Die Zionstheologie der Korachiten in ihrem traditionsgeschichtlichen Zusammenhang

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Die Zionstheologie der Korachiten in ihrem traditionsgeschichtlichen Zusammenhang

Table of contents :
Vorwort
I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie
1. Die Korachitenpsalmen
2. Die Zionspsalmen der Korachiten
3. Die Korachiten
4. Die Theologie der Korachiten
Motiv und Tradition
II. Gottesbezeichnungen
1. Jahwe Zebaoth
2. Äljon
3. Der Gott Jakobs
4. Weitere Gottesbezeichnungen
III. Mythische Motive
1. Der Gottesberg
2. Das Paradies
3. Der Chaoskampf
IV. Der Völkerkampf
1. Ausgangspunkt
2. Entstehung des Völkerkampfmotivs
3. Geschichtlicher Anknüpfungspunkt
V. Nebenmotive
VI. Jerusalem, die Gottesstadt
VII. Auswirkungen
1. Das Alter der Zionstheologie der Korachiten
2. Jerusalemer Kulttraditionen?
3. Das Verhältnis der Korachitenpsalmen zur eschatologischen Prophetie
Anhang: Zur Deutung der Psalmen 46 und 48
Register

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GUNTHER WANKE · DIE ZIONSTHEOLOGIE DER KORACHITEN

G U N T H E R WANKE

DIE ZIONSTHEOLOGIE DER KORACHITEN IN IHREM TRADITIONSGESCHICHTLICHEN

ZUSAMMENHANG

1966

VERLAG ALFRED T Ö P E L M A N N

BERLIN

B E I H E F T E ZUR Z E I T S C H R I F T FÜR ALTTESTAMENTLICHE

DIE

WISSENSCHAFT

HERAUSGEGBBBN VON GEORG FOHRER

97

© 1966 by Alfred Töpelmann, Berlin 30, Genthiner Straße 13 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Archiv-Nr. 3822662

VORWORT

Die vorliegende Untersuchung wurde von der Evg.-theol. Fakultät der Universität Wien im Sommersemester 1964 als Dissertationsschrift angenommen. Sie geht zurück auf eine Anregung von Herrn Prof. D. Dr. Georg FOHRER, der auch das Entstehen der Arbeit mit seinem freundlichen Rat förderte. Herrn Prof. FOHRER bin ich auch für die Aufnahme der Untersuchung in die Beihefte zur ZAW Dank schuldig. Zu danken habe ich auch: Herrn Univ.Prof. Dr. Ernst KUTSCH, der sich bereit erklärt hatte, die Arbeit durch das Promotionsverfahren in Wien zu begleiten, und dessen wertvolle Hinweise ich noch für die Drucklegung der Arbeit berücksichtigen durfte, so daß diese nun in etwas geänderter Form vorliegt; Herrn Univ.Prof. Dr. Gottfried FITZER, dem Korreferenten bei der Promotion; Frau Hildegard HIERSEMANN für das Schreiben des Manuskripts. Erlangen, Dezember 1964

Gunther Wanke

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

V

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie 1. 2. 3. 4.

Die Die Die Die

Korachitenpsalmen Zionspsalmen der Korachiten Korachiten Theologie der Korachiten

Motiv und Tradition II. Gottesbezeichnungen 1. 2. 3. 4.

Jahwe Zebaoth Äljon Der Gott Jakobs Weitere Gottesbezeichnungen

III. Mythische Motive 1. Der Gottesberg 2. Das Paradies 3. Der Chaoskampf IV. Der Völkerkampf 1. Ausgangspunkt 2. Entstehung des Völkerkampfmotivs 3. Geschichtlicher Anknüpfungspunkt V. Nebenmotive VI. Jerusalem, die Gottesstadt

1 1 6 23 31 39 40 40 46 64 68 64 64 67 68 70 70 74 93 99 100

VII. Auswirkungen 1. Das Alter der Zionstheologie der Korachiten 2. Jerusalemer Kulttraditionen ? 3. Das Verhältnis der Korachitenpsalmen zur eschatologischen Prophetie .

106 106 109 113

Anhang: Zur Deutung der Psalmen 46 und 48

117

Register

119

I. D I E K O R A C H I T E N , I H R E P S A L M E N U N D I H R E

THEOLOGIE

1. Die Korachitenpsalmen a) Innerhalb einer der großen Teilsammlungen des Psalters, im »elohistischen Psalter«1, lassen sich ihrerseits wiederum drei Gruppen von Psalmen nach ihren Überschriften unterscheiden: Psalmen mp'^a 1 ?, in 1 ? und ηΟΝ*?. Diese Psalmengruppen erweisen sich nicht nur durch die Gleichartigkeit der Überschriften als zusammengehörig, sondern auch durch ihre Stellung innerhalb des »elohistischen Psalters«: Korachiten 2 Ps 42—49 David Ps 51—65 67—71 Asaph Ps 50 73—83 Diese Anordnung der einzelnen Psalmengruppen ist nur geringfügig durch die eigenartige Stellung des 50. Psalms und des Ps 72 — dieser mit der Überschrift naVtfV versehen —, die wohl durch die Redaktion des Psalmenbuches bedingt ist, unterbrochen. Nun könnte man annehmen, daß diese Anordnung der Psalmen ein Werk des »elohistischen« Bearbeiters ist, der Psalmen mit gleichartiger Überschrift zu Gruppen zusammenstellte, um eine bestimmte Ordnung zu erreichen. Doch dagegen spricht eine weitere Beobachtung, die an den so geordneten Psalmen selbst gemacht werden kann. Die Korachitenpsalmen und die Davidpsalmen des »elohistischen Psalters« weisen nämlich wiederum in sich eine Ordnung auf, die an einem »sachlichen« Gesichtspunkt, nämlich der »Art« der einzelnen Lieder, orientiert ist, wie sie in den Überschriften der Lieder zum Ausdruck kommt: Korachiten

1

2

Ps 42—44 Ps 46 Ps 46 Ps 47 Ps 48

VOfM3 Ttf^Ofeö "Ptf noto liatöT^

Ps 49

"TlDta

Vgl. dazu O. EISSFELDT, Einleitung in das Alte Testament 1964», S. 606 f. (im folgenden zitiert: EISSFELDT, Einleitung) und H.-J. KRAUS, Psalmen, Biblischer Kommentar XV/11961®, S. XVf. (im folgenden zitiert: KRAUS, Psalmen I bzw. II). Abweichend von der korrekten Transkription des Wortes f l i p = ,qoräh' gebrauche ich im Laufe der Arbeit die bei EISSFELDT, a. a. O., u. a. verwendete Form .Korach*, bzw. .Korachiten'.

Wanke, Zlonstheologfe

1

2

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

David

Ps 52—66 Ps56—60 Ps 62—66 67 Ps 68 . . . Ps69—71 .

Voton Dron 11ÖTÖ . Ttf natö .

ohne Liedbezeichnung

Die Asaphpsalmen hingegen weisen keine solche innere Anordnung ihrer Lieder auf. Hätte der »elohistische« Bearbeiter ein Interesse an einer solchen Anordnung der Lieder gehabt, so hätte er gewiß auch die Asaphpsalmen derselben unterworfen. Da dies nicht der Fall ist, kann man als sicher annehmen, daß der »elohistische« Bearbeiter diese Gruppen von Psalmen bereits so geordnet vorfand, wie sie uns heute im Psalter vorhegen3. Das heißt aber, daß auch die »Verfasserüberschriften« dem elohistischen Bearbeiter bereits vorgelegen haben müssen, er also bereits Sammlungen mit einer bestimmten An- und Zuordnung zu einem größeren Ganzen zusammenfügte4. Damit wäre aber gezeigt, daß zunächst die Ps 42—49 als eine den Γπρ"Ί3 zugeschriebene Psalmensammlung angesehen werden können. Daneben finden sich aber noch vier weitere Psalmen mit der Überschrift mp-flaV: 84 85 87 885. Diese vier Psalmen sind aber auch nicht irgendwie in die übrigen Psalmen eingebaut worden, sondern unmittelbar im Anschluß an den »elohistischen Psalter« in einer Gruppe gesammelt, die nur durch Ps 86, einen Davidpsalm, unterbrochen wird und an die noch ein weiterer Psalm — Ps 89, mit der Überschrift ΤΠΤΗΠ JlVit^ — angeschlossen ist. Diese kleine Gruppe von sechs Psalmen — bestehend aus vier Korachitenpsalmen, einem Davidpsalm und einem Ethanpsalm — wird zwar einerseits durch die abschließende Doxologie in Ps 89 52 dem »elohistischen Psalter« zugeordnet, ist aber andererseits der »elohistischen« Bearbeitung entgangen. Man wird diese Gruppe von Psalmen als einen Anhang zum »elohistischen Psalter« zu verstehen haben®, mit dem man vielleicht die Absicht verfolgte, die restlichen noch bekannten Sängerpsalmen sinnvoll in den Psalter einzuordnen. H.-J. KRAUS7 erwägt, ob die dieser kleinen Gruppe von Psalmen angehörigen Korachitenpsalmen dem Liederbuch der Korachiten oder etwa einer zweiten »Korachitenquelle« zugeschrieben werden können. 8

4

8

Abgesehen von der späteren redaktionellen Einfügung des Ps 72 und der durch die Redaktion bedingten Trennung des Ps 60 von den übrigen Asaphpsalmen. Sein eigenes und besonderes Interesse kommt ja auch an einer ganz anderen Stelle zum Ausdruck, indem er nämlich den ursprünglichen Gottesnamen .Jahwe' durch .Elohim* ersetzte. Ps 88 wird durch seine Überschrift neben den m p auch noch ΤΠ'ΝΠ ΙΟ"1 Π1? zugeschrieben.

• Vgl. O. EISSFELDT, a . a . O., S. 6 0 6 und H . - J . KRAUS, a . a . O., S. X V I .

' A. a. O., S. XV.

1. Die Korachitenpsalmen

3

Diese Frage ist insofern berechtigt, als man annehmen kann, daß der »elohistische« Bearbeiter und Sammler kaum irgendwelche Korachitenpsalmen vernachlässigt haben wird, falls sie ihm bekannt gewesen waren, was ja durch die Übernahme der schon vorgefundenen Ordnung der Korachitensammlung durch den »elohistischen« Bearbeiter nahegelegt wird. Diese vier Psalmen (84 85 87 88) waren dem »elohistischen« Bearbeiter demnach unbekannt. Gehören sie also einer Sondertradition an, oder sind sie aus nicht mehr erklärbaren Gründen von der ursprünglichen Sammlung getrennt worden ? Wir haben oben (S. 1) gesehen, daß die Korachitenpsalmen, nach einem bestimmten Gesichtspunkt geordnet, gesammelt worden sind, der an den Überschriften zu erkennen ist. Ein Blick auf die Überschriften der Psalmen zeigt, daß sie sich durchaus in das schon vorgeführte Schema einbauen lassen: Ps 42—44 Ps 46 Ps 46 Ps 47 Ps 48 Ps 49 Ps84—86 ps 87

Ps 88

Vofoö Ttf 'raten Ttf nam nam \ natn J niDTÖ T t f Tiara

nataTitf

Ein sinnvoller Anschluß der Korachitenpsalmen der zweiten Gruppe an die der ersten Gruppe ist also gegeben, und wir können somit annehmen, daß dem »elohistischen« Bearbeiter die Ps 84 85 87 88 nicht bekannt waren, aber dennoch zu der ursprünglichen Korachitensammlung gehört haben, in einem späteren Stadium aber von dieser getrennt worden sind. Somit ist gewiß, daß in den Psalmen mit der Überschrift mp~,ja'? eine geschlossene Sammlung von Psalmen vorliegt. b) Neben der klaren Zusammenstellung der elf Korachitenpsalmen nach Liedüberschriften fällt bei näherem Zusehen die Verschiedenartigkeit der einzelnen Lieder auf, die schon formal betrachtet deutlich wird. So stehen neben zwei individuellen Klagepsalmen (42/43 88) zwei kollektive Klagepsalmen (44 85), zwei Zionslieder (48 87), ein Königspsalm (45), ein kollektives Vertrauenslied (46), ein Jahwehymnus (47), ein Weisheitslied (49) und ein Wallfahrtslied (84). Die Bestimmung der Gattungen der einzelnen Lieder ist nicht immer leicht, daher auch in manchen Fällen, wie ζ. B. bei Ps 46®, umstritten. • Siehe unten zur Besprechung des betreffenden Psalms.

4

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Doch auch vom Inhalt her gesehen ist die Vielfalt der Lieder um nichts geringer. Das Leben des einzelnen wie das Leben des Volkes findet sich in dieser Sammlung berücksichtigt. Ps 42 / 43 läßt auf der einen Seite die Sehnsucht des vom Zion Fernen nach dem Heiligtum, auf der anderen Seite dessen Bedrängnis durch irgendwelche Feinde anklingen. Ps 88 bringt die Klage eines Todkranken und seine Hoffnungslosigkeit zum Ausdruck. Ps 44 und 85 haben die Not der Gemeinde bzw. des Volkes im Auge, die durch ein Abwenden Gottes hervorgerufen wurde. Ps 45 besingt die Hochzeit eines Königs und Ps 47 die Königsherrschaft Jahwes. Ps 46 wiederum wendet sich der Gemeinde zu, die ihr Vertrauen zu dem Gott auf Zion und seiner Hilfe zum Ausdruck bringt. Ps 48 und 87 besingen den Zion und die Gottesstadt, während Ps 84 die Haltung eines Frommen, der vor dem Abschluß seiner Wallfahrt nach dem Zion steht, beschreibt. Ps 49 hingegen greift Probleme auf, die das Ende der menschlichen Existenz betreffen, Probleme sozialer und religiöser Art, die man im Blick auf den Tod und das »Danach« zu lösen versucht. Von den intimsten Sphären des einzelnen Menschen, seinen Nöten und Freuden, bis zu den alle betreffenden Anliegen der Gemeinde und des Volkes führt uns diese Sammlung von Psalmen. Man könnte an ein Liederbuch denken, das Gemeinde und Fromme durch die verschiedenen Stadien des Lebens begleitet. So scheint, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, dieser Sammlung von Liedern eine sorgfältige .Auswahl'8 zugrunde zu liegen. Neben dieser Vielfalt von Gattungen und Liedinhalten ist aber auch in wenigstens fünf Psalmen ein gemeinsamer Zug zu beobachten. Der Doppelpsalm 42/43 und die Psalmen 46 48 84 und 87 zeigen ein auffallendes Interesse an Zion-Jerusalem. Dieses begegnet uns auf der einen Seite in Psalmen, die nicht direkt als Zionslieder bezeichnet werden können, wie die Psalmen 42 / 43 und 84, auf der anderen Seite in den eigentlichen Zionsliedern, den Psalmen 48 und 87, sowie in Ps46, der gattungsmäßig eine eigenartige Mittelstellung zwischen kollektivem Vertrauenslied und Zionslied einnimmt. Das Interesse an Zion-Jerusalem ordnet sich vorgegebenen Gattungen unter, führt aber auch zu der Bildung einer eigenen Gattung von Liedern, die man gewöhnlich »Zionslieder« nennt. An dieser Stelle muß noch eine Beobachtung eingefügt werden, die das Metrum betrifft. Sieht man die einzelnen Psalmen dieser Sammlung auf ihr Metrum hin durch, so wird man feststellen, daß diejenigen Psalmen, in denen der Zion keine oder eine nur untergeordnete Rolle spielt und die den »klassischen« Liedgattungen angehören, ein einheitlich durchgehendes Metrum haben: Ps 42/43 (ind. Klagelied): 3 + 2 , im • C. A. BRIGGS, A critical and exegetical commentary on the book of Psalms, The International Critical Commentary 1962®, S. LXV: »careful selection«.

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten«

5

Kehrvers 3 + 2 ' 4 + 3 ; Ps 44 (koll. Klagelied): 3 + 3 mit geringen Ausnahmen; Ps 45 (Königspsalm): 4 + 4 + 4 ; Ps 47 (Hymnus): mit Ausnahme des letzten Verses 3 + 3 ; Ps 49 (Weisheitsgedicht): läßt trotz starker Textverderbnis ein Metrum von 3 + 3 erkennen; Ps 85 (koll. Klagelied): 3 + 3 ; Ps 88 (ind. Klagelied): mit Ausnahme von v. ea ( 2 + 2 + 2 ) durchweg 3 + 3 . Die am Zion und an Jerusalem besonders orientierten Psalmen und hier vor allem die Zionslieder, zu denen man in diesem Fall ruhig Ps 46 rechnen darf, zeigen hingegen keinen so einheitlichen metrischen Aufbau. Man hat den Eindruck, als würde in diesen Psalmen (46 48 87), was das Metrum anlangt, experimentiert; vielleicht in dem Sinn, daß man einer neuen Liedgattung erst ein neues metrisches Gewand anpassen möchte. Unter Umständen kann man diese Beobachtung in Beziehung setzen zu der anderen, daß in der Korachitensammlung vielleicht Psalmen vorliegen, die einerseits von den Sammlern bereits übernommen wurden, also eine längere literarische Tradition aufweisen, andererseits aus den Kreisen der Sammler selbst stammen und von diesen gestaltet wurden. Schlüsse, die man möglicherweise aus dieser Beobachtung ziehen könnte, werden aber immer hypothetischen Charakter tragen. Daß in der Korachitensammlung auf jeden Fall Psalmen aus verschiedenen Zeiten vorliegen, beweisen die Psalmen 45 und 85. Ps 45, als Hochzeitslied eines Königs, ist in der nachexilischen Zeit nicht denkbar. Ps 85 hingegen setzt den Abschluß des Exils voraus10.

Man gewinnt nach diesen Überlegungen den Eindruck, daß die Korachitenpsalmen eine Sammlung von Liedern darstellen, die, nach formalen Gesichtspunkten angeordnet und durch ein zweifaches sachliches Interesse bestimmt, ein Liederbuch bilden, das einerseits Lieder fremder Herkunft und andererseits wahrscheinlich auch Lieder aus dem eigenen Kreis der Sammler enthält. Daß zu den letzteren die an Zion-Jerusalem orientierten Lieder wenigstens zum Teil gehören, setzen wir an dieser Stelle voraus. Diesen Liedern soll unser weiteres Interesse gelten.

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten« Ps 42/43 2 Wie®' die Hirschkuh1" verlangt nach Bachrinnen voll Wasser, so verlangt meine Seele nach Dir, Jahwe0». 3 Es dürstet meine Seele nach Jahwe0), dem Gott meines Lebensd>. 10

3+2 3+2 3+2

Vgl. dazu die Kommentare von J . O R S H A U S E N (Die Psalmen, Kurzgefaßtes Exegetisches Handbuch zum A T 1853), F. B A E T H G E N (Die Psalmen, Handkommentar zum A T II/2 19043), R . K I T T E L (Die Psalmen, Kommentar zum A T X I I I 1929δ·β), Η . S C H M I D T (Die Psalmen, Handbuch zum A T 1/15 1934), H. H E R K E N N E (Das Buch der Psalmen, Die Heilige Schrift des A T V/2 1936) und K R A U S (a. a. O.) zur Stelle.

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I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Wann werde ich kommen und schauen«) das Angesicht Jahwes 0 '? Meine Tränen sind mir zur Speise geworden Tag und Nacht, da sie'' zu mir sagen den ganzen Tag: »Wo ist dein Gott?« Daran will ich denken und ausschütten vor mir meine Seele, wenn ich hinziehe «> zum Hause Jahwes 0 ' mit Jubelschall und Danklied in festlichem Aufzug. Was bist du aufgelöst, meine Seele, und wie11' bist du unruhig in mir ? Harre auf Jahwe 0 >, denn ich werde ihn noch preisen als Hilfe meines Antlitzes und meinen Gott 1 '. Meine Seele ist aufgelöst in mir, darum denke ich an dich vom Lande des Jordan und Hermoni >, vom Berge mis'ar aus. Eine Flut ruft der anderen zu beim Tosen deiner Wasserstürze. Alle deine Wogen und Wellen gehen über mich hinweg. k) ( ) Ich will sprechen zu Gott, meinem Fels: »Warum hast du mich vergessen? Warum muß ich trauernd einhergehen in feindlicher Bedrängnis? Wie1' Mord in meinen Gebeinen ist mir die Schmähung meiner Feinde, da sie zu mir sagen den ganzen Tag: ,Wo ist dein Gott?'« Was bist du so aufgelöst meine Seele, und wie bist du unruhig in mir? Harre auf Jahwe, denn ich werde ihn noch preisen als Hilfe meines Antlitzes und meinen Gott.

43 ι Richte mich und führe meinen Rechtsstreit wider unfrommes Volk; vor den Männern der Hinterlist und der Schlechtigkeit errette mich, Jahwe"»0'.

3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2

4+3

3+2 3+2 3+2 3+2

3+2 3+2 3+2 3+2

3+2 4+3

3+2 3+2

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten«

Denn du bist der Gott meiner Zuflucht, warum hast du mich verlassen? Warum muß ich trauernd einhergehen in feindlicher Bedrängnis? Sende dein Licht und deine Treue; sie mögen mich führen. Sie mögen mich bringen zu deinem heiligen Berg und zu deinen Wohnungen, und ich werde kommen zum Altar Jahwes0», zu dem Gott meiner Freuden>. Ich werde frohlocken0» und dich preisen auf der Zither, Jahwe, mein Gott. Was bist du so aufgelöst, meine Seele, und wie bist du unruhig in mir? Harre auf Jahwe, denn ich werde ihn noch preisen als Hilfe meines Antlitzes und meinen Gott.

7

3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2

3+2 4+3

a) Die Einheitlichkeit des Metrums (3+2) in den übrigen Versen des Psalms könnte zu einer Änderung des 3 in 1S3 (vgl. Biblia Hebraica) Anlaß geben, ist jedoch nicht erforderlich. b) Die feminine Verbform S'lSFI verlangt ein feminines Substantiv nV>.8. Das η ist durch Haplographie ausgefallen. c) Die »elohistische« Redaktion ersetzte ursprüngliches .Jahwe' durch d) Die Verwendung des Suffixes der 1. p. sg. in ν. io N) und im Kehrvers f n V S ) bei den Gottesbezeichnungen legt eine Änderung in nahe. e) Der masoretischen Punktation liegt die Anschauung zugrunde, daß niemand das Antlitz Gottes schauen kann. Lies daher: f) Lies parallel zu v. n b g) Die Wendung B'I'IIJ bietet Schwierigkeiten, die eine sinnvolle Rekonstruktion meines Erachtens nicht mehr ermöglichen. Schon die Versionen zeigen verschiedene Auffassungen. Die L X X und die Vulgata setzen "1ΉΝ "!JD2 voraus und verstehen das zweite Wort als Adjektivum: L X X : έυ τόττω σκηνης θαυμαστής; Vulgata: in loco tabernaculi admirabilis. Das wurde von beiden offenbar als »Zelt« verstanden, während die syrische Ubersetzung dasselbe mit »Schutz«, »Versteck« (fiKee, allerdings mit Suffix der 2. sg. offenbar in Beziehung zu Jahwe) wiedergibt und in dem folgenden Wort DTTit ebenfalls ein Adjektivum erblickt: JUÄV. »stark«. Vier verschiedene Lösungsversuche wurden bislang vorgelegt. B A E T H G E N , K I T T E L , D U H M , W E I S E R und H E R K E N N E 1 1 ändern beide Worte und gelangen mit Hilfe der in dem ganzen Vers anklingenden Vorstellung von einer Prozession zum Tempel zu der 11

F . BAETHGEN, a . a . O., R . KITTEL, a . a . Ο., H . HERKENNE, a . a . Ο., B . DUHM,

Die

Psalmen, Kurzer Hand-Commentar zum AT X I V 1899, A. WEISER, Die Psalmen I. Teil, Das AT Deutsch 14 19595 zur SteUe.

8

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Verbesserung: O T T S ^ 3 »im Kreise der Edlen«. G U N K E L und K R A U S 1 2 ändern nur das Verbum in (Q , )T ! !8 I was mit Ps 8 2 als Gottesbezeichnung aufzufassen wäre. "i]03 -wäre die Pausaform für "jj®3 und stellte eine altertümliche Bezeichnung für den Tempel dar. Damit erhalten sie eine IV3 parallele Bezeichnung für den Tempel: »Zelt des Herrlichen«. SCHMIDT18 schließt sich an schon ältere Versuche, die Verbform zu deuten, an. Man rekonstruiert eine Wurzel ΓΠΤ, die mit »wallen« ( O L S H A U S E N 1 4 ) und »leicht und rasch dahinschreiten« (DELITZSCH15) übersetzt bzw. als eine ,Art rhythmischen Schreitens' (SCHMIDT1·) gedeutet wird. Die vierte Lösung wird von K O E H L E R vorgelegt: Die Verbform wird abermals in ΟΉ78 1 7 geändert und das Substantiv beibehalten, wie K R A U S und G U N K E L 1 8 es vorschlagen, doch lautet die Ubersetzung nun: »vorbei an d. Versteck der Mächtigen«. Alle vier Lösungen haben Argumente für sich, aber ebensolche gegen sich. Haben G U N K E L und K R A U S 1 9 den parallelismus membrorum auf ihrer Seite, so klingt die Bezeichnung »Zelt des Herrlichen« für den Tempel doch sehr merkwürdig. SCHMIDT, O L S H A U S E N und D E L I T Z S C H 2 0 berücksichtigen zwar die angedeutete Vorstellung einer Prozession, arbeiten aber mit hypothetischen Verbwurzeln. Die Wiedergabe mit »im Kreise der Edlen« ( B A E T H G E N , KITTEL21 u. a.) setzt eine bestimmte gesellschaftliche Stellung des Sängers voraus, die im Psalm keine Grundlage findet. K O E H L E R S 2 2 Vorschlag »vorbei an d. Versteck der Mächtigen« ist in seinem Sinngehalt nicht ganz verständlich: Was hat man sich darunter vorzustellen ? Kann man die Präposition 3 mit .vorbei an* wiedergeben ? Angesichts dieser Situation scheint es am sinnvollsten zu sein, von der Rekonstruktion des Textes abzusehen, zumal auch ohne eine Übersetzung der in Frage stehenden Passage die Vorstellung einer Prozession aus dem Text eindeutig hervorgeht, h) Lies parallel zu v. 12 und 43 5: " t y i—i) Parallel zu v. 12 und zu 43 5 ist mit © der Ostwind zerschmettert Tarsisschiffe. 9 (Wie wir es gehört haben, so haben wir es gesehen in der Stadt«> unseres Gottes; Jahwea> hat ihr Bestand gegeben für immer.) ίο Wir erwogen, Jahwe»), deine Verbundenheit inmitten deines Palastes. 11 Wie dein Name, Jahwe»), so reicht auch dein Preis bis an«) die Enden der Erde. Des Heiles voll ist deine Rechte. 12 Es freut sich der Zionsberg, es frohlocken die Töchter Judas wegen deiner Rechtsentscheide. 13 Umzieht den Zion und umwandelt ihn, zählt seine Türme, 14 Richtet euren Sinn auf seine Mauer»), mustert" seine Wohntürme, damit ihr erzählen könnt dem künftigen Geschlecht: 15 »Dies ist Jahwe»), unser Gott für allezeit und immer, er wird uns leiten.« ni»-1?»63. 58

2+2+2 2+2+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2

3+2+3 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 4+3 3+2

Der Ausdruck ΓΠΏ" schon in der Biblia Hebraica vom Text des Ps 48 abgesetzt und auch in den Versionen (vgl. BH) unterschiedlich behandelt, hat zu mannigfachen Änderungen Anlaß gegeben. H. G U N K E L , Die Psalmen 1926*, und R. K I T T E L , a . a . O . , zur Stelle, ziehen den Ausdruck in veränderter Form (KITTEL: nV^SJ" 1 ?? oder auch ΠΙΟ' zur Kennzeichnung des Inhalts von P s 4 9 ; G U N K E L weist auf Ps 9 ι n i a V » hin) zur Überschrift des folgenden Ps 49. KRAUS, Psalmen I, zur

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten«

15

a) Im »elohistischen Psalter« ist ursprüngliches .Jahwe' durch OTlbit ersetzt. Doch auch hier, wie in Ps 46, ist an zwei Stellen das ursprüngliche .Jahwe* erhalten geblieben; in v. 2a, weil eine liturgische Formel vorliegt (vgl. I Chr 16 25 und Ps 146 8), und in v. 9 bedingt durch das Epitheton .Zebaoth*. b) Lies mit pcMSS D^"^ (SCHMIDT, K R A U S " ) . ®33©!£setzen bereits ΓΠΊ3 voraus. c) ΓΠΝΠ^ niip t ~*py3 ist ergänzende Glosse und daher zu streichen. d) Lies mit pc MSS © "IV (SCHMIDT, K R A U S 6 5 ) . e) Lies mit pl MSS Π ^ Π ^ . f) Die Bedeutung dieses Verbums ist nicht gesichert.

Sieht man zunächst von v. 9 ab, so gliedert sich Ps 48 in 4 Strophen von 4 Zeilen: 2-4.5-8.10-12.13-15. Das Metrum ist nicht ganz einheitlich. Vorwiegend im Mittelteil sind Fünfer festzustellen, während die Einleitung und der Schluß ein abweichendes Metrum aufweisen ( 2 + 2 + 2 bzw. 4 + 3 ' 3 + 2 ) . Ps 48 trägt deutlich hymnische Züge: An die Stelle der Imperativischen Einleitung, der Aufforderung zum Loben, ist in Ps 48 der Lobpreis Jahwes und seiner Stadt getreten, der in partizipialer und appositioneller Form gestaltet ist (v. 2-4). Auf diesen Introitus folgt in der für den Hymnus typischen Art der mit "'S eingeleitete Hauptteil, der die Taten Jahwes beschreibt, derentwegen er gepriesen wird (v. e-8). Die v. 10-12 führen zu einem von staunender Kenntnisnahme dieser Taten Jahwes getragenen Lobpreis zurück, und in v. 13-15 schließt der Psalm mit einer Aufforderung zu einer Prozession und deren Begründung. Der hymnische Charakter des Psalms und die betonte Hervorhebung des Zion und der Gottesstadt weisen eindeutig auf ein »Zionslied« hin. Eine eigenartige Stellung innerhalb unseres Psalms nimmt, wie auch in Ps 42/43, v. 9 als Mittelvers ein. Er stellt an seinem jetzigen Stelle, liest ma1?» V» und hält den Ausdruck für einen versprengten Bestandteil der Uberschrift des Ps 48 parallel zur Uberschrift von Ps 46. Eine sehr eigenwillige Interpretation legte A. R. JOHNSON, The Role of the King, The Labyrinth ed. b. HOOKE 1935, S. 92. 94 — wiederholt in: Sacral Kingship in Ancient Israel 1965, S. 81 — vor: E r will in dem Ausdruck ΓΠΟ' — mit Bezugnahme auf die Ras-Schamratexte — einen Hinweis auf den .Erzfeind*, MWT, finden, über den Jahwe-Äljon im dramatischen Ritual des Kultus triumphiert. Ebenfalls mit Hinweis auf die Ras-Schamratexte ändert L. KRINETZKI, Zur Poetik und Exegese von Ps48, Bibl. Zsch. 4 (1960), S. 73 A. 14, den Ausdruck in 'oldmSt nach dem ugar. 'Imt P R U I I 8 , 1 5 und hält ihn für eine stilistische Variation zu 'Slam 'wd 'äd v. 15 a. Will man nicht gerade JOHNSON folgen, dessen Interpretation sehr gewagt erscheint, dann kann man von einer Deutung des fraglichen Begriffes, die j a doch nur Hypothese bleiben muß. Abstand nehmen, da sie für die Untersuchung nichts Wesentliches abwirft. M A. a. O., zur SteUe. " A. a. O., zur Stelle.

16

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Platz eine Art bekenntnishafter Bestätigung des in den vorangehenden Versen Gesagten dar und nimmt wesentlich verstärkt das vorweg, was in v. 10 ausgesagt wird. Auch was das Metrum anlangt, fällt er ein wenig aus dem Zusammenhang heraus. So scheint v. 9 erst später in diesen Psalm eingetragen worden zu sein. Doch muß man hinzufügen, daß v. 9 seinem Inhalt und seiner Wortwahl nach durchaus im Rahmen der Aussagen des Psalms bleibt. Wir können daher v. 9 — auch wegen seiner Ähnlichkeit mit Ps 87 5b — bei unseren späteren Überlegungen berücksichtigen. P s 84 2 3

4

5 β

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Jahwe Zebaoth. Es sehnte und 1 ' verzehrte sich meine Seele nach den Vorhöfen Jahwes. Mein Herz und mein Leib jauchzen zu dem Gott meines6) Lebens. Auch der Vogel hat ein Haus gefunden, und die Schwalbe hat ein Nest, (in welches sie ihre Jungen legt bei deinen Altären®'). Glücklich die, die in deinem Hause wohnen, die dich immer preisen. Sela. Glücklich die Menschen«», deren Kraft in dir ist, die Wallfahrten® in ihrem Sinn haben.

3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3+2 3 + 2 o.

2+2+2 7

Wenn sie durch das Bakatal" ziehen, machen sie es zum Quellort. J a mit Segen deckt es der Frühregen

3+2

K).

8

10

11

Sie wandern von Kraft zu Kraft, schauen 6 ' Gott" in Zion. (9 Jahwe, Gott Zebaoth, höre mein Gebet, vernimm es, Gott Jakobs:))) Sela. (Schau auf unseren Schild, ο Gott, und blicke auf das Antlitz deines Gesalbten.)

3+3

3-(-3

Ja, es ist besser ein Tag in deinen Vorhöfen als tausend in meiner Kammer*', 3+2 besser sich aufhalten an der Schwelle des Hauses meines Gottes als weilen in den Zelten des Reichtums 1 '. 3+3

17

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten«

12

13

Denn Sonne und Schild ist Jahwe, m > Anmut und Ehre gibt er. Jahwe versagt nicht Gutes denen, die rechtschaffen wandeln. Jahwe Zebaoth, glücklich die Menschen4', die auf dich vertrauen.

3+3 3+2 2+2+2

a) Lies DJ oder 1, wobei wohl letzteres vorzuziehen ist; vgl. dazu (5J@ Hie (KRAUS").

b) Parallel zu Ps 42 8 ist das Suffix der 1. sg. einzufügen. c) Der letzte Teil des Verses, die Prädikationen Jahwes, sind wohl erst sekundär angefügt worden. Außerdem sprengen sie das bis zu dieser Stelle regelmäßige Metrum. d) DTK ist kollektiv zu verstehen. e) Man würde zunächst einen TIE parallelen Begriff erwarten: etwa nbDD (KRAUS57). Doch liegt im Blick auf das Folgende ein Begriff wie näher, der vor allem dem zu verbessernden und an unserer Stelle nicht haltbaren lYlVoQ eher entspricht (BAETHGEN, G U N K E L , KBL s e ). f) Die Bedeutung dieses Wortes ist unklar und eine Übersetzung daher nicht möglich. g) An dieser Stelle ist ein Halbvers ausgefallen. Auch ist der Textbestand nicht mehr sicher wiederherzustellen. h) i) Durch die dogmatische Veränderung des Verbums (vgl. Ps 42 8b nota e)) ist auch das Objekt geändert worden. Lies also: j) Der durch die Gottesprädikationen überfüllte v. 9 ist wohl erst, bedingt durch das Gebet des ν. 10, sekundär in den Psalm gekommen, da ν. 10 den Rahmen sprengt und eine besondere Ein- oder Überleitung geradezu fordert. Sollte nämlich das "'S des v. n einen begründenden Anschluß darstellen, so kann es sich nur auf v. 8 beziehen und niemals auf ν. ο oder v. 10. Doch bildet v. 8 wiederum einen sinnvollen Abschluß zu dem Vorhergehenden, der Wallfahrtsschilderung. Es müßte also in v. 11 ein Neueinsatz gegeben sein, der seinerseits wiederum von dem zweiten "'S in v. 12 gefordert wird, andernfalls v. la beziehungslos außerhalb des Zusammenhangs stehen würde. So wird man das "'S von v. 11 als eine bekräftigende Partikel aufzufassen haben, während das ' S von v. la sich als begründende Partikel anschließt. V. 10 steht also in jedem Fall isoliert, da ihm formal der Anschluß nach vorne und nach hinten fehlt; außerdem ist von v. 8 nach ν. 10 ein Wechsel der grammatischen Person festzustellen, der die Überleitung in ν. β gefordert hat. k) In der zweiten Hälfte des Verses ist parallel zu eine weitere Ortsangabe zu erwarten. Lies mit SCHMIDT und K R A U S : ' T f O ? 5 * . 1) Der Vergleich in v. n b ist merkwürdig, denn er drückt keine Besonderheit, eher eine Selbstverständlichkeit aus. An der Stelle des Wortes müßte ein anderes stehen, das Wertvolleres ausdrückt und dem Vergleich die nötige Schärfe gibt: (GUNKEL, SCHMIDT 6 0 ).

m) n-n 1 ?« ist mit S4

GUNKEL

und

SCHMIDT 4 1

zu streichen.

57

Psalmen II, zur Stelle. Psalmen II, zur Stelle. F. BAETHGEN, a. a. Ο., H . G U N K E L , a. a. O., zur Stelle und K B L unter: S. 642. 5 · H. SCHMIDT, a. a. O., und K R A U S , a. a. O., zur Stelle. 40 41 H. G U N K E L a. a. O., und H. SCHMIDT, a. a. O., zur Stelle. Ebd. 58

Waake, Zioostheologie

2

18

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Ps 84 ist ein Lied, das am Ende einer Wallfahrt gesungen worden ist. Der Ausdruck des Staunens über die Wohnungen Jahwes, gepaart mit einem Rückblick auf die in der Vergangenheit liegende Sehnsucht nach dem Heiligtum, sowie die Schilderung der Wallfahrt zu diesem, verbunden mit einer Betrachtung über die Vorzüge des Weilens am Ort des Tempels, lassen keine andere Deutung zu. Die Frage, in wessen Munde der Psalm zu denken ist, ist schwer zu beantworten, da neben den sehr individuellen Äußerungen in den Versen 2-5.11 auch lehrhafte Wendungen in den Versen β. i2a.b und, man möchte sagen, erzählende Formen in v. 7f. vorliegen, die alle auf einmal schwer im Munde eines einzelnen zu denken sind. Dieser Wechsel der Formen drückt sich auch im Metrum aus. Auf das Metrum 3 + 2 in den Versen 2-5, das auch noch in 11a und 12b vorliegt, folgt in ν. β: 2 + 2 + 2 , in 8.11b und 12a: 3 + 3 , sowie in 13: 2 + 2 + 2 . Dem einheitlichen Metrum in den ersten Versen folgt ein gemischtes Metrum in den letzten Versen. Das Lied enthält Wendungen, die von einem Pilger selbst gesprochen sein können: 2-5.11, und Wendungen, die eher an die Pilger gerichtet zu sein scheinen, als daß sie von solchen selbst gesprochen worden sind: 6-8.12-13. Diese Beobachtung führte zu der Annahme, daß in Ps 84 eine Wallfahrerliturgie vorliegt (SCHMIDT, KRAUS) 6 2 , in Form der »Tempelpfortenliturgie«, auf die vor allem v. 12 hinweisen soll. Doch scheinen die auffallende Nähe des Liedes zu den »Zionsliedern«, die in den Kreisen der korachitischen Sammler entstanden sein können, und die ins Auge springenden Parallelen zu Ps 42/43 (vgl. v. 3-4 mit 42 2-3 a und ν. 8 mit 433), sowie die an die Wallfahrer gerichteten Wendungen darauf hinzuweisen, daß dieses Lied ausschließlich für Wallfahrer gedichtet wurde; und zwar von einem an einer Zionstheologie orientierten Verfasser, der wechselweise die Pilger und sich selbst zu Wort kommen läßt. Auf der einen Seite versetzt er sich in die Lage des ankommenden Pilgers: v. 2-5.11, auf der anderen Seite beschreibt er die Situation der Pilger und die von ihnen erwartete Glaubenshaltung: v. 7-8 bzw. 12-13. Diese Absicht des Verfassers bringt es mit sich, daß in unserem Psalm 1. und 2. Person oftmals mit der 3. Person wechseln. Diese Beobachtung macht auch eine Einteilung des Psalms in Strophen nahezu unmöglich, da die Sinnabschnitte durchweg verschiedene Länge aufweisen. 2-e: 7 Zeilen (in der 1. Person gesprochen und Gott in der 2. Person angesprochen); 7-8: 3 Zeilen (durchweg in der dritten Person gehalten) ; l i : 2 Zeilen (in der 1. und 2. Person gehalten); 12: 2 Zeilen (in der 3. Person); 13: 1 Zeile (in der 2. Person). Dieser Einteilung kann man nur entgehen, wenn man annimmt, daß v. 4 b als Ganzes eine ergänzende Glosse zu v. 4 a darstellt, das Gebet für den ΓΡΒ?Ώ ν. ίο ur42

H. S C H M I D T , a. a. O., und K R A U S , a. a. O., zur Stelle. Vgl. auch E. Strukturuntersuchungen im Psalter, ZAW 62 (1950), S. 132—135.

BAUMANN,

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten«

19

sprünglich zum Psalm gehört hat, und wenn man in Rechnung stellt, daß in den Makarismen v. 5. β und 18 von vornherein von dem Gepriesenen in der dritten Person und von Jahwe in der zweiten Person gesprochen wird. In diesem Fall läßt sich der Psalm in drei Strophen zu fünf Zeilen einteilen: 2-5: Hymnische Einleitung mit anschließender Erinnerung an die Sehnsucht nach dem Heiligtum, die durch ein Bild fortgesetzt wird, das die in dem abschließenden Makarismus Bezeichneten im Auge hat. 6-8.10: Nicht nur der, der im Hause ständig Jahwe lobt, sondern auch der Pilger ist glücklich zu nennen. An diesen Makarismus schließt sich nun die Schilderung der Wallfahrt an, die mit einem Gebet für den rPttfo abgeschlossen wird. 11-13: Beinhaltet die Folgerung aus den beiden vorhergehenden Strophen, erstens in einer Feststellung in Form eines Vergleichs und zweitens in einer daran anschließenden weiteren Folgerung theologischer Art sowie einem abschließenden Makarismus, der allgemeiner gehalten ist. Beide Möglichkeiten der Einteilung kreisen um die Frage nach der Stellung von v. 10, nach seiner Deutung, seiner Möglichkeit innerhalb des Psalms überhaupt. In den Kommentaren begegnen gewöhnlich zwei Verfahrensweisen, mit v. 10 fertig zu werden: a) die Eliminierung von v. 1063 oder b) die Beibehaltung des Verses mit Deutung von ΓΡ$0 auf den König*4. Die Schwierigkeiten, die mit v. 10 verbunden sind, konzentrieren sich im wesentlichen auf die Deutung des Wortes ΓΤΊΡ0. Im übrigen Alten Testament findet sich dieses Wort nur für den König — und hier besonders für David und seine Nachkommen (vgl. u. a. I Sam 24 26 Ps 89) — sowie für den Hohenpriester (Lev 4). An einer Stelle jedoch, Hab 3 13, könnte man auf Grund des parallelismus membrorum fragen, ob nicht das Volk gemeint ist. Diese Möglichkeit einer dritten, kollektiven Deutung bleibt aber fraglich, da in Hab 313 »Du ziehst aus, zu helfen deinem Volk und zu helfen deinem Gesalbten« auch der König gemeint sein kann. Wie verhält es sich aber nun mit der Interpretation des Wortes ΓΡΒ?0 in Ps 84 ? Hier haben wir schon gesehen, daß das Gebet für den Gesalbten, vor allem dann, wenn es auf den König gedeutet wird, den Zusammenhang völlig sprengt, da es in diesem Fall ganz unvorbereitet und abrupt auftaucht. Daran ändert auch die Lokalisierung des Psalms in einem gänzlich hypothetischen »Königsjahresfest« durch S C H M I D T 8 5 nichts. Die Deutung des ΓΤΊΡ0 auf den König oder vielleicht auf den Hohenpriester, wie es M C C U L L O U G H 8 8 in Erwägung zieht, stört den Zusammenhang, obwohl sie durch die Belege aus dem Alten Testament nahegelegt wird. So versuchen nun S T A E R K 8 7 und K I T T E L 8 8 diesem Dilemma durch eine sonst nicht belegte Deutung des Gesalbten auf das Volk zu entgehen (vielleicht Hab 313). 83

84

E. B A U M A N N , a. a. O., S. 132, H. G U N K E L , a. a. O., und W. S. M C C U L L O U G H , Interpreter's Bible IV 1955, zur Stelle, sehen in v. 9f. einen Nachtrag, entstanden aus der liturgischen Verwendung des Psalms. F. D E L I T Z S C H , a. a. Ο., B. D U H M , a. a. Ο., H. S C H M I D T , a. a. Ο., A. W E I S E R , Psalmen I I . Teil, Das AT Deutsch 15, K R A U S , a. a. O . , zur Stelle, sowie S. M O W I N C K E L , Psalmenstudien I 1921 (1961), S. 82, ders., Psalmenstudien II 1922 (1961), S. 118 u n d A . R . JOHNSON, a . a. O., S . 95.

86 88 87

A. a. O., zur Stelle. Interpreter's Bible IV, a. a. Ο., zur Stelle. 88 A. a. Ο., zur Stelle. A. a. Ο., zur Stelle. 2*

20

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Nun ist aber zu bedenken, daß eine Interpretation des Wortes ΓΡ1Ρ0 in Ps 8410 das im selben Vers als Parallelbezeichnung gebrauchte Wort p 8 zu berücksichtigen hat. Gewöhnlich wird auch dieser Terminus von den Kommentatoren, die |1Ö auf den König deuten", als Bezeichnung für denselben in Anspruch genommen. Die Belege dafür sind aber sehr spärlich gesät: Ps 47 ι ο 89 ιβ. Ein Blick in die Kommentare — in bezug auf diese Stellen: Ps 47 10 8410 und 89 ΐθ — zeigt, daß jeweils die betreffende Stelle von den beiden anderen her interpretiert wird70, obwohl an allen drei Stellen die Bedeutung von ]JD unklar ist. Dies trifft vor allem auf Ps 4710 zu, wo wir der singulären Wendung begegnen, deren Erklärung aus dem Zusammenhang kaum möglich erscheint. Wesentlich klarer scheint die Situation in Ps 8919 zu sein, wo ]MJ parallel zu ^Vö steht und eine andere Deutung des Wortes als auf den König nicht zulässig ist. Das umso mehr, als nach dem Text ^Vö und ]JÖ Jahwe untergeordnet sind. Nun läßt sich aber nicht übersehen, daß hier wie in Ps 8410 der Vers an einer Trennstelle im Zusammenhang des Psalms zu finden ist71. In Ps 8919 findet ein Jahwehymnus seinen Abschluß, und mit v. 20 beginnt, deutlich neu einsetzend, ein ausführlicher Bericht von einem Orakel über die davidische Dynastie (v. 2 0 - 3 8 ) . Die Zusammenordnung dieser beiden Einheiten, mag sie nun primär oder erst sekundär erfolgt sein, hat aber zu einer Veränderung des an der Verbindungsstelle stehenden v. 19 geführt. Schon von ν. ιβ ab ist ausschließlich Jahwe Gegenstand des Lobpreises und der König mit keinem Wort erwähnt. Umso mehr befremdet die plötzliche Erwähnung des »Königs« in v. 19, zumal sie den Abschluß des Hymnus gebildet haben soll. Ändert man jedoch den Text des Verses in geringfügiger Weise, indem man nämlich die zweimal vorkommende Präposition streicht, dann erhält man die sehr wahrscheinlich ursprüngliche Gestalt des letzten Verses des Jahwehymnus: Jahwe ist unser Schild, der Heilige Israels unser König. Dies läßt sich weiter dadurch belegen, daß das Wort wenn nicht in seinem ursprünglichen Sinn gebraucht und von den drei genannten Stellen abgesehen, im übrigen Alten Testament nur für Jahwe gebraucht wird. Es läge also auch in Ps 8919 kein eindeutiger Beleg für die Deutung des Wortes auf den König vor. Diese ist vielmehr erst möglich geworden, als bei Verbindung der beiden Lieder Ps 89 2 0 - 3 8 und Ps 89 2-19 ein etwas glatterer Übergang notwendig wurde, der sehr leicht durch die doppelte Einfügung der Partikel erreicht wurde. Somit sind wir wieder an den Beginn unserer Überlegung zurückgekehrt, und es darf nicht bestritten werden, daß das Ergebnis negativ ausgefallen ist. Die für die Deutung des ΓΡ019 in Ps 8410 herangezogenen Parallelstellen erwiesen sich als unzureichende Interpretationshilfen. Die Frage, wie Ps 84 10 auch im Blick auf den Kontext zu interpretieren ist, bleibt also offen. Kann ΓΡ®0 nach dem alttestamentlichen Befund nur auf den König (vereinzelt auch auf den Hohenpriester) gedeutet werden, dann wird man, wie schon oben erwähnt, damit rechnen müssen, daß v. 10 ·* Ausgenommen F. B A E T H G E N , a. a. O., zur Stelle. 70 Vgl. ζ. B. K R A U S , Psalmen I und II, zu den betreffenden Stellen. 71 Dies ist, soweit ich sehe, von einer Ausnahme ( = C. A. B R I G G S und E . G. B R I G G S , The Book of Psalms. The International Critical Commentary 19522) abgesehen, allgemein anerkannt, sei es, daß man den Psalm in zwei Lieder aufteilt ( G U N K E L und SCHMIDT, a. a. O., zur Stelle), oder daß man in einem einheitlichen Psalm doch mehrere stark voneinander abzuhebende literarische Gattungen annimmt ( W E I S E R , K R A U S , a. a. O., zur Stelle).

2. »Die Zionspsalmen der Korachiten«

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sekundär in den Psalm eingefügt worden ist und den veränderten Text von Ps 8919 voraussetzt. Ist aber nun neben v. 4 b und v.9 auch ν. 10 als sekundäre Einfügung zu beurteilen, dann ist es nicht mehr möglich, den Psalm in gleichmäßige Strophen zu gliedern, wie das oben (S. 18f.) vorgeführt wurde. Man könnte jedoch diese Einteilung unter Ausschaltung von v. xo beibehalten und erhält für Ps 84 drei Strophen, von denen die Mittelstrophe (v. 6-8) aus vier, die beiden Außenstrophen aus je fünf Zeilen bestehen, wobei die Mittelstrophe mit ihrer Orientierung an der Wallfahrt am deutlichsten abzugrenzen ist und so eine Gliederung wenigstens nach inhaltlichen Kriterien ermöglicht.

Die schon oben erwähnten auffallenden Parallelen zu Ps 42/43 (S. 18), der im Gegensatz zu Ps 84 nicht am Heiligtum selbst entstanden sein kann und der in seiner Poesie ursprünglicher ist als Ps 84, weisen darauf hin, daß unser Psalm erst entstanden sein kann, nachdem Ps 42/43 den Sammlern bekannt geworden ist. Die Nähe zu den übrigen Zionsliedern der Korachiten und die Orientierung an Kultus und Heiligtum des Zion lokalisieren unseren Psalm eindeutig in einer Gruppe von Menschen, die in einer engen Beziehung zum Tempel gestanden haben muß72. So gehört er auch in den Rahmen einer Theologie, die ausschließlich am Tempelkult orientiert ist und die dem am Zion ausgerichteten Sammlungsinteresse der Korachiten entsprochen haben muß. Ps 87 2

Jahwe liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs. 4+3 lb. 5b Seine«) Gründung liegt auf heiligen Bergen; der Höchste selbst hat sie gegründet. 3+3 3. 7 Herrliches erzählt man sich von dir, Stadt Gottes; Sela. Sänger wie Tänzer, sie alle besingen dich1». 4+4 β. 4b Jahwe zählt im Buch«' der Völker: »Dieser ist da, Sela, jener dort geboren. 4+4 71

M. J . Buss (The Psalms of Asaph and Korah, J B L 82 (1963), S. 382—392) geht im Zusammenhang seiner Untersuchung noch einen Schritt weiter: »In any case« (damit bezieht sich Buss wenigstens auf Ps 42/43 und Ps 84) »it seems that the psalms referred to were composed not for general use by the laity, but for the singer's own presentation« (S. 383). Dies läßt sich aber aus den beiden Psalmen nicht erweisen. Schon gar nicht aus Ps 42/43, dessen v. 5, auf den sich Buss im besonderen bezieht, nicht mehr herzustellen ist. An dieser Stelle sei noch darauf verwiesen, daB Buss die in verschiedene »genres« zu gliedernden Asaph- und Korachitenpsalmen in einer größeren Gruppe, nämlich den »clergy or professionalist psalms«, zusammenfassen will.

22 4a

5a

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Ich denke an Rahab und Babel bei denen, die mich kennen, ja auch an Philistäa und Tyrus samt Kusch. Doch von Zion sage ichd): Mann für Mann ist in ihm geboren.«

4+4 3+4

a) Die Beziehung auf den Zion fordert ein feminines Suffix Π—. Vergleiche v. 5 b. b) T S ö gibt keinen rechten Sinn. Lies mit GRESSMANN: Mi? 0lp3 78 . c) Man wird wohl den Versionen © Θ Ε © Ϊ folgen und ^ΓΟ? lesen müssen. d) Behält man ttfW Bf>N als Phrase bei, dann fehlt zu den beiden vorhergehenden Worten ION'' p'äV ein Glied, um den Versfuß zu vervollständigen. Die L X X bietet als Lesart μήτηρ Σειώυ, έρεϊ δυθροπος, welche hebräisches BN voraussetzt. Da Jahwe bereits redend eingeführt ist, könnte man am ehesten mit B. D U H M " u.a. "in« OK fPS1? lesen. Doch hat G. SCHMUTTERMAYR75 gezeigt, daß diese Lesart der L X X auf Grund von Belegen bei Hieronymus auf einer Verschreibung von M H T H I in M H T H P beruht, μη τη findet in der Vulgata die ihm entsprechende Ubersetzung »numquid« in Form einer verneinenden Partikel, die zwar im hebräischen Text keine Grundlage hat, ihm aber näher kommt als die Versionen, die μήτηρ aufweisen. Der hebräische Text wird hingegen in der syrischen Übersetzung und im Targum vorausgesetzt: i ; - . ! ^ I j A ^ ^ l l J voe·^.« bzw. schon interpretierend Π»"?®"! ND1?» Τ Π *l»itfF p'SVl JTlJQ ΧΠΊΓΡΝ ΠΉ2. Die Vokabel OK, die in einer Reihe von LXX-Versionen belegt ist, findet in der Oktapla (vgl. SCHMUTTERMAYR) und in den nichtgriechischen Versionen keine Stütze. Wir sind daher genötigt, diese Variante auszuscheiden und uns auf den hebräischen Text zu beschränken. Man könnte den Konsonantenbestand unverändert lassen. Doch scheint mir eine Änderung von in sinnvoller dem Zusammenhang zu entsprechen, da Jahwe schon redend eingeführt ist. Der masoretische Text dieses Psalms ist völlig in Unordnung geraten. Es war deshalb nötig, eine Rekonstruktion vorzunehmen, die an Hand der vorhandenen Halbverse mit Hilfe des parallelismus membrorum erreicht wurde. Der rekonstruierte Text ergibt einen guten Sinn.

Psalm 87 kann wohl als das reinste Zionslied des Psalters und damit des Alten Testamentes bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den übrigen so bezeichneten Liedern, ζ. B. Ps 48, die bei aller Hervorhebung Zions und Jerusalems doch nie den Lobpreis Jahwes vergessen, wird in unserem Psalm im Gegensatz dazu Jahwe für die Verherrlichung des Zion in Anspruch genommen, indem er selbst redend in diesem Lied auftritt. Jahwe wird zur Legitimation der mit dem Zion verbundenen Ansprüche herangezogen und damit aus dem Bereich des Lobes verdrängt. An Jahwes Stelle ist — so scheint es wenigstens in unserem Psalm zu sein — Zion-Jerusalem getreten. n

Bei H. GUNKEL, a. a. O., zur Stelle.

74

A. a. O., zur Stelle. Um Ps 87 (86), 5, Bibl. Zsch. N. F. 7 (1963), S. 104^-110.

78

3. Die Korachiten

23

3. Die Korachiten

Bisher haben wir immer nur kurz auf die den Psalmen gemeinsame Überschrift, mp'^aV, und die möglicherweise daraus zu ziehenden Konsequenzen verwiesen. An dieser Stelle ist nun näher auf die Bedeutung derselben einzugehen. In der Untersuchung der Psalmen 42—49 84 f. 87 f. haben wir festgestellt, daß es sich bei diesen Psalmen um eine Sammlung handelt, die den mp "Ή zugeschrieben wird. Dabei ist es zunächst gleichgültig, ob man das le der Überschrift als eine Verfasserbezeichnung, le-auctoris™, oder bloß als einen »Registraturvermerk«77 ansieht, denn in beiden Fällen werden die Psalmen von der Tradition den rnp 'ja zugeordnet. Und es besteht kein Grund, diese Beziehung der Psalmen zu den m p "Ή ills sekundär hinzustellen. Will man schon nicht das le-auctoris als Verfasserangabe78 verstehen, so bestätigt es zumindest die Tatsache, daß die Psalmen 42—49 84f. 87f., wenigstens als Sammlung, ihren Ursprung bei den mp "Ή gehabt haben, da man das l e als einen Ausdruck der Beziehung und somit als einen Hinweis der Zugehörigkeit in Anspruch nehmen kann. Um welche Gruppe von Menschen handelt es sich nun bei den m p

Ή

?

Der Name mp begegnet uns im Alten Testament für verschiedene Personen, bzw. Personengruppen: 1. Innerhalb von drei Listen, die eine Genealogie Esaus darstellen, in Genesis 361-8. 9-14. 15-ie. In jeder dieser drei Listen scheint Korach als Sohn der Oholibama, des Weibes Esaus, zusammen mit Jeusch und Jalam auf. Da alle drei Listen den Esau mit Edom in Zusammenhang bringen — sei es, daß Esau mit Edom identifiziert79 oder als Vater Edoms bezeichnet wird80 —, ist Korach hier als Edomitergeschlecht zu bezeichnen81. In I Chr l35ff., wo die Listen aus Gen 36 9-19 übernommen sind, begegnet naturgemäß Korach im gleichen Zusammenhang. 7e

" ™

Zur Deutung des le-auctoris vgl. E I S S F E L D T , Einleitung, S. 610f. und K R A U S , Psalmen I, S. X I X f . ; siehe dort auch die weitere Literatur. Τ. K. C H E Y N E , Origin of the Psalter 1899: zitiert bei H.-J. K R A U S , a. a. Ο., S. X I X . 5 S . R . D R I V E R , Einleitung in die Litteratur des AT 1896 , S . 396 und S . M O W I N C K E L , 1 Psalmenstudien VI 1924(1961), S. 46f.: m p ' ^ a ? ist wirkliche Verfasserangabe, H. H E R K E N N E , a. a. O., S. 10: die Lieder rühren von Angehörigen der Familie her. K R A U S , Psalmen I, S. 319: ». . . anzunehmen, daß die H")p Verfasser eines Liederbuches waren.« J. GOETTSBERGER, Einleitung in das AT 1928, S. 239, A. B E N T Z E N , Introduction to the Old Testament 1962, S . 166.

'» Gen 36 1-8 u n d 3615-19. 81

80

Gen 3 9 9-14.

In der dritten Liste begegnet Korach noch ein zweites Mal als Sohn des Eliphas, eines Sohnes des Esau.

24

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

2. Innerhalb einer Kalebgenealogie als Sohn Hebrons in I Chr 2 43. 3. Innerhalb einer benjaminitischen Genealogie in I Chr 12 7, wo es sich weder um levitische Korachiten noch um kalebitische Korachiten, sondern um einen unbekannten Ortsnamen handeln wird82. 4. Innerhalb der Priesterschrift und des chronistischen Werkes und hier vorwiegend in levitischen Genealogien: Ex 6 21. 24 Num 26 58 I Chr 6 7. 5. Im älteren Bestand von Num 1683 als ein Aufrührer gegen Mose. Von diesen fünf verschiedenen Gruppen sind für unsere Untersuchung nur die levitischen Korachiten von Bedeutung, da kaum anzunehmen ist, daß die übrigen genannten Korachiten mit dieser Sammlung von Psalmen in Zusammenhang gebracht werden können. Allerdings fehlt es nicht an Versuchen, einige der oben genannten Gruppen zu den levitischen Korachiten in Beziehung zu setzen. So versucht DELITZSCH 8 4 die levitischen Korachiten mit den in I Chr 12 ι genannten benjaminitischen Korachiten86, die bei David in Ziklag gewesen sein sollen, zu identifizieren. E. MEYER 86 und R. P F E I F F E R 8 7 wollen die levitischen Korachiten von den Edomitern herleiten. Dazu ist zunächst zu sagen, daß es immer schwierig sein wird, eine Gruppe von Menschen, die nur durch ihren Stammbaum bekannt ist, auf Grund der bloßen Übereinstimmung eines Namens zu einer anderen in Beziehung zu setzen. Warum sollten nicht innerhalb der alttestamentlichen Überlieferung gleiche Namen auftauchen, die zu Personen bzw. Personengruppen gehören, die keinerlei Beziehungen zueinander aufweisen ? So ist doch zum Beispiel auch zwischen dem Propheten Micha und den in I Chr 5 5 8 84 9 15. 40 23 20 und 24 24 erwähnten und ζ. T. verschiedenen Geschlechtern zugeordneten Personen desselben Namens oder etwa zwischen dem israelitischen König Simri und seinen Namensvettern aus den Geschlechtern Simeon (Num 25 14), Juda (I Chr 2 β) und Benjamin (I Chr 8 3β) und zwischen diesen untereinander kaum eine Beziehung anzunehmen. Sollte wirklich eine solche zwischen den edomitischen Korachiten und den 82

88

W. RUDOLPH, Chronikbücher, Handbuch zum AT 1/21 1965, S. 104 (im folgenden zitiert: RUDOLPH, Chronik). G. FOHRER, Art. »Korach« in: RGG8, S. LEHMING, Versuch zu Num 16, ZAW 74 (1962), S. 314, W. RUDOLPH, Der »Elohist von Exodus bis Josua«, BZAW 68 (1938), S. 81, O. EISSFELDT, H e x a t e u c h s y n o p s e 1922, S. 277. Anders: H . GESE, Zur Ge-

schichte der Kultsänger am zweiten Tempel, O. Michel-Festschrift 1963, S. 232 Α. 1. 84

F . DELITZSCH, a . a . O . , S . 3 1 8 .

85

Siehe oben unter Punkt 3. Die Israeliten und ihre Nachbarstämme 1906, S. 362 A. 6. Introduction to the Old Testament 1941s, S. 622.

88 87

3. Die Korachiten

25

levitischen Korachiten bestanden haben, so ist sie jedenfalls aus den uns vorliegenden Texten nicht mehr zu eruieren. Wir können uns daher in unserer weiteren Untersuchung auf die levitischen Korachiten beschränken. Diese sind innerhalb der alttestamentlichen Überlieferungen nur im priesterschriftlichen und im chronistischen Werk belegt. Diese beiden Werke gebrauchen für die Benennung der Korachiten allerdings verschiedene Bezeichnungen: a) ΠΊρ» b) Π*ip c) 'DIR

in Ex 621 Num 16 1. 5 u. ö. I Chr 67, in Ex 6 24 Num 26 11 (und in den Psalmenüberschriften 42—49 84f. 87f.) und Ex 6 24 Num 26 58 I Chr 9 19. 31 26 1.19 II Chr 2019.

Diese Beobachtung veranlaßt K. MÖHLENBRINK88, zwischen »Korachitern« und »Söhnen Korachs« zu unterscheiden, da er zwei verschiedene Gruppen von Korachiten hinter dieser unterschiedlichen Terminologie verborgen sieht. Ein Indiz gegen MÖHLENBRINK scheint allerdings in Ex 6 24 vorzuliegen, wo auf dieselbe Personengruppe bezogen zwei verschiedene Termini gebraucht werden, nämlich Πΐρ ,13 und In I Chr 9 19 wird neben dem Ausdruck 'DIR auch noch die Verbindung ΠΤρ-]3 verwendet. An beiden Stellen jedoch ist eindeutig zu erkennen, daß mit dem Wort τ η ρ nur das Geschlecht und mit der Verbindung mj? ( , )Π die genealogische Reihe ins Auge gefaßt ist. Wahrscheinlich, und das zeigen die Psalmenüberschriften, wird aber auch der Ausdruck πτρ ^a für die Bezeichnung des Geschlechtes verwendet worden sein. Doch daraus den Schluß zu ziehen, es könne hinter den verschiedenen Bezeichnungen auch eine Verschiedenheit der korachitischen Gruppen zu suchen sein, ist ebenso hypothetisch, wie aus der Gleichheit von Namen von vornherein eine Gleichheit der sich hinter diesen Namen verbergenden Menschen zu erschließen. Die Priesterschrift, die sich in Num 3—4 eingehend mit den Levitengeschlechtern und deren Aufgaben beschäftigt, führt in eben diesen Kapiteln die Genealogie der Leviten nur bis in das dritte Glied, kennt also ein Levitengeschlecht Korach noch nicht, oder dieses ist so bedeutungslos, daß es einer Erwähnung nicht bedarf. Die wahrscheinlich älteste Erwähnung Korachs innerhalb einer Levitengenealogie findet sich in Ex 621. Ex 612 ist die priesterschriftliche Erzählung von der Berufung Moses an dem Punkt angelangt, an dem neben Mose auch Aron in den Zusammenhang eingeführt werden sollte. Dies war der günstigste Ort für eine genealogische Lokalisierung desselben. Dazu diente nun der Einschub von Ex 613-30, der deutlich durch die »Wiederauf88

Die levitischen Überlieferungen des AT, ZAW 62 (1934), S. 230.

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I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

nähme«89 des v. 12 in v. 30 gekennzeichnet ist 90 . Dieser Einschub beginnt nach einer kurzen Einführung mit der Genealogie der israelitischen Stämme, die aber nur von Ruben über Simeon bis zu Levi geführt wird, weil damit bereits das Ziel, die Einführung Arons in den Erzählungszusammenhang, erreicht worden ist. Es ist nur natürlich, daß die Levitengenealogie an dieser Stelle nicht nur — wie die vorangehenden Genealogien Rubens und Simeons — bis ins zweite Glied herabgeführt wird, sondern wenigstens bis zum vierten Glied durchgezogen werden mußte. Die Grundlage für diese Genealogie bildete die Aufzählung der Söhne Levis in Gen 4611 (Gerson, Kahat und Merari), die in Ex 617-19 um ein Glied91 verlängert wurde. Da man aber primär an der Ahnenreihe Arons interessiert war, werden nunmehr die Nachkommen Gersons und Meraris vernachlässigt und man verfolgt ausschließlich die Kahatlinie über dessen Söhne Amram, Jizhar, (Hebron) und Ussiel hinaus, um über Amram zu Mose und vor allem zu Aron zu gelangen. Und in diesem Zusammenhang begegnet uns als Nachkomme Jizhars — neben Nepheg und Sichri — auch Korach. Die Nennung auch der Nachkommen Ussiels und Jizhars in 6 21 und 22, und damit das Aufscheinen Korachs, haben wir wohl einem Streben nach Vollständigkeit zu verdanken. Das eigentliche Ziel wäre ja mit Aron bereits erreicht gewesen. Eine zusätzliche Ergänzung in den v. 23-25 berichtet noch weitere Einzelheiten über Aron und interessanterweise auch über Korach, von dem noch drei Nachkommen angeführt werden. Da die Absicht unseres Einschubs mit der genealogischen Lokalisierung Arons schon zu ihrem Ziele gelangt war und man im äußersten Fall noch Einzelheiten über Aron erwarten konnte, kann der Abschnitt v. 23-25, mit C. KÜHL hat in Z A W 6 4 (1962), S. 1 — 1 1 , auf eine Erscheinung im A T hingewiesen, die geeignet ist, »ein einigermaßen brauchbares und in etwa objektives Hilfsmittel« abzugeben, »besser in das Verständnis mancher schwierigen Textstelle einzudringen und spätere Zusätze und Ergänzungen leichter zu erkennen.« Bei diesem Hilfsmittel handelt es sich um die Beobachtung, daß eine Anzahl von Wiederholungen kleinerer und größerer Art in einem Textzusammenhang offenbar dadurch bedingt sind, »daß in den ursprünglichen Text ein Einschub erfolgt ist, und daß nach solchem Einschub der ursprüngliche Faden der Erzählung durch Wiederholung der letzten Worte, ja ganzer Sätze und zum Teil sogar größerer Abschnitte, wieder aufgenommen wird.« Diese Erscheinung nennt KÜHL die »Wiederaufnahme« und verfolgt sie in seinem Aufsatz an einer Reihe von Texten vor allem der Prophetie. I. L. SEELIGMANN untersucht in seinem Aufsatz »Hebräische Erzählung und biblische Geschichtsschreibung«, ThZ 1 8 (1962), S. 3 0 5 — 3 2 5 , die Anwendung dieses Prinzips auf erzählende Texte des A T und kommt für E x 610-80 zu dem Ergebnis, daß ein klassisches Beispiel der »Wiederaufnahme« vorliegt. Die v. 28-30 wiederholen mit leichter Variation die v. 10-12 und erweisen somit den Komplex 613-27 als einen Einschub. ·» M. NOTH, Das Zweite Buch Mose, Das A T Deutsch 5 1969, zur Stelle. el Parallel zu Num 3 1 7 « . M

3. Die Korachiten

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der Nennung der Söhne Korachs, nur als eine Erweiterung angesehen werden, die aus einem besonderen Interesse vorgenommen worden ist, nämlich die Korachiten besonders hervorzuheben und ihnen eine besondere Stellung zuzuweisen. Dazu war der Zusammenhang von Ex 6 13-30 bestens geeignet. Ebenso wie Ex 613-30 geht auch Num 26 57ff. über die eigentliche priesterschriftliche Levitengenealogie von Num 3 hinaus. Hier haben wir ebenfalls eine Linie des Kahatgeschlechtes bis zu Aron durchgezogen (v. 59), und der Aufzählung der Levitengeschlechter nach Num 3 ist noch in einer abermaligen Abweichung das Geschlecht der Korachiter hinzugefügt (v. 58). Es weicht also auch an dieser Stelle die Levitengenealogie wiederum von der priesterschriftlichen Vorlage ab, und wir werden mit einer sekundären Hinzufügung zu rechnen haben. Daß man erst sehr spät, wahrscheinlich in der nachexilischen Zeit, die Rotte Korach von Num 16—17 in einer sekundären Überarbeitung mit den Leviten identifizierte, geht aus Num 2611 eindeutig hervor. Diese Stelle — die in den Versen 26 8-10 eine Form der Koracherzählung von Num 16—17 vor Augen hat, in der noch nicht von einem Levitengeschlecht Korach gesprochen wird — setzt ihrerseits bereits diese Identifizierung Korach = Leviten voraus; offensichtlich deshalb, weil sie keine anderen als levitische Korachiten kannte. Die Existenz derselben ließ sich aber nicht mit dem Bericht von Num 26 8-10, dem Untergang der Rotte Korach, vereinen und verlangte daher notgedrungen den Hinweis: »Die Söhne Korachs aber kamen nicht um« (v. 11).

Dieser zunächst etwas neutralen Feststellung von der Existenz der Korachiten steht in einer sekundären Bearbeitung zu Ρ die Koracherzählung von Num 16 gegenüber, in der ein alter Stoff dazu verwendet wurde, um in einer Auseinandersetzung innerhalb des Jerusalemer Kultpersonals eine Entscheidung zu treffen 92 , die sich sicherlich auf die levitischen Korachiten bezogen hat, wie der Zusatz in 16 ia: ,der Sohn des Jizhar, des Sohnes Kahats, des Sohnes Levis' deutlich zeigt. Da die textlichen Verhältnisse von Num 16 äußerst schwierig sind und außerdem die hinter den verschiedenen Bearbeitungen durchschimmernden Auseinandersetzungen schwer zu erkennen sind93, muß man sich mit obiger Feststellung begnügen. Man kann allerdings — auch auf Grund von Num 26 8-11 — mit Sicherheit sagen, daß die Identifizierung der Rotte Korach mit den levitischen Korachiten sehr spät erfolgt ist, frühestens unmittelbar nach •2 M. NOTH, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch 1948, S. 138. M Vgl. dazu die letzte Bearbeitung von Num 16 durch S. LEHMING, a. a. O., S. 291 bis 321.

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I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

dem Exil, was ja schon allein durch die Aufnahme des Stoffes in den jüngsten Erzählungsstrang des Pentateuch, die priesterschriftliche Erzählung, und die Überarbeitung desselben durch weitere Zusätze nahegelegt wird. Welchem Erzählungsstrang oder welcher Pentateuchquelle die Grunderzählung von Num 16 zuzuweisen ist, ob sie überhaupt einer solchen angehört, können wir außer Betracht lassen, da wir ja keinen primären Zusammenhang zwischen der Rotte Korach und den levitischen Korachiten annehmen. Ein solcher hätte bestimmt einen anderen Niederschlag in der Koracherzählung Num 16 gefunden und gewiß den fast naiven Gebrauch der Korachtradition in Num 26 9f. und 27 3 verhindert. Diese beiden Stellen, die zur priesterschriftlichen Erzählung gehören — vielleicht zu einer frühen Bearbeitung derselben —, zeigen ebenso wie die Levitengenealogien von Num 3, daß die Priesterschrift selbst noch kein so bedeutendes Levitengeschlecht Korach gekannt hat, das einer Erwähnung wert gewesen wäre, sondern daß erst die sekundäre Bearbeitung von Ρ von dieser Gruppe Notiz nehmen mußte. Gleichgültig, ob diese Notizen in bezug auf die Korachiten negativ (Num 16), neutral (Ex 6 21 Num 26 58) oder vielleicht auch positiv (Num 2611 E x 6 24) zu bewerten sind, so zeigen sie doch, wie immer man sie auch verstehen mag, daß die Korachiten in einer bestimmten Zeit eine besondere Stellung eingenommen haben müssen. Im Gegensatz zur Priesterschrift mit ihren Zusätzen, die zunächst nur von levitischen Korachiten, ohne eine besondere Näherbestimmung, reden, erfahren wir aus dem chronistischen Werk schon einiges Nähere über die Korachiten, wenngleich auch diese Auskünfte nicht ausreichen, ein genaueres Bild dieser Gruppe zu zeichnen. Jedenfalls finden sich einige Hinweise über die Bedeutung und den Aufgabenbereich der Korachiten. Das chronistische Werk setzt in seiner genealogischen Einleitung die priesterschriftlichen Levitengenealogien voraus, wie sie uns in Num 3 vorliegen: I Chr 6 i-4a, wo zunächst nur die Enkel Levis nach Gerson, Kahat und Merari angeführt werden. Im Anschluß an diese aus Num 3 übernommene Genealogie folgt eine Aufzählung der Nachkommen jeweils eines Levienkels, und zwar der Erstgeborenen Gersons und Meraris und des Zweitgeborenen Kahats: I Chr 6 4b-9. 14-15. In der Fortsetzung der Kahatlinie, die aus E x 6 24 übernommen ist, begegnet uns als Sohn Jizhars 9 4 nun wieder Korach mit seinen Nachkommen. Der Einschub in P, E x 618-30, müßte also dem Verfasser dieser Genealogie bereits bekannt gewesen sein, und zwar mit der schon eingefügten Liste der Korachsöhne — E x 6 24 —, die nun in I Chr 6 7f. in absteigender Linie angeführt M

Zur Textänderung in I Chr 6 7: statt Aminadab lies Jizhar, vgl. RUDOLPH, Chronik, S. 54.

3. Die Korachiten

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werden. Diese neuerliche Bearbeitung der schon in der Priesterschrift sehr späten Ergänzung und die Hinzufügung weiterer Nachkommen macht es unwahrscheinlich, daß hier der Chronist selbst am Werk war 95 . Nicht anders verhält es sich mit der zweiten Erwähnung der Korachiten in I Chr 6 22 innerhalb einer Genealogie der levitischen Sänger, in unserem Fall des Sängers Heman, der vom zweiten Sohn Kahats, Jizhar, seinen Stammbaum ableitet: I Chr 618-23. Die Ableitung des Hemanstammbaumes vom zweiten Sohn Kahats brachte es mit sich, daß natürlich abermals Korach erwähnt werden mußte, da man bereits eine Vorlage dieser Liste in 6 7-9 und 10-13 besaß. Die Anwendung gerade dieser Vorlage in unserem Sängerstammbaum in der Weise, daß eine Nebenlinie (v. 10-13) zur Verlängerung der Hauptlinie benützt wird, kennzeichnet diesen als eine sekundäre Einfügung in das ursprünglich chronistische Werk 98 , die die Tempelsänger als Leviten auszuweisen sucht. In dem an den genealogischen Vorbau des Chronikbuches angeschlossenen Kapitel 9 wird in den v. 17-21 der Versuch unternommen, die Torhüter als Leviten zu bestätigen, und dazu werden in bemerkenswerter Art und Weise die Korachiten herangezogen. Sie sind es, zu deren Familie Sallum, der Obmann der Torhüter, gehört. Es wird also an dieser Stelle vorausgesetzt, daß die Korachiten eine bedeutende levitische Familie darstellen, in die die Torhüter aufgerückt sind. Zur gleichen korachitischen Familie gehört auch der Levit Matitja, der mit der Bereitung des Pfannengebäcks für den Tempel betraut war: v. 31. In dem ebenfalls sekundären Kapitel 26 des 1. Chronikbuches 97 erscheinen die Torhüter abermals als Leviten und zwar aus den Geschlechtern Korach und Merari: I Chr 261 und 19 im Gegensatz zu Esr 2 42 Neh 7 45 1119 12 25, wo die Torhüter noch getrennt aufgezählt sind und noch nicht den Leviten zugerechnet wurden. Die Torhüter sind also in der Zeit zwischen Esra-Nehemia und der Endredaktion des Chronikbuches in die Levitenklasse und hier zum Teil in das Korachitengeschlecht aufgerückt. Die Art der Erwähnung der Korachiten in den Kapiteln 9 und 26 des 1. Chronikbuches zeigt deutlich, daß wir es mit einem bedeutenden Levitengeschlecht zu tun haben, in das verschiedene Gruppen Aufnahme gefunden haben, wie ζ. B. die Torhüter und die 88

M 87

R U D O L P H , Chronik, zur Stelle, sieht in der Liste 6 1 - 9 . 1 4 f . die Hand des Chronisten am Werk. Dies bleibt insofern unverständlich, als er die aus der gleichen Tradition (Ex 612-80) stammenden Aronüberlieferungen in 6 27ff. dem Chronisten abspricht. R U D O L P H , Chronik, S . 6 9 . R U D O L P H , Chronik, S . 173 und K . GALLING, Die Bücher der Chronik, Esra, Nehemia, Das AT Deutsch 12 1954, S. 66.

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I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Bereiter des Pfannengebäcks. Man kann also auf Grund dieser Texte nicht auf eine Entwicklung der Korachiten von einer untergeordneten Gruppe zu einem Levitengeschlecht schließen98, sondern wird eher annehmen müssen, daß untergeordnete Gruppen des Tempelpersonals in das levitische Geschlecht Korach Aufnahme gefunden haben, da der Begriff ,Korach' oder ,qrhj' in I Chr 9 und 26 immer in einer übergeordneten Weise gebraucht wird. Nur an einer Stelle des chronistischen Werkes, die auch vom Chronisten selbst stammt, kennt man die Korachiten als Tempelsänger: II Chr 2019. Damit sind die alttestamentlichen Belege für die Existenz eines korachitischen Levitengeschlechts erschöpft, und wir haben gesehen, daß uns dieses Geschlecht vorwiegend in Genealogien begegnet, die aus der nachexilischen Zeit stammen: Ergänzungen zur Priesterschrift und zur Chronik. Das heißt aber, daß ein solches korachitisches Geschlecht erst in der nachexilischen Zeit Bedeutung erlangt haben kann, vielleicht sogar erst in nachexilischer Zeit entstanden ist. In dieses Geschlecht, das nach dem Chronisten Sängerdienste versah, fanden in der nachchronistischen Zeit noch bestimmte Torhütergruppen und nach I Chr 9 31 auch die »Bäcker« des Tempels Aufnahme. Wie vielleicht noch die letzte Bearbeitung von Num 1 6 " erkennen läßt, verloren die Korachiten in der nachchronistischen Zeit wieder an Bedeutung. Vor allem ist ihre Funktion als Tempelsänger, wie die Liste I Chr 6 ie-33 und vielleicht auch die Überschrift in Ps 88, die neben Korach auchHeman anführt, zeigen, auf diesen übergegangen. I Chr 6 ie-33 scheint überhaupt ein sehr spätes Stadium der Entwicklung innerhalb des Tempelpersonals widerzuspiegeln, da die noch in Esr 2 4i als einzige und wahrscheinlich führende Tempelsängergilde auftretenden Asaphiten in der Sängerliste I Chr 6 16-33 bereits hinter Heman an die zweite Stelle gerückt sind, in dessen Geschlechterliste Korach, wie in den übrigen Genealogien, als Urenkel Levis und Enkel Kahats geführt wird. Daß aber die Korachiten in der Zeit des Chronisten als Sänger100 eine angesehene Position eingenommen haben müssen, zeigt II Chr 2019: »Und es erhoben sich die Leviten aus den Nachkommen der Kahatiten, und zwar 1 0 1 die um Jahwe, den Gott Israels, mit lauter Stimme hoch zu preisen.« »8 6>

100

101

A. W E I S E R , Einleitung in das AT 1963 6 , S. 250. Diese letzte Bearbeitung spricht aber nur von dem Levitengeschlecht Korach und nennt die Funktionen, die dieses innehatte, nicht. H. GESE, a . a . O . , S. 234: »Damit können wir die Tradition von II Chr 201-30 auch in unmittelbar vorchronistische Zeit datieren.« Zur Ubersetzung »und zwar« siehe: R U D O L P H , Chronik, S. 262 und K . G A L L I N G , a. a. O., S. 123. Die Übersetzung des ,waw' mit »und zwar« ist insofern sachlich

4. Die Theologie der Korachiten

31

Die Näherbestimmung der Geschlechterbezeichnung Kahat durch , Korach' ist nur dann sinnvoll, wenn in der Zeit des Chronisten die kahatitischen Sänger als »Korachiten« allgemein bekannt waren. Würde der Text nicht vom Chronisten stammen, so müßte an Stelle der Korachiten das Geschlecht Heman genannt sein. Sind alle Versuche, die Korachiten in ihrer geschichtlichen Entwicklung zu verfolgen, in hohem Grade hypothetisch zu nennen, wie auch der oben unternommene Versuch, ein einigermaßen deutliches Bild auf Grund der geringen Unterlagen zu formen, so kann man doch einige Fakten als gesichert annehmen: 1. Korachiten begegnen im Alten Testament vorwiegend in Zusätzen zur Priesterschrift und zum chronistischen Werk. 2. Korachiten sind dem Chronisten als Sänger bekannt gewesen. 3. Die levitischen Korachiten, und zu diesen gehören die korachitischen Sänger, sind somit erst in der Literatur der nachexilischen Zeit zu belegen und in dieser Zeit zu einer gewissen Bedeutung gelangt, was die Texte, die sie nennen, klar erkennen lassen. 4. Als Zeit ihrer Blüte käme frühestens die Zeit nach Esra und Nehemia, die Zeit des Chronisten102, also vielleicht die ersten Jahrzehnte, wahrscheinlich aber doch erst der Ausgang des 4. Jh. in Frage, da die Korachiten erst beim Chronisten als Sänger belegt sind und die übrigen literarischen Zeugnisse einer späteren Zeit angehören.

4. Die Theologie der

Korachiten

Die Psalmen 42—49 84f. 87f. haben sich, schon vom Formalen her gesehen, als eine geschlossene Sammlung erwiesen (vgl. I, la), haben weiter eine sorgfältige Auswahl durch ihre Sammler gezeigt und lassen, vom Inhaltlichen aus betrachtet, eindeutig ein besonderes Interesse an Zion-Jerusalem erkennen (vgl. I, lb. 2). Dieses Interesse und die Tatsache, daß diese Psalmen einer am nachexilischen Tempel amtierenden korachitischen Sängergilde als geschlossene Sammlung zugeschrieben wurden, führen notwendig zu dem Schluß, daß die gerechtfertigt, als die Korachiten immer zu den Kahatiten gerechnet wurden. H. GESE, a. a. O., S. 230 A. 3 weist auf die diese Übersetzung stützende Stelle Dan 1 s hin. 102

Vgl. W. RUDOLPH, Esra und Nehemia samt 3. Esra, Handbuch zum AT 1/20 1949, S. XXIVf.

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I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Psalmen 42—49 84f. 87f. ein »Gesangbuch« der Korachiten darstellen103 und daß wir es bei den Korachiten mit einer Gruppe zu tun haben, die man als Vertreter einer Zionstheologie bezeichnen kann, was auf Grund der Orientierung ihres Berufs am Tempel nicht überrascht. Eine derartige Fülle von Aussagen über Zion und Jerusalem in direkter wie in indirekter Form im Zusammenhang mit einer annähernd bekannten und auch datierbaren Personengruppe, wie es die Korachiten sind, findet sich nirgendwo im Alten Testament. Diese Feststellung berechtigt zu der Annahme, daß die Korachiten ihre Psalmen nicht nur wahllos zusammengetragen haben, wie man das bei den Psalmen 42 / 43 44 45 49 85 88 und vielleicht auch 47 annehmen könnte, sondern daß sie auch aktiv an der Gestaltung ihrer Psalmensammlung beteiligt waren: nämlich in der Gestaltung ihrer Zionslieder, zu denen wir — abgesehen von dem besonderen Anlaß, zu dem ein solches Lied geschrieben wurde und der dessen Form bestimmte (vgl. Ps 46 und 84) — die Psalmen 46 48 84 und 87 rechnen. Mit Einschluß von Ps 4 2 / 4 3 repräsentieren aber diese Psalmen eine Zionstheologie, die nach dem oben Gesagten in die nachexilische Zeit des zweiten Tempels zu datieren wäre. Dieser Annahme könnte man unter Umständen entgegenhalten, daß die Korachiten nur Sammler von Psalmen gewesen sind, somit auch die Zionslieder nicht ursprünglich aus ihrem Kreis stammen. Das ist immerhin möglich, doch scheint es unwahrscheinlich zu sein, daß man bei allen Liedern dieser Sammlung eine derart lange Zeit der Überlieferung — von der Entstehung bis zur Aufnahme in die Sammlung — vorauszusetzen hat, wie das etwa bei Ps 45 der Fall ist. Es scheint vielmehr so zu sein, daß ein Großteil der Korachitenpsalmen keine allzulange Überlieferung hinter sich hat. Sie wären sonst bestimmt in eine der älteren Psalmensammlungen aufgenommen worden. Außerdem wird man das auffallend häufige Auftreten von Aussagen über Zion und Jerusalem nicht bloß als ein Sammlungsinteresse hinstellen können, sondern damit rechnen müssen, daß Zionslieder im Kreise der Sammler selbst entstanden sind. Dies bleibt natürlich so lange eine Vermutung, als nicht nachgewiesen ist, daß das uns in den Korachitenpsalmen entgegentretende Gedankengut in der nachexilischen Zeit möglich ist, ja noch viel mehr, nur in dieser Zeit wahrscheinlich ist. 103

Vgl. C . A . B R I G G S ,

a.a.O.,

S. L X V ;

F . BAETHGEN, a . a . O . ,

S. V I ; H . GUNKEL-

J. BEGRICH, Einleitung in die Psalmen 1933, S. 449; A. WEISER, Die Psalmen I, Das A T Deutsch 1 4 19595, 1959®,

S. 1 4 2 ;

W.

S. 6 6 ;

E . SELLIN-L. ROST,

GRAF BAUDISSIN,

Einleitung

S. 6 5 3 u n d R . H . PFEIFFER, a. a. O., S. 6 2 2 .

Einleitung

in das

in die B ü c h e r des A T

AT

1901,

33

4. Die Theologie der Korachiten

Damit müssen wir uns also zunächst dieser »korachitischen Zionstheologie« zuwenden, um danach in einer Einzeluntersuchung im Zusammenhang mit anderen Äußerungen des Alten Testaments zu einer Datierung derselben zu gelangen. Ein erster kurzer Überblick zeigt, daß der Ausdruck »Zionstheologie« in bezug auf die Theologie der Korachiten berechtigt ist. In den Korachitenpsalmen liegt uns nämlich eine Bewertung Zions und Jerusalems vor, die ihre Begründung in ganz bestimmten theologischen Aussagen findet. Diese theologischen Aussagen lassen sich auf zwei Sätze reduzieren: Ps 87 lb. 5b Seine Gründung liegt auf heiligen Bergen; der Höchste selbst hat ihn gegründet 101 . Ps 46 eae Jahwe ist in ihrer Mitte.

Jahwes Gegenwart in Zion-Jerusalem bildet die Grundlage für alle weiteren Aussagen über die Gottesstadt. Doch diese Gegenwart Jahwes ist nicht eine solche, wie sie auch andere Orte für sich in Anspruch nehmen könnten, sondern ihr ist ein hoher Grad eines Ausschließlichkeitsanspruchs eigen, der sehr deutlich in den Psalmen 42/43 und 84 zum Ausdruck kommt: Ps 42 3

Ps 843 a 8

Es dürstet meine Seele nach Jahwe, dem Gott meines Lebens. Wann werde ich kommen und schauen das Angesicht Jahwes ? Es sehnte und verzehrte sich meine Seele nach den Vorhöfen Jahwes. Sie wandern von Kraft zu Kraft, schauen Gott in Zion.

Die Abwesenheit vom Heiligtum kommt einer Gottesferne gleich und bricht sich Bahn in der Sehnsucht, Gott zu schauen, das heißt, im Kultus die Gegenwart Jahwes zu erleben. Derjenige aber, der das Ziel der Wallfahrt erreicht hat, schaut Gott in Zion, und nur da. Allein die Tatsache, daß ein einzelner Frommer solche Ausdrücke zur Beschreibung seiner Gottverlassenheit — die in der großen Entfernung zum Heiligtum begründet ist — gebraucht, wie sie in Ps 42 /43 vorliegen, ein anderer aber seinem Entzücken über seinen Aufenthalt in der Gottesstadt derart freien Lauf läßt, wie das in Ps 84 geschieht, zeigt, welche enorme Bedeutung dieses Postulat .Jahwe ist in ihrer Mitte' für den Frommen gehabt haben muß, welches Gewicht es aber umso mehr für die haben mußte, die an diesem Orte ihren Dienst am Heiligtum versahen. 104

· a u c h »ihr festen Bestand verliehen«. W a n k e , Zionstheologie

3

34

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Die Bedeutung liegt wohl darin, daß die Möglichkeit der Jahwegegenwart lokalisiert, auf einen Ort beschränkt wurde, nämlich den Ort, an dem sich der Tempel befand. Von dem Augenblick an aber, da diese Lokalisierung vorgenommen und theologisch durchdacht ist, verschieben sich zunächst unmerklich und dann immer deutlicher die theologischen Aspekte von Jahwe weg auf den Ort, der durch Jahwe so bevorzugt worden ist, um dann schließlich bei Aussagen anzulangen, wie sie in Ps 87 (vgl. S. 21 f.) vorliegen; Aussagen, die ausschließlich an Zion-Jerusalem orientiert sind und denen Jahwe Mittel zum Zweck geworden ist. Freilich begegnet uns diese Überspitzung nicht an allen Stellen der Korachitenpsalmen, da sie ja zur Aufgabe der Grundlagen der korachitischen Zionstheologie führen würde. Daß diese Grundlagen aber nicht verlassen worden sind, finden wir an zahlreichen Stellen der Korachitenpsalmen ausgedrückt: Ps 46 8 Ps 48 a Ps 84 3 b

Jahwe Zebaoth ist mit uns, eine Zuflucht ist uns der Gott Jakobs. Groß ist Jahwe und sehr gepriesen in der Stadt unseres Gottes. Mein Herz und mein Leib jauchzen zu dem Gott meines Lebens.

Doch immer wieder kehren die Aussagen — auch bei überschwänglichstem Lob — zu Zion-Jerusalem zurück. Die Verbindung Jahwe-Jerusalem hat einen Grad erreicht, der das eine ohne das andere undenkbar erscheinen läßt. Diese enge Beziehung bestimmt natürlich auch die Bezeichnungen, die Zion-Jerusalem beigelegt werden. Jerusalem ist die .Gottesstadt' (46 5 87 3), die ,Stadt unseres Gottes' (48 2. β), ,des Großkönigs Stadt' (48 3) und die .Stadt Jahwe Zebaoths' (48 9). Die Gegenwart Jahwes ist somit auf den Bereich der ganzen Stadt bezogen worden: Ps 48 4

Jahwe hat sich in ihren Wohntürmen als Zuflucht kundgetan 106 .

Haftet die Gegenwart Jahwes zunächst nur am Tempel (I Reg 8 13), so kennt die Zeit Jesajas bereits den Berg Zion als Wohnstätte Jahwes (Jes 8 is). Die Ausdehnung des Wohnens Jahwes — und damit seiner Gegenwart — auf die ganze Stadt: Ps 46 5

Ein Strom erfreut die Gottesstadt, die heiligste der Wohnungen des Höchsten

stellt demnach eine verhältnismäßig späte Entwicklungsstufe der an Zion-Jerusalem orientierten Theologie dar. Kennt Ps 42/43 zunächst im »113 als Ausdruck für die Offenbarung Jahwes (Gunkel, Die Psalmen 19264, S. 207 und L. Krinetzki, Zur Poetik und Exegese von Ps 48, Bibl. Zschr. 4 (1960), S. 88).

35

4. Die Theologie der Korachiten

nur den »heiligen Berg« als |3S?n l o e Jahwes, so drückt sich Ps 87 ganz unmißverständlich im Sinne von Ps 48 4 aus: Ps 87 2

Jahwe Hebt die Tore Zions ( = Gottesstadt) mehr als alle Wohnungen Jakobs.

Jerusalem ist als Gottesstadt die bevorzugte und alleinige Wohnung Jahwes und damit alleinige Stätte seiner Gegenwart. Die Korachitenpsalmen setzen es als selbstverständlich voraus, daß alles das, was über den heiligen Berg Zion gesagt ist, in gleicher Weise auch für die Gottesstadt107 Jerusalem gilt. So identifiziert Ps 48 den Berg Zion und die Gottesstadt in fast unbekümmerter Weise: Ps 48 a f.

Groß ist Jahwe und sehr gepriesen in der Stadt unseres Gottes. Sein heiliger Berg, sich schön erhebend, ist die Freude der ganzen Erde; der Berg Zion, der entlegenste Teil des Zaphon, ist des Großkönigs Stadt.

Gleichzeitig zeigt diese Stelle deutlich, wie rasch der Lobpreis Jahwes in einen Lobpreis Zions und Jerusalems übergeht; damit aber auch, wie eng zugleich die Verbindung ist, die Jahwe und Jerusalem in der korachitischen Theologie eingegangen sind und wie tief das Bewußtsein darum in den entsprechenden Psalmen verwurzelt ist. Diese enge, fast unbedingte Verbindung Jahwes mit Jerusalem ist in der vorexilischen Schriftprophetie noch völlig undenkbar. Auch die übrigen, am Kult und an Jerusalem nicht uninteressierten vorexilischen Bücher des Alten Testaments, zum Beispiel das Deuteronomium und die davon abhängige deuteronomische Theologie, würden nicht zu solchen Spitzenaussagen gelangen, wie sie in den Korachitenpsalmen vorliegen. So spricht I Reg 8 ie wohl von der 10

« Vgl. W . SCHMIDT, Z A W 76 (1963), S. 91 f.

107

M. WEISS, a. a. O., S. 286f. hält es für bezeichnend, daß der Name Jerusalem in Ps 46 nicht begegnet und schließt daraus, daß die Bezeichnung .Gottesstadt' ausschließlich als Metapher für das Geiühl der Ruhe und des Vertrauens gebraucht wird. H . JUNKER, a. a. O., S. 197ff. hält WEISS mit Recht entgegen, daß Gefühle in alter Dichtung in Worten und Bildern ausgesprochen werden, die einen klar umrissenen Aussagesinn haben, die »Stadt Gottes« daher keine freigewählte Metapher ist, sondern von der konkreten Wirklichkeit der Gottesstadt Jerusalem abgeleitet ist. Jedoch bleibt gegenüber H . J U N K E R wieder zu fragen, ob Ps 46 5 — als Teil eines Psalms der Korachiten — wirklich losgelöst von seiner lokalen Bedeutung bloß als Bild zu verstehen ist, zumal wir bereits gesehen haben, daß die Aussagen der in Frage stehenden Korachitenpsalmen weitgehend an Zion-Jerusalem orientiert sind. So auch Ps 46. 3·

36

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

Erwählung Jerusalems, aber in dem Sinn, daß Jerusalem die Stadt ist, in der Jahwe ein Haus als Wohnstatt für seinen Namen gebaut werden sollte und worden ist. Ps 48 2 f. und Ps 46 5 haben nun auch folgerichtig mit der Ausdehnung der Gegenwart Jahwes auf ganz Jerusalem das Attribut der Heiligkeit auf die gesamte Stadt übertragen. Um das auszudrücken, verwenden sie zwar nicht den naheliegenden Ausdruck ,heilige Stadt'108, wie das beim Zion als dem .heiligen Berg' der Fall ist (43 3 48 a 87 l), sondern drücken diesen Sachverhalt in Parallelversen aus: ,Der Zion, der heilige Berg Jahwes, ist die Stadt des Großkönigs' (48 2. 3) und ,die Gottesstadt ist die heiligste der Wohnungen des Höchsten' (46 5). Damit ist Jerusalem abermals eine außergewöhnliche Stellung zugewiesen, wie sie zunächst nur vom Tempel und dem Zion ausgesagt worden war: Ps 15 ι 24 3. Auch hier kommt zum Ausdruck, daß die korachitische Theologie eine bereits sehr vorgeschrittene Entwicklung der Vorstellungen um Zion-Jerusalem repräsentiert. Das wird vor allem dann deutlich, wenn man sich kurz die Stellen ansieht, in denen im Alten Testament von der .heiligen Stadt' die Rede ist. Dies sind sehr wenige und durchwegs exilisch-nachexilischer Literatur angehörende Belege: Jes 48 2 52 ι Neh 111.18 Dan 9 24. Die Korachitenpsalmen bleiben nun keineswegs bei der bloßen Beschreibung der Stadt in Form von besonderen Attributen oder ihr substantiell anhaftenden Eigenschaften stehen, sondern suchen, wie es im Alten Testament nicht anders sein kann, auch die praktische Bedeutung, die in einem derartigen Verhältnis zwischen Jahwe und Jerusalem begründet liegt, deutlich zu machen. Dies ist auch die Stelle, an der Jahwe selbst wieder stärker in das Gesichtsfeld rückt. Von ihm allein gehen die Aktivitäten aus, die Jerusalem zu dem machen, als das es bei den Korachiten angesehen wird. Jerusalem ist nicht bloß Kultstätte und Wohnsitz Jahwes, sondern auch Stätte seiner Offenbarungsgegenwart. Ps 46 β Ps 46 9-ll

Ps 48 4-6 108

Jahwe ist in ihrer Mitte, so wankt sie nicht, es hilft ihr Jahwe beim Anbruch des Morgens. Gehet hin und schaut die Wunder Jahwes, der ein Ende macht den Kriegen bis ans Ende der Erde, der Bogen zerbricht und Speere zerschlägt, Schilde mit Feuer verbrennt. Laßt ab und erkennt, daß ich Jahwe bin, erhaben unter den Völkern, erhaben auf Erden. Jahwe hat sich in ihren Wohntürmen als Zuflucht kundgetan.

Jes 48 2 52 1 Neh 111 Dan 9 24.

4. Die Theologie der Korachiten

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Denn, siehe, Könige versammelten sich, zogen heran zusammen. Sie schauten, sogleich erstarrten sie, erschraken, flohen.

Die von Feinden bedrohte Stadt ist der Ort, an dem sich Jahwe seinem Volk als Zuflucht offenbart hat (»Iii, Ps 48 4)109, an dem sich Jahwe aber auch über die Völker und die Erde erhaben erweist. Seine Gegenwart und vor allem sein Eingreifen ist die Garantie für das sichere Bestehen der Stadt (Ps 46 6). Sie geht unbeschadet aus den Völker- und Chaoswirren hervor (46 48), da ihr Jahwe beim ,Anbruch des Morgens'110 hilft (46 6). Darum kann der Psalmist Jahwe als Ps 46 2

Zuflucht und Schutz, eine Hilfe in Nöten sehr erprobt

preisen. Es ist der Jahwe Zebaoth, der Gott Jakobs, der der Großkönig, der diesen Schutz garantiert, der sich in der Gottesstadt als Zuflucht erweist, in der er gegenwärtig ist. Der Fromme kennt ihn als den ,Gott meines Lebens' (Ps 42 3. 9 84 3), als ,die Hilfe meines Antlitzes' und .meinen Gott' (Ps 42/43 KV), als den .-»/»P Vn(Ps42io), den ,Gott meiner Zuflucht' (Ps 43 2), den ,Gott meiner Freude' (Ps 43 4) und als .meinen König' (Glosse zu Ps 84 4). In dieser Stadt und bei diesem Gott weiß sich der Fromme geborgen: Ps 84 11

Ja, es ist besser ein Tag in deinen Vorhöfen als tausend in meinen Kammern, besser sich aufhalten an der Schwelle des Hauses meines Gottes als weilen in den Zelten des Reichtums.

Trotz dieses ständigen Hinweises auf den eigentlichen Grund der Bedeutung der Gottesstadt kann man nicht umhin festzustellen, daß das Wissen um die Sicherheit der Gottesstadt in den Korachitenpsalmen schon mehr geworden ist als bloßes Vertrauen auf die Hilfe Jahwes und die Gewißheit seiner Gegenwart, nämlich Anspruch und Selbstverständlichkeit, die nicht mehr damit rechnen, daß es sich auch anders verhalten könnte. Dieser Eindruck entsteht, wenn man beachtet, welche Mittel zu deren Ausschmückung und Verherrlichung herangezogen werden. Hierzu dienen vor allem mythische Motive, die den besonderen Charakter der Gottesstadt unterstreichen sollen. So wird der Zion dem Zaphonberg, dem Götterberg des alten Ugarit, 109 110

Siehe oben Anm. 105. Vgl. J. ZIEGLER, Die Hilfe Gottes »am Morgen«, Nötscher-Festschrift 1950, S. 231. 284.

38

I. Die Korachiten, ihre Psalmen und ihre Theologie

verglichen (Ps 48 3), in einer Anspielung das Paradiesmotiv auf die Gottesstadt bezogen (Ps 46 5) und zur Veranschaulichung der Gefahr, die der Gottesstadt droht, das Motiv des Chaosaufruhrs herangezogen, an dessen machtvoller Gewalt gemessen die Ruhe und Sicherheit der Stadt um so größer, das Eingreifen Jahwes um ihretwillen um so wunderbarer erscheint. Neben diesen mythologischen Aussagen wird zu eben demselben Zweck in Ps 46 und Ps 48 das Völkerkampfmotiv herangezogen111. Alle diese Motive dienen der Hervorhebung der Bedeutung der Gottesstadt, die im Grunde — und damit kehren wir wieder zum Anfang zurück — begründet liegt in dem Satz: Ps 87 2

Jahwe liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs

einem Satz, der objektiv feststellt: so ist es. Von hier aus ist es nicht mehr weit zu der Feststellung: Ps 87 lb. 5b Seine Gründung liegt auf heiligen Bergen; der Höchste selbst hat ihn gegründet.

Dieser Stadt kommt es auch zu, Mittelpunkt aller Jahwebekenner unter den Völkern zu sein (87 6. 4b. a. 5 a). Eine große Diaspora ist vorausgesetzt, die sich in dieser Stadt zu Hause weiß. Daß dafür nur die nachexilische Zeit in Frage kommt, ist trotz der altertümelnden Bezeichnungen für Ägypten und Mesopotamien nicht zu bestreiten. So zeigte sich in vielen Punkten, daß die korachitische Zionstheologie eine sehr ausgebildete Form der Vorstellungen, die sich um den Zion und an Jerusalem gebildet haben, voraussetzt, also in einer sehr späten Zeit entstanden sein muß. Dies deckt sich nun wieder mit der zeitlichen Ansetzung der korachitischen Tempelsänger etwa Ende des 4. Jh. Daß die Korachiten einen Teil unserer Psalmen selbst gedichtet haben könnten, mag auch daran zu erkennen sein, daß ihre Zionspsalmen im Grunde immer nur daran orientiert sind, woran sie selbst Anteil haben. Anteil haben sie am Kult auf dem Zion und kommen auf Grund dessen mit den Pilgern und deren Anliegen in Berührung112. Ihr theologisches Interesse gilt dem Zion als dem Ziel aller Pilger113. Und da die Pilger, und mögen sie noch so weit her kommen114, doch alle Jahwebekenner sind, hat sich der Gesichtskreis der Korachiten, so scheint es, nie über den Kreis der Kultteilnehmer hinaus erstreckt. Den Korachitenpsalmen fehlt, bei all ihrer Großartigkeit, der universale Zug. Sie sind nie den letzten 111 Vgl. unten die Einzeluntersuchung IV. 118 113

Vgl. Ps 42/43 und 84. 111 Ps 84 13. Vgl. Ps 87.

Motiv und Tradition

39

Schritt gegangen, der sie über die Grenzen Jerusalems und vor allem ihrer Glaubensgenossen hinausgeführt hätte: Jes 2 2-8

Am Ende der Tage wird der Tempelberg dauernd bestehen an der Spitze der Berge und die Hügel überragend. Alle Völker werden zu ihm strömen, viele Nationen wallfahren und sagen: »Laßt uns zum Berg des Herrn hinaufziehen zum Hause von Jakobs Gott, damit er uns seine Wege lehre und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion geht Weisung aus und des Herrn Wort von Jerusalem.«115

MOTIV UND TRADITION

Nachdem wir gesehen haben, daß die Korachiten eine am nachexilischen Tempel wirkende Levitengruppe sind, der als Gesangbuch eine Sammlung von Psalmen zugeschrieben wird, und daß wenigstens aus einem Teil dieser Psalmen, die wir Zionsüeder genannt haben, eine Zionstheologie erhoben werden kann, die im Zusammenhang mit anderen Aussagen des Alten Testaments über Zion-Jerusalem ein sehr vorgeschrittenes Stadium in der theologischen Entwicklung repräsentiert, ist es nun unsere Aufgabe, in einer Einzeluntersuchung zu klären, ob an Hand von Einzelbeobachtungen an der in den Zionspsalmen gebrauchten Terminologie und an den dort verwendeten Motiven diese Theologie als eine nachexilische auszuweisen ist. Diese Fragestellung kommt keinesfalls einem Vorurteil oder einem Vorverständnis, das an die Texte herangetragen wird und sich unter allen Umständen bestätigt sehen will, gleich, sondern legt sich aus den Untersuchungen nahe, die wir an den Korachiten und deren Psalmen sowie ihrer Theologie angestellt haben und die uns wenigstens vorläufig in die nachexilische Zeit gewiesen haben. Für eine solche Einzeluntersuchung legen sich naturgemäß die Terminologie — und hier besondes die Gottesbezeichnungen — sowie die in den Korachitenpsalmen besonders hervortretenden Einzelzüge nahe, die zur Ausgestaltung der Aussagen über Zion-Jerusalem herangezogen worden sind. Soweit wir es bei diesen Einzelzügen mit Interpretamenten zu tun haben, werden sie den Charakter eines Motivs tragen, von dem zunächst zeitliches Auftreten und jeweiliger theologischer Zusammenhang erfragt werden müssen. Erst ein zweiter 115

Übersetzung nach G. S. 50 f.

FOHRER,

Das Buch Jesaja I, Zürcher Bibelkommentare 1960,

40

II. Die Gottesbezeichnungen

Schritt kann zeigen, ob diese Motive einer bestimmten Tradition angehören, ob man von ihnen aus überhaupt auf eine Tradition schließen kann und wenn ja, welcher Tradition sie angehören. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die in den Korachitenpsalmen auftretenden Motive einer Tradition angehören müssen. Es liegt in der Natur eines Motivs oder einer Motivgruppe, daß sie jahrhundertelang sozusagen im Unterbewußtsein ihr Dasein fristet, ohne literarisch wirksam zu sein, um zu einer bestimmten Zeit und auf Grund einer vielleicht gerade günstigen Bewußtseinshaltung wieder an der Oberfläche zu erscheinen. Es ist von einem Motiv im Gegensatz zur Tradition nicht immer, vielleicht nur sehr selten eine überlieferungsgeschichtliche Linie zu erheben; vielmehr wird man sich in den meisten Fällen auf das Feststellen des literarischen Auftretens und auf die besondere Interpretationsform desselben beschränken müssen. Während Traditionen immer einen bestimmten Haftpunkt, sei es geographischer und kultureller oder soziologischer und religiöser Natur, aufweisen, kann ein Motiv in seinen verschiedenen Interpretationsformen völlig losgelöst von irgendwelchen Lokalisierungen in literarisch ganz verschiedenen Zusammenhängen auftauchen. Da aber auf der anderen Seite auch im Alten Testament in vielen Fällen eine enge Beziehung zwischen Tradition und Motiv festzustellen ist, ist es möglich, daß Traditionen in Form von Motiven literarische Verwendung finden116, wie ζ. B. die Exodustradition in Jes 49 9 Mi 2 13 7 15, oder Motive für eine Tradition charakteristisch werden können, wie ζ. B. das Motiv von der Feuer- und Wolkensäule für die Exodustradition. Diese Beobachtungen sollen vor allem vor dem Fehlschluß warnen, bestimmte Motive von vornherein für eine bestimmte Tradition in Anspruch zu nehmen und weiter vom Alter eines Motivs auf das Alter einer vielleicht zugrunde liegenden Tradition zu schließen.

II. D I E GOTTESBEZEICHNUNGEN

1. Jahwe Zebaoth

Im Vergleich zu dem häufigen Vorkommen dieses Gottesepithetons im Alten Testament (279mal nach KBL, 285mal nach WAMBACQ 1 , 116

Vgl. G. FOHRER, Die Struktur der alttestamentlichen Eschatologie, ThLZ 85 (1960), Sp. 415f.

1

Β . N. WAMBACQ, L'ipithete divine Jahv6 S e ba'öt 1947, S. 59 ff. zitiert bei O. EissFELDT, Jahwe Zebaoth, Miscellanea Academica Berolinensia II/2 1950, S. 131 (im folgenden zitiert: EISSFELDT, Jahwe Zebaoth).

1. Jahwe Zebaoth

41

286mal nach LISOWSKY2) bietet der Psalter die Bezeichnung Jahwe Zebaoth' auffallend selten: lömal — wobei sich das lömalige Vorkommen auf ganze acht Psalmen beschränkt: Ps 24 46 48 59 69 80 84 89, die ihrerseits wiederum bloß den ersten drei Büchern des Psalters angehören. Fünf dieser acht Psalmen werden Sängern zugeschrieben: Korachiten (46 48 84), Asaph (80) und Ethan (89). Die geringe Bezeugung dieses Epithetons innerhalb des Psalters ist deshalb so auffallend, weil allgemein anerkannt ist, daß , Jahwe Zebaoth', an der Lade in Silo haftend, mit dieser nach Jerusalem gewandert ist3, so daß man aus demselben Grund annehmen könnte, daß gerade die Kultlyrik der geeignete Ort für die Tradierung dieses Namens gewesen wäre, falls er als ein Kennzeichen Jerusalemer Kulttraditionen in Anspruch genommen würde4. O. EISSFELDT hat in seiner Monographie ,Jahwe Zebaoth'5 gezeigt, daß dieser Gott ursprünglich in Silo, etwa im 11. Jh., verehrt worden ist: I Sam 1 3. n 4 4. Unter David wurde der Kult dieses Heiligtums mit seinem Symbol, der Lade, nach Jerusalem übertragen : II Sam 6. Damit wäre aber auch gleichzeitig der Kultname des in Silo verehrten Gottes auf Jerusalem übergegangen, .Jahwe Zebaoth' also Kultname Jerusalems geworden. Nun zeigen aber 1 Sam 4 4: »Da sandte das Volk nach Silo, und man holte die Lade* Jahwe Zebaoths, des Cherubenthroners«

und I I Sam 6 2: »Und David und das ganze Volk, das bei ihm war, machte sich auf und ging nach Baalat Juda 7 , um von dort die Lade Gottes zu holen, welche benannt ist nach dem Jahwe Zebaoth, dem Cherubenthroner«

eine äußerst enge Verbindung dieser Gottesbezeichnung mit dem eigentlichen Kultsymbol. Dies läßt darauf schließen, daß der Name Jahwe Zebaoth' primär an der Lade und erst sekundär an der Kultstätte haftete, an der die Lade Aufstellung gefunden hatte. Bereits sehr früh muß sich aber eine Loslösung und Verselbständigung dieses Epithetons von seinem Haftpunkt vollzogen haben. G. L I S O W S K Y , Konkordanz zum hebräischen AT 1958. Vgl. u.a.: O. EISSFELDT, a.a.O., S. 140ff.; H. J. K R A U S , Psalmen I, S . 201; J. SCHREINER, Sion-Jerusalem Jahwes Königssitz, Studien zum AT und NT VII 1963, S. 225; G. F O H R E R , Art. Σιών ThW VII, S. 301; W. EICHRODT, Theologie des AT I 19576, S. 121. 4 K R A U S , Psalmen I, S. 201; W. K E S S L E R , Aus welchen Gründen wird die Bezeichnung »Jahwe Zebaoth« in der späteren Zeit gemieden ? Wiss. Zschr. d. M. Luther-Universität Halle-Wittenberg (1958), S. 767—771. β In © B und 2 fehlt ΓΙ1"}? nach « A. a. O., Anm. 1. 7 Parallel zu I Chr 13 6 ist zu lesen und als Dittographie zu streichen. 2 3

42

I I . Die Gottesbezeichnungen

So wird in I Sam 15 2 dem Samuel, in I Sam 17 45 dem David, in I Reg 18 15 19 10.14 dem Elia und in II Reg 314 dem Elisa diese Gottesbezeichnung in den Mund gelegt, ohne daß noch in irgendeiner Weise auf die ursprüngliche oder sekundäre Verbindung des .Jahwe Zebaoth' mit einem Heiligtum oder der Lade reflektiert würde8. Man kann also annehmen, daß der Name ,Jahwe Zebaoth' allgemein gebräuchlich war, wenigstens in der Zeit der Fixierung der oben genannten Texte, vielleicht im 8. Jh. oder später. Völlig deutlich wird diese Loslösung aber in dem Gebrauch des Namens in der alttestamentlichen Prophetie aller in Frage kommenden Jahrhunderte. Vom Buche Arnos angefangen bis zum Buche Maleachi am Ende des Zwölfprophetenbuches begegnet Jahwe Zebaoth' als eine häufig gebrauchte Gottesbezeichnung9. Dies wird man aber kaum damit erklären können, daß die entsprechenden Propheten in einer Jerusalemer Kulttradition gestanden haben10; vielmehr wird der häufige 8

9

10

E. K U T S C H (Art. »Lade«, RGG IV 1960», Sp. 197) weist darauf hin, daß die Bezeichnung ,Kerubenthroner' erst sekundär mit der Lade in Verbindung gebracht wurde. Ist dies auch für das Epitheton .Zebaoth' anzunehmen (die Beweise dafür zu erbringen, ist allerdings schwieriger, da Hinweise auf eine Verbindung von .Jahwe Zebaoth* mit dem Heiligtum in Silo in I Sam 13.11 durchaus gegeben sind, eine Verbindung des Terminus .Jahwe Zebaoth' mit der Lade dort also schon vollzogen worden sein kann), dann ist der Annahme, diese Gottesbezeichnung entstamme einer wie immer gearteten Kulttradition, die Grundlage schon von vornherein entzogen (vgl. auch S. 44f.). Warum .Jahwe Zebaoth' in den Prophetenbüchern Tritojesaja, Ezechiel, Joel, Obadja und Jona nicht vorkommt, kann an dieser Stelle nicht untersucht werden. Einen, wenn auch fragwürdigen, Lösungsversuch bietet F . D U M E R M U T H , Zur deuteronomischen Kulttheologie, ZAW 70 (1958), S. 71 f. W . K E S S L E R , a. a. Ο . , der davon ausgeht, »daß der Name .Jahwe Zebaoth' im Kultus des Jerusalemer Tempels vor allem beheimatet war« (S. 767), und der die Deutung des Begriffes .Zebaoth* von V. M A A G (siehe unten Anm. 13) übernimmt, kann von diesem Standpunkt aus recht einleuchtend das Fehlen dieses Ausdruckes bei Ezechiel und Tritojesaja, sowie die Häufigkeit bei Haggai, Sacharja und Maleachi erklären, bleibt aber die Erläuterung schuldig, warum .Zebaoth' nur in acht Psalmen — bei Joel und in den Chronikbüchem überhaupt nicht — vorkommt. Es wäre doch naheliegend anzunehmen, daß gerade in alttestamentlichen Büchern, die ein Interesse an Jerusalem haben, der Ausdruck .Jahwe Zebaoth' besonders beliebt gewesen sein müsse. Es bleibt schwierig, wenn nicht unmöglich, das häufige Auftreten einer solchen Bezeichnung mit Hilfe einer Tradition, das Fehlen aber mit theologischen Argumenten zu begründen. Warum begegnet uns .Zebaoth' im Jeremiabuche so häufig und fehlt bei Ezechiel, dem K E S S L E R selbst eine starke priesterliche Komponente in seinem Denken nachsagt, völlig ? F. B A U M G Ä R T E L (Zu den Gottesnamen in den Büchern Jeremia und Ezechiel, W. RuDoLPH-Festschrift 1961, S. 1—29), der in seiner äußerst gründlichen Untersuchung die Positionen D U M E R M T J T H S (siehe Anm. 9) und K E S S L E R S — ohne aller-

1. Jahwe Zebaoth

43

Gebrauch des Epithetons damit zusammenhängen, daß er bestimmte theologische Vorstellungen in sich birgt, die zu seiner Verbreitung beigetragen haben; dabei kann es sich aber wiederum nur um Vorstellungen handeln, die dem Jahweglauben entsprachen, vor allem aber dem Anspruch desselben adäquat waren. O . E I S S F E L D T 1 1 stellt in diesem Zusammenhang heraus, daß die Propheten zu dieser Gottesbezeichnung besonders dann greifen, »wenn sie mit Nachdruck die ganze Machtfülle ihres Jahwe herausstellen wollen«. »Jahwe Zebaoth' wird also nicht gebraucht, weil man sich in einer Tradition stehend weiß, sondern weil dieser Name besonders gut geeignet ist, den Jahwe Israels zu umschreiben. Er regt offenbar Assoziationen an, die in verschiedener Richtung verlaufen können. So wird man meines Erachtens kaum mehr zu einer endgültigen Deutung dieses Namens gelangen können. Der Selbstverständlichkeit, mit der man diese Bezeichnung im Alten Testament gebraucht, kommt doch O. E I S S F E L D T 1 2 mit seiner Deutung als Abstraktplural am nächsten, da diese Interpretationsform nach wie vor eine Bedeutungsnuancierung offen läßt, während konkretere Deutungen, etwa auf Jahwe untergeordnete mythische Naturmächte13, oder auf den Inbegriff aller irdischen und himmlischen Mächte14, nie alle Vorkommen des Wortes im Alten Testament erfassen und erklären können, sowie den verschiedenen Interpretationsformen im Alten Testament nicht gerecht werden. Kennt man zunächst den Jahwe Zebaoth als den in Silo verehrten und mit der Lade verbundenen Gott und scheint der Ausdruck ,Jahwe Zebaoth' nur als ein Name gebraucht worden zu sein15, so findet sich schon sehr früh das Bestreben, diesen Namen zu deuten:

u 18

dings auf sie einzugehen — fragwürdig macht, kommt am Ende seiner Arbeit zu dem für den oben angedeuteten Sachverhalt charakteristischen Ergebnis: »Alles nur Vermutungen, nur ein Versuch, mit dem sonderbaren Tatsachenmaterial fertig zu werden.« l a A. a. O. A. a. 0 . , S. 149. V. MAAG, Jahwäs Heerscharen, L. Köhler-Festschrift 1960, S. 27 ff.

«

W . EICHRODT, a. a . O., S. 1 2 1 .

15

G. v. RAD, Theologie des AT I 1961 s , S. 28 sieht in J a h w e Zebaoth* ein Element kultischer Epiklese, welches nicht unbedingt rational erklärbar ist. Ein so altes Gottesepitheton muß nicht für alle Zeiten und Kreise dasselbe bedeutet haben. Man müßte noch hinzufügen, daß ein im Kult entstandenes Epitheton nicht immer und für alle Kreise auch kultischen Charakter gehabt haben muß. Dies hat F. BAÜMG Ä R T E L , a. a. Ο., deutlich gemacht, indem er auf die Verwendung der Bezeichnung vorwiegend in stereotypen Formeln bei den Propheten (wie Π1Κ32! ΠΊΓΡ Π3, DISSS ΠΙΓΡ OKI U. a.) hingewiesen hat. Ob die häufige Verwendung des Namens .Jahwe Zebaoth' allerdings bloß auf die Stilform prophetischer Rede zurückzuführen ist, bleibt auch BAUMGÄRTEL gegenüber zu fragen (a. a. O., S. 26).

44

II. Die Gottesbezeichnungen I Sam 17 45 »Und David sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Wurfspieß, ich aber komme zu dir im Namen Jahwe Zebaoths, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast.«

Diese Deutung ist aber nur notwendig, wenn nicht mehr unbedingt klar ist, was .Zebaoth' ursprünglich bedeutet hat und im gegebenen Zeitpunkt bedeutet. Es scheint hier ein Indiz für die frühe Loslösung des Namens von kultischen Vorstellungen vorzuliegen16. Diese Loslösung von kultischen Vorstellungen und damit von einer kultischen Tradition hat auch ihren sachlichen Grund. Wir haben gesehen, daß nach I Sam 4 4 und II Sam 6 diese Bezeichnung ursprünglich an der Lade haftete. Nachdem letztere aber von David zur Legitimierung der neuen Hauptstadt auch als kultisches Zentrum seines Reiches nach Jerusalem gebracht wurde und schließlich nach Errichtung des Tempels durch Salomo im Allerheiligsten Aufstellung fand, wurde sie zu einem bloßen Requisit, das in der folgenden Zeit seine religiöse Bedeutsamkeit für Israel verlor. Der Name des an diesem Kultsymbol haftenden Gottes jedoch, der im Bewußtsein des Volkes allgemein verbreitet war, löste sich von der Lade und konnte sich durch seine bloße Wortbedeutung »Mächtiger, Mächtigkeit« halten; nicht nur das, er wurde zur häufigsten Gottesbezeichnung im Alten Testament. Dieser Häufigkeit steht aber nun die merkwürdig geringe Bezeugung im Psalter gegenüber, von dem man doch am allerehesten erwarten könnte, daß er mit besonderer Vorliebe den Namen .Jahwe Zebaoth' gebraucht. Nichts davon ist aber in den Psalmen zu merken. Deshalb scheint es fraglich zu sein, ob man von vornherein ,Jahwe Zebaoth' als ein Kennzeichen Jerusalemer Kulttradition bezeichnen kann, wie das H.-J. KRAUS 17 tut. Vielleicht liegt noch in Ps 24 7-10 eine Anspielung auf den Jahwe Zebaoth der Lade vor und im Zusammenhang damit eine Anspielung auf die mit der Lade verbundenen Vorstellungen vom Heiligen Krieg; in den übrigen Psalmen jedenfalls kann man diese Verbindung nicht feststellen. Schon gar nicht in den Korachitenpsalmen. Ps 46 stellt in seinem Kehrvers die Bezeichnung .Jahwe Zebaoth' neben die Bezeichnung .Gott Jakobs'; diese unreflektierte Neben16

Die Beweiskraft dieses Indiz' wird noch dadurch verstärkt, daß sich aus der Deutung nur eines Teiles eines ursprünglich einheitlichen Namens, in unserem Fall des .Zebaoth*, erschließen läßt, daß sein primärer Sinn nicht mehr bekannt war. Gleichzeitig wird aber aus dem Kultnamen .Jahwe Zebaoth' eine Gottesbezeichnung, die als übergeordnetes Element .Jahwe' und als eine Art Attribut .Zebaoth* enthält, das gegen jedes beliebige andere Attribut ausgetauscht werden kann.

17

Psalmen I, S. 201.

1. Jahwe Zebaoth

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einanderstellung läßt sich einfach dadurch erklären, daß in einer Vertrauensäußerung eines poetischen Textes im parallelismus membrorum nicht zweimal Jahwe unmittelbar nacheinander verwendet wird, sondern verschiedene Gottesbezeichnungen gebraucht werden. Es ist nicht einzusehen, daß der Kehrvers seine besondere Bedeutung durch die in ihm — und zwar ausschließlich in den Gottesbezeichnungen desselben — zu suchenden Traditionen erhält. Wenn man schon irgendwelche Traditionen aufspüren will, dann hat man sich doch an einen größeren Textzusammenhang zu halten und nicht an einzelne Worte. Ps 46 könnte unter Umständen noch eine Erinnerung an den Heiligen Krieg enthalten, die vielleicht die Gottesbezeichnung .Jahwe Zebaoth' nach sich gezogen hat, jedoch sind diese Vorstellungen in Ps 46 längst von Motiven völlig anderen Ursprungs, nämlich dem Völkerkampfmotiv, verdrängt worden, und auch eine Anspielung auf die Lade, die man im Zusammenhang mit dem Heiligen Krieg erwarten würde, fehlt. Ebenso unreflektiert wie in Ps 46 gebraucht der Pilger in Ps 84 dieses Gottesepitheton: v. 2

»Wie lieblich sind deine Wohnungen, Jahwe Zebaoth«.

Geradezu selbstverständlich nennt der Pilger diesen Namen. Sollte er wirklich vor den Toren Jerusalems überlegt haben, welche Gottesbezeichnung diesem Orte angemessen ist? E r scheint einen völlig geläufigen Terminus zur Bezeichnung seines Gottes zu gebrauchen. Oder hat etwa der Dichter dieses Psalms, den wir unter den Korachiten suchten, bewußt dem Pilger diesen Gottesnamen in den Mund gelegt ? In der Tat ist es auffällig, daß von acht Psalmen, die den Namen ,Jahwe Zebaoth' verwenden, fünf Psalmen Sängergruppen zugeschrieben werden. Man könnte daraus schließen, daß sie, einer Jerusalemer Tradition verpflichtet, diesen Namen gebrauchen. Andererseits liegt zwischen der Überführung der Lade auf den Zion durch David und der Wirksamkeit der Korachiten am nachexilischen Tempel eine Zeitspanne von mindestens fünf Jahrhunderten und das Exil. Vor allem aber liegt zwischen diesen beiden Ereignissen die Entwicklung dieses Epithetons von einem kultischen Terminus zu einem allgemein verbreiteten und gebrauchten Gottesnamen. Das Fehlen der Beziehungen zur Lade wie der doch unreflektierte Gebrauch des Epithetons .Jahwe Zebaoth' sprechen durchaus dafür, daß die Weise, in der , Jahwe Zebaoth' in den Korachitenpsalmen verwendet wird, kaum durch kultische Traditionen bedingt ist, keinesfalls jedoch auf vorisraelitische Jerusalemer Kulttraditionen zurückzuführen ist. Jahwe Zebaoth' wird wohl auch hier wegen der Bedeutung, die in dem Beinamen ,Zebaoth' liegt, aufgenommen worden sein.

46

II. Die Gottesbezeichnungen

Sollte überhaupt eine Beeinflussung von außen aus dem Gebrauch dieses Epithetons zu erschließen sein, dann kommt dafür eigentlich nur die Prophetie, als der Haupttradent dieses Namens, in Frage. Auf der anderen Seite ist der Gebrauch des Namens im Alten Testament so verbreitet, daß man auf das Aufspüren irgendwelcher Zusammenhänge wird verzichten müssen. Das umso mehr, als dem häufigen Gebrauch dieses Epithetons bei den nachexilischen Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi ein völliges Fehlen desselben bei dem Propheten Joel gegenübersteht, obwohl alle vier Prophetenbücher ein auffallendes Interesse an Zion-Jerusalem und seinem Tempel zeigen. 2. Äljon Im Vergleich zu dem Gottesnamen , Jahwe Zebaoth' bietet sich in bezug auf das Vorkommen im Alten Testament bei dem Epitheton ,Äljon' ein völlig anderes Bild: Zebaoth etwa 280 mal 16 mal 12 mal (in 6 Psalmen)

Äljon im AT im Psalter in Sängerpsalmen

31 mal 21 mal 10 mal (in 8 Psalmen)

Für das gesamte Alte Testament erlangte der Name ,Zebaoth' wesentlich größere Bedeutung als der Name ,Äljon', doch hat sich dieser wiederum wesentlich stärker im Psalter niedergeschlagen als jener. Ebenso wie bei ,Zebaoth' ist auch hier bei ,Äljon' auffallend, daß die Sängerpsalmen besonders stark vertreten sind: Von 17 Psalmen, die ,Äljon' aufweisen, gehören acht zu den Sängerpsalmen: Ps 46 47 50 73 77 78 82 83 87. Allein dieser Sachverhalt statistischer Art, daß die Gottesbezeichnung ,Äljon' vor allem in der Kultpoesie vorzufinden ist, zeigt, daß wir es hier mit einem Epitheton zu tun haben, das in irgendeiner Weise besonders am Kult und damit am Tempel sowie auch an Jerusalem haftet. Es ist demnach zu fragen, in welcher Weise ,Äljon' eine Verbindung mit diesen Lokalitäten eingegangen ist. Außerhalb des Psalters begegnet uns dieser Terminus nur mehr an sehr wenigen Stellen. In Gen 14, der Erzählung über die Begegnung Abrams mit dem König Melchisedek von Salem ( = Jerusalem, vgl. Ps 76 3), findet sich die Verbindung dreimal und die 18 Verbindung Ji"·^^ mrr einmal . Gen 14, man mag über das 18

.Jahwe' dürfte an dieser Stelle wohl sekundär sein. @© streichen Jahwe. Der masoretische Text wird .Jahwe' deshalb eingefügt haben, weil im Munde Abrahams bloßes ,E1 Äljon' unter Außerachtlassung Jahwes undenkbar erschienen ist.

2. Äljon

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Alter des Textes verschiedener Meinung sein, kennt jedenfalls einen Gott 'El 'celjdn, der in Jerusalem verehrt worden sein dürfte, aber später mit Jahwe identifiziert worden ist. Weitere Belege außerhalb des Psalters liegen in der Bileamerzählung Num 24 ie, im Moselied Dtn 32 8 Jes 14 14 Thr 3 35. 38 sowie II Sam 2214 // Ps 1814 vor. Zunächst muß festgehalten werden, daß die Bezeichnung ,Äljon' in dreifacher Weise im Alten Testament belegt ist: a) Gen 14 in der Form ^; b) Ps 718 47 3 57 3 und 97 9 in der Form li^V n i r r ; c) an den übrigen Stellen im Alten Testament ohne ein übergeordnetes Wort als selbständiges Substantiv, allerdings in den meisten Fällen mit einer direkten Parallele im parallelismus membrorum eines Verses: Jahwe', ,E1' (Ps 73 n Jes 1414) und (Num 24 ιβ II Ps 10711 + El; Ps 911). Von einer von Jahwe unterschiedenen Gottheit, die den Namen ,E1 äljon' trägt, ist nur in Gen 14 die Rede, das zusammen mit Ps 110 — der allerdings einen ,E1 äljon' nicht erwähnt, wohl aber den »Priesterkönig« Melchisedek, dessen Funktionen dem israelitischen König übertragen werden — ein Hinweis sein kann, daß ,E1 äljon' der vorisraelitische Gott Jerusalems gewesen ist19. Es könnte sich bei diesem ,E1 äljon' um den Repräsentanten der Jerusalemer Form der kanaanäischen El-Religion handeln, die an verschiedenen Orten verschiedene Ausformungen gehabt haben mag. So sind im Alten Testament neben dem ,E1 äljon' andere »El-Hypostasen« genannt und jeweils mit einem ganz bestimmten Ort der Verehrung verknüpft: ,E1 Bet'el' von Bethel (Gen 31 13)20, ,E1 Olam' von Beerseba (Gen 21 83), ,E1 Roi' von Beerlachai-roi (Gen 16 i3f.), ,E1 Israel' von Sichern (Gen 33 20)21. Eine eindeutige Identifizierung dieses ,E1 äljon' mit Jahwe ist belegt in der auch nicht allzu häufig genannten Wendung ,Jahwe äljon' in Ps 7 18 47 3 57 3 (97 922). In allen drei Fällen kann man das ,Äljon' als ein hymnisches Prädikat Jahwes bezeichnen, dem keine Selbständigkeit mehr eigen ist. Anders verhält es sich mit der dritten Gruppe der Vorkommen von ,Äljon' im Alten Testament, der weitaus am stärksten bezeugten: ,Äljon' tritt uns in diesen Fällen ohne ein zweites Wort, mit dem " Vgl. dazu: H. SCHMID, Jahwe und die Kulttraditionen von Jerusalem, ZAW 67 (1955), S. 176ff. 20 O. E I S S F E L D T , Der Gott Bethel, Kleine Schriften I 1962, S. 208. 41 O. E I S S F E L D T , El and Yahweh, JSS I (1956), S. 33f. sowie ders., Religionshistorie und Religionspolemik im AT, VT Suppl. III (1966), S. 100. 22 In Ps 97 β ist wahrscheinlich .Jahwe' zu streichen, so daß in diesem Fall kein eindeutiger Beleg vorliegt (vgl. BH).

48

I I . Die Gottesbezeichnungen

es eine Verbindung eingegangen wäre, also selbständig entgegen. Aber auch hier haben wir es an den meisten Stellen mit einer für Jahwe 23 in Anspruch genommenen Bezeichnung zu tun: Ps 9 3 21 8 46 5 5014 77 π 78 17. 56 2 4 83 19 87 5 9 1 1 . 9 92 2 II Sam 2214 / / P s l 8 u und Thr 3 35. 38. Neben den Bezeichnungen .Jahwe' und ,Äljon' verwenden die an dieser Stelle genannten Asaphpsalmen 50 73 77 78 83 auch die Gottesbezeichnung ,E1'. Dasselbe Phänomen begegnet uns in Thr 3, hier allerdings nur an einer Stelle: in v. 41. E s läßt sich in beiden Textgruppen feststellen, daß ungeachtet der Gottesbezeichnung immer derselbe Gott gemeint ist. Eine Identifizierung Jahwes mit ,E1 äljon' wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Bezeichnend dafür ist, daß vor allem die Asaphpsalmen mit dem Gottesnamen ,E1 äljon' willkürlich verfahren; insofern als sie einmal die ganze Bezeichnung (so Ps 78 35), das anderemal aber nur einen Teil derselben (so Ps 73 11 77 11 78 17 83 19) verwenden und einmal das Epitheton ,Äljon' Jahwe' (77 11) das anderemal ,E1' (73 11) parallel setzen. Außerdem läßt sich an dieser Stelle schon sagen, daß die Altertümlichkeit der Gottesbezeichnungen noch nichts über das Alter der angeführten Texte besagt. Man vergleiche nur die Sorglosigkeit, mit der Gottesbezeichnungen verwendet werden, denen gegenüber man zu einem Zeitpunkt, da sie noch besondere Bedeutung hatten, mehr Sorgfalt erwarten könnte. Wir haben also auf Grund dessen mit einer Auflösung der Exaktheit der Begrifflichkeit zu rechnen, die doch nur in später Zeit zu denken ist. Ebenso zeigen Thr 3 und die häufige Verwendung der auch alten Bezeichnung ,E1 schaddaj' beim Hiobdichter, daß man in jedem Fall damit zu rechnen hat, daß auch in jungen Texten altertümliche Begrifflichkeit durchaus gang und gäbe ist. Neben diesen Stellen, die ,Äljon' mit .Jahwe' identifizieren oder unreflektiert das eine für das andere setzen, vielleicht auch aus poetischen oder traditionsgeschichtlichen Gründen altertümliche Gottesbezeichnungen, mit denen natürlich immer nur Jahwe gemeint ist, verwenden, finden sich auch einige andere Stellen, in denen diese Gleichsetzung noch nicht als ganz selbstverständlich vorausgesetzt wird bzw. in denen ,Äljon' nicht eindeutig mit Jahwe identisch ist, sondern die eher noch ein erstes Stadium des Prozesses widerspiegeln, dessen Ziel in der völligen Identifizierung Jahwes mit dem kanaanäischen El liegt bzw. eine Integration bestimmter Elemente der ElReligion in Jahwe darstellt. Diese Stellen liegen mit Ausnahme von 23 24

I m ,elohistischen Psalter* steht statt , Jahwe' .Elohim'. Ps 78 56 könnte man auf Grund der Setzung des Atnachs und der Änderung von iTl!"P in trnVN im .elohistischen Psalter' auch |i,17S7 !"ΠΪ"Ρ lesen, doch wird durch das Metrum nahegelegt, ΠΊΓΡ dem ersten und ] ι dem zweiten Halbvers zuzuordnen, somit als selbständiges Substantiv aufzufassen.

2. Äljon

49

Ps 82 alle außerhalb des Psalters: Num 24 ie / / Ps 107 n ; Dtn 32 s und Jes 1414. Jes 14 4b-2i enthält in den v. 12-15 einen kanaanäischen Mythos, mit Hilfe dessen der Dichter das Geschick des frevlerischen Weltenherrschers darstellt. In diesen Zusammenhang fügte man nun den Namen Jahwe' ein (v. 5), um den nur den kanaanäischen Gott ,E1' — der hier auch den Beinamen .Äljon'24" führt — nennenden Text in das israelitische Überlieferungsgut einzubauen25. Zeigt Jes 14 4b-2i die Art, wie man fremdes Überlieferungsgut in den Jahweglauben einbaute, so läßt Dtn 32 8f. in der unten vorgelegten Fassung möglicherweise noch etwas von dem Stadium erkennen, in dem die Übernahme von Elementen der kanaanäischen El-Religion noch nicht so vollzogen war, daß Jahwe bereits an die Stelle Eis getreten wäre: Dtn 32 8

9 24*

Als 'Eljon die Nationen verteilte, schied die Menschenkinder, feststellte die Grenzen der Völker, nach der Zahl der Gottessöhne, da ward Jahwes Besitz sein Volk, Jakob sein Losanteil2®.

Vgl. jedoch Anm. 34. G. F O H R E R , Das Buch Jesaja I 1960, S. 174. 2 ' Die Ubersetzung (nach O. E I S S F E L D T , Das Lied Moses Deuteronomium 32,1—43 und das Lehrgedicht Asaphs Psalm 78 samt einer Analyse der Umgebung des MoseLiedes, Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil. hist. Klasse, Bd. 104 Heft 6, 1958, S. 9) hat ihre Grundlage in einem von P. W. SKEHAN (Α Fragment of the Song of Moses Dtn 32. from Qumran, BASOR 136, 1954, S. 12—15) veröffentlichten Fragment 4 Q Dtn 32 8, das an Stelle des im masoretischen Text aufscheinenden V x i ü r n a ]"?κ n a liest. V . Β ist nach der L X X (ebenfalls im Anschluß an E I S S F E L D T ) rekonstruiert, deren καΐ έγενήθη μερίζ κυρίου auf ein zurückzugehen scheint. Anders interpretiert R . M E Y E R (Die Bedeutung von Dtn 32 8 f. 4 3 (4Q) für die Auslegung des Moseliedes, W. Rudolph-Festschrift 1961, S. 197—209) auf Grund von L X X und 4 Q Dtn 32 8 die Stelle. M E Y E R stellt vor allem in Rechnung, daß aus dem Qumranfragment nicht mehr mit Sicherheit rekonstruiert werden kann, ob ursprünglich '33 VN, D^K * n oder "•la gelesen worden ist. Außerdem führt er die oben zitierte LXX-Passage auf eine richtige Interpretation eines später mißverstandenen p!?n ">3 zurück, das ursprünglich »da nahm Jahwe zum Besitz« bedeutete. Die daraus folgende Ubersetzung: »Als der Höchste die Nationen verteilte, schied die Menschenkinder, festsetzte die Grenzen der Völker nach der Zahl der Gottessöhne, da wählte sich Jahwe " Jakob aus, als seinen Erbbesitz Israel« (S. 198 f.) würde aber für unseren Zusammenhang bedeuten, daß von einer Unterordnung Jahwes unter den JVVSJ nichts mehr zu merken ist, vielmehr die Identifizierung Jahwes mit demselben bruchlos vollzogen ist. Obwohl R . M E Y E R S Interpretation von Dtn 3 2 8 f. — gerade wegen des größeren Zusammenhanges, in den er die Stelle stellt — dem zur Verfügung Wanke,stehenden ZioostheologieMaterial gerechter wird als die E I S S F E L D T S , habe 4 ich dennoch 25

50

II. Die Gottesbezeichnungen

Eine Unterordnung Jahwes unter Äljon ist nicht zu übersehen. ,33 ihr Erbteil zuordnet; Der Äljon ist immer noch der, der den und zu diesen gehört Jahwe als einer, der als sein Teil Israel bekommt. Auch Ps 82 teilt Jahwe der El untergeordneten Versammlung der Götter = T13 zu, doch wird hier mit großer Leidenschaft die Überlegenheit Jahwes gegenüber den anderen Göttern verfochten. El aber bleibt unangetastet, Jahwe ihm untergeordnet27. Num 2416 II Ps 107 n bringen ausschließlich eine parallele Nennung der beiden Gottesbezeichnungen ,E1' und ,Äljon': Num 24 ie

So spricht, der die Reden des El vernimmt, der die Einsicht des Äljon kennt.

Diese Stelle wird neben Jes 1414 Dtn 32 8 und Ps 82 in die Diskussion über die Frage geworfen, ob El und Äljon verschiedene Götter oder nur einen Gott darstellen. G. L E V I DELLA VIDA 2 8 und Μ. H. POPE29 halten auf Grund der Inschrift von Sefire, in der El und Äljon mit einem ,w' verbunden sind30, und des Sanchunjaton nach PHILO VON BYBLOS, in dem eine Reihenfolge der Götter ,EHoun' (Hypsistos), ,Uranos' und ,Kronos' (El) geboten wird31, El und Äljon für zwei verschiedene Götter. Diesem Ergebnis widersprechen vor allem O. EISSFELDT 3 2 und R. DE VAUX 33 , die in El äljon, jedenfalls im Bereich des Alten Testaments, eine Gottheit bezeugt sehen. EISSFELDT beruft sich dabei auf die oben genannten Stellen Ps 82 Jes 14 4b-2i Dtn 32 8f., die ,E1' und ,Äljon' abwechselnd für denselben auf die Ubersetzung E I S S F E L D T S zurückgegriffen, weil auf Grund der Parallele in Ps 82 — in bezug auf eine Unterordnung Jahwes unter El — doch noch etwas von dem Prozeß der langsamen Übernahme kanaanäischer Vorstellungen in den Jahweglauben in Dtn 32 8 durchschimmert. Dieser Aspekt ist aber im Gesamtzusammenhang des Moseliedes verlorengegangen und kann für eine Datierung desselben nicht herangezogen werden. Zu Dtn 32 vgl. ferner P. W I N T E R , Der Begriff der .Söhne Gottes* im Moselied Dtn 321-48, ZAW 67 (195B), S. 40—48 und D E R S . Nochmals zu Deuteronomium 32 8, ZAW 76 (1963), S. 218—223. 27 28 29

80

31

32 33

Vgl. O . E I S S F E L D T , El and Yahweh, JSS I (1966), S. 29f. G. L E V I D E L L A VIDA, El 'Elyon in Genesis 1418-20, J B L L X I I I (1944), S. 1—9. Μ . H . P O P E , El in the Ugaritic Texts, VT Suppl. I I ( 1 9 6 6 ) , S . 56ff. P. S. RONZEVALLES, Fragments d'inscriptions aramiennes des environs d'Alep: Mölanges de 1'University Saint-Joseph, Beyrouth (Liban) XV/7 (1931), S. 236—260. Text auch ZAW 50 (1932), Zeitschriftenschau, S. 178—183. Zuletzt in neubearbeiteter Form A. DUPONT-SOMMER und J . STARCKY, Les inscriptions aran^ennes de Sfir£ (Steles I et II) 1968. Ubersetzung: ANET S. 503—505; eine aramäische Inschrift aus dem 8. Jh. E U S E B I U S , Praep. Evg. 1, 10.15—16. A. a. O., S. 28. Α. 1. Das AT und seine Lebensordnungen II 1962, S. 134.

51

2. Äljon

Gott verwenden. Mit eben dem gleichen Recht, mit dem G. LEVI DELLA V I D A Num 2 4 1 6 für die Theorie: El äljon = zwei Götter ins Feld führt, könnte man diese Stelle auf Grund des parallelismus membrorum für EISSFELDTS Theorie: El äljon = ein Gott in Anspruch nehmen. Sollten ursprünglich wirklich zwei Götter hinter El äljon34 stehen, dann ist diese Tatsache in der Überlieferung des Alten Testaments bereits verwischt. Dies läßt sich am deutlichsten an Ps 82 erkennen, der die Götterversammlung, m s , durch p"·1?» "»ja näher kennzeichnet, während Dtn 32 8 den gleichen Sachverhalt mit "Ul umschreibt, denen Äljon übergeordnet ist. Es Hegt also deutlich für das Alte Testament die Möglichkeit vor, ,E1* und ,Äljon' abwechselnd für die Spitze des Pantheons zu gebrauchen, ebenso wie man die Ausdrücke p,'?S7 "Ί3 und "»la abwechselnd für die Bezeichnung der Götterversammlung verwenden konnte. Diese Beobachtung widerspräche aber der genealogischen Einordnung der Götter Äljon und El, wie sie POPE auf Grund von PHILO VON BYBLOS und einer hurritischen Göttergenealogie vornimmt35. Die Bezeichnung ,E1 äljon' bzw. ,Äljon', die uns als Name eines selbständigen kanaanäischen Gottes36", sowie als ein Epitheton Jahwes im Alten Testament entgegentritt, spiegelt wenigstens einen Teil der Entwicklung wider, die der Jahweglaube in der Auseinandersetzung mit der kanaanäischen Religion genommen hat. Von der Unterordnung Jahwes unter den El äljon (Dtn 32 8f. und Ps 82) und der gleichzeitigen Einordnung Jahwes in die kanaanäische Götterversammlung über die ParaJlelisierung Jahwes mit dem El äljon führt der Weg zu der Identifizierung (Jes 14) von Jahwe und El äljon und schließlich zur Überordnung Jahwes über das Pantheon, soweit dies überhaupt noch im Blickfeld gestanden sein mochte (jVVs ΠΊίΓ und der Gebrauch des Wortes ,Äljon' als ein hymnisches Attribut für Jahwe). Im Verhältnis zu den anderen El-Hypostasen hat ,Äljon' neben ,Schaddaj' innerhalb des Alten Testaments die weitaus größte Verbreitung gefunden. Dies mag — wie bei dem Epitheton ,Zebaoth' — an der Wortbedeutung liegen, die dieser Gottesbezeichnung eigen ist. Ein Attribut mit der Bedeutung »Höchster« ist bestens geeignet, vor allem in Hymnen und Gebeten zum Lobpreis des Gottes angewandt 34

E. O. J A M E S , The Worship of the Sky God 1963, S. 146, vermutet in Gen 14 22 ebenfalls zwei Götter: Baal Shamem und El äljon; doch wurde ersterer eliminiert und seine Funktionen gingen auf El äljon über. El ist aber für J A M E S immer gleichzeitig Äljon, Äljon also eine genauere Bezeichnung für El. An dieser Stelle darf auf die demnächst in ZAW 78 (1966) erscheinende Untersuchung von R . R E N D T O R F F »El, Ba'al und Jahwe« hingewiesen werden, in der eine Reihe von gewichtigen Gründen für die These ,E1 äljon' = zwei Götter vorgelegt wird.

36

Μ . H . POPE, a. a. O., S. 5 6 .

S6

» Vgl.

A n m . 34.



52

II. Die Gottesbezeichnungen

zu werden. Doch scheint das häufige (im Vergleich zu ,E1 Roi', ,E1 Bethel' o. a.) ibzw. geringe (im Vergleich zu .Zebaoth') Vorkommen noch andere Gründe gehabt zu haben. Das geringe Vorkommen dieser Gottesbezeichnung im Pentateuch (,Äljon' ist nur in poetischen Stücken des Pentateuch belegt, die man kaum dem ursprünglichen Bestand eines Erzählungsfadens desselben zuweisen kann (dasselbe gilt für Gen 14)), der ja gerade die übrigen El-Hypostasen als einziges Werk des Alten Testaments belegt, mag ein Hinweis auf das späte Eindringen dieses Epithetons und des damit ursprünglich gemeinten Gottes in das Gesichtsfeld der Israeliten sein. In der Tat weisen Gen 14 und das Vorkommen des ,Äljon' im Psalter auf einen Ort, der auch verhältnismäßig spät das Interesse Israels in Anspruch nahm: Jerusalem. Erst durch die Eroberung durch David und die Erhebung Jerusalems zur Hauptstadt der beiden Reiche konnte ein eventueller religiöser Einfluß dieser kanaanäischen Stadt auf Israel wirksam werden, denn mit der Eroberung gingen auf David alle Rechte, königliche wie priesterliche, über. Dieser Einfluß konnte aber nur dann besonders wirksam werden, wenn David in der Tat den Kult des dort verehrten Gottes und seine Priesterschaft übernahm. Es bestand ja immerhin die Möglichkeit, sich von vornherein von dem kanaanäischen Kult zugunsten Jahwes zu distanzieren; daß dies nicht der Fall war, zeigt »vielleicht schon die Tatsache, daß gegenüber den Namen der dem David in Hebron geborenen Söhne diejenigen der 11 oder 12 in Jerusalem geborenen in keinem Falle Jahwe, dgg in mehreren Fällen El als theophores Element aufweisen u. daß Davids Sohn Jedidjah »Liebling Jahwes« den Namen Salomo (ilbVtf) erhält oder annimmt, der ungeachtet des Anklanges an DiVtf ebs mit dem im Namen J e r u s a l e m enthaltenen Gottesnamen Slm zusammenhängt, wie der Name des Davidsohnes Absalom.«36 Ob »die kanaanäische Priesterfamilie des 7V,?27 deren Haupt damals Zadok war, von nun an — . . . — als Jahwepriester amtierte«37, bleibt, wie R. DE VAUX 3 8 gezeigt hat, offen, da »man eine Kontinuität zwischen dem Heiligtum 'Eljons und dem Jahwes nicht beweisen« kann. Neben dieser Offenheit kanaanäischen Einflüssen gegenüber wurde aber gleichzeitig mit der Überführung der Lade des Jahwe Zebaoth nach Jerusalem ein Riegel vor das eventuelle Überhandnehmen derselben geschoben. Es muß sich also eine gewisse beschränkte Übernahme kanaanäischer Vorstellungen vollzogen haben, die in den Jahweglauben eingegangen sind. Die Beschränkung zeigt sich vielleicht darin, daß die Gottesbezeichnung J a h w e Zebaoth', *· G. FOHRER, Art. Σιών T h W V I I , S. 301. 87 38

G. FOHRER, a. a. O. Vgl. C. F. HAUER, Who was Zadok ? JBL 82 (1963), S. 89—94. A. a. O., S. 134f.

2. Äljon

53

die ursprünglich, bevor sie sich verselbständigte, an israelitischen Traditionen haftete, eine wesentlich raschere und größere Verbreitung fand, als die Bezeichnung ,Äljon', die über die Kultpoesie nie hinauskam. Die auf der anderen Seite doch vollzogene Übernahme mag an der Bedeutung, die Jerusalem mit David für Israel erlangte, gelegen haben. An anderen Kult orten haftende Gottesbezeichnungen blieben nur in kurzen Bemerkungen innerhalb der Väterüberlieferung der Genesis erhalten. Die Beschränkung des Epithetons ,Äljon' auf die Kultpoesie zeigt aber auch, daß für lange Zeit eventuelle Jerusalemer Kulttraditionen und damit kanaanäische Vorstellungen ausschließlich am Kultort tradiert worden sind 39 . Wann solche Vorstellungen bzw. Traditionen literarisch wirksam geworden sind, kann erst eine Untersuchung der einzelnen in Frage kommenden Motive zeigen. Immerhin scheint es bezeichnend zu sein, daß von den 17 Psalmen, die ,Äljon' verwenden, acht Psalmen Sängergruppen zugeschrieben werden, die eindeutig erst in der nachexilischen Zeit nachweisbar sind. Außerdem bleibt noch die Frage offen, ob man bei den übernommenen kanaanäischen Vorstellungen von einer auch in die israelitische Zeit weiterwirkenden Kulttradition reden kann, oder ob nur Elemente aus einer vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition übernommen worden sind. Die scharfe Auseinandersetzung vor allem der Prophetie mit den kanaanäischen Kulten macht es unwahrscheinlich, daß schon in der vorexilischen Zeit solche Überlieferungen auf die literarischen Produkte Israels einen besonderen Einfluß gehabt haben. Die Auseinandersetzungen der vorexilischen Propheten mit den kanaanäischen Kulten zeigt aber auch deutlich, daß nicht nur Jerusalem der Ort war, über den kanaanäische Vorstellungen in die Welt des Israeliten eingeflossen sind, sondern daß auch über andere Kultstätten kanaanäisches Gedankengut in den Bereich israelitischen Denkens eingedrungen ist (vgl. I Reg 18). Das Auftreten kanaanäischer Vorstellungen weist somit nicht von vornherein auf eine Verbindung des betreffenden literarischen Produktes mit Jerusalemer Kulttraditionen. Kanaanäische Vorstellungen waren überall im Lande verbreitet und bekannt. Die Korachitenpsalmen bieten das Epitheton ,Äljon' an drei Stellen: Ps 46 5 47 3 und 87 5b. An allen drei Stellen ist ,Äljon' deut88

Damit ist nun nicht gesagt, daß Jerusalem als einziger Haftpunkt eventueller kanaanäischer Traditionen in Frage kommt, vielmehr wird man damit zu rechnen haben, daß auch andere alte Heiligtümer des palästinischen Raumes dazu beigetragen haben, kanaanäische Vorstellungen in Israel bekannt werden zu lassen. Nur fehlt uns für diese die literarische Uberlieferung.

54

II. Die Gottesbezeichnungen

lieh Attribut Jahwes, wie es nur verwendet werden kann, wenn der sich ursprünglich dahinter verbergende Gott völlig in Jahwe aufgegangen ist; daß darüber eine gewisse, bestimmt nicht allzu kurze Zeit verstrichen ist, darf man wohl annehmen. Ps 46 5 f.

Ein Strom erfreut die Gottesstadt, die heiligste der Wohnungen des Äljon. Jahwe ist in ihrer Mitte, so wankt sie nicht; es hilft ihr Jahwe beim Anbruch des Morgens. Ps 47 3 Denn Jahwe-Äljon ist furchtbar, ein großer König über die ganze Erde. Ps 87 2. Ib. 5b Jahwe liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs. Seine Gründung liegt auf heiligen Bergen; der Äljon selbst hat ihn gegründet.

Dieser fast selbstverständliche Gebrauch des Namens ,Äljon' für Jahwe in den Korachitenpsalmen ist keinesfalls ein Hinweis auf das hohe Alter derselben. Inwieweit eventuell außerisraelitische Elemente, die in Ps 46 und 87 vorliegen, in unmittelbaren Zusammenhang mit der Bezeichnung ,Äljon' zu bringen sind, müssen wir noch offen lassen.

3. Der Gott Jakobs Diese Gottesbezeichnung ist die dritte und letzte der in den Korachitenpsalmen, vor allem in den Zionsliedern, vorkommenden »eigentlichen« Bezeichnungen für Jahwe. An drei Stellen — genauer besehen, nur an einer — verwenden die Korachitenpsalmen den Ausdruck ,Gott Jakobs': Ps 46 Kehrvers ( 8 . 1 2 ) und in Ps 84 9; doch scheidet letztere als Glosse aus40, soweit man ausschließlich den oben rekonstruierten Text der Psalmen im Auge hat. Auf der anderen Seite ist Ps 849 insofern beachtenswert, als es neben dem Kehrvers des 46. Psalms die einzige Stelle ist, die im parallelismus membrorum neben der Gottesbezeichnung ,Gott Jakobs' den Namen .Jahwe Zebaoth' verwendet: Ps46 Kehrvers Jahwe Zebaoth ist mit uns, eine Zuflucht ist uns der Gott Jakobs. Ps 84 9 Jahwe Zebaoth, höre mein Gebet," vernimm es, Gott Jakobs.

Diese Verwendung in der Form der Parallelisierung mit , Jahwe Zebaoth' zeigt zunächst, daß ,Gott Jakobs' nicht mehr in der ursprünglichen Bedeutung als Vätergottbezeichnung in Ps 46 vorliegt. 10

Vgl. dazu die Erläuterungen zu Ps 84, nota j), S. 17.

3. Der Gott Jakobs

55

So scheidet schon A. ALT in seinem Aufsatz »Der Gott der Väter«41 alle außerhalb des Hexateuch liegenden Stellen aus seiner Untersuchung aus, da sie als Stellen jüngerer Literatur, »die Jahwe in liturgisch-formelhafter Weise als den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bezeichnen«, für die Überlieferung vom Gott der Väter nichts hergeben. Zu diesen Stellen außerhalb des Hexateuch gehören nur mehr sehr wenige, durchweg der Lyrik angehörende Stellen: II Sam 23 ι Jes 2 8 II Mi 42 Ps 202 24e 4a 75 10 76 7 812. 5 94 7 und 114 7. Auch hier fallt wiederum auf — wie schon bei den Gottesbezeichnungen ,Äljon' und Jahwe Zebaoth' —, daß ein Großteil der Stellen, die die Bezeichnung ,Gott Jakobs' aufweisen, Sängerpsalmen angehören. So entfallen von 13 Stellen außerhalb des Hexateuch sieben auf die Psalmen 75 76 81 (Asaph) 46 und 84 (Korachiten). Die Sängerpsalmen haben nach dieser Beobachtung eine Vorliebe dafür, verschiedene Gottesbezeichnungen für Jahwe zu verwenden. Dies mag vor allem an dem poetischen Charakter ihrer Literatur liegen, setzt aber voraus, daß alle verwendeten Gottesbezeichnungen in gleicher Weise selbstverständlich für Jahwe gebraucht werden konnten. Ps 46, der als einziger Psalm alle drei Namen in einem Zusammenhang erwähnt, differenziert offensichtlich nicht mehr genau zwischen den je besonderen Bedeutungen der einzelnen Epitheta, sondern scheint unreflektiert und aus bloß dichterischen Gründen drei verschiedene Bezeichnungen für Jahwe zu verwenden. Wir haben zunächst nach der Bedeutung des Namens ,Gott Jakobs' zu fragen. Da ,Gott Jakobs' vor allem in Ps 46 und auch an den übrigen Stellen nicht mehr den Vätergott bezeichnen kann, weil der entsprechende Zusammenhang, der eine solche Deutung rechtfertigen würde, fehlt, muß man in der Deutung von einer anderen Verwendung des Ausdrucks ,Jakob', als der einer Bezeichnung für den Patriarchen, ausgehen. Eine solche liegt vor in der Verwendung des Wortes .Jakob'43 für ein noch näher zu bestimmendes Kollektiv. An 124 Stellen des Alten Testaments44, und zwar ausschließlich in poetischen Texten, zeigt sich eine vorwiegende Parallelsetzung von ,Jakob' und ,Israel'. Die Bedeutung des Begriffes ,Jakob' in seiner A. ALT, Der Gott der Väter, Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel I 1959s, S. 9. 42 An dieser Stelle, die, Jakob' bietet, ist wahrscheinlich mit der L X X (τό ιτροσώπον TOÖ θεοΟ Ιακώβ) 3p3T TlVK OD zu lesen. Damit würde auch Ps 24 — neben Ps 46 und 84 — zu den Psalmen gehören, die ,Gott Jakobs' und .Jahwe Zebaoth' nebeneinander gebrauchen. 18 Eingeschlossen sind die Verbindungen apS*1 ΓΡ3; SpST BIT; 3j?SP "Μ. 44 Eine genaue Zusammenstellung dieser Stellen findet sich bei W. STAERK, Studien zur Religions- und Sprachgeschichte des AT, I. Heft, 1899, S. 77 ff. 41

56

I I . Die Gottesbezeichnungen

kollektiven Verwendung wird daher vorwiegend von der Art und Weise abhängig sein, wie der Ausdruck .Israel' verwendet wird. Wir können in diesem Zusammenhang im wesentlichen der Untersuchung von L. ROST, »Israel bei den Propheten«48, folgen, da ROST immer auch die .Israel' parallelen Bezeichnungen heranzieht und ,Jakob' als Bezeichnung für ein Kollektiv vorwiegend in den Prophetenbüchern verwendet wird. In der vorexilischen Zeit wird . J a k o b ' vorwiegend für die politischen Größen, in denen das Volk Israel zusammengefaßt wird, nämlich die Reiche Israel und Juda, verwendet. Bei den vor allem im Nordreich wirkenden Propheten Arnos und Hosea begegnet uns der Terminus , J a k o b ' als eine Bezeichnung für den Staat Israel. Dies läßt sich besonders deutlich an der Gleichsetzung von J a k o b und Ephraim 4 · erkennen. Ephraim ist nur bekannt als eine Umschreibung des Nordreiches. J e s a j a versteht nun unter , Jakob* nicht mehr ausschließlich eines der beiden Reiche, sondern rückt vor allem mit der Bezeichnung ,Haus Jakobs' das gesamte Israel im Nord- wie im Südreich in den Blickpunkt 4 7 . Allerdings bezeichnet er mit , J a k o b ' auch bloß das Nordreich Israel 4 8 . Die übrigen Stellen des Jesajabuch.es stammen nicht vom Propheten selbst 4 9 . Dieser Wandel der Bedeutung — vom Nordreich Israel übergehend auf das gesamte Volk Israel — wird nun vollends bei Micha deutlich, der die Bezeichnung .Jakob* nur mehr für das Südreich gebraucht 5 0 ; umstritten ist die Stelle Mi 1 5: »All das um der Missetat Jakobs und um der Sünde des Hauses Israel willen! Woher die Missetat Jakobs ? Nicht von Samaria ? Und woher die Sünde des Hauses J u d a ? Nicht von Jerusalem ?« L. ROST51 sieht allerdings in v. 5 b einen Zusatz, der aus dem Mißverständnis, Israel wäre Nordreich, entstanden sei und sich auch auf den ν. β ausgewirkt habe, wo Samaria nicht ursprünglich sei, sondern ein .Jerusalem' verdrängt habe. Dies ist insofern wahrscheinlich, als Micha .Israel' und . J a k o b ' als Wechselbezeichnungen für das Südreich, in dem er j a gewirkt hat, verwendet. Ist der T e x t von Mi 1 5 aber doch echt, dann würde Micha wie Jesaja . J a k o b ' als Bezeichnung des Süd- und Nordreiches gebrauchen. Auch bei Micha ist eine Reihe von Stellen: 2 12 5 β. 7 und 7 20 späteren Verfassern zuzuschreiben. Micha selbst hat immer eine konkrete, politische Größe im Auge. Bei Jeremia liegt in dem Wort . J a k o b ' ausschließlich eine Benennung des Südreiches vor, wenn überhaupt eines der Worte, die .Jakob* enthalten, von Jeremia 45 46 47 48 49

50 51

I n : B W A N T IV/19 1937. Hos 10 11b ist »Juda« aus metrischen Gründen auszuscheiden. Jes 2 6 und 8 1 7 . Jes 9 7 und 17 4. Vgl. zu den einzelnen Stellen (Jes 2 3 . 5 10 2 0 . 21 14 l 27 β. 9 2 9 Das Buch J e s a j a I 1960 sowie Das Buch J e s a j a I I 1962. Mi 3 1 . 8. 9 und 2 7. A. a. O., S. 53.

22.23)

G. FOHRER,

3. Der Gott Jakobs

57

stammen sollte 52 . Auch, die einzige Stelle im Buch Ezechiel, die , Jakob' enthält, ist sekundär: 39 25. Ein entscheidender Wandel in der Bedeutung des Wortes .Jakob' tritt mit dem Exil und vor allem in der nachexilischen Zeit ein. Schon bei Deuterojesaja wird deutlich, daß nicht mehr eine politische, sondern eher eine theologische bzw. religiöse Größe mit .Jakob' bezeichnet wird. Nach dem Auseinanderfallen des Südreiches und dem Exil geht die .Jakob'-Bezeichnung auf den spärlichen Rest des Volkes Israel über5®, der zum Träger der eschatologischen Verheißung wird64. Ebenso verhält es sich mit den Zusätzen zu den vorexilischen und exilischen Prophetenbüchern: J e s 2 7 e 29 22 f. Jer 3018 Ez 39 25 Mi 2 12 f. und 6 β f. Auch die übrigen Zusätze zu den vorexilischen Prophetenbüchern gehören weitgehend der eschatologischen Prophetie an und verstehen unter ,Jakob' oder ,Haus Jakob' die eschatologische Gemeinde, das endzeitliche Israel. Die außerhalb der Prophetenbücher liegenden Stellen verstehen unter ,Jakob' das ganze Israel: so Gen 49 7 Num 23 7.10. 21. 23 24 5.17.19 Dtn 32 9. Besonders beliebt ist die Bezeichnung , Jakob' für Israel in den Psalmen. Von 18 Vorkommen gehören wiederum 9 den Sängerpsalmen an. In vielen Fällen liegt auch in den Psalmen eine ähnliche Bedeutung des Wortes ,Jakob' vor, wie wir sie schon seit Deuterojesaja feststellen können, oder wie sie in Gen 49 Num 23 und 24 vorliegt. Es ist einmal das gesamte Israel, und zwar ein einheitliches, man möchte fast sagen »ideales« Israel gemeint: Ps 22 24 (kennzeichnet den .Samen Jakobs' als die, die Jahwe fürchten) (Ps 47 5 meint wohl parallel zu das Land Israels) Ps 5914 78 5.21.71 99 4 105 β 1141 135 4 147 19. Das andere Mal begegnet J a k o b ' als Bezeichnung für das aus dem Exil hervorgegangene Israel, das sich später um Jerusalem als eine Kultgemeinde sammelte: Ps 14 7 = 53 7 (gekennzeichnet durch den eschatologischen Terminus DUtf 3 IE?) 44 5 (stammt aus frühnachexilischer Zeit) 79 7 (setzt die Zerstörung Jerusalems voraus) 85 2 (enthält ebenfalls den Terminus IVDtf und setzt das Exil voraus) 87 2 (denkt offenbar an die Wohnstätten der Jahwegläubigen außerhalb Jerusalems; hat aber keinesfalls Juda oder Israel als politische Größen im Auge).

Diese Zusammenstellung läßt deutlich erkennen, daß Jakob nur in verhältnismäßig wenigen Fällen eine politische Größe im Auge hat. Vielmehr zeigt sich, daß wir es vorwiegend mit einer theologischen Größe zu tun haben, die entweder das gesamte Israel als das Eigentum Jahwes im allgemeineren Sinn im Auge hat oder einschränkend die aus dem Exil hervorgegangene eschatologische Gemeinde bzw. in der späteren Zeit das an Jerusalem orientierte Gottesvolk meint. Eine genaue Entscheidung, welche Bedeutungsnuance jeweils einer bestimmten Verwendung des Namens ,Jakob' zukommt, läßt sich nicht immer fällen, da diese oft ineinander übergehen und in der religiösen Lyrik ein Text zeitlich nicht immer sicher fixiert werden kann. Eines kann man jedoch mit einiger Sicher52

83 54

L. R O S T , a. a. O., S. 54—71 hält sämtliche »Jakobstellen« des Jeremiabuches für unecht: 2 4 5 20 10 16. 25 30 7. 10. 18 31 7. n 46 27f. Jes 4115. Jes 43 iff. 45 iff. 4812ff.

58

II. Die Gottesbezeichnungen

heit sagen: Die vorexilische Zeit verwendet nur sehr selten den Ausdruck ,Jakob' für das gesamte Israel, während seit Deuterojesaja diese Bedeutung fast ausschließlich verwendet wird. Wir kehren nun zur Gottesbezeichnung ,Gott Jakobs' zurück. Es ist klar, daß die Vätergottbezeichnung ausscheidet, daß ,Gott Jakobs' auch nicht ,Gott des Nord- oder Südreiches' meinen kann. Es bleibt vielmehr ausschließlich die Möglichkeit, daß mit dem ,Gott Jakobs' der Gott des gesamten Israel, d. h. des Volkes oder der Gemeinde der Jahwe-Zugehörigen gemeint ist. Dies läßt sich für die Korachitenpsalmen noch dahingehend einengen, daß mit ,Gott Jakobs' der Gott der an Jerusalem orientierten Gemeinde bezeichnet wird. Natürlich läßt sich eine bewußte Verbindung mit den altisraelitischen Überlieferungen nicht leugnen, das ist auch nicht beabsichtigt, doch kann man kaum — wie das bei H.-J. KRAUS 5 5 der Fall ist — annehmen, daß in Ps 46 8 . 1 2 noch an den am Zentralheiligtum Bethel verehrten apsr ,n1?K gedacht ist. Vielmehr wird man damit rechnen müssen, daß ,Gott Jakobs' ebenso wie , Jahwe Zebaoth' zu einer unreflektierten Gottesbezeichnung geworden ist, die sich losgelöst von irgendwelchen Traditionen auch mit ihr ursprünglich fremden Vorstellungen verbinden kann. Läge wirklich in der Verwendung des Namens ,Gott Jakobs' ein spezifisches Kennzeichen einer »Israeltradition« vor, müßte sie sich doch in irgendeiner Weise niedergeschlagen haben und vor allem die für Ps 46 angenommenen sogenannten »Altjerusalemer Kulttraditionen« beeinflußt haben. Es fehlt in Ps 46 in jeder Weise an einer solchen Beeinflussung, wie sich auch keine Anspielung auf die Lade, die das Epitheton .Zebaoth' fordern würde, findet. Vielmehr scheint es wesentlich wahrscheinlicher zu sein, daß Ps 46 in einer Zeit entstanden ist, die verschiedene geläufig gewordene Gottesbezeichnungen ohne Tribut an ursprüngliche Traditionen unreflektiert als Bezeichnungen Jahwes nebeneinandergestellt hat. Auch in diesem Fall bietet sich als beste Möglichkeit die exilisch-nachexilische Zeit an, setzt doch auch Ps 85 2 in seiner Verwendung des .Jakob'-Begriffes bereits das Exil voraus.

4. Weitere Gottesbezeichnungen

An dieser Stelle sollen nun nicht nur Gottesbezeichnungen im eigentlichen Sinn kurz untersucht werden, sondern auch bloße Näherbestimmungen, die ζ. B. durch ein Suffix ausgedrückt werden können, sowie Identifikationen beispielhafter und bildlicher Art und Attribute, die Jahwe in den Korachitenpsalmen beigelegt worden sind. 56

KRAUS, Psalmen I, S. 342.

4. Weitere Gottesbezeichnungen

59

Es liegt in der Natur der Sache, daß wir auch an diesem Punkt zu keinen endgültigen Ergebnissen kommen werden. Schon die Vielfalt der Liedgattungen innerhalb der Korachitenpsalmen sowie die Eigenarten der Gattungen selbst sind ein Indiz dafür, daß wir mit einer erheblichen Anzahl solcher Jahwe beigelegten Bezeichnungen zu rechnen haben, die sich nicht mehr aus einer bestimmten theologischen oder geistesgeschichtlichen Situation heraus erklären lassen, sondern deren Verwendung vielmehr der Lage des entsprechenden Beters einerseits und der Liedgattung andererseits zuzuschreiben sind. In diesem Sinn ist beispielsweise die Wendung >mein GotU bzw. >unser Gott< in den Psalmen 427.12 43 4. 5 4 4 s (cj.) 48 a. β. 15 zu verstehen. Sie ist Ausdruck für die Beziehung des Frommen bzw. des Sängers zu seinem Gott und somit besonderes Kennzeichen der Dank-, Vertrauens- und Klagelieder des alttestamentlichen Psalters 5 ·. Ebenso verhält es sich mit den nur in den Korachitenpsalmen vorkommenden Bezeichnungen >Gott meiner Freude* (43 4 nach Verbesserung) und >Gott meines Lebens< (42 8.9 84 s). Auch sie meinen im Grunde nichts anderes als eine besondere Beziehung des Frommen zu seinem Gott und lassen sich daher kaum zeitlich einordnen. Das aber auch deshalb, weil sich im übrigen Alten Testament keine Parallelen mehr finden. Die Bezeichnung »Gott meines Lebens« ist aller Wahrscheinlichkeit nach von den Korachiten aus Ps 42/43 in den Ps 84 übernommen worden67. Diese Feststellung bringt allerdings auch nicht viel mehr ein als eine vage Zeitangabe der möglichen Entstehung dieses Ausdrucks. Etwas günstiger verhält es sich bei den anderen in den Korachitenpsalmen vorkommenden Bezeichnungen, die nun eher als bildhafte Vergleiche anzusprechen sind denn als Gottesbezeichnungen; denn für sie lassen sich auch außerhalb des Psalters Parallelen finden, die unter Umständen richtungweisend sein können. Dazu zählen wir: »Gott = '»Vo« (Ps 42 10), »Gott = ΠΒ Π»ΊβΝ (Ps 42 β. 12 43 s = KV), »Gott = ΠΟΠΟ« (Ps 462), »Go« = ajfcto« (Ps 46 8.12 = K V ; 48 4), »Gott = TIS?» "Ή1?«« (Ps 43 2), »Go« = USW Vi"?«« (Ps 85 s) und »Gott = Schild« (Ps 8412). Diese Wendungen begegnen uns im übrigen Psalter weitere 49mal in verschiedenen Variationen, die vor allem durch verschiedene Suffixe bedingt sind. Dies zeigt wohl eine große Beliebtheit derselben in der Kultpoesie, gibt uns aber wieder keine Möglichkeit einer zeitlichen Fixierung der Begriffe, da die Datierung der einzelnen Lieder umstritten ist. Die Häufung bestimmter Ausdrücke in einem begrenzten Zeitraum ist auf der Grundlage der Kultpoesie allein nicht mehr feststellbar. Die Anwendung oben genannter Begriffe auf Jahwe begegnet in den übrigen Büchern des Alten Testaments nur an 13 Stellen, die zum Teil sehr schwierig zu datieren sind. Interessant ist die Beobachtung, daß acht dieser 13 Stellen mehr als eine dieser Bezeichnungen gebrauchen. Dies scheint darauf hinzudeuten, daß die Psalmenterminologie diese Texte beeinflußt hat. Am deutlichsten tritt das in I I Sam 22 hervor. Dieses David in den Mund gelegte Gebet begegnet auch im Psalter (Ps 18); die Häufigkeit der hier verwendeten Begriffe und Bilder scheint sich also von selbst zu klären. Dennoch bleibt es auffallend, daß I I Sam 22//Ps 18 vier der auch in den M 57

Vgl. O. EISSFELDT, »Mein Gott« im AT, ZAW 61 (1945/48), S. I f f . Auf die enge Verwandtschaft der beiden Psalmen wurde schon oben S. 21 hingewiesen.

60

I I . Die Gottesbezeichnungen

Korachitenpsalmen verwendeten Bezeichnungen auf Jahwe überträgt: V ? o . p a , f ^nVx, (^TIXJÖ58). Doch wird man daraus eher ein Indiz für die Beurteilung von I I Sam 2 2 als für die Korachitenpsalmen entnehmen können. Dieser Psalm ist an seinem jetzigen Ort, nämlich mitten in dem größeren Zusammenhang von I I Sam 9 — 2 0 + I Reg 1 — 2 , sicherlich nicht ursprünglich. O. E I S S F E L D T 5 9 erwägt eine Ansetzung in spätvorexilische Zeit. Nun müssen wir uns noch die restlichen Texte kurz ansehen, die in unseren Zusammenhang gehören: E x 16 2 (TS?): gehört zum Schilfmeerlied, einem Text, dessen Datierung ebenfalls sehr unsicher ist. Immerhin bezeichnet M . N O T H 6 0 das Lied als ein »verhältnismäßig junges Stück«; O. E I S S F E L D T ® 1 hält es für eine sekundäre Einfügung in den Erzählungszusammenhang, ohne daß es deshalb schon aus exilischer oder nachexilischer Zeit stammen müßte. J e s 12 2 (ΤυΗΕΡ, TS): J e s 12 1-3 gehört in die eschatologische Prophetie Dies ist ersichtlich aus der Einleitungsformel Χ1ΠΠ DV2, mit Sicherheit aber aus dem in v. 3 gebrauchten Bild vom Segen- und Lebenswasser, den Quellen des Heils 62 , das für die eschatologische Prophetie typisch ist 6 8 . J e s 17 ίο (Η»»- T I V K , : stammt wahrscheinlich nicht von J e s a j a selbst, sondern von einem Kultpropheten der spätvorexilischen Zeit 64 . J e s 26 4 (T1SÖ, ΠΟΠΟ): ein Wort aus der Jesajaapokalypse, die der nachexilischen Zeit angehört. J e r 1 6 l 9 f . (1S>, 11S?Ö): erinnert eher an Deuterojesaja als an Jeremia: »Wie kann ein Mensch sich Götter machen? Sie sind j a keine Götter!« (v. 20). J e r 17 17 ("ΌΠΟ): ein Wort aus den Konfessionen Jeremias. Joel 4 ιβ (ΠΟΠΟ, IISÖ): aus der eschatologischen Prophetie stammend, erinnert dieses Wort mit dem folgenden Vers stark an Ps 46. Mi 7 7 C n V s , V^N): gehört in eine prophetische Liturgie, die als Abschluß an die Sammlungen des Buches Micha angefügt wurde und wahrscheinlich im E x i l entstanden ist 6 5 . Bei Nah 1 7 (Π»») H a b 3 18 pS?tZb TT 1 ?«) und I Chr 16 35 (US«h ^ V x ) ist die Datierung einigermaßen klar: wir haben es mit spätvorexilischen bzw. einem nachexilischen T e x t zu tun. 6 8 I I Sam 22 33 ist textlich nicht einwandfrei und nach Ps 18 zu verbessern, daher als Belegstelle unbrauchbar. 69

O. E I S S F E L D T , Einleitung, S. 3 7 2 .

60

Das zweite Buch Mose, Das A T Deutsch 5 1959, S. 98. Einleitung, S. 280. Vgl. dazu E z 47 1 ff. Joel 4 1 8 Sach 14 8. Dazu kommt noch, daß Kap. 12 durch seine Stellung am Ende der ersten Sammlung von Jesajaworten als eine Hinzufügung eines Bearbeiters anzusehen ist, der an die, vorwiegend aus Unheilsworten bestehende, erste Sammlung neben Kap. 11 noch ein zweites, positiv gewendetes Wort angefügt hat. G. F O H R E R , Das Buch J e s a j a I 1960, S. 199. E . B A L L A , Die Botschaft der Propheten 1958, S. 391. Allerdings ist umstritten, ob v. 7 schon zur folgenden Liturgie gehört oder noch zu v. L-E zu rechnen ist. T H . R O B I N SON ( T H . R O B I N S O N - F . H O R S T , Die zwölf kleinen Propheten, Handbuch zum A T 1/14 1954 2 , S. 149) vermutet einen Zusatz eines frommen Lesers. E I S S F E L D T , Einleitung, S. 552 hingegen zählt v. 7 schon zur prophetischen Liturgie.

61 62 63

64

65

4. Weitere Gottesbezeichnungen

61

An einer Stelle, die man mit einiger Sicherheit als die älteste Bezeugung einer Anwendung eines oben genannten Begriffes auf Jahwe anführen könnte, ist allerdings die Beziehung der einzelnen Worte nicht eindeutig: Prov 14 2β

In der Furcht Jahwes liegt starke Zuversicht, selbst für seine Kinder ist sie (oder: er = Jahwe) Zuflucht.

Es ist nicht klar, ob sich ΠΟΠΟ auf die gesamte constructus-Verbindung ΠΙΠ"1 flN*V oder bloß auf ΠΊΠ"· bezieht'®.

Sieht man nun von den schwerer datierbaren Texten E x 15 und II Sam 22 ab, so ergibt sich für den Gebrauch der zur Diskussion stehenden Begriffe ein Zeitraum von der spätvorexilischen bis in die nachexilische Zeit. Weiter ist zu sehen, daß wir es in allen Texten entweder mit Psalmen (Ex 15 II Sam 22 I Chr 16 35) und kultprophetischen Texten (Jes 1710 Nah 1 7 Hab 3 18) oder mit eschatologischen Texten zu tun haben (Jes 12 2 25 4 Joel 416), die sehr häufig Ausdrücke der Psalmensprache entlehnen. Wir müssen nun noch einmal kurz auf die übrigen Psalmen zurückkommen und sehen, ob sich der oben festgelegte Zeitraum auch auf Grund des Psalters einigermaßen rechtfertigen läßt. Das 49malige Vorkommen der genannten »Gottesbezeichnungen« beschränkt sich auf nicht mehr als 23 Psalmen (Ps 18 eingeschlossen), wobei die Wendungen in Ps 18 28 69 62 und 71 besonders gehäuft auftreten, in Psalmen, die K R A U S " mit einer Ausnahme, nämlich Ps 62, als alt bezeichnet, d. h. in die vorexilische Zeit datiert, manche sogar als sehr alt ansieht. Bei einem zweiten Teil der in Frage kommenden Psalmen, nämlich 31 65 71 118 142 legt sich KRAUS68 nicht fest. Die Psalmen 9 25 62 68 79 und 94 fielen nach K R A U S ' Datierung in die für uns interessante Zeit von zirka 600 bis in die nachexilische Zeit. Der Rest: 21 24 27 29 61 95 144 gehört nach K R A U S in die vorexilische Zeit.

Dies soll nur ein kurzer, an Hand eines Kommentars vorgenommener Überblick sein, der immer sehr fragwürdig bleiben wird, zumal an vielen Stellen KRAUS selbst seine Bedenken bei der Datierung der Psalmen anmeldet. Immerhin bleiben von den 23 Psalmen bei einem Exegeten wie KRAUS, der eher eine Tendenz zur Frühdatierung der Psalmen als zu einer Spätdatierung zeigt, sechs Psalmen, die in die Zeit fallen, aus der der Großteil der übrigen alttestamentlichen Parallelen stammt. Von diesen ausgehend wird man vielleicht bei manchen Psalmen noch zu einer anderen Datierung als KRAUS gelangen, so daß man wohl von mehr als sechs der oben genannten Psalmen annehmen kann, daß sie eher später anzusetzen sind. Die Richtung, die uns durch diese Untersuchung der übrigen Bezeichnungen für Jahwe angedeutet worden ist, scheint doch einigermaßen M

47 48

B. G E M S E R , Sprüche Salomos, Handbuch zum AT 1/16 1963 2 , S. 67. Psalmen I. Psalmen I und I I .

62

II. Die Gottesbezeichnungen

klar vorzuliegen. Wir werden damit rechnen müssen, daß die in Frage stehenden Begriffe zwar nicht erst von 600 an in Gebrauch gekommen sind, aber doch wenigstens um diese Zeit und danach besonders beliebt geworden sind. Nun verwenden die Korachitenpsalmen neben diesen noch eine sehr wichtige Bezeichnung für Jahwe. Sie nennen ihn an einigen Stellen »König«. Dies nun in verschiedener Weise. Ps 44 5 und ein Zusatz in Ps 84 4 nennen Jahwe »meinen König«, Ps 48 verwendet eine Sonderform, die im Alten Testament singulär ist, nämlich »Großkönig« Ps 47 hingegen redet in mehrfacher Weise von Jahwes Königtum: v. 3 »großer König«, v. 8 »König« und in v. 7 »unser König«. Ps 47 besingt das "ΐ)1?» Jahwes. Man wird in diesem Fall bei der Nennung des hebräischen Terminus bleiben können, da es nicht auf eine Auseinandersetzung um die richtige Bedeutung dieses Verbums ankommt. Unsere Untersuchung kann sich auf die Feststellung der Verbreitung dieses Sachverhalts im Alten Testament beschränken, vor allem deshalb, weil, wie wir schon kurz sahen, dieser Titel in den Zionspsalmen der Korachiten eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Ps 84 führt ihn nur in einem Zusatz (vgl. S. 17 nota c)); er muß also nach der Entstehung des Psalms zu diesem hinzugekommen sein. Ps 48 3 überträgt den assyrischen Großkönigstitel ,sarru rabu' auf Jahwe in der Form ,mäläk rab', ist somit zunächst für die Frage nach dem eigentlichen »Königstitel« außer Diskussion, da er als eine Spezialbezeichnung wohl auch eine besondere Interpretation verlangt69. Da nun außerhalb der Zionslieder die Korachiten diesen Ausdruck doch für Jahwe verwenden, ist die Möglichkeit einer statistischen Auswertung durchaus gegeben70, nach69 70

Siehe unten S. 96 f. Ein Grund wurde schon genannt, warum nicht näher auf die Frage nach Jahwes Königtum eingegangen wird. Ein zweiter Grund liegt darin, daß hier eine genaue Untersuchung nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Man müßte, soweit ich sehe, die Untersuchung in zwei Richtungen vorantreiben, die durch die Entwicklung der Forschung in dieser Frage vorgezeichnet sind. Die eine Richtung geht aus von den Arbeiten A. v. G A L L S {Uber die Herkunft der Bezeichnung Jahwes als König, Wellhausen-Festschrift, BZAW 27, 1914 und Basileia tou theou, 1926) und führt über O. E I S S F E L D T (Jahwe als König, ZAW 46, 1928, S. 81—105, jetzt: Kleine Schriften I 1962, S. 172—193) und A. ALT (Gedanken über das Königtum Jahwes, 1946, Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel I 1959 2 , S. 345—376) zu L . R O S T (Königsherrschaft Jahwes in vorköniglicher Zeit ? ThLZ 85, 1960, Sp. 721—724) und W. SCHMIDT (Königtum Gottes in Ugarit und Israel, BZAW 80, 1961). Sie ist geprägt durch die Fragestellung nach der Herkunft der Vorstellung Jahwes als König. Die zweite Richtung führt von S. M O W I N C K E L (Psalmenstudien I I , Das Thronbesteigungsfest Jahwäs und der Ursprung der Eschatologie, 1922 (1961)) und H. SCHMIDT (Die Thronfahrt Jahves, 1927) über H.-J. K R A U S (Die Königsherrschaft Gottes im AT,

4. Weitere Gottesbezeichnungen

63

dem für uns vor allem der Zeitpunkt der literarischen Verwendung dieses Terminus wichtig ist. Wir gehen von der Zusammenstellung aus, die 0. EISSFELDT 71 in seinem Aufsatz »Jahwe als König« gibt. 41mal wird auf Jahwe das Epitheton angewendet und 13mal das Verbum Beide Vorkommen zusammengenommen entfallen auf 19 Psalmen und 25 Stellen im übrigen Alten Testament. Diese 19 Psalmen sind 5 Sängerpsalmen (44 47 48 74 84), sämtliche sogenannten ,Thronbesteigungspsalmen' (47 93 95—99), sieben an der Zahl, zwei alphabetische Psalmen (9/10 und 145) und die Psalmen 5 29 68 146 und 149. Als eindeutig vorexilischer Psalm bleibt nur Ps 24. Von diesen 19 Psalmen weisen außer den Korachitenpsalmen noch fünf Psalmen (9/10 24 29 68 95) Gottesbezeichnungen auf, wie sie oben kurz besprochen wurden. Läßt sich von den Psalmenstellen nicht sicher sagen, daß sie zum Großteil in die exilisch-nachexilische Zeit gehören, so kann man das von den restlichen alttestamentlichen Belegstellen eindeutig behaupten. Zu den ältesten, mit einiger Sicherheit in die vorexilische Zeit gehörigen Texten zählen Ex 1518 Num 23 21 Dtn 33 5 I Sam 87 1212 und Jes 6 572. Der Rest der Stellen gehört in die spätvorexilische bis nachexilische Zeit: Jer 819 4618 Jes 4121 43 15 44β 52 7 Ez 20 33 Sach 14 9. ie. 17 und Mal 114, sowie zahlreiche spätere Zusätze zu Prophetenbüchern: Jes 24 23 3 3 22 Jer 107.10 4815 5157 Mi 2 13 4 7 und Zeph 315. Dan 4 34 und I Chr 16 31 ( = Ps 96 10) sind weitere eindeutige Belegstellen für den nachexilischen Gebrauch. Nach dieser Zusammenstellung der einzelnen in den Korachitenpsalmen gebrauchten Gottesbezeichnungen und deren teilweiser näherer Untersuchung läßt sich noch kein endgültiges Bild erstellen. Dazu sind manche Begriffe, wie ζ. B. die im vorhergehenden Kapitel, zu einlinig untersucht worden. Auf der anderen Seite ist Beiträge zur historischen Theologie 13,1951) zu L . K Ö H L E R (Syntactica III, VT III, 1953, S. 188f.), J. R I D D E R B O S (Jahwäh malak, VT IV, 1954, S. 87—89) und D. M I C H E L (Studien zu den sogenannten Thronbesteigungspsalmen, VT VI, 1956, S. 40—68). Ihr geht es vor allem um das Problem der Existenz eines Thronbesteigungsfestes Jahwes am Jerusalemer Tempel. Beide Richtungen sind nicht voneinander zu trennen, zeigen aber dennoch verschiedene Ergebnisse. Es ist für unsere Arbeit nicht von Bedeutung, ob der Königstitel bereits in der vorstaatlichen Zeit oder erst in der Königszeit auf Jahwe übertragen worden ist. Wesentlich ist, daß er aus dem kanaanäischen Raum in das israelitische Glaubensgut eingedrungen ist (vgl. dazu die genannte Arbeit von W. SCHMIDT) und vor allem nicht durch ein Thronbesteigungsfest seine Bedeutung gewonnen hat (vgl. dazu D. M I C H E L S Aufsatz). « A. a. O., S. 179. 72

Es ist hier kurz festzuhalten, daß Jesaja nur in seiner Berufungsvision den Königstitel auf Jahwe angewendet hat.

64

III. Mythische Motive

es nicht möglich, an Hand weniger Begriffe und Bezeichnungen schon zu einem abschließenden Urteil zu kommen. Eines jedoch scheint mit diesem Teil der Untersuchung schon erreicht zu sein: die Erkenntnis nämlich, daß der Eindruck, der sich nach der ersten Beobachtung der Psalmen und ihrer Sammler ergab — daß sie eine verhältnismäßig späte Zeit der alttestamentlichen Literatur und Theologie widerspiegeln —, durch Gebrauch und Auftreten bestimmter ausgesuchter Termini eine gewisse Bestätigung findet. Mit Ausnahme des so häufig auftretenden Epithetons ,Zebaoth' führten uns alle anderen Ausdrücke vorwiegend in die spätvorexilische bis nachexilische Zeit. Ihre Entstehung mag in manchen Fällen im Unklaren liegen, ebenso die Zeit ihrer ersten Übernahme in das israelitische Glaubensgut. Besondere Bedeutung und Verbreitung erlangten sie jedoch erst in dem eben genannten Zeitraum. Weiter scheinen sich mit bestimmten Gottesbezeichnungen nicht unbedingt bestimmte Traditionen zu verbinden. Es sind vielmehr einzelne Traditionselemente zusammengeflossen bzw. einzelne Motive in den Jahweglauben übernommen und assimiliert worden, die erst nach einer gewissen Zeit deutlich an der Oberfläche erscheinen. Natürlich müssen nun noch weitere Indizien für die Beurteilung der korachitischen Zionspsalmen zusammengetragen werden; das soll im folgenden an Hand von Motivuntersuchungen geschehen. III. MYTHISCHE MOTIVE

Die Korachitenpsalmen haben aus der außerisraelitischen Mythologie eine Reihe von Motiven übernommen, die der Ausgestaltung ihrer Zionstheologie und der Ausschmückung des Preises von ZionJerusalem dienen. Alle diese Motive sind sowohl im mesopotamischen wie im nordsyrischen Raum nachweisbar. Ebenso begegnen sie uns an anderen Stellen und in anderen Zusammenhängen im Alten Testament. Zu diesen Motiven gehören vor allem drei: 1. Die Gottesbergvorstellung, 2. die Paradiesvorstellung und 3. das Chaoskampfmotiv. 1. Der Ps 48 2 c. 3

Gottesberg

Sein heiliger Berg, sich schön erhebend, ist die Freude der ganzen Erde; der Berg Zion, der entlegenste Teil des Zaphon, ist des Großkönigs Stadt. Ps 87 lb. 5b Seine Gründung liegt auf Heiligen Bergen; der Höchste selbst hat ihn gegründet.

65

1. Der Gottesberg

In Ps 48 ist ganz deutlich, in Ps 87 etwas weniger klar auf die Gottesbergvorstellung des Alten Orients angespielt. Auf Ps 48 haben vor allem die nordsyrischen Vorstellungen vom Zaphonberg1 eingewirkt. Die Ras-Schamratexte lokalisieren den Aliyan Baal auf dem ,spn'. Text 51 (vgl. vor allem 51 IV 19, 85, 117)2 berichtet vom Palastbau des Baal auf dem Zaphon. 'nt III, 26 spricht Baal von »meinem göttlichen Berg Zaphon«, und III, 44—IV, 45 wendet sich die Göttin Anat gegen diejenigen, die »Baal vertreiben wollen von der Höhe des Zaphon«. Doch ebenso wie Baal wird El, die monarchische Spitze des ugaritischen Pantheons, auf einem Berg wohnend gedacht: 'nt pl. ix: III, 22. Text 137, 13ff., 20 nennt auch den Berg LI, den Berg der Götterversammlung, in der El den Vorsitz führt. Es liegt nahe anzunehmen, daß die Gottesbergvorstellungen über die kanaanäischen Religionen in die alttestamentliche Literatur eingedrungen sind. Ps 48 verwendet doch den Ausdruck ,Zaphon' geradezu als einen Eigennamen3. Man darf aber nicht übersehen, daß auch die mesopotamischen Völker in ihrer kosmischen Geographie und in ihrer Mythologie Götterberge kannten. So gilt der »Norden« als Sitz Anus, des höchsten der babylonischen Götterwesen4. Ebenso sind Erde und Himmel als Berge gedacht5. Auf dem Götterberg sind die Götter rechtmäßig geboren®, östlich vom Weltberg lag in dem Berge des Sonnenaufgangs »der Versammlungsort der Götter ,UbSukkinaku' mit der Kammer ,Duku' ( = heller Berg), in der zu Neujahr die Geschicke der Welt festgesetzt wurden«7. Es ließe sich noch eine Reihe von Beispielen für die Bedeutung der Götterberge im Zweistromland anführen8, doch möge diese kurze Übersicht genügen. Freilich besitzen die mesopotamischen Parallelen längst nicht mehr die Bedeutung für das Alte Testament, die man ihnen vor dem Bekanntwerden der ugaritischen Texte beigemessen hat, doch zeigen sie deutlich die religionsgeschichtliche Situation, in der sich der Jahweglaube befand, auf den sie in manchem einge1

8 8

4 5

Vgl. O . E I S S F E L D T , Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durchzug der Israeliten durchs Meer 1932. Zitiert nach: C. H. G O R D O N , Ugaritic Manual, Analecta Orientalia 36, 1955. O. E I S S F E L D T , a. a. O., S. 17 leitet die hebräische Bezeichnung für Norden — Zaphon — aus dem Namen des Gottesberges her, der für die in Betracht kommenden Völker im Norden lag. A. J E R E M I A S , Handbuch der altorientalischen Geisteskultur 19292, S. 147. A . JEREMIAS, a. a. O . , S. 1 3 0 .

• A . JEREMIAS, a. a. O., S. 1 3 3 . 7

8

B. M E I S S N E R , Babylonien und Assyrien I I 1925, S. 111. Vgl. dazu ferner J . J E R E M I A S , Der Gottesberg 1919, und A. Lichte des Alten Orients 1916s, S. 66ff. 77. W a n k e , Zionstheologie

JEREMIAS,

5

Das AT im

66

III. Mythische Motive

wirkt haben. Man wird mit einer Beeinflussung von nordsyrischer und von mesopotamischer Seite rechnen müssen, wobei ersterer der Vorzug zu geben ist. Die im gesamten Vorderen Orient bekannte Gottesbergvorstellung wird nun in den Korachitenpsalmen auf den Zion angewendet. Es ist somit zu fragen, wann eine solche Übertragung dieses mythischen Motivs auf den Zion stattgefunden hat. Außerhalb der Korachitenpsalmen finden sich im übrigen Alten Testament nur noch einige wenige Belege, die eine Anspielung auf das Götterbergmotiv im Zusammenhang mit dem Zion aufweisen. Jes 2 2-4 / / Mi 4i-4 findet sich die Anschauung, daß der Tempel auf einem alle Hügel überragenden Berg, dem Zion, stehen wird. Hier ist der Zion als Wohnsitz Jahwes mit den Attributen des Götterberges ausgestattet. Jedoch liegt in Jes 22-4 // Mi 4i-4 deutlich die literarische Gestaltung einer endzeitlichen Hoffnung vor: der Zion wird zum höchsten Berg, auf dem Jahwe residiert und zu dem viele Völker wallfahren, um Weisung einzuholen, deren Ergebnis der endzeitliche Friede sein wird. In Sach 1410 vollzieht sich die Erhöhung des Zion und mit ihm ganz Jerusalems am »Tag Jahwes« in umgekehrter Weise. Die umliegenden Gebiete werden zur Ebene gewandelt, so daß die Stadt und der Berg aus ihr herausragen. Der Endeffekt ist der gleiche, obwohl der Vorgang sich in diesen beiden Fällen in verschiedener Weise abspielt. Zion-Jerusalem werden als der Wohnsitz Jahwes mit der Anspielung auf das Gottesbergmotiv gebührend aus ihrer Umgebung hervorgehoben. Weniger deutlich tritt uns dieses Phänomen der Übertragung des Gottesbergmotivs in Ez 17 22 f. entgegen, wo nur allgemein von dem hohen Berge Israels die Rede ist, mit dem aber offenbar der Zion gemeint ist9. Ebenso verhält es sich mit Ez 40 2, wo ebenfalls mit dem sehr hohen Berge, auf welchem dem Propheten etwas wie eine Stadtanlage gegenüberstand, nur Zion-Jerusalem gemeint sein kann. Bei allen diesen Texten haben wir es entweder mit solchen eschatologischen Charakters oder in einem Fall — Ez 40 2 — mit einer Visionsschilderung zu tun. Alle diese Texte gehören in die exilische bzw. in die nachexilische Zeit, wenn wir vorläufig von dem Text Jes 2 2-4 // Mi 4 1-4 absehen, dessen Datierung ja höchst umstritten ist. Eine Übertragung außerisraelitischer Motive auf den Zion ist also, wie zunächst unser Fall und die entsprechenden Paralleltexte zeigen, nur für die exilische und nachexilische Zeit nachzuweisen. 9

Vgl. G.

F O H R E R - K . GALLING,

Ezechiel, Handbuch zum AT 1/13 1956, zur Stelle.

67

2. Das Paradies

2. Das Paradies

Sehr eng mit dem Gottesbergmotiv verbunden begegnet uns auch das Paradiesmotiv im Zusammenhang mit Zion-Jerusalem. In den Korachitenpsalmen findet sich nur an einer Stelle eine Anspielung auf die Paradiesvorstellung: Ps 46 5

Ein Strom erfreut die Gottesstadt, die heiligste der Wohnungen des Höchsten.

Die Bilder von Strömen, die aus einem Gottesgarten hervorgehen, sind — wie die Gottesbergvorstellung — sowohl im mesopotamischen wie im nordsyrisch-kanaanäischen Raum bekannt gewesen. So liegt der Kultort des babylonischen Gottes Ea, Eridu, an der Mündung der beiden Ströme10. Entsprechend der Vorstellung, daß einem himmlischen Ort auch immer ein irdischer Ort gegenübersteht, ist dem irdischen Eridu als Kultort ein himmlisches Eridu als Wohnsitz des Gottes Ea an den beiden Strömen vorauszusetzen11. Da aber Erde und Himmel als Berge gedacht sind12, verbindet sich die Gottesbergvorstellung eng mit der Vorstellung vom Gottesgarten. Ebenso wie die mesopotamischen Texte ihre Götter einerseits auf dem Gottesberg und andererseits auch in der Unterwelt13 lokalisieren, findet sich in den ugaritischen Texten ein ähnliches Phänomen. El, den man einerseits auf einem Berg wohnend dachte, wußte man andererseits aber auch an einem Orte, den die ugaritischen Texte in einer geradezu stereotypen Formel beschreiben: El befindet sich »an der Quelle der beiden Ströme, inmitten der Brunnen der beiden Fluten« (51IV 21f.; 2 Aqht VI 47f.; 49 I 5f.; 129 4ff.; 'nt pl. VI: V 13—16)14. Die Wohnsitze der Götter sind im vorderorientalischen Raum oft mit Strömen von Segens- oder Lebenswasser verbunden16. Abermals — wie schon bei der Gottesbergvorstellung — finden sich auch im Alten Testament Belege für dieses Motiv; in bezug auf Jerusalem aber nur in sehr jungen Texten. 10

A. JEREMIAS, Das AT im Lichte des Alten Orients 1916S. S. 66ff., 77, sowie DERS., Handbuch der altorientalischen Geisteskultur 19292, S. 353.

11

A . JEREMIAS, a. a . O . , S. 1 3 2 .

12

A . JEREMIAS, a . a. O., S. 1 3 0 .

18

»Eas Wandel ist in Eridu voll Üppigkeit, Seine Wohnung ist da, wo die Unterwelt ist,. . .« (CT XVI, 46F., Z. 183ff., übersetzt bei A. JEREMIAS, a. a. O., S. 166). "M.H.POPE, a.a.O., S. 61 ff.; G.E.WRIGHT, Biblische Archäologie 1958, S. 101; O. EISSFELDT, Die Wohnsitze der Götter von Ras Schamra 1944, Kleine Schriften II 1 9 6 3 , S. 5 0 3 . 15 Vgl. dazu die bei A. JEREMIAS, Das AT im Lichte des Alten Orients 1916S, S. 83 angeführten Belege aus »Höllenfahrt der IStar« und dem Gilgameschepos. 6*

68

III. Mythische Motive

Als ältester Beleg dieser Art ist Ez 47 1-12 anzusprechen. Unter der Schwelle des Tempels quillt Wasser hervor, das bald zu einem Fluß wird, der im weiteren Verlauf üppige Vegetation hervorsprießen läßt und sogar das Tote Meer zu einem fischreichen Gewässer wandelt. Nahezu paradiesische Zustände werden durch dieses Gewässer hervorgerufen. Auch Joel 418 weiß vom endzeitlichen Jerusalem zu berichten, daß dessen Tempel zum Quellort wird. Nach Sach 14 8 geht von Jerusalem in der Endzeit ein lebendiges Wasser aus, ein Teil nach dem östlichen und ein Teil nach dem westlichen Meer, ein Wasser, das nie versiegen wird 16 . Die eschatologische Prophetie schildert also — im Anschluß an die Visionen Ezechiels und in Übernahme der schon bei Ezechiel verwendeten Motive — das endzeitliche Jerusalem auf einem Gottesberg, von dem Paradiesströme voll Segenswassers ausgehen 17 . Der Gebrauch außerisraelitischer mythischer Motive scheint nach den vorliegenden alttestamentlichen Belegstellen vor allem mit den eschatologischen Propheten üblich geworden zu sein. Sie haben ihren mythischen Charakter allerdings verloren und finden als Bilder der Schilderung der Endzeit vielfach in bezug auf Jerusalem oder als hymnische Prädikate Zion-Jerusalems in den Psalmen Verwendung. Damit werden aber gerade in der Verwendung dieser Motive die Korachitenpsalmen doch eng mit der eschatologischen Prophetie in Beziehung zu setzen sein. Das wird sich auch in der Untersuchung noch ausstehender Motive zeigen. Die exilisch-nachexilische Zeit bietet sich aber schon jetzt immer deutlicher für eine zeitliche Lokalisierung der Korachitenpsalmen an. Man könnte natürlich dagegen einwenden, daß sich auch in der vorexilischen Zeit, ζ. B. im jahwistischen Schöpfungsbericht, mythische Motive finden. Für eine Übertragung dieser Motive auf Zion-Jerusalem läßt sich aber in vorexilischer Zeit keine einzige Belegstelle mit Sicherheit nachweisen.

3. Der Chaoskampf Die Jerusalem bedrängenden Mächte schildert Ps 46 2-4 mit den Bildern des Chaoskampfes: Jahwe ist uns Zuflucht und Schutz, eine Hilfe in Nöten sehr erprobt. Deshalb fürchten wir uns nicht, wenn die Erde hin und her wankt 16

Vgl. P. REYMOND, L'eau, sa vie, et sa signification dans l'Ancien Testament, VT 17 Suppl. VI (1968), S. 234ff. Vgl. auch Jes 33 21.

3. Der Chaoskampf

69

und Berge in das Herz des Meeres taumeln. Es mögen brausen und schäumen seine Wasser, Berge erbeben bei seinem Aufruhr.

Dieses Bild dient vor allem dazu, die Sicherheit der Gottesstadt besonders hervorzuheben. Es stammt, wie O. KAISER18 nachgewiesen hat, nicht aus dem babylonischen Tiamatmythos, sondern aus den im nordsyrischen Raum beheimateten Mythen vom Kampfe Baals mit Jam. Inwieweit der mesopotamische Mythos von der Auseinandersetzung Marduks mit der Tiamat im Alten Testament eine Rolle spielt und in welcher Beziehung die im Alten Testament gebräuchlichen mythologischen Bezeichnungen ,Rahab', ,Tannin', ,Jam', »flüchtige, gewundene Schlange'19 und .Levjatan' zu den ugaritischen Mythen stehen, braucht hier nicht untersucht zu werden. Es genügt ein Verweis auf die oben (A. 18) genannte eingehende Untersuchung von O. KAISER. Die starken Einwirkungen dieser Mythen auf das Alte Testament sind nachgewiesen und an zahlreichen Stellen belegt. Singulär ist jedoch die Anwendung mythischer Bilder aus diesem Bereich auf Jerusalem in Ps 4620. Wir müssen uns aus diesem Grund in der Frage nach dem literarischen Wirksamwerden dieser mythischen Vorstellung im Alten Testament auf Texte beschränken, die in einem anderen Zusammenhang Elemente des Chaoskampfmotivs aufgenommen haben. Diese Elemente werden immer wieder als Bilder in die verschiedensten Zusammenhänge eingetragen. So verwendet die eschatologische Prophetie Bilder des Chaosaufruhrs für die Schilderung endzeitlicher Ereignisse: Jes 271 502 51 9 Ez 29 3. Ez 322 ist das Motiv zur Beschreibung des ägyptischen Pharao herangezogen worden. Jes 44 27 und Jer 51 55 wenden das Bild auf die Macht Babyloniens an, und Hiob schildert mit diesen Motiven seine Lage: 3 5 712 913. Hi 26 i2f. und 38 8-11 verwenden sie, um die Schöpfermacht Jahwes und dessen planvolles Handeln darzustellen, während die Psalmen 74 89 93 und 104 diese Motive zur Verherrlichung Jahwes benützen. Die Verwendungsart der Bilder aus den Meereskampfmythen ist, wie wir gesehen haben, sehr uneinheitlich. Weniger uneinheitlich ist jedoch die Streuung derselben auf die verschiedenen alttestamentlichen Bücher. Im Grunde haben wir es nur mit vier verschiedenen Textgruppen zu tun: mit der eschatologischen Prophetie, mit Ezechiel, Hiob und den Psalmen. Von den ersten drei Gruppen ist die Ent18

Die mythische Bedeutung des Meeres in Ägypten, Ugarit und Israel, BZAW 78 (1962s). Vgl. P. REYMOND, a. a. 0., S. 167 ff.

" 6 7 : 1 : 1 — 3 : bin. brh. bfn. 'qltn. 20

Vielleicht liegt noch in Ps 125 1 eine Anspielung auf den Chaosaufruhr im Zusammenhang mit dem Zion vor; doch dies ist nur sehr schwer nachzuweisen.

70

IV. Der Völkerkampf

stehung in exilisch-nachexilischer Zeit nicht zu bestreiten, während man bei den Psalmen noch Bedenken anmelden könnte. Ps 74 und 89 sind jedenfalls Sängerpsalmen und aus diesem Grund in der fraglichen Zeit durchaus vorstellbar; Ps 93 gehört zu den umstrittenen Thronbesteigungspalmen, und auch Ps 104 ist nicht eindeutig zu datieren21. Als Endergebnis stellen wir fest, daß die Verwendung von Motiven aus den ugaritischen Mythen und wahrscheinlich auch zum Teil aus den mesopotamischen Mythen in gehäufter Weise erst in der exilisch-nachexilischen Zeit auftritt. Damit fügt sich auch dieser Teil der Untersuchung in die immer klarer hervortretenden Linien theologischer und zeitlicher Einordnung, wie sie sich schon oben zeigten, ein. Oder sollte diese auffällige Parallelität bei verschiedenen Motiven Zufall sein? Es bleibt ja immer noch die Möglichkeit offen, daß sich das über die Heiligtümer eingedrungene außerisraelitische Mythengut in der israelitischen Kultlyrik niedergeschlagen hat, die als Träger solcher Uberlieferungen über längere Zeiträume hinweg geradezu prädestiniert'erscheint. Inwieweit aber die Zionslieder der Korachiten als Träger solchen Traditionsgutes in Frage kommen, kann endgültig nur die Untersuchung des in den Zionsliedern so stark hervortretenden Völkerkampfmotivs zeigen. Die bisherige Untersuchung ging immer von der Voraussetzung aus, daß die Feststellung literarischen Wirksamwerdens irgendwelcher Phänomene die Möglichkeit zeitlicher Fixierung einzelner Texte an die Hand gibt. Daneben blieben natürlich andere Aspekte, ζ. B. die theologischen und historischen, nicht unberücksichtigt. Sie verwiesen uns alle mehr oder weniger eindeutig auf die exilisch-nachexilische Zeit. Ob sie und nur sie allein für die zeitliche Lokalisierung der Korachitenpsalmen oder wenigstens der Zionslieder unter ihnen in Frage kommt, müßte sich in unserer letzten Teiluntersuchung über eines der hervorstechendsten Motive der Korachitenpsalmen zeigen.

IV. DER VÖLKERKAMPF

1. Ausgangspunkt

Neben dem ständigen Hinweis auf eine mögliche exihsch-nachexilische Entstehung der Zionspsalmen auf Grund verschiedener Be21

Die Beziehungen des Ps 104 zur ägyptischen Literatur und zu kanaanäischen Vorstellungen weisen ihn eher in die nachexilische Zeit, die in Hi 38 und 39 einen Text aufzuweisen hat, der von denselben alten Uberlieferungen beeinflußt ist und ein Kennzeichen für die verhältnismäßig späte Übernahme außerisraelitischen Gutes ist.

1. Ausgangspunkt

71

obachtungen begegneten wir gleichzeitig der Tatsache, daß in den Korachitenpsalmen offenbar eine Anzahl außerisraelitischer Motive Aufnahme fand, die ausnahmslos in Beziehung zu Zion-Jerusalem stehen. Dies hat in den letzten Jahren eine Reihe von Forschern veranlaßt, aus diesem Sachverhalt eine vorisraelitische Jerusalemer Kulttradition zu erschließen1. Ein solcher Schluß läge nahe, als — wie wir schon oben gesehen haben (S. 46ff.) — die in diesem Zusammenhang besonders bevorzugten Psalmen 46 48 76 87 in zwei Fällen den Gottesnamen ,Äljon' verwenden, es also nicht mehr allzu schwierig wäre, alle diese Motive zusammenzuschließen und der vorisraelitischen El-Religion Jerusalems zuzuschreiben. Von Jerusalem aus fände diese Kulttradition, die in vielen Fällen die Unterstützung der ugaritischen Texte auf ihrer Seite hat, als Zionstradition im Gewand des Jahweglaubens ihren Weg in das Alte Testament. Sie erhielte ihre primäre Ausgestaltung in der Kultüberlieferung, und die in »eschatologische Aussagen transponierten Prophetien« stellten bereits eine Sekundärerscheinung dar2. Dabei wäre das Alter der betreffenden Psalmen nicht einmal ausschlaggebend, vielmehr das Alter der von ihnen repräsentierten Überlieferung, die von den Verfassern der Psalmen »gewiß nicht erdichtet worden ist«3. Eine Altjerusalemer Kulttradition scheint also unbestreitbar im Alten Testament nachweisbar zu sein. Sie wäre vor allem gekennzeichnet durch die außerisraelitischen Züge in der Ausgestaltung der Zionsvorstellungen. Das läßt sich auch in vielen Fällen unschwer belegen, wie wir oben bei der Besprechung der einzelnen Motive ja schon gesehen haben. Die ugaritischen Texte scheinen der schlagendste Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese zu sein. Es störte auch weiter nicht, daß sie keine Belegstelle für die Gottesbezeichnung 1

2

9

Die von £ . ROHLAND (Die Bedeutung der Erwählungstraditionen Israels für die Eschatologie der alttestamentlichen Propheten, Diss. Heidelberg 1966) erarbeitete These von einer Jerusalemer Kulttradition wird nach ihm von G. v. RAD (Theologie des AT I 1961», S. 66, und II 19612, S. 168. 306f.; im folgenden zitiert: Theologie I bzw. II), H.-J. K R A U S (Psalmen I und II, sowie: Gottesdienst in Israel 19622, S . 236) und zuletzt von J. SCHREINER (Sion-Jerusalem Jahwes Königssitz 1963), vertreten. Neuerdings auch: J . H . H A Y E S , The Tradition of Zion's Inviolability, J B L 82 (1963), S. 419—426. H. SCHMID (Jahwe und die Kulttraditionen von Jerusalem, ZAW 67,1956, S . 168ff.) hat durch die Hinzuziehung der ugaritischen Texte schon vor ROHLAND die Existenz einer Jerusalemer Kulttradition behauptet, ist jedoch in seiner Beurteilung derselben noch nicht so weit gegangen wie ROHLAND. SCHMID beschränkt sich auf die eindeutigen Parallelen aus der außerisraelitischen Literatur und bezieht das Völkerkampfmotiv nicht in seine Betrachtung mit ein, wie das bei ROHLAND später der Fall ist. K R A U S , Psalmen I, S . 346; E . ROHLAND, a. a. O . , S . 143f. V. RAD, Theologie II, S. 168.

IV. Der Völkerkampf

72

,Äljon' enthalten, da es nicht gerade selbstverständlich ist, daß nordsyrische Texte den Namen einer palästinischen Lokalhypostase der kanaanäischen Gottheit El anführen. Diese Hypothese ist aber nur so lange haltbar, als der außerisraelitische Ursprung der einzelnen Züge der sogenannten ,Altjerusalemer Kulttradition' gesichert ist. Dies ist in allen Fällen bis auf einen durchaus und in reichem Maße gegeben. Dieser eine Fall aber wiegt besonders schwer, da er in den einzelnen dafür in Frage kommenden Psalmen die zentrale Stelle einnimmt. Es handelt sich um das Völkerkampfmotiv, das von allen genannten Forschern — ausgenommen H. SCHMID4 — dieser Jerusalemer Kulttradition zugerechnet wird. Doch ist die Unsicherheit in der Beurteilung desselben auch bei schärfsten Verfechtern dieser Theorie nicht zu übersehen. E. ROHLAND 5 : ». . ., so bleibt nur die — schon aus Ps 4 6 und 48 erschlossene und damit zu großer Wahrscheinlichkeit erhobene — Möglichkeit, daß hier eine außerisraelitische Tradition vorliegt . . .«. G. v. RAD6: »Sie (die Aussagen) sprechen mehr wie 7 von einem mythischen Geschehen, das in zeitloser Ferne oder Nähe von der Gegenwart aus anvisiert wird.« H.-J. KRAUS 8 : »Es ist möglich 9 , daß auch dieser Vorstellungskomplex, der vom Ansturm der Feinde . . . handelt, schon in vorisraelitischer Zeit auf die Jebusiterstadt Jerusalem übertragen wurde (vgl. 2 S 5 β).« Wesentlich sicherer, wahrscheinlich durch seine Vorgänger unterstützt, urteilt SCHREINER 10 : »Hier spricht eine feststehende Uberlieferung.« Es ist mehr als auffallend, daß wir für die Gottesbergvorstellung, das damit eng verwandte Paradiesmotiv und das Chaoskampfmotiv genügend außerisraelitische Parallelen anführen können, für das Völkerkampfmotiv aber keine einzige zur Verfügung haben. Diese Feststellung läßt sich auch damit nicht umgehen, daß man behauptet, es gäbe im Bereich der Geschichte Israels — etwas eingeschränkt: in der Geschichte des davidischen Jerusalem — keinen Anhaltspunkt, der zur Deutung dieses Motivs etwas beitrüge11. Es müsse also aus diesem Grund auch dem Bereich der übrigen Motive entstammen und zu den Zion-Gottesbergtraditionen gehören. * A. a. O. 6 A. a. O., S. 140. • Theologie I, S. 54. Vgl. auch Theologie II, S. 305. 7 Von mir gesperrt. 8 Psalmen I, S. 344. 9 Von mir gesperrt. 10

J. SCHREINER, a. a. O., S. 2 3 0 .

11

E . ROHLAND, a. a. O., S. 1 4 0 ; v . RAD, T h e o l o g i e I I , S. 1 6 8 ; J . SCHREINER, a. a . O . , S. 2 3 0 .

1. Ausgangspunkt

73

Wir halten uns zunächst an das unbestrittene Fehlen außerisraelitischer Parallelen zum Völkerkampfmotiv. Damit bleibt für die Beurteilung desselben nur das Alte Testament und seine in unserem Zusammenhang möglicherweise feststellbaren literarischen Zusammenhänge. Von dieser Feststellung mußte auch E. ROHLAND ausgehen, doch beschränkt er sich auf die Untersuchung der Psalmen12 und läßt die übrigen Texte des Alten Testaments wenigstens so weit außer acht, als sie offenbar für die Erarbeitung und Feststellung einer Tradition seines Erachtens nicht maßgebend sind. Dies ist ein Vorurteil, das schon im Titel seiner Arbeit zum Ausdruck kommt: »Die Bedeutung der Erwählungstraditionen Israels für die Eschatologie der alttestamentlichen Propheten.« Jede von ROHLAND angeführte israelitische Tradition muß daher von vornherein den Propheten zeitlich vorgeordnet sein. Dieses Postulat faßt KRAUS13 in die Worte: »Das Verhältnis zwischen Kulttradition und Prophetie ist nach allen diesen Feststellungen nun aber zweifellos in der Weise zu bestimmen, daß die Kultüberlieferungen das Primäre, die in eschatologische Aussagen transponierten Prophetien das Sekundäre sind.« Dies mag so lange richtig sein, als erstens das Vorhandensein einer derartigen Jerusalemer Kulttradition gesichert und zweitens ihr hohes Alter unbestritten ist. Daß das aber auch nicht der Fall sein könnte, damit müssen wir rechnen. Es ist unbestreitbar, daß das Völkerkampfmotiv in den Zionsliedern und in den entsprechenden Korachitenpsalmen eine zentrale Stellung einnimmt. Dem tragen auch die oben genannten Forscher Rechnung, indem sie das Motiv in die Jerusalemer Kulttradition einbauen. Sollte sich aber das Völkerkampfmotiv trotz Fehlens außerisraelitischer Parallelen als eine sehr alte Überlieferung erweisen, so wird man mit Gründen an dem Vorhandensein einer Jerusalemer Kulttradition festhalten können. Verhält es sich aber anders, nämlich derart, daß das Völkerkampfmotiv ein literarischer Spätling ist, dann ist die Theorie von einer außerisraelitischen, vordavidischen Jerusalemer Kulttradition nicht mehr aufrecht zu erhalten. Mit dem Fall dieser These fiele aber auch gleichzeitig die Bagatellisierung der Datierung der Zionslieder14, denn von ihr hinge dann weitgehend die Altersbestimmung der durch die Zionspsalmen repräsentierten Überlieferung ab. Das zöge noch weitergehende Konsequenzen nach sich: es kann nicht mehr von vornherein die Priorität der Psalmen gegenüber der prophetischen Literatur behauptet werden. 12

E. ROHLAND, a. a. O., S. 119—144.

u

KRAUS, P s a l m e n I, S. 3 4 4 f . V g l . E . ROHLAND, a. a. O., S. 1 4 3 .

14

Vgl. beispielsweise v. RAD, Theologie II, S. 168.

IV. Der Völkerkampf

74

Die Stelle Jes 2 2-4, deren enge literarische Beziehung zu Ps 46 nachgewiesen ist16, kann ζ. B. aus diesem Grund nicht mehr mit Sicherheit Jesaja zugesprochen werden. Das schlagende Argument für die Echtheit dieses Textes gründet sich doch vor allem auf die Existenz der vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition1®. Das Ergebnis, das die Untersuchung des Völkerkampfmotivs bringen wird, muß zeigen, ob man überhaupt von einer Jerusalemer Kulttradition sprechen kann, oder ob wir in den Korachitenpsalmen eine andere Art theologischer Gestaltung vor uns haben als die, in Traditionen zu leben, zu denken und zu predigen, wie das G. v. RAD17 offenbar von Jesaja behauptet. Weiter wird wohl als letzte Konsequenz das Alter der Korachitenpsalmen und vor allem der korachitischen Zionstheologie klarer zu Tage treten müssen.

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs Womit haben wir es nun beim Völkerkampfmotiv zu tun 18 ? Die Korachitenpsalmen wissen an zwei Stellen von einem Ereignis zu berichten, das vor allem charakterisiert ist durch die Bedrohung der Gottesstadt durch Völker bzw. Könige. Ps 46 7 Ps 48 5 f.

Es mögen Völker toben, Königreiche wanken, er erhebt seine Stimme, da wankt die Erde. Denn, siehe, Könige versammelten sich, zogen heran zusammen. Sie schauten, sogleich erstarrten sie, erschraken, flohen.

H. W I L D B E R G E R , Die Völkerwallfahrt zum Zion, VT 7 (1957), S. 61—81. E. R O H L A N D , a. a. O., S. 176; v. R A D , Theologie II, S. 168 und andeutungsweise in »Die Stadt auf dem Berge«, EvTheol 8 (1948/49), S. 446; jetzt: Gesammelte Studien 1958, S. 223. " G. v. RAD, Theologie II, S. 184f. 18 Innerhalb des Psalters begegnet das Völkerkampfmotiv außer in Ps 46 und 48 noch in Ps 76, für den selbst R O H L A N D , a. a. O., eine späte Abfassungszeit annimmt. Neben diesen drei Psalmen scheint auch Ps 2 in unseren Zusammenhang zu gehören, da in Ps 21-8 ein ähnliches Ereignis wie in Ps 46 48 76 beschrieben sein könnte. Jedoch läßt sich erkennen, daß in Ps 2 die Zusammenrottung der Völker und Könige in einem anderen Beziehungsgefüge steht. Geht es in Ps 46 48 76 um eine Bedrohung Zion-Jerusalems, so handelt es sich in Ps 2 wohl um die Schilderung der bei einem Thronwechsel altorientalischer Potentaten üblichen Aufstände und Revolten unterworfener Könige und Völker, die sich gegen den neuen Herrscher richten. Diese Schilderung hat, abgesehen von ihrer Bedeutung innerhalb eines Königspsalms des AT, zweifellos ihre literarischen Wurzeln im Hofstil altorientalischer Fürstenhöfe, was man von den Beschreibungen des Völkerkampfes in Ps 46 48 76 nicht behaupten kann (vgl. dazu die einzelnen Psalmenkommentare). »

W

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

75

Sowohl in Ps 46 als auch in Ps 48 geht dieser Schilderung die besondere Versicherung des Schutzes der Gottesstadt voraus: Ps 46 β Ps 48 4

Jahwe ist in ihrer Mitte, so wankt sie nicht, es hilft ihr Jahwe beim Anbruch des Morgens. Jahwe hat sich in ihren Wohntürmen als Zuflucht kundgetan.

Die Stellung der beiden Aussagen kann nicht zufällig sein, denn in jedem Fall wird die These — »Jahwe ist in ihrer Mitte« — durch ein Bild besonders veranschaulicht — »Abwehr anstürmender Völker durch das Eingreifen Jahwes« —. Das Bild ist Mittel zum Zweck, daher auch variierbar und in verschiedener Weise darstellbar19. Der Inhalt desselben bleibt aber doch in beiden Psalmen gleich. Wir haben es also mit einem Motiv zu tun, das zur bildhaften Verdeutlichung eines Sachverhaltes herangezogen wird. Der Inhalt des Motivs ist nicht schwer zu umreißen: Könige, Völker oder Königreiche, die nie näher beschrieben werden, jedoch immer in einer Vielzahl auftreten, versammeln sich, um gegen die Gottesstadt zu ziehen; durch Jahwes Eingreifen wird diese aber vor einer Katastrophe bewahrt. Obwohl sich in beiden Psalmen keine genauere Kennzeichnung der anstürmenden Völker findet, denken doch offenbar beide an ein Ereignis, das sich im Räume der Geschichte abspielt. Es scheint nicht so zu sein, daß wir es hier mit einem mythischen Ereignis zu tun haben, obwohl die Völker immer von einem geheimnisvollen Dunkel umgeben bleiben. Einer mythologischen Deutung des Völkerkampimotivs widerspricht auch die großzügige Handhabung der Form, in der es zur Darstellung kommt. So verwendet Ps 46 eine völlig andere Form der Ausgestaltung als Ps 48, obwohl in beiden Psalmen dasselbe Motiv im selben Zusammenhang aufgenommen wird. Ps 46 beschreibt den Ansturm der Völker mit genau den gleichen Verben, die er schon in der ersten Strophe zur Schilderung des Chaosaufruhrs gebraucht hat: na20 und ölö in v. 3 und v. 7, ΠΒΠ in v. 4 und v. 7. Ebenso entstammen die Bezeichnungen für die Bekämpfung der Völker durch Jahwe dem Bereich der Chaoskampfvorstellung des Alten Orients, vor allem Ugarits. Auch andere Stellen im Alten Testament wissen davon, daß Jahwe das Chaos durch seine Stimme zum Schweigen bringt und in seine Bahn zwingt21. Die auffallende Ubereinstimmung in der Beschreibung des Chaoskampfes und des Völkerkampfes hat zunächst dazu geführt, daß man das Völkerkampfmotiv als eine Historisierung des Chaoskampfmotivs 18

E . ROHLAND, a . a . O . , S . 1 3 0 .

" Vgl. S. 11 note b). 21 Vgl. Ps 29 Jes 17 12-14 60 a.

76

IV. Der Völkerkampf

verstand22 oder in ihm eine eschatologische Deutung des Chaosaufruhrs vermutete23. Diese Deutungen sind aber kaum zu halten. Dies legt schon Ps 46 nahe, obwohl gerade er mehr als jeder andere Text eine solche Art der Interpretation nach sich gezogen hat. Es ist undenkbar, daß der Verfasser des 46. Psalms ein und denselben Sachverhalt in zwei aufeinander folgenden Strophen mit ganz genau denselben Verben beschreibt, nur einmal das Motiv unverändert und das andere Mal historisiert oder ins Eschatologische gewendet benützt. Vielmehr scheint es sich so zu verhalten, daß Ps 46 zwei verschiedene Bilder, nämlich einmal den Aufruhr in der Natur und das andere Mal den Aufruhr in der Völkerwelt, heranzieht, um die Sicherheit der Gottesstadt und ihren Frieden zu beschreiben. Zu besonderer Verdeutlichung der Gewalt des Ansturms und der damit verbundenen Bedrohung Jerusalems, sowie zur besonderen Hervorhebung der Großartigkeit des Eingreifens Jahwes werden nun die Vokabeln, die zur Darstellung des Chaoskampfes gehören, auch auf den Aufruhr der Völker angewendet. Etwas anders verhält es sich in Ps 48. Der Sachverhalt ist der gleiche, völlig anders aber ist die Form. Verwendet Ps 46 die Terminologie des Mythos, so bewegt sich Ps 48 in nicht dem Mythos entstammenden Wendungen, die in Jes 13 8 und Ex 15 I4f. in der gleichen Weise begegnen: nan: Ps 48 β Jes 13 8, *?na: Ps 48 β Ex 1515 Jes 13 8, ΤΠΝ msn: Ps 48 7 Ex 15 15, mViO Vtt: Ps 48 7 Jes 13 8 und ohne das näherbestimmende Substantiv in Ex 15 14. In allen drei Fällen wird mit diesen Vokabeln die Reaktion von Menschen beschrieben, die dem für sie schrecklichen Handeln Jahwes konfrontiert werden. In Ps 48 ist wahrscheinlich an eine Erscheinung (1ST Π0Π) Jahwes gedacht, die die Könige in panischen Schrecken versetzt. Eben derselbe Schrecken befällt nach Ex 15 die Völker, die von der gnädigen Führung des Volkes Israel durch Jahwe erfahren, und unbeschreibliche Angst bemächtigt sich derer, die vom Gericht des Tages'Jahwes betroffen werden, Jes 13 7f. Alle diese Worte stammen wahrscheinlich aus dem Vorstellungsbereich, der »Jahwe als Krieger« schildert24. Ex 15 berichtet in dem Schilfmeerlied vom Eingreifen Jahwes im Krieg gegen Ägypten, und in Jes 13, einem Wort gegen Babel, sammelt Jahwe als der Kriegsherr aus vielen Völkern sein 22

So H. GRESSMANN, Der Messias 1929, S. 143 ff.

23

So H. GDNKEL, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit 1895, S. 100. H. FREDRIKSSON hat diesem Vorstellungsbereich eine ausführliche Untersuchung gewidmet (Jahwe als Krieger. Studien zum alttestamentlichen Gottesbild 1945), in der er darauf hinweist, daß die beiden Vorstellungsbereiche »Jahwe als ,Chaoskämpfer' und als .dämonischer Kämpfer'« deutlich von den übrigen Aussagen über »Jahwe als Krieger« abzugrenzen sind, da in ihnen vor allem nichtisraelitische mythische Einflüsse nachzuweisen sind.

24

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

77

Heer. So werden wir auch annehmen können, daß Ps 48 zur Schilderung des Völkeransturms und der Besiegung der Könige Bilder und Worte verwendet, die aus dem eben angedeuteten Bereich stammen. Zeichnet Ps 46 Jahwe als den, der durch das Erheben seiner Stimme die Völker zum Einhalten zwingt, so kennt ihn Ps 48 als den Krieger, der durch den Gottesschrecken die Völker in Panik und Angst versetzt. Die Wahl der Bilder bringt es auch mit sich, daß die beiden Akte, die das Völkerkampfmotiv charakterisieren, in verschiedener Weise betont werden. Ps 46 beschreibt den Aufruhr ausführlicher als Ps 48, umgekehrt betont Ps 48 das Eingreifen Jahwes und dessen Folgen stärker als Ps 46. Dies hängt offenbar mit dem zur Verfügung stehenden Wortmaterial zusammen. Wir sehen also, daß das Völkerkampfmotiv erstens keine entsprechenden Parallelen in außerisraelitischer Literatur aufweist und zweitens nicht als aus dem Chaoskampfmotiv abgeleitet gelten kann, obwohl es durchaus mit Zügen desselben versehen worden ist. Das Völkerkampfmotiv muß demnach ein eigenständiges, aus dem israelitischen Raum stammendes Motiv sein, das in manchen Fällen, bedingt durch seinen Inhalt, mit Bildern aus dem Bereich der Mythologie ausgestattet worden ist. Es bleibt demnach für die Untersuchung dieser Vorstellung nur das Alte Testament. Wir müssen sehen, an welchen Stellen im Alten Testament von einer Bedrohung der Gottesstadt durch eine nicht näher gekennzeichnete Vielzahl von Völkern und von einem durch diesen Ansturm bedingten Eingreifen Jahwes berichtet wird. Wie nicht anders zu erwarten, stoßen wir, wie schon oben bei der Behandlung der mythischen Motive, auch in unserem Zusammenhang auf die eschatologische Prophetie. Sie übernimmt zur Schilderung des endzeitlichen Dramas, in dessen Mittelpunkt meistens die Gottesstadt steht, gerne Motive aus anderen Bereichen25, so auch das Völkerkampfmotiv. Sack 14: Dieses sehr uneinheitliche und darum auch sehr unterschiedlich beurteilte Kapitel2® berichtet zweimal von einem Ansturm 88

28

Vgl. dazu G. F O H R E R , Die Struktur der alttestamentlichen Eschatologie, ThLZ 85 (1960), Sp. 401—420. E. S E L L I N (Das Zwölfprophetenbuch, Kommentar zum AT X I I / 2 1930) sieht in v. 1-5.12.15-18 den ursprünglichen Bestand des Kapitels, der dann durch den Autor selbst oder eine fremde Hand in den ν. e-11.18.14. 20. 21 einen Nachtrag erfahren hat. K . E L L I G E R (Das Buch der zwölf kleinen Propheten II, Das AT Deutsch 26/II 1950, 19694) geht wie S E L L I N von einem Grundbestand aus, dessen ursprüngliche Anlage durch einige Ergänzungen etwas gestört ist. Zum Grundbestand rechnet E L L I G E R v. 1-3, Teile aus 4. 5b-9. lib. I3f. ief. und 19, abgesehen von der Nennung Ägyptens. Der Rest wäre Zusatz. F . H O R S T ( T H . R O B I N S O N - F . H O R S T , Die zwölf kleinen Pro-

78

IV. Der Völkerkampf

der Völker gegen Jerusalem und einem entsprechenden Eingreifen Jahwes: 14 1-8

14 12-15

Sieh ein Tag kommt f ü r Jahwe, da wird die Beute von dir in deiner Mitte verteilt. 2 Da bringt Jahwe zusammen sämtliche Völker nach Jerusalem zum Kampf. Da wird die Stadt genommen, werden die Häuser geplündert und die Frauen geschändet; da muß die Hälfte der Stadt als Verschleppung fort, doch der Rest des Volkes wird von der Stadt nicht getrennt. 3 Dann kommt Jahwe hervor und kämpft mit jenen Völkern wie an dem Tage, wo er gestritten, am Tage der Schlacht. 12 Und das wird der Schlag sein, mit dem Jahwe alle Völker schlägt, die wider Jerusalem zu Felde zogen: wahrlich es modert sein Fleisch, während er auf seinen Füßen steht; seine Augen modern in ihren Höhlen, seine Zunge modert in seinem Munde. 15 Und ebenso wird sein der Schlag gegen die Rosse, die Maultiere, die Kamele und Esel und alle Tiere, die sich in jenem Lager befinden, wie dieser Schlag. 18 Geschehen wird es an jenem Tage, da wird ein großer Jahwe-Schrecken unter ihnen entstehen, daß sie einer des andern Hand ergreifen und sich eines Hand wider des andern Hand erhebt; 14 dann wird der Reichtum aller Umweltvölker eingebracht, Gold und Silber und Kleider in sehr großer Menge 27 .

Die »eschatologische Komposition«28 von Kapitel 14 wird, anders als es in Ps 46 und 48 vorausgesetzt ist, eingeleitet mit einer für Jerusalem bereits hereingebrochenen Katastrophe. Sie wurde verursacht durch ein persönliches Eingreifen Jahwes. Er selbst ist es, der die Völker gegen Jerusalem heranführt und ihnen die Stadt in die Hand gibt. Die zu erwartende Wendung, wie sie in den Korachitenpsalmen vor der Eroberung der Stadt vorgesehen ist, tritt hier in Sach 14 iff. erst nach derselben ein. Jahwe wendet sich plötzlich gegen die, die er erst selbst gegen Jerusalem versammelt hat, und kämpft gegen sie. Die Schilderung der Vernichtung der Völker, die man im Anschluß an v. 3 erwarten würde, begegnet erst in den v. 1 2 - 1 5 , wird also wahrscheinlich später eingefügt worden sein, nachdem man ihr Fehlen als einen Mangel empfand. pheten, Handbuch zum AT 1/14 19542) hingegen rechnet mit einer sukzessiven Aneinanderfügung von Einzelstücken, von denen vor allem die ersten beiden — v. i-5 und v. β-ii (ohne ν. 9) — näher zusammengehören. O. P L Ö G E R (Theokratie und Eschatologie 1959, S. 113) faßt die Kapitel 12—14 zusammen und spricht von einer eschatologischen Komposition, die natürlich auch durch sekundäre Zusätze erweitert wurde. In Kap. 14 sind nach P L Ö G E R S Auffassung die v. 4b. 5 . 6a. 1 0 - 1 1 . 1 2 - 1 5 . 20 f. nachträgliche Erweiterung. Wenn man auch mit F . H O R S T zugeben muß, daß Kap. 14 eine Sammlung von Einzelstticken darstellt, so läßt sich doch nicht ganz übersehen, daß das Kap. 14 bis zu einem gewissen Grad in seinem Aufbau einen Plan verfolgt, was P L Ö G E R richtig gezeigt hat. 27 28

Ubersetzung nach F . H O R S T , a. a. Ο . , S . 2 5 8 und So O. P L Ö G E R , a. a. O., S. 114 (für 12—14).

260.

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

79

In beiden Abschnitten, die doch in einer, wenn auch loseren Beziehung zueinander stehen, werden — ähnlich wie in Ps 48 — zur Beschreibung der Situationen Bilder verwendet, die nicht aus dem Chaoskampfmotiv stammen, sondern Jahwe als Krieger kennen und die daher sein Eingreifen als einen Gottesschrecken schildern, der Panik unter den Völkern anrichtet29, oder durch Auftreten einer verheerenden Seuche veranschaulichen30. Die Völker werden von Jahwe gesammelt, ähnlich wie in Ps 48 sich die Könige zusammentun. Dieser ganze Völkeransturm scheint sich hier in geschichtlichem Rahmen abzuspielen, wenn auch durch die Übertragung der Vorstellung in das eschatologische Drama alles nicht so scharf gezeichnet ist. Sach 12: Auch hier verhält es sich mit dem Text nicht viel anders als in Sach 14. Wir werden mit einer erheblichen Anzahl von Glossen zu rechnen haben, und auch der Grundbestand findet wieder unterschiedliche Beurteilung31. 12 s-9

2 Siebe ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker der Umwelt, s Geschehen wird es an jenem Tage, da mache ich Jerusalem zu einem Hebestein für alle Völker; alle, die ihn heben wollen, müssen ihn loslassen. 4 An jenem Tage, ist der Spruch Jahwes, da schlage ich alle Rosse mit Starrsein und ihre Reiter mit Wirrsein; und über das Haus Juda tue ich meine Augen auf, doch alle Völker schlage ich mit Blindheit. 5 Dann sprechen die Gaue Judas in ihrem Herzen: Stärke liegt für die Bürger von Jerusalem in Jahwe Zebaoth, ihrem Gotte. β An jenem Tage mache ich Judas Gaue wie ein Feuerbecken im Holzstoß, wie eine Feuerfackel unter Garben; und sie fressen nach rechts und nach links sämtliche Völker der Umwelt, und hinfort bleibt Jerusalem an seiner Stelle unbehelligt. 8 An jenem Tage schirmt Jahwe die Bewohner von Jerusalem; der Wankende unter ihnen wird wie David sein und Davids Haus wie Gott, wie der Jahweengel vor ihnen her. g Geschehen wird es an jenem Tage, da trachte ich zu vernichten alle die Völker, die wider Jerusalem rückten82.

Obwohl in die gleiche Sammlung von Worten gehörend wie Kap. 14 stellt Kap. 12 die Situation der Gottesstadt wesentlich anders dar. Es wird von vornherein die Gewißheit der Sicherheit der Gottesstadt und die Aussichtslosigkeit des Unternehmens der Völker betont. Die Uneinheitlichkeit dieses Wortes läßt den Ablauf der Ereignisse nicht immer ganz klar erkennen, denn vor allem die großartige Wende wird einmal direkt Jahwe selbst, das andere Mal nur indirekt Jahwe zugeschrieben. Auf der einen Seite schlägt Jahwe selbst Roß und M 80 81 81

Vgl. Jdc 7 22 und Ez 38 21. Ez 38 22. Vgl. dazu die oben zu Sach 14 genannten Kommentare bzw. Analysen (Anm. 26). Ubeisetzung nach F. H O R S T , a. a. O., zur Stelle.

80

IV. Der Völkerkampf

Reiter mit Starrsein und Wirrsein, die Völker mit Blindheit (v. 4) und vernichtet alle die, die wider Jerusalem ziehen (v. 9), auf der anderen Seite sind es die Gaue Judas, die, durch Jahwe zum Feuerbrand gemacht, sämtliche Völker der Umwelt fressen (ν. β). Diese Uneinheitlichkeit soll aber nicht weiter stören. Wesentlich ist wieder, daß die Situation einigermaßen klar ist. Jerusalem wird von Völkern bedrängt, die nicht genauer beschrieben werden, und durch das Eingreifen Jahwes ist ihm seine Sicherheit garantiert. Unser Kapitel ist aber in einer Hinsicht nicht ganz unbedeutend. Es zeigt nämlich, daß für die Ausgestaltung des Völkerkampfmotivs nicht nur Vorstellungen aus dem Bereich der Mythologie oder des Gottesschreckens verwendet werden können, sondern daß die eschatologische Prophetie auch Bilder ihrer prophetischen Vorgänger auf ihre bevorzugten Motive überträgt: so das Bild von der Taumelschale33. Auch in Sach 12 ist das Völkerkampfmotiv in das eschatologische Drama eingebaut worden und scheint, wie noch zwei andere Texte zeigen werden, geradezu ein besonderes Kennzeichen der Schilderung endzeitlicher Ereignisse zu sein. Joel 4: Abgesehen von dem Prosaeinschub in v. 4-8 haben wir hier eine neue Variante der Schilderung des eschatologischen Dramas vor uns, die auch das Völkerkampfmotiv in ihrer Weise abwandelt: 4 1-8. 9-12

1 Denn siehe, in diesen Tagen und zu dieser Zeit, wenn ich zurückführe die Gefangenen Judas und Jerusalems, 2 da will ich sammeln alle Völker und sie hinabführen in das Tal Josaphat, und dort mit ihnen rechten wegen meines Volkes und meines Erbes Israel, das sie zerstreut haben unter den Völkern, und mein Land teilten sie auf, 3 und über mein Volk warfen sie das Los, und sie gaben einen Knaben für eine Hure, und ein Mädchen verkauften sie für Wein. 9 Ruft dies aus unter den Völkern: Weiht den Krieg, stachelt auf die Helden! Es sollen herankommen, heraufziehen alle Kriegsleute! 10 Schmiedet eure Pflugscharen zu Schwertern und eure Winzermesser zu Lanzen! Der Schwächling sage: ein Held bin ich! n Eilt und kommt, alle Völker ringsum, und sammelt euch hierher I Der Sanftmütige sei ein Held! 12 Die Völker sollen sich aufmachen und heraufziehen ins Tal Josaphat! Denn dort will ich mich hinsetzen, zu richten alle Völker ringsum34.

Im Anschluß an diese Verse beschreibt das Gedicht den Tag Jahwes und seine Begleiterscheinungen, in dem Israel in bezug auf die versammelten Völker nicht untätig bleibt. Jerusalem spielt in unserem Zusammenhang eine etwas untergeordnete Rolle. Es wird weder von den Völkern eingenommen, ja nicht einmal angegriffen, noch ergreift es selbst die Initiative zur Vernichtung der versammelten ** Vgl. Jer 2615 49 12 Ez 23 31 if. Hab 2 15 f. 111 Ubersetzung nach TH. ROBINSON, a. a. O., zur Stelle.

81

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

Völker. Vielmehr dient der Aufmarsch der Völker dazu, daß das Gericht an ihnen vollstreckt wird. Die charakteristischen Züge, die wir bisher beobachtet haben — Ansturm der Völker gegen Jerusalem und Eingreifen Jahwes in irgendeiner Weise —, treten zurück gegenüber der Gerichtsschilderung und der Beschreibung der endzeitlichen Herrlichkeit Jerusalems (und Judas)35. Etwas schimmert aber noch vom Motiv selbst durch; trotz der starken Bearbeitung des Völkerkampfmotivs in Joel 4 läßt sich erkennen, daß wir es hier nicht mit einer eigenständig entwickelten Formulierung zu tun haben, sondern eben mit einer mehr oder weniger starken Überarbeitung und Neugestaltung eines vorgegebenen Motivs36. Nachdem nämlich — im Ablauf der Schilderung — die Völker im Tal Josaphat zum Gericht versammelt sind, und es unwidersprochen bleibt, daß diese Versammlung zu nichts anderem da ist, als das Gericht an den Völkern zu vollstrecken, und nachdem die Vorzeichen des Tages Jahwes sichtbar werden, wird ausdrücklich versichert, daß Jerusalem, als die Wohnung Jahwes, aus diesem Unternehmen heil hervorgehen wird. Daß in dem ganzen Ablauf auch Jerusalem als von den Völkern oder durch den Tag Jahwes bedroht vorgestellt wurde, muß bei der Komposition des Kapitels noch mitgeschwungen haben. Mi 4, 11—13: Dieser unter den übrigen kürzeste Abschnitt ist das letzte der Beispiele vom Völkerkampf innerhalb der eschatologischen Prophetie, mit dem wir uns kurz beschäftigen wollen. 11 Jetzt aber sind versammelt gegen dich alle Völker, die da sagen: Wir wollen uns freuen, und weiden soll sich an Zion unser Auge! 12 Aber sie kennen nicht die Pläne Jahwes und verstehen nicht seinen Rat, daß er sie gesammelt wie Garben auf der Tenne. 18 »Auf und zertritt, Tochter Zion! Denn ein eisernes Horn mache ich dir, und eherne Hufe mache ich dir, daß du zermalmst viele Völker, und Jahwe sollst du ihren Gewinn weihen und ihren Reichtum dem Herrn der ganzen Erde, β37

In diesem kurzen Stück haben wir wieder eine Abwandlung des Völkerkampfmotivs vor uns. Die Völker haben sich gegen den Zion versammelt und meinen in ihrer Verblendung, die Stadt einnehmen zu können. Sie sehen nicht, daß diese ihre Versammlung dazu bestimmt ist, an ihnen das Gericht zu vollstrecken. Israel — das meint wohl an dieser Stelle ,Tochter Zion' — ist es aber, das vom Propheten in einem Bild aufgefordert wird, das Urteil zu vollstrecken. Nicht Jahwe selbst 85 34

87

Vgl. V. 18 f f . Zur starken Abhängigkeit des Textes Joel 4 von anderen Texten vgl. T H . R O B I N S O N , a. a. O., und H. W. W O L F F , Dodekapropheton-Joel, Bibl. Kommentar XIV s 1963, zur Stelle. Übersetzung nach T H . R O B I N S O N , a. a. O., zur Stelle. W a n k e , Zionstheologie

6

82

IV. Der Völkerkampf

greift ein, wie das in Ps 46 und 48 der Fall war, sondern die Wende ist Israel selbst in die Hand gegeben. (Vielleicht spielen hier nationale Reminiszenzen eine Rolle.) Den aus dieser Urteilsvollstreckung zu erwartenden Raub und Reichtum soll Israel, wie das aus dem heiligen Krieg bekannt war, Jahwe, als dem Herrn der ganzen Erde, weihen. An dieser Stelle muß eine kurze Überlegung zur Frage der Datierung des Textes Mi 411-13 eingeschaltet werden, da für diesen die zeitliche Einordnung nicht immer unumstritten blieb. Nach dem Erscheinen der beiden Aufsätze von B. STADE88 setzte sich die Erkenntnis, daß Mi 4—5 dem Propheten abzusprechen und in die Zeit nach Ezechiel zu datieren sei, allgemein durch. Jedoch fanden sich immer wieder Forscher, die die Kapitel 4—5 des Michabuches für Micha von Moreschet mehr oder weniger vollständig in Anspruch nahmen 88 . Auch WEISER ist nicht abgeneigt, wenigstens einen Teil der Kapitel Micha zuzuschreiben und urteilt sehr vorsichtig gerade in bezug auf den für uns interessanten Abschnitt 40 . WEISER will die Frage der Datierung von Mi 4 n-18 gerade im Blick auf Jes 17 12 ff. 29 1 314 f. Ps 46 in der Schwebe lassen. Der weitaus größte Teil der Forscher jedoch vertritt die Ansicht, daß Mi 411-13 neben anderen Abschnitten aus Mi 4—5 der Zeit nach Ezechiel zuzuweisen ist 4 1 . Besonders hingewiesen werden muß in diesem Zusammenhang auf die jüngste Untersuchung der Kapitel Mi 4—5 von B. RENAUD42, in welcher vor allem im zweiten Teil die Stellung der Kapitel 4—5 im Zusammenhang der alttestamentlichen Literatur behandelt wird. RENAUD zeigt, daß Mi 4—6 u. a. auch von Jer 30f. 60f. Ez 34 37—39 Deutero- und Tritojesaja und Sacharja abhängig ist und nicht vor dem 5. Jh. entstanden sein kann. Umgekehrt wären nach B. RENAUD Joel 4 und Sach 9—14 von Mi 4—6 beeinflußt. Die Beurteilung eines Textes wie Mi 411-13 bleibt aus mehreren Gründen schwierig: Mi 411-18 kann nur mit Einschränkungen als anonymer Prophetentext in Anspruch genommen werden und enthält »Traditionen«, deren Interpretation in sehr verschiedener Weise erfolgt 43 . Dennoch kann man neben einer Reihe anderer ein wesentliches Argument gegen die Echtheit des Textes anführen: das in Mi 411-13 88

Bemerkungen über das Buch Micha, ZAW 1 (1881), S. 161—172; Weitere Bemerkungen zu Mi 4. 6, Z A W 3 (1883), S. 1 — 1 6 .

88

40

41

U. a. seien erwähnt: E. SELLIN, a. a. O., zur Stelle, und in neuerer Zeit COPASS and CARLSON, Α Study of the Prophet Micah, 1950. Einleitung in das AT 1963 6 , S. 224 und Das Buch der zwölf kleinen Propheten, Das AT Deutsch 24/1 1959 5 zur Stelle. Vgl. unter anderem: K. MARTI, Das Dodekapropheton, Kurzer Handkommentar zum AT X I I I , 1904, S. 286; D. W. NOWACK, Die kleinen Propheten, Handkommentar zum AT, 19228, S. 221; J . M. P. SMITH, A critical and exegetical commentary on the Books of Micah, Zephaniah and Nahum, ICC 1948S, S. 97; ΤΗ. H. ROBINSON, Die Zwölf Kleinen Propheten, Handbuch zum AT 1/14 19542, S. 127. 143 und O. EISSFELDT, Einleitung, S. 653 f.

42

Structure et attaches littiraires de Michöe IV—V, Cahiers de la Revue Biblique 2 1964.

48

Neben A. WEISER (S. o.) sieht auch G. v. RAD die in Mi 411-13 anklingenden Traditionen schon bei Jesaja belegt und hält aus diesem Grund dieses Stück für echt (vgl. Theologie II, S. 306).

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2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

verwendete Vokabular": das Verbum «"|DK in Verbindung mit 'II findet sich Hab 2 5 Zeph 3 8 Sach 14 2 im qal; Jes 13 4 Sach 12 3 (vgl. Jes 43 9 Joel 4 2) im niphal; Ez 3812 Sach 1414 im pual; der Terminus φΠ in seinen verschiedenen Bedeutungen ist erst seit Jeremia belegt: Jer 31-2. 9 23 1 Jes 24 5 Dan 11 32 Ps 106 38 Num 35 38 (Ρ); ΠΤΠ in Verbindung mit der Partikel 3 begegnet außer in dem schwer datierbaren Ps 27 4 in Hi 36 25 Cant 7 1; der Ausdruck Π3ΙΡΠ0 in Verbindung mit Gott ist im Alten Testament auch erst seit Jeremia bezeugt: Jer 29 11 51 29 Jes 55 8f. Ps 92 Β; die älteren Propheten verwenden gewöhnlich den Terminus HSS: Jes 519; in Ps 33 11 sind dem ΐΤΙΓΡ USB diefflStPflDderVölker gegenübergestellt, während die Parallelsetzung ΠΊΠ1· HSS mit Π1ΓΡ Γ113ΦΠ0, wie sie in Mi 412 vorliegt, ebenfalls erst seit Jeremia belegt ist: 49 20 50 45; das Bild vom Dreschen der Völkerwelt ist erst bei Dtjes (4115) zu finden; schließlich der Terminus *?D pTN, der zwar neben Sach 414 65 Ps 97 5 auch in Jos 3 11-18 belegt ist, doch an dieser Stelle wohl sekundär eingefügte Apposition zu .Jahwe' darstellt. B. RENAUD45 weist noch darauf hin, daß auch die in Mi 410 und 413 vorkommenden doppelten femininen Imperative verbunden mit "'S erst Jes 60 und Sach 2 14 belegt sind. Alle diese Beispiele zeigen, daß die Terminologie des in Frage stehenden Abschnittes Mi 411-18 in der alttestamentlichen Literatur überwiegend erst zur Zeit Jeremias und später verwendet wurde. Damit wird aber deutlich, daß Mi 411-13 nicht von Micha stammen kann, sondern aus späterer — frühestens der exilischen Zeit — stammen muß. Dazu kommt, daß ein Prophet, der seiner Nachwelt offenbar nur als Unheilsprophet bekannt war (vgl. Jer 2618), kaum zwei so gegensätzliche Worte wie Mi 3 12 und 411-18 gleichzeitig gesprochen haben kann. Die Untersuchung des Vokabulars bestätigt, daß Mi 411-13 — nicht nur von seinem Inhalt her gesehen — mit Recht in die Reihe der schon oben untersuchten eschatologischen Texte aufgenommen werden kann 48 .

Die Situation des Völkerkampfes ist in diesem Text wieder sehr deutlich zu erkennen: Bedrohung der »Gottesstadt«47 und, etwas variiert, Israel als Vollstrecker der über den Völkern bereits von Jahwe beschlossenen Vernichtung. Die Ausgestaltung des Völkerkampfmotivs an unserer Stelle hält sich vor allem an das bei Deuterojesaja (4115) verwendete Bild vom Dreschen, das hier auf die Urteilsvollstreckung übertragen wird. An diesen vier Stellen im Alten Testament finden wir nun das Völkerkampfmotiv in einer Ausgestaltung, die der in den Psalmen einigermaßen entspricht. Es geht im näheren oder weiteren Sinn immer um eine Bedrohung der Gottesstadt Jerusalem oder des Zion durch eine Vielzahl von Völkern, die nie näher konkretisiert werden. Außerdem scheint dieses Ereignis, obwohl immer ein Schleier des 44

V g l . d a z u v o r a l l e m B . RENAUD, a . a . O . , S . 9 5 f f .

45

A. a. O., S. 93. Im übrigen sei noch einmal auf B. RENAUDS Untersuchung von Mi 4—6 (s. Anm. 42) verwiesen. Mi 411 verwendet allerdings ,Zion' in einer nicht ganz eindeutigen Weise. Es könnte auch die Bewohnerschaft Jerusalems gemeint sein.

46

47



84

IV. Der Völkerkampf

Geheimnisvollen darüber liegt, jeweils als im Raum der Geschichte ablaufend gedacht. Und selbst diese Züge, die sich mit einiger Sicherheit rekonstruieren lassen, treten uns in allen Fällen in einer veränderten Form und Gestalt entgegen. Die Verfasser der einzelnen Texte haben also gewiß keine ganz bestimmte Form des Motivs vorgefunden, sondern haben wahrscheinlich nur eine sehr undifferenzierte und unklare Vorstellung von einem derartigen Ereignis gehabt. Diese Vorstellung brauchte aber, um in einem literarischen Entwurf Platz haben zu können, erst eine konkrete Ausformung, die ihr von dem jeweiligen Verfasser gegeben wurde. Dies ist der Grund, warum uns dieses Motiv in so vielfältiger Gestalt entgegentritt. Ganz im Gegensatz zu anderen Motiven, die auch in ihrer Form immer schon eine gewisse Prägung mitbringen und in dieser übernommen werden. Man hat den Eindruck, daß das Völkerkampfmotiv erst durch seine Aufnahme in das eschatologische Drama aus einer nicht ganz deutlichen Vorstellung zu einem Motiv geworden ist. Irgendwoher muß aber auch die eschatologische Prophetie diese undeutliche Vorstellung von einer anstürmenden Völkerschar genommen haben. Es ist kaum anzunehmen, daß sie diese erfunden bzw. ad hoc gebildet hat; sie hat vielmehr auf Vorgegebenes zurückgegriffen. Die eschatologische Prophetie übernimmt ja auch in anderen Fällen Motive und Traditionen und interpretiert sie in einer neuen Weise48. Wir werden uns daher nach Texten umzusehen haben, die möglicherweise der eschatologischen Prophetie als Vorwurf für ihre Verkündigung und die damit verbundenen Vorstellungen gedient haben können. Dazu können wir zunächst auf die Arbeit von O. P L Ö G E R : »Theokratie und Eschatologie«49 zurückgreifen. P L Ö G E R weist in ihr nach, daß das oben schon besprochene Kapitel Sach 14 weitgehend — selbst in seinem Aufbau — von Ezechiel abhängig sein muß 60 , und zwar im wesentlichen von den letzten Kapiteln. Sach 14 bringt allerdings alles weitaus kürzer und gestraffter und weicht auch in Einzelzügen von Ezechiel ab. Der Aufriß aber bleibt der gleiche. Sach 14 if. schildert den Ansturm der Völker, der vor Jerusalem nicht haltmacht, während in Ez 38f. die Völker auf den Bergen Israels ihren Untergang finden. Daran schließt sich in Sach 14 3f. 9 die Erscheinung Jahwes an, die in Ez 43 iff. in einer etwas anderen Form geschildert wird. Dazu gehört auch noch die Beschreibung des endzeitlichen Jerusalem in den v. 6-8, die an Ez 47 iff. orientiert ist. Diese Parallelsetzung der Texte scheint auf den ersten Blick eine 18

G . FOHRER, a . a . O . , S p . 4 0 1 f f .

49

A. a. O. O. PLÖGER, a. a. 0., S. llOf.

60

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

85

recht gekünstelte Konstraktion zu sein, doch hat schon einige Jahre vorher G. FOHRER 61 darauf hingewiesen, daß die Abschnitte Ez 43 1-9 441-3 47 1-12 einen zusammenhängenden Bericht über ein ekstatisches Erlebnis des Propheten bilden, der in Metrum und Strophenbau den Kapiteln 38—39 entspricht. Der in Sach 14 dargebotene Entwurf scheint also nicht bloß aus in den letzten Ezechielkapiteln verstreuten Einzelstücken zusammengesetzt und neugestaltet worden zu sein, sondern doch auf eine zusammengehörende, literarische Größe, die heute auseinandergerissen in Ez 38—47 vorliegt, zurückzugehen. Natürlich haben wir es nicht mit einer bloßen Übernahme ezech. Gutes zu tun, lassen sich doch auch eigene Züge erkennen, wie zum Beispiel die Spaltung des ölberges. Aber auch in Joel 4 ist ein ähnlicher Aufriß zu beobachten: Völkersturm, Erscheinen Jahwes, paradiesische Zustände. Ezechiel hat offenbar in der eschatologischen Prophetie Schule gemacht. Haben aber Sach 14 und Joel 4 den Aufriß für die Schilderung der endzeitlichen Ereignisse, in einer zwar anderen Form, bei Ezechiel vorgefunden, so liegt es nahe anzunehmen, daß sie auch Einzelzüge von diesem übernommen haben62. Damit wenden wir uns nun kurz der Schilderung des Gog-Ansturms in Ez 38f. zu63. Die einleitenden Verse, 38 2-3a, sind Aufforderung an Ezechiel, seine Stimme als Prophet gegen Gog zu erheben. Die nun folgenden ersten Worte des Propheten nehmen das Ende des ganzen Ereignisses aber schon vorweg. Jahwe fordert Gog, den Großfürsten von Mesech und Tubal, zum Kampf (v. 3b) und veranlaßt Gog und sein Heer sowie die ihn unterstützenden Völkerschaften, Gomer und Bet Togarma aus dem äußersten Norden, sich gerüstet Jahwe zur Verfügung zu halten (v. 4-e), um gegen ein Land zu ziehen und es zu bedecken; dieses Land wird näher umschrieben als ein solches, das aus der Gewalt des Schwertes zurückgebracht, aus vielen Völkern gesammelt ist und in Sicherheit wohnt (v. 8f.). Ezechiel denkt hier besonders an die erste Zeit, da Israel wieder in seinem Lande wohnen wird. Nach den folgenden Versen 10-13 sieht die Lage aber etwas anders aus: Gog plant einen bösen Plan. Er selbst will gegen ein offenes Land und gegen geruhsame Menschen ziehen, um Beute zu machen und zu morden. Selbst die Händler sammeln sich angesichts der zu erwartenden Beute, um daraus Profit zu schlagen. Im Blick auf diese Situation wird nun in der Wiederholung von v. 3f. und dessen Ausgestaltung in 39 1-5 Gog die völlige Vernichtung durch Jahwe angekündigt. Die Folgen " G. FOHRER, Ezechiel, Handbuch zum AT 1/13 1956, S. 241. 52

V g l . H . W . WOLFF, a. a. Ο., S. 10F.

M

Es ist mit zahlreichen Zusätzen und Ergänzungen zu rechnen. Siehe G. FOHRER, a. a. O., zur Stelle.

86

IV. Der Völkerkampf

dieses Untergangs von Gog schildern die v. 9-20 in manchmal mehr als drastischer Weise. Neben dem Verbrennen und nutzbringenden Verwerten der Waffen des vernichteten Feindes sowie seiner Ausplünderung werden selbst die Leichen der Reiter und Pferde der Verwertung durch die ursprünglich Bedrohten zugeführt. Das Ergebnis dieses Eingreifens durch Jahwe stellt sich dar als die Erkenntnis, daß Jahwe der Gott Israels ist und die Völker das Gericht sehen, das er vollzieht (v. 20f.)54. Die Unterschiede der Gog-Weissagung zu den oben besprochenen Texten aus der eschatologischen Prophetie liegen deutlich zutage, ebenso deutlich aber auch die Gemeinsamkeiten. Die beiden hervorstechendsten Unterschiede bestehen darin: erstens sind bei Ezechiel die heranstürmenden Völker näher bestimmt worden, während sie in den eschatologischen Texten in einer unbestimmten Vielzahl und geographisch bzw. historisch nicht näher beschrieben auftreten; zweitens findet sich bei Ezechiel kein Hinweis darauf, daß Jerusalem im besonderen von den Völkern bedrängt würde, vielmehr ist das Ziel des geplanten Feldzugs das aus dem Exil heimgekehrte Israel. Gemeinsame Züge liegen in der Tatsache vor, daß die Völker von Jahwe herbeigeführt werden bzw. selbständig einen Feldzug gegen Jahwes Volk planen und durch Jahwes Eingreifen der Vernichtung anheimfallen. Bei Ezechiel ist die Schilderung wesentlich breiter angelegt als in den nachexilischen Texten. Die einzelnen charakteristischen Züge, die das Völkerkampfmotiv bestimmen, sind aber dennoch klar zu erkennen. Man wird nur — wie Übereinstimmung und Unterschied von den eschatologischen Texten nahelegen — in der Bestimmung derselben auf der einen Seite verallgemeinern, auf der anderen Seite spezialisieren müssen: Das Völkerkampfmotiv ist nun nicht mehr besonders gekennzeichnet durch einen Ansturm der Völker auf die Gottesstadt, sondern durch einen solchen auf ein friedlich lebendes Volk, nämlich Israel (Verallgemeinerung). Die gegen Israel heranziehenden Völker sind bei Ezechiel aber nicht ungenau und geheimnisvoll beschrieben wie in der eschatologischen Prophetie, sondern geographisch und geschichtlich näher bestimmt (Spezialisierung). Diese Näherbestimmung kann uns aber einen Schritt in der Frage weiterbringen, aus welchen Wurzeln das Völkerkampfmotiv, so wie es uns in den Korachitenpsalmen und in der eschatologischen Prophetie vorliegt, entstanden sein mag. 84

Zu diesen Schlußversen vgl. W. ZIMMERLI, Die Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel, AThANT 27 (1964); jetzt: Theologische Bücherei 19 1963, S. 41—119, besonders S. 44.

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

87

Ezechiel bezeichnet Gog als den Großfürsten von Mesech und Tubal und unterstellt ihm noch zusätzlich die Völker Gomer und Bet-Togarma55, von denen gesagt wird, daß sie vom äußersten Norden kommen. Alle diese Völkerschaften begegnen uns aber auch in der Völkertafel Gen 10 (P) als Söhne Japheths, womit ihre Lage im Norden der damaligen Welt gemeint war. Sie lassen sich auch einigermaßen in der Geschichte festlegen. Mit Mesech und Gomer hatte das assyrische Reich unter Sargon II. zu tun. Es handelt sich dabei um die kleinasiatischen Vökerschaften der Muschki und Kimmerer56. Mit Bet-Togarma bezeichnet Ezechiel das südöstlich des Schwarzen Meeres gelegene armenische Gebiet. Tubal (Tibarener) ist ebenfalls ein kleinasiatischer Volksstamm57. Mit dieser Lokalisierung der von Ezechiel genannten Völkerschaften im kleinasiatischen Raum könnte man sich nun begnügen und Ezechiel als den Erfinder des Völkerkampfmotivs hinstellen. Damit wäre das Motiv historisch erklärt. Nun reicht aber bei Ezechiel eine historische Deutung der Gogweissagung nicht aus. Die von dem als Anführer zu denkenden Gog herangeführten Völker bildeten in der Zeit Ezechiels keine Gefahr mehr für den fruchtbaren Halbmond, so daß sie als Grundlage einer prophetischen Weissagung hätten dienen können. Es verbarg sich hinter ihnen keine reale Macht mehr. Sie waren längst von den Assyrern besiegt worden. Ezechiel muß also aus einem anderen Grund auf diese Völker zurückgegriffen haben68. Schon vor Ezechiel kündigte Jeremia das Hereinbrechen einer drohenden Gefahr für Juda und damit das Volk Israel an. Und diese Ankündigung Jeremias ist für Ezechiel der Anlaß, die noch ausstehende Verwirklichung der Bedrohung Israels in seine Verkündigung aufzunehmen und neu interpretiert weiterzugeben. Jeremia spricht von einem Feind aus dem Norden (4 β 61.22), einem Feind, der aus der Ferne kommt (4 ie 5 15), eine unverständliche Sprache redet (515), mit Roß und Wagen, Bogen und Wurfspieß ausgerüstet wie ein Unwetter heranzieht und das Gericht über Jerusalem und die Städte Judas bringt (413 6 23). Dieser Feind aus dem Norden wird von Jeremia nicht näher bezeichnet. Er bleibt in einem geheimnisvollen Dunkel, wird aber doch von Jeremia als eine ** Die Lokalisierung Gogs in einem Land Magog dürfte auf eine erläuternde Glosse aus Gen 10 a zurückzuführen sein. M

47

88

H. GRESSMANN, D e r Messias 1 9 2 9 , S. 1 2 4 f . Vgl. G. FOHRER, a. a. O., S. 2 1 3 f . u n d

G. v. RAD, Das erste Buch Mose Kap. 1—12, 9, Das AT Deutsch 2 19533, S. 117. G. v. RAD, a. a. O., S. 1 1 7 . H. HAAG, Studien zum Buche Judith 1963, S. 71, deutet die Völker um Gog unter Beibehaltung der Glosse in 38 5 (vgl. G. FOHRER, a. a. O., zur Stelle) als den metahistorischen, universalen Gottesfeind, dessen Gestalt erst mit dem Exil auftaucht.

88

IV. Der Völkerkampf

menschliche Größe, im geschichtlichen und geographischen Raum existent, verstanden. Aus diesem Grunde wurde er vielfach entweder mythologisch oder konkret historisch gedeutet (Meder, Chaldäer, Skythen) 59 . Daß sich Jeremia zunächst unter diesem Feind aus dem Norden kaum etwas Bestimmtes vorstellte, wird daran deutlich, daß er in einer späteren Zeit seiner Verkündigung den Feind aus dem Norden mit den Babyloniern identifizierte: Jer 25 9. Für Ezechiel bestand aber die Gefahr einer Bedrohung aus dem Norden auch nach dem Untergang Judas und Jerusalems noch, da er offenbar die Identifizierung des Feindes aus dem Norden mit den Babyloniern nicht vollzog, das Wort Jeremias also noch seiner Verwirklichung harrte. Dies mag der Grund sein, warum Ezechiel die Schilderung des Feindes aus dem Norden aufnahm. Die noch ausstehende Bedrohung Israels sah Ezechiel aber nun in einer Reihe konkret faßbarer Völker gegeben, die jedoch ihrer sicheren Vernichtung entgegengehen sollten, da das Gericht an Jerusalem, wie es Jeremia angekündigt hatte, bereits vollstreckt war. Kehren wir nun kurz zu Jeremia zurück. Seine Gerichtsankündigung für Jerusalem und die Städte Judas entstammt der ersten Periode seiner Wirksamkeit (627—622) unter Josia, zur Zeit des zerfallenden Assyrerreiches. Für Israel gab es zu diesem Zeitpunkt keine konkrete äußere Bedrohung, die seinen Bestand hätte gefährden können. Dies mag Jeremia veranlaßt haben, das von Jahwe beschlossene Gericht über Juda und Jerusalem in Bildern zu beschreiben, die nicht unmittelbar aus der außenpolitischen Situation seiner Zeit stammten. Später, als die Macht und Gefährlichkeit der Babylonier immer deutlicher am politischen Horizont aufstrahlte, war es auch für Jeremia klar, von welcher Seite der Untergang Jerusalems und Judas drohte und sich verwirklichen würde. Woher stammt aber die Vorstellung von einem Feind aus dem Norden? Hat Jeremia sie erfunden? Ist sie bedingt durch die Tatsache, daß alle Bedrohung Israels, wenn sie nicht gerade durch die Ägypter hervorgerufen wurde, aus dem Norden zu erwarten war 60 ? Oder nahm sich Jeremia in Ermangelung konkreter Beispiele die Mythologie zum Vorbild? Letzteres scheint aus mehreren Gründen unwahrscheinlich zu sein: Wir haben schon oben gesehen, daß das Völkerkampfmotiv, in welcher Form es auch auftaucht, immer zwar geheimnisumwitterte, aber doch konkrete, in der Geschichte denkbare Völker im Auge hat. *· Zu den verschiedenen Deutungen vgl. W . R U D O L P H , Jeremia, Handbuch zum A T 1/12 19582, S. 43 ff. Dort findet sich auch eine ausführliche Literaturangabe. eo Dies wäre einfach durch die geographische Lage Palästinas gegeben, die eine Bedrohung aus dem Osten oder Westen durch eine Großmacht unwahrscheinlich machte; vgl. Jes 10 28-82.

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

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Dies trifft auch für den Feind aus dem Norden bei Jeremia und erst recht bei Ezechiel zu. Weiter wird im Alten Testament der Ausdruck ]ΊΒΧ, wenn er nicht gerade die bloße Himmelsrichtung bezeichnet, für den mythischen Götterberg im Norden verwendet (vgl. Jes 1413 Ps 48 3), von dem nicht bekannt ist, daß mythische Mächte von ihm zu kriegerischen Unternehmungen ausziehen. Für einen solchen Götterberg finden sich aber in Jer 4R—6 keinerlei Anzeichen. Auch gibt es keine Hinweise dafür, daß bei Jeremia Jerusalem als Gottessitz verstanden worden ist, der durch mythische Mächte bedroht wird, in der Weise, daß man vielleicht einen der zahlreichen Götterkampfmythen des Alten Orients als Wurzel der Schilderung Jeremias annehmen könnte. Außerdem bleibt als größte Schwierigkeit einer mythologischen Deutung die Tatsache bestehen, daß Jeremia selbst an konkrete, wenn auch nicht näher bestimmte Völker menschlichen Charakters dachte. Damit bleiben aber der historische Bereich im engeren Sinn und der mythische Bereich für die Bestimmung der Vorstellung von einem Feind aus dem Norden außer Betracht. H. GRESSMANN, der im allgemeinen den Ansturm der Völker als aus dem Chaoskampfmotiv entstanden wissen will61, weist als erster auf eine andere Deutungsmöglichkeit hin, die er vor allem an der Gog-Weissagung und an der Vorstellung vom »Nördlichen« in Joel 2 darlegt62. E r vermutet in den beiden genannten Texten einen sagenhaften Hintergrund, den er auch in ägyptischen Sagenmotiven gefunden zu haben glaubt. So führt er einen Teil der Gog-Weissagung auf die bei HERODOT (I 105) überlieferte ägyptische Skythensage zurück63. Diese Deutungsmöglichkeit griff A. LAUHA64 auf und zeigte, daß es sich bei dem Feind aus dem Norden um einen sagenhaften, schrekkenverbreitenden Zerstörer handelt. Ursache der Entstehung dieser Vorstellung ist wohl das Hereinbrechen der Seevölker in den Vorderen Orient gewesen, deren Verheerungen derart waren, daß sie sich unauslöschlich in das Gedächtnis der betroffenen Völker eingeprägt und bald sagenhafte Züge angenommen haben66. Dieser sagenhafte Schreckensbringer aus dem Norden schwingt schon bei der Schilderung des Assyrers in Jes 5 25-29 mit und wird vor allem bei Jeremia in seiner besonderen Situation besonders ausführlich geschildert. LAUHA will in seiner Monographie das sagenartige Motiv vom Feind aus dem Norden aber nicht nur bei Jesaja, 41

H . GRESSMANN, a . a . O . , S . 1 4 6 .

• 2 H . GRESSMANN, a . a . O . , S . 1 2 8 . 1 3 9 . • 8 H . GRESSMANN, a . a . O . , S . 1 3 2 . 44

«*

Zaphon. Der Norden und die Nordvölker im AT 1943 (bes. S. 85). Α T.ATIHA, a. a. O., S. 86ff.

90

IV. Der Völkerkampf

Jeremia und den folgenden Propheten, sondern auch bei Arnos, Habakuk, Zephanja und Micha nachweisen. Dies scheint sehr schwierig zu sein, da dieses Motiv, sollte es wirklich bei den genannten Propheten Verwendung gefunden haben, fast immer in der Schilderung konkreter Feinde und Mächte aufgegangen sein müßte. Erst in Jes 526ff. und vollends bei Jeremia wird deutlich der Feind aus der Ferne bzw. aus dem Norden als geheimnisvolle, Israel gefährliche Macht geschildert. Gehört der Feind aus dem Norden nun in den Bereich der Sage, dann lösen sich auch Probleme, die sich bei der Deutung dieses Phänomens vor allem bei Jeremia ergeben haben. Der geheimnisvolle Charakter des Feindes sowie die Tatsache, daß er dennoch im Räume der Geschichte gedacht ist und menschliche Züge trägt, ist damit geklärt. Weiter bleibt es nicht mehr verwunderlich, daß man vergeblich nach einer Parallele für den Feind aus dem Norden in der Umweltgeschichte der Jeremiaankündigung sucht. Für Jeremia selbst ist es aber in einer späteren Phase seines Wirkens nicht mehr schwierig, den sagenhaften Feind aus dem Norden mit einer geschichtlichen Größe zu identifizieren, da Sage und Geschichte in einer mehr oder weniger festen Beziehung zueinander stehen, wenigstens in der Weise, daß die Sage im Raum der Geschichte gedacht wird und umgekehrt Geschehenes sagenhafte Züge annehmen kann. Mit dieser rückläufigen Betrachtung sind wir nun aber an ein Ende gelangt, das vor allem durch Jeremia gekennzeichnet ist. Er nimmt zur Ausgestaltung seiner Drohworte in der ersten Periode seiner Wirksamkeit in Ermangelung konkreter Beispiele ein sagenhaftes Motiv zu Hilfe, das uns andeutungsweise noch in Jes 5 25-29 und in der noch nicht erwähnten Stelle Dtn 28 49-52 begegnet. Ezechiel übernimmt die Ankündigung Jeremias und erneuert sie, indem er sie konkretisiert, ohne ihr aber den sagenhaften, geheimnisvollen Charakter zu nehmen. Aus dem Feind aus dem Norden, der von Jahwe zum Gericht gegen Juda und Jerusalem herangeführt werden soll (Jer), werden bestimmte konkrete Völker, die die noch ausstehende Vernichtung Israels vollziehen sollen (Ez). Da aber zur Zeit Ezechiels das Gericht über Israel schon vollstreckt ist, muß dieser noch ausstehende Ansturm rechtzeitig abgebogen werden, um nicht eine zweite Vernichtung der Heimgekehrten zu postulieren. So sind die anstürmenden Völker von vornherein der Vernichtung preisgegeben (Ez). Von Ezechiel übernimmt die eschatologische Prophetie diese Vorstellung, die Ezechiel — von Jeremia herkommend — seinen Zeitgenossen wieder eindringlich ins Bewußtsein gerufen hat. Eine Bedrohung der Gottesgemeinde steht noch aus. Ihre Ankündigung harrt noch der Erfüllung.

2. Entstehung des Völkerkampfmotivs

91

Nun ist aber mit der Übernahme dieser Vorstellung durch die eschatologische Prophetie eine entscheidende Änderung zu beobachtenee. Liegt sowohl bei Jeremia als auch bei Ezechiel der Ton noch stark auf der Schilderung des Feindes aus dem Norden und der Israel zu Recht oder zu Unrecht drohenden Gefahr, so läßt sich in der eschatologischen Prophetie und deren Beschreibung des endzeitlichen Geschehens eine Verschiebung der Akzente feststellen. Nicht mehr Israel als Ganzes ist der Bedrohung der Feinde ausgesetzt, sondern nur noch die Stadt Jerusalem steht im Brennpunkt der Ereignisse. Die Bedrohung geht nun nicht mehr von einer bestimmten Völkergruppe aus, sondern alle Völker oder wenigstens viele Völker rotten sich gegen Jerusalem zusammen. Diese Neuformung oder Neuinterpretation des Völkerkampfmotivs mag in der gesamten Konzeption der eschatologischen Prophetie begründet liegen, die an einer lokalen Konzentration der endzeitlichen Ereignisse an einem Ort und an einer gewissen Universalität der Ereignisse interessiert ist. Ein eschatologisches Ereignis beansprucht einen größeren Rahmen als den von ein paar Völkern Kleinasiens. Warum gerade Jerusalem zu dem Ort wird, an dem sich das endzeitliche Geschehen in jeder — positiver und negativer — Weise konzentriert und auf den dann auch das Völkerkampfmotiv im besonderen übertragen worden ist, lassen wir zunächst noch unbeantwortet67. Fest steht jedenfalls, daß das Völkerkampfmotiv erst in der eschatologischen Prophetie auf die Stadt Jerusalem angewendet wurde. Dies läßt aber wiederum den Schluß zu, daß das Motiv in Verbindung mit Jerusalem nur in der nachexilischen Zeit denkbar ist (Mi 4 n-13 Joel 4 Sach 12 und 14). Dies wird weiterhin dadurch bestätigt, daß ein literarisches Wirksamwerden des Motivs erst bei Jeremia zu beobachten ist, also in spätvorexilischer Zeit, und daß selbst noch in der Exilszeit Ezechiel den Feind aus dem Norden nicht direkt mit Jerusalem verbindet, obwohl er an dieser Stadt ein großes Interesse hatte. Auch ein zweiter Zug, der im Zusammenhang mit unserem Motiv für die Schilderung Jerusalems bedeutsam ist, begegnet bei Ezechiel noch in einer völlig anderen Form als in der eschatologischen Prophetie und in den Zionsliedern: die Selbstverständlichkeit, mit der von der Vernichtung der Völker vor Jerusalem — oder auch nach der Eroberung der Stadt durch dieselben — gesprochen wird; ein Zug, der die besondere Stellung der Stadt betonen soll. Bei Ezechiel findet sich noch eine genaue Begründung für den Untergang der Völker: Gog wird wegen eines bösen Planes, den er wider Israel ersinnt, der " Siehe oben S. 86. · ' Siehe unten S. 106 f.

92

IV. Der Völkerkampf

Vernichtung anheimgegeben. Und Jeremia denkt überhaupt nicht mehr daran, daß Jahwe selbst den zum Strafgericht über Israel heranziehenden Feind aus dem Norden noch im letzten Augenblick vernichten würde. So weist uns auch diese Beobachtung darauf hin, daß die Form des Völkerkampfmotivs, wie sie uns in der Verbindung mit Jerusalem vorliegt, ein Erzeugnis der nachexilischen Zeit sein muß. Es kann demnach kein Zweifel daran bestehen, daß das Völkerkampfmotiv, so wie es die Korachitenpsalmen verwenden, ein literarischer Spätling ist und frühestens der exilischen Zeit entstammt. Es ist aus einer sagenhaften Vorstellung von einem geheimnisvollen Schreckenbringer aus dem Norden entstanden, die wiederum ihrerseits auf ein historisches Ereignis zurückgeht: die Wanderung der Seevölker um 1200 v. Chr. Diese Vorstellung läßt sich in Einzelfällen schon vor Jeremia nachweisen, erlangt aber erst mit ihm literarische Bedeutsamkeit. Die Tatsache, daß man sich unter diesem Feind aus dem Norden nie etwas Rechtes vorstellen konnte, trug viel dazu bei, daß diese Vorstellung in ihrer literarischen Ausprägung immer in verschiedenen Formen auftaucht und andere Motive bzw. Vorstellungsbereiche zu ihrer Ausgestaltung heranzieht, ζ. B. den ,Chaoskampf' oder .Jahwe als Krieger' 68 . Doch auch diese Übernahme anderer Vorstellungsformen und fremder Motive scheint ein Merkmal nachexilischer Zeit zu sein. Bei Jeremia und Ezechiel ist jedoch keines der eben genannten Motive aufzuspüren. Sie bleiben beide im Bereich der bloßen Schlachtenschilderung. Es ist anzunehmen, daß von dem Augenblick an, da man die Gottesstadt Jerusalem mit mythischen Motiven bedachte, auch das auf Jerusalem übertragene Völkerkampfmotiv vor allem Züge des Chaoskampfmotivs anzog (Ps 46). Dies scheint sich aber alles erst in der nachexilischen Zeit vollzogen zu haben. Angebahnt hat sich diese Entwicklung in der exilischen Zeit mit Ezechielββ. Die Erweiterung mit mythischen Motiven aus dem Chaoskampf verlieh dem Völkerkampfmotiv einen altertümlichen Anstrich, der dazu verleiten konnte, diesem Motiv ein besonders hohes Alter zuzuschreiben. Es verhält sich gerade umgekehrt; der altertümliche und mythische Charakter ist eher ein Kennzeichen für das geringere Alter des Motivs. Das Völkerkampfmotiv ist also, wie wir gesehen haben, erst bei Jeremia klar und eindeutig nachzuweisen und in der in den Korachitenpsalmen vorliegenden Form nur in der nachexilischen Zeit belegbar. Damit erhält aber die These, daß ein Teil der Korachitenpsalmen, in unserem Fall wenigstens Ps 46 und 48, nachexilischen Ursprungs sind, eine weitere Stütze. Von einem außerisraelitischen 6 8 Diese beiden Motive legten sich schon durch ihren Inhalt für diesen Zweck nahe. · · Vgl. dazu die mythischen Motive S. 64 ff.

3. Geschichtlicher Anknüpfungspunkt

93

Ursprung des Motivs kann keine Rede sein. Es liegt in ihm auch keine historisierte Form des Chaoskampfmotivs vor, sondern es gehört ursprünglich dem Bereich der Sage an und hat erst in zweiter Linie mythische Motive als Bilder an sich gezogen.

3. Geschichtlicher

Anknüpfungspunkt

Im allgemeinen wird als einer der Hauptgründe, warum das Völkerkampfmotiv mythischen Ursprungs sei, die »Tatsache« angeführt, daß in der geschichtlichen Überlieferung Israels ein Sieg Jahwes im Zusammenhang mit Jerusalem70 nicht nachweisbar ist, daß in der Beschreibung des Völkersturmes keine konkreten Hinweise auf geschichtliche Vorgänge auftauchen71 und daß sich ein Ereignis dieser Art in »der Geschichte des davidischen Jerusalem nicht unterbringen« läßt72. Natürlich ist es schwierig, für ein Motiv, von dem man von vornherein ein hohes Alter annimmt, in der frühen Geschichte Israels einen historischen Anknüpfungspunkt zu finden. Gehen wir aber nun von unserem oben gewonnenen Ergebnis aus, daß eine Verbindung von Völkerkampfmotiv und Jerusalem eindeutig erst für die nachexilische Zeit nachzuweisen ist, dann haben wir für einen evtl. festzustellenden historischen Anknüpfungspunkt schon einen wesentlich größeren Zeitraum zur Verfügung. Doch zuerst müssen wir uns fragen, ob die Suche nach einem historischen Anknüpfungspunkt notwendig und berechtigt ist. Wir haben gesehen, daß das Völkerkampfmotiv in seiner Wurzel dem Bereich der Sage angehört und mit Jerusalem zunächst nichts zu tun hatte. Ezechiel historisierte das Motiv und die nachexilische eschatologische Prophetie baute es in den Ablauf des endzeitlichen Geschehens um Jerusalem ein und verband so das Motiv mit der Gottesstadt selbst. Man könnte diese Entwicklung als einen literarischen Prozeß erklären. Die von Jeremia angekündigte und von Ezechiel wieder aufgegriffene Bedrohung Israels geriet über die Aufnahme ezech. Gutes in die eschatologische Prophetie und wurde von dieser auf Jerusalem übertragen. So einfach läßt sich aber der Sachverhalt nicht darstellen, denn wir merken, daß wir es nicht mit einer bruchlosen Übernahme zu tun haben. Zuerst hat das Völkerkampfmotiv nichts mit Jerusalem zu tun — und plötzlich wird es fast nur mehr im Zusammenhang mit dieser Stadt gebraucht ? Dies muß seinen Grund haben. Man überträgt nicht irgendwelche Bilder auf irgendeine reale Größe, ohne daß eine sachliche Beziehung zwischen Bild und realer Größe hergestellt werden könnte. 70

E. ROHLAND, a. a. O., S. 131. 140.

71

J. SCHREINER, a. a. O., S. 230.

72

G. v. RAD, Theologie II, S. 168.

94

IV. Der Völkerkampf

Die verschiedenen mythischen Motive vom Gottesberg, vom Paradies und seinen Strömen sind nur sinnvoll auf Jerusalem angewandt, wenn man etwas davon wußte, daß Jerusalem ein Gottessitz, ein Ort der Gegenwart Gottes ist. Auch die Übertragung des Völkerkampfmotivs auf Jerusalem muß doch in irgendeiner Weise auf ein ähnliches Beziehungsverhältnis zurückzuführen sein. Mit Jerusalem muß eine Erfahrung verbunden sein, die eine Übernahme des Völkerkampfmotivs ohne Schwierigkeiten möglich macht. Was das Völkerkampfmotiv im Zusammenhang mit Jerusalem will, haben wir oben schon mehrfach festgestellt: es geht um das Postulat der Sicherheit der Gottesstadt (Ps 46 48 Joel 4 Sach 12). Die Stadt ist durch die Gegenwart Gottes und durch sein Eingreifen in entscheidenden Augenblicken der sicherste Schutz selbst vor anstürmenden Völkermassen. So ohne weiteres läßt sich aber derlei, auch wenn man übertreibt, nicht von einer Stadt aussagen, von der man weiß, daß sie auch genommen werden konnte. Vielmehr ist anzunehmen, daß ein Ereignis in der Geschichte dieser Stadt dazu beitrug, daß derartige Aussagen möglich wurden. Und ein solches ist ohne weiteres in der Geschichte Jerusalems nachzuweisen. Dazu brauchen wir nicht in die Zeit des davidischen Jerusalem zurückzugehen, da wir ja auch nicht damit rechnen, daß das Völkerkampfmotiv aus vorisraelitischen Jerusalemer Kulttraditionen stammt, sondern, wie wir gesehen haben, erst bei Jeremia zur Geltung und Ausgestaltung kommt. Ein solches Ereignis liegt vor in der Belagerung Jerusalems durch Sanherib 701 v. Chr. und dem überraschenden Abzug des assyrischen Heeres73. Von diesem Ereignis berichten zwei einigermaßen zuverlässige Quellen: einmal ein kleiner Abschnitt aus den sich mit denselben Geschehnissen beschäftigenden Kapiteln 18 und 19 des zweiten Königsbuches, II Reg 1813-I6, und zum andern ein assyrischer Bericht, der sich auf zwei Tonprismen, dem sogenannten »Taylorzylinder«, befindet74. Aus beiden Texten geht hervor, daß Hiskia sich schließlich dem Sanherib unter Bezahlung hohen Tributs und unter Einbuße eines Großteils seines judäischen Reiches unterwarf. Sanherib ließ von der Belagerung aus nicht mehr eindeutig zu klärenden Gründen ab, und die Stadt blieb vor einer unvermeidlich scheinenden Eroberung bewahrt. 73

74

E. ROHLAND, a. a. O., S. 131, lehnt eine Beziehung dieses Geschehens zum Völkerkampfmotiv — selbst in seiner legendenhaften Ausgestaltung — ab, da die Einzelzüge der Schilderung der Sanheribbelagerung und ihre erfolgreiche Abwendung (II Reg 18 f.) nicht mit denen des Völkerkampfmotivs übereinstimmen. — Darauf kommt es jedoch nicht an. Wesentlich ist die Bedeutung, die dieses Ereignis für die Stellung und Einschätzung Jerusalems in Israel erlangte. Übersetzungen dieses Textes bei: H . GRESSMANN, AOT2, S . 8 5 2 f f . und G . FOHRER, Das Buch Jesaja II 1962, S. 154f.

3. Geschichtlicher Anknüpfungspunkt

95

Diese für den König Hiskia und die Stadt Jerusalem nicht gerade rühmliche Begebenheit fand aber bald, wie die um den kurzen Abschnitt II Reg 1813-16 gruppierten Jesajalegenden 75 zeigen, eine völlig neue Deutung. »Aus der Tatsache, daß daraufhin ( = Tributleistung Hiskias) Jerusalem nicht mehr gewaltsam erobert werden mußte, haben die späteren Jesajaerzählungen II Reg 18 17—19 9a. 36. 37 und II Reg 19 9b-35 dann die Vorstellung von einer wunderbaren Errettung der Stadt entnommen.«76 Diese Rettung vollzog sich nach der Beschreibung der Legende (19 35 // Jes 37 36) durch das Eingreifen des Jahweengels, der im Lager der Assyrer 185000 Mann erschlug. Ein außergewöhnliches Ereignis findet bald Eingang in die Legende oder Sage bzw. nimmt sehr leicht sagen- oder legendenhafte Züge an; und es ist nicht anders denkbar, als daß auch der Abzug des grausamen Assyrers für die davon Betroffenen etwas Außergewöhnliches an sich hatte. Die Tributleistung Hiskias, die den Abzug vielleicht mitbestimmt hatte, vergaß man bald in der Freude, vor einer< drohenden Vernichtung bewahrt geblieben zu sein, und es blieb nur das Wissen um eine wunderbare Errettung gerade dieser Stadt. Daß die »erfolglose« Belagerung Jerusalems angesichts der Tatsache, daß Sanherib cille übrigen Städte seiner Umgebung eroberte, das Ansehen der Stadt mehrte, verwundert nicht. Die Legendenbildung um dieses Geschehen — mag sie auch erst im Exil eingesetzt haben 77 , als man der Verkündigung Jesajas und seiner Person, aber auch der Stadt Jerusalem mehr Augenmerk schenkte — zeigt jedenfalls, daß man mehr in ihm sah als ein politisches Tagesereignis. Der deuteronomistische Bearbeiter der Königsbücher griff nun aber die ihm vorliegenden Legenden auf und baute sie, gewiß nicht ohne bestimmte Absicht, in sein Werk ein. Offenbar kamen diese Legenden einigen seiner Tendenzen sehr nahe: Bevorzugung Jerusalems, Beurteilung der Könige nach ihrer Stellung zum Kult (Hiskia wird in den Königsbüchern neben Josia als einziger uneingeschränkt positiv beurteilt) und Vorliebe für die Aufnahme von Prophetenerzählungen. Auf Grund dieser Ergebnisse (eine erfolglose Belagerung Jerulems durch einen übermächtigen Feind ist durchaus in der Geschichte der Stadt nachzuweisen; eine an diesem Ereignis orientierte Legendenbildung setzt frühestens nach der Kultusreform Josias ein; diese Legenden werden vom deuteronomistischen Bearbeiter der Königsbücher in dieselben aufgenommen) läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß wir zwar nicht in der frühen vorexilischen oder gar davidischen Geschichte Jerusalems, aber doch in der späteren Königszeit » II Reg 18—20 ie // Jes 36—39. 7β Μ. Noth, Geschichte Israels 19668, S. 243 A. 3. 77 Zur Datierung unserer Legende ist zu sagen, daß sie offenbar die Kultusreform Josias voraussetzt: II Reg 18 22 // Jes 36 7.

96

IV. Der Völkerkampf

des Volkes Israel ein Ereignis festlegen können, das mit dieser Stadt einen Gedanken verbindet, der eine Übertragung des Völkerkampfmotivs auf sie durchaus möglich macht. Man wußte etwas von dem besonderen Schutz, unter dem Jerusalem stand, von einem vergeblichen Anrennen eines Feindes und dem helfenden Eingreifen Jahwes durch seinen Jahweengel, der den Feind vernichtet. In dieser und keiner anderen Weise hat nun der Angriff Sanheribs auf Jerusalem mit dem Völkerkampfmotiv doch etwas zu tun. Die legendenhafte Ausgestaltung der Vernichtung des Heeres Sanheribs mag als ein Aspekt den Boden für eine Übertragung des Völkerkampfmotivs auf Jerusalem mitbereitet haben. Daß dies nicht lange vor dem Exil geschehen sein kann, ist klar. Die Belagerung fand 701 statt, die Rede des assyrischen Gesandten in I I Reg 18 setzt offenbar die josianische Kultreform voraus und zeigt damit deutlich, daß auch bis zur Legendenbildung eine gewisse Zeit verstrichen sein mußte. Sie führt bis ins Exil, und erst nach dem Exil läßt sich eine Übertragung des Völkerkampfmotivs auf Jerusalem feststellen. So führt uns auch die Festlegung eines »sachlichen Anknüpfungspunktes« für eine mögliche Übernahme eines Motivs, wie es das Völkerkampfmotiv ist, in die spätvorexilische und exilische Zeit. Zugleich ist dieser sachliche Anknüpfungspunkt aber auch ein geschichtlicher Anknüpfungspunkt, der auf dem Umweg über die Legende dazu beitrug, daß man in nachexilischer Zeit, da man von einem Gericht über Jerusalem wußte, ungehindert von einer uneingeschränkten Sicherheit der Gottesstadt Jerusalem geradezu in Form eines Dogmas reden konnte: Ps 48 2

Groß ist Jahwe und sehr gepriesen in der Stadt unseres Gottes. Sein heiliger Berg, s sich schön erhebend, ist die Freude der ganzen Erde, der Berg Zion, der entlegenste Teil des Zaphon, ist des Großkönigs Stadt.

4

Jahwe hat sich in ihren Wohntürmen

5

Denn, siehe, Könige versammelten sich,

6

Sie schauten, sogleich erstarrten sie,

7

Zittern erfaßte sie daselbst,

als Zuflucht kundgetan. zogen heran zusammen. erschraken, flohen. Kreißen wie eine Gebärende.

Daß Jahwe sich in der Gottesstadt, in der Stadt des Großkönigs, als Zuflucht kundgetan hat, wird in diesem Psalm beispielhaft vorgeführt mit dem Völkerkampfmotiv. Doch scheint hier nicht nur das Völkerkampfmotiv als Bild eine Rolle zu spielen, sondern gleichzeitig

97

3. Geschichtlicher Anknüpfungspunkt

auch an den Angriff Sanheribs gedacht zu sein. Es bleibt sonst nach wie vor ungeklärt, warum ausgerechnet an dieser Stelle des Alten Testamentes — als einziger — Jahwe mit dem Titel der mesopotamischen Potentaten78 bedacht wird. Allerdings wird man nicht so weit gehen wie die älteren Exegeten79, die den Psalm im Anschluß an ein historisches Ereignis entstanden dachten, aber auch nicht ins andere Extrem verfallen dürfen und an eine bloß eschatologische80 oder kultische81 Deutung der Verse denken können. KRAUS82 weist den Weg in eine andere Richtung. Er versteht die v. 5ff. als eine gleichnishafte Veranschaulichung dessen, was in v. 4 gesagt ist, allerdings unter Aufnahme alter Kulttraditionen. Solche scheinen aber im Völkerkampfmotiv gerade nicht vorzuliegen. Vielmehr wird man mit einer Verbindung des Völkerkampfmotivs und der Erinnerung an das Ereignis von 701 rechnen müssen — dieses liegt allerdings schon sehr lange zurück—, die, nun exemplarisch dargestellt, das gleichnishaft veranschaulicht, was v. 4 in einem Satz sagt. Jahwe als der .Großkönig' wird seinem Gegner, dem .Großkönig', gegenübergestellt. Jahwe als der eigentliche .Großkönig' erweist sich einem anderen .Großkönig' gegenüber als eine Zuflucht für sein Volk in seiner Stadt. Es ist an nichts anderes gedacht, als beispielhaft die Qualitäten der Gottesstadt, vor allem ihre Sicherheit, dem Frommen vor Augen zu führen. Dazu verwendet Ps 46 das Chaoskampfmotiv und baut auch das Völkerkampfmotiv in der dem Chaoskampfmotiv entsprechenden Form in den Psalm ein. Ps 48 hat in seiner Verwendung des Großkönigstitels den Sanheribangriff als ein Beispiel vor Augen und paßt diesem das Völkerkampfmotiv an. Die perfektischen Verbformen, die in diesen Zusammenhängen verwendet werden, stehen dieser Deutung nicht im Weg83. Die entfernte Erinnerung des Ps 48 an Sanherib und die Verbindung dieser mit dem Völkerkampfmotiv ist nun aber wieder nur in nachexilischer Zeit denkbar. »· farru rabü // mlk rb (Ps 4 8 8). Vgl. Hos 5 1 8 1 0 β (cj.). N

80 81

88

F . B A E T H G E N , Die Psalmen 1904»; B. D U H M , Die Psalmen 1922 4 ; R. K I T T E L , Die Psalmen 1929···. zur Stelle. H . G U N K E L , Die Psalmen 1926*, zur Stelle; H . G R E S S M A N N , Der Messias 1929, S.118. S . M O W I N C K E L , Psalmenstudien II, 1 9 2 2 ( 1 9 6 1 ) , S . 6 1 ff.; H . SCHMIDT, Die Psalmen 1 9 3 4 , S. 6 3 ; A. W E I S E R , Die Psalmen I . Teil 1 9 5 9 , S. 2 6 6 F . ; A. R. J O H N S O N , Sacral Kingship in Ancient Israel 1966, S. 77ff.; DERS., The R61e of the King, The Labyrinth 82 Psalmen I, zur Stelle. ed. by H O O K E 1 9 3 6 , S. 9 2 ff. Die perfektischen Verbformen veranlassen L. K R I N E T Z K I (Zur Poetik und Exegese von Ps 48, Bibl. Zschr. 4, 1960, S. 84) und A. D E I S S L E R (Der anthologische Stil des Ps XLVTII (XLVII), Sacra Pagina I, 1969, S. 498), den Ps 48 typisch-eschatologisch zu deuten. W i n k e , Ziontthcologk

7

98

IV. Der Völkerkampf

Es scheinen verschiedene Linien im Laufe der Zeit aus einer etwas ungenauen Vorstellung von einem Ereignis ein Motiv gestaltet zu haben: Das Wissen um eine durch Jahwe garantierte Sicherheit der Gottesstadt wird verstärkt durch ein geschichtliches Ereignis und verbindet sich mit einem noch zu erwartenden Angriff eines geheimnisvollen, sagenhaften Feindes, der in der Deutung der eschatologischen Prophetie allgemeineren und universalen Charakter annimmt. Mit anderen Worten: eine historische Begebenheit lebt in der Gestalt der Legende im Bewußtsein des Volkes fort und fließt zusammen mit einem von Propheten verkündeten und noch nicht eingetretenen Angriff auf Israel. Diese Verbindung ist aber nicht vor dem Exil denkbar und begegnet auch in der Tat erst in der nachexilischen Zeit. Wir werden nun auch noch so weit gehen müssen, daß wir den Ausdruck »Völkerkampfmotiv« einschränken auf die in der eschatologischen Prophetie und in den Zionsliedern vorliegende Form84. Alles, was zur Entstehung dieser Form beigetragen hat — die Gogweissagung des Ezechiel, der Feind aus dem Norden bei Jeremia und in Dtn 2849ff., die Beschreibung des Assyrers in Jes Ö25ff. und in Jes 10 28-32 sowie die legendäre Form des Sanheribangriffs in II Reg 19 35 —, sind Teilaspekte, die nicht als Motiv angesprochen werden können, sondern eher den Charakter von Vorstellungen oder an bestimmten Ereignissen haftenden Erinnerungen haben. Die verschiedene sprachliche Ausgestaltung des Völkerkampfmotivs, wie wir sie bei der Besprechung der einzelnen Texte herausgestellt haben, ist naturgemäß sekundärer Art. Sie ist auch Zeugnis dafür, daß wir es mit einer jungen Vorstellung zu tun haben, die erst sehr spät eine konkrete Gestalt gewann. Alle diese Einzelzüge, die wir nun verfolgt haben, liefern uns dasselbe Ergebnis, nur noch deutlicher, als das schon bei der Untersuchung mythischer Motive der Fall war: sie gehören bis auf wenige Ausnahmen nachexilischen Texten an. Es liegt somit nahe, auch für diejenigen Korachitenpsalmen, die hier besonders in Frage kommen, nämlich die korachitischen Zionslieder, eine nachexilische Entstehungszeit anzunehmen. Diese Annahme wird nicht nur durch die bisherige Untersuchung gestützt, sondern auch durch ein paar sprachliche Parallelen unterstrichen, die eine enge Beziehung zwischen der eschatologischen Prophetie und den korachitischen Zionsliedern nahelegen: So verwendet Ps 46 im Anschluß an den Bericht über die Vernichtung der Feinde die auch in Ez 39 22 im Anschluß an die Niederwerfung Gogs und in 84

In Abschnitt IV/2 wurde der Ausdruck der Einfachheit halber in manchen Fällen auch im Zusammenhang mit Jeremia und Ezechiel gebraucht, was genau genommen dem Sachverhalt nicht ganz entspricht.

99

V. Nebenmotive

Joel 417 im Anschluß an das Gericht an den Völkern gebrauchte Erkenntnisformel: »Erkennt, daß ich Jahwe bin« (Ps 46 IIa)8®.

Ebenfalls parallel zu Joel 4 gebraucht Ps 46 in seiner Vertrauensaussage die Worte ΠΟΠ» und tl»(ö) und stellt die Heiligkeit der Gottesstadt besonders heraus: vgl. Ps 46 2. 5 mit Joel4ieb. 17. Wer von wem nun abhängig ist, läßt sich schwer entscheiden. Auffallend ist wiederum nur, daß beide, Joel und der Verfasser des Ps 46, dem Kult nahegestanden haben mußten, eine gegenseitige Berührung also nicht ausgeschlossen ist. Wir lassen die Frage nach der Priorität einstweilen offen. V. NEBENMOTIVE

a) Neben dem kriegerischen Ansturm der Völker gegen ZionJerusalem kennt die eschatologische Prophetie eine zweite Möglichkeit der Lösung des Verhältnisses Israel-Völker: Sie berichtet auch von einer friedlichen Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2 2-4 / / Mi 41-8 Jes 60 3f. Sach 8 2 2 ) D i e Völker ziehen zum Zion in der Absicht, Jahwe zu suchen und sich von ihm Weisung zu holen. Wir haben wohl die Umkehrung des Völkerkampfmotivs vor uns, die sich im Gegensatz zu einer nationalen in einer universalen Eschatologie vollzogen hat. Im Zusammenhang damit verwendet Jes 2 2ff. das Bild von der Umgestaltung der Kriegswerkzeuge in Handwerkszeuge des Alltags als eine Verdeutlichung des endzeitlichen Friedens. Dieses Bild nimmt aber auch Ps 4610 in abgewandelter Form auf. Nicht die Völker sind es, die die Schwerter zu Pflugscharen schmieden, sondern Jahwe selbst vernichtet die Kriegsgeräte. Und damit deutet Ps 4610 indirekt die Hoffnung auf Frieden an2, geht aber nicht so weit wie Jes 2 2ff. in seiner Schilderung des eschatologischen Friedens und vor allem nicht so weit in der Deutung des Verhältnisses Völker-Israel wie Jes 2 2ff. Der Korachitenpsalm bleibt offenbar in dem nationalen Gesichtskreis stehen. Er weiß von den Völkern nur zu sagen, daß sie im Anschluß an ihre Entmachtung aufgefordert werden, Jahwe zu erkennen. Eine gewisse Beziehung zur eschatologischen Prophetie, wie sie stärker schon zwischen Ps 46 und Joel 4 festgestellt wurde, ist allerdings trotz dieses Unterschiedes nicht zu übersehen. Vielleicht gehört auch noch der ganze Vorstellungskreis, in dem sich Ps 87 bewegt, in diesen Zusammenhang. Er preist Jerusalem » Vgl. W . ZIMMERLI, a. a . O., S. 6 2 A. 3 6 ; 7 2 f . ; 1 0 3 A . 8 9 . 1 a

Vgl. G. v. RAD, Theologie II, S. 307 ff. Vgl. W. Eichrodt, Die Hoffnung des ewigen Friedens im Alten Israel 1920, S. 124ff. 7·

VI. Jerusalem, die Gottesstadt

100

als den Mittelpunkt aller Jahwebekenner, gleichgültig, wo sie geboren sind3. Man könnte hier an eine großzügige universale Lösung des Problems Israel-Völker denken. Doch bleibt nach wie vor nicht ganz sicher, ob mit Rahab, Babel, Kusch, Tyrus und Philistäa die Bevölkerung der genannten Länder gemeint ist, oder ob man an die Wohnsitze des Diasporajudentums zu denken hat. So wird man diese Frage offen lassen müssen, obwohl die zweite Lösung mehr für sich zu haben scheint4, da auch in den übrigen Korachitenpsalmen ein Universalismus in diesem Sinn nicht nachzuweisen ist. b) Ein anderer, wahrscheinlich von der Gottesbergvorstellung abhängiger Nebenzug findet sich in den Psalmen 48 und 87. Ps 48 9 b Ps 87 l b 5b

Jahwe hat ihr Bestand gegeben in Ewigkeit. Seine Gründung liegt auf heiligen Bergen; der Höchste selbst hat ,ihn gegründet'5.

Beide Psalmen verwenden zur Umschreibung dieses Sachverhalts dasselbe Verbum: ps pol. KBL gibt an der einschlägigen Stelle die Bedeutungen: »hinstellen, bereiten, fest dauernd hinstellen, gründen« an. Außer an diesen beiden Stellen findet sich das Verb nur mehr Jes 62 8 im pol. (und zwar in Parallele zu Π13) im Zusammenhang mit Jerusalem. Im Niphal begegnet uns das Wort als Ausdruck für die Dauer des Bestandes des Tempelberges in Jes 2 2ff. // Mi 4 iff. Die Wortwahl zur Umschreibung von »gründen« in einem Doppelsinn: ,den Grund legen' und gleichzeitig ,fest sein, gesichert sein' mit p3 ist auffallend, zumal man ja auch in Ps 87 das zweite, geläufigere Wort verwendet hat: T0\ das auch schon in Jes 14 32 auf den Zion angewendet wird. Man suchte wahrscheinlich einen doppelten Gesichtspunkt mit der Verwendung des Wortes ps im pol. zum Ausdruck zu bringen: den der Sicherheit und der Anspielung auf das Gottesbergmotiv. Im Zusammenhang mit Jerusalem ist das Verbum jedenfalls nur in der nachexilischen Zeit zu belegen. Diese Tatsache ist kein schwerwiegendes Indiz, da ihr bei einer so geringen Streuung die Beweiskraft fehlt, sie fügt sich aber dennoch zwanglos in das bisher Erarbeitete ein. VI. JERUSALEM, DIE GOTTESSTADT

Wir haben schon oben in einer Zusammenfassung korachitischen Gedankenguts1 dargelegt, daß dieses wohl einer späten Stufe der an 3 1 5 1

G. FOHRER, Art. Σιών, ThW VII, S. 316. Anders: J. SCHREINER, a. a. O., S. 290. Siehe oben S. 38. Auch »ihr Bestand gegeben«. Siehe oben S. 33 ff.

VI. Jerusalem, die Gottesstadt

101

Zion-Jerusalem orientierten Theologie angehört. Die Begründung dafür konnte nur andeutungsweise erfolgen: das Wohnen Jahwes, das ursprünglich nur für den Tempel ausgesagt wurde, wird bald auch für den Tempelberg, den Zion, und später für die ganze Stadt in Anspruch genommen. Diese Beobachtung wird nun weiter dadurch gestützt, daß gerade in den Korachitenpsalmen der gehäufte Gebrauch von Wendungen, die die Gegenwart Jahwes in der Stadt und nicht nur im Tempel oder auf dem Tempelberg zum Ausdruck bringen, zu beobachten ist. Die Psalmen reden von der .Gottesstadt' (46 5 87 3), der ,Stadt unseres Gottes' (48 2. 9), ,des Großkönigs Stadt' (48 3) und der .Stadt Jahwe Zebaoths' (48 9). Alle diese Bezeichnungen sind aber außerhalb der Korachitenpsalmen nur noch sehr selten anzutreffen (4mal). Die älteste Bezeugung eines parallelen Ausdrucks findet sich in Ps 1018, einem wahrscheinlich vorexilischen Stück: Mit jedem Morgen vernichte ich alle Gottlosen im Lande und rotte aus aus der Stadt Jahwes alle Übeltäter.

Der Ausdruck .Stadt Jahwes' steht hier in Parallele zu dem Wort •pN und ist wahrscheinlich durch den parallelismus membrorum notwendig geworden. Klar ist, daß der Stadt Jahwes hier nicht die Bedeutung zukommt, die ihr in den korachitischen Zionsliedern beigemessen wird. Doch läßt dieser Vers erkennen, daß man schon in vorexilischer Zeit Jerusalem vereinzelt so nennen konnte. Ps 101 8 bleibt aber nun doch der einzige Beleg dafür. Jer 31 38 deutet bloß an, daß die Stadt für Jahwe wieder aufgebaut werden soll, kann also nicht unbedingt als eine Belegstelle angesehen werden. Jes 4513 spricht ebenfalls von dem Wiederaufbau Jerusalems, nennt aber nun die Stadt ,meine (— Jahwes) Stadt'. Schließlich Jes 6014: die Völker werden Jerusalem ,Stadt Jahwes' nennen. Die beiden letzten Texte sprechen von der Gottesstadt immer im Zusammenhang mit der Wiederherstellung Jerusalems und der damit verbundenen Huldigung der Völker: Jes45i3f. 6014. Sie gehören also in die exilisch-nachexilische Zeit und lassen den Eindruck entstehen, daß die Bezeichnung .Gottesstadt' betont erst dann gebraucht wird, als Jerusalem seine politische Bedeutung verloren hat und sich die Akzente auf die religiöse Ebene verschieben. So kann Ps 87 von Babel, Rahab, Tyrus und Philistäa sprechen, ohne irgendwelche politischen Erinnerungen daran zu knüpfen, um die religiöse Bedeutsamkeit Jerusalems hervorzuheben. Die gleiche Beobachtung wie bei dem Ausdruck ,Gottesstadt' und den entsprechenden Begriffen läßt sich auch bei der Bezeichnung

102

VI. Jerusalem, die Gottesstadt

.heilige Stadt' machen. Für Jerusalem ist diese Wendung erst seit Deuterojesaja belegt: Jes 48 2 52 ι Neh 111.18 und Dan 9 24, wobei in Nehemia und Daniel der Ausdruck schon wie selbstverständlich gebraucht wird. Die Korachitenpsalmen selbst sprechen zwar nicht expressis verbis von Jerusalem als einer heiligen Stadt, doch weisen einige Wendungen darauf hin, daß sie durchaus mit dieser Vorstellung vertraut waren: so nennen sie die Gottesstadt die .heiligste der Wohnungen des Höchsten' (46 s), setzen die .Stadt unseres Gottes' mit dem .heiligen Berg' parallel (48 2) und sagen, daß ,ihre Gründung auf heiligen Bergen hegt' (871). Die Korachitenpsalmen und die übrigen Belegstellen, deren es nur sehr wenige gibt, zeigen nun aber, daß Jerusalem erst in der exilischen Zeit und Später der Titel,Gottesstadt' und das Attribut der Heiligkeit beigelegt worden sind. Es ist daher nicht sachgemäß, unbekümmert schon vom vorexilischen Jerusalem als der .Gottesstadt' zu sprechen2, zumal wir sehen konnten, daß einem einzigen vorexilischen Beleg (Ps 101 8) eine Reihe exilisch-nachexilischer Belege gegenüberstehen, zu denen aller Wahrscheinlichkeit nach auch die korachitischen Zionspsalmen gehören. Der Ausdruck ,Gottesstadt' scheint nun tatsächlich die Spitze einer Entwicklung3 anzudeuten, die in der nachexilischen Gemeinde und deren verschiedenen Theologien mündet; denn es ist wie beim Völkerkampfmotiv nicht anzunehmen, daß die nachexilische Literatur Jerusalem aus dem Nichts heraus als Gottesstadt bezeichnete und ihr den Charakter der Heiligkeit beilegte. Sie mußte auf irgendetwas zurückgreifen können, was derartige Aussagen vorbildete und möglich machte. Mit den Korachitenpsalmen ist aber ein gewisser Schlußpunkt erreicht. Denn sie sind in ihrer hymnischen Verherrlichung der Gottesstadt an Ausdruckskraft, Spitzenaussagen und Fülle der Vorstellungen kaum übertroffen. Welche Entwicklung setzen sie aber voraus? Welche mit dem Zion und mit Jerusalem verbundenen Aspekte erfahren in den Korachitenpsalmen ihre größte Entfaltung ? Wie wir schon gesehen haben (S. 33 ff.), ist es im Grunde nur ein Aspekt von Bedeutung, aus dem sich alle anderen Aussagen ohne Schwierigkeit ableiten lassen: * J. SCHREINER, a. a. O., S. 166; G. v. RAD, Theologie II, S. 161; M. NOTH, Jerusalem und die israelitische Tradition, Oudtestamentische Studien VIII (1950), S. 32f.; jetzt: Gesammelte Studien zum AT 1957, S. 176. ' Schon G. WESTPHAL (Jahwes Wohnstätten nach den Anschauungen der alten Hebräer, BZAW 15, 1908, S. 169) weist in seiner heute — obwohl schon in vielem überholten — dennoch zu wenig beachteten Untersuchung darauf hin, daß eine ständige Ausdehnung und Erweiterung, sowie ein ständiges Wachsen der Vorstellung von der Heiligkeit des Tempels im Laufe der Zeit zu beobachten ist.

VI. Jerusalem, die Gottesstadt Ps 46 eaa

103

»Jahwe ist in ihrer Mitte.«

Es geht also vor allem um die Gegenwart Jahwes in ganz Jerusalem und um die davon abzuleitenden Begriffe der .heiligen Stadt' und der .Gottesstadt'4. In eine erste Beziehung zu Jahwe trat Jerusalem, verglichen mit seiner späteren Bedeutsamkeit, sehr spät. Anlaß dazu war das Bestreben Davids, den kanaanäischen Sperriegel zwischen den beiden Gebieten Juda und Israel zu beseitigen, sowie sich eine Hauptstadt zu schaffen, die den Einfiußsphären der beiden Staaten entzogen war. Um diese von David eroberte kanaanäische Stadt (II Sam 5 β-β) aber auch an die alten israelitischen Traditionen anzuschließen, überführte er die Lade, die in Silo aufgestellt war, nach Jerusalem5 (II Sam 6). Mit ihr wurde aber auch die Gegenwart des mit der Lade verbundenen Jahwe Zebaoth auf Jerusalem übertragen. Mit der Vollendung des salomonischen Tempels und der Erhebung desselben zum Staatsheiligtum hat nun Jahwe ein »Haus« erhalten, auf das seine Gegenwart, die ursprünglich an der Lade haftete, überging. Man sprach von nun an vom »ptf «e Jahwes und vom »ptfD« Jahwes (I Reg 8 12 Ps 43 3). Dem Ort der Gegenwart Jahwes als solchem kommt der Charakter der Heiligkeit zu, der zunächst an der Lade und mit deren Überführung in den salomonischen Tempel auch an diesem haftet. Nun blieben diese Vorstellungen aber nicht nur am Tempel haften, sondern gingen bald auf den Tempelberg, den Zion, über. Schon zur Zeit Jesajas scheint es selbstverständlich gewesen zu sein, vom Wohnen Jahwes auf dem Zion zu sprechen und Jahwe sinngemäß als den zu bezeichnen, »der auf dem Zion wohnt« (Jes 8 ιβ). Parallel dazu ging auch das Attribut der Heiligkeit auf den Tempelberg über: Ps 161 Ps 24 8

Jahwe, wer darf weilen in deinem Zelt, wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg ? Wer darf hinaufsteigen auf Jahwes Berg, und wer darf treten in seinen heiligen Bezirk ?7

* M. Nora, a. a. O., charakterisiert den Begriff »Gottesstadt« als »Ort des Hauptheiligtums« und weist diese Bezeichnung einer »Art ,Hoftheologie'« zu. Die alttestamentlichen Belege für den Terminus .Gottesstadt' zeigen eindeutig, daß man in der Zeit Davids weit entfernt davon war, Jerusalem eine .Gottesstadt' zu nennen, vor allem deshalb, weil in diesem Begriff mehr steckt, als die bloße Benennung eines Hauptkultortes. Die korachitischen Zionslieder legen der ,Gottesstadt' Prädikate bei, die zur Zeit Davids, soweit das der alttestamentliche Befund erkennen läßt, keinesfalls mit Jerusalem verbunden worden sind.

* M. Noth, a. a. O., S. 176; G. Fohrer, a. a. O., S. 301. * Diesen Ausdruck fibernahm die deuteronomische Theologie und deutete die Gegenwart Jahwes im Tempel derart, daß sie sagte, Jahwe ließe seinen Namen im Tempel 7 wohnen (Dtn 12 5.11 14 28 u. a.). Übersetzung nach H.-J. Kraus, Psalmen I.

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VI. Jerusalem, die Gottesstadt

Tempel und Tempelberg stehen auf einer Ebene. Von beiden kann dasselbe ausgesagt werden. Damit wurde aus dem Zion der Berg Jahwes (Jes 314), der Berg des Hauses Jahwes (Jes 22ff. / / Mi 4 iff.), der heilige Berg. Die Bezeichnung VD^n für den Tempel8 deutet darauf hin, daß man sich den Tempel auch als einen Palast dachte, in dem Jahwe wohnt9, vielleicht auch als König thront. Dies hat aber dann dazu geführt, daß man Jahwe als den König Zions (Jer 8 iö) anrief oder als den pries, der in Zion thront (Ps 912). Auch hier ist deutlich, daß Vorstellungen, die anfänglich nur am Tempel, vielleicht auch nur an dem Ladesymbol hafteten, auf größere Bereiche, in unserem Fall auf den Tempelberg, übertragen worden sind. Es ist nicht verwunderlich, daß auch die Stadt Jerusalem nicht unberührt blieb von den Vorstellungen, die sich um den Tempel und den Zion, die ja ihren Ort in dieser Stadt hatten, bildeten. Zu dem Ansehen, das die Stadt als die Residenz der Davididen erlangte, kam zusätzlich die Wertschätzung, die ihr als dem Hauptkultort, seit Josia als dem alleinigen Kultort, der als einziger mit dem Tempel die Gegenwart Jahwes beanspruchen konnte, zustand. In ihr befand sich der Tempelberg, auf dem Jahwe thronte, der heilige Berg, der Berg des Hauses Jahwes. Es bedurfte nur noch eines kleinen Schrittes, um auch von der ganzen Stadt Jerusalem und nicht bloß einem Teil von ihr alles das auszusagen, was man von Zion bereits sagte: Jerusalem ist der Ort der Gegenwart Jahwes, damit die Gottesstadt, die heilige Stadt. Dieser kurze Schritt wurde nun nicht schon zur Zeit Hiskias und der Rettung der Stadt vor Sanherib, die eine solche Konsequenz nahegelegt hätte, oder zur Zeit Josias, da Jerusalem noch einmal Hauptstadt eines größeren Gebietes (Juda mit einem Großteil des Gebietes des ehemaligen Israel10) geworden war, vollzogen, sondern offenbar erst, wie die oben11 genannten Belegstellen zeigen, in der Zeit des Exils. Wir sehen, daß sich eine stete Erweiterung des Bereiches, dem der Charakter der Heiligkeit zugesprochen wurde, im Laufe der Geschichte des Jerusalemer Heiligtums feststellen läßt. Von der Lade ging dieser Charakter auf den Tempel und von diesem auf den Tempelberg über, um schließlich in der exilischen Zeit auch für Jerusalem in Anspruch genommen zu werden. Die Vorstellung von der Heiligkeit der ganzen Stadt Jerusalem und der ihr beigelegte »Titel« .Gottesstadt' wurde schon in der Königszeit vor- und zum Teil ausgebildet, so daß der letzte Schritt der Übertragung dieser Prädikate auf Jeru8 9

I Sam 1 9 3 3 I I Reg 1818 23 4 u. ö. G. E. WRIGHT, Biblische Archäologie 1958, S. 142.

10

V g l . M . NOTH, G e s c h i c h t e I s r a e l s 1 9 6 6 3 , S . 2 4 7 .

11

Siehe S. 102.

VI. Jerusalem, die Gottesstadt

105

salem nur den Abschluß einer folgerichtigen Entwicklung kennzeichnet, in der das Exil eine Periode unter anderen darstellt. Für die Ausformung einer Zionstheologie aber, wie wir sie in den Korachitenpsalmen vorliegen haben, scheint das Exil geradezu Voraussetzung gewesen zu sein. Eine derartige Konzentration von theologischhymnischen Aussagen auf einen Ort mit seinen Besonderheiten, wie es Jerusalem mit seinem Tempel war, ist nur vorstellbar in einer Zeit, da dieser Ort alleiniger Haftpunkt der Hoffnungen der Gemeinde Jahwes geworden war, wie das in der Exilszeit der Fall gewesen ist, und ist nur vorstellbar zu einer Zeit, da sich das Leben des Israeliten an einem Ort, nämlich Jerusalem, orientierte, wie das in der nachexilischen Zeit gegeben war12. Ein beredtes Zeugnis von diesem Sachverhalt geben uns die Worte der exilisch-nachexilischen Prophetie. Schon Ezechiel, der nach dem Untergang des Südreiches und der Zerstörung Jerusalems sich zunehmend der Verkündigung kommenden Heils zuwendet, richtet seinen Blick auf die Wiederherstellung Jerusalems. Nach der Beschreibung des neuen Heiligtums (Ez 401—42 20 4310-27) schildert er die Rückkehr Jahwes in den Tempel, wo dieser inmitten der Israeliten für immer wohnen will (43 1-9). Vom Tempel geht ein Strom des Lebenswassers aus (47 1-8), der als Symbol für den Segen anzusehen ist, der von Jahwes Wohnen unter den Glaubenden ausgeht13. Jerusalem mit seinem Tempel wird nun zum Wohnsitz Jahwes und zum Mittelpunkt des »neuen Israel«. Diese von Ezechiel geschaute Rückkehr Jahwes nach Zion erwartet Deuterojesaja, nachdem er den Deportierten die Beendigung des Gerichtes angekündigt hat (Jes 40 1-5). Jahwe wird heimkehren nach Zion und Jerusalem erlösen (52 7-10); dann wird Jerusalem die »heilige Stadt« sein (52 1), in der Jahwe seine Königsherrschaft ausüben will und wird (52 7). Mit Deuterojesaja tritt Zion-Jerusalem in den Blickpunkt der eschatologischen Prophetie14. Jerusalem wird der Wohnsitz Jahwes (Sach 214 83), der Zion der »heilige Berg«. Jerusalem steht im Mittelpunkt der endzeitlichen Ereignisse (vgl. oben S. 78 ff.), das eschatologische Drama rollt vor Jerusalem ab und gipfelt in der endzeitlichen Herrlichkeit der Stadt. Haggai erwartet (2 6-9) wie die unbekannten Propheten, von denen die Worte in Jes 2 2-4 und Jes 60 12

13 14

Auch an dieser Stelle sei noch einmal auf die Arbeit von G. WESTPHAL, a. a. O., besonders S. 209ff., verwiesen, der, zwar von anderen Voraussetzungen ausgehend, doch zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. G. FOHRER, Ezechiel, Handbuch zum AT 1/13 1965, S. 246. Vgl. G. FOHRER, Die Struktur der alttestamentlichen Eschatologie, ThLZ 86 (1960), Sp. 4 0 1 — 4 2 0 .

106

VII. Auswirkungen

stammen, daß die Völker auf Zion-Jerusalem zuströmen, als den Mittelpunkt der Gemeinde, bei der allein Gott ist (Jes 4514). Es ließen sich noch zahlreiche Beispiele für die Bedeutsamkeit Jerusalems in der exilisch-nachexilischen Zeit anführen. Wir verweisen nur auf die zahlreichen anonymen Prophetentexte, die in andere Prophetenbücher wie Jesaja, Jeremia, Zephanja und Micha eingestreut und an Bücher wie Deuterojesaja, Sacharja und Micha angehängt wurden, und die in diese Zeit gehören15. Die Bedeutung, die Jerusalem durch den Verlust der beiden Staaten Juda und Israel für die nachexilische Gemeinde gewann, kann gar nicht überschätzt werden. Mit dem Neuaufbau des Tempels, von Haggai und Sacharja immer gefordert, und den daran geknüpften eschatologisch orientierten Hoffnungen gewann die nachexilische Gemeinde einen Mittelpunkt, um den sich eine Fülle von Vorstellungen rankte, die ursprünglich nichts mit Zion-Jerusalem zu tun hatten. So beobachten wir schon seit Ezechiel, daß mythische Motive in die Beschreibung des neuen Jerusalem und des Zion eindringen (vgl. S. 66ff.). Vor allem die eschatologische Prophetie, die an einer fast ans Märchenhafte grenzenden Ausschmückung der an Zion-Jerusalem orientierten Hoffnungen interessiert ist, hat mythische, sagenhafte, in der Überlieferung Israels begründete Motive gerne übernommen16. Es liegt nahe, daß eine Gruppe von Sängern, die ihren Dienst am Tempel versah und die an dem Ort, an dem sich dieser Tempel befand, besonderes Interesse hatte, an diesem Material nicht vorüberging. Auf Grund der Tatsache, daß wir in der vorexilischen Zeit zwar ein ständiges Anwachsen des Ansehens der Stadt Jerusalem beobachten können, in der exilisch-nachexilischen Zeit im Gegensatz zu einer langsamen Entwicklung aber eine plötzliche Steigerung der Bedeutung der Stadt feststellen, die ihren unübersehbaren literarischen Niederschlag gefunden hat, der einige deutliche Parallelen zu der korachitischen Zionstheologie aufweist, auf Grund dieser Tatsache also ist es nicht schwierig, die Zionspsalmen der Korachiten nun endgültig dieser Zeit zuzuweisen. VII.

AUSWIRKUNGEN

1. Das Alter der Zionstheologie der Korachiten

In einer ersten Zusammenfassung (S. 31 f.) haben wir festgestellt, daß die Korachiten ihre Psalmen nicht nur von irgendwoher und von u

le

Einen guten Überblick über die Reichhaltigkeit der Aussagen über Zion-Jerusalem in exilisch-nachexilischer Zeit bietet G. FOHRER, Art. Σιών ThW VII, S. 307—318. Vgl. G. FOHRER, Die Struktur der alttestamentlichen Eschatologie, ThLZ 86 (1960), Sp. 416 ff.

1. Das Alter der Zionstheologie der Korachiten

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einem bestimmten Interesse geleitet zusammengetragen haben, sondern auch aktiv an der Gestaltung ihrer Sammlung beteiligt gewesen sein müssen. Dies drückt sich vor allem in einer Reihe von Zionsliedern aus, die eine hochentwickelte Zionstheologie repräsentieren, von der wir feststellten, daß sie sehr ausgeprägte Vorstellungen, die sich an und um Zion-Jerusalem gebildet haben, voraussetzt (S. 38). Dazu kommt noch, daß die Korachiten selbst als Sänger dem nachexilischen Tempel angehörten. Es lag nahe anzunehmen, daß demnach auch die korachitische Zionstheologie und mit ihr die Psalmen 46 48 84 87 der nachexilischen Zeit zuzuordnen sind. Dies sollte durch eine Einzeluntersuchung nachgewiesen werden, die notwendig geworden war durch die Feststellung, daß die Korachiten sehr altertümliche Motive und Vorstellungen in ihre Psalmen aufgenommen haben. Der Gebrauch des Gottesepithetons ,Zebaoth', den wir als erstes untersuchten, führte uns zu dem Ergebnis, daß .Jahwe Zebaoth' in den Korachitenpsalmen nicht mehr als ein Kennzeichen einer bestimmten Tradition anzusehen ist, sondern eher auf Grund der Bedeutung, die in dem Wort 1YIK3S hegt, in die Korachitenpsalmen aufgenommen wurde. Sollte der Gebrauch dieses Epithetons aber doch auf eine Beeinflussung der Gestaltung der Korachitenpsalmen aus anderen Überlieferungsbereichen hinweisen, dann käme hierfür nur die Prophetie, als der Haupttradent dieses Namens, in Frage. Wesentlich enger mit Zion-Jerusalem verbunden zeigte sich aber die auf Jahwe übertragene Gottesbezeichnung ,Äljon', die als Hinweis auf eine alte Jerusalemer Tradition in Anspruch genommen werden könnte, da sie innerhalb des Alten Testaments fast ausschließlich1 in der Kultpoesie überliefert ist, wofür wir zwei Gründe anführen konnten: ,Äljon' hängt, wie der Textbefund zeigte, sehr eng an Jerusalem, das erst verhältnismäßig spät in den Gesichtskreis des Jahweglaubens getreten ist. Aus diesem Grund hat diese Gottesbezeichnung auch nicht die Verbreitung gefunden, die wir für das Epitheton ,Zebaoth' feststellen konnten. Weiter dürfte die Auseinandersetzung des Jahweglaubens mit dem eindringenden kanaanäischen Gedankengut dazu geführt haben, daß sich die Bezeichnung ,Äljon' nicht über die Kultpoesie hinaus verbreitet hat. Die Verwendung des Epithetons in den Korachitenpsalmen zeigte im Vergleich zu anderen Texten des Alten Testaments eine sehr selbstverständliche Identifizierung Äljons mit Jahwe, die nicht gerade als ein Hinweis auf das hohe Alter der Psalmen verstanden werden kann. Ebenso verhielt es sich mit den übrigen untersuchten Gottesbezeichnungen. Zwar ließ sich nirgends eindeutig feststellen, daß sie 1

Ausgenommen Jes 14tbff. und Gen 14.

108

VII. Auswirkungen

nur in der nachexilischen Zeit gebraucht worden sind. Es ließ sich aber immerhin zeigen, daß die in den Korachitenpsalmen verwendeten Gottesbezeichnungen zu einer Spätdatierung derselben nicht in Widerspruch stehen, sondern eher eine solche befürworten. Die sehr altertümlichen Motive, die in der weiteren Folge untersucht wurden und die für die korachitischen Zionslieder kennzeichnend sind, klärten aber die Situation weitgehend. In jedem Fall war zu sehen, daß die aus alten kanaanäischen oder mesopotamischen Mythen übernommenen Motive im Alten Testament erst in sehr später Zeit zur literarischen Ausgestaltung gewisser Sachverhalte verwendet wurden. Vor allem die Verbindung Zion-Jerusalem mit Bildern aus den außerisraelitischen Mythen gehört ausschließlich der exilischnachexilischen Zeit an. Den endgültigen Beweis für eine exilisch-nachexilische Ansetzung der korachitischen Zionslieder lieferte die Untersuchung des Völkerkampfmotivs. Dieses ist in seiner in den Korachitenpsalmen vorliegenden Gestalt überhaupt erst in der nachexilischen Zeit belegt und kann erst in dieser Form als Motiv angesprochen werden, während früher zu beobachtende Formen nur als Vorstadien seiner Entwicklung zu einem Motiv angesehen werden können. Alle diese Einzelzüge ließen sich nun, auch in ihrer Gesamtheit betrachtet, gut in die Vorstellungen einordnen, die sich vor allem am Tempel sowie dem Tempelberg in einer langen Entwicklung bildeten. Erst zu der Zeit, als die Vorstellungen von der Heiligkeit des Tempels und des Tempelberges auf die ganze Stadt Jerusalem ausgedehnt wurden und sich durch den Verlust der Selbständigkeit des Staates Juda Interesse und Hoffnungen der Jahwegemeinde mehr und mehr auf Jerusalem konzentrierten, war die häufige Übertragung außerisraelitischer Motive auf Zion-Jerusalem zu beobachten. Vor allem die eschatologische Prophetie bediente sich dieser Motive und Vorstellungen in ihrer Verkündigung. Sie rückt damit in unmittelbare Nähe zu den Zionsliedern der Korachiten, womit man nicht umhin kann, für beide literarische Gruppen die gleiche Entstehungszeit anzuerkennen (S. lOOff.). Damit schließt sich aber der Kreis der Untersuchung. Nicht nur die Korachiten und die ihnen zugeschriebene Psalmensammlung, sondern auch die in einem Teil der gesammelten Psalmen zum Ausdruck kommende Theologie gehört in die nachexilische Zeit. Auch aus diesem Grund erhält die Annahme, daß unter Umständen die Korachiten einen Teil ihrer Psalmen, nämlich die an Zion-Jerusalem orientierten, selbst verfaßt haben, festeren Boden. Der andere Teil der Psalmen, der nicht genauer untersucht wurde, ist von den Korachiten in ihr Liederbuch aufgenommen worden und enthält auch noch Psalmen

2. Jerusalemer Kulttraditionen ?

109

aus der vorexilischen Zeit, wenngleich man das mit Sicherheit nur von Ps 45 behaupten kann. Das Ergebnis dieser Untersuchung zieht aber einige Auswirkungen nach sich, die wir oben in einem Fall (S. 72 ff.) schon angedeutet haben. Ihnen wollen wir uns noch kurz in den folgenden Abschnitten zuwenden. 2. Jerusalemer Kulttraditionen ? Schon in der Einleitung zur Untersuchung des Völkerkampfmotivs (S. 70ff.) wiesen wir darauf hin, daß die exilisch-nachexilische Entstehung desselben nicht unbeachtliche Folgen für die Beurteilung der vielfach vertretenen Hypothese einer Jerusalemer Kulttradition nach sich ziehen würde2. Den Boden für die Behauptung der Existenz einer Jerusalemer Kulttradition bereitete H. SCHMID3. E r zeigte in seiner Arbeit, daß eine Reihe von Elementen der vorisraelitischen Jerusalemer EiReligion auf Jahwe übertragen wurde und ihren sichtbaren Niederschlag in einer Anzahl von Psalmen gefunden hat. Zu diesen Elementen rechnet SCHMID auch die Gottesbergvorstellung und die Chaoskampfstradition«4. Alle diese Elemente werden von SCHMID in dem Oberbegriff zusammengefaßt: »Kulttraditionen von Jerusalem«. Es ist nicht zu leugnen, daß tatsächlich ein Teil dieser Vorstellungen aus der Jerusalemer El-Religion, die durch den Eläljon repräsentiert wird, in den Jahweglauben übernommen wurde und in ihm aufgegangen ist. Jedoch ist dieser Vorgang analog auch für andere Heiligtümer anzunehmen. In jedem Fall muß man aber von übernommenen Einzelelementen sprechen und kann nicht von vornherein die Summe dieser Elemente oder gar ein einzelnes (in unserm Fall den Chaoskampf) als eine »Tradition« bezeichnen. SCHMID kommt aber dennoch zu diesem Ergebnis, da er, unter Außerachtlassung eines größeren Zusammenhanges (er untersucht nur Einzelpassagen von Psalmen), die für ihn in Frage kommenden Psalmen vielfach der vorexilischen Zeit zuschreibt. So kann er auch die Gottesbergvorstellung und das Chaoskampfmotiv, wie sie uns in den Psalmen 46 und 48 vorliegen, auf Grund des Vorkommens der Gottesbezeichnung ,Äljon' der vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition zuordnen (wobei er Ps 48 der vorexilischen Zeit zuweist5). * Die Vertreter dieser These sind oben S. 72 genannt und werden im folgenden weitgehend nur mit ihrem Namen zitiert. * Jahwe und die Kulttraditionen von Jerusalem, ZAW 67 (1965), S. 168—197. 4 A. a. O., S. 182. 8 Zu Ps 48 sagt H. SCHMID, a. a. O., S. 188: »Wichtig für die Datierung ist, daß der Tempel als bestehend vorausgesetzt wird (v. 10); da der Zionsberg hoch gepriesen

110

VII. Auswirkungen

Beschränkt sich SCHMID in der Beschreibung der vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition auf die in der außerisraelitischen Literatur belegbaren Motive und Vorstellungen, so gehen ROHLAND und nach ihm KRAUS, V. R A D und SCHREINER noch einen Schritt weiter, indem sie auch das Völkerkampfmotiv, eine in der nichtisraelitischen Literatur nicht belegbare Größe, für die Kulttradition in Anspruch nehmen. Ausgangspunkt für diese These ist abermals die Behauptung, daß die in den Psalmen überlieferte Tradition und zum Teil die Psalmen selbst zweifellos alt seien. Die Frage, ob überhaupt eine Tradition vorliege, wird nicht gestellt. Hinzu kommt die Behauptung, daß in der Geschichte Jerusalems kein historischer Anknüpfungspunkt gegeben sei, der derartige Traditionen, wie sie in den Psalmen 46 48 und 76 vorliegen, erklären könne. Die Frage, ob wir es bei den besprochenen Motiven mit einer Tradition zu tun haben, hängt nicht bloß von dem Alter der Motive ab, die eine solche Tradition repräsentieren sollen, sondern ist erst dann beantwortbar, wenn jedes einzelne Motiv auf sein Alter, seinen Ursprung und den Zeitpunkt der Übernahme in das israelitische Denken und Vorstellen untersucht worden ist. Erst wenn tatsächüch alle Motive in der außerisraelitischen Literatur nachgewiesen sind, für alle Motive eine sehr frühe Übernahme in das Alte Testament — in unserem Fall zur Zeit der Eroberung Jerusalems durch David und kurz danach, wenigstens zur Königszeit — als gesichert erscheint und für den jeweiligen Motivenkomplex eine mehr oder weniger geschlossene überlieferungsgeschichtliche Linie vom Zeitpunkt der Übernahme an erhoben werden kann, könnte man von einer Tradition sprechen; von einer Jerusalemer Kulttradition, die schon in vorisraelitischer Zeit als solche angenommen wird, sogar erst dann, wenn eindeutig feststeht, daß alle ihr zugeschriebenen Einzelvorstellungen über Jerusalem in den Jahweglauben gekommen sind. Letzteres scheint für alle Verfechter der ,Kulttraditionshypothese' dadurch geklärt zu sein, daß ein Großteil der Motive in der Psalmenliteratur belegt ist, also dem Jerusalemer Kult zuzuordnen ist. Dagegen lassen sich keine Einwände erheben, wenngleich damit noch nicht alle Fragen gelöst sind. Das Alter der Motive haben wir oben in allen Fällen geklärt. Bis auf das Völkerkampfmotiv können alle von uns untersuchten Motive bzw. Vorstellungen hohes Alter für sich in Anspruch nehmen. Auch der Ursprung der Motive in außerisraelitischer Literatur ist, das Völkerkampfmotiv abermals ausgenommen, eindeutig nachgewiesen. wird, stammt der Psalm schwerlich aus der Zeit nach der Zerstörung der Stadt und dem Wiederaufbau des Tempels.« Von Ps 46 nimmt S C H M I D offenbar Ähnliches an, da er sich zur Datierung des Psalms nicht äußert.

2. Jerusalemer Kulttraditionen ?

Ill

Ebenso sind alle Motive in den Psalmen belegt. Es lag also für H . SCHMID nahe, diese Beobachtung mit dem Schluß zu krönen, es läge somit eine Jerusalemer Kulttradition vor. SCHMID stellte aber eine entscheidende Frage nicht, die sein Urteil unhaltbar macht: die Frage nach dem Zeitpunkt der Übernahme außerisraelitischer Motive in die alttestamentliche Literatur. Diese wurde für ihn nicht nötig, da er in seiner Arbeit das Völkerkampfmotiv unberücksichtigt ließ und die übrigen Motive aus ihrem Zusammenhang gelöst untersuchte. So geht er mit keinem Wort darauf ein, daß in Ps 46 neben dem Chaoskampfmotiv (bei SCHMID: -»tradition«) und in Ps 4 8 neben der Götterbergvorstellung das Völkerkampfmotiv eine entscheidende Rolle spielt und vor allem für die Datierung der Psalmen wichtig ist. Das Alter von Motiven ist eben nicht ausschlaggebend für das Alter eines Textes, in dem sie vorkommen®; der größere Zusammenhang muß beachtet werden. Die Beachtung dieses größeren Zusammenhanges führt bei ROHLAND, v. R A D und KRAUS aber wiederum dazu, daß man auf Grund des Alters einzelner Motive auf das Alter eines anderen Motivs, in unserem Fall des Völkerkampfmotivs, schließt und aus dem ursprünglichen Zusammenhang, dem Mythos, dem die Motive entstammen, auch die Deutung des Völkerkampfmotivs abliest. Mit anderen Worten: Chaoskampfmotiv und Götterbergvorstellung sind alt und gehören dem Bereich des Mythos an, analog dazu hat man dasselbe für das Völkerkampfmotiv anzunehmen, da alle Motive in einem geschlossenen Zusammenhang vorfindlich sind7. • Vgl. G. v. RAD, Theologie I, S. 273: »Bei diesen Belegen aus jungen Literaturwerken ist zu bedenken, daß sie die Tendenz zeigen, gerade altertümliche Vorstellungen zu restaurieren.« 7 R O H L A N D (siehe IV/A. 11), S. 130 und 136, weist im Rahmen einer Ablehnung der eschatologischen Deutung des Völkerkampfmotivs zwar darauf hin, daß dasselbe in Ps 48 auch in nichtmythologischer Einkleidung vorliegt, sieht sich aber dennoch genötigt, es »dem durch den vorisraelitischen Kult auf dem Zion vermittelten Bild vom Gottesberg« (S. 137) und einer außer- bzw. vorisraelitischen Jerusalemer Tradition zuzuordnen (S. 140f.). — Welch anderem Bereich wäre aber eine solche Tradition zuzuordnen als dem vorisraelitischen Kultus und damit dem Mythos ? Letzterem soll aber das Völkerkampfmotiv, wie R O H L A N D indirekt sagt, nicht angehören. Wie es aber wirklich zu deuten sei, darüber äußert sich ROHLAND nicht. Es scheint so, als verstricke sich ROHLAND und mit ihm auch die, die seine Meinung übernehmen, in eine Aporie: Auf der einen Seite ist das Völkerkampfmotiv in der Mythologie nicht unterzubringen, auf der anderen Seite wird es aber doch einer außerisraelitischen Kulttradition, die nicht anders als mythologisch verstanden werden kann, zugewiesen. Was ist das Völkerkampfmotiv nun nach ROHLANDS Meinung wirklich ? KRAUS S. 358)

und v. R A D entgehen dem Dilemma auf ihre Weise. K R A U S (Psalmen I, entscheidet sich mit G U N K E L für die Historisierung des aus dem Mythos

112

VII. Auswirkungen

Nun hat sich aber nicht nur gezeigt, daß das Völkerkampfmotiv weder mythologisch zu deuten ist noch hohes Alter aufweist, sondern auch, daß die sehr alten, aus dem Mythos stammenden Motive durchweg erst sehr spät in das israelitische Denken und Vorstellen Eingang und dementsprechend auch in später Zeit und in jungen Literaturwerken des Alten Testaments ihren Niederschlag gefunden haben. Erst in der exilisch-nachexilischen Literatur läßt sich ein gehäuftes Auftreten der in Frage stehenden Motive erkennen, wobei vor allem die eschatologische Prophetie zu nennen ist. Damit gehören also nicht nur die korachitischen Zionslieder und hier besonders die Psalmen 46 48 und 87 in eine sehr späte Zeit, sondern auch die in ihnen repräsentierte »Überlieferung«8 spiegelt eine späte Entwicklung der an Zion-Jerusalem entstandenen Vorstellungen wider, wofür das Völkerkampfmotiv einen unübersehbaren Beweis liefert. Das Alter der Motive und ihre späte Übernahme in das israelitische Denken und Vorstellen9 sowie die Tatsache, daß das Völkerkampfmotiv sehr jung ist, widersprechen der Hypothese von einer vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition. Es fehlen vor allem für die Zeit zwischen der Eroberung Jerusalems durch David und der Exilszeit überlieferungsgeschichtliche Belege für die Existenz einer solchen Tradition. Die korachitischen Zionslieder und die in ihnen verwendeten Vorstellungen können als solche Belege nicht herangezogen werden. Damit rechtfertigt nichts die Annahme, daß es eine Jerusalemer Kulttradition gegeben hätte, die, aus der vorisraelitischen Jerusalemer El-Religion hervorgegangen, im Alten Testament ihren Niederschlag gefunden hätte. Von einer solchen Tradition könnte man erwarten, daß sie im Laufe ihrer Überlieferung ihr Anliegen nicht nur in sehr jungen Psalmen zur Sprache gebracht, sondern auch in älteren Liedern des Psalters ihren Niederschlag gefunden hätte. Nichts davon ist aber im Alten Testament zu finden. Vielmehr stellen alle in den Korachitenpsalmen gebrauchten Bilder und Vorstellungen Einzelstammenden Chaoskampfmotivs, und auch v. RAD sieht hinter ihm — obschon er sich vorsichtig ausdrückt — ein mythisches Geschehen (Theologie I, S. 64f.), wenn auch der Stoff nicht »mythologisch im engeren Sinne« zu nennen sei (Theologie II, S. 1 6 8 ) . Auch bei v. R A D findet sich dieselbe Aporie wie bei R O H L A N D . Offenbar weiß man doch nichts Rechtes mit dem Motiv anzufangen und rettet sich in eine nicht belegbare Kulttradition. 8

So G. v. RAD, Theologie II, S. 168. • Die späte Übernahme mythischer Motive ist wahrscheinlich auf eine geänderte Bewußtseinshaltung Israels zurückzuführen, die mit dem Exil einsetzte und eine neue Haltung fremdem religiösen Material gegenüber hervorrief, bedingt etwa durch die Erweiterung des Gesichtskreises in religiöser Hinsicht und durch die Verkündigung Ezechiels und Deuterojesajas.

3. Das Verhältnis der Korachitenpsalmen zur eschatologischen Prophetie

113

züge dar, die, durch ihre Verbreitung im gesamten vorderorientalischen Raum zu Motiven geworden, in später Zeit Eingang in das Alte Testament gefunden haben. Durch ihre Übertragung auf Zion-Jerusalem vor allem seit Ezechiel bildete sich an der Gottesstadt ein Vorstellungskomplex, der bis ins Neue Testament Zeugnisse seiner Uberlieferung aufweisen kann10. Die Basis zur Ausbildung dieses Vorstellungskomplexes wurde in der vorexilischen Zeit gelegt. Die Erhebung des Jerusalemer Heiligtums zum Staatsheiligtum durch die Davididen, die Ausweitung des Heiligkeitscharakters vom Tempel auf den Zion und in einem letzten Stadium auf die ganze Stadt, die Hervorhebung Jerusalems durch die Kultuszentralisation, wie sie das Deuteronomium forderte, die durch die Jesajalegenden ins Wunderhafte gesteigerte Bewahrung Jerusalems vor dem Angriff der Assyrer 701 und schließlich die Vorstellung vom Wohnen Jahwes auf dem Zion bereiteten den Boden für die in der exilisch-nachexilischen Zeit zu beobachtende großartige Ausgestaltung der an Zion-Jerusalem haftenden Vorstellungen, vor allem in der eschatologischen Prophetie. Eine am zweiten Tempel wirkende Tempelsängergruppe konnte an dieser Entwicklung freilich nicht vorübergehen, da sie ihr zentrales Anliegen und Interesse betraf. Die korachitischen Zionspsalmen repräsentieren als die Lieder dieser Sängergruppe nicht eine schon aus vorisraelitischer Zeit stammende Kulttradition, sondern vertreten eine an den in exilischnachexilischer Zeit um die Gottesstadt entstandenen Vorstellungen orientierte Zionstheologie.

3. Das Verhältnis der Korachitenpsalmen

zur eschatologischen

Prophetie

Um die Fragestellung etwas genauer zu umreißen, soll H.-J. K R A U S ausführlicher zu Wort kommen, als das oben (S. 73) schon geschehen ist: »Rückblickend kann festgestellt werden, daß in Ps 46 eine sehr bemerkenswerte K u l t t r a d i t i o n J e r u s a l e m s hervortritt, die doch wohl in vorisraelitische Zeit zurückgeht und eine Reihe mythologischer, altkanaanäischer bzw. altsyrischer Vorstellungen auf den Zion übertragen hat. Diese Kulttradition ist jedoch nicht nur in den Psalmen (ζ. B. Ps 48; 76) nachweisbar, sondern vor allem auch bei Jesaja, dem Jerusalemer Propheten bzw. bei der mit Jesaja verwandten Prophetie: vgl. Jes 17 i 2 f f . 2 4 2 1 261 29 7 f . 33 2 0 f . — Das Verhältnis zwischen Kulttradition und Prophetie ist nach allen diesen Feststellungen nun aber zweifellos 1 1 in der Weise zu bestimmen, daß 10

Vgl. Apc 21 io 22 ι f. W a n k e , Zionstheologie

11

Von mir gesperrt. 8

114

VII. Auswirkungen

die Kultüberlieferungen das Primäre, die in eschatologische Aussagen transponierten Prophetien das Sekundäre sind. M. a. W.: Die Propheten haben Aussagen und Vorstellungen ihrer Verkündigung aus den Kulttraditionen Jerusalems geschöpft. Neben Jesaja und den nichtjesajanischen Prophetien im 1. Teil des Buches Jesaja wären vor allem auch Micha und Jeremia (aber auch Ezechiel, Zephanja und Deuterojesaja) zu nennen. Richtig hat ERohland das Verhältnis der Jerusalemer Kulttraditionen zur Prophetie und Eschatologie gesehen (. . ,)«12. KRAUS faßt in klassischer Weise das Vorurteil, dem E. ROHLAND erlegen ist und nach ihm auch G. v. RAD und KRAUS selbst, in Worte: Kulttradition sei der Prophetie vorzuordnen; Ps 46 48 und 76 repräsentieren diejenige »zweifellos« sehr alte Kulttradition, von der Jesaja und viele seiner Nachfolger abhängig seien oder aus der sie schöpften13. Das Ergebnis unserer Untersuchung entzieht diesem Urteil nun aber die Grundlage. Von einer vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition, die im Alten Testament noch aufzuspüren wäre (vor allem im Sinne ROHLANDS), ZU reden, ist nicht möglich. Ebenso unmöglich ist es aber, von hier aus auf ein Verhältnis zwischen Kulttradition und Prophetie zu schließen. Wir haben vielmehr zu fragen nach einem etwaigen Verhältnis zwischen eschatologischer Prophetie und den Psalmen 46 48 und 7614; genauer: nach einem Verhältnis zwischen den in diesen Psalmen zu Tage tretenden Vorstellungen und Parallelen in der prophetischen Literatur. Dieses Verhältnis kann zunächst nicht so bestimmt werden, daß von vornherein die Priorität der Psalmen gegenüber den prophetischen Texten behauptet wird. Die Entstehung des Völkerkampfmotivs in exilisch-frühnachexilischer Zeit legt vielmehr nahe, daß die mit Ezechiel einsetzende Übertragung genuin nicht mit Zion-Jerusalem verbundener Motive auf die Gottesstadt von der eschatologischen Prophetie einerseits und der Kultpoesie andererseits aufgenommen worden ist. Die literarische Auswertung dieser Erscheinung vollzog sich dann jeweils in einer der jeweiligen theologischen Position entsprechenden Form. Die eschatologische Prophetie baute die nun mit Zion-Jerusalem verbundenen Motive in die Schilderung der endzeitlichen Ereignisse ein, während die Kultpoesie die Motive zur hymnischen Prädikation der Gottesstadt heranzog. Es ist schwierig zu entscheiden, welcher dieser beiden Gruppen zeitlich der Vorrang einzuräumen ist, da wir vielfach die einzelnen Texte nicht exakt datieren können. Dies spielt jedoch keine ent12

18 14

KRAUS, Psalmen I , S. 344f. Vgl. E. ROHLAND, a. a. O., und G. v. R A D , Theologie II, S. 168. Psalm 76 können wir hier mitnennen, da er in denselben Zusammenhang wie die Psalmen 46 und 48 gehört.

3. Das Verhältnis der Korachitenpsalmen zur eschatologischen Prophetie

115

scheidende Rolle, da wenigstens eines deutlich geworden ist: für beide Gruppen kommt nur die nachexilische Zeit in Frage; einer tatsächlichen Vor- oder Nachordnung der prophetischen Texte in bezug auf die Psalmen kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu; keinesfalls jedoch die Bedeutung, die ihr von KRAUS15 beigemessen wird. Eine gegenseitige Beeinflussung zwischen der eschatologischen Prophetie und den Psalmen haben wir schon feststellen können. So ist das Bild von der Zerstörung der Kriegswaffen in Ps 46 10 eine Anleihe aus der eschatologischen Prophetie, während umgekehrt Ps 46 2 mit seiner Vertrauensaussage die Formulierung von Joel 4 leb. 17 beeinflußt hat 16 . Beide Texte sind jedoch in der Verwendung der Erkenntnisformel nach der Vernichtung der Völker von Ez 39 22 abhängig. Die Anspielung auf die Bewahrung Jerusalems vor dem anstürmenden Sanherib in Ps 48 und die Ausgestaltung derselben mit dem Völkerkampfmotiv17 scheint die Verbindung der anstürmenden Völker mit Jerusalem schon vorauszusetzen, wie sie erst in eschatologischen Texten vorliegt18. Die hier an kurzen Beispielen gezeigte gegenseitige literarische Beeinflussung der eschatologischen Texte und der korachitischen Zionspsalmen ist ebenfalls ein Beweis dafür, daß beide Textgruppen der gleichen Zeit angehören. Wir gelangen nach diesen Überlegungen dann aber folgerichtig zu dem Schluß, daß auch andere Texte, deren Abhängigkeit sowohl von den in Frage stehenden Korachitenpsalmen — und hier vor allem von Ps 46 — als auch von der eschatologischen Prophetie unbestritten ist, Erzeugnisse nachexilischen literarischen Wirkens sein müssen. Dies vor allem deshalb, weil die in den Psalmen 46 48 und 76 sich widerspiegelnde Theologie nicht mehr als eine alte Überlieferung in Anspruch genommen werden kann, auf die vor allem Jesaja hätte zurückgreifen können. Damit erledigen sich auch die Versuche, eine Reihe von Texten, die sich heute im Buch des ersten Jesaja finden, für den Propheten selbst in Anspruch zu nehmen. Hierher gehört vor allem Jes 2 2-4 / / Mi 41-3, ein Text, der in der neueren Forschung vielfach Jesaja zugeschrieben wird19. Vielleicht Siehe oben das Zitat aus Psalmen I, S. 344f. " Vgl. S. 99. 17 Siehe S. 96 ff. 18 Auch Ps 85, der zwar nicht Jerusalem im Auge hat. läßt erkennen, daß die Korachitenpsalmen nicht unbeeinflußt geblieben sind von der eschatologischen Prophetie, zeigt er doch heilseschatologische Züge in dem abschließenden Orakel und seiner Ausgestaltung (v. 10-14). 1 8 E. ROHLAND, a. a. O., S. 171 ff.; G. v. R A D , Theologie II, S. 307; M. NOTH, Jerusalem und die israelitische Tradition, Oudtestamentische Studien VIII (1950), S. 42; jetzt: Gesammelte Studien zum AT 1957, S. 183 (hält das Wort entweder für jesajau



116

VII. Auswirkungen

kann man von einer Vorordnung der Zionslieder in bezug auf Jes 2 2-4 und von einer Abhängigkeit des Textes von denselben reden, beides Gründe, die für die Echtheit des Wortes angeführt werden. Von unseren Ergebnissen aus jedoch ist die Abhängigkeit des Textes von den Zionsliedern ein sicherer Beweis für die Unechtheit des Wortes. Die Abhängigkeit des Textes von den Zionsliedern, besonders aber von Ps 46, hat H. WILDBERGER20 stichhaltig nachweisen können. Ebenso stichhaltig sind die von ihm angeführten Gründe für die Beziehungen von Jes 2 2-4 zu Jes 17 12-14 (,zweifellos echte Partie seines [Jes.JBuches' S. 69). Für die Echtheit der Stelle führt aber WILDBERGER mehr als fragwürdige Texte (fragwürdig in bezug auf ihre Echtheit) an, wie Jes 1 7 12-14, einen Zusatz zu 2 9 1 - 7 in v. 8, sowie einen geänderten Text, Jes 14 25 (haraj zu harij); daran ändert auch seine — ebenso fragwürdige — Feststellung nichts, daß sich Jesajas Hoffnungen auch »anderwärts gerade an den Zion« knüpfen (S. 71). Die Berufung darauf, daß Jes 2 2-4 zweifellos jünger ist als der Gedankengehalt der Psalmen 46 48 und 76 und daß der genannte Text inhaltlich anderen Texten im Jesajabuch nahesteht, reicht nicht aus, die Echtheit der Stelle zu belegen, da erst eine motivgeschichtliche Untersuchung endgültigen Aufschluß geben kann. Mehr als die Abhängigkeit der Stelle von den genannten Psalmen und von Jes 17 20 12-14 hat also WILDBERGER nicht zeigen können ". nisch oder für michanisch); R. Fey, Arnos und Jesaja, Wiss. Mon. ζ. A. u. N T 12, 1 9 6 3 , S . 7 7 . — Zur Diskussion vgl. O . P R O C K S C H , Jesaja I , Kommentar zum AT I X 1930, S. 61 f. » Die Völkerwallfahrt zum Zion, VT 7 (1967), S. 61 ff. In der während des Druckes dieser Untersuchung erschienenen ersten Lieferung seines Jesajakommentars (H. W I L D B E R G E R , Jesaja, B K X 1 ) hält W I L D B E R G E R (S. 78ff.) an der jesajanischen Herkunft von Jes 2 2-4 fest. Dies mit der Begründung, daß in 2 2-4 u. a. nicht eine andere Verwendung des Völkerkampfmotivs, sondern »die Rezeption eines anderen Motivs aus der Welt der Zionstradition, nämlich desjenigen der Völkerwallfahrt« vorliege, und dies unter Berufung auf die Zionspsalmen ( 7 6 l l f . 4 8 e . i l ) , die »ausdrücklich von der Bedeutung des Gottesberges für die Verehrung Jahwes durch die Völkerwelt« reden (S. 80). Gerade aus den zitierten Zionsliedern aber und aus dem nicht genannten Ps 46, zu dem Jes 2 2-4 in enger Beziehung steht (siehe oben S. 99 und 1161), ist zu erheben, daß das Völkerwallfahrtsmotiv vom Völkerkampfmotiv nicht zu trennen ist (vgl. Ps 46 lOf. mit Jes 2 2). Die Eigenständigkeit des Völkerwallfahrtmotivs gerade in diesem Zusammenhang zu behaupten, heißt, einer Fülle von Hypothesen eine neue unbegründete hinzufügen. Im übrigen läßt nun auch W I L D B E R G E R S Kommentar erkennen, daß die Behauptung einer »alten kultischen Tradition vom Gottesberg Zion« (S. 79) zu einem Axiom geworden ist und zu den gesicherten Ergebnissen der alttestamentlichen Forschung gerechnet wird: »Daß diese Tradition vorexilischen Ursprungs ist, wenn auch einzelne Zionspsalmen des Psalters erst nachexilisch sein mögen, ist heute unbestritten, wie es andererseits keine Frage mehr sein kann.

loa

Anhang

117

Die zeitliche Einordnung der in den Psalmen 46 48 und 76 zum Ausdruck kommenden Gedankenwelt vor Jesaja führt nun bei ROHLAND und v. RAD dazu, neben Jes 2 2-4 weitere Stellen, die vor allem durch das Völkerkampfmotiv charakterisiert sind, Jesaja zuzusprechen. Es handelt sich hier im besonderen um Jes 8 9f. und die schon genannte Stelle Jes 17 12-1421. Sehr deutlich ist in Jes 17 12-14 die Verwandtschaft zu Ps 46 zu erkennen: An beiden Stellen wird sowohl das Chaoskampfmotiv als auch das Völkerkampfmotiv gebraucht ; beide Texte verwenden an entscheidender Stelle das Verbum nan (Ps 464. 7 und Jes 1712) und erwarten die »Hilfe am Morgen«22 (Ps 46 β und Jes 17 14). Wie Jes 1712-14 so nimmt auch Jes 8 9f. die Vorstellung vom Völkerkampf auf, zeigt jedoch keine so enge Beziehung zu den Zionsliedern. Die Zugehörigkeit der genannten Texte zur eschatologischen Prophetie ist allgemein anerkannt. Die Verwendung des Völkerkampfmotivs und die Verwandtschaft mit den Zionsliedern wurde kurz gezeigt. Alle diese Beobachtungen führen zu dem Schluß, daß auch diese Stellen in die nachexilische Zeit gehören und Jesaja abzusprechen sind.

ANHANG: ZUR DEUTUNG D E R PSALMEN 46 UND 48 Die korachitische Zionstheologie ist nach allem, was wir gesehen haben, von zwei wesentlichen Faktoren beeinflußt, die beide in ihrer Weise an Zion-Jerusalem gebunden sind. Auf der einen Seite durch den Kultus, der sich in nachexilischer Zeit auf den Jerusalemer Tempel beschränken mußte, und auf der anderen Seite durch die Eschatologie, die sich ebenfalls in der Schilderung des eschatologischen Geschehens weitgehend auf Jerusalem als die Stadt der endzeitlichen Gottesherrschaft konzentriert. Bedingt durch die enge Bindung der Sängerschaft an den Tempel steht der Kultus im Vordergrund, die Beziehung zur eschatologischen Prophetie ist aber nicht zu leugnen. Hatten doch auch die Propheten der nachexilischen Zeit in ihrer eschatologischen Verkündigung ihr Interesse am Tempel und am Kult deutlich zum Ausdruck gebracht; so Haggai, Sacharja und Joel. Diese beiden Aspekte, der kultische und der eschatologische, sollten nun auch in der Deutung der Zionslieder zu ihrem Recht kommen. Bislang wurde, soweit ich sehe, immer nur ein einzelner Aspekt bei der Deutung der Psalmen in den Vordergrund gerückt: entweder wurden die Psalmen zeitgeschichtlich oder eschatologisch. daß Jesaja die Ziontradition kennt und weitgehend von ihr her zu verstehen ist« (siel). Zu Jes 89t. vgl. E . R O H L A N D , a . a . O . , S. 169f. Zu Jes 17 1 2 - 1 4 vgl. G . V . R A D , Theologie II, S. 168 und R O H L A N D , a. a. O., S. 168f. » Vgl. J . Z I E G L E R , Die Hüfe Gottes »am Morgen«, Nötscher-Festschrift 1950, S. 281 bis 288. 81

118

Anhang

kultisch oder typisch-eschatologisch gedeutet **. Mit der Betonung eines Gesichtspunktes traten die anderen immer in den Hintergrund, und die Deutung der genannten Psalmen wurde einseitig geführt. Dieser Vorwurf ist auch M. W E I S S * 4 ZU machen, der mit seiner literaturwissenschaftlichen Deutungsweise alle anderen Interpretationsmöglichkeiten überwunden zu haben glaubt. Es ist meines Erachtens nicht möglich, in der Beurteilung eines Psalms in jedem Fall mit einer Interpretationsform auskommen zu können. Auch ist es unmöglich, alle Psalmen in ein Schema zu pressen und nach einer Methode abzuhandeln. Dies führt dann zum Beispiel dazu, daß man so viel Psalmen wie möglich einem völlig hypothetischen Fest unterordnet 24 . In den Psalmen 46 und 48 klingt nun neben dem eschatologischen und kultischen Aspekt auch der zeitgeschichtliche (heute durchweg abgelehnt) an. Alle drei Aspekte erscheinen in den Psalmen 46 und 48 in einer Synthese, die die Geschlossenheit des Ganzen keineswegs stört. So mündet der 46. Psalm mit seinem eindeutig kultischen Bezug 2 ' in einen eschatologischen Ausblick (ν. 9ff.), dessen Aussage dem glaubenden Vertrauen der betenden Gemeinde zur Gegenwart wird. In Ps 48 verbindet sich hingegen mit der hymnischen Verherrlichung der Gottesstadt, wenn auch nur in der Form des Bildes und über einen Zeitraum von einigen hundert Jahren hinweg, eine Anspielung auf ein historisches Ereignis 17 , die auch der zeitgeschichtlichen Deutung des Psalms, in einer zwar beschränkten aber doch nicht ganz unmöglichen Weise, ihren Platz zuweist. Auch Psalmen bleiben, mögen sie noch so eng mit dem Kultus verbunden sein, vielschichtige Literaturwerke, die eine Anpassung der Methode an ihren jeweiligen Charakter fordern und nicht in eine Zwangsjacke zu pressen sind, die in der heutigen Forschung zumeist »Fest« oder »Tradition« heißt. Dies gilt aber nicht nur für die Psalmen, sondern vor allem für Texte des Alten Testaments, die ihre Form und ihren Inhalt geprägteren Persönlichkeiten verdanken, als es vielleicht die korachitischen Sänger in ihrer doch sehr festen Bindung an den Jerusalemer Tempel gewesen sind. Aber selbst sie zeigen eine große dichterische Freiheit in der Bearbeitung des ihnen zur Verfügung stehenden Materials 22 ; dem ist eine kultische Interpretation allein nicht gewachsen. Sollten sich ihnen gegenüber die Propheten tatsächlich nur »als Sprecher und aktuelle Interpreten alter und altbekannter sakraler Traditionen verstanden« 2 * haben ? Als Interpreten von Traditionen, die weder alt noch altbekannt und schon gar nicht sakral waren ? Siehe S. 11 f. zu Ps 46. Zu Ps 48 vgl. auch S. 97 A. 83. Wege der neuen Dichtungswissenschaft in ihrer Anwendung auf die Psalmenforschung, Bibl. 42 (1961), S. 265—302. 15 Vgl. A . W E I S E R S Bundesfestkult und S. M O W I N C K E L S Thronbesteigungsfest. » Siehe S. 13. 27 Siehe S. 97 28 Siehe S. 76 f. 22 G. v. RAD, Theologie I I , S. 186. 22

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Stellenregister Genesis 10 14 16 ist 2188 31ιβ 33 20 361-10 46ii 497

87 46 f. 47 47 47 47 23 26 67

Exodus 612

618-80 621.24 15 15uf 1518 Leviticus

5 e-8 5e 6 22 2214 23 ι

I I . Samuel

103 72 41.44.103 69 ff. 47 f 66

I. Könige «12 103 818 34 8 ie 36 f. 18 63 26 1815 42 26 ff. 19IO.14 42 24 ff. 60 f. II. Könige 76 314 42 63 18f 94 ff. 18 ie 1985 .19 23 4

Numeri

26 ff. 16—17 27 f. 16 24f. 237.10.31.28 67 23 21 63 24 s. 17.19 67 24 ie 47. 49ff. 26e-io.il 27 f. 26ii 26 26 57 ff 27 f. 26 58 24f. 278 28 35 88 83 Deuteronomium 2819-52 90.98 32sf. . . .47. 49ff. 67 335 63 Josua 311-18

I. Samuel 18. I i . . 41.42 (A. 8) 19 104 (A. 8) 38 104 (A. 8) 4* 41. 44 «7 63 1212 63 152 42 17*5 42.44 24 19 26 19

104 (A. 8) 98 104 (A. 8)

Jesaja 1-39 66 22-4 66. 74. 99 f. 104. 105f. l l ö f f . 22-8 39 28.5 66 (A.49) 28 66 2β 66 (Α. 47) 5i9 83 525-29 89f. 98 65 63

8s

106

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3188 4618 46 27f 4815 4912 49 20 50 f 5045 5129 5155 5157

101 63 57 (A.62) 63 80(A.33) 83 82 83 83 69 63

Ezechiel Ez . 42 (A. 9.10). 113 17 22f 66 2088 63 23siff. . . . 80 (A. 33) 29 s 69 32 2 69 34 82 37—39 82 38 f 84ff. 38 5 87 (A. 68) 3812 83 39 22 98.116 39 25 67 401—4220 106 40 2 66 43 106 43 iff 84 f. 471-12 60(A.62).68. 84 f. 471-8 106

Hosea Hos 66 518 97 (A. 78) Jeremia 97 (Α. 78) Jer 42 (A. 10) 10 β 24 67 (A. 62) 10 lib . . . . 5 6 (Α. 46) 31-2.9 83 Joel 4—6 87 ff. 5 20 57 (A. 62) Joel 42 (Α. 9f.) 46.117 819 63.104 2 89 IO7.10 6 3 4 80f. 82. 85. 91. 94 10 ie.25 . .67 (A.62) 4 ie 60 f. 16igf 60 4 iec, 17 99.116 1717 60 4 1 8 . . . . 6 0 (A.62). 68 231 83 Arnos 25 9 88 56 2515 80 (A. 33) Arnos 2618 83 Obadja 29u 83 42 (A. 9) 30 f 82 Ob 307.10.18 .57 (A.62) Jona 3018 67 42 A. 9 317. I i . . . 6 7 (A.62) Jon

62s

100

Stellenregister

12 1 2 2 2 2 3 3 4 4 4 4 5 7 7 7 1 2 2 3 3

718 9/10 93 . 912 147 .

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Hoheslied

61 83

Klagelieder 3 35.88 47 f. 341 48 Daniel 434 924 1132

63 36.102 83 Esra

30 29

241 242

46 2-4

4 6 5f

69 69 69 69 83 69

Proverbia

23.31—40 2 1 f. 46. 71. 9 9 f 1 0 1 ff. 1 0 7

1 1 7 f.

67 63

46

69 ff. 1 1 3 f. 47 f. 76 3 46 56 76 7 55 21β 48 77 46 2 2 24 67 77n 48 24 41.63 78 46 24 3 36.103 78 5. 21. 71 57 24 β 65 7817.56 48 247-10 4 4 78 35 48 27 4 83 79 7 57 29 63 80 41 33 ii 83 812. 5 65 42—49 Iff. 2 3 . 3 1 — 4 0 82 46. 49. 50f. 42/43 6ff. 15.18 8 3 i » 48 21. 5 9 84—89 2ff 43 3 103 84 f 23.31—40 444 59 84 1 6 ff. 4 1 . 5 9 . 1 0 7 44 5 67. 6 2 f 84 4 6 2 f. 45 109 84 9 6 4 f. 46 10ff. 4 1 . 4 4 f . 4 6 85 2 5 7 ff. 7 1 . 74ff. 8 2 . 9 2 . 94.

3 3

73-83 73 73 Ii 74 75io 76 7 1 .

Nehemiä 29 111.18 . . . . 36. 102 1119 29 12 25 29 745

I. Chronik 135 ff

23 24 28 6 4b-9.14-15 . . . 28f. 67 24 f. 618-28 29 622 29 917-21 29 f. 919.31 25 9 31 29 f. 12 7 24 16 31 63 16 35 60f. 243 6 l-4a

261.19

20i9

...

26. 2 9 f .

II. Chronik 26.30

Apokalypse 21 ίο . . . 113 (A. 10) 22 if. . . . 113 (A. 10)

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Georg Fohrer 6 7 . DAS ETHOS DES ALTEN TESTAMENTS.

Von Jobatmet Hempel. 2., ergänzte Auflage. XII, 343 Seiten. 1964. Ganzleinen DM 58,—

Ezechiel und seine Tradition. Von Henning Graf Reventlo». VHI, 173 Seiten. 1962. DM 26,—

8 2 . WACHTER ÜBER ISRAEL.

Eine terminologische Studie. Von Roland Gradwobl. XHi, 116 Seiten. 1962. DM 20,—

8 3 . DIE FARBEN IM ALTEN TESTAMENT.

84.

MEMAR MARQAH. The Teaching of Marqah. 2 Bände. Edited and translated by John Matdonali. I. The Text. XLIU, 178 Seiten. Π. The Translation. IV, 256 Seiten. 1963. DM 68,—

8 5 . DER TRADITIONSGESCHICHTLICHB HINTERGRUND DER PROPHETISCHEN GERICHTSREDEN.

Von Eberhard von Waldow. VIII, 53 Seiten. 1963. DM 10,—

86.

BENJAMIN. Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte eines israelitischen Stammes. Von Klaus-Dietricb Scbunek. VIII, 188 Seiten. 1963. DM 32,—

8 7 . SALBUNG ALS RECHTSAKT IM ALTEN TESTAMENT UND IM ALTEN ORIENT.

Von Ernst Kutscb. X, 78 Seiten. 1963. DM 18,—

8 8 . UNTERSUCHUNGEN ZUR ISRAELITISCH-JÜDISCHEN CHRONOLOGIE.

Von Alfred Jepsen und Robert Hanbart. VI, 96 Seiten. 1964. DM 18,—

89.

Band I I . Nr. 1557—4459. Von Christoph Burcbard. XX, 359 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 84,—

BIBLIOGRAPHIE ZU DEN HANDSCHRIFTEN VOM TOTEN MEER.

Die Berichte über die Landnahme in den drei israelitischen Geschichtswerken. Von Sigmund Moanntkel. VI, 87 Seiten. 1964. DM 18,—

9 0 . TETRATEUCH, PENTATEUCH, HEXATEUCH.

91.

Eine Analyse von Exodus 1—15. Seiten. 1964. Ganzleinen DM 24,—

ÜBERLIEFERUNG UND GESCHICHTE DES EXODUS.

Von Georg Fohrer. VI,

9 2 . ERWAHLUNGSTHEOLOGIE UND UNIVERSALISMUS IM ALTEN TESTAMENT.

Von Peter Altmann. IV, 31 Seiten. 1964. DM 9,—

9 3 . DAS ALTISRAELITISCHE LADEHEILIGTUM.

Von Jobann Maier. X, 87 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 21,—

94.

Geschichtsphilosophische Voraussetzungen und historiographische Motive für die Darstellung der Religion und Geschichte Israels durch Wilhelm Vatke und Julius Wellhausen. Von Lotbar Perlitt. X, 249 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 42,—

95.

STAMMESSPRUCH UND GESCHICHTE. Die Angaben der Stammessprüche von Gen 49, Dtn 33 und Jdc 5 über die politischen und kultischen Zustände im damaligen „Israel". Von Hans-Jürgen Zobel. XII, 163 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 34,—

VATKE UND WELLHAUSEN.

9 6 . DIE LEXIKALISCHEN UND GRAMMATIKALISCHEN ARAMAISMEN IM ALTTESTAMENTLICHEN I-&BRÄISCH.

Von Max Wagner. Etwa 176 Seiten. 1966. Ganzleinen etwa DM 36,— LieferungsmSglicbkeiten und Preise der früheren Hefte auf Anfrage

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PATRISTISCHE TEXTE UND STUDIEN Im Auftrag der Patristischen Kommission der Akademien der Wissenschaften zu Göttingen · Heidelberg · München und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, herausgegeben von Kurt Aland und Wilhelm Schneemelcher Alle Bände Groß-Oktav

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