immer auch mit der Gewissheit verbunden, dass die Metapher einen geeigneten Bezugsrahmen darstellt, um die semantischen Übergänge zwischen den einzelnen menschlichen Erfahrungsbereichen zu erfassen. Das weitgefasste Spektrum eines semantischen Feldes erlaubt es der Literatur, die mannigfaltigen Bedeutungsvariablen dem eigenen kommunikativen und expressiven Terrain anzupassen. So variiert beispielsweise auch im Fall des Konzeptes der Entwickelung (Blödorn) die Bedeutung zwischen Anlage und Teleologie der Prozesse. Andererseits aber sind in diesem Konzept bereits die Kategorien von Raum und Zeit enthalten, die den Bezug auf Bilder des organischen Wachstums erst ermöglichen. Daher ist es ausgesprochen fruchtbringend, die Übertragung von Wachstumsphänomenen und Umweltbedingungen aus einem naturbezogenen Kontext auf den pädagogischen Kontext des 18. Jahrhunderts zu untersuchen. Denn später sollte die auf die Theodicea gerichtete Perspektive (mit Bezug auf den Ursprung des Bösen und der Neigung des Menschen zur Sünde) dem erzieherischen und dem literarischen Wirken der Erzählung weichen, wie in Idas ästhetische Entwickelung von Friederike Brun (1824): »Beschrieben ist damit ein zweifacher Abstraktionsprozess – von der körperlichen zur geistigen Entwicklung, von der Erziehung zur Erzählung« (Blödorn). Dem Gebrauch bzw. Missbrauch wissenschaftlicher Metaphern im 18. Jahrhundert widmet Jean Paul einen ausführlichen Paragraphen (§ 82) seiner Vorschule der Ästhetik zur Katachrese, um die Neigung der Metaphern zu beschreiben, in der Poesie jedes Jahrhunderts zu erblühen, nachdem die Neuheit auf dem Gebiet der empirischen Forschung, auf dem sie entstanden seien, sich erschöpft habe. Nach einer gründlichen Analyse der blütenreichen und fantasievollen Höhenflüge seiner Schriftstellerkollegen rät Jean Paul entschieden von der Verwendung von mehr als einer Wahrnehmungsfunktion für eine Metapher ab: »Tieck
Vorwort
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lässet nicht nur die Farben klingen – was noch kühn angeht, da vom Sichtbaren ja überall der unsichtbare Geist der Wirkung ausgeht –, sondern auch die Töne glänzen, was noch einen kühnern Sprung ansinnt. Nun aber die Vermischung zweier Sinnlichkeiten noch gar einen metaphorischen Geist zu legen, folglich zu sagen: ›Die Melodien der Sphärenmusik der Dichtkunst glänzen und brennen durch die Welt‹, das werd’ ich nie wagen, außer hier, wo ich ein geschmackloses Beispiel zu erfinden gehabt.« Jean Paul lässt eine klare Neigung zu jenen Metaphern erkennen, die – wie er schreibt – eher in der Kürze denn in der Abbildung die Prägnanz ihrer Funktion finden und die ihre Kraft aus den Experimenten der Physik beziehen. Lichtenberg, der nicht nur zufällig die kurze Form des Aphorismus zum Ausdruck seiner Gedanken wählt, legt folglich dar, dass die Fortschritte auf dem Gebiet der Lichtforschung und Elektrizität des 18. Jahrhunderts außerordentlich wichtig seien, um den Wissenshorizont des Nutznießers auf Ad-hoc-Metaphern auszuweiten (ELENA AGAZZI). Auch Katrin Kohl erinnert in ihrem einführenden Werk Metapher aus dem Jahre 2007 an die von Quintilian begründete Tradition, die bereits in diese Richtung weist: »Dieses räumlich stabile Bezugssystem, in dem das eigentliche Wort an einer spezifischen ›Stelle‹ steht (locus), ermöglicht die Vorstellung von einem Prozess der ›Übertragung‹ auf eine andere Stelle. Als Beispiele nennt Quintilian die konventionelle Metapher ›Zorn-entbrannt‹, in der eine Übertragung aus dem Bereich ›Feuer‹ auf den Bereich ›Emotionen‹ stattgefunden hat, sowie die unkonventionelle Metapher ›Blitze der Beredsamkeit‹, in der eine Übertragung aus dem Bereich ›Wetter‹ auf den Bereich ›Sprache‹ erfolgt ist«. Dem Verhältnis zwischen wahrnehmender und ästhetischer Erfahrung in der Ästhetik und Prosa sind zwei weitere Beiträge gewidmet. AURÉLIE ZYGEL-BASSO geht zu den Anfängen des 18. Jahrhunderts zurück, indem sie den Lektürebestand der Renaissance und des Barocks als Grundlage und Voraussetzung für die Histoire et aventures extraordinaires de Duncan Campbell (1720) von Daniel Defoe ausmacht. Der taubstumme Protagonist, der auf der historischen Figur eines gleichnamigen Verkäufers von Heil- und Zaubertränken (1680-1730) beruht, besitzt eine Art »inneres Ohr« und »zweites Gesicht«, die es ihm erlauben, über die akustische Wahrnehmung von Vibrationen einiger Musikinstrumente in magischen Kontakt zur Himmelswelt zu treten. Die Musik macht Campbell selbst zu einem »Instrument« oder besser gesagt zu einem »heiligen Gefäß« göttlicher Inspiration in dem Moment, da dessen rezeptive Fähigkeiten durch Defoe auf der Grundlagen von Kenntnissen hervorgehoben werden, die mechanischen und materialistischen Studien (Francis Bacon, Sylva sylvarum, 1626) oder anatomischen Studien (z. B. Microcosmographia von Helkiah Crooke, 1615) entnommen sind. In den verschiedenen Abschnitten der Erzählung verdichten sich die musikalischen, medizinischen und astrologischen Metaphern zu Parabeln, die die Erfahrungen des Protagonisten von der Kindheit bis zur Pubertät begleiten.
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Elena Agazzi
LAURA BENZI hingegen zitiert in ihrer Analyse die lyrischen Metaphern im Werk von Klopstock und deckt dergestalt die Tendenz des Dichters auf, diese als Kompensation für die Ausweitung räumlicher und zeitlicher Beschreibungen dank deren Eigenschaften wie Kürze und Prägnanz aufzufassen. Ein Poem oder ein Gedicht ist folglich nicht weniger erhaben, wenn es sich der metaphorischen Verkürzung bedient und die von der Anthropologie ergründeten Emotionen des Menschen in rhetorische Figuren zwingt. Dieser Optimismus hinsichtlich der Verwendung von Metaphern wird auch von Denis Diderot geteilt, wenn er seinen Diskurs zur emanzipativen Entwicklung des Individuums im 18. Jahrhundert auf ein metaphorisches Fundament stellt (KLAUS SEMSCH). Auch einige Aspekte aus dem Aufsatz von CLAUDIA STANCATI verweisen auf einen narrativen Kontext, obwohl sie sich hauptsächlich mit der Verwendung der Metonymie und der Metapher als wissenschaftlichen Begriffsinstrumentarien auseinandersetzt, die dazu dienen, die Geburtsstunde der Religion und der Mythen entsprechend sprachlichen Modellen zu untersuchen. Die Texte der »mutmaßlichen Geschichte«, die sich mit den Ursprüngen und den Funktionsweisen der Sprache auseinandersetzen (unter den besprochenen Autoren finden sich beispielsweise De Brosses, Copineau, Montesquieu, Monboddo), weisen in einigen Fällen die Form eines Märchens oder einer Analogie auf, in anderen Fällen sind es Reiseberichte. Sie alle jedoch zeichnen sich durch einen Reichtum an mechanischen, botanischen oder organischen Metaphern aus. Die bevorzugte Verwendung von Wahrnehmungsmetaphern im 18. Jahrhundert entspricht den Bedürfnissen der Literatur und der Poesie, aber auch denen des politisch-ökonomischen Diskurses jener Zeit, die den Mikrokosmos der verschiedenen Bereiche der Natur mit dem Makrokosmos der menschlichen Gesellschaft angesichts der immer komplexeren Strukturen in ein Verhältnis zu setzen unternehmen. Diesen Punkt hebt vor allem MARITA GILLI hervor. Gilli beleuchtet die Tatsache, dass eine große Anzahl der von Georg Forster in seinen aus postrevolutionärer Zeit stammenden Schriften zur Belagerung von Mainz verwendeten Metaphern der Agrarwissenschaft oder Botanik (nach dem Vorbild der Schriften von Linné und Buffon) entnommen sind. Wie die Metaphern ihre Substanz mit verschiedenen Wissensbereichen anreichern, so eignet sich die Metapher aufgrund ihres »verhüllenden« Charakters auch dazu, entsprechend der Idee einer Hülle oder eines Kleides bearbeitet zu werden. Das darstellende Ideal des »Sich-Bedeckens« oder des »Aufdeckens« eines Konzeptes ist fest mit ihr verbunden und verweist in Analogie auf die erotisch-sexuelle Sphäre der weiblichen Verführung. In der Sprachtheorie Herders wird sogar eine Bedeutungsverschiebung der Begriffe von Hülle und Kleid auf die des Lexems Haut vorgenommen. Der von Kant begonnene Disput zum Thema wird durch den Zweifel eingeleitet, dass die Metapher vielleicht aufgrund ihrer spezifischen Konnotation in dieser Hinsicht eher als Verkleidung denn als Täuschung oder enthüllende Form verstanden werden müsse (CHRISTINE KÜNZEL).
Vorwort
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Eine der besonderen Leistungen Francesco Algarottis, Autor des Newtonianianesimo per le dame (in aufeinander folgenden Ausgaben zwischen 1737 und 1752 veröffentlicht), bestand darin, die Klarheit der Ausführung zu verfolgen und mittels der Bildhaftigkeit der Metaphern das Verständnis seiner Konzepte seitens seiner Leser zu verbessern, die ansonsten die Verwendung der mathematischen Formeln aus der wissenschaftlichen Tradition von Aristoteles und Descartes nie hätten erfassen können (DANIELA MANGIONE). CHARLOTTE KURBJUHN geht der Ideengeschichte des Umrisses nach, ausgehend vom Konzept der Zeichnung in der Renaissance über die ästhetische Kategorie des Umrisses mit seiner dreifachen Valenz der kognitiven Metapher, Denkfigur und Anschauungsform im 18. Jahrhundert, die bis zum Begriff der Kontur in der auf die bildhauerischen Künste ausgerichteten Auslegung Winckelmanns reicht. Wenn im 18. Jahrhundert die Beziehung zwischen Körper und Seele noch das zentralste Erklärungsmodell für die Transformation der Wahrnehmung der Beziehung zwischen visueller und nicht visueller Dimension des menschlichen Subjektes nach Descartes in wissenschaftliche Entdeckungen darstellt, so hat erst die Auslotung des versteckten Inneren zu einer schnellen Assoziation zwischen dem Bild der Camera obscura und der Seele geführt. Wie JULIA WEBER mit Bezug auf das Werk von Jonathan Crary, Techniques of the observer (1990), unterstreicht, besteht die Besonderheit der Camera obscura in ihrer pluralen Identität, in ihrem »gemischten« Status als erkenntnistheoretischer Metapher innerhalb einer diskursiven Ordnung und als Gegenstand innerhalb eines Systems kultureller Praktiken. Für ROSAMARIA LORETELLI stellt die Camera obscura eine erkenntnistheoretische Metapher dar, und deren Darstellungen in Bewegung werden zu Metaphern stiller Lektüre des narrativen Textes, der im 18. Jahrhundert längst die Abhängigkeit vom Gehör überwunden und sich der Beziehung zum geschriebenen Blatt zugewandt habe, die sich auf das Auge konzentriere. Loretelli wurde von einem Essay mit der Nummer 414 (25. Juni 1717) des Spectators inspiriert. Er gehört zu einer Reihe von Essays, die kollektiv den Namen The Pleasures of the Imagination erhalten haben. Er beweist, dass Addison sein stilles Lesen mit seiner Erfahrung eines Blickes in die Camera obscura verglichen hat. Die Beiträge von FEDERICA LA MANNA und CARSTEN ZELLE beschließen den Band. CARSTEN ZELLE befasst sich in seinem Beitrag mit dem Commercium mentis et corporis innerhalb des Kreises der vernünftigen Ärzte von Halle und den von Johann Gottlob Krüger (1715-1759) verwendeten metaphorischen Darstellungsstrategien, um die Dualismus-Lehre bei Descartes, die Theorie der prästabilierten Harmonie bei Leibniz und die Grenzen des Animismus bei Stahl zu zeigen. Die Metaphern werden zu wahrhaften Dietrichen der Argumentation im polemischen Kontext, der sich gegen als mittlerweile überholte wissenschaftliche Methoden richtete. Sie werden zu nützlichen didaktischen Instrumenten, um die Beziehung zwischen Körper und Seele zu erklären. Im Falle, dass sich die
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Tropen mit dem Abbild einer Geige, eines Bratenwenders oder einer Mühle verbinden, erlauben sie insofern eine Popularisierung des wissenschaftlichen und ironischen Diskurses und stellen eine Distanz zu den akademischen Disputen klassischen Formats her. FEDERICA LA MANNA zeichnet die Entwicklungsstadien der anatomischen Studien im 18. Jahrhundert nach und dokumentiert deren Einfluss auf die Beiträge der Moralischen Wochenschriften. In Zedlers Lexikon findet sich eine ganze Fülle von Begriffen, welche die Autopsie eines menschlichen Körpers definieren, und diese beeinflussen, so La Manna, auch die zeitgenössische Psychologie, wie beispielsweise der Begriff der spekulativen Anatomie zeigt. Die anatomische Praxis, die durch die Perfektionierung der optischen Instrumente und dank der Metapher der Obduktion gestärkt wurde, erweist sich als Medium par excellence, um seelische, mit der Melancholie in Verbindung gebrachte Erkrankungen zu untersuchen. Tatsächlich verdichtet sich das metaphorische Feld dank effektiver Praktiken anatomischer Untersuchungen, die es sich zum Ziel setzen, den emotionalen Komplex eines Wesens zu ergründen, bevor es dem Tod anheimfällt. Betrachtet man daher insgesamt die Verwendung von Tropen und Metaphern im wissenschaftlichen Diskurs im Bereich der Geisteswissenschaften des 18. Jahrhunderts, so lassen sich gerade an dieser Schnittstelle von lebenspraktischer Anschauung und theoretisch orientierter Begriffsbildung die Reichweiten und Funktionen unterschiedlicher metaphorischer Konzepte im Kontext der Aneignung neuen Wissens im 18. Jahrhundert verorten. Ich möchte der Società Italiana di Studi sul Secolo XVIII, der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts und der Société Française d’Etude du Dix-Huitième Siècle meinen herzlichsten Dank aussprechen für die freundliche Unterstützung dieser Initiative, die der Universität Bergamo die Möglichkeit der Ausrichtung dieser trilateralen Tagung hat zukommen lassen. Ganz besonderer Dank geht an Prof. Wolfgang Adam und Prof. Alberto Postigliola, die mir mit ihren Anregungen sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf organisatorischer Ebene zur Seite gestanden haben; ebenso sei Prof. Rosamaria Loretelli und Prof. Laurenz Lütteken, den jeweiligen Vorsitzenden der italienischen und deutschen Gesellschaft, gedankt für die finanzielle Unterstützung beim Zustandekommen dieses Heftes. Dr. Ulrike Zeuch verdanke ich eine intensive und freundschaftliche Zusammenarbeit bei der abschließenden Redaktion dieser Arbeit und Herrn Guglielmo Gabbiadini eine konstante und verlässliche Präsenz bei der Organisation. Mein Dank geht auch an die Lessing-Akademie in der Person von Dr. Helmut Berthold und Frau Karolina Kubista für ihren Beitrag im technischen Bereich. Schließlich danke ich allen Teilnehmern für ihre stimulierende individuelle Teilnahme mittels ihrer Beiträge und Aufsätze sowie dem Verlag Felix Meiner für die Aufnahme in die Zeitschrift Archiv für Begriffsgeschichte. Elena Agazzi
Katrin Kohl
Die Metapher im wissenschaftlichen Diskurs des 18. Jahrhunderts: Theoretische Ansätze Die Tropen gehören bereits seit der Antike zum Instrumentarium des Rhetorikers und damit prinzipiell zum Instrumentarium jeder Form von darstellender Sprache. In Bezug auf wissenschaftliche Diskurse ist zudem insbesondere die Metapher von Interesse, weil ihr schon seit der Antike ein kognitiver Aspekt zugesprochen wird, mittels dessen sie potentiell in der Produktion, Vermittlung und Rezeption wissenschaftlicher Gegenstände zur Wirkung zu gelangen vermag. Während sie traditionell eher als Phänomen der Sprache gilt, hat sie im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend auch in der Philosophie und den Kognitionswissenschaften Aufmerksamkeit gefunden, und selbst in Bezug auf die Naturwissenschaften wird deutlich, dass die Forschung ohne Metaphern nicht auskommt.1 Es stellt sich dann aus heutiger Perspektive die Frage, inwieweit der kognitive Aspekt auch schon in früheren Jahrhunderten wahrgenommen und genutzt wurde. Insbesondere das 18. Jahrhundert wird in diesem Kontext interessant, da gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Absage an den Schwulst den sprachlich auffälligen Tropen den Boden entzogen hatte und möglicherweise auch andere Aspekte der Tropen Interesse beanspruchen konnten. Die Begrifflichkeit im Bereich der Tropen schwankt schon seit der Antike erheblich, was zum einen auf Veränderungen in der Schwerpunktsetzung zurückzuführen ist und zum anderen auf die Komplexität des semantischen Bereichs. Bei Aristoteles steht tendenziell die Metapher im Zentrum, als Spielart eines Phänomens, das den Vergleich umfasst; Quintilian unternimmt dagegen eine systematische Ausdifferenzierung von Tropen und schließt den Vergleich aus dieser Kategorie aus. Im 20. Jahrhundert ist die Metapher wieder ins Zentrum der Theoriebildung gerückt, wobei manche Ansätze im Anschluss an Roman Jakobson binär zwischen Metapher und Metonymie unterscheiden. Und besonders aus philosophischer Perspektive rückt die Analogie in die Nähe dessen, was in der kognitiven Linguistik als Metapher bezeichnet wird, wobei dann der kognitive Aspekt der Metapher gegenüber dem sprachlichen Aspekt entweder eine Aufwertung oder eine Abwertung erfahren kann. Man mag diese Verschiebungen in der Schwerpunktsetzung und der Begrifflichkeit als mangelnde Systematik beklagen oder aber als Hinweis darauf zur Kenntnis nehmen, dass in dem diffizilen Interaktionsfeld zwischen Denken und Sprechen kaum zeitlos gültige begriffliche Grenzziehungen zu erwarten sind. Wenn Aristoteles das Begriffs-
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Vgl. z. B. Christina Brandt: Metapher und Experiment. Von der Virusforschung zum genetischen Code (Göttingen 2004). Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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feld anders strukturiert als Quintilian und wenn im Verlauf der Jahrhunderte immer neue Versuche unternommen werden, die mit »Vergleich«, »Analogie«, »Metapher«, »Metonymie« bezeichneten Phänomene auch in ihrer Beziehung zueinander in den Griff zu bekommen, so manifestieren sich in der Diskussion durchaus unterschiedliche Sprachtheorien, deren Ausdifferenzierung immer wieder neu und anders erfolgt. Die Veränderungen der Parameter sind weniger als linearer Fortschritt zu sehen denn als fortlaufende Auseinandersetzung um die grundsätzliche Frage, wie sich die Prozesse der Sprache zu den Prozessen des Denkens verhalten. Ziel des vorliegenden Beitrags – in dem der Begriff »Metapher« im Zentrum steht – ist weder ein umfassender Überblick über maßgebliche Theorien im 18. Jahrhundert noch auch deren systematische historische Darstellung, denn ganz abgesehen davon, dass dies einer groß angelegten Untersuchung bedürfte, ist von einer komplexen Zusammenwirkung antiker und frühneuzeitlicher Theorien und Begriffe auszugehen, die kaum eindeutige Abgrenzungen unterschiedlicher Theorien im europäischen Vergleich erlauben würde.2 Es soll vielmehr darum gehen, zunächst stichpunktartig einige zentrale Fragen der Metapherntheorie zu beleuchten, die sich bereits aus den maßgeblichen theoretischen Werken der Antike ergeben und die für eine Betrachtung der Metapher im wissenschaftlichen Diskurs bedeutsam bleiben. Wenn dann sehr selektiv auf einige theoretische Äußerungen zur Metapher aus dem 18. Jahrhundert eingegangen wird, so soll damit das Spektrum der Theorien umrissen werden, in dem sich die Debatten jener Zeit bewegen. Abschließend wird kurz auf die Frage eingegangen, warum uns Theorie und Praxis der Metapher im 18. Jahrhundert auch noch im 21. Jahrhundert interessieren sollten. Die von Aristoteles sowohl in der Rhetorik als auch in der Poetik dargelegten Ausführungen zur Metapher und den ihr verwandten Begriffen haben einen bleibenden Wert für spätere Fragestellungen und Ansätze behalten, weil sie die Metapher als Phänomen des Übergangs zwischen Denken und Sprache sowie auch des Zusammenspiels von Denken und Sprache erkennbar werden lassen und späteren Theoretikern begriffliche Bezugspunkte und Beispiele liefern. Seit Aristoteles ist die Metapherntheorie in der Figurenlehre der Rhetorik fest etabliert und vor allem fester Bestandteil der Poetik, da in der Dichtung ein besonderer Entfaltungsspielraum für Wortfiguren gesehen wird. Allerdings ist grundsätzlich festzuhalten, dass Aristoteles von der Ubiquität der Metapher in der Sprache der Menschen ausgeht,3 eine Erkenntnis, die auch bei Quintilian und anderen Theo-
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Vgl. jedoch grundsätzlich und zeitübergreifend den folgenden systematischen – wenn auch vom Ansatz her nicht völlig überzeugenden – Überblick über Theorien der Metapher seit der Antike und vor allem im 20. Jahrhundert: Eckard Rolf: Metaphertheorien. Typologie. Darstellung. Bibliographie (de Gruyter Lexikon) (Berlin und New York 2005). 3 »Alle Menschen […] gebrauchen in der Unterredung Metaphern« (Aristoteles: Rhetorik, übers. und hg. von Franz G. Sieveke (Uni-Taschenbücher 159) (München 51995) 170 (1404b).
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retikern besonders im Kontext von Ausführungen zur Katachrese wiederkehrt: »[Die translatio] leistet der Sprache den allerschwierigsten Dienst, daß nämlich keinem Ding seine Benennung [nomen] zu mangeln scheine.«4 Auch findet sich bei Aristoteles der in späteren Begriffsbestimmungen immer wieder herangezogene Bezug zum Vergleich, der zur Verdeutlichung des semantischen Vorgangs und als begriffliches Unterscheidungsmerkmal dient, so vor allem in dem geradezu topischen Beispiel »Achill ist wie ein Löwe« beziehungsweise »Achill ist ein Löwe«.5 Mit dem Vergleich gemeinsam hat die Metapher die Verknüpfung zweier semantischer Bereiche; sie unterscheidet sich vom Vergleich, indem sie die Bereiche nicht rational nachvollziehbar unter Wahrung ihrer jeweiligen Besonderheit zueinander in Bezug setzt, sondern sie ineinssetzt. Wenn man sich wie Quintilian eher auf den sprachlichen Ausdruck konzentriert, so lässt sich zwischen Vergleich und Metapher eine scharfe Grenze ziehen. Je mehr jedoch der kognitive Aspekt in den Vordergrund rückt, desto weniger gravierend wird der Unterschied – so schon bei Aristoteles und dann in den Ansätzen der kognitiven Linguistik. Es ergibt sich dann auch ein gradueller Übergang zwischen Metapher und Analogie. Bedeutsam ist die Metapherntheorie von Aristoteles nicht zuletzt deshalb, weil er in seinen diversen Aussagen auf unterschiedliche Aspekte der Metapher eingeht, die vom sprachlichen Ausdruck bis hin zu gedanklichen Prozessen reichen. Grundsätzlich versteht er die Metapher als Teil dessen, was später als elocutio bezeichnet wird, wobei seine Poetik die Besonderheiten poetischer Sprache erörtert und die Eignung der Metapher für eine erhabene Sprache voraussetzt, die über die alltägliche Sprache hinausgeht: »Die sprachliche Form ist am klarsten, wenn sie aus lauter üblichen Wörtern besteht […]. Die sprachliche Form ist erhaben und vermeidet das Gewöhnliche, wenn sie fremdartige Ausdrücke verwendet. Als fremdartig bezeichne ich […] die Metapher.«6 Die Metapher wird hier als Merkmal der sprachlichen Form betrachtet, das im Ausarbeitungsstadium der Rede zum Tragen kommt. Die rhetorische sowie auch poetologische Tradition ist Aristoteles darin gefolgt und versteht die Metapher als Teil des ornatus, wobei ein solcher »Schmuck« besonders in der Festrede und der Poesie seinen Platz hat und dort vor allem in solchen Zeiten eine privilegierte Rolle genossen hat, in denen das außergewöhnliche Wort geschätzt wurde.
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Marcus Fabius Quintilianus: Institutionis oratoriae libri XII / Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Bd. 2, hg. und übers. von Helmut Rahn (Darmstadt 31995) 219 (VIII, 6, 5 f.). 5 Aristoteles: Rhetorik, a. a.O. [Anm. 3] 176 (1406b); s. a. ebd., S. 190 (1410b); vgl. Quintilian: Redner, a. a.O. [Anm. 4], Bd. 2, 221 (VIII, 6, 9). 6 Aristoteles: Poetik, gr./dt., übers. und hg. von Manfred Fuhrmann (Universal-Bibliothek 7828) (Stuttgart 1994) 73 (1458a).
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Katrin Kohl
Aus heutiger Sicht ist jedoch ein anderer Aspekt der aristotelischen Metapherntheorie besonders bemerkenswert: die Thematisierung ihres kognitiven Potentials. In der Poetik weist Aristoteles auf die kognitive Leistung hin, die sich in der Bildung von guten Metaphern manifestiert: »Es ist wichtig, daß man alle die genannten Arten [des unüblichen Ausdrucks] passend verwendet […]; es ist aber bei weitem das Wichtigste, daß man Metaphern zu finden weiß. Denn dies ist das Einzige, das man nicht von einem anderen erlernen kann, und ein Zeichen von Begabung. Denn gute Metaphern zu bilden bedeutet, daß man Ähnlichkeiten zu erkennen vermag.«7 Aristoteles löst hier die Metapher aus dem Bereich erlernbarer Sprachfertigkeit heraus, um einen geistigen Prozess in den Vordergrund zu rücken, der dem sprachlichen Ausdruck vorausgeht und der eine individuelle, nicht aus der kollektiven, konventionsgebundenen Spracharbeit hervorgehende Fähigkeit voraussetzt. Dieser Aspekt aber gibt der Metapher potentiell eine über die rhetorische Wirkung hinausgehende philosophische Bedeutung, da ihre Bildung auf einer Fähigkeit beruht, die für die Philosophie bedeutsam ist: »Man muß Metaphern bilden […] von verwandten, aber auf den ersten Blick nicht offen zutage liegenden Dingen, wie es z.B. auch in der Philosophie Charakteristikum eines richtig denkenden Menschen ist, das Ähnliche auch in weit auseinander liegenden Dingen zu erkennen.«8 Aristoteles etabliert hier die Verbindung von Metapher, Vergleich und Analogie, wobei die sprachlich sich manifestierende Metapher tendentiell als rhetorisches Pendant zur philosophischen Analogie zu sehen ist. Bedeutsam ist diese Äußerung nicht zuletzt deshalb, weil Aristoteles mit dem expliziten Bezug zur Philosophie eine besondere Wertschätzung dieses Phänomens zum Ausdruck bringt. Ihren besonderen Wert erhält die Metapher in dem Maße, wie sie nicht nur ein Instrument des Ausdrucks ist, sondern den Fähigkeiten des Denkens zugerechnet wird. Bei Aristoteles ist somit gewissermaßen in Stichpunkten eine Metapherntheorie angelegt, die den gesamten »Kreislauf« des Denkens und Sprechens miteinbezieht, den Ferdinand de Saussure in seiner Etablierung der modernen Linguistik zugrunde legte.9 Der kognitive Aspekt der aristotelischen Meta-
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Ebd. 75–77 (1459a). Aristoteles: Rhetorik, a. a.O. [Anm. 3] 194f. (1412a). 9 Ferdinand de Saussure: Cours de Linguistique Générale, hg. von Charles Bally und Albert Sechehaye, kritische Ausgabe, hg. von Tullio de Mauro (Paris 1982). Das von Saussure entworfene Projekt umfasst die »Sprache« (langage) unter Einbezug ihrer physischen, physiologischen und psychologischen Aspekte, die »Sprachfähigkeit« (faculté de langage), das »Sprachsystem der Sprachgemeinschaft« (langue) sowie den individuell verwirklichten Akt des »Sprechens« (parole) (ebd., 23–32). Wenn auch Saussure die Bedeutung der langage hervorhob, so ist doch 8
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pherntheorie ist allerdings erst im 20. Jahrhundert voll zum Tragen gekommen. Denn in der Rhetorik und Poetik hatte die Metapher ihren Platz durchgängig in der elocutio, wodurch ihre sprachliche Ausführung und stilistische Angemessenheit im Vordergrund standen, und auch in der Gegenwart gilt die Metapher vornehmlich noch immer gemeinhin als Besonderheit poetischer Sprache. Die moderne Metapherntheorie wird mit den Namen I. A. Richards, Max Black und Roman Jakobson in Verbindung gebracht, dann besonders im deutschen Sprachraum mit Hans Blumenberg und Harald Weinrich und im französischen Sprachraum mit Jacques Lacan, Paul Ricoeur, Jacques Derrida. Hier rückt aus literaturwissenschaftlichen, sprachwissenschaftlichen und philosophischen Perspektiven neben dem rhetorisch-sprachlichen Aspekt auch der kognitive Aspekt in den Vordergrund. Einen wichtigen Neuansatz bringt die kognitive Linguistik, in der der Bezug zwischen Alltagssprache und Kognition den Forschungsansatz bestimmt und die Metapher auch aus neurowissenschaftlicher Perspektive interessant wird. Die grundlegende – wenn auch (nicht zu Unrecht) häufig als plakativ und anglozentrisch kritisierte – Arbeit ist das 1980 von George Lakoff und Mark Johnson publizierte Buch mit dem programmatischen Titel Metaphors We Live By.10 Wichtig ist das Werk noch immer, weil es auf anschauliche Weise die Bedeutung der Metapher im Zusammenspiel von Sprache, Denken und Handeln verfolgt. Lakoff und Johnson beziehen sich auf die relativistische Sprachtheorie von Sapir und Whorf sowie unter Bezug auf Malinowski und Lévi-Strauss auf die moderne Anthropologie. Vorausgesetzt ist ein ganzheitliches Modell vom Menschen, und anhand von reichhaltigen Beispielen wird vorstellbar, wie metaphorische Prozesse der metaphysischen Welt Sinn geben und den Emotionen Form verleihen, wie sie Diskurse strukturieren und kulturelle Praktiken steuern: »Our conceptual system […] plays a central role in defining our everyday realities. If we are right in suggesting that our conceptual system is largely metaphorical, then the way we think, what we experience, and what we do every day is very much a matter of metaphor.«11 Indem Lakoff und Johnson die Metapher von der Peripherie der Feiertagssprache ins Zentrum der Alltagssprache holen und das philosophische Sonderproblem zu einem Bestandteil des alltäglichen Denkens, Fühlens und Handelns machen, suchen sie im Kontext des »linguistic turn«12 das platonische Weltbild aus den Angeln zu heben: festzuhalten, dass der von ihm hier entworfene und auch schaubildlich dargestellte »Kreislauf des Sprechens« (circuit de la parole) einen ganzheitlichen Prozess voraussetzt. 10 George Lakoff und Mark Johnson: Metaphors We Live By. With a new afterword (Chicago und London 22003). 11 Ebd. 3. 12 Richard M. Rorty (Hg.): The Linguistic Turn. Essays in Philosophical Method. With Two Retrospective Essays (Chicago und London 1992).
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»Metaphor has traditionally been viewed in both fields [philosophy, linguistics] as a matter of peripheral interest. We shared the intuition that it is, instead, a matter of central concern, perhaps the key to giving an adequate account of understanding.«13 Inzwischen wird die Metapher in einer Fülle unterschiedlichster Ansätze in den Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften und Neurowissenschaften auf ihre speziellen Strukturen und Funktionen hin untersucht. Dabei stellt sich die Frage, ob wir es überhaupt noch mit jenem Phänomen zu tun haben, das Aristoteles behandelt. Für diese Frage sind gerade die knappen Bemerkungen von Aristoteles hilfreich, denn wenn er auch in der platonischen Tradition steht, so weist er doch implizit auf den Zusammenhang zwischen kognitiven Prozessen und sprachlichem Ausdruck hin, der in der rhetorischen Metapherntheorie kaum zum Tragen kommt. Außerdem ergibt sich aus seinen Ausführungen die Verwandtschaft zwischen Metapher und Analogie. Indem Lakoff und Johnson das fokussierte Phänomen mit »Metapher« bezeichnen, geben sie begrifflich dem sprachlichen Aspekt des Phänomens den Vorrang, und indem sie das kognitive System zu erhellen suchen, das in der alltagssprachlichen Idiomatik seinen Ausdruck findet, bleibt die Verbindung zwischen Sprache und Denken immer präsent, statt wie bezüglich der Analogie sekundär zu erscheinen – auch wenn das Interesse der kognitiven Linguistik (durchaus in Einklang mit der platonischen Philosophie) tendentiell das Denken eher als den sprachlichen Ausdruck privilegiert. Mehr als frühere Ansätze haben die theoretischen Schwerpunkte der kognitiven Linguistik verdeutlicht, dass die Metapher abstrakte Zusammenhänge denkbar macht, indem sie konkret erfahrene physische Strukturen »anschaulich« auf abstrakte Zusammenhänge überträgt. Dies mag sich als ein Erkennen vorgegebener »Ähnlichkeiten« darstellen oder auch als kreativer Prozess, bei dem einem abstrakten Bereich eine konkrete Struktur verliehen wird, die sich wirksam kommunizieren lässt, weil sie dem bis dahin Unbekannten oder nicht Erkannten eine bekannte Form gegeben hat.14 Es zeigt sich nun, dass die Teilnehmer am wissenschaftlichen Diskurs im 18. Jahrhundert virtuos mit der Metapher umzugehen vermochten und sie in den unterschiedlichsten Disziplinen wissenschaftsfördernd einsetzten – so in der Naturgeschichte, der Ästhetik, der Medizin; und sie entfalteten in der Wahl der physischen Strukturen einen enormen Einfallsreichtum – es finden sich die aus dem Mittelalter tradierten »Stufenleitern«, Haushaltsgeräte wie »Bratenwender« oder auch verschiedenste biologische Strukturen. Sie stellen einem abstrakten Diskurs eine konkrete, leicht vorstellbare Form zur Verfügung, mittels derer Erkenntnisse kognitiv erzeugt und über 13
Lakoff und Johnson: Metaphors, a. a.O. [Anm. 10] ix. Zu Theorien seit der Antike, die sich mit der Bedeutung und Funktionsweise der Metapher im kreativen Zusammenspiel von Denken und Sprache befassen, vgl. Katrin Kohl: Poetologische Metaphern. Formen und Funktionen in der deutschen Literatur (Berlin und New York 2007) 96–189. 14
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die Mittel der Sprache wiederum kognitiv verstanden werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Metapher in der Wissenschaftssprache des 18. Jahrhunderts eine ähnlich bedeutsame Funktion erfüllt wie in jener der Gegenwart. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit die Zeitgenossen sich dieser Funktion des Phänomens bewusst waren und – was nicht dasselbe sein muss – inwieweit diese Funktion in der Metapherntheorie reflektiert wird. Die Metapher gilt in den gängigen Definitionen des 18. Jahrhunderts in Einklang mit der aus der Antike überlieferten Tradition vornehmlich als Abweichung vom gewöhnlichen Sprachgebrauch, die besonders in der Poesie ihren Platz hat. Bestimmungen erfolgen zudem – wiederum in Einklang mit der vorherigen und nachfolgenden Tradition – vor allem unter Bezug auf den Vergleich. Als Beispiel für die in dieser Zeit kursierenden Begriffsbestimmungen mag die Definition in Samuel Johnsons Dictionary of the English Language (1755) dienen: »METAPHOR. […] The application of a word to an use to which, in its original import, it cannot be put: as, he bridles his anger; he deadens the sound; the Spring awakes the flowers. A metaphor is a simile comprized in a word; the Spring putting in action the powers of vegetation, which were torpid in the Winter, as the powers of a sleeping animal are excited by awaking him.«15 In der Fokussierung auf das vereinzelte Wort wird eine in der gesamten Metapherntradition festzustellende Vereinfachung des Phänomens vollzogen. Johnson betont zunächst ex negativo die »uneigentliche« Verwendung des Wortes, bietet dann Beispiele aus den Bereichen Emotion, Sinnlichkeit, Biologie. Das letzte Beispiel wird dann zunächst unter Bezug auf den angrenzenden Begriff (Vergleich) erklärt und dann paraphrasiert, um dem Leser die Bedeutungsebene auseinanderzulegen, wobei jedoch die Personifizierung des »Frühlings« beibehalten wird, denn fokussiert wird das Verb. Grundsätzlich lässt sich hier eine Kontinuität der Begriffsbestimmung feststellen, wiewohl sich die rationalistische Ausführung als zeittypisch darstellt. Johnsons Stil ist jedoch keineswegs trocken, sondern verbindet – wiederum zeittypisch – das Nützliche mit dem Angenehmen, um dem Leser eine mühelose Rezeption zu ermöglichen. Eine kognitive Wirkung der Metapher wird nicht explizit thematisiert; indem Johnson jedoch den Leser mittels der Paraphrase bei der deutlichen Imaginierung des Ausgesagten verweilen lässt, erzeugt er gewissermaßen durch die praktische Darstellung den für die Metapher charakteristischen kognitiven Prozess. Im 18. Jahrhundert besteht weniger Interesse an ausführlichen Darstellungen des poetischen Stils als im 17. Jahrhundert, und etwaige Poetiken widmen den Tropen weniger Aufmerksamkeit. Die auffällig metaphorische, »blumige« Rede der Barockliteratur ist dem Stil des longinischen Erhabenen gewichen oder 15
Samuel Johnson: A Dictionary of the English Language. To which are prefixed, a history of the language, and an English grammar, 2 Bde., Bd. 2 (London 1755) 119.
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auch einem tendentiell der Prosa sich annähernden Stil, der nur in geringem Maß die Phantasie anzuregen sucht. So beklagt Johann Christoph Gottsched in Zusammenhang mit der Behandlung der Tropen in seiner Critischen Dichtkunst die Vernachlässigung der Tropen bei vielen zeitgenössischen Dichtern; im Bestreben, die Exzesse des barocken Stils zu vermeiden, haben sie das angemessene Mittelmaß verfehlt. Er widmet den »verblümten Redensarten« ein besonderes Kapitel und preist sie als »Zierrath«.16 Darüber hinaus jedoch geht es ihm um die Wirkung der Metapher auf die Kognition, wobei in Einklang mit seinen poetologischen Voraussetzungen das delectare im Vordergrund steht. Die Metapher erlaubt es dem Dichter, dem Leser seinen besonders ausgeprägten »Witz« zu vermitteln: »Freylich zeiget sich der Witz eines Poeten hauptsächlich in der glücklichen Erfindung verblümter Redensarten. Denn ist derselbe eine Kraft der Seelen, das Aehnliche leicht wahrzunehmen.«17 Deutlich wird hier Gottscheds Tradierung der aristotelischen Theorie. Bemerkenswert an Gottscheds Behandlung seines Themas ist vor allem seine ausführliche Analyse der Wirkung der Tropen auf den Leser: »Das belustiget nun den Leser eines solchen Gedichtes. Er siehet nicht nur das Bild, darunter ihm der Poet eine Sache vorstellet, sondern auch die Absicht desselben, und die Aehnlichkeit zwischen beyden: und da sein Verstand auf eine so angenehme Art mit so vielen Begriffen auf einmal beschäfftiget ist; so empfindet er nicht nur wegen der Vollkommenheit des Poeten, dessen Schrift er liest, ein Vergnügen; sondern er belustiget sich auch über seine eigene Scharfsinnigkeit, die ihn fähig macht, alle Schönheiten des verblümten Ausdruckes, ohne Mühe zu entdecken.«18 Entwickelt wird hier aus dem aristotelischen Ansatz eine Theorie vom kommunikativen Übertragungsvorgang zwischen Produzent und Rezipient. Dabei geht es nicht um einen Erkenntniswert, sondern um das Vergnügen, das durch die außergewöhnliche geistige Tätigkeit erzeugt wird. Die Metapher wird so zu einem zentralen Element einer kognitiv orientierten Ästhetik. Die Funktion einer Poetik bringt es mit sich, dass in diesem Kontext nicht die alltägliche Metapher, sondern die ungewöhnliche, ästhetisch besonders ansprechende beziehungsweise dem Esprit zuzurechnende Metapher behandelt wird. Allerdings lässt gerade Gottscheds dem aptum gemäße Zuschneidung der Bestimmung auf die Funktion der Poesie und Poetik darauf schließen, dass bei den Zeitgenossen auch ein allgemeineres Verständnis für die kognitive Funktion der Metapher gegeben war.
16 Johann Christoph Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst durchgehends mit den Exempeln unserer besten Dichter erläutert. […] 4., vermehrte Auflage Leipzig 1751, reprographischer Nachdruck als 5. Auflage (Darmstadt 1962) 257. 17 Ebd. 262. 18 Ebd.
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Einen über seine Zeit hinaus bedeutenden Ansatz lieferte César Chesneau Dumarsais mit seinen Beiträgen zur Encyclopédie und vor allem mit dem 1730 vorgelegten Traité des tropes, ou les différents sens dans lequels on peut prendre un même mot dans une même langue.19 Das Werk ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert – nicht zuletzt darin, dass Dumarsais seine Untersuchung auf dieses Spezialgebiet konzentriert und einen eher deskriptiven als normativen Ansatz wählt. Sein Werk weist über das von der Rhetorik und Poetik abgesteckte Feld hinaus, um den Tropen eine neue systematische Fundierung zu geben, die – wie der Titel bereits verdeutlicht – ihren Grund in der Semantik hat. In seiner Begrifflichkeit geht es ihm weniger um scharf definierte Grenzen zwischen tropischen Figuren als um die Untersuchung von semantisch verwandten Prozessen. Er betont die Ubiquität der Tropen und sucht sie nicht auf eine geistige Funktion einzuschränken, sondern versteht sie als Merkmal des Ausdrucks von Phantasie, Emotionen und Gedanken: »Dans tous les temps et dans tous les lieux où il y a eu des hommes, il y a eu de l’imagination, des passions, et idées accessoires, et par conséquent des tropes.«20. Dumarsais befasst sich eingehend mit den unterschiedlichen semantischen Beziehungen zwischen den beiden an der Metapher beteiligten Bedeutungsfeldern und – aufbauend zum Teil wohl auf John Lockes Sprachtheorie – mit der Beziehung zwischen konkreter und abstrakter Bedeutung. Und indem er der Katachrese besondere Aufmerksamkeit widmet, betont er die sprachschöpferische Bedeutung der Metapher. Bemerkenswert ist vor allem seine Hervorhebung des metaphorischen Potentials selbst von so unscheinbaren Wörtern wie Präpositionen, denn hier geht es um eine Fokussierung der kognitiven Dimension der Metapher in der Alltagssprache – ein Aspekt, der dann erst wieder mit der kognitiven Metapherntheorie so dezidiert in den Vordergrund rückt. Bedeutsam ist für die Metapherntheorie des 18. Jahrhunderts vor allem die intensiv geführte Diskussion über den Ursprung der Sprache, zumal hier die Einbettung der Metapherntheorie in die jeweilige Sprachtheorie deutlich ist und die Frage der Beziehung zwischen dem Denken und den Emotionen unter dem Aspekt der Sprache erörtert wird. An der Debatte beteiligen sich die maßgeblichen Sprachtheoretiker der Zeit, so Warburton und Vico, Condillac und Rousseau, Hamann und Herder. Herausgegriffen seien hier Giambattista Vicos Ausführungen zum Thema der Tropen in seiner Scienza nuova:
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César Chesneau Dumarsais: Des tropes, ou, des différents sens, hg. von Françoise DouaySoublin (Paris 1988). Erstveröffentlichung 1730. Vgl. zur Bedeutung des Werks im Kontext der Sprachtheorie der Zeit Edward Nye: Literary and Linguistic Theories in Eighteenth-century France (Oxford 2000) 76–83. Nye verweist auf die Würdigung des Beitrags von Dumarsais bei Todorov und Genette. Eine Überbewertung der Originalität liegt jedoch vor, wenn Nye betont, Dumarsais sei »the first to believe that tropes are intrinsic to language, and not simply a rhetorical ornament or supplement when ordinary language is lacking« (ebd., 79). 20 Dumarsais: Tropes, a. a.O. [Anm. 19] 187.
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»Per tutto ciò si è dimostrato, che tutti i tropi […] i quali si sono sinora creduti ingegnosi ritruovati degli Scrittori, sono stati necessarj modi di spiegarsi tutte le prime Nazioni Poetiche, e nella lor’ origine aver’ avuto tutta lo loro natia proprietà: ma poichè col più spiegarsi la mente umana, si ritruovarono le voci, che significano forme astratte, o generi comprendenti le loro spezie, o componenti le parti co’ loro Intieri; tai parlari delle prime Nazioni sono divenuti trasporti: e quindi s’ incomincian’ a convellere que’ due comuni errori de’ Grammatici, che ‘l parlare de’ Prosatori è propio, impropio quel de’ Poeti; e che prima fu il parlare da prosa, dopoi dal verso.«21 Vico lehnt die Bewertung der Tropen als Merkmal des besonderen »Witzes« oder »Talents« ab, um sie zum notwendigen Element des normalen Ausdrucks zu erklären. Dieser Aspekt ist nicht neu, aber seine Tragweite verschwindet immer wieder aus dem Blickfeld, wenn das Thema von Rhetorikern, Dichtern oder Verfassern von Poetiken behandelt wird, die sich ja gewissermaßen berufsmäßig am häufigsten der Tropen annehmen. Wie Dumarsais rekurriert Vico dabei auf die Geschichte der Sprache. Allerdings wird in seinen Ausführungen deutlich, dass er die Tropen als Beweismittel in einer viel umfassenderen Theorie einsetzt. Es zeigt sich hier eine durchaus andere Argumentationsführung als bei den zuvor besprochenen Theoretikern, sie speist sich jedoch aus der produktiven Auseinandersetzung mit den bekannten, etablierten Ansätzen. Die Etymologie hat gegenwärtig gerade in der kognitiven Metaphernforschung bedeutende Einsichten in die Funktionen der Metapher ermöglicht,22 und wenn auch die Ergebnisse ein anderes Gepräge haben als bei Vico, so ist doch davon auszugehen, dass die neuere Forschung diesbezüglich fruchtbare Anknüpfungspunkte im 18. Jahrhundert finden kann. Für die Praxis des Wissenschaftsdiskurses bedeutet dies, dass eine Sensibilisierung für etymologische Prozesse die verfügbaren Instrumente des wissenschaftlichen Denkens und Kommunizierens zu bereichern vermag. 21 Giambattista Vico: Principj di scienza nuova d’intorno alla comune natura delle nazioni, 3. Aufl. (Neapel 1744) reprographischer Nachdruck hg. von Marco Veneziani (Florenz 1994) 159. Vgl. die deutsche Übersetzung: »{Dies verdeutlicht}, daß alle Tropen […], die man bisher für geistreiche Erfindungen der Schriftsteller gehalten hat, notwendige Ausdrucksweisen aller ersten poetischen Völker gewesen sind und daß sie ursprünglich die ihnen innewohnende eigentümliche Bedeutung ganz besessen haben: aber als sich später, bei der größeren Entfaltung des menschlichen Geistes, die Ausdrücke fanden, die abstrakte Formen bezeichnen, also Gattungsbegriffe, die ihre Arten umfassen oder die Teile mit dem zugehörigen Ganzen verbinden, da erhielten solche Redensarten der ersten Völker eine übertragene Bedeutung. Und hiermit beginnen wir jene zwei allgemeinen Irrtümer der Philologen zu Fall zu bringen: daß die Sprache der Prosaiker die eigentliche, die der Dichter die uneigentliche sei; und daß man zunächst in Prosa, später in Versen gesprochen habe.« (G. Vico: Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker, übers. und hg. von Vittorio Hösle und Christoph Jermann, 2 Bde. (Hamburg 1990)). 22 Vgl. die wichtige Studie von Eve Sweetser: From Etymology to Pragmatics. Metaphorical and cultural aspects of semantic structure (Cambridge Studies in Linguistics) (Cambridge 1990).
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Abschließend soll die Bestimmung der Metapher in Sulzers Allgemeiner Theorie der Schönen Künste (1771–1774) in den Blick genommen werden. Denn dort kommt am Ende des Artikels »Metapher« deren Funktion und Legitimität im wissenschaftlichen Diskurs zur Sprache: »In manchen Fällen [ist] die Überzeugung am kürzesten und sichersten durch glükliche Metaphern zu erreichen […]. Der Fall muß statt haben, wo die Überzeugung von anschauender Erkenntnis, oder von Betrachtung ähnlicher Fälle abhängt, wo es zu schweer, oder zu subtil wäre den Beweis zu entwikeln. Die Metapher vertritt da die Stelle der Induktion, und sezt einen sehr in die Augen leuchtenden, an die Stelle eines schweerer zu fassenden, aber ähnlichen Falles.«23 Entworfen wird ein fließender Übergang zur Analogie, demzufolge die Metapher aufgrund ihres kognitiven Potentials als fester Bestandteil wissenschaftlicher Diskurse zu gelten hat – allerdings dezidiert unter dem rhetorischen Aspekt der Überzeugung. Sulzer geht es hier um die »anschauliche« Vermittlung von Wissen: Die Metapher vermag Erkenntnis »in die Augen leuchten« zu lassen. In seinen Ausführungen zur Metapher in der Poesie dagegen geht es ihm verstärkt um die Bedeutung des ingenium in der Erfindung von Metaphern. Wie jede Theorie der Metapher fokussieren seine Ausführungen kontextspezifisch bestimmte Aspekte des Phänomens. Insgesamt ist festzustellen, dass die theoretischen Ansätze zur Metapher im 18. Jahrhundert eine reiche Vielfalt aufweisen, wobei dann vor allem Kant weiterführende Perspektiven eröffnete. Allerdings trug die zunehmende Dominanz der Philosophie in der Auffassung von Wissenschaft besonders im deutschsprachigen Raum zu einer seit Platon axiomatischen Diskreditierung dessen bei, was die Sprache im Zusammenspiel mit dem Denken im Erkenntnisprozess zu leisten vermag. In dem Maße, wie zwischen Denken und Sprache Grenzen gesetzt wurden, entzog man dem Beitrag der Metapher den Boden oder blendete ihren Beitrag aus. So ist noch in Hans Blumenbergs Paradigmen zu einer Metaphorologie eine Beschränkung des Blickfelds festzustellen, die letztlich die Sicht auf die Wirkungsweise der Metapher versperrt.24 Denn wenn er sich auch produktiv mit dem Beitrag der Metapher zur philosophischen »Begriffswelt« auseinandersetzt,25 so wird sein Ansatz doch durchgängig vom Ausgangspunkt 23
Johann Georg Sulzer: Metapher. In: ders.: Allgemeine Theorie der schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt, 2 Bde., Bd. 2 (Leipzig 1771–1774) 261–263; hier: 263. 24 Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1301) (Frankfurt 1998); Erstveröffentlichung 1960. Mittlerweile hat sich die Anerkennung der Bedeutung von Metaphern in der philosophischen Begriffswelt bis hin zu ihrer systematischen Klassifizierung durchgesetzt, vgl. Ralf Konersmann (Hg.): Wörterbuch der philosophischen Metaphern (Darmstadt 2007). 25 Blumenberg: Metaphorologie, a. a.O. [Anm. 24] 11.
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seiner Überlegungen bestimmt: dem von Descartes durchgesetzten Ideal einer vollendeten Begrifflichkeit philosophischer Sprache. Entsprechend ist seine Auffassung von der Leistung der Metapher durch statische Hierarchien und Grenzziehungen sowie teleologische Vorstellungen geprägt, die der Metapher einen minderwertigen, untergeordneten, rückständigen Stellenwert zuweisen. Daraus jedoch lässt sich keine Vorstellung von einem offenen, dynamischen Beitrag der Metapher zum wissenschaftlichen Denken und zum Diskurs um wissenschaftliche Fragen entwickeln. Wenn man meinte, man habe erst im 20. Jahrhundert die kognitive Dimension der Metapher entdeckt, so ist dies darauf zurückzuführen, dass frühere Debatten um die Rolle der Metapher in Vergessenheit geraten waren. Die im 18. Jahrhundert entwickelten Theorien zur Bedeutung der Metapher für die Erkenntnis und deren kommunikative Vermittlung tragen vielstimmig zu einer Debatte bei, die von der Antike ausgeht und bis in die Gegenwart hineinreicht. Dabei rücken die wechselnden Kontexte und Zielsetzungen jeweils unterschiedliche Stadien und Aspekte der Metapher in ihrem Kreislauf zwischen Denken und sprachlichem Ausdruck in den Vordergrund. Ein klarer »Fortschritt« ist in diesen Diskussionen nicht erkennbar, wohl aber wechselweise eine Anreicherung und Verarmung der Ansätze, eine Ausdifferenzierung, aber zuweilen auch Vereinfachung der Fragestellungen und Antworten. Geschichtliche Betrachtungen vermögen die Vielfalt präsent zu halten, und sie ermöglichen Sichtweisen, die über den jeweils gängigen Ansatz hinausführen. Insofern ist keine Metapherntheorie ein für alle Mal obsolet oder nur historisch interessant. Denn mit jedem Paradigmenwechsel ändern sich zwar die Fragestellungen, aber möglicherweise nur scheinbar die Tatsachen. Zudem kann uns gerade das Wechselspiel zwischen Theorie und Praxis im 18. Jahrhundert dafür sensibilisieren, dass jede Theorie der Metapher auf Metaphern angewiesen ist. Denn ohne Metaphern können wir im ständig sich verändernden Terrain der Wissenschaften weder denken noch unsere Gedanken sprachlich artikulieren.
Ulrike Zeuch
Die SCALA NATURAE als Leitmetapher für eine statische und hierarchische Ordnungsidee der Naturgeschichte
Scala naturae. Einführung Scala naturae ist eine seit der Antike bis weit ins 18. Jahrhundert tragfähige Metapher, so tragfähig, dass sie für mannigfaltige, auch heterogene Ordnungsmodelle stehen kann: für ein statisches Modell, das ontologisch die Stellung des Menschen zwischen Supranaturalia (Tier) und Supernaturalia (Engel) in Abgrenzung des Leblosen vom höchst Lebendigen, des Sichtbaren vom Unsichtbaren, des Unvollkommenen vom Vollkommenen festlegt, den Seelenvermögen entsprechend das Reich der menschlichen Natur von den übrigen Phänomenen der Erde: den drei Naturreichen der Steine (Mineralia), Pflanzen (Vegetabilia) und Tiere (Animalia), unterscheidet, aber ebenso für ein dynamisches Modell des Auf- bzw. Abstieges: christlich des Aufstiegs der menschlichen Seele zu Gott, moralisch des Aufstiegs zum Inbegriff vorbildhafter Humanität oder des Abstiegs und der Pervertierung des Menschen zum Tier, biologisch des Aufstiegs von den niederen Gattungen der Lebewesen bis zur Krone der Schöpfung, dem Menschen. Hans Blumenberg hat die Leistung vager, analoger Metaphern für die Naturwissenschaften bereits in den 1960ern dargelegt und eine Zusammenarbeit exakter und nichtexakter Wissenschaften gefordert – eine Forderung, auf die der Band Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften sich jüngst wieder bezieht,1 wobei sich auch die logische Terminologie wie Klasse, Ordnung, Gattung oder Art im 18. Jahrhundert erst zum rationalen, systematischen Beschreibungsinstrument wahrgenommener Ähnlichkeiten und Unterschiede von Merkmalen etabliert.2 Es ist vor allem die Dynamisierung der scala naturae als Metapher für die Übergänge zwischen den Arten als Untergruppen der Gattungen im 18. Jahrhundert, d. h. im Bereich der Biologie, speziell der Zoologie, die sich im Laufe 1
Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie (2. Aufl. Frankfurt a.M. 1999); Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften. Zur historischen und kulturellen Dimension naturwissenschaftlicher Konzepte, hg. von Ernst Müller u. a. (Berlin u. a. 2008); bes. Dieter Teichert: Haben naturwissenschaftliche Begriffe eine Geschichte? Anmerkungen zum Zusammenhang von Metaphorologie und Begriffsgeschichte bei Hans Blumenberg. In: Ebd., 97–116. 2 Petra Feuerstein-Herz: Die große Kette der Wesen. Ordnungen in der Naturgeschichte der Frühen Neuzeit (Wolfenbüttel 2007) 98 ff.; Jonas Maatsch: Naturgeschichte der Philosopheme. Frühromantische Wissensordnungen im Kontext (Heidelberg 2008), zu Linnés essentialistischer Klassifikation, 45 ff. Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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des 18. Jahrhunderts – analog zur Botanik und Mineralogie – als eigenständige Disziplin erst zu etablieren beginnt, auf die in der Forschung immer wieder verwiesen wird, so dass geradezu von einem turn oder Paradigmenwechsel gesprochen wird; dieser geht einher mit einer kritischen Distanzierung von Aristoteles’ Schriften zur Biologie.3 Im Folgenden werde ich dieser These eines grundlegenden Paradigmenwechsels in der Verwendung der Metapher scala naturae zwei Thesen entgegensetzen, und zwar nicht, um die Ausgangsthese grundsätzlich zu widerlegen, sondern um sie zu präzisieren bzw. sie zu modifizieren.
Dynamisierung – ein der scala naturae eigenes Potential Nicht erst im 18. Jahrhundert wird die Metapher von der scala naturae dynamisiert, sondern diese Dynamisierung ist ein ihr eigenes Potential. Im 18. Jahrhundert wird die Überwindung der Stufen, die zu erklimmen sind, auf die zwischen den bis dato für getrennt gehaltenen ausgedehnt; zu der spirituellen und moralischen tritt die biologische. Um nur zwei Beispiele für die spirituelle wie moralische Überwindung der Stufen zu nennen: die Himmelsleiter und der Mensch als Proteus seiner selbst.
Himmelsleiter Die Himmelsleiter ist ein wesentlicher Teil der »abendländischen Metapherngeschichte«, so Uwe Ruberg in seinem Aufsatz Vom Aufstieg im Mittelalter. Das Konzept der Himmelsleiter in Text und Bild.4 Ausgehend von Jakobs Vision der Himmelsleiter im Alten Testament legt Ruberg die Spezifik im Mittelalter dar. Dazu zählt, so Ruberg, die vertikale Komponente, die mit Fortschritt nicht angemessen bezeichnet ist, da es um eine geistige bzw. spirituelle Bewegung geht (Ruberg 1988, 213). Die Himmelleiter fungiert dabei als Appell an den Menschen, sich mit seinen Geistes-, Willens- und Seelenkräften zu vervollkommnen 3
Vgl. P. Feuerstein-Herz: Die große Kette, a. a.O. [Anm. 2] 28; vgl. ferner Die Entdeckung der Evolution. Ein revolutionäre Theorie und ihre Geschichte, hg. von Thomas Junker und Uwe Hoßfeld (Darmstadt 2001) 15, 26 ff. Zur Biologie des Aristoteles vgl. Arnauld Zucker: Aristote et les classifications zoologiques (Louvain-la-Neuve u. a. 2005); Aristotelische Biologie. Intentionen, Methoden, Ergebnisse, hg. von Wolfgang Kullmann u. a. (Stuttgart 1997); Dae-Ho Cho: Ousia und Eidos in der Metaphysik und Biologie des Aristoteles (Stuttgart 2003). 4 Uwe Ruberg: Vom Aufstieg im Mittelalter. Das Konzept der Himmelsleiter in Text und Bild. In: Geisteswissenschaften – wozu?, hg. von Hans Henrik Krummacher (Stuttgart 1988) 211–244, hier: 213; vgl. Jacob’s ladder and the tree of life. Concepts of hierarchy and the great chain of being, ed. by Marion Leathers Kuntz and Paul Grimley Kuntz, rev. ed. (New York u. a. 1988); Margrit Wyder: Goethes Naturmodell. Die Scala naturae und ihre Transformationen (Köln u. a. 1998) 26 ff.
Die Scala Naturae als Leitmetapher
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(Ruberg 1988, 218), und zwar hinsichtlich der Tugend (Ruberg 1988, 223) mit dem Ziel der Kontemplation, hinsichtlich der Erkenntnis (Ruberg 1988, 232) mit dem Ziel der Gotteserkenntnis, und hinsichtlich der Mystik (Ruberg 1988, 234) mit dem Ziel der unio mystica. In allen drei Fällen handelt es sich um Grenzen oder Stufen transzendierende, vom Subjekt aktiv zu leistende Vorgänge, und zwar »in vertikaler, werthaltiger Dimension« (Ruberg 1988, 237). Pico della Mirandola in seiner Schrift De dignitate hominis (Über die Würde des Menschen)5 schreibt dem Menschen das Überschreiten der Stufen geradezu ein, indem er ihn dadurch gegenüber allen anderen supranaturalen und supernaturalen Wesen durch dessen Unbestimmtheit ausgezeichnet sieht, die zu allem disponiere: zum Tier wie zum Engel. Die Sonderstellung, die Mirandola dem Menschen einräumt, steht zwar in der Tradition des Aristoteles; auch dieser weist dem Menschen eine prominente Position zu. Aber begründet wird sie von Aristoteles mit einem nur dem Menschen eigenen, und zwar höchst bestimmten seelischen Vermögen, dem noetischen, zusätzlich zu den auch den Tieren eigenen vegetativen und sensitiven Teilen der Seele;6 einen weiteren, ebenfalls zentralen Unterschied sieht Aristoteles in der Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Zwar zitiert Pico das tradierte Verständnis des Menschen als eines mit Vernunft begabten Wesens. Aber bei näherem Hinsehen erweist sich, dass für Pico gar nicht spezifisch menschlich ist, dass der Mensch dank der Vernunft (Pico 1990, 8 u. 14) verwirklichen kann, wozu potentiell jeder Mensch fähig ist: in der Orientierung an dem, was nicht mehr einem anderen und damit höheren Zweck als Mittel dient, seine individuellen Entscheidungen auszurichten und sich schrittweise dieses Kriterium der Orientierung aktual zu erschließen, d. h. zu erkennen, dass die einzelnen Handlungen, die an einzelnen Zwecken ausgerichtet sind, wenn sie gut sind, implizit oder explizit auf die Glückseligkeit selbst als das höchste Gut bezogen sind. Entscheidend vielmehr ist die Disposition, welche es dem Menschen erlauben soll, selbst zum Gott zu werden (Pico 1990, 24). Der Mensch ist als einziges von Gott geschaffenes Wesen vollkommen unbestimmt (Pico 1990, 4). Um die vollkommene Unbestimmtheit zu belegen, schreibt Pico den Anfang der Genesis neu. Als Gott die Welt erschuf, bildete er die einzelnen Wesen nach Archetypen. Da es nun anstand, als letztes ein alles bisher Geschaffene übertreffendes Wesen zu schaffen, war kein Archetyp mehr da. Weder war für das zu schaffende Wesen: den Sohn Gottes bzw. den Menschen, ein Erbe noch ein Ort auf der Welt übrig. Bestimmungs- und Ortlosigkeit – dies sind paradoxerweise die Wesensmerkmale des Menschen, wie Pico sie versteht (Pico 1990, 4). 5
Giovanni Pico della Mirandola: De hominis dignitate. Über die Würde des Menschen, hg. von August Buck, übers. von Norbert Baumgarten, Lat.-dt. (Hamburg 1990). 6 Vgl. hierzu Annette Dieckmann: Klassifikation – System – »scala naturae«. Das Ordnen der Objekte in Naturwissenschaft und Pharmazie zwischen 1700 und 1850 (Stuttgart 1992), 54 ff.; Arbogast Schmitt: Verhaltensforschung als Psychologie. Aristoteles zum Verhältnis von Mensch und Tier. In: Aristotelische Biologie, a. a.O. [Anm. 3] 259–285.
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Die Vorteile einer derartigen Bestimmungslosigkeit liegen für Pico auf der Hand: Dem Menschen ist es überlassen, sich selbst zu bestimmen nach Maßgabe seines eigenen Willens (Pico 1990, 6). Er hat absolute Freiheit, ist durch kein Du sollst festgelegt. Schrankenlos ist der Mensch in den Mittelpunkt der Welt gesetzt. Im Menschen sind die Keime zu allem, extrem formuliert: zur Pflanze wie zum Gott, vorhanden. Diese Keime sind jedoch keine Prädispositionen in die eine oder andere Richtung. Der Mensch ist so verstanden gleichsam Urmaterie, die aus sich individuiertes Leben selbstursprünglich erzeugt. Der Mensch ist ein Proteus, er ist ein Chamäleon, das, wie die Urmaterie, mit sich identisch ist, während die jeweiligen Bestimmungen in Gestalt einzelner Formen wechseln (Pico 1990, 6). Aber auch für die Stufen in biologischer Hinsicht gilt, dass Aristoteles sie nicht radikal trennt, sondern dass es kontinuierliche Übergänge gibt, wie die Forschung in Bezug auf Aristoteles’ Schriften zur Biologie hervorhebt.7 Erst die kategoriale Trennung eines Descartes, der Beseelt-Sein mit Denken und Denken mit Bewusstsein gleichsetzt und dieses Bewusstsein nur für den Menschen gelten lässt, treibt einen Keil zwischen Mensch und Tier. Tiefer getrieben wird dieser Keil noch durch die Rezeption der Korpuskulartheorie seit der Frühen Neuzeit, eines mechanistischen Erklärungsmodells für Wahrnehmungsvorgänge, etwa durch Gassendi.8 Dies zusammen mit neuen, durch die Anatomie gewonnenen Einsichten, wie beispielsweise die Entdeckung des Blutkreislaufes durch William Harvey, führt dazu, dass Aristoteles’ Schriften zur Biologie im Übergang des 17. zum 18. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung verlieren. Somit ist die Dynamisierung der scala naturae keine Reaktion auf ein als zu statisch beurteiltes Stufenmodell in der Nachfolge des Aristoteles, welches sich primär an der psychischen Ausstattung der Lebewesen, den unterschiedlichen Seelenteilen und damit etwas Immateriellem, Geistigem orientiert. Vielmehr ist die Dynamisierung eine Reaktion auf die Forderung, in der Materie selbst derartige Stufen aufzuweisen und materialiter zu dokumentieren: durch vergleichende Anthropologie, Osteologie oder empirische Messungen, was schließlich in die Anthropometrie eines Blumenbach9 mündet. Gerade die Anthropometrie löst ein Schädelsammelfieber aus, von dem maßgebliche Naturforscher des 18. Jahrhunderts ergriffen sind, wie in den Reisetagebüchern und Reiseberichten Chamissos, Alexander von Humboldts, Forsters, um nur diese zu nennen, nachzulesen ist. 7
P. Feuerstein-Herz: Die grosse Kette der Wesen, a. a.O. [Anm. 2] 21; Th. Junker/U. Hoßfeld (Hg.): Entdeckung der Evolution, a. a.O. [Anm. 3] 27; A. Schmitt: Verhaltensforschung als Psychologie, a. a.O. [Anm. 6] 260 f. u. 262. 8 Ulrike Zeuch: Sensus communis, imaginatio und sensorium commune im 17. Jahrhundert. In: Synästhesie. Interferenz – Transfer – Synthese der Sinne, hg. von Hans Adler in Verbindung mit Ulrike Zeuch (Würzburg 2002) 167–184. 9 M. Wyder: Goethes Naturmodell, a. a.O. [Anm. 4] 102 ff., 163 f.
Die Scala Naturae als Leitmetapher
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Scala naturae – eine Konstruktion Im 18. Jahrhundert koexistieren zahlreiche Ordnungsmodelle nebeneinander, die versuchen, die Lücken, missing links, Übergänge zwischen einzelnen Stufen plausibel zu erklären, bevor sich eines etabliert und als Leitmodell durchsetzt.10 Die Konstruktivität des Ordnungsmodells ist aber nicht für das 18. Jahrhundert spezifisch, sondern gilt für jede Zeit, ist mithin eine anthropologische Konstante und Teil der konstruktiven Sinnstiftung des Menschen. Adalbert von Chamisso in der Reise um die Welt resümiert am Ende: »Ich kann in einer Natur, wie die der Metamorphosler sein soll, geistig keine Ruhe gewinnen. Beständigkeit müssen die Gattungen und Arten haben oder es gibt keine. Was trennt mich Homo sapiens denn von dem Tiere, dem vollkommneren und dem unvollkommneren, und von der Pflanze, der unvollkommneren und der vollkommneren, wenn jedes Individuum vor- und rückschreitend aus dem einen in den andern Zustand übergehen kann?«11 Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung sind stets interpretationsbedürftig und werden dem eigenen Vorbegriff gemäß gedeutet. Chamisso will keine Übergänge, weder zwischen den Gattungen noch zwischen den Arten, vor allem nicht zwischen Mensch und Tier; deshalb deutet er die eigenen Befunde im Sinne seiner These. Das heißt: Er sieht nur, was er sucht. Gemeinsam ist diesen Ordnungsmodellen im 18. Jahrhundert aber, die ihnen zugrundeliegenden Theorien entweder mit einer empirisch zugänglichen Oberflächenstruktur und äußeren Merkmalen oder einer bis dato nicht einsehbaren Tiefenstruktur zu belegen bzw. kompatibel zu machen; morphologische und physiologische, mit Hilfe der Anatomie und Mikroskopie durchgeführte Studien gemäß der durch Francis Bacons bahnbrechende Instauratio magna scientiarum und weitere Schriften wie das Organon und De dignitate et augmentis scientiarum für die Erforschung der Natur propagierten Methode des Beobachtens, Sammelns und Klassifizierens wollen aber mehr, nicht nur Deskription des Bestehenden, sondern die Klärung der causae. Eine drängende Frage ist etwa, wie die verschiedenen Tierarten entstanden seien, eine Frage, die nicht minder kontrovers diskutiert wird wie die Ordnungsmodelle selbst, wie der Streit um Präformation und Epigenesis mit Buffon u. a. zeigt.12 In allen drei Fällen ist mit Struktur oder Merkmal materielle Substanz gemeint. Die Fülle materieller Belege darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das eigentliche demonstrandum: der Wandel der Arten an sich, in den Phänomenen der Natur nicht manifestiert, und seien die deskriptiven Da-
10 Vgl. Th. Junker/U. Hoßfeld (Hg.): Die Entdeckung der Evolution, a. a.O. [Anm. 3] 17 ff.; M. Wyder: Goethes Naturmodell, a. a.O. [Anm. 4] 98 ff. 11 Adelbert von Chamisso: Reise um die Welt. 1. Aufl. (Halle 2008) 325. 12 P. Feuerstein-Herz: Die große Kette der Wesen, a. a.O. [Anm. 2] 116 f.
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ten noch so exakt, die vergleichende Morphologie noch so weit fortgeschritten. Die Annahme, dass sich in der Materie selbst etwas Ideelles offenbare, findet spätestens seit Giordano Brunos Neudeutung des Aktaion-Mythos Eingang in die Wissenschaften. Diese Annahme erweist sich als höchst fruchtbar, folgenreich und problematisch: Maß, Zahl und Gewicht müssen fortan in den Erscheinungen selbst – und das kann nur quantitativ sein – gesucht und nachgewiesen werden. Das gilt nicht nur für die Zweige der Naturerforschung wie Geologie, Mineralogie, Meteorologie, Botanik etc., sondern auch für die Musik und die Verhältnismäßigkeit der Töne, für die Architektur und die Proportion der Höhen, Längen und Tiefen sowie für den menschlichen Körper und die Proportion der Körperteile zueinander, um nur diese Beispiele zu nennen. Was für die scala naturae der Biologie gilt, trifft auch für die scala naturae in moralischer Hinsicht zu: dass sie eine Konstruktion ist. Goethe spielt geradezu mit dem Modell der scala naturae und macht mit seiner Konstruktivität ernst, indem er in Faust II einen mehrfachen Mörder, eben den Faust, der in Faust I in seinem Eingangsmonolog Bilder der Himmelsleiter zitiert, ohne Reue, ohne Buße, ohne Verdienste und ohne Glauben an Transzendenz in den Himmel versetzt, und zwar de gratia auctoris. Durch seinen Bühnenzauber spricht Goethe den Bemühungen des christlichen Mittelalters um die Legitimation der Gnadenlehre im Kontext der Frage um die Werkgerechtigkeit als conditio sine qua non für den Übergang der menschlichen Seele in die ewige Seligkeit Hohn. Zugleich macht er deutlich, dass Modelle heuristische Erklärungsversuche sind, nicht mehr und nicht weniger, in jedem Fall aber nicht die Wahrheit selbst, und dass im Medium der Literatur ein Mensch konstruiert werden kann, der modellhaft Grenzen überschreitet. Das ist um so bemerkenswerter, als Goethe als Naturforscher zeitgleich den Gedanken der Evolution durch eigenes Beobachten, Sammeln und Klassifizieren von Objekten, seien dies Pflanzen, Mineralien, Knochen u. ä., auf eine objektive Grundlage zu stellen bemüht ist;13 aber auch bei der Erforschung der Natur gilt sein Interesse weniger der Klassifizierung als der Morphologie, welche »Gemeinsamkeiten und Übergänge zwischen den abgetrennten Abteilungen der Systematik« und das die einzelnen Phänomene verbindende Allgemeine zu sehen lehrt.14 Mit dem literarischen Experiment eines in vitro erzeugten Homunculus’ im Faust II fällt Goethes Antwort auf die psychische wie moralische Entwicklungsfähigkeit des Menschen in den ihm und nur ihm spezifischen Vermögen eher skeptisch aus. »Bis zum Menschen hast du Zeit«, wird Proteus Homunculus 13
Vgl. Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften, hg. von Peter Heusser (Bern u. a. 2000). 14 Vgl. J. Maatsch: Naturgeschichte der Philosopheme, a. a.O. [Anm. 2] 86 ff.; Wolfgang Pross: Die Idee der Evolution im 18. Jahrhundert und die Stellung des Menschen in der Natur bei Goethe und Herder. In: Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften, a. a.O. [Anm. 13] 271–311.
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sagen.15 Margrit Wyder spricht in diesem Zusammenhang von der »Verwandlung eines räumlich orientierten Systems in ein zeitlich orientiertes.«16 Proteus’ Satz lässt sich aber auch so deuten: Nimm sie dir, die Zeit, sonst wird nichts Gutes daraus. Gott hat den Menschen an einem Tag erschaffen, und das war zu schnell.17 In Friedrich Schlegels Lucinde18 wird die Aufstiegsmetapher erst zitiert – »durch alle Stufen der Menschheit […] von der ausgelassensten Sinnlichkeit bis zur geistigsten Geistigkeit« (Schlegel 1962, 11), um dann geradezu umgekehrt zu werden: Als erstrebenswert gilt nun die Stufe des pflanzlichen Seins: »wir Blüten Einer Pflanze oder Blätter Einer Blume« (Schlegel 1962, 12). Die Pflanze wird zur Metapher für ein nicht intentionales, ziel- und zweckloses, müßiges, freies, kindliches, vorbewusstes Spiel der Vorstellungen, eben jenes Spiel, das Schlegel zur Bedingung des neuen Romans macht: »je göttlicher ein Mensch […], je ähnlicher werden sie der Pflanze […]. Und also wäre ja das höchste vollendetste Leben nichts als ein reines Vegetieren« (Schlegel 1962, 27).
Zusammenfassung Ich komme zur Ausgangsthese zurück, dass die Dynamisierung der scala naturae im 18. Jahrhundert einen Paradigmenwechsel einleite. Zu präzisieren ist, dass diese Dynamisierung im Sinne einer Überwindung der Stufen dem Begriff als Aufstiegsmetapher inhärent und im spirituellen wie moralisierenden Kontext auch gemeint und beabsichtigt ist. Zu modifizieren ist, dass es sich bei der Dynamisierung der scala naturae in biologischer Hinsicht nicht um einen abrupten turn handelt.19 Zu Recht weist Feuerstein-Herz darauf hin, wie sehr Linné dem aristotelischen Stufenmodell noch treu ist, anders als Buffon.20 15
Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Texte. In: Goethe, Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche, 1. Abt., 7/1, hg. von Albrecht Schöne (1. Aufl. Frankfurt/M. 1994). 16 M. Wyder: Goethes Naturmodell, a. a.O. [Anm. 4] 106; vgl. Th. Junker/U. Hoßfeld (Hg.): Die Entdeckung der Evolution, a. a.O. [Anm. 3] 46, wird dasselbe für Herder konstatiert: »Herder sah die organische Welt als eine verzeitlichte Stufenleiter; er hat keine Evolutionstheorie vertreten, die Umwandlung einer Art in eine andere war für ihn undenkbar.« 17 Gottfried Benn wird Goethes Skepsis ein Dreivierteljahrhundert später überbieten: Die Krone der Schöpfung / das Schwein der Mensch. 18 Friedrich Schlegel: Lucinde. Ein Roman, mit den Bruchstücken aus dem Nachlaß. In: Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe, Bd. 5, hg. u. eingel. von Hans Eichner (Paderborn u. a. 1962) 1–92. 19 Von der Aura, einen radikalen Wandel in der Evolutionstheorie bewirkt zu haben, lebt auch die Rezeption Darwins; vgl. jüngst dazu Philipp Sarasin: Darwin und Foucault – Genealogie und Geschichte im Zeitalter der Biologie (Frankfurt 2009); Darwin und Foucault stünden für ein historisches Denken, das in radikaler Weise mit Traditionen breche, indem es – so die These dieses Buches – die bequemen, stabilen Gewissheiten des Biologismus einerseits und des Kulturalismus andererseits unterminiere. 20 P. Feuerstein-Herz: Die grosse Kette der Wesen, a. a.O. [Anm. 2] 100.
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Auch in der Begriffsgeschichte sind die Übergänge fließend. Dynamik und Statik des Modells der scala naturae sind zwei Seiten einer Medaille, auch wenn es naheliegt, eine Teleologie in die Geschichte des Begriffs scala naturae im Sinne einer Entwicklung von Statik zu Dynamik hineinzulesen. Gewiss gibt es auch dynamische Denkfiguren, die sich speziell im Wissendiskurs des 18. Jahrhunderts formieren, wie Schwelle, Grad und Intensität.21 Und gewiss sind die Anfänge der Evolutionsbiologie im 18. Jahrhundert dynamisch, aber sobald das Modell akzeptiert ist, wird es statisch; so gilt die synthetische Evolutionstheorie seit Darwin als unumstößlich, trotz durchaus bestehender Alternativtheorien.22 Die Metapher, die neben der scala naturae von Arthur Lovejoy nahezu synonym verwendet wird,23 die Metapher Kette der Wesen oder chain of being,24 stratifiziert die Hierarchie und verlegt das Telos im Sinne einer Vervollkommnungstendenz – anders als Aristoteles in seinen Schriften zur Biologie25 – in die Materie als einen der Natur immanenten, gerichteten Prozess; der Sache nach findet sich dieser Gedanke schon bei Bonnet;26 als Begriff aber löst die Metapher erst nach Bonnet, Linné und Buffon27 die scala naturae ab.28 Bei Ruberg klingt durch, dass die Stratifizierung des Modells nicht nur als Fortschritt, sondern durchaus auch als Verlust gelesen werden kann, als Verlust einer werthaltigen, spirituellen, vertikalen Bewegung der menschlichen Seele.29 Ohne diese Frage an dieser Stelle angemessen erörtern zu können – des Nachdenkens ist sie allemal wert. Ebenso des Nachdenkens wert ist Aristoteles’ Annahme, dass es zwischen Mensch und Tier in psychologischer Hinsicht keine kategoriale Trennung gebe, sondern die Grenze vielmehr mitten durch den Menschen selbst verlaufe – eine Grenze, die auch der Mensch nur mit »viel Anstrengung und Übung« überschreite, und »die meisten Menschen […] nie«,30 die Grenze, die durch die noetischen Fähigkeiten des Menschen markiert sei.
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Erich Kleinschmidt: Schwelle, Grad, Intensität. Zur Formierung dynamischer Denkfiguren im Wissendiskurs des 18. Jahrhunderts. In: Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften, a. a.O. [Anm. 1] 13–25. 22 Vgl. In the shadow of Darwinism. Alternative evolutionary theories in the 20th century, ed. by O. Breitbach, U. Hoßfeld, G. S. Levit u. a. (St. Petersburg 2003). 23 Arthur O. Lovejoy: Die große Kette der Wesen: Geschichte eines Gedankens, übers. von Dieter Turck (1. Aufl. Frankfurt a.M. 1993) 76 ff. 24 Zu Kettenkonzepten vgl. Christian Straub: Von der »Großen Kette der Wesen« zur »Kette der Cultur«? Eine Frage zur Verbindbarkeit von Traditionsgehalten. In: Begriffsgeschichte der Naturwissenschaften, a. a.O. [Anm. 1] 116–128. 25 Wolfgang Kullmann: Die Teleologie in der aristotelischen Biologie. Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker (Heidelberg 1979). 26 M. Wyder: Goethes Naturmodell, a. a.O. [Anm. 4] 91 ff.; Th. Junker/U. Hoßfeld (Hg.): Die Entdeckung der Evolution, a. a.O. [Anm. 3] 20. 27 P. Feuerstein-Herz: Die grosse Kette der Wesen, a. a.O. [Anm. 3] 25. 28 Th. Junker/U. Hoßfeld (Hg.): Entdeckung der Evolution, a. a.O. [Anm. 3] 37 ff. 29 U. Ruberg: Vom Aufstieg im Mittelalter, a. a.O. [Anm. 4] 213 f., 242. 30 A. Schmitt: Verhaltensforschung als Psychologie, a. a.O. [Anm. 6] 261.
Andreas Blödorn
»Entwickelungs«-Diskurse. Zur Metaphorik des Entwicklungsbegriffs im 18. Jahrhundert
I. Die Metapher als »Erkenntnismittel« Metaphorische Begriffsverwendungen und die damit verbundenen Verfahren der Bedeutungsgenerierung unterliegen historischem Wandel. Dieser Bedeutungswandel betrifft nicht nur den sich wandelnden semantischen Gehalt von Begriffen, die Wortbedeutung, sondern gleichfalls die Verfahren metaphorischer Begriffsbildung und die Frage, in welchem Verhältnis etwa Bildspender und Bildempfänger zueinander stehen – mithin auch die Frage, welche Bildbereiche eine Kultur bevorzugt, um sie für übertragene Bedeutungsgebungen zu funktionalisieren – und was dies im Rückbezug über die jeweilige Kultur aussagt. Das seit den 1990er Jahren im Rahmen kulturwissenschaftlicher Fragestellungen zunehmend an Bedeutung gewinnende Arbeitsfeld der Historischen Semantik widmet sich so etwa der Verwendung von Tropen und Metaphern, von Topoi und Stereotypen in unterschiedlich weit gefassten kulturellen Zusammenhängen, u. a. in historischen, philosophischen, literarischen, juristischen u. a. Diskursen. Ziel der Historischen Semantik ist es dabei – mit einem Begriff Ralf Konersmanns –, »Aufmerksamkeitsverschiebungen«, d. h. »Bedeutungspotentiale, Blickführungen und Prägnanzen« in der kulturellen Verwendung und Anwendung von Begriffen zu untersuchen.1 Insbesondere die zugrundeliegende kulturwissenschaftliche Annahme, dass sich der Begriff eines Gegenstandes »mit der Übersetzung des Gegebenen in den Funktionszusammenhang von Wahrnehmung und Erkenntnis […] ändert«,2 weist der Metaphorologie eine diffizile Aufgabe zu, gilt es doch, nicht nur Implikationen metaphorischer Begriffsverwendung und somit häufig eindimensional verstandene Übertragungen von eigentlicher zu uneigentlicher Bedeutungsgebung zu erschließen, sondern vielmehr komplexe und wechselseitige Prozesse diskursiver Bedeutungskonstituierung zu untersuchen, wie sie sich auch und gerade zwischen verschiedenen Diskursen entfalten, sowie die Prozesse der Bedeutungskonstituierung im Interdiskurs Literatur, in dem diese divergierenden Diskurssemantiken sich begegnen und neuerlich funktionalisiert werden können. Im Folgenden soll solch diskursiven Verfahren metaphorischer Bedeutungsgenerierung exemplarisch am Beispiel eines Zentralbegriffs der deutschen Aufklärung nachgegangen werden, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 1 2
Vgl. Ralf Konersmann: Kulturelle Tatsachen (Frankfurt a.M. 2006) 190. Ebd. Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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insbesondere für Geschichtsdenken und Anthropologie sowie in der Folge auch für die Poetologie bedeutsam wird und der das Denken der Spätaufklärung in einem übergreifenden Horizont maßgeblich prägt: der Begriff der ›Entwicklung‹ – in der Terminologie des 18. Jahrhunderts genauer der ›Entwickelung‹ – und seiner Metaphorik. Ich gehe dabei zunächst vom Begriffsverständnis des allgemeinen kulturellen Wissens3 aus, wie es in Konversationslexika resp. Wörterbüchern des 18. Jahrhunderts kodifiziert ist, um dann auf die anthropologische und pädagogische Relevanz der auf die Biologie bzw. Botanik zurückverweisenden Begriffsimplikationen einzugehen.
II. »Entwickelung« als Metapher organischen Wachstums Nachweisbar erstmals 1645 bei Philipp von Zesen,4 geht der Begriff »Entwicklung« im Verlauf des 18. Jahrhunderts ins allgemeine kulturelle Wissen über. Im Zusammenhang mit seiner Kodifizierung verbindet sich hier bereits eine metaphorische Verwendungsweise und zugleich eine Bedeutungserweiterung: Aus dem ursprünglich biologisch-wörtlichen, auf das individuelle Wachstum, die Ontogenese, bezogenen Entwicklungsbegriff wird im Verlauf des 18. Jahrhunderts ein universal anwendbarer Anschauungsbegriff für auch kollektive und abstrakte Prozesse sowie für noch terminologisch unerschlossene Gebiete des Denkens und der Wissenschaften – wie im Fall des in der zweiten Jahrhunderthälfte aufkommenden geschichtlichen Entwicklungsbegriffs.5 Einen Ansatzpunkt für die flexible Übertragbarkeit bildet dabei die terminologische Vagheit sowie eine inhärente Ambivalenz des Entwicklungsbegriffs, welche es ermöglicht, eine prinzipielle, gattungsgebundene Determination (›Anlage‹) und damit auch eine Teleologie von Prozessen (größtenteils, wie bei Herder, noch innerhalb der angenommenen Gültigkeit gottgegebener Ordnungen) zu vereinbaren mit der möglichen Offenheit eines umweltreagiblen Verlaufs, der im Einzelfall faktisch realisierte Abweichungen innerhalb des determinierten Prozesses zu3
»Kulturelles Wissen« sei hier mit Michael Titzmann verstanden als Bezeichnung der »Gesamtmenge aller von den Mitgliedern einer Kultur, das heißt in einer bestimmten Zeitphase T1 (z. B. etwa einer Epoche) in einem bestimmten Raum R1 (z. B. deutsches Sprachgebiet und/oder Europa), für wahr gehaltenen Propositionen. Jede solche Proposition ist ein Wissenselement.« Vgl. Michael Titzmann: Propositionale Analyse – kulturelles Wissen – Interpretation. In: Medien und Kommunikation. Eine interdisziplinäre Einführung, hg. von Hans Krah und Michael Titzmann (Passau 2006) 67–92; hier 74; Hervorhebungen im Original. 4 Vgl. dazu Wolfgang Wieland: Entwicklung, Evolution. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 2, hg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Stuttgart 1975) 199–228. 5 Vgl. zum geschichtlichen Entwicklungsbegriff die Studie Andreas Cesanas: Geschichte als Entwicklung? Zur Kritik des geschichtsphilosophischen Entwicklungsdenkens (Berlin/New York 1988). Cesana untersucht, »ob […] und in welcher Hinsicht […] die biologisch-anthropologische Herkunft im geschichtlichen Entwicklungsbegriff weiterwirkt« (ebd., 23).
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lässt. Zu den prinzipiellen Implikationen des »Entwicklungsbegriffs« gehört dabei jedoch stets die Funktion, »Zeitliches in Räumliches und Prozeßhaftes in Bilder und Strukturen organischen Wachsens«6 zu übersetzen. Die durch den ursprünglich biologischen Begriff der Entwickelung transportierte Prozesshaftigkeit und die daran gekoppelte Verlaufsstruktur gilt es nun im Kontext der Begriffsgeschichte näher zu betrachten. Unter »entwickeln« verzeichnet Kluges Etymologisches Wörterbuch die begrifflichen Ursprünge wie folgt: »Gebildet unter dem Einfluß von l. explicāre und frz. évoluer. Deshalb fast nie in der eigentlichen Bedeutung ›aufwickeln‹ gebraucht, sondern zunächst ›einen Gedanken entwickeln‹, ›ein Rätsel lösen‹, ›etwas nachprüfen‹«7. Das Reflexivum weitet dann seinen Anwendungsbereich aus zu »sich allmählich herausbilden«. Abstraktum: »Entwicklung«.8 Haben wir es heute dabei weitestgehend mit einer konventionalisierten Metapher zu tun, so stellt ›entwickeln‹ im 18. Jahrhundert noch eine kreative Metapher dar,9 deren Bildspenderbereich einen ganzen Komplex an Bedeutungskontexten zur Verfügung stellt und dabei das Wissen, dass es sich um metaphorische Bedeutungsübertragungen handelt, aktiv wach hält und somit zwischen eigentlichen und uneigentlichen Bedeutungskomponenten changiert. Dabei gewinnt der Begriff erst in der zweiten Jahrhunderthälfte an Relevanz, wie sich insbesondere am kodifizierten Wissen der Enzyklopädien und Wörterbücher ablesen lässt. So gibt es in Zedlers Universal Lexicon in der Jahrhundertmitte zu ›entwickeln‹ oder ›Entwick(e)lung‹ noch keinen eigenen Eintrag. Der Adelung hingegen verzeichnet, das Wissen des 18. Jahrhunderts summarisch bündelnd, 1793 zu »entwickeln«: »was ein- oder zusammen gewickelt ist, aus einander wickeln«.10 Begriffsgeschichtlich gemeint ist also zunächst »nur das wörtlich verstandene Auseinanderwickeln von etwas, was in anderer Form schon vorhanden ist«.11 Der Eintrag weist sodann unter (1) darauf hin, dass die eigentliche Bedeutung »doch nur selten« vorkomme. Unter (2) hingegen wird auf den gemeinsamen Gehalt von eigentlicher und bildhafter Verwendung verwiesen: »Zusammen gelegte Theile aus einander legen und sie dem Auge darstellen, in der edlern Schreibart, so wohl eigentlich als figürlich. So entwickelt die Rose ihre Blätter, oder sie entwickelt sich, wenn sie aufblühet, oder in der höhern Schreibart sich entfaltet. Von sieben Larven entwickelten sich deren vier zu sehr schönen Schmetterlingen. Ingleichen figürlich. Es gehören gün6
Vgl. A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 37. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. von Elmar Seebold (Berlin/New York 242002) 249. 8 Ebd. 9 Vgl. dazu Katrin Kohl: Metapher (Stuttgart 2007); hier insbesondere 55–64. 10 Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Bd. 1 (Leipzig 21793) 1841. 11 W. Wieland: Entwicklung [Anm. 4], 199. 7
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stige Umstände dazu, die Anlagen, welche in der Seele verborgen sind, zu entwickeln, nach und nach thätig zu machen und darzustellen. […]. Einen Gedanken aus den vorher gegangenen Vorstellungen entwickeln, nach allen seinen Theilen deutlich machen.«12 Als Bildspender fungiert somit im allgemeinen kulturellen Wissen zunächst der organische Naturvorgang des Aufblühens als ein gegenständliches Auseinanderwickeln des im Keim angelegten Pflanzenlebens, das aus der Knospe entspringt, aufblüht und sich im Wachsen entfaltet und herausbildet. Die metaphorische Übertragung auf den hier bereits mit verzeichneten Bildempfängerbereich tierischen und menschlichen Lebens erweitert das wörtliche Auseinanderwickeln von keimenden Blättern dabei im Sinne eines äußeren Gestaltwandels von der Larve zum Schmetterling, d. h. im Sinne einer tierischen Metamorphose (wie etwa auch Goethe sie am Beispiel der Chrysalide betrachtet). Auf den Menschen hingegen bezogen, deutet sich hier zudem die metaphorische Bedeutungskomponente einer psychischen Entwicklung der Person und somit eine innere Entwicklung von Fähigkeiten und Möglichkeiten an (»Anlagen, welche in der Seele verborgen«), wobei signifikanter Weise ein Wechselspiel von inneren »Anlagen« und äußeren »Umstände[n]« für eine »gelingende« Entwicklung und Entfaltung relevant gesetzt wird. Und drittens wird hier auf eine weitere metaphorische Bedeutung hingewiesen: auf die geistige, sprachlich-rhetorische Entwicklung von Gedanken aus, wie es heißt, »vorher gegangenen Vorstellungen«. Als eine kreative Metapher hält »Entwicklung« bzw. »Entwickeln« im allgemeinen kulturellen Wissen des 18. Jahrhunderts folglich verschiedene, divergierende metaphorische Bedeutungsfelder bereit, die jedoch eines gemeinsam haben: das Konzept der Naturalisierung kultureller Phänomene – wobei die Steigerung und zunehmende Abstraktion vom Wortsinn schließlich auf die sprachkulturelle Bedeutungskomponente und somit wiederum auf eine Kulturalisierung der Naturbeobachtung hinausläuft (vom Pflanzenkeim über den äußeren Gestaltwandel hin zur innerpsychischen Entwicklung des Menschen und schließlich zur sprachlichen Verfertigung und umfassenden Erklärung von Gedanken). Zuletzt wird »Entwicklung« somit an ›Erkenntnis‹ gekoppelt, heißt es doch bei Adelung unter (3): »Nach einer noch weitern Figur, eine verworrene Sache durch Darstellung der einzelnen Theile und deutlich machen; im Gegensatze des verwickeln. Eine Sache entwickelt sich, wenn sie uns deutlich zu werden anfängt. […] Daher die Entwickelung in allen Bedeutungen; ingleichen der klare oder deutliche Ausgang einer dunkeln oder verworrenen Sache.«
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J. Chr. Adelung: Wörterbuch [Anm. 10] 1841; Hervorhebung im Original.
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III. Erziehung als Möglichkeit individueller Einflussnahme auf die Entwicklungsbedingungen Ausgehend vom allgemeinen kulturellen Wissen lassen sich diese drei Bedeutungsfelder von ›entwickeln‹ – als ›auseinanderwickeln‹ (wörtlich), ›entfalten‹ (übertragen, materielle Komponente) und ›erklären‹ (übertragen, immaterielle Komponente) – nun insbesondere in jenen Spezialdiskursen der Goethezeit wiederfinden, die neue Wissenschaftsgebiete und damit auch sprachlich noch nicht ›abgestecktes‹ Terrain erschließen sollen: Anthropologie, Pädagogik, Geschichte. Insbesondere im gruppenspezifischen Wissen 13 der Pädagogik wird, anthropologisches Wissen der Zeit popularisierend, die »menschliche Natur«, wie es heißt, als ein Abbild der Natur insgesamt begriffen – und die Entwicklung des Kindes zum erwachsenen Menschen als ein metaphorischer Nachvollzug dieser großen Naturentwicklung im Kleinen konzeptioniert,14 als ein quasi naturgeschichtlicher Entwicklungsgang von der Pflanze über das Tier zum Menschen. Exemplarisch erläutert dies der Aufklärungspädagoge Christian Gotthilf Salzmann in seinem 1806 erschienenen Ameisenbüchlein, oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher: »Das Kind empfängt ohne Zweifel alle seine Kräfte durch die Erzeugung und bringt sie mit, wenn es sich seinem pflanzenähnlichen Zustand entwindet und in das Tierreich übergeht. Die meisten aber schlummern noch, wie der Keim im Weizenkorn, wenn es in die Erde geworfen wird; sie sind nur noch Vermögen, und entwickeln sich, mit dem Fortgang der Zeit«.15 Aufgabe einer »vernünftigen, der menschlichen Natur angemessenen Erziehung«16 ist es für Salzmann, den ›Keim‹ sukzessive zur Entwicklung zu bringen und dabei einzelne Stadien der Entwicklung auseinander folgen zu lassen – die im Kind innerlich angelegten »Kräfte« also durch äußere Umweltreize und wohl durchdachte »Übungen« zu entfalten. Dabei gelte es, dass man die jeweiligen »Kräfte [nicht] zu entwicklen suchen [darf], bis sie wirklich da sind«, d. h. bis »diejenigen, aus welchen sie hervorzugehen pflegen, hinlängliche Übung bekommen haben«.17 Oberstes Prinzip der Erziehung stellt dabei die Hilfe zur Selbstentfaltung dar: den Kindern »Gelegenheit und Reiz« zu verschaffen, »diese Übungen selbst vorzunehmen«.18 So bedeutet Erziehung Salzmann zu Folge 13
Begriff nach Michael Titzmann: Propositionale Analyse [Anm. 3]. Exemplarisch findet sich dieser Diskurs abgebildet in der deutschen Robinson CrusoeRezeption der Spätaufklärung, vgl. etwa Joachim Heinrich Campes Robinson der Jüngere. Ein Lesebuch für Kinder (Hamburg 1779/1780). 15 Christian Gotthilf Salzmann: Ameisenbüchlein, oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher. In: Christian Gotthilf Salzmann: Krebsbüchlein / Ameisenbüchlein (= Salzmanns pädagogische Schriften, Bd. 1), hg. von Matthias Dräger (St. Goar 2007) Teil II, 34 f. 16 Ebd., 34. 17 Ebd. 18 Ebd. 14
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»Entwicklung und Übung der jugendlichen Kräfte«.19 Salzmanns bereits 1780 erschienenes, satirisches Krebsbüchlein, oder Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der Kinder zeigt dazu kontrastiv, wie sich Kinder durch falsche Erziehung ›fehlentwickeln‹ können, indem ihre Anlagen nicht entfaltet, sondern systematisch unterdrückt bzw. fehlerhaft ausgeprägt werden (aufgeführt werden z. B. »Mittel, die Kinder gegen die Schönheiten der Natur unempfindlich zu machen«). Bezeichnender Weise wird dabei das Wort ›Fehlentwicklung‹ vermieden: Das spätaufklärerische Denken löst den hier latenten Konflikt zwischen Anlage vs. Umwelt dadurch, dass unerwünschte Erziehungsresultate zumeist auf falsche Erziehung, d. h. auf widrige Umwelteinflüsse zurückgeführt werden – nicht aber auf die ›Naturanlagen‹ der Kinder. So argumentiert Salzmann: »Nach meiner Empfindung ist das wahre Elend der Menschen immer eine Folge der menschlichen Vorurteile, Torheiten, Schwäche usw., die nicht mit ihrer Natur wesentlich verbunden sind, sondern fast immer durch eine fehlerhafte Erziehung, teils genährt, teils wirklich hervorgebracht werden.«20 Die dominante Moral kindlicher, pädagogisch angeleiteter ›Entwicklung‹, solange sie – v. a. im noch christlich rückgebundenen Kontext – metaphorisch als ein positiv konnotierter Naturvorgang begriffen wird, erlaubt wie hier bei Salzmann keine ›falschen‹ oder fehlerhaften Anlagen, sondern setzt, dass diese von ›Natur‹ aus (bzw. gottgegeben) ›gut‹ – und d. h. letztlich auch überindividuell gleich – sind.
IV. Anlage vs. Umwelt: Der Streit um die Prädetermination21 Die Annahme, dass Anlagen und Fähigkeiten des Individuums in seinem Keim bereits vollständig angelegt sind und das Heranwachsen nur als deren ›Entwikkelung‹ (Entfaltung) zu verstehen sei, ist auch in anderen Diskursen der Goethezeit einflussreich. So geht etwa Johann Gottfried Herder in seiner in den Entwurf einer Naturgeschichte eingebundenen Anthropologie der Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784–1791) von einer Determinierung des Individuums durch seine Anlagen aus, deren Entfaltung einerseits klimaräumlich und also umweltbedingt ist, deren Entfaltung aber andererseits in ihrer Entwicklung auch durch Bildung beeinflusst werden können: 19
Ebd., 33. Christian Gotthilf Salzmann: Krebsbüchlein, oder Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der Kinder. In: Christian Gotthilf Salzmann: Krebsbüchlein / Ameisenbüchlein (= Salzmanns pädagogische Schriften, Bd. 1), hg. von Matthias Dräger (St. Goar 2007) Teil I, 46. 21 Zum Streit um Präformation und Epigenese im 18. Jahrhundert, der auch als Haller-WolffDebatte Geschichte machte, vgl. die fundierte Darstellung bei Änne Bäumer-Schleinkofer: Die Geschichte der beobachtenden Embryologie: Die Hühnchenentwicklung als Studienobjekt über zwei Jahrtausende (Frankfurt a.M. u. a. 1993) 171–212. 20
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»Nicht nur der Keim unsrer innern Anlagen ist genetisch wie unser körperliches Gebilde: sondern auch jede Entwicklung dieses Keimes hängt vom Schicksal ab, das uns hie oder dorthin pflanzte und nach Zeit und Jahren die Hülfsmittel der Bildung um uns legte.«22 Damit ist zugleich noch auf ein anderes Problem hingewiesen, denn bedeutete ›Entwicklung‹ im allgemeinen kulturellen Wissen und im daran gekoppelten pädagogischen Diskurs zwar die Entfaltung innerer Anlagen, so ist über den Grad der Differenzierung dieser Anlagen im ›Keim‹ selbst noch nichts ausgesagt. Hierzu aber existieren im 18. Jahrhundert unterschiedliche Theorien, die sich u. a. im gruppenspezifischen Wissen des biologischen Diskurses artikulieren. Die unterschiedlichen Positionen betreffen die Frage der Determinination des Individuums: Während die von Albrecht von Haller und Charles Bonnet vertretene Theorie der Evolution bzw. Präformation von einer in der Keimzelle bereits vollständigen Ausdifferenzierung des Individuums ausgeht, das im Wortsinne dann nur noch zu ›ent-wickeln‹ ist, basiert Caspar Friedrich Wolffs Theorie der Epigenese auf der Annahme, dass der Keim selbst noch nicht vollständig ausdifferenziert ist, sondern sich erst sukzessiv, angetrieben durch eine innere Kraft (die vis essentialis), zum Individuum ausbildet.23 Auch Herder geht etwa von einer solchen dem Menschen (wie allen Lebewesen) inhärenten ›Lebenskraft‹ aus, einer »lebendige[n], organische[n] Kraft«.24 Insbesondere im Zusammenhang mit der zunehmenden Durchsetzung der epigenetischen Theorie im 18. Jahrhundert ist nun zu beobachten, dass »der Entwicklungsbegriff seine wortwörtliche Bedeutung wie auch seine unmittelbare Anschaulichkeit einbüßt«25 und sich zu einem theoretischen Begriff ausbildet, der auf Wachstum und Ausbildung durch innere Kräfte gerichtet ist. Hier liegt der Ansatzpunkt für jene – u. a. für die Pädagogik relevant gewordenen – Vorstellungen, die den biologischen Entwicklungsbegriff auf psychologische und anthropologische Zusammenhänge übertragen – und eine Entwicklung der inneren Anlagen und Fähigkeiten des Menschen in den Blick nehmen.26 Dabei kommen erneut die Umweltbedingungen ins Spiel und mit ihnen die Frage, welche Freiheiten, Lizenzen und Möglichkeiten die Entwicklung für individuelle Abweichungen lässt, inwieweit folglich die äußeren Faktoren das Gelingen einer erfolgreichen Entwicklung beeinflussen können. Johann Gottfried Herder formuliert eine letztlich weitreichende Position, die jedoch ebenso auch die Grundposition des pädagogischen Diskurses bezeichnet:
22
Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2 (Riga und Leipzig 1786) 252. 23 Vgl. dazu auch die Darstellung bei A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 17. 24 Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke. Bd. 13, hg. von Bernhard Suphan (Berlin 1877–1913) 274. 25 A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 17. 26 Vgl. dazu auch W. Wieland: Entwicklung [Anm. 4] 201.
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»Je tiefer jemand in sich selbst, in den Bau und Ursprung seiner edelsten Gedanken hinab stieg, desto mehr wird er Augen und Füsse decken und sagen: ›was ich bin, bin ich geworden. Wie ein Baum bin ich gewachsen: der Keim war da; aber Luft, Erde und alle Elemente, die ich nicht um mich satzte, musten beitragen, den Keim, die Frucht, den Baum zu bilden.«27 Signifikant ist, dass hier analog zu ›entwickeln‹ das Lexem »bilden« verwendet wird, das für Herder im Vergleich zu ›entwickeln‹ einen prinzipiell größeren Einfluss der Umwelt an der Ausbildung des Keims zu konnotieren scheint.
V. Anlage und Umwelt: Die Entwicklungsmetapher als ›genetisches‹ Erklärungsmuster Auf den Bereich der Geschichte findet der biologisch-organische Entwicklungsbegriff etwa seit den 1770er Jahren Anwendung, und auch dort dient er als eine Metapher organischer Bewegung bzw. organischen Wachstums.28 Johann Gottfried Herder buchstabiert diese Metapher in seinen Schriften Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit (1774) und in seinen späteren Ideen zu drei Metaphoriken natürlicher Entwicklung aus: zur Lebensaltermetaphorik (in zeitlicher Dimension: vom Kind zum Erwachsenen zum Greisenalter), zur Pflanzen- bzw. Baummetaphorik (eine Aufwärtsbewegung jeder Entwicklung suggerierend – von der Wurzel über den Stamm zur Krone) und zur Strommetaphorik (zielgerichtet: von der Quelle über den Verlauf zur Mündung).29 Allen drei Metaphoriken ist dabei ein genetisches Erklärungsmuster gemeinsam, dem zu Folge jede Entwicklung (in ihrer Prozessualität) mit Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit (d. h. in Form einer festgelegten Verlaufsstruktur) abläuft, der Ursprung im ›Keim‹, in der ›Wurzel‹ bzw. in der ›Quelle‹ folglich das Künftige prädeterminiert. In der Geschichte wirken diesem Denken zu Folge dieselben organisch-genetischen Kräfte wie in der Natur. Herders Grundüberlegung dabei, »Geschichte […] in Analogie zu organischen Entwicklungsprozessen« zu interpretieren, also »die Menschheitsgeschichte im Gleichnis individualgeschichtlicher Entwicklung« zu begreifen«,30 funktionalisiert die Metapher hier als ein Erkenntnismittel, um das noch neue Wissens- und Forschungsfeld der Geschichte »durch terminologische Übertragungen zu erschließen, und zwar auf Grund von Ähnlichkeiten und Analogien«31 zwischen individueller Entwicklung und postulierter Menschheits- und Naturentwicklung. Herder legt dieses Analogiebildungsverfahren in seinen Ideen dar: 27 28 29 30 31
J. G. Herder: Sämtliche Werke. Bd. 8 [Anm. 24] 198. Vgl. A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 17 und 37. Vgl. dazu auch A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 160 ff. Ebd., 24. Ebd., 25.
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»[W]ir wollen Analogien der Natur betrachten. Nichts in ihr steht still: alles strebt und rückt weiter. Könnten wir die erste Periode der Schöpfung durchsehn, wie Ein Reich der Natur auf das andre gebauet ward: welche Progreßion fortstrebender Kräfte würde sich in jeder Entwicklung zeigen!«32 Die Implikationen der von Herder behaupteten Entwicklungsprozesse basieren auf biologischen Erkenntnissen über Wesen und Gesetzmäßigkeit organischen Wachstums – wie Ereignisfolgeregeln und Notwendigkeit des Ablaufs. Herders Erklärung zielt damit auf die Herleitung menschlicher Teilhabe am Sinnganzen der Natur, wobei in den Ideen ein weiterer Abstraktionsschritt vorgenommen wird: dort erscheint die Natur insgesamt als ein großer Organismus, innerhalb dessen Herder, wie Cesana es formuliert, eine aufsteigende »ideelle Entwicklungslinie von den Steinen über die Kristalle […] zu den Pflanzen und Tieren und schließlich zum Menschen«33 sieht.34 Mit der Übertragung der Entwicklungsmetapher auf den Menschen rückt zugleich auch dessen Sprache in den Blickpunkt. Für sie gelte, so schreibt Herder in seiner Fragmentsammlung Über die neuere Deutsche Litteratur (1767),35 dass sie eine Entwicklungsgeschichte aufweise: »sie keimt, trägt Knospen, blüht auf, und verblühet«36. Auch für andere Kulturphänomene wie Kunst, Literatur und Wissenschaft findet diese Idee einer natürlichen Entwicklung des im Keim Angelegten Anwendung: »Wie der Baum aus der Wurzel: so wächset Kunst, Sprache und Wissenschaft aus ihrem Ursprunge herauf. In dem Saamenkorn liegt die Pflanze mit ihren Theilen; im Saamenthier das Geschöpf mit allen Gliedern: und in dem Ursprung eines Phänomenon aller Schatz von Erläuterung, durch welche die Erklärung desselben Genetisch wird.«37 Mit der dominanten Funktion dieser Metaphorisierung, der Naturalisierung von Kulturphänomenen, verbindet sich hier zugleich und ohne dass Herder dies weiter explizieren muss, die Übertragung der Eigenschaften ›natürlicher‹ Individualentwicklung auf die abstrakten Kollektiva »Kunst, Sprache und Wissenschaft«, die somit als ebenso ›lebendige‹ wie ›endliche‹ Größen positioniert werden, deren ›Keim‹ (»Ursprung eines Phänomenon«) sich in Auseinandersetzung mit 32
J. G. Herder: Ideen [Anm. 22] Bd. 1, 1785, 304. A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 177. 34 Bei Herder heißt es: »Von der Nahrung und Fortpflanzung der Gewächse stieg der Trieb zum Kunstwerk der Insekten, zur Haus- und Muttersorge der Vögel und Landthiere, endlich gar zu Menschen-ähnlichen Gedanken und zu eignen selbst-erworbnen Fertigkeiten; bis sich zuletzt alles in der Vernunftfähigkeit, Freiheit und Humanität des Menschen vereinet«; vgl. J. G. Herder: Sämtliche Werke. Bd. 13 [Anm. 24] 167 f. 35 Vgl. Herders Fragment: Von den Lebensaltern der Sprache. In: J. G. Herder: Sämtliche Werke. Bd. 1 [Anm. 24] 151 ff. 36 Ebd., 152. 37 Ebd., Bd. II, 62. 33
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den Umweltbedingungen entfaltet. Und auch deren Entwicklungsgeschichte verortet Herder im Kontext der Klimatheorie: Es bilde sich nichts aus, »als wozu Zeit, Klima, Bedürfniß, Welt, Schicksal Anlaß gibt«.38
VI. Die poetologische Funktionalisierung der Entwicklungsmetapher Angewandt auf Sprache und Kunst, bedeutet ›entwickeln‹ bei Herder das ›Erläutern‹ und ›Erklären‹ eines »Phänomenon«. ›Entwickeln‹‚ ›erklären‹ und ›erzählen‹ werden dabei in der Goethezeit in einen auch poetologischen Zusammenhang gebracht, wie sich auch an Friedrich Blanckenburgs Versuch über den Roman (1774) zeigen lässt. Denn für Blanckenburg stellt »entwickeln« die wesentliche Aufgabe und Leistung des Romans dar – nämlich »diese äußere und innre Verbindung der wirkenden Ursach irgend einer Begebenheit«39 »erklären und begreiflich machen«.40 So wie »alles in der Natur« »werdend« sei (dies ist Blanckenburgs Zentralbegriff),41 so impliziert das Darlegen der »innre[n] Verbindung von Wirkung und Ursache«42 dabei, das ›Werden‹ von Charakteren oder Begebenheiten anschaulich zu machen, d. h. »die sich zutragende Begebenheit«43 darzustellen. Davon grenzt Blanckenburg nun »die bloße Erzehlung der sich zugetragenen Sache«44 ab, die auf die nur äußerliche Beschreibung gerichtet ist.45 Wird »Entwicklung« folglich als ›Werden‹46 von Charakteren und als veranschaulichte ›Ausbildung‹47 des Helden verstanden, so sind damit diejenigen begrifflichen Bedeutungsfelder aufgerufen, die goethezeitlich in engem Bezug stehen und teilweise synonym gebraucht werden: ›Entwicklung‹, ›Bildung‹, ›Ausbildung‹ und ›Erziehung‹. Bei Blanckenburg deutet sich dabei eine – mit dem Gebrauch bei Adelung 1793 übereinstimmende – Tendenz an, ›Bildung‹ auf die äußere Gestaltgebung in der Natur (sowie in der ›bildenden Kunst‹), ›Ausbildung‹ hingegen auf die innere Formung anzuwenden (z. B. auf die Erziehung des Menschen sowie im übertragenen Sinne auf die gedankliche Formgebung in Sprache und Dichtung). Dem gegenüber verwendet Blankkenburg ›entwickeln‹ bereits ausschließlich als Metapher für die kausale Erklärung und Darlegung von Sachverhalten in der Zeit. Indem Blanckenburg aber
38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
Ebd., Bd.V, 505. Friedrich von Blanckenburg: Versuch über den Roman (Leipzig und Liegnitz 1774) 264. Ebd., 263. Ebd., 283 und 494. Ebd., 275. Ebd., 283. Ebd. Vgl. ebd., 277. Vgl. ebd., 494. Vgl. ebd., 387.
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den Kern der Entwicklungsmetaphorik, die Vorstellung des Entfaltens einer im ›Keim‹ angelegten Sache, im Zusammenhang mit ›bilden‹ und ›ausbilden‹ verwendet,48 überträgt er die organische Bewegungsmetaphorik gleichermaßen auf alle diese Begriffe und konzipiert Erziehung und Ausbildung als Vorgänge bewusst gesteuerter Entwicklung des Zusammenhangs von Innerem und Äußerem: »Wer es uns aufklären, wer uns die innre Gestalt irgend eines Menschen anschauend darlegen will, muß alle die äußern Umstände genau kennen, die auf seine Ausbildung Einfluß haben, und gehabt haben.«49 Die dabei romanintern vorgeführte »Vollendung«50 charakterlicher Ausbildung einer Person soll zugleich den poetologischen Zweck des Romans vor Augen führen, nämlich seinen Leser auf dem Schritt der »Vervollkommnung des Menschen« voranzubringen – in Horazischer Tradition durch vergnüglich präsentierte Belehrung.51 Die Korrelation von ›entwickeln‹ und ›erzählen‹, wie sie Blanckenburgs Romantheorie hier vornimmt, wirkt sich mit dem zentralen Modell des goethezeitlichen Entwicklungs- und Bildungsromans auch auf die faktische Romanproduktion der Spätaufklärung aus. Kennzeichen des Entwicklungsromans ist es – analog zum Begriff des ›Werdens‹ bei Blanckenburg –, dass das Interesse an der menschlichen Entwicklung sich auf die Phase des ›Aufblühens‹, des äußeren Heranwachsens und der inneren Reife konzentriert (Adoleszenzphase); sobald jedoch das Kind resp. der jugendliche Held zum Erwachsenen ›ausgebildet‹
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Der Dichter, so Blanckenburg, solle »die Anordnung und Ausbildung seines Werks« nach dem Vorbild natürlicher Ordnung einrichten: »Eben so wie die Werke der Natur geordnet sind, die, indem sie uns Vergnügen gewähren, zu gleicher Zeit Keime zum Denken enthalten: eben so wird der Dichter sein Werk ordnen. Das sanfte Grün, so gebildet […], kleidet den größten Theil der Schöpfung ein, der unsre denkende Kraft auf die angenehmste Art beschäftigt.« (Ebd., 252 f.) Was die Naturmetaphorik hier leistet, ist die Verbindung von (unausgesprochen bleibendem, aber im Bild des »Keims« anklingendem) natürlichem Entwicklungsvorgang und der Vorstellung der zunächst wörtlich formulierten Gestaltbildung, die sodann von Blankenburg auf die charakterliche »Ausbildung« des Menschen (der »ausgebildete Charakter«, 254) und in einer weiteren, noch einmal abstrahierenden Metaphernbildung poetologisch auf die dichterische »Ausbildung« (253) des Romans übertragen wird, wenn er von der »Anordnung und Ausbildung« des »Werks« spricht (253). 49 Ebd., 388. 50 Vgl. Blanckenburg: »Das Ende nämlich, der Ausgang eines Werks, kann die Vollendung einer Begebenheit […] oder die Vollendung eines Charakters seyn, so daß dieser im Lauf des Werks entstandene und ausgebildete Charakter jetzt so weit ist, als er der Absicht des Dichters zufolge seyn soll« (ebd., 254). 51 Das Ziel des Romans sei »die Vervollkommnung des Menschen« durch das Lesen (ebd., 252). Der Dichter solle dazu geeignete Vorstellungen und Empfindungen im Leser erzeugen, »wie wir sie nach Anlage unsrer Natur […] haben müssen« (ebd., 252; meine Hervorhebung). Wenn hier »Ausbildung« mit »Vollendung« gleichgesetzt wird (254), so ist dies für Blankenburg gleichbedeutend mit dem Vorgang der »Aufklärung« insgesamt, soll doch der Dichter »das Innre des Menschen aufklär[en], und ihn sich selber kennen lehr[en]« (356): »Und ist etwan dies Innre nicht das Wichtigste bey unserm ganzen Seyn? Kann der Leser aufgeklärter werden, kann er richtiger über das denken lehren, was ihm zu wissen gerade am nöthigsten ist« (355 f.).
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ist, bricht das Erzählmodell des Entwicklungsromans ab.52 Nicht nur zeigt sich darin, was Cesana für die Funktion der Entwicklungsmetapher allgemein konstatiert, dass diese »eine optimistische und kosmopolitische Tendenz«53 der Aufklärung stütze, sondern darüber hinaus zugleich auch, dass die der Metapher organischen Wachstums inhärente, latent subversive Gefahr eines pessimistischen Umschlags ausgeblendet wird: ›Entstehen‹ und ›Aufblühen‹ werden dargestellt, nicht aber ›Verblühen‹ und ›Absterben‹. Die bis ins populäre Verständnis von ›Entwickelung‹ im allgemeinen kulturellen Wissen reichende organologische Verkürzung des Naturvorgangs im Sinne eines aufklärerischen Fortschrittsoptimismus blendet den im Naturkonzept enthaltenen zweiten Teil folglich aus. Zu fragen bleibt daher abschließend, was diese Konzeption der Entwicklungsmetaphorik für das kulturelle Selbstverständnis des 18. Jahrhunderts insgesamt leistet – eine Metaphorik, die so unterschiedliche Bereiche wie das Leben des Einzelnen und die Geschichte der ganzen Menschheit, das Aufblühen und Entfalten einer Rose sowie die Erziehung eines Kindes in bildhafte Analogie bringt? Als oberste Funktion der Entwicklungsmetapher lässt sich für den Bildempfängerbereich zunächst die Konstruktion eines einheitlichen Sinngeschehens festhalten, die das Bild eines organisch Auseinander-Hervorgehenden evoziert und sich dabei auf die Entstehungsphase des ›Werdens‹ konzentriert. Dabei impliziert die Entwicklungsmetapher stets eine narrative Grundstruktur, die in der Transformation eines ›Angelegten‹ (›Keim‹) vom Ausgangs- in seinen vorläufigen Endzustand (›Blüte‹) besteht. Präsupponiert wird damit zugleich, dass dem jeweils mit dieser Metapher belegten Phänomen eine ›Geschichte‹ zukommt – im Sinne eines organischen Zusammenhangs von Anfang, Mitte und End- bzw. Höhepunkt (semantisiert als ›Keimen‹, ›Wachsen‹ und ›Aufblühen‹). Grundlegend hierfür – auch im Fall der Anwendung auf Kollektivsingulare wie Geschichte, Sprache und Literatur – ist das dem Bildspenderbereich entnommene Modell der individualgeschichtlichen Entwicklung pflanzlichen bzw. tierischen Lebens. Die dominante Funktion, die dem goethezeitlichen Gebrauch der Entwicklungsmetapher somit zukommt, besteht in der Naturalisierung kultureller Phänomene. Insbesondere die menschliche Entwicklung (im Großen der Menschheitsgeschichte wie im Kleinen der Individualentwicklung) wird damit als Teil eines Naturganzen erklärbar: Der Mensch entwickelt sich demgemäß analog zur Naturentwicklung insgesamt. In der Anwendung auf die Anthropologie verknüpft sich damit ein grundlegendes Problem, welches in Literatur und Denken des ausgehenden 18. Jahrhunderts in signifikanter Häufung artikuliert wird: der Konflikt zwischen vermeintlichen Anlagen und Umweltfaktoren – und
52 Vgl. zum Modell des Bildungs- und Entwicklungsromans grundlegend: Michael Titzmann: Die »Bildungs«-/Initiationsgeschichte der Goethe-Zeit und das System der Altersklassen im anthropologischen Diskurs der Epoche. In: Wissen in Literatur im 19. Jahrhundert, hg. von Lutz Danneberg und Friedrich Vollhardt (Tübingen 2002) 7–64. 53 A. Cesana: Geschichte [Anm. 5] 32.
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die Frage, inwieweit der Mensch frei und selbstbestimmt auf seine Entwicklung (und die Anderer) Einfluss nehmen kann. Verbindet sich für die mittlere Aufklärung hiermit vor allem auch die Frage nach Ursprung und Anlage des Bösen im Menschen (Theodizeeproblem), so wird für die Spätaufklärung vor allem die pädagogische Frage relevant, wie eine richtige Erziehung und Ausbildung zwischen Anlagen und Umweltbedingungen aktiv vermitteln kann. In diesem Kontext weist die Goethezeit insbesondere dem Erzählen als dem geistigen ›Entwickeln‹ von Sachverhalten eine besondere Funktion zu, macht es doch den theoretisch postulierten engen Zusammenhang von ›entwickeln‹, ›erklären‹ und ›erzählen‹ in und mittels Sprache anschaulich.54 Als eine literarische Erzählung, die dies im Kontext von Erziehungsfragen beispielhaft vorführt, sei hier abschließend Friederike Bruns fiktiv an die eigene Tochter adressierte autobiographische Erzählung Idas ästhetische Entwickelung (1824) genannt, in der die Mutter ihrer Tochter Ida deren eigene Entwicklung als Heranwachsende erzählt und zugleich die Erziehungsmethoden der Mutter (und Erzählerin) erklärt. Die Funktion dieser poetologisch fruchtbar gemachten und im ausgehenden 18. Jahrhundert situierten Entwicklungsgeschichte erläutert die Erzählerin vorab selbst: »Dir selbst will ich Dich erzählen!«55 Erzählen wird hier als geistige ›Entwicklung‹ und retrospektive Darlegung von ›Entwicklung‹ (Ausbildung und Erziehung) positioniert, d. h. als Entwicklung zweiter Stufe: als metareflexive Beobachtung der Beobachtung. Die Erzählerin ›entwickelt‹ geistig (erzählt), wie sie ihre Tochter ›ent-wickelt‹ (erzogen und ausgebildet) und wie sich ihre Tochter ›entwickelt‹ (entfaltet und herausgebildet) hat. Beschrieben ist damit ein zweifacher Abstraktionsprozess – von der körperlichen zur geistigen Entwicklung, von der Erziehung zur Erzählung: Die Funktionalisierung der Entwicklungsmetapher besteht hier nicht nur in der naturalisierenden Kennzeichnung fortgeführten organischen Wachstums (vom Erziehen des Kindes bis hin zur späteren Reflexion dieser Erziehung), sondern kulminiert mit dieser Selbststilisierung gerade im literarischen Erzählen, das die Kulturleistung ›Literatur‹ ironischer Weise als Höhe- und Schlusspunkt ›natürlicher‹ Entwicklung behauptet.
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Liisa Saariluoma hat diesen Zusammenhang von Erzählen und Entwicklungsgeschichte am Beispiel des goethezeitlichen Bildungsromans untersucht und u. a. auf dessen Beitrag zur Autonomiewerdung des Subjekts hingewiesen, vgl. dies.: Erzählstruktur und Bildungsroman. Wielands »Geschichte des Agathon«, Goethes »Wilhelm Meisters Lehrjahre« (Würzburg 2004). 55 Friederike Brun: Wahrheit aus Morgenträumen und Idas ästhetische Entwickelung (Aarau 1824) 196; Hervorhebung im Original.
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L’interprétation du processus révolutionnaire grâce à la métaphore scientifique chez Georg Forster Le révolutionnaire Georg Forster a aussi été un grand voyageur (en particulier, il participe au deuxième voyage autour du monde du capitaine Cook) et un grand naturaliste. Formé par son père qui lui a inculqué les théories de Linné, il entretient une longue correspondance avec ce savant. Puis, il prend connaissance de l’œuvre de Buffon qu’il traduit pendant longtemps. Forster est avant tout un homme de sciences comme il le dit lui-même dans la préface de ses Petits Ecrits : »Les sciences naturelles au sens large du terme, et en particulier l’anthropologie ont été jusqu’ici mon occupation. Tout ce que j’ai écrit depuis mon voyage autour du monde est en grande partie étroitement lié à elles«.1 Luimême a été professeur d’histoire naturelle au Collegium Carolinum de Kassel au retour de son voyage autour du monde, puis à Vilna ; il a écrit de nombreux ouvrages scientifiques dont une importante histoire naturelle à laquelle il travaille jusqu’à son séjour à Paris et un grand nombre de compte rendus d’ouvrages de science dans lesquels il développait ses propres théories.2 Il a également traduit de nombreux de récits de voyage. Il était en correspondance avec les plus grands savants de l’époque qu’il tenait au courant de ses découvertes et leurs réponses prouvent qu’ils le tenaient de leur côté pour un grand savant. Ainsi Buffon a tenu compte des objections de Forster dans sa deuxième édition des Epoques de la nature. De cette formation scientifique, comme de son voyage autour du monde, Forster tient son goût du concret. Il ne tire de conclusions générales qu’après avoir observé, analysé et établi des faits. Pour cette raison, il va entrer en polémique avec trois grands penseurs de son époque, Buffon, Kant et Rousseau auxquels il reproche de faire de la pure spéculation philosophique sans tenir compte des faits. Il faut dire que le développement des sciences naturelles a été un des symptômes les plus marquants des Lumières. Dans la deuxième moitié du 18e siècle, il est à son point culminant. Lors de ce développement, les sciences se détachent 1 Georg Forster: Préface des Kleine Schriften. Ein Beytrag zur Völker- und Länderkunde, Naturgeschichte und Philosophie des Lebens, gesammelt von Georg Forster. In : Georg Forsters Werke, sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe, hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR, Akademie Verlag [im Folgenden : AA ]. Bd. 5: Kleine Schriften zur Völker-und Länderkunde, bearb. von Horst Fiedler, Klaus-Georg Popp, Annerose Schneider und Christian Suckow (Berlin 1985) 345. 2 Les publications scientifiques de Forster remplissent deux volumineux ouvrages de l’édition complète de ses œuvres : Schriften zur Naturkunde, bearb. von Klaus-Georg Popp. Bd. 6/ 1 et 6/ 2 (Berlin 2003). Un troisième volume de notes devrait bientôt paraître. Quant aux compte rendus, ils constituent la majeure partie du volume de cette édition consacré aux compte rendus. Bd. 11: Rezensionen, bearb. von Horst Fiedler (Berlin 1977).
Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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de plus en plus de la conception mécaniste cartésienne de la nature et la biologie prend de plus en plus d’importance. Dans les dernières décennies de ce siècle, le rôle des sciences naturelles est tel qu’elles envahissent le domaine littéraire. En témoigne la préface de la revue fondée en 1795 par Schiller Die Horen dont le but était de »libérer les résultats des sciences de leur forme scolastique« et, en même temps, »contribuer à faire disparaître la cloison qui sépare le monde de l’esthétique de celui des savants au détriment des deux«. Cela explique les études scientifiques poussées d’un Wilhelm von Humboldt ou de Goethe. Une grande partie de la littérature allemande est à ce point imprégnée de détails scientifiques que, pour bien comprendre les écrits littéraires, il faut connaître les débats qui agitaient les scientifiques. Le but de ces études scientifiques était de concevoir le »plan« que l’on pensait être à la base du monde et de le représenter dans un système. Ce qu’on cherche, c’est à comprendre le monde et ce, en étudiant le lien entre toutes ses composantes.3 En raison de cette importance croissante des sciences naturelles, on a établi un parallélisme entre la nature et l’humanité. Chez Buffon, l’histoire de l’humanité constitue même une partie de l’histoire de la nature. Cette vision des choses date de Hume qui, dès 1740, avait considéré la moral philosophy comme une natural philosophy. L’histoire de la société est à considérer comme un système naturel. Locke a également dit en accord avec Spinoza que les actions physiques et morales de l’homme sont dirigées par ses besoins, donc la conséquence de la nature et non de la morale. En Allemagne cette pensée est d’abord diffusée par Herder : »En ce qui concerne ce qui est uni physiquement, pourquoi ne serait-il pas aussi uni intellectuellement et moralement ? Comme l’esprit et la moralité sont aussi physiques et soumis aux mêmes lois qui dépendent toutes du système solaire, simplement à un degré supérieur«.4 Herder montre comment l’homme sentimental émane de l’homme physiologique et l’homme raisonnable de l’homme sentimental par un processus de sa propre nature et de ce qui lui est extérieur. L’on sait l’influence fondamentale que la lecture de Herder a eue sur Forster. Néanmoins, dans son schéma du développement de l’humanité, il s’oriente plutôt d’après Iselin qui considère la première phase de développement comme l’histoire de l’homme physiologique, la phase suivante comme le développement de l’imagination et le stade final comme le règne de la raison. Dans l’Antiquité, on avait déjà conçu un schéma du développement de l’humanité en quatre étapes : enfance, jeunesse, âge adulte et vieillesse. Dans son essai intitulé Leitfaden zu einer künftigen Geschichte der Menschheit, Forster déve-
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Voir à ce sujet Ilse Jahn: Scientiae Naturae – Naturbetrachtung oder Naturwissenschaft ? Georg Forsters Erkenntnisfragen zu biologischen Phänomenen in Vorlesungs – Manuskripten aus Wilna und Mainz (1786–1793). In: Georg Forster in interdiszplinärer Perspektive, hg. von Claus-Volker Klenke (Berlin 1994) 159–178. 4 Johann Gottfried Herder: Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit. In : Sämtliche Werke. Bd. 3/1, hg. von Bernhard Suphan (Berlin 1877–1913) 24.
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loppe un système de l’humanité fondé sur la comparaison des diverses époques de l’existence humaine avec les degrés de civilisation des familles et des peuples. Il retrace aussi une histoire en quatre étapes de la vie humaine : conservation, reproduction, activité en dehors de soi et retour sur soi qui montre clairement que les principales déterminations de l’homme dépendent des transformations de nos différents organes. Seuls les peuples qui ont échappé très tôt à la volupté et recherché la liberté sont capables de parvenir au plus haut degré de civilisation. Le phénomène s’est déjà produit trois fois en Europe : à Athènes qui représente l’enfance de l’humanité, puis dans une moindre mesure à Rome qui représente l’été et enfin chez nous qui avons les joies de l’automne, cueillant les fruits et les gardant pour un hiver dont nous ignorons tout. Ainsi, de même qu’à chaque âge prédomine un organe particulier, des périodes différentes de civilisation se succèdent dans le temps et ce n’est que le déroulement global d’époques unilatérales qui constitue un tout. Le développement des nations, comme celui de l’homme est unilatéral et cette unilatéralité engendre un mouvement dialectique qui va dans le sens d’un progrès. Cette notion d’une évolution unilatérale de l’être humain explique que Forster n’accorde qu’une place minime dans la nature à l’individu, dans la mesure où ce dernier ne parvient pas à la totalité et vit dans une époque qui ne représente, elle même, qu’une partie d’un tout. La nature reste pour lui supérieure à toutes ses créatures. Contrairement aux classiques allemands, Forster intègre l’homme dans l’ensemble du monde et réduit ainsi l’importance de l’individualité. La vie mène ensuite Forster à Mayence où il a trouvé une place de bibliothécaire à l’Université et où il habite lors de la prise de la ville par les troupes révolutionnaires du général Custine. C’est ainsi qu’il se trouve concrètement confronté à la Révolution française et s’engage rapidement dans la Société des amis de la liberté et de l’égalité qui est aussitôt fondée, trouvant dans les réalisations de la Révolution la mise en pratique de ses propres idées. Il devient une des figures directrices des révolutionnaires de Mayence qui plaident la fondation d’une république et le rattachement du pays à la France. De nouveau, la vie décide pour lui : délégué à Paris par la Convention de Mayence pour y plaider la demande de rattachement du pays à la France, il ne peut retourner en raison de l’encerclement de la ville par les troupes alliées et passe ses dernières années à Paris au service de la République française. C’est là qu’il écrit ses œuvres politiques majeures avant de mourir de maladie en janvier 1794. En Allemagne, il a fallu attendre l’occupation de la Rhénanie par les troupes françaises pour que soit créée une situation révolutionnaire qui permette à ceux qui n’étaient pas satisfaits de l’ordre féodal de s’exprimer sans contrainte. Les événements de Mayence ont permis un prodigieux développement de toutes sortes de genres littéraires considérés comme mineurs tels que la presse, les discours, la chanson, les tracts, les catéchismes, les almanachs etc… Au club, se tenaient quotidiennement des discours destinés à mobiliser l’ensemble de la population. Les révolutionnaires de Mayence qui étaient d’anciens penseurs éclairés
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ont eu le sentiment d’avoir pour mission de transformer les contenus théoriques des Lumières en arguments agitatoires, ce qui s’était passé en France en 1789. C’est ce qui explique que les genres traditionnels périclitent au profit des genres mineurs qui touchent un public beaucoup plus large, pouvant être lus à haute voix par les colporteurs (il ne faut pas oublier que la population allemande était en grande partie analphabète). Pour ces révolutionnaires, la littérature ne doit pas être séparée de la vie pratique, elle prend la fonction d’une pratique politique. Elle doit mobiliser les couches susceptibles de réaliser des changements révolutionnaires. Pour cela, les citoyens doivent être éclairés sur leurs intérêts moraux et matériels et la littérature doit prendre en compte ce facteur, devenant de ce fait didactique. Il en a été de même en France à partir de 1789 où la Révolution a rapidement pris les traits d’une révolution culturelle en redéfinissant la fonction de l’art.5 En France, la révolution littéraire est restée en marge de la révolution politique, en Allemagne la littérature n’a souvent été que le seul moyen d’engagement révolutionnaire. Tournés vers la France, les révolutionnaires allemands ont utilisé les modèles français souvent sous forme d’adaptations ou même de traductions : l’Ami du peuple devient Der Volksfreund ; la Marseillaise, le Ca ira donnent lieu à de multiples chansons. Si la mission de l’art change, le public change également et ce changement de destinataire entraîne un changement de forme dû au désir d’être compris par le peuple. Ce souci croissant de communication explique l’utilisation d’une langue très imagée. C’est la raison pour laquelle nous trouvons tant de métaphores, d’images et de comparaisons dans cette littérature. Certes, un bon nombre de ces métaphores appartiennent déjà aux Lumières (le peuple traité comme du bétail, le bâtiment croulant de l’ordre féodal par exemple), mais comme il ne s’agit plus de convaincre les princes, mais de mobiliser le peuple, elles deviennent agitatoires. Parmi les métaphores utilisées par Forster, comme par de nombreux autres orateurs, la métaphore scientifique a une place très importante.6 Un grand nombre de métaphores concerne le domaine de l’agriculture. Parmi elles, certaines sont directement empruntées au processus de croissance de la végétation : »semence« (Same), »planter« (pflanzen), »germer« (keimen), »racine« (Wurzel), »fruit« (Frucht) avec son double sens de fruit du travail qui a été détruit par les seigneurs ou de gains futurs réalisés grâce à la Révolution, »fleurir« (blühen), »racine« (Wurzel), »récolter« (ernten), »poison aristocratique« (aristokratisches Gift). Parmi les produits de la végétation, l’arbre est très fréquemment employé, d’autant que l’arbre de la liberté est un symbole déjà connu. L’image de l’arbre
5 Voir à ce sujet Albert Soboul: 1789. La France révolutionnaire. Réalités et idées neuves. In: Histoire littéraire de la France 6 (Paris 1976) 383–412. 6 Pour une analyse plus détaillée de ces métaphores, voir notre article: Images, métaphores et comparaisons dans les discours des Jacobins de Mayence. In: Annales Historiques de la Révolution française 269–270 (juil.-déc. 1987) 291–313.
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entraîne celle de ses parties comme dans cette métaphore : »Ah ! quand le souffle impur de quelques vils suppôts du despotisme agiterait encore ici la cime de l’arbre de la liberté, croyés qu’il est trop faible pour en briser une branche et que le vénérable tronc, trop fortement enraciné, résistera toujours aux efforts des agitateurs«.7 Dans l’ensemble ces images et métaphores empruntées au domaine de l’agriculture sont utilisées pour mieux rendre sensible l’ordre nouveau présenté comme un produit de la nature que l’on peut récolter si on a mis du soin à le faire pousser. La force révolutionnaire de ces images vient donc de ce qu’elles sont projetées dans le futur, mais un futur qui peut être réalisé rapidement. D’autres sont empruntées au domaine de la nature et du cosmos. Est dominante dans ce domaine la dichotomie »lumière/obscurité«. Le soleil est le substantif le plus fréquemment employé, accolé à la raison, à la liberté ou à la victoire. Le lever du soleil est également évoqué pour montrer qu’une ère nouvelle commence. Le jour sert aussi de point de comparaison et bien sûr la lumière ainsi que le verbe »éclairer«. On voit donc là deux domaines d’application précis : l’idéal des Lumières et l’aube d’une ère nouvelle. Pour ceux qui n’en auraient pas encore été convaincus, cette application des métaphores de la lumière prouve bien que l’ordre nouveau dû à la Révolution française était pour ces révolutionnaires de Mayence la mise en pratique de la philosophie des Lumières. Ces éléments lumineux sont opposés à l’obscurité. Ceux qui sont contre la révolution sont présentés comme oeuvrant dans l’obscurité ou le brouillard. Les métaux sont également utilisés. En général, le fer qui opprime et est symbole du despotisme. Nous citerons ici une métaphore filée qui n’est pas de Forster, mais d’un autre révolutionnaire de Mayence, Georg Wedekind qui compare la démocratie à l’or, le despotisme à l’argent, la monarchie au cuivre et l’aristocratie au plomb pour dire qu’il serait vain de mélanger tous ces métaux et qu’il vaut mieux avoir de l’or pur.8 La nature dévastatrice est évidemment très présente. Il lui est empruntée l’image du feu qui ne trouve qu’un domaine d’application, celui de la guerre. La guerre avec les Francs est aussi comparée aux tempêtes après lesquelles on retrouve le port tant désiré et les despotes sont accusés d’avoir semé le désordre : »la vague écume dans l’océan du temps«.9 L’orage est également utilisé aussi bien pour les révolutionnaires que pour les despotes. Si la Révolution est »un 7
Georg Forster: Discours adressé aux commissaires de la Convention Nationale. In: AA 10/1: Revolutionsschriften 1792/93, bearb. von Klaus-Georg Popp (Berlin 1990) 74. 8 Georg Wedekind: Bemerkungen über die gemischten Regierungsverfassungen, in einer Volksrede, welche in der Gesellschaft der Freunde der Freiheit und der Gleichheit zu Mainz gehalten wurde am 18. November im ersten Jahr der Republik. In: Heinrich Scheel : Die Mainzer Republik. Bd. 1 (Berlin 1975) 264. 9 Dans un poème de Schaber: Der deutsche Bürger an die deutschen Fürsten zum neuen Jahr 1793. In: Gedichte und Lieder deutscher Jakobiner, hg. von Hans Werner Engels (Stuttgart 1971) 58.
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coup de tonnerre«, les regards des despotes sont des »éclairs vengeurs«. L’image de l’orage entraîne généralement celle de la purification et du renouveau qui la suit. Il est souvent question du »bord du précipice« ou de la »fange« de l’époque précédente. Ces métaphores-là décrivent donc à la fois l’état antérieur dans son abjection et son atrocité et le futur que l’on espère. Déjà lors de son passage à Liège lors de la révolution dans cette ville, Forster avait comparé la révolution à une force de la nature. Une fois déclenchée, il est impossible de l’arrêter : »L’étincelle qui s’éteint sur une substance semblable à elle peut déclencher un incendie si elle trouve déjà développés des éléments inflammables ; et des matières hétérogènes peuvent même s’embraser d’elles-mêmes dans certaines circonstances«.10 Une fois allumé, le feu de la Révolution brûle tout ce qui s’oppose à lui. Dans les Erinnerungen aus dem Jahre 1790, il compare la Révolution au tremblement de terre de la Calabre qui a tout dévasté. Il met donc sur le même plan la violence de la Révolution et la violence de la nature et souligne que, dans les deux cas, ces explosions sont salutaires et rafraîchissent l’air. Dans les Parisische Umrisse, il parle d’une lutte chaotique des éléments et en octobre 1793 il écrit encore à sa femme : »La lave de la Révolution coule majestueusement et n’épargne plus rien. Qui saurait la détourner ?«11 Le plus étonnant procédé est certainement l’allégorie du ver luisant qui se trouve dans la quatrième lettre des Parisische Umrisse. Forster raconte l’histoire d’un de ses amis qui s’était endormi dans une chaise-poste et qui au réveil, alors qu’il fait encore nuit, vit une silhouette géante marcher à côté de la voiture dont la forme était mouvante et qui répandait une lumière inégale. Ce phénomène perdurant, l’ami s’irrite, puis prend peur. Il décide alors de prévenir le danger, ne voulant pas croire qu’il s’agit d’un fantôme et, décidant d’en avoir le cœur net, il lui donne alors un coup d’épée et l’épée s’enfonce sans rencontrer de résistance et sans provoquer le moindre effet. Par chance, avant de rengainer, il voit quelque chose de lumineux sur son épée et se rend compte qu’il s’agit d’un ver luisant, concluant donc qu’il a été suivi par un essaim de ces insectes. Forster fait lui-même la morale de cette histoire. Comme il a jusque là parlé de la Révolution à son ami, il lui demande si »le phénomène que j’ai fait vivre devant vos yeux n’est qu’un produit de l’imagination, un essaim d’insectes auquel la peur ou la superstition aurait donné une âme«.12 Il lui explique qu’après une période d’effervescence, la Révolution commence, grâce à l’opinion publique, à prendre conscience d’elle-même et que, chaque jour, les événements la rapprochent de la maturité souhaitée. Il faut donc s’efforcer de bien connaître la Révolution et ne pas voir en elle qu’un fantôme. Un peu plus loin, il utilise encore le ver lui10
Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790. In: AA 9 : Ansichten vom Niederrhein, bearb. v. Gerhard Steiner (Berlin 1958) 123. 11 An Therese Forster, 24/10/1793. In: AA 17: Briefe 1792 bis 1794. Nachträge, bearb. v. KlausGeorg Popp (Berlin 1989) 461. 12 Georg Forster: Parisische Umrisse. In: AA 10/1, 613.
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sant-fantôme pour dire que les composantes particulières de la Révolution sont presque identiques et ne se distinguent ni par une grandeur disproportionnée ni par une quelconque supériorité. Les hommes qui font la révolution ne sont pas des demi-dieux plus forts que leurs concitoyens et l’importance du rôle de l’opinion publique empêche selon lui toute usurpation du pouvoir. Et Forster de citer Danton : »Que la patrie soit sauvée et que mon nom soit flétri«.13 Par cette allégorie, Forster exprime donc sa conviction que la Révolution a démocratisé les principes fondamentaux des Lumières et répandu dans le peuple une véritable masse lumineuse inextinguible. Ainsi, il fonctionnalise en quelque sorte ses connaissances biologiques et les faits historiques. En effet, Forster connaissait particulièrement bien les vers luisants, comme on le voit dans sa petite œuvre Ein Versuch mit dephlogistisirter Luft.14 Forster y relate une expérience qu’il a faite avec des vers luisants, les plongeant tour à tour dans un bocal rempli d’air déphlogistifié.15 Alors que, dans l’air normal, leur lumière est changeante, parfois vive, parfois faible, voire disparue, dans l’air déphlogistifié, leur lumière est beaucoup plus vive, à tel point qu’on pourrait lire avec. De plus, ils y sont beaucoup plus alertes. Forster fait encore d’autres expériences avec des vers luisants. Il utilise donc ses connaissances scientifiques précises pour expliquer le phénomène révolutionnaire. Il est vrai que cette allégorie est beaucoup plus originale que les comparaisons habituelles de la Révolution avec les éruptions volcaniques ou les orages. La métaphore scientifique sert surtout à Forster à justifier la violence dans la Révolution par sa présence dans la nature. C’est là l’aboutissement d’une conception du monde qui se forge chez lui depuis son voyage autour du monde. En effet, dès les œuvres qui suivent ce voyage, il se montre persuadé que le combat entre des forces antagonistes représente le pouls de la nature et est bien préférable à la paix. »Le milieu entre les extrêmes que maints philosophes ont recherché si ardemment et ont souvent cru trouver, l’équilibre parfait des forces représente le repos, mais le repos de la mort«.16 C’est le combat qui engendre la diversité alors que la paix et l’unité provoquent la sclérose. Dans la nature, toute croissance suppose une destruction et se termine par une destruction, la nature ne survit que par la mort. On peut appeler cette oscillation entre les extrêmes le pouls de la nature qui tantôt bat plus vite, tantôt plus lentement, mais battra jusqu’à la fin. Dans cette optique, se référant à Héraclite, il va jusqu’à justifier la guerre, mère de toutes choses, qui fait partie du cycle de l’évolution, comme l’alternance entre la neige et la chaleur de l’été, le jour et la nuit et tout ce qui 13
Ebd., 615. Georg Forster: Ein Versuch mit dephlogistisirter Luft. In: AA 6/1, 831. 15 L’air déphlogistifié ou déphlogistiqué découvert par Priestley a été le nom de l’oxygène avant la nomenclature chimique établie par Lavoisier. Il s’agit donc d’une composante de l’air (environ 1/3) qui en fait est la seule respirable. Mais il ne serait pas bon de le respirer seul, car notre vie s’écoulerait trop vite, de même que le feu y brûle trop vite. 16 Georg Forster: Cook, der Entdecker. In: AA 5, 195. 14
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dans la nature est soumis au changement. Les premières guerres ont contenu un germe de culture dans la mesure où le vainqueur a vu ses besoins augmenter ce qui a favorisé le luxe, l’art et la science. Ce qui fait l’originalité de la pensée de Forster, c’est qu’il étend aux lois de l’histoire et de la pensée la dialectique des forces contraires dans la nature, renonçant ainsi à l’interprétation métaphysique de l’histoire qui était souvent en vigueur à son époque et particulièrement développée par Kant. Forster n’accepte pas la rupture entre le développement physiologique et le développement moral de l’homme. Pour lui, il n’y a qu’un seul processus et il présente l’histoire de l’humanité comme une histoire naturelle. La Révolution est un processus de l’histoire, mais ses lois sont les mêmes que celles de la nature et non de la raison. Elle est une rébellion de masse qui permet de décharger des forces destructrices. Utilisant sans cesse des métaphores empruntées au domaine de l’histoire naturelle, il identifie nature et civilisation qui, selon lui, forment une unité. »Rien n’est plus facile à la cogitation que de faire des distinctions là où il n’y a rien séparer ; et c’est ainsi que s’invente une contradiction entre la nature et la culture qui émane au plus haut point d’un usage arbitraire des mots. La capacité de penser avec toutes ses conséquences est inhérente à notre nature de façon aussi essentielle que l’instinct de manger et de se reproduire, même si elle ne se développe pas selon toutes ses possibilités dans chaque individu. Ce qui est l’apanage du genre ne se développe pas nécessairement dans chaque individu«.17 Aussi Forster utilise-t-il le mot »révolution« à la fois pour les phénomènes de la nature qui lui paraissent contradictoires ou chaotiques et dans la politique. De même que de nouvelles organisations naissent de la décomposition des corps organiques, de nouvelles sociétés naissent des éléments nocifs et inutiles qu’un Etat rejette. Les Etats-Unis d’Amérique n’ont pas d’autre origine. Il considère les changements de constitution d’un point de vue historique et voit en eux un processus naturel, ce qui explique son optimisme concernant l’aboutissement. Forster utilise le processus de la biologie et de la chimie organique pour évoquer grâce à eux des hypothèses sur l’évolution de l’humanité et il pense que de meilleures formes de gouvernement finiront par s’imposer, comme la république démocratique par exemple.18 Bien qu’il émette à plusieurs reprises l’avis qu’on a exagéré la violence de la Révolution, quand elle existe, il la légitime. Faisant une longue description de la Révolution de Liège dans les Ansichten vom Niederrhein, il constate que tous les changements dans ce petit Etat ont été obtenus par la violence. Pour lui, elle
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Georg Forster: Neuholland und die brittische Colonie in Botany-Bay. In: AA 5, 162. Sur cette justification de la violence et le progrès, voir Ruth Stumman-Bowert: Georg Forsters naturgesetzliche Begründung von Gewalt und Kulturfortschritt : ›Neuholland‹ und die brittische Colonie in Botany-Bay und Cook, der Entdecker. In: Georg-Forster-Studien. Bd. 8 (Kassel 2003) 83–122. 18
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est la révolte légitime d’un peuple qui revendique les droits qu’on lui a ravis. Il le déclare aussi lors de son passage à Lille: »Cela ne vaut pas la peine de réfuter les arguments pitoyables avec lesquels quelques-uns de nos écrivains abjects s’efforcent de présenter le peu d’événements malheureux inévitables qu’une grande révolution entraîne nécessairement comme des énormités de première grandeur et des souillures de l’histoire, alors qu’ils considèrent comme rien le meurtre systématique de milliers d’hommes par l’orgueil de despotes qui mènent les guerres et le lent empoisonnement des joies de centaines de milliers par l’extorsion de redevances exorbitantes […]«.19 C’est la raison pour laquelle il pense, contrairement aux écrivains classiques, mais en accord pour une fois avec Kant,20 qu’il ne faut pas attendre que l’homme soit mûr pour la liberté pour la lui donner, car on ne lui la donnerait jamais, l’homme ne pouvant s’améliorer qu’en la possédant. Les premiers essais seront peut-être violents et anarchiques, mais l’homme surmontera cette phase. Et Forster de l’expliquer à plusieurs reprises à l’aide d’une métaphore empruntée au domaine physiologique : l’enfant qui apprend à marcher tombe souvent, mais il se relève et il finit par maîtriser la marche. Ainsi, la violence se justifie par le but de la révolution qui était de créer un monde meilleur permettant à l’homme la victoire de la vertu sur les passions. Il est persuadé que la Révolution permettra le perfectionnement moral de l’homme. Elle a déjà permis la simplification des coutumes, le bannissement du luxe et le dépassement de l’égoïsme. Les autorités n’ont plus autant de poids, l’apparence ne compte plus, le clergé et sa hiérarchie meurent lentement en faveur d’une véritable chrétienté de cœur. Si ce tableau ne correspond pas tout à fait à la réalité, il dévoile bien les souhaits de Forster. Comme il considère que ce progrès moral est accompli, il peut voir dans la Révolution l’œuvre de la Providence qui lui assigne une place dans l’évolution de l’humanité. Dans cette optique, la violence prend une place secondaire, elle est un effet »collatéral«, dirait-on maintenant, ce ne sont que »quelques éclairs dans un orage«. Elle donnerait aux Français un statut de martyrs sacrifiés à une grande cause et Forster la compare à la Réforme luthérienne en ce qui concerne sa place dans l’histoire de l’humanité. Cette idée d’un plan caché de la Providence n’est pas propre à Forster, il la partage avec Kant, Lessing et Hegel. Dans les Erinnerungen aus
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Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein. In: AA 9, 230. Immanuel Kant: La religion dans les limites de la simple raison, 4ème partie, 2ème section, § 4 (Paris 1943) 245, note 1: »J’avoue ne pas pouvoir adopter l’expression dont se servent quelques-uns et même des hommes intelligents : un certain peuple (en train d’établir sa liberté légale), n’est pas mûr pour la liberté ; les serfs d’un propriétaire terrien ne sont pas encore mûrs pour la liberté ; ou bien les hommes en général ne sont pas encore mûrs pour la liberté de conscience. Si l’on accepte cette supposition, la liberté ne se réalisera jamais ; car on ne peut venir à maturité pour la liberté à moins de ne l’avoir auparavant acquise ; il faut être libre pour apprendre à se servir librement de ses forces. Les premiers essais seront certes brutaux (…) cependant on ne mûrit jamais à la raison que par ses propres expériences«. 20
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dem Jahre 1790, il avait déjà dit que »le spectateur tranquille ne comprend pas le degré de tension qui pourrait le conduire à acheter la liberté aux prix des atrocités d’une révolution. Mais le moment où un tel achat ne lui semblerait pas trop cher doit au moins être dans le domaine de ses possibilités«.21 Aussi souhaite-t-il la bienvenue à la Révolution »avec tous ses maux et ses horreurs«.22 Comme dans la nature, la marche en avant s’accomplit dans l’antagonisme des forces contraires et non dans leur équilibre. Cette lutte n’a rien à voir avec le bonheur de l’individu, elle permet le perfectionnement de l’homme et ce n’est qu’après que le bonheur viendra. Dans les textes politiques de Forster, les métaphores sont utilisées dans le but d’avoir un effet plus puissant qu’un raisonnement argumenté. Elles ne vont pas jusqu’à remplacer le raisonnement toujours présent, mais elles le renforcent considérablement en tendant à s’imposer comme des évidences. Montrer les révolutions comme des phénomènes de la nature, c’est montrer qu’elles sont aussi inévitables qu’eux et permet de mieux engager à l’action. De ce fait, la Révolution n’apparaît plus comme une œuvre raisonnée, mais comme un phénomène irrationnel dont on ne connaît pas les lois. La nature devient garante d’une société libre et égalitaire, le symbole de l’opposition politique. Forster utilise donc dans tous les domaines de la pensée et surtout dans ses écrits de nature politique la métaphore scientifique, dans le but d’avoir une influence sur ses lecteurs et de mieux les convaincre des bienfaits de la Révolution française. Que les images de la nature puissent fonctionner en tant que métaphores politiques ne peut s’expliquer que par une philosophie fondée sur l’identité de la nature et de l’histoire. En effet l’utilisation de la métaphore scientifique dépasse le militantisme, dans la mesure où elle marque particulièrement bien, d’une part la liaison entre l’esprit et le corps et, surtout, l’analogie entre le microcosme émanant de la nature et le macrocosme produit par la société humaine, pour reprendre les termes de l’appel à communications de ce colloque.
21 Georg Forster: Erinnerungen aus dem Jahre 1790. Französischer Enthusiasmus auf dem März- oder Föderations-Feld. In: AA 8 : Kleine Schriften zu Philosophie und Zeitgeschichte, bearb. v. Siegfried Scheibe (Berlin 1974) 285. 22 An Therese Forster, 9/11/1793. In: AA 17, 466.
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Zwischen Verschleierung und Enthüllung: Metaphern der Metapher in ästhetischen Diskursen des 18. Jahrhunderts
Seit gut einem Vierteljahrhundert ist die Metapher zu einem beliebten Forschungsgegenstand in den Geisteswissenschaften avanciert, was nicht zuletzt dem starken Einfluss poststrukturalistischer Literaturtheorien geschuldet ist – insbesondere den Schriften von Paul Ricoeur und Jacques Derrida. Aber auch im Bereich der kognitiven Linguistik und der Sprachphilosophie wurden Theorien zur erkenntnistheoretischen Bedeutung der Metapher vorgelegt – wegweisend waren hier unter anderem die umfangreichen Studien von George Lakoff und Mark Johnson in den 1980er Jahren.1 Frank Nuessel sprach 1991 in einem Beitrag, in dem er die neuesten Publikationen zum Thema Metapher und Kognition auswertete, bereits von einer »metaphormania«.2 Angesichts der anhaltenden Begeisterung für die Metapher und der großen Anzahl von Studien, die sich mit der Bedeutung verschiedener Leitmetaphern in bestimmten Diskursen3 und in Werken von AutorInnen auseinandergesetzt haben, ist es allerdings mehr als erstaunlich, dass sich die Forschung bisher kaum den metaphorischen Konzeptionen der Metapher selbst gewidmet hat. Dabei liegt es auf der Hand, dass wir über das Phänomen der Metapher nur mit Hilfe von Metaphern sprechen können – darauf verweist schon der griechische Begriff μεταφορά, der die Übertragung oder Verschiebung von einem Ort zu einem anderen bezeichnet. In seiner Schrift Die lebendige Metapher beschreibt Paul Ricoeur das Dilemma folgendermaßen: »Zur Erklärung der Metapher schafft Aristoteles eine Metapher, die dem Bereich der Bewegung entnommen ist; die phora ist bekanntlich eine Art der Veränderung, die Ortsveränderung. Selbst wenn man es vermeiden wollte, die Theorie der Metapher zu präjudizieren, indem man die Metapher Epiphora nennt, so würde man doch rasch bemerken, daß es unmöglich ist, von der Metapher unmetaphorisch zu sprechen.«4
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George Lakoff/Mark Johnson: Metaphors We Live By (Chicago/London 1980); George Lakoff: Women, Fire, and Dangerous Things (Chicago 1987) und Mark Johnson: The Body in the Mind (Chicago/London 1987). 2 Frank Nuessel: Metaphor and Cognition: A Survey of Recent Publications. In: Journal of Literary Semantics XX/1 (April 1991) 37. 3 Vgl. insbesondere das Wörterbuch der philosophischen Metaphern, hg. von Ralf Konersmann (Darmstadt 2009). 4 Paul Ricoeur: Die lebendige Metapher (München 1986) 23 (Hervorhebung im Original). Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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Ganz in diesem Sinne bezeichnet Derrida die Metapher als »klassisches Philosophem«, als »metaphysische[n] Begriff«,5 denn, so Derrida: »Wollte man alle metaphorischen Möglichkeiten der Philosophie erfassen und klassifizieren, so bliebe mindestens eine Metapher immer ausgeschlossen, bliebe außerhalb des Systems: Zumindest diese, ohne die der Begriff der Metapher nicht konstruiert werden könnte, oder, um eine ganze Kette zusammenzuziehen, die Metapher der Metapher.«6 Derrida stellt in seinen philosophischen Untersuchungen zu metaphorischen Konzeptionen der Metapher zwar einige Modelle vor – wie etwa das Bild der Münze oder der Sonne –, doch geht es ihm weder um eine systematische noch um eine historische Verortung der jeweiligen Konzepte. Darüber hinaus strickt auch Derrida selbst fleißig mit an einem metaphysisch-metaphorischen Image der Metapher. Der Ansatz des vorliegenden Beitrags ist ein anderer: Es wird zunächst darum gehen, einige der zentralen Metaphern im Diskurs um die Metapher im 18. Jahrhundert herauszufiltern und deren Implikationen zu diskutieren, um in einem zweiten Schritt zu untersuchen, welchen Kategorien sich diese Konzepte zuordnen und welche Aussagen sich aus dieser Kategorienbildung hinsichtlich des Sprach- und Weltbildes im 18. Jahrhundert ableiten lassen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Vanessa Albus in ihrer Studie Weltbild und Metapher zur Philosophie des 18. Jahrhunderts von 2001,7 indem sie die wesentlichen Umbrüche in der Sicht auf die Metapher anhand der metaphorischen Modelle aufzeigt. Doch interessiert sich Albus nicht für die darüber hinausgehenden Implikationen der Kategorien, denen die Modelle entstammen, und so entgehen ihr wesentliche Aspekte des Weltbildes.
I. Die Metapher als »Ornament«, »Zierrath«, »Blume«, »Schmuck« und »Schminke« In dieser ersten Kategorie handelt es sich um metaphorische Modelle, die noch ganz im Zeichen der Zuordnung der Metapher zur rhetorischen Kategorie des ornatus stehen. Die Metapher erscheint hier als etwas mit der Sprache an sich Nicht-Verbundenes, Äußeres, als »bloßer Anputz«.8 Sie lässt sich gewissermaßen wie eine Applikation anbringen oder abnehmen, ohne dass der sprachliche 5
Jacques Derrida: Die weiße Mythologie. Die Metapher im philosophischen Text. In: ders.: Randgänge der Philosophie, hg. von Peter Engelmann (Wien 1988) 214. 6 Ebd. 7 Vanessa Albus: Weltbild und Metapher. Untersuchungen zur Philosophie im 18. Jahrhundert (Würzburg 2001) (Epistemata, Reihe Philosophie, Bd. 306). 8 Jean Paul: Vorschule der Ästhetik [1804]. Studienausgabe, hg. von Norbert Miller (München 21974) 293.
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Ausdruck dadurch im Kern betroffen wäre. Das bedeutet auch, dass die Metapher in dieser Konzeption ein an sich überflüssiges Element der Sprache darstellt, einen Luxus,9 wie in der Metapher des Schmucks angedeutet. So spricht Herder etwa von der »Wortblume« als »Schmuck der Materie«.10 Bodmer handelt die Metapher unter dem Stichwort »verblühmte Redensarten«11 ab, sein Kollege Breitinger unter »verblühmten Ausdrückungen«.12 Auch das Bild der Blume verweist in erster Linie auf den Schmuckaspekt – in Abgrenzung etwa zur Nutzpflanze oder zum Unkraut.13 Bei vielen Autoren wird die Metapher – wie auch bei Bodmer und Breitinger – darüber hinaus allerdings als »Hülfsmittel« konstruiert, um eine »Armuth der Sprachen«14 oder »ihren Mangel […] zu bedecken«.15 Um die Armut und den Mangel, d. h. bestimmte Defizite einer Sprache auszugleichen, müssen die Metaphern allerdings »an dem rechten Orte angebracht«16 sein, wie es bei Breitinger heißt. Die »Wortblumen«17 dienen hier also lediglich als Applikationen, um über vermeintliche Schwächen oder Lücken in der Sprache hinwegzutäuschen. Es sind Herder und Jean Paul, die die Blumen-Metapher beim Wort nehmen und sie produktiv weiterentwickeln, indem sie zwischen »todte[n] Papierblumen«18 (im Sinne erblasster oder toter Metaphern bzw. Katachresen) und »starken, kühnen Metaphern«19 unterscheiden. Jean Paul erweist sich hier als besonders kreativ, indem er vorschlägt, das »tägliche Aussterben« der »Sprech-Blumen«20 abzuwenden, indem man diese »gleich Tulipanen […] durch gegenseitiges Bestäuben«21 nachzüchte.22 9
Vgl. auch Charles K. Ogden/Ivor A. Richards: The Meaning of Meaning (London u. a. 1985) 60: »[…] images seem to a great extent to be mental luxuries.« 10 Johann Gottfried Herder: Vom neuern Gebrauch der Mythologie. In: ders.: Über die neuere Deutsche Litteratur Fragmente, als Beilage, die neueste Litteratur betreffend, Dritte Sammlung [1767], hg. von Bernhard Suphan (Berlin 1877) (Herders Sämtliche Werke, Bd. 1) Abschnitt 3, 438. 11 Johann Jakob Bodmer: Kritische Betrachtungen über die Gemälde der Dichter [1741] (Frankfurt a. M. 1971) 5. Abschnitt: Von der Kunst der poetischen Gemählde in Absicht auf den Ausdruck, 98 f. 12 Johann Jacob Breitinger: Critische Dichtkunst. Bd. 2 (Stuttgart 1966) (Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1740) 7. Abschnitt: Von der Schreibart insgemein, 349. 13 Als »Unkraut« bezeichnete beispielsweise Montaigne die Redekunst. Vgl. Michel de Montaigne: Die Wertlosigkeit des Redens. In: ders.: Die Essais, hg. von Arthur Franz (Bremen 6o. J.) 158. 14 J. J. Breitinger: Critische Dichtkunst. Bd. 2, a. a.O. [Anm. 12] 320. 15 J. J. Bodmer: Kritische Betrachtungen, a. a.O. [Anm. 11] 104 f. 16 J. J. Breitinger: Critische Dichtkunst. Bd. 2, a. a.O. [Anm. 12] 325. 17 J. G. Herder: Vom neuern Gebrauch der Mythologie, a. a.O. [Anm. 10] Abschnitt 3, 438. 18 Johann Gottfried Herder: Adrastea [1801–1803], hg. von Bernhard Suphan (Leipzig 1801) (Herders Sämtliche Werke, Bd. 23) Zweiter Band, Drittes Stück, 5. Fabel, 256. 19 Johann Gottfried Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache [1772], hg. von Hans Dietrich Irmscher (Stuttgart 1966) 63. 20 Jean Paul: Vorschule der Ästhetik, a. a.O. [Anm. 8] 296. 21 Ebd. 22 Vgl. Beate Allert: Die Metapher und ihre Krise. Zur Dynamik der »Bilderschrift« Jean Pauls (New York u. a. 1987) (American University Studies, Series 1: Germanic Languages and Literature, Bd. 50).
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Doch auch hier wird der Metapher letztlich lediglich der Status eines Hilfsmittels bzw. eines Übergangsstadiums zugewiesen, was sich mit der Vorstellung trifft, dass die Metapher aus einer Not heraus geboren wurde23 und im Hinblick auf die Sprachentwicklung nur als Substitut dienen konnte. Während die Begriffe »Ornament«, »Zierrath«24, »Blume« und »Schmuck« weitgehend in einem positiven Sinne gebraucht werden, kommt der Unterkategorie Schminke insgesamt eine eher negative Bedeutung zu. Bodmer befürchtet: »Wie die Schmincke auf dem Gesichte einer schönen Weibsperson die natürlichen Züge der Schönheit verdeckt, also verdunckelt sie auch in der Rede den natürlichen Gedanken.«25 Der offensichtliche Bezug zum weiblichen Geschlecht wird später ausführlicher diskutiert werden. Festzuhalten ist: Die in diesem Abschnitt behandelten Metaphern verweisen zugleich auf den Ausgleich eines Mangels, auf einen angenehmen Effekt sowie den Aspekt der Täuschung.26
II. Die Metapher als »Hülle« und »Kleid« Eine Position zwischen dem Aspekt der Schönheit und der Nützlichkeit – und damit auch einen Schritt in Richtung Anerkennung der erkenntnistheoretischen Funktion der Metapher – nimmt das Konzept der Metapher als Hülle und Kleid ein. In diesem semantischen Feld geht es um die Frage, wie sich die Metapher zum dargestellten Gegenstand bzw. Gedanken verhält, ob sie diesen verhüllt und damit der Erkenntnis entzieht oder ob sie die Erkenntnis gerade dadurch befördert, dass sie diesem eine Gestalt und damit überhaupt erst eine Bedeutung gibt. Auf den ersten Blick scheint sich die Hülle- und Kleid-Metapher ebenfalls nur auf eine äußere Form bzw. Oberfläche zu beziehen, insofern sie als »schönbemalte[s] Wortschächtelchen« ein Inneres, die Wahrheit, umhüllt – als »Kleid der Wahrheit«,27 wie es bei Herder heißt.28 Gottsched beschreibt den Doppelaspekt der metaphorischen Rede anhand des Bildes der Kleidung in historischer Perspektive vom Mangel zur Zierde: »wie man auch die Kleidungen anfänglich zur Bedeckung unsrer Blöße, nachmals aber zur Pracht ausgesonnen und eingeführet hat.«29
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Vgl. J. G. Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache, a. a.O. [Anm. 19] 65. Johann Christoph Gottsched: Critische Dichtkunst [1751]. In: ders.: Ausgewählte Werke, Bd.VI/1, hg. von Joachim und Birgit Birke (Berlin/New York 1973) VIII. Capitel: Von verblümten Redensarten, § 3., S. 319: »Der größte Zierrath poetischer Ausdrückungen besteht freylich in den tropischen, uneigentlichen Redensarten.« 25 J. J. Bodmer: Kritische Betrachtungen, a. a.O. [Anm. 11] 87. 26 Vgl. V. Albus: Weltbild und Metapher, a. a.O. [Anm. 7] 15. 27 Johann Gottfried Herder: Gott. Einige Gespräche von J. G. Herder [1787]. In: Herders Sämtliche Werke, Bd.16, hg. von Bernhard Suphan (Berlin 1887) 505. 28 Vgl. V. Albus: Weltbild und Metapher, a. a.O. [Anm. 7] 101. 29 J. Ch. Gottsched: Critische Dichtkunst, a. a.O. [Anm. 24] 322. 24
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Herder geht einen wesentlichen Schritt weiter, wenn er das Konzept einer unkomplizierten Trennung eines Begriffs von seiner Hülle – also die utopische Vorstellung einer ganz und gar von Rhetorik befreiten Sprache –, wie sie von seiten eines philosophischen Rationalismus vertreten wurde, in Frage stellt. »Daß diese Art zu philosophiren schwer sey, ist offenbar, denn sie kann nicht mit Worten spielen, wie die Arithmetik mit Zeichen, wobei man die bezeichnete Sache vergessen kann. Sie soll den Begrif eben von seiner Hülle absondern, in der man ihn zu sehen gewohnt ist, und von Jugend auf zu sehen gewohnt war. Er sträubt sich, und wenn wir ihn mit Gewalt entkleiden: so entwischt er, und läßt uns das Kleid in der Hand; oder wir verunstalten ihn, haben ihm mit seinem Gewande zugleich seine Haut zerrissen: da steht er unkänntlich und verwundet in Philosophisch=Barbarischen Hüllen.«30 Neben der Tatsache, dass auch in diesem Modell die geschlechterspezifischen Konnotationen einmal mehr als deutlich hervortreten, deutet sich im Übergang von der Kleid- zur Haut-Metapher bereits ein zentraler Unterschied in Herders Sprachtheorie an, in der der Metapher eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Sprache zugeschrieben wird. Der Sprachphilosoph Alfred Biese wird dieses Bild in seiner Philosophie des Metaphorischen (1893) erneut aufgreifen, um mit Wilhelm Dilthey zu argumentieren, »›daß das Bild, die Vergleichung, der Tropus‹ (kurz das Metaphorische) ›nicht in der Darstellung hinzukommt wie ein Gewand, das über einen Körper geworfen wird, vielmehr sind sie dessen natürliche Haut‹«.31 Kant, der sich durch Herders Kritik angesprochen fühlte, konterte prompt und blieb dabei im Bild des Kleides, indem er fragte, »ob an manchen Orten das Gewebe von kühnen Metaphern, poetischen Bildern, mythologischen Anspielungen nicht eher dazu diene, den Körper der Gedanken wie unter einer Ve rt u g a d e zu verstecken, als ihn wie unter einem durchscheinenden Gewande angenehm hervorschimmern zu lassen.«32 Zur Debatte steht also die Frage, ob das Gewebe des Kleides, d. h. die Metapher, so beschaffen ist, dass sie »den Körper der Gedanken« in seiner Gestalt verändert bzw. verfälscht oder gar verdeckt – wie der Reifrock, auf den Kant hier anspielt und der zugleich auf das eng geschnürte Korsett als Oberteil verweist. Als Gegenstück dazu bringt Kant das »durchscheinende Gewand« ins Spiel. An diesem Beispiel zeigt sich, dass auch der philosophische Diskurs in Sachen weibliche Mode durchaus auf der Höhe der 30
J. G. Herder: Von der neuern Römischen Litteratur. In: Über die neuere Deutsche Litteratur, a. a.O. [Anm. 10] 419. 31 Alfred Biese: Die Philosophie des Metaphorischen (Hamburg/Leipzig 1893) 103. 32 Immanuel Kant: Recensionen von J. G. Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Theil 1.2. In: Kants Werke, Bd. 8: Abhandlungen nach 1781 (Berlin 1968) (Akademie-Textausgabe, unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 begonnenen Ausgabe von Kants gesammelten Schriften) 60, H.i.O.
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Zeit ist. Dabei ist der erotische Unterton dieser Debatte kaum zu überhören – und das ausgerechnet bei Kant, dem bis heute der Ruf des wohl unsinnlichsten, sprich: unerotischsten Philosophen anhaftet.
III. Über das An- und Auskleiden von Begriffen oder Der erotische Diskurs der Metapher Obwohl Hans Blumenberg der »Metaphorik der ›nackten‹ Wahrheit« ein ganzes Kapitel seiner Metaphorologie33 widmet und feststellt, dass die Metapher aufs engste »mit der Deutung und Bedeutung von Kleidung«34 zusammenhänge, entgehen ihm die geschlechtsspezifischen Implikationen und damit auch die erotischen Subtexte des Diskurses. Der Metapherndiskurs ist – wie die Sprachphilosophie im 18. Jahrhundert überhaupt – durchzogen von sexuell-erotischen Anspielungen,35 besonders stark bei Herder, der in den »Genitalien der Rede gleichsam das Mittel ihrer Fortpflanzung«36 sieht. Auch das, was Herder in der oben zitierten Passage beschreibt, in der der Begriff gewaltsam von seiner Hülle abgelöst werden soll, beginnt zunächst wie eine typische Verführungsszene, die letztendlich in einen Akt der Vergewaltigung mündet: Gleich eines keuschen Mädchens sträubt sich der Begriff, wenn man ihn mit Gewalt entkleiden will. Und Kant – hier ganz auf seine voyeuristischen Interessen bedacht – fordert statt der höfischen weiblichen Uniform des Reifrocks ein »durchscheinendes Gewand«, das die Körperkonturen »angenehm hervorschimmern« lässt. Ganz so nackt soll die Wahrheit also doch nicht erscheinen.37 »Verfällt einerseits das verdeckende Gewand metaphorischer Rede der Kritik, so scheint andererseits der durchsichtige Schleier der Worte, den Kant hier selbst als Bild evoziert, dem Denken inhärent, ja das Denken bedarf geradezu der Metapher als Anschauungsform.«38 Im Bild des Schleiers, das hier evoziert wird und dem in der Geschichte der philosophischen Metaphern eine zentrale Bedeutung zukommt,39 offenbart sich jene Ambivalenz philosophischer Begriffe, die sich in einer Anschauungsform äußert, die zugleich »aus Wahrnehmung, Wahrnehmungsirritationen und imagi-
33 Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie (Frankfurt a. M. 1998) Kapitel IV., 61–76. 34 Ebd. 61, H. i. O. 35 Vgl. Patricia Oster: Schleier. In: Wörterbuch der philosophischen Metaphern [Anm. 3] 331. 36 J. G. Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache, a. a.O. [Anm. 19] 49. 37 Zum Topos der »nuda veritas« vgl. Marina Warner: In weiblicher Gestalt: Die Verkörperung des Wahren, Guten und Schönen, aus dem Englischen von Claudia Preuschoft (Reinbek bei Hamburg 1989) 397–442. 38 P. Oster: Schleier, a. a.O. [Anm. 35] 331. 39 Vgl. ebd.
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nären Supplementen der entzogenen Wahrnehmung« besteht: »Der Schleier ist im elementarsten Sinne eine Anschauungsform.«40 Paradoxerweise sollte ausgerechnet eine Metapher, nämlich die des Schleiers, die »philosophische Kritik an der trügerischen Evidenz metapherngeleiteter Argumentationswege«41 transportieren. In den Metaphern der Verhüllung bzw. Verschleierung scheinen zugleich die Überschneidungen mit der metaphorischen Konzeption des Natur- und Wahrheitsdiskurses im 18. Jahrhundert auf:42 »the idea of a Nature that hides evokes the image of a feminine figure that could be unveiled.«43 Die Notwendigkeit der Verhüllung basiert auf der Annahme eines Mangels, einer Schwäche, einer Inferiorität des weiblich konzipierten Gegenstandes44 (der Natur gegenüber der Kultur; der Frau gegenüber dem Mann; der Metapher gegenüber dem Begriff usw.): »Die Metapher für Unfertigsein und Sünde ist die Nacktheit […].«45 Erst die feministische Literaturtheorie hat die Zusammenhänge zwischen den angeblichen Mängeln der Rhetorik und den traditionellen Zuschreibungen an das Weibliche, sprich: die offensichtlichen Bezüge zwischen Rhetorikfeindlichkeit und Misogynie, herausgearbeitet.46 In ihrer Studie The Flesh Made Word stellt Helena Michie fest: »the figure of the fallen woman […] comes to stand for rhetoric, ornament, manipulation, and insinuation – for all the seductions of language.«47 In diesem Kontext wird der Metapher die Funktion einer voyeuristisch-erotischen Stimulation bzw. die Rolle einer Verführerin zugeschrieben. Der philosophische Begriff oder Gedanke wird dagegen als keusche Jungfrau konzipiert, die sich aus Scham mit sprachlichen Hüllen bedeckt. Ein Bild, in dem Erkenntnis, Scham und Schaulust ganz im Sinne des erotischen Diskurses des 18. Jahrhunderts verknüpft sind.48 »Besteht das erotische Faszinosum des weiblichen Schleiers in dem Akt des Verhüllens, der gleichwohl das Verhüllte erahnen lässt und so die Imagination anregt, Bilder hinter den Schleier zu projizieren, so materialisiert sich im 40
Ebd. Ebd. 42 Vgl. Pierre Hadot: The Veil of Isis. An Essay on the History of the Idea of Nature, translated by Michael Chase (London 2006), Preface, x f. [frz. Originalausgabe: Le Voile d’Isis. Essai sur l’histoire de l’idée de Nature (Paris 2004)]. Für den Hinweis auf diese Studie danke ich Guglielmo Gabbiadini. 43 Ebd. 63. 44 Ebd. 58. 45 M. Warner: In weiblicher Gestalt, a. a.O. [Anm. 37] 398. 46 Vgl. Gertrude Postl: Rhetorik und die gegenwärtige Geschlechterdebatte. In: Die Wiederkehr der Rhetorik, hg. von Helmuth Vetter und Richard Heinrich (Wien/Berlin 1999) (Wiener Reihe: Themen der Philosophie, Bd. 8) 140. 47 Helena Michie: The Flesh Made Word. Female Figures and Women’s Bodies (New York/ Oxford 1987) 103. 48 Vgl. Thomas Hecken: Gestalten des Eros. Die schöne Literatur und der sexuelle Akt (Opladen 1997) 121. 41
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religiösen Schleier das Geheimnis als sinnlicher Hinweis auf die verborgene Gottheit. Dieser Bewegung der Geheimnis bewahrenden und die Imagination anregenden Verhüllung steht eine aufklärerische Bewegung der Enthüllung entgegen, bei der Entschleierung als emphatischer Akt der Gewinnung der ›nackten Wahrheit‹ selbst erscheint.«49 Die Metapher wäre in diesem Sinne dann so etwas wie der »Sündenfall« der Sprache, die in der metaphorischen Übertragung vom Paradies in die menschliche Sphäre ihre Unschuld verliert, »denn diese Metaphern gehören eigentlich nicht zu der Sprache, sondern sie sind künstlich verkleidete Gedanken«.50 Auch diese metaphorische Konzeptionslinie wird sich bis ins 19. und 20. Jahrhundert fortsetzen, besonders stark ausgeprägt im erkenntnistheoretischen Diskurs bei Nietzsche und in der Auseinandersetzung mit demselben auch bei Derrida. Ein einschlägiges Zitat aus Nietzsches Fröhlicher Wissenschaft mag hier zur Veranschaulichung genügen: »Wir glauben nicht mehr daran, daß Wahrheit noch Wahrheit bleibt, wenn man ihr die Schleier abzieht; […] Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib, das Gründe hat, ihre Gründe nicht sehen zu lassen?«51 Wie Sigrid Weigel treffend festgestellt hat, überschneidet sich die Bedeutung des Weiblichen in der Funktion der Metapher hier »mit der alten und bekannten Rede von dem ›Rätsel Weib‹; und es wird wieder eingesetzt in die ebenso alte und bewährte universelle Bildfunktion des Weiblichen.«52
IV. Das Geschlecht der Metapher Der Diskurs um Erotik und Verführung bringt mich zu meinem vierten und letzten Punkt: der Frage nach dem Geschlecht der Metapher. Schaut man sich die vorherrschenden Metaphern der Metapher an – und dies gilt nicht allein für das 18. Jahrhundert –, so fällt auf, dass diese allesamt eine Kategorie bilden, die mit den traditionellen Attributen von Weiblichkeit korrespondiert.53 Blume, Schmuck, Schminke, Kleid, Schleier – all diese Begriffe entstammen einem se-
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P. Oster: Schleier, a. a.O. [Anm. 35] 331. J. J. Breitinger: Critische Dichtkunst. Bd. 2, a. a.O. [Anm. 12] 348. 51 Friedrich Nietzsche: Die Fröhliche Wissenschaft. In: Nietzsche Werke. 5. Abtlg., Bd. 2, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari (Berlin/New York 1973), Vorrede zur zweiten Ausgabe, 20. 52 Sigrid Weigel: »Das Weibliche als Metapher des Metonymischen«. Kritische Überlegungen zur Konstitution des Weiblichen als Verfahren. In: Frauensprache – Frauenliteratur?, hg. von Inge Stephan und Carl Pietzcker (Tübingen 1986) (Akten des VII. Internationalen GermanistenKongresses, Göttingen 1985, Bd. 6) 108. 53 Vgl. G. Postl: Rhetorik, a. a.O. [Anm. 46] 141. 50
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mantischen Feld, das mit Weiblichkeit assoziiert wird, genauer gesagt mit dem Diskurs um Schönheit, der wiederum mit dem weiblichen Körper identifiziert wird. In fast allen sprachphilosophischen oder ästhetischen Schriften findet ein direkter Vergleich der Verführungskünste der Frau mit den Eigenschaften und der Wirkung sprachlicher Figuren statt. So etwa in dem berühmten Statement von John Locke, das Eingang in den sprachphilosophischen und ästhetischen Diskurs des 18. Jahrhunderts findet: »Eloquence, like the fair Sex, has too prevailing Beauties in it, to suffer it self ever to be spoken against. And ’tis in vain to find fault with those Arts of Deceiving, wherein Man find pleasure to be Deceived.«54 In der rhetorikfeindlichen Atmosphäre des späten 18. Jahrhunderts55 wird die Metapher als Abweichung von der Sprachnorm, als das Uneigentliche, Sekundäre, als Form des Missbrauchs der Sprache mit Strategien der Täuschung, Verstellung und Lüge, mit dem schönen Schein identifiziert.56 Dabei decken sich diese Attribute genau mit den Kategorien des Weiblichen, wie sie von einem misogynen Zweig des Geschlechterdiskurses im 18. Jahrhundert entwickelt und tradiert wurden.57 Doerte Bischoff und Martina Wagner-Egelhaaf haben darauf hingewiesen, dass im Zuge rhetorikfeindlicher Tendenzen versucht wurde, die Rhetorik zu diskreditieren, indem immer wieder Analogien zum Weiblichen hergestellt wurden und Weiblichkeit so schließlich nicht nur mit Rhetorik schlechthin identifiziert wurde,58 sondern selbst als Metapher fungierte.59 Im Kontext dieses Diskurses wurde das Weibliche »schließlich zur Metapher für all das, was als der abendländischen Logik entgegengesetzt gedacht wird: für das A-Logische, das Dezentrische, das Uneindeutige und Uneinheitliche, für das Nicht-Festlegbare, oder zur Metapher für die Wahrheit, die sich nicht einnehmen läßt.«60 Das Verhältnis von Rhetorik und Geschlechterdifferenz61 ergibt sich aus der Identifikation des Weiblichen mit dem Körper bzw. dem Körperlichen, das sich insbesondere in figurativen Redeweisen, wohl am deutlichsten in der Metapher, manifestiert: »Als bloßes Körperzeichen wird sie [die Frau] in die54
John Locke: An Essay Concerning Human Understanding, hg. von Peter H. Nidditch (London 1975) 508. 55 Manfred Fuhrmann spricht gar von einem »Rhetorik-Sterben«. Ders.: Rhetorik und öffentliche Rede. Über die Ursachen des Verfalls der Rhetorik im ausgehenden 18. Jahrhundert (Konstanz 1983) (Konstanzer Universitätsreden, Bd. 147) 18. 56 Wie der Frau wird der Metapher eine dienende Funktion zugeschrieben; vgl. Johanna Bossinade: Poststrukturalistische Literaturtheorie (Stuttgart/Weimar 2000) 108. Vgl. auch Doerte Bischoff/Martina Wagner-Egelhaaf: Einleitung. In: Weibliche Rede – Rhetorik der Weiblichkeit, hg. von D. Bischoff und M. Wagner-Egelhaaf (Freiburg i. B. 2003) 9–40. 57 Vgl. J. Bossinade: Poststrukturalistische Literaturtheorie, a. a.O. [Anm. 56] 104. 58 Vgl. D. Bischoff/M. Wagner-Egelhaaf: Einleitung, a. a.O. [Anm. 56] 36 f. 59 Vgl. S. Weigel: Das Weibliche der Metapher, a. a.O. [Anm. 52] 108. 60 Ebd. 61 Vgl. D. Bischoff/M. Wagner-Egelhaaf: Einleitung, a. a.O. [Anm. 56] 14.
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sem Moment zum Anderen dieser Ordnung, das nicht dem eigenen Begehren, sondern dem der männlichen Subjekte einen Körper gibt.«62 Leider wird der Aspekt der Geschlechterdifferenz in den wenigsten Studien zur Metapher des Körpers reflektiert,63 obwohl die Geschlechterdichotomie (männlich-weiblich) zu den zentralen konzeptuellen Kategorien metaphorischen Denkens zählt.64 Die Metapher, die in ihrer Funktion als rhetorische Figur eine »bedrohliche Materialität«65 entfaltet, indem sie dem Begriff oder Gedanken eine quasi körperliche, anschauliche Gestalt gibt,66 ist besonders dazu prädestiniert, weiblich konzipiert zu werden. Dieser Aspekt wird insbesondere in neueren Ansätzen zum Zusammenhang von Rhetorik und Embodiment stark gemacht: »Metaphern sind […] im zweifachen Sinn die wohl körperlichsten Zeichen, über die wir verfügen: Einerseits werden sie vom situierten Körper mit geformt, andererseits vermitteln sie in ihrer Bildhaftigkeit situierte Anschauungen.«67 Wenn der Metapher in einer rhetorik- und metaphernfeindlichen Traditionslinie Attribute des Weiblichen zugeschrieben werden, so wäre in einem zweiten Schritt zu überprüfen, inwiefern sich die (eher seltene) Wertschätzung der Metapher in sprachphilosophischen Studien des 18. Jahrhunderts – die einhergeht mit einer Aufwertung der Poesie: »Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts«68 – auch auf der Ebene der Metaphorik der Metapher bemerkbar macht. Hier wird man insbesondere bei Herder fündig. In seiner Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772/1789) weist er der Metapher, die hier keineswegs als verzichtbares Supplement, sondern vielmehr als Ursprung und Wurzel der Sprache betrachtet wird, eindeutig männliche – und damit positive – Attribute zu, wenn er von »starken, kühnen Metaphern in den Wurzeln der Worte«69 spricht und von »kühne[m], männliche[n] Witz«,70 dem diese entspringen. Schließen möchte ich in der Abwandlung eines Nietzsche-Zitats mit einem
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Ebd. 12. Auch die Metapher fungiert in diesem Sinne (wie die Frau) als körperliches Zeichen bzw. als Körperzeichen. 63 So leider auch nicht bei Susanne Lüdemann: Körper, Organismus. In: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, a. a.O. [Anm. 3] 168–182. 64 Vgl. G. Lakoff/M. Johnson: Metaphors We Live By, a. a.O. [Anm. 1] 57. 65 Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses, aus dem Französischen von Walter Seiter (Frankfurt a.M. 1998) 11. 66 In der neueren Metaphernforschung wird die Metapher daher auch als »Körper im Geist« (»body in the mind«) bezeichnet. Vgl. M. Johnson: The Body in the Mind, a. a.O. [Anm. 1]. 67 Marlen Bidwell-Steiner: Körperbilder und Körpertheorien: eine Einführung. In: Körperkonstruktionen und Geschlechtermetaphern: Zum Zusammenhang von Rhetorik und Embodiment, hg. von M. Bidwell-Steiner und Veronika Zangl (Innsbruck 2009) (Gendered Subjects, Bd. 5) 14. 68 Vgl. Johann Georg Hamann: Aesthetica in nuce [1760]. In: ders.: Schriften zur Sprache, Einleitung und Anmerkungen von Josef Simon (Frankfurt a. M. 1967) 107. Vgl. auch J. G. Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprachen, a. a.O. [Anm. 19] 50. 69 J. G. Herder: Abhandlung über der Ursprung der Sprache, a. a.O. [Anm. 19] 63. 70 Ebd. 66.
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kleinen ironischen Seitenhieb auf die vorherrschende Ignoranz gegenüber den geschlechtsspezifischen Konnotationen der historisch und kulturell tradierten Rhetorik- und Metapherndiskurse, in denen sich die »geschlechtsspezifisch konstruierte[] Distanz zwischen dem männlichen Erkennenden und dem weiblichen Erkannten«71 unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Objektivität zum Teil bis heute fortsetzt. »Vorausgesetzt, dass die [Metapher] ein Weib ist –, wie? ist der Verdacht nicht gegründet, dass alle Philosophen, sofern sie Dogmatiker waren, sich schlecht auf Weiber verstanden? dass der schauerliche Ernst, die linkische Zudringlichkeit, mit der sie bisher auf die [Metapher] zuzugehen pflegten, ungeschickte und unschickliche Mittel waren, um gerade ein Frauenzimmer für sich einzunehmen?«72
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Toril Moi: Patriarchales Denken und Wißtrieb. Feminismus, (Natur)Wissenschaft und Philosophie. In: Dekonstruktiver Feminismus. Literaturwissenschaft in Amerika, hg. von Barbara Vinken (Frankfurt a. M. 1992) 413. 72 Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. In: Nietzsche Werke, a. a.O. [Anm. 51]. 6. Abtlg., Bd. 2 (Berlin/New York 1968), Vorrede, 3. Bei Nietzsche steht statt der Metapher der Begriff »Wahrheit«.
Elena Agazzi
Die Blitzartigkeit der kleinen Form. Gedanken über die Metapher im Bezug auf die Wissenslehre bei Georg Christoph Lichtenberg
Unter dem Lemma »Metapher« erklärt die Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände von 1824, dass es um »einen figürlichen oder bildlichen Ausdruck in der Sprache [geht], vermöge dessen man einen Gegenstand durch Vorstellungen von einem ihm ähnlichen hergenommen, anschaulicher und kräftiger zu schildern versucht«. Es werden drei Typen von Metaphern unterschieden: a) eine solche, welche das Sinnliche vergeistigt; b) jene, die das Geistige verkörpert; c) die, welche das Ähnliche derselben Sphäre auf einen größeren Gegenstand überträgt. Hinzugefügt wird, dass die Kürze und die Kraft des Ausdrucks Hauptvorzüge der Metapher seien. Zusätzlich und gesondert wird angemerkt, dass »die Metapher endlich ein Erzeugnis des Witzes und der Einbildungskraft [ist], welche durch ihre Kürze und Lebendigkeit dem rhetorischen, dramatischen und lyrischen Styl mehr, als das Gleichnis angehört«.1 Es verwundert nicht, dass durch die Entwicklungen der Experimentallehre des 18. Jahrhunderts im Bereich der Elektrizität und im Zusammenhang mit dem wachsenden Interesse an der Neurologie im Laufe des 19. Jahrhunderts die mit der Elektrizität verbundene Metaphorik immer mehr zum Bestandteil des Diskurses über die Kreativität und sensorielle Empfänglichkeit des menschlichen Wesens wird.2 Bahnbrechende Untersuchungen im Bereich der Physik und der Elektrochemie erfolgen zeitgleich mit Diagnosen der Funktion der Nervenfasern, die der Anatomist Jacques Gautier D’Agoty in seiner Abhandlung Organes des Sens bereits 1775 als effektive Sinnesorgane beschrieben hat. Die mit der Elektrizität verbundene Metaphorik wird sogar zur Charakterisirung von Menschen verwendet. So bemerkt Georg Forster über Goethe: »Der Charakter eines Mannes von hohem Genius ist selten wetterleuchtend und übertrieben; er besteht in einigen wenigen Schattierungen, die man sehen und hören muß, aber nicht beschreiben kann«.3 Einerseits wird hier ein Begriff der Meteorologie, der 1 Vgl. »Metapher«. In: Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexikon in zehn Bänden). Bd. 6 (1824) 348. 2 Michael Gamper, der sich mehrmals in den letzten Jahren mit der Elektrizitätslehre und generell mit dem Experimentbegriff befasst hat, widmet einen wichtigen Beitrag unserem Thema mit seinem Aufsatz Fiktionen und Experimente. Lichtenberg und die Elektrizität. In: »Es ist nun einmal zum Versuch gekommen«. Experiment und Literatur I. 1580–1790, hg. von Michael Gamper, Martina Wernli und Jörg Zimmer (Göttingen 2009) 359–389. Hier setzt der Autor ausdrücklich den Akzent auf die experimentelle Methode Lichtenbergs. 3 Georg Forster: Lichtstrahlen aus seinen Briefen an Reinhold Forster, hg. von Elisa Maier (Leipzig 1856) 136. Hervorhebungen von uns.
Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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mit dem Gewitter zusammenhängt, entnommen, andererseits ein Begriff aus der Malerei und der Temperamentenlehre, versteht man Forsters Aussage so, dass beim Erkennen eines derartigen Charakters das Sehorgan und das Gehör involviert sind. Gleichwohl bedient sich Forster, wenn er die positiven Qualitäten von Goethes Persönlichkeit hervorhebt, eines Adjektivs, »übertrieben«, das an dieser Stelle, da negativ konnotiert, inkorrekt ist. »Wetterleuchtend« ist nämlich diejenige Art von Blitz, bei der man keinen Donner hört, auch keinen gedrungenen Feuerstrahl sieht, sondern bloß einen bald schwächeren, bald helleren Schein, welcher sich in die Breite sowohl als in die Länge verbreitet und nie mit Knall oder Beschädigung verbunden ist. Die Lichtmetaphorik gehört zu den Wissensbereichen, in denen die optische Wahrnehmung primäre Quelle der Erkenntnis ist. Während das Licht bis dato als Metapher für das göttliche Schöpfungsprinzip und die Kreativität des menschlichen Intellekts (bzw. Geistes oder Denkens) gegolten hat, da das Licht Erkenntnis ermöglicht, gilt nunmehr, im 18. Jahrhundert, das entgegengesetzte Prinzip, dass nämlich die Erkenntnis Licht bringe (Aufklärung) und dadurch sowohl der blinde Glaube als auch der Aberglaube hinweggefegt würden. In der Elekrizitätslehre jedoch gründet sich das Wissen nicht auf zuvor gemachte optische Wahrnehmung und Beobachtung, weil die Elektrizitätslehre »vielmehr immer bloß Teil des experimentellen Prozesses gewesen [ist]«; ihre Effekte werden »nicht durch auf Sinneseindrücken beruhende Vergleiche gesichert«.4 Das Licht – Medium der Sichtbarkeit, Phänomen des Leuchtens und Offenbarwerdens5 durch den Gesichtssinn – ist für Lichtenberg beispielsweise keine metaphysische Emanation, da seit Bacon und Descartes, so Blumenberg , »[d]as Gegebene […] nicht mehr im Licht [steht], sondern […] von einem bestimmten Aspekt her beleuchtet [wird]. Für das Ergebnis kommt es auf den Winkel an, aus dem das Licht auf den Gegenstand fällt und aus dem er gesehen wird«.6 Lichtenberg notiert am Rande des achten Abschnittes von Erxlebens Anfangsgründe der Naturlehre, der eben dem Licht gewidmet ist: »Man hat bisher in den Lehrbüchern der Physic das Licht viel zu wenig als Bestandtheil der Körper betrachtet, hier hat de Lüc sehr viel geleistet. Künfftig wird man vielleicht 2 Theile hier machen müssen 1) das Licht als Gegenstand des Gesichtes 2) als würcksames Mittel in der Composition der Körper zumal der flüssigen expansibeln«.7
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Michael Gamper: Elektropoetologie. Fiktionen der Elektrizität 1740–1870 (Göttingen 2009)
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Dieter Bremer: Licht als universales Darstellungsmedium. Materialien und Bibliographie. In: Archiv für Begriffsgeschichte. Bd. 18 (1974) 185–206. 6 Hans Blumenberg: Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung. In: ders.:, Ästhetische und metaphorologische Schriften. Auswahl und Nachwort von Anselm Haverkamp (Frankfurt am Main 2001), 139–171, hier 170. 7 Georg Christoph Lichtenberg: Vorlesungen zur Naturlehre. Lichtenbergs annotiertes Hand-
Die Blitzartigkeit der kleinen Form
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Wie Andreas Käuser zu Recht zusammenfassend bemerkt: »[…] gepaart mit der naturwissenschaftlichen Entzauberung der Welt zerstört die rationalistische Aufklärung jene, seien es religiösen oder astrologischen Instanzen von Transzendenz, die erlauben, über den Menschen definitiv denken zu können […] Aufklärung, von Lichtenberg als Zerstörung von Schein und Transzendenz begriffen, depotenziert den Menschen zum Wesen einer reinen Immanenz, der der Ausdrucksbegriff genüge tut«.8 Mit seiner Anmerkung zum »Licht als Gegenstand des Gesichts« richtet er die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt, den Goethe in seinem Aufsatz Das Sehen in subjektiver Hinsicht (1824) weiter vertiefen wird.9 Die Funktion der optischen Instrumente spielt in Goethes Untersuchungen zur Farbenlehre und zum Experiment, in dem naturwissenschaftliche, künstlerische und literarische Interessen zusammentreffen, eine zentrale Rolle. Die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der Lichtenberg zwischen anspruchsvolleren und weniger anspruchsvollen, geistigeren und weniger geistigen, komplexeren und weniger komplexen Themen in seinen Sudelbüchern wechselt, rührt von seiner (witzigen) Überzeugung, dass der Mensch in der Seele und im Denken zugleich Affe (Realismus) und Engel (Idealismus) sei, obwohl der Mensch im Unterschied zu anderen Lebewesen ein Gedächtnisvermögen besitze. Besonders zwei Aphorismen sind in den Sudelbüchern dem Verhältnis zwischen Affe und Engel gewidmet, nämlich E 147 und D 436. Im Zusammenhang mit einer witzigen Überlegung, dass es opportun sei, den Kindern einen Schlag »über einem der Augenwinkeln anzubringen«, um eine Asymmetrie im Kopf zu bewirken, die wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge die beste Voraussetzung für eine optimale Entwicklung der Ideen im Gehirn sei, schreibt Lichtenberg im Aphorismus E 147: »allein kein Mensch kann leugnen, daß der beneidenswürdigste Kopf in dieser Welt derjenige wäre, den man vergöttern würde, wenn er die eine Seite nicht hätte, und den man in Bedlam einsperren müßte, wenn die andere nicht wäre, das sind die großen Seelen die Affe und Engel zugleich, und die freilich zuweilen die läppischen Ideen des erstern mit dem transzendenten Periodenklang des letztern, oder die sonnhellen Ideen des letztern mit den hundsföttischen unverständlichen Zeichen des ersteren ausdrücken«10. Im Aphorismus D 436 heisst es: »So wird uns der Vetter Engel und der Vetter Affe
exemplar der vierten Auflage von Johann Christian Polykarp Erxleben: »Anfangsgründe der Naturlehre«, hg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Göttingen 2005) 336 ff. 8 Andreas Käuser: Physiognomik und Roman im 18. Jahrhundert (Frankfurt am MainBern-New York-Paris 1989) 133–134. 9 Johann Wolfgang Goethe: Das Sehen in subjektiver Hinsicht, von Purkinje 1819. In: Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche, hg. von Hendrik Birus u. a., Bd. 25 (Frankfurt am Main 1985) 819. Vgl. Maria Luisa Roli: The Gaze and Optical Devices in Goethe´s and Stifter’ s Works. In: Representing Light across Arts and Sciences: Theories and Practices, hg. von Elena Agazzi/Enrico Giannetto/Franco Giudice (Göttingen 2010) 155–166. 10 Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1968) 371–372, hier 372.
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auslachen«.11 Hinter diesem nüchternen Gedanken könnte sich eine Anspielung auf Wolffs Kritik an Blumenbach wegen dessen Neigung, die Einbildungskraft zur Bedingung für die Entstehung eines Dichtungsvermögens im Dienst des einheitlichen Weltverstandes zu machen, verbergen. In den Vernünfftige[n] Gedancken schreibt Wolff, dass die produktive Phantasie und die Kraft des Erdichtens u. a. zu Einbildungen in »Gestalt der Engel« führen.12 Es könnte sich aber auch um eine Allusion auf Forsters Reisebericht aus Nova Caledonia handeln, wo dieser angeblich »sehr sinnreiche Menschen angetroffen [hat] die aber in den Gesichtern den Affen ähnlicher sind als irgendein bekanntes Volk«.13 So vollzieht sich ein Wechsel in der Erkenntnistheorie, wie Gamper in seinem Buch zur Elektropoetologie bemerkt, da die Verfechter der logischen Kausalbeziehungen, die mit der kontrollierenden Tätigkeit des Verstandes zufrieden sind und folglich auch die Einbildungskraft in Grenzen halten, an Einfluss verlieren und die Elektrizitätslehre an eben diesem zu gewinnen beginnt: »Denn hier konnte nicht mehr bloß Wissen aus ›Büchern gesammlet‹ und in neue Büchern transformiert werden. Vielmehr musste Wissen aus experimentalen Ereignissen gewonnen werden und in diskursives Bücherwissen übertragen werden, ein Vorgang, der die Bewältigung des diskontinuierlichen Übergangs von den vieldeutigen und flüchtigen Effekten der Versuche zur Logik der Schriftzeichen verlangte«.14 Wenn Lichtenbergs Werk vorwiegend aus Aphorismen und Entwürfen, Eindrücken während seiner Reisen, Zeitschrift-Aufsätzen und Briefen besteht – eine Tatsache, die für seine Neigung zur überlegten Improvisation spricht –, hat er als Autor klar vor Augen, dass gerade das metaphorische Reservoir, das im Laufe der Zeit im kulturellen Gedächtnis entsteht, einem Prozess des Obsoletwerdens unterliegt. Deshalb sollten die Metaphernbilder immer durch den gegenwärtigen Wissensbestand erneuert werden, wie Lichtenberg in seiner Überlegung II G 127 nahelegt: »Ein Volk kann in seinen Schriften vernünftiger scheinen, als es ist, denn es kann noch lange die Sprache seiner Väter schreiben, wenn ihm schon ihr Geist zu mangeln anfängt. Die Metaphern in unserer Sprache entstanden alle durch Witz, und jetzt gebraucht sie der Unwitzigste. Die Morgenländer denken bei ihren vielen Bildern nicht mehr als wir. So fassen auch oft Leute das Äußere der Sitten rechtschaffener Leute, ohne daß sie es wissen. Die bilderreichste Sprache muß mit der Zeit das Bildliche verlieren, und bloß zu
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Ebd. 296. Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, Der Welt und der Seele des Menschen, Auch allen Dingen überhaupt, Den Liebhabern der Wahrheit mitgetheilet (Halle 1741, erste Ausgabe 1720), 8. Auflage, 134 ff. 13 Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 4 (Darmstadt) 250. Brief an Johann Andreas Schernhagen vom 16 Oktober 1775 aus Kiew. 14 Michael Gamper: Elektropoetologie [Anm. 4] 58. 12
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Zeichen erkalten, die den willkürlichen nahe kommen. So kann Sprachkenntnis sehr nützlich werden«.15 Der subversive Charakter der Metapher liege darin, dass sie in der Analogie zum Hauptgegenstand der Reflexion nicht aufgehe, womit »ein Verstoß des Redners oder des Dichters gegen die Einheit des gebrauchten Bildes« vorgesehen sei: »Katachresen. Vir gregis ipse caper. Mißbrauch aus Mangel eines bessern Worts, so sind unsre Metaphern meistens Katachresen«.16 Missbräuchlich verwendet werden nach Meinung Lichtenbergs die meisten Wörter, weil die Gedanken in ein formales Korsett gezwungen würden, das sie immer mehr von der empirischen Praxis des Alltags entfernen. Vivetta Vivarelli versteht deswegen als gezielt didaktisch die Verwendung des naturwissenschaftlichen Gedankens,17 der unter Zurhilfenahme eines Rätsels entstehe, indem das Rätsel vitale Kombinationskräfte aktiviere und dazu einlade, wie beim Aphorismus auch bis dato unvertraute Seitenblicke zu wagen. Die ideologische Absicht, die sich hinter diesem Prozedere verbirgt, hängt zusammen mit Lichtenbergs Absicht, die mathematisch-deduktive Verfahrensmethode eines Descartes mit kritischen Auge zu beurteilen und den Gedanken in ihrer subjektiven Perspektive freien Lauf zu lassen, allerdings mit einigen Einschränkungen. Als z. B. von Hartleys Theorie der Ideen-Assoziation die Rede ist, die besagt, dass dank einer Erweckung von Sensationen im Gehirn die Begriffe von Farben und Tönen durch eine Art natürlicher Elektrisierung entstünden, weist Lichtenberg auf die Gefahr hin, die Wahrnehmung der äußeren Umstände überzubewerten. Der Herausgeber von Hartleys Werk, Joseph Priestley, hatte sich übrigens einer extrem sensualistischen Interpretation bedient, der zufolge das ganze menschliche Denken auf äußere Sinneseindrücke zu reduzieren sei.18 Dieser Überbewertung setzt Lichtenberg folgende Metapher entgegen, um diesen Vorgang zu erklären: »Allein das Gehirn nur eine Masse ausmacht, so grenzen die
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Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 2, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1971) 157. »Der ›Witz‹ war zum einen das Mittel, um Inhalte und Verfahren des wissenschaftlichen Tätigkeitbereichs auf andere Gebiete zu übertragen, zum andern war es aber auch diese menschliche Seelenkapazität, die denjenigen Teil des Experimentalverlaufs besonders stark unterstützte, bei dem es um den Entwurf des Neuen und noch nicht Dagewesenen ging: nämlich den Bereich der Hypothesenbildung und der Erfindung von Versuchanordnungen«; Michael Gamper: Fiktionen und Experimente. Lichtenberg und die Elektrizität, a. a.O. [Anm. 2] 361–362. 16 Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Kommentar zu Band I und Band II, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1992) Fußnote 410 zu J 410, 581. 17 Vivetta Vivarelli: Georg Christoph Lichtenberg: il pensiero come indovinello, Witz e illuminazione improvvisa. In: Configurazioni dell’aforisma. Ricerca sulla scrittura aforistica diretta da Corrado Rosso, a cura di Giulia Cantarutti (Bologna 2000) 65–84. 18 Carl Niekerk: Zwischen Naturgeschichte und Anthropologie. Lichtenberg im Kontext der Spätaufklärung (Tübingen 2005) 105.
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Abteilungen aneinander, die Kammer an die Regierung, und die an die JustizKanzlei, so kann Ton an haut gout grenzen und Rosenfarb an Wollust, Fischers Menuett an Liebe sowohl als eine gebratene Schnepfe«.19 Allein schon die hypothetische Struktur des größten Teils von Lichtenbergs Aphorismen zeigt, wie sich der Autor zwischen dem Versuch, neue Vermutungen zur Erläuterung natürlicher Phänomene vorzulegen, und dem selbstkritischen »Sich-Bremsen« bei diesen Vorgriffen des Genies bewegt.20 Bei der Frage etwa, »[w]arum sollten wir also nicht annehmen können, daß unsere Sonne, mit ihren Planeten und Cometen sich wiederum um einen ungeheueren Körper herumdreht so wie wir um sie?«, stellt er sich vor, wie der visionäre Athanasius Kircher zu phantasieren, der nicht immer zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden gewusst habe.21 Im Wissen um die kleine Form (bzw. den Aphorismus)22 als Medium kritischer Einfälle im Sinne Lichtenbergs, um die Metapher als Reservoir kulturell erinnerter Vorstellungsbilder (D 515) und naturwissenschaftlicher Erfahrung finden sich in den Sudelbüchern einige Gedanken, in denen Lichtenberg seine Sympathie für den metaphorischen Ausdruck explizit macht, aber gleichzeitig darauf hinweist, dass die Metapher unnütz sei, wenn der Leser keine ausreichende Bildung habe, um den Hintergrund des vorgestellten Bildes zu verstehen, so etwa in F 375: »Der Schriftsteller [gibt] der Metapher den Leib, aber der Leser die Seele«. Weiter bemerkt er, dass die Metaphern für diejenigen, die nicht genug über die Welt informiert seien, oft rätselhaft blieben, zugleich aber auch die Grenze dessen, was der Autor selbst gedacht habe, überschritten (ebenda). Ganz klar formuliert Lichtenberg diesen Gedanken in F 369: »Die Metapher ist weit klüger als ihr Verfasser und so sind es viele Dinge. Alles hat seine Tiefen. Wer Augen hat der sieht [alles] in einem«. Von den Metaphern als Katachresen hält Lichtenberg, wie bereits gesehen, nicht viel; stattdessen favorisiert er diejenigen, welche die Beobachtung eines Dinges oder Phänomens mit ihnen ähnlichen Vorstellungen anzureichern, anschaulicher und kräftiger zu schildern versuchten und damit die Weltkenntnis sowohl des Aussagenden wie auch des Lesers erweiterten. Spielraum und Prägnanz stünden aber immer im Wettbewerb zueinander, so dass man Lichtenberg zufolge wie Lessing versuchen solle, die Distanz zwischen Gedanken und Aus-
19 Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 4, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1967) 287–290 (Brief an Johann Friedrich Blumenbach, n. 142). 20 Für Lichtenbergs Kritik an den Genie-Gedanken vgl. E 504. In: Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1968) 449 f. 21 Georg Christoph Lichtenberg: Göttinger Taschenkalender 1785, 101 ff. Zit. nach Albrecht Schöne: Aufklärung aus dem Geist der Experimentalphysik. Lichtenbergsche Konjunktive (München 1982) 70. 22 Vgl. zum Begriff der »kleinen Form« Ulrich Stadler: Kleines Kunstwerk, kleines Buch und kleine Form. Kürze bei Lichtenberg, Novalis und Friedrich Schlegel. In: Die kleinen Formen in der Moderne, hg. von Elmar Locher (Bozen 2001) 15–36.
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druck zu reduzieren.23 Gedanke und Ausdruck seien wie Seele und Leib Pole eines metaphorischen Verfahrens, in dem aber die Entschlüsselung der Anspielung von der intellektuellen Lebendigkeit des Lesers abhängig bleibe. Die Metapher bildet die interfacies zwischen Leib und Seele et vice versa, aber auch zwischen Natur und Wissen. Damit diese zwei Welten nicht entgegengesetzt bleiben, sondern immer interagieren können, sind experimentelle Verfahren und Praxisbezug nötig. Ohne die nötige theoretische Bearbeitung würde die rein sinnliche Erfahrung wie ein Kadaver bzw. wie eine Vorstellung ohne empirischen Beweis dastehen: »Wenn ich etwas als Körper und dann als Geist betrachte, das macht eine entsetzliche Parallaxe. Er pflegte jenes den somatozentrischen und dieses psychozentrischen Ast eines Dings [zu nennen] Sarkozentrisch.«24 In die Lichttheorie schreibt sich jene Geometrie der Sinneswahrnehmung ein, die Lichtenberg gerne verwendet, wenn es ihm darum geht, die Auffassung einer Idee abzusichern. Es ist nicht von ungefähr, dass er in einem Aphorismus darauf abzielt, die Tiefe des philosophischen Gedankens zugunsten einer linearen und empirischen Wahrnehmung der Realität zu verteidigen, da die wahren Entdeckungen sich eben auf der Oberfläche entwickelten. Die lineare Dimension sei diejenige, welche dem Menschen eigen sei (D433), da sich der Mensch, obwohl das Leben eine Linie mit Krümmungen bilde (A115) und der Mensch manchmal wie ein Fluss mäandriere (C202), sich zwischen Witz und Gelehrsamkeit auf flacher Ebene bewege. Unter den ausführlichsten Erklärungen zu dieser Perspektive, die besonders auf Heft II A zurückverweist, in dem vermischte wissenschaftliche Notizen zu physischen Experimenten aus den Jahren 1765 bis 1770 enthalten sind, findet man in D433 die Idee, dass sich der Mensch bei der Absicherung von Wissen nur auf Erfahrungen, nicht auf die Gründlichkeit eines Gedankens stützen solle: »So wenig der Mensch innerhalb der Kugel sitzt die er bewohnt, sondern auf der Oberfläche, wenn man die geringe Tiefe abrechnet, in welcher der philosophische Taucher noch leben kann. Was ihr von Grund aus studieren nennt geht bloß in die Breite, das Gründlich ist nicht für den Menschen solange er an diese Maschine angeschlossen ist, die ihm nur Anstöße summiert, so muß er bei der Fläche bleiben«. Mit Hume teilt Lichtenberg das Bedürfnis, Lockes Widersprüchlichkeit zu überwinden, die darin besteht, dass dieser einerseits von angeborenen Ideen ausgeht, andererseits negiert, dass das menschliche Subjekt die apriorische Fähigkeit besitze, Wahrnehmungsdata zu verarbeiten. Lichtenberg gibt zu, dass die Raumerfahrung als conditio sine qua non für die Wahrnehmung der Welt, die uns umgibt, indiskutabel sei, und unterscheidet wie Hume zwischen »primären« 23
Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1968) E 204, 391. 24 Ebd., D 202, 261.
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und »sekundären« Qualitäten. Demnach konkurrieren Sinneseindrücke und Vorstellungsbilder bei der Entschlüsselung dessen, was sich außerhalb des Subjekts befindet, und es ist nicht von ungefähr, dass die Lichtmetaphorik sich als bestes Beispiel für die Erklärung dieses Verfahrens anbietet,25 wie Smail Rapic in seiner Abhandlung zu Lichtenbergs Verhältnis zum Empirismus u.a zeigt. Rapic tut dies, indem er sich auf einen Brief an G. F. Werner vom 29.11.1788 bezieht. In diesem Brief heißt es: »Alles was wir sehen ist Empfindung auf der Retina, da glänzt die Sonne, der Mond und der Sirius; nicht dort oben. Mein Gott, wir fühlen ja die Welt nicht unmittelbar, wir fühlen ja unsere Organe und unsere Körper. Was wir dort oben nennen ist durch Schlüsse dort oben hingetragen worden…wir empfinden nur die Folge der Berührung [das heißt der ›Affektion‹ unserer Sinnesorgane], die Berührung selbst nicht, und daher können wir über den Quell der Empfindung träumen, was nur das Zeug halten will. Unser Gefühl [das heißt der Tastsinn] nimmt von diesem Lande, das niemandem angehört, bald Besitz, und daher entsteht dann der Begriff der Entfernung«.26 Lichtenberg trennt das Wort als Zeichen für eine Definition von der Definition der Sache, um an den einmal festgelegten Begriffen im Bereich der verschiedenen Naturwissenschaften festzuhalten, weil er davon überzeugt ist, dass man das Wesen einer Sache nicht durch das Wort hinreichend erfassen kann. Das Wort fungiert nicht als abgekürzte Definition der Sache, d. h. die Sprache hat keine mystische Konnotation, wie etwa Jakob Böhme meint.27 Dass das Wort sogar eine gewisse Distanz zum Objekt, auf das es sich bezieht, anzeigt, erhellt aus einem Beispiel, das von Stahls Beobachtungen über die Blitz-Effekte stammt und im Lichtenbergischen Aphorismus KA II 24 besprochen wird: »Donnersteine gibt es würklich das ist Schlacke, die der Blitz erst in der Erde formiert. Stahl in seinem Experiment. Observ. Et animadvers.Chym et phys.n. CXXXIV p. 186, aber keine Donnerkeile«. Im Wörterbuch (Rigutini-Bulle) verweist »Donnerstein« auf »Donnerkeil«, nämlich Blitzwetterstrahl. Hier ist aber Lichtenbergs Verweis auf den Termi25 Thomas Leinkauf schreibt in seinem Aufsatz zur Wirkungsgeschichte der spekulativen Licht-Metaphorik und zur Bedeutung des Lichts im deutschen Idealismus: »So konnte sich Denken selbst als Licht oder lichthaft verstehen und dessen optisch suggerierte Immaterialität, Instantaneität, Identität und Sichselbstgleichheit sowie seine Begrenzung, Form und Bestimmtheit konturierende Erschließungskraft als Indikatoren seines eigenen Vollzugs und seines Telos interpretieren. Und es konnte Licht bzw. dessen momentane oder dauerhafte Gegenwart (Blitz, Aufleuchten, Erhellung, stehender Lichtraum) als in einer rational überprüfbaren Metaphorik gesichertes Analogon zu allem theologischen Offenbarungsgeschehen und zu aller metaphysisch-intellektuellen Evidenz werden«. Thomas Leinkauf: Licht als unendlicher Selbstbezug und als Prinzip von Differenz. In: Archiv für Begriffsgeschichte. Bd. 38 (1995) 150–177, hier 150 f. 26 Smail Rapic: Erkenntnis und Sprachgebrauch. Lichtenberg und der englische Empirismus (Göttingen 1999) 214; Zitat aus Lichtenberg: Briefwechsel. Bd. 3, hg. von U. Joost und A. Schöne, 609 ff. 27 Vgl. das Kapitel VI von Rudolf Jungs Studie: Studien zur Sprachauffassung Georg Christoph Lichtenbergs. Versuch einer Interpretation der sprachphilosophischen Aphorismen. Inaugural Diss. (Frankfurt am Main 1967) 106–121.
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nus »Schlacke« entscheidend, weil Schlacke auch die materiellen Überreste eines vulkanischen Ausbruches bezeichnet oder den Belemnit als Mineralsorte, m.a.W. etwas Handfestes, das man als geologischen Fund klassifizieren und ausstellen kann. Im Falle des Donnerkeils vermischen sich die Interpretationen, indem sie sich z.T. mit der Bedeutung des Donnersteines überlappen. Bei dem Wort »Donnerkeile« spielt Lichtenberg offensichtlich mit der Vieldeutigkeit: 1. der mythologischen Bedeutung, die auf die Waffen von Zeus hinweist, 2. den versteinerten Skelettteilen von tintenfischartigen Kopffüßlern (Belemniten) aus der Urzeit und 3. der volkstümlichen Bezeichnung für die vorgeschichtlichen Steinbeile, welche als magischer Schutz vor dem Blitzschlag dienten. Lichtenberg zeigt auf diese Weise, wie man bei Begriffen, die derselben Wurzel entstammen, leicht in verschiedene Vorstellungsbereiche kommen kann, indem man sie assoziativ verknüpft. Natürlich zeigt sich an diesem Beispiel auch, dass es, sofern man keine Spuren von Belemniten (Kopffüßler) findet und nur davon sprechen hört, schwer ist, an ihre Existenz zu glauben. Mythologie und Naturwissenschaft treffen sich in der Zeit von Lichtenberg aber in einem Punkt: in der Annahme, dass die Belemniten bei Gewitter vom Himmel fallen würden und mit magischen Kräften behaftet seien.28 Das Bilden von Metaphern ist selbst ein experimenteller Akt, insofern als selbstverständlich geltende Vorstellungsbilder durch andere ersetzt werden, die den Leser mit neuen Informationen versorgen oder ihn zumindest zum Nachdenken anregen, wenn sich die der Metapher innewohnende Konstruktion der Analogie auf neue wissenschaftliche Errungenschaften stützt. Lichtenberg bestätigt seine Präferenz der Lichtmetaphorik in dem Aphorismus J II 1259: »Wenn ich aus der Analogie schließen will, so muß ich doch notwendig einen Rang zwischen Analogien annehmen, denn es ist und kann ja eine nicht so gut als die andre sein, und worin besteht der Rang von Analogien. Bei der oft traktierten Lehre vom Feuer und Licht gewiß in dem Nicht-Zittern, weil dergleichen Übergänge gewiß häufiger sind als das Mitteilen durch Zittern«.29 Die gerade Linie des Lichts wird meistens metaphorisch übertragen auf die menschliche Intelligenz, die menschliche Besonnenheit oder die ethische Haltung des Menschen; das Nicht-Zittern, das Licht-Phänomenen eigen ist, steht im Gegensatz zur ängstlichen Reaktion der Menschen auf elektrische Ereignisse wie Blitz und Donner bei stürmischem Wetter.30 Wenn Lichtenberg sich ab und zu über die eigene Stellung im Bezug auf die Aufgabe des Forschers und Gelehrten äussert, vergleicht er das Licht mit der »Liebe zur Wahrheit«: »Auch ich bin
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Vgl. Fußnote 24 in: Georg Christoph Lichtenberg. Schriften und Briefe. Kommentare zu Band I und Band II von Wolfgang Promies. Bd. 4 (Darmstadt 1992) 54. 29 Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 2, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1971) 229 f. 30 Vgl. Wolfram Mauser: Über Gedanken- und andere Blitze. Denken: ein Trieb der Natur. In: Ders.: Georg Christoph Lichtenberg. Vom Eros des Denkens (Freiburg im Breisgau 2000) 47–74.
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erwacht Freund, und zu dem Grad der philosophischen Besonnenheit gekommen, wo Liebe zur Wahrheit die einzige Führerin ist, wo ich allem was ich für Irrtum halte mit dem mir verliehenen Licht entgegengehe, ohne grade laut zu sagen, das halte ich für Irrtum, und noch weniger, das ist Irrtum«.31 Da das Licht aber auch Gegenstand wissenschaftlicher Beobachtung sei, soll man sich Lichtenberg zufolge vor voreiligen Deduktionen hüten, um das empirisch auffindbare Potential vollständig auffassen zu können: Gerade »kleine Abweichungen« von der Wahrheit böten sich als Garantie für die Entwicklung weiterer Kenntnisse an. Der erste Gedanke in den Sudelbüchern (A 1) ist dieser Überzeugung gewidmet.32 Tatsächlich seien aber manipulative Eingriffe in die Naturordnung zwecks Erkenntnis diejenigen, die am meisten Stoff für wissenschaftliche Metaphorik böten. Lichtenberg denkt dabei an magnetische Praktiken und Experimente mit der Elektrizität, welche ein ganzes Vokabular an bildhaften Ausdrücken zusammenstellten: »Magnetische Texte boten reiches Material für eine solche Art von Forschung an […] weil das magnetische Wörterbuch zu vielfältigen Assoziationen führte; übrigens wurden die magnetischen Effekte dank solcher inhaltsreichen Ausdrücke wie Tugend, Macht und Anziehungskraft beschrieben. Dieses konnotative Vermögen hatte eine doppelte Folge, weil es vielen Menschen die Möglichkeit gab, magnetische Metaphern zu entwickeln, wobei Naturphilosophen an einem genauen Vokabular mangelte, dank dessen es möglich gewesen wäre, magnetische Phänomene zu diskutieren«.33 Gamper erklärt, dass gerade die zufällige Entdeckung der sogenannten Lichtenbergischen Figuren den Göttinger Gelehrten dazu gebracht habe, eine ganze Anzahl von Naturgegenständen (Sonne, Sterne, Milchstraße usw.) in miniaturisierter Form auf dem verstaubten Deckel des Elektrophors hervorzuzaubern. In diesem Fall sind Metaphern leicht zur Hand. Indem sich andere Dimensionen und Welten durch die subjektiven Sinneswahrnehmungen eröffnen, wird die natürliche Ordnung der Dinge derart verrückt, dass eine andere, nicht begriffliche Sprache gefunden werden muss, das Unerklärliche zu erklären: die metaphorische Sprache: »Wenn man annähme, daß alle Vorstellungen der Menschen eine Art von Raserei wären, ein Tollhauszustand, so muß doch ein Wesen sein, das diese Absicht hat, die Tollen sind abgerissene Faden bei dieser Spinnerei, die der Spule nicht folgen. In diesen findet man das Werk Gottes. Sie sind auch 31
Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1968) D 84, 243. 32 »Der große Kunstgriff kleine Abweichungen von der Wahrheit für die Wahrheit selbst zu halten, worauf die ganze Differential-Rechnung gebaut ist, ist auch zugleich der Grund unsrer witzigen Gedanken, wo oft das Ganze hinfallen würde, wenn wir die Abweichungen in einer philosophischen Strenge nehmen würden«; A 1, in: Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1968) 9. 33 Patricia Fara: Sympathetic Attractions. Magnetic Practices, Beliefs, and Symbolism in Eighteenth-Century England (Princeton 1996) 175. Die Übersetzung ist von mir.
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bei manchen Völkern heilig. Die Rasenden geben uns Aussichten in die Haushaltung des Ganzen, die uns nichts anders gibt. Sie sind das gedrückte Auge, das elektrische Figuren und Sonnen und Drellmuster gibt […]«.34 Es gibt noch prägnantere Belege dafür, dass Lichtenberg in der Lage war, ganz entfernte Wissensbereiche in einem blitzartigen Einfall miteinander in Verbindung zu bringen, wie zum Beispiel durch die Definition von Alessandro Volta als »rechtes Reibzeug für die Damen«. Der Germanist Cesare Cases erwähnt diese Bezeichnung und schreibt, dass es sich bei »Reibzeug« um einen Neologismus aus dem Bereich der technischen Sprache handele, der ein Lederkissen, beschmiert mit Zinkamalgam, bezeichne, welches in den elektrostatischen Reibmaschinen durch eine Glassplatte gerieben werde und damit Elektrizität erzeuge. Lichtenberg führte damit in einen unüblichen und heterogenen Kontext ein Fachwort aus der Technik ein, das auf Voltas erotische Elektrizität hindeutete.35 Intuitionen können zu Feststellungen werden, wenn sie sich schnell entwickeln, wie Aphorismus C 32 ausführt: »Etwas, das sich mit der Schnelligkeit des Blitzes oder des Lichts von dem einen Ende eines Sandkörngens bis zum andern bewegt, wird uns zu ruhen scheinen«.36 Implizit bezieht sich auch diese Aussage auf eine physikalische Theorie, insbesondere auf die mechanische Erklärung des Newtonschen Gravitationsgesetzes durch Georg-Louis Lesage, von dem Lichtenberg sehr viel hielt, obwohl die atomistisch-mechanische Theorie im Widerspruch zur Kantschen Lehre stand. Aber Lichtenberg blieb oft lieber bei zu selbständigen Bildern geformten Hypothesen, als eine Reihe kohärenter Aussagen zu bilden. An diesem Prinzip haben sich andere Gelehrte und Autoren orientiert und sich von Lichtenbergs metaphorischen Suggestionen beeinflussen lassen. Zahlreiche seiner Aphorismen finden sich in den Werken anderer Schriftsteller wieder, wie bspw. Aphorismus B 18 und B 35 in Mein Jahrhundert und Beim Häuten der Zwiebel von Günter Grass, auch wenn dies im einzelnen schwer nachweisbar ist. Dieses unterschwellige Nachwirken trägt m. E. wesentlich zur Faszination von Lichtenbergs Gedankenwelt bei: »Beobachtungen zur Erläuterung der Geschichte des Geists dieses Jahrhunderts. Die Geschichte eines Jahrhunderts ist aus den Geschichten der einzelnen Jahre zusammengesetzt. Den Geist eines Jahrhunderts zu schildern kann man nicht die Geister der hundert einzelnen Jahre zusammenflicken, unterdessen ist es dem der ihn entwerfen will allemal nützlich auch die letzteren zu kennen, sie können ihm immer neue Punkte dar-
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Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 2, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1971) 329. 35 Cesare Cases: »The whole Man«: Ritratto di Lichtenberg attraverso il suo incontro con Volta. In: Momenti di cultura tedesca, hg. von Marino Freschi (Cremona 1973) 33 ff., hier 52. 36 Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1, hg. von Wolfgang Promies (Darmstadt 1968) 160.
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bieten seine steten Linien dadurch zu ziehen« (B 18); »[d]er eigentliche Mensch sieht wie eine Zwiebel mit vielen tausend Wurzeln aus, die Nerven empfinden allein in ihm, das andere dient diese Wurzeln zu halten, und bequemer fortzuschaffen, was wir sehen ist also nur ein Topf, in welchen der Mensch (die Nerven) gepflanzt ist« (B 35).37
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Ebd. 51, 57.
Claudia Stancati
Metafore scientifiche nell’origine e nella descrizione del linguaggio
I. Metafore e nuove scienze È alla fine del XVIII secolo che inizia la ristrutturazione delle discipline sulla base di una rigida formazione professionale e comparativa ed è a quest’epoca che possiamo far risalire la nascita di quelle che chiamiamo oggi scienze del linguaggio, poiché, infatti, è il momento in cui emergono differenziazioni tra filologia, grammatica e retorica e si affaccia faticosamente il termine »linguistica«. Peraltro, le scienze del linguaggio, come le altre scienze umane, nascono anche dal corpo della filosofia allo stesso modo in cui ciò era accaduto per la philosophia naturalis. Per questa ragione i nuovi edifici disciplinari non possono fare a meno di utilizzare i materiali della metafisica, e, trattando temi quali l’origine e la descrizione del funzionamento del linguaggio e delle istituzioni o dei miti, si affidano a forme di storia congetturale che hanno a volte la struttura della favola o dell’apologo, della descrizione di un viaggio in terre immaginarie e presso popoli sconosciuti. Di questa storia congetturale Buffon fornisce un modello trasversale a due forme di sapere: »Comme dans l’Histoire civile on consulte les titres, on recherche les médailles, on déchiffre les inscriptions antiques pour déterminer les époques des révolutions humaines et constater les dates des événements moraux: de même, dans l’histoire Naturelle, il faut fouiller les archives du monde, tirer des entrailles de la terre les vieux monuments, recueillir leurs débris et rassembler en un corps de preuves tous les indices de changements physiques qui peuvent nous faire remonter aux différents âges de la Nature«.1 Questa storia congetturale utilizza spesso la metonimia e la metafora come strumenti scientifici che permettono di indagare la nascita delle religioni e dei miti secondo modelli linguistici. La metafora è così, spesso, il perno di molta nuova filosofia e delle nuove scienze che cercano il loro statuto. Le metafore del sogno, e altre largamente utilizzate all’epoca quali quella dell’orologio, del mulino, della mappa, dell’albero ecc., non sono solo artifici letterari, come dimostra una rassegna dell’immaginario scientifico tra Descartes e Diderot; non si tratta cioè di immagini letterarie, di semplici figure retoriche, bensì di immagini diagrammatiche destinate ad esibire analogie strutturali.2 1 2
Georges Louis Leclerc de Buffon: Les époques de la nature, réed., (Paris 1954) 117. Cfr. Michel Baridon: L’imaginaire scientifique et la voix humaine dans le Rêve de Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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Trattando dell’origine dei miti e delle religioni, Fontenelle, ad esempio, parla di »idée manifestement prise sur des objets très familiers. Cette philosophie des premiers siècles roulait sur un principe si naturel qu’encore aujourd’hui notre philosophie n’en a point d’autre: c’est-à-dire que nous expliquons les choses inconnues de la nature par celles que nous avons devant les yeux et que nous transportons à la physique les idées que l’expérience nous fournit (…) Nous nous sommes toujours représenté l’inconnu sous la figure de ce qui était connu; mais heureusement il y a tous les sujets du monde de croire que l’inconnu ne peut pas ne point ressembler à ce qui nous est connu présentement«.3 Lo stesso fa De Brosses: »L’habitude de personnifier soit de tels êtres physiques soit toute espèce d’êtres moraux, est une métaphore naturelle à l’homme, chez les peuples civilisés comme chez lez nations sauvages. Et quoique celles-ci ne s’imaginent pas toujours réellement, non plus que ceux-là, que ces êtres physiques, bons ou mauvais à l’homme, soient en effet doués d’affection et de sentiment, cet usage des métaphores ne laisse pas que de prouver qu’il y a dans l’imagination humaine, une tendance naturelle à se les figurer ainsi«.4 La presenza della metafora nei testi del XVIII secolo in cui si tenta una descrizione dell’origine del linguaggio e del suo funzionamento complessivo è duplice; da un lato, la metafora e i suoi meccanismi sono uno degli oggetti principali delle trattazioni generali sul linguaggio; dall’altro, vengono impiegate, con funzione epistemologica, metafore di tipo pittorico, meccanico, botanico o organico che rispondono ad esigenze esplicative o tassonomiche. Inoltre, da una scienza all’altra sembra esserci la possibilità di mutuare modelli e metafore. Turgot nell’articolo »Etymologie« parla di »branche intéressante de la métaphysique expérimentale« e dei dati su cui questa scienza lavora dice: »ce sont des grains de sable que l’esprit humain a jetés sur sa route et qui peuvent seuls nous indiquer la trace de ses pas (…) les métaphores créées par le besoin et par une espèce de luxe d’imagination ont compliqué de plus en plus les détours de ce labyrinthe immense«.5 De Brosses nel Discours préliminaire al suo Traité sur la formation mécanique des langues utilizza diverse metafore per descrivere il metodo del suo lavoro scientifico, una »metafisica« che »si muove grazie agli esempi e all’analogia con altre scienze«: l’etimologia è qualificata come »anatomia«, il suo è il progetto
D’Alembert. In: L’Encyclopédie, Diderot, l’esthétique. Mélanges en hommage à Jacques Chouillet (1915–1990), publ. par Sylvain Auroux, Dominique Bourel, Charles Porset (Paris 1991) 113–121; Otto Mayr: La bilancia e l’orologio, trad. it., (Bologna 1988); Giulio Barsanti: La scala, la mappa, l’albero. Immagini e classificazioni della natura fra Sei e Ottocento (Firenze 1992); Mariafranca Spallanzani: L’arbre et le labyrinthe. Descartes selon l’ordre des Lumières (Paris 2009). 3 Bernard le Bouvier de Fontenelle: De l’origine des Fables. In: Oeuvres, 12 voll., (Amsterdam 1756–1766), t. III (1764) 160–163. 4 Charles De Brosses: Du culte des dieux fétiches, s. l., 1760, 215 s. 5 Anne Robert Turgot: Etymologie. In: Encyclopédie, Nouvelle impression en facsimilé de la première édition de 1751–1780, vol. VI (Stuttgart 1967) 98–111.
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»d’une archéologie ou nomenclature universelle des racines«, e osserva: »ceux qui sont frappés d’étonnement à la vue d’un superbe édifice, ne songent guère aux fondations que la terre couvre«.6 Scoprire »l’enchaînement encyclopédique« tra la scienze, poiché »les sciences se portent un secours mutuel«,7 getta su tutto, a suo avviso, quella che chiama »une lumière philosophique«, e aggiunge: »On a trouvé que cette méthode traçoit une large voie pour entrer à découvert dans un vaste canton de la métaphysique jusqu’alors peu connu, et où on n’avoit encore pénétré que par des sentiers«,8 sempre usando la metafora »geografica« parla di due »tableaux des cartes géographiques royaumes et provinces grammaticales la langue faite pour les yeux et la langue faite pour les oreilles«.9 De Brosses spesso utilizza allo stesso scopo proprio le metafore botaniche »pour réussir à cette espèce d’analyse, il a fallu remonter jusqu’aux racines qui ont produit les mots usités dans le langage humain; en découvrir le premier germe, et de suivre ses développements de branches en branches«, i grandi sviluppi nelle lingue, »comme dans tous les effets naturels«, sono l’esito »des premiers germes imperceptibles«.10 La metafora botanica torna nel descrivere gli sviluppi dell’ oggetto »linguaggio« dalle prime radici naturali e motivate: »telle une graine d’orme produit un grand arbre qui poussant de nouveaux jets de chaque racine produit à la longue une véritable forêt«, »comme les branches se propageant sur le tronc même et se subdivisant« e ancora: »les accessoires sorties les uns des autres, de branches en branches, d’ordre en sous-ordres, sont tous eux-mêmes sortis des premiers germes organiques et radicaux comme de leur tronc: il ne sont qu’une ample extension de la première fabrique du langage primitive toute composée de racines«.11 La stessa diversità e somiglianza delle lingue è spiegata da De Brosses con le modalità con cui la natura produce le foglie degli alberi »puisqu’il n’y a pas une feuille absolument pareille sur un même arbre: mais ils seraient au moins fort approchants et formés en vertu des mêmes principes mécaniques«.12 Non manca nel suo testo anche l’occorrenza di una metafora di tipo economico: »l’échange à lieu pour les mots comme pour toute autre denrée«.13 Si tratta di scambi »metaforici« di modelli epistemologici del tutto usuali. Per esempio, Lord Kames si serve delle classificazioni degli animali di Buffon e
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Charles De Brosses : Traité sur la formation mécanique des langues et des principes physique de l’étymologie, 2 voll., t. I (Paris 1765) 24, 490 e 40. 7 Ivi, XXII. 8 Ivi, 41. 9 Ivi, t. II, 48–49. 10 Ivi, IX. 11 Ivi, 18 e 20; t. II, 14–15. 12 Ibidem 13 Ivi, t. I, 45.
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Linneo per applicarle agli uomini e alla forza dell’abitudine che modifica la vita e crea le istituzioni. Copineau nel suo Essai synthétique sur l’origine et la formation des langues del 177414 presenta il suo lavoro come un esperimento, poiché, se è vero che l’origine storica del linguaggio non può che essere quella indicata da Mosé, possiamo tuttavia tentare come in fisica un esperimento per vedere se si può sviluppare il linguaggio da mezzi naturali, avendo ben chiaro che »comme en Physique une expérience ne réussit que par le concours de toutes les circonstances qui la favorisent«. Quindi si domanda: »Ne put-on pas envisager ces recherches comme quelques unes des tentatives de la Chymie, dont le but est quelque fois chymérique mais qui ont souvent mené à des découvertes importantes?«.15 Non si può dunque escludere dalle scienze tutto ciò che non è suscettibile di dimostrazione, ma il paese delle congetture è così vasto che venti ricercatori possono anche non incontrarsi. Come mostra Starobinski nell’introduzione all’Essai sur l’origine des langues, »il est révélateur que Rousseau emprunte alors aux sciences de la matière – à la mécanique newtonienne – le concept d’action et réaction, au moment même où ce concept par extension métaphorique, tend à s’appliquer au domaine de l’histoire (Montesquieu) et de l’organisme vivant (Diderot)«.16 Questo principio, infatti, è, per Rousseau, destinato a spiegare tutti i mutamenti della popolazione umana: »de cette action et réaction viennent les révolutions de la terre et l’agitation continuelle de ses habitants«.17 In un autore che come Herder segna una tappa fondamentale nello sviluppo della riflessione sul linguaggio compaiono egualmente metafore generali di tipo epistemologico.18 La simbolica universale delle lingue è per Herder »ein unermäßlicher Garten voll Pflanzen und Bäume«, »eine große Schatzkammer, in welcher die Känntnisse aufbewahrt liegen, die dem ganzen Menschengeschlechte gehören« e colui che fosse un vero filosofo del linguaggio ne possiederebbe la chiave che è la semiotica.19 »Jede Nation hat ein eignes Vorratshaus solcher zu Zeichen gewordenen Gedanken« che è la lingua nazionale la quale ha subito crescite e cali come la luna, mutazioni e scorrerie come un tesoro della corona,20 inoltre il linguaggio è sottoposto alla stessa azione trasformatrice che subiscono l’uomo e
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Copineau: Essai synthétique sur l’origine et la formation des langues (Paris 1774). Ivi, V. 16 Jean Starobisnki: Introduction. In: Jean-Jacques Rousseau: Essai sur l’origine des langues (Paris1990) 33–34. 17 Ivi, 90. 18 Johann Gottfried Herder: Über die neuere deutsche Literatur. Fragmente. In: Johann Gottfried Herder: Werke in zehn Bänden, hg. von Martin Bollacher [et alii], Bd. I: Frühe Schriften 1764–1772, (Frankfurt a.M. 1985) 543–649. 19 Ivi, 552 s. 20 Ivi, 553. 15
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l’intero genere umano e il mondo degli esseri inanimati, secondo un’alternanza di stati che vanno dal pessimo al buono, dal buono all’eccelso, dall’eccelso al meno buono e nuovamente al pessimo. Per Herder »auf diesen dunkeln Weg nahe an den Ursprung einer Sprache hin« si arriva per notizie storiche, spiegazioni filosofiche o facendo congetture poetiche.21 Queste ultime sono »für den Verstand höchstens eine Spur von Fußtritten, um zu der Höhle zu kommen«, soddisfano l’immaginazione e sono necessarie alla scienza, poiché l’origine è il cuore di ogni fenomeno: »Wie der Baum aus der Wurzel: so wächset Kunst, Sprache und Wissenschaft aus ihrem Ursprunge herauf. In dem Samenkorn liegt die Pflanze mit ihren Teilen; im Samentier das Geschöpf mit allen Gliedern: und in dem Ursprung eines Phänomenon aller Schatz von Erläuterung, durch welche die Erklärung desselben genetisch wird.«22
II. La meccanica del linguaggio Le descrizioni del funzionamento del linguaggio assumono anche modelli meccanici: quello della dinamica e quello dell’equilibrio idraulico, ma anche quello del confronto con ogni sorta di congegno in grado di produrre suoni. Non si tratta tuttavia di una metafora »neutra«: all’epoca, l’applicazione dei modelli meccanici alle istituzioni umane e alla facoltà di linguaggio comporta l’interrogativo sulla libertà ed è destinata a scontrarsi con il modello cartesiano che rifiuta di attribuire vera loquela ad ogni tipo di automa, sia esso automa naturale come gli animali o meccanico.23 Il termine ricorre in tutte le sue declinazioni in molti autori, ma con »pesi« via via assai diversi. L’espressione »mécanique des langues« è usata da Maupertuis nell’edizione del 1756 delle sue Réflexions philosophiques sur l’origine des langues et sur la signification des mots per replicare alle Remarques formulate nel 1753 da Boindin all’edizione della sua opera del 1748 e da Pluche ne’ La mécanique des langues et l’art de les enseigner del 1751. È Adam Smith ad utilizzare un modello meccanico per spiegare la trasformazione delle lingue da primitive ad evolute nelle Considerations concerning the First Formation of Languages.24 Le lingue sono, al momento della loro invenzione, estremamente complicate e insieme rudimentali, poi diventano più semplici man mano che la loro struttura si fa più complessa. In esse, »it is in this
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Ivi, 600 s. Ivi, 602. 23 Su questi temi rinviamo al volume del compianto amico Jean-Pierre Séris: Machine et langage à l’âge classique (Paris 1995) e a Claudia Stancati: Cartesio. Segno e linguaggio (Roma 2000). 24 Adam Smith: The works of Adam Smith, ed. by Dugald Stewart, volume V, (Aalen 1963) 43–44. 22
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manner that language becomes more simple in its rudiments and principles, just in proportion as it grows more complex in its composition, and the same thing has happened in it, which commonly happens with regard to mechanical engines. All machines are generally, when first invented, extremely complex in their principles, and there is often a particular principle of motion for every particular movement which it is intended they should perform. Succeeding improvers observe, that one principle may be so applied as to produce several of those movements; and thus the machine becomes gradually more and more simple, and produces its effects with fewer wheels, and fewer principles of motion. In language, in the same manner, every case of every noun, and every tense of every verb, was originally expressed by a particular distinct word, which served for this purpose and no other. But succeeding observations discovered, that one set of words was capable of supplying the place of all that infinite number, and that four or five prepositions, and half a zone auxiliary verbs, were capable of answering the end of all the declensions, and of all the conjugations in the ancient languages. But this simplification of languages, though it arises, perhaps, from similar causes, has by no means similar effects with the correspondent simplification of machines. The simplification of machines renders them more and more perfect, but this simplification of the rudiments of languages renders them more and more imperfect, and less proper for many of the purposes of language«.25 L’utilizzo più comune e banale della metafora meccanica è quello che assimila i meccanismi fonatori agli strumenti musicali, come fa Copineau: »Le canal oral rentre donc dans les principes du jeu d’orgue, et en général dans les principe de tous les instruments à vent, où le son primitif étant supposé fixe, les tons se règlent selon les dimensions des tuyaux«.26 Lo stesso Court de Gébelin scrive: »comme l’orgue l’instrument vocal a des soufflets, une caisse, des tuyaux, des touches«.27 Anche in De Brosses cordes e touches degli strumenti sono ovviamente utilizzati per spiegare le variazioni dei suoni degli organi vocali, ma la comparazione tra canto e linguaggio mostra che c’è diversità e opposizione e la voce cantante è »un orgue à cordes qui a des soufflets pour inspirer l’air, un tuyau pour le conduire, & des rubans oscillatoires«.28 Egli usa numerose locuzioni quali: mécanisme de la parole, mécanique des organes, fabrique du langage humain, mécanisme de langage o espressioni come: »le jeu de la machine«, »le jeu de l’instrument«, »l’organe de la voix – egli scrive – n’est considéré que comme un instrument méchanique, que comme une machine propre par sa construction à rendre des sons articulés«.29
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Smith, cit. [nota 24] 116–117. Copineau, cit. [nota 14] 417 e 431. Court de Gébelin: Histoire naturelle de la parole ou grammaire universelle (Paris 1816) 85. Ivi, t. I, 112 s. De Brosses, cit., [nota 6], t. I, 29.
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Il carattere complessivo del linguaggio e delle lingue, l’assemblage non è conosciuto che smontandolo in piccoli pezzi ossia risalendo, »archeologicamente« e »anatomicamente«, come si è detto, grazie allo strumento etimologico, a quelle che sono le radici prime e motivate delle parole e delle lingue.30 In De Brosses il termine »méchanique« assume una rilevanza epistemologica perché è ciò che è retto da una causalità necessaria e può pertanto essere oggetto di scienza.
III. Metafore pittoriche: ut pictura poesis Oltre a quelle meccaniche, un’altra metafora è sicuramente fondamentale e tocca il cuore della natura semiotica del linguaggio nonché i legami tra le diverse modalità sensibili, il rapporto tra linguaggio gestuale e linguaggio verbale e quello tra oralità e scrittura. Rousseau afferma il primato dei tropi: »Les premières expressions furent des Tropes (…) l’image illusoire offerte par la passion se montrant la première, le langage que lui répondoit fut aussi le premier inventé; il devint ensuite métaphorique quand l’esprit éclairé reconnaissant sa première erreur n’en employa les expressions que dans les mêmes passions qui l’avoient produite«.31 Starobinski fa notare che a proposito della scrittura dei Cinesi Rousseau riprende il chiasmo ossimorico »peindre les sons parler aux yeux« dalla voce Ecriture di de Jaucourt, che a sua volta cita il Dictionnaire de Trévoux (1752) e si tratta di un chiasmo che ritorna nel 1781 nell’Essai analytique sur les facultés de l’âme di Bonnet.32 Ma si tratta di una delle metafore più diffuse, nell’Histoire naturelle de la parole ou grammaire universelle Court de Gébelin scrive: »Nous peignons nos idées par la parole«, »l’écriture serve à peindre aux yeux«, le parole »prennent la consistance du marbre«, o ancora »des sons qui peignent leur qualités«, »peindre par la parole ce qui existe«, »moyen de les peindre«, »si les plus simples radicaux sont de nécessité les justes images des choses«, e intitola un capitolo »Origine du langage peint aux yeux ou de l’écriture«, la quale »parle aux yeux«, »peint à la vue ce que les sons peignent à l’esprit«.33 Particolare rilievo è dato, non solo ai geroglifici che uniscono un senso metaforico a uno fisico, ma alla scrittura in generale che »formait ainsi une tapisserie à laquelle on ne pouvait se méprendre«,34 inoltre, »la nature du langage, qui étant une peinture, n’a pu peindre que les objets existans, c’est-à-dire que des noms; en sorte qu’il a fallu nécessairement que tous les autres noms vinssent des
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Ivi, t. I, 40. Rousseau, cit., pp. 48 e 49. Starobinski, cit. [nota 16], 150. Court de Gébelin, cit. [nota 27], 4–5, 22, 25, 41 n., 111 e 112. Ivi, 120.
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noms«.35 La stessa Grammatica universale è »le fond du tableau« che dipinge le idee, mentre ogni grammatica particolare tratta le forme infinitamente variabili da dare agli oggetti dipinti.36 Lo stesso De Brosses non rinuncia ad utilizzare la metafora pittorica: oggetti e idee sono riuniti in una parola come »dans un seul petit tableau«.37 A suo avviso, »la fabrique des mots« procede da elementi primi naturali e motivati »de même qu’entre les sept couleurs primitives, un peintre qui veut peindre l’herbe, est obligé d’employer le vert et non pas le violet«, »la première fabrique du langage humain« non è »qu’une peinture plus ou moins complète des choses nommées« e »cette peinture imitative c’est étendue de degrés en degrés, de nuances en nuances«.38 Questo corrisponde alla grande partizione delle »langues qui s’adressent aux yeux et aux oreilles«.39 Alle onomatopee sonore che sono più comuni, De Brosses aggiunge quelle gestuali, si tratta di »une nouvelle route« per indagare i meccanismi del linguaggio, »sous l’empire du besoin l’esprit ne s’écarte guère au delà des objets nécessaires, mais affranchi de ce lien de sujétion, il s’échappe et bondit en liberté dans les plaines de l’imagination, il change à chaque instant de perceptions et d’idées. Avide de nouveautés, curieux de découvrir, empressé de transmettre ses découvertes, amoureux de ses chymères même, il introduit la métaphore, les allusions inattendues, les termes figures de toute espèce«.40 Tuttavia, l’analogia con il senso originario e naturale del termine si allontana non solo per le esigenze della poesia, ma anche per quelle della scienza, eppure la nascita di sinonimi non sempre è necessaria a indicare un diverso punto di vista e spesso i termini nuovi si riappiattiscono sui vecchi nell’uso comune e l’abbondanza finisce per generare la corruzione di una lingua. I due diversi modi di rappresentazione, quello iconico e quello segnico, sono messi a confronto da Diderot nell’articolo Encyclopédie: »Les peintures des êtres sont toujours très incomplètes; mais elles n’ont rien d’équivoque, parce que ce sont les portraits mêmes d’objets que nous avons sous les yeux. Les caractères de l’écriture s’étendent à tout, mais ils sont d’institution, il ne signifient rien par eux-mêmes. La clé des tableaux est dans la nature et s’offre à tout le monde: celle des caractères alphabétiques et de leur combinaison est un pacte dont il faut que le mystère soit révélé; et il ne peut jamais l’être complètement, parce qu’il y a dans l’expressions des nuances délicates qui restent nécessairement indéterminées. D’un autre côté, la peinture étant permanente, elle n’est que d’un état instantané. Se propose-t-elle d’exprimer le mouvement le plus 35 36 37 38 39 40
Ivi, 194. Ivi, 152. De Brosses, cit. [nota 6], VII–VIII. Ivi, XIII e XV. Ivi, XXX. Ivi, t. II, 53–54.
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simple, elle devient obscure«.41 In Diderot l’occhio che parla mostra che c’è un dedalo di possibili, che affina attraverso sguardi tutti differenti l’immagine del reale la forma del vero senza perdere il movimento della vita. Turgot si serve dei meccanismi analogici delle lingue per spiegare la diversa sensibilità espressa da lingue differenti e per formulare »une théorie des sens assez curieuse«, ossia una teoria della sensibilità in generale: »j’ai dit un mot de l’analogie de nos sens en parlant de la façon dont nos idées se liaient (…). Il est sûr que les analogies sont ces choses plutôt senties que perçues (…) ce que le peuple sent se peint dans les langues; je voudrais donc qu’on examinât dans les langues les métaphores que l’on a faite d’un sens à un autre et des sens à l’esprit; cela nous mènerait à connaître l’analogie des sens et, en passant, nous montrerait peut-être le comment de plusieurs de nos façons de penser. (…) J’observe en général que l’ouïe, la vue et l’esprit sont analogues; le tact, le goût, l’odorat, le coeur etc. le sont. Il faudrait suivre celà dans les différentes métaphores, voire même dans les différentes langues: on trouverait des métaphores hardies et agréables qui pourraient donner des vues; d’autres qui prouveraient le mauvais goût d’une nation«.42 Per Herder, come per Vico, è possibile istituire un parallelo tra le età della lingua e le età dell’uomo poiché, alle origini, si parlava per l’orecchio e per l’occhio, come egli scrive: »Die ältesten Sprachen hatten vielen lebenden Ausdruck«, le lingue più antiche non avevano soltanto »einen nachdrücklichen Gang für das Ohr; sondern waren auch bei der leichtesten Anwendung fähig, mit dem Wirbelwinde zu rasen, in der Feldschlacht zu tönen, mit dem Meere zu wüten, mit dem Fluß zu rauschen, mit dem einstürzenden Felsen zu krachen, und mit den Tieren zu sprechen«.43 Infatti, » [l]ange Zeit war bei den Alten singen und sprechen (…) einerlei. (…) was war die Sprache da? nichts als singende und redende Natur«.44 In sostanza anche per Herder il discorso è pittura e col tempo »Bilder wurden so viel möglich, als Bilder eingetragen: und so entstand ein Vorrat von Metaphern, von Idiotismen, von sinnlichen Namen«, il linguaggio è così tanto più ricco e figurato quanto più un popolo è »sensuoso«, capace di cogliere le mille sfumature del reale.45 Tra i tanti testi possibili ci fermeremo sul Saggio sulla filosofia delle lingue di Cesarotti, per la ricchezza degli esempi e per l’ampia analisi riservata ai meccanismi metaforici. Per Cesarotti i vocaboli sono la catena trasversale che unisce oggetti e idee ed esistono due tipi di parole: i »termini cifra« che ricordano l’oggetto e i »ter41
Denis Diderot: Encyclopédie. In: Encyclopédie. Nouvelle impression en facsimilé de la première édition de 1751–1780 (Stuttgart 1967), vol. V, 635–648, qui 637. 42 Maupertuis, Turgot et Maine de Biran sur l’origine du langage. Étude de Ronald Grimsley, suivie de trois textes (Genève-Paris 1971) 83–84. 43 Herder, cit. [nota 18] 611. 44 Ivi, 612. 45 Ivi, 615.
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mini figura« che li dipingono.46 Le fonti dei vocaboli sono il rapporto tra oggetti e suoni e tra oggetto e oggetto, e, inoltre »tutte le idee e le operazioni spirituali tratte necessariamente dal corpo«, »vi sono delle metafore anche di suono. Per un’arcana armonia havvi un occulto rapporto tra certe qualità dell’animo e il suon della voce«, Cesarotti cita come esempio »orgoglioso«, »timido« o il francese »flatter« »che rappresenta la lusinga come un soffio d’aura piacevole che solletica e vezzeggia l’orecchio«.47 Quattro sono, a suo avviso, le operazioni dello spirito sopra i vocaboli: traslazione, composizione, apposizione, derivazione48 e la bellezza delle parole spicca di più proprio nel rapporto che passa tra oggetto e oggetto quando esso è colto per metafora (seguendo i rapporti di somiglianza) o per metonimia (seguendo i rapporti di connessione). »Le parole che si riferiscono alla metafora allettano maggiormente l’immaginazione a cui dipingono un oggetto colle sembianze di un altro, quelle della metonimia appagano l’intelletto coll’istruirlo di qualche notizia relativa alla natura o alla storia dell’oggetto stesso«.49 La descrizione dei meccanismi metaforici e di traslazione chiama in causa ancora una volta la metafora dei colori così cara a Diderot e al suo clavicembalo: »i vocaboli soggiacciono a una successiva e perpetua metamorfosi di propri in traslati di traslati in propri, nella qual trasmigrazione (…) passano per tre stati, d’immagine, d’indizio e di segno; secondo che la metafora o conserva la sua freschezza e vivacità, o sfiorisce a poco a poco, o viene in tutto a logorarsi ed a spegnersi: Così nella lingua tutto è alternamente figura e cifra. Questo cangiamento è però utile e necessario (…) le voci proprie servono come di chiave alle figurate, le figurate comunicano il loro lume alle proprie; così per una felice mescolanza s’aiutano reciprocamente l’immaginazione e lo spirito. Similmente i termini derivativi e metonimici diventano semplici caratteri qualora vengano a perder le tracce della loro derivazione o perché passano da una lingua all’altra scompagnati dal primitivo da cui derivano, o perché la cattiva pronunzia alterò in essi qualche elemento radical della voce, o perché alfine il tempo logorò la memoria di quell’idea, usanza, particolarità che diresse il primo nomenclator del vocabolo (…) la lingua in capo a qualche secolo, anche conservando intatta la sua forma esterna, diviene però intrinsecamente ed essenzialmente diversa nel valore, nel color, nell’effetto«.50 I meccanismi metaforici viaggiano nella storia e tra le lingue moltiplicando all’infinito le possibilità di espressione e le difficoltà di comprensione: »I vocaboli nuovi generano nuovi traslati, nuove frasi metaforiche e allusive. Ammessa dunque la novità dei vocaboli, non può escludersi la novità dei traslati e delle locuzioni che ne derivano«.51 46
Melchiorre Cesarotti: Saggio sulla filosofia delle lingue. In: Discussioni linguistiche del Settecento, a cura di Mario Puppo (Torino 1971) 301–489, qui 319. 47 Ivi, 326 e 329. 48 Ivi, 325. 49 Ivi, 330. 50 Ivi, 331 e 338–340. 51 Ivi, 393.
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Di qui le difficoltà della traduzione in cui i colori vivaci o sfumati delle metafore e le corruzioni delle metonimie delle voci derivative possono sfuggire; occorre perciò »rinfrescar di tempo in tempo il colorito della lingua« con l’introduzione di nuove metafore. Questo è il lavoro di ragionatori o di appassionati, »i primi analizzando più sottilmente oggetti ed idee, e colla loro chimica intellettuale sciogliendole a vicenda e ricomponendole, e formando, or gruppi or atomi, trovano scarsa e disadatta la lingua per dare un nome adeguato alla popolazion successiva dei loro esseri nozionali. Gli altri (…) si lagnano di non trovar nella loro lingua se non colori svenuti e logori (…) il frasario del genio e del sentimento è sempre inesausto«.52 Se le espressioni idiomatiche tratte come i proverbi »dal fondo material della lingua« son intese da tutti, sono meno apprezzate quelle tratte dalle scienze che »si vanno introducendo dagli scienziati (…) perché, essendo fondate sopra rapporti reconditi e comunemente inosservati, non possono esse sfavillar negli occhi a guisa di lampo«.53 Nelle parole sono dunque racchiuse analogie profonde, »omonimie felicissime« come per »nomos« che significa insieme pascolo, ripartimento, armonia, legge e matrimonio »ecco – scrive Cesarotti – un trattato di diritto naturale e civile racchiuso in un termine«.54
IV. Metafore giuridiche. I sovrani delle lingue Un ultimo gruppo di metafore ci sembra rilevante in questo tipo di testi, perché fa riferimento al nodo che stringe inestricabilmente arbitrarietà e convenzionalità delle lingue, ai problemi posti dalle variazioni diatopiche e diacroniche delle lingue. Si tratta come nei casi precedenti di metafore che segnalano un paradosso e un problema, che alludono a dibattiti e querelles che segnano l’origine della linguistica, ossia le metafore di tipo giuridico-politico. I testi in cui queste metafore sono presenti sono così numerosi da essere quasi impossibile farne una rassegna. Basta sfogliare le pagine dell’Encyclopédie méthodique dove sono citati quasi tutti i grandi autori della tradizione grammaticale, retorica e filosofica e dove quasi tutte le tradizioni nazionali sono ricordate, per ritrovare il contrasto tra arbitrarietà e diversità delle lingue, tra convenzioni stabilite e necessarie alla comunicazione e deriva dell’uso che porta nella lingua le variazioni della società e della storia. L’uso dovrebbe quindi marcare il proprio terreno nella storia come il luogo della realizzazione della libertà, della sovranità popolare sulle lingue a dispetto dell’azione normativa delle Accademie e dell’influenza delle classi colte e dei ceti superiori. Ma osservando la costellazione semantica dei verbi e delle altre parole che introducono e accompagnano 52 53 54
Ivi, 341–342. Ivi, 344–345. Ivi, 337.
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il termine uso ci si rende conto che l’uso è, orazianamente, il sovrano signore delle lingue ma, in molti casi, è anche un tiranno, è una sorta di »tribunale« inappellabile. Infatti, l’uso, benché appaia »indélibéré«, »prescript« e »interdit«, ha »autorité absolue«, ha »puissance«, spesso »arrête« o »rebute«, in ogni caso »légitime«, ecc.55 Nell’opera citata di Cesarotti queste metafore compaiono con particolare vivacità, egli parla di un »Tribunal dei grammatici« i quali »non hanno veruna autorità legislativa« poiché »né il popolo né gli scrittori li fecero depositari dei loro diritti«, »non si arroghino di dar sentenza si contentino di far l’ufizio di vocabolari«, dal momento che »i grandi scrittori non fanno legge ma una presunzione favorevole«.56 Attaccando il controllo esercitato dalla Crusca, Cesarotti utilizza a piene mani le metafore politiche e giuridiche parlando di »tribunale riconosciuto inappellabile dalla prescrizione«, o di »insufficienza dei fondamenti su cui si appoggia l’assoluta sua potestà« che rende »illegittima« ogni innovazione dove, invece, occorre promuovere una libertà »feconda«, »lontana dalle stravaganze, fondata sulla ragione, regolata dal gusto, autorizzata dalla nazione in cui risiede la facoltà di far leggi. È tempo ormai che l’Italia s’affranchi per sempre dalla gabella delle parole bollate; come gl’insurgenti d’America si affrancarono da quella della carta«.57
55 56 57
Sono termini utilizzati in moltissimi articoli. Cesarotti, cit. [nota 46], 341–342. Ivi, 433–434.
Klaus Semsch
Funktionen der Metapher im Werk von Denis Diderot »C’est surtout lorsque tout est faux qu’on aime le vrai… « Diderot, Paradoxe sur le comédien1
I. Aufklärung und Rhetorik Die Metapher ist uns sehr vertraut. Sie ist nach Ramus bekanntermaßen übrig geblieben in der langen Geschichte der Reduktion der Tropen, ja sie bleibt als wichtigste der so genannten master tropes bis heute auch kulturwissenschaftlich stark beachtet. In der europäischen Wissenschaftsgeschichte gilt gleichwohl das achtzehnte tendenziell als ein antirhetorisches Jahrhundert.2 Zu deutlich erscheint uns die Positionierung der Philosophen und gens de lettres gegen die rhetorische Tradition, die Punkt für Punkt »dekonstruiert« wird. Da setzte man vermehrt auf Schriftlichkeit versus Mündlichkeit,3 simulierte letztere auch gerne schriftlich. Da bekannte man sich zum Prinzip der Überzeugung und wertete die rhetorische Überredung als eine falsche Beredsamkeit (»fausse éloquence«)4 ab. Man bestand auf Klarheit in Gedanken und Ausdruck5 gegenüber einer gekünstelten Elokution, wie sie allenthalben im barocken oder preziösen Schrifttum6 anzutreffen war. Das Herzstück der Rhetorik, die elocutio, stürzte gar vom Elysium der rinaszimentalen Dreistillehre direkt bis auf die öffentlichen Plätze der Alltagssprache, als Bacon und später Dumarsais entdeckten, dass die Tropen vor allem spontan und laut auf dem Marktplatz, das heißt im Alltagsleben, zu vernehmen waren und also nicht unbedingt der geübten Feder und der Studierstube des Dichters und Denkers bedurften. In Dumarsais Des tropes gibt es den berühmt gewordenen Satz: »En effet, je suis persuadé qu’il se fait plus de figures
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Diderot: Paradoxe sur le comédien. In: Œuvres esthétiques, publ. par Paul Vernière (Paris : Garnier Frères 1959) 354. Diese Ausgabe wird im Folgenden zitiert als OE. 2 Vgl. zur Beziehung der französischen Aufklärer zur Rhetorik Klaus Semsch: Abstand von der Rhetorik. Strukturen und Funktionen ästhetischer Distanznahme von der ›ars rhetorica‹ bei den französischen Enzyklopädisten (Hamburg 1999: Studien zum 18. Jahrhundert, 25). 3 Vgl. zur Entwicklung von Diskursen der Schriftlichkeit in der französischen Aufklärung Semsch, a. a.O. [Anm. 2] Kap. V, 187 ff. 4 Vgl. zur Kritik an der fausse éloquence Semsch, a. a.O. [Anm. 2] 45 ff. 5 Zur clarté-Tradition in Frankreich vgl. Ulrich Ricken : Grammaire et philosophie au siècle des Lumières (Villeneuve-d’Ascq 1978). 6 Der Vorwurf preziöser Umschweife ist in Frankreich eine verbreitete Stil- und Gesellschaftskritik seit Molières Les précieuses ridicules. Die aufklärerischen Enzyklopädien, angefangen bei der Encyclopédie und Marmontels Éléments de littérature bis zu Laharpes Cours de littérature verlängern die klassizistische Forderung nach sprachlicher Klarheit (clarté). Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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un jour de marché à la Halle qu’il ne s’en fait en plusieurs jours d’assemblées académiques. «7 Und Bacons entscheidendes Plädoyer für die Methode der Induktion und eine intensive Naturbetrachtung geht einher mit seiner Kritik der Idole, in der er alle andere als gesicherte Naturerkenntnis platonisch als spekulative Trugbilder göttlicher, den Menschen unerreichbarer Einheit auffasst. Der Mensch wie alle Ebenbilder des Eigentlichen und Göttlichen werden einzig als schwache und irreführende Abbilder, als Schatten oder als Tropen ansichtig: »God is only self-like, having nothing in common with any creature, otherwise than in shadow and trope.«8 Tropen interessierten somit sowohl als Formelement komparativen Erkennens wie auch als authentisches, das heißt affektiv oder emotional bewegtes Sprechen, waren dem neuen wissenschaftlichen Anspruch einer zunehmend materialistischen Perfektibilität ansonsten aber zunehmend suspekt. Im Bildungsbetrieb wiederum wurde das pragmatische Modell der jesuitischen Universitäten gefördert und das Ideal einer neuartigen pluralistischen und pragmatischeren Gelehrsamkeit gegen Schulrhetorik und Dreistillehre gesetzt. Die große Encyclopédie von Diderot und D’Alembert verschreibt sich diesem Ziel mit viel Engagement. Nicht zuletzt aber verliert die gesamte Kunst der Rhetorik im 18. Jahrhundert in einem der fundamentalen Paradigmenwechsel der bürgerlichen Moderne: bei der Aufwertung der Einbildungskraft gegenüber dem Gedächtnis. Die Metapher und die rhetorischen Tropen allgemein haben da natürlich Konjunktur, werden aber nun ästhetisch neu begründet, was auch die nachlassende Bedeutung der Rhetoriktraktate9 mit sich brachte. Dieser kurz angerissene Bereich der Wissenschaftsgeschichte der bürgerlichen Moderne ist freilich zu bekannt, als dass wir ihn hier vertiefen müssten. Im Gegenteil: Es geht seit längerem eher darum, die Engführungen des vermeintlichen Abbaus des Rhetorischen im späten 19. und im 20. Jahrhundert aufzuzeigen und die vielfältigen Wechselwirkungen der ältesten philologischen Kunst mit Literatur und Wissenschaft bis heute freizulegen. Die Aufklärung leistet dabei die entscheidende Ausarbeitung des großen rinaszimentalen Diskurses vom neuen Menschen, den Jakob Burckhardt10 programmatisch in dem Einleitungstext der neunhundert Thesen des Pico della Mirandola, der Oratio de hominis dignitate, formuliert sah. Sie bietet sich allein aus diesem Grund bereits für eine Betrachtung an, denn es ist wichtig zu sehen, inwieweit das Ausloten, Beschreiben und Verstehen der neuen Ansichten vom Menschen der Analogie der Bilder bedarf.
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Dumarsais: Des tropes ou des différents sens (Paris 31775) 3. 8 Francis Bacon: Valerius Terminus, Kap. 1. In: The works of Francis Bacon. Bd. 3, ed. by J. Spedding et al. (Stuttgart-Bad Cannstatt 1962) 218. 9 Vgl. zu den Aporien rhetorischer Theorieentwicklung und -überlieferung im aufgeklärten Frankreich Semsch, a. a.O. [Anm. 2], Kap. 1, 15–43. 10 Die Rede ist von Jakob Burckhards Studie Die Cultur der Renaissance in Italien (1860).
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Denis Diderot wiederum hat sich als eigenwilliger Denker11 in besonderem Maße in das Spannungsfeld diskursiver Übergänge gestellt und stets versucht, seine Position zwischen Rationalismus und Sensibilismus einerseits wie zwischen literarischem Experiment, Empfindsamkeit und Geniedenken andererseits subtil auszuloten und lange unentschieden zu halten. Es ist somit zweifelsohne lohnend, der Funktion des Metaphorischen in seinem Werk nachzugehen. Dabei wird sich dieser Betrag sowohl dafür interessieren, welche metaphorischen Textstrukturen im Sinne eines analogen Räsonierens12 sich in Diderots Werk aufzeigen lassen, als auch vom Autor verwendete Metaphern herausstellen. Damit soll auch eine bis zuletzt in der Literaturkritik angetroffene Position überdacht werden, die das Metaphorische in Diderots Werken im Wesentlichen auf die Imitation dissimulativer Erscheinungsvielfalt der Natur selbst reduziert.13 Im Folgenden wollen wir dieses Thema zunächst in einen größeren kulturhistorischen Horizont einlassen, sodann Grundlinien des aktuellen Gespräches über die Metapher nachzeichnen und dann die Rolle des Metaphorischen bei Diderot an einzelnen Beispielen aufzeigen.
II. Für eine tropologische Struktur epochaler Kulturentwicklung Dieser Beitrag folgt der These, die ich in Abstand von der Rhetorik14 und in der Studie Diskrete Helden15 methodisch entwickelt habe. Danach sind die so genannten master tropes Synekdoche, Metapher, Allegorie und Ironie nicht nur unerlässlich für jeden inventiven Diskurs (literarisch wie wissenschaftlich). Sie stellen darüber hinaus geradezu die unerlässliche argumentative Grundstruktur
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Bereits Goethe betont die unverwechselbare Präsenz Diderots: »Diderot ist Diderot, ein einzig Individuum […]« (Brief an C.F. Zelter, Weimar, 9. März 1831). Diderot selbst argumentiert und spielt gerne mit dem Bizarren (etwa im Rêve de d’Alembert), das in der ästhetischen Abweichung eine aufklärerische Form des Erhabenen sieht. Auch der metaphorischen Spiegelung im Sinne Diderots ist das sublime Moment des Plötzlichen, der Überraschung inne. 12 So der gut dokumentierte Beitrag von Christie McDonald: Résonances associatives. La pensée analogique selon Denis Diderot. In: Etudes françaises 22, 1 (1986) 9–22. Der Begriff der assoziativen Kette bzw. Analogie klärt jedoch nicht weiter über die diskursive Beschaffenheit dieser heuristischen Methode auf, weil er die figurative Struktur des Assoziativen nicht mitdenkt. 13 So bei Annie Ibrahim: Matière des métaphores, métaphores de la matière. In: Recherches sur Diderot et sur l’Encyclopédie 26 (1999), 125–133. Als Methode einer synthetischen Welterschließung werden zentrale heuristische Metaphern bei Diderot wie das Cembalo oder das Spinnennetz verstanden bei Akira Komiya: Les métaphores de Diderot. In: Essays and studies (Tokyo), 32, 1 (1981), 13–47. 14 S. o. Fn 3. 15 Klaus Semsch: Diskrete Helden. Strategien der Weltbegegnung in der romanischen Erzählliteratur ab 1980. Anhang 1: Rhetorische Poiesis (München 2006) 343. In eine ähnliche Denkrichtung bzgl. des Verständnisses von rhetorischen Figuren als epochale Diskursmarker weisen die Theorieansätze bei Hayden White und Kenneth Burke.
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fundamentaler epochaler Kulturkonstruktion und Diskursivität dar und schließen sich an eine grundlegende symbolische Setzung an, die einer Epoche ihr prägendes Bild verleiht. Es geht in diesem Ansatz somit nicht darum, einen negativen oder aber positiven Einfluss der Tropen auf die Wissenschaft festzustellen beziehungsweise den Bedarf an einer Übersetzung, Interdependenz oder Reduktion rhetorischer Sprechanteile im wissenschaftlichen Diskurs auszuloten. Vielmehr zeigt sich, dass gerade die Wissenschaften selbst auf ganz natürliche Weise, aber eben zumeist unbewusst von tropologischen Setzungen ausgehen und sich an diesen entlang entfalten und dass dialektische, systematische oder andere oftmals unkritisch vorausgesetzte, diskursive Verfahren nur sehr bedingt die tiefere Argumentationsbasis wissenschaftlicher Texte darstellen. Umso misslicher ist es also, wenn Wissenschaftsgeschichte sich nicht oder nur beiläufig mit der Rhetorizität der eigenen wissenschaftlichen Diskurse befasst. In den oben genannten Studien konnte nachgewiesen werden, dass große kulturhistorische Einschnitte beziehungsweise Übergänge oder Paradigmenwechsel sich im epochalen Vollzug als eine Kette 1) initialer symbolischer Setzung, 2) konstituierender metaphorischer Ausbreitung und Sicherung, sodann 3) in allegorischer Verdichtung und abschließend 4) in ironischer Entgrenzung und Selbstauflösung vollziehen. Die Aufklärung hat nun aus der Renaissance das grundlegende, die Moderne stiftende Symbol geerbt: das Individuum, das Individuum als ein lebensweltlich vertrautes Konkretum und als Bildfokus zugleich, der fortan in den Mittelpunkt jeglichen Denkens und Verhandelns gerückt wurde und den es ab dem 16. Jahrhundert als eine heuristische Setzung, die metaphysisch wie existenzialistisch und ästhetisch vollzogen wurde, zu ergründen galt. Dass dies meist uneingestanden erfolgte, schmälert den Befund nicht, macht es aber erforderlich, die metaphorische Struktur allererst sichtbar zu machen. In der Aufklärung befinden wir uns nach unserem Modell in der zweiten konstitutiven Phase, die von einer metaphorischen Streuung, das heißt von Diskursen bildhaften Vergleichens und Verschiebens, geprägt ist und die den diskurslogischen Raum zwischen der epochenstiftenden Symbolisierung des Individuums in der europäischen Renaissance und der anschließenden Allegorisierung in der Phase der Sicherung konstituierter bürgerlicher Macht ab dem 19. Jahrhundert ausfüllt. Ich versuche, dies am Beispiel Diderots plausibel zu machen, denn sein Werk zeigt bereits an, dass metaphorische Diskurse in der Spätphase tendenziell in allegorisches Denken überführt werden. Davor aber ist zu präzisieren, welches Verständnis von Metapher im Folgenden zugrunde gelegt werden soll.
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III. Bemerkungen zum aktuellen Stand der Metapherntheorie Es ist das Verdienst von Anselm Haverkamp, die jüngeren wissenschaftlichen Ansichten über Metapher und Metaphorizität in den beiden Bänden Theorie der Metapher (1996) und Die paradoxe Metapher (1998)16 zusammen getragen zu haben. Dabei zielt er am Ende des ersten Sammelbandes auf das gespannte Verhältnis von Literaturwissenschaft und Philosophie, wenn er die Metapher als ein »in seiner Unlogik unversöhnliches, ästhetisches Phänomen«17 bezeichnet. Die Metapher wird in dieser Ansicht zur paradoxen Metapher, wie der zweite Band dann weiter ausführt. Solchermaßen problematisch ist sie erst im Zuge (post)strukturalistischer Einlassung geworden. Die klassische Tradition sieht sie mit Aristoteles im Wesentlichen als Figur der »Wahrnehmung von Ähnlichkeiten«18 und als verkürzter Vergleich. Unlogisch oder gar paradox ist sie den Alten damit nicht, wohl aber eventuell unscharf, semantisch zu fern, unangemessen oder gar unanständig.19 Wenn Derrida von der Grenze zwischen Metapher und Begriff als »weißer Mythologie« spricht und Gasché die Metapher als grundlegend irreduzible Manifestation der metaphysischen Bedeutung selbst begreift,20 dann klären sie damit den Begriff zwar für ein aktualisiertes Verständnis weiter auf, vereinnahmen aber die Metapher als ein rein philosophisches Phänomen. Gasché tut dies in seinem Beitrag ganz explizit und offensiv. Bereits Paul de Man betrachtet diese Haltung skeptisch, wenn er mit einer ironischen Spitze die gewünschte Verbindung literarischer delectatio und philosophischer Strenge als Illusion markiert und die Metapher als einen Ort begreift, »an dem gezeigt wird, dass die Möglichkeit einer Konvergenz von Strenge und Lust Täuschung ist.«21 In unserem literaturwissenschaftlichen Kontext ist es freilich wichtig, dem De Manschen Begriff der Täuschung seine negative Konnotation zu nehmen, da er ja gerade als wesentliches Konstituens fingierender Diskurse auftritt. Das Irreduzible, Mystische, die »Widerstimmigkeit«,22 die bereits Hans Blumenberg der Metapher in anthropologischer Einstellung beigemessen hatte, drücken also ein Unbehagen aus, das wohl nur in ästhetischer oder hermeneutischer Einstellung reduziert werden kann. So betont Davidson, dass der Metapher zwar
16 Anselm Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher (Darmstadt 1983 und überarb. 1996) und ders. (Hg.): Die paradoxe Metapher (Frankfurt a.M. 1998). 17 Haverkamp, a. a.O. [Anm. 16] 502. 18 Ebd., 71. 19 Dumarsais fügt seinem Kapitel über die Metapher deshalb eine Liste mit Fehlern an, die der Verwender einer Metapher vermeiden müsse, vgl. Des tropes (1775) 170 ff. 20 Jacques Derrida: Der Entzug der Metapher. In: Haverkamp, a. a.O. [Anm. 16] 197–234 und Rodolphe Gasché: Metapher und Quasi-Metaphorizität. In: ebd. 235–267. 21 Paul de Man: Epistemologie der Metapher. In: Haverkamp, a. a.O. [Anm. 16] 414–437, 437. 22 Hans Blumenberg: Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit. In: Haverkamp (1996) 438–454, 439.
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»keine präzise Bedeutung«23 zueigen sei, sie deshalb aber nicht mythisch oder irreduzible ist, sondern schlicht ein Feld unbegrenzter Möglichkeiten öffne.24 Harald Weinrich wiederum widerspricht der philosophischen These, die Metapher deute auf eine ihr vorausgehende, übergeordnete Bedeutung hin. Er bezeichnet Metaphern im Gegenteil dazu als »widersprüchliche Prädikationen«, »die ihre Bedeutungen erst stiften«25. Dem entspricht im Kern auch Ricœurs Meinung, Metaphern seinen »lokale Ereignisse«26 in Texten und somit Werkzeuge der Einbildungskraft, die jedoch weniger die Fähigkeit, Bilder zu generieren anzeige, als »das Vermögen, unser Selbstverständnis durch neue Welten formen zu lassen.«27 Das aufgezeigte Unbehagen der Philosophie an den Widersprüchen und Paradoxien der eigenen Diskurse zeigt dem Philologen an, dass auch diese Wissenschaft nicht aus der Struktur analogen Denkens auszubrechen vermag. Die philosophischen Analogien aber gründen sowohl in metaphysischer, ontologischer und selbst in (post)strukturalistischer Einstellung – bei der die Referenz des sprachlichen Zeichens ja stets über genuin menschliches Erkennen und Benennen hinausweist – in der Erkenntnis von der Welt als Gegenbild eines nie ganz fassbaren Universellen. Vom Anliegen der Erkenntnis her ist jeder weltliche Diskurs ein zum Universellen Gegensätzliches, das bestenfalls innerweltlich pragmatisch auflösbar ist. Das Denken der Grenzen, des Hybriden usw. inszeniert in jüngerer Zeit in eben dieser Tradition einen zugespitzten Diskurs der Gegensätze als absolute Differenz und der hyperbolischen Analogien (= Metapher als »Metapher der Metapher« usw.), den es freilich nicht mehr pragmatisch aufzulösen gedenkt. Paradoxie als Grunddifferenz des Menschen zur Schöpfung wird dann aber zur Aporie, zum Engpass und Abgrund sprachlicher Prozesse, die aus den Augen verloren haben, was die Metapher und alle Tropen wollen: nicht begrenzen, definieren und objektivieren, sondern spielerisch öffnen und Sinn stiften auf eine spezifische Weise, die ihr ideologisches oder metaphysisches Täuschungsmoment gar nicht leugnen will, sondern immer mit anzeigt. Genau dieses Verständnis liegt wohl auch dem Begriff Weinrichs von der Metapher als einer »widersprüchlichen Prädikation«28 zugrunde. Insbesondere die Metaphern entfalten ihr »paradoxes« Moment also ästhetisch produktiv und offen. Sie fundieren und befruchten den philosophischen Geist durch ein subtiles System diskursiver Verlagerungen erheblich, ziehen sich aber zurück, wenn sie zuletzt ganz in seine Rationalität hineingezogen werden sollen. An Beispielen aus dem Werk Diderots soll dies nun näher ausgeführt werden. 23
Donald Davidson: Was Metaphern bedeuten. In: Haverkamp a. a.O. [Anm. 16] 49–75, 74. Ebd., 73. 25 Harald Weinrich, Semantik der kühnen Metapher. In: Haverkamp (1996) 316–339, 330 f. 26 Paul Ricœur, Die Metapher und das Hauptproblem der Hermeneutik. In: Haverkamp (1996) 356–378, 375. 27 Ebd. 28 Harald Weinrich: Semantik der kühnen Metapher. In: Haverkamp (1996) 316–339, 330. 24
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IV. »C’est une machine rare…«: Diderots Theorie der Beziehungen Das Paradoxon ist auch dem Aufklärer Diderot eine zentrale Denk- und Sprechfigur, der wir manch kluge Erkenntnis verdanken. In der Nähe der Metapher zur Katachrese drückt sich ihr paradoxer Gehalt bereits gut aus.29 Das Neue, bildhaft Überraschende suchen, dem Begriff ein nicht ganz Uneigentliches zur Seite stellen, ebendies tut die Metapher. Diderot nimmt diesen Aspekt in seiner Ästhetik der Beziehungen (»rapports«) auf, die sein ganzes Werk durchwirkt. Dabei wird sogleich ein wichtiger Umstand sichtbar: Beziehungen kreieren einen Ort, einen Spielraum der Vernetzungen, der diversen Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten, die anzusprechen und heuristisch auszumalen sich lohnt. Bereits dies gilt Diderot als ein Prozess aufgeklärter Vernunft. Rationales Ausdeuten und Schlussfolgern stehen gewissermaßen im offenen Türrahmen, das heißt stets bereit einzugreifen, dagegen zu halten und zuletzt das Beziehungsspiel vernunftgemäß zu übersetzen und zu verwerten. Dies etwa ist die Rolle des »Moi« gegenüber »Lui« im Neveu de Rameau. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Prozess heuristischer Erkenntnis die Beobachtung (»observation«). Der esprit observateur, so Diderot in dem kleinen Aufsatz Sur le génie, sei eine seltsame Maschine, »une machine rare«.30 Und er begründet wie folgt: »[…] il [= l’esprit observateur] ne regarde point, il voit, il s’instruit, il s’étend sans étudier; il n’a aucun phénomène présent, mais ils l’ont tous affecté; et ce qu’il lui en reste, c’est une espèce de sens que les autres n’ont pas […].«31 Kurz zuvor pointiert er den Geniebegriff auf die ungewöhnliche Formel einer »certaine conformation de la tête et des viscères […] mais à condition […] qu’on y joindra l’esprit observateur.«32 Wir sehen, dass Diderots Genieverständnis die oben genannten Elemente des Metaphorischen im Sinne eines unscharfen Bezugspaares an der Grenze zwischen figurativer und sinnlicher Delektation mit Verstandesschärfe verbindet, und als »machine rare« durchaus im Sinne Weinrichs einer »widersprüchlichen Prädikation« auffasst. Die seltsame Maschine der Beobachtung muss deshalb keineswegs auf Ordnung verzichten. Die ihre ist jedoch eine, die den lebensweltlichen »caractère différentiel«33 der Begriffe und Ideen, deren situative Kombinatorik und Nuancierung34 nicht nur aushält, sondern zulässt und fördert, weil sie produktiv sein können. Der Mensch der Imagination sieht so die abstrakten Ideen zumeist in ihrer Beziehung zu den sensiblen Dingen, haucht ihnen neues Leben ein, indem er sie vom Geist abtrennt und sie als frei schwebende Geister/ Gespenster wirken lässt. So der Artikel Génie der Encyclopédie: 29 30 31 32 33 34
Vgl. Patricia Parker: Metapher und Katachrese. In: Haverkamp, a. a.O. [Anm. 16] 312–331. Diderot: Sur le génie, OE, 20. Ebd. Ebd., 19. Diderot: L’Origine et la nature du beau, OE, 428. Ebd.: Kombinatorik = OE, 435 und Nuancierung = OE, 427.
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»[…] il [= l’homme que l’imagination domine] ne voit souvent des idées abstraites que dans leur rapport avec les idées sensibles. Il donne aux abstractions une existence indépendante de l’esprit qui les a faites; il réalise ses fantômes, son enthousiasme augmente au spectacle de ses créations, c’est-à-dire de ses nouvelles combinaisons, seules créations de l’homme; emporté par la foule de ses pensées, livré à la facilité de les combiner, forcé de produire, il trouve mille preuves spécieuses, et ne peut s’assurer d’une seule ; il construit des édifices hardis que la raison n’oserait habiter, et qui lui plaisent par leurs proportions et non par leur solidité ; il admire ses systèmes comme il admirerait le plan d’un poème, et il les adopte comme beaux, en croyant les aimer comme vrais.«35 Die metaphorische Leistung gründet hier in der subtilen Doppelung, Entgrenzung und Öffnung des Verstandes (esprit) in eine Vielzahl entfesselter Geister (fantômes), die die Relativität des Individuellen ansichtig machen. Der Gewinn ist auch ein sinnlicher. In diesem Sinne gesteht Moi zu Beginn des Neveu de Rameau: »Mes pensées, ce sont mes catins.« Die fantômes libérés des beau relatif sind gewissermaßen die »widersprüchliche Prädikation« (Weinrich) lebensweltlicher Wahrheit. Das »Als-Ob« – comme s’ils étaient vrais – löst die Spannung zwischen heuristischer Erkenntnis und deren Bezeichnung noch nicht auf. Diderot begibt sich also auf den langen Weg der Grenzbeschreitung zwischen dem monde sensible und dem monde rationnel, zwischen klaren Begriffen und ihren Divergenzen in einer neuen bürgerlichen Welt. Metaphorisch verdichten sich dabei zahlreiche Bilder vom Individuum in spezifischer Betrachtung: der edle Wilde, der Blinde, der Taubstumme, der innige Freund in Les deux amis de Bourbonne. Die geistigen Experimente, die Diderot im Bereich der menschlichen Sinneswahrnehmung durchführt, sind natürlich nicht an sich schon metaphorisch in der Betonung eines bestimmten Sinnes, dienen letztlich aber einem dezidiert metaphorischen Zweck. So weicht in der Lettre sur les aveugles das klassizistische Ideal klarer Unmittelbarkeit einem ästhetisierten Sprachmodell, in dem der direkte Zeichenkanal Wort, Klang und Bild verbindet und so zum einen die affektive, plurimediale Bedeutung von Kommunikation stärkt. Darüber hinaus aber stellt Diderot einen Bereich besonders »geglückten Ausdruckes« (»les expressions hereuses«) heraus, der die direkte Referenzialität ergänzt, indem er in der Ansprache eines weiteren Sinnesorganes eine supplementäre Verstehensebene öffnet, die den Begriff selbst auf eine Ebene reflektierter Distanz hebt. Diderot verwendet in diesem Kontext explizit den Begriff der Metapher: »Les expressions heureuses […] ce sont celles qui sont propres à un sens, au toucher par exemple, et qui sont métaphoriques en même temps à un autre sens, comme aux yeux, d’où il résulte une double lumière réfléchie de la métaphore.«36 35 36
Zit. n. OE, 14. Diderot: Lettres sur les aveugles, O.C., IV, 53.
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Als ein Höhepunkt dieses pluralisierenden Vergleichens kann die Encyclopédie selbst gelten, die sich in der Formel des »changer la façon commune de penser«37 über den Anspruch der kumulativen Wissensdarbietung hinaus das strukturelle Ziel eines veränderten Denkens aufgibt. Dies löst sie durch ein komplexes Verweissystem (renvois), das die Lemmata oder Teilaspekte in andere Kontexte überträgt und so beim Lesenden nicht nur die Lust am Lesen weiterer Artikel fördert, sondern ihm zu verstehen gibt, dass sich der Sinn eines konsultierten Begriffes keineswegs in der Definition und Beschreibung seines Lexems erschöpft, sondern dass er allererst in der Einlassung in mögliche Horizonte kognitiver und emotiver Vernetzung eine lebendige, relative Bedeutung wie auch eine Ebene reflexiver Distanz erhält.38 Metaphorik bewirkt in diesem wissenschaftlichen Kontext eine Struktur komparativer Wissensanalogie, die in der Encyclopédie als illustrierende Bildtafel (planches) oder als Vergleichsartikel angelegt wird und die Diderot erneut metaphorisch anschaulich macht, indem er den Verweis (renvoi) mit architektonischen Formen baulicher Verzahnung vergleicht: »Les renvois sont dans un article, comme ces pierres d’attente qu’on voit inégalement séparées les unes des autres, et saillantes sur les extrémités verticales d’un long mur […] et dont les intervalles annoncent ailleurs de pareils intervalles et de pareilles pierres d’attente.«39 Metaphorisch sind solche Vernetzungen, solange sie unabgeschlossen bleiben und immer neue labyrinthische Abzweigungen aufdecken. Aus der Weinrichschen »widersprüchlichen Prädikation« wird hier eine assoziative Wissensvernetzung.
V. »Mystification« oder die Metapher als affektive Prädikation von Simulationsprozessen der Natur Diderot hat seine langjährige Arbeit an der Encyclopédie abgeschlossen, als er sich zwischen 1768 und 1774 der Abfassung seiner Kurzgeschichten widmet. Die Contes et entretiens ergründen experimentell das unendliche Feld menschlicher Moral. Aber sie denken daneben auch die Frage nach einer verlässlichen Naturerkenntnis des Individuums weiter. Hier tut sich eine kleine Geschichte hervor, die Diderot zu Lebzeiten nicht veröffentlicht hat und die erst 1954 publiziert wurde: Mystification ou l’histoire des portraits. Die Erzählung basiert auf einem realen Ereignis und historischen Personen und handelt auf einer ersten Ebene von einer burlesken Verwicklung, in der ein Mann seine kranke Ex-Geliebte nach der Trennung auf unauffällige Weise zur Herausgabe von Gemälden,
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Diderot: Art. Encyclopédie, O.C., VII, 222. Vgl. zur Metaphorik des enzyklopädischen Verweissystems Semsch, a. a.O. [Anm. 2] Kap. V.B., 214 ff. 39 Diderot: Art. Encyclopédie, O.C., VII, 230. 38
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die ihm gehören, bewegen möchte. Auf einer tieferen, poetologischen Bedeutungsebene handelt das kleine Erzählstück jedoch von der subtilen Beziehung von Täuschung (mystification) und Simulation. Der herbeigerufene Arzt Desbrosses versucht dem Fräulein Dornet einzureden, dass sie ihre Gesundheit nur wieder erlangen könne, wenn sie alle Zeichen und Erinnerungen der schmerzhaften Verlusterfahrung aus ihrer Nähe verbanne. Dabei verlässt er sich bei seiner Anamnese nicht auf die Sprache: »Je n’écoute jamais, je regarde. […] C’est que le discours ne m’apprendrait que ce qu’on pense de soi; au lieu que le visage m’apprend ce qui en est.«40 Wie so oft drückt sich auch hier Diderots Faszination an der untrüglichen Zeichensprache des menschlichen Körpers aus. Täuscht die Sprache tendenziell durch subjektive Verfremdung der Sachverhalte eines Sprechers gegenüber einem Gesprächspartner, so täuscht die Natur ihrerseits den Menschen durch die perfide und äußerst wirksame Methode der Simulation. Die Faszination Diderots gegenüber diesem Phänomen steht in direkter Korrelation zur darin erkannten Gefahr oder anders gesagt: Ist die subjektive Täuschungsabsicht in der Sprache eine Frage rhetorischer Techniken, die in ihrer Struktur und Wirkung mehr oder weniger transparent, bekannt und mithin abwehrbar sind, so ist die Fähigkeit der Natur zur simulativen Täuschung des Menschen auf den ersten Blick übermächtig und geradezu zynisch, da dieser deren Effekte zwar begreift, ihnen aber gleichwohl hilflos ausgeliefert ist. Der Doktor Desbrosses erklärt den Mechanismus der Einwirkung bestimmter äußerer Zeichen auf einen Liebenden wie folgt: »On dirait qu’il s’échappe des choses qui ont appartenu, qui ont touché à un objet aimé, des écoulements imperceptibles qui se portent là. […] Cela tient à la vison, et la vision comment se fait-elle ? Par des simulacres minces et légers qui se détachent des corps et s’élancent vers nos yeux.« 41 Wichtig ist, dass Diderot als Vertreter des Sensibilismus diesen diskursiven Prozess noch nicht als einen subjektiver Autoaffektion begreift, wie es von Stendhals Kristallisationsthese in De l’amour (1822) bis zu Barthes Fragments d’un discours amoureux (1977) zur Grundüberzeugung der jüngeren Moderne wird. Diderot legt die Verantwortung noch ganz in die Natur selbst. Das erklärt auch sein zwiespältiges, ja erotisches Fasziniertsein von den negativen Wirkungen der Simulation, die das Individuum zum passiven Spielball zu degradieren vermag: »Nous la [= la nature] suivons d’abord sans le sentir; sa force s’accroît en nous sourdement, tant et si bien qu’elle finit à la longue par nous entraîner avec une violence à laquelle on ne résiste plus.«42 Wird das Simulakrum aber zum »simulacre perfide«43 widersteht es einer präzisen denominativen Beschreibung.
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Diderot: Mystification. In: Contes et entretiens. Prés. p. Lucette Pérol (Paris 1977) 43–73,
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Ebd., 57. Ebd., 58. Ebd.
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An genau dieser Stelle emotionaler Betroffenheit kommt nun die Metapher erneut ins Spiel, um dem komplexen und schwer begreifbaren Prozess der Bannung des Subjektes durch die äußere Natur wirksam Ausdruck zu verleihen. So bedient sich der Doktor Desbrosses der Metapher des Spinnennetzes, um die Funktion der menschlichen Wahrnehmung, angefangen bei der Netzhaut, zu erklären: »C’est [= la rétine] une toile d’araignée tissue des fils nerveux les plus déliés, les plus fins, les plus sensibles du corps, qui tapisse le fond de l’œil. Quand l’image s’est attachée à cette toile mobile, quand ses petits ébranlements ont été transmis à cette substance si délicate, si molle qu’on appelle le cerveau ; quand l’âme a pris les ondulations de cette substance ; quand l’une et l’autre lassées d’osciller, viennent à s’affaisser de fatigue, de l’ennui on passe à la tristesse, à la mélancolie, à l’attendrissement, aux larmes, au chagrin, à l’indigestion, à l’insomnie, à la douleur, aux nerfs agacés, aux vapeurs.« Dieses Porträt naturhafter Wirkungsmacht ist erschreckend, und es mündet in eine Definition der Leidenschaften ein, die sich einer weiteren Metapher bedient : »Les passions, les passions, ce sont comme les volcans qu’on croit éteints parce qu’ils ne jettent plus. […] Et la passion la plus violente, qu’est-ce dans son premier instant? Un souris, un mot, un regard, un geste, un tour de tête, un clin d’oeil, un je ne sais quoi.«44 Es bedürfe eines minimalen Details und ein vernünftiger Mensch werde selbst nach vielen Jahren der Ruhe in den passiven Zustand emotionaler Bannung zurück geworfen. Die der Natur zugeschriebene Wirkungsmacht entregelt sich an dieser Stelle und schwingt sich zum Tyrannen über menschliches Wohlbefinden und Verstandesklarheit auf. Das Thema kulminiert sodann in einer dritten Metapher, die den erotischen Subtext klar hervorhebt. So gipfelt die argumentative Täuschung des Doktors in dem Befund, dass es eines Nichts bedürfe, um eine gegenwärtige Stimmung der Ausgeglichenheit nachhaltig zu verunsichern, ähnlich wie ein kleiner Samen eine Schwangerschaft auslösen könne: »Si le présent est gros de l’avenir, il faut avouer aussi qu’il en est de cette grossesse du présent comme d’une autre, et qu’il faut bien peu de chose pour le féconder…«45 Einzig metaphorisch vermag Diderot diesen Kontext darzulegen, weil er in eine affektive Dunkelzone hineinreicht, die sprachlich bestenfalls prädikativ – andeutend und mahnend – zu benennen ist. Der »Schwängerung der Gegenwart« durch die äußere Natur zu entgehen ist nun aber – bei aller Faszination – ein zentrales Anliegen rationaler Selbstbestimmung. Die Lösung findet sich hier in der Erzählinstanz selbst. Denn Diderot, der sich in Mystification zum Hauptakteur im Hintergrund macht, zeigt, dass die emotionale Bannung individueller Gemütslage einzig dann möglich ist, wenn sich das Individuum präventiv in die Distanz eines Spielleiters begibt. Das Besondere daran ist, dass dieser Spielleiter nun in der Lage ist, sich die Wirkung der Simulation zunutze zu machen beziehungsweise sie zu reproduzieren. 44 45
Ebd., 60. Ebd., 61 f.
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Klaus Semsch
Der Aufklärer stilisiert sich in einer Geste usurpierter Naturmacht, die solange funktioniert, als er selbst emotional nicht betroffen ist. Und so geht am Ende von Mystification Diderot selbst als Sieger hervor, während sich um ihn herum ein grausames Bild individuellen Scheiterns vor der Naturgewalt affektiver Lähmung abzeichnet, das im realen, in der Fiktion unaufgeklärt gelassenen Selbstmord des Doktor Desbrosses gipfelt und endet.
VI. Vom metaphorischen Spiel zu allegorischer Professionalität: Le Paradoxe sur le comédien (1773–77) Auf dem Wege von dem anfänglich offenen esprit observateur des Genies über die enzyklopädische Verweispluralisierung bis zur Nutzung der Metapher zum Zwecke der Affektpotenzierung in Mystifcation verbleibt zuletzt nur ein kleiner Schritt bis zur Überführung metaphorischer Offenheit in allegorisch geschlossene Räume aufklärerischer Repräsentation. Dies geschieht spätestens dann, wenn die aufgeklärte Vernunft einen festen Standpunkt gefunden hat, sei es den zunächst offen angelegten von der Unabschließbarkeit des Vergleichsverfahrens, der sich nun aber mehr und mehr in der überlegenen Ratio des Genies konzentriert. Diderot vollzieht diesen Schritt endgültig in seinem berühmten metapoetischen Dialog über den Schauspieler.46 Der Dialog ist bekanntermaßen ein Plädoyer für den professionellen Schauspieler, der seine jeweilige Rolle aus kühler Distanz handhabt. Kein Text Diderots denkt und artikuliert m. E. die produktive imaginäre Leistung schärfer als Le Paradoxe sur le comédien. In dieser Radikalität kehrt Diderot auf seinem ästhetischen Lustweg der epistemologischen Streuung letztlich um beziehungsweise weist den Weg zur nächsten diskursiven Stufe der Allegorie. Das Postulat von der simulierten Ergriffenheit des Schauspielers öffnet einen allegorischen Raum insofern, als sich nun jede Handlung in diesen Horizont einschreibt und jede nur denkbare Vielfalt immer in ihr Gegenteil einer simulierten Imitation übersetzt wird. Diese ästhetische Vernunft ähnelt also sehr der ebenfalls kontrastiv angelegten Dialektik der Philosophie. Der zentrale Denkschritt ist es hier, die Sensibilität, das Affektive des Figurativen und Imaginären vom Akt des Beobachtens und Vergleichens selbst erneut und radikal abzutrennen. Der Schauspieler ist so anfangs sicher bewegt, wenn er beobachtet und sich einfühlt. Seine Leistung besteht für den ersten Dialogpartner Diderots aber gerade in der Überwindung sensibler Schwankungen im Namen einer perfekten Simulation der Erscheinungsvielfalt. Die Faszination an den enthemmten Geistern
46 In Semsch, a. a.O. [Anm. 2] 209–213 habe ich die Leistung des Komödianten aus der Perspektive ihrer poetischen Qualität positiv beschrieben. Dem widerspreche ich auch hier insofern nicht, als das figurative Epochenmodell jede Phase an dem Punkt ihrer höchsten Ausprägung in die nächste – hier allegorische – Diskursstufe überführt.
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und Freudenmädchen – wie wir sie im Neveu de Rameau angetroffen haben – weicht hier einer kalten Begeisterung an der mathematischen Präzision und Proportion von literarischer Reproduktion und Distanzierung. So wird der Schauspieler zur leblosen Puppe, ja zum Hampelmann, dem »pantin merveilleux«,47 der sich in die Abhängigkeit des Willens des Dichters begibt. Die Schauspieler sind aus dieser Perspektive betrachtet mediokre Niemands, gesichtslos, sie haben »aucun caractère, [aber] excellent à les jouer tous.«48 Auf den comédien passen also alle die Metaphern, die Diderot im Laufe seiner Reflexionen immer wieder herangezogen hatte nicht mehr: »Un grand comédien n’est ni un pianoforté, ni une harpe, ni un clavecin, ni un violon [etc.] ; il n’a point d’accord qui lui soit propre […].«49 Der Grund liegt darin, dass der Schauspieler zurückkehrt zur imitativen Strategie, ein »modèle idéal«50 nicht nur zu erkennen – heuristisch, ausschmückend, lebendig – sondern es als ein gut funktionierendes Naturmodell zu kopieren, weil es in seiner Vorstellung zuletzt so präzise wird wie ein Begriff, wie eine reale Landschaft. Das aber ist das Ende des metaphorischen Prozesses. Er hat seinen Beitrag im Prozess rationalen Tastens und Erkundens erfüllt und muss abdanken. Das Metaphorische geht an genau dieser Stelle gemäß unserer Theorie tropologischer Kulturentfaltung in die diachron nächste Kulturphase allegorischer Einschließung über. Hier liegt gleichsam die Grenze, an der Wissen zu prekärer Selbstsicherheit und Autotelie wird. Hier liegt aber auch die Faszination des späten Diderots an der Theaterbühne. Nicht die Welt ist mehr das lebendige, bunte Theater, sondern die Bühne wird zur Maschinerie perfekter Simulation weltlicher Mannigfaltigkeit und eröffnet dem bürgerlichen Individuum die Aussicht, seine Lebenswelt zu beherrschen. Und die aufklärerische Vernunft findet sich zuletzt genau auf der Grenze zwischen positiver Weltbeherrschung einerseits und bedenklicher Weltaneignung andererseits wieder: »C’est surtout lorsque tout est faux qu’on aime le vrai, c’est surtout lorsque tout est corrompu que le spectacle est le plus épuré.«51
47
Zu den Begriffen »mannequin« und »pantin merveilleux« siehe Diderot: Paradoxe sur le comédien, OE, 308 und 348. 48 Ebd., 348. 49 Ebd., 347. 50 Ebd., 363 und 308. 51 Ebd., 354.
Daniela Mangione
»Ma… i dialoghi scientifici sono tra la opere più difficili«: Retoriche della scienza divulgata nella saggistica di Francesco Algarotti
I. L’azione di propaganda scientifica di cui Francesco Algarotti fu latore – meno indagata in Italia di quanto invece non sia stata e sia all’estero1 – pare avere uno spessore e una stratificazione letterari più complessi e interessanti di quanto finora non abbia mostrato la riflessione della critica.2 Nonostante sul versante epistemologico alcuni studiosi come Rupert Hall e Paolo Casini3 abbiano da
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Si vedano per esempio: Denise Leduc-Fayette: Une lecture de Descartes au XVIII siècle, l’Essay sur Descartes du comte Algarotti (1754). In: Études Philosophiques 26 (1971) 165–173; Walter W. Wetzels: Newton for the Ladies: Algarottis Popularisations of Newton’s Optics. In: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 304 (1992) 1152–55; Moira R. Rogers: Newtonianism for the ladies and Other Uneducated Souls: The popularization of Science in Leipzig, 1687–1790 (New York 2003) 89–103; Massimo Mazzotti: Newton for Ladies. Gentility, gender and radical culture. In: British Journal for the History of Science 37 (2004) 119–146; Sarah Hutton: Women, Science and Newtonianism: Emilie du Chatelet versus Francesco Algarotti. In: Newton and Newtonianism. New Studies (Heidelberg 2004) 183–203; Gian Francesco Frigo: Algarotti, Descartes und Newton. Der Streit um die neue Wissenschaftsmethodik. In: Francesco Algarotti. Ein philosophischer Hofmann im Jahrhundert der Aufklärung, hg. Hans Schumacher e Brunhilde Wehinger (Saarbrücken 2009) 17–33. In ambito italiano, le riflessioni sul versante scientifico (Paolo Casini: Newton e la coscienza europea (Bologna 1983) 204–227; Mauro De Zan: La messa all’Indice del »Newtonianismo per le dame« di Francesco Algarotti. In: Scienza e letteratura nella cultura italiana del Settecento, a cura di Renzo Cremante e Giovanna Gronda (Bologna 1984) 133–147) non hanno prodotto molto dopo gli studi di Franco Arato: Intorno al »Newtonianismo«. Quattro lettere inedite di Francesco Algarotti. In: Giornale storico della letteratura italiana CLXIV (1987) 556–569 e Id.: Il secolo delle cose. Scienza e storia in Francesco Algarotti (Genova 1991). Si veda anche Mirella Agorni: La traduzione inglese del »Newtonianismo per le dame« di Francesco Algarotti e la nascita del lettore moderno. In: Quaderni di lingua e letteratura 19 (1994) 11–24. Più precisamente, gli studi condotti sul versante scientifico ed epistemologico non sono riusciti a riscattare l’opera dalle accuse di eccessiva leggerezza che ne avevano liquidato la fama letteraria a partire dal secolo successivo alla sua pubblicazione. 2 A tutt’oggi ci si attesta, in ambito letterario, al commento che accompagna l’edizione Ricciardi-Einaudi del Newtonianismo a firma di Ettore Bonora: Introduzione. In: Francesco Algarotti: Dialoghi sopra l’ottica neutoniana, a cura di Ettore Bonora (Torino-Milano-Napoli 1977) 175–190. Bonora giudicava l’opera »ancora al di là dei veri e propri spiriti dell’Illuminismo«, e ne arginava la portata appoggiandosi alla scrittura »troppo leziosa« di Algarotti, in un implicito confronto con i modelli di prosa rappresentati da Tommaso Campanella e Galileo Galilei. Bonora attribuiva ad Algarotti una »mentalità da giornalista« (ivi, 181). 3 A. Rupert Hall: La matematica, Newton e la letteratura. In: Scienza e letteratura nella cultura italiana, cit. [nota 1] 29–46; Paolo Casini: Newton e la coscienza europea, cit. [nota 1]. Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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Daniela Mangione
tempo invitato a distogliere dal maggiore episodio di divulgazione algarottiana, Il newtonianismo per le dame, uno sguardo esclusivamente »rococò«, questo è stato a lungo – e in parte continua ad essere – considerato un testo esclusivamente »incipriato«,4 limitato alla sua forma leggera di dialogo galante. Ma l’opera, data alle stampe nel 1737, messa all’Indice e poi rimaneggiata in successive edizioni, non mostra propriamente, nella sua storia editoriale e nelle sue riscritture, i caratteri della leggerezza e del disimpegno. Lo sguardo di quello che la tradizione italiana considera un frivolo e »letteratissimo« Algarotti fu, anzitutto, uno sguardo da studioso di Fisica: lo fu infatti a Bologna dal 1727; e lui per primo in Italia riuscì, nel 1728, a ripetere gli esperimenti newtoniani che davano conferma della natura composita della luce. Dopo i deludenti tentativi che erano stati compiuti dal suo maestro Francesco Maria Zanotti, il giovane Algarotti, ipotizzato che il fallimento fosse dovuto all’imperfezione dei prismi utilizzati, aveva ottenuto di potere ripetere gli esperimenti stessi, aveva cercato e trovato in terra inglese strumenti ottici migliori ed era riuscito così nell’intento di dimostrare empiricamente la validità delle teorie newtoniane.5 A una pari e forse maggiore determinazione fu dovuta del resto l’edizione del Newtonianismo, giacché dell’impresa era stato ripetutamente sconsigliato dai suoi maestri.6 Dopo essere uscita a Milano nel ’37 senza imprimatur e con falsa indicazione di Napoli fu poi ripubblicata nel 1739, e nell’aprile di quell’anno fu posta all’Indice. Fu poi riedita nel 1746 con modifiche fino alle ultime due edizioni berlinesi, entrambe con lettera dedicatoria a Federico II7: quella del 1750, Dialoghi sopra la luce, i colori, e l’attrazione e quella del 1752, con il definitivo titolo di Dialoghi sopra l’ottica neutoniana.8
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»Incipriato« è aggettivo che Paolo Casini usa spesso nel suo resoconto sull’opera algarottiana per felicemente capovolgerlo nel finale del suo saggio: cfr. P. Casini: Newton e la coscienza europea, cit. [nota 1]. 5 Cfr. Walter Tega: Mens agitat molem. L’Accademia delle Scienze di Bologna (1771–1804). In: Scienza e letteratura nella cultura italiana, cit. [nota 1] 93–94. 6 Ivi 93–97. 7 Si veda M. De Zan: La messa all’Indice del »Newtonianismo per le dame«, cit. [nota 1] 133–147. Algarotti »racconta« la storia del Newtonianismo nella lettera del 4 febbraio 1764 indirizzata ad Azzolino Malaspina in: Opere, tomo X (Venezia 1794) 193–202. 8 Ora la prima edizione del Newtonianismo per le dame (1737) è consultabile in Rete grazie all’International Centre for the History of Universities and Science del Dipartimento di Filosofia dell’Università di Bologna, all’indirizzo http://137.204.24.205/cis13b/bsco3/intro_opera. asp?id_opera=32, a cura di Massimo Mazzotti. L’edizione moderna (1977) da cui citiamo riproduce l’edizione Coltellini 1764, l’ultima controllata dall’autore.
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II. Non stupisce il ruolo che la metafora assume nel sistema retorico di Algarotti: la tradizione italiana immediatamente precedente era già depositaria di una intensa attenzione alla »Reina delle figure retoriche«: la seconda parte del Seicento aveva visto infatti non solo l’esplicita e macroscopica riflessione attorno alla metafora del Cannocchiale aristotelico di Emanuele Tesauro, ma, sul versante complementare se non opposto, avevano considerato la centralità della metafora anche altri autori – quali ad esempio, nella Roma barberiniana, Agostino Mascardi, figura di spicco della corte di Urbano VIII nei primi anni Venti del Seicento, o il cardinale Sforza Pallavicino, che si era occupato dell’argomento nel Trattato dello stile e del dialogo (1662).9 Se la metafora era stata misurata nelle sue possibilità evasive ed evocative da Tesauro, questo secondo versante, che la tradizione critica dei decenni passati ha classificato come quello dei »baroccomoderati«, aveva riflettuto sul valore e sullo spazio da dare alla metafora nelle scritture che avevano al proprio centro non tanto l’oscurità o la sfida al lettore quanto, all’opposto, una particolare attenzione a lui dedicata. Non stravagante dunque Algarotti quando nel suo Saggio sopra la necessità di scrivere nella propria lingua10 riservava al generale atto mentale e linguistico del »metaforeggiare« il ruolo di elemento rivelatore dell’indole di un popolo: »il genio o vogliam dire la forma di ciascun linguaggio, riesce specificamente diversa da tutti gli altri, come quella che è il risultato […] di ciò che constituisce il genio e l’indole di una nazione […]. Gli Orientali hanno un metaforeggiare […] così caldo quanto è il cielo sotto al quale son nati.«11 Nella lettera dedicatoria a Federico II premessa alle ultime due edizioni dei Dialoghi Algarotti specificava poi il ruolo della metafora nelle opere di divulgazione scientifica, la cui forma eletta risultava essere il dialogo: come secondo l’opera ispiratrice di questi stessi Dialoghi, gli Entretiens sur la pluralité des mondes di Bernard de Fontenelle, ma anche senza dimenticare l’antecedente che aveva costituito il dialogo scientifico per eccellenza, il Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo di Galileo Galilei. Osserva dunque Algarotti nella dedicatoria a Federico II di Prussia: »Tous les ouvrages, de quelque genre qu’ils soient, demandent l’homme tout entier. Mais j’ose dire, qu’un des plus difficiles c’est le dialogue scientifique; sur 9
Sforza Pallavicino: Trattato dello stile e del dialogo, ove nel cercarsi l’idea dello scrivere insegnativo discorresi partitamente de’ vari pregi dello stile sì latino come italiano e della natura dell’imitazione e dell’utilità del dialogo (Roma 1662); l’edizione moderna (Modena 1994) ne riproduce l’edizione del 1824. Si veda, in particolare il capo VII »Delle comparazioni o similitudini, sì delle tacite e delle ristrette, come delle espresse e delle spiegate«, ivi 54. 10 Il Saggio sopra la necessità di scrivere nella propria lingua comparve nell’edizione Pasquali del 1757. Ora lo si legge in Francesco Algarotti: Saggi, a cura di Giovanni Da Pozzo (Bari 1963) 229–239. 11 Ivi 231.
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Daniela Mangione
tout lorsque les figures de géométrie, et les termes d’art doivent en être bannis; qu’il faut remplacer les uns par des équivalents pris dans les objets les plus connus, et les autres par le secours des descriptions. Mais ce seroit, Sire, abuser de votre tems, et peu connoître votre génie, que de vouloir vous prouver, combien il est difficile d’instruire l’esprit en parlant toujours à l’imagination, de suivre la méthode la plus rigoureuse et la cacher en même tems, et de donner à un traité de physique l’agrément, pour ainsi dire, d’une pièce de théâtre. Le style n’a pas moins de difficultés. La proprieté des mots, la sagesse dans les métaphores, la justesse et la sobriété dans les comparaisons sont l’effet des talents, et de cet art plus rare encore que les talents, de cet art le plus difficile de tous, l’art d’effacer.«12 I dialoghi scientifici necessitano di un vasto e particolare impegno, dunque, perché in essi le due esigenze fondamentali, rigore e intento insegnativo, devono sottostare rispettivamente a due principi compositivi, il dissimulare (»de suivre la méthode la plus rigoureuse et la cacher en même tems«) e il vivacizzare (»d’instruire l’esprit en parlant toujours à l’imagination […] de donner à un traité de physique l’agrément, pour ainsi dire, d’une pièce de théâtre«). Più propriamente si potrebbe dire, invertendo l’ordine delle priorità, che la difficoltà peculiare di questa forma sta per Algarotti nel fatto che due principi di poetica per lui di valore assoluto come la dissimulazione e la vivacità del discorso devono, nel caso del dialogo scientifico, plasmare una materia i cui caratteri peculiari sono attenzione al destinatario e rigore. Sul piano retorico dissimulare e vivacizzare si traducono nella promozione di figure conosciute e quotidiane che sostituiscano figure di geometria; sul piano stilistico, dopo la proprietà delle parole, è la »sagesse dans les métaphores« ad essere invocata per rendere davvero efficace la retorica della scienza divulgata. Nel depositare con leggerezza nella dedicatoria dei Dialoghi questa »strategia« retorica13 Algarotti sembra seguire una tendenza della trattatistica scientifica, in particolare italiana, che negli autori prima citati (Mascardi, Pallavicino) trovava, seppure forse in via non esclusiva, ma certo significativa, le proprie antenate teorizzazioni; e anzi quasi sembra essere il punto di arrivo del discorso »normativo« che si era svolto nel secolo precedente. Andrea Battistini ha ricordato come, in quanto »nuovo codice che non si era ancora istituzionalizzato« il discorso scientifico di Galileo utilizzasse oggetti conosciuti ed espressioni legate a una »temperie quotidiana e domestica«.14 Era, questa, una strategia definita 12
Id.: Dialoghi, cit. [nota 2] 4–5. Aggiungerà anni dopo in una lettera ad Azzolino Malaspina: »Mia cura principalissima fu di ornar sobriamente la filosofia, di farmi una lingua pura e corrente […] che non istonasse né alle orecchie de’ gentiluomini, né a quelle degli scienziati; di sciogliere in somma geometricamente, dirò così, quel problema, che io non aveva sciolto altre volte che per approssimazione«. In: Id.: Opere, tomo X, 200. 14 Andrea Battistini: Galileo e i Gesuiti. Miti letterari e retorica della scienza (Milano 2000) 144. 13
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del »doppio uso« e particolarmente rilevata nel secondo Galileo. Sforza Pallavicino l’aveva poi teorizzata nel Trattato dello stile e del dialogo lì dove aveva consigliato di usare »una moltitudine di minute figure, e principalmente di metaforette prese da materia sensibile, le quali ci muovono più viva e distinta conoscenza dell’oggetto significato«.15 Dunque, questo »doppio uso« messo in atto da Galileo e teorizzato da Pallavicino si ripropone in Algarotti in quegli »équivalents pris dans les objets les plus connus«.16 Nei Dialoghi sopra l’ottica neutoniana si incontra assai frequentemente una declinazione retorica particolare di tale »doppio uso«. Le »metaforette« prese dalla quotidianità utilizzate per indicare nuovi enti scientifici si presentano spesso declinate nella forma diminutiva. Tali forme, sforzo costante di didascalicità e stimolo alla vivacità immaginativa, puntellano il dialogo. Ciascun raggio di sole è un »fascetto«;17 i colori in alcune teorie sono »fiammolina« che svapora dai corpi; le refrazioni sono »giocolini« o »scambietti«; la luce è composta ora di »globetti« ora di »vorticetti« ora di »corpicciuoli«; la retina è una »pellicella« che fodera il fondo dell’occhio; la schiuma è composta di »gallozzole« o »botticelle«; la falda d’aria fra due lastre di vetro è »laminetta« d’aria; i corpi sono composti di »particelle« della materia:18 termine poi entrato stabilmente nel lessico scientifico fino ad oggi. Parrebbero parole leziose, e certo hanno contribuito a radicare il giudizio di prosa eccessivamente affettata dato dalla tradizione alla prosa algarottiana – eppure già nel Saggiatore, assai meno lezioso, trovavamo »corpicello, finestrella, globetti, pagliuzze, specchietti«.19 Lo stesso cannocchiale, ricordiamo per inciso, è chiamato fin dalla propria nascita con un diminutivo di speculum, perspicillum.
III. La distanza da accorciare, punto focale della retorica della scienza divulgata, centro attorno al quale il divugatore deve pazientemente lavorare, è evocata metaforicamente all’inizio dei Dialoghi. Per introdurre le difficoltà connesse ai »misteri« della natura della luce Algarotti ricorre, all’inizio del dialogo primo, alla metafora del geroglifico. In particolare, fa evocare l’immagine alla Marchesa, che obietta di avere trovato in un testo poetico un aggettivo riferito alla 15
S. Pallavicino: Trattato, cit. [nota 9] 142. Sull’accezione dell’aggettivo »scientifico« e sull’ambiguità del termine »scienza« nel trattato di Sforza Pallavicino rimando a Daniela Mangione: Retorica, scienza, pubblico: percorsi lessicali tra Agostino Mascardi e Sforza Pallavicino in corso di pubblicazione negli atti del congresso annuale ADI 2009 sul sito http://www.italianisti.it/Contents/pubblicazioni.aspx . 17 F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2]. Le citazioni rispettivamente alle pagine 12, 54, 73. 18 Ivi. Le citazioni rispettivamente alle pagine 18, 35, 37, 47 (»globetti« e »vorticetti«); 124, 39, 74, 78 (»gallozzole« e »botticelle«), 82, 84. 19 A. Battistini: Galileo, cit. [nota 14] 144. 16
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luce, »settemplice«, del tutto incomprensibile, »oscuro geroglifico«. Si tratta di una lirica che lo stesso Algarotti aveva dedicato a Laura Bassi Veratti, studiosa di filosofia e di fisica dell’Università di Bologna. Di tale componimento, Non la lesboa, sono citati i versi: »O dell’aurata / luce settemplice / i varioardenti, e misti almi color?«.20 È questo il modo in cui la guida scientifica del dialogo comincia ad introdurre alla Marchesa la nuova composita natura della luce. Ma ciò che nell’ultima, definitiva edizione dell’opera risulta un »oscuro geroglifico« nella prima edizione, quella del 1737, era metafora più articolata e viva: si trattava infatti di un »geroglifico dalla Cina«21 – un ideogramma, cioè – che veniva accostato significativamente, poche righe dopo, a Newton: »E la luce settemplice, replicò la Marchesa, che io vidi alcuni mesi fa in una Canzonetta, fatta in onore della Bolognese Filosofessa, non sarebb’egli un geroglifico della Cina? Almeno egli lo è per me e per molti altri ancora, a’ quali ho dimandato indarno la spiegazione«. Risponde a lei l’autore che in effetti comprendere a fondo quel termine corrisponde a capire qualcosa di essenziale; egli dunque, più precisamente, propone alla Marchesa di riuscire a farle apparire »un quadro Newtoniano in luogo d’un geroglifico della Cina«. Sotto questo scambio metaforico tra il quadro newtoniano e il geroglifico stanno due immagini-ponte interessanti. L’immagine di partenza, quella del geroglifico, che dovrà essere sostituito dal »quadro«, allude anzitutto alla più generale classica metafora del libro del mondo leggibile/illeggibile22 che Galileo aveva ripreso nel Saggiatore – il libro del mondo è »scritto in lingua matematica, e i caratteri son triangoli, cerchi, ed altre figure geometriche«.23 La metafora del geroglifico, assai frequentata nella tradizione europea, era stata utilizzata nella cerchia galileiana proprio da quegli autori prima citati – Agostino Mascardi e Sforza Pallavicino – che avevano ruotato attorno all’Accademia dei Lincei, a Galilei così vicina, e che si erano, come ricordato sopra, specificamente occupati della metafora rispetto alla divulgazione. L’immagine era stata usata per esempio da Mascardi, che aveva detto nel 1622 l’ingegno umano in grado di decifrare
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F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2] 11. Id.: Il newtonianismo per le dame ovvero dialoghi sopra la luce e i colori (Napoli 1737) 6. 22 Cfr. al proposito Ernst Robert Curtius: Das Buch der Natur. In: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (Bern 1948), ed. it. Letteratura europea e Medio evo latino, trad. di Anna Luzzatto, Mercurio Candela e Corrado Bologna (Firenze 1992): 354–361; Eugenio Garin: La nuova scienza e il simbolo del »libro«. In: La cultura filosofica del Rinascimento italiano (Firenze 1961) 451–465; Hans Blumemberg: Die Lesbarkeit der Welt (Frankfurt am Main 1981), ed.it. La leggibilità del mondo. Il libro come metafora della natura (Bologna 1984) 65–81; Fernand Hallyn: Pour une poétique des idées: le Livre du monde, ou les ramifications d’une métaphore. In: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 67 (2005) 225–245. 23 Galileo Galilei: Saggiatore. Edizione critica e commento a cura di Ottavio Besomi e Mario Helbing (Padova 2005) 232. Cfr. Anche A. Battistini: Il libro, il labirinto, la fabbrica del mondo. In: Quando l’opera interpella il lettore. Poetiche e forme della modernità letteraria. Studi e testimonianze offerte a Fausto Curi per i suoi settant’anni, a cura di Piero Pieri e Giuliana Benvenuti, 27–43. 21
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il mondo »tutto scritto a geroglifici e a note oscure«.24 Ma – ed ecco la seconda immagine – tra il geroglifico e la metafora del »quadro di Newton«25 sembra inserirsi un’altra suggestione, una immagine-ponte, taciuta ma non peregrina: quella della formula matematica. Anche qui ci viene in parziale aiuto la tradizione italiana precedente, posta fra Galileo ed Algarotti; ancora quella della cerchia della corte di papa Urbano VIII, di cui è importante ricordare i rapporti stretti con l’ambiente culturale bolognese.26 Un metaforizzare simile si trovava infatti anche nei Fragmenti di Giovanni Ciampoli, anch’egli accademico linceo, legato a Mascardi, legato a Sforza Pallavicino, tutti legati alla corte papale.27 Ciampoli, che si era posto il problema della comunicabilità dei risultati delle discipline scientifiche, aveva osservato, mettendo in risalto la difficoltà di comprendere il codice matematico: »Chi non le ha studiate non le può capire […] Parrebbe scemo chi, volendo vivere umanista nelle Accademie d’Italia, spendesse l’ore sue per farsi un Prisciano nella lingua del Giapone«. Frequentata era dunque la tradizione metaforica che accostava, per la sua difficoltà, la formula matematica all’ideogramma. Ma già Ciampoli osservava: »Vedo che la comparazione dei linguaggi non si addatta totalmente alle scienze: quegli son fatti per dichiararsi con altri, a queste può bastare lo speculare per sé. Pure siamo uomini e la lode è il più saporito boccone tocchi al nostro genio. Però la filosofia gode nel communicarsi […] Lo studio non fa all’amore col silenzio, e quel teatro di se stesso riesce meno dilettoso quando non sia in mezzo al teatro del mondo«.28 Le scienze espresse con linguaggio di formule geometriche in Galileo, divenute lingua del Giappone (incomprensibile, cioè) in Ciampoli, pur con afflato verso la divulgazione, in Algarotti sono geroglifici di Cina che però, con nuovo spirito, possono ambire a diventare »quadro« newtoniano: questa volta del tutto comunicabile. Il geroglifico incomprensibile allude dunque, con mediazione gali24
Agostino Mascardi: Intorno al furor poetico. In: Prose vulgari di monsignor Agostino Mascardi cameriere d’onore di N. sig. Urbano Ottavo (Venezia 1625) 169–170; il discorso fu edito per la prima volta nel 1622. Cfr. Eraldo Bellini: Umanisti e Lincei (Padova 1997) 219. 25 È interessante notare come la metafora del quadro mostri nella sua evoluzione una sorta di plurivalenza. Nell’edizione 1737, infatti, il »quadro« newtoniano è certamente metafora che gioca con l’ambito figurativo. Poche righe prima infatti l’autore paragona gli »aggiunti«, cioè gli aggettivi, ai colori, »pennellate, che dan l’anima al quadro« (1737, 6). Nell’ultima edizione la metafora di »quadro« si stratifica, divenendo »quadro filosofico su quella tela poetica«, aggiungendo così un valore metaforico »razionalizzante« (cit. [nota 21] 11). 26 Sui rapporti e le reazioni dell’ambiente bolognese rispetto agli stimoli scientifici romani e della stessa Bologna si vedano: A. Battistini: La scienza dei Gesuiti a Bologna. In: Galileo, cit. [nota 14] 237 e sgg.; Giovanni Baffetti: Retorica e scienza. Cultura gesuitica e seicento italiano (Bologna 1997). 27 Cfr. E. Bellini: Umanisti, cit. [nota 24] 1–167 e Id. Stili di pensiero nel Seicento italiano. Galileo, i Lincei, i Barberini (Pisa 2009) 67–157. 28 Giovanni Ciampoli: Dei fragmenti dell’opere postume (Bologna 1654) 34–36. Cfr. E. Bellini: Stili di pensiero, cit. [nota 27] 9. Sul pensiero di Ciampoli circa la »comunicabilità« della scienza si veda Id.: Umanisti, cit. [nota 24] 57–61.
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leiana, alla formula matematica della nuova ottica di Newton che ora può e deve essere resa comprensibile e divulgata.
IV. Il »quadro«, newtoniano, che pare contenere in sé essenzialmente caratteri di piacevolezza e facilità, precisa in poche righe i propri connotati, svelando la propria natura epistemologica. L’azione di conoscenza che Newton ha permesso diventa infatti già nelle prime pagine nientemeno che sinonimo dichiarato di verità: »E così […] incominciai a toccare alcuna cosa dell’ottica […] e le andava dicendo come la luce, secondo l’opinione del Neutono, o per meglio dire, secondo la verità, non è altrimenti semplice…«.29 Nell’edizione del 1737 questo »o per meglio dire, secondo la verità« era reso, più neutralmente, con un »o più tosto secondo ciò che è«: nell’edizione definitiva Coltellini il ruolo di Newton appare quindi reso con più nettezza, ormai certo Algarotti dell’esistenza di una linea di conoscenza Galileo-Newton privilegiata, e che si oppone a quella cartesiana. La linea verrà poi ben tracciata nel Saggio sopra Cartesio.30 I due sistemi di pensiero, quello cartesiano e quello a Cartesio alternativo, sono resi attraverso le usate metafore dell’edificio: in entrambi i casi Algarotti ricorre alla metafora classica del »tempio del sapere« che si estende in altezza, o che si estende in ampiezza, nella metafora alternativa della »nuova faccia« data da Newton alla scienza:31 in altezza in un caso e in vastità nell’altro. Questa più alta ed estesa conoscenza (che si sviluppa dunque »geometricamente«) mostra il proprio punto forte nell’idea che Newton abbia »perfezionati« i sensi32 – giacché essi, soli, »non sono fedeli«.33 Il senso di cui si parla qui è quello della vista, ovviamente, senso centrale e di forte valenza simbolica: osserva Algarotti nei Dialoghi riconducendo il processo del vedere che Newton ha perfezionato alla propria matrice originaria, che »Galileo, Linceo, rese lincei gli occhi dell’uomo«34; e il vedere diventa così metafora dei diversi gradi della conoscenza. Adoperare »gli occhi abbastanza«35 significa vedere al di là dei sensi, attraverso i mezzi accessori e i segni della matematica; vedere la luce »non con gli occhi del volgo, ma cogli occhi di lui«,36 cioè di Newton, significa accostarsi
29 30
F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2] 12. Id.: Saggio sopra Cartesio. In: Id. Saggi, a cura di Giovanni Da Pozzo (Bari 1963) 405–
431. 31 32 33 34 35 36
Id.: Dialoghi, cit. [nota 2] 15. »Newton supplisce ai sensi che mancar potrebbono all’uomo«: ivi 126. Ivi 152. Ivi 42. Ivi 16. Ivi 12.
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alla vera conoscenza; »saper vedere«37 con »gli occhi scientifici«38 significa unire agli »occhi della mente« gli »occhi della fronte«: »la osservazione soltanto e la esperienza ne ha fatti chiari di ciò che veramente avviene; né mai cogli occhi della mente l’avremmo conosciuto, se veduto non l’avessimo cogli occhi della fronte«.39 Qui dunque, in una mescolanza di sensismo e astrazione, gli »occhi della mente« vengono ad essere paradossalmente metafora di un metodo che non ascolta l’esperienza – e questo atteggiamento è esattamente il bersaglio cartesiano contro cui nella prima parte dell’opera Algarotti lavora. Antitetico al tempio del sapere edificato da Galileo-Newton,40 l’altro asse, quello dell’aristotelismo e di Cartesio, è »arabesco edificio«41 perché costruito con eccesso di fantasia, senza la base dell’esperienza. Cartesio »dà di che dipingere l’erbetta verde«:42 nel Saggio sopra Cartesio Algarotti scrive con simile metafora che le teorie cartesiane erano »scena […] bravamente dipinta benché non fondata sopra una buona pianta di architettura«.43 Così, quasi ad emblema della centralità dell’esperienza, grande rilievo assume l’oggetto che è poi il veicolo principe di questo specifico esperire e sapere, quel prisma con il quale Algarotti aveva lavorato, che aveva cercato per tutta Europa nella sua forma più pura, e che gli aveva permesso in concreto di sperimentare la verità della teoria newtoniana: un oggetto, dunque, anche personalmente significativo.44 Quello stesso prisma che Goethe lascerà sul tavolo per mesi senza guardarlo,45 diventa qui un centrale motivo euristico, motore di conoscenza e di invenzione: l’ottica infatti procede »armata di vetri«, il trasparente è »Proteo dell’Ottica«. Il prisma diventa addirittura metafora di »vero spirito che discerne, separa, divide«46 e pretesto per azzardare una metafora ardita (nuova?): le passioni sono prismi, perché mostrano le cose fuori dal loro debito luogo.47
37
Ivi 50. Ivi 108. 39 Ivi 95. 40 »… egli è da credere che se la Italia non avesse avuto un Galilei, forse la Inghilterra mancherebbe del suo Neutono«: F. Algarotti: Saggio sopra Cartesio, cit. [nota 30] 427. 41 Id.: Dialoghi, cit. [nota 2] 15. 42 Ivi 25. 43 F. Algarotti: Saggio sopra Cartesio, cit. [nota 30] 415. 44 Cfr. anche la lettera ad Antonio Vallisnieri del 12 settembre 1759, in F. Algarotti: Opere, tomo IX (Venezia 1794) 349–55. 45 Cfr. Elena Agazzi: Il prisma di Goethe (Napoli 1996) 86. 46 Le citazioni rispettivamente da F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2] 13, 71, 70. 47 »… e parmi si potesse dire che le passioni, che tanto ne fanno travedere, e ne mostrano le cose fuori dal debito luogo, sono altrettanti mezzi, o prismi, che tra il vero si frappongono e l’occhio della mente«, ivi 36. 38
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V. Questo trasferire su oggetti e concetti scientifici una conoscenza che pertiene ad altri ambiti, questo metaforizzare che collega aree differenti della conoscenza rappresenta un orientamento che è proprio di tutta l’opera: l’intero dialogo è teso ad avvicinare senza imbarazzi o, ancor meglio, con singolari articolazioni poesia e scienza, letterario e scientifico; e ne è anzi quasi la chiave;48 innumerevoli sono gli esempi nel corso dell’opera. Addirittura la novità della conoscenza newtoniana, il nuovo concerto fra esperienza, codice matematico e interpretazione mentale, crea una nuova estetica: la teoria newtoniana »rende la luce più bella«.49 Le presenze letterarie che punteggiano il dialogo, in particolare le continue citazioni da Ariosto, tendono a confrontare e scambiare osmoticamente ma propriamente le vecchie, onorate visioni letterarie con le nuove scoperte. Nel finale questo movimento viene doppiamente richiamato. È evocato dapprima antifrasticamente, quando Algarotti fa dire a Simplicio, personaggio che rappresenta la noia d’Arcadia, che »La […] precisione e la fantasia sono […] due gran nemiche da non si potere giugnere insieme«;50 poi è confermato, questa volta in positivo, poco dopo: »colui che senza punto offender la ragione ne sa mettere più in gioco la fantasia, convien dire che non poco ne abbia meritato degli uomini«.51 La fantasia, dunque, condannata in Cartesio se applicata senza il filtro dell’esperienza, non lo è in via definitiva. Può anzi perfettamente regnare, ed è addirittura auspicabile possa convivere con gli »occhi scientifici«: moderata e modulata dal rigore e dall’esperienza. Quella sagesse delle metafore cui si appella Algarotti pare dunque avere i caratteri dell’opportunità rispetto allo scopo prefisso, e contempla la dissimulazione del rigore attraverso l’immaginazione. Include dunque la fantasia ma ha poche tracce di »ingegno«, in senso tradizionalmente barocco, questa metafora; né tuttavia Algarotti si allinea con le posizioni cartesiane che invitano alla totale sobrietà retorica.52 La sua è invece, piuttosto, una linea assai simile a quella già italiana nata e poi discussa nel secolo precedente – quella di cui sono testimoni Agostino Mascardi e Sforza Pallavicino, e che condannava l’uso delle metafore ardite e troppo ingegnose perché arroganti verso il lettore. Algarotti elabora
48 Non è un caso che attraverso una strana e nuova parola poetica, il »settemplice«, nasca il discorso sulla luce. 49 F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2] 89. 50 Ivi 146. 51 Ivi 150. 52 »Ceux qui ont le raisonnement le plus fort, et qui digèrent le mieux leurs pensées, afin de les rendre claires et intelligibles, peuvent toujours le mieux persuader ce qu’ils proposent, encor qu’ils ne parlassent que bas-breton, et qui’ils n’eussent jamais appris de rhétorique«: René Descartes: Discours de la méthode. In : Œuvres et lettres, textes présentés par A. Bridoux (Paris 1958) 129–130.
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una posizione che, secondo una riflessione che ha radici anche nella tradizione italiana, nella divulgazione accoglie la retorica; ed è »ancora« espressione di quell’unione dei due ambiti, letterario e scientifico, che di lì a poco si sarebbe trasformata.53
VI. D’altra parte proprio una vicenda di metafore pare poterci dare informazioni ulteriori sul senso dell’opera rispetto al suo contesto; ed è una vicenda che riguarda un ambito metaforico importante, quello cioè della luce. Come si può immaginare, nei Dialoghi le meta-metafore, riguardanti cioè la luce, sono frequentissime. E, analizzando le occorrenze, è possibile osservare come a prevalere in esse sia un’idea aggressiva della luce. I raggi della luce feriscono l’occhio54 o il muro55, che patisce la luce; l’azzurro ferisce;56 i colori sono invincibili57; la luce si scontra nel prisma,58 viene scagliata dal sole59 – non gli occhi sono fiammeggianti, in uscita, come abbondantemente nella tradizione letteraria,60 ma i colori lo sono.61 Prevale nella resa delle scoperte di Newton l’idea del combattimento: l’ottica infatti procede armata di vetri62 e Newton stesso ha armato gli astronomi di occhio fine;63 la Marchesa osserva che »con la scorta del Neutono« non si corre alcun pericolo;64 e il prisma è brando dell’Ottica.65 Una metaforica così insistente non può essere neutra, né solo di forma, né dettata solo dai rapporti con la tradizione – tradizione che ha metafore ben diverse e anche del tutto opposte al riguardo. E dunque, se pur possa essere accidentale una luce che ferisce, i colori che fiammeggiano, perché gli Astronomi sono armati, l’Ottica è brando, e Newton è scorta? Un indizio significativo al riguardo può essere il fatto che nella versione 1737, la prima, quella poi messa all’Indice, l’insieme di queste metafore »aggressive« è del tutto assente. L’Ottica non è brando, non è scorta, gli astronomi non
53
Cfr. Ezio Raimondi: La strada verso Xanadu. In: Scienza e letteratura (Torino 1978) 5–54; E. Bellini: Galileo e le »due culture«. In: Stili di pensiero, cit. [nota 27] 1–42. 54 F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2] 35 e 36. 55 Ivi 58. 56 Ivi 66. 57 Ivi 71. 58 Ivi 74. 59 Ivi 122. 60 Cfr. Waldemar Deonna: Il simbolismo dell’occhio, a cura di Sabrina Stroppa (Torino 2008). 61 F. Algarotti: Dialoghi, cit. [nota 2] 56. 62 Ivi 13. 63 Ivi 89. 64 Ivi 113. 65 Ivi 140.
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sono armati di lenti, né di vetri – né la luce ferisce. E allora, forse, la metaforica guerriera non appartiene solo al lato formale della questione, ma è giustificata dall’aspetto, per così dire, di militanza di certe idee, sostenute in un preciso contesto. L’Ottica diventa un brando da impugnare implicitamente rispetto – cioè contro – alla messa all’Indice cui è stata sottoposta l’opera che la divulga; contro ciò che questa messa all’Indice rappresenta. Ettore Bonora riteneva che l’essersi Algarotti concentrato soprattutto sulla luce e non sull’attrazione newtoniana avesse costituito un limite del suo impegno speculativo.66 Ma se come afferma Blumenberg, e dunque ormai classicamente, la metafora della luce è metafora della verità,67 la lotta delle riedizioni del Newtonianismo, nei termini in cui l’evoluzione delle metafore dei Dialoghi mostra, è in realtà una lotta fortemente emblematica, specie nell’ambito del percorso degli statuti della scienza nella cultura italiana rispetto a quella europea. La lotta via via sempre più »grave« ed »etica« (pur dissimulata) è sempre più etica e grave in relazione alla ricezione – alle reazioni – dell’ambiente cui è destinata; e tale lotta per la divulgazione della natura della luce diventa una metafora essa stessa della lotta intellettuale e culturale per una visione del mondo che privilegi l’ossequio alla verità.
66 »Della fisica di Newton esporre l’ottica e fare della teoria dell’attrazione soltanto i cenni strettamente necessari era un limitare il proprio impegno speculativo«: Ettore Bonora: Introduzione [nota 2] 175. 67 Hans Blumemberg: Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung. In: Studium Generale 10 (1957) 432–447.
Charlotte Kurbjuhn
Zur Funktion der Metaphern »Umriss« und »Kontur« bei der Genese der deutschsprachigen Kunstliteratur. Entwurf einer Ikonologie
Um die Funktion der Metaphern »Umriss« und »Kontur« bei der Genese der deutschsprachigen Kunstliteratur im 18. Jahrhundert ermessen zu können, ist ein Rückblick auf die kunsttheoretischen Diskussionen hilfreich, die in Italien bereits drei Jahrhunderte zuvor geführt wurden. Den Mittelpunkt dieser Debatten bildete die Frage, was der disegno sei: »[I]l disegno, padre delle tre arti nostre architettura, scultura e pittura, procedendo dall’ intelletto cava di molte cose un giudizio universale simile a una forma ovvero idea di tutte le cose della natura, [il disegno] conosce la proporzione che ha il tutto con le parti e che hanno le parti fra loro e col tutto insieme; e perché da questa cognizione nasce un certo concetto e giudizio, che si forma nella mente quella tal cosa che poi espressa con le mani si chiama disegno, si può conchiudere che esso disegno altro non sia che una apparente espressione e dichiarazione del concetto che si ha nell’ animo, e di quello che altri si è nella mente imaginato e fabbricato nell’idea.«1 Diese Definition gibt 1568 Giorgio Vasari, Florentiner Maler und Kunsttheoretiker am Hofe der Medici, in seinen Vite, den Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten. Die wörtliche Bedeutung des disegno als »Zeichnung«, als erste sichtbare Fixierung des künstlerischen Konzepts, wird durch die Kopplung des Begriffs an jenen der Idea geistig aufgewertet; der solchermaßen angereicherte Begriff disegno bedeutet nicht nur »den künstlerischen Vorstellungsinhalt, als vielmehr das künstlerische Vorstellungsvermögen«.2 Die kunsttheoretischen Diskussionen im Cinquecento propagierten eine intellektuelle Aufwertung des künstlerischen Schaffensprinzips und eine damit einhergehende Nobilitierung der auf dem disegno beruhenden Künste ebenso wie derjenigen Literatur, die sich mit ihnen und ihren Künstlern befasst. Somit legt die disegno-Debatte, wenngleich auf Umwegen, die Grundlagen auch der deutschsprachigen klassizistischen Kunsttheorie, wie sie sich im 18. Jahrhundert etabliert. Vasaris Antwort auf die Frage, was der disegno sei, führt direkt zu
1 Giorgio Vasari: Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori. Nelle redazioni del 1550 e 1568. Testo a cura di Paola Barocchi. Commento secolare a cura di Rosanna Bettarini. Vol. 1. (Firenze 1966) 111. 2 Erwin Panofsky: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie (Ber3 lin 1975) 34.
Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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der Frage, welche Bedeutung die Metapher des »Umrisses« für die entstehende deutschsprachige Kunstliteratur hat: Denn angesichts der metaphorischen Metamorphose, die sich in dem eben zitierten Abschnitt am disegno vollzieht, erweist sich die Geburt der neuzeitlichen Kunstliteratur aus dem Geiste des disegno als eine Geburt aus dem Geiste der Metapher. Die Kunstliteratur aber entwirft mit ihrer Fundierung im disegno den »Umriss« um ihren eigenen Gegenstandsbereich von Anbeginn in den Grenzen einer solchen Metapher, die in ihrer Aufwertung zum universalen geistigen Schaffensprinzip immer noch zugleich das materielle Fundament dieser Künste bedeutet und es durch seine intellektualisierende Transformation in dessen sinnlicher Anschaulichkeit negiert. Wer von nun an über Werke der bildenden Kunst schreibt, muss sich an dieser metaphorischen Grenze entlangtasten, die Empfinden und Erkennen zugleich trennt und verbindet. Vielfach wurde darauf hingewiesen, welche Prägnanz die Metapher der »Grenze« für die Gegenstandsbestimmung der Philosophie, zumal der Metaphysik, besitzt.3 Für die Kunstwissenschaft gilt eben dies für die metaphorische Rede von den »Umrissen«. Diese findet sich freilich in vielen, bei weitem nicht nur geisteswissenschaftlichen Texten, um die »Umrisse« des darzustellenden Gegenstands zu »skizzieren«. Während der »Umriss« jedoch in den meisten Fächern eine Metapher ist wie viele andere auch, bezeichnet eben diese Metapher in der Kunstwissenschaft zugleich einen ihrer prominentesten Termini; der Umriss stellt eine, wenn nicht die zentrale ästhetische Kategorie derjenigen Künste dar, deren System und deren Werke den Gegenstand der betreffenden Wissenschaft bilden. Bemerkt Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, diese »sei nicht das System der Wissenschaft selbst, verzeichne aber ›den ganzen Umriß derselben sowohl in Ansehung ihrer Grenzen, als auch den ganzen inneren Gliederbau derselben‹«,4 so zeigt sich der Unterschied zwischen Umriss und Grenze bezüglich der Binnenstrukturen, die der Umriss im Gegensatz zur Grenze gleichfalls bezeichnet. Bei Herder tritt dieser organische Strukturaspekt nun im Hinblick auf den Gegenstandsbereich der Ästhetik deutlich zu Tage. In der Plastik (1778) schreibt er: »Hier ist der nackte Umriß, wie ich glaube, daß die
3 Vgl. Rüdiger Zill: Grenze. In: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, hg. von Ralf Konersmann (Darmstadt 2007) 135–146, mit Hinweis auf Kants Kritik der reinen Vernunft (142 f.) und die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (144). Vgl. ebd., 144: »Am Kantischen Begriff des Symbols zeigt sich, daß die Metapher der Grenze nicht nur zentral ist für die Bestimmung des philosophischen Begriffs, sondern auch für die seines Seitenstücks, der philosophischen Metapher. [] Kants Beispiele für die Analogie, für die symbolische Hypotypose – sind ohne Zweifel Metaphern, obwohl er sie an dieser Stelle so nicht nennt. Die Metapher der Grenze bezeichnet das Territorium der Metapher«. 4 R. Zill: Grenze, a. a. O. [Anm. 3] 143; das Zitat bei: Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Original-Ausgabe, hg. von Jens Timmermann (Hamburg 1998) (= Philosophische Bibliothek; 505) B XXII.
Zur Funktion der Metaphern »Umriss« und »Kontur«
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Künste des Schönen sich zu einander verhalten. Einen Sinn haben wir, der Theile außer sich neben einander, einen andern, der sie nach einander, einen dritten, der sie in einander erfasset. Gesicht, Gehör und Gefühl.« Deren korrespondierende »drei Gattungen der Schönheit« »verhalten sich zu einander, als Fläche, Ton, Körper, oder wie Raum, Zeit und Kraft«, die »Medien«, mittels derer die »allweite[ ] Schöpfung [ ] alles fasset, alles umschränket.«5 Unter der verhüllenden Metapher der Unverhülltheit – des nackten Umrisses –, gewinnt so das System der Künste eine schematische, aber raumzeitlich organisierte Gestalt. Indem Herder die Metapher des Umrisses verwendet, um die Grundstrukturen im Verhältnis der Künste zu bezeichnen, rekurriert er auf den Topos von der Einheit der Künste im gemeinsamen Ursprung in der Zeichnung, im disegno. Der Umriss des Systems der Künste erscheint metaphorisch visualisiert als Zeichnung, zugleich aber wird in der Metapher des Umrisses auch die Konzeptgeschichte eben desjenigen bedeutungsreichen ästhetischen Terminus evoziert, auf der die Geschichte der Disziplin, der Ästhetik der bildenden Künste beruht. Hinzu kommt, dass der Umriss zugleich als Abbreviatur des Gründungsmythos der Kunst gelten kann, demzufolge die Geburtsstunde der Kunst in dem Umriss lag, den eine Töpferstochter um den Schatten ihres scheidenden Geliebten zog. Damit erfüllt der Umriss als Metapher tatsächlich in überraschend wörtlichem Sinne die Definition, die Vico 1744 gab, als er die Metapher als einen »kleinen Mythus«6 bezeichnete. Der Umriss als selbstreflexive Metapher der Kunstwissenschaft erweist sich somit als eine genuine »Figur des Wissens«.7 Er fungiert als kognitive Metapher, als Denkfigur und Anschauungsform. Wie Lakoff und Johnson hervorgehoben haben, besitzen unter den kognitiven besonders die räumlichen Metaphern wichtige strukturbildende Funktion.8 Der Umriss als formkonstituierendes Element entspricht dieser Beobachtung im Hinblick auf eine Territorialpolitik der geisteswissenschaftlichen Differenzierungen: Ähnlich der Metapher der Grenze in der Philosophie steckt er auf der akademischen Landkarte des 18. Jahrhunderts das Territorium der sich etablierenden Kunstwissenschaft ab. Zudem bedeutet in einem Jahrhundert sich scheinbar grenzenlos erweiternder Kenntnisse die Konzentration auf Umrisse, die im 18. Jahrhundert vornehmlich die Umrisse der menschlichen Gestalt bezeichnen, eine Figur der Rückwendung – auf den Menschen in seiner körperlichen Integrität inmitten zerfallender Gewissheiten. 5
Johann Gottfried Herder: Plastik. In: Herders sämmtliche Werke, hg.von Bernhard Suphan. Bd. 8 (Berlin 1892) 15. 6 Giambattista Vico: Die neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker. Nach der Ausgabe von 1744 übers. und eingel. von Erich Auerbach. Mit einem Nachwort von Wilhelm Schmidt-Biggemann (Berlin/ New York 22000) 171. – Vgl. dazu Ralf Konersmann: Figuratives Wissen. In: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, a. a.O. [Anm. 3] 7–21, 8. 7 R. Konersmann: Figuratives Wissen, a. a.O. [Anm. 6] 8. 8 Vgl. grundlegend: George Lakoff/ Mark Johnson: Metaphors we live by (Chicago 1980) 56 und 59.
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Kunstwissenschaft als Wissenschaft von den Umrissen wird so zur Wissenschaft vom Menschen und seiner künstlerischen Reflexionsfähigkeit. Nicht zuletzt eignet dem Umriss als Darstellungs- und Reflexionsmedium auch eine zeitliche Komponente, die sich nicht nur in dem Konzept des unmittelbaren »Totaleindrucks« oder der prozessualen Wahrnehmung linearer Strukturen, die sich einer Lektüre annähert, erschöpft. Umrisse werden vielmehr gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der Bildenden Kunst zum Index eines Historizitätsbewusstseins: Sie reflektieren durch ihre antikisierende Stilisierung – wie im Falle Flaxmans – die irreversible Distanz zwischen Gegenwart und idealer Vergangenheit. So kann der Umriss bei Karl Philipp Moritz als anthropologisch-kulturhistorische Metapher erscheinen, wenn er zu Beginn seines Buches Anthousa – wie auch seine Götterlehre illustriert mit Kupferstichen nach antiken geschnittenen Steinen – über die Altertümer Roms schreibt, angesichts der allgemeinen, beschleunigt erfahrenen Transitorik der Wirklichkeit müsse die bildende Kunst durch Fixierung – und das heißt Verräumlichung – des in der Zeit Entschwindenden bleibende Spuren der menschlichen Bildungskraft hinterlassen: »Auf die[se] Weise muß das Gebildete in dem Geiste des Menschen, dessen Tage dahin eilen, wieder abgebildet sich verjüngen, und wir müssen in der Flucht der Zeit von den Bildern, die vorüberrauschen, gleichsam nur die Umrisse stehlen«.9 In diesem Konzept einer fortwirkenden Tradition künstlerischer Werke als Spuren menschlicher Bildungskraft werden die Umrisse zur Metapher für die Leistung der Kunstwissenschaft als historische Anthropologie. »Umrisse« sind konzentrierende und abstrahierende Abbreviaturen, sind stenographisches Archiv geistesgeschichtlicher Epochen – mehr Anschauungssubstrat als diese Inzitamente zur Vermittlung zwischen sinnlicher und rationaler Erkenntnis, so Moritz‘ implizite Diagnose, steht einer anthropologischen Ästhetik und ihrer Methodik nicht zur Verfügung. In besonderer poetischer Verdichtung präsentiert sich die Metapher des Umrisses bei Johann Joachim Winckelmann. Hier ist das Erscheinen dieser Metapher besonders signifikant, da für Winckelmann der plastische Kontur – und sein graphisch-malerisches Äquivalent, der Umriss – die ästhetische Kardinalkategorie darstellt. Idealiter erscheint der plastische Kontur für Winckelmann – und dies ist wichtig für die Frage nach den gemeinsamen Darstellungs- und Wirkungsmodi von Umrissphänomenen und Metaphern – in einer fluide-unbezeichneten Form, die sich der genauen zeichnerischen Wiedergabe ebenso entzieht wie die Metapher der begrifflich-rationalsprachlichen Definition. An Winckelmanns programmatischen Äußerungen zum Kontur in den Gedancken über die Nachahmung (1755) und in den Statuenbeschreibungen in der Geschichte der Kunst des Alterthums (1764) lässt sich zeigen, wie der Betrachter, so Winckelmanns Konzept, im geistigen Nachvollzug des plastischen Konturs die Idee des Karl Philipp Moritz: ΑΝΘΟΥΣΑ oder Roms Alterthümer. Ein Buch für die Menschheit. Die heiligen Gebräuche der Römer (Berlin 1791) 6. 9
Zur Funktion der Metaphern »Umriss« und »Kontur«
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Künstlers gestalthaft begreifen kann, die in der Materie nur defizitär zu realisieren war; der Kontur fungiert als »Graphem[] der Gedanken des Künstlers«.10 Am Ende von Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums erscheint nun ein metaphorisches Umrissphänomen: »Ich bin in der Geschichte der Kunst schon über ihre Gränzen gegangen, und ohngeachtet mir bey Betrachtung des Untergangs derselben fast zu Muthe gewesen ist, wie demjenigen, der in Beschreibung der Geschichte seines Vaterlandes die Zerstörung desselben, die er selbst erlebet hat, berühren müßte, so konnte ich mich dennoch nicht enthalten, dem Schicksale der Werke der Kunst, so weit mein Auge gieng, nachzusehen. So wie eine Liebste an dem Ufer des Meeres ihren abfahrenden Liebhaber, ohne Hofnung ihn wieder zu sehen, mit bethränten Augen verfolget, und selbst in dem entfernten Segel das Bild des Geliebten zu sehen glaubt. Wir haben, wie die Geliebte, gleichsam nur einen Schattenriß von dem Vorwurfe unserer Wünsche übrig; aber desto größere Sehnsucht nach dem Verlohrnen erwecket derselbe, und wir betrachten die Copien der Urbilder mit größerer Aufmerksamkeit, als wie wir in dem völligen Besitze von diesen nicht würden gethan haben.«11 Der Kardinalbegriff seiner Kunstanschauung, der Umriss, erscheint in diesen Sätzen als metaphorische Signatur der antiken Kunst selbst: Die abstrakte geistige Form, hier das Ideal der antiken Kunst, erscheint auf der Projektionsfläche der Imagination als »Schattenriss von dem Vorwurfe unserer Wünsche«. Die »desto größere Sehnsucht nach dem Verlohrnen«, die aus diesem Schattenriss als Repräsentanten des Abwesenden resultiert, erinnert zugleich an den Gründungsmythos der Kunst im Schattenriss. Der für die Kunst konstitutive Entzug des geliebten Objekts wird bei Winckelmann mit seinem ästhetischen Kardinalbegriff und seiner eigenen kunsttheoretischen Imaginationskraft in einer metaphorischen Abbreviatur zusammengefasst: dem Schattenriss, dem Umriss. Als kunstliterarischer Maler beweist Winckelmann nicht zuletzt mit dieser Zeichnung, dass, wie er es für die Malerei mit Blick auf die Allegorie gefordert hatte, sein Pinsel wahrhaft »in Verstande getunkt«12 war. Vierzig Jahre später, 1810, als der internationale Umrissstil seine Hochkonjunktur erlebt, findet sich ein bemerkenswerter Reflex dieser allegorisch-kunsthistorischen Umrisszeichnung in einem in Dresden erschienenen Werk mit dem Titel: Die Malerey der Griechen oder Entstehung, Fortschritt, Vollendung und 10
Markus Käfer: Winckelmanns hermeneutische Prinzipien (Heidelberg 1986) 99. Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums. Textband. Erste Auflage Dresden 1764, zweite Auflage Wien 1776, hg. von Adolf H. Borbein, Thomas W. Gaethgens, Johannes Irmscher (†) und Max Kunze (Mainz 2002) 836 f. 12 J. J. Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. In: Bibliothek der Kunstliteratur. [] Bd. 2: Frühklassizismus. Position und Opposition: Winckelmann, Mengs, Heinse, hg. von Helmuth Pfotenhauer, Markus Bernauer und Norbert Miller unter Mitarbeit von Thomas Franke (Frankfurt a.M. 1995) 11–50, 50. 11
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Verfall der Malerey. Der Verfasser, Johann Jakob Grund, bemerkt dort über die kunsthistorischen Überlieferungen bei Plinius d. Ä., dessen Werk »haben wir es zu danken, daß dieser Schattenriß einer Geschichte der Malerey auf uns gekommen und selbst der einzige ist, womit sich unsre Neugierde im Betreff dieses Gegenstandes begnügen muß«.13 Eine der wichtigsten antiken Quellen zur Kunstgeschichte wird durch die Metapher des Schattenrisses auch hier mit dem Gründungsmythos der Kunst parallelisiert, der durch das eine Wort metaphorisch als Mythos evoziert wird; die Metapher dient als genealogische Konstante, als Traditionslinie der Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte, die sich so als metaphorische Mythographie stilisiert. Diesen Aspekt führt Grund weiter aus: »Da aber die Geschichte der Malerey sich nicht von der allgemeinen Geschichte der Kunst trennen läßt; so sehe ich mich in der Nothwendigkeit, meine eigenen Ansichten von der letzten mitzutheilen, doch so, daß ich auf die bekannte Grundlinie ihrer Form, wie dort mit den Linien des Apelles und Protogenes der Fall war, eine neue und feinere Linie ziehe, womit ich den Umriß dieser allgemeinen Geschichte genauer und schöner zu geben denke, als er bisher bekannt ist.« Grund zitiert mit diesem dichten Geflecht von Lineaturen abermals Plinius d. Ä., und zwar mit der bei diesem überlieferten Künstleranekdote um die antiken Maler Apelles und Protogenes, die einen Wettstreit um die linea summae tenuitatis, die Linie größter Subtilität, austrugen, in dessen Verlauf die jeweils subtilste Linie zweimal an »Feinheit« übertroffen wurde, bis Apelles als Sieger hervorging (Nat. Hist. 35, 81–84). Zu der Frage, was genau man sich unter dieser linea und ihrer Feinheit vorzustellen habe, existierten bereits um 1800 Dutzende Lösungsvorschläge,14 an denen allein sich eine Geschichte kunsttheoretischer Paradigmen schreiben ließe. Grund jedoch vereinnahmt diese Anekdote, um sein kunsthistorisches Vorwort, nach der Winckelmann entlehnten Metapher vom Schattenriss, nun mit einer zweiten Linearmetapher zu illustrieren, die mit den Metaphern der »Grundlinie«, der »Linie« und des »Umrisses« auch strukturell den Dreischritt der Anekdote mit den mehrfach durchzogenen Linien nachund gleichsam abbildet. Grund stellt sich mit diesem metaphorischen Zitat des Linienwettstreits, kurz nach dem Zitat der Winckelmannschen Umrissallegorie, somit auch in einen kunstliterarischen Wettstreit mit dem Meister des theoretischen Konturkonzepts. Doch erschöpft sich die Verbindung von Umrissphänomenen und Metaphern nicht allein im häufigen metaphorischen Gebrauch der betreffenden Termini; sie 13 Johann Jakob Norbert Grund: Die Malerey der Griechen oder Entstehung, Fortschritt, Vollendung und Verfall der Malerey (Dresden 1810–11) X. Das folgende Zitat ebd., XIV. 14 Zu einer historischen Bestandsaufnahme vgl. bereits: Johann Dominicus Fiorillo: Ueber eine Stelle des Plinius Hist. Natur. XXXV.10. In: ders.: Kleine Schriften artistischen Inhalts. Erster Band. Mit Kupfern (Göttingen 1803) 229–242.
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deutet vielmehr auf eine prinzipielle Ähnlichkeit der Darstellungsmodi hin, die die Metapher des Umrisses zugleich als Metapher für das Metaphorische, oder mehr noch, die »Metaphorizität des Ästhetischen«15 erscheinen lassen. Konstitutiv für die Wirkungsweise der Metapher ist deren Unbestimmtheit, das Gleitende der Designation. Dies nun trifft auf verschiedene Weise auch auf Umrissphänomene zu, wie sie die Ästhetik des 18. Jahrhunderts begreift. Während bei Winckelmann der plastische Kontur idealerweise fluide-unbezeichnet erscheint, um so die ästhetische Empfindung des Betrachters zum geistigen Nachvollzug der künstlerischen Idee anzuregen, so wird in den Betrachtungen über die Mahlerey des Dresdner Kunsttheoretikers Christian Ludwig von Hagedorn (1762) ein Darstellungsideal propagiert, das zwar auch durch seine Unbezeichnung definiert ist, diese aber auf gänzlich andere Weise realisiert sieht: Hagedorns Ideal primär malerischer Darstellungsweise besteht im sanften Farbverlauf verschwommener Umrisse, dem sfumato wie in Werken Leonardo da Vincis. Hagedorn bemerkt, »[d]er Schmelz der Farben« dürfe »den genauesten Umriß nicht verbergen, sondern verhüllen«16, so dass er sich dem reflektierenden Betrachter erschließe. Überraschenderweise finden sich dieselben Formulierungen, die den verschwommenen Umrissen und ihrer Wirkungsweise auf den Betrachter gelten, fast wörtlich in Hagedorns Kapitel zur »Allegorie« wieder. Diese sieht er als zentrales Darstellungselement sowohl der bildenden Kunst als auch der Literatur; beide hätten das Recht, »Dinge, die nicht in die Sinne fallen, in sinnlichen Bildern vorzustellen.« Allerdings gesteht er ein, dass zu große »Dunkelheit« die Allegorie der Kritik ausgesetzt habe; manche Künstler hätten vergessen, »daß man die Allegorie selbst allegorisch unter einem Schleyer bilde, der sie verhülle, aber nicht unsern Augen verberge.« Dabei habe doch »[n]ur ein mäßig verhülltes, nicht aber ein verstecktes Geheimnis [] die Gabe, uns zu gefallen. Dessen Auflösung reizet unsern Verstand, und des Künstlers Vertrauen zu demselben schmeichelt unserer Eitelkeit. Ja [], unser Verstand gewinnet gerade so viel Beschäftigung, als uns nöthig ist []. In den Gegenständen der schönen Künste will unser Verstand aufgemuntert, in angenehmer Uebung erhalten, aber durch Anstrengung nicht ermüdet seyn.«17 Eben denselben Reiz, den die allegorische Darstellungs- und Bedeutungsweise auf den Verstand des Betrachters ausübt, indem sie »mäßig verhüll[t]«, »nicht aber [] versteckt[]«, konstatiert Hagedorn aber auch für den Liebhaber der Malerei, der die Umrisse der Gegenstände am liebsten wie unter einem dünnen Schleier verhüllt, aber nicht verborgen sieht. Hagedorn veranschaulicht diesen Reiz des Sfumato am Beispiele eines Portraits:
15 Stefan Willer: Metapher / metaphorisch. In: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, hg. von Karlheinz Barck. Bd.7 (Stuttgart 2005) 89–147, 106. 16 Christian Ludwig von Hagedorn: Betrachtungen über die Mahlerey (Leipzig 1762) 562. 17 Ebd. 458 f.
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»Angenehmer erscheinen gefällige Gesichtszüge zuweilen unter einem dünnen Flor, der uns [] noch mehr Schönheit errathen läßt. [] Unsere Neugier will durch mehrern Anreiz vergnügt, aber nicht gesättiget seyn.«18 Die Allegorie der Allegorie präsentiert sich zugleich als Allegorie der sfumatoMalerei: »unter einem Schleyer [], der sie verhüll[t], aber nicht unsern Augen verb[i]rg[t]«, sondern vielmehr gerade erst recht durch den »Flor« ihrer Darstellungsweise die Einbildungskraft dazu anregt, sich mit ihrer anschaulich-unanschaulichen Gestalt zu beschäftigen und ihr so imaginäre Plastizität zu verleihen. Bei Hagedorn tritt die inhaltliche Komponente nunmehr ganz zurück hinter eine prinzipielle, strukturelle Parallele der Bedeutungsweisen und Wirkungspotentiale von sfumatohaften Umrissen und Allegorie. Doch eher als um die Allegorie geht es hier – um den Darstellungsmodus der Metapher: Denn eben die Metapher, unter der Hagedorn die Allegorie der Allegorie auftreten ließ: der Schleier erscheint unter anderem bei Kant (in der Recension von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von 1785) in der metaphorischen Rede von der Metapher als einem sprachlichen Schleier oder einem semitransparenten Gewand, unter dem die Wahrheit »angenehm hervorschimmern« solle,19 woraus sich als Bedeutungsmodus der Metapher »das Durchscheinende, die Zone des Übergangs zwischen vollkommener Opazität und reiner Transparenz«20 ergibt. Dabei korrespondiert die aus der Differenz von Zeichen und Bedeutung resultierende Unschärfe der Metapher, das Gleitende der Designation als poetische Qualität, in der Bildenden Kunst sowohl dem Prinzip des malerischen Sfumato als auch dem des fluide-unbezeichneten plastischen Konturs. Und nicht zuletzt scheinen sich streng lineare Umrisszeichnungen auf besondere Weise als Metapher des Metaphorischen selbst zu empfehlen: Die Wirkungsweise von Umrisszeichnungen, durch Abstraktion und Stilisierung die eigene Medialität zu exponieren und Synthetisierungsappelle an den Betrachter zu richten, entspricht dem der Metapher eigenen Irritationsmoment, das die Reflexion über die Kluft zwischen Zeichen und Sinn anregt und ein nicht kommensurables Surplus an Bedeutung generiert. Hat die Metapher ihren Ort an der Grenze von »sinnlicher Erkenntnis« und »deutlicher Vernunfterkenntnis« bzw. in der Übertragung der einen auf die an18
Ebd. 561. Kants Vorwurf an Herder besagt, dieser habe mit kühnen Metaphern und poetischen Bildern den »Körper der Gedanken wie unter einer Vertugade« versteckt, statt ihn »wie unter einem durchscheinenden Gewande angenehm hervorschimmern zu lassen«. Immanuel Kant: Recension von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Theil 2. In: Kants Werke: Akademie – Textausgabe. Unveränderter photomechanischer Abdruck von Kants gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften (Berlin 1912/23). Bd. 8: Abhandlungen nach 1781 (Berlin 1968) 58–66, 60. Zu dieser Kritik an »der trügerischen Evidenz metapherngeleiteter Argumentationswege« vgl. R. Konersmann: Figuratives Wissen, a. a.O. [Anm. 6] 9. 20 R. Konersmann: Figuratives Wissen, a. a.O. [Anm. 6] 10. 19
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dere auf dem Wege der Analogie, wie es Baumgarten zu Beginn seiner Aesthetica für die Ästhetik selbst bestimmt – so dass man eine prinzipielle »Metaphorizität des Ästhetischen« auf dem Wege der analogischen Erkenntnis konstatieren kann21 – so entspricht die Vermittlung der Metapher zwischen Vernunft und Einbildungskraft, zwischen Unanschaulichkeit und Versinnlichung der kognitiven Leistung der Umrissdarstellung. Wie der Metapher als Element der Differenz, des synthetisierenden Denkens der Differenz und der Analogie22 eine prinzipielle selbstreflexive Komponente eigen ist, so gilt dies auch für das Konzept des Umrisses. So können Umrisse und Konturen in kunstliterarischen Texten auch als Metapher der Metapher gelesen werden, als Figur der Anschaulichkeit dessen, dem kein Vernunftbegriff je gemäß sein kann, wie es in Kants Theorie der »Hypotypose« verhandelt wird. Die Hypotypose, als »‚Übertragung der Reflexion über einen Gegenstand auf einen ganz andern Begriff, dem vielleicht nie eine Anschauung direkt korrespondieren kann. [KdU §59]«23 und Unterlegen einer sinnlichen Anschauung qua Analogie, wird zwar von Kant als »symbolische Versinnlichung« bezeichnet, in der Forschung jedoch mit der »metaphorischen Versinnlichung« gleichgesetzt.24 Die versinnlichende Anschaulichkeit der Metapher des Umrisses als einer Figur ästhetischer Erkenntnis verbleibt, als dezidiert »graphische« Figur, jedoch selbst an der Grenze von Bild zu Schrift; sie ist denkbar abstrakt und konkret zugleich. Gerade aufgrund dieser Ambivalenz stellt die Metapher des Umrisses ein zentrales Reflexionsmedium für die Herausforderung der Kunstwissenschaft dar, Bilder in Worte zu fassen. Sie scheint gerade jenen im 18. Jahrhundert hart 21
S. Willer: Metapher / metaphorisch, a. a.O. [Anm. 15] 106. Vgl. David Wellbery: Retrait / Re-entry: Zur poststrukturalistischen Metapherndiskussion. In: Poststrukturalismus. Herausforderung an die Literaturwissenschaft, hg. von Gerhard Neumann (Stuttgart/ Weimar 1997) 194–207, 196 f.: Derrida denke die Metapher »als Funktion der Unterscheidung, der Grenze, der Differenz« und betone damit nicht ihren »aussagenlogische[n] Status, sondern ihr grundsätzlich selbstbezügliches Operieren«; »[d]ie Metapher ist Thematisierung der Grenze als Paradoxie, als Einheit der Differenz und differentielle Einheit der metaphorisch relationierten Begriffe.« Vgl. auch S. Willer: Metapher / metaphorisch, a. a.O. [Anm. 15] 143. 23 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Mit einer Einleitung und Bibliographie, hg. von Heiner F. Klemme (Hamburg 2001) §59. 24 Vgl. S. Willer: Metapher / metaphorisch, a. a.O. [Anm. 14] 114: Kants »ästhetische Idee« lasse sich mit der Metapher gleichsetzen, da dieser die »ästhetische Idee als ›Vorstellung der Einbildungskraft‹ bestimmt, ›die viel zu denken veranlasst, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedanke, d. i. Begriff adäquat sein kann.‹ Damit ist sie das Gegenstück zur Vernunftidee, ›welche umgekehrt ein Begriff ist, dem keine Anschauung (Vorstellung der Einbildungskraft) adäquat sein kann.‹« (KdU § 49) Vgl. ferner R. Zill: Grenze, a. a.O. [Anm. 3] 144, und Rüdiger Campe: Vor Augen Stellen. Über den Rahmen rhetorischer Bildgebung. In: Poststrukturalismus, a. a.O. [Anm. 22] 208–225, 212 zum »radikal amimetischen Zug in der Darstellung« in Kants Hypotypose. Vgl. auch Rodolphe Gasché: Überlegungen zum Begriff der Hypotypose bei Kant. In: Christian L. Hart Nibbrig: Was heißt Darstellen? (Frankfurt a.M. 1994) 152–174, 158, und Olaf Jäkel: Wie Metaphern Wissen schaffen (Hamburg 2003) 116. 22
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umkämpften Grenzbereich zwischen den Bildenden Künsten und der Literatur zu bezeichnen und zwischen beiden Domänen zu vermitteln. Der Umriss wird als Metapher für literarische Aspekte verwendet, beispielsweise in Karl Philipp Moritz’ Konzept einer amimetischen sprachlichen Nachahmung des Schönen, die in einer »Spur auf dem Grunde der Einbildungskraft« resultiere, deren Umrisse denen des Urbildes genau entsprechen.25 Bei Herder hingegen, der 1773 beklagt, dass den zeitgenössischen Dichtungen im Gegensatz zu denen eines Homer oder Ossian der »runde Contour« mangele,26 zielt die Metapher auf fiktionale Plastizität und Unmittelbarkeit. Die Übertragung des Umrisses von der Kunst auf die Literatur führt, auf dem Wege der Metapher, das synästhetische Zusammenwirken der Erkenntnisvermögen vor, das Herder selbst hervorhebt, indem er die natürliche Disposition des Menschen zu metaphorischem Denken damit begründet, dass dieser ein »denkendes sensorium commune«27 sei, »in dem sich die unterschiedlichen Sinne analogisch und ›dunkel‹« verknüpfen.28 Doch auch umgekehrt werden auf den Umriss Metaphern des Sprachlichen bezogen, wie bei Sulzer, der bereits 1767 ein Wörterbuch philosophischer Metaphern forderte, und in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste im Artikel Umriß bemerkt: »Im Umriß kann nicht einerley Ton herrschen, wenn es ihm nicht ganz an Kraft fehlen soll. [] So wie die Wörter der Rede, die Redesätze und ganze Perioden ihre verschiedenen Accente, Hebung und Abfall der Stimme haben müssen um wolklingend zu seyn, so muß auch der Umriß Ton und Stimme abändern.«29 Die Stilistik des idealen graphischen Umrisses wird mit den akustischen Metaphern von Ton und Stimme um synästhetische Effekte angereichert. Bemerkenswert ist dabei, dass für Sulzer der »Ton« besondere anthropologisch-erkenntnistheoretische Relevanz besitzt, da er in ihm das Medium sieht, das zwischen rationalem Erkennen und sinnlichem Empfinden zu vermitteln vermag. Durch die metaphorische Übertragung des Tons werden dessen mediale Qualitäten im Hinblick auf eine Erkennen und Empfinden verknüpfende Ästhetik – die ja 25
Karl Philipp Moritz: In wie fern Kunstwerke beschrieben werden können? In: K. P. Moritz: Werke, hg. von Heide Hollmer und Albert Meier. Bd. 2: Popularphilosophie. Reisen. Ästhetische Theorie. (Frankfurt a.M. 1997) 992–1003, 998. 26 Johann Gottfried Herder: Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker. In: Herder/ Goethe/ Frisi/ Möser: Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter (Stuttgart 1999) 5–62, 36. 27 Vgl. J. G. Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. In: J.G. Herder: Werke in 10 Bd., hg. von Martin Bollacher. Bd.1 (Frankfurt a.M. 1985) 743 f. 28 S. Willer: Metapher/ metaphorisch, a. a.O. [Anm. 15] 117. 29 Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt. Neue vermehrte zweyte Auflage. Vierter Theil (Leipzig 1794 [zitiert nach dem Reprographischen Nachdruck: Hildesheim 1967]) 628–630, 628 f.
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auch der Wirkungsweise der Metapher entspricht – auf den Umriss übertragen. Die metaphorischen Grenzwechsel des Umrisses zwischen den Künsten, bei denen, nicht zuletzt durch synästhetische Effekte, Aspekte der einen Seite auf die andere geschmuggelt werden, reflektieren so strukturell die »Metaphorizität des Ästhetischen« als einer Übertragung der »niedere[n] sinnliche[n] Erkenntnis auf die höhere, deutliche Vernunfterkenntnis« »auf dem Wege der Analogie«.30 Die Metapher des Umrisses stellt also in mehrfacher Hinsicht eine Figur kunstwissenschaftlicher Erkenntnis dar: Zum einen im Hinblick auf deren eben genannte analogische Erkenntnisweise, zum andern hinsichtlich der Ambivalenz des Umrisses zwischen Gründungsmythos, Konzeptgeschichte des Terminus und dem wörtlich bezeichneten, anschaulichen Gegenstand der metaphorisch zu charakterisierenden Kunstwissenschaft. Und nicht zuletzt wird an den Umrissen der Kunstwerke die Sprache auf sich selbst und ihre genuinen Darstellungsmittel zurückgebogen. Eine Lehre von den Bildern, ihren Darstellungsinhalten, -modi und Entstehungsbedingungen, ist somit immer auch eine immanente Lehre von den Sprachbildern, mittels derer die Sprache die Bilder zu fassen versucht. Der Begriff der Ikonologie wendet sich so metaphorisch auf sich selbst zurück.
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S. Willer: Metapher / metaphorisch, a. a.O. [Anm. 15] 106.
Aurélie Zygel-Basso
La Démystification enchantée Une observation du merveilleux entre métaphores scientifiques et sensorielles dans Histoire et Aventures extraordinaires de Duncan Campbell de Daniel Defoe (1720)
Le musicien et chroniqueur Friedrich Wilhelm Marpurg raconte une anecdote facétieuse dans ses Legende einiger Musikheiligen.1 En 1720 et 1721, le luthiste Ernst Gottlieb Baron, futur théorbiste de Frédéric le Grand, séjourne à Iéna. Un soir, devant une large assemblée, il en vient à débattre avec le poète Johann Christian Günther des effets de la musique ancienne. Mis au défi de prouver la capacité des mélodies contemporaines à exciter les passions, il se livre à une démonstration flamboyante, déroulant arpèges et gammes, changeant d’harmonies, du pathétique à l’élégiaque, possédé tantôt par les Grâces, tantôt par les Furies. Son public en est si saisi qu’il manifeste bientôt physiquement, par un effet de sympathie, tous les effets de l’enthousiasme et de la fureur les plus violents. Au moment où Baron attaque une série de dissonances marquées et d’accords véritablement diaboliques, les auditeurs se mettent à renverser chaises et tables, brisant pipes et miroirs, vitres et service à café, jusqu’à dégainer brusquement des lames, et pour finir réduisent en morceaux le luth de leur nouvel Arion. Mais tout cela n’est qu’une plaisanterie et les combattants partent bientôt d’un rire général. Baron, trop crédule lecteur d’Horace et Ovide, finalement gagné luimême par le rire, s’en tire avec tous les honneurs et reçoit un superbe luth le lendemain. En ce premier dix-huitième siècle, fureur poétique et musique des sphères sont parfois de plaisants souvenirs. La métaphore du luth pour désigner les poètes ou le langage, si courante au siècle précédent chez Cyrano de Bergerac, Dowland ou dans le Criticon de Balthasar Graciàn, est devenue un topos éculé en même temps qu’un symbole nostalgique. Et pourtant, Daniel Defoe la convo1
Friedrich Wilhelm Marpurg: Legende einiger Musikheiligen (Leipzig 1977 [Cologne, 1786]) 158–161 (X.), signalé en traduction in Douglas A. Smith: A History of the Lute from Antiquity to the Renaissance (Fort Worth, Texas, 2002) 303–04. Je donne ici le début du texte original de l’anecdote: »Der ehemalige Königl. Preuss. Kammermusiker und Lautenist, Herr Ernst Gottlieb Baron, hielte sich in den Jahren 1720 und 1721 in Jena auf, und machte sich sowohl wegen seiner Geschicklichkeit auf der Laute, als wegen seiner jovialischen Laune unter den daselbst studirenden beliebt. Als er sich an einem Abend in einer zahlreichen Gesellschaft befand, den welcher auch der berühmte und unglückliche Dichter Günthrt zugegen war, so wurde unter andern vieles von den Würfungen der alten griechischen Musik geredet, und die Frage aufgeworfen, ob die heutige Musik wohl vergletchen hervorzubringen vermögend wäre. »Und warum nicht ?« fragte Baron dagegen. – »Wohlan, mein lieber landsmann und Bruder, sagte Günther, so lass dein Instrument hohlen, und zeige uns was die Kunst vermag«. Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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que avec un mélange d’ironie et de goût pour la merveille, l’année de la déconfiture de Baron, juste après avoir donné Robinson Crusoe. Avant Eliza Haywood, romancière qui fait paraître deux volumes sur le même personnage en 1724 et 1726, cette biographie fantaisiste de Defoe retrace The History of the Life and Adventures of Mr. Duncan Campbell, a Gentleman, who tho’ Deaf and Dumb, writes down any Stranger’s Name at First Sight: with their future Contingencies of Fortune.2 Entre empirisme et démonologie, l’œuvre s’inscrit dans une nébuleuse de rapports sur le »docteur« Campbell (1680–1730), sourd-muet né en Laponie de père écossais, voyant grâce aux visites d’un démon personnel, coqueluche de la bonne société de Londres, vendeur d’une poudre miraculeuse et de pierres magnétiques d’Égypte, présenté au roi cette même année 1720, mais moqué par Steele et Addison dans les journaux The Tatler et The Spectator (Aitken 8–9).3 Duncan, né coiffé et miraculeusement pourvu de trois dents, tient le don de seconde vue et un corps éloquent de sa mère, qui avait commencé sa liaison avec Archibald Campbell, son père, en faisant des signes de joie et en pleurant au récit de ses aventures. Son sexe est annoncé par l’apparition d’une étoile au-dessus de la lune, selon une croyance lapone.4 À l’âge de quatre ans (chapitre II), Démocrite à la mamelle, il entre en scène dans le récit en poussant des rires tonitruants lors de sa rencontre avec un savant pasteur qui lui apporte la méthode d’enseignement du langage des signes, puis de l’alphabet écrit, par le docteur Wallis (John Wallis, 1616–1703). Il est donc dès sa naissance triplement déterminé par des métaphores d’harmonie et de sympathie: musicale, physiologique, astrologique. Cinq ans plus tard (chapitre IV), le narrateur est témoin d’une scène d’extase chez le garçon. Revenu à lui, ce dernier témoigne d’entretiens avec l’eudémon (démon bienveillant) en forme de sylphe enfant qui le visite. Le petit Campbell raconte comment à cette occasion, par magie naturelle, il entend une forme de musique muette (Defoe 69–75, surtout 74–75). Au chapitre VI, l’instance narrative »Moi« retrouve un Duncan âgé de quinze ans, transfiguré, lumineux, en majesté au milieu d’un cercle d’admiratrices. Entre les deux, un passage du chapitre V, pris en charge par le narrateur, explique cette transmuta2
Daniel Defoe: Life and Adventures of Mr. Duncan Campbell, 2e éd. (London 1720) [Brit. Libr. 10825.bb.32]. Toutes les références qui suivent en anglais renvoient à la même édition et commencent par »Defoe«. Pour la traduction française de l’édition de George A. Aitken, voir Daniel Defoe: Histoire et aventures extraordinaires de Duncan Campbell (Paris 2003). Les références à cette édition, entre parenthèses dans le texte, commencent par »Aitken«. 3 Béatrice Fink: De la poudre de sympathie et de ses effets surprenants. In: Les Discours de la sympathie: enquête sur une notion de l’âge classique à la modernité, publ. par Thierry Belleguic, Éric Van der Schueren, Sabrina Vervacke, introduction et postface de Jean-Pierre Cléro (Québec 2007) 67–76, notamment sur Kenelm Digby: Discours fait en une célèbre assemblée touchant la guérison des plaies par la poudre de sympathie (1666 [1658]), abondamment cité par Defoe pour l’épisode de la guérison de Jacques Howell, secrétaire du duc de Buckingham. 4 Sur l’exotisme du Nord, voir le colloque Arctic discourses (Tromso 21–23/2 2008) et la communication de Linda Andersson Burnett, University of Edinburgh: The Appeal of the Magical North in Eighteenth-Century British Literature.
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tion de l’identité et de l’âme du héros par une métaphore musicale. Il s’agit de quelques lignes portant sur le phénomène de sympathie qui fait vibrer ensemble deux luths placés l’un en face de l’autre: »And tho’ tis most certain, that Two Lutes, being both strung and tuned to an equal Pitch, and then one play’d upon, the other, that is not touch’d, being laid upon the Table, at a Distance, will (like an Eccho to a Trumpet) warble a faint audible Harmony, in Answer to the same Tune; yet many will not believe, that there is any such Thing as a Sympathy with Souls« (Defoe 87). L’image des cordes sympathiques de l’instrument constitue un pivot essentiel du récit, et plus largement des discours sur le corps à cette époque. En effet, entre deux portraits du personnage de Campbell enfant puis adolescent, la métaphore organologique permet une véritable incarnation du merveilleux comme révélateur de l’être profond. Or, les langages figurés, les usages de la métaphore ici à l’œuvre sont souvent encore ceux du siècle précédent. Cela ferait de Campbell un texte »attardé« si l’on adoptait une perspective finaliste. En tout cas, il se déroule à la croisée des discours sur l’âme et le corps du premier XVIIIe siècle. Comme le souligne Patrick Dandrey, »Un renversement est […] en passe de s’accomplir entre référent et image: au terme de ce renversement, dire que l’aimant a de la sympathie pour le fer sera désormais ressenti comme une métaphore, et non plus qu’une personne a de la sympathie pour une autres.«5 Grâce à une mise en perspective des métaphores dans ces deux portraits écrits, puis de l’iconographie qu’elles évoquent et reflètent, je tenterai de montrer en quoi L’Histoire de Duncan Campbell, entre méthode d’enseignement pour les sourds-muets et discours sur la seconde vue, établit, par la figure du démon-sylphe, un lien vibrant entre raison et merveilleux.
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Patrick Dandrey: Entre medicinalia et moralia: la double ascendance de la »Sympathie«. In: Les Discours de la sympathie, 3–23, 17. Plus loin, une comparaison entre la Relation du voyage d’Espagne d’Aulnoy (1691) et Les Époux malheureux de Baculard d’Arnaud (1745), montre le passage de la sympathie comme »principe et […] facteur du rapprochement« à »un sentiment éprouvé«: »Entre la »sympathie d’humeurs« ou »d’inclinations« évoquée par Mme d’Aulnoy et le »mouvement de sympathie« allégué par Arnaud, l’interversion de la complémentation fait emblème d’un renversement entre image et référent survenu dans le mode de représentation de l’univers psychique au tournant entre XVIIe et XVIIIe siècles« (17). Enfin, à propos de la Dissertation épistolaire à Guillaume Cole de Thomas Sydenham (1682), sur les hystériques: »Comme si le langage de l’image tentait ici de détacher de la réalité matérielle (»l’Homme extérieur«) les principes d’une autonomie de la psychologie (»l’Homme intérieur«) dans le moment même où s’affirme la sympathie de l’être intérieur avec la machine externe. […] dans ce modèle imagé et audacieux, c’est désormais le corps qui se fait image des désordres de l’âme, scène de son théâtre«(21).
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I. L’annonce faite à Duncan: féerie et métaphores sensorielles Les deux tiers de l’ouvrage en huit chapitres sont consacrés à une démonstration compilatoire qui ressemble parfois à des miscellanées, assaisonnée d’exemples philosophiques, placée dès la page de titre sous le signe du De divinatione de Cicéron: »Gentem quidem nullam video neque tam humanam atque doctam; neque tam immanem tamque barbaram, quæ non significari futura et a quibusdam intellegi prædicique posse censeat«.6 Defoe, dont le beau-fils Henry Baker (1698–1774) s’intéressait au microscope et à l’éducation des enfants sourds-muets, se réfère à des sources contemporaines très diverses: le Saducismus Triomphatus de Joseph Glanvill (1681), une réponse à John Webster sur la réalité des sorcières et apparitions, le traité de John Beaumont An Historical, Physiological and Theological Treatise of Spirits, Apparitions, Witchcrafts, and Other Magical Practices (1705), des récits d’apparitions et prophéties, une évocation des îles d’Écosse qui traite aussi de la seconde vue (Martin Martin, 1703). L’auteur de l’introduction, qui se défend plaisamment de donner un récit fabuleux, présente Duncan Campbell comme une Vie de… à la Plutarque, un anti-Rape of the Lock, le poème de Pope largement connu pour son petit peuple de sylphes et apparitions pseudo-épiques. Il reviendra au surnaturel dans la dernière section de ses Serious Reflections during the Life and Surprising Adventures of Robinson Crusoe (1720), intitulée »A Vision of the Angelick World«, puis dans The Political History of the Devil (1726) et An Essay on the History and Reality of Apparitions (1727).7 Defoe manifeste ici le désir de faire sortir le surnaturel du monde de la superstition, employant à cet effet la langue de l’expérience pour mettre en évidence le caractère limité et relatif des facultés humaines. Au XVIIIe siècle, une vingtaine d’œuvres, étudiées entre autres par Philippe Sellier, reprennent la mythologie du sylphe8. L’illustre Comte de Gabalis de Villars (1670) a ouvert la voie d’un merveilleux purgé, selon la formule de Max Milner, »de tous les éléments sombres et déprimants dont l’imagination des démonographes l’avait
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»Certes, je ne connais aucune nation, si civilisée et savante fût-elle, ni si monstrueuse et barbare fût-elle, qui ne juge que l’on ne puisse annoncer les événements à venir, et que certaines personnes ne soient en mesure de les comprendre et les déterminer«. Defoe, épigraphe de la page de titre, je traduis. 7 Jeffrey Hopes: Real and Imaginary Stories: Robinson Crusoe and the Serious Reflections. In: Eighteenth-Century Fiction (8,3 1996). Les arguments de Rodney M. Baine, qui refusait la paternité de l’œuvre à Defoe, ont semblé peu convaincants à la critique ultérieure. Voir Rodney M. Baine: Daniel Defoe and the Supernatural (Athens, Georgia 1968), et entre autres Maximillian Novak, Daniel Defoe and the Supernatural by Rodney M. Baine (The Review of English Studies New Series 21,82 mai 1970) 215–217. 8 Philippe Sellier: L’invention d’un merveilleux: Le Comte de Gabalis (1670). In: Amicitia Scriptor, Mélanges offerts à Robert Mauzi (Paris 1998), 54 n. Voir à ce propos R. Laufer (publ. par): Le Comte de Gabalis (Paris 1963) 48–54, et Edward D. Seeber: Sylphs and other elemental beings. In: French Literature since Le Comte de Gabalis (1670) (P. M. L. A. 1944) 80–83, ainsi que Michel Delon (publ. par): Sylphes et sylphides (Paris 1999).
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peuplé«.9 Loin du modèle originel du De nymphis de Paracelse, on voit alors apparaître une foule de »petits démons de fantaisie«10 qui appartiennent moins au »merveilleux vraisemblable« préconisé par les théoriciens de l’âge classique, qu’à un merveilleux qui fleurit dans leurs marges et malgré leurs préceptes. On y voit se mêler sacré et profane au service d’un »vraisemblable humoristique« (Sellier 61), vers un vraisemblable joyeux, une »euphorisation« (Sellier 61–62) des rapports, amicaux et souvent amoureux, entre les êtres magiques et les hommes. Sur le plan théologique, le christianisme est à concilier avec les esprits. Defoe, on l’a dit, s’inscrit dans la filiation des traités qui fleurissent sur le surnaturel.11 Jean-M. Goulemot12 montre comment se constitue alors un nouveau discours savant en quête de cohérence externe, qui rejette la superstition populaire, traite le merveilleux, biblique notamment, comme un objet de savoir, et s’éloigne des traités de démonologie comme ceux de Del Rio ou de Bodin, dans lesquels dominait une taxinomie interne. La nouvelle voie à explorer est celle d’une magie désenchantée. De nombreux conteurs et conteuses français du XVIIIe siècle la suivent, qui mêlent avec bonheur féerie, posture postcritique et complicité avec leur lecteur, par exemple Crébillon, Cazotte, Prévost dans la préface des Contes de Mme de Lintot en 1735. Chez Defoe, le propos d’ensemble est rendu possible parce qu’incarné lors de ce premier épisode de possession bienheureuse, rendu dans la langue de l’expérience. En effet, l’évocation du narrateur, qui retrace méthodiquement les manifestations de la transe, procède selon le protocole d’un diagnostic médical pathognomique: position du corps (»sitting up in his Bed, with his Eyes broad open, but as motionless as if he had been asleep«), teint fleuri (»a lively, beautiful Colour, which the little, pretty, fair, Silver-hair’d Boy always had in his cheeks«, Defoe 69), mouvement (»as motionless as if he had been asleep, or even […] as if he had been quite dead«, Defoe 69–70), souffle (»He did not seem so much as to breathe«, Defoe 70), fixité des yeux (»The 9
Max Milner: Le Diable dans la littérature française de Cazotte à Baudelaire, 1772–1861 (Paris 1960) t. I 71. 10 Voir aussi M. Claude Chantalat: À la recherche du goût classique (Paris 1992), chapitre »Les ris et les grâces«, sur la fantaisie, et Philippe Sellier: Une Catégorie-clé de l’esthétique classique: le »merveilleux vraisemblable«. In: La Mythologie au XVIIe siècle, actes publ. par Louise Godard de Donville (Marseille 1982) 43–48. 11 Voir Jean-Baptiste Thiers: Traité des superstitions selon l’Ecriture sainte, les décrets des conciles et les sentiments des saints Pères et les théologiens (Paris, 1697–1704 [1679]). Pierre Lebrun: Histoire critique des pratiques superstitieuses qui ont séduit les peuples et embarrassé les sçavants (Paris, Delaulne 1732–37 [1702]). Dom Calmet: Dissertation sur les apparitions des anges, des démons et des esprits, et sur les revenants et vampires de Hongrie, Traité sur les apparitions des esprits et sur les vampires et les revenants (Paris, de Bure l’aîné 1746). Abbé Nicolas Lenglet Dufresnoy: Recueil de dissertations anciennes et nouvelles sur les apparitions, les visions et les songes (Avignon; Paris 1751–52). Lebrun, abbé Thiers, publ. par J. Bellon de Saint-Quentin et J.-F. Bernard: Superstitions anciennes et modernes, préjugés vulgaires qui ont induit le peuple à des usages et à des pratiques contraires à la religion (Amsterdam 1733–1736). 12 J.-M. Goulemot: Démons, merveilles et philosophie à l’âge classique. In: Philosophie et superstition (1980) 1223–1250.
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Eyelids of him were so fix’d and immovable, that the Eyelashes did not so much as once shake, which the least Motion imaginable must agitate«, Defoe 70), posture de la tête (»he held his Head sideways, with his Mouth wide open, and in a list’ning Posture«), minutage de l’observation (»After a steadfast Gaze, which lasted about Seven Minutes«, Defoe 70), gestes de retour à la normale (»he smil’d, and stretch’d his Arms, as one recovering from a Fit of Indolence, and rubb’d his Eyes«, Defoe 70). La méthode n’empêche pas l’ironie (»Not to say that he was like a Person in an Ecstasy, he was at least in (what we commonly call) a brown Study to the highest Degree, and for the largest Space of Time I ever knew« (Defoe 60). Brown study désigne un état de rêverie profonde assimilée à la mélancolie; faut-il y voir un jeu de mot avec study, qui désigne aussi en arts graphiques un croquis, une étude de tête ? On le croirait: à peine éveillé, le jeune oracle demande par gestes une plume, de l’encre et du papier pour transcrire son expérience de possession. Dans son dialogue avec »Moi«, il compare les »fibres« du corps à autant de cordes dont la vibration provoque un plaisir intense dans son cerveau lorsque le génie de sa vision agite une clochette. Le lexique du plaisir lié au chatouillis et celui d’une petite mort quasi orgasmique reviennent à de nombreuses reprises en deux pages, surtout sous le régime de la comparaison (»he tickles my Brain strangely, and gives me an incredible Delight of Feeling in the Inside of my Head«, »Tis sweeter to the Feeling, methinks, than anything is to the Taste: It is just as if my Head was tickled to death, as my Nurse used to tickle my Sides«, Defoe 72). La clochette sacrée provoque ainsi une réaction immédiate des fibres (»it makes Things like little Strings, tremble in my Temples, and behind my Ears«, Defoe 72) qui rappelle à l’enfant la vibration des cloches de son église, en plus délicieux (»that made my Head throb as if it would break, and this tickles me and makes, as it were, little Strings on the back of my Ears dance and tremble like Anything; is not that like your way of Hearing ?«, Defoe 72). Pour finir, le jeune Duncan décide que les plaisirs sans mélange de l’ouïe, interne ou externe, sont sans conteste bien supérieurs à ceux de la vue ou du toucher. Il décrit là les vibrations de son oreille interne ainsi évoquées par Jamie Croy Kassler: »Hearing by bone conduction is a combined effect of compressions of the entire skull and of the auditory meatus, together with shaking movements of the skull with a complicated frequency pattern«.13 Defoe cite plus loin la Magia naturalis (1558) de Giambattista della Porta (1534–1615), physicien intéressé par l’optique, la démonologie et le magnétisme. Pour l’analogie des luths résonnants dont j’ai parlé, il s’inspire largement de la démarche matérialiste et mécaniste de Francis Bacon (1561–1626, Sylva sylvarum 1626), ainsi que des travaux sur la structure de l’oreille, les membranes, les nerfs auditifs et la ré-création par 13
Voir Jamie Croy Kassler: The Beginnings of the modern philosophy of music in England. Francis North’s A philosophical essay of musick (1677) with comments of Isaac Newton, Roger North and in the Philosophical transactions (Aldershot/Burlington 2004) 58.
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l’ouïe de l’anatomiste Helkiah Crooke (1576–1635, Microcosmographia 1615). Le chatouillement ou tickling vient des Passions of the Mind du catholique Thomas Wright (1561–1623, 1601),14 relues à la fin du XVIIe siècle par Kenelm Digby (1603–65, Treatise on the Nature of Bodies 1645), Thomas Willis (anatomiste, 1621–75) ou Robert Hooke (1635–1703). On retrouve les petits filets et les secousses chez Descartes.15 L’image de la musique muette évoque des traités de médecine sur l’audition »par les dents«, par exemple les réflexions de John Bulwer, chirosophe,16 William Holder (»Account of an Experiment, concerning Deafness«, 1668), ou encore l’œuvre du luthiste presque sourd Thomas Mace, adepte d’un mysticisme des nombres lié à la notion d’harmonie, qui raconte comment il transforma son luth en élargissant la rose et en ajoutant des cordes pour en augmenter la résonance.17 À la manière de Bacon, l’expérience sensuelle de Campbell est inductive. Tout se passe comme si la métaphore première du chatouillement faisait advenir la cascade de comparaisons merveilleuses qui accompagne le portrait du démon en berger dansant, et dont la tonalité infantile tranche avec l’aura mystique de la transe. Accompagné d’un mouton galant, couronné de roses et de primevères, une cloche d’argent, un crayon et un livre à la main, il rappelle bien des contes de fées (la première traduction anglaise illustrée des contes de Mme d’Aulnoy date de 1715). Son visage et ses mains sont aussi blanches que neige,18 ses joues et ses lèvres rouges comme des cerises, son souffle plus parfumé que les pochettes de senteurs, ses cheveux ressemblent à des fils d’argent, brillants comme les rayons du soleil, sa longue robe est aussi bleue que l’azur d’un beau jour et brodée de paillons étincelants comme les étoiles de la nuit. Le collier de l’agneau porte neuf clochettes, sa laine, blanche comme le lait, est nouée en touffes par des rubans de
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réf. À la 2de éd. n. p. 1604, 168–171, paginé par erreur 117, cité in Penelope Gouk: English Theories of Hearing in the Seventeenth Century. In: Mark Smith/Michael Smith: Hearing history: a reader (Athens, Georgia 2004) 136–150, 140. 15 Voir n. 18 et la référence à T. Psychoyou. 16 John Bulwer: Chirologia, or the naturall language of the hand… (London 1644). Manuscrit: Philocophus, or the Dumbe mans academie wherein is taught a new and admired art instructing them who are borne Deafe and Dumbe to heare the sound of words with theire eie and thence learne to speake with theire Tongue: illustrated with engraved plates shewing the different portions of the hands… (British Library Sloane 1788). 17 Le luthiste crée par ailleurs un double instrument dont la configuration rappelle le topos de la sympathie des deux luths placés l’un en face de l’autre, topos qui réapparaît plus loin dans son traité (204): »It being absolutely the Lustiest or Loudest Lute, that I ever yet heard; for although I cannot hear the least Twang of any other Lute, when I Play upon It; yet I can hear This, in a very Good Measure; yet not so Loud, as to Distinguish Every Thing I Play, without the Help of My Teeth; which when I lay Close to the Edge of It, (there, wherer the Lace is Fix’d) I hear All I Play Distinctly«. Thomas Mace: Concerning the Dyphone: or Double-Lute, The Lute of Fifty Strings. In: Thomas Mace, Musick’s Monument (Paris 1958–1966 [1676]) vol. 1, 203–206, 203. Je remercie vivement Madeleine Owen, luthiste et théorbiste, d’avoir attiré mon attention sur cette source. 18 Je souligne en reprenant la traduction de l’édition Aitken.
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toutes les couleurs, comme les cheveux d’une fillette et piquetée de roses et de violettes en forme de diadème. Mais la fin de l’épisode montre notre petit prophète d’Edimbourg, éveillé cette fois, véritablement contaminé par l’enthousiasme pythique sous les yeux de »Moi«: »But I hear the little Bell again; the little Boy is angry with me; he pull’d me Twice by the Ear, and I would not displease him for any Thing; so I must get up, and go immediately, to the Joy and Delight of my Life« (Defoe 75). Cet étrange épisode de saisissement par la musique permet une métamorphose mimétique du vates (prêtre-poète). Comme le luth passif de l’analogie, Duncan Campbell était instrument aux deux sens du terme, vase sacré, sibylle, matière de l’inspiration du génie. Dans le second portrait, il accède lui-même à une majesté toute divine, toute spirituelle. Il n’est que de regarder les gravures: de notre édition la troisième planche (Defoe, pl. en reg. p. 71, grav. J. Clark) illustre le premier épisode dont je viens de parler, et montre Duncan et son génie. La quatrième et dernière est placée entre les deux pages du second portrait et porte une référence à Ovide en légende (pl. en reg. p. 129, grav. J. Clark). Sur le cartouche en haut du médaillon, à la place du »Gnôti seauton« ou »connais-toi toi-même«, on a la mention du »Delphos«, c’est-à-dire le delphien, Apollon. Dans la devise, un jeu sur notus. Le mot, pris comme participe, signifie »connu«, et la devise est donc »Campbell est connu sur toute la terre« mais Notus peut aussi désigner le vent du Midi, souffle d’inspiration chez Virgile par exemple.
II. La »cohorte angélique«: seconde vue et musique des sphères Le second portrait montre un Duncan Campbell-Christ accédant au salon de la bonne compagnie londonienne. Six femmes, autant de Madeleines, le coiffent, lui baignent pieds et mains, lui essuient le visage et – détail dissonant – arrangent sa cravate. Faut-il se contenter d’y voir un cercle mondain tout adonné aux plaisirs de la conversation et de la galanterie ? Si la dimension satirique de l’extrait est certaine, la prégnance des métaphores célestes nous interdit d’en rester là. La lecture de ce passage, qui rassemble les iconographies curiale, religieuse et alchimique, est multiple. La transfiguration du personnage en majesté se traduit aussi par une inversion du rapport entre les comparaisons et les métaphores, ces dernières bien plus nombreuses que dans le premier portrait. On a l’impression que les comparaisons, qui inscrivaient le portrait dans un premier tissu ou cercle inférieur de références à la fiction merveilleuse, cèdent la place aux métaphores spirituelles et cosmiques. Le chapitre précédent (chap. V) montrait l’extase d’un poète avec un récit du Tasse visité par un génie. Ici, on accède à une étape supérieure, une sorte de transsubstantiation a lieu dans le texte. Ainsi, comme on va le voir, après la première visite du génie merveilleux, le sourd-muet adolescent se met à lui ressembler par sympathie physique. Par ailleurs, les manife-
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stations de l’extase observées par le narrateur se retrouvent ici, mais amplifiées et annoblies. Sa première catalepsie devient perfection, équilibre harmonieux. On a d’abord tout un réseau du blanc: les cheveux »of a Fine Silver Colour« sont peignés avec »an Ivory Comb, in a Hand as White, and which a Monarch might have been proud to have had so employ’d in adjusting the Crown upon his Head« (Defoe 129). La lumière nimbe une vision céleste par le narrateur: »to find my self emcompass’d and surrounded by a Circle«, »my eyes beheld«, »in the Center of this Angelick Tribe was seated a heavenly Youth«, »his Face was divinely Fair« (Defoe 128). Roi céleste ou souverain mondain ? Des comparaisons picturales font de Duncan une allégorie en même temps qu’un portrait royal, le visage »ting’d only with such a sprightly Blush, as a Painter would use to Colour the Picture of Health with, and the Complexion was varnish’d over by a Blooming«, les yeux »large, full of Lustre, Majestick, well set, and the Soul shone so in them, as told the Spectators plainly, how great was the inward Vivacity of his Genius« (Defoe 128). Là encore, c’est la musique qui fait le lien entre les deux régimes d’images. Car la scène évoque aussi l’harmonie des sphères par les six adoratrices disposées en cercle parfait autour du prophète. On peut y lire une allusion plus moderne aux six tons musicaux entiers de la gamme diatonique chez Bacon, aux réflexions sur les intervalles consonants chez les Galilée, père (Vincenzo), fils et frère (Michelangelo) ou Mersenne.19 Dans la philosophie hermétique, la science alchimique est souvent appelée l’Art de Musique, et à chaque accord correspond un degré dans la transformation de la matière. Autour du jeune homme resplendissant, les six créatures sont autant de planètes correspondant à des métaux, annoncées dès l’épître liminaire signée Ducan Campbell (xv–xvj). Il y a de l’ironie dans ce rapprochement des femmes et des sphères célestes, car le récit à double sens en dit long sur la chair et ses plaisirs. Le prophète est aussi un éphèbe qui attise tous les désirs, toutes les gourmandises. Son portrait n’est pas sans évoquer ceux des jeunes Bacchus ou les sylphes séducteurs de mortelles dans les contes du temps – d’ailleurs, ses cheveux tombent en boucles ou »Ringlets like the curling Tendrils of a copious Vine« (Defoe 128). Les six femmes sont »the most beautiful Females«, Duncan, »ripening into Manhood« (Defoe 129) possède »the most winning comeliness of Aspect«, son visage porte »a Blooming, like that of flourishing Fruit, which had not yet felt the first Nippings of an unkind and uncivil Air« (Defoe 128). La contemplation néoplatonicienne de la beauté enflamme aussi d’un feu moins chaste. À la différence des cinq Marthes, la dernière femme, une Marie, ne résiste pas à dérober au jeune homme un baiser, »and blush’d at 19
Marin Mersenne: Traité de l’Harmonie universelle (Paris 1627) et Harmonie universelle, (Paris 1636). Voir Théodora Psychoyou: D’art et de science au temps de Louis XIII ou de la musique comme un Janus. In: Regards sur la musique au temps de Louis XIII, publ. par Jean Duron (Wavre, Mardaga 2007) 45–64, 48–49 sur le monocorde de l’Harmonie du Monde, 56–57 pour la citation du traité de L’Homme de Descartes, De l’ouïe et de ce qui fait le son (Paris 1633, publ. 1664).
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the innocent Pleasure, and mistook her own Thoughts as if she kiss’d the Angel and not the Man« (Defoe 130)… Entre les deux états de Duncan Campbell, enfance et jeunesse, deux sympathies d’ordre musical ont permis la communication du feu sacré et l’intériorisation de la lumière: par les fibres du corps, par l’harmonie des esprits. Les livres aussi sont sympathiques: il y a le Grand Livre, celui que tient le génie, et le cahier où l’enfant recopiait. La planche évoquée précédemment, où le héros comme le Génie tiennent chacun un volume, rappelle d’ailleurs les images d’évangélistes fort répandues. À la fin de l’épisode, le voyant Campbell, qui ne recopie plus les prédictions mais accède à l’interprétation des signes, pourra déchiffrer à livre ouvert le visage de la jeune fille venue le consulter, qualifiée de »so fair a Book« (Defoe130). L’image du livre de la Nature souligne l’importance de l’allusion alchimique dans notre passage. Defoe, qui évoque souvent Andreas Libavius, se réfère à une théorie corpusculaire de la matière héritée de Descartes, Gassendi et Robert Boyle, ainsi qu’à la minéralogie. Il s’inspire sans doute d’un traité moins connu, la Metallographia (1671) de John Webster (1611–1682), lue attentivement par Newton et louée dans les Philosophical Transactions de la Royal Society de Londres et le Journal des sçavans.20 En effet, Webster y développe l’idée paracelsienne (chez Petrus Severinus par exemple, Idea medicinae, 1571) d’une semence unique des métaux elle-même composée de particules, semence qui contiendrait un »Archeus« ou idée formatrice, assimilée à un esprit d’origine céleste – notre Apollon. Pour illustrer cette idée, les planches de nombreux traités théosophiques ou alchimiques des deux siècles précédents, d’ailleurs souvent influencés par l’imagerie de dévotion, représentent la pierre philosophale sous les traits d’un roi ou soleil à la triple couronne entouré de six Muses assimilées aux métaux ou planètes Lune, Mars, Mercure, Jupiter, Vénus et Saturne, qu’il ressuscite. On peut songer aux planches de Matthaüs Merian ou Balthazar Schwan pour des sommes comme l’Opus medico-chymicum ou la Philosophia reformata de Johann Daniel Mylius (1618 et 1622), ou celles de la plus célèbre, l’Atalanta fugiens de Michael Meier gravées par Jean Théodore de Bry (1618). Ainsi, le frontispice du Musaeum Hermeticum21 montre les quatre éléments, milieux des salamandres, sylphes, gnomes et ondins dans les démonologies du temps. »Au centre le sceau de Salomon ou Étoile de David, […] hiéroglyphe de la Pierre Philosophale […]. En dessous, Apollon fait résonner la lyre de l’harmonie au milieu des Muses (au nombre de six, correspondant chacune à un métal et à une contrepartie céleste)«.22 D’ailleurs, Campbell était déjà qualifié de »little Apollo« (Defoe 63) et de »young Seer« (Defoe 66) dans son enfance. 20 Antonio Clericuzio: Alchimie, philosophie corpusculaire et minéralogie dans la Metallographia de John Webster. In: Revue d’histoire des sciences (49,2 1996) 287–304. 21 Musaeum Hermeticum (Francfort 1625), in-4°, frontispice, 17,5 x 10,5 [Paris, BnF R-8079]. 22 Stanislas Klossowski de Rola: Le Jeu d’Or. Figures hiéroglyphiques et emblèmes hermétiques dans la littérature alchimique du XVIIe siècle (Londres 1988, Paris 1997) 186.
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On pourrait donc lire le parcours de Duncan Campbell comme un passage initiatique du songe de Jacob à l’épiphanie de la pierre philosophale, où le personnage visité, matière brute, ou materia prima, devient Adepte dans la lumière de la révélation. Le frontispice du célèbre traité alchimique intitulé Mutus Liber (1677)23 porte d’ailleurs cette scène du dormeur visité par l’ange qui sonne de la trompette – dans Duncan Campbell, il agite une clochette d’argent, mais la trompette, instrument de gloire, revient à la dernière planche de notre Duncan (Rola 266–67). Pour le Mutus Liber, la gravure de la page de titre est encadrée par la couronne de roses que l’on retrouve sur la tête du démon de Campbell. De la même façon, les gravures de notre édition de 1720, au nombre de quatre si l’on excepte le frontispice, forment un parcours initiatique. Le choix des épisodes montre l’importance des deux moments que j’ai évoqués, puisque chacun d’eux se voit illustré. Deux gravures donnent à voir le mouton, version pastorale du bélier, élément alchimique. Vues comme une série, les quatre images forment un parcours aux étapes groupées par deux, alternant expérience (pl. en reg. des p. 8 et 71) et image ordonnatrice (le tableau du langage des signes, pl. en reg. p. 38 ou l’allégorie apollinienne, pl. en reg. p. 129). La première gravure montre les voyages du père Campbell en quête d’œufs d’oiseau sur le rocher du Noss de Brassah et rappelle les scènes alchimiques où l’on voit le Fils amené sur une haute montagne où il reçoit les influences célestes (processus appelé sublimation du Fixe, Rola 197). La deuxième, le tableau, se réfère à l’apprentissage du jeune Campbell. Elle reprend la correspondance entre signes et lettres de l’alphabet déjà exposée dans le Mercury, The Secret and Swift Messenge de John Wilkins (164124), la réflexion sur les sons de la Grammatica linguae anglicanae (Wallis, 1653) et surtout la Lettre du Dr John Wallis à Mr Thomas Beverly (Philosophical Transactions, 1698). La troisième, on l’a dit, s’inscrit dans une culture visuelle de la scène de révélation où les deux livres, le grand et le petit, entrent également en sympathie. La quatrième est un portrait en gloire qui répond au frontispice, avec un rapport inversé puisque les figures du génie et de l’agneau, pleines de révérence, sont à l’entrée du temple de Campbell. Ainsi, le regard du spectateur des gravures suit le déplacement, mais aussi la disparition progressive, des corps, du récit viatique initial à l’immortalité apollinienne par le tombeau, au sens d’hommage. The History of the Life and Adventures of Duncan Campbell n’est ni chair ni poisson, et c’est très bien ainsi. Loin de trancher entre utile et agréable, magie et raison, Locke et Bodin, figures anciennes et langue moderne, la vibration
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Altus [Jacob Sulat?]: Mutus Liber (Rupellae 1677), in-fol., 26,5 x 18 [Paris, BnF, VELINS-
514]. 24 Sur l’histoire des méthodes d’enseignement aux sourds-muets au XVIIe siècle, voir Charles F. Mullett: »An Arte to Make the Dumbe to Speake, the Deafe to Heare«: A SeventeenthCentury Goal. In: Journal of the History of Medicine (avril 1971) 123–149, 130 pour la référence à Wilkins.
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sympathique de l’œuvre lie morale et merveille grâce aux plaisirs de l’imagination. Elle gagne le lecteur / spectateur des gravures et l’entraîne vers ce qu’Addison, en 1712, définissait dans le journal The Spectator comme »composition enchantée« ou »a fairy way of writing«.25 L’univers du petit Apollon et de son génie miniature relève de l’emblème ancien et de l’inspiration, mais aussi du sourire complice qui fait coexister de manière bimodale dans les paratextes et dans la fiction du début du siècle »conscience et oubli de fictionnalité«.26 Au moment de conclure Duncan Campbell, le Defoe journaliste unit les deux langues et s’adresse à deux publics: les amateurs de placere ou »merriest Adventures«, les adeptes d’une morale »sober, instructive, and edifying […] which, to those who are not willing to believe the Stories, is reckon’d sufficient to recommend even Fables themselves« (Defoe 296). La parabole des deux luths est ici creuset, lieu de communication des métaphores musicales, médicales et astrologiques avec la fiction: le cercle enchanté des planètes ou Muses autour de Campbell est aussi celui, idéalisé, de la concorde des sexes et de la conversation, cher aux contes.27 Au terme du périple, il faut se retourner, à la manière d’Orphée, vers le seuil du texte, pour se taire provisoirement. Car c’est au tour du lecteur d’être saisi, chatouillé, soulevé par l’enthousiasme poétique, donc musical, des »Verses to Mr. Campbell« du début. On y trouve alors en note un renvoi à la page de la troisième gravure (Defoe 71), en une boucle ou coda qui unit texte, image et musicalité poétique: »I court no Muse amidst the tuneful Throng, Thy Genij CAMPBELL, shall inspire my song.
25
Jean-Paul Sermain: Le Conte de fées du classicisme aux Lumières (Paris 2005) 152–55. Au lieu d’une conception bipolaire de l’illusion (»oscillation entre conscience de fictionnalité et oubli de fictionnalité«). Voir Jan Herman, Mladen Kozul et Nathalie Kremer: Crise et triomphe du roman au XVIIIe siècle: un bilan. In: Le Second Triomphe du roman du XVIIIe siècle, publ. par Philip Stewart et Michel Delon (Oxford, SVEC 2009:2) 29–66, et la critique de Marian Hobson: The Object of Art: the theory of illusion in eighteenth-century France (Cambridge 1982). Également, Jan Herman, Mladen Kozul et Nathalie Kremer: Le Roman véritable: stratégies préfacielles au XVIIIe siècle (Oxford, SVEC 2008:08). 27 Voir la communication d’Isabel Karremann, Ludwig-Maximilians-Universität München: Writing deafness in a culture of polite conversation: The case of Duncan Campbell. In: 6th Landau-Paris-Symposium on the Eighteenth Century (LAPASEC), Le goût au XVIIIe siècle, 2ème partie: »L’ouïe et l’odorat« / Taste in the 18th century (II): Hearing and Smelling (Université Paris Diderot, UFR d’études Anglophones, 24–25 octobre 2008). Barbara Stafford rappelait d’ailleurs cette puissance unifiante de la métaphore: »it is also trough metaphors that unclear emotions and mixed experiences – disdained by a rationalist philosophy – can be configured in a way unattainable through bodiless concepts. Unlike the abstractions of divisive language that isolate objects and fields of inquiry, constitutive metaphors function in the imaginative manner of artistic and clinical diagnosis. Rhetorical, or dialogically communicative and unifying, they call on the beholder to combine and synthesize experiences that analysis has fragmented or dissected«. Barbara Maria Stafford: Body Criticism: Imaging the Unseen in Enlightenment Art and Medicine (Cambridge, Mass., 1993) 3. 26
La Démystification enchantée
The gentle Summons every Thought obeys, Wakens my Soul, and tunes it all to Lays. […] The riseing Images each other meet, Fall into Verse, and Dance away with Feet; Now with thy Cupid and thy Lamb I rove, Thro’ ev’ry Bloomy-Mead, and fragrant Grove. A thousand Things, I can, my self, Divine, Thy little Genij whisper’em to Mine; Beyond the Grave I see thy deathless Fame, The Fair and Young all Singing Campbell’s name; […] What noisy-Talker can thy Magick Boast? Let those dull Wretches try, who scorn Thee most. O sacred Silence! Let me ever dwell, With the sweet Muses, in thy lonely cell; Or else bind up, in thy Eternal Chain, Scandal and Noise, and all that Talk in vain.«28
28
Defoe: Verses to Mr. Campbell (M. Fowke) 1–2.
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»Schöne Unordnung« und lyrische Metaphern bei F. G. Klopstock Klopstock vertrat in den ästhetischen Schriften ab den 1750er Jahren eine Auffassung der Dichtung, nach welcher die Poesie die »ganze Seele« von Lesern und Zuhörern ansprechen solle. Hervorgerufen werde bei der Leserschaft eine sinnliche ästhetische Erfahrung,1 die deren Innerlichkeit dauerhaft prägen und beeinflussen könne. Das Anliegen, das u. a. in kritischer Auseinandersetzung mit den Thesen Charles Batteux’ entstand,2 brachte der Autor mit der ästhetischen Kategorie des Erhabenen in Zusammenhang. In der Schrift Von der heiligen Poesie (1753) ist u. a. zu lesen: »Die letzten und höchsten Wirkungen der Werke des Genie sind, daß sie die ganze Seele bewegen. Wir können hier einige Stufen der starken und der stärkern Empfindung hinaufsteigen. Dies ist der Schauplatz des Erhabnen. Wer es für einen geringen Unterschied hält, die Seele leicht rühren; oder sie ganz in allen ihren mächtigen Kräften, bewegen: der denkt nicht würdig genung von ihr. Man fordert von demjenigen, der unsre Seele so zu bewegen unternimmt, daß er jede Saite derselben, auf ihre Art, ganz treffe. Sie bemerkt hier jeden Mißton, auch den feinsten. Wer dieses recht überdacht hat, wird sich oft entschlossen haben, lieber gar nicht zu schreiben«.3 Die »schöne Unordnung« des lyrischen Stils, wie diese von Nicolas Boileau theoretisiert und im 18. Jahrhundert ebenso in Verbindung mit dem Erhabenen rezipiert wurde,4 trägt laut Klopstock auch maßgeblich zur Entstehung jener Bewegung der Seele bei. 5 Das Erhabene prägt insofern mit seinen typischen stilistischen Merkmalen Klopstocks Beschreibung der Wirkung, die die Dichtung auf den Leser ausüben
1 Zu diesem Ansatz der Literatur zur Zeit der Entstehung der Ästhetik vgl. Lothar van Laak: Hermeneutik literarischer Sinnlichkeit. Historisch-systematische Studien zur Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts (Tübingen 2003) 24–48. 2 Dazu vgl. Laura Benzi: Nachahmung und Darstellung: Zur Batteux-Rezeption bei F. G. Klopstock. In: Euphorion 1 (2010) 67–82, und die dort verzeichnete Literatur. 3 Friedrich Gottlieb Klopstock: Ausgewählte Werke, hg. von Karl August Schleiden (München 1962) 1000. 4 Nicolas Boileau: Œuvres complètes, publ. par Antoine Adam et Françoise Escal (Paris 1966) 164 und 227. Zum Verhältnis des Begriffs des »beau désordre« zur Kategorie des Erhabenen vgl. Carsten Zelle: Art. »Erhabene, das« [17., 18. Jahrhundert: 1. Frankreich, 2. England, 3. Deutschland] In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 2, hg. von Gert Ueding (Tübingen 1994) 1364–1378, und ders.: Die doppelte Ästhetik der Moderne. Revisionen des Schönen von Boileau bis Nietzsche (Stuttgart, Weimar 1995), dort insbesondere 43–59. 5 Im späteren Fragment Von der Darstellung (1797) formuliert der Dichter dies als eine selbstverständliche Nebenbemerkung zu seinen Aussagen (vgl. G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 1034).
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soll:6 Das Außer-Sich-Kommen der Leserschaft bei ihrer Auseinandersetzung mit der Poesie wird vom Autor nach der Phänomenologie der »Ekstasis« seit Longin beschrieben, wobei jene Beschreibung zugleich Klopstocks Interesse für die Reaktionen der angesprochenen »Kräfte der Seele« – namentlich der Trias Verstand, Einbildungskraft bzw. Empfindungskraft und Willen7 – bezeugt. Diese Vorstellung der »Kräfte« bzw. »Saiten« der Seele steht u. a. im Einklang mit den zeitgenössischen medizinischen Theorien zur Begründung der Empfindungen im Nervensystem sowie mit der Revision der Wolffschen Kategorien durch die Ansätze der Ästhetik Alexander Baumgartens und Georg Friedrich Meiers. Die »Anthropologie des Erhabenen« des Messias-Dichters ist vor kurzem auch in diesem Rahmen untersucht worden.8 Hier interessiert primär aber, welche Rolle die rhetorischen Figuren als Grundlagen der »schönen Unordnung« in der Lyrik bei der energetischen Auffassung der Dichtung noch spielen, zumal Wortstellung und Metrik in Klopstocks Darlegung der ästhetischen Schriften große Bedeutung zukommt, die Tropen und ihre Potentialitäten aber – anders als etwa bereits bei Bodmer und Breitinger – dort kaum untersucht werden. Insbesondere interessiert hier die Frage, welche Bedeutung die Metapher, die schon immer als die wichtigste Grundlage der hohen poetischen Sprache gegolten hat, in diesem Rahmen erhält. An sich wurzelt Klopstocks nur bedingtes Interesse an einer analytischen Behandlung der rhetorischen Figuren in der klassischen Tradition des Erhabenen: Bereits Longin ging nicht ausführlich auf die Möglichkeiten und die Bedeutung aller Tropen ein, weil sein Hauptansatz bezüglich der Kunstfiguren derjenige ihrer, mühsam zu erreichenden, scheinbaren »Natürlichkeit« war.9 Bei Klopstock kommt dabei noch hinzu, dass die traditionelle Systemrhetorik, so wie er sich diese in Schulpforta als Mittel eines regulierten Produktionsprozesses angeeignet hatte, ab etwa 1750 ihre zentrale Rolle als Disziplin verlor und dass Ästhetik und Poetik vieles von deren traditionellen Funktionen übernahmen.10 Sich 6 So zusammenfassend auch Katrin Kohl: Klopstock und das Erhabene in der Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts. In: Das Erhabene in der Dichtung. Klopstock und die Folgen, hg. v. den Städtischen Museen Quedlinburg, Klopstockmuseum (Halle 1995) 55–78, hier 55: »Der Gedanke des Erhabenen prägt Klopstocks gesamte Dichtungsauffassung und bestimmt bis in die Gegenwart die Rezeption seines Werkes«. 7 Vgl. G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 1002 und Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Addenda II: Klopstocks Arbeitstagebuch, hg. von Klaus Hurlebusch (Berlin, New York 1977) 40. 8 Vgl. Carsten Zelle: Klopstocks Diät – das Erhabene und die Anthropologie um 1750. In: Wort und Schrift. Das Werk Friedrich Gottlieb Klopstocks, hg. von Kevin Hilliard und Katrin Kohl (Tübingen 2008) 101–127. 9 Vgl. Longinus: Vom Erhabenen, hg. von Otto Schönberger (Stuttgart 1988), dort insbesondere Kap. 17,1 (55) und Kap. 22,1 (61). 10 Helmut Schanze hat hinsichtlich dieses Sensibilitätswandels von der Zäsur zwischen einem rhetorischen und einem ästhetischen Zeitalter gesprochen. Vgl. ders.: Probleme einer »Geschichte der Rhetorik«. In: LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 11 (1981), H. 43–44, 13–23, hier 17.
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mit den rhetorischen Figuren auseinanderzusetzen hieß seitdem zugleich, eine Reihe neu entstehender ästhetischer, anthropologischer und psychologischer Fragen mit zu berücksichtigen. In der neueren Rhetorik-Forschung wird diesbezüglich die These von den Transformationen der Rhetorik11 und ihrer Ansätze um 1750 vertreten: Dort ist insbesondere vom Übergang von einer System-Konzeption zu einer »rhetorischen Anthropologie«12 die Rede, d. h. zu einer Kunst des geschickten Ausdrucks, deren Grundlagen in den anthropologischen »Invarianten« und Bedürfnissen des Menschen liegen. Der vorliegende Beitrag fasst u. a. den Sachverhalt ins Auge, dass die nach diesen Ansätzen umgedachte Rhetorik zugleich zum zentralen Element einer »ästhetischen Pathologie«13 wurde, welche zusammen mit der »psychologischen Pathologie«, als der wissenschaftlichen Theorie der Gemütsbewegungen, und mit der praktischen Kunst des »felix aestheticus« den Zusammenhang von Medizin, Rhetorik und Ethik der frühneuzeitlichen »Pathologia«14 zu erweitern und zu erneuern vermochte. Klopstocks Behandlung der rhetorischen Figuren und insbesondere der Metapher wird daher vor diesem Hintergrund untersucht, zumal seine Dichtung einen sicheren Umgang mit den durch die Beredsamkeit codierten Formen bezeugt, er jedoch für seine Theoriebildung fast ausschließlich auf Elemente der nach diesen Ansätzen umgedachten rhetorischen Anthropologie zurückgreift. Erläutert wird dieser Zusammenhang anhand einiger Beispiele aus Klopstocks weltlicher Lyrik und aus seinen ästhetischen Schriften, aus dem sogenannten Traité des Études (1726–1728) des französischen Gelehrten Charles Rollin, aus Georg Friedrich Meiers Anfangsgründen aller schönen Künste und Wissenschaften (1748–1750) sowie aus dem Aufsatz Von dem Wesen der biblischen Poesie (1755) des mit Klopstock eng befreundeten Theologen Johann Andreas Cramer. Daneben werden einige Zitate aus Sulzers Allgemeiner Theorie der schönen Künste (1771–1774) mit herangezogen. Die Metapher erweist sich dabei für Klopstock in der Praxis als ein unentbehrliches Mittel zu einer anspruchsvollen poetischen Sprache. Sie erscheint zugleich – und wird in den theoretischen Schriften in diesem Sinne erweiternd interpretiert – als formaler,
11
Vgl. insbesondere Dietmar Till: Transformationen der Rhetorik. Untersuchungen zum Wandel der Rhetoriktheorie im 17. und 18. Jahrhundert (Tübingen 2004). 12 Zum Begriff der »rhetorischen Anthropologie« vgl. u. a. Hans Blumenberg: Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik. In: Rhetorische Anthropologie. Studien zum Homo rhetoricus, hg. von Josef Kopperschmidt (München 2000) 67–87, und F.-H. Robling: Was ist rhetorische Anthropologie? Versuch einer disziplinären Definition. In: Rhetorik 23 (2004) 1–10. 13 Zum Begriff der »ästhetischen Pathologie« vgl. Dieter Kliche: Ästhetische Pathologie. Ein Kapitel aus der Begriffsgeschichte der Ästhetik. In: Archiv für Begriffsgeschichte 42 (2000) 197–229. 14 Vgl. die Begriffsdefinition in Johann Heinrich Alsted: Encyclopædia. Faksimile-Neudruck der Ausgabe Herborn 1630. Bd. 4 (Stuttgart, Bad Cannstadt 1989) 2360 f.
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struktureller Ansatz, der die Sprünge von einem Gedanken zum andern in der Dichtung regelt und dabei eine wichtige Grundlage der ›schönen Unordnung‹ darstellt. Die Metapher steht in der Praxis bei Klopstock im Dienst der vom Autor ersuchten »Kürze«15 und der »Prägnanz« des poetischen Ausdrucks.16 In diesem Sinne interpretierte Georg Friedrich Meier die Figur in den Anfangsgründen aller schönen Künste und Wissenschaften, indem er argumentierte, sie sei in erster Linie »um der Kürze willen«17 dem Gleichnis und vor allem der Allegorie vorzuziehen. Der Nachdruck und die Emphase, die durch die Metapher in der Dichtung gewährleistet würden, gehörten nach Meier ebenso wie auch nach dem französischen Theoretiker Charles Rollin – dessen vierbändiges pädagogisches Lehrbuch Klopstock um 1755 las18 – zu den wichtigen Zügen dieser Trope.19 Die Metapher ist aber zugleich bei diesen Autoren, dabei in der Nachfolge der aristotelischen Auffassung der Figur, ein heuristisches Mittel zur poetischen Benennung von Gegenständen, für welche keine sonstigen Ausdrucksmöglichkeiten bestehen. Meier würdigt diese Eigenschaft der Metapher, die uns veranlasst, dass »wir sie auch alsdenn brauchen müssen, wenn wir eben nicht willens sind, verblümt zu reden«,20 sehr hoch. Metaphern seien nämlich auch in der Alltagssprache sehr nützlich.21 Die These, dass die Metapher aus dem Mangel an dem jeweiligen eigentlichen Wort entsteht bzw. an einem, das »energiegeladen«22 genug ist, steht an erster Stelle auch bei Rollins Erklärungen für diese Figur. In Sulzers Allgemeiner Theorie der schönen Künste wird das Prinzip zusammenfassend noch einmal wiederholt: »Die Metapher vertritt da die Stelle der Induktion, und setzt einen sehr in die Augen leuchtenden, an die Stelle eines schwerer zu fassenden, aber ähnlichen Falles«.23 Klopstocks Oden bezeugen die Fruchtbarkeit dieses heuristischen Ansatzes zu Diensten der Kürze, dank dessen die Möglichkeit eines prägnanten poeti15
G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 1011, 1027, 1035. Dieses Anliegen ist bereits bei Quintilian als Prinzip zur Würdigung der Metapher maßgebend. Vgl. Quintilian: Ausbildung des Redners, hg. von Helmut Rahn. 2 Bde. Bd. 2 (Darmstadt 3 1995), Kap. VIII, 6, 4 (219). 17 Georg Friedrich Meier: Anfangsgründe aller schönen Künste und Wissenschaften. 3 Bde. Nachdruck der Ausgabe Halle 1754–1759. Bd. 2 (Hildesheim u. a. 1976) 372. 18 Vgl. F. G. Klopstock: Arbeitstagebuch, a. a.O. [Anm. 7] 42. 19 Vgl. Charles Rollin: De la manière d’énseigner et d’étudier les belles lettres, par raport à l’ésprit et au cœur, 4 Bde. Nouvelle édition faite sur celle de Paris 1740 révue et corrigée par l’auteur. Bd. 2 (Amsterdam 1745) 248. 20 G. F. Meier: Anfangsgründe, a. a.O. [Anm.17] 373. 21 Vgl. ebd. 374. 22 »La métaphore est une figure, qui a la place des mots propres qui manquent, ou ne sont pas assez énergiques, substitue des termes figurés qu’elle emprunte d’ailleurs par une espece d’échange« C. Rollin: De la manière d’énseigner et d’étudier les belles lettres, a. a.O. [Anm. 19] 245–246. 23 Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste. 4 Bde. Nach der zweiten vermehrten Auflage Leipzig 1792–1799. Bd. 3 (Hildesheim u. a. 1967) 392. 16
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schen Ausdrucks selbst für die kühnsten Gedankengänge gewährleistet wird. Die Metaphern im engen Sinn des Wortes sind dabei aber in geringem Maß vertreten. So wird die Stunde des Todes zwar in der Ode Dem Erlöser als »der Ruh Gespielin«24 bezeichnet. Ebenso gilt die Posaune in der Ode An Young als die »Todtenweckerin«.25 Viel zahlreicher aber – und zugleich bezeichnender für Klopstocks poetisches Verfahren – sind die metaphorischen Ausdrücke, bei welchen entweder ein Adjektiv oder ein Verb die vergleichende Verbindung mit einer anderen Ebene als die für das daran gekoppelte Substantiv übliche suggeriert oder sich als folgenreich für den weiteren Verlauf des Gedichts herausstellt. So macht etwa der Vers »Lied, werde sanfter, fließe gelinder fort«26 in Auf meine Freunde das der Ode zugrundeliegende Bild des fließenden Wassers in der Dichtung präsent. Die Ausdrücke: »[damit wir uns] unter dem Flügel der Freud umarmen«27 und »komm, goldne Zeit/ Laß dich über uns mit verklärten Flügeln«28 in derselben Ode evozieren dagegen die Geborgenheit der Umarmung unter Freunden wie unter dem Flügel eines schützenden Vogels bzw. weisen auf die Bewegung hin, mit der die goldene Zeit kommt, wobei die unübliche, eben metaphorische Zusammensetzung der »verklärten« Flügel auf das höhere Wissen zugleich hindeutet, das jene Zeit bringen wird. Weitere Ausdrücke dieser Art dienen der räumlichen Präzisierung von ansonsten zu weit gefassten Begriffen, wie etwa beim Hinweis auf das »Thor des Himmels«29 zur Ausgrenzung aus dem zu weiten Begriff des Himmels in der Ode Die Stunden der Weihe. Bewegung, Nachdruck und weiterführender Beitrag zum Forteilen des durch die Dichtung Erzählten erscheinen insofern in den Oden als die wichtigsten Ansprüche, die dem prinzipiell freien Umgang des Dichters mit der Metapher zugrundeliegen. Anhand von Klopstocks theoretischen Überlegungen lässt sich der umfassendere Rahmen größtenteils erschließen, innerhalb dessen diese konkreten Beispiele ihre Erörterung und angemessene Einordnung finden. Die vom Autor ersuchte Dichtungsart soll nämlich »kühn, heftig, bilderreich in Gedanken und im Ausdrucke«30 sein: Dass die rhetorischen Figuren zur Entstehung einer solchen poetischen Sprache maßgeblich beitragen, erscheint dort als eine Selbstverständlichkeit, auf welche der Dichter nicht weiter eingehen zu müssen glaubt. Die Figuren sollen nur, so Klopstock im Einklang mit der klassischen Tradition, nicht zu weit forciert sein,31 sondern den Anschein der Natürlichkeit haben. Nur 24
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden. Bd. 1, hg. von Frank Muncker und Jaro Pawel. 2 Bde. (Stuttgart 1889) 96. 25 Ebd. 108. 26 Ebd. 16. 27 Ebd. 12. 28 Ebd. 30. 29 Ebd. 46. 30 G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 1011. 31 Ebd. 1003.
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dann entstehe die ebenso konstruierte wie auch natürlich erscheinende Ordnung, welche durch eine geschickte Abwechslung der Szenen »dem Ganzen eine größre, unangemerkte, aber gewiß gefühlte Harmonie«32 gebe. Dass die hier evozierte Harmonie des dichterischen Werks als Folge der gelungenen Balance zwischen den Tönen und zwischen den in Bewegung gesetzten Kräften der Seele nicht als ein ruhender Zustand der dichterischen Formen bzw. der Innerlichkeit der Leser zu verstehen ist, bezeugen Klopstocks theoretische Schriften sowie der dynamische Charakter der in den Oden enthaltenen Metaphern. Vielmehr stehen hier die Tropen, welche die Dichtung »bilderreich in Gedanken und im Ausdrucke« machen sollen, im Rahmen eines Erhabenheitsideals, deren wichtigste formale Grundlage bei den kühnen Sprüngen und Übergängen zwischen den Gedanken sowie zwischen den Figuren liegt. Meier hatte in den Anfangsgründen die – bei Klopstock ebenso wohl am meisten benutzten – Anrede, Sprachdichtung, Personendichtung, der Ausruf, die Hypallage, die Aposiopesis und die Hyperbole als die zu diesem Zweck wichtigsten Tropen unter dem Stichwort der »bewegenden und pathetischen Figuren« gesammelt.33 Eine ähnliche Wahl trifft auch Rollin, indem er unter dem Stichwort »Figures de pensées« die Frage (Interrogatio), die Apostrophe, den Ausruf und die Prosopopœia sammelt, die sehr wahrheitsgetreu die sprunghafte »Sprache der Leidenschaften« wiedergäben.34 Klopstock nennt dagegen weder die einzelnen Tropen, noch untersucht er sie näher in ihrer Funktion. Er würdigt sie aber implizit als unentbehrliche Mittel zu den erhabenen Sprüngen, indem er sie für den getreuen Ausdruck der Gedanken35 hält, zwischen denen eben diese Sprünge entstehen. Ja weit mehr, er macht das formale Prinzip der Metapher zum Mittel der Beschreibung jener kühnen Übergänge und damit zu einer wichtigen Grundlage der erhabenen Dichtung überhaupt. In der Einleitung zu den geistlichen Liedern (1758), in der der Autor u. a. erklärt, wie die Sprünge der erhabenen Sprache entstehen und welche Wirkung sie auf die Leserschaft haben, geht die Beschreibung jenes zentralen Elements der »schönen Unordnung« mit der unüblichen Annahme einher, dass die erhabene Dichtung unmittelbar verständlich sei. Insbesondere da, wo der Dichter die poetischen Formen des Gesangs und des Lieds vergleicht, wird dieser Anspruch geltend gemacht: Nicht nur falle dem Autor die Darstellung erhabener Gegenstände durch die kühnen Übergänge leichter als durch die Mittel einer ruhigeren Ausdrucksweise.36 Auch aus rezeptionsästhetischer Sicht seien die ge-
32 33 34
Ebd. G. F. Meier: Anfangsgründe. Bd. 1, a. a.O. [Anm. 17] (Hildesheim u. a. 1976) 496–502. C. Rollin: De la manière d’énseigner et d’étudier les belles lettres, a. a.O. [Anm. 19] 270–
279. 35 36
G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 1019. Ebd. 1013.
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künstelten Formen der harten Fügung paradoxerweise verständlicher als diejenigen einer einfacheren Darstellung: »Und ist denn das Gemeine, das Platte, das lächerlich Künstliche etwa deutlicher, als die immer anständigen, sanften und angemeßnen Herablassungen der Bibel?«37 Für diese Lektüre der »schönen Unordnung« als Grundlage einer vermeintlich verständlichen Poesie und für seine Einstellung zu den sprachlichen und rhetorischen Mitteln, welche jene Unordnung ermöglichen, gibt Klopstock eine Erklärung im Namen der menschlichen »Natur«: Die »Natur« unserer Seele nämlich – die daher ebenso den Dichter bei der Auswahl der treffenden Sprachmittel und die Leser beim »Fühlen« von deren Angemessenheit leite – mache jene Sprünge und Übergänge zur Aussprache der höchsten Inhalte der Dichtung und der menschlichen Leidenschaften notwendig. Die Folge sei eben die vermeintliche Verständlichkeit der erhabenen Dichtung: »Der erste [der Gesang] erlaubt sichs nicht nur, sondern es ist eine von seinen Hauptpflichten, daß er schnell von einem großen Gedanken zum andern forteile. Er fliegt von Gebirge zu Gebirge, und läßt die Täler, wie schön und blumenvoll sie auch sein möchten, unberührt liegen. Denn wenn unsre Seele entweder durch die Hoheit der Gedanken, oder durch das Feuer der Empfindungen stark bewegt ist; so ist es ihrer Natur gemäß, so zu denken. Gewisse nähere Erklärungen, gewisse Ausbildungen will sie alsdenn nicht. Sie eilt fort. Sie hatte das alles schon hinzugedacht. Das Lied muß einige von diesen Erweiterungen hinzusetzen […] Die erhabne Schreibart hat feinere Bestimmungen als die gemilderte. Der Gesang ist daher einer hellern Deutlichkeit fähig als das Lied. Er bekömmt von der Kürze, dem Feuer, und der Stärke der Gedanken noch mehr Licht. Überhaupt von der höhern Poesie zu reden, so ist dem, welchem es leicht wird, ihr zu folgen, fast kein Poet so deutlich, als Young«.38 Die Bilder und die Gedanken folgen nach dieser Darstellung schnellstens aufeinander, weil die »Natur« unserer Seele es erfordere: Die kühnen Sprünge entstehen daraus, dass die Zwischengedanken, welche einen Gedankengang üblicherweise verständlich machen – hier die »Täler« –, in der Begeisterung fehlen. Gerade das Prinzip, das auch der Metapher als dem codierten Sprung zwischen eigentlichem und uneigentlichem Wort zugrundeliegt, gilt hier als die formale Struktur, die jenes Überspringen der logischen Verbindungen zu beschreiben vermag. Eine solche Erklärung der logischen Sprünge der erhabenen Lyrik ist in der kritischen Tradition des 18. Jahrhunderts nicht neu. Batteux hatte sie mit ähnlichen Worten im Cours de belles lettres formuliert. In Ramlers Übersetzung des Traktats heißt es: »Der Sprung ist eine Art von Lücke zwischen zwey Begriffen, die keine unmittelbare Verbindung haben. Man kennt die Geschwindigkeit unsers Geistes. Wird die Seele von einer Leidenschaft erhitzt, so ist die Geschwin37 38
Ebd. 1014–1015. Ebd. 1012.
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digkeit noch ungleich grösser; die Gedanken werden gedrängt, gejagt. Und weil es nicht möglich ist, sie alle auszudrücken, so sagt der Poet nur die merkwürdigsten davon auf, und drückt sie in eben der Ordnung aus, die sie in seinem Geiste hatten, ohne diejenigen mit auszudrücken, die ihnen zur Verbindung dienten: daher haben sie ein zerrissenes Ansehen; sie halten nur von weitem zusammen, und lassen folglich einige Lücken übrig, die der Leser mit leichter Mühe ausfüllt, wenn er Geist besitzt, und dem Dichter in seinem Feuer folgen kann«.39 Batteux macht dabei den rationalen »Geist« seiner Leser für die Lösung der Rätsel zuständig, die aus dem Überspringen der logischen Verbindungen entstehen können. Die gleiche Erklärung ist dennoch auch in Johann Andreas Cramers Aufsatz Von dem Wesen der biblischen Poesie (1755) zu lesen, welcher u. a. ein gegen Batteux gerichtetes polemisches Plädoyer für die Begeisterung in der Dichtung ist.40 Bei diesem ist zu lesen: »Die Ordnung, in welcher die Gedanken auf einander folgen, wenn die Seele von einem Affekte erhitzt ist, ist von der methodischen Ordnung unendlich unterschieden, in welcher ein ruhiger Verstand über einen Gegenstand denkt. Jene scheint, wenn sie mit dieser verglichen wird, sehr oft einer Unordnung ähnlich zu seyn. Die Art zu denken, die den Leidenschaften eigen ist, gleicht einem Strome, wenn er Wellen wirft, die Wellen wälzen sich über einander weg: eine ist immer höher, als die andre, und dem Auge kömmt es vor, daß es zwischen den hochaufgeworfnen Wellen leere unausgefüllte Zwischenräume gebe. Eben so scheinen in den lebhaften Gedanken, welche die Begeisterung hervorbringt, die Zwischengedanken, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu fehlen, welche sie mit einander verbinden. Dieses kömmt daher, daß nicht alle Gedanken, welche die Seele erfüllen, wenn sie sich von dem Feuer eines Affects entzündet fühlt, gleichviel Licht und Deutlichkeit haben, der Dichter aber nur diejenigen ausdrückt, die in einem außerordentlichen Grade deutlich und lebhaft sind. So entstehen die glücklichen Ausschweifungen, die man in Oden fodert. Ein ruhiger Leser entdeckt nicht gleich, wie der Dichter von einem Gedanken auf den andern komme, und wirklich muß doch, selbst vermöge der Natur der Leidenschaften, einer aus dem andern entstehen«.41 Dass es bei dieser Darstellung in erster Linie um die Erörterung des Prinzips geht, nach dem die Metaphern entstehen können, zeigen die Beispiele aus den Psalmen, die Cramer im Anschluss an der zitierten Passage heranzieht. Im 39
Ch. Batteux: Einleitung in die Schönen Wissenschaften. Nach dem Französischen des Herrn Batteux, mit Zusätzen vermehret von C. W. Ramler. Bd. 2 (Leipzig 1756) 24. 40 Vgl. Johann Andreas Cramer: Von dem Wesen der biblischen Poesie. In: ders.: Poetische Übersetzung der Psalmen. Bd. 1(Leipzig 21763) 259–263. Cramer begründet den Vorzug, den er den Werken der emotional geladenen Poesie vor allen Werken der Nachahmung der Natur und der »bloß spekulativen Betrachtungen« gibt, indem er als eine Selbstverständlichkeit angibt, dass »der Mensch mehr zur Thätigkeit und Wirksamkeit des Willens und seiner Begierden, als zu einem bloß denkenden Wesen bestimmt ist« (ebd. 268). 41 Ebd. 275.
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neunzehnten Psalm vergleicht David etwa die Macht und die Wirkungen Gottes mit denen der Sonne. Sogleich fragt Cramer: »Wo ist hier die Verbindung dieser Gedanken? Welch eine Unordnung unter denselben dem Anscheine nach! Wie können aus den Gedanken von den Wirkungen der Sonne, die Gedanken von den Wirkungen des göttlichen Wortes entspringen? Solche Fragen sind sehr natürlich, wenn man nicht die Art zu denken kennt, die den Affecten eigen ist. In der Begeisterung sind alle Kräfte der Seele geschäfftig«.42 Wie Klopstock auch, so erklärt Cramer hier die kühnen Sprünge der erhabenen Dichtung in Anlehnung an das formale Prinzip der Metapher und begründet seine Erklärung durch den Verweis auf die vermeintliche »Natur« des Menschen. Ebenso sind bei ihm »in der Begeisterung alle Kräfte der Seele geschäftig«. Bei seiner Darstellung verwischt er u. a. den Unterschied zwischen Metapher und Allegorie: Wichtig scheint ihm vor allem der Sachverhalt zu sein, dass solche komparativen Formen den Ausdruck von anderweitig nicht auszusprechenden Empfindungen ermöglichen und dass der Versuch, die »ganze Seele« anzusprechen und durch die Kunst zu bereichern, erst dadurch konkret möglich gemacht wird. Cramers Aussagen, die damit ganz im Zeichen des oben genannten Wandels von einer Officia-Rhetorik zu einer »rhetorischen Anthropologie« nach dem Ansatz der menschlichen »Natur« stehen, liegt auch eine neue Begründung des Verhältnisses zwischen Dichter und Publikum zugrunde: Nur wenn man »die Art zu denken kennt, die den Affecten eigen ist«43, so Cramer, könne man eine Reihe von rhetorischen Formen angemessen wahrnehmen und interpretieren, in welchen die Kraft, ja der bestimmende Kern der lyrischen Dichtung bestehe. Diese Kompetenz im Bereich der menschlichen Empfindungen trenne den guten von dem schlechten Ausleger der Psalmen: »Nur diejenigen [würden] glückliche Ausleger der Psalmen seyn, welche mit einer gründlichen und ausgebreiteten Kenntniß der menschlichen Begierden und Leidenschaften und ihrer mannichfaltigen Arten, die Seele in Bewegung zu setzen, bekannt sind«.44 Aus diesem Blickwinkel kann Cramer sogar die herangeführten Aussagen Batteux ̉ aus dem Cours des belles lettres in sein Denksystem aufnehmen, weil deren Wert für ihn nicht auf die Ebene der Rhetorik beschränkt bleibt: Gerade die von ihm durchgeführte Abwandlung der Rhetorik nach der Logik der Seelenvermögen und der »Natur« der menschlichen Empfindungen macht für ihn vielmehr jede Herausarbeitung der Regeln der Kunst zu einer neuen Entdeckung im Bereich der Psychologie. Dass Klopstock dagegen die grundsätzliche Verständlichkeit der erhabenen Dichtung postuliert, lässt seine Argumentation, der zahlreichen Berührungspunkte mit Cramers Erklärung zum Trotz, nicht bloß im Rahmen der zu der Zeit 42 43 44
Ebd. 276. Vgl. hiezu auch ebd. 279. Ebd. 268.
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Laura Benzi
entstehenden Entwicklung von einer Officia-Rhetorik zu einer rhetorischen Anthropologie einordnen.45 Nicht nur behauptet er nämlich, dass die Leserschaft für die kühnen Sprünge »keiner Erklärung bedarf«. Er blendet zugleich die von Cramer noch eingeräumte Möglichkeit einer inkompetenten Leserschaft gleichsam aus. Seine Annahme, dass eine tiefliegende Affinität zwischen dem Dichter und seinem Publikum bestehe, gründet er dabei nicht bloß auf deren gemeinsame menschliche »Natur«: Sein Publikum besitzt eine genaue Kenntnis aller Bestimmungen der Zeichen, welche den Ausdruck der Gedanken möglich machen. Wie er diesbezüglich in den Gedanken über die Natur der Poesie (1759) schreibt: »Es ist nichts gewöhnlicher, als daß man den Ausdruck mit dem Gedanken verwechselt. Man sagt: Es ist eben der Gedanke; es ist nur ein andrer Ausdruck. Und der Gedanke wird doch geändert, sobald der Ausdruck geändert wird. Dieser ist an sich selbst weiter nichts, als das Zeichen des Gedanken. Gleichwohl muß eine genaue Kenntnis aller Bestimmungen dieser Zeichen, die sie haben, und durch gewisse neue Stellungen haben können, zu erlangen, eine von den vornehmsten Beschäftigungen eines guten Dichters und eines Lesers sein, der sich nicht zu viel schmeicheln will, wenn er seine Urteile für entscheidend hält«.46 Diese Fähigkeit besitze die Leserschaft durch ein sicheres Gespür. Sie könne nämlich »fühlen«, wie die Gedanken ausgedrückt seien und ob die Figuren der Rede dabei richtig eingesetzt seien. In der Schrift Von der Sprache der Poesie (1758) ist dazu zu lesen: »Sie [die guten Wörter] sind dem Gedanken, den sie ausdrücken sollen, alsdenn erst angemessen, wenn sie an der rechten Stelle stehn. Der Leser macht besonders hier eine beständige, zwar sehr schnell gedachte, aber dennoch genaue Vergleichung zwischen dem Gedanken und dem Worte. Er fühlts, was wir haben sagen wollen, was wir gesagt, und was wir nicht gesagt haben«.47 Klopstocks Darstellung des Publikums bei seiner Beziehung zum Autor erhabener Dichtung liegt damit eine komplexe Verflechtung von rhetorischer Kompetenz bzw. Einverleibung der Ausdrucksmittel der Dichtung, emotionaler Empfindungsfähigkeit durch die angesprochenen »Kräfte der Seele« und der hier ausgeblendeten, in Klopstocks Schriften aber wohl grundlegend präsenten, Wahrnehmung der ästhetischen Erfahrung, die durch die Dichtung entsteht, auf moralischer Ebene48 zugrunde. Aus dem Grund scheinen Klopstocks Auffassung der Dichtung und seine Einstellung zu deren rhetorischen Mitteln nicht bloß im Zeichen der sich seit Bodmer und Breitinger etablierenden »rhetori45
Vgl. etwa auch die Aussagen ähnlichen Tons bei Samuel Gottlob Lange in der Vorrede zu dessen Horatzischen Oden und eine Auswahl aus Des Quintus Horatius Flaccus Oden fünf Bücher, übersetzt von S. G. Lange. Faksimiledruck nach den Ausgaben von 1747 und 1752, mit einem Nachwort von Frank Jolles (Stuttgart 1971) II. 46 G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 995–996. 47 Ebd. 1021. 48 Vgl. etwa G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 987.
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schen Anthropologie« zu stehen. Diese Verflechtung weist vielmehr auf die enge Verbindung von Rhetorik, Medizin und Ethik hin, welche den älteren Begriff der »Pathologie« konstitutiv prägte und im Laufe des 18. Jahrhunderts durch die neueren Einflüsse der »ästhetischen«, der »psychologischen« Pathologie und einer umgedachten praktischen Moralphilosophie ergänzt und erneuert wurde. In diesem weiteren Rahmen betrachtet, erscheinen die rhetorischen Figuren nicht nur vom Dichter konzipiert, sondern auch von der Leserschaft als Teile eines Prozesses rezipiert, in dem alles – von den Gedanken eben zu den stilistischen Mitteln – im Zeichen der Bewegung und der Schnelligkeit des ästhetischen Ereignisses steht, das den Leser tief ansprechen und mitreißen soll.49 Im späteren Fragment Von der Darstellung (1779) drückt Klopstock dies aus, indem er gerade die Metapher – ohne sie freilich als solche zu benennen – und deren heuristisches Potential in diesem energetischen Prozess miteinbezieht: »Der Dichter kann diejenigen Empfindungen, für welche die Sprache keine Worte hat, oder vielmehr nur (ich sage dies in Beziehung auf den Reichtum unsrer Sprache) die Nebenausbildungen solcher Empfindungen, er kann sie, durch die Stärke und die Stellung der völlig ausgedrückten ähnlichen, mit ausdrücken. Werth.: Oder auch wohl nur darauf deuten. Selm. Freilich, wenn die ähnlichen nicht stark genung sind, und nicht an der rechten Stelle stehn; wenn beides nicht so beschaffen ist, daß es das Feuer in der Seele weiter ausbreitet«.50 Die Möglichkeit, durch eine uneigentliche Sprache etwas auszudrücken, unterliegt nach dieser Darstellung also auch der übergeordneten Logik einer Dichtung, die als ein ästhetisches Ereignis die Sensibilität der Leser für die Zeichen der Kunst sowie ihre tiefste Innerlichkeit und ihre moralische Welt ansprechen bzw. ändern soll. Ihre Legitimation erhalten die metaphorischen Ausdrücke ebenso durch die entstehende Bewegung, welche die Mängel und Ungenauigkeiten der uneigentlichen Sprache gleichsam aufhebt und mitreißt. Die rhetorischen Figuren stellen damit zugleich die unverzichtbare Basis des Ausdrucks und ein bloßes Element des hervorzurufenden ästhetischen Phänomens dar. Aus dem Grund werden sie von Klopstock grundsätzlich nicht – jedenfalls nicht nach den Formen der traditionellen Poetik und Rhetorik – explizit behandelt und erörtert. Die Metapher – als Trope und formales Prinzip der Sprünge zugleich – wird dabei aber zu einer wichtigen Grundlage der erhabenen Poesie ernannt, welche für alle hier angesprochenen »ganzen« Menschen, aller harten Fügung zum Trotz, immer noch verständlich bleibe. 49
Vgl. dazu Winfried Menninghaus: Klopstocks Poetik der schnellen Bewegung. In: Friedrich Gottlieb Klopstock: Gedanken über die Natur der Poesie. Dichtungstheoretische Schriften, hg. von Winfried Menninghaus (Frankfurt a.M. 1989) 259–361, ders.: Dichtung als Tanz. Zu Klopstocks Poetik der Wortbewegung. In: Comparatio 3 (1991) 129–150 und immer noch Karl August Schleiden: Klopstocks Dichtungstheorie als Beitrag zur Geschichte der deutschen Poetik. (Saarbrücken 1954) hier 28–33 und 102–118. 50 G. F. Klopstock: Ausgewählte Werke, a. a.O. [Anm. 3] 1036.
Guglielmo Gabbiadini
Einige Beobachtungen zur Verwendung organischer Metaphern in Wilhelm von Humboldts agonaler Ästhetik
I. »Die Natur, welche mit endlichen Mitteln unendliche Zwecke verfolgt, gründet ihr Gebäude auf den Widerstreit der Kräfte«.1 So lautet eine zentrale Stelle in Wilhelm von Humboldts (1767−1835) ambitioniertem Aufsatz Ueber den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluss auf die organische Natur, der 1795 im ersten Band der Schillerschen Monatsschrift Die Horen anonym erscheint. Dieser Aufsatz ist der erste publizistische Niederschlag von Humboldts intensiver Auseinandersetzung mit den brisanten Fragestellungen der Naturwissenschaft seiner Zeit, u. a. im Bereich einer epigenetisch argumentierenden Generationstheorie, der Experimentalchemie, sowie der vergleichenden Zoo- und Phytotomie. Im aphoristischen Ton des erwähnten Passus kulminiert eine Reihe naturphilosophisch ausgerichteter Betrachtungen, die der 28-jährige »Geisteswissenschaftler«2 bereits im Herbst 1794 in Jena, aus dem regen Austausch mit den namhaften Forschern der örtlichen Universität, entwickelt.3 Darin verdichtet sich eine wissenschaftlich begründete Weltanschauung, die das principium luctae, d. h. die Annahme eines veredelnden Widerstreits unter den Naturkräften, zum Angelpunkt des ganzen Natursystems avancieren lässt. In Anlehnung an eine lange Tradition innerhalb der Naturphilosophie erscheint »die Natur« in den Ausführungen Humboldts als ein Ort, an dem ein perennierender Konflikt zutage tritt. Insbesondere das Reich der »organische[n] Körper« (I 328), auf das bereits der Titel des Humboldtschen Aufsatzes aufmerksam macht, wird als eine rätselhafte Ineinsbildung von »rastloser Anstrengung« und »beharrliche[m] Ausdauern« interpretiert; in der organischen Natur seien »Stärke des Wider-
1 Wilhelm von Humboldt: Ueber den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluss auf die organische Natur. In: ders.: Gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, Erste Abteilung: Werke I, Bd. I, hg. von Albert Leitzmann (Berlin 1903, Photomechanischer Nachdruck: Berlin 1968) 311–334, hier 322. Fortan werden die Texte Humboldts nach der erwähnten Ausgabe (in runden Klammern im Text selber) zitiert. 2 Walter Müller-Seidel: Naturforschung und Deutsche Klassik. Die Jenaer Gespräche im Juli 1794. In: ders.: Die Geschichtlichkeit der Deutschen Klassik. Literatur und Denkformen um 1800 (Stuttgart 1983) 105–118, hier 112. 3 Manfred Gaier: Die Brüder Humboldt. Eine Biographie (Reinbek bei Hamburg 2009) 167–198.
Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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standes« und »Genuss erquickender Ruhe« ineinander verschränkt (I 323); »rege Energie« gehe dabei mit »ruhige[m] Daseyn« einher (I 333). Die Idee einer konstitutiven Zweiheit in der Seinsweise der Naturformen erhellt in erster Linie aus der antithetischen Bildlichkeit, die Humboldt zur Veranschaulichung seines Naturverständnisses verwendet. Das nur scheinbar statische »Gebäude« der »grosse[n] Werkmeisterin« (I 330) verdankt seine Existenz einem dynamischen Streitprinzip. Die beharrliche Beständigkeit jeder organischen Bildung erweist sich für Humboldt als der sichtbare Vordergrund eines ursprünglichen »Kampf[es]« (I 323). Die Gegenüberstellung einer architektonischen, idealtypisch harmonischen Gesetzmäßigkeit der Naturformen (»Gebäude«) und einer in ihnen stets waltenden, konfliktreichen Dynamik (»Widerstreit der Kräfte«) bedeutet nicht nur eine Alternanz zweier antagonistischer Prinzipien, sondern sie reflektiert vielmehr eine paradoxe Gleichzeitigkeit von »Stätigkeit« und »Rastlosigkeit« (I 333), einen Riss, der die Phänomene der organischen Welt wesentlich prägt und bereits auf das von Humboldt später aufgegriffene Begriffspaar von érgon und enérgeia hinweist.4 In der organischen Natur erblickt Humboldt das Bild einer ungestümen Bewegung, die in ein »schwellende[s] Streben« (I 332), unter Umständen geradezu in »Trennung und Zerstörung« umzuschlagen droht (I 326). Erst aus dieser erhabenen Bewegung könne jedoch jene »harmonische Sanftmuth« (I 326) hervorgehen, welche die »Unveränderlichkeit des Endlichen« auszeichnet (I 332). So, führt Humboldt weiter aus, erhalten sich im Reich des Organischen »zugleich Einheit und Fülle, zwei scheinbar entgegengesetzte, aber nah verwandte Eigenschaften« (I 312). Der Streit solcher einander bedingenden Gegensätze verbürgt die Einheit des Systems und verhindert die einseitige Suprematie des einen über den anderen. »Indem sie einander entgegenwirken«, befördern beide »gemeinschaftlich die wunderbare Einheit« des Naturgebäudes (I 328). Auf dieser Basis lässt sich Humboldts Aufsatz im Kern als eine bemerkenswerte Arbeit – im Sinne Hans Blumenbergs5 – am zeitgenössischen Organismusdiskurs und an dessen Metaphorik adäquat verstehen. Die Logik seiner Argumentation stützt sich zwar auch auf eine Reihe herkömmlicher Metaphern, die aus anderen Bildfeldern bezogen werden – etwa die Metaphern der »unverkennbare[n] Schrift« der Natur, ihres »undurchdringliche[n] Schleier[s]« oder ihrer »geheimsten Werkstätte« (I 314; 316; 330). Bevorzugt wird jedoch von Humboldt eine Bildlichkeit, die unmittelbar in die Vorstellungswelt des Orga-
4 Helmut Müller-Sievers: Epigenesis. Naturphilosophie im Sprachdenken Wilhelm von Humboldts (Paderborn u. a. 1993) 135–161. Siehe auch Peter Schmitter: Kunst und Sprache. Über den Zusammenhang von Sprachphilosophie und Ästhetik bei Wilhelm von Humboldt. In: Sprachwissenschaft 7, hg. von Rudolf Schützeichel (1982) 40–57. 5 Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos (6. Auflage, Frankfurt a.M. 2001 [1979]).
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nischen einzubetten ist. Dabei rekurriert er auf signifikante Weise insbesondere auf das Bildfeld der Pflanze.6 Bekanntlich gewinnt die Organismusmetaphorik um die Jahrhundertwende immer mehr an Konjunktur. Einer der Hauptgründe dieser anhaltenden Faszination liegt nicht zuletzt darin, dass der Organismusdiskurs – wie Stefan Metzger bemerkt – ein »reflektiertes naturwissenschaftliches Feld« bereitstellt, das dank seiner »assoziationsreichen Bestimmungsvielfalt« eine Fülle von Anknüpfungspunkten für Rückübertragungen auf andere Stränge der Episteme – bei Humboldt: einer anthropologisch unterfütterten Ästhetik – bietet.7 Die Bilder des Organischen stecken einerseits das klassische metaphorische Bedeutungsfeld ab, mit dem sich in der Goethezeit die »Verheißung eines Refugiums von Ganzheit« angesichts einer zerrissenen, entfremdeten Welt verbindet.8 Tertium comparationis ist in dieser Hinsicht meistens die Idee einer anzustrebenden Einheit, bei der die konstitutiven Bestandteile untereinander wesenhaft harmonisch zusammenhängen. Eine solche Einheit zeige, so Humboldt, »den ganzen Menschen in seiner ursprünglichen Einfachheit« (I 327). Wie Metzger jedoch hinzufügt, führt die »verstärkte Verwissenschaftlichung« des Organismusdiskurses in den 1790er Jahren andererseits zur Entfaltung einer »avancierten Ästhetik, die mit einem – vorgeblich klassizistischen – Harmonie-Ideal wenig zu tun hat«.9 Dieser Sachverhalt trifft auf die Betrachtungen des jungen Humboldt in besonderem Maße zu,10 denn gerade in der Jenaer Zeit hebt er das Konfliktpotential der organischen Welt mit Nachdruck hervor. Die widerstreitenden Kräfte, von denen er spricht, verweisen auf den Leitgedanken eines beständigen Agons innerhalb der organischen Natur, welcher ihre einfachsten Formen bis hin zu den Formen der Gesellschaft und der Kultur durchziehe. Die organische Gestalt erscheint Humboldt als das »Bild eines Kampfes« (I 347), also nicht als friedfertige Kompromissbildung, sondern vielmehr als eine rhythmische Konfliktbildung. In der Forschungsliteratur ist die bedeutsame Rolle der Organismusmetaphorik im Humboldtschen Denkgebäude bereits mehrfach herausgestellt worden. Laut Helmut Müller-Sievers z. B. wird »Organizität« bei Humboldt zum »zentralen Kriterium gelingender philosophischer und ästhetischer, aber auch politischer Produktion«.11 Heidi Ritter hat in dieser Hinsicht eine Verbindungs6
S. u. Stefan Metzger: Die Konjektur des Organismus. Wahrscheinlichkeitsdenken und Performanz im späten 18. Jahrhundert (München 2002) 30. 8 Ebd. 17. 9 Ebd. 10 Die Thesen der grundlegenden Studie Metzgers, die anderen wichtigen Autoren der Goethezeit gewidmet ist, lassen sich, wie in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagen wird, auch auf Humboldts Betrachtungen übertragen. 11 H. Müller-Sievers: Epigenesis, a. a.O. [Anm. 4] 89. 7
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linie nachgezeichnet, welche die Pflanzenmetaphorik in Humboldts staatstheoretischen Schriften mit seiner früheren Produktion, u. a. den Briefen an Caroline von Dacheröden, verbindet.12 Unbeachtet scheint mir jedoch bislang der äußerst agonale Charakter geblieben zu sein, den Humboldt den organischen Naturprozessen einzeichnet. Der Organismusdiskurs nimmt bei ihm einen erhabenen, gleichsam heroischen Ton an. Seine Auffassung des Lebendigen entzieht sich der landläufigen Vorstellung von einem harmonischen, gänzlich konfliktfreien Gleichgewicht. Ausgerechnet die organische Gestalt wird bei ihm zum bevorzugten Schauplatz, auf dem jener »Widerstreit der Kräfte« und dessen Bedeutung für die Entwicklung der Lebewesen besonders anschaulich wird. Von diesen Prämissen ausgehend, möchte ich im Folgenden zeigen, wie und in welchem Maße die damalige naturwissenschaftliche Reflexion mit ihrem Heer von organischen Metaphern zur Herausbildung eines über die Grenzen der einzelnen Wissensbereiche hinausgehenden Diskurses beigetragen hat, der sich als eine allgemeine – und ausgesprochen zeitkritische – Theorie der von Humboldt als organisch verstandenen Kulturformen manifestiert. Die organische Metaphorik dient dabei als Rüstzeug eines theoretischen Modells, das in eine agonale Ästhetik mündet, die um 1795 bereits die Voraussetzungen für später entwickelte anthropologische, dichtungstheoretische und sprachphilosophische Ausführungen13 erkennen lässt.
II. Die naturwissenschaftliche Reflexion im Jena der 1790er Jahre geht in vielfacher Hinsicht der Frage nach, wie sich das eigentümliche Wechselverhältnis der einander widerstrebenden Kräfte auf die konkrete Entstehung der organischen Naturformen auswirkt. An diesen Erforschungen nimmt Humboldt, zusammen mit seinem Bruder Alexander, Schiller und gelegentlich auch Goethe, mit vornehmer Selbstverständlichkeit teil.14 Die neuen Erkenntnisse aus dem »chemischen Probircabinet« Friedrich August Göttlings15 und dem anatomischen Thea-
12 H. Ritter: Wechselseitige Ergänzung. Wilhelm von Humboldts Geschlechteranthropologie zwischen Erfahrung und Konstruktion. In: Physis und Norm. Neue Perspektiven der Anthropologie im 18. Jahrhundert, hg. von M. Beetz/J. Garber/H. Thoma (Göttingen 2007) 175–186, bes. 178. 13 Siehe Humboldts Plan einer vergleichenden Anthropologie (1795; I 377–410), Ästhetische Versuche. Erster Theil. Über Göthes Hermann und Dorothea (1797–98, mehr nicht erschienen; II 113–323) sowie die Rede Über den Dualis (1827; VI 4–30). Auf diese Texte kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden. Beschränken werde ich mich auf die diskursive Matrix, die Humboldt in seinen zwei Horen-Aufsätzen entwickelt. 14 H. Müller-Sievers: Epigenesis, a. a.O. [Anm. 4] 18–29. 15 Hugo Döbling: Die Chemie in Jena zur Goethezeit (Jena 1928) 1–16.
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ter Justus Christian von Loders16 regen den jungen Gelehrten zum Nachdenken an. Kurz nach seiner Übersiedlung nach Jena im Frühjahr 1794 beginnt er, Unterricht bei den genannten Professoren zu nehmen. Wie aus seinem Tagebuch hervorgeht, sind es für ihn Monate einer sonderbaren Vielgeschäftigkeit (XIV 241). »Wilhelm lebt und webt in den Cadavern«, vermeldet etwas spöttisch sein Bruder Alexander dem Berliner Arzt Marcus Herz.17 Als eifriger Präparator widmet sich Humboldt der Durchführung und Auswertung zahlloser Versuche. Aus den wissenschaftlichen Untersuchungen verspricht er sich empirische Beweise, die eine agonal ausgerichtete Weltdeutung stützen können, die er bereits in den unmittelbar vorausgehenden Jahren, vorrangig aus dem Studium und der Übersetzung der Pindarischen Dichtungen, entwickelt hatte. Das Augenmerk der Humboldtschen Betrachtungen richtet sich auf die Bemühung jeder organischen Form, sich in der Bewegtheit der Materie »Gränzen« zu erringen und dadurch Leben zu erhalten. Als organisch bezeichnet er eine Gestalt, die in sich die Möglichkeit einer geregelten Verwandlung enthält. Gleichzeitig erkennt er in der organischen Form eine ununterbrochene Bewegung, die sich die Bestimmtheit einer festen Kontur als Bedingung für ihre Fortdauer auferlegt. Diese doppelte Tendenz ermögliche es den organischen Gebilden, dem Fluss des Werdens Form und Dauer zu verleihen. Die prägnante Schlussfolgerung, die das Zugleich von Statik und Dynamik in den Organismen zusammenfasst, lautet: »Daseyn, von Energie beseelt, ist Leben« (333). Humboldts lexikalische Festlegungen in diesem Bereich nehmen sich beinahe martialisch aus. Die Prozesse der – vermeintlich harmonischen – organischen Verbindungen werden rhetorisch in Kampf- und Kriegsbilder gefasst: »da die Gesetze der Materie, hier vorzüglich die chemischen Verwandtschaften, den Gesetzen des Lebens, d. i. der Organisation, immerfort entgegenarbeiten, und das Leben, wie die Resultate neuerer Untersuchungen zeigen, nichts anders ist, als der Sieg der letzteren über die ersteren; so ist ein unaufhörlicher Kampf nöthig, diese Oberherrschaft zu behaupten. Das Prinzip, das hier thätig ist, pflegt man die Lebenskraft zu nennen, und von ihr macht der Bildungstrieb (im engern Verstande) nur eine besondere Modification aus« (I 328, H.v.m.). Diese Textpassage bezeugt einerseits eine direkte Rezeption der epigenetischen Theorie Über den Bildungstrieb und das Zeugungsgeschäft von Johann Friedrich Blumenbach,18 andererseits belegt sie eine modifizierende Aneignung seitens Humboldts einschlägiger Betrachtungen über die Organisation der Lebewe-
16 Ilse Jahn: Die anatomischen Studien der Brüder Humboldt unter Justus Christian Loder in Jena. In: Beiträge zur Geschichte der Universität Erfurt 14 (1968/69) 91–97. 17 Ebd. 92. 18 J. F. Blumenbach: Über den Bildungstrieb und das Zeugungsgeschäfte (Göttingen 21789).
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sen, die sein Bruder Alexander in den 1793 lateinisch verfassten19 und 1794 von Gotthelf Fischer ins Deutsche übersetzten Aphorismen aus der chemischen Physiologie der Pflanzen formuliert hatte.20 Auf diese zwei Werke spielt bekanntermaßen Humboldts Hinweis auf die »Resultate neuerer Untersuchungen« an.21 Während jedoch die zusammenfassende Wiedergabe der Blumenbachschen Abhandlung bis ins Detail dem originalen Wortlaut folgt,22 nähert er sich dem Text seines Bruders interpretatorisch an. Getreulich übernommen wird zunächst die Grundannahme einer radikalen Heterogenität zwischen den Erscheinungsformen des Lebendigen und denen des Leblosen. Diese zwei Extreme werden nun als zwei sich bekriegende Reiche aufgefasst. Während im Reich der Chemie nur mechanische Bewegungen von Anziehung und Abstoßung möglich sind, waltet im Reich des Organischen ein veredelnder Kampf, welcher der andringenden Materie gilt. Die Chemie, verstanden als Synekdoche für die Gesetze und die Last des Stoffes, bedeutet für das Fortschreiten der organischen Formen die allerhöchste Gefahr. Die »chemischen Verwandtschaften« sind für Wilhelm »blinde« Anziehungskräfte, die, dem ewigen Wandel und der Willkür äußerer Verhältnisse ausgesetzt, über den aktiven Impuls jener Lebenskraft nicht verfügen, die den organischen Formen Ordnung und Dauer gewährt. Im Originaltext Alexander von Humboldts bezeichnet der auf das Postulat der Wolffschen vis vitalis zurückgehende Begriff der »Lebenskraft«23 eine reaktive Tendenz, die darauf beschränkt ist, die »freie Verbindung der Elemente in den Körpern zu hindern«.24 Dieser Lebenskraft spricht Wilhelm die Neigung zu einer ›planvollen‹ Selbsttätigkeit zu. Der zunächst rein naturwissenschaftliche Blickwinkel seiner Darstellung nimmt die Konturen einer dezidiert spekulativen Anschauung an: Das Verhältnis zwischen den Gesetzen der Materie und denen des Lebens wird umakzentuiert und als ein Krieg im Dienst des Lebens interpretiert. Die organische Form wird als ein Streit-Geschehen bezeichnet, dem Maß und Grenze innewohnt. In einem unaufhörlichen Kampf begriffen, scheinen die Lebenskräfte aus Humboldts Sicht wie in einem Bündnis sich gegenseitig beflügeln und stärken zu wollen. Dabei geht es weder um eine zufällige Kollision, wie im Fall der Chemie, noch um eine Beziehung von Realrepugnanz,
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A. von Humboldt: Aphorismi ex doctrina Physiologiae chemicae Plantarum. In: Florae Fribergensis specimen plantas cryptogamicas praesertim subterraneas exhibens. (Berlin 1793). 20 A. von Humboldt: Aphorismen aus der chemischen Physiologie der Pflanzen (Leipzig 1794). 21 Siehe den Kommentar von A. Leitzmann (I 435): »Zwei Zitate aus Blumenbach und Alexander von Humboldt, die das Manuskript des ersten Aufsatzes enthielt, wurden auf Goethes Anraten gestrichen, um die Anonymität nicht zu durchsichtig zu machen«. 22 Siehe die entsprechende Stelle in J. F. Blumenbach: Bildungstrieb, a. a.O. [Anm. 18], 24 f. 23 C. F. Wolff: Theorie der Generation in zwei Abhandlungen erklärt und bewiesen (Berlin 1764; Neudruck hg. von Robert Herrlinger, Hildesheim 1966) 45. 24 A. von Humboldt, Aphorismen, a. a.O. [Anm. 20] 9. Resolvere und obstare sind die von Alexander verwendeten lateinischen Verben zur Bezeichnung dieses reaktiven Sachverhaltes.
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wie sie bspw. bei Kant hinsichtlich der physikalischen Kräfte thematisiert wird.25 Unter ihnen wird vielmehr ein hochgesinnter Wettkampf ausgetragen, aus dem erst die »weiche Biegsamkeit« und der »fließende Glanz« der organischen Bildungen entstehen können (II 2 f.). In einer Zeit, in der – wie Goethe in Hermann und Dorothea schreiben wird – alles sich »regt, als wollte die Welt, die gestaltete, rückwärts / Lösen in Chaos und Nacht sich auf, und neu sich gestalten«,26 kommt dem Organismus für Humboldt die metaphorische Bedeutung einer Gymnastik des Willens zu (I 321), gleichsam einer Disziplin des moralischen Wettstreits, aufgrund derer die Flexibilität der lebendigen Form ihre Überlegenheit gegenüber der ungeheuren Energie einer stumpfen Materie geltend macht. Ausgehend von der Überzeugung, dass »die physische Natur nur Ein grosses Ganze mit der moralischen ausmacht, und die Erscheinungen in beiden nur einerlei Gesetzen gehorchen« (I 314), erblickt Humboldt in den Bildern des Organischen das fassbare Zeichen einer sich selbst frei gestaltenden, agonal strukturierten Tätigkeit, die der »Bildung« des Menschen voransteht und sich »in der Phantasie des Künstlers«, »in der Entdeckung des Forschers« und »in der Energie des handlenden Menschen« als strategische Intelligenz offenbart (I 316).
III. »Die Kraft, welche das Lebendige und Organische beseelt«, so Humboldt, setzt gemäß der epigenetischen Zeugungstheorie die »Verbindung zweier verschiedener Prinzipien« voraus (I 316). Um diese Dualität der Lebenskräfte zu begreifen, fokussiert sich Humboldt auf die Analyse des Geschlechtsunterschieds.27 »Diess tiefe Geheimniss« bestehe in der Polarität zweier gegensätzlicher, und dennoch streng aufeinander bezogener Naturkräfte. Männlichkeit und Weiblichkeit werden als allgemeine Seinsprinzipien aufgefasst, die den Lebensrhythmus jeder natürlichen Form, von den Pflanzen bis zum Menschen, regulieren (I 320). Das männliche Prinzip erscheint zunächst als zeugende »Selbstthätigkeit«, »Anstrengung« und »Rastlosigkeit« (I 320; 323; 333). Dagegen bedeutet das weib-
25 Immanuel Kant: Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen. In: Gesammelte Schriften. Bd. 2, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften (Berlin 1912) 171 f. 26 Johann Wolfgang von Goethe: Hermann und Dorothea, IX. Gesang, VV. 273 f. Humboldt kommentiert diese Stelle noch in einem Brief an Goethe vom 28. Juni 1797. Vgl. hierzu Goethes Briefwechsel mit Wilhelm und Alexander v. Humboldt, hg. von Ludwig Geiger (Berlin 1909) 39–42, hier 41. 27 Wolfdietrich Schmied-Kowarzik: Reflexionen zu Wilhelm von Humboldts Phänomenologie der Geschlechter. In: Menschheit und Individualität. Zur Bildungstheorie und Philosophie Wilhelm von Humboldts, hg. von E. Wicke/W. Neuser/W. Schmied-Kowarzik (Weinheim 1997) 181–198.
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liche Prinzip zuerst »Empfänglichkeit«, »ausdauernde Beharrlichkeit«, »holde Stätigkeit« (I 323; 333). Während das Männliche von einer »Heftigkeit« erschüttert wird, die »selbst die Zerstörung nicht scheut« und in ihm eine »Kraft des Lebens« zutage tritt, die »leicht dem Wechsel unterworfen« ist (I 332), verweist das Weibliche auf eine »üppig überströmende Fülle« und setzt die beruhigende »Unveränderlichkeit des Endlichen« voraus (I 320; 332). Männlich und Weiblich sind für Humboldt die entgegengesetzten Termini einer weltstiftenden Polarität, innerhalb derer ein Begriff ohne den anderen jeglicher Bedeutung entbehrt. Bei der Erläuterung dieser naturphilosophischen Dualität rückt das personale Element der anfänglichen anthropologischen Dichotomie von Mann und Frau allmählich in den Hintergrund: »Indem nun alles Männliche angestrengte Energie, alles Weibliche beharrliches Ausdauern besitzt«, so stellt er klar, »bildet die unaufhörliche Wechselwirkung von beiden die unbeschränkte Kraft der Natur« (I 325). Zwischen diesen zwei Prinzipien besteht in erster Linie ein Verhältnis der Komplementarität.28 Durch eine »Sehnsucht« getrieben, »umschlingen« die zwei Kräfte »einander zu einem harmonischen Ganzen« (I 320). Wie die Ausführungen – und insbesondere die Lexik – Humboldts jedoch herausstellen, steht dieses komplementäre Verhältnis nicht allein im Zeichen der Irene, der friedvollen unter den »drei schwesterlichen Horen«.29 Es steht auch unter dem Einfluss der griechischen Wettstreit-Göttin Eris, der rastlos Drängenden, die zu erfolgreicher Tätigkeit anregt.30 In der gegenseitigen Ergänzung von Männlichem und Weiblichem ist ein ursprünglicher Antagonismus stets mitgedacht. Die Verschiedenheit der Geschlechter, ihr Unterschied, markiert nicht nur eine Differenz, sondern vielmehr eine Heterogenität und eine Auseinandersetzung, bei der die Eintracht einer »harmonischen Verbindung« nur eine Form möglicher Beziehung darstellt. Der Harmonie-Begriff31 erweist sich bei Humboldt als mehrdeutig und gerade die »démarche polysémique«,32 welche die Verbindung des Männlichen und des Weiblichen charakterisiert, spornt ihn zu weiterer Vertiefung an. Es sei eine »befremdende Erscheinung«, so bemerkt er, dass »Kräfte, die sich so nothwendig sind, und so heftig suchen, getrennt existiren sollen und dass das 28 29
H. Ritter: Wechselseitige Ergänzung, a. a.O. [Anm. 12] 184. F. Schiller: Ankündigung der Horen. In: Werke. Bd. 5, hg. von W. Riedel (München 2004)
871. 30
Hesiod: Erga 11–29. Zur philosophischen Bedeutung des Harmonie-Begriffs siehe Y. Belaval: Harmonie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 3, hg. von Joachim Ritter, völlig neubearbeitete Ausgabe (Darmstadt 1974) Sp. 1001. Zum Verhältnis von Harmonie und Streit siehe Leo Spitzer: Classical and Christian Ideas of World Harmony. Prolegomena to an Interpretation of the Word Stimmung (Baltimore 1963) 9. 32 Anne Feuchter-Feler: La contribution de Wilhelm von Humboldt aux Heures. Une image anthropologique du classicisme weimarien. In: Schiller publiciste. Schiller als Publizist, hg. von R. Heitz/ R. Krebs (Bern u. a. 2007) 275–295, hier 278. 31
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zur Verbindung Bestimmte nicht Eins seyn kann« (I 319). Damit wird auf die Besonderheit einer logischen Korrelation angespielt, die »auf dem Weg der Erfahrung« eine undifferenzierte Vermischung der zwei Prinzipien im Sinne einer androgynen Lebensform nicht zulässt (I 330). Ein anhaltender Wettstreit zwischen männlichen und weiblichen Kräften stellt laut Humboldt die unvorgreifliche Bedingung des kreativen Fortschreitens dar, mit dem die Natur »von Stufe zu Stufe des Bessren« ihre »endlichen Wesen« erhöht (I 315). Die spannungsvolle Differenz der Geschlechter wird damit zum allgemeinen Prinzip erhoben, das der progressiven Nobilitierung der organischen Formen voransteht. Wenn sich ein solches certamen ergäbe, würde die Progression der Organismen in die Unförmigkeit der elementaren Materie hinabstürzen, in das, was Humboldt als die »erschlaffende Gleichheit« von »Schlummer oder Tod« bezeichnet (I 326). Wie Lydia Dippel bemerkt, ist daher der Geschlechtsbegriff bei Humboldt der »Schlüssel zu dem geheimnisvollen Entwicklungsgang der Natur«.33 Die Polarität der Geschlechter steht »paradigmatisch für den Antagonismus der Kräfte, durch den die Natur mit endlichen Mitteln eine unendliche Entwicklung in Gang setzt«.34 Die Verbindung der Gegensätze, auf der das »Geheimniss der Organisation« basiert, bedeutet für Humboldt gegenstrebige »Wechselwirkung« und die »Neigung, welche das eine [Prinzip] dem andren sehnsuchtsvoll nähert« bezeichnet er als »Liebe« (I 334). Entsprechend der Funktion, die dem Eros in den Kosmogonien der Antike zugeschrieben wird,35 erblickt Humboldt im Geschlechtsunterschied eine mise en abyme der tumulthaften Prozesse, die das Leben und Weben der gesamten Natur, aber auch der Kultur, bestimmen.36 Wie er zu Beginn seines Aufsatzes betont, bedürfe es »nur einer mässigen Anstrengung des Nachdenkens, um den Begriff des Geschlechts weit über die beschränkte Sphäre hinaus, in die man ihn einschliesst, in ein unermessliches Feld zu versetzen« (I 311). In der Idee einer diskursiven Versetzung oder Übertragung einer naturwissenschaftlichen Begrifflichkeit in ein weiteres »unermessliches Feld« lässt sich die meta-phorische Veranlagung der gesamten Argumentationsweise Humboldts deutlich erkennen. Der also naturwissenschaftlich fundierte Liebesbegriff wird metaphorisch als Motor eines unendlichen morphologischen Forschreitens aufgefasst, denn »nicht auf blosse Fortdauer allein beschränkt«, sei die »Absicht« der Natur »hiebei zugleich auf etwas Höheres gerichtet« (I 315).
33
Lydia Dippel: Wilhelm von Humboldt. Ästhetik und Anthropologie (Würzburg 1990) 94. Ebd. 95. 35 Hierzu siehe Jean Rudhardt: Le rôle d’Éros et d’Aphrodite dans les cosmogonies grecques (Paris 1986). 36 Hierzu siehe Tilman Borsche: Wilhelm von Humboldt (München 1990) 119. 34
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IV. Humboldt greift das Thema des Geschlechtsunterschieds in einem zweiten Aufsatz auf, der 1795 im dritten und vierten Stück der Horen unter dem Titel Ueber die männliche und weibliche Form erscheint. Die Übertragung der Dualität von Männlich und Weiblich in eine ästhetische Begrifflichkeit bildet den Hauptgegenstand dieses zweiten Aufsatzes. Darin entfaltet Humboldt das metaphorische Potential des Geschlechterdiskurses und leitet daraus eine Reihe ästhetischer Begriffe ab, die zur Neukodierung des Begriffspaars von Form und Stoff beitragen. Die gewundene Fachsprache der Epigenetiker erhält dabei Modellcharakter. Vor dem Hintergrund der epigenetischen Tradition wird eine innovative Semantik entwickelt, die die naturwissenschaftliche Herkunft der verwendeten Termini um eine ästhetische Bedeutung ergänzt. Im Spannungsfeld zwischen Lebenswissenschaft und Ästhetik findet nicht nur ein reibungsloser vocabulary transfer statt. Dabei geht es vielmehr um ein fruchtbares Aufeinandertreffen heterogener Perspektiven, die um die wechselseitige Erschließung eines gemeinsamen Wissensbereichs wetteifern. Nach Max Black hat eine solche diskursive Interaktion »the power to bring two separate domains into cognitive and emotional relation by using language directly appropriate to the one as a lens for seeing the other«.37 Anhand der organischen Metaphorik richtet Humboldt den ästhetischen Diskurs auf neue Dimensionen aus: Der Rückgriff auf diese besondere Bildlichkeit eröffnet eine neue Perspektive in dem scheinbar weit entfernt liegenden Bereich der Ästhetik und trägt in entscheidendem Maße zur Schärfung des analytischen Instrumentariums bei. Schon zu Beginn seines zweiten Horen-Aufsatzes trifft man erneut auf alle Dichotomien und Gegensätze, auf die Humboldt bereits im ersten Aufsatz hinsichtlich der Natur im Allgemeinen eingegangen war. Der Geschlechtsunterschied löst auch in aestheticis eine Reihe gegensätzlicher Begriffe aus: In der Dualität von männlichen und weiblichen Kräften erblickt nun Humboldt eine Gegenüberstellung zweier stilistischer Prinzipien, deren gegenstrebige Eigenschaften nach einer konsequent dichotomischen Architektur angeordnet werden, die auf die ästhetisch-philosophische Tradition der europäischen Aufklärung verweist. Von den zahlreichen Bedeutungen, die nun dem Männlichen und dem Weiblichen zugeschrieben werden, möchte ich an dieser Stelle die Analogie besonders hervorheben, die Humboldt im Verhältnis zur Bildhauerei und zur Musik einführt. »In dem männlichen«, so formuliert er, »ist Übergewicht der Kraft«; diese Kraft kann »mit Schnelligkeit […] die Muskeln anspannen«, »mit Heftigkeit sich aller hindernden Masse entledigen« und den »ruhigen Genuss entfernen«. »Da37
Max Black: Models and Archetypes. In: ders.: Models and Metaphors. Studies in Language and Philosophy (Ithaca – London 1962) 219–243, hier 236.
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durch«, so wird per analogiam gefolgert, »nähert sie sich der bildenden Kunst«, die dem »lebenden Prinzip Herrschaft in der todten Materie verschaft« (I 362). »Sanfter und melodischer«, so Humboldt weiter, ertönt dagegen die »Stimme« aus dem »Munde der Weiblichkeit«; »alle ihre Bewegungen« sind »feiner und sanfter modulirt« und »der Harmonie einer seelenvollen Musik ähnlich« (I 367). Der Modus der Bildhauerei steht mit der Verfahrensweise der Musik »in einem nothwendigen Widerstreit« (I 366). »Die männliche [Kraft] fodert durch verwikkeltere Formen zunächst nur den Verstand auf«; die weibliche »ladet zunächst bloss durch Ueppigkeit des Stoffes die Sinne ein« (I 352). Kaschiert hinter verschiedenen Namen, lehnt sich die stilistische Opposition von Männlich und Weiblich bei Humboldt an den grundlegenden Kontrast von ›energischer‹ und ›schmelzender Schönheit‹ an, den er den Schillerschen Betrachtungen in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen entnimmt.38 Das Männliche und das Weibliche sind wesensverwandt mit den Schillerschen Kategorien von Erhabenheit und Schönheit. Neben Schillers Ansichten besteht jedoch für Humboldt der nächstliegende terminologische Anhaltspunkt in der Tradition der klassischen Ästhetik. Denn, wie zu Anfang seines Aufsatzes zu lesen ist, hinter dem Männlichen und dem Weiblichen lässt sich zuerst die Gegenüberstellung der »formositas«, d. h. der »Oberherrschaft der Form«, und der »venustas«, d. h. »der lieblichen Anmut der Züge«, deutlich erkennen (I 335), wie er sie bspw. in der Rhetorica ad Herennium vorfinden konnte. Die Begriffe der männlichen formositas und der weiblichen venustas gehen zugleich bei Humboldt weit über die Grenzen ihres anfänglichen, rein rhetorischen Profils hinaus und avancieren zu konkurrierenden Denkstilen, ja zu heterogenen Strukturierungsmustern der Erfahrung. Aus der Perspektive des großen Stils der römischen Klassik und in enger Anbindung an die Schillersche Begrifflichkeit knüpfen somit die Humboldtschen Betrachtungen unmittelbar an das Wissen einer doppelten Ästhetik an, bei der – wie Carsten Zelle bemerkt – das Kategorienpaar von Schönheit und Erhabenheit, jeweils unter modifizierter Terminologie, den »Aggregatzustand einer grundlegenden, gegenläufigen Spannung« markiert, welche die Ästhetik in ihrer Gesamtheit durchläuft.39
38
In einer Fußnote »ersucht« Humboldt den Leser, »sich an den, in den Briefen über aesthetische Erziehung im 1sten und 2ten St. der Horen aufgestellten Begriff der Schönheit zu erinnern« (I 352). Hierzu siehe Raymond Immerwahr: Sublime Manliness and Lovely Femininity in the Age of Goethe. In: Tradition and Creation. Essays in honour of E.M. Wilkinson, ed. by C.P. Magill/B.A. Rowley/C.J. Smith (Leeds 1978) 46–62, bes. 54; Cora Lee Price: Wilhelm von Humboldt und Schillers »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen«. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 11 (1967) 358–373; Christina Dongowski: Die zwei Körper des Menschen. Wilhelm von Humboldts Versuch, den Sinn der Fortpflanzung zu denken. In: Die Grenzen des Menschen. Anthropologie und Ästhetik um 1800, hg. von M. Bergengruen/R. Borgards/J.F. Lehmann (Würzburg 2001) 159–181, bes. 170. 39 Carsten Zelle: Die doppelte Ästhetik der Moderne. Revisionen des Schönen von Boileau bis Nietzsche (Stuttgart – Weimar 1995) 10.
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Im Bereich der Musik herrscht nach Humboldt das Prinzip einer für die Sinne reizvollen Materie vor, während die Bildhauerei den einseitigen Triumph der Form und deren Beständigkeit markiert. »Form« bedeutet hier ein bildendes Prinzip, wobei die Materie oder der Stoff auf alles Ungeformte, sofern es formbar ist, verweist. Die Fähigkeit, das plastische Prinzip des Männlichen gegen das musikalische Prinzip des Weiblichen strategisch auszuspielen, macht laut Humboldt die Signatur des »ächten Künstlers« aus. Die artikulierende Tätigkeit der Bildhauerei lässt die Beweglichkeit des musikalischen Prinzips nicht erstarren, sondern erlaubt vielmehr, dessen Tiefen zu ergründen. Der Imperativ des modernen Künstlers ist daher nicht die Synthese dieser beiden Stilprinzipien, sondern ihr fortwährender Antagonismus, denn einzig diesem dualen Stilstreit verdanke sich die Vitalität und das Fortschreiten der ästhetischen Formen in der klassischen Kunst der Antike, aber auch in jener der Neueren. Um die Besonderheit dieses ästhetischen Agons zu beleuchten, destilliert Humboldt in seinem zweiten Horen-Aufsatz eine aus der Pflanzenwelt entlehnte Metapher, die zum Symbol seines unruhigen Ideals des Organischen gereicht: »Die Pflanze strebt mit eigenem Leben empor, und streckt vielfach getheilte Wurzeln und Zweige aus, um fremden Stoff aufzunehmen und eignen abzusondern […]; es offenbart sich in ihr eine innre formende Kraft. Dieser strebt indess die Materie entgegen, und daher stellt jeder organische Körper das Bild eines Kampfes dar, in welchem bald der eine, bald der andere Theil die Oberhand behält« (I 347 f.). In der erhabenen Vision eines ursprünglichen Kampfes, der zwischen dem plastischen Prinzip der Form und dem musikalischen Prinzip der Materie entbrennt, erkennt Humboldt die Chiffre seiner agonalen Ästhetik. Im Unterschied zu dem, was in Goethes Metamorphose der Pflanzen oder in Schlegels Lucinde zu lesen ist, wo die Polarität von Männlich und Weiblich in die androgyne, konfliktfreie Schönheit der Blüte übergeht, dient die Pflanze bei Humboldt als Metapher eines nicht-zyklischen, geschichtlich bedingten und ausgeprägt antagonistischen Verhältnisses. Ein derartiger Agon zwischen formender Kraft und Materie wird metaphorisch als das große Instrument der Kultur aufgefasst, denn allein aus dem edlen Widerstreit männlicher und weiblicher Kräfte kann nach Humboldt jene organische Kunstform hervorgehen, die – stets zum Licht und zum Äther strebend – die eigene Dauerhaftigkeit der Vergänglichkeit der unförmigen Welt der Empirie entgegenstellt. In dem »Ebenmaass« ihrer »Umrisse« und in den Proportionen ihrer Oberfläche enthüllt diese organische Form dem »ahndenden Gefühle« (I 313) die Tiefe jenes Konflikts (I 348). In ihr wird die Vielheit zur offenen Ordnung, zum einheitlichen Plan, zur harmonischen Komposition, und in der Architektur ihrer »Gränzen« ist das Auge in der Lage, jenes morphologische Prinzip zu erkennen, von dem das Leben und Überleben der Organismen, aber auch der Kulturformen, abhängig ist.
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V. Der von Humboldt ins Bild der Pflanze eingezeichnete ›heroische‹ Charakterzug hat sich tief in seine Erinnerung eingeschrieben. Er kehrt einige Jahre später in einem kleinen, wahrscheinlich im Jahr 1799 verfassten Probestück wieder, das unter dem editorischen Titel Cantabrica als Vorstufe für die 1801 konzipierte, groß angelegte Reisebeschreibung aus dem Baskenland gilt (Die Vasken, XIII 1–197). Bemerkenswert ist dabei zunächst die nahezu wortwörtliche Ähnlichkeit, die sich zwischen dem Pflanzenbild im zweiten Horen-Aufsatz und dessen Wiederaufnahme in den Reisebericht Cantabrica feststellen lässt. Umgeben von der erhabenen Landschaft der französischen Pyrenäen, unweit von St. Jean de Luz, gleichsam »in die frühesten Alter der ersten Weltbildung zurückversetzt« (III 115), erblickt Humboldt in der Erscheinung einer Pflanze unter den »todten ungeschiedenen und ungeheuren Massen« lebloser Felsen das Bild eines existentiellen Kampfes »gegen die wüsten Elemente des Chaos«: »Wie die Pflanze, die, sich aus der Ritze des Felsens hervorwindend, seine schroffen Ecken umklammert, erhält sich mitten unter ihrer Verwüstung die lebendige Organisation, und wie der im Stein verborgene Funke springt der Trieb der Bildung aus ihr selbst hervor« (III 116). Der Passus stützt sich semantisch auf zwei auseinanderstrebende Bedeutungstendenzen: Die dem Organischen zugeschriebenen Attribute einer kunstvollen Flexibilität werden rhetorisch gegen die negativ gefärbte Rigidität des Leblosen ausgespielt. Als reflektierender Reisender hat hier Humboldt die Vielfalt seiner visuellen Eindrücke der eidetischen Prägnanz des geschriebenen Wortes anvertraut. Den anhaltenden Streit der Pflanze, die ihre »lebendige Organisation« heroisch zu erhalten trachtet, vergleicht er im Fragment mit der unaufhörlichen Arbeit des Menschen an seiner geistigen Bildung, »[d]enn auch in ihm streitet ein formloser Stoff, ein unbestimmtes Streben und ein unbestimmter Trieb mit dem ordnenden Gedanken und der gestaltenden Anschauung« (III 116 f.). Die Veranschaulichung einer moralischen Idee durch Metaphern lässt das Entwickeln allgemeiner Begriffe in den Hintergrund treten. Die Leistungen einer figürlichen Intelligenz überbieten die Ansprüche systematischer Analytik. Dem »ächten Dichter« teilt Humboldt daher die Aufgabe zu, »den formlosen Stoff wahrhaft mit dem Bildungstrieb« zu »gatten« und »den Kampf und die Vereinigung der Schöpfungskräfte selbst« einzuführen. Ein solcher poëta classicus würde die antike Gattung der »Kosmogenie einige Schritte weiterführen« und dadurch die Kräfte im Menschen »erregen, durch die er eine solche Schöpfung ausser sich begreifen, eine ähnliche in sich nachbilden kann« (III 116). Im zweiten Horen-Aufsatz hatte Humboldt das Profil des klassischen Künstlers bereits skizziert. Um den Gipfel des großen Stils der Klassik besteigen zu können, müsse der Künstler sich zuallererst »über den willkürlichen Anspruch der Mode« hinwegsetzen (I 364), denn auch in der Kultur, wie in der Natur, exi-
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stiere eine »Stufenfolge mehr oder weniger edler Bildungen«, deren »Rang« sich aus dem Wechselverhältnis von »bildende[r] Kraft und »bildsame[m] Stoff« bestimmen lasse (I 348). Laut Humboldts zeitkritischer Diagnose hat jedoch die neuere Kunst den Sinn für »ächte Schönheit« verloren, der den Griechen zueigen war und der, ganz im Kantschen Sinne, einen »uneigennützigen Beifall« erfordert (I 356). »Im Kreise des gesellschaftlichen Lebens« würden »Bildung, Mode, Anstand« und vor allem »Kunstwerke, Theater, Schriften, u.s.w.« zu bloßen Gebrauchsprodukten herabgewürdigt (I 356). Das moderne Publikum sei nicht etwa ungebildet, sondern missgebildet unter dem Einfluss einer geselligen Kultur, die mit immer stärkeren Reizen eine Sensibilität anregt, die eine interessante Originalität immer neuer und unterschiedlicher Kunstformen beansprucht.40 »Nicht selten«, so präzisiert Humboldt, »hören wir Bildungen schön nennen, die bloss interessant heissen dürften« (I 363). Seine Polemik richtet sich insbesondere gegen das Publikum der Romanleser, die »dem Schriftsteller überhaupt Mangel an kunstvoller Einheit der Darstellung« verzeihen, wenn er sie »nur durch kühne und originelle Wendungen interessirt« (I 364). Während die Kunst des modernen Romans ein Zeichen der »Schlaffheit« des Zeitalters darstellt (I 365), ist für Humboldt der große Stil – wie etwa im klassischen Epos – gleichbedeutend mit Realitätssteigerung, Entschlossenheit, Geistesgegenwart und absoluter formaler Strenge. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, bezeichnet seine Idee des Klassischen nicht etwa ein festgelegtes Zusammenspiel stilistischer Konnotationen. In der klassischen Kunst konkretisiere sich vielmehr eine als Disziplin aufgefasste Tätigkeit, die den chaotischen Wirbel zufälliger Details zugunsten des Notwendigen aufgibt und somit die Vielheit und ihre uferlosen Möglichkeiten der Virtualität des Impliziten überlässt. Dabei nimmt sich die Ästhetik keineswegs als eine konfliktscheue Theorie des Ausgleichs aus. Vielmehr erscheint sie als eine Grenzwissenschaft, die, ausgehend von den Erkenntnissen der Naturkunde, die Idee der Schönheit und eines klassischen Stils ins Bedeutungsfeld der Auseinandersetzung und des Streits zweier antagonistischer Prinzipien hineinführt. Zu diesem agonalen Gestaltungsprinzip, aufgrund dessen die lebendige Form das Unförmige der Materie strategisch kanalisiert, führt Humboldt das Bild des Eros zurück. Denn, wie er zum Abschluss seines Versuchs Ueber den Geschlechtsunterschied formuliert, der Gott der Liebe verkörpert das kosmogonische Prinzip, dem bereits »der ahndende Weisheitssinn der Griechen« die »Anordnung des Chaos« anvertraut hat (I 334).
40
Giuliano Baioni: Teoria della società e teoria della letteratura nell’età goethiana. In: F. Schlegel: Sullo studio della poesia greca, a cura di A. Lavagetto (Napoli 1988) 7–37, bes. 7 f.
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»The Darkroom of the Soul«. Die Camera obscura als absolute Metapher einer neuen Epistemologie des Menschen?
In den Träumen eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik (1766) findet sich die folgende Bemerkung Kants zur Seele: »[M]eine Seele ist ganz im ganzen Körper und ganz in jedem seiner Teile«,1 denn es sei denkbar, »daß eine geistige Substanz, ob sie gleich einfach ist, dennoch einen Raum einnehme (d. i. in ihm unmittelbar tätig sein könne), ohne ihn zu erfüllen (d. i. materiellen Substanzen darin Widerstand zu leisten).«2 Kants Äußerung ist schon deshalb bemerkenswert, weil er sich sonst zumeist konsequent weigerte, Aussagen zur Seele zu machen, die seiner Ansicht nach ein Thema der Religion und nicht der Philosophie sei. Zudem verwundert seine widersprüchliche Formulierung, dass die Seele »einen Raum einnehme […], ohne ihn zu erfüllen«. Damit das möglich ist, müsste es sich bei der Seele selbst um einen Raum handeln, der dann als eine Art Behälter im Sinne eines absolutistischen Raumverständnisses und gerade nicht im Sinne von Kants eigener Definition des Raumes als einer »Form der Anschauung« vorgestellt wird. Auch im Vergleich mit der bisherigen Tradition philosophischer Seelenbestimmungen sind Kants Bemerkungen ungewöhnlich. In den zahlreichen philosophischen Traktaten von der Antike über die Kirchenväter bis zur frühen Neuzeit wurde die Seele kaum räumlich-visuell vorgestellt, sondern interessierte vorrangig als Konzeption, mit der man sich über die Fähigkeiten des Menschen in Abgrenzung zu Tieren und Pflanzen verständigte. Von Aristoteles bis Descartes wurde die Seele in erster Linie vermögenstheoretisch diskutiert, sie wurde in verschiedene Vermögen (facultates) unterteilt, die dann in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten klassifiziert und hierarchisiert wurden. Die Frage, wo die Seele zu verorten sei, wurde dabei zwar immer wieder berührt (bei Platon ist die Seele bekanntlich in verschiedenen Körperteilen zu finden, Aristoteles hingegen lokalisiert sie im Herzen), doch sie blieb eine Nebensächlichkeit. Erst mit Descartes’ strenger Trennung von res cogitans und res extensa rückt die Frage nach ihrem Ort als »commercium mentis et corporis« in den Vordergrund. Im Zuge der sich im Anschluss an Descartes vollziehenden epistemologischen Umstellungen wird die Seele nun immer häufiger als eine Art im Körper befindlicher Innenraum vorgestellt, in dem Gefühle in unterschiedlichen Tiefenschichten angesiedelt 1
Immanuel Kant: Werke in sechs Bänden, Bd. 1, hg. von Wilhelm Weischedel (Darmstadt 1960) 931 f. 2 Ebd. 930. Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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sind – eine Vorstellung, die sich in der Romantik3 weiter verfestigen wird und auf die vor allem die Psychoanalyse und Tiefenpsychologie des 20. Jahrhunderts rekurrieren werden. Im Folgenden soll die Vorstellung einer räumlichen Innen-Dimensionierung des modernen Subjekts mit dem Gebrauch der Camera obscura in Beziehung gesetzt werden. Seit Descartes, so die leitende These, modelliert die Camera obscura als Metapher die räumliche Vorstellung der Seele bzw. einer seelischen Innenwelt. Sie hat daher wesentlichen Anteil daran, dass die aus der Antike von Aristoteles über die Kirchenväter bis zu Descartes tradierten Auffassungen der Seele im 18. Jahrhundert in eine Innerlichkeitssemantik der Subjektivität, genauer, in die Vorstellung der räumlichen Tiefe der Person überführt werden. Basierend auf Hans Blumenbergs Metaphorologie, dem zufolge die Analyse der Metaphorik ein privilegiertes Untersuchungsfeld darstellt, um relevante Veränderungen und Umbrüche der menschlichen Denkgeschichte zu registrieren und auf tieferer Ebene zu begreifen, werde ich die Bedeutung der Camera obscura als absoluter Metapher für den menschlichen Geist diskutieren und anhand exemplarischer Beispiele im philosophischen und literarischen Diskurs von Descartes über Locke, Hume und Rousseau bis ins frühe 19. Jahrhundert verfolgen. Im Zentrum steht dabei weder die historische Bedeutung der Camera obscura für die Konstruktion des modernen Beobachters, wie sie von Jonathan Crary untersucht wurde,4 noch soll die Camera obscura als »Medienstrategie« analysiert werden, die eine neue Form der Informationsverarbeitung und Wissensgenerierung angeleitet hat.5 Im Mittelpunkt steht vielmehr die konkrete Analogie zwischen der »Camera obscura« als dunkler Kammer bzw. dunklem Innenraum und dem menschlichen Geist. Diese Analogie soll als eine absolute Metapher in den Blick gerückt werden, als eine, mit Blumenberg formuliert, »in ihrer Anschaulichkeit begrifflich nie ganz einholbare Leistungsart der Erfassung von Zusammenhängen«, bei der sich »der Geist in seinen Bildern selbst voraus ist«.6
3
Zur Figur der Tiefe in der Romantik vgl. Inka Mülder-Bach: Tiefe: Zur Dimension der Romantik. In: Räume der Romantik, hg. von Inka Mülder-Bach und Gerhard Neumann (Würzburg 2007) 83–102. 4 Jonathan Crary: Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the 19th Century (Massachusetts 1990). 5 Wegweisend hierfür: Friedrich Kittler. Vgl. ders.: Die Camera obscura der Literatur. In: Athenäum. Jahrbuch für Romantik 4 (1994) 219–237 und ders.: Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999 (Berlin 2002). 6 Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie (Frankfurt a. M. 1998) 13. Mein besonderer Dank für wertvolle Anregungen und Diskussionen zu Blumenbergs Metaphorologie gilt Prof. Rüdiger Campe (Yale University) und Dr. Lisa Regazzoni (Universität Frankfurt).
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I. Descartes – Die Analogie von Auge und Apparatur Das 17. Jahrhundert gilt allgemein als Jahrhundert der Visualisierung: Technische Erfindungen wie das Teleskop oder das Mikroskop haben Praxis und Denken zahlreicher Philosophen maßgeblich beeinflusst. Spinoza schliff bekanntlich zum Verdienst seines Lebensunterhalts Linsen – eine Tätigkeit, die er in seinen späten Briefen philosophisch reflektiert –, und Leibniz’ Monadenlehre wurde in jüngster Zeit auf seine begeisterten Experimente mit dem Mikroskop zurückgeführt.7 Die Camera obscura hingegen war als Apparatur kein Novum, sondern seit mehreren Jahrhunderten bekannt; ihre Geschichte lässt sich über den arabischen Philosophen Alhazen bis zu Aristoteles zurückverfolgen.8 Als technisches Gerät war sie seit der Renaissance vor allem bei Künstlern sehr beliebt, da sie Experimente zur Konstruktion der (Zentral-)Perspektive ermöglichte.9 Eingeleitet durch Keplers Untersuchungen in den Paralipomena von 1604, dem es als erstem gelang, das mathematische Funktionieren der Camera obscura korrekt zu bestimmen, und der auch das Funktionieren des menschlichen Auges nach dem gleichen Prinzip erklärte, avancierte die Camera obscura zum Modell der im Entstehen begriffenen geometrischen Optik, die sich von der bisher vorherrschenden aristotelischen, sich auf Wellenbewegungen berufenden Medientheorie radikal unterschied.10 Descartes diskutiert die Camera obscura als optisches Modell zur Erklärung menschlichen Sehens zum ersten Mal in La Dioptrique, einer in den Discours de la méthode (1637) eingeschobenen Abhandlung. Auf die Tradition neuerer optischer Forschungen verweisend, erklärt er: »Pour sentir l’âme n’a pas besoin de contempler aucunes images que soient semblables aux choses qu’elle sent; mais cela n’empêche pas qu’il ne soit vrai que les objets que nous regardons en impriment d’assez parfaites dans le fond de nos yeux; ainsi que quelques-uns ont déjà tres ingénuieusement expliqués.«11 Descartes ist in seinen Untersuchungen bemüht, eine vermittelnde Position zu finden: Einerseits ist er nicht bereit, die
7
Vgl. Justin Smith: Divine Machines: Leibniz’s Philosophy of Biology (Princeton 2009). Vgl. u. a. John H. Hammond: The Camera Obscura: A Chronicle (Bristol 1981). 9 Vgl. hierzu Svetlana Alpers: The Art of Describing (Chicago 1983) 249 f. Alpers argumentiert, dass die Camera obscura bei den Künstlern im Norden Europas stärkeren Einfluss zeigte als in südlichen Ländern. Auch wenn diese Deutung umstritten ist, so zeigt sie in ihrer Studie überzeugend, dass zentrale Fragen nach perspektivischer Konstruktion und Darstellungsprinzipien oftmals im Zusammenhang mit der Camera obscura verhandelt wurden. 10 Zur Geschichte der Optik und des Sehens vgl. Gérard Simon: Archéologie de la vision: l’optique, le corps, la peinture (Paris 2003); zur Entstehung der geometrischen Optik im 17. Jahrhundert vgl. des weiteren Mark A. Smith: Ptolemy, Alhazen, and Kepler and the Problem of Optical Images. In: Arabic Sciences and Philosophy 8 (1998) 9–44; ders.: Reflections on the Hockney-Falco Thesis: Optical Theory and Artistic Practice in the Fifteenth and Sixteenth Centuries. In: Early Science and Medicine 10 (2005) 163–185. 11 René Descartes: La Dioptrique. In: Œuvres de Descartes, Bd. 6, hg. von Charles Adam und Paul Tannery (Paris 1973) 114. 8
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Autonomie der Seele als eigenständiger (Wahrnehmungs-)Instanz aufzugeben, andererseits gilt es, sie mit der neuen Wahrnehmungstheorie in Übereinstimmung zu bringen. Diese bestimmte die visuelle Erkenntnis im Anschluss an Keplers Brechungsgesetz, das es ermöglicht, den genauen Strahlengang des Lichts im menschlichen Auge zu bestimmen. Dem neuen Wissensstand folgend, erklärt auch Descartes den Wahrnehmungsprozess analog zur Camera obscura, eine Theorie, die er anhand eines eigenen Experiments mit einem Ochsenauge überprüft und für richtig befunden hat.12 Mit Hilfe von mehreren in die Abhandlung eingefügten Zeichnungen illustriert er, dass der Gegenstand (V, X, Y) durch Vermittlung des Lichts zum Netzhautbild werde, das an die Retina (T, S, R) projiziert wird (Abb. 1). Von dort werde das Licht in Bewegung übertragen und von den optischen Nerven in Projektionen an der Gehirninnenwand vermittelt (7, 8, 9), die von dort von den in den Nerven sitzenden Lebensgeistern (»esprits animaux«) an die Zirbeldrüse weitergeleitet werden, in der sich die Nervenreize dann in seelische Imaginationen verwandeln (Abb. 2).
Abb. 1: Descartes La Dioptrique
Abb. 2: Descartes La Dioptrique
Der Wahrnehmungsprozess wird in dieser Konstruktion zu einer Staffel von Vermittlungsprozessen, die ein mimetisches Einswerden der Vorstellung mit dem Objekt verkomplizieren. Descartes’ Modell impliziert drei grundlegende Verschiebungen gegenüber der bisherigen, sich auf Aristoteles berufenden scholastischen Tradition. Erstens: Innenwelt und Außenwelt werden klar separiert und durch die Körpergrenze, die in beide Richtungen weitgehend undurchläs12
Vgl. ebd. 115 f.
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sig wird, voneinander abgeschlossen. Zweitens: Der direkte Bildertransfer von der Außenwelt in die Innenwelt wird unterbrochen. Der Blick des Betrachters, der in der ersten Zeichnung Descartes’ in Form des Mannes im unteren Bild mit eingezeichnet ist, wird nicht primär auf die Objekte der Außenwelt (V, X, Y) gelenkt, sondern gilt vielmehr der inneren »Mechanik« des Wahrnehmungsprozesses. Mit dieser grundlegenden Umkehrung der Blickrichtung auf die eigenen Wahrnehmungsprozesse geht – und das ist die dritte und vielleicht die weitestreichende Erneuerung – eine neue Raummetaphorik für den Geist einher. Indem Descartes die technische Apparatur der Camera obscura auf das Gehirn überträgt, wird dieses zur Dunkelkammer für Projektionen, die an den Innenwänden des Gehirns »betrachtet« werden können. Eine Schwierigkeit im Descartes’schen Modell ist, dass er nicht erklären kann, wie die visuellen Abdrücke genau an das Gehirn vermittelt werden, wie es also zum eigentlichen Sehen des Gehirns bzw. der Seele kommt. Im Gegensatz zu den minutiösen Darstellungen der einzelnen Schritte des visuellen Wahrnehmungsprozesses bricht er seine Überlegungen, sobald es zur Frage nach der spezifischen Wahrnehmungsform der Seele kommt, kurzerhand ab mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen und eigenartig konjunktivisch formulierten Verweis auf eine ebenso prinzipiell mögliche Erklärung für die Vererbung von Muttermalen: »Et de là je pourrais encore la transporter jusques à une certaine petite glande, qui se trouve environ le milieu de ces concavités, et est proprement le siège du sens commun. Même je pourrais, encore plus outre, vous montrer comment quelquefois elle peut passer de là par les artères d’une femme enceinte, jusques à quelque membre déterminé de l’enfant qu’elle porte en ses entrailles, et y former ces marques d’envie, qui causent tant d’admiration à tous les Doctes.«13 Descartes betont in seinen Ausführungen immer wieder die Unabhängigkeit der Seele als letzter Wahrnehmungsinstanz – »c’est l’âme qui sent et non le corps« –, belässt deren Funktionsweise jedoch weitgehend unbestimmt bzw. belässt es bei dem Verweis, dass er die letzten Schritte durchaus darzustellen in der Lage sei, nur offensichtlich momentan keinen Anlass dazu sieht. Mehr noch als diese Ungenauigkeit, die der Tatsache geschuldet sein mag, dass sein Hauptinteresse hier der visuellen Wahrnehmungstheorie und nicht der Seele gilt, und der man auch seine Vorsicht gegenüber der Inquisition ablesen kann, die eine rein physiologische Wahrnehmungstheorie ohne die Seele als letzter und eigentlicher Wahrnehmungsinstanz kaum geduldet hätte, verwundert die Doppelung der Bildprojektionen: Dass die Punkte V, X, Y gemäß der Funktionsweise der Camera obscura an die Innenwand der Retina projiziert werden, leuchtet ein, doch warum werden sie von dort nicht direkt von den »esprits animaux« über die optischen und zerebralen Nerven an die Zirbeldrüse weitergeleitet, sondern zunächst noch ein zweites Mal an die Innenwand des Gehirns projiziert? Warum fügt er diesen nicht unbedingt nötigen Zwischenschritt ein? 13
Ebd. 129.
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Bei Descartes heißt es: »Les images des objets ne se forment pas seulement ainsi au fond de l’œil, mais elles passent encore au delà jusqu’au cerveau […] d’où il est manifeste qu’il se forme derechef une peinture 789, assez semblables aux objets V,X,Y, en la superficie intérieure du cerveau qui regarde ses concavités.«14 Ähnlich wie in der ersten Zeichnung, in der Descartes einen Betrachter eingefügt hatte, der die Funktionsweise des Auges observiert, findet sich auch hier eine Doppelung der Beobachtung: Das Gehirn – »c’est le cerveau qui regarde ses concavités« – betrachtet seinen eigenen Gehirninnenraum. Geht man davon aus, dass Descartes bemüht ist, die Vorgänge des Gehirns und der Seele getrennt und zugleich parallel zueinander zu konstruieren, so könnte man argumentieren, dass er einerseits darauf abzielt, eine rein physiologische Wahrnehmungstheorie zu etablieren, die auch ohne die Seele auszukommen vermag, andererseits aber bemüht ist, diese mit der philosophischen Tradition der Seelenbestimmungen kompatibel zu halten, so dass die Seele sich jederzeit mühelos in seine Argumentation integrieren lässt. Das hieße seine Konzeption als eine Art Parallelkonstruktion zu lesen, bei der die physiologische Wahrnehmung und die Wahrnehmung der Seele unabhängig voneinander, aber parallel zueinander ablaufen. Nach dieser Lesart würde die Wahrnehmung des Gehirns dem neueren optischen Paradigma unterliegen, die der Seele der älteren aristotelischen Wahrnehmungskonzeption. Auf der Seite der physiologischen Wahrnehmung stellt sich nun die Frage, wie es kommt, dass wir die Gegenstände aufrecht sehen, obwohl das Netzhautbild auf dem Kopf steht. Warum führt das invertierte Netzhautbild nicht zu einem invertierten Wahrnehmungseindruck? Diese Frage hatte auch Kepler beschäftigt, der sich, wie er erklärt, »lange gequält« habe, »nachzuweisen, wo im Auge die Lichtstrahlen einander ein zweites Mal schneiden, bevor sie die Netzhaut erreichen«.15 Descartes’ Doppelung des Wahrnehmungsprozesses mag von diesem, die Wahrnehmungstheorie auf Jahrhunderte beschäftigenden Problem motiviert sein,16 auch wenn er es selbst hier nicht explizit thematisiert; denn die Doppelung konnte leicht so gedeutet werden, dass bei der zweiten Brechung die Welt ganz nebenbei vom Kopf auch wieder auf die Füße gestellt wird. Geert Keil zufolge erliegt Descartes bei seiner Konzeption jedoch einem »Homunkulus-Fehlschluß«, bei dem »postulierte menschenähnliche Instanzen […] ausdrücklich oder unausdrücklich zur Erklärung des menschlichen Geistes herangezogen werden.«17 Descartes habe »nicht bemerkt, daß schon der Pro14
Ebd. Johannes Kepler: Ad Vitellionem Paralipomena, quibus Astronomiae Pars Optica Traditur. In: Gesammelte Werke, Bd. 2, hg. von Walther von Dyck und Max Caspar, (München 1939) 185. 16 Auch Berkeley setzt sich in seinem Essay towards a new Theory of Vision noch mit der Inversionsproblematik auseinander, die er allerdings als Scheinproblematik abzutun versucht. Vgl. George Berkeley: Essay towards a new Theory of Vision. In: The Works, hg. von Arthur Aston Luce und Thomas E. Jessop (London 1948) 114 f. 17 Geert Keil: Über den Homunkulus-Fehlschluß. In: Zeitschrift für philosophische Forschung, 57.1 (2003) 1. 15
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blemstellung ein Homunkulus-Fehlschluß zugrunde liegt. Die Frage, wo denn die Invertierung wieder aufgehoben wird, entsteht allein unter der Annahme, daß auf der Netzhaut etwas ist, was gesehen wird, eben ein Bild, das sogenannte Netzhautbild. Nun ist aber das, was wir sehen, vor unseren Augen und nicht auf unserem Augenhintergrund. Hinter unseren Augen sind keine weiteren Augen mehr und auch kein Menschlein mit Augen.«18 Nicht nur der von Descartes in seine Zeichnung eingefügte Betrachter (vgl. Abb. 1), der den Homunkulus-Fehlschluss unmißverständlich illustriert, auch die Formulierung, dass das Gehirn seinen eigenen Gehirninnenraum betrachten könne, verweisen Keil zufolge darauf, dass Descartes sich »der Suggestion des Bildbegriffs […] nur halb entziehen«19 habe können. Geleitet von der technischen Entdeckung des Netzhautbildes, das wie die Camera obscura einen visuell sichtbaren Abdruck im Hintergrund des Auges hinterlässt, scheint sich Descartes die physiologische Seite der Wahrnehmung zumindest behelfsweise ebenfalls als visuelle Projektion im Inneren des Gehirns vorgestellt zu haben. Im folgenden Abschnitt (VI. Discours) jedoch bemüht sich Descartes, das Missverständnis, dem er selbst zumindest partiell erlegen zu sein scheint, zu korrigieren: Man dürfe sich das auf keinen Fall so vorstellen, als ob es im Gehirn noch weitere Augen gäbe, erklärt er nun: »Or, encore que cette peinture, en passant ainsi jusques au dedans de notre tête, retienne toujours quelque chose de la ressemblance des objets dont elle procède, il ne se faut point toutefois persuader, ainsi que je vous ai déjà tantôt assez fait entendre, que ce soit par le moyen de cette ressemblance qu’elle fasse que nous les sentons, comme s’il y avait derechef d’autres yeux en notre cerveau, avec lesquels nous la pussions apercervoir; mais plutôt, que ce sont les mouvements par lesquels elle est composée, qui agissant immédiatement contre notre âme, d’autant qu’elle est unie à notre corps, sont institués de la Nature pour lui faire avoir de tels sentiments.«20 Die zahlreichen Possessivpronomina dieses Satzes, die sich kaum mehr eindeutig zuordnen lassen, und die negierte irreale Konjunktivkonstruktion zeugen von den Schwierigkeiten, in die sich Descartes’ parallele Konstruktion eines visuell wahrnehmenden Gehirns und einer sensomotorisch erkennenden Seele verstrickt. Was parallel und unabhängig voneinander funktionieren soll, verschiebt sich hier metonymisch ineinander und führt zu Unklarheiten. Descartes betont nun ausdrücklich, dass wir erst durch die von der Seele empfundenen Bewegungsimpulse die Bilder erkennen. Letztlich sind es die mechanischen Reizungen der Seele, die den Seheindruck erzeugen: »c’est l’ame qui voit et non pas l’œil.«21 Damit werden im letzten Schritt beide Seiten seiner Parallelkonstruktion der visuell-zerebralen Betrachtung und der seelischen Wahrnehmung doch noch sensomotorisch gewendet.
18 19 20 21
Ebd. 9. Ebd. 11. R. Descartes: La Dioptrique, a. a.O. [Anm. 11] 130. Ebd. 130.
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Doch dieser letzte Schritt der Übersetzung des visuellen Bildes im Gehirn in Bewegungsimpulse wird sich historisch kaum mehr durchsetzen. Die visuelle Suggestivkraft des neu entdeckten repräsentationslogischen Netzhautbildes wird sich als zu stark erweisen und daher metaphorisch immer wieder auch auf die Wahrnehmungsprozesse des Gehirns übertragen werden. Descartes wird der Bild-Versuchung in seinem Alterswerk Les passions de l’âme selbst noch einmal erliegen, wenn er die Formulierung, dass das Gehirn seinen eigenen Gehirninnenraum erblickt – entgegen seiner korrigierenden Bemerkungen im sechsten Abschnitt von La Dioptrique –, dennoch wörtlich wiederholt.22 Die visuelle Bildmetaphorik des Blicks auf den eigenen Gehirninnenraum wird von nun an die Theorie über die Beobachtung von Wahrnehmungsprozessen bis hin zur modernen Hirnforschung implizit anleiten. Die Tatsache, dass moderne Wahrnehmungstheorien im Anschluss an Descartes zunehmend auf das Gehirn umstellen und auf die Seele verzichten werden, mag sich zusätzlich begünstigend für das visuelle Erklärungsmodell ausgewirkt haben. Denn Descartes’ Parallelkonstruktion von visueller und sensomotorischer Wahrnehmung wird ja erst im letzten Schritt mit Hilfe der Seele in Bewegung überführt. Lässt man die Seele als Erklärungsinstanz nun in der Folge zunehmend außen vor, so liegt es nahe, damit zugleich auch den mit ihr verknüpften Aspekt der Übertragung der visuellen Vorstellung in Bewegung wegzulassen. In dem uns vorliegenden Fall gibt es eine neue wissenschaftliche Erkenntnis (die des Netzhautabbildes), die sich aber noch nicht in eine zusammenhängende Wahrnehmungstheorie überführen lässt. Denn schließlich ist das Netzhautbild nur ein Aspekt des Sehvorgangs, der jedoch nicht zu erklären vermag, wie die Wahrnehmung im Gehirn entsteht. Die Metaphorik entstammt hier nicht einem mythologischen, unwissenschaftlichen Vorverständnis, sondern entsteht vielmehr aus einer durch Theorie hervorgerufenen Erklärungsnot, die mit Hilfe eines technischen Apparats gelöst werden soll. Solche »artifiziellen« Metaphern sind bei Blumenberg durchaus vorgesehen, auch wenn er meist eher mit lebensweltlichen Metaphern in Verbindung gebracht wird.23 Dass die Camera-obscuraAnalogie sich »in ihren Bildern selbst voraus« ist, wird in Descartes’ wiederhol-
22
Vgl. René Descartes: Les Passions de L’Âme, hg. von Pascale d’Arcy (Paris 1996) 122. Hier heißt es: »Ainsi par exemple, si nous voyons quelque animal venir vers nous, la lumière réfléchie de son corps en peint deux images, une en chacun de nos yeux; et ces deux images en forment deux autres, par l’entremise des nerfs optiques, dans la superficie intérieure du cerveau, qui regarde ses concavités […].« 23 Vgl. hierzu u. a. Hans Blumenberg: Das Verhältnis von Natur und Technik als philosophisches Problem. In: ders.: Ästhetische und metaphorologische Schriften (Frankfurt a. M. 2001) 253–265; ders.: Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie. In: ders.: Wirklichkeiten in denen wir leben (Stuttgart 1981) 7–54. Zur Technisierungsleistung von Metaphern vgl. auch Rüdiger Campe: Von der Theorie der Technik zur Technik der Metapher. In: Metaphorologie. Zur Praxis von Theorie, hg. von Anselm Haverkamp und Dirk Mende (Frankfurt a. M. 2009) 283–315.
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ter Formulierung, dass das Gehirn seinen eigenen Gehirninnenraum betrachte, deutlich. Indem er die Funktionsweise des Netzhautbildes metaphorisch auch auf die Wahrnehmungsprozesse des Gehirns überträgt, entfaltet die Analogie eine situationserschließende Bildlichkeit, die es ermöglicht, über einen Bereich zu sprechen, der nicht referentiell erschlossen werden kann. Insofern, als die Metapher hier in einem Moment »einspringt«, der keiner begrifflichen Erkenntnis, sondern nur metaphorischer Erfassung zugänglich ist – sobald es um Fragen nach der »inneren Natur« des Menschen geht, ist alle Rede immer konstitutiv metaphorisch –, könnte man hier von einer »absoluten Metapher« im Sinne Blumenbergs sprechen. Insofern, als es sich bei der räumlichen Vorstellung des Inneren des Geistes um ein Bild handelt, das kein Abbild ist, ist die Camera-obscura-Metapher situationserschließend bzw. welterzeugend. Sie bezieht sich nicht auf eine Tatsache, die in der Welt empirisch vorfindbar ist, sondern konstituiert allererst einen Weltbildentwurf, bei dem durch die bildliche Fundamentalunterscheidung von Innen und Außen die subjektive Innenwelt von der objektiven Außenwelt getrennt wird. Zum anderen zeichnet sich die absolute Metapher dadurch aus, dass sie einen »Totalhorizont«24 erschafft: »Ihr Gehalt bestimmt als Anhalt von Orientierung ein Verhalten, sie geben einer Welt Struktur, repräsentieren das nie erfahrbare, nicht übersetzbare Ganze der Realität.«25 Eine absolute Metapher bietet die Möglichkeit, unterschiedliche, zum Teil stark divergierende Ansichten innerhalb des von ihr zur Verfügung gestellten Horizonts (bzw. Bildrahmens) zu einem Ganzen, zu einer kohärenten Ansicht von Realität zu konfigurieren. Der »Totalhorizont« der Camera-obscura-Metapher entspricht der Vorstellung des abgeschlossenen, dunklen Raumes des Gehirns, innerhalb dessen nun sämtliche erkenntnistheoretischen Fragen verortet bzw. verhandelt werden. Dieser innere Raum wird, mit Blumenberg formuliert, zu einer der »fundamentalen, tragenden Gewißheiten […] aus denen sich Haltungen, Erwartungen, Tätigkeiten, Untätigkeiten, Sehnsüchte, Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten einer Epoche regulierten.«26 Dies zeigt sich in den nur vier Jahre später entstandenen Méditations: »Je fermerai maintenant les yeux, je boucherai mes oreilles, je détournerai tous mes sens, j’effacerai même de ma pensée toutes les images des choses corporelles, […] et ainsi, m’entretenant seulement moi-même, et considérant mon intérieur, je tâcherai de me rendre peu à peu plus connu et plus familier à moi-même.«27 Wurde die epistemologische Camera-obscuraMetapher in La Dioptrique aufgrund ihrer mechanischen Ähnlichkeit mit dem 24
Hans Blumenberg: Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit. In: ders.: Ästhetische Schriften, a. a.O. [Anm. 23] 196. 25 H. Blumenberg: Paradigmen, a. a.O. [Anm. 6] 25. 26 Ebd. 27 René Descartes: Œuvres Philosophiques de Descartes, hg. von Louis Aimé Martin (Paris 1838) 71.
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Auge als tertium comparationis eingeführt, so verbindet sie sich hier mit der ganz anders gelagerten und handlungsgemäß verstandenen Metaphorik der religiösen Meditation und erreicht dabei eine neue Qualität bzw. Wirkmächtigkeit, die sie auch in praktische Weltzusammenhänge einbindet. Das in sich Hineinsehen (»considérer son intérieur«) hat ursprünglich in der Tradition der philosophischen Meditationen seinen angestammten Ort. Auch hier wird es immer schon metaphorisch verwendet, jedoch in einer Metapher, die ihren ganz klaren pragmatischen Sinn einer religiösen Übung bzw. meditativen Praxis hat. Diese traditionelle Metaphorik der religiösen Meditation verbindet sich nun mit der epistemologischen Metapher aus dem Optik-Kontext: Descartes imaginiert den Geist als abgeschlossenen, verdunkelten Raum, der nur, wenn er völlig von der Außenwelt abgeschlossen ist, die Möglichkeit bietet, das Innere zu erforschen. Um die Möglichkeiten philosophischer Erkenntnis zu klären, die gemäß dem Totalhorizont der Metapher allesamt innerhalb diese Geistes verortet sind, werden die nach dem Prinzip der Camera obscura in den Geist von außen hereinfallenden Wahrnehmungen unterbrochen, Augen, Ohren und Sinne werden »dicht« gemacht. Der Blick auf das eigene Innere dient nun nicht mehr allein der meditativen Praxis, sondern dazu, das »Funktionieren« des eigenen Geistes zu klären.
II. The Darkroom of the Soul – Entfaltung des metaphorischen Potentials Die Metaphorik der Dunkelkammer für den menschlichen Geist wird von nun an Geschichte machen. John Locke ist einer der ersten, der sie an prominenter Stelle übernimmt und den »Darkroom« in seinem Essay Concerning Human Understanding (1690) als eigenen Paragraphen abhandelt: »§ 17 Darkroom: […] For, methinks, the understanding is not much unlike a closet wholly shut from light, with only some little opening left, to let in external visible resemblances, or ideas of things without; would the pictures coming into such a dark room but stay there, and lie orderly as to be found upon occasion, it would very much resemble the understanding of a man, in reference to all objects of sight, and the ideas of them.«28 Locke vergleicht menschliches Verstehen mit einem gut verschlossenen Raum, der bis auf eine kleine Öffnung, durch welche die Repräsentationen von Gegenständen und Ideen hereinkommen, ebenfalls als lichtdicht imaginiert wird. Nicht nur reale Gegenstände hinterlassen hier ihren Abdruck als Abbilder auf der inneren Projektionsfläche des Gehirns, auch Ideen werden im Rahmen der Metapher konzeptualisiert und – obwohl sie außerhalb des Menschen keine sichtbare Realität haben – ebenfalls repräsentationslogisch als visuelle Abdrücke vorgestellt. Die Camera obscura entfaltet hier eine Bildmäch28
John Locke: An Essay Concerning Human Understanding, hg. von Alexander Campbell Fraser (Oxford 1894) 96.
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tigkeit, die in ihrer Anschaulichkeit das philosophische Denken über Bewusstseinsprozesse grundlegend modelliert und über die rein begriffliche Erfassung von Zusammenhängen weit hinausgeht. Wurde »in Camera« im 17. Jahrhundert gemeinhin als juristischer Term verwendet, der bedeutete, dass man sich vor einem Richter befand, so lässt sich hier außerdem die Verlagerung der beurteilten Szene ins Innere des Subjekts beobachten. Das Individuum muss sich nicht vor anderen verteidigen, sondern wird sich selbst zum Richter und bewertet seine Wahrnehmungen und Empfindungen auf seiner inneren Bühne. Es entsteht eine Art theatrum mentis,29 ein Aspekt, den besonders David Hume in der Treatise of Human Nature von 1740 herausstreicht: »The mind is a kind of theatre, where several perceptions successively make their appearance; pass, repass, glide away, and mingle in an infinite variety of postures and situations. There is properly no simplicity in it at one time, nor identity in different, whatever natural propension we may have to imagine that simplicity and identity. The comparison of the theatre must not mislead us. They are the successive perceptions only, that constitute the mind; nor have we the most distant notion of the place where these scenes are represented, or of the materials of which it is composed.«30 Wie bei Locke vollzieht sich auch bei Hume die philosophische Argumentation im Rahmen der repräsentationslogischen Metaphorik, die nicht angezweifelt wird, selbst wenn sich der Ort der Projektion nicht ausmachen lässt. Obwohl Hume darauf aufmerksam macht, dass das Repräsentationstheater des Geistes nicht so einfach ist, wie wir es uns vorzustellen geneigt sind, und dass auch die Frage der Identität der Abbildungen in unserem Geist mit den Erscheinungen in der Welt nicht geklärt ist, behält auch er die Vorstellung eines inneren Wahrnehmungstheaters bei und bleibt damit ebenfalls dem »Totalhorizont« der Metapher verhaftet. Die Warnung, dass der Vergleich einen nicht fehlleiten sollte, entkräftet sich selbst, sie wird, um es mit einer weiteren Metapher zu formulieren, »vom Bild verschluckt«.
III. Grenzen der Camera-obscura-Metapher Wie sich hier schon andeutet, löst sich die Camera-obscura-Metapher im 18. Jahrhundert zunehmend von ihrem Bildspendebereich der visuellen Optik und etabliert sich dabei als eigentliche Metapher, die auch losgelöst von ihrem ursprünglichen Kontext Verwendung findet. Dieser Übergang lässt sich paradigmatisch 29
Vgl. Marian Hobson: Du Theatrum Mundi au Theatrum Mentis. In: Revue des Sciences Humaines 167 (1977) 379–394. Hobson argumentiert, dass im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert die Vorstellung des Theatrum Mundi, bei der Gott als Zuschauer fungiert, ersetzt wird durch die sich immer stärker durchsetzende Sichtweise, dass das Individuum der Zuschauer seines eigenen Geistes und seiner Erfahrungen ist. 30 David Hume: A Treatise of Human Nature, hg. von David Fate Norton und Mary J. Norton (Oxford 2000) 165.
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bei Rousseau verfolgen, der in den Ébauches des Confessions ebenfalls auf die Camera obscura anspielt: »Si je veux faire un ouvrage écrit avec soin comme les autres, je ne me peindrai pas, je me farderai. C’est ici de mon portrait qu’il s’agit et non pas d’un livre. Je vais travailler, pour ainsi dire, dans la chambre obscure; il n’y faut point d’autre art que de suivre exactement les traits que je vois marqués.«31 Um den Lesern einen objektiven Bericht zu erstatten und gleichzeitig die Wahrhaftigkeit seiner Darstellung zu garantieren, greift Rousseau auf die Camera-obscura-Metaphorik zurück, die Objektivität und getreue Reproduktion zu versprechen scheint. Die Exaktheit der literarischen Selbstdarstellung soll derjenigen des abgespiegelten Bildes in der Camera obscura entsprechen, bei dem die alleinig erforderliche Kunst darin besteht, die zu sehenden Züge exakt nachzuzeichnen. In der endgültigen Fassung der Confessions (1782) ist die Metapher jedoch gestrichen und nur noch als Echo vernehmbar. Dort heißt es bekanntermaßen: »Voici le seul portrait d‘un homme peint exactement d’après nature et dans toute sa vérité, qui existe et qui probablement existera jamais.«32 Warum streicht bzw. korrigiert Rousseau diese Stelle? Es ist zu vermuten, dass ihm die Camera-obscura-Metapher letztlich nicht dienlich war, da sie zwar einerseits für technische Korrektheit steht, andererseits aber auch beinhaltet, dass die Bilder von außen in das Subjekt hineinkommen, und gerade dieser Aspekt ist zwiespältig, weil er der Singularität seiner Person entgegenstehen könnte. Im Zuge ihrer Etablierung als unabhängiger Metapher vervielfältigen sich einerseits die Verwendungsformen der Camera-obscura-Metapher in verschiedenen Kontexten. Hamann etwa beschreibt sein Inneres synonym mit seinem Haus und seiner »cameram obscuram«, Orte, die er in ihrer Privatheit von der öffentlichen Sphäre absetzt.33 Bei E.T.A. Hoffmann wird sie im Vorwort zu den Elixieren des Teufels als der Ort aufgerufen, an dem der Leser die Bilder der folgenden Erzählungen an sich vorbeiziehen lassen soll.34 Lessing verwendet die Metapher so, dass ihm Shakespeare zur Camera obscura gerät: »Haben wir Genie, so muß uns Shakespeare das sein, was dem Landschaftsmaler die Camera obscura ist: er sehe fleißig hinein, um zu lernen, wie sich die Natur in allen Fällen auf eine Fläche projektieret; aber er borge nichts daraus.«35 Während der Landschaftsmaler in die Camera obscura blicken soll, um sein Handwerk zu lernen,
31 Jean-Jacques Rousseau: Ébauches des Confessions. In: Œuvres complètes, Bd. 1, hg. von Bernard Gagnebin und Marcel Raymond (Paris 1959) 1154. 32 Jean-Jacques Rousseau: Confessions. In: Œuvres complètes, Bd. 1, a. a.O. [Anm. 31] 3. 33 »Überhaupt scheint von außen noch alles so unreif zu seyn, als in meinem Inneren. Was geht mich das Publicum an, wenn ich mein eigen Haus […] oder meine Cameram obscuram, nach der ich das Universum auffangen muß, nicht ins Geschick und zur Festigkeit bringen kann.« In: Johann Georg Hamann: Briefwechsel (1778–1782), 4, hg. von Arthur Henkel (Wiesbaden 1959) 57. 34 E.T.A. Hoffmann: Poetische Werke, Bd. 2, (Berlin 1958) 8. 35 Gotthold Ephraim Lessing: Werke und Briefe, Bd. 6, hg. von Klaus Bohnen (Frankfurt a. M. 1985) 549.
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soll der Dichter, so könnte man Lessings Überlegung deuten, Shakespeare als Modell nehmen, um zu lernen, wie dieser – und dies ist die Analogie zur Camera obscura – die dreidimensionale Natur (des Menschen) auf den zweidimensionalen Text überführt. Doch im Zuge der Vervielfältigung der Metapher verschiebt sich andererseits auch der ursprüngliche Bezugsrahmen. Während es bei Descartes, Locke und Hume um Bilder ging, um die Seele bzw. den Geist ihrer Funktion nach zu modellieren, dient sie nun immer häufiger als Vergleich für das Sehen und Darstellen der Welt. Gerade dadurch, dass sie nun nicht mehr als Modell für die Seele verstanden wird, rückt dabei einerseits das Mediale und Technische der Metapher in den Vordergrund; doch zugleich stößt sie auch, wie im Beispiel von Lessing deutlich wurde, immer häufiger an ihre Grenzen. So auch bei Jean Paul, der die Metapher wiederholt problematisiert.36 Ihm zufolge soll der Dichter die Eindrücke, die er von der Außenwelt erhält, gerade nicht »abzeichnen«, vielmehr sollen seine Ideen genau umgekehrt als autonome Ideen das »universale Bilderkabinett der Dichtung« hervorbringen. Jean Paul erklärt: »um eine Gegend dichterisch darzustellen, müßte man die Brust eines Menschen zur Camera obscura machen und in dieser die Gegend anschauen, dann werde sie gewiß von lebendiger Wirkung sein.«37 Die Projektion der Bilder soll Jean Paul zufolge aus dem Dichter heraus erfolgen, der aus sich selbst Welten erschafft – eine Forderung, die sich nun endgültig nicht mehr mit der Camera-obscura-Metapher vereinbaren lässt und ihr langsames Verschwinden bzw. ihre Umwertung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einleitet.38
IV. Historisches Erbe der Metapher Schlägt man den Begriff »Introspektion« (lat: intro-spicere: »in sich hineinsehen«) in gängigen philosophischen Wörterbüchern nach, so wird er als philosophischer Terminus meist mit Augustinus und Descartes und in ihrer Folge besonders mit den englischen Empiristen (v.a. Locke, Hume und Berkeley) in Verbindung gebracht.39 Im Dictionnaire historique de la langue française wird
36 Vgl. Hartmut Vinçon: Topographie. Innenwelt, Außenwelt bei Jean Paul (München 1970), bes. 75–93. 37 Zitiert nach Jean Pauls Persönlichkeit in Berichten der Zeitgenossen, hg. von Eduard Berend (Berlin 1956) 202. 38 Vgl. hierzu die Analysen von Sarah Kofman, die in Camera Obscura, de L’ideologie (Paris 1973) die Umwertung der Metaphorik bei Nietzsche, Marx und Freud nachzeichnet. Sie zeigt, wie die Metapher im 19. Jahrhundert genau umgekehrt verwendet wird, um Momente und Verfahrensweisen der Täuschung zu illustrieren. 39 Vgl. u. a. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, hg. von Joachim Ritter (Darmstadt 1976) 522 ff.; Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 2, hg. von Jürgen Mittelstraß (Stuttgart 2008) 285.
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für die Entstehung des Worts im Französischen auf die philosophische Verwendung des Begriffs bei den englischen Empiristen im 17. Jahrhundert verwiesen. Gleichwohl der Begriff sich aus dem Lateinischen herleitet, findet er erst in dem Moment, in dem er sich als philosophische Methode in der Folge der Cameraobscura-Metaphorik etabliert hat, Eingang in die französische Sprache.40 Als Methode der »Beobachtung von inneren Erscheinungen oder Inhalten des Selbstbewußtseins«41 wird die Introspektion im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert vor allem von William James und Wilhelm Wundt als eigenständige Forschungsmethode innerhalb der Psychologie etabliert. Wie später Psychoanalyse und Tiefenpsychologie basiert auch sie auf der Vorstellung eines räumlich imaginierten Inneren des Subjekts, zu dem das Individuum über einen privilegierten Zugang verfügt. Besonders im Wissenschaftsbereich findet sich Blumenberg zufolge eine Vielzahl von Metaphern, die jedoch nicht immer »in der sprachlichen Ausdruckssphäre in Erscheinung treten«.42 Es handelt sich hierbei um eine »Hintergrundmetaphorik«, die den »implizite[n] Gebrauch einer Metapher«43 voraussetzt. Die Metapher ist in diesen Texten selbst nicht mehr zu erkennen, »aber ein Zusammenhang von Aussagen schließt sich plötzlich zu einer Sinneinheit zusammen, wenn man hypothetisch die metaphorische Leitvorstellung erschließen kann.«44 Nicht nur in der Psychologie, auch in der Philosophie und der zeitgenössischen Hirnforschung lassen sich Anleihen auf die »Hintergrundmetaphorik« der Camera obscura ausmachen. Für die analytische Philosophie des Geistes hat der amerikanische Philosoph Daniel Dennett auf die verdeckten Verbindungen zu Descartes’ Modell der Camera obscura hingewiesen. In seinem Buch Consciousness Explained kritisiert er, dass selbst diejenigen Philosophen, die den cartesianischen Materialismus explizit von sich weisen, immer wieder von seiner Bildlichkeit eingeholt würden: »The persuasive imagery of the Cartesian Theatre keeps coming back to haunt us – laypeople and scientists alike – even after the ghostly dualism has been denounced and exorcized.«45 Wie in den Zeichnungen von Descartes mit dem eingefügten Beobachter imaginieren wir Dennett zufolge bis heute Bewusstseinsprozesse im Bild des »cartesianischen Theaters«, sei es mit Hilfe eines Homunkulus, der seine Innenwelten vor seinen Augen vorbeiziehen lässt, oder in Form von der daraus abgeleiteten Vorstellung eines »single functional summit[s] or central point[s]«46, an dem alle unsere Vorstellungen zentral im Gehirn verknüpft werden. Die ihm 40
Vgl. Dictionnaire historique de la langue française, Bd. 1, hg. von Alain Rey (Paris 2007)
1047. 41 42 43 44 45 46
Historisches Wörterbuch der Philosophie, Eintrag Introspektion, a. a.O. [Anm. 39] 523. H. Blumenberg: Paradigmen, a. a.O. [Anm. 6] 20. Ebd. 114. Ebd. 20. Daniel Dennett: Consciousness Explained (New York 1991) 107. Ebd. 111.
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zufolge auf Descartes rekurrierende philosophische Konzeption bzw. Vorstellung, dass wir über eine zentrale Schaltstelle im Gehirn verfügen, wurde auch in den Kognitionswissenschaften meist fraglos übernommen: »In many ways, the new thinking about consciousness and the brain is really just the old-fashioned style of traditional philosophical thinking about these questions but presented in a new, neuroscience package«47, bestätigt der amerikanische Philosoph und Kognitionswissenschaftler Alva Noë. Auch hier kämpfe man bis heute mit dem historischen Erbe der Metaphorik. Der deutsche Hirnforscher Wolf Singer erklärt die »plausible Annahme eines Konvergenzzentrums, eines Cartesianischen Theaters mit einem singulären Zuschauer [für] in dramatischer Weise falsch«.48 Eine der größten Herausforderungen der zeitgenössischen Hirnforschung sei daher die Plausibilisierung von zerebralen Netzwerkstrukturen ohne zentrale Schaltstelle.49 Die zentrale Frage sei dabei, wie »trotz dieser distributiven Organisation kohärente Repräsentationen aufgebaut«50 werden. Auch wenn diese Ansätze bemüht sind, neue Konzeptionen zur Erklärung von Bewusstsein zu finden, so basieren sie doch in all ihren Überlegungen weiterhin auf der metaphorischen Leitvorstellung, dass sich Kognition im Gehirn abspielt. Noë hingegen ist bemüht, auch diese letzte unhinterfragte Annahme außer Kraft zu setzen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Kevin O’Regan hat er eine externalistische sensorimotorische Wahrnehmungstheorie entworfen, die das Gehirn und seine Wahrnehmungsprozesse nicht im Inneren des Bewusstseins, sondern als externes zwischenmenschliches Phänomen konzipiert: »We propose a very different conception of what vision is and of the role of the brain in vision. […] According to this view, vision is not a process in the brain. Though the brain is necessary for vision, neural processes are not, in themselves, sufficient to produce seeing. Instead we claim that seeing is an exploratory activity mediated by the animal’s mastery of sensorimotor contingencies. That is, seeing is a skill based activity of environmental exploration. Visual experience is not something that happens in individuals. It is something they do.«51 In einem Interview zu seinem jüngsten Buch Out of our Heads, das in den USA derzeit heftig diskutiert wird, vergleicht Noë das Bewusstsein mit einem Tanz: »A much better image is that of the dancer. A dancer is locked into an environment, responsive to music, responsive to
47 Alva Noë: Life is the Way the Animal is in the World. In: Edge. The Third Culture, http:// www.edge.org/3rd_culture/noe08/noe08_index.html [20.7.2010]. 48 Wolf Singer: Der Beobachter im Gehirn. In: ders.: Der Beobachter im Gehirn. Essays zur Gehirnforschung (Frankfurt a. M. 2002) 144. 49 Vgl. ebd. 150. Zum »idealistischen Erbe der Hirnforschung« vgl. auch Thomas Fuchs: Kosmos im Kopf? In: ders.: Das Gehirn – ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption (Stuttgart 2007) 25–50. 50 W. Singer: Beobachter, a. a.O. [Anm. 48] 150. 51 Alva Noë/Kevin O’Regan: On the Brain-Basis of Visual Consciousness: A Sensorimotor Account. In: Vision and Mind. Selected Readings in the Philosophy of Perception, hg. von Alva Noë und Evan T. Thompson (Cambridge 2002) 567.
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a partner. The idea that the dance is a state of us, inside of us, or something that happens in us is crazy. Our ability to dance depends on all sorts of things going on inside of us, but that we are dancing is fundamentally an attunement to the world around us.«52 Es wird sich zeigen, ob sich die neue Konzeption durchsetzen wird. Zu vermuten ist jedoch, dass dies nicht so sehr von den (inzwischen zahlreich vorhandenen) Kritiken am Cartesianischen Theater, sondern vielmehr von der Überzeugungskraft der neuen Metaphorik abhängen wird. Oder in den Worten von Dennett: »In order to break this bad habit of thought [the Cartesian Theater, J.W.], we need to explore some instances of the bad habit in action, but we also need a good image with which to replace it.«53
52 53
A. Noë: Life is the way, a. a.O. [Anm. 47]. D. Dennett: Consciousness, a. a.O. [Anm. 45] 111.
Rosamaria Loretelli
La Camera Oscura Come Metafora Narrativa
Se, con Mark Johnson e George Lakoff, intendiamo la metafora come una forma di pensiero e uno strumento cognitivo,1 allora la descrizione che Joseph Addison fa nello Spectator di ciò che vide in una camera oscura è a mio avviso una metafora narrativa. Non però di una narrazione generica, imprecisata e uguale in tutti i tempi, bensì di uno specifico modo di raccontare e di un’esperienza di lettura che sono quelli che in Europa maturarono compiutamente e si diffusero nell’arco del lungo Settecento. Il Settecento, è noto, è stato indicato come il secolo in cui ebbe luogo la »rivoluzione« della lettura,2 una trasformazione che fu quantitativa e qualitativa a un tempo. Un numero sempre crescente di persone ebbe accesso al libro: gente appartenente a strati sociali e a gruppi che in precedenza gli erano estranei. Aumentò il pubblico dei lettori, e in più cambiò – costitutivamente – la maniera di leggere. Ebbe luogo infatti una trasformazione cognitiva della pratica. Se il Seicento fu un secolo in cui nell’atto della lettura ancora spesso risuonava la voce, nel Settecento si stabilizzò in modo diffuso la lettura silenziosa e individuale. Nei salotti secenteschi, in famiglia e in altre occasioni di gruppo non era raro che si chiedesse a qualcuno di leggere per tutti;3 mentre nel corso del Settecento si radicò quel cambiamento delle abitudini di lettura che la rese una pratica del tutto privata, comportando infine una modifica della percezione stessa dei testi e della forma mentis. Emblematici in questo sono i personaggi di Carlotta e di Ottilia che ben rappresentano, nelle Affinità elettive, il nuovo modo di percepire
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George Lakoff/Mark Johnson: Metafora e vita quotidiana, a cura di Patrizia Violi (Milano 1982). 2 Sono consapevole che questa ipotesi è stata anche contestata, e tuttavia concordo sia con Rolf Engelsing, che ha proposto la definizione e la differenziazione, sia con Roger Chartier, che l’ha ribadita di recente nell’introduzione a: Inscrire et effacer. Culture écrite et littérature (XIe– XVIIIe siècle) (Paris 2005). Cfr. anche Reinhard Wittmann: Una »rivoluzione della lettura« alla fine del XVIII secolo?. In: Storia della lettura, a cura di Guglielmo Cavallo e Roger Chartier (Roma-Bari 1998) 337–369. 3 Per la Francia, lo mostra bene Benedetta Craveri in: La civiltà della conversazione (Milano 2001). Per la segnalazione di alcuni passi del diario di Samuel Pepys, dove si vede come (prima ancora che gli si indebolisse la vista) egli sollecitasse moglie e conoscenti a leggere a turno ad alta voce, facendolo anche lui stesso, mi permetto di rimandare al mio: L’invenzione del romanzo. Dall’oralità alla lettura silenziosa (Roma-Bari 2010) 46–47. In famiglia di solito era l’uomo a leggere ad alta voce per tutti. Cfr. Jacqueline Pearson: Women’s Reading in Britain: 1750–1835. A Dangerous Recreation (Cambridge 1999), cap. V. Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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il testo scritto. Non riescono infatti a seguire la lettura ad alta voce di Edoardo senza scorrere con lo sguardo le pagine del libro da dietro le sue spalle.4 Carlotta e Ottilia hanno sedimentato la nuova pratica di lettura nel loro stesso corpo, nel rapporto tra i sensi; provano perciò malessere ad affidarsi esclusivamente all’udito, lasciando inattiva la vista. A fine Settecento la lettura è oramai diffusamente una pratica individuale e silenziosa, in cui il testo dischiude le sue immagini nella mente dei lettori che, lungi ora dal richiedere al contesto della comunicazione che contribuisca a chiarire il significato e a suscitare emozioni, si aspettano invece che non si faccia percepire e non li distolga dalle pagine stampate che hanno di fronte. La scrittura, nel frattempo, ha imparato a non contare più sui gesti, sulla voce e sui silenzi di qualcuno che legga di fronte a un uditorio, ma si affida solo alle parole che lo sguardo di ciascun lettore traversa velocemente. Tutto ciò è facilitato anche dai cambiamenti avvenuti durante il secolo nei supporti materiali: la forma grafica è divenuta chiara, con ampi spazi tra parole, una punteggiatura e dei paragrafi organizzati non più in funzione del ritmo fonico, ma dello sviluppo logico del significato.5 Il libro si viene così a configurare come uno strumento friendly, che non richiede alcuno sforzo per essere compreso: un canale della comunicazione scritta che al lettore risulta »trasparente«, da attraversare con lo sguardo senza percepirlo, per giungere subito al significato. Così, leggere può essere sentito come equivalente a pensare – una sorta di pensiero guidato dal testo, che immette senza mediazioni significato e immagini nell’interiorità. In tal modo, le azioni di cui si compone qualsiasi racconto, trovando accesso diretto alla mente di chi legge, creano le condizioni di possibilità per l’immedesimazione e per il coinvolgimento. Insomma, per la passione della lettura. A questo consolidarsi diffuso di una tale modalità di lettura, tutta interiorizzata e divenuta atto assoluto della privacy, che proietta in modo immediato storie e personaggi nel teatro della mente, nel Settecento si adegua la forma narrativa, la quale va calibrandosi per suscitare l’interesse dei lettori nella nuova situazione comunicativa. Ebbene, è di tale modo di leggere e di tale forma narrativa che la descrizione della camera oscura fatta da Addison nello Spectator è a mio avviso metafora. Concetto metaforico, nella terminologia di Lakoff e Johnson, cioè rivelatore di 4
Johann Wolfgang von Goethe: Le affinità elettive (1809), introduzione e traduzione di Giorgio Cusatelli (Milano 1999), parte I, 31–32. 5 Per vedere come i caratteri a stampa delle tipografie italiane, inglesi e francesi fossero divenuti nel Settecento più chiari di prima e facilmente leggibili, si apra: Campionari di caratteri nella tipografia del Settecento. Scelta, introduzione e note di Jeanne Veyrin-Forrer (Milano 1963). Per il resto, tra gli altri: David McKitterick: Print, Manuscript and the Search for Order. 1450– 1830 (Cambridge 2003); Janine Barchas: Graphic Design, Print Culture, and the Eighteenth-Century Novel (Cambridge 2003) e Books and their Readers in Eighteenth-Century England: New Essays, a cura di Isabel Rivers (London-New York 2001).
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un determinato modo di comprendere e di vivere un’esperienza:6 in questo caso quella della lettura. Addison a mio avviso categorizza quello che vide in una camera oscura sulla base della pratica della lettura individuale e silenziosa di un testo narrativo. Questo significa che egli sente un’affinità tra le due esperienze. Leggiamo: »Il più bel paesaggio che abbia mai visto fu quello che si disegnava sulle pareti di una camera oscura opposta da un lato a un fiume navigabile, dall’altro a un parco. È un comunissimo esperimento d’ottica. Da un lato si potevano scorgere le onde e il fluttuare dell’acqua a colori forti e reali, con l’immagine di una nave che, entrata da una parte, veleggiava per gradi attraverso tutta la camera. Dall’altro apparivano le ombre verdi degli alberi, ondeggianti a seconda del vento, e mandrie fra essi di cervi in miniatura, saltellanti qua e là, su per il muro. Debbo ammetterlo, la novità di una tal vista può costituire una possibile causa del suo piacere all’immaginazione.«7 Il brano si trova nel numero 414 (25 giugno 1712) dello Spectator, che fa parte di quel gruppo di saggi collettivamente chiamati I piaceri dell’Immaginazione:8 importanti, come è noto, e giustamente ritenuti fondativi dell’estetica moderna.9 Il primo, introduttivo e che tratta del Gusto, si conclude con la dichiarazione: »Darò inizio, sabato prossimo, a un saggio sui Piaceri dell’Immaginazione che, pur considerando l’argomento in maniera generale, forse potrà suggerire al lettore che cosa dia bellezza a molti passi degli scrittori più insigni, sia di prosa che
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G. Lakoff, M. Johnson: Metafora e vita quotidiana, cit., [nota 1] 21. In altri termini, alle singole strutture metaforiche sottengono strutture cognitive. Per un esempio, che prendiamo in prestito da Metafora e vita quotidiana, a espressioni quali »sprecare il tempo«, »risparmiare tempo« ecc., soggiace un unico concetto metaforico, e precisamente quella che »il tempo è denaro«, nella quale si iscrive il nostro modo di intendere il tempo, e appunto di viverlo (cap. XIII e XIX). In quest’ottica e proprio relativamente al libro, alla lettura e alla scrittura, si veda il bel volume di Simona Leonardi: »Libro«, »leggere«, »scrivere« in area linguistica tedesca tra medioevo e prima età moderna. Un’analisi semantica di tre parole chiave (Göppingen 2000). 7 Joseph Addison: I piaceri dell’Immaginazione, a cura di Giuseppe Sertoli, traduzione di Goffredo Miglietta (Palermo 2002) 40. »The prettiest Landskip I ever saw, was one drawn on the Walls of a dark Room, which stood opposite on one side to a navigable River, and on the other to a Park. The Experiment is very common in Opticks. Here you might discover the Waves and Fluctuations of the Water in strong and proper Colours, with the Picture of a Ship entering at one end, and sailing by Degrees through the whole Piece. On another there appeared the Green Shadows of Trees, waving to and fro with the Wind, and Herds of Deer among them in Miniature, leaping about upon the Wall. I must confess, the Novelty of such a Sight may be one occasion of its Pleasantness to the Imagination.« Il brano seguita proponendo come spiegazione sia la somiglianza con la natura che la rappresentazione di cose in movimento. The Spectator, a cura di Donald Frederick Bond. Vol. 3 (Oxford 1965) 551. 8 Che comprende i numeri di The Spectator dal 409 al 421 (del 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 30 giugno e 1, 2, 3 luglio 1712). 9 Giuseppe Sertoli: Presentazione. In: J. Addison: I piaceri dell’Immaginazione, 7–19, mentre annota i nomi di alcuni importanti studiosi che si trovano su tali posizioni, enuncia anche in modo estremamente limpido le ragioni per cui questi saggi di Addison siano da ritenersi una vera e propria teoria estetica.
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di poesia.«10 Prendiamo nota: lettore, prosa, poesia. Il progetto è dunque di scoprire quali elementi facciano percepire prosa e poesia come piacevoli a chi legge. Il punto di vista è quello del fruitore: non la bellezza come dato oggettivo di un testo, ma percezione della bellezza alla lettura. I saggi successivi sviluppano il tema del valore dei piaceri dell’immaginazione, da preferirsi, si dice, per alcuni aspetti a quelli dell’intelletto. I piaceri dell’immaginazione hanno la loro prima origine nella vista, »il più perfetto e dilettevole dei nostri sensi,« che »colma la mente della più grande varietà di idee,11 conversa con i suoi oggetti dalla più grande distanza e prolunga più degli altri la sua attività senza mai stancarsi o saziarsi dei propri godimenti.«12 Poi è la volta delle fonti del piacere che possono suscitare gli oggetti esterni e di una messa a confronto, da questo punto di vista, delle opere della natura con quelle d’arte. È qui che Addison descrive la sua visita a una camera oscura, probabilmente quella dell’osservatorio di Greenwich.13 Ma quali aspetti della camera oscura lo scrittore evidenzia in quello che egli chiama un »esperimento comunissimo in ottica«? Per cominciare, la »dark room« dove si attiva il piacere della vista – si noti, esclusivamente della vista – è un interno in cui egli è solo (o comunque l’altro non è visibile, la sua presenza non è rilevata, il contesto in cui l’osservatore si colloca, insomma, non è percepito). Ciò che è visibile e su cui si sofferma l’attenzione sono le scene proiettate sulle pareti della stanza buia e chiusa. Immagini dematerializzate, i cui attori concreti si trovano altrove. È stato fatto più che convincentemente notare come nel Sei e nel Settecento la camera oscura, oltre a essere uno strumento ottico sia anche una metafora gnoseologica, che si inserisce in una più ampia organizzazione della conoscenza e sottende a un preciso paradigma del rapporto tra soggetto e oggetto.14 Per 10
Ivi, 26 (corsivo nell’originale). »I shall next Saturday enter upon an Essay on the Pleasures of the Imagination, which, though it shall consider that Subject at large, will perhaps suggest to the Reader what it is that gives a Beauty to many Passages of the finest Writers both in Prose and Verse.« 11 Addison intende in questi saggi il termine »idea« come »oggetto mentale«. Andrea Gatti: Intelletto e idea nei Pleasures of the Imagination di Joseph Addison. In: Et in Britannia Plato: studi sull’estetica del platonismo inglese, cap. I (Bologna 2001) sostiene che l’accezione addisoniana di idea non corrisponde a quella lockiana. 12 Ivi, 27. » […] the most perfect and most delightful of all our Senses. It fills the Mind with the largest Variety of Ideas, converses with its Objects at the greatest Distance, and continues the longest in Action without being tired or satiated with its proper Enjoyments.« 13 Raccontando una sua visita effettuata il 12 giugno 1710 al Royal Observatory di Greenwich, Zacharias Conrad von Uffenbach menziona l’esistenza, su entrambi i lati della balconata dell’osservatorio di Flamsteed, di due »camere obscure,« che »sono oltremodo piacevoli per l’incantevole prospettiva [cioè la disposizione del parco] e per il grande movimento che c’è sul Tamigi.« Cit. in John H. Hammond: The Camera Obscura: A Chronicle (Bristol 1981) 71 (la traduzione è mia). 14 Jonathan Crary: Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the Nineteenth Century (Cambridge Mass. 1990) 27. Su questo si veda anche Emiliano Ferrari: Prospettive sulla
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esempio, John Locke usa, come è noto, la metafora della camera oscura per l’intelletto umano: »la sensazione esterna e quella interna sono le sole vie che io possa trovare per le quali la conoscenza passa all’intelligenza. Queste soltanto, a quanto io riesco a scoprire, sono le finestre per le quali la luce riesce a penetrare in questa camera oscura. Poiché, a mio credere, l’intelligenza non è molto dissimile da uno stanzino del tutto chiuso alla luce, nel quale sono state lasciate soltanto alcune piccole aperture […].«15 Se le metafore visive dominano la mente dell’Occidente fin dalla filosofia antica, esse, come Richard Rorty ha mostrato,16 cambiano di valenza a partire da Cartesio, il cui modello epistemologico – che sarà alla base della gnoseologia moderna – fa emergere una nozione di conoscenza come rappresentazione interiore. Il modello antico pensava alla conoscenza come a un soggetto che si fa identico all’oggetto: »nella concezione di Aristotele l’intelletto non è uno specchio letto da un occhio interiore. È al contempo specchio e occhio.«17 Nel modello cartesiano, invece, un Occhio Interiore è separato dalle sue rappresentazioni, che esamina e di cui valuta l’attendibilità.18 E questo Occhio risiede nella mente, intesa come spazio interiore, una concezione del tutto estranea alle tradizioni greca e medievale. Ecco la valenza che la camera oscura possiede nel Settecento in quanto metafora gnoseologica: fornisce un’immagine sentita come appropriata alla concezione che si ha della mente in un mondo esperienziale in cui l’interiorità appare un aspetto cardine dell’individuo contemporaneo. In questo modello umano, la percezione e la conoscenza stessa sembrano aver luogo esclusivamente attraverso la vista, l’organo di senso che distanzia l’oggetto dal soggetto; a scapito dell’udito, del tatto e dell’odorato, sensi che funzionano al contatto e nell’immersione del soggetto nell’oggetto da conoscere. camera oscura. In: ITINERA giugno 2004 (http://www.filosofia.unimi.it/itinera/) che, poggiando su Le parole e le cose di Michel Foucault, collega la metafora gnoseologica della camera oscura in Cartesio con il sistema di relazioni che rimpiazzò quello rinascimentale delle somiglianze e delle segnature e per cui un significante si lega arbitrariamente a un significato. 15 John Locke: Saggio sull’intelligenza umana, II, XI, 17, traduzione di Camillo Pellizzi, revisione di Grazia Farina, introduzione di Carlo A. Viano (Roma-Bari 2003) 168. » […] external and internal sensations are the only passages that I can find of knowledge to the understanding. These alone, as far as I can discover, are the windows by which light is let into this dark room. For, methinks, the understanding is not much unlike a closet wholly shut from light, with only some little opening left […].« 16 Richard Rorty: La filosofia e lo specchio della natura (1979), nota introduttiva di Diego Marconi e Gianni Vattimo, testo inglese a fronte (Milano 2004). 17 Ivi, 99. 18 Come è noto, Rorty decostruisce quella teoria della conoscenza che si vede, nella cultura occidentale, in progressione lineare verso una sempre maggiore attendibilità. Egli invece mostra come anche questo ambito della filosofia, che pur tende a porsi come assoluto, abbia proceduto per rivoluzioni di paradigmi, da intendersi proprio nel senso kuhniano. Le cosiddette intuizioni che stanno dietro al modello cartesiano, il quale è alla base della gnoseologia moderna, hanno anch’esse secondo Rorty un’origine storica.
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Nel brano di Addison la camera oscura è indubbiamente concetto metaforico di un processo conoscitivo che avviene attraverso l’Occhio Interiore; ma in più c’è un altro aspetto, non evidenziato in John Locke. Si tratta del movimento, del cambiare delle cose, dello spostarsi degli esseri animati:19 fatti che accadono, storie in nuce, narrazioni: conoscenza intesa come proposizionale. Ecco: queste immagini in movimento nella camera oscura sono a mio avviso metafore dell’esperienza della lettura silenziosa di un testo narrativo. Nel brano di Addison è presente una spia semantica che ci porta ad avanzare questa ipotesi. Si tratta dell’espressione »by degrees«. »Sailing by Degrees through the whole Piece,« egli scrive, apprezzando come fonte di piacere lo spostamento graduale, il lento muoversi nello spazio, la dimensione temporale. Il Settecento – in ciò distaccandosi dai secoli precedenti – ripeterà fino alla nausea che la temporalità di ogni narrazione ben fatta deve essere lenta e graduale. Questa spia semantica diviene rivelatrice se la si confronta non solo con il macrotesto dell’estetica e della critica settecentesche, ma anche con l’uso che della medesima espressione fa Addison in un altro saggio di quel gruppo. Scrive infatti: »Il talento più piacevole dello storico consiste nell’essere egli in grado di schierare i suoi eserciti e combattere le sue battaglie usando espressioni appropriate, di sciorinare di fronte ai nostri occhi le divisioni, gli intrighi e le gelosie dei grandi e di condurci passo passo nelle molteplici vicende ed eventi della sua storia. Ci piace vedere l’argomento svolgersi per giusti gradi (by just degrees), disvelandosi a noi insensibilmente, in modo tale da poterci tenere piacevolmente sospesi perché ci venga dato il tempo di formulare auspicî e schierarci da questa o da quella parte di cui si tratta nell’esposizione dei fatti. Ammetto che tutto questo palesa l’arte piuttosto che la veridicità dello storico, ma qui ne devo parlare solo in quanto egli è persona qualificata a compiacere l’immaginazione.«20 Accantonando il dato veritativo, lo scrittore osserva qui il racconto storico solo in base a ciò che in esso dà piacere ai lettori (e quindi fa valere quello che dice anche per qualsiasi altro tipo di narrazione), e per l’appunto impiega la medesima espressione che aveva usato nel saggio di qualche giorno prima per descrivere che cosa aveva percepito nella camera oscura. È piacevole un discorso narrativo che proceda »by just Degrees« perché, disvelando i fatti un passo alla volta, dà alla mente il tempo di avanzare previsioni
19 Un’osservazione, questa, tutt’altro che rara nelle relazioni dei visitatori dell’epoca. Cfr. J. Crary: Techniques of the Observer, cit. [nota 14], 34. 20 J. Addison: I piaceri dell’Immaginazione, cit. [nota 7], 63. »It is the most agreeable Talent of an Historian, to be able to draw up his Armies and fight his Battles in proper expressions, to set before our Eyes the Divisions, Cabals, and Jealousies of Great Men, and to lead us Step by Step into the several Actions and Events of his History. We love to see the Subject unfolding it self by just Degrees, and breaking upon us insensibly, that so we may be kept in a pleasing Suspence, and have Time given us to raise our Expectations, and to side with one of the Parties concerned in the Relation. I confess this shews more the Art than the Veracity of the Historian, but I am only to speak of him as he is qualified to please the Imagination« (420, 2 July 1712).
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e di entrare in uno stato di attesa il quale, per l’emozione che vi si lega, consente a chi legge di immedesimarsi nei personaggi. Il Settecento, si diceva, ripeterà questa idea in articoli e recensioni,21 oltre che in saggi filosofici. Per esempio Henry Home Lord Kames, in un capitolo degli Elements of Criticism (1762) 22 significativamente intitolato Emotions caused by Fiction, spiega che il procedere narrativo deve avvenire lentamente e per gradi, perché »le nostre emozioni non sono mai istantanee: anche quelle che si perfezionano più velocemente nascono, crescono e maturano in periodi di tempo differenti; e, per consentire questi periodi differenti, è necessario che la causa di ogni emozione sia presente alla mente il tempo necessario. L’emozione viene completata da reiterate impressioni.«23 Se così funzionano le emozioni umane, ora che non ci sono più gesti, pause, variare dei toni di voce a far percepire a chi legge i rallentamenti temporali, e tutto è affidato alle sole parole che lo sguardo scorre velocemente, il discorso narrativo si dovrà addensare in un maggior numero di proposizioni che non portano direttamente avanti l’azione, ma la fanno procedere, appunto, »by degrees«. Il Settecento sviluppa infatti un metodo narrativo in cui l’elemento puramente verbale giunge a eseguire anche quelle funzioni che prima era il contesto vivo della comunicazione a svolgere. Ecco allora che, se da una parte troviamo spesso, nell’arco del Settecento, affermazioni simili o anche uguali a quelle di Addison sull’opportunità di far procedere la narrazione per giusti gradi, di converso si moltiplicano anche le critiche a quei racconti che, come nei secoli precedenti, ammassano un fatto
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Robert D. Mayo: The English Novel in the Magazines (Evanston/London 1962). Kames basa la sua estetica sull’idea humiana di mente e di natura umana. Nell’introduzione scrive: »Non è qui intenzione dell’autore fornire un trattato in piena regola su ogni arte, ma solo applicare alle arti in genere alcune osservazioni tratte dalla natura umana, che è la vera forza della critica.« Henry Home Lord Kames: Elements of Criticism, in three volumes, volume I, (Edinburgh), printed for A. Millar, London, and A. Kincaid & J. Bell, Edinburgh, MDCCLXII, 16 (la traduzione è mia). 23 Ivi, 113. »[…] our emotions are never instantaneous: even those that come the soonest to perfection, have different periods of birth, growth, and maturity; and to give opportunity for these different periods, it is necessary that the cause of every emotion be present to the mind a due time. The emotion is completed by reiterated impressions.« Per questa idea in David Hume, si veda il mio: David Hume’s Reader-Response Narratology: A New Perspective on the Rise of the Novel. In: 1650–1850. Ideas, Aesthetics, and Inquiries in the Early Modern Era XIV (2009) 43–63. L’idea di una necessaria »gradualità« è presente, tra gli altri, anche nelle Lezioni di retorica e belle lettere di Adam Smith (a cura di Roberto Salvucci, Urbino, 1985, Lecture 12, 34–35). In: A Course of Lectures on Oratory and Criticism di Joseph Priestley (London, printed for J. Johnson, n. 72, St Paul’s Church-yard, 1777, 21–23); nelle Riflessioni critiche sulla poesia e sulla pittura (1719) di Jean-Baptiste Du Bos (a cura di Maddalena Massocut-Mis e Paola Vincenti, prefazione di Elio Franzini, Palermo 2005, I, 40, 161). Per altri filosofi, si vedano Wallace Jackson: Affective Values in Later Eighteenth-Century Aesthetics. In: The Journal of Aesthetics and Art Criticism, vol. XXIV, 1, 1, (1965) 309–314 e il mio: Estetica dell’empirismo e origine del romanzo inglese. In: Strumenti critici XII (settembre 1998) 363–397. 22
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dopo l’altro in una successione ora sentita come troppo rapida. Un tale tipo di discorso narrativo – al quale sia David Hume che Lord Kames assegnano per esempio anche l’Heriade di Voltaire – se è letto individualmente e quindi senza pause e senza gesti che gli danno corpo e ne rallentano il ritmo, non consente a chi legge di maturare le proprie emozioni, mantenendone le cause »presenti alla mente il tempo necessario« affinché sorgano. Che Addison collochi nel procedere »by degrees« il piacere delle narrazioni ben fatte e parimenti quello datogli dalle immagini nella camera oscura tradisce l’associazione mentale che compie tra l’esperienza della camera oscura e quella della lettura di testi narrativi. Anche se è probabile che questo accostamento in lui non sia consapevole, ma lo faccia per così dire il suo corpo. Certo egli non dice che sviluppare una storia per gradi sia esito di una nuova sensibilità rispetto al tempo narrativo e che questa sensibilità derivi dall’abitudine alla lettura silenziosa, ma il suo corpo ne ha fatto esperienza attraverso la pratica di quel tipo di lettura. Per questo, quando si trova a descrivere la camera oscura, gli viene in mente la struttura che gli dà piacere in un testo narrativo scritto, che egli legge da solo, facendo uso esclusivamente della vista. Pratiche e metafore incarnate: i concetti metaforici sono »largely unconscious,« ribadisce Lakoff, in un articolo recente scritto assieme al neuroscienziato Vittorio Gallese,24 in cui sollevano la questione delle basi corporee del nostro sistema concettuale, sostenendone il radicamento nell’esperienza corporea, dunque prementale e prelinguistica. L’essere nel mondo precede la riflessione e il significato è il risultato della nostra interazione situata: queste sono appunto le conclusioni di una parte della linguistica e delle neuroscienze oggi. Il linguaggio è ontologicamente di natura pratica25 e si fonda sulla nostra esperienza di azioni – che eseguiamo noi stessi o che vediamo compiere26 – a maggior ragione, quindi, sull’esperienza di quelle azioni ripetute che sono le pratiche.
24 Vittorio Gallese/George Lakoff: The Brain’s Concepts: the Role of the Sensory-Motor System in Conceptual Knowledge. In: Cognitive Neuropsychology XXI (2005) 19. Per un approccio più filosofico, George Lakoff, Mark Johnson: Philosophy in the Flesh. The Embodied Mind and its Challenge to Western Thought (New York 1999). 25 I risultati empirici delle neuroscienze contemporanee stanno progressivamente fondando le affermazioni della fenomenologia relative alla natura e alla struttura dell’esperienza umana e della sua relazione con il linguaggio. Ivi, 28–29. 26 Semplificando il modello, che i continui e veloci sviluppi di queste ricerche stanno elaborando sempre più complesso, possiamo riferire che il nostro sistema neurale motorio svolge funzioni che prima non si sapeva possedesse. Non è meramente passivo e un esecutore di ordini, ma ci pone in contatto con le cose e con gli altri: è un vero e proprio canale della percezione. Nel sistema neurale motorio è presente un ampio spettro di neuroni (che sono stati denominati neuroni specchio), i quali scaricano, vale a dire si attivano, mappando in modo diretto, extralinguistico e prementale, le azioni del soggetto e, nello stesso modo, quelle altrui che il soggetto vede o ode compiere. Giacomo Rizzolatti/Corrado Sinigallia: So quel che fai. Il cervello che agisce e i neuroni specchio (Milano 2006); Marco Iacoboni: I neuroni specchio. Come capiamo
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Ma se è così, se le metafore sono incarnate e traducono esperienze corporee, e se c’è un rapporto costitutivo anche tra gesto e linguaggio,27 non può non essersi verificata una vera e propria »rivoluzione« linguistica e cognitiva quando il gesto scomparve da una parte consistente della comunicazione, cioè quella che riguarda i testi scritti.28 Questo è proprio quanto le parole di Addison a mio avviso rivelano, accomunando con l’espressione »by degrees« le esperienze della camera oscura e della lettura silenziosa di testi narrativi. In un modo che nell’autore è »largely unconscious«, si rivela una percezione del testo scritto come di una comunicazione che transita da un’interiorità all’altra, senza passaggi esterni. Interiorizzata la pratica della lettura silenziosa, sarebbe lo stesso corpo di Addison a rilevare questa rivoluzione linguistico-cognitiva, facendogliene esprimere l’esperienza mediante appunto la metafora della camera oscura. Concludendo possiamo allore esplicitare la domanda: se, come da più parti è stato detto, la camera oscura è nel Settecento una metafora gnoseologica dell’intelletto, dove un occhio interiore esamina le sue proprie rappresentazioni, questo modello nel suo insieme, di cui molti evidenziano le immagini in movimento, non sarà maturato con il radicarsi corporeo dell’abitudine alla lettura silenziosa?
ciò che fanno gli altri (Torino 2008); Vittorio Gallese: Simulazione incarnata, intersoggettività e linguaggio. In: Psicoanalisi e neuroscienze (Milano 2009) 174–206. Esiste dunque »un meccanismo neurale che mappa direttamente l’osservazione delle azioni altrui sulla rappresentazione motoria delle azioni nel cervello dell’osservatore«. Vittorio Gallese: Il corpo teatrale: mimetismo, neuroni specchio, simulazione incarnata, (http://www.unipr.it/arpa/mirror/pubs/pdffiles/ cultureteatrali_2008.pdf) 18. 27 V. Gallese/G. Lakoff: The Brain’s Concepts, cit., [nota 24] 32. 28 È un’ ipotesi che avanzo nel mio libro L’invenzione del romanzo, cit. [nota 3].
Federica La Manna
Die anatomische Metapher in den Wochenschriften des 18. Jahrhunderts Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. (Hiob 10,11)
Als der Terminus »Anatomie« im 18. Jahrhundert zur Anwendung kommt, ist er bereits angereichert mit verschiedenartigen Konnotationen und fungiert quasi als Sammelbecken für Begriffe unterschiedlicher Provenienz und bildliche Vorstellungen. Die Geschichte seiner Anwendung in der Übertragung eines medizinisch-wissenschaftlichen Terminus auf verschiedene Kontexte ist komplex. Bei aller Komplexität der Übertragung ist aber eines konstant: Das Zerlegen oder Zergliedern eines Ganzen in seine Teile, auch im Medium der Literatur, meint, einer Sache auf den Grund zu gehen.1 Schon ab dem 17. Jahrhundert, seit Robert Burtons The Anatomy of Melancholy (1621), entwickelt sich eine Analyse des Inneren des Menschen, die sich von dieser Metapher ihren Ausgang nimmt. Und es ist Burton, der eine Gemeinsamkeit zwischen Anatomie als Seelensondierung und Melancholie ausmacht. Schon in der Einleitung seines Werkes heißt es: »I have laid myself open (I know it) in this treatise, turned mine inside outward«.2 Mit Burton wird die Anatomie der Melancholie zu einem literarischen, wissenschaftlichen und psychologischen Topos, zu einem rigorosen, wissenschaftlichen Verfahren, das auf die Beschreibung und auf Verdeutlichung innerer Vorgänge abzielt. Die Melancholie wird zum Hauptgegenstand der Analyse der Innerlichkeit – eine Krankheit, die sich zur Betrachtung, zur Analyse und zur literarischen Darstellung eignet. Von Melancholie zu sprechen bedeutet, von der eigenen inneren Befindlichkeit zu sprechen. Anatomie als Metapher fungiert in der Geschichte des Begriffs seit dem 17. Jahrhundert als Verfahren, das die Harmonie und die Vollkommenheit des menschlichen Körpers anschaubar macht und insofern trotz ihres Eingreifens in die körperliche Integrität mit Religion und der Gottebenbildlichkeit des Menschen nicht im Widerstreit steht bzw. stehen muss. Der Körper ist der höchste Ausdruck, die eindrücklichste Manifestation dieser Harmonie und die Naturwissenschaften, speziell die Medizin, sind das beste Instrument zur Untersuchung der direkt vom Gott geschaffenen Vollkommenheit.3 Anatomie bedeutet deswe1 Dazu S. L. van Delft: Littérature et anthropologie. Nature humaine et caractère à l’âge classique (Paris 1993); L. van Delft : Frammento e Anatomia. Rivoluzione scientifica e creazione letteraria (Bologna 2004); C. Imbroscio (Hrsg.), Il testo letterario e il sapere scientifico (Bologna 2003). 2 R. Burton: Anatomy of Melancholy, Bd. 1 (London 1968) 25. 3 Es wird hier z. B. auf den Begriff »anatomes perfectio« der anatomischen Vollkommenheit
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gen: tiefe Kenntnis des Menschen und der Welt, durchdringende Beobachtung der wunderbaren Harmonie der Teile, die eine Universalharmonie ist, Betrachtung einer Welt, die geheimnisvoll und verborgen ist.4 So sehr sie, die Medizin,5 sich auch an der von Gott geschaffenen Ordnung zu orientieren vorgibt: Als Anatomie ist sie ein eigenständiges System nach menschlichem Maßstab.6 In den zeitgleichen Wörterbüchern finden sich unter dem Lemma »Anatomie« oft detaillierte Erklärungen, und es werden die Gebiete geprüft, die mit der »Zergliederung« zu tun haben. In einem der berühmtesten Wörterbücher des 18. Jahrhunderts, dem Grossen vollständigen Universal Lexikon aller Wissenschaften und Kunst von Johann Heinrich Zedler – zwischen 1731 und 1754 veröffentlicht – nimmt der Terminus »Anatomie« fast zehn Spalten ein. Der Stichwortartikel nennt als die wichtigsten Unterscheidungen folgende zwei: Anatomie als Sezierungsakt und als Sezierungskunst. In dem langen Artikel wird auch – neben einer detaillierten Liste der bedeutsamsten Schriften – auf die Kunst der Gewebebewahrung, die verschiedenen Verfahren der Bewahrung und Mumifikation sowie die Kunstpraxis in der Darstellung des menschlichen Körpers eingegangen, die durch die Anwendung der Technik der Wachsbildnerei gemacht wurden – das Thema, auf das sich Goethe in seinen Wilhelm Meisters Wanderjahren bezieht.7 Der »Zedler« verzeichnet einige lateinische Synonyme: sectio, apertio, prosectio, incisio, dissectio, resectio, rescissio, discissio aber auch einige deutsche Begriffe, wie Zergliederung, Zerlegung, Untersuchung eines Dinges. Alle diese Termini sind nicht nur durch eine semantische Verwandtschaft verbunden, d. h. sie bilden nicht nur ein Wortfeld, sondern auch und vor allem ein Bildfeld, d. h. sie sind in einem Bild verbunden. Und das ist der Grund, warum die anatomische Metapher so komplex ist. Sie dringt in ein Feld semantischer und visueller Metaphern ein, die einer skrupulösen Untersuchung bedürfen.8 Im »Zedler« findet sich folgende Definition : hingewiesen, wie in dem Text von Haller dokumentiert wird: A. von Haller: Bibliotheca anatomica qua scripta ad anatomen et physiologiam facientia a rerum initiis recensentur, »Anatomes perfectio«, Liber IX, Tomus II, 1776. 4 S. Hans Blumenberg: Die Legitimität der Neuzeit (Frankfurt am Main 1996) 90. 5 S. J. Starobinski: L’invenzione della libertà. 1700–1789 (Milano 2008) 101. 6 S. z. B. die Rezension zu den Elementa physiologiae von Haller, die von Börner in der »Allgemeinen deutschen Bibliothek« geschrieben wurde: »Die Nachahmung vollkommener Muster hat auch die Arzneykunst zu verschiedenen Zeiten verbessert und erweitert: und zwar niemals so sehr als in den gegenwärtigen und nicht lang verflossenen.« C. F. Börner in »Allgemeine deutsche Bibliothek«, 1. Bd., 1. St. (1765) 14. 7 Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, III, Kap. 3. In: Werke. Bd. 8 (München 1994) 329: »Hieran schloss sich die Betrachtung an, dass eben schön sei zu bemerken, wie Kunst und Technik sich immer gleichsam die Waage halten, und so nah verwandt immer eine zu der andern sich hinneigt, so dass die Kunst nicht sinken kann ohne in löbliches Handwerk überzugehen, das Werk sich nicht steigern ohne nicht kunstreich zu werden«. Dazu s. F. La Manna: Ideologia e prassi delle cere anatomiche negli scritti goethiani, in Gusto dell’Antico e cultura neoclassica in Italia e in Germania, hrsg. von F. La Manna, Rende (2006) 175–192. 8 Weinrich spricht nicht nur von »Wortfeld« in Bezug auf die Metapher, sondern auch von
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»Denn in eigentlichen Verstande heißt Anatomie, eine Kunst, welche lehret, eines Menschen oder auch eines Thieres Cörper in seine äußerliche und innerliche Theile zerlegen und derselben eigentliche Beschaffenheit erkennen.« Aber es wird noch eine andere Art von Metapher erwähnt: »Anatomia speculativa, die Zergliederungskunst in Gedancken, da man nemlich der leiblichen Theile Wesen, Zusammenhang, Gestalt, Lager, Zahl und Größe, mit den Gedancken fasset, betrachtet, erkennet und drüber meditiret.« Seit der Definition im »Zedler« zeigt der Terminus »Anatomie« neben einer Erläuterung, die sich auf die Sezierung und die Sezierungskunst bezieht, auch eine metaphorische Bedeutung, welche die griechische Herkunft des Wortes benutzt, um eine detaillierte und präzise Analyse der Gedanken zu definieren. Schon im »Zedler« z. B. werden Texte erwähnt, in denen der Terminus »Anatomie« in einen philosophischen Begriff von Analyse mündet, wie der Text von Antonius Zara9 und der Dialog um die Seele von Giacomo Campora zeigen.10 Es wird hier der Versuch unternommen, die Metapher »Anatomie« und den anatomischen Gedanken in Zeitschriften der Aufklärung in diesem Sinne zu analysieren. Die Metapher der Anatomie deutet dabei 1. auf eine tiefe Erkenntnis und auf eine fast enzyklopädische Analyse der Welt in Bezug auf die exakte Kenntnis des menschlichen Körpers hin; 2. führt die Metapher zu der Analyse des Inneren des Menschen, die Anatomie wird das probate Mittel zur Erkenntnis der menschlichen Seelentiefe in einem Moment, der für die Geschichte der psychologischen Erkenntnis höchst bedeutsam ist; 3. beschäftigt sich die Anatomie mit der Analyse der einzelnen Teile des Menschenkörpers: »der Mensch ohne Hülle ist eigentlich der Mensch«, sagt Goethe11 – und in diesem Verständnis macht sich der Mensch selbst zum Objekt der Untersuchung, wird zum Exempel der vollkommenen Harmonie und in diesem Sinne Metapher des Schönen. Die Erfindung des Fernglases und der optischen Feinmessgeräte wie das Mikroskop hatte sich definitiv im naturwissenschaftlichen und medizinischen Gebiet schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts mit der Erfindung von Galileo durchgesetzt. Dank dieser Instrumente rückt die Anatomie im 17. Jahrhundert ins Blickfeld, sind gerade ihnen doch Erfindungen und Entdeckungen geschuldet, die dem wissenschaftlichen Interesse neue und treibende Kraft geben. Seit dem ersten Werk von Marcello Malpighi, der mit De pulmonibus die »mikroskopische« Betrachtung in der Anatomie eröffnete, gibt es eine ganze Fülle bedeu»Bildfeld«. S. H. Weinrich: Semantik der kühnen Metapher. In Theorie der Metapher, hrsg. von H. Haverkamp, (Darmstadt 1996) 316–339. 9 Antonius Zara: Anatomia Ingenior et scientiarum (Venezia 1615). Das ist ein kaum erwähnter Text, der in der Falte von Cornelius Agrippa das Thema der Physiognomik und des Gesichtsausdrucks in Bezug auf die Seele prüft. 10 Giacomo Campora: Dialogo de la immortalità dell’anima, Octavianus Salomonlus (Cosenza 1478). 11 Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, a. a.O. [Anm. 7] 329.
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tender Namen, die mit Hilfe optischer Instrumente neue Wege in der Kenntnis der Anatomie des Menschen und des Tieres einschlagen:12 Malpighi, Leeuwenhoek, Swammerdam und in Deutschland Haller, bedeutend aufgrund ihrer Bestimmung und Beschreibung empirischer Einzelheiten, Klärung wesentlicher Fragen, die Empirie betreffend, sowie ihrer stark empirischen Verfahren. Auch die Präparate für die Bewahrung, die von Jan Swammerdam und von Frederijk Ruysch geschaffen wurden – an letzteren wird in dem berühmten Werk von Giacomo Leopardi Dialogo di Federico Ruysch e delle sue mummie erinnert – trugen dazu bei, den Glauben an die zentrale Bedeutung der Beobachtung und Beschreibung für die Wissenschaft zu erhöhen und die immer präzisere Analyse des Menschen auf didaktischer Ebene zu erweitern. Die anatomischen Beschreibungen mussten auch für die Didaktik verfügbar sein; allerdings bestand Mangel an Material für die Sezierung. Erst im Laufe des Jahrhunderts konnte dieses Problem gelöst werden: durch die Wachsbildnerei, d. h. die Realisierung von Wachsmodellen des menschlichen Körpers oder der einzelnen Teile – eine Praxis, welche Didaktik und Anatomie mit Kunst verbindet. Dieser eigentümlichen Mischung von Wissenschaft und Kunst ist ein ausführlicher Passus im dritten Buch der Wilhelm Meisters Wanderjahre gewidmet. »Hier, mein Freund, – sagte der Künstler – hier sehen Sie schätzenswerte Surrogate für jene Bemühungen, die wir, mit dem Widerwillen der Welt, zu unzeitigen Augenblicken mit Ekel oft und großer Sorgfalt dem Verderben oder einem widerwärtigen Aufbewahren vorbereiten. (…) Auch hier finden sich Mittel und Zweck so nahe beisammen, und ich will gern gestehen, dass ich über den Mitteln den Zweck vernachlässigt habe, doch nicht ganz mit eigener Schuld; der Mensch ohne Hülle ist eigentlich der Mensch, der Bildhauer steht unmittelbar an der Seite der Elohim, als sie den unförmlichen, widerwärtigen Ton zu dem herrlichsten Gebilde umzuschaffen wussten; solche göttliche Gedanken muß er hegen, dem Reinen ist alles rein, warum nicht die unmittelbare Absicht Gottes in der Natur?«13 Anatomie wird deswegen zum Inbegriff direkter und präziser Beobachtung dessen, was nicht sofort sichtbar und wahrnehmbar ist. In einem schon fast vergessenen Roman der Spätaufklärung von Theodor Gottlieb von Hippel trifft der Protagonist auf ein seltsames und makabres Individuum: den Sterbegraf. Dieser ist überzeugt, dass »der Mensch ein Hieroglyph der ganzen Natur ist; wer es zu erklären und aufzulösen versteht, hat den Schlüssel zur Natur«.14
12 S. Marc Ratcliff: The quest for the invisibile: Microscopy in the Enlightment (Burlinghton 2009); D. Generali: Storia e storiografia della scienza. Il caso della sistematica (Milano 2004). 13 Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, a. a.O. [Anm. 7] 329. 14 Th. G. von Hippel: Lebensläufe nach aufsteigender Linie nebst Beilagen A,B,C (1778– 1781). Bd. 1 (Leipzig 1859) 126.
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»Bei den Sterbenden war der Graf mit Tubus und Ferngläsern auf dem Observatorio.«15 Das Fernglas vergrößert die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen, indem es immer neue Untersuchungsfelder und -dimensionen erschließt, sogar ehedem als transzendent geltende. Die anatomische Metapher »par excellence« ist diejenige, die sich im 18. Jahrhundert in verschiedenen literarischen Formen etabliert und ein direktes Verhältnis zwischen der naturwissenschaftlichen (medizinischen) Beobachtung des Körpers bzw. seiner Teile und der Tiefenanalyse der Gedanken stiften will. Der Terminus »Anatomie« kann dabei schon auf eine reiche Tradition im englischen Raum zurückblicken, die Eigenschaften und Aspekten verzeichnet und alles identifiziert, was hinter dem Sichtbaren ist und analysiert werden kann. Die anatomische Metapher gilt als geradezu disponiert dafür, die Welt insgesamt und umfassend zu betrachten. Ein Beispiel hierfür ist das physikotheologische Werk von Barthold Heinrich Brockes Irdisches Vergnügen in Gott (1744), in dem die Anatomie das Mittel ist, um ein tiefes Verstehen der göttlichen Wunder zu erreichen. Den Gebrauch der anatomischen Metapher als »demonstratio« zeigt und beweist das folgende Gedicht von Brockes: Die wächserne Anatomie Ich sahe jüngst, mit fast erstauntem Blick, Ein von Natur und Kunst vereintes Meisterstück, Ein nie gebohren Fleisch, ein todtes Leben, Dem die Zergliedrungs-Kunst so Farb’ als Form gegeben. Ein Wunder-Werck vom Wachs; wodurch der kleinen Welt, Des Menschen Cörper, Fleisch, Blut, Adern, Muskeln, Sehnen, Gehirn und Eingeweid’ so künstlich vorgestellt, So wunderbar formirt; daß es unfehlbar denen, Die es, als Menschen, schauen, Ein’ holde Furcht erweckt, ein angenehmes Grauen. Es leitet dieß Werck, voll Ehrfurcht, meinen Sinn Auf dieses Kunst-Stück Urbild hin: Ich dacht’ auf die Volkommenheiten, Womit Gott unsern Leib, in so volkomm’nen Grad, So wunderbarlich zu bereiten, So wunderbar gewürdigt hat. 16
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Ebd., 58. Barthold Heinrich Brockes: Die wächserne Anatomie. In: Irdisches Vergnügen in Gott (1721–1748). 16
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Die Anatomie wird quasi zum Sinnbild für die Fähigkeit zu sehen,17 der wissenschaftliche Blick öffnet sich einer vernünftigen Betrachtung, die den ganzen Menschen umfasst. Der anatomische Blick wird präzis, gewissenhaft und wirklichkeitstreu und will alles, was verborgen ist, ans Licht bringen. Das bedeutet, dass man sich nur auf die Betrachtung und auf die empirische Methode stützt, ohne auf die Einbildungskraft zu achten. Die Anatomie ist deshalb Symbol des Sichtbaren – deshalb gewiss – und stellt den Menschen zugleich als Subjekt und Objekt der Untersuchung dar. Der Weg der Seelenanatomie, der zum Beginn und zur Entwicklung der an die Innerlichkeit gebundenen Wissenschaften, wie die Anthropologie, die Psychologie, die Untersuchungen der philosophischen Ärzte führt, verläuft über die Entfaltung einer literarischen Gattung, die ein echtes aufklärerisches Phänomen repräsentiert: die Wochenschriften. Am Anfang spricht man von »moralischen Wochenschriften«, d. h. von Zeitschriften, die mit Vergnügen lehren wollen, die ein moralisches Ziel haben und zugleich Unterhaltung bieten.18 Im Laufe der Zeit spezialisieren sie sich in verschiedenartigen Formen: Einige sind hauptsächlich unterhaltend, andere beziehen sich fast ausschließlich auf literarische Themen, einige beschäftigen sich mit medizinisch-wissenschaftlichen Thematiken, andere versuchen, praktische Hinweise und diätetische Regeln darzubieten, wieder andere haben ihr Hauptziel in der pädagogischen Literatur. Aber da das Hauptziel der Wochenschriften der Aufklärung dasjenige ist, die Probleme des irdischen Glücks zu lösen – und das repräsentiert den echten Bruch mit der Vergangenheit, in der Abwendung von den religiösen Themen – beschäftigen sie sich Mitte des Jahrhunderts mit dem Menschen. Habermas sagt dazu: »In den moralischen Wochenschriften tritt die Intention der Selbstverständigung derer, die sich zur Mündigkeit berufen fühlen, deutlicher hervor als in den späteren Journalen. (…) (Das Publikum) versteht sich noch nicht auf dem Umweg einer Reflexion über Werke der Philosophie und Literatur, der Kunst und Wissenschaft, sondern dadurch, daß es selbst als Gegenstand in die ›Literatur‹ eingeht«.19 Im Mittelpunkt des Interesses steht der Mensch mit allen seinen irdischen Problemen und Themen. Dabei wird die Melancholie zum Hauptgegenstand der Untersuchungen des Inneren des Menschen, weil gerade sie ein Übel ist, das sich dazu eignet, betrachtet, analysiert und literarisch dargestellt zu werden. Von der Melancholie zu sprechen bedeutet, von der eigenen Innerlichkeit zu reden und deswegen wird die Anatomie der Seele, die »moralische Anatomie«,20 zu ei17
M. Foucault: Nascita della clinica. Una archeologia dello sguardo medico (Torino 1998) 7. W. Martens: Die Botschaft der Tugend. Die Aufklärung im Spiegel der Moralischen Wochenschriften (Stuttgart 1968). 19 J. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit (Berlin 1969) 55. 20 G. Cantarutti: Il bisturi e il cuore. Antropologia e moralistica nell’Illuminismo tedesco. In: Ecriture et anatomie. Médicine, Art, Littérature, hrsg. von G. Dotoli (Brindisi 2004) 557–584. 18
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nem literarischen, wissenschaftlichen und psychologischen Topos, der sich durch das ganze Jahrhundert hindurchzieht. 1762 entsteht zum Beispiel die Zeitschrift Der Hypochondrist, die von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg unter dem Pseudonym von Zacharias Jernstrup und von Jakob Friedrich Schmidt herausgegeben wurde. Die Zeitschrift, wie am Titel leicht erkennbar, bewegt sich halb im Ernst, halb zum Spaß auf dem Gebiet des Interesses am Menschen und insbesondere an seinen Schwierigkeiten mit der Hypochondrie. Diese ist, wie man weiß, eine Krankheit von schwankenden und verschwommenen Konturen, eigentlich die erste und gutartige Stufe der echten Melancholie. Viele Beiträge in den Zeitschriften sind dieser Krankheit gewidmet. Ein Artikel lautet z. B. Betrachtung über die Nervenkrankheiten: »Als ich vor etwa dreyßig Jahren, da mir der Zufall mit meiner geliebten aufgeschwollne Augen, eine aschgraue Gesichtsfarbe, einen kurzen Atehm, und eine rohe Brust zuzog, über die Wirkungen nachdachte, welche die Eindrücke der Seele in dem Körper hervorbringen: so wurden zuförderst die Nerven der Gegenstand meiner Betrachtungen. (…) Was mich in meinen Vermuthungen bestätigte, waren die Phönomene, die sich bey einer Verwundung, Entzündung, Vereiterung oder andern Verletzung des Gehirns äußern, welche sämtlich ein Leiden in den übrigen Theilen des Körpers, Zittern, Erbrechen, Zückungen, Lähmungen und dergl. nach sich ziehen. Es herscht demnach in den verschiednen Theilen des menschlichen Körpers eine Sympathie oder allgemeine Uebereinstimmung vermittelst der Nerven, die ihren Ursprung in der markigen Substanz des Gehirns hat.«21 Das starke Interesse an dem Menschen und an seiner Innerlichkeit trifft oft mit der Untersuchung der Krankheit zusammen und im 18. Jahrhundert auch auf die Melancholie. Deshalb tritt die Anatomie gewalttätig in den Blättern der Zeitschriften auf, auch in ihren grausameren Aspekten, weil man in der Anatomie die Erklärung für die großen Fragen des Menschen sucht. In den Zeitschriften ist es einfach, Obduktionsberichte wichtiger Fälle zu finden, besonders wichtige Fälle, die eine tiefere Untersuchung brauchten, wie in den Fällen von Melancholie und Hypochondrie. Durch die unmittelbare Betrachtung des Leichnams sucht man Hypothesen und Schlussfolgerungen für die Fragen um die moralische Krankheit. Man versuchte mit den Augen zu verstehen, welche die ursprünglichen Gründe der Krankheiten und der Sterbefälle waren. Innerhalb der Leiche suchte man die Zeichen und die Gründe der moralischen Krankheit, indem man maß, wog und verglich. Außer den Fragen um das Verhältnis zwischen Leib und Seele wollte man die Ergebnisse der Obduktionen veröffentlichen, gerade weil man die Essenz der Genialität des Genies »wissenschaftlich« untersuchen wollte. So suchte man in der Anatomie des Menschen die Antwort 21
Anonym: Betrachtungen über die Nervenkrankheiten. In: »Der Hypochondrist«, 2. Stück (1771) 24 f.
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auf das Dasein des Genies. Nach dem Tode von Lessing ist der Artikel, der die Nachricht im Göttingschen Magazin berichtet, voll von grauenhaften Details von der Sezierung der Leiche, die aber quasi darauf abzielen, auf einer völlig metaphorischen Ebene das anatomische Geheimnis des Lessingschen Genies zu entdecken: »Die dünnen Gedärme waren gröstentheils leer und entzündet, das Ileum aber am mehrsten. So war auch an dem Grimdarme eine nicht geringe Entzündung warzunehmen. Der linke heruntersteigende Grimmdarm war äusserst dünne, weit dünner als die sogenannten dünnen Gedärme und aus seiner Lage weg und in das Becken gepreßt. Der Magen war weit und dünne, links nach seinem Grunde stark entzündet und enthielt eine mäsige Menge vorher genossener dünner Speisen.«22 Auch Herder versteht die Anatomie als das Mittel, um die Eigenschaft des Genies zu untersuchen. In dem Essay Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele stiftet er einen direkten Bezug zwischen der Anatomie und Physiologie des Menschen und dessen besonderen Eigenschaften. Für seine Ausführung bezieht er sich direkt auf den größten Physiologen der Zeit, auf Albrecht von Haller: »Der innere Mensch mit allen seinen dunklen Kräften, Reizen und Trieben ist nur Einer. Alle Leidenschaften ums Herz gelagert und mancherlei Werkzeuge regend, hangen durch unsichtbare Bande zusammen und schlagen Wurzel im feinsten Bau unsrer beseelten Fibern. Jedes Fäserchen, wenn wirs einsehen könnten, gehört ohne Zweifel mit dazu, jedes engere und weitere Gefäß, jede stärker und schwächer wallende Blutkugel. Der Mut des Löwen, wie die Furchtsamkeit des Hasen, liegt in seinem beseelten innern Baue.«23 Das Verhältnis zwischen Leib und Seele wird deswegen wesentlich, da der Körper nicht nur ein Gefäß der Seele, sondern auch ein Erkenntnisinstrument in einem System, dem aufklärerischen, ist, das der wissenschaftlichen Untersuchung einen außergewöhnlichen Wert zuschreibt. Gerade Lessing hat in einer Rezension zu den Erzählungen von Wieland von der »Anatomie der Leidenschaften«24 gesprochen, und das wird zum Schwerpunkt in den Wochenschriften zwischen 1770 und 1790. Die Anatomie wird zur »Anatomie der Seele«. Man versucht, die Innerlichkeit des Individuums aus der direkten und anatomischen Beobachtung 22
J. A. Leisewitz: Nachricht von Lessings Tod; nebst Hern Hofr. Sommers Zergliederung von dessen Leichnam, aus einem Schreiben des Hrn. Landschafts-Sekr. Leisewitz an Prof. Lichtenberg Braunschweig, 25. Febr. 1781. In: Göttingisches Magazin der Wissenschaft und Literatur, 2. Jg., 1. Stück, (1781) 151. 23 G. Herder: Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume (1774). In: Schriften zur Philosophie, Literatur, Kunst und Altertum, hrsg. von J. Brummack / M. Bollacher, Bd. 4. (Frankfurt am Main 1994) 338–339. 24 G. E. Lessing: Rezension, in »Berlinische priviligierte Zeitung« (1753), 32. St., 15. März.
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der Seelenbewegungen heraus zu lesen und zu analysieren. Das Schauspiel ist im Innern des menschlichen Körpers, im Mittelpunkt steht das Seelentheater, eine Art von Herleitung – wie im Kupferstich von Hogarth The reward of cruelty – des »teatrum anatomicum«. Das Jahr 1772 wird zum entscheidenden Jahr für das neu entstandene anthropologische Interesse. Es ist das Veröffentlichungsjahr von Platners Anthropologie für Ärzte und Weltweisen wie auch für Lavaters Werk Von der Physiognomik. Letzteres Werk stellt den Übergang in der Deutung der menschlichen Seele von dem äußerlichen Aussehen, von der Äußerlichkeit zur Innerlichkeit dar. Im Text sagt man in der Tat, dass »der volkommne Physiognomist, der das Innere des Menschen aus seinem Aeußern kennen will«, die »Menschliche Anatomie« kennen muss.25 Die Seelendeutung braucht deshalb ein Instrument, man braucht eine Art von »Zergliederungskunst des menschlichen Herzens«, um die Worte von Georg Hamann zu benutzen. Innerhalb der Wochenschriften gibt es zwei große Gruppen: 1. die Unterhaltungszeitschriften, 2. die medizinisch-wissenschaftlichen. Es gibt ferner eine Gruppe, die sich zwischen diesen beiden bewegt und die auf Selbstkenntnis abzielt. Das wichtigste Beispiel – und vielleicht ein »unicum« in dem ganzen Panorama der Aufklärung – ist die von Karl Philipp Moritz gegründete und herausgegebene Zeitschrift Gnothi Sautòn oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Diese Zeitschrift wendet sich an ein breites Publikum, an alle, die an der medizinischen Betrachtung und an dem literarischen Text interessiert sind, sowie alle diejenigen, welche einen weiteren Annäherungsversuch an das Innere des Menschen unternehmen wollen. Die Therapie ist, nach Moritz – wie der Titel lautet – die der Selbsterkenntnis; sie liegt in dem Versuch, erst den Ursprung des eigenen Übels und danach eine Lösung zu finden. In der Einleitung zum ersten Heft erklärt Moritz sein Ziel und das benutzte Mittel: »Nach dem Vorschlage des Herrn Moses Mendelsohn werde ich die Eintheilungen in der Arzneywissenschaft auf die Erfahrungsseelenkunde anzuwenden suchen, und die Aufsätze in diesem Magazine unter die Rubriken der Seelennaturkunde, Seelenkrankheitskunde, Seelenzeichenkunde, Seelendiätetik, u. s. w. zu ordnen suchen.«26 Es versteht sich, dass Moritz auf viele Schwierigkeiten trifft, da er von der Innerlichkeit des einzelnen Menschen sprechen will. Er gebraucht deswegen die »anatomische Metapher«: Es ist, als ob er das Triebwerk zu öffnen brauchte, um zu verstehen, was darin steht. Es ist geradezu wie im Passus von Anton Reiser,
25 J. K. Lavater: Von der Physiognomik (1772), hrsg. Von K. Riha und C. Zelle (Frankfurt am Main 1991) 58. 26 K. Ph. Moritz: Gnothi sautòn oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. 1. Bd, 1. Stück (1783) 3.
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als der Protagonist von Madame Guion erzählt: »Als man nach ihrem Tode ihren Kopf öffnete, fand man ihr Gehirn fast wie ausgetrocknet«.27 Moritz veranschaulicht psychologische Vorgänge, um das Seelenleben sichtbar zu machen. In einer späten Rezension des Moritzschen Magazins wird gerade diese »Anatomisierung« unterstrichen: »Das Moritzische Magazin hat sich unleugbar um die Belebung des psychologischen Beobachtungsgeistes ein großes Verdienst erworben, und wird sowohl als Sammlung von Beyspielen, als durch einige treffliche Beyträge zur Anatomie der dunklen Vorstellungen und des geheimen Zusammenhangs zwischen der äußern und innern Natur, für den Psychologen immer seinen Werth behalten.«28 Auf ähnliche Weise geht Johann Karl Wezel vor. Gerade in seinem Versuch über die Kenntniß des Menschen – einem Projekt, das auf eine Verdichtung des philosophischen und des wissenschaftlichen Wissens abzielte, um das Kausalprinzip im Menschen beurteilen zu können – unterstreicht Wezel die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnis, um die menschliche Seele zu verstehen.29 Ab dem 17. Jahrhundert ist die menschliche Anatomie das Sinnbild für die Untersuchung und Entdeckung des körperlichen wie seelischen Inneren des Menschen. Man versucht den Menschen durch eine geographische Lektüre des Körpers zu verstehen. »Als ich nämlich auf den Dünen des Lido, welche die venezianischen Lagunen von dem Adriatischen Meere sondern, mich oftmals erginge, fand ich einen so glücklich geborstenen Schafschädel, der mir nicht allein jene große, früher von mir erkannte Wahrheit: die sämtlichen Schädelknochen seien aus verwandelten Wirbelknochen entstanden, abermals bestätigte, sondern auch den Übergang innerlich umgeformter organischer Massen, durch Aufschluß nach außen, zu fortschreitender Veredlung höchster Bildung und Entwicklung in die vorzüglichsten Sinneswerkzeuge vor Augen stellte, und zugleich meinen alten, durch Erfahrung bestärkten Glauben wieder auffrischte, welcher sich fest darauf begründet, daß die Natur kein Geheimnis habe, was sie nicht irgendwo dem aufmerksamen Beobachter nackt vor die Augen stellt.«30 27
K. Ph. Moritz: Anton Reiser. In: Werke, hrsg. von H. Günther, Bd. 1 (Frankfurt am Main 1993) 38. 28 Allgemeine Literatur-Zeitung Nr. 277 (1794) 500. 29 J. K. Wezel: Versuch über die Kenntniß des Menschen. Bd. 2 (Leipzig 1784–85) (reprint Frankfurt am Main 1972) 138: »Der erzählende und dramatische Dichter hat immer die doppelte Absicht vor Augen, Charakter und Leidenschaften, der Natur gemäß, stark, schön und mit Geschmack darzustellen, und zu gleicher Zeit seine Gemälde so zu ordnen, daß sie das Interesse des Lesers nie ermüden lassen: das erste kann er gar nicht ohne philosophische, phisiologische und anatomische Kenntniß des Menschen und das andere eben so wenig, wenn ihm der Gang der meanschlichen Empfindungen, ihre Veknüpfungen, ihre Verwandtschaft, ihre Vermischungen unbekannt sind«. 30 Goethe: Tag- und Jahreshefte. In: Werke. Bd. 11, 435–436.
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Im Jahr 1753 wird in England The Analysis of Beauty von William Hogarth veröffentlicht und im Jahr darauf unter dem Titel Zergliederung der Schönheit ins Deutsche übersetzt. Der Übertragung der anatomischen Metapher auf die Schönheit und den Begriff des Schönen beginnt mit Winckelmann und setzt sich in den ästhetischen Reflexionen von Schiller und Goethe fort. In der Einleitung zur Zeitschrift »Propyläen« erklärt Goethe, welches das Subjekt der Kunst sein sollte: »Der Mensch ist der höchste, ja der eigentliche Gegenstand bildender Kunst. Um ihn zu verstehen, um sich aus dem Labyrinthe seines Baues herauszuwickeln, ist eine allgemeine Kenntnis der organischen Natur unerläßlich. (…) Die menschliche Gestalt kann nicht bloß durch das Beschauen ihrer Oberfläche begriffen werden; man muß ihr Inneres entblößen, ihre Teile sondern, die Verbindungen derselben bemerken, die Verschiedenheiten kennen (…) Die vergleichende Anatomie hat einen allgemeinen Begriff über organische Naturen vorbereitet.«31 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hat demnach eine weitere Übertragung der anatomischen Metapher statt, indem sie jetzt ein direktes Verhältnis zum Schönen stiftet. Das Schöne beginnt und endet mit dem menschlichen Körper, in der Betrachtung der Harmonie der Teile und in seiner anatomischen Vollkommenheit.
31
Goethe: Einleitung in die Propyläen. In: Werke, Bd. 12, 43–44.
Carsten Zelle
Modellbildende Metaphorik im Leib-Seele-Diskurs der »vernünftigen Ärzte« Im Folgenden sollen einige Materialien vorgestellt werden, die laufenden Forschungen zur literarischen Anthropologie im 18. Jahrhundert entnommen sind, und zwar dem Textkorpus der »vernünftigen Ärzte« in Halle, die in dem komplizierten medizinischen Spannungsfeld zwischen dem »Mechanismus« Friedrich Hoffmanns (1660–1742) und dem (so die heutige Bezeichnung) »Animismus« Georg Ernst Stahls (1659–1734) in Halle um 1750 ein Menschenbild verfolgten, das den durch Descartes aufgerissenen Leib-Seele-Dualismus zu überbrükken trachtete. Dabei nehmen die psychomedizinischen Ärzte Johann Gottlob Krüger (1715–1759), Johann August Unzer (1727–1799), Ernst Anton Nicolai (1722–1802) und Johann Christian Bolten (1727–1757) in der Auseinandersetzung zwischen »Mechanisten« und (so die damalige Selbstbezeichnung) »Organisten« eine Mittlerposition ein, die sucht, den »ganzen Menschen« in Blick zu nehmen.1 Signifikant für diesen anthropologischen Diskurs ist eine technische Metaphorik, die modellbildend wirkt, d. h. das Menschenbild dieser Ärzte charakterisiert. Orientiert sind meine Ausführungen sowohl an einer metaphorologischen Theorie der Unbegrifflichkeit, wonach rhetorische Figuren eine eigensinnige, begrifflich nicht reduzierbare Erkenntnis leisten,2 als auch an der wissenpoieti-
1
Vgl. »Vernünftige Ärzte«. Hallesche Psychomediziner und die Anfänge der Anthropologie in der deutschsprachigen Aufklärung, hg. von Carsten Zelle (Tübingen 2001); zu Krüger vgl. Tanja van Hoorn: Entwurf einer Psychophysiologie des Menschen. Johann Gottlob Krügers Grundriß eines neuen Lehrgebäudes der Artzneygelahrtheit (1745) (Hannover 2006) bes. 9–17 und HansPeter Nowitzki: Der wohltemperierte mensch. Aufklärungsanthropologie im Widerstreit (Berlin, New York 2003) 33-87; zu den beiden Lagern in Halle vgl. Tanja van Hoorn: Geselligkeit im Paratext, Friede im Zitierkartell? Was Heinrich Friedrich Delius zu hören bekam, als er am 31. Oktober 1743 in Halle zum Doktor promoviert wurde. Disputatio 1200–1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur, hg. Marion Gindhart und Ursula Kundert (Berlin 2010) 269–287, bes. 274 ff. (mit weiteren Literaturangaben). 2 Die »authentische[n] Potenz der Metaphorik« lasse sich »nicht ins Eigentliche, in die Logizität zurückholen«, betont – auf eine interaktionistische Metapherntheorie zurückgreifend – Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie [1960] (Frankfurt a.M. 1998) 10. Blumenbergs »Metaphorologie« geht mit der Hochschätzung einer Rhetorik (vgl. ebd., 9) einher, der eine implizite Anthropologie eignet, die den Menschen als ein »armes« Wesen, d. h. als ein (nachmetaphysisches) Wesen jenseits der Wahrheit auffasst. Vgl. ders.: Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik [ital. 1971]. In: ders.: Wirklichkeiten in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede (Stuttgart 1981) 104–136, bes. 105 ff. Die Substitutionstheorie der Metapher unterstellt demnach den Menschen als ein »reiches« Wesen, das im Besitz der Wahrheit ist. Dass die »Metaphorologie« im Gegensatz zur philosophischen Tradition von Sokrates bis Hegel den »linguistic turn« mitvollzieht und dementsprechend »Denken und Sprechen, ratio und Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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Carsten Zelle
schen Problematik, dass Metaphern (insbesondere aber Katachresen, und zwar »hinter dem Rücken« der Akteure) Wahrnehmung schematisieren, d. h. wirklichkeitsbildende Kräfte entbinden.3 Diese beiden Orientierungspunkte diskutiere ich hier nicht weiter, lasse auch die einschlägigen Debatten darüber beiseite4 und konzentriere mich im Folgenden als Literaturwissenschaftler darauf zu zeigen, wie modellbildende Metaphern in philosophischen bzw. wissenschaftlichen Texten ein unhintergehbares, rhetorisches Störpotential einschreiben, das einen genuinen Eigensinn darstellt, den man als »literarischen« bzw. »ästhetischen Mehrwert« zu bezeichnen sich angewöhnt hat. Im Vordergrund steht dabei die vielfältige Morphologie der Maschinenmetaphorik, ihre unterschiedlich profilierte Funktion und ihre Gegen- bzw. Kontrastbilder.5
I. Tropisches Instrument der Polemik – der ›Bratenwender‹ Beim »Bratenwender« handelt es sich um eine besonders charakteristische Trope, die in den halleschen Auseinandersetzungen in polemischer Absicht gebraucht wird. Als Bildspender fungiert der aus der Küche bekannte, auf unterschiedliche Weise angetriebene Drehspieß zum Braten. Antriebsquellen können Federwerke oder Gewichte wie bei der Uhr sein, Wasser, Rauch oder Hitze oder auch Tiere in einem Laufrad.6 Die Ingenieurskunst hatte den einfachen
oratio« nicht trennt, sondern zusammenbringt, betont Ralf Konersmann: Vorwort: Figuratives Wissen. In: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, hg. Von Ralf Konersmann (Darmstadt 2007) 7–21, hier: 7. 3 Vgl. Joseph Vogl: Für eine Poetologie des Wissens. In: Die Literatur und die Wissenschaften 1770–1930, hg. von Karl Richter, Jörg Schönert und Michael Titzmann (Stuttgart 1997) 107–127. Im Anschluss an die historische Epistemologie, u. a. Gaston Bachelards und Ludwik Flecks, postuliert Vogl, dass »die Entstehung der Tatsache selbst als poiesis gedacht« werden muß: »Es gibt in diesem Sinne keine Gegebenheit, und wer beobachtet, sieht zuallererst nichts. Die Konstitution des Faktums führt nicht vom Gegenstand zum Begriff, sie verläuft vielmehr in umgekehrter Richtung; Beobachtung und Experiment sind nur unter dem Zwang vorausgehender Bahnungen möglich.« (114 f.) 4 Vgl. Gideon Stiening: Am »Ungrund« oder: Was sind und zu welchem Ende studiert man »Poetologien des Wissens«. In: KulturPoetik 7.2 (2007), 234–248; Joseph Vogl: Robuste und idiosynkratische Theorie, ebd., 249–258; Tilmann Köppe: Vom Wissen in Literatur. In: Zeitschrift für Germanistik. N.F. 17 (2007), 398–410; Roland Borgards: Wissen und Literatur. Eine Replik auf Tilmann Köppe, ebd., 425–428. 5 Eine Übersicht über die Maschinenmetaphorik gibt Bernd Remmele: Maschine. In: Wörterbuch der philosophischen Metaphern, a. a.O. [Anm. 2] 224–236, in dem u. a. ein älterer Aufsatz von mir (Maschinenmetaphern in der Ästhetik des 18. Jahrhunderts (Lessing, Lenz, Schiller). In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge 3 (1997) 510–529) aufgegriffen wird. 6 Eine umfassende Beschreibung (incl. unterschiedlicher Konstruktionsskizzen und weiterführender Literatur) gibt Krünitz’ Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land, Haus- und Staats-Wirthschaft. In alphabetischer Ordnung. 242 Bde (Berlin 1773–1858) hier: Bd. 6 (1775; 21784), s. v. »Braten=Wender«, 531–535 und Fig. 357–361.
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Bratspieß bis ins 18. Jahrhundert so vervollkommnet, dass Bratenwender mit turbinenartiger Antriebstechnik, Schaufelrädern und komplizierter Anschlussmechanik aus Rädern, Wellen und Getrieben entstanden waren. Abbé Pluche (1688–1761) z. B. hat ein solches Gerät, d. h. einen »Tournebroche à fumée« in seinem physikotheologischen Werk Le Spectacle de la nature im Zusammenhang der Unterhaltung über die Nahrung des Menschen ausführlich beschrieben (Abb. 1).7 Es gab freilich auch weniger elaborierte Maschinen, in denen, notiert Krünitz, »abgerichtete Hunde, Katzen, oder Gänse, welche vermittelst eines Tretrades, darin das Thier läuft«, den Braten wendeten (Abb. 2).8
Abb. 1: Le Tournebroche à fumée (Nachweis siehe Anm. 7)
Abb. 2: Spießdrehhund (Nachweis siehe Anm. 8)
7
Noël-Antoine Pluche: Le Spectacle de la nature ou entretiens sur les particularités de l’histoire de l’homme. 8 Bde (Paris 1732–1751) hier: Bd. 6 (1746): Contenant ce qui regarde l’homme en société, Entr. X, 325–331, bes. Planche VI (freundlicher Hinweis von Andreas Gipper, Germersheim). 8 Krünitz’ Oeconomische Encyclopädie, a. a.O. [Anm. 6] 535. In England wurden spezielle Hunde – der »turnspit« – dafür gezüchtet. Eine zeitgenössische Abbildung eines »Spießdrehhundes« aus dem deutschsprachigen Raum konnte ich bisher nicht auftreiben. Die vorliegende
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Der Bratenwender, der als Bildspender den besonders für populärwissenschaftliche Darstellungen günstigen Vorteil, aus dem Haushalt allgemein bekannt zu sein, mit hinreichender technischer Kompliziertheit verbindet, fungiert in der Rede der »vernünftigen Ärzte« als Pars-pro-toto-Synekdoche für eine Maschine überhaupt. Gegenüber der Uhr, die als Trope im philosophischen Diskurs der Frühneuzeit ubiquitär ist und an dessen prominentester Stelle als Gleichnis die prästabilisierte Harmonie leib-seelischen Gleichgangs illustriert, steht der Bratenwender in kritisch-ironischer Distanz. Als Synekdoche für Maschine ersetzt der »Bratenwender« im Diskurs die »Uhr«, freilich auf einer niedrigeren Stilhöhe, insofern mit dem Bildbereich von Nahrung und Küche der leibnahe Bereich karnevalistischen Weltempfindens konnotiert wird. Der »Bratenwender« gewinnt dadurch pejorative Dimension, profaniert die philosophische Rede des Anderen und erhält dadurch seine polemische Schärfe in der Auseinandersetzung der »vernünftigen« gegen die »mechanischen Ärzte«. Ernst Anton Nicolai z. B. verwahrt sich in seiner Abhandlung von dem Lachen 1746 ausdrücklich dagegen, im Blick auf die ärztliche Praxis die Patienten »als blosse Maschinen ansehen [zu] wollen. In Wahrheit, es ist eine sehr gefährliche Sache, und ich will es Ihnen nicht rathen, daß Sie mit Ihren Patienten wie mit einer blossen Maschine, dergleichen eine Uhr und Bratenwender ist, umgehen, sondern Sie müssen allemal bedenken, daß der menschliche Körper eine natürliche Maschine ist, und daß es eine grössere Behutsamkeit erfordert, dieselbe wieder ordentlich zustellen [!] und in Ordnung zu bringen, wenn sie in Unordnung gerathen ist.«9 Die antimechanistische Stoßrichtung der Bratenwender-Metapher, die ein reduktionistisches Menschenbild karikiert, wird vor allem dort deutlich, wo es darum geht, die seelischen oder affektiven Trieb- bzw. Bewegungskräfte des Menschen zu profilieren. In diesem Sinn argumentiert der Halberstädter Garnisonsarzt Johann Andreas Roeper in einer Abhandlung über Die Würckung der Seele in den menschlichen Cörper im Blick auf den influxus mentis in corporis gegen das Maschinenmodell der Mechanisten: »Man mag sich drehen und wenden wie man will, so kan man das Vermögen und die Krafft der Seele in den Cörper nicht ausschliessen, oder man negiret, was man ein andermahl zu-
Abb. ist einer englischen Reisebeschreibung entnommen. Henry Wigstead: Remarks on a Tour to York and South Wales. With Plates (London 1800) »Inside a kitchen at Newcastle«, zwischen 52/53: »Newcastle is a pleasant village: at a decent inn here, a dog is employed as turnspit; great care is taken that this animal does not observe the cook approach the larder; if he does, he immediately hides himself for the remainder of the day, and the guest must be contented with more humble fare than intended.« (52) 9 Ernst Anton Nicolai: Abhandlung von dem Lachen (Halle 1746) 62. Dagegen begreift Nicolai den Menschen in seiner drei Jahre später publizierten Abhandlung Von dem Schmerze (In: ders.: Bemühungen in dem theoretischen und practischen Theile der Arzneywissenschaft zur Beförderung und Aufnahme derselben (Halle 1749) 1. Stück, 1–218) ganz im Sinn der »mechanischen Ärzte« als »eine Maschine« (§ 1, 3).
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gegeben; giebt man freywillige Bewegungen zu, so kan man damit nicht angestochen [!] kommen, die Seele wisse nichts de excitatione vel directione motuum, sie könne darin nichts verändern, geschwinder oder langsamer machen, der Leib sey eine machina hydraulica, in welcher fluida solida und solida fluida actione reciproca bewegten, wie eine Mühle, eine Uhr, ein Bratenwender etc. welches leichter und geschwinder gesaget, als zu erweisen steht. Eine Maschine hat nur einerley Bewegung, so wie sie der Künstler anfangs eingerichtet, also daß in selbiger keine andere Bewegung hervorgebracht werden kan, wenn gleich eine andere nöthig wäre.«10 Während bei Roeper, der 1724 vom Stahlianer Michael Alberti (1682–1757) promoviert worden war, eine deutlich animistische Stoßrichtung greifbar ist, führt die organistische Polemik gegen die »Mechanisten« insgesamt zu einer differenzierten, körperliche und seelische Aspekte integrierenden Sichtweise, die dazu führt, im Blick auf das Leib-Seele-Commercium wechselseitige, ineinanderwirkende Prozesse anzunehmen.11 Zugleich werden einseitige Zuständigkeiten zurückgedrängt: Der Seelsorger wird durch den Psychologen und dessen »psychologische Cur« verdrängt, der bloße »Arzneiverständige« durch den mit philosophischer Zusatzausbildung in empirischer Psychologie und Ästhetik approbierten »vernünftigen« bzw. »philosophischen Arzt« ersetzt. Wieder ist in die Argumentation ein gegen die mechanischen Ärzte gerichteter Zungenschlag einbezogen, der zugleich die Öffnung der Fachgrenzen anmahnt: »Mich deucht«, schreibt Johann Christian Bolten 1751 in seinen Gedanken von psychologischen Curen, »ein Arzneigelehrter, der sich der Praxis ergiebt, und keine Metaphysick gelernt hat, sey nichts weiter, als eine lebendige Apothecke.«12
II. Didaktische Instrumente der Wissensvermittlung und deren Subversion – Krügers Kunstmaschinen Um das commercium mentis et corporis und die Antriebskräfte im Menschen geht es im Werk Johann Gottlob Krügers. Der literarischen Darstellung anthropologischen Wissens, besonders jedoch der satirischen Kommentierung einschlägiger Kontroversen ist sein umfangreiches Werk Träume (Halle 1754; 21758; 31765; 41785. Hg. Johann August Eberhard) gewidmet, das die Tradition
10
Johann Andreas Roeper: Die Würckung der Seele in den menschlichen Cörper. Nach Anleitung der Geschichte eines Nacht=Wanderers aus vernünftigen Gründen erläutert (Magdeburg, Leipzig 1748) § X, 35. In die Ablehnung des Mechanismus-Modells mischt sich deutlich der Vorbehalt gegenüber dem damit verbundenen Determinismus. 11 Vgl. z. B. die influxionistischen Untersuchungen von Ernst Anton Nicolai: Gedancken von Thränen und Weinen (Halle 1748) und Johann August Unzer: Abhandlung vom Seufzen (Halle 1747). 12 Johann Christian Bolten: Gedanken von psychologischen Curen (Halle 1751) 58.
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der gelehrten menippeischen Traumsatire aufgreift.13 Die besondere Literarizität, die Krügers Stil auszeichnet, ist bereits von den zeitgenössischen Rezensenten gewürdigt14 und in der Forschung jüngst zurecht als Anwendungsfall »schönen Denkens«, d. h. als eine Diskurspraxis herausgestellt worden, die der Halleschen Ästhetik folgt.15 In Krügers Träumen finden sich eine Reihe von kurzen Prosatexten, die um 1750 aktuelle, ggf. strittige naturwissenschaftliche Auseinandersetzungen ins Bild rücken, um sie u. a. auch einem nichtgelehrten, ggf. auch weiblichen Publikum verständlich zu machen. In einer solchen, Horaz’ prodesse und delectare aufgreifenden, populärwissenschaftlichen Literaturfunktion, die Krügers Träume mit gleichgerichteten Bemühungen Fontenelles, Algarottis oder der Unzerin vergleichbar machen, erschöpft sich jedoch nicht die Dynamik, die eintritt, wenn wissenschaftliche Begriffe in literarische Bilder transponiert werden. Die Leistung literarischer Darstellung anthropologischen Wissens geht vielmehr über eine bloß didaktische Indienstnahme hinaus. Zur Veranschaulichung dieser Aussage soll Krügers 65. Traum dienen. Hierin werden unterschiedliche Commercium-mentis-et-corporis-Konzeptionen in Modelle kunstvoll gefertigter Maschinen übertragen. Eingangs heißt es: »Verschiedene Künstler hatten sich vorgesetzt, Maschinen zu verfertigen, wodurch man Jemanden die Vereinigung des Leibes und der Seele begreiflich machen könnte, ohne ihn mit tiefsinnigen Vernunftschlüssen zu martern.«16 Jede der vier Kunstmaschinen, die Krüger zur Veranschaulichung der damals kurrenten Leib/
13
Zum »somnium satiricum« vgl. Ingrid de Smet: Menippean Satire and the Republic of Letters 1581–1655 (Genf 1996) 87 ff.; für den deutschsprachigen Raum liegt nur die ältere Diss. von Heinz Klammroth: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Traumsatire im 17. und 18. Jahrhundert (Bonn 1912) vor. Unmittelbarer Anstoß zu Krügers Träumen mag Rabeners Satire Ein Traum von der Beschäftigung der abgeschiedenen Seelen (1744 u.ö.) oder die anonym in Jena gedruckte Wochenschrift Der Träumer nebst einer kurzen Critik (Jena 1753) gewesen sein. 14 Dazu Carsten Zelle: »Ey was hat der Arzt mit der Seele zu thun«? Physiologie und Psychologie bei Albrecht von Haller und Johann Gottlob Krüger. In: »Allerhand nützliche Versuche«. Empirische Wissenskultur in Halle und Göttingen (1720–1750), hg. von Tanja van Hoorn und Yvonne Wübben (Hannover 2009) 21–40, bes. 32 ff. 15 Yvonne Wübben: Außeruniversitäre Wissensvermittlung am Beispiel der Halleschen Lehrprosa (um 1750). In: Germanistik im Konflikt der Kulturen. Akten des XI. Internationalen Germanistenkongresses Paris 2005, hg. von Jean Marie Valentin. Bd. 5 (Bern u. a. 2008) 239–247, hier: 245. 16 Im folgenden zitiere (und zähle) ich nach dem Erstdruck: Joh.[ann] Gottlob Krüger: Träume (Halle 1754) 65. Traum, 242–243, hier: 242; weitere Nachweise in ( ) im Text. Zu Krügers Traum-Werk vgl. Wolfram Mauser: Krügers Träume. In: Germanistik aus interkultureller Perspektive, hg. von Adrien Finck und Gertrud Gréciano (Strasbourg 1988) 49-59; Hans-Walter SchmidtHannisa: Johann Gottlob Krügers geträumte Anthropologie. In: »Vernünftige Ärzte«, a. a.O. [Anm. 1], 157-171; Jutta Müller-Tamm: »Wahrheiten in ihren schönsten Schlaf-Röcken«. Johann Gottlob Krügers Träume (1754). In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 48 (2004) 19–35; Carsten Zelle: Träume eines »vernünftigen Arztes« – zum literarischen Werk des Naturlehrers Johann Gottlob Krüger. In: Heilkunst und schöne Künste. Wechselwirkungen von Medizin, Literatur und bildender Kunst im 18. Jahrhundert, hg. von Heidi Eisenhut, Anett Lütteken und Carsten Zelle (Göttingen 2011), 89–107. Das folgende greift passagenweise auf diesen Aufsatz zurück.
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Seele-Konzepte mit Hilfe seiner Dichtungskraft vor Augen stellt, steht für ein bestimmtes philosophisches System, so dass die einzelnen Textpassagen auf präzise Weise allegorisch gedeutet werden können: (a) »Der eine [Künstler] hatte eine Maschine gemacht, welche die Gestalt eines Menschen hatte, und einen Hund hineingesetzt, der abgerichtet war die Maschine zu bewegen, wie er nur wolle.« (242) Bezeichnet wird die Position des Influxus, genauer: die Variante des Stahlianischen Animismus, in der die Seele, die durch den Hund verkörpert ist, als bewegende und formende Kraft des Körpers, für den die Maschine steht, ausgibt. (b) »Der andere [Künstler] verfertigte gleichfalls eine Maschine, und setzte einen Hund hinein, allein der Hund konte die Maschine nicht bewegen, sondern der Künstler gab beständig Achtung, wo der Hund hinwolte, und dahin zog er die Maschine vermittelst gewißer Faden [!].« (242). Die Personifikationen von Leib und Seele kennen wir schon. Neu ist, dass der Künstler, der die Körpermaschine geschaffen hat, selbst ins Geschehen eingreift, insofern Leib und Seele nach Maßgabe der Cartesianischen Unterscheidung zwischen res extensa und res cogitans zwei ontologisch getrennte Bereiche bezeichnen, weswegen eine unmittelbare Wirkung aufeinander nach den Naturgesetzen unmöglich ist und daher jedesmal Gott selbst eingreifen, d. h. ein Wunder tun muss, um – so das Konzept des Okkasionalismus – eine leib-seelische Übereinstimmung hervorzubringen. (c) »Dem dritten [Künstler] wolte beides nicht gefallen. Er machte daher eine sehr künstliche Maschine, die vermittelst einer Triebfeder, so in ihr war, sich von selbst bewegte. In die Maschine setzte er gleichfalls einen Hund, und sagte, man müsse sich einbilden, die Maschine gienge allemahl dahin, wo es der Hund haben wolte, so sie schon eben dahin gegangen seyn würde, wenn kein Hund darinnen gewesen wäre.« (242 f.) Angespielt wird auf Leibniz, der einen Influxus ablehnt, zugleich jedoch die im Okkasionalismus Leibniz zufolge zurecht unterstellte Substanzentrennung dahingehend weiterentwickelt, dass er die Harmonie zwischen Leib und Seele als von Gott angestoßen ansieht, dergestalt beide Substanzen wie zwei federgetriebene Uhren, d. h. aus eigener Kraft heraus taktgleich ticken, wobei der verwendete Konjunktiv, dass die Maschine auch ohne Hund dahin ginge, wohin der Hund wolle, wenn er eingesetzt wäre, auf das Determinismusproblem verweist, das die Prästabilisierung aufwirft. Hierüber war es um 1720 zu heftigen Kontroversen gekommen, in deren Folge Wolff 1723 aus Halle vertrieben worden war. Mit den drei Konzepten des Influxionismus, dessen interne Optionen (physischer, seelischer und wechselseitiger Einfluss) Krüger – worauf zurückzukommen sein wird – in der »Mühlenparabel« des 72. Traums noch eigens literarisiert, Okkasionalismus und Harmonismus sind jene Leib/Seele-Systeme angesprochen, die Krüger in den vierziger Jahren bei Beginn seiner Lehrtätigkeit in Halle vorfand und denen gegenüber er seine medizinischen Grundsätze positionieren musste.
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LaMettrie hatte jedoch 1747 mit der Publikation des L’homme machine ein materialistisches Konzept eingebracht, das auf die Seele verzichtete und stattdessen den menschlichen Körper als eine Maschine ansieht, »die selbst ihre Federn aufzieht«17, d. h. die bewegende Ursache zur Funktion des Körpers macht und die Seele als Teil des Gehirns naturalisiert. Auf diese neue Situation reagiert Krügers letztes Maschinenbeispiel.18 Daher: (d) »Der vierte [Künstler] hatte gar keinen Hund in seine Maschine gesetzt, sondern bewegte sie bloß durch eine Feder. Von dieser Feder wollte er die Zuschauer überreden, daß sie dächte. Denn sagte er, die Spannung thut der Feder wehe, weil sie nun dieser Beschwerlichkeit gerne los seyn möchte; so will sie sich wieder ausdehnen. Ihre Empfindung und ihr Wille ist also die Ursache von der Bewegung der Maschine.« (243) Welches der vier Systeme ist nun wahr? Um die Frage zu entscheiden, wird ein Richter eingesetzt, dessen Urteil mit Spannung erwartet wird und auf dessen Tenor man Wettgelder setzt. Doch statt einen Richtspruch zu fällen, spricht der Weise drei Verse, die sich als Albrecht-von-Haller-Pastiche erweisen und von Krüger als Epimythion an den Schluss des Traumtextes gesetzt sind: »Ihr irret allesamt, nur ieder irret anderst. Ins innere der Natur dringt kein erschaffener Geist, Zu glücklich, wem sie noch die äussere Schaale weißt.«19 Die in dem Haller-Pastiche zum Ausdruck gebrachte Erkenntnisskepsis konvergiert mit Krügers sokratischer Einsicht, »daß wenige Menschen wißen, wie wenig man weiß, und daß man viel wißen müße, um zu wißen, daß man nichts weiß.«20
17 Julien Offray de La Mettrie: Der Mensch eine Maschine [frz. 1747], übers. von Theodor Lücke und hg. von Holm Tetens (Stuttgart 2001) 26. 18 Im Versuch einer Experimental=Seelenlehre (Halle, Helmstedt 1756) 30, sollte Krüger angesichts der Tatsache spotten, dass man vor 200 Jahren (mit Aristoteles) noch drei Seelen (anima vegetativa, sensitiva und rationalis) annahm, Friedrich Hoffmann schon alle Mühe gehabt habe, »die empfindende Seele« zu behaupten, aber nach dessen Tod »nur noch die vernünftige Seele allein übrig« blieb: »Sollten die Zeiten noch schlechter werden, welches«, wie Krüger spottlustig hinzufügt, »der Himmel verhüten wolle; so möchten wir auch wohl noch um diese gebracht werden; wozu es sich schon zu den Zeiten des Lametrie sehr gefährlich anließ«. 19 Vgl. Albrecht von Haller: Die Alpen und andere Gedichte, hg. von Adalbert Elschenbroich (Stuttgart 1978). Der zweite und dritte Vers zitieren Hallers Gedicht »Die Falschheit der menschlichen Tugenden« (1730), Zeilen 289/90; der erste Vers ist, unter Änderung des Versanfangs (Wir]Ihr), dem Gedicht »Gedanken über Unvernunft, Aberglauben und Unglauben« (1729), Zeile 292, entnommen. Brockes-, Hagedorn- und insbes. Haller-Zitate sind für Krügers Werk durchgängig signifikant, auch für das wissenschaftliche im engeren Sinn. Diese Zitat-Politik bedürfte näherer Untersuchung. 20 Krüger: Experimental=Seelenlehre, a. a.O. [Anm. 18] Vorrede, unpag., *2v.
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Das literarische Störpotential der Metaphorik, das die didaktische Veranschaulichungsfunktion des fabelanalogen Traumtextes21 spöttisch überlagert, ist wohl kalkuliert. Von seinen Rezensenten ist Krüger wegen seines aufgeweckten, munteren, lebhaften und belebenden Stils, der auch einen »Scherz […] nicht verachtet«22, stets gelobt worden. In didaktischer Hinsicht wird in dem Text der Begriff durch ein Bild ersetzt. Das Verfahren entspricht der zeitgleichen Gellertschen Fabeltheorie, »Dem, der nicht viel Verstand besitzt, / die Wahrheit durch ein Bild zu sagen.«23 Doch – muss man fragen – stehen die gewählten Tropen nicht in einem performativen Spannungsverhältnis zu den Begriffen, die durch jene zur Anschauung gebracht werden sollen? Der Mensch wird zur Maschine versachlicht, die Seele zum Tier verlebendigt. Der komplementäre Prozess rhetorischer Personifikation nimmt dem Menschen dadurch, was ihn nach christlicher Ansicht auszeichnet, und gibt stattdessen dem Tier, was ihm nach Cartesianischem Automatenmodell abgesprochen wird: die Seele. Dass ausgerechnet ein Hund für die Seele steht, lässt groteskerweise nicht nur an den Spießdrehhund denken, der im Laufrad den Bratenwender antreibt, sondern markiert philosophisch zugleich die Distanz, die Krüger von Descartes, der dem Tier die Seele abgesprochen und es als bloßen Automaten aufgefasst hatte, trennt. Krüger positioniert seinen Text dadurch in der damaligen Debatte um die Tierseele (und damit verbundene Folgeprobleme, z. B. die Frage nach der Legitimität von Tierversuchen24). Er spricht den Tieren Seele zu und experimentiert im 1. Traum sogar mit der Vorstellung, was wäre, wenn auch Pflanzen eine Seele hätten, d. h. Krüger setzt im Schutzraum literarischer Erfindung gegenüber Descartes die ältere Vorstellung des Aristoteles von einer anima vegetativa ins Bild. Krügers 65. Traum hat Lichtenberg zu einem Metatext angeregt, den er im Göttinger Taschen Calender für 1798 in einem Verzeichniß einer Sammlung von
21 Krüger selbst begreift das Traumgenre in der metapoetische Reflexion, die der 148. [recte: 149.] Traum bietet, als eine der Fabel ähnliche (aber nicht fabelgleiche) Textsorte; vgl. C. Zelle: Träume eines »vernünftigen Arztes«, a. a.O. [Anm. 16], bes. 104 f. 22 Göttingische Zeitungen von gelehrten Sachen 35. St., 10. April 1752, 364, in einer Rezension Hallers von Krügers Helmstedter Antrittsvorlesung Zuschrift an seine Zuhörer von der Ordnung, in welcher man die Arzneygelahrheit lernen müsse (Halle 1752). Der Nachweis von Hallers Autorschaft der Rezension folgt Hallers Tagebuch der medizinischen Literatur der Jahre 1745 bis 1775. 3 Bde in 2 (Bern. 1789/91). 23 »Du fragst, was nützt die Poesie? / […] / Dem, der nicht viel Verstand besitzt, / die Wahrheit durch ein Bild zu sagen.« Christian Fürchtegott Gellert: Die Biene und die Henne. In: ders.: Fabeln und Erzählungen [1746], hg. von Gottfried Honnefelder (Frankfurt a.M. 1986) 64–65, hier: 65. 24 Krüger: Experimental=Seelenlehre, a. a.O. [Anm. 18] Kap. 14: »Von den Seelen der Thiere«, 330–336; vgl. Christlob Mylius: Untersuchung, ob man die Thiere, um physiologischer Versuche willen, lebendig eröffnen dürfe. In: Belustigungen des Verstandes und des Witzes, April 1745, 325–340.
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Geräthschaften, welche in dem Hause des Sir H.S. künftige Woche öffentlich verauctionirt werden soll. (Nach dem Englischen.) publiziert hat. Auktionslos Nr. 25 bietet »Ein höchst merkwürdiges Stück«, nämlich: »Eine kleine mit unbeschreiblicher Kunst gearbeitete Maschine, das concubinium (soll wohl heißen connubium oder commercium) animae et corporis zu erklären.«25 Eine dem Auktionsverzeichnis des Naturalien-Cabinetts vorangestellte Vorbemerkung macht geltend, dass es sich bei dem Text um eine Übertragung aus dem Englischen handelt. Lichtenberg spielt ein raffiniertes Spiel mit den fingierten Ebenen von Autor und Übersetzer, um den Spielraum zu eröffnen, dass der Autor des Katalogs von seinem »Übersetzer«26 kommentiert werden kann. Dass die kleine Kunstmaschine »das concubinum [..] animae et corporis« erkläre, wird vom Übersetzer als Textverderbnis interpretiert und in einem Klammerausdruck zu »soll wohl heißen connubium oder commercium« emendiert. Ist die Zuordnung von Leib und Seele des Menschen, die in der Aufklärungsanthropologie vorgenommen wird, als Konkubinat, Ehe oder Handelsverkehr zu interpretieren? Und entbindet die Rede vom »Verkehr der Seele mit dem Leibe«27, wie der Lichtenberg-Kommentator Promies das commercium mentis bzw. animae et corporis arglos erläutert, durch die vorangestellten Terminologieoptionen nicht Assoziationen, die prekär sind? Wie auch immer: Der literarische Kunstgriff führt dazu, dass der Fachausdruck, mit dem die Aufklärungsanthropologie das Leib/Seele-Verhältnis bezeichnet, in Lichtenbergs Text als eine Katachrese, d. h. als eine notwendige und dadurch verblasste Metapher, deren Konnotationen überdies höchst instabil, ja unflätig sind, zur Sichtbarkeit gebracht wird.
III. Tropische Instrumente der Selbstpositionierung – Krügers Mühlwerke Krügers Empfindungsgesetz postuliert, »daß auf eine Empfindung immer eine Bewegung erfolge die ihr proportional sey«.28 Empfindung ist für Krüger im Sinne der Wolffschen Psychologie eine Modifikationsform der vorstellenden
25 Georg Christoph Lichtenberg: Verzeichnis einer Sammlung von Gerätschaften, welche in dem Hause des Sir H.S. künftige Woche öffentlich verauctioniert werden soll. Nach dem Englischen. In: ders.: Schriften und Briefe, hg. von Wolfgang Promies. Bd. 3: Aufsätze, Entwürfe, Gedichte, Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche (Müchen 1972) 451-457, hier: 455. 26 Ebd. 455. 27 Lichtenberg: Schriften und Briefe, hg. von Wolfgang Promies. Kommentar zu Bd. 3 (München 1974) 212 f. 28 Johann Gottlob Krüger: Naturlehre. Zweyter Theil, welcher die Physiologie, oder Lehre von dem Leben und der Gesundheit der Menschen in sich fasset [1743]. 2., verm. u. verb. Aufl. (Halle 1748) § 40, 83.
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Kraft der Seele.29 Um jedoch unbewusste, durch »Gewohnheit«30 gewissermaßen konditionierte Vorstellungen, die vitale, unwillkürlich ablaufende Körperprozesse wie Herzschlag, Atem oder Darmbewegung steuern, von bewussten Vorstellungen differenzieren zu können, geht Krüger über Wolffs Theorierahmen hinaus. Krüger erklärt sich hierüber in der Diät (1751) in einem Bild, worin er zwei Seiten der »menschliche[n] Seele« unterscheidet und sie mit den zwei Seiten des Mondes vergleicht, »davon die eine, welche man auf der Erde sehen kan, helle, und die andere dunckel ist«. Diese dunkle Seite der Seele im Bündnis mit der Philosophie zu erforschen wäre für die Medizin nützlich, d. h. »um mich deutlicher zu erklären«, wechselt Krüger aus der tropischen Rede zurück auf die Ebene des sensus proprius: »die Erkenntnis derjenigen Würkungen, welche von der Seele verrichtet werden, ohne sich derselben bewußt zu sein.«31 Krüger denkt sich die Seele als »Kraft«, die mit »dem Leibe in der genauesten Verbindung«32 steht. Das Verhältnis des Leibs mit der ihn bewegenden Kraft der Seele wird in unterschiedliche Tropen gefasst, sei es im Vergleich mit einer Uhr und der Schwerkraft des antreibenden Gewichts, sei es mit einer Mühle und dem Wasser, das sie umtreibt, sei es mit der Triebkraft von Geld, das – wie Krüger wiederum spöttisch metaphorisch verdichtet – »die Seele der Seele« sei.33 Die Seele ist die »Triebfeder« der körperlichen Bewegung, »kurtz«, wie es die modellbildende Mühlenmetaphorik, die das Werk Krügers durchzieht, zusammenfasst, »eben das, was das Wasser bey einer Mühle ist.«34
29
»L’âme est [pour Wolff] une vis repraesentativa universalis dont la sensation est la première activité.« Fernando Vidal: Les sciences de l’âme XVIe–XVIIIe siècle (Paris 2006) 109. Entsprechend heißt es bei Krüger: Experimental=Seelenlehre, a. a.O. [Anm. 18] 43: »Das Wesen der Seele ist die Kraft, vermöge welcher sie sich die Welt nach der Stellung, welche ihr leib darinnen hat, vorstellet.« Dieser Seelenbegriff der empirischen Psychologie wird noch in der Anthropologie der Spätaufklärung ›fortgeschrieben‹. Vgl. Ulrike Zeuch: ›Kraft‹ als Inbegriff menschlicher Seelentätigkeit in der Anthropologie der Spätaufklärung (Herder und Moritz). In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschft 43 (1999) 99–122, hier: 111. Zum vieldeutigen KraftBegriff im 18. Jahrhundert vgl. auch die medizinhistorische Dissertation von Heinrich Feldt: Der Begriff der Kraft im Mesmerismus. Die Entwicklung des physikalischen Kraftbegriffs seit der Renaissance und sein Einfluß auf die Medizin des 18. Jahrhunderts. Bonn 1990. 30 Johann Gottlob Krüger: Diät oder Lebensordnung (Halle 1751) § 7 («Gewohnheit.«); vgl. ders.: Grundriß eines neuen Lehrgebäudes der Artzneygelahrtheit (Halle 1745) § 21, 55. 31 Krüger: Diät, a. a.O. [Anm. 30], § 7, 17. 32 Ebd., § 163, 521. 33 Ebd., § 163, 519: »denn ich habe mir sagen lassen, daß eine Uhr stille stünde, wenn das Gewichte abgenommen würde, ohne daß etwas in der Uhr selbst verdorben seyn dürfte.«; ebd., 521: »ist es gewiß, daß eine bewegende Kraft bei einem menschlichen Leibe eben so nothwendig, als das Wasser bei einer Mühle sey«; § 4, 11: »denn im Tode sondert sich nicht nur ihre [der geitzigen Leute, C.Z.] Seele von dem Leibe, sondern auch von dem Gelde, welches die Seele ihrer Seele ist.« Zur Affinität von Tugend-, Seelen- und Geldlehre vgl. Krügers Vorrede zu [Johann August Unzer:] Neue Lehre von den Gemüthsbewegungen. Mit einer Vorrede vom Gelde begleitet von Johann Gottlob Krüger (Halle 1746) sowie das Nachwort des von mir veranstalteten Neudrucks (Halle 1995) 70–96. 34 Krüger: Zuschrift an seine Zuhörer von der Ordnung, in welcher man die Artzneygelahr-
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Das Frontispiz zum dritten Band von Krügers Naturlehre, der die Pathologie, d. h. die Lehre von den Krankheiten enthält, setzt diese Metaphorik ins Bild, insofern der allegorisch deutbare Vordergrund erläutert, was bei dem gebrechlichen Mann, der, vom Gehen auf Krücken ermüdet, sich im Mittelgrund an den Wegesrand setzt, der Fall ist: Die Umsetzung der Triebkraft in Bewegung ist gestört, nicht weil die Triebkraft versiegt, sondern weil der Körper, der sie umsetzt, kaputtgegangen, d. h. krank ist. Der neckische, aber verständige Putto, der mit den nackten Füßen am Ufer des Mühlbachs steht, deutet uns die ikonographischen Zeichen: Links unten das oberschlächtige Zellenrad einer Wassermühle, aus dem eine Speiche herausgebrochen ist (Abb. 3).35
Abb. 3: Frontispiz zu Krügers Pathologie (1750) (Nachweis siehe Anm. 35)
heit erlernen müsse (Halle 1752) § 3, 11. Ironischerweise besaß der skeptische Spötter Krüger tatsächlich eine Mühle in der Grafschaft Mansfeldt zwischen Lüttchendorf und Helfta mit zwei Mahlgängen, einer Ölmühle, 15 Morgen Land und einem Obst- und Grasegarten, die er 1755 in den Braunschweigischen Anzeigen erneut zur Pacht ausschrieb (freundlicher Hinweis von M. Johansen, Archiv der Stadt Helmstedt, vom 21. Juni 2004, brieflich). 35 Johann Gottlob Krüger: Naturlehre. Dritter Theil, welcher die Pathologie, oder Lehre von den Kranckheiten in sich fasset (Halle 1750) Frontispiz. »Püschel f[e]c[it]«, d. i. Johann Christian Püschel (1718–1771).
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Um das Verhältnis von »Mühlgraben« und »Mühlrad«, das pars pro toto für das gesamte Mühlwerk steht, d. h. Krügers Ansicht über das Verhältnis zwischen bewegender Kraft und lebendigem Körper zu verstehen, lohnt es sich, die »Mühlenparabel« von Krügers 72. Traum vor Augen zu führen.36 Der Text folgt dem Ein-Vater-hatte-drei-Söhne-Motiv von Boccaccios Ringparabel, das in der heterodoxen Untergrundliteratur der Frühaufklärung bis hin zu Swifts Tonnenmärchen (und Lessings »Ringparabel«) überaus beliebt war, um innerparteiliche Richtungskämpfe zu geißeln.37 Bei Krüger geht das so: Ein »empirischer Arzt« hat drei Söhne, wird krank, ruft sie zusammen, rät ihnen, das »Müllerhandwerk« zu ergreifen, um ihren Unterhalt bestreiten zu können, und stirbt. Die Söhne kaufen ein jeder eine Mühle und jeder betreibt sie auf seine Art. Diente der »Kunstmaschinentraum« dazu, konkurrierende Leib-Seele-Modelle ins Bild zu setzen, fungiert die »Mühlenparabel« zur Diskussion der drei internen Optionen des leib-seelischen Influxusmodells. (a) »Der erste sorgte nur für die Mühle, ohne sich um das Wasser zu bekümmern […].« Als im Sommer wegen niedrigen Wasserstands die Mühle stehen bleibt, untersucht der erste Müllersohn nur das Mühlwerk und verändert »die Struktur seiner Mühle« – aber nichts geschieht. Als aber im darauf folgenden Frühling der Mühlbach wegen der Schneeschmelze wieder anschwillt, »so fing die Mühle wieder an zu gehen«, und zwar just in dem Augenblick, in dem der erste Müller in der Mühlenstube einen Nagel einschlug, um sein Kleid daran aufzuhängen: »Wer hätte es denken sollen«, lässt Krüger seinen Maschinen-Müller, der für die »mechanische« Medizin steht, triumphieren, »daß die Mühle darum nicht hatte gehen wollen, weil ich vergessen einen Nagel in die Wand zu schlagen.« (268 f.). (b) Der zweite Müllersohn dagegen bekümmert sich nur um das Wasser im Mühlengraben, leitet aus einem anderen Teich noch mehr Wasser hinzu, »denn das Wasser ist die Seele der Mühle«. Als nun das Mühlrad kaputt geht, weil »die Schaufeln aus dem Wasserrade fielen«, schafft der zweite Müller noch mehr Wasser herbei und erhöht das Gefälle: »Allen die Mühle stand unbeweglich.« Heimlich repariert in der Nacht der erste Müllersohn seinem Bruder das Mühlrad. Der aber denkt, als es morgens zu regnen anfängt, dass das Wieder-in-GangKommen seiner Mühle ein Effekt des Himmels sei. »Siehst du Narre nicht«, lässt Krüger den zweiten Müllersohn, der für die »stahlianische Medizin« steht, seinen verständigen Bruder auslachen, »daß es draußen regnet, dadurch habe ich mehr Waßer bekommen, und ich habe also dem Himmel und nicht dir zu danken, daß meine Mühle wieder in Gang gekommen ist.« (272 f.)
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Krüger: Träume, a. a.O. [Anm. 16] 72. Traum, 267–271. Weitere Nachweise in ( ) im Text. Vgl. Martin Mulsow: Die drei Ringe. Toleranz und clandestine Gelehrsamkeit bei Mathurin Veyssière La Croze (1661–1739) (Tübingen 2001) bes. 109 ff. 37
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(c ) Da der erste und der zweite Müllersohn hierüber in heftigen Streit geraten und in unversöhnlicher Feindschaft zu leben beginnen, tritt der dritte Müllersohn auf, seine beiden feindlichen Brüder zu versöhnen, indem er beiden in gewissen Stücken Recht, in anderen Unrecht gibt: »Der eine sorgt nur für die Mühlräder, und nicht für das Wasser; der andere läßt die Mühle zugrunde gehen und bekümmert sich nur darum, wo mehr Wasser herkommen soll. Es gehört ia beydes zusammen. Eine Mühle ist einen Maschine, und keine Maschine thut die gehörige Würkung, wenn sie nicht eine ordentliche Structur hat. Sie thut aber auch bey der ordentlichsten Structur nicht die geringste Würkung, wenn es an der Kraft fehlt, sie in Bewegung zu setzen. Machts wie ich«, lässt Krüger den dritten Müllersohn, der »bloß der gesunden Vernunft« folgt (271) und für die von Krüger selbst vertretene vermittelnde Position einen »vernünftigen Arztes« steht, sagen, »sorgt für das Waßer und für die Mühle; und wenn es nicht gehn will; so untersucht, ob der Fehler in dem einen oder dem andern stecket.« (273 f.). Das Verhältnis von Mühlrad und Bach, Mechanismus und antreibender Kraft, das der Ikonographie auf dem Frontispiz der Pathologie zugrundeliegt, wird in Krügers »Mühlenparabel« im Blick auf die Fraktionierung der empirisch orientierten Medizin in Halle in Stahlianismus und Mechanismus durchdekliniert.38 Dabei kann Krüger die Trope der Mühle, die Mühlwerk und Mühlbach als funktionalen Zusammenhang sieht, benutzen, um jene Position ins Bild zu setzen, die er im Blick auf die Mittlerposition eines »vernünftigen Arztes«, der den »ganzen Menschen« in seiner sinn-sittlichen Doppelnatur würdigt, beansprucht. Das metaphorische Modell der Mühle fungiert hier als Instrument der Selbstpositionierung im Diskurs.
IV. Metaphorischer Modellwechsel – Krügers ironisches Metaphernspiel Albrecht Koschorke hat in seinem Buch Körperströme und Schriftverkehr die Medizingeschichte des 18. Jahrhunderts als eine Umschaltung vom humoralen Gefäßleib zum nervösen Organismus zu rekonstruieren versucht.39 Es scheint,
38 Vgl. Ingo W. Müller: Mechanismus und Seele – Grundzüge der frühen halleschen Medizinschulen. In: Erneuerung. Beiträge zur Geschichte der Universität Halle im ersten Jahrhundert ihres Bestehens (1694–1806), hg. von Günter Jerouschek und Arno Sames (Hanau, Halle 1994) 245–261, Jürgen Helm: Hallesche Medizin zwischen Pietismus und Frühaufklärung. In: Universitäten und Aufklärung, hg. von Notker Hammerstein (Göttingen 1995) 63–96, und Jürgen Konert: Hoffmann oder Stahl? Medizinische Fakultät und Franckesche Stiftungenin der Gründungsära. In: Die Geburt einer sanften Medizin. Die Franckeschen Stiftungen zu Halle als Begegnungsstätte von Medizin und Pietismus im frühen 18. Jahrhundert, hg. von Richard Toellner (Halle 2004) 51–72. Vgl. auch die in Anm. 1 genannte Literatur. 39 Albrecht Koschorke: Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts
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als sei die solche Rekonstruktion steuernde Metaphorik von der »Schließung und ›Trockenlegung‹« des humoralen Fluxusleibes zugunsten eines »geschlossene[n]« und »autarken« neuronalen Körperkonzepts40 ihrerseits selbst von den modellbildenden Metaphern ihres Materials abhängig. Der Gegenstand historischer Untersuchung fungiert als Bildspender der ihn untersuchenden Begrifflichkeit. Eine solche »Trockenlegung« ist in Krügers Physiologie, dem zweiten Band seiner Naturlehre41, selbst beobachtbar, worin er im Anschluss an Giorgio Baglivi (1668–1707), aus dessen De fibra motrice et morbosa (1700) fleißig die durch Hunde-Experimente gewonnenen Observationen im Blick auf eine angebliche Empfindlichkeit der Hirnhäute zitiert werden, ein neuronales Resonanzmodell ableitet. Der »wahre Sitz der Empfindlichkeit« sei demnach in »elastischen nervösen Häutchen und nicht in dem Marcke der Nerven anzutreffen« (581). Da die Empfindung »vermittelst der zitternden Bewegung der Nervenhäute hervorgebracht werden« (586), verdienten sie, »die vornehmsten Instrumente [!] der Empfindung genennet zu werden« (580). Das alte, humoralpathologische Röhren/Nervensaft-Modell, das freilich für die sogenannten »Bewegungsnerve[n]« (541) beibehalten wird, bekommt in Hinsicht auf die sogenannten »Empfindungsnerve[n]« (ebd.) Konkurrenz durch ein neues, neuronales Faser/Vibrations-Modell.42 Je nach der »Elastizität der Nervenhäute« (587) werden die Nerven mit »einer schlaffen Saite, oder auch einer gespannten« (604) vergleichbar. Der Mensch wird dadurch zu einem »musicalischen Instrumente«, dessen Empfindung der Spannung seiner Nervenhäute »proportional« ist (603). Den Modellwechsel fasst Krüger im Blick auf den Austausch der modellbildenden Basismetaphorik selbstkritisch und nicht ohne Ironie gegenüber – wie man heute sagen würde – Paradigmenwechsel oder »turns« zusammen: »Mein GOtt wird man sprechen, was will man noch aus dem Leibe des Menschen machen? Sehr lange hat man ihn für einen Bratenwender gehalten, und nun soll er gar eine Violine seyn.« (645) [1999] (München 22003) bes. 112 ff.; kritisch dazu Gideon Stiening: Body-Lotion. Körpergeschichte und Literaturwissenschaft. In: Scientia Poetica 5 (2001), 183–215. 40 Ingo Stöckmann: Traumleiber. Zur Evolution des Menschenwissens im 17. und 18. Jahrhundert. Mit einer Vorbemerkung zur literarischen Anthropologie. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Deutschen Literatur 26 (2001), H. 2, 1–55, hier: 37. 41 Krüger: Naturlehre. Tl. II: Physiologie, a. a.O. [Anm. 28]. Weitere Nachweise in ( ) im Text. 42 Zum Wechsel vom humoralpathologischen Hydraulik- (»Nervenssaft«) zum solidarpathologischen Tonusmodell (»Nervenfaser«) vgl. Karl Eduard Rothschuh: Vom Spiritus animalis zum Nervenaktionsstrom. In: CIBA-Zeitschrift 8 (1958), Nr. 89, 2949–2980, bes. 2956 ff. Insofern Krüger neuronale Prozesse als ein (nicht leicht zu entwirrendes) Zusammenwirken von Nervensaft, -mark- und -häutchen versteht, die Spannung zwischen Fluxus- und Fasermodell dadurch auszugleichen versucht, daß er dem Nervensaft Elastizität und Subtilität ähnlicher Art wie dem »spirituösen Theile der Gesundbrunnen« (641), d. h. den Kohlesäureperlen des Mineralwassers, zuspricht und die alte humoralpathologische Lehre von den vier Temperamenten faserphysiologisch zu reformulieren trachtet, schnurrt das bei A. Koschorke: Körperströme, a. a.O. [Anm. 39] unterstellte historische Nacheinander von Gefäß- und Nervenleib auf die Gemengelage eines komplizierten Nebeneinanders zusammen.
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Obwohl Albrecht von Haller schon bald aufgrund wiederholter Versuche mit Böcken und Hunden die Falschheit von Baglivis Beobachtungen und Krügers Schlussfolgerungen aufweist, so dass »nicht ein Schatten eines Grundes übrig zu bleiben [scheint], warum man dem Nervenhäutchen die Empfindung, welche in dem Marke ihren Sitz hat, zuschreibt«,43 war doch das Resonanzmodell in der Übertragung auf die Ästhetik des 18. Jahrhundert weiterhin wirkungsmächtig, insofern der Vergleich des Menschen mit einer Geige für die Interpretation der ästhetischen »Saitengleichnisse«, sei in Klopstocks Begriff der »ganzen Seele«, Lessings Präparation des Mitleids oder Schillers Interpreation des Zusammenhangs von Körper und Seele, leitend blieb.44 *** Hatte Blumenberg die Paradigmen zu einer Metaphorologie gegen das »methodische Programm des Descartes«45 in Stellung gebracht, erweist sich diese Frontstellung auch für Krüger als profilierend. Krüger sucht nicht nur in anthropologischer Hinsicht die Cartesianische Substanzentrennung im Blick auf eine GanzeMensch-Anthropologie zu überbrücken und konzediert auch gegenüber dem Automatenmodell dem Tier »Seelisches«. Sondern »Descartes« erscheint auch in literarisch-rhetorischer Weise als Widerlager, insofern Krüger – wie auch andere »vernünftige Ärzte« – die Rhetorizität wissenschaftlicher Darstellung stets mitreflektiert und strategisch einkalkuliert, und zwar in doppelter Hinsicht: (a), indem er seine deutschen Lehrschriften in »munterem«, d. h. ästhetischem Stil abfasst, um über die Universität hinaus wirken zu können, und (b), insofern er in seinen Träumen über solche populärwissenschaftliche Schreibweise hinausgeht, die modellbildende Leistung der Metapher literarisch durchspielt und satirisch aufbricht. Die metaphorische Rede entbindet teils subversive Dynamik, teils ironische Distanz, die den ästhetischen Mehrwert dieses Werks charakterisiert.
43 Albrecht von Haller: Von den empfindlichen und reizbaren Theilen des menschlichen Körpers [lat. 1753]. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammlete Schriften, Aus der Naturforschung und den angenehmen Wissenschaften überhaupt. Bd. 13 (Hamburg 1754) 3. St., 227-259, 4. St., 402-441, hier: 252; vgl. 404, wo Haller erneut Beweise liefert, »welche zeigen, daß den Nervenfäserchen wider alle Erfahrung eine oscellirende Kraft zugeschrieben wird.« 44 Hierzu Caroline Welsh: Resonanz – Mitleid – Stimmung: Grenzen und Transformationen des Resonanzmodells im 18. Jahrhundert. In: Resonanz. Potentiale einer akustischen Figur, hg. von Karsten Lichau, Viktoria Tkaczyk und Rebecca Wolf (München 2009), 103–122, worin jedoch die Spannung zwischen physiologischem Geltungsverlust (durch Haller) und ästhetischer Geltungsdauer (über Schiller hinaus) des Resonanzmodells ausgespart bleibt. 45 H. Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie, a. a.O. [Anm. 2] 7.
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Katrin Kohl: Die Metapher im wissenschaftlichen Diskurs des 18. Jahrhunderts: Theoretische Ansätze The article provides a broad context for theories of metaphor current in the 18th century by outlining the salient features of metaphor theory developed in antiquity especially by Aristotle. A brief consideration of the extent to which this shaped later discussion, through to the cognitive theory of metaphor developed by Lakoff and Johnson, serves to establish the basic parameters. Discussion of 18th-century theories centres on comments that elucidate the role metaphor is held to play both in general discourse and in scholarly contexts. Special reference is made to definitions and comments by Johnson, Gottsched, Dumarsais, Vico and Sulzer.
Ulrike Zeuch: Die Scala naturae als Leitmetapher für eine statische und hierarchische Ordnungsidee der Naturgeschichte Scala naturae as metaphor has a long tradition tracing back from the 18th century to antiquity respectively Aristotle. Scala naturae in general represents both a hierarchical order and a vertical movement towards a telos; its concrete significance though depends on the context: In the Christian context scala naturae signifies the rise of the human soul to the angelic and divine spheres, in ethics since the early modern times the ascent of the human being from animal instinctive existence to humanity itself, in biology since 1750 the development of the living from its very beginnings of lower organism to its final culmination: the human being. The paper argues that the shift from an either spiritual or moral rise to a biologic evolutionary concept levels out the differences between the immaterial and material, and it ponders upon the pros and cons of this shift.
Andreas Blödorn: »Entwickelungs«-Diskurse. Zur Metaphorik des Entwicklungsbegriffs im 18. Jahrhundert The paper deals with the specific concept of »Entwicklung« and its preconditions and dimensions in German Enlightenment thinking in the 18th century. As a metaphor of organic growth, the notion of »Entwicklung« proves influential in variable fields of Enlightenment discourse – such as botany, philosophy and history. Resulting from the conflict between »Prädetermination« and »Epigenesis«, the genetic concept and the inherent characteristics of »Entwicklung« are de-
Archiv für Begriffsgeschichte · Sonderheft 10 · © Felix Meiner Verlag 2011 · ISSN 0003-8946
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picted as a process on the one hand and as progression on the other, due to what extent environmental conditions are allowed influence on what is considered as »Anlage«. Furthermore, in the late 18th century poetological concepts like the ones linked to the German »Entwicklungsroman« correlate »entwickeln« (develop), »erklären« (explain) and »erzählen« (narrate). In the light of the general function of metaphors as media of knowledge and perception, the notion of »Entwicklung« therefore serves to naturalise cultural phenomena.
Marita Gilli: L’interprétation du processus révolutionnaire grâce à la métaphore scientifique chez Georg Forster Georg Forster always presented the history of humanity as a natural history. He establishes the identity of nature and culture which form a unity in his mind. He presents the French Revolution as a natural historical process that happens according to natural laws. The Revolution is for him a mass revolt that liberates forces. Forster uses therefore several metaphors drawn from the natural field, in particular the allegory of the bright worm, to explain that the French Revolution has democratised the main political principles in the age of Enlightenment.
Christine Künzel: Zwischen Verschleierung und Enthüllung: Metaphern der Metapher in ästhetischen Diskursen des 18. Jahrhunderts Although the theory of metaphor has become a popular field for literary scholars interested in the history of rhetoric there are hardly any studies relating to the metaphorical concepts of the metaphor itself. The intention of the following article is to introduce some of the most prominent metaphors in philosophic and aesthetic discourses on metaphor in the 18th century, and to discuss the conceptual impact of these images. I will argue that the critical attitude toward rhetoric in general, as it was characteristic for the 18th century, corresponds to the negative image of metaphor expressed in a misogynist concept which links metaphorical language to categories attributed to femininity.
Elena Agazzi: Die Blitzartigkeit der kleinen Form. Gedanken über die Metapher im Bezug auf die Wissenslehre bei Georg Christoph Lichtenberg Many of the aphorisms that Georg Christoph Lichtenberg collected in his notebooks, the Sudelbüchern, are devoted to discoveries in the field of electricity and light phenomena. They prove to be a favourable occasion to highlight the nondeductive and anti-causalistic mindset of this ingenious thinker, who suitably deploys metaphors to draw attention to the need for establishing a relationship between sensible experience and imagination. Metaphors encompassing scien-
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tific knowledge and wit turn out to be a critical picklock used by Lichtenberg to debunk ignorance and superstition.
Claudia Stancati: Metafore scientifiche nell’origine e nella descrizione del linguaggio As demonstrated by a review of the »scientific imagination« between Descartes and Diderot, metaphors are not incidental rhetorical figures, but they are diagrammatical images intended to show structural similarities. During the Eighteenth century, texts written in order to give a description of the origin of language and its functioning, or aimed to find a place for »linguistic« knowledge among the other sciences, show a twofold presence of metaphors. First, metaphors are employed with an epistemological function to satisfy explanatory and taxonomic needs. Second, one of the main themes of general treatises on language is metaphor and its mechanisms. In addition to the placement of the sciences of language compared with the knowledges of history, society and nature, metaphors show the solution to the conflict between the natural aspect of language and the cultural diversity of languages, they express the possible relationships between language and perception, the conflict between arbitrariness and conventionality of language and the clash with physiological automation and linguistic creativity. Geographical, botanical, organic, mechanical, pictorial, economic, political and legal metaphors mark the first steps of linguistic reflection. Different kinds of employed metaphors advert to as many open problems in the study of language and languages and they anticipate trends and solutions that linguistics or philosophy of language will find later.
Klaus Semsch: Funktionen der Metapher im Werk von Denis Diderot This article follows the general development of rhetoric and in particular, of metaphor, in the French Enlightenment. From the point of view of our thesis stating the tropological nature and structure of cultural processes in general, the contribution follows the development of open metaphorical argument in some of Diderot’s works until the turning point of allegorical closure. According to Ricœur’s definition of metaphors as imaginary »local incidences« and to the conviction of Weinrich to consider them as »contradictory predications«, open for further interpretation, Diderot develops a writing method based on »rapports« (»relations«). In the following, this method will generate a growing system of comparative, »enlightened« knowledge and assign to the latter a character of experiment and exploration. On a higher degree, it even allows the individual to ban the impact of emotions on his mind by simply simulating their
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natural effects. But finally, this open metaphorical, comparative intelligence falls into the closure of allegorical reason, when fixed into the gesture of the unmoved imitation of emotions, as is Diderot’s new strategy for the ideal comedian in his late Paradoxe sur le comédien.
Daniela Mangione: »Ma… i dialoghi scientifici sono tra la opere più difficili«: Retoriche della scienza divulgata nella saggistica di Francesco Algarotti Francesco Algarotti’s Il newtonianismo per le dame (1737) was an important presence through Europe: it was translated into English, French, Dutch; in 1739 it was placed on the Index Librorum Prohibitorum and had five different editions. In Newtonianismo and other essays Algarotti speculates on the rhetorical strategies involved in popularisation of science, on the use and the functions of the figures of speech and the metaphor particularly. He dialogues with European traditions of popularisation (Fontenelle) but he finds an Italian way, linked with Galileo Galilei and other authors who wrote about the same themes in the Seventeenth century (Agostino Mascardi, Sforza Pallavicino). At the same time the images he selects and the way he uses the metaphors (the metaphors of light particularly) dialogue with the Italian cultural context in which its popularisation works – and metaphorically fight against censorship.
Charlotte Kurbjuhn: Zur Funktion der Metaphern »Umriss« und »Kontur« bei der Genese der deutschsprachigen Kunstliteratur. Entwurf einer Ikonologie While »outline« and »contour« appear to be metaphors like many others in the field of the humanities in general, the implications and the reflexive value of these metaphors prove to be crucially different in the case of art literature and theory. In art literature and theory, outline and contour still refer to the technical foundation of their art practice, and at the same time represent the primary aesthetic category of art theory as a discipline. Furthermore, outlines recall the ancient myth of the origin of art in the outline of a human shadow, traced on a wall, thus alluding to the history of art and its theory. »Outlines« and »contours« appear as genuine figures of cognition, or figures of knowledge; they serve as highly self-reflexive, cognitive metaphors for art theory as a discipline in statu nascendi. Theorists use the metaphors »outline« and »contour« to define the borders of art theory and therewith determine its domain amongst the diverging humanities in the late 18th century. They expose the subtle quality of »outlines« and »contours« as metaphors of metaphor, or even as metaphors of the Aesthetic as such.
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Aurélie Zygel-Basso: La Démystification enchantée. Une observation du merveilleux entre métaphores scientifiques et sensorielles dans Histoire et Aventures extraordinaires de Duncan Campbell de Daniel Defoe (1720) At the beginning of the 18th century, new demonology treatises in France and England paved the way for a new, »euphorized« definition of fairies and marvelous beings when interacting with humans. One can observe this phenomenon, among others, in Defoe’s most peculiar History of the Life and adventures of Mr. Duncan Campbell (1720). The text compiles biographical anecdotes about »doctor« Campbell (a deaf and dumb famous figure in London, having, or so the narrator claims, second sight), pedagogical theories of learning for the deaf and dumb, and excerpts from old or contemporary treatises about natural magic. Different portraits are then drawn for the reader, the most striking of which may be the young sylph-like Campbell visited by a daimôn. When in this ecstatic trance, the child seer, observed by »I« with the language of a scientific experiment, seems to be physically posessed by his demon. The »fibers« of his body are then compared with musical strings whose vibrations bring intense pleasure along with a »mute music« in Campbell’s brain. Thus Defoe in his Duncan Campbell, through the sylph figure of the seer, manages to link reason with the marvelous, the latter being defined as distinct from superstition. Scientific and musical metaphors, along with those borrowed to fairy tales and alchemy, help underline the limits of human faculties.
Laura Benzi: »Schöne Unordnung« und lyrische Metaphern bei F. G. Klopstock Friedrich Gottlieb Klopstock developed a concept of poetry as a process that should durably influence the »whole soul«, the moral world, and the feeling for aesthetic beauty of the readership. The aesthetic category of the sublime was the basis for this »energetic« concept of poetry, while the rhetorical tropes, which he used copiously in his lyrical works, were rethought differently from their traditional function. In this paper, Klopstock’s approach to the tropes and to the metaphor will be analyzed within the contemporary evolution of rhetoric as a discipline and of the baroque, ethic, medicine, and rhetoric involving »Pathologia«, that at his age was developing into an »aesthetical pathology«.
Guglielmo Gabbiadini: Einige Beobachtungen zur Verwendung organischer Metaphern in Wilhelm von Humboldts agonaler Ästhetik Wilhelm von Humboldt’s reflections upon aesthetics are closely connected with frequent forays in the provinces of scientific thought. Especially during his stay in Jena (1794–’95), Humboldt sets out to interpret the results of experimental
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knowledge within the frame of a singularly speculative theory of Nature. The struggle for existence distinguishing organic life from inorganic matter is construed as the hinge question not only to explain the process of natural creation but also to shed some light upon many a significant issue in the field of aesthetics. Contending for a view of art as the realm of an ever increasing tension towards organic beauty and aesthetic perfection, Humboldt turns the outcomes of well established epigenetic theories into the premises of a general theory of culture. Organic metaphors play a crucial role. The purpose of this paper is to get a sample of how the rhetoric of organic imagery works and to assess its contribution to the making of Humboldt’s aesthetic discourse, notably in his two essays written for Schiller’s literary journal Die Horen.
Julia Weber: »The Darkroom of the Soul«. Die Camera obscura als absolute Metapher einer neuen Epistemologie des Menschen? The article discusses the use of the camera obscura with regard to German philosopher Hans Blumenberg’s concept of the »absolute metaphor«. Drawing on examples from the philosophical discourse of Descartes, Locke and Hume and on literary appropriations found in Rousseau, Lessing and Jean Paul, the analysis will show how the metaphor of the camera obscura has modulated a spatial notion of interiority of the modern subject; how its repercussions can be traced throughout psychological conceptions of the 20th century; and how this potent idea continues to »haunt« contemporary cognitive sciences today.
Rosamaria Loretelli: La camera oscura come metafora narrativa The camera obscura was not only a model in the science of optics during the eighteenth century but also a philosophical metaphor for a conception of knowledge whereby an »Inner Eye« surveys the representations that are in the »mind«. On the basis of the idea of metaphor formulated by Mark Johnson and George Lakoff and recently restated in new neurobiological terms by Lakoff and the neuroscientist Vittorio Gallese, we show here how Joseph Addison’s account of his visit to a camera obscura in one of his essays on the »pleasures of the imagination« associates that experience with the practice of the silent and solitary reading of narratives.
Federica La Manna: Die anatomische Metapher in den Wochenschriften des 18. Jahrhunderts During the eighteenth century everything related with the body becomes a metaphor of deep knowledge and interior analysis. The purpose of this paper is to
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survey the occurrence and the use of the anatomical term in the journals of this period. I recognize three different uses of the metaphor: 1. The term refers to an encyclopaedic knowledge of the world in relation to the knowledge of the human body; thus, it serves to read the structure of the world with the same methods used to read the structure and functions of the human body. 2. During an extremely important period for the psychological studies of the human soul, the metaphor becomes a tool to translate psychological processes. 3. Through anatomical studies the body becomes a model implying the perfect harmony of the universe and, in this sense, a metaphor of Beauty.
Carsten Zelle: Modellbildende Metaphorik im Leib-Seele-Diskurs der »vernünftigen Ärzte« This article discusses within the theoretical framework of metaphorology and poetics of knowledge the function of modelling metaphors in the psychophysical discourse (»commercium mentis et corporis«) at around 1750, particularly in the writings of the »enlightened physician« Johann Gottlieb Krüger (1715–1759). In this context, metaphors serve scientific polemic, didactics and self-positioning as well as the reflection on scientific paradigm shifts: While in the humoral understanding of the body the vehicles of the metaphor are diverse kinds of machines (rotisserie, artificial machine, grinding mill), they are being substituted in the neuronal resonance model of the body by a musical instrument, namely the violin. However, the functional achievement of the metaphor is being foiled by its aesthetic value which overlays the scientific discourse literarily and furthermore breaks it up satirically or puts it into an ironic distance.
Autorinnen und Autoren
Professorin für neuere deutsche Literatur und Fellow in German am Jesus College, Universität Oxford. Forschungsschwerpunkte: Literatur und Poetik des 18. und 20. Jahrhunderts, Theorie und Praxis der Metapher.
KATRIN KOHL
PD Dr. phil., seit 1990 Lehraufträge, Gastdozenturen und Lehrstuhlvertretungen im In- und Ausland (Schweiz, Japan); seit 1995 Wissenschaftliche Angestellte an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Forschungsschwerpunkte: Wahrnehmungstheorie und Ästhetik in der Frühen Neuzeit und im 18. Jahrhundert, Ethik und Literatur, Literatur und Seelenkunde, Literaturtheorie, Geschichte literaturtheoretischer Grundbegriffe, Rezeption der Antike, Aristotelismus, Globalisierung und Kulturelle Übersetzung in Reiseberichten über die Entdeckung der neuen Welt; Ideengeschichte / Begriffsgeschichte. ULRIKE ZEUCH
Professor für Neuere deutsche Literatur und Medien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Forschungsschwerpunkte: Literatur des 17.–21. Jahrhunderts, Methodologie der Literaturwissenschaft, Narratologie und Erzählverfahren in der Literatur der Moderne und im Film, Transkulturalität und Literatur.
ANDREAS BLÖDORN
Professeur honoraire à l’Université de Franche-Comté. Recherches principales: L’Allemagne et la Révolution française, La radicalisation de l’Aufklärung.
MARITA GILLI
Dr. phil., 2006–2010 verschiedene Vertretungsprofessuren im Bereich »Neuere deutsche Literatur« am Institut für Germanistik II der Universität Hamburg, derzeit Habilitandin. Forschungsschwerpunkte: Recht und Literatur, Darstellung von Gewalt in der Literatur, Gender-Studies, Drama und Theater, weibliche Satire, Literatur und Ökonomie. CHRISTINE KÜNZEL
Professorin für neuere deutsche Literatur an der Universität Bergamo und Fellow der Alexander von Humboldt Stiftung. Forschungsschwerpunkte: Literatur und Wissenschaft der Goethezeit, Ästhetik der Aufklärung und der Romantik, Rezeption der Antike, deutsche Literatur der Moderne, Gegenwartsliteratur nach 1989, Generationenfragen und Gedächtniskultur. ELENA AGAZZI
Professore associato, Filosofia e teoria dei linguaggi, Dipartimento di Filosofia Università della Calabria. Aree di ricerca: Storia delle
CLAUDIA STANCATI
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Autorinnen und Autoren
idee linguistiche, Epistemologia delle scienze del linguaggio, Filosofia scienze e linguaggio tra XVIII e XIX secolo. PD Dr. phil., M.A, Hochschuldozent für Romanische Literaturund Kulturwissenschaft, Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Forschungsschwerpunkte: Französische Aufklärung, Frz. und ital. Literatur und Medien ab 1980, Das ital. Rinascimento, Rhetorik und Ästhetik, Frankophonie: Tunesien und Lateinamerika: Literatur und Kultur in Ecuador.
KLAUS SEMSCH
Dottore di Ricerca, Professore a Contratto presso l’Università degli Studi ›La Sapienza‹ di Roma. Ambiti di ricerca: Transizione ed evoluzioni dei rapporti fra scienza, retorica e letteratura nel Sei e nel Settecento italiano; Francesco Algarotti; Evoluzioni e caratteri del romanzo italiano dal Settecento al Novecento, con particolare riguardo al rapporto fra autore e lettore e in prospettiva comparatistica; Poesia e cultura italiane di primo Novecento. DANIELA MANGIONE
M.A., Lehrbeauftragte am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Wechselwirkungen von Literatur und Bildender Kunst, Rezeption der Antike und der antiken Literatur, Lyrik und Lyriktheorie, Geschichte der Elegie, Reiseliteratur. CHARLOTTE KURBJUHN
AURELIE ZYGEL - BASSO Docteure en littérature française, chercheure postdoctorale à l’Université du Québec à Trois-Rivières (Canada). Recherches principales: Littérature du XVIIIe siècle, Illustration, Rapports texte et image, Conte de fées littéraire, Anthologies de fiction.
Dr., Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Arbeitsschwerpunkte: Ästhetik und Rhetorik des 18. Jahrhunderts, Klopstocks weltliche Lyrik. LAURA BENZI
M.A, Doktorand (Corso di Dottorato in Letterature Euroamericane, Università degli Studi di Bergamo). Forschungsschwerpunkte: Deutsche Literatur und Ästhetik der Goethezeit; Mythologie des Duals.
GUGLIELMO GABBIADINI
Dr., Cluster »Languages of Emotion«, Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Textverfahren und Subjektkonstitution, literarische Darstellung von Innenwelten, Literatur und Architektur.
JULIA WEBER
Autorinnen und Autoren
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Professore ordinario di letteratura inglese presso l’Università di Napoli Federico II. Ambiti di ricerca: Storia della lettura, storia delle forme narrative, storia della letteratura popolare del Sei-Settecento. ROSAMARIA LORETELLI
Ricercatore di Letteratura tedesca, Dipartimento di Linguistica, Università della Calabria. Ambiti di ricerca: Antropologia letteraria (XVIII secolo), rapporti medicina e letteratura, Cultura visuale (XVIII e XIX secolo).
FEDERICA LA MANNA
Professor für Neugermanistik, insbes. Literaturtheorie und Rhetorik, am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Literatur, Ästhetik, literarische Anthropologie und Antikenrezeption seit dem 17. Jahrhundert sowie Germanistik- und Komparatistikgeschichte.
CARSTEN ZELLE