Dietrich Bonhoeffer Werke: Band 3 Schöpfung und Fall
 9783641106966

Table of contents :
Inhalt
Vorwort der Herausgeber
Dietrich Bonhoeffer SCHÖPFUNG UND FALL Theologische Auslegung von Genesis 1-3
Inhaltsangabe
Vorwort
Einleitung
Kap . 1 . V. 1 -2. Der Anfang
V. 3 . Das Wort
V. 4 a . Der Blick Gottes
V. 4b-5 . Der Tag
V. 6-1 0 . 1 4-1 9 . D as Starre
V. 11 -13. 20-25. Das Lebendige
V. 26 f. Das Bild Gottes auf Erden
V. 28-3 1 . Kap . 2, 1-4a. Segen und Vollendung
V. 4b H. Die andere Seite
V. 7. Der Mensch aus Erde und Geist
V. 8 - 1 7. Die Mitte der Erde
V. 18-25 . Die Kraft des anderen
Kap . 3. V. 1-3 . Die fromme Frage
V. 4-5 . Sicut deus
V. 6 . Der Fall
V. 7. Das Neue
V. 8 -13. Die Flucht
V. 14- 19. Fluch und Verheißung
V. 20. Die Mutter alles Lebendigen
V. 21. Das neue Handeln Gottes
V. 22 H. Der Lebensbaum
Kap. 4. V. 1. Kain
Nachwort der Herausgeber
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Register
DIE HERAUSGEBER

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Dietrich Bonhoeffer Werke Band 3

DI ET RICH BONHOEFFER WERKE Herausgegeben von Eberhard Bethge (†), Ernst Feil (†), Christian Gremmels, Wolfgang Huber, Hans Pfeifer (†), Albrecht Schönherr (†), Heinz Eduard Tödt (†), Ilse Tödt Dritter Band

DI ET RICH BONHOEFFER

SCHÖPFUNG UND FALL Herausgegeben von Martin Rüter (†) und Ilse Tödt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 1989 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Das E-Book gibt den Textbestand der Dietrich Bonhoeffer Werke – Sonderausgabe, Gütersloh 2015, wieder. Sie wurde gedruckt mit Unterstützung der Internationalen Dietrich Bonhoeffer-Gesellschaft und der Adolf-Loges-Stiftung, die die Sonderausgabe in besonderer Weise förderte. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Umschlaggestaltung: Ingeborg Geith, München ISBN 978-3-641-10696-6 www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Dietrich Bonhoeffer SCHÖPFUNG UND FALL Theologische Auslegung von Genesis 1-3

17

Vorwort . . Einleitung .

19 21

Der Anfang (Gen 1 , 1 -2) . Das Wort (Gen 1 , 3 ) . . . Der Blick Gottes (Gen 1 , 4a) . Der Tag (Gen 1 , 4b-5) . . . . Das Starre (Gen 1 , 6 - 1 0 . 1 4-1 9) Das Lebendige (Gen 1 , 1 1-1 3 . 20-25) Das Bild Gottes auf Erden (Gen 1 , 26 f) Segen und Vollendung (Gen 1 , 28-3 1 ; 2, 1-4a)

25 38 42 45 47 52 56 64

Die andere Seite (Gen 2,4b ff) . . . . . . . Der Mensch aus Erde und Geist (Gen 2 , 7) . Die Mitte der Erde (Gen 2 , 8-1 7) . . Die Kraft des anderen (Gen 2 , 1 8 -25) .

67 69 75 88

Die fromme Frage (Gen 3 , 1 -3) Sicut deus (Gen 3 , 4 -5) . Der Fall (Gen 3 , 6) . . . . Das Neue (Gen 3 , 7) . . . Die Flucht (Gen 3 , 8- 1 3 ) . Fluch und Verheißung (Gen 3 , 1 4-1 9) Die Mutter alles Lebendigen (Gen 3 , 20) Das neue Handeln Gottes (Gen 3 , 2 1 ) Der Lebensbaum (Gen 3 , 22 ff) . . . . .

96 1 03 1 07 1 14 119 123 128 1 29 131

6

Inhalt

Kain (Gen 4, 1 )

135

Nachwort der Herausgeber

137

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . a) Von Bonhoeffer benutzte Literatur . . . . b) Von den Herausgebern benutzte Literatur c) Auswahlbibliographie zu " Schöpfung und Fall"

1 65 1 65 1 67 1 70

Abkürzungsverzeichnis

1 73

Register a) Bibelstellen . b) Personen . . c) Sachen und Orte

1 79 181 1 83

Die Herausgeber

1 95

. .

Vorwort der H eraus geber

I Der Leser von " Schöpfung und Fall" wird zum Teilnehmer an einer Vorlesung, die Dietrich Bonhoeffer als Privatdozent an der Berliner Universität unter der Ankündigung " Schöpfung und Sünde . Theologische Auslegung von Genesis 1-3 " im Win­ tersemester 1 932/33 hielt. Hörer dieser Vorlesung drängten Bonhoeffer, das Manuskript drucken zu lassen. Für den Druck mußte der ursprüngliche Titel geändert werden, da 1 93 1 das Buch von Emanuel Hirsch " Schöpfung und Sünde" erschienen war. Wodurch wurde die Bitte um Veröffentlichung im Hörer­ kreis ausgelöst ? War es der Vollzug dessen, was als "Theologi­ sche Auslegung" angekündigt war, ein Umgang mit biblischen Texten, wie man ihn im akademischen Raum der Berliner Fa­ kultät bislang nicht kannte ? War es angesichts der heraufzie­ henden Umbrüche im politischen, kirchlichen und gesellschaft­ lichen Raum die , substantielle Aktualität' des Vorgetragenen, die sich einstellte, obwohl der Blick unverwandt auf den Text der Genesis gerichtet blieb ?! War es das Inhaltliche im einzel­ nen, das genaue Nachsinnen über Ebenbildlichkeit, Gemein­ schaft, Geschlechtlichkeit und über die Veränderung dessen, was , Leben' heißt, durch den Sündenfall ? Offenbar spielte alles das zusammen. Hans Hinrich Flöter, als Student der Religionsgeschichte, nicht der Theologie, im Wintersemester 1 932/33 Hörer von Dietrich Bonhoeffer, gibt eine persönliche Antwort. In einem Brief2 erinnert er sich: " Dietrich Bonhoeffer war es ! Für mich wirkte er in der ersten Vorlesung bereits - und der Eindruck I Vgl. DB 263: . . . der Tiefgründigkeit der Aussagen kann man sich nicht entziehen, und man kann auch nicht leugnen, daß hier die Schlachtreihen gut gerüstet wurden, den Betrug des Tages zu erkennen und ihm zu widerstehen . " Mit dem Ausdruck ,substantielle Aktualität' charakterisiert Bethge (ebd . ) Bon­ hoeHers im gleichen Semester gehaltene Vorlesung Jüngste Theologie" . , H. H. Flöter am 27. 5. 1 98 7 an Reinhart Staats . "

"

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Vorwort der Herausgeber

befestigte sich dann - als ein Mann des Tiefpflügens . . . , der - so schien es mir - von einem , extra historischen Standpunkt' . . . neue Wesentlichkeiten im Texte fand, die von Bedeutung waren für Leben und Erkenntnis . . . Der ganze Vortrag war ein Drän­ gen auf und ein Ringen um sprachliche Richtigkeit und um Deutlichkeit: Redestil des genus subtile - ohne, davon war ich überzeugt, daß rhetorische Mittel bewußt eingesetzt wurden. Es ging im Ernst um Kompromißloses . . . Also keine übliche Dogmatikvorlesung. Natürlich standen Systematik und Ex­ egese im Hintergrund - aber es sprach - Bonhoeffer ! . . . Dieser außerordentliche Mensch Bonhoeffer sprengte in dieser Vorle­ sung für mich alles Gewohnte - Tradierte - in Theologie/Kir­ che, Staat/Politik, Wissenschaft/Forschung und so fort. " Schon die Ankündigung des Kollegs - so berichtet Flöter - habe auf ihn provokant und faszinierend zugleich gewirkt. Albrecht Schönherr, der ebenfalls diese Vorlesung hörte, be­ stätigt die von Flöter geschilderten Eindrücke. Hilde Enterlein, später mit Albrecht Schönherr verheiratet, war allerdings gar nicht mit Bonhoeffers , Märchenerzählen' in dieser Vorlesung einverstanden ; sie hielt es für ganz unphilosophisch . Ferenc Lehel, der im Wintersemester 1 932/33 und im Sommersemester 1 933 an den Lehrveranstaltungen Bonhoeffers teilnahm, berich­ tet : " Er war eine äußerst suggestive Persönlichkeit und ganz in die Probleme vertieft ; deshalb kam auch kein Pathos oder rhe­ torisches Künsteln bei ihm auf. Die Kierkegaardsche Tiefe, die Harnacksche Fähigkeit zu analysieren, die Troeltschische tiefe Einbettung in die Zusammenhänge, die Hollsche Material­ kenntnis und die Barthsche Zuspitzung zogen mehr und mehr Studenten zu den Vorlesungen dieses jungen Dozenten. Seinen Sätzen folgten wir mit solcher Span�ung, daß man die Fliegen summen hörte. Manchmal waren wir buchstäblich in Schweiß gebadet, wenn wir das Schreibzeug auf das Heft legten. "3 Ferenc Lehel hat in seiner Mitschrift von " Schöpfung und Sünde" hin und wieder das Datum der Vorlesungsstunde no­ tiert. In Hilde Pfeiffers Mitschrift stehen durchweg die Daten. ] F. Lehel in : W. -D. Zimmermann, Begegnungen, 6 1 . In einem Brief an die Hg. vom 4 . 1 1 . 1 988 bestätigt Lehel, daß ihn nicht das alttestamentlich-exegeti­ sche Thema, sondern Bonhoeffers Persönlichkeit zum Belegen der Vorlesung über Gen 1-3 veranlaßtc.

Vorwort der Herausgeber

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Demnach begann die Vorlesung am Dienstag, dem 8. November 1932. Zu Genesis 1,3 ging Bonhoeffer am 22. November, also in der dritten Vorlesungs stunde, über. Am 13. Dezember brachte er den ersten Schöpfungsbericht zu Ende und begann unter der Überschrift "Die andere Seite" den "H. Hauptteil" , der den mit Genesis 2,4b einsetzenden zweiten Schöpfungsbe­ richt behandelt. In der letzten Stunde vor Weihnachten war er beim Abschnitt "Die Mitte der Erde" (Genesis 2,8-17). Die erste Vorlesungsstunde 1933 fand am 10. Januar statt. Am 31. Januar wurde Genesis 3,4 f "Sicut deus" behandelt, am 14. Februar Vers 8-13 "Die Flucht". Ein weiteres Datum nennen die Mitschriften nicht. Die Notizen von einer Vorlesungsstunde stehen bei Hilde pfeiffer durchschnittlich auf fünf Blatt-Seiten. Daraus läßt sich erschließen, daß das Kolleg vierzehn Vorle­ sungsstunden umfaßte und am 21. Februar endete. Außer dem Kolleg über "Schöpfung und Sünde" hielt Bon­ hoeffer im Wintersemester 1932/33 an der Berliner Universität noch eine weitere einstündige Vorlesung über "Jüngste Theolo­ gie" sowie "Dogmatische Übungen" über theologische Psy­ chologie - ein erhebliches Arbeitspensum inmitten der Beunru­ higungen und Anspannungen, die die politische Situation mit sich brachte. Am Anfang der zweiten Semesterhälfte schrieb er an seinen Bruder Karl Friedrich: "Das Semester ist wieder im Gang und die Vorbereitungen auf Kolleg und Seminar nehmen wieder den größten Teil der Zeit in Anspruch. Ich habe oft das Gefühl, das wohl die Hausfrauen haben müssen, wenn sie mit großer Mühe irgendwas Besonderes gekocht haben und nachher sehen, wie man es so unter anderem mitfrißt. Aber ein schlecht vorbereitetes Kolleg könnte ich einfach noch nicht hal­ ten; ich würde rettungslos stecken bleiben. "4 Dieser Brief verrät nebenher einen weiteren Grund für die Faszination, die von Bonhoeffers Vorlesung ausging: die Frische der Zubereitung. Bonhoeffer verlas kein abgelagertes Manuskript; vielmehr er­ lebten die Studenten mit, wie sich Einsichten in dem Bemühen, sie in Worte zu fassen, vertieften. Die Auslegung von Genesis 1-3 war unter Bonhoeffers aka4 B rief an K. F. Bonhoeffer vom 1 2 . 1 . 1 93 3 DBW 1 2 , 45. Zu B o nhoeffers Unbehagen gegenüber dem "monologischen Vortragen" vgl. DB 256.

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Vorwort der Herausgeber

dem ischen Vorlesungen in der Tat etwas B esonderes. Seine bei­ den vorhergehenden Vorlesungen, j eweils zweistündig, hatten systematische Theologie und Ekklesiologie behandelt. 5 In die­ sem Wintersemester 1 932/33 teilte er seine Vorlesungszeit und widmete eine Wochenstunde der Besprechung systematisch­ theologischer Neuerscheinungen. Die andere Wochenstunde stand im Zeichen des Hörens auf das biblische Wort. Rückschauend auf diese Zeit schrieb Bonhoeffer wenige Jahre später : " Ich kam zum ersten Mal zur Bibel. " 6 Zum Hören des Wortes Gottes gehöre Übung, exercitium, sagte er am 8. November 1 932 in der Einleitung zur Vorlesung über Gene­ sis 1-3 . 7 Zu diesem Training zog es Bonhoeffer j etzt mit unge­ meiner Intensität. " Das war eine große Befreiung. ,, 8 Der tiefste Grund für die Faszination der Vorlesung " Schöpfung und Sünde" war gewiß der, daß die Hörer an dem Menschen Bon­ hoeffer wahrnahmen, wie er , gezogen' wurde . Das Drängen der Studenten auf Veröffentlichung hat dafür gesorgt, daß diese eine Universitätsvorlesung in Bonhoeffers eigener Formulierung in vollem Umfang erhalten blieb . Alle übrigen Aufzeichnungen für die Berliner Lehrveranstaltungen sind bis auf ganz geringfügige Notizen verschollen. "Von Bonhöffer, , Schöpfung und Fall' ist nun das Manu­ skript eingetroffen", berichtete der Verlagsinhaber Albert Lempp am 4. Juli 1 93 3 dem Pfarrer Georg Merz9, " soll ich es Dir noch schicken oder hältst Du es für unnötig. Auch K. B arth hat von B. persönlich einen guten Eindruck. " Am 1 1 . Juli 1 93 3 wurde die Verlagsvereinbarung unterzeichnet. Damit begann 5 "Die Geschichte der systematischen Theologie des 20. Jahrhunderts" im Wintersemester 1 93 1 /32, "Das Wesen der Kirche" im Sommersemester 1 932. Vgl. die Höreraufzeichnungen aus den Lehrveranstaltungen von 1 93 1 /32-1 932/ 33 DBW 1 1 , 1 3 9-21 3 , 239-303; DBW 12, 1 53-1 78. 6 Brief aus Finkenwalde am 27. 1. 1 93 6 DBW 1 4, 1 1 3 . 7 Nachschrift Erich Klapproth N L B 5,2 ( 1). 8 Brief am 27. 1 . 1 93 6 DBW 14, 1 1 3; inzwischen hatte Bonhoeffer an "Exer­ zitien" über die Bergpredigt gearbeitet, s. im Brief an den Freund Erwin Sutz vom 28. 4. 1 934 DBW 1 3 , 129. 9 Damals theologischer Berater des ehr. Kaiser Verlags und Herausgeber der Zeitschrift "Zwischen den Zeiten". Den Brief-Fund verdanken die Hg. Ulrich Kabitz.

Vorwort der Herausgeber

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die Geschichte " Bonhoeffer und der Chr. Kaiser Verlag" 1 0 . Der schmale Band " Schöpfung und Fall" kam noch im Jahre 1 93 3 heraus. A m 1 2 . Januar 1 93 6 erklärte sich Bonhoeffer mit einer weiteren Auflage einverstanden. Die " Zweite unveränderte Auflage" erschien 1 93 7 ; der Preis in Reichsmark : "Kart[o­ niertJ . RM. 2 . 20 " . Für die dritte Auflage 1 955, eine Paperback­ Ausgabe, wurde der Text in lateinischen (statt gotischen) Let­ tern neu gesetzt ; sie enthält den Vermerk : " Copyright 1 93 7 by Chr. Kaiser Verlag". Die vierte Auflage erschien 1 9 5 8 . 1 968 bekam " Schöpfung und Fall", zusammengestellt mit der Bibel­ arbeit " Versuchung" und wiederum neu gesetzt, die braune Ganzleinen-Ausstattung, wie sie die übrigen Schriften Bon­ hoeffers damals hatten. 1 1 II Die Textgrundlage für die vorliegende Edition bilden : - NL A 31,3: Dietrich Bonhoeffers Manuskript der Einleitung und des Vorworts für die Druckfassung der Vorlesung im Win­ tersemester 1932/33, Fotokopie aus dem Besitz von Bertha Schulze, hs. 6 Seiten 8° (Sigle: Ms). - Dietrich Bonhoeffer, Schöpfung und Fall. Theologische A usle­ gung von Genesis 1-3, ehr. Kaiser Verlag, München 1933, 87 Seiten (Sigle: Druck 1933). 1 . Jorgen Glenthoj fotografierte während einer 1 959 genehmig­ ten Archivreise drei in Bonhoeffers Handschrift beschriebene Blätter : die Vorlage zu Einleitung und Vorwort für die Druck10 So nannte Ernst Wolf (der 1 954 die Dissertation und 1 95 6 die Habilita­ tionsschrift Bonhoeffers im Chr. Kaiser Verlag neu herausbrachte) den Beitrag, den er als "Ein Nachwort" (Untertitel) zu Wolf-Dieter Zimmermanns Alma­ nach "Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer" beisteuerte (220-225). 11 Eine Lizenzausgabe der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin kam 1 960 her­ aus. Folgende Übersetzungen erschienen: ins Englische in den Vereinigten Staa­ ten von Amerika 1 956, zusammen mit "Versuchung" 1 965, und in England 1 959, ' 1 960, ' 1 962, zusammen mit "Versuchung" 1 966; ins Japanische 1 962 und als Teil des Bandes 9 der j apanischen Bonhoeffer-Ausgabe 1 964; ins Spanische 1 972 in der kastilischen Bonhoeffer-Ausgabe zusammen mit "Versuchung" und anderen Texten; ins Italienische zusammen mit "Versuchung" 1 977. Die Ausgabe als DBW 3 bildete die Grundlage für DBW E 3 "Creation and Fall", Minneapolis 1 997, ODB 3 "Creazione e caduta", Brescia 1 992, und "Creation et chute", Paris 1 999.

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Vorwort der Herausgeber

fassung von " Schöpfung und Fall " . Die Blätter befanden sich im Besitz von Frau B ertha Schulze ( 1 896-1 9 8 7), einer Promo­ vendin Adolf von Harnacks, mit der Bonhoeffer während sei­ nes Studiums bekannt geworden war. Besonders von 1 9 3 1 bis 1 934 übertrug sie viele Manuskripte Bonhoeffers in Rein­ schrift. 12 Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die verschollene ma­ schinenschriftliche Druckvorlage für Einleitung und Vorwort von Frau Schulze geschrieben worden, vermutlich ebenso der übrige Text, dessen Manuskript wie Typoskript verschollen sind. Die deutsche Handschrift Bonhoeffers ist sehr schwer zu lesen, so daß sogar bei Frau Schulze mit Leseirrtümern zu rech­ nen ist. In dieser Ausgabe gehen wir auf das kopierte Manu­ skriptstück NL A 3 1 , 3 zurück. Die Streichungen im Manu­ skript werden in Auswahl dokumentiert. 2. Für alles übrige geht die vorliegende Ausgabe von der 1 . Auf­ lage aus . Der Text ist mit den nach Kriegsende bis 1 968 erschie­ nenen Ausgaben verglichen worden. Die Ausgabe von 1 96 8 basierte auf der 3 . beziehungsweise 4 . Auflage von 1 955/5 8 . Ab­ sätze, die im Druckbild von 1 955 nicht erkennbar waren, fielen 1 968 weg. 1 3 Die Innenpaginierung der vorliegenden Ausgabe gibt die Seitenzahlen von 1 968 an. Vieles an der Schreibweise und Zeichensetzung von 1 93 3 war 1 955 und noch mehr 1 96 8 der Duden- Normalität angenähert worden. Gemäß den editorischen Richtlinien für die Dietrich Bonhoeffer Werke wird - mit Ausnahme eindeutiger Druck­ fehler und sinnstörender Interpunktionen - die Textgrundlage zeichengetreu wiedergegeben. Wortketten wie " sicut-deus ­ sein", die zum Teil ohne Bindestrich gedruckt waren, wurden

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Vgl . DB 96 u n d 1 74 ; ]. Glenth0j , Dokumente, 26. Zwei Haplographien (Auslassungen von Teil-Sätzen) und einige Wort­ Auslassungen von 1 955 wurden 1 96 8 übernommen. Eine Diplographie (irrtüm­ liche Wiederholung zweier kurzer Sätze) von 1 955 wurde 1 968 nicht korrigiert. Bei der 4. Auflage von 1 95 8 war gegen Ende der Auslegung von Genesis 3 , 7 " Fortzeugung" durch " Fortsetzung" ersetzt worden ; dieses sinnstörende Wort wurde 1 96 8 zu " Fortpflanzung" verbessert. Einige Sonderbarkeiten hatten sich eingeschlichen, zum Beispiel statt des korrekten " via eminentiae" von 1 93 3 und 1 955 das irrtümliche " via emanationis" 1 968. 13

Vorwort der Herausgeber

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vereinheitlicht. Hervorhebungen, die 1933 durch Sperrung er­ folgten, erscheinen j etzt im Kursivdruck. Die Ausgabe von 1 955/58 enthielt kein Inhaltsverzeichnis; das 1 96 8 neu erstellte, das die Genesis- Kapitel wie Überschrif­ ten behandelt, entsprach nicht den Absichten Bonhoeffers . Schon 1 93 3 war a n drei Stellen i m Druck so verfahren worden, als ob Genesis-Stellenangaben Kapitelüberschriften wären. Bonhoeffer hat in den Abschnitten "Das Starre" und " Das Le­ bendige" jeweils zwei Vers gruppen zusammengefaßt, und der Abschnitt " Segen und Vollendung" umfaßt außer dem Ende von Genesis 1 auch den Anfang von Genesis 2. Die 1 93 3 inner­ halb dieser Abschnitte wie Überschriften gedruckten Stellenan­ gaben (ohne einen nachfolgenden Titel) sind in der vorliegen­ den Ausgabe in der Weise eingeordnet worden, wie es 1 933 beim Vers 4a von Genesis 2 schon geschah : unmittelbar vor dem Bibelzitat auf derselben Zeile. Der Bibeltext am Anfang des Abschnitts " Das Lebendige" ging 1 93 3 ohne j eden Einschnitt vom , dritten Tag' zum , fünften Tag' über ; Bonhoeffer hatte den , vierten Tag' schon im Ab­ schnitt " Das Starre" behandelt. In der vorliegenden Ausgabe ist vor dem Beginn des , fünften Tages' ein Absatz eingefügt. Die Übersetzung von Genesis 1 , 1-4, 1 ist mit dem Luther­ text; den Bonhoeffer vermutlich benutzte (A usgabe von 1911, Sigle: LB), und mit der Kautzsch-Übersetzung verglichen wor­ den ; Bonhoeffer hielt sich an die 1922 erschienene vierte A uf­ lage des Kautzsch'schen Werkes. An vielen Stellen hat Bon­ hoeffer den LB- oder den Kautzsch-Text ein wenig modifiziert ; die unbeträchtlichen Abweichungen werden in den Herausge­ beranmerkungen nicht nachgewiesen. 3. Im Rahmen des Bonhoeffer-Nachlasses sind Aufzeichnun­ gen von vier Teilnehmern an der damaligen Vorlesung archi­ viert. - Die Mitschrift von Hilde Pfeiffer (Original : NL Anh. B 2; Sigle: HP) umfaßt 70 DIN-A-5-Seiten. - Udo Köhler hat auf 46 DIN-A-5- Kladdeseiten eine Mit­ schrift angefertigt (Photokopie : NL B 5,1; Sigle: UK). - Der ungarische Student Ferenc Lehel hat 76 Seiten Notizen anfangs auf DIN-A-6-Blättchen und dann in einem DIN-A-6-

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Vorwort der Herausgeber

Büchlein gemacht (Transkription : NL Nachtrag 9; Sigle: FL). Seine Aufzeichnungen enthalten manches, was keiner der ande­ ren Hörer notiert hat ; in solchen Fällen steht in den Hera'usge­ beranmerkungen : ,, (nur) FL". - Von Erich Klapproth gibt es auf 8 DIN-A-5- Kladdeseiten eine ausgearbeitete Nachschrift in Deutscher Einheitskurz­ schrift, die mit der 6. Vorlesungs stunde endet, dazu noch zwei Seiten (unausgearbeitete) Mitschrift von der 7. Vorlesungs­ stunde, der letzten im Jahr 1932 (Photokopie : NL B 5,2; Sigle:

EK).14 Die vier Höreraufzeichnungen sind für die Texterstellung herangezogen worden, wenn Formulierungen in ihnen dem Kontext genauer entsprechen als die Druckfassung von 1 933 und ein Leseirrtum möglich ist. Solche Fälle werden in Heraus­ geberanmerkungen, bei Zusätzen zum Druck 1 93 3 auch durch eckige Klammern im Text kenntlich gemacht. An etlichen Stellen belegen die Höreraufzeichnungen un­ zweideutig, daß dem gedruckten Text eine irrtümliche Lesart zugrunde lag. Auf Grund dieser Beobachtung sind für die vor­ liegende Ausgabe Wörter, die in der Druckfassung von 1 93 3 als sinnwidrige Fremdkörper wirkten, auch ohne Rückhalt an Hö­ reraufzeichnungen durch Wörter ersetzt worden, die im Schriftbild ähnlich und vom Sinn her wahrscheinlicher sind. Herausgeberanmerkungen geben in j edem Fall Auskunft. Bon­ hoeffer scheint sich um selbstverfaßte Texte, sobald er sie ande­ ren ausgehändigt hatte, nicht mehr gekümmert zu haben. Eber­ hard Bethge war später selbst Zeuge einer solchen , s tiefmütter­ lichen' B ehandlung eines eigenen Produktes . Das Ansinnen, die "Nachfolge" zu überarbeiten, wies Bonhoeffer " lachend zu­ rück : , Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben"'. 1 5 D e r Vorlesungs-Stoff entspricht sehr weitgehend dem Buch, ebenso die Anordnung ; nur bei der Auslegung von Genesis 2, 1 8-25 " Die Kraft des anderen" hat Bonhoeffer gegenüber

1 4 Die in den Herausgeberanmerkungen in runden Klammern auf das j ewei­ lige Sigle folgende Zahl gibt die Manuskript- bzw. Archiv-Paginierung des betreffenden Nachlaß-Schriftstücks an. 15 DB 1 67; vgl. Joh 1 9,22: Pilatus! Als ,Produkt' bezeichnete Bonhoeffer seine Habilitationsschrift im Brief an E. Sutz vom 2 8 . 2. 1 93 2 DBW 1 1 , 63; vgl. DBW 2 (AS), 1 2 .

Vorwort der Herausgeber

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dem Gang der Vorlesung eine Umstellung vorgenommen . Durchweg begannen die Vorlesungsstunden mit einem kurzen Rückgriff auf das Vorangegangene. Eine längere Rekapitulation war offenbar bei dem Abschnitt " Die Mitte der Erde" zu Gene­ sis 2 , 8-1 7 nötig. Öfters scheint Bonhoeffer Bemerkungen ein­ geflochten zu haben, die in seinem Vorlesungsmanuskript nicht standen. Befunde wie diese ergaben sich bei dem Vergleich der Höreraufzeichnungen sowohl untereinander als auch mit dem gedruckten Text. Sie werden in Herausgeberanmerkungen vor­ gelegt. Bonhoeffer wollte in sein Manuskript anscheinend so wenig Gelehrsamkeit wie möglich einfließen lassen 16, hat den Studen­ ten aber Hinweise zum Beispiel auf Literatur gegeben, die nicht in die Druckfassung übergingen. Diese Informationen sind in den Herausgeberanmerkungen zu finden. Zusätzlich wird in Anmerkungen auf Literatur verwiesen, die Bonhoeffer bekannt war, und mit der er sich höchstwahrscheinlich für seine Vorle­ sung auseinandergesetzt hat. Der erste Abschnitt des Literatur­ verzeichnisses umfaßt diese Bücher, der zweite Abschnitt wei­ tere von den Herausgebern herangezogene Veröffentlichungen. Beim Zitieren wird gewöhnlich der Verfassername mit Kurzti­ tel angegeben, bei sehr häufig herangezogenen Titeln nur der Name (zum Beispiel : " Hans Schmidt", " Kautzsch"). Auskunft über die Zitierweisen geben das Literatur- und teilweise auch das A bkürzungsverzeichnis17• Register wurden dem Buch erst 1 958 beigegeben. Sie sind für die vorliegende Ausgabe überarbeitet worden und erfassen Bi­ belstellen, Personen sowie Sachen und Orte. Als Faksimile enthält dieser Band das Titelblatt und das In­ haltsverzeichnis der Originalausgabe von 1 93 3 . Einen beträchtlichen Teil des wissenschaftlichen Apparats die­ ser Ausgabe hat Gottfried Claß beigesteuert. Die Herausgeber sind für seinen uneigennützigen Einsatz um so dankbarer, als 1 6 Fremdsprachige Ausdrücke, die er benutzte, werden in Anmerkungen übersetzt. 17 Am Schluß des Abkürzungsverzeichnisses werden auch Zeichen, die im Herausgeberapparat verwendet werden, erklärt (z. B . . = Zeilenwechsel) .

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Vorwort der Herausgeber

dieser j unge Theologe zur gleichen Zeit an einer eigenen Unter­ suchung über " Schöpfung und Fall" arbeitete. Martin Kuske gab Anregungen, die nicht nur für Bonhoeffers " Nachfolge" , sondern ebenso für " Schöpfung und Fall" wichtig sind. Aus dem Gesamtherausgeber-Kreis wirkten Christian Gremmels, Hans Pfeifer und Heinz Eduard Tödt beratend mit. Herbert Anzinger seitens der Redaktion und Wolfgang Huber als für den Band verantwortlicher Gesamtherausgeber haben die Fer­ tigstellung tatkräftig vorangetrieben. Mit unermüdlicher An­ teilnahme begleitete Eberhard Bethge die Entstehung auch die­ ses Bandes der Dietrich Bonhoeffer Werke. Martin Rüter Ilse Tödt

Bünde und Heidelberg Advent 1 9 8 8

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Vorwort .

Diese Vorlesung ist im Wintersemester 1932/33 in der Univer­ sität Berlin gehalten worden und wird auf Bitten aus dem Zu­ hörerkreis veröffentlicht. Der Text schließt sich so eng, wie es zulässig erschien, an Luther an ; die Abweichungen sind im wesentlichen von Kautzsch übernommen. I

1 Im Druck 1 933 stand : " . . . im Anschluß an Kautzsch vorgenommen . " Das ist . eine bei Bonhoeffers Schrift naheliegende, aber irrtümliche Entzifferung des Ms.

Einleitung .

Die Kirche Christi legt Zeugnis ab vom Ende aller Dinge. Sie lebt vom Ende her, sie denkt vom Ende her, sie handelt vom Ende her, sie verkündigt vom Ende her. " Gedenket nicht an das Alte und achtet nicht auf das Vorige ! Denn siehe, ich will ein Neues machen. "1 Jes 43, 18/ 19 . Das Neue ist das wirkliche Ende des Alten ; das Neue aber ist Christus. Christus ist das Ende des Alten . Nicht Fortführung, nicht Zielpunkt, Vollendung auf der Linie des Alten, sondern Ende und darum das Neue. Die Kir­ che redet in der alten Welt von der neuen Welt. Und weil ihr die neue Welt gewisser ist als alles andere, darum erkennt sie die alte Welt allein aus dem Lichte der neuen Welt. Die alte Welt kann an der Kirche keinen Gefallen finden, weil diese von ih­ rem Ende redet, als sei es schon geschehen, weil sie spricht als sei die Welt schon gerichtet. Die alte Welt läßt sich nicht gern tot sagen. Darüber hat sich die Kirche nie gewundert. Auch das wundert sie nicht, daß sich bei ihr immer wieder solche einstel­ len, die die Gedanken der alten Welt denken ; und wer dächte diese Gedanken gar nicht mehr ? Aber das andere muß die Kir­ che freilich in helle Empörung2 bringen, daß diese Kinder der vergangenen Welt die Kirche, das Neue, für sich in Anspruch nehmen wollen. Sie wollen das Neue und kennen nur das Alte. Und sie verleugnen so Christus, den Herrn. Allein die Kirche, die vom Ende weiß, weiß auch vom Anfang, weiß daß zwischen Anfang und Jetzt derselbe B ruch liegt wie zwischen jetzt und dem Ende, daß Anfang und Jetzt sich verhalten wie das Leben zum Tod, das Neue zum Alten. Die Kirche sieht darum den Anfang nur noch im Sterben, vom Ende her. 3 Sie sieht die 1 Im Ms stehen nur die Worte : " Gedenket nicht an das Vorige ..."; oberhalb der Punkte hat Bonhoeffer noch das Wort " schaffen" hinzugesetzt. Offenbar hatte er so (" ... ich will ein Neues schaffen") Jes 43, 1 9a im Gedächtnis. Das Zitat wurde für den Druck 1 933 nach LB vervollständigt. 0 2 Im Druck 1 93 3 : " hellen Aufruhr" ; " h elle Empörung" steht im Ms auch in einer vorangehenden Streichung. 0 3 Im Ms folgt, gestr. : " Die Welt, die vom Ende nicht wissen will, weil sie nicht sterben will, sieht". Im Druck 1 933 stand statt ,sterben ': " Ende".

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Einleitung

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Schöpfung von Christus her ; besser, sie glaubt in der gefalle­ nen, I alten Welt an die neue Schöpfungswelt des Anfangs und des Endes, weil sie an Christus glaubt und sonst an nichts . Das alles tut die Kirche, weil sie gegründet ist auf dem Zeug­ nis der heiligen Schrift4. Die Kirche der heiligen Schrift - und es gibt keine andere " Kirche" - lebt vom Ende her. Darum liest sie die ganze heilige Schrift als das Buch vom Ende, vom Neuen, von Christus . 5 Was kann die heilige Schrift, auf der die Kirche Christi steht, dort wo sie von Schöpfung, vom Anfang redet, anderes sagen, als daß allein von Christus her wir wissen können, was der Anfang sei. Die Bibel ist doch eben nichts als das Buch der Kirche . Sie ist dies ihrem Wesen nach, oder sie ist nichts . Darum will sie ganz vom Ende her gelesen und verkün­ digt sein. Darum ist die Schöpfungsgeschichte in der Kirche allein von Christus her zu lesen und erst dann auf ihn hin ; auf Christus hin kann man ja nur lesen, wenn man weiß, daß Chri­ stus der Anfang, das Neue, das Ende unserer ganzen Welt ist. Theologische Auslegung nimmt die Bibel als das Buch der Kirche und legt es als solches aus . Ihre Methode ist diese ihre Voraussetzung, ist fortwährendes Zurücklaufen vom Text (der mit allen Methoden philologischer und historischer Forschung zu ermitteln ist)6 zu dieser Voraussetzung. Das ist die Sachlich­ keit der Methode der theologischen Auslegung. Und in dieser Sachlichkeit allein ist ihr Anspruch auf Wissenschaftlichkeit be­ gründet. Wenn die Genesis "Jahve" sagt, so " meint" sie histo­ risch-psychologisch gesehen nichts als J ahve, so redet sie aber theologisch, d. h. von der7 Kirche her gesehen, von Gott. 8 Denn 4 Ersetzt im Ms : "weil die heilige Schrift ihre einzige Autorität ist" . D 5 Im

Ms gestr. : " Christus ist die Mitte der Schrift". D 6 Die Klammerbemerkung ist im Ms ein Zusatz. D 7 Im Ms folgt, gestr. : " Offenbarung Gottes in der" . D 8 Vgl. Hans Schmidt, Die Erzählung von Paradies und Sündenfall, 2 9 : " D er Gott, den diese alte Erzählung [vom Baum der Erkenntnis J kennt, ist nicht der Gott, den wir glauben ; es ist auch nicht der Gott Jahve der großen israelitischen Propheten, auch nicht der Gott des Mose", sondern der kanaanäische Gott Baal. D 9 Ersetzt im Ms : " Denn daß Gott Gott ist" . D 10 Einleitung und Vorwort (in dieser Reihenfolge, s. NL A 3 1 , 3) hat Bonhoeffer erst für den Druck 1 933 geschrieben. Den Vorlesungsbeginn am 8. 1 1 . 1 932 spiegelt die Nachschrift EK ( 1 ) : " Das Wort Gottes weder Roman noch Märchen noch Mythos, sondern man muß wie ein Kind buchstabieren und ganz umdenken lernen als uns die historisch-kritischen Kommentare lehren. Man kann es nie

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Einleitung

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daß Gott der Eine Gott ist9 in der ganzen heiligen Schrift, mit diesem Glauben steht und fällt die Kirche und die theologische Wissenschaft. 10

hören, wenn man es nicht zugleich lebt - und hierzu gehört im besonderen exercitium [" Übung" ] . Das Wort Gottes liegt ständig verborgen wie ein Schatz im Acker [Mt 1 3 , 44] für uns, die wir zur Erkenntnis Gottes immer durch das Kreuz Christi hindurchmüssen. Im altkirchlichen Katechumenat durfte die Schöpfungsgeschichte erst am Ende des Unterrichts besprochen werde n ; ebenso gehen w i r nicht n u r m i t d e m spekulativen Willen a n s i e heran, sondern vom Zentrum der Bibel aus . Wir müssen unter denselben Herrn, unter dem die Bibel steht, uns selbst stellen . Das ist die einzige , m ethodische Vorausset­ zung' . " Die Bemerkung zum altkirchlichen Katechumenat steht auch in den Notizen FL ( 1 ) . In der Mitschrift H P ( 1 ) lauten die Schlußsätze der Einleitung: " I n diesen 3 Kapiteln redet Gott selbst zu uns als den Verurteilten, als den mit und in Christus Getöteten, als Kinder und Erben des vertriebenen Adam, als solche, die von der Kirche wissen. Wir nehmen hier die Bibel in die Hand als die Kirche Christi . "

Kap . 1 . V. 1 -2. Der Anfan g .

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüst und leer; und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser." An dem Ort, an dem die leidenschaftlichsten Wellen unseres Denkens branden, in sich selbst zurückgeworfen werden und ihre Kraft verschäumen, setzt die Bibel ein. Kaum ist uns ihr erstes Wort für einen Augenblick sichtbar geworden, da rasen schon wieder die Wogen heran und umhüllen es mit Kronen von Schaum. Daß die Bibel vom Anfang redet, das bringt die Welt, das bringt uns auf. Denn wir können nicht vom Anfang reden, dort wo der Anfang anfängt, hört unser Denken auf, ist es am Ende. ! Und doch ist es die innerste Leidenschaft unseres Denkens, es ist das, was j eder echten Frage letzten Endes Exi­ stenz verleiht, daß wir nach dem Anfang fragen wollen . Wir wissen, daß wir dauernd nach dem Anfang fragen müssen und daß wir doch nie nach ihm fragen können. Warum nicht ? Weil [der Anfang das Unendliche ist, und weil wir das Unendliche nur als das Endlose], also gerade als das Anfanglose denken können. 2 Weil der Anfang die Freiheit ist und wir die Freiheit immer nur in der Notwendigkeit denken können3, also als das eine unter anderem, aber nie als das Eine schlechthin vor allem anderen4• Fragen wir, warum dies so sei, daß wir immer vom Anfang her und in bezug auf ihn hin denken und ihn doch nie denken, ja nicht einmal erfragen können, so ist dieses Warum ? 1 Vgl. F . Gogarten, Ich glaube (in der Untersuchung " Der Glaube an Gott den Schöpfer"), 47: " . . . dieses ,Am Anfang' ist schlechthin nicht zu denken . Der Gedanke überschlägt sich ins Unendliche, weil er vor jeden Anfang einen ande­ ren Anfang setzen muß . " D 2 Dieser Satz begann im Druck 1 93 3 : " Weil wir den Anfang nur als ein Endliches . . . " . In Übereinstimmung mit FL (2) und UK ( 1 ) bezeugt EK ( 1 ) den in eckigen Klammern stehenden Wortlaut. D 3 Den HegeIschen Gedanken der Einheit von Freiheit und Notwendigkeit stellt F. Brunstäd, Idee der Religion, dar, z. B . 1 1 3 : " Echte Freiheit ist erfaßte ange­ eignete Notwendigkeit" . Brunstäds Buch hatte Bonhoeffer in seiner H abilita­ tionsschrift, DBW 2 (AS), 34 u. ö . , behandelt. D 4 EK ( 1 ) : " . . . jenseits von allem anderen. " Auch HP (2): "jenseits " .

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wieder nur der Ausdruck für eine Reihe, die ins Endlose zu­ rückge- I trieben werden könnte und doch den Anfang nicht erreichte. Das Denken kann sein eigenes letztes Warum nie beantworten, weil auch diese Antwort wieder ein Warum gebä­ ren würde. Das "Warum" ist vielmehr der Ausdruck für das anfanglose Denken xm:' i':t;OXY]v5 . Unser Denken, d. h. das D en­ ken derer, die zu Christus müssen, um von Gott zu wissen, der gefallenen Menschen ist anfanglos, weil es ein Ring ist. Wir denken im Ring. Wir fühlen und wollen aber auch im Ring. Wir existieren im Ring. 6 Es besteht die Möglichkeit zu sagen, es sei dann eben überall Anfang ; dem steht aber ebenso legitim der andere Satz gegenüber, es sei eben darum überhaupt kein An­ fang. Das Entscheidende aber ist dies , daß das Denken diesen Ring für das Unendliche, Anfängliche selbst hält und sich doch damit in einen circulus vitiosus7 verwickelt. Denn dort, wo es sich auf sich selbst als das Anfängliche richtet, setzt es sich selbst als Obj ekt, als Gegenstand seiner selbst, zieht sich also selbst immer wieder hinter diesen Gegenstand zurück, bezw. ist j eweils vor dem Gegenstand, den es setzt. Es ist ihm also un­ möglich, diese letzte Aussage über den Anfang zu machen. Am Anfang zerreibt sich das Denken. Weil das Denken auf den Anfang hin will und ihn doch nie wollen kann, darum ist alles Denken ein sich selbst Zerreiben, ein an sich selbst Scheitern, Zerbrechen, Zergehen angesichts des Anfangs, den es will und nicht wollen kann. Darum ist die Hegelsche Frage : wie gewin­ nen wir einen Anfang in der Philosophie ? nur durch einen Ge­ waltstreich der Inthronisierung der Vernunft an Gottes Statt zu beantworten. 8 Darum ist kritische Philosophie die systematiDt.: "schlechthin" , "in hervorragender Weise"; der Wortsinn von E�OXi) ist: "Herausragen". 0 6 Zum Bild vom ,Ring' vgl. in den "Dogmatischen Übungen [Theologische Psychologie]" im Wintersemester 1 932/33 DBW 12, 1 80 (Anm. 1 6): " Kant: Das Ich läuft hin und her. " ("Hege!: Dialektik. Das Ich kommt wie­ der zu sich selbst. Ring. ") F. Nietzsche, Zarathustra, 100 ( Werke VI, 1 36), im Abschnitt "Von den Tugendhaften": "Des Ringes Durst ist in euch; sich selber wieder zu erreichen, dazu ringt und dreht sich j eder Ring." Vgl. auch E. Brun­ ner, Gott und Mensch (in der Untersuchung "Die Gottesidee der Philosophen und der Schöpfergott des Glaubens", 1 -23), 1 4 f: "Der Ring der ,Meinigkeit' schließt alles ein." 0 7 Dt.: "fehlerhafter Kreis" . 0 8 Georg Wilhelm Fried­ rich Hege! ( 1 770-1 8 3 1 ) beginnt den Teil "Philosophie der Re!igion in seiner 5

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Der Anfang

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sche Verzweiflung an ihrem eigenen, an j edem Anfang. 9 Ob sie stolz auf das verzichtet, was sie nicht vermag oder ob ihre Resignation zu ihrer völligen Destruktion führt, es ist im Grund derselbe Haß des Menschen gegen den Anfang, den er nicht kennt. Der Mensch lebt nicht mehr im Anfang, sondern er hat den Anfang verloren - nun findet er sich vor in der Mitte, weder um das I Ende noch um den Anfang wissend, und doch dies wissend, daß er in der Mitte ist, daß er also vom Anfang herkommt und aufs Ende hinmuß . Er sieht sein Leben be­ stimmt durch j enes beides, von dem er nur weiß, daß er es nicht kennt. Das Tier weiß nicht um Anfang und Ende. Darum kennt das Tier keinen Haß und keinen Stolz. Der Mensch, der sich seiner eigenen B estimmung gänzlich beraubt weiß, weil er vom Anfang her und zum Ende hin ist, ohne zu wissen, was das heißt, haßt den Anfang und ist stolz gegen ihn. Es kann darum für den Menschen schlechterdings nichts Beunruhigenderes, nichts Aufregenderes geben, als wenn einer vom Anfang redet als sei es nicht das gänzlich unsagbare, un­ aussprechliche dunkle Jenseits meiner blinden Existen z ; man wird über ihn herfallen, man wird ihn den Erzlügner oder den Heiland selbst nennen, und man wird ihn töten, wenn man hört, was er sagt. Wer kann es sagen ? entweder der, der der Lügner ist von Anfang anlO, der Böse, für den der Anfang die Religionsphilosophie nach Lasson XII, 79 (Kopierstift-Markierungen, ,,!" am Rand in Bonhoeffers Exemplar): "Die Frage, mit der wir anzufangen haben, ist die: wie haben wir einen Anfang zu gewinnen ?" XII, 1 4 1 (Bleistift-Markierun­ gen): Das "wahrhafte Verhältnis des Endlichen und Unendlichen ist das, wie der Gegensatz seine Auflösung in der Vernunft findet" . Siehe IBF 8, 61 und 78. D 9 Hegel, Religionsphilosophie nach Lasson XII, 57, vergleicht Kant mit dem ,Gascogner', "der nicht eher ins Wasser gehen will, bis er schwimmen kann" (mit Bleistift ,,!!" am Rand). Besonders gegen Kant richtet sich Hegels Dia­ gnose, die "Verzweiflung am Erkennen" sei die "Seuche unserer Zeit in Anse­ hung dessen, was Vernunft, Erkenntnis ist" (XII, 55). Er wirft Kant vor, auf den Verzicht auf Gottes-Erkenntnis auch noch stolz zu sein (vgl. z. B. XII, 5 f). Die Stellen sind von Bonhoeffer markiert, s. IBF 8, 57 und 28 f. - Siehe auch DBW 2 (AS), 1 37: D enken, das "versucht, sich selbst zur Krisis, ,kritische Philosophie' zu werden" , ist "selbstherrlich" . D 10 Vgl. Joh 8,44 (LB): Der Teufel "ist ein Mörder von Anfang . . . Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eignen". Diese Bibelstelle zitiert Augustin, Confessiones XII, 25, 34, XIII, 25, 38 bei seiner Auslegung des Schöpfungsberichts.

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Lüge und die Lüge der Anfang ist, der Böse, dem der Mensch glaubt, weil er ihn belügt. Und weil er lügt, darum wird er sagen : ich bin der Anfang und du Mensch bist der Anfang. Du warst von Anfang an mit mir. Ich habe dich gemacht zu dem, was du bist, und bei mir ist dein Ende aufgehoben. Ich bin der Anfang und das Ende, das A und das O l l ; bete mich an, ich bin die Wahrheit, aus der die Lüge kommt ; denn ich bin die Lüge, die die Wahrheit erst gebiert. Du bist der Anfang, und du bist das Ende, denn du bist in mir ; glaube mir, dem Lügner von Anfang her, lüge, so bist du im Anfang und ein Herr der Wahr­ heit. Entdecke deinen Anfang selbst. So spricht der Böse, weil er von Anfang an der Lügner ist. Entweder er spricht, oder aber es spricht der andere, der von Anfang an die Wahrheit ist und der Weg und das Leben12, der im Anfang war, Gott selbst, Christus, der heilige Geist. Niemand kann vom Anfang reden als der im Anfang war. 13 So beginnt die Bibel mit der freien Selbstbe- I stätigung, Selbstbezeugung, Offenbarung Gottes : im Anfang schuf Gott . . . 14 Aber kaum wird dieser Fels im Meer einen Augenblick sichtbar, so ist er schon wieder überschüttet von dem durch diesen Anblick des Unerschütterlichen zum Rasen gebrachten Meer. Was heißt es, daß im Anfang Gott ist ? Welcher Gott ? Dein Gott, den du dir machst aus der eigenen Not, weil du einen Götzen brauchst, weil du nicht leben magst ohne den Anfang, ohne das Ende, weil dir die Mitte Angst macht ? Im Anfang ist Gott, das ist eben deine Lüge, die nicht besser, sondern feiger ist als die des Bösen selbst. Woher weißt du, Unbekannter, der du diesen Satz schriebst, vom Anfang, hast du es gesehen, warst du am Anfang dabei ? Spricht nicht dein Gott selbst zu dir : " wo warst du, da ich die Erde grün­ dete ? sage an, bist du so klug !" (Hiob 3 8 , 4 . ) Also was ist es mit diesen ersten Worten der Schrift ? Gaukelei der feigen Phantasie eines Menschen, der nicht in der Mitte stolz oder resigniert zu leben vermag, eines Menschen also, der wir selbst alle auch sind, die wir aus Feigheit unseres anfangs- und endlosen Lebens 11 Apk 1 , 8 . Alpha und Omega: der erste und der letzte Buchstabe des griechi­ schen Alphabets . 0 12 Joh 1 4, 6 . 0 13 Joh 1 , 1 f. 0 14 Hier hat EK (2) -

ähnlich UK (3) - zusätzlich : " Wer nach dem Anfang fragt, fragt nach Gott ; wenn ihr den Anfang nicht wißt, so wißt ihr, daß ihr nicht bei Gott seid . "

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D e r Anfang

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zu einem Gott schreien, der unser eigenes Ich ist ? 1 5 Wie sollten wir auf diesen Vorwurf entgegnen können ? Es ist ja wahr, der vom Anfang redet, redet von seiner Angst im Ringe des Lebens, auch der, der die Bibel schrieb, oder aber nicht er redet, son­ dern es redet eben Gott selbst, der schlechthin Anfängliche, der schlechthin vor unserem Leben, Denken und seiner Angst Sei­ ende, der allein von sich selbst sagt, daß er am Anfang ist, der sich durch nichts bezeugt als durch dies Wort, das eben als Wort eines Buches, als Wort eines frommen Menschen ganz Wort aus der Mitte und nicht aus dem Anfang ist. Am Anfang schuf Gott . . . Dies, als menschliches Wort gesagt und gehört, ist die Knechtsgestalt, in der Gott von Anfang an uns begegnet, sich allein finden läßt. Es ist nicht Tiefsinn und nicht Leicht­ sinn, sondern es ist Gottes Wahrheit, sofern er es sagt. I Am Anfang - Gott, das ist wahr, wenn er uns hier in der Mitte mit diesem Wort lebendig ist, nicht als der ferne, ru­ hende, ewig seiende, sondern als der schaffende. Vom Anfang im eigentlichen Sinn können wir nur wissen, indem wir in der Mitte zwischen Anfang und Ende vom Anfang hören1 6 ; sonst wäre es nicht der Anfang schlechthin, der eben auch unser An­ fang ist. Von Gott als dem Anfang wissen wir hier in der Mitte des verlorenen Anfangs und des verlorenen Endes allein - als von dem Schöpfer. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Nicht war er erst und dann schuf er, sondern am Anfang schuf Gott. Dieser An­ fang ist der Anfang in der ängstenden Mitte und zugleich j en­ seits der ängstenden Mitte, in der wir sind. Nicht wissen wir von diesem Anfang, indem wir aus der Mitte heraustreten und selbst anfänglich würden. Weil wir das nur in der Lüge ver­ möchten, wären wir dann gerade nicht im Anfang, sondern nur 1 5 Vgl. Hegel, Religionsphilosophie nach Lasson XII, 1 4 8 : " Gott ist ebenso auch das Endliche, und Ich bin ebenso das Unendliche" (mit Bleistift-Wellenli­ nien), s . IBF 8 , 8 1 . - Vgl. 1 926 DBW 9, 3 7 7 : " . . . , himmlischer Doppelgänger' meines irdischen Ichs !" D 1 6 Das Wort ,hören ' ist FL (5) unterstrichen, ebenso bei der Wiederholung zu Beginn der zweiten Vorlesungsstunde - sie ist bei HP (5) datiert : ,, 1 5 . 1 1 . [ 1 932]" - FL (6) : "von Anfang kann man in der Mitte hören sonst ist es Spekulation"; gleichfalls EK (2). Gegen Hegels Rede vom (spekula­ tiven) , Wissen ' des Menschen von Gott betont Bonhoeffer das Hören auf das Wort.

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in der durch Lüge verhüllten Mitte. Das ist für alles Folgende scharf im Auge zu behalten. Allein in der Mitte vernehmen wir den Anfang. Es entsteht die doppelte Frage : Ist dieser Anfang Gottes An­ fang oder ist es der Anfang Gottes mit der Welt ? Aber schon das Entstehen dieser Frage beweist, daß wir nicht mehr wissen, was Anfang heißt. Wenn über den Anfang nur geredet werden kann von dem, der in der Mitte sich ängstet um den Anfang und das Ende, von dem, der an seinen eigenen Ketten reißt, von dem - nun einmal etwas Späteres vorwegnehmend -, der nur in seiner Sünde um seine Geschaffenheit von Gott her weiß1 7, dann kann doch nicht mehr gefragt werden, ob dieser Anfang Gottes Anfang oder Gottes Anfang mit der Welt ist, da eben für uns Gott als der Anfang kein anderer ist, als der am Anfang die Welt schuf und uns schuf, und weil wir eben von diesem Gott garnicht anders wissen können als von dem Schöpfer unserer Welt. Wenn Luther auf die Frage, was Gott vor der Erschaf­ fung der Welt I getan habe, antwortete, er habe Ruten geschnitzt für Leute, die solche unnützen Fragen stellen 18, so schlägt er damit nicht nur dem Frager seine Frage ab, sondern er sagt zugleich, daß Gott eben dort, wo er nicht als der gnädige Schöpfer erkannt wird, nur als der zornige Richter gewußt wer­ den muß, d. h. aber eben auch immer in Bezug auf die Mitte zwischen Anfang und Ende. Es gibt keine mögliche Frage, die hinter diesen am Anfang schaffenden Gott zurückgehen könnte. Es gibt also auch nicht die Frage nach dem Warum der Schöpfung, nach dem Weltplan Gottes, nach der Notwendig­ keit der Schöpfung - eben diese Fragen werden endgültig erle­ digt und als gottlose Fragen aufgedeckt durch den Satz : Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Nicht : am Anfang hatte Gott diesen oder j enen Gedanken über das Ziel der Welt, Ge­ danken, die wir nun' weiter aufzufinden hätten, sondern am Anfang schuf Gott, und hinter den schaffenden Gott kann keine Frage zurück, weil man hinter den Anfang nicht zurück kann . 1 7 Vgl. in der Auslegung von Gen 2 , 8-1 7 z. B . 5. 86. D 18 EK (2) : " Gott saß hinterm Haselstrauch und schnitzte Ruten für so unnütze Fragen. " Luther zitiert in den Tischreden (WA. TR 4, 6 1 1 Nr. 50 10) Augustin, Confessiones XI, 1 2 : Gott " hat Höllen hergerichtet für Leute, die so hohe Geheimnisse ergrü­ beln wollen".

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Der Anfang

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Daraus ergibt sich, daß der Anfang keine zeitliche Bestim­ mung ist. Hinter den zeitlichen Anfang kann man immer zu­ rück. Aber es ist das schlechthin Einmalige, das den Anfang qualifiziert ; einmalig nun auch nicht im Sinn der Zahl, sondern im qualitativen Sinne, d. h. als das schlechthin Unwiederhol­ bare, als das ganz Freie. Man könnte eine dauernde Wiederho­ lung freier Akte denken19, daran wäre nur das grundsätzlich falsch, daß sich Freiheit nicht wiederholen läßt; sonst wäre es eben durch Freiheit bedingte Freiheit d. h. aber Unfreiheit, nicht mehr Anfang xat' E�OX�V. Dies schlechthin unwiederholbare, einmalige, freie Gesche­ hen am Anfang, das nun keinesfalls mit der Zahl 480020 oder einer derartigen Datierung verwechselt werden darf, ist die Schöpfung. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde ; d. h. der Schöpfer schafft - aus Freiheit ! - das Geschöpf. Der Zusam­ menhang von bei den ist durch nichts bedingt als durch I die Freiheit, d. h. er ist unbedingt. Damit ist j ede Anwendung kau­ saler Kategorien für das Verständnis der Schöpfung ausge­ schlossen. Schöpfer und Geschöpf können keinesfalls im Ver­ hältnis von Ursache und Wirkung interpretiert werden ; denn zwischen Schöpfer und Geschöpf steht weder ein Denkgesetz noch ein Wirkgesetz noch sonst irgend etwas . Zwischen Schöp­ fer und Geschöpf ist schlechthin das Nichts. Denn Freiheit voll­ zieht sich in und aus dem Nichts. Es lassen sich also keinerlei Notwendigkeiten in Gott aufweisen, die zur Schöpfung führen könnten oder gar müßten21, es ist schlechthin nichts, das die Schöpfung begründet. Die Schöpfung kommt aus diesem Nichts . Nun könnte der Mensch freilich abermals versuchen, sich aus der ängstenden Mitte herauszustellen und selbst anfänglich zu werden. Er könnte auch dieses Nichts wieder als das die 1 9 Vgl . unten S. 43 : creatio continua. 0 2 0 Eine Errechnung aus Zahlenanga­ ben in der Bibel, vgl. z . B. Gen 5 (Stammbaum von Adam bis Noah) ; bei diesem Kapitel ist in LB mit Bleistift notiert : ,, 1 656 J [ ahre J . v[ on J. Adam bis Sintflut". 0 2 1 Nach Hege! muß Gott schon gemäß den gewöhnlichen Vorstellungen von Gott als Schöpfer der Welt aus nichts sich, das Unendliche, als das Endliche bestimmen, da außer ihm nichts zu B estimmendes da ist, s . Religions­ philosophie nach Lasson XII, 1 46� 1 4 8 (intensive Farbstift-Markierungen in Bonhoeffcrs Exemplar), vgl. IBF 8 , 81 f. �



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Schöpfung gebärende Etwas zu denken unternehmen. Aber das Nichts hat dort, wo von Schöpfung geredet wird, d. h. theolo­ gisch, einen völlig anderen Sinn als dort, wo es in dem anfanglo­ sen Denken als das endlose Ende auftaucht. Das Nichts taucht in unserem philosophierenden Denken dort auf, wo der Anfang nicht gedacht werden kann. Es ist damit letztlich nie etwas anderes als der Grund für Sein. Das Nichts als der Grund für Sein ist als das schöpferische Nichts verstanden, und man müßte nun wieder hinter dieses Nichts zurückfragen, ohne auf den Anfang zu stoßen. Das Nichts des Menschen in der Mitte, der nicht um den Anfang weiß, ist der letzte Erklärungsver­ such, ist der Durchgangspunkt für das Seiende. Wir nennen es das erfüllte, geladene, das selbstherrlich� Nichts . 22 Das Nichts, das zwischen der Freiheit Gottes und der Schöpfung liegt, ist weder ein Erklärungsversuch für die Schöpfung des Seienden, ist also nicht die Materie, aus der dann in paradoxer Weise die Welt entstünde, der notwendige Durchgangspunkt für das Sei­ ende, es ist überhaupt nicht ein Etwas, auch nicht ein negatives Etwas, es ist die- I j enige Bestimmung, die allein das Verhältnis der Freiheit Gottes zu seiner Schöpfung auszusagen vermag. Das Nichts ist also auch nicht eine Urmöglichkeit, ein Grund Gottes selbst, es " ist" überhaupt " Nichts", es geschieht viel­ mehr in der Tat Gottes selbst, und es geschieht immer als das schon verneinte, nicht mehr als das geschehende, sondern als das immer schon geschehene Nichts . Wir nennen es das gehor­ same, das gottes gewärtige Nichts, das Nichts, das seinen Ruhm und seinen Bestand nicht in sich selbst, auch nicht in seiner Nichtigkeit hat, sondern allein in der Tat Gottes. Also Gott brauchte kein Zwischenglied zwischen sich und der Schöpfung, auch das Nichts ist kein solches " Zwischen", sondern er bejaht das Nichts nur, sofern er es schon überwunden hat. Das woll-

HP (7) gibt zu " der spekulativ schöpferische Urgrund des Seienden" an : ,, (vgl. Idealismus Philosophie Hcidegger)". UK (5) : ,,(Heidegger : Metaphysik des Nichts . )" FL (7) : " Was ist Metaphysik" . Letzteres ist der Titel der Antritts­ vorlesung Martin Heideggers ( 1 8 89-1 976) in der Aula der Universität Freiburg im Breisgau am 24 . Juli 1 929, die das Nichts bedenkt. (Nur) FL (7) nennt den Namen " HegeI" . Vgl . Hege], Religionsphilosophie nach Lasson XII, 1 47, zu " Gott schafft die Welt aus nichts .. . ", s. IBF 8, 13 und 8 1 . 22

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Der Anfang

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ten die Alten23 sagen mit der etwas ungeschickten Umschrei­ bung des Nichts als des nihil negativum (im Unterschied vom nihil privativum24, das als Urseiendes verstanden war) . Das Nichts hat für die erste Schöpfung nichts Ängstendes, es ist vielmehr selbst der ewige Lobpreis des Schöpfers, der aus nichts die Welt schuf. Die Welt steht im Nichts, das heißt im Anfang, und das heißt nichts anderes als die Welt steht ganz in der Freiheit Gottes . Das Geschöpf gehört dem [freien] Schöpfer. 25 Es heißt nun aber auch dies : der Gott der Schöpfung, des schlechthinnigen Anfangs ist der Gott der Auferstehung. Die Welt steht von Anfang an im Zeichen der Auferstehung Christi von den Toten. 26 Ja, weil wir um die Auferstehung wissen, darum wissen wir um die Schöpfung Gottes am Anfang, um das Schaffen Gottes aus dem Nichts. Der tote J esus Christus des Karfreitags - und der auferstandene 1-nJ Q LO�27 des Ostersonn­ tags, das ist Schöpfung aus dem Nichts, Schöpfung vom Anfang her. Daß Christus tot war, war nicht die Möglichkeit seines Auferstehens, sondern die Unmöglichkeit, war das Nichts sdbst, war das nihil negativum. Es ist schlechterdings kein Übergang, kein Kontinuum zwischen dem toten und dem auf­ erstande- I nen Christus als die Freiheit Gottes, die am Anfang aus dem Nichts sein Werk schafft. Wenn es möglich wäre, das nihil negativum noch zu verstärken, so müßte hier bei der Auf­ erstehung gesagt werden, es sei mit dem Tode Christi am Kreuz 23 EK (3) : " . . . die alten Dogmatiker" . Gemeint ist wohl vor allem J ohannes Andreas Quenstedt, ein lutherischer Theologe zur Zeit der altprotestantischen Orthodoxie (im 1 7. Jahrhundert), vgl. H . Schmid, Dogmatik, 1 1 3 . Bonhoeffer hat die Dogmatik von Schmid gern benutzt, nachweislich (zusammen mit dem Hutterus redivivus) schon 1 926 DBW 9, 430. 0 24 Von lat. privatio : " Berau­ bung", " Entledigung". EK (3) : nihil negativum " gegenüber dem philosophi­ schen , nihil privativum"' . UK (5) hat ebenfalls die Charakterisierung , philoso­ phisch'. Die deutsche Schulphilosophie verwandte diese ,nihil'-Begriffe, so schon Alexander Gottlieb Baumgarten ( 1 71 4-1 762 ) ; ihre endgültige Kategoria­ lisierung besorgte Immanucl Kant ( 1 724-1 804) in der " Kritik der reinen Ver­ nunft", B 348 (Weischedel-Ausgabe II, 307). 0 25 Das Wort in eckigen Klam­ mern bezeugt HP (8) ; nicht im Druck 1 93 3 . 0 26 Vgl. W. Vischer, Das Alte Testament als Gottes Wort, 3 8 8 : " So unsinnig es scheinen mag, der Auslegung des ersten Buches Mose den Osterglauben zugrunde zu legen, so sinnvoll und sachlich notwendig ist es. Denn die Osterbotschaft ist die Bestätigung der Schöpfungsbotschaft und die Schöpfungsbotschaft die Voraussetzung der Osterbotschaft. " 0 2 7 Dt. : " Herr" .

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das nihil negativum in Gott selbst hineingebrochen28 - oh große Not, Gott selbst ist tot29 - aber er, der der Anfang ist, lebt, vernichtet das Nichts und schafft die neue Schöpfung in seiner Auferstehung. Aus seiner · Auferstehung wissen wir um die Schöpfung, - denn wäre er nicht auferstanden30, so wäre der Schöpfer tot und bezeugte sich nicht ; aus seiner Schöpfung aber wissen wir dann wieder um die Kraft seines Auferstehens, weil er der Herr [des Nichts] bleibt. 31 Am Anfang, d. h. aus Freiheit, d. h. aus Nichts schuf Gott Himmel und Erde. Das ist der Trost, mit dem die Bibel uns in der Mitte, uns sich vor dem falschen Nichts, dem anfanglosen Anfang und endlosen Ende Ängstende anredet. Es ist das Evan­ gelium, es ist Christus, der Auferstandene selbst, von dem hier gesagt wird. Daß Gott am Anfang ist und daß er am Ende sein wird, daß er frei ist über die Welt und daß er uns das wissen läßt, das ist Barmherzigkeit, Gnade, Vergebung, Trost. "U nd die Erde war wüst und leer ; und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. ,