Theologie und Frömmigkeit im deutschen evangelisch-lutherischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts 9783666551062

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Theologie und Frömmigkeit im deutschen evangelisch-lutherischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts
 9783666551062

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I n g e b o r g Robbel en Theologie und Frömmigkeit im deuychen evangelisch-lutherischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts

Theologie und Frömmigkeit im deutschen evangelisch-lutberischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhun derts

Don

Jngeborg Röbbelen

Göttingen • Vandenhoeck & Ruprecht ■1957

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 6

Umsäilagzeicknung: Christel Steigemann

( c ) Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1957 A lle Rechte vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- und akusto-mechanischem W ege zu vervielfältigen Satz und D ruck: FachbuLdruck Naum burg (S a a le ) I Y / 26/14

V o rw o rt D ie

vorliegende

Untersuchung

ist

ursprünglich

angefertigt

worden

a ls

Inauguraldissertation und hat als solche 1954 der Theologischen Fakultät in Göttingen vorgelegen. Über ihr Ziel, über Verständnis des Themas und Methode der Arbeit orientiert die Einleitung, so daß an dieser Stelle auf eine weitere B e ­ gründung und Erläuterung verzichtet werden kann. F ü r die Veröffentlichung mußte die zugrundeliegende Dissertation nicht un­ wesentlich gekürzt werden.

S o wurde nahezu gänzlich auf die Auseinander­

setzung m it der Sekundärliteratur verzichtet, desgleichen wurden viele Zitate, die als Parallelbelege aus Gesangbüchern wie aus dogmatischen und aszetischen Werken angeführt waren, gestrichen. Solche Kürzungen ließen sich vertreten, da es das Ziel der Untersuchung w a r, einige OrientierungS- und Gesichtspunkte theologie- und frömmigkeitsgeschichtlicher A rt an die H and zu geben, sowie über­ haupt eine derartige Fragestellung im Blick

a u f die Gesangbuchgeschichte an­

zuregen. 3 n dieser Richtung scheint m ir auch die a k tu e lle Bedeutung zu liegen, und die Untersuchung hätte m. E. ihre Aufgabe e rfü llt, wenn eS gelungen wäre, das Problem

„Theologie und Frömmigkeit" am evg.-luth. Gesangbuch des

17. und frühen 18. Jahrhunderts gleichsam exemplarisch aufzuzeigen und a u f­ zurollen. Durchführung und Vollendung der Arbeit waren m ir nur möglich durch die un­ ermüdliche, fürsorgende Hilfsbereitschaft meiner lieben Eltern. Neben ihnen g ilt mein besonderer D ank meinen beiden verehrten Göttinger Lehrern, H errn Professor D . O . W e b e r und H errn Professor D . E. W o l f , die m ir mitsamt ihren Fam ilien vom Studienbeginn in den ersten Nachkriegsjahren an bis zum Abschluß meiner Dissertation und darüber hinaus stets m it sachlichem R a t und persönlicher H ilfe zur Seite gestanden haben. Zu danken habe ich ferner Herrn Professor D . D r. M a h r e n h o l z , Hannover, der das hymnologische Referat übernommen hatte, sowie dem V erlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, und der Evangelischen Verlagsanstalt, B e rlin , die zusammen die Drucklegung ermöglichten und be­ sorgten. I . Röbbelen

In h a lt V o r w o r t..................................................................................................................................

V

Verzeichnis der A bkürzungen..............................................................................................

IX

E in le itu n g .................................................................................................................................. I.

i

T e il: D a s evg.-luth. Kirchengesangbuch des 17. und frühen 18. J a h rh u n d e rts a ls S p iegelbild einer P ro b le m a tik von „T heologie und F rö m m ig k eit" 1. K a p ite l: D ie äu ß ere G estalt der G esangbücher

5

i Einführung 1. Vorbemerkung................................................................................................... 15 2. Der Zeitraum von 1610 bis 1735 innerhalb der Gesangbuchgeschichte. . . . 16 3. Die äußere Gestalt des evg.-luth. Gesangbuches um 1610........................ 17

§ 2 DaS Gesangbuch zwischen 1610 und 1735 in seiner äußeren Gestalt 1. Allgemeines über den Umfang der Gesangbücher dieses Zeitraumes . . . . 2. Die Gesangbücher alö Unternehmen einzelner Buchdrucker oder Verleger . . 3. Kirchengesangbuch — Privatgesangbuch............................................................... 4. Reihengesangbuch — Einzelgesangbuch............................................................... 5. „Reformgesangbücher".......................................................................................... 6. „Privilegierte Gesangbücher" — „Amtliche Kirchengesangbücher".................... § 3 Theologie- und frömmigkeitSgeschichtliche Bemerkungen zur äußeren Gestaltung der Gesangbücher..............................................................................................................

18 18 19 21 23 25 26

2. K a p ite l: D er innere A u fbau der G esangbücher § 4 Einführung 1. Die allgemeine Bedeutung der Liederanordnung in den Gesangbüchern . . . 2. Der innere Aufbau deö Gesangbuches um 1 6 1 0 ................................................. 3. Der Übergang zu einer Entwicklung verschiedener „Aufbau-Typen" deS Gesang­ buches nach 1 6 1 0 ................................................................................................... § 5 DaS Gesangbuch zwischen 1610 und 1735 in seinem inneren Aufbau 1. Gesangbücher deS 17. Jahrhunderts alö „compendia locorum theologicorum“ 2. Gesangbücher deö 17. Jahrhunderts als Liedersammlungen für „allerhand Zuständ und A nliegen"............................................................................................... 3. „Pietistische Anliegen" im Gesangbuchaufbau deö 17. und frühen 18. Jahr­ hunderts ................................................................................................................... 4. Gesangbücher alS „systemata th eo lo g ia e* ' ....................................................... 5. Gesangbücher als Abriß einer „theologia dogmatica und moralis“ ................ § 6 Theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Phänomene im inneren Aufbau der Ge­ sangbücher 1. Vorbemerkung........................................................................................................... 2. DaS Problem der „Theologie" im G esangbuchaufbau................................... 3. DaS Problem der „Frömmigkeit" im Gesangbuchaufbau............................... 4. Zusammenfassung...................................................................................................

30 33 34 35 40 42 45 50

51 52 59 65

II. Teil: D as Liedgut des evg.-luth. Gesangbuches in seiner literar- und geistesgeschichtlichen Bestimmtheit § 7 Allgemeines zur Kirchenliedbichtung 1. V orbem erkung............................................................................................................... 2. Formale Kennzeichen der K irchenliedbichtung...................................................... 3. Kirchenliedbichtung und religiöseP o esie....................................................................

67 70 72

§ 8 Geistes- und literargeschichtliche Einflüsse au f die Gesangbuchdichtung deS 17./18. Jahrhunderts 1. Barocker Geist in der Liederdichtung des G esangbuches..................................... a) Barockes W eltgefühl............................................................................................... b) Barockes Ich- und Selbstgefühl.......................................................................... c) Barocke „Lebensphilosophie".............................................................................. 2. „Pietistischer" Geist in der Liederdichtung des Gesangbuches............................. 3. Aufklärerischer Geist in der Liederbichtung deS G esa n g b u c h e s.........................

75 77 86 88 95 97

5

9 Die theologie- und frömmigkeitSgeschichtliche Bedeutung der Fragestellung nach geisteS- und literargeschichtlichen Einflüssen a u f die Gesangbuchdichtung deS i7 ./i8 . J a h r h u n d e r ts ............................................................................................................ 101

III. Teil: Theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Einzeluntersuchungen zu den Liedern von „Buße", „Rechtfertigung" und „christlichem Leben und Wandel" in den evg.-luth. Gesangbüchern des 17. und des frühen 18. Jahrhunderts $ 10 E in f ü h r u n g .............................................................................................................................104 1.

K a p ite l: „ D o n d er B u ß e "

$ i i DaS Liedmaterial 1. Rückblick a u f das reformatorische „B u ß "-L ied ................................................. 107 2. Zur Frage der menschlichen Selbsterkenntnis in den Büßliedern des lutherischen Gesangbuches im 17. und frühen 18. Jahrhundert a) Selbsterkenntnis a ls menschliche Aufgabe und M öglichkeit.............................. 110 b) Die Erkenntnis menschlicher Nichtigkeit und V e rg än g lich k eit..........................112 c) Die Erkenntnis menschlicher Sündhaftigkeit...........................................................113 3. Die Wege und M ittel zur Erkenntnis menschlicher Sündhaftigkeit a) Die Vergegenwärtigung von Jö rn , Hölle und G e ric h t...................................... 114 b) „Moralistische" S ü ndenerkenntnis........................................................................... 116 c) „Psychologische" S ü n d e n e rk e n n tn iS ....................................................................... 119 4. Reue und Buße deS M e n s c h e n .............................................................................. 123 5. Buße und „Verdienst Christi" .................................................................................. 126 6. Buße und „B esserung"................................................................................................... 132 $ 12 Die Büßlieder auS dem lutherischen Gesangbuch deS 17. und frühen 18. Ja h r­ hunderts in ihren theologie- und frömmigkeitSgeschichtlichen Zusammenhängen und ihrer theologischen Bedeutung 1. Zum Problem der Selbsterkenntnis des M e n sc h e n ............................................. 136 2. Die Ausführungen über daö „Wesen" der Sünde und die Sündhaftigkeit des Menschen a) Die theologisch-systematischen Aussagen und ihre Auswirkung a u f die Gesangbuchdichtung........................................................................................................ 139 b) Zum Problem der „moralistischen" SündenerkenntniS...................................... 143 c) Ju m Problem der „psychologischen" SündenerkenntniS...................................... 146 d) Zusam m enfassung........................................................................................................ 149

3.

Die Darstellung der Bußanschauung und ihre Bedeutung a) Allgemeines zur Bewertung der Buße deö Menschen und der Bußlehre . 151 b) Die Beschreibung von Reue und Buße des M enschen............................... 153 a) Contritio alö dolor a n im i........................................................................153 ß ) Buße alS humilitas, mortificatio camis, abnegatio s u i ........................156 c) DaS „Wesen" der christlichen Buße a) Die Buße atS „actio hominis“ ................................................................ 159 ß ) Die „Teile" der B u ß e .............................................................................. 165 y ) Notwendigkeit und Nutzen des menschlichen BußwerkeS........................165 d) Buße und „christliches L e b e n " ........................................................................... 167 e) Evangelische Buße und römisch-katholisches Bußsakram ent.............................169 f) Zusammenfassung................................................................................................... 172

§ 13 Exkurs. Zur Anthropologie in der Gesangbuchdichtung 1. Die Begriffe der Seele und der Gottebenbildlichkeit in den Büßliedern . . . 174 2. Der Begriff des Gewissens in der Gesangbuchdichtung................................... 181 a) DaS menschliche Gewissen als ErkennMiSorgan für Gut und Böse . . . 182 b) DaS Problem des Gewissens im Bereich der Heiligung des Menschen . . 187 c) Zusammenfassung................................................................................................... 193 2. K a p ite l: „V on der R e ch tfertig u n g " $ 14 Einleitung 1. Vorbemerkung............................................................................................................... 194 2. Rückblick auf die Darstellung der RechtfertigungSanschauung in den Liedern deS 16. J a h r h u n d e r ts ....................................................................................................... 197 § 15 DaS Liebmaterial 1. Erlösung und V ersö h n u n g ....................................................................................... 206 2. Rechtfertigung als Sündenvergebung „propter meritum Christi“ ................208 3. DaS Wort Gottes im Rechtfertigungsgeschehen a) DaS Wort als „viva vox evangeliiu ................................................................213 b) Der „Nutzen" und die „Wirkung" des W o rte s................................................ 214 c) Wort und „Lehre"................................................................................................... 215 d) DaS Wort als „nova lex“ ................................................................................... 216 4. Der Glaube im RechtfertigungSgeschehen a) DaS Bekenntnis deS „sola fide“, der „nuda fiducia“ ................................218 b) Glaube als „notitia“ und „assensus“ ................................................................219 c) Glaube und E r f a h r u n g ....................................................................................... 221 5. Die „Güter" deS RechtfertigungögcschehenS a) T r o s t ....................................................................................................................... 224 b) F r ie d e n ................................................................................................................... 225 c) R u h e ....................................................................................................................... 226 d) Heit und S e lig k e it............................................................................................... 228 6. D as Rechtfertigungsgeschehen als Christusgemeinschaft, Gabe deS neuen Lebens und HeilSgewißheit. a) Rechtfertigung und Christusgemeinschaft.......................................................... 231 b) Rechtfertigung und neues Leben..........................................................................234 c) Rechtfertigung und H eilSgew ißheit.................................................................. 240 7. JesuSfrömmigkeit a) V orbem erkung....................................................................................................... 242 b) „Reformatorische ChristuSfrömmigkeit"................................................................ 244 c) Jesuölicder an der Stelle von RechtfertigungSliedern.................................. 247

d) Die Beschreibung menschlicher JesuSliebe..........................................................248 e) Die menschliche Betrachtung deS Heilandes J e s u s ......................................... 250 8. Mystischer EroS a) V o rb e m e rk u n g ............................................................................................................ 252 b) B ra u tm y s tik ................................................................................................................ 252 c) P assio n sm y stik ............................................................................................................ 261 d) U n io -M y stik ................................................................................................................ 264 Z 16 Exkurse 1. Die Vorstellung von „G o tt" und „Geist" in der Gesangbuchdichtung . . . 2. Der „ordo salutis“ in der Gesangbuchdichtung und im Gesangbuchaufbau . .

279 283

J 17 Die Darstellung und Verarbeitung der Rechtfertigungsanschauung innerhalb der lutherischen Gesangbuchdichtung deS 17. und frühen 18. Jahrhunderts in ihren theologie- und frömmigkeitSgeschichtlichen Zusammenhängen und ihrer theologischen Bedeutung 1. Stellung und Bedeutung der Rechtfertigungsanschauung innerhalb der luthe­ rischen G esangbücher........................................................................................................291 2. Die Darstellung deS Artikels von derRechtfertigung................................................ 294 3. Die Anschauung von „Person" und „Werk" C h r i s t i ................................................ 298 a) „propter meritum Christi“ ................................................................................... 299 b) „B lu t und Wunden C h r is ti" ................................................................................... 306 4. Glaube und E rfa h ru n g ....................................................................................................310 5. „JesuSfrömmigkeit" und „mystischer EroS" in ihrer Funktion alö Ersatzbildungen für die RechtfertigungSanschauung............................................................................... 315 3.

K a p ite l: „ V o m christlichen Leben u n d W a n d e l"

§ 18 DaS Liedmaterial 1. V orbem erkung.................................................................................................................... 326 2. Christliches Leben a) Glaube und „gute W e rk e " ....................................................................................... 327 b) „Christliche" L e b e n sre g e ln ....................................................................................... 333 c) „Christliche" „ L e b e n sw e ish e it"............................................................................... 339 .................................................................. 341 3. Gottvertrauen und Vorsehungsglaube 4» Die „rechten" Christen a) Heiligung — Reinigung — B esserung...................................................................352 b) Weltverleugnung und Selbstverleugnung...............................................................363 c) Nachahmung C h risti............................................................................................... 366 $ 19 Die Lieder „Vom christlichen Leben und W andel" a u s dem lutherischen Gesangbuch deS 17. und frühen 18. Jahrhunderts in ihren theologie- und frömmigkeitSgeschichtlichen Zusammenhängen und ihrer theologischen Bedeutung 1. Zum Problem der christlichen Ethik und ihrer Darstellung a) Begründung und Einordnung der ethischen Ausführungen innerhalb der G esangbuchdichtung.................................................................................................... 370 b) Die negative Bestimmung der Lebensaufgabe...................................................... 375 c) Christliches Leben als Erwerb bürgerlicher LebenSgerechrigkeit..........................379 d) Imitatio Christi a ls Weg christlicher Lebensgestaltung..................................... 381 c) Heiligung und „perfectio christiana“ . . . . 2. Zum Problem des christlichen VorsehenSglaubenS

§ 20 Exkurs. „Rechtfertigung" und „Gottvertrauen" in der Liederdichtung P au l Ger­ hardts ....................................................................................................................................404 § 21 Schlußbem erkungen..............................................................................................................425 A. Literaturverzeichnis...........................................................................................................427 B. Verzeichnis der benutzten Erbauungsbücher und der hymnologischen Literatur des 17. und 18. J a h r h u n d e r t s ................................................................................... 437 C. Verzeichnis der herangezogenenG esangbücher.............................................................440 D. Alphabetisches Dichterverzeichnis..................................................................... .... .

446

E. Lieder-Register................................................................................................................... 447 F . Alphabetisches Verzeichnis derL ied eran fän g e.............................................................455 G. S ch lag w o rt-R e g iste r.......................................................................................................461

Verzeichnis der Abkürzungen Ap. —Apologia Confessionis Agustanae ^CR 27, 275ff., B S 139ff.). Arnd, P G . --Arnd, Johann: ParadieSgärtlein . . . Leipzig 1612. Arnd, WCHr. = Arnd, Johann: Vier Bücher vom wahren Christentum . . . Braunschweig 1606/09. A S = Schmalkaldische Artikel (WA 50, 192 ff., BA IV, 292 ff., B S 407 ff.). BA = Luthers Werke in Auswahl. HrSg. v. O. Clemen. Bonn I9i2ff., Neudr. Berlin 1933ff. Bai, Comp, theol. pos. — Baier, Wilhelm: Compendium theologiae positivac . . . sec. ed. anni 1694. HrSg. v. Preuß. Berlin 1864. Bai, Comp, theol. mor. — Baicr, Wilhelm: Compendium theologiae moralis. Ed. 2. Jena 1698. Baumg., GlbSlehre --- Baumgarten, Sigmund Jacob: Evangelische Glaubenslehre. HrSg. v. Joh. Salomo Semler. 3 Bde. Halle 1759/60. Breithpt, Th. cred . . . agend. = Breithaupt, Joachim JustuS: Theses credendorum atque agendorum fundamentales . . . Halle 1700. Budd, Comp. inst. theol. — BudbeuS, Joh. FraneiScuS: Compendium institutionum theo­ logiae dogmaticae. HrSg. v. I . Georg Walch. Leipzig 1724. Budd, Inst. theol. mor. — BuddeuS, Joh. FraneiScuS: Institutiones theologiae moralis. Leipzig 1719. B S -- Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. HrSg. v. Deutschen Evan­ gelischen Kirchenausschuß. 2 Bde. Göttingen 1930. 2. Aust. 1952. CA = Confessio Augustana (CR 26, 349 ff., B S 31 ff.). Cat. Rom. — Catechismus Romanus (Catechismus ex Decreto Concilii Tridentini . . . Köln 1572). CJC — Codex Juris Canonici. Clv, Syst. = Calov, Abraham: Systema locorum theologicorum. Wittenberg 1655/72. CR — Corpus Reformatorum. Philippi Melanchthonis Opera, quae supersunt omnia. Ed. K. G. Bretschneider. Halle 1843 ff. Cxt, Epitome — Calirt, Georg: Epitomes theologiae moralis. Aucta et emendata eiusdem filii Friderici Ulrici Calixti. Helmstedt 1667. Denz. — Denzinger, Heinrich — Umberg, Johann: Enchiridion Symbolorum Definitorum et Declarationum de Rebus Fidei et Morum. Ed. 26. Freiburg 1947. EA = M. Luthers Sämtliche Werke. Erlangen 1826 ff. 2. Aust. Erlangen 1862 ff. EA ex. lat. = M. Luthers Sämtliche Werke. Exegetica opera latina. Erlangen 1829ff. EA var. arg. — M.LutherS Sämtliche Werke. Opera varii argumenti. Erlangen 1829 ff. FC — Formula Concordiae (B S 73 5 ff.). Fi = Ficker, Johannes: Luthers Vorlesung über den Römerbn'ef 1515/16. Anfänge reformatorischer Bibelauslegung Bd. 1. I. Glossen. II. Scholien. Leipzig 1923. Freyl. Grundlegg. -- Freylinghausen, Joh. Anastasius: Grundlegung der Theologie. 9. Aust. Halle 1734. FT -- Fischer, Albert: DaS deutsche evangelische Kirchenlied deS 17. Jahrhunderts. HrSg. v. W. Tümpel. 6 Bde. Gütersloh 1904/16. Ghd, Loci = Gerhard, Johann: Loci theologici. HrSg. v. Cotta. Tübingen 1762/81. Ghd, Med. — Gerhard, Johann: Quinquaginta Meditationes sacrae . . . 4. Ed. Jena 1616. GK = Großer Katechismus (WA 30, 1 129 ff., BA IV, iff., B S 543 ff.). Hz, Exam. = Hollaz, David: Examinis theologici acroamatici universam Theologiam thet.p o l . . . Ed. 9. Hrsg. v. A. I . v. Krakewitz. Leipzig 1741. Ht, Comp. — Hutter, Leonhart: Compendium locorum theologicorum. Wittenberg 1622.

Ign, Exerc. spir. — Ignatius de Loyola: Exercitia spiritualis. Versio literalis . . . Notis illustrata, auctore 9L P . Joanne Roothaan. Ed. 3. Bibliotheca ascetica. Edita A, II. Ratisbonae . . . 1923. K = Koch, Eduard Emil: Geschichte des Kirchenliedes und Kirchengesangs . . . 3. Aufl. 8 Bde. Stuttgart 1866/76. KK = Kleiner Katechismus (WA 30 I, 243 ff.; B S 499 ff.). Kll = Fischer, Albert: Kirchenliederlexikon. 2 Bde. Gotha 1878 s. Kng, Theol. = König, Johann Friedrich: Theologia positiva acroamatica. Ed. 10. Rostock/ Leipzig 1699. Mel. = Melanchthon. MGkK = Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. Hrsg. v. Fr. Spitta. Göttingen 1896 ff. Möller, Med. — Möller, M artin: Meditationes Sanctorum Patrum . . . Görlitz 1584. Möller, Soliloquia = Möller, M artin: Soliloquia de Passione Jesu Christi. Leipzig 1587. Pfaff, Inst. — Pfaff, Christoph M attheus: Institutiones theologiae dogmaticae et moralis. 2. Ed. Frankfurt a. M. 1721. Quenst, Theol. — Quenstedt, Johann Andreas: Theologia didactico-polemica sive Systema theologicum. Ed. 3. Wittenberg 1696. R E ' = Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Hrsg. v. A. Hauck. 3. Aufl. Leipzig 1896#. R G G ' = Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Reli­ gionswissenschaft. 2. Aufl. HrSg. v. H. Gunkel u. L. Zscharnack. Tübingen 1927 ff. Th.Bl. = Theologische Blätter. HrSg. v. K. L. Schmidt (ab 1938 v. H. Strathmann). Leipzig 1929 ff. TH.St^Kr. = Theologische Studien und Kritiken. W = Wackernagel, Philipp: DaS deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts. 5 Bde. Leipzig 1864/77. WA = D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Weimar 1883 ff. W TR = D. Martin Luthers Werke . . . Tischreden. Weimar 1912 ff. ZKG = Zeitschrift für Kirchengeschichte. Neue Folge. Hrsg. v. T. Tscharnack. Gotha 1920ff. Z.syst.Th. = Zeitschrift für systematische Theologie. Hrsg. v. C. Stange. Gütersloh 1923 ff. Z.Th-K. = Zeitschrift für Theologie und Kirche. Hrsg. v. G. Ebeling. Tübingen 1891 ff.

Einleitung „Viel falscher Meister itzt Lieder lichten, Sihe dich für und Um sie recht richten. Wo Gott hin bawet sein kirch und sein wort. Da will der Teuffel sein mit trug und mord." (WA 35,332)

Dieser Vers ist vielen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts vorgedruckt. Er war als „W arnung D. M art. Luther" schon dem Klugschen Gesangbuch von 1543 und dem sog. Babstschen Gesangbuch von 1545, dem letzten von Luther selbst redigierten Gesangbuch, beigegeben. Jene „W arnung" Luthers steht aber in einem auffallenden Kontrast zu seinen dringenden Bitten an seine Freunde aus den 30er Jah ren **) und zu seinen Aufrufen, ihm mit neuen deutschen Psalmen und geistlichen Liedern zu helfen, „auff das da durch Gottes wort und Christliche leere auff allerley weyse getrieben und geübt werden" (WA 35, 474). — W as war geschehen, das den Reformator schon nach wenigen Jahren so vorsichtig und kritisch hatte werden lassen? Nichts Anderes hatte sich ereignet, als daß seinem R u f nach neuen geistlichen Liedern nur zu eifrig Folge geleistet worden war. Es halten sich nicht nur Dichter in großer Zahl gefunden; auch die Drucker hatten willig und eilfertig ihre Pressen zur Verfügung gestellt und durch Liederzettel oder durch die mit der Zeit immer zahlreicher erscheinenden Gesangbücher an der raschen und weiten Verbreitung jener neuen Gesänge mitgewirkt. Ein großer Teil der au f diese Weise entstandenen geistlichen Lieder entsprach nun aber offen­ bar nicht dem kritischen Maßstabe Luthers3). Zwar bezeichnete er sie in seiner „W arnung" nicht als schlechthin minderwertig. Er lehnte sie nicht nach ästhetisch­ formalen Gesichtspunkten ab oder verurteilte sie als „ungeistlich". Gerade die Lieder, die Luther mit seinem Vers im Auge hatte, waren besonders betont aufs „Geistliche", also doch anscheinend auf ihren eigentlichen Verwendungszweck, ausgerichtet. S o trugen sie z. T . einen ausgesprochen „theologischen" Charakter zur Schau, oder sie zeichneten sich durch eine auffallende innerliche Bewegtheit, durch eine eindringliche „fromme" Gemütshaltung oud3). Aber eben diese Züge waren es, die Luther zu seiner scharfen W arnung veranlaßten. I n vielen Liedern *) Vgl. dazu den Brief Luthers an S palatin: „cum tibi sit data et copia et elegantia Iinguae Germanicae, ac multo usu exculta, oro, ut nobiscum in hac re labores et tentes aliquem psalmorum in cantilenam transferre . . EnberS IV, 273. WA 35, 13. *) Vgl. dazu schon die Luthersche Gesangbuchvorrrbe von 1328: „Un haben sich etliche wol beweiset und die Heb« gemehrdt, also das sie mich weit übertreffen und ynn dem wol meine meist« sind. Ab« darneben auch die andern wenig gutS dazu g«han. Und weil ich sehe, das des teglichen zuthunö on allm unterscheidt, wie «S einem iglichen gutdünckt, wil keine maS w«den, ub« das, daö auch die «sten uns« lieb« yhe leng« yhe felsch« gebrnckt w«ben, hab ich sorge, ES w«de disem büchlein die (enge gehen, wie eS alzeit guten büchern gangen ist, daS sie durch ungeschickt« köpff zusetzen so gar ub«schüttet und v«wüstet sind, daS man das gutte darunt« verloren und allein daö unnütze ym brauche behalten h a t . . . " WA 35,475« 3) Beispiele dafür lassen sich in reicher Zahl in d « umfangreichen Lied«sammlung von Wackernagel, Bd. III, finden.

sah er sich einen anderen, fremden und gefährlichen Geist aussprechen. Er ver­ mißte in ihnen den G ehorsam gegenüber dem, waö ihm selbst alö die alleinige Aufgabe und a ls das einzige Ziel solcher Gesänge erschienen w ar, nämlich „das heylige Evangelion, so itzt von Gottes gnade Widder auff gangen ist, zu treyben und ynn schwanck zu bringen" (WA 35, 474). W ir können also erkennen, wie hier schon zu B eginn der Reform ation die Frage nach dem rechten geistlichen Lied aufgebrochen, wie hier schon zu Luthers Zeiten eine „Gesangbuchfrage" entstanden ist. Ähnliche „Gesangbuchfragen" haben sich im Laufe der Zeiten im m er von neuem wiederholt. W ir begegnen solchen Problemen besonders in der Geschichte deS P ietism u s und der Aufklärung wie auch in späteren Zeiten. Blicken w ir aber auf alle diese verschiedenen Bemühungen um das Gesangbuch zurück, so stellt sich heraus, daß keiner dieser geschichtlichen Versuche ein so klares und anschau­ liches B ild über die verschiedenen M otive, die jeweils eine Gesangbuchreform bestimmen, verm ittelt wie die Gesangbuchdebatte, die wir selbst in jüngster Zeit m it erlebt haben. S ie wurde bekanntlich 1947 ausgelöst durch einen Beschluß der Kirchenversammlung von Treysa, der den einzelnen Landeskirchen Deutsch­ lan d s die A nnahm e eines neuen einheitlichen Gesangbuches nahelegte. D a s zu diesem Zweck vom „V erband evangelischer Kirchenchöre Deutschlands" schon viel früher vorbereitete und von verschiedenen Gesangbuchkommissionen fortgesetzte Werk deS „Evangelischen Kirchengesangbuches" ist jedoch lange umkämpft worden. D abei hat es sich gezeigt, daß die Mehrzahl der Argumente, die für die Durch­ führung der geplanten Neuerung geltend gemacht wurde, sich als nicht au s­ reichend und durchschlagend genug erwiesen hat. Weder der R u f nach Einheit­ lichkeit, noch die B etonung der kriegöbedingten Notwendigkeit einer neuen G e­ sangbuchauflage, die auch die eingetretene soziologische und konfessionelle Mischung der Bevölkerung Deutschlands berücksichtigen müsse, noch der Hinw eis au f die allgemeine Reform bedürftigkeit der bisher in Gebrauch gewesenen Gesangbücher hinsichtlich ihrer LiedauSwahl, Textform und musikalischen Gestaltung sind all­ gemein anerkannt w orben4). Alle diese Gründe konnten mit Gegengründen ent­ kräftet werden. Demgegenüber hat ein einziger Gesichtspunkt diese Gesangbuch­ debatte endlich deutlich als ein wirklich kirchliches Problem erscheinen lassen. Chr. M ahrenholz kennzeichnet ihn folgenderm aßen: „E s geht hier nicht um ästhetische oder künstlerische oder musikalische M om ente, die von einem kleinen Kreis von Fachleuten vorgebracht werden, es geht auch nicht um die Hymnologie als eine A rt kirchliches Kunstgewerbe, sondern es geht ganz allein um das Ernst­ nehmen der Theologie auch im Kirchenlied, um die Sauberkeit und Lauterkeit der theologischen Arbeit, die bei der A usw ahl der Kirchenlieder zu leisten ist, also um die biblische und bekenntnismäßige V erantw ortung beim Gesangbuch"^) 4) Jur Kritik derartiger Argumente vgl. das Gutachten zum neuen Gesangbuch v. M . Mezger v. 23. Okt. 19jo. *) Chr. Mahrenholz: „D aS Evangelische Kirchcngesangbuch. Ein Bericht über seine Vor­ geschichte, sein Werben und die Grundsätze seiner Gestaltung." S . 26.

D a s also vor allem*) sollte die Richtlinie für die Gestaltung des neuen Gesang­ buches bilden, daß in ihm die viva vox evangelii lauter und rein verkündigt würde. H at eine Gesangbuchreform aber darin ihr letztes und ihr eigentliches Ziel erkannt, so darf sie zweifellos behaupten, denselben M aßstab anzuwenden, den auch Luther in der „Gesangbuchfrage" seiner Zeit gebraucht wissen w ollte: „das wyr auch uns möchten rhümen ♦ . . D as Christus unser lob und gesang sey, und nichts wissen sollen zu singen noch zu sagen denn Jhesum Christum unsern Heyland" (WA 35, 474). M it diesem „M aßstab" allein kann es an das „recht richten" gehen, das Luther in seiner „W arnung" gefordert hatte. Ein solches „recht richten" ist jedoch nirgends schwieriger als dort, wo viele menschliche Stim m en aus weit auseinanderliegenden Zeiten beanspruchen, G ottes W ort auszurichten, es wiederzugeben, ihm zu antworten oder zumindest doch seinem Umkreis anzugehören. Auch für dieses Problem bietet die miterlebte Gesangbucheinführung in dem Sonderfall der württembergischen Gesangbuchdebatte ein eindringliches Beispiel. D ort wurde nämlich die ganze Auseinander­ setzung zugespitzt auf die Fragestellung: „Pietism us oder R eform ation?"*), der man schließlich mit der Kompromißformel „Pietism us u n d Reformation"*) zu begegnen suchte. Ohne dieser Frage im einzelnen nachgehen zu können, sei hier aus einem jener württembergischen Voten die aufschlußreiche Stelle zitiert: „D arum brau ch t das pietistische Lied das reformatorische Lied neben sich als seinen älteren Bruder . . . Denn sie haben beide ihre von der Schrift her zu be­ gründende Aufgabe — wobei das reformatorische Lied mehr die Stim m e der von G ott gerufenen Gemeinde, das pietistische mehr die des aus seiner Erfahrung redenden E in z e ln e n verkörpert"*). Schon aus dieser kurzen Andeutung ist zu entnehmen, daß e« sich hier letztlich um die zum Problem gewordenen Fragen nach der „Objektivität des göttlichen Heilswortes" und der „Subjektivität der menschlichen H eilserfahrung"") gehandelt hat. Diese vorläufige Formulierung muß jedoch an dieser Stelle als erster Hinweis auf eine grundsätzliche Problematik genügen. Dagegen sollen unsere bisherigen Überlegungen im folgenden dazu benutzt werden, ein richtiges Verständnis für die Themastellung unserer Arbeit zu gewinnen. *) D aß daneben einer jeden Gesangbuchrrform auch spezielle Aufgaben gestellt sind, ist un­ bestritten. Vielfach werden sie sich aber mit denen berühren ober decken, die die christliche Ver­ kündigung allgemein betreffen. ’) V g l. zur württembergischen Gesangbuchdrbatte: „Denkschrift der Gesangbuchkommission des evg. Oberkirchenrates zum P lan eines neuen württembergischen Gesangbuches", März 1950. D . Metzger: „Zur Einführung des evg. Kirchengesangbuchs in d. württ. evg. Landeskirche." Rebe v. 31. 3. 1950. Frb. Schick: „Warum nicht dieses Gesangbuch?" Entgegnung au f die Denkschrift b. Gesangbuchkommission. M ai 1950. Evg. Oberkirchenrat Erl. N r A . 12519/11 v. 2 i. S e p t. 1950. Eberh. W eism ann: „P ietism us oder Reformation." W ürtt. Blätter f. Kirchenmusik. 17. 2 g. Nr. 5. Sept./O kt. 1950. M . Mezger: „ D a s neue Gesangbuch." Referat au f der Arbeitstagung der kirchlich-theologischen Societät in Württemberg 1950. *) E. WeiSmann, a. a. O ., S . 90. *) E. W eism ann, a. a. O ., S . 93. *°) vgl. M . Mezger, a. a. O ., S . 4.

Unsere Untersuchung w ird über das evg.-luth. Gesangbuch Deutschland« im 17. und frühen 18. Jahrhundert handeln. Gerade dieser Abschnitt der Gesang­ buchgeschichte stellt un« vor viele und interessante Fragen. W ir könnten sie in Analogie zur mitgeteilten württcmbergischen Gesangbuchdebatte in einen ganzen Komplex von verschiedenen Problemen aufgliedern. E« müßten dann etwa Sonderkapitel gebildet werden m it den Themen: „R eform ation und O rtho­ doxie", „P ie tism u s und F rü h au fklärun g", „R eform ation und M ystik" u. ä., und zwar alle bezogen auf das Gesangbuch und das Liedgut des entprechenden Zeitraumes. Unsere Darstellung w ird in aller Ausführlichkeit immer wieder a u f diese A rt von Fragen eingehen müssen. Sie möchte dagegen nicht bei solchen zeitgeschichtlichen Betrachtungen stehen bleiben. I n ihnen und m it ihrer H ilfe soll vielmehr ein G r u n d p r o b le m aufgezeigt und von verschiedenen Seiten aus veranschaulicht werden, das u. E. das Grundproblem alles kirchlich-christlichen Reden« und Handeln« darstellt. Unsere Arbeit w ird versuchen, es in den beiden Begriffen „T h e olog ie" und „F rö m m igke it" zu erfassen. Jeder dieser Begriffe erfordert zunächst fü r sich genommen eine genauere Untersuchung und Festlegung. Eine Begrifföklärung ist auch schon darum ge­ boten, w eil in ihrem Bereich eine allgemein gültige und zu allen Zeiten verbind­ liche D e fin itio n schlechterdings unmöglich ist. Eine ausführliche B e g riffs­ geschichte würde zweifellos höchst aufschlußreiche theologiegeschichtliche Einblicke verm itteln können. Wenige Beispiele müssen in unserem Zusammenhang genügen, um die in diesen Begriffen zugleich mitgesetzte Problematik zu veranschaulichen. „Theologie" bedeutet z. B . bei Luthardt die „kirchliche Wissenschaft vom Christentum " oder „die kirchliche Wissenschaft überhaupt"u ). Über diese in h a lt­ lich leer bleibende D efin ition fü h rt Horst Stephan hinaus, wenn er „Theologie" verstanden wissen w ill „a ls die Selbstbesinnung des Glaubens . . . , die sich so­ w ohl nach innen auf seinen G rund im „ W o r t" Gottes, wie nach außen auf seine Geschichte und die empirischen Bedingungen seiner Verwirklichung r ic h te t"" ). Aber auch diese Bestimmung des W ortes „Theologie" m it ihrer mißverständ­ lichen Aussage hinsichtlich der „Selbstbesinnung deö Glaubens "u nd m it ihrer Gegenüberstellung von „nach innen . . . wie nach außen" gibt noch nicht eindeutig genug wieder, was unsere eigene Arbeit unter diesem B egriff erfassen w ill, wenn sie betontermaßen „ T h e o lo g ie " und „F röm m igkeit" gegenüberstellt. W ir können hier am besten K a rl B a rth folgen, wenn er fo rm u lie rt: Theologie (resp. D og ­ matik . . . als theologische D isziplin) ist die „wissenschaftliche Selbstprüfung der christlichen Kirche hinsichtlich deö In h a lts der ihr eigentümlichen Rede von @ o tt"13). „T heologie" in diesem Sinne ist fü r ihn eine „F u n ktion der K irc h e ""). u) Luthardt, Kompendium der Dogmatik. 12. Ausl. 1929. S . 3. **) R G G * V. Sp. i i 16, vgl. auch Sp. 1120: Theologie — „die Sebstbesinnung des auf geschichtliche Offenbarung bezogenen christlichen Glaubens." “ ) Barth; „Kirchl. Dogmatik" I, i, S . 1; vgl. zur Gegenüberstellung noch die charakte­ ristische Definition von Bultmann: Theologie — „die begriffliche Darstellung der Existenz de« Menschen alö einer durch Gott bestimmten" R G G ' V. Sp. 1123. " ) Barth, a. a. O ., S . 1.

M s solche ist sie zugleich die Ursache einer „sieten B eunruhigung", jedoch „nicht einer Beunruhigung von außen her, sondern das innerlich notwendige Messen der menschlichen A n tw o rt an der Frage G o tte s "16). Es iss ohne weiteres ein­ zusehen, daß der „Theologie" in einem solchen Verständnis auch dem Kirchen­ lied gegenüber als e in e r Form der menschlichen A n tw o rt au f das W o rt Gottes eine wichtige, später noch näher zu bestimmende Aufgabe zukommt. Neben den Begriff der „Theologie" stellten w ir den der „Fröm m igkeit". Auch bei ihm haben w ir überall dort, wo es sich in unseren Ausführungen um die gleiche prononzierte Gegenüberstellung wie in der Titelform ulicrung handelt, ein ganz spezifisches Verständnis im Auge. W ir beabsichtigen m it diesem W o rt „Fröm m igkeit" alles das zusammenzufassen, was sich im konkret-geschichtlichen Leben der Kirche und der christlichen Gemeinde jenem kritischen Z u g riff der Theo­ logie, jener steten Beunruhigung durch die Theologie meinte entziehen zu tonnen16). Bereits von Schleiermacher her hat es sich eingebürgert, „Fröm m igkeit" allgemein und übereinstimmend zu definieren als „R eligiosität", als „die rein subjektive Seite der R e lig io n "11). Unsere Arbeit findet in derartigen Umschrei­ bungen16) bereits das Wesentliche ausgedrückt, was ihr selbst beim Gebrauch des W ortes „Frömmigkeit" im Gegensatz zu dem der „Theologie" vor Augen steht. D a ß sich eine Frömmigkeit in diesem S in n — als eine durch das M edium menschlicher Subjektivität, menschlicher Gefühlsäußerungen und Gedankengebilde gegangene „Religiosität" — a u f dem Gebiet der „geistlichen Dichtung" ein weite« Betätigungsgebiet schaffen konnte und faktisch geschaffen hat, braucht an dieser S telle nicht weiter ausgeführt zu werden. Es ist nun aber von vornherein festzuhalten, daß unsere Arbeit die beiden Be­ griffe „Theologie" und „Fröm m igkeit" noch in einem anderen Zusammenhang gebrauchen muß. Gerade diese Doppelbedeutung und diese Doppelverwendung jener beiden W orte lä ß t uns erst den vollen Um fang des aufzugreifenden P ro ­ blems erkennen. An vielen S tellen unserer Untersuchungen wird „Theologie" nämlich lediglich als ein zusammenfassender Ausdruck fü r die gesamte wissen­ schaftliche Arbeit einer Zeit begegnen. W ir schließen uns also dem üblichen “ ) V g l. so schon bei Stephan, R G G ' V . S p . 1121. “ ) F ür diesen Begriff von Frömmigkeit mag eS berechtigt erscheinen, wenn ihn Barth im Register zu Band I , 1 seiner Kirchlichen Dogmatik von vornherein m it Anführungszeichen umgibt, um damit auf den theologisch fragwürdigen, a u f jeden F a ll näher zu interpretierenden Charakter dieses Wortes hinzuweisen. ” ) V g l. R G G ' I I , S p . 812. '* ) Ein« anschauliche Kennzeichnung jener allgemein herrschenden Auffassung von „Fröm ­ migkeit" gibt in geradezu klassischer Form Baumgarten in seinem Artikel „Frömmigkeit", wenn er ausführt: „Fröm m igkeit. . . ist die r e in subjektive Seite der R e lig io n , wobei zwar GotteSerkennMiS und heiliger W ille eingeschloffen ist, daS G e fü h ls le b e n aber entschieden den Ausschlag gibt. Frömmigkeit ist Z u s tä n d lic h k e it beS G e m ü te s , m it der sittliche W illen­ schwäche ( ! ) deö religiösen Bewußtseins ( ! ) sich wohl verträgt. D er G r a d der Frömmigkeit bemißt sich nach dem Grad der Gegenwärtigkeit einer überwältigenden göttlichen Wirklichkeit und ist u n a b h ä n g ig von r e lig iö s e r E r k e n n n tiS . . . E rz ie h u n g zur Frömmigkeit ist darum bedingt von dem überwälttgenden E in d ru c k göttlicher Nähe und Wirklichkeit." R G G ' I I S p. 812. (Sperrungen und Ausrufezeichen sind zur Verdeutlichung von Verfasserin zugefügt.)

Sprachgebrauch an, wenn wir etwa von der orthodoxen Theologie, von der Theologie des R ation alism u s u. dgl. reden werden. Endlich bleibt hervorzuheben, daß wir neben das anfechtbare Verständnis des W ortes „Frömmigkeit" auch noch eine theologisch legitime Auslegung und Anwendung dieser Vokabel stellen werden. Unter „Frömmigkeit" in diesem S in n sind alle diejenigen Auödrucköformcn zusammenzufassen, die Zeugnis ablegen von einem menschlichen Ergriffcnsein durch das W ort Jesu Christi, die mensch­ liche Bekundung sind von einem göttlichen Handeln an und mit diesem M en­ schen. „Frömmigkeit" bedeutet hier also nichts anderes als eine Antwort des christlichen G laubens auf den Anruf G ottes — in Lob, Dank und Anrufung — mit W ort und T at. „.Theologie' und .Frömmigkeit' im evg.-luth. Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts", so form ulierten wir das Thema unserer Arbeit. A uf dem Hintergrund unserer BcgriffSbesiimmungcn läßt sich jetzt die zugrundeliegende, doppelte Fragestellung klar erfassen. Demnach werden wir auf der einen S eite zu untersuchen haben: 1. inwieweit und inwiefern in den Gesangbüchern deö 17./18. Jahrhunderte die „Theologie" a ls wissenschaftliche Betätigung einer oder mehrerer Epochen — und d. h. in diesem Fall a ls dogmatische Wissenschaft — zum Ausdruck kommt — und: 2. in welchem M aße und in welchen Formen sich in ihnen die „Frömmigkeit" a ls eine von der Bezeugung des W ortes mehr oder weniger losgelöste menschliche Religiosität zu Worte meldet. Andererseits müssen wir unser Augenmerk darauf richten: 1. ob und in welcher Weise in den heranzuziehenden Gesangbüchern auch die „Theologie" a ls kritische Funktion der Kirche, a ls deren stete Beunruhigung vom W ort her, ihren Platz erhält und behält — und: 2. ob und in welchen Zusammenhängen in ihnen auch die Anliegen und A u f­ gaben einer echten wortgebundcncn Frömmigkeit zur Gestaltung kommen. Beide Fragenkomplexe gehören mit ihren Ergebnissen in das Gebiet der Theo­ logiegeschichte, wobei dieses so weit zu fassen ist, daß es sowohl die „Fröm m ig­ keitsgeschichte" wie auch die Geschichte der „christlichen Ethik" um faßt. D ie Fragestellung selbst wird im ersten Problemkreis sowohl eine genetische wie auch eine analytische sein, im zweiten wird es sich stärker um eine kritische Beleuchtung und Beurteilung deö dargebotenen M aterials handeln"). Jedoch möchten w ir unsere Arbeit nicht nur a ls einen thcologie- und frömmigkcitsgeschichtlichen " ) 3 n den praktischen Ausführungen unserer Untersuchung werden allerdings die beiden angegebenen Fragenkomplexe nicht immer gesondert durchgeführt werben können. ES ist jedoch nötig, trotz aller Berührungspunkte jeweils die b eid en Problcmkreisc mit ihrer jeweils spezi­ fischen Gegenüberstellung von „Thcologie und Frömmigkeit" als die bestimmenden Gesichts­ punkte der einzelnen Erörterungen anzusehen.

Versuch gewertet w issen"). Ih re m eigenen Verständnis nach möchte sie vor allem einen B eitrag zur hymnologischen Forschung leisten. S ie stellt sich aus­ drücklich auf den von M ahrenholz proklamierten Standpunkt m it der Forderung nach einer „B indung der Hymnologie an die theologische Forschung"^). An H and von praktischen Beispielen soll im Laufe der Darstellung gezeigt werden, wie die hymnologische Wissenschaft sich nur in ernsthafter theologischer Arbeit ihres eigenen Gegenstandes w ahrhaft bemächtigen kann. Zugleich mag die theo­ logische Wissenschaft darauf hingewiesen werden, wie viele Probleme und A u f­ gaben in dem Stoffgebiet der Hymnologie — sowohl fü r die gegenwärtige Lage wie fü r die historische Arbeit — noch fü r sie bereit liegen. Daneben wird sie viel­ leicht auch beispielhaft erkennen, daß die Aufarbeitung des ganzen Gebietes der sog. kirchlichen Erbauungsliteratur, in das sicherlich auch die Gesangbuchliteratur einzubeziehen ist, imstande ist, ihrer eigenen Arbeit einen wichtigen Dienst zu leisten^). Wurde bislang ausführlich von der Themastellung unserer Untersuchung und von deren Bedeutung gehandelt, so ist des weiteren zu erörtern, warum sie gerade das G esan g b u ch als Gegenstand wählte, um an ihm die Problem atik von „Theologie und Frömmigkeit" zu untersuchen. Zweifellos begegnet eine gleiche oder eine ähnliche Problem atik auch auf den verschiedenen anderen Gebieten des kirchlichen S chrifttu m s. P redigtliteratur, Andachts- und Gebetbücher, Agenden, Katechismen u. dgl. mehr würden hier ebenfalls ein reiches M a te ria l an­ b i e t e n ^ ) . Trotzdem nim m t das Gesangbuch u. E. eine Sonderstellung ein, das es fü r eine Untersuchung in unserem Sinne in hervorragender Weise geeignet sein läßt. D ie Gesangbücher bieten ausgeprägter als alle anderen aufgezählten G a t­ tungen ein eindrückliches und ein vielseitiges „Zeugnis von dem kirchlichen E n t­ wicklungsstand ihrer J e it " ^ ). Dieser Wesenszug erklärt sich daraus, daß sie weder von einem einzelnen Verfasser oder von einem bestimmten G rem ium verfaßt, noch auf einen einzigen, genau festgelegten und bindenden Zweck aus­ gerichtet sind. I n ihnen kann die ganze Buntheit und V ielfältigkeit der S tim m e n I0) Gerade a u f diesem Gebiet m uß unsere D arstellung im B lick a u f die Fü lle der P roblem e und des M a te r ia ls und au s G ründen der fehlenden oder unzureichenden V orarbeiten o ft u n ­ vollständig und z. T . vo rlä u fig bleiben. ” ) M a h ren h o lz, a . a. O ., S . 16. ” ) A u f diesen P u n k t hat in besonderer Weise H a n s E m il Weber aufmerksam gemacht. Z n seinem W e rk : „ R e fo rm a tio n , Orthodoxie, R a tio n a lis m u s " finden sich dazu in verschiedenen Anm erkungen zahlreiche Belege und praktische Beispiele, vg l. z. B . a. a. O . I , i , S . 19, 21 u. 6. i , 2, S . 238 f . , 242, u . 6. Z n dieselbe Richtung weisen di« Arbeiten von P . A lth au ü , v g l. dazu unten S . 9 , Sinnt. 27. " ) V g l. dazu z. B . des. P . A lth auS d. Ä . : „Forschungen zur evg. G eb etsliteratur." D e r s .: „ J u r E in fü h ru n g in d. Quellengeschichte der kirchlichen Kollekten." Beck: „ D ie E rb au u n g s­ lite ra tu r d. evg. Kirche DtschldS." Goebel: „Geschichte deS chr. Lebens." G rast: „Geschichte der A uflösung der alten gotteSdienstl. F o rm en ." u. a . Eine u m fa s s e n d e A ufarbeitung dieses M a te r ia ls steht aber noch a ls dringend erforderlich aus. " ) B achm ann: „ J u r Gesch. b. B e rlin e r Gesangbücher." § 1.

und der Zwecke") viel stärker zum Ausdruck gebracht werden. I n ihnen hat man eS sehr viel „direkter" m it den Gemeinden der verschiedenen Zeitabschnitte, mit ihrem Denken, Empfinden und Leben zu tun. Dadurch, daß besonders in den früheren Zeiten die Dichter der Kirchenlieder weitgehend Nichttheologcn waren und daß bis ins 18. Jahrhundert hinein auch die S am m lu n g und Zusammen­ stellung dieser Lieder in den Gesangbüchern das Werk von „Nichtfachleuten" w a r, sind sie im spezifischen S in n „Produkte" dieser Gemeinden. Andererseits waren die Gesangbücher in ganz besonderer Weise dazu be­ stimmt, eben diesen Gemeinden zu dienen. Gerade diese Funktion macht die ganze Verantwortlichkeit derer deutlich, die sich an der Entstehung und Verbreitung von Gesangbüchern beteiligten. 3 n jener Aufgabe, die die Gesangbücher den Ge­ meinden gegenüber wahrzunehmen hatten, liegen ebenfalls mannigfache P ro ­ bleme der Gesangbuchgeschichte beschlossen. Denn es muß alles daran gelegen sein, daß dieser „Dienstcharakter" des Gesangbuchs richtig verstanden w ird. E r kann dahin mißverstanden werden, daß das „B ed ü rfn is" der Gemeinde zum Maßstab erhoben w ird. Auch andere Formen eines AbweichenS von dem eigent­ lichen Zweck eines Gesangbuches, „das heylige Evangelion . . . zu trcyben und ynn fchwanck zu bringen", sind denkbar und werden unö in unserer Darstellung begegnen. Bei der Betrachtung des Gesangbuches der verschiedenen Zeitabschnitte werden uns alle jene Fragen vor Augen treten, die die Ausrichtung des W ortes G otte«, in seiner Verheißung wie in seinem Anspruch, mit sich bringt. Auch und b eso n d er« die Gesangbücher werden eö unverkennbar sichtbar machen, was die wissenschaftlich-theologische Arbeit in den Studierstuben und auf den Kathedern fü r da« Leben der Kirche, der Gemeinden und der einzelnen Christen leistet oder auch nicht zu leisten versteht. Gerade in den Kirchenliedern fü r die „einfältigen Christen", fü r die sog. „Laien", in denen die Sicherung des wissenschaftlichen Apparates und Betriebes oder die Tarnung einer Pastoralen Rhetorik entfallen, treten notwendigerweise alle kritischen Punkte offen vor Augen. H ier müssen schärfer die Schäden hervortreten, die verursacht werden durch ein Eindringen von nicht „sachbezogenen Elementen" in die Lehre und Verkündigung der Kirche oder die entstehen durch eine unzureichende oder einseitige Durchführung der im einzelnen ihr gestellten Fragen und Aufgaben. H ier wird sich auch in besonderer Weise eine theologische Wissenschaft rächen, die um ihrer selbst willen getrieben w ird , die sich genügt an ihrem System, an ihrer „Orthodoxie", und die m eint, damit nahezu abschließend und endgültig alle Fragen gelöst zu haben. Endlich w ird sich hier besonders unheilvoll eine Anschauungsweise auswirken müssen, fü r die Theologie und christliches Gemeindeleben zwei weit auöeinanderliegende und zwei verschiedenartig zu bewertende und zu handhabende Gebiete darstellen. Schon diese andeutenden Gesichtspunkte führen uns wieder deutlich au f die Themastellung unserer Arbeit. D a s Gesangbuch in seiner doppelten Eigenschaft als ein „Produkt der Gemeinde" und als ein „W erk fü r die Gemeinde" weist “ ) Zu erinnern ist an die Verwendung der Gesangbücher im Gottesdienst, zur Hausandacht, zur Privaterbauung, als Gebetbuch u. dgl.

sich in dieser Hinsicht selbst als ein ausgezeichnetes Untcrsuchungsobjekt fü r unseren Zweck aus. I m gleichen Zusammenhang ist ferner die Frage zu erörtern, w arum w ir so sehr die Bedeutung des Ge s a n g b u c h e s hervorheben und w arum w ir nicht allein die L i e d e r auS diesen Gesangbüchern, wie sie bereits in einigen um fang­ reichen germanistisch-hymnologischen S a m m lu n g e n 28) vorliegen, als Ausgangs­ punkt unserer Darstellung verwenden. Ein solcher Einwand läß t die Tatsache unberücksichtigt, daß die heranzuziehenden Gesangbücher auö den verschiedensten Zeiten nicht durch ein mehr oder weniger zufälliges Zusammentreffen und w a h l­ loses Aneinanderreihen von lauter Einzelteilchen entstanden ftnb27). Jedes ge­ schichtliche Gesangbuch mußte vielmehr, wenn es fü r den Gemeindegesang brauchbar bleiben w ollte28), auS der unübersehbaren Fülle der angebotenen Lieder eine bestimmte A usw ahl treffen. Gerade die A rt jener LiedauSwahlen gibt uns aber heute die Möglichkeit, vielerlei Rückschlüsse zu ziehen und B e­ obachtungen anzustellen. Außerdem ist zu bedenken, daß ein Gesangbuch fast so etwas wie ein Korpus, ein in sich geschloffenes Ganzes darstellt, das schon *•) V g l. W ackernagel: „ D a s deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu A n fan g des 17. Ja h rhun derts". 5 B de. Lpz. 1864—7 7 . Fischer: „ D a S deutsche evangelische Kirchenlied des 17. J a h rh u n d e rts ", Hrsg. v. T ü m p e l. 6 Bde. G ütersloh 1904— 0 6 . M ü tze ll: „Geistliche Lieder". B ln . 1855. D a r f.: „Geistliche Lieder der evangelischen Kirche aus dem 17. und der ersten H ä lfte des 18. J a h r h u n d e r ts ..." , Braunschweig 1858. R am bach: „A nthologie christlicher G e s ä n g e ..." 4 B d e . A lto n a u. Lpz. 1817— 22 u. a . *7) D e r A rbeit der H ym nologie hat es lange Zeit hindurch geschadet, daß sie sich lediglich zweier Aufgabengebiete widmete. S o hat sie sich einerseits n u r um das Einzellied gekümmert und hier lange Debatten geführt über dessen Dichter und Entstehungszeit oder auch über dessen „erbauliche" Geschichte. Dagegen bienten seinem eigentlichen I n h a lt und G eh alt n u r sehr ver­ einzelte Bem ühungen. A u f der anderen S eite hat sich die frühere Hym nologie eingehender m it den Entwicklungsgeschichten der Gesangbücher einzelner S tä d te oder Landschaften beschäftigt. D erartige Arbeiten bieten o ft reichhaltiges und gelegentlich nicht uninteressantes M a te r ia l; sie berauben sich aber selbst ihrer besten Möglichkeiten, indem sie n u r referieren und Stoffm engen oder Statistiken anbieten; dagegen versuchen sie eS in der Regel nicht, ihren Gegenstand ad äqu at, und d. h. u. E . unter theologischen oder theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Gesichts­ punkten zu bettachten und zu beurteilen. — E in fast vereinzelter Versuch in dieser Richtung begegnet in der schönen A rbeit von P . A lthauS d. I . über die S terbe- und Ewigkeitölieder in der evangelischen Kirche. ( P . A lth a u S : „ D e r Friedhof unserer V ä te r ." 2. A u fl., G ütersloh 1923.) H ie r werden die Gesangbuchlieber einer bestimmten G attu n g zusammengestellt m it dem Z ie l, an H an d ihrer Aussagen V erkü n d i­ gung, G lauben und Fröm m igkeit ihrer Entstehungszeit nachzuzeichnen und a u f diese Weise auch fü r unsere Zeit neu lebendig zu machen. Ausgesprochenermaßen w ill die Untersuchung eine th e o lo g is c h e A rb eit leisten. D aS beweisen besonders deutlich die aufgerichteten W arn u n g S zeichen, die hinweisen a u f eine nicht mehr „evangelische Fröm m igkeit" in manchen der be­ handelten Lieder. D ie A rbeit von A lth a u s bestätigt in diesem S in n den S atz von C hr. M a h re n holz: „ . . . d a ß die Theologie W e rt und Gebrauch des Kirchenliedes erneut in ihr B lickfeld rückte" (a . a. £>., S . 16). * •) Diese Einschränkung ist zu beachten. V o r allem das 17. Jahrhundert hat daneben einen zweiten „Gesangbuch" -T y p hervorgebracht, der aus der wahllosen S a m m e lw u t seiner H e ra u s ­ geber oder aus anderen, fü r uns nebensächlichen M o tiv e n entstanden ist und der wegen seiner planlosen und kritiklosen Aufeinanderhäufung von zeitgenössischen Liederdichtungen fü r unsere Darstellung kaum einen W e rt besitzt.

in seiner Anlage und in seinem Aufbau Wesentliches von seinem Charakter ver­ rät. W ir werden später sehen, wie die Frage nach dem Aufbau der Gesangbücher und nach der Einteilung ihrer Lieder unter bestimmten H auptabteilungen und Einzelrubriken bereits reiches M aterial für unser Thema liefert. S o ist also eine Betrachtung notwendig, die das Gesangbuchganze und das Einzellied des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts in ihrer gegenseitigen Bezogenheit und B edingtheit in Blick nim m t. I m R ahm en unserer Vorüberlegungen ist weiterhin zu begründen, w arum sich unsere Arbeit gerade der Zeit des 17. und frühen 18. Jah rh u n d erts zuwendet. F ü r den Rückgang in diesen Zeitraum können eine ganze Anzahl von allgemein geistesgeschichtlichen und historisch-philologischen G ründen nam haft gemacht werden. D er Versuch, diese so auffallend reichen, aber auch spannungsgeladenen Jahrzehnte unserer Geistes- und Kulturgeschichte^) zu erfassen, hat immer von neuem die Forschungsarbeit der verschiedensten Disziplinen angeregt. Besonders in jüngster Zeit läß t sich vor allem auf dem Gebiet der Germanistik ein wachsendes Interesse an jenem Abschnitt — also besonders am Barock und auch an der F rü h ­ rom antik — beobachten^). I n diesem Zusammenhang haben sich einzelne Spezialuntersuchungen auch dem geistlichen Lied zugew endet^). Unsere Arbeit teilt dieses Interesse und ist zum Teil von ihm m itbestim m t^), zum al sie gegen­ über Versuchen, jene Zeit vom rein Historisch-Philologischen erschließen zu wollen, ein gewisses Ungenügen em pfindet^). Wichtiger jedoch ist uns hier ein th e o lo g is c h e r Gesichtspunkt. Innerhalb der Theologie-Geschichte läßt sich der angegebene Zeitraum durch einige wichtige literarische Dokumente kenn­ zeichnen: 1610 erschien das „Compendium locorum theologicorum“ des Leon­ hart H utter, von 1604— 1622 brachte Jo h an n Gerhard die 9 Bände seiner „Loci theologici“ heraus, 1703 wurde zum erstenmal die „G rundlegung der Theo­ logie" von Freylinghausen gedruckt, um 1735 stehen wir in der W irkungszeit von B aum garten, wie von v. M osheim und S palding. W ir durchlaufen also in diesem Abschnitt die Geschichte der Theologie von der Orthodoxie bis zum S p ätpietism us und zur Frühaufklärung. Diese Zeit bildet zudem — wie es im Laufe der Untersuchungen deutlicher werden wird — eine A rt von in sich ge*9) Phänomenologisch wird diese Zeit allerdings nur dann richtig gesehen, wenn die gesamt­ europäischen Beziehungen, d. h. vor allem die französischen, spanischen und italienischen Ein­ flüsse, berücksichtigt werden. Beim geistlichen Vtcfc wäre diese Frage vornehmlich bei einer Be­ handlung der Psalmdichtung von Belang. 30) U. E. liegt der tiefere Grund für dieses neue Interesse am Barock in einer seltsamen strukturellen Kongenialität mit unserem eigenen Zeitalter. 31) V gl. z. B . Cysarz: „Schwund- und Kirchenbarock". Leipzig 1937. M atth ia s: „Kunst und Offenbarung." Ein B eitrag zur Geschichte des Kirchenliedes der Aufklärung (Gellert). Masch. Diff. phil. Gott. 1948. Berger: „Barock und Aufklärung im geistlichen Lied." Marbg 1951. 3a) Vgl. dazu Teil II unserer Arbeit: „ D as Liedgut in seiner literar- und geistesgeschicht­ lichen Bestimmtheit." 33) Allerdings zeigen auch die philologischen Arbeiten, die sich speziell der r e lig iö s e n Seite des Barock zuwenden wollen, bestimmte M ängel, die sich bei den fehlenden theologiegeschicht­ lichen und erst recht theologischen Fachkenntnissen ihrer Verfasser schwerlich vermeiden lassen. D aö gilt auch von dem genannten Buch von Berger, vgl. dazu unten S . 67, Anm. 1.

(drosseltet frömmigkeitsgeschichtlicher Epoche. D er gewählte Zeitabschnitt zeichnet sich also sowohl theologie- wie auch frömmigkeitsgeschichtlich38) durch eine gewisse Abgerundetheit aus. S ein Gewicht und seinen Anspruch au f ein b e s o n d e re s Interesse erhält er jedoch aus d e r Tatsache, daß w ir in ihm der­ jenigen Zeit begegnen, au s der auch unsere heutige noch weitgehend in Theologie, Kirche und Gemeinde lebt. Alle sog. Luther-Renaissancen haben bislang wenig daran zu ändern vermocht. Erst einige Arbeiten au s der jüngsten Zeit haben das sich hier abzeichnende Problem „Luther und das Luthertum " neu in s Blickfeld der theologischen Forschung gerückt33). Dabei haben sich manche der bisher all­ gemein geltenden und anerkannten Anschauungen über den A ltprotestantism us a ls korrekturbedürftig erwiesen. Besonders die Frage nach dem Einfluß des melanchthonischen H um anism us auf die lutherische Kirche und Theologie hat sich von neuem gestellt38). Auch die historische Einordnung und B eurteilung von P ietism u s und Aufklärung sind dam it in ein neues Licht gerückt**3'). I n demselben Zusam m enhang setzt sich langsam die Einsicht durch, daß die überkommenen und in der Vergangenheit in der Regel sehr einseitig festgelegten Begriffe wie „O rtho­ doxie", „P ietism u s" und „R atio n alism u s", bei weitem kein anschauliches und zutreffendes B ild geben von der Fülle der Tendenzen und Erscheinungsform en, die jene Zeit des 17. und frühen 18. Jah rh u n d erts charakterisieren und die au s ihr bis in die Gegenw art hinein fortwirken. A lles, w as auch heute noch in der lutherischen Kirche an H um anism us, EthiziSmuS und M o ralism u s, an PsychologiSm us und R atio n alism u s, wie auch alles, w as an V ulgärkatholizism us und M ystizism us in ihrer „Theologie und Fröm m igkeit" leb t33), hat seinen Ur­ sprung vorwiegend im 17. Jahrhundert, und zw ar dort wiederum nicht so sehr in der wissenschaftlichen theologischen Arbeit, a ls in den „Randgebieten" des allgemein verständlichen und zugänglichen kirchlichen S ch rifttu m s, unter dem — wie wir gesehen haben — das Gesangbuch eine besondere wichtige S tellu n g ein­ nim m t. F ü r die Zuwendung zum 17. und frühen 18. Jah rh u n d ert spricht nun aber nicht nur unser eigenes theologisches und kirchliches A bhängigkeitsverhältnis; einem zweiten Gesichtspunkt kommt mindestens ein gleiches Gewicht zu. I m V erlauf unserer Darstellung wird es deutlich werden, daß jener Zeitraum für die spezielle Fragestellung nach dem V erhältnis von „Theologie" und „Fröm m ig­ keit" in der von uns bezeichneten doppelten Richtung33) geradezu ein M uster3‘) Unsere Arbeit muß jene Thesen, oie an dieser S telle nicht eingehender begründet werden können, am beizubringenden M aterial selbst weiter verdeutlichen und zu bestätigen suchen. 3‘) Zu nennen sind hier neben Troeltsch bes. H. E. Weber: „R eform ation, Orthodoxie und R ationalism us" u. a. Mtbetten dess. V f.S, O. Ritschl: „Dogmengeschichte des Protestantis­ m us", W . Elert: „Morphologie des Luthertums" u>a. 31) D gl. dazu vorläufig z. B . Neuser: „Der Ansatz der Theologie Philipp MelanchthonS. Masch. D iff. theol. Göttingen 1950. ” ) Über die Aufklärung vgl. z. B . das umfangreiche Einleitungskapitel bei Barth: „D ie protestantische Theologie im 19. Jahrhundert." 38) V g l. H .E. Weber: „Reformation, Orthodoxie und R ationalism us" I, 2, S . 329ff. " ) V gl. dazu oben S . 6.

beispicl darstellt. I m Gegensatz zur Reformationszeit, aber auch zu den folgenden Jahrzehnten des 18. und 19. Jahrhunderts, erweist cs sich auffallend und charak­ teristisch, daß diese Frage als ein brennendes Problem in unserem Zeitraum selbst empfunden wird und daß zu ihrer Lösung vielerlei Versuche unternommen worden sind. Gerade das S p a n n u n g s -V e r h ä ltn is von „Theologie und F rö m ­ migkeit" in der Zeit des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, sowie deren deutlich erkennbares Streben nach einem Ausgleich oder nach einer V e rm ittlu n g , er­ scheinen als besonders aufschlußreich und können zu einem grundsätzlichen, auch fü r die Gegenwart aktuellen Nachdenken über die Frage von „Theologie und Frömmigkeit" innerhalb des kirchlichen Lebens führen. AuS den angestellten Überlegungen ergibt sich mit einiger Folgerichtigkeit die Anlage unserer Arbeit nahezu von selbst. S ie gliedert sich in 3 Hauptteile. D er erste Abschnitt beschäftigt sich m it dem Gesangbuch unseres Zeitraumes in seiner Ganzheit. Äußere Gestalt wie innerer Aufbau der Gesangbücher müssen dabei bereits als ein deutliches „Spiegelbild der nachzuweisenden Problematik von Theologie und Fröm m igkeit" betrachtet roetben40). D er z w e ite T e il steht vor der Aufgabe, auf das Liedgut dieser Gesangbücher im allgemeinen unter be­ stimmten geisteö- und literargeschichtlichen Gesichtspunkten einzugehen. Hier wird zu erheben sein, welche Bedeutung den aufzuzeigenden zeitgeschichtlichen P arallelen und geistigen Abhängigkeiten und Verwandtschaften in theologieund frömmigkeitsgeschichtlicher Hinsicht eignet41). Den größten Umfang inner­ halb unserer Untersuchungen muß jedoch der d r it te Abschnitt beanspruchen. Dieser T e il unserer Darstellung w ählt unter der Fülle der einzelnen Gesangbuch­ lieder und der verschiedenen Gesangbuch-„Thcmen" die Gruppen der Gesänge „ V o n der B u ß e ", „ V o n der Rechtfertigung" und „ V o m christlichen Leben und W a n d e l" 4^) aus, um an ihnen in einer Anzahl von Einzeluntersuchungen das eindrucksvolle Ringen und Widereinander der beiden Kräfte „Theologie" und „Fröm m igkeit" vor Augen zu führen. Dieselben oder ähnliche Erscheinungen würden sich zwar auch an anderen Liedgruppen des Gesangbuchs aufzeigen lassen4^); die Ergebnisse unserer Untersuchungen zu den genannten Liedern werden aber wohl zum großen T e il Anspruch auf Allgemeingültigkeit er­ heben können. Es spricht dagegen fü r die getroffene LiedauSwahl vor allem die Tatsache, daß w ir m it jenem Liederkomplex unmittelbar an das „H erz­ stück" der christlichen Verkündigung rühren, so daß Probleme, die hier zu­ tage treten, sich von besonderer theologischer Relevanz erweisen44). Ein auö40) V g l. dazu auch die einführenden Bemerkungen unten S . 15s. und S . 30ff. 41) D g l. dazu ebenfalls unten S . 67 ff. “ ) Unter die Liedergruppe „V o m christlichen Leben und Wandel" wurden auch inhaltlich dazugehörige und verwandte Dichtungen wie z. B . die „V o n Kreuz und Anfechtung" und „ V o n der Vorsehung und väterlichen Regierung Gottes" gezählt. 43) ES stehen hier noch viele Aufgaben offen, bei deren Inangriffnahme trotz einer vermut­ lichen Übereinstimmung in den Grunbzügen nicht unwesentliche und uninteressante Einzel­ ergebnisse zutage treten könnten. V g l. dazu als u. W . bisher alleinstehenden Versuch die Arbeit von Buchrucker: „DaS evangelische Abendmahlslied von Luther bis zur Gegenwart." Diss. Theol. Gött. 1947. **) V g l. dazu ebenfalls unten S . 105 ff.

führlichcr Exkurs über daö Liedgut P aul Gerhardts wird unsere Arbeit be­ schließen"). Unsere einleitenden Ausführungen sind mit einigen Bemerkungen zur M eth o d e der Darstellung abzuschließen. Die Art unserer Untersuchung bringt cS mit sich, daß sie sowohl inhaltlich wie auch formal und methodisch mit einer Fülle von Schwierigkeiten belastet ist. Ein Haupthemmniö für den Gang der Arbeit bildet die Unübersehbarkeit des heranzuziehenden und aus Gründen der Anschaulichkeit und Beweiskraftigkeit auch ausführlich wiederzugebenden M aterials. D a s aus­ gewählte Liedgut wurde zwar ursprünglich in einem der zugrundeliegenden Dissertation beigegebenen Textband im Ganzen gesondert zusammengestellt"); trotzdem muß die Darstellung selbst zu jedem ihrer Hauptteile zunächst eine ge­ wisse Stoffsam m lung bringen, der erst in einem zweiten Kapitel der Versuch einer systemattschen Auswertung folgen kann. Dabei sind Wiederholungen und Überschneidungen in den beiden zusammengehörigen Kapiteln nicht zu umgehen. Dagegen muß sich unsere Untersuchung in ihrem I. und II. Hauptteil auf die Erörterung von einigen Hauptlinien und Hauptgesichtspunkten beschränken. S ie kann weder eine umfassende Gesangbuchgeschichte noch eine Art von „theo­ logischer" Aufarbeitung des Barockzeitalters und seiner Literatur- und Geistesgefchichte bieten wollen. Innerhalb dieser gebotenen Grenzen läßt sich aber ver­ ständlicherweise nicht die Gefahr vermeiden, u. U. den einzelnen Gegenständen nicht mehr voll gerecht zu werden, bestimmte Erscheinungsformen zu einseitig zu beleuchten, gewisse Entwicklungen zu einlinig abzubilden. Dennoch kann unsere Arbeit nicht auf jene beiden Teile verzichten; sie muß aber das mit einer solchen Darstellung eingegangene Risiko möglichst deutlich im Auge behalten. Der I I I . Hauptteil endlich ist durch die Notwendigkeit belastet, daß in ihm das dogmatische und aszetische Schrifttum des 17. und frühen 18. Jahrhunderts ausführlich zu Worte kommen muß. Bei der schwierigen Zugänglichkeit der Quellen dürfen ausgedehnte Zitate nicht fehlen, wenn gleichsam die Folie gewonnen werden muß, auf derem Hintergrund allein sich die Problematik der lutherischen Gesangbuchdichtung richtig und deutlich abzuheben vermag. D a­ neben ist aber zugleich zu betonen, daß unsere Arbeit ebenfalls keine in sich geschlossene theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Erörterung über die angegebenen Themen von Buße, Rechtfertigung und christlichem Leben bringen kann. Unsere Ausführungen müssen auf diesem Gebiet das Signum einer gewissen Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit an sich tragen. S ie werden in keiner Hinsicht mehr als einen Versuch darstellen können — ein Versuch aller­ dings, der bestrebt ist, die zur Debatte stehende Problematik von „Theologie und Frömmigkeit" von möglichst vielen Seiten aus zu beleuchten und zu er­ fassen. D aß sich die vorliegende Monographie kein höheres Ziel stecken kann, liegt — wie bereits betont wurde — einerseits in ihrer Materie und in deren " ) D g l. dazu die besondere Begründung unten S . 404 ff. “ ) D g l. stattdessen jetzt da» gesammelte Liederregister mit den Angaben ü6t: Dichter, Liederanfang und Fundort unten S . 448 ff. sowie das alphabetische DichterverzeichniS unten S . 447-

Unerschöpflichkeit und Unübersichtlichkeit begründet. Andererseits wurde ihre notwendige Unabgeschlossenheit milbedingt durch ein völliges Fehlen oder durch eine mangelhafte Durchführung von unbedingt erforderlichen Vorarbeiten. S o besitzen w ir z. 23. keine umfassende und ausreichende „Geschichte des Gesang­ buches"^^). A u f das Nichtvorhandensein von breiter angelegten Untersuchungen über die aszetische Literatur wurde bereits hingewiesen. Eine solche Darstellung müßte die Vorstufe bilden zu einer ebenfalls wünschenswerten „Geschichte der Frömmigkeit" innerhalb der lutherischen Kirche Deutschlands. Auch auf theologie­ geschichtlichem Gebiet weist die wissenschaftliche Forschung trotz der genannten Arbeiten von H . E. Weber und O . Ritschl mancherlei Lücken auf. S o wäre es er­ forderlich, die in beträchtlichen Teilen antiquierten Darstellungen — wie z. B . die von G a ß " ) oder D ö r n e r " ) — unter Verwendung der neueren theologieund dogmengeschichtlichen Erkenntnisse völlig umzuarbeiten oder ihrem M angel — wie es auch zur Zeit gelegentlich geschieht — m it einer beträchtlichen Anzahl von Monographien abzuhelfen. D ie angegebenen Schwierigkeiten, die die vorliegende Arbeit belasten, werden uns im Laufe der Darstellung häufig begegnen. U. E. machen sie aber eine Ausführung des vorgezeichneten Arbeitsplanes nicht unmöglich. D ie grund­ legenden Gesichtspunkte zu der Fragestellung nach „Theologie" und „F rö m ­ migkeit" im lutherischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts lassen sich auch ohne die geforderten Vorarbeiten und in Beschränkung auf die in be­ stimmter Weise begrenzten Gebiete aus den Quellen selbst erheben und erörtern. 47) V g l. dazu oben S . 9 , A n m . 27. Theologisch orientierte A usführungen zur Gesangbuchgeschichte bringt bisher allein die genannte Untersuchung von M ahrenholz über das E van ­ gelische Kirchengesangbuch. " ) G a ß : „Geschichte der protestantischen D o g m atik." 4 Bde. B ln . 1854/67. " ) D ö rn e r: „Geschichte der protestantischen Theologie." München 1867.

I. T e il

Das evg.-luth. Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts als Spiegelbild einer Problematik von „Theologie und Frömmigkeit" i. K a p ite l

D ie äußere Gestaltung der Gesangbücher

§ i : E in fü h ru n g i. V o rb e m e rk u n g

Dem angegebenen Gang unserer Untersuchung entsprechend^ wenden wir unö im folgenden der Betrachtung der evg.-luth. Gesangbücher auö der Zeit zwischen ca. 1610 und 1735 zu 2). Dabei ist es notwendig, allerhand Einzelzüge und Einzel­ beobachtungen aus der Gesangbuchgeschichte unseres Zeitraumes und aus ihrer Vorgeschichte mitzuteilen^). Diese Anmerkungen scheinen zunächst rein hymnologische Kenntnisse zu vermitteln. Auch allgemein zeitgeschichtlich bedingte Er­ scheinungen müssen berücksichtigt werden. Erst der Schlußabschnitt wird die A us­ breitung des Materials und das Aufzeigen von mancherlei Einzelheiten recht­ fertigen. I n ihm ist zusammenfassend zu verdeutlichen, wie in der äußeren und auf den ersten Blick vielleicht zufällig anmutenden Gestalt der Gesangbücher bereits mancherlei Hinweise auf Probleme im Sinne unserer Themastellung zu finden sind. 2) Vgl. oben S . i2. *) Als Quellen werden dazu in der Regel nur die reichhaltigen Bestände auö der Gesangbuchsammlung der Niedersächsischen Landes- und Staatsbibliothek Göttingen verwendet. D a es uns in unserem Zusammenhang lediglich au f eine Herausarbeitung wesentlicher Grundzüge der Gesangbuchentwicklung ankommt, genügt das dort vorhandene M aterial vollauf. N u r in wenigen Einzelfällen mußten Bücher aus auswärtigen Sam m lungen hinzugezogen werden. 3) Auf die notwendigen Grenzen der Darstellung wurde bereits hingewiesen, vgl. oben S . 13 f. Auch Fragen, die für daö Thema der Arbeit sicher nicht ohne Interesse wären, müssen au s diesem Grunde unberücksichtigt bleiben. DaS gilt z. B . für das Problem der Filiation der Gesangbücher, daS für daö 17. Jahrhundert sowieso schwerlich zu lösen sein wird. Auch die wichtige Frage der landschaftlichen Sonbergestaltung oder allgemeinen regionalen Geprägtheit von Gesangbüchern kann nicht erörtert werden. N ur bei den Straßburger und Schlesier Gesang­ büchern ist sie wegen ihrer hier in die Augen springenden Bedeutsamkeit zu erwähnen. Ein dritter wichtiger ProblemkreiS, der beiseite gelassen werden muß, ist der, der sich mit der Beein­ flussung der Gesangbücher durch ihre jeweiligen Buchdrucker oder Verleger zu beschäftigen hätte. 3 . T . wird dieser Einfluß, den eine ausgeprägte „Verlagörichtung" au f die bei ihr erscheinenden Gesangbücher ausgeübt hat, ein erheblicher gewesen sein. Er tritt z. B . deutlich hervor bei dem angesehenen Verlag der Sterne in Lüneburg, der a ls erster Johann ArndS „W ahres Christen­ tum " und viele andere Erbauungöbücher herausgebracht hat und dessen Gesangbücher eben­ falls ftüh einen auffallend erbaulich-pietistisch-mystischen Zug aufweisen.

2. Der Zeitraum von 1610 bis 1735 innerhalb der (yesangbuchqcschichte

I n der E inleitung w urde eine B egründung fü r die A bgrenzung deö an ­ gegebenen Z eitraum es unter theologie- und frömmigkcitsgeschichtlichem wie auch theologischem Gesichtspunkt gegeben*). Doch auch von der Gesangbuchgeschichte her ist die H eraushebung gerade dieses Abschnittes berechtigt. A llerdings sind die A rgum ente hierfür nicht einfach von dem einen au f das andere Gebiet zu über­ trag en . V ielm ehr bedürfte ein solcher Versuch einer ausdrücklichen K orrektur. D ie B eh au p tu n g , daß die Gesangbücher jew eils ein getreues Abbild der Theologie ihrer Zeit darstellten, gilt n u r m it bestimmten Einschränkungen. Am ehesten ist sie fü r die Zeit um 1735 zu vertreten, wo w ir ziemlich allgem ein dem Typ des „aufklärerischen Ü bergangsgesangbuches" begegnen. M it einem gewissen Recht ist ebenfalls von einem „pietistischen Gesangbuch" zu sprechen. A llerdings stoßen w ir dabei au f Schwierigkeiten in der zeitlichen Ansetzung. „Pietistisch" geprägte Gesangbücher erscheinen nämlich schon wesentlich früher, a ls die Kirchen­ geschichte die Bezeichnung P ie tism u s zu verwenden pflegt. D a ru m ist die B e­ nennung „pietistischeS G esangbuch" im präzisen S in n einzuschränken a u f die Gesangbücher, die gleichzeitig m it oder im D ienst der theologie- und fröm m igkeits­ geschichtlichen B ew egung des P ie tism u s herausgegeben sind. Alle anderen G esangbücher, die wegen der charakteristischen E igenart ihres I n h a lte s durchaus den N am en eines „pietistischen G esangbuches" verdienten, machen au f die in der Folge häufig zu konstatierende Tatsache einer bemerkenswerten und näher zu untersuchenden Ink o n g ru en z und zeitlichen wie sachlichen S p a n n u n g zwischen der Gesangbuch- und der übrigen theologisch-kirchlichen L iteratur aufm erksam . Am wenigsten angebracht ist es, Gesangbücher a u s den ersten Jah rzeh n ten des 17. Ja h rh u n d e rts a ls „orthodoxe Gesangbücher" zu bezeichnen. E s ist von vorn­ herein festzustellen, daß eö zur „orthodoxen D ogm atik" des 17. Ja h rh u n d e rts keine Paraüelerscheinung eines „orthodoxen G esangbuches" gibt. In n e rh a lb der Gesangbuchgeschichte kann ein solcher B egriff lediglich zur Angabe der zeit­ lichen E ntstehungszeit, nicht aber zur inhaltlichen Kennzeichnung gebraucht werden^). Die B egrü n d u n g deö gew ählten A usgangspunktes unserer U nter­ suchung beim Gesangbuch der Zeit um ca. 1610 läß t sich also nicht durch einen Rückgriff auf die übliche theologiegeschichtliche Zeiteinteilung erledigen. D agegen bietet u n s die vorangehende Geschichte des Gesangbuches selbst die gewünschte E rklärung und R echtfertigung. Ein Rückblick au f die erhaltenen Gesangbücher des 16. Ja h rh u n d e rts belehrt darüber, daß in der Zeit von 1550 bis 1580 die innere und äußere Form der Gesangbücher — abgesehen von ihren wechselnden Liederzahlen — eine gewisse abschließende P rä g u n g erhalten h atte. D ie d am als erreichte G estalt, die nach den verschiedenen E rscheinungsorten der Gesangbücher nur unwesentlich differiert, wurde bis etw a 1610 beibehalten. Erst a ls sich durch die Zeit des 30jährigen Krieges der vorhandene Liederbestand beträchtlich w andelte, begann auch fü r die Geschichte des Gesangbuches ein neuer 4) Vgl. oben S. io ff. 8) Vgl. dazu unten S. 26 ff.

Abschnitt, eine Zeit allmählicher W andlung und veränderter Gestaltung. D a s Jahrzehnt zwischen 1610 und 1620 bildet in diesem S inne die Scheide zwischen einer alten und einer neuen Entwicklungslinie innerhalb der Gesangbuchliteratur. 3. D ie äußer« G estalt des evg.-luth. G esangbuches um 1610

A ls Voraussetzung fü r die folgenden Darstellungen m uß als erstes klar­ gestellt werden, wie w ir uns das evg.-luth. Gesangbuch um 1610 vorzustellen haben und welchen Entwicklungsgang eS bis zu diesem Zeitpunkt schon durch­ laufen hatte *). Dieser Weg des Gesangbuches hatte fast 100 Ja h re früher, nämlich 1524, mit dem sog. Achtliederbuch begonnen. D er i. Abschnitt seiner Geschichte führte über das E rfurter Enchiridion m it 25 Liedern, das W ittenberger Chorgesangbüchlein mit 32 Liedern, wie über das sog. Klugsche Gesangbuch mit 50 Liedernummern bis hin zum Babstschen Gesangbuch von 1545. Dieses Gesangbuch stellte in seinen beiden Teilen insgesam t 130 geistliche Lieder zusammen, die bis weit ins 17. Jahrhundert hinein, ja , bis in den Beginn des 18. Jah rh u n d erts, den G rund­ stock aller späteren Gesangbücher bildeten. Besonders die Lidder des 1. T eiles des Babstschen Gesangbuches gewannen ein fast kanonisches Ansehen. D ie Hoch­ schätzung dieser Lieder wurde dadurch gesteigert und so lange Zeit hindurch er­ halten, daß die frühzeitig entstandenen und nahezu unverändert tradierten V er­ zeichnisse der de-tempore-Lieder fast ausschließlich auf sie zurückgrissen. Diesem Komplex von „S tam m liedern" gesellte sich in den Gesangbüchern der 2. H älfte des 16. Jahrhunderts ein wechselnder Kreis von neuen Liedern, von „A nhangs­ liedern", bei. Zu B eginn des neuen Jahrhunderts enthielten die wichtigsten Gesangbücher zwischen 160 und 270 Lieddichtungen. D a s Corpus der S ta m m ­ lieder w ar in dieser Zeit um eine geringe Zahl von Liedern, die sich in allen Teilen Deutschlands Geltung verschafft hatte, vermehrt worden. Bei den A nhangs­ liedern zeigen sich dagegen schon landschaftliche Besonderheiten. Ih re Beständig­ keit ist aber vielfach nicht groß gewesen. I . T . verschwinden sie ebenso rasch wieder aus den Gesangbüchern, wie sie vorher darin aufgenommen worden w aren. — Auch das Aufkommen einer Konkurrenzmacherei läßtsich bereits beobachten. Viele Gesangbücher suchen sich selbst dadurch zu legitimieren, daß sie die „W arnung Dr. M artini Lutheri" vorandrucken oder darauf hinweisen, daß sie bisher ver­ kannte Lieder schwärmerischen oder läuferischen Ursprungs nicht mehr au f­ genommen oder durch Umdichtung korrigiert hätten. D a s wichtigste M erkm al des Gesangbuches um 1610 bildet jedoch die beschriebene, au f der treuen W eiter­ gabe des Babstschen Liedgutes basierende Zweiteilung. S ie tritt zw ar äußerlich nicht mehr immer in Erscheinung, inhaltlich aber bestimmt sie die Gesangbuch­ geschichte auch des sich anschließenden neuen Abschnittes nach 1610. *) Der folgende Abriß hält sich im wesentlichen an die Ausführungen von Mahrenholz, a. a. O., S . 6 ff., 41 f., 4jff.

§ 2 : D a s G e s a n g b u c h z w i s c h e n i 6 i o u n d i7 Z s in s e i n e r ä u ß e r e n G e s ta lt i. Allgemeines über den U m fang der Gesangbücher dieses Z e itra u m e s

D ie W eiterentwicklung des lutherischen Gesangbuches in D eutschland nach 1610 ist in gleicher Weise wie vorher durch die beiden Tendenzen: B eibehalten des „ S ta m m e s " — Wachsen des „A n h an g es" gekennzeichnet. E s ist dabei jedoch a u ffa lle n d , wie sprunghaft sich nun das Anschwellen und Überhandnehm en der zw eiten, nicht gottesdienstlich gebundenen Liedergruppe vollzieht. Zwei Beispiele m ögen genügen, um diese genugsam bekannte Tatsache vor Augen zu führen. 1622 bringt das Gesangbuch von D resden 276 Lieder, 1656 en th ält das Buch 684 N u m m ern , w ährend es 1673 nicht weniger a ls 1505 Gesänge darbietet. D ie Buchdruckerei der S te rn e in Lüneburg weiß diese Zahlen noch um ein gutes Stück zu übertreffen. Ih re Gesangbücher enthalten 1635: 355 Lieder, 1666: 494 Lieder, 1694: 2055 Lieder. D a ß auch diese S u m m e noch zu überbieten w a r, beweist das W agnersche Gesangbuch in Leipzig, das in 8 um fangreichen B änden ca. 5000 Lie­ der vereinte. Beobachten w ir in dieser Weise bis zur Jahrhundertw ende allgem ein ein un­ geheures W achstum des G csangbuchum fanges, so lä ß t sich in den ersten J a h r ­ zehnten des 18. Ja h rh u n d e rts eine rückläufige Entwicklung feststellen. Zw ar be­ gegnen auch in dieser Zeit noch Liedersam m lungen m it über 1000 N u m m ern ; die durchschnittliche Zahl beträgt nun aber „ n u r'' zwischen 500 und 800 Liedern. S o finden sich im Gesangbuch von D resden 1720: 755 Gesänge, im Schlesischen Gesangbuch 1725: 620. Unter den „rationalistischen Ü bergangsgesangbüchern" bringt H essen-D arm stadt 1733: 500 und Nordhausen 1735: 605 Lieder. Trotz dieser einheitlichen Entw icklungstendenzen weist aber der U m fang verschiedener Gesangbücher au s nahezu derselben Entstehungszeit noch große Unterschiede a u f, wie eö die folgende Zusam m enstellung verdeutlicht. S o enthalten z. B . das Gesangbuch M ülheim a. R h. große C an tio n al D arm siad t rigisch-livländische Gesangbuch Gesangbuch N ürn b erg Gesangbuch D resden Gesangbuch Lüneburg

1686: 521 Lieder 1687: 782 // 1689: 1279 // 169O : 1230 // 1694: 440 n 1694: 2055 tf

K önnen diese Züge einer übereinstim m enden wie die einer voneinander ab ­ weichenden G estaltung der Gesangbücher au s ihrer Geschichte erklärt w erden? 2. Die Gesangbücher a l s U nternehm en einzelner Buchdrucker oder Verleger

F ü r die B eurteilung der Gesangbuchgeschichte ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, daß die Gesangbücher des 16. wie des 17. Ja h rh u n d e rts in der R egel reine P rivatunternehm en einzelner Buchdrucker oder Verleger gewesen sind. M a n w ird nicht fehlgehen, w enn m an die ä u ß e r e G estaltung der Gesangbücher a ls 7) Da die Gesangbücher des 16. und 17. Jhdö vielfach noch keine durchgehende Nummern­ zählung haben, stellen Zahlcnangaben gelegentlich nur angenäherte Werte fest.

wesentlich durch diese Tatsache bestimmt ansieht. DaS gilt auf jeden F all fü r das geschilderte erstaunlich rasche W achstum des Gesangbuchumfanges. Hier vor allem wird sich der Geschäftseifer und die Geschäftstüchtigkeit der einzelnen Buchdrucker und Verleger ausgewirkt haben: einer suchte den anderen zu über­ bieten und aus dem Felde zu schlagen durch den zahlenmäßigen Reichtum seiner dargebotenen Gesänge. Gelegentlich findet sich sogar in Gesangbuchvorreden') die Bemerkung, daß die, resp. der Herausgeber von sich aus irgendeinen „D ichter" aufgefordert oder selbst sich daran gemacht habe, fü r Licdergruppen, zu denen sich zu wenig N um m ern zusammenbringen ließen, neue Gesänge zu dichten'). N atürlich förderte auch die allgemeine kulturell-geistige und w irt­ schaftliche Lage nach dem zojährigen Kriege die Gesangbuchentwicklung. Diese Zeit kennzeichnete eine große Entdeckerfreude, die alles Neue begierig aufnahm und möglichst vereint zu haben wünschte. P arallel dazu und dem D rang nach Abwechslung entgegenkommend, zeigte sich in einer A rt Reaktion au f die Schreckenszeiten des großen Krieges allgemein ein „starkes B edürfnis, sich a u s­ zusprechen" und sich mitzuteilen. D azu kam endlich noch die über alles E rw arten schnell wieder aufkommende W ohlhabenheit. Alle diese F ak to ren ") wirkten zu­ sammen, daß die Buchhändler mit ihren für den gottesdienstlichen Gebrauch oft völlig ungeeigneten voluminösen Liederbüchern, ja , selbst mit ihren Liedercncyklopädien, wie dem genannten Wagnerschen Werk in Leipzigs), offenbar ein gutes Geschäft machen konnten. 3. K irch en g esa n g b u ch — P r iv a tg e s a n g b u c h

D ie bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß sich die Entwicklung des G e­ sangbuches im 17. Jahrhundert in äußerster Freiheit vollziehen konnte. Blieben H erausgeber und Verleger nur im großen und ganzen in den üblichen B ahnen, so hatten sie m it keinerlei Reglementierung durch irgendeine kirchliche S telle zu rechnen. Gefördert wurde die Möglichkeit zu einer derartig freien Entwicklung durch die früh aufkommende Unterscheidung von Kirchen- und Privatgesangbuch. D en Ansatzpunkt zu einer solchen Differenzierung bot bereits das Babstsche Gesangbuch m it seiner Unterscheidung von 2 H auptteilen. I n ihnen präsentierte *) Auf die Gesangbuchvorrcden werden wir in unseren Darlegungen des öfteren zurück­ zugreifen haben, da sie gelegentlich intereffante Auffchlüffe geben. S o bietet der Herausgeber in ihnen z. T . ein ausführliches Programm oder «ine eingehende Erklärung des von ihm vor­ gelegten neuen Gesangbuches. •) V g l. dazu z. B . im Gesangbuch von Rambach 1735: „Wo aber von einer nöthigen und wichtigen Materie gar kein tüchtig Lied vorhanden gewesen, da hat man sich genöthigt gesehen, selbst bi« Feder anzusetzen und eines zu verfertigen . . . " l0) V gl. dazu H oll: „Die Bedeutung der großen K riege. . . " Ges. Aufsätze II I, 302 ff., 330. “ ) Gerade dieses Werk wird zu Beginn des 18. Jahrhunderts sehr häufig zitiert und mit Bewunderung hervorgehoben. Zur Frage der praktischen Verwendbarkeit der Gesangbücher ist daran zu erinnern, daß ihr Gebrauch in den kirchlichen Gottesdiensten noch bis weit ins i7«Jahrhundert hinein umstritten war. I . T . kam es sogar zu ausgesprochenen Verboten, Gesangbücher in die Kirche mitzubringen. Der Verwendung a ls häusliche „Lesebücher" kam der erhebliche Umfang der damaligen Gesangbücher dagegen sehr entgegen.

vor allem die erste Liedergruppe des i. H auptteiles") die eigentlichen G ottes­ dienstlieder, während die Lieder des 2. Teiles des Buches ihre Verwendung an den S tellen des Gottesdienstes fanden, die ein „frei gew ähltes" Lied gestatteten, also als Predigteingangs- und Prcdigtfchlußlied verwandt rourben13). Eine charakteristische Neuform einer solchen Zweiteilung des Gesangbuches bringt schon das S traß b u rg er Gesangbuch 1578, bei W yriot gedruckt. I n ihm finden sich auf B la tt 4— 160 „Kirchengesänge", hingegen sind B la tt 161— 176 unter die Überschrift „HauSgesänge" gestellt"). M it dieser gesonderten Zusammenstellung und Hervorhebung von „HauSgesängen" ist eine neue Entwicklungsstufe in der Gesangbuchgeschichte angebahnt. ES ist zu erkennen, daß den Gesangbuchverlegern vielleicht noch der Rest eines Empfindens d a v o n geblieben war, daß dem Gesangbuch mit den darzubringenden feststehenden Liedern zum Gottesdienst im Grunde ein innerer M aßstab für seine G estaltung mitgegeben ist. Andererseits aber wollten sie der dicht- und sangeSfreudigen Zeit entgegenkommen und nicht auf die großen Mengen neuer Lieder verzichten. D eshalb rechtfertigen alsbald Buchdrucker, Verleger oder Gesang­ buchherausgeber ihr V erfahren, neuen und „freien" geistlichen Liedern immer mehr Platz einzuräum en, durch den Zusatz zum Titel ihres Gesangbuches: „ J u r Beförderung des sowohl Kirchen- als Privatgottesdienstes" oder „Z ur P riv a t­ erbauung" oder dgl. Trotz dieser Hinweise ist eS allerdings für den heutigen Hymnologen schwierig, im Einzelfall „Kirchengesangbuch" und „privates HauSgesangbuch" überzeugend voneinander abzuheben. Geschichtlich ist eö mehr oder weniger doch so gewesen, daß diese Unterscheidung in der Hauptsache nur auf dem Papier getroffen worden ist. I n der P raxis des gemeindlichen Lebens wurden die „Privatgesangbücher" oft nur zu schnell eben doch zu Kirchengesangbüchern, während die Gesangbücher, die von Hause aus den T itel „Kirchengesangbuch" beanspruchen konnten, eben­ falls ausgiebig zum Hausgebrauch herangezogen wurden. Dennoch ist die Ab­ sicht, Kirchen- und Privatgesangbvch unterscheiden zu wollen, aufschlußreich. S ie blieb fü r die weitere Gesangbuchgeschichte nicht ohne entscheidende Folgen. Konnte man sich nämlich auf den Privatcharakter zurückziehen, so w ar der Weg dazu freigemacht, daß Gesangbücher jetzt in erheblicher Weise von der üblichen Form und dem allgemein gewohnten In h a lt abweichen konnten. S o konnten jetzt z. B . bestimmte „M odedichter" oder gewisse Hofprediger und sonstige kirch­ liche W ürdenträger ungehindert mit ihren Liederdichtereien zu W orte kom m en"). “ ) Vgl. dazu unten S . 33. n ) V gl. schon die aufschlußreiche „unverbindliche" Überschrift dieses Liederteiles: „Psalmen und geistliche Lieder, welche von frommen Christen gemacht und zusammengelesen sind." *4) ES ist beachtenswert, daß sich die gleiche Zweiteilung eines Gesangbuches selbst noch 1673 in Wittenberg (hrSg. v. Ulich) findet. „Der ander Teil" dieses Werkes ist überschrieben: „Gesänge, welche die Cantorey pflegt für den Thüren zu fingen." I n ihm finden sich vor allem eine Anzahl von JesuSliedern. “ ) Ein typisches Beispiel für die Bevorzugung eines einzelnen Liederdichters bietet daö Dresdener Gesangbuch 1673: „B orrat alter und neuer Gesänge. . gedruckt in Leipzig (darum fälschlicherweise häufig a ls „Leipziger Gesangbuch" zitiert). Hier wimmelt eS nur so von

Auch geschlossene, vollständig neue und für den Kirchengesang kaum zu ver­ wendende und wohl auch nicht bestimmte Liederzyklen vermochten sich einen — wenn auch nur vorübergehenden — Platz in Gesangbüchern zu erobern u. dgl. Erscheinungen mefor16). 4. R e ih c n g e sa n g b u c h — E in z e lg e sa n g b u c h

M it der eben aufgezeigten Unterscheidung von Kirchen- und Privatgesang­ büchern hat die folgende von Reihen- und Einzelgesangbüchern manche Züge gem einjöm 17). Beide Abgrenzungen decken sich aber nicht vollkommen. Reihengesangbücher nennt unsere Arbeit die Gesangbücher, die längere Jah r­ zehnte über an einem bestimmten Ort, zumeist bei ein und demselben Verleger, erschienen sind. Solche Bücher stellen also gleichsam immer neue, der Zeit ent­ sprechend veränderte A uflagen deö gleichen Gesangbuches dar. Gemäß der Ent­ stehung dieser Gesangbücher ist ohne weiteres einzusehen, daß sie trotz W and­ lungen im einzelnen dennoch eine besondere Art von Traditionsgebundenheit aufweisen. Es finden sich unter ihnen sowohl Reihen, die sich selbst a ls Kirchen­ gesangbücher bezeichnen wie auch andere Folgen, die laufend den H inw eis „zur Privatandacht" mit sich fü h ren " ). M it dem Begriff Einzelgesangbuch sollen dagegen die Liedersammlungen ge­ kennzeichnet werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ohne ersichtliche V orGesängen und einzelnen Reimstrophen deö Johann OleariuS, deö sog. „ArchihymnophiluS", eines Generalsuperintendenten von Halle/WeißenfelS. Die Hochschätzung seiner Liederdichtungen kam durchaus der eines „Modedichters" gleich. 1#) Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang z. 23. au f das Gesangbuch Mülheim 1686, daS — rote bereits andere Gesangbücher vor ihm — a ls geschlossene Gruppe 35 KatechiSmuSlieder au s „OesterreicherS Kantorbüchlein" (Oesterreicher gest. 1621) übernimmt. Für die unbeanstandete Aufnahme ganz neuer Teile in ein Gesangbuch mag genannt werden daS Gesangbuch Dresden 1694, das in unmittelbarem Anschluß an die sonst üblichen Lieder­ gruppen m it fortlaufender Nummernzählung folgende Abschnitte bringt: „Syrachische Lieder, Katechismuslieder und sabbatische Lieder von Johann Rist, Lieder zu den Sonntagsevangelien . . . Festlieder . . . (und a ls würdiger 23eschluß:) 100 anmutige und sonderbare Arien." Vgl. auch daS Crügersche Buch: „Praxis pietatis melica“ 1667 mit „Christoph RungenS 25 geistlichen Parodien über M artini Opitii 25 weltliche Arien". Näheres über die „Praxis piet. m el.“ vgl. unten S . 22, Anm. 20. 17) Begegnet schon die strengere Gegenüberstellung von Kirchen- und Hausgesangbüchern in der hymnologischen Literatur selten (w as wegen der fließenden Grenzen auch eine gewisse Berechtigung hat), so rührt die Einführung einer Unterscheidung von Reihen- und Einzelgesangbuch wie auch die Herausarbeitung der folgenden Gesangbuchgruppen von der Verfasserin selbst. ES schien der Verfasserin notwendig zu sein, zu solchen Bezeichnungen und Abgrenzungen zu greifen, um mit ihrer Hilfe die Mannigfaltigkeit der Gesangbuchformen und die verschiedenen EntwicklungSlinien innerhalb der Gesangbuchgeschichte deutlicher hervortreten zu lassen. N atür­ lich erheben derartige Unterscheidungen keinen Anspruch au f unbedingte Gültigkeit und all­ gemeine Verbindlichkeit. Sie sollen nicht mehr alö Arbeitöhypothesen sein. Ohne solche ist au f dem Gebiet der Hymnologie u. E. überhaupt nicht auszukommen. 18) Gute Beispiele solcher Gesangbuchreihen geben in unserer Arbeit die Gesangbücher von Dresden, Leipzig, Nürnberg, Lüneburg, Königsberg u. a.

ganger hervortraten und sich durch einen sich selbst nennenden „Verfasser" oder S a m m le r und durch ein deutlich ausgesprochenes") oder zumindest doch nach­ zuem pfindendes oder historisch nachzuweisendes spezielles „A nliegen" a u s­ zeichneten^). B edeutung und Absicht dieser Einzelgesangbücher, wie ihre Entle) Vgl. dazu die Vorreden zu ausgesprochen pietistischen wie rationalistischen Übet* gangsgcsangbüchern. Als Beispiel vgl. etwa zum Frcylinghausenschen Gesangbuch, Halle 1704, den T ite l: „Geistreiches Gesangbuch zur Erweckung heiliger Andacht . . . den Auöerwählten und Berufenen zur kräftigen Aufmunterung und Erweckung . . . " oder aus dem Rambachschen Gesangbuch, Hessen-Darmstadl 1733: „ . . . eine neue Ausfertigung . . welche sich durch ihre Einrichtung von allen vorigen Ausgaben unterscheidet. . . " *°) An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang das wichtige Buch von Johann Crüger zu nennen. Es erschien unter dem aufschlußreichen T ite l: „Praxis pietatis melica“ zum ersten­ m al 1646. Zu seiner Entstehung haben vor allem literarisch-zeitgeschichtliche Beweggründe ge­ führt. Eö sollte dazu dienen, dem bedeutenden Liederschaffen des Berliner Dichterkreises, allem voran den Liedern P a u l Gerhardts und Christoph RungeS, einen Platz im Gesangbuch ein­ zuräumen. Der neue Ton dieser Lieder, der der allgemeinen Zeitstimmung nach dem Kriege Rechnung trug, wird den Wunsch nach Aufnahme und Verbreitung dieser Lieder hervorgebracht und gefördert haben. Die weitere äußere Entwicklung dieses Einzelgesangbuches vollzog sich nach Art der Reihengesangbücher: es erreichte bei ständig wachsenden Liederzahlen biö 1736 nicht weniger a ls 45 „A uflagen". Besonders instruktiv ist die Geschichte des sog. „Hannoverschen Gesangbuches". Nachdem bis 1646 das Nürnberger Gesangbuch in Hannover in Geltung gewesen w ar, gaben in diesem J a h r zwei hannoversche Theologen, der Oberhofprediger und Generalsuperintendent Justus Gesenius und der Konsistorialrat David Denicke, ein neues Gesangbuch heraus. Auch sie wollten neuen Liedern Eingang in den Gemeindegesang verschaffen, vor allen Dingen den zahlreichen „Kreuz- und Trostliedern" des 30jährigen Krieges. Daneben verfolgten sie das Ziel, die Opitzschen Dichterregeln auch beim Kirchenlied in Anwendung zu bringen. Zu diesem Zweck dichteten sie selbst viele alte „holprige" Kirchengesänge tun und setzten ihre neuen „besseren" Fassungen jeweils vor die bisher gebräuchlichen. Als ein Beispiel für den Weg vieler anderer Gesangbücher ist daS äußere Geschick dieses hannoverschen Buches zu erwähnen. Seine i. Ausgabe trug den einfachen T itel: „Neu ordentlich Gesangbuch. M it fürstlichem Privileg . . . verlegt von Johann Frdr. Glasern. Hannover 1646." Schon die Tatsache, daß hier ein fürstliches Privilig in An­ spruch genommen wird, ist beachtenswert. Die 2. Auflage — bereits 1647 erschienen — ist heute nicht mehr aufzufinden. Dagegen ist die 3. Auflage von 1648 überschrieben: „Neu ordentlich Gesangbuch z u r B e f ö r d e r u n g d er P r iv a ta n d a c h t . . . nach Anweisung der anderen han­ noverschen Edition revidiert. . . Braunschwcig . . . bei Andreas Dunkern . . . 1648." Über den auffallenden Wechsel des Verlegers und Verlagsortes läßt sich nichts Genaueres sagen. Be­ obachtungen an anderen Gesangbüchern aus dem Raum Hannover — Celle — Lüneburg — Kalenberg — Göttingen legen die Vermutung nahe, daß es hier zu erheblichen Konkurrenzstreitigkeiten verschiedener angesehener Gesangbuchverleger gekommen sein muß. Wichtiger ist in unserem Zusammenhang aber die nachttägliche Hinzufügung des Vermerkes „zur Privatandacht". Demnach hatten also die tiefgreifenden Liederveränderungen durchaus nicht überall geneigte Aufnahme gefunden! Aber schon bei seinem nächsten Neudruck kann sich unser Gesang­ buch betiteln: „D as H a n n o v e rsc h e neu ordentliche Gesangbuch . . . 1652." Inzwischen war nämlich das Werk von Gesenius—Denicke in den Schulen a ls Schulgesangbuch eingeführt worden; danach konnte es nach eigenem Ermessen der verschiedenen P farrer Hannovers frei­ willig in den Kirchengemeinden im Gottesdienst gebraucht werden, bis es nicht länger als sechs Jahre nach seinem ersten Erscheinen und zu einem erstaunlich frühen Zeitpunkt innerhalb der allgemeinen Gesangbuchgeschichte in den Rang eines durch ein kirchliches Konsistorium amtlich eingeführten Gesangbuches emporgestiegen war. Die „schützende" und konservative Hand dieses Konsistoriums wird es auch bewirkt haben, daß Art und Liederbesiand dieses Ge­ sangbuches bis 1740(0 nahezu unverändert geblieben sind. Erst der Zwang äußerer Ereignisse —

Wicklung und Gestaltung ist eine sehr vielfältige. E s liegt auf der Hand, daß sie vorerst fast sämtlich die Versicherung ihres „Privatcharaktcrs" trugen oder z. T. noch nachträglich annehmen mußten. Wie zu vermuten ist, werden gerade diese Privatgesangbücher für die späteren Untersuchungen zu unserem Thema von be­ sonderem Interesse sein. 5. „ R e fo rm g e sa n g b ü c h e r"

Neben die Einzelgesangbücher treten andere Kirchenliedersammlungen, die man a ls „Reformgesangbücher" bezeichnen kann. Beide Gruppen sind in mancher B e ­ ziehung gleichartig. Auch die Reformgesangbücher sind daö Werk bestimmter Ver­ fasser, resp. Herausgeber, zumeist von Theologen, oft von höheren kirchlichen Würdenträgern. Ih ren „Reformanspruch" bringen sie aber deutlicher zum A u s­ druck a ls die Einzelgesangbücher. A us dem überkommenen M aterial sind haupt­ sächlich drei verschiedene Tendenzen, die solche Reformgesangbücher verfolgt haben, zu ersehen. D ie eine Gruppe von ihnen wollte der besseren Verständlich­ keit oder der stilistisch-ästhetischen Verbesserung des tradierten Liedgutes dienen. S ie brachte darum zusammen mit der „Originalform " oder unter Ausscheidung der alten Vorlagen neue Fassungen^). Durch eine derartige Umgießung in eine andere Form erfuhren jedoch — ob bewußt oder unbewußt, gewollt oder un­ gew ollt, wird sich kaum entscheiden lassen — die alten Kirchengesänge zum großen Teil nicht unerhebliche inhaltliche Veränderungen. Eine andere Richtung dieser Reformgesangbücher wurde durch ganz bestimmte Absichten, die aus dem Gebiet von Theologie und Frömmigkeit herrührten, bestimmt. S ie wendeten sich die Zusammenstellung eines neuen Gesangbuches in eigenmächtigem Vorgehen des hannover­ schen P farrers Peter Busch — führte endlich zu einer „Gesangbuchreform" auch in Hannover. Unter die besonders einflußreichen Einzelgesangbücher ist ferner zu zählen daS „Cantional oder Gesangbuch 1627", ein Werk deS berühmten Leipziger Thomaökantorö Johann Hermann Schein. Aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts sind a ls Einzelgesangbücher vor allem daö Freylinghausensche Gesangbuch Halle 1706 und 1714, daneben etwa daS Porstsche Gesangbuch, B erlin 171z (die früheren Ausgaben von 1708 und 1711 verschweigen noch den Namen deS H eraus­ gebers), zu nennen. W ir begegnen in ihnen Gesangbüchern, die ihren „pietistischen" Charakter selbst ausdrücklich hervorheben. „Unter dem Druck der Autorität von Halle" hat dabei das Freylinghausensche Gesangbuch seinen Liederbestand durch alle Auflagen hindurch fast un­ verändert beibehalten. Dieselbe Beobachtung machen wir auch bei dem Gesangbuch Herrnhut 1735 — einem P riv at­ gesangbuch der Herrnhuter Brüdergemeine —, daS seinen ursprünglichen S tam m teil u n ­ verändert beibehielt, seine verschiedenen Auflagen — als ein Spiegelbild der inneren Geschichte der Brüdergemeine — lediglich durch zahlreiche Anhänge und Zugaben erweiterte. S1) Ein Gesangbuch m it derartigem „Reformanliegen" begegnete unS bereits in dem Gesangbuchwcrk von GeseniuS—Denicke in Hannover. Besonders markante Beispiele solcher Liederverbesserungsversuche treten unS entgegen in dem Holsteinschen Gesangbuch 1681 deS Generalsuperintendenten Christian von Stöcken und in dem „Neu-verbefferteS Markgräfliches BranbenburgischeS Gesangbuch. . . Münchberg 1690", herausgegeben von dem Bayreuther Generalsuperintenben H . A. Stockfleth. Beachtenswert ist, daß beide Bücher zunächst unter fürstlichem Schutz offiziell in den Kirchengebrauch eingeführt wurden, dann aber doch a u f er­ regten Protest hin zurückgezogen werden mußten.

dabei z. T . nur an eine au sgew äh lte „ L e s e rs c h a fr " ^ ). Ein dritter K reis endlich richtete sein Interesse allein auf die gehaltliche S eite der Gesangbücher. Hierher gehörige „ R efo rm er" ^ ) verfolgten ihre „Besserungsziele" entweder durch dogmatische Korrekturen an den Liedern^) oder durch erklärende, d. h. in den meisten Fällen interpretierende, resp. uminterpretierende Ausätze in Form von G lossen am Fuß der Lieder oder der G esangbuchseiten^). Auch innerkonfessionelle 22) I n diesem Zusammenhang haben wir zum großen Teil noch einmal die Gesangbücher heranzuziehen, die wir im vorigen Abschnitt unter formalem Gesichtspunkt als Einzelgesang­ bücher gekennzeichnet haben. I n den pietistischen Gesangbüchern von Freylinghausen und Porst wird die Frontstellung gegen die „tote Kirche der Orthodoxie", gegen die „Kirche B abels", deutlich hervorgekehrt. Ih re Lieder sollten vor allem dem engen Kreis der „Bekehrten" dienen. Beide Gesangbücher haben aus diesem Grunde scharfe Angriffe über sich ergehen lassen müssen. V gl. dazu unten S . 25 Anm. 28 Ebenso zu nennen wären hier zahlreiche „rationalistische Übergangsgesangbücher" wie auch die eigentlichen rationalistischen Gesangbücher. Sie verdanken ihre Entstehung ähnlich wie die pietistischen Bücher dem Gefühl einer Diskrepanz zwischen dem überkommenen Lied- und Gesangbuchgut und dem „neuzeitigen" allgemeinen geistigen und kirchlichen „Lebenögefühl". Z. T. geht ihrer endgültigen Abfassung bereits eine intensiv geführte „Gesangbuchdebatte" vorauf. Interessant ist es zu sehen, wie man in Berlin die Gegensatze zwischen den beiden sich über­ schneidenden und einander ablösenden „Epochen" von Pietism us und RetionaliömuS a u s­ zugleichen und zu überbrücken versuchte. 1765 gab hier Johann Sam uel Diterich a ls Anhang (!) zum Porstschen Gesangbuch seine ausgesprochen aufklärerisch bestimmte S am m lu n g : „Lieder für den öffentlichen Gottesdienst" heraus. 23) An dieser Stelle wird deutlich, daß unsere These vom Gesangbuch als eines „Produktes der Gemeinde" (vgl. oben S . 7s.) einiger Erläuterungen bedürftig ist. Eö bleibt zwar auch bei den Reformgesangbüchern die Tatsache bestehen, daß der Hauptteil des gesammelten Lied­ gutes von Dichtern aus der Gemeinde stammt. Die Eingriffe, die sich die sog. „Gesangbuch­ reformer" jedoch bei der Wiedergabe und Auswahl der Terte erlaubten, gingen z. T. so weit, daß dadurch der Charakter ihrer Gesangbücher nicht unerheblich verändert wurde. Auf diese Weise haben wir eS an d iesen Stellen dann doch mehr oder weniger mit dem Werk eines Ein­ zelnen zu tun, das aber u. U. für unsere Untersuchung aufschlußreicher sein kann als die Fülle d e r Gesangbücher, die dem alt-eingefahrenen und darum in ihrer Zeit schon manchmal leicht antiquierten Gleis der allgemeinen Gesangbuchentwicklung folgte. 24) Dogmatische Liederänderungen unter sozinianischem Einfluß bringt z. B . da6 N ord­ häuser Gesangbuch von 1697, herausgegeben von Otto Christian DamiuS, daS sog. „Hohnsteinsche Gesangbuch". Auch separatistische Sonderrichtungen versuchten sich deS Gesangbuches zu bemächtigen, so etwa in dem Gesangbuch, daS die philadelphische (pietistisch-chiliastische) Ge­ sellschaft zu S ttaßb u rg 1705 herausgab. Diese und ähnliche extreme Gesangbücher wurden in unserer Arbeit nicht verwendet. S ie sollten aber anmerkungöweise vorgeführt werden, um ein Bild davon zu geben, au f welche Nebenwege die Gesangbuchentwicklung führen konnte. Für die Darstellung herangezogen wurde dagegen daS Gesangbuch, daS in Nordhausen 1735 neu erschien. I n dieser 4. Auflage eines älteren Bucheö wurden ca. 200 Lieder vorangehender Auflagen gestrichen, wobei vor allem die Lieder Luthers und der ReformationSzeit bettoffen wurden. Zum S tte it über dieses Gesangbuch vgl. die interessante Mitteilung bei G raff,a. a. O. I, S . 255: „ I n dem nun entstehenden S tte it w arf man dem Magistrat von Nordhausen vor . . . , daß man nicht nur die Poesie, sondern auch den In h a lt verwerfe, wo doch die öffentlichen Gesangbücher gleichsam ein „Anhang der symbolischen Bücher" seien . . ." 25) Zu den glossierten Gesangbüchern vgl. besonders die Königsberger Sam m lungen des 18. Jahrhunderts, ebenso daS Görlitzer Gesangbuch 1722: „Erklärter Liederschatz oder Gesang­ buch . . . " oder endlich unter dem aufschlußreichen T itel: „Evangelischer Liederschatz oder glossiertes großes WürttembergischeS Gesangbuch, darinnen großenteils alle bekannten . . .

„Versöhnungs"-Besirebungen treten bei einzelnen Gesangbüchern dieser Gruppe bereits zutage^). Es braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden, daß ebenfalls die Reformgesangbücher für unsere Fragestellung nach „Theologie und Fröm m igkeit" besonders ergiebige Quellen darstellen. 6.

„ P r iv ile g ie r te G e sa n g b ü c h e r" — „A m tlich e K irc h e n g e sa n g b ü c h e r"

Die bisher ausgezählten Gesangbuchgruppen sind — von ganz wenigen A u s­ nahmen abgesehen — dadurch verbunden, daß ihre einzelnen Gesangbücher, wie eingangs betont wurde, Privatunternehm en von Buchdruckern und Buchhändlern darstellen. D aran ändert auch die Tatsache nichts, daß eine große Anzahl von ihnen das T itelblatt m it dem auszeichnenden Vermerk: „m it fürstlichem (kur­ fürstlichem, markgräflichem, königlichem) Privileg" versehen konnte. Diese A rt Privilegierung hat sich auf die Gestaltung der Gesangbücher selbst in keiner Weise ausgewirkt. I h r kam offensichtlich lediglich zwei Funktionen zu: dem Fürsten gab sie das Bewußtsein, „neben . . . Landesfahne und . . . Uniformen der S o l­ daten (auch) das eigene privilegierte Gesangbuch"27) zu besitzen, dem geschäfts­ tüchtigen Verleger hingegen sicherte sie den Absatz seines Werkes. Trotzdem brachte im Laufe der Zeiten der Brauch der Privilegierungen von Gesangbüchern verschiedene Gefahren für die Gesangbuchgeschichte mit sich. Die größte w ar die, daß immer häufiger nur die Gesangbücher das Privileg erhielten, die dem Fürsten von seinem Hofprediger oder vom Konsistorium seines Gebietes vorgelegt wurden. Diese Entwicklung räum te nicht nur den Hofpredigern, Konsistorialräten und Generalsuperintendenten die Möglichkeit ein zu einschneidenden Eingriffen in die von ihnen propagierten oder selbst herausgegebenen Gesangbücher, sondern sie bahnte überhaupt eine neue S tu fe der Gesangbuchgeschichte an. Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert gingen nämlich die einzelnen Konsi­ storien dazu über, in den ihnen unterstehenden Gebieten ein bestimmtes, „privi­ legiertes^^«) Gesangbuch offiziell einzuführen und allgemein verbindlich zu machen29). D am it begann die Zeit der „amtlichen Kirchengesangbücher"^). I n einem sich zunächst noch langsam vollziehenden Prozeß drängten diese die privaten Kirchenlieder . . . mit Bemerkungen . . . sodann . . . einige Nutzanwendungen beigefügt. . . in 6 Teilen verfaßt ♦ . ." Tübingen . ♦ . 1730/1731/1734. 2#) Vgl. dazu schon das Rungesche Gesangbuch, Berlin 1635, da6 betontermaßen reformierte Lieder aufnim m t und selbst reformierte Liedänderungen (selbst beim „Vater-unser-Lied" Luthers und beim Lied über die 10 Gebote) bestehen läßt. Aus den ersten Jahrzehnten deS 18. J a h r­ hunderts ist aus dem preußischen R aum vor allem daS Berliner Gesangbuch von Carstedt, i. Auflage 1725, zu nennen, aus dem rheinischen Gebiet das luth. Gesangbuch Cleve 1701. 27) Mahrenholz, a. a. £>., S . 6. 28) Dabei ist zu beachten, daß jetzt immer stärker und bald ausschließlich die Kirchenbehörde Urheberin des Privilegs wird. Gelegentlich schalten sich auch die theologischen Fakultäten ein. Am bekanntesten ist das Wittenberger Gutachten von 1716, das bas Hallesche Gesangbuch au f die „Approbation" seiner Gesänge hin untersuchte. Vgl. unten S . 29, Anm. 42. 29) Nach D ibelius, a. a. O., S . 176 wurden offizielle Gesangbücher eingeführt z. B . in Hamburg 1700 (allg. Geltung erst 1710), Lübeck 1703, Pommern 1717, Berlin 1704 usw. 30) Vgl. zum ganzen: Mahrenholz, a. a. £>., S . 8f.

Liedersammlungen aus dem Kirchengebrauch immer mehr h e ra u s^ ); der freien Entwicklungsmöglichkeit in d er Form , wie sie für das 16. und 17. Jah rh u n d ert charakteristisch gewesen w ar, w ar damit ein Ende gesetzt. § z. T h e o lo g ie - u n d frö m m ig k e itS g c sc h ic h tlic h e B e m e rk u n g e n z u r ä u ß e r e n G e s ta ltu n g der G e sa n g b ü c h e r Die vorangehenden A usführungen zeigten an einigen Beispielen und durch Hinweise auf mancherlei Einzelzüge und Entwicklungslinien die verschiedenen K räfte und Tendenzen, die das Gesangbuch des 17. und beginnenden 18. J a h r ­ hunderts geformt und gestaltet haben. Sie alle sind gewiß keine zufälligen M o­ mente. Es ist darum nach ihrer eigentlichen Ursache und nach ihrer tieferen Be­ deutung zu fragen. D a s ist nötig, selbst wenn man sich vor Augen hält, daß mit veräußeren Gestalt der Gesangbücher nur e in e s von den m annigfaltigen, und zwar das am meisten am Rande liegende, Kennzeichen eines Gesangbuches und einer Gesangbuchentwicklung berührt wird. Unsere These, daß sich schon in der ä u ß e r e n Gesangbuchgestaltung Anhaltspunkte für eine bestehende, resp. im angegebenen Zeitraum immer stärker hervortretende, Problem atik von „Theologie und Frömmigkeit" aufzeigen lasten, gilt es im folgenden ausführlicher zu be­ legen. A us der Entstehung der Gesangbücher durch die Privatinitiative einzelner M änner erklärten wir die ungehinderten Entwicklungsmöglichkeiten und die stark differierenden Erscheinungsformen, durch die sich das Gesangbuch w ährend des ganzen 17. Jahrhunderts auszeichnete. Auf dieses Phänom en stoßen wir in einer Zeit, die auf theologisch-wissenschaftlichem Gebiet durch den „Geist der O rtho­ d o x ie "^ ) bestimmt w ar, eine Zeit der allgemein eingeführten Lehrverpflichtung auf bestimmte „Bekenntnisschriften", eine Zeit der „starren und engen Recht­ gläubigkeit". I s t es nicht eine erstaunliche Beobachtung, daß diese Zeit, die z. B . gegen ArndS „W ahres Christentum" mit allen nur denkbaren M itteln vorging, offenbar dem Gesangbuch alle eingeschlagenen Wege und auch Irrw ege gestattete, ohne überhaupt jem als den Versuch zu machen, einzelne Gesangbücher als „orthodox" auszuzeichnen, hingegen anderen das Lebensrecht durch ein „dam nam us“ oder ein „reiiciuntur“ abzusprechen? Wie ist dieses M ißverhältnis zwischen einer theologisch-dogmatischen Wissenschaft, die immer herausfordernder beanspruchte, als normgebend angesehen zu werden, und einer derartigen Un31) I m Zusammenhang mit dieser Entwicklung entstanden nun erst „HauSgesangbücher", „Privatgesangbücher" im eigentlichen, wörtlichen S in n . Nachdem schon Spener 1697 in den Theol. Bedenken IV, S . 321 den Vorschlag gemacht hatte, zwei Arten von Gesangbüchern ein­ zuführen, von denen das eine zum Kirchen-, das andere zum Hausgebrauch bestimmt sein sollte, führte ihn z. B . Johann Jakob Rambach praktisch durch, indem er nach seinem „Neu eingerichtetes Hessen-DarmstädtischeS Kirchengesangbuch . . . Darmstadt 1733" auch ein „Geist­ reiches Hausgesangbuch . . . zur Beförderung der HauSandacht ausgefertigt. . . Leipzig 1735" herausgab. Vgl. dazu unten S . 28, Anm. 38. 3$) Diese gängige, summarische Kennzeichnung, die gewiß eine Reihe von Wahrheilsmomenten enthält, die aber später mancherlei Korrekturen erfahren muß, sei hier gestattet.

gebundcnheit auf einem Gebiet, dem im Leben von Kirche und Gemeinde eine hohe B edeutung eignet, zu erklären? M an tu t der Orthodoxie Unrecht, wenn m an ihr generell ein fehlendes Interesse an allen gemeindlichen und gottesdienstlichen Fragen zur Last legt. W ir wissen z. B . von ernsthaften Bem ühungen dieser Zeit auf dem Gebiet der Homiletik und der Liturgik. E s ist auch — obwohl die Tendenz der Zeit darauf hinaus­ lä u f t— durchaus nicht allgemein der F all, daß die System atik alle anderen Form en und Disziplinen theologischer B etätigung aufgesogen hat. Allen Arbeiten der Orthodoxie — und eben gerade auch denen, die auf „praktisches" Gebiet führen — ist aber das Eine gemeinsam, daß sie mehr oder weniger im Bereich theoretisch­ wissenschaftlicher Erörterung verbleiben. Die Orthodoxie greift eigentlich nirgends über die alten mittelalterlich-scholastischen Anschauungen vom Betrieb theo­ logischer Wissenschaft h in au s; sie teilt denselben streng exklusiven Wiffenschaftsbegriff, der die Verfechter und Förderer eines Wissenschaftsgebietes fast wie zu einer Z unft zusammenschließt und sie dam it über andere erhebt, der das E r­ lernen und Handhaben tradierter Regeln und Methoden zur Voraussetzung hat und der geleistete wissenschaftliche Arbeit und Forschung prim är sich selbst, nämlich der Fortentwicklung und Reinerhaltung des betreffenden Gebietes, dienen la ß t33). Die Folgen eines solchen Verständnisses von theologischer Wissenschaft und Arbeit lassen sich leicht ausm alen. E s ist nicht zufällig, sondern hat hier seinen G rund, wenn die Orthodoxie die Gebiete des kirchlich-gemeindlichen Lebens, die ihrer Ansicht nach ihrem Wissenschaftsbetrieb nicht einzugliedern w aren34), gänz­ lich sich selbst überließ, ja , wenn sie vielleicht sogar meinte, sie ihrer eigenen E n t­ wicklung und ihren eigenen Gesetzen und Regeln nicht nur überlassen zu können, sondern vielmehr überlassen zu müssen. 3 n diesen ausgesparten R aum fiel — wie wir auS der Gesangbuchgeschichte zu schließen berechtigt sind — auch daS Gesang­ buch. D iente es vorwiegend dem großen Kreis von „Laien" in der Kirche, so hatte es sich anderer G estaltungsprinzipien a ls der der theologisch-dogmatischen Wissen­ schaft zu bedienen33), w oraus die herrschende Richtung in der Orthodoxie offenbar zu folgern schien, daß sie dam it von der Frage nach dem Gesangbuch überhaupt suspendiert sei. Auö diesem G runde hatten die privaten Gesangbuchunternehmen von der „orthodoxen" „Theologie" keinerlei Richtlinien direkter 2lrt36) oder “ ) Die ortf). Dogmatik empfand allerdings schon früh das Ungenügen eines solchen WiffenschaftsbegriffeS für die evg. Kirche, ohne jedoch im P r in z ip damit zu brechen, vgl. dazu unten S . ijo, Sinnt. 68. M) D ie Orthodoxie selbst hat die Unterscheidung zwischen den Regionen wissenschaftlicher Forschung und kirchlichen Lebens wie christlichen G laubens ausdrücklich hervorgehoben, so z. B . Calixt a ls „Vorläufer", H ollaz u. a. “ ) D aß dabei richtige Erkenntnisse mitsprechen, ist nicht zu übersehen; sie werden jedoch durch den falschen Ausgangspunkt gefährdet und dadurch eingeschränft, daß nirgends der b eid en Gebieten aufgegebene Dienst an der kirchlichen Verkündigung in s Auge gefaßt wird. ” ) D aß der in d ir e k te Einfluß der Orthodoxie a u f die Gestaltung von Gesangbüchern z. T . erheblich gewesen ist, wird sich bei der Betrachtung des Ausbaus der Gesangbücher ergeben, vgl. unten S . 52 ff., 56 s.

hemmende Einwirkungen zu erwarten. Erst wo sich diese Theologie durch einzelne Gesangbücher in ihren eigenen Grundlagen bedroht oder angegriffen sah, erhob sie durch den M u n d aufmerksamer Vertreter oder theologischer Fakultäten Ein­ spruch und versuchte, solche unliebsamen Bücher zu unterdrücken^). A u f einen teils ähnlich, teils aber auch anders gelagerten Fragenkomplex führt uns das beschriebene Phänomen des Aufkommens von sog. Privatgesangbüchern. M a n könnte geneigt sein, die Bezeichnung vieler Gesangbücher des 17. J a h r­ hunderts als Gesangbücher zum Privatgebrauch, zur Privatandacht, auf theologisch-kirchliche Gründe zurückführen zu sollen. Jedoch widerlegt die Gesang­ buchgeschichte solche A nnahm e; w ir konnten in der Regel nur recht profane M otive fü r die von den Buchdruckern und Herausgebern eingeführten Titelvermerke verantwortlich machen. Auch zu den sog. Privatgesangbüchern38) hat die Ortho­ doxie weder positiv noch negativ jemals Stellung bezogen38). Endlich sind diese Privatgesangbüchcr in Übereinstimmung mit den Einzel­ gesangbüchern dazu geeignet, gleichsam symptomatisch noch auf einen ganz anderen Komplex aufmerksam zu machen. Wie w ir aus dem Nam en und aus der Entstehungsgeschichte beider Gesangbuchgruppen entnehmen können, sind ihre Liedersammlungen stärker als andere Gesangbücher au f die „Bedürfnisse" ihrer Benutzer eingestellt. S ie wollen bewußt dem einzelnen Christen in seiner „privaten christlichen Sphäre" dienen. W ir stoßen hier also — und zwar zeitlich schon vom frühen 17. Jahrhundert an — auf Beweggründe aus dem Gebiet, das w ir in der Themastellung unserer Arbeit mit dem Sammelbegriff „Fröm m ig­ keit" oder auch „Religiosität" des Menschen belegten. Die schon lange vor der Zeit des Pietism us eingeführte „Aweckbezeichnung" „zur P riv a t-E rb a u u n g ", „zur Privat-Andacht" unterstreicht und bestätigt unsere Ausdeutung dieses Ab­ schnittes der Geschichte der äußeren Gesangbuchgestaltung. 37) Noch das anfängliche Widerstreben gegen das Hannoversche Gesangbuch erfolgte nicht aus theologischen Gründen. Überhaupt ist die Arbeit der „stilistischen Liederverbesserer" stets n u r au s traditionellen und aus G ründen der P ietä t kritisiert worden, ohne daß die zahllos d a m it verbundenen inhaltlichen M odifikationen bemerkt oder erörtert worden w ären. N u r die erwähnten dogmatischen Lieder- und Gcsangbuchverändcrungcn erfuhren, ebenso wie die ersten pietistischen Gesangbücher, th e o lo g is c h e n Widerstand. 38) I n diesem Zusammenhang wäre auch noch a u f die oben S . 2 6 , A n m . 31 erwähnte E n t­ stehung von „H ausgesangbüchern" im e n g e re n S in n einzugehen. D abei ist zu stagen, ob nicht wenigstens bei ihnen theologische Gesichtspunkte maßgebend gewesen sein könnten. D a ß sie hier ursprünglich mitgesprochen haben mögen, ist nicht zu verneinen. Trotzdem legen einige Beobachtungen ein vorsichtiges U rteil nahe. S o fü h rt z. B . Spener in seinen genannten A u s ­ führungen über die „zweyerley A rt der Gesangbücher" lediglich form ale Unterscheidungsmerk­ m ale an . Auch der Theologe Rambach macht 35 Jahre später noch keine weitergreifenden — und vor allen D ing en keinerlei theologischen — Gründe fü r seine Unterscheidung von Kirchenund Hausgesangbuch n a m h aft. 38) D a ß die Orthodoxie der „V o lk sftö m m ig keit" freie Entwicklungsmöglichkciten beließ, geht H an d in H an d m it d e m Umstand, daß sie selbst in hervorragenden Verfechtern der „reinen" „Lehre" (N ic o la i, Jo han n Gerhard u. a .) in einer eigenartigen Zweigleisigkeit zwischen „T h eo ­ lo g ie " und „Fröm m igkeit" zu leben und zu schreiben imstande w a r. M i t diesem P ro b le m werden w ir uns bei unseren Untersuchungen noch des öfteren zu beschäftigen haben.

Aus eine andere Linie führen uns dagegen die als „Reformgesangbücher" ge­ kennzeichneten Kirchenliedersammlungen, denen an dieser S telle auch ein Teil der Einzelgesangbücher zuzuordnen ist. Bei ihnen ist es zum erstenmal zu be­ obachten, wie sich die „Theologie" oder vielmehr eine zeitgeschichtlich abgegrenzte und bestimmte Richtung der Theologie des Gesangbuches bemächtigt. Die Gesang­ bücher von Porst, Freylinghausen u. a. sahen wir im Dienst des P ie tis m u s " ) stehen, andere Gesangbücher gehören der Aufklärung in ihren Früh- und S p ä tsorm en an, beide aber bringen ihre Gesangbücher heraus in bewußtem Gegensatz zu der durch die orthodoxe Theologie beherrschten Geisteöhaltung in Kirche und Gem einden. W as die Orthodoxie trotz ihrer Tendenz auf N orm ierung und Uni­ form ierung gerade nicht verfolgte, das wird im P ietism u s und anschließend in der A ufklärung Ereignis. Die gegen diese Gesangbücher erwachende Kritik der Orthodoxie verrät unö, daß in ihnen wirklich der Niederschlag von „T heologie"") zu empfinden ist, mit derem frem den, ja „gefährlichen" Geist sich die herrschende Kirchenlehre zu beschäftigen genötigt sa h "). I m einzelnen haben w ir unö endlich zum Abschluß dieses Abschnittes noch") m it der Frage der sog. „amtlichen Kirchengesangbücher" zu beschäftigen. Eö wäre nicht ganz zutreffend, wenn man aus der Tatsache, daß sie ihre Ein­ führung den einzelnen städtischen und langsam auch landeökirchlichen Konsistorien verdanken, die Folgerung ziehen w ürde, hier handele es sich also auch um Gesang­ bücher, die hauptsächlich von bestimmten — im einzelnen vielleicht unterschied­ lichen — theologischen „Richtungen" geprägt worden seien. Gewiß vollzieht sich ein theologisch bedeutsamer Akt, wenn in jener Zeit die Kirchenbehörden ihre Einflußsphäre und ihre Machtbefugnisse ständig vergrößern; bei ihren G esang­ buchentscheidungen haben w ir aber wohl selten m it G ründen, die wirklich a u s­ schließlich oder vorwiegend aus dem Gebiet der „Theologie" stammen, zu 40) Auf das Problem, inwieweit und inwiefem vom Pietism us a ls von einer „Theologie" zu reden ist, sei hier nur hingewiesen. V gl. dazu unten S . 55s. 41) D aß dem pietistischen Gesangbuch daneben in besonderer Weise Anliegen der Frömmigkeit, der religiösen Erbauung, am Herzen liegen, wurde ebenfalls schon auS der äußeren Entwick­ lungsgeschichte des Gesangbuches belegt (vgl. dazu oben S . 28). Dasselbe gilt auch fü r daö frühaufklärerische Gesangbuch, bei dem diese Komponente in der Regel viel zu wenig berück­ sichtigt wird. 4S) Taucht in den Gesangbuchauöeinandersetzungen und in Gesangbüchern selbst immer häufiger der Begriff der „approbierten Gesänge" au f, so ist er nicht mehr allein im ursprüng­ lichen S in n von „im G ottesdienst. . ." oder „in der Gemeinde erprobten Gesänge" zu ver­ stehen. H inter ihm läßt sich vielmehr der Gedanke vermuten, daß es sich um kirchlich-theologisch zensurierte und legitimierte Lieder handele. S o wird in Gesangbüchern um die Jahrhundert­ wende von „approbierten Gesängen" oft n u r im Zusammenhang mit der ausdrücklichen Forde­ rung nach einer Zensur der Lieder durch Theologen oder durch eine theologische Fakultät ge­ sprochen (vgl. dazu unten S . 37, Anm. 17). Ein deutlich theologisch-dogmatisches Interesse tritt also auch hier in Erscheinung. 43) Ein näheres Eingehen z. B . auf die privilegierten Gesangbücher kann unterlassen werden, zumal sich bei ihnen kaum einheitliche Gesichtspunkte werden finden lassen. Bei den erwähnten Gesangbüchern mit besonderen dogmatischen oder separatistischen Tendenzen, ist die „theo­ logische" Absicht von selbst zu ersehen.

rechnen. W as wir eingangs an kritischen Überlegungen zur Gesangbuchfrage überhaupt beibrachten, beobachten wir schon an den ersten amtlichen Kirchen­ gesangbüchern als dem historischen Quellpunkt der weiteren Entwicklung und bleibenden Problem atik der Gesangbuchgeschichte. Z u s a m m e n fa s s e n d dürfen wir konstatieren, daß sich schon an der äußeren Gestaltung der Gesangbücher unseres Zeitraumes — an ihrem Umfang, ihren T iteln, ihren einzelnen Gruppen — abzeichnet, wie das Gesangbuch weitgehend durch das Vorherrschen von einer der beiden Kräfte „Theologie" oder „Fröm m ig­ keit" bestimmt wird, wie das Kräftespiel zwischen beiden und — wie später zu zeigen sein wird — in Auseinandersetzung mit einer Theologie als „kritischer Funktion der Kirche" und einer w o r t g e b u n d e n e n Frömmigkeit zu den jew eils charakteristischen Erscheinungsformen in der Gesangbuchgeschichte führt.

2. K a p ite l

D er innere Aufbau der Gesangbücher § 4: Ein fü h ru n g 1. D ie a llg e m e in e B e d e u tu n g der L ie d e ra n o rd n u n g in den G e sa n g b ü c h e rn

N u r ganz vereinzelt berühren hymnologische Arbeiten der Vergangenheit die Frage des Gesangbuchaufbaues*). Reproduzieren sie zwar gelegentlich einm al ein Inhaltsverzeichnis, d. h. ein Verzeichnis der dargebotenen Liederrubriken^) eines Gesangbuches, so verm ißt man doch in der Regel eine A usdeutung davon ganzb). D am it hat sich die bisherige Gesangbuchforschung auch an diesem P unkt die Möglichkeit, eine Fülle von theologie- und frömmigkeitSgeschichtlichen B e­ obachtungen und Hinweisen sammeln zu können, entgehen lassen. A us demselben Grunde ist es nicht verwunderlich, wenn in der Gesangbuch­ debatte unserer Zeit der Satz vertreten werden konnte: „Die Reihenfolge, in der die Lieder in einem Gesangbuch stehen, ist von sekundärer B edeutung*)." I n dieser Form ulierung spricht sich klar ein Denken au s, das in einem Gesangbuch im Grunde nicht mehr als eine Liedersammlung sieht und das ohne den Blick *) „Gesangbuchaufbau" wird in unseren Untersuchungen stets im S in n von „Liederanord­ nung", „Aufeinanderfolge und Benennung der verschiedenen Liederrubriken" verstanden werden. Die oft beigegebenen Gebetbücher oder angebundenen anderen ErbauungSschriftchen können nicht berücksichtigt werden, obwohl auch ihr Vorhandensein und ihre Art mancherlei interessante Beobachtungen zulassen würden. a) Wird in unserer Arbeit vom Inhaltsverzeichnis eines Gesangbuches geredet, so ist immer dieses Verzeichnis der L iedergruppen gemeint. 3) Eine ernsthafte, umfassende Berücksichtigung jener Frage des Gesangbuchaufbaus be­ gegnete der Verfasserin nur in der vorzüglichen Dissertation von Führer: „Die Gesangbücher der S ta d t Königsberg". Diss. theol. Königsberg 1927. Vgl. auch auf diesem Gebiet die ersten grundlegenden Ausführungen bei Mahrenholz, a. a. O., S . 45 ff. 4) Metzger: „Zur Einführung des EKG . . ." Rede v. 31. 3. 1950. S . 7.

au f sein Ganze» — und erst in diesem Ganzen de» Gesangbuches kann fein eigentliche» Wesen, sein eigentlicher Charakter erfaßt werden — zu einer ad­ äquaten theologischen W ertung schwerlich befähigt ist. D a s 17. und 18. Jahrhundert hat in der Frage nach W ert und Bedeutung de» Gesangbuchaufbaues anders gedacht und gehandelt. I n den Gesangbuchvorreden auS dieser Zeit begegnen uns nicht selten Hinweise und B egründungen, in welcher Weise und auö welchem Grunde das betreffende Gesangbuch in der vor­ liegenden Form aufgebaut sei. S o schreibt etwa das Gesangbuch B onn 1612, daß seine christlichen Gesänge „fein nach d er O r d n u n g d er christlichen G e ­ m eine^) auö vielen Gesangbüchern zusammen gezogen . . ." seien, und da» C antional von Jo h an n H erm ann Schein fü h rt au s, daß „die M aterien . . . (sc. der Lieder) . . . nach den W erk en G o tte s in eine feine richtige O rdnung gebracht" worden feien**6). Bezeichnenderweise treten in den folgenden Jahrzehnten de» 17. Ja h rh u n d erts diese Begründungen de» Gesangbuchaufbaueö zunächst wieder zurück. W ir finden höchsten» eine B erufung auf ein andere», offensichtlich schon bekannter gewordenes Gesangbuch. Diese Beobachtung entspricht genau dem Weg de» Gesangbuches zum P riv at- und Einzelgesangbuch, vom stärker gottesdienstlich bestimmten Buch zum Erbauungsbuch de» einzelnen Christen. Um so folgerichtiger stellen sich zu B eginn des 18. Jah rhundert», besonder» in der Gruppe der sog. „Reformgesangbücher", in den Vorreden wieder Gedanken über den inneren Aufbau der neu herausgegebenen Bücher ein. I m Freylinghausenfchen Gesangbuch z. B . steht zu lesen: „D ie O rdnung der Rubriken be­ treffend, so ist dieselbe einigermaßen so eingerichtet, wie e» die O e c o n o m ie u n s e re r S e lig k e it erfordert und mit sich b rin g t. . . " 7), während die Vorrede zum Porstschen Gesangbuch a u sfü h rt: „W as die O rdnung der M aterien betrifft, so ist dieselbe nach der O r d n u n g d es H e i l s , so wie sie der sel. D. S pener in seiner lautern Milch vorgestellet . . .""). Eine besonder» ausführliche und au f­ schlußreiche Einleitung in die Grundsätze seiner Gesangbuchgestaltung gibt ‘) Die Hauptgesichtspunkte und Argumente der Gesangbuchherausgeber sind von der Verfafferin durch die Sperrungen besonders kenntlich gemacht. *) Nach den eingehenden Ausführungen dieser Gesangbuchvorrede ist es nicht schwierig, sich di« einzelnen Liederrubriken zu rekonstruieren. Eö ist zu beachten, wie hier ein einheitlicher „theologischer" Gedanke, nämlich der von den Werken Gottes und seinem Gnadenhandeln, den Gesangbuchaufbau bestimmt. 7) V g l. die Fortsetzung der mitgeteilten S te lle : „D ieses, geliebter Leser, ist die Ordnung, deren man sich in der Einrichtung dieses Gesangbuches bedienen w olle, welches nicht nur zu deinem Unterricht und Besserung dich lehren kann, sondem auch diesen Vorteil mit sich bringt, baß du die Lieder, welche sich zu jeder Materie des Christentums schicken, desto leichter. . . finden kannst." •) V g l. auch hier die Fortsetzung, die für spätere Bettachtungen von besonderem Wert ist: „ . . . nach der Ordnung deS H eils . . . und handelt erstlich von G ott, so der Urheber des H eils, von Christo, so baS Heil erworben, vom hl. Geist, welcher eS zugeeignet. Hernach von den M itteln des H eils von seiten G ottes und der Menschen. Ferner von den Gütern des H eils und von den Pflichten derer, so deS H eils teilhaftig worden und endlich von bet Einführung in den völligen Genuß des H eils in der Ewigkeit." V gl. dazu unten S . 46 s.

R am bach in der Vorrede zu seinem Kirchengesangbuch von H essen-D arm stadt 1733: „ . . . der Zweck (näm lich bei H erausgabe jenes G esangbuches) (ist) nicht gewesen . . . , eine vollständige S a m m lu n g von alten und neuen Liedern . . . zu liefern , sintem al m an gänzlich dafür h ält, daß es bei einem guten Gesangbuch nicht sow ohl auf die Z ahl, a ls a u f die W ahl der Lieder und auf die O rdnung und V ollständigkeit der Rubriken ankom m e. D ie O rdnung . . . ist so beschaffen, daß dieses Gesangbuch m it allem Recht eine theologia dogmatica und moralis in hymnis genennet werden könnte^)." D ie zitierten Teile aus ® efangbud)t>om ben910) bestätigen die B eh au p tu n g, daß dem 1 7 ./18 . Jahrhundert selbst die Frage eines „richtigen" G esangbuch­ au fb au es wichtig und eingehender Erörterungen w ert w ar. D ie Ü berlegungen, die jene Zeit anstellte, w urden so ausführlich m itgeteilt, w eil sie für unsere Unter­ suchung in zweifacher Hinsicht von B edeutung sind. S ie geben uns a u f der einen S e ite entscheidende A nhaltspunkte über die A rt, wie die Fülle der verschieden angelegten Gesangbücher in bestimmte G ruppen, die jew eils durch e i n e n be­ sonders hervorstechenden Zug gekennzeichnet sind, zusam m engefaßt werden können. A u f der anderen S e ite führen sie schon ganz unm ittelbar a u f d ie P r o ­ blem e, m it denen es unser Them a zu tun hat. B ereits die summarischen Ziel­ setzungen der G esangbuchvorreden, wie etw a: „nach der O rdnung der G e­ meine . . . " , „nach den Werken G o tte s" , „nach der Oeconom ie unserer S eligkeit" oder „eine theologia dogmatica und moralis in hymnis", lasten erkennen, daß m it der Liederanordnung, den N am en und dem A ufbau der Rubriken eines G e­ sangbuches eine wesentliche Vorentscheidung über seinen Charakter und d. h. über die Frage nach dem V erh ältn is von „T heologie und Fröm m igkeit" in ihm ge9) Wichtig tn diesem Zusammenhang ist auch die Vorrede des Gesangbuches S tu ttg a rt 1740, wo es in H 7 heißt: „ . . . M an hoffet beides, die Glaubenslehren und die Lebenspflichten in einen solchen systematischen Zusammenhang und besonders die praktische Materie von der Buße, Glauben und Heiligung in eine solche reale Ordnung nach Beweisung der Gnade Gottes in ihren Wirkungen und Früchten, gesetzt zu haben, daß solches den Lesern (!) zu guter Anweisung werde dienen können." Endlich ist noch anzuführen das Gesangbuch Nordhausen 1735, das betont: „ . . . von dessen (nämlich des Gesangbuches) Beschaffenheit man vorjetzo nur gantz kürtzlich melden solle, daß solches überhaupt nach den G rundsätzen der T h e o lo g ie u n d der O rd n u n g d e s H e ils eingerichtet se i. . 10) Die aufgezählten Beispiele führen die erwähnte Bedeutsamkeit der Gesangbuchvorreden klar vor Augen. Allerdings sind sie nur mit einer gewissen Vorsicht zu benutzen. G ar nicht selten begegnet man hier nämlich der beachtenswerten Erscheinung, daß die angegebene Absicht eines Gesangbuches und das dann tatsächlich in ihm mitgeteilte Liedgut in einem eigenartigen M iß­ verhältnis zueinander stehen. Ein besonders plastisches Bild geben solche Gesangbücher, die mehrere Vorreden hintereinander abdrucken und damit implicit alle ihre V orläufer oder vermeintlichen Vorläufer mitvorführen. D as Wittenberger Gesangbuch von 1733 bringt z. B. nicht weniger als 7 Vorreden: die 3 vorhandenen Vorreden Luthers zu Gesangbüchern seiner Zeit, anschließend die Vorreden stüherer „Auflagen" des Wittenberger Gesangbuches von Abraham Calov, Caspar Löscher, Gottlieb Werndorff und endlich die neue von Jo h an n Georg Abicht, dem damaligen Generalsuperintendenten von Wittenberg. Allein schon die offensicht­ liche Absicht, eine bestimmte Traditionsreihe für das vorliegende Buch aufzustellen, ist inter­ essant und vielleicht besonders für Wittenberg charakteristisch.

troffen worden ist. Ih re A rt und Bedeutung wird erst voll erkennbar, wenn wir im folgenden den Aufbau der verschiedenen Gesangbücher im einzelnen be­ trachten. 2. D e r in n e r e A u fb a u d e s G e sa n g b u c h e s u m 1 6 1 0

Auch unsere A usführungen über den in n e r e n Aufbau der Gesangbücher unseres Zeitraum es haben wir mit einem geschichtlichen Rückblick einzuleiten. I n diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Betrachtung des Lutherschen G e­ sangbuches von 1545, des sog.Babstschen Gesangbuches, der gegebene Einsatzpunkt. D enn dieses Buch ist nicht nur wegen seines Liederbestandes, wegen seiner Lied­ au sw ahl, sondern ebenso wegen seiner L ie d eran o rd n u n g und seiner B enennun­ gen der einzelnen Liedergruppen von grundlegender Bedeutung. A uf die Unter­ teilung dieses Gesangbuches in 2 H auptteile, einen „ S ta m m -" und einen „A n­ hangsteil", wurde schon hingewiesen. F ür die Beschäftigung mit den Gesangbuch­ rubriken ist nur der S tam m teil von Interesse. E s finden sich in ihm 5 H au p t­ gruppen, die z. T . noch besondere Unterabteilungen haben: I. 1. Festlieder 2. Katechismuslieder (in der Reihenfolge von Luthers Kleinem Katechismus an­ geordnet: 10 Gebote, Glaube, Vater unser, Taufe, Abendmahl.) 3. Etliche Psalm en zu geistlichen Liedern 4. Lobgesang, Litanei u. dgl. (also die liturgischen Gesänge) II. Andere der unsern Lieder III. Lieder frommer Christen vor unserer Zeit IV. Heilige Lieder au s der Schrift V. Begräbnislieder.

Gesangbücher späterer Zeit heben zwar die int Babstschen Gesangbuch ge­ troffene, zum größten Teil auö literarischen Gesichtspunkten hergeleitete Unter­ scheidung in die 5 H auptgruppen au f, sie folgen jedoch in der Regel w ährend des ganzen 16. Jah rh u n d erts der Rubrikenbezeichnung und -anordnung der 1. H au p t­ gruppe dieses Buches**). Auch das Gesangbuch um 1610, das seinem inneren A ufbau nach noch über eine ziemlich einheitliche Gestalt verfügt, folgt im wesentlichen dem „S chem a" des Babstschen Gesangbuches. A ls Beispiel mag das N ürnberger Gesangbuch von 1624, erschienen bei W agem ann, dienen. Seine 173 Gesänge sind in 7 G ru p ­ pen zusam m engefaßt, die die Überschriften ttagen : 1. Festlieder 2. KatechiömuSlieder 3. Psalmen D a v id s" ) n ) Zur weiteren Geschichte des Gesangbuchaufbaues während der 2. H älfte des 16. Jahr­ hunderts vgl. Mahrenholz, a. a. O ., 47 ff. " ) Unser Beispiel, daS um viele andere zu vermehren wäre, zeigt, baß die besondere Gruppe der Psalmlieder, die im allgemeinen alö ein Charakteristikum der reformierten Gesangbücher angesehen wird, lange Zeit hindurch auch in lutherischen Büchern zu finden ist. M ahrenholz, a. a. £>., S . 49, führt ihr Verschwinden aus den lutherischen Gesangbüchern auf 3 Gründe zu-

4. 5. 6. 7.

Lehr-, Trost-, Bel- und Lobgesänge1S) Morgen- und Abendgesänge Klag- und Trostgesänge, vom Tod, Begräbnis, Auferstehung und jüngstem Tage Litanei, Kyrie, Gloria.

Unter den 7 genannten Liedergruppen entsprechen 5 genau denen de6 Babstschen G esangbuches. M it den Bezeichnungen „Lehr-, Trost-, B et- und Lobgesänge" und „M orgen- und Abendgesänge" tauchen jedoch neue A bteilungen auf. S ie w eisen darauf hin, daß auch fü r die in n e r e G estaltung der Gesangbücher die beiden ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts eine Wende und den A n fan g einer neuen Entwicklung darstellen. 3. D e r Ü b e rg a n g zu e in e r E n tw ic k lu n g v ersc h ie d e n e r „ A u fb a u -T y p e n " d e s G e sa n g b u c h e s nach 1610

D er um das Jah r 1610 anhebende neue Abschnitt in der Geschichte des inneren G esangbuchaufbaues ist dadurch gekennzeichnet, daß er an alte Form en anknüpft, diese w eiterführt und weiterentwickelt und daß er darüber hinaus neuen Form en und Bestrebungen der G esangbuchgestaltung zum Leben verhilft. Auch a u f inhaltlichem G ebiet lassen sich dabei ebenso wie auf dem der äußeren G e­ staltung für den Zeitraum bis etw a 1700, dem Auftreten des eigentlichen pietistischen G esangbuches^), keine streng voneinander abgegrenzten Abschnitte in der Gesangbuchgeschichte ausm achen. I n dieser Zeit finden sich mancherlei ver­ schiedene Form en des G esangbuchaufbaues nebeneinander. Trotzdem läßt sich aufzeigen, wie die vielfältige Entwicklung von 2 H a u p t t e n d e n z e n voran­ getrieben worden ist. G leichsam symptomatisch treten sie z. B . im M arburger Gesangbuch von 1646 hervor. I n dem Register dieses Buches erscheinen zu­ nächst die altbekannten Liedergruppen und zw ar in der R eih en folge: rück: „ . . . weil die Böhmischen Brüder (die auf dem Wege über das wichtige Gesangbuch Frankfurt/Oder 1569 die Einteilung der lutherischen Gesangbücher maßgeblich beeinflußt haben) keine Psalmliedergruppe kennen, sodann, weil später der vollständige Beckersche Psalter manchen lutherischen Gesangbüchern als geschlossene Sam m lung vorgebunden oder beigegeben wird . . . , schließlich, weil die Psalmlieder in das folgende 4. Kapitel mit einbezogen und unter bestimmte Überschriften gestellt werden." 13) Diese Gruppe ersetzt die früheren „liturgischen Gesänge". Nach Mahrenholz, a. a. O. S . 49/ Anm. 38, zeigt die „Überschrift . . . den Einfluß der Gesangbücher der Böhm. Brüder 1531 und 1544, die die „Lobgesänge", „Lehrgesänge" und „Beigesänge" jeweils als eigen» Abschnittstitel führen". H) D aß wir vom pietistischen Gesangbuch im engeren S in n erst in der Zeit um 1700 reden, darf angesichts der Tatsache, daß die Kirchengeschicbte die „Epoche" des Pietism us allgemein m it dem Ja h r 1675 beginnen läßt, nicht verwundern. Es ist eine geistes- und literargeschichtliche durchaus allgemeine Erscheinung, daß neue Geistesrichtungen zu größerer Breitenwirkung und zu allgemeinerer Anerkennung erst Jahre und Jahrzehnte nach ihrer „Geburtsstunde" gelangen. Daneben ist aber auch zugleich a u f das andere Phänomen zu verweisen, daß sich geistesgeschicht­ liche (theologie- und ftömmigkeitsgeschichtliche einbegriffen) und kulturelle Wandlungen schon lange Zeit v o r ihrem eigentlichen Durchbruch in gemeinsamen charakteristischen Erscheinungen aufzeigen lassen. Diese Beobachtung wird uns besonders interessante Fragen hinsichtlich unsers Themas aufgeben (vgl. dazu oben S . 16 s.).

1. 2. 3. 4. 8.

Liturgische Gesänge Festlieber KatechiSmuSlieber Psalmlieder Leichgesängc.

Zwischen diesen Rubriken begegnen neue Überschriften: ; . Geistliche Lehrgesänge, von etlichen vornehmen Glaubensartikeln 6. B et-, Klag- und Büßlieder, allerhand Zuständ und Anliegen 7. Lob- und Danklieder, beneben den Morgen- und Abend-, item Tisch-, HauS- und Reiseliedern.

E s ist nicht schwer zu ersehen, welche neuen Gebiete mit diesen Liedergruppen betreten werden. Die 5. Abteilung dieses Gesangbuches läß t ein gesteigertes Interesse an den G laubensartikeln, an den geistlichen Lehren merken. Die 6. und 7. Gruppe hingegen schafft dem Bestreben R aum , der Gemeinde, und d. h. in diesem F all genauer dem einzelnen Christen, in „allerhand Juständ und A n­ liegen" mit geistlichen Liedern zur H and zu gehen. D am it haben w ir die beiden Hauptentwicklungslinien fü r den Gesangbuchaufbau im 17. Jah rhundert zu Gesichte bekommen. W ir wenden uns im folgenden zunächst der Betrachtung der ersten Richtung zu, lassen dann Erörterungen über die zweite Bewegung folgen und schließen endlich Überlegungen zu Gesangbuchformen nach der J a h r ­ hundertwende an. § 5. D a s G e sa n g b u c h zw isch en 1610 u n d 17Z5 in se in em in n e r e n A u f ­ bau 1. G esa n g b ü ch er d e s 17. J a h r h u n d e r t s a l s „ c o m p e n d ia lo c o r u m t h e o l o g ic o r u m “

I n einem Abriß zur Geschichte der Entwicklung des Gesangbuchaufbaues wäre es ungenau, den Zug eines gesteigerten Lehrinteresses, den wir als die ei ne G e­ staltungskraft der inneren E n tfaltu n g des Gesangbuches aufwiesen, erst m it den Gesangbüchern des späteren 17. Jahrhunderts anheben zu lassen. A uf die besondere Liedergruppe der „Lehrgesänge" bei den Böhmischen B rüdern und ihren Einfluß auf lutherische Gesangbücher wurde schon aufmerksam gemacht. Eine Einzelgruppe „L ehrpsalm en oder Gesänge . . . " begegnet auf lutherischem Boden z. B . in den beiden Gesangbüchern von B onn aus den Jah ren 1561 und 1612, während sonst in der Regel vorerst aus verschiedenen Rubriken des Gesang­ buches der Böhmischen B rüder eine gemeinsame Abteilung unter der Überschrift: „Lehr-, Trost-, Bet- und Lobgesänge" gebildet rourbe15). An dieser Zusam m en­ fassung läß t sich ablesen, daß das Interesse an den Lehrliedern zu B eginn des 17. Jah rh u n d erts im lutherischen Gesangbuch zwar vorhanden, aber noch nicht in bestimmter Richtung vereinseitigt ist. DaS wird besonders deutlich am B onner Gesangbuch von 1612, in dem die vollständige Überschrift über die umfangreiche „Lehrliedergruppe" lau tet: „Lehrpsalmen oder Gesänge, und erstlich wie der S ü n der wieder zu G naden kom m t." A ls Lehrpsalmen oder Lehrgesänge hat die ll) Eine solche Liebergruppe begegnete schon im Gesangbuch Nürnberg 1624, vgl. oben S . 33 f.

Frühzeit der Gesangbuchgeschichte also vorwiegend diejenigen Liedergruppcn ver­ standen, die der resormatischen Verkündigung, der Hauptlchre Luthers, dienen w o llten "). B ehalten w ir diese ursprüngliche Funktion der „Lehrlieder" im Auge, so zeigt sich auf diesem H intergrund deutlich, wie in späteren Jahrzehnten diese Abteilung deS Gesangbuches im m er mehr ins wirklich Lehrhafte verschoben wird. Schon im N ürnberger Gesangbuch von 1645 wird eine auffällige Unterscheidung getroffen zwischen Liedern „vom K atechism us" und einer anderen Hauptgruppe m it der Über­ schrift: „viel schöne tröstliche Gesäng, so unserm Katechismo und Christlichem G lauben gleichförmig sind". Einleuchtender noch wird diese im engeren S in n lehrhafte Tendenz, wenn das Leipziger Gesangbuch 1638 und 1651 nach den K atechism usliedern über eine Anzahl von Liederrubriken die bezeichnende Über­ schrift setzt: „Rückständiger Artikul Lieder", oder wenn das Rigisch-Livländische Gesangbuch au s dem J a h r 1680 in seinem 3. Teil „Katechism us-, Lehr- und Unterweisungslieder . . ." bringt, dem erst als 4. Teil „G laubenslieder", a ls 5. T eil „G ebetslieder" usw. angefügt werden. Auch in den Gesangbuchvorreden dieser Zeit können wir die aufgezeigte E nt­ wicklung gut verfolgen. B ereits 1638 rühm t sich das Leipziger Gesangbuch, den ganzen Katechismus in schöne Lieder gebracht zu haben, und fäh rt fo rt: „Wie denn auch die a n d e r n geistreichen Gesänge unter andere Titel gesetzet eben die L ehre treiben, so in den A rticuln der Augsburgischen Confessio», Apologiae und Formulae Concordiae bekennet worden." 1671 sieht sich OleariuS in der Vorrede seiner „Geistlichen Singekunst" zu der Klarstellung veranlaßt: „D aß zw ar die Kirchen-Gesänge eine denckwürdige Wiederholung seyn der öffentlichen Lehre, so in unseren Kirchen getrieben wird . . . Allein sie sind deßwegen keine S ym bola oder G laubenS-B ekäntnuß, w oran m an auch nicht ein W örtlein ändern möchte oder w orauß alsbald die Einigkeit oder Uneinigkeit in dem G laubens­ grunde unfehlbar zu schließen. . . " Einen Schritt weiter geht das Lilienthalsche Gesangbuch, Königsberg 1723. Der 3. Paragraph der Vorrede dieses Buches fü h rt a u s : „D enn da sind anfänglich geistreiche Lieder eines der allerbequemsten M ittel, die Erkenntnis göttlicher W ahrheit und die daraus fließende wahre G o tt­ seligkeit unter den Menschen zu befördern . . . um deswillen auch ein andrer Lehrer die Lieder locos communes oder H auptartikul christlicher Lehre fü r die Laien, imgleichen die kleine Bibel genennet hat . . ." D en Schlußpunkt dieser Entwicklung fü h rt uns die Vorrede von Caspar Löscher im W ittenberger Gesang­ buch 1733 vor Augen, wenn er dort schreibt: „N un sind Gesangbücher ein An­ hang von symbolischen Büchern, als welche der gantzen Lutherischen und E van­ gelischen Kirche Lehr und B ekäntniß darthun und also billig rein und unverfälscht *•) Eine letzte Nachwirkung dieses Verständnisses findet sich im Nürnberger Gesangbuch von 1660, in dessen „Lehrlieber"-Gruppe a ls die beiden ersten Liedüberschriften zu finden sind: „V on Fall und Erlösung deS menschlichen Geschlechtes" und „Schönes Lied vom Unterscheid des Gesetzes und des E vangelium s, wie auch von der gnädigen Rechtfertigung durch den Glauben und von dessen Früchten".

erhalten werden m üssen. . . " 17). Kirchenlieder und geistliche Gesänge insgesam t sind hier offenbar m it den früher besonderen Abteilungen der Lehrlieder gleich­ gesetzt. Nach d iesem Verständnis eignet dem Gesangbuch also keine andere Funktion als den anderen Formen christlicher Lehre und kirchlicher Unterweisung. Allerdings stellt sich bei Betrachtung der Gesangbuchregister — und zw ar auch des Inhaltsverzeichnisses des so anspruchsvoll eingeleiteten W ittenberger Gesang­ buches — heraus, daß jenes P rogram m eines reinen Lehrgesangbuches niem als durchgeführt worden ist und auch nirgends durchgeführt werden konnte. Den dargestellten W andel im G esan g b u ch v erstän d n is verfolgen w ir nun weiter im Blick auf den G esangbuchaufbau im einzelnen. Jen er W andel läß t sich ablesen in dem Aufkommen neuer Liederrubriken, die zumeist analog zu systematischen loci theologici gebildet und benannt w urden, und an einer GewichtSverschiebung innerhalb des Gesangbuchgefüges insgesam t. Geschichtlich setzte diese Fortbildung an zwei verschiedenen S tellen des Gesangbuches ein. A ls erstes mußte sich die Gruppe der Katechismuslieder Erweiterungen ge­ fallen lassen. S o tauchen neue Liederrubriken auf, die jedoch zunächst noch ganz im Rahmen des Lutherschen Katechismus bleiben. Schon früh im 16. Jah rh u n d ert beginnt man von den 6 Hauptstücken des Katechismus zu reben18) und schiebt zwischen die T auf- und Abendmahlslieder die B u ß - und Beichtlieder ein. An sie schließt sich häufig eine kleine Liedergruppe unter der Überschrift: „V o n der tröstlichen Absolution" oder „V on den Schlüsseln des H im m elreiches". A uf die Abendmahlslieder folgen, ebenfalls in Parallele zu Luthers K atechism us, nicht selten Lieder zur H austafel. M it diesen neuen Abteilungen werden weitere „M aterien" in V erbindung ge­ bracht. „Lehrlieder" im S inne von „reformatorischen Lehrliedern" werden in einer Liedgruppe „V on der Rechtfertigung" gesammelt, die die Gesangbuchherausgeber bald durchgängig auf die B uß- und Beichtlieder folgen lassen. Die Lieder zur H austafel werden um die Tischlieder oder ähnliche Rubriken erweitert. Auch Predigtlieder werden z. T . im Katechismusteil gesondert darg eb o ten "). I m 17) Nach diesem Grundsatz tadelt das Wittenberger Gesangbuch andere Liedersammlungen, „weil die meisten Gesangbücher ohne richtige und gültige Censur gedruckt und publiciret werden. . und hebt im Blick a u f sein eigenes Buch die Tassache hervor: „Und diese und andere Ursachen mehr haben den Verleger dieses neu ebirten Wittenberger Gesangbuches. . . bewogen. . . , so viel möglich, behutsam zu gehen. Er h a t . . . absonderlich in Wiederholung der i. Edition, a ls des rechten Wittenberger Gesangbuches, die Direktion und Sorge einer reinen und unverdäch­ tigen Theologie erbeten . . . " . Es mag bei diesen Ausführungen allerdings dahingestellt sein, ob ihre extteme Formulierung nicht zum großen Teil au f das Konto W ittenbergs allein zu setzen ist. Vgl. dazu oben S . 29, Anm. 42. " ) Dgl. im Cantional von Schein 1627 die Überschriften „A us dem heil. CatechiSmo: Die 6 Hauptstück christlicher Lehr." Weitere Belege zu diesem und den folgenden Abschnitten vgl. in der Dissertation der Verfasserin. ls) A ls Beispiel eines ausgedehnten KatechiSmuSteileS mit ca. 80 Liedern sei die Gliederung deS 3. Hauptabschnittes des Nürnberger Gesangbuches von 1645 m itgeteilt: III. Dom Katechismus 10 Gebote Taufe Predigtlieder Abendlieder Wetterlieder Glauben Absolution KatechiSmuSlieder allg. Tischlieber H austafel. Vater unser Abendmahl Morgenlieber

einzelnen vollzieht sich die Entw icklung in so vielerlei Form en, daß es genügt, die gem einsam en Züge und H intergründe der V eränderungen im K atechism u steil des G esangbuches im 17. Jahrhundert klargestellt zu haben. D ie Tendenz, im m er mehr „Lehrstoff" in zusam m engefaßten neuen Lieder­ gruppen in s Gesangbuch aufzunehm en, beschränkt sich aber nicht a u f den alten H auptabschnitt der K atechism uslieder. E s begegnen vielmehr w ährend des ganzen 17. Jahrhunderts, ja , bis w eit in s 18. Jahrhundert hinein, viele G esang­ bücher, die den K atechism usabschnitt völlig unangetastet taffen 20) , d. h. in ihm lediglich Lieder zu den 5 Hauptstücken aufführen. D a fü r erscheinen dann Er­ w eiterungen an anderen S te lle n , zumeist im Anschluß an den K atech ism u steil. I n der R egel bilden diese Gesangbücher keine weiteren H auptgruppen mehr, sondern lassen in Einzelrubriken aufeinanderfolgen die schon genannten Lieder „ V o n der Beichte und B u ß e" und „ V o n der R echtfertigung". D a zu kom men Lieder „ V o n der K irche"^) und „ V o m W ort G ottes" . M it einer gewissen E in ­ schränkung sind im Zusam m enhang der nach Art der loci theologici gebildeten Gesangbuchrubriken auch die Gruppen „ V o m christlichen Leben und W andel" und „ V o n Kreuz und A nfechtung"22) zu nennen23). 20) Diese „traditionelle" H altung ist um so beachtenswerter, als bei den meisten Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts die aus dem Babstschen Gesangbuch herrührende Unterteilung in ca. 6 Hauptgruppen aufgegeben ist. Aufschlußreich ist ferner die Tatsache, daß dagegen in pietistischen oder pietistisch geprägten Gesangbüchern nicht nur der Katechismusteil selbst, sondern auch die meisten Gruppen dieses ,^Liedcorpus" fortgefallen sind. 21) Mahrenholz, a. a. O., S . 49, Anm. 60 a, macht darauf aufmerksam, daß die Gruppe der Lieber „V on der Kirche" zuerst im Zusammenhang m it den Liedergruppen „W ider Papst und Türken" und „V on Kreuz, Verfolgung und Anfechtung" auftauchen, wobei also offenbar alle drei Gruppen ihre Entstehung unmittelbar den Notzeiten des 30 jährigen Krieges verdanken. Erst a ls diese Art von Iusammenordnung aufgegeben wird, erhält auch die Rubrik „V on der Kirche" unverkennbar den Charakter eines locus theologiae. ” ) 3 n diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,daß auch die altprotesiantische Dogmatik in ihren Systemen Loci wie „de cruce et consolatione“, „de invocatione“, „de libertate christiana“, „de nova obedienta“ u. dgl. brachte. Die Gesangbücher mögen also in ihren ent­ sprechenden Liedergruppen gelegentlich auch hier einen „lehrhaften" Zug aufweisen. I n der Regel jedoch führen die genannten beiden Rubriken in andere Entwicklungslinien. Vgl. dazu unten S . 4 0 f., 4 3 s , 50s. u. ö. 2ä) A ls ein „klassisches" Beispiel für derartige Erweiterungen in anderen Teilen des Gesang­ buches ist das Buch Leipzig 1651 anzuführen. Die Gliederung dieses Buches ist auffällig ein­ fach: 1. Festlieder. 2. Katechismuslieder (nach den 5 Hauptstücken, lediglich unter Einschluß der Büßlieder). 3. Rückständiger Artikul Lieder. I n diesem 3. Teil sind alle übrigen und die neuen Liedergruppen gesammelt: Von der Rechtfertigung des S ünders vor Gott Von Lob und Danksagung Vom christlichen Leben und Wandel Von Kreuz, Verfolgung, Anfechtung (mit Unter­ gruppen) Vom Worte Gottes und der christlichen Kirche Von den heiligen Ständen und Orden Gottes (m it einz. Aufzählung)

Morgen- und Abendgesänge Tischgesänge Vom Tod und Sterben Vom Begräbnis Vom jüngsten Tag und ewigem Leben Die deutsche Litanei D as gülden A.B.C.

Wurde auf diese Weise das Gesangbuch des 17. Jahrhunderts um mancherlei „Lehrstoff"-bringende Gesangbuchrubriken bereichert, so ist hervorzuheben, daß es sich hierbei — im Gegensatz zu späteren Zeiten — noch um keinen bewußten G estaltungsw illen und systematisch begründeten Aufbauplan gehandelt haben w ird ^ ). Um den ständig wachsenden Liederzahlen einigermaßen die Übersichtlich­ keit zu wahren, war das Gesangbuch deö 17. Jahrhunderts genötigt, neue zu­ sammenfassende Liedergruppen zu bilden. Dabei lag es einem Teil dieser G esang­ bücher offensichtlich am nächsten, sie mit den Termini theologischer Loci zu kenn­ zeichnen. Zur zusammenfassenden Veranschaulichung bringen wir a ls Beispiel für die Gruppenbenennungen von Liedern, wie sie in gleicher oder ähnlicher Form in zahllosen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts zu finden sind, das In h a lts­ verzeichnis des Dresdener Gesangbuches von 1622: D resden 1622: Register Festlieder (m it Unterabteilungen für die einzelnen Feste und Festzeiten) KatechiSmuSlieder Zehn Gebote G lauben Vater unser Von der hl. Taufe Von der Buße und Bekehrung Von der tröstlichen Absolution Von der Rechtfertigung Vom hl. Abendmahl Danksagungen und Lobgesänge V om christlichen Leben und W andel V on der christlichen Kirche Litanei V on Kreuz, Verfolgung und Anfechtung I n teurer Zeit und Hungersnot Wider den Papst und den Türken V on der Pestilenz, in Sterbensläusten V om Tod und Sterben V om Begräbnis der Verstorbenen Dom jüngsten Tag und ewigen Leben Morgen- und Abendgesänge Tischgesänge Für die Früchte des Landes . . . um schön Wetter Reiselieder Wiegenlieder 2°) (Psalm en D avids) u ) V gl. im Gegensatz dazu das von Mahrenholz, a. a. £>♦, S . 50, Anm. 62, mitgeteilte Bei­ spiel des Stettiner Gesangbuches von 1576. 3 n ihm werden in den Gruppenbezeichnungen wirk­ liche loci theologici geboten, wie etw a: „Vom Wesen G ottes" . . . „Von der Schöpfung" . . . „Von Fall und Erlösung" . . . „Vom Gesetz" . . . „Vom Evangelium" usw. Bezeichnender­ weise setzte sich eine solche Ordnung im 16. und 17. Jahrhundert sonst noch nicht durch. 26) Die drei letzten Liedergruppen weisen schon stärker au f Gesangbuchtendenzen, die im folgenden Abschnitt unserer Untersuchung näher beschrieben werden.

2. G esangbücher deS 17. J a h r h u n d e r t s a ls L L e d e rs am m lu n g e n f ü r „ a lle r h a n d Auständ und A n lie g e n "

W ie w ir am Beispiel deö M arburger Gesangbuches festgestellt haben^), prägt neben dem Interesse an lehrliedmäßigen Gruppen gleichzeitig^) eine andere und ebenso bezeichnende Absicht die geschichtliche Entwicklung des inneren Gesangbuchaufbaues im 17. Jahrhundert. Diese zweite Richtung in der E n t­ faltu n g des Gesangbuchaufbaues ergab sich aus der Notwendigkeit, dem zahlen­ mäßigen Überhandnehmen der „Hauslieder" Rechnung tragen zu müssen. Dieses Überhandnehmen der „H auslieder" wiederum erklärt sich — wie z. T . schon kurz angedeutet — auS der Tatsache, daß im 17. Jahrhundert immer mehr das ganze menschliche Leben in seiner Alltäglichkeit in die geistlichen Lieder hineingezogen wurde. Alle Möglichkeiten eines christlichen Lebens in N o t- und Freudenzeiten, in Gefahren und Anfechtungen, alle Aufgaben und Pflichten eines solchen Lebens, alle menschlichen Versprechen und Wünsche, kurz, alle nur möglichen „Iu stän d und Anliegen" des Menschen waren nach und nach zum Gegenstand der „geistlichen" Liederdichtung geworden. Aus dem anschaulichen Spiegelbild, das uns die Gesangbuchregisier von dieser Entwicklung geben, seien einige Einzelzüge herausgegriffen. S o wird jetzt z. B . aus den Liedern zur H austafel eine umfangreiche, selbständige Rubrik, die fü r jeden S tan d und fü r alle Lebensalter die geeigneten Lieder zu bringen bemüht ist. D ie Lieder zum „christlichen Leben und W andel" werden — ihren vielfältigen neuen In h a lte n gemäß — in mancherlei Sondergruppen aufgeteilt, oder eö werden neue hierhergehörige Gruppen gebildet, während daneben die alte Rubrik unter demselben Namen scheinbar unverändert das ganze 17. und frühe 18. J a h r­ hundert hindurch fortgeführt wird. I n der aus früheren Gesangbüchern über­ kommenen Liedergruppe „ V o n Kreuz, V erfolgung und A n fe c h tu n g "^ ) werden nun die einzelnen Anlässe der N o t: Krieg, Pest, Krankheit, Unwetter u. dgl. in einzelnen Rubriken oder Unterabteilungen gesondert benannt. Auch zu ganz " ) V g l. oben S . 34 s. ,7) Diese Gleichzeitigkeit der beiden Entwicklungölinien ist besonders zu unterstreichen. Sie ist nicht nur bei Gesangbüchern, die in größter zeitlicher und räumlicher Nähe entstanden sind, zu beobachten. Darüber hinausgehend können auch in vielen Fällen beide Kräfte in einem Ge­ sangbuch vereint wirksam gefunden werden. " ) Aufschlußreich ist der W andel im Verständnis dieser Liedergruppe. AuS der ursprüng­ lichen Iusammenordnung m it den Liedergruppen „V o m Papst und vom Türken" und „V o n der Kirche" (vgl. dazu oben S . 38, Anm. 21) läßt sich ihre Entstehung in der Kriegs- und GegenreformationSzeit mit ihrer Gewissensnot und Glaubensanfechtung erschließen. Dieser Bezug tritt schon seit der M itte des Jahrhunderts immer mehr in den Hintergrund. S o bringt z. B . das Leipziger Gesangbuch von 1651 unter dem Haupttitel „V o n Kreuz, Verfolgung und An­ fechtung" die gleichsam interpretierenden Untergruppen: „V o n der Anfechtung des Fleisches / V o n der W elt Bosheit / Vo n des Teufels List / Von Landplagen insgemein / V o n Land­ plagen in sonderheit." Dementsprechend lautet in späteren Gesangbüchern die Hauptüber­ schrift häufiger: „V o n N o t, Kreuz und Anfechtung" (wobei allem Anschein nach die drei Begriffe als Synonyme empfunden wurden) oder schließlich sogar: „Von Not und Elend des Menschen."

speziellen Anlässen werden Gruppen gebildet, wie „W iegenlieder", „Rciselieder", „Brautlieder" u. dgl. Bezeichnungen jeigen29). D ie in dieser Weise entstandenen „Licdersammlungen für allerhand Zuständ und Anliegen" machen auf die fortschreitende Individualisierung und S p eziali­ sierung der Gesangbücher im 17. Jahrhundert au fm erk sam ^ ). S ie sind ebenso wie die Gesangbücher a ls „c o m p e n d ia locorum th e o lo g ic o ru m “ Zeichen einer fortschreitenden Entfrem dung des Gesangbuches von seiner gottesdienstlichen Aufgabe. D aß damit aber nicht generell ein Abrücken von den überkommenen alten Formen verbunden fein m uß, zeigt das schon genannte Dresdener Gesang­ buch: „V orrat alter und neuer Gesänge" 1673. I n ihm erscheinen die bekannten Rubrikenbezeichnungen früherer Zeiten als Überschriften von Hauptabschnitten, während in den zahllosen Untergruppen der bezeichnete Zug zur In d ivid uali­ sierung und Spezialisierung aufö eindrücklichste zur G eltung und Ausprägung kommt. Eine Reproduktion seines Inhaltsverzeichnisses soll ein zusammen­ fassendes B ild von Liedersammlungen dieser Art vermitteln. Dresden 1673: Register Festlieber (m it Unterabteilungen für die einzelnen Feste und Festzeiten, darunter a ls 18. Gruppe: Lieder für Wochen-, M onat- und Jahreszeiten) Katechismuslieder 1. Iehn Gebote 2. Glauben 3. V ater unser / Dom Gebet a) Litanei b) Gebete wider allgemeines Böses a ls : Krieg Teuerung Pest und Seuchen Gewitter Winde Verfolgung c) absonderliches Kreuz und Widerwärtigkeit Krankheit Anfechtung d) um allgemeines Gute a ls beim Gottesdienst um Frieden um gut Wetter c) um absonderlichen Schutz des Morgens ____________ des M ittags *•) Diese Liedergruppen stammen z. T . schon aus dem Gesangbuch des endenden 16. J a h r­ hunderts, wo sie a ls angehängte „HauSlieder" den Beschluß deS Gesangbuches bildeten. 30) ES ist dabei aber dem M ißverständnis vorzubeugen, baß die Aufgliederung der Gesang­ bücher nach lehrhaften und nach individuell-menschlichen Interessen der Unterscheidung in Kirchen- und Privatgesangbücher entspräche oder etwa ein a llg e m e in e s Entwicklungsgesetz der Gesangbuchgeschichte wiedergäbe. Ein gutes Gegenbeispiel bietet daS Privalgesangbuch CrügerS, die „Praxis pietatis melica“. Dieses Buch beweist in Liederzahl und -auSwahl eine hervorragende Offenheit für alle Neuheiten der Zeit, in seinem Aufbau jedoch verttitt eS noch in seinen spätesten Auflagen eine fast ttaditionell und — im Vergleich mit seinem differenzierten In h a lt — simpel anmutende Form.

4. 5.

6. 7.

8.

des Abends vor Effenö nach Effenö bei Reisen 0 Danksagung insgemein nach dem Regen nach Ungewitter für Frieden im Frühling in der Ernte Geburtstag nach Krankheit nach Pest nach Reise n Taufe Buße, Beichte, Rechtfertigung Christliches Leben und W andel, da man betet wider den Geiz die Wollust den Ehrgeiz um Unschuld Gemütsruhe Christi Liebe Liebe des Nächsten Geduld und Demut wider Eitelkeit Sicherheit tägliche kurze Seufzer Abendmahl Christliche Kirche und deren 3 Hauptstände a) Lehrstand in Kirche und Schuten b) Wehrstand, der Obrigkeit c) Nährstand, der Untertanen, Eheleute . . . Wiegenlieder Lieder der W itwen der Jünglinge und Jungfrauen der Handelsleute. . . Von den letzten Dingen a) V om Beschluß des Lebens oder Tod und Begräbnis b) Vom Beschluß der W elt oder von der Auferstehung und jüngstem Gericht c) Von der Hölle d) V om ewigen Leben. 3. „Pietistische A n lie g e n " im G e s a n g b u c h a u fb a u des 17. und frü h e n 18. J a h r h u n d e r t s

Schließt man nach dem durchgängigen Allgemeinverständnis vom „Wesen des P ietism u s" auf das pietistische Gesangbuch, so steht zu vermuten, daß es in be­ sonderer Weise die Linie der Liedergruppen „ fü r allerhand Iuständ und Anliegen" fortführen w ird, allerdings m it der Einschränkung, daß diese „Zuständ und A n ­ liegen" jetzt in pietistischer A rt modifiziert sein werden. Solche pietistischen A n­ liegen, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts wie in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts im Gesangbuch tatsächlich spürbar werden, beschäftigen sich

weniger mit den äußeren Ereignissen des menschlichen Lebens; sie zielen vielmehr bewußt auf den C hristenm enschen, auf sein Gemüt und seine G esinnung, auf den Zustand seines G laubens und seines christlichen Lebens^). Eine derartige Absicht hebt z. B . die Vorrede zum Königsberger Gesangbuch von 1744 (hrSg. von R ogall) ausdrücklich hervor, wenn sie schreibt: „E s wird hier eine S a m m ­ lung erbaulicher Lieder . . . vorgelegt, brauche dieselbe zu deiner Erbauung und Erweckung zum Lobe Gotteö dergestalt. . . , daß du aus der M enge dieser Lieder dir diejenigen erwählest, die sich für deinen Zustand schicken . . . 32)." Es ist leicht einzusehen, daß in pietistisch bestimmten Gesangbüchern, die sich noch an ältere Formen des Gesangbuchaufbaues anlehnen, vor allem die Rubrik „V om christlichen Leben und W andel" Liedern und Unterabteilungen mit „pietistischen Anliegen" R aum geben mußte. Eine solche Auflockerung und Um­ formung jener Liedergruppe läß t sich z. B . von 1660 an in den Nürnberger Gesangbüchern beobachten, also eine beträchtliche Zeit vor Erscheinen des ersten eigentlichen pietistischen Gesangbuches. D ie Ausgabe von 1690 bringt selbst den H in w eis: „Der IV. T eil begreift S tan d -, Am t- und B eru fs-, wie auch Lehrund Tugendlieder33), von Führung eines christlichen Lebens und eines gottseligen W andels". A ls Unterabteilungen begegnen Liedergruppen wie „V om Beruf und Amt wahrer Christen insgemein34) Lehrpsalmen und Tugendlieder, vom heiligen Leben und christlichen W andel Christliche Lebensregeln 8l) Liedergruppen, die auffallend vom allgemein Üblichen abweichen und in diese „pietistische" Richtung tendieren, bringt das S traßburger Gesangbuch von 1635. 3 n seinem 3. Abschnitt m it den „Schristgesängen" stoßen wir u. a. auf die folgenden Unterabteilungen: Von der Rechtfertigung des S ü n d ers Von der Beicht und B uß Vom neuen Gehorsam nach der B u ß Vom Glauben Von der Liebe Von der Geduld Von der Hoffnung Vom Abdank der W elt und Tötung des Fleisches Wider die Sicherheit der Welt Von der christlichen Kirche. . . Dieser kurze Auszug au s dem S traßburger Gesangbuch ist daneben trefflich geeignet, unsere These von der Relevanz der Gesangbuchgeschichte sowohl für die Theologie- wie auch für die Frömmigkeitögeschichte zu erhärten. Denn wie unser Beispiel zeigt, lassen sich der Einfluß Bucers und die engen Beziehungen S traß b u rg s zu den Anfängen des Pietism us auch a u s der Gesangbuchgestaltung ablesen. 3t) Vgl. dazu auch oben S . 31, Anm. 7. 33) Es ist im folgenden zu beachten, wie bereits einzelne Begriffe und Formulierungen au s Dokumenten dieser Zeit au f die innere Verwandtschaft von pietistischem und aufklärerischem Geist und Lebensgefühl hinweisen, vgl. dazu unten S . 65. 34) Aufschlußreich ist eö, daß diese Liedgruppe auf die Rubriken über die 3 Stände folgt: den allgemein menschlichen S tä n d m und Lebenöordnungen wird also „B eruf und Amt w a h r e r Christen" gegenübergestellt. Bei den pietistischen Liedergruppen ist überhaupt besonders a u f die Appositionen „christlich", „w ahr", „recht", „geistlich" u. a. zu achten. I . T . machen erst sie das pietistische Anliegen einer Liedergruppe evident.

Vom Kam pf des G laubens Don der Seelenpflege Von christlicher Zufriedenheit Aufmunterung zur Seelenfreud Um christliche Geduld B on der Aufrichtigkeit wider G ott Von der Ergebung in G ottes gnädigen Willen . .

D ie B eispiele solcher „pietisiisch" klingender Liedergruppen ließen sich a u s den Gesangbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts reichlich mehren. D ie charakterisiische Form seines A u fb au es gew innt das pietisiische Gesangbuch jedoch dort, w o es die B in d u n g an die früheren Gesangbuchgestalten überhaupt aufgibt. S t a t t weiterer Einzelbeispiele soll der A ufriß d e s Gesangbuches m itgeteilt w erden, das nahezu a ls pietistisches „Stam m gesangbuch" zu bezeichnen ist und dessen R ubrikenbenennungen für den pietisiischen und nachpietistischen G esan g­ buchaufbau von grundlegender B edeutung geworden sind: Gesangbuch Halle 1704/1714, hrSg. von Io h . Anastasius Freylinghausen. „ In h a lt deS ganzen Gesangbuches oder der Materien, davon die Lieber handeln": 1. Von der Zukunft Christi ins Fleisch oder Adventslieder 2. Don der Zukunft Christi zum Gericht 3. Don der Menschwerdung und Geburt C hristi") 4. Neu-JahrSlieder 5. Don Jesu und dessen mannigfaltigen Namen und Ämtern 6. AufS Fest der Erscheinung Christi 7. AufS Fest der Reinigung M ariä 8. AufS Fest der Verkündigung M ariä 9. Vom Leiden und Sterben Jesu Christi 10. Vom Begräbnis Jesu Christi 11. Von der Auferstehung Jesu Christi 12. Von der Himm elfahrt Jesu Christi 13. Vom heiligen Geist und dessen mannigfaltigen Gaben und Wirkungen oder Pfingstlieder 14. Vom göttlichen Wesen und Eigenschaften oder aufs Fest der heiligen Dreieinigkeit 15. Aufs Fest Johannes des T äufers 16. AufS Fest der Heimsuchung M ariä 17. Von den heiligen Engeln oder aufS Fest Michaelis 18. Von der Leutseligkeit GotteS und Christi 19. Von den Werken der Schöpfung und der daraus herfürleuchtenden göttlichen Liebe und Herrlichkeit 20. Von der göttlichen Vorsorge und Regierung 21. Vom göttlichen W ort 22. Von der heiligen Taufe 23. Vom heiligen Abendmahl 24. Vom wahren und falschen Christentum 25. Vom menschlichen Elend und Verderben 26. Von der wahren Buße und Bekehrung 27. Vom wahren Glauben 28. Vom christlichen Leben und Wandel 29. Vom Gebet 30. Don der geistlichen Wachsamkeit " ) Liedergruppen, die auch in Gesangbüchern anderer ^Prägung und Entstehungözeit in gleicher Form geläufig sind, werden eingerückt zitiert.

31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 53.

Vom geistlichen Kampf und Sieg Don der Keuschheit Von der Verleugnung sein selbst und der W ) 16 ( 0,8) 3 i ( 3/4) 14 (2 ,2 ) } 87 ( 5/8 ) 7 ( 2,5) 21 ( 7/6 )

35 ( 5/4)

45 (16/O) 5 ( 2/)) - ( - )

89 (14/)) 266 (13,3) j-452 (28,3) 107 ( 5/4 ) i i ( i/ 7 ) 100 ( 5,0) - ( - ) - ( - )

144 ( 9 /6 )

270 ( i 3/ 5) 207 ( 23/0 ) 95 ( 15/ 5) 58 ( 6 a )

-

( - )

') Zahlen in Klammern geben den Prozentwert wieder Werben die Anteile der Liedergruppen b und c sowie d bis g als inhaltlich verwandte Gruppen zusammengezählt, so entsteht folgendes Ergebnis: Buß-, Recht­ fertigungslieber (v.H.)

Chr. Leben — Danklieder (v.H.)

37/0

6/5

36,0 36/)

11,2

- 5/6 21,1

Festlieder (v. H.) i. 2. 3. 4. 5.

Dresden Dresden Dresden Lüneburg Berlin (Porst)

1 6 2 2 ............... 1 6 5 6 ............... 1 6 7 3 ............... 1 6 9 4 ............... 1 7 1 3 ...............

23,5 19/0

5/8 9/3

8/1

37,9 37/2 44/9

Dieselbe Entwicklung stellte aber andererseits die Gesangbuchherausgeber auch hier«*) vor die Aufgabe, neue Gruppenbezeichnungen für die Fülle der neu­ aufgenom m enen Dichtungen zu finden. Die Betrachtung der Liederrubriken, die auf diese Weise entstanden, ließ die aus dem S trukturw andel des P hänom ens „Fröm m igkeit" zu erwartende „Individualisierung" und „Spezialisierung" des Gesangbuches deutlich erkennen. A ls weitere Folge ergibt sich daraus die E r­ scheinung, daß das lutherische Kirchengesangbuch im 17. und 18. Jah rh u n d ert immer ausgeprägter den Charakter eines Erbauungsbuches62) annim m t und sich in A rt und Entwicklung der vorausgehenden und der gleichzeitigen aszetischen L iteratur immer mehr angleicht^). G ibt schon allein dieser W andel des Gesangbuches zum Erbauungsbuch zu denken, so führt erst recht die Beschäftigung mit den Überschriften und der A n­ ordnung der neugebildeten Liedergruppen auf eine Reihe von fröm m igkeitsgeschichtlich aufschlußreichen Beobachtungen und bedeutsamen Fragen. Auf Einzel­ heiten werden wir im III. H auptteil unserer Untersuchung eingehen, da w ir uns an dieser Stelle zur Aufgabe gesetzt haben, generell und grundsätzlich über das P roblem „Frömmigkeit" im lutherischen Gesangbuch und besonders in seinem A ufbau zu handeln. Sprachen w ir bisher allgemein von einem „S trukturw andel" des P hänom ens „Fröm m igkeit", wiesen wir nach, daß sich seine Ausdrucks- und Erscheinungsformen gegenüber der reformatorisch-biblischen Frömmigkeit grund­ legend verändert haben, so läß t sich diese „neue" „Frömmigkeit" noch differen­ zieren. Die Form ulierungen in den verschiedenen Gesangbuchregistern zeigen nämlich, wie die Frömmigkeit, die menschliche Religiosität, der wir hier im 17. und frühen 18. Jahrhundert allenthalben begegnen, wesentlich in zwei Richtungen verläuft. A uf der einen Seite verfolgt sie ethisch-moralische Absichten^), w ährend “ ) V gl. dazu oben S . 39. •#) Diesen Wandel des Gesangbuches zum Erbauungsbuch taffen besonders früh die Ge­ sangbuchvorreden merken, wenn sie sich ausschließlich und ausdrücklich an den Leser wenden. •3) Ein interessantes Beispiel dieser Art bietet Heinrich M üllers „Geistliche Seelenmusik", Rostock 1659. Dieses Buch bringt nach 10 ausgedehnten Betrachtungen über geistliche Lieder und nach des VerfafferS 10 „geistlichen Liebesliedern" (d. h. JesuSliedern) ein vollständiges Gesangbuch mit 400 N ummern, daS nach der ausdrücklichen Betonung M üllers der Rubrikeneinteilung des Nürnberger Gesangbuches folge. Die hervorgehobene enge Bindung an eine übernommene Gesangbucheinteilung hindert unseren „frühpietistischen" ErbauungSschriststeller und Liedersammler jedoch nicht, Unterabteilungen zu den einzelnen Liedergruppen zu bilden, deren Überschriften zu seiner Zeit durchaus ungewöhnlich und auffallend waren. S o begegnen hier z. B . die Form ulierungen: „Vom menschlichen Elend . . . , von göttlicher Re­ gierung und Vorsorge . . ., christliche Lebensregeln, von der Gelaffenheit, von der christlichen Zufriedenheit, von der Liebe Christ, von der Verleugnung unser selbsten, von der Eitelkeit der W elt, von der Verschmähung der W elt, vom G eiz. . . " . Die Wiederkehr derselben Benennungen in zahlreichen Gesangbüchern späterer Zeiten läßt nicht nur an literarische Abhängigkeiten von dem weitverbreiteten Müllerschen Werk denken, sondern belegt auch die behauptete Annäherung deS lutherischen Gesangbuches unseres Zeitraumes an daS Erbauungsschrifttum. “ ) V gl. dazu z. B . auS Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts die Rubrikenbenennungen „V om geistlichen Kampf und S ie g ", „V on der Keuschheit", „Von Geduld und Beständigkeit", „V on christgeziemender Sparsam keit", „Von Recht und Redlichkeit", „Tugendlieder", „Christ­ liche Lebensregeln" u. a.

au f der anderen Seite das emotionale Moment, das fromme Gemüt des M en­ schen, die ausschlaggebende Rolle spielt65). Darüber hinausgehend belehrt die Gesangbuchgeschichte darüber, daß jene beiden Ausgestaltungen menschlicher Frömmigkeitsanliegen nicht zeitlich aufzuteilen find, etwa in der Art, daß die stärker ethisch-moralische Frömmigkeitshaltung der Zeit von Orthodoxie und R ationalism us zuzuschreiben, die mehr gefühlsmäßige Ausdrucksform von Frömmigkeit dagegen dem Pietism us zuzuordnen sei. Geschichtlich betrachtet findet sich die eine wie die andere Frömmigkeitsform in Gesangbüchern a l l e r theologiegeschichtlicher „Richtungen" des 17. und 18. Jahrhunderts. Schon aus den Formulierungen in den Registern ist zu ersehen, in welch hohem Maße „pietistische Anliegen" „aufklärerische Frömmigkeit" vorbereiten66), wie andererseits auch „pietistische Frömmigkeit" Anliegen ihrer Vorgänger aufnimmt und weiter­ führt. Allgemein aber haben die Ausführungen unseres Abschnittes über das Problem der „Frömmigkeit" im Gesangbuchaufbau einen anschaulichen Beweis dafür erbracht, wie aus der Betrachtung frömmigkeitsgeschichtlicher Phänomene wertvolle Aufschlüsse auch für die Theologiegeschichte gewonnen werden können"). 4. Z u s a m m e n fa s s u n g

W ir stehen am Abschluß des ersten Teiles unserer Untersuchung. Seine A us­ führungen standen weitgehend im Dienst der Aufgabe, mit dem Gegenstand unserer Arbeit, mit dem lutherischen Kirchengesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in seiner Gesamtgestalt bekannt zu machen. Geschichtliche Rückblicke auf das Gesangbuch der Reformationszeit wie die Beschreibung der äußeren Gestalt und des inneren Aufbaues der Gesangbücher zwischen 1610 und 1735 führten uns aber schon deutlich auf die Fragestellung, die mit dem Thema unserer Arbeit gegeben ist. Theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Über­ legungen ließen sich bereits an die Betrachtung der äußeren Gestaltung der Ge­ sangbücher anknüpfen. Die Ergebnisse wurden durch eine Analyse der ver­ schiedenen Aufbautypen und Gestaltungstendenzen, die sich in der inneren Gesangbuchentwicklung unseres Zeitraumes abzeichneten, präzisiert und diffe­ renziert. Dabei konnten wir nachweisen, wie von Beginn des 17. Jahrhunderts an beide Faktoren — „Theologie" wie „Frömmigkeit" — im Gesangbuch auf* “ ) D g l. dazu j. B . Überschriften von Liedergruppen wie „V om göttlichen Frieden", „D on der Freude im hl. Geist", „D on der Freudigkeit deö G laubens", „V on der christlichen Zufrieden­ heit", „Aufmunterung zur Seelenfreude", „V om süßen Trost Gottes" u. a. M) Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Erscheinung, baß die Unterscheidung, ob ein Gesangbuch stärker „pietistisch" ober „rationalistisch" bestimmt sei, kaum nach den Bezeich­ nungen der Liedergruppen allein, sondern zumeist nur im Blick au f den Gesamtaufbau des be­ treffenden Gesangbuches getroffen werden kann. ” ) AuS unserem Zusammenhang gehört dazu die gewonnene Einsicht, wie au s den sie be­ gleitenden Frömmigkeitserscheinungen eine innere Verzahnung von Orthodoxie, P ietism us und R ationalism us erschlossen werden kann. Auf diese Frage werden wir bei anderen Unter­ suchungen des öfteren zurückkommen.

tauchen. W ir hatten daneben aber zu zeigen, wie sie beide im Laufe der Ge­ sangbuchgeschichte grundlegenden Wandlungen ausgesetzt waren, wodurch erst am Ende der Entwicklung die in jedem Element latent mitgegebene Problematik voll ins Licht tra t. A u f die Frage nach dem Vorkommen von „echter", „reformatorischer", d. h. wortgebundener Frömmigkeit im Gesangbuch, wie auf die nach einer spürbaren Beeinflussung der Gesangbuchgcsialtung durch eine solche Theo­ logie, die ihre Aufgabe als einen kritischen Dienst gegenüber dem gepredigten und gelehrten W o rt der Verkündigung ansieht, konnte ebenfalls gelegentlich hin­ gewiesen werden. Unsere Fragestellung, die sich im Blick auf die Gesamterscheinung der Gesangbuches als berechtigt und fruchtbar herausgestellt hat, ist im folgenden au f die inhaltliche Seite des Gesangbuches, auf sein Liedgut, auszudehnen.

II. Teil

D a s Liedgut des evg.-1uth. Gesangbuches in seiner literar- und geifteSgeschichtlichen Bestim m theit § 7. Allgemeines zur Kirchenlieddichtung 1. V o r b e m e r k u n g

Bevor wir uns der Betrachtung des im Gesangbuch des 17-/18. Jahrhunderts vorhandenen Liedgutes zuwenden, sind einige erläuternde Bemerkungen zu den folgenden Abschnitten unserer Darstellung notwendig, denn auch auf diesem Gebiet kommen wir ohne bestimmte, von vornherein festzustellende und im Auge zu behaltende Einschränkungen und Begrenzungen nicht aus. I n den einleitenden Ausführungen zur Methode und zum Ziel unserer Arbeit betonten und begründeten wir bereits, warum wir uns in unseren Ausführungen bewußt an da« G e san g b u ch des angegebenen Zeitraumes halten. N ur das Gesangbuch selbst vermittelt nämlich einen richtigen Eindruck davon, welche Gesänge au« der sehr viel größeren Zahl von geistlichen Dichtungen jeweils ta t­ sächlich bei den Gemeinden in Gebrauch standen. N ur die Beschäftigung mit dem Gesangbuch gibt Aufschluß darüber, wann und in welchem Zusammenhang oft schon sehr viel früher entstandene und veröffentlichte Lieder einen Platz im Gemeindegesang und in der Gemeindeerbauung erhallen haben, in welcher Weise sie sich behauptet haben oder bald wieder verschwunden sind, welche S tellung und Bedeutung sie im Ganzen des Gesangbuchwerkes erhalten haben, wie sich ihr Verhältnis zur Kirchenlieddichtung früherer und späterer Zeiten gestaltet hat u. dgl. mehr. Alle diese Fragen sind für eine theologie- und frömmigkeits­ geschichtliche Fragestellung von großer Bedeutung. I s t sie da« eigentliche Ziel aller Überlegungen, so kann nicht bei der Analyse einzelner Lieder oder bei der Erschließung des Werkes einzelner Liederdichter stehen geblieben werden. Gerade aus diesem Grunde müßte unsere Arbeit aber auf solchen Einzeluntersuchungen aufbauen können. Es bedeutet einen großen Nachteil für die Aufgabe unserer Arbeit, daß — trotz mancherlei Versuche und Ansätze dazu*) — in der Er*) Auch bas Buch von Berger: „Barock und A ufllärung im geistlichen Lied" (1951) weist hin au f „die sehr summarische Behandlung, die die geistliche Lyrik de« 17. Jahrhundert« in der Literatur- und GeistrSgeschichttschreibung zumeist f i ndet. . . (und die) ihrer Bedeutung in keiner M is e gerecht" wirb (a. a .O ., S . 21, Anm. 12). Dagegen lehnt der Verf. den Rück­ griff auf die Gesangbücher a ls au f eine „sehr fragmentarische, unzuverlässige" Quelle ab und betont, daß man „von theologischer Seite" keine „eingehendere Darstellung, die geisteSgeschichtliche Ansprüche zu befriedigen versuchte,. . . erwarten" dürfe. V on der Arbeitsmethode und Zielsetzung jener Untersuchung aus gesehen, bestehen die zitierten Aussagen zu vollem Recht. Unserer eigenen Anschauungsweise und Fragestellung zufolge ließe sich aber fragen, ob m otiv­ geschichtliche Untersuchungen und geistesgeschichtliche Forschung allein, so aufschlußreich und instruktiv sie auch sein mögen, dem speziellen Phänomen des „geistlichen Liedes" gerecht werben. U. E. können sie Erscheinungsformen und W andlungen im religiösen Bereich wohl eingehend beschreiben und bestimmten zeit- und geisteSgrschichtlichen Kategorien unterstellen, sie können

forschung des speziellen G ebietes der Airchenlieddichtung viele Fragen ungeklärt oder noch gar nicht aufgegriffen sind^). Zu den b islan g nahezu v ö llig unberück­ sichtigten Problem en gehört vor allem die Frage nach den Zusam m enhängen zwischen P redigtliteratur und G esangbuchlied, w ie zwischen E rbauungsschrifttum und geistlicher Liederdichtung3). D ie noch ausstehende A ufarbeitung der P redigtliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts macht Einblicke in die erstgenannte Frage fast ganz unm öglich*), so daß unsere Arbeit au f diesem G ebiet a u f weitere Über­ legungen verzichten m ußte. D agegen meinte sie — trotz der w eitgehend fehlenden oder ungenügenden V orarbeiten — von der Frage nach der vorangehenden und der gleichzeitigen, sog. altprotestantischen, aszetischen Literatur nicht absehen zu können. D ieses S ch rifttu m wird darum, allerdings in einem notw endig sehr begrenzten A usschnitt3), direkt herangezogen w erden 3). D agegen glauben w ir. sie aber schwerlich adäquat erklären und deuten, d. h. sie führen noch nicht vor die letzte, vor die eigentliche Problematik der geistlich-religiösen Liederdichtung im engeren S in n . Denn diese „eigentliche" Problematik wird für unö erst ansichtig unter der Fragestellung nach „G ottes W ort und Menschen W ort" (vgl. dazu unten S . io i ff.), sie fordert u. E. unbedingt den Ein­ schluß des „theologischen" Aspektes, wiewohl alle anderen Gesichtspunkte nicht vernachlässigt werden dürfen. а) Während Spezialarbeiten über viele bedeutende Gesangbuchdichter überhaupt fehlen, geben die Bücher über P a u l Gerhardt ein anschauliches B ild über die von uns vermißten Frage­ stellungen. Neben den zahlreichen populären Darstellungen und der eingehenden Biographie von Petrich steht a ls u. W. einzige wiffenschaftliche Spezialuntersuchung zur Verfügung von Aellen: „Quellen und S ti l der Lieder P a u l G erhardts" (1911/12). Diese S tudie leistet gute philologische Arbeit im Nachweis der Quellen; auf die besondere Art ihrer Verwertung in den Gerhardtschen Liedern geht sie jedoch schon nicht mehr ein. Jede darüberhinausgehende Frage­ stellung wird vom Verf. ausdrücklich abgewiesen, wenn er schreibt: „B ei ihm (sc. P a u l Ger­ hardt) machte im letzten Grunde die Persönlichkeit alles aus. Aber ihr . . . können wir auch auf dem Wege wissenschaftlicher Untersuchung nicht nahetreten . . . (a. a. £>., S . 105). Gerade an dieser Stelle aber hätte u. E. die Hauptarbeit einsetzen müssen m it den Fragen: wie weit und wo lebt Gerhardts Dichtung au s alten Quellen und überkommenen M otiven, Anschauungs­ weisen, Darstellungöformen u. dgl., inwiefern ist sie durch die gegenwättige Zeit und ihren Geist geprägt, wie stark ist sie Ausdruck der einmaligen Persönlichkeit ihres Dichters, Ausfluß seines G laubens und Ausdruck seiner individuellen Frömmigkeit. 3) A uf die „fast durchgängige Beeinflussung der Kirchenlieddichtung durch die jeweilige E r­ bauungsliteratur" macht A lth au s: „Forschungen zur. evangelischen G ebetsliteratur" (1927) aufmerksam. Als „schier unerschöpfliche Fundgruben, deren sich die religiöse Dichtkunst in a u s­ giebigster Weise bedient hat", nennt der Verf. das Gebetbuch Jo h . H aberm anns, die Geist­ lichen Andachten Philipp Kegels, die Meditationes s. Patrum M a ttin M öllers, die Meditationes sacrae Joh an n Gerhards, das Paradiesgärtlein A rnds, a. a. £>., S . 4s. 4) I n diesem Fragenkomplex wäre nach Übereinstimmungen wie nach auffälligen D iver­ genzen zu forschen. S o würden z. B . die Fragen interessieren, ob sich etwa eine dogmatischorthodox-rationalistisch bestimmte Predigtweise mit der Verwendung von ähnlichen Kirchengesängen verbände oder ob ihr u. U. eine Bevorzugung von Liedern m it praktisch-ethisch-morali­ schem I n h a lt oder gar m it ausgesprochen sentimental-emotionaler Prägung entspräche u. dgl. б) Die A uswahl der herangezogenen Erbauungsliteratur wurde au f solche Werke beschränkt, die besonders charakteristisch sind, die im 17./18. Jahrhundert selbst weitverbreitet waren oder die einen bedeutenden Kirchenlieddichter oder Dogmatiker zum Verfasser hatten. Vgl. dazu das gesondert zusammengestellte Verzeichnis unten S . 438 ff. 6) Dabei kann unserer Arbeit den aufgezählten Schwierigkeiten und Begrenzungen ent­ sprechend nur versuchen, au f die wichtigsten und offenkundigsten inhaltlichen Zusammenhänge

bei der Beschäftigung mit dem Liedgut der lutherischen Gesangbüchern die — z. T. auch strittige — Verfasserfrage nicht berücksichtigen zu müssen. Von den Verfassern wird nur insoweit geredet werden, als sie Vertreter je eines bestimmten Zeitabschnittes sind und diesen charakterisieren..Denn in unserem Zusammenhang interessiert jedes Lied vorwiegend als Bestandteil eines bestimmten Gesang­ buches in einer bestimmten Zeit, nicht aber als daö Werk eines so oder so qualifizierten Dichters. Wir können uns also ohne Schaden auf den Standpunkt des Herausgebers des Wittenbergers Gesangbuches von 1713 stellen: „Es gilt hier nicht quis fecerit, sondern vielmehr quid fecerit* *78)/' Diese Frage nach dem „quid fecerit“ macht es notwendig, die im Gesangbuch des 17./18. Jahrhunderts vorkommenden Lieder aus sich selbst heraus zu ver­ stehen und auszulegen^). N ur so wird sich uns ihr Gehalt in seiner besonderen zeitlichen, theologie- und frömmigkeitSgeschichtlichen Geprägtheit erschließen, während sie sich umgekehrt in gleicher Weise als Zeugen für tiefgreifende theo­ logie- und frömmigkeitögeschichtliche Entwicklungen und Wandlungen präsen­ tieren werden. 3 m gleichen Zusammenhang erweist es sich als unumgänglich, danach zu fragen, welchen Einfluß die jeweilige Zeit in literar- und geistes­ geschichtlicher Hinsicht auf die Gestaltung der geistlichen Kirchenlieddichtung unseres Zeitraumes ausgeübt hat. Eine solche Aufgabe ergibt sich auö der Fest­ stellung, daß alle Formen kirchlicher Rede und „christlicher" Dichtung gleichsam aus zwei Wurzeln gespeist werden. S ie sind auf der einen Seite bestimmt durch und Abhängigkeiten aufmerksam zu machen. S ie ist sich darin der Mahnung von Althaus be­ w u ß t: „Eine Darstellung der Geschichte des Kirchenliedes, welche von dieser Abhängigkeit keine Notiz nim m t, vermag ihrer Aufgabe nicht gerecht zu werden" (a. a. £>., S 5), fühlt sich aber zugleich mitbetroffen von seiner W arnung, „ . . . daß man mit tiefsinnigen Erklärungsversuchen sehr zurückhaltend und m it geschichtlichen Urteilen sehr vorsichtig sein m uß, solange man nicht über die literargeschichtlichen Verhältnisse genau orientiert ist" (a. a. O ., S . 65). 7) V gl. die amüsante Fortsetzung dieser S telle: „ . . . Ich will mich auch hierüber m it nie­ mandem zanken, auch der übrigen Lieder mich nicht grämen, wenn einige nicht m it ihren rechten autoribus bezeichnet wären. Wer Zeit übrig hat, der mag sie auf dergleichen aecurateffe wenden und aller Lieder autores gar auswendig lernen. Der Nutzen aber wird schlecht sein, welchen er davon haben wird . . . (stattdessen die Empfehlung, lieber 100 hebräische Stam m -W örter zu lernen oder eine dunkle Schriftstelle zu untersuchen!) . . . W ill man ja w as Nützliches bei den Liedern tun, so werden Fleiß und Zeit besser angewendet, wenn man sich bemühet, den rechten Verstand der Lieder und derer darinnen bisweilen befindlichen dunklen Redensarten zu eruieren und zu erklären . . ." 8) Dieses Vorgehen bedingt es, daß andere Fragestellungen in den Hintergrund gerückt oder ganz ausgeschaltet wurden. S o wurde der Einfluß der biblischen Sprache — genauer der Sprache der Lutherschen Bibelübersetzung — a u f die Gesangbuchdichtung wie auch die Ver­ wendung von Bibelstellen oder biblischen Begriffen nur in seltenen, besonders auffchlußreichen Fällen behandelt. D a s umfangreiche Gebiet der Psalmendichtung und Psalmennachdichtung mußte gänzlich von der Betrachtung ausgeschlossen werden. Endlich konnte auch auf die wich­ tige Frage nach Vorbildern und Vorlagen rein literarischer Art nur vereinzelt auführlicher eingegangen werden, zumal sich in diesem Komplex die fehlenden literarhistorischen For­ schungen hemmend bemerkbar machen. F ür die Problemstellung unserer Untersuchung ist allerdings vielfach schon das Phänomen der Übernahme als solches aufschlußreich genug, und zwar angesichts der Tatsache, daß a u s stüheren Zeiten stets nur das rezipiert und neu ver­ lebendigt wird, w as eigenem Denken, Empfinden und Wollen entspricht oder entgegenkommt.

ihren Gehalt, der ihnen — wenn auch in verschiedener Direktheit — aus der S chrift erwachsen ist. Dieser Gehalt, jene „großen Taten G otteö", ist zwar auch in der Schrift nicht anders als in der Form menschlicher Rede zu finden; nach der inhaltlichen Seite transzendiert er jedoch alles Menschlich-Zeitliche insofern und insoweit, als in der Verkündigung in und unter Menschenwort G o t t e s glaubenschaffendes W o rt Ereignis und Gegenwart werden w ill. Jenes Menschen­ w o rt der Verkündigung ergeht jedoch — soweit es sich nicht au f das Rezitieren biblischer Texte beschränkt — auf der anderen Seite stets als das W o rt einer be­ stimmten Zeit und einer qualifizierten Sprache als deren Spiegelbild. D ie E r­ forschung und Beachtung der Ausdrucksformen und Ausdrucksmittel, durch die der vorgegebene Gehalt dargeboten wird, kann also wesentlich dazu beitragen, das jeweils besondere Verständnis und die verschiedenen Auslegungen eben dieses „Gehaltes" zu ergründen. Dabei ist es verständlich, daß das Phänomen einer durch das Denken und Em p­ finden der Zeit geprägten S tilfo rm und Ausdruckshaltung in der geistlichen Dichtung und in der Erbauungsliteratur weit deutlicher hervortreten kann als in der gleichzeitigen Predigt und wissenschaftlichen Lehre. Diese beiden weisen notwendig eine stärkere innere Gebundenheit auf. D ie Geschichte des Gesang­ buches und Kirchenliedes wie auch die der aszetischen Literatur läß t dagegen eine weitgehende innere Ungebundenheit und eine tiefgreifende menschlich-zeitliche Beeinflußbarkeit erkennen, sei es, daß die Freiheit dazu bewußt in Anspruch ge­ nommen wird oder daß sie sich unbewußt und nahezu unbemerkt vollzieht und ereignet. Die folgenden Abschnitte werden an einigen Hauptlinien zeigen, wie sehr das geistliche Lied in den Gesangbüchern dcS 17. und frühen 18.Jahrhunderts mitten drin steht im „F lu ß der Zeiten", wie stark es teilnim m t an den mannig­ faltigen geistig-literarischen Erscheinungsformen seines Zeitalters und in welcher Weise diese Offenheit und Ungeschütztheit der Liederdichtung gegenüber dem jeweiligen „Zeitgeist" wichtige Rückschlüsse erlaubt auf die theologie- und frömmigkeitSgeschichtliche Problematik der Zeit von Orthodoxie, P ietism us und Frühaufklärung. 2. F o r m a l e K e n n z e ic h e n der K ir c h e n lie d d ic h tu n g

S o ll und sollte das Gesangbuch auch in erster Linie dem Gesang der christ­ lichen Gemeinden und ihrer Glieder dienen, so ist es fü r unsere Darstellung den­ noch gestattet und geboten, seine Lieder abgesehen von ihren Melodien als reine „Dichtungen" zu betrachten. Dieses Verfahren rechtfertigt sich auch durch die beachtenswerte Erscheinung, daß in unserem Zeitraum die Mehrzahl der „Kirchen­ lieder" zunächst ohne eine Vertonung in den Gedicht- und Licdersammlungen ihrer Autoren oder in ErbauungSbüchcrn derselben M än n er ober auch anderer Verfasser erschienen finb8 9). Als Dichtwerke betrachtet verraten aber stilisti^ch8) A ls Beispiel kann hier wiederum Heinrich M ü lle rö „Geistliche Seelenmusik" herangezogen werden. Zwischen den erbaulichen Betrachtungen und dem Gesangbuchteil dieses Werkes werden die „ 1 0 geistlichen Liedeslieder" des Verfassers m itgeteilt. Dieselben Lieder erscheinen z. T . m it

form ale M erkmale nicht wenig von bcm inneren Geisi dieser Kirchengesänge. Ein Rückblick auf die äußere Gestalt des Liedes der Reform ationszeit erleichtert die Erfassung der Unterschiede und neuen Formen. F ür das reformatorische Sieb10) läßt sich leicht eine auffallende „Geschlossen­ heit" nachweisen. S ie erwächst ihm aus einer Einheitlichkeit deö In h a lte s, die sich in gleicher Weise in keiner der späteren Zeiten der Kirchenlieddichtung mehr finden läßtH ). Die Einheitlichkeit des In h a lte s wiederum geht H and in H and m it einer Ausrichtung auf dasselbe Ziel, dem diese reformatorischen „Dich­ tungen" dienen sollten. W ir können uns vorläufig dam it begnügen, vom „didak­ tischen Zweck" der Lieder in den ersten Jahrzehnten der Reform ationszeit zu reden. Diese lehrhaft-verkündigende Bestimmung der frühen evangelischen Liederdichtung prägt entscheidend auch ihre äußere g o rm 12). M an betrachte unter diesem Gesichtspunkt z. B . die drei Lieder, die seit 1524 bis zur M itte des 18. J a h r ­ hunderts in kaum einem lutherischen Gesangbuch gefehlt haben und die m it einem gewissen Recht als die „typischen", die „klassischen" R eform ationslieder bezeichnet werden: „N un freut euch, lieben Christen g'mein . . ( i ) 13) „Es ist das Heil uns kommen h e r. . . " (5) „Durch Adams Fall ist ganz verder bt . . ( 6 )

I n strenger Gedankenfolge folgt in den drei Gesängen V ers auf V ers und läß t das Lied so zu einer wirklichen Einheit werden. Die Sprache ist knapp und wuchtig, ganz erfüllt und geform t von dem „revolutionierenden" In h a lt, den sie ver­ kündigen will. Solche reformatorischen Lieder sind durchweg strophenreich, sie sind lang, aber nicht breit. S tellen wir einem dieser reformatorischen Lieder einen Gesang aus späterer Zeit gegenüber, so lassen sich ohne Schwierigkeiten — auch ohne K enntnis des Dichternamenö oder der Entstehungszeit — beide voneinander unterscheiden und richtig einordnen. D a s Lied des endenden 16. und des ganzen 17. Jah rh u n d erts zeichnet sich dadurch au s, daß seine Sprache sehr viel wortreicher geworden ist; häufige A usrufe, Adjektive und Füllw orte fallen a u f; Fragen und Im p erativ e, Optative und Konjunktive nehmen überhand. Gewiß wird nun vieles „auöMelodien nicht viel später in vielen „Kirchengesangbüchern" unter den Jesuöliedern oder in ähnlichen Liederrubriken. 10) Wenn unsere Arbeit vom „reformatorischen Lied" handelt, so meint sie damit vornehm­ lich die Liederdichtung Luthers und seiner näheren Freunde und Schüler, d. h. alle diejenigen Lieder, die sich streng an die Ausrichtung der reformatorischen Botschaft hielten. n ) V gl. dazu oben S . 61 f.. 12) Wertvolle Hinweise zu unseren Ausführungen entnahmen wir hymnologischen D a r­ stellungen zum Kirchenlied seit der Reformationszeit wie literarhistorischen Arbeiten über das Barockzeitalter. Die Nachweise im einzelnen vgl. in der Dissertation der Verfasserin. 1J) I m folgenden geben die eingeklammerten Zahlen nach einem Liedzitat die Nummer des betreffenden Liedes im Textband zur Dissertation der Verfasserin an, die Strophenzahl wird durch ein Komma getrennt hinzugefügt. Für die vorliegende Veröffentlichung orientiert ein in der Reihenfolge der Nummern aufgestelltes Verzeichnis am Schluß über die Liedanfänge, deren Verfasser und Fundorte, vgl. unten S . 448 ff.

drucksvoller", „persönlicher", „gefühtsreicher" dargestellt, dabei kommt es aber allzu häufig zu einer „ In fla tio n " von W orten, zu nicht endenwollenden Wieder­ holungen, zu farbenreichen, aber innerlich nicht notwendigen und nicht weiter­ führenden Abwandlungen gleicher Gedanken und Vorstellungen. I n Aufbau und Diktion hat diese Kirchenlieddichtung nach der Reform ation nur zu schnell und zu leicht ihre innere Geschlossenheit und damit auch ihre Überzeugungskraft eingebüßt. S o wird schon allein an den form alen Kennzeichen der Dichtung des 17. Jahrhunderts deutlich, daß sie offenbar nicht mehr von einem allen gemein­ samen G ehalt herkommt, noch durch die Ausrichtung auf dieselbe Aufgabe, auf den denselben „Zweck" geprägt ist. Demgegenüber läßt die Gesangbuchdichtung der ersten Jahrzehnte des 18.J a h r ­ hunderts nicht selten ein Bemühen merken, hier in mancher Hinsicht zu „resti­ tuieren". Die Lieder werden häufiger als bislang mit einer Strophenzahl gedichtet, die sie auch für die P raxis des gemeindlichen S ingens geeignet sein lassen. Sprachliche Entgleisungen und Formlosigkeiten treten mehr und mehr zurück. D er S til dieser Lieder wird wieder nüchterner und schlichter; es ist aber nicht mehr die Nüchternheit einer inhaltsbezogenen Sachlichkeit, die in Erscheinung t r i t t ; vielmehr handelt es sich um eine immer stärker hervortretende menschliche „V er­ ständigkeit und V ernünftigkeit", die sich bestimmter neuer S tilfo rm en bedient, in ihnen zugleich aber auch ihren eigenen Geist kundtut. 3. K irc h e n lie d d ic h tu n g u n d re lig iö s e P o e sie

Überlegungen im vorangehenden Abschnitt ließen bereits erkennen, daß eine form ale Kennzeichnung literarischer Erscheinungen nicht abgesehen von ihrer inhaltlichen Betrachtung erfolgen kann. Auch bei der Dichtung, mit der w ir es im Gesangbuch zu tun haben, lassen sich Form und Gehalt nicht voneinander trennen, sie bedingen sich vielmehr gegenseitig. Es ist darum zu fragen nach G rund und Ursache der inneren W andlung, die eine so stark ausgeprägte neue sprachlich­ dichterische Gestaltung heraufführen tonnte14). D as Phänom en, um das es sich in diesem Zusammenhang handelt, versuchen wir mit den Begriffen „Kirchenlieddichtung" einerseits, „geistliche Lyrik, religiöse Poesie" andererseits zu erfassen. W ir haben uns mit dem Fragenkomplex, der durch diese Stichworte angedeutet wird, eingehender zu beschäftigen, da er fü r unsere Themastellung von besonderer Bedeutung ist. I n einem beachtenswerten V ortrag über „D as evangelische Kirchenlied"1^) stellt Lucas Christ die Thesen au f: „Nicht alle geistlichen Lieder sind Kirchen­ lieder . . . Vielmehr ist das Kirchenlied eine G attung für sich, die sich von aller andern geistlichen Dichtung, besonders von aller from m en G efühlsdichtung, der 14) Die Ausführungen dieses wie bco vorangehenden Abschnittes werden den Einzelunter­ suchungen vorangestellt, weil sie au f das Liedgut allgemein, auf die Gesangbuchlieder ganz gleich welcher Themen, anzuwenden sind. 15) Der V ortrag ist erschienen in „Zwischen den Zeiten", 3. J g ., 1925, S . 358ff. Unsere Ausführungen greifen ebenfalls au f die wichtigen Äußerungen B arths übet das Kirchenlied in Kirchliche Dogmatik I, 2, S . 275 ff. zurück.

sogenannten religiösen Lyrik, unterscheidet . . . 16)." W orin findet Christ die B e­ gründung für seine Aussagen? W as versteht er, und in Übereinstimmung mit ihm unsere Arbeit, unter dem Begriff „Kirchenlied" im spezifischen S in n ? Die klarste A uslegung läß t sich wiederum den A usführungen Luthers über Kirchenlied und Liederdichtung allgemein entnehmen. Den Zweck der „cantilenae spirituales“, zu deren A nfertigung er S p alatin auffordern wollte, hatte der R eform ator Ende 1523 m it den W orten b e s tim m t:........ quo verbum dei vel cantu inter populos maneat“ (W A B r. 3, 220). Ausführlicher noch handelte Luther in seinen Gesangbuchvorreden über Wesen und Aufgabe der Kirchenlied­ dichtung. S eine Hauptgedanken seien noch einm al zusammengestellt. S o hieß es in der Vorrede zum W ittenberger Gesangbuch von 1524: „auff das da durch G ottes w ort und Christliche leere auff allerley weyse getrieben und geübt werden. Dem nach hab ich auch, sampt ettlichen andern . . . ettliche geystliche lieber zusamen bracht, das heylige Evangelion, so itzt von G ottes gnaden widder auff gangen ist, zu treyben und ynn schwanck zu bringen, das wyr uns möchten rhümen . . . , D a s Christus unser lob und gesang sey, und nichts wissen sollen zu singen noch zu sagen, denn Jhesum Christum unsern Heyland . . . " (W A 35, 474), während das Babstsche Gesangbuch 1545 a u sfü h rt: „S in g et dem H E R R N ein neweS lieb, S inget dem H E R R N alle w e it. . . D enn G o tt hat unser Hertz und m ut frölich gemacht, durch seinen lieben S o n . . . Wer solchs mit ernst gleubet, der kanS nicht lassen, er m us frölich und mit tust davon fingen und sagen, das es andere auch hören und herzu fernen" (W A 35,477). F ür Luther macht also die alleinige und ausschließliche Bezogenheit au f den H eiland Jesu s Christus und d. h. das „Treiben des E vangelium s" G ehalt und tragende M itte aller geistlichen Liederdichtung aus. Durch diese inhaltliche B e­ stimmtheit werden ihm geistliche Lieder und Psalm en zu „Kirchenliedern", denen er eine zunächst fest begrenzte, in jeder Hinsicht aber wichtige S tellung in seinem „reform ierten" evangelischen Gottesdienst einräum te. Denn nach Luthers An­ schauung eignet solchen Liedern ebenso wie der Predigt die Aufgabe der V er­ kündigung des W ortes „an den andern". S ie sind zugleich „Anbetung und sach­ liche M itteilung, G laubensbekenntnis, Sündenbekenntnis, V erkündigung"17). D arau s ergibt sich, daß derartige geistliche Lieder niem als eine Sache mensch­ lichen Beliebens sein können oder werden dürfen. D enn wo wirklich W ort G ottes und Kirche Christi sind, da m uß es mit Notwendigkeit auch ein „singen und sagen" ge6cn18). Auf der anderen Seite aber ist solch einem „singen und sagen" und d. h. dem „Kirchenlied" im spezifischen S in n in seinem In h a lt wie seiner Form bestimmte Grenzen und Bereiche vorgegeben. Die „reformatorische" Liederdichtung ist den Anschauungen Luthers über geist­ liche Gesänge durchweg gefolgt. Unter ihren form alen Kennzeichen haben wir “) Christ, a. a. £>., S . 359. *’) Barth, a. a. £>., S . 276. 1S) Vgl. dazu Luther WA 35, 477: „Wer aber nicht davon singen und sagen teil, das ist ein zeichen, das ers nicht gleubet und nicht ins new fröhliche Testament. . . gehöret."

ihre „G eschlossenheit", ihre „Sachlichkeit" hervorgehoben. Diese „Sachlichkeit", die die A usw irkung des G rundsatzes, „daß Christus unser Lob und G esang se i.." , darstellt, bestimmt zugleich die A rt, wie der Mensch in seinem Lied zu seinem eigenen D enken, Em pfinden und W ollen sieht, wie er in ihm diese S eiten seines Lebens zur G eltung bringt. D ie Kirchenlieder der R eform ationszeit veranschau­ lichen, daß eS kein H ören au f die V erkündigung, keinen G lauben, kein Ergriffen­ sein durch das W ort gibt ohne den Menschen in seinen menschlichen B ed in g t­ heiten, und d. h. nicht ohne Ä ußerungen menschlicher „Fröm m igkeit" und mensch­ licher „E rfahrung". Entscheidend und kennzeichnend für die Liederdichtung Luthers und seiner nächsten Freunde und Schüler ist aber d i e s , daß menschliche F röm m ig­ keit und E rfahrung, menschliches Em pfinden und W ollen stets der B ezeugung des mSoIus Christus“ und des „sola fiele“ eingefügt und untergeordnet bleiben. S o ist von W esen und Art eines „Kirchenliedes" im präzisen S in n zusam m en­ fassend zu sagen: „ E s ist B ek en n tn is, Sündenbekenntnis und G laubensbekennt­ n is , und nicht Ausdruck from m er G efühle und Gedanken. E s weist dadurch den M enschen, auch w enn es vom Menschen redet, stets über den Menschen h in au s. D a s ist die göttliche Sachlichkeit, die es mit der B ibel gemein hat und die es grad darum zum Kirchenlied macht. D enn diese Sache, um die es da geht, ist d a s, w a s die G em einde begründet und alle ihre Glieder verbindet . . , 19)." W ie steht es nun aber m it der These: „Nicht alle geistlichen Lieder sind KirchenIteber20)? " W orin liegt der Unterschied zwischen beiden begründet? N egativ ist er dahin zu bestim m en, daß jene anderen geistlichen Lieder eben nicht ausschließ­ lich von dem „allein Christus unser Lob und G esang" bestimmt und geprägt sind. I n ihnen ist nicht mehr der reformatorische M aßstab des „solus Christus“ und des „sola fidc“ wie — im Blick auf den Menschen - - deS „mere passive“ angew an d t. Für diese A rt geistlicher Lieder ergibt sich daraus mit innerer F o lge­ richtigkeit, daß in ihnen der Mensch für sich selbst einen ständig größeren R au m beansprucht, m ag daneben auch noch sehr von Christus und von göttlichem H an deln gesprochen w erden. W ie w ir gesehen haben, spiegelt sich diese Entwicklung stilistisch wieder in einer größeren inneren B ew egtheit der Lieder, in einem breiten SichauSsprechen menschlicher Affekte und W illensbew egungen und in ähnlichen Erscheinungs­ form en. B eid es aber, das Eindringen gedanklicher Reflexion wie das Nachzeichnen von S tim m u n g e n , Em pfindungen, Erm ahnungen u. dgl. führt das Kirchenlied a u f den W eg, „geistliche Lyrik", „religiöse Poesie" zu w erden2*). I s t diese Linie aber erst einm al eingeschlagen, so führt sie weiter bis zur V ernachlässigung und schließlich bis zur A ufgabe der verkündigenden Funktion des G esangbuchliedes. D a m it w ird es je länger je mehr „A u sfluß der persönlichen Fröm m igkeit", und ,9) Christ, a. a. O., S . 368. 20) Vgl. oben S . 72. 21) Dabei ist e6 nicht nötig, daß sich als Subjekt dieser religiösen Lyrik nur der einzelne „Christ", der „fromme" Mensch darstellt. Auch dort, wo Lieder betont Gesänge der christlichen Gemeinde sein wollen, ist nach dem Unterschied von Kirchcnlicddichtung und geistlicher Lyrik zu fragen.

zwar einer Frömmigkeit, die Selbstdarstellung des „homo religiosus“ oder auch der „frommen Gemeinschaft" bedeutet 22). Unsere Ausführungen beschäftigten sich bisher generell und grundsätzlich mit der Unterscheidung „Kirchenlied" auf der einen, „religiöse Poesie und geistliche Lyrik" auf der anderen Seite. Dadurch sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die Analyse des Liedgutes mit den dem Gegenstand selbst entnommenen und ihm angemessenen Maßstäben beginnen zu können22). Die Einzeluntersuchungen zum Liederbestand des Gesangbuches aus der Zeit von Orthodoxie, Pietism us und R ationalism us werden uns reichhaltiges M aterial an die Hand geben, das uns immer wieder auf die verschiedene inhaltliche Bezogenheit von Kirchenlied und religiösem Gesang hinweist. Auch in ihr tut sich kund die theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Problematik, vor die uns das lutherische Gesangbuch dieses Zeitraumes führt. § 8. G e is te s - und lite rarg esch ich tlich e E in flü s s e a u f die G e s a n g ­ buchdi cht ung des i7 ./i8 . J a h r h u n d e r t s i. B a ro ck e r G eist in d er L ie d e rd ic h tu n g d e s G e sa n g b u c h e s

Die Tatsache, daß die Gesangbuchdichtung im 17. und frühen 18. Jahrhundert zum großen, ja, zum überwiegenden Teil aus religiöser Lyrik und geistlicher Poesie besteht, erklärt die andere Erscheinung, daß sie sich als auffallend stark von geisteSund literargeschichtlichenIeiteinflüssen2*) geprägt erweist. Wir haben uns int vor22) An dieser Stelle mag verdeutlicht werden, w arum unsere Arbeit die in der hymnologischen Literatur üblich gewordene Gegenüberstellung von „Ich- und W irliedern" und von „subjek­ tiven und objektiven Liedern" nicht aufnim m t. — Schon die ältere hymnologische Literatur hat darauf aufmerksam gemacht, daß kein Lieb so wenig in das Schema „W irlied", „objektiv" paßt wie ausgerechnet das „klassische" Reformationölied Luthers: „N un freut euch, lieben Christen g'm ein". Die Fülle der Ich-Formen dieses Liedes braucht nicht besonders nachgewiesen zu werden. Seine „Objektivität" ist gewiß nicht aus seiner äußeren Form und Sprache zu er­ schließen. Seinem Gehalt nach dagegen nim mt dieser Gesang, der sich so „subjektiv" gibt, teil an der ganzen „Objektivität" und „Sachlichkeit" echter Kirchenlieddichtung. Sie prägt sich bereits au s in der Überschrift, die das Wittenberger Chorbüchlein von 1524 über jenes Lied setzte: „Ein christenlichs Lied Doctoris M artini Luthers, die unaussprechliche Gnaden Gottes und des rechten G laubens begreifend" (W II I, 2). — Demgegenüber ist für die Liederdichtung des 17. Jahrhunderts offenbar m it mehr Recht zu behaupten, daß es sich hier um „subjektive" „Jchdichtung" handele. Dabei ist im Auge zu behalten, daß auch die „Wir-Lieder" des P ietis­ m us u. U. das Merkmal der „Subjektivität" teilen. Dieselbe „Subjektivität" verbirgt sich auch hinter den sich so „objektiv "-gebenden Liedern der Frühaufklärung. W ir sehen also, wie die genannten hymnologischen Unterscheidungsbegriffe allenthalben zu präzisieren und zu differen­ zieren wären. 23) I n diesem Zusammenhang mag noch einmal hervorgehoben werden, daß die Art der Interpretation, der Beurteilung u. dgl. weitgehend von Ziel und Aufgabe unserer Untersuchung bestimmt ist. U. E. braucht es nicht besonders gerechtfertigt zu werden, daß dabei ein theo­ logischer Gesichtspunkt im Vordergrund steht, demgegenüber z. B . JnterpretationSregeln und Wertmaßstäbe au s dem Gebiet der Philologie und Literaturwissenschaft zurücktreten. 24) Für die Ausführungen der folgenden Abschnitte unserer Arbeit wurden zugrunde gelegt die wichtigsten Arbeiten über die Kultur- und Geistesgeschichte des 17./18. Jahrhunderts sowie

liegenden Zusammenhang mit diesem Problem ausführlicher zu beschäftigen und tun daö zunächst in rein phänomenologischer Betrachtung des Liedgutes, während w ir über die th e o lo g isc h e n Fragen, die sich aus der Beobachtung der m annig­ faltigen W andlungen und Veränderungen innerhalb der geistlichen Lieder­ dichtung ergeben, erst im III. Hauptteil unserer Untersuchung handeln können. Die lutherische Gesangbuchdichtung des 17. Jahrhunderts führt vom literar­ und geistesgeschichtlichen Gesichtspunkt aus als erstes auf das Problem des Barock in den lutherischen Gesangbüchern dieses Zeitraumes, d. h. auf die Frage, wie weit das Barock als eine allgemein geistes- und kulturgeschichtliche Bewegung und im speziellen als eine literargeschichtliche Epoche hier in Erscheinung tritt. Diese Frage stellt sich für das 17. Jahrhundert um so mehr, als das Barock­ zeitalter das letzte ist, in dem Geistliches und Weltliches noch relativ nahe bei­ einander liegen. I n ihm gibt es nur wenige Dichter, die sich nicht zumindest auch in Gedichten und Liedern „religiösen" In h a lts versucht haben. Bei zahlreichen anderen stehen die „geistlichen" „Themen" sogar ausgesprochen im V ordergrund. Selbst die rein weltliche Dichtung dieses Zeitalters ist ohne ihren religiösen Hintergrund nicht voll zu verstehen und nicht richtig zu bewerten. S o hat m an das Barock mit Recht als Zeit des letzten großen G laubensstiles be­ zeichnet^). Diese enge Aufeinanderbezogenheit von „Geistlichem" und „W eltlichem" ist jedoch nur die ein e Seite des äußerst komplizierten und komplexen Phänom ens „Barock". Denn schon seit der Renaissance w ar die religiöse Bestim m theit des Lebens längst nicht mehr unangefochten. I n diesem S inne bietet erst recht das Barockzeitalter das B ild vieler neu aufkommender und miteinander konkur­ rierender Kräfte. I n der Kultur- und Geistesgeschichte lassen sich wohl wenige Epochen nachweisen, die gleich viele heterogene Elemente in sich verbunden haben und die darum auch ständig vor ein eigenartiges Divergieren von Form und G ehalt stellen. D er Geist des Barockzeitalters ist daher in vieler Hinsicht zu­ treffend unter der Formel^) zu erfassen versucht: „Barock als Gestaltung an ti­ literarhistorische Gesamtdarstellungen und Einzeluntersuchungen. Vgl. dazu das Literaturverzeichnis und die Einzelnachweise in der Maschinenschrift-Dissertation der Verfasserin. *6) Vgl. dazu u. a. Cysarz: „Deutsches Barock in der Lyrik", S . 129, 135. Dabei ist aller­ dings zu beachten, daß dieser „G laubens-S til" weitgehend der S til der katholischen Gegen­ reformation, des jesuitischen Katholizismus gewesen ist, eine Tatsache, die gerade im Blick au f den Gegenstand unserer Untersuchungen nicht ohne Interesse ist. Trotzdem ist es auch ge­ rechtfertigt, von einem besonderen „protestantischen Barock" zu reden. Dieses protestantische Barock hat durchaus seine eigenständigen Formen auszuweisen, selbst wenn ihm z. T . erst die verborgenen geistigen und kulturellen Unterströmungen die besondere und auffallende Prägung verliehen haben mögen. Besonders instruktiv ist für diesen Zusammenhang die S tudie von Schäffler: „Deutscher Osten im deutschen Geist." Sie gibt eure umfassende geistesgeschichtliche Deutung der weltlichen wie der geistlichen Barockdichtung Schlesiens (vgl. bes. S . 40— 152), die au f der Erkennmis der „ a u f deutschem Boden einmalig gebliebenen Möglichkeit der Mischung von lutherischer mit katholischer Grundstruktur" (a. a. O ., S . 109) aufbaut. l#) D aß einer derartig generalisierenden und schlagwortartigen Formulierung auch erheb­ liche Mängel anhaften, braucht für unseren Zusammenhang nicht eingehender behandelt zu werden.

thetischen LebenSgefühleS " '^ ). 3 m folgenden soll unter den drei Gesichtspunkten „barockes W eltgefühl", „barockes Ich- und Selbstgefühl" und „barocke Lebens­ philosophie" gezeigt werden, in welcher Weise jene barocke Lebensantithetik auch da« Lied der lutherischen Gesangbücher im 17. und frühen 18. Jahrhundert be­ herrscht hat. a) Barockes Weltgefühl Bei der Beschäftigung mit jeglicher Art von Barockliteratur springt am schnell­ sten eine veränderte H altung des Menschen zur Welt und zu ihrem Geschehen, eine neue „Welt-Anschauung", ins Auge. 3 m Barockzeitalter zeigt sich auf der einen Seite durchgängig eine düster und pessimistisch gewordene Lebensstimmung; das Gefühl der Nichtigkeit und Vergänglichkeit der Welt und alles IrdischMenschlichen durchzieht mehr oder weniger alle Dichtungen. Auf der anderen Seite jedoch fällt dem Betrachter nicht weniger die überschwängliche S innen­ freudigkeit des Barock auf, seine hektische Lebenslust und sein gesteigerter Lebens­ wille. Beide Seiten dieses barocken „W eltgefühles" bedingen einander und wachsen mit- und aneinander empor. „Die spielende Sinnlichkeit (des Barock) stillt eine bohrende Weltangst und -einsam keit""), in diesen Worten ist die S ig n atu r des ganzen Zeitalters angegeben. Blicken wir von diesem Ausgangspunkt aus auf die Dichtungen, die fü r den Gesang oder für die Erbauung von christlichen Gemeinden bestimmt sein sollten, so erscheint es als fast undenkbar, daß auch sie von demselben oder einem ähn­ lichen barock-antithetischen Weltgefühl zeugen könnten. Zwar sind dem christ­ lichen Glauben, mit dem es die Gesangbuchlieder zu tun haben, nicht von vorn­ herein alle Antithesen abgenommen. Gerade der Glaube selbst lebt ja aus einer sehr viel härteren, ja, aus einer absoluten Antithetik, die erst ihn in letzter K lar­ heit alle Antithesen des weltlich-irdischen Daseins erkennen läßt. Aber aus eben diesem Grunde dürften für den Christenmenschen und für die christliche Gemeinde solche Antithesen nicht mehr zu bestimmenden Mächten des Lebens- und Weltgefühle« werden, weil nämlich für sie über dem „alles ist eitel" das Umfassende und Größere steht: „also hat G ott die Welt geliebt. . .". Auch im Barockzeitalter hat das Kirchenlied diesen Ton nie ganz vergessen. Dominierend wird aber immer mehr der andere, der in den Gesang der welt­ lichen Lyrik von der Eitelkeit und Nichtigkeit des Lebens einstimmt und an dem „innerweltlichen P essim ism us"") teilnimmt. W ir haben diese Entwicklung an einzelnen Beispielen zu überprüfen. ” ) V g l. Hübscher: „Barock a ls Gestaltung antithetischen LebenSgefühleS", Grundlegung einer Phraseologie der Geistesgeschichte, in Euphorien, Zeitschrift für Literaturgeschichte. 24. 1922, S . 517 ff., 7J9ff. Die „durchgängige Antithetik" a ls Kennzeichen des Barock wird eben­ falls hervorgehoben bei Flem m ing: „Deutsche Kul t ur . . bes. S . 1— 29 und bers.: „D ie Auf­ fassung des Menschen . . ." , a. a. £>., S . 440 s. ” ) Cysarz: „V or- und Frühbarock", S . 19. 40. " ) Eiert: „Morphologie des Luthertums", B d. I, S . 410.

Schon im R eform ationszeitaller sprechen manche Lieder in den lutherischen Gesangbüchern von N o t, V erfolgung und Todesschrecken des Einzelnen. Solche Gesänge beginnen oder gipfeln oft in der Bitte des Menschen um göttliche H ilf e : „ . . . Ach Gott, laß dichs erbarmen tun! Ist denn das Unglück als beur mein? Herr, laß mich dir befohlen sein, und wend von mir, durch dein göttliche Zier das Kreuze mein,. . . "

(12, i)

Auch von dem Unglück des Menschen handeln sie, so z. B . mit den W orten: „ . . . ich lieg in Schmerz bis in den Tod und leid groß Angst und Herzenönot. . ."

(12, 5)

Dieses menschliche „Unglück" wird im übrigen aber weder au sg e m a lt noch in seiner äußeren Gestalt und Art beschrieben. Hinter ihm wird vielmehr die Macht sichtbar, die menschliches Unglück erst recht eigentlich zum „Kreuze m ein" werden läßt. Über allen Unglücksmächten, über menschlicher S ü n d e und gött­ lichem Zorn weiß das reformatorische Lied jedoch das W ort der göttlichen V e r ­ heißung stehen: „. . aus wer den

. ich hab gehört bettn göttlichen Wort: traut auf dich, willst du, Herr, verlassen nicht."

(12, 2)

D a ru m vermag der von S ü n d e , Kreuz und Unglück Angefochtene mutig weiterzugehen: „Noch tvill ich, Herr, das Kreuze gern tragen, dieweil es ist dein Wohlgefallen . .

(12, 4)

und getrost aufzuschauen: „ In Gott setz ich die Freude mein, das schafft sein göttlich Wort allein . . ."

(12, 7)

Betrachten wir demgegenüber die M ehrzahl der Lieder aus dem Gesangbuch der Barockzeit, so ist hier das „Unglück" als solches ungleich mehr in den V o rd e r­ grundgerückt. Am A nfang des ^ . J a h r h u n d e r t s sieht bei dem G logauer P f a r r e r und bedeutenden Kirchenlieddichter J o h a n n Heerm ann noch beides nebenein­ ander: seine Lieder reden auffallend häufig von Elend, N o t und Tod des Lebens, aber der Dichter kennt dabei sehr wohl noch die letzte Angst und N o t des M e n ­ schen: seine S ü n denangst, seine Furcht vor dem gerechten und richtenden G o tt. I n diesem S in n e prägen die beiden Begriffe S ü n d e und Angst z u s a m m e n eines seiner bekanntesten B üßlieder: „Wo soll ich fliehen bin, weil ich beschweret bin mit viel und großen Sunden ? Wo kann ich Rettung finden? Wenn alle Welt herkäme, mein Angst sie nicht wegnähme."

(33, 1)

Aber schon bei Heermann beginnen sich die Akzente zu verlagern: nicht mehr Sünde und Gerichtetsein als die eigentliche Quelle aller Angstverfallenheit de6 Menschen und aller Vergänglichkeit von W e lt und Jett werden besungen, sondern daneben beginnt nun auch das Thema von der Eitelkeit der W e lt und des Lebens selbständig aufgenommen und durchgeführt zu werden. I n diesem Zusammen­ hang erhalten die Lieder Heermanns viele Strophen, die sich ganz dem Pessi­ mismus und der elegischen S tim m u ng hingeben:

„Was zierest du den Leib, das Haus, drin alles Siechtum stecket, und queichelst ihn so zärtlich aus mit dem, waö ihm wohl schmecket? Weißt du denn nicht, nach wenig Tag, daß er muß sterben mit Wehklag und ihn die Würmer fressen?"

(32, 2)

D ie W elt selbst erscheint dabei nur unter dem Aspekt der menschlichen Angst:

„Hier muß ich auch im Tränenhaus vor großer Angst oft weinen .

.

( FT I. 339, 3)

V on einer solchen Angst deö Menschen beim Anblick der W e lt und des Lebens, von seinem G efühl gänzlicher Verlassenheit und Einsamkeit sprechen in den Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts unzählige Liedstrophen. S ie dokumentieren damit ein gleiches W eltgefühl wie die weltlichen Dichtungen, ein W eltgefühl, das auch im engeren R a u m der Kirche kaum mehr gebunden und bei aller wirk­ lich vorhandenen N o t dennoch getragen erscheint von dem Glauben, „der die W e lt überwunden hat". D ie Kennzeichen eines völligen Hineingezogenseins der Gesangbuchdichtung in die allgemeine W e lt- und Lebensstimmung des Barock verstärken sich im Laufe des 17. Jahrhunderts immer mehr. E tw a 20 Jahre später als Heermann widmete Andreas Gryphius 12 Strophen eines weitverbreiteten Liedes der Schilderung und A usm alung von irdischer Vergänglichkeit und Nichtigkeit. Dem Menschen bietet sich in dieser dunklen W e lt nur mehr Beklagenswertes:

„Die Herrlichkeit der Erden muß Rauch und Asche werden, kein Fels, kein Erz kann stehn . . . . • . Was ist deö Menschen Leben, der immer um muß schweben alö eine Phantasie der Zeit? Was sind die kurzen Freuden, die stets, ach! Leid und Leiden und Herzensangst beschwert? . .

(3 9 /1)

(39/ 2)

(39/6)

Lediglich die beiden Schlußstrophen des Liedes versuchen noch einen anderen Ausblick zu geben:

„Verlache Welt und Ehre, Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre und flieh den Herren an. . . Wohl dem, der auf ihn trauet! Er hat recht fest gebauet. .

(39/14) (39/15)

V on den letzten Zeilen abgesehen, geht es diesem Lied wirklich allein um diee» eine T hem a: ,, Vanitas! Vanitatum vanitas!", das G ryphius selbst ihm in seiner Überschrift m it auf den Weg gegeben hat. Ih ren Höhepunkt fand diese pessi­ mistisch-negative LebenSeinstellung im K önigsbergs Dichterkrcis, in der Gesell­ schaft der „D er Sterblichkeit Beflissenen". Die geistlichen Lieder, die dieser Dichtergruppe entstammen, sind alle auf denselben Ton gestimmt, wie ihn z. B . S im o n Dach zum Ausdruck bringt: „ES vergeht mir alle Lust, länger hier zu leben. An der Erden Kot und Wust mag ich nicht mehr kleben .

.

(

5

6

,

1)

S elbst bei P au l G erhardt bricht jenes barocke „V anitas-E rlebnis" in einzelnen S trophen in unverminderter Heftigkeit durch: „ S ieh unsers ganzen Lebens Lauf, ist auch ein Tag von Jugend auf, der nicht sein eigne Qual und P lag au f seinem Rücken mit sich trag? Is t nicht die Freude, die uns stillt, auch selbst mit Jammer überfüllt?

(93/ 3)

Hat einer Glück und gute Zeit, hilf G ott, wie tobt und zürnt der Neid! H at einer Ehr und große Würd, ach, mit w as großer Last und Bürd ist, der vor andern ist geehrt, von andern auch dabei beschwert.

(93/ 4)

Is t einer heute guten M utS, ergötzt und freut sich seines GutS: eh erS vermeint, fährt sein Gewinn zusamt dem guten Mute hin. Wie plötzlich kommt ein Ungestüm und wirst die großen Güter um !"

(93/ 5)

Diese A rt von W elt-Anschauung denkt man sich mit Recht vor allem durch Erlebnisse und Erfahrungen des zojährigen Krieges hervorgerufen. E s gilt aber zu beachten, wie wenig verändert sie sich bis ins 18. Jahrhundert hinein erhalten hat, obwohl jene Zeit selbst von einem erstaunlich schnellen und weitreichenden Aufschwung auf allen Gebieten des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens un­ m ittelbar nach dem großen Kriege berichtet. E s ist demnach dam it zu rechnen, daß der Pessim ism us in der W eltanschauung und Lebenseinstellung längst zu einer A rt M odeton geworden w ar, dem bei den Dichtern in vielen Fällen nur noch wenig echte und eigene Erlebnissubstanz entspracht). Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt die Unzahl der „Kreuz- und Trostlieder" au s den lutherischen Gesangbüchern des Barockzeitalters, so bestätigt sich auch an ihnen 30) ES ist in diesem Zusammenhang an die allgemein gültige Erscheinung zu erinnern, daß kaum eine Dichtung sich selbst dessen bewußt wird, in wie starkem M aße sie von Konvention und Tradition bestimmt ist. Einzelne Ausdrucksformen und dichterische Elemente gehören oft gleichsam zum Allgemeingut einer Epoche.

das Urteil, daß die Grenze zwischen Persönlich-Echtem und Typisch-Konventio­ nellem in keinem Zeitalter so schwer zu ziehen ist wie in dem des Barock. Die vielen Superlative und pathetischen Steigerungen, deren sich auch die Gesang­ buchdichtung überreichlich bedient, machen eö nicht recht glaubhaft, daß sich hier echte menschliche Verzweiflung unreflektiert und unaufgeputzt ausspricht. S o erweist sich nicht nur der Ausdruck eines ausgesprochen barocken W elt­ gefühles als ein auffallendes Phänom en innerhalb der geistlichen Dichtung des 17. und frühen 18. Ja h rh u n d erts; in gleicher Weise ist auch ihr Teilnehmen „an der inneren Unwahrhaftigkeit der dichterischen Aussagen und literarischen F orm en" des Barockschrifttums beachtenswert. M an wird sich doch z. B . schwer­ lich vorstellen können, daß eine Gemeinde a ls christliche Gemeinde wirklich nach­ vollzieht, w as ihr ein Gesangbuchlied mit den W orten in den M und legt: „Tausend Ängste, tausend Sorgen, hunderttausend böse Morgen führt die Zeit m it sich. Neue Tage, neue P la g e , neue Schmerzen, neue Klage überfallen mich. G önnt dir G ott eine Stunde, nim m an dm kurzen N u, der M orgen trägt im Mund« ein neues Kreuz herzu.

(112, 1)

Tausenb S eufzer, eine Freude, «ine Lust und tausenb Leibe wechseln immer ab. W enn di« Lichter einmal Mieten, muß sich« stracks zum Regen schicken bis in s kalte G r a b . . .

( 1 i r , 2)

E inm al lustig sein und lachen kann v ie l tausenb Tränen machen, eh m an sichS bedacht, und a u f einm al fröhlich Herzen folgen hunderttausend Schmerzen in der Trauernacht. . . "

( 112 / 3 )

In n erh alb der Gesangbuchdichtung wird man a ls einen Höhepunkt der be­ schriebenen Entwicklung das bekannte Lied von Michael Franck ansehen können: „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben . . . "

(1 1 8 ,1 )

13 S trophen beginnen m it dem A u sru f: „Flüchtig . . . nichtig. . . " ; alles wird unter diesem einen Gesichtspunkt betrachtet: der Menschen Tage, Freude, Schöne, S tärke, Glück, Ehre, Wissen, Dichten, Schätze, Herrschen, P rangen und der Menschen Sachen. Hier ist die Vergänglichkeit und Nichtigkeit noch viel a u s ­ schließlicher zum Thema erhoben a ls bei G ryphius. Die N o t des Lebens ist hier völlig eigenmächtig, losgelöst, selbständig erfaßt und dargestellt. D aS Lied bleibt ganz und gar beim „Barockton" des weltlichen Lebengefühlcs stehen und

zeigt, w ie rein „innerw eltlich", wie „säkular", wie „ a u ton o m " 3*) diese V ergänglichkeitösiim m ung bereits geworden ist. G egenüber aller barocken und barock-manirierten V a n ita s-S tim m u n g dieses Liedes wirken die Schlußzeilen seiner letzten S tro p h e: „ . . . alles, alles, was w ir sehen, das muß fallen und vergehen, wer G ott fürcht, wird ewig stehen!"

(118, 13)

fast w ie ein Fremdkörper, w ie ein unorganisch angefügter Appendix oder eine verlorene R em in iszen z^ ). W ie die äußere Form dieses Liedes und sein m iß­ glückter geistlicher Anstrich ganz am Ende, so ist auch d a s sym ptom atisch, daß ihm jegliche B ezugnahm e a u f die Begriffe „Kreuz" und „A nfechtung" verloren gegangen ist. B eide W orte dienten zw ar auch im kirchlichen S ch rifttu m des 16. und 17. Jahrhunderts zur Kennzeichnung einer bestimmten menschlichen E instellung zu den Vorfindlichkeiten irdisch-weltlicher Existenz; seit ihrer V er­ w endung innerhalb der lutherischen Theologie blieb ihnen aber im m er etw a s von ihrer „theologischen" Q ualifikation erhalten. D a s völlige Zurücktreten jener beiden B egriffe in den G esängen des späten 17. Jahrhunderts deutet darauf hin, daß der M ensch dieser Gesangbuchlieder seine W elt- und Lebensangst kaum mehr in größeren, vom christlichen G lauben um faßten Zusam m enhängen zu sehen und zu verstehen u n tern im m t33). 31) Vgl. dazu Fr icke: „Die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas GryphiuS." Neue For­ schungen 17, S . ii 2 ff. 32) Nach einer alten Drucknachricht,wiedergegeben bei FL IV. S . 222, hat dieses Lied Francko allgemein solch einen Anklang gefunden, daß bald nach seinem Erscheinen zahlreiche Nach­ drucke veranlaßt werden m ußten: ein Beweis dafür, wie sehr es einer allgemeinen Zeitstimmung entgegenkam, resp. auf einen beliebten Modeton gestimmt war. An die lutherischen Gesang­ bücher wurde eS durch Crügerö Praxis piet. mel. 1661 ff. vermittelt, um bis in die Gegenwart darin erhalten zu bleiben. 33) Auch in den Gesangbuchregistern unseres Zeittaumes findet diese säkuläre Weltstimmung und dieser autonome LebenSpessimiömuS beredten Ausdruck. Schon in den Gesangbüchern Leipzig 1651 und Nürnberg 1660 fallen z. B . die Liedüberschriften au f: „Von der W elt Bosheit" und „Lied von der Eitelkeit der W elt." Auch die in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts immer häufiger zu findende Gruppenüberschrift: „V om menschlichen Elend" wird — im Gegensatz zu der Wortbedeutung „ellende" im 16. J a h r­ hundert — Wiedergabe eines barocken StimmungSgehalteS sein. Die Rubrikenbezeichnungen auS verschiedenen Gesangbüchern des beginnenden 18. Jahrhunderts weisen noch deutlicher au f die Themen hin, mit denen sich die dort zusammengefaßten Lieder beschäftigen: Nürnberg 1727: „V on der W elt Eitelkeit und menschlicher Mühseligkeit" (nt. 12 Liedern). Nürnberg 1731: „Von der Eitelkeit und Nichtigkeit der W elt" (nt. 14 Liedern). Königsberg 1723: „V on der Hinfälligkeit des menschlichen Lebens" (m. 8 Liedern). Ein indirektes Zeugnis bietet ebenfalls die Liedergruppe im Gesangbuch Nürnberg 1690: „Aufmunterung zur Seelenfreude". I n ihr findet sich das weit verbreitete Lied Johann Michael DilherrS: „Hinweg, hinweg, M elancholei. . . " (vgl. K. III. 517) Die B itte um Bewahrung von der „Melancholei" begegnet auch in anderen Liedern dieses Zeitraumes (vgl. Lied N r. 65 !)♦ Sie mag ein gutes Stück Selbsterkenntnis in sich bergen.

I n der Barockliteratur ist nun aber — wie w ir einleitend bereits kurz er­ w ähnten — m it der W elt- und Lebensangst überall eine gesteigerte S in n en haftigkeit verbunden, ein kram pfhaftes Greifen nach Lebenslust und Lebens­ freude. I n der Lebenshaltung des barocken Menschen stehen beide Seiten in un­ m ittelbarer innerer Korrelation miteinander. S ollte sich auch hierzu eine P arallele a u f dem Gebiet der geistlichen Dichtung finden lassen? M it dieser Fragestellung stoßen wir auf ein schwieriges und verwickeltes P roblem . W ir wenden uns dam it nämlich dem Phänom en des „mystischen E ro s" innerhalb der Barockliteratur zu. Auch bei der geistlichen Dichtung des Gesang­ buches spielt es eine bedeutende Rolle, und zw ar au f dem weiten Felde d er Lieder, die sich m it der Jesusm inne und der mystischen Versenkung oder E r­ hebung beschäftigen. D a« erotische K olorit, da« hier auch die Gesangbuch­ lieder aufweisen, ist nicht zu übersehen, wenn sich in unzähligen V arianten S trophen finden w ie: „Ich bin verliebt! Komm her und sieh. 0 Sterblicher, der du noch nie dergleichen Lust empfunden! Sieh mein vergnügtes Leben an, wie mich zu allen Stunden die wahre Lieb ergötzen kann, in dem die falsche dich betrübt: ich bin verliebt!

(130,.i)

Ich bin verliebt! Mein Augenlicht, mein Schatz weg alle Schätze sticht, mich gegenliebt und ehret . . .

(130, 2)

Ich bin verliebt! Wo find ich Raum, weil mich die Erbe fasset kaum, der Liebe zu genießen? . . . "

(1 3 0 ,3 )

Eine solch starke sinnliche und sinnenhaste Bewegtheit begegnet in den Liedern „geistlicher" Dichter seit B eginn de« 17. Jahrhundert« allenthalben. W ir gehen darum nicht fehl, in ihren Gedichten Analogiebildungen zum weltlichen E ros de« Barock zu sehen. Auf einer zweiten, innerlich eng verwandten Linie bietet da« Gesangbuch jene« Zeitalter« m annigfaltige Zeugnisse von einem mystischen Unio-Denken und -Streben. D arin wird m an in erheblichem Um fang die T ransponierung barocken „Unendlichkeitsstrebens" in s Geistlich-Religiöse ent­ decken können. A uf beiden Gebieten handelt es sich deutlich um eine A rt von Kompensationserscheinung, die sich einerseits au« der starken Säkularisierung auch des „christlichen" W eltgefühls erklärt, die aber andererseits offenbar eine Reaktion darstellt gegenüber der starken Theologisierung und R ationalisierung des kirchlichen wie des allgemein menschlichen Leben« zur Zeit von Orthodoxie und Barock. I n dieser Weise sind die B erührungen zwischen weltlicher und geistlicher Lyrik außerordentlich eng. S o kommen z. B . auch im 17. Jah rh u n d ert häufig Um-

dichtungen von weltlichen Liebesliedern in s „R eligiöse" vor34)» M ancherlei Lieder des G esangbuches sind ganz a u f den T on von O vid s H irtenlieder, a u f die anakreontische Art etw a eines P etrarca, gestim m t. Einen anschaulichen Eindruck davon verm itteln z. B . die S troph en eines „P assion slied es" a u s dieser Zeit: „Fließt, ihre Tränen, fließt und schießet, fallt und wallet Wangen ab, gießt, ihr Augenbrunnen, gießet ganze Bäche auf das G ra b . . .

(135/ 0

Schöner Himmel, such auf Erden deinen König nun nicht mehr, hilf beweinen sein Entwerden, mach die Wolkenbrunnen leer. Sonne, Mond und Sterne, weinet! Eure Sonne nicht mehr scheinet. Ach, des Himmels Krön und Zier, Jesus, liegt verblichen hier.

(135/ 2)

Weint, ihr stommen Engelgeister! Euer Herr und Prinz ist t o t . . . Weinet, 0 ihr Menschenherden, euer treuer Hirt ist hin. Ih n verbannte von der Erden der ergrimmte Wölfe S in n . . . Weint, ihr seine Hirtenknaben, er hat euch, ihr ihn geliebt. . . Alles, was erschaffen, weine, Himmel, Erde, Meer und Luft, Menschen, Tiere, Bäum und Steine, Bäch und Brunnen, Wald und Kluft! Klaget, ihr Geschöpfe, klaget. . . "

(135/3)

(135/4) (135/ 5)

(135/6)

Auch mancher D ichter, dessen orthodoxer G laube w ohlbezeugt ist, zeigt in seinen geistlichen D ichtungen derartige S tim m u n g en und AuSdrucköform en, so daß er unausweichlich die Frage hervorruft, ob eigentlich „E ros" oder „A gape" daö Them a seines Liedes sei. D aS gilt z. B . selbst für den sog. „K ronzeugen" der protestantischen Liederdichtung des 17. Jahrhunderts, für P a u l G erhardt. M an höre nur die innere, die sinnliche B ew egtheit der folgenden Z eilen: „Ach, was ist das für Süßigkeit, ach, schmecket alle, die ihr seid Eine solche Umdichtung begegnet z. B. in dem bekannten Lied von Johann Franck: „Jesu meine Freude." Vgl. dazu Kll 1 ,378: „DaS Lied scheint die geistliche Umbildung des weltlichen Liebesliedes zu sein, welches unter dem Namen „Celadon" in Heinrich AlbertS Arien . . . steht und dessen Anfangsstrophe so lautet: „Flora meine Freude, Meiner Seelen Weide, Meine ganze Ruh. W as mich so verzücket und den Geist erquicket, Flora, daö bist du. Deine Pracht glänzt Tag und Nacht Mir vor Augen und im Herzen Zwischen Trost und Schmerzen." Gabriel a. a. O., S . 80 führt daö Gesangbuchlied dagegen aus ein Liebeslied von Simon Dach zurück. — I n diesem Zusammenhang ist zwar darauf hinzuweisen, daß sich auch im 16. Jahrhundert zahlreiche Beispiele ähnlicher Umdichtungen nachweisen lassen. Dennoch besteht u. E. ein grundlegender Unterschied darin, daß solche Umdichtungen früher stärker den Charakter von Übertragungen hatten und unreflektierter, gleichsam unabsichtlicher vorgenommen wurden.

mit S innen wohl begäbet. Kein Honig ist mehr au f der Erd hinfort des süßen Nam ens w ert:

Gott istö, der uns recht labet.

(94, 4)

„O feligs Herz, 0 feligS H aus, das alle Lust stößt von sich aus und diese Lust beliebet. All andre Schönheit wird verrückt, der aber bleibet stets geschmückt,

wer sich nur,Gott ergiebet."

(94, 5)“ )

Auch Strophen einer ausgesprochenen Jesusminne sind bei Paul Gerhardt nicht fetten36), und es ist schon eine erstaunliche Tatsache, daß ein orthodoxer Prediger so ungehindert Vorlagen von Bernhard und Arnd nachdichten konnte, ohne darin irgend etwas von den Requisiten mittelalterlicher erotischer Mystik aufgeben zu müssen. Um die Seltsamkeit dieses Phänomens recht würdigen zu können, muß man sich einmal dem Reiz einer Strophe wie der folgenden hin­ geben: „O HerzenSroS, 0 schönste B lu m , ach, wie so köstlich ist dein Ruhm , du bist nicht auszupreisen. Eröffne dich, laß deinen S a f t und des Geruchs erhöhte K raft mein Herz und Seele speisen. Dein Herz, Herr Jesu, ist verwundt, ach tritt zu mir in meinen Bund und gib mir deinen Orden. Verwund auch mich, 0 süßes Heil, und triff mein Herz mit deinem Pfeil, wie du verwundet worden."

(1 0 3 ,6 )

Zweifellos würde man annehmen, daß derartige in ihrer mystischen Erotik fremdartigen Zeilen gänzlich aus dem Rahmen eines lutherischen Gesangbuches herausfallen. D a s Gegenteil ist der Fall: solcher Art von Nachdichtungen oder von ähnlichen Neuschöpfungen begegnet man dort im 17. wie noch im frühen 18. Jahrhundert allenthalben und in großer Zahl! Dem weitreichenden Fragenkomplex nach Jesusminne und mystischer UnioFrömmigkeit im Gesangbuch des 17./18. Jahrhunderts ist im übrigen in einem M) Die beiden zitierten Sttophen stammen aus dem Lied G erhardts: „Ich will erhöhen immerfort und preisen meinen LebenShort. . . " , einer Nachdichtung des 34. Psalm es. — Bei einer Prüfung der Quellen werden sich überhaupt häufiger a ls zunächst angenommen biblische Vorlagen ergeben. Dennoch erweist es sich für die jeweilige Zeit und Zeitstimmung a ls höchst charakteristisch, waS für eine Auswahl unter den sich anbietenden biblischen Texten getroffen worden ist und wie sie interpretiert wurden. I n diesem Zusammenhang ist z. B . erwähnens­ wert, baß gerade das 17. Jahrhundert eine Hochflut von Nachdichtung des Hohen Liedes brachte. D as geschah zweifellos nicht ohne tieferen geistesgeschichtlichen Grund. Gerade daS Hohe Lied kam dem Ton der weltlichen Schäferpoesie und der sinnlichen Erotik des Barockzeitalters sehr entgegen. Eö w ar andererseits dazu geeignet, im kirchlichen Schrifttum wie im Gesangbuch die Wiederaufnahme vieler mystischer Elemente ftüherer feiten sowie allgemein das SichAuösprechen eines sinnenhasten mystischen EroS zu rechtfertigen. "6) Vgl. dazu unten S . 414 ff.

späteren Zusammenhang ausführlicher nachzugehen'^). Noch w eitaus weniger a ls die anderen Punkte unserer gegenwärtigen Untersuchungen ist er abgesehen von eingehenden Betrachtungen über seine theologie- und frömmigkeitsgeschicht­ lichen Ursprungsgründe und Bedeutung zu behandeln. I n unserem Zusammen­ hang ist er darum nur vorläufig unter phänomenologischem Gesichtspunkt und um seiner P arallelität zur profanen Literatur willen angeführt. Es wird aber an H and der zitierten Beispiele und der gegebenen Hinweise deutlich genug ge­ worden sein, wie stark die Gesangbuchdichter aus dem Geist und Empfinden ihrer barocken Zeit leben. Inhaltlich traktieren sie zwar weitgehend Anderes als die weltliche Literatur. Trotzdem ist auch bei ihnen die ganze barocke S in n en ­ freudigkeit und der barocke E ros in all seinen Formen lebendig, ohne wesentlich von ihrer Aufgabe, als Dichter für die Gemeinde und für den christlichen G ottes­ dienst wirken zu sollen, eingeschränkt zu werden. Zusammenfassend können wir urteilen, daß auch die geistliche Dichtung im Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhund erts — sei es in abgewandelter F orm , so doch in fast ungemindertem M aß — teilnim m t am antithetischen Charakter der weltlichen Dichtung, der sich auf dem Gebiet des W eltgefühles in der ungelösten S p an n u n g zwischen „W eltangst und Sinnlichkeit", zwischen „Todesfurcht und Schäferliebe" äußert. b) Barockes Ich- und Selbstgefühl M it seinem W eltgefühl unm ittelbar verbunden ist das Ich- und Selbstbew ußt­ sein des Menschen, indem nämlich wechselseitig eines aus dem anderen resultiert. D er barocke Mensch zeigt sich in seiner Dichtung auch bei Betrachtung seiner selbst von einem Extrem in das andere getrieben. S ein Lebensgefühl ist in sich zerrissen, zwiespältig und verw irrt: von äußerster Selbsterniedrigung, von Selbstverfluchung und unsinniger Selbstdem ütigung erhebt es sich zu letzter menschlicher H ybris, zu nicht zu überbietender Selbststeigerung menschlicher Existenz. I n allen Formen seines Lebensgefühles bewahrt der Mensch des Barock im letzten Grunde aber doch sein Ich, er präsentiert es auf einer neuen S tu fe des Selbstbew ußtseins. I n jeder H altung begegnet dem Beschauer barocker Dicht- und Kunstwerke ein gesteigertes und übersteigertes Ichbewußtsein, das eine krampfhafte Aktivität entfaltet gegenüber allem, w as das „G eltungS-Jch" gefährden k ö n n te''). Schon bei der Betrachtung der form alen Kennzeichen der Gesangbuchdichtung des 17./18. Jah rh u n d erts, sowie bei der Unterscheidung von Kirchenlieddichtung einerseits, geistlicher Lyrik und religiöser Poesie andererseits, wurde deutlich er­ kennbar, daß in der Gesangbuchdichtung des 17. Jah rh u n d erts der Mensch selbst immer mehr in den M ittelpunkt rückte. Schon an den Auedrucksformen dieser *’) Vgl. dazu unten S . 2 4 2 f f . u. 252ff. *•) Vgl. zu den obigen Ausführungen besonders Flemming: „Deutsche Kultur im Zeitalter des Barock", S . i ff., ders.: „Die Auffassung des Menschen im 17. Jahrhundert", DVj 6, S . 403 ff., ebenfalls Hübscher, a. a. O., S . 531 und Fricke, a. a. O., S . 113, 150.

Lieder w ar abzulesen, wie die Schilderung menschlicher N ot, die Beschäftigung mit dem Seelenzustand und mit dem Denken und Wollen des Menschen die verkündigende Aufgabe des Kirchenliedes unmöglich zu machen drohte. Die inhaltliche Beschäftigung mit den Liedern auö Gesangbüchern der Barock­ zeit fü h rt uns in gleicher Richtung weiter. I n den geistlichen Gesängen zeigt sich das singende oder besungene S u b je k t— und zwar auch alö der glaubende Mensch, al« der er sich gibt oder zumindest geben möchte — kaum weniger bewegt von der ganzen Verzweiflung wie von dem ganzen Überschwang menschlichen S elbst­ gefühls a ls sein weltlicher B ruder. D abei knüpft sich die barocke A rt von S elbst­ erniedrigung und Selbstverzweiflung in der religiösen Lyrik folgerichtig an den Gedanken von menschlicher S ünde und Schuld. Hier häufen dann „christliche" Dichter auf sich selbst oder auf das menschliche Geschlecht insgesam t ihren ganzen Schatz an verächtlichen Begriffen wie „Madensack", „K o t", „Aschen" u. dgl. Lange, wortreiche Schilderungen müssen zur Kennzeichnung der abgründigen, verwerfungswürdigen Art menschlichen S e in s dienen: „Mein Heiland, was werd ich beginnen, ich, ganz mit Lastern überhäuft, in tiefsten Unratsschlamm verläuft? Jetzt werd ich meiner Bosheit innen, jetzt werd ich durch mich selbst erschreckt. . . "

(40, 0

Bezeichnenderweise bleiben derartige Lieder und S trophen auffallend lange bei den Affekten des Menschen stehen: „Wie wird mir? Ach, ach mein Gewissen fühlt schärfster Wunden grimme Not! Mein Herz erschüttert ob dem Tod und wird vom innern Wurm burchbiffen. Rinnt, herb« Tränen, Tag und Nacht, rinnt, rinnt: des Höchsten Donner kracht. O wenn nichts übrig mehr als Sterben! O könnt ich in der Gruft verderben!"

(40,2)

Gerade dieses A usm alen der „Herzensangst eine« bußfertigen S ü n d e rs" — so lautet treffend die Überschrift de« zitierten Liedes von A ndreas G ryphiue — legt die Frage nahe, ob der wirkliche Q uellort derartiger A usführungen noch rechte christliche „B ußgesinnung", echte Selbstdem ütigung eines G laubenden vor G o tt sei oder ob nicht vielmehr auch hier — z. T . unbewußt und ungew ollt, z. T . aber auch in höchst betonter Anwendung bestimmter S tilm ittel — viel von einem barocken „GeltungS-Jch gleichsam vor M it- und Nachwelt a g ie rt" " ). I n den Büßliedern des Gesangbuches unseres Zeitabschnittes prägt sich in dieser Weise das barocke Selbstgefühl nach seiner negativen Seite hin au s. Aber auch die Überspannung zur positiven S eite fehlt jener Lieddichtung nicht. Schon die zahlreichen Anreden des Menschen an sich selbst, an seine Seele, sein G em üt und seinen Willen bezeugen, daß er auch als Glied der christlichen Gemeinde, auch als glaubender Christ in seinem „Selbstsein", in seinem Geltungsstreben be­ fangen bleibt. I m Dienst der Selbstsicherung und Selbsterhöhung steht " ) Vgl. Flemming, „Deutsche K ultur. . . " , S . 7.

letzten Endes auch seine asketisch-mystische wie seine stoisch-vernünftige Lebens­ haltung, die uns in den geistlichen Liedern allenthalben entgegentritt und von der im folgenden Abschnitt eingehender zu reden ist. A u f ein übersteigertes Selbst- und Jchgefühl weisen ebenfalls andere charakte­ ristische Züge. D a redet — wie es später immer häufiger vorkommt — schon im ersten D ritte l des 17. Jahrhunderts ein Kirchenlicddichter seine eigene Seele a n :

„Achte dich nicht so geringe, du bist viel zu gut dazu, daß dir sollten solche Dinge nehmen des Gemütes Ruh. Willst du auf der Erde liegen? Kannst du doch in Himmel fliegen!"

(30,10)

A us demselben Lebensgefühl heraus wird auch die Unsterblichkeit der mensch­ lichen Seele besungen:

„Ach, meine Seel kann ihre Rub im Zeitlichen nicht finden . . . Unsterblich ist die Seel, und muß unsterblich fein, was ohn Verdruß dieselbe soll vergnügen."

(77,1)

Weitere Beispiele aus dem Gesangbuch des 17-/18. Jahrhunderts könnten zeigen, wie die geistliche Lieddichtung teilnim m t an der barocken Diskrepanz zwischen einem heftigen emotionalen und einem ausgeprägt rationalen Reagieren des Menschen au f die Vorfindlichkeiten seiner W e lt und seines Lebens. I n allen diesen Zügen manifestieren sich im Gesangbuch auch auf dem Gebiet des mensch­ lichen Ic h - und Selbstgefühles die Formen und geistigen Ausprägungen des Barockzeitalters m it seinem antithetischen Charakter, m it seinem H in - und Hergetriebenwerden zwischen „barocker D em u t und barocker H y b ris ". D e r geist­ lichen Dichtung dieser Zeit scheint darüber leicht das Wissen um den alleinigen M ittelpu n kt und ruhenden P o l in der Flucht der Erscheinungen und Stim m ungen verloren gegangen zu sein. Zugleich damit ist sie viel zu sehr in den Dienst der Selbstaussprache deö In d iv id u u m s , der Selbstdarstellung seiner S ubjektivität geraten. c) Barocke „Lebensphilosophie" W e lt-, Lebens- und Jchgefühl fanden w ir im Barockzeitalter sowohl in der weltlichen wie in der geistlichen Dichtung durch einen tiefen D u a lis m u s , durch schwerwiegende Antithesen geprägt. I n gleich starkem M aß e kennzeichnet diese Epoche jedoch ein ungeheures Ringen und Streben nach einem H a lt, eine an­ gespannte Konzentration aller geistigen und willensmäßigen K rä fte , um zu einer Synthese über allen auSeinandersirebenden Momenten und Tendenzen zu gelangen40). I n seinen literarischen Selbsizeugniffen können w ir dem barocken Menschen nachgehen auf den Wegen, die er einschlägt, um die Rätsel seines Lebens zu meistern und zu lösen. Seinem doppelgesichtigen Selbstgefühl cnt-

*°) Vgl. dazu Hübscher, a. a. O., S. 790 s.

sprechend zeichnen sich dabei zwei Hauptlinien ab: auf der einen Seite bot sich die Möglichkeit einer Abkehr von der W elt, die m it heroisch-selbsigewiffcr G e­ bärde oder mit einem gequälten Verzicht oder endlich in bewußter Askese und Flucht in die Mystik vollzogen werden konnte. A uf der anderen Seite öffnete sich der Weg einer betonten einseitigen Wcltzukehr, die die mannigfaltigsien Form en von sinnlichem Leichtsinn über Schicksalsgläubigkeit und S to izism u s bis hin zu rationaler Bürgerlichkeit und M oralität annehmen konnte. I m Rahmen unserer Untersuchung können wir diesem komplizierten, aber höchst interessanten P h än o ­ men barocker „Lebensphilosophie" nicht im einzelnen nachgehen; wir haben aber zu fragen, ob sich gleiche oder ähnliche Versuche menschlicher Lebensmeisterung auch in der Gesangbuchdichtung des 17./18. Jah rh u n d erts aufzeigen lassen. Eine bestätigende A ntw ort ist am ehesten im Blick auf die negative LebenSeinstellung des Barock zu erwarten. Dabei wird m an vielleicht den angeblichen „lutherischen P essim ism us" zur Erklärung heranziehen w o llen "). 2 n diesem Zusammenhang ist jedoch genau und aufmerksam eine Strophenfolge wie die folgende abzuhören: „Steh doch, Seele, steh doch stille und besinn dich, wo du bist. Denke doch, wo dich dein Wille, der so gar im Eiteln ist, der so gar klebt an der Erde, endlich hinverleiten werde. Weißt du denn, wohin du rennest, warum du dir Unruh machst? . . . Ehr ist Rauch. Willst du den fangen? Gold ist nichts denn rote Erd. Trägst du darnach dein Verlangen Lust ist ganz und gar nichts wert. . . Willst du die so teuer kaufen mit Verlust der HimmelSfreud? Laß doch, laß die Welt doch laufen in der schnöden Eitelkeit. Schwing dich, Seele, von der Erden, soll dir doch der Himmel werden. Achte dich nicht so geringe, du bist viel zu gut dazu. . . "

(3 0 /1 ) (30, 2)

(30, 3)

(30, 4) ( 30/ 5)

Au diesen Strophen des frühen 17. Jah rh u n d erts wird sehr deutlich, daß eine religiöse M otivation des Lebenspessimismus und der Weltabkehr kaum noch eine Rolle spielt; auch in den folgenden Strophen des zitierten Liedes träg t sie spürbar sekundären Charakter. Ebenso an Zeilen wie denen von S im o n D ach: „E6 vergeht mir alle Lust, länger hier zu leben. An der Erden Kot und Wust mag ich nicht mehr kleben. ") Vgl. z. B. Elert, a. a. O. I, S. 16.

(56, 1)

Nein, ich lasse nimmermehr mich von ihr betrügen: weg mit ihrer eitlen Ehr, Übermut und Lügen! Wie der Wind den Wolken tut, tut die Zeit den Schätzen. An dem wahren Himmelgut hab ich mein Ergehen."

(56, 3)

wird sichtbar, in wie starkem M aße auch in den geistlichen Dichtungen der barocke Weg eines Lebenöverzichtes und einer W eltverleugnung empfohlen w ird, der letzten G rundes nicht einer „christlichen" D em utshaltung vor G ott entspringt, sondern eine bestimmte Form von „Selbsterhaltung" der „Persönlichkeit" dar­ stellt. Genau demselben barocken Trieb entspricht es, wenn der Weg der W elt­ abkehr a ls eines Versuches zur Lebensmeisterung mit dem Gedankengut und dem S tim m ungsgehalt des mystischen E ros beschrieben w ird, wie es z. 29. im folgenden weitverbreiteten Gesangbuchlied des 17. Jahrhunderts geschieht: „Du, 0 schönes Weltgebäude") magst gefallen, wem du willst, deine scheinbarliche Freude ist mit lauter Angst umhüllt. Denen, die dm Himmel Haffen, will ich ihre Welllust laffm : mich verlangt nach dir allein, allerschönsteö Jesulein.

(114, 1)

Ach möcht ich in deinen Armen so, wie ich mir wünschen wollt, allerliebster Schatz, erwärmen, so wollte ich daö feinste G o l d . . . nicht für dies' Ergötzen haben. . .

OM, 3)

Tausmdmal pfleg ich zu sagen . . . ach würd ich ins Grab getragen. . Und mein bestes Teil, bas würde, frei von dieser Leibesbürde, ja und ewig um dich sein, allerliebstes Jesulein."

(114, 5 )

Neben den Versuchen, gleichsam auf negativem Wege sich zum H errn über sein eigenes Leben auszuwerfen, sahen wir den Menschen des Barockzeitalters die entgegengesetzte Richtung einschlagen. I n diesen Zusammenhang gehört sein „ausgeprägtes Schicksalsgefühl", das ihm au f dem Wege der heroisch-willensm äßigen Bejahung des „V erhängnisses" zu einer Wieder-Aufrichtung des G eltungS-Jchs v erh alf") und ihm in dieser Weise die Herrenstellung über W elt und Leben sicherte. I m Gesangbuch des 17. Jah rh u n d erts begegnen uns schon früh Gedanken, die aufhorchen lassen, weil sie auffallend verw andt er­ scheinen. I n seinen Liedern ist nämlich nicht selten der Ausdruck eines frohen " ) Ursprünglich lautete die Anfangszeile dieses LiedeS: „Du 0 schnödes W ellgebäude..." , vgl. Kll I. 143. FT IV. 99. 43) V gl. Flemming, „Deutsche Kultur . . . " , S . 27 s.

Vertrauens und eines getrosten Sich-ErgebenS in den Willen Gottes einer Schicksalsergebenheit, einem Vorsehungsglauben gewichen, der mehr dem Zeit­ geist als wirklichem christlichen Gottesglauben entspricht. Unter diesem Aspekt ist z. B . die Mahnung zu betrachten: „Eracht' in Widerwärtigkeit, daß jetzo nicht sei allezeit: des M orgens früh ein Hagel kommt, ein Ungetüm die Lust hin nim m t, des Abends drauf so bricht herein ein strahlenreicher Sonnenschein."

(119, 6)

Auch die bekannten und beliebten Zeilen: „W as helfen u n s die schweren Sorgen? W as h ilft u n s unser Weh und Ach? . . . W ir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.

(120, 2)

M an halte nur ein wenig stille und sei doch in sich selbst v ergnügt. . . "

(120,3)

lassen plötzlich erkennen, wie gut sie sich in den Rahmen des zeitgeschichtlichen Denkens einfügen. Zu diesem barocken Schicksalsgefühl und Vorsehungsglauben gesellt sich zum anderen eine ausgesprochen stoische Lebenshaltung. Auch dazu lassen sich in der Gesangbuchdichtung unseres Zeitraumes bedeutende Parallelen finden. I n s ­ besondere erweist sich hier als aufschlußreich das Lied von P aul Fleming: „3n allen meinen Taten laß ich den Höchsten raten . . Sei ne letzte Strophe wendet sich mit dem Aufruf an den Menschen: „ S o sei nun Seele, d e in e . . . "

(42, 15)44),

und das heißt doch nichts anderes, als „ S ei ganz du selbst; ruhe, bleibe in dir selbst und in dir allein"^). Dieselbe Haltung spricht sich auch in einer anderen Strophe jenes Liedes aus: " ) Allerdings ist hervorzuheben, daß in zahlreichen Gesangbüchern diese Zeile verändert wird in „ S o sei nun Seele S e in e . . . " , d. h. G ottes. Dabei ist nicht mehr auszumachen, ob es sich bei dieser Änderung um eine unbewußte Abweichung vom Originaltext oder um eine bewußte Korrektur handelt. Eine Begründung für die abgewandelte Form oder einen a u s­ drücklichen Hinweis darauf hat die Verfasserin weder in Gesangbüchern noch in der zeitgenös­ sischen hymnologischen Literatur gefunden. " ) Eine Bestätigung für diese D eutung und zugleich die beste Interpretation der angeführten Liedzeile bietet das S onett von Flem ing „A n sich". D a es a ls Zeugnis für ein weites Gebiet barocker Lebenshaltung und -gestaltung besonders instruktiv ist, möge es an dieser Stelle zitiert werden: „ S ei dennoch unverzagt, gib dennoch unverloren. Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid, Vergnüge dich an dir, und acht es für kein Leid, H at sich gleich wider dich Glück, O rt und Zeit verschworen. W as dich betrübt und labt, halt alles für erkoren. Nimm dein V erhängnis an, laß alles unbereut. T u, w as getan m uß sein, und eh man dirs gebeut.

„Hai er es denn beschlossen, so will ich unverdrossen an mein Verhängnis gehn .

.

(

4

2

,

11)

Verbinden sich in der Barocklyrik oft stoische mit epikureischen Elementen, so bleibt auch die Gesangbuchdichtung nicht davor bewahrt, menschlichem Glücks­ streben Ausdruck zu verleihen. E s ist als solches allerdings schwieriger zu er­ kennen, weil es sich hier unter dem theologisch-religiös qualifizierten Begriff „Seligkeit" verbergen kann. Trotzdem tritt der mit dem Epikureism us und E udäm onism us verbundene AnthropozentriömuS deutlich zutage, wenn eine Liedstrophe bittet: „Gib, versage, tröste, plage, wie, wann, wo — nach Willen!. .. Wollst nur alles dir zu Ehren, meine Seligkeit zu mehren . . .kehren."

(132, 7)

I n den Zusammenhang „barocker Lebenöphilosophie" im Gesangbuch des 17. Jahrhunderts gehören ebenfalls seine eingehende Beschäftigung mit der menschlichen Seele und m it ihrem W ert, wie die B itte um W eisheit und rechtes „V erständnis". Wie sehr es den geistlichen Liedern dabei um „W eisheit der W elt" gehen konnte, zeigen die folgenden S trophen: „Gib mir Verständnis aus der Höh', und daß ich nimmermehr besteh auf eignem Sinn und Willen .. . Hilf, daß ich auch zu aller Zeit zuvor gern höre andre Leut. . . die Geister prüf, ihr Herz erkenn, was mir kann schaden, meide. Den Stolz und Fürwitz von mir treib, daß ich in meinen Schranken bleib . . . Gib, daß ich wäg all meine Wort, stets unterscheide Zeit und Ort bei allem Tun und Laffen, wenn sich auch gibt Gelegenheit, daß ich sie recht mög fassen."

(78,11)

(78, 12) (78,15)

c?», 16)

Endlich haben wir uns einem letzten charakteristischen Zug barocker Lebens­ meisterung zuzuwenden, und zwar dem auffallend aufklärerischen „M oraliöm us" dieses Zeitalters, verbunden mit seiner ständig zunehmenden „V erbürgerlichung". A uf geistlichem Felde spricht sich schon in Liedern des endenden 16. Jah rb u n d erls Was du noch hoffen kannst, daS wird noch stets geboren. Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke Ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an. Dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn, Und eh du förder gehst, so geh in dich zurücke! Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann. Dem ist die weite Welt und alles untertan." zitiert nach Dilthey, Ges. Schriften, Bd. III, S. 50.

eine „christliche Tugend" aus, die mehr in eine bürgerliche Morallehre paßt, als daß sie Ausdruck christlicher Lebensgesialtung aus dem Rechtfertigungsglauben wäre. S ta tt vieler anzuführender Beispiele bringen wir nur eines, das mit er­ schreckender Konsequenz der barocken Verherrlichung von Ehrbarkeit und S it t ­ lichkeit entspricht"): „W as ist besser im Leben denn Fried und Einigkeit, ein fröhlich Herz daneben, ohn G alt und B itterkeit. . . Sei fröhlich, tu nicht achten

(66, i)

der falschen Jungen Neid, bleib fromm unb stets betrachte Jucht, Ehr und Ehrbarkeit, frag nicht nach falschen Lügen, da dir Unrecht geschieht, die Läng' wird sichs herfügen, daß es nur sei erdicht!

(66, 2)

Ein'm jeden laß auch bleiben sein Namen ungeschändt, Kurzweil, Fröhlichkeit treibe, dein Glück sich bald verwendt. O ft einö am andern tadelt, ist selbst damit behaft, wer ist so hoch geadelt, der nicht ein M angel hat?

(66, 3)

Gesundheit, gut Gewissen, fröhlich, ohn Trug und List, nach Ehren sein beflissen, besser geachtet ist, denn S ilb er, G old, dergleichen Hochheit in dieser W elt, daö wenig hilft den Reichen, nimm Ehrbarkeit fürs Geld."

( 6 6 ,4 )

I n diesen Strophen schaut überall das Barock hindurch, das neben der neuen Bewertung von Tugend und Ehrbarkeit durch das Fehlen der religiösen Begrün­ dung der sittlichen Haltung, „durch das Sich-Ablösen des Sittlichen vom R eli­ giösen"^^) gekennzeichnet ist. Selbst die neue Bürgerlichkeit der Zeit und die in ihr anhebende Verbürgerlichung des Lebens schlägt sich im religiösen Lied des Gesangbuches nieder, wenn etwa P au l Gerhardt singt: „Wär ich gleich wie CrösuS reich, hätte Barschaft liegen . . . müßte gleichwohl siech und schwach P fuhl und Betten drücken: “ ) 3 n diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß alle in diesem Ab­ schnitt herangezogenen Beispiele auS dem 17. Jahrhundert, zum großen T eil sogar auS seinen ersten Jahrzehnten, stammen und nicht etwa zeitlich schon der Aufklärung angehören. Inhaltlich ist ihr R ationalism us allerdings unverkennbar. 47) V gl. dazu Hankammer: „Deutsche Gegenreformation . . . " , S . 103 ff.

würd auch mich im Ungemach all mein Gut erquicken?

( ioi, 3)

Hätt ich aller Ehren Pracht, säß im höchsten Stande, war ich mächtig aller Macht und ein Herr im Lande, mein Leib aber hatte doch auf- und abgenommen der bettübten Krankheit Joch: waS hätt ich für Frommen?

(101, 5)

Ich erwähl ein Stücklein Brot, das mir wohl gedeihet, vor des roten Goldes Kot, da man ach bei schreiet. Schmeckt mir Speis und Mahlzeit wohl und darf mich nicht schonen, halt ich ein Gerichtlein Kohl höher alö Melonen.

( io i , 6)

Samt und Purpur hilft mir nicht mein Elende ttagen, wenn mich Hauptweh, Stein und Gicht und die Schwindsucht plagen. Lieber will ich fröhlich gehn im geringen Kleide, als mit Leid und Ängsten stehn in der schönsten Seide.

(101, 7)

Aber nun gebricht mir nichts an erzählten Stücken: ich erfreue mich des Lichts und der Sonnen Blicken. . .

(101,10)

Ist es Tag, so mach und tu ich, waS mir gebühret, kommt die Nacht und süße Ruh, die zum Schlafen führet, schlaf und ruh ich unbewegt. . . "

(101, 12)

M it diesen Betrachtungen beschließen w ir die B eh an dlu ng deö F ragen­ komplexes „barocke Lebensphilosophie" und ihrer A usprägungen und Einflüsse im Gesangbuch des 17. Jahrh un derts. W enn literar- und geisieögeschichtliche Untersuchungen zu dem E rgebnis geführt haben, daß das Barockzeitalter in einer eminenten S p a n n u n g zwischen christlich-asketischen und humanistisch­ w eltgläubigen Tendenzen I c k 48), so können w ir dieses Urteil m it geringfügigen M odifikationen auch a u f einen großen T eil der Gesangbuchdichtung unseres Zeitraum es beziehen: in den betrachteten geistlichen Liedern stießen w ir nicht nur a u f einen Niederschlag der großen geistesgeschichtlichen S trö m u n g en und Gegensätze des Barock; w ir bemerkten vielm ehr eine so weitgehende B eeinflussung ") Vgl. Victor, „Probleme der deutschen Barockliteratur", S. 6.

und Übereinstimmung, daß sie zu einer G efährung, zu einer V eränderung oder gar zu einer V erdrängung der christlichen Verkündigung in den Gesangbuchliedern zu führen drohte. 2. „Pietistischer" Geist in der Liederdichtung deS Gesangbuches

Wollen w ir in den folgenden Untersuchungen vom „P ietism u s" und „pietistischen Geist" in der religiösen Gesangbuchdichtung des endenden 17. und be­ ginnenden 18. Jahrhunderts handeln, so verwenden w ir die beiden Begriffe in diesem Zusammenhang zur Umschreibung für eine eigene, allgemein-geistig­ geschichtliche Erscheinungsform jener Zeit und nicht als Bezeichnung fü r die innerkirchliche Bewegung des P ietism us in ihrer besonderen theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Bedeutung. Ein solcher Gebrauch des W ortes „P ietism u s" ist nicht allgemein üblich und anerkannt. W o Literarhistoriker und Geisteswissenschaftler in ihren Darstellungen überhaupt eingehender auf den P ietism us a ls auf eine G estaltungskraft innerhalb der profanen W elt und Dichtung zu sprechen kommen, da beurteilen sie ihn zum Teil ausdrücklich noch a ls eine Erscheinungsform im Rahm en des Barockzeitalters. D a s geschieht m it Recht dort, wo man auf die mehr äußeren M erkmale schaut: auf die besondere H inwendung zum menschlichen Ich , auf die starke Gefühlsbewegtheit m it ihrem unsteten Schwanken zwischen letzter Verlassenheit und höchster Beseligung. Diese Kennzeichen verbinden tatsächlich Barock und P ietism u s. S ie setzen sie dam it zugleich zur Aufklärung in Beziehung, wobei die Forschung z. T . ein Gegeneinander von Aufklärung und P ietism us konstatieren zu können m eint, z. T . aber auch auf das M iteinander, auf ihre Herkunft aus gleicher W urzel aufmerksam macht. W ährend w ir die Frage nach dem gegenseitigen V erhältnis von P ietism u s und Aufklärung an dieser S telle au f sich beruhen lassen wollen, müssen w ir uns mit der weiteren K lärung des Phänom ens „P ietism u s" beschäftigen. D er Literarhistoriker V ictor sieht in der Dichtung des 17. Jah rh u n d erts durchgängig zwei K räfte miteinander ringen: „neben der Tendenz auf Verinnerlichung und dam it auf Subjektivierung des religiösen Lebens eine andere mächtige S tr ö ­ mung . . . , die gleichfalls Gesamt-Abendländisch w a r: die Tendenz auf die V er­ weltlichung des Menschentums durch rationale Autonomie . . . I m 17. J a h r ­ hundert wird der Kam pf zwischen diesen beiden geistesgeschichtlichen Mächten . . . keineswegs schon a u sg etrag en ")." Erst im 18. Jahrhundert spiegelt die Lite­ ratu r- und Geistesgeschichte das B ild jener Auseinandersetzung wieder. 3n diesem Zeitraum siegte zunächst— um weiterhin V ictors Darstellung zu folgen — die „irrationale Linie" m it der „Empfindsamkeit als profaner Tochter des P ietism u s", um später der „rationalen W eltgläubigkeit in der D ichtung", d. h. also der Aufklärung, zu weichen. Vietor kennzeichnet also den B eitrag des P ietism u s zur allgemeinen Geistes- und Kulturgeschichte m it dem Stichw ort “ ) Victor, a. 0. £>., S. 60.

„Em pfindsam keit"; eine Untersuchung von Max äBicfer50) stellt gleiche Zu­ sammenhänge unter der Überschrift „S en tim en talität" dar. Beide Begriffe sind trotz der ihnen notwendig anheftenden Einseitigkeit und Schematisierung ge­ eignet, die Frage zu klären, w as „pietisiischen Geist" von „barockem Geist" ab­ hebt und unterscheidet^). W enn zuerst in der deutschen Literatur daö Barock­ zeitalter daö menschliche Ich mit allen seinen emotionalen und rationalen Regungen in den M ittelpunkt der Betrachtung rückt, so bleibt es dabei doch noch bei der D arbietung oder Beschreibung des Typischen stehen. N u r selten erweckt die Barockliteratur den Eindruck von menschlicher Unmittelbarkeit und Einzigartigkeit. Erst der Einfluß des „P ietism u s" führte die Dichtung zum „In d iv id u alism u s einer ganz persönlichen G efühlserschütterung"52). Die B e­ schäftigung des Menschen m it sich selbst wirkt dadurch seit der Jahrhundert­ wende ungebrochener, weniger typisierend und schematisierend, so daß die leiden­ schaftlich-heroisch-pathetische H altung des „agierenden Barock-Ich" immer mehr aufgegeben wird. Erst auf diese Weise wird der Mensch freier, sich selbst als wirkliche Einzelpersönlichkeit zu „empfinden" und zu erleben und solche G e­ stalten auch in seiner Dichtung nachzuzeichnen. Die geistliche Liederdichtung des Gesangbuches am Ende des 17. und zu A n­ fang des 18. Jah rhunderts gibt uns von diesem geistesgeschichtlichen W andel a u fs zuverlässigste und anschaulichste Kunde. Er zeigt sich besonders darin, wie stark es jetzt zum eigentlichen Anliegen der Dichter zu werden scheint, ihre eigenen Empfindungen und die vorhandenen oder hervorzurufenden Gefühle anderer in die Liedstrophen einströmen zu lassen. Diese charakteristische „ S en ti­ m entalität" begegnet z. B . in Zeilen wie den folgenden: „An dem schnöden Sündenwust mag ich nicht mehr kleben, ich verspüre K raft und Lust, heilig und nach G ott zu leben, ich bin reiner Freuden voll, mir ist überschwenglich wohl."

(198, 2)

50) Max D ieser: „Der sentimentale Mensch, gesehen aus der Welt holländischer und deutscher Mystiker im 18. Jahrhundert", 1924. 51) Weitere Ausführungen zu unserer Unterscheidung von „barockem" und „pietistischem Geist" bringt u. a. G. M üller: „Geschichte des deutschen Liedes vom Zeitalter des Barocks bis zur Gegenwart". Die Abschnitte, in denen der Verf. das Liedgut des 17. und frühen 18. J a h r­ hunderts behandelt, tragen die folgenden kennzeichnenden Überschriften: III. K ap.: „Der Opitzsche Liedtypus" (@. 47ff.). IV. K ap.: „D as Virtuosenlied" ( S . 81 ff.) für den Zeitraum des Barock und der „barocken Frühaufklärung. V. K ap.: „D as religiös-mystische Seelenlied" (S . 142 ff.) für die Dichtung des Pietism us mit allen ihren geistigen Vorläufern. VI. K ap.: „D as rationale Seelenlied" (S . 163ff.) für das eigentliche rationalistische Liedgut. 52) M artini, „Deutsche Literaturgeschichte", S . 167. Diese Art von Individualism us, S u b ­ jektivismus und Sentim entalität ist der deutschen Dichtung seit den Tagen des Pietism us nicht wieder verloren gegangen, mögen auch seine Ausdrucksformen jeweils gewechselt haben. Auch die A ufilärung zeichnet in ihrer Weise den sentimentalen Menschen und bezeugt auch darin ihren Zusammenhang mit dem Pietism us.

I n gleicher Weise aufschlußreich beginnt die erste Strophe des eben zitierten Liedes: „Jesu, wenn ich mein Gemüt christlich in mich selbsten lenke. . . "

(198, 1)

und bringt dam it — lediglich durch die beiden religiösen Begriffe „ Je su s" und „christlich" modifiziert — dieselbe W endung zu Selbstanalyse und zu psycho­ logischer Beobachtung zum Ausdruck, wie sie auch fü r die weltliche Dichtung dieses Zeitraum es bezeichnend ist. D arau s ergibt sich, daß auch geistliche Gesänge des 17-/18. Jah rh u n d erts weitgehend den Charakter von „individuellen", „religiösen" „Seelenliedern" annehmen können. S o finden w ir z. B . in einem Gesangbuchlied den Menschen auch in seiner Besinnung auf G ott und dessen W illen ganz bei sich selbst und seinem eigenen Empfinden und eigenen Über­ legen stehen bleiben: „Nun werd ich seinen (sc. G ottes) weisen Schlüssen, die ja au f lauter Segen gehn, auch immer kindlich folgen müssen, so bleib ich in der Ruhe stehn. Hingegen, wenn ich selber wähle und seinen R at dabei verfehle, da krieg ich Unruh, Pein und Q u al: ich muß durch Schaben mich belehren und noch dazu den V orwurf hören: sieh, das ist deine eigne W ahl.

(2 0 4 ,7 )

Drum fürcht ich dich, du Eigenwille, und w ill nur stets gelassen fein, ich finde da di« größte S ü lle , es stellt sich Freud und Frieden ein. D a bin ich beim gar wohl zufrieden, mit dem, w as mir mein G ott beschi eden. . ( 2 0 4 , 8 )

W ir haben also gesehen: auch in ihrem sentimentalen In d iv id u alism u s steht die Gesangbuchdichtung unseres Zeitraum es in größeren geistesgeschichtlichen Zusammenhängen, die stets m it zu bedenken sind. D arüber hinausführend lassen sie aber die Fragen nach den theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen G ründen und Ursachen solcher durch den „Zeitgeist" geprägten Ausdrucksformen und A us­ druckshaltungen dringlich werden. 3. A u fk lä r e r is c h e r G eist in der L ied er d ic h tu n g d e s G e sa n g b u c h e s

3m Gegensatz zu der nicht einheitlichen und unbestrittenen W ertung des „P ietism u s" a ls einer besonderen geistesgeschichtlichen Erscheinung und E n t­ wicklungsstufe ist die Bedeutung der Aufklärung als einer gesamtabendländischen Kulturbewegung nirgends in Frage gestellt. Auch die Literaturgeschichte ver­ wendet den Begriff „A ufklärung" fü r einen nicht unbedeutenden Abschnitt ihrer Darstellung. D abei ist das eigentliche Wesen aufklärerischen Geistes relativ leicht und eindeutig zu erfassen. M artini z. B . zeichnet den Gesamtcharakter dieser Epoche mit den Stichw orten: „Entwicklung eines logischen V ernunftdenkens, einer praktischen weltlichen Wissenschaft, eines antidogmatischen GefühlS-

christentums und einer alles umfassenden dynamischen Beseelung dieser irdischwirklichen W eitab)." M it dieser zusammenraffenden Beschreibung wird der um ­ fassende geisiesgeschichtliche Rahm en angedeutet, in dem sich die Bewegung der A ufklärung vollzogen hat. Ein besonders anschauliches B ild vom Phänom en „A ufklärung" hat B arth in seiner Vorgeschichte zur „Protestantischen Theologie im 19. Jah rh u n d ert" ge­ zeichnet^). Diese Darstellung verm ittelt einen lebendigen und vielseitigen Ein­ druck von der Bedeutung der A ufklärungszeit auf politischem und wissenschaft­ lichem Gebiet, von den W andlungen, die sie in der Frage der inneren und äußeren Lebensgestaltung des Menschen mit sich brachte, von den neuen Errungenschaften und neuen Erkenntnissen, die sie der Nachwelt verm ittelte. Alle diese vielfältigen Erscheinungen aber werden von B arth auf ein e gemeinsame W urzel zurück­ geführt: auf den Geist des A bsolutism us, auf die Lebensart und -einstellung des absolutistischen Menschen. W eltoptim ism uS, N aturgläubigkeil, Intellektua­ lism u s und M oraliöm uS gehören ihm zu den äußeren Kennzeichen dieses au f­ klärerischen Zeitgeistes. S ie weisen hin auf den autonom en Menschen, dem es in seiner Autonomie letztlich in allen seinen Lebensäußerungen um sich selbst und seinen Bestand geht. Auch die theologische Arbeit jener Zeit sieht B arth nicht gefeit gegen das E in­ dringen eines solchen absolutistischen Geistes, jedoch findet er ihn auf diesem Gebiet noch vor gewisse Schranken gestellt und in bestimmte Grenzen gewiesen. Wenden w ir uns demgegenüber den Gesangbüchern des frühen 18. Jah rh u n d erts zu, so scheinen hier auch noch die letzten Hemmungen überwunden zu sein. Schon am Ende deö 17. Jah rh u n d erts begegnen geistliche Gesänge, die kaum mehr von weltlicher Dichtung zu unterscheiden sind und die vor allem aufklärerischen Geist in so ungebrochener und ausgeprägter Form repräsentieren, daß m an ihre E n t­ stehungszeit zumindest um einige Jahrzehnte später ansetzen möchte. S o finden sich z. B . schon in einem Gesangbuch des endenden 17. Jah rh u n d erts die fo l­ genden G edanken: „(Sott, Tugend und Ehre bekrönen mein Leben . . .

(1 6 5 ,1 )

(Sott, Tugend und Ehre, die können es fügen und geben Gemütes und Seelen Vergnügen . . . "

(165, 2)

Diese Zeilen bedeuten nichts anderes, als die völlig ungeschminkte W ieder­ gabe des bezeichnenden aufklärerischen DreiklangeS: G o tt, Tugend, Gewissen. D abei bot der Begriff der Tugend einen besonders bequemen und willkommenen Anknüpfungspunkt für viele Gesangbuchlieder. Schon in der geistlichen Dichtung der Barockzeit sahen w ir ihn eine wichtige Rolle spielen. Demgegenüber beschäftigt sich das beginnende 18. Jah rh u n d ert in einer charakteristisch abgewandelten Form m it dem Problem der Tugend. S ie erscheint weiterhin a ls Inbegriff des “ ) M artini, a. a. O., S . 166s. **) Zu den folgenden Ausführungen vgl. B arth, 0 . 0 . 0 ., S . 6 0 ff.

„christlich"-sittlichen Lebens; daneben beginnt nun aber die Gesangbuchdichtung, höchst selbständig über Art und Wesen der Tugend und der Tugendhaftigkeit des Menschen zu reflektieren. S o heißt es z. B .: „D ie Tugenden sind so verbunden, daß, wenn mir auch nur eine fehlt, so ist der Zweifel nicht verschwunden, ob ich wohl eine recht erwählt. Wer eine Tugend nur nicht tut, ist schwerlich auch den andern gut."

(235, 4)

Sogar die folgende Feststellung ist im Gesangbuch dieser Jahrzehnte nicht mehr ausgeschlossen: „ . . . der Tugenden Vollkommenheit macht die wahrhafte Heiligkeit."

(2 3 5 ,6 )

Völlig auf den Ton eines Haller oder Gellert gestimmt findet sich rund 30 Jahre früher in einem Gesangbuchlied ein vollkommenes Abbild aufklärerischer „Weltund Lebensweisheit": „Wer hier zu etwas kommen will, pflegt erst sich wohl zu leiden, er lebt in allen Sachen still, ist sittsam und bescheiden, er lässet manchen sauren Wind ihm um die Nase gehen, und sucht sein Glück a ls taub und blind getrost zu überstehen.

( 1 6 7 ,1 )

. . . nim m t fleißig seiner Pflicht sich a n , . . . und w a s er nicht bestreiten kann, da läßt er G ott für sorgen*"

(167, 2)

Der autonome Mensch des 18. Jahrhunderts tritt ebenso in den Strophen hervor, die vom menschlichen Gewissen handeln: „O Mensch, leg alle Sorgen hin und geh in dein Gewissen, versammle deinen ganzen S in n und laß dich nicht verdrießen, zu hören deines Herzens Sprach, denk deinem ganzen Leben nach,

es wird dich nicht gereuen."

(195,1)

Von demselben Geist zeugt auch eine andere Stelle des gleichen Liedes: „Es bleib, was recht und unrecht ist, in unser Herz geschrieben, hier hilft kein Trug noch arge List, man w eiß, wie manS gettieben . . . . . . du trägest das Gesetz in dir und richtest du dich selber hier, so wirst du nicht gerichtet."

(195,4)

(1 9 5 /2)

Wie auf anderen Gebieten des kulturellen Lebens, so prägt sich ebenfalls in der Gesangbuchdichtung in mancherlei Hinsicht ein auffallender menschlicher

O ptim ism us aus, der oft in erheblichem Kontrast zu den übrigen dargebotenen Gesängen steht. S o kann etwa in einer solchen Strophe der Mensch sich selbst anreden: „Und du, der du von Gott gekommen, ein Hauch und Strahl von seinem Gei st .

.

(

203, 3),

oder in ähnlichen Gedanken es aussprechen: „Alle Kreatur ist gut, gib, daß ich den Mißbrauch meide . . . das Geschöpfe weiset mich, großer Schöpfer, nur auf dich."

(231, 2)

Jedoch werden nicht nur der Mensch und die Kreatur als ein H inw eis auf Gottes Schöpfermacht gepriesen; auch die N a tu r erscheint wie in der weltlichen, so auch in der geistlichen Dichtung der lutherischen Gesangbücher als ein, bzw. als der Weg zur Gotteserkenntnis: „Wenn ich an dem Wettgebäude deiner Schöpfung Allmacht schau, so erweck in mir die Freude, daß ich deiner Macht vertrau . .

(

226, 3)

J a , selbst der „Gottesbeweis" aus N a tu r und menschlicher V e rn u n ft findet im Gesangbuch unseres Zeitraumes einen Ausdruck, wie ihn noch zu Ende des 18. Jahrhunderts keine weltliche Dichtung hätte besser treffen können: „Nichts ist, das sich selbst vorgebracht. und durch sich selbst dauernd bleibet, die Wirkung zeugt von einer Kraft, von der sie sich herschreibet. Wer hat nun alles in der Welt in solcher Ordnung hergestellt, zeigt dieses nicht den Schöpfer?

(233/ 3)

ES saget uns ja unser Herz, daß du wahrhaftig lebest. . .

(233/ 7)

Ja seht euch doch nur selber an. so müßt ihr Gott erkennen. . . "

(233/ 8)

Geht also fort, bis euch ein Blick den ersten Menschen zeige, und denket mit Vernunft zurück, von wem der Ursprung steige. . . "

(233 9)

Zusammenfassend können w ir feststellen, daß die beigebrachten Beispiele an einer Reihe von verschiedenen Punkten den Erweis erbrachten, daß die Gesang­ buchdichtung des endenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts oft in be­ unruhigender Weise fast nichts anderes ist als Repräsentation absolutistischen Geistes und Selbstdarstellung autonomen Menschentums und d. h. also reinste, ungebrochenste Ausprägung der aufklärerischen und rationalistischen Bewegung.

§ 9* D ie th e o lo g ie - u n d frö m m ig k e itö g e sc h ic h tlic h e B e d e u tu n g d er F r a g e s te llu n g nach geisteS - u n d lite ra rg e sc h ic h tlic h e n E in f lü s s e n a u f die G e sa n g b u c h d ic h tu n g des 17./18. J a h r h u n d e r t s Beschäftigten sich die beiden vorangehenden Paragraphen unserer Unter­ suchung in verschiedenen Problemkreisen m it dem Liedgut der Gesangbücher im 17./18. Jahrhundert, so haben wir uns im folgenden um das Ergebnis zu be­ mühen, das aus der bisherigen Darstellung für die Gesamt-Fragestellung unserer Arbeit zu gewinnen ist. D azu haben w ir uns noch einmal eingehender mit der th e o lo g isc h e n Frage zu beschäftigen, au f die vor allem der Abschnitt über „Kirchenlieddichtung und religiöse Poesie" führt. D a s sich dabei stellende Problem von „G ottesw ort und Menschenwort" wurde bereits kurz berührt, m uß aber noch weiter expliziert w erben55). Wie w ir gezeigt haben, hat nach der Anschauung Luthers alle Kirchen­ lieddichtung ihre Aufgabe darin gesetzt bekommen, G ottes W ort im Volke zu erhalten und zu treiben. In fo lg e dieses Dienstcharakters gegenüber dem gött­ lichen W ort sind auch die geistlichen Gesänge „unter eine N orm gestellt" und haben „ein Ziel gesteckt bekommen"55) ; auch sie müssen sich wie alle anderen Form en christlicher Verkündigung die „Frage nach der Rechtmäßigkeit" ihres T u n s gefallen lassen und wissen, daß rechtes T un nur „im D ienst", „int G e­ horsam ", in der „Selbstlosigkeit" geschehen kann. Erweist sich aber die Recht­ mäßigkeit des Kirchenliedes in seinem gehorsamen Dienst gegenüber dem W orte G ottes, so untersteht es in gleicher Weise wie die Predigt dem Gesetz, daß seine „leiseste Bedrohung" — sei es durch das intendierte Ziel, sei es durch den I n h a lt selbst — zugleich eine „ernste, eine tödliche B edrohung"58) darstellt. Kann von der Dogm atik gesagt werden, daß sie „die kirchliche Rede von G ott daraufhin (p rü ft), ob sie a ls Menschenwort zum Dienste des W ortes G ottes geeignet fei"68), so ist auch die Gesangbuchdichtung aller Zeiten gleicher P rü fu n g be­ dürftig. D enn auch ihr W ort nim m t teil an der Anfechtung, die dort notwendig mitgegeben ist, wo G otteöw ort im Menschenwort ausgerichtet w ird 58). Unsere bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, wie in der Kirchenlieddichtung des 17./18. Jahrhunderts diese Anfechtung, die unvermeidbar aus der m ensch­ lichen Ausrichtung g ö ttlic h e r Taten und göttlichen W illens resultiert, sich bereits zu einer deutlichen G efährdung, ja , zu einer akuten G efahr ausgeweitet hatte. S ie tra t in dem schon im 16. Jahrhundert beginnenden W andel der Kirchenlieddichtung zu religiöser Poesie und geistlicher Lyrik zutage; sie wurde ebenfalls in den äußeren, stilistischen und form alen Kennzeichen der einzelnen Gesangbuchlieder sichtbar. Am wenigsten zu übersehen w ar jene G efährdung der “ ) D ie genannte Formulierung des Problem s entstammt der „Kirchlichen Dogmatik" von Karl Barth, der sie im Kapitel über „Die Verkündigung der Kirche" innerhalb des P ara­ graphen über den „Auftrag der Kirche" im Blick au f die christliche Predigt geprägt hat. Zu den folgenden Ausführungen vgl. darum a. a .O . I , 2, S . 831 ff. M) V g l. dazu Barth, a .a .O . I , 2 , S . 848 ff. ” ) V g l. Barth, a. a. O. I , 2, S . 869. 5e) V g l. Barth, a. a. O. I, 2, S . 874. se) V g l. Barth, a. a. O. I, 2, S . 843.

Gesangbuchdichtung jedoch dort, wo sic in ihrer dichterischen Gestaltung nahezu ungebrochen dem Geist der jeweiligen Zeit folgte und ihm entspracht"). Theo­ logiegeschichtlich gesehen kommen wir also auch auf diesem Wege zu dem Schluß, daß sich im ganzen 17. und im frühen 18. Jahrhundert offenbar keine „Theologie" gefunden hat, die „die kirchliche Rede von Gott" speziell im Gesangbuch darauf­ hin geprüft hat, „ob sie als Menschenwort zum Dienst des Wortes Gottes ge­ eignet fei"61). Die Folgen des Fehlens — oder vorsichtiger gesagt: des Nicht- aufden-Plan-TretenS — einer solchen Theologie lassen sich an der Geschichte der lutherischen Gesangbücher unseres Zeitraumes nur zu deutlich ablesen: der geist­ lichen Gesangbuchdichtung wurde dadurch der Weg freigegeben, mehr und mehr zum Ausdruck menschlicher Religiosität und Frömmigkeit zu werden und sich damit zugleich ständig weiter aus der engen Bezogenhcit auf das „objektive" Wort zu lösen. Diesen Prozeß verfolgten wir im einzelnen in den phämenologischen A us­ führungen. S ie hatten keine andere Aufgabe, als ein möglichst vielseitiges und buntes B ild davon zu vermitteln, in welcher Weise und in welchem Ausmaß die Gesangbuchdichtung im 17. und frühen 18. Jahrhundert am Geist des Barock, des P ietism us und der Aufklärung als allgemein abendländischer Geistes- und Kulturbewegungen partizipiert. Dabei stellte sich an unseren Liedbeispielen heraus, daß sie mehr als eine innerlich berechtigte Beeinflussung durch den „Zeitgeist" erfahren haben. Zwar ist auch nach der inhaltlichen Seite hin für jede Form von kirchlich-christlicher Rede noch einmal zu konstatieren, daß ihr kein gleichsam separater geistiger oder geistlicher Raum eignet oder zukommt, so daß sie ihn sich u. U. sogar selbst künstlich zu schaffen hätte. Ein solcher Weg würde den Versuch bedeuten, in theologisch illegitimer Weise der Anfechtung und dem Ärgernis ausweichen zu wollen, daß auch „christliche" Rede und „christliche" Gedankenfolge Menschenrede und menschliches Denken, Planen und Wollen ist und damit in bestimmter Weise ihre Prägung und Ausformung durch die jeweilige Zeit erhält. M it gleicher Deutlichkeit ist aber darauf hinzuweisen, daß es dabei leicht zu einem bedrohlichen, ja zu einem falschen Teilnehmen an den Formen und Fragen einer Zeit kommen kann. 3m Blick auf die Kirchenlieddichtung des 17./18. Jahrhunderts müssen wir unseren bisherigen Beobachtungen zufolge feststellen, daß sie weitgehend auf ein gefährliches Teilnehmen an den verschiedenen Formen des „Zeitgeistes" hin­ weist. D aö braucht noch nicht zu bedeuten, daß sie darüber unvermerkt bereits zu einem Stück weltlicher Dichtung geworden ist, obwohl auch diese Möglichkeit •°) I n wi« starkem M aße „Sprache" im weiteren S in n , d. h. Begrifföwclt wie deren An­ ordnung und Aufbau, zum th e o lo g is c h e n Problem werden, bzw. dieses selbst darstellen kann, verdeutlicht z. 23. auch ein Blick au f die gleichzeitige Dogmatik. D aö Problem der ortho­ doxen System atik bedeutet weitgehend ein Problem der Sprache, selbst wenn «S sich hierbei um eine rein wissenschaftlich-begrifflich qualifizierte Sprache handelt. Allerdings ergibt die Beschäftigung mit unseren Liebern, daß deren Sprache verständlicherweise nirgends teilnimmt an der philosophisch-scholastisch-ontologischen Sprach- und Denkgestaltung, der wir in der Orthodoxie begegnen, “ ) Barth, a. a. 0 . 1 ,2 , S . 874; vgl. oben S . 101 u. 6.

sich abzuzeichnen beginnt. Es schließt jedoch vielfach ein, daß der Ausgangspunkt solcher geistlichen Dichtung — trotz und in aller christlich-religiösen Gewandung — die Zeit und ihr jeweiliges Welt-, Menschen- und GotteSbild geworden ist und daß ihr Ouellort nicht mehr eigentlich im Wort G ottes, in den „großen Taten G ottes" liegt, die sich je und je in gleicher Weise für den Menschen einer bestimmt qualifizierten Zeit und eines bestimmt qualifizierten Zeitgeistes ereignen. W eil das Gesangbuch unseres Zeitraumes gegenüber all den anderen Stim m en wenig mehr weiß von der durchschlagenden und korrigierenden Kraft des zu treibenden göttlichen W ortes, darum sehen wir eö weitgehend preisgegeben einer Frömmigkeit und Religiosität von barocker, pietistischer oder aufklärerischer Prägung. Dam it gefährdet es nicht nur seine Aufgabe, „reine Lehre" im Sinne eines gehorsamen, selbstlosen Ausrichtens des Wortes Gottes zu treiben. Es offenbart zugleich an zahlreichen Beispielen die Richtigkeit des Satzes, daß „auch die leiseste Bedrohung der reinen Lehre eine ernste, eine tödliche Bedrohung . . . der christlichen Kirche als solcher" darstellt. Behandelten wir bisher die starke zeitgeschichtliche Prägung der Gesangbuch­ dichtung vorwiegend als ein Problem der Frömmigkeitsgeschichte, so ist ferner zu fragen nach den Gründen, die eine so weitreichende BeeinfluffungSmöglichkeit des geistlichen Liedgutes geschaffen haben. 3 nt Blick auf die formale Gestaltung der Gesangbuchlieder wird man zweifellos berücksichtigen müssen, daß sie sich allmählich bestimmten, von Opitz an mit einer gewissen Autorität vertretenen Stilgesetzen und Stilanschauungen eingefügt haben. Für die inhaltliche Seite reicht eine solche Erklärung aus äußeren Faktoren schwerlich aus. Diese Frage ist. u E. umfassend nur dann zu beantworten, wenn die Theologiegeschichte der Zeit zu Rate gezogen wird. 3n ihren Dokumenten ist nach Anhaltspunkten zu suchen, die entweder selbst einer bestimmten menschlichen Frömmigkeitshaltung entsprechen, bzw. diese hervorrufen, oder die gleichsam ein Vakuum aufweisen, resp. selbst schaffen, das eine Religiosität erfüllen kann, die jener Theologie selbst noch fern liegt oder gar mit ihr im Grunde unvereinbar ist62). Neben diese theologiegeschichtliche Anfgabe hat dann eine weitere frömmigkeitsgeschichtliche Fragestellung zu treten, die sich nicht mehr mit dem Ausweis der Phänomene als solcher zufriedengibt, sondern die versuchen muß, sie im einzelnen zu ana­ lysieren, ihre inneren Zusammenhänge aufzuweisen und sie theologisch kritisch zu betrachten. Haben wir damit noch einmal das Programm für die folgenden Ausführungen umrissen, so dürfen wir zusammenfassend feststellen, daß unö auch die D ar­ stellungen des II. Hauptteiles unserer Arbeit aufschlußreiches Material für unser Problem „Theologie und Frömmigkeit" an die Hand gegeben und somit auch die Bedeutung einer literar- und geistesgeschichtlichen Betrachtung für die Er­ hellung der Gcsangbuchgeschichte erwiesen haben. •2) D ieses Problem der verschiedenartigen Korrelationen zwischen Theologie und Frömmig­ keit scheint unS in besonderer Weise beachtenS- und bedenkenswert. D ie folgenden Einzeluntersuchungen werden unS dazu genügend Beispiele bieten. Die theologische Relevanz solcher Fragen für die Gegenwart wie für jede Zeit liegt au f der Hand.

III. T e il

Theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Einzelunter­ suchungen zu den Liedern von „Buße", „Rechtfertigung" und „christlichem Leben und Wandel" in den evg.-luth. Gesangbüchern des 17. und des frühen 18. Jahrhunderts § IO.

E in fü h r u n g

A u f die Aufgaben, Fragen und Ziele, die dem III. Teil unserer Untersuchung gesetzt sind, wurde mehrfach Ijtngettuesen12). Methodisch wählten w ir zur W eiter­ führung unserer Arbeit bewußt die Form von Einzeluntersuchungen, da es z. Z. auS den angegebenen Gründen u. E. ein nahezu unmögliches Unterfangen dar­ stellt, eine wirklich umfassende Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte des G e­ sangbuches schreiben zu w ollen. Es scheint uns jedoch möglich zu sein, mit H ilfe unserer Fragestellung nach „Theologie und Frömmigkeit im evg.-luth. G esang­ buch . . ." am Einzelnen den Blick für das Ganze zu schärfen, von der Einzel­ untersuchung aus in gewisser Weise die Gesichtspunkte und die M aßstäbe zu gew innen, nach denen in ähnlicher Form eine Gesamtuntersuchung zu unter­ nehmen wäre. D ie A usw ahl der Lieder von „B uß e" , „Rechtfertigung" und „christlichem Leben und W andel" a ls Gegenstand eingehenderer Einzeluntersuchungen be­ gründeten wir damit, daß jene Liedergruppen in das Zentrum christlich-reformatorischen G laubens und Lehrens führen und ihnen daher eine besondere Bedeutung zukommt. An ihnen entscheiden sich die grundlegenden theologischen Fragen. S ie selbst stellen die entscheidenden theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen P ro ­ bleme zur D ebatte. Für die W ahl gerade dieser Liedergruppen spricht aber auch ein praktischer Gesichtspunkt. D ie Problematik von „Theologie und Frömmigkeit" im Gesangbuch und seinem Liedgut kann nur dann plastisch zur Darstellung ge­ bracht werden, wenn die in Frage stehende Gesangbuchdichtung in Beziehung ge­ bracht wird zu den vorangehenden wie gleichzeitigen schriftlichen Dokum enten der dogmatischen Lehre, deö aszetischen Schrifttum s, der katholischen Literatur usw. B ei den ausgewählten Liedergruppen ist eine solche Vergleichsmöglichkeit in hervorragender Weise gegeben. D ie evg. Erbauungö- und Gebetsliteratur fußt fast ausschließlich auf denselben „Them en", die unsere LiederauSwahl traktiert. I n den dogmatischen Werken begegnen uns die angegebenen In h a lte fast unter denselben Überschriften^). Entsprechende Parallelen aus dem Bereich der römisch1) V gl. oben S . 12, S . 67ff., S . 103. 2) Aus der orthodoxen Dogmatik sind z. B . die loci zu nennen: „de poenitentia“ (unter Einschluß des locus „de peccato“), „de iustificatione“ und für die 3. Liedergruppe in bezeich­ nender Vielzahl: „de Übertäte chrisüana“, „de nova obedientia“, „de bonis operibus“ sowie der ganze Komplex des „ordo salutis“. Auch die pietisiischen und frühaufklärerischen „G laubenö-

katholischen Kirche sind zugänglich in katholischen Gebetö- und AndachtSbüchernb), im Catechismus Romanus wie in den dogmatischen Entscheidungen deS T ridentinum s u. ä. Trotz dieser offensichtlich so glücklichen thematischen P arallelität de« Stoffee müssen wir aber zugleich auf eine Einschränkung in seiner Verwendungsmöglich­ keit aufmerksam machen. Bei der Beschäftigung m it dem Liedgut ist nämlich stete im Auge zu behalten, daß das Gesangbuch einen Bereich sui generis inner­ halb bei kirchlichen S chrifttum s darstellt und in dieser Eigenschaft mancherlei eigene Entwicklungstendenzen aufweist. E s wäre darum nicht fruchtbar, sich bei der Analyse der Lieder m it einer bloß vergleichenden Gegenüberstellung von dogmatischen Aussagen und Äußerungen des Kirchenliedes zu begnügen. Ab­ gesehen von der Unsachgemäßheit dieses V erfahrens würde es uns nicht vor da« eigentliche Problem unserer Untersuchung stellen. Höchsten« zu seiner einen S eite, zu der Frage nach der „Theologie" im Gesangbuch, würden einzelne Beobach­ tungen zusammengetragen werden können. D abei würden u. E. selbst diese E r­ gebnisse unzureichend sein, da nach unserer Auffassung auch die Theologie­ geschichte nur dann recht erfaßt und gedeutet werden kann, wenn sie in den größeren Rahm en der allgemeinen Geistes- wie Frömmigkeitsgeschichte gestellt wird. A uf der anderen S eite ist ebenso eine Vereinfachung in entgegengesetzter Rich­ tung zu vermeiden. E s ist nicht anzunehmen und nicht danach zu verfahren, a ls ob sich alle Fragen, die m it dem Problem der „Fröm m igkeit" in der Gesangbuchdichtung zusammenhängen oder darauf hinzudeuten scheinen, ohne weiteres durch eine Gegenüberstellung m it der aszetischen Literatur lösen w ürden. Eine derartige, von außen herangetragene Unterscheidung von „Theologie" und „Fröm migkeit" würde der Problem atik der Gesangbuchdichtung in keiner Weise gerecht werden. Gegenüber jeglichem von vornherein aufgliedernden V erfahren m uß unsere Arbeit versuchen, die in Frage stehenden Lieder zunächst als G anzes in Blick zu nehmen. A us ihnen soll gleichsam ihre eigene „Lehre", ihre eigene Anschauung und Auffassung über die zentralen Fragen des christlichen G laubens und Lebens entwickelt werden. D a s wird zu den drei Problemkreisen von „ B u ß e", „Recht­ fertigung" und „christlichem Leben und W andel" bzw. „H eiligung" in je einem vorangehenden, darstellenden Abschnitt geschehen. A us ihm wird sich jew eils mit Notwendigkeit der nachfolgende, analytische Abschnitt ergeben; denn die zu behandelnden Lieder selbst fordern ihn; sie setzen die Fragestellung nach „Theo­ logie und Frömmigkeit" in aller Eindringlichkeit aus sich heraus. Ein beigefügter Rückblick auf das „reformatorische" Liedgut kann ferner die Unterschiede in der lehren" bringen fast überall dieselben Bezeichnungen. Nur in seltenen Fällen wird der ganze S toff, der sich au f das christliche Leben bezieht, unter die zusammenfassende Überschrist gestellt: „V on der H eiligung", so z. B . bei Spangenberg: „Idea fidei fratrum . . Barby 1778. 3) Besonders berücksichtigt wurden wegen ihrer den gegenreformatorischen K atholizism us charakterisierenden Bedeutung die „Exercitia spiritualia“ des Ig n a tiu s von Loyola.

G estaltung stärker hervortreten lassen. Dabei ist besonders im Auge zu be­ halten, daß es sich bei den drei ausgewählten Liedergruppen um „Lehrstücke" handelt, die theologisch seit der Konkordienformcl kaum mehr eine ernsthafte Kontroverse ausgelöst haben. Unter den Liederdichtern würde sich schwerlich einer finden lassen, der von sich selbst nicht behaupten würde, au f dem Boden der Bekenntnisse und der Lutherschen Reform ation zu stehen. Erst auf dem H intergrund dieser angeblich vorgegebenen Übereinstimmung zwischen „ortho­ doxer" Kirchenlehre und lutherischer Gesangbuchdichtung tritt die ganze Problem atik von „Theologie", „Frömmigkeit" und Gesangbuchgeschichte voll inS Licht. Zum Abschluß unserer einführenden Bemerkungen sind noch einige Schwierig­ keiten zu erwähnen, die unsere D arstellung weder zu umgehen noch zu lösen vermag. I n z. T . noch größerem Umfang krankt auch der folgende III. Teil an denselben „technischen" Problem en, die schon den I. und II. Teil belasteten. Die T rennung in einen darstellenden und einen untersuchenden Abschnitt macht mancherlei W iederholungen und Überschneidungen unvermeidlich, ein hem­ mender Faktor, der auch die Aufgliederung der Gesamtuntersuchung in die drei H auptteile betrifft. Die Notwendigkeit, sich möglichst auf allen Gebieten auf die H auptlinien und die wesentlichen Punkte zu beschränken, wurde mehrfach hervor­ gehoben. Trotz solcher angestrebter Beschränkung hinsichtlich des verarbeiteten M aterials wie auch hinsichtlich seiner Auslegung erwies es sich im V erlaufe der V orarbeiten immer mehr a ls unmöglich, in den analytisch-genetischen Unter­ suchungen zu absolut sicheren Ergebnissen zu kommen. Die Hinweise, die wir a u f A usführungen der Dogm atiker, auf besondere Abschnitte des E rbauungs­ schrifttum s oder auf anderweitige „Quellen" eines bestimmten Gedanken­ komplexes geben, können in den meisten Fällen nur dazu dienen, zu einzelnen Kirchenliedaussagen auffallende Analogien oder P arallelen aufzuzeigen, charakterisierende Unterschiede oder Abweichungen zu verdeutlichen oder ge­ legentlich die vermutlichen Ausgangspunkte und Ansatzstellen einer Entwick­ lungslinie oder eines Gedankenzusammenhanges anzugeben. Die Unsicherheit der Ergebnisse, die notwendig den ganzen Umkreis unserer Betrachtungen be­ herrscht und der auch bei besserer V orarbeit durch andere Untersuchungen nur bedingt abzuhelfen w äre, hat allerdings auch ihren positiven W ert: sie befreit von einem Denken und Urteilen in feftabgegrenzten kirchen- und theologie­ geschichtlichen Zeiträumen und verm ittelt dadurch ein sehr viel lebendigeres B ild davon, wie im Leben von Kirche und Gemeinde stets ein bewegtes M it-, Nebenund Gegeneinander von „Zeitgeist" und „christlichem G lauben", von „Lehre" und „Leben", von „Theologie" und „Frömmigkeit" herrscht. Endlich ist darauf aufmerksam zu machen, daß es bei vielen Liedern methodisch schwierig ist, ihre Aussagen im einzelnen oder auch daö Lied als G anzes richtig in die drei verschiedenen G ruppen von B uß-, Rechtfertigungs- oder H eiligungs­ liedern einzuordnen. Theologischem Denken im eigentlichen S in n widerspricht eine derartige Sonderung in verschiedene, voneinander abgegrenzte oder doch abgrenzbare „Them en" überhaupt. Führen wir als Beispiel die Aussagen Lu106

therS*) zu den „Lehrstücken" von Buße, Rechtfertigung und Heiligung an, so zeigt sich, daß Luther kaum jemals eines vom anderen getrennt behandelt: Buße, Rechtfertigung und Heiligung bilden bei ihm eine wohlbegründete und zu be­ gründende innere Einheit, in der nie eines ohne das andere ist bzw. fein kann. Eine systematische Darstellung dagegen kann nicht anders verfahren, als daß sie Zusammengehöriges sondert und in sich geschloffen entfaltet45), selbst wenn sie dabei versuchen mag, stets auf die eigentliche Mitte, auf den EinheitS- oder Jentralisationspunkt aller Einzelüberlegungen hinzuweisen6). Auch unsere D ar­ stellung kann eine Aufgliederung deö zu behandelnden Stoffes nicht umgehen. D a s bedeutet einen M angel in der Darstellung, der allerdings zum großen Teil einem M angel der Lieder genau entspricht. Denn auch sie sind in unserem Zeit­ raum vielfach bereits dazu übergegangen, nur ein en „locus“ deö christlichen Glaubens oder Lebens besingen zu wollen, auch wenn sie dabei Gefahr liefen, das Ganze des „Christentums", seinen eigentlichen Grund und In h a lt, ver­ säumen zu müssen. i. K a p ite l

„ V o n der B u ß e"

§ i i . D a s L ied m a teria l i. Rückblick a u f d a s re fo rm a to ris c h e „B u ß "-L ie d „Allein zu dir, Herr Jesu Christ, mein Hoffnung steht au f Erden. Ich weiß, daß du mein Tröster bist, kein Trost kann mir sonst w erden. . . "

ii,

i),

4) Die folgenden Ausführungen unserer Arbeit werden sich häufig und ausführlich a u f die „Theologie Luthers" bzw. a u f die „reformatorische Theologie" beziehen. Dabei ist grund­ sätzlich im Auge zu behalten, daß Aussagen Luthers niem als in dem S in n e herangezogen werden, a ls könnten sie a ls solche irgendeinen normativen Anspruch erheben oder a ls würde ihnen eine solche Funktion beigelegt. W ir beziehen unS au f Luther und au f die „reformatorische Theologie", insofern w ir sie a ls Verkündigung und Auslegung des biblischen Evangelium s ansehen dürfen. D er Rückgriff a u f die eigenen Aussagen Luthers ist zum anderen auch deshalb nahegelegt, weil gerade das 17. und frühe 18. Jahrhundert Luther betont a ls seinen Führer und geistig-theologischen V ater proklamierte und von ihm seine „Orthodoxie" abzuleiten suchte. 6) Nehmen wie dieses Verständnis von systematischer Theologie a ls M aßstab, so finden wir bei Luther verschwindend wenig A usführungen, die solche Merkmale theologisch-wiffenschaftlicher, systematischer Darstellung ausweisen. Der Gelegenheitscharakter der A usführungen Luthers macht sich fast überall in der Gebankenführung wie in stilistischen Eigentümlichkeiten geltend. DaS macht au f der einen Seite die Stärke der Schriften Luthers a u s, andererseits jedoch birgt es die Probleme in sich, die auftauchen, wenn Aussagen Luthers in systematische Zusammenhänge gebracht werben sollen. Ohne au f diese Frage näher eingehen zu können, wird man behaupten dürfen, daß es einen allgemein gültigen und anwendbaren Schlöffet der Lutherinterpretation schwerlich geben wird. •) An dieser Ä elle wird die Aufgabe u n d die Schwierigkeit je d e r wiffenschaftlich-systematischen Dogmatik erkmnbar. D ie orthodoxen Lehrsysteme wie schon das Melanchthonische LociVerfahren offenbaren deutlich die Problematik, der sich eine Theologie ausliefert, die sich nicht genügend ober inadäquat mit der Frage nach ihrer Darstellungsmethode auseinandersetzt.

so beginnt eines der auffallend seltenen Lieder der Reformationszeit') zum Thema menschlicher Buße und Beichte. Dom Zeugnis des Glaubens und Ver­ trauens geht dieses Beichtlied aus, ihm folgt der Anruf: „ ich rufe dich an, zu dem ich mein Vertrauen hab."

( n , i)

und das Bekenntnis der eigenen Sünde: „M ein S ü n d sind schwer und übergroß und reuen mich von H erzen. . . "

(i i, 2)

Diesem klaren und knappen Bekenntnis folgt die Bitte um Vergebung und Er­ lösung: „ . . . . derselben mach mich quitt und loö durch deinen Tod und Schmerzen, und zeig mich deinem Vater an,

daß du hast gnug für mich getan. . . " (11,2), eine B itte, die wiederum unmittelbar auf das glaubende und vertrauende Zeugnis hinlenkt: „ . . . . so werd ich loS der Sünden Last. H err, halt mir fest, was du dich mir versprochen hast."

(11, 2)

Während die dritte Strophe unseres Liedes die Bitte um den „wahren Christen­ glauben", um die rechte Liebe zum Heiland und zum Nächsten und um B e­ wahrung in Anfechtung bringt, mündet seine letzte Strophe — dem ganzen Ton des Liedes entsprechend — in den hymnischen Lobpreis aus: „E hr sei Gott in dem höchsten Thron, dem Vater aller Güte, und Jesu s Christ, fettn liebsten S ohn, der u n s allzeit behüte, und G ott, dem werten Heilgen Geist, der unS allzeit sein Hilfe leist, daß wir ihm wohlgefällig sein hier in der Zeit und folgende in der Ewigkeit."

(1 1,4)

7) Diese Beobachtung läßt sich eindeutig aus dem großen Sammelwerk von Wackernagel belegen. Drei umfangreiche Bände bieten mit rund 3700 Nummern das Liedgut von den An­ fängen der Reformation bis zum Ende des 16. Jahrhunderts dar. Die Register zu diesen Bänden führen unter dem Stichwort „B uße und Beichte" nur insgesamt 53 Lieder an. Dieselbe Zurück­ haltung prägt sich auch in den aus den frühesten Quellen mitgeteilten Lieder-Überschristen aus. K aum mehr a ls 20 tragen eine Überschrift, die daS Lied überhaupt als ein B uß- oder Beicht­ lied im engeren Sinne kenntlich macht. Unter diesen Überschriften ist wiederum die knappeste Form „B üßlied" oder „Beichtlied" am fettesten. Häufiger begegnen ausführlichere Zusammen­ fassungen des Liedinhaltes wie etwa „Ein schön Lied um Verzeihung der S ünden" (W I I I, 117), „E in Schön Bekenntnis der S ünden vor G ott" (W IV, 1177), „Klag des S ünders und B itt um Vergebung und Ablaffung der S ünde" (W II I, 1008) oder „Betgesang zum himmlischen Arzt um Vergebung der S ü n d und um ein christliches Leben" (W I I I, 1304). Offenbar stand also den Liederdichtern im 16. Jahrhundert mehr die Bitte um Vergebung im Mittelpunkt als die Schilderung menschlicher „Bußgesinnung". Die Liedersammlung von Fischer-Tümpel gibt für das 17. Jahrhundert schon bei flüchtiger Durchsicht ein völlig verändertes Bild. Hier herrschen die Bezeichnungen „B üßlied", „Beichte", „Bußgedanken" u. ä. in auffallender Häufigkeit vor.

Nicht zufällig, sondern innerlich begründet fehlt diesem Beichtlied jegliches nähere Eingehen auf die menschliche Sündenschuld wie auf den Sündenschmerz des Menschen. D er eigentliche In h a lt dieses Liedes wird durch seine Überschrift: „Ein Betlied zu Christo, unserm einigen Heiland, um Verzeihung der S ü n d en und M ehrung des G laubens und w ahrer Liebe" (W I II , 204) vollkommener und treffender wiedergegeben, als wenn andere Gesangbücher oder Liederzettel die Bezeichnung hinzufügen: „Ein Beichtlied" oder „Ein gemeine Beichte in Gesangweise" (W I I I , 201 ff.). Offensichtlich teilt der Dichter dieses Liedes noch nicht den Gedanken, der in einem anderen Lied nur 2 oder 3 Jahrzehnte später so form uliert w ird: „ D a s ist zum Heil der recht A nfang, wenn ein'm sein S ü n d macht weh und b a n g . . . "

( 9 ,6 )

Unser Beichtlied aus der Reform ationszeit weiß und bekennt „zum H eil den recht A nfang" allein in Je su s Christus, in seinem Trost (v. 1), seinem Tod au s Schmerzen (v. 2) und seinem Versprechen von Gnade und Vergebung (v. 2). Dem H eiland Je su s Christus allein vertraut der Mensch in Sündenbekenntnis und B itte um Vergebung der S ünde. D ie Tatsache, daß die Reform ationszeit in ihren geistlichen Liedern so wenig von S ü n d e, Reue und B uße des Menschen zu sagen weiß, ja, daß sie kaum au s­ gesprochene B u ß - und Beichtlieder anbietet, erscheint auf den ersten Blick ver­ wunderlich. Versucht man die Reform ation aus dem „U rerlebnis" Luthers zu erklären und bezeichnet man a ls ihre grundlegende Frage die Frage nach dem gnädigen G o tt, so m üßte sich fü r das kirchliche Schrifttum daraus ergeben, daß die Beschäftigung m it der menschlichen Sündhaftigkeit und m it der „ B u ß ­ gesinnung" deö Menschen zum „Zentral-Them a" erhoben w ird. — Unbestreitbar hat die reformatorische Bewegung historisch ihren AuSgang bei der öffentlichen Infragestellung der mittelalterlich-katholischen B ußpraxis genommen. Aber schon die DiSputationSthesen Luthers rücken die B ußfrage in größere Zusam m en­ hänge^), die Frage nach der rechten B uße wird schon hier zur Frage nach dem rechten Evangelium und der rechten Kirche"). Auch die L ied er Luthers bringen niem als isoliert Aussagen über S ündennot und B uße des Menschen. Beide G e­ danken werden ebenfalls in den übrigen reformatorischen Liedern nirgends zu selbständigen Them en, obwohl keine spätere Zeit derartig harte und schonungs­ lose Aussagen über die hoffnungslose Verlorenheit des menschlichen Geschlechtes form uliert hat wie z. B . die drei bedeutenden Reform ationölieder: „N u n freut euch, lieben Christen g'm ein", „E s ist das Heil uns kommen her" und „D urch A dam s F all ist ganz verderbt". Auch hier sind übereinstimmend nicht S ü n d e und B uße, sondern Gnade und Erlösung „T hem a" der Lieder und A nlaß zu ihrer Verkündigung wie zu ihrem Lob- und D ankeözeugnis"). D enn gegen eine e) V g l. dazu W A I, 233 fr. = B A I, 3 ff. ’) V g l. dazu O . Ritschl, „Dogmengeschichte. . II, 1, S . 157. 10) Wie wenig spätere Generationen den eigentlichen Charakter und das Hauptanliegen dieser Lieder erkannt haben, zeigt sich daran, unter welche Rubriken sie eingeordnet wurden, a ls die chon längst mehr oder weniger nur noch traditionell weitergeführte Liedergruppe „ V on der

Verselbständigung des „Erlebnisses" von Sünde, Angst und Reue hatte schon Luther warnend seine Stim m e erhoben: ,,Cave ergo in contritionem tuam confidas, aut dolori tuo tribuas remissionem peccatorum, Non respicit te propter haec deus, sed propter fidem, qua minis et promissis cius credidisti, quae operata est dolorem eiusmodi“ (WA 6, 545 = BA 1 , 481). D as Beichtlied, das wir oben ausführlich mitteilten, enthält nichts von einem falschen Vertrauen auf menschliche Reue und Beichte. Seine Aussagen entsprechen vollkommen der Forderung Luthers: ,,Proinde fides ante omnia docenda et provocanda est, fide autem obtenta, contritio et consolatio inevitabili sequcla sua sponte venient" (WA 6, 545 — BA 1, 480)n ). 2. Z u r F ra g e der m enschlichen S e lb s te r k e n n tn is in den B ü ß lie d e r n d es lu th e ris c h e n G esa n g b u c h e s im 17. u n d f r ü h e n 18. J a h r h u n d e r t

a) Selbsterkenntnis als menschliche Aufgabe und Möglichkeit „Menschenkind, merk eben, w as da sei dein Leben!

.

.

(

1

3

,

i) ,

diese Eingangszeile aus einem Lied der Böhmischen Brüder ließe sich treffend als eine Art M otto über die Mehrzahl der B uß-und Beichtlieder des i7 ./i8 . J a h r­ hunderts setzen. Sie umschreibt, wie wir rückschließend erheben können, aufs beste die geistige H altung und seelische Stim m ung, aus der heraus es die Dichter dieser Zeit unternahmen, für die Glieder der christlichen Gemeinden Büßlieder zur Verfügung zu stellen. Durch ihre Lieder sollte das Aufmerken der Menschen auf ihr eigenes Leben geweckt, wachgehalten und gefördert werden. Darum sprechen sie die M ahnung aus: „B linder Mensch, tu weg die Decke, die vor deinen Augen ist, Rechtfertigung" endgültig dem Wandel der Zeiten zum Opfer fiel. D a s Lied „Durch Adams Fall ist ganz verderbt. . . " erschien z. B . unter folgenden Überschriften: Freylinghausen 1706: „V om menschlichen Elend und Verderben", Hessen-Darmstadt 1733: „V on dem au s dem Fall entstandenen menschlichen Verderben oder der Erb- und wirklichen S ü n d e ", Herrnhut 1735: „V on der Seele Erwachen und Aufstehen." D am it bestätigt sich durch ein praktisches Beispiel die These, daß die „Anordnung für die jeweilige Beurteilung des Liedes, für die Aufgabe, die man ihm stellte, und den Einsatz, den man ihm gab, von wesentlicher Bedeutung" sei. Mahrenholz, a. a .O ., S . 45, vgl. oben S . 31 f. n ) Allerdings könnte sich auch der Dichter, der die Zeilen „D a s ist zum Heil der recht A nfang, wenn etn’rn sein Sünd macht weh und bang . . . "

(9, 6)

schrieb, auf Luther berufen und als Beleg etwa ein W ort au s der Auslegung des 67. (68.) Psalm s von 1521 anführen: „N un ist nodt, das zuvor der mensch durch gesetz gefangen wird und kümme yn die bandt der fund, daS ist yn angst seyniß gewißenS, den wer nit fund füllet, der sucht keyn gnad, acht auch widder das Evangelium noch den glewben" (WA 8, 8f.). Dennoch schließt die weitgehende formelle Übereinstimmung beider Aussagen nicht auö, daß sie inhalt­ lich in jeweils sehr verschiedene Gedankenkreise führen. Die Büßlieder a u s den lutherischen Gesangbüchern deS 17./18. Jahrhunderts, die wir im folgenden au f dem Hintergrund unserer Überlegungen zum reformatorischen „Buß"-Lied betrachten wollen, werden uns ein Ver­ ständnis von dem „zum Heil der recht Anfang" zeigen, das wenig mehr gemein hat mit Luthers Verkündigung von dem rechten und alleinigen Anfang und Grund des Heiles für den Menschen. HO

selber dich in dir erwecke und bedenke, wer du bist!.

.

(

1

3

4

,

1)

Augenscheinlich ist cs die M einung des Verfassers, daß es für den Menschen eine Sache des eigenen W illens und der Herzenöbereitschaft sei, Klarheit über sich selbst zu gewinnen. D abei hält er die Aufgabe der menschlichen S elbst­ erkenntnis fü r so wichtig und grundlegend, daß er sie noch an zwei weiteren S tellen desselben Liedes a ls eindringliche Forderung vor den Menschen hinstellt: „Lerne dich erkennen, lerne!. .

(134,3)

„Nicht so, Mensch, bedenk dich besser, sei kein Staub und dürres Land. .

(134,7)

Auch am Ende des 17. Ja h rh u n d erts ist das Problem der Selbsterkenntnis des Menschen eingehender Überlegung w ert erachtet: „Ach Gott, was ist ein Mensch, wenn man eS recht bedenkt? . . . "

(164,1)

I n besonderem M aße widm et sich aber das 18. Jah rhundert dieser Frage. D a ­ bei ist es bezeichnend, daß jetzt nicht m ehr der Dichter a ls der M ahnende und Fordernde a u ftritt, sondern daß inzwischen die In itiativ e ganz an den Menschen selbst übergegangen ist, daß dieser Mensch v o r jeglichem Anstoß von außen in der Beschäftigung m it sich selbst begriffen ist: „Wer bin ich? Welche wichtg« Frage! Gott, lehre sie mich recht verstehn, gib, baß ich mir die Wahrheit sag« und laß mich achtsam auf mich sehn . . . "

(238,1)

Auch rational hatte m an sich inzwischen mit der Frage der menschlichen S elbst­ erkenntnis auseinandergesetzt und w ar zu dem Schluß gekommen: „ . . . Wer sich nicht selbst recht kennen lernt, bleibt von der Weisheit weit entfernt."

(238,1)

W ird in allen angeführten Liedstrophcn aus dem 17. und frühen 18. J a h r ­ hundert die Frage der Selbsterkenntnis a ls A u fg a b e vor den Menschen hin­ gestellt, so wird sie übereinstimmend auch a ls eig e n e M ö g lic h k e it des Menschen angesehen. Selbsterkenntnis erscheint im Gesangbuch unseres Zeitraum es all­ gemein a ls unzw eifelhaftes Ergebnis menschlicher Betrachtung, menschlichen Urteilens und Forschenö. Dem Menschen dieser Lieder ist die Anschauung, daß er sein eigenes Wesen und S ein selbst erfassen und richtig ergründen und ver­ nünftig deuten könne, offenbar zur indiskutablen Selbstverständlichkeit ge­ worden. Einzig die G efahr der Selbsttäuschung steht ihm vor Augen. Um ihr zu entgehen, erbittet er den göttlichen B eistand: „Ich muß es einmal doch erfahren, was ich hier war und hier getan. . . Herr, mache mich schon hier recht klug und frei vom schnöden Selbstbettug."

(238, 8)

Aber nirgends schränkt das Erflehen göttlicher H ilfe das Gefühl menschlicher Selbständigkeit wirklich ein. Auch wo der himmlische V a te r direkt angeredet w ird : „ G o tt, le h re . . . mich recht verstehn . . . " ,

bleibt dennoch der Mensch derjenige, der sich selbst die A ntw o rt auf die Frage nach seinem Leben und Wesen gibt: „ g ib , daß ich m ir die W ahrheit sage und la ß mich achtsam a u f mich se h n . . . "

(2 38, 1)

b) D ie Erkenntnis menschlicher Nichtigkeit und Vergänglichkeit Beschäftigen w ir uns anschließend m it der in h a ltlic h e n Seite der Frage nach der menschlichen Selbsterkenntnis, so sehen w ir, daß sich ein großer T e il der Gesangbuchlieder deö 17./18. Jahrhunderts m it der Erklärung zufriedengibt: Selbsterkenntnis bedeutet Erkenntnis der menschlichen Nichtigkeit und Vergäng­ lichkeit. Dieser Erklärung allerdings werden die ausführlichsten Darlegungen und Schilderungen gewidmet: „ E r (der Mensch) ist gleich wie ein Zw eig, der leichtlich w ird gelenker vom W ind e hin und her: gleich wie ein grüner Strauch vom W in d gewehrt w ird , so ist sein Wesen auch."

(1 6 4 , 1)

Oder in einer Anrede an den Menschen wird ihm vorgehalten: „E rde bist du, gehst a u f Erden, lebst von E rd und wirst einm al Erde wieder müssen werden in dem finstern TodeStal. I n dem K o t bist du daheim, K o t kom m t von d ir, Rotz und S chleim , K o t w ird aus dir nach dem Leben. W a ö w illst du dich denn erheben?

(1 3 4 , 2 )

S to lz e r P fa u ! Schau an die Füße, nicht die Federn n u r a lle in : diese H o ffa rtS fü ß e , diese, schau, wie sie so garstig sein! K o t dein End im b A n fan g ist, K o t, bedenk eS, der du bist: so w ird deine H o ffa r t stinken und die Federn lassen sinken."

(1 3 4 /

6)

Während im ersten Beispiel Gedanken aus dem Psalter und Kohelet anklingen, zeigen sich die Strophen des zweiten Liedes ganz der allgemeinen Vergänglich­ keitsstimmung des Barockzeitalters m it a ll seinen drastischen Schilderungen ver­ haftet. Trotz dieser inneren Verwandtschaft und der übereinstimmenden A u s ­ drucksformen haben w ir allerdings noch auf eine zweite W urzel solcher Dich­ tungen aufmerksam zu m a c h e n ^ ) . Bei der Beschäftigung m it dem barocken 1S) D a dieser P u n kt keiner ausführlicheren Erörterung bedarf, geben w ir entgegen unserer sonstigen Gepflogenheit gleich an dieser S telle die nötigen deutenden und erklärenden Hinweise.

W elt- und Lebensgefühl erkannten wir die „V anitas, vanitaö vanitatumStim m ung" in ihrer säkularisierten, verabsolutierten Form als ein typisches Produkt barocker Geisteöhaltung. Wo die Gesangbuchdichtung dagegen von Nichtigkeit und Hinfälligkeit des menschlichen Wesens redet,-wo sie derartige Schilderungen als Antwort auf die Frage nach der menschlichen Selbsterkenntnis gibt, da offenbart sie zugleich ihren Zusammenhang mit der mittelalterlichen Gebetsliteratur. Auffallende Parallelen weisen nämlich darauf hin, daß sie durch Vermittlung der frühprotestantischen aszetischen Schriften letztlich aus ihr die Fülle der ständig wiederkehrenden Vokabeln und Bilder entlehnt fjat13); aus ihr werden jene Lieder ebenfalls gelernt haben, ihr Fragen nach der Selbst­ erkenntnis des Menschen mit Ausführungen über dessen Gebrechlichkeit und Unbeständigkeit zu erledigen. c) Die Erkenntnis menschlicher Sündhaftigkeit Während sich in den späteren Jahrzehnten unseres Zeitraumes eine ganze Anzahl von Gesangbuchliedern mit der bloßen Schilderung menschlicher Un­ glücks- und Todesverfallenheit begnügt, benutzen die meisten Lieder diese A us­ führungen dagegen nur als eine Art Vorstufe. Ganz offensichtlich erscheint ihren Dichtern ein möglichst drastisches Ausmalen der irdisch-menschlichen Verfallenheit an Unglück, Tod und Verderben als der geeignete Weg, den Menschen zur Einsicht in seine Sündhaftigkeit zu bringen. Bereits Johann Heermann stellt eine solche Beziehung zwischen „Elend und Schmerz" auf der einen, „Sünde" auf der anderen Seite her: „W as willst du, armer Erdenkloß, so sehr mit H offart prangen? Dein Elend ist zu viel und groß, du bist in S ü n d empfangen: mit Schmerz geboren au f die W elt, Schmerz dein ganz Leben überfällt, mit Schmerz mußt du von dannen."

( 3 2 ,1 )

Denken wir in diesem Zusammenhang an die Zeilen Luthers: „D em Teufel ich gefangen l a g , . . . mein S ü n d mich quälte Nacht und Tag, darin ich war geboren. Ich fiel auch immer tiefer drein . . . die Sü n d hat mich besessen."

(1 , 2),

13) I m besonderen ist an die ars-moriendi-ßitcrotur zu erinnern. A ls ein Beispiel dieser Art sei angeführt au s M öllers Meditationes N r. III: „Eine andere Vermahnung S . Bernhardi, das ein Mensch täglich sein Ende bedencken und in steter Busse leben solle." „ S a g e mir / 0 Mensch / wo sind nu die Kinder dieser W e l t ? . . . E s ist nichts übriges von jhnen / denn Asche und Würme. Bedencke w ol / w as sie nu worden sind. S ie waren Menschen / gleich wie du / S ie assen und truncken / sie waren guter dinge / und brachten ihre Zeit zu in Wollüsten / Aber in einem Augenblick sind sie zur Hellen gefahren. — Hie wird ihr Leib von Würmen gefressen / Dort aber leydet die Seele Pein und Qual . . ." (a. a. O., B l. 4a).

so w ird der Kontrast deutlich. B ei Luther erscheint die Sünde als die unheim­ liche, widergöttliche M acht, die den Menschen von Anfang seines Lebens an knechtet und in ihrem B ann hält. I n dem Liede von Heermann steht der Mensch dagegen rein „innerweltlich" unter dem bedrückenden Erlebnis von „Elend" und „Schmerz" und schließt erst von da aus auf feine Sündhaftigkeit. Eine solche A rt von „Schlußverfahren" bringt einige Jahrzehnte später ein Lied von S . v. Birken sehr anschaulich zur G eltung: „B lin d e r Mensch, tu weg die Decke . . . Lerne dich erkennen, le rn e . . . "

(1 3 4 ,1 ) (134, 3)

Diese beiden Aufforderungen wie auch die sich anschließenden Vergänglichkeitöschilderungen betrachteten w ir bereits. Ih n e n fügt sich nun in der 7. Strophe eine neue Mahnung a n : „Nicht so, Mensch, bedenk dich besser . . . "

(134, 7)

S ie endlich soll den Sänger dieses Liedes zur Aufmerksamkeit und zur Anerken­ nung eines größeren als des nur naturhaftcn Verderbens bringen: „Soviel Staubes ist auf Erden, soviel deiner Sünden sind . . . Dieses Lech dich lechig mach, tue Buß . . . "

(134, 8)

An diesen Zeilen ist zweierlei zu beachten: Subjekt der Aussage ist der anonyme Dichter, der bestrebt ist, dem Sänger seines Liedes eine bestimmte Einsicht zu verm itteln, und zum anderen: das Objekt der Aussage erscheint bezeichnender­ weise im P lu ra l: „ S o v ie l deiner S ü n d e n sind . . . " . D as weist darauf hin, daß eine rationale Schlußfolgerung von der Beobachtung und Erfahrung des mensch­ lichen Elends und der menschlichen Vergänglichkeit auf die Sünde des Menschen in derartigen Gesangbuchliedern höchstens zu einer objektiven Anerkennung der allgemein-menschlichen Sündhaftigkeit fü h rt, nicht aber zu einem personalen Bekenntnis des SünderseinsM). 3. D i r Wege u n d M i t t e l z u r E r k e n n tn is menschlicher S ü n d h a f t ig k e i t a ) D ie Vergegenwärtigung von Zorn, Hölle und Gericht

Offensichtlich ist eS das Ziel der „Buß"-Licder aus dem Gesangbuch des 17./18. Jahrhunderts, den Menschen durch die Demonstration seiner S ü n d h aftig ­ keit in die Reue und Herzenszerknirschung zu führen. Denselben Effekt versuchen Gesangbuchdichter unserer Zeit a u f einem besonderen, sehr beliebten Wege zu er­ reichen. Zu dessen Veranschaulichung bringen w ir noch einmal das weit verbreitete Lied von GryphiuS in seinem Zusammenhang: „M ein Heiland, was werd ich beginnen, ich, ganz m it Lastern überhäuft, in tiefsten UnratSschlamm vertäust? Jetzt werd ich durch mich selbst erschreckt, M) Über Selbsterkenntnis als Erkenntnis der verlorenen Imago D ei, als Erkenntnis des Abels der Seele u. dgl. vgl. unten S . 179 ff.

114

indem mich deine Gnad aufweckt") und mir, wie hoch ich dich verletzet und hart erzürnt, vor Augen setzet.

(40, 1)

Wie wird mir? Ach, ach, mein Gewissen fühlt schärfster Wunden grimme N o t ! . . . rinnt, herbe Tränen, Tag und Nacht, rinnt, rinnt, deS Höchsten Donner kracht. . .

(40, 2)

Ich, leider! bin von G ott geschieden durch eine M aur, ob der mir graut, die ich von M ffetat gebaut, nun miß ich Freude, Trost und Frieden. Ich schau der Hölle offnes Hauö speit auf mich G lut und M arter au s, des Höchsten Grimm will Urteil sprechen und schon den Richterstab zerbrechen.

(40, 3)

Der Himmel wird mir, ach! geschlossen, er deckt mit Wolken seine Zi e r . . . Ich schaue nichts a ls Blitz und Nacht, indem erhitzter Wetter Macht mit unerhörter Donner Knallen au f meinen Scheitel droht zu fallen.

(40, 4)

Die Erb, ermüdet mich zu ttagen, bricht unter m ir: ich schau die K luft, in der man ewig Zeter ru ft. Ich schau die Werkstatt grauser Plagen, ich schau verruchter Seelen Pein. Ach w as kann mehr erschrecklich sein? Mehr schrecklich ists, baß in den Bränden die M arter nimmermehr zu enden.

(40, 5)

O grauser Anblick! Kann ich sehen? Hier schau ich, waS ich je beging und wider meinen G ott anfing, w as je gewünscht, gedacht, geschehen. Hier schau ich, waS ich unterließ, waS ich für Gnade von mir stieß. Weh, weh m ir! Weh, mein ganzes Leben war nur des S a ta n s Dienst ergeben."

(4 0 ,6 )

Ähnlich wie dieses Lied von Gryphius verfahren im 17. Jahrhundert unzählige Lieder des Gesangbuches: eindringliche Schilderungen von „Erfahrungen" himmlischen Zornes und göttlichen Gerichtes sowie grausig buntausgemalte Höllenvisionen werden von den Dichtern als M ittel benutzt, um säumige, un­ achtsame oder widerwillige Menschen von den F o lg e n ihrer „Laster" zu über­ zeugen. Dadurch soll gleichzeitig aber auch die Sündenerkenntnis gewirkt und der „Sündenschmerz", die „Herzensangst" gesteigert werden, damit eine rechte „christliche" Buße geschieht. Selbst zu Beginn des „aufgeklärten" 18. Jahr1S) Besonders interessant ist in diesem Liede die Vermengung reformatorischer Erkenntnisse mit Gedankenkomplexen ganz anderer Herkunst.

Hunderts erscheint bat Höllengemälde in ben lutherischen Gesangbüchern noch als ein offenbar unentbehrliches Requisit frommer Sündenquälereien und krampf­ hafter Bußsteigerungen. b) „Moralisiische" Sündenerkenntnis W ir beobachteten bereits, daß die Büßlieder des 17. und frühen 18. J a h r ­ hunderts vielfach statt von der S ünde des Menschen, von seinem „totalen" Sündersein zu reden, die Beschäftigung mit den S ü n d e n , den Bosheiten und Lastern des Menschen in den M ittelpunkt stellen. J e weiter sich das Gesangbuch zeitlich von der R eform ation entfernt, desto stärker tritt dieser Zug hervor, desto ausführlicher handelt es von den vielerlei menschlichen S ünden. A uf diesem Wege werden die B üßlieder allmählich zu richtigen S ü n d e n re g iste rn . Dabei machen viele Liederdichter von dem Verfahren Gebrauch, das ihnen vorschwebende, abschreckende Menschenbild mit den Geboten des Dekalogs zu konfrontieren und dann die Diskrepanzen zwischen „S ein " und „S o llen " ausführlich zu schildern. Ein gutes Beispiel fü r ein solches „Schem a" gibt ein Lied von Jo h an n Rist mit seinen „Bekenntnissen": „Ich armer Mensch bekenn jetzt frei, daß ich mit Sünden mancherlei, 0 G ott, dich oft betrübet, indem ich nicht geliebet nur dich von ganzer Seel, auch dir nicht fest vertrauet für und fü r: ich bin au s bösem Sam en, der leider! deinen Namen nicht stets erhöhet, sondern sehr vermindert besten Ruhm und Ehr . . .

(70,1)

Den Sabbath feir ich leider nicht, wie das erheischet meine Pflicht, stets hab ich nicht gehöret dein W ort, das mich gelehret: ich habe deinen Leib und B l u t . . . nicht oft und viel genosten, eS hat mich auch verdrossen, daß ich geborsam sollte sein denselben, welche doch allein gesuchet meine S eligkeit. . . 16)

(70, 2)

1#) Der Gedanke des Ungehorsams gegen die geistliche Obrigkeit, der in diesen Zeilen RistS offenbar gemeint ist, begegnet in anderen Liedern unseres Zeitraumes z. T . sehr viel deutlicher, vgl. z. B . 69, 11: „Zudem tu t man auch äffen, die solche Sünden strafen, und achtet nichts ihr W o rt. . . " Ih re n Ursprung werden diese und ähnliche Bemerkungen lutherischer Gesangbuchlieder in der orthodoxen Institution der Privatbeichte, wie überhaupt in der steigenden Bedeutung des P fa rr­ a m ts S im 17V18. Jahrhundert haben. Die Steigerung des pfarramtlichen Ansehens w ar schon durch Melanchthon angebahnt, wenn er im „Examen ordinandorum“ als d r i tt e „nota eccle-

Il6

Mein G ott, es ist dir wohl bewußt, wie mich des schnöden Fleisches Lust so vielmals übernommen . . . verleugnen, schmähen, lügen, sich selber nie vergnügen. Den Nächsten ärgern täglich schier, das ist gewesen für und für mein T un . . ( 7

0

,

3)

Vor allem die Büßlieder des 17. Jahrhunderts scheinen von dem Ehrgeiz be­ seelt zu sein, eine möglichst anschauliche und lückenlose Aufzählung aller nur denkbaren menschlichen Laster und Unsittlichkeiten zu bieten. Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bringt das lutherische Gesangbuch Dichtungen, die eine getreue Vorwegnähme pietistischer „Sittengemälde" darstellen. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang ein Lied von Wilhelm AlarduS, das sich durch einen so klaren Aufbau auszeichnet, daß wir an ihm ausgezeichnet die Gedankenfolge wie die Hauptakzente, die der Dichter fetzt, ablesen können. Seinen Ausgangspunkt nimmt es bei der Gegenwartsnot und -gefahr: Krieg und Blutvergießen. Als Quelle dieses Unglückes, dem nur Gott allein wehren kann (v. 2), ergibt sich: „D aö machen unser Sünden so ganz vergifte W unden. . . "

(69, 3),

und zwar genauer: die Sünde aus „Adams Sündenfall", die Erbsünde also. Doch der Dichter fährt sogleich fort: „Indem habn wir getrieben auch S ü n d im ganzen Leben, soviel wie S a n d am Meer. J a , wenn man sie summieren könnt und die Zahl ausführen, würd m an finden viel m ehr."

(6 9 ,4 )

Worin besteht nun aber diese Unzahl von menschlichen Sünden? AlarduS ver­ säumt es nicht, die Richtigkeit seiner Aussage durch eine lange Aufzählung zu unterstreichen. Er beginnt mit den „religiösen" Unterlassungen und Vergehen des Menschen und behandelt diese in 2 Strophen: „Dein W ort hast uns gegeben, die S akram ent daneben rein durch dein große Gnad. Abr viel habn sie verachtet, dem Ieitlichn mehr nachtrachtet mit Sorgen ftüh und spat.

(69, 5)

D u hast u n s Friedn bescheret und ganz reichlich ernähret. . . Wie abr solch Gabn in Sünden siae“ die „obedientia Ministerio debita iuxta Evangelium“ nennt (CR 23, 38). Dieselbe Linie führt Jo b . Gerhard fort, der die „censura morum“ a ls Annex der potestas jurisdictionis, also a ls besonderen Aufgabenbereich des geistlichen Amtes, bezeichnete. V gl. dazu unten S . 370, Anm. 38.

viel habn zu allen S tunden m ißbraucht, ist offenbar."

(6 9 , 6 )

A u f diese „religiösen" Verfehlungen^) folgt in fü n f Strophen die Beschäfti­ gung m it den „moralischen" Mißständen. An der Redseligkeit, die der Dichter an dieser Stelle plötzlich an den T ag legt, wird sichtbar, wie sehr er selbst von diesem dunklen Gemälde fasziniert ist, wie ihm selbst die Sünde eigentlich erst greifbar und anschaulich wird in den vielerlei aufgezählten Untugenden und Lastern. D ie A rt eines solchen moralistischen Sündenverständnisses wird deutlich, wenn w ir die folgenden Strophen au f uns wirken lassen: „ D ie Lieb ist gar verschwunden, kein T re u w ird mehr gefunden, kein Zucht, kein Ehrbarkeit. H ingegn im ganzen Lande regieren Lastr und Schande und Ungerechtigkeit.

( 69/ 7 )

Fressen, Schwelgen und S a u fe n , Fluchen, Schlagen und R au fen w ird nicht fü r S ü n d geacht. Unzucht, Ehbruch desgleichen bei A rm en und bei Reichen m an treibet T a g und Nacht.

(6 9 / 8)

M i t H o ffa rt, S to lz und Prangen w ird auch viel S ü n d begangen, neu M uster find m an viel. W er ein fü hrt stemde Trachten, den tu t m an nun groß achten, der ist der best im @ ptel18).

( 69/ 9)

M i t Geiz und Wuchr die Arm en aussaugen ohn E rbarm en, gleichwie die Eigel pflegt, geht jetzt in vollem Schwange und macht manch Menschen bange, der solche B ürde tr ä g t."

( 6 9 ,1 0 )

F ü r das Gesangbuch des i 7 . / i 8 . Jahrunderts ist diese „M oralisierung" der Sündenerkenntnis außerordentlich kennzeichnend. I n einer besonderen Abart begegnen w ir ihr auch in denjenigen Büßliedern, die ausdrücklich die Anliegen einer pietistischen B u ß - und Bekehrungspraxis vertreten. S o überschreibt Johann Caspar Schade, einer der Hauptdichter des Pietism us, ein derartiges Lied m it vollem Recht: „Lied vom verderbten Zustand der Christenheit" (N r . 159). B e17) D a ß die „religiösen" S ün den des Menschen überhaupt noch erw äh nt werden, erklärt sich auS der Entstehung dieses LiebeS in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhun derts. S p ä te r begnügen sich die meisten derartigen Lieder m it Schilderungen der sittlich-moralischen V e r ­ derbnis ihrer Zeit. S ie alle nehmen te il an dem ganz unpersönlichen Charakter solcher „S ü n d e n ­ bekenntnisse". 18) Diese Abweisung „frem der Trachten" a ls eine P arallele zu dem K a m p f der Sprachgesell­ schaften gegen den „ala m o d e" ist ein am üsanter, kulturgeschichtlich interessanter Einzelzug auS jenem dunklen S ittengem älde.

reits diese Form ulierung läß t erkennen, daß hier nicht mehr der Mensch allgemein oder die Menschen in ihrer Gesamtheit zum Ziel der V orw ürfe gemacht worden sind. D as Interesse jener pietistischen Lieder richtet sich vielmehr fast ausschließ­ lich auf den C hristenm enschen oder auf die „Christenheit" insgesam t. D er Ton wird dadurch aber kaum ein anderer, denn auch diese Gesänge beginnen mit dem S eu fzen: „ H ilf, G ott, wie gehtS doch jetzo zu? W as sind mir daS für Zeiten? . . . "

(159, 1)

Selbst wenn dann die folgenden Strophen unseres Liedes hauptsächlich von der Diskrepanz zwischen „G lauben und Leben", „Wissen und T u n " handeln: „ . . . Die Menschen Haffen ihre Ruh und wollen gar nicht leiden, daß man sie lehr den rechten Weg, daß man sie führ den schmalen S te g , der nach dem Himmel führet, sie sagen ungeheuchelt: nein! Wir wollen bleiben, wie wir sein. S ie h , wie das Volk sich zieret. Genug ists nicht, daß sie dein Wort verwerfen und verachten, und nach der alten Weise fort den Bauch zu nähren trachten: sie wollen auch dazu recht Han . . . "

(1 5 9 ,1 )

(1 5 9 ,2 ),

so steht doch auch hinter dieser Gegenübersetzung von „Lehre" und „Leben" in der Regel eine sehr eindeutige und kompakte moralistische „Sündentheologie". — Die lutherischen Gesangbücher jenes Zeitraum es zeigen uns neben der behandelten M oralisierung des Sündenverständnisses noch einen anderen Weg der A usein­ andersetzung m it dem Phänom en der menschlichen S ünde. I h n werden w ir unter dem Stichw ort „Psychologisierung der Sündenerkenntnis" nachzuzeichnen suchen. c) „Psychologische" Sündenerkenntniö D er Weg einer psychologischen Konstatierung des Sündenelendö wird in der Kirchenlieddichtung des 17. Jah rhunderts schon früh eingeschlagen. B ereits Jo h ann Heerm an sahen w ir auffallend häufig von „A ngst" und „Schm erz" wie von „Schrecken der S ü n d e " sprechen. Die Beschäftigung m it den em otionalen Folgen und Kennzeichen der menschlichen Sündhaftigkeit tritt bei späteren Dichtern immer stärker hervor: „M ein Sünden mich tun kränken, hab kein Ruh Tag und Nacht, fürcht mich vors Teufels Ränken, viel Jährn vergieß mit Macht. Ohn Unterlaß mein Klagen sich mehrt und große N ot: ich möchte schier verzagen, wünscht" mir nichts a ls den Tod."

(6 7 ,2 )

Auch ein weitverbreitetes Lied von Risi gibt ähnlichen Empfindungen A u s­ druck, wenn es schreibt: „ . . . S onst ist mein Fleisch, B lu t, Haupt und H aar, ja , Seel und Leib verderbt so gar, daß ich in Sünden m att und krank, voll Unflat, Eiter und Gestank kaum darf mein Haupt aufheben."

(70, 4)

Denselben A usgangspunkt beim Sündenschmerz des Menschen wählen auch die Dichter des Gerhardtschen Dichterkreises: „Ach meiner Sünden Last, die läß t mir keine R a s t . . . ich fühl in meinem Herzen nur lauter Pein und Schmerzen."

(108, 1)

Alle diese Züge, daß die Dichter von Büßliedern mehr und mehr das Elend, das B angen, die seelische N ot des Menschen beschreiben und daß sie in der Erweckung solcher Sündengefühle offenbar den ersten Schritt zur Sündenerkenntnis oder gar schon das Sündenbekenntnis selbst sehen, sind Kennzeichen für die fo rt­ schreitende Psychologisierung der Sündenerkenntnis im Gesangbuch des 17./18. Jahrhun derts. Derselbe Versuch, das Phänom en der S ünde auf psychologischem Wege zu erfassen, begegnet in jener Zeit aber auch in einer auffallend rationalistischintellektualistischen Form . Ein gutes Beispiel dieser A rt gibt ein Büßlied aus dem Hannoverschen Gesangbuch, von den Herausgebern Gesenius und Denicke selbst verfaßt. Dieses Lied hat später im Gesangbuch von Gottschald die be­ zeichnende Überschrift erhalten: „D es Menschen Verderben durch alle A lter". D am it ist sein I n h a lt bereits treffend gekennzeichnet. D aß es um die E ntfaltung einer wirklichen „Sündenpsychologie" geht, kündigt schon die erste Strophe a n : „H ilf G ott, wie hat die Eitelkeit u n s Menschen so vernichtet, daß gar kein Alter, keine Zeit w as G utes fast verrichtet. Ob m ans vom Anfang bis zum End viel überleget, kehtt und wendt, so muß manS doch bekennen: w orauf man setzet Herz und S in n von Kindheit biö ins Alter hin, ist Eitelkeit zu nennen."

(81, 1)

D abei ist es bezeichnend, daß mit dem W ort „Eitelkeit" das beherrschende S tichw ort fällt. Daneben wird noch der Begriff „E lend" gebraucht, während die Vokabel „S ü n d e" in dem 7-strophigen Lied nur an einer einzigen S telle fast beiläufig erwähnt wird. Jene „Eitelkeit" also wird in den folgenden Strophen vom Menschen denkend erfaßt und nachsinnend geschildert: „Die ersten Jahre gehn vorbei unwissend wie bei Tieren, man schläft, man treibet Kinderei, nichts Weises kann man spüren.

K o m m t m it den K rä fte n der Verstand, regt sich die B osheit auch zur H a n d , die steckt ins Knabens Herzen . . .

(8 1 , 2 )

D ie Jugend fo rt nach Freiheit strebt, und suchet hin und wieder, wo m an in Freud und W ollust lebt, m ißbraucht gesunde Glieder. M a n fähret zu m it Unbedacht, daS K ün ftig e w ird nicht bedacht, zum G uten ist m an träge. A u f Zucht und Tugend m an nicht denkt, nur H erz und S in n e dahin lenkt, zu gehn die krummen Wege.

(8 1 , 3 )

D aS männlich A lte r fo lg t d a ra u f und rü h m t sich großer T a te n . . . der Ehrgeiz macht zu Zank und S tr e it gar leicht ein solches H erz b e re it. ♦ .

(8 1 ,4 )

W enns A lte r kom m t, so läßet sich der Geiz rechtschaffen blicken, da brauchet m an sehr meisterlich der bösen R än k und Tücken .

.

( 8i , 5)

3 n dieser Weise also w ird dem Faktum der menschlichen Sündhaftigkeit schein­ bar gründlich und vollständig zu Leibe gerückt. Auch die „pietistischen" Lieder setzen in diesem Bereich nur fo rt, was schon durch viele Dichtergenerationen vorher in der lutherischen Gesangbuchdichtung heimisch geworden w ar. Eine eigenartige Verbindung von rationalen und emotionalen Elementen stellt ein Gesang von W ilh elm EraSmuS vor Augen: „ W e n n daS nagende Gewissen uns der S ün den H andschrift zeigt, und w ir selbst bekennen müssen, w as sonst alle W e lt verschweigt, fä llt die Nacht des Todes ein, und lä ß t un s nicht ruhig sein, unsre Ketten sind die S ü n d en , die uns zu der H öllen binden. W enn w ir denn den Ja m m e r spüren und dabei a u f Christum sehn, unsre Fesseln vor ihm rühren, seufzend a u f und nieder gehn . . (

( 1 8 4 ,1 )

1

8

4

,

2

)

3 n aller Ausführlichkeit spricht vollends ein anderes Lied aus dem Freylinghausenschen Gesangbuch von dem „Elend der Seele". Schon sein Anfang zeigt, daß Sünde hier ausschließlich als ein seelisch-psychisches Phänomen erfaßt w ird : „G eh ich recht in der Seelen G ru n d , so find ich eine T ie fe , die niem and, dem sie sich gibt k u n d . . . jem als ergründen w ird und kann . . (

1

9

6

,

1

)

Auch dieses Lied zeichnet einen bestimmten Entwicklungsgang nach, indem es sich zunächst eingehend m it der Entstehung und dem Werden des seelischen V er­ derbens beschäftigt: „So lange sie nicht Gott erkannt. noch sich mit ihm verbunden, erreget sich ihr Trieb und Brand und mehrt sich alle Stunden: drum sucht sie Lust und darin Ruh und braucht der Sinnen Dienst dazu, daS Fleisch, ihr Knecht, wird Meister. . . Dies alles, waö sie sättgen soll, gereichet ihr zum Schaden. . . so viel sie hat, begehrt sie mehr, und waS sie kriegt, das quält sie sehr, daraus entsteht ihr Leiden . . . Sie tobet in sich als ein Meer mit Wellen der Gedanken, der Zweifel wirft sie hin und her . . . Waö sie von außen nur erfährt, das ängstet sie im Herzen ..

(196, 2)

(196,3) (196, 4)

(196/ 5) Aber nicht nur irdisches Unglück und Krankheit werden als die Zeichen mensch­ lichen Verderbens ausgewiesen. Unser Lied lenkt seinen Leser bis zum Ausblick au f den Tod, der das Leiden, das „Elend der S eele" und d. h. des S ü n d ers, erst ganz offenbaren w ird: „Alsdann fängt recht ihr Elend an, sie ist der Welt entblößet und hat nichts, was sie laben kann, wenn Schrecken auf sie stößet und ihr der eitle Trost gebricht. . . nun weiß sie nicht, zu wem sie geh, ihr Abgrund rufet ach und weh, der wüst und leer geblieben."

(196,6)

Erfahrungen psychischer Leere und Wüste, Empfindungen der Angst, des Schreckens und der Schmerzen haben sich in diesem Lied an die Stelle eines klaren Bekenntnisses des Menschen zu seinem Sündigsein coram Deo gesetzt. M an wird ihm jedoch nicht bestreiten, mit großer dichterischer Bewegtheit und m it guten Beobachtungen solche psychologische „Sündenerkenntnis" bis ins feinste und genaueste durchgeführt zu haben. Blicken wir zusammenfassend noch einm al auf die „Wege und M ittel" zurück, die das Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jah rh u n d erts in seinen Büßliedern „zur Erkenntnis menschlicher Sündhaftigkeit" anbietet, so ergibt sich, daß ihm Sündenerkcnntnis in der Regel zu einer Sache der menschlichen Überlegung und Betrachtung geworden ist. D en gröbsten, dabei aber vielleicht ungefährlichsten Weg schlugen die Lieder ein, die mit der Höllendrohung zur Anerkennung der S ü n d e und zur Besserung führen wollten. Bei den beiden anderen Form en richtete sich das Interesse der Aussagen sehr viel stärker auf daö Phänom en der

Sünde an sich. D ie menschliche Sündhaftigkeit als solche wurde also offenbar dem Zeitalter wichtiger und interessanter, so daß sie sie immer ausführlicherer B e ­ schreibungen würdigte. D azu bediente sie sich der beiden nachgezeichneten Wege: au f der einen Seite erschienen ganze Sittengemälde, wurde Sünde als die S um m e vieler Einzelvergehen oder als ein totales sittlich-moralisches Verderben dargestellt. A u f der anderen Seite vertiefte sich die Gesangbuchdichtung in die Beschäftigung m it den „innerlichen" Ursachen der Entstehung von Sünden und Schuldgefühlen oder unternahm eine detaillierte Beschreibung von deren psychisch­ emotionalen Auswirkungen au f das menschliche Leben. Beide „Wege und M itte l" , den Menschen zur Sündenerkenntniö führen zu wollen, lassen jedoch au f einen „Sündenbegriff" schließen, der wesentlich von der reformatorischen Anschauung über Sünde und Sündersein des Menschen abweicht. D a m it zugleich lassen sie auch die Buße des Menschen in einem anderen Licht erscheinen. 4. R e u e u n d B u ß e deS M e n s c h e n

S o llte in den Gesangbuchliedern unseres Zeitraumes die Aufforderung zur Selbsterkenntnis in den meisten Fällen zur Sündenerkenntnis führen, so fä llt der Sündenerkenntnis die Aufgabe zu, zum S ü n d e n b e k e n n tn is hinzuleiten, zu Reue und Buße bereit zu machen. Eine Aufforderung zur Buße wird in solchen Liedern o ft m it dürren W orten ausgesprochen: „N ich t so, Mensch, bedenk dich besser, sei kein S ta u b und dürreö Land, la ß der T rä n e n Bußgewässer feuchten den unfruchtbaren S a n d , deines Herzens ganzen S in n lege G o tt zu Füßen hin, dich in D e m u t ihm bekenne und dich einen S ü n d er nenne."

( 1 3 4 ,7 )

Daneben bringen zahlreiche Gesänge strophenlange dichterische Ergüsse über „der Tränen Bußgewässer", über Reuegefühle und Sündenschmerz des Menschen: „ W e in , ach wein jetzt u m die W ette, meiner beiden Augen B ach! O daß ich gnug Jähren hätte, zu bettauern meine Schmach! O daß aus dem Tränenbrunnen käm ein starker S tto m geturnten!

(1 1 3 , 5)

Ach daß doch die strengen Fluten überschwemmten mein Gesicht und die Augen möchten bluten, w eil m ir Wasser sonst gebricht, ach, daß sie wie Meereswellen möchten in die Höhe schwellen."

( 1 1 3 ,6 )

Buße scheint nach diesen Zeilen in den heftigsten Gemütsbewegungen des Menschen, in seinen seelischen Zerknirschungen zu bestehen. Und wirklich finden sich in den Gesangbüchern des 1 7 ./!8 . Jahrhunderts nicht selten Büßlieder, die

offenbar schon darin allein, daß menschliche Reue in gefühlsmäßigen Regungen und m it anklagenden W orten gezeigt w ird , das H eil und die Rettung fü r den S ünder garantiert sehen. M i t derartigen Ausführungen illustrieren sie anschaulich, in welcher Weise viele Gesänge des 17. Jahrhunderts den V ers aus der ersten H ä lfte des 16. Jahrhunderts: „ D a S ist zum H e il der recht Anfangs wenn etn’m sein S ü n d macht weh und bang . . . "

(9 ,6 )

verstanden wissen wollten. Besonders aufschlußreich sind in diesem Zusammenhang vier Lieddichtungen, die sich alle mehr oder weniger eng der zweiten Seligpreisung des M a tth ä u s ­ evangeliums anschließen. Johann Heerman dichtete zu diesem Bibelvers eine gute Paraphrase und Auslegung in einem, wenn er schreibt: „ S e lig sind, die Leide tragen, da die N o t ist täglich Gast. G o tt gibt unter allen P lagen Trost und endlich R uh und Rast. W er sein Kreuz in D e m u t träg t und sich G o tt zu Fuße legt, dem w irb er sein Herz erquicken, keine Last d a rf ihn erdrücken."

(8 3 , 3)

B ei den Dichtern GeseniuS und Denicke erscheint das Leid, von dem geredet w ird , bereits ganz auf den Menschen selbst, auf seine Innerlichkeit, auf sein „G e fü h l" und „Em pfinden" bezogen: „ S e lig sind, die Leide tragen, da sich göttlich T rau ern find, die beseufzen und beklagen ih r' und andrer Leute S ü n d , die deshalben trau rig gehn, o ft vor G o tt m it Trän en stehn, diese sollen noch a u f Erden und denn dort getröstet werden."

(8 2 , 3)

Scheinbar klingt diese Strophe „christlicher", „religiöser" als die zuerst zitierte, denn sie handelt ja von „Leid und S ü n d e " , während Heermann „n u r" von „Leid und Kreuz" gesprochen hatte. B ei einer solchen Beurteilung ist jedoch übersehen worden, daß die eingehenden Beschreibungen des menschlichen TrauernS, des menschlichen SeufzenS und KlagenS bei GeseniuS— Denicke bereits einen „konventionellen" Unterton enthalten, daß sie mehr auf ein wohlpräparierles Trauer-Exercitium deuten als a u f eine wirklich spontane Reaktion echten, tiefen Erschreckens. Besonders die Klage über „andrer Leute S ü n d " erweist sich als ein verdächtiges S ym p to m , das den abstrahierenden, unpersönlichen Charakter dieser Strophe verdeutlicht und ihr so den Vorzug einer besseren In terpretation nim m t. Einen Grad „vernünftiger", „rationaler" und weniger gefühlsbetont klingt eine ähnliche Strophe aus dem Freylinghausenschen Gesangbuch: „Weise sind, die sich selbst kennen, wie so gar verderbt sie sind:

die sich selber Toren nennen, und befinden, wie so blind beides Wille und Verstand, weil sie sich von Gott gewandt, die sich ihrer Torheit schämen und zur Buße sich bequemen."

(170, 2)

Aber auch diese Gedanken gehören zu der bisher verfolgten Entwicklungs­ linie, auf der das Leid nicht mehr als ein göttliches „K reuz", sondern als ein menschliches Klagen und T rauern, als ein menschliches Reue- und Bußgefühl erschien. Wie stark einer solchen leidhaften Bußstim m ung des Menschen ein Eigenwert und eine „H eils"-B edeutung zugesprochen wurde, läß t sich am deut­ lichsten an einem Liede von Rothe aus dem H errnhuter Gesangbuch erkennen. I n ihm rückt das Stim m ungsm äßige wieder ungebührlich in den V ordergrund, wenn dem Menschen als eine A rt „V orbild" oder „R ichtungsbild" vorgehalten w ird: „Wie selig istS, um Gott sich stets betrüben und niem als sich w as G utes zuzuttaun, weS S in n und M ut recht mürb und a ls zerrieben, den pflegt sich G ott zum Wohnhaus auSzubaun: w as Jesus nur erworben hat, das find im Überfluß in solchen Herzen statt.

(2 1 4 ,1 )

Wie selig istö, um den Verfall zu weinen, in welchen wir so tief versunken sein, der Jammer kann unö nie so herbe scheinen, ein süßer Blick der Gnade spielt sich drein: je mehr wir angst- und jammervoll: je leichter uns das Herz beim Weinen werden soll.

(214, 2)

Wie selig istS, sein Elend recht zu fühlen, wenn G ott mit Macht an daS Gewiffen dringt, wenn Schmerz und Gram die müde Brust durchwühlen und unser Geist in ein Verzagen sinkt, je länger man vor Gott sich winbt, je weitern Raum man drauf in seinem Reiche findt." (214, 3)

I n diesen Zeilen erscheint die Reue- und Bußleistung des Menschen offensicht­ lich wie eine in dessen Schmerzen, Tränen und Ängsten anschaubare, ja , auch meß- und beurteilbare Größe. D am it ist sie selbst zu einem objektiven, verrechenbaren Faktor geworden, dem sich die anderen „G rößen" der göttlichen G naden­ zusage und Gnadenerweisung wie in einem festen K orrelationSverhältnis zu­ gesellen. A uf diese Weise werden die Reue- und Bußakte des Menschen m it innerer Notwendigkeit zum eigentlich Entscheidenden und Ausschlaggebenden gemacht. Aufklärerisches Denken braucht, sofern eS überhaupt von menschlichen S ü n d en und von Reue und B uße des Menschen spricht, den einmal eingeschlagenen Weg nur weiter zu verfolgen. A uf ihm kann es ohne jegliche Hemmungen zu seinen Gleichsetzungen von B uße und Selbstliebe des Menschen, von Besserung und Seelenglück gelangen. Offenbar sind alle diese Begriffe bereits als Synonym e

em pfunden, wenn im Diterichschen Gesangbuch ein Lied die folgenden Gedanken auSsprichl: „Laß mich doch, o mein G ott, die Buße nicht verschieben, die mir dein W ott gebeut! I s t wahre Befferung nicht meiner Seelen Glück? O wer verschiebt sein Heil gern einen Augenblick?

(241, 6)

Die Buße führt mich nicht in eine W elt voll Leiden. S ie führet mich vielmehr, 0 G ott, zu deinen Freuden, macht meine Seele rein, fü llt mich mit Zuversicht, gibt Weisheit und Verstand und M ut zu meiner Pflicht."

(241, 5)

I n den beiden zitierten Gesangbuchstrophen tritt klar hervor, daß B uße hier nur deshalb geschieht und nur darum interessiert, weil sie für den Menschen einen so hohen, positiven „W ert" darstellt. Allerdings lasten nur die spätesten unter den „B üßliedern" unseres Zeitraum es diese Anschauung so deutlich erkennen wie das letzte Beispiel, daö zudem noch durch seine deutliche Korrektur an der Bußanschauung früherer, „unaufgeklärterer" Zeiten besondere Aufmerksamkeit beansprucht. Beobachten w ir jedoch schon zu Anfang des 17. Jah rh u n d erts in den Gesangbuchliedern zahlreiche Wendungen wie: „Ach Jesu, dir fall ich zu F u ß e ,. . ♦ ich komm in ernster Reu und B u ß e . . . "

(40, 8)

„ . . . aber sieh, ich komme wieder, fall, 0 Jesu, vor dir nieder, ich, dein lang verlorner Sohn . . . "

(60, 5),

oder:

so legt sich der Eindruck nahe, daß derselbe Menschen, den w ir in intensiver B e­ schäftigung mit dem Beschreiben und Ausm alen seiner S ündhaftigkeit begriffen fanden, auch das eigene Sündenbekenntnis, auch seine Reue und B uße m it regem Interesse, mit gespanntem Aufmerken auf sich selbst, begleitet und verfolgt. Wie im Gesangbuch des 17./18. Jahrhunderts Selbst- und Sündenerkenntnis als unbestrittene menschliche Möglichkeiten erscheinen, so rückt in ihm auch die B uße immer mehr in den Bereich einer ausschließlich menschlichen Angelegen­ heit, in dem der Mensch in S ünde wie in Buße letzlich nur m it sich selbst befaßt ist und darum in letzter Tiefe auch mit sich selbst allein bleibt. 5. B u ß e u n d „ V e r d i e n s t Ch r i s t i "

W ollen wir die besondere Form der Buß-„Lehre" innerhalb der Gesangbuch­ dichtung des 17./18. Jah rhunderts erfassen, so dürfen w ir deren Gedanken über daö „Verdienst Christi", über „A m t und Werk Christi" nicht unberücksichtigt

(affen19). Dabei werden die folgenden Ausführungen zeigen, warum wir den Begriff des Verdienstes Christi herausheben und nicht allgemeiner von der Christusanschauung oder vom Christusvertrauen der Büßlieder jener Zeit handeln. Sehen wir auf die großen Lieder der Reform ationszeit zurück, so erweist sich a ls ihr wichtigstes gemeinsames W esensmerkmal, daß in ihnen die Verkündi­ gung von G ottes Gnade in der Sendung, im Leben und Sterben seines S o h n es schlechthin im M ittelpunkt steht. Jene Verkündigung geschieht in der W eise, daß der Blick des Menschen auf die P e r s o n Jesu Christi selbst gelenkt roirb20). G ottes Gnadentat im Leben und Sterben seines S oh n es wie auch seine G naden­ zusage im W ort können von hier aus in ihrer Einheit gepriesen werden: „ S o er un s denn fetn'n S oh n geschenkt, da wir sein' Feind' noch waren, der für un s ist an s Kreuz gehenkt, getöt', gen Him m l gefahren, dadurch wir sein von Tod und Pein erlöst, so wir vertrauen auf diesen Hort, des V aters Wort: wem w ollt vorm Sterben grauen?"

( 6 ,3 )

Auch das Gesangbuch des 17. Jahrhunderts hat den Ausblick auf die „Christus­ tatsache", auf den „Christus für uns" und den „Christus unter uns" nicht ver­ gessen. E s gibt unter den B u ß - wie besonders den Passionsliedern in allen Jahrzehnten dieses Jahrhunderts solche, die bekennen: „ . . . mein Trost bist du allein."

( 6 7 ,1 0 ),

" ) I m vorliegenden Abschnitt beschränken wir uns au f die Ausführungen speziell der B ü ß ­ lieder über ihre „christologischen" Ansichten. I n den Abschnitten über die Lieder zur Rechtfertigung (und damit verbunden über die JesuSlieder) und zum christlichen Leben haben wir erneut au f diesen Fragenkreis einzugehen. V gl. unten S . 206 f., 208 ff., 242 ff., 2 52 ff. u. ö. *°) Die Reformationslieder bieten dabei z. T . ausführliche Darstellungen des göttlichen HeilSplaneS und H eilshandels, wie sie z. B . in Luthers „N un freut euch liebe Christen g'mein" begegnen, oder sie geben kürzere Zusammenfassungen, etwa in der Art der entsprechenden Sttophen au s „E s ist das Heil unö kommen her" ( 5 ,1 — 3) oder „Durch Adams F all ist ganz verderbt" ( 6 ,1 — 3). 21) Die Passionslieder sind darum mit heranzuziehen, weil sie in jener Zeit — im Unter­ schied zu ihrer frühsten Form, in der sie schlichte Nacherzählungen der Passionöhistorie waren — in der Regel demselben Ziel wie die Büßlieder dienen sollten. Ihre Berücksichtigung ist aber auch deshalb von W ett, weil sie z. T . noch auffallend lange altes reformatorischeS G ut erhalten haben. S o begegnen wir noch im 17. Jahrhundert einer ganzen Anzahl von Passionöliedern, die eine ganz „evangelisch-reformatorische" „Anleitung" zur Buße geben, d. h. inhaltlich: die den Menschen au f dem Weg über die Bettachtung der göttlichen Liebe und Gnade in Kreuz und Tod Christi zur Erkenntnis und zum Bekenntnis seines SünderseinS führen. V gl. dazu z. B . die schlichte Strophe: „Gib unö Erkenntnis unsrer S ü n d , die dich gemartett so geschwind, und daß wir doch drin nicht verzagn, weil du die S t t a f für uns gettagn . . . " (55, 3)

3n

diesem Zusammenhang ist ferner die Beobachtung nachzuttagen, daß alle diejenigen B ü ß ­ lieder des 17. Jahrhunderts, die ihre Gedanken mehr a ls die anderen auf Christus a ls den Hei-

die wirklich von „C hristus, w ahr Mensch und G ott" reden und dam it in reform atorischer Weise P erson , Leben und Werk Christi in eins fassen und in ihm allein das H eil des M enschen begründet sein lassen. N eben den Liedern m it einem solchen volltönenden C hristusbekenntnis bietet jedoch schon die geistliche D ichtung des 16. Jahrhunderts A nhaltspunkte für eine andere E ntw icklungslinie. „V on wegen dcS Verdienstes sein vergib mir meine S ü n d e . .

(

1

9

,

2)

D iese Zeile au s einem Lied von B a rth o lo m ä u s H elder gibt u n s d as S tichw ort an die H and. D a s „Verdienst Christi" ist e s, nicht mehr seine P erson und sein H eilsh and eln in sgesam t, a u f das sich die B üßlieder der folgenden Zeiten immer mehr und im mer einseitiger besinnen. A u f Christi V erdienst vornehm lich berufen sich die Gesangbuchdichtungen besonders in der vorpietistischen Z e it^ ) m it ihren häufigen W endungen: „ . . . D u hast für mich bezahlet. . . hier halt ich dein Ver di enst . . (

1

2

4

,

4)

An solchen Zeilen w ird zugleich deutlich, daß das „V erdienst Christi", von dem jene Lieder fast' w ie in einer stereotypen Form el reden, angesehen wird a ls ein „Schatz" des M enschen, den er zu seiner V erfü gu n g hat und den er G ott zur „Verrechnung" vorweisen kann: „H err, habe doch Geduld! Ich zahl dir alle Schuld. Ich hab ein Schatz gefunden in Jesu Christi Wunden: damit kann ich vergleichen und dir das Herz erweichen."

(1 0 8 ,11)**3)

land und M ittler richten, auch in ihren Schilderungen der Sünde und Buße menschlich-zurück­ haltender, „reformatorischer" klingen. Vgl. dazu z. B. N r. 67: „Herr Christ, zu dir ich schreie" und N r. 60: „Liebster Jesu, Trost der Herzen." Allerdings würde es aufschlußreich sein, gerade solche Gesänge genauer zu untersuchen und in ihnen die mannigfachen Verquickmgen von „reformatorischen" Anschauungen mit zeitgeprägten Gedanken nachzuweisen. " ) I n der pietistischen Liederdichtung lebt diese Anschaltung vom „Verdienst Christi" zwar im Grunde weiter, sie wird jedoch in Aussageformen gefaßt, die in andere Zusammenhänge führen. Vgl. dazu unten S . 131 f. und 261 ff. *3) ES ist durchaus nicht zufällig, daß das ganze i2strophige Lied von Joachim P a u li, dem die obige Strophe entnommen ist, mit keinem W ort von Glauben und Vertrauen handelt, daß in ihm auch an keiner anderen Stelle von Jesus oder von der göttlichen Zusage und Verheißung gesprochen wird. ES ist allerdings auch zu fragen, ob der Dichter noch im eigentlichen Sinne von der Vergebung spricht. I n auffchlußreicher Weise bittet er vielmehr umS „Schonen" G ottes: 108, 8: „ . . . hab ich gesündget, schone! . . . " 108,10: „H err, schone dein Gemächt. . Ebenso bedeutsam ist eS, wenn die erflehte gnädige Zuwendung G ottes unter dem Aspekt an­ gesehen werden kann: 108,10: „ . . . sieh jetzt nicht auf dein Recht, gedenk an deine Güte und ändre dein Ge mü t e . . . "

Unsere Überlegungen müssen nun aber noch genauer zu erfragen suchen, was die Liederdichter unseres Zeitraumes in h a lt lic h darunter verstehen, wenn sie ihre Leser an das „Verdienst Christi" erinnern, dem sie fü r die Buße des Menschen einen solch großen W ert beilegen. Auch fü r diesen Zusammenhang gibt ein Rück­ griff au f die geistliche Dichtung Johann HeermannS wertvolle Aufschlüsse. B ei ihm begegnet in scheinbar gut reformatorischem S in n z. B . die W endung:

„Gnad hat dir zugesaget Gott von wegen Christi Blut und Tod . . . "

(31, 5)

D o rt aber, wo Heermann es unternimm t, diesen Satz näher zu explizieren, da mischen sich bereits auffallend fremde Töne in seine Rede. S o begegnen z. B . in HeermannS bekanntestem B ü ß lie d : „W o soll ich fliehen hin . . . " die folgenden Ausführungen:

„Ich, dein betrübtes Kind, werf alle meine Sünd'. . . in deine tiefen Wunden, da ich stets Heil gefunden. Durch dein unschuldig Blut, die schöne rote Flut, wasch ab all meine Sünd,. . . Ist meine Bosheit groß, so werd ich ihr doch loS, wenn ich dein Blut auffasse und mich darauf verlasse. . . Mir mangelt zwar sehr viel, doch waS ich haben will, ist alles mir zu gute erlangt mit deinem Blute,. . . Und wenn des Satans Heer mir ganz entgegen wär',. . . Dein Blut darf ich nur zeigen, so muß ihr Trotz bald schweigen. Dein Blut, der edle Saft, hat solche Stärk und Kraft, daß auch ein Tröpflein kleine die ganze Welt kann reine, ja gar aus Teufels Rachen frei, los und ledig machen."

(33/ 3)

(33/ 4)

(33/6)

(33/ 7)

(33/8)

(33/ 9)

Betrachten w ir die mitgeteilten Strophen, so erscheint es als berechtigt, wenn Schameliuö in seinem Liederkommentar dieses Lied Heermanns unter die Über­ schrift setzte: „ K ra ft des B lu tes Christi über die armen S ü n d e r^ )." Z w a r lä ß t sich neben den zitierten Zeilen: „ . . . wenn ich dein Blut auffasse und mich darauf verl asse. . (

3

3

,

6

)

auch eine andere finden:

__________ “ ) Vgl. Mit I I , 414.

„Darum allein auf dich, Herr Christ, verlaß ich mich . . . "

(3 3 , 10)

D iese B eru fu n g a u f den H eiland J esu s Christus sieht in dem vielsirophigen Lied jedoch vereinzelt da. S e in en eigentlichen G eh alt em pfängt es vielm ehr a u s einer höchst eigenständigen R eflexion über W ert und W irkung des B lu te s Christi. I n einem solchen rationalen Nachdenken über Christi B lu t faß t sich zusam m en, w a s J o h a n n H eerm ann und viele ihm folgenden Gesangbuchdichter über das „V erdienst Christi" zu sagen w issen ^ ). D ab ei können sie cs alle nicht verhindern, daß ihre A u sfü h ru n gen über „ B lu t Christi" und „V erdienst Christi" fast den Eindruck erwecken, a ls handele es sich bei beidem um etw a s nahezu M ateriellV erfü gb a res, w ährend sie a u f der anderen S eite das vergangene und das gegen­ w ärtige H eiland sh and eln Christi in seiner G anzheit und inneren Einheit merk­ lich in den H intergrund rücken lassen. I m R ahm en ihrer A ussagen über das „Verdienst Christi" schlagen die G esang­ buchlieder des 17. Jahrhunderts aber nicht nur den W eg rationaler R eflexion ein. S ie machen sich daneben die vielfältigen M öglichkeiten zu kontem plativer Betrachtung und em otionaler Beschreibung ihres „G egenstandes" zunutze. D iese E ntw icklungslinie prägt sich besonders in den P assion slied ern des späteren 17. und deö frühen 18. Jahrhunderts a u s. D iese geben näm lich im Laufe des 17. Jahrh un derts im m er mehr ihren Charakter a ls B ü ßlieder a u f26). Schon die 16) I n diesem Zusammenhang muß allerdings erwogen werden, daß die Redewendungen vom „B lut Christi" wie vom „Verdienst Christi" in manchen Liedern der Frühzeit vietleicht im S inn von abkürzenden Metaphern verwendet worden sind, die eine ausführlichere Behand­ lung deS Gedankens an das Leiden und Sterben Christi dem Menschen zugut ersetzen sollten. Trotzdem ist die schon frühzeitig formelhafte Verwendung beider Begriffe nicht zu verkennen. se) I m Blick auf die reformatorische Liederdichtung mag angemerkt werden, daß sie in die Doppelheit von „Passionö"- und „Buß"-Lied als ein drittes den Gedanken an Ostern, an die Auferstehung Christi einfügt. Besonders an den Liedern Luthers fällt es auf, wie eng sie die Verkündigung von Christi (Geburt) Tod und Auferstehung verknüpfen mit den Aussagen über Sünde, „Buße", (Glaube) und Sündenvergebung deö Menschen. Von daher erschließt sich der innere Grund dafür, daß Luther kein besonderes Passionslied gedichtet hat. — Dagegen könnte man für das Gesangbuch des 17. Jahrhunderts ein ausgesprochenes Interesse am „historischen" Passionsgeschehen fast postulieren. Denn wo eine Verkürzung der „biblisch"-„reformatorischen" „Christologie" Hand in Hand geht mit einem ins Anthropologische verschobenen Sündenbegriff und — in innerer Abhängigkeit davon — mit einem gesteigerten Interesse an der menschlichen Bußgesinnung und Bußleistung, da muß gleichsam als rationales wie als emotionales Gegen­ gewicht eine intensive „Beschäftigung" mit dem Todesleiden des „Versöhners" und des „Hei­ landes" auftauchen. Diese Überlegungen werden durch die Gesangbücher tatsächlich bestätigt, denn sie lassen allenthalben unter ihren Festliedergruppen ein sprunghaftes Anwachsen der peziellen Gruppe der PassionSlieder erkennen. I n dieser Richtung tut sich besonders hervor das Nürnberger Gesangbuch von 1690, zuerst herausgegeben von Saubert 1676. Eö überschreibt seinen Abschnitt mit weit über 100 Passionsliedern mit dem Haupttitel: „Sonderbare hl. An­ dachten und Lieder von dem allerschmählichsten Leiden, Sterben und Begräbnis unseres hoch­ verdienten Heilandes Jesu Christi." Die Unterabteilungen bringen an erster Stelle Lieder zu allen Stationen und Scenen der Leidensgeschichte bis hin zu der Gruppe: „Von des Herren letzten Worten." Ihre Fortsetzung findet diese Reihe mit den aufschlußreichen Überschriften: „Von des Herrn Jesu heilswerten Wunden", „Trost aus den Wunden Jesu", „Von dem werten B lut Jesu Christ", „Betrachtung des bluttriefenden Heilandes Jesu Christ", „Klag unter dem Kreuz Christi" . . . „Betrachtung des erbärmlichen Todes Christi", „Bernhards Salve an die Gliedmaßen Christi" . . . „Trostlieder über das unschuldige und heilbringende Leiden und Sterben Jesu" . . . „Vom Nutzen des Leidens Jesu Christi" . . . „Von der Nachfolge des

Überschriften solcher Lieder wie z. B . „V on den heilwertigen W unden Christi" (N r. 41) oder „B etrachtung des Leidens Christi" (N r. 55) lasten ihre neue Form und ihren veränderten I n h a lt erkennen. Die kontemplative A rt der Betrachtung der Leiden Christi und insbesondere seiner W unden und seines B lu tes findet ihren Höhepunkt in der Liederdichtung des P ietism us und der H errnhuter B rüder­ gemeine. An beiden S tellen artet sie in einen ausgesprochenen „ B lu t- und W undenkult" aus und nähert sich dam it einer Passionsm ystik,die in einem anderen Zusammenhang zu behandeln ist27). Jedoch bleibt zu beachten, wie die B u ß und Passionslieder der lutherischen Gesangbücher schon seit dem Ende deö 16. Jah rh u n d erts in zahlreichen und mannigfachen Form en einzelne Elemente au s diesem Komplex aufweisen. D aß diese nirgends als fremd oder gar als un­ vereinbar m it reformatorischen Glaubensanschauungen em pfunden sind, läß t sich besonders an der Liederdichtung P a u l G erhardts erkennen. S ie enthält nicht nur die Bearbeitungen der PassionSfalven des B ernhard von C lairvaux, die durch CrügerS Praxis pietatis melica sehr schnell den Weg in viele anerkannte „Kirchengesangbücher" gefunden haben; auch in den Neudichtungen P a u l G erhardts begegnen viele Aussagen, die sich völlig im Rahm en des späteren sog. pietistischen „ B lu t- und W undenkultes" bewegen. D arüber hinaus geben sie die ganze S piel- und Sinnenfreudigkeit seines barocken Z eitalters wieder. Eine solche V erbindung von Elementen verschiedenartigster H erkunft zeigt sich z. B . in den allerdings weniger bekannten S trophen des sonst so beliebten Liedes „E in Lämmlein geht und träg t die Schuld . . wenn es dort heißt: „Erweitre dich, mein Herzensschrein, du sollst ein SchatzhauS w erben. . . Weg m it dem G old Arabia . . . Ich hab ein BessreS funden: mein großer Schatz, Herr Jesu Christ, ist dieses, w as geflossen ist a u s deines Leibeö Wunden.

(1 0 2 ,7 )

D a s soll und w ill ich mir zu Nutz zu allen Zeiten machen: im Streite soll eS sein mein Schutz, in Traurigkeit mein Lachen, in Fröhlichkeit mein Saitenspiel, und wenn mir nichts mehr schmecken w ill, soll mich dies M anna speisen, im Durst sötte sein mein Wasserquell, in Einsamkeit mein Sprachgesell zu HauS und auch a u f Reisen.

(102, 8)

Leidens Christi" . . . „Danklieder für das bittere Leiden und Sterben Jesu Christi" usw. — D aß mit dem aufklärerischen Gesangbuch die beschriebene Art von Passionsliedern allmählich verschwindet, erklärt sich z. T . auü dem neuen ästhetischen Empfinden jener Zeit. Hinzu kommen inhaltliche Gründe: je weniger jetzt von der Sünde deö Menschen geredet wurde, desto mehr wurde der Gedanke an Kreuz und Leiden Christi überflüssig, resp. desto mehr verlor er seine eigentliche Bedeutung im Zusammenhang m it der „Lehre" von der Sündenvergebung und Rechtfertigung. *7) V gl. dazu unten S . 261 ff.

W as schadet mir des Todes G ift? D ein B lu t, das ist mein Leben. Wenn mich der Sonne Hitze trifft, so kann m irs Schatten geben. Setzt mir des WehmutS Schmerzen zu, so find ich bei dir meine Ruh a ls au f dem Bett ein Kranker, und wenn des Kreuzeö Ungestüm mein Schifflcin treibet um und um, so bist du denn mein Anker. Wenn endlich ich soll treten ein in deines Reiches Freuden, so soll dies B lu t mein Purpur sein, ich w ill mich darin klechen . . (

(1 0 2 ,9 )

1

0

2

,

10)

D ie kontemplative, stark gefühlsbewegte Leidensbetrachtung der mitgeteilten S trophen spricht für sich selbst. E« ist deutlich, daß auch auf einem solchen Wege die Gesangbuchdichtungen des 17-/18. Jahrhunderts zu einer eigenmächtigen Beschäftigung m it „W ert und K raft des B lu tes Christi" und feines „V erdienstes" gelangen konnte. Wie eine rationalistische Geisteshaltung Christi E rlösungstat zum W ohl der Menschheit m it Hilfe der beiden behandelten Begriffe a ls einen abstrakten, eigenverfügbaren Besitz des Menschen erscheinen ließ, so verwandelte eine gefühlsbezogene Kontem plation das ,,ecce hom o“ in eine sentim entale, z. T . auch ethisch gefärbte28), Anschauung und Anschaulichkeit. Gerade diese beiden neuen Form en einer grundlegenden Umgestaltung des reformatorischen C hristusglaubens erwiesen sich aber als vorzüglich geeignet, die B uß-„Lehre" der Gesangbuchlieder unseres Zeitraum es zu ergänzen und zu unterbauen. 6. B u ß e u n d „ B e sse r u n g "

Unter der Überschrift „B uße und Besserung" behandeln w ir im folgenden einen letzten Gedankenkreis, der bei einer Darstellung der Gesangbuchaussagen zum Them a „B u ß e" nicht fehlen d arf28). M it den genannten Stichw orten er­ fassen w ir vor allem die Büßlieder des frühen 18. Jah rh u n d erts. W ir müssen jedoch auch in diesem Komplex die geschichtliche Entwicklungslinie nachzuzeichnen versuchen. Die B üßlieder des 16. und frühen 17. Jahrhunderts folgen z. T . getreulich den theologisch folgenreichen Aussagen Luthers, daß B uße etw as sei, das das ganze menschliche Leben und d. h. auch die gesamte Existenz des Christen umfasse. Jene Lieder bringen zum Ausdruck, daß ein Stehenbleiben in der S ünde nichts anderes bedeute als ein Verachten der Gnade G ottes, die im Kreuz Christi dem Menschen begegnet ist. Geschieht es in diesem Rahm en, so können sie mit einigem Recht88) 4e) V g l. dazu unten S . 264, Anm. 81. **) ES braucht nicht besonders betont zu werden, daß wir in diesem Zusammenhang a u s­ schließlich Buß- und Passionslieder heranziehen, während die Aussagen anderer Liebergruppen über die Besserung und Heiligung des Menschen an späterer Stelle erörtert werden. ao) Diese abwägende, zurückhaltende Formulierung wurde mit vollem Bedacht gewählt. U. E. gibt eS theologisch zu denken, daß daS Luthersche Beichtformular im Kleinen Katechismus

auch von der Lebensbesserung des Menschen handeln. Ein Beispiel dieser Art bieten z. B . die folgenden Zeilen Johann HeermannS: „D arum , o Mensch, verachte nicht daS groß und schwere Leiden, baS er für dich hat selbst verricht, tu alle Bosheit meiden. Schau doch, wie sich so treulich hat des Sohnes Gottes Majestät in N ot dein angenommen.

(3 2 ,1 2 )

H ilf, G ott, daß ich mein Leben lang dies alles recht bedenke, für deine Treu dir Lob und Dank in tiefster Demut schenke, daß ich von Sünden ttete ab, mein Herz bei dir im Himmel hab, nach meinem Heil stets ttachte."

(32, 13)

Bei Johann Heermann gehört nach diesen Zeilen das „Meiden der Sünde" zur Dankbarkeit für die Treue Christi; der Dichter bittet Gott selbst um H ilfe zur „Lebensbefferung", zum „Trachten nach dem Heil" und erwartet die Kraft dazu aus dem „Anschauen" und „Bedenken" des Leidens Christi. Es ist nun aber zu beachten, wie diese Gedanken z. T . schon in Gesangbuch­ dichtungen des frühen 17. Jahrhunderts eine andersartige Prägung und A us­ richtung erhalten. D as zeigt sich besonders dort, wo der Gedanke an die Besserung des menschlichen Lebens in der Form eines eigenen Versprechens des Christen er­ scheint. S o folgt z. B . in einem Gesangbuchlied aus der Mitte des 17. Jahr­ hunderts auf die aufschlußreiche Bußform el: „Zwar ich muß eS gern gestehen, baß ich gröblich mich versehen und verdient der Hölle Lohn, aber steh, ich komme wieder, fall, 0 Jesu, vor dir nieder, ich, dein lang verlorner S ohn, und ersuche dich m it T ränen: laß dich wiederum versöhnen."

(60, 5)

die bezeichnende Strophe: „ Is t im Himmel größre Freude, wenn ein S ünder kehtt m it Leide wieder zu der rechten B a h n ,. . . ach so nim m mich, wenn ich komme wieder zu Genaden an. WaS ich bisher hab begangen, will ich an zu bessern fangen."

(6 0 ,6 )!

Ganz offensichtlich gehören die beiden letzten Zeilen des zitierten Liedes noch unmittelbar zu seinem „Bußbekenntnis". Som it rufen sie aber die Frage wach, keine andere Frage des Beichtigers kennt a ls die eine: „Gläubst D u auch, baß meine Vergebung Gottes Vergebung sei?", worauf daS Beichtkind zu antwotten h at: „ J a , lieber H err", vgl. B S S . 519. Jegliche Fragen, die a u f das Bekennen eigener menschlicher Bußgesinnung wie auf daS Versprechen künftiger Besserung zielen, fehlen diesem Form ular!

wie sich in diesem Liede eigentlich Buße und Besserung zueinander verhalten und aus welchen K räften der hier redende Mensch, der schon in seiner B uße auffallend mit sich selbst beschäftigt ist, ;u jener Besserung seines Lebens schreiten will. Verfänglicher noch erscheinen die Aussagen über „B uße und Besserung" in einem der beliebten Gesvrächslieder jener Zeit, das die Überschrift träg t: „B u ß ­ gespräch eines armen S ü n d ers n.it seinem Herrn Jesu ". Einem höchst „dram ati­ schen" menschlichen Sündenbekenntnis schließt sich in dieser Dichtung die W en­ dung des Menschen an Jesu s an : „ . . . du hast für mich bezahlt, die S u n d ist mir vergeben, hier halt ich dein Verdienst",

w orauf unm ittelbar folgend als Antw ort des Heilandes die M ahnung a u s ­ gesprochen w ird: „so bessre dann dein Leben."

(1 2 4 ,4 )

Erst nachdem daraufhin der „arme S ü n d er" das Versprechen gegeben hat: „Fortan, siehst du mich, Herr, noch an, will ich mich anders üben: ich will, so viel ich immer kann, dich und den Nächsten lieben. G i b . . . daß ich . . . . . . dir, soweit sich hier die Möglichkeit erstrecket, (!) mein Leben opfere."

fällt die bestätigende Zusage des H errn: „N un ist die Schuld bedecket."

(124, 5)

Auch die folgende Schlußstrophe unseres Liedes beschäftigt sich weiterhin mit dem menschlichen Vorsatz zur Besserung seines Lebens: „. . . Ich will nunmehro meine Zeit in Tugend und Gerechtigkeit dir, 0 mein lieber Gott, zu eigen übergeben."

(124, 6)

Die Gedankenfolge des mitgeteilten Liedes ist für unseren Zusammenhang außerordentlich aufschlußreich. Die Dichtung selbst bezeichnet sich als „ B u ß ­ gespräch". S ie verquickt aber ihre Bußanschauung so unm ittelbar m it dem G e­ danken an die Besserung des Menschen, daß sie sogar erst dem Vorsatz zur Lebenöbesserung, nicht dagegen dem Sündenbekenntnis und V ergebungs­ glauben (v. 4), die Verheißung zuspricht (v. 5). D arau s folgt dann, daß dieses Lied endlich ganz in das Fahrwasser einer „christlichen" „Ethik" einmündet (v. 6). T rug eine solche „christliche Ethik" in dem vorangehenden Gesang m it den kennzeichnenden Begriffen von „Tugend" und „Gerechtigkeit" einen positiven, rationalistischen Zug zur Schau, so begegnet jene in der folgenden S trophe in einer negativ-asketischen, mystisch-pietistischen Form . Diese Strophe entstamm t dem bereits behandelten Lied „V on des Menschen Verderben durch alle A lter"

und bildet nach den fünf Strophen „Sündenpsychologie" mit folgenden W orten dessen Abschluß: .„Ach Gott, ach, sieh dies Elend an und hilf, daß wir beizeiten abtteten von der breiten Bahn der Sünd und Eitelkeiten. Gib Kraft von oben her, daß wir das flüchtig eitle Wesen hier für nichts, ja schädlich achten."

(81, 6)

D as genannte Lied redet bei allen seinen A usführungen über die menschliche Sündhaftigkeit weder von einem Bekenntnis noch von einer Buße des Menschen. Erst recht nicht beschäftigt es sich mit dem G lauben und V ertrauen auf die gött­ liche Vergebung und Barmherzigkeit. Seine Gedanken sind vielmehr allein au f die „Besserung" des Menschen gerichtet, sie erinnern sich nur insofern an die Gnade G ottes, als diese zur Abkehr vom „flüchtig eitlen Wesen" und zum „Streben nach der neuen A rt . . (81, 7) verhelfen soll und kann. I n dieser Weise ist also schon in einem Büßlied des 17. Jahrh u n d erts die Forderung und das Versprechen von menschlicher Besserung an die S telle des Bußbekenntnisses getreten. I m „B üßlied" des frühaufklärerischen Gesangbuches endlich steht daö An­ liegen der Besserung des Menschen fast ausschließlich im M ittelpunkt. Alle ge­ forderte Selbsterkenntnis soll diesem Anliegen dienen: „Wer alles weiß und doch verborgen und unbekannt sich selbst noch bleibt: wie will der für sein Bestes sorgen? WaS ist, das den zur Bessrung treibt? . . . Bin ich noch fern vom rechten Wege,. . . so bringe mich zurück vom Stege, der ins Verderben sich verliert. Gib mir zur Bessrung Lust und Kraft, du bistS, der beides in uns schafft."

(238, 5)

(238,7)

Auch in Versen, die dem W ortlaut nach noch von der B uße sprechen, steht in dieser Zeit der Gedanke der Besserung ganz im V ordergrund: „Laß mich doch, 0 mein Gott, die Buße nicht verschieben, die mir dein Wort gebeut j Ist wahre Besserung nicht meiner Seelen Glück? O wer verschiebt sein Heil gern einen Augenblick?"

(241,1)

Unsere Beispiele zeigten, wie Gesangbuchlieder des 17. Jahrhunderts B uße und Besserung in eine auffallende Nähe zueinander gerückt haben. Gefährlich wurde diese Nähe durch ein festes B eziehungsverhältnis: je mehr die B üßlieder die Buße des Menschen als ein eigenes, als ein zu beachtendes und darzustellendes Werk des Menschen erscheinen ließen, desto stärker mußte auch beim H inw eis aus die „B esserung" des Menschen dessen Eigentätigkeit in den V ordergrund

treten. Die Gesangbuchlieder des frühen 18. Jah rh u n d erts zeigen die Konsequenz dieser Entwicklung in d e r Form , daß in ihnen der Gedanke der B uße vollkommen überwuchert und überlagert ist von dem Thema der L ebenSbesserung^). § i2. D ie B ü ß lie d e r a u s dem lu th e ris c h e n G e s a n g b u c h deö 17. u n d f r ü he n 18. J a h r h u n d e r t s i n ih re n th e o lo g ie - u n d f r ö m m i g k e i t s ­ geschichtlichen Z u s a m m e n h ä n g e n u n d ih r e r th e o lo g isc h e n B e ­ d e u tu n g 1. J u m P r o b l e m d e r S e lb s te r k e n n t n is d e s M en sch en

Die bisher betrachteten Lieder aus lutherischen Gesangbüchern des 17. und frühen 18. Jah rh u n d erts ließen erkennen, daß in ihnen die Forderung nach einer rechten Selbsterkenntnis des Menschen eine große Rolle spielt. I h r wurde eine solche Bedeutung zugeschrieben, weil sie als der erste S chritt au f dem Wege des G laubens, ja noch mehr, als die Vorstufe des christlichen G laubens und Lebens gewertet wurde. D abei stellte sich heraus, daß jene Gesangbuchlieder die S elbst­ erkenntnis als ein direkte« Ergebnis menschlichen Nachdenkens und mensch­ lichen Sich-ErforschenS darstellten, daß sie ihnen, wenn auch unter Umständen unterstützt durch göttlichen Beistand und göttliche B ew ahrung vor Selbst­ täuschung, lediglich eine Sache des menschlichen W illens und der menschlichen Herzensbereitschaft zu sein dünkte. Inhaltlich wurde diese Selbsterkenntnis vor­ wiegend a ls ein Erkennen der menschlich-irdischen Nichtigkeit und Vergänglich­ keit wie auch der menschlichen Sündhaftigkeit beschrieben^). Jene S elbst­ erkenntnis erwies sich a ls ein gebotener und bequemer Weg, um zur S ü n d en ­ erkenntnis zu führen. 2n diesen Aussagen der lutherischen Gesangbuchdichtung drücken sich bereits erhebliche M odifikationen reformatorischer Anschauungen au s. D enn fü r die reformatorische Lehre f ü h r t die Selbsterkenntnis des Menschen nicht nur zur Sündenerkenntnis, sondern fü r sic ist Selbsterkenntnis schlechterdings nichts anderes a ls Sündenerkenntnis. Von d ieser S e l b s t e r k e n n t n i s hatte Luther schon in der Römerbriefvorlesung von 1515/17 gesagt: „Non enim potuit homo ex se ipso scire, quod talis (sc. peccator) esset coram Deo, nisi ipse Deus hoc ipsum revelaret.“ (Fi II, 67 — WA 56, 229).

Erst die Offenbarung G ottes ermöglicht nach Luthers Aussagen dem Menschen die Einkehr zu sich selbst, in sein eigenes Wesen: „Et ita Deus per suum exire nos facit ad nos ipsos introire et per sui cognitionem infert nobis et nos tri cognitionem“ (Fi II, 67 — WA 56, 229). 81) I n diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß sich die angegebene Entwicklung in unserem Zeitraum noch weitgehend unbewußt und unbemerkt wird vollzogen haben. D afür spricht die Tatsache, daß selbst ausgesprochen rationalistische Gesangbücher wie z. B . Berlin 1765 (Diterich) und Bremen 1767 die Rubrikenbezeichnung „V on der B uße" unverändert weiter­ führen. 31) Unsere Gesangbuchlieder wissen allerdings auch andere, „positive" Antworten zu geben, wenn sie die „Ergebnisse" menschlicher Selbst-Erforschung darstellen. V gl. dazu den Abschnitt über die anthropologischen Anschauungen der lutherischen Gesangbuchdichtung unten S . 174 ff»

G ottes „exire“ jedoch w ird anschaubar in der S endung und Fleischwerdung seines S ohnes. D arum fü h rt im präzisen S in n erst die Erscheinung Christi den Menschen zur S elbsterkenntnis: „Quia enim ascendimus in Adam ad similitudinem Dei, ideo descendit ille in similitudincm nostram, ut reduceret nos ad nostri cognitionem.“ (WA 5, 128).

Wie aber Christus, der Menschgewordene, nur in seinem W ort dem Glaubenden gegenwärtig ist, so wird dem Menschen Selbst- und Sündenerkenntnis auch nur im G lauben und durch das W ort zuteil. D arum erhebt Luther immer wieder die anscheinend so paradoxe Forderung: „Eö leit alles am credere, iudicare, credere hoc peccatum." (WA 40, 2. 370),

oder m it anderen W orten: „Sola fide credendum est, nos esse peccatores, quia non est nobis manifestum, immo sepius non videmur nobis conscii. Etsi nos nullum peccatum in nobis agnoscamus, credere tarnen oportet, quod sumus peccatoresu (Fi II, 69 — WA 56, 231).

I n der Frage nach der Sündenerkenntnis gilt für Luther grundsätzlich: „Si absque verbo essem, non possum habere hanc cognitionem“ (WA 40, 2. 369) “ ).

I n dieser Weise ist also bei Luther Selbsterkenntnis eine Sache der Offen­ barung, Sündenerkenntnis eine Angelegenheit des G laubens. Auch der junge M elan ch th o n S teilt diese Position Luthers, wenn er in der ersten Ausgabe seiner Loci schreibt: „Nam quae est caecitas humanae rationis,fieri nequit, ut citra lucem S p iritu s absolutam peccati iustitiaeve formam cognoscamus. Omnis humanae rationis captus tenebrae sunt. Lux est Christi Spiritus, is solus docet omnem veritatem“ (Loci, S . 107)**).

Dagegen läß t die gesamte systematische Theologie des 17. und frühen 18. J a h r ­ hunderts in auffallender Weise eine eingehendere Beschäftigung m it den Fragen nach der Möglichkeit und nach dem Ursprung von Selbst- und Sündenerkenntnis vermissen. D er Gedanke an die Unerläßlichkeit und Wichtigkeit der S ü n d en ­ erkenntnis wird zwar bei allen Dogmatikern dieses Z eitraum es keineswegs ab­ geschwächt. Ih re A usführungen erwecken ganz im Gegenteil den Eindruck, a ls wären die Erörterungen über die Sündhaftigkeit des Menschen ungebührlich in den V ordergrund gerückt 2«), so daß sich daraus die eigentümliche Umkehrung “ ) Dieses „verbum“ um faßt fü r Luther das W ort des Gesetzes u n d das W ort deS Evan­ geliums : „Fit autem haec peccati revelatio per legem et per evangelion seu promissionem. Nam utraque doctrina arguit peccata, quae nos neque intelligimus nec credimus nec sentimus esse peccata, nisi cum admonemur verbo Dei“ (WA 40, 2. 369). “ ) Auch beim alten Melanchthon lassen sich dem W ortlaut nach noch ähnliche Äußerungen nachweisen. Sie haben jedoch im Gesamtrahmen seiner späteren Theologie nicht mehr die gleiche grundlegende und ausschließliche Bedeutung, da sie eingeschränkt werden durch seine neue Lehre über das Gesetz a ls den eigentlichen Weg zur menschlichen Sündenerkenntnis. V gl. dazu unten S . 141. to) M it der Angabe „Loci, S . . . wird hingewiesen au f G. L. P litt: „Die Loci communes Philipp MelanchthonS in ihrer Urgestalt", von neuem herausgegeben und erläutert von D. Th. Kolde, Leipzig und Erlangen 1925 (4. Auflage). 26) Vgl. dazu schon MelanchthonS Einleitung zum locus „de peccato“ CR 21, 378: „Christus complexus est summam doctrinae Evangelii et quasi methodum informavit, cum

deö Lutherschcn Gedankens von bcr Sündenerkcnntnis durch Gottceerkenntnis und Chrisiusglauben ergeben hat. I h r begegnen wir v B . in dem Satz M elanchthons: „Agnoscenda est igitur nostra miseria, ut Christi beneficia intelligantur“ (CR 21,678)

und in der ähnlichen Äußerung C alovs: Non enim gratia recte agnoscitur, nisi miseria nostra, cui illa succurrit, probe intelligatur“ (Syst. V. 2).

Beide Aussagen sind zumindest nicht mehr unmißverständlich. S ie lassen die Frage offen, ob nicht bereits hier menschliche Selbsterkenntnis zu einer V o r ­ bedingung für die Christuserkenntnis gemacht wird, zu einer S t u f e , durch die erst der G laube zu erlangen ist. W enn dann tatsächlich der „Außenseiter" Calixt die Lehre von der S ü n d e zu den ,,antecedentia fidei" zählt, so widerspricht ihm zwar Calov darin. Dessen eigene Ausführungen lassen jedoch erkennen, daß er selbst die Offenbarung der S ü n d e ,,e verbo Dei“ nur unter dem Aspekt einer besseren und vollkommeneren „ In fo rm ie ru n g " über diesen Gegenstand wertet, wobei ihm die rechte Erkenntnis in der F rage: ,,quantum ma l u m sit peccatum“ das eigentlich bewegende und ausschlaggebende P roblem zu sein sch eint^ ). I n dieser Weise fehlt der theologisch-systematischen Lehre des 17. J a h rh u n d e rts überall die vollkommene Klarheit der reformatorischen A n tw o rt a u f die Frage nach dem Ursprung der Selbst- und Sündenerkenntnis des Menschen. D a sie selbst das gestellte Problem nicht mehr in Blick bekommt oder in ihren eigenen A ntw orten bereits mit Unklarheiten und anfechtbaren Lösungen belastet ist, kann sie keinerlei korrigierende W irkung ausüben, wenn die Gesangbuchdichtung derweilen die Forderung zur Devise erhoben hat: „Selber dich in dir erwecke, und bedenke, wer du b ist. . . "

(134/ 0

„Lerne dich erkennen, lerne! . . ."

(134, 3)

A uf der anderen Seite jedoch hat dieselbe Theologie in Gemeinsamkeit mit anderem kirchlichem S chrifttum der Liederdichtung zu ihrer Frage nach der Selbsterkenntnis des Menschen verhängnisvolle Aussagen über die menschliche Seele und das menschliche Gewissen nahegelegt. Um seiner aufschlußreichen B e ­ deutung willen müssen wir diesen Komplex im nächsten P a ra g ra p h e n gesondert iubet praedicare poenitentiam et remissionem peccatorum . . . Form praedicatio poenitentiae accusat et damnat peccatum . . . Necesse est igitur in doctrina ecclesiastica diligenter explicari, quid vocet scriptura peccatum . . 37) V gl. dazu den ganzen aufschlußreichen Passus bei Calov am Cndc seiner Lehre über die Sünde, die sich mit der durch Calixt zur Debatte gestellten Frage beschäftigt: „An sufficiat nobis ea peccati notitia, quam habemus natura, an vero etiam e Verbo Dei de peccato quaedam creditu sint nccessaria? und die die Antwort erhält: „Quod autem non tantilla solum cognitio sufficiat, sed opus omnino sit, ut e Verbo Dei de peccato informemur, ut naturam foeditatem, et vim peccati non tantum quadantenus antecedenter ad fidem cognoscamus, quod e libro naturae ct conscientiae fieri potest, sed ut fide divina, quae Verbo Dei revelato nititur, cognitum habeamus, et credamus, quantum inaluin sit peccatum.“ Syst. V. 18 sq.

darstellen. An dieser S telle genügte der Hinweis auf die problematische H altung, die die altprotestantische Dogmatik wie die lutherische Gesangbuchdichtung unseres Zeitraum es im Blick auf die Frage nach der Aufgabe und nach der M ög­ lichkeit einer menschlichen Selbst- und Sündencrkenntnis einnim m t. Ih re E r­ örterung ist darum so wichtig, weil sie für das gesamte kirchliche Schrifttum den H intergrund bildet, au f dem es seine Gedanken über das Wesen der S ünde und über die Sündhaftigkeit des menschlichen Geschlechtes entfaltet. 2. Die Ausführungen über das „Wesen" der Sünde und die Sündhaftigkeit des Menschen

a) D ie theologisch-systematischen Aussagen und ihre Auswirkung auf die Gesangbuchdichtung Wo L u th e r in seinen Schriften über die S ünde und das Sündigen des M en­ schen spricht, geschieht es in unmißverständlicher „Einfachheit". Grundlegend ist bei ihm die ein e Bestim m ung, daß das Wesen und S ein der menschlichen S ünde in der incredulitas bestehe33). Diese incredulitas ist fü r Luther „radix omni peccati“. D arum wendet er sich gegen alle Theologen, die die S ü n d e „ad sola opera deflexerunt"3®), denn S ünde ist ihm nicht identisch m it dem, waö der Mensch vor sich selbst oder vor anderen Menschen zu sein scheint33). F ür Luther läß t sich S ünde nicht au s den sündigen Taten des Menschen erkennen und be­ stim m en; ihm geht es nicht um die Sünden des Menschen, sondern um sein Sündersein, das sich in seiner letzten und eigentlichen Tiefe in seinem G ottesverhältni« manifestiert. Blicken w ir von hier au s auf die Sündenlehre des A l t p r o te s t a n t i s m u s , so begegnen w ir zw ar auch dort einer sehr eindeutigen und einlinigen Aussage. Die Abweichung und V erw andlung Lutherscher Gedanken wird aber schon darin sichtbar, daß die „orthodoxen" Definitionen übereinstimmend von einem all­ gemeinen S ü n d e n - B e g r i f f ausgehen. D a s zeigt z. B . die Frage H u tters: „Quid est peccatum in genere?“,

die die A ntw ort erhält: „Definitio brevis extat in epistola Johannis: Peccatum est, quidquid est contra legem Dei . . . Vel, ut Philippus definit: peccatum est defectio, vel inclinatio, vel actio pugnans cum lege Dei, offendens Deum, damnata a Deo et faciens reos aeternae irae, et aetemarum poenarum, nisi sit facta remissio.“ (Comp. p. 71).

B is ins 18. Jah rh u n d ert hinein machen alle lutherischen Dogmatiker diesen einen Satz zu ihrem A usgangspunkt: 38) „Ut nihil iustificat nisi fides, ita nihil peccat, nisi incredulitas.“ EA pp. ex. 27, 337. 39) „Ubi nostri theologi peccatum ad sola opera deflexerunt et ea solum inceperunt docere, quibus opera caveantur, non, quomodo per gemitum humiliter gratiam sanantem querant et se peccatores agnoscant.“ WA 56, 276 — Fi II, i n . 40) „Iste totus textus (Röm. 3, 9) intelligendus est in spiritu dici, hoc est, quod non loquatur de hominibus, quales sunt in oculis suis et coram hominibus, sed quales sunt coram Deo, ubi omnes sunt sub peccato, sc. tarn ii, qui manifeste etiam hominibus mali sunt, quam ii, qui sibi ipsis et hominibus boni apparent.“ WA 56, 234s. = Fi II, ^72.

„Peccatum est aberratio a lege divina41).“

I h m schließt sich m it Notwendigkeit schon bei H utter, der auch hier M elanchthon folgt, die auffällige Frage a n : „Quotuplex cst peccatum?11 (Comp. p. 72).

S o ist e» nicht verwunderlich, daß das othodoxe Lehrstück über die S ünde im m er mehr Gewicht auf die actiones deö Menschen, auf seine actio vitae legt und schon früh dazu übergeht, die Fülle der sündigen H andlungen nach ihren verschiedenen Gruppen und Kennzeichen zu behandeln^). M it dieser bis zu einer Unzahl von Distinktionen durchgeführten Aufgliederung sollte offenbar erreicht werden, das „W esen" der S ünde immer deutlicher und vollkommener zu er­ fassen. D er theologischen Arbeit des 17. Jahrhunderts diente dabei als Folie eine besonders ausgeprägte Lehre vom G esetz. Denken wir an die Anschauung Luthers zurück, so sehen w ir ihn Zeit seines Lebens bei dem Satz bleiben: „Sic utraque doctrina legis et Evangelii in Ecclesia retinenda est.“ (WA 39, i. 383).

Dem Gesetz wie dem Evangelium schreibt Luther hinsichtlich deö menschlichen Lebens je ihre besondere Aufgabe z u " ) , wobei er besonders in den Antinom erschriften die Notwendigkeit des Gesetzes ausdrücklich betont. Wenn Luther sogar den Ausspruch tu t: „D atum b ist e6 ein köstlich ding umS Gesetz",

so steht dahinter allerdings implizit oder ausführlich dargelegt die Einschränkung: . wenn es yhm rechten brauch gehet."

(WA 17,1. 127)

D enn neben diesem rechten Brauch des Gesetzes kennt Luther einen anderen Brauch, eine Predigt des Gesetzes, die den Schaden des Menschen nur noch größer " ) Dgl. z. B . Hz, Exam . p. 499; Clv, Syst. V, 311; Kng, Theol. p. 77; Freyt. G rund­ legung S . 132 u. a. " ) Dgl. dazu Hollaz: „Quomodo dividuntur peccata actualia? Peccata actualia dividuntur

1. ratione caussae in voluntaria et involuntaria. 2. Ratione subjecti totalis, sive personae peccantis, in mortalia et venialia, in aliena et nostra. 3. Ratione subjecti partialis in peccata cordis, oris et operis. 4. Ratione actus in peccata commissionis et omissionis. 5. Ratione obiecti, in peccata in Deum, in proximum et ipsum peccantem. 6. Ratione effectus in clamantia et non clamantda. 7. Ratione adiunctonnn in graviora et leviora, occulta et manifesta, mortua et viventia, manentia et remissa, coniuncta cum induratione et ab ea seiuncta, remissibilia et irremissibilia.11 Hz, Exam. p, 551 sq. 43) Vgl. dazu WA 45, 273: „DaS ist die Predigt, so wir teglich treiben sollen . . . DaS erste von Sünd und Tod leret u n s das Gesetz, daS Ander von der Erlösung, Gerechtigkeit und Leben leret uns das Evangelium von Christo. Beydes muS und sol man Predigen . . . Von S ü n d und Tod predigt man nicht darum b, daS S ü n d und Tod nötig sein zur Vergebung und Ge­ rechtigkeit, sondern daö S ü n d und Tod erkant werde, w as es für ein großer, greulicher Schade ist. Von der Erlösung predigt man nicht, das man uns weise, Gnade zu verdienen und erwerben, sondern, wenn wir den Schaden erkennen, da6 wir verdampt unter der Gewalt der Sünden, Tod und TeuffelS. DaS wir wissen, wie uns G ott durch seinen Sohn erlöset hat, die geschenckte Erlösung durch den Glauben empfahen und darnach dafür danckbar sein sötten."

m acht"). D arum kommt es nach Luthers Anschauung darauf an, daß in der christlichen Lehre und Verkündigung immer die beiden Aussagen: „Lex Spiritus est“ (WA 2, 499)

und „Christus venit ideo, ut istam tyrannidem legis abiiceret a conscientia“ (WA 40, 1. 558)

festgehalten werden. Für ihn gehören also Gesetz und Evangelium in bestimmter Weise zusammen, sie sind aber auch recht von einander zu unterscheiden"). Vergleichen wir diese Anschauung Luthers mit der von Melanchthon, so ist zu beobachten, wie bei ihm das Gesetz eine sehr viel eigenständigere Bedeutung und einen rational verrechenbaren Wert bekommt"). S o behauptet Melanchthon in seiner „Expositio Decalogi“ : „Utilissima et saluberrima est meditatio Decalogi. Continet enim doctrinam tarn copiosam et sublimem, ut nunquam satis perspici, nunquam exhauriri possit“ (CR 21 , 688).

Dementsprechend betonen besonders die Visitationsartikel vor allem anderen die Bedeutung einer rechten Gesetzeslehre und die Wichtigkeit und Notwendigkeit ihrer praktischen Anwendung"). Johann Gerhard zieht dann lediglich die Konsequenz auö jener Gesetzeslehre MelanchthonS, wenn er in seinen Loci schreibt: „Breviter dicendo, nisi doctrina le g is pura, integra atque illibata in ecclesia conservetur, nec articulo de justificatione, nec doctrinae de bonis operibus, nec orthodoxiae 44) Dgl. WA 2 , 527: „Lex erga bona, iusta, sancta, sed non iustificat: ostendit mihi, quis ego sim, dum per eam irritor et magis odi iusticiam quam prius, magis diligo concupiscentiam etiam quam prius, solo terrore minantis legis coercitus ab opere malo, nunquam autem a consupiscentia mala.“ " ) Dgl. WA 40, 1. 468: „Nisi enim diserte discematur evangelium a lege, non potest salva retineri doctrina christiana. Cognita autem ista distinctione cognoscitur vera ratio iustificandi.“ " ) D ie Aufgaben beS Gesetzes umschreibt Melanchthon z. B . mit folgenden Gedanken:

„Primum, Lex admonet ad quid condita fuerit natura humana, et qualis fuerit hominis dignitas et puritas, in qua conditus est . . . Secunde, monet nos lex de praesenti miseria . . . . Tertio, Lex tacite nos admonet de reparatione humani generis et de vita aetema . . . Quarto, cum sic consideramus, quanta sit miseria humani generis oppressi peccato, ira Dei et morte, et intelligimus vocem Legis esse sententiam vinculum, testem et nuntiam illius ingentis irae, semper e regione aspiciamus filium Dei et consideremus hostiam, quae sola sustinuit iram pro nobis, subiit onus Legis et placavit Patrem, et consideremus beneficium filii Dei, quod exuberat supra peccatum“ (C R 2 i , 689 sq.). Diesen Ausführungen zufolge gibt also die GesetzeSerkenntniS Aufschluß über Herkunft, Weg und Ziel deS menschlichen Geschlechtes. 47) Dgl. CR 26, 28: „Lex est docenda propter duas caussas. Habet enim duos effectus,

cohercere camem, et terrere conscientiam. Primum igitur docenda est et urgenda, u t coherceantur rüdes homines . . . Secundo, docenda est lex, ut terreat conscientias, iuxta illud: Per legem cognitio peccati, i. e . ut homines ad poenitentiam vocentur, et per poenitentiam (!) ad fidem et ad iustitiam Christianam. Hos duos effectus legis ob oculos et in conspectu habeant. Hi, qui docent in ecclesiis, diligenter tradant doctrinam legis, alioqui, ubi doctrina fidei sine lege traditur, infinita scandala oriuntur, vulgus fit securum, et somniant se habere iustitiam fidei, quia nesciunt, fidem in his tantum esse posse, qui habent contrita per legem corda.“

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de peccato et libero arbitrio sua constabit puritas et integritas“ (Ghd, Loc. V, 383

sq*)48)* A lle weiteren A usfü hru ngen zum Artikel über die S ü n d e sind sow ohl in der orthodoxen, wie auch in der pietistischen") und frühaufklärerischen Theologie durch die beiden behandelten E ntw icklungslinien bestim m t: a u f der einen S e ite durch einen immer einseitiger gefaßten Gesetzesbegriff, durch eine immer stärkere B eto n u n g des G esetzes, seiner N otw endigkeit und W irkung — auf der anderen S e ite durch eine rational-intellektualisiische D efin ition der S ü n d e a ls Gesetzesübertretung m it ihrer K onzentration auf die sündigen T aten des M en ­ schen und der daraus folgenden fast unübersehbaren A ufgliederung innerhalb des Sün den begriffs. W enden w ir uns angesichts dieses theologiegeschichtlichen B efu n d es der Gesangbuchdichtung und speziell den B u ß - und Beichtliedern zu, so läßt sich hier offenbar ein doppeltes erkennen: nicht wenige geistliche Lieder des 17. und frühen 18. Jahrhunderts nehm en teil an der „orthodoxen" Hochschätzung von Gesetz und Gesetzespredigt, sie spiegeln jedoch nirgends jene rationalistische A u f­ gliederung des S ü n d en b egriffes, bzw. eine D arstellung des W esens der S ü n d e nach dem orthodoxen D istinktionsschem a, wieder. Trotzdem ist auch diese S e ite der „traditionellen" S ün den lehre nicht ohne B edeutung für die Kirchenlied­ dichtung geblieben. S ie w ird dazu beigetragen haben, daß eb en falls die Lieder nicht mehr S ü n d e vornehmlich a ls incredulitas und S ündersein a ls inimicitia D ei erscheinen lassen, sondern daß sie immer ausschließlicher ihr Augenmerk auf die „konkreten", konstatierbaren, „äußeren" Erscheinungsform en menschlicher S ü n d e richten. D abei interessierten sie — w ie wir sahen — a u f der einen S eite die moralischen D efekte, a u f der anderen S e ite die psychischen „ S tr a ffo lg e n " der allgem einen menschlichen S ün d h aftigk eit am stärksten. Unsere bisherigen Er­ örterungen lassen den S ch lu ß zu , daß beide Aussagenkreise sehr w oh l in E in­ klang zu bringen sind m it der allgem einen zeitgenössischen Sün den lehre. S ie 48) Gerade diese an Luther anklingende Formulierung läßt den Unterschied, ja, den Gegen­ satz aufs schärfste hervortreten. Bei Luther konnte cs, dem „Ansatz" seiner Theologie ent­ sprechend, ausschließlich nur der RechtfertigungSartikel sein, dem er eine derartig zentrale Stellung einräumte. Vgl. dazu die beiden bekannten Aussagen: WA 40, 1. 441: „Locus igitur Justificationis, ut saepe moneo, diligenter discendus est. In eo enim comprehenduntur omnes alii fidei nostrae articuli eoque salvo salvi sunt et reliqui. WA 39, i. 205: „Articulus iustificationis est magister et princeps, dominus, rector et iudex super omnia genera doctrinarum, qui conservat et gubernat omnem doctrinam ccclesiasticam et erigit conscientiam nostram coram Deo.“ " ) Für den Pietism us vgl. z. B . Freylinghausen, Grundlegung . . . S . 132 ff. mit einer unveränderten Wiederholung der „orthodoxen" Sündenlehre, neben der sich aber auch eine „mystische" Kennzeichnung der Sünde alö „unordentliche Selbst- und Kreaturliebe" findet (vgl. a. a. O. S . 128 und dazu auffallenderweise eine Parallele bei Melanchthon CR 21, 673, während Luther diese Bezeichnung frühzeitig wieder hat fallen lassen). — I n der Frage der SündenerkenntniS spielt im Pietism us neben der Wiederholung der orthodoren Anschauung von der Überführung deö Menschen durch daS Gesetz natürlich der Gedanke der Selbstprüfung und Selbsterforschung des Menschen eine besondere Rolle. — I m übrigen muß auch bei allen theologie- und dogmengeschichtlichen Darstellungen auf die eingehenderen Ausführung und Nachweise in der Maschinenschrift-Dissertation der Verfasserin hingewiesen werden.

sollten verdeutlichen, daß die gleichzeitigen theologischen Anschauungen eine vor­ treffliche B asis und Voraussetzung für die AuSdrucköformen der lutherischen Gesangbuchdichtung geschaffen haben. I m folgenden bleibt jedoch zu fragen, ob die jeweils spezielle A usprägung ihrer S ündenauffaffung nicht noch au s anderen Zusammenhängen herzuleiten ist. b) Zum Problem der „moralistischen" Sündenerkenntniö Unsere darstellenden Ausführungen zeigten an H and von mancherlei B ei­ spielen, in welcher Weise die lutherische Gesangbuchdichtung deö 17. und frühen 18. Jah rh u n d erts den Weg einer „moralistischen Sündenerkenntnis" beschritten hat. Richten w ir unser Augenmerk auf die Frage nach den theologie- und fröm m ig­ keitsgeschichtlichen Ursachen dieser Entwicklung, so ist zu beobachten, daß Form und Aussagen dieser Gesänge nur selten auf der individuellen G estaltungskraft und dem persönlichen Aüösagewillen der einzelnen Dichter beruhen. S ie weisen vielmehr auf ältere und ziemlich genau nachzuzeichnende „T raditionS"-Z u­ sammenhänge. F ü r einen beträchtlichen Teil der B u ß - und Beichtlieder unseres Zeitraum es ist z. B . an das Vorbild der mittelalterlichen Beichtspiegel zu er­ innern. Diese L iteraturgattung hatte sich nach der Reform ation frühzeitig wieder einen Platz im aszetischen S chrifttum der protestantischen Kirche erobert50) 3 n der Gesangbuchdichtung tritt sie in derem Gefolge d o r t zutage, wo die A us­ breitung des Gesetzes und speziell der 10 Gebote dazu benutzt w ird, durch die A ufzählung der menschlichen Übertretungen das Sündersein des Menschen evident zu machen. Dieselbe altprotestantische E rbauungsliteratur weist — analog der m ittel­ alterlichen — ebenfalls viele Klaggesänge auf über den Niedergang des christ­ lichen Lebens, über den V erfall der W elt und der Christenheit in alle nur mög­ lichen S ünden und Stifter61). Begegnen w ir ähnlichen Sittengem älden in der Gesangbuchdichtung unseres Zeitraum es, so haben w ir darin also nicht nur Ausdrucksformen eines sich ankündigenden oder Folgen eines bereits öffentlich in Erscheinung getretenen P ietism us zu sehen. Die lutherische Gesangbuch­ dichtung wie auch das eigene S chrifttum des P ietism u s und seiner V orläufer sind vielmehr in dieser Hinsicht als getreue Nachfahren der mittelalterlichen und der ihnen folgenden früh-nachreformatorischen „ G ra v a m in a “ innerhalb der aszetischen Literatur zu erkennen. S in d w ir in dieser Weise m it unseren Überlegungen bereits in den Bereich des römisch-katholischen S chrifttum s geraten, so geschieht das noch stärker an den S tellen , wo sich die Beichtlicder unseres Zeitraum es nicht nur der A u f ­ z ä h lu n g der V ielzahl der menschlichen S ünden widmen, sondern wo die V e r ­ g e g e n w ä r tig u n g der H ä ß lic h k e it und Schändlichkeit all dieser Taten und 50) Vgl. dazu u. a. Beck: „Die Erbauungsliteratur der cvg. Kirche Deutschlands . . .", S . 24, 72, 89s., 194ff. u. 6. H) Vgl. dazu z. B . Bogner: „Himmclsschlüffel. . . " 1 6 1 5 /1 6 2 4 ... Vorrede: „Klagen über die Verderbnis der Christenheit."

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damit der Sünde insgemein in den Mittelpunkt gerückt ist. Diese Art von Liedern scheint nämlich nur zu getreu der Anweisung zu folgen, die z. B . am eindrucks­ vollsten Ignatius in der „Sündenmeditation" feiner Exercitia spiritualia gibt62). Bei der starken gegenseitigen Beeinflussung der aszetischen Literatur beider Kon­ fessionen einerseits und der vielseitigen Befruchtung der Kirchenlieddichtung durch daö Erbauungüschrifttum andererseits, wird es nicht abwegig sein, in jener Form von Sündendarstellung eine derartige Abhängigkeit anzunehmen. Die Feststellung eines solchen Zusammenhanges erweist sich um so glaubhafter, als sich auch eine Übereinstimmung in der Abzwcckung konstatieren läßt. Ohne Zweifel steht nämlich auch in der lutherischen Bußliederdichtung der „Kultus der Sündenhäßlichkeit"62) im Dienst der katholischen Methode des Sich-Disponierens auf den Empfang der Gnade. Für unsere Untersuchungen ist jedoch nicht nur die Beachtung der Überein­ stimmung zwischen Gesangbuchdichtung und ignatianischem Katholizismus in der Art der Beschreibung von Häßlichkeit und Schändlichkeit des sündlichen Lebens bedeutsam. I n unmittelbarem Zusammenhang damit steht als ein zweites wichtiges Element solcher „Sündenmeditation" die Vergegenwärtigung der S t r a f f o lg e n der sündigen Taten und Handlungen deü Menschen. Bei Ign atiu s hatte sie die Form einer ausführlichen Höüenmeditation erhalten, die wiederum ein gutes Beispiel und eine gute Anleitung für die Ausführungen der lutherischen Gesangbuchlieder unsere« Zeitraumes zu diesem Thema abgegeben haben könnte66). Die nötigen Anregungen zur Ausschmückung ihrer Höllenzeichnungen M) V gl. Ig n a tiu s, Exerc. spir. i . Hebdomada, Secundum Exercitium pp. 98 sqq. : „Secundum Exercitium est meditatio de peccatis . . . Primum punctum est processus peccatorum, scilicet trahere in memoriam o m n ia peccata vitae, inspiciendo per annos singulos vel per singula tempora . . . Secundum, p o n d e ra re peccata, inspiciendo foeditatem et malitiam . . . Tertium, inspicere quis sim ego, minuendo me ipsum per exempla: . . . quantulus sim ego in comparatione omnium hominum . . . omnium Angelorum et Sanctorum . . . in comparatione D e i. . . quarto, inspicere omnem mearr corruptionem et foeditatem corpoream; quinto, inspicere me quasi ulcus quoddam et apostema, unde pullularunt tot peccata et tot nequitiae ac venenum tarn turpissimum. Quartum, considerare, quis sit Deus, contra quem peccavi . . . Quintum, exclamatio admirative cum ingenti affectu, discurrendo per omnes creaturas, quomodo me passae sint vivere et in vita conservaverint . . .“ " ) Nach den Ausführungen des II. Teiles unserer Arbeit braucht nicht mehr besonders darauf eingegangen zu werden, daß jener „K ultus der Sündenhäßlichkeit" ebenfalls stark durch die allgemeine „Zeitstimmung" gefördert wurde. Denn auch in der profanen Literatur erging sich das Barockzeitalter in aufdringlichen, fast wollüstigen Schilderungen von Häßlichkeiten und Dunkelheiten des menschlichen Lebens. 54) Vgl. Ig n a tiu s, a. a. O., pp. 105 sqq. : „Quintum Exercitium est meditatio de Inferno . . .

Primum praeambulum, compositio, quae hic est, videre visu imaginationis longitudinem, latitudinem et profunditatem Inferni. Secundum, petere id quod volo; erit hic, poscere intimum sensum poenae, quam patiuntur damnati, ut si amoris Domini aeterni oblitus fuero ob meas culpas, saltem timor poenarum me juvet, ne in peccatum deveniam. Primum punctum erit videre visu imaginationis ingentes illos ignes et animas velut in corporibus igneis. Secundum, audire auribus planctus, ululatus, clamores, blasphemias . . . Tertium, olfacere, odoratu fumum, sulphur, sentinam et res putridas. Quartum, gustare gustu res amaras, ut lacrimas, tristitiam et vermem conscientiae. Quintum, tangere tactu, scilicet quomodo ignes illi tangunt et urunt animas . .

und Gerichtödrohungen werden die Liederdichter unserer B uß- und Beichtlieder ebenfalls auö der E rbauungsliteratur des 16. Jah rh u n d erts, die weitgehend nur eine Zusammenstellung patristisch-scholastischer Aszetik vorstellte55), erhalten H a b e n s . Daneben wird ihnen endlich das ganze Gebiet der „ars-m oriendiL iteratur" wertvolle Dienste geleistet haben. I n ihrer mittelalterlichen Form ver­ folgte jene die Aufgabe, bei den Menschen frühzeitig und ständig eine „heilsam e" Angst wachzuhalten und auf das Heute der Entscheidung zu B uße und Besserung zu dringen. Schon im 16. Jahrhundert tauchte diese ars-m oriendi-£itetotur nahe­ zu unverändert auch im lutherischen Erbauungsschrifttum wieder a u f 57). E s ist also nicht verwunderlich, wenn ebenfalls in der Gesangbuchdichtung das m em ento mori a ls ein M ittel, den Menschen auf seine Sündhaftigkeit hinzulenken, eine große Rolle spielt. D er bewußt verwendete Todesgedanke wie auch die G erichts­ und H öllendrohung haben dabei in der evangelischen Liederdichtung dieselbe Funktion wie im M ittelalter und im jesuitisch-tridentinischen K atholizism us. M itsam t denselben Stilelem ente und Aussageformen ist in ihnen ein beträcht­ liches Stück katholischer Seelsorgepraxis weitergegeben. A uf der anderen S eite beruht die Ausgestaltung eines moralistischen SündenverständniffeS innerhalb der lutherischen Gesangbuchdichtung selbst unm ittelbar au f demselben inneren Zusammenhang. Die Auffassung von einer genau beschreibbaren und bestimm­ baren Q uan tität und Q ualität der Sünden und der Gedanke an die S tra ffo lg en im diesseitigen und jenseitigen Leben tragen und fordern einander; im einzelnen wird allerdings kaum auszumachen sein, ob die Übernahme des scholastischen Sündenbegriffes und seine ausführliche Darstellung oder ob die W iederbelebung einer A rt katholischer Beichtpraxis55) und der Rückgang von einer reform atorischen Evangeliumsverkündigung auf die Formen einer m ittelalterlichen und nachtridentinifch-katholifchen Seelsorge und kirchlichen „Gesetzespredigt" das P rim äre, das auslösende M om ent dieser Entwicklung, gewesen ist. “ ) V gl. z. B . M öller: Meditationes . . . IV. „Eine treu und ernste Vermahnung S a n c ti Bernhard:, das sich «in Mensch fü r der schrecklichen Hellenpein hüten und nach der ewigen Seligkeit trachten solle." B la tt 6 a /b : „H ilft G ott / welch Angst wirb da sein . . . wie ttaw rig wird eö zugehen . . . Die Teuffel werben sie quälen ohn unterlaß / unnb die Q uell wird sie doch nimmermehr töbten. D a s Fewer wird sie brennen ohn unterlaß . . . S ie werden nicht« anders hören / denn Ach und Wehe / Heulen und W einen. . . Sie werden nichts andres sehen / denn die . . . grewliche wütende T eu ffel. . ." “ ) V gl. a ls Parallele z. B. I . Gerhards Meditationes, besonders Nr. X X IX : „De securi-

tate excutienda.“ XLIX: „De tormentorum infemalium gravitate.“ L : „De poenarum infemalium aetem itate.“. I m übrigen ist zu beachten, baß sich alle nachreformatorischen Er­ bauungsschriftsteller m it ihren Ausführungen au f die Forderung MelanchthonS in den Visi­ tationsartikeln berufen konnten: „Non enim satis est praecepta enarrare, sed etiam poenas commemorent, quas Deus minatur peccatoribus“ (CR 26, 9). Vgl. auch CR 26, 52. ” ) V gl. z. B. M öller: „Manuale de praeparatione ad mortem", 1593, I . Gerhard, Medi­ tationes, bes. med. X L III: „De quotidiana mortis consideratione.“, XLV: „De judicio ex­ treme“, X X X V III : „De praesentis vitae fugacitate.“, aber z. B. auch I . Gerhard, Loci 19,

300 sqq. *•) Natürlich spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls bas „otthoboxe" Beichtinstitut, das in seiner Veräußerlichung nicht ohne Grund einer scharfen Kritik durch den P ietism us anheim­ gefallen ist, eine Rolle.

c) Zum Problem der „psychologischen" Sündencrkenntnis „Weinen in den ersten Stunden, aller Schwachheit, aller Pein immer unterworfen sein, immer tiefe Herzenswunden, Reizungen zu bösen Sünden und verderbte Lust empfinden .

. ( 5 3 , 1) Diese Zeilen sind besonders geeignet, uns noch einmal denjenigen Zweig der B üßlieder vor Augen zu stellen, der auf dem Wege von psychologischen Schilde­ rungen zur Erkenntnis menschlicher Sündhaftigkeit und Nichtigkeit zu gelangen suchte. I m Gegensatz zu denjenigen Gesängen, die sich in moralistischer Weise m it den einzelnen sündigen Taten des Menschen beschäftigten, richtet diese Lieder­ gruppe ihr Augenmerk auf das „S ein " des Menschen. Allerdings geschieht das nicht ohne eine beachtenswerte Einschränkung. Dieses sündige Sein des mensch­ lichen Lebens wird hier nämlich nicht in der „Gesamt-Existenz" des Menschen, in seinem Leben vor G o tt und in seiner Bezogenheit auf G ott gesehen. Es wird vielmehr eingeschränkt auf die niedere menschliche S phäre, auf seine Fleischlich­ keit, auf die coneupisccntia. Unsere Lieder machen es selbst deutlich, daß sie dort, wo sie von „Fleisch" und „Lust" des Menschen reden, kaum mehr d a s meinen, w as einst Luther als die „concupiscentia hom inis“ bezeichnet hatte. S ie sind nicht mehr bestimmt von der reformatorischcn Auslegung des Begriffes co n ­ cupiscentia als eines menschlichen G rundw illens der Auflehnung und der S elbst­ behauptung vor G ott. I h r Interesse bleibt vielmehr stehen bei der Schilderung der E rs c h e in u n g sfo rm e n der „Lüste", der Sinnlichkeit, der „niederen" S eelen­ kräfte des Menschen sowie bei deren Auswirkungen. Es ist nicht schwer, dieser Konzentrierung der S ü n d e auf die F leischlichkeit^), auf die caro des Menschen die mittelalterliche P arallele an die Seite zu stellen, ja, deren mittelalterliche H er­ kunft nachzuweisen. D abei ist es nur folgerichtig, daß bei den Liederdichtern zu­ sammen m it dem augustinisch-scholastisch-gefärbten conoupiscentia-Begriff auch die übrigen mittelalterlichen Gedanken, Formeln und Bilder auftauchen. S o erklärt es sich z. B ., daß bei den lutherischen Gesangbuchdichtern des 17. und frühen 18. Ja h rh u n d erts S ünde nicht mehr reformatorisch-biblisch als die unheim­ liche, widergöttliche M acht erscheint, sondern daß sie wieder den Aspekt des E lends, der menschlichen Schwäche, der Krankheit gewonnen hat. I n diesen Zusam m en­ hang ist ebenfalls die Beobachtung einzuordnen, daß in den Büßliedern jener Zeit so auffallend häufig das B ild von Jesus als dem Arzt«") schlechthin oder a ls dem Arzt der S eele auftaucht, verbunden mit der B itte um Heilung von den S ünden-W unden^). W ir werden nicht fehlgehen, wenn wir diese gesamte 6®) Dabei ist zu erwähnen, daß auch die „orthodoxe" Sündenlehre diese Definition von Sünde a ls concupiscentia—Fleischlichkeit schon seit Melanchthon wieder aufgenommen und tradiert hatte. 60) Übet die völlig andere Verwendung des Arzt- und sanatio-MotiveS bei Luther vgl. Link: „D a s Ringen Luthers um die Freiheit der Theologie von der Philosophie", S . n z f . , 140,158 f. ei) 3 m Zusammenhang m it dem scholastischen concupiscentia-23egtiff findet sich allerdings auch in der orthodoxen Dogmatik die Vorstellung von dem die Sündenwunden heilenden und

Terminologie innerhalb der Gesangbuchdichtung und die m it ihr verbundenen und in ihr ausgedrückten theologischen bzw. thcologiegeschichtlichen A n­ schauungen zurückführen auf den Einfluß der altprotestantischen aszetischen Literatur, die ihrerseits auf diesem Gebiet durch mittelalterlich-scholastisches und durch gleichzeitiges römisch-katholisches S c h rifttu m ^ ) und Gedankengut beeinstußt w ar. Betrachteten wir bislang denjenigen Gcdankenkomplex, der die S ü n d e des Menschen aus seinem caro-Sein, aus seiner concupiscentia herleiten und er­ klären wollte, so müssen wir in der Gesangbuchdichtung des 17./18. Jah rh u n d erts noch eine zweite Linie beachten, die das psychologische M om ent vielleicht noch stärker hervortreten läßt. Ih ren Ansatzpunkt können w ir ebenfalls bis in das M ittelalter zurückverfolgen. D ort begegnen wir vornehmlich in der sog. deutschen Mystik einer Fortentwicklung und speziell einer Verinnerlichung des concupiscentia-Begriffes. die sich darin äußerte, daß S ünde jetzt direkt in der Ichheit des Menschen sowie in der W elthaftigkeit als solcher gefunden wurde. D o rt, wo die Mystik überhaupt von menschlicher S ünde und S ündhaftigkeit handelte, sprach sie ihr Verständnis vom Wesen der S ünde in Begriffen wie Nichtigkeit, Eitelkeit, Eigenheit u. dgl. aus. Verbunden m it einem negativ-asketischen Lebens­ und W eltbild erwies sich jener mystische Gedanke in der Geschichte der kirchlichen Literatur als überaus fruchtbar und lebenskräftig, kam er doch dem natürlichen menschlichen Bestreben entgegen, um sich selbst zu treffen Ma) und durch psychische Beobachtung und Zergliederung einen Zugang zu sich selbst und zu der W elt zu gewinnen und darauf seine Lebenshaltung aufzubauen. Dieser mystisch be­ dingte „Sünden-B egriff" tritt uns auch im protestantischen Erbauungsschrifttum des endenden 16. wie des 17. Jahrhunderts in zahlreichen V ariationen und M odi­ fikationen entgegen. 3 n diesem Zusammenhang ist z. B . besonders a u f Jo h a n n A rnd's „W ahres Christentum" zu verweisen.^) die Medizin darreichenden Jesuö. V gl. dazu z. B . Gerhard, Loci V, 86; Clv, Syst. V, 314 und besonders aufschlußreich Kng, Theol. p. 202: „Fides est actus poenitentialis alter, quo

peccator contritus conscientiae suae vulneribus, ex vulneribus Jesu Christi in Evangelio ostensis fiduciali eorundem ad se in individuo facta appropriatione, medicinam quaerit.“ •*) S o begegnet z. B . im Catechismus Romanus das B ild von Jesu s a ls dem Arzt, von den menschlichen Wunden und von der dargereichten Medizin passim. I n zweiter Linie ist auf den Zusammenhang des Arztmotivs sowie der Begriffe: Sündenkrankheit, Sünbenwunben mit der erotischen Mystik aufmerksam zu machen. V gl. dazu W olfskehl: „D ie JesuSminne in der Lyrik des deutschen Barock", S . 29. ,2a) V gl. das B ild Luthers vom „Homo incurvatus in se “ W A 56, 356 — Fi II , 184. ,3) V g l. z. B . Arnd, WCHr IV. 2, 3 ( S . 6 42): „Gleich wie nun a u s G ottes Liebe nichts Böses in uns wachsen kann, sondern alles G utes: also ist die eigene Liebe die Wurzel alles Bösen in unS, daher alles Böse entspringt. Daher kommt alle Ungerechtigkeit, S ü n d e, Laster, Blindheit, Unwissenheit, Schmerzen. Und so macht der Mensch feinen W illen zum falschen, G ott . . . " — ES ist jedoch bereits an dieser Stell« darauf aufmerksam zu machen, baß das Reden über die „Sünde" des Menschen in der gesamten erbaulich-mystischen Literatur vor­ wiegend im Interesse von ethischen Mahnungen erfolgt. B ei Arnd folgt au f den angezogenen Abschnitt in diesem S in n ein „Gebet um AuStilgung der Selbst- und Eigenliebe". I n anderen Zusammenhängen wird die Forderung der Abkehr von der W elt, der m ortificatio cam is, deö Sich-AufschwingenS zu G ott erhoben.

Ebenso ist jedoch an dieser S telle darauf einzugehen, daß zum andern stets dem P ietism us der V orw urf gemacht w ird, er habe das mittelalterlich-mystische Exercitium der psychischen Selbstbeobachtung und die sentimentale S eelen­ zergliederung ungebührlich gefördert"). D a s geschieht zweifellos m it einem ge­ wissen Recht. Demgegenüber sind jedoch gerade die Büßlieder aus den luthe­ rischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts heranzuziehen, in denen w ir einen solchen Übergang von der reformatorischen Auffassung der Sündenerkenntniö a ls eines GlaubenSwiderfahrniffes zu einer mystisch-pietistischen Psychologistik der Selbsterfahrung und Selbsterforschung schon lange Jahrzehnte vor dem eigentlichen Beginn deö P ietism u s vollzogen sahen. A ls eine notwendig dam it verbundene Folgeerscheinung ließ sich beobachten, wie die Redeweise von der Angst des Menschen und insbesondere von der Sündenangst des Menschen, die bei den Reform atoren Ausdruck des „tim or D ei“ gewesen w ar, den Charakter einer sentimentalen G efühlsäußerung erhalten hatte und dam it also ebenfalls auf das Gebiet des Psychologischen verschoben wurde. Bei den Überlegungen zum gegenwärtigen Abschnitt ist als ein letzter P unkt zu berücksichtigen, in welcher Weise die B u ß - und Beichtlieder des frühen i8 .J a h rhunderts S ünde und Sündhaftigkeit des Menschen verstehen und darstellen. D abei stoßen wir au f daö zunächst verwunderliche Faktum , daß die Lieder der Frühaufklärung dort, wo sie von der menschlichen S ü n d e reden, wohl gelegent­ lich den Begriff „Laster" verw enden"), daß sie aber fast nie eine Beschreibung der Laster und S ünden des Menschen bringen. D er hinter dieser Gesangbuch­ dichtung stehende Sündenbegriff bewegt sich also nicht ohne weiteres auf der Linie der moralistischen Sündenerkenntnis und Sündenbeschreibung. S ta ttdeffen wird hier auffallend häufig und ausführlich von den Lüsten und Begierden des Menschen, von seiner unordentlichen Selbstliebe, von Fleisch und Fleischlich­ keit geredet. Diese Beschäftigung der frühaufklärerischen Lieder m it der mensch­ lichen S ünde vorwiegend in den Ausdrucks- und Gedankenformen des P ietism u s bietet wiederum einen beachtenswerten Beleg fü r die These von der inneren V er­ wandtschaft zwischen P ietism u s und A ufklärung, bzw. zumindest F rü h au f­ klärung. Zudem berühren sich diese Art und Aussagen besonders eng mit den gleichzeitigen dogmatischen A usführungen zur Sündenlehre bei den sog. Über­ gang-theologen^), deren besonderes Interesse der subjektiven und psychologischen Seite der Sünde galt. M) Nicht ohne Grund spielt daher in der Mystik wie im Pietism us die Autobiographie eine solch bedeutende Rolle. B gl. dazu M arholz: „Deutsche Selbstbekenntnisse. Ein Beitrag zur Geschichte der Selbstbiographie von der Mystik bis zum P ietism us." I n diesem Buch wird sehr anschaulich und eindrucksvoll der Entwicklungsweg dieser Literaturgattung von der Mystik bis hin zur Aufklärung nachgezeichnet. “ ) Der Begriff des „Lasters" empfahl sich diesen Liedern schon a ls eine Art Gegenbegriff zu der in ihnen so häufig erwähnten und so hoch gepriesenen „Tugend". " ) B gl. dazu besonders G a ß : „Geschichte der protestantischen Dogmatik" III, S . 154ff. und Stolzenburg: „Die Theologie des Jo . Franc. BuddeuS und des Chr. M atth. P faff", S . 191 ff. Unter den Dogmatikern selbst vgl. Pfaff, Inst. pp. 205 sqq., Budd, Comp. inst, theol. pp. 397 sqq.

d) Zusammenfassung I m vorangehenden beschäftigten wir uns eingehend mit der Darstellung des „Sündenbegriffs" und mit der Erledigung der Frage nach der Sündenerkenntnis innerhalb der lutherischen Gesangbuchdichtung des 17. und frühen 18. J a h r­ hunderts. 3 m folgenden haben wir die verschiedenen aufgezeigten Linien zu­ sammenzufassen und nach ihrer theologischen, theologie- und frömmigkeits­ geschichtlichen Bedeutung zu fragen. Bei der Betrachtung der B uß- und Beichtlieder unseres Zeitraumes — mochten sie nun mehr dem orthodoxen, pietistischen oder frühaufklärerischen Zeitabschnitt angehören — haben wir übereinstimmend festgestellt, daß sie Sünde immer au s­ schließlicher aus dem „Wesen des Menschen", sei es aus seiner moralischen oder seiner psychischen N atu r, ableiteten. M it solch einer Art von Sündenerkenntnis wurde auch ihr S ü n d e n b e k e n n tn is immer stärker zu einem S ü n d e n b e w u ß t­ s e in , zu einem Schuldgefühl. Über die vermutlichen Quellen einer sehr veräußer­ lichten oder einer ausgesprochen verinnerlichten Sündenanschauung, sowie über allerhand zeitliche und gedankliche Querverbindungen zwischen beiden Entwick­ lungslinien wurde gehandelt. Nach dem treibenden Interesse, da» alle ihre A us­ drucksformen und Anschauungsweisen beherrscht, brauchte nicht lange geforscht zu werden. 3 n der Gesangbuchdichtung selbst wird da» Ziel allzu deutlich hervor­ gehoben: der Mensch soll seiner Sündhaftigkeit überführt werden, und zwar auf dem scheinbar direktestem Wege, nämlich durch da» Anschauen, das Nachdenken und Nachempfinden seiner selbst. Die anthropozentrische Wendung und Richtung aller dichterisch-liedhaften Aussagen über die Frage nach der menschlichen Sünde und nach der Sündenerkenntnis des Menschen wird in allen ihren Wegen anschaubar. Als deren Voraussetzung sowie als deren Folge ist zu erkennen, daß die geistlichen Gesänge der lutherischen Gesangbücher anfangs nur noch selten, endlich fast gar nicht mehr der reformatorischen Anschauung folgen, daß die Offenbarung der Sünde durch das W ort Gottes und besonder» durch sein Gnaden­ w ort in Jesu» Christus geschieht, daß also Sündenerkenntnis ein GlaubenSwiderfahrnis darstellt. Dieselbe Beobachtung machten wir auch im Blick auf die Dogmatik des 17., ja , schon des 16. Jahrhunderts. S ie zeigte sich als eine Folge­ erscheinung des Einflusses der späteren melanchthonischen Auffassung vom Gesetz und von der N atur des Menschen. Eö konnte nicht ausbleiben, daß sich als Ergebnis dieser Entwicklung ein biblizistisch kaum zu beanstandender, theologisch-systematisch jedoch einseitig konzipierter und praktisch nahezu steriler Allgemeinbegriff von Sünde ergab, wobei dessen Explikation allen nur denk­ baren Einflüssen au» dem Gebiet des Moralischen oder Psychischen, auf jeden Fall aber aus dem Bereich einer humanistischen Anthropologie, ungeschützt offen­ stand. Die B uß- und Beichtlieder unseres Zeitraumes bewegen sich ihrer Art und ihrer Form nach naturgemäß im Bereich derartiger Explikationen des S ünden­ begriffs oder der Sündenanschauung. Wenn ihre Dichter dabei durch ausführ­ liche moralistifche oder psychologische Beschreibungen die Sünde in die Sphäre

des Empirischen und d. h. also des menschlich Einsichtigen, menschlich K onstatier­ baren, Verrechen- und W ertbaren rücken, so beabsichtigen sie z w e ife llo s, dem christlichen G lauben und der christlichen Frömmigkeit zu dienen. D enn ihre Sündenbeschreibungen zielen ja ausdrücklich auf eine B u ße wie a u f eine B esse­ rung des M enschen«?), bzw. — in den pietistischen Liedern — des Christen. D a ­ m it tragen sie ein M om en t nach, das in der zeitgenössischen T heologie und D o g ­ matik offensichtlich zu kurz gekom m en68) oder das von jenen „Praktikern" a ls 67) Selbst bic barocken Übertreibungen und die krassen verallgemeinernden, schemati­ sierenden Ausdrucksformen mancher Lieder heben diese Intention nicht auf. S ie geben dem Menschen allerdings die Möglichkeit, sich gerade wegen dieser übersteigerten Sündendarstellung letzten Endes innerlich zu distanzieren. 68) Es wurde bereits erwähnt, daß die altprotestantische Theologie offenbar selbst die Un­ zulänglichkeit und Unvollständigkeit ihrer vom scholastisch-humanistischen WissenschastSbegriff her entfalteten Systematik empfunden hat (vgl. oben S . 27, Anm. 33). Ju r Behebung eines solchen M angels sollte daher seit der Jett von Chemnitz der von vielen Dogmatikern am Schluß eines jeden locus theologiae dargebotene Abschnitt „de usu huius doctrinae“ dienen. Unsere Darstellung wird gelegentlich Beispiele dieser Art heranziehen. An dieser Stelle mag es geboten sein, sich mit der grundsätzlichen Problematik eines solchen Verfahrens und m it seinen über­ einstimmend zu konstatierenden Ergebnissen zu beschäftigen. I n einer Auslegung zum 51. Psalm hatte einst Luther die wichtige Feststellung getroffen:

„Theologiae proprium subiectum est homo peccati reus ac perditus et Deus iustificans ac salvator homonis peccatoris“ (WA 40, 2. 328). Damit war auch von ihm ausdrücklich hervor­ gehoben, daß es zum unveräußerbaren Wesensmerkmal des göttlichen Wortes und der christ­ lichen Verkündigung gehört, daß sie „ad hominem“ gerichtet sind. Die „Theologie" hat dem­ gegenüber — wie wir in anderen Zusammenhängen ausgeführt haben — darauf zu achten, daß jener Auftrag der Verkündigung des Wortes Gottes rein und unverfälscht wahrgenommen wird. Macht nun aber eine Theologie einen anderen Gesichtspunkt zu ihrem Ausgangspunkt — mag er nun in einer bestimmten Methodik, in einer vorgegebenen ErkenntniShaltung oder dgl. mehr liegen —, so ist es unvermeidlich, daß sie zumindest nicht mehr ganzheitlich in der Weise des Evangeliums oder etwa der Reformation Luthers das „subjectum theologiae“ umfassen kann. S ie muß daher die Konkretisierung und Aktualisierung ihrer vorgettagenen Lehre jeweils in einem besonderen Gedankengang von zumeist stark ethisch-moralischer ober psychologischemotionaler Prägung vornehmen. Stoßen wir au f derartige Ausführungen bei orthodoxen, pietistischen oder rationalistischen Theologen, so zeigt sich übereinstimmend, daß eine solche nachttägliche „Vervollständigung" der Verkündigung und der Systematik theologisch unmög­ lich ist ohne die Einführung von heterogenen und ftemdattigen Elementen. I n den Abschnitten „de usu huius doctrinae“ offenbart sich darum so deutlich wie an keiner anderen Stelle, daß der Theologie jener Zeit ttotz aller Berufung auf Luther und ttotz aller Betonung ihrer „Ortho­ doxie" längst die fundamentalen reformatorischen Anschauungen von Wesen, Aufgabe und I n h a lt der Theologie verloren gegangen waren. I n den Kapiteln „de usu huius doctrinae“ vollzieht sich in bescheidenem M aße dieselbe Entwicklung und Verkehrung wesentlicher Teile der christlichen Verkündigung, der wir innerhalb der aszetischen Literatur wie auch innerhalb der Gesangbuchdichtung dieses Zeittaumes begegnen. Es ist daher wohlbegründet und lediglich kon­ sequent, wenn sich Darstellungen a u s diesen Gattungen des kirchlichen Schrifttum s oft in er­ staunlicher Weise mit den „praktischen" Ausführungen in den theologischen Systemen decken oder diese au f dem eingeschlagenen Wege dann noch übertreffen. Unser Exkurs hat verdeutlicht, wie wir auch innerhalb der Theologiegeschichte des 17.Z18.Jahrhunderts, bzw. in der Dogmarik dieser Zeit, auf eine Problematik von „Theologie" und „Fröm­ migkeit" hingewiesen werden. Einige Einzelzüge aus diesem Fragenkomplex mögen daS noch weiter veranschaulichen. S o ist es z. B . aufschlußreich und charakteristisch, daß die pietistischen Schriftsteller den Abschnitt „de usu huius doctrinae“ durchgängig in zwei Teile zerlegen. I n

vernachlässigt oder fehlend empfunden worden w ar. Aue ihren Beitragen zur Gesangbuchdichtung des 17. und frühen 18. Jahrhu n d erts ist nun aber deutlich zu ersehen, wie dem praktischen Interesse, dem Anliegen einer „christlichen" „Fröm migkeit" nicht anders R aum gegeben wurde, als daß fremde Elemente in die Sündenanschauung und Sündendarsicllung eingeführt, a ls daß die Auödrucksformen einer scholastisch-katholisch-kasuisiischcn M o ralität wie die einer mystisch-sentimentalen Psychologie und Seclenmetaphysik übernom m en wurden. An dem Problem der Sündenanschauung innerhalb der Gesangbuchdichtung des 17-/18. Jah rh u n d erts zeigt sich als an einem ersten konkreten Beispiel wie un-evangelische und mit Unklarheiten beladene und zu M ißverständnissen neigende dogmatische A usführungen einer Zeit, wie das Außerachtbleiben der theologisch-kritischen Funktion der Kirche und wie das Fehlen einer echten w ort­ gebundenen, christusgläubigen Frömmigkeit zu einer höchst problematischen, „autonom en" Frömmigkeit des Menschen und der christlichen Gemeinde führt, die ihre Ausdrucksformen aus den verschiedensten anderen „religiösen" B e­ reichen entlehnen kann oder auch entlehnen m uß. 3. D ie D a r s t e llu n g der B u ß a n s c h a u u n g u n d ih re B e d e u t u n g

a) Allgemeines zur Bew ertung der B uße des Menschen und der Bußlehre Ein kurzer Rückblick auf das „reformatorische" „Buß"-Lied hatte uns vor das Ergebnis gestellt, daß die Liederdichtung jener Zeit von der B uße des M en­ schen nicht um ihrer selbst handelt, daß sie sie nicht zu einem gleichsam selbständigen Thema erhebt. Die Dichter der Reform ationszeit lassen zwar die „T o talität des Sündenbekenntnisses" in aller Klarheit und Unauöweichlichkeit hervortreten; niem als aber isolieren sie dieses Bekenntnis und verleihen ihm den Anschein eines allgemein zugänglichen Tatbestandes. Sündenbekenntnis und B uße des Menschen ist bei ihnen umschlossen vom H eilsglauben, sie entstehen „au s dem Blick auf G ottes B arm herzigkeit""), sie bleiben eingeordnet in die Verkündigung des Gnadenhandelns G ottes in und durch seinen S o h n Je su s Christus. D arum sind int Gesangbuch der Reform ationszeit B u ß - und Rechtfertigungslieder^") der Vorrede zu lernet „Grundlegung der Theologie" begründet Freylinghausen den Titel sowie den Aufbau seines Werkes folgendermaßen: „Wegen des TitulS noch etw as zu gebenden, so beruhet derselbe a u f der generalen Einrichtung eines ieglichen ArtieulS insonderheit, a ls in welchem durchgängig diese Ordnung beobachtet worben, daß erstlich der Grund einer ieden GlaubenS-Lehre. . . , so dann dieselben zum rechtschaffenen Wesen in Christo ober thätigem Christentum applieiret, und endlich auch zum heilsamen Trost für wahrhaftige Kinder GotteS angewendet worben." Dementsprechend finden wir bei ihm und anderen pietistischen Theologen nach jedem Lehrstück die doppelte F rage: „WaS ist unsere Pflicht nach diesem Artikel" und „WaS fließt aus dieser Lehre für Trost?". — I n der frühaufklärerischen „Evangelischen G lau­ benslehre" BaumgartenS erscheint die 2. Fragestellung charakteristisch abgewandelt a ls „D ie Trostgründe ober die Versicherungen der Glückseligkeiten (bzw. „die Versicherung der W ohl­ fahrt"), die auS dieser Lehre fließen". •*) V gl. dazu Link, a. a. O ., S . 92 ff. ,0) Dasselbe gilt in gleicher Weise für die Lieber vom christlichen Leben und W andel, die in jener Zeit ebenfalls nicht ohne das Zeugnis von der Rechtfertigung zu denken sind.

kaum zu unterscheiden, sie sind ihrem inneren Verständnis nach stets beides zu­ gleich. Dagegen führte uns schon die Gesangbuchdichtung um die Wende vom i6 . zum 17. Jahrhundert vor eine grundlegend veränderte S itu a tion . I m Abschnitt über die Gesangbuchgeschichte unseres Zeitraumes wurde m itgeteilt, daß schon früh selbständige Gruppen von Büßliedern gebildet wurden und daß die Zahl der dargebotenen Büßlieder im Laufe der Jahrzehnte auffallend gestiegen w ar. D ieses Anwachsen der Bußliederrubrik entsprach offenbar einem B edürfnis der Gemeinde; es spiegelt die Bedeutung und das Gewicht wieder, das B uße, B u ß ­ gedanken und Bußstim m ung im Leben und Glauben der Christen jener Zeit hatten; es bekundet endlich ein besonderes pädagogisches Interesse, aus dem heraus sie den Gemeindegliedcrn zum Gebrauch vorgelegt wurden. Wenden wir unseren Blick auf andere Gebiete des kirchlichen Schrifttum s jener Zeit — auf Predigten, Erbauungsliteratur, Gebetbücher, ethisches Schrifttum — , so zeigt sich, daß die Büßlieder der lutherischen Gesangbücher in einem großen, gemein­ samen Zusammenhang und Entwicklungsgang stehen. Alle diese Äußerungen und Fixierungen kirchlichen Lebens und Denkens sind Zeugnisse eines tiefgreifenden V organges, der a ls Konzentration der Frömmigkeit7*) sowie des gesamten kirchlich-religiösen Lebens jener Zeit in der poenitentia zu kennzeichnen ist. Aber nicht nur im „praktischen" Leben der christlichen Gemeinden jener Zeit und in ihrem „praktischen" Schrifttum beobachten wir eine derartige B ew egung. Ih r begegnen wir vielmehr auch in der gleichzeitigen systematischen Arbeit. A uf diesem Gebiet können wir sogar ziemlich eindeutig den Ansatzpunkt zu jener Ent­ wicklung nachweisen. Er ist ohne Zweifel bei Melanchthon zu finden, der seine besondere Vorliebe für die Bußlehre selbst betonte72) und ihr nicht nur Prädikate wie „maxime necessaria“, „notissima“73) u. dgl. beilegte, sondern auch auf die Frage: „Quae est summa Evangelii? Quod caput? Qui locus communis, ad quem historia referenda?

die Antwort gegeben hat: Est doctrina de poenitentia“ (CR 25, 184)"). 71) Vgl. H upfeld: „Die Ethik Johann Gerhards"/ S . 180. 72) Vgl. Z. B. CR 6Z 108: „In loco de poenitentia fui eo copiosor: quia propter quotidianum usum piorum necesse est, eam partem notissimam esse, et planissime explicatam . . 73) Vgl. dazu z. B . CR 23, 643 f., CR 15, 808 u. ö. 74) I m Rahmen unserer Darstellung kann eine umfassende Darstellung jenes Problems nicht erfolgen. D as ist um so bedauerlicher/ als sich u. E. der Entwicklungsgang des gesamten orthodoxen/ aber auch des pietistischen und selbst noch des rationalistischen Luthertums aus den grundlegenden Abweichungen der Bußlchre Melanchthons von der reformatorischen An­ schauung erhellen und erklären läßt. An dieser Stelle nämlich sind u. E. die Entscheidungen gefallen über die späteren Lehrbildungen in der Frage nach Gesetz und Evangelium/ nach Glaube und Rechtfertigung/ Wiedergeburt und Heiligung/ Wort/ Predigt und Amt u. a. Aber nicht nur die Dogmatik und die theologische Lehre sind u. E. von hierher bestimmt und festgelegt/ sondern auch die ethischen Ausführungen sowie das gegenseitige V erhältnis von Theologie und Ethik.

D er H inw eis au f die eigentümliche und auffällige P arallelität von „P rax is" und wissenschaftlicher „Theorie" hinsichtlich ihrer Bewertung der menschlichen B ußleisiung, resp. der christlichen Bußanschauung, mag an dieser Stelle genügen. Er soll zugleich die besondere Aufmerksamkeit auf die Frage richten, um w as es inhaltlich in „P rax is" und „Theorie" im Problemkreis der Buße im wesentlichen gegangen ist. W enn von einer allgemeinen Konzentration des Denkens und Lebens jener Zeit au f die Buße des Menschen gesprochen wurde, so gibt unsere Gesangbuchdichtung ein anschauliches B ild davon, w as dieser V organg be­ deutete und welche Folgen er zeitigte. I n diesem S in n läß t sich in den Gesang­ büchern des 17./18. Jahrhunderts kaum eine zweite Liedergruppe finden, die in gleichem M aß und Umfang wie die B uß- und Beichtlieder mitsam t ihren Nebengruppen theologie- und frömmigkeitsgeschichtlich bedeutsam und aufschluß­ reich ist. b) Die Beschreibung von Reue und B uße des Menschen o)

C ontritio als dolor animi „Contritio est actus poenitentialis prior . . ,“ 76)

M it dieser Feststellung beginnen orthodoxe Dogmatiker ihre Definitionen >u der Frage nach den partes poenitentiae. Blicken wir auf die B uß- und Beicht­

lieder in den Gesangbüchern vor allem des 17. Jahrhunderts, so müßte diese Aussage auf die Formel gebracht werden: „Contritio est actus poenitentialis praecipuus.“

Schon die Anzahl der Liedstrophen innerhalb der einzelnen Büßlieder bestätigt dieses „praecipuus“. Fast alle Büßlieder teilen den gemeinsamen Iu g , daß sie der Aussprache und dem Ausmalen menschlicher Gemütsbewegung und G efühls­ erregung den weitaus größten Raum widmen. Tränen und Schmerzausbrüche sollen in diesen Liedern offenbar eine „vollkommene" Buße kennzeichnen. D am it zeigt sich in der Gesangbuchdichtung gewiß wieder eine Stelle, an der sich barockes Pathos und sentimentale Gefühlslage von Vorpietism us, Pietism us und auch Aufklärung niederschlagen. Jedoch weist diese Verschiebung ins Sentim entale, ins Gefühlsmäßige und Psychologische noch auf andere Hintergründe; sie läßt auf tieferliegende Veränderungen innerhalb der lutherischen Bußanschauung schließen. All die zahlreichen tränenschwangeren und gefühlsgeladenen Bußstrophen der Gesangbücher setzen nämlich nur d a s in das gedichtete und gesungene Lied um, was die orthodoxe Dogmatik als Definition für das „Wesen" der Reue und Buße des Menschen bringt, wenn sie z. B . formuliert: „Contritio est serius et sanctus dolor cordis, quo peccator agnita ex lege divina peccata sua detestatur“ (Hz, Exam., p. 1144)

7Ö) Vgl. den vollständigen PassuS: „Contritio est actus poenitentialis prior, quo homo peccator Legis fulmine perculsus et irae divinae sensu percitus ob admissa peccata secundum Deum tristatur et expavescit, illaque serio detestatur, et odit . . Quenst, Theol. III, pp. 581 sqq. Vgl. ebenso Kng, TheoL, p. 202 u. a.

oder m it anderen W orten : „Contritionem dicimus esse veros terrores conscientiae, quae Deum sentit irasci peccato, et se propter haec subjacere irae divinae et aetemae damnationi, doletque se pecasse“ (H t, Comp., p. 184)76).

Dolor animi, terrores conscientiae — in deren D arstellung scheinen die Lieder jener Zeit w eitgehend die B u ß e a ls G anzes zusam m enzufassen. D a m it zugleich verlagert sich auch ih r H auptinteresse a u f diejenigen P u nk te, die eb en falls die orthodoxe und in gesteigertem M aß e die pietistische D ogm atik unter der Über­ schrift „de signa seu indica poenitentiae“ ausführlich d arleg ten ^ ). M it diesem W ertlegen a u f die äußeren Erscheinungsform en menschlicher R eue und B u ß e sehen w ir die Gesangbuchdichtung aber vor allem in die D arstellu n gsart und die A nschauungsw eise der E rbauungsliteratur einlen ken ^ ). D a m it wird auch sie notw endig in eine V eräußerlichung und V erflachung der B u ß a u ffa ffu n g hineingezogen. D en n nur zu leicht und schnell konnten Dichter und G em einde sich nurm ehr a u f die „signa poenitentiae“ beschränken, ohne sich noch der eigentlichen „materia poenitentiae“ bew ußt zu werden. D aneben entstand ihnen die G efahr, a u f eben diese signa poenitentiae ihre G ew iß heit gründen zu w o lle n , auö ihnen G rad und W ert der B u ß e bemessen zu w o lle n ^ ). D ie Kirchenlieddichtung unseres Zeitraum es zeigte uns m it ihren A usführungen tatsächlich diese doppelte Versuchung. Jedoch sind augenscheinlich nicht allein die Ä ußerungen der lutherischen T h eo­ logen und die A usfü hru ngen in Predigten und altprotestantischen E rb au u n gs­ büchern der A nlaß zu dieser veräußerlichten und inö S en tim en ta l-G efü h lsm ä ß ig e verschobenen A nschauung von der christlichen B u ß e gew esen. Einen wichtigen B eitra g zu dieser Entw icklung wird das römisch-katholische G edankengut jener Zeit geleistet haben. W ährend sich nämlich noch die lutherischen B ek en n tn isschriften a u ffallen d zurückhalten in der Beschreibung des menschlichen R eueund B ußakteö und u. W. jed enfalls nicht den B egriff „dolor animi“ ver7e) Über Begriff und Bedeutung der „terrores conscientiae“ vgl. unten S . 184s. 77) Vgl. z. B . Hz, Exam., p. 1152: „Qua indicia contritionis deprehenduntur in facie et extem o habitu peccatoris? In facie et habitu peccatoris animadvertuntur quaedam externa contritionis signa a) Lacrymae, b) Cilicium et saccus, c) Cineris aspersio, d) Per* cussio pectoris et femoris, e) Scissio vestium, f) Humicubatio squalida.“ 78) Vgl. dazu die grundsätzliche Erörterung bei FranciSci: „Erinnerung der M orgenröte. . S . 27: „Die Buße soll so ernstlich und die Bekehrung so augenscheinlich sein, daß auch andere an gewissen äußerlichen Zeichen dieselbe handgreiflich spüren können . . . " . Die Darstellungöart dieses ErbauungSschrifttumö wird — um auö der großen Fülle nur ein einziges Beispiel zu nennen — deutlich in den „Herzensseufzern" deS Jofua Stegm ann, der in seinem Gebet „Um Vergebung der S ü n d en " nach der Schilderung der Angstauöbrüche des gequälten Sünders m it den Ausrufen fo rtfäh rt: „O wo seid ihr, Seufzer, wo seid ihr? Ach billig solltest du mein ganzes Herz, du mein ganzes Gemüt und ihr alle meine Kräfte in lauter Seufzen und Wimmer­ lechzen verwandelt werden . . . O wo seid ihr Klagen, wo seid ih r . . . O wo seid ihr meine Tränen, wo seid ihr? Fließt ihr meine Augen doch mit Tränen, tu t euch au f ihr Tränenquellen, netzet mein Gesicht mit Tränen . . ." usw., a. a. O., S . 461 ff. 78) Vgl. dazu schon Melanchthon: „ . . . Hic pavor ac dolor in aliis maior, in aliis minor est, sed crescit et fit purior in sanctis.“ CR 12, 520 (Th. 7).

roenben80), enthalten z. B . die Bestimmungen des Tribentinums — in Fort­ führung ber kirchlichen Trabition — bie bezeichnenbe D efinition: „Contritio, quae primum locum inter dictos poenitentis actus habet, animi dolor ac detestatio est de peccato commisso, cum proposito non peccandi de cetero . . (Denz. 897).

Erst recht der C atech ism u s R om an u s bringt dann in seinen Anweisungen über die co n tritio ausführliche Darlegungen über den menschlichen Schmerz, über die nötige seelische Zerknirschung bei einer „wahren und wirksamen" Reue8*). Dem katholischen Pfarrherrn wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich aufgetragen, solche Gemütsbewegungen des Confitenden zu steigern, bzw. sie hervorzurufen^). I n gleicher Weise sind auch die Meditationen des Ign atiu s auf die Erzeugung heftiger, „heilbringender" Empfindungen angelegt^). Wir werden also nicht fehlgehen, wenn wir bereits die besondere Hervorhebung der c o n tritio hom inis und ihre ausführliche Darstellung als dolor a n im i84) und d. h. wenn wir die starke Betonung des psychologisch-anthropologischen M omentes in den Büßliedern unserer Gesangbücher mitsamt ihren Parallelen in der aszetischen Literatur^) in den großen Zusammenhang einer Beeinflussung der evangelischen Bußanschau­ ung durch Lehre und Praxis des römisch-katholischen BußsakramenteS, in den •6) Dgl. dazu z. B. Apol. X II, B S 257: „Sed dicimus contritionem esse veros terrores consdentiae, quae Deum sentit irasci peccato et dolet se pecasse.“ Wenn auch an dieser Stelle die Ausdrücke „dolere“ und „sentire“ begegnen, so werben sie durch die Fortführung des Gedankenganges in das rechte Licht gerückt: „ . . . Et haec contritio ita fit, quando v e rb o D ei arguuntur peccata . . sl) Dgl. aus Cat. Rom. Lib. II, cap. V, 2. „De contritionis vi, nomine, et perfectione“, pp. 237 sqq., des. die Aussagen: „ . . . non incommode contritio dolore definita fuerit . . . (P* 239) . . . hinc fit, ut contritio vehementissimum animi dolorem coniunctum habeat. . .“ (p. 240) . . . Sit praeterea non solum maxima, sed vehementissima, atque adeo perfecta . . . " (p. 241). „De lachrymis“ wird geurteilt, daß sie „in ponitentia summopere optandae et commendandae sunt“ (p. 241). •*) Dgl. Cat. Rom., a. a. O., p. 245. 83) Ignatius verfolgt dabei allerdings nicht unmittelbar das Ziel einer Unterweisung für den kirchlichen Beichtstuhl im engeren Sinn. Auch hier erweist sich die ethisch-aktive Ausrichtung seiner Exercitien als bas stärkere Element. M) I n unserem darstellenden Teil brachten wir dafür ein besonders anschauliches Beispiel mit dem Liede Nr. 214: „Wie selig ist, um Gott sich stets betrüben . . . Wie selig istS, um den Verfall zu weinen . . . Wie selig istS, sein Elend recht zu fühlen . . vgl. oben S . 125. Die radikale Absage Luthers an eine derartige „Buß"-Anschauung findet sich z. B. in den beiden folgenden Aussagen: „Immo machina desperationis et deiiciendi animi est talis perversitas. Poenitentia enim debet esse dulcis et ex dulcedine in iram descendere ad odium peccati . . .“ (WA 1, 320) und „Meo autem iudicio potest fieri certa remissio poenarum, scilicet Canonicarum, etiam si ille dignus non fuerit nec contritus. Non enim contritio, nedum certitudo contritionis requiritur ad poenarum remissionem . . . “ (WA 1, 586). 86) Auf die bei allen eingeschalteten „Sicherungen" deutlich nachzuempfindende Beein­ flussung auch der dogmatischen Literatur unseres Zeitraumes aus diesem Bereich ist in späteren Zusammenhängen einzugehen, vgl. dazu unten S . i69ff.

Prozeß einer T ransform ierung der reformatorischen „G laubens-B uße" in eine katholisierende, anthropozentrische Buß-Frömmigkeit rücken.

ß) B uße als

humilitas, mortificatio carnis, abnegatio sui

I n unserer M aterialdarbietung haben wir eine bestimmte Gruppe unter den Büßliedern — vornehmlich aus der pietistischen Liederdichtung — noch kaum beachtet, so daß wir an dieser Stelle daö hierhergehörige Liedgut nachzutragen haben. I n jenen geistlichen Gesängen erscheint nämlich die christliche B uße unter dem S ignum der D em utsübung, wird sie interpretiert als ein Werk menschlicher Selbstverleugnung und Selbstkreuzigung. Schon eine Strophe von Christoph R unge, dem Freunde P au l G erhardts, kann uns auf diesen Aug aufmerksam machen: „O Herr Jesu, meine Liebe, zeige mir der Demut Pfad, gib, daß ich mich hier betrübe und erlange deine Gnad . .

(

1

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7

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5)

Ein ähnlicher Ton ist dem mehrfach zitierten Büßlied vom Ende des 17. J a h r ­ hunderts zu entnehmen, wenn es dort heißt: „Deines Herzens ganzen S inn lege G ott zu Füßen hin, dich in Demut ihm bekenne und dich einen Sünder nenne."

(134, 7)

Charakteristischer noch zeigt sich in Form und In h a lt ein „Zwiegespräch zwischen Jesu s und der S eele", das im Freylinghausenschen Gesangbuch zu finden ist. S eine erste Strophe beginnt mit einem A usruf der Seele: „O J e s u ! Lehre mich, rote ich dich finde und mich durch dich, mein Heil, stets überwinde, rote ich die Eigenheit und alles Leben, das sich noch selber sucht, mög übergeben."

(192,1)

Die menschliche Seele erfährt darauf die himmlische A ntw ort: „Steh in G elaffenheit. . . ergib dich gänzlich mir in Freud und Leiden . . . "

(192, 2)

Wie sich dieses Sichergeben des Menschen in der „G elaffenheit", „in dem Sichversenken in den G rund der Seele" (v. 4) vollzieht, beschreiben die folgenden S trophen in aller Eindringlichkeit. S ie malen das B ild eines mystischen Exer­ citiums der resignatio ad infernum mit allen seinen S tu fe n , über das die gött­ liche Verheißung gestellt w ird: „O Seele! folge mir, so solls geschehen und wirst alsdenn in mir noch Wunder sehen: leg dich in Demut hin zu meinen Füßen, ich will au f dich die K raft des Lebens gießen."

(192,14)

Vornehmlich die letzte Strophe macht es deutlich, daß wir hier offenbar eine besondere Form von christlicher Bußstim m ung, von menschlichem Bußw illen vor uns haben.

I n einem anderen Liede desselben Zeitraumes wird in gleichem S in n e wie die D e m u t die „K reuzigung" a ls ein „ M itte l" zur „Bekehrung" und zur „Besse­ r u n g " besungen: „D as Herz ist eine Quell, au s welcher nichtes fließet a ls B o sh e it,. . . wer nicht die Quelle le e rt. . . wird nimmer recht bekehrt und kommt niemals zur Ruh.

(162, 5)

Es fehlt an M itteln nicht, G ott hat sie gnug gegeben, wenn man nur will, nach Pflicht, des Herren W ort nachleben: allein es will die Welt nicht an die Kreuzigung, und weil das Kreuz mißfällt folgt keine Besserung."

(1 6 2 ,6 )

Wir haben schon angedeutet, in welcher Richtung wir uns nach einer Erklärung für diese Züge in der Gesangbuchdichtung umsehen müssen: es ist der Geist der mittelalterlichen Mystik, der sich hier weitgehend an die Stelle des evangelischreformatorischen „Bußglaubens" gesetzt hat. Abgesehen von den bloßen R e ­ p rod u k ti on en mittelalterlicher mystisch-scholastischer Zeugnisse in der frühsten altprotestantischen Aszetik, hatte diese „Lebens-" und „Glaubens"-Haltung vor allem durch Johann Arnd und seine Nachfolger wieder Eingang in die lutherische Kirche gefunden. S o findet sich z. B . bei Arnd die Hervorhebung der Demut als einer Tugend des Menschen, der Preis der Demut als eines M ittels, zu Gott zu gelangen88). Für Arnd besteht das Wesen der Buße vorwiegend in der Selbst­ verleugnung, die mit dem „Jn-sich-selbst-gehen" des Menschen verbunden ist87). Bei ihm begegnet endlich auch die Gleichsetzung von contritio und mortificatio carnis88). D as Gefühl der Nichtigkeit macht ihm die Buße zu dem, w as sie sein 86) V gl. z. B . Arnd, WCHr I I I , 5 ,1 (S .4 8 0 ): „Viel Menschen suchen viel M ittel, m it G ott vereinigt zu werden . . . Aber in W ahrheit ist, nächst dem wahren lebendigen Glauben, welcher das Herz reiniget von der C reaturliebe,... kein besserer und leichterer Weg dazu, denn die wahre gründliche Demut. Dieselbe aber muß nicht stehen in Worten oder äußerlichem Schein, sondern im Grunde des Herzens, baß der Mensch wahrhaftig sich für nichts halte in allen Dingen . . . also, daß er inwendig recht geistlich arm sei. . . und daß er kein Ding in der W elt so lieb habe . . . ja, wenn er auch der Höllen Pein leiden sollte, daß er sich derselben wohl wert achte, dm Willen Gottes lobe, und lasse sich denselbm wohlgefallm ." 87) V gl. z. B . A m d, WCHr 1 ,4 . 2—4 ( S . 19): „Denn Buße ist nicht allein, wenn m an den grobm äußerlichen Sünden Urlaub gibt, und davon abläffet, sondem wenn man in sich selbst gehet, den innersten Grund seines Herzens ändert und bessert.. . . D arau s folget, daß der Mensch sich selbst muß verleugnen, das ist, seinm eigenm Willen brechm . . . , absagm alle dem, das er h a t . . . sein eigen Lebm hassm . . . seinm K rästm nichts zuschreiben. . . , sondem ihm selber mißfallen . . . D as ist die wahre Buße und Tötung des Fleisches . . . Die Buße und Bekehrung ist die Verleugnung sein selbst. . . " 88) V gl. z. B . Am d, WCHr I, 8, 2 ( S . 32): „Und muß in der Buße vorhergehen die wahre göttliche Reue, dadurch das Herz zerbrochen und das Fleisch gekreuzigt wird."

soll. In h a ltlich w ird sie bestimmt durch den Verzicht auf die Eigenheit des W illen s. H at der Mensch diese erwirkt, so m u ß G ott das H eil zuwenden, d. h. die Frucht der „ B u ß e" genießen la sse n " ). W ir erkennen dam it zugleich, wie bei Arnd und in der Gesangbuchdichtung ähnlicher Art eine solche A uslegung der B u ß e a ls menschliche D e m u t, Selb stverleugn un g und Selbst-K reuzigung wesentlich m it­ bestim m t ist durch deren „psychologische" Interpretation von S ü n d e und S ü n d e n ­ erkenntnis. I n diesem Zusam m enhang ist jedoch nicht zu vergessen, daß sich auch bei M elanchthon — bedingt durch seine zeitliche und sachliche Trennung von m ortifica tio und v iv ific a tio 90) — die Gleichsetzung von p o e n ite n tia und m o rtific atio 91), sow ie deren In terp retation a ls eines subjektiv-psychologischen und ethisch zu vollziehenden P ro zesses" ) fin d et" ). E s ist ohne w eiteres deutlich, daß m it dieser H ervorhebung und In terp retation des B egriffs „ m o rtific a tio “ durch M elanch­ thon der pietistischen B ußanschauung m it ihrer M ethodik der S elb stverleu g­ n u n g ^ ), w ie sie auch a u s der Gesangbuchdichtung dieser Zeit spricht, in u m fan g­ reichem M aß e der W eg geebnet wurde. A llerdings lenkte in der Zwischenzeit die B u ß leh re eines J o h a n n Gerhard und eines Quenstedt noch einm al stärker a u f die A nschauungen Luthers zurück, ohne sich durch die S p an n u n gen innerhalb ihrer eigenen theologischen Arbeit breiter auswirken zu können. E s fä llt näm lich schon bei J o h a n n Gerhard a u f, wie er in seinem E rbauungsschrift­ tum m it starken mystischen Anklängen „wahre B uße" m it „tiefer D em ut" und „Nichtigkeit" in engsten Zusam m enhang b ringt") und der „T ugend" ee) Vgl. z. B. Arnd, WChr, III. 2, 7 (S . 471s): „Die Natur leidet keine leere S tatt, sie erfüllet alle Dinge mit ihr selbst . . . Also wenn der Mensch sein Herz gar ausleeret von der Weltliebe, eigenen Willen, Lüsten und Begierden, und stehet dieses alles ledig, so kannS Gott nicht lassen, er muß die leere S tatt mit seiner göttlichen Gnade, Liebe, Weisheit und Erkenntnis erfüllen." •°) Vgl. z. B. CR 26, 12: „Iustificatur enim homo per fidem. . . . Sed fides non est nisi in corde contrito, seu inortificato, seu agente poenitentiam. Ita contritio seu poenitentia praecedit fidem.“ ei) Vgl. dazu Mel. CR 25, 62: „Alii malunt uti vocabulo regenerationis, quam dicunt duo in se habere: mortificationem et vivificationem. Sed res eodem redit, quia mortificatio significat contritionem, vivificatio significat consolationem fidei, quae non est otiosa, sed est efficax . . . Mortificatio est terminus a quo: vivificatio est terminus ad quem . . •**) Vgl. Hoenicke: „Studien zur altprotestantischen Ethik", S . i7(f. ®3) Vgl. dazu die radikale Absage Luthers an eine solche Auffassung, die die mortificatio als das erste und unter dem Anttieb des Gesetzes vom Menschen selbst in Angriff zu nehmende Werk darstellt: WA 14, 682: „Vides ergo hic manifesto Satanam, qui eos excoccat, ut a mortificatione incipiant . . . ac plane novam quandam larvam operum sub nomine mortificationis advehant interim verbo ipso contempto, ut nihil nisi externam speciem erigant et novo modo nostris viribus parari iustitiam doceant.,, Vgl. dazu auch unten S . 160. *4) Vgl. z. B. schon bei Spener: „Pia desideria . . S. 13: „ . . . das erste praktische principium deß Christenthums die Verleugnung sein selbst. . . " oder ders. in „Einfältige Erklärung der chr. Lehr", S . 6 if .; vgl. unten S . 378, Anm. 51. •6) Vgl. aus der Postille Gerhards 1613: „Sollst du mit Christo vereinigt werden, so mußt du von dir selbst entwerden . . . Darum senke dich durch die wahre Buße in die tiefe Demut, erkenne deine Nichtigkeit, zeuch den alten Menschen aus und höre auf zu sein, das du bisher gewesen bist . . .", zitiert nach Hupfeld, a. a. O., S . 214.

humilitas96) eine besondere Stellung innerhalb des christlichen Lebens ein­ rä u m t" ). Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Interpretation der Buße als humilitas, mortificatio carnis und abnegatio sui in der Gesangbuchdichtung vornehmlich des Pietism us und seiner Vorläufer den damit verbundenen Ge­ fahren nicht entgangen ist, sondern diese vielmehr in aller Deutlichkeit vor Augen stellt. I n ihr sehen wir die Ausdeutung der Buße als Selbstverleugnung auf das „Gebiet der kontemplativen Selbstbeurteilung und Selbstbearbeitung"99) führen, den mystischen Demutsbegriff den Menschen zu einer bestimmten Form der cooperatio und damit der superbia verleiten99) und endlich die mortificatio zu einem Eigenwerk des Menschen werden. I n allen diesen Formen sind Reue und Buße des Menschen zu einer „christlichen" Frömmigkeitsübung und Frömmigkeitslcistung geworden, für die Glaube und Vergebungsgewißheit letztlich nur noch sekundäre Elemente darstellen. — Die folgenden Überlegungen müssen sich damit beschäftigen, ob auch die außerpietistische „Bußdichtung" in den lutherischen Gesangbüchern des 17./18. Jahrhunderts an einer ähnlichen oder an derselben Problematik teilnimmt. c) D as „Wesen" der christlichen Buße a) Die Buße als „actio hominis" Bei der Betrachtung des Liedmaterials haben wir bereits darauf aufmerksam gemacht, wie dort Sündenbekenntnis, Reue und Buße de» Christenmenschen durchgehend als ein sehr betontes menschliches Agieren beschrieben werden. Der Mensch betrachtete sich in diesen Liedern nur zu leicht selbst in seinen „ B u ß ­ leistungen", in seinen Tränen und seinem Schmerz wie in seinem Bekennen und H) V gl. Ghd. Med. X X X IV : „De Studio verae humilitatis“ . . Nondum ergo particeps verae gratiae, qui non ambulat in cordis humilitate . . . ita grada divina non fluit nisi ad corda humilia . . . Ut ergo particeps fias regenerationis et reparationis, sis nihil in oculis tuis, id est, nihil tibi tribuas, nihil arroges . . •7) A uf den ersten Blick mag eö zwar so scheinen, a ls ob jene Schriftsteller der lutherischen Kirche und jene Gesangbuchlieder, die die Buße fast völlig in dem Begriff der D em ut aufgehen lassen, nur Gedanken von Luther selbst aufgenommen und dichterisch abgewandelt hätten. Denn auch bei Luther findet sich ja der Gedanke, der den eigentlichen Zielpunkt ihrer, A us­ führungen bildet:

„Ideo humilitas sola salvat.“

(WA 4,473)

Dabei ist aber im Auge zu behalten, baß es sich für Luther schon sehr früh bei der Erwähnung der humilitas nicht mehr um eine menschliche Tugend im S in ne der mystischen annihilatio handelt: nicht humilitas, sondern humiliatio (vgl. WA 5, 656), humilitas fidei, i. e. non ex viribus hominis (vgl. WA 3,301), die niem als zu einem mystischen actus elicitus werden kann (vgl. W A 5 ,1 7 6 ), — das ist eS, w as Luther a ls die „höchste Tugend" eines Christen preisen kann (vgl. WA 49, 6 io ). M it dieser Anschauung Luthers hat jedoch der Demutsbegriff der geistlichen Lieder unserer Zeit wenig mehr gemein. V gl. zum ganzen bes. Loewenich: „Luthers theologia crucis", S . 174 ff. und 180 ff. *8) Ritschl, „Geschichte des P ietism us" II, S . 45. ••) E. W o lf: „ D a s Problem des neuen Menschen im Protestantism us", Evg. Theol. 1952,

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seinem „H ingehen" zum H eiland oder zum „V ater". Er fungierte in seiner D em ü tigu n g uneingeschränkt a ls Zuschauer seiner selbst. Dadurch offen­ barte er, w ie sich sein eigentliches V ertrauen immer stärker a u f das eigene T un und Empfinden in der B u ß e richtete, wie die B u ß e ihm unter der H and zu einem M ittel der Selbsibespiegelung und der Selbsibestätigung g e­ w orden w ar. V or allen diesen Verkehrungen einer evangelischen „G laub ensbu ß e" in ein menschlich-eigenmächtiges „ B u ß e-T u n " hätten die Gesangbuchdichter in den Schriften Luthers ausführliche und eindringliche W arnungen finden sönnen100). W ie die bona Opera, so sah der R eform ator auch die poenitentia stets von der G efahr bedroht, zum „actus elicitus“ des Menschen zu werden und damit der „concupiscentia spiritualis“, der „prudentia carnis“ zu verfallen. „Rechte B u ß e" bedeutete ihm die „contritio passiva“ 101), die im Erleiden des göttlichen G erichtes und im Fliehen zu dem alleinigen R etter J e su s Christus besteht; sie w ar ihm n iem als ein „opus nostrum“ 102), sondern eine „passio nostra“, die nicht „ex nobis, scd ex gratia dei“ 103) geschieht. D a diese „poenitentia passiva“ und „contritio vera“ nach Luther nichts anderes a ls G laube an die V ergebung der S ü n d e n darstellte10*), da sie ihren Ursprung allein von der Liebe zur G e­ rechtigkeit und zur Barm herzigkeit G ottes haben so n n te105) , w ar sie ihm da­ gegen gefeit, zu einem neuen Verdienst zu werden, zu einer Leistung, auf die der M ensch sein V ertrauen a u s eigenen K räften setzen konnte. W ährend für Luther in diesem S in n e auch die menschliche B u ß e ausschließlich ein Werk der göttlichen G nade darstellte, hatte schon M elanchthon eine ab­ weichende Anschauung vorgetragen. Er w ollte die B u ß e des M enschen nicht nur a ls „opus e t passio hominis106) gewertet w issen, sondern die „contritio“ wird von ihm ausdrücklich in das G ebiet gerückt, w o er die Forderung des „homincs 10°) Vgl. dazu WA i, 323: „Secundum vide, ne ullo modo te confidas absolvi propter tuam contritionem . . . sed propter verbum Christi . . .“ und oben S . 110 das Zitat WA 6,

545 * 101) Vgl. dazu z. B . in den Schmalkaldischen Artikeln die Gegenüberstellung von der „falschen Buße der Sophisten" als der activa contritio, als „ein gemachter und getichter Gedanke aus eigenen Kräften ohne Glaube, ohne Erkenntnis Christi" und der „rechten Buße" als der passiva contritio, als „das recht Herzeleid, Leiden und Fühlen des Todes", B S 437ff. 102) Vgl. WA 39 ,1 , 264ff.: „Requiritur quidem poenitentia, sed non est opus nostrum . . . Nam contritio . . . est potius passio nostra . . . Nos non possumus nos conterere . . . sed conterente Deo conterimur . . .“ 103) Vgl. WA 1, 323: „Contritio vera non est ex nobis, sed ex gratia d ei: ideo desperandum de nobis et ad misericordiam eius confugiendum.“ 104) WA 39, 1, 395: „ . . . admonemur, poenitentiam piorum esse perpetuam, sic tarnen, ut fides et cognitio Christi vincat terrores . . .“ WA 39, 1 398: „Ubi illa cognitio et fides Christi est, sequitur continua poenitentia . . .“ 105) WA 6, 545 — BA I, 480: „Magna res est cor contritum, nec nisi ardentis in promissionem et comminationem divinam fidei . . .“ WA 2, 421: „Docui ergo . . ., peccatorum recordationem ante amorem iustitiae nemini esse salutarem sed noxiam: ideo primum conandum ut iustitia diligatur, tum amore iustitiae peccata detestentur.“ 106) Vgl. dazu CR 25, 207: „Aliqui dixerunt, contritionem esse passionem, non opus, daS ist nichts geredt. Contritio est opus et passio.“

agere aliq u id oportere“ 107) meinte erheben zu können und zu müssen. Es ist nicht verwunderlich, wenn die protestantischen Dogmatik aus dieser Wendung sehr schnell die Folgerung zog: „Non enim is amplius se mere passive habet . . (K ng, Theol.

sed actu ipso poenitet et credit . .

p. 202).

Zwar machte sie zunächst noch die Einschränkung108) geltend: „haec tarnen non praestat ex propriis et naturalibus viribus, sed supernaturalibus in regeneratione collatis . . (ibid.),

jedoch signalisieren die Redewendungen vom „exercere virium “ und vom „elicere poenitentiam “ bereits die aufsteigenden Gefahren. Trotz aller Ein­ schränkungen und gegenteiliger Beteuerungen sehen wir die Buße in der alt­ protestantischen Dogmatik immer stärker in den Bereich eigener menschlicher Betätigungsmöglichkeiten gezogen. Der Pietism us brauchte hier im Grunde nur aufzugreifen und in seine eigene Form zu bringen 108),w aS schon lange Zeit vor­ her in einer stetigen Entwicklung angebahnt worden n>ar110), so daß der eigent­ liche Wandel in der Bußauffaffung keineswegs erst auf sein Konto zu setzen is t'" ). 107) Vgl. z. B. CR 25, 59: „Alii dicunt, nihil agere hominem in conversione oportere. Sed furor est, ita dicere . . . Diligenter igitur hoc mentote, quod Deus inchoet conversionem, et quod tarnen oportere accedere assensionem nostram. Nolite cogitare conversionem esse motum violentem in homine“ und CR 12,665: „Et particula exclusiva, gratis . . . sic intelligenda est, ut excludat nostra merita a remissione peccatorum, non autem meritum Christi. . . Quare non excluduntur contritio et caeterae virtutes, quae existunt in conversione, sed hoc adimitur eis, ne suis meritum, seu causae impulsivae remissionis peccatorum, et reconciliationis et iustificationis. — Necesse est enim in conversione aliquam esse contritionem, id est, aliquos pavores, et agnitionem irae Dei adversus peccata.“ 108) B ei Melanchthon fehlen dagegen solche Einschränkungen weitgehend. V gl. dazu z. B .

CR 24z 391: „Si homo haderet se pure passive, tum tractatio esset plane violenta sine ullo nostro motu et lucta, aut certe fieret conversio, ut cum aqua infunditur in dolium. Hae imaginationes sunt deponendae, quas quidem ipsa experientia refutat, quia conversio non fit sine magna lucta et haec lucta testatur, quod homo non habeat se pure passive.“ — Auch dieses Beispiel läßt beobachten/ wie die theologischen Aussagen MelanchthonS oft sehr viel konsequenter ihren eigenen Weg verfolgen a ls diejenigen der orthodoxen Theologen. V gl. dazu auch oben S . 158. 108) E s wird an dieser S telle deutlich/ daß die „orthodoxe Bußlehre" selbst der mystischpietistischen Interpretation der Buße alö Demutsübung und a ls Exercitium der mortificatio und abnegatio sui Vorschub geleistet hat. Beiden gemeinsam war die anthropozentrische Wen­ dung/ die sich in der pietistischen Form nach ihrer scheinbar passiv-leidentlichen S eite/ in der orthodoxen Form nach ihrer unverhüllt menschlich aktiven Seite hin zeigte. 11°) Zu diesen Vorbereitungen der pietistischen Bußanschauung gehört z. B . auch die An­ wendung des Bußbegriffs auf den gesamten Vorgang der Bekehrung (vgl. dazu CR 25, 62). Selbst die pietistische Forderung des „BußkampfeS" könnte sich auf die häufig bei Melanchthon begegnenden Redewendungen von den „magna lucta“ berufen. 1U) V gl. jedoch im Gegensatz dazu eine Strophe au s dem Gesangbuch der Brüdergemeinde: "O G ott! wie teur ist deine G üt/ daß du erleuchtest mein Gemüt und Ln mir hast gewirket Reu . . . "

(224, >3)

Dieselbe „reformatorische" Haltung findet sich auch bei Spangenberg: in seinen „Idea fidei fratrum“ handelt er von der Erkenntnis der Sünde und von der Buße im Abschnitt „V om

W enden w ir uns a u f dem H intergrund dieser Überlegungen nun noch einm al zu den A usführungen der B ü ßlieder des 17-/18. Jahrhunderts, so müssen w ir konstatieren, daß in ihnen die beschriebene Entwicklung und Verschiebung in der Bußanschauung noch um ein gutes Stück weitergetrieben ist. H ier wird dem M enschen nicht mehr nur die H altu n g des ,,non amplius mere passive“ z u ­ gew iesen; seine B u ß e ist vielm ehr wieder zu einer höchst eindeutigen „contritio activa“ geworden, bei der der Mensch eingehend über seine eigene Tätigkeit, sow ie deren N otw endigkeit und W ert reflektiert. Zwar können wir auch in diesem Zusam m enhang au f M elanchthon zurückverweisen und die A uswirkungen seiner Ä ußerungen über die „tres causae conversionis“ sowie über Bedeutsam keit und Wirksamkeit der menschlichen „mens“ und „voluntas“ ü b e r h a u p t^ ) in B e ­ tracht ziehen. M ußte schon von dieser B a sis au s die B u ße notw endig auf d as G ebiet menschlicher cooperatio und menschlichen S y n e r g ism u s führen, so zeichnen sich die B ü ßlieder der lutherischen Gesangbuches darüber hinausgehend dadurch a u s, daß in ihnen alle im mer noch sichernden, einschränkenden und ab­ grenzenden Bem erkungen der Dogm atiker fortgefallen und dafür die Züge G lauben", a. a. £>., S . 236ff. Den Begriff „B uße" möchte Spangenberg am liebsten vermieden wissen, weil er „leicht auf die Gedanken bringen (kann), alö wenn der Mensch durchs erkennen und bereuen seiner Sünden etw as abbüßen könnte. Und das ist doch nicht der S in n . Denn weil Christus für unsere Sünden gebüßet, und unsere Schulden bezahlt h a t . . ., so haben wir au f I h n zu sehen, und es wird von u n s kein abbüßen erwartet" (a. a. O., S . 244). Auch gegen das Achten auf die signa poenitentiae, auf den dolor aniini wendet sich der Verfasser: „Denn w as der Mensch in dem Teil durch sein eigen Wirken bei sich erregt, das bringt ihm allemal eher Schaden, als Nutzen . . (a. a. O., S . 246). — I n diesen Punkten stimmt Spangenberg mit Zinzendorf überein, der den pietistischen Bußkampf und dessen Bußleistungen als eine Verkehrung der reformatorischen Lehren brandmarkte. m ) Vgl. dazu z. B . CR 15, 808: „Ut igitur de poenitentia notissima est doctrina . . . Et concurrunt hae causae: Verbum Dei, et Spiritus sanctus in cogitatione verbi Dei, adiuvans mentem et voluntatem. Item: mens et voluntas . . und CR 23, 15; 435 u. 6. Für Melanch­ thon gilt wohl noch: „Praecedente gratia“, es folgt aber der Satz, der immer stärker das Gewicht auf sich zieht: „comitante voluntateu (CR 21, 769, CR 9, 157 u. 6.), so daß sich ihm die Folgerung ergibt: „Trahit Deus, sed volentem trahit“ (CR 9, 468, CR 25, 391 u. ö.). Zwar hatte schon die Concordienformel diese Sätze Melanchthonö abgewiesen (vgl. B S 780, 907ff.) und darüber geklagt, daß „in den Schulen die Jugend mit der Lehre von den dreien Ursachen unserer Bekehrung zu G ott hefftig irrgemacht worden" sei ( B S 910s.). ES ist aber zu fragen, ob nicht die Concordienformel ihrerseits wiederum Formulierungen bot, die die­ selben theologischen Unklarheiten und Mißverständnisse heraufführen mußten. S o führte sie z. B . trotz ihrer Absage an den melanchthonischen Synergism us a u ö : „Ex bis consequitur, quam primum Spiritus sanctus (ut dictum est) per verbum et sacramenta opus regene rationis et renovationis in nobis inchoavit, quod revera tune per virtutem Spiritus sancti cooperari possimus ac debeamus, quamvis multa adhuc infirmitas concurrat.“ ( B S 897). I n diesem S in n werden ebenfalls die „quotidiana poenitentiae exercitia“ unter den Begriff der cooperatio gestellt: . recte docetur, quod . . . post conversionem in quotidianis poeni­ tentiae exercitiis hominis renati voluntas non sit otiosa, sed Omnibus Spiritus sancti operibus, quae ille per nos efficit, etiam cooperetur“ ( B S 780, vgl. ebenso B S 909). — ES ist zu ver­ stehen, daß die Lehrer der Orthodoxie au f Grund dieser Ausführungen mit gutem Gewissen von den „actus poenitentiales“ reden konnten. Denn diese Bußakte sollten ihrer ursprünglichen Intention nach nichts anderes a ls solche „exercitia“ sein, in denen sich die „voluntas hominis renati“ a ls tätig erweist.

stetig mehr in den V ordergrund getreten sind, die die Bußanschauung immer weiter von der ursprünglich reformatorischen Bußlehre fortführen und sie zu einer rein anthropozentrischen Angelegenheit verkehren. Dadurch erscheint in ihnen nunm ehr die B uße a ls ein vom Menschen selbst zu beginnendes und zu regelndes Exercitium, das er mit ausführlichen Sündenbetrachtungen und systematischer Erweckung von Schuldgefühlen anheben läß t und au f derem Weg er über die Reflexion seines Reueschmerzes fortfährt zur Selbstbeobachtung seines B üßganges und seiner Vergebungsbitte bis hin zur Beschreibung seines E r­ lösungsgefühles. ß ) Die „T eile" der Buße

Beschäftigten sich unsere A usführungen bislang dam it, daß die behandelten B üßlieder aus den lutherischen Gesangbüchern des 17-/18. Jah rh u n d erts Reue und B uße als actio hominis erscheinen und dam it den Menschen sich selbst in den M ittelpunkt stellen ließen, so haben w ir im folgenden auf die weiteren A us­ wirkungen einer solchen Anschauung auf das Bußverständnis einzugehen, wobei uns wiederum ein Vergleich m it der Lutherschen Lehre und m it der reform atori­ schen Liederdichtung gute Dienste leisten kann. Nach reformatorischer Anschauung kam alles darauf an, in der B ußlehre in rechter Weise vom G lauben zu handeln. Zwar konnte auch Luther von den „zwei Stücken der christlichen B u ß e" teben113), jedoch w ar ihm dabei ohne Zweifel der G laube an G ottes W ort und an die in Jesu s Christus erworbene Vergebung das „H auptstück"*"), das auch die menschliche Sündenerkenntnis und das Sündenbekenntnis des Menschen um faßte. 3 n diesem S in n e ist ihm B uße ein „E reignis", ein „W iderfahrnis", in dem G ott am Menschen wirkt und hanbelt116). An den „reformatorischen" „Buß"-Liedern sahen w ir, wie sie diese Gedanken Luthers weitergegeben und dichterisch ausgestaltet haben. Auch bei ihnen ging es um die Verkündigung eines „Ereignisses", ihre Aussagen bestanden in einem dankbaren Bekenntnis zu dem Geber eines getrosten „B u ß g lau b en s", ihr schlichtes Sündenbekenntnis mündete ein in das Zeugnis einer freudigen V er­ gebungsgewißheit. Demgegenüber haben w ir die Bußdichtung im 17. und frühen 18. Jah rh u n d ert auf einem anderen Wege verfolgt. I h r geht es wesentlich um die analysierende Beschreibung eines Geschehnisses, das seine S tu fe n hat und an dem Wille und G laube, menschliche K raft und göttliche H ilfe je ihren ver­ schiedenen Anteil haben. D abei läß t die herangezogene Gesangbuchdichtung be­ obachten, wie sich innerhalb ihrer Schilderungen eines Buß-Prozeffeö allmählich u>) Vgl. Dittrich: „Geschichte der Ethik", IV, S . 31. l“ ) WA 4y, X19: „Da« heißt aber Buff, wenn ich Gottes wort gleube, das mir anzeiget und verklaget mich, das ich für Gott ein funbet und verdampt sey, und dafür von Hertzen erschrecke, daS ich meinem Gott je und je ungehorsam bin gewesen . . . doch nicht verzweifrl, sondern mich zu Christo lasse weisen, gnade und hülfe bey jhm zu suchen und auch fest« gleube, ich werd eS finden." lu) Vgl. E. Wolf, Evgl. Theologie 1952, S . 371s.

die Gewichte verschieben. D ie Erinnerung an die göttliche Gnadenzusage in W ort und Kreuz Jesu Christi und das menschliche Glaubensbekenntnis als ein Akt des Vertrauens auf die Barmherzigkeit G ottes gegenüber dem Sünder treten so weit zurück, daß sie kaum mehr einen Einfluß auf die Prägung der Büßlieder ausüben. Demgegenüber wird auf der einen S eite daö, w as vom Glauben und vom H eilshandeln Christi zu bezeugen wäre, der B uße des Menschen selbst zu­ geschrieben, so daß es in einem solchen Liede heißen kann: „D rum richte, Jesu, meinen Schritt, daß ich bald mög aufstehen buch B u ß e . . . "

( i n , 5)

oder in ähnlicher W eise: „Weise sind, die sich selbst kennen, rote so gar verderbt sie sind, die sich selber Toren n en n en . . . die sich ihrer Torheit schämen, und zur Buße sich bequemen."

(170, 2 )116)

A uf der anderen S eite jedoch kennt die Liederdichtung noch eine andere M öglich­ keit, die eö ihr erlaubt, völlig im Bereich psychologischer Schilderungen stehen zu bleiben. B ei der Erörterung der menschlichen „Heils-Entwicklung" geht sie näm ­ lich z. T . von der Ausbreitung des menschlichen Schuld- und Schmerzgefühles unmittelbar über auf die A usm alung von deren heilsamen „Folgen". I n diesem S in n e zeichnen zahlreiche Liedstrophen die überschwängliche Freude des Menschen, die seinem „dolor anim i“ nachfolgt; sie beschreiben den erworbenen menschlichen „Frieden" und seine „Gewissensberuhigung". I n solchen Liedern erscheinen dann 11Ä) I n diesem Zusammenhang ist auch darauf zu achten, rote in den bettachteten Büßliedern nicht nur „Reue und Leid" deö Menschen, sondern unmittelbar damit verbunden auch daö mensch­ liche SündenbekennMiS in den B ann des BußexercitiumS geraten sind. Nicht mehr die Bitte um die gnädige göttliche Zuwendung, sondern die Selbstanklage des Menschen machen daö Wesen deS hier „demonstrierten" SündenbekenntniffeS aus. Wo der confessio hominis ein be­ sonderer Wett zugeschrieben wird, da bleibt auch daS Sündenbekenntnis nicht mehr ein Ge­ schehen, daö aus dem W ort Gottes herrührt und aus dem Glauben heraus vollzogen wird. ES wird vielmehr zu einem allgemeinen und darum beschreibbaren und dirigierbaren Schuld­ gefühl. Wo die „accusatio sui“ a u s der Klammer deö Evangeliums gelöst wird, da muß sie zu einem eigenmenschlichen Exercitium werden. Als solches lebt sie in der Mystik deö M ittel­ alters und steht sie neu au f in der lutherischen Mystik vom Ende deS 16. Jahrhunderts an bis besonders in den P ietism us hinein. I n dieser Form finden wir sie auch über weite Sttecken der Kirchenlieddichtung. Diese accusatio sui ist nicht mehr Teil der „theologia crucis“, sondern sie ist Ausdruck einer „theologia experimentalis“, als deren Subjekt der selbstreflektierende und selbstreflektt'ette „homo religiosus“ aller Zeiten und Prägungen fungiett. Vgl. zu dieser A tt von reflektiertem Selbstanklage-Exercitium z. B . die folgende S tto p h e: „W as du hast wider G ott getan, bleibt andern zwar verborgen, doch klagt dich dein Gewissen an und macht dir schwere S orgen: du trägest daö Gesetz in dir und richtest du dich selber hier, so wirst du nicht gerichtet."

(i95/ 2 )

aber „Freude und Friede" des Menschen ebenfalls nicht mehr als Gaben der ge­ schenkten und der geglaubten Vergebung, sie resultieren hier vielmehr letzten Endes aus der B uße und aus dem menschlichen Bußschmerz direkt. D am it schließt sich an dieser Stelle der R in g : unter Anleitung dieser Lieder können wir den Prozeß der B uße von seinem Anfang bis zu seinem Ende bis ins einzelne verfolgen. Wenn solche dichterischen Darstellungen aber zugleich von der Absicht getragen sind, eine A n w e is u n g für den N a c h v o llz u g eines solchen B ußexercitiumS geben zu wollen, so erweist sich, daß ihre Konzentration au f die sub­ jektiven D aten keineswegs einen Vorzug, eine Hilfe fü r die „P rax is" darstellt. Gerade sic ist eS vielmehr, die der Gesangbuchdichtung den Charakter des Künstlich-Gesteigerten und damit des Unechten und Unwahrhaftigen verleiht. y)

Notwendigkeit und Nutzen des menschlichen Bußwerkes „Gott nimmt im Himmel keinen an, er tu denn Buß auf Erden . . . "

(61,6)

Diese Zeile führt uns noch einmal vor Augen, welchen W ert die Gesangbuch­ dichtung unseres Zeitraumes der menschlichen Bußleistung zuschreibt. B uße ist hier unbedingte Vorbedingung zur E rlangung der göttlichen G nade, sie ist augenscheinlich eine conditio sine qua non. A ls eine solche wird sie darum dem Menschen eingeschärft: „Hab immer «in zerknirschtes Herz, in wahrer Buße leb« .. . "

(FT 1, 325,2)

Die B ußforderung wird außerdem noch unterstützt durch den ausdrücklichen H inw eis auf ihren Nutzen, auf den Erfolg, der untrennbar m it ihr verbunden sein soll: „Wenn du dich in den Staub legst nieber, so gibt er dir die Gnade wieder. . . "

(178,4)

I n gradliniger Fortsetzung derartiger Reflexionen über Notwendigkeit und Nutzen des menschlichen Bußwerkes gelangt die geistliche Dichtung am Ende unserer Epoche endlich zu der Folgerung: „Laß mich doch, 0 mein Gott, die Buße nicht verschieben. . . Wie könnt ich sonst mich lieben? . . . Wenn ich das Gute tu ,. . . Wem dien ich? Nur mir selbst und meiner Seligkeit. . . "

(241,1) (241,2)

W ährend schon ein großer Teil der zeitlich vorangehenden B üßlieder den Eindruck aufkommen ließen, als ob in ihnen der ganze wortreich gemalte „dolor anim i“ , als ob das überladene Sünden- und Schuldbekenntnis nichts anderes sei alö ein recht bewußtes und eigenmächtiges „Sich-selbst-erheben", während diese Lieder bereits eine Verkehrung des reformatorischen „B u ß g lau b en s" in eine menschliche Bußdisziplin — zu derem M erkm al die menschliche Selbst­ erniedrigung wie die menschliche Selbsterhöhung gehört — ahnen ließen, so ist an

dem zuletzt zitierten Beispiel zu erkennen, wie nunm ehr alle anderen Gesichts­ punkte zurückgetreten sind und sich das Ich des Menschen m it seinem eigen­ mächtigen Heilsverlangen und Glücksstreben bis ins letzte hinein den Bereich der B u ß e, der Bußgedanken und der Bußleistungen erobert und ihn in seinen eigenen Dienst gestellt hat. W ir gingen fehl, wenn w ir solche A usprägungen und Fortführungen angeb­ lich „evangelischer" oder „lutherischer" Bußgedanken als unkritische Äußerungen vereinzelter Liederdichter werten würden. Auch in ihnen tritt die schon mehrfach beobachtete innere Verwandtschaft zwischen der theologischen E ntfaltung der B ußlehre und ihrer dichterischen Gestaltung im Gesangbuch zutage. Hoben w ir hier die ausdrücklichen und eindringlichen M ahnungen zur Bußgesinnung hervor, so müssen wir dort z. B . auf die H altung M elanchthons Hinweisen, unter dessen Schriften sich besonders die V isitationsartikel durch die Einschärfung der B uße und durch die dort enthaltenen praktischen Anweisungen zur Förderung der B u ß ­ gesinnung unter dem „gemeinen groben V olk" auszeichnen117). 3 n gleicher Weise wie in den betrachteten Büßliedern erscheint auch bei ihm die B uße als ein not­ wendiges Werk, als eine conditio sine qua non fü r daö jpetl118). S ie wird ihm dabei in d er Weise zur Voraussetzung des G laubens und der Rechtfertigung, daß der Mensch an der S c h a f f u n g dieser Voraussetzung selbst aktiv beteiligt ist119). D ie Gefährlichkeit eines solches Ansatzes tritt endlich darin vollends in Erscheinung, daß die theologischen „N achfahren" M elanchthons im menschlichen B ußakt selbst die Rettung für den Menschen sehen. I n diesem S in n e kann z. B . Jo h an n Gerhard in seinen Loci den Satz aufstellen: „Sola poenitentia est, quae nos judici rcconciliat . .

(Ghd, Loci X IX , 311)

oder in seinem Erbauungsbuch die dritte M editation ,,De fructu verae et seriae poenitentiae“ mit der These einleiten: „Fundamentum et principium sanctae vitae est salutaris Poenitentia. Ubi enirn vera poenitentia, ibi remission peccatorum, ibi gratia Dei . .

D er einm al eingeschlagene Weg brachte es dann von selbst mit sich, daß sich die dogmatische Literatur in Übereinstimmung mit dem Erbauungsschrifttum einer 117) Vgl. CR 26, 16. 51 ff. 69 ff. m ) CR 3, 160: „Iustificainur fide . . . Deinde hoc addidi in hac exclusiva, gratis iustificamur, non excludi contritionem, sed eam esse necessariam in homine iustificando, et nostram contritionem vocavi causam sine qua non, quia sine ea non potest existere fides.“ CR 3, 350: „Tantum Christum est causa propter quem, interim tarnen verum est, homines agere aliquid oportere, oportere nos habere contritionem, et debere verbo erigcre conscientiams ut fidem concipiamus, ut nostra contritio, et noster conatus sunt causae iustificationis sine quibus non.“

119) Mit außerordentlich feinem theologischen Gespür ist darum schon zu Melanchthons Zeiten von römisch-katholischer Seite betont worden, daß besten Einschärfung der Buße eine Verleugnung des reformatorischen „sola fide“ bedeute, vgl. H.E. Weber, a. a. £ . I, 1, S . 12. Tatsächlich besteht kaum mehr ein Unterschied, wenn Melanchthon formuliert: . . nostra contritio et noster conatus sunt causae iustificationis sine quibus non“ (vgl. vorige Anm.) und wenn der Cat. Rom. ausführt: „Ita demum praeparat (sc. contritio) ad remissionem peccatorum . . .“ (a. a. £ ., p. 238).

ausführlichen Behandlung der Frage nach den fructus, den effectus und der consequentia verae poenitentiae zuwenden mußte. Derartige Ausführungen verleiteten sie schließlich zu der Feststellung: ..Usus doctrinae est, ut poenitentiam agamus, quia tan tos pa.it fructus gaudiumciue . . (Clv, Syst. X , 500).

Diesen Satz könnten wir gleichsam als M otto oder als Inhaltsangabe über die Mehrzahl der Büßlieder des 17-/18. Jahrhunderts setzen. Dam it stellt sich heraus, daß die behandelte dogmatisch-orthodoxe Lehrentwicklung und die lutherische Gesangbuchdichtung in ihrer Grundintention übereinstimmen, wenn­ gleich diese von den Dichtern noch ein Stück weiter durchgeführt worden ist. c') B u ß e und „christliches Leben"

Neben den ausführlichen Reflexionen der lutherischen Gesangbuchlieder über „Wert" und „Nutzen" der Buße sahen wir im Rahmen ihrer Ausführungen über das menschliche Bußwerk immer häufiger die Forderungen und die Versprechen einer zukünftigen „Lebens-Besserung" des Konfitenden auftauchen. Wir be­ merkten, daß nach Ansicht so mancher Dichter offenbar erst die Lebensänderung die Buße a ls vollständig und heilbringend erweise oder daß nach der Auffassung anderer Buße und Besserung nahezu als Synonym e erscheinen, bzw. der Ge­ danke der Besserung dem der Buße den Rang abläuft. Auch an diesem Punkt läßt sich erkennen, wie die Verschiebungen und Ver­ zeichnungen in der Kirchenlieddichtung ihren Ausgangspunkt bei den M odi­ fikationen der lutherischen Bußlehre durch die Dogmatiker des Altprotestantis­ m us genommen haben. Zwar mag es scheinen, als ob sich die orthodoxen Theo­ logen in ihren Ausführungen mit gutem Recht auf ihren „Lehrer" Luther berufen konnten. Denn auch bei Luther spielt der Gedanke vom „bonum propositum“ im Rahmen seiner Bußlehre eine durchaus wichtige Rolle. Luther kann es als superbia geißeln, wenn der Mensch meine, ein solch „guter Vorsatz" sei für ihn nicht nötig. Andererseits hat er sich in aller Deutlichkeit gegen eine Lehr­ meinung gewandt, die den „guten Vorsatz" den eigenen menschlichen Kräften zuschreiben wollte^"). Es kommt also alles darauf an zu verstehen, w as mit dem „guten Vorsatz", w as mit der Forderung der Lebensbesserung gemeint ist. Luther selbst äußert sich zu dieser Frage mit den Worten: „Sed poenitentes debere spem concipere, et sic ex amore Dei peccatum odisse, id quod est vere propositum bonum“ (WA 39, i , 346). 12°) Vgl. WA 6, 159 s.: „Nam si quispiam sese non invenerit serio affectum bono proposito, nescio an tutum sit confiteri . . . Imo quis est tarn superbus, ut hoc Consilium sibi non putet necessarium, cu mnullus tanto sit proposito bono quanto debet esse? Ideo secure petat a deo, quod sentit se non in venire in seipso, donec serio et vere incipiat sibi placere vitae melioris species et sua displicere. Non enim doctrinae illae de proposito bono formando traditae ac passim inculcatae sunt intelligendae, quod homo ipse ex sese id formare et laborare debeat (haec enim intelligentia mors est et perditio . . . ) sed desperando plane atque effundendo cor coram deo dicere: Domine deus, Non habeo quod debeo, nec possum, Da quod iubes et iube quod vis.“

I n diesem Sinne — als eine notwendige und selbstverständliche Folge der mensch­ lichen Liebe zu dem G ott, der ihm in seiner Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtig­ keit begegnet — nennt Luther dann auch die Buße insgesamt „ein enderung und befferung des gantzen lebens" (WA 12, 514). Dabei handelt es sich für Luther um dieselbe Änderung und Befferung des Menschen, die ihm auch in der Taufe widerfährt. Buße wie Taufe wirken das neue Leben des Menschen, daö in mortificatio und vivificatio Ereignis wird. Für Luther geschehen diese beiden „Akte" stets g le ic h z e itig , sie sind durch den Glauben in der K raft des heiligen Geistes Wirkung und Gabe G o tte s selbst121). Den Nachfolgern Luthers ist diese reformatorische Anschauung über die Ein­ heit und Gleichzeitigkeit von Bußgeschehen und Lebensänderung, von morti; ficatio und vivificatio bald wieder verloren gegangen. Wir sahen bereite, wie die Frage nach den „partes poenitentiae“ für die Bußanschauung späterer Zeiten dadurch bedrohlich wurde, daß sie die Aufmerksamkeit des Menschen immer stärker auf die „actus poenitentiales“ lenkte. Als akute Gefahr trat diese Wen­ dung in dem Augenblick hervor, als Melanchthon auf die Frage nach den Teilen der Buße geantwortet hatte: „Tres sunt: Contritio, Fides, et nova obedientia.“

(CR 23, 46)

Bedenken wir dabei zugleich MelanchthonS Interesse, dem menschlichen Willen eine bestimmte Selbständigkeit in der Entscheidung und in der Tätigkeit zuzu­ schreiben, so wird deutlich, daß sein Begriff des „neuen Gehorsams" etwas anderes meint, als die Luthersche Redeweise von der ,, vivificatio per Spiritum sanctum“122). Hinter den zahlreichen Ausführungen MelanchthonS über die nova obedientia, die er noch dazu unter die „bona Opera“ des Menschen zählt^), erkennen wir, wie sich hier im Rahmon seiner Bußanschauung neben dem Ge­ danken über den Wert der Bußleistung als solcher ein zweiter Bereich für eine menschliche Selbsttätigkeit auftut. I n ihm setzt sich der mit dem Sündenschmerz begonnene Bußprozeß des Menschen fort, und dort erhält er offenbar seinen Ab­ schluß. Bei vielen der anf Melanchthon folgenden lutherischen D ogm atiker^) bekommt dieses Gebiet der „nova obedientia“ des Menschen, der Lebensbesserung m ) Vgl. dazu bes. G K, B S 705 s. und A S , B S 447.

„Tres sunt: Contritio, Fides, et nova obedientia“ (CR 23, 46). m ) Weitere Ausführungen zu diesem Punkt vgl. im Problemkreis „Rechtfertigung und Heiligung", unten S . 234(1., 370ff., 387^. u. ö.

m ) Vgl. CR 23,197: „Haec ipsa conversio est inchoatio novae obedientiae, dilectionis et boni propositi, quae sunt bona opera.“ 124) Allerdings ist anzumerken, daß in den orthodoxen Lehrformulierungen diese D ar­ stellung MelanchthonS nicht unangefochten blieb. S o lehnt z. B . Hutter den Gedanken von den „tres partes poenitentiae“ ausdrücklich ab und führt in diesem Zusammenhang auS: „Nova

obedientia sive bona opera sequuntur Contritionem et Fidem. Ergo non partem constituunt poenitentiae, sed potius ejusdem sunt fructus et effectus“ (H t, Comp., p. 183). Ebenso ent­ scheidet auch Hollaz, wobei er aber besonders hervorhebt: „nova obedientia indivulso nexu poenitentiam sequitur, et ab ea ne in agonizantibus quidem separari potest“ (Hz, Exam. p. 1142 sq.).

durch die B uße, eine ständig wachsende Bedeutung zugeschrieben^). Die A us­ wirkung dieser Entwicklungslinie zeigt sich am deutlichsten in der aufklärerischen Theologie. D o rt finden w ir die evangelisch-reformatorische Lehre von der B uße ihrer gänzlichen A nflösung entgegengehen, wenn z. B . S em ler im Abschnitt „D on der Bekehrung" a u sfü h rt: „D ie Hauptfach« ist doch stets der wirklich neue bester« Zustand des Menschen, wodurch er sich alö einen Christen beweiset"')."

Jedoch können w ir nach unseren vorangehenden Überlegungen diese innere A ushöhlung und Entleerung der reformatorischen B ußanschauung nicht mehr als ein Werk erst der Aufklärung bezeichnen. Gerade die Betrachtung der B ü ß ­ lieder des lutherischen Gesangbuches von B eginn des 17. Jah rh u n d erts an be­ stätigte diese B ehauptung. I n ihnen sahen wir die Ansätze des melanchthonischen S y n ergism us nur allzu begierig aufgenom m en und in verschiedenen Entwick­ lungsphasen bis zu ihrer letzten Konsequenz durchgeführt. D aneben ist allerdings auch in diesem Zusam m enhang zu berücksichtigen^), daß die Gesangbuchdichtung ebenfalls durch den Einfluß und durch die A ufnahm e von mystischem Gedanken­ gut dazu verführt w urde, betont synergistische Forderungen an den Menschen zu stellen. A uf zwei verschiedenen Entwicklungswegen ist in der D arstellung der Kirchenlieddichter also die B uße zu einem Werk des Menschen geworden: au f der einen S eite erschien sie a ls ein menschliches Werk gleichsam im negativen S in n , d. h. als ein menschliches Exercitium von Reue, Seelenschmer; und S ündengefühl; a u f der anderen S eite wurde ihr dieselbe Aufgabe und S tellu n g zugeschoben im positiven S in n , und zwar a ls ein B eitrag des Menschen zu seiner Besserung und Heiligung. c)

Evangelische B uße und römisch-katholisches B ußsakram ent

Überblicken w ir den ganzen zu erörternden Fragenkomplex, wenn w ir uns mit den „B uß-Lehren" der lutherischen Gesangbuchdichtung bis zum frühen 18. J a h r*“ ) Schon Calov zeigt in seinen Ausführungen die Folgen dieser Entwicklung, wenn er a ls usus der Lehre von der poenitentia angibt: „Usus . . . est, ut serio de peccatis doleamus,

fide in Christum corda nostra contrita erigamus, et vitam nostram vere absque hypocrisi emendemus, atque corrigamus, et in Studio pietatis quotidie sancte proficiamus“ (C lv, Syst. X , p. 422). A uf derselben Linie bewegt sich Baier weiter: „Ad poenitentiam autem quotidianam peculiariter moveri possunt Christiani I. Praecepto de quotidiana renovatione... 4. Utilitate quotidianae poenitentiae ad incrementum sanctitatis, et perpetuam de sua in statu gratiae existentia certitudinem“ (B a i, Comp, theol. mor., p. 242). Einen gewissen Abschluß dieser EntwicklungSlinie auf eine immer stärkere Hervorhebung des dritten Teiles der Buße bilden etwa die Gedanken von M osheim und S em ler: „Der Nutzen der Buße zeigt sich sowohl in dem innerlichen a ls äußerlichen Leben der Christen . . . Die innerliche Frucht der Buße ist die H eiligung, die äußerliche die LebenSheiligkeit oder die tätige Gottseligkeit" (M o s­ heim, Sittenlehre II S . 2 5 6 ) . . . oder „ D a s einige wahre Kennzeichen, w oraus die Buße anderer Menschen kann geschlossen werden, ist die Besserung und Veränderung deS Lebens und W an­ dels" (a. a. O. II , S . 447). 12#) Sem ler, Versuch einer freieren theol. Lehrart, S . 546. 1,?) V gl. dazu die ausführt che Beschäftigung mit dieser Frage bei der Behandlung der RechtfertigungS- und Heiligungslieder unten S . 370 ff., 381 ff.

hundert beschäftigen, so dürfen einige Überlegungen zur römisch-katholischen B ußlehre und BußpraxiS und über deren eventuelle Bedeutung fü r die protestan­ tische Bußanschauung nicht fehlen. F ür unseren Zusammenhang ist es z. B . wichtig, auf die katholische Definition des Begriffes Buße einzugehen. D er allgemeinen Sakram entslehre entsprechend mußte hier die Frage nach forma, materia und res et effectus oder allgemeiner nach „partibus et fructu huins poenitentiae“ gestellt und beantw ortet werden. Dabei stoßen wir in der Lehrentscheidung des Tridentinum ö u. a. auf die bedeut­ same Form ulierung: „Sunt auteni quasi materia huius sacramenti ipsius poenitcntis actuV (£0115. 896)128).

In d e m sie den W ert einer materia sacramenti oder genauer einer quasimateria zugesprochen bekommen, sind die A kte des Büßenden in der katholischen B u ß ­ anschauung besonders hervorgehoben. Ih re Bedeutung wird außerdem dadurch gesteigert, daß die Sündenvergebung, die nach römisch-katholischer Lehre n u r durch das Bußsakram ent verm ittelt wird, an den ric h tig e n V o l l z u g jener menschlichen Bußakte gebunden ist. Diese Akte erscheinen darum a ls D ispositions­ akte des Menschen, wie es z. B . in der grundlegenden Definition des Codex juris canonici klar zum Ausdruck gebracht w ird: „In poenitentiae sacramento . . . fideli rite disposito remitluntui peccata post baptismum commissa“ (CJC, can. 870),

Betrachten wir daneben die i n h a l t l i c h e Beschreibung der ,, partes poeni­ tentiae“ und d. h. also zugleich der ,, actus poenitentis“, so wird das „W esen" der contritio bestimmt als „animi dolor ac detestatio . . . de peccato commisso, cum proposito non pcccandi de cetero“ (Denz. 897). Bereits an dieser S telle ist also in der römischen B ußlehre der „gute Vorsatz" betont, der im übrigen in den Lehrstücken über die satisfactio als dem dritten Teil der menschlichen B u ß ­ leistung zum Gegenstand besonders ausführlicher D arlegungen gemacht trirb 129). Bei der Frage nach ,,res et effectus huius sacramenti“ stoßen w ir auf die B e­ stim m ung: „Sane vero res et effectus huius sacramenti, quantum ad eins vim et efficaciam pertinet, reconciliatio est cum Deo, quam interdum in viris piis et cum devotione hoc sacramentum percipientibus conscientiae pax et serenitas cum vehementi Spiritus consolatione consequi solet“ (Denz. 896).

Daneben begegnen wir in derselben Frage auch der folgenden Feststellung, die besonders aufschlußreich ist fü r das Problem des Verhältnisses von B uße einerseits, Sündenvergebung und Rechtfertigung andererseits: „Kt paulo post, de contritionis motu subjicitur: Ita demum praeparat ad remissionem peccatorum . . .** (Cat. Rom. p. 238).

I n der katholischen Unterweisung spielt der Gedanke an den Nutzen des S a k ra ­ mentes überhaupt eine auffallend große 3totte130). D arum ist es kaum ver128) V gl. zum Ganzen dieses Absatzes auch Cat. Rom. pp. 233 sqq. m ) Vgl. dazu Denz. 904s., Cat. Rom. pp. 260 sqq. 13°) Vgl. z. B. Cat. Rom. p. 235: „Sed nihil profecto tarn proderit fidelibus, nihilque maiorem illis alacritatem poenitentiae suscipiendae afferet, quam si a Parochis saepe expli-

wunderlich, wenn in der P raxis die für den Einzelnen greifbaren und spürbaren „effectus poenitentiae“ daö Übergewicht erhalten gegenüber den von G ott ge­ w ährten Gaben der B uße, die im Verborgenen des G laubens gewiß werden. E s liegt also völlig im Rahm en und in der Konsequenz der römischen B ußlehre, wenn die katholische M oraltheologie über die Bedeutung der B uße schreibt: „D ie B uße erweist sich als Quelle des Trostes und Friedens, als göttliche E r­ ziehungsanstalt zur Seelenleitung und zum Heile und als hohe Schule der Tugend (Selbstprüfung, D em ut, Zufriedenheit, Keuschheit, Aufrichtigkeit, Ehr­ lichkeit, Entschiedenheit, Nächstenliebe usw.), als Sicherung vor dem Rückfall, zugleich a ls Schutzwehr der sozialen O rd n u n g ^ )." Jedoch schätzt die katholische Kirche die B uße nicht nur nach ihren Früchten ein, sie schreibt bereits der B u ß leiftung selbst den W ert eines menschlichen Verdienstes zu; darum wird sie auch a ls eine menschliche Tugend bezeichnet, zu der der Christ insbesondere aufzu­ fordern ist: „Quare in primis monendi hortandique sunt fideles, ut omni contentione et Studio in intima animi poenitentia, quam virtutem dicimus, elaborent“ (Cat. Rom. p. 229 sq.).

D ie Berechtigung einer derartigen Forderung und M ahnung liegt fü r den römischen K atholizism us darin begründet, daß ihm das S akram ent der B uße a ls Quelle und W urzel aller menschlichen Heiligkeit, Frömmigkeit und G ottes­ furcht erscheint^), daß ihm der Akt der menschlichen B uße in seiner kirchlichen Gebundenheit und m it seinen Auswirkungen gleichsam M ittelpunkt des christ­ lichen Lebens und G laubens bedeutet. W olle« w ir neben diesen theologisch-dogmatischen A usführungen noch ein Beispiel au s dem mehr praktischen Schrifttum heranziehen, so zeigen uns die Exercitia spiritualia, daß auch bei Ig n a tiu s die B uße als solche ihre hervor­ ragende S tellung bewahrt. Ih re Bedeutung wird hier allerdings — dem aktiven Fröm m igkeitstyp des Ig n a tiu s entsprechend — vor allem an f dem Gebiet der catum fuerit, quantum ex ea utilitatem capiamus. Vere enim de poenitentia illud dici posse intelligent, eius quidem radices amaras, fructus vero suavissimos esse.“ m ) Schilling: „G rundriß der Moraltheologie", 2. Aufl., S . 166. 132) Vgl. Cat. Rom. p. 245 sq .: „Hactenus de contritione: nunc ad confessionem . . . veniamus. Quantum vero curae et deligentiae in ea explicanda ponere Pastores debeant, ex eo facile intelligent, quod Omnibus fere piis persuasum est, quidquid hoc tempore sanctitatis, pietatis et religionis, in Ecclesia summo Dei beneficio conservatum est, id magna ex parte confessioni tribuendum esse . . vgl. dazu auch die sich anschließende Polemik gegen die R eform ation: . ut nulli mirandum sit, humani generis hostem, cum fidem Catholicam funditus evertere cogitat, per ministros impietatis suae et satellites, hanc veluti Christianae virtutis arcem totis viribus oppugnare conatum esse.“ I n diesem Passus spricht sich implicit, wenn auch vielleicht nicht voll bewußt, ein gutes Verständnis für die Tatsache a u s, daß sich an der Auffassung von der Buße die Wege der beiden Kirchen endgültig scheiden mußten. An diesem Punkt wird nämlich in der kirchlichen „Praxis" unmittelbar anschaubar, w as die reformatorische Lehre von der iustificatio sola gratia und sola fide bedeutet gegenüber der römischen Formel „non sine gratia“. Abänderungen und Verschiebungen in der reformatorischen B ußlebre bedeuten daher im Endeffekt nichts anderes a ls eine Aufgabe des sola gratia und des sola fide und eine mehr oder minder starke Annäherung an die römisch-katholische Bußlehre und damit zugleich auch an die katholische Theologie und Kirche insgesamt. Vgl. auch oben S . 166, Anm. 119.

Heiligung deö christlichen Lebens gesehen; dieser Zug tritt deutlich hervor, wenn gesagt w ird: „Hoc est fundamentum ad reformationem et correctionem totius vitae“ (a. a. O., p. 364J.

Die menschliche Bußleistung ist darum sowohl in ihrer einmaligen Gestalt deö Examen generale wie auch in ihrer gewöhnlichen Form eingeordnet in den streng durchdachten und fest geregelten Ablauf deö jesuitischen Ecercitiumö. Ale bewegende K raft sieht auch hinter ihr der Gedanke, der nicht nur die ignatianischen Übungen, sondern letztlich den römischen Katholizism us insgesam t — und zwar in Lehre und Frömmigkeit — p räg t: „Homo creatus est, ut landet Deum . . . et . . . salvet animam suam“ (Jgn, Exerc. spir. P . 5 1 ).

Ohne noch einmal auf die in Frage kommenden Punkte im einzelnen eingehen zu können, werden die voranstehenden Ausführungen zur römisch-katholischen Bußlchre genügend verdeutlicht haben, daß sich die Bußanschauung der lutheri­ schen Gesangbücher des 17-/18. Jahrhunderts in mancherlei Hinsicht in einer höchst auffälligen und beunruhigenden Nähe zur beschriebenen Lehre und P raxis des Katholizism us bewegt. D er Gedanke an die menschlichen Buß-Akte, die A usführungen über die „W irkungen" der B uße, die Zusammenschau von B uße und „gutem Vorsatz", B uße und „heiligem Leben", die B etonung des Eigen­ wertes und der hohen Bedeutsamkeit der Buße — alles das w ar uns auch in den „evangelisch-lutherischen" Büßliedern begegnet. J a , selbst die dogmatische E ntfaltung der reformatischen Bußanschauung sahen w ir sich int 17. und frühen ih .Ja h rh u n d ert weitgehend auf derselben B ahn bewegen. A uf dem H intergrund dieser Beobachtungen haben w ir darum im folgenden zusammenfassend danach zu fragen, welche Rückschlüsse die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen der Kirchenlieddichtung einerseits und der protestantischen D ogm atik, dem evan­ gelischen ErbauungSschriftum und der katholischen Lehrdarstellung andererseits zulassen und welcher Gewinn aus unseren Ausführungen über die Bußanschau­ ung innerhalb des Gesangbuches unseres Zeitraumes für die Fragestellung unserer Arbeit zu ziehen ist133). f) Zusammenfassung W enn man die Bußliederdichtung aus dem lutherischen Gesangbuch des 17./18. Jahrhunderts insgesam t überblickt, so ist ihr Eines gem einsam : diese Dichtung läß t zwar noch manches, u. U. auch ziemlich viel, von dem anklingen, w as Luther über die Gnade G ottes und die B uße deö Menschen wieder au s der Schrift zu lesen gelehrt hatte, ihr eigentlicher Quellort liegt jedoch in dem Eifer des um sich selbst besorgten und um sich selbst bemühten Menschen. 3 n diesen Liedern ist es der in einem fragw ürdigen S in n selbstbeteiligte Mensch, der zum Nachvollzug der B uße aufgefordert oder der au f seinem Bußprozeß begleitet w ird. An eben dieser Stelle liegt der G rund dafür, daß das lutherische Gesangm ) Zum Abschnitt „Buße und .Verdienst Christi'" vgl. unten S . 299 ff.

buch des i". und i8. Jah rh u n d erts mehr von der B uße als von der S ü n d en ­ vergebung und Rechtfertigung zu sagen weiß. Aus demselben Grunde mußte cs sich aber auch so unheilvoll auswirken, daß die Buße vom Ende des 16. J a h r ­ hunderts ä n 134) in kirchlicher Lehre und christlichem Leben — z. T . unmerklich, z. T . bewußt gefördert — in den M ittelpunkt des Denkens und H andelns ge­ rückt worden w ar. D enn wo der Mensch nicht allein vor G ott und dessen Urteil und Barmherzigkeit gestellt erschien, da mußte die m ortificatio in der B uße zur „ S e lb st-^ v itilic a tio ", zur „Selbstkreuzigung" und „Selbstdem ütigung", und die vivificatio in der B u ß e 433) zur „Selbstheiligung", zur „Besserung" in neuen bona opera werden. I n d ie s e r Form gehören aber m ortificatio und vivificatio nicht mehr eigentlich zum G lauben, sie sind vielmehr zu M itteln fü r das S elig ­ keitsstreben des Menschen geworden, wobei ihr Charakter a ls eines zu hand­ habenden M ittels einerseits darin liegen kann, daß die B uße des Menschen zu einer V orstufe des christlichen Lebens erklärt wird, andererseits darin, daß sie selbst völlig zu einem eigenständigen und nahezu eigenwirksamen Werk er­ hoben wird. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß die Bußanschauung der Gesang­ buchlieder nicht isoliert fü r sich dasteht. W ir sahen, wie sie in ihren wesentlichen Zügen der Entwicklung der orthodoxen, pietistischen und srühaufklärerischen Bußlehre p arallelläuft, ohne jedoch deren korrigierende und hemmende Faktoren mit aufzunehm en. D abei sind es offenbar die synergistischen Elemente der Theo­ logie M elanchthonS und seiner Schüler gewesen, die einer Überfremdung der Bußanschauung in der kirchlichen Literatur und der gemeindlichen P raxis die T ü r geöffnet haben. A ls Folgen dieser Entwicklung zeigen sich die W iederaufnahme mittelalterlich-mystischer Gedanken, z. T . in spezifisch pietistischer Um form ung, und der ganze Aussagenkomplex, der von der katholischen Lehre über das B u ß ­ sakrament und von seinen Wirkungen auf die Fröm m igkeitshaltung der katholi­ schen Christen ausgeht. W as hat aber diese Entwicklung selbst zu sagen? Auf diese Frage kann u ns kaum ein anderes kirchliches Dokument eine so eindeutige A ntw ort geben wie das evg.-luth. Gesangbuch des 17-/18. Jahrhunderts. Hier zeigt sich in aller D eu t­ lichkeit, wie die christliche Lehre von der B uße aus dem Bereich der Verkündigung und des evangelischen G laubens in das Gebiet einer menschlichen Fröm m igkeits­ übung und Fröm m igkeitshaltung verschoben worden ist. W eil die kirchliche Rede von der B uße offenbar nicht mehr das Ganze des christlichen Lebens zum A us­ druck bringen konnte, weil die theologische Lehre sich in abstrakten Definitionen erschöpfte oder selbst schon fremde Elemente in sich aufgenommen hatte, darum mußte m it innerer Notwendigkeit jener Weg beschritten werden, der den M en­ schen — sei es in seiner irdischen Vorfindlichkeit, in seinem psychisch-emotionalen I3‘) B ei dieser Datierung ist vor allem an die Traktatliteratur gedacht, ebenso an Gesangund Gebetbücher. I n der rein theologisch-systematischen Literatur ist dagegen — wie gezeigt wurde — bis a u f Melanchthon zurückzugehen. m ) Allerdings ist zu bedenken, daß z. T . Buße auch lediglich mit der mortificatio identi­ fiziert wird.

Reagieren oder in seinem sittlichen Agieren — zum Ausgangspunkt und ebenso zum Zielpunkt der Betrachtung machte. Dadurch konnten die Büßlieder nun nicht mehr zugleich Rechtfertigungslieder sein, darum blieben in ihnen „ G ö tt­ liches" und „Menschliches" in einer seltsamen Unverbundenheit und Unverbind­ lichkeit nebeneinander stehen. Zugleich ließen sie damit aber auch ein allgemein gültiges theologisches EntwicklungS- und Strukturgesetz erkennen. Es wurde nämlich deutlich, daß ein Bereich menschlicher Frömmigkeit dort der G efahr einer Rekatholisierung ausgesetzt ist, wo er verabsolutiert wird und damit seines eigentlichen Mittelpunktes — des Gnadenwortes Gottes in Jesus Christus und der Glaubens- und Heilögewißheit des Menschen — beraubt ist. A u f Grund unserer Beobachtungen und Untersuchungen mußten w ir zu dem Schluß kommen, daß die Büßlieder aus dem Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts ein sprechendes Zeugnis dafür sind, daß „reformatorischer" Glaube und „refcrm atorische" Frömmigkeit einer rekatholisierenden Frömmigkeit zu weichen beginnt. D ie B üßlieder stellen neben den Heiligungsliedern den e in e n umfassenden Bereich im Gesangbuch der damaligen Zeit dar, in dem die Frage nach „Theo­ logie und Frömmigkeit" wirklich aufgebrochen und in ihrer Problem atik an­ schaubar geworden if i136). § 13. E x k u r s Z u r A n t h r o p o l o g i e in der G c s a n g b u c h d i c h t u n g 1. D e r B e g r i f f d e r S e e le u n d d e r G o t t c o e b e n b ild li c h k e it in den B ü ß l i e d e r n

Unsere Untersuchung machte an verschiedenen Stellen darauf aufmerksam, daß der größte T e il der Bußliederdichtung des 17./18. Jahrhunderts offenkundig von dem Ziel und Anliegen bestimmt ist, dem Menschen sein Sündenelend und seine Sündenschuld recht anschaulich und unentrinnbar zu machen. Demselben Zweck dient ein anderer W eg, auf dem Sündenerkenntnis daraus erwachsen soll, daß dem Menschen W ert und A rt der u n v e r d o r b e n e n menschlichen Seele, seine Gottesebenbildlichkeit oder überhaupt ein B ild seiner besseren, höheren, inneren K räfte vor Augen gestellt wird. Auch in dieser Hinsicht geht wieder Johann Heermann der lutherischen Gesang­ buchdichtung voran1). Dieser Dichter stellt z. B . sein Lied: “ *) V g l. a ls eine besonders treffliche Illu s tra tio n und Zusammenfassung unserer A u s ­ führungen den V e r s , der sich a ls Zusatzstrophe zu dem bekannten Pfingstlied von P a u l G e rh a rd t: „Zeuch ein zu deinen Toren . . ." in der von Johann Heinrich Feustking 1707 ausgefertigten S a m m lu n g : „ P a u li G erhardi Geistreiche H a u s - und Kirchenlieder" findet: „ A u f B uße fo lg t der G nadena u f Reu der Freudenblick, sich bessern heilt den Schaden, fro m m werden bringet Glück . . . "

( F T I I I , 4 1 3 ,1 1 )

*) D ie aufschlußreiche und wegweisende Bedeutung der geistlichen Liederdichtung Jo h an n Heerm annS tr a t schon an mehreren S te lle n unserer Untersuchung hervor. S ie ist in vielen Zügen 11. E . überhaupt bezeichnender fü r das 17. Jahrhundert a ls die Gesänge P a u l G erhard ts.

„WaS willst du armer ! der alles hätt vergessen, der nichts wüßt als Gott allein, dessen Güte unermessen macht das Herz still, ruhig, rein.

(2 1 1 / 2 )

O ! wer doch gar wär ertrunken in der Gottheit Ungrund-See, damit wär er ganz entsunken allem Kummer, Angst und Weh.

(2 1 1 / 3 )

O ! der alles könnte lassen, daß er frei vom eitlen All . . .

(2 1 1 ,4 )

O ! daß wir Gott möchten finden in uns, durch der Liebe Licht und uns ewig ihm verbinden, außer ihm ist eitel nicht.

(2 1 1 /6 )

O du Abgrund aller Güte! zeuchst durchs Kreuz in dich hinein Geist, Seel, Herz, Sinn und Gemüte, ewig mit dir eins zu sein."

(2 1 1 / 8 )

Auch im Herrnhuter Gesangbuch begegnen uns Zeilen desselben S in n es, wenn es z. B . heißt: „Als ich das Nichts nahm wohl in Acht, und mich darein ergeben, ward ich zum rechten Ziel gebracht, wonach ein Christ muß streben, und wurde lebend in dem Tod, o Wunder über Maßen! Ich kriegt das höchste Gut in Gott, so bald ich mich verlassen."

(220, i ) M)

I n dieser Weise finden w ir also auch den Gedanken des Entwerdens und der mystischen Versenkung in daö Nichts in der Kirchenlieddichtung des 17./18. J a h r­ hunderts belegt. A ls zusammenfassenden Abschluß unserer Darlegungen über den Liederkomplex der quietistisch en IIm o-M ystik wollen w ir uns m it einem Liede beschäftigen, das sich dadurch auszeichnet, in der Form des damals so be” ) ES ist hervorzuheben, daß sich solche Gedanken durchaus nicht nur bei Vertretern extremer theologischer „Richtungen" finden. Vgl. dazu z. B . aus dem Liedgut des, früheren „kirchlichen" Pietismus die Zeilen: „Auf, Seele und schwinge dich über den Sinn, und suche den Willen in Jesu zu stillen, mir ist die Entblößung de6 Geistes Gewinn . . . "

(171, 5)

liebten W echselgespräches^) die ganze S tu fe n fo lg e des mystifch-quietistifchen H eilsw eg es zu behandeln und anschaulich zu machen. Nach der A nschauung jenes Liedes beginnt ein solcher H eilsw eg m it der S e lb st­ überw indung des M enschen und der A u stilgu n g seiner Eigenheit: „O Jesu, lehre mich, wie ich dich finde, und mich durch dich, mein Heit, stets überwinde, wie ich die Eigenheit und alles Leben, das sich noch selber sucht, mög übergeben."

(192, 1)

D er Fortgang a u f dem begonnenen W ege wird durch das Stichw ort „G elassen­ heit" m arkiert: „Steh in Gelassenheit. . . ergib dich gänzlich mir . .

(192, 2)

Zum Akt der S elb stau fgab e und zum „S teh en " in der Gelassenheit bat das Leben in der G elassenheit wie die Versenkung in den G rund der S eele hinzuzu­ kom m en: „Du mußt alleine mir gelassen leben und meiner Wirkung dich ganz übergeben, im Grunde deiner Seel in mich versenken . .

(192, 4)

I n diesem Fortschreiten des Menschen m it seinem Z iel: „ . . . baß du dein Bild in mir mögest gestalten . . ( 1 9 2 ,

5)

geht es aber noch einen S chritt w eiter, w enn der Dichter J esu s sagen lä ß t: „Wenn du läßt deinen Grund von Gott bereiten und gehest von dir aus auf alle Zeiten, behältst nichts für dich in keinem Ding . .

(192, 6)

An dieser S te lle m eint der S ä n g er unseres Liedes, bereits sein I ie l erreicht zu haben, so daß er bei dieser V orstellung in die W orte ausbricht: „Wie wird eS mir, 0 Herr, alSdenn ergehen, wenn ich nun werd in dir gelassen stehen? Ich werbe ja in mir dich endlich finden und du wirst dich mit mir steundlich verbinden."

(192,7)

Doch er wird von seinem H eiland eines anderen belehrt: erst w enn die völlige Trostlosigkeit eingetreten ist: „ . . . denn, erst nehm ich hinweg, waS ich gegeben und lasse dich von Trost entblößet schweben."

(192,8),

erst w enn die „resignatio ad infernum“ vollständig durchlitten ist: „D a wirst du denn im Grunde erst recht gelassen, wenn du noch Gott, noch Trost, noch Gnad kannst fassen, wenn ich dir alles, was du hast, entziehe, und von dir als ein Gast entstemdet fliehe."

(192,10)

und endlich, erst w enn der Mensch sich se lb st gänzlich „entw orden" ist: „ J a , wenn du ganz von dir bist abgekommen, und, deiner selbst beraubt, dir bist entnommen . . . "

(192, 11),

•*) Wahrscheinlich ist auch schon diese Vorliebe für die Form des Wechselgespräches auf den Einfluß einer mystischen GeisteShaltung zurückzufübren.

erst dann, wenn diese Höhe der Entwicklung gewonnen, wenn diese S tu fe des Heilsweges erklommen ist, winkt dem Menschen die endgültige Verheißung und zugleich die E rfüllung seines V erlangens: „Siche, o liebe S e e l! so kannst du finden mich und dann dich durch mich selbst überwinden . . .

(1 9 2 ,1 2 )

O S eel«! folge mir, so soll« geschehen und wirst alSdcnn in mir noch Wunder sehen . . ( 1 9 2 , 1 4 )

K onnten w ir im vorangehenden Teil unseres Abschnittes ein reiches An­ schauungsm aterial darbieten fü r das Vorkommen einer llnio-M ystik quietistischer P rägung in der lutherischen Gesangbuchdichtung des zu behandelnden Zeit­ abschnittes, so haben wir im folgenden au f das Phänom en hinzuweisen, daß sich in denselben Liederbüchern ebenfalls Anklänge an die ek statisch e Form jenes mystischen Geistes aufzeigen lassen88). Ein solcher Niederschlag eines mystisch-ekstatischen StrebenS begegnet uns z. B . offensichtlich in den folgenden Zeilen: „Ich dringe zu seinem Gezelte hinein, ich w ill mich befleißen, durch alles zu reißen, w a s mir im Durchbrechen w ill hinderlich sein . . . "

( 1 7 1 ,9 ) - )

I n diesen Bereich führen ebenfalls die häufig vorkommenden W endungen vom E rringen des höchsten G utes, vom Eindringen in G ottes Reich oder vom Ein­ dringen ins göttliche SBefen*8). Lassen sich zw ar ein Teil dieser Aussagen und V orstellungen auch in der erotischen Jesusmystik wie in der einseitig betonten Heiligungsfrömmigkeit mancher Gesangbuchlieder nachweisen, so ist bei ihnen trotzdem stets ein ausgesprochen mystisch-ekstatischer Einschlag anzunehmen. Zum Abschluß unserer A usführungen über die Form en und über die A rt der klnio-Mystik in der lutherischen Gesangbuchdichtung des 17-/18. Jah rh u n d erts haben w ir uns die Frage vorzulegen, welche Gedanken und Vorstellungen die behandelten Lieder bringen, wenn sie sich ausführlicher m it dem Z ie l des mysti“ ) Anzumerken ist allerdings, baß baS Vorkommen von Gcbankcngängen a u s dem Bereich der ekstatischen VercinigungSmystik in der lutherischen Gesangbuchbichtung begrenzter ist a ls die AuSbruckSformen einer quietistischen Mystik. An manchen S tellen werben dagegen beide Formen, die überhaupt schwerlich streng zu scheiden sind, deutlich miteinander verquickt, vgl. dazu z. B . N r. 171. ’*) V g l. z. B . auch: „A uf, au f, mein Geist! Ermüde nicht, dich durch die Macht der Finsternis zu reißen . . . " M) V g l. dazu z. B . 2 0 3 ,7 : „Dring ein in G o t t . . . wer aber sich mit G ott vereint . . ." 1 8 6 ,3 : „Kämpfe b is a u fs B lu t und Leben, dring hinein in G ottes Reich . . ." 1 8 3 , „Jesu, hilf siegen! . . . daß bei mir lebe beS Geistes Verlangen, aufw ärts sich schwingend durch heiligen Trieb! Laß mich eindringen in s göttliche Wesen . . . "

(1 7 5 ,8 )

schen H eilsw eges beschäftigen. W ir sahen bereits, daß sich die quietistisch geprägte Liedergruppe z. T . dam it begnügt, dieses Ziel der mystischen Sehnsucht und des mystischen S treb en s a ls ein endliches Zur-R uhe-K om m en der S e e le zu be­ schreiben. Zahlreiche andere geistliche Gesänge haben es jedoch unternom m en, jen es Ziel eingehend a ls die unio mystica, a ls den Akt oder die S ein öw eise der Verschm elzung von Menschlichem und Göttlichem zu würdigen und es m it vielen bewegten W orten und farbenreichen B ildern zu schildern. D ab ei wird von den anzuziehenden Liedern a u f der einen S eite die V ollendm ng des Menschen in der unio mystica a ls eine jenseitige, „eschatologische" angesehen, so daß sich ihre Interpretation des H eils-Z ieles kaum von derjenigen unter; scheidet, die auch im Bereich der Brautm ystik auftaucht. S ie erscheint in den Gesangbüchern vorwiegend in D ichtungen a u s frühpietistischer Zeit. A ls ein entsprechendes Beispiel können w ir eine Strophe von Francisci anführen, der seinen S än g er an (Sott96) die W orte richten lä ß t: „Schatz, du reizest mein Verlangen: ach, wann kommt der schöne Tag, Herr, daß ich dich einst umfangen und vollkommen schauen mag, daß, o meines Geistes Krone, ich vom eitlen Staube frei ganz mit dir vereinigt sei . .

(142, 6)

Auch in den folgenden S trophen von Scheffler bleibt das menschliche V e r ­ langen nach Verschm elzung und Aufgehen im G öttlichen auf eine j e n s e i t i g e E rfü llun g bezogen: „D u freudenreicher S tra h l! W ann wirst du mich verzücken und ganz und gar in dich und deinen Blitz eindrücken? W ann fällt das Fünklein, meine Seele, ins Feuer deiner Gottheit ein? W ann solls samt ihrer Leibeshöhle m it dir ein’ einge Flamme sein? D u ewges W ollust-Meer! Wann wirst du mich ertränken? W ann wirst du mich in dich m it Leib und Seel versenken? W ann wird mein Geist in dich zerfließen und seiner Liebe Lauf vollführn? W ann werd ich auch mich selbst nicht wiffen und ewiglich in dir verlieren?"

(149, 3)

(149, 4)

W enn jedoch diese beiden Stroph en bei dem Gedanken an das H eils-Z iel die „eschatologische" „Schranke" w ahren, so ist dagegen die Beschreibung dieses G u tes selbst derart vom mystischen Geist durchtränkt9?), daß sie sich in keiner ••) Es zeigt sich an diesem Beispiel zugleich, daß die lutherische Gesangbuchdichtung keines­ wegs nur die Gestalt des gottmenschlichen Heilandes in den Bereich ihrer mystisch-erotischen Aussagen und Vorstellungen einbezogen hat. 87) Die beiden Strophen Schefflers bieten ein wahres Kompendium mystischer Termini und Metaphern; so erscheinen als charakteristische Verben: verzücken, einfallen, ertränken, ver-

Weise mehr mit einer biblisch-reformatorischen Jenseitshoffnung verbinden läßt. D aß sie trotzdem in die lutherischen Gesangbücher Eingang und dort zahlreiche Nachahmer gefunden haben, wird verständlicher, wenn wir die Äußerungen der­ jenigen Dichter betrachten, die mit anscheinend großer Sicherheit und Überzeugt­ heit von einer solchen Einigung sprechen, die schon hier in der Zeit erbeten oder gar a ls erlebt geschildert werden kann. Eine Aussage dieser Art taucht unverkennbar z. B . schon in einem Liede au f, das noch vor der M itte des 17. Jahrhunderts gedichtet worden ist98). Sein e au f­ schlußreiche letzte Strophe lautet: „Die obre S tu fe , die man kann in diesem Leben treten an. senken, zerfließen, verlieren. . . , während a ls mystische Metaphern begegnen die Substantive: (göttlicher) S tra h l, Blitz, Seelen-Fünklein, Feuer der Gottheit, Wollust-Meer u. a. •8) A ls Dichter dieses Liedes, das die bezeichnende Überschrift ttä g t: „Lied von dem Weg zur menschlichen Vollkommenheit" zeichnet Georg Philipp HarSdörfer, ein bedeutendes M it­ glied des Pegnesischen DichterorbenS in Nürnberg. DaS Lied selbst erweist sich a ls besonders aufschlußreich fü r die eigenartt'ge geistig-religiöse S ituation jener deutschen Landschaft und ebenso jener Dichtergesellschast. Unverkennbar mystische Züge zeigen in dem genannten Liebe die oben zitiette letzte, wie auch schon die folgende erste S tto p h e: „Ach, milder G ott, begnade mich, . . . Erneu mein Herz und nimm mich m ir . . . Dein W ill sei mein W ill fü r und fü r, so daß ich mich in dir verlier."

(1 2 7 ,1 )

Daneben läßt sich ein offenkundig „pietistischer" Einschlag feststellen in seinen Gedanken über Weltverleugnung und HeiligungSstreben: „Wie gerne wollt ich hinter mir, w as irdisch ist, vergessen hier und G ott allein anhangen! Wie gerne wollt ich GotteS Ehr und w as gemäß ist seiner Lehr ohn allen Ruhm erlangen, au f daß die höchste Heiligkeit erleuchte mich zu aller Zeit."

(1 2 7 ,4 )

Zwischen diesen mystisch-pietistisch klingenden Versen erscheint jedoch in unserem Liede plötz­ lich eine Sttophe, die sich besonders in ihren Schlußzeilen auffallend „vernünftig", erstaunlich „aufilärerisch" g ib t: „DaS gute Werk, bas ich vollbring, ist ein gefügter Kettenring, von GotteS Gnad umschlossen. Ich tue nun, so viel ich wollt, so tu ich doch nicht, waS ich soll: die Schwachheit ist verdrossen, doch nimmet G ott den Willen an, wenn man nur leistet, w as man kann." (127, 2) Mystischer, pietistischer und frühaufllärerischer Geist zu einer Einheit verschmolzen — daS ist das B ild, daS uns das behandelte Lied vermittelt. Es bildet damit eine weitere tteffliche I l lu ­ stration zur geisteS- und literargeschichtlichen wie auch theologie- und ftömmigkeitSgeschichtlichen S ituation der lutherischen Gesangbuchdichtung im 17./18. Jahrhundert.

ist: G ott vereinbart werden. D ann weiß man nichts mehr, als von Gott und achtet man für eitlen S p o tt die Nichtigkeit der Erden. Daö ist der Frommen höchster R ubm : vollkommen fein im Christentum."

(127, 5)

I n der Folgezeit hat eö im Gesangbuch der lutherischen Kirche des 17.Z18.Jahrhunderts nicht an zahlreichen Versuchen gefehlt, diese„obre S tu fe " im „Christen­ tu m " und d. h., diese „V ereinbarung mit G o tt" inhaltlich zu umschreiben und dadurch dem Menschen recht eindringlich vor Augen zu führen. Z. T. werden in diesem Zusam m enhang Bilder aus der Brautmystik aufgegriffen, die hier aber ganz die Interessen einer Vereinigungsmystik zum Ausdruck bringen. K enn­ zeichnend dafür ist z. B . ein Lied von A. H. Francke, das „bekennt": „V om Feuer deiner Liebe glüht mein Herz, das sich entzündet, w as in mir ist, und mein Gemüt sich so mit dir verbindet, daß du in mir und ich in dir und ich doch immer noch allhier will näher in dich dringen."

(168, 3)

I n einer Überbietung der unio-mystischen Aussagen dieser S telle heißt es im gleichen Liede w eiterhin: „Und weil das ö l des Geistes ja ist in mir auSgegossen, du mir auch selbst von innen nah, und ich in dir zerflossen, so leuchtet mir deS Lebens Licht . . ."

(168, 5) Vom „Sich-V erlieren" und vom „Zerfließen" in der G ottheit als dem Ziel des mystischen H eilsweges sprachen auch schon die zitierten S trophen von HarSdörfer und S cheffler^). D am it haben sie die u n io m y s tic a in denselben Bildern dargestellt, die einst auch die mittelalterliche Unendlichkeitsmetaphorik gebraucht hatte. I n jenen Vorstellungskreis gehören ebenfalls die folgenden Gesangbuch­ zeilen: „£>! wer doch wär gar ertrunken in der Gottheit Ungrund-See, damit wär er ganz entsunken allem Kummer, Angst und Weh."

(211, 5)

„W ir können in der Tief und Höh nicht M aß noch Grenze spüren, die Läng und Breit ist eine See, darin wir uns verlieren . . , " 100)

(187, 7)

oder Strophen w ie:

Andere Liederdichter beschreiben dagegen die u n io m y s tic a als ein „SichP aaren " von G ott und Mensch im In n e rn der menschlichen Seele. An diesem S in n e heißt es z. B .: " ) V gl. oben S . 274 u. 275, Anm. 98. 10°) Zur Gottesvorstellung dieser Lieder vgl. den Exkurs unten S . 279 ff.

„Laß mich mit Lust und willig scheiden von allem, da du bist zu meiden: in deiner tiefverborgnen Art bleib innerlich mit mir gepaart."

(155, 6)

Derselbe Gedanke wird auch ausgesprochen mit den W orten: „ S o bald der Kreaturen Dunst ich floh und ganz ließ fahren, da konnt mein Geist voll Liebesbrunst sich m it dem Schöpfer paaren."

(220, 2)

Daneben fassen Gesangbuchdichter die Bitte um Vereinigung mit Gott in die Metapher, Gott möge sich in den Menschen einsenken, er möge sich in seiner Seele oder in seinem Geiste niederlassen, so daß etwa formuliert werden kann: „ . . . denn läßest du dich in m ir nieder, so find ich meine Seele wieder."

(1 7 2 ,1 1 )

oder auch: „Die Seele, welche G ott ergreift, in die er sich gesenkt, [fcte wird m it Güter ü b e rh ä u ft. . ."

(1 9 6 ,8 )101)

Endlich wird in den geistlichen Liedern unseres Zeitabschnittes auch ganz ohne Umschreibung und ohne Bildsprache von der unio mystica gehandelt. I n diesem Zusammenhang ist z. B . auf die unio-mystische Modistkation der mittelalter­ lichen Liebesformel „ich bin dein, du bist mein" hinzuweisen, wie sie in den charakteristischen Zeilen eines Arnoldschen Liedes erscheint: „ . . . dich zieh ich selbst in mich und du zeuchst mich in dich . . ."

[(212, 3)

Hierher gehört ebenfalls die ganz und gar spekulative $orm 108) der Ber­ einigungsmystik, die sich z. B . in einem Liede von Knorr von Rosenroth wider­ spiegelt: „Laß ferner, w as ich bin au f Erben, mit deinem S ohn erfüllet werden . . .

(1 5 5 ,7 )

S o kommt mein Werk denn a u s der Höhe, wenn ich in neuer Schöpfung stehe . . .

(155,9)

So und mit und

werd ich eins mit deinen Kindern deine Wirkung nie verhindern: ihnen eins und eins mit dir deinem S ohn, der ganz in mir.

K 155,10)

m ) Derselbe Gedanke kann auch in der Form auSgesprechen werben, daß der Mensch die unio a ls ein eigenes „Sich-Einsenken in G ott" erbittet. Vgl. dazu z. B . : „O selig und vollkommen sein, die dich zum besten Teil erwählen, bis sie in dich gesunken ein.".

(212, 4)

10*) Dabei ist anzumerken, daß das zitiette Lied von Rosenroth eben um dieser spekulativen Form wegen nicht unbeanstandet geblieben ist, während die dahinter stehende I 7nio-Dorstellung sonst allenthalben unangefochten ausgesprochen werden konnte. Im m erhin hat auch dieses Lied in zahlreichen pietistischen und einer Anzahl von anderen Gesangbüchern Aufnahme ge­ funden.

S o werd ich irricf) denn endlich scheiden von Ichheit, Zweibeit und von beiden: ich werd Ein-all und All-Ln-ein, recht ich und einö und alles sein."

(155, 1 1 )10:r)

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch eine S telle aus dem Herrnhuter Gesangbuch, in der wir auf eine wiederum andersartige Interpretation vom Wesen der unio m ystica stoßen: „D ies wird geschehn, Herr Jesu Christ, wenn du ein Mensch geboren bist in m ir, und deine Gottheit sich genädiglich herniederlaffen wird in mich."

(224, 11)

Geistliche Vereinigung im mittelalterlichen S in n der Gottgeburt in der Seele das ist offensichtlich die Vorstellung dieses unbekannten Liederdichters aus der Vrüdergemeine. E s muß jedoch betont werden, daß diese Anschauung nicht nur an jener S telle auftaucht. Nahverwandte Gedanken bringen auch andere G esang­ bücher. Wir begegnen ihnen z. B . in aller Deutlichkeit in den folgenden S tro p h en : „Die Seele, welche G ott ergreift, in die er sich gesenket, die wird mit Gütern überhäuft, ihr seine Güte schenket: er selber ist ihr reiches G ut, wobei ihr nichts mehr nötig tu t, a ls daß sie sein genieße:lw ) je mehr sie Welt und Sünde haßt, je lieber wird ihr dieser Gast, und alles B ittre süße.

(196, 8)

Er ist daö Wesen und kein B ild, daö klarste Licht, kein Schatte, sie wird bis oben angefüllt, der M angel, den sie hatte. 103) Auch die sich anschließenden Strophen deö Liedes setzen jene mystisch-pantheistischcn Spekulationen fort. Die Schlußstrophe bringt jedoch in einem seltsamen, in gleicher Weise aber schon oft beobachteten Bruch der Gedankenführung die höchst praktische Anwendung: „ I h r Menschen, laß t euch überbitten, verlaßt, w as arg, liebt Lute S itte n : erwählt daö Beste, weil ihr seid, nehmt R at an, eS ist hohe Zeit!"

(155, 16)

Beachtenswert ist ferner das Phänom en, daß unser Lied a ls Ganzes die Überschrift führt: „Aufm unterung zur göttlichen Vollkommenheit." 1M) AuS dieser Liedzeile ist zu ersehen, daß im Kirchenlied jener Zeit neben dem Gedanken von der Einigung deö Menschen mit G ott der andere vom „Genießen G ottes" auftauchen konnte. Dabei handelt eS sich zweifellos um dasselbe M it- und Nebeneinander, daS sich auch im M ittel­ alter mit seiner „mystischen" Lehre von der „unio cum Deo“ und seiner „scholastischen" Lehre von der „fruitio Dei“ erkennen läßt. Auf die Verwendung deS Gedankens von der fruitio Dei im Kirchenlied unserer Zeit wurde nicht gesondert eingegangen, da er in d ie se r Form nur an vereinzelten Stellen vorkommt; in der Regel begegnet der Begriff der fruitio in Beziehung auf Christus, auf seine Person und sein Werk.

wirb hier mit Überfluß ersetzt, sie wird mit Wollust stets ergötzt, je mehr daS Fleisch verlieret, je mehr gewinnt sie an dem Schatz, der Armut höchsten Gegensatz, den sie in sich verspüret. Bedenket sie, w as in ihr ist, so wird sie schier verschlungen, wodurch sie ihrer selbst vergißt, kein Ausdruck aller Zungen stellt solche Höh und Größe für, waö sie hat, ist auch außer ihr und kann von keiner Erden, vom Him m el, noch vom W eltgebäu (gesetzt, daß dies unendlich sei) nicht eingeschlossen werden."

(196, 9)

(1 9 6 ,1 0 )

I n diesem letzten abschließenden Beispiel faßt sich zusammen, w as wir als Ergebnis aus den Darlegungen dieses Abschnittes zu entnehmen haben: viele lutherische Kirchenlieddichter sahen wir von der zweiten Hälfte des 17. Jahr­ hunderts an mit solch mystischer Glut und solch affektiver Emphase von der unio m y s t ic a , von der geistlichen Einigung zwischen Mensch und Gott reden, daß wir an ihren Liedern ablesen können, wie stark und wie tief mystisch-scholastische Vor­ stellungen im lutherischen Protestantismus des 17. und beginnenden 18. Jahr­ hunderts von neuem verwurzelt sein mußten105). § 16: Exkurse 1. D ie V o r s t e llu n g v o n „ G o tt" u n d „G eist" in der G e s a n g b u c h b ic h tu n g

Untee dem Einfluß mystischer Gedanken h. ben sich im lutherischen Gesang­ buch des 17./!8. Jahrhunderts nicht nur das Verständnis über den Menschen und seinen Heilsweg geändert. I n gleicher Weis- wurde hier auch die G ottes­ anschauung in den bedeutungsschweren Umwandlungsprozeß des biblischreformatorischen Gedankengutes durch eine von derMystik her geprägte Vor­ stellungswelt einbezogen. 106) Über den Niederschlag der Liederthemen von der unio mystica und von der Brautmystik im G esangbuchaufbau ist folgendes anzumerken: fast alle pietistischen Gesangbücher ent­ halten eine Liedergruppe „V on der geistlichen Vermählung", die sowohl die Lieder au s dem Bereich der Brautmystik wie auch au s dem der lmio-M ystik bringen (vgl. z. B . die Gesang­ bücher Berlin (Schichtiger) 1704, Freylinghausen 1706, B erlin (Porst) 1713, Nürnberg 1719, Berlin (Carstedt) 1725 u. a.). Einige Gesangbücher führen auch die Rubrik: „V on der Ver­ einigung mit Gott" (z. B . Görlitz 1729) oder „V on der Vereinigung mit Jesu" (z. B . Cleve 1701, Bergischeö Gesangbuch 1701). Daneben begegnen in den meisten dieser Gesangbücher die Liedergruppen: „V om Verlangen nach G ott und Christus" oder „V on der Begierde zu Gott und Christo". D a s Herrnhuter Gesangbuch scheint das B ild eines mystischen HeilswegeS vor Augen zu haben, wenn es seine Lieder unter die einander folgenden Rubriken ordnet: „V on der völligen Übergabe", „V on der S tille und Ruhe des Herzens", „V on der Vermählung mit Christus", „V om verborgenen Leben mit Christus in Gott" und „V on der Klarheit der offen­ barten Kindschast".

F ür die Reform ation w ar einst die G otteslehre darin „faß b ar" geworden, Daß sie G ott allein in seiner Offenbarung als V ater Jesu Christi erkennen und an­ sehen lehrte*) und daß sie den G lauben als den alleinigen W eg, sich G ott zu nähern, beschrieb^). Dabei legte sie diesem G lauben an den in Christus geoffen­ barten und sich im Rechtfertigungsgeschehen dem Menschen zuneigenden G o tt die volle Gewißheit und die ganze Fülle der Erkenntnis bei. Wenden wir uns von der reformatorischen G otteslehre au s den lutherischen Gesangbüchern zu, so stoßen w ir in den im vorangehenden Abschnitt behandelten Liedern auf eine grundlegend andere G ottesvorstellung. S ie zeichnet sich vor allem durch ihren Absolutheitöcharakter aus und verrat dam it ihre Verwamdtschaft sowohl mit dem scholastischen wie mit dem mystischen G ottesgedanken des M ittelalters. I n einem kurzen Überblick wird unsere Untersuchung im folgenden zusammenstellen, welche Begriffe und M etaphern die protestantischen Liederdichter aufgegriffen haben, um ihre Gottesanschauung darzustellen. Besonders frühzeitig und zahlreich taucht in den Gesängen unseres Zeitraum es dort, wo auf G ott hingewiesen werden soll, die Redewendung vom „ewgen G u t" oder vom „wahren G u t" auf. S o heißt es z. B . schon am Ende des 16. J a h r ­ hunderts in einem Lied von R in g w ald t: „Verlaß dich nicht auf irdisch Ding, alls zeitlich Gut verschwind gering, darum der Mensch ganz weislich tut, der allein sucht daö ewig Gut."

(20, 20)

Wie bei Dichtern späterer Jahrzehnte, so begegnet dieselbe Vorstellung z. B . auch bei P a u l G erhardt, wenn er in seinem bekannten Liede „ I s t G ott für mich, so trete gleich alles wider mich . . . " (9 5 ,1 ) schreibt: „ . . . das machet, daß ich finde das ewge, wahre Gut . . ."

(95, g )**3)

Lenkt diese W endung deutlich au f den patristisch-scholastischen Begriff des zurück, so führen andere Liedaussagen ebenso deutlich in mystische Gedanken ein. I n diesem Zusam m enhang ist an erster Stelle an das B ild von G ott als dem M e e r , als der S e e zu erinnern4). Ih m begegnen wir z. B . in den folgenden Liedzeilen: „ s u m m u m bonunV

*) Vgl. dazu z.B. WTR 2,1490 (S . 112): „H alt dich nur an den Christum, extra Christum non est cognitio D ei. . . ideo Deus est nobis incomprehensibilis, incogitabilis. er witt nicht begriffen, er will ungefast sein extra Christum . . . Und bei dem Christo sold ir finden, wer ich bin und waS ich haben w ill. . . " und WA 28, 119: „Quia quis vult quaerere deus extra Christum, der feylet . . .". a) Vgl. dazu WA 40,1, 360: „Fides est creatrix deitatis“ und GK, B S 560: „Denn die zwei gehören zuhaufe, Glaube und Gott . . 3) Die Liedzeile von Paul Gerhardt ist in diesem Zusammenhang allerdings nur als ein Beleg für das V orkom m en deS genannten Begriffes zu werten. Die ersten Zeilen der zitierten Liedstrophe: „Der Grund, da ich mich gründe, ist Christus und sein B l u t : . . lasten erkennen, daß die eigentliche GotteSanschauung Paul Gerhardts hier durchaus in biblisch-reformatorischen Bahnen verbleibt. Vgl. dazu allerdings auch unten S . 281. 4) Vgl. dazu oben S . 270s., 274 und 276.

„Du ewgeS Wollust-Meer! nxmn wirst du mich ertränken . . „. . . eine See, darin wir uns verlieren . . . " „O! wer doch gar wär ertrunken in der Gottheit Ungrund-See . . ."

( 149/ 4 ) (187, n ) ( 211/ 3)

Besonders zu vermerken ist, daß selbst P a u l G erhardt an dieser M etapher nicht ganz vorbeigegangen ist. Er verwendet sie zw ar nicht, um G ottes Wesen, sein S ein dam it zu umschreiben; jedoch gebraucht er diesen mystischen T erm inus in drei verschiedenen Form en, um die G röße G ottes zu kennzeichnen: „Kein See kann sich so ergießen, kein Grund mag so grundlos sein, kein Strom so gewaltig fließen, gegen Gott ist alles klein . . ."

(100,9)

Demselben Vorstellungskreis wie die beiden eben genannten Begriffe ent­ stam m t auch der Gedanke von G o tt a ls dem A b g ru n d . I n unseren Gesangbuch­ liedern taucht er ebenfalls a u f: „Wenn ich mit Ernst hieran gedenke und mich in deinen Abgrund senke . . ."

(176,11)

Dagegen sprechen andere religiöse Dichter von G ott als dem „reinen Geist", so daß in diesem S in n e form uliert werden kann: „Es kostet viel, «in Christ zu sein und nach dem Sinn des reinen Geistes leben . . . "

(175,1)

Endlich macht uns die pietistische Liederdichtung m it zwei weiteren Um­ schreibungen des Gottesbegriffes bekannt, wenn w ir im Halleschen Gesangbuch z. B . lesen: „. . . den Geist laß in der Stille rasten, in dir und deiner Lebigkeit."

(212,2)

„ . . . doch kann ich nichts für bester preisen, als dich S elb st-S elb st, du Brot der Seelen..."

(212,3)

und: Die angeführten Beispiele mögen genügen, um zu verdeutlichen, wie die Gesangbücher des 17-/18. Ja h rh u n d erts in ihrem mystisch gefärbten Liedgut auch die Gottesanschauung nicht „rein" erhalten haben, sondern an ihrer Stelle ein reichhaltiges Repertoire von scholastischen und mystischen G ottesbildern dar­ boten. 3n diesem Zusammenhang haben w ir ferner vorausschauend") darauf hinzuweisen, daß diese Verkehrung der Gotteslehre nicht die einzige geblieben ist, deren sich das Gesangbuch im 17./18. Jahrhundert schuldig gemacht hat. Erfolgte in den bisher behandelten Liedern die Umwandlung des reformatorischen G ottesbildes in eine mystisch-unpcrsonale-absolute Gottesidee, so drohte in den Liedern von der „göttlichen Regierung und V orsehung" ein Abstieg in eine natü r­ lich-rationalistische und dam it wiederum in eine unpersonale Gottesvorstellung. 5) Vgl. dazu brs. unten S . 348 ff.

Beide Wege machen an ihrem Scheitern deutlich, daß echter G ottesglaube und personhafte Gottesanschauung nur möglich sind, wenn G ott der V ater durch und in seinem Sohne Jesus Christus erkannt und geglaubt wird. Die Aussage des voransiehenden Satzes erstreckt sich aber nicht nur auf die G otteslehre, sie muß auch auf die Anschauung vom G eist G o tte s ausgedehnt werden. Auch vom „G eist" darf nur im Zusam m enhang mit dem Zeugnis von der Inkarnation geredet werben67). Nach biblisch-reformatorischer Lehre und An­ schauung interpretieren sich die beiden Begriffe „Geist G o ttes" und „Geist Christi" gegenseitig. Diese enge Aufeinanderbezogenheit bewahrt zugleich davor, die Vorstellung vom Geist G ottes zu verflüchtigen, sei es einesteils einseitig ins Transzendente zu einer pantheistischen Geisteskraft, sei es anderenteils einseitig ins Im m anente zu einer sich im Christentum , in religiöser H altung und in sittlich­ moralischem Handeln manifestierenden K raft. Befragen wir das lutherische Gesangbuch des 17./18. Jah rh u n d erts nach seiner „Lehre" vom heiligen Geist, so stellen w ir zunächst au fs Ganze gesehen fest, daß seine Lieder auffallend wenig vom Geist G ottes zu sagen wissen. Ledig­ lich die häufig angehängten trinitarischen Schlußstrophen scheinen noch eine Art Ersatz für verlorenes reformatorisches Gedankengut zu bilden?). Andere Liedstellen, die zu nennen wären, sprechen in ähnlicher stark theologisierender und dam it zugleich unlebendiger Weise vom heiligen Geist oder vom Geist Gottes. Auch sie richten ihre Gedanken nur form elhaft auf die Dreiheit von G ott Vater, S o h n und heiligem Geist. Aufschlußreicher dagegen sind diejenigen — an Zahl noch w eitaus selteneren — Gesangbuchstrophen, die sich selbständig mit der Vorstellung vom Geist Gottes beschäftigen. An ihnen nehmen w ir durchweg die genannten Unsicherheiten in der Geistlehre und ihre Gefährdungen wahr. J e zwei Beispiele sollen aufzeigen, zu welcher Verkürzung der biblisch-reformatorischen Anschauung eine allgemeine, von der Christuöoffenbarung abgelöste Redeweise vom Geist auch im Kirchenlied geführt hat: „Ach, gib mir deinen guten Geist, daß ich die Laster fliehe und nur um das, was christlich heißt, von Herzen mich bemühe . . ."

( 72/10)

„. . . ein guter Geist uns auch regiert und zu der Himmelsfreude führt, wenn wir ihn nicht verhindern."

( 59, 2),

so heißt es auf der einen Seite. A us beiden S trophen ist zu erkennen, wie Uer der Geist Gottes zu einem H ilfsm ittel für das menschliche Tugendstreben inb 6) Vgl. dazu z. B . WA 39, 1, 389: „Nam vocamus spiritum s. plerumque eum, qiem nobis Christus a patre misit donum, ut esset noster vivificator, sanctificator etc.“

7) I . T. erwecken diese trinitarischen Schlußstrophen den Eindruck, alö hätten sie die Auf­ gabe, ein neues Gesangbuchlied mit manchen bis dahin noch nicht allgemein üblichen Gedarken ausdrücklich zu legit imiercn für den Gebrauch im Gemeindegottesdienst. Vgl. dazu auch urten S . 337 und 356, Anm. 28.

das menschliche Seligkeitsverlangen gemacht ist. Die andere Möglichkeit einer A uslegung der Lehre vom heiligen Geist stellen uns zwei Strophen aus Liedern von P a u l G erhardt vor Augen. I n ihnen heißt e s: „Meine S eele lebt in mir durch die süßen Lehren . . . G ott eröffnet früh und spat meinen Geist und S in n en , daß sie seines Geistes Gnad in sich ziehen können."

(9 7 ,1 0 )

und in einem anderen Zusam m enhang: „Geduld ist G ottes Gabe und seines Geistes G ut. Der zeucht und löst un s abe, sobald er in un s ruht, der edle, werte Gast . . ."

(92, 4)®)

An beiden Beispielen zeigt sich, wie in der Anschauung dieses wie auch anderer Liederdichter aus dem in Christus schaffenden und wirkenden Geist G ottes mehr und mehr eine innere Potenz des Menschen geworden ist. I m übrigen ist die bezeichnende Tatsache zu beachten, daß alle angeführten Liedstrophen aus Gesängen stammen, die in der ersten H älfte oder um die M itte deö 17. Jah rh u n d erts entstanden sind. Demgegenüber lassen sich in der Gesang­ buchdichtung späterer Jahrzehnte kaum noch S tellen finden, die ausdrücklich vom Geist G ottes a ls von der dritten Person der T rin ität redet. Wo in dieser Zeit trotzdem der Begriff „Geist" auftaucht, läß t sich eine fortschreitend wachsende Unklarheit und Undeutlichkeit der Aussagen beobachten. S ie kann sogar so weit gehen, daß nicht mehr sicher zu entscheiden ist, w as fü r einen Geist der Dichter eigentlich gemeint haben mag. Unter diesem Gesichtspunkt ist z. B . die folgende S trophe zu bedenken: „Wenn andere um ihre Hütt des Leibes halber sind bemüht: so laß mich au f den Seelengeist sehn allermeist und daß ich dir Gehorsam leist."

(224, 5)

Bei der In terpretation der zitierten Zeilen stehen wir vor der Schwierigkeit, aus ihnen herauslesen zu sollen, ob hier vom Menschen-Geist oder ob vom Geist G ottes die Rede ist. An dieser Verwechselbarkeil offenbart sich, wie die Kicchenlieddichtung der lutherischen Kirche eine völlige Vernachlässigung und endliche Auflösung der biblisch-reformatorischen Geistlehre bekundet. 2. D e r „ordo s a l u t i s “ in der G e s a n g b u c h d ic h tu n g u n d im G e s a n g b u c h a u fb a u

Die theologisch-systematische Arbeit der Orthodoxie hatte sich vor allem auf die A usbildung des Lehrstückes vom „ordo salutis“ erstreckt. Sn ihm hatte sie ®) V gl. dazu auch die W endung: „ S e in Geist spricht meinem Geiste manch süßeö Trostwort zu, . . ."

(9 5 ,9 )

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eine Art „protestantischer" P arallele zum mystischen ,,ordo salutis“ mit seinen verschiedenen O rdnungen und S tu fe n geschaffen Auch der P ie tism u s und die frühaufklärerische D ogm atik setzten — m it einigen A bw and lun gen — die B e ­ schäftigung m it diesem geschlossenen LehrkorpuS fort. B eson ders im Blick a u f die pietistische B ew egu n g ist hervorzuheben, daß sich ihr eigentliches systematisches und praktisch-religiöses A nliegen im m er mehr a u f jenen T eil der theologischen Lehre konzentrierte, so daß sie bald vorwiegend an d ie s e r S te lle die w ahrhafte „H eilslehre" zu finden meinte. Fragen w ir angesichts dieser theologiegeschichtlichcn Entw icklung danach, w a s im lutherischen Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrh un derts vom Gedanken des ordo salutis und von seinen verschiedenen aufeinanderfolgenden Lehrstücken zu finden ist, so haben w ir zwei Teiluntersuchungen anzustellen, indem w ir zu­ nächst d as Liedgut, sodann den A ufbau der Gesangbücher und ihren eventuell zum Ausdruck kommenden systematischen P la n betrachten. B leib en wir also zuerst bei den Gesangbuchliedern unseres Z eitraum es, so ist zu beobachten, daß in ihnen die Gedanken des orthodox-pietistischen „ordo salutis“ kaum eine R olle spielen. A ls ein w ichtiges T hem a begegnete uns zwar auch in der Liederdichtung des i 7 ./ i 8 . Jahrhunderts der Gedanke an B u ß e und Sündenvergebung propter meritum Christi. In n erh a lb der einzelnen Lieder w ird aber nirgends — etw a in der Form von ausgesprochenen Lehrgesängen, die a u f anderen Gebieten in jener Zeit durchaus noch zu finden sind — eine systemati­ sierende Zusam m enstellung jener A usführungen m it den übrigen Lehrstücken des ordo salutis erstrebt Auch für sich genom m en tauchen die wichtigsten Bezeich­ nungen dieser Lehrpunkte nur selten auf. D iese Feststellung w ollen wir mit einigen Einzelbeispielen näher belegen. D ie orthodoxen System atiker nennen in der R egel a ls das erste G lied ihres „ordo salutis“ die „illuminatio hominis“. I n der Gesangbuchdichtung dagegen erscheint das W ort E r le u c h tu n g nur ganz vereinzelt in W endungen wie „Herr, mein G o tt, erleuchte m ic h ..." . Solche Gedanken m einen außerdem offensicht­ lich nicht dasselbe, w a s der dogmatische T erm inus „illuminatio“ a ls die „donatio Spiritus sancti“ oder die „donatio virium credendi“ ausdrückt. Auch die Beschäftigung m it der Frage nach der B e k e h r u n g des Menschen tritt in der Gesangbuchdichtung — ganz im Gegensatz zu der B ed eu tu n g, die ihr be­ sonders der P ie tism u s beigelegt hat — auffallend zurück. I n den Gesangbuch­ liedern früherer Zeit wird das W ort Bekehrung in einem ganz allgem einen S in n e verwendet, wie z. B . in Form ulierungen: „Heut lebst du, heut bekehre dich . .

(31,6)

„. . . wo sich bekehrt der Sünder, erbarmst du dich . . . "

(86, 9)

oder:

und: .Schaue . . . doch auch seiner Güte Macht an dir, so du dich bekehren willst und besser lassen lehren."

(io:, 4)

Daneben wird in intransitiver Wendung dem biblisch-reformatorischen Ge­ danken Ausdruck gegeben, daß G o tt den Menschen bekehrt oder daß er ihn be­ kehren möge. Erst im Liedgut des Pietism us taucht an vereinzelten Stellen der Gedanke von der „rechten" Bekehrung auf. S o begegnen z. B . in polemischer oder in negativer Formulierung die folgenden Zeilen: „ . . . M an treibt die Sach auch allzusehr und sagt nur vom Bekehren . . ."

(159, 3)

„ . . . wer nicht die Quelle (sc. der Bosheit) leert und stopft den Brunnen zu, wird nimmer recht bekehrt und kommt niem als zur Ruh."

(162, 5)

und:

Auch in positiver Fassung taucht derselbe Gedanke im Sinne des „ordo salutis" auf: „ . . . Sob ald man sich bekehrt und aller Sünde wehrt, soll da« verheißne Heil geschehen."

(2 1 3 ,6 )

Es ist jedoch zu beachten, daß wir mit diesen Beispielen nahezu alle Aussagen der herangezogenen Gesangbücher zum Thema „Bekehrung" im pietistischen Ver­ ständnis angeführt haben. Als drittes Glied des „ordo salutis“ ist das Lehrstück über die W ied erg eb u rt zu nennen. Die Gesangbuchlieder schweigen verbaliter fast völlig über diesen Gegenstand, zumal sie auch schon in der frühen nachreformatorischen Zeit nur noch wenig von den Lutherschen Gedanken über die „nova creatura“ hatten merken lasten. Ein alarmierendes Zeichen für die Anschauungsweise einer be­ trächtlichen Zahl von Gesangbuchdichtern prägt sich dagegen darin aus, daß sie in einer Art von notwendiger Konsequenz auf die Vernachlässigung dieser grund­ legenden Frage des christlichen Lebens vor einer Wendung wie „ . . . daß ich mich neu gebäre . . . " (7 2 ,1 ) nicht zurückgefchreckt sind. Die einzigen Loci des „ordo salutis“, die im lutherischen Gesangbuch unseres Zeitabschnittes ausführlich berücksichtigt werden, sind diejenigen, die sich mit dem Problemkreis der Heiligung beschäftigen. A ls charakteristische Begriffe tauchen in diesem Zusammenhang die Worte auf „ E rn eu eru n g " — „renovatio", „ H e ilig u n g " — „sanctificatio“ und „ gu te W erke" — „bona Opera“, denen sich in der Sprache der Kirchenlieder die nicht ganz eindeutigen Ausdrücke „ R ein ig u n g " und „ B esseru n g " zugesellen. Dieser ganze Komplex wird im Abschnitt über die Lieder „Vom christlichen Leben und Wandel" ausführlich behandelt werden, sofern der Gedanke von der „Besserung" des Menschen nicht schon bei den Ausführungen über die Bußanschauung der Gesangbuchlieder zur Sprache kam. Für unsere gegenwärtige Fragestellung ist es aber wichtig hervor­ zuheben, daß von der lutherischen Gesangbuchdichtung auch in der Frage nach der Heiligung kaum je eine Zusammenschau mit den anderen „Stufen" des christlichen Glaubens und Lebens versucht, bzw. erreicht worden ist. Lediglich

einzelne wenige S te lle n im pietistischen Liedgut bilden eine A usnahm e^); au fü G anze gesehen ist gerade für den P ie tism u s und seine V orläu fer das V orhanden­ sein eines für sich allein stehenden H eiligu n gslied es charakteristisch. Bezeichnend ist ferner die Erscheinung, daß im Gegensatz zur dogm atischen Literatur des P ie tism u s in der Liederdichtung nicht das Them a der Bekehrung in den V order­ grund gerückt w ird, sondern vielm ehr das der H eiligu n g, das sich in noch stärkerem M aß e zu einem A ufruf an die Fröm m igkeit und an die sittliche Tätigkeit des Menschen benutzen ließ. D ie altprotestantische Lehre über den „ordo salutis“ gipfelte zumeist in den A usführungen über die unio mystica. A u f die B eh an d lu n g dieses T hem as in der geistlichen Liederdichtung des 1 7 ./1 8 . Jahrhunderts w urde ausführlich ein ­ gegangen. A u s dem herangezogenen Liedgut kann ohne w eiteres abgelesen w erden, daß der B egriff der unio mystica hier nicht im gleichen S in n e und in denselben Zusam m enhängen wie in der orthodoxen ordo-salutis-Lehre gebraucht w ird, sondern daß seine W urzeln w eita u s direkter a u f die mystisch-scholastische UnioLehre des M ittela lters zurückgehen. D ie angestellte Untersuchung über den Gebrauch der H auptbegriffe der ordosalutis-Lehre innerhalb der G esangbuchdichtung zur Zeit der Orthodoxie und des P ie tism u s sowie die B eobachtung, daß dort nirgends eine inhaltlich be­ gründete und systematisch beabsichtigte Zusam m enstellung dieser Begriffe erfolgt, zeigen symptomatisch das folgend e Ergebnis a n : durch ihre faktisch nicht er­ fo lg te V erw endung für die P ra x is des gemeindlichen Lehrens und Lebens erweist sich die ordo-salutis-Lehre trotz ihrer teilw eise berechtigten A nliegen a ls eine abstrahierende, „unpraktische" Form theologischer Lehre und christlicher V er­ kündigung. D ie Kirchenlieddichtung liefert uns also einen indirekten B eleg für die theologische Einsicht, daß die A usrichtung der biblisch-reformatorischen B o t­ schaft nur dann in echter, lebenschaffender W eise geschehen kann, w enn der „ordo salutis“ allein au f dem Artikel von der R echtfertigung basiert und allein von der R echtfertigungsanschauung a u s en tfaltet w ird. S te llte n w ir im Blick a u f die protestantische Liederdichtung fest, daß in ihr der Gedanke deö „ordo salutis“ nicht zur G eltun g kom m t, so führt uns die B e ­ schäftigung m it dem A u f b a u der verschiedenen G esangbücher vor ein anderes E rgebnis. Unter den B eispielen fü r diejenigen Aufbauschem en von G esang­ büchern, die die „systemata theologiae“ jener Zeit w iderspiegelten, fanden w ir im Görlitzer Gesangbuch von 1729 den folgenden Abschnitt von Liedergruppen10) : „Von der Ordnung des Heils a) Von der b) Von der Von der c) Von der

Berufung und Erleuchtung Bekehrung und Wiedergeburt Buße als einer Wirkung der Bekehrung und Wiedergeburt Rechtfertigung

•) Vgl. z. B. Lied Nr. 219. 10) Vgl. dazu auch seine Einordnung in daS Ganze des Gesangbuchaufbaues oben ., S . 58s. u. n o f f . Bezeichnenderweise erscheint bei Melanchthon Christus a ls der Vollender eines gehorsamen, gesetzmäßigen Lebens. V g l. dazu z. B . die Aussage CR 24,622: „Tertia meditatio est exemplaris, id est, sicut Christus fuit obediens

in suis afflictionibus, ita in nostris aerumnos obtemperemus voluntati Dei. 61) V gl. dazu z. B . Ghd, Loci III, 403: „Tertio, ut exemplum patientiae et tolerantiae in sustinendis iliis passionibus nobis exhiberet. Suscepit ergo eas ad nostrum meritum, ad verae humanitatis documentum et propter nostrum exemplum. Addi potest quarto, ut per suos affectus puros et sanctos peccatrices nostros affectus expiaret.“ Loci V, 386: „Sancta Christi vita est perfectissima piatatis et virtutum omnium regula.“ #a) I n diesem Zusammenhang ist z. B . zu erwähnen, daß in den ausführlichen In dices zu den Dogmatiken eines Baier, König und Quenstedt das Stichwort „im itatio“ nirgends au f­ taucht. Auch bei B a i, Comp, theol. mor. fehlt eö. Dagegen bringt im Jahr 1700 Breithpt in seinen Th. cred . . . agend. die quaestio: „Quaenam est differentia inter imitationem Christi apud hypocritas et veros fideles?“ und beantwortet sie mit den aufschlußreichen Ausführungen :

„Fideles veri non modo extemam Christi virtutum speciem prae se ferunt, neque imitationem Christi interpretantur, qua et alios mortalium prosequi solemus; sed eam funditus diversam norunt, utpote quae fundamenti loco in hominibus requirit unum eundemque spiritum divinum, qui in Christo Jesu est, ut per ipsum Christum in nobis virtutes Christo dignae oriantur . . .“ (Breithpt, a. a. O., p. 20). V gl. dagegen die ganz „unreformatorische" Ver­ wendung deS Imitatio-GedankenS bei Budd, Inst. theol. mor., p. 402: „Solet quoque alias, ceu egregium ad virtutis Studium adiumentum commendari, im it a t io a lio r u m . . . . Perfectissimum autem, quod imitemur virtutis et sanctitatis exemplum, nobis reliquit Christus Servator; ad cuius imitationem ideo etiam subinde excitamur . . .“

von der Mitte des 16. Jahrhunderts an in allen Gattungen der altvrotestantischen Aszetik"). Vor allem ist hier nach den Schriften Möllers das „Wahre Christen­ tum" Johann Arnds zu nennen, das alle Elemente des Nachfolgegedankens an zentralen Stellen und in großer Ausführlichkeit und Eindringlichkeit behandelt"). Dem bedeutenden Einfluß und der nachhaltigen Wirkung gerade dieser Bücher wird es zuzuschreiben sein, wenn der Inritatio-Gedanke in den Werken der Er­ bauungsschriftsteller — angefangen bei den Meditationen Johann Gerhards") bis hinein ins 18. Jahrhundert") — immer breiteren Raum einnahm. S eit der Zeit des P ietism us und der Frühaufklärung drang derselbe Vorstellungskomplex auch in andere Gebiete des kirchlichen Schrifttums ein. S o nimmt z. B . Spener die Idee der „Verähnlichung" mit Christus auf, während Arnold dem Ge­ danken an die im itatio die Richtung auf die „Nachahmung Christi in unseren S e e le n ,. . . auf die %Qi., S. 219 u. 8.

lichen Dichtungen, die wir unter der Überschrift „D ie rechten Christen" zusammen­ stellten, am stärksten die Problem atik von „Rechtfertigung und H eiligung", von „G laube und Leben", von „Theologie und Frömmigkeit" vor Augen. B e­ handelten unsere bisherigen Ausführungen bereits einige gesonderte Fragen­ kreise aus diesem Bereich, so muß sich der folgende Abschnitt noch eingehender und zugleich zusammenfassend mit dem Grundproblem jener Liederdichtung be­ schäftigen, wie es sich in ihrer Frage nach dem Wesen der christlichen Heiligung und der „perfectio christiana“ enthüllt. Die A ntw ort, die die betrachteten G e­ sänge in diesem Zusammenhang zu geben hatten, läß t sich in wenigen Sätzen wiederholen. Nach ihrer Darstellung bestand das Wesen eines „w ahrhaften" „C hristentum s" erst in der fortschreitenden Heiligung und Besserung des mensch­ lich-sittlichen Lebens; nach ihrer ausgesprochenen M einung führten vornehmlich die tätige Erneuerung und die ständige Vervollkommnung des Menschen zur „Seligkeit", während jene im irdischen Leben zugleich die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes im und am Menschen bewirkten. A us den A usführungen dieser Gruppe unter den Gesangbuchliedern ergab sich ohne weiteres der Eindruck, daß sie in nuce die ganze Heiligungslehre des endenden 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts abbildete. Daneben ließ sie ebenso klar erkennen, daß die „pietistische" Forderung nach „H eiligung" und die „aufklärerische" Erm ahnung zur „Besserung" lediglich zwei verschiedene Zweige auö ein und derselben W urzel darstellten. Bei der auffallenden phäno­ menologischen Übereinstimmung ist es oft sogar kaum möglich, sicher zu ent­ scheiden, ob wir im einzelnen vor stärker pietistisch oder vor mehr rationalistisch geprägten Liedaussagen stehen. Die meisten Darstellungen zur Theologiegeschichte unseres Zeitraumes haben nun über jene pietistisch-aufklärerische Heiligungslehre rigoros den S ta b ge­ brochen. S ie haben sie verantwortlich gemacht für den M oralism us und Legalism uS, für den E udäm onism us und R ationalism u s, kurz, fü r nahezu alle E r­ scheinungen, die in der lutherischen Kirche und in der christlichen Gesellschaft um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert tatsächlich nicht mehr zu übersehen w aren. Ein solches Urteil, das für sich genommen zweifellos zu Recht besteht, wird jedoch erheblich modifiziert oder gar gewandelt durch eine genauere Be­ achtung und Untersuchung der mannigfachen und der vielgestaltigen zeit-, geistesund frömmigkeitögeschichtlichen Einflüsse, die sich au f die theologische Arbeit jener Epoche im engeren S in n auswirken. Äm Verfolg einer solchen Aufgabe würde sich bei einer E rörterung des vorliegenden Problemkreises herausstellen, daß auch hier wieder eine „Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte" des luthe­ rischen Gesangbuches und Kirchenliedes wichtige Dienste leisten kann zur Er­ hellung von theologischen und theologiegeschichtlichen Zusammenhängen. Wie unsere M aterialdarstellung zu belegen suchte, liefert nämlich gerade die Kirchen­ lieddichtung aufschlußreiche Beiträge zur Geschichte der pietistisch-rationalistischen H eiligungs- und Besserungslehre. S o begegnete z. B . im lutherischen Gesangbuch schon um 1650 in aller Form und Vollständigkeit der Gedanke vom „rechten Christentum ", während die An-

sänge eines „perfektionistisch"-„eudämonistischen" Heiligungüstrebens bis ins 16. Jahrhundert hinein zu verfolgen waren. Besonders beachtenswert erschienen in diesem Zusammenhang die „Umdichtungen" älterer Gesänge durch die beiden Hannoverschen Dichter GeseniuS und Denicke. I n ihren Liedern prägte sich sehr anschaulich eine ausgesprochene „HeiligungS"-Lehre au s, und zwar lange Zeit vor ihrer eigentlichen theologischen Fixierung im „P ietism u s". Dabei lassen sich die Gründe für ihre Entstehung gut aus der Lebensgeschichte der genannten Liederdichter ablesen. Beide M änner haben sich nämlich in ihrem Amt als führende Geistliche der Hannoverschen Landeskirche besondere Verdienste er­ w orben^). I h r starkes praktisches Interesse bewiesen vor allem die A usarbeitung eines Katechismus, die Durchführung von Visitationen und die Ausgabe von kirchlichen Reformvorschlägen und -Vorschriften. Dieselben praktischen A n­ liegen sollten zweifellos auch ihre Arbeit am Hannoverschen Gesangbuch und ihre eigenen Dichtungen wie speziell ihre Nach- und Umdichtungen verfolgen. I n diesem S in n e waren ihre geistlichen Lieder augenscheinlich von dem Bestreben bestimmt, ein lebendigeres, konkreteres, erwecklicheres B ild und V o r­ bild vom christlichen Leben und W andel zu zeichnen. D afü r schien sich den beiden Kirchenmännern nun aber offenbar kein anderer Weg anzubieten, als den G e­ danken an die menschliche Heiligung und Besserung ganz in den V ordergrund ihrer dichterischen Überlegungen zu rücken. N ur ein anschauliches Gemälde vom „rechten Christentum" und von den „wahren Gliedern der Kirche" schien ihnen noch eine lebendige Frömmigkeit sowohl des Herzens wie der T at wecken und fördern zu können. S o ist ihre Arbeit für das lutherische Gesangbuch deutlich von einem „Reformgedanken" geleitet; so enthält auch sie einen inneren Protest und eine geheime Polemik, die sie m it der eigentlichen pietistischen Bewegung au f eine S tu fe stellt. Aber bedeutet ein solcher „Reform gedanke" einen wirklichen Protest gegen ein „veräußerlichtes Kirchentum" der Orthodoxie? B ietet er w ahrhaft positive und neue Ansätze gegenüber der allgemein hervorgehobenen und anerkannten Unfruchtbarkeit des theologischen Betriebes im Zeitalter der Orthodoxie, gegen­ über deren Sicherheit und ertötendem Einfluß a u f das Gemeinde- und Christen­ leben? Die Betrachtung des praktisch-erbaulichen S chrifttum s aus jenen J a h r ­ zehnten läß t uns bei der B eantw ortung dieser Frage vorsichtig werden. S o sehr jene Zeit selbst in M ännern wie Heinrich M üller,Q uistorp,L ütkem ann,Scriver u .a. und eben auch in Gesenius und Denicke ihren Gegensatz, ihr Anderssein und Anderswollen em pfand, so sehr blieben doch auch sie Glieder ihres Zeit­ alters und derProblem atik seiner Theologie verhaftet. Trotz aller ihrer ernsthaften Bem ühungen vermochten sie ihr letztes Ziel nicht zu erreichen, waren sie dazu verurteilt, au f halbem Wege stehen zu bleiben oder schlimmere Übel a ls die, au s denen sie herausführen w ollten, vorzubereiten. D er G rund fü r dieses letztliche Scheitern des 17. Jahrhunderts enthüllt sich dabei in der Tatsache, daß alle seine „R eform er" im Grunde nur Fortsetzer und Vollender des durch M elanchthon *3) V gl. dazu z. B . Bratke, „JustuS Gesenius, fein Lebens und fein Einfluß auf die Hannover­ sche Landeskirche", Göttingen 1883.

begonnenen Weges w aren, indem sie ihr Interesse p r im ä r der christlichen F rö m m ig k e it und dem christlichen L eben zuwandten und nicht mehr vornehm­ lich au f deren tragenden G rund bedacht waren. Gerade durch ihre vermeintlichen Verbesserungen ließen sie aber die Baufälligkeit des zweifelsohne kunstvoll und mühselig aufgeführten Gebäudes nur noch deutlicher in Erscheinung treten, führten sie seinen Einsturz nur noch schneller und gründlicher herbei. Dem Gesetz dieser Entwicklung ausgeliefert, finden wir demnach im luthe­ rischen Gesangbuch des 17./18. Jahrhunderts insbesondere die zu erörternden Dichtungen m it dem Thema der menschlichen Heiligung und der „ p e rfe ctio c h r is tia n a “ . Jedoch bedürfen gerade die A usführungen dieser Lieder einer ge­ nauen und kritischen Analyse, da sich ihr eigentlicher G ehalt nicht selten hinter Aussageformen verbirgt, die reformatorischen Gedanken täuschend ähnlich sehen. Begegnen wir z. B . in Gesängen des frühen 18. Jahrhunderts Zeilen w ie: „ . . . geht doch alle Tage weiter . . ."

(186,16)

„ . . . und zwar kommt er von Grad zu Grad hinan und wird gegründet . . ."

(219,18),

oder: so könnte der Eindruck entstehen, sie enthielten dieselbe Anschauung, wie sie Luther etwa in den W orten ausspricht: „Et ita vitam Christiani ne imapineris statum et quietem esse, sed transitum et profectum de vitiis ad virtutem, de claritate in claritatem, de virtute in virtutem et qui non fuerit in transitu, hunc nec Christanum arbitreris44 (WA 2, 536),

oder wie sie in seiner Vorstellung vom Gerechtfertigtwerden ,,in ipso m o tu seu cu rsu a d iu s titia m “ 84) zum Ausdruck kommen. Ziehen wir daneben als ein Beispiel aus der lutherischen E rbauungsliteratur die grundlegenden Äußerungen Jo h a n n ArndS aus dem „W ahren Christentum" heran, wie sie etwa in den Sätzen form uliert werden: „Denn wo Christi Leben nicht ist, da ist auch Christus nicht, und wenn man noch so viel vom Glauben und von der Lehre rühmete. Denn waö ist doch der Christliche Glauben ohne ein Christlich Leben." (Arnd, WCHr. I. 9, 2. S . 37)**)

oder wie sie an einer anderen, wichtigen Stelle lauten: „Darum lehre nun hie diese Lehre mit allem Fleiß, was einen rechten Christen beweiset: nicht Gottes Wort wissen und hören, sondern thun" (Arnd, WCHr. II. 2, 5. S . 212)M).

Anscheinend finden wir in allen diesen Aussagen verwandte oder überein­ stimmende Gedanken wiedergegeben. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch aus M) Vgl. dazu WA 39, 1. 83 = Dr. 36 (Th. 23): „Iustificari enim hominem sentimus, hominem nondum esse iustum, sed esse in ipso motu seu cursu ad iustitiam.44 86) Vgl. dazu auch oben S . 375. Zur sachgemäßen Interpretation solcher Zitate ist — um sich nicht durch ihre biblischen Anklänge irreführen zu lassen — der Gesamtduktus des Arndschen Denkens und seiner eigentlichen Anliegen zu berücksichtigen. M) Vgl. dazu auch a. a. O. I. 35, S . 139: „Denn es soll Gottes Wort in das Leben verwandelt werden, sonst ist es nichts nütze . . . also Hilst auch Gottes Wort und Sakrament nicht, wenn es nicht in ein heilig Leben verwandelt wird, wenn nicht ein heiliger, bekehrter, neugeborener, liebreicher Mensch daraus wird".

der Beobachtung, wer in den jeweiligen Zusammenhängen als das handelnde Subjekt angenommen ist. Schon seit der ersten H älfte des 17. Jah rh u n d erts richteten die geistlichen Dichtungen der lutherischen Gesangbücher in Überein­ stimmung mit den eigentlichen Intentionen Johan n A rnds ihren A ufruf au s­ drücklich an den Menschen, an seine „willentliche" oder „leidentliche" „A ktivität". Die entgegengesetzte M einung Luthers mag dagegen noch einm al die folgende Aussage des R eform ators unterstreichen: „Quorum (sc. Christianomm) vita nonest in quiescere,sed in moveri de bono in melius . . (W A ;6 , 44l = Fi II, 265 s.).

Auch nach Luthers Anschauung gibt es also im Christenleben ein Fortschreiten, ein „progredi" oder „proficere" des Menschen. D as „Fortschreiten" bedeutet hier jedoch ein „moveri"; eö stellt ein T un und H andeln dar, in dem nicht der Mensch selbst Subjekt ist, das also nicht identisch ist m it einem sittlichen Streben des M enschen9?). Vielmehr gilt nach Luthers Lehre der S atz: „Et, ut saepe dictum est, proficere est nihil aliud, nisi semper incipere“ (WA 4r 350)88).

Bedeutet demnach das „proficere" des Menschen nichts anderes als ein stetes „recurrere ad gratiam", so muß im Blick au f das T un und Leben des Christen­ menschen gesagt werden: „Qui isto modo bona operantur, non sibi, sed deo, tanquam instrumentum dei operantur. Nihil in his sibi arrogant, solo deo contenti in quio sperant . . . tune Opera fieri bona, quando ipse solus totus ac totalster ea facit in nobis ut operis nulla pars ad nos pertinet“ (W A

5z

169).

K ann, bzw. soll der Mensch in dieser Weise stets „ n u r" a ls ein „instrumentum Dei" wirken, so erscheint als das eigentliche Subjekt des menschlichen H andelns G ott selbst. Unmißverständlich spricht es Luther darum an einer anderen S telle aus: „Nostrum agere est pati Deum in nobis operantum“ (WA 5, 544)").

D arau s folgt m it innererNotwendigkeit, daß sich derMensch nie seines eigenen, christlichen H andelns und Lebens rühmen sann90), weil er als der allein im 87) V gl. dazu Link, a. a. £>♦, S . 86, S . 353 u. ö. 88) V gl. dazu aber auch die Fortsetzung des Zitates m it seiner Sicherung gegenüber einem naheliegenden Mißverständnis in entgegengesetzter Richtung: „Et incipere sine proficere hoc

ipsum est deficere. Sicut patet in omni motu et actu totius creature.“ " ) I n gleicher Weise kann Luther auch von Christus oder vom Glauben a ls dem „ S u b ­ jekt" des menschlichen Handelns reden. V gl. dazu z. B . WA 17, 2. 98: „darum bleybet der Glaub der thetter und die liebe bleibt die that", WA 6 ,2 1 3 : „der glaub musz werckmeister und heuptmann sein in allen wercken oder sein gar nichts", WA 7, 66: „Quis ergo comprehendere

queat divitias et gloriam Christianae vitae? . . . hodie in toto orbe ignota e s t . . . cur Christiani simus et vocemur: certe a Christo sic vocamur non absente sed inhabitante in nobis, idest, dum credimus in eum, et invicem mutuoque sumus alter alterius Christus, facientes proximi, sicut Christus nobis facit.“ Zum gesamten Fragenkomplex vgl. bes. E. W olf: „ D a s Problem des neuen Menschen . . .", a. a. O., S . 345 ff. und ders.: „Politia Christi“, a. a . O., S . 58 ff. 90) V gl. dazu z. B . WA 1, 364 — BA V, 391: „Deinde, quia opera quae ex tali fide facit, non sua, sed Dei esse novit, Ideo non se per illa iustificari aut glorificare querit, sed Deum querit“, und WA 2, 530: „Christianus sive fidelis est homo sine nomine, sine specie, sine differentia, sine persona.“

G lauben Gerechtfertigte nie selbst an seiner „Seligk eit" m itwirkt oder sich seine eigene „Heiligkeit" „erwirkt"9**). Ist nach der reformatorischen Lehre die „nova creatura“ des M enschen ausschließlich eine S ch ö p fu n g , ein Werk G o tte s99) und ist die „H eiligkeit" des Christen allein eine „sanctitas aliena“93), so bestätigt jene Anschauung zugleich die G ew ißheit, daß ein solches Christenleben „ a lles hat" zu seinem H eil'"). A u s demselben G runde kann darum auch in getroster Zuversicht ausgesprochen w erden: „Verum qui sunt Christi, spiritum Christi habent et agunt recte . . 11, 111 ).

(WA 56, 276 — Fi

W eiß der G laubende in dieser W eise um die „Richtigkeit", d. h. um den G rund w ie um die Richtung und das Ziel seines christlichen Lebens und H a n d e ln s9^), so bedeutet dieses für ihn weder eine druckende Last noch eine drohende V er­ pflichtung; vielm ehr gibt es ihm eine A ufgabe, die er fröhlich und getrost er­ greifen san n 96). " ) Vgl. dazu z. B. WTR VI. Nr. 6728 (S . 152): „Nicht, daß W-erk die Seligkeit zu Wege bringen oder erlangen, sondern daß sie da und zugegen sind dem Glauben, der die Gerechtigkeit erlanget wie ich von Noth werde gegenwärtig müssen sein zu meiner Seligkeit" und WA 7, 61: „Ita Christianus per fidem suam consecratus bona facit opera, sed non per haec magis sacer aut Christianus efficitur: hoc enim solius fidei est . . Über die Lutbersche Auslegung des Gedankens von der „cooperatio hominis“ vgl. oben S . 373, Anm. 40 und z. B. WA 57, 143 (Hebr.): „Ideo coopcrari ei nemo potest nisi qui adhaeret verbo, quod fit per fidem.“ •*) Vgl. dazu z. B. WA 40, i. 597: „Patimur salutaria, quod creamur in novam creaturam .“ . . . Ereignet sich das neue Leben für den Menschen also „sola nativitate“, so bedeutet das: . . atque ita me re passive, non active contingit ei haereditas, nihil enim facit ad hoc ut nascitur, sed tantum patitur . . . nihil prorsus hic intercedit, sola fides apprehendit oblatam promissionem . . . sic sola fide efficit filios Dei, natos ex verbo . . .“ •3) Vgl. dazu z. B. WA 40, 2. 347: „Volo eos vocare Sanctos, sed non sanctos homines, sed prorsus sanctitate aliena, sanctificatos Christi . . •4) Vgl. dazu Z. B. WA 39, 1. 285: „Et certum est, quod Christus non accipitur operibus, sed fide, iam accepto Christo fide omnia habemus, nec quicquam nobis ad iustificationem et salutem deest . . .“ und WA 7, 32: „Und das keyn werck, keyn gepott, eynem Christen nott sey zur seligkcit, sondern er frey ist von allen gepolten, und auß lauterer freyheit umbsonst thut, alls was er th u t. . . Denn er schon satt und selig ist durch seynenn glauben und gottis gnaden." ®6) Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen Luthers in „De libertate Christiana“, so z. B. WA 7, 64: „Nullo tarnen horum opus ei est ad iustitiam et salutem. Ideo in omnibus operibus suis ea debet opinione esse formatus et huc solum spectare, ut aliis serviat et prosit in omnibus quecunque fecerit, nihil ante oculos habens nisi necessitatem et commoditatem proximi“ und WA 7, 69: „Concludimus itaque, Christianum hominem non vivere in seipso, sed in Christo et proximo suo, aut Christanum non esse, in Christo per fidem, in proximo per charitatem . . .“ 9Ä) Vgl. dazu z. B. WA 2, 560: „Qui enim über est a peccato, servus factus est iusticiae . . . cum haec sit libertas ea, qua facimus sponte et hilariter, sine poenarum aut mercedum respectu . . .“ und bes. WA 36, 394: „ I s sol dein Helfer, Christus, Heyland sein . . . propter hoc gaudium wil ich mich fortt an freuen et face re, quicquid debeo, solum propter gaudium, quia non praedicat iusticiam praeceptorum, sed merum gaudium. Qui hoc credit sine dubio, quod pater geschenkt filium et matrem dedit, ut foveret dir zu gut, qui, inquit credit, Non indiget lege et Mose, sed die einige freut) wird yhn from machen, et ut omnia faciat et patiatur libentissime, quia dich: Nobis natus salvator, des sol ich mich trösten. Ubi est fides in corde, sequitur tale gaudium und besserung totius vitae.“

Wendcn wir uns nach bicfcn Überlegungen wieder den Heiligungsliedern aus lutherischen Gesangbüchern des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zu, so fühlen wir unö einer völlig anderen Situation gegenübergestellt: fast ohne eine A us­ nahme zeichnen sie das christliche Leben als eine mühselige und schwerwiegende Aufgabe und Pflicht deö Menschen. Osfensichtlich ist ihnen das Leben und Handeln eine« Christcnmenschen zu einem derart wichtigen „Problem" geworden, daß ce nicht genau und nicht ernst genug bedacht und in seinem ganzen Umfang und mit allen seinen Folgerungen und Forderungen nicht oft und nicht ausführ­ lich genug vor Augen gestellt werden kann. Zwar mag der Betrachter zunächst geneigt sein, solchem ernsten Ringen und Streben eine besondere „Christlichkeit" und „Frömmigkeit" zuzuschreiben. Und dennoch enthalten sie die Keime der größten Anfechtung und Gefährdung des christlichen Glaubens und des christ­ lichen Lebens überhaupt. Denn diese geistlichen Dichtungen schreiben dem M en­ schen vor, daß er erst in seinem Leben und Tun das S ein und Wesen eines „wahr­ haften" Christen suchen undgewinnen müsse,wodurch sie den rcformatorischenSatz „ fid e s facit personam“ (WA 39, 1. 283) praktisch außer Geltung setzen. Nach der Anschauung jener Liederdichter können erst die guten, „christlichen" Werke dem Menschen beweisen, daß er auf dem rechten Wege ist und Gottes Gnade erlangen wird, so daß hier schwerlich mehr die Aussage gilt: „ . . . die weyl ein yglicher für sich selb gnug hatt an seynem glauben und alle andere werck un leben yhm übrig seyn . . . " (WA 7, 3 ; — B A II, 24). A ls das Ziel alle« mensch­ lichen Ringens und Streben- nennen jene Gesänge endlich in immer neuen Wendungen und Formulierungen den „Himmel", die „Seligkeit" in dieser und jener Welt, ja, selbst da« rein irdische „Glücklichsein" des Menschen. Nach ihrer Meinung muß also das „Heil" oder das „Heils-Gut" vom Menschen selbst erworben werden; es wird nicht mehr als das im Glauben gegenwärtige Ge­ schenk der Rechtfertigung verkündet. Da« Erstreben und Erreichen jenes Zieles bedeutet in diesen Liedern zugleich auch die Wiederherstellung de« göttlichen Ebenbildes im Menschen, während Luther einst genau entgegengesetzt seine Ge­ danken dahin zusammengefaßt hatte, daß der Mensch „huius vitae est pura materia D ei ad f u t u r a e formae suae vitae“ zum Ziel der „reformata et perfecta imago D ei“ (WA 3 8 ,1 .1 7 7 ). S o tritt im Laufe der Jahrzehnte immer deutlicher hervor, daß jene Heiligungslieder überall mehr oder weniger ver­ borgen dem Wunsch des Menschen nach einem „personaliter Deo placere" ent­ gegenkommen, daß sie alle das natürliche Bestreben des Menschen fördern, eine „Einheit von Sein und Bewußtsein, von Glaube und W ertgefühl"") zu erreichen. Auö diesem Grunde müssen sie zu dem Gedanken von der fortschreiten­ den Entwicklung des „rechten" Christen greifen, und eben darin verfallen sie letzten Endes der Darstellung einer menschlichen „iustitia activa“ und einer „sanctitas inhaerens“, vor der Luther stets gewarnt und die er aufs schärfste bekämpft hatte"). Gehört die „iustitia passiva“, die Luther ausschließlich hatte •7) Dgl. dazu 3 rennt, „Rechtfertigung und Christusglaube", S. 31 u. S. 40. •*) Dgl. dazu z. B . WTR I. Nr. 141 = @21 VIII, 2 2 : „Der Teuffel will nur activam iustitiam in unö haben, so haben wir allein passivam und sollen auch kein activam haben.

gelten lassen, unlösbar zusammen mit der „iustificatio“ als der „remissio peccatorum“ u n d der „nativitas“ des neuen Menschen „sola fide“ und „solo Christo et verbo eius“, so erhebt im Gegensatz dazu die Proklam ierung einer „iustitia activa“ innerhalb eines Teiles der lutherischen Kirchenlieddichtung die „cooperatio hominis“ zu einem wesentlichen, ja , zu einem konstitutiven Faktor „im Christentum". I n unserem Zusammenhang bleibt nun aber noch die Frage offen nach den G ründen und nach dem Anlaß der erörterten Gesangbuchaussagen über das Thema der Erneuerung und Heiligung des Menschen. Dabei stellt sich bald heraus, daß es nicht erst der P ietism us und sein Heiligungslied gewesen sind, die jene Gedanken einer „iustitia activa“ und einer „sanctitas inhaerens“, sowie einer „cooperatio hominis cum Deo“ neben die Verkündigung einer „iustitia passiva“ aus dem G lauben gestellt haben und gar als deren Überbietung und K rönung erscheinen ließen. D erartige Anschauungen sind vielmehr in der lutherischen Kirche Deutschlands schon während des ganzen 17. Jah rh u n d erts au f den ver­ schiedensten Gebieten des kirchlichen Schrifttum s heimisch gewesen. Diese Fest­ stellung läßt sich zunächst im Bereich der theologischen Arbeit im engeren S in n nachprüfen. S o beanspruchte z. B . — von der Konkordienformel ausgehend — der Satz, daß gute Werke geschehen m ü ß ten "), daß sie notwendig seien, einen ständig größeren R aum innerhalb der theologischen D ebatte jener Zeit. I n diesem Zusammenhang vertritt z. B . Calov die Anschauung, daß der Mensch gerechtfertigt werde, s o fe rn er in guten Werken tätig fei100). Bereits Jo h a n n Gerhard und erst recht seine Nachfolger würdigten das gute Werk des Menschen als ein M ittel zu dessen Seligkeit101). I n gleichem S in n e versuchte derselbe Theologe, dem Menschen die Sorge um die Aufrechterhaltung seines G naden­ standes als die wichtigste Pflicht seines Lebens eindringlich zu machen, wobei er G laube und Werk getrennt und das Werk dem selbständigen W illensentschluß des Menschen zugeordnet hatte100). Redete Johann Gerhard in diesem Zusammen­ hang davon, daß G ott die natürlichen Kräfte des Menschen unterstütze100), so begegnet bei den späteren Theologen der Orthodoxie uneingeschränkt die ver­ fängliche Formel vom „concursus“ menschlicher und göttlicher Kräfte beim „Geschäft" der Erneuerung und Heiligung des Menschen10*). Dieselbe AnschauPassivam nu will er uns nit lassen . . WTR I. Nr. 247 = BA VIII, 34: „Ego si veilem, possem in tribus sermonibus totam civitatem hanc reducere in pristinum errorem (de Philippo et aliquot vestrum non dico, sed paucissimos excipio) et veilem id facere hac ratione: Non veilem damnare ea, quae hactenus, sed probare et tantum addere hanc particulam : Aber; es ist wol recht, aber wir müssen hoher summen. Hic veilem urgere opera charitatis etc.; so fiele man als bald auch auff die hypocrisin . .

") Dgl. dazu oben S. 373 s., Anrn. 41. 10°) Vgl. Clv, Syst. X, 246. 258 sqq. 101) Vgl. dazu z.B . Ghd, Loci VIII, 43: „In bonis operibus hoc fine nos iubemur exercere, ne amissa fide et bona conscientia naufragium salutis faciamus . . .“

10S) Vgl. dazu Hupfeld, a. a. O., S. i88f., 199 u. ö. 103) Vgl. dazu z. B. Ghd, Loci III, 554. IV, 83, 87 u. ö. 104) Vgl. dazu z. B . Quenst., Theol. I. p. 532: „Est enim concursus divinus accomodatus ad naturam et agendi modum uniuseuique . . .“

ung prägt sich auch im orthodoxen Lehrstück vom ,,ordo salutis“ au s, wenn in ihm diejenigen S tu fe n des „christlichen H eilsw eges", auf denen sich der Mensch „mere passive“ verhält, von denjenigen unterschieden werden, auf denen der „renatus“ als die ,, causa secunda“ bei der „E rw erbung" seines Heiles in E r­ scheinung tritt. H atte sich schon im 16. Jahrhundert bei Bucer mit seiner F or­ derung nach einem ,,proficere in vita Dei“ und nach einem ,,Studium coelestis vitae“ die „pietistische G efah r"10^) abzuzeichnen begonnen, so fehlen erst recht in der Folgezeit derartige M ahnungen m itsam t ihrer ausführlichen D arlegung und B egründung bei kaum einem der orthodoxen D ogm atiker100). I n gleicher Weise kennzeichnet es ihre eigentliche Anschauungsweise, wenn sie als das Ziel des rechten christlichen Lebens, d. h. der Erneuerung und H eiligung, die „instauratio imaginis Dei“ angeben107). D am it drängte sich ihnen aber zugleich auch die Vorstellung von einer „sanctitas inhaerens“, von einem „habitus iusti“108) auf. — Diese wenigen Hinweise lassen deutlich erkennen, wie bereits durch die dogmatischen Lehren des 17. Jah rh u n d erts der Blick des Menschen ungebührlich au f ihn selbst gelenkt wird, wie schon in den „orthodoxen" Lehrstücken über die „bona opera“, über die „renovatio“ und „sanctificatio hominis“ die Fragen nach der „Selbsterforschung" und nach der „S elb st­ heiligung" des Menschen zu den eigentlich entscheidenden und die Lehrbildung vorantreibenden Themen geworden sind. Die Fortschritte und Folgen dieser Entwicklung treten in demselben Zeitraum noch klarer dort in Erscheinung, wo sich im Rahmen der Kirchenlehre eine spezielle „orthodoxe" Ethik100) entfaltet. Zwar unterscheiden sich die Hauptgedanken und die H auptanliegen solcher orthodoxen „theologiae moralis“ im Grunde nicht wesentlich von den dogmatischen Äußerungen jener Zeit. Jedoch offenbaren sich au f diesem Gebiet des kirchlichen S chrifttum s die Gefahrenquellen der ortho­ doxen H eiligungslehre sehr viel stärker und unverhohlener110). S o vertritt z. B . 10S) V gl. dazu H E. Weber, a. a. O. I, 1. S . 206 ff. 10e) V g l. dazu die Stellennachweise bei HE. Weber, a. a. O. II, S . 46.

107) Vgl. dazu z. B . Ghb, Loci IX , 158; „Ergo . . . homo non solum renascitur . . . sed etiam renovatur, hoc est datur ipsi Spiritus sanctus, qui intellectum, voluntatem et omnes animae vires renovare incipit, ut amissa Dei imago in ipso incipiat instaurari . . . Monendum tarnen, renovationem non esse statim perfectam, sed die in diem crescere debere . . oder Breithpt, Th. cred . . . agend. p. 35: „Christianorum omne officium consistit in eo, ut imaginem Dei intra se instaurent.“ 108) Vgl. dazu z. B . Ghd, Loci VII, 298 sq: „Iustitia inchoata est qualitas vel actio seu ivig yeia in nobis.“ und ibid: „Renovatio differt a justificatione . . . effectu: per iustis ficationem reddimur justi Xoyujfiw seu imputatione: per renovationem habitu justi et sancti fieri incipimus“ oder Kng, Theol., p. 216: „Effectus renovationis immediatus est sanctitas inhaerens: mediatus bona opera . . loe) I n diesem Zusammenhang ist z. B . auch die theologische Arbeit von Calixt zu berück­ sichtigen; denn trotz der Bestreitung seiner „Otthodoxie" sind seine angeblich otthodoxen Zeit­ genossen und Nachfahren nur allzu genau seinen Spuren gefolgt. 11#) S o ist es z. B . interessant zu verfolgen, wie Baier, der sich in seinem Compendium theol. pos. schon durch den A u f b a u seines System s vorteilhaft von seinen theologischen Zeit­ genossen abhebt, in seinem Comp, theol. moralis alle positiven Ansätze völlig außer Acht läßt, ja, wie er in diesem Werk die „unreformatorische" Entwicklung der orthodoxen

Calixt nicht nur uneingeschränkt die um strittene F orm el von der N otw endigkeit der guten Werke des M enschen; er bezeichnet darüber hinausgehend die „H eilig ­ keit" des menschlichen Lebens a ls eine unerläßliche B edingung des H eiles und fa ß t seine Anschauung Über das Wesen und die A ufgabe eines christlichen Lebens — ohne jegliche Sicherung vor einem „unreform atorischen" M ißverständnis — in dem Satz zusam m en: „Hominis conversi, fidelis et christiani proprium esse, ut sancte pieque vivat et actiones suas omnes ad legem et voluntatem divinam conformet“ 111).

N eben solchen a u s deutlich nachweisbaren Einflüssen der Helm ftedter Schule erw ies es sich fü r die weitere Entwicklung der „theologischen" Ethik im 17. J a h r ­ hundert a ls besonders verhängnisvoll, daß sich in ihr die Zw eiteilung in „credenda“ und „agenda“ im m er mehr durchsetzte^). Diese Unterscheidung lä ß t die N ebeneinand erstellu n g der Lehren von der R echtfertigung und von der H eiligung auch nach außen hin sichtbar werden. A ls deren notwendige Folge ergab sich fü r die Orthodoxie wie erst recht fü r den P ie tism u s und die A u f­ klärung eine ständig wachsende E m anzipierung der Ethik von der T heologie, wobei die ethischen Anschauungen von selbst m ehr und m ehr einer Legalisierung und M oralisierung zum O pfer fallen m ußten. W ie stark und ausschließlich dabei bald rein anthropozentrische Gesichtspunkte und Tendenzen die gesamte „H eiligungslehre" bestim m ten, beweist die Erscheinung, daß sich seit B aier a ll­ gemein der B egriff des „officium“ durchsetzte und daß die B eh an d lu n g der Frage nach dem „officium hominis erga se ipsum“ einen ungebührlich breiten R a u m e in n a h m ^ ) . D on hier a u s bedeutete es n u r noch einen kleinen S c h ritt Heiligungölehre noch ein gutes Stück vorantreibt. S o nennt er z. B. a ls „finis externus (theologiae moralis)” die „beatitudo hominis“, als „finis exteinus intermedius“ die „vita sancta“ des Menschen (p. 6 ,9 ). Ausdrücklich handelt BaierS „Moraltheologie" vom „concursus ipsae facultates animae“ (p. 12) und verteidigt eindringlich den Begriff der „sanctitas inhaerens“ (p. 42 sq.). Demgemäß kann sie auch von einer gewissen habitualen „perfectio“ des Christenlebens reden. Für unsere Untersuchung erscheint endlich die folgende Aussage BaierS besonders beachtenswert, in der er formuliert: „Similiter notanda est distinctio inter hominem externum et internum: quorum ille cum veteri, hic cum novo homine idem est“ (p. 87) und die nahezu eine „theologische" Rechtfertigung bildet für daS pietistifche HeiligungSlied: „E s glänzet der Christen inwendiges Leben. . ." (N r. 173, vgl. oben S . 237). m ) I it. nach Hoenicke, a. a. O., S . 128. n *) Vgl. diese Zweiteilung im Titel bei B reithaupt: „Theses credendorum atque agendorum fundamnetales . . wie in der Vorrede zum Freylinghausenschen Gesangbuch: „ . . . daß wol nicht leicht eine Materie circa credenda et agenda vorkommen möchte, welche nicht in einigen ober mehreren Gesängen . . . ausgedrücket wäre . . . " . Vgl. dazu auch oben S . 50f. und S . 6 4 ff. 113) Vgl. dazu z. B . bei Baier, Comp, theol. moral., die aufschlußreichen Überschriften: im 1. Hauptteil seines Werkes über die „officia hominis christiani tarn generalia“ : Cap. V III: „De officio hominis erga Deum, quoad cultum Dei externum“ (pp 438 sqq), Cap. IX : „De officio hominis renati erga se ipsum“ mit den sectiones 1. „De officio hominis circa animam suam“ (pp 468 sqq), 2. „De officio hominis circa corpus suum“ (pp 472 sqq), 3. „De officio hominis circa fortunae bona“ (pp 474 sqq) und Cap. X: „De officio hominis erga proximum“ (pp 476 sqq). Vgl. dazu ebenfalls die bezeichnenden Ausführungen BaierS: „Primum quidem est, ut erga animam suam recte se gerat, idque partim quoad statum naturalem, partim quoad statum gratiae supernaturalis, bona quoque utriusque Status et mala opposita“

zu der Anschauungsweise von MoShcim, der seine „S ittenlehre" ausdrücklich zur Beförderung „unserer eigenen Glückseligkeit" verfaßt haben reifl114). Unsere bisherigen Erörterungen lassen ohne weiteres erkennen, wie sehr die lutherische Gcsangbuchdichtung des 17. und 18. Jahrhunderts gerade in ihren Heiligungöliedern den Gedanken und A usführungen der kirchlichen Lehrer ihrer eigenen Zeit folgt. D aß ihre Anschauungen in der Hauptsache aus bereits vor­ liegenden Quellen stamm en, wird vollends deutlich, wenn w ir unseren Blick auch noch au f das lutherische Erbauungsschrifttum richten. 3 n unseren Unter­ suchungen wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, wie stark besonders Jo h an n Arnd ethische Interessen und moralische M ahnungen in den M ittelpunkt seiner A usführungen rückt. S o mag vornehmlich durch seinen weitreichenden Einstuß auch den späteren Erbauungsschriftstellern und „Praktikern" innerhalb der lutherischen Kirche die Forderung nach der rechten „praxis pietatis" als d a s vorherrschende Them a erschienen sein. Trotz der nachgewiesenen, vielfältigen Berührungspunkte zwischen den Gesang­ buchaussagen unserer Zeit über das christliche Leben, über die menschliche Heili­ gung und Erneuerung und zwischen den Ausführungen der lutherischen D ogm a­ tiker, Ethiker und Erbauungsschriftsteller über denselben Gegenstand bleibt nun aber nocheine wichtige Feststellung nachzutragen. D enn nicht erst in der orthodoxen oder pietistischen Systematik und M orallehre und erst recht nicht nur bei einzelnen „A ußenseitern" der lutherischen Kirche ist nach dem Ursprung und dem A nlaß zu einer derartig veränderten Bew ertung und inhaltlichen D arstellung des christlichen Lebens zu suchen. Vielmehr müssen wir auch in diesem Zusam m en­ hang au f M elanchthon zurückverweisen als auf denjenigen, dem alle späteren Kirchenlehrer wie auch die M ehrzahl der Kirchenlieddichter in irgendeiner Weise nachfolgen, sei es, daß sie seine Gedanken direkt übernahmen und ihrem inneren Gefälle nach weiter ausbauten, oder sei es, daß sie auf jeweils ihre besondere A rt seine Anschauungen zu ergänzen und zu befruchten suchten. MelanchthonS Lehren über das „Gesetz" als der eigentlichen „norma“ des christlichen Lebens sowie über den „tertius usus legis“, seine Hervorhebung der relativen Selbständig­ keit und Selbsttätigkeit des menschlichen W illens, seine Identifikation von „poenitentia“ und „mortificatio“ sowie von „vivificatio“ und „inchoatio novae vitae“ — alle diese Elemente machen darauf aufmerksam, daß sich schon (p. 469) und „Pertinet ad officium hominis circa animam suam, ut dona animae supernaturalia, quae divinitus accepit et habet cum sanctificantia, tum minist ran tia, in se et ratione suae originis; simul etiam defectus, qui conjungi solent, consideret; et sic illa quidem sincera et quotidiana opera, adhibitis mediis a Deo suppeditatis, excolere et, quoadlicet, perficere nitatur; defectus autem eodem Studio, quantum in se est, corrigat, promovendae gloriae divinae et utilitatis proximi causa“ (p. 470). m ) V gl. dazu M osheim , a. a. O. I, S . 64 s.: „Der Zweck der Sittenlehre Jesu ist unsere Heiligung, und diese ist zwiefach: Wir sollen zuerst im Grunde unsers Herzens gebessert, gereiniget und sowohl von der Finsternis unsers B e h ä n d e s . . . a ls von unserm Unvermögen, Gutes zu tun, und den bösen Neigungen des W illens befreit werden. Wir sollen zum andern daraus lernen, wie wir auch mit unserm äußerlichen Wandel G ott gefallen und durch unsere Taten und Werke die Ehre G ottes, daS Beste anderer Menschen und unsere eigene Glückselig­ keit befördern sollen . .

bei M elanchthon der Gedanke an eine d o p p e lte Rechtfertigung abzuzeichnen beginnt, daß schon bei ihm die Vorstellung von einer „acceptatio novae obedientiae“ auftaucht neben seiner Lehre über die „erste" Rechtfertigung als einer ,,personae acceptatio“ durch die non-imputatio peccatorum und die imputatio justitiae Christi115). Wo aber der „acceptatio novae obedientiae“ n eb en der Rechtfertigung sola fide und in Christo, wo also den Werken und der rechten Lebensführung des Menschen eine k o n s titu tiv e Bedeutung fü r das „ChristS e in " zugeschrieben w ird, da muß sich und da wird sich m it innerer Folgerichtig­ keit das Interesse des Menschen immer stärker demjenigen Gebiet zuwenden, au f dem er augenscheinlich die ihm notwendige „G ew ißheit" au s der unm ittel­ baren Beobachtung und E rfahrung schöpfen kann. I m Zusam m enhang dam it m uß ihn seine Beschäftigung mit der eigenen, konstatierbaren ,,nova obedientia“ und ,,inchoata sanctitas inhaerens“ weitertreiben zu einem S treben nach einer „magis magisque perfecta obedientia“, nach einem ,,habitus iusti et sancti“, bei dem G laube und Rechtfertigung vielleicht noch den A usgangspunkt dar­ stellen, dagegen erst die Werke der Heiligung H eil, Glück und Seligkeit v e r ­ b ü rg e n . I n dieser Weise lag es im Versagen der „Theologie" der nachreformatorischen Zeit — oder genauer: in der Verkümm erung und geheimen M ißachtung des Rechtfertigungsartikels — begründet, daß die „Fröm m igkeit" der Werke und des Lebens in d er Form und in dem Um fang, wie es die Dichtungen der lutherischen Gesangbücher vor Augen geführt haben, in den M ittelpunkt alles Redens und M ahnens rücken konnte. Versuchen wir abschließend, das Wesen der H eiligungslieder des 17. und frühen 18. Jah rh u n d erts in ihrem innersten Kern zu erfassen, so zeigt sich zu ihren Anliegen und ihren Einzelausführungen eine auffällige und überraschende P arallele, wenn wir die Aussagen des Tridentinum S vergleichen. Hier heißt es nämlich in caput X des JustifikationSdekretes: „Sic ergo iustificati et amici Dei ac domestici facti, euntes de virtute in virtutem, renovantur (. . .) de die in diem, hoc est, mortificando membra carnis suae et exhibendo ea arma iustitiae in sanctificationem per observationem mandatorum Dei et Ecclesiae: in ipsa iustitia per Christi gratiam accepta, cooperante fide bonis operibus, crescunt atque magis iustificantur . . . Hoc vero iustitiae incrementum petit sancta Ecclesia . . (Denz. 803).

Die B erührungen und Übereinstimmungen zwischen dieser römisch-katholischen Lehrweise und den in den lutherischen Gesangbüchern zum Ausdruck gebrachten Anschauungen brauchen nicht mehr im einzelnen erörtert zu werden. M it den Liedern zum christlichen Leben und W andel, die die H eiligung des Menschen zu einem selbständigen und eigenständigen Them a erhoben haben, befinden w ir uns tatsächlich „m itten in der W elt der tridentinischen R echtfertigungslehre"u ®). m ) D gl. dazu bereits in der 2. Bearbeitung der Loci die Stelle: „Hic gratia intelligatur, non solum quod adiuvemur a Spiritu sancto, sed etiam ipsa gratuita imputatio iustitiae seu acceptatio, quod videlicet iusti reputemur propter Christum, et d ein de placeat inchoata obedientia, etiamsi legi non satisfacit“ (CR 2 i, 377 sq). 116) Barth, „Die protestantische Theologie . . S . 77.

Sta tte den Anstoß zu dieser Entwicklung zweifellos der ernst zu nehmende Ruf

des 17. Jahrhunderts nach der „Praxis pietatis" gebildet, so mußte die geforderte „praxis pietatis"— da sie nicht mehr „theologisch" fundiert wurde, und d. h. inhaltlich gesehen, da sie sich nicht mehr auf das Wort des Evangeliums mit seinem Zuspruch der „nova creatura“ im Glauben an den gegenwärtigen Jesus Christus und seine Gnadengaben gründete — zu einer eigen-ständigen und eigen­ mächtigen, menschlichen Frömmigkeitöleistung werden. S o tritt neben die be­ handelte „Buß-Frömmigkeit" im lutherischen Gesangbuch unseres Zeitraumes eine ausgesprochene „Heiligungs-Frömmigkeit". Beide sollten mit je ihren Mitteln der Auferbauung des „christlichen" Menschen und des „Christentums" in mehr aktivem Sinne dienen, während die „Jesusfrömmigkeit" und die quietistische „llnio-Frömmigkeit" dem menschlichen Verlangen nach kontemplativer Frömmig­ keit entgegenkamen. S o entspricht die geistliche Dichtung des 17-/18. Ja h r­ hunderts dem religiösen Frömmigkeitsstreben des Menschen nach jeder Richtung hin. I n dieser Funktion machte die lutherische Kirchenlieddichtung aber auch allenthalben die unheilvollen Konsequenzen wie die Ursprünge und Quellen dieses Entwicklungsweges offenbar. Sie zeigte auch in ihrer Liedergruppe „Vom christlichen Leben und Wandel" aufs deutlichste, wie das Fehlen einer „rechten", „kritischen" Rechtfertigungs-Theologie und wie das dadurch ermöglichte wie auch unabwendbar gewordene Vordringen einer eigen-menschlichen „Frömmig­ keit" stets eine „Rekatholisierung" des evangelischen Glaubens und Lebens mit sich bringt, mag diese sich nun in scholastisch-rationalistischer oder in mystischpietistischer Form vollziehen. 2. Ium Problem des christlichen Vorsehung-glaubens

Mit den voranstehenden Ausführungen haben wir im wesentlichen unsere Überlegungen zu den Liedern über „christliches Leben und christlichen Wandel" abgeschlossen. Auch in diesem Komplex sahen wir sich — wie auch in den Bußund in den Rechtfertigungsliedern — die Problematik von „Theologie" und „Frömmigkeit" innerhalb der lutherischen Gesangbücher des 17. und frühen 18. Jahrhunderts in aller Deutlichkeit und Anschaulichkeit abzeichnen. Trotz­ dem wollen wir uns im folgenden noch mit einigen Bemerkungen den geistlichen Dichtungen über „Gottvertrauen und Vorsehungsglauben" zuwenden, da in diesem Bereich die Frage nach der rechten, christlichen Lebenshaltung in einer besonderen, frömmigkeitsgeschichtlich nicht unwichtigen Konzeption beant­ wortet wird. 3 m Rahmen unserer Materialdarbietung wiesen wir bereits darauf hin, wie sich in der genannten Liedergruppe Dichtungen finden, die einem frohen, ge­ trosten Gottvertrauen Ausdruck verleihen und damit in ihrer Weise davon Zeugnis ablegen, daß vornehmlich in den Zeiten des zojährigen Krieges die Kunde von der rechtfertigenden und rettenden Gnade Gottes sieghaft und un­ gebrochen vernehmbar wird. Gegenüber den vielfachen Mißgriffen und Unsicher­ heiten haben wir diesen positiven Zug innerhalb der Gesangbuchdichtung unseres

Zertaumes nicht zu übersehen. D ennock m ußten wir auch bei dieser Liedergruppe tiefgreifende Abweichungen von der ursprünglichen, reformatorischen G la u b en sHaltung beobachten. W ir erkannten sie vor allem in einem im m er stärkeren Zurücktreten der B ezeugung eines frohen, heilsgew issen G ottvertrauens teils zu ­ gunsten einer vom mystischen G eist bestimmten und im letzten G runde resignieren­ den menschlichen Ergebenheit in den unabwendbaren, göttlichen W illen oder in den unabänderlichen Lauf der nichtigen, vergänglichen W elt, sowie teils zu ­ gunsten eines rationalistisch-optimistischen V orsehu ngs- und S ch ick salsgefü h ls. B eide Vorstellungskreise fanden w ir in einem festen, inneren Zusam m enhang stehen m it einer jew eils besonders modifizierten G ottesanschauung, während sie au f der anderen S e ite gem einsam eine neue S elb st-B ew ertu n g des M enschen und eine neue Form seiner Lebens- und W eltanschauung zutage treten ließen. Angesichts dieses B efu n d es ist danach zu fragen, w arum auch a u f diesem G ebiet der lutherischen Liederdichtung der Reichtum der reformatorischen „ G la u b e n s­ lehre" verloren gehen konnte und dam it Elem enten und A nliegen anderer H er­ kunft R au m geben m ußte. Richten w ir unsere Aufmerksamkeit zunächst a u f die Frage der G ottesanschau­ u ng, die den bestimmenden H intergrund für jedes menschliche G ottvertrauen bildet, so zeigt sich das charakteristische M erkm al der reformatorischen T heologie darin, daß es für Luther keine G otteslehre an sichn?) und d. h. zugleich, daß es bei ihm keine ration ale, spekulative G otteserkenntnis gibt: G laube an G o tt bedeutet für Luther ausschließlich C h ristu s-G la u b e" ^ , der ihm stets ein persön­ liches V ertrauen a u f den in Christus offenbaren G ott und ein „kraftvolles, tä tig es W agen" m it eben diesem D atergott einschließt"^). Jeglicher andere G ottes-„ G la u b e" , jegliches V ertrauen, das sich a u f einen G ott außerhalb der 117) Vgl. dazu auch im gleichen Sinn die Ausführungen des jungen Melanchthon in der Einleitung zur i. Bearbeitung seiner Loci: „Mysteria divinitatis rectius adoraverimus, quam vestigaverimus. Immo sine magno periculo tantari non possunt . . . Proinde non est cur multum operae ponarnus in locis illis supremis, de deo, de unitate, de trinitate dei, de mysterio creationis, de modo incarnationis . . (CR 21. 84).

118) Vgl. dazu oben S . 280 und z. 95. WA 28, ioof.: „Merck aber und vergis nicht. . . wie Christus jnn diesem spruch (sc. Joh. 17,3) sein und des vaterS erkendnis jn einander flichtet und bindet, also daS man allein durch und jnn Christo den vater erkennet. Denn das habe ich offt gesagt und sage eS noch jmer, das man aucb, wenn ich nu tod bin, daran gedencke und sich hüte für allen (crem, als die der Teuffel reitet und füret, die oben am höhesten anfahn zu leren und predigen von Gott blos und abgesondert von Christo, wie man bisher jnn hohen schulen speculirt und gespilet hat. Sondern wiltu sicher farcn und Gott recht treffen oder ergreiffen, das du gnade und hülffe bey ihm findest, so laS dir nicht einreden, daö du jhn anderswo suchest denn jn dem Herrn Christo . . . An dem Christo sahe deine kunst und studiren an, da laS sie auch bleiben und hafften . . ." 119) Vgl. dazu z. 95. WA 7, 215 = DA II, 47s.: „Hie ist zu mcrcken, daS zweyerley weyß glaubt wirt, zum ersten: von Gott, daS ist, wen icd glaub daS war sey, waS man von gott sag t. . . dißer glaube ist mehr eyn wissenschafft odder merckung dan eyn glaub. Ium andern wirt yn gott geglaubt, daS ist wen . . . ich . . . setze meyn traw yn yhn, begeh und erwege mich mit yhm zu handeln und glaub on allen zweiyffell er werd mir alßo seyn und thun, wie man von yhm sagt. . . Solcher glaub, der eS wagt auff G o tt,. . . der macht allcyn eynen Christen menschen und erlanget von Gott alles was er wil . . ♦"

„humanitas Christi" richtet, ist seiner Anschauung nach nichts anderes a ls eine ,,ars prudentiae“ 120), a ls eine „praesumptio" des Menschen131). D em ent­

sprechend kann nach reformatorischer Anschauung G ottes S ein und Wesen auch nicht aus der N atu r abgelesen w erden; auch hier kann der Mensch nur g l a u b e n , dass G o tt der Schöpfer H im m els und der Erden ist133). Jede G otteserkenntnis „per ca, quae facta sunt“ bildet für Luther Zeichen und M erkm al einer „theologia gloriae“123). — Diese kurzen Hinweise müssen ge­ nügen, um zu zeigen, wie fü r Luther VorsehungS- und H eilsglauben un­ m ittelbar aufeinander bezogen sind, wie für ihn „Schicksals-" und „Schöp­ fungsglaube" nur a ls F orm und Ausdruck des Rechtfertigungsglaubens existieren sönnen124). Dagegen scheinen in den lutherischen Gesangbüchern nach der M itte des 17. Jah rh u n d erts zahlreiche „V ertrauens-" und „V orsehungslieder" kaum mehr durch eine solche „G laubens-A nschauung" geprägt zu sein. S ie lassen vielmehr die bestimmenden Züge einer ausgesprochen menschlichen „W eltAnschauung" m itsam t einer entsprechenden „G ottes-A nschauung" erkennen. Die Ansatzpunkte zu einer derartig veränderten H altung jener Kirchenlieddichtung er­ geben sich ohne weiteres au s einer Beschäftigung m it der Theologiegeschichte unseres Zeitraum es. I n diesem Zusammenhang ist vor allem in Betracht zu ziehen, daß bereits M elanchthon in seiner späteren Zeit seine ursprünglich reform atorische Lehrweise aufgegeben und sich ausführlichen Erörterungen über eine „G ottes-Lehre" abgelöst von einer „Christus-Lehre" zugewandt hatte. S o finden sich schon bei ihm D efinitionen des G ottes-„B egriffes", die die „G ottesidee a ls R esultat einer . . . erbaulich teleologischen W eltbetrachtung"134) erscheinen lassen. D aneben stoßen w ir in seinen Schriften ebenfalls au f den verfänglichen und 1I0) Vgl. dazu z. B . WA 57, 232 s. (Hcbr.): „.Credere DeunV adeo facile multis videtur, ut id et poetis et philosophis tribuerunt, ut et Rom. i Apostolus asserit. Denique sunt, qui hoc per se notum arbitruntur. Verum talis fides Humana est sicut et alia quaedam hominis cogitatio, ars prudentiae, somnium etc.“ m ) Vgl. dazu WA Br. I. Nr. 145 ( S . 329): Ideo repeto iterumque monebo: quicunque velit salubriter de Deo cogitare aut speculari prorsus omnia postponat praeter humanitatem Christi . . . Audis absolutam sententiam: Neminem nisi per Christum ad patrem venire. In hac via exercere, et eris brevi profundior Theologus omnibus Scholasticis, qui hoc ostium et hanc viam non solum ignorant, Sed suis infelicibus praesumptionibus, velut machinis speculationum, sibi praecludunt“ und WA 42, 293: „Sequor autem ego hanc perpetuam Regulam, ut, quantum potest, talos quaestiones vitem, quae nos protrahunt ad solium summae maiestatis . . . Plurimum enim periculi in eo est, si in illos labyrinthos divinitatis te involvas . . .“ 122) Vgl. dazu z. B . W TR IV. Nr. 3971 ( S . 46): „Darum gehöret zu Gottes wunderbarlichen Werken der Glaube, der sie fasset, und erkennet den Schöpfer, und preiset ihn dafür, nicht Weisheit des Fleisches." 123) Vgl. dazu z. B . WA 1, 354 = BA V, 379: „Non ille digne Theologus dicitur, qui ,invisibilia‘ Dei ,per ea, quae facta sunV intellecta conspicit . . 124) V gl. zum Ganzen R . Herm ann: „ Iu r Frage: VorsehungS- und HeilSglaube bei Luther." I . syst. Th. X V I, S . i8 9 ff. und bes. Viering: „Grundformen des Vorsehungsglaubens au f dem Boden der Reform ation bis zum Anfang der deutschen Erweckung", I . syst. Th. V, S . 502 ff. m ) Troeltsch, „V ernunft und Offenbarung . . .", S . 183.

vorbelasteten Gedanken von den „vestigia Dei“ 126); wir begegnen hier ein ­ gehenden A usfü hru ngen über die Frage „de providentia“ 127) sowie D a r ­ legu n gen , die wieder die alten G ottesbew eise au s der natürlichen V ern u n ft und dem natürlichen, eingeborenen Sittengesetz aufneh m en 126). D ieselbe Entwick­ lu n g slin ie w ird fortgesetzt und verstärkt, wenn in der lutherischen Orthodoxie seit J o h a n n Gerhard die Lehre von der göttlichen „V orsehung" a ls ein T e il­ gebiet der n a t ü r lic h e n T heologie behandelt trtrb129), w enn a u f die Frage „an sit D e u s“ a ls erstes a u f die „naturalis notitia Dei“ verwiesen roirb139) und w enn endlich in den ausführlichen Erörterungen über die Lehre von „ G o ttes W esen und Eigenschaften" die „ontologische Beschreibung G o tte s" 131) zum konstitutiven E lem ent der Lehrbildung gemacht w ird. D abei werden solche dogmatischen A usfü hru ngen besonders dort gefährlich, w o ein apologetisches A nliegen in den V ordergrund rückt, oder w o sie insgeheim oder deutlich a u s ­ gesprochen von der Absicht getragen sind, das göttliche Wirken und das mensch­ liche V erhalten und H andeln in einem bestimmten, harmonischen M it- und Durcheinander erscheinen zu lassen. I n dieser Weise zeigen sich schon in der O rthodoxie132) allenthalben die Ansatzpunkte zu einer Verschiebung in der m ) Vgl. dazu z. B. CR 21, 615: „Voluit enim Deus in homine conspici vestigia sua, et si hominis natura retinuisset primam lucem, speculum esset divinae naturae minus obscurum. Nunc in hac caligine tarnen aliqua notari vestigia possunt . . und CR 21, 641: „Mens Humana convincitur demonstrationibus, ut fateatur hunc modum a Deo conditum esse. Sed Deum adesse moderatorem. . . . Quia igitur difficilior est assensio, divirxis testimoniis fides in animis excitanda et confirmanda est . . . Postquam autem mens confirmata est vera et recta sententia de Deo et de creatione ac praesentia Dei in creaturis et moderatione caussarum secundarum ex verbo Dei et illustribus testimoniis in quibus se Deus generi humano peculiariter patefecit, . . . tune etiam utile et iueundum est aspicere opificium mundi et in eo vestigia Dei quaerere et demonstrationes colligere, quae testantur hunc mundum non extitisse casu nec volvi casu sed esse Deum mentem aeternam, conditricem rerum. Ideo enim tota natura condita est Deum monstret, Et si humanae mentes primam lucem retinuissent, hae notitiae de Deo multo fuissent illustriores. 127) Vgl. dazu z. B. CR 13, 203 ff. m ) VgC dazu Troeltsch, a. a. O., S . 125ff.; Hupfeld, a. a. O., S . 6sff. u. a. 12e) Vgl. dazu z. B. Ghd, Loci IV, 62: „Natura ipsa divinae providentiae testis est . . und den aufschlußreichen Abschnitt „De fato“ in Loci IV, 135 sqq. 130) Vgl. dazu z. B. Ghd, Loci III, 40 sq: „De quaestione, an sit Deus . . . i. Probandum est esse Deum. Primo omnium praesupponimus, quod Esse Deum recte et necessario demoiv stretur . . . 3. ad naturalis notitiae perfectionem. Quamvis enim natura notum sit esse Deum, tarnen naturalis illa notitia est imperfecta . . . Cum ergo naturalis Dei notitia sit imperfecta et languida, utique ex verbo divinitus patefacto confirmanda, perficianda et adimplenda est, ex quo patet, quid respondendum sit ad argumentum initio propositum. Quod naturaliter notum, nulla indiget probatione. Deum esse naturaliter notum.“ 131) Vgl. dazu HE. Weber, a. a. O. II, S . 12 ff. 132) I n diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß auch die pietistischen Theologen in den behandelten Fragen keine andere Stellung einnehmen. Vgl. dazu z. B. Spener, „Einfältige Erklärung . . ." S . 269, Frage 444: „Woher wissen wir das und wasGott sei? Daß ein Gott sei, lehret uns die Natur selbst, indem solche Erkenntnis allen Meist chen von Natur in daö Herz und das Gewissen eingepflanzt ist, nochmal durch die Geschöpfe und dero Ansehung vermehret wird. S o wissen wir auch aus denselben etwas von göttlichen Eigenschaften . . ." oder Freylinghausen, „Grundlegung . . . " S . 156: „Zuvörderst ist der nöthigen Berufung halber

Gottes-Lehre, der zufolge menschliche Gotteserkenntnis und „christlicher" „V o r­ sehungsglaube" nicht mehr als der Ausdruck einer reformatorischen G laubens­ gewißheit gewertet werden können. Unsere Überlegungen haben bislang an verschiedenen, entscheidenden Punkten die auffällige P arallelität nachgewiesen, die zwischen den „theologischen" A us­ führungen der Dogmatiker des 17. Jahrhunderts und den Gedanken der V er­ trauens- und Vorsehungslieder der lutherischen Gesangbuchdichter derselben Zeit besteht. ES bleibt nun aber noch die Frage zu stellen, aus welchen G ründen die lutherischen Gesangbücher diese „neue" A rt von theologisch-christlicher GotteSund W elt-Anschauung in der Form eines breitausgestalteten VorsehungS- und Schicksals-Glaubens so schnell und so gründlich aufgegriffen und w eitergeführt haben. Zweifellos werden die hier zu nennenden Dichter in ihren geistlichen Liedern nicht das Ziel verfolgt haben, bestimmte neue, zeitgenössische Konzep­ tionen in popularisierter Gestalt „unter das V olk" zu bringen. Ih re Gesänge zeigen dagegen unverkennbar die Absicht, praktische H ilfen und deutliche An­ weisungen für eine rechte, christliche Lebenshaltung zu geben. Gerade dieses An­ liegen ließ sich nun aber auf der G rundlage jener orthodoxen „Erkenntnisse" über das Wesen G ottes, über seine Offenbarung im N atur- und Weltgeschehen sowie über seine Erkennbarkeit im Vorsehungswirken gegenüber dem Menschen­ geschlecht auf das beste verfolgen und verwirklichen. D abei ergaben sich ihnen fü r ihre Dichtungen zwei verschiedene Möglichkeiten und W ege: von denselben Voraussetzungen aus konnten sie den Menschen einerseits zu einer stoisch­ passiven Lebenshaltung und zu einer mystisch-pietistischen W eltverneinung au f­ rufen, während sie andererseits ebenso gut eine aufklärerische N aturgläubigkeit, eine „schönheitstrunkene W eltfreudigkeit" und eine optimistische V erklärung des Menschlich-Kreatürlichen verkünden konnten. 3 n der äußeren Erscheinungsform unterscheiden sich demnach ein mehr „orthodoxes" V ertrauenslied, ein pietistifche» „F ührungslied" und ein rationalistisches Vorsehungslied. Ih rem inneren Wesen nach stehen sie jedoch alle au f ein und derselben Linie. Gemeinsam gebt es ihnen bei allen ihren Gottesgedanken und in allen ihren M ahnungen zur rechten E r­ gebung in den göttlichen Willen und zur vollkommenen Bejahung der göttlichen W eltlenkung und des eigenen Schicksals letztlich allein um den Menschen, um dessen „H eil" und „W ohlbefinden". S o erweist es sich, daß auch in dem Bereich der Lieddichtungen über G ottvertrauen und Vorsehungsglauben menschliche Frömmigkeit und Religiosität — sei es nun in der Form einer „natürlich"rationalistischen oder einer mystisch-pietistischen Frömmigkeit — dort das Feld erobern und behaupten, wo der G ottesglaube nicht mehr im biblisch-reformatorischen S in n Christusglaube und wo das G ottvertrauen nicht mehr zugleich Rechtfertigungsgewißheit sola fide ist. dem Menschen nach dem Fall noch einiges Licht göttlicher Erkennmiß, samt dem Gewissen und dessen Regungen, gelassen worben . . . Zu dem Ende hat Gott ferner die gantze Natur und Wercke der Schöpfung vorgestellet. . . Dahin zielen auch alle leiblichen Wohlthaten . . . " .

§ 20: E x k u rs „Rechtfertigung" und „Gottvertrauen" in der Liederdichtung P au l Gerhardts

Unsere bisherigen A usführungen haben die Liederdichtung P a u l G erhardts bis auf einige Sluänäljmen1) unberücksichtigt gelassen. W ir glaubten dazu aus den folgenden G ründen berechtigt und genötigt zu sein. Unsere Untersuchung hatte sich das Ziel gesetzt, einen B eitrag zu der theologic- und frömmigkeitsgeschicht­ lichen Entwicklung des lutherischen Gesangbuches im 17. und frühen 18. J a h r ­ hundert zu leisten. Die Beschäftigung mit der geistlichen Liederdichtung kam dafür nur insoweit in Betracht, als sie für die verschiedenen Epochen der luthe­ rischen Gesangbuchgeschichte von entscheidender und charakterisierender B e­ deutung war. I m Blick auf das dichterische Werk P a u l G erhardts ist dagegen festzustellen, daß viele seiner Lieder nicht so geartet sind, daß sie die allgemein vorherrschende Anschauungsweise der lutherischen Gesangbuchdichtung unseres Zeitabschnittes wiedergeben. Vielmehr ließen sich die eigentlich kennzeichnenden Züge an denjenigen Liedern aufweisen, die wir in den vorangehenden Abschnitten herangezogen haben und die ihre Herkunft und ihre dichterische Q ualität nicht selten nur zweit- oder drittrangigen „Poeten" verdanken. Bestimmend fü r unsere LiedauSwahl w ar ferner die Beobachtung, daß die Gesänge P a u l G erhardts nicht den Aufbau des lutherischen Gesangbuchkorpus als solchen geprägt haben und daß sich der Gebrauch seiner Lieder im lutherischen Kirchengesang erst vom 18. Jahrhundert an in größerer Breite durchgesetzt hat. Daneben war für die Zurückhaltung unserer D arstellung gegenüber dem Lied­ gut von P au l Gerhardt ein zweiter Gesichtspunkt ausschlaggebend. U. E. er­ fordert das Werk P a u l G erhardts gerade in seiner S o n d e r s te llu n g eine so intensive Beschäftigung und macht eine solch genaue Analyse notwendig, daß ihm Unrecht getan würde, wenn es ohne weiteres in den Rahm en einer sehr viel weiter gefaßten und allgemeineren Untersuchung eingeordnet würde. W ir halten es vielmehr für dringend erforderlich, daß auf diesem Gebiet eine Spezialunter­ suchung angestellt w ird, die P a u l Gerhardt nicht nur als den großen Volksdichter des Luthertums feiert, sondern die sich seiner Werke vor allem in theologisch­ wissenschaftlicher Form sowie in sachgemäßer kritischer Betrachtung annim m t^). I n einem solchen Zusammenhang müßten seine Dichtungen in ähnlicher Weise, wie wir es bei den übrigen geistlichen Liedern der Gesangbücher zu unternehmen versuchten, auf ihre zeit- und geistesgeschichtliche P rägung und Eigenart hin untersucht werden, wie sie in unm ittelbar innerer V erbindung dam it zugleich *) Vgl. dazu oben S . 80; 8 4 s.; yzff.; 131s; 18 0 ,Anm. 11; 226s; 262; 280s.; 283; 304, Anm 43; 335, Anm. 8; 341, Anm. 12; 350. 2) I m Rahmen unseres Exkurses müssen wir auf eine Auseinandersetzung mit der bisherigen Paul-Gerhardt-Literatur verzichten. Besteht diese zumeist allerdings aus populären Darstel­ lungen, so finden sich in ihr neben manchen kritisch zu bewertenden Ausführungen doch auch durchaus positive Ansätze und wertvolle Hinweise auf die Eigenart wie au f die Problematik der Gerhardtschen Lieder, die entsprechend weiter auszubauen wären.

a ls ein Dokum ent einer besonderen theologie- und frömmigkcitSgeschichtlichen Problem atik zu erörtern wären. Jene beiden Fragestellungen würden bei P a u l G erhardt zweifellos ein interessantes Ergebnis zeitigen. S o sehr wir ihm im Unterschied zu den meisten der herangezogenen Kirchenlieddichtern eine wirkliche dichterische Begabung und eine echte, poetische O riginalität zubilligen müssen, so sehr würden w ir andererseits deutlich erkennen lernen, wie auch dieser Dichter in den allgemeinen geistigen und religiösen Bewegungen seines Zeitalters steht, wobei er uns teils als R e p r o d u z e n t der zeitgenössischen Vorstellungöwelt m itsam t ihren Anleihen bei früheren geistig-religiösen Epochen, teils als Weg­ bereiter und V orläufer von erst Kommendem erscheinen w ürbe3). Trotzdem kann und darf unsere Arbeit die Lieder P a u l G erhardts nicht gänz­ lich unberücksichtigt lassen. I s t ihre Bedeutung im Gesam trahm en des Gesang­ buches unseres Zeitraum es nicht zu überschätzen, so bilden seine Gesänge dennoch einen nicht zu übersehenden Bestandteil der in unserer Untersuchung heran­ gezogenen kirchlichen Liedersammlungen. Auö diesem Grunde wollen w ir uns im folgenden Exkurs m it zwei Liedergruppen aus dem dichterischen Schaffen P a u l G erhardts eingehender beschäftigen, und zwar m it seinen „Rechtfertigungs­ liedern" und m it seinen „V ertrauensliedern". Werfen w ir in diesem Zusammenhang zunächst einen kurzen Blick au f die B ew ertung, die die beiden Liedergruppen in der bisherigen P aul-G erhardtLiteratur erfahren haben, so stoßen wir auf auffallende und aufschlußreiche Differenzen. S o wurden unseres Wissens bislang in der g e s a m te n hymnologischen Literatur die „ R e c h tfe rtig u n g s" -L ie d e r P a u l G erhardts als eine Wiedererweckung und Verlebendigung des reformatorischen Zeugnisses von der Rechtfertigung allein aus G naden und allein in Je su s Christus gepriesen, wobei sie zumeist die E igenart der Gerhardtschen Rechtfertigungsdarstellung m it ihrer stärker „subjektiven" Einstellung als ein besonderes Positivum buchte. D em ­ gegenüber w ar die B eurteilung der V ertrauenslieder P a u l G erhardts nicht so einheitlich. Wissenschaftler au s dem Gebiet der Hymnologie wie auch der Theo­ logie haben z. T . auch hier den rein reformatorischen Klang des Gerhardtschen G ottvertrauens und G ottesglaubens betont, während andere Darsteller m einten, au f diesem Gebiet des dichterischen Schaffens P a u l G erhardts kritischere M aß ­ stäbe anlegen zu müssen und somit in den Trost- und V ertrauensliedern dieses Dichters bereits den Ausdruck einer vom reformatorischen Rechtfertigungs­ zeugnis abgelösten religiösen H altung nachwiesen. D a sich unsere Untersuchung insbesondere der theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Problem atik des lutherischen Gesangbuches des 17. und frühen 18. Jahrhunderts vor allem au f dem Gebiet seiner Rechtfertigungsanschauung im weitesten S in n , d. h. unter Einschluß seiner A usführungen über B uße, Heiligung und G ottvertrauen, a n ­ genommen hat, müssen wir wenigstens einige eigene A usführungen bringen zu jenen aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Dichtung P a u l G erhardts. Be3) I n diesem Zusammenhang bietet das genanme Buch von Berger, zu dem wir oben (vgl. S . 6 7 s, Anm. 1) kritisch Stellu ng genommen haben, eine Anzahl von wichtigen interessanten und auffchlußreichen Bemerkungen.

trachten w ir also zunächst der Rechtfertigungsanschauung P a u l G erhardts, wie sie uns in seinen Liedern entgegentritt*). „ Ist G ott für mich, so trete gleich alles wider mich, so oft ich ru f und bete, weicht alles hinter sich . . .

(95, 1)

Der G rund, da ich mich gründe, ist Christus und sein B lu t . . .

(95, 3)

Der, der hat ausgelöschet, waö m it sich führt den Tob . . .

(95, 5)

Nichts, nichts kann mich verdammen, nichts nimmet mir mein Herz . . ."

(95, 6)

„W arum sollt ich mich denn grämen, hab ich doch Christum noch, wer will mir den nehmen. Wer will mir den Himmel rauben, den mir schon Gottes Sohn beigelegt im Glauben."

(98, 1)

Die beiden Lieder, denen die zitierten Strophen entnom m en sind, sind stets als die bezeichnendsten und überzeugendsten Beispiele für die lutherische Rechtfertigungöanschauung ihres Verfassers genannt worden. Tatsächlich findet sich bei P a u l G erhardt reformatorisches G laubensgut in einem solchen Umfang, wie sonst bei kaum einem der geistlichen Dichter seiner Zeit. S o stehen die Aussagen der angeführten Lieder keineswegs vereinzelt da. S ie können vielmehr aus anderen Gesängen in d er Weise ergänzt werden, daß der Eindruck entsteht, in den Liedern P a u l G erhardts habe der ganze Bereich der Rechtfertigungslehre Luthers dichterische Gestaltung gefunden. I n diesem Zusam m enhang lassen sich aus den Gesängen unseres Dichters z. B . ausführliche Zeugnisse über die P e r s o n und über das W erk C h risti zusammenstellen. Über jenes „T hem a" schrieb P a u l G erhardt etwa die folgenden Zeilen: „Denn weil die da Gottes Zorn wirb sein S ohn wirbt uns durch

Zeit nun mehr erfüllt, muß sein gestillt, Mensch, trägt unser Schuld, sein B lu t Gottes H uld." (F T . III. 485,12),

während er in einer anderen Strophe desselben Liedes den Gedanken an die Bedeutung der Person Christi für das menschliche Geschlecht in die W orte kleidete: „Der Sünden Büßer ist nun hier, den Schlangen-Treter haben w ir; der Höllen Pest, des Todes G ift, des Lebens-Fürsten man hier trifft."

(FT . III. 485,14)

4) D abei werden wir in diesem Zusammenhang — um einer größeren Anschaulichkeit willen — auch die Gesänge P a u l Gerhardts heranziehen, die selten oder gar nicht in Gesang­ büchern unseres Zeitraumes erschienen, die aber bei F T . verzeichnet stehen.

Die Erscheinung und das Werk Christi bezeichnet er in einer seiner Psalm dichtungen^) als einen Erwerb der Gnade Gottes für den Menschen: „Der Schatze den ich begehr, ist deine Gnad, o Herr: die Gnade, die dein S o h n , mein H eil und Gnadenthron, mir sterbend erworben."

(FT. III. 383, 3)

An zahlreichen anderen Stellen führt Paul Gerhardt noch breiter aus, wie Christus jene göttliche Gnade durch eben seinen Tod erworben habe und wie sein Leiden und Sterben Opfer und Lösegeld für den sündigen Menschen bedeute: „ . . . D u hast für alle Sü nd en , die in der ganzen Welt bei Menschen je zu finden, ein völligö Lösegelb und Opfer, das bestehet vor dem, der alles trägt, in dem auch alles gehet, bezahlet und erlegt."

(F T . III. 4 9 3 ,6 )

Auch das lutherische „pro me“ und „pro nobis“ findet sich bei unserem Dichter eindringlich betont: ,r £ m Jesu, meine Liebe, ich hätte nimmer Ruh und R ast, wo nicht fest in mir bliebe, waS du fü r mich geleistet hast.. ."

(FT. III. 493, 1)

oder: „Doch ist er wahrhaftig hier für sein Volk gestorben und hat völlig m ir und dir H eil und Gnad erworben . . ."

(FT. III. 409, 14)

Dieses „für uns" des Todes Christi bedeutet für P aul Gerhardt ebenso wie für Luther inhaltlich die Gabe der S ü n d e n v e r g e b u n g an den Menschen: „ . . . N un ist die S ü n d in Jesu B lu t ersäuft, erstickt, getilgt und tut fort gar nichts mehr zur Sachen."

(FT . III. 4 7 3 ,4 )

Darum kann der Mensch auch bekennen: „D ie S ü n d ' ist tot: G ott ist versöhnt durch seines Soh n es Dulden: der Grimm ist hin, den wir verdient m it unsers Leben Schu lden. . . "

(FT . III. 477, 5)

Nach der Verkündigung der Gerhardtschen Lieder bringt diese Sünden­ vergebung als Gabe und Folge des Todes Christi das H e il: „Ach J e su s, dessen Schmerzen mir a ll mein Heil erworben . . . "

(FT . III. 4 1 0 ,1 0 )

6) Es handelt sich dabei um den Psalm 143, der von P a u l Gerhardt streng christologisch ausgelegt, bzw. umgedeutet wird. V gl. ebenso die Verwendung von P salm 73, 23ff. in dem Liede „Warum sollt ich mich denn grämen" (98, 1 ff.).

S le macht den Menschen vor G o tt rein und gerecht, so daß bezeugt werden d a rf:

„Der, der hat ausgelöschet, was mit sich führt den Tod, der ists, der mich rein waschet, macht schneeweiß, waS ist r ot .

.

(

9

5

,

5),

oder daß in einer anderen Strophe der Sänger die W orte aussprechen kann:

„Die Sund ist hin, und ich bin rein: Trotz dem, der mir das nehme! Hinfüro ist das Leben mein, darf nicht, daß ich mich gräme um einger Sünden Lohn und Sold: Wer ausgesöhnt, dem ist man hold und tut ihm nichts zuwider."

(FT. III. 473, 5)

Wenn P a u l Gerhardt in demselben Zusammenhang endlich die Zeilen form u­ lie rt:

„Dann das ist sein höchste Freud . . . damit der gerechte Knecht, der vollkommne Sühner gläubig mach und recht gerecht alle Sündendiener."

(FT. III. 409, 17),

so klingt schon hier der Gedanke an, daß es, wie bei Luther so auch bei ihm , allein der G la u b e ist, der den Menschen jener Gabe der Rechtfertigung und Sünden­ vergebung teilhaftig werden lä ß t:

„. . . Es ist vollbracht, das nimm in Acht: du darfst hier nichts zu geben, als daß du gläubst und gläubig bleibst in deinem ganzen Leben."

(FT. III. 408, 13)

Bei dem Menschen selbst sieht unser Dichter dagegen eitel Unvermögen:

„. . . in uns ist kein Vermögen . . ."

(FT. III. 414, 5)

und Nichtigkeit:

„. . . An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd . . ."

(95, 3)

I n diesem Sinne spricht P a u l Gerhardt dem Menschen das Vermögen ab, aus eigenen Kräften die Sünde zu tilgen oder zu sühnen:

„Isis dann vollbracht, was willst du nun dich so vergeblich plagen, als müßt ein Mensch mit seinem Tun die Sündenschuld abtragen? . . ."

(FT. III. 408,13)

I n gleicher Weise leugnet er es auch, daß dieser Mensch von sich aus K ra ft und Treue zu einem gläubigen Vertrauen aufbringen könnte:

„. . . Wie bald würd unser Glaub und Treu, Herr, wo du uns nicht stündest bei, sich in die Aschen legen?" (FT. III. 414, 5)

Findet sich darum auf der einen Seite in den Gerhardtschen Liedern die B itte: „Mehre meinen kleinen Glauben und wehr allem , das da w ill dieses Schatzes mich berauben, führe mich zum rechten Ziel . ♦

(FT. IIII. 490, 9 ),

so bezeugt der Dichter andererseits, daß Gott selbst dem schwachen, unfähigen Menschen zu Hilfe kommen will. Diese göttliche Gnadenhilfe sieht er auf zweierlei Weisen geschehen: sie besteht ihm darin, daß Gott sein W ort gegeben hat, so daß P aul Gerhardt dem Sänger seiner Lieder verkündet: . Und wenn ihn alle W elt verläßt, hält G ottes Wort ihn steif und fest."

(9 3 ,1 1 ),

oder daß er in bezug auf den Glauben und auf das Wort Gottes aussagt: „Geduld kommt a u s dem Glauben und hängt an G ottes W ort: das läßt sie ihr nicht rauben, das ist ihr Heil und H ort, das ist ihr hoher W all, da hält sie sich verborgen . . ."

(92, 5)

Darum muß es auch die Bitte des Menschen sein: „ . . . Erhalte mich, 0 starker H ort, befestge mich in deinem Wort . . ."

(FT. III. 448, 7)

Daneben erscheint in den Dichtungen P aul Gerhardts der G eist als der Helfer und Fürsprecher des Menschen. Über dessen „Funktion" finden sich in einer seiner Strophen die folgenden Gedanken: „Seinen Geist, den edlen Führer, gibt er mir in seinem W ort, daß er werde mein Regierer durch die W elt zur H im m elpfott. D aß er mir mein Herz erfülle mit dem hellen Glaubenslicht, das des Todes Macht zerbricht. . . "

(FT. III. 4 1 6 ,4 )* )

Au der Glaubensanschauung unseres Theologen gehört nun aber auch das freudige Bekenntnis der Zugehörigkeit des gerechtfertigten Menschen zu seinem Erlöser, das er — selbst wenn seine Ausführungen hier gelegentlich eine im mystischen Sinne mißverständliche und vielleicht auch von ihm selbst miß­ verstandene Deutung Ausweisen*7) — in der biblisch-reformatorischen Aussage von dem S e in des Gläubigen „in C h r is to “ wiedergibt: •) V gl. im Unterschied dazu aber auch oben S . 2 8 3 . 7) V gl. in diesem Zusammenhang z. B . eine Strophe wie die folgende: „Ach Jesu, dessen Schmerzen mir all mein H eil erworben Komm, ruh in meinem Herzen, das in der S ü n d erstorben. Laß dirs gefallen, ich w ill dir dein Grab bereiten in mir hier . .

(FT. III. 4 1 0 ,1 0 )

. . ich bin zu hoch gesessen, weil ich Ln Christo bin."

(92, 6)

An einigen, allerdings seltenen Stellen in seiner Dichtung leitet P aul Gerhardt — in voller Übereinstimmung mit der Lutherschen Lehre — aus diesem „3n Christo-Sein", und d. h. also aus der göttlichen Vergebungs- und Rechtfertigungs­ gnade, auch die Heiligung des Christenlebens ab, so z. B . wenn es heißt: „Brauch alles w ohl, und weil du bist nun rein in Christo worden, so leb und tu auch a ls ein Christ und halte Christi Orden . .

(FT. III. 492, 12)

Auf die Gabe der Sündenvergebung und der Christusgemeinschaft gründet sich endlich die Gerhardtsche G la u b en s-G ew iß h e it, der er wie kaum ein zweiter Dichter seines Zeitalters Ausdruck verliehen hat: „N ichts, nichts kann mich verdammen, nichts nimmst mir mein Herz. Die H öll und ihre Flam m en, die sind mir nur ein Scherz. Kein Urteil mich erschrecket, kein Unheil mich betrübt, weil mich mit F lügeln decket mein Heiland, der mich liebt."

(95, 6)

Auch in einem anderen Gesang dieses Dichters fällt uns eine Strophe auf, die in ihrem Bekenntnis einer freudigen und gewissen Zuversicht ohne weiteres Luther zugeschrieben werden könnte: „Unser Kerker, da wir saßen und mit Sorgen ohne M aßen u n s das Herze selbst abfraßen ist entzwei, und wir sin d frei."

(F T . III. 486, 6)

Überhaupt ist es als d a s besondere und auszeichnende Merkmal der Gerhardtschen Liederdichtung hervorzuheben, daß in ihr mit wirklich überzeugender und mit überwältigender Kraft der Ton einer sieghaften Christenfreude lebendig w ird: „W arum sollt ich mich denn grämen, hab ich doch Christum noch, wer w ill mir den nehmen, wer w ill mir den Himmel rauben . . ."

( 9 8 ,1 )

oder: „M ein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein, ist voller Freud und S in g en , sieht lauter Sonnenschein, die S o n n e , die mir lachet, ist mein Herr Jesu s C hrist. . ."

(95, 15)

Die bisher mitgeteilten Beispiele sollten versuchen, ein möglichst anschauliches Bild davon zu geben, daß und wie in dem Liederschaffen P aul Gerhardts tat­ sächlich der reformatorische Rechtfertigungsartikel seinem ganzen Umfang und

seiner ganzen Fülle nach dichterische Gestaltung und Darstellung gefunden hat. Gegenüber der in unseren früheren Untersuchungen ausführlich nachgewiesenen Verkümmerung und Verdrängung deö Rechtfertigungözeugniffes innerhalb der Gesangbücher und in den Gesangbuchliedern unseres Zeitraumes ist diese Tatsache besonders zu betonen und zu würdigen. Die eben getroffene Feststellung ist jedoch nicht die einzige, die wir zu dem­ jenigen Ausschnitt der Liederdichtung P au l G erhardts, der sich im weiteren S inne mit der Frage nach der Rechtfettigung des Menschen vor G ott beschäftigt, zu treffen haben. Es kann und darf nämlich nicht übersehen werden, daß sich in den Gesängen dieses Dichters — abgesehen von persönlichen Eigenheiten — durchgehend auch solche Züge ausprägen, die seine Lieder merklich von den „klas­ sischen" Rechtfertigungsliedern der Reformationszeit, bzw. von der ihnen zu­ grundeliegenden lutherisch-reformatorischen Rechtfettigungslehre, abheben und unterscheiden. 3m folgenden wollen wir darum einige Anschauungskomplexe herausgreifen, an denen die Abweichungen der Gerhardtfchen Vorstellungen und Gedanken deutlich hervottreten. Dabei können wir im Rahmen unseres Exkurses allerdings nur auf einzelne besondere Phänomene und Sym ptom e aufmerksam machen, während das Problem ihrer Herkunft sowie ihre eingehendere und kritischere Analyse und Beurteilung einer theologie-, geistes- und frömmigkeitsqefchichtlichen Spezialuntersuchung über das Gesamtwerk P a u l Gerhardts vor­ behalten werben muß. Betrachten wir unter den angegebenen Voraussetzungen z. B . noch einmal genauer die Form und die Art, in der die geistlichen Lieder P a u l Gerhardts über den G l a u b e n des Menschen reden. Hierbei fällt zunächst auf, daß der Dichter das W ort Glauben häufig mit charakterisierenden Adjektiven versieht oder daß er es mit näher beschreibenden Substantiven zusammensetzt. S o spricht er z. B . von dem „w ahren" G lauben; er handelt von des Glaubens „Freudenlicht", auf das sich der Mensch selbst beziehen soll: „Ei so richte dich empor . . . laß das Seufzen, nimm hervor deines Glaubens Freubenlicht: das behalte, wenn dich die Nacht deines Kummers traurig macht."

(9 6 ,1 3 ),

oder er prägt den bezeichnenden Ausdruck „G laubenszier" und formuliert in einer Sttophe als eine menschliche B itte: „ . . . Gib, baß mir nicht des Glaubens Zier durch Trübsal werd rnmommen . . ."

(FT. III. 4 4 8 ,7 )

Daneben läßt sich die aufschlußreiche Beobachtung machen, daß P au l Ger­ hardt nicht selten den Begriff „G lauben" auffällig eng mit dem Gedanken an Herz, Seele oder Gemüt des Menschen verknüpft. S o formuliert er z. B . in einem Liede: „ . . . daß er (sc. der Geist) mir mein H erz erfülle mit dem hellen Gl aubensl i cht . . ( FT. III. 4 1 6 ,4 )

ober in einem anderen Zusam m enhang: „Erfülle die G e m ü te r mit reiner GlaubenSzier . .

(F T . III. 413,11)

Selbst die „Glaubensfrüchte" werden von ihm a ls ein seelisches „G ut" des Menschen aufgefaßt, wenn er schreibt: . . Gib, daß der Som m er deiner Gnad Ln meiner S e e le früh und spat viel Glaubenöfrücht erziehe."

(FT . III. 454, *3 )

Behalten wir diese auffälligen Wendungen im Auge, so ist es erklärlich, daß an vielen S tellen innerhalb der Dichtung P a u l Gerhardts das Zeugnis über die göttliche Gabe und über die „Kraft" des menschlichen G laubens andersartigen Vorstellungen Raum geben konnte. S o berufen sich z. B . Gerhardtlieder statt auf Glauben und Vertrauen nicht selten ausgesprochenermaßen auf eine „individuelle", auf eine persönliche, eigen-menschliche „ E r fa h r u n g " : „G ott ist ein G ott, der reichlich tröst't, wer ihn nur sucht, der wird erlöst, ich hab es selbst erfahren . . ."

(94, 2)

3 n denselben Zusammenhang gehört die Erscheinung, daß unser Dichter den Menschen seiner kieder statt der Bitte um den rechten Christus-Glauben oder um die göttliche Gnade und Sündenvergebung, häufig das Verlangen nach einem Schmecken und Empfinden der göttlichen H uld aussprechen ta g t8). I n diesem S in n e heißt es z. B .: „Mein G ott, eröffne mir die Pforten solcher Gnad und Gütigkeit, laß mich allzeit aller Orten schmecken deine Süßigkeit . . ."•)

(100, 12)

oder auch: „Zeuch ein, laß mich empfinden und schmecken deine K raft, die K raft, die uns von Sünden H ülf und Errettung schafft . . ."

(FT. III. 413, 2)

•) An dieser Stelle sei bereits darauf hingewiesen, daß P a u l Gerhardt auch im Blick au f die Person Christi die Vorstellung von einem Empfinden der Süßigkeit, Herrlichkeit, Lieblichkeit Jesu überaus häufig und in sinnlich-bewegten Worten ausgedrückt hat. •) Dgl. dazu auch die Zeilen: „ . . . Bitte, wollst mir Gnade geben dich aus aller meiner Macht zu umfangen Tag und Na c h t . . . "

(F T . III. 416, 12)

Dabei ist es besonders auffällig, daß P a u l Gerhardt in den beiden zitierten, wie auch in anderen Sttophen derartige Begriffe, die der mittelalterlichen JesuSminnc und Jesusmystik entflammen und die von anderen Gesangbuchdichtern des 17./18. Jahrhunderts stets nur innerhalb des gleichen VorstellungSbereicheS gebraucht worden sind, ohne weiteres auch au f G ott, den V ater, oder G ott, den Geist, überttägt.

Lassen bereits die bisher mitgeteilten Ausdrucks- und Vorsiellungsformen aufmerksam werden, so geschieht das erst recht, wenn wir bei dem „orthodoxen" Theologen P aul Gerhardt die Aufforderung lesen: „Erhebe dich, steig zu ihm zu und lern ihn recht erkennen, denn solch Erkenntnis bringt dir Ruh und macht die S eele brennen in reiner Liebe, die u n s nährt zum ewgen Freudenleben . . ."

(99, 5)

Nach solchen Ausführungen ist ohne weiteres zu vermuten, daß diese Art unter den Liedern P aul Gerhardts auch häufiger um den „Trost" und um die „Tröstung" des Menschen bittet10) als um die Gewährung der Sündenvergebung. I n dieser Hinsicht sind als Beispiel etwa anzuführen die folgende Strophe: „Ach zieh, mein Liebster, mich nach dir, . . . Ich w ill a u s deines M undes Zier den süßen Trost empfinden, der die Sü nden und alles Unglück hier kann leichtlich überwinden."

( io 4/ 9) 11)

oder die Zeilen aus einem anderen Gesang: „Ach J esu , der du worden bist mein H eil m it deinem Blute . . .

(FT. III. 4 4 8 ,1 0 )

Sprich meiner S e e l ein Herze zu und tröste mich a u fs beste . .

(FT . III. 4 4 8 ,1 2 )

Den Menschen jedoch, der den erbetenen Trost und die erflehte Gnade meinte erhalten zu haben, kann P au l Gerhardt in die überschwänglichen Worte auSbrechen lassen: „Ich bin durch und durch entzündet: fröhlich ist, w a s in mir ist. Alle mein G eblüt empfindet dein H eil, das du selber bist .

.

( FT. III. 4 6 4 ,1 4 )

Überblicken wir die im letzten Abschnitt zusammengestellten Liedbeispiele, so lassen sie deutlich genug erkennen, daß ihre Gedanken und Formulierungen nicht mehr ganz mit den biblisch-reformatorischen Aussagen über Rechtfertigung, Sündenvergebung und Glauben in Einklang zu bringen sind. Wir können viel­ mehr schon aus den angeführten Zitaten schließen, daß dem ganzen dichterischen Denken P aul Gerhardts überhaupt der Lutherfche Gedanke vom Wirken Gottes 10) D aß daneben die menschliche Bitte um Trost in einem mehr „weltlichen" S in n in großer Ausführlichkeit in den VertrauenSliebern P a u l Gerhardts behandelt wird, braucht hier nicht weiter berücksichtigt zu werden. n ) E s versteht sich von selbst, daß w ir, wie in den Untersuchungen der Hauptteile unserer Arbeit, so erst recht bei der kurzen Betrachtung der Gerhardtschen Lieder, die Fragen der lite­ rarischen Abhängigkeit au f sich beruhen lassen müssen. Die herangezogenen Beispiele sind auch möglichst den frei geschaffenen Dichtungen P a u l Gerhardts entnommen, eö sei denn, daß die ungemilderte Kraßheit und die unabgeschwächte Fremdartigkeit übernommener Vorstellungen und Anschauungsweisen besonders heworgehoben werden sollten; vgl. dazu oben S . 85.

„sub contraria specie“ sowie die informatorische Kennzeichnung des RechtfertigungS-Glaubenü als einer fides ,»contra spe in spem“ und der „RechtfertigungS-G üter" — d. h. also von Frieden^ Heil, Seligkeit u. a. — als „abscondita“, als ,,non visibilia secundum mundum“ und „non sensibiliter et experimentalis“ ferngelegen haben, ja, daß sie vielleicht kaum mehr mit ihm zu vereinen waren. Dagegen bemerken wir in den Liedern G erhardts vielfach eine deutliche Übereinstimmung m it Gesangbuchaussagen von zeitgenössischen Dichtern wie vor allem eine auffällige V orausnahm e von Gedanken und V o r­ stellungen, die in d ie s e r Form erst einige Jahrzehnte nach seinem Tode unter lutherischen Gesangbuchdichtern allgemein verbreitet waren.

Unsere A usführungen haben mehrfach davon gehandelt, wie innerhalb des reformatorischen „H auptartikels" Rechtfertigungszeugnis und Christusglauben unlösbar miteinander verknüpft waren. S o liegt die Aufgabe nahe, auch die Lieder P a u l G erhardts im einzelnen noch einm al genauer au f ihre ChristusAnschauung hin zu betrachten. D abei istvoranzuschicken, daßsich bei diesem Dichter — abgesehen von seinen eingangs behandelten, im ganzen seiner Liederdichtung jedoch nicht besonders häufig begegnenden „reformatorischen" Rechtfertigungs­ aussagen — Ausführungen über Christi Person und Werk fast nur in den Fest­ liedern, also in den Gerhardtschen Weihnachts-, Passions- und Osterliedern, finden. Seine zahlreichen anderen geistlichen Dichtungen über die verschiedensten „Them en" des christlichen G laubens und Lebens lassen — z. T . in ganz au f­ fälliger Weise — den N am en und die Person Jesu Christi u n erw äh n t^). W ir sprachen bereits von der Gerhardtschen Bezeugung einer echten, reform a­ torischen Christusfrömmigkeit, die sich auch in der schlichten „D efinition" wider­ spiegelt: „Ein Christe, der an Christo klebt, und stets im Geist und Glauben lebt .

.

(

9

3

,

8)

Andererseits kann jedoch nicht übersehen werden, wie sich in den geistlichen Liedern desselben Dichters — und zwar nicht nur in seinen Bernhardschen oder Arndschen Nachdichtungen — in aller Ausführlichkeit und Deutlichkeit eine ausgesprochen menschlich-sentimentale oder gar mystisch beeinflußte JesuSfrömmigkeit niederschlägt. S o erscheint z. B . in einem Passionslied, das sich m it seiner Überschrift „Die Passion aus den 4 Evangelisten" und in der A rt seiner Darstellung betont altertümlich gibt, die in einem solchen Zusam m enhang besonders auffällige Schlußfolgerung: „Nun seh und lern ein jedermann, wie sehr viel Gutes unö getan der Dräutgam unsrer Seelen . .

(FT. III. 385, 28)

I n einem anderen Gesang wird Christus angeredet: „Du bist der süße Menschensteund. .

(FT. III. 409, 7)

1S) Vgl. dazu Nelle: „Geschichte des evg. Kirchenliedes", S . 146, der nachweist, daß unter den 133 Liedern Paul Gerhardts 58 Gesänge Christus weder ausdrücklich nennen noch über­ haupt in irgendeiner Form auf ihn hindeuten.

4M

Ein Weihnachtsgesang Paul Gerhardts zeichnet das Bild des „Sünder­ heilandes" dagegen mit den folgenden Worten: „Wirst du geplagt? Ei unverzagt. Dein Bruder wirb dein Unglück nicht verschmähen. S e in Herz ist weich und gnadenreich, kann unser Leid nicht ohne Tränen sehen. (FT . III. 404,11) D ann eben drum hat er den Grimm des Kreuzes auch am Leibe wollen tragen, daß seine Pein ihm möge sein ein unverrückt Erinnrung unsrer Plagen."

(FT . III. 4 0 4 ,1 3 )

Diese Zeilen wollen offensichtlich schon bei der Weihnachtshistorie den Blick des Menschen auf Christi Kreuzeswerk, das um der Sünde des Menschen willen geschehen ist, richten. Dabei ist es aber aufschlußreich, wie der Dichter hier einer­ seits lediglich von Unglück, Plagen und Leid des Menschen und andererseits nur von Pein und Tranen Christi redet. Noch deutlicher tritt die Art der Gerhardtschen Christus-Schau in dem bekannten Liede zutage: „Ich steh an deiner Krippen hier". Neben den heute noch gebräuchlichen Strophen finden sich in ihm auch die folgenden: „D u hast mit deiner Lieb erfüllt mein Adern und G eblüte; dein schöner G lanz, dein süßes B ild liegt mir ganz im Gemüte. Und wie mag e s auch anders sein: wie könnt ich dich, mein Herzelein, a u s meinem Herzen lassen.

(F T . III. 406, 3)

Vergönne mir, 0 Jesulein, daß ich dein M ündlein küsse, das M ündlein, das den süßen W ein, auch Milch und Honigflüsse weit übertrifft in seiner K raft: E s ist voll Labsal, Stärk und S a f t , der Mark und B ein erquicket.

(FT . III. 406,6)

Wer ist der Meister, der allhier nach Würdigkeit auöstreichet die Händlein, so das Kindlein mir anlachende zureichet? . . .

(FT . III. 406, 8)

Wo nehm ich W eisheit und Verstand m it Lobe zu erhöhen die Äuglein, die so unverwandt nach mir gerichtet stehen? D er volle M ond ist schön und klar, schön ist der güldnen Sternen Schaar: dies Äuglein sind viel schöner."

(FT . III. 406, 9)

Derartige Ausführungen werden wir schwerlich noch als ein inniges G la u b en s-Z eu g n is einer getrosten Christuszuversicht werten können. I n ihnen

macht sich vielm ehr unüberhörbar eine gefährliche Verschiebung der C hristus­ anschauung in s allgem ein M enschlich-Sentim entale geltend, die die P a ra lle l­ erscheinungen in der gleichzeitigen geistlichen Dichtung der lutherischen G esang­ bücher fast noch ü bertrifft durch ihre Süßlichkeit und spielerisch-sinnliche V e r­ niedlichung des ChristuSbildeö. A uf derselben Linie liegt es, wenn die PassionSdichtung und selbst frei entw orfene Gesänge P a u l G erh ard ts nicht davor zurück­ schrecken, das Leiden und den K reuzestod Christi a ls einen Gegenstand der menschlichen Lust und des seelischen Ergötzens erscheinen zu lassen. S o heißt es z. B . in einem der Gcrhardtschen Salve-L ieder: . Mein Herze, wie dir wohl bewußt, hat seine größt und höchste Lust an dir und deinem Leiden . .

(103, i ) 13),

w ährend sich in dem — zw eifellos auch von einem vertrauensvollen R echtferti­ g u ngsglauben erfü llten — G esang: „Schw ing dich a u f zu deinem G o tt . . ein verw andter Gedanke in den W orten en th ü llt: . Flieh, du alte Schlange! . . . Ist dir doch der Kopf zerknickt, und ich bin durchs Leiden meines Heilands dir entzückt in den S aal der Freuden."

(97, 2)

D aneben fehlen auch bei P a u l G erhardt nicht eine ethische „A u sw ertu n g " und eine m oralisierende A nw endung der Leidensbetrachtung, die ihren A u sg an g s­ punkt ebenfalls bei einer vorwiegend anthropozentrischen ChrisiuSanschauung nehm en. I n einem solchen Zusam m enhang stoßen w ir bei unserem Dichter z. B . a u f den folgenden G edankengang: . ES soll mir sein ein Spiegel der Unschuld und ein Siegel der Lieb und unverfälschten Treu.

(FT. III. 387, 11)

Ich will daraus studieren, wie ich mein Herz soll zieren mit stillem, sanftem Mut, und wie ich die soll lieben, die mich doch jehr betrüben mit Werken, so die Bosheit tut.

(FT. III. 387, 13)

Wenn böse Zungen stechen, mir Glimpf und Namen brechen, so will ich zähmen mich . . .

(FT. III. 387, 14)

1S) Vgl. dazu auch die folgenden Zeilen aus dem Liede „O Welt, sieh hier dein Leben . . .": „. . . Eins aber will ich tun: es soll dein Tod und Leiden . . . mir stets in meinem Herzen ruhn.

(FT. III. 387, 10)

Ich willS vor Augen setzen, mich stets daran ergehen, ich sei auch, wo ich sei . . ."

(FT. III. 387, 11)

Ich will mich mit dir schlagen anS Kreuz und dem absagen, waö meinem Fleisch gelüst: w as deine Augen Haffen, das w ill ich fliehn und lassen, so viel mir immer möglich ist."

(F T . III. 387, 15)

Endlich haben wir aus der Liederdichtung P aul Gerhardts noch die überaus zahlreichen S tellen in Betracht zu ziehen, die dem Menschen eigene „Bekennt­ nisse" seiner Liebe und seiner Treue in den M und legen, wie etwa die Zeilen: „Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden, du bist mein, ich bin dein, niemand kann uns scheiden . . ."

(98, 11)14)

„D u , Jesu, allerliebster Freund, bist selbst mein Licht und Leben. D u hälft mich fest, und kann kein Feind dich, wo du stehest, heben. I n dir steh ich und du in mir, und wie wir stehn, so bleiben wir hier und dort ungeschieden."

(F T . III. 473, 7)

oder die S tr o p h e :

Wird in derartigen menschlichen Zeugnissen z. T . noch das Werk und die Liebe Christi a ls der Grund, oder vielleicht genauer, als der Ermöglichungsgrund für das eigene Zugehörigkeitsgefühl zum Heiland und Erlöser erwähnt, so ist es doch bezeichnend, daß die Aussage des Menschen jedenfalls nicht mehr ausdrück­ lich als ein Bekenntnis des G l a u b e n s erscheint. Es liegt dann nur in der Fort­ setzung dieser Linie, wenn P a u l Gerhardt dasselbe menschliche Bekenntnis auch ohne einen direkten christologi schen „Bezug" aussprechen läßt, so daß er z. B . form uliert: „Ich bin G ottes, G ott ist mein: wer ist, der un s scheidet? . . ."

(9 7 ,1 3 )

Dementsprechend bleibt es nicht au s, daß dem Gerhardtschen Ton einer ge­ trosten, christlichen Zuversicht nicht selten eine etw as zu „sichere" und eine etw as zu „selbst-gewisse" H altung des Menschen zugrunde liegt. S o werden wir auf der einen S eite seine von P reis, Lob und Dank erfüllten Gesänge — gerade in ihrem Gegensatz zu der düsteren und säkular-pessimistischen S tim m un g seiner barocken Zeitgenossen — nicht nur dichterisch a ls besonders wertvoll empfinden, sondern sie darüber hinausgehend a ls den Ausdruck einer wirklich lebendigen, evangelischen Christenfreude werten. A uf der anderen S eite jedoch lassen sie z. T . deutlich die Gefahr einer optimistischen Verflachung des christlichen „Lebens­ gefühles" erkennen, wie sie z. B . in der folgenden Strophe zutage tritt: „Ein Christe, der an Christo klebt und stets im Geist und Glauben lebt, dem kann kein Unglück, keine Pein im ganzen Leben schädlich sein. 14) V gl. dazu den Hinweis oben S . 256, Anm. 74.

G ehts ihm nicht allzeit, rote eö soll, so ist ihm dennoch allzeit wohl."

( 9 3 / 8 ) 15)

Betrachten w ir die G esam theit der bisher aufgezeigten P h ä n o m e, so wird ihr innerer Zusam m enhang von selbst deutlich. Begenete u ns in den behandelten Liedern ein einseitig-vermenschlichtes und sentim entales C hristusbild, so m ußten ihm notw endig die Ausdrucköform en einer g efü h lsh a ften , naiv-vertraulichen Jesusfröm m igkeit fo lg en . S ta tt der B ezeugung des C hristus-G laubens erschienen also das B ild einer Jesusfreundschaft des menschlichen H erzens und G em ütes oder gar die Anzeichen einer frem dartigen Jesu sm inn e und Jesusm ystik. A u f diese Weise ging den D ichtungen P a u l G erhardts w eitgehend z. B . auch das W issen um den furchtbaren Gerichtöernsi der P assion Christi verloren. Ebenso konnten sie nicht mehr die allein im G lauben zu überwindende K lu ft zwischen dem sündlosen G ottessoh n und dem der S ü n d e und dem Tode verfallenen Menschengeschlecht nachempfinden lassen. D a s in jenen geistlichen D ichtungen ausgesprochene menschliche V ertrauen bestand demnach auch nicht mehr allein a u s dem Bekenntnis des „und dennoch!" des G la u b en s, so w ie ihre B ezeugungen einer Zuversicht a u f den gnädigen G ott vielerorts offensichtlich nicht mehr a u s dem W issen um eine ständige Bedrohtheit und A ngefochtenheit des M enschen erwachsen w aren. Frühere Untersuchungen haben dargelegt, daß in der theologischen Lehre wie in den G esängen der lutherischen Gesangbuchdichter die A ussagen über Person und Werk Christi und über R echtfertigung und G lauben nicht nur eine bestimmte „Lehre" über den M enschen a ls das „Objekt" des göttlichen G nadenhandelns notw endig machten, sondern daß ihr M enschenbild und ihre R echtfertigungöanschauung jew eils ein auffallen d es Korrespondenz- oder A bhängigkeitsverhältnis erkennen ließ en ^ ). D aru m soll auch unser Exkurs in kurzen Strichen einige be­ sonders a u ffällige oder charakteristische M erkm ale der Gerhardtschen M enschena u ffa ffu n g , wie sie sich in seinen Liedern abzeichnen, hervorzuheben. Richten w ir unseren Blick in diesem Zusam m enhang zunächst a u f diejenigen A ussagen P a u l G erhardts, die sich m it dem menschlichen Sün dersein vor G ott beschäftigen, so begegnen w ir hier gelegentlich einem ganz an Luther erinnernden 16) V gl. dazu ebenfalls den io . Verö desselben Liedes: „E s weiß ein Christ und bleibt dabei, daß Gott sein Freund und Vater sei: Er hau, er brenn, er stech, er schneid, hier ist nichts, das uns von ihm scheid . . ♦"

(9 3 ,1 0 )

Die beiden angeführten Strophen wurden absichtlich einem Liede entnommen, daö sich a u s­ führlich der Darstellung der Glaubens- und Rechtfertigungsanschauung annimmt. D aß sich au f dem Gebiet der Vertrauens- und Vorsehungslieder unseres Dichters die aufgezeigten Merk­ male einer selbstsicheren menschlichen Vertrauenshaltung wesentlich stärker in Erscheinung treten, ist leicht einzusehen. 16) Natürlich geht es bei dieser Feststellung nicht um die Behauptung eines bestimmten „prae“ oder „post“. I n unserem Zusammenhang geht es lediglich um den Ausweis jenes Phänom ens einer gegenseitigen Bedingtheit und Aufeinanderbezogenheit.

Bekenntnis über die totale Sündhaftigkeit des Menschen. Von der Verlorenheit des Menschen an Sünde und Tod geben z. B . die Strophen Kunde:

«. . . wenn der (sc. Christus) nicht in mir wäre, so dürft und könnt ich nicht vor Gottes Augen stehen . . . ich müßte stracks vergehen wie Wachs in Feuershitz." (95, 4) „Ich habe dir (sc. Gott) von Jugend an nichts anders als Verdruß getan, bin Sünden voll geboren; und wo du nicht durch deine Treu mich wieder machest los und frei, so wär ich ganz verloren." (FT. III. 491, 6) Allerdings ist bei einer Berückstchtigung der Gesamtheit der Gerhardtschen Dichtung zu beobachten, daß im Vergleich mit der Vielzahl der anderen Themen und Anliegen ein solch ernsthaftes Bekenntnis des Menschen zu seiner S ü n d ­ haftigkeit und Verlorenheit relativ selten zum Ausdruck gebracht wird. Dagegen begegnen viel häufiger B e sc h re ib u n g e n der menschlichen Sünde. S o erscheint bei ihm das Wesen der Sünde z. B . unter der Vorstellung von den „W unden, die im Herzen krank machen" dargestellt; so redet er u. a. von „Schmerzen", von „Seelenangst" und „Unglück", wenn er die Sünde des Menschen meint, oder er kennzeichnet das menschliche Leben als „angesteckt mit S ündengift". P a u l Gerhardt erfaßt also die menschliche Sündhaftigkeit dort, wo er sich in seinen Liedern näher mit ihr auseinandersetzt, vorwiegend als ein psychisches Phänom en. Demgegenüber finden sich bei ihm aber so gut wie gar keine Spuren von jener zweiten Linie innerhalb der lutherischen Gesangbuchdichtung, die die Sünde durch eine Abbildung und Beschreibung der moralisch-sittlichen Ver­ worfenheit und Lasterhaftigkeit des Menschen und der Zeit zu erfassen suchte. — Auf dem Hintergrund jenes für P a u l Gerhardt charakteristischen psychologischen Sündenverständnisses ist es verständlich, daß wir ebenfalls in seinen Liedern vergeblich nach einem Anklang an die Luthersche Auffassung von der S ünden­ erkenntnis als eines Glaubenswiderfahrnisses suchen. Bei ihm ist vielmehr der Gedanke ausschlaggebend:

„ . . . denn ich fühle, waS ich fei..."

(FT. III. 490,1)

„ . . . 3 a wenn ich mich recht genau, als ich billig soll, beschau, halt ich mich in vielen Sachen ärger als die Hund es machen."

(FT. III. 490, r)

und:

Dagegen läß t sich zweifellos ein positiver Zug der Lieder P au l Gerhardts darin erkennen, daß sie sich nirgendwo — wie es sonst im Gesangbuch der lutherischen Kirche jener Zeit reichlich zu finden ist — mit einer gewissen heim­ lichen Lust ausführlichen Schilderungen über die Schändlichkeiten der mensch­ lichen N atur und des menschlichen Lebens hingeben oder daß sie solche D ar-

stellungen im Rahm en einer katholisierenden Bußfröm m igkeit gleichsam im S in n e von menschlichen DiSpositionöakten erscheinen lassen. Allerdings ist fü r unsere Untersuchung nicht zu übersehen, daß die wenigen Liedstrophen P a u l Gerhardts, die von der Buße des Menschen handeln, diese dennoch vorwiegend lediglich als einen Schmerz und als ein Trauern b e z e ic h n e n ") und ihr als solcher eine heilende, reinigende K ra ft zuerkennen:

„Ach! Wem auch du, o Menschenkind, und traure über deine Sund; Halt doch mit deinen Lastern ein und mache dich durch Buße rein."

(FT. III. 483, 9)18)

I n diesem S in n e haben w ir auch die folgende Strophe zu verstehen, in der die aufschlußreichen „Feststellungen" gemacht werden:

„Auf Buße folgt der Gnaden-, auf Reu der Freudenblick, sich bessern heilt den Schaden, fromm werden bringet Glück . .

(gZ. III. 413, n ) 19)

D ie zuletzt zitierten Zeilen führen unsere Darstellung zugleich auf die Aussagen P a u l Gerhardts über das „Them a" der Heiligung des Menschen. Auch auf diesem Gebiet begegnet an manchen Stellen eine getreue Wiedergabe reform atischer Gedanken. S o heißt es z. B . in einem Pfingsilied unseres Dichters:

„. . . sei meines Herzens Cast, der du, da ich geboren, mich neu geboren hast . . ."

(FT. III. 413,1),

oder P a u l Gerhardt lä ß t den Menschen von sich selbst aussagen:

„Auch wenn ich gleich was wohl gemacht, so hab ichs doch nicht selbst verbracht: aus dir ist es entsprungen! Dir sei auch dafür Ehr und Dank, mein Heiland, all mein Leben lang . . ."

(FT. III . 491,8)

Andererseits zeigt sich uns aber eine ganz andere „religiöse" H a ltu n g , wenn P a u l Gerhardt gleichsam als eine feststehende, rational konstatierbare Tatsache form ulieren kann:

„Den Frommen ist Gott wieder fromm und machet, daß geflossen komm auf uns all sein Gedeihen . . ( 9 4

/

1

0

)

17) Vgl. dazu z. B. die Zeilen: „. . . Mein Tun und Überschreiten erweckt mir Reu und Schmerz." „Ach, daß ich wie ein kleines Kind mit Weinen dir nachginge so lange, bis dein Herz entzündt mit Armen mich umfinge."

(FT. III. 479,4)

" ) Vgl. dazu auch FT. III . 490,6: „. . . und zur Buße, die uns heilt . . ." **) Vgl. dazu oben S . 174, Anm. 136.

(104,8)

I n dieselbe Richtung weisen noch ausgeprägter diejenigen Wendungen, in denen P a u l Gerhardt von den menschlichen Versicherungen so spricht, als handele es sich um eine versprochene „Gegengabe" des Menschen. I n einem solchen Zu­ sammenhang legt er z. B . in seinem bekannten Passionslied „ E in Lämmlein geht und trägt die Schuld . . dem Sänger die Frage in den M u n d : . O süßes Lam m , w as soll ich dir erweisen d a fü r, daß du m ir erweisest so viel G u tes? "

(1 0 2 , 4 )

A ls A ntw o rt darauf läß t er die Aussagen des Menschen folgen: „ M e in Lebetage w ill ich dich aus meinem S in n nicht lassen, dich w ill ich stets, gleich wie du mich m it Liebesarmen fassen . . . Ic h w ill von deiner Lieblichkeit bei Nacht und Tage singen, mich selbst auch dir nach Möglichkeit zum Freudenopfer bringen . .

(1 0 2 , 5)

( 1 0 2 , 6 ) t0)

Ähnliche menschliche Versprechen über ein G o tt geschuldetes oder ihm zu leistendes Lob- und Dankopfer begegnen in den Dichtungen P a u l Gerhardts auch sonst häufig. S ie lassen erkennen, wie der Dichter dem Menschen — und sei es auch nur in der Form einer „Lobes"- und „D a n k e s "-L e is tu n g — hier dennoch ein bestimmtes eigenes Vermögen und jedenfalls ein eigenes „ S o lle n " in seinem Christenleben zuschreibt. I m übrigen erscheint bei P a u l Gerhardt die Frage nach der Heiligung und Besserung des Menschen allerdings selten als Thema seiner Liedstrophen oder Lieder. N u r ganz am Rande tauchen Begriffe wie Tugend oder Besserung a u f; und lediglich ganz vereinzelte S te lle n richten an den Menschen sittlich-moralische Forderungen oder E rm ahnungen^). Dennoch vervollständigen die herangezogenen Beispiele unsere Ausführungen über das Menschenbild P a u l Gerhardts in einer bezeichnenden Weise. A n ihnen ist näm­ lich nicht mehr zu übersehen, wie er in allen seinen Versen letztlich nur den „from m en ", den „gottseligen" Menschen, den „Freund G ottes" im Auge hat. Dieses B ild und diese Hervorhebung eines religiös-frommen Menschentums wird bei P a u l Gerhardt im Grunde auch nicht durch ein zweifellos vorhandenes *°) V g l. dazu auch aus einem Pfingstlied die Zeilen : ,,. . . Laß mich sein dein E igentum , ich versprech hinwiederum , hier und dort a ll mein Verm ögen dir zu Ehren anzulegen."

( F T . I I I . 3 8 9 ,7 )

oder aus einem anderen Gesang: „ D r u m eil und h ilf m ir a u f und gib m ir K r a ft und Leben; d a fü r w ill ich dir geben meins ganzen Lebens L a u f." 21) V g l. dazu oben S . 4 1 6 .

( F T . I I I . 417, 9 )

Wissen um die Vorfindlichkeit von S ü n d e und Zot)22) eingeschränkt. D a m it erweist sich zugleich, daß seine „Anthropologie" schwerlich mehr grundlegend durch die Luthersche G laubensauffassung des „simul justus, simul peccator“ und durch die reformatorische Definition deö Menschen: „hominem iustificari fide“ bestimmt sein kann. Unsere D arstellung sollte versuchen, P a u l G erhardts Rechtfertigungs-„Lehre" im weitesten S i n n , d. h. unter Einschluß der Chrisiuöanschauung sowie der Gedanken über G laube, S ü n d e , B uße und Heiligung des Menschen, auö seinen Liedern zu erheben. Dabei bestätigte sich uns teilweise die B ehauptung, dieser Dichter habe dem ursprünglichen, unverfälschten reformatorischcn Rechtfertigungöglauben zu einer neuen und lebendigen dichterischen Form verholfen. D aneben m ußten w ir aber auf die zahlreichen anderen Aussagen hinweisen, die z. B . fü r den G lauben an die Sündenvergebung die menschlichen Erfahrungen von „T ro st" und „Süßigkeiten" einsetzten, die an die Stelle deö Zeugnisses von der G nade der Christuögemeinschaft die Bekundung einer menschlichen Jesusfröm m igkcit treten ließen oder die endlich im Blick a u f den Menschen nicht mehr in vollem Umfange das kompromißlose Urteil der Reformationözeit „totus sub ira,totus sub gratia“ nachvollzogen. Wenn wir in den dargebotenen Liedbeispielen den Gerhardtschen Aussagen a u s dem zuletzt bezeichneten D orsiellungsbcreich einen größeren Platz einräumten, so darf daraus noch keines­ wegs eine endgültige W ertung und Beurteilung der Gesamtleistung und des G esam tw ertes P a u l G erhardts abgelesen werden. Unser Exkurs will vielmehr — wie es eingangs ausdrücklich betont wurde — kein anderes Ziel verfolgen, als die auffälligsten Phänom ene innerhalb der Gedankenwelt dieses bedeutenden Dichters der lutherischen Kirche des 17. Ja h rh u n d erts aufzuzeigen. D aher sind also auch unsere Einzelausführungen nicht im S in n e von fertigen Urteilen und Kritiken oder gar von abschließenden Verurteilungen anzusehen. Dagegen liegt es in der Absicht unseres Exkurses, hinsichtlich der Dichtung P a u l G erhardts und speziell hinsichtlich seiner Rechtfertigungsanschauung ein eingehenderes Fragen und Forschen anzuregen. Ein solches Fragen müßte sich u. E. vor allen D ingen m it einer genauen Untersuchung beschäftigen, ob sich die besondere — von den reformatorischen Rechtfertigungszeugnissen abweichende — P rä g u n g der Gerhardtschen Rechtfertigungsaussagen damit erklären läß t, daß sie ledig­ lich a ls eine durch einen im hohen M aße poetisch und lyrisch begabten M a n n erfolgte U m form ung und Umsetzung des lutherischen Gedankengutes in die S p rach fo rm und Anschauungsweisen des eigenen Zeitalters anzusehen sei — oder ob die Gerhardtschen Darstellungen mit oder vielleicht auch durch die dichte­ rische Einbeziehung von ursprünglich andersartigen Anschauungen einer grund­ legenden— d. h. die eigentlichen Kernpunkte und das ganzeWesen betreffenden — Umgestaltung und V eränderung ausgesetzt worden seien. Diese Bemerkungen lassen es deutlich werden, daß also auch die Gesänge P a u l G erhardts vor dieselbe **) I n diesem Zusammenhang wäre z. B. auch die durchgängige „Todesentzückung" Paul Gerhardts zu berücksichtigen.

Problem atik führen, die das Thema unserer Untersuchung bildete, daß nämlich auch sie eine Problem atik von „Theologie" und „Fröm migkeit" aufweisen, daß auch sie die unterscheidenden Merkmale von Kirchenlied-Dichtung einerseits und von religiöser Poesie oder geistlicher Lyrik andererseits an sich tragen. D er vorliegende Exkurs dagegen muß sich im folgenden noch der zweiten H auptliedergruppe unter den Dichtungen P a u l G erhardts zuwenden und einige Bemerkungen zu seinen Gesängen über G ottvertrauen und D orsehungsglauben anfügen. Können wir über diesen Gedankenkomplex ebenfalls nur einen ganz kurzen, summarischen Überblick bringen, so ist nicht außer Acht zu lassen, daß eine solche Verfahrensweise im Blick auf die Dichtungen P a u l G erhardts u. E. eine gewisse Verschiebung der Akzente bedeutet^). W ollten w ir denjenigen Liedern, in denen der Dichter P a u l G erhardt selbst offenbar in ganz besonderer Art mitbeteiligt und mitangesprochen w ar, den größten Platz in unseren D a r­ stellungen einräum en, so müßten wir vermutlich die Gerhardtschen V ertrauens­ lieder seinen Gesängen zum „Them a" „Rechtfertigung" vor- und überordnen^). I n den Überlegungen zu G erhardts V ertrauensliedern müssen w ir zunächst auf ihre Gottesvorstellung eingehen, da sie es ist, die den Gerhardtschen A us­ führungen über das Gottvertrauen das Gepräge gibt. Für die G ottesvorstellung seiner Vertrauenölieder ist es vor allem charakteristisch, daß ihr nahezu jegliche christologische Begründung fehlt und daß sie ihre einzelnen Gedanken fast au s­ schließlich dem ersten Artikel entnim m t. S o offenbart sich fü r P a u l G erhardt G ott vornehmlich in der Schöpfung; so läß t sich sein Wesen, seine K raft, W eis­ heit und Herrlichkeit in der N atur erkennen und an ihr ablesen. I n diesem Zu­ sammenhang bringt z. B . eines seiner Kreuz- und Trostlieder die folgenden S tro p h e n : „Ich wollt erzählen seinen Rat und über große Wundertat, das süße Heil, die ewge Kraft, die allenthalben wirkt und schafft, w as G ott gefällt.

(F T . III. 4 4 6 ,7 )

Er ist der Herrscher in der Höh, au f ihm steht unser Wohl und Weh. Er trägt die W elt in seiner Hand; hinwider trägt unö See und Land, w as Gott gefällt.

(F T . III. 446, 8)

Er hält den Elementen Lauf, und damit hält er unö auch auf, gibt Som m er, Winter, Tag und Nacht und alles davon lebt und lacht, w as Gott gefällt".

(FT. III. 446, 9)

*3) V gl. dazu oben S . 341, Anm. 12. u ) Dabei hat es allerdings große Wahrscheinlichkeit für sich, daß P au l Gerhardt selbst in seinen Dichtungen kaum eine solche doppelte Thematik unterschieden haben würde. Diese An­ nahme wird vor allem durch die Beobachtung bestätigt, daß sich terminologisch überall selt­ same Überschneidungen und Überttagungen von einem Gebiet auf das andere finden.

I s t dieser G ott Schöpfer und Erhalter der N atu r und der W elt, so bedeutet dies zugleich auch sein H err-S ein : „G ott ist Herr in seinem Hauö, wie er will, so teilt er aus . . ."

(96, 2)

W ill P a u l Gerhardt offenbar schon m it diesen „objektiven" „Feststellungen" dem M enschen eine H ilfe aufzeigen für seine oft so bedrängte Lage in den N öten der Z eit, so begegnet in seinen D ichtungen w eitau s häufiger die Beschreibung der V atergüte und der Liebe dieses S chöpfergottes. Im m e r wieder ruft es dieser D ichter dem Menschen zu : G ott ist dein Freund, . er ist nicht fern, steht in der M itten .

.

( FT. III. 474, 5)

D asselb e G efüh l einer N ähe G ottes sprechen die zahlreichen Stroph en a u s , in denen Gerhardt durch eine geradezu aufdringlich sinnliche B ildh aftigk eit die Liebe G ottes zu demonstrieren sucht: „E r hitzt und brennt vor Gnad und Treu, und also kannst du denken, wie seinem M ut zu Mute sei, wenn wir unö oftm als kränken . .

(91, 16)

D iese V orstellung von dem „absoluten" Liebeswillen G ottes bildet nun aber auch den H intergrund für die M ahnungen der Gerhardtschen Lieder: „D rum , liebes Herz, sei wohlgemut und laß von S org und G räm en: G ott hat ein Herz, das nimmer ruht, dein Bestes vorzunehmen. Er kannS nicht lassen, glaube mir, sein Eingeweid ist gegen dir und uns hier allzusammen voll allzusüßer Flammen."

(91, 15)

A u f der anderen S e ite begründen sie ihre M ah n un g zu einem rechten G o tt­ vertrauen auch allein a u f die eigenen, vernünftigen Überlegungen des M enschen: „D u bist ein Mensch, das weißt du wohl: w as strebst du denn nach Dingen, die G ott der Höchst' alleine soll und kann zum Werke bringen? D u fährst mit deinem Witz und S in n durch soviel tausend Sorgen hin und denkst: wie wills a u f Erden doch endlich mit mir werden?

(9 1 ,1 )

ES ist umsonst: du wirst fürwahr mit allem deinen Dichten auch nicht ein eingeS kleinstes H aar in aller W elt ausrichten, und dient dein G ram sonst nirgend zu, a ls daß du dich a u s deiner Ruh in Angst und Schmerzen stürzest und selbst das Leben kürzest."

(91, 2)

S o können ebenfalls die beiden zuletzt zitierten Strophen auf den Gedanken hinauslaufen: „Willst du w as tun, w as Gott gefällt und dir zum Heil gedeihet, so wird dein Sorgen auf den Held, den Erd und Himmel scheuet, und gibt dein Leben, Tun und Stand nur fröhlich hin in G ottes H and: so wird er deinen Sachen ein fröhlich Ende machen."

(91, 3)

I n dieser Weise zieht sich durch die Vertrauensdichtung G erhardts eine au f­ fällige Doppelheil und Awieschichtigkeit von rationalen Überlegungen und von Zeugnissen einer bewegten Religiosität, die sich nicht nur in der „B egründung" für die Möglichkeit eines menschlichen G ottvertrauens unterscheidet, sondern die ebenso in den „Folgerungen", die die Gesänge selbst aus ihren Gedanken über das menschliche G ottvertrauen ziehen, zutage tritt. S o begegnen bei P a u l G er­ hardt auf der einen Seite Zeilen w ie: „ . . . Wer auf Gott sein Hoffnung setzt, findet . . w a s ihm Leib und S eel ergötzt."

(FT. III. 4 2 2 ,8 ),

während andererseits bestimmte „Lebensmaximen", die nur allzu schnell und leicht eine säkulare Auslegung finden konnten, als Beschluß seiner Ausführungen auftauchen: „KommtS nicht heute, wie man w ill, sei man nur ein wenig still: ist doch morgen auch ein T ag, da die Wohlfahrt kommen mag . . . "

( 9 0 ,9 )

S o erwächst dem Menschen auch aus den Gerhardischen V ertrauensliedern schließlich eine gefährliche Sicherheit: . W as ich beginn und mache . . . wohn ich a ls wie im Schlosse in deinem Arm und Schoße, bin selig hier und bort."

(FT . III. 479/ 7)

S ie mußte sich m it innerer Notwendigkeit dort einstellen, wo das G ottV ertrauen des Menschen nicht mehr allein auf der G rundlage eines w ahr­ haften C hristus-G laubens bestand.

§ 21: S c h l u ß b e m e r k u n g e n Unsere Arbeit möchte darauf verzichten, ihren Untersuchungen noch einen a u s ­ führlichen Schlußteil anzufügen. Ein solcher zusammenfassender Schlußabschnitt stände zu leicht in der G efahr — trotz der eingangs ausführlich dargelegten und

begründeten Abgrenzungen in der Themasiellung und trotz der als notwendig erachteten Beschränkungen in der Durchführung — , am Ende doch gewisse ver­ bindliche Thesen aufzustellen oder gar bestimmte abschließende Ergebnisse zu formulieren und dabei nicht mehr die komplexe M annigfaltigkeit der behandelten Phänomene und ihre vielschichtigen und vielseitigen theologie-, geistes- und frömmigkeitsgeschichtlichen Bezüge im Auge zu behalten. Z w ar muß es das Z iel jeder wissenschaftlichen hymnologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Arbeit sein,, au f ihrem Gebiet zu immer umfassenderer Quellenkenntnis, zu besserem geschichtlichen Verständnis und zu klarerer theologischer Erfassung und Beurteilung zu kommen. Dennoch möge es der vorliegenden Untersuchung zu­ gestanden sein, daß sie als ein nahezu erster Versuch, die lutherische Gesangbuch­ geschichte in einer derartigen zeitlichen und stofflichen Ausdehnung zu durch­ forschen, in einer teils fragmentarischen, teils sachlich bedingten Offenheit und Unabgeschlossenheil verbleibt. D as Ziel unserer Darlegungen lag darin, in der lutherischen Gesangbuch­ entwicklung des 17. und frühen 18. Jahrhunderts vor allem grundsätzlich au f das Phänomen einer durchgängigen Problematik von „Theologie" und „ F rö m ­ migkeit" hinzuweisen. Diesem Anliegen diente dieBeschäftigung m it der„äußeren" und „inneren" Gesangbuchgeschichte, der Verweis a u f die literar- und geistes­ geschichtliche Beeinflussung der einzelnen Gesangbuchlieder wie endlich die A b­ handlungen über ausgewählte „Themen" aus dem Ganzen der Gesangbuch­ dichtung. — Daneben sollte der Versuch gewagt werden, in geschichtlichen und in theologischen Untersuchungen eine Analyse wie eine Deutung des überreich sich anbietenden M a te ria ls zu geben. I m Rückblick auf die angestellten Untersuchungen können w ir — bei aller gebotenen Zurückhaltung gegenüber generalisierenden Urteilen — dennoch die Feststellung treffen: in unserem Zeitabschnitt zeigte sich au f nahezu allen Gebieten der lutherischen Gesangbuchgeschichte eine eigenmenschliche „Fröm m ig­ keit" als ausschlaggebender Faktor, von dem sowohl die Gestaltung der Gesang­ bücher im ganzen wie die innere S tru ktu r der Gesangbuchdichtung im einzelnen geprägt wurde. Demgegenüber trat die „Theologie" im S in n e einer durch das Evangelium stets neu aufgerufenen und von der Kirche in stets neuem Gehorsam zu erstellenden Wächterin immer seltener in Funktion. Stattdessen sahen w ir die wissenschaftliche „Theologie" in der Gestalt der zeitgenössischen oder durch den Einstuß einer schon zurückliegenden Dogmatik und Systematik direkt oder indirekt in beträchtlichem M aß e daran beteiligt, dem lutherischen Gesangbuch der je verschiedenen Zeitabschnitte seinen besonderen Charakter zu verleihen. I n unserer Aufzählung ist endlich nicht zu vergessen, in wie hohem M aße die luthe­ rische Gesangbuchdichtung auch durch das aszetische S chrifttum aus vor- und nachreformatorischer Zeit beeinflußt worden w ar. Wenn sich unter solchen E in ­ wirkungen das lutherische Gesangbuch des 17. und frühen 18. Jahrhunderts im m er stärker zu einem Dokument menschlicher Frömmigkeitsäußerungen und menschlicher Frömmigkeitspflege entwickelt hat, so bedeutete das, daß in ihm wohl noch in Einzelzeugnissen, aber nicht mehr in seiner Ganzheit wirksam war

die „kritische Kraft des Evangeliums, das alle religiösen Fiktionen und jegliche moralische Illusion des Menschen zerstört"*), oder — anders betrachtet —, daß in ihm der lutherische Rechtfertigungsartikel nicht mehr „Mitte und Grenze" darstellte, d. h. daß er nicht mehr „tragende Mitte und sichernde Grenze der Verkündigung des wirksamen Wortes Gottes in der Welt an sie, formelhafte Zusammenfassung evangeliumsgemäßer Christusverkündigung"2) der luthe­ rischen Gesangbuchgestaltung und Gesangbuchentwicklung bildete.

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B. Verzeichnis der benutzten Erbauungsbücher und der hymnologischen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts „Die lautere W ahrheit, darinnen angezeiget, wie sich ein weltlicher und geistlicher KriegSmann in seinem B eruf verhalten soll, allen Ständen nützlich und zu jetzigen Zeiten fast nötig zu lesen . . ." durch B artholom äus Ringwaldt, Vorrede von Langfeldt . . . 1585 (vgl. W. I, S . 652s., N r. 905). „Christliches Ehebüchlein für mannbare Gesellen und Jungftauen und in gemein fü r alle christlichen Eheleute. M it allerlei dazugehörigen christlichen Ehegebeten aufs neue zu­ gerichtet . . . " durch Caspar Meliffander, Leipzig bei Johann Beyer 1587 (vgl. W . I, S . 546, N r. 275). „Soliloquia de Passione Jesu Christi. Wie ein jeder Christen Mensch das allerheiligste Leiden und Sterben unsers Herren Jesu Christi in seinem Herzen bei sich selbst bettachten, allerlei schöne Lehren und heilsamen Trost daraus schöpfen und zu einem Christlichen Leben und seligen Sterben in täglichem Gebet und Seufzen nützlich gebrauchen soll." Aus H . G ött­ licher Schrift und den alten Vätern mit Fleiß zusammen gettagen durch M artinum M ö ller... Gedruckt in Verlegung Johann Rambauenö Buchdruckers in Görlitz und B atthel V oigts Buchhändlers in Leipzig o. I . (Vorrede S protta 1587). „Meditationes sanctorum Patrum. Schöne andächtige Gebete, ttöstliche Sprüche, Gottselige gedancken, trewe Bußvermahnungen, hertzliche Dancksagungen und allerley nützliche

Übungen des G laubens." Auö den beyligen Altvätern: Augusiino Bernhards, Taulero und andern fleißig und ordentlich zusammen getragen und verdeutschet durch M artin M ö ller. . . Gedruckt zu Görlitz in Ober Lausitz bey Jobann Rhambaw. 1597 (Erster Theyl mit Vorrede 1584, Ander Theyl m it Vorrede 1591) (vgl. W. I, S . 532 s, N r. 254). „Vier Bücher vom wahren Christentum, das ist von heilsamer Reue und Leid über die Sünde und wahrem Glauben, auch heiligem Leben und Wandel der rechten wahren Christen . . ." Jobann A rnd. . . (Braunschweig 1606— 1 6 0 9 )... Neu herausgegeben S tu ttg art. 2. A. 0. I . „Paradiesgärtlein voller christlicher Tugenden, wie solche zur Übung des wahren Christentums durch andächtige, lehrhafte und trostreiche Gedichte in die Seele zu pflanzen . . ." durch Johann Arnd . . . Leipzig 1612 . . . Neu herausgegeben vom Evangelischen Bücherverein. 3. A. Berlin 1851. „Quinquaginta Meditationes sacrae ad veram pietatem excitendan et interioris hominis profectum promovendum accommodatae.“ Iamque quarta vice cmendatiores editae, opera et Studio Johannis Gerhardi . . . Jena . . . apud Joh. Breithmanno 1616. „Amores Jesu. Jesusbüchlein von der unaussprechlichen Liebe Jesu Christi Gottes und Marien Sohn, unsers einigen Erlösers, welche er uns durch sein Verdienst beweiset und in den trost­ reichen Gnadengesprächen des heiligen Evangelii zeiget, und von unserer schuldigen Gegen­ liebe, Glauben und Gehörsam, in X X geistlichen Andachten . . ." abermals . . . übersehen, vermehret durch M. M athäuö Lungwitius . . . Leipzia . . . bei Lorenz Kober . . . 1619 (vgl. F T VI, N r. 126). „Himmelsschlüssel, das ist christliches Bet- und Gesangbuch für Hobe und niedrige S tan d es­ personen . . ." durch Abraham Bogner . . . Lintz . . . bei Johann Blancken . . . 1624. „Devoti musica cordis. H aus- und Herzmusika. D as ist allerlei geistliche Lieder aus den H. Kirchenlehrern und selbst eigner Andacht . . ." verfasset durch Johann Heermann . . . Leipzig . . . bei Henning Kolern . . . 1644 (vgl. FT VI, Nr. 245). „Hand-, Land- und Standbüchlein auf alle Zeit, morgens und abends, Som m er und W inter, in Kriegs-, Teuerungö-, Sterbensläuften, daheim und zu Land, nach eines jeden Amt und S tand, in Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod heilsamlich zu brauchen . . ." von M . Josua Wegclin . . . Nürnberg . . . bei Wolfgang Endtcrö . . . 1637 (vgl. F T VI, N r. 324). „M . M artin Rinckarts Catechiömus: Catechismus-Wohltaten und Catechismus-Lieder", ge­ dichtet und gesangsweise gesetzt. . . 1645 ♦ ♦ ♦ Leipzig . . . k t Timotheus Ritzschen (vgl. FT VI, N r. 442). „Christliche Feld-, Welt- und Gartenbetrachtungen, darinnen bewegliche Andachten, andächtige G ektlein, liebliche Historien und neue anmutige Lieder zu befinden . . ." von I . M . D ilherr . . . Nürnberg . . . bei Wolfgang Endters . . . 1647. „Andächtige Versöhnung mit G ott, welche hilft aus aller Not, auf alle Tage, morgens und abends, zu der B uß und Beicht, vor, in und nach der Kommunion, desgleichen au f die Feste und zum Gottesdienst . . .", gerichtet von M . Josua Wegelin . . . Nürnberg . . . bei Wolfgang Endters . . . 1648 (vgl. FT VI, Nr. 312, 1. Ausgabe 1636). „Seelenküsse oder geistliche Liebesgedanken aus des hebräischen Königs Salom o Hohem Liede, welche jetzo verbessert und in gewisse Ordnung versetzt worden . . . " durch Ju stu s Sieber . . . Leipzig . . . bei Johann Bauer . . . 1653. „Geistliche Seelenmusik, bestehend in X Betrachtungen und 400 auserlesenen geist- und kraft­ reichen sowohl alten als neuen Gesängen" . . . zum Druck befördert von Henrico M ü lle r. . . Rostock . . . bei Johann Richeln . . . 1659 (FT VI, N. 666). „Erneuerte Herzensseufzer, darinnen Zeitgebctlein auf die kvorstchende betrübte Kriegs-, Teuerungs- und Sterbenszeiten gerichtet, benebenst Morgen- und Abendsegen, Beicht-, Kommunion- und anderen Gebetlein" . . . durch Josua Stegm ann . . . Lüneburg . . . bei den Sternen . . . 1663 (vgl. F T VI, N r. 211s., 1. Ausgabe 1630). „D er verschmähten Eitelkeit und der verlangten Ewigkeit ander Teil in 24 erbaulichen Seelen­ gesprächen und ebenso viel lehrreichen Liedern" . . . von Johann R ist. . . Frankfurt a. M . . . . k t Johann Georg Schile . . . 1668 (FT VI, Nr. 657. Der 1. T e il. . . Lüneburg. . . k t den Sternen 1658, vgl. F T VI, N r. 65).

„Geistliches Seelenparadies und Lustgarten des allerheiligsten Lebens Jesu C hristi. . darinnen die Geheimnisse solchen Lebens in 24 Kapiteln kürzlich und erbaulich betrachtet, wie auch . . . in schönen Kupfern abgebildet . . . und . . . mit Gebeten und Gesängen andächtig an­ gewendet" . . . durch M . I . Gottfried OleariuS . . . Nürnberg . . . bei Johann Hoffmann . . . 1669. „Geistlicher Seelengarien, darinnen anstatt irdischer fruchtbarer Bäume und wohlriechender K räuter allerhand zu diesen schweren Zeiten höchsinötige geistreiche und erbauliche Gebete, nebenst anmutigen tröst- und lehrreichen Liedern und kurzen auserlesenen Herzeneseufzern" . . . mitgeteilt von Johann Christoph B eern. . . N ürnberg. . . bei W olfgang Eberhard Fel­ secker... 1674. „Die geistliche Goldkammer der I. bußfertigen, II. Gott-verlangenden und III. JesuS-verliebten Seelen . . . " M it 49 gottseligen Betrachtungen . ♦. über das mit neuen Gebeten und Liedern ausgefertigt. . . durch EraSmuS FranciSci. . . N ürnberg. . . bei Johann Andreas E n d ters. . . 1675 (vgl. F T VI, N r. 775, 1. Ausgabe 1668). „Herz-, M und- und Handbüchlein, in sich haltend allerhand geistreiche und seelenerbauliche Morgen- und Abendsegen durch die ganze Woche, wie auch Fest-, Berufs-, Beicht-, B uß-, Kommunion-, Reis-, Not-, Anfechtungö- und Sterbegebetlein" . . . von Philipp Ehrenreich Widern . . . Nürnberg . . . bei Christoph Gerhard . . . 1678. „Erinnerung der Morgenröte oder Geistliches Hahnengeschrei an die vertieften Herzen im Schatten de6 Todes, vermittelst 63 Aufmunterungen menschlicher Seelen zu wahrer ernst­ licher Bekehrung von der Sündennacht zum AuSgang aus der Höhe" . . . von EraSmuS FranciSci. . . Nürnberg . . . bei Wolfgang Moritz EndterS . . . 1687 (vgl. FT VI, N r. 847. 1. Ausgabe 1676). „Neu-vermehrter S ing- und B et-A ltar, worauf . . . ein jede gläubige Seele ihre I. Wochen­ gebete, II. Sonntagsgebete, III. Festgebete, IV. Beicht- und Kommunionsgebete, V. Tugendgebete, VI. KatechiSmuSgebete, VII. Standesgebete, V III. Kreuzgebete und IX . Dank­ sagungen nebenst allerhand Liedern in einem vollkommenen Gesangbuch in heiliger An­ dacht aufgeopfert" . . . von Johann QuirSfeld . . . Leipzig . . . bei Justuö ReinholdS sel. Witwe . . . 1698 (vgl. FT VI, N r. 904, 1. AuSg. 1682). „Der Seelenschatz . . ." von Christian Scriver . . . Bd. 4 : Vom Kreuz der gläubigen Seele, Bd. 5: Vom Gebet und von der Geduld. 1. Ausgabe 1675—92, neu herausgegeben von R. S tier. Barm en 1848— 49. „Kurzer E ntw urf einer nützlichen Liederbibliothek. . . zur Probe eines weitläufigeren W erkes. . . " von Johann Christoph OleariuS . . . Arnstadt . . . bei NicolauS Bachmann . . . 1702. „Evangelischer Liederschatz, darinnen allerhand auserlesene Gesänge . . . angezeiget, zugleich auch von jedes Lieder Autor, W ert, K raft, F atis, Historien,M ißbrauch. . . Verfälschungen... u. a. m. ausführlich gehandelt und darauf schließlich eine kurzgefaßte Disposition bei­ gefüget..." von M . Johann Christoph OleariuS . . . Jena . . . bei Felix Bieteten . . . 4 T eile. . . 1707. „Der löblichen Fakultät zu Wittenberg Bedenken über daS zu Glauche an Halle 1703 im Waisen­ haus daselbst edierte Gesangbuch . . . Frankfurt und Leipzig . . . bei Gottftied Zimmermann . . . 1716. „Hymnopoeographia oder historische Lebensbeschreibung der berühmtesten Liederdichter . . . Herrnstadt . . . bei Sam uel Roth-Scholtzen . . . 4 Bde. . . . 1719—28. „Evangelischer LiederkommentariuS, worinnen das glossierte Naumburgische Gesangbuch weiter ausgeführet und verbessert wird . . . ingleichen eine kurzgefaßte doch gründliche Hymnopoeographie der geistlichen Liederdichter . . . von Johann M artin SchameliuS . . . Leipzig . . . bei Friedrich Lankischcn Erben . . . 1724 (FT VI, N r. 1015). „Himmlisches Freudenmahl der Kinder Gotteö auf Erden oder geistreiche Gebet, so vor, bei und nach der Beichte und heiligem Abendmahl kräftig zu gebrauchen, nebenst heilsamen Unterricht, wie wir uns dabei zu verhalten, samt einem Sündenregister, danach wir uns täglich zu prüfen, und 100 christlichen Lebenöregeln mit einem Anhange von Morgen- und Abendgebeten . . . wie auch einigen geistreichen Gesängen und Liedern" . . . Vorbe­ richt von M . I . R i t t m e y c r . . . Lüneburg . . . bei Cornelius Johann Stern . . . 1738.

„Rigisch oder allgemein auserlesenes Gebetbuch . . . erstlich zu Riga in Liefland zusammen­ getragen, nunmehro aber aufS neue mit unterschiedlichen Gebeten und einem vollständigen Gesangbuch vermehret . . . Leipzig . . . bei Johann Friedrich Gleditschen . . . 1741. „Hymnopoeographia Silesiaca oder historische Lebensbeschreibung derjenigen schlesischen Liederdichter, deren Lieder noch nie oder doch sehr kurz beschrieben worden" . . . von G o tt­ lob Kluge . . . BreSlau 1751. „Analecta Hymnica, daö ist merkwürdige Nachlese zur Liederhistorie. . . von Johann Caspar Wetzel, 2 Bde. . . . Gotha . . . bei Christian Meriuö . . . 1751— 56. „Allerhand Liederremarquen" . . . von Johann Jacob Gottschald. . . , Erstes S tü ck . . .Leipzig . . . bei Johann Christoph Gollner . . . 1758. „Einleitung in die Liedergeschichte. Lebensbeschreibung der berühmtesten Liederdichter, wie auch biblischer H auptinhalt und historische Nachricht der vornehmsten Materien und Lieder des Jülisch- und Bergischen Gesangbuches . . . von Johann Peter M ä h le r..." Mülheim a. Rhein . . . 1762.

C. Verzeichnis der herangezogenen Gesangbücher*) Leipzig

1545

M arburg

1549 1646

1707 1717 1740 Straßburg

1578 1610

1635 Königs­ berg

1597 1657 1665 1701

„Geistliche Lieder. M it einer neuen Vorrede D. M art. Luther . . . gedruckt zu Leipzig durch V alentin Babst. 1545." „Ein Gesangbüchlcin von den allerbesten Liedern auserlesen . . . M arburg . . . 1549." „Erneuert M arburger Gesangbüchlein christlicher Psalmen und Kirchen­ lieder Herrn D. M artin Luther und anderer gottseliger Lehrer und frommer Christen. Von «eucin übersehen . . . Frankfurt bei Anthony Hummen . . . 1646." „D aö neueste und nunmehro aller-verständigste Marburger Gesangbuch . . . M arburg . . . Johann Heinrich Stock 1707." „D aö neueste und nunmehro allervollständigste Marburger Gesangbuch . . . Berleburg . . . Christoph Konert 1717." „Neu vermehrtes und nunmehro allervollstänbigstes Marburger Gesang­ buch . . . M arburg . . . Johann Heinrich Stock 1740." „Psalm en und geistliche Lieder . . . S traßburg . . . Nicolauö Wyriot 1578." „Geistliches Handbüchlein, darinnen der Psalter . . . samt den gebräuch­ lichsten christlichen Lobgesängen und geistlichen Liedern von neuem über­ sehen . . . S traß b u rg . . . Johann Carolo 1610" (vgl. F T V I, 55). „Vermehrtes Gesangbüchlein D. M artin Luther und anderer geistreicher M änner . . . S traß b u rg . . . Caspar Dietzeln 1635." „D er erste Teil geistlicher Lieder . . . komponiert von Johannes Eccard . . . Königsberg in Preußen . . . Georg Osterberger 1597." „Neues preußisches vollständiges Gesangbuch Lutheri und anderer geist­ reicher M änner . . . Königsberg . . . Johann Reußner ♦ . . 1657." „Preußisches neuvermehrtes, über vorige Editiones ganz vollständiges Ge­ sangbuch . . . K ö n ig sfeld . . . Pasche M en sen . . . 1665." „Vollständiges preußisches Gesangbuch, darinnen die gewöhnlichen Kirchengesänge und Psalmen . . . zu finden ,. . . Danzig . . . Johann Zacharias Stolle . . . 1701."

2) Die Gesangbücher werden in der Reihenfolge ihrer Erscheinungsjahre angeführt. Dabei werden Gesangbücher desselben Orteö jeweils zusammengeordnet, die Titel werden möglichst gekürzt, eine vollständige Bibliographie ist in keiner Weise erstrebt. Wo eö möglich ist, sind die Nummern der Bibliographie im 6. B and von Fischer-Tümpel beigefügt.

Königsberg 1719



1723

1736 1730



1744



1751



1752

Bonn

1612

Dresden

1622



1632



1656



1673 1676



1694



1720



1733



1741

Nürnberg

1624



1645



1660



1690



1719



1727

„Gerührte Harfe Davids, Lutheri und anderer geistreicher Männer . . . be­ stehend im Kern alter und neuer erbaulicher Lieder . . . Königsberg . . . Reußner . . . 1719." „Deö Singens vernünftiger Gottesdienst, vermittelst Darstellung . . . alter und neuer Lieder, auch nötiger Erklärungen . . . Königsberg . . . Reußner . . . 1723." „Vernünftiger Gotiesdienst des SingenS . . . 2. Auflage . . . Königsberg 1736." „Der singende Christ, wie er sich in mehr als 1100 heiligen Liedern . . . hören läßt, nebst einer kurzen, doch gründlichen Erklärung . . . Königs­ berg . . . Reußner . . . 1730." „Kern alter und neuer Lieder. . . von Georg Friedrich Rogall. Königsberg... Johann Heinrich Hattung . . . 1744." „Neue Sammlung 1701 neuer und alter Lieder . . . 10. Auflage ♦ . . aus­ gefertigt Johann Jacob Quandt . . . Königsberg . . . Philipp Christoph K an te r. . . 1751." „M . Arnoldt Heinrich Sahmen: Glossiertes Gesangbuch, worinnen der singende Christ mehr denn 1100 der geistreichsten Lieber mit gründlichen Erklärungen findet: . . . Königsberg . . . Johann Heinrich Hartung . . . 1752." „Bonnifch Gefangbüchlein, geistliche Psalmen, Hymnen, Lieder und Ge­ bete . . . Nümberg . . . Georg EndterS . . . 1612." „Gesangbuch christlicher Psalmen und Kirchenlieder Herrn D. Martini Lutheri und anderer gottseliger Lehrer und frommet Christen. . . D resden. . . Gimel Bergen . . . 1622." „Anderer Teil des Dresdenischen Gesangbuchs . . . Dresden . . . Gimel Bergen . . . 1632" (FT VI, 273). „Dresdenisch Gesangbuch christlicher Psalmen und Kirchenlieder . . . Dresden . . . Melchior Bergen . . . 1656" (FT VI, 635). „Vorrat von alten und neuen geistlichen Gesängen . . . Leipzig . . . Johann Kolern . . . 1673." (FT VI, 821). „Geistreiches Gesangbuch an D. Cornelii Beckers Psalmen und Lutheri Kirchenliedern . . . Dresden . . . P aul August Hamann . . . 1676." „Geist- und lehrreiches Kirchen- und Hausbuch . . . herausgegeben bei Christoph Mathesio in Dresden 1694." „Auserlesenes uyd vollständiges Gesangbuch . . . Dresden . . . Johann Christoph Zimmermann und Johann Nicolai Gerlach . . . 172c." „Auserlesenes und vollständiges Gesangbuch . . . Dresden. . . Iimmermann und Gerlachen. . . 1733." „D as privilegierte ordentliche und vermehrte DreSdenische Gesangbuch . . . Dresden und Leipzig . . . Friedrich Henkeln . . . 1741." „Christliche Kirchengesäng, Psalmen und geistliche Lieder . . . Nürnberg . . . Abraham Wagenmann . . . 1624." „864 geistliche Psalmen, Hymni und Lieder . . . ganz von neuem korrigiert... N ürnberg. . . Wolfgang EnbterS . . . 1645" (vgl. FT VI, 38). „Der irdischen Menschen himmlische Engelfreude, das ist neuvermehrteS und mit Fleiß durchgesehenS Gesangbüchlein . . . Nürnberg . . . Christoph und Paul EndterS . . . 1660." „NürnbergischeS Gesangbuch, darinnen 1230 auserlesene Lieder . . . Nürn­ berg . . . Johann Michael Spörlin . . . 1690." „Des geistlichen Liederschatzes vollständiger Teil, darinnen 876 . . . Lieder zu finden . . . Nürnberg . . . Melchior Gottfried Hein . . . 1719." „Nürnbergische alte und neue Kirchenlieder . . . Nürnberg . . . Adam Jo n a­ than Felßecker . . . 1727."

N ürnberg

1731

---------------- 1627 Branden- 1630 burgBayreuth —

1660



1690



1710



1786

Lüneburg

1635

— —

1637 1666



1680



1694



1702 1756

— R inteln

1789 1636



1680



1696

Leipzig

1638

1651

„Kern geistlicher, lieblicher Lieder, dem Herrn mit Herz und Mund zu singen, oder neu-auSerlesenes Gesangbuch . . . Nürnberg . . . Lorenz Biel i n g . . . 1731." „Cantional oder Gesangbuch AugSburgischcr Konfession . . . verfertig t. . . und komponiert von Johann Hermann Schein . . . G rünhcim . . . 1627." „Markgräfisch Brandenburgisch Gesangbuch, darinnen auserlesene Psalmen und geistliche Lieder Herrn D. M artin Luthers und anderer gottesgelehrter Leut zu finden . . . zusammengetragen durch Johann S tu m p f . . . Bayreuth 1630 . . . gedruckt Coburg . . . Jo h an n Forckel" (FT VI, 258). „Neues vollständigeres Markgräflicheö Brandenburgischeö Gesangbuch . . . Bayreuth . . . Johann G e b h a rd t. . . 1660." „Neu-verbesserteö Markgräfliches Brandenburgisches Gesangbuch . . . zum neuntenmal aufgelegt. . . Münchberg, Johann Burchard MyliuS . . . 1690." (FT VI, 960). „Feldgeschrei der Kinder GotteS, das ist neuvermehrteö vollständiges Brandenburg-Bayreuthischeö Gesangbuch . . . B a y re u th . . . Johann Kipping . . . 1710." „Brandenburgisches Gesangbuch in welchem sowohl alte alö auch neue geistreiche Lieder . . . enthalten sind, durchgesehen und vermehrt durch M . Friedrich Conrad D arnm ann . . . dritte Auflage . . . B ran d en b u rg . . . Gebrüder Halle 1786." „Vollständiges Gesangbuch D. M artini Luthers, D. Phil. Nicolai, B arth. RingwaldtS und anderer geistreicher M änner, jetzt aufs neue wieder ge­ druckt und mit vielen herrlichen Liedern verm ehrt. . .Lüneburg . . . Johann und Heinrich S tern . . . 1635." „Vollständiges Gesangbuch . . . L ü n eb u rg . . . 1637." „Neues Lüneburgisches, vollständig-wohlverbefferteS Gesangbuch . . . Lüneburg . . . bei den Sternen . . . 1666." „Geistreiches Gesangbuch, darinnen alle die auserlesensten und üblichsten Gesänge enthalten . . . Lüneburg . . . bei den Sternen . . . 1680." „Lüneburgisches Gesangbuch, darinnen über 2000 sowohl alter als neuer geistreiche Lieder. . . gesammelt. . . Lüneburg. . . Johann S tern . . . 1694." „Lüneburgisches Gesangbuch . . . Lüneburg . . ♦ Johann S t e r n . . . 1702." „Neu verfertigtes Gesangbuch, in welchem 575 auserlesene geistreiche Ge­ sänge . . . Lüneburg 1756." „Neuvermehrtes Lüneburgisches Kirchengesangbuch . . . Lüneburg . . . 1789." „Neues Gesangbuch, darinnen auserlesene Psalm en, geistliche Lieder und Lobgesänge . . . durch M artin Luther und andere gottselige fromme Lehrer jetzo aufö neue zugerichtet. . . R inteln an der Weser . . . Peter Lucius . . . 1636." „Neuvermehrtes vollständiges Gesangbuch, darinnen 600 christliche und trostreiche Lieder . . . enthalten . . . Rinteln . . . Gottfried Caspar Wächter . . . 1680." „Neuvermehrtes vollständiges großes Gesangbuch, in welchem 465 a u s­ erlesene geistreiche Lieder, darunter 300 Hannoversche . . . Rinteln . . ♦ Her­ mann Augustin E n a x . . . 1696." „Neu-zugerichteteS lutherisches Gesangbüchlein, in welches zuförderst des hocherleuchtcten M annes GotteS, Herrn D. M artini Lutheri und dann anderer geistreicher Lehrer und Christen . . . geistliche . . . Lieder. . . Leipzig . . . Gottfried Groffcns sel. E rb e n . . . 1638" (F T V I, 353). „Neu-zugerichtetes Gesangbüchlein . . . au fs neue zusammengetragen . . . Leipzig . . . Gottfried Groffens Erben . . . 1651."

Leipzig

1682 1710 1750

Riga

1643

1680

1689 1656 (Crüger: P. P. m.)

1670

1674

1690

1712 Hannover

1668

1672 1676 1692 1698 1709 1721 1734 1671

„Neu Leipziger Gesangbuch von den schönsten und besten Liedern . . . heraus­ gegeben von Gottfried VopeliuS . . . Leipzig . . . GalluS Niemann 1682." „Leipziger Kirchenstaat, das ist deutlicher Unterricht vom Gottesdienst in Leipzig . . . Leipzig . . . Friedrich G roschuff. . . 1710." „DaS privilegierte vollständige und vermehtte Leipziger Gesangbuch, darinnen die auserlesensten Lieder . . . an der Zahl 1015 . . . gesammelt. . . Leipzig . . . Sebastian Heinrich Barnbeck 1750." „Vollständiges RigischeS Gesangbüchlein, darinnen alle geistlichen Lieder und Psalmen . . . gerichtet. . . zum drittenmal aufgelegt . . . Riga . . . Gerhard Schröder . . . 1643." „Christliche Andachtsflamme entzündet durch ein ganz vollständiges RigischLivländischeö Gesangbuch . . . Altdorff . . . Heinrich Meyer . . . 1680 . . (FT V I, 867). „Geistliche Andachtsflamme . . . Ratzeburg . . . NiclaS Nissenö Witwe . . 1689. " „Praxis P ietatis melica, daö ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und ttostreichen Gesängen Herrn D. M artini Lutheri fürnehmlich, wie auch anderer seiner getreuen Nachfolger und reiner Lehre Bekenner. Ordentlich zusammengebracht. . . und verbessert . . . verfertigt von Johann Crüger . . . Frankfurt . . . Caspar Röteln . . . 1656" (FT V I, 619, vgl. auch F T V I, 462 ff.). „Johann CrügerS erneuertes Gesangbüchlein . . . mit vielen schönen neuen Liedern verbessert von Peter Sohren . . . F ran k fu rt. . . Balthasar Christoph Wust . . . 1670" (F T V I, 621). „Johann CrügerS neuzugerichtete Praxis Pietatis melica, daS ist Übung der G ottseligkeit. . . F ra n k fu rt. . . B althasar Christoph W u st. . . 1674" (vgl. F T V I, 622). „Praxis P ietatis melica, daö ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und ttostreichen Gesängen . . . angeordnet von Johann Crüger, . . . verbessert von Jacob Hintze . . . Ed. X X IV . . . B erlin, David S alftlS fei. Witwe . . . 1690. " „Praxis P ietatis melica . . . ordentlich zusammengebracht und itzo . . . bis 1204 verm ehret. . . Ed. X X V . . . Berlin . . . Johann Lorentz . . . 1712." „Daö Hannoversche ordentlich, vollständige Gesangbuch, darinnen 300 a u s­ erlesene Psalm en, Lobgesänge und geistliche Lieder zur Beförderung der Privat- und öffentlichen Andacht zusammengettagen . . . Lüneburg . . . J o ­ hann und Heinrich S te rn . . . 1668" (vgl. F T V I, 453 ff.). „D aö Hannoversche ordentliche, vollständige Gesangbuch,. . . Lüneburg . . . Johann und Heinrich S te rn . . . 1672" (FT VI, 460). „DaS Hannoversche ordentliche, vollständige Gesangbuch . . . G ö ttingen. . . Joachim Heinrich Schmidt . . . 1676" (F T VI, 461). „Hannoversches vollständiges Gesangbuch. . . Hannover . . . Nicolauö Förster . . . 1692." „DaS Hannoversche ordentliche Gesangbuch, samt einem kurzen Anhange . . . H a n n o v e r. . . Nicolauö F ö rste r. . . 1698." „Hannoverisch Gesangbuch, samt einem vennehrten Anhang . . . H an­ nover . . . Nicolauö Förster . . . 1709." „Hannoverisches Gesangbuch, samt einem vermehtten Anhang . . . H an­ nover . . . Nicolauö Förster 1721." „Hannoverisch Gesangbuch, samt einem vermehrten Anhange . . . H an­ nover . . . Nicolauö Försters und Sohnes sel. E rb e n . . . 1734*" „Geistliche Liederkunst und ordentlich verfaßtes vollständiges Gesangbuch . . . darinnen über 1200 erbauliche Lieder auö Gottes W ott . . . eingerichtet von Johann Oleariuö . . . Leipzig . . . Caspar L u n itii. . . 1671."

Wittenberg 1673

„Wittenbergischeö Gesangbuch, darinnen Herrn Luther: und andere in der Kirchen und sonsten öffentlich gebräuchliche geistreiche Gesänge . . . von Johann Mich . . . zusammengettagen . . . Wittenberg . . . Abraham Werk­ lein . . . 1673." — 1713 „Auserlesener Liederschatz oder vollständiges Gesangbuch . . . versehen von M . Johann Elia Mich. . . Wittenberg, Christoph Gottlieb Ludwig . . . 1713." — 1733 „Wittenbergischeö Gesangbuch, worinnen nebst des seligen Lutheri auch andere geistreiche Lieder zu finden . . . Anjetzo . . . vermehtt . . . W itten­ berg . . . Sam uel Gottfried Iim m erm ann . . . 1733." D arm stadt 1687 „D as große Cantional oder Kirchengesangbuch, in welchem nicht allein D. M attin Luthers, sondern auch vieler anderer gottseliger Lehrer der christ­ lichen Kirchen geistreiche Lieder begriffen. . . D arm stadt. . . Henning M üller.. . . . 1687." (FT VI, 947) — 1733 „Neu-eingerichtetes Heffen-DarmsiädtischeS Gesangbuch, welches alle Glaubenslehren und Lebenspflichten in 500 auserlesenen alten und neuen Liedern in sich fasset . . . ausgefertigt von Johann Jacob Rambach . . . D a rm s ta d t. . . Johann Christoph F ö rste r. . . 1733." ------- — 1701 „Singende und klingende Berge, das ist BergischeS Gesangbuch, bestehend in 630 auserlesenen ge ist-, kraft- und ttostreichen, sowohl alten als neuen Psalmen und geistlichen lieblichen Liedern . . . zum andermal zum Druck befördert in den Herzogtümern Jülich und Berg . . . Frankfurt a. M . . . . David Zunner . . . 1701." Schlesien 1704 „Schlesisches Kirchengesangbuch, worinnen diejenigen Lieder zusammen­ gettagen sind, welche bei öffentlichen Gottesdiensten . . . in Schlesien bisher üblich gewesen . . . Brcölau und Liegnitz . . . Michael Rohrlachs sel. Wittib und E rb e n . . . 1704." — 1725 „Vollkommenes Schlesisches Kirchengesangbuch . . . mit sehr vielen schönen Liedern. . . verm ehrt. . . B reslau und Liegnitz . . . Michael Rohrlach . . . 1725." Halle 1706 „Geistreiches Gesangbuch, den Kern alter und neuer Lieder . . . in sich haltend . . . in gegenwärtiger bequemer Ordnung und Form . . . zum dritten­ mal herausgegeben von Johann Anastasio Freylinghausen . . . Halle . . . Waisenhaus . . . 1706" (FT VI, 997). — 1714 „Neues geistreiches Gesangbuch, auserlesene sowohl alte a ls neue geistliche und liebliche Lieder . . . herausgegeben von Johann Anastasio Freyling­ hausen . . . Halle . . . Waisenhaus . . . 1714" (FT V I, 998). — 1741 „Jo h an n Anastasii Frehlinghausens . . . geistreiches Gesangbuch . . . jetzo von neuem eingerichtet . . . Halle . . . Waisenhaus . . . 1741." N aum burg 1712 „NaumburgischeS Gesangbuch, bestehend auS den alten lutherischen Kernund Kirchen- wie auch den bekanntesten neuen Liedern,. . . welchen Er­ klärungen . . . und erbauliche Anmerkungen angefügt werden . . . a u s­ gefertigt . . . Johann M attin Schämelius . . . Naumburg . . . B althasar Boßögel . . . 1712." B erlin 1713 „Geistliche und liebliche Lieder, welche der Geist des Glaubens durch M artin Luther, Johann Heermann, P a u l Gerhardt und andere seine Werkzeuge in den vorigen und jetzigen Zeiten gedichtet. . . zusammengelesen . . . Johann P o r s t . . . B e r li n . . . Gotthard S c h ic h tig e r. . . 1713." Weißenfels (1712) „HochfürstlicheS Sachsen-WeißenfelsischeS vollständiges Gesang- und Kirchenbuch . . . WeißenfelS, Johann Christoph B rühl . . . (1712)." Ham burg 1716 „Neuvermehrtes HamburgischeS Gesangbuch zum heiligen Gebrauche der öffentlichen Gottesdienste als auch bet HauSandachten . . . Hamburg . . . Conrad Neumann . . . 1716." — 1745 „Neuvermehrtes HamburgischeS Gesangbuch . . . Hamburg . . . Conrad König . . . 1745."

H am burg

1758

„Neuvermehrleö HamburgischeS Gesangbuch . . . H am b u rg . . . JeremiaS Conrad Piscator . . . 1758." 1766 „Neuvermehrtes HamburgischeS Gesangbuch . . . Hamburg, Jerem ias Conrad Piscator . . . 1766." Görlitz 1722 „Erklärter Liederschatz oder Gesangbuch, darinnen alle Lieder von M artini Lutheri und anderer geistreicher Lehrer erkläret . . . von M . David Heer­ mann . . . Görlitz und Z itta u . . . Jo h an n Jacob SchöpS . . . 1722." — 1729 „DaS vermehrte Görlitzesche Gesangbuch, wie solches zur Förderung des Heils bei öffentlichen Gottesdiensten pfleget gebraucht und daraus gesungen zu werden . . . Görlitz . . . Jacob Zippern . . . 1729." W ü rttem -1730/34 „Evangelischer Liederschatz oder glossiertes großes WürtembergischeS Geberg sangbuch, darinnen großenteils alle bekannten . . . Kirchenlieder . . . mit Bemerkungen . . . sodann . . . einige Nutzanwendungen . . . beigefügt. . . in 6 Teilen v e rfa ß t. . . Tübingen. . . Gottlieb EbertuS . . . 1730/1731/1734*" — 1751 „WürttembergischeS Gesangbuch, enthaltend eine Sam m lung reiner und saftig e r Lieder,. . . S tu ttg a rt . . . Johann Georg Cotta b. I . . . . 1751." Herrnhut 1735 „D aü Gesangbuch der Gemeine in Herrnhut . . . daselbst zu finden im Waisenhause . . . 1735." ------------ 1735 „Geistreiches Hausgesangbuch, welches alle Glaubenslehren und LebenSpflichten in 700 auserlesenen meist neuen . . . Liedern . . . in sich fastet — . . . ausgefertigt von Johann Jacob Rambach . . . Frankfurt und Leipzig . . ♦ I 735-" Nord1735 „Schriftgemäßes Gesangbuch, zu nützlichem Gebrauch heilbegieriger Seelen, Hausen absonderlich bei den öffentlichen Kirchenversammlungen . . . Nordhausen . . . Joh an n Heinrich Groß . . . 1735." ------------ 1737 „Theologia in hymnis oder Universalgesangbuch, welches auf alle Fälle, alle Zeiten, alle Glaubenslehren, alle Lebenspflichten . . . a u f allerlei Stände und Personen . . . und auö 1300 absonderlich erlesenen Liedern . . . a u s­ gefertigt von M . Johann Jacob Gottschalbt. . . Leipzig. . . Johann Christian M a r tin i. . . 1737" (FT VI, 1019). S tu ttg a rt 1740 „Neu-eröffneter Andachtstempel oder evangelisches Kirchengesangbuch, in welchem alle gebräuchlichen, alte und neue Kirchenlieder gesammelt . . . zweite Auflage . . . S tu ttg a rt, Bernhard Michael Müller . . . 1740." B erlin 1765 „Lieder für den öffentlichen Gottesdienst. . . B e rlin . . . (hrög. v. Diterich). . . David Gottlieb Schatz . . . 1765." N achttag: ------- — 1564 „Ein Gesangbuch der Brüder in Böhmen und Mähren . . . von ihnen au f ein neues . . . gebessert . . . (Vorrede von Johann Horn) . . . Nürnberg . . . Johan n von Berg und Ulrich Neuber . . . 1564." Bremen 1767 „Neues Bremisches Psalm - und Gesangbuch zur öffentlichen und be­ sonderen Erbauung der reformierten S ta d t- und Landgemeinden . . . Bremen . . . H . L. J a n i Witwe und Dietrich Meier . . . 1767." ------------ 1711 „Baruthisches Gesang- und Gebetbuch . . . nunmehro ausgefertigt von Christoph Heinrich Zeibichen . . . zu B aruth . . . Leipzig . . . Friedrich Lankischens Erben . . . 1711."

D. Alphabetisches Dichterverzeichnis Nr. 189

Nr. Agricola AlarduS Altenburg Arendö Arnold

4

67 49

184 208—212

Beke 12 Bienemann l6 Birken (Christ, v.) I3 I Birken (SLegm.v.) 132—137 Bogatzky 204 Bonin 202—203 Braunschweig, A. U. v. 145—146 Breithaupt l8o Brunchorst II7 CaseliuS Cörber

51

89

Dach 56— Deßler 147 140 Dilherr 205 Dreher? Eccard 22 Faber 130 Finx (FranciSci) 142 Fischer (Christoph) 17 Flemming 42 Flittner ? 125 Franck (Johann) I I 3 — H 4 118 Franck (Michael) Francke 168 Freylinghausen 169 Fritsch 156 Fromm 105 Gellert 244 Gerhardt 90—104 GeseniuS—Denicke 7 7 - 8 8 Görlitz v. 64 Unbekannte Verfasser: Nr. Nr. 62 24 25 63 26 65 66 41 109 46 61 164

Götter Gryphiuö Gueintzius

39—40 45

Harsdörfer 127—129 Haölocher 163 161 Hedinger ? Heermann (Johann) 31—36 Held 38 Helder 4 7— 48 Helmbold 15 14—14b Herbert Hermann (Nicolauö) 7—9 178—179 Herrnscbmidt Hesenthaler ? 141 Homburg 119 Jngolstätter 139 Kesler Knorr v. Rosenroth Kongehl

50

155 138

187 Lange (Ernst) Lange (Joachim) 181 Laurentius 162 LiSkov i i 5—i 16 Löwenstern, ApellcS v. 37 Luther 1—3 MathesiuS 10 Maukisch 59 Möller 21 Mühlmann 27 Müller (Christ. Anton) 218 Müller (Heinrich) 153—154 Mylius 53 18

Nicolai

OleariuS (Johann) i 21—i 23 Opitz 28—29

Nr. 165 166 167 191 192 193

Nr. 194 195 196 197

198 219

Nr. 220 221 222 223 224 225

Nr. 108

Pauli

Rambach 199—201 Richter (Christ. Fr.) 171—177 Richter (GregoriuS) 30 Rmckart 44 Rinqwaldt 19—20 Rist 70- -74 / 75 —7 6 ? Ritter 110—i n Ritzsch 43 Röling 60 Rothe 213—214 Rüben 190 Runge 106—107 Sacer Schade Schalling Schefflcr Schmidt Schmolck Schröder Schwämlein Spener Spengler SperatuS Stegmann

126 158—160 23 148—152 188—189 227—232 183 144 157

6 5

67—68

VoidiuS

55

Weiße Meißel Werner Widemann Winckler Wolf

12 226 186 182

Iinzendorf

215—217

Nr. 233

234 235 236 237

238

Nr. 239 240 241 242 243

52 54

E. Lieder-Register 1. Luther, Martin 2.

,

3*

/ 4. Agricola, Johann s. SperatuS, Paul

6. Spengler, Lazarus 7. Herrmann, Nicolauö 8. - , 9.

-



10. MathesiuS, Johannes 11. Hubert, Konrad 12. Beke, Magdalena 13. Weiße, Michael 14. Herbert, Petrus 14a. Böhm. Brüder 14b. Herbert, Petrus 15. Helmbold, Ludwig 16. Bienemann, Kaspar (Melissander) 17. Fischer (Bischer), Christoph 18. Nicolai, Philipp 19. Ringwaldt, BarIholomäuS 20. —, —

Nun freut euch, lieben Christen g'mein. . . 29. III. 2. 71, i i 3, 198s., 228, 231, 240A Aus tiefer Not schrei ich zu dir . . . W. III. 6. 198, 263 Ein feste Burg ist unser G o tt. . . W. III. 32. 244A Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ. . . W. III. 79. 199, 244 Es ist das Heil uns kommen her . . . W. III. 55. 71, 127A, 182, 199s., 240A Durch Adams Fall ist ganz verderbt. . . W. III. 71. 71, 127, 127A Mein'm lieben Gott ergeb ich mich. . . W. III. 1428 Wer durch den Glauben ist gerecht. . . W. III. 1424. 202s. Wer hier vor Gott will sein gerecht. . . W. III. 1380. 109s., 187 s., 191,197 ff-, 203 s., 327 Abram glaubt dem verheißnen Christ. . . W. III. 1336. 198s., 204A, 235A Allein zu dir, Herr Jesu Christ . . . W. III. 201. 107s., 24;, 253 Mag eS denn je nicht anders sein? . . . W. IV. 720. 78,198, 218 Menschenkind, merk eben, waS da sei dein Leben . . . W. III. 259 iio , 220Ä O, Christenmensch, merk, wie sichS h ä lt. . . W. IV. 601. 218 f., 220A Christus, der wahre Gottessohn . . . vgl. W. IV. 555 220A ES hebt sich, spricht Gottessohn. . . W. IV. 603 Don Gott will ich nicht lassen . . . W. IV. 904 Herr, wie du willst, so schickS mit m i r . . . W. IV. 1046. Wir danken dir, Herr Jesu Christ, daß du für uns gestorben bist . . . W. V. 337 Wie schön leuchtet der Morgenstern . . . W. V. 394. Ach Gott, erbarm dich über mich . . . W. IV. 1463. 128, 210 Allein auf Gott setz dein Dettraun . . . vgl. W. V. 516 280,333,

339 21. 22. 23. 24.

Möller, Martin Eccard, Melchior Schalling, Martin Unbekannter Verfaffer

2 5 .



/



26. —, — 27. Mühlmann, Johann

Ach Gott, wie manches Herzeleid. . . W. V. 121. 246 O Gott Vater in Ewigkeit, voller G n a d . . . FT. I. i n . 262 Herzlich lieb hab ich dich, 0 Her r. . . W. IV. 1174. 245, 327 Nun laßt uns Christen fröhlich sein . . . W. III. 853 O Christe, Morgensterne, leucht u n s . . . W. V. 1579. Recht denken, recht reden und auch recht tun . . . W. V. 749. -87, 334 O LebenSbrünnlein tief und groß . . . W. V. 699. 245

*) DaS vorliegende Register führt die herangezogenen Gesangbuchlieder nach ihren Ver­ fassern, ihren Liederanfängen und Fundotten in der Reihenfolge auf, wie sie der Textband zusammengestellt hatte, der der ursprünglichen Diss. der Verfasserin zugehötte. Dieselbe Numerierung wurde bei den Liedzitaten auch für den Druck beibehalten. Als Fundort der Gesangbuchdichtungen sind jeweils die am leichtesten zugänglichen Quellen angegeben. Bei W. und FT. bezeichnen die Zahlen nach der Bandangabe (in römischen Ziffern) die N u m m e r des Liedes. Die beigefügten Seitenzahlen beziehen sich auf die Stellen unserer Untersuchung, die das betteffende Lied behandeln.

28. Opitz, Martin 2 9 -



/



30. Richter d. I ., GrcgoriuS 31. Heermann, Johann 32

. —

-

33» - / 34. —, — 35- - ~ 36. -

-

37. Löwenstern, Matthäus ApelleS von 38. Held, Heinrich 39. GryphiuS, Andreas 40. —, — 41. Unbekannter Verfasser 42. 43. 44. 45.

Fleming, Paul Ritzsch, Gregor Rinckart, Martin GueintziuS, Christian

46. Unbekannter Verfasser 47. Helder, Bartholomäus 48. , 49. Altenburg, Johann Michael 50. KeSler, Andreas 51. CafeliuS, Martin 52. Meißel, Georg 53. MyliuS, Georg 54. 55. 56. 57-

Werner, Georg VoidiuS, Balthasar (?) Dach, Simon —/ —

58. —, — 59. Maukisch, Johann 60. Röling, Johann 61. Unbekannter Verfasser 62. —, — 63. Görlitz, Matthäus Friedrich von

Wer Gott das Herze gibet. . . FT. I. 292. 266A Wer Gott sein Herze gibet. . . Lüneburg 1694, Nr. 28. 266A Steh doch, Seele, steh doch stille. . . FT. I. 308. 88f., 254A, 256A S o wahr ich lebe, spricht dein G ott. . . FT. I. 318. 129,284 Was willst du, armer Erdenkloß . . . FT. I. 319. 7 9 /113/ 133/ 175/ 206, 220, 220A, 254A Wo soll ich fliehen hin . . . FT. I. 322. 78,129, 206, 307 Wenn dein herzlichster Sohn, 0 G ott. . . FT. I. 330. 206, 228 Ach, Jesu, dessen Treu im Himmel und auf Erden. . . Lüne­ burg 1694, Nr. 245. (vgl. FT. I. 357.) O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell. . . FT. I. 355. 187, 326A Ach, wie findest du so selten Hilf und Beistand . . . FT. I. 391. 329 Gott, gib mir zu erkennen, was Weisheit. . . Gesangbuch Lüne­ burg 1694, Nr. 1090. 328 Die Herrlichkeit auf Erden . . . FT. I. 433. 79, 345 Mein Heiland, was werd ich beginnen . . . FT. I. 440. 87, i i 5 / 126, 206,235 Fünf Brünnlein sind, daraus mir rinnt. . . FT. I. 456. 131, 225, 264A In allen meinen Taten . . . FT. I. 789. 917., 225 Herr, was sind das für Wunden . . . FT. I. 495» Hilf uns, Herr, in allen Dingen. . . g&. I. 521. 209 Jesu, Jesu, du mein Hirt, Jesu, meine Speis . . . FT. I. 535. 251 Sieh, welch ein Mensch da fürgestellt. . . FT. I. 578. 220, 262 Das Jesulein soll doch mein Trost. . . FT. II. 24. 246s. Ich freu mich in dem Herren . . . FT. II. 27. 207, 235, 241 Was Gott tut, das ist wohlgetan, kein einzig Mensch . . . FT. II. 57. 344 Kein Mensch, kein Stand, kein Ort, kein Zeit. . . FT. II. 64. O Gott, lehr uns bedenken fein . . . FT. II. 71. 241A Such, wer da will ein ander Ziel. . . FT. III. 13 228 Weinen in den ersten Stunden aller Schwachheit. . . FT. III. 31 146 Ihr Kinder, kommet her zu mir . . . FT. III. 43» 217 Herr Jesu Christ, dir sei bereit. . . FT. III. 76. 127A, 131 ES vergeht mir alle Lust. . . FT. III. 86. 80, 89s. Kein Christ soll ihm die Rechnung machen. . . FT. III. 91. 260A Schöner Himmelssaal, Vaterland der Frommen . . . FT. III. 118 364 Ach Jesu, gib mir sanften M u t . . . Gesangbuch Nürnberg 1731. Nr. 674. 216, 282 Liebster Jesu, Trost der Herzen. . . FT. III. 170. 126, 128A, 133, 232 Mensch, willst du hinfott selig sein . . . FT. III. 195. 165, 228, 328 s. O Mensch, willst du selig sein . . . W. V. 388. 3287. Will mir Gott wohl, so geht mirs wohl . . . W. III. 1222. 339/ 342/ 342A

64. Unbekannter Verfasser 65. -

-

66.





67. Siegmann, Josua 68. — 69. Alarduö, Wilhelm 70. Rist, Johann 71. —, — 72. — / —

73- —/ — 74* —/ — 75. - / - ( ? )

76.

-,-(? )

77. GeseniuS, Justus — Denicke, David 78. —, —

79* —/ — 80. —, — 81. —, — 82.

-

83. Heermann, Johann 84. 85. 86. 87.

Gesenius — Denicke Unbekannter Verfasser GeseniuS — Denicke —, —

88. —, — 89. Cörber, Johann 90. Gerhardt, Paul 91. —, — 92. —, —

93* —, — 94* —, — 95* —/ —

Will mir Gott wohl, so geht mirs wohl. . . FT. III. 198. 225, 342A Was ist dir denn, mein liebes Herz. . . Brandenburgischeö Ge­ sangbuch 1660, S . 313. Was ist besser im Leben denn Fried . . . Brandenburgischeö Ge­ sangbuch 1660, S . 282. 93, 334 Herr Christ, zu dir ich schreie auö meines Herzensgrund . . . FT. II. 477* 119, 127,128A, 206, 235 Sei wohlgemut, laß ttauern sein . . . FT. II. 465. 340 O Gott in deinem Throne, durch Christum . . . FT. II. 165. 116A, 117s., 215 Ich armer Mensch bekenn jetzt frei. . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 801. ii6 f., 120, 206 O schwerer Fall, der Adam hat. . . FT. II. 305. 235, 235A Ach höchster Gott, verleihe mir. . . FT. II. 203. 216, 282,285 Folget mir, ruft uns das Leben . . . FT. II. 201. 2io, 368, 369A Jesu, du mein liebstes Leben, meiner Seele Bräutigam. FT. II. 206. 252,330 O Gott, der du der Menschen Herz. . . Dresdener Gesangbuch, Leipzig 1673, Nr. 1112. 182,187, 210A, 221 Gute Bäume bringen Früchte guter Art. . . Dresdener Gesang­ buch, Leipzig 1673, Nr. 292. 369 Ach meine Seel kann ihre Ruh . . . FT. II. 420 88, 176A Gott, dessen Güt sich weit ergießt. . . FT. II 439* 92, 220A, 239 Gott sagt, daß die nur selig sein . . . FT. II, 421. 239, 354 Gott Vater, höre doch nach deiner großen Güte . . . FT. II. 389. Hilf Gott! wie hat die Eitelkeit. . . FT. 11.-449. 120s., 135/ 354 Kommt laßt euch dm Herren lehren . . . FT. II. 404* 124/ 355fv 357A Kommt, ihr Christen, kommt und höret. . . FT. I. 378. 124/ 354 ff*/ 356A O Herr, dein seligmachend Wort. . . FT. II. 410. O Herre Gott, dein göttlich Wort. . . W. III. 163 O meine Seel, erheb dich . . . FT. II. 415* 225,284,347A, 357 Sei unverzagt, 0 frommer Christ. . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 1022. 225, 343/ 343A Mit Gott in einer jeden Sach . . . Gesangbuch Hannover. 1668/1692, Nr. 174. 336s. Mein Seel, bedenk all Tage . . . FT. III. 223. 239/ 240A, 363 s. Auf den Nebel folgt die Sonn . . . FT. III. 422. 425 Du bist ein Mensch, das weißt du wohl. . . FT. III. 432. 424s* Geduld ist euch von nöten . . . FT. III. 472. 214/ 283, 335A/ 336A, 409s* Ich hab oft bei mir selbst gedacht. . . FT. IN. 433* 80,409,414/ 417s*/ 4i8A Ich will erhöhm immerfort. . . FT. III. 418. 85,412, 420 Ist Gott für mich, so trete . . . FT. III. 447* 280, 283A, 406,408, 410,412, 419

Gerhardt, Paul

ioo. —, — 101. — , —

102 .

—, —

103 .

—, —

104. —, — 105. 106. 107. 108.

Fromm, Valentin Runge, Christoph —, — Pauli, Joachim

109. Unbekannter Verfasser 110. Ritter, Jakob in « —, — ii 2. Hunold, Michael ii 3. Franck, Johann i i 4« —/ — 115. Liökov, Salomo 116. 117. 118. 119.

—, — Brunchorst, Christoph Franck, Michael Homburg, Ernst Christoph 120. Neumark, Georg

211. Olearius, Johann 122. —, — 123. —, — 124. Meyer, Bartholo­ mäus 125. Flittner, Johann (?) 126. Sacer, Gottfried Wilhelm 127. HarSdörffer, Georg Philipp 128. —, — 129. - - ( ? )

Nicht so traurig, nicht so sehr . . . FT. III. 395. 180, 411, 424 Schwing dich auf zu deinem G o tt. . .FT. III. 445. 283, 416s. Warum sollt ich mich denn grämen? . . . FT. III. 426. 406, 407A, 410, 417 Was alle Weisheit in der W elt. . . FL. III. 415. 413 Weg, mein Herz, mit den Gedanken . . . FT. III. 382. 227, 281, 412 Wer wohlauf ist und gesund . . . FT. III. 463 94 Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld . . . FT. III. 386. 131s., 421 O Herz des Königs aller W elt. . . FT. III. 466. 85, 416 O Jesu Christ, mein schönstes Licht. . . FT. III. 436. 413, 420A O Mensch, schau wer du bist! . . . FT. III 510 Der Glaube macht allein gerecht. . . FT. III. 540. 327 Sei nicht stolz, 0 liebe Seele . . . FT. III. 527. 156, 284, 365 Ach meiner Sünden Last, die läßt m ir. . . FT. III. 553. 120, 128, 128A Erbarm dich mein, Herr Jesu Christ. . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 1310. Ih r, die ihr euch von Christo n en n t. . . FT. IV. 24 357f. Ein Christ soll nicht der Meinung sein . . . FT. IV. 26. 164, 358s. Tausend Ängste, tausend Sorgen . . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 405. 81 Herr, ich habe mißgchandelt. . . FT. IV. 83. 123 Du, 0 schönes Weltgcbäude magst gefallen . . . FT. IV. 99. 90 Jesu, liebste Seele, deiner Wunden Höhle . . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 285. 263A Meines Lebens beste Freude ist der Himmel. . . FT. I. 159. O Gott, dein Wort und Abendmahl. . . FT. IV. 249. 214, 330 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig. . . FT. IV. 254. 81 f. Du wahre Christenseele du, komm . . . FT. IV. 334. 91, 187 Wer nur den lieben Gott läßt walten . . . FT. IV. 365. 9V 345 fEil mit Weil pflegt man zu sagen . . . Gesangbuch Lüne­ burg 1694, Nr. 1078. 340 Tu Rechnung! Rechnung will Gott ernstlich von dir haben . . . FT. IV. 40i. Willst du recht wohl und christlich leben . . . Gesangbuch Lüne­ burg 1694/ Nr. 1259. 337A O Sünde, Sünd, 0 schwerer Fa l l . . . FT. IV. 457. 128, 134/ 207 Keine Nacht, kein Tag vergehet. . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 540. Jesu, meines Glaubens Zier, wenn ich ttaure . . . FT. IV. 620. 247 s* Ach milder Gott, begnade mich . . . FT. V. 18. 275A, 276, 330 Lieblicher Jesu, herzliche Wonn. . . FT.V. 15. 249A Wohl dem, der um den armenMann . . .Gesangbuch Lüne­ burg 1694/ Nr. 1273.

130. Faber, Johann Lud­ wig 131. Birken (Betuliuö), Christian von 132. Birken (Betuliuö) Siegmund von 1 3 3 -



.



1 3 5 *



1 3 4

/





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136. — , — 1 3 7 »

-



138. Kongehl, Michael

Ich bin verliebt! Komm her und sieh . . . Gesangbuch Lüne­ burg 1694/ Nr. 258. 83, 253s. Wünschest du stets füßeö Lieben? . . . F T . V. 61. 227A, 254A, 257s. Ach wie nichtig und untüchtig . . . F T. V. 71. 92, 229, 347 Ach wie wichtig, ach wie richtig . . . Gesangbuch BrandenburgBayreutb 1710, S . 384. 364 Blinder Mensch, tu weg die Decke . . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 761. m s . / i i 4 / 138/ 156 Fließt, ihr Tränen, fließt und schießet. . . F T . V. 69. 84, 207, 264A Hüter du der Menschenherden . . . FT. V. 93. Lasset uns mit Jesu ziehen . . . FT. V. 67. 255A, 330, 369 So bleibt dennoch ein gut Gewissen . . . F T . V. 171.

188

Ich bin mit dir, mein Gott, zufrieden . . . F T . V. 181. 239/ 266s., 348A Dilherr, Johann O liebe Seel, wo find ich R u h . . . Gesangbuch Lüneburg 1694/ N r. 1191. Michael Hesenthaler, Magnuö(?) Wenn jemand seinen Lebenölauf. . . Gesangbuch Nürnberg 1690, Nr. 568. Finx (Franciöci), Großer Gott, der mich erschaffen . . . F T . V. 277. 221, 274 Eraömuö Arnschwanger, Johann O Seele, welche Seligkeit ist dir . . . F T . V. 321. 215 Christoph Schwämlein, Georg Meinen Jesum ich erwähle, keinen Liebern . . . F T . V. 358. Christoph 248 s. Anton Ulrich, Herzog Jesuö ist mein Aufenthalt, Jesus ist mein süßes Leben . . . F T . von BraunschweigV. 369. 248 A Lüneburg Wer Geduld und Demut lie b e t. . . F T . V . 372. 334s./ 335A —/ — Deßler, Wolfgang Mein Jesu, dem die Seraphinen . . . F T . V. 392. 210 Christoph Scheffler, Johann Du grüner Zweig, du edler Reis . . . F T . V. 424. (Angeluö Selesiuö) Du wunderbares Gut, das alle Geister speiset. . . Freyl. Ge­ —/ — sangbuch Halle 1706/ Nr. 344. 180, 262A , 274, 281 —, — Ich w ill dich lieben, meine Stärke. . . F T . V. 414.

139. Jngolstätter, Andreas 140. 141. 142. 143. 144. 145.

146. 147. 148. 149150.

151. — , —

Keine Schönheit hat die We l t . . . F T . V. 455.

251

152. —, — 153. Müller, Heinrich

M ir nach spricht Christus, unser Held . . . F T . V. 460.

369

Lebt jemand so wie ich, so lebt er jämmerlich . . . F T. V. 548.

154- — / — 155. Knorr von Rosenroth, Christian

Lebt jemand so wie ich, so lebt er seliglich . . . F T. V. 549. Zeuch meinen Geist, triff meine Sinnen . . . F T . V. 565.

156. Fritsch, Ahaöveruö

Meinen treuen Jesum liebet mein Herz nunmehr. . . FT. V. 592.

157. Spener, Philipp Jakob 158. Schade, Johann Caspar 1 5 9 -



/



277fv 278A 249 sE6 sei, Herr, deine Gütigkeit. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, N r. 414. 208 Frisch auf, mein Seel, und ttauer nicht. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 658. 208, 223, 241 H ilf Gott, wie gehtö doch jetzo zu? . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 246. 119, 232, 285

160. Schade, Johann Caspar 161. Hcdinger, Johann Reinhard 162. Laurenti, Laurentiuö 163. HaSlocher, Johann Adam 164» Unbekannter Verfasser 165. — — 166. —, — 167. — 168. Francke, August Hermann 169. Freylinghausen, Jo ­ hann Anastasius 1 7 0 .



,



171. Richter, Christian Friedrich 1 7 2 .





I7Z. — , —

174. —, — 1 7 5 »



/



176.

— ,



177» ------178. Herrnschmidt, Johann Daniel 179- — — 180. Breithaupt, Johann JustuS 181. Lange, Joachim 182. Wolf, Jacob Gabriel 183. Schröder, Johann Heinrich 184. Arends, Wilhelm EraSmuS 185. Winckler, Johann Joseph

Ruhe ist daS beste Gut, das man haben kann . . . Freyl. Gesang­ buch Halle 1706, Nr. 450. 227 DaS, was christlich ist, zu üben . . . Württ. Gesangbuch S tuttgart 1751, Nr. 211. 217, 233, 238, 359, 36; Wie wird doch so gering die Reinigung im Herzen . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 165. 157, 285, 359s. Du sagst: ich bin ein Christ. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706/ Nr. 244. 215 Ach Gott, waö ist ein Mensch, wenn man eö recht. . . Gesang­ buch Lüneburg 1694, Nr. 1042. m s . , 220A, 338 Gott, Tugend und Ehre bekrönen mein Leben . . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 1093. 98, 188 s., 337 Liebster, willst du meiner warten . . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 1160. 258 Wer hier zu etwas kommen will . . . Gesangbuch Lüneburg 1694, Nr. 1249. 99/ 337 fG ottlob! Ein Schritt zur Ewigkeit. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, N r. 346. 255, 259, 276 Durch Adams Fall und Freveltaten . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, N r. 579. 176, 207, 237A Kommt, ihr Menschen, laßt euch lehren . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1238. 125, 164, 220A Die sanfte Bewegung, die liebliche Kraft . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 454. 271A, 273 Die Seele ist dazu geboreu, daß sie was Göttliches . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 896. 180, 277 Eö glänzet der Christen inwendiges Leben. . . Freyl. Ge angbuch Halle 1741, Nr. 1281. 237, 396A Eö ist nicht schwer, ein Christ zu sein . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 554. 227 Eö kostet viel, ein Christ zu sein . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 659. 273 A, 281 Hier legt mein Sinn sich vor dir nieder. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 760. 221, 268 f.A, 281 Mein gnug beschwerter S inn! wirf die G edanken... Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 449. 253, 265A, 267 ff. Der alles füllt, vor dem die Tiefen zittern . . . Freyl. Gesang­ buch Halle 1706, Nr. 264. 165, 229, 232, 258, 263A, 268 Gott willö machen, daß die Sachen . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 417. 268 A Versuchet euch doch selbst, ob ihr im Glauben . . . Freyl. Ge­ sangbuch Hatte 1706, Nr. 713. 222, 234, 234A, 238A Herr, wann wirst du Zion bauen . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 539. Wohl dem, der sich mit Ernst bemühet. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 565. 367 Jesu, hilf siegen! Du Fürste de6 Lebens. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 312. 221, 261, 273 A Wenn daS nagende Gewissen . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 677. i2 i, 223 Meine Seele senket sich hin in Gotteö Herz. . . Freyl. Gesang­ buch Halle 1741, Nr. 1097. 270

i86. Winckler, 3 obann Johann 187* Lange, Ernst 188. Schmidt, Johann Eusebius 189. —, — 190. Rüben, Johann Christoph 191. Unbekannter Verfasser 192. —, — 19 )

. —/ —

194. 1 9 5

.

1 9 6 .

1 9 7

—, — — ,







,

. — , —

198. — , —

199. Rambach, Johann Jakob 200. —, — 201.

—, —

202. Bonin, Ulrich Bogislaus von 20) . —, — 204. Bogatzky, Karl Hein­ rich von 205. Dreher, S . (?) 206. Unbekannter Verfasser 207. —, — 208. Arnold, Gottfn'ed 209. —, — 210. —, — 211. —, —

Ringe recht, wenn Gottes Gnade dich nun ziehet . . . Freyt. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 774. 273 A, 360, 364, 390 Die Menschen suchen Wissenschaft. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1235. 223,276,281 Ich weiß, ich weiß, an wen ich glaube . . . Freyl. Gesangbuch Hatte 1741, Nr. 663. 236 S o bin ich nun nicht mehr ein fremder Gast . . . Freyl. Gesang­ buch Halle 1706, Nr. 670. 208 O wie richtig und wie wichtig ist der Christen Leben . . . Freyl» Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1273. Herr Zebaoth! dein heiliges Wort. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741/ Nr. 496. 216 O Jesu! lehre mich, wie ich dich finde . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 424. 156,272 s. Meine Seel, komm in die Wunden Chn'sti ein. . . Freyl. Ge­ sangbuch Halle 1706, Nr. 448. 263 Laß mich dich, mein Heiland, loben. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1096. 268 A Ö Mensch, leg alle Sorgen h i n . . . Gottschaldt, Universalgesangbuch 1737, Nr. 881. 9 9 ,164A, 183, 216 Geh ich recht in der Seelen Grund . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 583. 121 f., 256A, 260s., 277ff. Ich bin Gottes Bild und Ehr. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1267. 261 Jesu, wenn ich mein Gemüt christlich in mir selbsten . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1270. 96s., 229, 236, 236A Gesetz und Evangelium sind beide Gottes Gaben. . . Gottschaldt, Universalgesangbuch 1737, Nr. 698. Höchste Vollkommenheit, reineste Sonne . . . Gesangbuch Herrnhut 1731, Nr. 7. Kein Lehrer ist dir, Jesu, gleich . . . Gesangbuch Berlin 1765 (Diterich), Nr. 62. 369 s , 370A Ach! Seele, sollte dich erfreuen die Schönheit. . . Freyl. Ge­ sangbuch Halle 1741, Nr. 444. Wie töricht handelt doch ein Herze . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1741, Nr. 1104. Ivo, 176, 221, 226,265, 273A Wie wohl ist mir in meiner Seelen . . . Gesangbuch Herrnhut 1737/ Nr. 497. 97/ 222, 268, 365s. Sorgt, ihr Christen, sorgt für eure Seel e. . . Gesangbuch Görlitz 1729, Nr. 560. 177,240 Du unvergleichlichs Wesen! Gott, über alles groß!. . . Ge­ sangbuch Nürnberg 1731, Nr. 806. Wohl dem, der sich Ui atten Fällen in Gotteü Schickung. . . Gesangbuch Nürnberg 1731, Nr. 314. Endlich soll das frohe Jahr der erwünschten Freiheit . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 537. Heiligster Jesu, Heiligungsquelle!. . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 394. Jehova! nimm von mir die Kräfte hin . . . Freyl. Gesangbuch Halle 1706, Nr. 745. 258A O! der alles hätt verloren, auch sich selbst . . . Freyl. Gesang­ buch Halle 1706, Nr. 719. 271,276, 281

2i2. Arnold, Gottfried 2 i) . Rothe, Johan n Andreas 214. —/ — 215. Zinzendorf, NicolauS Ludwig G raf von 216. —, — 217. —, — 218. M üller, Christoph Anton 219. Unbekannter Verfasser 220. —, — 221. —, — 222. —, — 22).

—, —

224. —, — 225 .

—, —

226. Widemann, Michael 227. Schmolck, B enjam in 228. —, — 229. —, — 2) 0.

—, — (?)

2 ) 1.

—, —

2 ) 2.

—, —

2 )). Unbekannter Verfasser 2)4- —/ — 2 ) 5- —, —

2)6. —, — 2)7. —/ —

Zeuch meinen Geist, 0 Herr, von hinnen — Freyl. Gesangbuch Halle 1706, N r. )66. 277, 277A, 281 V or wahrer Herzensänderung sind alle Menschen . . . Gesang­ buch Herrnhut 17)7, N r. 201. 285 Wie selig ists, um G ott sich stets betrüben . . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 424. 125, 155A Christen sind ein göttlich Volk . . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 667. Christum über alles lieben . . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 502. Herz und Herz vereint zusammen . . . Gesangbuch Herrnhut 17)7/ N r. 885. 259A. N un hat, 0 Herr, dein Knecht sein Herz einmal gefunden. . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 268. 226, 246 DieS ist der R at zur Seligkeit. . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 240. 2)8, 286A, ) 6 i, )9o A ls ich das Nichts nahm wohl in acht. . . Gesangbuch Herrn­ hut 17)7/ N r. 501. 271/ 277 Gemeinschaft mit den Kindern G o t t e s . . . Gesangbuch Herrn­ hut 17)7, N r. 711. 222A, )6 )A N un ist der Strick zerrissen. . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. )64. 22)A, 269s. Seele, ach Seele, du kennestdich nicht. . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 172. i77f. Zum Leben führt ein schmaler W e g . . . Gesangbuch Herrnhut 17)7, N r. 245. 161, 278, 28) H abt acht, ihr seid erwähl t . . . BergischeS Gesangbuch, Frank­ fu rt a. M . 1701, N r. ) j i . 222 Großer G ott, von großen Werken . . . Gesangbuch Nürnberg 17)1, N r. 285. 100 D er beste Freund ist in betn H i m m e l . . . Gesangbuch Nürnberg i 7 ) i , N r. 514. Ich bin ein Mensch von GotteS Gnaden . . . Gesangbuch N ürn­ berg i7 ) i / N r. 595. Ich schließe mich zu allen Stunden . . . Gesangbuch Nürnberg 17)1, N r. 128. M ein G ott, mir hat dein lieber S o h n . . . Gottschaldt, Universalgesangbuch 17)7, N r. 715. Schöpfer dieser ganzen W e l t ! . . . Gesangbuch Nürnberg 17)1, N r. 279. 100, )48 Teures W ort aus G ottes Munde . . . Gesangbuch Nürnberg 17)1/ N r. )44Sprecht, Toren, nur aus Unverstand . . . Gottschaldt, Universal­ gesangbuch 17)7, N r. 885. 100, )49f. Mein GotteSkind, von guten Werken . . . Gottschaldt, Universalgesangbuch 17)7, N r. 877. ))i Erneuert euch im Geist, ihr Christen . . . Gottschaldt, Universal­ gesangbuch 17)7, N r. 725. 99/ ) ) * f v )6 i f. G o tt, daß man sich selbsten liebe. . . Gottschaldt, Universal­ gesangbuch 17)7, N r. 816. 176, 229, 2) oA, ))7A Zur Arbeit, nicht zum Mü ß i gg a n g . . . Gesangbuch Berlin (Diterich) 1765, N r. 208. 189, 220A

2Z8. Unbekannter Verfasser 239-



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240. —, — 241. —, —

242. —, — 243-



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244. Gellert, Christian Fürchtegott

Wer ich bin? Welche wichtge F rage!. . . Gesangbuch Berlin (Diterich) 1765, Nr. 190. m f . , 135, 178 O Gott des Himmels und der Erben. . . Gesangbuch Berlin (Diten'ch) 1765, Nr. 23. Oft denkt mein Herz, wie schwer es sei. . . Gesangbuch Berlin (Diterich) 1765, Nr. 149. 183, 217, 230, 349, 361 Laß mich doch, 0 mein Gott, die Buße nicht verschieben. . . Gesangbuch Berlin (Diterich) 1765, Nr. 137. 126,135,165, 217, 220A, 229, 362, 366 Bewahre mich, Herr, daß der Wahn . . . Gesangbuch Berlin (Diten'ch) 1765, Nr. 144. 331 Dein Wille istS, 0 Herr, ich soll mich selber lieben . . . Gesang­ buch Berlin (Diterich) 1765, Nr. 191. 189,230A Wie groß ist des Allmächtigen G ü te !. . . Gesangbuch Berlin (Diterich) 1765, Nr. 20. 189, 362

F. Alphabetisches Verzeichnis der Liederanfänge Abram glaubt dem verheißnen Christ. . . I . MathesiuS, W. III. 1336. 198 s., 204f.A Ach Gott, erbarm dich über mich . . . B. Ringwaldt, W. IV. 1463. 128,210 Ach Gott, was ist ein Mensch, wenn man es recht. . . Unbek. Berf., Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 1042. m f . , 220A, 337f. Ach Gott, wie manches Herzeleid . . . M. Möller, W. V. 121. 246 Ach höchster Gott, verleihe m ir. . . I . Rist, FT. II. 203. 216,282,285 Ach Jesu, gib mir sanften M u t. . . I . Maukisch, Gsb. Nürnberg 1731,Nr. 674. 216,282 Ach meiner Sünden Last, die läßt m ir. . . I . Pauli, FT. III. 553. 120,128,128A Ach meine Seel kann ihre Ruh . . . Gesenius — Denicke, FT. III. 420. 8 8 ,176A Ach milder G ott, begnade mich . . .G. Ph. Harsdörffer, FT. V. 18. 275A, 276, 330 Ach treuer G ott, barmherzig- H erz. . . P . Gerhardt, FT. III. 448. 409,411,413 Ach, wie findest du so selten Hilf und Beistand. . . M. A. v. Löwenstern, FT. I. 391. 329 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig. . . M. Franck, FT. IV. 254. 81 f. Ach wie nichtig und untüchtt'g . . . S . v. Birken, FT. V. 71. 92, 229, 347 Ach wie wichtig, ach wie richtig. . . S . v. Birken, Gsb. Brandenburg-Bayreuth 1710, S . 384. 364 Allein auf Gotte- Wort will ich. . . I . Walther, W. III. 224. 201 Allein auf Gott setz dein Derttaun . . . B. Ringwaldt, vgl. W. V. 516. 280, 333, 339 Allein zu dir, Herr Jesu Christ. . . K. Hubert, W. III. 201. 107s., 245,253 Als Gottes Lamm und Leue entschlafen . . . P. Gerhardt, FT. III. 410 407,409A Als ich das Nicht- nahm wohl in acht. . . Unbek. Derf., Gsb. Herrnhut 1737, Nr. 501. 271,277 Auf den Nebel folgt die S o n n . . . P . Gerhardt, FT. III. 422. 425 Aus tiefer Not schrei ich zu di r . . . M. Luther, W. III. 6. 198, 263 Bewahre mich, Herr, baß der Wahn . . . Unbek. Derf., Gsb. Berlin (Diterich) 1765, Nr. 144331 Blinder Mensch, tu weg die Decke. . . S . v. Birken, Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 761. m f . , i i 4 / 138,156 Christum erkennen ist das Leben. . . N. Selnecker, W. IV. 326. 201 Christus, der wahre Gottessohn. . . Böhmische Brüder, vgl. W. IV. 555. 220A D as Jesulein soll doch mein Trost. . . B. Helder, FT. II. 24. 246s.

D as, was christlich ist, zu üben . . . I . H. Hedinger, Württ. Gsb. Stuttgart 1751, Nr. 211. 217, 233, 2Z8, 359, 365 Dein Wille istS, 0 Herr, ich soll mich selber lieben . . . Unbek. Vers., Gsb. Berlin (Diterich) 1765, Nr. 191. 189, 230A Der alles füllt, vor dem die Tiefen zittern . . . I . D. Herrnschmidt, Freyt. Gsb. Halle 1706/ Nr. 264. 165, 229, 232, 258, 263A, 268 Der Glaube macht allein gerecht. . . Chr. Runge, FT. III. 540. 327 Der Tag mit seinem Lichte . . . P . Gerhardt, FT. III. 479. 420, 425 Die Herrlichkeit auf Erben . . . A. GryphiuS, FT. I. 433. 79, 345 Die Menschen suchen Wissenschaft.. . E. Lange, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 1235. 223, 276, 281 Die sanfte Bewegung, die liebliche Kraft . . . Chr. F. Richter, Freyt. Gsb. Halle 1706, Nr. 454» 271A, 273 Die Seele ist dazu geboren, daß sie was Göttliches . . . Chr. F. Richter, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 896. 180, 277 Dies ist der Rat zur Seligkeit. . . Unbek. Verf., Gsb. Herrnhut 1737, Nr. 240. 238, 286A, 361, 390 Du bist ein Mensch, das weißt du w ohl. . . P. Gerhardt, FT. III. 432. 424 s D u, 0 schönes Weltgebäude magst gefallen . . . I . Franck, FT. IV. 99. 90 Durch Adams Fall ist ganz verderbt. . . L. Spengler, W. III. 71. 71, 127,127A Durch Adams Fall und Freveltaten . . . I . A. Freylinghausen, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 579. 176, 207, 237A Du sagst: Ich bin ein Christ . . . I . A. HaSlocher, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 244. 215 D u Volk, daS du getauffet bist. . . P. Gerhardt, FT. III. 492. 410 Du wahre Christenseele du, komm . . . E. Chr. Homburg, FT. IV. 334. 91, 187 Du weinest für Jerusalem . . . I . Heermann, FT. I. 339. 79 Du wunderbares Gut, das alle Geister speiset. . . J.Scheffler, Freyt. Gsb. Halle 1706, Nr. 344. 180, 262A, 274, 281 Eil mit Weil pflegt man zu sagen. . . I . OleariuS, Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 1078. 340 Ein Christ soll nicht der Meinung sein . . . I . Ritter, FT. IV. 26. 164, 358s. Ein feste Burg ist unser G o t t . . . M. Luther, W. III. 32. 244A Ein Lämmlein geht und tragt die Schuld . . . P. Gerhardt, FT. III. 386. 131 f., 421 Erneuert euch im Geist, ihr Christen . . . Unbek. Verf., Gottschaldt, Universalgsb. 1737, Nr. 725. 99/ 3)2 f., 361s. Es glänzet der Christen inwendiges Leben . . . Chr. F. Richter, Freyt. Gsb. Halle 1741, Nr. 1281. 237/ 396A Es ist das Heil uns kommen her . . . P . Speratuö, W. III. 55. 7 1 ,127A, 182,199s., 240A Es ist nicht schwer, ein Christ zu sein . . . Chr. F. Richter, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 554. 227 Es kostet viel, ein Christ zu sein . . . Chr. F. Richter, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 659. 273 A, 281 Es sei Herr, deine Gütigkeit. . . Ph. I . Spener, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 414. 208 Es vergeht mir alle Lust. . . S . Dach, FT. III. 86. 80. 89s. Fließt, ihr Tränen, fließt und schießet. . . S . v. Birken, FT. V. 69. 84, 207, 264A Folget mir, ruft uns das Leben . . . I . Rist, FT. II. 201. 210, 269A, 368 Frisch auf, mein Seel, und ttauer nicht. . . I . C. Schade, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 658. 208, 223, 241 Fünf Brünnlein sind, daraus mir rinnet. . . Unbek. Verf., FT. 1.-456. 131, 225, 264A Geduld ist euch von nöten . . . P . Gerhardt, FT. III. 472. 214, 283, 335A, 336A, 409f. Geh aus, mein Herz, und suche Freud . . . P . Gerhardt, FT. III. 454. 412 Geh ich recht in der Seelen Grund . . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 583. 121s., 256A, 260 f., 277 ff.

Gemeinschaft mit den Kindern Gotteö . . .

Unbek. Verf., Gsb. Herrnhut 1737, Nr. 711. 222A, 363A Gib dich zufrieden und sei stille. . . P . Gerhardt, FT. III. 474. 424 Gott, daß man sich selbsten liebe. . . Unbek. Verf., Gottschaldt, Universalgsb. 1737, Nr. 816. 176, 229, 230 A, 338 A Gott dessen Güt sich weit e r g ie ß t... GeseniuS—Denicke, FT. II. 439. 92, 220 A, 239 Gott, gib mir zu erkennen, was Weisheit. . . H. Held, Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 1090. 328 Gottlob! Ein Schritt zur Ewigkeit. . . A. H. Francke, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 346. 255. 259. 276 Gott sagt, daß die nur selig sein. . . GeseniuS—Denicke, FT. II. 421. 239. 354 Gott, Tugend und Ehre bekrönen mein Leben . . . Unbek. Verf., Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 1093. 98/ 188 s., 337 Gott Vater, sende deinen Geist . . . P. Gerhardt, FT. III. 414. 408 Gott willS machen, daß die Sachen . . . I . D. Herrnschmidt, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 417. 269A Großer Gott, der mich erschaffen . . . E. Finx (FranciSci), FT. V. 277. 221, 274 Großer Gott, von großen Werken. . . M. Widemann, Gsb. Nürnberg 1731, Nr. 285. 100 Gute Bäume bringen Früchte guter A r t . . . I . Rist(?), Dresdener Gsb., Leipzig 1673, Nr» 292. 369 Habt acht, ihr seid erwählt . . . Unbek. Verf., BergischeS Gsb., Frankfurt a. M. 1701, Nr. 351. 222 Herr Christ, der einig GottS Sohn . . . E. Creutziger, W. III. 67. 202 Herr Christ, zu dir ich schreie aus meines Herzensgrund . . . I . Stegmann, FT. II. 477. 119,127,128A, 206, 235 Herr, dir trau ich all mein Ta ge . . . P . Gerhardt, FT. III. 464. 4i 3 Herr, höre was mein M u n d . . . P. Gerhardt, FT. III. 383. 407 Herr, ich habe mißgehanbelt. . . I . Franck, FT. IV. 83. 123 Herr, ich will gar gerne bleiben . . . P. Gerhardt, FT. III. 490. 409,419, 420A Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, der du sitzt. . . N. Selnecker, W. IV. 335. 201 Herr Jesu Christ, dir sei bereit. . . B. VoidiuS(?), FT. III. 76. 127,131 Herr Jesu Christ, mein höchste Lust. . . I . Heermann, FT. I. 336. 211 Herr Jesu Christ, wahr Mensch und G o t t . . . N. Selnecker, W. IV. 402. 200 Herr Jesu, meine Liebe, ich hätte. . . P . Gerhardt, FT. III. 493. 407 Herr Zebaoth, dein heiligs Wor t. . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 496. 216 Herzlich lieb hab ich dich, 0 Her r. . . M. Schalling, W. IV. 1174. 245, 327 Herz und Herz vereint zusammen . . . N. L. G raf v. Zinzendorf, Gsb. Herrnhut 1737, Nr. 885. 259A Hier legt mein Sinn sich vor dir nieder . . . Chr. F. Richter, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 760. 22i, 268 f.A, 281 Hilf Gott, wie gehtS doch jetzo zu? . . . I . C. Schade, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 246. 119,232, 285 Hilf Gott! Wie hat die Eitelkeit. . . GeseniuS—Denicke, FT. II. 449. 120s., 135, 354 H ilf, Helfer in Angst und N o t . . . N. Selnecker, W. IV. 345. 201 Hilf mir, mein Gott, hilf, daß nach d i r . . . I . Heermann, FT. I. 325. 165 Hilf unö, Herr, in allen Dingen . . . M. Rinckart, FT. I. 521. 209 Hör an, mein Herz, die sieben Wor t. . . P . Gerhardt, FT. III. 408. 408 Ich armer Mensch bekenn jetzt frei. . . I . Rist, Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 801. 116s., 120, 206 Ich bin Gottes Bild und E h r . . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 1267. 261 Ich bin mit dir, mein Gott, zufrieden . . . A. Jngolstätter, FT. V. 181. 239, 266s., 348A Ich bin verliebt! Komm her und sieh . . . I . L. Faber, Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 258. 83/ 2 5 3 fIch freu mich in dem Herren . . . B. Helder, FT. II. 27. 207, 235, 241

Ich Ich Ich Ich Ich

hab oft bei mir selbst gedacht. . . P . Gerhardt, FL. III. 433. 80, 409, 414, 417s., 418A preise dich und singe, H err. . . P . Gerhardt, FT. III. 417. 412A, 42iA ruf zu dir, Herr Jesu Christ . . . I . Agricola, W. III. 79. 199, 244 steh an deiner Krippen hier. . . P. Gerhardt, FT. III. 406. 415 weiß, ich weiß, an wen ich glaube. . . I . E. Schmidt, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 663. 236 Ich will erhöhen immerfort. . . P . Gerhardt, FT. III. 418. 85, 411s., 420 I h r, die ihr euch von Christo nen n t. . . I . Jakob, FT. IV. 24. 357s. I h r Kinder, kommet her zu mir . . . G. Werner, FT. III. 43. 217 I n allen meinen Taten . . . P. Fleming, FT. I. 489. 91 f., 225 Is t Gott für mich, so trete. . . P . Gerhardt, FT. III. 447. 280, 283A, 406, 408, 410,412,419 Jehova! nimm von mir die Kräfte hin . . . G. Arnold, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 745. 258A Jesu, du mein liebstes Leben, meiner Seele B räutigam . . . I . Rist, FT. II. 206. 252, 330 Jesu, hilf siegen! Du Fürste des Lebens . . . I . H. Schröder, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 312. 22i, 261, 273A Jesu, Jesu, du mein H itt, Jesu, meine Speis . . . Chr. GueintziuS, FT. I. 535. 251 Jesu, liebste Seele, deiner Wunden Höhle . . . S . LiSkov, Gsb. Lüneburg 1694, Nr. 285. 263A Jesu, meines Glaubens Zier, wenn ich tta u re . . . G. W. Sacer, FT. IV. 620. 247s. Jesus ist mein Aufenthalt, Jesus ist mein süßes Leben . . . A. U. Herzog v. BraunschweigLüneburg, FT. V. 369. 248A Jesu, wenn ich mein Gemüt christlich in mich selbsten lenke. . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 1270. 9 6 s, 229, 236, 236A Kein Christ soll ihm die Rechnung machen . . . S . Dach, FT. III. 91. 260A Keine Schönheit hat die W elt. . . I . Scheffler, FT. V. 455. 251 Kein größer Trost kann sein im Schmerz. . . I . Heermann, FT. I. 328. 212 Kein Lehrer ist dir, Jesu gleich . . . I . I . Rambach, Gsb. Berlin 1765 (Diterich), Nr. 62. 369 s., 370 A Kommt, ihr Christen, kommt und höret. . . I . Heermann, FT. I. 378. 124, 354 ff., 356A Kommt, ihr Menschen, laßt euch lehren . . . I . A. Freylingbausen, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 1238. 125,164, 220A Kommt, laßt euch den Herren lehren . . . GeseniuS—Denicke, FT. II. 404. 124, 355s., 357A Kommt und laßt uns Christum ehren . . . P . Gerhardt, FT. III. 486. 410 La siet uns mit Jesu ziehen . . . S . v. Birken, FT. V. 67. 255A, 330, 369 Laß mich dich, mein Heiland, loben. . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 1096. 268A Laß mich doch, 0 mein Gott, die Buße nicht verschieben . . . Unbek. Verf., Gsb. Berlin (Diterich) 1765, Nr. 137. 126,135,165, 217, 220A, 229, 362, 366 Lieblicher Jesu, herzliche Wonn . . . G. Ph. HarSdörffer, FT. V. 15. 249A Liebster Jesu, Trost der Herzen. . . I . Röling, FT. III. 170. 126, 128A, 133, 232 Liebster, willst dumeiner warten. . . Unbek. Verf., Gsb.Lüneburg 1694, Nr. 1160 258 Mag eS dennje nicht anderssein. . . M. Beke, W. IV.720. 78, 198, 218 Meinen Jesum ich erwähle, keinen Liebern . . . G. Chr. Schwämlein, FT. V. 358. 248s. Meinen treuen Jesum liebet mein Herz nunmehr . . . A. Fritsch, FT. V. 592. 249 s. Meine Seele senket sich hin in Gottes Herz. . . I . I . Winckler, Freyl. Gsb. Halle 1741, Nr. 1097. 270 Meine Seel, komm in die Wunden Christi ein . . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 448. 263 Mein gnug beschwerter Sinn! wirf die Gedanken . . . Chr. F. Richter, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 449. 253, 265A, 267ff. Mein GotteSkind, vcn guten Werken . . . Unbek. Verf., Gottschaldt, Universalgsb. 1737, Nr. 877. 331

Mein Gott und Heiland Jesu Christ, der du mein Bruder. . .

N. Selnecker, W. IV. 332. 201 Mein Heiland, waö werd ich beginnen . . . A. GryphiuS, FT. I. 440. 87,115, 126,206,235 Mein Jesu, dem die Seraphinen . . . W. Chr. Deßler, FT. V. 392. 210 Mein Seel, bedenk all Tage . . . I . Cörber, FT. III. 223. 239, 240A, 363 s. Menschenkind, merk eben, was da sei dein Leben . . . M. Weiße, W. III. 259. 110, 220A Mensch, willst du hinfort selig sein . . . Unbek. Verf., FT. III. 195. 165, 228, 328 s. Mir nach, spricht Christus, unser Held . . . I . Scheffler, FT. V. 460. 369 Mit Gott in einer jeden Sach . . . GeseniuS—Denicke, Gsb. Hannover 1668/1692, Nr. 174* 336s. Nicht so traurig, nicht so sehr. . . P. Gerhardt, FT. III. 395. 180,411,424 Nun freut euch, lieben Christen g'mein . . . M. Luther, W. III. 2. 71, ii 3 ,198 s., 228,231,240A Nun hat, 0 Herr, dein Knecht, sein Herz einmal gefunden. . . Chr. A. Müller, Gsb. Herrn­ hut 1737, Nr. 268. 226, 246 Nun ist der Strick zerrissen. . . Unbek. Verf., Gsb. Herrnhut 1737, Nr. 364 223A, 269s. Nun laßt uns gehn und treten . . . P. Gerhardt, FT. III. 409. 407 Nun sei getrost und unbetrübt. . . P. Gerhardt, FT. III. 473. 407s., 417 O, Christenmensch, merk wie sichS h ä lt. . . P. Herbert, W. IV. 601. 218 f., 220A O ! der alles hätt verloren, auch sich selbst. . . G. Arnold, Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 719. 271,276, 281 O du allersüßte Freude. . . P. Gerhardt, FT. III. 389. 421A Ost denkt mein Herz, wie schwer eS sei. . . Unbek. Verf., Gsb. Berlin (Diterich) 1765, Nr. 149. 183,217, 230, 349/ 361 O Gott, dein Wort und Abendmahl. . . Chr. Brunchorst, FT. IV. 249. 214,330 O Gott, der du der Menschen Herz. . . I . Rist(?), Dresdener Gsb., Leipzig 1673, Nr. 1112. 182,187,210A, 221 O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell. . . I . Heermann, FT. I. 355. 187,326A O Gott in deinem Throne, durch Christum. . . W. AlarduS, FT. II. 165. 116A, 117s., 215 O Gott, lehr uns bedenken fein . . . M. CaselivS, FT. II. 71. 241A Gott Vater in Ewigkeit, voller G nad. . . M. Eccard, FT. I. i n . 262 Herr, mein Gott, ich hab zwar dich . . . I . Heermann, FT. I. 331. 212 Herrscher in dem Himmelszelt. . . P. Gerhardt, FT. III. 483. 420 Herz deS Königs aller W elt. . . P. Gerhardt, FT. III. 466. 85,416 Jesu Christ, dein Kripplein ist. . . P. Gerhardt, FT. III. 404. 415 Jesu Christ, mein schönstes L ich t... P. Gerhardt, FT. III. 436. 413,420A Jesu, lehre mich, wie ich dich finde. . . Unbek. Verf., Freyl. Gsb. Halle 1706, Nr. 424. 156, 272s. O LebenSbrünnlein tief und groß. . . I . Mühlmann, W. V. 699. 245 O meine Seel, erheb dich. . . GeseniuS—Denicke, FT. IL 415. 22s, 284, 347A, 357 O Mensch, beweine deine Sünd P. Gerhardt, FT. III. 385. 414 O Mensch, leg alle Sorgen hm . . . Unbek. Verf., Gottschaldt, Universalgsb. 1737, Nr. 881. 9 9 ,164A, 183, 216 O Mensch, willst du selig sein. . . Unbek. Verf., W. V. 388 328 s. O schwerer Fall, der Adam h a t. . 3 . Rist, FT. II. 305. 235/ 235A O Seele, welche Seligkeit ist dir . 57fv 172/ 179s., 190, I92A, 193, 23oA, 24oA,

290A, 293, 303A, 305 s., 307, 377f., 383s./ 389fv 397 mittelalterliche 14zff., 190, 193, 305, 310 römisch-katholische 143 ff., 190 Erbsünde 117, 211 s. Sünde Erfahrung 115, 221 ff., 3i6#f., 412 s. Glaube Erlösung 108, 197, 206 ff., 263A, 299 ff. s. Versöhnung Erneuerung 317, 372, 394 ff. s. Heiligung Eros, mystischer 83ff., 90, 252ff., 259ff., 308, 311, 315 ff., 320, 322 ff. eöchatologisch s. Jenseitshoffnung Ethik, ethisch 132, 134, 158, 255A, 257s., 264A, 333ff., 358s., 370ff., 377A, 379ffv 395 ff-, 416 s. Leben, chnstl. moralisch Tugend u. ä. Evangelium 8, 137A, 140, 322A s. Verkündigung Wort Gottes Faber, I . L. 452 Festlieder 63 A, 130A Fmx, E. s. Francisci Fleming, P . 91s., 225, 449 Francisci, E. 154A, 192A, 274, 440, 452 Franck, I . 84A, 451 Franck, M. 81 f., 82A, 451 Francke, A. H. 276, 453 Freylinghausen, I . A. 22A, 23A, 24A, 29, 44 fv 56, 176, 237A, 445, 453 s. Gesangbücher (Halle) —, — : Theologie (Grundlegung) 10, 140A, 142A, 151A, 181A, 296A, 304A, 402 A Friede 225, 311 s. Ruhe Trost Fritsch, A. 249, 452 „Frömmigkeit" 4 ff., u f f., 25, 30, 32, 51s., 59ff-, 74f-, ioiff., 136ff., 149ff., 159, 171 ffv 181, 193s, 197, 234, 266, 286, 288ff., 293ff., 298, 306, 310, 3l2ff., 322, 324ff., 370ff., 378, 38i fv 384s., 387fv 390, 398 s., 403, 405, 423, 426ff. s. „Theologie" Religiosität aufklärerische 65, 181, 194, 341 mittelalterliche 179, 315A, 384, 387

Frömmigkeit mystische 181, 194, 269 ff. pietistische 65, 353 ff. reformatorische 60 f., 61A, 64, 74, 244ff., 265,298, 312s., 315, 324s., 358, 371,378 römisch-katholische 322A, 326, 372, 384 s. Bußfrömmigkeit Christusfrömmigkeit Heiligungöfrömmigkeit Jmitatio-Frömmigkeit Jesusfrömmigkeit Unio-Frömmigkeit Geduld 334s. Geist, heiliger 282s., 409 Gelassenheit 156, 229, 268, 272, 319t», 348A, 376 Gellert, Chr. F. 99, 191A, 362, 446 Gerechtigkeit 197s., 2o6ff., 235, 295, 356s., 380, 39z f., 408 s. Rechtfertigung Gerhard, I . 10, 28A, 68A, 117A, 1 4 1 ,145A, 147A, 158s., 166,179A, 180,186A, i9off., 240A, 242, 300A, 302A, 307A, 312 A, 350, 372, 374A, 377A, 382 s., 394, 402, 439 Gerhardt, P . 22A, 68A, 80, 84 s., 93, 131s., 174A, 180A, 213s., 227, 262, 280s, 283, 304A, 335A, 404—427, 45of. Gericht H4ff., 145 Gesangbuch allgemein (Geschichte) 1 ff., 7 ff., 15 ff., 26 ff., 33ff-, 5i ffv 67s., 70, 104s., 289ff. -Aufbau 10, 30ff., 5 9 s, 224A, 227A, 286 ff. s. -Register -Form Einzelgsb. 21 ff., 28, 31 glossiertes Gsb. 24 HauSgsb. 21A, 26A, 28A Kirchengsb., amtl. i9ff., 25s., 28A, 29s. Privatgstd. i9ff., 26A, 28, 31 privilegiertes Gsb. 25s., 29A Reihengsb. 21 ff. Reformgsb. 23 ff., 29, 31 -Herausgeber f. alphabetisch unter den Namen -Register (Inhaltsverzeichnisse) 33, 35, 37ff.A, 39ff-, 55, 58A, 224A, 228A, 243A, 286ff., 291A, 351 f.A -Rubrik s. Liederrubrik -Verleger I5A, 18 ff. -Vorrede iA , 1 9 ,22A, 31s., 32A, 36s., 43, 52, 54f., 59, 195A, 289A, 291A

Gesangbücher Görlitz 1722 24A, 446 Görlitz 1729 47 ff*/ 194A/ 195A/ 230A/ pietistisches i6z 23 A, 24A, 29, 34 A, 38A, 243A/ 279A/ 286fv 351A, 446 42ff*/ 55fv 59fv 159/ 227A, 279A/ 287, Gottschaldt/ Univ.gsb. 1737 I20z 194A/ 351A 195A/ 244A/ 288/ 352A/ 446 rationalistisches 24Az 47, i36Az 351A Hatte (Frcyl.) 0. I . 25A/ 31, 56,121,124s./ reformatorisches i6f.z 51 156/ 176/ 215s./ 222/ 224A/ 227 A, 255 A, Gesangbücher 263, 267, 279A/ 281, 396A Babst 1545 i/ i?/ i9fv 33/ 38Az 52, 73, Hatte (Frcyl.) 1704/06 22A, 23A, 44ff.z 441 110A/ 195A, 351A/ 358A/ 445 Baruthisches 1711 58, 446 Halle (Frcyl.) 1714 23A/ 44ff., 445 Bergisches 1701 194A, 243 Az 279A, 287AZ Hamburg 1700 25 35iAz 445 Hannover 0. I. 22 A, 23A/ 28A, 120, 354, Berlin 1635 25A 389 Berlin 1703/04 25AZ 63 Az 227A/ 243Az Hannover 1668 195A/ 246Az 444 279A Hannover 1737 50, 224A, 244A Berlin 1707 i95Az 362 A Herrnbut 1735/37 23A, noA , 125, 161A, Berlin 1713 23Az 31, 46, 56, i95Az 227Az I77f./ I 9 4 A / 2 2 2 , 2 2 6 / 2 2 7 A / 2 3 2 A / 243A/ 279AZ 351 Az 358Az 445 263s./ 278, 279A/ 351A, 363A/ 446 Berlin 1725 25Az 279Az 358A Holstein 1681 23 A Berlin 1765 24AZ 51, 126, i36Az 194A, Hessen-Darmstadt 1733 18, 22A, 26A, 32, I95AZ224Az 230X/ 446 noA , 224A/ 227A, 243A, 287, 351A/ Böhmische Brüder 1564 34A, 35, 446 445 Bonn 1561 35 Hcssen-Darmstadt 1735 19A/ 26Az 446 Bonn 1612 31, 35/ 442 Klugsches Gsb. 1529 i, 17 Brandenburg 1630 243A/ 351 Az 443 Königsberg 0. I . 21A, 24A, 230A Brandenburg 1690 23A/ 443 Königsberg 1657 195A/ 441 Bremen 1767 47Az 136A/ 351 Az 446 Königsberg 1723 36, 82A, 441 Cleve 1701 25A/ 194A/ 227A/ 243 Az 279Az Königsberg 1735/36 224A/ 243Az 358A, 287A/ 351A

Gesangbuch aufklärerisches i6, 29, 57A orthodoxes 16, 56

Cleve 1728 243A/ 358A Crügerz Praxis pietatis melica 0. I . 21 A, 22A/ 41 Az 131 P. p. in. 1640 351A P. p. m. 1656 351A, 444 P. p. m. 1661 82A P. p. m. 1677 195A/ 351A/ 444 P. p. m. 1690 351A/ 444 Cantional I . H. Schein 1627 3 iz 33Az 37A/ 442

Darmstadt 1687 i8z 351A, 445 Dresden 0. I . i8z 21A Dresden 1622 i8z 39, 63Az 194A/ 351 Az 442

Dresden 1656 i8z 63A, 194A/ 351 Az 442 Dresden 1673 i8, 2oAz 41 f.z 63Az 442 Dresden 1694 21 Az 195A/ 442 Dresden 1720 i8z 195A/ 442 Dresden 1741 243Az 442 Erfurter Enchiridion 1524 17 Frankfurt 1569 34A Görlitz 1650 243A

442

Königsberg 1744 43, 227A/ 442 Leipzig 0. I . i8f., 21A, 351A Leipzig 1627 351A Leipzig 1638 36/ 54, 443 Leipzig 1651 36/ 38A/ 40A, 82A/ 443 Leipzig 1750 243 A, 444 Lübeck 1703 25A Lüneburg 0. I . 21A, 266A Lüneburg 1635 18, 194A/ 243A, 351A, 443 Lüneburg 1666 18, 443 Lüneburg 1680 243A/ 443 Lüneburg 1694 18, 63A, 188, 243Az 351A, 443

Marburg 1646 34, 40, 441 Mülheim 1686 18/ 21A, 243A/ 362A Nordhausen 1697 24A Nordbausen 1735 18, 24A, 32A, 194A/ 224A/ 446 Nürnberg 0. I . 21A, 22A/ 442 Nürnberg 1624 33, 35A/ 350A/ 442 Nürnberg 1645 36A, 37A, 194A/ 351 Az 442 Nürnberg 1660 36A, 43, 82A, 442

Gesangbücher

Nürnberg 1690 18, 43, 82A, 130A, I94A, I95A, 224A, 243\ , 351A, 362A, 442 Nürnberg 1719 279Az 358A, 442 Nürnberg 1727 195A, 243A, 442 Nürnberg 1731 227A, 243A, 442 Pommern 1717 25A Riga 1643 351A, 444 Riga 1680 36, 444 Riga 1689 18, 243A, 351A, 444 Rostock 1659 64A Sachsen-WeißenfelS 1712 58, I95A, 445 Schlesien 0. I . 15A, 246A Schlesien 1704 58, 445 Schlesien 1725 18, 58, 244A, 445 Stettin 1576 39A Sttaßburg 1578 15A, 20, 441 Straßburg 1610 350A, 441 Sttaßburg 1635 43A, 194A, 441 Sttaßburg 1705 24A Stuttgart 1740 32A, 224A, 227A, 244A, 351A, 446 Wittenberg 0. I . 37A Wittenberg 1524 17, 75 A, 202 Wittenberg 1673 20A, 444 Wittenberg 1713 69, 445 Wittenberg 1733 32A, 36, 445 Württemberg 1730—34 24A, 446 GeseniuS, I . — Denicke, D. 22 A, 23 A, 120, 124, 225, 238s., 346A, 353ff., 389, 450 s. Gesangbücher (Hannover) Gesetz 137A, 140 ff., 184, 197/ 2i6ff., 397 Gewissen 99, 138, 154, iSiff., i87ff., 344 Glaube 108 f., 137s. 163, 197ff., 218 ff., 221 ff., 235, 241, 301, 3I0ffv 3i6f», 324, 327 ff./ 352, 372, 375 fv 408 ff., 411s. s. Erfahrung —, Lieder vom 218 ff., 224A Glaubensgewißheit 199, 298, 410 Glaubenslehre, Lieber zur 50, 57A Glückseligkeit 362 s., 397 s. ^eUgteit Gnade, sola gratia 109, I96ffv 322A, 407 Görlitz, M. F. v. 449 Gott Gottesanschauung 279 ff., 343 ff/ 34« ff., 400 ff., 423 ff. GotteöerkenntniS 100, 400 Gottverttauen 341 ff., 399 ff., 423 ff. f. Vorsehungsglaube Gottschaldt, I . I . 120, 194A, 195A, 244A, 288, 352A, 446 s. Gesangbücher (Gottschaldt 1737)

GryphiuS, A. 79f f v ii4/ 344f v 449 GueintziuS, Chr. 449 Haller, A. v. 99 Harödörffer, G. Ph. v. 275 A, 276, 330, 451 HaSlocher, I . A. 453 HauSlieder 20, 40 s. Haustafel, Lieder zur 37 s., 40 Hedinger, I . 452 s. Heermann, I . 78s., 113s., 119, 124, 129s., 133, 174s., 180A, 206, 2ioff., 220, 233A, 246A, 254A, 299, 307, 328A, 354fr, 439/ 449f. Heiligung I 0 5 f f ., 173, i87ff., 238ff ., 255A, 257fv 285 s., 352 ff., 367 ffv 387 ffv 393 ffv 410, 420 s.

f. Besserung Erneuerung Ethik Leben, christl. Reinigung u. ä. HeiligungSfrömmigkeit 205, 234, 259, 275 A, 330ff., 353ffv 359/ 369fv 399 HeiligungSlieb 286, 352 ff., 368 ff., 393 ff., 396A, 398 HeilSgewißheit 240 ff., 341 ff. f. Glaubensgewißheit HeilSlehre, Heilsweg (myst.) 264 s., 270 ff., 279A, 291, 321, 325/ 395 Held, H. 449 Helder, B. 128, 449 Herbert, P. 448 Herrmann, N. 199, 202 f., 448 Herrnhuter Brüdergemeine f. Brübergemeine, Herrnhut Gesangbücher (Herrnhut) Herrnschmidt, I . D. 453 Hohes Lied 85A, 245, 248, 251 ff. Hollaz, D. 27A, 49A, 56A, 140A, 154A, 168A, 192A, 242A, 296A, 302A, 303 Homburg, E. Chr. 451 Hubert, K. 245, 448 Humanismus, humanistisch 11, 94, 181, 266A, 322A, 379 ff. Hunold, M. 451 Hutter, L. 10, 53A, 139,154,168A, 302A Hymnologie 2, 7, 9A JgnatiuS 105A, 144, 155, 171s., 179, 192A, 308A, 313A, 384 imitatio Christi f. Nachfolge Christi Jmitatio-Frömmigkeit 234, 384s Individualismus 41, 62, 96s., 314s. Jngolstätter, A. 452

Jenseitshoffnung 259s., 265, 269ff., 274ff., 356A, 364 Jesus Jesusfrömmigkeit 202, 205, 234, 242 ff., 250ff*, ZU, 3*5 ffv 381 ff-, 4 i 8 JesuSliebe 202, 245, 248ff., 253ff. Jesuslieber 63 A ,64 A, 202,246 ff., 311^414^ JesuSminne 83 ff., 320 ff., 412A, 414ff., 418 Jesusmystik 246 A, 418 f. Christus Katechismus, kathol. s. Catechismus Romanus KatechiSmuSlieder 21A, 36ff., 53s., 216s. Katholizismus, röm. 11, 76A, 144 s., 147, i69ff., 307s., 380 f. Theologie, röm.-kath. Tribentinum Katholischer Einfluß 104s., 143 ff., 154ff., 171 ff., 179 s., 192 s-, 297 s-, 300, 304 s., 307, 3H fv 326, 372, 384, 398 f. Kirche, Lieder v. d. 38 ff. Kirchenlieddichtung, allg. 1 ff., 20, 36 f., 67 ff., 72 ff-, 101, 103, 293 s. s. Lieb, Gesangbuch Lyrik, geistliche Poesie, religiöse König, I . F. 140A, 147A, 153A, 161, 296A, 382A Kongehl, M . 452 Kreuz 78, 82, 125, 342s., 376s. Kreuz u. Anfechtung, Lieder v. 22 A, 38 ff., 63A, 80, 196, 350A Kreuzigung 156ff., 168,173, 239A, 268, 320, 359fv 365s. Krieg, 30jähriger 16, 19, 22A, 61, 80, 260A, 266, 341, 350, 399 Lange, E. 454 Lange, I . 186A, 296A, 310A Laurenti, L. 453 Leben, christliches 12s., 72 ff., 104ff., 119,136, 140,167 ff., 173,187 ff., 199s-/ 202 ff., 234ff. 287, 292f., 317, 327ff., 352ff-, 370ff-, 379 ffv 39° ffv 396 ff-, 421 f. Christentum, wahres Ethik Heiligung Tugend Merke, gute u. ä. —, Lieder von 38 ff., 63A, 151A, 196, 202 ff., 326ff., 352ff-, 37° ff-, 379ffv Z87ffLeben, neues 168s., 199s., 234ff., 285, 328ff. Lebensregeln, christliche 43/ 333 ffv 344, 379 Lehre 54 s., 60 f., 62 A, 103, 119, 141, 215 s.

Lehrlieder 35s., 39 s-, 45, 54 ffv 200, 292 Lied aufklärerisches 75A, 135s., 148, 178, 183, 189, 230, 240, 332f-, 337/ 348, 361 ff-, 369 s-/ 403 nachreformatorischeS 71 f., 78 ff., 102 ff., 123 ff-, 202 ff., 234 ff., 245 ff-, 262 s., 280s., 296ff., 312ff., 327ff-, 352ffv 371 ff., 401 ff. u. ö.

pietistischeS 3, 75A, 118 f., 121s., 128A, 131, 150, 156, 175 ffv 180, 182 s , 188, 207f-, 221 fv 229, 232ff., 236ff., 255f., 263ff., 274ff-, 28l, 285s., 310, 330s., 353ffv 359ffv 394, 403 rationalistisches f. aufklärerisches reformatorischeS 3,60,71 ff., 75A, 78,87 ff., 107,127,130A, 151s-, 163, 195A, 197ffv 209, 213 s., 218 f., 228, 231, 240s., 244ff-, 254A Liederrubrik 30ff., 37ffv 5iffv 63f., 64s.,A 82A, 109A, 130A, 136A, 194ffv 220A, 222A, 224A, 227A, 230A, 232A, 243A, 279A, 350A, 358A, 363A Lieder-„Themen" . f. Beichtlied Büßlied Festlied Lied vom Glauben Lied zur Glaubenslehre Lied zur Haustafel HeiligungSlied JesuSlied KatechiSmuSlied Lied von der Kirche Lied von Kreuz und Anfechtung Lied vom christl. Leben und Wandel PassionSlied Psalmlieder Rechtfertigungslied Lied zur Sittenlehre Trostlicd Vertrauenslied Vorsehungslied Lied vom Wort Gottes Lilienthal 36 f. Gesangbücher (Königsberg 1723) Liskov, S . 451 Loescher, C. 36 s. Gesangbücher (Wittenberg 1733) Löwenstern M. A. 449 LungwitiuS, M. 439 Luther 1, 3, 52,60,62A, 7 3 ,1 0 1 ,106s., 109s., i i 4, 132, 136s-, 139ffv I 49A/ I 55A,

IJ8A, i59A, i6o, 163, 167 s., 178, 184ff., 190A, I92A, 196,199fv 209,228, 232,237, 242, 244A, 250A, 258A, 260A, 280A, 282A, 294,300fr, 306fr, 313A, 316fr, 321, 324fr, 373 A, 376, 378, 380, 382 A, 385 fr, 39ofr, 400s., 406, 408, 410, 448 s. Theologie, reformatorische Lyrik, geistliche 72fr, 83 fr, io if., 220A s. Poesie, religiöse

Nichtigkeit 77fr, 112 fr, 136, 146 s., 157 s-, 345, 364, 375 s. Eitelkeit Vergänglichkeit Weltanschauung u. ä. Nicolai, Ph. 28A, 448 Oesterreicher 21A OleariuS, I . 21A 36, 303A, 439 s., 444 Opitz, M. 22A, 103, 266A, 449 ordo salutis 56A, 196A, 283 fr, 286 fr, 323 fr, 395 f. Heilslehre Otthodoxie iof., 26fr, 47fr, 52fr, 56, 65A u. ö. f. Theologie, orthodoxe

Mathesiuö, I . 204 A, 448 Maukisch, I . 449 Melanchthon, PH. n6A , 137s., 140fr, 146A, 152, 154A, 158, 160 fr, 166, 167A, 168, 178 fr, 186,190fr, 196s., 204A, 235A, 242, 295 f-, 297A, 300 fr, 311, 317A, 372 s , 377A, 382, 389, 397fv 40oA, 401s. Passionslieder 84, 127, 130fr, 136A, 196, Meliffander, C. 438 206, 220, 251A, 262fr, 306fr, 368, 414s., Menschenbild 421 s. Anthropologie Passionsmystik 131, 261fr Selbsterkenntnis Pauli, I . 128A, 451 meritum Christi Pfaff, Cbr. M. 148A, 384A s. Verdienst Christi Pietismus, pietistisch 3, iof., 29, 34A, 42fr, Meyer, B. 451 55, 60, 65A, 95, 102f., 117fr, 143/ 148, Möller, M. 68A, 113A, 145A, 246, 305s., 161, 164A, 173, 180A, 181A, 204, 224A, 306s.A, 308A, 383 s*/ 438/ 448 259, 262, 275A, 314A, 378, 388 fr, 394fr, Mittelalter, mittelalterlich 146fr, 173, 248A, 399, 403 276 fr, 286, 302, 304, 384 s. Frömmigkeit s. Mystik Gesangbuch Theologie Lied MoraliSmuS, moralisch 11, 57, 64, 89, 149, Theologie 186, 193, 332, 336 fr, 368, 376, 377A, Poesie, religiöse 72fr ioif., 220A 379fr, 387s, 396, 416, 421 s. Kirchenlied s. Bürgerlichkeit Lieb Ethik Lyrik, geistliche LebenSregeln u. ä. Porst, I . 23A, 24A, 29, 46, 445 Mosheim L. I . v. 10, 169A, 397 s. Gesangbücher (Berlin) Mühlmann, I . 448 Psalmdichtung, Psalmlieder 10A, 33A, 53, Müller, Chr. A. 455 69A, 407A Müller, H. 64A, 70A, 389, 439, 452 PsychologiömuS, psychologisch 11, 57, 120, MusäuS, I . 242A, 373A 149, 153, 158, 164, 311 MyliuS, G. 449 s. Subjektivismus Mystik, mystisch 11, 83 fr, 89, 148, 156fr, 161A, 164A, 169, 173, 179fr, 181A, 185, Quenstedt, I . A. 49A, 56A, 153A, 158,178 A, 186A, 306 f., 307A, 382A, 394A 252, 254fr, 261fr, 275A, 279fr, 3o8f., 311fr, 314A, 316A, 318fr, 348, 365, 377, Rambach, I . 3. 9A, 19A, 22A, 26A, 28A, 32/ 287, 369s., 445fv 454 384, 399fv 403, 414 s. Gesangbücher (Hessen-Darmstadl) s. Eros, mystischer Mystik, mittelalterl. 8 5 ,147s., 157,164A, 185 Rationalismus 11, 93, 181A, 185s., 388 f. Aufklärung Nachfolge Christi 204A, 233A, 307, 366fr, rational, rationalistisch 88,93A, 96,100,121, 124, 130, 132, 219fr, 233, 259, 266, 295, 381fr, 385fr s. Jmitatio-Frömmigkeit 306, 310s., 314A, 347fr, 365, 369s, 377A, Neumark, G. 451 379, 381, 399fv 420, 425

Rechtfertigung Rechtfertigungsanschauung 105 ff., 195 ff., 224ff., 235, 238, 243 ff-, 248, 286f., 291 ffv 299ff-, ZI2ff., 323ff-, 341, 371 ff-, 388,398, 405 ff., 422 s. Heiligung Sündenvergebung u. ä. Rechtfertigungsfrömmigkeit 205 Rechtfertigungslieder 12, 37 s., 63 A, 104 s., 109A, iy if ., i94ff., 2i8ff. 231 ff., 243 ff-, 247 ff., 291 ff. 306 ff., 311 ff., 405 ffReformation, reformatorifch 2 ff., 54 s., 61, 74, i»7ff-, 127A, 149, 151, 157, 168, 181, 196ff., 206, 213s., 231 f., 241 ff., 248s., 286, 295, 308 ff., 375, 379T-, 39«ff-, 4»5, 413 s-, 420 u. ö. s. Frömmigkeit Gesangbuch Lied Luther Theologie Reinigung 285, 3 52 ff. s. Besserung Erneuerung Heiligung Leben, christliches Religiosität 5s., 2 8 ,6 2 ,6 4 ,102 s., 193 f., 321 f., 380s., 403, 405/ 420f., 425 s. „Frömmigkeit" Reue 109, 123 ff., 133 ff., 159 ff. s. Buße Schuldgefühl Sündenbewußtsein Richter, Chr. F. 237, 453 Richter, G. d. I . 449 Rinckart, M. 439, 449 Ringwald, B. 280, 438, 448 Rist, I . 21A i i 6, 120, 182, 187, 206, 368, 439/ 450 Ritter, I . 451 Röling, I . 449 Rogall, G. F. 43, 442 s. Gesangbücher (Königsberg 1744) Rosenroth, K. v. 277, 452 Rothe, I . A. 125, 455 Ruhe 189ff., 226 s., 269s., 311 s. Friede Trost u. ä. Runge, Chr. 21A, 22A, 25A, 156, 451 s. Gesangbücher (Berlin 1635) Sacer, G. W. 451 I . C. i i 8, 452s.

Schalling, M. 245, 448, 458 SchameliuS, I . M. 126, 440 Scheffler, I . 180A, 250A, 251, 262A, 263A, 274, 276, 369, 452 Schein I . H. 31, 33A, 37A, 442 f. Gesangbücher (Cantional 1627) Schicksalsgläubigkeit, -gefühl 89ff., 347s., 400 f. Vorsehungsglaube Schmalkaldische Artikel 160A Schmidt, I . E. 454 Schmolck, B. 455 Scholastik, scholastisch 145 ff., 150A, 157, 181, 185, 192, 265, 278 s., 280s., 300, 302, 304, 323, 384, 399 Schröder, I . H. 453 Schütz, S . v. 383A Schuldgefühl i i9ff., 149,164s., 226, 299,311 s. Buße Reue Sündenbewußtsein Schwämlein, G. Chr. 452 Scriver, Chr. 389, 440 Seele 88, 92, 121s., 138, 156, 174ff., 256A, 265, 276ff., 321, 376, 41 ifs. Anthropologie Gewissen Selbsterkenntnis iioff., 135ff., 177ff., 181, 183 ff., 308 f., 338 s. f. Anthropologie Selbstverleugnung 156 ff., 363 ff., 366 s., 376ff., 381 f. Askese Kreuzigung Weltverachtung Seligkeit 31, 92, 209A, 214, 228 ff., 239, 241, 283, 311, 313s./ 323, 330, 379/ 392ff., 398 s. Glückseligkeit Selmer, I . S . 169 Selnecker, N. 262 A Sentimentalität 96,132, 153, 257, 4i4ff., 418 Sieber, I . 439 Sittenlehre, Lieder zur 50, 57A, 194A, 224A s. Glaubenslehre, Lieder zur Sittlichkeit, sittlich 93, 99, 286, 315, 336 ff., 363, 377A, 380ff., 387, 421 s. Bürgerlichkeit Christentum, wahres Ethik Leben, christliches Lebensregeln, christliche M oralismus, moralisch Spalatin, G. 1A Spaltung, I . I . 10, 380s. Spangenberg, A. G. 105A, 161A

Spener, PH. I . 26A, 28 A, 31, 158A, 186A, 310A, 322 A, 378, 383, 402A, 452 Spengler, L. 448 Speratus, P . 448 Stammlicdcr 17s., 33 Stegmann, Z. 154A, 383A, 439, 450 Stockfleth, H. A. 23 A s. Gesangbücher (Holstein 1681) Stöcken, Chr. v. 23A s. Gesangbücher (Brandenburg 1690) Stoizismus, stoisch 88 f., 91, 266, 339, 344 Subjektivismus 3, 5, 6 i, 75A, 88, 95, 96A, 148,156,158/ s n f fv 325/ 377a , 405 s. Individualismus Sünde 78, 87, 113 ffv i39ff. I49ffv 4i8ff. f. Erbsünde Sündenbekenntnis 108 f., 120 ff., 151, 163 ffv 299 Sündenbewußtsein 113ff*, ii9ff., 123ff., 149/ 154ffv 169ffv 226, 311 s. Schuldgefühl Sündenerkenntnis 120 ff., 136 ff., 149 ff., 174fv 177/ 182 ff., 308 f. —, moralistische n6ff., 143ff. —/ psychologische ii9