Dietrich Bonhoeffer Werke: Band 10 Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931
 9783641106881

Table of contents :
Inhalt
Vorwort der Herausgeber
Teil I: Briefe, Tagebuch, Dokumente
Teil II: Arbeiten und Vorträge
Teil III: Predigten, Katechesen, Ansprachen
„Abkehr vom Phraseologischen zum Wirklichen". Persönliche Erinnerungen von Hans Christoph von Hase
Nachwort
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Quellen - und Literaturverzeichnis
Register
Die Herausgeber

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Dietrich Bonhoeffer Werke Band 10

DI ET RICH BONHOEFFER WERKE Herausgegeben von Eberhard Bethge (†), Ernst Feil (†), Christian Gremmels, Wolfgang Huber, Hans Pfeifer (†), Albrecht Schönherr (†), Heinz Eduard Tödt (†), Ilse Tödt Zehnter Band

DI ET RICH BONHOEFFER

BARCELONA, BERLIN, AMERIKA 1928–1931

Herausgegeben von Reinhart Staats und Hans Christoph von Hase in Zusammenarbeit mit Holger Roggelin und Matthias Wünsche

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 1992 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Das E-Book gibt den Textbestand der Dietrich Bonhoeffer Werke – Sonderausgabe, Gütersloh 2015, wieder. Sie wurde gedruckt mit Unterstützung der Internationalen Dietrich Bonhoeffer-Gesellschaft und der Adolf-Loges-Stiftung, die die Sonderausgabe in besonderer Weise förderte. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Umschlaggestaltung: Ingeborg Geith, München ISBN 978-3-641-10688-1 www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort der Herausgeber Teil I: Briefe, Tagebuch, Dokumente

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a ) Vikariat i n Barcelona. Februar 1 92 8-Februar 1 929

15

1. 2. 3. 4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 1 7. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

Von Fritz Olbricht. Barcelona, 2 . 1. 1 92 8 . Von Fritz Olbricht. B arcelona, 1 9 . 1 . 1 928 . A n Max Dieste!. Ber!in, 20. 1 . 1 928 . . . . Verfügung des Evangelischen Oberkirchenrates betr. Vikariat. Berlin, 2. 2. 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . 4. 1 . Ausfertigung für Dietrich Bonhoeffer . . . . . 4 . 2 . Begleitschreiben an Fritz Olbricht . . . . . . . Spanisches Tagebuch. Barcelona, Januar-März 1 928 . A n die Eltern. Paris, 1 0 . 2 . 1 92 8 . . . . An Klaus Bonhoeffer. Paris, 1 3 . 2. 1 92 8 An die Eltern. Paris, 1 4 . 2. 1 928 . . . . An die Eltern. Barcelona, 1 5 . 2 . 1 928 . An die Eltern, Großmutter und Geschwister. Barcelona, 1 6 . 2. 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . A n Paula Bonhoeffer. Barcelona, 20. 2. 1 928 . An Julie Bonhoeffer. Barcelona, 23. 2. 1 928 . An die Eltern. B arcelona, 6 . 3 . 1 928 . . . . . An d i e Eltern u n d d i e Großmutter. Barcelona, 1 3 . 3 . 1 928 . An Sabine Leibholz. Barcelona, 1 7. 3 . 1 928 . . . . . . An Maria und Richard Czeppan. Barcelona, 20. 3 . 1 92 8 An Kar! Bonhoeffer. B arcelona, 2 4 . 3 . 1 928 An die Eltern. Barcelona, 3 . 4. 1 928 . . . . An die Eltern. Barcelona, 1 1 . 4. 1 928 . . . An Sabine Leibholz. Barcelona, 22. 4. 1 928 An Julie Bonhoeffer. Madrid, 26. 4. 1 928 . An die Eltern. Sevilla, 30. 4. 1 928 . . . . . Klaus Bonhoeffer an die Eltern. Tetuan, 5 . 5 . 1 92 8 . An die Eltern und die Großmutter. Barcelona, 1 7. 5. 1 928 . An Julie Bonhoeffer. B arcelona, 5 . 6 . 1 928 An die Eltern. Barcelona, 8 . 6 . 1 92 8 . . . . . . . . . . . .

15 16 17 17 17 18 19 28 28 29 30 31 32 35 37 39 41 43 45 47 47 50 53 53 54 57 59 61

VI

Inhalt 27. Bericht von hitz Olbricht an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß. Barcelona, 1 0 . 6. 1 928 . . . . . . . 28. An Max Diestel. Barcelona, 1 8 . 6 . 1 928 . . . . . . . . 29. An Sabine und Gerhard Leibholz. Barcelona, 3 . 7. 1 928 30. An Karl-Friedrich Bonhoeffer. Barcelona, 7. 7. 1 928 . 3 1 . An die Eltern. Barcelona, 1 1 . 7. 1 92 8 . . . . . 32. Von Max Diestel. Bcrlin, 1 2 . 7. 1 92 8 . . . . . . 3 3 . An Adolf von Harnack. Barcelona, 1 3 . 7. 1 928 34. An Paula BonhoeHer. Barcelona, 1 7. 7. 1 928 . 35. An Julie Bonhoeffer. B arcelona, 1 7. 7. 1 92 8 . 36. An Reinhold Seeberg. Barcelona, 20. 7. 1 928 3 7. An Karl Bonhoeffer. Barcelona, 26. 7. 1 92 8 . 38. An Paula Bonhoeffer. Barcelona, 30. 7. 1 928 39. An die Eltern. Barcelona, 2. 8 . 1 92 8 . . . . . 4 0 . A n Helmut Rößler. Barcelona, 7. 8 . 1 928 . . 4 1 . An Ursula und Rüdiger Schleicher. Barcelona, 1 0 . 8 . 1 92 8 . 42. An die Eltern. Barcelona, 1 4 . 8 . 1 92 8 . . . 43. An Julie Bonhoeffer. B arcelona, 1 7. 8 . 1 92 8 4 4 . An d i e Eltern. Barcelona, 2 4 . 8 . 1 928 45. An die Eltern. Barcelona, 6 . 9. 1 928 . . . . 4 6 . An die Eltern. B arcelona, 8 . 1 0 . 1 928 . . . 47. An Reinhold Seeberg. Barcelona, 1 0 . 1 0 . 1 928 48. An die Eltern. Barcelona, 1 1 . 1 0 . 1 92 8 . . . . 49. Von Reinhold Seeberg. Berlin, 1 9 . 1 0 . 1 928 . 50. An Kar! Bonhoeffer. Barcelona, 3 1 . 1 0 . 1 92 8 5 1 . An Rüdiger Schleicher. Barcelona, 6. 1 1 . 1 92 8 . 52. An Julie Bonhoeffer. B arcelona, 7. 1 1 . 1 928 . 53. An d i e Eltern. Barcelona, 1 1 . 1 1 . 1 928 . . . . 54. An Karl Bonhoeffer. Barcelona, 1 6 . 1 1 . 1 928 55. An Karl Bonhoeffer. Barcelona, 1 9 . 1 1 . 1 92 8 56. An Paula Bonhoeffer. Barcelona, 1 9 . 1 1 . 1 928 57. An Kar! Bonhoeffer. Barcelona, 20. 1 1 . 1 928 5 8 . An die Eltern. Barcelona, 27. 1 1 . 1 92 8 . . . . 59. A n die Eltern. Barcelona, 1 0. 1 2 . 1 92 8 . . . . 60. An Karl Bonhoeffer. B arcelona, 1 7. 1 2 . 1 928 6 1 . Von Karl Bonhoeffer. Berlin, 1 8 . 1 2 . 1 92 8 . . 62. An die Eltern, die Großmutter und die Geschwister. Barcelona, 1 9 . 1 2 . 1 928 . . . . . . . . . . . . . 63. An die Eltern. Barcelona, 25. 1 2 . 1 92 8 . . . . . . . . 64. A n Paula Bonhoeffer. Barcelona, ca. 2 6 . 1 2 . 1 928 . . 65. An Susanne Bonhoeffer und Walter Dress. Barcelona, 3 1 . 1 2 . 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66. Bericht von Fritz Olbricht an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß. Barcelona, ! . 1 . 1 929 . . . . . . . . . . . 67. A n d i e Eltern. Barcelona, 1 0 . 1 . 1 929 . . . . . . . . . . . . 6 8 . An Karl-Friedrich Bonhoeffer. Palma de Mallorca, 1 2 . 1 . 1 929 6 9 . A n d i e Eltern. Barcelona, 2 8 . 1 . 1 929 . . . . . . . . . . . . .

64 64 66 70 73 75 76 78 79 81 85 87 88 90 92 94 96 98 101 1 02 1 02 1 04 1 05 1 06 1 07 107 1 09 1 10 1 10 111 111 112 1 14 1 16 117 118 121 1 24 1 24 125 1 26 127 127

Inhalt 70. 71. 72. 73 . 74.

An die Eltern. Barcelona, 6 . 2. 1 929 . . . . . . An Julie Bonhoeffer. Barcelona, ca. 1 0 . 2. 1 929 A n die Eltern. Barcelona, 1 6 . 2 . 1 929 . . . . . An die Eltern. Genf, 22. 2. 1 929 . . . . . . . . Bericht von Fritz Olbricht an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß. B arcelona, 26. 2. 1 929 7 5 . Tagebucheintrag z u Fritz Olbricht . . . . . . . . . . . . .

b) Assistentenzeit, Habilitation und Zweites Theologisches Examen in Berlin. März 1 929-September 1 93 0 ........ . 76. A n Detlef Albers. Berlin, 3 0 . 3 . 1 929 77. A n die Eltern. Berlin, 30. 3 . 1 929 . . 78. An Helmut Rößler. Berlin, 5 . 4. 1 929 79. An Helmut Rößler. Berlin, 7. 4. 1 929 80. Von Detlef Albers. Barcelona, 1 4 . 4. 1 929 8 1 . A n Karl-Friedrich Bonhoeffer. Berlin, 1 3 . 5 . 1 929 . 82. An Max Diestel. Berlin, 1 4 . 5 . 1 929 . . . . . . 8 3 . An Detlef Albers. Berlin, 9. 6. 1 929 . . . . . . 84. Von Ludwig Röhrsheim. Barcelona, 1 6 . 6 . 1 929 85. An Hermann Thumm. Berlin, 1 9 . 6 . 1 929 86. Von Detlef Albers. Hannover, 1 8 . 7. 1 929 8 7. An Detlef Albers. Berlin, 20. 7. 1 929 . 8 8 . A n Detlef Albers. Berlin, 3 0 . 8 . 1 929 . . 89. An Max Diestel. Berlin, 6. 1 0 . 1 929 . . . 90. An die Eltern. Friedrichsbrunn, Oktober 1 929 9 1 . An Hermann Thumm. Berlin, 3 1 . 1 0 . 1 929 . . 92. Von Hermann Thumm. Barcelona, 7. 1 1 . 1 929 . 93. An Adolf von Harnack. Berlin, 1 8 . 1 2 . 1 929 . 94. An Hermann Thumm. Berlin, 1 9 . 1 2 . 1 929 . . 95. Von Adolf von Harnack. B erlin, 22. 1 2 . 1 929 . 96. An Hermann Thumm. B erlin, Jahreswende 1 929/30 . 97. A n Hermann Thumm. Berlin, Anfang 1 930 . . . . . 98. A n Max Diestel. Berlin, 7. 1 . 1 930 . . . . . . . . . . 99. Bewerbung um ein Stipendium beim Deutschen Akademischen Austauschdienst. Berlin, 9. 1 . 1 930 . . . . . . . . . 1 00. Empfehlungsschreiben von Adolf Deißmann. Berlin, 1 0 . 1 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 1 . Empfehlungsschreiben von Wilhelm Lütgert. Berlin, 1 0 . 1 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 02. Empfehlungsschreiben von Max Diestel. Berlin, 1 1 . 1 . 1 930 1 03 . An Ludwig Röhrsheim. Berlin, 25. 1 . 1 930 1 04. Von Reinhard Mumm. Berlin, 27. 1 . 1 930 . . . . . . . . .

VII 1 29 131 1 32 1 32 133 136

138 138 1 39 1 40 141 141 1 42 143 1 43 145 148 1 50 151 1 52 1 53 1 53 1 54 1 56 1 57 1 59 1 60 161 161 1 62

1 62 1 63 1 64 1 65 167

VIII 1 05. 1 06. 1 0 7. 1 08 . 1 09. 1 1 0. 111. 1 12. 1 13. 1 1 4.

1 15. 1 16. 1 1 7. 1 1 8. 1 1 9. 1 20. 121.

122. 123. 1 24 .

Inhalt An Hermann Thumm. Berlin, 8 . 2. 1 930 . A n Helmut Rößler. Berlin, 23. 2. 1 930 . Von Hermann Thumm. Barcelona, 2 8 . 3 . 1 930 . An die Eltern. Barcelona, 7. 4. 1 930 A n die Eltern. Tossa, 1 3 . 4. 1 930 . . . . . . . . An die Eltern. Berlin, 1 9 . 4. 1 930 . . . . . . . An Karl-Friedrich Bonhoeffer. Berlin, 9. 5 . 1 930 An Harold H. Tryon. Berlin, 1 3 . 5 . 1 930 . . . . An Max Diestel. Berlin, 1 4 . 5 . 1 930 . . . . . . . Gesuch um Zulassung zur Zweiten Theologischen Prüfung. Berlin, 14. 5 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 4 . 1 . Gesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 4 . 2 . Anlage 1 : Fortsetzung des Lebenslaufs . . . . . . . Antrag des Konsistoriums auf Befreiung Bonhoeffers vom Besuch des Predigerseminars. Berlin, 22. 5. 1 930 . . . . . Bescheid über Befreiung vom Besuch des Predigerseminars. Berlin, 1 9 . 6 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . Von Wilhe1m Schubring. Berlin, 1 9 . 6. 1 930 An das Konsistorium. Berlin, 20. 6. 1 930 . A n Helmut Rößler. Berlin, 24. 6 . 1 930 . . An Sabine und Gerhard Leibholz. Berlin, 29. 6. 1 930 Zeugnis der Zweiten Theologischen Prüfung. Berlin, 8 . 7. 1 930 1 2 1 . 1 . Anschreiben des Konsistoriums . . 1 2 1 . 2 . Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . 1 2 1 . 3 . Beurteilung der Prüfungskatechese . 1 2 1 . 4 . Beurteilung der Prüfungspredigt . . 1 2 1 . 5 . Ergebnis der Zweiten Theologischen Prüfung Urteil über die Katechese Bonhoeffers von K. Meumann. Berlin, 30. 6 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Beurlaubung vom Hilfsdienstj ahr. Berlin, 1 4 . 7. 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung der Fakultät a n das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Berlin, 1 . 8. 1 930 . . . . . 1 24. 1 . Anschreiben von Erich Seeberg . . . . . . 124.2. Anlagen : Lebenslauf und Schriftenverzeichnis An die Eltern. Friedrichsbrunn, 1 2 . 8 . 1 930 . . . . . Antrag von Max Diestel a n den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß wegen der Ordination Bonhoeffers. Berlin, 1 3 . 8 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . An Klaus Bonhoeffer. Friedrichsbrunn, 1 7. 8 . 1 930 . . An J ulie Bonhoeffer. Friedrichsbrunn, 1 8 . 8 . 1 930 . . . Erlaß des Evangelischen Oberkirchenrates zum Antrag auf vorzeitige Ordination. Berlin, 23. 8. 1 930 . . . . . . . . . Empfehlungsschreiben von Adolf Deißmann. Berlin, 3 . 9. 1 930 An den Verlag Trowitzsch. Berlin, 4. 9. 1 930 . . . . . . . . . . .

125. 126. 1 2 7. 128. 1 29. 1 30. 131.

168 1 69 1 70 171 1 72 1 72 1 73 1 74 1 75 1 75 1 75 1 76 1 79 1 80 1 80 181 1 82 1 82 1 83 1 83 1 84 1 85 1 86 1 86 1 88 188 1 89 1 89 1 89 191 1 92 1 93 1 94 1 94 1 95 196

Inhalt

c) Stipendiat am Union Theological Seminary, New York. September 1 93 0-Mai 1 93 1 . . . . . . . . . . . . . . . . 1 32. A n Julie Bonhoeffer. An Bord d e r " Columbus", 6 . 9. 1 930 1 33 . An Karl-Friedrich Bonhoeffer. An Bord der " Columbus" , 7 . 9. 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 34. An Julie Bonhoeffer. An Bord d e r " Columbus", 7. 9. 1 930 135. An Karl-Friedrich Bonhoeffer. Philadelphia, 1 9 . 9. 1 930 1 36. An Richard Ern. New York, 1 4 . 1 0 . 1 930 . 1 3 7. Von Karl Bonhoeffer. Lugano, 1 8 . 1 0 . 1 930 . . . . . . . 1 3 8 . Von Franz Hildebrandt. Berlin, 5. 1 1 . 1 930 . . . . . . . 1 39. Von Hans Christoph von Hase. Frankfurt/Oder, 5. 1 1 . 1 930 1 40. An Richard Ern. New York, 6. 1 1 . 1 930 . . . . . . . . . 1 4 1 . An Sabine Leibholz. Washington, 7. 1 1 . 1 930 . . . . . . . . 1 42 . An Julie Bonhoeffer. Washington, Ende November 1 930 . . 143. Von Hans Christoph von Hase. Frankfurt/Oder, 30. 1 1 . 1 930 1 44. An Erwin Sutz. Philadelphia, 1 . 1 2 . 1 930 . . 145. A n die Eltern. Philadelphia, 1 . 1 2 . 1 930 . . . . . . . . . . 1 46 . An Julie Bonhoeffer. New York, 1 0 . 1 2 . 1 930 . . . . . . . 1 4 7. A n Sabine und Gerhard Leibholz. New York, 1 0 . 1 2 . 1 930 1 4 8 . A n Helmut Rößler. New York, 1 1 . 1 2 . 1 930 . 1 49. Von Franz Hildebrandt. Berlin, 1 8 . 1 2 . 1 930 . . . . . . 1 50. A n Max Dieste!. Havanna, 1 9 . /26. 1 2 . 1 930 . . . . . . 1 5 1 . A n Karl-Friedrich Bonhoeffer. Key West, 2 . / 8 . 1 . 1 9 3 1 1 52. An Richard Ern. New York, Mitte Januar 1 9 3 1 1 5 3 . An Sabine Leibholz. New York, 2 1 . 1. 1 93 1 1 54. An Richard Ern. New York, 2 1 . 1 . 1 9 3 1 . . 1 55 . An Richard Ern. New York, 22. 1 . 1 9 3 1 . . 1 56 . Von Franz Hildebrandt. Berlin, 23. 1 . 1 9 3 1 1 5 7. Von Karl-Friedrich Bonhoeffer. Berlin, 24. 1 . 1 93 1 1 58 . A n Paul Althaus. New York, 2 8 . 1 . 1 93 1 . . . . 1 59. An Richard Ern . New York, Ende Januar 1 9 3 1 1 60. An Richard Ern. New York, 5 . 2 . 1 9 3 1 1 6 1 . Von Otto Dibelius. Berlin, 7. 2 . 1 9 3 1 . . 1 62 . An Richard Ern. New York, 1 1 . 2 . 1 9 3 1 . 1 6 3 . Von Wilhelm Lütgert. Berlin, 1 8 . 2. 1 9 3 1 1 64. Von Helmut Rößler. Beveringen, 22. 2. 1 93 1 1 65 . Von Paula Bonhoeffer. Berlin, 23. 2 . 1 93 1 . . 1 66 . An Richard Ern. New York, Anfang März 1 9 3 1 1 6 7. Von Reinhold Seeberg. Berlin, 7. 4. 1 9 3 1 . . . . 1 6 8 . An Karl-Friedrich und Margarete Bonhoeffer. New York, 1 2 . 4. 1 9 3 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 69. An Julie Bonhoeffer. New York, 1 2 . 4. 1 93 1 . 1 70 . An Max Dieste!. New York, 25. 4. 1 9 3 1 . . 1 7 1 . An Karl Bonhoeffer. New York, 3 . 5 . 1 9 3 1 1 72 . An die Eltern. New York, 4. 5 . 1 93 1 . . . .

IX

197 1 97 198 198 1 99 1 99 200 202 205 205 206 207 208 211 212 213 215 216 217 219 223 225 226 228 228 229 231 232 233 233 234 234 235 237 243 246 246 248 250 252 254 255

x

Inhalt 1 73 . 1 74. 1 75 . 1 76. 1 77. 1 78 . 1 79. 1 80. 181. 1 82.

An Familie Ern. Portland, 5. 5 . 1 9 3 1 An Familie Ern. Fort Worth, 14. 5 . 1 9 3 1 . An Julie Bonhoeffer. Texas, 1 6 . 5 . 1 9 3 1 An Familie Ern. Loredo, 1 7. 5 . 1 9 3 1 . . . Von Max Dieste!. Berlin, 29. 5 . 1931 . . . Verfügung des Konsistoriums betreffs Urlaubsverlängerung Bonhoeffers. Berlin, 30. 5 . 1 9 3 1 . . . . . . . . An Richard Ern. Mexico, 6. 6. 1931 . . . . . . An Familie Ern. Ohne Ort, vor dem 1 7. 6. 1 9 3 1 Studienbericht für d a s Kirchenbundesamt . Studienbericht über das zweite Semester . . .

256 256 257 258 258 260 261 261 262 281

Teil II: Arbeiten und Vorträge

283

a) Gemeindevorträge in B arcelona : Not und Hoffnung in der religiösen Lage der Gegenwart. November 1 92 8-Februar 1 929 . . . . . . . . . . . .

285

1. Die Tragödie des Prophetentums und ihr bleibender Sinn. 1 3 . 1 1 . 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 . Jesus Christus und vom Wesen des Christentums. 1 1 . 1 2 . 1 92 8 3. Grundfragen einer christlichen Ethik. 8 . 2. 1 929 . . . . . . .

285 302 323

b) Arbeiten aus der B erliner Zeit. 1 93 0 ............... . 4. Rede zum Gedächtnis Adolf von Harnacks. 1 5 . 6. 1 930 . 5 . Examensklausur: Bedeutung und Wahl eines biblischen Textes für die Predigt im Gemeindegottesdienst. Juli 1 930 . . . . . . 6 . Examensklausur : Wie urteilt Paulus über die irdischen Leiden ? Juli 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Antrittsvorlesung: Die Frage nach dem Menschen in der gegen� wärtigen Philosophie und Theologie. 3 1 . 7. 1 930 . . . . . . . . 8 . Rezension zu : Friedrich Parpert, D a s Mönchtum u n d d i e evan� gelische Kirche. [gedr:] 1 3 . 1 2 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . .

c) Arbeiten am Union Theological Seminary, New York. September 1 930-Juni 1 93 1 . . . . . . . . . 9. Vortrag zum Thema " Krieg". November 1 930

346 346 349 354 357 378

381 381

Inhalt 1 0 . Grußwort vor Schülern oder Studenten 1 1 . Literaturberichte zum Seminar "Ethical Viewpoints in modern Literature" . Frühjahr 1 9 3 1 1 1 . 1 . War Literature . 1 1 . 2. Negra Literature 1 1 . 3 . Ibsen . . . . . 1 1 . 4 . Bernard Shaw 1 1 . 5 . Sinclair Lewis 1 1 . 6 . Theodore Dreiser 1 1 . 7. Ludwig Lewisohn 1 1 . 8 . Ernst Toller; Carel C apek 12. Kurzreferate zum Seminar "Ethical Interpretations of Current Events " . Frühjahr 1 9 3 1 . . . . . . . . . . . . . 1 2. 1 . The Wickersham Report on Prohibition . 1 2 . 2 . Bank Situation and the Court Corruption 1 2 . 3 . Situation in India . . . . . 1 2 . 4 . The Power Utility Issue . . 1 2 . 5 . Forced Exports in Russia . . 1 2 . 6 . Germany - Poland - Russia 1 2 . 7. The German-Austrian Customs Union 1 2 . 8 . The Report of the Federal Council of Churches on Birth Contral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 . 9 . Unemployment . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 . Kurzreferat über William J ames, Varietics of Religious Experiences. Frühjahr 1 9 3 1 . . . . . . . . . . . . . 14. Seminararbeit : Charakter und ethische Konsequenzen des religiösen Determinismus. Frühjahr 1 9 3 1 . . . . . . . . . 1 5 . Seminarreferat : The Religious Experience o f Grace and the Ethical Life. Frühjahr 1 93 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 . Aufsatz : Concerning the Christian Idea o f God. [gedr. :] April 1 932 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 7. Seminarreferat : The Theology of Crisis and its Attitude toward Philosophy and Science. 1 930/3 1 . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 389 390 390 391 393 394 395 396 397 398 399 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 410 416 423 434

Teil III: Predigten, Katechesen, Ansprachen 1. Entwurf zu einer Liturgie. Barcelona, Reminiscere (Volkstrauertag), 4. 3. 1 928 1 . 1 . Eingangsliturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . 2. Kirchengebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 . Predigt zu Römer 1 1 , 6 . Barcelona, Oculi, 1 1 . 3 . 1 928 .

451

453 453 453 455

XII

Inhalt

3. Predigt zu I Korinther 1 5 , 1 7. B arcelona, Ostersonntag, 8 . 4. 1 92 8 . . . . . . 3 . 1 . Predigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Kanzelkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Predigt zu Matthäus 28,20. Barcelona, Quasimodogeniti, 1 5 . 4. 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 . Predigt (Fragment) zu Lukas 1 2,49. Barcelona, Trinitatis, 3 . 6. 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 . Predigt (Fragment) zu Matthäus 7, 1 . Barcelona, 3 . Sonntag nach Trinitatis, 24. 6 . 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Predigt zu Psalm 62, 2 . Barcelona, 6 . Sonntag nach Trinitatis, 1 5 . 7. 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Predigt zu I Korinther 1 2 , 2 7.26. Barcelona, 8. Sonntag nach Tri� nitatis, 29. 7. 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Predigt zu Matthäus 5,R. Barcelona, 10. Sonntag nach Trinitatis, 1 2 . 8. 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 . Predigt zu I Johannes 2, 1 7. Barcelona, 1 2 . Sonntag nach Trinita� tis, 26. 8. 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 . Predigt zu II Korinther 1 2 , 9 . B arcelona, 1 4 . Sonntag nach Trini� tatis, 9. 9. 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Predigt zu Römer 1 2 , 1 1 c. Barcelona, 16. Sonntag nach Trinitatis, 2 3 . 9. 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 . Predigt z u Lukas 1 7, 3 3 . Madrid, 2 0 . Sonntag nach Trinitatis, 2 1 . 1 0 . 1 928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 4 . Entwurf z u einer Liturgie. Barcelona, Totensonntag, 25. 1 1 . 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5 . Predigt (Fragment) zu Canticum 8,6b. Barcelona, Totensonntag, 25. 1 1 . 1 92 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Ansprache im Kindergottesdienst. Barcelona ( ?), Totensonntag, 25. 1 1 . 1 92 8 ( ?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 7. Predigt zu Apokalypse 3,20. Barcelona, 1. Advent, 2. 12. 1 92 8 1 8 . Predigt zu Philipper 4, 7. Barcelona, Sexagesimae, 3 . 2 . 1 929 19. Aufzeichnungen für einen Jugendlichen . . . . . . . . . . 20. Ansprache im Kindergottesdienst. Berlin ( ?), Totensonntag 24. 1 1 . 1 929 (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 . Katechese zur 5 . Bitte des Vaterunsers im Zweiten Theologi� schen Examen. Berlin, 29. 6. 1 930 . . . . . . . . . . . . . 22. Predigt zu I Thessalonicher 5, 1 6-1 8 im Zweiten Theologischen Examen. Teltow, 20. 7. 1 930 . . . . . . . . . . . . . 23. Predigt zu I Johannes 4, 1 6 . New York, Armistice Day, 9. 1 1 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Predigt (Fragment) zu Deuteronomium 32,48-52. Havanna/ Cuba, 4. Advent, 2 1 . 1 2 . 1 930 . . . . . . . . . . . . . . .

461 461 466 467 474 477 479 486 493 499 505 512 517 522 523 525 529 534 540 545 549 566 5 76 582

Inhalt

" Abkehr vom Phraseologischen zum Wirklichen ". Persönliche Erinnerungen von Hans Christoph von Hase Nachwort von Re inhart Staats

XIII

588

603

Anhang 1. Zeittafel 192 8-1 9 31 11. Von Bonhoeffer am Union Theological Seminary belegte Kurse IH. Liste des unveröffentl ichten Nachlasses 1928-193 0 IV. Übersetzungen . V. Synopse der sowohl in GS als auch in DB W 10 abgedruckten Texte

70 I

Abkürzungsverzeichnis

703

Quellen- und Literat urverzeichnis a) Quellenverzeichnis .. b) Von Bonhoeffer benutzte Literatur .. c) Von Briefpartnern Bonhoeffers erw ähnte Literatur d) Von den Herausgebern benutzte Literatur ......

709 709 712 713

Register a) Bibelstellen b) Personen . c) Sachen und Orte

724 728 747

Die Herausgeber . ...

770

.

637 639 643 644 646

Vorwort der Herausgeber

I Dietrich Bonhoeffers Schriften aus den Jahren 1 92 8 bis 1 9 3 1 biographische Dokumente wie wissenschaftliche und kirchliche Äußerungen - werden in diesem Band herausgegeben. Den um­ fangreichsten Teil bilden die Briefe (Teil I), daneben nehmen kirchliche Arbeiten, Predigten und Gemeindevorträge einen breiten Raum ein (Teil 11 und 111), die Bonhoeffer, bedingt durch das Vikariat in B arcelona, fast schon wie einen fertigen, freilich sehr jugendlichen Pastor der Volks kirche erscheinen lassen. Außerdem waren in diesen B and zahlreiche Dokumente aufzunehmen, die Aufschluß über den Personenkreis geben, der Bonhoeffer gefördert und geholfen hat, und die zeigen, welcher Beachtung sich der junge Lizentiat der Theologie, der Vikar und Privatdozent sowohl seitens der B erliner Theologi­ schen Fakultät als auch seitens der Kirchenleitung erfreute. Denn in dieser Zeit ist er immer noch angewiesen auf Eltern­ haus, akademische Lehrer, Männer in der Kirchenleitung und gute Freunde. Demgegenüber treten die selbständigen wissen­ schaftlich-theologischen Texte (in Teil 11) etwas in den Hinter­ grund, obgleich auch sie schon reichlich vorhanden sind und einiges " in statu nascendi" von dem enthalten, was in späterer theologischer Erkenntnis ausgereift sein wird. Dabei sollte be­ achtet werden, daß in die Mitte unseres Zeitabschnitts Bon­ hoeffers letztes streng wissenschaftliches Werk " Akt und Sein" (DBW 2) ebenso gehört wie auch die in unserem Band abge­ druckte Habilitationsvorlesung über " Die Frage nach dem Menschen in der gegenwärtigen Philosophie und Theologie" , die sich mit d e r Habilitationsschrift eng berührt. Natürlich wird der heutige Leser, so sehr ihn die Lebenswelt des jungen Bonhoeffer in ihrer Fremdheit und Vornehmheit fesseln und vielleicht sogar begeistern mag, bei jedem Stück heimlich umfangen sein vom Gedanken an das Lebenswerk des späten Bonhoeffer. Hier begegnen wir zunächst dem immer noch jugendlichen Theologen, der mit Engagement und For-

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2

Vorwort der Herausgeber

scherdrang eine st ändige Horizonterweiterung durch Erfahrun­ gen mit Theologie, Kirchengemeinde, Ökumene und nicht zu­ letzt mit guten Freundschaften sucht und verarbeitet. Doch auch mit 39 Jahren war ja Bonhoeffer am 9. April 1 945 nicht eigentlich " alt" geworden. Sicher gehören diese Zeugnisse aus der Zeit zwischen dem 22. und 25. Lebensj ahr zu dem " Unvoll­ endeten und Fragmentarischen" seines Lebens, von dem er selbst w ährend der Gef ängniszeit in einem Brief an die Eltern sagte : " Gerade das Fragment kann j a auch wieder auf eine menschlich nicht mehr zu leistende höhere Vollendung hinwei­ sen" . Und man mag schon an diesen Texten gelegentlich erken­ nen, " wie das Ganze geplant und gedacht" war. 1 Bis zuletzt blieb sich Bonhoeffer bewußt, daß sein Leben im Unterschied schon zu dem seiner Eltern " fragmentarischen Charakter" hatte. 2 Darum w äre es vermessen, in diesen Dokumenten nur Bonhoeffers theologische " initia" suchen zu wollen. Bonhoef­ fers Briefe nach Hause aus Spanien und Amerika, am meisten aus Spanien, zeichnen uns freilich das Selbstportrait eines jun­ gen Theologen, der als Prediger und Katechet in die Arbeit seiner Kirche hineinwuchs, der (wie wir im Deutschen sagen) zu einer " wissenschaftlichen Hoffnung" wurde, dem alle Welt - bis nach Indien - offenzustehen schien, und der, wie alle Selbstzeugnisse belegen, eine ungewöhnlich intensive Lebens­ form entwickelte. Nur gelegentlich tauchen auch Anfechtungen auf. Meist aber tritt uns ein heiterer und geselliger B onhoeffer vor Augen, wie er so unbefangen nach 1 93 1 kaum nach außen gewirkt hat, mochten ihn Freude und Freundschaft, " hilaritas" und " communio" , auch weiter lebenslang als theologische Leit­ begriffe zur Beschreibung eines wirklichen Lebens bestimmen. 3 Gerade dazu ist auch der von Eberhard Bethge und Christian Gremmels herausgegebene Bildband mit den Fotos aus den Jah­ ren 1 92 8-1 93 1 illustrativ. 4

1

Brief an die Eltern vom 20. 2. 1 944, DBW 8 , 3 3 1 . Brief an E . Bethge vom 23. 2. 1 944, DBW 8 , 3 3 5 . 3 VgL alles z u "Freude" u n d "Freundschaft" in D B W 8 ( s . Register) Gesagte; zu "hilaritas" s. auch den Brief an E. Bethge vom 9. 3 . 1 944, DBW 8, 3 52, 3 5 7. 4 Siehe Literaturverzeichnis d) . 2

Vorwort der Herausgeber

3

Die hier vorgelegten Texte sind vor allem aber Zeugnisse der kirchlichen, kulturellen und politischen Zeitgeschichte, verfaßt vor dem Ende der Weimarer Republik in Deutschland. Da Bonhoeffer gut und treffend beobachtete und formulierte, kön­ nen seine Schriften aus den Jahren 1 92 8 bis 1 9 3 1 auch für denj e­ nigen Zeithistoriker interessant sein, der sich nicht nur mit der Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland befaßt. Dabei bieten sie zeitgeschichtlich " D eutsches" aus zwei ganz fernliegenden Außenperspektiven, einmal aus Spanien und das andere Mal aus Nordamerika. Evangelische Deutsche im Ausland, wo sich ein evangeli­ sches deutsches Volkskirchentum typisch zeigt, und Südwest­ europa 1 92 8 aus der Sicht eines wachen Zeitzeugen - vornehm­ lich davon berichten unsere Dokumente. Das Privileg eines Vi­ kariats in Spanien verdankte Bonhoeffer zwar guten Zeugnissen und Referenzen, aber nicht unwesentlich auch einer durch das Elternhaus verbürgten materiellen Sicherheit. Schon seit Au­ gust 1 92 7 hatte der deutsche Auslandspfarrer in Barcelona, Fritz Olbricht, beim Deutschen Evangelischen Kirchenbundes­ amt dringlich um einen Lehrvikar gebeten ; doch zunächst mußte ihm die kirchliche Behörde mitteilen, daß auf die Rund­ frage an die Konsistorien in Königsberg, Stettin, Berlin, Breslau, Magdeburg und Koblenz " nur Fehlanzeigen" eingegangen seien. Immerhin mußte das entsendende Konsistorium 2 8 8 0 Reichsmark j ährlich aufbringen. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum die Konsistorien solche Auslandsvikariate eher zurückhaltend beurteilten. Zum finanziellen Vorbehalt mag ein theologischer hinzugekommen sein. Man muß sich klarmachen, daß der mit den großen Weltkirchenkonferenzen von Stockholm 1 925 und Lausanne 1 92 7 eröffnete Weg zur christlichen Öku­ mene, also der mit dem Namen des schwedischen Erzbischofs Nathan Söderblom (gest. 1 93 1 ) verbundene Aufbruch aus kon­ fessionalistischer und nationalkirchlicher Enge nicht überall in den Konsistorien deutscher Provinzen offen begrüßt wurde. Die Berliner Kirchenführer Otto Dibelius und Max Diestel und B er­ liner Theologieprofessoren wie Adolf Deißmann, alle drei För­ derer B onhoeffers, waren hierin weitsichtiger. Der Auslandsvikar blieb auf private Unterstützung angewie­ sen. Vorsorglich war in einer Aktennotiz des Evangelischen

4

Vorwort der Herausgeber

Oberkirchenrates die Nachricht des Vikarsvaters Olbricht aus Barcelona festgehalten worden : " Wohnung könne er ihm we­ gen der beschränkten Raumverhältnisse nicht gewähren" . 5 Nachdem endlich Bonhoeffer ab Februar 1 92 8 gewonnen war, mußte doch auch er recht oft von Geldsorgen berichten. Hinzu kamen die Kosten für etliche Ausflüge und weite Reisen bis nach S panisch-Marokko und B onhoeffers etwas sorgloser Um­ gang mit Geld, vor allem, wenn es galt, anderen aus einer Not­ lage zu helfen. Der Vater war dann postwendend bereit, seinen Sohn auch finanziell zu unterstützen. Dem ents prach freilich eine allgemeine Hilfsbereitschaft der Eltern gegenüber Angehö­ rigen der weit verzweigten Familie oder gegenüber Freunden, s päter auch vertriebenen Pfarrern und Juden. Die an das Jahr in S panien anschließende Assistentenzeit an der Theologischen Fakultät der Berliner Friedrich-Wilhelm­ Universität 1 929/30 bot nach unseren Dokumenten kaum eine weitreichende Pers pektive. Bonhoeffer fühlte sich, wie er öfters klagte, 6 in Berlin geistig einges perrt. Daß die damals entstan­ dene Habilitationsschrift " Akt und Sein" schon für ihn selbst wohl nicht eben so viel bedeutete wie die frühere Dissertation " Sanctorum Communio"/ die endlich im März 1 93 0 in den Druck ging, mag daher auch atmos phärisch bedingt sein. Nun ist allerdings die Tatsache, daß wir fast gar keine Briefzeugnisse aus j enen siebzehn Berliner Monaten zwischen März 1 929 und September 1 93 0 besitzen, vordergründig zu erklären : Er war zu Hause und bedurfte keiner Korrespondenz. Daher darf eine biographische Deutung dieser anderthalb Jahre nicht einseitig von j enen wenigen erhaltenen Selbstzeugnissen ausgehen. Muß also dieser Lebensabschnitt für die Bonhoeffer-Forschung weithin unbekannt bleiben, so lassen dennoch die wenigen di­ rekten Zeugnis se vorsichtig auf neue Erfahrungen und Lebens­ pers pektiven schließen. So stellt uns die große Rede zum Ge­ denken an Adolf von Harnack ( 1 5 . Juni 1 930) einen Bonhoeffer vor Augen, der seinen Ort sucht zwischen dem protestantisch-

5 6 7

Vgl. den betreffenden Vorgang: EZA 5/1 890. Vgl. I176 ; I18 3 . Vgl. DBW 2 (AS) , 1 2, i m Vorwort (H. -R. Reuter) .

Vorwort der Herausgeber

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liberalen Christentum, das, nach einem Wort des Urgroßvaters Karl August von Hase, den heiligen Geist im rechten Zeitgeist findet, und einer evangelischen Kirche, die mit der Theologie als " Rede von Gott" endlich wieder Ernst macht. 8 Auf neue Erfahrungen in dieser Berliner Zeit weist indirekt auch ein in Amerika gegebener Rückblick hin, worin Bonhoeffer fast wie ein Mitglied der deutschen Jugendbewegung von einer Som­ mernacht 1 929, von Naturerlebnissen, Liedern und Lagerfeuer schwärmt. 9 Dazu kommt, daß er besonders in den Jahren, die dieser Band dokumentiert, auch in Barcelona und hernach in New York, von einer eigenen Sympathie für eine kirchliche Jugendarbeit erfüllt ist. Diese liebevolle Sorge um Jugendliche wird sich noch einmal 1 93 1 /32 bei der Betreuung einer Konfir­ mandengruppe in Berlin-Wedding deutlich zeigen. Muß zwar für diesen B erliner Lebensabschnitt auf direkte Belege weithin verzichtet werden, so sind andererseits einige indirekte und auch äußere Zeugnisse um so stärker zu beachten. Beispielsweise ist hier eine Mitteilung zu nennen, die ebenfalls eine Tätigkeit Bonhoeffers vielleicht noch in dieser B erliner Zeit, sicher früher, " belegt" und die nicht nur mit der prakti­ schen Vorbereitung auf theologische Examina erklärt werden kann : Ein Gefährte aus Studienzeit und Assistentenzeit meint sich zu erinnern, daß Bonhoeffer ihm einmal sagte, " sein Kon­ firmator Hermann Priebe . . . von der Grunewald-Kirche habe auf ihn keinen geringen Einfluß ausgeübt. Im Jugendkreis die­ ser Gemeinde, der von Pfarrer Meumann geleitet wurde (das war der 2. Pfarrer), habe er auch einige Zeit mitgearbeitet" . !O Im hier abgedruckten Lebenslauf wird diese Erinnerung durch das Selbstzeugnis bestätigt. ! ! Hans Christoph von Hase, der mehr­ mals mit seinem Vetter Dietrich den Gottesdienst der Grune­ waldkirche besucht hat, erinnert sich, daß beide damals Pfarrer Priebe als einem gewandten, der vornehmen Grunewaldge­ meinde angepaßten, aber nicht den inneren Menschen anspre-

8 9

10 11

Vgl. 11/4 und III/ 1 2 . Vgl. 11/10. Brief von Robert Stupperich an R. Staats vom 30. 1 1 . 1 98 8 . Vgl. I/1 1 4 . 2 .

6

Vorwort der Herausgeber

chenden Prediger nur wenig hätten abgewinnen können, daß Dietrich j edoch ein sehr gutes Verhältnis zu Pfarrer Meumann, dem er im Kindergottesdienst half, gehabt habe. Reich fließen die Quellen wieder für 1 93 0/3 1 . Die Briefe aus Amerika und auch die in Amerika entstandenen theologisc hen Arbeiten sollten zunächst in ihrer zeitgeschichtlichen Bedeu­ tung gewürdigt werden. Sie zeigen uns ein sehr deutsches und sehr kritisches Amerikabild. Die Texte mögen daher auch auf­ schlußreich sein für eine Amerikanistik, die das deutsche Ame­ rikabild vor dem Umbruch des Jahres 1 93 3 untersucht. Das Postgraduiertenstudium am berühmten New Yorker " Union Theological Seminary" verdankte Bonhoeffer wiederum besten Empfehlungen und nicht zuletzt, wie die Dokumente belegen, seiner Herkunft aus angesehener Familie und seinen guten Um­ gangsformen. Im Hintergrund wirkten dabei fördernd Bon­ hoeffers geistlicher Mentor, der Berliner Superintendent Die­ stel, und der Oberregierungsrat Morsbach, der in der Ge­ schichte des D eutschen Akademischen Austauschdienstes einen großen Namen hat und der letztlich die Entscheidung getroffen haben dürfte, daß unter mehreren Kandidaten Bonhoeffer als einziger Deutscher das 1 920 von der amerikanischen Lady Sloane gestiftete Stipendium am " Union" genießen durfte. Dr. Morsbach war ein gebildeter katholischer Beamter, sein Sekre­ tär von Herbst 1 929 bis Sommer 1 93 0 war der in der deutschen Nachkriegsgeschichte bekannt gewordene Rußland- und China-Experte Klaus Mehnert, der dabei gewesen sein dürfte, als die Stipendiaten vor der Ausreise zu einem Seminar versam­ melt wurden, in dem Ministerialbeamte über die Lage in Deutschland informierten und zurückgekehrte Stipendiaten von ihren Auslandserfahrungen berichteten. 12 Für Bonhoeffers geistige Entwicklung geben die Amerika-Texte reichen Auf­ schluß : Gegenüber der amerikanischen Theologie wirkte er, gerade fern der Heimat, wie ein Anwalt der dialektischen Theo­ logie Karl B arths, und gegenüber einer deutschen lutherischen Stände- und B erufsethik entdeckte er in Amerika das Unrecht der Rassendiskriminierung und die Notwendigkeit einer christ12

Vgl.

I1102

und den Nachtrag zum Nachwort S. 635.

Vorwort der Herausgeber

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lieh-sozialen Ethik. Im Nachwort zu diesem Band wird das alles ausführlicher zu erörtern sein. Jedenfalls ist das äußere Zeugnis eines Berliner B riefpartners ernst zu nehmen, dem Bonhoeffer bekannt hatte, daß er in Amerika eine " Erneue­ rung" seiner " Philosophie und Theologie durch neue Anschau­ ungen" erfahren habe. 13

11 Dargeboten werden alle in den " Gesammelten Schriften" und in " Mündige Welt V" vorläufig edierten Schriften. Hinzu kommt eine Reihe von bisher unveröffentlichten Stücken, unter denen die Briefe an Detlef Albers und Hermann Thumm, die Gefährten in Barcelona, hervorzuheben sind. Die wenigen nicht aufgenommenen Texte aus unserem Zeitraum und zwei­ felhafte Stücke sind im Anhang aufgelistet. Dazu gehören unter anderem die Vorlesungsnachschriften aus Amerika und das Ex­ zerpt zu einem Buch über Franz Xavier. 14 Hinsichtlich eines anderen maschinenschriftlichen Exzerptes unter dem Titel " Zwiegespräch zwischen , Germane und Sohn ' " waren die Her­ ausgeber geteilter Meinung, ob es von Bonhoeffer stammte. Das Stück würde gut zu Bonhoeffers Weihnachtsspiel 1 92 8 pas­ sen, 1 5 aber paßt zu ihm das stark nordische Pathos ?16 Den Textumfang bestimmt die chronologische Abgrenzung dieses B andes . Er reicht von der Abreise nach Barcelona am 1 8 . Januar 1 92 8 bis zur Rückreise von Amerika nach Berlin am 20. Juni 1 9 3 1 Y Über diesen Zeitrahmen hinaus geht nur der I J Von Viktor Goldschmidt vom 1 9 . 6 . 1 9 3 1 (NL C 20). Vgl. DB 1 65 und das Kapitel " Der Ort der Verantwortung" in der " Ethik", wo B eine Kritik am angeblich " lutherischen" Berufsgedanken mit einem Erlebnis in Amerika 1 93 1 begründet (DBW 6 , 289-299, bes. 296). 14 Vgl. Anhang III. 15 Siehe I/63 u. ö. 16 Z. B . i n der folgenden Formulierung : " der Tannbaum ist's, die deutsche Tanne .. . Am schönsten ist es zuzuhören den wundersamen Götter/ehren vom Thor in seinem Götterwagen . . . " (NL A 1 8, 3 (4)). 1 7 Daher erscheint ein Brief B's an den jungen Richard Ern vom 13. 1 2 . 1 9 3 1 (vgl. N L Anh A 33) in DBW 1 1 , 45-47.

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Vorwort der Herausgeber

zwar erst nach der Heimkehr verfaßte, aber alle vorherigen Amerika-Erfahrungen eindrucksvoll zusammenfassende und gewiß schon in Amerika vorbereitete " Bericht" für das Kir­ chenbundesamt, sowie ein zweiter kurzer Bericht über das zweite Semester, vermutlich für den Deutschen Akademischen Austauschdienst. Beide Texte wurden dem Briefteil dieses B an­ des zur Abrundung angefügt. Eröffnet wird der B and mit ei­ nem Brief des Vikarsvaters Olbricht nach Berlin. Eine sachbe­ zogene und nicht chronologische Ordnung hätte ans Ende des Dokumententeils den Brief des Generalsuperintendenten Otto Dibelius gesetzt, worin dieser dem aus Amerika Heimkehren­ den eine Studentenpfarrstelle in B erlin in Aussicht stellt - ge­ schrieben an j enem 7. Februar 1 93 1 , an dem Dibelius abends auf Schleiermachers Katheder gegen Karl Barth Stellung bezog. 1 8 Solche Zufälle und Namen können wieder an den Kreis jener Helfer und Förderer erinnern, ohne deren Zutun dieser Le­ bensweg nicht durchschritten worden wäre, obwohl sich B on­ hoeffer schon in j enen Jahren weder in klerikale noch in wissen­ schaftliche Abhängigkeiten einspannen ließ . Einige Briefe von Franz Hildebrandt und Hans Christoph von Hase an Bonhoef­ fer wurden aufgenommen, weil sie über die theologisch-wissen­ schaftliche und kirchliche Situation in B erlin um 1 93 0 gut Aus­ kunft geben . 19 Auch Helmut Rößlers langer Situationsbericht von der kirchlichen " Front", nämlich aus einem Landpastorat der märkischen Prignitz, das mit der an brandenden braunen Flut zu kämpfen hatte, schien den Herausgebern ein zeittypi­ sches Dokument zu sein. 1 9 Aus der umfangreichen Korrespon­ denz der Eltern und Geschwister wurden einige repräsentative Stücke wiedergegeben. D arüber hinaus wurden weitere Schrift­ stücke nur dann aufgenommen, wenn sie etwas Wesentliches zur zeitgeschichtlichen Umgebung, zur politischen, geistigen und familiären Atmosphäre beitragen. Der Apparat nennt bei j edem Text zunächst die Fundstelle im Nachlaß (NL). Wo immer möglich fußt der abgedruckte Text auf dem meist handschriftlichen Urexemplar oder auf dem 18

19

20

Vgl. I11 6 1 . S o z . B . I11 3 S ; 1 3 9 ; 1 42 ; 1 4 9 ; 1 56. Siehe I1164.

Vorwort der Herausgeber

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von Bonhoeffer autorisierten Text. Aber in nicht wenigen Fäl­

len lagen im Nachlaß nur maschinenschriftliche Abschriften, was j edesmal notiert wurde. So muß z. B. ein Großteil der Ori­ ginale der biographisch und zeitgeschichtlich wichtigen Rößler­ Korrespondenz als verschollen gelten. Nachforschungen im Landeskirchlichen Archiv in Düsseldorf und bei Angehörigen blieben ohne Erfolg. Jedenfalls wurde bei j edem Stück das älte­ ste greifbare und beste Dokument zugrunde gelegt. In der Re­ gel genügte zur Textherstellung eine Xerokopie. Bei schwieri­ gen Lesarten wurde das Original herangezogen, wobei Eber­ hard B ethge und auch das Evangelische Zentralarchiv Berlin behilflich waren . Zahlreiche Texte konnten mangels einer Datumsangabe nicht absolut datiert werden. In solchen Fällen wurden die Möglich­ keiten einer relativen Chronologie zu Datierungsvorschlägen genutzt. Bei den Barcelona-Papieren, zumal den Predigten, konnte Bonhoeffers Kalender zur Kontrolle herangezogen wer­ den. Alle aufgenommenen Texte sind in vollem Wortlaut, ohne inhaltliche Korrekturen und redaktionelle Glättungen wieder­ gegeben worden, auch dort, wo sie, wie besonders bei einigen Barcelona-Stücken, dem heutigen Leser literarisch und theolo­ gisch einiges zumuten . Zitate und Literaturhinweise im Text sind unverändert übernommen und, wenn nötig, im Apparat präzisiert und korrigiert worden. Vollständige bibliographische Angaben finden sich in den Literaturverzeichnissen. Flüchtig­ keitsfehler, insbesondere orthographische und Satzzeichenfeh­ ler (auch Bonhoeffers Angewohnheit, " dass" oder " daß" zu schreiben, Komma nach Steigerungen zu setzen u. a. ) wurden in eindeutigen Fällen korrigiert. Jedoch damals mögliche Ortho­ graphie (" garnicht", alternativer Gebrauch von z und c, z. B . " social" u . a. ) blieb erhalten. Streichungen und Korrekturen des Autors sind nur dort im Apparat notiert, wo dies für die Inter­ pretation von B edeutung sein kann. Hervorhebungen im Text werden einheitlich durch Kursivierung wiedergegeben. Bear­ beiterzusätze sind durch eckige Klammern kenntlich gemacht und im Text auf ein Mindestmaß reduziert. Nicht von Bon­ hoeHer stammende Texte sind in einer kleineren Type ge­ druckt. Den Predigten in Teil III werden die jeweiligen Predigt-

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Vorwort der Herausgeber

texte ebenfalls in kleinerer Type vorangestellt, es sei denn, Bon­ hoeffer hätte sie im Manuskript eigenhändig ausgeschrieben. Die englischen Texte, deren Fehler in den " Gesammelten . Schriften" korrigiert worden waren, sind hier um ihrer Authen­ tizität willen im ursprünglichen Wortlaut belassen. In diesem Lebensabschnitt war Bonhoeffer noch auf die begrenzten Eng­ lischkenntnisse angewiesen, die einem Absolventen zweier hu­ manistischer Gymnasien in B erlin zur Verfügung standen. Doch hat schon in Amerika die Kenntnis des Englischen erheb­ lich zugenommen. Der Aufenthalt in England nach 1 933 brachte eine weitere Verbesserung. Dennoch war die deutsche Sprache nicht nur Bonhoeffers Muttersprache, sie blieb auch das Medium seiner Theologie. Noch am 2 1 . Juni 1 939, beim zweiten und letzten Besuch in Amerika, notierte Bonhoeffer in sein Tagebuch : " Ich habe den Widerstand der englischen Spra­ che gegen meine Gedanken nie so stark empfunden wie hier in New York. Ich fühle mich im Gewand dieser Sprache immer unbefriedigt über mich selbst. ,, 21 Deutsche Übersetzungen der englisch abgefaßten Texte finden sich im Anhang. Anders als noch im neunten Band der Werkausgabe erschei­ nen biographische Angaben, mit diesem Band beginnend, nicht mehr unter den Anmerkungen, sondern in Verbindung mit dem Personenregister. J0rgen Glenth0j hat zu deren Sammlung ei­ nen wichtigen Beitrag geleistet. Im Sinne der Gesamtkonzep­ tion dieser Ausgabe, die auch für den Leser in der außereuro­ päischen Ökumene verständlich sein soll, enthalten die Anmer­ kungen und die biographischen Angaben im Personenregister manchmal Hinweise, die demjenigen, der mit deutscher Theo­ logie- und Kulturgeschichte vertraut ist, nicht erforderlich er­ scheinen. Hans Christoph von Hase hat dem B and einen B ericht über seine eigenen Erfahrungen in j enen Jahren mitgegeben. Wir meinen, daß die Erinnerungen des Vetters, Gefährten und auch Nachfolgers B onhoeffers sowohl in der Berliner Assistenten­ steIle als auch im New Yorker " Union Theological Seminary" das Bild, das sich aus Bonhoeffers eigenen Texten ergibt, in 21

DBW 1 5, 229.

Vorwort der Herausgeber

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erhellender Weise ergänzen. Das Nachwort schrieb Reinhart Staats . Am Ende der Bearbeitung betrachten die Herausgeber das Buch - bei aller unvermeidlichen Unvollkommenheit - mit Dank, weil es ein Werk bester Zusammenarbeit ist. Die Mitar­ beiter Holger Roggelin und Matthias Wünsche haben es von Anfang an mitgetragen, - Roggelin, besonders mit inhaltlichen Problemen befaßt, schon als Theologiestudent, zuletzt als Dok­ torand, Wünsche, besonders mit dem Text und der Redaktion befaßt, als Assistent am Kieler Institut für Kirchengeschichte. Stud. theol. et phil. Barbara Köhler hat am Anfang und stud. theol. et phil. Susanne Baus hat bis zuletzt in allen B elangen der Edition mitgearbeitet. Stud. theol. et phil. Christian Winter hat bei der Bearbeitung der englischen Texte geholfen. Helga Ger­ lach übernahm die Schreibarbeiten. Anna Frese, Martin Illert, Gerd Mönkemeier und Hans Tabbert halfen bei den Korrekturen. Heinz Eduard Tödt, Wolfgang Huber und immer wieder Eberhard und Renate Bethge haben uns mit Rat und Tat beige­ standen. Ruth Zerner, New York, gab wesentliche Anregungen zum Verständnis der amerikanischen Erfahrungen Bonhoeffers . Herbert Anzinger und seine Mitarbeiter von der Heidelberger Redaktion haben uns vom ersten bis zum letzten Tag, wo es nur ging, unterstützt. Der Nordelbischen Kirche ist für einen Druckkostenzuschuß zu danken. Schließlich hat auch der Kanzler der Kieler Christian-Albrechts-Universität durch Fi­ nanzierung einer wissenschaftlichen HilfskraftsteIle von 1 984 bis 1 9 89 erheblich dazu beigetragen, daß diese Edition eines gewiß sehr kleinen Ausschnitts deutscher Theologiegeschichte, Kirchengeschichte, Sozialgeschichte und allgemeiner Geistesge­ schichte aus den Jahren 1 92 8 bis 1 9 3 1 vorgelegt werden kann. Hans Christoph von Hase Reinhart Staats

Kassel und Kiel Pfingsten 1 990

T EIL I : Briefe, Tagebuch, Dokumente

a) Vikariat in Barcelona. Februar 1928-Februar 1929

1 . VON FRITZ OLBRICHT1 Barcelona, den 2 . Januar 1 928 Lieber Herr Candidat ! Erst heute komme ich dazu, Ihre lieben Zeilen vom I1Xn2 zu beant­ worten. Ich hatte, wie immer um diese Zeit, sehr viel Arbeit. Dazu kam die Hochzeit meiner Tochter am 20. Dezember, an der so ziem­ lich die ganze Kolonie teilnahm. Heute endlich ist ein Tag der Ruhe und will ich Ihnen Ihre Fragen beantworten. Zunächst aber meine besten Wünsche zum bestandenen Lic. Möchte das neue Jahr Ihnen bald auch das 1 . Examen günstig verlaufen lassen ! Also, einen Frack braucht man nur bei besonderen Gelegenheiten, eigentlich sehr selten . Mehr und sehr oft zieht man den Smoking an. Falls Sie noch keinen eigenen Talar haben, könnten Sie einen von meinen anziehen, der Ihnen ja wohl passen wird. Augenblicklich ist auch hier Winter. Man braucht hier gerade so gut Winterkleider wie in Deutschland. Ich trage denselben dicken Winter­ überzieher wie in der Heimat. Es ist auch in Spanien kalt, besonders in den Häusern, da die Heizung schlecht ist. Es gibt wunderschöne Tage mit herrlichem Sonnenschein, friert kein Eis und schneit nicht, aber dennoch ist es kalt. Also bringen Sie Unterzeug, dicken Anzug und Überzieher mit. Sodann muß ich Ihnen leider mitteilen, daß die Sache mit dem Unterricht des Knaben sich zerschlagen hat. 3 Da Ihr Kommen sich verzögerte, engagierte die Familie eine Lehrerin. Aber in dieser Bezie­ hung findet sich schon anderes, d. h. wenn Sie wollen. Ich müßte nun bald wissen, wann Sie endgültig eintreffen, wenig­ stens ungefähr, da ich lange vorher keine Pension suchen kann. Am 5 . fahre ich nach Valencia und kehre am 1 1. zurück. Schade, daß Sie Weihnachten nicht schon hier waren ; da ist die meiste Arbeit.

t NL C 1 8 : hsl. - Zu Fritz Olbricht vgl. besonders 1/75. D 2 Nicht erhalten. D 3 In einem Brief vom 1 7. 1 1 . 1 927 (NL C 1 8) hatte Olbricht B die Möglichkeit

von Nachhilfestunden zur Aufbesserung des privaten Budgets angekündigt.

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a) Vikariat i n Barcelona. 1 92 8/29

Nun bis Ende Januar werden Sie ja wohl eintreffen. In der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören, bin ich mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener F. Olbricht Pfarrer

2. VON FRITZ OLBRICHT1

Lieber Herr Vicar !

Barcelona, den 1 9 . 1 . 28

In Eile will ich Ihnen noch schnell ein paar Zeilen schreiben. Ich muß nämlich gleich mit dem Schiff nach Mallorca fahren zu einer Beerdi­ gung, die morgen in Palma stattfindet und komme erst Dienstag früh zurück. Schade, daß Sie noch nicht hier sind ; so muß wieder ein Got­ tesdienst ausfallen ; ich predige Sonntag in Palma, wohin ich im Fe­ bruar doch gemußt hätte. Jetzt sitzen Sie sicher mitten im Examen. Alles Gute ! Sie wollten wissen, ob Sie einige Male verreisen könnten mit Ihrem Besuch. Selbstverständlich ; es dürfte nur nicht gleich nach den Festen sein. Denn nach Ostern und Pfingsten fahre ich meist auf 14 Tage in die Diaspora. Ende April bin ich voll zurück, und könnten Sie dann ruhig fahren. Im Oktober bin ich gerade zurück von Deutschland, dann könnten Sie auch fahren. Wir werden uns über das alles schon einigen, da Sie natürlich ein Stück von Spanien sehen müssen. Herzlichen D ank betreffs Ihres Angebotes, für mich etwas mitzu­ bringen. Falls aus Freiburg i/B ein Fuchspelz kommen sollte, bringen Sie den vielleicht mit. Dann könnten Sie vielleicht 30 Kinderharfen2 kaufen und mitbringen ; die wollen wir im Kindergottesdienst brau­ chen. Die Auslagen werde ich Ihnen ersetzen . Wollen Sie eine spanische Pension, um gut spanisch zu lernen? Oder ziehen Sie vor, bei Deutschen zu wohnen? Sehr angenehm wäre es mir, Ihre Ankunft einige Tage vorher zu wissen, um fest mieten zu können. Nun Schluß ! Seien Sie herzliehst gegrüßt von Ihrem sehr ergebenen F. Olbricht Pfarrer

1 NL C 1 8 : hsl. D 2 Gemeint ist ein damals gebräuchliches Liederbuch für den Kindergottesdienst : " Kinderharfe" .

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1/1 .-4 . 3 . AN MAX DIESTELl

Hochverehrter Herr Superintendent !2

den 20. I . 2 8 .

Zu meinem großen Bedauern kann ich Ihrer liebenswürdigen Einladung zum 2 7. I. voraussichtlich nicht folgen, da ich wohl schon am Dienstag oder Mittwoch meine Reise nach Barcelona antreten werde. Mit den gehorsamsten Empfehlungen und Grüßen - auch von den Eltern - bin ich Ihr ganz ergebener Dietrich Bonhoeffer

4. VERFÜGUNG DES EVANGELISCHEN OBERKIRCHENRATES BETR. VIKARIAT 4 . 1 . AUSFERTIGUNG FÜR DIETRICH BONHOEFFER1 B erlin-Charlottenburg, den 2. Februar 1 92 8 . Auf d a s vom Evangelischen KOJ1sistorium i n Berlin befürwortete Ge­ such vom 1 9 . vorigen Monats haben wir beschlossen, Sie Ihrer Bitte entsprechend vom 1 5 . Februar 1 92 8 bis 1 4 . Februar 1 929 dem Herrn Pfarrer Olbricht an der deutschen evangelischen Gemeinde in Barce­ lona als Lehrvikar zu überweisen .

1 EZA 29/G 442,22 : hsl. ; Eingangsstempel vom 2 1 . 1 . 1 928, Tgb. Nr. 237. Vgl.

auch NL A 30,2 ( 1 1 ) : masch. Abschrift aus den Akten der Superintendentur Berlin Kölln-Land 1. D 2 Max Diestel war der damals für B zuständige Super­ intendent des B erliner Kirchenkreises Kölln-Land I (Lichterfelde). Die Einla­ dung betrifft einen " Kandidatenabend", der Teil der kirchlichen Ausbildung war. 1 NL A 30, 1 ( 1 ) : masch. Abschrift mit hsl. Unterschrift. In der masch. Ab­ schrift der Personalakte NL D 1 1 (36) folgt nach der Unterschrift von Duske der Zusatz : " Abschrift übersenden wir dem Evangelischen Konsistorium auf den Rundbericht vom 2 7. des vorigen Monats - K. VII Nr. 2 1 7 - zur Kenntnis. Den von Pfarrer Olbricht erforderten Bericht über die Fortbildung und Lei­ stungen des Lehrvikars Lic. Bonhoeffer werden wir dem Evangelischen Konsi­ storium seiner Zeit mitteilen. Für den Präsidenten Duske".

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M W V 23

Sie werden während dieses Zeitraums nach Maßgabe der für das Inland geltenden Bestimmungen unter Leitung des Herrn Pfarrer Olb­ richt in die Aufgaben des geistlichen Amtes eingeführt, insonderheit aber mit den Verhältnissen der ausländischen Diaspora vertraut ge­ macht, zugleich auch in Ihrer theologischen Fortbildung nach Kräften gefördert werden. In B arcelona werden Sie auf unsere Kosten freie Wohnung und Verpflegung erhalten. Diese wird Ihnen im Pfarrhause zu Barcelona gewährt werden, jene wird Herr Pfarrer Olbricht beschaffen. Ihre Unterbringung im Pfarrhause hat sich wegen der beschränkten Räum­ lichkeiten nicht ermöglichen lassen. Zur Bestreitung sonstiger Ausgaben haben wir Ihnen ein B arstipen­ dium von monatlich 40 RM bewilligt, das Ihnen Herr Pfarrer Olbricht zahlen wird . Sie wollen sich so einrichten, daß Sie am 1 5 . Februar in B arcelona eintreffen können. Den Zeitpunkt Ihrer Ankunft wollen Sie Herrn Pfarrer Olbricht in Barcelona-Gracia, Calle Moya 2 tunlichst bald mitteilen. Zu Bestreitung der Kosten der Reise nach Barcelona haben wir eine Beihilfe von 200 RM bewilligt, die Ihnen unsere Zentralkasse, die Ge­ neralstaatskasse in Berlin C 2, Hinter dem Gießhause 2, durch die Post zahlen wird. Wir sind bereit, Ihnen auf Ihren seiner Zeit zu stellenden Antrag auch zu den Kosten der Rückreise eine gleich hohe Beihilfe zu gewähren. Das Evangelische Konsistorium in Berlin haben wir verständigt. Vor Ihrer Abreise wollen Sie sich noch unserem Referenten, Herrn Geheimen Konsistorialrat Dr. Rahlwes werktags in den Vormittags­ stunden vorstellen. Für den Präsidenten Duske2

4 . 2 . BEGLEITSCHREIBEN AN FRITZ OLBRICHTJ Abschrift4 übersenden wir Euer Hochehrwürden mit Bezug auf das Gesuch an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß vom 6. Au­ gust 1 92 7 und die Besprechung mit unserem Referenten, Herrn Ober­ konsistorialrat Besig, am 7. September 1 92 7 zur Kenntnis.

2 D . Dr. J ohannes Duske. 0 3 EZA 5 / 1 8 9 1 : masch. Abschrift ; Abdruck : MW V 23 f. 0 4 Abschrift von I/4. 1 .

I/4. u. 5 .

MW V 23 f/GS VI 99

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Für den Unterhalt des Lehrvikars Liz. Bonhoeffer auf die Zeit vom 1 5 . Februar 1 928 bis 1 4 . Februar 1 929 haben wir monatlich 240 RM bewilligt. Von dem hiervon auf Sie entfallenden Betrage von monatlich 200 RM sind die Kosten für Wohnung und Verpflegung des Lehrvi­ kars zu bestreiten. Die verbleibenden 40 RM gebühren dem Lehrvikar als Barstipendium. Die Beschaffung einer angemessenen Wohnung für den Lehrvikar wollen Sie sich angelegen sein lassen. Dem Vorstand Ihrer Gemeinde wollen Sie von der Zuweisung des Lehrvikars Kenntnis geben. Den Eintritt des Kandidaten Liz. Bon­ hoeffer in das Lehrvikariat ersuchen wir uns anzuzeigen. Zwecks Zahl­ barmachung des Unterhaltszuschusses ist uns zugleich eine Stelle in Deutschland zu bezeichnen, an die die Überweisung des Geldes erfol­ gen kann. Bis zum 1 . März 1 929 sehen wir einem BerichteS Euer Hochehrwür­ den in doppelter Ausfertigung über die Fortbildung des Lehrvikars Liz. Bonhoeffer sowie seine Führung entgegen. Liz. Bonhoeffer hat die 1. theologische Prüfung am 1 7. Januar 1 928 mit dem Urteile " Recht gut" vor dem Evangelischen Konsistorium in Berlin bestanden. Für den Präsidenten gez. Duske

5. SPANISCHES TAGEBUCH, JANUAR-MÄRZ 1 92 8 1

Barcelona 1 92 8-29. Im November 1 92 7 wurde mir durch Superintendent Diestel telefonisch eine Vikarsstelle in B arcelona angeboten. Damit schien sich die Verwirklichung eines Wunsches, der sich bei mir in den letzten Jahren und Monaten immer verstärkt hatte, näm­ lich einmal auf längere Zeit ganz hinaus aus meinem bisherigen Bekanntenkreis völlig auf eigenen Füßen zu stehen zu kommen, anzubahnen. Ich war mir, glaub ich, schon nach jenem Telefon­ gespräch meiner Sache ziemlich gewiß . Noch aber standen mir 2 Examina2 bevor und so habe ich mich denn nicht eigentlich 5

Siehe I/27 und I/74.

1 NL A 1 8, 1 : hsl. ; Abdruck : GS VI 99- 1 0 8 . 0 2 Das Erste Theologische

Examen und die Promotion.

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mit voller Intensität mit der Sache befaßt. Die Eltern schienen der Sache nicht eigentlich abgeneigt, wir sprachen viele Abende lang darüber, ohne je im Grunde die Sache selbst zu packen, nämlich wie weit es für mich im besonderen einfach nötig ist, einmal von vorne anzufangen. So ließ ich die Entscheidung einfach durch die Zeit fallen. D. h. ich kann nicht eigentlich sagen, wann ich mich für die Sache entschieden. Die Sache entschied sich selbst, es wurde so, daß ich nach Barcelona Briefe schrieb - und dann schließlich hin ging; trotz mancher gewich­ tiger Abrede - ich denke nur an Priebe3 - ohne eigentlich schla­ gende Gegengründe zu haben - ich war so weit, daß ich wollte. I Wie eine derartige Entscheidung vor sich geht, ist mir selbst problematisch. Eines ist mir aber klar, daß man selbst - d . h. bewußt - sehr wenig über Ja oder Nein verfügt, sondern daß die Zeit alles macht. Vielleicht nicht bei allen Menschen ; j eden­ falls aber bei mir. Es ist mir in der letzten Zeit immer wieder aufgefallen, daß alle Entscheidungen, die ich zu treffen hatte, nicht eigentlich meine eigenen Entscheidungen waren . Gab es irgendwo ein Dilemma, so steckte ich das einfach ein und ließ es nun - ohne mich eigentlich bewußt intensiv damit zu befassen ­ selbst der Klarheit einer Entscheidung entgegenwachsen, diese Klarheit aber ist dann nicht so sehr intellektueller, als instinkti­ ver Art, die Entscheidung ist gefallen, ob man sie nachträglich ausreichend begründen kann, ist eine andere Frage. , So' kam es also, daß ich ging. Ein Abschiedsfest nach dem anderen kam und ging. Am nächsten ging mir wohl der Ab­ schied aus der kirchlichen Arbeit : Am 1 8 . Januar waren wir Helfer aus dem Kindergottesdienst mit Pfarrer Meumann4 das letzte Mal zusammen. Meumann sprach herzlich und nett. Ich antwortete kurz. Wir waren uns während der Arbeit unver­ merkt näher gerückt, als wir wußten. Dann kam am 22 . I. der letzte Kindergottesdienst. Ich sprach über den GichtbrüchigenS und besonders über das Wort : deine Sünden sind dir vergeben und habe versucht, hier noch einmal vor den Kindern den Kern

3 Hermann Priebe. D 4 Kar! Mcumann, er begleitete B und Klaus B . auf ihrer Reise durch Spanien, vgl. U23, S . 55 und Karte von K. Meumann an B vom 1 3 . 5. 29 (NL C 22). D 5 Mt 9, 1-1 8 parr.

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U5. Tagebuch

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unseres Evangeliums aufzudecken ; sie waren aufmerksam und vielleicht ein bißehen gerührt, denn ich sprach, glaube ich, mit ziemlicher Bewegung. Dann kam der Abschied. Pfarrer Meu­ mann nahm mich in sein allgemeines Gebet auf und - ist mir schon lange das Gemeindegebet eine Sache, die mich's oft kalt überlaufen läßt, so unvergleichlich mehr als die Schar der Kin­ der, unter I denen [ich] zwei Jahre gewesen war, für mich ein­ trat. Wo ein Volk betet, da ist Kirche und wo Kirche ist, da ist nie Einsamkeit. 6 Am 1 8 . I . hatte ich meinen Donnerstagskreis7 zum letzten Mal bei mir. Ein neuer, Peter Rosenbaum, war mitgekommen, ein Junge mit ungewöhnlich entwickelter Intellektualität und Einfühlungsmöglichkeit (er verteidigte die Realpräsenz bei Luther !8) . Die Jungen hatten Fragen mitgebracht, die wir be­ sprachen. Zuletzt fragte ich sie, was sie davon hielten, daß das Christentum die Welt erobert hat gegenüber vielen anderen Religionen ; damit kamen wir auf die Frage nach dem Wesen des Christentums und sprachen über Offenbarung und Religion in ihrem Gegensatz und Zusammenhang. Es war eine Stunde wirklicher B ewegtheit. Dann kam die Zeit, in der ich auf die Nachricht vom E. O. K. wartete, die dann am 2 . 2 . eintraf. Nun wurde es Ernst. Packen, Abschiedsbesuche, Geburtstag usw. Von da an saßen wir j eden Abend zusammen. Am 8. endlich war es so weit. Es gab ein feierliches Abschiedsabendessen, wo alle Geschwister da wa­ ren. Onkel Otto B. war zufällig auch da. Wir saßen noch bis 1 0 zusammen, dann wurden 2 Autos bestellt und e s ging los . Großmama9 blieb zu Haus. Der Abschied von ihr war schwer. - Schleichers1 0 gingen nach Haus. Alles andere kam auf die Bahn. Um 1 1 Uhr pfiff es und der Zug ging los. Ich fuhr bis Paris durch, mit einer Stunde Aufenthalt in Lüt­ tich, wo ich mich bei Regenwetter mit dem Auto herumfahren ließ.

6 Zu diesem Komplex vgl. E. Bethge, Bekennen und Widerstehen, 1 59-1 77. 0 7 Vgl. DBW 9, 578 f u. 6 3 1 f. 0 8 Gemeint ist die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl ; vgl. CA 10 (BSLK 64). 0 9 Julie B. 0 10 Ursula (geb. B . ) und

Rüdiger Schleicher.

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In Paris wohnte ich Hotel Beau Sejour, Rue de Ranelagh 99. I Ich blieb dort bis Dienstag. (Olden ! ! hatte mich dort einquar­ tiert. Das Wetter war fast durchweg schlecht. Ich war mehrmals im Louvre, 2 mal in der Oper, Rigoletto in der Opera und Carmen in der Opera Comique. !2) Sonntag nachmittag war ich bei einem sehr festlichen Hochamt in Sacre Coeur. Fast aus­ schließlich Montmartreleute in der Kirche, Dirnen und die da­ zugehörigen Männer gingen zur Messe, beugten sich allen Zere­ monien ; es war das ein ungeheuer eindrucksvolles Bild und man sah wieder einmal ganz deutlich, wie nah im Grunde grade diese durch Schicksal und Schuld am schwersten Belasteten der Sache des Evangeliums stehen. Ich glaube schon längst, daß die Tauentzienstraße in B erlin!3 ein überaus fruchtbares Arbeits­ feld für die Kirche wäre. - Ich kann mir einen betenden Mör­ der, eine betende Dirne viel eher vorstellen als einen eitlen Menschen im Gebet. Nichts ist dem Gebet so zuwider, wie die Eitelkeit. Am Dienstag nachmittag um 5 fuhr ich vom Quai d'Orsay ab . Kurz vor Narbonne wachte ich auf; die Sonne ging grade auf, die ich seit 14 Tagen nicht mehr gesehen hatte, und be­ leuchtete eine märchenhaft schöne Vorfrühlingslandschaft. Die Wiesen waren grün, Mandeln und Mimosen blühten. Ich fühlte mich plötzlich in die Gegend von Neapel versetzt. Bald sah man die Schnee gipfel der Pyrenäen in der Sonne leuchten und zur Linken das blaue Meer. Wir kamen nach Portbou, der Grenzstation ; und fuhren mit dem Luxuszug nach Barcelona weiter. Im Zug lernte ich noch ein junges Ehepaar kennen, das auf Jahre nach Barcelona ziehen wollte (Bölke). Die Stunden bis B arcelona flogen nur so vorbei, mir war die ganze Fahrt nicht einen Augenblick zu lang geworden. 1 2 . 5 5 Uhr lief der Zug in Barcelona ein. Pastor Olbricht holte mich an der Bahn ab . Ein großer, dunkelhaariger aber scheint's sehr herzlicher Mann, der sehr I schnell und undeutlich spricht, ganz unpastoral aussieht, aber auch nicht elegant. Er brachte mich in die Pension, wo

1 1 Peter H . Olden, vgl. DB 57. 0 1 2 Oper von G. Bizet, Uraufführung in Paris 1 8 75 ; Rigoletto, Oper von G . Verdi, Uraufführung in Venedig 1 85 1 . 0 1 3 Die Tauentzienstraße war die , sündige Meile' Berlins.

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I/5 . Tagebuch

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3 Damen von 27-32 Jahren hausen, die nur spanisch sprechen (c. San Eusebio 59), nahe beim Pfarrhaus . Hier wurde ich von 2 Deutschen, die schon länger hier wohnten, sehr herzlich aufge­ nommen. Der eine ist Kaufmann namens Haackl4, der andere Elementarlehrer Thumm15 aus Aalen. Wir aßen gleich zu Mit­ tag. Dann ging ich, nachdem ich mich mit meinen deutschen Zigaretten, die ich mitgebracht hatte, gut eingeführt hatte denn der Tabak hier scheint fürchterlich -, zum Pfarrer. Wir schwatzten und gingen dann ein Stück spazieren, sahen uns die Kirche an, die sehr einfach, aber hübsch ist. Am 1 6 . II. früh um 9 Uhr war ich wieder bei Olbricht ; es sollte Sprechstunde vom Hilfsverein 16 sein, kam aber keiner. Wir besuchten am selben Vormittag das Konsulat : den Generalkonsul Schrötter, Konsul Werkmeister und wer sonst noch da war bis zum Sekretär Lenz, mit dem ich viel zu tun haben werde betreffend des Hilfs­ vereins. Es herrscht ein überaus freundschaftlich-herzlicher Ton unter den Deutschen, die ich bisher kennenlernte. Nachmittags ging ich mit Herrn Thumm an den Hafen und in die Altstadt, die noch dreckiger ist, als Neapel. 1 7 Das Meer war himmelblau und der Weg auf der Mole prachtvoll. Die Damen in der Pension bemühten sich vergeblich meinen Vor­ namen auszusprechen. Man wird nämlich hier nur Senor und mit Vornamen genannt, d. h. wenn man bekannt ist. - Abends sprachen sie mit uns 1-2 Stunden Spanisch, was für mich eine ausgezeichnete Übung, für sie aber sicher wenig unterhaltend ist. Am 1 7. früh beim Pfarrer Olbricht. Besuche bei den Presby­ tern ; alles Kaufleute, die zwar kaum in die Kirche gehen, aber zahlen. Rückeberg, Schul, Herberg. Auf der Straße trafen wir den Vorsitzenden des Deutschen Clubs, der mich sofort I keilte (Herberg) und mich zum Maskenball am 1 8 . einlud, mir am Nachmittag schon einen Besuch machte. Ich werde auf den Ball nicht gehen, es könnte sich dummes Gerede entwickeln. Daß viel geschwatzt wird und man sehr begafft ist, ist mir schon

14 In I/60, 5. 1 1 6 : Haag. D 1 5 Hermann Thumm, vgl. I/85. D 1 6 Der Hilfs­ verein der deutschen Kolonie. Vgl. die ausführliche Beschreibung der Tätigkeit B's in I/12, 5 . 35 f, I/1 3 , S . 3 8 . D 17 Vgl. 1 924 DBW 9, 95.

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daran klar, daß, wie ich höre, die Primaner aus der Schule meine runde Hutform bewunderten und sie für modern und nachah­ menswert halten. Der Pastorensohn wollte sofort auch so einen Hut haben. Wir besuchten schon am Vormittag die gesamte Schule. Den Rektor Seyfang, mit dem ich versuchte über mein Vorhaben Religionsunterricht zu geben zu reden, sodann das Lehrerkolle­ gium, von dem mir einer namens Schröder besonders auffiel. Eben diesen traf ich am Nachmittag als ich mit Herrn Thumm auf den Tibidabo gehen wollte in der Elektrischen. Er fuhr mit 3 kleinen Spanienkindern seiner Klasse zum Spaziergang und schloß sich unserem Wege an. Er ist ein recht unterhaltender und gebildeter Mann und sehr vielgereist. Ich verabredete mit ihm Tennis zu spielen und werde wohl manchmal mit ihm zusammenkommen. Er ist Dirigent des Gesangvereins , dem ich wohl beitreten werde. Man muß sich alle Türen öffnen, um an die Leute heranzukommen. Die 3 Kinder waren sehr munter und lustig. Vom Tibidabo aus hat man einen wirklich unheim­ lich schönen Blick über die Stadt und die Berge der Umgebung bis zum Monserratl8, so daß die Ableitung der Volksetymolo­ gie aus der Versuchungs geschichte " das alles tibi dabo . . . ,, 19 zu gewissem Recht besteht. Heute am 1 8 . H. bin ich dienstfrei. In mir besteht die leise Furcht, daß ich nicht so zum praktischen Arbeiten komme, wie ich gern möchte. Ich spiele Klavier, schreibe und lerne spanisch. Eine Woche ist vorbei, ohne daß ich Lust und Muße zum Schreiben gehabt hätte. Ohne daß eigentlich viel Arbeit war, ist meine Zeit ausgefüllt. I Heute am 26. habe ich Liturgie gehalten und darauf Kinder­ gottesdienst. Nachdem am letzten Sonntag 1 einziges Mädel da war, waren wir heute 1 5 . Mädel im Alter bis zu 1 4 , Jungens durchschnittlich 1 0-1 1 Jahre ; die letzten von einer famosen Fri­ sche und Lebendigkeit. Ich schilderte ihnen die Herrlichkeiten, die es im Kindergottesdienst gibt und das fing Feuer. Mal se-

1 8 Eigentlich Montserrat (1241 m), nördlich von Barcelona, im Volksglauben für den "Monsalvatsch" der Gralssage gehalten ; der "Montsagrat" (heiliger Berg) der Katalanen. 0 1 9 Vgl. Mt 4 , 9 ; s. auch I/1 1 , 5 . 34.

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US. Tagebuch

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hen, wie es das nächste Mal ist. Ich bin durch diese Stunde wie umgewandelt ; die leise Sorge, es könne mit der praktischen Arbeit nichts rechtes werden, ist dahin. Ich habe Grund gefaßt, und werde weiter gehen und habe, glaub ich, die Kinder schon auf meiner Seite ;20 der nächste Schritt, den ich nun tun muß, ist zum Religionsunterricht in der Schule. Zunächst aber werde ich den Kindergottesdienst aufbauen, vielleicht, daß sich von dort aus eine Tür auftut. 26. 11. nachmittags machte ich bei Herberg und Rückeberg (Presbyter) Besuch. Bei letzterem war es recht gemütlich, nur daß die Unterhaltungen völlig anders verlaufen, als man es bei uns gewohnt ist. Ich habe seit ich hier bin noch keine Unterhal­ tung im Stile Berlin-Grunewald geführt. Abends las ich im kal­ ten Zimmer. Da seit Donnerstag Regenwetter ist, ist es in den unheizbaren Stuben höchst ungemütlich und ich arbeite darum entweder in der Sakristei oder gehe aus. Es ist ein merkwürdi­ ges Bild, wenn man nachmittags oder auch vormittags ins Cafe geht, wie viel arbeitsfähige Leute so herum sitzen. Kinder wer­ den selbstverständlich mitgenommen. Man kann dann viele Stunden mit einem Cifee sitzen bleiben, trifft Bekannte, schwatzt, sieht den Betrieb auf der Plaza Cataluiia an und schlägt Zeit tot. Der Caffee selbst ist gut, sehr schlecht dagegen das Gebäck. Ein sehr beliebtes Getränk ist Vermouth mit Si­ phon, dazu gehören dann 6 Austern ; das kostet zusammen 1 , 50 Pesetas . Im übrigen sit- I zen in solchen Cafes Wohlhabende, Reiche, Spießbürger und recht ärmlich Aussehende untereinan­ der, wie mir überhaupt die " soziale Frage" im Süden (Italien) kaum eine Rolle zu spielen scheint. Die unglaublichen Verhält­ nisse in der hiesigen Altstadt legen dafür Zeugnis ab . 2 7. 11. abends Gesangverein. Ich spiele Klavier. Herr Schrö­ der (Dirigent) scheint mir vom Dirigieren wirklich wenig zu verstehen. Es ist ein ziemlich undiszipliniertes Gebrülle. Im übrigen - überall die gleichen Leute. Die Jungen verwöhnt, oft schlecht erzogen, wollen sich vom Dirigenten nichts sagen las­ sen, Cliquenwirtschaft, wachsen ins Geschäft der Väter hinein.

20 Zu B's bemerkenswerten pädagogisch-katechetischen Fähigkeiten vgl. schon das Nachwort zu DBW 9, 632.

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Die Alten sind im Ganzen der sympathischere Teil. Bei den Jun­ gen hat man den Eindruck eines völligen Mangels an Ernst; sie haben von Krieg, Revolution und Nachwehen dieser Zeit, nichts oder wenig erlebt, wohnen schön und bequem, bei immer schö­ nem Wetter ; wie sollte das anders sein ? Die Zeit der Jugendbe­ wegung in Deutschland ist hier spurlos vorübergegangen. 28. II. Klaus macht Examen und ich warte auf das Tele­ gramm. Eine unglaubliche Last wird mit diesem Tag der Fami­ lie vom Herzen fallen. Nun hat endlich die dauernde Aufre­ gung über B ehörde etc. ein Ende . 2 1 Nachmittags hatte ich keine Arbeitslust und ging mit Herrn Thumm ins Kino : Der Don Quijote wurde gegeben. Mir, der ich den Roman nicht gelesen hatte, wurde der Inhalt nicht ganz übersichtlich, so muß wohl der Film Fehler haben. Außerdem, wie alle spanischen Filme endlos lang. Das Kino ist hier das billigste Vergnügen, was es gibt. Für 1 Pesete höchstens wird man 4 Stunden hintereinander unterhalten. Es gibt 2 oder 3, oft auch 4 Filme hintereinander, die ersten sind meist bo- I denlos dumm und langweilig. - Immer­ hin bin ich durch den Film auf das Problem des Don Quijote aufmerksam geworden und werde doch bald an den Roman ge­ hen. 22 - Abends beim Essen kam das Telegramm und ich atmete wirklich erleichtert auf, dachte daran, wie sie j etzt daheim feiern mögen, dachte besonders an die Eltern. 29. H . heute wie üblich von 9-1 0 Sprechstunde vom Hilfs­ verein. Dann auf das Konsulat mit Olbricht. Dort wurde uns ein desertierter Matrose aus Tondern23 vorgestellt, ohne alle Papiere. Beim Trinken hatten sie vergessen, daß der Dampfer abfuhr. So kam das Malheur; der junge Matrose machte mir einen so anständigen und ehrlichen Eindruck, daß ich die nicht sehr wohlwollenden Herren Olbricht und Lenz bewog, ihm zu helfen. Nun wird er wohl bald nach Deutschland geschickt.

21 VgL GS VI 1 06 Anm. 1 1 : " Der Vater hielt Klaus für den intelligentesten, aber sensibelsten seiner Söhne ; da Klaus auf Enge, Kleinlichkeiten und Unge­ rechtigkeiten bei Lehrern und Vorgesetzten stark zu reagieren pflegte, schaffte er sich fortges9tzt Schwierigkeiten. " D 22 Zu dem bleibenden Eindruck, den die Gestalt des Don Quijote in dem Roman von Miguel Cervantes auf B ge­ macht hat, vgL z. B. DBW 6 (E) , 66 f und DBW 8, 1 82. D 2 3 Seit 1 920 als Tonder zu Dänemark gehörig.

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1 0 . IH. Am 4. IH. war ein herrlicher Tag. Die doppelte Zahl der Kinder im Kindergottesdienst. Ich erzählte eine Geschichte vom verlorenen Paradies. Die Ahnungslosigkeit der Kinder hier in religiösen Fragen ist ebenso erschreckend, wie schön und verantwortungsvoll. Nach meinen Umfragen bei den Lehrern der Schule scheine ich grade die schwierigsten Kinder zu haben, Faulpelze, Tunichtguts, Frühreife etc. In der Woche machte ich bei einigen von ihnen B esuche. Zwei Jungens, Fornoff, in der Schule schwer berüchtigt, entpuppten sich zu Haus als nett und gut erzogen. Ein von der Schule Verwiesener - Kläbisch ebenso. Am Sonntag nachmittag war eine ganz reizende Gesell­ schaft bei Olbrichts . Man unterhielt sich, musizierte. Ein junges Ehepaar - B aum - machte mir einen besonders netten Ein­ druck. - Die Woche verlief mit B esuchen und viel schlechtem Wetter. Immerhin spielte ich mit Herrn Schröder, einem Ele­ mentarlehrer von der Schule, der sich24 gesellschaftlich und gei­ stig die meisten anderen überragt, 3x Tennis, in dem Club Pam­ paja. Montag abend Gesangverein. Ich spiele dort Klavier und lerne dabei viel Leute kennen. Donnerstag den 8 . IH. Abends bei Direktor von Flecken durch I Onkel Ottos Empfehlung aufs freundlichste aufgenom­ men - zum Abendessen. Der einzige Fehler, wie hier zumeist, daß man zu lange in die Nacht hinein festet. Dort hörte ich von Herrn Schul, einem Alteingesessenen, daß ich Aschermittwoch eine Prozession verpaßt habe, in der Asche, Knochen, Kinder­ skeletts, umhergetragen werden, die Priester in der alten Klei­ dung der Inquisitionszeit. - Von Spanien sieht man in Zeiten schlechten Wetters nur wenig. Das muß bald nachgeholt wer­ den. - Heute nachmittag bei Olbrichts mit Backe's zum Musi­ zieren. Meine Theologie beginnt humanistisch zu werden ; was soll das ? Ob Barth je im Ausland war ?25 - Wittigs " Leben Jesu"26 macht mir sehr starken Eindruck. - Morgen soll ich zum ersten 24 Wohl zu streichen. 0 25 Mit " Ausland" meint B hier den nicht-deutsch­ sprachigen Kulturkreis. 0 26 J . Wittig, Leben J esu, erzählt das Evangelium in

bildhaften, volksnahen Geschichten aus seiner schlesischen Heimat. Nicht zu­ letzt wegen dieses Werkes wurde Wittig 1 926 exkommuniziert ( 1 946 rehabili­ tiert). Siehe auch U 1 3 , S. 39.

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Mal hier predigen. Ich habe Röm 1 1 , 6 als Text ausgesucht, nachdem ich viele andere Texte zu bearbeiten begonnen hatte. 27

6 . AN DIE ELTERN1

Liebe Eltern ! Ich bin gut angekommen und habe im Hotel bei Olden Platz bekommen. Unterwegs hatte ich eine Stunde in Lüttich Aufent­ halt, während der ich mit dem Auto die Stadt ansehen konnte. Die Fahrt war gut, Zollkontrolle kaum vorhanden. Bald mehr. Herzlichst Euer Dietrich Übrigens wird mein Frachtzettel in meiner Alpakkajacke sein.

7. AN KLAUS BONHOEFFER1

Lieber Klaus !

den 1 3 .

Morgen geht meine Zeit in Paris zu Ende. Ich konnte mich nicht entschließen früher fort zu fahren ; j etzt bin ich aber, glaub ich, mit dem, was ich sehen wollte ziemlich durch. Ich komme eben vom Pere Lachaise2, der mir großen Eindruck gemacht hat. Unglaublich schön war der Blick von der Kapelle hinunter in die im Nebel halb verschwimmende Stadt. Gestern nachmittag machte ich einen ganz merkwürdigen Gottesdienst 2 7 Siehe IIII2. 1 NL A 1 9 , 1 ( 1 ) : hsl. Postkarte aus Paris ; Poststempel : 1 0 . 2. 1 92 8 ; Abdruck :

GS VI 1 09 . 1 NL A 1 9, 1 (2) : hsl. Postkarte aus Paris ; Poststempel : 1 3 . 2. 1 92 8 ; Abdruck: GS VI 1 09 f. 0 2 Eigentlich " Cimetiere du Pere Lachaise", größter und be­

rühmtester Friedhof; benannt nach dem Beichtvater Ludwigs XlV. , dem Pere de la Chaise.

es VI 1 1 0

US.-8.

29

im Sacre Coeur mit. Die Kirche war gedrängt voll und zwar ausschließlich von Montmartreleuten. Die Gesellschaft heute, die ich direkt darauf in der Oper sah, bot hierzu einen unglaub­ lichen Kontrast. Überhaupt bekommt man hier in der gedräng­ ten Zeit ein derartig buntes Bild, daß man Mühe hat, es zu ordnen. I Mir geht es sehr gut, esse gut und schlafe viel. Papas BrieP kam gestern. Herzlichen Dank ! Gruß an Alle ! Dein Dietrich.

8 . AN DIE ELTERN 1

Liebe Eltern.

den 1 4 .

In einer Stunde geht mein Zug nach B arcelona und zwar direkt bis hin, sodaß ich morgen mittag um 1 Uhr da bin. Die Zeit in Paris war sehr schön und, ich glaube, mit den zwei zugesetzten Tagen auch ausreichend. Nach Versailles bin [ich] bei dem schlechten Wetter, das die letzten Tage anhielt, nicht mehr ge­ fahren, dafür kenne ich die Stadt j etzt wirklich ziemlich gut. Es war mir sehr lieb, noch den Brief von dem Pastor2 zu kriegen. Nun wird j a alles glatt weiterlaufen. Aus Barcelona mehr ! Euer dankbarer Dietrich.

3 Nicht erhalten. 1 NL A 1 9, 1 (3) : hsl. Postkarte aus Paris ; Poststempel 14. 2 . 1 928 ; Abdruck : GS VI 1 1 0 . D 2 Fritz Olbricht. Vgl. Brief der Mutter an B vom 1 2 . 2. 1 92 8 (NL

C l ) : " Der freundliche Brief von Pastor Olbricht, den Papa nach Paris nach­ schickte, hat auch uns sehr gefreut ! So wissen wir Dich in freundlicher Umge­ bung. " - Olbrichts Brief ist entweder U2 oder nicht erhalten.

30

a) Vikariat in Barcelona. 1 928/29

GS VI I I I

9. A N D I E ELTERN'

Liebe Eltern !

den 1 5 . 2 . 2 8 .

Ich bin gut angekommen. Es war ungefähr 6 Uhr früh, als ich heute in der Gegend von Narbonne aufwachte bei dem herr­ lichsten Sonnenaufgang. Die Fahrt war von da an zauberhaft schön. Ich fuhr mitten in den Frühling hinein, Mandelbäume, Pfirsiche, Aprikosen standen in Blüte und die Wiesen waren leuchtend grün ; eine derartige Verwandlung hatte ich mir in Paris nicht versprochen. Auf den Pyrenäen lag noch viel Schnee, aber der Himmel war wolkenlos und die Sonne brannte, wie bei uns oft im Juni. Die Fahrt ist mir keine Minute zu lang gewesen, ja ich bedauerte fast, als wir endlich in Barce­ lona ankamen. Mit dem Zoll waren die Spanier am unange­ nehmsten (immerhin sind alle Anzüge gut angekommen. ) . Auf dem Bahnhof empfing mich Pfarrer Olbricht sehr freundlich, brachte mich in meine Pension (Calle San I Eusebio 59 pra!. ). Ein sogenannter , Presbyter'2, der auch zum Empfang kommen wollte, ließ mir seine Grüße bestellen, weil er plötzlich verhin­ dert war. In der Pension wohnen 2 Deutsche (Kaufmann und Lehrer), 3 das Zimmer ist groß und sauber. Den Nachmittag war ich bei Olbricht, wir besprachen manches und gingen bis Abend spazieren. Ich denke, wir kommen gut miteinander aus . Jetzt will ich schlafen gehen, u m morgen frisch zu sein. Ich glaube, mir steht eine herrliche Zeit bevor ! - Dir, liebe Mama, vielen Dank für Deinen lieben Brief, der mich sehr freute. Euch allen herzlichste Grüße von Eurem Dietrich

1 NL A 1 9 , 1 (4) : hsl. Briefkarte aus Barcelona; Abdruck: GS VI 1 1 0 f. D 2 Diese Bezeichnung für Mitglieder des Kirchenvorstandes war in Berlin-Bran­ denburg ungebräuchlich. D 3 Haack und Hermann Thumm ; vgl. I1S, S. 23.

es VI 1 1 2

I/9. u. 1 0 .

31

1 0. A N D I E ELTERN, GROSSMUTTER UND GESCHWISTER!

Barcelona, den 1 6 . 11. 2 8 . Liebe Eltern, liebe Großmama, liebe Geschwister ! Ich will wenigstens mal einen Briefbogen anfangen ; ob er voll wird, weiß ich noch nicht ; denn es gibt bald Mittagessen und was dann ist, weiß ich noch nicht. - Ich sitze im Augenblick in meinem Zimmer, das ziemlich groß ist, Y. von dem zu haus, aber nur ein B ett, einen Tisch, 2 Stühle und eine Waschtoilette hat. Alles andere kommt erst. Der Fußboden ist Stein, was für den Sommer sehr angenehm ist und auf dem man Schmutz sofort sieht. Zwei Balkons sind die Fenster, sodaß man wie im Freien sitzt. Es ist heute zwar etwas kühler als gestern, immer­ hin könnte man bei uns im Mai stolz sein auf solches Wetter. Der Himmel ist strahlend blau und ich sehe hinaus auf zwei kleine Straßen mit ganz weißen Häusern ohne Dächer. Unter mir j ohlen und spielen kleine Kinder auf der Straße und Leute ziehen vorbei, die alles mögliche ausschreien. Im ganzen ähnelt das Bild sehr stark dem süditalienischen. Gestern mittag war ich, wie ich schon schrieb, bei Pfarrer Olbricht, wir sahen uns die Kirche an, die recht hübsch I ist, aber weder Glocke noch Turm haben darf. Dann unterhielten wir uns über die Arbeit. Sicher ist zunächst nur, daß ich den Kindergottesdienst übernehme, d. h. eigentlich erst einrichten soll ; das freut mich sehr. Alles übrige muß sich erst entwickeln. Heute früh waren wir auf dem Konsulat und haben alle Leute dort besucht, vom Generalkonsul bis zum Sekretär. Man war überall sehr freundlich aufgenommen ; die nächsten Tage und Wochen werde ich nun zunächst benutzen, viele Leute aus der Gemeinde kennen zu lernen. Pfarrer Olbricht ist groß, schwarzhaarig, Anfang 50, spricht furchtbar schnell und undeutlich, hat glaube ich einen guten Humor, ist sicher ziemlich energisch ; er sieht gänzlich unpasto­ ral aus, und ist auch alles andre als salbungsvoll ; wie er predigen wird, kann ich mir noch garnicht denken, bin aber sehr ge­ spannt. Er ist sehr freundlich und glaubt komischerweise, daß 1 NL A 1 9, 1 (5) : hsl. ; Abdruck : GS VI 1 1 1 f.

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GS VI 1 13

mir alles - Zimmer, Straßen etc. - zu primitiv sein könnte oder müßte und er ist stolz, wenn ich ihm versichere, daß das alles in B erlin auch nicht viel anders sei. Im Sommer werde ich in sei­ nem Haus wohnen. Jetzt will ich mit dem deutschen Grundschullehrer, aus Schwaben, aus Aalen namens Thumm, an den Hafen und weiter. Sonntag bis Dienstag ist Carneval, das werde ich mir natür­ lich ansehen. Sonntag beginnen auch wieder regelmäßig die Stierkämpfe. - Schluß, bald wieder ! Euch Allen herzliche Grüße von Eurem Dietrich. 1 1 . AN PAULA BONHOEFFER'

Liebe Mama !

den 20. 11. 2 8 .

Daß ich so oft Nachricht von Euch bekomme, freut mich im­ mer sehr. Hab vielen Dank für Deinen BrieF - der mich übri­ gens erst Montag erreichte und Freitag um 8-9 Uhr morgens abging - daß bei Euch alles seinen gewohnten Gang läuft, ist für mich - wie wohl auch für Euch - sehr schön. - Zwei Sachen im voraus : gegen Typhus läßt sich hier kaum ein Mensch impfen ; ich bin mit Obst sehr vorsichtig, ebenso mit Wasser. Zweitens schicke mir doch bitte bald das Zeugnis vom Konsistorium ;3 ich möchte was zum amüsieren haben. Ich habe mich nun hier schon angefangen einzuleben, bin be- I reits Mitglied des deutschen Klubs, des Tennisklubs und des Gesangvereins ! Das erste und letzte, um die Leute kennen zu lernen, das zweite zum Plaisir. Mit den offiziellen Besuchen, Konsulat, Presbyterium, und besonders illustre Personen, bin ich fertig. Im Klub habe ich eine derartige Menge von Men­ schen kennen gelernt, daß ich mir nicht viel gemerkt habe. Man 1 NL A 1 9, 1 (6) : hsl. aus Barcelona; teilweiser Abdruck: GS VI 1 1 2-1 1 5 . D 2 Brief der Mutter an B vom 1 6 . 2 . 2 8 (NL C 1 ) mit der Aufforderung zur Typhusimpfung. D 3 Siehe Zeugnis des Ersten Theologischen Examens, 1 928

DBW 9, 1 84 ff.

es VI 1 1 4

lI 1 0 . u. 1 1

33

ist überall aufs freundlichste und zuvorkommendste aufgenom­ men. Es sind fast durchweg Kaufleute, mit denen man zusam­ menkommt, nur die paar Lehrer von der Schule fallen heraus. Die Gesprächsthemata sind naturgemäß zunächst ungewohnt. Heute erzählte mir der Direktor der Deutschen Bank hier, daß auf einem Ball bei . . . 1 0 000 Peseten allein auf die Dekoration verwandt worden wären, wieviel Flaschen Sekt getrunken wor­ den seien und daß es ihn wundere, daß bei wieder anderen Leuten nur 84 Flaschen Sekt getrunken worden seien ; daß auf einem B all im Klub 3 Tänzerinnen von Moulin Rouge einge­ führt worden seien zum Entsetzen aller, und daß der Herr . . . sie eingeführt habe, der überhaupt . . . u. s . f. ; d. h. Kleinstadt mit viel Geld. Immer aber sind es Leute, die viel von der Welt gesehen haben und die, glaub ich, furchtbar gutmütig sind. Man muß mal sehen, wie man an die herankommt. Im übrigen fällt mir gerade ein - ich nehme ganze 240 M ein, sodaß ich sicher gut mit meinem eigenen Geld auskommen werde ; nur die ersten Ausgaben : Klub, Tennis sind etwas teu­ rer. Da ich vom Evangelischen Oberkirchenrat mein Geld noch nicht ganz habe, habe ich heute 1 00 Peseten von der Deutschen Bank abgehoben. Gestern vormittag wurde ich in der Kirche eingeführt. - Der Kindergottesdienst, zu dem Pfarrer Olbricht eingeladen hatte und der j etzt eingerichtet werden soll, mußte ausfallen weil nur ein einziges Mädel erschienen war. Das muß nun besser wer­ den. Olbricht scheint mir etwas garzuwenig Wert auf Kirch­ lichkeit zu legen, vielmehr alles auf privaten freundschaftlich­ gesellschaftlichen Verkehr. Außerdem hat er sich um die jün­ gere Generation der Gemeinde offenbar bisher noch garnicht bekümmert. Religionsunterricht in der Schule gibt es nur bis Untertertia, ich will nun mal versuchen auf irgendeine Wei- I se an die Oberklassen heranzukommen. Ich werde meine Be­ ziehungen zu den Lehrern dafür ausnutzen ; mal sehen, was da wird. Olbricht ist übrigens so etwas Typus Sellin, 4 den ihr doch kennt. 4 Ernst Sellin . Bei ihm schrieb B im WS 26/27 eine Seminararbeit über Hiob,

DBW 9, 452-473 ; zugleich war E . Sellin einer der Promotionsprüfer. Vgl. DB 1 1 5 u. 1 2 8 .

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es VI 1 1 5

I c h habe glaub ich noch garnichts von der Stadt erzählt. Die Stadt selbst ist zunächst das, was man eine schöne moderne Stadt nennt ; breite Straßen schön bepflanzt mit Palmen und anderen Bäumen und mit, im ganzen, guten Häusern. Sie liegt zwischen Meer und Gebirge. Am Gebirge, wo auch wir woh­ nen, liegt der wohlhabende Stadtteil, am Meer - St. Pauli. Die Altstadt ist noch schmutziger als Neapet, 5 ich habe so etwas nicht für möglich gehalten und trotzdem soll es hier so etwas wie eine sociale Frage garnicht geben. Ich war nun schon ein paar Mal am Hafen, der schön wie alle Mittelmeerhäfen ist. Öfter gehe ich nachmittags in die Berge, wo man ganz allein in unglaublich schöner Landschaft laufen kann. Neulich Abend habe ich von dort oben einen Sonnenuntergang gesehen, dessen Farben ich nie vergessen werde. Ein blauer und dann völlig violett werdender Dunst lagerte sich um die Berge und durch ihn hindurch sah man die merkwürdig abgerissenen Konturen des Monserrat, des heiligen Gralsberges schimmern, im Vor­ dergrund standen gewaltige Kakteen und blühende B äume. Der höchste Berg hier in der Nähe, d. h. eine Stunde von meiner Wohnung - liegt 500 und einige Meter hoch und heißt Tibi dabo. Die Leute erzählen sich von dem Berg, - übrigens grade der, auf dem ich den Sonnenuntergang sah - daß auf ihm der Teufel J esus versucht habe und ihm die Welt gezeigt habe und dann gesagt habe : dies alles tibi dabo (will ich Dir geben) . . . 6 und daher der Name komme, und diese Etymologie hat schon ihr gewisses Recht. I So könnte ich Euch noch Viel erzählen, z. B . vom Carneval gestern nachmittag, den wir uns angesehen haben, vom Leben hier auf der Straße, in den Cafes. Davon ein andermal mehr. Doch noch etwas Komisches. Bereits am 2 . Tag, den ich hier war, ist mein Hut Gegenstand des Gesprächs und der Bewun­ derung für die Primaner der deutschen Schule geworden. Der Pastorssohn sei nach haus gekommen und habe auch so einen Hut haben wollen ; das wäre modern und die in der Klasse fänden das auch. Vielleicht führt man sich auf solche Weise hier em.

5 Vgl. US mit Anm. 1 7, S . 23. D 6 Vgl. Mt 4,9;

s.

auch US, S. 24.

es VI 1 1 5

1/1 1 . u. 1 2 .

35

Nun wirklich Schluß. Sabine und Klaus haben mir so nett geschrieben. Ich lasse ihnen einstweilen sehr danken. Ein aus­ führlicher Brief von Großmama kam eben, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich schreibe ihr bald. Laßt es Euch so gut gehen, wie es mir geht. Viele herzliche Grüße an Papa und Dich und das ganze Haus von Eurem Dietrich. Mit der Sprache komme ich so durch. Meine 3 Wirtinnen, übri­ gens nicht alte, sondern junge Damen zwischen 27 und 32, sprechen nur spanisch.

12. AN JULlE BONHOEFFER1

Liebe Großmama.

den 23 . 11. 2 8 .

Obwohl ich eigentlich garnicht soviel Regelmäßiges zu tun habe, sind meine Tage hier derartig ausgefüllt von Unregelmä­ ßigkeiten und allem möglichen, daß ich garnicht so oft zum Schreiben komme ; so komme ich erst heute dazu, Dir für dei­ nen Brief herzli:ch zu danken ; du kannst dir gewiß denken, wie man sich freut über irgendeine Nachricht von zu haus, wenn man so c. 3000 Kilometer von all den Ereignissen abgerückt ist. Gestern und heute bin ich zum ersten Mal allein im Dienst; der Pfarrer Olbricht macht eine Landpartie ; so mußte ich seine Sprechstunde abhalten und was sonst kommt. Die hauptsäch­ lichsten Besuche gelten dem Pfarramt in seiner Funktion als Auskunfts- und Kassierstelle eines Hilfsvereins2 für verarmte und bedürftige Deutsche in Spanien. Da kommen sie aus allen möglichen Schichten an, vom entlaufenen französischen Frem­ denlegionär bis zum verarmten Adel und wollen Arbeit oder lieber noch Geld. Dabei ist es für mich sehr schwer den Leuten anzusehen, wieviel von den Schauergeschichten, die sie erzäh-

1 NL A 1 9,2 ( 1 ) : hsl. aus Barcelona; Abdruck : GS VI 1 1 5 f. 0 2 Siehe I/5, 5 . 23.

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es VI 1 1 6

len völlig erlogen, übertrieben oder wahr ist. D e r Pastor ist kolossal scharf mit den Leuten, ich bring das nicht so fertig und werde wahrscheinlich schon von manch einem hinterm Rücken ausgelacht worden sein, dem ich sein Märchen geglaubt habe. Im übrigen habe ich scheints hier soviel Arbeit, wie ich mir sie mache. Ich könnte, wenn ich Lust hätte, glaub ich, bodenlos faulenzen, werde I aber, soweit ich das übersehen kann, auch allerhand zu tun kriegen können. Ich werde in nächster Zeit predigen, und regelmäßig Kindergottesdienst halten. Über die Osterzeit reist Pfarrer Olbricht, sodaß ich allein hier bin und oft predigen muß ; nach Ostern werde ich dann eben ein biß­ chen fortgehen, hoffentlich mit Klaus3 zusammen ; Meumann4 schreibt, er glaube auch sehr zu kommen ; das wäre ja famos . Zum Klavierspielen (auf sehr schlechten Klavieren) komme ich viel ; gehe sogar mit dem Gedanken um, wenn ich erst ein bißchen mehr Spanisch kann, Stunden zu nehmen. Heute nach­ mittag werde ich zum 1 . Mal wieder Tennis spielen, mit einem sehr netten Lehrer aus der Schule, den ich kennen gelernt habe und einem Herrn, den ich noch nicht kenne. Das Wetter ist heute wieder, nachdem es gestern etwas trübe war, sehr schön. Ein Regentropfen ist, seit ich da bin noch nicht gefallen. - Würdet Ihr mir bitte bald den Schein für meine Kiste5 schicken, ich denke, sie kommt in absehbarer Zeit. Neulich war ich auf einem Ball im Klub, wo ich wieder viel Leute kennen lernte ; die Namen und Gesichter schwirren mir nur so im Kopf herum. Man lernt hier Leute kennen, die von ganz einfachen Anfängen sich aufgearbeitet haben und sich in Formen und in Sprache eine derartige Sicherheit und Gewandt­ heit angeeignet haben, daß man nicht in Deutschland wüßte, wo man sie gesellschaftlich einzuordnen hätte. Es ist einfach ein Stand für sich, der, wie mir scheint, in Deutschland garnicht so existiert, hier aber höchst zahlreich ist. Diese Leute stehen der Kirche wohl ebenso positiv gegenüber wie dem Sport oder wie der deutschnationalen Partei\ nur wenig aktiv. 3 Der Bruder Klaus B. war vom 6 . 4. bis 1 . 6. 1 928 in Spanien. 0 4 Kar! Meu­ mann. 0 5 Gemeint ist die Frachtkiste, s. I/6, S. 2 8 . 0 6 Gemeint ist die im

November 1 9 1 8 als Sammelbecken nationalkonservativer Kreise gegründete Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP), deren Ziel die Wiederherstellung der

GS VJ I 1 7

I 1 1 2 . u. 1 3 .

37

Sonntag werde ich vielleicht i n einen Stierkampf gehen. Bald mehr. Du siehst, mir geht es ausgezeichnet ; ich hoffe nur, daß es dir und Euch Allen ebenso geht. Leb wohl, liebe Groß­ mama, und laß es dir sehr, sehr gut gehen . Herzlich grüßt Dich dein dankbarer Dietrich. Was machen Susi und Walter ?7

13. AN DIE ELTERNl

Liebe Eltern !

6. 3 . 28.

Für Eure beiden Briefe, 2 die ich Sonnabend und Montag be­ kam, danke ich Euch sehr. So bin ich doch über den Lauf der vergangenen ereignisreichen3 Wochen ziemlich im Bilde. - Hier entwickeln sich die Dinge so weiter, wie ich mir es dachte. Man lernt kolossal viel Leute kennen, darunter eine große Zahl wirk­ lich netter und gebildeter Menschen . Allerdings ist hier Bildung etwas ziemlich anderes als bei uns ; mit einigen stehe ich mich schon sehr freundschaftlich, sodaß wir uns abends besuchen oder etwas zusammen unternehmen . Neulich - Sonntags lernte ich bei Olbrichts ein besonders nettes junges Ehepaar kennen, bei dem ich eingeladen wurde ; überhaupt geht es jetzt mit den Einladungen an . I Donnerstag, Freitag und Sonntag ist schon belegt und so wird es wohl weiter gehen. In viele Häuser komme ich durch die Kinder aus der Kirche ; ich besuche möglichst jedes Kind aus dem Kindergottesdienst und dabei natürlich auch die El­ tern . Die Erfahrung von 2\1, Jahren mit Kindern umzugehen,

Monarchie war; sie beanspruchte, die evangelischen Interessen zu vertreten ; am 24. 6 . 1 933 aufgelöst. 0 7 Susanne B . und Walter Dreß ; im Original unterstri­ chen. 1 NL A 1 9 , 1 (7) : hsl. aus Barcelona; Abdruck : GS VI 1 l 6-1 1 8 . 0 2 Vom 29. 2. und 2. 3 . 1 928 (NL C l ) . 0 3 Unter anderem Examen von Klaus B .

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es VI 1 1 7

kommt mir hier ungeheuer zugute ; e s würde sonst, glaub ich, schwer werden, einen Kindergottesdienst " aus dem Boden zu stampfen" ; und grade durch die Kinder wird man schnell in der Gemeinde bekannt. Nachdem das erste Mal l S Kinder kamen, waren es zum zweiten Mal schon 30, sodaß ein gewisser Stamm doch schon da ist. Die Kinder sind hier im Verkehr mit Er­ wachsenen ähnlich wie im Grunewald, d. h. von einer großen Ungeniertheit und Selbstverständlichkeit, 4 dabei aber - wie ich trotz der Klagen fast aller Lehrer finde - gut erzogen. Sehr interessant ist mir auch die Tätigkeit im Hilfsverein, von der ich Euch wohl schon mal erzählte. Ich bin sehr schnell sehr mißtrauisch geworden - nachdem mich nämlich 2 X Leute furchtbar übers Ohr gehauen haben - und es wird garnicht leicht, da die Mittelstellung zu finden. Hier macht eben wohl die Erfahrung fast alles . Gestern hat z. B. der Pfarrer zwei , Da­ men' mit einer Grobheit herausgeschmissen, daß ich ganz er­ schrocken war, Leute, denen ich sicher was gegeben hätte ; nachher stellten sie sich als ganz üble Personen heraus. Wenn der Pastor weg ist, muß ich die Sache allein machen ; das wird viel Lehrgeld kosten - d. h. nicht etwa meines, sondern der Hilfsvereinskasse. Ich spiele viel Tennis mit einem Lehrer aus der Schule, nicht dem, mit dem ich wohne - und zwei anderen Herren, bin zum Musizieren eingeladen, spiele Schach, nur eines fehlt mir sehr - Skat. Das muß man hier eigentlich gut können ; vielleicht lerne ich es noch. Der einzige Gegenstand, den ich zu Haus vergessen habe, sind Frackhemdknöpfe gewesen. Doch braucht man hier nach allgemeiner Ansicht viel Schuhe. So werde ich mir bald noch ein Paar kaufen. Außerdem muß man in dem Tennisklub, in dem ich bin, völlig weiß spielen, sodaß ich mir 6 Paar weiße Socken gekauft habe. Meine grauen Hosen, kann ich nur als Sommer­ anzug verwenden.

4 Vgl. I/S, S . 26.

es VI 1 1 8

lI l 3 . u. 1 4 .

39

Kennst Du, Papa, oder Großmama den Namen Eisenmenger aus Württemberg : hier ist ein Herr, 5 der Verwandtschaft zwi­ schen ihm und mir herausbringen möchte. Schickt mir doch auch meine Zeugnisse bald, ich bin doch nach Euren Andeutungen gespannt. - Klaus soll mir bald und über seine Reisepläne schreiben. - Mir geht es ausgezeichnet. Das Wetter ist endlich wieder in Ordnung gekommen. Im übri­ gen trinke ich fast kein Wasser, obwohl es hier viele tun, son­ dern ausschließlich Wein. Es würde mich auch sehr freuen, mal von Suse und Walter ein Wort zu hören. - Sabine sagt bitte herzlichen Dank für ihren letzten Brief. Ich antworte ihr bald. In der Woche freilich ist viel los. Sonntag muß ich predigen. Ich habe mir den Text Röm I 1 1 , 6a ausgesucht. 6 Zum Lesen komme ich nicht viel. Der Wit­ tig7 gefällt mir ganz ausgezeichnet. Walter und Suse sollen ihn mal zusammen lesen. Nun Schluß. Grüße an Czeppanss und Schleichers9• Ich schreibe ihnen bald mal. Was macht die An­ stellung ? l O Großmama besonders herzlich grüßen. Euer dankbarer Dietrich.

1 4 . AN DIE ELTERN UND DIE GROSSMUTTER1

Liebe Eltern ! Liebe Großmama !

den 1 3 . III. 28

Meine Zeit hier ist schon bald so ausgefüllt, daß ich kaum mehr zum Schreiben komme. Die Nachmittage dieser Woche sind völlig, die Abende zum Teil besetzt. Morgen wird es ein Monat,

5 Eisenmenger war auch Presbyter der Gemeinde. D 6 Siehe IHI2, S. 455. D 7 Siehe I1S, S. 27 mit Anm. 26. D 8 Maria (geb. Horn) und Richard Czeppan ; s. lI16, S. 43 Anm. 2. D 9 Ursula (geb. B . ) und Rüdiger Schleicher. D 10 Es

geht um einen in Aussicht genommenen Wechsel Czeppans an eine andere Schule ; vgl. den Brief der Mutter an B vom 1 2 . 2. 1 928 (NL C I ) . 1 NL A 1 9, 1 (8) : hsl. aus Barcelona; Abdruck : G S V I 1 1 8 f.

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daß ich hier ankam, da wird es dann auch Zeit, daß man sich einlebt. - Sonntag habe ich vor ziemlich voller Kirche meine Antrittspredigt gehalten. 2 Es ging alles gut. Im Kindergottes­ dienst tauchen immer neue Gesichter auf. Wohl darum, weil in der Schule kaum Religionsunterricht ist, sind sie so lebhaft bei der Sache. Daß ich am St. Josephstag3 einen Spaziergang mit ihnen mache, hat sich schon weit in der Kolonie verbreitet. Man ist das hier scheint's nicht gewöhnt. - Sonntag nachmittag wollte ich mehrere Besuche machen, wurde aber bereits von der ersten Familie über die Vesper und von der zw eiten über das Abendbrot dabehalten, sodaß ich einen sehr hübschen Sonntag hatte. Eines ist mir freilich dabei wieder aufgefallen, das mir schon länger unangenehm ist, daß es hier einen furchtbaren Klatsch gibt, daß man unglaublich vorsichtig sein muß, weil es bei der sehr lebhaften und reichlichen Geselligkeit, die hier herrscht, keinen besseren und unerschöpflichen Gesprächsstoff gibt, als neue, unbeschriebene Leute und andere nicht grade Anwesende durchzuhecheln . Es scheint innerhalb der Kolonie viel Parteiung zu geben, wobei man wohl am besten tut - nichts davon zu wissen und sich recht wenig dafür zu interessieren. Gestern bin ich mal wieder einen ganzen Vormittag in der Stadt herumgelaufen und habe mir einige Sachen angesehen, die ich noch nicht kannte. Es ist jetzt in der Fastenzeit, die hier sehr streng beobachtet wird, ein sehr lebhafter Besuch in den katho­ lischen Kirchen. Am Aschermittwoch war hier eine I Prozes­ sion, in der Asche, Knochen, Kinderskelette herumgetragen werden von Priestern in der Uniform der Inquisitionszeit mit den schwarzen spitzen Hauben ; leider habe ich von der Sache erst zu spät erfahren. Olbricht hat nicht viel Ahnung und nicht viel Interesse an solchen Dingen, er meint einfach, das sei Hum­ bug und das genügt ihm. Ich beziehe meine Nachrichten von einem alteingesessenen Presbyter der Gemeinde, sodaß mir künftig nichts mehr entgehen wird. Es gibt hier ganz unglaub­ lich schöne Kirchen, und auch die hübschen Klostergärten, wie man sie aus Italien kennt. Wir hoffen nun wirklich beständiges Wetter zu haben ; heute ist es mal wieder wolkenlos, wenn auch zum Sitzen im Freien ein bischen kühl. 2 Siehe 1II12. 0 3 1 9 . 3 . 1 92 8 .

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1 / 1 4 . u. 1 5 .

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Will Klaus 4 Wochen mit mir reisen ? Ich fürchte, das kann ich nicht gut. 1 4 Tage reisen und 8 Tage hier, das ginge schon ; dann kann ich hier predigen und Kindergottesdienst halten. Pfingsten ist für den Süden der letzte Termin, nachher soll es sehr heiß und unangenehm, auch nicht mehr so schön in den Farben sein. Ich freue mich bis Klaus kommt. Warum schickt Ihr mir eigentlich meine Papiere nicht?4 Ist damit irgendwas los ? - Die 3 0 M lasse ich mir von Olbricht hier geben und hebe dafür nichts ab. Hoffentlich geht es Ursel inzwischen wieder gut. Wann ist eigentlich ihre Zeit da?5 Grüßt sie bitte sehr. Von Walter und Suse höre ich nichts . Klaus sagt sie seien so kolossal beschäftigt. Sabine schreibe ich bald wieder. Grüße auch an Czeppans . 6 Euer dankbarer Dietrich

1 5 . AN SABINE LEIBHOLZt

Liebe Sabine !

Barcelona, den 1 7. IH.

Für Deine Karte schönen Dank ! Du beschwerst Dich so ein bißchen, daß Du wenig von mir hörst. Hast Du etwa meinen letzten B rief nicht gekriegt ? Das täte mir leid. Allerdings bin ich hier zur Zeit sehr in Anspruch genommen durch gesellige Dinge. Alle Nachmittage und sämtliche Abende der letzten Wochen war ich bei immer verschiedenen Leuten zu B esuch oder eingeladen. Vormittags bin ich im Pfarrhaus und arbeite für den Hilfsverein, dessen Sprechstunden vormittags sind, diese Arbeit ist mir sehr interessant, weil man dabei mit den

4 Gemeint sind wohl die Zeugnisse vom Konsistorium, vgl. Zeugnis des Ersten Theologischen Examens : 1 928 DBW 9, 1 84 ff; vgl. auch I/1 1 , S. 32. 0 5 Ursula B . , verh. Schleicher, erwartete ihr drittes Kind Dorothee, das am 4. 5. 1 928 zur Welt kam. 0 6 Maria (geb. Horn) und Richard Czeppan, s. I/16, S. 43 Anm. 2 . 1 N L A 1 9 , 2 ( 1 5 ) : hsl. ; Abdruck : GS V I 1 1 9.

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a) Vikariat in Barcelona. 1 928/29

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allerverschiedensten Leuten zusammenkommt, die n u r eines verbindet : daß sie alle kein Geld haben. - So kannst Du Dir denken, daß ich zum Schreiben nicht allzu viel komme. Du wunderst Dich in Deinem letzten Brief, daß ich in einem " Ge­ sangverein" bin, und glaubst nicht, daß ich da den ganzen Abend " Gott grüße dich"2 singe. Das ist nun doch nicht ganz so (ich habe übrigens den Klavierpart bei der Sache) ; immerhin trifft sich in dem Gesangverein alles mögliche Volk ; das meiste sind Kaufleute, die sich im Laufe der Jahre heraufgearbeitet haben und es bis zu einem gewissen Besitzstand gebracht ha­ ben. Das ist sozusagen Voraussetzung für die Teilnehmerschaft, wie überhaupt hier die Leute nur mit pekuniär gleichgeordne­ ten verkehren, gleichgültig welchem Bildungsstand sie angehö­ ren. Unsereiner hat den Vorzug überall zugelassen und sogar gern gesehen zu sein, weil die Beziehung zur Kirche noch ein gewisses geistiges Interesse offenbart. Mir fällt immer mehr auf, daß die Emigranten, Abenteurer und Unternehmungslustigen, die aus Deutschland weggehen, verdammt materialistisch eingestellt sind und einen irgendwie geistigen Schwung durch ihren Aufenthalt im Ausland nicht bekommen haben ; das gilt auch von den Lehrern . Ich werde mit der Zeit mit der Gemeinde gut bekannt, besonders mit den Kindern und durch sie bei den Familien ; zum Arbeiten für mich komme ich bisher sehr wenig. Wenn Du den Brief kriegst, sind es 6 Wochen, daß ich von zu haus weg bin. Die Zeit rast. Wann kommt Ihr nach Italien ; macht doch eine Fahrt über Korsika nach Mallorca, wo ich Euch dann besuchen komme. Das wäre ganz famos . Schluß ich muß noch fort u n d mich dann für morgen - Sonn­ tag vorbereiten. 3 Laßt es Euch allen gutgehen. Ich denke sehr oft an Euch Alle. Euer Dietrich.

2 Gedicht von Julius Sturm ( 1 8 1 6-1 896), ( 1 8 1 9-1 863). D 3 Predigt ist nich t erhalten.

vertont von Franz Mücke

43

I/ 1 5 . u. 1 6 . 1 6 . AN MARIA UND RICHARD CZEPPAN1

Liebes Hörnchen, lieber Richard !2

Barcelona, den 20. IH. 2 8

Durch Herrn Meumann erfahre ich, daß Ihr am 24. taufen wollt. Da sind denn meine Gedanken schnell zu Euch hinüber­ geflogen, - schneller als ich von der Wangenheimstraße zu Euch herüberkommen kann - an die Wiege von Eurer Inge,3 deren richtiger Patenonkel ich j a nun in wenigen Tagen bin. Zunächst habt dafür noch einmal vielen Dank, daß Ihr mir durch die Patenschaft besondere Rechte an der Inge anvertraut habt; nun ist das ja ohnehin schon recht feste B and, das uns verknüpft, noch ein ganzes Stück fester geworden ; und das freut mich sehr. Wie schön wird es sein, wenn erst die Inge als Vierte mit an dem Nachmittagskaffeetisch dabei sitzt, an dem wir bisher so oft zu dritt zusammensaßen, wenn sie anfängt zu erzählen und zu fragen, wenn sie dann anfängt, Geige zu spie­ len - das sollte sie doch ? - und so eines nach dem Anderen. Wenn ich in die Zukunft denke, so kann ich mir wohl vorstel­ len, daß sie, wenn sie ein Stück von Deiner Lebensfreude und von Deiner Kunst, das Leben zu führen und zu meistern, liebes Hörnchen, und ein Stück von Deiner Lust und Begierde die Welt zu sehen, wie sie ist und war, lieber Richard, und schließ­ lich ein Stück von der Euch beiden gemeinsamen Liebe zur Musik und nicht zuletzt von Eurer Energie und Zähigkeit, die Dinge zu zwingen, - wenn sie von all dem ein Stück abbekom­ men hat, daß sie dann der Dinge, die ihrer warten, aufs B este Herr werden wird in einem reichen und harmonischen Leben. Daß es grade am Tauf tag noch andre Gedanken sind, die mich für Euer Kind bewegen, werdet Ihr euch besser denken kön­ nen, als ich es Euch schreiben kann. Für mich ist die Taufe mehr als symbolisches Zeremoniell und grade darum hätte ich selbst so gern damals die Inge getauft. Nun, wo das nicht so 1 NL A 1 9 , 2 ( 1 8) : masch. Abschrift ; Original nicht auffindbar. D 2 Maria

(geb. Horn) und Richard Czeppan . Maria Horn, die langjährige Erzieherin der Kinder im Hause B . , hatte 1 923 den Studienrat Richard Czeppan, B's Lehrer in den klassischen Sprachen, geheiratet. D 3 Inge Czeppan, geb. 2 7. 1 2 . 1 927.

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a) Vikariat in B arcelona. 1 92 8/29

geworden ist, bleiben mir doch viele, viele treue Wünsche - die mir auch die Kirchenbehörde kaum nehmen können wird. 4 Lange habe ich Euch auf Nachricht von mir warten lassen ; für Euren lieben Gruß danke ich Euch herzlich. (Für die grie­ chische Karte wird sich eine Revanche noch finden ! ) . - Aber Ihr werdet von zu Hause gehört haben, daß meine Zeit hier dermaßen ausgefüllt ist, daß ich zu den notwendigsten Dingen kaum komme. Das ist einerseits schön, andererseits gegenüber all denen, denen man B riefe versprochen hat, unangenehm. Nun, Ihr werdet mir's nicht nachtragen. Wieder einmal hat das Wetter umgeschlagen und es ist regne­ risch und kühl. Hier ist man darüber einfach entrüstet. Andere sagen, das sei j edesmal so - die Leute scheinen selbst nicht allzu gen au zu wissen, wo sie leben. - Wenn es schön ist, gehe ich oft in die umliegenden Berge. Der Montserrat ist doch immerhin eine 1-2 Tagestour, die ich bis j etzt noch nicht gemacht habe. Doch sehe ich ihn immer vom Kamm unserer B erge in seinen merkwürdigen Konturen im blau-violetten Dunst in der Ferne liegen. Am 2. und 3. Ostertag gehe ich mit Kindern aus dem Kindergottesdienst dorthin. Das wird sicher sehr hübsch. Im Stierkampf war ich noch nicht. Man soll erst hingehen, wenn es richtig heiß ist, dann sind die Stiere erst richtig wild. Der schlechte Bogen ist schon wieder [zu] Ende. - Darum Schluß. Wie schade, daß ich am 24. nicht bei Euch sein kann ; ich werde sehr zu Euch herüber denken. Laßt es Euch gutgehen. Alles Gute für Eure Kleine. Von Herzen grüßt Euch Euer Dietrich. Verzeiht das wüste B riefpapier !

4 Vgl. die Bescheinigung über die Aufnahme in die Kandidatenliste : 1 928

DBW 9, 1 88 , wo es heißt: " . . . wird demselben hiermit die Erlaubnis zur Vor­ nahme geistlicher Amtshandlungen mit Ausnahme der Verwaltung der Sakra­ mente (einschließlich der Beichte), der Trauung und der Konfirmation . . . er­ teilt. "

es VI 120

l/1 6 . u. 1 7.

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1 7. AN KARL BONHOEFFER1

Lieber Pap a !

Barcelona, den 24. IH. 2 8

Z u deinem 60. Geburstag gratuliere ich Dir sehr. I h r werdet ihn ja nun frei von allem Trubel in Ruhe feiern. Hoffentlich be­ kommt dann das nächste Jahr etwas von der Ruhe, mit der es beginnt ; das wünschte ich dir sehr. Der Genfer See2 ist hoffent­ lich an deinem Geburtstag frühlingsmäßiger, als wir es nun schon eine ganze Weile haben, sodaß Ihr Euch recht erholen könnt von vergangenen und für kommende Dinge. Ich schicke dir ein Buch, von dem ich allerdings nicht weiß, wieweit es einen interessiert, wenn man Barcelona selbst nicht kennt. Immerhin lockt es Euch vielleicht doch noch mehr hier­ her, und gibt es Euch ein Bild von der Umgebung, in der ich lebe. Eine andere Sache, die ich gern gehabt hätte, suche ich nun schon seit 14 Tagen in der Stadt an allen Ecken und Winkeln und kriege sie nicht, wie ich sie will. Vielleicht habe ich aber doch noch Glück, dann schicke ich es bald und will mich noch nicht verraten. Heute nachmittag, wo ich mit einem Lehrer und ein paar Schülern in die Berge wollte, regnet es mal wieder, so bleibe ich zu Haus und mache meine Osterpredigt ;3 auf diese Weise komme ich auch einmal zu einem ruhigen Nachmittag, den ich seit wohl 14 Tagen nicht mehr hatte. Wo ich nun einmal Besu­ che angefangen habe zu machen, muß das Schlag auf Schlag gehen, damit es keine Verstimmungen gibt. Dabei wird man aber von den Leuten immer so lange aufgehalten - was ja auch wieder sehr nett ist - daß man garnicht recht vom Fleck kommt. Die Abende der vergangenen Woche waren durchweg besetzt mit Einladungen und anderem. Ein großes Laster der Leute hier ist, daß sie grenzenlos lang hocken ; vor 1 Uhr nachts hört 1 NL A 1 9, I (9) : hsl. ; teilweiser Abdruck : GS VI 1 20 f. D 2 Die Eltern planten einen Urlaub am Genfer See, der am 26. 3. 28 beginnen sollte (Brief der Mutter an B vom 1 5 . 3 . 28 [NL C I ]) . Der Brief der Mutter vom 20. 3 . 28 (NL C I ), der die Änderung der Reisepläne mitteilte, lag B noch nicht vor. Vgl. auch 11 1 9 , S. 47. D 3 Siehe 1ll/3 .

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GS Vf 121

eigentlich kein abendliches ganz gewöhnliches Zusammensein auf. Da kommt einem das Aufstehen um 8 Uhr noch recht früh vor. Die Spanier sind scheint's im Schlaf ebenso bedürfnislos, wie im Essen ; vielleicht hängts auch zusammen. Unsere spani­ schen D amen essen wie die Spatzen, nicht nur in der Quantität, sondern auch fast in Qualität. Ein Mittagessen entsteht bei de­ nen in 1 0 Minuten ! Von der Suppe bis zum Kompott. Das ist nicht immer ganz nach unserem Geschmack. Wenn Ostern gutes Wetter ist, so fahre ich am Montag bis Mittwoch auf den Monserrat und nehme eventuell ein paar von den größeren Kindern mit. Allmählich zieht es mich doch mächtig, ein Stück von der Um­ gebung kennen zu lernen. Ich werde wohl auch Gelegenheit ha­ ben mit Eltern von Kindern aus der Kirche, weitere Autotouren durch das Land zu machen ; das kann gewiß sehr hübsch werden. Am Sonntag will ich nun, wenn das Wetter es irgend zuläßt, endlich einmal in den Stierkampf; die angemeldete Corrida4 soll besonders gut sein und sonst komme ich sobald nicht wieder dazu. Vergangenen Sonntag war ich eingeladen bei Leuten, die ei­ nen netten, aber scheints nicht normalen Jungen haben, der sich schwer konzentrieren kann und für seine 12 Jahre noch ziem­ lich geistig im Rückstan d ; der soll nun für irgendetwas I interes­ siert werden . 5 Ich hörte, daß die mich bitten wollen das zu machen. Ich weiß noch nicht recht. Die Familie ist sehr nett und hat viel Verkehr, so wäre das vielleicht insofern günstig. Übrigens habt Ihr mir neulich mit dem Lehrer, der bei mir wohnt, einen vergnügten Nachmittag gemacht durch die Zeug­ nisse vom Konsistorium. 6 Ich habe immer wieder darüber losla­ chen müssen. Nun Schluß . Ich wünsche Euch schöne, ruhige, sonnige Tage und einen fröhlichen Geburtstag. Es grüßt Dich sehr dein dankbarer Dietrich 4 Dt. : " Stierkampf" . 0 5 Wahrscheinlich erste Begegnung mit der Familie

Köneren-Köttgen. Der Sohn, Karl-Hcinz Köttgen, wird in der Folgezeit von B intensiv betreut und steht noch bis 1 9 3 1 in Kontakt mit B (v gl. auch die Briefe in NL C 1 3 ) . Er fiel 1 944 in Rußland. 0 6 Siehe Zeugnisse des Ersten Theologischen Examens: 1 9 2 8 DBW 9, 1 84 H.

es VI 1 2 1

I/1 7.-19.

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1 8. A N D I E ELTERNJ

Liebe Eltern ! Jetzt, wo Klaus bald zu kommen scheint, möchte ich Euch noch fragen, wieviel ich für die Reise, die wir vorhaben, brau­ chen kann. Leider ist es hier ja nicht billig, auch die Bahn nicht. Von den 1 000 Peseten habe ich 1 5 0 abgehoben ; heute sah ich mit Schrecken, daß ich überhaupt keinen Berganzug mithabe und daß [wir] gerade für die nächsten Tage und Wochen viel vorhaben. Da Klaus schon weg ist, habe ich mir für etwas über 1 00 Peseten einen gekauft, der auch für den Sommer gut ist. Ich verstehe absolut nicht, wie ich den Tourenanzug gerade verges­ sen konnte. Ich habe keine kurze Hose, keine Strümpfe. So sind also jetzt 250 Peseten abgehoben. Ich habe mir auch schon mal Tennissachen, Strümpfe, Schlipse und ein Hemd davon gekauft. Hier zerreißt alles furchtbar, auch die Schuhe. Sonst ist's immer noch schön. Euer dankbarer Dietrich

1 9 . AN DIE ELTERNJ

Liebe Eltern !

Barcelona, den 1 1 . 4. 2 8

Ich danke Euch sehr für Eure Briefe. Durch sie und durch Klausens Erzählungen habe ich ja nun nachträglich ein Bild bekommen, wie Ihr die l etzten Tage in B erlin und Hamburg gefeiert habt2 und es ist mir jetzt erst recht schmerzlich gewe­ sen, daß ich an diesen schönen Tagen nicht mit Euch zusammen war.

1 NL A 1 9 , 1 ( 1 0) : hsl. Postkarte aus Barcelona; Poststempel : 3 . 4. 1 92 8 . 1 NL A 1 9, 1 ( 1 1 ) : hsl. ; teilweiser Abdruck: GS VI 1 2 1 f; Nachsatz von Klaus B . 0 2 Den Geburtstag des Vaters, vgl. I1 1 7.

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GS VI 122

Daß Euch Glotterbad3 befriedigt, ist sehr schön . Einen schö­ nen Tannenwald mal wiederzusehen, hätte ich auch garnicht wenig Lust, obwohl es ja hier längst nicht so wald arm ist, wie in Italien. Klaus kam am Karsonnabend früh. Ostersonntag vormittag hatte ich zu predigen, am Nachmittag hat uns ein deutscher Lehrer in die große Ostercorrida4 geschleift. Ich hatte schon vorher mal eine gesehen und kann eigentlich nicht sagen, daß ich von der Sache so abgeschreckt wäre, wie viele Leute meinen, es ihrer mitteleuropäischen Zivilisation schuldig sein zu müs­ sen. Es ist doch eine große Sache wilde ungehemmte Kraft und blinde Wut gegen disziplinierte Courage, Geistesgegenwart und Geschicklichkeit ankämpfen und unterliegen zu sehen. Das Moment der Grausamkeit spielt doch nur eine geringe Rolle, zumal im vergangenen Stierkampf zum ersten Mal die Pferde Bauchschutz hatten, sodaß die entsetzlichen Bilder aus meiner ersten Corrida fehlten. Interessant ist doch, daß es einen langen Kampf gekostet hat, ehe man durchsetzte, den Pferden diesen Bauchschutz zu geben. Es ist eben wohl doch die Mehrzahl der Zuschauer, die einfach Blut und Grausamkeit sehen will. In dem Ganzen tobt sich ein gewaltiges Stück Leidenschaft bei den Leuten aus, in die man selbst mit hineingezogen wird. Ich denke, es ist kein Zufall, daß im Lande des düstersten und schroffsten Katholizismus grade der Stierkampf unausrottbar festsitzt. Hier ist der Rest uneingeschränkten, leidenschaftli­ chen Lebens und I vielleicht ist es der Stierkampf, der, grade indem er die ganze Seele des Volkes in Aufwallung, ja zum Toben bringt, eine im übrigen Leben relativ hochstehende Sitt­ lichkeit ermöglicht, weil die Leidenschaft mit dem Stierkampf abgetötet wird, - sodaß die sonntägliche Corrida das notwen­ dige Pendant zur sonntäglichen Messe wäre. Montag und Dienstag waren wir auf dem Montserrat, Klaus natürlich mit. Ich freue mich, bis Ihr kommt, und ich ihn Euch zeigen kann. 5 Er hat etwas verzaubert Bizarres und Unwahr-

3 Kuranstalt Glotterbad in Oberglottertal im südlichen Schwarzwald bei Frei­ burg im Breisgau. 0 4 Siehe auch lI20, S. 50 f. 0 5 Die Eltern besuchten B vom 1 9 . 9. bis 7. 1 0 . 1 928 in Barcelona.

es VI 1 22

I/19.

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s cheinliches in seiner ganzen Formation. Es waren zwei sehr :5chöne Tage. Nun planen wir unsere Reise nach dem Süden und da hat Klaus mich etwas erschreckt mit der Nachricht, er solle das Geld für die Reise und den spanischen Aufenthalt hier am Ak­ kreditiv6 abheben. Die Sache liegt kurz so. Ich hatte hier 1 000 Pes . 720 M. Davon hob ich ab 400 Pes . ; davon gingen 120 Pes. auf den Sportsanzug7 (der aber sehr anständig ist und hier so billig gilt, daß j emand anders sich auch schon so einen ma­ chen läßt) c. 80 Ps. auf unsere Montserrattour (d. h. täglich j e­ der 1 5 Mark mit Fahrt) ferner auch Tennisclub und -schläger, -strümpfe über 1 00 Pes . , dann muß ich allerlei B eiträge zahlen, allerlei kaufen, wie Schlipse, sodaß also die 400 Pes. im Laufe der Zeit einfach so hinausgingen, obwohl ich hier täglich mit dem Gehalt auskomme. Hier sind also noch 600 Pes. d. h. 450 M . Die Reise nach dem Süden und zurück sind 3000 km und kosten pro Nase c. 225 M. Wenn wir die ganze Reise 3. Klasse machen wollten, würden wir etwa 75 M sparen, aber sehr viel Zeit auf den furchtbar langsamen B ahnen verbringen, oft schöne Stunden nachts fahren müssen etc. Für den Aufent­ halt braucht man wohl am Tag durchschnittlich 10 M, 1 8 Tage 1 80 M, sodaß das Ganze für j eden sich eben auf etwas über 400 M . stellen würde. Habt Ihr das Euch auch ungefähr so vorgestellt oder anders ? Schreibt doch bald darüber, damit wir uns einrichten können, Klaus hat j a noch 500 M da, sodaß wir so losreisen könnten, wenn es Euch recht ist, aber besser wäre es wohl, Ihr könntet das Akkreditiv erhöhen, (augenblicklich wegen niedrigem Pes. stand sehr günstig) und Klaus sein schweizer Geld für die Schweiz aufheben. Wenn Ihr bald schreibt, wäre uns das wegen aller Vorbereitungen sehr recht, die wir erst dann anfangen können, und wir wollen doch schon am 2 3 . früh fahren. Ich denke die Fahrt in den Süden wird um diese Zeit etwas ganz unglaublich Schönes und freue mich schon sehr ein Stück mehr von dem Land zu sehen, über das man sich so allmählich anfängt klar zu werden. =

=

6 Ein " Akkreditiv" ist ein in Laufzeit und Höhe begrenzter Kreditrahmen, der von der deutschen an die spanische B ank mitgeteilt werden mußte. D 7 U. L.

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Ich wünsche Euch viel schönes Wetter und ruhige Zeit in Glotterbad. Es grüßt Euch herzlich Euer dankbarer Dietrich. Von der 3. Klasse in der Eisenbahn wird mir übrigens von allen vernünftigen Leuten, so auch vom Pastor wegen des Dreckes sehr ab geredet. Es sei hier ganz unüblich, daß anständige Leute 3. Klasse fahren. Viele Grüße auch von mir. Ich schreibe in den nächsten Tagen Euer dankbarer Klaus .

20. AN SABINE LEIB HOLZ 1

Liebe Sabine.

Barcelona, den 22. IV. 2 8 .

Für Deinen letzten Brief hab vielen Dank ! Während Ihr in aller Ruhe Ostereier gesucht habt, bin ich mit Klaus und einem Be­ kannten im Stierkampf gewesen. Klaus hat j a wohl schon einen ausführlichen Bericht davon gegeben. Ich war ganz erstaunt, wieviel kaltblütiger ich das zweite Mal der Sache schon gegen­ überstand, als das erste und ich muß sagen, daß ich doch von ferne ahnen kann, daß ein Reiz in dem Ganzen liegt, der es einem zur Leidenschaft werden läßt. Über das Sensationell­ Grausame sieht man doch bei jedem Stier schneller hinweg das mag j a eine , Verrohung' sein, läßt einen aber doch dem Wesen der Sache näher kommen und mehr Verständnis entge­ genbringen. Außerdem ist mir noch nie der Umschwung vom , Hosianna' zum , Kreuzige ! ' so gegenwärtig geworden, wie in dem geradezu irrsinnigen Toben der Menge, wenn der Torero eine gute Wendung macht und dem unmittelbar darauffolgen1 NL A 1 9, 2 ( 1 6) : hsl. ; Abdruck : GS VI 1 22-124 ; vgl. auch NL Anh A 5 ( 1 3 ) : masch. Abschrift.

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den ebenso irrsinnigen Schreien und Pfeifen, wenn irgendein Mißgeschick zustößt. Der Augenblickscharakter der Massen­ stimmung geht so weit, I daß dem Stier gegen den Torereo ap­ plaudiert wird, wenn etwa der letztere feig sein sollte und ihm was man j a eigentlich verstehen kann - auch nur für einen Augenblick die Courage entfällt. Vom Montserrat habt Ihr auch schon gehört ; so will ich Euch noch kurz - da du es j a willst - vom Alltäglichen erzäh­ len . 2 Während der Abwesenheit des Pfarrers hatte ich die Sprechstunde für den Hilfsverein allein zu halten morgens von 9-1 1 Uhr ; meist ist das kein sehr erfreulicher Anfang des Tages - wenn auch sehr instruktiv und interessant. Man wird eigent­ lich dauernd belogen, - was man dann erst nachher herauskriegt - und selten gibt es einen Fall, wo man wirklich gern und mit gutem Gewissen hilft und das ist eigentlich schade . Nach dieser Sprechstunde bin ich eigentlich für den Tag frei, das heißt aber wirklich nur " eigentlich" , denn faktisch läuft es meist so, daß ich abends um 1 Uhr nach Hause komme, von irgendeiner Einladung oder Sitzung etc. und feststelle, daß ich wieder einmal nicht zum Schreiben und zum Lesen, zum Spa­ nischlernen und zum Arbeiten sonst gekommen bin. Die meiste Zeit geht auf Gemeindebesuche, Gesunde und Kranke und da erlebt man, besonders bei den letzteren, oft sehr Schönes . Hat man mal einen Nachmittag oder Abend frei, so geht man gern in die Stadt in das Hauptcaffe, um ein bißchen andere Bilder aufzunehmen und trifft dort meist irgendeinen B ekannten, mit dem man dann zwei oder drei Stunden verschwatzt, so daß es entweder Abendessenszeit - das heißt Y, 9 - geworden ist oder Schlafengehenszeit - das heißt hier 1 bis Y, 2 Uhr -. Zum Musizieren komme ich Montag im Gesangverein - wo ich den Klavierpart habe - zu Haus nicht viel, sonst immer nur zum Vorspielen, nicht zum ernsthaften Musizieren - auch dazu sind die Leute hier zu stumpfsinnig. Denn stumpfsinnig sind die Menschen hier weitgehendst wirklich über die Maßen, die Al­ ten wie die I Jungen - das heißt eben in allen anderen Dingen

2 Der Übergang im Numerus ist typisch. Auch an einzelne gerichtete Briefe

sind immer zugleich für die mitlesendc Familie bestimmt.

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außer in ihrem Geschäft. Dabei sind sie nett und man kommt glänzend mit ihnen aus und man läuft sich seine akademischen Hörner hier sehr schnell stumpf. Es ist doch so, daß es eine Ausnahme ist, wenn ein Junge von 14 Jahren aufwärts irgendein eigenes Interesse hat. Man liest Magazine, wenn man über den , guten Kameradd heraus ist und - turnt. Außerdem nehmen das baskische B allspiel4 und Tennis den Rest der Zeit, in dem ein Junge sich Gedanken machen könnte. Es ist doch charakteri­ stisch, daß ein j etzt Konfirmierter mich neulich ganz verwun­ dert und ahnungslos anstaunte, als ich ihn fragte, ob im Konfir­ mandenunterricht Schwierigkeiten mit dem apostolischen Glaubensbekenntnis entstanden seien : Was ich denn meinte ? Und ob es da überhaupt Zweifel gebe?5 Was nicht unumgäng­ lich überlegt werden muß, wird beiseite geschoben ; das schlimmste wäre ein Gedanke zuviel. Das ist ein Bild meines gegenwärtigen Lebens ; ich bin gerne und mit immer neuem Interesse hier, ob ich es länger als ein Jahr aushielte - das weiß ich allerdings nicht ! Nun Schluß ! Morgen geht's auf die Reis e . 6 Grüß Großmama und sag ihr, ich schreibe nun gewiß ganz bald. Heute gießt es, was es kann. Bei Euch ist Schnee ? Hoffentlich ist's südlich besser. Über Rüdigers7 Brief habe ich mich ganz besonders gefreut. Danke ihm bitte herzlich. Euch dreien8 Alles Gute ! Von Herzen Euer Dietrich.

3 Der gute Kamerad. Illustriertes Knaben-Jahrbuch. D 4 Gemeint ist das bas­

kische Nationalspiel " Pelota" . D 5 B ist darin ein Schüler Harnacks, daß ihm das Apostolikum als Bekenntnis nicht ausreicht. Vgl. dazu DBW 1 (SC), 1 34 mit Anm. 220 und später aus der Hörernachschrift der Vorlesung " Das Wesen der Kirche", 1 93 2 DBW 1 1, 283-285. D 6 Beginn der Reise mit dem Bruder Klaus B. D 7 Rüdiger Schleicher. D 8 Gemeint sind Sabine und Gerhard Leibholz sowie deren Tochter Marianne (geb. 30. 6. 1 927) .

es VI 125

I/20.-22.

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2 1 . AN lUllE BONHOEFFER1

Liebe Großmama ! Da ich heute doch nicht mehr zu längerem Schreiben komme, einen herzlichen Gruß aus Madrid, wo wir seit 3 Tagen sind. Heute abend gehts nach Toledo . Jetzt noch auf 2 Stunden in den Prado, wo unter vielen besonders schönen Bildern mir das umstehende2 ganz besonders gefiel. Gestern waren wir den Tag über im Eskorial,3 der einen I mit unglaublicher Gewalt in die Zeit des 1 6 . Jahrhunderts hineinzieht. Bei Hubers4 sind wir hier aufs herzlichste aufgenommen worden. Ich habe hier (für 7 M) ein wunderschönes altes süd­ spanisches Christusbilds gekauft. Gruß an Alle. Dein dankbarer Dietrich

22. AN DIE ELTERN1

Liebe Eltern !

30. IV.

Seit gestern sind wir in Sevilla und scheinen nun auch beständi­ ges Sonnenwetter zu bekommen. Gestern nachmittag haben wir ganz unerwartet eine Königscorrida erwischt, die mit un­ glaublicher Courage gespielt wurde. Auf dem Bild ist die Ka­ thedrale, d. h. ursprünglich Moschee von Cordoba, die uns ei­ nen großen Eindruck gemacht hat. Morgenland und Abendland begegnen sich hier sehr merkwürdig, je südlicher, je mehr.

t NL A 1 9,2 (2) : hsl. Postkarte aus Madrid, Poststempel : 26. 4. 1 92 8 . 0 2 " San Benito" von EI Greco. 0 3 Escorial, der 48 km von Madrid entfernt liegende Klosterpalast San Lorenzo, 1 563-1 584 im Auftrage Philipps I1. erbaut. 0 4 U. L. 0 5 Wahrscheinlich der " kostbare südspanische Wandteppich mit ei­ nem Christusbild" (DB 1 3 7), der später über B's Schreibtisch in Finkenwalde hing. t NL A 1 9, 1 ( 1 2 ) : hsl. Postkarte aus Sevilla, Poststempel : 30. 4. 1 928 ; teilweiser Abdruck : GS VI 1 2 5 .

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Sämtliche Wohnungen sind hier nach arabischen Mustern ge­ baut, ich glaube, es würde Euch doch auch sehr gut gefallen. Uns geht es in j eder Richtung ausgezeichnet. Klaus grüßt mit mir. Bald wieder ! Euer dankbarer Dietrich

23. KLAUS BONHOEFFER AN DIE ELTERN! Tetuan den 5 Mai 1 92 8 . Liebe Eltern. Von unserem Aufenthalt in Sevilla habt Ihr von Dietrich wohl noch nichts gehört. Ich will also da anfangen. In Toledo haben wir uns leider nur kurz aufgehalten. Die Witterung war sehr rauh. So hofften wir in der andalusischen Ebene mehr Sonne zu finden und strebten nach Süden, nach Sevilla. Tatsächlich war auch schon in C6rdoba die Luft milde. B erauschend war der Duft der Orangen. Die Rosen, Nelken, Levkoyen, Glyzinien blühten in un­ glaublicher Üppigkeit auf den Plätzen und B alkons. In j edem Haus sah man von außen durch gut geschmiedete Eisengitter in den vOn der Decke bis zum Boden mit bunten Kacheln ausgelegten Innenhof mit Palmen und wundervollen Blumen. Die Sonne wechselte aber auch hier noch ab und zu mit warmen Regenschauern ab und der Guadal­ quivir trieb gelben Schlamm mit sich. Nach Sevilla fuhren wir durch weite V iehweiden, riesige Feldblumenwiesen, wie ich sie in solcher Lieblichkeit noch nie gesehen habe. Darauf Ölbäume, Korkeichen und den B ahndamm entlang 2-3 m hohe Agaven und Feigenkaktus. In Sevilla gingen wir gleich in den Stierkampf. Es war gedrängt voll, sodaß ich beim photographieren schwer gehindert war. Trotzdem mußte ich noch eine Gruppe von jungen Leuten hinter uns knipsen, trat dabei meinem Vordermann in den Rücken, was er nicht übel nahm, und mir sogar eine Zigarette daraufhin anbot. Uns gegenüber saß der König, die Königin,2 die Infanten und Primo de Rivera. 3 Die Toreros waren wegen der Anwesenheit des Königs besonders waghal­ sig. Einen bekam der Stier zwischen die Hörner und warf ihn zu

1 Im Besitz von Emmi Bonhoeffer: hsl. D 2 Alfons XIII. und Victoria Eugenie von B attenberg. D 3 Miguel Primo de Rivera y Orbaneia, hatte 1 923 eine Militärdiktatur errichtet, mußte 1 930 zurücktreten .

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Boden. Der Stier ließ sich jedoch durch die roten Tücher der übrigen, die sofort deckten, ablenken, obwohl er schon einmal nach unten zu­ gestoßen hatte. So ging es ohne gefährliche Verletzungen ab. Das Pu­ blikum - auch in der Königsloge - hatte den Vorfall sofort vergessen. Der König hat ein sehr wenig offizielles und ganz sympathisches Auf­ treten. Mehr wie ein eleganter und liebenswürdiger Kronprinz. Auf einem Ausflug stießen wir auf ein Klubhaus, wo er mit seinen Granden Tauben schoß . Wer wollte, konnte herantreten und zusehen, sodaß Meumann sich schon einfach dazu setzen und einen " Cafe verkehrt" 4 bestellen wollte. Auf den Straßen in Sevilla tragen die Frauen und Mädchen etwa 20 cm hohe Kämme mit einem schwarzen Schleier darüber, häufig noch feuerrote Nelken oder Rosen im schwarzen Haar. Es fällt wirk­ lich auf, wieviel hervorragend schöne und gut gekleidete Mädchen man in Sevilla sieht. - Die Männer tragen einen hohen runden Hut mit breiter Krempe. Unbedingt gehören zum Straßenbild die Straßenjun­ gen, die einen in Scharen sehr zudringlich aber possierlich um "una perrita", eine kleine Hündin, d. h. ein 5 centimes Stück anbetteln . Die Kinder werden von den Eltern, als gute Katholiken, einfach in die Welt gesetzt, ohne daß diese sich Gedanken machten, wer sie ernährt. So müssen die Kinder sich eben durchbetteln. Von Sevilla sind wir nach Algeciras und von dort nach Gibraltar gefahren. Gibraltar liegt zwar nicht unmittelbar auf dem Südzipfel von Spanien, bildet also nicht eigentlich die Meerenge. Trotzdem beherr­ schen die unmittelbar vom Meer aufsteigenden, steilen Felsen die ganze Gegend bis nach Marokko . Die Engländer scheinen sich ihrer Sache dort sehr sicher zu sein. Wir kamen ohne Paßkontrollen nach Gibraltar, konnten unbehelligt die Felsen bis zu Y. Höhe besteigen, passierten dort riesige B etondecken - wohl Munitionslagerräume und Küstengeschütze, an denen exerziert wurde. Die Affen, die dort, als einzige europäische Vertreter der Art, lebten, sind leider vor ein paar Jahren ausgestorben . Von Algeciras sind wir nach Marokko in vier Stunden übergefah­ ren. In Tetuan - der Brief wurde unterbrochen ; wir sind inzwischen in Granada - sahen wir im Araber- und Judenviertel rein orientalisches Leben, das für uns Europäer immer etwas merkwürdig geheimnisvol­ les hat. Selbst im einfachen Straßenhändler wittert man oft noch ein Stück der alten Kultur, die in den gemessenen Bewegungen und der ruhigen Rede zum Ausdruck kommt. Wenn man die B ettler am Stra­ ßenrande laut Koransuren klagen hört, läuft es einen kalt über. Man 4 Milchkaffee (Cafe au !ait) .

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glaubt die unerhört ausdrucksvoll artikulierten Verse zu verstehen. Wir sahen den Kalifen unter einem Baldachin zur Moschee reiten. Er grüßte das Volk von seinem prachtvollen, pompös geschirrten Pferde mit so merkwürdig menschenfreundlichem, milden fast femininen Lä­ cheln, wie es sicher nie ein europäischer Fürst getan hat. Ich hoffe, daß ich Euch durch meine Photographien ein ungefähres Bild von Allem geben kann . Im übrigen, dem Aprilwetter sind wir selbst in Marokko nicht entgangen. Von Granada, wo wir vor ein paar Stunden angekom­ men sind, schreibe ich später. Nun noch etwas anderes ! Ich habe mich in Madrid auf dem Trödel­ markt als Bilderspekulant betätigt und ein mir sehr gut und interessant scheinendes Ölbild Picasso gezeichnet gekauft. Es ist etwa 60 x 80 und stellt eine Degenerierte beim Aperitiv (Absinth?) dar. Es ist fran­ zösische Manier auch französisches sujet und scheint mir echt und recht wertvoll zu sein. Vor dem Weiterverkauf will ich erst genaue Erkundigungen einziehen. Eventuell schicke ich das Bild nach Berlin . 5 Ich habe mich deshalb von der Schweizerischen Kreditanstalt in Höhe von 300 fr. in Madrid akkreditieren lassen. Ein Risiko, daß ich mit diesem Einsatz wieder herauskomme, besteht m. E. nicht. Das Briefschreiben stößt hier überall wegen der primitiven Unter­ kunftsmöglichkeiten auf Schwierigkeiten . In Tetuan hatten wir zwar ein etwa 1 0 m langes Zimmer mit 3 arabischen Torbogen und sarazeni­ scher Bekachelung aber kein Licht. Die Fenster d. h. die Fenstergitter führten auf den Innenhof wie bei sämtlichen anderen Zimmern : So hörte man nachts sämtliche Hotelgäste, die an Flohstichen litten, sich im Bette wälzen, die übrigen schnarchen. Von draußen wurde dies periodisch durch das Hähnekrähen und durchdringende Gesänge frommer Moslims unterbrochen. Wohl fühlt man sich in seinem Zim­ mer eigentlich weder tags noch nachts. Wir sind nun gespannt zu hören, ob sich bei Euch etwas ereignet hat. Die Empfehlungsschreiben, die mir Kastl 6 schicken wollte, habe ich nicht bekommen . Ich nehme an, daß er sie mir dann erst im Juni schickt. Herzliche Grüße an alle Euer dankbarer Klaus.













5 Die Echtheit dieses " Picasso" blieb umstritten. Bis 1 945, als es verbrannte, hing das Bild im Hause Bonhoeffer. Vgl. DB 1 3 7 f. Ein ähnliches Bild einer " Absinthtrinkerin" ist abgebildet in P. Daix/G. Boudaille, Picasso. Blaue und rosa Periode, 1 5 5 . 0 6 Wohl Ludwig Kastl.

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U23 . u. 24.

2 4 . A N D I E ELTERN UND D I E GROSSMUTTER1

Liebe Eltern, liebe Großmama !

Barcelona, den 1 7. V. 2 8 .

Eine Stunde, die mir heute zwischen Kirche und Mittagessen bleibt, bevor ich nachmittags und abends wieder fort muß, will ich schnell benutzen, um Euch zu erzählen, daß wir nach unse­ rer schönen Reise beide hier wieder gut angekommen sind, und Euch von den letzten Tagen unserer Reise, von denen Ihr noch nichts gehört habt, zu berichten. Es war ganz ohne Zweifel der Höhepunkt von allem, daß wir Granada bei Frühlingswetter gesehen haben. Die Stunde, in der man auf einem der Alham­ bratürme saß mit dem Blick auf die rötlich-leuchtende Alham­ bra2 und die tiefer unten lagernde Stadt mit dem Alhambrapark (aus Ulmen, einem ganz ungewohnten Anblick) in dem die Nachtigallen sangen wie ich es nie gehört habe, auf der anderen Seite den Blick auf die unmittelbar über Granada ansteigenden riesigen Schneeberge der Sierra Nevada, gehört zum Schönsten, was ich gesehen habe. Ich glaube, daß solche landschaftliche Schönheit in Spanien auch ganz einzig dasteht, denn wenn ich überdenke, was ich im Laufe der Zeit sah, so muß man eigent­ lich sagen, daß Spanien ein ödes Land ist, daß die Rede I vom " schönen Spanien" mindestens täuscht ; wie überhaupt einmal auf der Reise alles wieder anders war, als man es erwartet hatte. Spanien ist ein diametraler Gegensatz zu Italien, ein Land an dem j eder Einfluß antiker Bildung - in vorschriftlicher Zeit und in der Renaissance - vorüberging, das statt dessen vierhundert Jahre lang unter der Herrschaft morgenländischer Kultur ge­ standen hat . 3 Es ist ein Land, das einem bei der humanistischen Erziehung, in der man aufgewachsen ist, zunächst völlig fremd bleibt, zu dessen Verständnis einem sozusagen alle Anhalts­ punkte fehlen ; und das gilt eben nicht nur für das historische, 1 NL A 1 9, 1 ( 1 3 ) : hsl. ; teilweiser Abdruck : GS VI 1 25 f. 0 2 Wohnsitz der maurischen Herrscher, vollendet unter Mohammed V. ( 1 354-1 3 9 1 ) . 0 3 Tat­ sächlich stand Spanien über 700 Jahre unter muslimischem Einfluß. Vgl. dazu das Bild, das B in seinem Brief an die Eltern vom 9. 4. 1 924 aus Tripoli von der islamischen Welt zeichnet : 1 924 DBW 9, 123 f.

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sondern ganz ebenso noch für das gegenwärtige Spanien. Zu dieser Fremdheit kommt aber doch irgend eine Sympathie als ein Verwandtschaftsgefühl hinzu, das man Italien gegenüber wieder so nicht hat und ich kann mir das nur eben wieder grade aus der Stellung zur antiken und humanistischen Bildung erklä­ ren ; für Italien hat der Humanismus und die klassische Zeit die Lösung aller Probleme bedeutet, in Spanien besteht dagegen ein Widerstand, der, glaub ich, bei den Deutschen auch bis zu ei­ nem gewissen Grade immer wieder sichtbar wird. Spanier und Deutsche treffen sich, glaub ich, darin, daß beide niemals dem Humanismus sich ganz erschlossen haben, sondern immer noch ein Rest blieb. Es scheint fast als gehöre die spanische Landschaft mit der Geschichte irgendwie zusammen. Diese harmonischen Land­ schafts bilder, wie in Italien, findet man hier fast garnicht. Zum Schönsten in Spanien gehört darin, glaub ich, die Umgebung von Barcelona, die ich immer mehr genieße. - Die Stunde ist herum, und ich will für heute schließen. Es geht uns beiden, wie Ihr seht, ausgezeichnet. Leider ist wieder furchtbar viel Einla­ dung in der kommenden Woche, der letzten, wo Klaus da ist : jeder Abend ist besetzt und dabei habe ich noch ein paar Leute durch Absagen leise gekränkt. Habt noch einmal vielen, vielen Dank, daß ich die Reise machen konnte, sie hat mir doch für den ganzen kommenden Aufenthalt hier den Blick viel weiter gemacht. Es grüßt Euch herzlich Euer dankbarer Dietrich. Ein Viertel meiner Zeit ist schon herum ! Die Zeit rast !

es VI 1 27

I/24. u. 25.

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25. AN JULlE BONHOEFFER1

Liebe Großmama !

den 5. VI. 2 8 .

Hab vielen Dank für Deinen lieben Brief. 2 Es ist immer ein sehr spannender Augenblick am Tag, wenn um 3 Uhr nach dem Essen der Briefträger kommt mit der Auslandspost und wir schon vom Balkon herunter rufen, ob er etwas für uns mit­ bringe. Hat er dann etwas gehabt, so sitzt in der Minute darauf j eder in der Ecke des Zimmers und liest und liest - und möchte am liebsten immer weiter zu lesen haben bis zum Abend. Klaus ist seit Freitag weg, nun muß ich mich wieder an mei­ nen einsamen Lebensstil gewöhnen ; d. h. über Einsamkeit kann ich mich eigentlich nicht beklagen, und bis auf ein paar Leute, mit denen man wirklich sich näher steht, sind es doch eben fremde Leute, mit denen man Tag für Tag zusammen ist. Nun kommt die Hitze und auch die Nächte beginnen unangenehm zu werden ; da wird man sich aber wohl bald dran gewöhnen. In 3 Wochen beginnen die Schulferien und ein großer Teil der Kolonie reist ab, Olbrichts auch - dann habe ich das Reich alleine. Wie ich diese 3 Monate herumbringe, weiß ich noch nicht ganz, denn die Lehrer sind alle weg mit denen man werk­ tags was unternehmen kann ; aber das wird sich schon finden ; ich werde mich hinter mein Spanisch setzen, ebenso hinters Klavier und wissenschaftliche Arbeit - soweit das eben bei 3 0° möglich ist ; daß die Aussicht am Ende dieser Zeit mit den Eltern hier zusammen sein zu können, nun doch noch schwin­ det, 3 ist ja wirklich sehr sehr schade ; aber, ich glaube, ich darf da auch nicht zureden, denn schließlich ist es dann vielleicht doch zu strapaziös gewesen und keine rechte Erholung. - Aber ich halte immer noch Ausschau, ob nicht doch sich etwas fin­ det, oder kommt.

1 NL A 1 9,2 (3) : hsl. aus Barcelona ; teilweiser Abdruck: GS VI 127 f. 0 2 Nicht erhalten. 0 3 Der Vater Karl B. wurde gedrängt, sich für die Wahl

zum Rektor der Berliner Universität zur Verfügung zu stellen; vgl. Brief der Mutter vorn 1 9 . 5. 1 928 (NL C I ) .

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Jetzt ist hier noch viel Betrieb vor Schulschluß ; wenn nur die Abende nicht immer so lang wären ! Ich bin j etzt öfter bei einem jungen Ehepaar, mit dem ich musiziere und durch das ich mit spanischem Klerus in Berührung komme. In einer anderen Fa­ milie musiziere ich j ede Woche einmal. Neulich war ich mal bei dem Kollegen von Onkel Otto\ Dr. Krebs5, einer sehr netten Familie, zu einem sehr konventionellen Frühstück. So lernt man mit der Zeit wirklich eine große Anzahl Menschen kennen und wenn ich dafür auch wenig zur wissenschaftlichen Arbeit komme, so bereue ich das doch nicht. Es geht mir immer mehr auf, daß das, was man hier an Erwachsenen und Jungen gleich­ mäßig vermißt, so irgendein Interesse für weltanschauliche Dinge ist, alles geht so vernünftig und geregelt ohne wirklichen Schwung. Fragt man hier 1 0j ährige Jungens, was sie werden wollen, so bekommt [man] sehr häufig die Antwort : , ich über­ nehme das Geschäft meines I Vaters. ' Das ist so selbstverständ­ lich, daß anderes garnicht erwogen wird. Das angenehme Ge­ genstück hierzu ist allerdings, daß man nichts so lächerlich fin­ det wie Blasiertheit, und so im Verkehr die Leute nichts aus sich machen, was sie nicht sind. Nun Schluß. Es ist Abendessenszeit und wenn auch das Es­ sen nicht lockt, so doch der Tee, den ich mir bestellt habe. - An den Abenden denke ich j etzt oft, liebe Großmama, an die Stun­ den, die ich abends bei Dir so oft im Zimmer saß , und mir in ihrer Ruhe und Friedlichkeit immer wieder vorm Gedächtnis stehen. Noch 8 Monate, dann kommen diese Stunden wieder. Darauf freue ich mich. Grüße alle bitte herzlich. Den Eltern schreibe [ich] ganz bald. Ich freue mich über j ede Nachricht. Leb wohl, liebe Großmama ! Laß Dir's gut gehen. Herzlich grüßt Dein dankbarer Dietrich. Dein Brief mit der Abschrift6 kam an - herzlichen Dank !

4 Otto B . D 5 Siehe auch I137, S. 87 und I138, ebd. D 6 Brief der Großmutter vom 2. 5 . 1 92 8 (NL C 2) mit Abschrift einer Grußadresse von Schülern und Kollegen des Vaters zu dessen 60. Geburtstag.

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26. A N DIE E LTERN1

Liebe Eltern !

den 8 . 6 . 2 8 .

Für den Brief aus Friedrichsbrunn danke ich dir, liebe Mama sehr ; deine Karte kam eben ; daß Ihr Euch besorgt, tut mir leid ; aber es geht Klaus ebenso gut wie mir, d. h. seit seiner Abreise habe ich noch nichts gehört. Hier waren die letzten gemeinsa­ men 14 Tage noch sehr hübsch ; wir haben, soviel es ging, ge­ meinsam unternommen . Es waren 2 schöne Monate, die Klaus hier war und ich danke Euch sehr, daß Ihr das mir und ihm geschenkt habt ; nun haben wir wieder einmal zusammen ein Stück von der Welt gesehen und gemeinsam die interessantesten Dinge erlebt, und das verbindet eben doch sehr. Nun, wo Klaus weg ist, ist es wieder ruhiger geworden und ich komme zum ersten Mal eigentlich, seit ich hier bin mehr zum Lesen. Die Abende allerdings werden wohl bis zu den Ferien gleichmäßig besetzt bleiben, dann allerdings wird's ganz stille werden und ich hoffe, daß ich trotz der Hitze Arbeitslust genug angesam­ melt habe, um die Zeit auszunutzen. Was dann wird, ob Ihr kommt oder nicht, darauf bin ich allerdings noch sehr gespannt. Wann werdet Ihr es genau wis­ sen ? Hier ist nun der Sommer gekommen und obwohl man hier nirgends Thermometer hat, schätze ich es auf ca. 25°. Es ist wie bei uns im Hochsommer. Zum Glück macht die leicht feuchte Luft, daß man nicht allzuviel Durst hat. Ich trinke kein Wasser mehr, überhaupt wenig Kaltes, meist heißen Tee, von dem eben wieder eine große Tasse mit Zitrone vor mir steht. So ist mir die Temperatur bis j etzt recht angenehm und erträglich, während die meisten stöhnen, nur auf den Schattenseiten der Straßen gehen und einen wütend ansehen, wenn man aus Versehen ver­ anlaßt, in die Sonne auszubiegen. Donnerstag am Fronleichnam habe ich zum ersten Mal im Meer gebadet. Ich fuhr mit Be­ kannten mit dem Auto an der Küste entlang in der Richtung auf

1 NL A 1 9 , 1 ( 1 4) : hsl. aus Barcelona ; teilweiser Abdruck: GS VI 1 28-1 30.

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Taragona, dann badeten und picknickten wir ; man darf hier keine 5 Minuten in der Sonne liegen, ohne dann Sonnenbrand abzubekommen, so bewegt man sich eingehüllt, wie eine fromme Araberin, - nur ein Auge zum Suchen frei - langsam in der grellen, stechenden Sonne. Abends kamen wir zurück zur Prozession, wo 3 volle Stun­ den lang der Zug an einem vorübergeht. Das Ganze I trägt den Charakter eines Jahrmarktfestes . Der Zug wird eröffnet durch die sogenannten , Giganten' , riesige Figuren, mit grotesken Fah­ nen, die tanzen und Almosen betteln. Das Volk johlt, wirft Papierschlangen und Konfetti nach ihnen, Leute verkaufen Schreiinstrumente, Tüten, Knarren, Quietschen, mit denen das Volk die Prozession begrüßt und begleitet. Es folgen dann 2 Stunden lang die sämtlichen Honoratioren der Stadt, das ge­ samte Militär mit Militärmusik, der Klerus, die Chorknaben, die Neugefirmten, die Zivilbehörden. Übrigens habe ich hier wieder einen Eindruck von dem unglaublich minderwertigen Priestermaterial gehabt. Neben Mönchen und Klerikern, die wirklich an Bilder von Greco erinnern, hat der Durchschnitt erschreckend unkultivierte, dumme, versoffene und sinnliche Gesichter, - ein merkwürdiges Gegenbild zu Rom. Ich glaube, daß hier wirklich einmal das dumme Schlagwort von der Volks­ verdummung durch die Religion eine gewisse B erechtigung hat. Schließlich kommt das Allerheiligste : das Volk, die Soldaten - alles sinkt in die Knie und im Augenblick wo es vorbeigetra­ gen wird, fliegen Blumen, Papierschlangen und Konfetti von allen Seiten an das Sakramentshäuschen - und ohne eine Miene zu verziehen geht der Erzbischof durch die Menge. Nun folgt die letzte Militärkapelle und es ist Schluß. Von dem Platz aus, wo ich das Ganze ansah, lief ich noch schnell zur Kathedrale, um den Zug zurückkommen zu sehen. Es war schon Dämme­ rungszeit. Da bot sich ein wirklich selten schöner Anblick, ein Bild, wie man es sich aus der Zeit vor 500 Jahren denkt : Auf dem Domplatz zur Linken war die ganze Schar der Domchor­ knaben in ihren purpurroten Kleidern aufgestellt, an sie schloß sich zur Mitte hin Infanterie und Kavallerie an, in alten bunten Uniformen mit großen fantastischen, ritterlich-kriegerisch an­ mutenden Helmen, und von rechts zogen fackeltragende Prie­ ster, Mönche und Kollegiatsschüler in ihren weißen leuchten-

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den Gewändern durch I das mächtige Hauptportal des Domes und in dieser einzigen Beleuchtung durch die Fackeln bekam das ganze Bild ein ganz wunderbares Leben. Nun kam begleitet von Leuten mit Gewändern von allen Farben das Allerheiligste zurück, der Wind ließ den Himmel über dem Bischof flattern, alles fiel nieder und die Hostie war wieder in ihrer Heimatkir­ che ; das war wirklich ein Augenblick, der sehr feierlich und eindrucksvoll blieb. - Fronleichnam dauert acht Tage, so hoffe ich noch manches zu sehen zu bekommen. 2 Morgen ist große Landpartie des Gesangvereins ; d a muß ich auch mit. - Nun noch schnell zur Geldfrage. Von den 800 Pes . habe ich 300 abgehoben als ich nach Haus kam und habe mir davon ein Paar Schuhe für 40 Ps. gekauft. - Strümpfe für ca. 20 und Schlipse ein paar. Klaus hatte auch noch einiges zu kaufen. Den Rest brauchte Klaus für Essen, Wäsche [ . . . F, Schuhe etc. , dazu noch von den 500 übrigen ca. 50-75 Ps. Auf die Reise nahm er ca. 350 Ps. mit. Ich habe den Rest von ca. 75-1 0 0 dann für Klaus und meine Sachen und die laufenden Ausgaben be­ nutzt, sodaß also heute nichts mehr auf der Bank ist. Ich werde allerdings ja auch in nächster Zeit nichts brauchen. Man merkt hier doch wohl erst, wie sich all die Kleinigkeiten summieren : Anzug bügeln, Schuhe beschlagen etc. Eben sehe ich, daß es schon wieder Y, 2 Uhr ist. Ich will endlich mal früher ins B ett, drum ist Schluß. Grüße an das ganze Haus ! Euch grüßt herzlich Euer dankbarer Dietrich.

2 Fronleichnam wurde im 13. Jh. als liturgische Feier des Transsubstantiations­ dogmas eingeführt und wird seither am Donnerstag nach Trinitatis als " Hoch­ fest des Leibes und Blutes Christi" gefeiert; von allen reformatorischen Kirchen abgelehnt. Vgl. auch F. G. Oery, The Spanish Corpus Christi procession. Cl 3 UnI.

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2 7. AUS DEM BERICHT VON FRITZ OLBRICHT AN DEN DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHENAUSSCHUSS. l [ . J2 Der Vicar ist seit dem 1 5 . Februar hier im Dienst und hat zu meiner und der Gemeinde Freude gut eingeschlagen . Besonders arbei­ tet er gerne unter der Jugend . Ich möchte j etzt schon darum bitten , daß bei seinem Fortgang 1 5/11. 1 929 ein sofortiger Ersatz stattfindet. Seit er hier ist, kann ich ruhiger in die Diaspora fahren und dieselbe eingehen­ der bearbeiten . Außerdem ist die Gemeinde während meiner Ferien nicht ohne deutschen Geistlichen, und nicht nur auf den mich vertre­ tenden spanischen evangelischen Geistlichen angewiesen, der bei Beer­ digungen nicht gerne gesehen wird . Die Gottesdienste werden nun in den Ferien nicht ganz ausfallen, sondern durch den Vicar 1 4 tägig ge­ halten werden . Ich werde Anfang Juli in die Ferien fahren und Ende September zurückkehren, wozu ich die Genehmigung des deutschen Ev. Kirchen­ ausschusses erbitte . Anfang August werde ich voraussichtlich in Berlin sein und dem Kirchenausschuß meinen Besuch machen . Wäre es möglich, daß das Beköstigungsgeld und Gehalt des Vicars, das im Juli fällig ist, mir in Berlin ausbezahlt würde ? Ich werde ihm hier während meiner Abwe­ senheit sein Geld voraus bezahlen. Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst F. Olbricht Pfarrer .

.

28. AN MAX DIESTELl

Barcelona, den 1 8 . Juni 1 92 8 Hochverehrter Herr Superintendent ! Vier Monate - ein Drittel meiner Zeit - bin ich nun hier im Süden ; aus dem recht lang anhaltenden Winter ist es sehr 1 EZA 5/1 891 : masch. ; teilweiser Abdruck : MW V 24. D 2 Entnommen ei­ nem längeren Bericht Olbrichts vom 1 0 . 6. 1 928, in dem er die Statuten der Gemeinde und den Jahresbericht 1 92 7 übersendet sowie um Unterstützung ("Barcelona ist die teuerste Stadt Spaniens") und Urlaub nachsucht. Vgl. I/74. 1 EZA 29/G 442 , 2 7 : hsl . , mit hsl. Vermerk Diestels " Beantwortet 1 2/7/2 8 " . Vgl. auch N L A 20,3 ( 1 ) : spätere masch. Abschrift ; teilweiser Abdruck: GS V I 1 30 f.

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schnell Sommer - für deutsche Begriffe Hochsommer - gewor­ den ; und es beginnt ruhiger um mich herum zu werden. Die Hitze duldet keine Hast und keine Unruhe. Schweigsam und langsam geht man auf den grellen, heißen Straßen und sucht, wo man ein Stückchen Schatten findet. Der wohlhabende Teil der deutschen Kolonie rüstet sich zur Reise in die Heimat und ich werde zu den nicht allzu zahlreichen gehören, die durchhal­ ten. Die Gottesdienste werden dies Jahr zum ersten Mal durch­ geführt, allerdings nur alle 14 Tage und ohne die Gewähr Besu­ cher zu haben. Was irgend kann, macht sich Sonntag auf, um ans Meer zu gehen und das wird man hier niemandem verden­ ken wollen. Kindergottesdienst wurde von den hierbleibenden Kindern selbst gewünscht. Zusammen mit der Hilfsvereinsar­ beit, - wir haben täglich Sprechstunde - und den laufenden Gemeindebesuchen bleibt mir mithin genug zu tun. Nur eins fehlt mir : das ist die man- I nigfaltigere rein kirchliche Tätigkeit. Außer den Gottesdiensten gibt es keinerlei kirchliche Arbeit. Bibelstunden, Jungmännerverein, Vortragsabende, Religions­ unterricht in der Schule - gibt es nicht. Den letzteren in den Oberklassen freiwillig einzuführen, werde ich mich im Winter bemühen ; vielleicht läßt sich auch mit Bibelstunden was ma­ chen. Die Situation ist im allgemeinen die, daß man der Kirche positiv gegenübersteht - man zahlt seine B eiträge - daß dem aber die aktive B etätigung und B eteiligung nicht entfernt ent­ spricht. Das mag an individuellen Umständen liegen, liegt aber großenteils in der Lebensweise der Kolonie und ihrem geistigen Niveau. Viel Geschäft, viel Klatsch, viel , Moralin', ein wenig Literatur und schließlich noch ein Klecks Kirchlichkeit ; dafür im Ganzen eine große Ehrlichkeit und Anständigkeit, nirgends dumme Pose oder Blasiertheit und das tut einem sehr wohl. Ich muß sagen, daß ich mit den meisten Leuten gern zusammen bin und sehr viel nettes geselliges Leben habe. (Von einer durch die Oppositions stellung angeregten größeren religiösen Lebendig­ keit zu reden, wäre völlig verkehrt. ) Besondere Freude macht mir auch hier wieder der Kindergottesdienst, den ich neu einzu­ richten hatte und der sich nett anläßt. Sie sehen, daß ich gern hier bin ; und wenn es schon interes­ sant ist, einmal in so andere Kreise hineinzukommen, als man sie gewohnt ist, so kommt ja dazu noch die Freude am fremden

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Land und das Hineinleben in eine, wie mir scheint, uns doch sehr fremde Kultur, die doch überaus reizvoll und ernst ist; hier hat mich eine dreiwöchentliche Reise2 durchs ganze Land sehr gefördert. Lassen Sie sich danken, daß Sie an jenem November­ tag Vormittag so freundlich an mich gedacht haben und mir so zu dieser Zeit, die sicher wichtig für mein ganzes Leben sein wird, verholfen haben. Noch weiß ich, wie ich damals hin- und herschwankte, noch aber habe ich es keinen Augenblick zu bereuen gehabt, daß ich ging; und das danke ich Ihnen . 3 Neh­ men Sie die ergebensten Grüße und Empfehlungen, die ich bitte auch Ihrer Frau Gemahlin zu übermitteln, von Ihrem Ihnen stets dankbar und verehrungsvollst ergebenen Dietrich Bonhoeffer.

29. AN SABINE UND GERHARD LEIB HOLZ 1

Liebe Sabine, lieber Gert

Barcelona den 3 . 7. 28

Gern wäre ich mit meinem Brief pünktlicher gekommen, der Euch zum 1 . Geburtstag Eurer Marianne2 gratulieren soll ; aber es war so viel Unruhe in den letzten Tagen, daß es nicht dazu kam ; zudem war ich vor der Abreise des Pfarrers - heute abend - selbst nochmal auf 2 y, Tage ins Gebirge gefahren und in spanischen Gebirgsdörfern gibt's so leicht keine Post - oder gar Telegraphenamt. So konnte ich auch den telegraphischen Gruß nur eben vom Gebirge zu Euch - noch in der Nacht - schnell aufgeben. Dennoch könnt Ihr Euch denken, daß ich dort oben in der Einsamkeit der spanischen Berge Zeit gehabt habe, den schönen Tag in Gedanken mit Euch zu feiern ; und ganz unwill­ kürlich gingen so die Gedanken zu Euch an die Tage jetzt vor einem Jahr in Dankbarkeit dafür, daß damals alles so gut gegan2 Mit Bruder Klaus B . vom 23. 4. bis 1 2 . 5 . 1 928 ; vgl. II20-24. D 3 Vgl. II5,

S. 1 9 . 1 NL A n h A 5 ( 1 4) : masch. Abschrift ; Original b e i Frau Sabine Leibholz. D 2 Marianne Leibholz, geb. 30. 6. 1 92 7.

I!2 8 .

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gen ist, und daß alle Sorge so ganz der Freude und dem Glück wich. Gerne hätte ich Euch auch dies Jahr, wie im vorigen, einen bunten Sommerblumenstrauß auf den Tisch gestellt, aber das werden nun ja auch andere getan haben und Eure Wohnung wird geschmückt sein, wie vor 1 Jahr. Für Marianne bin ich hier auf der Suche nach etwas hübschem und bin mir noch nicht ganz schlüssig ; sie wird sich ja auch noch ein paar Tage gedul­ den können. Möge Euch das nächste Jahr verlaufen, wie das erste, daß Ihr mit Eurer Marianne nicht mehr Sorgen habt als in diesem ersten Jahr ihres Lebens, und immer ebensoviel Freude. Dir, liebe Sabine, schönen Dank für Deinen Brief. Hier ha­ ben die Schulferien angefangen und j etzt wird Ruhe eintreten, so man endlich einmal wieder richtig arbeiten könnte - wenn's nicht so verdammt heiß würde. Heute, als ich aus dem Hause ging frühmorgens kam mir's vor, als ob ich in einen Heizraum geraten wäre. Solange ich mich aber nicht hetzen muß, läßt sich das noch gut aushalten. Durch meine Pensionsleute bin ich doch auch genötigt, zu essen, was man sonst wohl manchmal unterlassen würde. Nur eines ist eben schlimm, daß man alles mit Gemach und Ruhe tun muß, auch das Arbeiten. Und das ist einem zunächst ganz furchtbar, daß man zu einem Buch hier die doppelte Zeit braucht, wie zu Haus. Alles funktioniert hier langsamer. Morgens habe ich j etzt in der Sakristei meine Sprechstunden und arbeite den Nachmittag dort, spiele auch in der Kirche zwischendurch ein bißchen Orgel. Mittagessen ist um 1 Y, Uhr ; dann ist meist der Geist willig, aber das Fleisch schwach, und ich sinke auf mein B ett, zunächst mit Buch, dann aber schon bald ist's vorbei mit der Energie und ich schlafe eine Stunde bis 3 oder Y, 4 Uhr. Dann wird gelesen, geschrieben, Klavier ge­ spielt, oder aber es kommt ein Junge3 aus dem Kindergottes­ dienst zu mir, dessen Eltern nicht mit ihm fertig werden, der eine Nachprüfung machen muß, auf die ich ihn einpauke. Dabei stellte sich gestern heraus, daß er nicht die Vokale auf­ zählen konnte, der Quartaner !

3 Wahrscheinlich Karl-Heinz Köttgen, vgl. I! 1 7, S. 46.

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Das ist ein über den anderen Tag. Zur Kaffeezeit gegen y; 6 Uhr gehe ich dann oft in die Stadt zu Besorgungen und treffe dann um 6 Uhr oder später in einem bestimmten Kaffeehaus hier einige Bekannte, oder aber ich mache einen Gemeindebe­ such und komme dann gegen 8 Uhr zurück. Zum Baden gehe ich so gut wie gar nicht. Das Meer ist fast Y. Stunden weit von uns, der Weg und die Bahnen staubig und heiß, die Anstalt voll, so daß man keine große Neigung verspürt, auch wenn's heiß ist. Zudem bin ich ja überhaupt kein allzu begeisterter Schwimmer, so daß ich nicht viel entbehre. Die Abende sind meist besetzt, entweder durch Einladungen oder durch regelmäßige freundliche4 Bindungen oder wie j etzt seit einiger Zeit sehr oft durch meinen Sprachaustausch. Auf meine Annonce in der hiesigen Zeitung hat sich ein Spanier beworben , 5 mit dem ich jetzt sehr viel zusammenkomme. 6 Ein besonders intelligenter und unglaublich belesener Mann von 27 Jahren, in einem Verlag angestellt, um ausländische Werke zu lesen, die sich lohnen, ins Spanische zu übersetzen. Er hat im Gegensatz zu vielen Spaniern sehr gute Manieren, und ist wirk­ lich ausnahmslos sympathisch und gebildet. Er hat einen viel größeren Wortschatz als ich, aber ich spreche geläufiger ; so daß ich viel profitiere. Peinlich ist nur, daß er nach spanischer Ma­ nier dann alles zahlen will. Gestern brachte er mir ein hübsches Buch über spanische Volksmusik einfach als Geschenk mit, da muß ich sehen, daß ich mich revanchiere. Wir treffen uns zu Hause oder im Kaffee abends um Y; 1 Q Uhr und schwatzen dann so ungefähr 2 Stunden. Heut abend kommt er zu mir. Ich bin mit diesem Griff wirklich sehr zufrieden. Meine Tour von Peter und PauF war wunderschön. Abends um 10 Uhr sind wir im Gebirge angekommen und gleich ab­ marschiert, die Nacht durch, bis wir bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Berges waren und nun die Pyrenäen von der 4

U. L. 0 5 In der Abschrift " geworben " ; Original nicht einsehbar. 0 6 B hatte am 22. 6 . 1 928 eine entsprechende Anzeige in der Zeitung "La Vanguar­ dia" aufgegeben, auf die hin sich am selben Tag Luis Sanchez Sano, angestellt bei dem Verlag " Editorial Labor", meldete ; vgl. NL C 22. 0 7 Am 29. 6. 1 928, dem Tag "Peter und Paul", mit Engler (einem Musiker) und " zwei Anderen" auf den Montseny (1 734 m) ; nach Kalender (NL A 1 8,2).

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Sonne, wie unten aus dem Meer heraussteigen sah, 8 wie in Gold getaucht, vor uns lagen. Wir gingen dann noch bis Mittag, wo wir uns trennten, die Anderen mußten nach Genf, ich blieb noch IV:, Tage in der Ruhe der hier ganz seltenen Buchenwäl­ der. Das war wunderschön. Nun Schluß. Die Epistel ist lang genug. Noch eines : Den Eltern danke ich herzlich für ihre beiden Briefe, ebenso Susi, deren Brief mich sehr gefreut hat. Die Eltern wollen von der Pfarrersfamilie erzählt haben. Das tue ich im nächsten Brief; aber eigentlich ist nicht viel zu erzählen ; wir vertragen uns ausgezeichnet, sind aber außerdienstlich beide so beschäftigt, daß wir uns meist nur vormittags sehen. Er wird übrigens im Anfang August nach Berlin kommen und die Eltern besuchen. Daß Tante Helene Schöne gestorben ist, hat mir sehr leid getan. Ein angefangener Brief an sie liegt auf meinem Schreibtisch. Sie war doch eine Frau, wie man heute nur ganz wenige, vielleicht gar keine sieht ! Die Gediegenheit ihrer ganzen Art, ihre Kultur im Hause war doch etwas ganz seltenes. Und dabei immer liebenswürdig und freundlich. Es ist doch sehr schade, daß wir sie nicht mehr haben. - Sie war die letzte Repräsentantin dieser Art und Kultur, in der ich mir immer das Leben unserer müt­ terlichen Vorfahren vorgestellt habe. Nun wirklich Schluß . Erzählt auch der Mama, was in dem Brief steht, denn ich kann nicht gleich wieder einen schreiben. Laßt es Euch bei den gut gehen. Dir, lieber Gerd, gratuliere ich zur Erledigung der Habilitation. 9 Euch beiden herzlichen Gruß von Eurem Dietrich

8 Satz verderbt ; Text nach Abschrift. 0 9 Gerhard Leibholz habilitierte sich mit der verfassungsrechtlichen Arbeit " Das Wesen der Repräsentation".

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30. AN KARL�FRIEDRICH BONHOEFFER1

Lieber Karl-Friedrich !

B arcelona den 7. 7. 2 8 .

Du hast mir zweimal so ausführlich geschrieben und ich habe Dir noch nicht persönlich dafür gedankt ; das will ich nun eilig heute nachholen. Ich habe mich immer sehr gefreut von Dir und Deiner Arbeit2 etwas Genaueres zu hören ; denn in den allgemeinen B erichten von zu Haus kriegt ja j eder nur 3 Zeilen. Du scheinst also an die Ferien wenig zu denken und wirst so voraussichtlich Deine Pariser Reise auch nicht weiter ausdeh­ nen. Da ich nun in dieser Zeit grade weiter überhaupt nicht wegkann, - da Olbricht bis Oktober Ferien macht, - wird aus unserer Begegnung also wohl sicher nichts. Das ist natürlich sehr schade, aber da ist wohl nichts zu machen. Du fragst, was ich außer Gesellschaften und Stierkämpfen eigentlich noch be­ triebe, d. h. was ich eigentlich so richtig zu arbeiten hätte. Hier haben die Einladungen seit Ferienbeginn erheblich abgenom­ men, und im Stierkampf bin ich wohl auch bald zwei Monate nicht mehr gewesen. So bleibt also allerlei Zeit übrig, und wenn man die Absicht hätte zu arbeiten, so könnte man es zu aller­ hand bringen. Aber zur intensiven wissenschaftlichen Arbeit, wie man sie in Deutschland treiben kann, ist es einfach zu heiß ; und so ist es gut, daß allerlei praktisches dazu kommt ; beson­ ders von 9-1 0 Uhr die Hilfsvereinssprechstunden, die ich nun allein habe, sind sehr interessant und lehrreich ; man bekommt einen Einblick in die mannigfachsten Arten zu leben und be­ kommt mit den merkwürdigsten Leuten zu tun, mit denen man sonst so leicht wohl nicht ein Wort gewechselt hätte : Wel­ tenbummler, Vagabunden, geflüchtete Verbrecher, viel Frem­ denlegionäre, Löwen- und sonstige Tierbändiger, die dem Cir­ cus Krone auf seiner Spanienreise durchgebrannt sind, deutsche 1 NL A 1 9, 2 (9) : hsl. ; teilweiser Abdruck: GS VI 1 32-1 34. D 2 Karl�Friedrich B. arbeitete als Assistent bei dem Chemiker Fritz Haber am Kaiser�Wilhelm� Institut für physikalische Chemie zusammen mit P. Harteck an Wasserstoffex� perimenten ; vgl. die Briefe Karl�Friedrich B . 's vom 23. 3 . , 1 7. 6. und 22. 1 0. 1 928 (NL C 3).

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I/30.

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Tänzerinnen auf hiesigen Varietebühnen, deutsche verfolgte Fememörder, die einem nun alle ihr Lebensschicksal bis ins Detail berichten ; und es ist oft sehr schwer, nun hier nach eigenem Gutdünken zu geben und zu versagen ; aber da man prinzipielles nun einmal darüber nicht ausmachen kann, muß eben der persönliche Eindruck entscheiden ; und der ist oft ge­ nug und sehr leicht zu täuschen, so daß viele Geld kriegen, die eine Unterstützung garnicht verdient hätten, wie man nachher entweder selbst sieht oder von anderen hört ; so wird man auch mit der Zeit immer schärfer, im Interesse derjenigen, die wirk­ lich in Not sind und nicht hinreichend unterstützt werden kön­ nen ; denn es ist doch hier nun schon seit ich hier bin zweimal vorgekommen, daß langansässige gutsituierte Leute völlig fi­ nanziell ruiniert wurden, sodaß sie kaum mehr das I Schulgeld und die Kleider für ihre Kinder hier bezahlen konnten ; und in solchen Fällen muß dann doch Geld genug da sein, um zu helfen. Die Behandlung der täglichen Hilfsbedürftigen ist auch nicht ganz einfach, wie auch ihr Auftreten sehr verschieden ist. Gestern ist mir zum ersten Mal einer so frech gekommen - er behauptete, der Pfarrer habe seine Unterschrift gefälscht -, daß ich ihn regelrecht angeschrien und herausgeschmissen habe mit der Drohung ihn verhaften zu lassen ; und während er sich beeilte davonzukommen, fluchte er und rief die Drohung, die ich nun schon oft gehört habe : " Wir werden uns noch wieder­ sehen ; kommen Sie nur an den Hafen" . Ich habe nachher auf dem Konsulat festgestellt, daß es ein alter Schwindler ist, der sich schon lange hier herumtreibt; so war ich ganz froh ihn etwas derb abgefertigt zu haben. Im Ganzen aber mache ich die Erfahrung, daß man mit Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit mit den Leuten am besten fertig wird, und auch unliebsame Besucher am bequemsten los wird ; Olbricht verfolgt das Ver­ fahren des Anschimpfens und Rauswerfens, wenn ihm jemand nicht paßt und meint das wirke mehr. Das muß man nun erst sehen. Erfreulich ist die Tätigkeit, die man sich an sich so schön und dankbar vorstellen sollte, im ganzen nicht. Man wird belo­ gen und betrogen, wo es nur geht und nur selten einmal hat man die Freude zu sehen, daß man wirklich hat helfen können ; denn bei den meisten geht das Geld so schnell raus wie rein und nichts ist geholfen. Der Fehler ist grundsätzlich der, daß wir

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keine Stellenvermittlung haben und das hat seinen Grund in der Überlaufenheit und Überfülle der hiesigen Geschäfte ; die deut­ schen bauen ab, weil sie die geschäftliche Konkurrenz des ande­ ren Auslands kaum aushalten können, altrenommierte Ge­ schäfte und Unternehmungen gehen ein, so ist kaum Platz für die Alten, geschweige für neu Hinzuziehende, so herrscht unter den hiesigen Deutschen viel Arbeitslosigkeit und daher die ganze Not. Dauernd haben wir mit Heimschaffungen von I Deutschen zu tun und wissen doch, daß es zu Haus auch nicht besser ist. Nach der Sprechstunde arbeite ich in Ruhe für mich bis um 1 Uhr. Zur Zeit mache ich meine Licentiatenarbeit druckfertig3 und überlege hin und her an einer Vorarbeit für die Habilita­ tion4 und gehe dann durch eine sonnig-baumlose langsam an­ steigende Straße nach Hause, wo mich das Mittagessen erwar­ tet ; dann würde ich gerne tatenlustiger sein, als ich bin, denn 3 Mal in der Woche j edenfalls scheitern alle Versuche des Arbei­ tens oder Übens und ich befinde mich sehr schnell unter mei­ nem Moskitonetz auf dem B ett ; die anderen 3 Mal werde ich durch eine Stunde davon abgehalten, die ich einem besonders aufgeweckten, aber maßlos zerfahrenen JungenS gebe, der in meinen Kindergottesdienst geht. Der Nachmittag vergeht mit Arbeit, Briefeschreiben, Üben, oder Gemeindebesuchen im Krankenhaus und zu Haus. Ab und zu fahre ich in die Stadt um einen Kaffee zu trinken und treffe dort dann meist viele Be­ kannte. Abends bin ich j etzt viel mit meinem spanischen Sprachaustausch zusammen, einem äußerst intelligenten, bele­ senen und fleißigen Spanier. Er kennt die jüngste deutsche phi­ losophische Literatur sehr gut, besonders die pädagogische und so haben wir viel zu reden. Er kann mehr Wörter und ich spreche besser, so profitieren beide. 6 Wir gehen auch zusam­ men aus, so hoffe ich endlich etwas besser spanisch zu lernen, 3 Gemeint ist: "Sanctorum Communio" ; vgl. 1/36, S . 84. 0 4 " Zur Zeit . . . Habilitation" nachträglich eingefügt. Das Thema der späteren Habilitations­ schrift : " Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der syste­ matischen Theologie" stand noch nicht fest; vgl. auch I/36, S. 85 und DBW 2 (AS), 8 . 0 5 Wahrscheinlich Karl-Heinz Köttgen, vgl. II1 7, S. 46. 0 6 Vgl. I/ 29, S . 6 8 .

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I/30. u. 3 1 .

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denn bis jetzt sind meine Künste hierin noch sehr dürftig gewe­ sen und beschränkten sich auf einige, wenige Gebiete, Hotel­ zimmer, Einkäufe, Eisenbahn etc. So, das ist ein unbeabsichtigt langer Brief geworden. Ich muß jetzt an die Predigtarbeit. 7 Ich predige jetzt nur alle 14 Tage, die Kinder kommen alle Woche. Das reicht mir ; denn in der Hitze predigen, ist nicht unbedingt angenehm, zum al auf die Kanzel zu dieser Zeit grade die Sonne scheint. - Sag bitte den Eltern, daß ich bald schreibe, daß ich gespannt bin auf ihre Entschei­ dungen, 8 daß man von Barcelona nach Mallorca 9 Stunden über Nacht fährt. Grüß bitte alle herzlich. Vergnügte Arbeit in der Sommerhitze ! Herzlichen Gruß Dein Dietrich. 3 1 . AN DIE ELTERN!

Liebe Eltern ! Für Eure Briefe - den letzten von Dir liebe Mama bekam ich eben - danke ich Euch sehr. Zunächst, ehe ich es vergesse : daß der Panama2 ankam, bat ich in Walters3 Geburtstagsbrief zu bestellen ; das ist wohl vergessen worden. - Das Geld für sämtli­ che Kindergottesdienstsachen - inclusive der Rechnung von Grate, von der noch einiges auf Gemeindekosten geht (etwa 40 M davon habe ich mir von Olbricht schon zahlen lassen, abge­ sehen von der Quittung, die Du mir damals über ebenfalls c. 40 M schicktest und die nun bei den Gemeindefinanzen liegt) . Die anderen Bücher sind teils Zeitschriften, teils Sachen, die ich noch brauchte. Bitte zahle also die Rechnung ganz, c. 32 M für mich, die anderen habe ich schon einkassiert. Der Picass04 steht noch bei mir, weil die Post ihn nicht hat 7 Siehe IIII7. D 8 Die Reisepläne der Eltern waren durch die mögliche Wahl

des Vaters zum Rektor der Berliner Universität in frage gestellt ; vgl. I/25, S. 59. 1 NL A 1 9, 1 ( 1 5 ) : hsl. aus Barcelona ; ersehl. Datum : 1 1 . 7. 1 928, teilweiser Abdruck: GS VI 1 3 5 . D 2 Panamahut ; vgl. I134, S. 78. D 3 Walter Dreß hatte am 1 8 . 6. Geburtstag. Der "Geburtstagsbrief" von B: DBW 1 7, 76-79. D 4 Siehe I/ 23, S. 56; vgl. DB 1 3 7 f.

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nehmen wollen und Klaus mir keine Antwort schreibt, ob es ihm recht ist, ihn als eingeschrieben, eingerollt zu schicken. Mein spanischer Sprachaustauschmann, der kunstverständig und Maler ist, ist sehr begeistert von dem Bild. Ihr fragt mehrfach nach Olbrichts . Die sind nun weg und wollen Euch - er jedenfalls - Anfang August gern in Berlin besuchen. Hier ist noch seine verheiratete Tochter mit Mann, die erwartet und darum nicht reisen kann. Mit denen bin ich gern und immer wieder mal zusammen. Der Junge hat jetzt Abitur gemacht und ist in Deutschland. Mit Olbrichts selbst stehe ich mich ausgezeichnet; wenn Ihr etwa denken solltet, es klappte da etwas nicht, so trifft das nicht zu. Aber sie und ich haben unsre eignen und verschiedenen Kreise, sodaß wir beide besetzt und gesellschaftlich nicht viel beisammen sind. Wenn ich wollte, könnte ich natürlich öfter hingehen, nachmittag oder abends, aber, wenn man vormittag ein p aar Stunden zu­ sammen ist, ist das ja dann auch genug für beide Teile. Oft, wenn ich nachmittags grade irgendwie in der Schule oder am Haus vorbeikomme, und sie sehen mich grade, rufen sie mich zur Vesper herein, uncl wenn sie abends Gäste haben, bin ich selbstverständlich immer miteingeladen. Das Verhältnis ist wirklich denkbar nett und vernünftig. Heute nachmittag, wo es hier in der Stadt ziemlich brütet es sind eben doch c. 3 0° immer im Schatten, abends, wenn's kühl ist 25-26°, - gehe ich mit den Kindern und Andersens Märchen in die etwas kühleren und schattigen Berge. Wenn nun aus Eurem Kommen doch noch etwas würde, wäre das j a wunderschön . Wenn Ihr noch nach Granada wollt, so wäre vielleicht Mallorca nicht das Richtige, weil man über Barcelona zurück müßte. Da aber die B ahnfahrt nach Granada sehr weit ist (von Barcelona 24 Stunden, man muß über Ma­ drid !), wäre vielleicht doch das Flugzeug das Beste und Be­ quemste, und man bliebe dann überhaupt länger in Granada, wo das Ende September und Anfang Oktober herrlich sein soll. Ich bin nun gespannt auf alle weiteren Entscheidungen . Wann stellt es sich heraus ? - Ich muß fort. Viele Grüße an Alle. Euch grüßt herzlich Euer dankbarer Dietrich

I/3 1 . u. 32.

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32. VON MAX DIESTEU

Lieber Herr Collega,

B erlin-Lichterfelde, den 1 2 . Juli 1 92 8

Haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief,2 der mich sehr erfreut hat. Ich hoffe doch, daß Sie dieses Jahr später einmal nicht zu den verlore­ nen zählen werden . Nach meiner Auffassung sollte jeder Mensch ein­ mal Gelegenheit nehmen, sich in ganz anderen Lebenskreisen zu be­ wegen, als die sind, in denen seine Erziehung und die Bildung seines geistigen Gesichts erfolgt ist. Der Fehler ist vielfach, namentlich bei uns Theologen, daß wir viel zu akademisch und viel zu weltfremd auf­ wachsen und dann auch die andersartig gerichtete Welt der Wirklich­ keit mit kurzsichtigen Augen ansehen . Aus diesem Grunde halte ich es auch für so gut, daß Sie in Spanien mit einer ganz anders gearteten Gemeinde zusammenkommen, als wir sie hier haben. Der Typus ist mir bekannt. Er ist ungefähr der gleiche wie in Italien. In England färbt die öffentliche kirchliche Meinung auf das Verhalten der Einzelnen sehr viel stärker ab, da doch der Deutsche sein Anpassungsvermögen im Auslande nicht verleugnet, selbst wenn er nicht vom Kurfürsten­ damm stammt. 3 Ich denke mir es für Sie aber auch besonders interes­ sant, wenn Sie erst ganz fließend spanisch sprechen, mit dem eigentli­ chen spanischen Leben selbst in Verbindung zu treten. Wenn es ja wohl auch in den einzelnen Provinzen, insbesondere so weit sie ethno­ graphische Eigentümlichkeiten aufweisen, sehr verschieden sein mag, so ist es auch im Ganzen mir sehr fremd . Licht und Schatten sind so hart wie bei Ribera.4 Die eigentümlich düsteren Farben von GoyaS zeugen von einer Wildheit des Temperaments, das Nietzsehe sicherlich auf die schwarzhaarige Bestie zurückgeführt haben würde. Für mich ist der Spanier bei aller ästhetischen Würdigung ein Rätsel und ich stehe ihm mit nördlicher Kühle gegenüber, wittere in ihm mehr den Araber, als den Goten und bin selbst mit Don Quichote weniger Freund als mit Franz von Sickingen, der keine so große dichterische Kraft entbunden hat. Vielleicht muß man eben im Lande gewesen sein, und mit den Leuten gelebt haben, Schafkäse essend und bräunlichen

1 NL A 30,2 (2) : masch. (es fehlt die 2. Seite) ; ergänzt nach der Durchschrift (EZA 29/G 442, 1 7), Tgb. Nr. 2274 ; vgl. auch spätere masch. Abschrift davon in NL A 30,2 ( 1 0). 0 2 Siehe I/2 8 . 0 3 Der " Kurfürstendamm" war damals eine Berliner Prunk- und Geschäftsstraße, deren Anwohner abschätzig für beson­ ders anpassungswillig gehalten wurden. 0 4 Jose de Ribera, spanischer Maler. o 5 Francisco de Goya y Lucientes, spanischer Maler.

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Wein trinkend. Das habe ich alles noch nicht getan . Aber den Mont­ serrat hätte ich doch gern einmal gesehen. Da fällt mir gerade etwas schönes ein. Wir schenken unseren Alt­ chen zu ihren Geburtstagen immer eine Flasche Wein, die Milch der Greis e . 6 Hat es einen Sinn und haben Sie in Ihrer Gemeinde einen tüchtigen und zuverlässigen Weinhändler, der einen trinkbaren Trop­ fen und unter günstigen Bedingungen an das Ev. Pfarramt Paulus I Dahlemer Str. 87, Lichterfelde ein Hundert-Liter- Faß oder so schicken könnte ? Aber nur, wenn es sich wirklich lohnt. Wir bezahlen hier für Taragona 1 . 40 RM die Flasche. Aber was das für Zeug ist, wage ich nicht zu untersuchen. In Weinangelegenheiten ist mein Vertrauen zu den Berlinern nicht bedeutend. Vielleicht können Sie jemand zur Ab­ gabe eines Angebotes veranlassen. Ich möchte jedoch nur, wenn es Ihnen keine Schwierigkeiten macht, um die Gefälligkeit gebeten ha­ ben. Mit den herzlichsten Grüßen, Ihr ergebener [ DiestelY

33. AN ADOLF VON HARNACK1

Hochverehrte Excellenz !

Barcelona, den 1 3 . Juli 1 92 8 .

Es ist kein Zufall, daß meine Gedanken in den letzten Wochen sich immer, wie von einem Magnet angezogen, zu Ihnen und zu Ihrem Seminar wenden : j ährt sich doch wieder einmal die Zeit der ersten Julitage, an deren einem Sie seit langen Jahren mit Ihrem Seminar nachmittags in den Grunewald hinauszogen, um uns dort ein paar Stunden zu schen- I ken, die gewiß vielen ande­ ren, wie mir, gegenwärtig sind, als sei es gestern gewesen. 2 Und war mir nun sonst die Möglichkeit gegeben im Laufe der Seme­ sterarbeit das, was ich Ihnen gegenüber stets an Dank emp­ finde, auf die unscheinbare Weise der versuchten wirklichen 6 Ligurische Redeweise. 0 7 Unterschrift ergänzt, da in der Durchschrift

nicht vorhanden.

1 NL A 20,2 ( 1 ) : hsl. ; Abdruck : GS III 18 (Auszug) und GS VI 1 35-1 3 7 (vollständig). 0 2 B h a t mindestens sechsmal a n Harnack-Seminaren teilge­

nommen ; vgl. R. Staats, A. von Harnack im Leben Bonhoeffers, 1 05 mit Anm. 32.

es VI 137

I/32. u. 33.

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Mitarbeit bescheiden auszudrücken, und durfte ich in den ver­ gangenen Jahren manch einmal im N amen des Seminars das Wort ergreifen und zu Ihnen offen von dem reden, was wir Ihnen gegenüber unausgesprochen auf dem Herzen hatten Worte, die mir stets ebenso schwer wurden - denn wer findet für solche Dinge das richtige Wort ? - wie ich sie von Herzen gern gesprochen habe - denn was gibt es Schöneres, als ohne Scheu von dem reden zu dürfen, was einen bewegt ? - so kom­ men auch in diesem Jahr, wo ich dem allen fern bin, grade um diese Zeit oft und immer wieder die Stunden der Dankbarkeit über mich ; und solche Stunden soll man nicht ungenützt lassen. Ich denke hier in meiner rein praktischen Arbeit, wo ich wis­ senschaftlich völlig auf mich allein und meine Bücher angewie­ sen bin, wo ich ohne j eden Gedankenaustausch in dieser Hin­ sicht leben muß, mit gewisser Sehnsucht und Wehmut an jene Stunden in Ihrem Hause und j ene Nachmittage im Grunewald zurück und wünsche mir oft nur eine Stunde lang wieder in Ihrem Seminarkreis sitzen zu können oder mit Ihnen ein Ge­ spräch führen zu können, wie sie mir von Seminarfeiern, Aus­ flügen und mancher anderen Gelegenheit unvergeßlich geblie­ ben sind. Ich empfinde hier erst ganz, was ich gehabt und was ich verloren habe, wissenschaftlich und menschlich. Aber daran knüpft sich die Hoffnung, daß es nicht viel mehr als ein halbes Jahr ist, daß ich das alles wieder haben soll und darauf freue ich mich schon heute . 3 B e i alledem scheint mir die Zeit, die ich hier i n wissenschaft­ licher Einsiedelei und mit viel neuen Eindrücken des prakti­ schen Lebens hier zubringe, in ihrer Weise doch auch sehr fruchtbar sein zu können. Man gewinnt Abstand von so man­ chem, I in das man sich verrannt hatte, man wird freier von schulmäßigen Doktrinen und man lernt die Grenzen des Wer­ tes der reinen Wissenschaft doch auch bedeutend schärfer se­ hen ; und das alles wird doch wieder zum Ansatzpunkt, von dem aus man das ganze Erarbeitete von Neuem durchprüft. So

3 Im SS 1 929 nahm B am letzten Harnack-Scminar teil, das jeweils Donnerstag Abend stattzufinden pflegte. Das Thema ist (entgegen R. Staats, a. a. 0 . , 1 0 7 Anm. 3 2 ) nicht mehr mit letzter Sicherheit z u eruieren. Vgl. auch I/93 und I/95 .

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es VI 137

glaube ich, dag meine Zeit hier - grade außerhalb Deutschlands - ihre B edeutung für mich hat, die es auszunutzen gilt. Ich bin gern hier, werde aber auch gern wieder zurückkommen ; denn die Wissenschaft, wenn sie einen einmal gepackt hat, läßt einen nicht mehr los ; und daß sie mich gepackt hat, das habe ich außer Ihnen nur noch ganz wenigen zu danken. Ich schließe mit dem herzlichen Wunsch, daß es Ihnen gut gehen möge und bitte mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin empfehlen zu wollen und bleibe mit den verehrungsvollsten Empfehlungen und Grüßen Eurer Excellenz stets in Dankbar­ keit ergebener Dietrich Bonhoeffer

34. AN PAULA BONHOEFFER1

Liebe Mama !

1 7. VII.

Nur ganz kurz heute zur Antwort auf deine Fragen. Einen Anzug habe ich mir noch nicht machen lassen, weil ich es bis jetzt noch so aushalte, tue es aber vielleicht doch noch bald, da man hier nicht nur in Hemd und Hose herumlaufen kann ; das gilt für unangezogen. - Der Panama kam gut an, und ich mußte nur 1 Y, Stunden warten und habe den Hut für alt ausgegeben. Für alle eingeschriebenen Sachen muß man hier selbst auf die Post, wo j edes Paket geöffnet wird. Mit Schokolade sind sie da sehr streng, das kann man wohl nur als Muster ohne Wert versuchen ; freilich wird da viel gestohlen. Anderenfalls muß man eben verzollen. Die Reisepläne von Olbricht2 sind, wenn Ihr am 1 5 . X. wie­ der zurück sein müßt, wirklich sehr ungeschickt. Er wird etwa am 2 5 . IX. zurückkommen, weil er am 22 . noch den Geburtstag seines alten Vaters mitfeiern will. Wie wäre es, Ihr kämt, wenn Ihr überhaupt kommt, etwa am 1 5 . und bliebet 1 0 Tage in 1 NL A j 9, 1 ( 1 6 ) : hsl. aus Barcelona: teilweiser Abdruck : GS VI 1 3 7. 0 2 Siehe I/3 1 , S. 74 .

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I/33 .-35.

Barcelona oder einem seiner Vororte am Meer, wo ich ja dann natürlich dauernd Zeit habe, wenn nichts besonderes los ist, und wir führen sobald ich frei bin, also etwa den 2 5 . , nach Mallorca auf 14 Tage. Man kann da französisch und deutsch essen, auch spanisch. Schade, daß Ihr nicht durch die Luft nach dem Süden, nach Granada, wollt. Aber Mallorca soll ja, das höre ich hier immer wieder, zum Allerschönsten gehören, was es überhaupt hier gibt. So wäre das ja wunderschön, wenn es Euch nicht zu strapaziös wird. Ich bin nun gespannt auf die kommenden Entscheidungen. Sonntag gehe ich auf 4 Tage mit 2 Ehepaaren in die Pyrenäen, um etwas kühle Luft zu schnappen. - Übrigens werde ich hier sobald nicht mehr zum Baden gehen ; ich schwitze heute, wo ich seit langem wieder einmal schwamm, so wie nie vorher. Die Spanier haben schon garnicht unrecht, wenn sie nicht soviel schwimmen. Den Picass03 hoffe ich durch Vermittlung meines Spanier­ freundes durch einen Bekannten nach B erlin zu kriegen. Das wäre das Beste. Nun Schluß . Ich habe heute schon viel geschrieben, will noch in die Stadt zu einer Tasse Kaffee und noch ein bischen ans Arbeiten . Euch Alle grüßt herzlich Euer Dietrich .

35. AN lUllE BONHOEFFER1

Liebe Großmama !

den 1 7. 7. 2 8 .

Für Deinen lieben B rief mit dem Bild von Großvater2 hab vie­ len herzlichen Dank. Er kam gestern an, am Tage seines 1 00 . Geburtstages und ich habe wieder einmal oft an diesem 3 Ebd. , S. 73 f. t

NL A 1 9, 2 (4) : hsl. aus Barcelona; teilweiser Abdruck : GS VI 1 3 8 f. 0

2 Friedrich B . , geb. 1 6 . 7. 1 828, Großvater B's väterlicherseits.

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Tage zu Euch hinübergedacht, habe mich auch an vieles erin­ nert, was Du selbst mir von früheren Zeiten erzählt hast und so den Tag mit Euch gefeiert ; und wenn wir es Dir auch schon oft gesagt haben, so will ich es Dir an diesem Tage doch noch einmal wieder sagen, wie wir uns freuen und wie dankbar wir sind, daß Du nun ganz bei uns bist und wir Dich ganz haben. 3 Hier läuft inzwischen alles normal weiter. Über Hitze darf ich ja nicht mehr viel sagen, nachdem ich lese, daß Ihr 38° im Schatten (eigentlich glaube ich das den hiesigen Zeitungen nicht ganz ! ) habt. Da sind wir mit unseren 30° ja noch Polarmen­ schen. Zudem muß ich wirklich sagen, daß mich die Hitze bei meiner gegenwärtigen Lebensführung kaum belästigt, eher an­ genehm ist, obwohl die Spanier zerschmelzen wollen. Neulich habe ich es sogar fertig gebracht mich dermaßen zu erkälten, ich weiß noch heute nicht wovon - daß ich glaubte, ich könne am nächsten Tag nicht predigen ; das wäre unangenehm gewe­ sen, da ich zum ersten Mal allein war ;4 ich habe mir daher kurz entschlossen einen Topf heißen Zitronentee machen lassen, Aspirin genommen und den Nachmittag geschwitzt und es da­ bei wohl bald auf den Siedungsgrad von Menschenfleisch ge­ bracht. Am nächsten Morgen war ich völlig geheilt und konnte predigen. Der Kirchenbesuch war ungewöhnlich gut, aber ich darf, glaub ich, kaum hoffen, daß es bei der Hitze so bleibt. JugendgottesdienstS führe ich in der Woche in kleinem Kreise weiter. Neulich habe ich mal wieder was Schönes gesehen. Auf der Hauptstraße hier eine große Menge von Autos hintereinander, die sich alle durch zwei enge eigens errichtete Tore drängten, unter denen Priester standen und die durchfahrenden Autos mit Weihwasser besprengten ; dabei eine Kapelle, die Märsche und Tänze spielte, Gealbere und Johlen. - Was war ? - es war der Tag des Heiligen der Autos und Pneumatiks !6 Ich treibe j etzt intensiver spanisch, komme durch meinen bekannten Spanier mit manchen anderen zusammen ; auch habe ich mich mit einem Professor hier, der sehr antiklerikal und 3 Ab 1 924 lebte Julie B. im Hause B. in Berlin; vgl. DB 33. D 4 Siehe III/9. D

5 6

Nach Kalendereintragungen jeweils mittwochs ( 1 1 . , 1 8 . , 25. 7. 1 928). D Wohl Sankt ChrislOphorus, dessen Gedenktag eigentlich der 25. Juli war.

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I/35. u. 36.

81

theologisch sehr bewandert, augenblicklich aber Arzt ist, ange­ freundet, mit dem ich öfter zusammenkomme ; da reden I wir eben auch nur spanisch. Je mehr ich die Spanier kennen lerne, desto sympathischer werden sie mir. Nur sind sie völlig anders, als man in Deutschland sich vorstellt. Man lebt wirklich ange­ nehm mit und unter ihnen ; sie zanken sich nicht, haben keine Unrast, sind liebenswürdig und gefällig und dabei oft sehr intel­ ligent, trotz aller scheinbar äußeren Unbildung ; denn die Schu­ lung ist ziemlich miserabel ; und das Netteste, sie machen gar­ nichts aus sich und sind von einem socialen Feingefühl, l wie ich es noch nie erlebte. Nun Schluß ! Leb wohl, liebe Großmama und sei herzlich gegrüßt von Deinem dankbaren Dietrich.

36. AN REINHOLD SEEBERG1

Hochverehrter Herr Geheimrat !

Barcelona, den 20. VII . 2 8

Endlich ist es etwas ruhiger geworden. Seit 2 Wochen sind Schulferien und viele deutsche Familien sind verreist ; so tritt nach einer Zeit sehr lebhaften Getriebes, die vom ersten Tag bis j etzt andauerte, eine gewisse Stille ein. Nun wenden sich die Gedanken unwillkürlich von dem vielen hier neu Erlebten ein wenig ab und richten sich zurück nach Deutschland. Und es ist im Wesentlichen eines, was man hier vermissen muß und wirk­ lich sehr empfindlich vermißt - das ist die wissenschaftlich­ gemeinschaftliche Arbeit. Man weiß ja garnicht, was man an einem Seminar oder sonst irgendeiner gemeinsamen wissen­ schaftlichen Arbeit hat, wenn man nicht einmal völlig auf das wissenschaftliche Einsiedlerturn angewiesen gewesen ist. Ich will nicht sagen, daß das ein ganz fruchtloses Stadium ist ; im 7 Siehe auch I/36, S . 82 f. 1 NL A 20, 1 ( 1 ) : hsl. ; Abdruck: GS VI 1 39-1 43 (vollständig) und GS III 1 5

(Auszug).

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Gegenteil, man kommt über manches angelernt-Doktrinäre bald hinaus. Aber es ist meines Erachtens schon gar kein Zwei­ fel, daß erst aus der lebendigen Berührung mit anderen Geistern man selbst zur Gestaltung und Fassung dessen geführt wird, was man zu eigen hat. So denke ich mit Sehnsucht an so man­ chem Freitag abend um die I gewohnte, liebe Stunde, hinüber zu Ihnen ins Seminar und möchte wohl auch einmal wieder mich unter Ihre Hörer setzen und über den , Sinn der Geschichte' mit Ihnen nachdenken. So manche schöne und interessante Nach­ richt bekomme ich aus Ihrem Seminarkreis hierher gesandt. So kann ein Seminarkreis Wellen schlagen bis weit über die Hei­ matgrenzen hinaus. Mit Dankbarkeit denke ich der Stunden in den vergangenen 4 Jahren, die ich bei Ihnen verleben durfte und manchesmal ist es irgendein kleiner Anlaß, der mich ganz plötzlich hineinversetzt in irgendeine dieser Seminarstunden und mir die ganze Stunde, an die ich lange nicht mehr gedacht hatte, lebendig vor Augen treten läßt. Das ist mir unvergängli­ ches Gut geworden, das in mir wirksam bleibt, solange mich die Wissenschaft erfreut und plagt. Ich bin froh in dem Gedanken, daß es nicht viel mehr als ein halbes Jahr noch ist, daß ich mich wieder bei Ihnen einfinden kann und doppelt genieße, was ich entbehrte. Ich bin trotz allem gern hier. Es ist ganz gewiß gut, sich rechtzeitig die Hörner abzulaufen, besonders auch bezüglich der Wissenschaft und ebensogut einmal auf Leute hingewiesen zu sein, die einem in Interessenkreis und Lebensanschauung so fremd sind wie nur möglich. Die Gemeinde ist wohl typisch für ausländische Kaufmannsgemeinden. Im Allgemeinen ist es in­ teressant zu sehen, wie an den meisten der Krieg und besonders die Revolutionszeit einfach vorbeigegangen ist. Das hat j a - wie man heute gewöhnlich meint - nicht nur seine schlechte Seite. Es fehlt all die Nervosität und Überspanntheit, alle intellektua­ listische Affektiertheit und Manieriertheit, wie wir sie in Deutschland so reichlich genießen und wie sie schon zum guten Ton gehört. Menschlich findet man hier ganz vortreffliche Cha­ rakterzüge : Anständigkeit, Ehrlichkeit, Einfachheit, nichts aus sich machen - an letzterem ist wohl der spanische Einfluß maß­ geblich geworden ; der Spanier lacht über keinen Menschen so, als über den Aufgeblase- I nen und den Poseur ; so oft ich mit

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I/36.

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Spaniern über deutsche Stärken und Schwächen sprach, deute­ ten diese in der sehr taktvollen Art, die ihnen bis zu den einfa­ chen Leuten hin eignet, an, daß ihnen das, was wir Pose nen­ nen, fremd sei. Ich glaube, daß wir dadurch viel im Ausland verscherzt haben. Kirchlich ist die Kolonie hier durchaus positiv gerichtet, nur sehr wenig aktiv, sodaß es wenig fruchtbare kirchliche Arbeit gibt; und das ist etwas, was ich sehr bedauere. Aber schließlich lebt man in Spanien und hat sonst genug Interessantes zu sehen und zu studieren. Schon im April bin ich auf 3 Wochen durch Spanien gefahren und habe nun eine bessere Basis für das Ver­ ständnis des Lebens hier in B arcelona. Ich habe nun hier man­ che Beziehung angeknüpft, die mich in die akademischen Kreise hineinbringen - auf diese Weise kann ich auch mein Spanisch praktizieren, - nur daß es, wie ja erklärlich, zumeist ausgesprochen antiklerikale Leute sind, mit denen ich öfter zu­ sammenkomme. An den Klerus kommt man fast nicht heran, nur zufällig lernte ich den einen oder anderen Kleriker kennen, habe aber danach und nach den Gesichtern der Leute auch nicht eigentlich Sehnsucht nach näherer Bekanntschaft : ich habe noch nie derartig unkultivierte Geistlichkeit2 gesehen, wie hier ; so würde direkt aus dem Verkehr garnichts erwachsen. Der Spanier selbst ist mir, j e mehr ich ihn kennen lerne, sehr sympathisch, völlig anders j edenfalls, als ich ihn mir vorstellte und als die geläufige Ansicht in Deutschland über ihn ist. Er ist weder , stolz' in unserem Sinne, noch temperamentvoll, wie wir es uns denken. Ich habe noch nie derartig praktische Demokra­ tie gesehen wie hier, wo man den Herrn und den Diener am selben Tisch im Cafe zusammensitzen sehen kann, wo einem nicht nachgeschrien wird, wenn man gut gekleidet durch die finsteren Gegenden der Stadt geht, wo, wie mir scheint, das sociale Ressentiment garnicht besteht. Keiner ist I so niedrig, daß er glaubt von sich niedriger denken zu müssen, als vom anderen, und keiner - zum wenigsten der König, den ich mehr­ mals sah - so hoch von sich denkend, daß er es sich erlaubt, auf andere herabzusehen. Diese Situation drückt sich überall im Leben aus, im Cafe, in der B ahn, auf der Straße. Daß es natür2 Siehe auch I126, S. 62.

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lich auch hier geschlossene Gesellschaft gibt, ist selbstverständ­ lich und wohl auch socialem Empfinden nicht anstößig, son­ dern im Gegenteil wünschenswert. Zum Ausländer ist der Spa­ nier nicht servil, wie oft der Italiener, sondern korrekt, oft sogar kühl. Bei den Katalanen begegnet man häufig großer Un­ liebenswürdigkeit, die wohl aus der politischen Hinneigung zu Frankreich entspringt. Barcelona selbst ist eine ungewöhnlich lebendige in wirtschaftlichem Aufschwung größten Stiles be­ griffene Großstadt, in der es sich in jeder Beziehung angenehm lebt. Landschaftlich ist schon die nächste Umgebung und die Lage der Stadt selbst ungemein reizvoll ; man hat gute Kon­ zerte, gute - freilich sehr altmodische - Theater - fehlt einem nur eines : der wissenschaftliche Gedankenaustausch, den man auch bei den spanischen Akademikern nicht findet, wo man ihn sucht. Ich halte den Spanier für ungewöhnlich begabt, aber derartig indolent, daß er sich einfach nicht schult. In der Ruhe, Geduld und Indolenz zeigt er ganz zweifellos stark orientali­ sche Charaktereigentümlichkeiten, wie man überhaupt den Eindruck nicht los wird - in Sprache, Tanz, Musik, oft in den gewöhnlichsten Bewegungen - dem Orient nahe zu sein. Ob Spanien als Ganzes noch einmal aufwacht, wage ich nicht zu beurteilen. Aber es schlummert viel Eigenartiges und Alt­ überliefertes in diesem Volk und hin und wieder kommt dann auch etwas zum Durchbruch und zur Lebendigkeit. (Ich bin zur Zeit grade auf der Suche nach alten Spielen, in denen Wett­ kämpfe arabischer und christlicher Theologen noch heute in den kleinen Städten der Provinz aufgeführt werden . ) . Was nun meine eigentliche theologische Arbeit angeht, so bin I ich - soweit das bei der andauernden Hitze, die übrigens auch nicht so schlimm ist, wie man sich vorstellte, möglich ist am Streichen und Kürzen meiner Arbeit,3 die ich Ihnen dann, wie verabredet, Anfang November gerne schicken möchte. Ich muß vieles neu schreiben, große Stücke ganz weglassen ; (ich fand übrigens in Brunners , Mittler', 4 den ich übrigens ziemlich enttäuschend finde, ähnliche Gedanken über die Erbsünde und

3 Gemeint ist "Sanctorum Communio" ; DBW 1 (SC). 0 4 E . Brunner, Der

Mittler.

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I/36. u. 3 7.

85

ihre sociale Bedeutung, wie ich sie entwickelte. ) ; sodann bin ich in Gedanken schon bei einer anderen Sache, allerdings wieder nicht historisch, sondern systematisch. Es knüpft an die Frage nach dem Bewußtsein und dem Gewissen in der Theologie an, und einige Lutherzitate aus dem großen Galaterkommentar. Sie haben im Seminar die Frage des Bewußtseins auch einmal ange­ schnitten ; es soll aber keine psychologische, sondern eine theo­ logische Untersuchung werden. 5 Wenn ich weiter bin, darf ich Ihnen vielleicht einmal brieflich davon erzählen. Mit dem herzlichen Wunsch, daß Sie sich in den Ferien gut erholen und die Ruhe finden, die Sie suchen, und daß es Ihnen weiter so gut gehen möge, wie bisher, daß ich Sie im Frühjahr in derselben Frische und Rüstigkeit auf dem Katheder finde, wie immer, bin ich mit ergebensten Grüßen und angelegentlichen Empfehlungen auch Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin in ste­ ter Verehrung und Dankbarkeit Dietrich Bonhoeffer.

37. AN KARL BONHOEFFER'

Lieber Papa.

Barcelona 26. VII. 28

Ich danke dir sehr für deinen Brief. Ich hoffte eigentlich im Sommer mehr zum Schreiben zu kommen, um das, was ich beim Tagebuch2 versäumt habe, brieflich nachzuholen und fest­ zuhalten. Denn ich fange schon jetzt an manches zu vergessen, was mich vor ein paar Monaten noch interessiert hat. Aber obwohl ich mit festgelegter Arbeit zur Zeit garnicht sehr viel zu tun habe, geht der Tag so ausgefüllt vorbei, daß ich einfach nicht dazu komme. 5

Vorüberlegungen zu B . 's späterer Habilitationsschrift " Akt und Sein. Tran­ szendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie" DBW 2 (AS) ; s. auch I/40, S. 92 ; vgl. DBW 2 (AS), 7. 1 NL A 1 9 , 1 ( 1 7) : hsl. ; teilweiser Abdruck: GS VI 1 43 f. D 2 Das Tagebuch endet mit dem 1 0 . 3 . 1 928.

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Neulich war ich abends bei einer Familie, die immer beson­ ders liebenswürdig und nett zu mir war ; da klagte mir die Hausfrau ihre Leiden und fragte, ob ich Dich nicht einmal fragen könnte, was da zu machen sei. Sie ist c. 50 Jahre, und leidet unter sehr viel Kopfweh ; kann kaum lesen, nur ein paar Minuten -, bis ihr der Kopf und die Augen immer derartig schmerzen, daß sie aufhören muß ; sie wird auf der Straße oft ohnmächtig, j ede Arbeit strengt sie kolossal an, dabei muß sie j etzt - aus sehr wohlhabenden Verhältnissen in recht einfache durch geschäftliches Pech hineingekommen - selbst viel angrei­ fen . Der Arzt hier sagt, es sei Nervenschwäche im Kopf - der Hauptschmerz ist am rechten Hinterkopf - und gibt allerhand schwere Mittel, darunter auch Strychnin (ist das möglich ? ) . Sie sucht nun irgendein Mittel, um die Nerven wieder zu kräftigen und möchte gerne wissen, ob du ihr da irgendetwas vorschlagen kannst. Ich hatte ihr versprochen, zu schreiben und sie war dafür sehr dankbar. I Könntest Du mir bei Gelegenheit darüber kurz schreiben ? Über meine Ferienzeit habe ich Euch inzwi­ schen geschrieben. 3 Ich glaube kaum, daß Olbricht da etwas machen kann, da eben hier dann die Gemeinde ohne Geistli­ chen ist und das sollte grade vermieden werden ; und daß er früher zurückkommt, kann man wohl nicht gut verlangen. Wie scheint Euch denn mein letzter Vorschlag ? Würde sich das nicht ganz gut einpassen ? Olbricht wird nun wohl in den näch­ sten Tagen bei Euch auftauchen. Ich bin gespannt, wie er Euch gefällt. Er gehört im übrigen auch zu denen, denen ein gutes Glas Wein und eine gute Zigarre lieber ist, als eine schlechte Predigt. Ich bin nun sehr begierig auf den 1 . August und alles, was damit zusammenhängt. 4 Ihr schreibt mir doch dann gleich ? Man sagt, der Oktober sei der schönste Monat hier, der Sep­ tember noch ziemlich heiß ; aber Ihr seid ja akklimatisiert. Wir haben j etzt regelmäßige Temperaturen von 32°.

3 Siehe I/34, S. 78 f. 0 4 Aus dem Brief der Mutter Paula B . vom 26. 7. 1 928 :

" Am 1 . August ist Rektorwahl. Papa fürchtet nicht loszukommen. Der Ober­ pedell hat zu Gen schon gesagt, der wäre ja wohl der Schwiegersohn vom neuen Rektor" (NL C l ) .

es VI 144

I/3 7.

u.

87

38.

Ich muß fort zu einer Besprechung mit Dr. Krebs (von der

l . G. 5 durch Onkel Otto), mit dem ich zwei Tage mit dem Auto

fort will. Es grüßt dich vielmals dein dankbarer

Dietrich.

38. AN PAULA BONHOEFFER1

Barcelona, den 30. Juli

Liebe Mama !

Hab vielen Dank für Deinen Brief, den ich eben - von einer zweitägigen Autotour zurückgekommen - vorfinde. Hoffent­ lich ist Großmama inzwischen wieder wohl. Grüße sie doch bitte sehr von mir. Die 4tägige Tour von neulich fiel plötzlich ins Wasser, so war mir die gestrige ein schöner Ersatz . Mit Dr. Krebs von der l . G . und einem befreundeten Lehrer der Schule habe ich 2 sehr schöne Tage gehabt. Wir fuhren bis an die Vorberge der Pyrenäen und bogen dann an die Küste ab und fuhren an der steil ins Wasser fallenden Felsküste den ganzen heutigen Tag. Ziemlich müde, verbrannt und trotz mehrmali­ gen Meerbades staubig kamen wir zurück. Die beiden anderen haben mir auf der Fahrt etwas vorgeschwärmt von Mallorca, es sei das schönste von ganz Spanien überhaupt und man müßte ganz unbedingt hin. Nun entscheidet es sich ja bald, ob was draus wird. Seit 4 Tagen ist es hier phantastisch heiß geworden, so daß wir Nächte lang nicht unter 3 0° kamen und das strapaziert am meisten, wenn man Nachts keine Abkühlung hat und schlech­ ter schläft. So habe ich mich entschlossen, mir doch noch einen ganz leichten Sommeranzug machen zu lassen. Ich habe mich erkundigt ; so was kostet hier 200 Ps 1 4 0 M. Leinenanzüge gibt es überhaupt nicht und trägt also auch kein Mensch. Nun habe ich, wie du wohl weißt, im Lauf der letzten 2 Monate 250 =

5 D . i. Industriegesellschaft Farben. 1 NL A 19, 1 ( 1 8 ) : hsl. ; teilweiser Abdruck : GS VI 1 44.

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a ) Vikariat in B arcelona. 1 92 8/29

es VI 144/145

Ps. abgehoben und noch 250 liegen ; außerdem habe ich von dem Geld was Olbricht mir im Voraus gab, schon allerlei ge­ braucht, - die Pension ist allerdings bis 1 5 . Februar bezahlt ; ich brauchte noch Lackschuhe, denn die alten brachen trotz bester! Pflege - das kann meine Wirtin bestätigen ! - ein paar Krawatten und Socken, Sportstrümpfe, c. 50 Ps. für eine 3 tägige Gebirgstour vor 4 Wochen, - so daß ich kurz gesagt - ziemlich bald blank bin, wenn ich mir noch den Anzug machen lasse. Man braucht eben jetzt im Sommer auch mehr Nebenausgaben, Obst, Getränke, für die kleinste Strecke Autobus etc. , sodaß das Geld trotz ziemlich Zusammenhaltens durch die Finger geht. Ein paar Geburtstagsgeschenke haben mich auch noch geschädigt. Das ist also augenblicklich mein dringendstes Anliegen. Sonst geht es mir, wie immer, ausgezeichnet ; ich bin nur sehr faul. Ich bereite für den Winter eine Vortragsreihe vor, 2 die ich in der Kirche halten will. Der Kirchenbesuch ist noch erstaun­ lich gut - jedenfalls sagen die Leute so. Viele Grüße an das ganze Haus. Dich grüßt herzlich Dein Dietrich

39. AN DIE ELTERN1

Liebe Eltern !

Barcelona, den 2. VIII. 2 8 .

Vielen Dank für Euer Telegramm,2 das mir j a wirklich sehr überraschende und schöne Nachricht brachte. Ich hatte schon nicht mehr geglaubt, daß es soweit kommen würde. Nun bin I ich aber doch gespannt zu hören, wie Du es doch noch möglich gemacht hast, lieber Papa, daß Du, wie Du schreibst, nicht frohnen mußt. 3 2 Erster Hinweis auf die Gemeindevorträge, s . II/I-3. 1 NL A 1 9, 1 ( 1 9) : hsl. ; teilweiser Abdruck : GS VI 1 44 f. 0 2 Nicht erhalten. 0 3 Vgl. II37, Anm. 4, S. 86. Zum Rektor für 1 928/29 wurde Wilhe1m His, Prof.

für Innere Medizin, gewählt.

es VI 145

I/3 8 .

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39.

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Ich bin nun sehr beim Plänernachen und Herumhören, wie ich Euch Spanien von der erfreulichsten Seite zeige. Die Zeit Eures Kommens soll - das wird mir überall bestätigt - ganz herrlich sein, wenn das Wetter normal ist. Von einem befreun­ deten Herrn, der Mallorca seit Jahren kennt, habe ich mir die schönsten Touren aufgeschrieben und beschreiben lassen. Aber vielleicht entschließt Ihr Euch nun, wo Ihr j a doch mehr Zeit habt, doch noch nach Granada zu fahren ; da würden wir dann unterwegs noch Madrid und besonders Toledo sehen, und es würde Euch dort ganz gewiß sehr gefallen. Außerdem kenne ich mich eben dort auch schon aus und könnte Euch viel besser alles zeigen. Aber auch Mallorca ist j a ganz gewiß sehr schön. Von hier aus müßten wir dann mal auf den Montserrat fahren und vielleicht auch mal ein Stück weit auf die Pyrenäen zu ; und dann eben südlich weiter. Ich überlege nun auch schon mit Hotels hier hin und her. Es gibt hier die internationalen Hotels, Ritz, Majestic, Colon, die alle sehr gut - das zweite auch ruhig ­ sein sollen, aber doch ziemlich teuer sind : 35 Ps. das sind c. 25 M. ; dann gibt es kleine Pensionen, die gut renommiert sind, von denen ich aber nicht weiß, wie Betten und Essen sind. Man könnte j a allerdings auch, obwohl das hier unüblich und wegen der Mühen auch nicht so zweckmäßig ist, außerhalb der Pen­ sion essen. Man kommt hier fast überall mit Französisch und sehr weit in den besseren Hotels mit Deutsch aus . Wenn Ihr aber kommt, dann will ich Euch doch am besten nach Portbou entgegenfahren und abholen, denn die sind dort so blöde, daß kein Zollbeamter Französisch spricht. Ich muß Stunde halten. Nun Schluß . Ich freue mich sehr, bis Ihr kommt und auf Euern nächsten Brief, in dem Ihr von Euren Plänen erzählt. Viele Grüße an Großmama und Sabine, der ich sehr danke für ihren Brief. Euch grüßt herzlich Euer dankbarer Dietrich.

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a) Vikariat in Barcelona. 1 928/29

GS I 51/52

40. AN HELMUT RÖSSLER1

Lieber Rößler !2

Barcelona, den 7. August 1 92 8

Nun also - herzlichen Dank für Ihren Brief, 3 mit dem Sie mir eine wirkliche Freude gemacht und Beruhigung geschaffen ha­ ben. Ich fürchtete allerdings weniger für unsere Verbundenheit, als daß tatsächlich bei Ihnen irgendetwas vorgefallen sei - nun ist das gottlob anders und hat sich alles erklärt. - Ein halbes Jahr - und solange ist es, seit wir uns zuletzt sahen ! - ist eine lange Zeit, um in einem Brief auch nur einigermaßen Wichtiges mitzuteilen. Aus meinem ersten Brief4 wissen Sie etwa über mein Arbeitsgebiet Bescheid ; es ist eine durchaus eigenartige Erfahrung, wenn man Arbeit und Leben tatsächlich zusammen­ fließen sieht, - eine Synthese, die wir wohl alle in der Studen­ tenzeit suchten, aber doch kaum fanden ; - wenn man wirklich ein Leben lebt, und nicht zwei oder besser : ein halbes ; es gibt der Arbeit Würde und dem Arbeiter Sachlichkeit, Erkenntnis der Grenzen seiner selbst, wie sie eben nur am konkreten Leben gewonnen wird. Ich lerne von Tag zu Tag neue Menschen kennen, minde­ stens ihre Schicksale, manchmal schaut man auch durch ihre Schilderungen hindurch auf die Person - und dabei ist eines immer von neuem eindrucksvoll : man begegnet hier den Men­ schen wie sie sind, fern von der Maskerade der " christlichen Welt" ; Leute mit Leidenschaften, Verbrechertypen, kleine Leute mit kleinen Zielen, kleinen Trieben und kleinen Verbre­ chen, - alles in allem Leute, die sich heimatlos fühlen in beider­ lei Sinn, die auftauen, wenn man freundlich mit ihnen redet, wirkliche Menschen ; ich kann nur I sagen, daß ich den Eindruck habe, daß gerade diese viel eher unter der Gnade als unter Zorn, daß aber gerade die christliche Welt viel eher unter dem Zorn 1 NL A 20,4 ( 1 ) : Kopie aus : D. Bonhoeffer. Einführung in seine Botschaft,

58 f; mit hsl. Korrekturen E. Bethges nach dem Original ; Original verschollen ; Abdruck : GS I 5 1-53 . 0 2 Helmut Rößler und B kannten sich seit 1 926, vgl. 1 927 DBW 9, 1 69. Inzwischen war Rößler Landpfarrer in der Prignitz gewor­ den, siehe auch I/164. 0 3 Nicht erhalten. 0 4 Nicht erhalten.

es I 53

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als unter der Gnade steht. " Ich werde gesucht von denen, die nicht nach mir fragten . . . und zu denen, die meinen Namen nicht anrufen, spreche ich : Hier bin ich. " a es. 65, 1 . ) Ich habe jetzt im Sommer, wo ich allein bin auf Y. Jahr, alle 14 Tage Predigt. Und es geht mir wie Ihnen. Ich weiß nicht, was man mit der kostbaren halben Stunde, die man hat, an­ fängt ; ich predige so verschieden, wie ich es selbst nicht bei mir für möglich gehalten hätte. Die Texte werden Ihnen etwa ein Bild geben : Röm. 1 1 , 6 ; 1 . Kor. 1 5 , 1 4-1 7 ; Matth. 2 8 , 20 ; 1 . Tess. 5 , 1 7 ; Luk. 1 2 , 49 ; Matth. 7, 1 ; Ps. 62, 2 ; 1. Kor. 1 2 , 26 f. ; Matth. 5 , 8 ;5 und ich bin dankbar, daß ich Erfolg sehen darf; es ist ein Gemisch von persönlicher Freude, sagen wir Selbstgefühl, und sachlicher Dankbarkeit, - aber das ist j a das Gericht aller Reli­ gion, dieses Gemisch von Persönlichem und Sachlichem, das man vielleicht veredeln, aber nicht grundsätzlich beseitigen kann, und darunter leidet man als Theologe doppelt - aber wiederum, wer sollte sich nicht freuen über eine volle Kirche, oder darüber, daß Leute kommen, die j ahrelang nicht kamen, und auf der anderen Seite : wer analysiert diese Freude, ob sie keimfrei ist von Schmutz ? Ich habe lange gedacht, es gäbe für die Predigt ein Zentrum, das, wenn es getroffen wird, jeden Menschen bewegt bzw. vor die Entscheidung stellt. Ich glaube das nicht mehr. Erstens kann die Predigt nie das Zentrum fassen, sondern kann nur selbst von ihm, von Christus, gejaßt werden. Sodann wird Christus Fleisch ebenso im Worte des Pietisten, wie des Kirchlichen, wie des Religiösen Sozialisten, und diese empirischen Gebunden­ heiten bedeuten nicht relative, sondern in der Tat absolute Schwierigkeiten für die Predigt ; die Menschen sind eben nicht im Tiefsten doch noch I Eines, sondern sie sind Einzelne, total Verschiedene nur durch das Wort in der Kirche " Geeinigte" . Ich habe gemerkt, daß die Predigten die wirkungskräftigsten waren, in denen ich verlockend, wie Kindern ein Märchen vom fremden Land, vom Evangelium erzählt habe. Die prinzipielle Schwierigkeit bleibt : man soll Milch geben, und weiß doch nicht, was das heißt, und ob man nicht aus Versehen Zucker­ wasser gibt. Wenn mir einer eine Exegese von 1 . Kor. 3 , 2 gäbe, 5

Siehe IIII2-9, die Predigt über I Thess 5, 1 7 ist nicht erhalten.

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a) Vikariat in Barcelona. 1 928/29

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wäre viel geholfen ; auch für das " Problem des Kindes in der Theologie" , - (über das ich zu arbeiten gedenke im Zusammen­ hang mit dem Problem des Bewußtseins)6 - und damit für den Kindergottesdienst. Am Sonntag will ich nun über Matth. 5 , 8 sprechen/ ich bin noch nie an eine Predigt mit solchem Herzklopfen herangegan­ gen. Aber ich freue mich auf Sonntag. Was soll ich Ihnen noch viel berichten ? Daß ich eine wunderschöne Reise durch Spanien mit meinem Bruder Klaus gemacht habe, wissen Sie, vielleicht erzähle ich Ihnen mal ausführlich. Im Laufe des Septembers kommen meine Eltern mich besuchen, darauf freue ich mich sehr. Über den Spanier als Menschen ein andermal. Ich schließe für heute ; dieser Brief sollte nur ein kleines Zeichen meiner großen Freude sein, daß bei Ihnen alles zum Besten steht, und die entstandene Lücke schließen. Ich freue mich auf j ede weitere Nachricht von Ihnen und bin mit herzlichen Grüßen Ihr getreuer Dietrich Bonhoeffer P. S . Über Kehnscherpers8 Entschluß bin ich nicht wenig er­ staunt. Wie kommt der Mann dazu, auf so lange aus Deutsch­ land fortzugehen ?

41 . AN URSULA UND RÜDIGER SCHLEICHER'

Liebe Ursei, lieber Rüdiger.

Barcelona, den 1 0 . 8 . 2 8 .

In Deinem Brief, 2 lieber Rüdiger, steht so ganz nebenbei ein Satz, der mir wohl als die Hauptsache erscheint, nämlich, daß ich Pate Eurer kleinen Dorothea3 sein soll. Damit macht Ihr mir 6

Siehe I/36, S. 8 5 ; vgl. auch DBW 2 (AS), 8. Zu den vorhergehenden homileti­ schen Überlegungen s. auch lI/5. 0 7 Am 1 2 . 8 . 1 928 ; s. III/9. 0 8 Gerhard Kehnscherper wurde nach seiner Promotion auf persönlichen Wunsch von Generalsuperintendent Otto Dibelius als Auslandspfarrer nach Rio de Janeiro geschickt. 1 NL A 19,2 ( 14) : hsl. ; teilweiser Abdruck: GS VI 145. 0 2 Nicht erhalten. 0 3 Dorothee Schleicher, geb. 4. 5. 1 92 8 .

I/40.

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41.

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eine ganz große Freude, und ich danke Euch, daß Ihr da so nett an mich gedacht habt. Wie schade, daß ich nun auch bei Eurem dritten nicht bei der Taufe sein kann, das mir doch in besonde­ rer Weise verbunden sein soll. Ich freue mich auf die Zeit, wo ich meine Patenschaft praktizieren kann, wenn Dorothea erst größer ist ; denn ich muß sagen, ich habe von einem Patenonkel und einem Patenkind eine sehr nette Vorstellung ; und da Ihr j a wißt, daß ich sowieso gern mit Kindern zusammen bin, könnt Ihr Euch denken, welche doppelte Freude ein , eigenes' Paten­ kind, an das man doch nicht nur Pflichten, sondern auch so ein wenig Recht hat, machen wird. Also habt vielen Dank und seid gewiß, daß ich am Tauftag in herzlichen Gedanken bei Euch und meinem jüngsten Patentöchterchen bin. Das wird ein schö­ nes Sommerfest bei Euch geben, wenn Ihr mit Dohnanyis und den Eltern zusammen Taufe haltet, ein Fest, von dessen Freude und Glanz etwas in Eure Dorothea hineinfallen möchte für immer. Und Ihr müßt schon, ohne gleich über Euren nun völlig pastoral gewordenen Bruder herzufallen, hinnehmen, daß ich Euch sage, daß ich am Tauftag eben ganz besondere Wünsche und Hoffnungen für die Dorothea habe und ich glaube auch, wir verstehen uns darin im Grund. Nun müßt Ihr mir aber doch bald einmal ein Bild von der Kleinen schicken, damit ich mir doch so ungefähr eine Vorstel­ lung machen kann von dem, was mich in einem halben Jahr erwartet. Über ein Patengeschenk müßt Ihr mir noch ein bis­ chen Zeit lassen nachzudenken. Es ist mir zu überraschend gekommen. - Hoffentlich habt Ihr schöne Sommertage oben in Friedrichsbrunn4 und seid doch von der Hitze verschont, die uns allmählich etwas zu plagen beginnt ; dann wirst Du, liebe Ursel, Dich hoffentlich ganz schnell erholen und Ihr alle ge­ sund nach B erlin kommen und zu neuen Taten übergehen. Laßt's Euch so gut gehen, wie es mir geht. Alle guten Wünsche für Euch und meine Dorothea. Lebt wohl, es grüßt Euch Euer dankbarer Dietrich. Dir lieber Rüdiger noch besonders herzlichen Dank für Deinen Brief. Ich schreibe bald mal wieder ! 4 Siehe

u.

I144, Anm. 2, S. 99.

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GS VI 145

42. AN DIE ELTERN1

Liebe Eltern !

Barcelona, den 1 4 . 8 . 2 8 .

Für Eure Briefe danke ich Euch sehr. Dir, lieber Papa, beson­ ders für die Nachricht für die mir bekannte kranke Dame ;2 sie war ganz glücklich, als ich ihr erzählte, Du wolltest sie viel­ leicht einmal, wenn Du hier seist, besuchen. Sie sei auch vor dem Krieg oft bei Ziehen3 gewesen. Einen Herrn Alvarez de la Campa4 gibt es hier an derselben Stelle, die er angibt, wie ich aus dem Telephonbuch ersah. Et­ was Näheres über den Mann konnte ich bisher nicht erfahren, da ein bekannter Deutscher vom Freihafen augenblicklich fort ist und andere, die ich fragte, ihn nicht kannten. Soll ich ihn mal antelephonieren und sagen, daß Du kommst oder willst Du schreiben ? Daß es nun also wirklich mit Eurer Reise etwas wird, ist ganz wunderschön. Ich habe mich nun noch mal nach Wohnmög­ lichkeiten erkundigt ; es gibt ja natürlich auch billigere Hotels, aber die sind da eben durchweg laut gelegen, - und das ist in Spanien fürchterlich, der Lärm geht die ganze Nacht durch und außerdem sind die B etten, wie ich glaube, für Euch nur in europäischen Hotels erträglich ; es kommt dazu, daß man in kleinen Hotels spanisch essen muß und es Euch wohl doch lästig ist, Mittag und Abend auswärts zu essen, wobei es sich dann noch fragt, ob man überhaupt viel billiger fährt, denn die Einzelessen in den Hotels, wo man europäisch essen kann, sind unverhältnismäßig viel höher als der gesamte Pensionspreis . Ich glaube, daß Ihr keinesfalls auch mit mittlerem Gasthof über 25 Ps am Tag wegkommt, wahrscheinlich sogar mehr braucht (und Ingleterra kostet 35 Ps . ), denn 8 Ps Nacht, 8 Mittag und 1 0 Abend ist der übliche Preis hier in Barcelona. Man ißt eben hier ganz unverschämt teuer gegenüber anderen Großstädten. Nach

1 NL A 1 9, 1 (20) : hsl. ; teilweiser Abdruck : es VI 1 45-147. D 2 Siehe 1/37, S . 86. D 3 Theodor Ziehen war bis 1 9 1 7 Psychiater in Berlin und Kollege von Kar! B . D 4 N. i.

es VI 146

1/42 .

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möblierten Zimmern will ich mich umsehen, habe aber auch da nicht viel Zutrauen. In meiner Pension sind die beiden übrigen Zimmer besetzt, ich möchte Euch auch nicht eine Nacht in diesen Betten wünschen. Aber vielleicht findet sich doch noch was bis dahin. Wenn Ihr am 1 8/ 1 9 kommt, so habe ich am 22. noch PredigtS und wir könnten dann wohl schon am 24. fahren. Das Meer soll um diese Zeit noch ruhig sein, d. h. eben wenn es normal geht, sonst soll ja dies Jahr sowohl der Regen im Frühjahr als die augenblickliche Hitze völlig unnormal sein. Ich halte für mög­ lich, daß die Pyrenäen schon etwas kühl sind, aber das hat ja Zeit. I Augenblicklich jedenfalls kann ich mich noch nicht in die Lage versetzen, daß es mich wo frieren könnte. Nach ein paar Tagen der Schlappigkeit, in denen ich einfach viel schlief, fühle ich mich wieder völlig gesund und glaube überhaupt, daß es wenig Leute gibt, die die Hitzezeit so gut überstehen, wie ich. Heute bekam ich zu Mittag Linsen und Schweinebraten und vorher einen Eierkuchen und habe alles ohne Schaden bezwun­ gen. Ihr fragt, was ich nach Eurer Abreise machen will ; ich denke, ich bleibe hier; denn erstens habe ich noch gar keinen festen Urlaub, zweitens ist dann schon wieder viel zu tun. Ich will Religionsunterricht an der Schule versuchen einzu­ richten, bereite außerdem für den Winter eine Reihe von Vor­ trägen, die ich in der Kirche halten will und die im Oktober anfangen sollen vor, muß mit den Kindern das Weihnachts­ stück6 anfangen und möchte an einer neuen Arbeir1 noch was fertig bringen. So werden mir dann die letzten 4 Monate im Fluge vergehen. Am Schluß meiner Zeit möchte ich allerdings gerne noch ein bißchen reisen. Augenblicklich sitze ich viel an der Umarbeitung bzw. Strei­ chung meiner Licentiatenarbeit, was sehr langweilig und zeit­ raubend, wenn auch notwendig ist. Die Gottesdienste wachsen in der Zahl der B esucher noch an und das freut einen ; ich hatte letzten Sonntag die , phantasti-

5

Gemeint ist der 23. 9. 1 928 ; s. III/ 1 2 . D 6 Vgl. l/63, S. 1 22. D 7 Vgl. I/36, S. 85 und 1/40, S. 92.

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sehe' Zahl von 40 Besuchern, mehr als überhaupt j e in den Sommermonaten da war. Aber es ist unerhört, wenn man bei einer Kolonie von 6000 Deutschen und Gemeinde von über dreihundert damit zufrieden sein muß . Das hat nur den Vor­ zug, daß man die paar Leute wenigstens kennt. Nun Schluß ! Ich danke Euch für die Erhöhung des Akkredi­ tivs . 8 Mein Anzug ist ganz ordentlich geworden. Jetzt hat mein Pensions genosse mich um 75 Ps . angepumpt, die ich ihm gab. Und, was ich schon längst schreiben wollte. Kannst Du, lie­ ber Papa, mir nicht mal ein Exemplar von Deinem Buch über das Vagabundentum9 schicken ? Ich würde das bei meiner I au­ genblicklichen Beschäftigung mit solchen Leuten sehr gern le­ sen. Ich wünsche Euch Allen ein schönes Tauffest im Harz. Es grüßt Euch herzlich Euer dankbarer Dietrich.

43. AN lUllE BONHOEFFER1

Liebe Großmama !

Barcelona, den 1 7. 8 . 2 8 .

Zu Deinem 8 7. Geburtstag gratuliere ich Dir sehr. Ich denke bestimmt, Du wirst ihn genauso frisch feiern, wie in den letzten Jahren, in denen Du ihn in B erlin gefeiert hast, und ich wünsche Dir und uns allen, daß es übers Jahr ebenso ist. Ich denke am heutigen Tage dankbar zurück an die Zeit, die Du bei uns bist. Ein Haus, in dem es eine Großmutter gibt, hat doch irgendwie eine besondere Bindung und einen besonderen Halt. Es ist ein Stück der alten vergangenen Zeit, das so mitten in die Gegen­ wart hineinragt und in irgendeiner stillen Weise Richtung und Halt gibt und nicht nur das, vielmehr das Alte mit dem Jungen

8 Vgl. I1 1 9, Anrn. 6, S. 49 und I13 8 , S . 88. D 9 K. Bonhoeffer, Ein Beitrag zur

Kenntnis des großstädtischen Bettel - und Vagabunden turns . 1 NL A 1 9,2 (5) : hsl. ; teilweiser Abdruck : GS VI 1 4 7.

es Vi 147

I142 . u. 43 .

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verbindet durch Teilnahme und Liebe. Wo es eine Großmutter gibt, da gibt es ein Ohr für jeden, einen Ort der wirklichen Ruhe, und ein Wort des Rates für j eden Einzelnen ; da be­ kommt man ein lebendiges Verständnis für den Sinn der Tradi­ tion und sieht, daß alles ein kontinuierlicher fluß ist, und daß auch das am Neuesten Scheinende einen großen Teil seiner Kräfte aus der Vergangenheit zieht. Ob Onkel Otto2 mit Euch feiern wird ? Wenn ja, dann grüßt ihn doch bitte sehr von mir ; ich will ihm auch bald mal wieder schreiben ; die Eltern und Klaus werden wohl auch von der Taufe zurücksein. Nur eine wird fehlen, die doch ganz dazu gehört, Tante Helene Schöne. 3 Wir werden sie bei unseren Familientreffen doch sehr vermis­ sen, denke ich. Es hatte sich im Laufe der Jahre doch ein ganz festes Band geknüpft. Nun ist ein halbes Jahr um, eine lange Zeit und doch, wenn ich zurückschaue im Fluge vorbeigegangen ; und das nächste halbe Jahr wird noch schneller gehen ; denn da gibt es noch viel zu tun bis Weihnachten und nachher muß man ja schon an den Aufbruch denken. Daß es schon allmählich Winter wird, mer­ ken wir, indem die Hitze seit 3 Tagen von 30° und mehr auf 25° fiel und viele Leute schon wieder ihre Wolldecken herausholen für die Nacht. Alles atmet auf und man fühlt sich angenehm erfrischt, - bei der selben Temperatur, bei der es zu Haus hitze­ frei gibt ! Was werde ich in B erlin frieren müssen. Sonst geht alles seinen gewohnten Gang. Ich komme etwas mehr zum Arbeiten, was auch sehr nötig ist, treibe mehr spa­ nisch ; dabei merke ich immer wieder, wieviel leichter mir das italienische geworden ist, als das spanische. Erstens finde ich die spanische Aussprache schwer und zweitens glaube ich, daß tat­ sächlich damals mein Gedächtnis für Sprachen noch aufnahme­ fähiger war. Nun habe ich natürlich relativ wenig Gelegenheit zum Spanisch reden ; nur selten kommen Spanier in die Sprech­ stunde und mein Sprachaustausch4 hat gegenwärtig wenig Zeit ; aber j edenfalls sind meine Fertigkeiten noch sehr unzulänglich ; ich mache noch viele Fehler oder vergesse die häufigsten Worte

2 Otto B. D 3 Helene Schöne war im Juni 1 928 gestorben, siehe I129, S. 69. D 4

Luis Sanchez Sarto, siehe ebd . , S. 68 Anm. 6.

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plötzlich. Mag sein, daß es die Hitze ist. Daß aber Spanisch eine leichte Sprache sein soll, scheint mir jedenfalls nicht richtig. Um es wirklich gut zu sprechen, brauchte man Jahre. Ich lese viel spanische Romane - die besten sind merkwürdigerweise anti­ klerikal ; es gibt ganz ausgezeichnete Sachen dabei. Es ist schon wieder Zeit Schluß zu machen ; ich muß eine sehr kranke, alte, fromme Frau besuchen. Bei den Kranken lernt man oft sehr viel. Leb wohl, liebe Großmama; bleib gesund im nächsten Jahr und feiert einen schönen Tag. Mit vielen guten Wünschen grüßt Dich Dein dankbarer Dietrich.

44. AN DIE ELTERN!

Liebe Mama, lieber Pap a !

den 24 . abends

Das war doch sehr nett, Euch so direkt einmal wieder zu hören ; am liebsten hätte ich noch eine halbe Stunde weiter gesprochen ; denn allmählich gewöhnte man sich etwas oder es wurde wohl auch besser. Zu dumm war, daß mir dauernd das spanische Amt ins Gespräch ge schwatzt hat und mich fragte, ob ich schon spräche, während ich hören wollte, was Ihr sagt. Anfangs war es dermaßen leise, daß ich überhaupt glaubte, man müßte ab­ brechen. Dann allmählich hörte ich Deine Stimme, liebe Mama, und erkannte sie auch wieder, und das ist doch unglaublich, Euch so über 1 500 km sprechen hören zu können. Du fragtest mich wohl, ob es noch sehr heiß bei uns sei und hast mich hoffentlich richtig verstanden, daß es viel kühler und besser ist. Dann verstand ich noch, daß Ihr am 1 9 . (oder 1 3 . ?) in Portbau sein würdet. Das ist wirklich ganz wunderschön und ich kriege schon von der ganzen deutschen Kolonie Ratschläge, was wir alles unternehmen müßten. Dann plötzlich war Pause und ich 1 NL A 1 9, 1 (2 1 ) : hsl. aus Barcelona ; sicher August 1 928 ; teilweiser Abdruck: GS VI 1 4 8 .

I/43. u. 44.

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hörte garnichts, dann Susi, die man wegen ihrer hohen Stimme ziemlich gut verstand. Ich hatte anfangs verstanden, Papa sei nicht da; da warst Du aber doch auf einmal am Apparat, lieber Papa, darüber habe ich mich sehr gefreut ; plötzlich wurde auch die Übertragung besser und ich verstand ziemlich gut ; dann kam ganz überraschend Christel und Klaus, da ich beide in Friedrichsbrunn2 glaubte. Nun hatte ich mir ein ganzes Pro­ gramm gemacht, was ich alles fragen und erzählen wollte in den 6 Minuten, die ich genommen hatte ; ich hoffte Dich, liebe Mama, noch mal zu sprechen, weil wir nur so kurz gesprochen hatten, da kam das französische und spanische Amt und sagte, ich solle bald Schluß machen. Ich weiß nicht, ob ich Dir, lieber Papa, oder Klaus auf Wiedersehn gesagt habe. Dann war die Herrlichkeit vorbei und ich war aus der Grunewalder Woh­ nung plötzlich wieder auf das Haupttelegraphenamt versetzt, wo man mir sogleich eine Rechnung vorlegte, gegen die ich heftig protestierte - weil man mir vorher anders Bescheid gesagt hatte - aber schließlich doch bezahlen mußte. (Immerhin ist es doch eigentlich nicht teuer 14 M. für das Gespräch. ) Es war doch sehr hübsch, etwas zu kurz, und wie ich schon die ganzen letzten Tage mich auf diese Minuten gefreut habe, so habe ich jetzt noch eine ganze Zeit die Nachfreude. Schade war, daß ich Großmama nicht gesprochen habe, aber wir hätten uns beide kaum verstanden. Die Verbindung hat nur eine Y, Stunde ge­ dauert ; ich fing um 9 Uhr an, weil es von da an der halbe Preis ist. Vielleicht versteht man aber tags doch besser. Ich selbst habe kein Telephon, bin für dringende Fälle nur vormittags durch die deutsche Schule (Escuola Alemana) indirekt zu errei­ chen, d. h. mit Bestellung. Aber es ist doch schon sehr schön, daß man im Lauf von einer halben Stunde sich sprechen kann. Vielleicht wird's das nächste Mal deutlicher. Nun wollte ich Euch noch allerlei erzählen. Aber es ist schon wieder 1 Uhr geworden - ich war nämlich in der Stadt noch verabredet -. Ich habe, glaube ich, eine ganz geeignete Unter­ kunft für Euch gefunden c. 20 Ps . , sollte es nicht ruhig sein, so kann man ja noch immer nachsehen. Wollt Ihr lieber das Essen 2 Im Original : " ich Friedr. " . In Friedrichsbrunn im Harz befand sich das

Ferienhaus der Familie B . ; vgl. 1 9 1 9 DBW 9, 22 u. ö. sowie DB 47.

1 00

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im Hotel (der Pension), oder daß wir hingehen, wo wir wollen ? Vielleicht ist das letztere für die kurze Zeit, die Ihr hier seid besser - wenn es Euch nicht zu aufregend ist. Dann etwas anderes : Wollen wir etwa gleich am Anfang nach Madrid, dort bleiben, Toledo ansehen, Avila und Salamanca und dann nach S. Sebastian fahren. Der Grund für den Vorschlag ist, daß man mir gesagt hat, daß der Ort (Palma), wo es die besten Hotels von Mallorca gibt, relativ langweilig sei ; ob andere Orte (Soller) gute Hotels haben, will ich nun erst wieder in Erfahrung brin­ gen ; aber ich glaube schon. Ich schreibe darüber noch ausführ­ lich. - Mir geht es bei der Kühle wieder ganz ausgezeichnet, d. h. wir haben noch 26°, aber im Ganzen ist der Sommer vor­ bei ; vorgestern gab es Regen, nun ist auch die Erde kühler und die Häuser. Nachts schlafe ich wieder unter Wolldecken. Beruflich geht es seinen normalen Gang. Etwas weniger Va­ gabunden ; kannst Du, lieber Papa, mir nicht wirklich Dein Buch darüber schicken ?3 Sonntag ist Kirche. Allmählich stellen sich viele von den Leuten ein, die sonst nicht kamen, aber zu denen ich hin und wieder hinging. Beim übernächsten Mal dann seid Ihr schon in der Kirche ! Ich freue mich, Euch alles hier zeigen zu können. Für Suse habe ich einen Fächer besorgt, an dem sie hoffent­ lich Spaß hat, meine Spanierinnen waren hingerissen, das sei wirklich gusto espaiiol . Alle Bekannten von ihnen mußten ihn sehen. Ich will ihn aber auf Anraten nicht mit der Post schik­ ken, sondern Euch lieber mitgeben, da muß sich Suse noch etwas gedulden. Grüßt sie bitte sehr von mir. Nun Schluß . Grüß [ . . r. Lebt wohl ! In einem Monat seid Ihr hier ! Darauf freut sich sehr Euer dankbarer Dietrich. .

3 Vgl. II42, S. 96. 0 4 UnI.

GS VI 148

I/44 . u. 45.

101

4 5 . A N DIE ELTERN!

Liebe Eltern !

den 6. 9 . 2 8 .

Nun wird es also wirklich Ernst - wenn Ihr schon das Billet nach B arcelona in der Tasche habt. Dir, lieber Papa, danke ich sehr für Deinen letzten Brief. Ich fahre am 1 8 . abends nach Portbou und erwarte Euch am 1 9 . früh 91 5 auf der B ahn - wenn nicht hier irgendetwas eilig Unvorhergesehenes eintritt, was aber gewiß nicht geschieht, - dann müssen wir schnell machen auf dem Zoll, denn der andere Zug geht 940 weiter und soll nicht warten, wie man mir gesagt hat ; dann wären wir 1 255 hier zu Haus ; ich habe zunächst für Euch ein Zimmer im Bristolhotel bestellt, ohne Pension fürs Erste, für 10 Pes . pro Person die Nacht, (Bad ist dabei, was hier sehr angenehm ist) . Wenn es Euch dann nicht gefällt, suchen wir etwas anderes heraus. Man spricht deutsch, französisch, englisch. Essen können wir dann entweder auswärts, was wohl oft sein wird, Montserrat, Tibi­ dabo, Monjuich und [ . . . ]2 oder in dem Hotel selbst, wo sogar die Kellner deutsch können sollen. Nun bin ich gespannt, was Ihr für einen Plan für nachher habt, ob Ihr noch ein Stück vom Land sehen wollt oder nicht. Madrid, Toledo besonders wäre doch sehr schön ; oder ob Ihr Euch etwa hier doch noch nach Granada entscheidet, oder lie­ ber in Mallorca völlige Ruhe habt. Es gibt dort übrigens doch gute Hotels auch an anderen Stellen, als in Palma, sogar sehr gute für hiesige Verhältnisse, wie man mir sagt. Das alles wird ja auch davon abhängen, wie Euch die Reise bis hierher bekam. Nun also bleibt es dabei, wenn ich nichts anderes höre, am 1 9 . früh 9 1 5 i n Portbou. Auf ein gutes Wiedersehen freut sich sehr Euer dankbarer Dietrich Mein , Füll