Die Nachtgesichte des Sacharja: Untersuchungen zu ihrer Stellung im Zusammenhang der Visionsberichte im Alten Testament und zu ihrem Bildmaterial 9783666532740, 3525532741, 9783525532744

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Die Nachtgesichte des Sacharja: Untersuchungen zu ihrer Stellung im Zusammenhang der Visionsberichte im Alten Testament und zu ihrem Bildmaterial
 9783666532740, 3525532741, 9783525532744

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Christian Jeremias Die Nachtgesichte des Sacharja

CHRISTIAN JEREMIAS

Die Nachtgesichte des Sacharja Untersuchungen zu ihrer Stellung im Zusammenhang der Visionsberichte im Alten Testament und zu ihrem Bildmaterial

GÖTTINGEN VANDENHOECK&RUPRECHT

1977

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ernst Räsemann und Ernst Würthwein 117 Heft der ganzen Reihe

ClP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Jeremias, Christian Die Nachtgesichte des Sacharja : Unters, zu ihrer Stellung im Z u s a m m e n h a n g d. Visionsberichte im Alten Testament u. zu ihrem Bildmaterial. - l . A u f l . - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1977. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments ; Bd. 117) ISBN 3-525-53274-1

Als H a b i l i t a t i o n s s c h r i f t auf E m p f e h l u n g d e r T h e o t o g i s c h e n Fakultät d e r U n i v e r s i t ä t Göttingen g e d r u c k t mit U n t e r s t ü t z u n g d e r D e u t s c h e n Forschungsgemeinschaft © V a n d e n h o e c k & R u p r e c h t , G ö t t i n g e n 1977.- P r i n t e d in G e r m a n y . O h n e a u s d r ü c k l i c h e G e n e h m i g u n g d e s V e r l a g e s ist e s n i c h t g e s t a t t e t , d a s B u c h o d e r T e i l e d a r a u s auf foto- o d e r a k u s t o m e c h a n i s c h e m W e g e zu v e r v i e l f ä l t i g e n . G e s a m t h e r s t e l l u n g H u b e r t & Co., G ö t t i n g e n

INHALT

Einleitung I.

7

Zur Struktur der Nachtgesichte

10

A.

10

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte . . . . 1. Das gemeinsame Grundschema im Aufbau der Nachtgesichte, seine Variationen und Erweiterungen 2. Der Zyklus der 7 Nachgesichte 3. Zur Frage der Datierung und des inhaltlichen Zusammenhangs der Nachtgesichte a) Das Problem des Datums in 1,7 b) Die Beziehungen dieses Datums zum 1. Nachtgesicht . . c) Die Beziehungen dieses Datums zu den übrigen Nachtgesichten d) Die inhaltlichen Verbindungslinien zwischen den Nachtgesichten e) Ergebnis

B.

Die Aufbauelemente der Nachtgesichte, verglichen mit denen der übrigen Visionen des Alten Testaments 1. Die Schilderung des vom Visionär Geschauten . . a) b) c) d) e)

Einleitende Formulierungen Stilistisches Die Art des Geschauten Der Bereich des Geschauten Die Funktion des Geschauten (Visionstypen)

2. Die Frage nach dem Geschauten und nach seiner Bedeutung 3. Die Deutung a) Die Formulierung der Deutung b) Art und Weise der Aufnahme und Erklärung der Schau in der Deutung aa) Deutungsmethode bb) Genauigkeit und Ausmaß der in der Deutung gegebenen Erklärung a) Verschlüsselung in der Deutung ß) Auswählende Deutung

4. Das abschließende Gottes wort

10 12 13 15 19 21 36 37

39 41 41 43 44 45 47

54 61 63 65 65 67 68 71

74

6

Inhalt

С.

Bemerkenswerte Züge und Strukturen im Rahmen des visionären Geschehens, verglichen mit den übrigen Visionen des Alten Testaments 1. Sacharjas Nachtgesichte a) b) c) d)

Das Gespräch Die Rolle des Propheten in der Vision Die Rolle des Deuteengels in der Vision Jahwe in der Vision

81 82 84 87

2. Vergleich mit den prophetischen Visionen und den Visionen Daniels

88

a) b) c) d)

Das Gespräch Die Rolle des Visionärs in der Vision Die Rolle des Deuteengels in der Vision Jahwe in der Vision

3. Zusammenfassung II.

Das inhaltliche Material der Nachtgesichte (Bildmaterial, Vorstellungen, Motive, Themen) A.

81 81

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7—15 und 6,1—8) Exkurs: Die Notzeit, die Feindmächte und deren Ende, die neue Zeit

89 91 93 104

107 109 110 138

B.

Das 2. Nachtgesicht ( 2 , 1 - 4 )

156

C.

Das 3. Nachtgesicht ( 2 , 5 - 9 )

164

D.

Das 4. (5.) Nachtgesicht (4,Iff)

176

Ε.

Das 5. (6.) Nachtgesicht ( 5 , 1 - 4 )

188

F.

Das 6. (7.) Nachtgesicht ( 5 , 5 - 1 1 )

195

G.

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7 1. Die Stellung im Zusammenhang der Nachtgesichte Sacharjas 2. Von der Überlieferung bestimmtes Begriffs- und Gedankengut in Sach 3,1—7 3. Abschließende Erwägungen Exkurs: Zu Beukens Verständnis von Sach 3,7 . .

201

Schluß

201 203 221 223 226

Literatur in Auswahl

234

Abgekürzt zitierte Literatur

243

Register der Namen und Sachen

244

Stellenregister

245

Register der hebräischen Wörter

248

EINLEITUNG Über den Zeitpunkt, zu dem Sacharja als Prophet aufgetreten ist, sind wir durch die Datierungen seiner Worte in 1,1.7 und 7,1 genau unterrichtet. Dort werden — unter Angabe des Monats oder sogar Tages — Daten im 2. und 4. Regierungsjahr des persischen Königs Darius I. (521 — 485) genannt, d.h. in den Jahren 520, 519 und 518 v.Chr. In dieser frühnachexilischen Zeit lag die Katastrophe des Jahres 587, die Auslöschung der staatlichen Existenz Judas durch die Babylonier und die Deportation wesentlicher Teile der Bevölkerung Jahrzehnte zurück. Inzwischen war das neubabylonische Reich durch die Perser unter Kyros (539—529) niedergeworfen worden. Es war unter der persischen Herrschaft dann zu der Erlaubnis, den Jerusalemer Tempel wiederaufzubauen, und zu einer Rückkehr von Exilierten gekommen. Die Hauptgruppe der Gola ist möglicherweise erst an der „Wende 5 2 1 / 5 2 0 " zurückgekommen 1 , d.h. kurz vor Sacharjas prophetischer Wirksamkeit. Es ist also zweifellos ein wichtiger Zeitpunkt innerhalb der Geschichte Israels, mit dem Sacharjas Verkündigung verbunden ist: Ein Neuanfang in der alten Heimat ist endlich möglich geworden, denn ein Großteil der Exilierten ist zurückgekehrt, und der Tempel kann wiederaufgebaut werden. Dieser geschichtliche Ort Sacharjas, dazu die Tatsache, daß Sacharja einer der letzten Propheten ist, dessen Worte das Alte Testament überliefert, legen es nahe und lassen es als interessant erscheinen — gerade auch für die Erfassung der Eigenart Sacharjas —, von ihm aus auf die ganze ihm vorausgehende Prophetie zurückzuschauen. Dieses soll hier mit dem Ziel geschehen festzustellen, wieweit — besonders nach dem tiefen Einschnitt, den die Katastrophe von 587 und das Exil für die Existenz Israels bedeuten — Verbindungslinien zu den Propheten vor ihm zu erkennen sind, wieweit in der Tradition Vorgegebenes aufgenommen und evtl. verändert worden ist, wieweit ganz neuartige Aussagen, Vorstellungen oder Einzelelemente begegnen. Auf seiten Sacharjas soll die Textgrundlage dafür der auffallende, zusammenhängende Komplex der

1 K. Galling, Die Exilswende in der Sicht des Propheten Sacharja: Studien zur Geschichte Israels im persischen Zeitalter, 1 9 6 4 , S. 126.

8

Einleitung

Nachtgesichte sein, der etwa die Hälfte dessen einnimmt, was uns von ihm in Sach 1—8 — nur diese Kapitel enthalten Sacharjas Worte, alles andere im Sacharja-Buch ist anderen Ursprungs — überliefert ist. Dementsprechend stellen vor allem die prophetischen Visionsberichte die zum Vergleich heranzuziehenden Texte dar. Allerdings muß über diesen Textbereich notwendigerweise hinausgegriffen werden, wenn die in den Nachtgesichten begegnenden Bilder, Bildelemente und Motive untersucht werden und die Frage nach ihrer Herkunft gestellt wird, wenn zudem in Ausweitung der oben genannten Fragestellung auch der gelegentlich naheliegenden Vermutung nachgegangen wird, daß sich aus der altorientalischen Umwelt stammende Einflüsse ausgewirkt haben könnten. Da Sacharja in die Zeit der zu Ende gehenden Prophetie gehört, liegt es nicht nur nahe, seine Visionen unter der genannten Fragestellung auf dem Hintergrund der älteren Prophetie zu untersuchen. Vielmehr ist es mindestens ebenso interessant, von den Nachtgesichten aus den Blick auf das spätere, der Prophetie folgende Phänomen der Apokalyptik zu richten, indem man den begrenzten Textabschnitt der Visionen Sacharjas daraufhin befragt, ob an ihm etwas von einer Beziehung, einem Übergang zwischen Prophetie und Apokalyptik zu erkennen ist. Für diese Untersuchung wird aus dem Bereich der apokalyptischen Literatur das Daniel-Buch herangezogen. Dieses Vorgehen ist darin begründet, daß das Daniel-Buch die älteste erhaltene apokalyptische Schrift ist, in ihm also die Apokalyptik zuerst — und d.h. Sacharja von allen Apokalypsen zeitlich am nächsten stehend — in ihrer voll ausgebildeten Gestalt begegnet. Mit der zuletzt genannten Fragestellung wird das umfassendere Problem der Herkunft der Apokalyptik berührt, das besonders in letzter Zeit mehrfach diskutiert worden ist, nachdem G. von Rad der verbreiteten Ansicht, die Apokalyptik sei aus der Prophetie herzuleiten, seine These entgegengestellt hat, die Apokalyptik habe ihre Wurzeln in der Weisheit 2 . Entsprechend der Themenstellung der vorliegenden Arbeit kommt dieses Problem hier nur im Bezug auf Sacharjas Nachtgesichte zur Sprache, unter dem Aspekt also, ob sich in diesen Visionen eine Beziehung, ein Übergang zwischen Prophetie und Apokalyptik erkennen läßt. In letzter Zeit, während die vorliegende Arbeit bereits in Angriff genommen und in einzelnen Abschnitten schon abgeschlossen war, sind zu dieser speziellen Frage der Beziehungen zwischen Sacharja und der Apokalyptik drei Un2

G. v. Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd. II, 5. A. 1968, S. 3 1 6 - 3 3 8 .

Einleitung

9

tersuchungen, von S. Amsler, R. North und H. Gese, erschienen 3 . Es handelt sich bei ihnen lediglich um Aufsätze — der von Amsler umfaßt sogar nur 5 Seiten —, doch haben alle drei Arbeiten den gesamten Protosacharja (K. 1—8) oder sogar das ganze Sacharja-Buch zum Gegenstand. Soweit ihre Ergebnisse und Thesen die Nachtgesichte betreffen, sind sie im folgenden berücksichtigt worden. 3

S. Amsler, Zacharie et l'origine de l'apocalyptique: VT Suppl XXII, 1972, S. 2 2 7 - 2 3 1 ; R. North, Prophecy to apocalyptic via Zechariah: V T Suppl XXII, 1972, S. 4 7 - 7 1 ; H. Gese, Anfang und Ende der Apokalyptik, dargestellt am Sacharjabuch: ZThK 70, 1973, S. 2 0 - 4 9 .

I. ZUR STRUKTUR DER NACHTGESICHTE

A. Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte 1. Das gemeinsame Grundschema im Aufbau der Nachtgesichte, seine Variationen und Erweiterungen Untersucht man die insgesamt acht in den ersten sechs Kapiteln des Sacharja-Buches enthaltenen Visionsberichte (1,7—15; 2,1—4; 2,5—9; 3 , 1 - 7 ; 4,1—6 aa. 10 a (von nVx- ПУЛ© ab) - 14; 5 , 1 - 4 ; 5,5-11; 6,1 — 8) in ihrem Aufbau, dann lassen sich 3 Grundbestandteile erkennen: 1. die Schilderung des Geschauten, des Visionsbildes, 2. die Frage Sacharjas nach der Bedeutung des Geschauten, 3. die darauf antwortende deutende Erklärung 1 . Dieses dreiteilige Schema begegnet in 2,1—4 zweimal (V. l f . 3 f ) ; in der Vision 5,5—11 ist es dreimal festzustellen: außer in V.9—11 auch in V. 5—6 und 7—82. Auf Grund der jeweiligen thematisch-inhaltlichen Zuordnung der genannten 2 bzw. 3 Abschnitte wird man in ihnen keine selbständigen Visionen sehen können, sondern 2,1—4 und 5,5—11 als zusammengesetzte Visionen betrachten. Dieses Grundschema wird nun in einzelnen Nachtgesichten in verschiedener Weise variiert und erweitert. Der Anfang des Visionsberichtes ist erheblich ausgebaut in 4,Iff: Sacharja berichtet, daß der Engel ihn „weckte wie einen Menschen, der aus seinem Schlaf geweckt wird" (V. 1), und daß er ihn nach dem fragt, was er wahrnimmt, worauf Sacharja — hier in der Form der Antwort an den Engel — das Geschaute zu schildern beginnt (V. 2). Auch in 5,5ff ist der Anfang erweitert: Sacharja berichtet, daß der Engel „herauskam" und ihn auffordert zum Schauen, worauf — diesmal in der Rede des Engels und nicht wie sonst als Bericht des Visionärs — das Wahrzunehmende genannt wird (V. 5) 3 . Auf die dem ersten 1

Auf charakteristische Formulierungen in diesen Abschnitten und in den sie einleitenden Passagen wird später beim Vergleich mit den übrigen alttestamentlichen Visionen eingegangen (s.u. I.B.). 2 Allerdings fehlt in V. 7—8 die Frage des Propheten. 3 In V . 5 b 7 wird man ЛВ,КГ1 statt ЛИ lesen müssen (so z.B. F. Horst, Nahum bis Maleachi, in: Th. H. Robinson—F. Horst, Die zwölf kleinen Propheten, HAT

Das Grundschema

11

Nachtgesicht vorangestellte Datumsangabe mit dem folgenden berichtenden Satz über das Ergehen des Jahwewortes an Sacharja sei hier nur hingewiesen (1,7) 4 . Auch die Schilderung der Schau ist nicht überall gleichartig gestaltet. Die Besonderheiten in 4,Iff und 5,5ff wurden eben bereits genannt. In 5,1—4 wird dieser Bericht (V.lb) erweitert durch die anschließende — auch im Anfang von 4 , I f f begegnende — Frage nach dem Wahrgenommenen (V. 2 a), die Sacharja mit einer erneuten, gegenüber der ersten nur unwesentlich erweiterten Schilderung des Geschauten beantwortet (V.2b). Die Frage nach der Deutung fehlt nach dieser Erweiterung der Schau in 5,1—4 ebenso wie in 5,7f, dem zweiten Teil der Vision 5,5—11. In 2,5—9 richtet Sacharja seine Frage nicht wie sonst an den „Engel, der mit mir redete", sondern an den in der Schau wahrgenommenen Mann mit der Meßschnur (V. 6 a). Die Deutung erfolgt in l,7ff — nach dem Wortlaut des MT — im Rahmen einer Fortsetzung der Schau (s. V.9b und 10) 5 . Aufgelokkert und ausgeweitet ist die Deutung in 4 , I f f : Auf Sacharjas Frage (V.4) stellt der Engel die Gegenfrage, ob er nicht wisse, was diese Dinge bedeuten (V. 5a); auf Sacharjas verneinende Antwort (V. 5b) folgt die Deutung (V. 10: . . . ЛУ31Р). Da sie nur einen Teil des Geschauten erklärt, stellt Sacharja eine zweite Frage, die nun auf einen ganz bestimmten Teil der Schau ausgerichtet ist (V. 11). Auch hierauf folgt wie im 1. Deutungsabschnitt die Gegenfrage des Engels, Sacharjas verneinende Antwort (V. 13) und schließlich die Deutung (V. 14) 6 . Diese zweifache Deutung wird ihren Grund in dem mehrschichtigen, aber in einem Zug geschilderten Visionsbild haben. (Bei einem ganz ähnlichen Sachverhalt — es handelt sich um ein mehrschichtiges Visionsbild, das mehrerer deutender Worte bedarf — ist 5,5—11 ganz anders aufgegliedert als 4 , I f f : nicht in einem Zug, sondern dreimal ansetzend wird das Geschaute geschildert und dazu jeweils die Deutung gegeben, so daß sich eine dreifache Abfolge des Grundschemas ergibt.) I,14, 2. A. 1 9 5 4 z.St. und K. Elliger, Das Buch der zwölf Kleinen Propheten II, A T D 25, 6. A. 1967 z.St.). 4 Die Probleme von 1,7 werden u. S. 13ff erörtert. 5 Dazu ist im einzelnen u. S. 85f zu vergleichen. 6 Der nicht erwähnte V. 12 ist mit den meisten Kommentatoren als sekundärer Zusatz zu verstehen: Es handelt sich um eine weitere Frage, die nach Dingen fragt, von denen der Bericht über das Geschaute nichts sagt, die nicht beantwortet wird, zudem den Zusammenhang unterbricht.

12

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

Während drei Nachtgesichte (2,1—4; 4,1 ff; 5,5—11) mit der Deutung enden, findet sich in den übrigen fünf Visionen ein besonderer Abschluß in Gestalt eines Gottesspruches ( l , 1 4 f ; 2,8b.9; 3,7; 5,4; 6,8) 7 . Die vorstehende Übersicht über den Aufbau der Nachtgesichte in seinen Grundelementen, deren Variation und Ausweitung zeigt, daß all dieses nur für 7 der 8 Visionen zutrifft, während das 4. Nachtgesicht (3,1—7) in seinem Aufbau aus der Reihe der übrigen Nachtgesichte völlig herausfällt, insofern es dem dreiteiligen Grundschema nicht folgt. Dieses gilt, auch wenn sich in Einzelpunkten gewisse Berührungen zwischen 3,1 — 7 und den übrigen Nachtgesichten ergeben 8 . 2. Der Zyklus der 7

Nachtgesichte

Befragt man die 7 in ihrem Aufbau einem gemeinsamen Grundschema 1 folgenden Nachgesichte daraufhin, ob sich in ihrer Auseinanderreihung bestimmte ordnende Gesichtspunkte vor allem formaler Art zeigen, dann kommt man zu folgenden Wahrnehmungen: 1. Das erste ( l , 7 f f ) und letzte Nachtgesicht (6,Iff), die sich in Bild und Inhalt nahestehen, haben offensichtlich eine Rahmungsfunktion 2 . Dabei ist die Anfangsstellung von l,7ff noch dadurch betont, daß hier das in den folgenden Visionen entfaltete Generalthema angegeben wird 3 und Sacharja hier einen ausdrücklichen Verkündigungsauftrag erhält (1,14 a). 2. Das — vom Anfang und vom Ende aus gerechnet — jeweils zweite Nachtgesicht (2,1—4; 5,5—11) ist formal durch mehrfache (zweibis dreimalige) Verwendung des Grundschemas herausgehoben, und beide enden ebenso wie das mittlere Nachtgesicht (4,Iff) und im Unterschied zu den anderen Visionen mit der Deutung. 3. Das 1., 3., 5. und 7. Nachtgesicht dieser Siebenerreihe enden mit einem Gottesspruch ( l , 1 4 f ; 2 , 8 b . 9 ; 5,4; 6,8) 4 . Dabei zeigen auch in diesem Punkt das erste und das letzte Nachtgesicht besondere Gemeinsamkeiten s . 7

Zu diesen Stellen s. im einzelnen u. S. 74ff. Zu den Unterschieden und Berührungen zwischen 3 , l f f und den anderen Nachtgesichten s. im einzelnen u. S. 201—203. 1 Auch die dessen einzelne Teile einleitenden Worte oder Sätze sind in den verschiedenen Nachtgesichten weithin gleichartig. Dazu s.u. I.B. 2 S.u. S. 28f. 3 S.u. S. 36f. 4 Zu diesem s. im einzelnen u. S. 74ff. 5 S.u. S. 75ff. 8

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

13

4. Das mittlere der sieben Nachtgesichte (4,Iff) hebt sich formal heraus durch den besonderen Visionsanfang und die Verdoppelung und Variation des Komplexes Frage des Propheten/deutende Erklärung des Engels 6 . Auch thematisch nimmt 4,Iff mit der Verheißung der neuen Führung des Volkes eine Mittelstellung im Gefüge der Nachtgesichte ein, insofern die beiden vorausgehenden Visionen von den „äußeren", die beiden folgenden von den inneren Angelegenheiten des Volkes handeln. Die Symmetrie im Aufbau, wie sie sich aus allen diesen Wahrnehmungen ergibt, zeigt, daß die sieben Nachtgesichte eine durchkomponierte Visionsreihe bilden. Diese Ordnung wird in der jetzigen Gestalt des Sacharja-Buches, wenn man von den eingestreuten Sprüchen absieht, durch die Vision 3,1—7 gestört — ein weiteres Argument dafür, daß 3,1—7 zunächst nicht zum Bestand der Nachtgesichte gehörte 7 . Es dürfte kein Zufall sein, daß hier eine Reihe von sieben Visionen zusammengeordnet und damit die Zahl sieben, die Zahl der Vollkommenheit 8 — sie spielt noch öfter bei Sacharja eine Rolle (3,9; 4,2.10) 9 —, erreicht ist. Auch das spricht dafür, daß damit der ursprüngliche Bestand der Visionenreihe erfaßt und 3,1—7 von diesem abzurücken ist 10 .

3. Zur Frage der Datierung und des inhaltlichen Zusammenhanges der

Nachtgesichte

Die Frage, ob diese Reihe der Nachtgesichte, die in formaler Hinsicht deutlich eine bewußte und wohlgeordnete Zusammenstellung darstellt, eine ursprüngliche Einheit bildet, und, damit verbunden, die Frage ihrer Datierung hat in der Geschichte ihrer Auslegung bis in die jüngste Zeit hinein die verschiedensten Antworten gefunden. Während z.B. W. Nowack 1 sie als ,,in einer Nacht geschaute Gesichte" und dementsprechend das Datum in 1,7 als „auf die Zeit der Entstehung der sämtlichen Nachtgesichte" 2 bezogen versteht, 6

Auf beides ist bereits o. S. 11 eingegangen worden. Zur zeitlichen Ansetzung s.u. S. 222f. 8 A. Schimmel, Art. Zahlensymbolik, R G G 3 . A . Bd. 6, Sp. 1862. 9 Zu vgl. sind a. die 70 Jahre in 1,12; 7,5; zu diesen in ihrer traditionsgeschichtlichen Verwurzelung s.u. S. 130ff. 10 Zu anderen siebenteiligen Wortsammlungen — hier aus dem Bereich der Völkersprüche - vgl. W. Ζ immer Ii, Ezechiel, BK XIII, S. 580. 1 Die kleinen Propheten, HK 111,4, 3. A. 1922, S. 326. 2 S. 330. 7

14

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

läßt es F.Horst 3 offen, ob es sich um Visionen einer Nacht oder um Visionen aus verschiedenen Zeiten handelt. Horsts Sicht ähnlich ist die von H. Gese, der aber insgesamt offenbar mehr dazu neigt, die Visionen als „Ergebnis einer einzigen nächtlichen Offenbarung" anzusehen 4 . L. G. Rignell 5 bemerkt, „dass nichts dagegen spricht, dass sämtliche Visionen dem gleichen Zeitabschnitt angehören". Dagegen gibt K. Elliger 6 zu bedenken: „Es ist natürlich zuzugeben, daß bei der literarischen Brüchigkeit des Eingangs weder der 24.11.11 als Datum für die ganze Reihe oder auch nur die erste der Visionen ... feststeht." J. Lindblom 7 hält für "curious, but not impossible", daß die vier unter psychologischen Gesichtspunkten von ihm als "visions in a strict sense" angesehenen Nachtgesichte (3,lff; 4,Iff; 5,Iff. 5ff) in einer einzigen Nacht geschaut wurden, wozu es Analogien in der Visionsliteratur gebe. Er sieht ferner keine zwingenden Gründe, die Angabe des Propheten in Frage zu stellender habe die Visionen zu Beginn der Herrschaft des Darius geschaut. In einem in überarbeiteter Form in den „Studien zur Geschichte Israels im persischen Zeitalter" 1964, S. 109—126, wiederveröffentlichten früheren Aufsatz 8 „Die Exilswende in der Sicht des Propheten Sacharja" kommt K. Galling auf Grund einer Untersuchung der „historischen Hintergründe der Visionen" (S. 109) zu dem Ergebnis, daß es sich um eine nachträgliche Zusammenstellung von Visionen handelt, die zum Teil im Exil und zum Teil im nachexilischen Jerusalem, d. h. nicht alle am selben Ort und zur selben Zeit geschaut wurden 9 . Bei dieser Uneinheitlichkeit der Auslegung, wie sie schon die wenigen genannten Beispiele zeigen, kann keine Beschäftigung mit den 3

A.a.O., S. 210. H. Gese, Anfang und Ende der Apokalyptik, dargestellt am Sacharjabuch: ZThK 70, 1973, S. 25 + Anm. 23, s.a. S. 37. 5 Die Nachtgesichte des Sacharja, 1950, S. 20. 6 A.a.O., S. 107. 7 Prophecy in Ancient Israel, 2. A. 1963, S. 145. 8 VT 2, 1952, 18—36. — Im folgenden wird auf diesen Aufsatz nur unter Nennung der Seitenzahlen (nach „Studien zur Geschichte Israels ..."), also ohne Titelangabe Bezug genommen. 9 Zu vgl. ist die Ansicht von B. Uffenheimer (The Visions of Zechariah, 1961, S. V): "Zechariah's visions (I—VIII) do not reflect a single experience but rather a series of experiences over a considerable period of time." — Bereits Ε. Sellin hatte in seinen Studien zur Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinde II, 1901, bes. S.84—88, einen wechselnden Standort Sacharjas in den einzelnen Nachtgesichten angenommen. Diese Sicht ist von J. W. Rothstein, Die Nachtgesichte des Sacharja, BWAT 8, 1910, S. 4 entschieden abgewiesen worden. 4

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

15

Nachtgesichten Sacharjas von diesem Problem absehen. Ihm soll im folgenden — vor allem in Auseinandersetzung mit der genannten ausführlichen Abhandlung zu dieser Frage von Galling — nachgegangen werden, indem a) auf das Problem des Datums in 1,7, b) auf die Beziehungen dieses Datums zum ersten Nachtgesicht u n d c) zu den übrigen Nachtgesichten, d) auf die inhaltlichen Verbindungslinien zwischen den Nachtgesichten eingegangen wird. Daß dabei das Bildmaterial (und auch der Gedankengang) der Visionen nur soweit behandelt wird, wie es für den Fortgang der Untersuchung unter deren spezieller Fragestellung notwendig ist, u n d auch nur gelegentlich auf dessen Erörterung in Teil II hingewiesen wird, sei hier ausdrücklich hervorgehoben. a) Das Problem

des Datums in 1,7

Für Gallings Bestimmung der „historischen Hintergründe" (S. 109) der Nachtgesichte Sacharjas ist ganz entscheidend seine Beurteilung des Datums sowie des ganzen Wortlauts in Sach l , 7 f . Indem er sich von dieser Zeitangabe freimacht u n d offenläßt, „ o b man von der sekundären Komposition aus auf eine Nacht für alle Visionen schließen d a r f " (S. 109f), k o m m t er dazu, „ j e d e Vision selbständig zu n e h m e n " (S. H O ) 1 . Gallings Einwand gegen das Datum in 1,7 ist folgender: Der in 3.pers. gehaltene V. 7, für den man „etwas 6,10 Entsprechendes" als Fortführung erwarte, finde in der l . p e r s . von V.8 nicht seine „unmittelbare Fortsetzung" (S. 109). Zweifellos ist mit dem direkten Nebeneinander der 3. u n d l . p e r s . in V. 7f ein schwieriges Problem dieser Verse und damit des Beginns des 1. Nachtgesichts u n d so auch der ganzen Visionenreihe genannt. Diese Schwierigkeit ist auch schon längst bemerkt worden und hat die verschiedensten Lösungsvorschläge gefunden. Wer nicht wie Rignell den vorliegenden Text für ursprünglich zu halten vermag, rechnet in irgendeiner F o r m mit der Arbeit eines Redaktors oder sogar mehrerer Redaktoren. 1 Nach Galling gehört das Datum 1,7 zu 6,9ff und zur öffentlichen Verkündigung der ganzen Visionenreihe im Zusammenhang (S. 123). Eine solche Zuordnung scheint stark orientiert zu sein an der in heutiger Zeit üblichen Jahresangabe (oder dem Datum des Vorworts) bei einem Sammelband, in dem ursprünglich selbständige, früher und zu verschiedenen Zeiten erschienene Arbeiten noch einmal veröffentlich werden. (Zu vgl. ist Sellins Sicht und Formulierung, daß „Sacharja zunächst nur die Nachtgesichte selbst . . . hat erscheinen lassen"! (Das Zwölfprophetenbuch, ΚΑΤ 12,2. 3. Α. 1 9 2 9 / 3 0 , S . 4 9 6 ) , daß er am Datum 1,7 „das in der voraufgehenden Nacht Geschaute sogleich veröffentlicht" hat ( S . 4 8 1 ) ) .

16

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

Rothstein, a.a.O., S. 13 ersetzt die Personenangabe in V. 7b durch''Vs und versucht, den darauf folgenden ursprünglichen Text wiederherzustellen oder zu ergänzen. Mitchell (Haggai and Zechariah, ICC, 3. A. 1951) hält V. 7b - in 3. oder l . p e r s . formuliert — für unnütz, unbrauchbar (useless), streicht ihn und verbindet V. 7a mit V. 8. Dasselbe, mit ? versehen, schlägt BHK vor. Auch Marti (HSAT Bd. II, 4. A. 1923) entfernt V.7b als redaktionelle Glosse und bloße Wiederholung der Überschrift in 1,1. Letztlich betrachtet auch Jepsen (Kleine Beiträge zum Zwölfprophetenbuch III. 4. Sacharja: ZAW 61, 1945/48, S. 100) V. 7b als Einfügung. Beuken (Haggai—Sacharja 1 — 8, 1967, S. 115) führt die „Wortereignisformel ( 7 b ) " auf die Endredaktion zurück. Sellin (ΚΑΤ) lehnt diese Lösung ab (s.u.) und meint in den ursprünglichen Wortlaut sehen zu können. Elliger sieht wieder den Anfang des alten Visionsberichtes als weggebrochen und durch V. 7 ersetzt an; dieser gehe mit n W n (V.8) auf das Konto des Redaktors (so ATD, S. 103, Anm. 3; auf S. 107 sieht er dagegen in der Angabe n W n ganz offensichtlich ein Element des ursprünglichen Textes!). Horst nimmt an, daß die in der vorliegenden Form redaktionelle Überschrift V. 7 weithin eine ursprüngliche Überschrift der Visionsschrift verdrängt und durch das Schema von 1,1 ersetzt habe. Eine „retouche redactionelle" in 1,7 hält auch S.Amsler für möglich (Zacharie et l'origine de l'apocalyptique: VT Suppl 22, 1972, S. 230). H. Gese spricht von „der redaktionellen Überschrift 1,7" (ZThK 70, 1973, S. 25).

Den folgenden Erwägungen sei eine Zusammenstellung der Elemente von V. 7f vorangestellt: V. 7a nennt das Datum nach Tag, Monat, Jahr; V. 7 b enthält — formuliert als Fremdbericht — die Wortereignisformel *7X Π1ΓΓ"137 ϊΓΠ, verbunden mit der Nennung des Adressaten, Sacharjas, mit Namen, Abstammung und „Berufs"-Bezeichnung (К'ЗЗП); in V. 8a folgt im Ich-Bericht die eigentliche Visionseinleitung: n W n V i n n . . . ΓΙίίΤΙ.

Es fällt auf, daß der Anfang des Ezechiel-Buches (1,1—4) ganz parallel aufgebaut ist (wenn dort auch noch weitere Elemente bzw. Ergänzungen hinzukommen): V. 1 Datum (eingeleitet durch ΤΗ), Ortsangabe (als Ich-Bericht) und Beginn eines Erlebnisberichtes in I.pers.; V.2 erneute Datumsangabe; V.3a Wortereignisformel in 3.pers. mit Nennung des Adressaten, seiner Herkunft, seines Berufes und einer Ortsangabe; V.3b (c.t.) spricht in l.pers. vom Kommen der Hand Jahwes; V.4 fährt dann fort „und ich sah und siehe . . . " . Zur genauen Analyse der schwierigen Iiterarkritischen Fragen, die diese Verse aufwerfen, muß auf W. Zimmerli, Ezechiel (BK XIII), bes. S. 21—23 verwiesen werden, der zu folgendem Ergebnis kommt: Der heutige Text ist Resultat eines dreiphasigen Vorgangs, in dessen Verlauf V. 1.3 b, die als Visionseinleitung mit V. 4ff zu verbinden sind, um V. 2 (eine auf V. 1 bezogene Zusatzbemerkung) und V.3a, eine „Buchüberschrift in reiner Form" (S. 23), erweitert worden sind. Datum + Ich-Bericht sind also — von V. 2 kann jetzt abgesehen werden — um eine Wortereignisformel (mit

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

17

den genannten Angaben über den Adressaten), die den Charakter einer Buchüberschrift hat, nachträglich erweitert worden, als Ez 1,1 — 3,15 „das Kopfstück einer Sammlung der Prophetenworte geworden war und diese Sammlung in die Reihe der anderen Prophetenbücher eingereiht w u r d e " (S. 37). Zu vergleichen sind die wohl ebenfalls bei der Sammlung der Prophetenbücher diesen nachträglich in Hos 1,1; J o 1,1; Mi 1,1; Zeph 1,1 vorangestellten ganz ähnlichen Überschriften (S. 23). Ist die Überschrift „ d o r t aber in der Form ΓΓΠ mrr " m der Wortsammlung . . . vorangestellt, so ist sie beim Buch Ez, weil man hier offenbar die genaue Datumsangabe . . . nicht von der Spitze wegrücken wollte, in den . . . T e x t eingefügt worden . . . , . . . der Wortlaut der Überschrift selber hat gegenüber Hos 1,1 u.a. die leichte syntaktische Anpassung zur Form Vx Π Ί ? Γ I M Г Г Л erfahren" (S. 23). Die Dinge liegen offensichtlich so ähnlich wie in den — literarisch allerdings weniger verwickelten — Versen Sach l , 7 f , daß es sich aufdrängt, eine entsprechende Lösung der Schwierigkeiten in Sach l , 7 f zu versuchen. Sach 1,7 wäre dann folgendermaßen als Ergebnis eines zweiphasigen Vorgangs zu verstehen: Indem dem Datum seine Spitzenstellung belassen wird, ist V. 7 durch Einfügung von V. 7 b, in dem sicher aus mündlicher Tradition stammende Angaben über Sacharja enthalten sein dürften, zu einer Überschrift umgestaltet worden, die dem Ich-Bericht der Vision vorangeht. Das 1. Nachtgesicht hätte also ursprünglich mit folgenden Worten begonnen: „ A m 24. Tag des 11. Monats' ' 2 im 2. Jahr des Darius schaute ich in der Nacht und siehe . . . " 3

Die Worte „das ist der M o n a t S c h e b a t " sind wahrscheinlich nachträgliche Erklärung (so z.B. B H K , Wellhausen, Marti, N o w a c k , Mitchell, Horst, Elliger). 2

Nach Sellin z . S t . scheitert eine solche direkte Verbindung von V. 7a mit V. 8 an dem Wort n W n in V . 8 , das nicht „ i n der N a c h t " , sondern nur „ i n dieser Nacht, in der letzten N a c h t " bedeuten könne. Er verweist dazu auf DTD „ h e u t e " . Wenn aber DVn nach Cesenius—Kautzsch § 118 i u.a. mit „ b e i T a g e " , „tagsüber" zu übersetzen ist, sollte man dementsprechend auch n V V n mit „bei N a c h t " o. ä. übersetzen dürfen. Dabei wird durch das im A r t i k e l enthaltene demonstrative M o m e n t (Brockelmann § 21a (vgl. bß); s.a. M e y e r § 32,1.a und Gesenius—Kautzsch § 126a) auf die eine, ganz bestimmte Nacht, in der sich das im folgenden Geschilderte ereignet, verwiesen. Sie ist hier durch das vorangehende Datum noch genau bestimmt (s.a. Rothstein a.a.O., S. 12). Dieser sprachliche Gesichtspunkt bestätigt und unterstützt die enge Verbindung von 3

V. 7a und 8a. Entsprechend übersetzen П*?,'?П G B „ i n der N a c h t " , K e i l (Bibl. C o m m e n t a r über die z w ö l f kleinen Propheten, 3. Λ . 1888) „ b e i der N a c h t " , Wellhausen, Marti „ d e s N a c h t s " , Rignell „ n a c h t s " oder „ i m L a u f e der N a c h t " ; zu dieser Bedeutung von n W n vgl. a. 2 . K ö n 25,4. 2

Jeremias,

Nachtgesichte

18

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

Die Heranziehung von Ez 1,1 — 4 dürfte also einerseits den redaktionellen Charakter von Sach 1,7 b, andererseits die Zusammengehörigkeit des Datums V. 7a mit der Visionseinleitung V. 8 in höchstem Maße wahrscheinlich gemacht haben 4 . Daß ein Redaktor ein solches bis auf den Tag fixiertes Datum erfinden oder an eine falsche Stelle setzen sollte, erscheint zudem recht unwahrscheinlich. Das gilt besonders, wenn die Redaktoren des Sacharja- und Haggai-Buches, wie man vermutet h a t 5 , in zeitliche Nähe zu diesen Propheten gehören. Ein weiteres Indiz für die Echtheit des Datums an dieser Stelle ist die Beobachtung, daß gerade Visionen o f t datiert sind 6 . Vergleicht man Jes 6,1, wo auf die Jahresangabe sofort mit ЛШЮ der Visionsbericht folgt, so erübrigen sich trotz der reichen Ausgestaltung der Einleitung etwa in Ez 1 auch Überlegungen, was möglicherweise an Text bei der Umgestaltung von Sach 1,7 zur Überschrift ausgefallen sein könnte 7 . Das Datum in 1,7a ist also, wenn sich nicht vom Inhalt des ersten Nachtgesichts schwerwiegende Einwände ergeben, als diesem — ob auch dem ganzen Korpus der Nachtgesichte, ist eine weitere Frage — zugehörig zu betrachten. Formale Bedenken stehen dem jedenfalls nicht entgegen. Dementsprechend ist 1,7 in der jetzigen Form als Buchüberschrift zu verstehen 8 , obwohl dieser Vers heute nicht am Anfang des Sacharja-Buches steht, das in 1,1 mit einer Überschrift beginnt 9 . Diese 4

Auf Grund der Ähnlichkeit im Aufbau von Ez 1,1 ff und Hag 1,1; Sach 1,1 (1,7; 7,1) ist schon von W. Zimmerli, Ezechiel S . 2 3 die Vermutung geäußert worden, daß die Redaktion der Bücher Haggai und Sacharja und die Überschrift Ez 1,3 a gleichen Ursprungs sind. 5 Vgl. Elliger S . 9 9 ; Zimmerli, Ezechiel S . 2 3 , 37. 6 Jes 6,1; Jer 24,1b (wohl sek.); Ez 1; 8; 4 0 (zu 37,1 s. Zimmerli z.St.); Dan 7; 8; 10. — Zur Frage nach dem Sinn der Datierungen in den Prophetenbüchern s. die Erwägungen bei Zimmerli, Ezechiel S . 4 1 f . 7 Vgl. etwa Rothsteins Rekonstruktionsversuch (a.a.O., S. 12ff), so rechnen z.B. auch Elliger, Horst z.St. mit Textverlusten. 8 Sie entspricht genau der im Ezechiel-Buch erreichten Form der Buchüberschrift: Das genaue Datum nimmt die erste Stelle ein; ihm folgt der gegenüber dem Wortlaut Hos 1,1, Mi 1,1, Zeph 1,1 syntaktisch leicht abgewandelte, weil dem voranstehenden Datum angepaßte, Satz vom Ergehen des Jahwewortes. Daß sich im späten Joel-Buch wieder die bei Hosea, Micha, Zephanja vorgefundene Form der Überschrift findet, wird wohl damit zusammenhängen, daß hier überhaupt kein Datum genannt wird. 9 Diese unterscheidet sich vom Wortlaut in 1,7 nur durch die fehlende Tagesund andere Monatsangabe, ferner durch die verschiedene Schreibung der Namen Berechja und Iddo.

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

19

Schwierigkeit wird sich folgendermaßen erklären lassen: Offensichtlich war im Verlauf der Sammlung der Worte Sacharjas das Korpus der Nachtgesichte zunächst ein Komplex für sich 1 0 , der dementsprechend durch eine eigene Überschrift eingeleitet wurde. Als dann in einem späteren Stadium die Sprüche 1,1 — 6 (aus chronologischen Gründen?) vorangestellt wurden u n d nun den Beginn des SacharjaBuches darstellten, wurde ihnen eine Buchüberschrift vorangestellt, ohne daß die — nun entbehrliche — Überschrift aus 1,7 wieder entfernt wurde. Daß dieses gegenüber der Einfügung in 1,7 ein zweiter — jedenfalls nicht gleichzeitig vorgenommener — Akt war, dafür könnte auch die unterschiedliche Schreibung der Eigennamen sprechen. Hinzuweisen wäre noch auf 7,1, das 3. Datum im Sacharja-Buch. In V. l b ist ebenfalls eine — hier sogar die Datumsangabe unterbrechende — Wortereignisformel eingefügt worden, die zur Weiterführung des Textes in V.2 überhaupt nicht paßt. Offensichtlich handelt es sich hier ebenfalls um eine nachträglich hergestellte Überschrift, wohl für die in K. 7 und 8 folgende Sammlung von Sprüchen.

Das Resultat dieser Untersuchung unter formalen u n d literarischen Gesichtspunkten, daß nämlich l,7f in der jetzigen Gestalt u n d den damit verbundenen Schwierigkeiten das Ergebnis eines Redaktionsvorganges sind u n d daß gute Gründe für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit des Datums V. 7a mit der Visionseinleitung V. 8 sprechen, läßt es nicht zu, Galling darin zu folgen, wenn er auf Grund der — im übrigen zu lösenden — formalen Schwierigkeiten dieser Verse von vornherein von dem Datum absieht. b) Die Beziehungen

dieses Datums zum 1.

Nachtgesicht

Dieses Ergebnis ist abzusichern durch die Untersuchung, ob sich vom Inhalt des 1. Nachtgesichts her Einwände gegen das ihm vorangestellte Datum ergeben. Galling argumentiert folgendermaßen (S. 114): Datiert man dieses Nachtgesicht nach der Zeitangabe in 1,7 (Februar 519), ,,so müßte man annehmen, daß die inzwischen aus dem Exil heimgekehrte Gola die Tatsache ihrer Rückkehr überhaupt nicht als Heilswende angesehen hat. Das ist nicht gerade wahrscheinlich, am allerwenigsten bei dem Propheten selbst!" Daraus folgert er, daß „diese Vision vor dem (bald darauf erfolgten) A u f b r u c h im Exil anzusetzen" sei. Ein Gegenargument stelle Sacharjas Heilsankündigung für Jerusalem und den Zion (1,14) und die fehlende Erwähnung „der speziellen Situa10

So auch Horst S . 2 1 6 ; Sellin (ΚΑΤ) S . 4 6 9 .

20

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

tion der Gola" nicht dar, denn auch Deuterojesaja könne von Jerusalem sprechen, wenn er das Volk der Gola meint (Jes 40,2). Gegen diese Sicht der Dinge — die zeitliche Ansetzung kurz vor der Rückkehr aus dem Exil, die (so läßt sich aus dem soeben zitierten Satz schließen) von Sacharja 1 und der Gola, die hier mit Jerusalem gemeint sei, zweifellos als die Heilswende angesehen werde — spricht zunächst: Es ist bei diesen Voraussetzungen völlig unverständlich, wenn in der Jerusalem (nach Galling = Gola) geltenden Heilsankündigung dieser Vision nicht einmal andeutungsweise von der Rückkehr die Rede ist. Ferner ergibt eine über dieses Nachtgesicht hinausgehende Untersuchung der Verkündigung Sacharjas 2 : Daß „für Sacharja das geschichtliche Faktum der Rückkehr das entscheidende Fundament abgibt" (S. 117), daß es als die Heilswende gilt, ist aus seinen uns überlieferten Worten gerade nicht zu erschließen. Wie sollte man sonst verstehen, daß die Exodustradition nur in Anspielungen aufgegriffen wird (aber nicht im 1. Nachtgesicht, sondern in den Sprüchen 2,10—13 und 8,7f), während wesentliche Termini und Motive dieser Überlieferung fehlen, daß nichts von dem Glanz zu spüren ist, der bei Deuterojesaja auf die erwartete Rückkehr fällt, obwohl gerade zu diesem Propheten starke Verbindungslinien laufen, daß die Rückkehr der Exulanten nur selten erwähnt wird (6,9ff, evtl. 6,15), dann aber nicht als solche im Mittelpunkt steht, sondern jeweils auf ein anderes Ereignis zuläuft (Krönung Serubbabels, Tempelbau). All dies ist doch nur daraus zu verstehen, daß die Situation, aus der die uns überlieferten Aussprüche Sacharjas stammen — wenige Worte ausgenommen, z.B. 2,10—13 —, nicht mehr die des Exils und des Ausschauens nach dessen Ende, sondern die des Einlebens in der alten Heimat ist: die Rückkehr war im wesentlichen geschehen; aber von einer mit ihr anbrechenden Heilszeit war nichts zu spüren; deshalb erwartet Sacharja den entscheidenden Neubeginn Jahwes mit Israel erst in der Zukunft. Insofern ist der im 1. Nachtgesicht gänzlich fehlende Bezug auf die konkrete Exilssituation nicht bedeutungslos — er ist ja gar nicht zu erwarten — und durchaus ein Argument gegen Gallings Sicht. Auch die Nennung Jerusalems spricht — trotz Gallings Einwand — gegen seine Ansetzung dieser Vision im Exil. Denn aus dem Kontext, dessen 1 S. dazu auch Gallings Bemerkung auf S. 117, daß „für Sacharja das geschichtliche Faktum der Rückkehr das entscheidende Fundament abgibt". 2 Zum folgenden s. Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition, untersucht im Zusammenhang der Exodus-, Zion- und Davidüberlieferung, Diss. Göttingen 1 9 6 6 , S. 22ff.

Datierung und inhaltlicher Z u s a m m e n h a n g

21

Gewicht erheblich größer ist als der Hinweis auf J e s 4 0 , 2 , ergibt sich durch die Parallelität von Jerusalem mit den Städten Judas in 1,12 eindeutig, daß dort und dann zweifellos auch in der auf die Klage 1,12 bezogenen Verheißung 1,14 die Stadt Jerusalem gemeint ist und nicht allgemein das Volk, wo auch immer es sich aufhält. (So wurde der T e x t bereits von dem (Sacharja selbst?) verstanden, der den Spruch 1,16 an das 1. Nachtgesicht anschloß, wie aus V. 16 hervorgeht.) Ton und Formulierung der Klage in V. 1 2 3 sprechen dann doch viel mehr dafür, daß sie aus dem frühnachexilischen Jerusalem-Juda stammt und nicht aus dem Exil, dessen Situation zudem im ganzen Nachtgesicht nirgends anklingt. Sie paßt gut zu der „Zeit der kleinen Anfänge" ( 4 , 1 0 a ) , zu der Notzeit bald nach der Rückkehr aus dem Exil, von der Haggai ein halbes J a h r vorher, im August 5 2 0 , spricht (Hag 1) und die sicher im Februar 5 1 9 noch nicht überwunden ist. Man wartet noch auf die Wende zum Heil, die Deuterojesaja z.B. schon mit der Rückkehr verknüpft sah 4 . An einer großen Bewegung der ganzen Welt könnte man ihre Nähe erkennen; aber alles ist ruhig (1,1 l f ) 5 . Es spricht also auch vom Inhalt her nichts dagegen, vielmehr alles dafür, daß das Datum 1,7 tatsächlich und ursprünglich mit dem 1. Nachtgesicht zusammengehört. c) Die Beziehungen

dieses Datums zu den übrigen

Nachtgesichten

Die Zeitangabe in 1,7, die die erste Vision einleitet, steht zugleich an der Spitze des gesamten Korpus der Nachtgesichte. Deshalb muß nun gefragt werden, ob sich vom Inhalt der übrigen Nachtgesichte her Argumente für oder gegen ihre Zugehörigkeit zu diesem Datum und ihre Entstehung in Jerusalem ergeben. Auch diese Überlegungen werden nicht ohne Auseinandersetzung mit Gallings zeitlicher und örtlicher Ansetzung der Nachtgesichte geschehen k ö n n e n 1 . A u f die d o r t e r w ä h n t e n 7 0 J a h r e wird ausführlich in Teil II eingegangen. Vgl. C h . J e r e m i a s , S a c h a r j a und die p r o p h e t i s c h e T r a d i t i o n , S. 1 0 9 f . 5 Dazu ist j e t z t auch Amslers Deutung (a.a.O. S. 2 3 0 ) zu vergleichen. Gegen Galling b e t o n t e r , daß das D a t u m 1,7 das erste wie ü b e r h a u p t alle sieben N a c h t g e s i c h t e viel besser in die Z e i t nach der p o l i t i s c h e n Krise des persischen Reichs (zwischen 5 2 2 u n d 5 2 0 v . C h r . ) a n s e t z t , daß das a u c h die S i t u a t i o n sei, für die die Beschreibung 1 , 1 1 z u t r e f f e , in der S a c h a r j a das Heil n i c h t im Zus a m m e n h a n g m i t politischen Ereignissen, sondern von e i n e m Eingreifen J a h wes e r h o f f e . — Vgl. a. Geses B e m e r k u n g a . a . O . S. 2 5 A n m . 2 2 . 3

4

1 Unberücksichtigt bleibt hier das N a c h t g e s i c h t 3 , 1 ff, d a es nach F o r m und Inhalt aus d e m Z u s a m m e n h a n g der übrigen Visionen herausfällt ( s . o . S. 12 u n d bes. u . S. 2 0 1 - 2 0 3 ) . Zu seiner zeitlichen A n s e t z u n g s.u. S. 2 2 2 f .

22

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

1. Die 4 Hörner des 2. Nachtgesichts (2,1—4) versteht Galling als „Bild für die Herrschaft der Babylonier" (S. 112). Diese Vision gewinnt in seinen Augen „echte Aktualität erst dann, wenn es um die Rückkehr der Gola und die Bestrafung der die Rückkehr hintertreibenden Babylonier ging" (S. 113) — letzteres durch die dazu von Jahwe bestimmten Perser (Darius?), die mit den Schmieden gemeint seien (S. 112, 123). Das dahinter stehende geschichtliche Ereignis meint er in der Niederschlagung des Nidintu-Bel-Aufstandes im Jahr 522 erkennen zu können. Dementsprechend setzt er 2,1 — 4 kurz vor der Rückkehr und noch im Exil an (S. 112f). Sieht man den Text dieser Vision daraufhin durch, wieweit sich in ihm Anhaltspunkte für diese genaue Datierung und Bestimmung finden, so kommt man zu folgenden Ergebnissen: 1. Gegen die Gleichsetzung der Hörner mit Babylon — so einleuchtend zunächst die Erklärung der Vierzahl aus dem „alten Königstitel: ,Herr der vier Weltgegenden'" (S. 112) erscheint — steht die Deutung 2,4, die ausdrücklich von Völkern im Plural (a,U) spricht 2 . Wenigstens hinzuweisen ist darauf, daß Sacharja, wenn er sonst in den Nachtgesichten von Babylon spricht, dieses, wenn auch nicht mit Namen, so doch genauer bezeichnet (5,11: Land Sinear, vgl. auch 6,8: Land des Nordens 3 , dazu auch 2 , 1 0 a . l l ) . Die Grundvoraussetzung Gallings ist somit nicht zu halten, auch nicht durch seinen Schluß, das als Tätigkeit der Hörner genannte Zerstreuen (ΓΠΤ, V. 2) müsse, da auf das Exil zielend, als Subjekt die Babylonier voraussetzen (S. 112). 2. Ist die Gleichsetzung der Hörner mit Babylon nicht zu halten, so gilt dasselbe für die daran gebundene Identifikation der Schmiede mit den Persern. 3. Nichts sagt der Text auch nur andeutungsweise darüber, daß die Babylonier die Rückkehr der Exilierten hintertrieben hätten. Überhaupt werden für diese Vermutung keinerlei Belege beigebracht, die sie wahrscheinlich machen könnten. 4. Auch daß es um geht, sagt der Text Galling — mit dem vorkommt 4 , sicher

die Exilierten, ihre Befreiung und Rückkehr nicht. Allerdings ist — darauf verweist auch Verb ΓΠΤ, das in diesem Sinn häufig bei Ezechiel auf das Exil angespielt. Ob aber das Exil noch

Darauf hat bereits Elliger (z.St.) aufmerksam gemacht. Zu dieser Bezeichnung in 6 , 8 s. genauer u. S. 35f. 4 5 , 1 0 . 1 2 ; 6 , 8 ; 1 2 , 1 4 . 1 5 ; 2 0 , 2 3 ; 2 2 , 1 5 ; 3 6 , 1 9 ; auf Ägypten bezogen: 2 9 , 1 2 ; 3 0 , 2 3 . 2 6 . Vgl. a. u. S. 1 6 3 . 2 3

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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andauert oder nicht, läßt der ΓΠΤ enthaltende, der näheren Bestimmung der Hörner dienende und zugleich den Grund für das Einschreiten gegen sie angebende Relativsatz in V. 2 und 4 nicht erkennen. Kann also auf Grund dieses Sachverhalts Gallings genauer Bestimmung von Situation und Zeitpunkt des zweiten Nachtgesichts nicht zugestimmt werden, so fragt sich, wie 2,1 — 4 dann zu verstehen und zu bestimmen ist. Auszugehen ist davon, daß es sich hier um Völker handelt, die gegen Jahwes Volk feindlich vorgegangen sind und deren Macht gebrochen wird. Da der Text keinen Anhalt für ihre genaue Identifikation gibt und auch nicht an eine Abfolge von aufeinanderfolgenden Reichen zu denken scheint 5 , liegt es nahe, die Vierzahl hier als Ausdruck der Totalität 6 (so auch deutlich in 6,1 — 8) zu verstehen, und zwar unter dem speziellen Aspekt, daß es hier um die Gesamtheit der Weltmächte in ihrer Eigenschaft als Feinde, als Bedrohung Israels geht 7 . Dabei steht ΓΠΤ, die Umschreibung der in der jüngsten Geschichte erlittenen Exilierung durch die Babylonier, als Inbegriff der durch die Weltmächte erfahrenen Feindschaft 8 . Die Vierzahl der „Schmiede" hat man dann entsprechend als die von J a h w e aufgebotene 9 Gegenmacht gegen die durch die Hörner repräsentierten Mächte zu verstehen. Mehr und Spezielleres wird sich bei der Knappheit des Textes und seiner Aussage und der deshalb gebotenen Vorsicht kaum sagen lassen. Wenn sich demnach der Inhalt dieses Nachtgesichtes darin zusammenfassen läßt, daß Jahwe der Bedrohung Israels durch feindliche Mächte ein Ende machen wird, dann dürfte diese Zusage durchaus zu dem Datum von 1,7 und der damals gegebenen Situation des Neuanfangs in der alten Heimat passen: Sicherheit vor der Bedrohung durch die Macht der Großreiche als Voraussetzung für den Wiederaufbau Jerusalems und die innere Neuordnung des Volkes (wovon die folgenden Nachtgesichte handeln). Damit wären aber auch der Sache nach die früheren, an die Exulanten gerichteten 5

Daß eine Abfolge darstellbar gewesen wäre, zeigt z.B. das Nachtgesicht 5,5ff. Dazu vgl. W. Zimmerli, Ezechiel S. 53. — Daß Zahlen in Sacharjas Nachtgesichten von Bedeutung sind, zeigt die Zahl 7, auf die bereits o. S. 13 hingewiesen worden ist. 7 Entsprechend kommentieren z.B. Wellhausen, Marti, Nowack, Rignell, Elliger. 8 Dazu, daß Sacharja Erfahrungen der Geschichte Israels — besonders der neuesten — verarbeitet, vgl. a. u. S. 1 5 3 f f , 163. 9 Dieses wird nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus dem Zusammenhang mit der Verheißung am Ende des 1. Nachtgesichts in 1,15, s.u. 6

24

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

Verheißungen aufgenommen, die den aus der Verbannung in das Land Israel Zurückgebrachten Schutz vor Feinden, sicheres Wohnen zusagen 1 0 . Ähnlich ist die Gedankenführung in dem sonst im einzelnen anders gestalteten Wort Hag 2,21—23, das wenig früher (Dezember 520) als Sach 1,7 (Februar 519) datiert ist: Nach der Niederwerfung der Völker und Reiche der Erde 1 1 ist von dem durch Jahwe an die Spitze des nachexilischen Israel gestellten Herrscher die R e d e 1 2 , einem Thema, das bei Sacharja im Nachtgesicht 4 , I f f folgt 1 3 . Darüber ist aber nicht die besondere Beziehung der Aussage von Sach 2,1—4 zu l,14f, dem abschließenden Gotteswort des 1.Nachtgesichts, zu übersehen, in dessen zweitem Teil (V. 15) es wie in 2,1—4 (und anders als in Hag 2,22) ausgesprochenermaßen um die Israel feindlichen Völker (auch hier Plural DVU!) geht: Gegen sie, die „zum Bösen halfen", als Jahwe „ein wenig zürnte" 1 4 , zürnt jetzt Jahwe (V. 15), während er um Jerusalem und Zion „eifert" (V. 14b). Wie eine Explikation des 2. Teils dieses Gottesspruches (V. 15) hört es sich an, wenn im darauf folgenden Nachtgesicht (2,1—4) die Vernichtung der Mächte, die Israel „zerstreuten", angesagt wird. Dabei wäre das Zerstreuen als Ausführen von Jahwes Gerichtsplan, der dann allerdings zu weit getrieben wurde, zu verstehen 1 5 . Zusammenfassend ist also festzuhalten: Es haben sich keine Gründe ergeben, die es zwingend nahelegen, 2,1—4 einem anderen Datum als dem von 1,7 zuzuordnen. Diese Vision paßt vielmehr gut in diese Zeit und ihre Situation. 10

Jer 3 0 , 1 0 (= 4 6 , 2 7 ) ; Jes 4 9 , 1 9 b ; 5 4 , 1 4 . 1 5 . 1 7 ; Ez 2 8 , 2 6 ; 3 4 , 2 7 f ; vgl. a. Ez 3 8 , 8 . 1 1 . 1 4 ; 39,26. 11 Auch hier werden keine konkreten politischen Größen genannt. Anders als in Sach 2,1—4 ist nicht ausdrücklich der Aspekt der Feindschaft, Bedrohung gegenüber Israel erwähnt. Die Niederwerfung der Völker geschieht im Rahmen eines universalen, endzeitlichen heiligen Krieges und wird nicht bildhaft verschlüsselt dargestellt. 12 So wird man die Berufung Serubbabels, des „Knechtes", „Erwählten" Jahwes in eine bestimmte Funktion (ПГППЭ "pnaiPl) durch Jahwe verstehen müssen. 13 Dazu s.u. S. 25f. 14 Zum Problem der näheren Bestimmung dieser Völker s.u. S. 153ff. 15 Diese Interpretation läßt sich stützen durch den Hinweis auf den Sprachgebrauch von ГПТ an den oben genannten Ezechiel-Stellen: Hier ist nämlich das Zerstreuen 1. immer ein Gerichtshandeln Jahwes und 2. mehrfach mit der Erwähnung des Zornes Jahwes verbunden (5,13; 20,21b; 3 6 , 1 8 ) . - Jes 4 7 , 6 zeigt, wie es zusammengehören kann, im Auftrag Jahwes das Gericht zu bringen und trotzdem dabei und dadurch Jahwes Zorn hervorzurufen.

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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2. Als Entstehungsort des 3. Nachtgesichtes 2,5—9 nimmt Galling Babylonien an; denn: „der Prophet scheint sich an einem nicht-jerusalemischen Ort ( ! ) aufzuhalten, da er den Mann mit dem Meßgerät in der Hand nach seinem Weg fragt und von ihm erfährt, daß er sich nach Jerusalem begeben w o l l e " (S. 115). Da es sich um eine visionäre Schau und dabei zudem ganz deutlich um eine himmlische Szene handelt, ist Gallings Argumentation in keiner Weise überzeugend. Ohne nähere Begründung weist Galling dieses Nachtgesicht der Zeit des Aufbruchs aus dem Exil zu (S. 123). Indessen ergeben sich vom Inhalt dieser Vision her — wegen der Menge an Menschen und Vieh wird Jerusalem mauerlos sein 1 6 , Jahwe wird es als Feuermauer ringsum schützen 17 und als Т13Э in seiner Mitte sein ( V . 8 b . 9 ) — nicht nur keine Einwände gegen ihre Zugehörigkeit zum Datum 1,7, fünf Monate nach Beginn des Tempelbaus (Hag 1,15a; 2,15—19), sondern sie ist am besten aus dieser Zeit des Wiederaufbaus Jerusalems und des Tempels zu verstehen. Indem diese Zusagen die Verheißung 1,14 konkretisieren, wird außerdem eine enge Beziehung zum 1. Nachtgesicht hergestellt. 3. 4 , I f f , das 5. Nachtgesicht, versteht Galling als nach Jerusalem und in das 2.Jahr des Darius gehörig. Das ist der zeitliche Bereich des Datums in 1,7, das nach Galling den „Zeitpunkt der öffentlichen Verkündigung" der Nachtgesichte angibt, dem 4 , I f f „erheblich näher" stehe (S. 124). Das Argument, daß der Sieben-Lampenleuchter die Entstehung in Jerusalem nahelege, sieht Galling selbst nicht als völlig überzeugend an. Anders steht es mit seinem Hinweis auf Serubbabel und Josua, die mit dem Ausdruck ЧПХ'П-'ЗЗ gemeinten Personen. Denn beide hatten in frühnachexilischer Zeit und im Jerusalem dieser Zeit eine führende Stellung inne. Das zeigen die Liste der aus dem Exil Heimgekehrten 1 8 , das Buch Haggai 19 , dazu weitere Angaben im Buch Esra und N e h e m i a 2 0 : Dort werden überall Serubbabel und Josua zusammen und in führender Position genannt 2 1 . Wenn es nun auch in Sach 4 um diese beiden Personen geht, dann spricht das zweifelsfrei für eine Entstehung dieses Nachtgesichts im frühnachexilischen Jerusalem und macht damit die Zugehörigkeit

16 Z u dem hier gebrauchten Begriff Л 1 П 0 und seiner Bedeutung s. genauer u. S. 169f. 17 18 19 20 21

Vgl. u. S. 174f. Esr 2,2 und Neh 7,7. 1,1.12.14; 2,2.4. Ksr 3,2.8; 4,3; 5,2; Neh 12,1. S. dazu Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition . . ., S. 129.

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A u f b a u u n d Z u s a m m e n h a n g d e r Nachtgesichte

zum Datum 1,7 sehr wahrscheinlich, zumal der Inhalt auch dieser Vision gut als Explikation der Verheißung von 1,14 verstanden werden kann: Jahwes Zuwendung zeigt sich ebenfalls darin, daß er dem Volk diese beiden führenden Männer gibt, die im Dienste Jahwes stehen. 4. Wenn das 6. Nachtgesicht (5,1—4) so zu erklären ist, daß es hier um die während der Exilszeit in der Heimat gebliebenen Judäer und „die gerechte Lösung der für die Heimkehrer so schwierigen Grund- und Bodenfrage, überhaupt aller mit der Repatriierung verbundenen Vermögensstreitigkeiten und ähnlicher Schwierigkeiten" 2 2 geht, dann wird man gegen Gallings Ansetzung dieser Vision in Jerusalem und im 2. J a h r des Darius nichts einwenden. Dann spricht aber auch nichts dagegen, sie als ursprünglich mit dem Datum 1,7 verbunden zu verstehen. Verstärkend kommt auch hier der Bezug zum 1. Nachtgesicht hinzu: Jahwes Sorge um die innere Ordnung des nachexilischen Israel ist Ausdruck seines Eifers um Zion/Jerusalem (1,14). 5. Im 7. Nachtgesicht (5,5—11) schaut Sacharja die Entfernung von ρ5723 und П5?гп aus dem Land und ihre Beförderung ins Land Sinear. Indem so das Land von Schuld und Bosheit, Gottlosigkeit 2 4 gereinigt und befreit wird, geht es um einen neuen Anfang des nachexilischen Israel im Verhältnis zu Jahwe, um die Ermöglichung neuen Gehorsams gegen J a h w e — auch dies ein Ausdruck des Eifers Jahwes um Jerusalem (1,14). So fügt sich zur Neuordnung des Zusammenlebens der Glieder des nachexilischen Israel (5,1 — 4) die Neuordnung seines Verhältnisses zu Jahwe. Sein Inhalt weist dieses Nachtgesicht in das nachexilische Jerusalem und legt seine Zugehörigkeit zum Datum 1,7 nahe. Diese Einordnung wird unterstützt durch die erwähnte Beziehung zum 1. Nachtgesicht. Ähnlich versteht Galling 5,5—11: er setzt diese Vision in Jerusalem und in der ersten Zeit des Bauens am Tempel an (S. 119, 123). 6. Der Versuch einer zeitlichen Einordnung des letzten Nachtgesichts (6,1—8) wird besonders erschwert durch die Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung seiner Aussage ergeben und die sich in der überaus knappen und daher für das Verständnis nicht eindeutigen Formulierung von 6,8 konzentrieren. In der Erklärung die22

Elliger z . S t . , so z.B. a u c h H o r s t , Galling S. U 8 f . In V. 6 ist s t a t t des hier sinnlosen Wortes D r V im Gefolge d e r LXX (ή άδικία αύτών) u n d mit den meisten Auslegern DJ157 zu lesen. Der Fehler ist graphisch o h n e weiteres als Verschreibung zu erklären. 24 Z u nVtth s. genauer u. S. 195ff. 23

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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ses Verses stehen sich im wesentlichen zwei verschiedene Auslegungen gegenüber: Es ist 1. von Jahwes Zorn, seinem Gericht über Babel die Rede 2 5 oder 2. davon, daß Jahwes Geist über die Diaspora, vornehmlich die im Nord-Land, ausgegossen wird und sie bereit macht zur Rückkehr und zur Mitarbeit am Tempelbau 2 6 . Da beide Erklärungen je verschiedene Gesichtspunkte für die Entstehungszeit von 6,1—8 ergeben, muß notwendigerweise im folgenden zunächst das Schwergewicht auf der Frage nach Sinn und Ziel dieser Vision liegen. Nach Galling gehört 6,1—8 nach Babylonien und in die Zeit vor der Rückkehr der Exulanten (S. 121). Zu diesem Ergebnis kommt er, indem er 1) die ЛИТ" ГТП als der Gola zugewandt versteht (6,8; S. 121). Es scheint aber fraglich, ob man den Ausdruck JYBS · ρ Χ 3 in V.8b ohne weiteres auf die Gola deuten kann 2 7 : dagegen spricht 2,10.11, wo es um die Gola geht, sie aber gerade nicht mit dem „Land des Nordens" bzw. „Babel" gleichgesetzt ist; s. auch 5,11, wo das „Land Sinear" deutlich eine lokale Größe ist. Da in 6,1—8 der Norden so betont ist und er, wie die Vorstellung vom Feind aus dem Norden zeigt 2 8 , die feste Bedeutung der Unheilsrichtung haben kann, wird man den Ausdruck besser in diesem Sinn verstehen 2 9 . 2) interpretiert Galling 6,8 b als auf die „Geisterweckung der Gola und d.h. des genaueren auf die Rückkehr" zielend (S. 121), als die „Ausgießung des Gottesgeistes, die weiland die Müden und Verzagten mit neuer Kraft erfüllte" (S. 125). Von der Rückkehr der Exulanten ist aber im Text nichts gesagt, es scheint auch nichts auf sie hinzudeuten. Der Gedanke des fehlenden oder erlahmenden Willens zur Rückkehr hat ebenfalls keinen Anhalt im Text, wie er überhaupt bei Sacharja nicht vorkommt. Auch in dem, was man aus Jeremia, Ezechiel, Deuterojesaja von den frühesten bis zu den spätesten Zeiten des Exils entnehmen kann, ist davon nie die Rede, wohl von Hoffnungslosigkeit und Resignation (s. besonders Ezechiels Diskus25

So z.B. Hitzig, Hitzig-Steiner, v. Orelli, Wellhausen, Marti (KHC), Junker, Mitchell, Sellin (Studien zur Entstehungsgeschichte . . . II, S. 87), D. Lys (Rüach. Le souffle dans l'Ancien Testament, 1962, S. 233, 235). 26 So z.B. seit Ewald (Die Propheten des Alten Bundes, 3. Bd. 1868, S. 204) Rothstein (S. 198f), Nowack, Marti (HSAT), Horst (1. Aufl.), Elliger, Galling (S. 121), s.a. Jepsen (ZAW 6 1 , 1 9 4 5 / 4 8 , S. 99); vgl. jetzt auch H. Gese: ZThK 70, 1973, S. 32f. 27 Das tut Galling mit der Begründung, daß „mit dem Nordland ja Babylonien gemeint ist" (S. 121). 28 Vgl. Jeremias Frühverkündigung (bes. K.4—6), s. Ez 38f. 29 Vgl. a.u. S. 30f, 35f.

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A u f b a u und Zusammenhang der Nachtgesichte

sionsworte). Zudem steht Galling mit diesem Gedanken im Widerspruch zu seiner Deutung von 2,1—4, in der er von den „die Rückkehr hintertreibenden Babyloniern" spricht (S. 113), was nur sinnvoll ist, wenn unter den Exulanten der Wille zur Rückkehr vorhanden ist. Schließlich bleiben diese Schwierigkeiten, die Gallings Erklärung entgegenstehen, nicht ohne Auswirkung auf seine Deutung der Wendung TVTrnx ЧГГЗП als „Geisterweckung der Gola . . . " , die damit auch in Frage gestellt wird. Entsprechend diesem Verständnis und der frühen Ansetzung von 6,1—8 muß Galling erklären, warum 6,1—8 in der als ,,eine am Sachverhalt orientierte Progression" (S. 123) verstandenen Visionsreihung am Schluß und nicht an der zu erwartenden Stelle steht. Diese Erklärung — Zusammenhang mit 6,9ff, wo demonstriert wird, was die Geisterweckung von den Rückkehrern fordert . . . (S. 121, 125) — befriedigt nur, wenn man Gallings Erklärung von 6,8 folgt (Geisterweckung der Gola). Aufs Ganze gesehen, ist Gallings Verständnis auch von 6,1—8 nicht von seiner Sicht Sacharjas zu trennen, wonach „für Sacharja das geschichtliche Faktum der Rückkehr das entscheidende Fundament abgibt" (S. 117), die Heimkehr als Heilswende angesehen wird (S. 114). Aber gerade daß Sacharja darin die Heilswende sieht, ist aus seiner Gesamtbotschaft nicht zu entnehmen, im Gegenteil 30 . Die Gallings Verständnis von 6,1—8 positiv entgegenzusetzenden Überlegungen sollen das vielverhandelte und wegen der Kürze der Formulierung Sacharjas in 6,8 von diesem Vers allein her wohl nicht befriedigend zu lösende Problem, was in 6,8 unter nn bzw. ΤΙΊΊΤΚ ΊΠ4Π zu verstehen sei, aus einer anderen Perspektive in den Blick nehmen. Obwohl deutliche Unterschiede nicht übersehen werden können, besteht eine enge Verbindung zwischen dem 1. und dem letzten Nachtgesicht. Am deutlichsten fällt sie beim Bildmaterial auf, sie zeigt sich aber auch in Einzelzügen31 und im Vokabular 32 . Beide Visionen sind zudem demselben Visionstyp zuzurechnen 33 . Das Gewicht dieser Wahrnehmungen wird dadurch verstärkt, daß beide Visionen im Gesamtkorpus der Nachtgesichte ganz offensichtlich eine Rahmungsfunktion erfüllen, also wohl absichtlich ähnlich gestaltet sind. Dazu ist das o. S. 20 zum 1. Nachtgesicht Angeführte zu vergleichen. Betonung der Vier-Zahl 1,8; 6,1.2f; Ausgangspunkt ist Jahwe 1,10b; 6 , 5 b ; р Х Л Г Ь э ) ist der Bereich l , 1 0 f ; 6,7, s.a. V . 5 . 6 . 3 2 Besonders auffallend ist p N 3 " ^ П П Л l , 1 0 b . l l a ; 6,7a.7b. 3 3 Vgl. u. S . 4 8 f . 30

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Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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Es ist zu untersuchen, ob diese Verbindungslinien zwischen den beiden Visionen — ähnliche Beziehungen finden sich zwischen anderen Nachtgesichten überhaupt nicht — tiefer reichen und ob sich damit für die Lösung der in 6,1—8 offenen Fragen neue Gesichtspunkte ergeben. Das Bild des 1. Nachtgesichts endet damit, daß die von Jahwe ausgesandten Botenreiter (1,10) melden, die ganze Erde (piNm^D) sei ruhig (1,11). Die anschließende und durch die Meldung offensichtlich hervorgerufene klagende Frage nach Jahwes Erbarmen (1,12) zeigt: An einem — erwarteten, offenbar sogar ersehnten — die ganze Erde bewegenden Geschehen hätte man Jahwes Wendung vom Zorn zum Erbarmen gegenüber Jerusalem und J u d a , den Ablauf der 70 Jahre, erkennen zu können gehofft. Die der Klage folgende Verheißung l,14f spricht vom Eifer Jahwes um Jerusalem und von seinem Zorn gegen die Völker, die ihren Gerichtsauftrag mißbraucht haben. Damit ist die Enttäuschung der Klage aufgefangen und ihr eine in einer Zusage begründete Hoffnung entgegengesetzt. Als Entfaltung eines Aspektes dieser Zusage ist das 2. Nachtgesicht anzusehen (s. oben). Es geht dort um die Völker, um die Weltmächte, jedoch unter einem bestimmten Gesichtspunkt: es geht um sie als Feinde, als Bedrohung Israels. Von einem die Gesamtheit der Erde betreffenden, weltbewegenden Geschehen ist dann wieder in 6,1—8 die Rede 3 4 . Dieser Sachverhalt, dazu die Tatsache, daß nach l,10f die von J a h w e mit ihren verschiedenfarbigen Pferden Ausgesandten von der Ruhe der Erde berichten und nach 6,1—8 verschiedenfarbige Pferde, jetzt mit Wagen, von J a h w e herkommend (6,5) über die Erde ausziehen, legt die Vermutung nahe, daß es in 6,1—8 um das in l,7ff vergeblich erwartete Weltereignis geht 3 5 . Hinzu kommt: Besser als nur aus 6,1—8 erklärt sich die Ungeduld der wartenden Wagenzüge (... 6,7a), wenn die Meldung der Boten über die Ruhe der Erde (1,11), die möglicherweise auch für 34

f i x n in diesem umfassenden Sinn und zugleich als Schauplatz eines (weltweiten) Geschehens begegnet innerhalb der Nachtgesichte außer im 1. Nachtgesicht nur noch hier (V. 7, s. V.5); denn in 4 , 1 0 b bezeichnet zwar die ganze Erde, von ihr ist aber in ganz anderem Zusammenhang geredet; in 5,3.6 ist dagegen mit ^ЧНГтЬэ nur das Gebiet gemeint, in dem die heimgekehrten Exulanten wohnen (Palästina bzw. Jerusalem/Juda). Im einzelnen spricht dafür, daß das Geschehen in 6,1—8 die ganze Erde umfaßt: 1. die Nennung der 4 Winde (6,5, dazu s.u. S. 31 f.); 2. die Richtungsangaben in V.6, wenn auch im vorliegenden T e x t nicht alle Himmelsrichtungen genannt sind (vgl. a.u. S. 129); 3. der V.7; 4. die Tatsache, daß V.8 aus der Mehrzahl ausfahrender Wagen nur den nach Norden fahrenden herausgreift, die übrigen fahren also offensichtlich in andere Richtungen. 35

Anscheinend erwägt dieses auch Marti (KHC z.St.).

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A u f b a u und Zusammenhang der Nachtgesichte

sie wider Erwarten ruhig war, der Hintergrund ist, wenn diese Boten dann von Jahwe (6,5 bj3 ... ]ПК-17У эзглпй!) den Auftrag erhalten haben 3 6 , den der Meldung von 1,11 zugrunde liegenden Zustand zu ändern, und nun darauf brennen, ihn auszuführen 3 7 . Auf dem Hintergrund dieser Wahrnehmungen, die die Nähe der beiden Visionen sichtbar gemacht haben, und der daraus sich ergebenden Vermutung, daß das Geschehen von 6,1—8 mit 1,1 Of in enger Verbindung steht, ist zu versuchen, der Beantwortung der Frage näher zu kommen, um was für ein Geschehen es geht. Nach 1,1 lf wäre es Anzeichen für das Ende des Zornes Jahwes und für den Anfang von Erbarmen und Heil über Jerusalem /Juda gewesen. Da es außerdem die ganze Erde umfaßt und ihre Ruhe beseitigt 3 8 , möchte man an ein Ereignis denken, wie es — die Welt erschütternd, heilvoll für Israel — etwa von Haggai in 2,6f. 20ff angesagt worden ist 3 9 . Ist die vermutete Beziehung zwischen l,7ff und 6 , I f f zu halten, müßte es sich auch in 6,1—8 um eine solche endzeitliche Welterschütterung handeln. Die nächste Frage ist, ob diese Erklärung dem Text von 6,1—8 entspricht. Ein spezieller Auftrag für die ausfahrenden Gespanne ist hier zwar nicht formuliert. Aber die betonte Erwähnung des Nordlandes in 6,8, des Feindlandes, des Landes der Gefangenschaft (2,10), wohl vor, aber mit und neben der übrigen gesamten Welt (6,6f) spricht für diese Deutung auf ein die Mächtigkeit der Völker vernichtendes Geschehen. Dabei gilt dem Nordland, das sich mehrfach in der Geschichte als der Hauptfeind Israels erwiesen hat, (und damit seiner Niederwerfung) besonderes Interesse 4 0 . (Dieser Zug paßt im übrigen gut im Anschluß an die voraufgehende Vision: Die nach 5,5—11 ins „Land Sinear" gebrachte Bosheit, Gottlosigkeit (ΠϊΝΖή) wird jetzt vernichtet.) Der Gedanke liegt nahe, daß die Pferde jetzt deshalb mit Wagen ausfahren, um zu bewirken, wonach zunächst ( l , 7 f f ) die auf Pferden rei36

Sie sind zwar nicht ausdrücklich genannt, waren auch in 1,10 nur merkwürdig unpersönlich bezeichnet, aber daß in 6 , 5 b ß nicht die D4D1D als solche gemeint sind, ist keine Frage. 4 1 37 Ähnlich scheint auch die Targum-Übertragung von 6,8bj3 Л 1T3SJ рП ? "WS TUSH „sage zu ihnen: tut meinen Willen" — auf das Nordland bezogen — den Text zu verstehen (vgl. Rignell z.St.). 38 Das 1,11 gebrauchte Wort Üp© bezeichnet meistens das Befreitsein von Krieg, Bedrückung, Vernichtung, o f t mit f ) X als Subjekt: s. J o s 11,23; 14,15; Ri 3,11.30; 5,31; 8,28; J e s 14,7; J e r 3 0 , 1 0 ; 4 6 , 2 7 ; 47,6.7; 4 8 , 1 1 ; Ez 3 8 , 1 1 ; 2.Chr 13,23; 14,4.5; 20,30. 39 Auf diese Worte Haggais weisen auch schon Keil, Sellin, Horst. 40 Dazu s. genauer u. S. 35f.

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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tenden Boten (ohne Wagen) vergeblich ausgeschaut haben, d.h. daß die Wagen sich als Kriegs-, Streitwagen erklären, von Jahwe gegen die ganze Welt, besonders aber gegen das Nordland eingesetzt 41 . Damit erhielte auch dieser Unterschied zwischen dem 1. und dem letzten Nachtgesicht (die Pferde nicht allein, sondern mit Wagen) einen guten Sinn 4 2 . Zu dieser Erklärung der Wagen und ihrer Funktion ist etwa auf Hab 3,8 zu verweisen: Jahwe kommt zum Gericht mit seinen Rossen und Wagen (ГЛЗЭЧТЗ). Auch die Erwähnung der 4 Winde (ΠΙΠΊ) und ihre Gleichsetzung mit den pferdebespannten Wagen in 6 , 5 4 3 wird in diesem Zusammenhang verständlich, 41

ПЭЭЧЙ bezeichnet in erster Linie Kriegs- oder Streitwagen, die — mit Pferden bespannt — o f t als Inbegriff oder ganz wesentlicher Teil einer Streitmacht genannt werden und sehr gefürchtet waren: s. z.B. J o s 11,6.9; l . K ö n 5,6; 10,29; Jes 2,7; J e r 4,13; J o 2,4f; Mi 5,9; Nah 3,2; Hag 2,22; da nach Ausweis von J o s 11,4./6.9; Ri 4,15; 5,28b; l . K ö n 22,35; 2. Kön 9,21.24./27; 2. Chr 35,24 ПЗЭЧ7Э und ЭЭТ offensichtlich weitgehend gleichbedeutende und austauschbare Begriffe sind, können auch Stellen, an denen ЗЭ1 vorkommt, hier herangezogen werden: z.B. Ex 14,9.17.23; 15,19; Dtn 11,4; 20,1; l . K ö n 20,1. 21.25; 2.Kön 6,14f; 7,6; 10,2; Jes 31,1; 43,17; Jer 46,9; 50,37; 51,21; Ez 26,7; Sach 9,10; Ps 20,8. Zu vgl. ist auch M. Noth," WAT 4. Α. 1962, S. 79; ders., Könige (BK IX) S. 15; K. Galling, Der Ehrenname Elisas und die Entrückung Elias: ZThK 53, 1956, S. 131. 42 Gegen Rignell, nach dessen Ansicht die Funktion der Wagen von 6,Iff der der Reiter von l,7ff gleicht (S. 198), was sich auch in seiner Deutung der Pferdefarben zeigt (s. S. 206). 43 Übersetzung und Verständnis von 6,5 b sind umstritten. Die Lösungsvorschläge gehen im wesentlichen in drei Richtungen: 1. ГЛГП V34X wird als Richtungsangabe aufgefaßt, entweder als Richtungsakkusativ (so etwa Sellin, Horst, Elliger, Galling S. 120 2 , erwogen von Nowack) oder durch Ergänzung der Präposition (so etwa Wellhausen, Marti, von Nowack erwogen) b z w . ' b x (so Mitchell). 2. niKSV . . . Π1?** wird übersetzt: „Diese sind die 4 Winde ..., die ausziehen" (so z.B. Keil, Rothstein S. 174f, Marti HSAT, H. Gunkel, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, 2. A. 1921, S. 122, D. Lys, Rüach S. 233 2 , s. jetzt auch H. Gese, Anfang und Ende der Apokalyptik ...: ZThK 70, 1973, S. 32). Dieses Verständnis setzt aber aus grammatischen Gründen voraus, daß vor dem pt. IY1RXV der Artikel ergänzt wird (so Rothstein ebda., vgl. Gesenius—Kautzsch § 126u). 3. Rignell, S. 206 wendet sich gegen die eben genannte Lösung und übersetzt: „Diese vier Winde des Himmels ziehen aus". ad 1: Gegen diese Lösung spricht: a) grammatisch: Die Richtungsangabe wäre normalerweise nach dem verbalen Prädikat zu erwarten (s. Meyer § 92,3, Brockelmann § 122; dazu, daß die Folge Subjekt—adv. Bestimmung—Prädikat nicht unmöglich ist, s. Brockelmann § 122p).

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A u f b a u und Zusammenhang der Nachtgesichte

wenn man an T e x t e denkt wie einerseits Jer 49, 36 (Jahwe „bringt über Elam vier Winde von den vier Enden des H i m m e l s " im Zusammenhang seines Gerichts über dieses Land), auch Ps 148,8 (der Sturmwind als Bote, der Jahwes Wort vollzieht), Ps 104,4 (Jahwe macht die Winde zu seinen Boten; vgl. auch V.3: Jahwe selbst fährt auf den Flügeln des Windes daher), andererseits Jes 66,15 (die Wagen Jahwes, der zum Gericht über die Völker kommt, sind wie der b ) Die Konstruktion der 3 Richtungsangaben in dem folgenden V . 6 : Sie sind ausdrücklich als solche durch die P r ä p o s i t i o n e n gekennzeichnet (ebenso V . 8 b , ähnlich 5,3) und folgen dem — wiederum durch XS 4 gebildeten — Prädikat (s.a. V . 8 b ; 5,3). Es ist unwahrscheinlich, daß eine Richtungsangabe im unmittelbar voraufgehenden Satz V . 5 b völlig abweichend formuliert w o r d e n wäre, besonders wenn es sich — entsprechend diesem ersten hier erörterten Lösungsvorschlag zu V . 5 b — im folgenden Satz V . 6 dann um eine Explikation der allgemeineren A n g a b e in V . 5 b handelte. c) Das m i t geringen Variationen allen Nachtgesichten (ausgenommen 3,1 — 7) gemeinsame fast stereotype Aufbauschema läßt nach der Frage ЛЬХ ЛЙ (V. 4b, so a. 1,9; 2,2; 4,4; 5,6: >ГП ПО) auch hier eine auf die Frage direkt eingehende A n t w o r t erwarten, in der die erfragte Größe identifiziert w i r d („diese sind . . . " , s. 1,10; 2,2; 4,10; 5,6; s.a. 5,3.8). Dabei wird die A n t w o r t mit dem in der Frage bereits enthaltenen Demonstrativpronomen eingeleitet. Versteht man die Wendung . . . Π Ι Π Ί S73"1N als Richtungsangabe, so ist in V . 5 nicht genau auf die Frage geantwortet, sondern nur die Tätigkeit der in Frage stehenden G r ö ß e beschrieben. Nach der T ä t i g k e i t w i r d aber sonst in den Nachtgesichten in anderer Weise gefragt (s. 2,4a.6a; 5 , 1 0 b ) . d) Schließlich spricht gegen diese Lösung die Wiedergabe von V. 5 b durch die L X X , Vulgata und die syrische Obersetzung (zu dieser vgl. Rignell z . S t . ) , die . . . m m 5 ? m x als Prädikat zum Subjekt П*7К verstehen. ad 2: Die einzige Schwierigkeit ist der vor m t W fehlende A r t i k e l . Für diese Lösung, d.h. für die Ergänzung des Artikels spricht das unter l . c ) Angeführte. Für sie sprechen auch L X X , Vulgata und syrische Übersetzung. ad 3: Gegen Rignells Verständnis spricht neben d e m unter l . c ) Angeführten das grammatische A r g u m e n t , daß bei seiner Übersetzung das Demonstrativpron o m e n n V x nicht voranstehen dürfte, sondern, mit dem A r t i k e l versehen, nach O'ütf stehen müßte (s. Gesenius—Kautzsch S . 4 1 5 1 , Brockelmann § 2 3 d , 8 5 b (Gen 9 , 1 9 ! ) ) . Wägt man ab, was für und gegen die 3 Lösungsversuche zu sagen ist, so spricht Entscheidendes gegen 1 (und auch 3 ) und entsprechend für 2. Man w i r d die Schwierigkeit des vor n i N S V fehlenden Artikels dann so lösen müssen, daß man entweder eine an dem in Wortlaut und -folge ganz nahestehenden V . laßy orientierte Formulierung annimmt oder — was wahrscheinlicher ist, s.a. die parallele Formulierung in 5,3 — den Ausfall eines einem • graphisch ähnlichen und mit ihm verwechselbaren Π durch Haplographie (die gleiche Erscheinung in Ez 48,13, s. dazu W. Z i m m e r l i , Ezechiel z . S t . A n m . b). Daß Lösung 2 v o m Inhalt her möglich ist, sogar gut paßt, zeigen die im folgenden aufgeführten Stellen (Jer 49,36 usw.).

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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Sturm, ПВЮЭ) und auch Jes 5 , 2 8 ; J e r 4 , 1 3 (Jahwes Gericht an Israel wird durch ein fremdes Volk vollzogen, dessen Wagenräder bzw. Wagen wie der Sturm sind, ГШТОО)". Es bleibt die Frage nach dem Sinn des mit der Verbalform ЧПЧЛ verbundenen Begriffs ГПГГ ГГП in 6 , 8 4 5 . Möglicherweise ist bei dessen Gebrauch an dieser Stelle das Sprachelement des Wortspiels gegeben, und zwar mit den in V . 5 genannten D,ö©n m m ΙΠΊΝ: Mit dem Auszug dieser Л1ГП wird das Wirksamwerden der ΠΙ") Jahwes eingeleitet 4 6 . Da eine allgemeine Untersuchung des Begriffs ГПГГ ПП und seines Gebrauchs keine eindeutige Bestimmung seiner Bedeutung in 6 , 8 erlaubt und da die Frage nach der dynamistischen Komponente der m?r ПП und damit nach ihrer Wirkung speziell im Nordland (und auch auf der übrigen E r d e ) 4 7 in 6,1—8 keine direkte Antwort findet, ist man nach wie vor auf den Zusammenhang mit den übrigen Nachtgesichten und unter ihnen besonders mit der nahestehenden Vision l , 7 f f gewiesen. Alle vorangegangenen Beobachtungen und Überlegungen zum Zusammenhang von 6,1—8 mit l , 7 f f und alle darauf beruhenden Erklärungsversuche zu 6,1—8 führen darauf, die in 6 , 8 genannte ПП Jahwes als die von J a h w e kommende unheilvolle ΠΠ, eine die Welt erschütternde und Verderben bringende Kraft zu verstehen. Im Alten T e s t a m e n t ist o f t von der von J a h w e ausgehenden, feindlich und vernichtend wirkenden ΓΤΠ die Rede. Sie richtet sich gegen fremde, entgegenstehende Mächte, meist V ö l k e r : 1. ΓΤΠ in cstr.-Verbindung mit anderen Substantiven, z . B . : E x 1 5 , 8 ; 2. Sam 2 2 , 1 6 ; Ps 1 8 , 1 6 ; Hi 4 , 9 ; J e s 1 9 , 1 4 ; 5 1 , 1 . 2. ПП mit suff., z . B . : E x 1 5 , 1 0 ; J e s 3 0 , 2 8 . 3. ΠΊΓΡ ПП z . B . : J e s 5 9 , 1 9 . 4. ПП absolut gebraucht, z . B . : J e s 3 7 , 7 , s. auch J e s 1 7 , 1 3 . Sie ist aber auch gegen Israel, J e r u s a l e m . . . selbst gewandt:

Daß ПП und riDID parallel gebraucht werden können, zeigen J e s 1 7 , 1 3 und Hi 2 1 , 1 8 , vgl. a. J e r 4 , 1 1 . 1 2 / 1 3 ; Hos 8 , 7 . 4 5 Zum Bezug des suff. l . s g . in dem Wort T i l l s.u. S. 7 4 f Anm. 2. 4 6 Vgl. die — allerdings etwas andersartigen — Wortspiele in den Visionen Am 8 , l f ; J e r 1,11 f. 47 Daß an eine solche weltweite Wirkung (sie vertreten, wenn auch im Rahmen ihres anderen Gesamtverständnisses von 6 , 1 — 8 , z . B . Nowack, Horst, Elliger, Gese in Z T h K 7 0 , 1 9 7 3 , S. 3 3 ) zu denken ist, legt sich von daher nahe, daß zunächst von der ganzen Erde, am Schluß aber nur vom Nordland die Rede ist. Das wird sich aus dem besonderen Interesse daran erklären, wie die Ausfahrt der Wagen sich an diesem Land auswirkt, das also wohl exemplarische Bedeutung hat, ohne daß damit die weltweite Dimension des Geschehens aufgegeben worden ist. 44

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Jeremias, Nachtgesichte

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Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

1. Π Π in cstr.-Verbindung mit anderen Substantiven, z.B.: Jes 4,4; 2 9 , 1 0 ; J e r 4 , 1 1 ; Ez 13,13; 19,12. 2. ГГП mit suff., z.B.: Jer 22,22. 3. ЛТГГ ГГП, z.B.: Hos 13,15. Daß ГШ in diesem Zusammenhang o f t den vernichtenden Hauch, Wind, Sturm Jahwes meint, zeigen etwa Ex 15,8.10; 2.Sam 2 2 , 1 6 ; Jes 27,8; 3 0 , 2 8 ; 5 9 , 1 9 ; Jer 2 2 , 2 2 ; Ez 13,13; Hos 13,15. Hingewiesen sei noch darauf, daß ПП auch den Zorn eines Menschen oder einer Menschengruppe bezeichnen kann: Num 5 , 1 4 . 3 0 ; Ri 8,3; Jes 25,4; 3 3 , 1 1 ; Hi 15,13; Pred 10,4; Spr 2 9 , 1 1 ; 16,32; 2.Chr 21,16.

Das nach Norden fahrende Gespann wird diese π Π Jahwes im Nordland „zur Ruhe bringen" — eine Aussage, die im Sinn und auch in der formalen Struktur sehr nahe bei den Ankündigungen von Ez 5,13; 16,42; 21,22; 24,13 steht, daß Jahwe seinen Zorn (ППП), der gegen Jerusalem, gegen Israel gerichtet ist, zur Ruhe bringt, stillt 48 . Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich folgendes für die Frage nach der zeitlichen Ansetzung dieses letzten Nachtgesichts: Allein die enge inhaltliche und kompositorische Verbindung zwischen dem 1. und dem letzten Nachtgesicht macht es höchst wahrscheinlich, daß beide auch zeitlich eng zusammengehören. Ergab sich für das 1. Nachtgesicht die frühnachexilische Zeit, genauer noch: das in 1,7 vermerkte Datum, so wird dieser Zeitpunkt auch für 6,1—8 anzunehmen sein. Daß auch der Inhalt von 6,1—8, die Ansage einer endzeitlichen Welterschütterung, nicht dagegen steht, können neben dem 1. Nachtgesicht, in dem offenbar danach Ausschau gehalten wird 4 9 , Haggais Worte zeigen, die ein solches Geschehen ansagen (2,6f. 21f) und die zeitlich nur wenig früher datiert sind (s. 2,1.20). Dieser ganz wesentlich aus der Beachtung der Nähe zwischen dem 1. und dem letzten Nachtgesicht erwachsene Erklärungsversuch muß nun noch daraufhin geprüft werden, wie er sich in die Gesamtheit der Nachtgesichte einpaßt. Besonders wichtig ist es zu klären, wie sich das 2. und das letzte Nachtgesicht zueinander verhalten, d.h. herauszustellen, worin bei aller Gemeinsamkeit die jeweils spezifische Aussage beider Nachtgesichte besteht. (Denn daß zwei Nachtgesichte eine geradezu identische Aussage enthalten — die Niederwerfung der Weltmächte —, erscheint von vornherein unwahrEs fällt auf, daß die formale Struktur von Sach 6 , 8 b ß und die der genannten Ezechiel-Stellen die gleiche ist: П11 hi. + Substantiv mit suff. l . s g . (in Sach 6,8 und Ez 2 4 , 1 3 mit vorangestelltem ΠΝ) + mit der Präposition 3 eingeleitete adv. Bestimmung (in 21,22 fehlt eine solche allerdings ganz). 49 S . o . S. 29. 48

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

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scheinlich.) In der Gemeinsamkeit des Horizontes — es geht um den Bereich außerhalb Israels, um Völker, Länder, um die Welt — sind daher unterscheidende Akzentuierungen äußerst bedeutsam: so der die Hörner des 2. Nachtgesichts näher bestimmende Relativsatz 2,2b(4) „die J u d a ... zerstreut haben". Dieser Satz besagt, daß hier im 2. Nachtgesicht das Interesse ausdrücklich ausgerichtet und damit beschränkt ist auf einen bestimmten Aspekt, nämlich auf das feindliche Verhalten der in den Hörnern repräsentierten Mächte Israel gegenüber. Dementsprechend hatte sich als Ankündigung dieses 2. Nachtgesichtes ergeben 5 0 : J a h w e wird der Bedrohung Israels durch feindliche Mächte ein für allemal ein Ende machen und so die Voraussetzung für den Wiederaufbau der Stadt und die innere Neuordnung des Volkes, also für das in den folgenden Nachtgesichten Angekündigte, schaffen. Aber nicht nur das soll geschehen, sondern am Ende werden — so 6,1—8 — uneingeschränkt alle Länder, alle Mächte dieser Welt niedergeworfen, unterworfen im Zusammenhang einer großen endzeitlichen Welterschütterung. In dieser Ansage von 6,1—8 liegt eine Steigerung über 2,1—4 hinaus, mit der zugleich — und damit schließt sich der Kreis der Nachtgesichte — an die im 1. Nachtgesicht vergeblich erwartete Weltbewegung angeknüpft wird. Die Eigenaussage des 2. und des letzten Nachtgesichts kann also nicht isoliert von dem umgreifenden Rahmen eines fortschreitenden Nacheinanders der Aussagen der Nachtgesichte gesehen und erfaßt werden, wobei der Abschluß dieser Reihe eine Steigerung bringt. Es ist aber nicht zu übersehen, daß in der umfassenden Ankündigung des letzten Nachtgesichts auch der spezielle Aspekt der 2. Vision (und damit auch die Verheißung am Ende des 1. Nachtgesichts, 1,15) aufgegriffen wird, insofern ein besonderer Akzent gesetzt wird in der Hervorhebung des Nord-Landes (6,8). J a , darauf ist, wie aus dem Wortlaut und der Formulierung hervorgeht 5 1 , das Hauptinteresse konzentriert. Ohne Zweifel kommen hier — wie auch in 2,1—4 — die leidvollen Erfahrungen Israels in seiner Geschichte mit den Großmächten dieses Bereichs zum Ausdruck, besonders mit dem babylonischen Reich. Daß dieses selbst hier speziell gemeint ist, verwehrt die Tatsache, daß es inzwischen durch die Perser besiegt worden ist. Aber auch sein Nachfolger, das persische Reich, wird hier kaum gemeint sein, da dieses ja erst die Heimkehr der Exulanten ermöglicht hat. So wird es am wahrscheinlichsten sein, daß das Nord-Land, bei dem man sich ohne Frage besonders

50 51

S.o. S. 23. Vgl. o. S. 33.

36

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

an Babylon erinnerte, hier zum Repräsentanten, zum Symbol des Bösen, Unheilvollen geworden ist, das Israel in seiner Geschichte begegnet ist 5 2 . Dieses Verständnis des Begriffs Nord-Land p a ß t im übrigen gut zu dem, was im vorangehenden Nachtgesicht 5,5—11 über denselben, dort als „Land Sinear" bezeichneten Bereich gesagt wird: Dorthin wird die Bosheit, die Gottlosigkeit (n»Bh) gebracht, dort wird ihr ein Tempel gebaut, dort wird sie demnach verehrt (5,11), dort ist sie also zu Hause. Sicher ist an das Nord-Land auch in dieser Eigenschaft als Aufenthaltsort der ns?tth gedacht, wenn in 6,1—8 b e t o n t von seiner Niederwerfung die Rede ist. In einem zweistufigen Vorgang folgt also auf die Entfernung der П57ИП (5,5— 11) deren Vernichtung. Damit h a t sich ein guter Anschluß von 6,1—8 an das vorangehende Nachtgesicht 5,5—11 ergeben. Auch mit der Gesamtheit der Nachtgesichte in ihrer Abfolge schließt sich 6,1—8, wenn man es in der vorgeschlagenen Weise erklärt, gut zusammen: dem Neubeginn für Israel, den das 1. bis vorletzte Nachtgesicht verkündigen, fügt 6,1—8 die Schau einer weltweiten Neuordnung an u n d k n ü p f t damit am Ende des Komplexes der Nachtgesichte an dessen Anfang im ersten Abschnitt des 1. Nachtgesichts an. S o schließt sich inhaltlich wie auch im Blick auf den A u f b a u der Kreis. Die in diesem Abschnitt verfolgte Frage nach den Beziehungen des Datums in 1,7 zu dem 2. bis letzten Nachtgesicht findet also die A n t w o r t , daß der Inhalt dieser Nachtgesichte gut in den zeitlichen Umkreis des Datums 1,7 u n d zu der dazu gehörigen Situation paßt. Es spricht also vom Inhalt her nichts gegen die Z u o r d n u n g dieser Visionen zu dem Datum 1,7, wie sie im Text des Sacharja-Buches gegeben ist. Mehr, speziell eine Verifizierung dieses Datums, kann eine solche Untersuchung selbstverständlich nicht leisten. d) Die inhaltlichen

Verbindungslinien

zwischen

den

Nachtgesichten

Schließlich soll noch nach den inhaltlichen Verbindungslinien zwischen den einzelnen Nachtgesichten gefragt werden. Einiges dazu ist bereits erwähnt worden, so die Beziehungen zwischen dem 1. u n d jedem der übrigen Nachtgesichte: Man kann sie umschreiben als konkretisierende Ausführungen eines verhältnismäßig allgemein gehaltenen Themas, das mit der Verheißung am Ende des 1. Nachtgesichtes gegeben war und das eben in dieser seiner Allgemeinheit 52

Zur traditionsgeschichtlichen Erörterung des Begriffs „Nord-Land" s.u. S. 119.

Datierung und inhaltlicher Zusammenhang

37

eine entfaltende Fortsetzung geradezu forderte. Das Verhältnis der 2. Vision zu den folgenden Visionen kam eben im Zusammenhang der abschließenden Erwägungen zum letzten Nachtgesicht zur Sprache: Keine Bedrohung mehr durch feindliche Weltmächte als wesentliche Voraussetzung für die Existenz des nachexilischen Israel. Die daraufhin im 3. Nachtgesicht (2,5—9) gegebene Ankündigung, daß Jerusalem mit seiner wachsenden Bevölkerungszahl durch Jahwe beschützt wird und daß J a h w e in Jerusalems Mitte gegenwärtig sein wird, erfährt in den beiden folgenden Nachtgesichten eine ergänzende Fortführung unter dem Gesichtspunkt der inneren Ordnung, ohne die dieses nachexilische Jerusalem nicht bestehen kann. Dieser Gedanke wird nach zwei Richtungen entfaltet: 1. 4 , I f f richtet den Blick auf die Führung des Volkes; die Träger der beiden wichtigsten Ämter stehen gleichberechtigt im Dienst J a h w e s , sie vertreten das Volk vor ihm. 2. All das bleibt aber unvollständig, wenn nicht die Schwierigkeiten im Zusammenleben der einzelnen Glieder des Volkes aus der Welt geschafft werden, die sich gerade in der ersten Zeit nach der Rückkehr in verstärktem Maße ergeben haben werden (5,1—4). Indem in diesem Zusammenhang von den Dieben und denen, die bei J a h w e s Namen falsch schwören, die Rede ist — sie trifft der Fluch —, tritt bereits — ohne daß der Begriff erwähnt wird — der Bereich der Π1ΝΡ4 in den Blick, um die es dann im nächsten (vorletzten) Nachtgesicht geht: Hier handelt es sich nicht mehr um eine Bestrafung der Diebe und Meineidigen (also „ G o t t l o s e r " ) , sondern um die Reinigung, Befreiung des Landes von der Gottlosigkeit überhaupt. Daß und wie dieser Gedanke in 6,1—8 fortgesetzt wird und damit das letzte und vorletzte Nachtgesicht verbunden sind, war eben (S. 36) schon im einzelnen aufgezeigt worden. e)

Ergebnis

Die eben festgestellten Verbindungslinien zwischen den Nachtgesichten bilden, für sich genommen, kein eindeutiges Argument für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit dieser Visionen. Denn Galling, der von einer „ a m Sachverhalt orientierte (n) Progression" (S. 123), von einer „in ihrer Einheit wohlgelungen(en) . . . Kompositio n " (S. 125) spricht, versteht diese als sekundäre Komposition (S. 109f) ursprünglich selbständiger Gesichte, die Sacharja hergestellt habe, um sie in ihrer Gesamtheit „auf dem Vorhof des noch unvollendeten T e m p e l s " (! S. 125) vorzutragen. In Verbindung mit den Ergebnissen der Abschnitte a) bis c) wird die Erkenntnis der zwi-

38

Aufbau und Zusammenhang der Nachtgesichte

sehen den Nachtgesichten bestehenden Verbindungslinien jedoch zu einem diese Ergebnisse unterstreichenden, für die gemeinsame Entstehung der Visionen sprechenden Argument. Damit soll keineswegs grundsätzlich eine Nacharbeit des Propheten an diesen Visionen bestritten werden, wohl aber eine Überarbeitung in der Intensität bezweifelt werden, wie sie — nach Gallings Deutung — im Blick auf die vorliegende Einheitlichkeit der Visionsreihe und ihre ursprünglich aus ganz verschiedenen Situationen stammenden Bestandteile angenommen werden müßte. Zusammenfassend ist festzustellen: Nur bei zwingenden, aus den Nachtgesichten selbst erwachsenden Gründen ist die Verbindung zwischen dem Datum 1,7a und den folgenden Visionen zu lösen, der gegebene Zusammenhang der Nachtgesichte zu zerschlagen und in Einzelstücke zeitlich und situationsmäßig verschiedenen Ursprungs aufzulösen. Da sich diese Gründe nicht ergeben haben, vielmehr Wesentliches dafür spricht, daß die Visionen zum Datum 1,7 oder jedenfalls in seinen Umkreis gehören, also in derselben Zeit und Situation entstanden sein werden, ist daran als der wahrscheinlichsten Lösung der zu Anfang genannten Probleme festzuhalten. Gehören die Nachtgesichte in der beschriebenen Weise zeitlich zusammen, dann stellt sich die weitere Frage, ob man anzunehmen hat, daß sie tatsächlich alle in einer einzigen Nacht in der vorliegenden Abfolge von Sacharja geschaut worden sind, wie l,7f offensichtlich sagen wollen (vgl. auch 4,1). Man wird diese Frage letztlich offenlassen müssen. Vom Inhalt der Nachtgesichte her ergeben sich dazu jedenfalls keine wesentlichen G e s i c h t s p u n k t e G r u n d s ä t z l i c h wird man aber die Möglichkeit, daß die Nachtgesichte auf visionären Erfahrungen einer einzigen Nacht beruhen, nicht verneinen könn e n 2 . Was oben (S. 18) zum Datum 1,7 gesagt wurde, daß nicht 1

Auch Überlegungen wie z.B. die von Rothstein, der die Gestalten der Reiter und die Farben der Pferde mit dem Naturschauspiel des sich verändernden Morgenhimmels in Verbindung bringt (a.a.O., S. 3 4 f f , bes. 37, 4 0 ) , oder Zuordnungen wie die von B. Duhm (Israels Propheten, 2. A. 1922, S. 3 2 1 f , ähnlich Sellin, ΚΑΤ S . 4 7 5 ) , der das 1. Nachtgesicht dem Anfang, das letzte dem Ende der Nacht zuordnet, oder die ähnlich jetzt von Gese (ZThK 70, 1 9 7 3 , S. 3 6 f ) vorgenommene, der das 1., mittelste und letzte Nachtgesicht mit Abend, Mitternacht und Morgen verbindet, vermögen keine letztlich überzeugenden Argumente zu liefern. 2 Daß die Nachtgesichte in einer Nacht geschaut worden sind, vertreten oder halten für möglich außer den o. S. 13f bereits Genannten ζ. B. Rothstein a.a.O., S. 4, 13; Duhm a.a.O., S. 121f; Sellin zu 1,8; v. Rad, ThAT II, 5. A. S. 3 0 0 ; Gese a.a.O., S. 25, Anm. 23, S. 37; K. Seybold, Bilder zum Tempelbau, Stuttgarter Bibelstudien 70, 1974, S . 3 1 ; vgl. a. A.Jepsen, Kleine Beiträge zum

Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

39

zu sehen ist, welches Interesse dazu geführt haben sollte, eine solche genaue Angabe zu erfinden, gilt auch für die Angabe n W n . Eine Einschränkung ist hier allerdings zu machen: Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Nennung der Tages- oder besser der Nachtzeit und möglicherweise auch das Datum selbst streng genommen nur zu einer — und d.h. sicher: der ersten — Vision gehören und die übrigen Nachtgesichte zwar nicht speziell zu diesem sehr genau fixierten Zeitpunkt, wohl aber — wie die vorangehenden Untersuchungen zeigten — in sehr engen zeitlichen und situationsmäßigen Zusammenhang mit diesem gehören. Welche dieser Möglichkeiten auch immer die zutreffende ist, in jedem Fall liegen uns die Nachtgesichte in einer Gestalt vor, die das Ergebnis der Nacharbeit Sacharjas sein wird. In dieser Nacharbeit ist der zugrunde liegende visionäre Vorgang und das in ihm Erfahrene literarisch (Visionsbericht) und auch theologisch-inhaltlich in Ausrichtung auf die Verkündigung stilisierend ausgearbeitet worden 3 . Darauf weisen etwa die Rahmungsfunktion des 1. und letzten Nachtgesichts, das gemeinsame Grundschema des Aufbaus, die inhaltliche Abfolge, Einzelheiten der inhaltlichen Gestaltung, wie sie unten im Zusammenhang von Teil II erkennbar werden. Daß es Sacharja selbst ist, auf den die literarische Gestalt der Nachtgesichte zurückzuführen ist, ergibt sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit aus der Tatsache, daß Ich-Bericht des Propheten vorliegt.

B. Die Aufbauelemente der Nachtgesichte, verglichen mit denen der übrigen Visionen des Alten Testaments Nachdem der vorangehende einleitende Teil die Nachtgesichte Sacharjas allein betraf, werden sie in diesem Abschnitt in den größeren Zwölfprophetenbuch III. 4. Sacharja: ZAW 61, 1 9 4 5 / 4 8 , S. 97. - Ganz anders ist die Sicht von R. North, dazu s. die folgende Anm. 3 Die Bedeutung der theologischen Arbeit Sacharjas an den Nachtgesichten betont jetzt besonders Amsler a.a.O., S. 229. Dagegen geht R. North (Prophecy to Apocalyptic via Zechariah: VT Suppl XXII, 1972, S. 4 7 - 7 1 ) so weit, daß er die Reihe der Visionen Sacharjas nicht nur als "composed in writing", sondern als Ausdruck von "convictions acquired from reasoning rather than from any real dream either irrational or miraculous" versteht ( S . 4 9 ) . Eine ähnliche Ansicht ist auch vor North schon vertreten worden, z.B. von J. Lindblom (Die Gesichte der Propheten: Studia Theologica (Riga) 1, 1935, S . 2 6 f ) , der von den Nachtgesichten als „Phantasiegebilden" spricht, die also keine echten Visionen seien, von „Bilder (n), die vom Propheten ausgedacht sind". (Lindblom hat diese Sicht allerdings modifiziert in: Prophecy in Ancient Israel, 2. A. 1963, S. 145).

40

Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

Zusammenhang der alttestamentlichen Visionen gestellt 1 . Dabei wird, ausgehend von den einzelnen Aufbauelementen, wie sie oben herausgestellt wurden, gefragt, wieweit Verbindungslinien von den Nachtgesichten Sacharjas zu den anderen alttestamentlichen Visionsberichten in ihrer Struktur bestehen oder wieweit bei Sacharja Neuartiges zu erkennen ist. Indem dabei dem Aufbauschema der Nachtgesichte entlanggegangen wird, ergibt es sich von selbst, daß hier die in ihrem Aufbau eng verbundene Siebenergruppe der Nachtgesichte im Zusammenhang behandelt wird. Die Vision 3,1 — 7 wird dagegen, da sie diesem Schema nicht folgt, im gesamten Teil I.B. nur gelegentlich und nur am Rande herangezogen 2 . Bevor jedoch speziellen Fragestellungen nachgegangen wird, ist in Kürze ganz allgemein auf das Vorkommen von Visionen zu achten: Auch wenn sich bei Arnos bereits eine Reihe von 5 Visionen findet, spielt bei ihm und auch bei Jesaja und Jeremia diese Offenbarungsform keine überragende Rolle im Vergleich zur Audition. Viel größeres Gewicht haben Visionsberichte dann bei Ezechiel und vor allem bei Sacharja, unter dessen überlieferten Worten sie etwa die Hälfte ausmachen. Schon darin ist eine gewisse Nähe, ein Übergang zur Apokalyptik gegeben, in der, wie bereits am Daniel-Buch festzustellen ist, die Visionen dann das Übergewicht haben. Fragt man nach einer Erklärung dafür, daß die Visionsberichte bei Sacharja eine solche Bedeutung gewonnen haben, dann muß das Problem der Legitimierung genannt werden, das hier zweifellos eine wesentliche Rolle spielt. Durch seine Visionsberichte weist Sacharja darauf hin, daß er außergewöhnlicher Wahrnehmungen teilhaftig geworden ist, mehr noch: daß dabei Verhülltes speziell ihm, dem Visionär, enthüllt und erklärt worden ist, daß er außerdem einen Verkündigungsauftrag (1,14) in diesem Zusammenhang vernommen hat. Die besondere Wichtigkeit, die der Nachweis, von Jahwe als Prophet legitimiert zu sein, für Sacharja besitzt, zeigen auch die innerhalb des Spruchgutes überlieferten — wahrscheinlich von Sacharja selbst später eingefügten — Erkenntnisformulierungen 2,13.15; 4,9; 6,15 auf. Daß Visionsberichte auch in der Prophetie vor Sacharja z.T. ausdrücklich eine den Propheten in seiner besonderen 1

Über „Die Visionsschilderungen der alttestamentlichen Propheten" hat zusammenhängend F. Horst gearbeitet (EvTh 20, I960, S. 1 9 3 - 2 0 5 ) , vor allem im Blick auf das Verhältnis von Verbum und Visio. Vor ihm hat J . Lindblom eine Klassifizierung der Visionen unter psychologischen Gesichtspunkten vorgenommen: Die Gesichte der Propheten, Studia Theologica (Riga) 1, 1935, S. 7— 28. (Dazu ist jetzt zu vgl. J . Lindblom, Prophecy in Ancient Israel, 2. A. 1963, S. 122ff.) Zu erwähnen ist auch F. Haeussermann, Wortempfang und Symbol in der alttestamentlichen Prophetie, BZAW 58, 1932; mit dem Ziel einer „Zusammcnschau theologischer und psychologischer Gesichtspunkte" (S. I) werden u.a. auch die prophetischen Visionen behandelt. 2 Sie wird dann in Teil II auf Grund ihres Sondercharakters für sich besprochen.

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

41

Stellung legitimierende F u n k t i o n h a b e n , lassen die m e h r f a c h in d e r F o r m von Visionsberichten begegnenden Berufungsberichte e r k e n n e n 3 . Bei den Apokalyptikern ist es dann ganz verbreitet, die eigene Legitimierung h e r v o r z u h e b e n , indem sie auf die ihnen zuteil g e w o r d e n e n Visionen verweisen u n d den Visio n s b e r i c h t zur geläufigsten literarischen F o r m e r h e b e n 4 .

1. Die Schilderung

des vom

Visionär

Geschauten

Charakteristischer Bestandteil eines Visionsberichts ist die Schilderung des vom Visionär Geschauten. In drei Nachtgesichten Sacharjas bildet diese Schau den geschlossenen ersten Abschnitt des Visionsberichtes (2,1—4; 4 , I f f ; 5,1 — 4), während sie in vier Nachtgesichten noch nach der Frage des Propheten und der darauf antwortenden Deutung eine Fortsetzung findet ( l , 7 f f ; 2,5ff; 6 , I f f ; im Mittelteil von 5 , 5 f f ( 7 f ) ) . In dem im Aufbau ganz anders gestalteten Visionsbericht 3,1—7 nimmt die Schilderung des Geschauten und Gehörten den ganzen Raum ein. a) Einleitende

Formulierungen

Fragt man danach, wieweit es sich bei den die Wiedergabe des Geschauten unmittelbar einleitenden Worten und Wendungen um traditionelles Gut handelt, so ist folgendes festzustellen: 1. Die f ü n f m a l bei Sacharja v o r k o m m e n d e und somit bei ihm am häufigsten als Einleitung v e r w e n d e t e z u s a m m e n g e s e t z t e Wendung / ΝΙΝΙ T57 (ΠΝ) NEWT ΠΙΠΊ ΠίΟΝΙ ( 2 , ι . 5 ; 5 , 1 . 9 ; 6,1) begegnet in dieser F o r m in den p r o p h e t i s c h e n Visionen vor Sacharja n i c h t . Sie f i n d e t sich dagegen zweimal bei Daniel (8,3; 10,5), a u ß e r d e m — in 3. pers. sg. g e f a ß t — in J o s 5,13. N i m m t man die beiden Teile, aus denen diese Wendung z u s a m m e n g e s e t z t ist, für sich 1 , d a n n ergibt sich folgendes B i l d : 2 a) m m HN-lXI /N-liO begegnet in Ez 1 , 4 . 1 5 3 ; 2 , 9 ; 8 , 2 . 7 . 1 0 ; 10,1.9; 4 4 , 4 , dazu — mit dazwischengeschaltetem , 0 1 7Π3 — in d e m T r a u m b e r i c h t G e n 4 1 , 2 2 . Als F r e m d b e r i c h t f o r m u l i e r t f i n d e t sich diese Wendung in Ex 3,2; 2 . K o n 6 , 1 7 (3.pers. sg.) und 2. Kon 6,20 (3.pers. pl.). b) O h n e eine V e r b a l f o r m von ΠΙΟ - also in der F o r m m m TS? - find e t sich die Wendung nur in Ez 8,5. Ihr g e h t hier u n m i t t e l b a r voran die ganz e n t s p r e c h e n d f o r m u l i e r t e A u f f o r d e r u n g "JTS? N3 NB>, die sich in demselben Wort3

Vgl. dazu v. Rad, T h A T II 5. A. S. 6 3 , 67, 76. Vgl. dazu v. Rad, T h A T II, 5. A. S . 3 1 9 f ; auch J . M. S c h m i d t , F o r s c h u n g zur jüdischen A p o k a l y p t i k : V F 14, 1969, Η. 1, S. 54. 1 Sie k o m m e n allerdings bei Sacharja n i c h t g e t r e n n t vor. 2 Dabei werden die eben g e n a n n t e n Belegstellen n i c h t noch einmal a u f g e f ü h r t . 3 Das in V. 15 dazwischenstehende Wort wird sek. sein, s. W. Zimmerli, Ezechiel z . S t .

4

42

Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

laut (nur um erweitert) auch Sach 5,5 f i n d e t 4 , überdies an beiden Stellen durch ein himmlisches Wesen 5 an den Propheten gerichtet wird 6 . 2. Die bei Sacharja zweimal vorkommende Wendung ГШ1 ΤΡΧΊ (1,8 — mit eingefügter Zeitangabe — und 4,2) begegnet vor Sacharja in J e r 4,23.24 (mit jeweils dazwischengefügtem Objekt). 25.26; Ez 37,8, nach Sacharja im DanielBuch in 12,5 (mit eingefügtem Subjekt). 3. In Sach 2,3, dem zweiten Teil der Vision 2,1 — 4, und in 3,1 wird die Schau durch die hi.-Form von ПЮ eingeleitet: (ГГГР) "ЧНТЧ. Dafür finden sich sonst keine Belege, wohl aber für die ähnliche Formulierung ГПГП Л1ГР "ΊΝΊΠ.(DD): Am 7,1.4.7; 8,1; Jer 24,1; 38,21b(3-22 (statt ПЭ geht voran "IltfN Ί 3 1 Π ПТ). 4. Der in Gesprächsform (Frage und Antwort) gefaßten Einleitung in Sach 4,2 wird in einem anderen Zusammenhang nachgegangen 7 . 5. Besprochen wurde bereits das Datum Sach 1,7a, das unmittelbar den die Schau einleitenden Worten vorangeht 8 . Dabei wurde schon darauf hingewiesen, daß sich auch in anderen Visionsberichten an entsprechender Stelle eine Datumsangabe findet: Jes 6,1; Ez 1,1; 8,1; 40,1, s. auch Dan 7,1; 8,1; 10,1'. Eine auf den Tag genaue Datierung wie in Sach 1,7 begegnet im Zusammenhang von Visionsberichten nur noch bei Ezechiel 1 0 .

Die Übersicht über die Formulierungen, mit denen die Schilderung des Geschauten eingeleitet wird, zeigt, daß Sacharja Worte und Wendungen gebraucht, die ganz offensichtlich zu einem fest ausgeprägten Visionsstil gehören. Das gilt besonders für ПШ und mm n . 4

Hier in Sach 5,5 wird auf das zu Schauende dann allerdings noch durch den diese Aufforderung aussprechenden Engel hingewiesen, während in Ez 8,5 — ebenso übrigens wie in allen Nachtgesichten Sacharjas, 5,5 weicht hier also ab — das Geschaute durch den Visionär selbst geschildert wird. 5 Zu Ez 8,5 vgl. W. Zimmerli, Ezechiel z.St. 6 Ähnliche Aufforderungen, ebenfalls von einem himmlischen Wesen ausgehend, allerdings in anderer Formulierung und nicht allein auf das Schauen bezogen, finden sich nur an zwei weiteren Stellen des Ezechiel-Buches: 8,9 und 40,4; 44,5 wird als sekundäre Umarbeitung von 40,4 zu bewerten sein (s. W. Zimmerli, Ezechiel z.St.). 7 S. u. S. 59f. 8 S. o. S. 15ff. 9 In Ez 37,1 ist möglicherweise eine Datumsangabe ausgefallen, s. W. Zimmerli, Ezechiel z.St.; J e r 24,1b wird wohl als Zusatz anzusehen sein, s. Volz, Rudolph, Weiser z.St. 10 Sonst, also außerhalb von Visionsberichten, im Buch Haggai. Zu den Datierungen vgl. a. die Übersicht bei W. Zimmerli, Ezechiel, S. 40f. 11 Aus den unter 1,—3. genannten Belegen und Beispielen geht das mit ausreichender Deutlichkeit hervor, so daß beiden Worten nicht weiter im einzelnen nachgegangen zu werden braucht. Hinzuweisen ist noch darauf, daß sich ЛЮ nicht nur in der Einleitung der Schau oder eines neuen Abschnittes derselben finden kann, sondern auch an anderen Stellen innerhalb des Visionsberichtes (Belege dafür s.u. S. 59). Ferner ist anzumerken, daß ΠΧΊ mit der Ausnahme Gen 41,22 in den Traumberichten nicht begegnet — anders als ГПП, das hier

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

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Die erkennbaren spezielleren Verbindungslinien führten z u m Ezechiel-Buch und — nach vorn — zum Daniel-Buch. Aber auch mit Jeremia, etwas schwächer noch mit Arnos, zeigten sich Gemeinsamkeiten. b)

Stilistisches

Die Schilderung der Schau ist — das zeigten schon die einleitenden Formulierungen — ebenso wie der gesamte Visionsbericht bei Sacharja als Selbstbericht des Schauenden formuliert. Darin stimmt Sacharja mit den anderen prophetischen Visionsberichten (und auch den meisten übrigen Visions- und Traumberichten) des Alten Testaments überein 1 . In der sprachlich-stilistischen Gestaltung der Beschreibung des Geschauten hebt sich als mehrfach wiederkehrender Zug der Gebrauch von Partizipien heraus (so z.B. 1 , 8 . . . ЗЭП tf'X Л1Л1)2, die gegebenenfalls fortgesetzt werden durch ein verbum finitum (so 5 , 9 ) 3 . In den anderen alttestamentlichen Visionen begegnet dieser Gebrauch von Partizipien so überaus häufig, daß er sich damit als typisches sprachliches Merkmal der Visionsberichte erweist 4 . Ein weiteres Stilelement ist zu erwähnen: In 5,9 berichtet Sacharja, daß er zwei Frauen wahrnimmt, in deren Flügeln Wind ist; als nähere Beschreibung wird hinzugefügt: ЛТОПП 'DJDD n">D33 Π3Π1?. Dieser nicht genau beschreibende oder benennende, sondern mehr andeutende, vergleichend-umschreibende Stil (typisch ist die Verwendung des vergleichenden Э) begegnet unter den alttestamentlichen Visio-

die Schilderung des Geträumten einleitet (z.B. Ri 7,13; Gen 2 8 , 1 2 f ; 37,7.9; 40,9.16; 4 1 , 1 - 3 . 5 - 6 . 1 7 - 1 9 . 2 2 - 2 3 ) . 1 Ausnahmen (Fremdbericht in 3. pers. sg.) bilden als Bestandteil eines größeren erzählenden bzw. berichtenden Zusammenhangs Ex 3,2ff; Num 2 2 , 3 1 f f ; Jos 5 , 1 3 f f ; 2.Kön 6,17.20; Dan 5, dazu die Traumberichte Gen 2 8 , 1 2 f f ; 4 1 , 1 - 4 . 5 - 7 ; vgl. a. Dan 2 , 2 8 b f f (2.pers. sg.). 2 Weiter sind zu nennen: 2,7; 3,1; 5 , 1 . 2 . 5 b a (c.t.). 7.9; 6,1. 3 Ein solches Partizip fehlt in den Beschreibungen, die ohne Verwendung einer Verbalform das Geschaute nur nennen (2,1b.3.5; 4 , 2 b . 3 ) . 4 Ex 3,2; Num 2 2 , 3 1 ; Jos 5 , 1 3 ; l . K ö n 22,17 (par. 2.Chr 18,16). 19 (par. 2.Chr 18,18); Am 7,1.4.7; 9 , l ; J e s 6,1.2; Jer 1,13; 4 , 2 4 ; 2 4 , 1 ; 3 8 , 2 2 ; Ez 2,9; 3 , 2 3 ; 8 , 1 0 . 1 4 . 1 6 ; 9,2.11; 4 0 , 3 ; 47,1.2 (wahrscheinlich gehören Ez 1,4; 4 3 , 2 . 5 ; 4 4 , 4 ebenfalls hierher, auch wenn die betreffende Verbalform nicht eindeutig als Partizip zu bestimmen ist); Dan 7 , 2 f . 5 . 6 . 7 ; 8,3; 10,5; 12,5. Zu nennen sind auch die Traumberichte Gen 2 8 , 1 2 . 1 3 ; 37,9; 4 1 , 1 . 2 . 3 . 5 . 6 . 1 7 b . l 8 . 19.22.23; Ri 7,13.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

nen sonst nur in denen des Ezechiel- und Daniel-Buches 5 . Es zeigt sich also bei Ezechiel (wenn auch nur in einem Teil seiner Visionen) erstmalig eine Darstellungsweise in der Schilderung des Geschauten, die dann in den Visionsberichten von Dan 7ff und in denen der übrigen apokalpytischen Literatur 6 von Bedeutung ist 7 . Auffallend ist, daß dieses Stilelement bei Sacharja eine derart geringe Rolle spielt, daß Sacharja also in diesem Punkt wenn überhaupt, dann nur ganz schwach ein Verbindungsglied zwischen Ezechiel und Daniel darstellt 8 . Immerhin gewinnt dieser einzige Beleg bei Sacharja doch dadurch an Gewicht, daß er sich in einem Nachtgesicht findet, das auch aus anderen Gründen an die Visionen Daniels erinnert 9 . Nach diesen Einzelbeobachtungen zum Stil und zur Darstellungsweise im Bericht über das Geschaute ist auf die Gesamterscheinung der Schau näher einzugehen. c) Die Art des

Geschauten

Fragt man zunächst nach der Art des Geschauten, d.h. danach, ob ein Geschehen geschildert wird oder ob es sich um ein statisches (Einzel-) Bild handelt, so zeigt sich, daß Sacharja für beide Arten Beispiele bietet. 5

Ez 1,13aa. 22a.26.27aa'.27b.28; 40,2b.3; 43,2, vgl. a. 1,5b; 8,3; hinzu kommen folgende Stellen, die nachträglicher Überarbeitung zugehören werden (für die Einzelnachweise s. W. Zimmerli, Ezechiel z.St.): Ez 1 , 4 b . 7 b . l 3 a a 2 . 1 4 b . 16a.b.24.27aa 2 ; 3,23; 8,4; 43,3, vgl. a. 10,8. - Dan 7,4.5.6.13; 8,15; 10,6.16.18. 6 Neben den genannten Daniel-Belegen s. aus dem Bereich der „Pseudepigrap h e n " z.B. Hen 46,1 (... sein Haupt (war) weiß wie Wolle; bei ihm (war) ein anderer, dessen Antlitz wie das Aussehen eines Menschen (war), und sein Antlitz war voll Anmut gleichwie eines von den heiligen Engeln), 108,4 (... (etwas) wie eine unermeßliche Wolke, ... (etwas) wie hellodernde Berge ...), 4. Esr 11,37 (et vidi, et ecce sicut leo concitatus de silva rugiens), 13,10 (... de ore sua sicut flatum ignis), 14,39 (et ecce calix plenus porrigebatur mihi, hoc erat plenum sicut aqua, color autem eius ut ignis similis), Syr. Bar. 53,1 (... und etwas einem großen Blitz Ähnliches ...). (Text nach E. Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des AT, Bd. 2, 1900 oder O. F. Fritzsche, Libri Apocryphi Veteris Testamenti 1871.) 7 W. Baumgartner (Ein Vierteljahrhundert Danielforschung: ThR 11, 1939, 5. 216) beurteilt diesen Sachverhalt folgendermaßen: „Diese nur vergleichende und andeutende Ausdrucksweise ist seit Ezechiel ein Merkmal des apokalyptischen Stils . . . " — Vgl. a. P. Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter, 1966 (= 1934), S. l l f und besonders J . Schreiner, Alttestamentlich-jüdische Apokalyptik, 1969, S. 98—100. 8 Vgl. auch die in manchem parallele Beobachtung u. S . 4 5 . 9 S.u. S. 47, 52f.

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

45

Ein statisches Bild enthalten 2,1 — 4; 4 , I f f ; 5,1 — 4; dagegen sind deutliche Elemente einer Handlung enthalten in der Schau von l , 7 f f (im Rede und Gespräch enthaltenden Stück V. l l f f ) ; 2 , 5 - 9 ; 5 , 5 - 1 1 ; 6 , I f f (vor allem in V. 7: Befehl und Auszug der Gespanne); 3,1 — 7, auch wenn es sich in diesen Visionen um kein Geschehen solchen Ausmaßes wie z.B. in Ez 37 handelt.

Ein Vergleich mit den übrigen alttestamentlichen Visionen ist recht unergiebig, da sich auch dort beide Arten finden, ohne daß sich jedoch besondere Verbindungslinien erkennen lassen, die über die Feststellung hinausführen, daß die statischen Visionsbilder Sacharjas (bes. 2,1—4; 5,1—4) mit denen bei Arnos (7,7f; 8 , l f ) und Jeremia ( l , l l f . 13ff; 24) vergleichbar sind, insofern es jeweils um in äußerster Knappheit dargestellte Einzelbilder geht. Diese Beobachtung zeigt im übrigen auch, daß hinsichtlich der Knappheit oder Ausführlichkeit — dasselbe gilt für Einfachheit und Kompliziertheit — der Visionsbilder sich keine klare und ungebrochene Entwicklungslinie mit der Tendenz zunehmender Ausführlichkeit und Kompliziertheit von den ältesten bis zu den jüngsten alttestamentlichen Visionen erkennen läßt: Sacharjas Visionsbilder stehen dem im Wege, da sie viel knapper und einfacher als die Ezechiels sind und in dieser Hinsicht nicht zu den Bildern der Daniel-Visionen hinleiten, sondern eher über Ezechiel hinweg mit der älteren Prophetie verbunden sind d) Der Bereich des

Geschauten

Etwas deutlichere Linien zwischen den Nachtgesichten Sacharjas und den übrigen alttestamentlichen Visionsberichten zeichnen sich ab, wenn man auch den Bereich in den Blick nimmt, aus dem das Geschaute stammt. Dabei ist gleich zu Anfang zu betonen, daß hier nicht der Untersuchung bestimmter Motive und Vorstellungen vorgegriffen werden soll. Auch geht es nicht um die Erfahrungsweise des Visionärs, um seinen psychischen Status zum Zeitpunkt des Visionsempfangs oder darum, ob etwas natürlich Geschautes die Vision ausgelöst haben könnte. Vielmehr soll ganz allgemein untersucht werden, ob das jeweils Geschaute in den Bereich des im Alltäglichen Vorfindbaren, der Sinnenwelt 1 (= Bereich 1

Gegen M. Sister, Die Typen der prophetischen Visionen in der Bibel: MGWJ 78, 1934, S. 3 9 9 - 4 3 0 , der ( S . 4 2 1 f ) eine solche stetige Entwicklung meint erkennen zu können, dazu allerdings die Nachtgesichte Sacharjas nicht einzeln betrachtet, sondern sich auf den Gesamteindruck des Zyklus der Nachtgesichte stützt. 1 Vgl. J. Lindblom, Die Gesichte der Propheten: Studia Theologica (Riga) 1, 1935, S. 20f; ders., Prophecy in Ancient Israel, 2. A. 1963, S. 137: material world.

46

Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

Α) gehört oder in den Bereich, der außerhalb dieser normalen Erfahrung liegt (= Bereich B). Hinsichtlich der alttestamentlichen Visionen außerhalb des Sacharja-Buches ergibt sich folgendes Bild: V o n den Visionen des Arnos gehört dem Bereich A das nach 8 , l f Geschaute zu, wohl auch das, was er nach 7,7f w a h r n i m m t 2 . Zum Bereich В ist die Schau von 9 , I f f zu rechnen. E b e n s o wird man diesem Bereich die S c h a u von 7 , l f . 4 f zurechnen müssen auf Grund der visionär wahrgenommenen — ganz unbestimmt bleibenden — Gestalt des (einen Heuschrekkenschwarm) Bildenden und des (einen F e u e r r e g e n ) 3 R u f e n d e n , o b w o h l Heuschrecken und Feuerregen (als Verdichtung der „hochsommerlichen G l u t " ) 4 , auf die es im Visionsbericht a n k o m m t , dem Bereich Α zugehören und insofern beide Visionen diesem Bereich sehr nahe stehen. l . K ö n 2 2 , 1 9 f f und J e s 6 sind dem Bereich В z u z u r e c h n e n d e r l , l l f , 1 3 f f ; 2 4 ; 3 8 , 2 1 f dagegen dem Bereich A . Die Visionen des Ezechiel-Buches gehören z.T. zu А (8; 1 1 ; 4 0 , I f f ; 4 6 , 1 9 f f ) , z.T. zu В ( 1 - 3 ; 9 f ; 3 7 ; 4 3 ; 4 4 , 4 f ; 4 7 ) . Die gegenüber Sacharja jüngeren Gesichte und Träume des Daniel-Buches gehören alle zum Bereich В ( 2 ; 4 ; 5 ; 7; 8 ; 1 0 - 1 2 ) . A u f diesem Hintergrund sind Sacharjas Nachtgesichte zu sehen. Das in ihnen Geschaute ist dem Bereich В zuzurechnen — abgesehen vielleicht von den Visionen 2 , 1 — 4 und 4 , I f f , bei denen man im Zweifel sein kann, ob das hier Geschaute zum Bereich Α g e h ö r t 5 oder dem Bereich В zuzuzählen i s t 6 . Was in diesen beiden Visionen, aber auch in 5,1 — 4 ind in dem V.5—8 umfassenden Teilabschnitt von 5,5—11 geschaut wird, steht den Visionsbildern des Arnos und J e r e m i a , soweit sie dem Bereich alltäglicher menschlicher Erfahrung (A) entstammen 7 , näher als den weithin phantastischen Bildern der Daniel-Visionen; denn das in diesen Nachtgesichten Geschaute wird aus dem Bereich der normalen alltäglichen Erfahrung herausgehoben lediglich durch die K o m b i n a tion des Bildmaterials (2,1 — 4 ; 4 , I f f ) oder durch die Hinzufügung von Zügen, die in der Welt der alltäglichen Erfahrung nicht mit dem betreffenden Gegenstand verbunden s i n d 8 . Dabei k o m m t es für die hier erörterte Frage darauf an, daß diese Züge, verglichen mit den Bildern der Daniel-Visionen, sparsam ange-

Wenn man in 7,7aß T I N eliminiert etwa als an der falschen Stelle stehend (so z . B . Nowack, Robinson z . S t . ) oder als Nachtrag (so H. W. Wolff, Dodekapropheton 2. J o e l und Amos, B K X I V / 2 , 1 9 6 9 , z.St.) und dann ЭЗИ unbestimmt übersetzt: „(siehe,) da stand e i n e r " (so H. W. Wolff) oder wenn man nach dem Vorschlag von B H K entsprechend L X X A C^N liest. 3 H. W. Wolff z . S t . 4 H. W. Wolff, a.a.O., S . 3 4 4 . 5 Dazu wird man neigen, wenn man die „ G e g e n s t ä n d e " für sich b e t r a c h t e t : Hörner, Schmiede, L e u c h t e r , ö l b ä u m e . 6 Darauf könnte die Berücksichtigung der Zuordnung, der K o m b i n a t i o n dieser „ G e g e n s t ä n d e " führen; diese ist ganz deutlich in 4 , I f f ; in 2,1—4 wird sie weniger durch die sehr kurze Schilderung der Schau als durch die Deutung klar. 7 Hinzuzunehmen sind die diesem Bereich nahestehenden, bereits erwähnten Visionen Am 7,1 f . 4 f . 8 Vgl. R . North, Prophecy to apocalyptic . . . S . 4 8 : "Characteristic o f dream . . . i s the c o m b i n a t i o n o f images never experienced together in real l i f e . " 2

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

47

wendet und relativ einfacher Art sind 9 . Mehr auf der Linie des im Daniel-Buch Geschauten liegt dann allerdings eine Erscheinung wie die der beiden Frauen mit storchenartigen Flügeln, die die Frau im Epha zwischen Himmel und Erde abtransportieren (Sach 5,9).

Wenn dieser Überblick auch keine durchgehende klare Entwicklungslinie von den ältesten prophetischen Visionen an erkennen läßt — dem steht entgegen, was zu den Amos-Visionen (auch zu 1. Kön 22 und Jes 6) festzustellen war —, so ist doch immerhin in großen Zügen die Tendenz zu erkennen, daß das aus dem Bereich außerhalb der normalen alltäglichen Erfahrung stammende Bildmaterial in den Visionen zumindest der späteren und späten Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnt: Das von Jeremia Geschaute gehört zum Bereich A, im Ezechiel-Buch überwiegt der Bereich В leicht, während das in den Daniel-Visionen Geschaute völlig zum Bereich В gehört. Das zu Sachaijas Nachtgesichten Festgestellte zeigt, daß diese eine gewisse Zwischenposition zwischen den älteren Visionen und denen des Daniel-Buches einnehmen. e) Die Funktion des Geschauten

(Visionstypen)

Nicht nur nach der Art des Visionsbildes und nach dem Bereich, in den das Geschaute gehört, soll gefragt werden, sondern auch nach der Funktion des Geschauten im Ganzen des Visionsberichts, d.h. danach, „wie sich Verbum und Visio jeweils zueinander verhalten" 1 , oder — anders formuliert — nach dem Verhältnis von „visionärer Erscheinung und angezeigtem Geschehen" 2 . Diese Frage ist am einfachsten zu beantworten für Sach 2,1 — 4; 4 , I f f ; 5,1 — 4; 5,5—11. Hier wird durch das Geschaute bild- und symbolhaft umschrieben und damit verschlüsselt, was dann im anschließenden deutenden Wort in seinem Sinn und dem damit verbundenen anzukündigenden Geschehen aufgedeckt wird 3 . Zutreffend wird man hier mit Horst von (Wort-) Symbolvisionen sprechen 4 .

9

Die Buchrolle von 5,1 — 4 fliegt und hat sehr große Ausmaße; das Epha von 5,5ff „kommt heraus" — offenbar von selbst —, und in ihm sitzt eine Frau. 1 F. Horst, Die Visionsschilderungen der alttestamentlichen Propheten: EvTh 20, 1 9 6 0 , S. 195. 2 H. W. Wolff, Joel und Amos S. 340. 3 In 5,1 — 4 wird das deutende Wort durch einen anschließenden Jahwespruch noch verdeutlichend weitergeführt. 4 A.a.O., S. 202, 205. Dem schließt sich auch Beuken an (Haggai-Sacharja . . . S. 2 5 2 f f ) , der jedoch in der Textrekonstruktion von 4 , I f f eigene Wege geht.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

Schwieriger ist die Bestimmung der übrigen Nachtgesichte: l , 7 f f ; 2,5ff; (3,1 ff); 6,1 ff. Deren Schau, die auch noch nach dem deutenden Wort eine Fortsetzung findet, enthält jeweils eine Handlung, eine Szene mit einem Geschehnisablauf. In den Nachtgesichten l , 7 f f ; 2,5ff; 6,Iff ist die Botschaft nicht in dem visionär geschauten Bild, auch nicht im deutenden Wort, sondern erst im abschließenden Gotteswort enthalten 5 . Die Schau selbst hat dabei eine Funktion, die man als Vorbereitung dieses ankündigenden Wortes beschreiben kann. Diese Beziehung zwischen Visio und Verbum dürfte mit dem Ausdruck „Situationsvision" durch Beuken zutreffend beschrieben sein: Die Schau läßt eine bestimmte Situation erkennen, in die hinein und auf die ausgerichtet die im abschließenden Gotteswort formulierte Ankündigung des jeweiligen Nachtgesichts ergeht 6 . Es ist, die Ausführungen Beukens ergänzend, hinzuzufügen, daß auch die Deutung wesentlich zur Klarstellung der Situation beitragen kann, so besonders in 2,5—9. Die Deutung hat also in den Symbol- und Situationsvisionen deutlich eine unterschiedliche Funktion. Es handelt sich in den genannten Visionen um folgende Situationen: 1. l,7ff: Die von Jahwe ausgesandten Boten (V.lOb) berichten, die Erde sei still und ruhig (V. 11). Die folgende durch den Engel Jahwe vorgetragene Klage (V. 12) zeigt einerseits die Enttäuschung darüber, daß — wie die Meldung der Boten erkennen läßt — kein Israels gegenwärtige Lage veränderndes Geschehen zu bemerken ist; sie gibt andererseits der bestehenden Hoffnung auf eine solche Wende Ausdruck. 2. 6,Iff: Die Situation dieses Nachtgesichts umschreibt Beuken folgendermaßen: „Die Szene ist eine Darstellung von Jahwes tatsächlicher Herrschaft über die Welt" 7 . Es ist — gerade im Vergleich mit dem 1. Nachtgesicht — nicht recht klar, wie diese sehr allgemeine Situation Anlaß und Ausgangspunkt für ein besonderes Jahwewort sein soll, überhaupt eines solchen bedarf. Da die Schau von 6,Iff allein keine speziellere Situation erkennen läßt, wird man angesichts der schon längst festgestellten Ähnlichkeit des 1. und letzten Nachtgesichts 8 erst eres in die Überlegungen einbeziehen dürfen. Man wird dann die Situation, wie sie in 1,7 ff zum Ausdruck kam, nun aber 5 6 7 8

1,14f; 2,8b.9; 6,8, dazu s.u. S. 74ff. Beuken, a.a.O., S. 252, 258. A.a.O., S. 250. Genaueres darüber s.o. S. 28ff.

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

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modifiziert einerseits durch die bevorstehende Veränderung der Welt 9 , andererseits durch die Tatsache der inzwischen (am Ende des 1. Nachtgesichts) ausgesprochenen Verheißung und der dadurch sicher gesteigerten Erwartung, als auch für 6 , I f f gegeben annehmen können. 3. 2,5—9: Hier ist Beukens Situationsbestimmung zuzustimmen, daß die visionäre Schau etwas von Israels Heilserwartung erkennen läßt, nämlich die „Erwartung, daß man Jerusalems Trümmerhaufen, also auch die Mauern, wieder aufrichten würde". Dieser Erwartung wird das Jahwewort entgegengesetzt, „um eine größere Heilsgabe zu offenbaren" 1 0 . Schließlich ist an dieser Stelle noch auf die Vision 3,1—7 einzugehen, die ihres besonderen Charakters wegen hier in Teil I.B. sonst nur am Rande erwähnt wird und dann in Teil II eine zusammenhängende Behandlung erfährt. Beuken, der allerdings V. 8—10 anstatt V. 7 als abschließenden Spruch ansieht, spricht von einer „typischen Situationsvision", worauf „das Fehlen von Bitten um Auslegung" hinweise 1 1 . Abgesehen davon, daß diese Begründung nicht zutrifft 1 2 , ergibt eine Durchsicht des Textes, daß zumindest keine den drei zuvor genannten Nachtgesichten völlig gleichartige Situationsvision vorliegt: Es wird zwar in 3,1 — im Rahmen einer himmlischen Szene und ohne Verschlüsselung — eine bestimmte Situation geschildert. Nun erschöpft sich aber die visionäre Schau nicht in der Darstellung dieser Situation, auf die dann in einem abschließenden Gotteswort eingegangen würde. Vielmehr wird die visionäre Handlung fortgeführt und damit die Anfangssituation verändert und in eine neue überführt: Der zunächst angeklagte Hohepriester J o s u a wird neu bekleidet und damit entsündigt, d.h. er wird von Jahwe als Hoherpriester bestätigt. Anders als in den 3 bereits besprochenen Situationsvisionen enthält hier somit die Schau bereits deutlich eine Botschaft, hat also nicht nur vorbereitenden Charakter. (Insofern ist für diesen Teil des Visionsberichtes eine gewisse Nähe zum Typ der „Ereignisvision" festzustellen, der dadurch charakterisiert ist, daß das Geschaute direkt das Kommende, das Anzukündigende anzeigt.) 1 3 Zu dieser Botschaft kommt hinzu — anders ausgedrückt: 9

Das ergibt sich aus der Schau von 6,1 ff. Beuken a.a.O., S. 247. Ähnlich Galling, Die Exilswende . . . : Studien . . . S. 115f. 11 A.a.O., S. 283. 12 Das zeigt ein Blick auf die in den 3 besprochenen Situationsvisionen enthaltenen Fragen des Visionärs nach Deutung bzw. Erklärung (1,9a; 2,6a; 6,4). 13 Zu diesem Visionstyp s. H. W. Wolff, Joel und Amos, S. 3 4 3 , auch 3 4 0 , 3 4 5 , 390; F. Horst a.a.O., S. 202f. 10

4 J e r e m i a s , Nachtgesichte

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Die A u f b a u e l e m e n t e in den Visionen des Alten Testaments

in die durch die visionäre Handlung hergestellte neue Situation ergeht — ein abschließendes verheißendes Wort an Josua persönlich (3,7). Der Unterschied zu den genannten Situationsvisionen ist deutlich: Die visionäre Schau hat hier erhebliches Gewicht im Blick auf das, was die Vision anzukündigen hat; auch wenn der Aufbau komplizierter ist, insofern die Situation, in die hinein das abschließende Gotteswort spricht, erst im Laufe der visionären Handlung aus einer anderen Situation erwächst, wird man aufs Ganze gesehen von einer Situationsvision sprechen können. Unter derselben Fragestellung (nach dem Verhältnis von Visio u n d Verbum) k o m m t Horst für Sach l , 7 f f ; 2,5—9; 6 , I f f ; 3 , l f f zu anderen Ergebnissen: a) 2,5—9 rechnet er d e m T y p der (Wort-)Symbolvisionen zu. Wenn er aber das in dieser Vision geschaute Vermessen Jerusalems durch den Engel als Symbolhandlung versteht, in der ,,ein sich zum Vollzug rüstendes Geschehen sich als gültig setzt, sich v o r w e g n i m m t " 1 4 , dann erheben sich dagegen zwei Fragen: 1. Muß man dann nicht andere visionäre Ereignisse wie z.B. das Ausziehen der Reiter und Wagen in l , 7 f f ; 6 , I f f genauso bewerten? Dabei handelt es sich aber ohne Frage — auch nach Horst — um keine Symbolvisionen! 2. Gerade im Vorgang des Vermessene wird in diesem Nachtgesicht nicht das anzuzeigende künftige Geschehen gesehen — es wird o f f e n b a r als unnötig u n t e r b u n d e n (V. 8 f ( f ) ) 1 5 —, sondern in dem in V. 8b. 9 Geschildert e n 1 6 . Hinzu k o m m t , daß hier nicht eine bestimmte Wirklichkeit durch ein Bild oder S y m b o l umschrieben wird u n d dementsprechend nicht das d e u t e n d e Wort das Geschaute — zumindest in seinen wichtigsten Bestandteilen — dem damit Gemeinten ausdrücklich gleichsetzt, wie dieses in den oben genannten Symbolvisionen der Fall ist 1 7 . Aus diesen Gründen wird man gegen Horst 2,5—9 nicht zu den Symbolvisionen zählen können. b) 1,7ff; 6 , I f f , auch 3,1 ff gehören nach Horst zu dem von ihm als „Anwesenheitsvision" bezeichneten T y p 1 8 , der für ihn bestimmt ist durch die Wahrnehmung einer „numinosen Anwesenheit" 1 9 , die Schau einer himmlischen Vers a m m l u n g 2 0 u n d eine „Anweisungsrede" bzw. ein „Anweisungsgespräch" 2 1 . Gegen diese Klassifizierung ergeben sich verschiedene Einwände: 1. Zu Horsts Feststellung „Anwesenheitsvision bleibt also nirgends ohne eine ihr folgende Anweisungsrede" 2 2 ist zu sagen: a) Als an den Visionär gerichteter Auftrag bzw. als ihm geltende Mitteilung dessen, „was er selbst kundzumachen h a t " 2 3 , findet sich eine solche Anweisungsrede nicht in allen von Horst 14

Die Visionsschilderungen . . . , S. 202. Dazu s. genauer u. S. 166. 16 So sieht auch Horst in HAT, 2. A. S. 224f die Dinge. 17 Die abweichenden Teildeutungen in 2,4bßy u n d 5,11 stehen in engem Zusammenhang u n d in der Folge solcher gleichsetzenden Deutungen. 18 Die Visionsschilderungen . .., S. 198. 19 A.a.O., S. 195. 20 A.a.O., S. 197ff. 21 A.a.O., S. 200, s.a. S. 196. 22 23 A.a.O., S. 20 0 . A.a.O., S. 198, auch S. 200. 15

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

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als Anwesenheitsvisionen bezeichneten Visionen (z.B. Sach 3,1 f f ; 6 , I f f ) , b) Sollte Anweisungsrede in einem weiteren Sinn verstanden w e r d e n , e t w a so, daß kein ausdrücklicher A u f t r a g (z.B. z u m Weitergeben des g e h ö r t e n Wortes o . ä . ) gegeben i s t 2 4 , dann ist s t r e n g g e n o m m e n auch das M o m e n t der Anweisung nicht m e h r gegeben. Vor allem h a n d e l t es sich bei derartigen R e d e n bzw. Worten um eine Erscheinung, die sich auch in a n d e r e n Visionen f i n d e t , die also kein Spezifikum der Anwesenheitsvisionen m e h r wäre. Aber auch eine in diesem weiteren Sinn verstandene Anweisungsrede f i n d e t sich n i c h t in jeder der Anwesenheitsvisionen H o r s t s 2 5 . 2. Die Grenze zu a n d e r e n Visionen, in denen J a h w e mit d e m Visionär redet (s. etwa die Symbolvisionen u n d Assonanzvisionen bei Arnos u n d J e r e m i a ) , ist z u m i n d e s t schwer zu ziehen, wenn auch solche Visionen wie J e r l , 4 f f zu den Anwesenheitsvisionen gezählt w e r d e n 2 6 . 3. Vor allem liegt im Blick auf die Fragestellung (Verhältnis von Visio u n d V e r b u m ) Horsts T y p der Anwesenheitsvision n i c h t auf derselben E b e n e wie der T y p der Symbolvision (und auch der der Situationsvision), da hier das e n t s c h e i d e n d e Merkmal ein inhaltliches M o m e n t der Schau ist (die „ n u m i n o se A n w e s e n h e i t " , s. oben) u n d n i c h t — wie bei den anderen T y p e n — die formale Beziehung zwischen Wort u n d Schau. Insofern ist Beukens Kategorie der „Situationsvision" der Fragestellung — jedenfalls im Blick auf die in Frage k o m m e n d e n Sacharja-Visionen, um die es hier in erster Linie geht — gemäßer.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß im Blick auf das Verhältnis zwischen visionärem Bild und dem die Botschaft enthaltenden Wort Sacharjas Nachtgesichte zwei Typen von Visionen enthalten, Symbol- und Situationsvisionen. Im folgenden ist zu fragen, wie sich dieser Tatbestand im größeren Rahmen der Visionen der anderen Propheten und Daniels ausnimmt. Entsprechend dem reichen Gebrauch von Bildern und Symbolen in der Sprache des Alten Testaments, besonders in der prophetischen 2 7 , ist der Typ der Symbolvision unter den alttestamentlichen Visionen von den ältesten bis zu den jüngsten vertreten: Am 7,7f 2 8 ; Jer l , 1 3 f 2 9 ; 24 So z.B. Am 9, das Horst a.a.O., S. 1 9 5 / 1 9 6 o f f e n b a r zu den Anwesenheitsvisionen rechnet. 25 S. z.B. l . K ö n 2 2 , 1 9 f f , vgl. dazu Horst a.a.O., S. 197. 26 A.a.O., S. 200. 27 Vgl. etwa J . Schreiner, A p o k a l y p t i k , S. 9 0 f f . 28 Horst a.a.O., S. 201 zählt A m 7,7f zu den gleich zu n e n n e n d e n Assonanzvisionen, m u ß dazu aber erst den T e x t ä n d e r n ; dem widerspricht mit guten Gründen H. W. Wolff, J o e l u n d Arnos z . S t . u n d rechnet diese Vision zu den Symbolvisionen. 29 Bei dieser Vision ist nicht m i t letzter Sicherheit zu e n t s c h e i d e n , ob sie vielleicht doch mit Horst a.a.O., S. 201 zu der verwandten u n d s o f o r t zu erwähnenden G r u p p e der Assonanzvisionen g e h ö r t .

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Die Aufbauelcmente in den Visionen des Alten Testaments

J e r 24; Dan 7; 8 (s.a. die Träume Dan 2 ; 4 ) ; zu nennen sind hier außerdem die sehr ähnlichen Assonanz- oder Wortspielvisionen 30 , die Horst mit den Symbolvisionen in einer Gruppe zusammenfaßt 3 1 : Am 8,1 f; Jer 1,1 l f ; evtl. auch Dan 5 3 2 . Man wird auch auf die Vision Ez 37,1 — 14 hinweisen müssen, die zumindest Beziehungen zu diesem Visionstyp erkennen läßt 3 3 , insofern hier — im Zusammenhang eines dramatischen Geschehens — die toten Gebeine „das ganze Haus Israel" in seinem derzeitigen Zustand bildhaft verschlüsseln, wie es die Deutung zum Ausdruck bringt (V. 11). Dieser Überblick zeigt, daß Sacharja sich durchaus in übereinstimmendem Zusammenhang mit den anderen alttestamentlichen Visionsberichten befindet, wenn ein Großteil seiner Nachtgesichte zum Typ der Symbolvision gehört. Dieses Bild wird etwas differenzierter, wenn man — ohne hier bereits dem Bildmaterial im einzelnen nachzugehen — die Gestaltung der visionären Schau vergleicht. In den Symbolvisionen des Arnos- und Jeremia-Buches handelt es sich um ein knappes statisches Einzelbild 3 4 , nur aus ein bis zwei klar beschriebenen „Gegenständen" bestehend. Ez 37 hebt sich davon insofern ab, als das — zwar auch hier den Kern der Schau darstellende — einfache Bild der vertrockneten Gebeine Mittelpunkt eines zeichenhaften Geschehens von großer Dramatik ist, an dem wesentlich auch der Prophet selbst beteiligt ist. Auch die sehr umfänglichen Daniel-Visionen K.7 und 8 zeigen ein dramatisches Geschehen. Allerdings ist dieses recht kompliziert und geht nicht von einem einfachen, aus dem alltäglichen Bereich stammenden oder ihm nahestehenden Bild aus; es handelt sich hier vielmehr um mehrere, dem Bereich alltäglicher Erfahrung vollkommen fremde und zum Teil nur andeutend (K.7) beschriebene tierartige Wesen.

Das in Sacharjas Symbolvisionen Geschaute steht im wesentlichen den genannten Visionen des Arnos und Jeremia nahe, insofern es meist um ein knappes Einzelbild geht (2,1—4; 4 , I f f ; 5,1—4), das — abgesehen von dem Fliegen der Rolle in 5,1 — 4 — keine Bewegung oder Handlung aufweist und das dem Bereich der alltäglichen Erfahrung zugehört oder ihm zumindest noch nahesteht. Nur 5,5ff weicht hier etwas ab und zeigt auch Beziehungen zu den Daniel-Visionen: das Bild ist nicht mehr ebenso knapp wie in den anderen Symbol30

Zum sprachlichen Phänomen des Wortspiels im alten Israel s. v. Rad, ThAT II, 5. Α., S. 92f. 31 A.a.O., S. 2 0 1 f , 205. 32 Zu Dan 5 s. Horst a.a.O., S. 201. 33 Horst a.a.O., S. 2 0 2 nennt diese Vision auch im Zusammenhang der Erörterung der Symbolvisionen, rückt sie aber von diesen etwas ab und möchte sie als Gleichnisvision ansprechen — eine Visionsart, die bei ihm allerdings keinen eigenen Visionstyp darstellt und für die er auch keine weiteren Beispiele nennt. 34 S. o. S. 44f.

Die Schilderung des vom Visionär Geschauten

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Visionen Sacharjas — allerdings bei weitem nicht so breit wie in Daniels Visionen — dargestellt; es liegt unverkennbar eine Handlung v o r 3 5 ; die geschauten Gegenstände und Wesen übersteigen von vornherein oder in ihrer Kombination den alltäglichen Bereich und stehen z.T. (s. die weiblichen Wesen, die mit storchenartigen Flügeln zwischen Himmel und Erde fliegen) den Wesen der Daniel-Visionen nahe 3 6 . Wendet man sich mit derselben Fragestellung den Situationsvisionen zu, dann zeigt sich, daß dieser Typ offenbar weniger verbreitet ist als der der Symbolvisionen. Zu nennen ist zunächst Ez 8, der Anfang des großen Visionskomplexes Ez 8—11. In vier von Versündigungen im Jerusalemer Tempel handelnden Szenen 3 7 wird die Situation beschrieben, in die hinein Jahwes (Gerichts-) Wort (8,18) ergeht, von dessen Ausführung dann in K.9f die Rede ist 3 8 . Die Unterschiede zu Sachaijas Situationsvisionen sind nicht zu übersehen: Sieht man von der den Propheten entraffenden und nach Jerusalem versetzenden himmlischen Gestalt ab, dann werden bei Ezechiel in der eigentlichen visionären Schau reale, irdische Ereignisse gezeigt, die, in vier Szenen gegliedert, umfassend die Situation der Versündigung Jerusalems darstellen. Dagegen handelt es sich bei Sacharja um himmlische Szenen, aus denen — viel weniger handgreiflich und direkt als in Ez 8 — die Situation des nachexilischen Israel in seinen Erwartungen, Enttäuschungen, Plänen und Schwierigkeiten zu entnehmen ist. Den jeweils verschiedenen Situationen bei Ezechiel und Sacharja entsprechend, steht an der Stelle des Gerichtswortes bei Ezechiel die heilvolle Zusage bei Sacharja. Ferner ist Ez I I 3 9 zu nennen, wahrscheinlich eine gegenüber dem ursprünglichen Bestand des Komplexes Ez 8—11 spätere und ihm nachträglich angefügte Vision 4 0 . Auch hier handelt es sich um die 35

An dieser ist übrigens, nun zwar nicht wie in E z 3 7 der Prophet, wohl aber der Deuteengel beteiligt. 36 Wie hier (V.9b/3) das Epha, so wird nach Ez 8,3 der Prophet - ebenfalls durch ein himmlisches Mittelwescn — „zwischen Erde und Himmel" transportiert — ein Geschehen, das in Ez 8 allerdings noch nicht zur eigentlichen Schau, sondern zu ihrer Einleitung gehört. Im Rahmen der Schau selbst spielt dieser Zwischenbereich eine Rolle in Dan 8 (s. V.5), vgl. a. Dan 4,8. 37 Drei von ihnen werden durch ein deutend-erklärendes Wort aus der Sicht Jahwes näher erläutert: V. 6b. 12b. 17. 38 Es liegt also das „Schema des doppelteiligen Prophetenspruches", ,,1) begründendes Scheltwort, 2) Gerichtswort", zugrunde (s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 208). 39 Grundbestand: V. 1—8 (ohne 5 a a ) . 1 3 , s. Zimmerli z.St. 40 S o W. Zimmerli, Ezechiel z.St.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

Schau eines realen Vorgangs, die Versammlung von 25 Männern im Jerusalemer Tempelbereich. Das deutende Wort (V. 2f) trägt das Entscheidende dazu bei, die Situation deutlich werden zu lassen: die Haltung der 598/7 in Jerusalem Zurückgebliebenen. Ezechiel erhält den Auftrag, in diese Situation hinein Jahwes Gerichtswort zu sagen (V. 4ff). Die oben vermerkten Unterschiede zwischen Ez 8 und Sacharjas Situationsvisionen gelten (abgesehen von dem über die himmlische Gestalt Gesagten) ebenfalls für Ez 11. Auch die bereits im Zusammenhang mit den Symbolvisionen genannte Vision Ez 37 wird man hier nicht unerwähnt lassen können, da sie Berührungspunkte auch mit dem Typ der Situationsvision aufweist, ohne daß man sie diesem allerdings zurechnen kann. Die zu Anfang (V. l f ) geschaute Ebene voller Totengebeine umschreibt die Situation, in die hinein Ezechiel zu prophezeien hat (V. 4ff. 9). Da sie im Zusammenhang des visionär geschauten verschlüsselten, bildhaften, zeichenhaften Geschehens wiedergegeben wird, ist sie — anders als in den Situationsvisionen — selbst verschlüsselt; sie wird durch die das Bild der Wirklichkeit gleichsetzende, also entschlüsselnde Deutung (V. 11) überhaupt erst in ihrem Wirklichkeitsbezug erkennbar. Hier überschneiden sich also die der Symbolvision verwandten Züge mit denen, die der Situationsvision ähnlich sind. Wenn bereits im Rahmen des visionären Geschehens die (Ausgangs-)Situation in eine neue überführt wird (V.7f. 10), so erinnert dieses an das o. S . 4 9 f . z u Sach 3 Festgestellte — trotz aller Unterschiede 4 1 . Ganz anders als in den Situationsvisionen wird durch das hier eng an das deutende Wort angeschlossene abschließende Gotteswort nichts wirklich Neues der Situation der Schau gegenübergestellt, sondern im Grunde nur mit einem anderen Bild das visionäre Geschehen in Form einer an Israel gerichteten Verheißung umschrieben.

Abschließend ist festzuhalten, daß die Untersuchung der Nachtgesichte Sacharjas im Rahmen der alttestamentlichen Visionen unter der Frage nach dem Verhältnis von Verbum und Visio zeigt, daß bei Sacharja in den Typen der Symbol- und Situationsvision deutliche Beziehungen zu den älteren Propheten, viel schwächere hingegen zu den Visionen des Daniel-Buches zu erkennen sind.

2. Die Frage nach dem Geschauten und nach seiner

Bedeutung

In den Visionen Sacharjas folgt der Schilderung der Schau eine Frage des Propheten nach dem Sinn des Geschauten 1 . Sie wird einge41 Verschlüsseltes, nicht verschlüsseltes Geschehen; nicht das Wort des Engels Jahwes, sondern die auf Jahwes Befehl durch Ezechiel ergehende Prophezeiung treibt das Geschehen voran. 1 Eine Ausnahme bilden innerhalb der Vision 5,5—11 der Teilabschnitt 5,7 — 8, wo eine solche Frage fehlt, und die Vision 5,1 — 4 (zu dieser s.u. S. 59).

Die Frage nach d e m Geschauten und nach seiner B e d e u t u n g

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leitet durch einen berichtenden Satz (in l.pers.sg.) 2 . Formuliert ist die Frage entweder ('ПК) nVx П73 (1,9 a; 2,2 a; 4,4; 6,4) bzw. . . . na n V x n (4,11) bzw. i c n n a (5,6), wenn nach der Bedeutung der geschauten Personen oder Dinge selbst gefragt wird, oder sie fragt in unterschiedlicher Formulierung nach der Tätigkeit der geschauten Größen bzw. nach dem Ziel dieses Tuns (2,4.6; 5,10). Auch wenn nicht alle Fragen das Erfragte so genau abgrenzen und bestimmen wie 2,4.6; 4,11; 5,10, sondern z.T. allgemeiner formulieren n*?N n a oder i c n n a , so ist auf Grund der Knappheit der Visionsbilder eindeutig, wonach gefragt ist. Wird in der folgenden Deutung trotzdem einmal ein wichtiges Moment der Schau nicht erfaßt, so wird danach in einer weiteren Frage gezielt gefragt, so in 4,11. Dieses Nachtgesicht 4 , I f f hebt sich von den anderen Nachtgesichten weiter auch dadurch ab, daß den beiden Fragen Sacharjas (V.4.11) eine Gegenfrage des Engels folgt („weißt du nicht, was diese bedeuten?") 3 , die der Prophet jeweils verneinend beantwortet (V.5.13). Im folgenden soll der Blick auf die Visionen der übrigen Propheten und des Daniel-Buchs gerichtet werden. Setzt man bei der eben genannten Gegenfrage ein, dann ist festzustellen, daß sie in den Visionen außerhalb des Sacharja-Buchs nicht vorkommt. Hinzuweisen ist aber auf die Bildrede Ez 17, wo zwischen der Bildrede V.l—10 und ihrer — wohl etwas später zugesetzten 4 — Deutung in V. 12 a ebendiese auch Sach 4,5.13 bekannte Frage, lediglich pluralisch formuliert, erscheint: n V x - n a С П У Т x V n . Ohne daß darauf wie bei Sacharja eine Antwort gegeben wird, folgt V . l 2 b sofort die Deutung. Wesentlich bedeutsamer ist die Feststellung, daß sich auch für die Frage nach der Deutung in den prophetischen Visionen vor Sacharja keine Belege finden. Diese Frage erweist sich damit als ein charakteristisches neues Element in Sacharjas Nachtgesichten. Durch sie wird betont, daß das Visionsbild aus sich selbst heraus in seinem Sinn nicht verständlich ist, sondern unbedingt einer Erklärung bedarf. Der Sache nach, jedoch nicht in der Formulierung finden sich

2

N e b e n dessen kürzester F o r m 4 a N l (1,9; 2,4.6; 5,6) begegnet ein erweiterter Wortlaut in mehreren Varianten: ΠΒΝ 1 ?) ' З ПЗЧП "JHVan 'jN ΊΒΚ1 СрЮ) (2,2; 4,4; 5,10; 6,4) o d e r 1 ,l 7K Щ К 1 (4,11.(12)). 3 Diese Gegenfrage versteht etwa Sellin (z.St.) so, daß d u r c h sie die S p a n n u n g auf die D e u t u n g gesteigert werden soll. Dagegen will H. Gese (Anfang u n d E n d e der A p o k a l y p t i k ...: Z T h K 70, 1973, S. 29), der in Sacharjas Nachtgesichten die älteste uns b e k a n n t e A p o k a l y p s e sieht ( S . 3 9 ) , diese Nachfrage als „ G e h e i m n i s s c h u t z " verstehen. 4 W. Zimmerli, Ezechiel S. 3 8 4 .

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

Entsprechungen zu dieser Frage in den Träumen und Visionen des Daniel-Buchs. So berichten Dan 2 und 4 von Nebukadnezars Bemühungen um eine Deutung seiner Träume (2,2—11 (ff).26; 4,3—6). Im Unterschied zu der kurzen, sofort an eine bestimmte Person gerichteten Frage bei Sacharja wird hier, bereits bevor überhaupt der Traum selbst wiedergegeben ist, in breiter, berichtender Form von den Bemühungen um einen Deuter und die Deutung (hier: des gesamten, umfänglichen Traumbildes!) erzählt. In K.4 folgt dann allerdings nach der Mitteilung des Traumes und vor dessen Deutung — also an derselben Stelle wie in Sacharjas Visionen — die erneute Aufforderung des Königs an Daniel, den Traum zu deuten (V. 15), die ebenso formuliert ist wie in V.6: Ν/ΓΠΙΓΕ^-'Ι). I D S · К . 5 berichtet von der beim Gastmahl Belsazars an der Wand erscheinenden Schrift und von dem zweimaligen Bemühen des Königs, Wortlaut und Deutung der Schrift zu erfahren (V.7.15f). Näher als die genannten Belege steht in der Sache 5 K.7 bei Sacharja (vgl. Sach 4,4.11). Denn hier fragt Daniel eins der visionär geschauten engelhaften Wesen nicht nur allgemein nach der Bedeutung von „all diesem" (V. 16a), sondern erbittet nach der darauf folgenden sehr gerafften Deutung der gesamten Schau speziell die Erklärung eines bestimmten Bestandteils derselben (V. 19f). In K. 8 fehlt eine solche Frage nach der Deutung. Es entspricht aber diesem Element des Visionsberichtes, wenn von Daniels Bemühen, die Schau zu verstehen, und von dem Befehl an Gabriel, Daniel die Schau zu erklären, berichtet wird. Zu nennen ist auch Daniels Frage in 12,8 b, die sich zwar nicht auf einen Gegenstand bzw. eine Person der Schau, sondern ein im Rahmen der Vision geführtes Gespräch bezieht, aber in der Adressierung an ein himmlisches Wesen, in dessen Anrede СЛХ , ebenso Sach 1,9;4,4.5.13; 6,4; auch Dan 10,16.19 , vgl. auch V. 17; Jos5,14) und auf den ersten Blick auch in der Formulierung (Π1?^ ΓΓΙΠΝ П!Э ' П К ) an Sacharja erinnert. Eine Deutung bzw. Erklärung wird auf diese Frage nicht gegeben, sie wird vielmehr verweigert. Unter den Traumerzählungen der Genesis ist hinzuweisen auf Gen 41. Hier wird berichtet, wie der Pharao zuerst seine Wahrsager und Weisen (V.8), dann Joseph (V. 14f) kommen läßt, um sich von ihnen seinen Traum deuten zu lassen®.

Als Ergebnis dieses Überblicks ist festzuhalten: Mit der Frage nach der Bedeutung des Geschauten, die in Sacharjas Nachtgesichten — verglichen mit den älteren prophetischen Visionen — erstmalig und ohne Vorstufen begegnet, tritt ein Visionselement in den Blick, an dem deutlich bei Sacharja ein Moment der Verbindung und des Übergangs zur Apokalyptik zu erkennen ist. Dieses auf Belege aus dem Daniel-Buch gestützte Ergebnis wird bestätigt durch die außeralttestamentliche apokalyptische Literatur 7 . 5

Ein Vergleich der Formulierungen ist nicht möglich, da hier die Fragen nicht in wörtlicher Rede wiedergegeben werden. 6 Zu vgl. ist ferner die rhetorische Frage in 37,10 und auch die Frage Josuas nach der Identität des geschauten Wesens in J o s 5,13b. 7 Auf diese sei hier nur in einigen Beispielen hingewiesen: Hen 40,8; 43,3; 46,2; 52,3; 53,4; 54,4; 56,2; 61,2; 4. Esr 10,37; 12,8; 13,15; Syr. Bar. 38,3; 54,6.20. Ohne auf diese Belege im einzelnen cinzugehen, ist festzuhalten, daß

Die Frage nach dem Geschauten und nach seiner Bedeutung

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Ergänzend sind noch folgende Beobachtungen hinzuzufügen, die sich ergeben, wenn man die Gesamtheit der Visionsberichte der Propheten und Daniels auf die Relation zwischen dem Vorkommen der Frage nach der Deutung und der Deutung selbst bzw. der deutenden Person hin durchsieht. So zeigt sich: Wo Deutungen in den Visionsberichten der Propheten vor Sacharja enthalten sind, werden sie gegeben, ohne daß danach gefragt werden muß. Im Blick auf die Person dessen, der deutet, ergibt sich: Die Frage nach der Deutung fehlt da, wo Jahwe selbst die Vision deutet; wo die Frage jedoch gestellt wird, gibt die Deutung ein Dritter, ein himmlisches Wesen 8 , wodurch das Verhältnis des Visionärs zu Jahwe aus der Unmittelbarkeit in die Mittelbarkeit übergeht 9 . Auch von diesen Beobachtungen aus fällt Licht auf die Übergangsposition, die Sacharjas Nachtgesichte einnehmen: Neben der bei Sacharja zur Regel gewordenen neuen Gestalt des Visionsberichtes, die durch die dem deutenden Wort vorangehende Frage des Visionärs nach der Deutung gekennzeichnet ist, begegnet in den Nachtgesichten auch noch — allerdings lediglich in zwei Fällen (5,3.8) — die vor Sacharja übliche Form, die keine derartige Frage vor der Deutung kennt 1 0 . Abschließend ist danach zu fragen, welche Bedeutung der bei Sacharja erstmalig begegnenden Frage nach der Deutung als einem neudie Frage nach der Deutung hier kaum in der von Sacharja bekannten knappen Form begegnet (so etwa noch Hen 43,3), sondern meist im Zusammenhang einer wortreichen Rede oder eines längeren Gebetes, die um das Problem der Bedeutung und erwünschten Erhellung des Geschauten kreisen und die an Gott selbst oder — wie bei Sacharja — an einen Engel gerichtet sind. 8 Anders steht es mit den Deutungen in den oben genannten Traum- und Erscheinungsberichten des Daniel-Buches (K. 1—6) und der Genesis: hier gibt die Deutung ein Mensch, Daniel bzw. Joseph. — Zur Person des in Sacharjas Nachtgesichten auftretenden Deuteengels in traditionsgeschichtlicher Sicht s.u. bes. S. 99f. 9 Zu Abweichungen von diesem zuletzt festgestellten Sachverhalt s. die folgende Anm. 10 Die oben genannten Beobachtungen lassen eine ähnliche Übergangssituation im Ezechiel-Buch erkennen, nun nicht wie bei Sacharja hinsichtlich der Frage nach der Deutung, sondern im Blick auf die Person des Deutenden (bei Sacharja ist diese durchgehend der Deuteengel) : Im Ezechiel-Buch gibt es neben den von J a h w e selbst gegebenen Deutungen auch deutende Worte einer überirdischen Gestalt, und zwar — wie es der vor Sacharja zu beobachtenden Form des Visionsberichts entspricht — ohne vorangehende Frage nach der Deutung (Ez 41,4b; 46,20.24 und auch 47,8ff; s.a. 40,45f; 41,22; 42,13f). Allerdings sind die Schau und dementsprechend auch die Deutung an diesen Stellen dadurch gekennzeichnet, daß hier nicht bildhaft Verschlüsseltes gedeutet wird, sondern zukünftige Realität durch ein benennendes, deutendes Wort näher nach Aufgabe und Funktion bestimmt wird.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

en Element im Aufbau der Visionsberichte zukommt. Ganz sicher reicht es nicht aus, in ihr lediglich ein stilistisches Mittel zu sehen, durch das das Element der Deutung hervorgehoben werden soll. Vielmehr drückt sich in dieser Frage eine Veränderung der Vision selbst in wichtigen Zügen — verglichen mit früheren Visionen — aus. Denn es wird nicht nur die Deutung, sondern vor allem deren Notwendigkeit unterstrichen und damit zugleich die Tatsache herausgestellt, daß die Schau nicht mehr aus sich selbst heraus für den Visionär zu verstehen ist 1 1 . Letztlich geht es also um das Moment der Verhüllung, das dann in der Apokalyptik von größter Bedeutung ist 1 2 . Zur richtigen Einschätzung von Sacharjas Position ist ein Blick auf die Visionen der früheren Propheten notwendig: Dort finden sich neben Visionen, die aus sich heraus und ohne Deutung verständlich sind 1 3 , auch solche, deren Schau verschlüsselte Bilder und Angaben enthält und deshalb einer Deutung bedarf, die jedoch selbstverständlich und ohne Anfrage des Visionärs gegeben wird 1 4 . Das Moment der Verhüllung in der Schau und damit ihrer Deutungsbedürftigkeit ist also bei Sacharja nicht vollkommen neu. Es hat jedoch in der Siebenergruppe der Nachtgesichte Sacharjas eine vorher nicht zu beobachtende Bedeutung gewonnen: In einer Reihe von 7 Visionen ist in der Schau jeder Vision die gemeinte Sache in Bildern verschlüsselt 15 , und zwar so, daß kein Nachtgesicht ohne Deutung verständlich ist; die Deutung muß in der Regel zudem eigens erfragt werden; hinzuweisen ist auch auf die z.T. selbst in der Deutung festzustellende Verschlüsselung 16 . Aus alledem ergibt sich: Ebenso wie die Frage nach der Deutung Sacharja mit Daniel und der Apokalyptik verbindet, zeigt sich an dem hinter die11

Das Unvermögen des Visionärs zur Entschlüsselung der Schau bezeichnet J . Schreiner (Alttestamentlich-jüdische Apokalyptik, 1969, S. 87) geradezu als eine der „Stileigentümlichkeiten der Apokalyptik". 12 Dazu s. etwa J. Schreiner, a.a.O., S. 8 6 f , 9 0 , auch 8 0 - 8 2 ; auch P. Vielhauer, Die Apokalyptik, in: E. Hennecke—W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen Bd. II, 3. A. 1964, S. 4 0 9 ; W. Zimmerli, Der Mensch und seine Hoffnung im Alten Testament, 1 9 6 8 , S. 149f; H. Ringgren, Art. Apokalyptik II: RGG 3. A. Bd. 1, Sp. 465. 13 Z.B. Am 7 , 1 - 3 . 4 - 6 ; Jer 4 , 2 3 - 2 6 ; auch Jes 6; l . K ö n 2 2 , 1 9 f f . Diesen Visionen stehen auch diejenigen Visionen nahe, in denen lediglich eine unverschlüsselte Größe durch einen deutend-erklärenden Satz näher charakterisiert wird (s. z.B. Ez 8 , 6 . 1 2 . 1 7 ; 4 3 , 7 ) ; denn die Schau ist dort nicht derart verschlüsselt, daß sie ohne Deutung unverständlich wäre. 14 Am 7 , 7 - 8 ; 8 , l - 2 ; J e r l , l l f . l 3 f f ; 24; Ez 3 7 , 1 - 1 4 . 15 Auch das o. S. 43 erwähnte Beispiel andeutend-umschreibenden Stils ist hier zu erwähnen. 16 Dazu s.u. S. 68ff.

Die Frage nach dem Geschauten und nach seiner Bedeutung

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ser Frage stehenden Moment der Verhüllung und dem damit verbundenen Unvermögen des Visionärs, die Schau selbst zu entschlüsseln, daß sich Sacharja auf dem Wege zur Apokalyptik befindet, auch wenn die Verhüllung noch nicht die Ausmaße angenommen hat wie dann in der Regel bei Daniel und in der Apokalyptik. Es ist weiter zu erwägen, ob sich in dem ständigen Fragen des Visionärs nach der Deutung ein weiteres Merkmal der Apokalyptik zumindest ankündigt, nämlich das „Element des Wissen- und Erkennenwollens von Welt und Geschichte" 1 7 . Einzugehen ist noch auf das Nachtgesicht Sach 5,1—4. Hier ist von keiner Frage des Propheten nach der Bedeutung des Geschauten berichtet. Vielmehr erscheint an deren Stelle die Frage des Engels an Sacharja: ЛХЧ ЛЛХ HD (V. 2a). Sacharja beantwortet sie, indem er, mit den Worten ПК") чк beginnend, das Wahrgenommene schildert. Nachdem das Visionsbild bereits am Anfang (V.l) genannt worden war, wird es in der Antwort des Propheten — geringfügig erweitert — zum zweitenmal beschrieben. Ein weiteres Mal begegnet diese an Sacharja gerichtete Frage ΠΧΊ ЛЛХ ΠΏ in 4,2, hier allerdings nicht wie in 5,2 anstelle der Frage des Propheten nach der Deutung des Geschauten, sondern zusätzlich zu dieser (s. V.4.11). Außerdem steht sie an ganz anderer Stelle im Ablauf des Visionsberichtes: am Anfang, also noch vor der Schilderung der Schau, die dann erst in der folgenden Antwort Sacharjas gegeben wird. Mit dieser Frage begegnet in den Nachtgesichten Sacharjas ein Element, das einen festen Ort in den Visionsberichten des Arnos- und Jeremia-Buches hat. Entsprechend der verschiedenen Stellung der Frage innerhalb der Visionsberichte, wie sie Sach 5,2 und 4,2 zeigten, lassen sich auch diese Belege in zwei Gruppen ordnen: a) In Am 7,8; 8,2 und J e r 24,3 folgt die Frage, hier von Jahwe gestellt und mit namentlicher Anrede des Propheten versehen, ebenso wie in Sach 5,2 einer ersten Nennung des Visionsbildes, das dann der Prophet in seiner Antwort noch einmal wiedergibt (in Am 7,8 auf den wesentlichen Punkt beschränkt), worauf dann die Deutung folgt, b) Sach 4,2 hat seine Entsprechung in Jer 1,11.13: Die Frage, auch hier anders als bei Sacharja von Jahwe gestellt und in V. 11 mit dem Namen des Propheten verbunden, steht am Anfang des Visionsberichts; worin die Schau besteht, teilt erstmalig die folgende Antwort des Propheten mit, der ohne Anfrage Jeremias die Deutung folgt. 17

W. Zimmerli, Der Mensch und seine Hoffnung S . 1 4 9 . — Dazu s.a. u. S. 93.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

I m G a n z e n des V i s i o n s b e r i c h t s u n t e r s t r e i c h t die an d e n V i s i o n ä r gerichtete vergewissernde Frage nach dem Geschauten, deren Zus a m m e n o r d n u n g m i t der A n t w o r t des Visionärs u n d m i t d e r folg e n d e n D e u t u n g der S c h a u m a n als „ k a t e c h e t i s c h e (s) S c h e m a " 1 8 o d e r als „ k a t e c h e t i s c h e n S t i l " 1 9 b e z e i c h n e t h a t , die S c h i l d e r u n g des visionär W a h r g e n o m m e n e n . U n t e r s u c h t m a n , in w e l c h e r A r t v o n V i s i o n e n diese F r a g e v o r k o m m t , d a n n ist so viel z u e r k e n n e n , daß sie in V i s i o n e n b e g e g n e t , die z u d e n S y m b o l - u n d A s s o n a n z v i s i o n e n z u z ä h l e n s i n d 2 0 , d e r e n Visionsbild „ k e i n e S z e n e m i t e i n e m G e s c h e h n i s a b l a u f , s o n d e r n ein E i n z e l b i l d " 2 1 b i e t e t u n d die eine D e u t u n g e r h a l t e n , n a c h d e r im übrigen m i t A u s n a h m e v o n S a c h 4 , I f f n i c h t eigens g e f r a g t wird. Die Annahme liegt nahe, daß mit der Frage Л ! 0 ПГЖ ПИ die vergewissernden Fragen ПП8 ΠΝ1Π bzw. Q l X " p ПЧПП in Ez 8 , 6 . 1 2 . 1 5 . 1 7 ; 4 7 , 6 a zusammenhängen, da sie in der Abfolge des Visionsberichts an derselben Stelle wie jene (in Am 7,8; 8 , 2 ; J e r 2 4 , 3 ; Sach 5,2) stehen. Auch sie sind auf das vorher genannte Visionsbild bezogen, und auf sie folgt (außer in Ez 8,15) ein deutendes Wort. Entsprechend der anders gestellten Frage folgt allerdings keine Rekapitulation des Geschauten durch den Propheten, wie überhaupt jegliche Antwort fehlt. Da von Ez 8 außerdem Verbindungslinien zu der Form des prophetischen Gerichtswortes, deren Begründung mit der Frage ГРХТП eingeleitet wird, laufen 2 2 , wird man für die Vergewisserungsfrage in Ez 8 das Zusammentreffen dieser beiden Komponenten (Visionsstil, Gerichtswort) vermuten. Dafür, daß hier nicht allein die Komponente des prophetischen Gerichtswortes in der genannten Form von Einfluß ist, dürfte Ez 47,6 sprechen, wo anders als in Ez 8 f 2 3 der Kontext nicht dem Schema des zweiteiligen Prophetenspruches f o l g t 2 4 . A b s c h l i e ß e n d ist n o c h f o l g e n d e B e o b a c h t u n g f e s t z u h a l t e n : E s fällt auf, daß die B e r e i c h e , in d e n e n die a n d e n P r o p h e t e n g e r i c h t e t e v e r g e w i s s e r n d e F r a g e n a c h d e m G e s c h a u t e n einerseits ( A r n o s , J e r e 1 8 J . Lindblom, Die Gesichte der Propheten: Studia Theologica (Riga) 1, 1 9 3 5 , S. 18. In seinem Werk Prophecy in Ancient Israel, 2. A. 1 9 6 3 , S. 126 äußert Lindblom die Vermutung, daß diese Ausdrucksform "is a reminiscence from the didactic practice of the old wisdoms schools . . . " . 1 9 H. W. Wolff, J o e l und Amos, S. 3 4 7 . 2 0 S.o. S. 4 7 , 52. 2 1 H. W. Wolff, J o e l und Amos, S. 340. 2 2 W. Zimmerli, Das Wort des göttlichen Selbsterweises (Erweiswort), eine prophetische Gattung: ThB 19, 1 9 6 3 , S. 1 2 3 , 1 2 9 ; Ezechiel S. 2 0 8 . 2 3 W. Zimmerli, Ezechiel S. 2 0 8 . 2 4 Nicht entschieden, sondern nur gefragt werden kann, ob in den ganz anders lautenden Fragen Ez 37,3 und Dan 10,20, die und weil sie — soweit sich das bei diesen ausgeweiteten Visionsberichten sagen läßt — an der Stelle der oben genannten Fragen im Ablauf des Visionsberichtes stehen, jene Fragen noch nachwirken.

Die D e u t u n g

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mia, am Rande auch Sacharja) und die Frage des Visionärs nach der Deutung andererseits (Sacharja, Daniel) vorkommen, recht klar voneinander abgegrenzt sind. Sacharjas Visionen scheinen auch insofern einen Übergang darzustellen, als neben der hier erstmalig im Rahmen der prophetischen Visionen begegnenden und zur Apokalyptik hinüberleitenden Frage nach der Deutung noch zweimal die vergewissernde Frage nach dem Geschauten vorkommt, jetzt allerdings von dem Deuteengel gestellt 25 . 3. Die Deutung In der Mehrzahl der prophetischen Visionsberichte und in denen des Daniel-Buches tritt als wesentliches Element zur Schilderung des Geschauten eine Deutung 1 . Ein b e s t i m m t e r Begriff für die D e u t u n g f i n d e t sich erst bei Daniel, und zwar in d e m Wort "NtfS. Allerdings k o m m t dieser Begriff innerhalb der Visionen Daniels nur in 7,16 vor, dagegen begegnet er im Z u s a m m e n h a n g d e r in Dan 1—6 b e r i c h t e t e n T r ä u m e u n d Erscheinungen sehr häufig: 2,4.5.6 ( 2 m a l ) . 7.9.16.24. 25.30.36.45; 4,3.4.6.15 (2mal).16 (2mal).21; 5,7.8.12.15 (2mal).16 (2mal).17. 26. Später spielt dieser Begriff d a n n eine große Rolle in der u n t e r den Q u m r a n S c h r i f t e n begegnenden L i t e r a t u r g a t t u n g der K o m m e n t a r e zu biblischen Büchern (s. z.B. l Q p H a b , l Q p N a h , w o mit dem Wort 4S7D die D e u t u n g des jeweils vorher zitierten Bibeltextes eingeleitet wird). Hinzuweisen ist d a r a u f , daß ein bes t i m m t e r Begriff für das E l e m e n t der D e u t u n g auch in Gen 4 0 , 1 2 . 1 8 (1ЛЛЭ ΠΤ. s.a. V . 5 . 8 ; 4 1 , 1 1 u n d ferner den häufigen G e b r a u c h des Verbs "IDS in K . 4 0 u n d 41) begegnet, hier im Z u s a m m e n h a n g m i t T r a u m d e u t u n g e n . V o n den oben S. 56 g e n a n n t e n Belegen der a u ß e r a l t t e s t a m e n t l i c h e n a p o k a l y p t i s c h e n Literatur sind zu vgl. 4 . E s r 12,8; 13,15; Syr. Bar. 3 8 , 3 ; 5 4 , 6 .

Ein kurzer Überblick — hält man etwa die Erklärung Dan 8,20—26 (4 Hauptzüge der vorangehenden Schau werden jeweils in einem neuen Ansatz gedeutet) neben die im Vergleich damit nur verhältnismäßig lose an das Visionsbild anknüpfende und anders vorgehende Deutung Jahwes in Am 7,8 und 8,2 — zeigt, daß bei dem Element der Deutung verschiedene Aspekte zu unterscheiden sind: einmal der der formalen Gestaltung, ferner der der Beziehung zwischen Bild/ Schau und der damit gemeinten Sache, wie sie die Deutung zum Ausdruck bringt. Untersucht man dementsprechend, ob sich verschiedene Gruppen von Deutungen herausarbeiten lassen, so erweist sich eine Ordnung nach rein formalen Gesichtspunkten als nicht ausreichend. Vielmehr muß, da für die Deutung der Bezug auf das 2S

In einem Nachtgesicht k o m m e n sogar beide Fragen z u s a m m e n vor: 4,1 ff. Sie f i n d e t sich auch in T r a u m b e r i c h t c n : G e n 2 8 , 1 2 . 1 7 ; 3 7 , 6 - 1 0 ; 4 0 , 9 - 1 9 ; 4 1 , I f f ; Ri 7,13f. 1

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

Bild wesentlich ist, dieses inhaltliche Moment mit berücksichtigt werden, von dem die formale Gestaltung der Deutung in wesentlichen Zügen abhängt. Dementsprechend lassen sich folgende Gruppen von Deutungen zusammenstellen 2 : 1. Assoziative Deutungen, die „auf eine hinter dem vordergründigen Bildwort liegende, mit (ihnen) aber durch den Anklang zusammengebundene Sinnwirklichkeit" 3 verweisen (z.B. Am 8 , 2 ; Jer 1,12) 2. Deutungen, in denen es primär um die Identität des Geschauten bzw. des dadurch Verschlüsselten geht, und zwar entweder in der Weise der Umsetzung eines verschlüsselten Bildes in die Sache, d.h. eine Größe steht für eine andere (z.B. Ez 3 7 , 1 1 ; Sach 4 , 1 4 ) , oder in der Weise der näheren Identifizierung, Charakterisierung, Benennung einer unverschlüsselten, also nicht durch ein Bild dargestellten Größe (z.B. Ez l l , 2 f ; 4 1 , 4 b ) . Unter dem Gesichtspunkt der sprachlichen Formulierung läßt sich folgende Untergliederung vornehmen: a) identifizierende Deutung in der Form ausdrücklicher Gleichsetzung einer Größe mit einer anderen a ) Nominalsatz, eingeleitet durch ein Demonstrativum, das für die zu deutende G r ö ß e steht: . . . ПТ/ПЬ'К/ЮП ( z . B . Sach 4 , 1 4 ; Ez 4 1 , 4 b ) . β) Nominalsatz, die zu deutende G r ö ß e ist mit adj. Demonstrativum versehen (z.B. Ez 3 7 , 1 1 ; Sach 4 , 1 0 ) . 7 ) Nominalsatz, die zu deutende Größe steht ohne Demonstrativum, wird aber wieder aufgenommen und verstärkt (als S u b j e k t ) durch beigefügtes Pronomen separatum der 3 . p e r s . (z.B. Dan 8 , 2 1 b ) . δ) Nominalsatz, Bild und Sache gleichgesetzt ohne Demonstrativum oder Personalpronomen ( z . B . Dan 8 , 2 0 . 2 1 a ) . e) In einem Verbalsatz wird die Sache dem Bild gleichgesetzt, das noch einmal genannt wird ( z . B . Dan 7 , 2 4 ; 8 , 2 2 ) .

b) Vergleich ( p . . . Э, so J e r 2 4 , 5 . 8 ) . 3. Deutungen, Geschauten

in denen es primär um die Tätigkeit, Funktion bzw. um das an ihm Geschehende geht:

des

a) Nominalsatz, fortgesetzt durch verba finita (z.B. Ez 47,8). b) Verbalsatz + inf (f). zur Angabe des Zweckes (so Sach 2 , 4 c . t . ) 4 . Da eine solche Einordnung nur nach den in der jeweiligen Deutung vorherrschenden Merkmalen vorgenommen werden kann, ist anzumerken, daß durchaus Überschneidungen und Verbindungen v o r k o m m e n , z . B . werden die unter 2. genannten Deutungen sehr häufig durch E l e m e n t e ergänzt, die für die Deutungen unter 3. die vorherrschenden sind, s. etwa Sach 5 , 3 . 3 Horst, Die Visionsschilderungen . . . , S. 2 0 1 . 4 Zu den textlichen und inhaltlichen Schwierigkeiten der Deutung 2 , 4 b (deren erste Hälfte ist breit, unbeholfen formuliert und wiederholt zuerst wörtlich 2

Die D e u t u n g

63

с) Inf. zur Angabe des Zwecks, evtl. fortgesetzt durch Verbalsatz (z.B. Sach 2,6; 5,11). a) Die Formulierung

der

Deutung

Die Deutungen der Nachtgesichte Sacharjas gehören zu den in der vorangehenden Zusammenstellung unter 2.a) und 3. beschriebenen. Dabei zählen nur 2,4 (c.t.)!.6; 5,11 2 zu letzterer Gruppe. Aus der Prophetie vor Sacharja bietet hierzu Ez 47,8ff einen Beleg. Aus der Zeit nach Sacharja ist der 2. Teil der Deutung des Traumes Nebukadnezars in Dan 4,21—23 zu nennen 3 . Es überwiegen bei Sacharja die Deutungen der Gruppe 2.a) 4 . Dabei herrscht die unter α) genannte charakteristische Formulierungsweise vor 5 . In den anderen prophetischen Visionen begegnen Deutungen in dieser Formulierung (einleitendes Demonstrativum bzw. demonstrativ gebrauchtes Personalpronomen + Nominalsatz) nur im Ezechiel-Buch: Ez 1,28 6 ; l l , 2 b f ; 4 1 , 4 b . 2 2 ; 4 6 , 2 0 . 2 4 7 . Nicht zuletzt

u n d f a s t v o l l s t ä n d i g d i e D e u t u n g V . 2 b , w o m i t n i c h t auf die in V . 4 a gestellte Frage e i n g e g a n g e n w i r d ) ist z u b e m e r k e n : Die w ö r t l i c h e n W i e d e r h o l u n g e n aus V. 2, die T a t s a c h e , d a ß erst von I W I a b auf die g e s t e l l t e F r a g e eingegangen w i r d , die B e o b a c h t u n g , d a ß auf d i e a u ß e r in 2 , 4 a in d e n N a c h t g e s i c h t e n noch zweimal (2,6; 5,10) gestellte Frage nach der Tätigkeit der geschauten Wesen j e d e s m a l k u r z u n d p r ä z i s e , d a z u u n t e r V e r w e n d u n g v o n I n f i n i t i v e n gea n t w o r t e t w i r d , s p r i c h t sehr d a f ü r , V . 4 a a (also b i s incl. W U T ) als n i c h t ursprünglich z u r D e u t u n g g e h ö r i g a n z u s e h e n ; a m Beginn d e r e i g e n t l i c h e n D e u t u n g , d i e in d e r F o r m u l i e r u n g V e r b a l f o r m v o n NID + inf. g e n a u d e r Frage V . 4 a f o l g t , w ä r e d a n n d a s V e r b " I W I w o h l m i t BHS in 1X2 z u ä n d e r n . (Zu d e n b e i d e n I n f . in V . 4 b / J y , s . u . S. 1 5 9 , A n m . 15). 1

S . o . A n m . 4. Z u 6 , 8 s . u . S. 75. 3 H i n z u w e i s e n ist n o c h auf e i n e e n t s p r e c h e n d e T r a u m d e u t u n g in G e n 3 7,8a. 1 0 , die a l l e r d i n g s n u r in i n d i r e k t e r F o r m in d e r F r a g e d e r B r ü d e r u n d d e s Vaters an J o s e p h g e g e b e n w i r d . 4 1 , 1 0 ; 2 , 2 ; 4 , 1 0 . 1 4 ; 5 , 3 . 6 (c. t., d a z u s . o . S. 2 6 ) . 8 ; 6 , 5 ( c . t . , d a z u s . o . S. 3 1 f ) . 5 N u r in 4,10a/3.b b e g e g n e t die u n t e r 2.aß) a u f g e f ü h r t e F o r m u l i e r u n g . 6 Diese die G e s a m t s c h a u z u s a m m e n f a s s e n d e E r k l ä r u n g g i b t in d e r F o r m e i n e r „ f a s t l e h r h a f t a n m u t e n d e n , an d e n A b s c h l u ß g e w i s s e r p r i e s t e r g e s e t z l i c h e r F o r m u l i e r u n g e n . . . e r i n n e r n d e n U n t e r s c h r i f t " (W. Z i m m e r l i , E z e c h i e l S. 5 7 z . S t . ) der P r o p h e t s e l b e r im R a h m e n seines V i s i o n s b e r i c h t e s , w ä h r e n d s o n s t die D e u t u n g e n den P r o p h e t e n stets von einer anderen Person mitgeteilt w e r d e n . 7 Z u vgl. ist a u c h 4 2 , 1 3 (f), w o a b e r d i e z u e r k l ä r e n d e S a c h e selbst g e n a n n t ist u n d n i c h t d u r c h ein D e m o n s t r a t i v u m auf sie v e r w i e s e n ist. — Z u 4 0 , 4 5 s. Z i m m e r l i , E z e c h i e l S. 1 0 2 4 . — H i n z u w e i s e n ist in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g a u c h a u f d a s d e u t e n d e W o r t in Ez 4 3 , 7 , w e n n es a u c h a u f G r u n d s e i n e r a n d e r s a r t i 2

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Die Aufbauclemente in den Visionen des Alten Testaments

ist das deutende Wort Ez 3 7 , 1 1 zu nennen, das in der o b e n unter 2. aß) angeführten Weise formuliert ist, insofern also eine Entsprechung z u Sach 4 , 1 0 darstellt. Anders als im Ezechiel-Buch steht es mit den D e u t u n g e n im Daniel-Buch; denn deren Formulierung ist weitgehend eine andere geworden — ein Sachverhalt, der d e m oben bei der Frage nach der D e u t u n g Festgestellten w e i t g e h e n d entspricht8. Die für die Deutungen bei Ezechiel und Sacharja kennzeichnenden Nominalsätze begegnen nur in Dan 8,20.21 9 . Die charakteristische Einleitung durch ein Demonstrativum fehlt hier allerdings. Dieses findet sich nur in dem deutenden Satz 7,17 (hier außerdem adj. gebraucht), der aber wie die ebenfalls aramäisch abgefaßten Deutungen 7,23.24 ganz andersartig formuliert ist (vgl. auch 8,22 (hebr.)). Daß in den Deutungen des Daniel-Buches das einleitende Demonstrativum mit einer Ausnahme nicht mehr begegnet, wird seinen Grund in den zu erheblichem Umfang angewachsenen Bildteilen haben. Diese Erweiterung des Bildteils und die Tatsache, daß der Visionär nicht so wie Sacharja nach bestimmten Zügen oder Bestandteilen der Schau fragt, die dann in der folgenden Deutung nur durch ein Demonstrativum wieder aufgenommen zu werden brauchen, macht es notwendig, daß der jeweils zu deutende Abschnitt des Bildteils noch einmal genannt wird, bevor er gedeutet wird (das betrifft auch die unter 3. genannten Deutungen). In diesem Zusammenhang begegnet die Wendung ΠΙΤΤΠ H l bzw. ГПХ"! "WX (8,20), in 4,20 abgewandelt zu ГИП "ΠΙ Χϊί'ρΟ,β. auch 4,23 П/ЭХ Hl. Sie leitet die Wiederaufnahme des Bildteiis ein (Dan 2,41.43.45; 4,20) bzw. ist in ihn eingefügt (4,17; 8,20), worauf dann die Deutung folgt, die lediglich bei 2,45 vorangeht. Ohne diese Wendung werden die zu deutenden Bestandteile der Schau aufgegriffen in Dan 2,42; 5,26. 27.28; 7,17.23.24; 8,21.22. Hinzuweisen ist schließlich auf die zu den Traumberichten gehörenden deutenden Worte in der Form der Gleichsetzung 10 . Wichtigstes Ergebnis dieses Abschnittes ist die z w i s c h e n den Nachtgesichten Sacharjas u n d den Visionsberichten des Ezechiel-Buchs festgestellte Übereinstimmung in der Formulierung der Deutung. gen Formulierung ... OlpÖTlX von den genannten Belegen etwas abzurükken ist. 8 S.o. S. 57f. 9 Vgl. a. 2,37f; 4 , 1 7 - 1 9 (aram.), jeweils das Anfangsstück ausführlicherer Deutungen. 10 Gen 28,17b; 40,12f.l8f; 41,26.27; Ri 7,14. Dabei zeigen Gen 40,12f.l8f; 41,26.27 die oben unter 2.a.y), Gen 28,1 7bj3 die unter 2.aa) genannte Formulierung. Der 1. Teil des deutenden Wortes Gen 28,1 7b (DTI1?« i r a ' D X Ό ЛТ ^X) und Ri 7,14a фУТ1 т П ' П Х VlVa П1ХТ fX) gehören in die Nähe der unter 2.aa) genannten Formulierungsweise; beide sind ganz gleichartig formuliert in einer Weise, wie sie sich so in anderen Traum- und Visionsdeutungen nicht findet; in beiden Fällen handelt es sich ferner um Äußerungen der Träumenden selbst, die sich das Traumbild klarzumachen versuchen, nicht um eine Deutung durch einen anderen.

Die D e u t u n g

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Zu e r w ä h n e n bleibt noch die Ähnlichkeit dieser D e u t u n g s f o r m u l i e r u n g mit b e s t i m m t e n Formeln priesterlicher T e x t e (meist in listenartigen A b s c h n i t t e n u n d priestergesetzlichen T e x t e n ) , die d o r t meist als Über- o d e r U n t e r s c h r i f t e n erscheinen: z . P . . . . ПП^Ш dVs (Gen 2,4), ... ПП^ЧП ПВО ПТ (Gen 5,1), η*?5>Π m m ηχτ (Lev 6,2), . . . ПйЛЗЛ ΓΠΊΠ ΓΚΤ (Lev 11,46). Da n u n beide P r o p h e t e n , Sacharja u n d Ezechiel, priesterlicher H e r k u n f t sind, in d e r e n Worten sich z u d e m auch E l e m e n t e priesterlichen D e n k e n s u n d priesterlicher Sprache f i n d e n 1 1 , stellt sich die Frage, o b bei der festgestellen Formulierungsweise ihrer Visionsdeutungen Einfluß priesterlicher Sprache mit im Spiel ist. Es wäre weiter zu erwägen, ob der Satz Ez 1 , 2 8 , der u n t e r s c h r i f t a r t i g e n Charakter hat u n d zugleich ein d e u t e n d - b e n e n n e n d e s E l e m e n t darstellt, so etwas wie ein Bindeglied zwischen den .genannten Über- u n d U n t e r s c h r i f t e n in priesterlichen T e x t e n u n d den Deutungen b z w . b e n e n n e n d e n Worten in den Visionen Sacharjas u n d Ezechiels darstellen k ö n n t e . Läßt schon das g e n a n n t e Material keine sicheren Rückschlüsse z u , so kompliziert sich die Lage n o c h d a d u r c h , daß in J e s 14,26; 17,14; 2 8 , 2 9 , also in prop h e t i s c h e n T e x t e n , die aber keinem Visionsbericht z u g e h ö r e n , dieselbe F o r m u lierung begegnet. B. S. Childs 1 2 n e n n t diese Sätze ihrer F o r m u l i e r u n g u n d ihrem C h a r a k t e r n a c h , wobei das didaktische M o m e n t ein wesentlicher Zug ist, Summary-Appraisal F o r m ; da er genaue Parallelen im Alten T e s t a m e n t nur in der Weisheitsliteratur f i n d e t — auf die mindestens in der F o r m u l i e r u n g parallelen Stellen bei Ezechiel, Sacharja u n d in der priesterlichen L i t e r a t u r geht er nicht ein —, versteht er diese Sätze bei J e s a j a als A u f n a h m e einer traditionellen F o r m , " w h i c h had its setting within a Hebrew schoöl of w i s d o m " 1 3 .

b) Art und Weise der Aufnahme in der Deutung

und Erklärung der Schau

aa) Deutungsmethode Zweifellos stehen Deutungsformulierung und Deutungsmethode in engem Zusammenhang. Dennoch erübrigt sich nach dem vorangehenden Abschnitt über die Formulierung nicht die folgende Erörterung der Deutungsmethode 1 . Bei Sacharja nimmt die Mehrzahl der Deutungen 2 in der Weise auf das geschaute Bild oder ein Teilelement desselben Bezug, daß dieses 11 Sacharja: Ch. J e r e m i a s , Sacharja u n d die p r o p h e t i s c h e T r a d i t i o n . . . S . 4 1 , 56f u . ö . - Ezechiel: W. Zimmerli, Ezechiel, S. 2 4 * , 5 3 * f , 79* u . ö . 12 Isaiah and the Assyrian Crisis, 1967 (Studies in Biblical T h e o l o g y , Second Series, 3), Excursus I, T h e Summary-Appraisal F o r m , S. 128—136. 13 A.a.O., S. 136. 1 Von den D e u t u n g e n , die die Tätigkeit der geschauten G r ö ß e (bzw. deren Ziel) erklären, kann dabei abgesehen w e r d e n , da hier die Dinge klar liegen und nichts über das im vorigen Abschnitt Gesagte hinaus zu b e m e r k e n ist. 2 Es handelt sich um 8 von insgesamt 11 D e u t u n g e n : 1,10; 2,2; 4 , 1 0 . 1 4 ; 5,3.6 (c. t., dazu s.o. S. 26, wahrscheinlich wird auch der Passus ПХТ . . . ПО'ХП zu tilgen sein, vgl. dazu den Erklärungsversuch bei Elliger). 8; 6,5 (c.t., dazu s.o. S. 3 1 f ) .

5 Jeremias, Nachtgesichte

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

in ausdrücklicher Gleichsetzung („das ist ...") in die gemeinte Sache umgesetzt wird 3 . (Damit ist mit Ausnahme von 5,8aa eine erweiternde Aussage über Wirkungsbereich, Funktion bzw. Tätigkeit des Gedeuteten verbunden.) Die Notwendigkeit für diese Deutungsweise ergibt sich aus dem Charakter des Geschauten: Es ist in seinem Sinn nicht aus sich selbst heraus klar für den Visionär — das zeigen deutlich die Fragen des Propheten nach dem Wesen des Geschaut e n 4 —, da in ihm die Sache, die Wirklichkeit, um die es geht, in Bildern verschlüsselt ist. Fragt man nach Belegen aus der Prophetie vor Sacharja, die eine solche Beziehung zwischen Schau und Deutung aufweisen, so sind, obwohl das eben über den Charakter der Schau und die Notwendigkeit einer Deutung Gesagte auch für sie gilt, die Visionsberichte Am 7,7f; 8 , l f ; J e r 1,1 l f . 13f hier nicht zu nennen, da ihre jeweilige Deutung von anderer Art ist 5 . Anders steht es mit dem Visionsbericht J e r 24, der — wenn auch mit einem gewissen Vorbehalt — hier zu nennen ist: Das Bild von den beiden Feigenkörben wird in V. 5 und 8 erklärt, indem die Feigen zu den Verbannten bzw. den in Juda/Jerusalem Zurückgebliebenen oder in Ägypten Befindlichen in Beziehung gesetzt werden. Im Unterschied zu Sacharja liegt aber hier keine Gleichsetzung vor, sondern es handelt sich um einen Vergleich ( p . . . Э); dieser bildet außerdem nicht wie die Deutungen bei Sacharja einen eigenen, selbständigen Teil des Visionsberichts, sondern ist Bestandteil einer göttlichen Ankündigung. J e r 24 ist also mit der genannten Art der Deutungen bei Sacharja nicht uneingeschränkt in einer Linie zu sehen. Festzuhalten ist aber, daß sich auch hier das Phänomen eines nicht aus sich selbst heraus verständlichen Visionsbildes findet, das durch ein deutendes Wort zu der gemeinten ,,Sache" in Beziehung gesetzt werden muß, wobei die Art, in der das geschieht, verglichen mit den eben erwähnten Visionsdeutungen in Am 7,8; 8,2; J e r 1,12.14, erheblich näher bei Sacharja steht. Als nächster Beleg ist Ez 37,11 zu nennen. Anders als bei den übrigen Visionsbildern im Ezechiel-Buch liegt in der Schau von Ez 3

Zu dabei zu beobachtenden Abweichungen und besonderen Fragen s. die folgenden Abschnitte. 4 Dazu s.o. S. 57f. 5 Die in ihr aufgedeckte „Sinnwirklichkeit" (F. Horst, Die Visionsschilderungen . . . S. 201) ist durch lautlichen Anklang oder Assoziation bzw. über ein bestimmtes in ihr wieder aufgenommenes, aber jetzt in einen anderen Zusammenhang gesetztes Stichwort (Am 7,7f) mit der Schau verbunden. Eine Gleichsetzung von Bild und Sache erfolgt nicht.

Die Deutung

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37 eine Verschlüsselung durch ein Bild (niDUS?) vor, das ohne Deutung nicht verständlich ist. Diese Deutung geschieht nun genauso wie bei Sacharja in der Weise der Gleichsetzung: „Diese Gebeine sind das ganze Haus Israel" 6 . In den der Zeit цасЬ Sacharja angehörenden Visionen und Träumen des Daniel-Buches ist diese in der Weise der Gleichsetzung von Bild und Sache — von Rad spricht von einem „rationalen Auswechselungsprozeß" 7 — vorgehende Deutung ebenso wie schon bei Sacharja die vorherrschende: 2,37—45; 4,17— 19; 7,17—23f; 8 , 2 0 - 2 2 . Auch zu in der Genesis berichteten Träumen werden derartige Deutungen gegeb e n 8 . Von diesen Deutungen führt G. v. R a d 9 die in Gen 41,25ff enthaltenen auf Grund der ganz entsprechenden Deutungsweise wie im Daniel-Buch und „allenthalben in der apokalyptischen Literatur" als ein Beweisstück für die enge Beziehung zwischen Apokalyptik und Weisheit an. Dieser Bewertung und Schlußfolgerung widerspricht die bei v. Rad nicht berücksichtigte Tatsache, daß diese Deutungsmethode auch in prophetischen Texten v o r k o m m t , wie oben dargelegt worden ist.

Diese Art der Deutung kündigt sich also bei Jeremia an, findet ihr erstes ganz entsprechendes Beispiel in Ez 37 und dominiert dann bei Sacharja und Daniel. Sie ist begründet in der Funktion und Art der Schau und beeinflußt ihrerseits die Formulierung der Deutung. bb) Genauigkeit und Ausmaß der in der Deutung gegebenen Erklärung Keine neue Erkenntnis spricht sich in der Feststellung aus, daß das Element der Deutung auf Grund seines häufigen Vorkommens und seines Gewichtes ein charakteristisches Merkmal der Nachtgesichte Sacharjas und dann der Visionen Daniels und auch der anderen apokalyptischen Seher ist. Anders steht es mit den Ergebnissen, 6

Die o. S. 62f unter dem Gesichtspunkt der Deutungsformulierung angeführten weiteren Deutungen aus dem Ezechiel-Buch sind hier nicht zu nennen, da das Verhältnis des deutenden Wortes zur visionären Schau bei diesen ein anderes ist: Es geht um eine nähere Identifizierung, Erklärung bzw. Benennung einer unverschlüsselten Größe. Hinzuweisen ist jedoch in diesem Zusammenhang auf die großen Bildreden bei Ezechiel (s. W. Zimmerli, Ezechiel S . 4 5 * f f ) , von denen K. 15 (hier in Form eines Vergleichs) und 17 (s.a. 21,1 — 12) eine Deutung des im Bild Verschlüsselten bieten. 7 ThAT II, 5. Α., S. 325. 8 Gen 40,12.18 (E) und 41,26f (E), s.a. die indirekte Deutung in der Form der Frage von Vater und Brüdern in 3 7 , 8 a . l 0 (J). Außerhalb der Genesis ist die Traumdeutung Ri 7,14 zu nennen. 9 T h A T II, 5. Α.,'s. 325.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

zu denen die jetzt — nach der Untersuchung der Formulierung und Methode der Deutung — zu verfolgende Frage führt, in welchem Maße nämlich die visionäre Schau nun tatsächlich durch die Deutung eine Erklärung erfährt. a) Verschlüsselung in der Deutung Sieht man die Deutungen der einzelnen Nachtgesichte daraufhin durch, wie genau die dort aufgegriffenen Elemente der Schau erklärt werden, dann fällt auf, daß mehrfach nur eine unvollständige Entschlüsselung des geschauten Bildes erfolgt, die Deutung selbst also noch weitgehend verschlüsselt ist. So ist in dem deutenden Satz Sach 2,2 ebenso wie im Bildteil (V. l b ) von den Hörnern die Rede, die nur durch die Erwähnung ihrer Tätigkeit („die J u d a ... zerstreut haben") näher bestimmt werden. Dabei tritt neben den aus dem Bildteil übernommenen Begriff П1Лр mit ГПТ ein der Sachhälfte zugehöriger Begriff, wodurch die fehlende Deutung der Hörner selbst nur noch unterstrichen wird. Etwas weiter führt erst in 2,4 der auf die Frage nach den Schmieden antwortende Satz, da dort die Hörner näher bezeichnet werden als „Hörner der Völker, die ein Horn gegen das Land J u d a erhoben haben" 1 0 . Nicht gesagt wird, welche Völker, ob überhaupt bestimmte Völker gemeint sind 1 1 . Auch wer die 4 ОЧРЧП (V. 3) sind, wird in der dazu gehörenden Deutung V.4 nicht aufgeschlüsselt. Es wird nur deren Aufgabe genannt. In Sach 4,14 werden die beiden ölbäume des Visionsbildes als ТПХ,П",1а gedeutet, ohne daß die beiden damit gemeinten Ämter und Amtsträger genau bezeichnet werden. In der Deutung 4,10 werden die 7 Lampen des Leuchters als „Augen Jahwes" gedeutet; ein Bild wird also nur durch ein anderes ersetzt. Während es sich in 2,1—4 sicher nicht um jeweils 4 bestimmte mit Namen zu benennde Völker oder Staaten handelt 1 2 , geht es in 4,14 zweifellos um zwei ganz bestimmte Personen der Zeit Sacharjas: Serubbabel und Josua 1 3 . Offensichtlich werden ihre Namen absichtlich nicht genannt. Ähnliche Erscheinungen finden sich sonst noch innerhalb der Nachtgesichte in 1,15; 6,6.8: Hier ist von Ländern, Völkern die Rede, ohne daß — von Himmels-

10

Auch in V . 4 greifen Bild- und Sachhälfte ineinander, wenn vom ken" ("Tin hi.) und „Niederwerfen" ( П Т pi.) der Hörner die Rede s.a. S. 158f. 11 S. dazu die Erörterungen o. S. 22ff. 12 Zu diesem Ergebnis führten die Erörterungen o. S. 2 2 f f , s.a. u. S. 13 Dazu s. Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition . . .

„Schrekist. Dazu

162f. S. 92.

Die D e u t u n g

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richtungen abgesehen — genauere A n g a b e n oder N a m e n s n e n n u n g e n vorkomm e n 1 4 . Aber auch hier legt es sich n a h e 1 5 , daß es sich ähnlich wie in 2,1 — 4 n i c h t u m genau f a ß b a r e politische G r ö ß e n h a n d e l n wird, die mit N a m e n , in ihrer Lage u n d Zugehörigkeit zu einer eng u m g r e n z t e n Geschichtsepoche zu b e s t i m m e n wären, sondern daß ein allgemeineres Verständnis z u t r e f f e n d sein dürfte. Eine gewisse A b w e i c h u n g stellt 5,1 l a dar, w o — allerdings in archaisierender Redeweise — vom Land Sinear die Rede ist. Deutlich g e n a n n t werden in den Nachtgesichten ansonsten n u r J u d a u n d J e r u s a l e m — abgesehen von 3,1 f f , das sich von den übrigen Nachtgesichten auch d u r c h die klare N e n n u n g des N a m e n s J o s u a a b h e b t . In d e m nicht zu den Visionen g e h ö r e n d e n S p r u c h g u t werden gelegentlich Babel ( 2 , I I 1 6 ; 6,10), S e r u b b a b e l (4,6 1 7 .7.9.10) u n d J o s u a (3,8.9 (6,11)) n a m e n t lich g e n a n n t . A n d e r s verhält es sich in 6 , 1 2 f , d e m zur Verkündigung aufgetragenen S p r u c h im Z u s a m m e n h a n g d e r Z e i c h e n h a n d l u n g 6 , 9 f f : Hier werden wie in 4 , 1 4 keine N a m e n g e n a n n t , o b w o h l zweifellos an ganz b e s t i m m t e Personen (Serubbabel u n d J o s u a ) gedacht i s t 1 8 .

Verschlüsselte Deutungen finden sich auch in den Visionen und Träumen des Daniel-Buches. In 2,39f; 7,17.23f; 8,21b.22.23ff wird das jeweilige Bild nur so weit in die dadurch verschlüsselte Sache umgesetzt, daß von Reichen bzw. Königen die Rede ist. Es werden aber in der Regel keine Namen genannt, obwohl zweifellos an ganz bestimmte Könige oder Reiche gedacht ist 1 9 . Lediglich in Dan 2 wird u n m i t t e l b a r vor der g e n a n n t e n Stelle in V. 3 7f das erste Reich als das N e b u k a d n e z a r s g e d e u t e t , u n d vor d e n e r w ä h n t e n Versen von K. 8 ist am A n f a n g der dortigen D e u t u n g von den Königen von Medien, Persien u n d Griechenland die Rede, deren Eigennamen allerdings n i c h t mitgeteilt werden. Zur Erklärung dieses nicht einheitlichen Sachverhaltes trägt es bei, wenn man sich die K o n z e p t i o n dieser Visionen (bzw. T r ä u m e ) u n d den geschichtlichen S t a n d o r t ihres Verfassers vor Augen hält. Die Visionen geben sich als Z u k u n f t s ansagen für einen g r o ß e n Z e i t r a u m . Da der geschichtliche S t a n d o r t fingiert, gegenüber d e m tatsächlichen in die Vergangenheit zurückverlegt ist, ist ein erheblicher Teil der als z u k ü n f t i g geschilderten Ereignisse bereits geschehen, die diesem Z e i t r a u m geltenden Ankündigungen erscheinen als erfüllt, u n d d a m i t wird die G e w i ß h e i t , daß J a h w e auch die n o c h a u s s t e h e n d e n Ereignisse so wie 14 Nicht zu n e n n e n sind hier 1,10; 2,5F; 5,9; 6,5, weil es d o r t nicht u m geschichtliche G r ö ß e n geht. 15 Dazu s. S. 153f, S. 30, 35f. 16 Damit wird der in d e r Parallelaussage V. 10a s t e h e n d e Begriff Nordland konkretisiert und ebenso wahrscheinlich die in der folgenden Begründung (V. 12f) begegnende allgemeine Formulierung „die Völker, die euch ausgeplündert h a b e n " (V. 12, s. dazu Ch. J e r e m i a s , Sacharja u n d die p r o p h e t i s c h e Tradition . . . S. 13f). 17 Hier allerdings n u r in d e r Adresse des Wortes. 18 Chr. J e r e m i a s , a.a.O., S. 92, 95. 19 Vgl. a. die als Enthüllung der Z u k u n f t g e f a ß t e Geschichtsübersicht in Dan 1 l,2ff.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

geplant ausführen wird, hervorgerufen bzw. bestärkt. In den Bereich dieser nun bereits Geschichte gewordenen Ereignisse gehören die genannten konkreteren Angaben. (Dabei wird durch die Beziehung auf Nebukadnezar in 2,37f der fiktive Standort des Verfassers und damit auch der Ausgangspunkt für die Zukunftsankündigungen fixiert.) Sobald sich die geschauten Ereignisse der tatsächlichen Gegenwart des Verfassers nähern oder sie selbst betreffen, verlieren die Angaben an Konkretion bzw. bleiben verschlüsselt, insofern bestimmte, namentliche Bezeichnungen fehlen.

Es handelt sich bei Daniel also letztlich um dieselbe Erscheinung wie in den in Frage stehenden Äußerungen Sacharjas, daß von zeitgeschichtlichen Größen nur verhüllt gesprochen wird. Der Unterschied liegt, abgesehen davon, daß die Verschlüsselung in der Deutung bei Daniel viel verbreiteter ist, u.a. darin, daß bei Daniel anders als bei Sacharja weite geschichtliche Dimensionen erfaßt sind und auch die Gegenwart des Verfassers in Schau und Deutung als (ferne!) Zukunft dargestellt wird. Hier bei Daniel ist diese Erscheinung sicher im Zusammenhang zu sehen mit der auch sonst bei ihm festzustellenden Tendenz zur Verhüllung 20 , die ein Merkmal apokalyptischer Redeweise ist 2 1 . Es liegt von daher auf der Hand, daß sich auch in den verschlüsselnden Deutungen innerhalb der Nachtgesichte Sacharjas bereits dieses Element der Verhüllung zeigt, das bei Sacharja schon an anderer Stelle in seinen Auswirkungen und als ein Sacharja mit der Apokalyptik verbindendes Moment erkennbar war 22 . Mit der eben beschriebenen Erscheinung, die sich in den Visionen der Propheten vor Sacharja nicht findet 2 3 , heben sich die Visionen Sacharjas und Daniels von jenen ab. Wie an Sach 2,2.4 oben festzustellen war, kann das Bild in die Deutung hineinragen, in ihr stehenbleiben, ohne erklärt zu werden, so daß in der Deutung Elemente der Bildhälfte und solche der Sachhälfte unvermittelt nebeneinander stehen können. Daß das Bild in die Deutung hineinragt, findet sich auch in Dan 2,41a.42f (Erwähnung der Zehen der Statue), weiter in Dan 7,21 ( f ) M . Die um20

Vgl. die Chiffrierung der Zeitangabe in 7,25; 12,7; die Verschleierung des eigenen geschichtlichen Standorts der Visionen. 21 Dazu s. die o. S. 58 angeführten Literaturbelege. 22 S.o. S. 58. — Diese Erklärung erscheint wahrscheinlicher als die Annahme, die Nennung der Namen unterbleibe in Sacharjas Ankündigungen, sobald derzeit politisch äußerst bedeutsame Fragen berührt werden, an denen nicht nur das sich neu konstituierende nachexilische Israel Interesse finden könnte. 23 S. z.B. J e r 24, wo die — in der Form eines Vergleichs vorgenommene — Deutung in V.8 namentlich den König Zedekia nennt; vgl. a. V.5. 24 In beiden Fällen handelt es sich sehr wahrscheinlich um sek. Nachträge, die das Visionsbild ergänzen sollen; zu 2,41a.42f s. Hölscher (nach O. Eißfeldt,

Die Deutung

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gekehrte Erscheinung, daß die Sache, die vorgesehene Deutung in das Bild hineinragt und es bestimmt — das kann so weit führen, daß das Bild geradezu danach konstruiert zu sein scheint —, findet sich nicht bei Sacharja, wohl aber in Dan 4,12b. 1 3 a 2 5 ; 7,8 26 und in den Aussagen über die Hörner in 8,3.5.8.9. 11 (vgl. auch Gen 3 7,7.9).

β) Auswählende Deutung In einem nächsten Schritt ist die Untersuchung der Deutung in ihrer Bezugnahme auf das Visionsbild weiterzuführen unter der Frage, wie vollständig und wie umfassend die einzelnen Züge des Visionsbildes in der Deutung aufgegriffen werden. Bei Daniel, dessen Deutungen die längsten sind 2 7 , wird in K. 7 und 8 das Bild durchaus nicht in allen seinen Zügen gedeutet. Es werden vielmehr — evtl. nach einer kurzen summarischen Gesamtdeutung der ganzen Schau, so in 7,17f — nur ein bestimmter Abschnitt, bestimmte besonders interessierende Züge ausgedeutet 28 . Auch in einem Teil der Nachtgesichte Sacharjas finden sich bereits Tendenzen in dieser Richtung. Die Deutung 1,10b geht auf die Einzelheiten der Schau nicht ein (etwa die Farben der Pferde, die Beschreibung der örtlichkeit). Am deutlichsten ist dieses Vorgehen in K.4 ausgeprägt: Von dem Bild des zwischen 2 ölbäumen stehenden, in seinen Einzelheiten genau beschriebenen Leuchters werden nur zwei Elemente gedeutet (in V.10 und 14). Zu nennen sind weitere Nachtgesichte: In 5,1—4 nimmt die Deutung auf die Maße der Rolle (V.2bß7) nicht Bezug 2 9 ; in 5 , 5 - 1 1 geht die Deutung V . l l Einleitung, 3.A. S. 702), M. Noth, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik: Gesammelte Studien, ThB 6, 2. A. 1960, S. 251 4 ; zu 7,21(f) s. Bentzen, Porteous z.St., Hölscher (nach Eißfeldt, Einleitung, 3. A. S. 702, s.a. 714), Noth, „Die Heiligen des Höchsten": Ges. Studien . . . S. 287. 25 Auffälligerweise kehrt der in V. 13 a genannte Zug in der Wiederholung der Schau vor der eigentlichen Deutung und in dieser selbst (V. 20—23) nicht wieder. 26 Dazu s. Noth, Das Geschichtsverständnis . . . a.a.O., S. 270. 27 Es sei denn, die Deutung wird verweigert wie in 12,8ff. 28 7 , 2 3 - 2 5 ( - 2 7 ) deuten aus der Schau 7 , 3 - 1 4 ( 2 1 f ) den Abschnitt 7,7f(21f) in seinen Hauptelementen; 8,20—25(26) erklären aus 8,3 —12 (13f) nur die wesentlichen Züge aus 8,3.5.8—12 (13f). — Bei den Königsträumen bzw. Visionen im l . T e i l des Daniel-Buches steht es so, daß in 2,36—45 und 5,(24f) 26—28 eine so gut wie vollständige Deutung der Bilder gegeben wird, in 4,16bß— 23 die wichtigsten Züge erklärt, andere nicht ausdrücklich gedeutet werden. 29 Das fällt um so mehr auf, als die Maße in der ersten Schilderung der Schau (V.lb) nicht genannt werden, sondern erst in der erneuten Schilderung (V. 2b)

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

auf die in V. 9 neu eingeführten Wesen als solche nicht ein, und in 6,1—8 bleiben die Angaben über die örtlichkeit V.l und die Farben der Pferde V. 2—3 unerklärt. Die Visionsdeutungen aus der Prophetie vor Sacharja, an die man in diesem Zusammenhang denken könnte, Ez l,28aß und Ez 41,4 3 0 , gehören kaum in die Reihe der auswählenden Deutungen. Denn wenn auch an diesen beiden Ezechiel-Stellen von mehreren Elementen der Schau nicht alle einzeln gedeutet bzw. benannt w e r d e n 3 1 , so sind diese unberücksichtigt bleibenden Elemente doch nicht derartig ausgemalt und verschlüsselt wie bei Daniel und Sacharja, als daß sie ohne Deutung nicht oder nur ungenau zu verstehen wären: In Ez 1 handelt es sich um eine vorsichtig annähernde, umschreibende, mit Vergleichen arbeitende Schilderung der Gottesschau selbst, für die der die gesamte Gottesschau zusammenfassende deutende Satz in 1,28 als Erklärung ausreicht. Durch 41,4 wird nicht eins von mehreren der Deutung oder Benennung bedürftigen Elemente herausgegriffen — Wesen und Funktion der übrigen genannten Teile des Baus sind auch ohne Deutung klar —, sondern das Kernelement des neuen Tempels, auf das die vorangehende visionäre Führung als auf ihren Höhepunkt zuläuft, besonders unterstrichen; dieses deutende Wort hat also vor allem eine stilistisch-kompositorische Funktion.

Uneingeschränkt kann man demnach von Deutungen in Auswahl erst bei Sacharja sprechen, wenn auch bei ihm noch nicht alle Deutungen von dieser Art sind. Damit wird bei diesem Propheten deutlich ein neues Moment in der Beziehung zwischen Bild und Deutung sichtbar, das ihn mit den Visionen des Daniel-Buchs verbindet und von denen der früheren Propheten unterscheidet. Abschließend soll nach dem Sinn der Deutung in Auswahl und nach den Voraussetzungen ihres Aufkommens gefragt werden. 1. Als Erklärung für diese erst allmählich hervortretende Erscheinung wird es nicht ausreichen, auf die Vertrautheit der Menschen jener Zeit und jenes Bereichs mit bild- und symbolhafter Redeweise zu verweisen, aus der heraus sich erscheinen, mit der die vergewissernde Frage des Engels nach dem Geschauten (V. 2a) beantwortet wird. 30 Am 8,1 f und J e r 24 sind hier nicht anzuführen, auch wenn der dort als Behälter des Obstes geschaute Korb in der Deutung nicht erwähnt wird. Denn bei Arnos handelt es sich um eine assoziative Deutung der Geiamischau, nicht um eine Deutung, die darauf angelegt wäre, identifizierend das Visionsbild Zug um Zug zu deuten. In J e r 24 wird der Korb in einer zweiten Schilderung des Geschauten, die Jeremia auf Jahwes vergewissernde Frage hin gibt (V.3), bereits nicht mehr erwähnt und so in der folgenden Deutung auch nicht berücksichtigt. 31 So die 1,5 genannten Wesen und die außer dem Allerheiligsten im ersten Teil der großen Schlußvision Ez 40ff ( 4 0 , 1 - 3 7 . 4 7 - 4 9 ; 4 1 , 1 - 4 , s. dazu die literarkritische Analyse bei W. Zimmerli, Ezechiel S . 9 7 9 f f ) erwähnten Baubestandteile des neuen Tempels.

Die Deutung

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eine vollständige Deutung erübrigt haben könnte. Es ist zu vermuten, daß die auswählende Deutungsweise Ausdruck einer oben bereits im stilistischen Bereich festgestellten Tendenz zu einer gewissen Unbestimmtheit, zum nur mehr Angedeuteten i s t 3 2 . Ein wesentlicher Grund für die auswählende Deutung wird aber auch darin liegen, daß aus einem aus einer Reihe oder sogar Fülle von Einzelzügen bestehenden Visionsbild nur die für die Aussage der Vision in ihrer bestimmten Situation besonders wichtigen Züge gedeutet w e r d e n 3 3 . Die nicht gedeuteten Züge der visionären Schau lassen sich dann z.T. indirekt in ihrer Bedeutung e r s c h l i e ß e n 3 4 . 2. Aus dem bisher Gesagten geht schon hervor, daß eine Voraussetzung für das A u f k o m m e n der Deutung in Auswahl darin liegt, daß der Bildteil der Visionen sich gegenüber den kn-appen und einfachen Bildern bei Arnos und J e r e mia verändert hat: er setzt sich aus einer Reihe von Zügen zusammen, ist mehrschichtig, enthält viele Einzelheiten, schildert kompliziertere Vorgänge, weist zunehmend phantastische, traumhafte, symbolische Motive und „Gegenständ e " auf, womit eine fortschreitende Verschlüsselung verbunden i s t 3 5 . All dieses gilt für Daniel in viel stärkerem Maße als für Sacharja, der in seinen Visionsbildern z . T . noch an die Bilder des Arnos und J e r e m i a e r i n n e r t 3 6 . Es bleibt die Frage, wie und aus welchen Gründen alle diese nicht ausdrücklich gedeuteten Bildclemente Bestandteil des Visionsbildes geworden sind. Man wird dabei mit verschiedenen Möglichkeiten rechnen müssen: mit der zunehmenden Neigung zur Ausführlichkeit in der Schilderung der Visionsbilder, möglicherweise auch mit der Tendenz zum Verhüllen, zum Geheimnisvollen, die bereits erwähnt worden i s t 3 7 und die in der Apokalyptik von großer Bedeutung ist. Vielfach wird sich eine Erklärung auch aus der Eigenart des jeweiligen Bildes ergeben, wobei folgende Möglichkeiten genannt seien: a) Es handelt sich z.T. um Züge, durch die bestimmte Charakteristika der geschauten Größen herausgestellt oder b e t o n t werden oder durch die das Bild einfach ausgemalt wird, ohne daß sie einer speziellen Deutung b e d ü r f t e n 3 8 . S . o . S. 4 3 . Diese Akzentuierung zeigt sich z . B . gut in Dan 8 (das Hauptgewicht und -interesse gilt dem kleinen Horn V. 2 3 f f ) und auch in Dan 7 (während die 3 ersten Tiere nur in der summarischen Gesamtdeutung aller 4 Tiere in V. 1 7 f genannt werden, wird das 4 . Tier mit seinen Hörnern noch in einer speziellen Deutung genau erklärt, V . 2 3 f f ) . Ganz deutlich liegt hier das besondere Interesse auf den Teilen des Bildes, die die Geschichtsphase b e t r e f f e n , in der der Verfasser lebt. 3 4 So ergibt sich z . B . in S a c h 4 aus der Deutung der 7 Lampen und der Ölbäumc (V. 1 0 a j 3 b . l 4 ) , daß mit dem Leuchter J a h w e gemeint sein wird (dazu s.u. S. 1 8 0 f f ) . — Die Dan 8 , 4 außer dem Widder erwähnten Tiere und die dort geschilderte Aktivität des Widders erklären sich von V. 2 0 her, der Deutung des Widders; entsprechend erklärt sich die Aktivität des Ziegenbocks V . 6 f aus der Deutung dieses Tiers in V. 2 1 . 3 5 Dazu vgl. auch den Überblick o. S . 4 5 f . 3 6 Dazu s!o. S. 4 6 , 5 2 . 3 7 S . o . S. 5 8 f , 6 9 f . 3 8 S. z . B . Sach 5 , 2 b ß 7 , Dan 7,5 (dazu M. Noth, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen A p o k a l y p t i k : Ges. Studien, T h B 6 , 2. A. I 9 6 0 , S. 2 6 8 ) . 32

33

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten T e s t a m e n t s

b) Es wird überkommenes oder sonstwie geläufiges (Bild-)Material verwendet; dabei ist nicht j e d e s dieser Bildelemente für die Verkündigung und Deutung der Vision von B e d e u t u n g 3 9 . c) ö f t e r handelt es sich auch um verbindende Züge, die dem Zusammenhang des Bildes oder Vorgangs d i e n e n 4 0 . Diese drei Erklärungsmöglichkeiten lassen sich bei den in Frage kommenden T e x t e n (Sach l , 8 f f ; 5 , 1 — 4 . 5 f f ; 6 , I f f ; Dan 4 ; 7; 8) kaum streng voneinander scheiden, sondern greifen meist ineinander.

4. Das abschließende

Gotteswort

Die im Rahmen der Nachtgesichte enthaltenen Mitteilungen an Sacharja erschöpfen sich nicht Vier Nachtgesichte der Siebenerreihe enthalten gen ein Jahwewort, und zwar als Abschluß des l,14f; 5,4; 6,8 2 . Hinzuweisen ist auch

in Worte gefaßten in den Deutungen. außer den DeutunVisionsberichts: auf 3,7, den Ab-

3 9 Für Dan 7 z.B. hat M. Noth (Das Geschichtsverständnis . . . , a.a.O., S. 2 6 7 f f ) gezeigt, daß die Beschreibung der Tiere weitgehend den Darstellungen der altorientalischen Bildkunst folgt. — Es ist gut vorstellbar, daß die Erwähnung der 7 Lampenschnauzen Sach 4 , 2 , die nicht eigens gedeutet werden, auf das Vork o m m e n und die Anschauung siebenschnauziger Lampen (s. z. B. B R L Sp. 3 4 9 , ferner die u. S. 1 8 6 , Anm. 5 4 genannte Literatur) zurückzuführen ist. 4 0 Zu erwägen für Teile des Bildes in Sach 4 und 5 , 5 f f . 1 Es ist nicht von vornherein klar, ob auch 2 , 8 b J a h w e r e d e ist. Denn die ausdrückliche Kennzeichnung durch П1П 1- ПХ1 folgt erst in dem mit J a h w e r e d e in l . p e r s . sg. beginnenden V . 9 . Die Frage ist, ob dieses iTIrVDXJ auch für V. 8 b gilt oder ob dieser Satz Eigenrede des Engels ist. Klar ist, daß beide Sätze inhaltlich zusammengehören. Darüber hinaus bezieht sich V . 9 auch in den Formulierungen so eng auf V . 8 b (V.9 beginnt m i t ! -copulativum, 'Mtl; Л1? und ПЭЧЛЭ beziehen sich auf den Namen J e r u s a l e m , der nur in V . 8 b genannt wird), daß ebenfalls V . 8 b , wenn er auch nicht durch eine einleitende Botenspruchformel o . ä . als solche gekennzeichnet ist, zur J a h w e r e d e dazugehören dürfte, demnach die Verheißung nicht in einen l . T e i l Engelrede und einen 2. Teil J a h w e r e d e zerfällt. 2 6 , 8 ist eine Ankündigung, die Bezug nimmt auf das unmittelbar vorher geschilderte Geschehen. Allerdings kann im Zweifel sein, welches E l e m e n t im Visionsaufbau dieser Vers darstellt, eine zweite Deutung neben der in V . 5 oder einen abschließenden ( G o t t e s - ? ) S p r u c h wie l , 1 4 f ; 2 , 8 b . 9 ; 5 , 4 . Für 6 , 8 als Deutung spräche, daß eine Erklärung zu dem in V. 7 geschilderten, die visionäre Schau fortsetzenden Geschehen gegeben wird, die Sacharja aus dem Mund des Engels vernimmt. Dabei fiele allerdings auf, daß die bei Sacharja sonst mit wenigen Ausnahmen (so vor 5 , 3 . 8 ) vorangehende Frage des Propheten nach der Deutung fehlt. Daß eine solche Frage ursprünglich zwar vorhanden, im jetzigen Text j e d o c h ausgefallen sei (so Rothstein, a.a.O., S. 1 8 6 , der auch sonst den T e x t von V . 8 verändert und ergänzt), dagegen spricht das S p o n t a n e der Einleitung dieses Spruches in V . 8 a a . Gegen die Klassifizierung von V . 8

Das abschließende Gotteswort

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schluß der ganz anders als die übrigen Nachtgesichte gestalteten Vision 3,1—7 3 . In der Tatsache, daß es das 1., 3., 5. und 7. Nachtgesicht der Siebenerreihe ist, das so abschließt, läßt sich unschwer ein kompositorisches Element in der Gestaltung des Zyklus der Nachtgesichte erkennen. Alle vier Sprüche sind Ankündigungen, die durch ihren Inhalt, durch ihre Formulierung als Rede in l.pers. sg., vor allem durch die vorangestellte Botenspruchformel (l,14a7) oder eingefügte Gottesspruchformel (ГПГГ 0Ю: 2,9; 5,4) — lediglich in 6,8 fehlt eine solche Formel — als Gottesrede gekennzeichnet sind. Allerdings vernimmt der Prophet diese Jahweworte in jedem Fall aus dem Mund des Engels, also nur durch Vermittlung. Diese abschließenden Gottessprüche legen es nahe, nach ihrer inhaltlichen Funktion innerhalb des jeweiligen Nachtgesichts, d.h. nach der Zuordnung von visionärer Schau und mit ihr verbundener Verkündigung zu fragen. Dabei müssen der Vollständigkeit halber als Deutung spricht vor allem das Wort "ΊΤΠ. Ist der Text in Ordnung, kann sich das suff. 1. sg. nur auf den Engel beziehen, daß der Engel von seiner eigenen Л П redet, ist aber äußerst unwahrscheinlich; es spricht alles dafür, daß hier Jahwes ПП gemeint ist; es läge also Jahwerede vor; das entspricht aber nicht den anderen Deutungen bei Sacharja, die nie als Jahwerede formuliert sind, sondern die der Deuteengel stets selbst gibt (bzw. in 2,6 der Eine nicht unerhebliche Schwierigkeit beim Verständnis von V. 8 als Jahwerede ist allerdings, daß diese vom Engel mitgeteilte Rede dann nicht wie sonst in solchen Fällen auch als Jahwerede gekennzeichnet ist (etwa durch Botenoder Gottesspruchformel). Die einfachste Lösung scheint noch zu sein anzunehmen, daß eine solche Formel ausgefallen ist (so Rothstein, a.a.O., S. 188 — 191, vgl. a. Horst z.St.; Beuken, a.a.O., S. 252, versteht die Unebenheit, daß einerseits der Engel redet, andererseits durch ТТЛ das Wort des Engels als Jahwerede stilisiert ist, als das „in den semitischen Literaturen" „bekannte Stilmittel des Personenwechsels", durch das hier zwei Aspekte verbunden werden: deutendes Wort des Engels und verheißendes Jahwewort als abschließender Höhepunkt). Erscheint es unwahrscheinlich, V.8b als Deutung zu verstehen, so bleibt zu erwägen, ob es sich um einen abschließenden Gottesspruch — ähnlich l , 1 4 f ; 2,8b.9; 5,4 — handelt, der zugleich ein deutendes Moment in sich schließt (vgl. 5,4). Dazu paßt besser die sonst bei Sacharja nicht wiederzufindende Einleitung in V. 8aß in ihrer Spontaneität und Erregtheit. Wenn auch eine eindeutige Entscheidung auf Grund des Textbefundes nicht mehr möglich ist, so scheint für die zuletzt erwogene Möglichkeit noch am meisten zu sprechen, da so die genannten verschiedenartigen Momente des Textes am besten eine sinnvolle Erklärung finden. Es mag auch noch genannt werden, daß bei diesem Verständnis von V.8b ein weiterer Zug in der symmetrischen Komposition der Siebener-Reihe der Nachtgesichte sichtbar wird: Die 1., 3., 5. und 7. Vision schließen dann mit einem Gottesspruch. 3 Die Vision 3,1—7 findet hier wie überhaupt im Abschnitt I.B. nur am Rande Erwähnung, da sie später (in Teil II) zusammenhängend besprochen wird.

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

auch die 3 übrigen Nachtgesichte der Siebenerreihe mit ihren Deutungen mit einbezogen werden. Im 1.Nachtgesicht gibt die Deutung V.lOb lediglich kund, wer die Reiter sind. V . l l fügt das Ergebnis ihres Erkundungsauftrags auf der Erde hinzu. Daraus wäre als Sinn dieses Gesichts die verhältnismäßig allgemeine Feststellung zu erheben: J a h w e erfährt durch seine Boten, was auf der Erde geschieht, wozu V . l l als Kennzeichnung der gegenwärtigen Situation hinzufügt, daß dort alles ruhig ist Die Enttäuschung über diese Mitteilung, die sich in der darauf folgenden Frage V.12 nach dem Ende der Zornzeit spiegelt, macht zusätzlich deutlich, daß in dieser Deutung noch nicht die (ganze) Ankündigung dieser Vision liegen wird. Hält man V.14f, die Antwort auf die Frage in V.12, daneben, so ist ganz klar, daß hier die eigentliche Ankündigung vorliegt: die direkte Zusage der Zuwendung Jahwes zu Jerusalem 4 . Eine Besonderheit dieses das 1. Nachtgesicht abschließenden Gotteswortes ist die ausdrücklich an Sacharja ergehende Aufforderung zur Verkündigung dieses Wortes 5 . Sie ist als solche noch herausgehoben durch die ihr folgende, das Gotteswort einleitende Botenformel, die innerhalb der Siebenerreihe der Nachtgesichte sonst nicht mehr v o r k o m m t 6 . Ähnlich wie im 1. Nachtgesicht liegen die Dinge im letzten (6,1—8). Die Deutung von V. 5 b—6 sagt, daß die 4 Wagen bzw. Gespanne „die 4 Winde des Himmels sind, die hinausziehen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben" (V. 5 b) 7 , und spricht dann von den Richtungen ihrer Ausfahrt. Auch dieses bleibt eine recht allgemeine Aussage, da von Aufgabe und Zweck der Ausfahrt nichts gesagt wird. Auch hier bringt dann der abschließende Spruch V. 8 die Konkretion, wenn auch diese Ankündigung nur auf eins der Gespanne, das. nach Norden ausfahrende, Bezug nimmt. Etwas anders verhält es sich in den Nachtgesichten 2,5—9 und 5,1 — 4. Den deutend-erklärenden Worten 2,6 b (der Engel geht, um „Je-

4

Diese Zusage erfolgt durch 2 miteinander verbundene Ankündigungen: direkt durch die Ansage des Eifers Jahwes für Jerusalem (V.14b), indirekt durch den Völkerspruch V. 15, der aus Ankündigung und Begründung besteht. Vgl. a.u. S. 150. 5 Noch einmal außerhalb der Nachtgesichte in 1,1 7. 6 Diese Formel erscheint jedoch im abschließenden Wort (V. 7) der von den übrigen Nachtgesichten abweichenden Vision 3,1—7. 7 Zum Text s.o. S. 32f.

Das abschließende Gotteswort

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rusalem auszumessen und zu sehen, wie (groß) seine Breite und seine Länge ist") und 5,3 (die fliegende Buchrolle „ist der Fluch, der über das ganze Land g e h t " und die Diebe und bei Jahwes Namen falsch Schwörenden 8 treffen wird) ist durchaus eine konkrete Angabe zu entnehmen: Es geht um den Wiederaufbau Jerusalems und dabei auch seiner Mauer 9 und darum, die Diebe und die bei Jahwes Namen falsch Schwörenden zur Rechenschaft zu ziehen. Der abschließende Gottesspruch führt die Deutung fort, indem er — beidemale in verschiedener Weise — zu dem dort Gesagten eine Ansage fügt: 2,8 b korrigiert und überbietet in einer ausdrücklichen Verheißung die Deutung V. 6 b 1 0 ; der Gottesspruch 5,4 konkretisiert in einer ausdrücklichen Gerichtsankündigung noch weiter die Deutung V. 3, die unmittelbar in ihn übergeht. In den übrigen 3 Nachtgesichten der Siebenerreihe ist demgegenüber der Verkündigungsgehalt der Vision in der Deutung enthalten: die Völker, die ,,ein Horn gegen das Land J u d a erhoben haben", werden niedergeworfen (2,4); zwei „ ö l s ö h n e " ОПХ,П~,1Э) werden vor J a h w e stehen, d.h. das Volk wird wieder eine Führung haben (4,14); das Land wird von ntfBh und befreit (5,11). Zusammenfassend ist zur Funktion der abschließenden Gottesworte festzustellen, daß diejenigen Visionen Sacharjas mit einem Gottesspruch schließen, deren Botschaft in der Deutung noch nicht oder nicht ausreichend zur Sprache gekommen ist. Es sind nun auch die Visionsberichte der Propheten vor Sacharja und die Daniels auf das Vorkommen eines abschließenden Gottesspruches hin zu untersuchen. In der Sonderform der Berufungsvisionen (Jes 6 und Ez 1—3) läuft die Gottesschau zu auf die Sendung und Wortbeauftragung durch J a h w e 1 1 . Bei Arnos u n d j e r e m i a findet die Botschaft der jeweiligen Vision Ausdruck entweder in den deutenden Worten (Am 7,8b; 8,2b 1 2 ; J e r 1,12.14; 2 4 , 4 - 1 0 ) oder, wenn eine Deutung fehlt, in einem abschließenden Wort (Am 7,3.6; 8

Daß dieses gemeint ist, zeigt V.4. Dazu s. im einzelnen u. S. 166f. 10 S.a. o. S. 49, u. S. 166. 11 Ein Verkündigungsauftrag in Verbindung mit einer visionären Schau begegnet noch in Ez 11,4; 3 7 , 1 2 (dazu s.a. unten) und 4 0 , 4 (wieder aufgenommen in 4 3 , 1 0 ) . 12 Am 7,9; 8,3 wird man wohl mit H. W. Wolff, Joel und A m o s S. 3 4 0 f als ursprünglich nicht zu der jeweiligen Vision gehörig ansehen müssen. Ähnlich Th. H. Robinson, Hosea bis Micha, in: Th. H. Robinson—F. Horst, Die 12 Kleinen Propheten: HAT 1,12, 2. A. 1954, z.St. 9

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Die Aufbauelemente in den Visionen des Alten Testaments

9,la/3—4). Der Redende ist in diesen Fällen immer Jahwe selbst. Die Erscheinung, daß zur Deutung ein weiteres Wort hinzukommt, findet sich außer in den genannten Sacharja-Visionen bei Ezechiel: Im 1. Teil der Tempelvision K. 8—11 folgt auf die 3 deutenden Worte, die in 8,6 ha. 12 b. 17 zu den 4 Versündigungsszenen gegeben werden, in 8,18 mit dem Jahwes Zorn ansagenden Gerichtswort das eigentliche Verkündigungswort 13 . In Ez 11,1—21, einer nachträglichen Erweiterung im Zusammenhang von Ez 8—II 14 , kommt zu dem die visionär geschauten Personen näher charakterisierenden Wort V. 2f als eigentliches Verkündigungswort ein dem Propheten aufgetragenes Jahwewort hinzu, V.4—8(—12; 14—21) ls . Besonders nah bei Sacharja steht auch hier Ez 37 1 6 . Denn dort geht es — anders als in K. 8f und 11 — in der Schau um ein „bildhaftes Zeichengeschehen" 17 , das eine Bild und Sache einander gleichsetzende Deutung erhält (V. IIa), die ihrerseits unmittelbar übergeht 18 in ein als Diskussionswort gestaltetes und mit einem Verkündigungsauftrag an Ezechiel versehenes verheißendes Wort (V.IIb—14). Schließlich ist noch Ez 43 anzuführen. Hier setzt sich die deutend-benennende Aussage in V. 7a 19 , in der bereits eine Verheißung enthalten ist (V.7aj3), fort in einem zurechtweisend-gebietenden Wort, das in einer Verheißung endet (V. 7b—9). Da sich in den Visionen des Daniel-Buchs kein abschließender Gottesspruch findet (darüber hinaus begegnen in diesen Visionen überhaupt keine ausdrücklichen Gottessprüche) 20 , stehen die genannten Ezechiel-Belege am nächsten bei Sacharja. Daß Sacharja dabei einer späteren Zeit als Ezechiel angehört, zeigt sich darin, daß der 13

Dieses wird dann in einer neuen Vision, K. 9f, entfaltet. W. Zimmerli, Ezechiel, S. 202, 241f. 15 Zu den literarkritischcn Fragen s. W. Zimmerli, Ezechiel, S. 241, 244f. 16 Vgl. schon o. S. 67. 17 W. Zimmerli, Ezechiel, S. 42*. 18 Vgl. Sach 5,3/4. 19 In der Formulierung weicht sie von den übrigen Deutungen ab, s.o. S. 64. 20 Nicht um ein gewichtiges, eine Deutung oder eine Botschaft enthaltendes Wort geht es in 8,16 und 7,5, wo zu erwägen ist, ob die Formulierung „Stimme eines Menschen" (8,16) bzw. die unpersönliche Ausdrucksweise „und so sprach man zu ihm" (7,5) andeutet oder umschreibt, daß die folgende Aufforderung an Gabriel zur Deutung der vorangehenden Schau (8,16) bzw. an eines der visionär geschauten Tiere (7,5) von Gott kommt. — Da Dan 9 keinen Visionsbericht darstellt wie etwa K. 7 und 8, ist hier auf 9,23 mit seiner unpersönlichen Wendung ТЭТ ИХ4, mit der wohl umschrieben werden soll, daß es um ein Gotteswort geht (vgl. dazu a.u. S. 105f), nicht weiter einzugehen. Vgl. a. 10,1 la/3.12. 14

Das abschließende Gotteswort

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abschließende Gottesspruch Sacharja durch den Engel übermittelt wird, der ihm auch die Nachtgesichte gedeutet hat. Ein von dem eben Festgestellten abweichendes Bild ergibt sich, wenn man in den Vergleich mit den anderen Visionen auch einbezieht, daß bei Sacharja neben den mit einem Gottesspruch schließenden Nachtgesichten 3 Visionen stehen, die bereits mit der Deutung enden. Ein solcher Abschluß ist auch in Visionsberichten bei Arnos und Jeremia zu beoachten 2 1 . Die Deutung ist hier JahweRede. Nimmt man aus der großen Vision Ez 40—48 einige Teilabschnitte für sich (so z.B. 4 0 , 1 - 3 7 . 4 7 - 4 9 + 4 1 , 1 - 4 ; 4 6 , 1 9 - 2 4 ; 47,1 — 12), dann finden sich auch hier Beispiele für Visionsberichte, die mit einem deutend-benennenden Wort enden, das der Visionär hier jedoch von dem ihn führenden „Mann" 2 2 vernimmt, und die insofern keine Jahwe rede enthalten 2 3 . Da in den drei Visionen Sacharjas, die mit der Deutung schließen, kein ausdrücklicher Jahwespruch enthalten ist, berühren sie sich mit den genannten Teilstücken aus Ez 40—48 und stehen Daniels Visionen (K. 7; 8; 10—12) nahe, deren Deutungen durch einen Engel gegeben werden und in denen sich, wie bereits festgestellt wurde, kein ausdrücklicher Gottesspruch findet. Der in zwei Schritten vorgenommene Vergleich, dessen Ausgangspunkt es war, daß einige Nachtgesichte Sacharjas mit einem Gotteswort, andere jedoch ohne ein solches bereits mit der Deutung enden, läßt, was das Vorkommen von Jahweworten in den Visionsberichten anlangt, eine deutliche Entwicklung erkennen, an der die auch sonst zu beobachtende 2 4 zunehmende Distanz Jahwes abzulesen ist. Der Vergleich zeigt dabei ein weiteres Mal Sacharjas Nachtgesichte in einer Position des Übergangs zwischen der Prophetie und der Apokalyptik des Daniel-Buchs: Als Extreme stehen sich gegenüber die genannten Visionen des Arnos, Jeremia und Ezechiel (ohne Ez 40—48), in denen der Visionär Deutungen und, soweit vorhanden, abschließende Gottesworte und Verkündigungsaufträge von Jahwe selbst vernimmt, und andererseits Daniels Visionen, in denen ausdrückliche Jahweworte, die eine Deutung oder Verkündigung enthalten, nicht vorkommen, auch nicht in der Vermittlung durch S . o . S. 77 f . Zu Funktion und Gestalt dieses deutenden Wesens, s. u. S. 99f, auch S. 164f. 2 3 Es ist aber zu betonen, daß der Gesamtzusammenhang K.40— 48 durchaus ausdrückliche J a h w e w o r t e enthält (z.B. 43,1 — 12). 2 4 Dazu s.u. S. 104ff. 21

22

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Die Aufbauelemenle in den Visionen des Alten Testaments

den Engel. Dazwischen steht die Vision Ez 40—48, in Teilabschnitten schon ohne Jahwewort und mit deutenden Worten eines himmlischen Wesens, in anderen Teilen jedoch mit ausdrücklichem und direkt vom Visionär vernommenen Jahwe wort. Ebenfalls dazwischen, allerdings schon ein Stück über Ez 40—48 hinausgehend und näher bei Daniel stehen Sacharjas Nachtgesichte: Daß überhaupt keine Deutung mehr durch Jahwe gegeben wird, sondern nur noch der Engel deutet, und daß in drei Nachtgesichten keinerlei Jahwewort enthalten ist, stimmt mit Daniels Visionen überein. Jedoch steht Sacharja darin noch nicht auf der bei Daniel erreichten Stufe, wenn vier seiner Nachtgesichte mit einem ausdrücklichen Gotteswort schließen und Sacharja einen Verkündigungsauftrag erhält 25 , selbst wenn er diese Worte nicht direkt von Jahwe, sondern nur durch Vermittlung des Engels vernimmt. Ganz deutlich ist in diesen abschließenden Gottessprüchen innerhalb der Nachtgesichte Sacharjas ganz im Unterschied zu den zur Apokalyptik zählenden Visionen Daniels noch das Grundelement der Prophetie, nämlich das in die gegenwärtige Situation des Volkes hinein ergehende Wort Jahwes, vorhanden 26 . Die Frage stellt sich, ob diese Beobachtungen und Schlußfolgerungen ihre Bestätigung finden in dem außerhalb der Nachtgesichte überlieferten Spruchgut Sacharjas. Berichtende Aussagen über den Empfang der Sprüche fehlen hier. Der Gebrauch der Boten-, Gottesspruch- und auch Wortereignisformel (deren Echtheit an jeder Stelle hier nicht im einzelnen nachgegangen zu werden braucht) und die Ausrichtung der Erkenntnisformulierungen darauf, daß sich des Propheten Sendung durch J a h w e noch klar erweisen werde (2,13b. 15b/3; 4,9b; 6,15; s. auch 2,12a) 2 7 , zeigen, daß sich Sacharja als durch J a h w e gesandt und in seinem Auftrag redend versteht. Das in den Nachtgesichten beobachtete Moment der Mittelbarkeit und Vermittlung in der Beauftragung 25 Ein solcher fehlt in Daniels Visionen nicht nur, sondern es wird sogar die Weitergabe des durch die Gesichte Eröffneten verboten: 8,26b; 12,4; s.a. 12,9f, zu vgl. ist 7,28. (So a. in der apokalyptischen Literatur außerhalb des AT, s. J . Schreiner, a.a.O., S. 80f.) 26 Dazu ist R. Hanhart zu vgl., der „das J u d e n t u m als die Epoche der erloschenen Prophetie" bestimmt („Geschichte war ... nicht mehr Geschichte, in der er (sc. Gott) sich seinem Volk offenbarte"; in diesem „leeren Raum der Geschichte" konnte Verheißung nicht mehr erwartet werden) und der clie Frage „nach den Gegebenheiten ... in der Uberlieferungsgeschichte Israels, die sie (sc. diese Epoche) als solche charakterisieren", mit dem Hinweis auf die Apokalyptik beantwortet, die, indem sie früher ergangenes Prophetenwort interpretiert, den „Anspruch, selbst Träger der Offenbarung zu sein, ... selbst preisgegeben" hat (Zur geist'-sgeschichtlichen Bestimmung des J u d e n t u m s , in: Drei Studien zum J u d e n t u m , ThEx 140, 1967, S. 2 3 - 3 7 , hier: S. 25f und 28). 27 Zu diesen Formulierungen s. Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition ..., S. 6, Anm. 1, 7; zu 2,12 s. ebenda S. 52, Anm. 1.

Sacharjas Nachtgesichte

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wird d a d u r c h nicht bestätigt (allerdings auch n i c h t grundsätzlich ausgeschlossen). Nun ist aber sehr a u f f a l l e n d im Unterschied z u r früheren P r o p h e t i e die m e h r f a c h e Unterstreichung der S e n d u n g d u r c h J a h w e , die sich am E i n t r e f f e n eines b e s t i m m t e n angekündigten Ereignisses für die Adressaten des P r o p h e t e n wortes erweisen wird ( 2 , 1 3 . 1 5 ; 4,9; 6 , 1 5 ) , u n d die Häufigkeit der das Spruchgut in kleine u n d kleinste Einzelheiten a u f t e i l e n d e n , z.T. diese n o c h unterbrec h e n d e n bereits g e n a n n t e n F o r m e l n . Die besondere Betonung von z u n ä c h s t selbstverständlichen Charakteristika der P r o p h e t i e , S e n d u n g d u r c h J a h w e u n d R e d e n in seinem A u f t r a g , dürfte w o h l nicht n u r in A n f e i n d u n g u n d Bezweiflung seiner S e n d u n g von seiten der Hörer begründet sein, sosehr dieses M o m e n t im Spiel sein wird, s o n d e r n auch auf eine gewisse Unsicherheit des P r o p h e t e n weisen, die ihrerseits Zeichen eines Verlustes an U n m i t t e l b a r k e i t im Verhältnis zu J a h w e sein k ö n n t e 2 8 , wie er in den Nachtgesichten e r k e n n b a r war.

C. Bemerkenswerte Züge und Strukturen im Rahmen des visionären Geschehens, verglichen mit den übrigen Visionen des Alten Testaments 1. Sacharjas

Nachtgesichte

a) Das Gespräch Fragt man nach den Strukturen der Nachtgesichte, so ist nicht nur auf das den Zyklus der 7 Visionsberichte (s. I.A.2) in formaler Hinsicht prägende Grundschema ihres Aufbaus hinzuweisen, sondern es ist auch ausdrücklich die Form des Gesprächs als ein wesentliches, die Elemente des Visionsberichts weitgehend bestimmendes Gestaltungsmoment zu nennen. Bei diesen Gesprächen handelt es sich um sehr kurze Dialoge, wobei die Form Frage—Antwort — meist nur in einfacher Abfolge — die vorherrschende ist und das oben herausgearbeitete Aufbauschema der Nachtgesichte prägt, Bezug genommen wird im folgenden auch auf solche Elemente wörtlicher Rede wie Mitteilungen (z.B. die abschließenden Gottesworte), Aufforderungen (z.B. 6,7aß), die zwar als bloße Anrede nicht eigentlich ein Gespräch darstellen, aber in einem mehr oder weniger engen Zusammenhang mit einem vorangehenden Dialog stehen. Obwohl das Element des Visionsbildes im engeren Sinn (s. oben I . B . l ) zwar stets den inhaltlichen Bezugspunkt des Gespräches bildet, ist es jedoch in der Regel formal nicht mit in dieses einbezogen, das Ge28

Vgl. C. W e s t e r m a n n , G r u n d f o r m e n p r o p h e t i s c h e r Rede, 1960, S. 135.

6 J e r e m i a s , Nachtgesichte

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Bemerkenswerte Züge und Strukturen

spräch wird also fast ausschließlich zwischen Personen geführt, die außerhalb der Schau im engeren Sinn s t e h e n 1 . Ganz anders verhält es sich in dem Nachtgesicht 3,1 ff: Was sich an Elementen wörtlicher Rede findet, gehört gänzlich in den — hier den gesamten Visionsbericht einnehmenden — Bereich der Schau im engeren Sinn und hat ferner nicht den Charakter eines Gesprächs, sondern ist stets nur Rede des „Engels J a h w e s " 2 . Wenn auch 3,1 ff auf Grund seines von den übrigen Nachtgesichten abweichenden Charakters 3 gesondert untersucht w i r d 4 , soll doch im folgenden an den wenigen Stellen, an denen es sich von der Sache her nahelegt, auf dieses Nachtgesicht verwiesen werden. Da das Gespräch als solches nicht mehr im einzelnen analysiert zu werden braucht — dieses ist im wesentlichen bereits im Verlauf des vorangehenden Abschnitts (I.B.) geschehen —, kann hier gleich die Frage in Angriff genommen werden, welche Rolle u n d Funktion den an dem Gespräch Beteiligten im Rahmen der Nachtgesichte z u k o m m t und welche Beziehungen zwischen ihnen zu erkennen sind. Diese Personen, zwischen denen sich das Gespräch vollzieht, sind — wenn man von den eben genannten Abweichungen 5 absieht — der Prophet, der deutende Engel und J a h w e . Dabei sprechen aber jeweils nur der Prophet und der Engel, der Engel und J a h w e direkt miteinander. Was jedoch J a h w e dem Propheten zu sagen hat — dasselbe gilt wohl auch umgekehrt —, wird durch den Engel vermittelt. b) Die Rolle des Propheten

in der

Vision

Der Prophet ist es, der die Vision schaut und der von ihr berichtet. Dabei sagt er nichts über den Ort und über die Situation, an dem bzw. in der ihn die Schau trifft. Er vermerkt lediglich zu Beginn 1

Wenn das Element der Schau im engeren Sinn gelegentlich auch formal in das Gespräch einbezogen wird, so geschieht das in verschiedener Weise: 1) Sehr locker ist die Verbindung in 4,2f; hier bildet die Schilderung als ganze die Antwort auf eine entsprechende Frage; vgl. a. 5,2. 2) Wesentlich enger ist die Verbindung dort, wo das Gespräch auf die Schau im engeren Sinn übergreift, indem zu dieser gehörende Wesen Gesprächspartner einer Person werden, die außerhalb dieses engsten Visionsbildes steht: 2,5ff; s.a. die Aufforderung in 6,7; ob hierfür auch l , 7 f f ein Beispiel bietet, bleibt auf Grund des Problems der dort auftretenden Personen (dazu vgl. u. S. 84f) unsicher. 2 Zu 3,5 (nach MT Rede des Visionärs) s.u. S. 202 Anm. 8. 3 S . o . S. 12, auch 13, besonders u. S. 2 0 1 - 2 0 3 . 4 S. 2 0 1 f f . 5 S. 81 f.

Sacharjas Nachtgesichte

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des 1. Nachtgesichts — neben dem Datum — die Tageszeit (1,8 Π17,17Γΐ). Darüber, wie er in den visionären Zustand hineingerät, findet sich nur die recht allgemeine und an keineswegs betonter Stelle stehende Aussage, daß Jahwe es ist, der ihn „schauen läßt" 1 . Ferner wird in der Einleitung des Nachtgesichts 4 , I f f (V. 1) offenbar etwas über die — nun nicht erstmalige, sondern erneute — Herstellung seines auf die visionäre Schau bezogenen Wahrnehmungsvermögens gesagt, allerdings nur indirekt in Form eines Vergleichs und ohne daß daraus Genaueres zu entnehmen wäre 2 . Nichts sagt er über das Ende des visionären Zustands und über das, was er danach tut. Ohne sich also weiter über die Begleitumstände zu äußern, wendet sich Sacharja in seinen Visionsberichten sofort der visionären Schau selbst zu. Dieser gegenüber ist er nur Zuschauer und Zuhörer. Weder passiv noch aktiv handelnd ist er direkt am visionären Geschehen im engeren Sinn beteiligt. Nur einmal 3 überspringt er die sonst immer bei ihm festzustellende Distanz zu diesem visionären Geschehen und den dort erscheinenden Wesen und Dingen, indem er an ein solches Wesen eine Frage richtet — bezeichnenderweise nach Ziel und damit Sinn seines Tuns — und darauf von diesem eine Antwort erhält ( 2 , 6 ) 4 . 1

2,3, also nicht am A n f a n g der Siebenerreihe, s o n d e r n erst im 2. Nachtgesicht, zudem erst in dessen 2. Teil; ferner 3,1, also zu Beginn des andersartigen und wohl jüngeren (s.u. S. 2 2 2 f ) Nachtgesichts 3 , l f f — es sei denn, m a n wollte in 3,1, da hier das Subjekt nicht ausdrücklich g e n a n n t ist, dieses im angelus interpres (so Rignell) b z w . „ d e m E n g e l " (so Horst, Die Visionsschilderungen . . . : EvTh 20, 1960, S. 195) sehen. — D a ß diese Aussage „ J a h w e h a t mich schauen lassen" so wenig hervorgehoben wird, ist besonders b e m e r k e n s w e r t , da sich im Spruchgut des Sacharja-Buchs die entgegengesetzte Erscheinung f i n d e t : eine ganz a u f f a l l e n d e H ä u f u n g von F o r m e l n , die die H e r k u n f t der P r o p h e t e n w o r t e von J a h w e b e t o n e n (s. dazu S. 80f). 2 Zur Kontrolle scheint d a n n die folgende Frage 4 , 2 a gestellt zu sein, d u r c h die in diesem Nachtgesicht das Gespräch ausgelöst wird (vgl. d a z u das o. S. 82 zu 4 , I f f E r w ä h n t e ) . — J . L i n d b l o m , P r o p h e c y in Ancient Israel, 2. A. 1963, S. 144 sagt zu 4,1: " h e (sc. Sacharja) compares his transition f r o m one state of m i n d t o a n o t h e r with t h e awakening f r o m sleep." 3 Ein weiteres Beispiel b ö t e 3 , 5 a in der Fassung des MT, b e s o n d e r s w e n n hier die V e r b f o r m jussivisch zu verstehen sein sollte. Sehr wahrscheinlich ist aber hier der MT zu korrigieren, dazu s. S. 202, A n m . 8. — Z u m Problem des Adressaten der Frage 1,9a s.u. S. 84f. 4 Es erscheint nicht n o t w e n d i g , diesen singulären Vorgang d e m in den Nachtgesichten sonst Üblichen (der Visionär w e n d e t sich an den Deuteengel) anzugleichen, indem m a n — o h n e A n h a l t in der Textüberlieferung — in 2,6 ΠΓ1Ν in ЛТ o d e r ЮП ä n d e r t (s. z.B. R o t h s t e i n , Sellin, vgl. Elliger z . S t . J e t z t auch BHS), was d a n n auch eine Ä n d e r u n g des KS 4 in 2,7a nach sich zieht (s. z.B. BHK, BHS).

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Bemerkenswerte Züge und S t r u k t u r e n

Es entspricht der Konzentration Sacharjas auf das Visionsbild und dem Verzicht auf die Schilderung von Begleitumständen, wenn er von sich selbst keinerlei körperliche oder empfindungsmäßige Reaktionen, die durch das Geschaute hervorgerufen wären, berichtet 5 , sondern wenn das, was an Reaktionen erkennbar ist, ganz auf den Sinn der Vision bezogen ist: Es handelt sich um die Frage nach der Bedeutung des Geschauten. (Sie ist es auch, die letzten Endes den bereits erwähnten einzigen Fall, daß Sacharja die sonst von ihm gewahrte Distanz zur eigentlichen Schau durchbricht (2,6), bewirkt hat.) 6 Falls hinter dem fürbittenden Wort 1,12 der Prophet stehen sollte, was erwägenswert scheint 7 , dann wäre auch dieses hier zu nennen, insofern dadurch das in diesem 1. Nachtgesicht Geschaute — über das erste deutende Wort (V.lOb) hinausgreifend und damit das Gespräch weiter vorantreibend — beharrlich auf seinen eigentlichen Sinn, d.h. seinen Verkündigungsgehalt, hin befragt wird 8 . c) Die Rolle des Deuteengels

in der Vision

Mit dem zuletzt Genannten tritt eine weitere Person in das Blickfeld: der als ЧЗТП "ixVan bezeichnete (Deute-) Engel 1 , der ständige Gesprächspartner Sacharjas. Bevor genauer seine Rolle u n d F u n k t i o n im R a h m e n der Nachtgesichte erörtert wird, m u ß auf eine vieldiskutierte spezielle Frage des 1. Nachtgesichts eingegangen w e r d e n , ob nämlich d o r t mit den drei verschiedenen Bezeichnungen СЭ 1 Л П -JNVan, ГШ 1 ^ x V a . В^Х) n u r eine Person gemeint ist (der Deuteengel) o d e r an verschiedene Wesen gedacht ist. Die Schwierigkeiten ergeben sich vor allem daraus, daß der Wortlaut des MT sowohl für als auch gegen eine Gleichsetzung spricht. Ferner spielt das Verhältnis zu d e n übrigen Nachtgesichten eine Rolle, insofern zu fragen ist, bis zu welchem G r a d e m a n mit einer ursprünglich gegebenen strukturellen Gleichartigkeit der Nachtgesichte der Siebenerreihe zu r e c h n e n hat u n d d e m e n t s p r e c h e n d also das 1. Nachtgesicht d u r c h A n n a h m e von nachträglicher Ü b e r a r b e i t u n g und d u r c h daraus folgende T e x t ä n d e r u n g zu r e k o n s t r u i e r e n versuchen d a r f . O b w o h l die Nachtgesichte der 5

Oder sollte sich derartiges in der eben schon e r w ä h n t e n B e m e r k u n g 4,1 ang e d e u t e t f i n d e n , in d e m Sinn, d a ß der Visionär, von d e m vorher G e s c h a u t e n ganz in den Bann geschlagen, nicht fähig zu weiteren W a h r n e h m u n g e n wäre? So versteht z.B. Nowack diese Stelle. Selbst w e n n diese V e r m u t u n g z u t r e f f e n sollte — ein sicheres Urteil darüber d ü r f t e k a u m möglich sein —, läge auf dieser Bemerkung u n d d a m i t auf diesem P h ä n o m e n keinerlei Betonung. 6 In vielen Nachtgesichten wird d u r c h diese Frage das Gespräch eingeleitet, so im 1., 2., 3. und letzten Nachtgesicht. 7 Dazu s. die genaueren A u s f ü h r u n g e n u. S. 94f. 8 Vgl. dazu S. 76. 1 1,9.13.14: 2,2.7, 4 , 1 . 4 . 5 ; 5 , 5 . 1 0 ; 6,4, in 6,5 lediglich -|Χ"7ΰΠ; zu 1,12 s . u . S. 86.

Sacharjas Nachtgesichte

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S i e b e n e r r e i h e in ihrer f o r m a l e n S t r u k t u r sehr gleichartig sind — d a s ergaben die v o r a n g e h e n d e n U n t e r s u c h u n g e n —, wird m a n n i c h t völlig ausschließen k ö n n e n , d a ß eins dieser N a c h t g e s i c h t e in einigen P u n k t e n dieser Gleichartigkeit nicht folgt. U n t e r d i e s e m V o r b e h a l t ist im f o l g e n d e n zu n e n n e n , was sich aus d e n v o r a n g e h e n d e n U n t e r s u c h u n g e n z u r S t r u k t u r der N a c h t g e s i c h t e an Gesichtsp u n k t e n für dieses P r o b l e m ergibt. A u f eine e r n e u t e Z u s a m m e n s t e l l u n g u n d auf eine ausdrückliche Diskussion d e r b i s h e r in der L i t e r a t u r zu dieser Frage vorg e b r a c h t e n A r g u m e n t e u n d Lösungsversuche (eine Ü b e r s i c h t b i e t e t ζ. B. H o r s t z . S t . ) k a n n hier v e r z i c h t e t w e r d e n , d a diese Frage d a n n , g e m e s s e n an ihrer Bed e u t u n g , im R a h m e n d e r vorliegenden U n t e r s u c h u n g einen zu b r e i t e n R a u m e i n n ä h m e u n d d a z u d e m eine völlig ü b e r z e u g e n d e L ö s u n g n i c h t m e h r möglich sein w i r d . E i n z u s e t z e n ist bei der Frage des Visionärs nach d e r D e u t u n g (V. 9 a). Da nicht gesagt ist, an w e n sie g e r i c h t e t ist (vgl. dagegen z . B . 2 , 2 ; 4 , 4 ; 6 , 4 ) , erscheint es z u n ä c h s t sehr n a h e l i e g e n d , in d e m in V . 8 g e n a n n t e n Ю'К d e n A d r e s s a t e n zu sehen, d a er — so der M T V. 10 — a u c h die A n t w o r t gibt. N u n ist es aber nach V. 9 b Ό ТЭТ Л -]Х17?ЭП, d e r z u n ä c h s t auf die Frage e i n g e h t . D a in d e n übrigen N a c h t g e s i c h t e n die in d e r Frage V . 9 a g e b r a u c h t e A n r e d e ' П Х stets u n d n u r d e m D e u t e e n g e l С З Ί 3 1 Π "|К*??ЭП) gilt ( 4 , 4 . 5 . 1 3 ; 6,4) u n d f e r n e r die Frage n a c h d e r D e u t u n g in d e n a n d e r e n N a c h t g e s i c h t e n m i t einer A u s n a h m e i m m e r an d e n D e u t e e n g e l gerichtet i s t 2 , spricht v o n d a h e r vieles d a f ü r , d a ß A n r e d e u n d Frage a u c h in 1,9 a d e m D e u t e e n g e l gelten. D a ß dieser u n d d e r ϋ ' Ή identisch sind, e r s c h e i n t u n w a h r s c h e i n l i c h , d a d e r D e u t e e n g e l sonst h ö c h stens in 2 , 5 f f (s. V.7) in die N ä h e d e r S c h a u im engeren Sinn g e h ö r t , d o r t aber v o m Visionär s o f o r t e r k a n n t u n d im Visionsbericht mit seiner üblichen B e z e i c h n u n g b e n a n n t wird, also nicht so „ v e r f r e m d e t " e r s c h e i n t , wie es im 1. Nachtgesicht d e r Fall wäre, w e n n er d o r t mit d e m ΙΡ'Ή g e m e i n t w ä r e . D e r Vergleich mit d e n übrigen N a c h t g e s i c h t e n d e r S i e b e n e r r e i h e legt es also n a h e , an dieser Stelle mit 2 Personen zu r e c h n e n , von d e n e n d e r D e u t e e n g e l allerdings o h n e E i n f ü h r u n g u n d u n v e r m i t t e l t a u f t r i t t . E i n e w e i t e r e Frage wäre d a n n , o b d e r D e u t e e n g e l wie sonst in d e n N a c h t g e s i c h t e n (abgesehen v o n 2,6, s. o b e n ) selbst die A n t w o r t gibt — das b e d e u t e t e : V . 9 b ß . 1 0 a w ä r e n u n z u t r e f f e n d — o d e r o b d e r im R a h m e n d e r N a c h t g e s i c h t e singuläre Fall vorliegt, d a ß die D e u t u n g im Z u s a m m e n h a n g einer vom D e u t e e n g e l d e m P r o p h e t e n „gezeigt e n " ( V . 9 b ß ) F o r t s e t z u n g d e r visionären Szene erfolgt (so MT). D a ß in V. 12 d e r D e u t e e n g e l s p r i c h t , a u c h w e n n d e r MT hier d e n m r P "[хЬй n e n n t , d e r nach V . I I a o f f e n b a r mit d e m S^N v o n V . 8 identisch sein soll, ergibt sich aus f o l g e n d e r B e o b a c h t u n g : Nach V.13f ist der D e u t e e n g e l d e r E m p f ä n ger d e r A n t w o r t J a h w e s , u n d er gibt sie an d e n P r o p h e t e n w e i t e r ; d a ß d e r , d e r die A n t w o r t e r h ä l t , n i c h t mit d e m F r a g e n d e n identisch sein sollte, erscheint aber ä u ß e r s t u n w a h r s c h e i n l i c h . Die e b e n e r w ä h n t e T a t s a c h e , d a ß d e r M T in V . l l f d e n n V T -|N"7n n e n n t , ist möglicherweise auf e i n e n n a c h t r ä g l i c h e n Versuch z u r ü c k z u f ü h r e n , diese Gestalt der sicher j ü n g e r e n Vision 3,1 f f 3 hier bereits e i n z u f ü h r e n u n d m i t hier a u f t r e t e n d e n P e r s o n e n in B e z i e h u n g zu s e t z e n 4 .

2 Nur in 2,6 wird sie, ganz a n d e r s l a u t e n d , an ein a n d e r e s Wesen g e r i c h t e t , das d a b e i a b e r persönlich a n g e r e d e t wird! 3 Dazu s . u . S. 2 2 1 f f . 4 Vgl. Elliger (ATD) S. 103, A n m . 4 .

86

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die aus dem Vergleich der übrigen Nachtgesichte der Siebenerreihe erwachsenen Gesichtspunkte legen es nahe, hinter den genannten Bezeichnungen himmlischer, visionärer Wesen 2 Gestalten zu vermuten. Man wird allerdings die noch weitergehende Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen können, daß hinter l , 7 f f ursprünglich eine Textfassung stand, in der nur von einer Gestalt, dem ti^N, die Rede war, daß diese Fassung dann nachträglich aber der Struktur der übrigen Nachtgesichte der Siebenerreihe angeglichen wurde.

Dieser Deuteengel ist es, der Jahwe die erwähnte Fürbitte vorträgt und an den jeweils die Frage nach der Bedeutung des Geschauten gerichtet ist. Auf diese Frage antwortet er mit der Deutung. Auf die Fürbitte erhält er eine unmittelbare Antwort Jahwes (1,13), steht also mit ihm in direktem Gesprächskontakt. Jahwes Antwort übermittelt er dann an Sacharja ( l , 1 4 f ) und gibt ihm in diesem Zusammenhang einen ausdrücklichen Verkündigungsauftrag (1,14a) 5 . Auch die einige andere Nachtgesichte abschließenden Gottesworte 6 hört Sacharja aus dem Munde des Engels. An alledem wird deutlich, worin die wesentliche Beziehung zwischen dem Visionär und dem Engel liegt und welches die Funktion des Engels im Rahmen dieser Nachtgesichte ist. Zugleich ist dieses aber auch der Punkt, der die wichtigste Funktion Sacharjas als des Visionärs klar erkennen läßt: Er ist nicht nur der Empfänger und Hörer der Visionsdeutungen und der die Aussage und Ankündigung der Nachtgesichte formulierenden Jahweworte, sondern er hat den Auftrag, diese weiterzusagen. (Wenn dieser Auftrag ausdrücklich auch nur in 1,14 ausgesprochen ist, so wird er doch nicht zufällig allein in dem am Anfang stehenden Nachtgesicht vorkommen, dürfte also auch für die Worte der anderen Nachtgesichte gelten.) Das Gespräch zwischen Sacharja und dem Deuteengel kann über die Frage nach der Deutung und die darauf gegebene Antwort hinaus noch um eine dazwischengeschaltete Gegenfrage (4,5.13) oder um eine vorangehende, auf das Geschaute ausgerichtete Vergewisserungsfrage (4,2; 5,2) — jeweils durch den Engel gestellt und durch Sacharja beantwortet — erweitert werden 7 , ferner um eine Aufforderung zum Schauen (5,5b). Soweit dabei — wie auch in der schon erwähnten Frage nach der Deutung — Sacharja den Engel ausdrücklich anredet, tut er es mit dem Wort I I S (1,9; 4,4.5.13; 6,4). 5 6 7

Vgl. o. S. 76. S.o. S. 74ff. Dazu s.o. S. 55, 59.

Sacharjas Nachtgesichte

87

Daß sich die Beziehung zwischen Sacharja und dem Deuteengel nicht allein darauf beschränkt, daß sie miteinander reden, zeigt die bereits erwähnte 8 Bemerkung in 4,1, daß der Engel Sacharjas Wahrnehmungsvermögen wiederherstellt. Zu erwähnen bleibt noch, daß der Deuteengel nicht nur mit Sacharja über die Gestalten und das Geschehen der visionären Schau im engeren Sinn spricht, sondern sich gelegentlich auch mit Worten an Wesen dieses Bereichs wendet, indem er Aufträge erteilt (2,7ff; 6,7), oder — wie 5,8 zeigt — sogar handgreiflich in das Geschehen eingreift. Überschaut man das über den Deuteengel in diesen Visionsberichten Vermerkte, so fällt auf, daß von seinem Aussehen, seiner Erscheinung nichts gesagt ist; daß er in den Gesichtskreis des Visionärs tritt, ist nur zweimal ausdrücklich erwähnt (2,7a; 5,5 a) und wird lediglich durch das ohne jede nähere Bestimmung gebrauchte Wort ίΟΓ ausgedrückt 9 . Vergleicht m a n , was aus den Nachtgesichten d e r Siebenerreihe über den Deuteengel u n d seine F u n k t i o n e n zu e n t n e h m e n ist u n d im V o r s t e h e n d e n zusammengestellt w o r d e n ist, mit d e m , was in 3,1—7 über den „Engel J a h w e s " gesagt ist, so ergibt sich insgesamt, daß eine I d e n t i t ä t dieser beiden Engelwesen ausgeschlossen erscheint, wie das schon ihre unterschiedliche Benennung nahelegt.

d) Jahwe in der

Vision

Anders als die beiden bisher genannten Gesprächspartner bleibt Jahwe im Rahmen dieser Visionen völlig unsichtbar 1 . An dieser Tatsache ä n d e r t auch nichts, daß es J a h w e ist, der nach 1 , 1 0 b die Reiter über die Erde ausgesandt h a t , vor dem als d e m „Herrn d e r ganzen Erd e " nach 6,5 die zur A u s f a h r t auf die Erde bereiten Wagen „ g e s t a n d e n " hab e n , u m seine A u f t r ä g e e n t g e g e n z u n e h m e n , und vor d e m nach 4 , 1 4 die „ ö l s ö h n e " stehen. Denn all dieses schaut Sacharja nicht selbst — sei es, daß es sich um einen Vorgang h a n d e l t , der dem ihm visionär zugänglichen Bildausschnitt zeitlich vorausgeht, sei es, daß es sich um die ihm nicht verstehbare, symbolisch verschlüsselte Wirklichkeit handelt —, s o n d e r n er e r f ä h r t es d u r c h den D e u t e e n g e l 2 .

8

S . o . S. 83. Zu Ν2Γ in 2,7 s . u . S. 119. — Falls m a n in 4,1 3 W nicht adverbiell, s o n d e r n als selbständiges Verb versteht (so Rignell z . S t . ) , wäre auch diese Stelle hier zu n e n n e n . 1 Zu vgl. ist das Nachtgesicht 4,1 ff, in dem d e r L e u c h t e r wahrscheinlich J a h w e symbolisiert; s.o. S. 73. 2 Im 4. Nachtgesicht ist auf 3,2 zu verweisen; zu 3,7 vgl. S. 2 1 6 f f . 9

88

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

Daß Jahwe mit einer dieser beiden Personen unmittelbar spricht, ist nur einmal, im 1. Nachtgesicht, der Fall (l,12f), und zwar bemerkenswerterweise im Zusammenhang mit der Verkündigungsbeauftragung Sacharjas: Jahwe antwortet dem Deuteengel auf dessen Frage. Nur dieser kann seine Antwort hören und verstehen. Der Visionär bemerkt wohl die Tatsache des Gesprächs. Er hat offenbar auch einen allgemeinen Eindruck vom Charakter der Antwort Jahwes (er spricht von „guten Worten, tröstlichen Worten", 1,13). Ihr genauer Inhalt wird ihm jedoch nur durch die Vermittlung des Engels bekannt ( l , 1 4 f ) — ebenso wie er die anderen abschließenden Gottesworte aus dessen Mund vernimmt. Zu erwähnen ist noch die Aussage des Propheten „Jahwe hat mich schauen lassen", mit der er Jahwe als den Urheber der ihm zuteil gewordenen visionären Schau bezeichnet 3 . Insgesamt ist nicht zu übersehen, daß sich Jahwe, indem er für den Visionär weder sichtbar noch in seinen Worten für diesen direkt vernehmbar ist, in deutlicher Distanz hält. Wenigstens hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, daß etwas von dieser Distanz Jahwes auch in den Ankündigungen der Nachtgesichte zu beobachten ist, wenn von seinem Wirken, vom Ursprung des angekündigten Geschehens mehrfach nicht direkt und ausdrücklich die Rede ist: So sind es nach 2,1 — 4 die ОТРЧП. die die Hörner der Völker niederwerfen; nach 5,1 — 4 ist es der Fluch, der selbst die Täter sucht und straft (immerhin wird ausdrücklich gesagt, daß Jahwe ihn ausgesandt hat, V . 4 ) 4 ; nach 6,1—8 ziehen Wagenzüge/ Winde in alle Welt aus, und der Geist (Jahwes) geht gegen das Nordland vor. Ganz anders verhält es sich im Spruchgut Sacharjas, w o eine derartige Distanz Jahwes nicht festzustellen ist.

2. Vergleich mit den prophetischen Visionen und den Visionen Daniels Was bisher den Nachtgesichten Sacharjas über die in ihnen wiedergegebenen Gespräche, über die an ihnen beteiligten Personen und über ihre Rolle und Funktion im Gesamtzusammenhang dieser Visionen entnommen wurde, soll nun vor den Hintergrund der übrigen Visionen der alttestamentlichen Propheten und Daniels gestellt werden, damit dadurch die Gemeinsamkeiten mit diesen, aber auch die Besonderheiten der Nachtgesichte erkennbar werden. 3 4

So 2,3 und 3,1, dazu s.o. S. 83. Vgl. dazu u. S. 189.

Vergleich mit den übrigen Visionen des Alten Testaments

89

a) Das Gespräch Sacharjas Nachtgesichten ist mit der überwiegenden Zahl der alttestamentlichen Visionen von Arnos bis Daniel gemeinsam, daß sie von der Form des Gesprächs geprägt sind, daß nur einige lediglich Anrede aufweisen und daß Gespräch wie auch Anrede mit wenigen Ausnahmen 1 auf die Schau im engeren Sinn bezogen sind. Hinsichtlich des Umfangs der Gespräche läßt sich, sieht man einmal von Sacharjas Nachtgesichten ab, ganz allgemein eine Tendenz von der bei Arnos und Jeremia in der Regel vorherrschenden Knappheit 2 zur Ausführlichkeit (bzw. zu der Zusammenstellung mehrerer Gespräche in einer Vision) bei Ezechiel 3 und in noch stärkerem Maße bei Daniel erkennen. Sacharja paßt sich dieser Tendenz nicht ein; denn die vorherrschende Knappheit der Gespräche in seinen Nachtgesichten knüpft über Ezechiel hinweg an die Visionen des Arnos und Jeremia a n 4 . Die in der Siebenerreihe der Nachtgesichte vorherrschende Erscheinung, daß das Gespräch zwischen Personen geführt wird, die außerhalb der Schau im engeren Sinn stehen, findet sich auch bei Arnos 5 und Jeremia. Dagegen ist bei Ezechiel weithin der Bereich der eigentlichen Schau auch formal ganz weitgehend in das Gespräch (bzw. in die von nur einer Person ausgehende Anrede) einbezogen 6 . Bei ihm wie dann auch bei Daniel ist vielfach dieser Bereich der Schau im eigentlichen Sinn von einem Rahmenbereich nicht mehr so deutlich zu trennen wie bei Arnos, Jeremia und auch Sacharja 7 . Zu einem klaren Ergebnis führt die Frage nach den am Gespräch Beteiligten. In den älteren prophetischen Visionen ist Jahwe der wichtigste Gesprächspartner: er spricht mit seinem Hofstaat 8 , vor 1

Z.B. Ez 1 - 3 ; 3,22ff; Jes 6. Ausführlicherund insofern abweichend: Am 9; Jer 24; s.a. Jes 6. 3 Ausgenommen einzelne Bestandteile von Ez 40—48, so 40,1—37.47—49; 41,1-4; 46,19-24. 4 Vgl. a.o. S. 45. s Ausnahme: K.9. 6 1 — 3, 3 , 2 2 f f ; 9—11 im ursprünglichen Text (s. dazu W. Zimmerli, Ezechiel z.St.); 37. 7 Auch dafür, daß Gespräch bzw. Anrede so wie in Sach 3 gänzlich in den Bereich der Schau gehören, gibt es Beispiele außerhalb Sacharjas, ohne daß sich allerdings bestimmte Beziehungen erkennen lassen: so l . K ö n 2 2 , 1 9 f f ; Am 9 , I f f , Jes 6; Ez 4 7 . 8 l . K ö n 22; s.a. Jes 6,8. 2

90

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

allem aber mit dem Visionär 9 . Auch in Ezechiels Visionen ist es meist noch Jahwe, der mit dem Propheten r e d e t 1 0 ; allerdings gibt es in der großen Schlußvision Ez 40ff Abschnitte, in denen Jahwe überhaupt nicht als Gesprächspartner erscheint, sondern an seiner Stelle ein als ΐ^Κ bezeichnetes himmlisches Wesen seine Worte an Ezechiel richtet 1 1 . Dieses bei Ezechiel neue Moment ist in den Daniel-Visionen die Regel geworden: Himmlische Wesen, Engel sind es, die mit dem Visionär bzw. untereinander sprechen. Jahwe wird als direkter Gesprächspartner nirgends genannt. Es ist nur zu vermuten, daß die beiden ganz kurzen Aufforderungen in 7,5 (im Rahmen der Schau an eins der Tiere) und in 8,16 (an Gabriel) von ihm kommen 1 2 und daß er gemeint ist, wenn Gabriel in 9,23 auf den Ursprung des von ihm übermittelten Wortes und in 10,11 auf seinen Auftraggeber umschreibend zurückverweist 1 3 . Ganz offenbar wird er absichtlich an keiner dieser vier Stellen deutlich genannt, sondern es finden sich stattdessen nur andeutend-umschreibende Formulierungen 1 4 . Es ist also klar die im Ezechiel-Buch beginnende Entwicklung erkennbar, daß Jahwe als direkter Gesprächspartner zunehmend zurücktritt und an seine Stelle himmlische Wesen treten 1 5 . Ebenso deutlich ist, daß Sacharja in dieser Entwicklung zwischen Ezechiel und Daniel s t e h t 1 6 : Er berichtet nur einmal von einem Gespräch (Frage und Antwort), das Jahwe führt — nun allerdings nicht mit dem Visionär, sondern mit dem Deuteengel ( l , 1 2 f ) ; direkter Gesprächspartner Sacharjas ist dagegen immer der Deuteengel, also ein himmlisches Wesen, nie mehr Jahwe selbst. Dieser erkennbaren Entwicklung fügt sich gut die Beobachtung ein, daß in Dan 8,13 und 12,6 von einem himmlischen Wesen eine Frage gestellt wird, die der vom Deuteengel Sacharjas an J a h w e gerichteten Frage (Sach 1,12) ähnlich ist, hier aber nicht mehr von Jahwe, sondern von einem Engel beantwortet wird. Die Tendenz zu einer zunehmenden Distanz Jah-

9

Arnos; Jeremia; so auch Jes 6, wo außerdem noch himmlische Wesen, die Seraphen, mit Jesaja sprechen. 10 Ebenso spricht er mit den überirdischen Wesen von K . 9 f . 11 4 0 , 4 . 4 5 f ; 4 1 , 4 . 2 2 ; 4 2 , 1 3 f ; 4 6 , 2 0 . 2 4 ; 47; dazu s. genauer u. S. 9 9 f , 103. 12 Dazu s.o. S. 78. 13 Vgl. u. S. 98f. 14 Dazu vgl. u. S. 105f. 15 Vgl. dazu auch die Ausführungen zum abschließenden Gotteswort o. S. 79f. 16 Dieser Sachverhalt bestätigt, daß die Ezechiel-Visionen zeitlich vor denen Sacharjas liegen, die ihrerseits genau datiert sind.

91

Vergleich mit den übrigen Visionen des Alten Testaments

wes ist unverkennbar, ebenso, daß Sacharja auf diesem Weg zwischen Ezechiel und den apokalyptischen Visionen Daniels steht. b) Die Rolle des Visionärs in der Vision In den Vergleich mit den übrigen alttestamentlichen Visionen ist nun auch das einzubeziehen, was oben über die an den Gesprächen in Sacharjas Nachtgesichten Beteiligten herausgearbeitet worden ist. Was den Propheten, den Visionär anlangt, so besteht Übereinstimmung darin, daß er die Vision schaut und über sie berichtet1. Erwähnt worden ist bereits, daß der Visionär außer in Sach 1,7 noch in Jes 6 und je dreimal bei Ezechiel und Daniel mitteilt, wann ihm die Vision zuteil wurde, und daß die Art der Datierung (genau nach Tag, Monat und Jahr gegeben) Sacharja und Ezechiel verbindet 2 . Angaben über Ort und Situation, also über äußere Gegebenheiten, in denen sich der Visionär bei (und auch nach) dem Empfang der Vision befindet, fehlen ebenso wie bei Sacharja auch bei Arnos und Jeremia. Anders steht es bei Jesaja, Ezechiel und Daniel. Ort und/oder Situation werden in Jes 6; Ez 1,1; 8,1; Dan 10,2—4 genannt. Diese Angaben finden sich also in Visionen, die insgesamt breiter ausgestaltet sind als die des Arnos, Jeremia und Sacharja. Bei Jes 6 und Ez 1 handelt es sich außerdem um Berufungsvisionen, bei denen als wichtig festgehalten wurde, daß sie sich am gottesdienstlichen Ort ereigneten. — Über die Situation bzw. Tätigkeit des Visionärs nach der Vision finden sich Hinweise in E z 3 , 1 4 f ; 11,25; Dan 7,28; 8,27.

Zu den Angaben über das Eintreten des visionären Zustandes über dessen Ursprung s. unten S. 105f.

und

Im Blick auf die Beteiligung des Visionärs an der Schau selbst, an dem visionären Geschehen im eigentlichen Sinn stimmen Sacharjas Visionsberichte mit denen des Arnos und Jeremia überein, insofern hier wie dort jegliche Angaben darüber fehlen. Unübersehbar ist dagegen der Unterschied zu Jesaja, ganz besonders zu Ezechiel, aber auch zu Daniel, die alle davon berichten, daß der Visionär passiv oder auch aktiv in die eigentliche visionäre Schau, in das visionäre Geschehen so einbezogen ist, daß er selber Gegenstand eines Handelns ist oder selbst handelnd und damit das Geschehen vorantrei-

1 2

S.a. o. S. 43. S. o. S. 42.

92

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

bend auftritt oder auch nur sich in dem ihm durch Entrückung und Schau zugänglich gemachten Bereich bewegt. Jesaja wird durch einen Seraphen entsündigt (6,6f) und meldet sich selbst als Jahwes Bote (6,8). Ezechiel ißt die Buchrolle (3,2f) 3 , richtet offenbar die ihm aufgetragene Verkündigung an die visionär geschauten Männer ( l l , 1 3 a a , vgl. V.4f), prophezeit mitten im visionären Geschehen über die Totengebeine, die dadurch wieder zum Leben kommen (37), geht durch das Wasser der Tempelquelle (47), er wandert durch den alten (8) und neuen Tempel (40ff), über das mit Knochen bedeckte Feld (37) und „in die Ebene" (3,23) 4 . Daniel wird aus seiner Ohnmacht und Schwäche, die eine Reaktion auf das Geschaute sind, durch einen Engel aufgerichtet, der ihn anfaßt (8,18; 10,10.18) bzw. seine Lippen berührt (10,16). Zu 7,16.19 s. unten.

Das einzige Beispiel dafür, daß Sacharja die Distanz zur Schau selbst durchbricht, indem er ein ihm im Visionsbild sichtbares himmlisches Wesen nach seinem Tun fragt (2,6a), hat eine Parallele bei Daniel, der ein ebensolches Wesen um Auskunft über das geschaute Visionsbild bittet (7,16.19; vgl. auch 12,8b). Damit kommt in den Blick, was an Aktivität Sacharjas selbst im Rahmen der Nachtgesichte zu erkennen ist: seine Frage nach der Deutung des Geschauten, die in der Regel an den Deuteengel gerichtet ist, in deren Bereich aber auch die Frage 2,6 gehört 5 . Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein aktives, um ein in das visionäre Geschehen einbezogenes und dieses vorantreibendes Handeln des Visionärs wie z.B. bei Ezechiel. Vielmehr ist dieses Erklärung suchende Fragen Sacharjas Reaktion auf das Geschaute — freilich eine Reaktion, wie sie sich in den prophetischen Visionsberichten vor Sacharja nicht findet, wie sich umgekehrt für die dort (besonders bei Ezechiel) und auch bei Daniel und in der apokalyptischen Literatur verzeichneten Reaktionen des Visionärs (besonders körperlich-empfindungsmäßiger Art) 6 in Sacharjas Nacht3 Zu vgl. ist Sach 5,1 — 4: Sacharja steht in Distanz, nur als Beobachter der fliegenden Buchrolle gegenüber, dazu s.u. S. 189f. 4 Die fürbittenden Worte 9,8; 11,13b, die ebenso wie die in Am 7,2.5 eine Reaktion des Visionärs auf das Geschaute, auf das visionäre Geschehen sind, werden u. S. 94f im Zusammenhang mit Sach 1,12 erwähnt. 5 S.o. S. 54ff, 84. 6 Erschrecken, Angst, Niederfallen, Ohnmacht, Kraftlosigkeit, Verfärben des Gesichts, Krankheit, Unmut o.ä.: Jes 6,5; Ez 1,28; 3,14.23; 9,8; 11,13b; 43,3; 44,4, Dan 7,15.28; 8,17.18.27; 10,8.9.17; 12,8. Belege aus der apokalyptischen Literatur außerhalb Daniels s. etwa bei G. Hölscher, Die Profeten 1914, S. 13— 16, vgl. auch L. Dürr, Die Stellung des Propheten Ezechiel ... 1923, S . 3 5 . Zur Fürbitte vgl. u. S. 94ff.

Vergleich mit d e n übrigen V i s i o n e n d e s A l t e n T e s t a m e n t s

93

gesichten keinerlei Beispiele finden. Daß diese in Sacharjas Nachtgesichten erstmalig begegnende Frage nach der Deutung Sacharja mit Daniel und der Apokalyptik verbindet, war bereits früher herausgestellt worden 7 . Was sich oben bei der Herausarbeitung der Rolle, die der Visionär in Sacharjas Nachtgesichten einnimmt, bereits abzeichnete, ist durch den Vergleich mit den übrigen alttestamentlichen Visionen verstärkt worden: Das völlige oder doch fast völlige Fehlen von Aussagen über Begleitumstände der Vision, über aktive oder passive Beteiligung des Propheten an der eigentlichen Schau und ihrem Geschehen, über sein persönliches Erleben und seine persönlichen Reaktionen bedeutet eine nüchterne Beschränkung und Konzentration auf die Schau, die in Sacharjas Bericht zudem selbst sehr knapp ausgestaltet ist. Hinzu kommt: Diese Ausrichtung auf die Schau wird besonders hervorgehoben dadurch, daß, was über die Aktivität des Propheten zu erfahren ist, reduziert ist auf die Frage nach der Deutung, also auf ein Bemühen um Verständnis, ein Streben nach Erkenntnis, das hier der Schau in ihrem Sinn und in ihrer Aussage gilt 8 . Damit tritt, was oben in Abschnitt I.B. 9 als eine mehr am Rande stehende Einzelbeobachtung erschien, als ein wesentlicher Zug hervor. Auch die darin vermutete Verbindung zur Apokalyptik gewinnt damit an Gewicht. Umgekehrt besteht eine Verbindung nicht zu den zur Apokalyptik gehörenden Daniel-Visionen, sondern zu den Visionen der Propheten vor Sacharja in der Beauftragung Sacharjas mit der Verkündigung (1,14) 1 0 , der wichtigsten Funktion des Visionärs Sacharja, auf die hin das in der Deutung und ebenso in den abschließenden Gottesworten über Sinn und Aussage des Geschauten Gesagte zu verstehen ist. c) Die Rolle des Deuteengels

in der

Vision

Damit ist alles, was über Rolle und Funktion des Visionärs Sachaija zu erkennen ist, in den Gesamtrahmen der Visionen der Propheten und Daniels gestellt worden. Auffallendcrweise gehört dazu nicht 7

S.o. S . 5 5 - 6 1 . Ks paßt gut zu der g e n a n n t e n Beschränkung und K o n z e n t r a t i o n auf die Schau und ihre Aussagen, w e n n über d e n Sacharjas Frage nach der D e u t u n g b e a n t w o r t e n d e n Engel nicht gesagt wird, w o h e r und wie er erscheint, w i e er aussieht (vgl. z . B . Dan 1 0 , 5 f , weitere Beispiele u. S. 1 0 4 ) , w e n n er vielmehr nur in seiner F u n k t i o n (s.o. S. 8 6 ) vorgestellt wird. 9 S. 59. 10 Dazu ist auf das o. S. 79f Ausgeführte zu verweisen. 8

94

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

das fürbittende Wort des 1. Nachtgesichts (1,12). Verbindet das Vork o m m e n einer solchen spontan, d . h . ohne A u f f o r d e r u n g dazu vorgetragenen Fürbitte Sacharjas Nachtgesichte mit älteren prophetischen Visionen (Am 7,2.5; Jes 6,11a, Ez 9,8; 1 1 , 1 3 ) 1 , so ist dabei andererseits ein deutlicher Unterschied darin gegeben, daß die Fürbitte Sach 1,12 durch den Engel an J a h w e gerichtet w i r d 2 . Denn sofern in den genannten älteren prophetischen Visionen eine Fürbitte laut wird, richtet sie immer der Visionär selbst an J a h w e . Bei Sacharja ist o f f e n b a r die Distanz zu J a h w e so groß geworden, daß er ihn nicht mehr selbst und unmittelbar anreden und ihm die Fürbitte vortragen kann. Wie nahe aber Sach 1,12 noch den prophetischen Fürbitten in den früheren Visionen steht, daß also der Engel hier an Stelle des Propheten zu sprechen scheint, mithin wohl als Vermittler zwischen diesem und J a h w e anzusehen ist, das zeigen folgende Beobachtungen: a) Aus Sach 1,12 ebenso wie aus Am 7,2.5; Ez 9,8; 11,13 und sicher auch aus der ganz kurzen Frage Jes 6,11a spricht persönliche Betroffenheit — hinzu k o m m t in Sach 1,12 b der Eindruck eigenen Erlebens der Zornzeit —, die zum fürbittenden Eintreten für Israel führt; b) wie in den genannten Arnos-, Jesaja- und Ezechiel-Worten so scheint sich auch in Sach 1,12 der zu äußern, der gerade die Schau und das mit ihr verbundene Wort (Ruhe, d.h. keine Veränderung auf der Erde) wahrgenommen und gehört hat und in unmittelbarer Reaktion darauf seine Fürbitte ausspricht; dieses dürfte eher auf den Visionär als den Deuteengel zutreffen; c) die A n t w o r t Jahwes auf die Fürbitte wird Sacharja durch den Engel mitgeteilt, was dann besonders gut verständlich ist, w e n n auch hinter der Fürbitte Sacharja steht, hingegen der Engel nur Vermittler i s t 3 . 1 Zur öffentlichen Fürbitte allgemein als einer wesentlichen Aufgabe des Propheten seit alten Zeiten vgl. etwa G. v. Rad, Die falschen Propheten: ZAW 51, 1933, S. 114f; A. Jepsen, Nabi, 1 9 3 4 , S. 200f; N . J o h a n s s o n , Parakletoi, 1940, S. 14ff; F. Hesse, Die Fürbitte im Alten Testament (Diss. Erlangen 1949), 1951, S. 39ff; v. Rad, ThAT II, 5. A. S . 5 9 f ; W. Zimmerli, Ezechiel S. 229; J. Jeremias, Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit Israels, WMANT 35, 1970, S. 1 4 0 f f , auch 3f; speziell im Blick auf Jeremia behandelt die Frage Fürbitte und Prophetenamt jetzt G. C. Macholz, Jeremia in der Kontinuität der Prophetie, in: Probleme biblischer Theologie (Festschr. G. v. Rad), 1 9 7 1 , S . 3 0 6 f f , bes. 3 1 3 f f . 2 Dazu s.a. o. S. 86. 3 Hierzu sind die Äußerungen Martis (KHC) z.St. („Es ist der Angelus interpres, der die Frage im Namen Sach's an Jahwe richtet") und Hölschers, Die

Vergleich mit den übrigen Visionen des Alten Testaments

95

Im Zusammenhang der Daniel-Visionen finden sich in 8,13 und 12,6 zwei Fragen, die ebenso wie die Fürbitte in Sach 1,12 und Jes 6,11a mit dem Fragewort Yip'll? beginnen 4 . Ebenso wie die Fürbitten in den prophetischen Visionen folgen sie auf eine visionäre Schau bzw. eine mündliche Ankündigung und sind inhaltlich darauf bezogen. Die Entsprechungen in Formulierung und Stellung im Visionsganzen sprechen dafür, die genannten Fragen im Zusammenhang mit den Fürbitten in den prophetischen Visionen zu betrachten 5 . Vor allem interessieren hier die beteiligten Personen: Die Frage Dan 8,13 wird von einem bisher in der Vision nicht hervorgetretenen „Heiligen" (tthlj?), d.h. einem Engel, an einen anderen Engel gerichtet, ähnlich in Dan 12,6 von einem ebenfalls neu erscheinenden Engel an den deutenden Engel (s. 10,5ff). Gemeinsamkeiten mit wie Unterschiede gegenüber Sacharja sind unverkennbar: Es liegt auf der bei Sacharja erreichten Linie, daß ein Engel die Frage stellt (und nicht mehr der Visionär wie in den früheren prophetischen Visionen). Anders als bei Sacharja spricht aber nicht der im Gespräch mit dem Visionär befindliche (Deute-) Engel, sondern es sprechen himmlische Wesen, die bisher gar keine Rolle gespielt haben. Ferner ist der Adressat nicht mehr wie bei den Fürbitten in allen prophetischen Visionen Jahwe, sondern ein Engelwesen 6 , die Distanz zu Jahwe ist also noch größer geworden als bei Sacharja. Ein weiterer Unterschied kommt hinzu: Frage und Antwort gehören in Dan 8,13f und 12,5ff anders als die Fürbitte Sach 1,12 zum Bereich der Schau im engeren Sinn; dieses Gespräch, das Daniel schauend und hörend verfolgt, vollzieht sich also in einer — gemessen an Sach 1,12 (s. oben) — unverkennbaren Distanz vom Visionär, die sich in 12,5ff zusätzlich noch darin zeigt, daß Daniel das Profeten, 1 9 1 4 , S. 57 ( , , . . . Begleitengel als Vertreter der Gefühle Sacharjas selbst ...") zu vgl., ferner F. Hesse, Die Fürbitte im Alten Testament, 1951, S. 61; A. Ohler, Mythologische Elemente im Alten Testament, 1 9 6 9 , S. 198. 4 TIÜ'IS? begegnet häufig in der Gattung der Klagelieder in den „sehnsuchtsvollen Frage(n)", in denen „sich Klage und Bitte mischen" (H. Gunkel—J. Begrich, Einleitung in die Psalmen, 2 . A . 1966, S . 2 3 0 ) . Insofern steht Sach 1,12 nicht nur inhaltlich, sondern auch formal nahe bei der Form der Klage. 5 Vgl. O. Plöger, Das Buch Daniel (ΚΑΤ XVIII), der zu Dan 8,13f auf Sach l , 1 2 f verweist, ebenso N. W. Porteous, Das Danielbuch, ATD 23 z.St. — Auf das Gebet Dan 9 , 4 - 1 9 , das in V.16.17.18 (s.a. V.20) Elemente der Fürbitte enthält, wird hier nicht weiter eingegangen, da es nicht im Rahmen einer Vision erscheint und zudem „ganz allgemein ... als spätere Einlage betrachtet" wird (Bentzen, Daniel z.St.). 6 In Dan 12,5ff ist es der mit dem Visionär redende (vgl. 10,5ff), also dem Deuteengel Sacharjas entsprechende Engel.

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Bemerkenswerte Züge und Strukturen

Engelgespräch hört, aber nicht versteht und deshalb anschließend noch nähere Auskunft darüber erbittet; hier bei Daniel ergibt sich also nicht wie bei Sach 1,12 der Eindruck, daß der Visionär hinter der Frage steht und der Engel die Aufgabe der Vermittlung hat. Weit mehr an Sacharja erinnert es, wenn in der apokalyptischen Literatur außerhalb des Daniel-Buchs Engel in der Funktion des Vermittlers von den Menschen zu Gott hin begegnen, wobei auch die Fürbitte eingeschlossen ist 7 . Auch wenn es in diesem Kapitel um die im Zusammenhang einer Vision an einem Gespräch Beteiligten und um ihre Rolle geht, kann doch an dieser Stelle die inhaltliche Ausrichtung der genannten prophetischen Fürbitten und der neben ihnen erwähnten Fragen Dan 8,13 und 12,6 nicht unberücksichtigt bleiben. Arnos (7,2.5) und Ezechiel (9,8; 11,13) wenden sich in spürbarer persönlicher Betroffenheit über die in der visionären Schau erfahrene Bedrohung Israels an Jahwe und bitten ihn für den Bestand Israels. Ähnlich wird man die nur als kurze Frage „wie lange, Herr?" formulierte Äußerung Jesajas (6,11a) zu verstehen haben, mit der dieser auf den ihm gerade erteilten Auftrag zur Verstockung seines Volkes reagiert. Betroffenheit spiegeln auch die fürbittenden Worte Sach 1,12, die J a h w e fragen, „wie lange" sein Erbarmen über Jerusalem und Judas Städte und das Ende der schon 70 Jahre währenden Zornzeit noch ausstehen werden. Um die Frage „wie lange" geht es auch in den beiden Daniel-Stellen: in 8,13 ist sie bezogen auf die Schlußphase der zuvor in der visionären Schau im einzelnen dargestellten Ereignisse der Endzeit; 12,6 fragt, ebenfalls auf den zuvor in der Vision angekündigten Ablauf der Endzeit Bezug nehmend, wie lange es noch bis zum Ende dauern werde. Beide Fragen zielen also auf eine genaue zeitliche Fixierung, auf eine Zeitberechnung, die — ebenso wie die damit verbundenen genauen Schilderungen der endzeitlichen Ereignisse in ihrer Abfolge — charakteristische Merkmale der Apokalyptik sind 8 . Durch diese Ausrichtung auf das Erkennen von bereits unabänderlich Festliegendem und durch ihre nüchtern-knappe Formulierung unterscheiden sich diese Fragen von der Betroffenheit, dem auf eine noch für möglich gehaltene Abwendung oder Aufhebung der Not drängenden Engagement für Israel, wodurch die Fürbitten der prophetischen Visionen gekennzeichnet sind. Man wird deshalb diese Fragen nicht als Fürbitten bezeichnen können. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß es hier nur um kühles Berechnen geht, vielmehr steht hinter den Fragen das sehnsüchtige Ausschauen, das Warten dessen, der die Not nicht mehr ertragen kann. Nur versucht er anders als der fürbittende Prophet nicht, Gott in den Arm zu fallen, da er weiß, daß Gott den Ablauf der endzeitlichen Ereignisse fest bestimmt

7

Dazu s. die Hinweise bei J . Schreiner, Alttestamentlich-jüdische Apokalyptik S. 136f. 8 Vgl. P. Viclhauer, Die Apokalyptik, in: E. Hennecke—W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen Bd. II, 3 . A . 1964, S . 4 1 4 f ; J . Schreiner, Alttestamentlich-jüdische Apokalyptik, S. 121ff; v. Rad, ThAT II, 5. Α., S. 3 3 6 338; A. Bentzen, Daniel S . 8 7 ; W. Zimmerli, Der Mensch und seine Hoffnung im Alten Testament, S. 149f, 157f.

Vergleich mit d e n übrigen Visionen des Alten T e s t a m e n t s

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h a t , stattdessen sucht er zu e r f a h r e n , zu b e r e c h n e n , wie lange es n o c h bis zu dem erwarteten Ende dauert. Zwischen den Fürbitten in den p r o p h e t i s c h e n Visionen und den b e i d e n auf G r u n d ihrer F o r m u l i e r u n g und Stellung im Visionsganzen mit i h n e n verglichenen Fragen D a n 8 , 1 3 und 12,6 n i m m t Sach 1,12 o f f e n b a r eine Mittelstellung ein: Zweifellos liegt hier n o c h eine Fürbitte von der Art wie in d e n früheren p r o p h e t i s c h e n Visionen vor. Zugleich aber ist das neue M o m e n t nicht zu übersehen, d a ß in Sach 1,12 auf das E n d e eines Zeitabschnitts — ausdrücklich wird gesagt, daß er schon 70 J a h r e a n d a u e r t — ausgeschaut w i r d 9 . Darin ist eine gewisse Nähe zu Daniel nicht zu verkennen. Der zugleich f e s t z u h a l t e n d e Abstand z u m Daniel-Buch zeigt sich nicht n u r darin, d a ß es bei Sacharja keineswegs u m die Endzeit im danielisch-apokalyptischen Sinn geht. Er ist auch an den A n t w o r t e n auf die g e n a n n t e n Fragen zu b e m e r k e n : anders als die zu den Fragen Dan 8 , 1 3 u n d 12,6 gehörigen enthält die A n t w o r t auf die fürbitt e n d e Frage Sach 1,12 keinerlei Zeitangaben. Dabei h ä t t e eine Zeitangabe in der A n t w o r t auf die Fürbitte geradezu nahegelegten, nicht n u r auf G r u n d der Frage „wie lange", s o n d e r n auch da in d e r Fürbitte bereits ausdrücklich eine J a h r e s z a h l (70 J a h r e ) g e n a n n t w i r d 1 0 . Fehlen also bei Sacharja n o c h ganz die danielisch-apokalyptischen Berechnungen, d . h . eine genaue zeitliche Determinierung (wie übrigens auch eine D e t e r m i n i e r u n g in Gestalt eines u m f a s s e n d e n Programms der Endzeitercignisse in ihrem Ablauf) n , so steht aber hinter d e r f ü r b i t t e n d e n Frage Sach 1,12 wohl schon etwas von der sehnsüchtigen Ungeduld u n d der Erwartung einer n a h e n Wende, die d a n n — zwar in anderen Bezügen — die g e n a n n t e n Fragen und zeitlichen Berechungen bei Daniel hervorrufen.

Unter der Frage, wie sich die Rolle des Deuteengels der Nachtgesichte Sacharjas 12 auf dem Hintergrund der prophetischen und der Daniel-Visionen ausnimmt, ist zunächst die Fürbitte (Sach 1,12) in den Blick genommen worden. Dabei war als ein wesentliches Ergebnis festzuhalten, daß der Deuteengel, indem er Jahwe die Fürbitte 9

Derartiges ist in J e s 6 , 1 1 a n o c h nicht gegeben, o b w o h l hier ausdrücklich die Frage „wie lange" gestellt wird. Denn hier fragt J e s a j a nicht nach einem so wie an den g e n a n n t e n Sacharja- und Daniel-Stellen u m g r e n z t e n u n d umschriebenen Z e i t r a u m , s o n d e r n — aus d e m Erschrecken über den ihm gerade erteilten A u f t r a g heraus — d a n a c h , „wie lange" er diesen A u f t r a g wird ausführen müssen b z w . „wie lange" dessen Wirkung a n h a l t e n wird (so wird m a n diese kurze Frage verstehen müssen, vgl. d a z u O . Kaiser, Der Prophet J e s a j a , K a p . 1 — 12, ATD 17 z . S t . ) . 10 Wahrscheinlich stehen als schon feste Überlieferung d a h i n t e r die 70 J a h r e des Jeremia-Buchs ( J e r 25,1 l f ; 2 9 , 1 0 , dazu s.u. S. 1 3 0 f f ) , auch w e n n der Nam e j e r e m i a s nicht g e n a n n t wird. In Dan 9 ist d a n n ausdrücklich von d e n 70 J a h r e n als d e r d u r c h J e r e m i a angekündigten Zeit, in d e r J e r u s a l e m in Trümmern liegen soll, die Rede. 11 Dazu, daß sich derartiges vielleicht in der Ereignisabfolge 5 , 1 1 / 6 , 8 ankündigt, s.u. S. 147. 12 Es interessiert in diesem Z u s a m m e n h a n g n u r d e r Deuteengel, andere himmlische Wesen (etwa die S a c h 5 , 9 g e n a n n t e n ) bleiben hier unberücksichtigt. 7 J e r e m i a s , Nachtgesichte

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Bemerkenswerte Züge und Strukturen

vorträgt, an die Stelle getreten ist, die in den früheren prophetischen Visionen der Visionär selbst, also der Prophet, eingenommen hat. Eine ähnliche Entwicklung ist zu erkennen, wenn man auch die übrigen vom Deuteengel in den Nachtgesichten wahrgenommenen Funktionen in den Vergleich einbezieht: Der Deuteengel tritt an die Stelle, an der in den älteren prophetischen Visionen Jahwe dem Visionär gegenüberstand 13 . Das zeigt sich 1. darin, daß er es nun ist, der in bestimmten Zusammenhängen mit dem Visionär spricht. So teilt er diesem die Antwort Jahwes auf die Fürbitte mit (l,14f), während früher 1 4 Jahwe selbst dem Visionär antwortete, der sich unmittelbar an ihn gewandt hatte. Insofern Jahwe darin, daß er dem Engel die fürbittende Frage beantwortet, durchaus selbst eine aktive Rolle im 1. Nachtgesicht einnimmt, dabei aber in deutlicher Distanz zu Sacharja steht 1 5 , kommt hier dem Deuteengel unverkennbar eine vermittelnde Funktion zwischen Jahwe und dem Visionär zu. Er ist also in diesem Fall noch nicht gänzlich an die Stelle Jahwes getreten. Als Vermittler fungiert der Deuteengel auch bei den drei weitere Nachtgesichte abschließenden Gottessprüchen (2,8b.9; 5,4; 6,8) ebenso wie bei der Übermittlung des Verkündigungsauftrags (1,14a), die Sacharja aus dem Mund des Deuteengels vernimmt, während der Visionär in den älteren prophetischen Visionen entsprechende Worte von Jahwe selbst vernahm 1 6 . Derartige abschließende Gottesworte begegnen in den Daniel-Visionen nicht. Es ist aber anzumerken, daß sich auch dort Hinweise darauf finden, daß der mit dem Visionär redende Engel seine Mitteilungen als ein dazu Beauftragter (s. 8,16), als Übermittler eines nicht von ihm selbst stammenden Wortes (s. 9,23 a) 1 7 , als ein zu Daniel Gesandter (10,1 laß Π1?®!, vgl. auch V.12) macht, ohne daß allerdings der Auftraggeber, der Urheber des Wortes, der Sendende deutlich genannt würde 1 8 . Besonders die in Dan 10,11 zu beobachtende Tatsache und die Art und Weise des Gebrauchs der Vokabel nVtf, die in prophetischen Texten eine große Rolle spielt 13

Zum „Engel Jahwes" in der Vision 3,1 ff vgl. u. S. 205. Am 7,3.6; Jes 6,11b; Ez 9,9f ( l l , 1 4 f f erst in der jetzigen Zusammenstellung der Textelemente, s. W. Zimmerli, Ezechiel, S. 2 4 1 ) . 15 Jahwes Worte sind für diesen nicht zu verstehen, vgl. o. S. 88. 16 Dazu s. die genauen Untersuchungen o. S. 74ff. 17 Es ist hier für das Ergehen eines (Gottes-) Wortes an den Engel Gabriel die Wendung 1 3 T HS4 gebraucht. Interessanterweise wird in V. 25 fast ebenso ("13T X3D) rückblickend vom Ergehen eines Prophetenwortes (oder eines Jahwe-Wortes an den Propheten) geredet. 18 Zu diesen Stellen vgl. o. S. 9 0 und u. S. 106. 14

Vergleich m i t d e n übrigen Visionen des Alten T e s t a m e n t s

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zur Bezeichnung der Sendung des Propheten durch G o t t 1 9 , legen die Vermutung nahe, daß hier noch ein wesentliches Moment der Prophetie nachwirkt — nun, da es keine Propheten mehr gibt, auf den Engel als den von Gott Gesandten bezogen 2 0 , insgesamt allerdings recht unscheinbar, nur umschreibend, verhüllend und nur in wenigen Belegen. Nichts ist von einer vermittelnden Funktion des Deuteengels zu erkennen, wenn er — ohne Rückfrage oder Beauftragung dazu — Sacharja das Geschaute deutet. Damit hat er als Aufgabe übernommen, was in den älteren prophetischen Visionen von Jahwe berichtet wird: Arnos (7,8b; 8,2b) und Jeremia (1,12.14; 24,4 -10) werden die notwenigen Deutungen durch Jahwe selbst gegeben. Am Übergang von der Deutung durch Jahwe zu der durch ein Engelwesen stehen die Ezechiel-Visionen: Denn hier finden sich neben den deutenden Worten Jahwes in Ez 8 , 6 b a . l 2 b . l 7 ; 11,2bf; 37,11 die deutend-benennenden Worte in der großen Schlußvision K.40—48, die von der den Propheten führenden, als BT« bezeichneten (z.B. 40,3) himmlischen Gestalt herrühren (so 40,45f; 41,4b.22; 42,13f; 46,20. 24; 47,8ff) — mit einer Ausnahme: dort, wo Jahwe selbst in seinem "1133 erscheint (43,1—12), tritt der auch hier zunächst Ezechiel führende tf1« (V.l) zurück (s. V.6), und Jahwe selbst gibt Ezechiel die Deutung (V. 7). Ähnlich wie in K . 4 3 liegen die Dinge in der schon e r w ä h n t e n Vision E z 8 , insofern auch hier der BT« 2 1 — im übrigen erstmalig bei Ezechiel — a u f t r i t t (V. 2), an der E n t r ü c k u n g des P r o p h e t e n beteiligt ist (V. 3), a n s o n s t e n aber völlig zurücktritt hinter J a h w e , der selbst Ezechiel führt und ihm das Geschaute in d e u t e n d e n Worten erklärt. Dabei d ü r f t e das auffallende, fast wie eine Doppelung wirkende N e b e n e i n a n d e r d e r über Ezechiel fallenden, den visionären Zustand einleitenden Hand J a h w e s (V.l) u n d andererseits der Ezechiel an d e n Haaren fassenden und so (neben der ГТП) an seiner Entrückung beteiligten Hand des ( V . 3 ) , d . h . also „die Verschlingung der h a n d e l n d e n S u b j e k t e " 2 2 , Ausdruck einer noch im Fluß befindlichen E n t w i c k l u n g sein und so ebenfalls die g e n a n n t e Übergangssituation im Ezechiel-Buch u n t e r s t r e i c h e n . Sie zeigt sich auch darin, daß in den Visionen, in d e n e n J a h w e die D e u t u n g gibt, J a h w e auch Ezechiel am Entrückungsort f ü h r t 2 3 ; w ä h r e n d in d e r Regel d e r E^« f ü h r t , w e n n er d e u t e t 2 4 . Ein Sonderfall ist dabei E z 4 3 , insofern hier zwar der Mann 19 S. e t w a J e s 6,8; J e r 1,7; Ez 2 , 3 f ; J e s 61,1; bei Sacharja: 2 , 1 3 . 1 5 ; 4,9; 6,15; zur Sache s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 71, auch 31. 20 Vgl. a. die A n m . o. zu 9 , 2 3 . 21 So ist zweifellos in V.2 zu lesen, s. BHK, BHS. 22 W. Zimmerli, Ezechiel, S. 2 1 0 . 23 8,7.14.16: «13 hi.; 3 7 , 2 : ЧЗУ hi.; vgl. a. 11,1: «13 hi. 24 4 0 , 1 7 . 2 8 . 3 2 . 3 5 . 4 8 ; 4 1 , 1 ; 4 2 , 1 ; 4 6 , 1 9 : «13 hi.; 4 2 , 1 ; 4 6 , 2 1 ; 4 7 , 2 : «2Г hi.; 4 0 , 2 4 : Ι ^ Π hi.; 47,1: 31® hi.; 47,2: 3 3 0 hi.; 47,3.4: ПЭ» hi. - Entriickungsaussagen (wie z.B. 8 , 3 b ) sind hier also nicht mit g e n a n n t .

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Bemerkenswerte Züge und S t r u k t u r e n

den P r o p h e t e n führt ( V . l ) , dieser das d e u t e n d - b e n e n n e n d e Wort aber aus J a h wes Mund v e r n i m m t (V. 7).

Ohne Zweifel stellen die Ezechiel-Visionen eine Vorstufe dar zu dem dann in Sacharjas Nachtgesichten erreichten Stadium, daß nur noch der Engel dem Visionär die Schau deutet 2 5 . In Entsprechung zu Sacharja werden auch in den Daniel-Visionen alle deutenden und erklärenden Worte durch einen Engel an den Visionär gerichtet 26 . Daß dieses auch für spätere apokalyptische Texte gilt, belegt der unmittelbar folgende Kontext der oben S. 56 genannten Belege aus dem Henoch-Buch 27 . Ganz ähnlich wie im Fall der die Deutung gebenden Personen verläuft der Gang der Entwicklung bei den an den Visionär gerichteten Aufforderungen zum Schauen, zum Hören, zur Aufmerksamkeit. Ergehen sie nach Ez 8,5.9 durch Jahwe, so ist es in der Schlußvision Ez 40ff der bereits genannte E^X, der sich mit einer solchen Aufforderung an den Propheten wendet (40,4) 2 8 . Dieser Befund zeigt, wie auch hier der Übergang von Jahwe als dem Sprecher dieser Worte auf ein himmlisches Wesen am Ezechiel-Buch erkennbar ist. Im SacharjaBuch ist es dann der Deuteengel, der die dort im vorletzten Nachtgesicht (5,5b) vorkommende Aufforderung an den Visionär richtet. Dabei macht die wörtliche Übereinstimmung zwischen Sach 5,5 und Ez 8,5 besonders deutlich, daß es Jahwes Stelle ist, an die der Deuteengel damit getreten ist. 25 Diese Feststellung gilt, auch w e n n im einzelnen in d e r Schilderung des i^X bei Ezechiel u n d des Deuteengels bei Sacharja d u r c h a u s D i f f e r e n z e n festzustellen sind: z.B. u n t e r s c h e i d e n sich die Bezeichnungen dieser himmlischen Wesen (eine Beziehung zwischen Ezechiel und Sacharjas 1. Nachtgesicht läge allerdings d a n n vor, w e n n es sich im 1. Nachtgesicht u m n u r eine himmlische Gestalt handeln sollte, die Bezeichnung ΪΓΧ also dem Deuteengel gälte, s. dazu o. S. 8 4 f ) ; anders als Ezechiel IT'N (8,2; 40,3) wird Sacharja Deuteengel in seiner Erscheinung, seinem Aussehen nicht beschrieben; Sacharjas Deuteengel führt u n d m i ß t nicht (jedoch d ü r f t e eine Beziehung b e s t e h e n zwischen d e m Meßengel von Sach 2,5 und Ezechiels messendem dazu s.u. S. 164f). 26 7 , 1 6 f f . 2 3 f f ; 8 , ( 1 5 - ) 19ff; 9 , 2 1 f f ; ( 1 0 , 5 - ) 1 l , 2 f f . Daß dieses himmlische Wesen in 9 , 2 1 ; 10,5; 12,6.7 als bezeichnet wird, mag zunächst an den deut e n d e n φ'Ν von Ez 4 0 f f erinnern, die n ä h e r e B e s t i m m u n g анэ(П) EhaV in 10,5; 12,6.7 weist j e d o c h auf Ez 9f u n d die d o r t (9,2.3.11; 10,2.6) mit diesen Worten beschriebene himmlische Gestalt (dazu vgl. W. Zimmerli, Ezechiel, S. 2 2 5 f ) . 27 Dieses t r i f f t für die meisten a p o k a l y p t i s c h e n Visionen, j e d o c h nicht für alle zu (z.B. Syr. Bar.). Vgl. P. Vielhauer, in: E. Hennecke—W. S c h n e e m e l c h e r , Neut e s t a m e n t l i c h e A p o k r y p h e n , Bd. II, 3. A. 1 9 6 4 , S. 4 0 9 ; J . Schreiner, Alttestamentlich-jüdische A p o k a l y p t i k , S. 8 6 f f . 28 4 4 , 5 (c.t.) d ü r f t e als „ s e k u n d ä r e . . . U m a r b e i t u n g des ihm vorliegenden 4 0 , 4 " zu verstehen sein, s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 1115f (z.St.).

Vergleich mit den übrigen Visionen des Alten T e s t a m e n t s

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Genauso — Übereinstimmung im Wortlaut, Verschiedenheit hinsichtlich des Sprechenden — liegen die Dinge bei den vergewissernden Fragen, mit denen der Visionär auf das von ihm Geschaute hin angesprochen wird: ΠΝΊ ПЛХ HD — so werden Arnos (7,8; 8,2) und Jeremia (1,11.13; 24,3) von Jahwe gefragt, Sacharja (4,2; 5,2) jedoch vom Deuteengel. Auch hier unterstreicht die Gleichheit des Wortlauts und der Stellung innerhalb der Visionsberichte 2 9 die Tatsache, daß der Deuteengel, indem er jetzt Sacharja diese Frage stellt, an die von Jahwe in den Visionen der früheren Propheten eingenommene Stelle getreten ist. T r i f f t die A n n a h m e zu, daß· mit der Frage ΠΧΊ ЛЛХ ПЙ die etwas anders formulierten vergewissernden Fragen in Ez 8 , 6 . 1 2 . 1 5 . 1 7 ; 4 7 , 6 a z u s a m m e n h ä n g e n 3 0 , so d a ß sie also hier in die U n t e r s u c h u n g einbezogen w e r d e n k ö n n e n , dann wäre auch für die Vergewisserungsfrage ebenso wie schon für die Deutung und die A u f f o r d e r u n g zum S c h a u e n etc. im Ezechiel-Buch d e r Obergang von J a h w e auf ein Engelwesen zu e r k e n n e n , insofern sich in Ez 8 J a h w e an Ezechiel w e n d e t , in Ez 47 j e d o c h der Ezechiel f ü h r e n d e Φ'Ή.

Ist es unzweifelhaft, daß Sacharjas Deuteengel an die Stelle tritt, die Jahwe in den früheren prophetischen Visionen einnimmt, wenn er in den eben (S. 98ff) genannten Zusammenhängen mit dem Visionär spricht, so ist nicht mit gleicher Eindeutigkeit diese Entwicklung 2. auch hinter der Anrede zu erkennen, die sich in den von Sacharja an den Deuteengel gerichteten Worten findet. Diese Anrede lautet in Sach 1,9; 4,4.5.13; 6,4 Ч'тХ.. Ebenso wird der mit Daniel sprechende Engel von diesem angeredet (Dan 10,16.19; 12,8; vgl. auch 10,17) 3 1 . Wurde Jahwe in den früheren prophetischen Visionen vom Visionär angesprochen, so geschah das mit dem Wort TIN (Jes 6,11) oder in der Doppelbenennung Л1ГГ 4 n s (Am 7,2.5; Ez 9,8; 11,13; 37,3 ) 3 2 . Der Vergleich legt es nahe, damit zu rechnen, daß der deutende Engel ebenso wie in den bereits genannten und in den noch zu nennenden Zusammenhängen so auch hier an Jahwes Stelle getreten ist, wenn er mit einer Form des Wortes |ΠΝ angeredet wird 3 3 . Die Problematik der Gottesbezeichnung 'ПК, genauer der Erklärung ihrer Endung -äj, läßt jedoch zögern, die Gottesanrede ^ i ? mit der des Deuteengels als ohne weiteres und von vornherein 29

Zur Stellung s . o . S. 59. S . o . S. 60. 31 Vgl. a. die Worte, die J o s u a an den ihm vor J e r i c h o erscheinenden Engel richtet (Jos 5,14). 32 Zu dieser D o p p e l b e n e n n u n g ist W. Zimmerli, Ezechiel, Exkurs 1: Der Gott e s n a m e im Buche Ezechiel S. 1250—1258 zu vgl. 33 Vgl. dazu G. Hölschers Ä u ß e r u n g e n : Die P r o f e t e n , 1914, S. 5 7 . 30

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Bemerkenswerte Züge und Strukturen

auf eine vergleichbare S t u f e zu stellen. Ist nämlich die E n d u n g -äj als ein N o m i n a l - A f f o r m a t i v zu verstehen, „das die Bedeutung des G r u n d w o r t e s 'ädön verstärken und aus dessen Sinn ,Herr' soviel wie ,Allherr' machen w i l l " 3 4 , so liegt — anders ids bei der Sicht, die -äj als Possessiv-Suffix der l . p e r s . s g . versteht 3 5 — in diesem im A l t e n Testament eigennamenartig gebrauchten 'ПК

36

ein W o r t vor,

das mit der A n r e d e ' П К (]ΠΝ + suff. 1. pers. sg.), wie sie dem Deuteengel zuteil wird, w o h l das G r u n d w o r t

]Π8

gemeinsam hat, sonst

aber deutlich von diesem abgerückt ist. N u n t r e f f e n sich aber die beiden verschiedenen Erklärungen der E n d u n g -äj darin, daß sie damit rechnen, daß an einigen Stellen, an denen jetzt 'ПК als A n r e d e Jahwes steht, ursprünglich die A n r e d e f o r m e n 'ПК oder MIS standen, die „im Z u g e der Tendenz, sie nur im p r o f a n e n Bereich zu gebrauchen und für J H W H ausschließlich ' a d ö n ä j ,der Allherr 1 zu verwenden, sekundär in ' a d ö n ä j umgeändert w o r d e n s i n d " 3 7 . D a z u dürften ohne Z w e i f e l die o b e n angeführten Belege für die A n r e d e Gottes als ' П К b z w . mil1 ' П 8 in den älteren prophetischen Visionen gehören. S o m i t wären die A n r e d e n Jahwes in den prophetischen Visionen u n d die des Deuteengels bei Sacharja und D a n i e l 3 8 doch vergleichbar, und es ist die Möglichkeit gegeben, auch hinsichtlich der A n rede den T e x t b e f u n d im Sinne der Entwicklung zu verstehen, daß der Deuteengel der Visionen an Jahwes Stelle tritt 3 9 .

O. Eißfeldt, A r t . ' П К : T h W B A T I, Sp. 73. Besonders G. Η . Dalman, Studien zur Biblischen Theologie. Der Gottesname A d o n a j und seine Geschichte, 1889; modifizierter W. W. Graf Baudissin, Kyrios als Gottesname im Judentum und seine Stelle in der Religionsgeschichte, I—IV, 1929; vgl. dazu die Übersicht bei Eißfeldt, a.a.O., Sp. 6 7 - 7 2 , der Dalmans und Baudissins Sicht im einzelnen und auch in ihren Unterschieden skizziert und weitere Vertreter dieser Ansicht nennt; s.a. Eißfeldt, Adonis und A d o n a j , Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, phil.hist. Kl. Bd. 115,4, 1970, S . 2 4 f . 34 35

O . Eißfeldt, T h W B A T I, Sp. 73, 76, auch W. Zimmerli, Ezechiel, S. 1256f. Eißfeldt, T h W B A T I, Sp. 73, s.a. Sp.68, 70, 77. Die zeitliche Ansetzung dieser Änderung bei Dalman, Baudissin und Eißfeldt (vgl. Eißfeldt, a.a.O., Sp. 68, 70, besonders 75, 7 7 f ) interessiert im vorliegenden Zusammenhang nicht. 38 Anzumerken ist, daß ' Π Χ eine auch im profanen Bereich durchaus gebräuchliche Anrede darstellt; s. die alttestamentlichen Beispiele, die in ThW III, S. 1058, Zeile 1 9 - 2 3 (G. Quell, A r t . κύριος С.) genannt werden. (Zur Anrede „Mein H e r r " im Alten Orient s. J. Svennung, Anredeformen. Vergleichende Forschungen zur indirekten Anrede in der 3. Person und zum Nominativ für den Vokativ: Skrifter utgivna av K . Humanistiska Vctenskapssamfundet i Uppsala 42, 1958, S. 7 - 1 4 ) . 36

37

Für die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme ist die Tatsache nicht uninteressant, daß in den Gesprächen zwischen Engeln und Menschen, die sich in den 39

Vergleich mit den übrigen Visionen des Alten Testaments

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Schließlich (3.) ist Sacharjas Deuteengel als der, der in der bisher beschriebenen Weise an Jahwes Stelle getreten ist, auch für den Visionär sichtbar, während Jahwe für diesen im Unterschied zu den früheren prophetischen Visionen 4 0 nicht mehr zu sehen ist. Eine Übergangsposition - ähnlich, wie sie oben bereits beobachtet worden ist — zu dem in Sacharjas Nachtgesichten erreichten Stand nimmt dabei das Ezechiel-Buch ein: In der Schlußvision K . 4 0 — 4 8 sind gelegentlich 41 zugleich sowohl der Ezechiel führende, vor seinen Augen den neuen Tempel vermessende und Ezechiel Erklärungen gebende ВТК42 als auch der in seinem т п э erscheinende Jahwe sichtbar 4 3 . Ebenso wie Sacharja schaut dann der Visionär der Daniel-Visionen den deutenden Engel 4 4 . Die Vision Dan 7 bietet dabei insofern eine Besonderheit, als der Visionär hier in der Gestalt des „ H o c h b e t a g t e n " ( V . 9 f f ) zweifellos doch G o t t schaut und ihn zudem, anders als das dann die Erklärung gebende Engelwesen (V. 1 6 ) , auch in seiner Erscheinung beschreibt. Allerdings ist der Unterschied zu den vorsacharjanischen Visionen, in denen J a h w e erscheint, nicht zu übersehen: In einer zukünftiges Geschehen visionär vorwegnehmenden 4 5 breiten Schau ist G o t t sichtbar lediglich als eine Gestalt der Schau im engeren Sinn; er spricht also — anders als der darin an die Stelle, die J a h w e in den früheren Visionen einnimmt, getretene Engel (V. 16ff) — nicht zum Visionär und wird von ihm nicht angesprochen, und seine Distanz wird noch dadurch unterstrichen, daß nie der Name J a h w e oder die Gottesbezeichnung 4 ΠΝ genannt wird. Die Tatsache aber, daß Daniel hier — anders als in seinen anderen Vi-

übrigen T e x t e n des Alten Testaments finden, nur ganz selten die Engel als "UTK bzw. ''IIX angeredet werden: so Ri 6 , 1 3 (auch V . 1 5 , wenn der T e x t korrigiert wird, s. B H K ) , wo der Engel als Stellvertreter J a h w e s erscheint (vgl. v. Rad, T h A T I, 5 . A. S. 2 9 9 ) , auch in Gen 1 9 , 2 (falls man M T korrigiert, auch in 1 8 , 3 ) begegnet diese Anrede auf Engel bezogen, wobei aber sehr fraglich ist, ob sie hier den bereits als himmliche Wesen erkannten Engeln gilt, und somit zweifelhaft ist, ob diese Belege hier überhaupt zu nennen sind. 4 0 Am 9 , l f f ; J e s 6,1 ; E z 1 , 2 5 - 2 8 ; 3 , 2 3 ; 1 0 , 4 . 1 8 ; 1 1 , 2 3 (die in der Analyse von Ez 8—11 durch W. Zimmerli, Ezechiel als sekundär erkannten Stücke sind hier nicht berücksichtigt); 4 3 , 1 f f ; 4 4 , 4 ; auch 1. K ö n 2 2 , 1 9 . 41 Besonders 4 3 , I f f , aber auch 4 4 , 4 . 42 Erstmalig in 4 0 , 3 . 4 3 Der im Verlauf der großen Vision Ez 8—11 außer dem in seinem Т1ЭЭ sichtbaren J a h w e ( 1 0 , 4 . 1 8 ; 1 1 , 2 3 , vgl. dazu die A n m . weiter o b e n ) zu Anfang von Ezechiel geschaute Ю'К ( 8 , 2 ) hat anders als der von Ez 4 0 f f keine deutend-erklärende F u n k t i o n . 44 Für Sacharjas Nachtgesichte belegen das, auch wenn das Aussehen des Deuteengels nie beschrieben wird, Sach 2 , 7 a ; 5 , 5 a . 8 a ß . b (evtl. auch 4 , 1 , dazu s . o . S. 8 7 , A n m . 9 ) . — Daniel: 7 , 1 6 (hier eine Gestalt der vorangehenden Visionsszene, s. V . 1 0 ) ; 8 , 1 5 ; 9 , 2 1 ; 1 0 , 5 f (s.a. 1 2 , 6 f ) . 4 5 Insofern wäre höchstens E z 4 3 zu vgl., wo es auch um Zukünftiges (den Einzug J a h w e s in den neu zu errichtenden T e m p e l ) geht.

104

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

sionen — Gott schaut, wird sich nur daraus erklären lassen, daß es hier um das entscheidende, die Herrschaft der Weltreiche beendende und das K o m m e n des Gottesreiches einleitende Geschehen geht.

Sieht man die genannten Visionsberichte daraufhin durch, wieweit dort die Erscheinung des dem Visionär sichtbaren Jahwe bzw. deutenden Engelwesens beschrieben wird 4 6 , so fallen Sacharjas Nachtgesichte vollkommen heraus, da derartige Angaben über den Deuteengel völlig fehlen. Es ist dann auch nicht verwunderlich, daß Sacharjas Deuteengel keinen Namen hat — gleiches gilt übrigens für den des Ezechiel-Buches —, im Unterschied zum Daniel-Buch, wo in 8,16; 9,21 der Name des deutenden Engels, Gabriel, genannt wird 47 . Es bleibt noch (4.) die Wiederherstellung des Wahrnehmungsvermögens des Visionärs zu erwähnen. Spricht Sach 4,1 in Form eines Vergleichs davon, daß der Deuteengel Sacharja befähigt, die Schau wahrzunehmen und ihre Deutung zu erfahren 4 8 , so berichtet Ezechiel in 1,28b—2,2, wie Jahwe (umschrieben durch 131 о Vij?) ihn, der zu Boden gefallen war, anredet und in den Stand versetzt, die ihm geltenden Worte der Sendungsrede zu vernehmen. (Ähnlich, nur kürzer gefaßt, lautet der Bericht in 3,23f.) 4 9 Breit ausgemalt ist die Schilderung eines solchen Vorgangs in Dan 10,8-12 (vgl. auch V.15—19), der in seinen Grundzügen an Ezechiel erinnert, nicht aber an Sacharja. Hier in Dan 10,8—12 wie auch in der etwas knapperen Darstellung von Dan 8,17f ist es — wie bei Sacharja und anders als bei Ezechiel — der dann mit dem Visionär sprechende Engel, der dessen Wahrnehmungsvermögen wiederherstellt. Läßt man die Art der Darstellung, in der Sacharja deutlich verschieden ist von Ezechiel und Daniel, unberücksichtigt und achtet nur auf das handelnde Subjekt, so ist auch bei diesem Vorgang wieder die Entwicklung zu erkennen, daß der deutende Engel bei Sacharja und Daniel an die Stelle getreten ist, die bei Ezechiel noch Jahwe einnahm. d) Jahwe in der Vision Der vorangehende Abschnitt, in dem Rolle und Funktion des Deuteengels in den entsprechenden alttestamentlichen Zusammenhang ge46

Jahwe: Am 9,1; Jes 6,1; Ez 1 , 2 5 - 2 8 (s.a. 3,23); 10,4; 4 3 , 2 f (zu Dan 7,9f s.o.). - Engel: Ez (8,2) 4 0 , 3 ; Dan 8 , 1 5 ; 9 , 2 1 ; 10,5f; 12,6. 47 Vgl. a. 1 0 , 1 3 . 2 1 ; 12,1, wo der Engel Michael erwähnt wird. Zum besonderen Interesse der Apokalyptik an Engelnamcn s . J . S c h r e i n e r , Alttestamentlichjüdische Apokalyptik S . 1 4 0 f , vgl. a. S . 8 8 f (speziell zu Deuteengeln, mit und ohne Namen). 48 Vgl. o. S. 83. 49 Dazu vgl. Zimmerli, Ezechiel z.St.

Vergleich mit den übrigen Visionen des Alten T e s t a m e n t s

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stellt worden sind, zeigte, daß die Wahrnehmungen über den Deuteengel vielfach mit solchen über Jahwe verbunden sind. Wurde dort festgestellt, daß der Deuteengel in vielem an die Stelle tritt, die in den älteren prophetischen Visionen Jahwe einnahm, so ist dem hinzuzufügen, daß sich auch sonst beobachten läßt, wie Jahwe — im Vergleich mit den älteren Visionen — zurücktritt. Ein Beispiel dafür bieten die Angaben des Visionärs darüber, wodurch ihm die Schau eröffnet, ermöglicht wird. An betonter Stelle führen die Propheten vor Sacharja an, daß es Jahwe ist, der sie schauen läßt 1 oder dessen Hand auf den Propheten fällt und ihm die visionäre Schau eröffnet 2 . Auch Sacharja nennt Jahwe noch als Urheber der Schau, wobei er in der Formulierung dieser Aussage (ΠΊΓΓ "ΙΚΤΊ) Amos und Jeremia (πντ1 -ЖЧП (ПЭ)) nahesteht, nicht Ezechiel 3 . Aber es fällt auf, daß Sacharja diese Feststellung - verglichen mit Arnos, Jeremia, Ezechiel — nur sehr selten, ein- bis zweimal (2,3; 3,1), trifft und sie nicht besonders hervorhebt 4 . Ihre Fortsetzung findet diese Entwicklung in den Daniel-Visionen. Hier wird Jahwe als der, der dem Visionär die Schau eröffnet, überhaupt nicht mehr genannt. Stattdessen finden sich folgende Angaben: zu Beginn der Vision K.8 in V.lb ... ,l7S ]1ΤΠ (zu vgl. ist auch die Fortsetzung П^ПЛа ''Vn ΠΝ11Π ППХ . . . 5 , ferner die abschließende Bemerkung in 8,26: ... -|»K1 ItfX .. . ПЮ01), am Anfang der Vision K.10-12 in 10,laß VlCH1? nVll 137. Daraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß hier durch passive Verbformen indirekt und um· 1

Am 7,1.4.7; 8,1; J e r 24,1; 3 8 , 2 1 b ß . Ez 1 , 3 b ; 8,1; 37,1; 4 0 , 1 ; vgl. a. 3,22. Eine solche Angabe fehlt in l . K ö n 22, A m 9 , J e s 6, wo d e r Prophet J a h w e selbst s c h a u t , u n d in J e r 1,11 f. 13f, wo d e r Visionsbericht mit d e r Mitteilung eines von J a h w e an d e n P r o p h e t e n gerichteten Wortes b e g i n n t , worin m a n wohl einen indirekten Hinweis auf J a h we als Urheber der Vision wird sehen d ü r f e n . — Ezechiel b e r i c h t e t zusätzlich zu den g e n a n n t e n Angaben von seiner E n t r ü c k u n g d u r c h d e n Geist (8,3; 11,1; ähnlich 37,1, s.a. 4 3 , 5 ) b z w . d u r c h J a h w e selbst ( 4 0 , l f ) u n d über einen ents p r e c h e n d e n , d u r c h den Geist b e w i r k t e n A b s c h l u ß des visionären Geschehens ( 3 , 1 2 f f ; 11,24). V o n einer solchen E n t r ü c k u n g ist in den Visionen des Arnos, J e s a j a und J e r e m i a nichts gesagt, nichts auch bei Sacharja, wohl aber in apokalyptischen Visionen (s. P. Vielhauer, in: E. Hennecke—W. S c h n e e m e l c h e r , Neut e s t a m e n t l i c h e A p o k r y p e n Bd. II, 3 . A . , 1 9 6 4 , S. 4 0 9 u n d L. Dürr, Die Stellung des P r o p h e t e n Ezechiel in d e r israelitisch-jüdischen A p o k a l y p t i k , 1923, S. 31). In diesem P u n k t führt also von Ezechiel u n t e r Ausschluß Sacharjas eine Verbindungslinie zur A p o k a l y p t i k . 3 Dazu s . o . S. 42. 4 Dazu s.o. S. 82f. 5 Zur F o r m ΠΝΊ3ΓΙ s. Gesenius—Kautzsch § 138 k. 2

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Bemerkenswerte Züge und Strukturen

schreibend das ausgesagt wird, was die prophetischen Visionen direkt aussprachen: daß Jahwe der Urheber der Schau ist. Ohne Zweifel liegt hier ein Element verhüllender Redeweise der Apokalytik vor, bezogen auf Gott und Gottes Handeln. Diese Erkenntnis wird bestätigt durch die Beobachtung, daß die genannten DanielBelege im Zusammenhang einer großen Zahl von passivischen Formulierungen stehen, durch die ein von Gott bewirktes Geschehen umschreibend — d.h. ohne daß Gott als handelndes Subjekt ausdrücklich genannt wird — bezeichnet wird 6 . Indem die Daniel-Visionen nur in dieser umschreibenden Weise von Gottes Handeln reden, heben sie sich deutlich von den prophetischen Visionen ab 7 und damit auch von Sacharjas Nachtgesichten, in denen sich dieses Moment apokalyptischer Redeweise noch nicht findet 8 , die also auch in dieser Hinsicht noch auf dem Boden der Prophetie stehen. Das gilt auch für die Angaben über die Eröffnung bzw. Ermöglichung der Schau, die oben den Ausgangspunkt für die vorstehenden Ausführungen gebildet haben, auch wenn in diesem Punkt die Unterschiede zwischen Sacharjas Nachtgesichten und den früheren prophetischen Visionen nicht zu übersehen waren. Z.B. Dan 7,12b.l4aa.22aß.25bj3.27a; 8 , 1 4 b . 2 5 b ; 9 , 2 4 a ; 10,1 laß,12a; 11,4. 6bj3.11 (in 11,11 ist die in den Zusammenhang des heiligen Kriegs gehörende und dort aktivisch und unter Nennung Jahwes als Subjekt formulierte Wendung "P3 ]ΓΙ3 (s. die Belege bei G. v. Rad, Der Heilige Krieg im alten Israel, 3. A. 1958, S. 7f) passivisch gefaßt unter Vermeidung des Gottesnamens!). 20b. 36bj3; 12,1b. — Dieselbe Funktion wie diese passivischen Formulierungen haben offenbar auch unpersönliche Wendungen wie z . B . in Dan 7 , 1 2 a . 2 6 b a (Verbformen 3.m.pl.); 7 , 5 b ö (pt.pl.) oder in 9 , 2 3 a a ( 1 3 1 KIT). 7 Daß sich auch in diesen ganz vereinzelt derartige passivische, den Gottesnamen vermeidende Formulierungen finden können, zeigt Ez 2,9 ( П т ^ Т , damit ist J e r 1,9 zu vgl., wo derselbe Vorgang aktivisch und unter Nennung Jahwes beschrieben wird: П ' Т Ж ΠΊΓΡ nVtf' 1 !!); vgl. noch J e s 6,7bß, ferner — allerdings nicht in einen Visionsbericht gehörend — J e s 9,5 за (dazu A. Alt, J e saja 8,23—9,6. Befreiungsnacht und Krönungstag ( 1 9 5 0 ) : Kleine Schriften II, S. 2 1 7 f und - zu Ю р 1 ! in 9 , 5 b - S . 2 1 9 1 ) und Ez 38,8. - Als Beispiel für die Vermeidung des Gottesnamens durch die Verwendung unpersönlicher Wendungen s. Ez 1,28 р т а Vip, dazu vgl. o. S. 104), vgl. Ez 2,2; 4 3 , 6 ( 1 3 1 0 ) . 8 Die passivischen Formen in 3,3a; 5,11b scheiden, wie ein Vergleich mit den o. genannten Daniel-Belegen zeigt, aus; dasselbe dürfte auch für 3 , 2 b gelten, da hier ganz offenbar bewußt an ein Wort aus dem Amos-Buch angeknüpft wird (s.u. S. 207f). — Zu vgl. ist das o. S. 88 über die z.T. auch in den Ankündigungen der Nachtgesichte zu beobachtende Distanz Jahwes Gesagte. 6

Zusammenfassung

3.

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Zusammenfassung

Abschließend sollen die Hauptzüge des im vorstehenden Abschnitt Erarbeiteten zusammenfassend genannt werden. Was den Visionär Sacharja anlangt, so fällt im Vergleich mit den übrigen Visionen auf, daß er so gut wie nichts berichtet von einer aktiven oder passiven Beteiligung seinerseits an der Schau, von eigenem Erleben und persönlichen Reaktionen und von Begleitumständen der Vision. Dadurch tritt als wesentliches Moment in der Rolle des Visionärs seine Konzentration auf die Schau und deren Sinn (s. Frage nach der Deutung) heraus. Jahwes Verhältnis zum Visionsgeschehen und zum Visionär ist gekennzeichnet durch sehr große Distanz. Damit hängt die Rolle des Deuteengels und seine herausragende Bedeutung zusammen. Er vermittelt zwischen Jahwe und dem Visionär, er nimmt in einem Fall, verglichen mit den älteren prophetischen Visionen, des Propheten Stelle ein (Fürbitte) und tritt vor allem vielfach an die Stelle, die in den früheren Visionen Jahwe einnahm. In dieser Gestillt des Deuteengels und seiner Funktion werden Ansätze aufgenommen, die in Ezechiels Visionen zu erkennen waren; ferner finden sich hier Züge, die mit Daniels Visionen verbinden. Es hängt u.a. mit dem Genannten zusammen, daß die Form des Gesprächs nicht nur wie in nahezu allen Visionen so auch in Sacharjas Nachtgesichten von Bedeutung ist, sondern daß sich dem Gespräch in diesen auch neue Funktionen und Bereiche eröffneten (Vermittlung zwischen Jahwe und Sacharja). Der Vergleich mit den prophetischen Visionen und denen des Daniel-Buchs ergab im einzelnen in den zu beobachtenden Gemeinsamkeiten und Differenzen verschiedenartige Konstellationen. Diese entziehen sich aber zum Teil einer engen Schematisierung, da ö f t e r 1 in ein und demselben Zusammenhang, wenn man ihn unter verschiedenen Aspekten betrachtet, verbindende und trennende Momente eng beieinander stehen 2 . Allgemein gilt: Unverkennbar bestehen starke Beziehungen zu den älteren prophetischen Visionen; in vielem stehen Sacharjas Nachtgesichte deutlich am Übergang zu Daniels Visionen bzw. in ihrer Nähe 3 , wobei öfter Linien von Ezechiel her aufgenom1

So bes. in Teil 2.c). So z.B. bei der Vergewisserungsfrage, o. S. 101. 3 Der Visionär fragt nach der Deutung (S. 93); Anrede des Engels durch den Visionär (S. 101); der Engel stellt das Wahrnehmungsvermögen wieder her (S. 104); Ermöglichung der Schau für den Visionär (S. 105); vgl. auch das S. 95, 97 im Zusammenhang der Fürbitte und S. 98f zum Thema „Vermittlung" Gesagte. — Siehe auch das in der folgenden Anmerkung Genannte. 2

108

Bemerkenswerte Züge und Strukturen

men werden 4 . Interessant ist, daß Sacharja in einigen Fällen sozusagen über Ezechiel hinweg, an den er nicht anknüpft, älteren prophetischen Visionen nahesteht (bes. Arnos, Jeremia) 5 . Nicht weniger interessant sind die Fälle einige der eben genannten gehören dazu 6 —, in denen Verbindungslinien von Ezechiel zu Daniel und/ bzw. der apokalyptischen Literatur laufen — und zwar unter Ausschluß Sacharjas 7 . 4

Bes.: die am Gespräch Beteiligten (S. 89f); Deuteengel deutet (S. 99f), ist sichtbar (S. 103f), stellt Vergewisserungsfrage (S. 101). — Vgl. auch die Ausführungen zur Aufforderung zum Schauen usw. durch den Deuteengel (S. 100). 5 Umfang des Gesprächs (S. 89); Gespräch zwischen Personen außerhalb der Schau (S. 89); Angaben über Ort und Situation fehlen (S. 91), ebenso über Beteiligung des Visionärs am visionären Geschehen (S. 91f); Wortlaut der Vergewisserungsfrage ( l O l f ) und der Aussage über die Ermöglichung der Schau (S. 105f). 6 Vgl. vorige Anm. 7 Bes.: die Entrückung des Visionärs (S. 105 Anm.), dessen Reaktionen auf die Schau (S. 93), dessen Beteiligung am Visionsgeschehen (S. 91 f); vgl. auch Orts- und Situationsangaben (S. 91), Umfang des Gesprächs (S. 89).

II. DAS INHALTLICHE MATERIAL DER NACHTGESICHTE (BILDMATERIAL, VORSTELLUNGEN, MOTIVE, THEMEN)

Nachdem bisher der Aufbau der Nachtgesichte, die sie prägende Form des Gesprächs zusammen mit der Funktion der an diesem beteiligten Personen besprochen worden sind, sollen jetzt die in den einzelnen Nachtgesichten begegnenden Bilder, Bildelemente, Motive, Vorstellungen und Themen untersucht werden. Zweifellos ist dieser ganze Bereich nicht unabhängig von der Welt, in der der Prophet lebt, von den ihm geläufigen Vorstellungen, von seinem Denken überhaupt. Es war oben S. 39 die Rede davon, welche Rolle die Nacharbeit Sacharjas, seine stilisierende Ausarbeitung und Ausformung, deren Ergebnis die Visionsberichte in der vorliegenden Gestalt sind, gespielt haben wird. Hier soll danach gefragt werden, wieweit zu erkennen ist, ob Sacharja an ihm Vorgegebenes, Überkommenes anknüpft, wieweit er dieses etwa neu kombiniert oder umgestaltet, welche Verbindungslinien dabei wahrzunehmen sind 1 . Sicher kann nicht diese Arbeit Sacharjas in allen ihren Einzelheiten erkannt und aufgezeigt werden. Es kann nur darum gehen, die Frage zu stellen, ob und inwieweit Sacharja — offensichtlich oder nur mehr oder weniger wahrscheinlich — jeweils durch bestimmte Vorstellungen, Bilder usw. angeregt oder bestimmt gewesen sein wird. Das heißt, nicht die Geschichte der einzelnen inhaltlichen Elemente in ihrer Überlieferung ist als solche und in ihrer Gesamtheit Ziel der Untersuchung, sondern sie interessiert nur soweit, wie sie im Rahmen der genannten Fragestellung wichtig ist. Der Bereich der herangezogenen Texte umfaßt in erster Linie die prophetischen Texte, dazu das Daniel-Buch. Jedoch erweist es sich des öfteren als notwendig, diesen Bereich innerhalb des Alten Testaments auszuweiten. Gelegentlich ist auch außeralttestamentliches, altorientalisches Material heranzuziehen, wenn sich dieses vom jeweiligen Bild und seinem Aufbau, von der Art des Motivs, der Vorstellung her nahelegt.

1 Die Fragestellung ist also hier nicht interessiert an hinter den Visionsbildern etwa zu vermutenden unbewußten psychologischen Prozessen. Vgl. dazu die o. S . 3 9 genannten Arbeiten von Lindblom und Haeussermann.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Am Schluß des Teils II wird die sich von den übrigen Nachtgesichten abhebende Vision 3,1—7 im Zusammenhang besprochen, und zwar nicht nur in ihrem inhaltlichen Material, sondern auch in ihrer Stellung unter den anderen Nachtgesichten, woran sich einige abschließende Erwägungen zu dieser Vision anschließen.

A. Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7—15 und 6,1—8) Die bereits aufgezeigte Beziehung zwischen dem ersten und letzten Nachtgesicht 1 legt es nahe, beide Visionen auch bei der Untersuchung des Bild- und Vorstellungsmaterials zusammenzunehmen. Der Schauplatz des visionären Geschehens ist nach dem Wortlaut des MT in beiden Nachtgesichten ein verschiedener: nach 1,8 a ist er charakterisiert durch „die Myrten, die in (oder: in der Nähe, an?) der Tiefe" stehen (ПЬЗПЗ UTK ΕΓΟΙΠΠ); 6,1 nennt „die zwei Berge", die „Berge aus E r z / K u p f e r " sind (ntfm ΉΠ ПППГП ОЛЛП Чй). Wenn der LXX-Text auch in 1,8 von den (2) Bergen spricht, so handelt es sich dabei fraglos um einen Harmonisierungsversuch, der aber die sonstigen Unterschiede zwischen beiden Nachtgesichten, die in der Beschreibung des Schauplatzes (пЬхй, ГНРПЗ) und auch sonst bestehen, nicht aufhebt. Ein verschiedener Ort ist trotz der Nähe beider Nachtgesichte zueinander durchaus sinnvoll: In K.6 handelt es sich um den Ort, von dem aus die Boten in die verschiedenen Gegenden der Welt ausziehen; dabei befindet sich nach 6,5 hinter diesem Ort (den beiden Bergen) die Stätte, an der sie vor J a h w e standen, um — so ist zu schließen — von diesem ihren Auftrag entgegenzunehmen; es ist als durchaus wahrscheinlich anzunehmen, daß diese Stätte mit der von 1,8, an der die von der Erde zurückkehrenden Boten ihre Meldung erstatten, identisch ist. Der Standort des Visionärs wäre dann einmal „diesseits", einmal „jenseits" der beiden Berge. Es ist schon längst aufgefallen, daß beide Ortsangaben durch die Verwendung des Artikels und — in 6,1 — die Art, wie die Berge als Erzberge bezeichnet werden, den Eindruck erwecken, es handele sich um ganz bestimmte und auch bekannte (reale oder bildhaft-mythische) örtlichkeiten. Dieser Eindruck hat sich — zumindest bis jetzt — jedoch nicht bestätigt. Man wird deshalb nur auf bestimmte grundlegende Vorstellungen und Motive hinweisen können, von denen 1

S.o. S. 28ff.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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zu vermuten ist, daß sie auf Sacharjas Schau von Einfluß gewesen sind. Das Motiv zweier Berge bzw. eines zweigipfligen Berges begegnet häufig im Alten Orient, und zwar steht es im Zusammenhang mit der Vorstellung von den den äußersten Horizont der Erde bildenden Bergen 2 . Hier sind etwa die mesopotamischen Siegeldarstellungen des zwischen zwei Bergen emporsteigenden Sonnengottes Schamasch zu nennen 3 , auf die u.a. schon F. Horst 4 hingewiesen hat. Dabei besteht allerdings neben dem Unterschied, daß dort nie ein Gespann wie in Sach6 erscheint 5 , die Schwierigkeit, daß sich diese Darstellungen nur in der Akkad-Zeit finden, also ca. 2300 v.Chr. und d.h. etwa 1800 Jahre vor Sacharja, nie mehr in späterer Zeit 6 . Literarisch ist dieses Thema ebenfalls nachweisbar, z.B. in einem in Assurbanipals Bibliothek gefundenen Hymnus („O Schamasch, bei deinem Hervortreten aus dem großen Berg ,..") 7 . Auch das Gilgamesch-Epos ist zu nennen: auf Tafel IX,II,Iff sind die „.Zwillingsberge' (mäSu), zwischen denen die Sonne unter- und aufgeht" 8 , erwähnt 9 . Zwei Berge haben nach einem ugaritischen Text (СТА 4 VIII,1-9, besonders 2 - 4 = II AB VIII,1-9) die Boten Baals auf dem Weg zum Gott Mot zu passieren, der in der Unterwelt "at the base of the mysterious mountain(s)" wohnt 1 0 . Häufig, u.a. schon 2

Zu dieser Vorstellung als Teil des altorientalischen Weltbildes s. etwa O. Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, 1972, S. 1 7 - 2 0 . 3 Dazu s. z.B. A. Moortgat, Vorderasiatische Rollsiegel, 2. A. 1966, S. 23 und die dort genannten Abbildungen. 4 HAT, S. 219. s Dazu vgl. a. u. S. 125f. 6 Das bleibt eine äußerst große zeitliche Distanz, auch wenn man berücksichtigt, daß „Siegelsteine oftmals weit über ihre Entstehungszeit hinaus, d.h. in viel späteren Perioden noch immer oder erneut verwendet ... wurden" (Η. H. von der Osten, Altorientalische Siegelsteine der Sammlung H. S. v. Aulock, 1957, S. 13; vgl. a. H. Frankfort, Cylinder Seals, 1939, S.218). 7 H. Prinz, Altorientalische Symbolik, 1915, S. 79. 8 F. M. Th. de Liagre Böhl, Art. Gilgamesch, RLA III, S . 3 7 1 ; s.a. H. Schmökel, Das Gilgamesch-Epos, 1966, S. 81, Anm. 1 + 2 und die in A O T 2 und A N E T 2 zu Gilg. IX, 11,1—4 gemachten Anmerkungen. 9 In anderen Zusammenhängen und in Verbindung mit Bel-Marduk ist von „den beiden Bergen" in dem AOT 2 , S. 320—322 wiedergegebenen babylonischen Text die Rede (s. Z. 1,6,7,23,38). 10 R. J . Clifford, The Cosmic Mountain in Canaan and the Old Testament, 1972, S. 86; die hier interessierenden Zeilen des genannten Textes übersetzt er (S. 79): "(1) Then set your face (2) toward Mount Trgzz (3) toward Mount Trmg (4) toward the two hills that stop up the underworld." — J . Aistleitner

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

im Schriftzeichen für Horizont, begegnet im ägyptischen Bereich die Darstellung eines zweigipfligen Berges, zwischen dessen Gipfeln die Sonnenscheibe erscheint 1 1 . Ähnlich wie in den genannten Beispielen bilden die von Sacharja (6,1) geschauten Berge eine Grenze zwischen zwei Bereichen, allerdings bei Sacharja nicht wie dort im kosmographisch-„naturwissenschaftlichen" Sinn des Auf- und Untergangsortes der Sonne — daran erinnert bei Sacharja nichts —, sondern als Stelle des Übergangs zwischen dem Bereich der Welt, den Jahwes Boten durchziehen, und dem, an dem sich Jahwe befindet. Wie diese Vorstellung vom „Himmelstor", das Gottes Boten passieren, an anderer Stelle im Alten Testament im einzelnen ganz anders ausgestaltet sein kann, zeigt Gen 28,1 Off. Die genannten Beispiele belegen die Verbreitung des Motivs des zweigipfligen Berges bzw. zweier Berge am Rande der Welt in verschiedenen Bereichen des Alten Orient. Es erscheint als durchaus wahrscheinlich, daß ganz allgemein dieses Motiv Sacharjas Ausgestaltung der Vorstellung vom Himmelstor beeinflußt hat, ohne daß sich allerdings genauere Verbindungslinien erkennen lassen. Innerhalb des Alten Testaments ist auf eine in gewissen Zügen vergleichbare Äußerung in Dan 2 zu verweisen. In der Funktion des Doppelberges in Sach 6 und des in Dan 2,3Iff erwähnten Berges ist eine Ähnlichkeit festzustellen, sofern man das Ganze des jeweiligen Visions- bzw. Traumgeschehens in seinen Grundzügen berücksichtigt: Von dem jeweils durch den Artikel 1 2 als bestimmte Gegebenheit bezeichneten Berg 1 3 sieht der Schauende die „Werkzeuge" (Sacharja: pferdebespannte Kriegswagen; Daniel: Stein, V.45, s. auch V.34f) ausgehen, die in Jahwes Auftrag (Sach 6,5) und „ohne (Zutun von) Menschenhand" (Dan 2,34.45), also auf geheimnisvolle, überirdische Weise die Weltmächte bzw. die sie repräsentierende Statue (Dan 2) niederwerfen. Bei der Feststellung dieser Gemeinsam-

übersetzt (4) „Zu den (beiden) Höhen, die die Erde begrenzen" (Die mythologischen und kultischen Texte aus Ras Schamra, 1959, S . 4 6 ; ebenso in seinem Wörterbuch der ugaritischen Sprache, 1963, s.v. gsr). 11 H. Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, 1 9 5 2 , z.B. S. 3 0 6 f ; H. Kees, Der Götterglaube im Alten Ägypten, 1941, S . 8 4 ; H. Grapow, Die bildlichen Ausdrücke des Ägyptischen, 1 9 2 4 , S. 2 8 , 29. - S.a. u. S. 178f. 12 Sach 6,1; Dan 2,45, auch Dan 2 , 3 4 , sofern man den MT nach LXX und Theodotion und im Blick auf V . 4 5 ergänzt. 13 Dan 2,45 (34) spricht nur von einem Berg, nicht wie Sacharja von zwei Bergen bzw. einem Doppelberg.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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keit muß man es belassen, direkte Verbindungslinien sind nicht festzustellen. Kaum Anhaltspunkte gibt es für die Herkunft der in Sach 6,1b zu findenden Vorstellung, daß die zwei Berge aus ntfm {Erz, Kupfer, Bronze) bestehen. Der von Greßmann und auch Rothstein 1 4 unternommene Versuch, eine Beziehung zu den beiden Bronzesäulen des salomonischen Tempels herzustellen, vermag nicht zu überzeugen. Die Erwähnung metallener Berge (darunter auch eines aus Kupfer) im Henoch-Buch (52,2.5; s. auch 67,4) kann man nicht heranziehen, da sie erheblich jünger als Sach 6 ist; zudem erinnert der Passus in der Aufzählung verschiedener Metalle viel eher an Dan 2 als an Sach 6. Auch in der sumerischen Tempelbau-Hymne Gudea von Lagaschs ist von einem Erzberg die Rede 1 5 . Aber selbst abgesehen von der zeitlichen Distanz dieses Textes von Sacharja liegt hier sicher keine Parallele zu Sach 6,1 vor, da der Kontext (Besorgung von Baumaterial für den Tempelbau) nahelegt, daß hier ein bestimmter, Erz liefernder Berg gemeint ist. So bleibt als die beim jetzigen Erkenntnisstand allein erwägenswerte Möglichkeit 1 6 die, daß in Sach 6,1 von „Erz" als einem Bild der Festigkeit die Rede ist 1 7 , hier angewandt auf Berge, die ihrerseits schon Festigkeit und Dauerhaftigkeit verkörpern. Dieser Vergleich findet sich in dieser Beziehung häufig im ägyptischen Sprachgebrauch 1 8 . Die Angaben über den Ort des 1. Nachtgesichts wird man kaum wie Rignell als auf den neuen Exodus bezogen verstehen können in dem Sinn, „dass ,die Myrtenbäume in der Tiefe' sich auf das Gericht

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H. G r e ß m a n n , Der Messias, F R L A N T 4 3 , 1929, S. 170; J . W. R o t h stein, a.a.O., S. 167f. 15 „Der Erzberg rief ihn aus Kimasch zu sich. Sein Erz grub er ihm in seine K ö r b e . " (A X V I , 1 6 f ; Übersetzung nach A. Falkenstein—W. v o n S o d e n , Sumerische u n d akkadische H y m n e n u n d G e b e t e , 1953, S. 153). 16 Es sei d e n n , man begnügt sich mit d e r A u s k u n f t , „diese Eigentümlichkeit (werde) d a d u r c h hinreichend erklärt, d a ß der Prophet zeigen wollte, daß er in seinen Nachtgesichten die natürliche Erlebnisgrcnze überschreite" (so A. Ohler, Mythologische E l e m e n t e im Alten T e s t a m e n t , 1969, S. 160). 17 Vgl. J e r 1,18; 15,20: eherne Mauer (ΓΙίΡΠΙ Γ101Π), zu dieser V e r b i n d u n g s.a. A. Alt, Hie m u r u s a h e n e u s esto: ZDMG 8 6 , 1933, S. 3 3 - 4 8 ; s. ferner die folgende A n m e r k u n g . — Ein solches Verständnis vertritt für Sach 6,1 schon Keil, vgl. a. Rignell z . S t . 18 Der Berg gilt im Ägyptischen als S y m b o l der Beständigkeit, u n d von d e r Festigkeit eines Berges (auch einer Mauer) aus Eisen o d e r Erz wird häufig in Vergleichen gesprochen. So H. G r a p o w , Die bildlichen Ausdrücke des Ägyptischen, 1924, S. 5 2 , 59. 8 J e r e m i a s , Nachtgesichte

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

über die Weltmacht zur Erleichterung für das Volk Gottes beziehen" 1 9 . Denn dieses übertragene, symbolische Verständnis nimmt die Angaben nicht als Ortsangaben dieser Vision ernst; ferner sieht Sacharja offensichtlich die Rückkehr aus dem Exil gerade nicht im Glanz eines wunderbaren zweiten Exodus 2 0 . Zum Verständnis der Ortsangaben wird man vielmehr etwa in der von F . H o r s t 2 1 gewiesenen Richtung vorgehen müssen, ohne allerdings seine Lösung einfach zu übernehmen. Den Begriffen D'pin und nVso, mit denen der Schauplatz des 1. Nachtgesichts gekennzeichnet wird, allein und ihrem alttestamentlichen Sprachgebrauch ist nichts zu entnehmen, was die Frage nach der Herkunft des Bildmaterials beantworten k ö n n t e 2 2 . Nun legt aber die Tatsache, daß die Boten nach ihrer durch Jahwe angeordneten Erkundung auf der Erde (1,10b) an diesen Ort (zurückkommen, um Bericht zu erstatten, nahe, daß dieser Ort in einer Beziehung zu dem Auftraggeber, Jahwe, steht. (Zwar erscheint Jahwe selbst nicht. Seine Nähe wird aber offensichtlich auch durch das Gespräch V.12f angezeigt.) 1st zudem dieser Ort u.a. durch Myrten, vielleicht also durch einen garten- oder hainartigen Charakter bestimmt, dann liegt die Vermutung nicht fern, daß in Sacharjas Schau und Schilderung die Vorstellung vom Gottesgarten eine Rolle spielt 2 3 . Ein Charakteristikum des Gottesgartens ist nach der hinter Gen 2,1 Off stehenden Überlieferung dessen Wasserfülle. Es ist zu erwägen, ob diese Vorstellung nicht in irgendeiner Weise in dem Begriff 19

A.a.O., S. 26. Dazu s.o„ S. 20f und Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition ..., S. 2 2 f f . 21 HAT, S. 219. 22 Myrten werden außer in Sach 1 noch dreimal im Alten Testament erwähnt: Sie begegnen zweimal im Zusammenhang der Heilsankündigung Deuterojesajas (41,19; 5 5 , 1 3 ) , einmal (Neh 8,15) als Material für den Laubhüttenbau. n V s a bezeichnet im Alten Testament sonst immer die Wassertiefe (meist die Meerestiefe, in Ps 69,3 tiefen Schlamm, in Sach 10,11 die „Tiefen des Nils"), und zwar fast ausschließlich als Ort der Not, des Verderbens, der Gottferne — ein Bedeutungsgehalt, der in Sach 1,8 ganz sicher nicht gegeben ist. Zu vgl. ist a. nVTä Jes 4 4 , 2 7 . 23 Zum Gottesgarten s. G e n 2 , 8 f ; 3,8, Ez 31,8 (f). Allerdings ist, sofern überhaupt bestimmte Gewächse genannt werden, nie von Myrten die Rede. Wenn jedoch in J e s 4 1 , 1 8 f Paradiesesmotive benutzt sind (so z.B. A.Jepsen, Art. Paradies II: RGG 3. A. Bd. 5, S p . 9 7 ) , dann könnte auch die Myrte — sie ist zusammen mit einer Reihe von Bäumen in V.19 genannt — in eine gewisse Beziehung zur Überlieferung vom Paradies bzw. Gottesgarten kommen. 20

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7 — 15 u n d 6,1—8)

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nbsa in Sach 1,8 anklingt. Dem kommt entgegen dessen Bedeutung im übrigen Alten Testament (Wassertiefe), die man dann auch hier beibehalten k ö n n t e 2 4 , ohne andere Bedeutungen annehmen zu müssen 2 5 . Ein Unterschied besteht allerdings darin, daß hier ganz offenbar nicht wie in Gen 2,1 Off ein den Garten durchfließender Strom gemeint i s t 2 6 , sondern wohl — entsprechend dem im Alten Testament überwiegenden Sprachgebrauch von nbsa — an ein Meer zu denken ist, an dessen Ufer die Myrten stehen 2 7 . Dieses Verständnis der Ortsangaben in Sach 1,8 findet eine Stützung in Texten aus Israels Umwelt. So wird der Wohnsitz des ugaritischen Gottes El mehrfach und immer im gleichen Wortlaut beschrieben: ... 'il. mbk. nhrm. qrb. 'apq t h m t m 2 8 , was R. J. Clifford in seiner neuen Untersuchung The Cosmic Mountain in Canaan and the Old Testament (1972) jetzt übersetzt: "... El at the sources of the Two Rivers, in the midst of the pools of the Double-Deep" 2 9 . Der Gotteswohnsitz liegt demnach am Wasser, was des näheren im Parallelismus beschrieben wird durch ,,(2) Ströme" und „2 (Ur-)Tiefen bzw. Ozeane", womit hier offenbar Paradiesesvorstellungen aufgegriffen sind 30 . 24

Die Präposition 3 m ü ß t e m a n d a n n nicht als „ i n " , sondern als „ b e i " , „ a n " zum A u s d r u c k d e r örtlichen Nähe übersetzen (so a. S e y b o l d , Bilder ..., S. 24, 67) — es sei d e n n , m a n übersetzt mit Horst „die in der Meerestiefe wurz e l n " (s. dazu a. Horst z . S t . S . 2 1 9 ) . 25 E t w a T a l g r u n d : so z.B. Marti, N o w a c k , Elliger. Gegen diese entmythisierende D e u t u n g w e n d e t sich j e t z t auch H. Gese, der n V s ö mit „ A b g r u n d " übersetzt, darin aber „den m y t h i s c h e n Ort d e r O k e a n o s t i e f e und d a m i t den Eingang zur U n t e r w e l t " bezeichnet sieht (ZThK 70, 1973, S . 2 5 ) . 26 I m m e r h i n ist auf Sach 10,11 hinzuweisen, wo von d e n „Tiefen des Nils" die Rede ist, also auf einen S t r o m bezogen ist. Dieser wird allerdings ausdrücklich g e n a n n t — im Unterschied zu Sach 1,8. 27 Vgl. Horst z.St. ( S . 2 1 9 ) . Gese (a.a.O., S. 26) spricht dagegen v o n d e n „Myrt e n , die in der Tiefe des Okeanos s i n d " . Er sieht d a m i t den „Eingang zum J e n seitsgelände im äußersten Westen" (a.a.O., S . 3 5 ) , den „Eingang z u r Unterw e l t " (a.a.O., S . 2 5 , A n m . 2 4 ) b e z e i c h n e t , w ä h r e n d Horst vom O s t e n , vom „östlichen Himmelseingang" spricht. Anders v e r m u t e t Seybold (Bilder ..., S. 68) eine Beziehung zum „Tempelsymbol des .Ehernen M e e r e s ' " . 28 СТА 2 111,4; 3 E , 1 4 f ; 4 I V , 2 1 f ; 6 1 , 3 2 - 3 4 ; 17 VI,47f (= III A B - C , 4 ; V AB—E,14f, II AB I V / V , 2 1 f ; I AB 1 , 4 - 6 ; II D V I , 4 7 f ) . 29 S. 4 8 . D o r t auch S. 4 9 f eine E r ö r t e r u n g der ugaritischen Begriffe in ihrer B e d e u t u n g , besonders des Wortes ' a p q . Die Worte 'apq t h m t m übersetzen etwas anders z.B. J . Aistleitner (Die m y t h o l o g i s c h e n ... T e x t e , 1959) als „Quellen d e r b e i d e n O z e a n e " und A. J i r k u (Kanaanäische M y t h e n und E p e n aus Ras Schamra — Ugarit, 1962) als „Tiefen der beiden O z e a n e " . 30 Clifford a.a.O., S. 5 0 : " T h e language in the passage, t h e n , is b o r r o w e d f r o m old M c s o p o t a m i a n p o e t r y which places t h e god in paradise, t h e source of lifegiving w a t e r s . " Genaueres dazu in Auseinandersetzung mit älteren Lokalisierungs-

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Sachlich-inhaltlich berühren sich diese Vorstellungen mit dem oben erwogenen Verständnis der Ortsangaben in Sach 1,8. Ein mit dem Begriff nVsa stammverwandtes Wort findet sich jedoch nicht 3 1 . Sind die aufgeführten Angaben über Eis Wohnsitz mit den Erwähnungen eines Bergwohnsitzes dieses Gottes 3 2 verbunden 3 3 bzw. zu verbind e n 3 4 , dann liegt damit eine Vorstellung vor, die für den oben 3 5 vermuteten Zusammenhang zwischen den beiden Schauplätzen des 1. und letzten Nachtgesichts Sacharjas interessant ist. Hinzuweisen ist auch auf das Gilgamesch-Epos. Ist Tafel X als direkte Fortsetzung von Tafel IX anzusehen 3 6 , dann scheint der Garten mit Edelsteinbäumen 3 7 „am Ufer des mythischen Meeres, das die Welt der Lebenden begrenzt" 3 8 und an dem die Schenkin Seduri w o h n t 3 9 , zu liegen. Im Blick auf die vermutete Beziehung zwischen dem Schauplatz des 1. und letzten Nachtgesichts Sacharjas ist es bemerkenswert, daß diesem Garten aus Edelsteinbäumen der schon erwähnte Doppelberg Maschu vorgelagert ist - Gilgemasch muß diesen durchschreiten, bevor er jenen erreicht. Vor allem ist dazu aber auch auf die im Alten Testament aus Gen 2,10—14 und dazu aus Ez 28,(13.) 14 zu erschließende Vorstellung zu verweisen, daß der Garten des Paradieses im Bergland auf dem Gottes- bzw. Weltberg im Norden liegt 4 0 .

versuchen bei Clifford, S . 4 9 f , s.a. S. 191. Vgl. a. die Deutung V. Maags (in: H. Schmökel (Hrsg.), Kulturgeschichte des Alten Orient, 1961, S. 5 7 4 f ) . 31 Immerhin ist darauf hinzuweisen, daß nVSD (pl.) einmal im Alten Testament parallel zu Diin (pl.; vgl. den o. zitierten ugaritischen Text) stehen kann: Ex 15,5. 32 Z.B. СТА 1 III,22f (= VI AB III,22f), s. weitere Belege bei Clifford, a.a.O., S. 3 5 f f . 33 Zu dem sich an die oben zitierte Beschreibung des Wohnsitzes Eis anschließenden Satz und zu dem darin vorkommenden Wort, das Clifford mit „Zelt" und nicht mit „Berg" oder „Gefilde" übersetzt, s. Clifford, a.a.O., S. 51 ff. 34 Clifford, a.a.O., S. 51: "El lives on the mountain, which is described with ancient paradisiacal motifs." Vgl. a. Clifford, S. 191. 35 S. 110. 36 Eine andere als diese häufig vertretene Ansicht äußert H. Schmökel, Das Gilgamesch-Epos, S. 85. 37 Tafel IX, V, 4 7 f f . 38 Schmökel, ebda. 39 Tafel Χ,Ι,Ι. 40 Dazu vgl. die Kommentare zu den beiden genannten Stellen (bes. Gunkel, HK 1,1, 3. A. 1910; v. Rad, ATD 2 / 4 , 5. A. 1958; Zimmerli, BK XIII), ferner K. Goldammer, Art. Himmelsberg, RGG 3. Α., Bd. 3, Sp. 3 8 8 ; A. Jepsen, Art. Paradies II, RGG 3. Α., Bd. 5, Sp. 9 6 f .

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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Anders als bei den Angaben über den Schauplatz kann man hinsichtlich der überlieferungsmäßigen Verwurzelung der Visionsszene selbst in l,7ff und 6,Iff zu sicheren Aussagen kommen: Es ist unschwer zu erkennen und auch schon gesehen worden 4 1 , daß hier das im Alten Testament mehrfach vorkommende Motiv der himm. lischen Versammlung begegnet. Am deutlichsten ist es — nicht ohne Variationen — ausgeführt in den prophetischen Visionen l . K ö n 2 2 , 1 9 - 2 2 , Jes 6; auch Ez 1 3 ; ferner in Hi 1,6- 12; 2,1- 7a: Um den thronenden Jahwe herum stehen, zu seinem Dienst bereit, himmlische Wesen, mit denen er sich berät oder denen er Aufträge erteilt 4 2 . In Sach l,7ff ist — genau genommen - von zwei Versammlungen himmlischer Wesen die Rede: a) Sacharja schaut eine Gruppe von Reitern mit ihren Pferden (V.8), die über die Ausführung ihres Auftrages, „die Erde zu durchstreifen" (V. 10b, s. auch V . l l ) , berichten. b) Auf eine frühere himmlische Versammlung, in der Jahwe gegenwärtig war und in der er den Reitern ihren Auftrag erteilte, läßt das äußerst knapp gefaßte deutende Wort V.lOb schließen. Sacharja schaut diese Versammlung also nicht selbst, sondern erfährt nur von ihr. In drei ganz verschieden gewichtigen Punkten zeigen sich im einzelnen Gemeinsamkeiten mit anderen eine himmlische Versammlung erwähnenden Texten: 1. Der Bericht eines himmlischen Wesens, hier des Satan, findet sich auch in Hi l , 7 f f , 2,2ff. Zu nennen ist ferner die Visionsszene Ez 9, innerhalb deren der Linnenbekleidete Jahwe über die Ausführung des ihm vorher von diesem erteilten Auftrags berichtet (V. 3f. 11).

2. Der Auftrag der Reiter war in Sach 1,10b (s. auch V . l l ) zusammengefaßt in den Worten f i x a "jVrmn. Mit denselben Worten ist 41

Z.B. durch F. Horst, Die Visionsschildcrungen ..., S. 198. Im einzelnen s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 18—21, 35—37; H. Wildberger, Jesaja, BK X, S. 2 3 6 - 2 3 8 ; F. Horst, Hiob, BK XVI/1 S. 12ff; ferner z.B. A. Alt, Gedanken über das Königtum Jahwes (1945): Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel 1,1953, S. 3 4 5 - 3 5 7 , bes. S. 3 4 9 f f ; G. Cooke, The Sons of (the) God(s): ZAW 76, 1964, S. 2 2 - 4 7 ; F. Horst, Die Visionsschilderungen ..., S. 1 9 7 - 1 9 9 ; F.. C. Kingsbury, The Prophets and the Council of Yahweh: JBL 83, 1 9 6 4 , S. 2 7 9 - 2 8 6 ; H. J. Kraus, Psalmen, BK XV S. 570f; A. Ohler, Mythologische Elemente im Alten Testament, 1969, bes. S. 2 4 f f , 190ff; W. Schlißke, Gottessöhne und Gottessohn im Alten Testament, BWANT V , 1 7 , 1973. Zum altorientalischen Hintergrund s. vor allem Schlißke, a.a.O., S. 15 — 20. 42

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

die Aufgabe bezeichnet, die sich für die Wagenzüge des letzten Nachtgesichts auf Grund der vorausgehenden himmlischen Versammlung (6,5, dazu vgl. unten) ergeben h a t 4 3 . Auch der Satan von Hi If antwortet in seinem eben schon erwähnten Bericht auf Jahwes Frage nach seinem Tun u.a. mit derselben Wendung: f i x a ültfü rn l^nnnai (1,7; 2,2). Dabei geht dem 2. Bericht die Beauftragung, Ermächtigung durch Jahwe in der vorangehenden Versammlung voraus (1,12). 3. Vor allem erhält Sacharja im Zusammenhang mit dieser von ihm visionär geschauten himmlischen Versammlung einen ausdrücklichen Verkündigungsauftrag (l,14f). Darin liegt ein Sach l,7ff mit den Visionen Jes 6; Ez 1 - 3 (vgl. a. l . K ö n 22,19ff) verbindendes Moment vor 4 4 . Das gilt, auch wenn sich im einzelnen Sach l,7ff ganz wesentlich von den anderen Texten unterscheidet: Denn Sacharja schaut Jahwe nicht selbst und hört auch den Verkündigungsauftrag nicht unmittelbar aus seinem Mund, sondern erfährt ihn durch den vermittelnden Deuteengel 4 5 . Andererseits darf nicht übersehen werden, daß dieses die einzige Gelegenheit innerhalb der Nachtgesichte ist, bei der Jahwe unmittelbar mit einer anwesenden Person spricht, hier also mit dem Deuteengel, der Sacharja Jahwes Wort weitergibt 4 6 . Angesichts von Aussagen wie Jer 23,18.22, aber auch der Visionen l . K ö n 22,19ff, Jes 6 4 7 stellt sich die Frage, ob das auch sonst für Sacharja bedeutsame Problem der prophetischen Legitimation 4 8 dahinter steht, wenn er an den Anfang der Reihe von 7 (8) Nachtgesichten gerade die Vision stellt, in der der einzige ausdrückliche Verkündigungsauftrag an ihn im Zusammenhang mit der Schau einer himmlischen Versammlung ergeht. Im letzten Nachtgesicht (6,Iff) schaut Sacharja zu Beginn noch den letzten Akt einer solchen Versammlung, die vor Jahwe stattgefunden hat: Er sieht die von Jahwe mit einem bestimmten Auf43

Mit denselben Worten, mit denen in Sach 6 , 7 b der Engel die Wagen zur Abfahrt auffordert, befiehlt Josua (Jos 18,8) den von ihm beauftragten Boten (V.4: У 1 Ю I D V m n . . . OnWiO, vgl. Sach 1,10b) den Aufbruch: 1Э1?

ID^nnnO). 44

Vgl. dazu etwa W. Zimmerli, Ezechiel, S. 18, 20; Horst, Die Visionsschilderungen ..., S. 197. 45 Dazu s.o. S. 85f, 88, auch S. 98ff. 46 Dazu s.o. S. 88. 47 Dazu s. Horst, Die Visionsschilderungen ..., S. 197: „Prophet ist der, der das ,Wort' Gottes ,sah und hörte', weil ihm verstattet wurde, im visionären Erlebnis einer himmlischen Ratsversammlung beizuwohnen ...". 48 Vgl. die Erkenntnisformulierungen in 2 , 1 3 . 1 5 ; 4,9; 6,15.

Das 1. und das l e t z t e Nachtgesicht (1,7—15 und 6 , 1 — 8 )

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trag Versehenen 4 9 ausziehen. Zur Beschreibung dieses Vorgangs dient hier (6,1.5, s. auch V.6.7.8) das Verb KS1, ebenso wie auch im Zusammenhang anderer Erwähnungen einer himmlischen Versammlung (1. Kön 22,22; Hi 1,12; 2,7a; s. auch Dan 9 , 2 2 ) 5 0 . Hier wie in Hi 1,6, 2,1 wird das zum Dienst bereite Sich-Einfinden bzw. Stehen der himmlischen Wesen vor Jahwe durch den Ausdruck bezeichnet. Ausdrücklich wird in 6,1 gesagt, daß es sich um vier Wagen handelt, die ausziehen. (Auch in 1,8 geht es, allerdings viel weniger deutlich, um eine Vierheit, sofern der „Mann zwischen den M y r t e n " als Anführer der Reiter zu verstehen ist.) Es fällt auf, daß im Rahmen einer himmlischen Thronszene bzw. Versammlung nur hier und in Ez 1 von einer Vierheit himmlischer Wesen die Rede ist, ohne daß sich allerdings direkte Verbindungen aufzeigen lassen. In Sach 6 erklärt sich die Vierzahl der Wagen daraus, daß sie die vier Winde des Himmels sind, wie die Deutung 6,5 sagt 5 1 , ihr Bereich, in dem sie ihren Auftrag auszuführen haben, die gesamte Erde ist (s. auch die im jetzigen T e x t allerdings unvollständigen Angaben in 6,6f). Dabei w i r d das „ N o r d l a n d " besonders h e r v o r g e h o b e n ( 6 , 8 ) . In dieser Bezeichnung ist mit d e m W o r t N o r d e n m e h r als nur eine der vier H i m m e l s r i c h t u n g e n g e m e i n t , v i e l m e h r w i r d es um den N o r d e n als die alte Unheilsrichtung g e h e n 5 2 . Denn es klingt hier sicher die V o r s t e l l u n g v o m F e i n d aus d e m N o r d e n nach, von d e m besonders in der Frühverkündigung J e r e m i a s ( v o r allem J e r 4 — 6 ) die R e d e ist. A u f J e r e m i a s Verkündigung f u ß t dann E z 3 8 f , w e n n d o r t v o n A u f diese Beauftragung verweist im Rückblick d e r D e u t e e n g e l ( V . 5 ) , vgl. 1,10 im 1. N a c h t g e s i c h t .

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K S 1 auch in Sach 2,7a in diesem Sinne zu verstehen ist nicht u n p r o b l e m a tisch, da dann NS 4 in V . 7 b w e g e n des m i t ihm v e r b u n d e n e n I D N I p ? nicht diese spezielle Bedeutung haben kann; d e n n „ w e n n b e i d e Engel, w i e man ann i m m t , aus der gleichen R i c h t u n g ( z . B . aus d e m H i m m e l s t o r e ) .ausgehen', so kann es nicht heissen, dass der eine d e m anderen b e g e g n e t " ( R i g n e l l , z . S t . , vgl. a. Sellin z . S t . ) . Deshalb w i r d man ИХ 4 hier besser m i t Rignell ( z . S t . ) in d e r allg e m e i n e r e n B e d e u t u n g „ h e r v o r k o m m e n , auf der S z e n e e r s c h e i n e n " verstehen. Ä n d e r t man j e d o c h , w i e es h ä u f i g geschieht ( z . B . Wellhausen, Sellin, E l l i g e r ) , ИХ 4 in V . 7a in "Töi?, dann steht d e m speziellen Verständnis v o n S S 1 in V . 7 b nichts i m W e g e . — In j e d e m Fall ist also d e r Sachverhalt in Sacharjas N a c h t g e sichten, aber auch in anderen visionären S z e n e n nicht z u t r e f f e n d , w e i l zu allg e m e i n und nicht d i f f e r e n z i e r e n d , beschrieben in Beukens Feststellung (a.a.O., S. 2 4 8 , A n m . 3 ) : „ N X * ist in V i s i o n e n ein technischer A u s d r u c k für das A u f t r e ten h i m m l i s c h e r G e s t a l t e n . " ( A b g e s e h e n d a v o n , daß ХХ 4 in Sacharjas N a c h t g e sichten nicht nur auf „ h i m m l i s c h e G e s t a l t e n " b e z o g e n ist, sondern e t w a auch auf den Fluch ( 5 , 3 . 4 ) , ein Epha ( 5 , 5 f c . t . , dazu o . S. 10, 6 5 ) ) . 50

51 Z u dieser G l e i c h s e t z u n g s.o. S. 31 f. — Zu den vier W i n d e n (des H i m m e l s ) s.u. S. 123. 52

Dazu vgl. o . S. 3 5 f .

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

einem letzten Einfall einer Feindmacht aus dem Norden unter Führung Gogs (39,2, s. auch 38,6) die Rede i s t 5 3 .

Nicht nur im 1. und letzten Nachtgesicht findet sich das Motiv der himmlischen Versammlung. Seine breiteste Ausgestaltung begegnet vielmehr in 3,1 ff, der in mancher Hinsicht sich von den übrigen Nachtgesichten abhebenden, im Aufbau deutliche Verbindungslinien zu J e s 6 aufweisenden 5 4 Vision. Anders als in l , 8 f f ; 6 , I f f handelt es sich hier um eine Gerichtsszene, in deren Mittelpunkt — auch das ist anders — die Gestalten des „Engels Jahwes", dem andere himmlische Wesen 55 unterstellt sind, ferner des Satan und auf der anderen Seite die Gestalt des Hohenpriesters Josua, also einer bestimmten Person der Zeit Sacharjas, stehen. Wie in l , 8 f f und 6 , I f f ist Jahwe in dieser Versammlung nicht anwesend, es wird vielmehr auch hier auf eine solche sicher in Gegenwart Jahwes stattfindende Versammlung nur hingewiesen: in der Verheißung an J o s u a in V. 7 b 5 6 . Beschreibt das Verb las? in 1. Kön 22,19 (+ Vs?) und auch in J e s 6,2 (+ Vyna) die Haltung der als „Heer des Himmels", als „Seraphen" bezeichneten himmlischen Wesen als zum Dienst bereitstehender Untergebener, so dient es in Sach 3,4 geradezu zur einzigen Bezeichnung dieser Wesen: Es sind die „vor ihm (d.h. dem Engel Jahwes) Stehenden" (VJB1? ППаюл), denen dieser Befehle erteilt 5 7 . Dieselbe Bezeichnung findet sich in V. 7 b und meint hier zweifellos die himmlischen Wesen in Jahwes Thronrat 5 8 . Eine ganz wesentliche Gestalt der in 3,1 ff geschilderten himmlischen Versammlung ist der ganz offensichtlich zu den himmlischen Wesen gehörende Satan. Er tritt auf als Ankläger Josuas (V.l). Ihm tritt der „Engel J a h w e s " entgegen, der sich auf die Seite Josuas stellt, indem er die Anklage abweist (V.2). Ganz ähnlich ist in Hi If vom Satan die Rede. Er erscheint dort inmitten von Jahwes Hofstaat ebenfalls als Teilnehmer einer himmlischen Versammlung, der die Funktion eines Anklägers hat, dessen Aufmerksamkeit auch hier einem bestimmten Menschen (Hiob) gilt, über den es zwischen ihm und Jahwe zu einem Gespräch k o m m t 5 9 . Dazu s. W. Zimmerli, Ezechiel S . 9 3 8 f . Dem wird im einzelnen nachgegangen u. S. 203—206. 55 v j t j i j п - н а ю л 3,4, s.a. V.7. 5 6 Zum Verständnis von V . 7 b s.u. S. 217f. Zu den Einzeluntersuchungen des Überlieferungsgutes in 3 , l f f s.u. S. 2 0 3 f f . 5 7 Anders bezeichnet "ЧВ1? 1 Ü S in 3,1a. 3 b offensichtlich kein Dienstverhältnis, sondern einfach das Stehen vor j e m a n d e m . 5 8 Dazu s . u . S. 217. 5 9 Zu den verschiedenartigen in der Literatur vertretenen Ansichten über den Satan und seine Funktion ist auf die Übersicht bei F. Horst z . S t . und jetzt 53

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Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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Im Nachtgesicht 4,Iff schließlich werden die beiden mit den ölbäumen gemeinten "inSTl ча näher charakterisiert als die, die „vor dem Herrn der ganzen Erde stehen" (4,14). Sie haben offenbar Zutritt zu Jahwe, stehen ,,,zur Seite des Herrn' in Bereitschaft zum Dienste, wie die Minister neben dem auf dem Thron sitzenden König stehen, seiner Befehle gewärtig" 6 0 . Auch hier in diesen wenigen Worten von Sach 4 , 1 4 b klingt ganz offensichtlich das Motiv der himmlischen Versammlung an, zu deren Beratung beide Zutritt h a b e n 6 1 . Der Sprachgebrauch unterstützt diese Feststellung: ^>57 4S57 wird hier wie in l . K ö n 22,19 zum Ausdruck des Dienstverhältnisses gebraucht; die Bezeichnung f i x n V3 | П 8 für Jahwe steht hier wie in Sach 6,5. Kurz ist hier n o c h auf die eben g e n a n n t e Bezeichnung J a h w e s als ,,Herr d e r ganzen E r d e " einzugehen. Sie findet sich im A l t e n T e s t a m e n t n o c h in J o s 3,11.13; Mi 4 , 1 3 , Ps 97,5. (Zu vgl. sind ähnliche J a h w e - P r ä d i k a t e wie ' Л ^ К р К Л - V D J e s 5 4 , 5 , р Х Л - ^ Э - 1 ? » I v V y P s 8 3 , 1 9 ; 97,9, Т Ч Х Л - ^ Э " 1 ? » VlTl -]*?a Ps 47,3.) Es fällt auf, d a ß in ugaritis'chen T e x t e n m e h r f a c h Baal b e z e i c h n e t wird als „der Fürst, der Herr d e r E r d e " (zbl. b'l ' a r s ) 6 2 . Die V e r m u t u n g liegt n a h e , d a ß hier Z u s a m m e n h ä n g e b e s t e h e n 6 3 . Wenn Sacharja diese Prädizierung J a h wes n e n n t — in 6,5 entspricht sie auch d e m w e l t w e i t e n H o r i z o n t dieses Nachtgesichts —, d a n n wird er in b e w u ß t e m K o n t r a s t zu den k ü m m e r l i c h e n A n f ä n gen im nachexilischen J e r u s a l e m hervorheben wollen, d a ß das in d e n Nachtgesichten angekündigte Neue von d e m bewirkt wird, dessen H e r r s c h a f t sich über alle Welt erstreckt.

Vergleicht man zusammenfassend in den Hauptlinien das in Sacharjas Nachtgesichten zum Thema himmlische Versammlung Gesagte mit den prophetischen Visionen l . K ö n 2 2,19 ff; Jes 6; Ez 1; auch Hi I f , dann fällt als herausragender Unterschied der auf, daß Sacharja selbst nie eine himmlische Versammlung mit J a h w e schaut. Nur einmal (6,1 ff) sieht er die eine solche gerade verlassenden Beauftragten Jahwes. Eine Versammlung mit Jahwe wird sonst nur rückblickend erwähnt, und zwar in den Worten des Deuteengels (1,10 b; 6,5), oder auf sie wird angespielt in der Zusage an Josua (3,7b) und der Deutung 4,14. Sacharja schaut selbst nur Versammlungen himmlischer Wesen, die im Dienst Jahwes stehen; an Jahwes Stelle steht auch in seinem H i o b - K o m m e n t a r (BK X V I / 1 , S. 13f) zu verweisen. (Horst selber versteht d e n S a t a n in Sach 3,1 f u n d in Hi If als " o p p o s i t o r " , d e r „Einspruch gegen M a ß n a h m e n G o t t e s " e r h e b t ; so H o r s t , H i o b S. 14.) Vgl. a. W. Zimmerli, G r u n d r i ß der a l t t e s t a m e n t l i c h e n Theologie, Theologische Wissenschaft 3, 1972, S. 150. 60 R o t h s t e i n , a.a.O., S. 127, A n m . 1. 61 Dazu vgl. a . u . S. 2 1 7 f . 62 So СТА 3 A I,3f; 5 VI,10; 6 I,42f; 6 I I I / I V , 3 . 9 . 2 1 . 2 9 . 4 0 (= V AB—A,3f; I + AB V I , 1 0 ; I AB I,14f; I AB I I I / I V , 3 . 9 . 2 1 . 2 9 . 4 0 ) . 63 Dazu s. etwa H. J . Kraus, Psalmen, S. 198f.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

dabei der „Engel J a h w e s " (3,1 ff) oder der Deuteengel. Dieser Zug fügt sich ohne weiteres ein in das auch sonst zu beobachtende indirekte Verhältnis zwischen Jahwe und Sacharja 6 4 . Nichts mehr ist bei Sacharja davon zu hören, daß Jahwe sich mit den ihm dienenden Wesen berät, wie es l . K ö n 22 berichtet (vgl. auch noch Jes 6,8 und in Hi If das Gespräch Jahwes mit dem Satan). In den Serubbabel und Josua geltenden Worten 4,14 und 3,7 ist davon ebenfalls ausdrücklich nichts gesagt; sicher ist aber der Zutritt zu Jahwe als Teilnahme an dessen Beratungen zu verstehen 6 5 . Auch das fällt auf, daß die himmlischen Wesen, die nach Sacharja (1,10; 6,5ff) ebenso wie nach l . K ö n 22; Hi If von Jahwe (bzw. in Sach 3 , l f f vom „Engel Jahwes") beauftragt und ausgesandt werden 6 6 , anders als in l . K ö n 22,19 (das ganze Heer des Himmels), Jes 6,2 (Seraphen), Hi 1,6; 2,1 („Gottessöhne") 6 7 bei Sacharja nicht benannt werden. Sie treten vielmehr zurück hinter den Mitteln (Pferde, von Pferden gezogene Streitwagen), mit denen sie ihren Auftrag ausführen 6 8 , der in der Deutung genannt ist 69 . Es geht also offenbar nur um ihre Funktion im Rahmen ihres Auftrags. Ihrer Funktion nach sind die himmlischen Wesen des 1. und des letzten Nachtgesichts Boten, Beauftragte Jahwes. Sie erscheinen Sachaija in der Gestalt von berittenen Kundschaftern 7 0 und von - mit den 4 Winden gleichgesetzten (6,5) — pferdebespannten Wagen 71 . Höchstwahrscheinlich besteht zwischen diesen Reitern und den Wagen mit ihren Zugpferden und zwischen ihren Aufgaben ein enger Zusammenhang: Nachdem die Reiter in Jahwes Auftrag die Erde erkundet und darüber Bericht erstattet haben (1,7ff), werden sie und ihre Pferde erneut von Jahwe ausgesandt, jetzt mit Wagen und mit einem Auftrag, der mit dem Ergebnis ihrer Erkundung zusammen-

64 65 66 67 68

Dazu s. die genaueren Ausführungen o. S. 9 8 f f , 104f. Vgl. dazu S. 217f. In Jes 6 und Ez 1—3 ist dieser Vorgang auf den Propheten bezogen. In Ez 1—3 (z.B. in 1,5) findet sich für sie die allgemeine Bezeichnung DVII. In 3,1 ff werden sie nur in ihrem Dienstverhältnis bezeichnet: als

nnns?. 69

Darüber hinaus werden in der Deutung 6,5 die Wagenzüge noch den vier Winden gleichgesetzt. 70 1,8: hinter einem Reiter auf rotem Pferd schaut er verschiedenfarbige Pferde, zu denen zweifellos auch Reiter gehören, s. 1 , 1 0 b . 1 1 . 71 Jeder der vier Wagen (6,1) wird von Pferden einer bestimmten Farbe gezogen, 6,2 f.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7 — 15 und 6,1—8)

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hängen dürfte (6,1 ff) 7 2 . Was die Funktion der himmlischen Wesen als Boten, Beauftragte Jahwes anlangt, so sind bestimmte inneralttestamentliche Bezüge bereits genannt worden: die im Rahmen einer himmlischen Versammlung gegebene Situation der Beauftragung durch Jahwe und die der Berichterstattung über die Ausführung des Auftrags 7 3 . Eine ganze Aufzählung von entsprechenden Aufgaben bietet z.B. Ps 103,20f, wenn dort von den himmlischen Wesen als Jahwes Boten, Dienern, als kriegerischen Helden, die sein Wort und seinen Willen ausführen, die Rede ist. Was die Funktion der himmlischen Wesen anlangt, so folgen also diese beiden Nachtgesichte im Alten Testament auch sonst verbreiteten Vorstellungen. Die nun folgende Untersuchung der Erscheinungsweise dieser von Sacharja geschauten, in Jahwes Auftrag stehenden Wesen wird zweckmäßigerweise in mehrere Punkte untergliedert. a) Zu der im letzten Nachtgesicht begegnenden Vorstellung, daß die vier Winde 74 Jahwes Beauftragte, ja sein Werkzeug zur Niederwerfung der Mächte der Welt sind 75 , ist zunächst auf die auch sonst im Alten Testament vorkommende Vorstellung von den Winden allgemein als Boten Jahwes (Ps 104,4, auch Ps 148,8) zu verweisen. Dafür aber, daß speziell die vier Winde den besonderen Auftrag erhalten, Verderben zu bringen, gibt es im Alten Testament nur eine, allerdings sehr nahe Parallele: Nach Jer 49,36 sagt Jahwe „ich werde über Elam vier Winde bringen von den vier Enden des Himmels"; sie sollen über dieses Land Unheil bringen. In diesem Zusammenhang ist auf bemerkenswert parallele Vorstellungen im mesopotamischen Bereich hinzuweisen: Enuma elisch 4,46 ist vom „Vier-Wind" als Waffe Marduks gegen Tiamat die Rede (s. auch 4,42f, 9 8 f ) 7 6 . b) Zur Schau himmlischer mit Pferden bespannter Wagen — mit diesen werden in Sach 6,5 die vier Winde gleichgesetzt — findet sich eine Entsprechung in der Erscheinung überirdischer feuriger Wagen und Pferde, die Elisa und sein Diener als zu ihrem Schutz bestellte Macht schauen (2.Kön 6,17, auch hier Elemente des Visi72

Dazu s. im einzelnen o. S. 29—34. S. 1 1 7 - 1 1 9 . 74 Zum Verständnis von 6,5 s.o. S. 31f. 75 Es geht hier also nicht um die Winde, den Sturm in Verbindung mit der Erscheinung Gottes — wie etwa in E z , l , 4 . 76 AOT 2 S. 1 1 7 - 1 1 9 , ANET 2 S . 6 6 f . - Zu allgemein, d.h. den Charakteristika der hier besprochenen Vorstellung (4-Zahl, ГТП = Wind) nicht entsprechend und deshalb hier nicht zu nennen sind die alttestamentlichen Äußerungen über die von Jahwe ausgehende unheilvolle Π11 (s.o. S. 33f). 73

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichtc

onsstils!) und die nach 2.Kön 2,11 bei Elias Himmelfahrt eine Rolle spielen. Auch 2.Kön 7,6a ist zu vergleichen. Hinzuweisen ist ferner auf die große Zahl von Wagen des himmlischen Heeres, die nach Ps 68,18 Jahwe begleiten 77 . Da es in Sach 6 nicht allgemein um die himmlischen Wagen geht, sondern um sie als Waffe Gottes, als sein Vernichtungs-, Gerichtswerkzeug, interessieren mehr noch Hab 3,8; Jes 66,15: Hier ist vom Einsatz der Wagen (plur.!) Jahwes zum Gericht über Israels Gegner bzw. über „alles Fleisch", über die Völker die Rede; anders als in Sach 6 erscheint aber hier Jahwe selbst — im Zusammenhang einer Theophanie — mit seinen Wagen 78 . Auch in diesem Zusammenhang ist auf die altorientalischen Parallelen in Enuma elisch 2,118 und 4,50—52 7 9 hinzuweisen: Es geht um den Einsatz eines Streitwagens durch Marduk — er fährt selbst auf diesem — zur Vernichtung der Tiamat. Dieselbe Aussage, nur von Marduk auf den Gott Assur übertragen, findet sich in einer Bauinschrift Sanheribs 80 . In der Weihinschrift eines babylonischen Königs geht es offenbar u.a. auch darum, daß der Gott Bei mit einem Wagen zum Kampf gegen die Feinde zieht 8 1 . c) Auch darin, daß diese Wagen zu den Winden in Beziehung gesetzt werden — in der Form der Gleichsetzung oder des Vergleichs — steht Sacharja nicht allein. Werden die von ihm geschauten Wagen in 6,5 77

An den genannten Stellen findet sich der Begriff 3D"), nicht ПЗЭ10 wie in Sach 6. Beide vom gleichen Stamm gebildete Begriffe können aber parallel gebraucht werden (s.o. S. 31). Zum Verständnis von 2 . K ö n 2,11; 6,17, 7,6a ist zu vgl. K. Galling, Der Ehrenname Elisas und die Entrückung Elias: ZThK 53, 1956, S. 129ff. Bei der religionsgeschichtlichen Erörterung der Vorstellung feuriger Wagen und Pferde an den genannten Stellen verweist Galling (S. 147) darauf, daß „es im nordsyrisch-aramäischen Bereich der Zeit Elias-Elisas einen Gott, der mit einem himmlischen Streitwagenkorps zusammengehörte", gab, nämlich den Gott RKB EL, dessen Name ursprünglich „Herr des Streitwagens" gelautet habe. Galling meint, damit dem Ursprung des Elisa-Namcns TttHDI Vx"!®4 DDT (2. Kön 13,14, s.a. 2,12) und dessen mythischer Entfaltung in der Vorstellung feuriger Wagen und Pferde — so versteht er die o. genannten Belege 2. Kön 2,11; 6,17; 7,6 — nahegekommen zu sein. 78 Zu der in Sacharjas Nachtgesichten — verglichen mit den sonstigen alttestamentlichen Äußerungen über eine himmlische Versammlung und mit den älteren Visionen — festzustellenden Distanz Jahwes s.o. S. 1 2 1 f u . S. 105f. 79 AOT 2 S. 115 + 118, ANET 2 S . 6 4 + 66. 80 K.1356, AOT 2 S. 132. Dazu vgl. II. Zimmern, Zum babylonischen Neujahrsfest, BGL phil.-hist. Kl. 1906, B d . 5 8 , S. 144; L. Dürr, Ezechiels Vision von der Erscheinung Gottes (Ez. с. 1 u. 10) im Lichte der vorderasiatischen Altertumskunde, 1917, S. 15. 81 Vgl. Zimmern, a.a.O., S. 153—155, auch Dürr, a.a.O., S. 15f, der noch auf das Erscheinen Nergals im Wagen zur Schlacht hinweist.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7—15 und 6,1—8)

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den vier Winden (П1ПЛ) des Himmels gleichgesetzt, so vergleicht Jes 6 6 , 1 5 die Wagen, mit denen Jahwe zum Gericht kommt, die hier also wie in Sach 6 Zerstörungswerkzeug Gottes sind, mit dem Sturm (ЛВЮ) 8 2 . Auch die eben schon unter b) angeführten altorientalischen Parallelen Enuma elisch 2 , 1 1 8 („(den Wag)en (?) des Sturms") und 4 , 5 0 (,,den Wagen, den Sturm . . . " ) sind hier zu nennen 8 3 . d) Läßt sich also das, was bisher über die Erscheinungsweise und besondere Aufgabe der im Dienst Jahwes Stehenden besprochen wurde, Vorstellungen zuordnen, die sich auch sonst — seltener oder häufiger — finden, so trifft dieses offenbar nicht zu für die im 1. Nachtgesicht geschauten himmlischen Reiter. Selbst wenn man von den Myrten, zwischen denen sie stehen, absieht, ließen sich keine sonstigen Belege für ein solches Motiv finden 8 4 . Dasselbe gilt wohl auch für die himmlischen Wagen, sofern man sie mit dem Ort, an dem sie erscheinen, zusammensieht, d.h. also für das Bildelement „zwischen zwei Erzbergen hervorkommende Wagenzüge". Zwar gibt es zur Erwähnung der zwei Berge durchaus Parallelen, j e d o c h o h n e die Nennung oder Darstellung von Wagenzügen 8 5 . Umgekehrt ist in einem T e x t , in dem vom Wagen des Sonnengottes Schamasch die Rede ist — es handelt sich im Unterschied zum Bild von Sach 6 um nur einen Wagen, und in ihm fährt außer dem Wagenlenker der G o t t s e l b s t 8 6 — und wo also (vgl. die Beispiele oben S. l l l f ) eine Erwähnung der zwei Berge des Sonnenaufgangs denkbar wäre, von diesen gerade nichts gesagt. Dasselbe gilt von der Darstellung auf einem aus der Ur-I-Zeit stammenden Rollsiegel des Berliner Museu m s 8 7 , sofern Moortgats spätere Deutung zutrifft: Die auf dem unteren Vgl. a. 2 . K ö n 2 , 1 1 , wo im Zusammenhang der Entrückung Elias sowohl feurige Wagen und Pferde als auch der Sturm (ГПУО) genannt werden, ohne daß j e d o c h beide Größen ausdrücklich gleichgesetzt oder verglichen werden. Galling (Der Ehrenname Elisas ..., S . 1 4 1 f ) teilt sie auf zwei verschiedene T e x t Versionen auf. — Daß auch auf irdische Wagen dieser Vergleich angewandt wird, zeigen etwa J e r 4 , 1 3 , auch J e s 5 , 2 8 (ПЗЮ). 8 3 Zu vergleichen ist auch ein sumerisches Lied auf den Wettergott Ischkur, in dem die Sturmwinde mit einem Gespann verglichen werden, dazu die Tempelbauhymne Gudea von Lagaschs, in der die R e d e ist von einem — allerdings wohl irdischen — „Wagen, der das Feindland gebeugt hat, ... der (wie) ein starker Wind d a h i n f ä h r t " ( F a l k e n s t e i n - v . S o d e n , a.a.O., S. 8 2 (Nr. 1 4 , 1 6 - 1 8 ) , S . 176 (Nr. 3 2 , В X I I I , 1 8 ) ) . 8 4 Gelegentlich wird hierzu auf das persische Postsystem verwiesen. S o schon Ewald (s. Wellhausen zu Sach 1 , 8 ) . In neuerer Zeit z . B . P. R. A c k r o y d , Exile and Restoration, 1 9 6 8 , S. 1 7 5 f , zuletzt auch H. Gese, Z T h K 7 0 , 1 9 7 3 , S. 2 6 Anm. 31 (unter Hinweis auf Herodot V I I I , 9 8 ) und K . S e y b o l d , Bilder ..., S . 7 2 . 8 5 S. lllf. 8 6 Nabonid Nr.6, Col II, Z . 3 2 - 3 4 (VAB 4 , S . 2 6 0 / 2 6 1 ; s.a. F a l k e n s t e i n - v . S o d e n , a.a.O., S . 2 8 9 ) , dazu vgl. B. Meißner, Babylonien und Assyrien II, 1 9 2 5 , S. 2 0 . 8 7 A. Moortgat, Vorderasiatische Rollsicgel, 2. A. 1 9 6 6 , Siegel Nr. 145 (= VA 2 9 5 2 ) = Tafel 2 8 b bei A. Moortgat, T a m m u z , 1 9 4 9 . 82

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Streifen des doppelstreifigen Siegelbildes abgebildete Wagenausfahrt, die Moortgat früher als profane Darstellung ansah, deutet er später auf den „Sonnengott ..., der im Begriff ist, im Wagen seine Himmelsbahn zu b e g i n n e n " 8 8 . Auch hier findet sich von den beiden Bergen des Sonnenaufgangs keine Spur. Moortgat, der im weiteren Zusammenhang dieser Stelle sogar ausdrücklich davon spricht, daß der akkadische Sonnengott „am Morgen ... seine Siegesfahrt am Himmel zu wagen an (tritt), nachdem er aus den Bergen des Ostens ... wieder auferstanden ist" 8 9 , bietet dafür keine Belege. Da in Sacharjas letztem Nachtgesicht die zwischen den Bergen hervorkommenden vier Wagen den vier Winden gleichgesetzt werden, ist immerhin auf den Gudea-Zylinder hinzuweisen, wo in einer Antwort Ningirsus an Gudea vom „Berg, auf dem der Sturmwind w o h n t " , die Rede ist (A XI,20, s. auch 2 1 ) 9 0 . Zu den beiden Bergen als Stelle des Übergangs, die Jahwes Beauftragte passieren, s. oben S. 112.

Über das bisher Besprochene hinaus teilt Sacharja noch die Farben der von ihm geschauten Pferde mit (1,8; 6,2f.6f). Dabei kommt nur die Farbbezeichnung pV (weiß) an allen drei Stellen vor. Alle übrigen Farben erscheinen nur an jeweils zwei der genannten Stellen. Es unterscheiden sich also nicht nur die im 1. und letzten Nachtgesicht erwähnten Farben, sondern auch innerhalb des letzten Nachtgesichts, also zwischen 6,2f und 6,6f, gibt es Differenzen: BIS p-lfr P* -intf •na f»X 9 4 88

(rotbraun 91 ) (fuchsrot 92 ) (weiß) (schwarz) (gescheckt, scheckig 93 )

1,8 (2 mal) 1,8 1,8

6,2 6,3 6,2 6,3 6,3

6,6 6,6 6,6 6,7

A. Moortgat, Tammuz, S. 92. Tammuz, S. 91. 90 Falkenstein—v. Soden, a.a.O., S. 149. 91 So R.Gradwohl, Die Farben im Alten Testament, BZAW 83, 1963, S. 8. 92 So Gradwohl, a.a.O., S. 21f. H. W. Hertzberg will B ^ n t o (1,8) als „eine ins Grün- oder Rotgelbliche übergehende Farbe ..., jedenfalls eine helle Farbe" verstehen und das Wort übersetzen als „fahl", die Farbe der „Falben" („Grüne" Pferde: ZDPV 69, 1953, S. 1 7 7 - 1 8 0 , hier S. 179f). 93 Bezeichnung für ein Fleckenmuster bei Tieren, so Gradwohl, a.a.O., S. 56. 94 Ein spezielles und viel verhandeltes Problem ist — neben der textkritischen Bewertung — die Bedeutung des Wortes fÖN (bezeichnet es eine Eigenschaft — „stark" — oder eine Farbe — „fleischfarben" o.a.?), dessen Gebrauch in 6,3 und 6,6f auffällig ist: in 6,3 bildet es zusammen mit ТЧЛ die vierte Farbgruppe, während es — ebenso wie ЧЧЗ — in V.6f allein für eine Gruppe von Pferden steht. Vgl. die ausführliche Erörterung bei Rignell S. 201—204. Er deutet fÜN als rot. In 6,3 sieht er durch dieses Wort die Bezeichnung "T13 farblich näher bestimmt („rotscheckig"); in 6,7 stehe fÜN als synonymes Wort für das hier fehlende, aber in 6,2 vorkommende BIN, womit die Farbe rot sowohl in 6,2f als auch in 6,6f vorkäme. W. D. McHardy, The Horses in Zechariah: BZAW 89

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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Die Annahme liegt nahe, daß der Text in Unordnung geraten ist, daß ursprünglich den Farbangaben innerhalb von 6,1—8, vielleicht auch einschließlich des 1. Nachtgesichts, ein gemeinsames Schema oder Muster zugrunde lag. Für eine Harmonisierung der Angaben im 1. und letzten Nachtgesicht spräche auch die schon im einzelnen besprochene Nähe zwischen beiden Nachtgesichten. Tendenzen zum Ausgleich, zur Angleichung der Farben finden sich schon in den alten Übersetzungen, entsprechende Textänderungen bei den meisten neueren Kommentatoren 9 5 . Demgegenüber ist festzuhalten, daß bei aller Nähe zwischen beiden Nachtgesichten die unverkennbaren Differenzen (z.B. Pferde/Pferde + Wagen; Einzelheiten des Schauplatzes usw.) nicht übersehen werden dürfen. Sie geben Anlaß zur Zurückhaltung gegenüber Versuchen einer weitgehenden oder völligen Harmonisierung. Allgemein wird die Eingangsfeststellung McHardys zutreffen: "The problems posed by those passages present difficulties which, as in so many places in the Old Testament, may never find a satisfactory solution" 9 6 . Ähnliches wird wohl auch für die viel erörterte Frage nach dem Sinn der Farben und ihrer Zusammenstellung und damit auch nach darin evtl. zum Ausdruck kommenden festen Überlieferungselementen gelten 9 7 .

1 0 3 , 1 9 6 8 , S. 1 7 4 - 1 7 9 s p r i c h t v o n " t h e u n k n o w n D ' S D N " u n d e r w ä g t , o b hier ursprünglich ein die F a r b e gelb b e z e i c h n e n d e s W o r t g e s t a n d e n h a b e (S. 1 7 6 f ) . R. G r a d w o h l , a.a.O., b e f a ß t sich m i t d i e s e m W o r t ü b e r h a u p t n i c h t , v e r s t e h t es also o f f e n b a r n i c h t als F a r b b e z e i c h n u n g . N a c h W e l l h a u s e n b e z e i c h n e t f D H k e i n e F a r b e , stellt in V.7 eine falsche L e s a r t d a r , d i e d a n n a u c h in V . 3 nachg e t r a g e n sei. Gese ( Z T h K 7 0 , 1 9 7 3 , S . 3 2 , A n m . 5 2 ) - vgl. s c h o n Sellin u . a . (s. d a z u d i e Ü b e r s i c h t bei Rignell, S. 2 0 l f ) — ü b e r s e t z t u n t e r Ä n d e r u n g d e r V o k a l i s a t i o n yjiH als „ s t a r k " u n d sieht m i t diesem W o r t in V.7 alle Himmelsp f e r d e z u s a m m e n g e m e i n t (in V . 3 sei es Glosse). 95 D a z u s. die Ü b e r s i c h t b e i Rignell S. 2 8 - 3 0 , 2 0 0 - 2 0 4 . Vgl. a. d e n e r w ä h n t e n A u f s a t z v o n H . W. H e r t z b e r g . A u f n e u a r t i g e Weise h a t n e u e r d i n g s M c H a r d y in seiner e b e n g e n a n n t e n A b h a n d l u n g eine L ö s u n g v e r s u c h t . A n g e r e g t d u r c h U n t e r s u c h u n g e n von G. R . Driver über d e n G e b r a u c h von A b k ü r z u n g e n im M T , e r k l ä r t er das Z u s t a n d e k o m m e n d e r U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n d e n 3 F a r b e n g r u p p e n ( 1 , 8 ; 6 , 2 f . 6 f ) im w e s e n t l i c h e n aus d e r a b g e k ü r z t e n S c h r e i b u n g d e r F a r b b e z e i c h n u n g e n u n d d e m s p ä t e r e n M i ß v e r s t ä n d n i s dieser A b k ü r z u n g e n . Er v e r m u t e t , d a ß an allen 3 Stellen ursprünglich die V i e r e r g r u p p e r o t - s c h w a r z weiß-gclb g e n a n n t w o r d e n sei. 96 A . a . O . , S. 1 7 4 . 97 Vgl. K. Gallings B e m e r k u n g , d a ß „ w i r ... d i e h i n t e r d e n P f e r d e - F a r b e n s t e h e n d e n S i n n z u s a m m e n h ä n g e n i c h t m e h r ü b e r s e h e n " (Die E x i l s w e n d e ..., S. 120, A n m . 1).

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichtc

Der jüngsten ausführlich dargelegten Deutung, dem symbolischen Verständnis der Farben durch Rignell98, wird mit Recht entgegengehalten, daß die Aufgliederung der verschiedenfarbigen Pferde des 1. Nachtgesichts in zwei Gruppen, die Gericht bzw. Heil symbolisieren, im Text keinen Anhalt hat, daß die Reduzierung auf drei Farben in 6,1 ff nicht ü b e r z e u g t " und daß die Vision selbst „von solcher Allegorisierung ... keinen Gebrauch" mache, was sie, wenn eine solche vorläge, tun müßte 1 0 0 . Hinzu k o m m t , daß hinsichtlich des 1. Nachtgesichts ein derartiger zweifacher Auftrag, zielend auf Rache, Strafe und andererseits Sieg, Erlösung, Gnade 1 0 1 , dem widerspricht, was in Sach l,7ff über den Auftrag der Reiter und deren Bericht über dessen Ausführung und Ergebnis gesagt wird: Es geht im 1. Nachtgesicht eindeutig nur um einen Erkundungsauftrag 1 0 2 . Von den älteren Lösungsvorschlägen, denen hier nicht im einzelnen nachgegangen zu werden braucht 1 0 3 , scheint auf den ersten Blick die Verbindung der (4) Farben mit den 4 Himmelsrichtungen am meisten für sich zu haben. Denn 6,5 deutet die Wagen mit ihren verschiedenfarbigen Pferden als die 4 Winde des Himmels, und 6,6f spricht ausdrücklich von der Ausfahrt der einzelnen Wagenzüge in verschiedene Richtungen. Könnte man dann noch die Planeten, speziell die 4 Welteckenplaneten, von denen jeder mit einer bestimmten Farbe verbunden ist, heranziehen 1 0 4 , dann wäre festgeprägtes Uberlieferungs98

A.a.O., S. 3 2 - 3 4 , 206. Rignell meint, daß die Farben sich auf den Auftrag der Reiter beziehen. Sie „haben je ihre bestimmte und natürliche Assoziation: schwarz auf Not und Unglück, rot auf Krieg und Blutvergießen, weiss auf Sieg und Glück" (S. 206). Die drei verschiedenen Farbbezeichnungen, die der MT des 1. Nachtgesichts bietet, ordnet Rignell zu zwei Gruppen, indem er die Rottöne zusammenfaßt (S. 33f). In 6,Iff handelt es sich nach Rignell „streng genommen ... nur um drei Farben: schwarz, rot und weiss" (S. 206). 99 So K. Galling, Die Exilswende ..., S. 113, A n m . 2 , 120, Anm. 1. 100 So Horst, HAT, S.221. 101 Rignell, S. 34. 102 Rignell sieht Auftrag und Ausstattung (Wagen) der Beauftragten Jahwes in 6,1 ff nicht wesentlich bestimmt durch den Erkundungsauftrag an die Reiter und durch dessen Ergebnis, wovon im 1. Nachtgesicht berichtet wird (zu diesem Zusammenhang s.o. S. 29—31). Für ihn haben die Wagen von 6 , I f f eine Funktion, die der der Reiter des 1. Nachtgesichts, so wie er sie sieht, gleicht (S. 198), obwohl doch der Text auf wesentliche Unterschiede weist. So muß Rignell, um seine Deutung der Farben gleichermaßen für das 1. und letzte Nachtgesicht durchzuhalten, folgende gezwungene Erklärung zu dem Bericht der Boten über ihre Erkundung der Erde (1,11) abgeben: „Obwohl noch nichts zu geschehen scheint, so deutet die Vision an, dass das Heilswerk doch in Gottes Ratschluss in Gang gesetzt ist. Jahve hat Reiter ausgesandt, sowohl auf roten als auch auf weissen Pferden. Er hat die Sendboten der Rache und des Sieges in seinem Dienst" (S. 43). Bedenklich gegenüber Rignells Farbdeutung stimmt ferner, daß offensichtlich nicht einmal der die Fürbitte 1,12 vor Jahwe bringende Engel etwas von der für Israel heilvollen Bedeutung der weißen Farbe bzw. Pferde (vgl. Rignell, S. 34) weiß, wie man aus dem Inhalt der Fürbitte schließen muß. 103 Sie werden bei Rignell, S. 30—32, 204f genannt und besprochen. 104 So zuletzt F. Horst, HAT, S . 2 2 0 , dort auch weitere Nachweise.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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material, und zwar aus dem babylonischen R a u m , hinter Sacharjas Worten erkennbar. Aber auch diesem Lösungsversuch stehen Schwierigkeiten entgegen: Eine derartige Verbindung dieser Farben mit Himmelsrichtungen ist sonst aus d e m Alten Testament nicht b e k a n n t , obwohl „eine solche Auffassung auf semitischem Gebiet im Prinzip d e n k b a r i s t " 1 0 5 . Es gibt ferner im Text keinerlei direkte Hinweise auf die 4 Welteckenplaneten, sondern man ist auf indirekte Rückschlüsse angewiesen, die sich nur darauf stützen k ö n n e n , d a ß in 6,1 ff 4 Farben (im T e x t ausdrücklich Pferden zugeordnet) im visionären Geschehen mittelbar in eine gewisse Beziehung zu den 4 Winden und 4 Himmelsrichtungen 1 0 6 gebracht werden, wobei zudem die Farbe des Welteckenplaneten Mars, grün, im 1. und letzten Nachtgesicht gar nicht v o r k o m m t 1 0 7 , man also mit deren Ersetzung durch eine andere Bezeichnung rechnen müßte. Die Zuordnung der Farben zu den Himmelsrichtungen b z w . Winden vertritt im Blick auf das Nachtgesicht 6,1—8 in letzter Zeit auch H. Geselm. Sacharja habe in 6,1 ff die „Wissenschaft seiner Z e i t " in Gestalt einer „Windlehr e " eingearbeitet. „Hinter der Bezeichnung der Winde mit F a r b e n " — Westw i n d / r o t , erdfarben; O s t w i n d / w e i ß ; N o r d w i n d / g e s c h e c k t ; Südwind/schwarz — „steckt einfach eine Meteorologie des westlichen Mittelmeergebietes" 1 0 9 . Diese Zuordnung von Winden und Farben dürfte auf V.6 basieren, den Gese aber gerade als nicht ursprünglich zum Text gehörig a n s i e h t 1 1 0 . Ausdrücklich werden überhaupt keine Belege genannt. Es drängt sich daher die Frage auf, ob zu Recht von einer Windlehre als Teil der Wissenschaft jener Zeit, die dann von Sacharja a u f g e n o m m e n worden sei, gesprochen werden kann. Zu Fragen gibt auch die Feststellung Anlaß: „Als Reihenfolge der Wagen bzw. Richtungen ergibt sich Osten, Süden, Westen, Norden , . . " l n . Denn es ist nicht klar, woraus sich diese Reihenfolge ergibt. Ob hier die Winde gemeint sind oder die Himmelsrichtungen, in die diese wehen, diese Abfolge stimmt nicht überein mit der Reihenfolge der entsprechenden Farben, die V. 2f u n d — zusammen mit Himmelsrichtungen — auch V.6 nennen. Die im 1. Nachtgesicht genannten 3 Farben führt Gese nicht auf eine Wind-, sondern auf eine „ K o n t i n e n t e n l e h r e " zurück. „Es ist die Lehre von der Existenz der drei Kontinente, die wir etwa bei dem älteren Zeitgenossen Sacharjas Hekataios von Milet f i n d e n " 1 1 2 . Diesen drei K o n t i n e n t e n (Asien, Europa, Afrika) ordnet Gese die Farben b r a u n , hellrot, weiß zu, da sie deren Charak-

105 Rignell, S. 31 unter Berufung auf K. Tallqvist, Himmelsgegenden und Winde, 1928, S. 105ff. 106 Daß in 6,6f 4 verschiedene Richtungen gemeint sind, auch w e n n im jetzigen Text nur drei genannt werden und eine Angabe (V.6aß) mehrdeutig ist, legt die Deutung der 4 Wagenzüge als die 4 Winde in V.5 nahe. (Zur Reihenfolge der Himmelsrichtungen und zu den bisherigen T e x t e m e n d a t i o n e n zu 6,6f vgl. McHardy, a.a.O., S. 177f; zur Anordnung der Himmelsrichtungen nach Gese s.u.). 107 Zu Versuchen, sie zu erschließen, s.o. S. 126, Anm. 92. 108 Anfang und Ende der Apokalyptik ...: ZThK 70, 1973, S . 3 3 f . 109 A.a.O.', S. 33. 110 A.a.O., S. 32, A n m . 54. 111 A.a.O., S. 34, A n m . 61. 112 A.a.O., S. 34.

9 Jeremias, Nachtgesichte

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

teristika e n t s p r ä c h e n 1 1 3 . (Es fällt immerhin auf, daß er hier die F a r b e DIN „Asien, dem Land des O s t e n s " , zuordnet, während er sie in 6 , I f f mit dem Westwind verbindet.) Zweifel an der Sicherheit dieser Zuordnung entstehen daraus, daß keinerlei Belege für diese genannt werden. Zu fragen ist zudem, ob man o h n e weiteres die Drei-Kontinentenlehre des Hekataios von Milet auch bei Sacharja voraussetzen kann — ganz abgesehen einmal von den Ansatzpunkten dafür im 1. Nachtgesicht.

Unter diesen Umständen sollte man sich wohl besser mit unscheinbareren Lösungsversuchen begnügen, die dann aber auch weniger durch Hypothesen belastet sind. Sollte Sacharja nicht verschiedenfarbige Pferde geschaut haben können, ohne dabei an ein bestimmtes — mythisch, astral, symbolisch o.ä. geprägtes — Verständnis der Farben zu denken, und das um so mehr, als diese Farben für den wesentlichen Teil der Vision, für die die Botschaft enthaltende Deutung, keinerlei Rolle spielen? Offenbar sind die gängigen Pferdefarben (weiß, rot, schwarz) genannt, in 6 , I f f erweitert um die Bezeichnung für ein Fleckenmuster p " ) 3 ) 1 1 4 . Zweifellos hat dabei die Vierzahl hier ihre Bedeutung als Ausdruck der Vollständigkeit, der Totalität, da der gesamten Erde der Auftrag der von J a h w e Ausgesandten g i l t 1 1 5 . Im Verlauf des 1. Nachtgesichts geben die auf ihren verschiedenfarbigen Pferden ausgesandten Reiter über ihre Erkundung der Erde den Bericht, daß die ganze Erde „ruhig und still" ist ( 1 , 1 1 ) 1 1 6 . Das ruft sofort die vom Engel J a h w e vorgetragene Fürbitte hervor ( 1 , 1 2 ) 1 1 7 , in der nach dem Ende des „nun schon 70 Jahre" andauernden Zorns J a h w e s über Jerusalems und J u d a s Städte gefragt wird: n i x mm·' Ήs? nxi DVtfw-nx о т л - к * ? nnx та—τ» ГШ? СУЗ^ЛТ п л а т 1 1 8 . A.a.O., S . 3 5 . Auch Rignell spricht beiläufig von „den gewöhnlichsten vier P f e r d e f a r b e n " (S. 2 0 5 ; er versteht dabei 1 1 3 als Farbe in der Bedeutung „ b u n t " bzw. „schwarzweiss g e s c h e c k t " , S. 2 0 0 , 2 0 3 ) , ebenso S e y b o l d , Bilder ..., S . 7 1 . Daß es um im Alten Orient gängige Pferdefarben geht, zeigen auch die Zusammenstellungen bei A. Salonen, Hippologica Accadica (Annales Academiac Scientiarum Fennicae, Ser. В , T o m . 1 0 0 ) , 1 9 5 5 , S. 2 5 , 3 5 (vgl. a. S. 1 7 ) . Zu vgl. ist a. die von H. Kees, Farbensymbolik in ägyptischen religiösen T e x t e n (NAG phil.-hist. Kl. 1 9 4 3 Nr. 11) S. 4 7 0 erwähnte kultische Begehung, in deren Mittelpunkt „Kälber aller F a r b e n " (schwarz, weiß, rot, b u n t ) stehen, deren 4 Farben „im ägyptischen Sinn der Vierheit die Vollständigkeit (versinnbildlichen)". 113

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1 1 6 Zu Dj?tf vgl. o . S. 3 0 . Vgl. a . o . S. 1 1 9 , 161. Zur Fürbitte als Bestandteil dieses Nachtgesichts und auch anderer Visionen s . o . S. 9 4 - 9 7 . 1 1 8 C. F. Whitley (The Term Seventy Years Captivity: V T 4 , 1 9 5 4 , S . 6 0 - 7 2 ) beurteilt V . 1 2 b als " p r o b a b l y inserted b y a later e d i t o r " (S. 6 3 ) . Daß seine 115

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Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7 — 15 und 6,1—8)

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Bei diesen 70 Jahren handelt es sich um die jüngste Vergangenheit, um einen Zeitabschnitt, der insofern noch nicht abgeschlossen ist, als der ihn bestimmende Zorn Jahwes und sein fehlendes Erbarmen gegenüber Jerusalem und Juda auch noch in der Gegenwart andauern, dessen Ende aber erhofft, erbeten wird. Ohne Frage meinen die 70 Jahre hier die Zeit des Exils 1 1 9 und der anschließenden frühnachexilischen Zeit bis zum Zeitpunkt dieser Fürbitte. Das gilt auch für die in 7,5 genannten 70 Jahre 1 2 0 , während derer das Fasten im 5. und 7. Monat, also in Erinnerung an die Tempelzerstörung ( 2 . K ö n 25,8f) und die Ermordung Gedaljas (s. Jer 4 1 , l f ) gehalten wurde 1 2 1 . Offenbar bezeichnet Sacharja in einer annähernd genauen Zeitangabe den vom Katastrophenjahr 587 bis 519 (s. 1,7) bzw. bis 518 (falls dieses Datum in 7,1 auch für 7,5 gilt) abgelaufenen Zeitraum. Die Frage ist, ob die Erwähnung von 70 Jahren in Sach 1,12 mehr zufälligen Charakter hat — seit der Katastrophe waren eben gerade annähernd 70 Jahre vergangen —, ihr also kein besonderes Gewicht zukommt oder ob hierin Vorgegebenes aufgegriffen wird. Die Tatsache, daß und wie an zwei Stellen des Jeremia-Buchs betont von 70 Jahren die Rede ist (25,1 l f ; 29,10), daß ferner in viel späterer Zeit in 2. Chr 36,21 und vor allem in Dan 9,2 auf diese Spanne grammatische Argumentation (statt ПЯОУТ sei ПЛЙУТ zu erwarten, S. 62) nicht zwingend ist, hat schon P. R. Ackroyd (Two Old Testament Historical Problems of the Early Persian Period. B. The "Seventy Year" Period: INES 17, 1958, S. 2 3 - 2 7 , hier S. 25 Anm. 89) aufgezeigt. Aber auch Whitleys inhaltliche Gründe überzeugen nicht: V.12b sei unnötig, da es in der Frage des Engels um das „wie lange" gehe und das Interesse auf der Zukunft liege, so wie sich auch Jahwes Antwort auf Gegenwart und Zukunft beziehe und nicht die Vergangenheit erwähne (S. 63). Zweifellos geht es um die Z u k u n f t , aber eben um sie als Aufhebung und Umkehrung des die Vergangenheit und auch noch die Gegenwart Bestimmenden (Jahwes fehlendes Erbarmen, sein Zorn) — insofern ist die Vergangenheit unverkennbar mit im Blick, auch in V. 12 a (Jahwes Nicht-Erbarmen). Und sie wird — das ist gegen Whitley festzuhalten — auch in Jahwes Antwort deutlich erwähnt: V.15b. 119 Dazu sind die Rückblicke in 1,2; 7,12; 8,10(f).13.14 zu vgl. Zum Zorn Jahwes im Zusammenhang mit dem Untergang Judas, Jerusalems s. z.B. die aus der Zeit nach 587 stammenden Äußerungen Ez 22,31; Klgl 1,12; 2,1.2.3.4.6 u.ö. Vgl. a.u. S. 139. 120 Auch sie werden von C. F. Whitley, a.a.O., S. 64 als "interpretation by a later editor" angesehen — mit nicht restlos überzeugenden Gründen. Ihm folgen A.Orr, The Seventy Years of Babylon: VT 6, 1956, S. 304; P. R. Ackroyd, a.a.O., S.25. 121 Trotzdem ist merkwürdigerweise für A. Petitjean, Les Oracles du ProtoZacharie, 1969, S. 312 der Bezugspunkt für diese als runde Zahl angesehenen 70 J a h r e in 1,12; 7,5 „la duree de l'hegemonie de Babylone sur le pays judeen". (Das 1. Nachtgesicht bezieht er auf die Zeit vor der Zerstörung des babylonischen Reiches durch Kyros.)

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

von 70 Jahren 122 unter ausdrücklicher Beziehung auf das JeremiaBuch — woran sich zeigt, wie bedeutsam, wie bekannt die Stellen waren — Bezug genommen wird, legt die Annahme nahe, daß Sach 1,12 auch in diesem Traditionsstrom steht. Allerdings sind mit den genannten Jeremia-Stellen erhebliche Probleme verbunden 123 . In Jer 29,10 sind die 70 Jahre ausdrücklich auf Babylon bezogen (ПК? D-^atf ban1? nx*?» 'S1? ГЭ), meinen also 70 Jahre babylonischer Herrschaft. Mit dem Ende dieses Zeitabschnittes wird — und darauf liegt der Ton der Zusage Jahwes in Jer 29,10 — die Rückkehr der Exulanten verbunden (womit nicht gesagt ist, daß auch für die Dauer des Exils 70 Jahre veranschlagt würden!) 124 . 122 Auch J e s 23,15.17, nach allgemeiner Ansicht nicht von Jesaja stammend, sprechen von 70 Jahren, hier jedoch auf Tyrus bezogen. In Ps 90,10 bezeichnen 70 Jahre die Dauer eines Menschenlebens. Ein interessanter assyrischer Text (es geht um 70 J a h r e der Entvölkerung Babylons) findet sich unter den Inschriften Asarhaddons: s. R. Borger, Die Inschriften Asarhaddons Königs von Assyrien, AfO Beih. 9, 1956, S. 15. 123 Die Echtheit und Herkunft beider Stellen, bes. von 25,1 l f , sind ein vielerörtertes Problem, für das es die unterschiedlichsten Lösungsvorschläge gibt. Ohne daß die Diskussion dieser wohl nicht mit letzter Sicherheit zu entscheidenden Frage hier in ihrem Für und Wider vollständig nachgezeichnet werden kann, sei im Blick auf die Erörterungen der letzten J a h r e dazu folgendes bemerkt: 1) zu 25,11(f): Erklärt man diese Verse für nichtjeremianisch und nachexilisch (so neuerdings wieder Whitley, a.a.O., S . 6 7 f ) , dann ist eine Beziehung Sacharjas auf diese Stelle ausgeschlossen. Hält man diese Stelle jedoch für jeremianisch (dazu neigen offenbar Orr, a.a.O., S. 306 und Ackroyd, a.a.O., S. 25) oder rechnet man mit einem jeremianischen Grundbestand dieses zur Quelle С (dtr. geprägte Reden) im Jeremia-Buch zu zählenden Textes (so Rudolph, HAT z.St.) oder versteht man wie C. Riet/.schel (Das Problem der Urrolle, 1966), der die Reden der Quelle С nicht auf Jeremia zurückführt, den Grundbestand von J e r 25,1 — 11 als levitische Predigt aus der Zeit zwischen 587 und 582, keinesfalls aber nach 562 (S. 26, 36), dann ist hier zeitlich vor Sach 1,12 von den „70 J a h r e n " die Rede. 25,12 als Nachtrag zu 25,1 — 11 zu verstehen, legt schon die inhaltliche Erwägung nahe, daß zur Aufbietung der „Stämme des Nordens" als Gerichtswerkzeug gegen das zu bestrafende J u d a (V.9) schlecht die Ansage der Bestrafung dieses Gerichtswerkzeugs paßt. Hierzu sind weiter Rietzschels Erwägungen (a.a.O., S.38) zu vgl., der V.12 als relativ frühen, aus der Zeit vor dem Sturz der babylonischen Weltmacht stammenden Nachtrag zu V . l - 1 1 versteht. 2) zu 29,10: Für das Urteil Whitleys (a.a.O., S. 65f, 68), Orrs und Ackroyds gilt das o. zu 25,1 lf Erwähnte. Rietzschel (a.a.O., S. 39) hält 29,10 für eine Interpolation. S. Herrmann (Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament, BWANT 85, 1965, S. 186f) sieht J e r 29,10—14 als literarische Einsprengung dtr. Herkunft an. Im Anschluß

an Rudolphs Sicht wird man aber doch ernsthaft mit der Echtheit dieser Stelle rechnen können. — Zu vgl. ist auch die folgende Anm. 124 Daß diese Verbindung der Heimkehr aus dem Exil mit dem Ende von 70 Jahren babylonischer Herrschaft nicht dem tatsächlichen Ablauf der Geschieh-

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Die Frage nach d e m Beginn der 70 J a h r e b a b y l o n i s c h e r H e r r s c h a f t in der Sicht des J e r e m i a - B u c h s f i n d e t — das hat O r r 1 2 5 recht einleuchtend dargelegt — d u r c h die zweite d e r o b e n g e n a n n t e n Jeremia-Stellen in ihrem K o n t e x t (Jer 2 5 , I f f ) eine B e a n t w o r t u n g . Aus V.9 und I I b 1 2 6 ergibt sich, " t h a t t h e seventy years begin f r o m t h e imposition of t h e Babylonian y o k e o n J u d a h and its n e i g h b o u r s " . (Dazu A n m . 1: " N o t e t h e political term П 3 5 ? i.e. 'recognised and accepted t h e rule o f ' . " ) Diese politische E n t w i c k l u n g war eine Folge d e r Schlacht von Karkemisch 6 0 5 v . C h r . 1 2 7 M i t dieser E r k e n n t n i s s t i m m t das in V.l g e n a n n t e D a t u m überein. Bis zum E n d e des b a b y l o n i s c h e n Reiches (s. V. 12) im J a h r e 5 3 9 ergibt sich d a n n ein Z e i t r a u m von nicht ganz 70 J a h r e n 1 2 8 . Nichts d ü r f t e ernstlich dagegen stehen, d a ß in d e m — sofern von J e r e m i a s t a m m e n d — etwa 10 J a h r e jüngeren, jedenfalls d e r Zeit bald nach 597 a n g e h ö r e n d e n Satz J e r 2 9 , 1 0 auf dieselbe 6 0 5 b e g i n n e n d e Periode Bezug g e n o m m e n wird, von d e r zu diesem Z e i t p u n k t n u r eben schon einige J a h r e abgelaufen w a r e n 1 2 9 .

In beiden Worten (25,11 und 29,10) ist von den 70 Jahren als einem Zeitraum die Rede, der die Zukunft betrifft. Die (605 v.Chr.?) als Strafe Jahwes angekündigte 70jährige Unterwerfung unter die babylonische Herrschaft (25,11b) bedeutet Aussichtslosigkeit für

te e n t s p r o c h e n h a t , spricht auch dagegen, daß hier ein vaticinium e x eventu (s. Whitley, a.a.O., S . 6 5 ) vorliegt, u n d d a f ü r , d a ß dieses Wort m i t seiner Nennung d e r 70 J a h r e von J e r e m i a selbst o d e r — w e n n es nicht jeremianisch sein sollte — z u m i n d e s t aus exilischer Zeit (und zwar vor 539) s t a m m t . (Letzteres erwägt S. H e r r m a n n , a.a.O., S. 187.) Generell für die Möglichkeit, d a ß J e r e m i a derartige Zeitangaben m a c h t e , spricht ferner: a) J e r 27,7 — s o f e r n jeremianisch — zeigt, d a ß J e r e m i a auch sonst noch in bezug auf das b a b y l o n i s c h e Reich b e s t i m m t e Fristen n e n n t : hier d e n Zeitraum von 3 G e n e r a t i o n e n ; b) das Ezechiel-Buch zeigt, d a ß im Umkreis des J a h r e s 5 8 7 auch sonst „ B e r e c h n u n g e n " angestellt w u r d e n : 4,6 r e c h n e t ab 587 noch mit einer Strafzeit von 4 0 J a h r e n für Israel (vgl. dazu W. Zimmerli, Ezechiel z.St.). 125 A.a.O., S. 3 0 5 . 126 In V.l l b werden meist die Worte Π*7ΧΠ D , Un mit LXX gestrichen (so z.B. R u d o l p h , Weiser z.St., A c k r o y d , a.a.O., S. 23, vgl. auch Rietzschel, a.a.O., S. 3 4 f ) , dagegen b e h ä l t sie Orr anscheinend bei (a.a.O., S. 3 0 5 ) . 127 Diese Schlußfolgerungen sieht Orr nicht b e r ü h r t d u r c h die von Whitley vert r e t e n e A n n a h m e , d a ß V. 11 und 12 als spätere I n t e r p o l a t i o n a n z u s e h e n seien (a.a.O., S. 3 0 5 ) . — Dieser Ansetzung d e r 70 J a h r e d u r c h Orr s t i m m t A c k r o y d (a.a.O., S. 23f) zu. Rietzschel versteht merkwürdigerweise u n t e r d e n 70 J a h r e n in 25,1 l f „die Zeitstrecke zwischen der Zerstörung J e r u s a l e m s u n d d e m Fall von Babel", j e d o c h in 2 9 , 1 0 (in diesem Vers sieht er eine die V e r h e i ß u n g von 25,1 l f u m d e u t e n d e I n t e r p o l a t i o n ) „die S p a n n e zwischen d e r D e p o r t a t i o n vom J a h r e 5 9 7 und der endgültigen H e i m k e h r aus d e m Exil" b z w . „der ersten großen Rückkehrerwelle ... u n t e r K a m b y s e s um 5 2 5 " (a.a.O., S. 39). 128 Orr, a.a.O., S. 3 0 5 f : " T h e period 6 0 5 - 5 3 9 is sufficiently close to seventy years to be so labelled." 129 Gegen A c k r o y d s Ansicht, für diese Stelle müsse eine andere, passende Periode gelten oder m a n müsse die 70 J a h r e hier anders interpretieren, da 2 9 , 1 0 jüngeren D a t u m s als 2 5 , 1 1 sei (a.a.O., S. 24).

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die damals Lebenden 1 3 0 . Das gilt für 29,10 (etwa 10 Jahre später?) kaum weniger, wenn auch hier ein Lichtblick, eine Hoffnung — zumindest für die Zukunft des Volkes als solchen — gegeben ist durch die Ankündigung der Heimkehr am Ende der 70 J a h r e babylonischer Herrschaft 1 3 1 . Vergleicht man hiermit, wie in dem Jahrzehnte jüngeren Wort Sach 1,12 zu einem Zeitpunkt, als die Rückkehr der Exilierten im wesentlichen vor kurzem erfolgt ist 1 3 2 , von den 70 Jahren die Rede ist, so sind die Unterschiede nicht zu übersehen. Bedingt durch den anderen geschichtlichen Standort, ist die Blickrichtung eine andere: Jeremia schaut in die Zukunft,Sacharja schaut zurück auf 70 Jahre jüngster Vergangenheit, deren Abschluß mit der Abkehr Jahwes von seinem noch die Gegenwart bestimmenden Zorn er erhofft. Der Bezugspunkt der 70 Jahre ist ein verschiedener: 70 Jahren babylonischer Herrschaft bei Jeremia stehen bei Sacharja 70 Jahre Jerusalems und der Städte Judas unter Jahwes Zorn gegenüber, wobei jeweils vom Ende der 70 Jahre positive Veränderungen für Israel erwartet werden. Beiden — Jeremia und Sacharja — geht es also um Israels Geschick, das durch Jahwes Zorn und Strafe bestimmt ist: Für Jeremia besteht dieses Geschick in der Unterwerfung unter die babylonische Macht (25,11b), in der Exilierung (29,10); für Sacharja ist es Jahwes Zorn, sein Nichterbarmen über Jerusalem und die Städte J u d a s 1 3 3 — eine Umschreibung, die weit genug ist, um das Schicksal dieser Städte (und ihrer Bewohner) in der Exilszeit wie auch in der erbärmlichen Situation kurz nach der Heimkehr der Exulanten, also zur Zeit Sacharjas, zu erfassen. Hier ist offenbar gegenüber Jeremia eine inhaltliche Umorientierung bzw. Ausweitung vorgenommen worden in Anpassung an den inzwischen geschehenen Fortgang der Geschichte und im Blick auf die immer noch ausstehende Wende im Geschick Israels. Auch diese selbst wird nicht mehr wie in Jer 29,10 als Heimführung aus dem Exil verstanden; 130

Denn allenfalls Kinder könnten die Zeit danach erleben, über die im übrigen gar nichts gesagt wird. 131 Der sicher später an 25,11 angefügte V.12 (dazu s.o.) dürfte dagegen eine Antwort auf die Frage nach dem Schicksal Babels nach Ablauf dieser 70 Jahre sein. 132 Dazu vgl. K. Galling, Politische Wandlungen in der Zeit zwischen Nabonid und Darius S. 59 und ders., Die Exilswende in der Sicht des Propheten Sacharja S. 126 (beide Aufsätze in: Studien zur Geschichte Israels im persischen Zeitalter, 1964). 133 Daß dabei auch „die Völker" eine Rolle gespielt haben, ist aus Jahwes Antwort auf die Fürbitte zu entnehmen (s. Sach 1,15). Dazu s.u.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7—15 und 6,1 — 8)

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denn die war ja zu diesem Zeitpunkt (s. Sach 1,7) im wesentlichen geschehen — jedoch so, daß darin nicht der Anbruch der erwarteten Heilszeit zu erkennen war 1 3 4 . Während ferner in J e r 29,10 die Wende in Israels Geschick in Beziehung gesetzt ist zum Ablauf von 70 Jahren babylonischer Herrschaft, fehlt — entsprechend den veränderten geschichtlichen Verhältnissen — dieser Bezug in Sach 1,12. Hier ist vielmehr stattdessen eine andere Beziehung zu erkennen: Wie der Kontext zeigt — hervorgerufen wird die klagende Frage der Fürbitte V.12 durch den Bericht V . l l —, wurde die Wende, das Ende der 70 Jahre, erwartet in Verbindung mit einem die ganze Erde erfassenden und in Unruhe versetzenden Geschehen 1 3 5 , durch das — so wird man aus 6,Iff schließen können (vgl. auch 1,15) — die Macht der Völker dieser Erde zerschlagen wird 1 3 6 . Es liegt also hier eine universale Ausweitung vor: Die Wende wurde nicht wie bei Jeremia in Verbindung mit dem Ende einer bestimmten Weltmacht erwartet, sondern in Verbindung mit der Entmachtung aller Weltmächte 1 3 7 . Aus dem Fortgang der Geschichte seit der Zeit Jeremias wird man auf einen weiteren Unterschied schließen können: Die 70 Jahre des Zorns Jahwes beginnen für Sacharja sicher nicht 605 (so Jeremia), sondern mit dem Katastrophenjahr 5 8 7 138 . Diese Ereignisse liegen im J a h r 519 (Sach 1,7) fast 70 Jahre zurück. Es handelt sich also hier wie auch bei Jeremia um eine annähernde Zeitangabe in dem Sinn, daß es nicht um einen aufs genaueste errechenbaren Termin gehen wird, an dem man Jahwes Erbarmen erwarten oder sogar fordern zu können meinte 1 3 9 . Und doch wird das Verständnis des Zeitraums der 70 Jahre gegenüber Jeremia ein etwas anderes geworden sein. Die 70 Jahre sind nicht mehr die lange Zeit, deren Ende die Angesprochenen nicht oder kaum erleben werden und die deshalb vor allem die Schärfe der Strafe zum Ausdruck bringt. Vielmehr sind, nachdem die Geschichte inzwischen mehrere Jahrzehnte weitergelaufen ist, die 70 Jahre jetzt überschaubar geworden, und damit wird 134

Dazu vgl. Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition ..., S. 23f. Dazu s.a. o. S. 29f. 136 Zum Zusammenhang zwischen dem 1. und letzten Nachtgesicht s.o. S. 29ff. 137 Vgl. a.u. S. 143, 153f. 138 Auch die Charakterisierung als Zeit des Zornes Jahwes spricht dafür. Dazu s.o. S. 131. — Die 40 Jahre des Ezechiel-Buchs zählen ebenfalls ab 587 (dazu s.o. S. 133). 139 Dafür spricht auch die erneute Erwähnung der 70 Jahre l 3 / 4 j a h r e später, im Nov. 518 (7,5) — sofern man nicht diese Erwähnung als sekundären Zusatz versteht (vgl. o. S. 131) bzw. 7,5 als nicht zum Datum 7,1 gehörend ansieht. 135

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Das inhaltliche Material der Nachlgesichte

die in J e r 29,10 für eine ferne Zukunft Israels gegebene Zusage einer Wende aktuell, ihre Einlösung erhofft man in absehbarer Zeit. So rechnet man jetzt mit diesem Zeitraum als einer zumindest ungefähr zutreffenden Angabe (damit dürfte auch der gegenüber Jeremia ins J a h r 587 hinausgeschobene Beginn der 70 Jahre zusammenhängen) und fragt, „wie lange" es noch bis zu Jahwes Zuwendung zu Israel dauert (Sach 1,12). Daß es sich dabei noch nicht um das apokalyptische Interesse an Berechnungen handelt, zeigt auch die Tatsache, daß in der Antwort auf diese Frage keinerlei Zeitangaben gemacht werden (anders als die Antworten im Daniel-Buch auf entsprechende Fragen, s. 8,13f; 12,6f, auch K.9, das gleich zu besprechen ist) 14°. Die Frage, ob Sacharja in der Erwähnung der 70 Jahre direkt an die genannten Worte des Jeremia-Buchs a n k n ü p f t 1 4 1 , ist nicht mit letzter Sicherheit zu bejahen; denn Sacharja selbst verweist nicht ausdrücklich auf Jeremia. Jedoch legt sich eine positive Antwort von daher nahe, daß Sacharja in dem außerhalb der Nachtgesichte überlieferten Spruchgut mehrfach von den „früheren Propheten" und ihrer Botschaft spricht (1,4.5.6; 7,7.12). Sehr zu erwägen ist aber auch eine mehr indirekte Beziehung: Sacharja knüpft an Hoffnungen, Gedanken und Überlegungen an, die die Menschen seiner Zeit, der Exilszeit, bewegten; diese hielten darin die um die „70 J a h r e " kreisende Erwartung fest, die von Jeremia oder seinem Kreis ausgegangen (oder auch schon aufgenommen worden?) ist. Formulierung und Tenor von Sach 1,12 sprechen jedenfalls sehr für eine derartige vorgegebene Verheißung, die während des Exils Ansatzpunkt der Hoffnung war und deren Einlösung man nun dringlich erhoffte, als man annehmen konnte, daß diese 70 Jahre ihrem Ende nahe waren 1 4 2 . Sach 1,12 steht nicht nur unter chronologischen Gesichtspunkten zwischen Jeremias Worten von den 70 Jahren und deren ausdrück1Ю Vgi_ z u dieser Problematik auch o. S. 97. 141 Positiv äußern sich dazu z.B. Orr, a.a.O., S. 3 0 6 , Rietzschel, a.a.O., S . 3 8 f , während Ackroyd, a.a.O., S. 26 hierin nur eine unter zwei Möglichkeiten sieht. 142 Eine Berührung ist auch festzustellen zwischen Sacharja und dem an Jer 25,11 später angefügten V.12 (vgl. o. S. 132): dort wie in der Antwort Jahwes auf die fürbittende Klage Sach 1,12 in V.15 ist von der Bestrafung der Völker, die Jahwes Gerichtswerkzeug waren, nach Ablauf von 70 Jahren die Rede. (Die Antwort Sach 1,15 erwähnt die in der Frage V.12 genannten 70 Jahre nicht noch einmal. Daß der Bezugspunkt der 70 Jahre bei Jeremia und Sacharja ein unterschiedlicher ist, wurde o. bereits erwähnt.)

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7—15 und 6,1—8)

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lieber Aufnahme in D a n 9 , 2 1 4 3 . Geht es bei Sacharja in frühnachexilischer Zeit um eine Zusage, eine Erwartung, die sicher in der Exilszeit festgehalten worden war und auf deren Einlösung man nun dringlich wartete, so studiert der weit später lebende Verfasser von Dan 9 die ihm bereits in Büchern, Schriften vorliegenden Worte der Propheten (V. 2 a) und bemüht sich dabei besonders um das Verständnis der 70 Jahre, die — wie er sagt — von Jeremia als Zeitraum, währenddessen Jerusalem in Trümmern liegen soll, genannt seien (V.2). Anders als bei Sacharja erscheint hier das Jahrhunderte ältere Jeremia-Wort, dessen Ankündigung im ursprünglichen Sinn doch gewiß als eingetroffen zu betrachten ist, als vorgegebene schriftlich fixierte Größe, die Gegenstand einer die Zusage dieses Wortes für die Gegenwart aktualisierenden Neuinterpretation bzw. Umdeutung ist 1 4 4 . Dabei trifft der genannte Bezugspunkt der 70 Jahre nicht den, der in den beiden oben besprochenen Jeremia-Worten genannt ist, sondern kommt dem von Sach 1,12 sehr nahe. Ist dort allgemein vom Zorn Jahwes über Jerusalem und Judas Städte die Rede, so spricht Dan 9,2 von den Trümmern Jerusalems. Denn um diese geht es 143 Zeitlich zwischen Sacharja und Daniel schiebt sich noch d e r n i c h t p r o p h e t i sche u n d nicht zu einer Vision g e h ö r e n d e T e x t 2. Chr 36,21. In einem Rückblick auf die Exilszeit ist dabei die Rede von d e m hier schon ganz in der Vergangenheit liegenden u n d abgeschlossenen Z e i t r a u m von 70 J a h r e n . Es ist die „Zeit d e r V e r w ü s t u n g " des Landes, in d e r dieses „seine S a b b a t e e r s t a t t e t bek o m m t " . Nach V. 20 sieht es so aus, als werde d a m i t die Zeit zwischen d e r Exilierung u n d d e m Beginn der Perserherrschaft gemeint, die j e d o c h erheblich kürzer war. Es wäre zu fragen, o b m a n hier mit u n g e n a u e n , unrichtigen chronologischen Vorstellungen r e c h n e n m u ß . Aber noch wahrscheinlicher d ü r f t e es sein, d a ß hier allgemein in der T a t s a c h e , d a ß das Exil u n d die U n t e r w e r f u n g u n t e r Babel ihr Ende g e f u n d e n h a t t e n , die Einlösung des von d e n 70 J a h r e n handelnden „Wortes J a h w e s d u r c h d e n M u n d J e r e m i a s " gesehen w u r d e , d a ß hier also das Interesse nicht auf einem n a c h r e c h e n b a r e n Zeitraum von genau (oder wenigstens a n n ä h e r n d ) 70 J a h r e n läge. Auf J e r e m i a ist dabei ausdrücklich verwiesen (V.21aa:; dieser Passus wird als der A b s c h l u ß des vorausgehenden Satzes

V.20 verstanden (so z.B. R u d o l p h z.St. mit anderen) o d e r als Beginn eines neuen Satzes (so z.B. P. R. A c k r o y d , Exile and R e s t o r a t i o n , 1 9 6 8 , S . 2 4 0 ) ) . Wenn es auch verschiedene Ansichten darüber gibt, was hier als Wort J e r e m i a s zu verstehen ist, so viel d ü r f t e sicher sein, d a ß d a m i t z u m i n d e s t die „ 7 0 J a h r e " gemeint sind. 144 Vgl. d a z u W. B a u m g a r t n e r : „Das P r o p h e t e n w o r t als Ausgangspunkt kennzeichnet die A p o k a l y p t i k mit ihrer ,Dogmatisierung d e r P r o p h e t i e ' (Dürr ...)" (Ein V i e r t e l j a h r h u n d e r t Danielforschung: T h R 11, 1939, S . 2 2 3 ) ; auch R. H a n h a r t : ,,... d e r A p o k a l y p t i k e r (ist) zuerst und vor allem I n t e r p r e t des altt e s t a m e n t l i c h e n W o r t e s " (Die Heiligen des H ö c h s t e n , Festschr. W. Baumgartner, V T Suppl 16, 1 9 6 7 , S . 9 9 ) .

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Daniel (s. V.26), wobei sicher das Geschick des Tempels mitgemeint ist (s. V.26f), und so liest er diesen Bezugspunkt aus den alten Weissagungen heraus. In der sicheren Erwartung des nahen Endes, die aus den schweren Bedrängnissen der Jahre 167—164 erwuchs, und im Bewußtsein, daß das Ende durch Gott genau bestimmt ist, kommt es zu Versuchen, die noch bis zum Ende ausstehende Frist genauer zu bestimmen. In Dan 9 geschieht das mit Hilfe der Neuinterpretation des ursprünglich in eine ganz andere Zeit gesprochenen und in seiner Aussage ganz klaren Jeremia-Wortes von den 70 Jahren. Dabei wird nicht nur der Bezugspunkt der 70 Jahre aktualisierend uminterpretiert, sondern vor allem müssen die 70 Jahre völlig umgedeutet werden: sie werden als 70 Jahrwochen verstanden (V. 24), die in drei verschieden große Zeitabschnitte mit jeweils verschiedenen Ereignissen aufgeteilt werden (V.25—27). Unverkennbar geht es hier um feste Fristen, um für die apokalyptische Literatur charakteristische genaue Berechnungen, wie sie Sach 1,12 noch fremd sind. Andererseits ist darin, daß in Dan 9 am Schluß der letzten von insgesamt 70 Jahrwochen das Ende der Not und damit die Wende zum Heil mit dem Ende des Feindes verbunden ist (9,24.27; vgl. 7 , 1 1 . 2 3 - 2 7 ; 8,25; 11,45) 1 4 5 , eine Strukturierung der Erwartung zu erkennen, die in den Grundzügen übereinstimmt mit der eben 1 4 6 bei Sacharja und auch Jeremia festgestellten (nach Abschluß einer Notzeit von 70 Jahren folgt in Verbindung mit dem Ende von feindlichen Weltmächten eine heilvolle Wende für Israel). Mit dieser Beziehung zu Sacharja und Jeremia ist zugleich eine Verbindung zur Prophetie allgemein gegeben, insofern diese Erwartungsstruktur in den weiteren Horizont der prophetischen Ankündigungen göttlichen Gerichts und Zorns und einer jenseits davon erwarteten Wende zu einem heilvollen Neuanfang gehört. Exkurs:

Die Notzeit, die Feindmächte und deren Ende, die neue Zeit

Insofern in den genannten Texten das Element der „70 J a h r e " im Rahmen dieser Erwartungsstruktur zur Bezeichnung eines wichtigen Zeitabschnittes dient, sind also mit ihm ganz wesentliche Themen der jeweiligen Verkündigung so eng verbunden, daß hier nicht 145 Zum Verständnis des Wortes DDB? in 9,27 als Verwüster = Feind s. A. Bentzen, Daniel (HAT), 2. A. 1 9 5 2 , Anra. d-d zu Dan 9,27 (S. 6 8 f ) . 146 S. 133f.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7 — 15 und 6 , 1 — 8 )

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nur den „ 7 0 J a h r e n " nachgegangen werden soll, sondern exkursweise auch — besonders im Blick auf Sacharja und Daniel — diesen Themen. Es sind also zu besprechen die Aussagen a) über die Notzeit, b) über die Feindmächte, c) über deren Ende und d) über die darauf folgende neue Zeit. Dabei wird sich zeigen, daß der Vergleich der Ausprägung, die die in den Grundzügen gleichartige Erwartungsstruktur in den einzelnen Texten gefunden hat, ein differenzierteres Bild von Gemeinsamkeiten, aber auch Verschiedenheiten ergibt. a) Fragt man danach, wie die dem Ende der Weltmächte, der Wende zum Heil vorangehende Zeit genauer zu bestimmen ist, dann heißt die Antwort für Sacharja: Die letzten 70 Jahre sind eine Zeit des Zornes Jahwes gegen sein Volk ( 1 , 1 2 b : DS?T, 1 , 1 5 b : «l^p). Einige Auswirkungen dieses Zorns in Sacharjas Gegenwart wird man aus dem zweiten bis letzten Nachtgesicht erschließen können, wo sie den negativen Hintergrund des angekündigten Neuen bilden. Dieser Zorn richtete sich schon gegen die „Väter", die ihn selbst provoziert haben — das geht aus dem Spruchgut hervor (Sach 1,2; 7 , 1 2 ; 8 , 1 6 : ,η^ρ) —, und ist zweifellos identisch mit dem Zorn Jahwes, den die Propheten der Vor- und der beginnenden Exilszeit angekündigt haben, darunter auch Jeremia 1 4 7 . In dem auf die klagende Frage Sach 1 , 1 2 antwortenden J a h w e w o r t l , 1 4 f sagt J a h w e — o f f e n b a r mit Bezug auf die in 1 , 1 2 genannten 70 J a h r e des Zorns—, er habe nur „ein w e n i g " gezürnt (1,15 b a : B1?Ö TlDXp Daß D5773 hier nicht das A u s m a ß des Zorns, sondern seine Dauer bezeichnen wird, legt sich nahe, wenn man die Gesamtaussage V . 1 5 vor dem Hintergrund der Klage über die 70 Zornjahre in V. 12 sieht: O f f e n b a r soll die Schuld der V ö l k e r herausgestellt werden ( J a h w e s kurzen, zeitlich begrenzten Zorn haben sie derartig ausgeweitet) als Grund für den nun gegen sie gerichteten „großen Z o r n " J a h w e s . Auch die Aussage 7 , 1 2 , zu der sich sonst ein Widerspruch ergäbe, spricht für dieses Verständnis. In diesem Gedanken steht S a c h a r j a Deuterojesaja nahe: in J e s 5 4 , 8 (vgl. auch V. 7) heißt es ganz ähnlich im Blick auf die Exilszeit, daß J a h w e im Zorn einen Augenblick ( Ϊ Π ) sein Angesicht verborgen h a t t e , j e t z t aber bleibend Israel sein E r b a r m e n zuwendet. Dabei mag Deuterojesaja wie so o f t an Sprache und Gedanken der Psalmen a n k n ü p f e n 1 4 8 : auch Ps 3 0 , 6 spricht angesichts der j e t z t geltenden lebenslangen Huld J a h w e s im Rückblick auf G o t t e s Zorn davon, daß dieser nur einen Augenblick (3?Л) dauerte. Bei Sacharja steht aber dieser Gedanke nicht wie bei Deuterojesaja im R a h m e n des an sein V o l k gerichteten werbenden Zuredens J a h w e s , sondern hat — wie erwähnt — die F u n k t i o n ,

1 4 7 In seinen beiden Worten von den 70 J a h r e n und in ihrem unmittelbaren K o n t e x t ist allerdings nicht ausdrücklich, wohl aber der S a c h e nach vom Zorn J a h w e s die R e d e ; vgl. a . o . S. 1 3 3 f . 1 4 8 So C. Westermann z . S t .

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

die Verantwortlichkeit der Völker und damit den Grund für J a h w e s Zorn gegen sie aufzuzeigen. Einen etwas anderen Akzent hat der Gedanke in der in ihrer Herkunft umstrittenen (jesajanisch?, aus seleukidischer Zeit?) Ankündigung J e s 1 0 , 2 5 , insofern es hier heißt: „Denn noch (US?) eine kleine Weile (Ч57ТЙ B57Ü) und der Zorn ist vorüber . . . " . Schließlich begegnet der Gedanke vom nur kurze Zeit währenden Zorn noch in der Jesaja-Apokalypse ( J e s 2 6 , 2 0 : hier ebenfalls nicht wie bei Sacharja und Deuterojesaja im Rückblick, sondern in einer Ankündigung.

Auch Daniel, der das Wort Jeremias von den 70 Jahren aufgreift und damit offenbar seine Zeit in eine gewisse Beziehung zur Exilszeit setzt, versteht und bezeichnet die der Wende und damit nach K . 9 dem Ende der 7 0 Jahrwochen vorangehende Zeit u.a. als Zornzeit: Das im Zusammenhang der Erörterung über die 7 0 Jahre in K . 9 stehende G e b e t 1 4 9 bittet in 9 , 1 6 um die Abkehr des Zornes Gottes ПОП) von Jerusalem; vom „Ende des Zorns" — zweifellos des Z o r n e s G o t t e s — ist in 8 , 1 9 (05?ТП ПЛПКЭ) und 1 1 , 3 6 (hVd-IS?

ПУТ) die R e d e 1 5 0 . Hervorzuheben ist, daß bei Daniel durch den Begriff Zorn zusammenfassend eine Abfolge von Ereignissen charakterisiert ist, die einzeln aufgeführt, auch ausgemalt sind, die in ihrer Reihenfolge, ihrem Ausmaß, ihrer zeitlichen Erstreckung nach einem bestimmten Plan Gottes ablaufen 1 5 1 . Ein solches Programm und d.h. ein derartiger betonter Determinismus, wie er sich als ein charakteristisches Merkmal der Apokalyptik 1 5 2 bei Daniel findet, fehlt bei Sacharja in diesem Zusammenhang 1 5 3 . Bei ihm ist auch nicht wie bei Daniel der Blick auf die ganze Welt oder Teile von ihr gerichIn seiner Echtheit ist es umstritten. In diesem Gesamtrahmen wird man auch die Erwähnung des Zornes (DVT) des Antiochus gegen den „heiligen B u n d " sehen müssen ( 1 1 , 3 0 ) . 1 5 1 S. z.B. 9 , 2 7 ; 1 1 , 3 6 : alles geschieht nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, bis zum „Ende des Z o r n s " , bis das „beschlossene E n d e " k o m m t und „Beschlossenes vollführt wird"; s. ferner 7 , 1 2 . 2 2 . 2 5 ; 8 , 1 4 . 2 3 ; 9 , 2 4 . 2 5 . 2 6 ; 1 0 , 2 1 a ; 1 1 , 2 7 . 3 5 ; 1 2 , 7 . 1 1 f. 1 5 2 S. z.B. S . B . Frost, Old Testament Apocalyptic, 1 9 5 2 , z.B. S . 2 0 ; P. Vielhauer, Die Apokalyptik, in: E. Hennecke—W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen Bd. II, S. 4 1 4 f ; J . Schreiner, Alttestamentlich-jüdische Apokalyptik, 1 9 6 9 , S. 1 2 1 - 1 2 5 ; W. Zimmerli, Der Mensch und seine Hoffnung im Alten Testament, 1 9 6 8 , S. 1 5 0 . 1 5 3 Sach 1 , 1 5 b zeigt das deutlich: Mit streng deterministischen Vorstellungen (das Ende ist genau bestimmt und also auch berechenbar, vgl. die o. genannten Daniel-Belege) ist es nicht zu vereinbaren, wenn hier gesagt wird, daß der Zorn nach J a h w e s Willen nur kurze Zeit dauern sollte, die Völker ihn aber ausgeweitet haben. — Zur Ereignisabfolge 5 , 1 1 / 6 , 8 s.u. S. 1 4 6 f . 149

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tet, über die in dieser Zornzeit Vernichtung und Krieg k o m m e n 1 5 4 , sondern ihm steht nur Israel vor Augen, aber nicht so, daß er ebenso wie Daniel dieses in ganz bestimmte, sich zum äußersten steigernde Notsituationen geraten sieht 1 5 5 . Auch von einer Auflehnung gegen Gott, wie sie — ebenso wie die eben genannten über Israel und die Welt kommenden Schrecken — nach Daniels Worten vom 4. Reich bzw. von Antiochus als dem Frevelkönig der letzten Zeit ausgeht 1 5 6 , ist bei Sacharja nicht die Rede. Zusammenfassend ist festzuhalten: Beiden, Sacharja und Daniel, ist gemeinsam, daß sie die der Wende zum Heil vorangehende Zeit als durch den Zorn Gottes bestimmt sehen. Im einzelnen jedoch sind die Äußerungen über diese Zeit bei Sacharja, der sich an dieser Wende zum Heil stehen weiß, ganz wesentlich unterschieden von denen des apokalyptischen Daniel-Buchs, für das der Höhepunkt der Notzeit noch aussteht. b) Weiter ist nach den Mächten zu fragen, deren Ende am Abschluß der 70 Jahre (bzw. Jahrwochen) und damit auch der — eben besprochenen — Zornzeit steht. Bei Jeremia handelt es sich um ein ganz bestimmtes Reich, um das neubabylonische 1 5 7 . Anders geht es in D a n 9 , 2 7 nicht nur um die Vernichtung einer bestimmten Feindmacht, sondern — da der Gesamthorizont der danielischen Aussagen zu berücksichtigen ist — damit zugleich auch um das Ende aller Weltreiche. Denn der konkrete Feind von Dan 9,27 (sicher der Seleukide Antiochus IV. Epiphanes) ist nach Dan 7 das letzte Glied in einer Reihe von 4 Weltreichen 1 5 8 . Im einzelnen ist in den Ausführungen von Dan 7 und 2 über diese Weltreiche ein 154

Dan 7,23 (auch 2,40); 8 , 9 . 2 4 b ; 1 1 , 2 5 f . 2 9 . 4 0 . 4 2 f . 4 4 . Dan 7,25; 8,24f; 9,26f; 1 1 , 2 2 f . 2 8 . 3 0 - 3 4 . 3 9 . 4 1 , 12,1. 156 Dan 7,25; 8 , 1 0 - 1 2 . 1 3 . 2 5 ; 9,26f; 11,31.36.38. 157 Ebenso geht es auch bei Jesaja (s. 10,5ff, 14,24f) und Dcuterojesaja (K. 47) jeweils um nur eine bestimmte Macht, Assur bzw. Babel, deren Ende angekündigt wird. 158 In diesem Rahmen, und d.h. nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den übrigen danielischen Aussagen über die Vernichtung des letzten Feindes ( 7 , 1 1 . 2 3 - 2 7 ; 8,25; 11,45: auch hier jeweils Antiochus IV., in 2 , 3 1 - 4 5 geht es bei dem 4. Reich von 2,40ff allgemeiner um das Reich Alexanders d. Gr. und die ihm folgenden Diadochenstaaten) und damit dann auch im Zusammenhang mit dem 4-WeItreiche-Schema in K.7 und 2 wird man Dan 9,27 sehen und verstehen müssen. Vgl. dazu etwa A. Bentzen, Daniel (HAT), 2. A. S . 6 f , W. Zimmerli, Der Mensch und seine Hoffnung im Alten Testament, 1968, S. 158-160. 155

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

„Schweben zwischen Nacheinander und Gleichzeitigkeit der Reiche" 1 5 9 festzustellen, woran abzulesen ist, daß es zwar um einen geschichtlichen Verlauf (eine die Weltgeschichte darstellende Folge von ganz bestimmten Reichen) geht, dieser aber „angesichts des kommenden Gottesreiches zu einer einzigen geschlossenen Erscheinung" 1 6 0 zusammengefaßt wird. Für Sacharja gilt, daß er — im Unterschied zu Jeremia, aber in Übereinstimmung mit Daniel — von einer Mehrzahl von Völkern, von der Gesamtheit der Weltmächte spricht, wobei in 2,1 — 4 und 6,Iff ebenso wie bei Daniel die 4-Zahl als Ausdruck der Totalität in bezug auf die Welt (mächte) verwendet ist 1 6 1 . Aber im Unterschied zu Jeremia und Daniel ist bei Sachaqa trotz aller Berücksichtigung der jüngsten Geschichte offensichtlich nicht an ganz bestimmte, mit Namen zu benennende geschichtliche Größen (Reiche) gedacht — weder in der Antwort auf die Frage nach dem Ende der 70 Jahre (1,15), wo nur allgemein von „Völkern" die Rede ist 1 6 2 , noch in dem diesen Teil der Antwort entfaltenden 2. Nachtgesicht 2,1— 4 1 6 3 , noch im letzten Nachtgesicht und in seinem auf 1,15 (und auch 2,1—4) Bezug nehmenden, das „Nordland" nennenden Schlußsatz (6,8) 1 6 4 . Die eben getroffene recht allgemeine Feststellung, daß sich Sacharja und Daniel berühren, insofern es bei beiden um eine Mehrzahl von Völkern und Reichen bzw. Weltmächten geht, läßt sich unter zwei Gesichtspunkten präzisieren. So zunächst a) unter dem Gesichtspunkt des zusammenfassenden Geschichtsrückblicks. Zwar findet sich bei Sachaija anders als bei Daniel kein Überblick über das Ganze der Welt- bzw. Weltreichgeschichte, die ihrem von Gott vorherbestimmten und herbeigeführten Ende zuläuft, auch keine Darstellung einer geschichtlichen Abfolge. Aber es steht zweifellos auch hinter seinen Äußerungen über Völker und Mächte implizit ein zusammenfassender Rückblick in die Geschichte, allerdings nur auf einen bestimmten Aspekt konzentriert: auf die Erfahrungen, die Israel — besonders in seiner jüngsten Geschichte — mit den Großmächten gemacht hat. Rückblickend ist dabei nur festzustellen: Be159 M. Noth, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik (1954): Gesammelte Studien zum AT Bd. I, ThB 6, 2. A. I 9 6 0 , S . 2 7 0 . 160 M. Noth, a.a.O., S. 263; s.a. A. Bentzen, Daniel S . 3 3 (zu Dan 2). 161 Dazu vgl. S. 23, 130, 161. 162 Dazu muß auf die dieses Problem betreffende ausführliche Behandlung von 1,15 u. S. 153ff. verwiesen werden. 163 Dazu s.o. S. 22f (auch 68), u. S. 162f. 164 Dazu s.o. S. 35f.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht (1,7—15 und 6,1 — 8)

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drohung, Unterwerfung, Vernichtung waren es, die Israel von Seiten der verschiedensten Großmächte zu erleiden h a t t e 1 6 5 . Dieser Rückblick in die Geschichte bildet den Hintergrund für die das zukünftige Geschick der Völker und Mächte betreffenden Ankündigungen Sacharjas. Unverkennbar ist in diesen b) ein universalistischer Zug, insofern es allgemein um Völker, um die Weltmächte in ihrer Gesamtheit geht. Dieser Universalismus ist jedoch in 1,15 und 2,1—4 insofern von vornherein eingeschränkt, als die Völkerwelt unter dem Gesichtspunkt der geschichtlichen Erfahrung Israels hier nur im Blick ist als der Feind Israels. Demgegenüber kommt ein nicht eingeschränkter Universalismus offenbar in 1,1 Of und zunächst auch in dem darauf bezogenen letzten Nachtgesicht 6,1—8 166 zum Ausdruck, wenn hier eine alle Länder und Mächte uneingeschränkt betreffende endzeitliche Welterschütterung gemeint ist 1 6 7 . Dieser Zug wird unterstrichen durch die Prädizierung Jahwes als „Herr der ganzen Erde" (6,5). Aber bemerkenswerterweise wirkt sich auch in 6,1—8 die schon genannte geschichtliche Erfahrung Israels aus, indem das Hauptinteresse letztlich doch nicht allgemein der Völkerwelt gilt, sondern dieser als dem Feind Israels und dementsprechend der Frage, wie es mit deren Macht in Zukunft stehen wird. So ist, nachdem zunächst universal alle 4 Himmelsrichtungen genannt worden waren, in 6,8 schließlich nur die Aussage über den Norden, das „Land des Nordens" als Inbegriff des Bösen und Unheilvollen voll ausgeführt. Insgesamt ist von Jeremia über Sacharja bis zu Daniel eine zunehmend ausgeweitete Einbeziehung der Völkerwelt festzustellen. Dabei ist Sacharja deutlich von Jeremia unterschieden und offenbar auf dem Wege zu der für die Apokalyptik charakteristischen Universalität des Horizontes, wie sie sich dann bei Daniel zeigt. In diesem Zusammenhang legen sich zwei weitere Fragen nahe: die nach der näheren Bestimmung des Endes der Weltmächte (c)) und die besonders für den Gesamthorizont der Zukunftserwartung Sacharjas und Daniels interessante Frage, welche Aussagen über das auf die Wende folgende Neue gemacht werden (d)). c) Das Ende der Weltmacht Babel wird in dem gegenüber J e r 25,11 höchstwahrscheinlich späteren V.12 1 6 8 als Heimsuchung der Schuld bezeichnet, die Jahwe nach Ablauf der 70 Jahre vornimmt. 165 166 167 168

Vgl. dazu die Verweise in den drei vorangehenden Anm. Zu dieser Beziehung s.o. S. 2 9 - 3 1 . Dazu s.o. S. 2 9 - 3 6 , a.u. S. 147f. S.o. S. 131.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Sachaija erfährt im 1. Nachtgesicht, daß der 70 Jahre gegen Israel gerichtete Zorn Jahwes (1Д2, s. auch V.15b) nun gegen die Völker gewandt wird (1,15) 1 6 9 . Auch hier handelt es sich fraglos um eine Bestrafung dieser Völker. Ihre Schuld besteht in ihrer Sicherheit und vor allem darin, daß sie „zum Bösen geholfen haben", als Jahwe „ein wenig zürnte" 1 7 0 (s. auch 2,1 — 4: Die Völker werden niedergeworfen, die ihr Horn gegen J u d a ... erhoben und es zerstreut haben.) 1 7 1 . Ziel und Ergebnis der Bestrafung ist die Entmachtung dieser Mächte 1 7 2 . Daniels Aussagen gehen über Sacharjas hinaus. Schon die Ankündigung 9,27, daß sich am Ende der 70 Jahrwochen „das beschlossene Ende auf den Verwüster ergießt" 1 7 3 , spricht — unverkennbar deterministisch geprägt — eindeutig von der Vernichtung. Der Unterschied zu Sacharja wird noch deutlicher, wenn man 9,27 im Gesamthorizont der Daniel-Visionen sieht: Die Vernichtung ist — so sagt es ausdrücklich 7,9—12.22.26 — Gericht Gottes; Gericht und Bestrafung ergehen auf Grund bestimmter Verfehlungen 1 7 4 über die jeweils genannten Reiche 1 7 5 , wobei es K.7—12 gemeinsam und ihr Höhepunkt ist, daß der letzte König, in dem der Frevel seinen Höhepunkt erreicht, vernichtet wird; letztlich geht es dabei — wie K. 7 und auch 2 zeigen — um Gottes Gericht über die Weltgeschichte und d.h. um das Ende der Welt- und Menschengeschichte. d) Der Unterwerfung der feindlichen Mächte und dem damit verbundenen Ende der Zornzeit folgt ein Neubeginn. Im Daniel-Buch 169 Vgl. unten S. 151f. — Dieser Gedanke (Jahwe wendet seinen Zorn von Israel ab und gegen dessen Unterdrücker) findet sich auch bei Deuterojesaja: Jes 51,17—23, vgl. a. K . 4 7 ; ähnlich auch bei Ezechiel, s. 36,6f (hier ist allerdings nicht vom Zorn, sondern vom Schimpf (HÖ^D) die Rede, den Israel bisher von den Völkern zu tragen hatte und den nun die Völker selbst tragen sollen, d.h. sie fallen ihrerseits unter das Gericht). 170

Dazu s. S. 139, 151. Obwohl in 6,1—8 derartiges nicht ausdrücklich gesagt wird, legt die Betonung des Nord-Landes, die Beziehung dieser Vision ebenso wie aller anderen Nachtgesichte auf die Verheißung l , 1 4 f , dazu die besondere Verbindung dieses und des 1. Nachtgesichtes nahe, daß auch in 6,1—8 dieser Gedanke mit gemeint ist. 172 Ob darüber hinaus an deren Vernichtung gedacht ist,läßt das Vorkommen von Kriegswagen im letzten Nachtgesicht (dazu s.o. S.31) fragen. Klar gesagt wird es nicht. 173 Übersetzung nach Bentzen, Daniel (HAT). П2ПГШ П^Э wörtlich: Vernichtung und Beschlossenes. 174 7 , 7 f . 2 3 - 2 5 ; 8 , 9 - 1 2 . 2 3 - 2 5 ; 9 , 2 6 f ; 11,21 ff. 175 Außer den genannten Belegen aus K.7 und außer 9,27 sind anzuführen: 8,25bß; 11,45, s.a. 2,34. 171

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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wird das Neue erwartet als ein von Gott aufgerichtetes Königtum. Es geht auf kein anderes Volk über (2,44, s. auch 7,18 b) und ist von ewiger Dauer, unzerstörbar (2,44; 7,14.18.27) im Unterschied zum Wechsel der zu Ende gegangenen Weltreiche. K. 7 sagt dann etwas über den bzw. die Träger der Macht: „einer wie ein Mensch" — ein Himmelswesen im Gegensatz zu den vier aus dem Meer aufsteigenden Tieren (= Repräsentanten der Weltreiche) dieser Vision erhält vom himmlischen Gericht „Macht und Ehre und Reich" (V.13f). Ist dieser Menschengestaltige im Visionsbild „Symbol der endzeitlichen, von Gott verliehenen Herrschaft" — „als solches tendiert er zu messianischen Vorstellungen hin, ohne selbst ein Messias zu sein" 1 7 6 —, so sieht ihn die Deutung als Repräsentanten der „Heiligen des Höchsten" (V.27.18.22a) 1 7 7 . Wer mit den „Heiligen des Höchsten" gemeint ist, ist neuerdings wieder diskutiert worden: das Volk Israel oder himmlische Wesen 1 7 8 , wobei letzteres Verständnis den Zug der Diskontinuität im Verhältnis des neuen Zeitalters zum alten Zeitalter der Weltgeschichte und -reiche unterstriche. (In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß in 12,1—3, wo es unzweifelhaft um Israel in und nach der Wende geht, nichts von ihm als Träger des neuen Reiches gesagt ist.) Deutlich wird — wie schon bei dem vorangehenden Gericht — der universale Aspekt hervorgehoben: Es handelt sich um eine die ganze Welt umfassende Herrschaft, alle „Völker, Stämme, Zungen" (7,14), alle Mächte (7,27) werden ihm Untertan sein. In dieser Universalität bleiben die Aussagen über die neue Zeit aber sehr blaß und allgemein, was besonders auf dem Hintergrund der detailliert angeführten Ereignisse der Zeit vor der Wende auffällt. Auch K.9, das von dem ausdrücklich auf Jerusalem bezogenen Jeremia-Wort ausgeht, kommt nur zu einer allgemeinen inhaltlichen Bestimmung des neuen Zeitalters: ausgeschaltet sind Frevel und Sünde, gesühnt die Schuld, gebracht ewige Gerechtigkeit (V.24); dabei ist als einzige Ankündigung mit ei-

C. Colpe, Art. ό υιός τού άνδρώπου B.III.1.: ThW Bd.VIII, S. 4 2 4 . Zum Problem des V . 2 2 s. Colpe a.a.O., S . 4 2 4 , A n m . 1 7 4 , ausführlich Μ. N o t h , „Die Heiligen des H ö c h s t e n " ( 1 9 5 5 ) : G e s a m m e l t e Studien z u m A T , T h B 6, 2. A. 1 9 6 0 , S. 2 8 6 f f . 178 N a c h d e m bisher fast allgemein die D e u t u n g auf Israel vertreten w o r d e n war (vgl. W. Baumgartner, Ein Vierteljahrhundert Danielforschung: T h R 11, 1 9 3 9 , S. 2 1 5 f ) , d e u t e t e sie M. N o t h — in Anknüpfung an eine These von O. Procksch — in d e m eben g e n a n n t e n Aufsatz als himmlische Wesen. In Auseinandersetzung mit N o t h führt die Untersuchung von R. Hanhart, Die Heiligen des H ö c h s t e n (Fcstschr. W. Baumgartner, V T Suppl 16, 1 9 6 7 , 9 0 - 1 0 1 ) zu dem Ergebnis, daß das cndzeitliche Israel gemeint ist. 176

177

10 J e r e m i a s , N a c h t g e s i c h t c

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

nem konkreten Bezug von der Salbung eines „Hochheiligen" die Rede — eine Formulierung, deren Sinn zudem nicht ganz zweifelsfrei ist 1 7 9 . Sicher ist diese konkretere Ankündigung wie auch die von 8,14 („das Heiligtum k o m m t zu seinem Recht") auf dem Hintergrund des unerhörten Frevels am Tempel zu sehen (s. z.B. 8,11; 9,26f; 11,31), der in der neuen Zeit ein Ende haben wird. Ansonsten fehlen jegliche Beziehungen auf bestimmte Gegebenheiten wie Länder, Städte, Völker o.ä. Israel selbst kommt zweifelsfrei in 12,1—3 vor: Seine Rettung wird angesagt (V.l) und vor allem eine Totenauferstehung erwartet (V. 2). Darüber hinaus wird aber kein genaueres Bild der zukünftigen Existenz des Gottesvolkes gegeben. Daneben sind die Aussagen Jeremias und Sacharjas über das erwartete Neue zu stellen. Nach Jer 29,10 wird sich Jahwe, wenn die 70 Jahre der Großmacht Babel abgelaufen sind, der Verbannten annehmen und sie zurückführen. Weit umfassender ist Sacharjas Schau des auf die 70 Zornjahre folgenden Neubeginns. Sacharja sieht sich selbst genau an diesem Wendepunkt vom Zorn zum Heil stehen (außer dem 1. Nachtgesicht s. auch 8,9ff, besonders V.l 1) 1 8 0 — anders als Daniel, der danach noch ausschaut, die Wende aber in naher Zukunft erwartet 1 8 1 . Im Zukunftsbild der Nachtgesichte Sacharjas fallen ganz wesentliche Unterschiede gegenüber Daniel auf. Hier wird — fern von Farblosigkeit und Allgemeinheit — konkret die irdische, geschichtliche Existenz des frühnachexilischen Israel gezeichnet, wie sie ihm durch die Zuwendung seines Gottes ermöglicht werden wird. (Ausdruck dieses konkreten Charakters sind u.a. die in diesen Aussagen vorkommenden Ortsbezeichnungen.) 1 8 2 Auf die summarische Ankündigung des 1. Nachtgesichts — es ist so etwas wie eine Überschrift über die neue Zeit —, daß Jahwe mit großem Eifer um Jerusalem und Zion eifert (1,14), folgt deren Entfaltung in den folgenden Nachtgesichten 1 8 3 : Nach außen wird Jerusalem vor Feinden geschützt sein — 119

S. z.B. Bentzcn z.St. Indem Sacharja das Ende des Zorns Jahwes als Wende zum Heil ankündigt, steht er einem Hauptthema der Verkündigung Deuterojesajas ganz nahe, dessen volle Erfüllung noch ausstand: s. Jes 51,17—23 (ЛПП); 54,8 (^Sp); auch 4 0 , 2 , vgl. 5 1 , 1 2 f f ; 47,6. 181 Zu den Zeitangaben und -Vorstellungen s.o. S. 140. 182 j e r u s a i e m : 1,14; 2,6.8; 3,2; Zion: 1,14; allgemein das Land (sc. des nachexilischen Israel): 5,3.6 (dazu s.o. S. 29); vgl. auch Land Sinear: 5 , 1 1 , das nur unter einem bestimmten Aspekt der Zukunft Israels interessiert und genannt wird, ähnliches gilt wohl für das Land des Nordens 6,8; dazu s.o. S. 30f, 35f. 183 Dazu vgl. o. S. 36f. 180

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6,1—8)

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zur Existenzsicherung und -ermöglichung 1 8 4 ; nach innen geht es um das zukünftige Jerusalem mit seiner zahlreichen Bevölkerung und seinem großen Reichtum an Vieh (2,8), um Gottes Gegenwart in dieser Stadt (2,9), (um den Status des Hohenpriesters Josua, 3,1 ff), es geht um die Führung und Leitung des Volkes (4,Iff), um dessen innere Ordnung, Erneuerung (5,1—4) und um die Reinigung des Landes von p y und ПУЕЛ (5,5ff). Diese Gottlosigkeit wird in das Land Sinear, d.h. Babylonien, gebracht (5,11), das dann nach 6,8 niedergeworfen wird 1 8 S . Möglicherweise kündigt sich in diesem Nacheinander eines zweistufigen Vorgangs, der hier offensichtlich vorliegt, schon von ferne an, was dann in der Apokalyptik in umfassenden Programmen der nacheinander ablaufenden Endzeitereignisse in Erscheinung tritt. Diese das nachexilische Israel betreffende Zukunftsschau steht im Zusammenhang einer von Jahwe ausgehenden Niederwerfung der Länder und Mächte der Erde, d.h. einer universalen Neuordnung (6,1—8) 186 ; dabei wird nichts davon gesagt, daß Israel die Weltherrschaft antritt und ihm alle Völker unterworfen sind. Überblickt man Jeremias, Sacharjas und Daniels Aussagen über den erwarteten Neubeginn, so heben sich Sacharja und Daniel von Jeremia ab durch ihre inhaltlich viel umfassenderen und ausführlicheren Äußerungen. Beim Vergleich von Sacharja und Daniel fallen als Schwerpunkte und damit auch als Hauptunterschiede der weltumfassende Horizont bei Daniel und die Konzentration auf Israel bei Sachaija auf. Geht man dem im einzelnen nach, dann zeigt sich jedoch, daß bei Sacharja der weltweite Aspekt nicht völlig fehlt, wenn auch die Ausrichtung auf Israel deutlich dominiert. Denn die nach 6,1—8 durch Jahwe veranlaßte Niederwerfung aller Länder und Mächte der Erde kann man nicht anders als die weltweite Ausübung und Durchsetzung der Herrschaft Jahwes verstehen. Insofern wird hier schon erkennbar, was dann in Dan 7 und 2 als Inbegriff der neuen Zeit angekündigt wird: die durch Gott aufgerichtete Herrschaft 184 Dieser besondere Blickwinkel, unter dem hier von Israel aus die Völker gesehen werden, setzt sich auch da durch, w o zunächst ganz ohne Einschränkung der Blick in die Weite der ganzen Welt und aller Länder geht (dazu s.o. S. 143f.).— Der Gedanke des Schutzes wird zweifach ausgesprochen: Jahwe wird Jerusalems Mauer sein (2,9); alle Völker, Mächte und damit jede potentielle Bedrohung werden ausgeschaltet (2,1—4 und 6,1—8, dazu vgl. o. S. 23, 35f, s.a. unten S. 154f). 185 S.o. S. 36. 186 Dazu s.o. S. 35f.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

über alle Reiche und Mächte, die von ewiger Dauer sein wird. Im einzelnen sind dabei die Unterschiede zwischen Sacharja und Daniel nicht zu übersehen. Was sich bei Sacharja nur mehr implizit, im Bild dargestellt und im einzelnen nicht weiter ausgeführt findet, ist bei Daniel ausdrücklich, betont und auch ausführlicher ausgesprochen. Es fehlt zudem in diesem Zusammenhang bei Sacharja die uneingeschränkte Universalität in der Ausprägung wie bei Daniel 187 . Da bei Daniel diese Gottesherrschaft an die Stelle der zu Ende gegangenen Welt der Mächte und ihrer Geschichte tritt, das Alte also nicht verändert, sondern durch etwas Neues ersetzt wird, ist von einer Kontinuität zwischen Altem und Neuem nichts zu erkennen. Anders ist offenbar bei Sacharja keine derartige Unterscheidung zweier Weltzeiten gegeben, wie sich an den Ankündigungen für das nachexilische Israel zeigt; denn hier ist neben allem Neuartigen und neben dem das Bisherige Überbietenden durchaus ein solches Moment der Kontinuität zu erkennen. Es geschieht nicht eine völlige Umwälzung, ein Abbruch alles Bisherigen. Vielmehr knüpft das Neue an bisherige Gegebenheiten an. So hat sich z.B. keineswegs erübrigt, daß das Volk eine Führung hat (für die u.a. ein Davidide, Serubbabel, vorgesehen ist, wie zu erschließen ist, 4 , I f f ) . Weder sind die alten Besitzrechte und -ansprüche gegenstandslos geworden, die jetzt im Konflikt mit den aktuellen Besitzverhältnissen stehen (5,1—4), noch die Frage des Aufbaus der Stadt Jerusalem, seiner Mauer und damit seiner Sicherheit, seiner Bevölkerungszahl und des Viehbesitzes (2,5—9). Daß sich daneben auch bei Sacharja Züge völliger Überbietung des Bisherigen finden, zeigt z.B. die Ankündigung, daß Jahwe Jerusalem als Feuermauer umgeben will (2,9), was nur als „Abbruch aller bisherigen Verhältnisse und ... Anbruch des Letzten und Endgiltigen" 1 8 8 zu verstehen ist; ebenso wird die erwartete Ausrottung von HVBH und ps? aus dem Land (5,5—11) und die offenbar endgültige Sicherheit vor Bedrohung durch feindliche Weltmächte (z.B. 2,1—4) aufzufassen sein.

Während sich Sacharja auf die nächste irdische Zukunft und Existenz des nachexilischen Israel mit ihren Fragen und Problemen konzentriert, bietet Daniel kein derartiges genaueres Bild der Existenz des Gottesvolkes in der neuen Zeit. Denn über die Ankündigung der Rettung Israels aus der Notzeit (12,1) und der im Zusammenhang damit angesagten Totenauferstehung (12,2), die bei Sacharja keinerlei Entsprechung hat, gehen seine Äußerungen nicht hinaus 1 8 9 . Von Israel als Träger des Gottesreiches wird im Zusammenhang von 12,lf nichts 187

Zur Frage des Universalismus bei Sacharja s.o. S. 142f. G. v. Rad, Der Heilige Krieg im alten Israel, 1 9 5 8 , S . 6 6 . 189 Auch 9 , 2 4 und 8 , 1 4 , die o. S. 145f erwähnt worden sind, äußern sich nur recht allgemein oder sind teilweise in ihrem Sinn nicht recht deutlich. 188

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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gesagt. Und es ist zumindest fraglich, ob der Text von Dan 7 und 2 eine solche Deutung, wie sie etwa Rowley gibt, zuläßt, daß nämlich bei dem von Gott aufgerichteten Reich an ,,ein politisches Reich, das in einem irdischen Staat verwirklicht und von den jüdischen Heiligen verwaltet würde", gedacht sei 1 9 0 . Gerade die zuletzt genannten Unterschiede werden sich weithin aus der verschiedenen Situation Sacharjas und Daniels erklären. Ist Daniel unter dem Eindruck der unerträglichen Not in erster Linie auf deren Ende und die Berechnung der bis dahin noch verstreichenden Zeit ausgerichtet und weniger auf Einzelheiten der folgenden neuen Zeit, so sieht sich Sacharja direkt an der Wende einer nicht im selben Maße wie bei Daniel unerträglichen Not stehen und wendet sich ganz dem Neuen zu, über das man Genaueres erfährt. Inhaltlich ist das Zukunftsbild Sacharjas wesentlich bestimmt durch die — gegenüber Daniel andere — geschichtliche Situation des Neuaufbaus eines Gemeinwesens nach dem Exil, des Einlebens der Rückkehrer im Land. Daraus erwachsende, das nachexilische Israel bedrängende Fragen und Probleme werden in den Nachtgesichten aufgegriffen, eine Lösung wird angekündigt. Sieht man diese Zusammenhänge, dann wird die sich von Daniels Aussagen abhebende konkrete Ausrichtung Sacharjas auf Israel vor allem in ihrer Thematik verständlich. Außer auf Berührungen in Einzelzügen 191 ist schließlich auf den Charakter der Endgültigkeit hinzuweisen, der bei Sacharja und Daniel das von Jahwe bewirkte Neue im Vergleich mit Israels bisheriger Existenz kennzeichnet. Allerdings ist dieser keine spezifische Eigenheit der Zukunftserwartung Sachaijas und Daniels, sondern verbindet diese allgemein mit der Verkündigung der Propheten 1 9 2 . Faßt man zusammen, was die Gegenüberstellung von Sacharja und Daniel unter der Fragestellung der vier Abschnitte dieses Exkurses ergeben hat, dann zeigt sich, daß Sacharjas Nachtgesichte hier in den wesentlichen Punkten deutlich unterschieden sind von der apokalyptischen Ausprägung und Ausgestaltung dieser Erwartung, wie 190 Η. H. Rowley, Apokalyptik. Ihre Form und Bedeutung zur biblischen Zeit, 3 . Λ . 1965, S. 48. Vgl. a. die Erwägungen von O. Plöger, Theokratie und Eschatologie, WMANT 2, 3. A. 1968, S. 31. 191 Der bei Daniel angekündigten Entfernung der Sünde (9,24) entspricht das in Sach 5,5ff Angekündigte, der Unzerstörbarkeit des Gottesreiches bei Daniel (2,44; 7,14, s.a. V.27) die vor der Bedrohung der Weltmächte geschützte neue Existenz Israels in Sacharjas Verkündigung. 192 Dazu s. v. Rad, ThAT II, 5. A. S. 125.'

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Das inhaltliche Material d e r Nachtgesichte

sie sich im Daniel-Buch finden. Das ist besonders bei den auf das Neue, die Heilszeit gerichteten Ankündigungen im letzten Abschnitt und bei den Aussagen über die Zorn-, die Notzeit im Abschnitt a) zu erkennen. Daß es andererseits auch interessante Berührungspunkte zwischen Sacharja und Daniel gibt, h a t t e sich besonders im Abschnitt b) ergeben. Wenn auch in dem vorangehenden Exkurs, der die mit dem Motiv der „70 J a h r e " bei Jeremia, Sacharja und Daniel verbundenen wesentlichen Themen der Zukunftserwartung betraf, bereits Sach 1,14b. 15 mit herangezogen worden sind, so m u ß doch n u n noch auf einige dabei bisher nicht besprochene Begriffe und Vorstellungen in diesem Jahwe-Wort eingegangen werden. J a h w e antwortet hier in 1,14b.15 auf die Frage (1,12) nach dem Ende seines bereits 70 Jahre währenden Zorns: „Ich eifere um Jerusalem und um Zion mit großem Eifer. Aber mit großem Zorn zürne ich über die stolzen Völker, weil die, als ich ein wenig zürnte, zum Bösen geholfen hab e n . " Es handelt sich dabei um eine Ankündigung des Heils für Israel (V.14b), die verbunden ist mit einer den „sicheren V ö l k e r n " geltenden Ankündigung des Gerichts (V. 15 a) samt Begründung (V.15b), d . h . mit einem Völkerspruch. Beide Ankündigungen folgen nicht nur unmittelbar aufeinander, sondern sind auch formal durch die gleichartige Konstruktion (Verb + inneres Objekt + verstärkendes Attribut), die zudem in chiastischer Verschränkung erscheint, eng miteinander verbunden. Ihre inhaltliche Verbindung wird durch die Begründung der Gerichtsankündigung in V.15b hergestellt: Jahwes Eifer (ЛХЗр) für Jerusalem und andererseits sein Zorn ( ^ S p ) gegen die Völker — zwei Seiten einer Sache — werden dadurch hervorgerufen, daß die Völker Jahwes Zorn gegen Israel ausgeweitet hatten193. Jahwes Eifer und Zorn gehören zusammen: Jahwes Eifern (Mp), sein Eifer (ПЮр) äußert sich in vernichtendem Zorn gegen alles, was ihm feindlich ist. Für Israel ist das die eine Seite der Bundeswirklichkeit, unter der es als Jahwes Volk, dem Jahwes Gebot verkündigt ist, s t e h t 1 9 4 . Daß und warum diese im R a h m e n geschichtlichen Gesche-

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Der weitgehend gleichartig f o r m u l i e r t e Spruch 8,2 v e r b i n d e t ausdrücklich Eifer u n d Zorn (hier ЛЙП) J a h w e s , w e n n es d o r t h e i ß t : T K J p П*?П1 Л0П1. Nicht gesagt wird hier, w e n d e r Zorn t r i f f t . ) 94 Das wird deutlich ausgesprochen in Ex 2 0 , 5 b . 6 ( D t n 5 , 9 b . l 0 ) , einer zweiten Selbstvorstellung G o t t e s im Dekalog. Dazu s. W. Zimmerli, Das zweite Ge-

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hens zu einer tödlichen Bedrohung Israels als Volk und in seiner staatlichen Existenz wird, kommt in den Ankündigungen der großen Propheten der vorexilischen und der beginnenden Exilszeit zum Ausdruck. Aus Jahwes A n t w o r t an Sacharja geht hervor, daß dieser vernichtende, zürnende Eifer Jahwes gegen sein V o l k (vgl. z.B. Ez 23,25) nun vorüber ist; Israel hat mehr ertragen müssen, als Jahwe plante (Sach 1,15 b ) 1 9 5 . Jahwe „eifert nun in starkem E i f e r " — die Formulierung П^ТП ГШр ViNlj? verstärkt nachdrücklich die Aussage — für sein V o l k 1 9 6 . Von Gottes Eifer zugunsten Israels ist sonst — abgesehen von Jes 9,6 1 9 7 — in prophetischen Worten aus exilischer Zeit 1 9 8 und spätnachexilischer Zeit 1 9 9 die Rede. (Dabei fällt auf, daß dieser Gedanke in der Befreiungsverkündigung Deuterojesajas nur einmal und hier auch nur in verhüllend-bildhafter Darstellung vorkommt.) Bei Sacharja ist damit das Thema genannt, unter dem alles steht, was in den Nachtgesichten angekündigt wird. Dem starken Eifer Jahwes für sein Volk und seine Stadt geht parallel sein ebenso starker, heftiger Zorn gegen die Völker. Wenige nähere Angaben über diese finden sich nur in der Begründung des Zorns gegen sie: Sie sind sorglos, (selbst)sicher фНй?), womit zweifellos gemeint ist ein im Vertrauen auf die eigene Stärke begründetes Gefühl der Sicherheit, das in keiner Weise mit einer Gefahr, mit Jahwe und seiner Macht rechnet 2 0 0 ; sie „halfen zum Bösen" (Пт 1 ? ПТ5? nam), als Jahwe „ein wenig zürnte" 2 0 1 . Es liegt nahe — besonders auch im Blick auf die vorangehende Frage V. 12 —, letzteres so zu verstehen, daß Jahwe die Mächte, die sein"Zorngericht an seinem Volk ausführten, zur Rechenschaft zieht, weil sie entge-

b o t ( 1 9 5 0 ) : Gottes O f f e n b a r u n g , T h B 19,1963, S. 2 3 4 - 2 4 8 ; ders., Das Gesetz und die Propheten, 1963, S. 8 9 - 9 3 . 195 Dazu s.o. S. 139. V g l . a. Jes 4 0 , 2 b . 196 V N3p als „ e i f e r n zugunsten j e m a n d e s " noch N u m 11,29; 25,13; 2.Sam 21,2; l . K ö n 19,10.14; Ez 39,25; J o 2,18 (Ausnahme: Ps 106,16); s.a. 2 . K ö n 10,

16 (V ПХЗр). V g l . a. im Zusammenhang der Jesajalegenden Jes 37,32 = 2 . K ö n 19,31. In Ez 36,6b ( V . 5 gehört der Überarbeitung zu, s. W. Z i m m e r l i , Ezechiel z.St.); in dem v o m Redaktor des Ezechiel-Buchs stammenden V e r s 39,25 (s. Zimmerli, Ezechiel S . 9 7 1 , 1 1 4 * ) , Jes 42,13. 199 J o 2,18; Jes 26,11; s.a. die Bitte Jes 63,15. 2 0 0 Zu ]ЖВ> vgl. die Ausführungen von A . Petitjean, Les Oracles du ProtoZacharie, 1969, S. 8 4 - 8 6 . 2 0 1 Dazu s.o. S. 139. 197

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

gen seinem Plan die Strafe ausgeweitet haben 2 0 2 . Es ist dieses ein Gedanke, der sich mehrfach in den Prophetenbüchern findet, zuerst bei Jesaja (10,5—7; s. auch V.15) zur Zeit der Bedrängung Israels und Judas durch die Assyrermacht, durch die das Nordreich dann auch ausgelöscht wird. Assur, den „Stock seines Zorns" (V. 5) sendet J a h w e gegen „ein ruchloses Volk", „das Volk seines Zorns". Es soll Beute machen, rauben und dieses Volk zertreten wie Straßendreck (V.6). Demgegenüber hat Assur vor — und das ist sein Vergehen, seine Schuld —, „zu vernichten und auszurotten nicht wenige Völker" (V.7). Da man das Verhältnis von V.6 zu V.7 nicht, wie es meist geschieht, als „züchtigen" zu „vernichten" wird bestimmen können — was kann „zertreten wie Straßendreck" anderes meinen als vernichten? 2 0 3 , ist eine Steigerung denkbar? —, kann Assurs Schuld nur darin bestehen, daß es eigenmächtig und zur eigenen Machterweiterung den Kreis der Betroffenen ausweiten will, nämlich auf „nicht wenige Völker". Dieses wird illustriert durch die folgende Rede Assurs (V.8ff) 2 0 4 , die zudem das Moment der selbstsicheren Überheblichkeit Assurs hervorhebt 2 0 5 .

Mehrmals begegnet dieser Gedanke dann während des Exils, also in der Zeit der babylonischen Herrschaft, durch die dem Staat Juda ein Ende gemacht wurde. Hier sind zwei nachjeremianische Sätze aus dem Jeremia-Buch zu nennen: der dem Wort von den 70 Jahren in J e r 2 5 , 1 1 sicher später zugesetzte 2 0 6 V.12 (Jahwe will an den Babyloniern ihre Schuld, heimsuchen), ferner aus dem Babelorakel J e r 51,24 (Jahwe will Babel, dem Hammer Jahwes — so V.20—23—, seine an Zion begangene Bosheit, ΠΪΤ" 1 ?^, vergelten). Zu vgl. ist auch das viele Schwierigkeiten bietende Kap. Hab l 2 0 7 . Im Ezechiel-Buch kündigt 21,35—37 2 0 8 zwar dem Gerichtswerkzeug Jahwes, den als „Schwert" bezeichneten Babyloniern 2 0 9 , an, daß es „im Land seiner 202

Näher konkretisiert wird dieses Vergehen nicht. Rignell (z.St.) weist auf einen ganz entsprechenden Gebrauch von 1T57 in 2.Chr 20,23 hin. Zu Π1?1 im o. angeführten Verständnis sind besonders die im folgenden genannten Stellen J e r 51,24, auch Ez 38,10 zu vgl. Zur gesamten Wortverbindung Π5Π1? "ITS?; s. im übrigen auch A. Petitjean, Les Oracles du Proto-Zacharie, S . 8 6 f . 203 Vgl. 5,25!; zu 0 » Ί » in diesem Sinn s.a. J e s 5,5; 28,18; Mi 7,10. 204 Dazu vgl. B. S. Childs, Isaiah and the Assyrian Crisis, S. 41 — 43. 205 Da in J e s 14,24f im Zusammenhang der Ankündigung der die Assyrer im Bergland Palästinas treffenden Vernichtung nicht von einer eigenmächtigen Überschreitung des Gerichtsauftrags Jahwes die Rede ist, ist auf dieses Wort hier nicht weiter einzugehen. 206 S.o. S. 132. 207 Zur Frage, wieviel davon auf den ursprünglichen Text und wieviel auf eine exilische Nachinterpretation zurückgeht, ferner zum Problem, wer das Fremdvolk, wer die Bestraften sind, s. zuletzt J . Jeremias, Kultprophctie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit, WMANT 35, 1970, S. 75—81. 208 Diese Verse stammen nicht von Ezechiel, sondern gehören zu dem Jerusalems Ende voraussetzenden Nachtrag 21,33—37, dazu W. Zimmerli, Ezechiel, S.496. 209 Dazu s. W. Zimmerli, Ezechiel, S. 496f.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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H e r k u n f t " gerichtet wird. Da dieses aber nicht mit einer Überschreitung seines Auftrags begründet wird, man einen solchen Grund allenfalls vermuten kann — ausdrücklich wird überhaupt kein Grund genannt —, gehört dieses Wort nur sehr bedingt hierher. Auch Ez 38f ist hier nur unter Vorbehalt zu nennen. Denn es geht dort nicht um Jahwes Gericht an seinem Volk und um seine Helfer dabei, sondern um einen zukünftigen Ansturm Gogs, des Großfürsten von Mesech und Thubal, und seiner Völkerscharen gegen Israel, der erst für die Zeit erwartet wird, zu der die ins Exil Weggeführten heimgekehrt sind und sich im Land angesiedelt haben (38,8). Im Grundtext, der vor 539 anzusetzen ist 2 1 0 , ist nichts von einer subjektiven Schuld Gogs gesagt: Jahwe selbst bietet ihn in fernerer Z u k u n f t (V.8) 2 1 1 auf, er zieht bzw. wird geführt gegen Israel (1. Strophe), ihm wird dann (2. Strophe) das Gericht angekündigt. Erst in der wohl aus Sacharjas Zeit stammenden Erweiterung 38,10—13 212 wird die Schuld Gogs herausgestrichen: sein böser Plan (V.10: П5И ЛЗЙ?ПЙ), die sorglos, wehr- und schutzlos in ihrem Land lebenden Rückkehrer zu überfallen und zu berauben. Hinzuweisen ist auch auf Ez 35: Edom, zwar nicht selbst so wie die Babylonier Gerichtswerkzeug Jahwes, hat Gottes Gericht an J u d a ausgenutzt (V.5, auch V.lOf. 12, ebenso Obadja 1 1 - 1 4 , s. auch Ps 137,7) und wird dafür bestraft werden. Ähnlich geht es in Ez 25 darum, daß die Nachbarvölker J u d a und Jerusalem bei dessen Untergang ihre Feindschaft erwiesen haben und ihnen dafür Jahwes Gericht angekündigt wird. Vor allem ist auf Deuterojesajas großen gegen Babel gerichteten Völkerspruch K.47 zu verweisen. V.6 lautet: „Ich zürnte auf mein Volk, entweihte mein Erbe, ich gab sie in deine Hand, du hast ihnen kein Erbarmen erwiesen, den Greis schwer belastet mit deinem J o c h . " Die brutale Behandlung der Gefangenen bildet hier den Vorwurf gegen Babel, mit dem die Ankündigung seiner Bestrafung durch Jahwe begründet wird. Als weitere Begründung kommt hinzu die vermessene, prahlerische Selbstsicherheit (s. V.7.8.10). Es ist v e r s t ä n d l i c h , d a ß e i n e s o l c h e H o f f n u n g in d i e s e n s c h w e r e n G e s c h i c h t s a b s c h n i t t e n Israels a u f k o m m t u n d l e b e n d i g ist, b e s o n d e r s in der Z e i t der B e h e r r s c h u n g d u r c h die B a b y l o n i e r . Sacharja s c h l i e ß t also an d i e H o f f n u n g e n , E r w a r t u n g e n s e i n e r Z e i t an. D a b e i berührt sich S a c h 1 , 1 5 a m m e i s t e n m i t J e s 4 7 , 6 : v o n J a h w e h e i ß t es: ÜS» T)DXp / ,П5Г1?У T i s s p ; j e t z t r i c h t e t sich sein Z o r n g e g e n V ö l k e r / g e g e n Babel; als G r u n d dafür ist g e n a n n t : ,,sie h a l f e n z u m B ö s e n " / sie v e r h i e l t e n sich e r b a r m u n g s l o s g e g e n Israel, sie w a r e n sorglossicher / selbstsicher. G e r a d e g e g e n ü b e r J e s 4 7 , 6 — ä h n l i c h e s gilt a u c h g e g e n ü b e r d e n a n d e r e n g e n a n n t e n W o r t e n — fällt aber a u c h e i n e B e s o n d e r h e i t v o n S a c h 1 , 1 5 a u f , n ä m l i c h die A l l g e m e i n h e i t , die f e h l e n d e K o n k r e t i o n der A u s s a g e : v o n „ V ö l k e r n " ist d i e R e d e , o h n e d a ß j e d o c h w i e in den genannten Worten b e s t i m m t e N a m e n angeführt würden; was mit 210 211 212

W. Zimmerli, Ezechiel S. 9 3 3 - 9 3 8 , zur Datierung S. 945. Dazu W. Zimmerli, Ezechiel z.St. W. Zimmerli, Ezechiel S . 9 5 4 f .

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

dem „Bösen", zu dem sie „halfen", genau gemeint ist, bleibt offen; ebenso ist nur allgemein von ihrer Sorglosigkeit, Sicherheit die Rede; worin Jahwes Zorn gegen sie besteht, wie er sich auswirkt, wird nicht genauer gesagt, geschweige d e n n ausgemalt. Die Frage ist, wie man diesen Zug bei Sacharja zu verstehen hat. Zu erwägen ist, ob hier konkrete politische Größen und ganz bestimmte Geschehnisse zwar gemeint, aber b e w u ß t undeutlich dargestellt s i n d 2 1 3 . So unbezweifelbar hier die jüngste Geschichte Israels mit im Blick ist — gerade auch der Zusammenhang mit der Frage V.12 zeigt das —, so stehen doch der Identifizierung bestimmter politischer Mächte ganz wesentliche Hindernisse entgegen: a) Dagegen, daß hier lediglich die „bösen Nachbarn, Edomiter, Moabiter u s w . " 2 1 4 gemeint sind 2 1 5 , spricht der weltweite Aspekt auch und schon in V . l l , dem Ausgangspunkt für die Klage (V.12) und die A n t w o r t Jahwes (V.14f). Zudem werden diese kleinen Völker kaum ausschließlich oder auch nur in erster Linie im Blick sein, wenn es um eine Antwort auf die Frage (V.12) nach dem Ende der 70 J a h r e göttlichen Zorns geht. b) Gegen die Annahme, es sei die babylonische Weltmacht gem e i n t 2 1 6 , steht der plur. D,'U und die Tatsache, daß zu dem in 1,7 genannten Zeitpunkt die politische Macht der Babylonier bereits durch die Perser vernichtet war 2 1 7 . Hinzu k o m m t , daß hier auch jeder nähere Hinweis auf diesen Bereich, wie er in 5,11 (Land Sinear), 6,8 (Nordland) zu finden ist, fehlt. Auch die Perser dürften kaum gemeint sein, da sie ja gerade erst die Heimkehr der Exulanten ermöglicht hatten. All dieses legt ein anderes Verständnis nahe: Sicher ist an die eben genannten Völker bzw. Mächte auch gedacht — denn es ist nicht daran zu zweifeln, daß Sach 1,15 b die jüngste Geschichte Israels im Blick h a t 2 1 8 —, aber in ihnen, über sie hinaus dürften viel weitreichender und umfassender die Weltmächte allgemein, in Gegenwart und Z u k u n f t , gemeint sein. Sie werden nicht mehr wie in der 213 Daß mit dieser Erscheinung bei Sacharja zu rechnen ist, zeigt 4 , 1 4 ; dazu s. o. S. 68f. 214 Sellin z.St. 215 Immerhin paßt das Ez 35 (s.a. Obadja) über Edom Gesagte (s.o.) hier recht gut. 216 So z.B. Galling, Die Exilswende ..., S. 114. 217 Das gilt auch für das von Galling angenommene frühere Datum des 1. Nachtgesichts, dazu s.o. S. 19f. « β Dazu s.a. o. S. 142f.

Das 1. und das letzte Nachtgesicht ( 1 , 7 - 1 5 und 6 , 1 - 8 )

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Vergangenheit zu einer Bedrohung Israels werden; Jahwe wird sie nach dem Verhalten der Weltmächte des jüngsten Geschichtsabschnitts in Zukunft niederhalten. Damit stimmt der schon genannte weltweite Horizont in V . l l überein, ebenso die Tatsache, daß sich für das 2. und auch das letzte Nachtgesicht ein entsprechendes Verständnis nahelegte 2 1 9 und diese Nachtgesichte sich zu 1,15 wie nähere Ausführungen zu einem voranstehenden Thema verhalten 2 2 0 . Schließlich paßt eine solche Zusage gut in die Situation des Neuanfangs nach dem Exil. Dadurch, daß Sacharja offenbar allgemein und d.h. umfassend und endgültig, nicht nur auf bestimmte gegenwärtige Mächte bezogen, Israels Schutz vor Feindmächten erwartet, unterscheidet er sich also von den genannten Worten aus dem Jesaja-(Jesaja + Deuterojesaja), Jeremia- und Ezechiel-Buch — mit Ausnahme von Ez 38f. Denn auch in Ez38f scheint es um die grundsätzliche Frage nach der Macht der Weltmächte und dem Schutz Israels vor ihnen zu gehen. Nur formuliert Ez 38f in anderer Weise als Sacharja die Antwort auf diese Frage: In deutlicher Anknüpfung an Jesajas und Jeremias Verkündigung und unter Aufnahme von Geschichtserfahrungen und -erinnerungen, des Lebensgefühls der in Mesopotamien im 6. J h . Lebenden, von gewissen Kenntnissen über Völker 2 2 1 wird hier anschaulich und ausführlich, dazu unter Nennung von Personen-, Länderund Völkernamen als Ereignis der ferneren Zukunft die „letzte, entscheidende Auseinandersetzung ..., die den Sieg Gottes über die ,Mächte' ganz unmittelbar an den Tag bringt" 2 2 2 , geschildert. Ist Ez 38f so zu verstehen, dann wird man in dem Großfürsten Gog und seinem Heer die Verkörperung, den Repräsentanten der Israel bedrohenden Weltmächte zu sehen haben. In anderer Weise ist dann bei Daniel, wie oben bereits erwähnt 2 2 3 , von einem letzten Feind, einem bestimmten König, die Rede, der Befugnisse hat „bis zum Ende des Zorns" (Dan 11,36) — sicher des Zorns Gottes gegen sein Volk —, der dann, ohne daß so klar zwischen Gottes Auftrag und dessen Übertretung unterschieden ist, entmachtet, vernichtet wird.

2

1» Dazu s . o . S. 2 3 f , 3 5 f , zu 2 , 1 - 4 a u c h u. S. 1 6 2 f . Dazu s . o . S. 2 4 , 3 5 f . 221 Zu alledem s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 9 3 8 — 9 4 5 , auch ders., Ezechiel, BSt 6 2 , 1 9 7 2 , S . 1 2 6 - 1 2 9 . 222 W. Zimmerli, E z e c h i e l , S. 9 7 3 . и з S. 141 f. 220

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

B. Das 2. Nachtgesicht ( 2 , 1 - 4 ) Das 2. Nachtgesicht, inhaltlich eine Ausführung des zuletzt besprochenen 2. Teils der Verheißung l,14f, ist im Bildmaterial deutlich unterschieden vom 1. Nachtgesicht. Sachaija schaut 4 Hörner, dann 4 D'Bhn. Erst die Deutung dieses Bildes, das selbst ohne Bewegung und Handlung ist, weist auf das damit gemeinte Geschehen, auf eine Beziehung zwischen den beiden geschauten Größen. Bevor das Gesamtbild erörtert wird, soll zunächst auf seine einzelnen Bildelemente eingegangen werden. 1. Die Hörner stehen für Völker, politische Mächte, wie aus dem deutenden Satz V.4 hervorgeht, in dem die Rede ist von den „Hörnern der Völker, die ein Horn erhoben haben ...". Es ist schon längst erkannt, daß das Horn hier also — wie häufig im Alten Testament — Symbol, Bild für Kraft, Macht, Stärke ist. Daß auch sonst im weiteren Bereich des Alten Orients in diesem bild-, symbolhaften Sinn vom Horn die Rede war, zeigt der folgende Passus aus einem in der Bibliothek Assurbanipals gefundenen Schamasch-Hymnus: „Wer etwas Scheußliches anzettelt, dessen Horn (qar-na-su) vernichtest d u . " 1 Aus dem ugaritischen Bereich ist der Text СТА 10 II,21f (= IV AB 11,2lf) zu nennen: „Stark sei das Horn deiner Kraft (qrn. db'atk), Jungfrau Anat, das Horn deiner K r a f t . " 2 Zu vergleichen sind auch die häufig auf bildlichen Darstellungen aus Babylonien und Assyrien vorkommende Hörnerkrone oder sonstige mit einem oder mehreren Hörnern versehene Kopfbedeckungen der G ö t t e r 3 .

Dabei steht Sachaija denjenigen alttestamentlichen Worten nahe, die ebenfalls das Bild des Homes in Verbindung mit Völkern oder politischen Mächten nennen 4 . Die gelegentliche, vergleichende Erwähnung des Wildstiers (ПКП: Num 23,22; Dtn 33,17; Ps 92,11) zeigt dabei, aus welchem Lebensbereich dieses Bild der Kraft stammt. 1 A. Falkenstein—W. v. Soden, a.a.O., S. 243 (B 4,95); W. G. Lambert, Babylonian Wisdom Literature, 1960, S. 130,95. 2 Übersetzt nach A . J i r k u , Der Mythus der Kanaanäer, 1966, S. 21. 3 Dazu s. z.B. U. Seidl, Art. Göttersymbole und -attribute A.I. § 5 a) Hörnerkrone: RLA III, S. 486. 4 So ist vom „Horn Moabs" (Jer 48,25) die Rede, vom „Horn der Feinde" Israels (Klgl 2,17), aber auch vom „Horn Israels" (Klgl 2,3, vgl. Num 23,22), des Hauses Israel (Ez 29,21), der Isracliten (Ps 89,18), des Volkes Jahwes (Ps 148,14), Zions (Mi 4,13), auch des Stammes Joseph (Dtn 33,17), zu vgl. ist auch die Zeichenhandlung l . K ö n 22,11 = 2 . C h r 18,10. In die Nähe dieser Aussagen wird man auch die Worte zu rücken haben, in denen vom „Horn" Davids oder des Gesalbten die Rede ist, da diese Einzelpersonen herausgehoben sind als die an die Spitze des Volkes Gestellten ( l . S a m 2,10; 2. Sam 22,3; Ps 18,3; 89,25; 132,17). Vor allem ist hier auf die von Daniel visionär geschauten Hörner (tragenden Tiere) hinzuweisen, dazu s.u.

Das 2. Nachtgesicht ( 2 , 1 - 4 )

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Diese zuletzt genannte Feststellung führt zu zwei Beobachtungen über die Art und Weise, in der in Sach 2,1—4 das Bild vom Horn verwendet ist. Zunächst ist hervorzuheben, daß hier in einer Vision die übertragene, bildhaft-symbolische Redeweise vom Horn (wieder) umgesetzt ist in die dieser Redeweise zugrunde liegende Erscheinung: Sacharja schaut gegenständlich 4 Hörner. Die zweite Beobachtung ergänzt die erste: Wenn Sacharja im l.Teil des 2. Nachtgesichts nichts weiter als Hörner gegenständlich schaut — diese zudem einzeln, nicht paarweise —, dann ist damit die der symbolischen Redeweise vom Horn zugrunde liegende Gestalt des gehörnten Tiers (Stier) in einem Vorgang der Abstraktion reduziert — und zwar auf dessen entscheidendes Attribut, in dem seine gefährliche Stärke Ausdruck gewinnt und in Erscheinung tritt. An dieser Stelle lassen sich nun interessante inneralttestamentliche Gemeinsamkeiten und Verbindungslinien feststellen. Im Grundsätzlichen besteht eine Nähe zu Ezechiel, insofern gelegentlich auch in dessen Visionen (und Zeichenhandlungen) der bei Sacharja beobachtete Vorgang der Umsetzung einer Bildrede begegnet. So gewinnt in Ez 37 ein Bild wort (hier ist es ein klagendes Wort des Volkes: V. 11) für Ezechiel Anschaulichkeit, Gestalt in einer Vision (die allerdings — anders als Sacharjas 2. Nachtgesicht — voll dramatischen Geschehens ist, an dem sogar der Prophet selbst beteiligt ist) 5 . Erheblich umfassender, weil beide eben zu Sach 2,1—4 gemachten Beobachtungen im Grundsätzlichen wie im Speziellen betreffend, sind die Gemeinsamkeiten mit den beiden Visionen Dan 7 und 8, die im übrigen im Visionsbild und -geschehen viel reichhaltiger und ausführlicher sind als Sacharjas 2. Nachtgesicht. Auch hier verkörpern Hörner politische Mächte, Könige, Reiche 6 , und zwar so, daß auch hier die bildhaft-symbolische Redeweise umgesetzt ist in die schaubare Realität einer Vision 7 . Dabei greifen im einzelnen Unterschiede zu Sacharja und Gemeinsamkeiten mit ihm ineinander. So schaut Daniel anders als Sacharja zunächst gehörnte Tiere (K. 7: das 4. Tier, K.8: Bock und Widder) 8 , nicht lediglich Hörner. 5

Dazu s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 8 9 0 . Zu ähnlichen Vorgängen in Ezechiels Berufungsvision, aber auch in seinen Zeichenhandlungen s. W. Zimmerli, Ezechiel S. 78, auch 2 9 * . 6 7,24 deutet so die in 7,7.8.11.20.21 genannten verschiedenen Hörner des 4. Tieres der Vision; die in 8,3.5.6.7.8.9 genannten Horner des Widders und Ziegenbocks werden in 8,20—23 als Könige bzw. Reiche (V.22) gedeutet. 7 Hinzuweisen ist auch auf die Veranschaulichung der bildhaften Redeweise vom Horn in der Zeichenhandlung 1. Kön 22,11 = 2.Chr 18,10. 8 Darin, daß es in K..8 speziell um einen Widder und einen Bock geht, die Medien-Persien und Griechenland repräsentieren (so die Deutung 8 , 2 0 f ) , wird au-

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Schon bei ihrem Erscheinen auf der Visionsszene transzendieren diese Tiere aber weit das irdisch-natürliche Maß, d . h . den dem Bild vom Horn zugrunde liegenden Lebensbereich. Das machen allein schon die Angaben über die Hörner deutlich: das 4.Tier in der Vision K.7 hat zunächst 10 Hörner (7,7), die Hörner des Widders wachsen zeitlich und größenmäßig unterschiedlich (8,3), der Ziegenbock hat anfangs nur 1 Horn (8,5). Die gemeinte Sache bestimmt — wie die Deutung dann zeigt — hier und auch im Fortgang der visionären Handlung die Einzelheiten des Visionsbildes.

Im weiteren Verlauf des Visionsgeschehens sind dann aber ganz weitgehend nur noch die Hörner von Interesse 9 . Insofern ist auch bei Daniel die in Sach 2,1—4 beobachtete Reduzierung der dem Bild zugrunde liegenden Lebensrealität (gehörnte Tiere) auf deren von der gemeinten Sache her interessierende Bestandteile festzustellen. In Sacharjas 2. Nachtgesicht finden sich nun in der Deutung weitere Aussagen über die geschauten Hörner. Normalerweise macht es den Schrecken und die Gefährlichkeit von Hörnern aus, daß die diese Hörner tragenden Tiere mit ihnen stoßen (ГШ)10. Ganz entsprechend wird auch, wenn von den Hörnern in übertragenem, bildhaftem Sinn die Rede ist, gesagt, daß sie stoßen (DJ:); der Gegner, dem dieser Angriff gilt, ist eine politische Macht, sind Völker, Reiche 11 . Es fällt auf, daß die Hörner in Sacharjas Nachtgesicht nicht stoßen, sondern daß es stattdessen heißt „sie zerstreuen" (mr 2,2.4), nämlich Juda (Israel und Jerusalem). Daß damit die Sachhälfte direkt mit der — zunächst ungedeutet bleibenden — Bildhälfte zusammentrifft, war bereits festgestellt worden 1 2 . In überraschender Parallelität dazu heißt es in Dan 7,21, daß das von Daniel geschaute kleine Horn „Krieg führt mit den Heiligen": Auch hier treffen unmittelbar Bild (in derselben Reduktion wie bei Sacharja) und Sache zusammen, zudem gleichfalls im Rahmen einer Aussage über das feindliche Vorgehen einer gegnerischen Macht gegen Gottes Volk 1 3 . Ganz Entsprechendes gilt auch von dem, was in ßerdem für diese Vision der Zusammenhang mit astralgeographischen Vorstellungen erkennbar. Dazu s. A. Bentzen, Daniel, 2. Aufl., HAT, S. 69. 9 Sie entfalten geradezu ein Eigenleben, zahlen- und größenmäßig verschiedene Hörner folgen aufeinander (7,8.20; 8,8f), zwischen ihnen spielt sich ein Geschehen ab (7,8.20; vgl. V.24), ein einzelnes Horn ist besonders aktiv (es hat Menschenaugen, einen Mund, der redet 7,8.(11.)20, es führt Krieg 7,21, ähnlich 8,9-12). 10 So der Widder in der Vision Dan 8 (V.4), die Böcke nach Ez 34,21, ein Rind nach Ex21,28.31f, vgl. auch Ps 22,22. 11 So Dan 8,4, auch Dtn 33,17, l . K ö n 2 2 , 1 1 = 2.Chr 18,10, vgl. auch Mi 4,13. 12 S.o. S. 68; zu ΓΠΤ s. auch S. 22, u. S. 163. 13 Daß dieses mit den „Heiligen" gemeint ist, hält auch (s.o. S. 145) M. Noth, „Die Heiligen des Höchsten", a.a.O., S. 287 fest, der allerdings V.21 für lit. sekundär hält (a.a.O., S. 2 8 7 - 2 9 0 ) . S. auch R. Hanhart, Die Heiligen des Höchsten, a.a.O., S. 92f.

Das 2. Nachtgesicht ( 2 , 1 - 4 )

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d e m Visionsbericht Dan 8 über das kleine H o r n und sein T u n gesagt ist (V.9 — 12, s. auch V. 13.24f).

Dieses Vorgehen der Hörner ist der Grund für ihre bevorstehende Entmachtung: Die Hörner werden — so die Deutung Sach 2,4 1 4 — aufgeschreckt ( T i n hi.) und n i e d e r g e w o r f e n ( π τ p i · ) 1 5 · Es ist also nicht, wie es als dem Bild angemessen zu erwarten wäre, davon die Rede, daß die Hörner abgehauen, abgebrochen werden 1 6 . Man m ü ß t e d a n n auch hier ebenso wie eben bei ΓΠΤ zu dem Urteil k o m m e n , d a ß Bild- und S a c h h ä l f t e u n v e r m i t t e l t z u s a m m e n s t o ß e n . Der S p r a c h g e b r a u c h von "ΠΠ hi. 1 7 kann — sofern m a n M T hier unverändert beibehält — sowohl diese Sicht s t ü t z e n 1 8 als auch die andere Möglichkeit zu erwägen g e b e n , d a ß in dieser Formulierung von Sach 2,4 d e r Lebensbereich d u r c h s c h e i n t , in d e m die übertragene Redeweise vom H o r n als S y m b o l d e r S t ä r k e ihren Ursprung hat: Die H ö r n e r tragenden Tiere werden a u f g e s c h r e c k t 1 9 .

2. Diese Entmachtung der Hörner nehmen nach Sach 2,3f — damit wird nun das zweite Bildelement dieses Nachtgesichts genannt — vier als D'Bhn bezeichnete Wesen vor. Aus dem Zusammenhang mit der 14

Bei Daniel ist auf 7,26 (22) zu verweisen. Auch dieser Teil von V.4 ist nicht o h n e Probleme. So liegt eine Unausgeglichenheit in der Formulierung DDK ΤΗΠΠ 1 ? (V.4) vor, da ПГЖ (suff. 3 . m . p l . ) nicht zu m n p (f.) p a ß t . Man wird diese Schwierigkeit wohl am besten mit Rignell (z.St.) so erklären, daß bei DDK schon an die mit den H ö r n e r n gemeinten Völker gedacht ist. (Ganz E n t s p r e c h e n d e s gilt für Dan 8 , 1 1 : Während sich im K o n t e x t von V.10 und 12 die V e r b f o r m e n auf das Bild, also das H o r n , beziehen, sind sie in V . l l auf d e n mit d e m H o r n g e m e i n t e n König A n t i o c h u s ausgerichtet.) Aus inhaltlichen Gründen ist eine Reihe von Änderungsvorschlägen bes. zu diesen 2 Worten erwachsen. So schlägt BHS j e t z t vor, in ihnen eine Variante o d e r Glosse zu den folgenden Worten zu sehen. (Zu d e n älteren Änderungsvorschlägen s. die Übersicht bei Rignell S . 6 9 ) . 16 So in den Daniel-Visionen von d e n H ö r n e r n des Widders Dan 8,7 und von denen des Ziegenbockes Dan 8 , 8 . 2 2 , jeweils "DIP (ebenso in der D e u t u n g V.25 von d e m mit d e m kleinen H o r n (V.9) gemeinten König!); s. auch Dan 7,8: 3 Hörner werden ausgerissen (4j?S). vgl. V . 2 0 . So auch vom H o r n Moabs J e r 4 8 , 2 5 , vom Horn Israels Klgl 2,3, von den H ö r n e r n der G o t t l o s e n Ps 75,11, jeweils 57"П. 17 ΠΤ1. im pi. nur noch einmal belegt (ebenso im q.), trägt hier nichts bei. 18 Dieses Verb kann auf ein Volk o d e r große Teile von ihm (Äthiopier Ez 30,9, die h e i m g e k e h r t e n E x u l a n t e n Israels J e r 3 0 , 1 0 ; 4 6 , 2 7 ; Ez 3 4 , 2 8 ; 3 9 , 2 6 , d e r Rest Israels Zeph 3,13), auf ein Heer (Ri 8 , 1 2 ) , auf einzelne Menschen (2. Sam 17,2; Mi 4 , 4 , Hi 11,19) bezogen sein. Es k ö n n t e in Sach 2,4 d e m e n t s p r e c h e n d ausgerichtet sein auf die im Bild d e r H ö r n e r g e m e i n t e Sache: auf die Völker. Dazu vgl. auch o. n n x -ρ-ιπη 1 ?. 19 7 Ί Π hi. wird auch häufig auf Tiere b e z o g e n : Es w e r d e n a u f g e s c h r e c k t : Vögel Dtn 2 8 , 2 6 ; J e r 7,33, H e r d e n j e s 17,2, L ö w e n Nah 2,12. - Dazu ist auch auf das oben über die R e d u k t i o n dieses Bereichs Gesagte zu verweisen. ls

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Verheißung am Ende des 1. Nachtgesichts (1,15) ergibt sich, daß es sich um die von Gott aufgebotene Gegenmacht handelt. Zur Bedeutung von ΕΗΠ läßt sich aus dem übrigen Alten Testament entnehmen, daß es sich dabei um eine allgemeine Berufsbezeichnung handelt, etwa im Sinn von „Handwerker". Dieser ist in verschiedenen Bereichen tätig, erfüllt verschiedene Aufgaben 2 0 . Meist wird seine Tätigkeit durch die Nennung des von ihm bearbeiteten Materials näher bestimmt 2 1 . Fehlen solche näheren Angaben, dann ist zu fragen, ob der Kontext eine genauere Bestimmung zuläßt oder nur die allgemeine Bezeichnung (etwa „Handwerker") gemeint ist. Derartige nähere Angaben fehlen in Sach 2,3. Für die an dieser Stelle häufig begegnende Übersetzung „Schmiede" ergeben sich aus dem Kontext keine Anhaltspunkte, die eine Festlegung auf diesen speziellen Beruf nahelegten. Angesichts der Funktion der •'•Bhn in Sacharjas 2. Nachtgesicht dürfte am ungezwungensten, aber auch ausreichend die Annahme sein, daß hier von Ο^ΙΠ die Rede ist als von geschickten, kräftigen und starken, evtl. mit schwerem Werkzeug ausgerüsteten Männern. Die bildhaft-übertragene Weise, in der sie hier in Sacharjas 2. Nachtgesicht erscheinen, wäre zutreffend ausgedrückt in der Formulierung „Verderben schmiedende Männer". Allerdings begegnet diese nicht bei Sacharja, sondern in einer jüngeren, nicht von Ezechiel stammenden Ergänzung im Ezechiel-Buch: ГРГЧ&й 'СИП ... Ez 2 1 , 3 6 2 2 . Die Berührung zwischen dieser EzechielStelle und Sacharjas 2. Nachtgesicht beschränkt sich aber nicht auf die übertragene Redeweise von den D^in, sondern betrifft auch den Zusammenhang, in dem diese vorkommt. So geht es auch im So heißt tthn der Hersteller eines Gottesbildes (Dtn 2 7 , 1 5 ; J e s 4 0 , 1 9 . 2 0 ; 4 1 , 7 ; 4 4 , 1 1 . 1 2 . 1 3 ; 4 5 , 1 6 ; J e r 1 0 , 3 . 9 ; Hos 8 , 6 ; 1 3 , 2 ) , der Arbeiter am Tempel (2. Kön 1 2 , 1 2 , 2 2 , 6 ; Esr 3 , 7 ; l . C h r 2 2 , 1 5 ; 2 9 , 5 ; 2 . C h r 2 4 , 1 2 ; 3 4 , 1 1 ) bzw. bei der Einrichtung des Heiligtums der Wüstenzeit ( E x 3 5 , 3 5 ; 3 8 , 2 3 P), der Arbeiter an Davids Palast ( 2 . S a m 5 , 1 1 ; l . C h r 1 4 , 1 ) , der Hersteller von Schwertern und Specren ( l . S a m 1 3 , 1 9 ) und allgemein von Waffen (Jes 5 4 , 1 6 ) , der Rüstungshandwerker (?), in jedem Fall Angehöriger eines wirtschaftlich wichtigen Berufes (2. Kön 2 4 , 1 4 . 1 6 ; J e r 2 9 , 2 ; 2 4 , 1 ) . 2 1 Holz (2. Sam 5 , 1 1 ; 2 . K ö n 1 2 , 1 2 ; J e s 4 4 , 1 3 ; l . C h r 1 4 , 1 ; 2 2 , 1 5 ) , Stein (Ex 2 8 , 1 1 ; 2 . S a m 5 , 1 1 ; l . C h r 2 2 , 1 5 ) , Eisen (Gen 4 , 2 2 ; J e s 4 4 , 1 2 ; 2 . C h r 2 4 , 1 2 ) , Bronze (Gen 4 , 2 2 ; l . K ö n 7 , 1 4 ; 2 . C h r 2 4 , 1 2 ) . 2 2 Zur literarkritischen Bewertung und zeitlichen Ansetzung s. W. Zimmcr'ti, Ezechiel S. 4 8 4 , 4 9 6 . — J e s 5 4 , 1 6 ist hier nicht anzuführen; denn der dort genannte ВПП ist ohne Frage nur der Waffen herstellende Schmied, dessen Waffen dann von dem an zweiter Stelle genannten ,,V erderber" benutzt werden. Es liegt also eine ganz andere Konstellation vor als in Sach 2,1—4 und auch (s.u.) in Ez 2 1 , 3 6 . 20

Das 2. Nachtgesicht ( 2 , 1 - 4 )

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Kontext von Ez 21,36 um eine gegen Israel aufgebotene Feind-, Gerichtsmacht, die durch ein Bild verkörpert wird: durch das Schwert (also nicht wie bei Sacharja durch Hörner). Und ebendiese Feindmacht wird von Gott in die Hand einer sie vernichtenden Gegenmacht gegeben, die als D ^ i n bezeichnet wird 2 3 . Diese trotz aller Unterschiede festzustellenden Berührungen in Grundzügen der Komposition 2 4 und im Thematischen 2 5 werden sich nicht auf direkte Beeinflussung oder sogar Abhängigkeit zurückführen lassen. Inhaltlich-thematisch steht dahinter offenbar ein in exilischer und frühnachexilischer Zeit verbreitetes Problem, eine mehrfach lautgewordene Frage und auch H o f f n u n g 2 6 . Ausdrücklich bleibt noch 3. zu nennen ein das Visionsbild des 2. Nachtgesichts bestimmendes Moment: die Vierzahl. Es ist von 4 Hörnern und 4 nrzhn die Rede. Die Zahl 4 umschreibt hier fraglos wie auch sonst öfter im Alten Testament die Totalität 2 7 . Dazu ist als ein hier naheliegendes Beispiel die oben schon erwähnte Vision Dan 7 zu nennen (4 je ein Weltreich darstellende Tiere, das 4. Tier zudem gehörnt), auch Dan 2 (eine vierteilige, weil 4 Reiche darstellende Statue). Es zeigt sich also auch hier wieder der umfassende Horizont der Ankündigung Sacharjas, der bereits eben bei 1,15 auffiel 2 8 und von dem im Blick auf Sach 2,1—4 schon oben S. 22—24 die Rede war. Nach der Erörterung der Einzelelemente ist nun das Visionsbild Sacharjas als Ganzes zu betrachten: Gegen 4 Hörner stehen 4 menschliche Wesen, die die Erscheinung von Handwerkern haben und — so die Deutung — jene niederkämpfen. Man wird mit der Möglichkeit zu rechnen haben, daß auf diese Bildkomposition ein in der altorientalischen Kunst, besonders in der des Zweistromlandes häufig begegnendes Motiv von Einfluß war: der Kampf zwischen einem menschengestaltigen Wesen und Hörner tragenden Tieren — einem oder mehreren —, besonders mit einem Stier bzw. Rind, auch mit anderen gehörnten Tieren (Steinbock, geflügelter und gehörnter Löwe), mit geflügelten, menschenköpfigen Stieren, mit Stiermenschen 2 9 . 23

Vollständig heißt die Formulierung in Ez 21,36: ΓΡΠΦΠ Ч2ПП D,TS?3 D4WN. Macht/Gegcnmacht, jeweils bildlich umschrieben. 25 Feind Israels, durch eine von Gott aufgebotene Gegenmacht besiegt. 26 Dazu vgl. das o. S. 151 — 153 Ausgeführte, w o unter den genannten Texten auch bereits dieser Ezechiel-Text erscheint. 27 Dazu s. W. Zimmerli, Ezechiel, S. 53; auch o. S. 23, 130. 28 S . o . S. 153f. 29 Zu verweisen ist beispielsweise auf die entsprechenden Abbildungen bei A. Moortgat, Vorderasiatische Rollsiegel, 2. Λ. 1966. 24

11 J e r e m i a s , N a c h t g e s i c h t e

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Aus dem Bereich der Literatur ist auf das Gilgamesch-Epos zu verweisen, in dem vom Kampf Gilgameschs und Engidus mit dem Himmelsstier berichtet wird 3 0 . Innerhalb des Alten Testaments steht in einer gewissen Nähe zu dem Gesamtbild von Sach 2,1 4 das eben schon erwähnte zeitlich nicht sehr lange vor Sacharja anzusetzende Wort Ez 21,36; auf das zwischen ihm und Sach 2,1—4 festzustellende Maß an Gemeinsamkeit ist schon hingewiesen worden. Zu nennen bleiben vor allem — nun für die Zeit nach Sacharja — die Daniel-Visionen und -Träume. Nicht das Gesamtbild, so wie es Sacharja im 2. Nachtgesicht schaut, kehrt in einigen von Daniels Visionen und Träumen wieder. Gemeinsamkeiten zeigen sich vielmehr in einem Grundmuster, Grundschema, das die Hauptlinien der Bildkomposition und die wichtigsten der zugrunde liegenden inhaltlichen Züge umfaßt: Gegensätzliche Mächte, jeweils bildhaft-symbolisch dargestellt, stehen sich gegenüber; eine Weltmacht(gruppe) wird durch eine andere Weltmacht (Dan 8) oder durch Gottes Macht (Dan 2, 7) entmachtet, niedergeworfen, vernichtet, wobei es — ausgesprochen oder unausgesprochen — um das Ende der Bedrückung Israels geht. Diese Gemeinsamkeiten werden dadurch unterstrichen, daß z.T. auch im Bildmaterial (Hörner), in sonstigen Zügen (Vierzahl) Berührungen zwischen Daniel und Sacharja zu erkennen waren 3 1 . Diese Gemeinsamkeiten und Berührungen führen auf die Frage, ob etwa dieses 2. Nachtgesicht Sacharjas eine Vorform der danielschen „Weltreichlehre" darstellt. Ihre Beantwortung hängt wesentlich davon ab, ob es hier ebenso wie in Dan 2 und 7 um ganz bestimmte politische Reiche geht 3 2 . Dieses ist zu verneinen. Denn so unzweifelhaft Israels Geschichte in Sach 2,1—4 mit im Blick ist 3 3 , so gibt es doch keinerlei konkrete Hinweise, die eine Identifizierung von 4 bestimmten politischen Mächten erlauben 3 4 . (Dieses gilt ebenso wie für die

30

Tafel V I , I , 1 3 1 f f , darauf Bezug nehmend Tafel X,I,35, 111,18, V,9. Hörner: s.o. S. 157f; Vierzahl: s.o. S. 161; zu in diesem Zusammenhang auch festzustellenden Unterschieden s.o. S. 141f. — Hinzuweisen ist auch auf die festgestellten Berührungen zwischen Dan 2 und Sach 6,1—8: s . o . S. 112f. 31

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Zu Dan 2 und 7 s. besonders M. Noth, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik ( 1 9 5 4 ) : Gesammelte Studien zum Alten Testament Bd. 1, ThB 6, 2 . A . I 9 6 0 , S . 2 4 8 f f , bes. 2 5 4 f , 2 6 6 . Zu Sacharja s . o . S. 2 1 f f ; einige Versuche, die Reichc genauer zu bestimmen, führt Rignell an (S. 6 1 f ) . 33 S.u., vgl. a. S. 154f. 34 Auch die Nennung von „Juda, Israel und Jerusalem" in 2,2 hilft nicht weiter, selbst wenn man hier gegen alle Bedenken (Reihenfolge, fehlende Kopula

Das 2. Nachtgesicht ( 2 , 1 - 4 )

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Hörner auch für die 4 Handwerker.) Nichts weist auch darauf hin, daß es — wie bei Daniel — um eine Abfolge von Mächten geht 3 5 . Umgekehrt spricht die einzige nähere Bestimmung der Hörner — „sie haben J u d a (Israel und Jerusalem) z e r s t r e u t " ( m t pi.), V. 2 — geradezu dagegen, hier so, wie es für Dan 2 und 7 gilt, mit 4 einander folgenden Großmächten der altorientalischen Geschichte zu rechnen; denn für die Großmacht der Zeit Sacharjas etwa, für Persien, trifft es nicht zu, daß sie das Gottesvolk zerstreut, d.h. aus seinem Land vertrieben, exiliert h a t 3 6 . Wohl aber paßt diese Aussage zur jüngsten Geschichte Israels in der Zeit der Vorherrschaft des babylonischen Reiches, auf die sich ΓΠΤ pi., ni. auch sonst meist bezieht 3 7 , und es ist verständlich, wenn dieses schlimmste Erleben einer Feindmacht in Gestalt einer solchen umfassenden Exilierung als Ausdruck für alle in der Geschichte erfahrene Feindschaft durch fremde Völker steht. Man wird also nicht von Sach 2,1—4 als einer direkten Vorstufe zum danielschen Schema von den 4 Weltreichen bzw. -Zeitaltern sprechen können. Jedoch wird man — vorsichtiger — in diesem Nachtgesicht einen Schritt auf Daniels Vorstellungen hin sehen können. Das erscheint möglich, insofern hier — allerdings nur unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt: nämlich im Blick auf das Verhältnis zwischen Israel und den politischen Mächten — von einem, der auf Israels Geschichte zurückschaut, aus dieser so etwas wie eine Summe gezogen wird, indem von der Vierzahl, d.h. der Totalität der Israel feindlichen Mächte die Rede ist. Dabei ist aber eben anders als bei Daniel die Totalität nicht durch 4 bestimmte Reiche repräsentiert, und es geht auch nicht wie dort um den Gang der Geschichte.

vor „Israel", sonstiger Sprachgebrauch bei Sacharja — u.a. in 2,4) und gegen die meisten Kommentatoren (sie streichen Israel, oft auch Jerusalem) am MT festhalten wollte und selbst wenn man zudem erwägen wollte, in Juda und Israel die beiden vorcxilischcn Staaten erwähnt zu finden. 35 Dazu s.o. S. 23. 36 So fast ausnahmslos der Gebrauch von ΓΠΤ im pi. und ni. (außer Sach 2,2.4 in Lev 2 6 , 3 3 ; l . K ö n 14,15; Jer 3 1 , 1 0 ; Ez 5 , 1 0 . 1 2 ; 6,8; 12,14.15; 20,23; 22,15; 36,19; Ps 4 4 , 1 2 ; 1 0 6 , 2 7 ) , gelegentlich auch auf andere Völker bezogen (Ägypten: Ez 2 9 , 1 2 ; 3 0 , 2 3 . 2 6 ; Kedar: Jer 4 9 , 3 2 ; Elam: Jer 4 9 , 3 6 ) . 37 Daß die Horner aber nicht mit dem babylonischen Reich gleichzusetzen sind, dazu s.o. S. 22.

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Das inhaltliche Material der Nachlgcsichte

C. Das 3. Nachtgesicht ( 2 , 5 - 9 ) Das Bild des 3. Nachtgesichts ist, verglichen mit dem des 2. Nachtgesichts, von ganz anderer Art, lebendig, bewegt durch das Auftreten, Handeln, Reden von drei Gestalten. Deren erste wird mit vier Worten beschrieben: ГПП Van ITai (TN (V.5). Auf die Frage Sacharjas „wohin gehst d u ? " antwortet dieser „ M a n n " : „Jerusalem auszumessen und zu sehen, wie groß seine Länge und wie groß seine Breite i s t " (V.6). Die Frage nach der Herkunft ist bei diesem Bildelement eindeutig zu beantworten. Ohne Zweifel besteht hier ein enger Zusammenhang mit der Vision E z 4 0 f f und mit dem in dieser auftretenden „Mann", der — messend und erklärend — den Propheten durch den Bereich des neuen Tempels führt. Beide Propheten schauen visionär 1 eine jeweils als tf'X bezeichnete Gestalt, die mit einem Meßgerät ausgerüstet ist 2 . Die Entsprechungen reichen hier bis in Einzelheiten der Schilderung und Formulierung: Ez 40,3

vgl. 4 0 , 5 Sach 2,5

M A N m p i 1 т а D-TOS-V-TIBI . . . ЙГК m m

m a n mp вгхп T a i m a Van r r a i

mm

Beide haben die Aufgabe, Messungen vorzunehmen, die zudem jeweils nur auf Länge und Breite, also auf die Grundrißmaße, bezogen sind und in deren Zusammenhang beide „Männer" deutend-erklärende Worte an den Visionär richten 3 . Hintergrund für das Auftreten und Tun dieser Gestalten ist die 587 geschehene Zerstörung J e rusalems einschließlich des Tempels. Denn beide „Männer" kündigen eine von Jahwe geplante und von ihm ausgehende Erneuerung und Wiederherstellung an. Innerhalb dieses Rahmens ist dann allerdings bei Ezechiel und Sacharja Verschiedenes im Blick: In E z 4 0 f f geht es bis in alle Einzelheiten um das himmlische Modell des Tempels, der bemerkenswerterweise im Unterschied zu früher ganz von der Stadt getrennt ist, dagegen ist bei Sacharja der Blick auf die gesamte wiederaufzubauende Stadt Jerusalem und ihr Areal gerichtet4. S. das einführende ПЗП1 des Visionsstils Sach 2 , 5 ; Ez 4 0 , 3 . Zu den verschieden bezeichneten Meßgeräten s. W . Z i m m e r l i , Ezechiel S . 9 9 8 . 3 S . o . S. 9 9 f . 4 Um etwas ganz anderes, was die auftretende Gestalt, ihr Werkzeug, ihre Tätigkeit und deren übergreifenden Rahmen anlangt, geht es demgegenüber in der Vision Am 7 , 7 f , an die man zunächst auch denken könnte. Arnos berichtet: „Siehe, da stand einer (mein Herr) auf einer Mauer ..., und in seiner Hand (hielt 1

2

Das 3. N a c h t g e s i c h t ( 2 , 5 - 9 )

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Außer diesem als „ M a n n " bezeichneten Engelwesen treten zwei weitere himmlische Gestalten auf: der Deuteengel und ein „anderer Engel" (V. 7). Die knappe und in ihrem Bezug auf V.7 nicht ganz eindeutige Formulierung V . 8 a hat zu verschiedenen Meinungen darüber geführt, wer wen zu wem schickt, d . h . wer von den in V.7 genannten beiden Engeln der nach V . 8 a a Beauftragende und wer der Beauftragte ist, wer ferner der mit Τ*?Π "ivin bezeichnete (V.8aß) Adressat des folgenden Gotteswortes ( V . 8 b . 9 ) ist. Fest steht, daß es hier um eine Dreizahl von Personen geht. Der Duktus dieses Nachtgesichts und auch der Vergleich mit den anderen Nachtgesichten läßt als wahrscheinlichste Lösung die erscheinen, daß der Deuteengel mit einem Gotteswort den „anderen Engel" zu dem zuerst (V.5f) aufgetretenen „ M a n n " s c h i c k t 5 . Dabei hört auch der Visionär den Auftrag — zweifellos letztlich als der Hauptadressat, der diese neue Botschaft ebenso wie die der anderen Nachtgesichte seinem Volk weiterzugeben hat. Eine ähnliche Abfolge findet sich bei Sacharja noch in 1,13f: J a h w e — Deuteengel — Visionär 6 . Eine entsprechende Dreiheit von Personen im Zusammenhang der Mitteilung deutender, den Verkündigungsgehalt einer Vision zusammenfassender Worte begegnet dann wieder bei Daniel, in 8,15f und auch in 10,11: DTK Vi ρ bzw. passivische Formulierung 7 — deutender Engel (Gabriel) — Visionär. Hier wie bei Sacharja fungiert eine dritte Person zwischen dem Visionär und Jahwe8. Das A u f t r e t e n des Deuteengels und des „anderen Engels" wird in V. 7 durch das Verb KS"1 beschrieben. Zur Frage, ob dieses hier eine ganz spezielle Bedeutung hat (Terminus für das Verlassen einer himmlischen Versammlung), s. oben S. 119. Aber nicht auf den auftretenden Gestalten und ihrer Charakterisierung liegt das Gewicht dieser Vision, sondern auf deren Worten. er) ein R i c h t b l e i . " (V.7 in der Ü b e r s e t z u n g v o n H. W. Wolff ζ . S t . ) . Hier g e h t es u m die mit Hilfe eines Richtbleis durchgeführte Prüfung einer Mauer, d . h . Israels, auf Haltbarkeit o d e r A b b r u c h r e i f e , die negativ ausfällt, so daß Israel in Z u k u n f t nicht mehr g e s c h o n t wird. s S o z.B. R o t h s t e i n , a.a.O., S. 7 5 , 8 5 , Marti, N o w a c k , Sellin, Horst, Elliger z.St., s. auch Galling, D i e E x i l s w e n d c ..., S. 1 1 5 . Anders Rignell z . S t . , B e u k e n , a.a.O., S . 2 4 8 : Der „andere Engel" trägt d e m D e u t e e n g e l eine B o t s c h a f t an d e n Propheten auf. 6 D a z u vgl. o. S. 88. 7 Dazu s . o . S. 9 0 , 1 0 5 . 8 Sach 1 , 1 3 ist J a h w e für Sacharja nicht direkt vernehmbar, Sach 2,8 vertritt ihn der D e u t e e n g e l , D a n 8 , 1 6 steht für ihn eine auch d e m Visionär verstehbare ,,Mens c h e n s t i m m e " , 1 0 , 1 1 ist er u m s c h r i e b e n durch eine passivische W e n d u n g .

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Bevor diese auf traditionsbestimmte Elemente hin befragt werden, ist ihr Sinn und ihre Zuordnung zueinander zu klären. Zuerst äußert sich der „Mann", indem er auf Sacharjas Frage antwortet, er gehe, „um Jerusalem auszumessen und zu sehen, wie groß seine Länge und wie groß seine Breite ist" (V.6). Über den Sinn dieses Messens wird nichts gesagt. Sach 1,16b 9 und J e r 3 1 , 3 8 f 1 0 zeigen, daß die Vermessung, also Festlegung des Areals, als Vorbereitung für den Bau der Stadt zu verstehen ist. Daß gerade ein Engel Jerusalem vermißt, wird man so zu verstehen haben, daß Jahwe die Tatsache, aber auch den Ort des Wiederaufbaus festgesetzt h a t 1 1 . Es ist anzunehmen, daß der so vorbereitete Wiederaufbau der Stadt selbstverständlich auch die Errichtung einer Stadtmauer einschließen soll, so wie 587 neben den Häusern der Stadt auch deren Mauer zerstört worden war (2. Kön 25,9f). Denn „jede Stadt ... ist normalerweise von einer Mauer umgeben" 1 2 . Die gewichtigste Äußerung folgt in dem die Vision abschließenden Gotteswort V. 8b. 9. Hier heißt es zunächst, Jerusalem soll als ЛП"1Э13, d.h. als eine offene, nicht durch Mauern befestigte Siedlung, daliegen. Es ist für das Verständnis ganz wesentlich festzuhalten, daß diese Ankündigung nicht absolut, nicht für sich allein steht, sondern daß sie unbedingt mit der ihr folgenden Begründung zusammenzusehen ist: „Wegen der Menge an Menschen und Vieh in seiner Mitte" soll Jerusalem eine solche offene Siedlung sein. Das Primäre ist demnach die ungeheure Bevölkerungszahl. Daraus folgt dann, daß Jerusalem nur den Status einer offenen Ansiedlung haben kann, die nicht durch Stadtmauern in ihrer Ausdehnung gehindert ist. In welcher Beziehung Jahwe zu diesem Jerusalem stehen will, sagt dann der zweite Teil des Gotteswortes (V.9): Er wird ihm eine Feuermauer ringsum sein — es wird also nicht schutzlos sein —, und zum/als "71ЭЭ wird J a h w e in seiner Mitte sein. Jahwe sagt also seinen Schutz und seine Gegenwart zu. Vergleicht man V. 6b und V.8b.9 miteinander, dann ist eine Differenz nicht zu übersehen: Der genauen flächenmäßigen Fixierung und Umgrenzung steht gegenüber die Offenheit und Ausdehnungsmöglich9

„Die Meßschnur, 1p, wird über Jerusalem gespannt." Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau Jerusalems ist davon die Rede, daß die Meßschnur, 1p, eine bestimmte Strecke, nämlich die Stadtgrenze, entlanggcht. u Sellin z.St. meint offenbar, dieser Engel handele ohne Gottes Auftrag. 12 R. d. Vaux, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, Bd. II, 2. A. 1966, S. 33. 13 Zu diesem Begriff und seiner Bedeutung s. im einzelnen weiter unten. 10

Das 3. Nachtgesicht ( 2 , 5 - 9 )

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keit, verbunden mit der an keinen bestimmten Stadtumfang gebundenen Jahwe-Feuermauer, alles bedingt durch den gegenüber V.6b neuen Gedanken der großen Bevölkerungsmenge. Jahwe korrigiert also nach Aussage dieser Vision selbst seinen Jerusalem betreffenden Plan, indem er ihn ausweitet. Bedeutet schon das Vorhaben des Meßengels die — die Zusage 1,14b konkretisierende — Wende für Jerusalem, so überbietet V . 8 b . 9 diese Ankündigung noch 1 4 . Ist das Gefalle des abschließenden Gotteswortes so zu bestimmen, die Auskunft des Meßengels und die Beziehung beider Worte zueinander so zu verstehen, dann erscheint es als Überbewertung eines zwar wichtigen, aber nicht allein entscheidenden Zuges, wenn man hinter den beiden Worten und damit hinter diesem Nachtgesicht eine Diskussion im frühnachexilischen Jerusalem über den Bau einer Stadtbefestigung, einer Stadtmauer erkennen zu können glaubt 1 5 . Es wäre doch sonst zu erwarten, daß die Frage des Mauerbaus als der entscheidende Punkt in V.6b auch ausdrücklich erwähnt wird. Allein aus der Tatsache, daß in V.9a der Schutz der Stadt durch die Jahwe-Feuermauer zugesagt wird, ist jedenfalls nicht zwingend zu erschließen, daß V.6b auf den Bau der Stadtmauer zielt. Vielmehr erklärt sich die Zusage V.9a ohne weiteres und auch ausreichend als notwendige Ergänzung der Erwartung des Bevölkerungsund Viehreichtums und zudem als das fest mit der Vorstellung von Zion-Jerusalem als der Gottesstadt (s. auch V.9b: Gottesgegenwart) verbundene Motiv des göttlichen Schutzes 1 6 . Falls hinter der korrigierenden Überbietung von V.6b durch V.8b.9 so etwas wie eine Diskussion, eine Auseinandersetzung stehen sollte, dann eher eine solche in Gestalt eines etwas anders gelagerten Gegenübers zweier unterschiedlicher Akzentuierungen der auf die Zukunft Jerusalems gerichteten Erwartung: einerseits die Ausrichtung auf feste Planung, genaue Fixierung von Stadtgebiet und -grenzen nach ihren Maßen, andererseits eine mit der Erwartung einer zahlreichen Bevölkerung verbundene Offenheit und Freiheit hinsichtlich der zukünftigen Gestalt der durch Gottes Gegenwart bestimm14

Vgl. K. Galling, Die Exilswende ..., S. 115f, dem Beuken a.a.O., S. 246f folgt. Nach Rignell (z.St.) legt V. 8, ohne „Kritik" am Vorhaben des Engels zu enthalten, V . 6 aus. 15 So z.B. Rothstein, a.a.O., S. 7 8 - 8 7 , Sellin, Nowack, Horst, Elliger z.St., v. Rad, Der Heilige Krieg, S. 66, ThAT II, 5. Α., S . 2 9 7 . Dagegen K. Galling, Die Exilswende ..., S. 116, ders., Serubbabel und der Hohepriester beim Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem (1961): Studien zur Geschichte Israels im persischen Zeitalter 1964, S. 140, Beuken a.a.O., S. 2 4 6 , s. auch Rignell z.St. 16 Dazu s.u. S. 1 74f.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

ten Stadt. Es stünden sich dann hier Erwartungen gegenüber, wie sie in entsprechender Akzentuierung auch in bestimmten Abschnitten der Schlußvision des Ezechiel-Buches (K.40—48), zum anderen in Worten Deuterojesajas anzutreffen sind. Dabei wird die Verbindungslinie zu Ez 4 0 f f noch verstärkt durch die sicher von dort her bestimmte Gestalt des Meßengels von Sach 2,5f, die Linie zu Deuterojesaja durch die Hervorhebung Jerusalems als Ort der Gegenwart Jahwes. Der in einem längeren Wachstumsprozeß e n t s t a n d e n e 1 7 Abschluß des EzechielBuches K . 4 0 — 4 8 , in dem sich ohne Frage „Planungen für den Wiederaufbau nach der Katastrophe von 5 8 7 " 1 8 niedergeschlagen haben, ist weithin durch Messungen und genaue Maßangaben, durch Grenzbeschreibungen und Gebietsmaße bestimmt. Diese beziehen sich in erster Linie auf den Tempelbereich, aber auch auf das Land Israel und auf J e r u s a l e m . So gehört nach dem Landverteilungsentwurf Ez 48,1—29 1 9 zu dem genau in seiner Aufteilung und in seinen Maßen bestimmten Gebiet der J a h w e geweihten ЛОПП die zusammen mit ihrem Umland genau vermessene Stadt Jerusalem (48,15 — 18, dabei in V. 16 die Außenmaße J e r u s a l e m s ) . In Anlehnung an 4 8 , 1 6 bietet dann die Maße des Stadtgebietes (je Seite, dazu Gesamtumfang) der Jerusalems Tore aufzählende und benennende T e x t Ez 48,30—35, der ,,in die Endzeit des Exils oder den Anfang der Zeit der Neukonstituierung der J e r u s a l e m e r Gem e i n d e " 2 0 , d . h . also in zeitliche Nähe zu Sacharja gehört. Die Erwägung, daß derartig akzentuierte Überlegungen hinter Sach 2 , 6 b stehen könnten, findet darin weiteren Grund, daß es in dem „ M a n n " von Sach 2,5f (dessen Vorhaben korrigiert wird) ohne Zweifel um eine von Ez 4 0 f f abhängige Gestalt geht (s. oben). Anders finden sich für das korrigierend-überbietende Wort 2 , 8 b . 9 Entsprechungen in Deuterojesajas Worten: Nur hier ist von der ungeheuren Bevölkerungszahl J e r u s a l e m s in Verbindung mit der dadurch hervorgerufenen R a u m n o t — Gedanken, die in E z 4 0 f f fehlen - die Rede: J e s 4 9 , 1 8 - 2 0 (s. auch V . 2 1 . 2 2 ) ; 5 4 , 1 — 3 2 1 . Diese Nähe zu Deuterojesaja wird dadurch bestärkt, daß auch in der Betonung der S t a d t als Ort der Gegenwart J a h w e s (Sach 2 , 9 b ) das abschließende Gotteswort des 3. Nachtgesichts mit Deuterojesaja verbunden ist (z.B. J e s 4 0 , 9 f f ; 52,7—10) und sich von Ez 40—48 unterscheidet, wo der Tempel im Zentrum steht, von dem „die S t a d t " (Jerusalem), wenn sie überhaupt genannt wird (so innerhalb von 48,1—29; 45,1—8), als profaner Bereich abgerückt, getrennt i s t 2 2 .

W. Zimmerli, Ezechiel, S. 1 2 4 0 f f . W. Zimmerli, V T 18, 1 9 6 8 , S . 2 2 9 - 2 5 5 . 1 9 Aus exilischer Zeit und aus dem Bereich der „ S c h u l e " Ezechiels stammender (W. Zimmerli, Ezechiel, S . 1 2 3 3 ) , die Grundvision erweiternder Abschnitt. 2 0 W. Zimmerli, Ezechiel, S. 1249. 2 1 Zum T h e m a Bevölkerungswachstum s. weiter unten. 2 2 Nur in dem späten Nachtrag (W. Zimmerli, Ezechiel, S. 1 2 3 7 , 1249) Ez 4 8 , 30—35 ist diese Linie verlassen, und von Jerusalem ist wie bei Deuterojesaja als dem Ort der Gegenwart J a h w e s die Rede. 17 18

Das 3. Nachtgesicht ( 2 , 5 - 9 )

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Nach dieser Erörterung des Verhältnisses zwischen V . 6 b und V. 8 b. 9 soll den einzelnen T h e m e n und Motiven dieser beiden Sprüche nachgegangen werden. Beide sind bestimmt durch das Generalthema „ Wiederaufbau Jerusalems"23 — ein nach der Rückkehr der Verbannten in die Heimat höchst aktuelles, durch die geschichtliche Situation selbst gestelltes T h e m a 2 4 . Daß auf dieses schon längst vorher, besonders dann fern von Jerusalem, im Exil, die Gedanken gerichtet waren, ist aus dem Jeremia-Buch zu e n t n e h m e n 2 5 , mehr indirekt auch aus dem Ezechiel-Buch 2 6 , vor allem aber aus den Worten Deuterojesajas, der deutlich und wiederholt den Wiederaufbau Jerusalems ankündigt: In 44,26, wo neben Jerusalem auch die Städte Judas genannt werden; in 45,13, wo der Wiederaufbau Jerusalems bemerkenswerterweise als Aufgabe des Kyros genannt wird; in 49,16f mit dem Bild des in Jahwes Hände eingegrabenen Plans Jerusalems und der Ankündigung, daß dessen Erbauer herbeikommen; in 51,3 allgemeiner, indem er vom „Trösten" der Trümmer Zions spricht, schließlich in 54,11—13a in der Schilderung der neuen, prachtvoll aufgebauten S t a d t 2 7 . Wie diese Übersicht zeigt, ist nur das G r u n d t h e m a (Wiederaufbau Jerusalems) Sacharjas 3. Nachtgesicht und Deuterojesajas Worten gemeinsam. Dagegen erinnert bei Sacharja nichts an die besonderen inhaltlichen Akzente, die dieses T h e m a bei Deuterojesaja kennzeichnen. Vielmehr liegt bei Sacharja der Ton auf dem mit dem Wort n m o bezeichneten besonderen Status der Stadt, der in seiner Notwendigkeit eigens begründet wird (V.8bß). Der Begriff n m a k o m m t 23

Allerdings erscheint das Verb ЛЗЗ hier nicht. S. a. 1,16b, auch noch (Trito-)Jes 6 0 , 1 0 ; 62,5 (c.t.). 25 Jer 3 3 , 4 f f , ein in seiner Herkunft von Jeremia umstrittenes Wort über die Wiederherstellung der zerstörten Häuser Jerusalems; 31,38 — 4 0 , ein nach 587 zugesetztes Wort (so z.B. Volz, Rudolph, Weiser z.St.). Zu vgl. sind auch entsprechende Verheißungen über die Städte des ehemaligen Nordreiches in 3 0 , 1 8 , s.a. 31,4. 26 Hier ist überhaupt nicht ausdrücklich von Jerusalems Wiederaufbau die Rede: Er wird entweder stillschweigend vorausgesetzt — so in dem Landverteilungsentwurf 4 8 , 1 - 2 9 (s. V . 1 5 - 2 0 ) und in 4 8 , 3 0 - 3 5 - , oder es ist nur allgemein von „den Städten" die Rede, deren Wiederaufbau aus Trümmern, deren Bewohnung angekündigt wird: 3 6 , 1 0 . 3 3 . 3 5 , vgl. 3 8 , 1 2 . Bei allen genannten Stellen handelt es sich um Äußerungen der „Schule" Ezechiels oder um sonstige spätere Zusätze, Nachträge zum Ezechiel-Buch (dazu jeweils W. Zimmerli, Ezechiel z.St.). 27 Hinzuweisen ist auch auf das sicher nicht von Arnos stammende, die Exilssituation voraussetzende Wort A m 9 , 1 4 , das den Wiederaufbau allgemein der Städte Israels ankündigt. 24

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

im Alten Testament nur noch in Ez 38,11, einer evtl. aus Sachaijas Zeit stammenden Erweiterung der Gogperikope Ez 3 8 f 2 8 , und in Est 9,19 vor. Daß er eine offene, auf Mauern, Tore, d . h . auf Stadtbefestigungen verzichtende Siedlungsweise meint, geht aus Ez 38, 11 hervor 2 9 und entspricht auch dem Gedankengang in Sach 2,8b. 9 a 3 0 . Sach 2,8b und Ez 38,11 verbindet 1. die Tatsache, daß der Begriff n m s nur hier im prophetischen Schrifttum und überhaupt nur hier in dem bis zur frühnachexilischen Zeit entstandenen Hauptteil des Alten Testaments erscheint, daß 2. n m s an beiden Stellen die Siedlungsweise im frühnachexilischen Israel bezeichnen soll, daß sich 3. zudem diese Siedlungsgestalt abhebt von der sonst in den prophetischen Zukunftsworten erwarteten und durch Mauern, Tore, Befestigungen charakterisierten 3 1 , daß 4. — so der jeweilige Kontext — Jahwe allein den Schutz dieser offenen, nicht befestigten Ansiedlungen übernimmt 3 2 und damit 5. beide ГЛТЧВ-Worte im übergreifenden Horizont eines endgültigen Geschehens stehen 3 3 . Daneben dürfen die Unterschiede nicht übersehen werden: 1. Anders als in Sach 2,8 ist in Ez 38,11 von m n s f l N die Rede; es geht also in Ez 38,11 nicht — jedenfalls nicht speziell, allenfalls unter anderem — um Jerusalem, dessen Name hier wie überhaupt in Ez 38f nicht genannt wird, sondern es geht allgemein um das „ L a n d " als Wohngebiet der aus dem Exil Heimgekehrten (s. 38,8.12). 2. Auch eine verschiedene inhaltliche Akzentuierung des m n s -Begriffes ist festzuhalten: Ist er in Ez 38,11 bestimmt durch den Gedanken der Friedlichkeit, Sorglosigkeit und Wehrlosigkeit der Einwohner, 28

Dazu s. W. Zimmerli, Ezechiel, S . 9 3 4 , 9 5 4 f . S.a. Dtn 3,5: Die von den „offenen Landstädten" (ΤΙΒΠ Ή57) unterschiedenen befestigten Städte sind charakterisiert durch Mauer, Tore und Riegel — also durch ebendieselben Anlagen und Vorrichtungen, die nach Ez 38,11 in den Siedlungen des „offenen Landes" (ГППВ f 4 X ) fehlen. 30 Aus Est 9,19 geht derartiges nicht hervor. Es ist nur zu entnehmen, daß die hier genannten ГЛПВЛ Ή57 nach V.16 die Städte in der Provinz sind (im Unterschied zur Hauptstadt Susa, V.18). 31 Jerusalem: Jes 4 9 , 1 6 ; 54,1 l f ; 6 0 , 1 0 f . l 8 ; 62,6; Jer 3 1 , 3 8 - 4 0 ; Ez 4 8 , 3 0 35; Mi 7,11; allgemein die Städte: Ez 3 6 , 3 5 . 32 Sach 2,9b: Zusage der Feuermauer, die Jahwe selbst künftig für Jerusalem sein will; Ez 38f: Abwehr der in Gestalt Gogs und seines Heeres über Israel hereinbrechenden letzten Bedrohung. 33 Als solches wird man es verstehen müssen, wenn J a h w e selbst als Feuermauer Jerusalem schützend umgeben und in seinem ТПЭ in seiner Mitte sein will (so Sacharja), wenn Gogs Heer, „als das Heer der Repräsentanten irdischer Macht enthüllt" (W. Zimmerli, Ezechiel zu 3 9 , 1 8 ) , niedergeworfen wird in „einer letzten, entscheidenden Auseinandersetzung ..., die den Sieg Gottes über die .Mächte' ganz unmittelbar an den Tag bringt" (ebda, S . 9 7 3 ) . 29

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so liegt in Sach 2,8 der Ton auf dem Gesichtspunkt der Aufnahmefähigkeit vieler Menschen und Tiere. Der Wiederaufbau Jerusalems ist nur sinnvoll, wenn Bewohner vorhanden sind. Diese Beziehung zwischen Stadt und Bevölkerung ist in Sach 2,8b dadurch in besonderer Weise betont und akzentuiert, daß die eben besprochene neue Siedlungsgestalt der Stadt begründet wird mit der Menge der Bevölkerung (und ihres Viehs). Wenn die Frage nach vorgegebenen Elementen gestellt wird, dann ist zuerst festzuhalten, daß die hier gebrauchte Wendung ПйПГЛ ΏΊΧ eine stereotyp-formelartige Wortverbindung ist 34 . Inhaltlich umschreibt sie alles Leben in einem bestimmten, jeweils näher benannten Bereich. So wie es heißen kann, daß „Mensch und Tier", d.h. alles Leben, ausgelöscht werden 3 5 , so kann diese Wendung auch in Worten stehen, die neues Leben, eine Wiederbevölkerung ankündigen für Israel (Ez 36,11, s. auch J e r 31,27) und — so in Sach 2,8b — für Jerusalem. Damit kommt eine inhaltliche Verbindunglinie in den Blick: Indem in Sach 2,8b von der künftigen Bewohnerschaft Jerusalems die Rede ist, wird das Problem der Wiederbevölkerung der von Menschen entblößten Stadt und Landschaft angesprochen, das nach Ausweis des Ezechiel-Buches und von Worten Deuterojesajas die Verbannten sehr bewegte 3 6 . Der besondere Akzent liegt aber in Sach 2,8 b auf der „Menge der Menschen in seiner (Jerusalems) Mitte" 3 7 . Ihre Zahl ist so groß, daß Jerusalem nur in der erwähnten offenen Siedlungsform existieren kann 3 8 . Von einer solchen Menge an Bewohnern im nachexilischen 34

Es fällt auf, daß unter den in den Umkreis des Exils gehörenden Prophetenbüchern, die hier von der Thematik her besonders in Frage kommen (vgl. o. S. 169), diese Wendung, die auch leicht variiert werden kann (z.B. D1NQ ПЙПЗ Gen 6,7; 7,23 (vgl. Jer 33,12) и.о.), zwar mehrfach im Jeremia- und Ezechiel-Buch, nie aber in den Worten Deuterojesajas, auch Tritojesajas (wie überhaupt des ganzen Jesaja-Buchs) vorkommt. 35 Z.B. auf der ganzen Erde: Zeph 1,3; in einem Land: Ez 14,13.17.19; 2 5 , 1 3 ; 29,8; in Juda einschließlich Jerusalem: Jer 3 2 , 4 3 ; 3 3 , 1 0 . 1 2 ; 3 6 , 2 9 ; in Jerusalem: Jer 21,6; Ez 14,21. 36 So Ez 3 6 , 1 0 f . 3 3 . 3 5 . 3 7 f ; vorausgesetzt ist eine Wiederbevölkerung Jerusalems in 4 8 , 1 5 . 1 8 f , also innerhalb des Landverteilungsentwurfs; Jes 4 4 , 2 6 ; 49, 1 8 - 2 1 ; 5 4 , l f ; s. auch (Trito-)Jes 60,4.8f; Jer 3 1 , 2 7 , vgl. 3 0 , 1 8 f (Nordreich); auch Am 9,14. 37 Diese Erwartung begegnet auch in 8,5. 38 Die Frage, ob das endzeitliche Jerusalem imstande ist, die erwarteten Menschenmassen zu fassen, beschäftigt später auch die apokalyptische und rabbini-

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Jerusalem redet Deuterojesaja sehr anschaulich in Jes 49,18—21; 54,1 f, mehr indirekt wohl auch in 5 1 , 2 3 9 . Die Zusage einer großen Zahl von Menschen ist, bezogen auf die Nachkommenschaft, ein ganz wesentliches Element der Erzväterverheißung 4 0 . Auf diese n i m m t ausdrücklich Jes 51,2 Bezug. Dort heißt es in einem an das Volk gerichteten Jahwe-Wort: „Schaut auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch gebar; d e n n als einen einzigen habe ich ihn b e r u f e n u n d habe ihn gesegnet und zahlreich g e m a c h t . " Zweifellos soll daraus der Schluß gezogen, die H o f f n u n g geweckt werden, daß J a h w e in Entsprechung zu seinem T u n an Abraham auch die Exilierten wieder zu einem zahlreichen und großen Volk machen wird. Diese Väterverheißung wird ebenfalls hinter den beiden ausdrücklich eine überaus große Zunahme der Bevölkerung Jerusalems ansagenden Worten Jes 49,18—21 und 54,1—3 stehen, wenn auch hier nur m e h r indirekt auf diese Verheißung angespielt wird 4 1 . So liegt - trotz aller Knappheit der Formulierung von Sach 2,8 b — die Vermutung nahe, daß die an die Erzväter gerichtete Verheißung der Vdkwerdung, einer zahlreichen N a c h k o m m e n s c h a f t in zahlenmäßigen Dimensionen, die alle Vorstellungen sprengen (s. z.B. Gen 15,5; 22,17), auch den Hintergrund bildet für Sacharjas Wort von der zukünftigen „Menge an Menschen", die so gewaltig ist, daß eine in der bisher üblichen Weise angelegte Stadt Jerusalem diese Menge nicht fassen k ö n n t e 4 2 . Der damit schon angeklungene Gedanke der Sprengung aller bisher üblichen oder gegebenen Raumverhältnisse ist als weiterer Berührungspunkt zwischen Sacharja und Deuterojesaja noch ausdrücklich hervorzuheben. Nach Jes 49,19f und 54,2 wird für die erwartete große Bevölkerungszahl in Jerusalem der Raum zum Wohnen zu knapp. sehe Literatur; dazu P. Volz, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde, 1966 (= 1934) S. 372. 39 Ebenfalls von einer Vermehrung der Bevölkerung, nun aber allgemein in Israels Land und seinen Städten, ist die Rede in Ez 3 6 , 1 0 f . 3 7 f , vgl. Jer 3 1 , 2 7 , im Blick auf die Städte des ehemaligen Nordreichs in Jer 30,19. 40 So z.B. Gen 12,2; 13,16; 15,5; 17,2.5f; 18,18; 2 2 , 1 7 ; 2 6 , 4 . 2 4 ; 2 8 , 1 4 ; 32, 13; 35,11. 41 In Jes 54,2 geschieht das durch das an die Väterzeit erinnernde Bild vom Zelt, vgl. C. Westermann, A T D 19, z.St.; in 4 9 , 2 0 . 2 1 und 54,1 durch das an Sara erinnernde Bild der zunächst kinderlosen, dann aber kinderreichen Frau, dazu vgl. D. Baltzer, Ezechiel und Deuterojesaja, BZAW 121, 1 9 7 1 , S. 169f. 42 Daß Sacharja sonst die Väterverheißung aufgreift, zeigt Sach 8 , 1 3 mit der schon in Gen 12,2b begegnenden Wortverbindung ЛЭЧЗ ГГЛ.

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Deuterojesaja beschreibt hier diese zukünftige Situation nur in Bildern — im Bild vorn Zelt, das zu eng wird (54,2), im Bild von der Mutter, die für ihre vielen Kinder nicht genug Platz hat (49,19f, auch 54,1). Dagegen geht es Sacharja, der im frühnachexilischen Jerusalem mit den konkreten Fragen des Wiederaufbaus konfrontiert ist, direkt um eine praktische Lösungsmöglichkeit des Problems der R a u m n o t , wenn er von Jerusalem nicht als einem durch Mauern eingeengten Wohngebiet spricht, sondern seine künftige Gestalt als n m a bezeichnet. Im Gegenüber zu Sacharja fällt auf, daß Deuterojesaja, obwohl er in 49,19f und 54,2 von dem zu knapp werdenden Wohnraum redet, anders als Sacharja das wiederaufgebaute Jerusalem als von Mauern, Toren und Befestigungen umgeben erwartet (49,16; 54,1 l f ) 4 3 . Neben der „Menge an Menschen" ist von der „Menge an Vieh" in Sach 2,8 b die Rede. Ohne Frage ist in der Erwähnung des Viehs hier zunächst das zweite Element der oben besprochenen festen Wortverbindung ЛйГП! Dl« zu sehen. Darüber hinaus ist aber zu fragen, ob hinter der Ankündigung der großen Zahl von Vieh in Jerusalem nicht auch ein festes Traditionselement steht. Die im Zusammenhang des Exils lautwerdenden prophetischen Verheißungen neuen materiellen Segens für das Land des heimgekehrten Israel, für das nach dem Exil neu erstehende Jerusalem 4 4 zeigen, daß Sacharjas Ankündigung künftigen Viehreichtums in den R a h m e n dieser Segensverheißungen gehört, wobei sich allerdings keine speziellen Verbindungslinien erkennen lassen. Darüber hinaus wird man erwägen können, ob auch hier die Erzväterverheißung — und zwar allgemein die Verheißung des Segens, wie sie Gen 12,2f genannt ist — im Hintergrund s t e h t 4 5 . 43

Vgl. dazu auch S. 170. So Jer 3 1 , 1 2 ; 3 3 , 1 2 f ; Ez 3 4 , 2 6 f . 2 9 ; 3 6 , 1 1 . 2 9 f . 3 5 ; 4 7 , 1 - 1 2 (s. auch 38, 12f, w o ein Zustand gezeichnet ist, der den Verheißungen in Ez 3 4 und 36 entspricht); auffallend zurückhaltend, andersartig bzw. allgemeiner bei Deuterojesaja: Jes 5 1 , 3 , auch 5 5 , l f ; 54,1 I f f , vgl. 4 5 , 8 ; (Trito-)Jesaja 6 0 , 5 f f ; Am 9,13f (ein später Nachtrag, s. z.B. H. W. Wolff z.St.). Es geht um die Fruchtbarkeit des Landes, um reiche Erträge an Früchten, Getreide, Wein, ö l , um viel Vieh (Jer 3 1 , 1 2 ; 3 3 , 1 2 f ; Ez 3 6 , 1 1 ( 3 8 , 1 3 ) ) , auch um Gold, Silber und sonstige Kostbarkeiten. (Außer bei dem genannten Arnos-Beleg wird es sich auch bei den Stellen aus dem Jeremia- und Ezechiel-Buch vielfach um Nachträge, Äußerungen der „Schule", spätere Zusätze handeln, ohne daß darauf hier im einzelnen eingegangen werden muß.) 45 Allein in Jes 5 1 , 3 ist, sofern man diesen Vers mit Duhm (z.St.) als „die Nutzanwendung aus V . l f . " versteht und nicht mit Westermann (z.St.) V.3 als „eine Einheit für sich" auffaßt, eine dem nachexilischen Jerusalem gelten44

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Mit b e t o n t an den Anfang gestelltem ЧЮ setzt V.9 das abschließende Gotteswort des 3. Nachtgesichts f o r t : J a h w e spricht jetzt in 1. pers. über seine Beziehung zu dem neuen Jerusalem. V. 9 a — „und ich will ihm (d.h. Jerusalem), Spruch Jahwes, eine Feuermauer ringsum sein" — ist inhaltlich eine Ergänzung zu den Ankündigungen in V. 8 b : Dieses o f f e n e , von einer Menge an Menschen u n d Tieren bevölkerte Jerusalem wird geschützt, u n d zwar durch J a h w e selbst. (Daß die Frage nach dem Schutz in dieser Zeit naheliegt, zeigt der Spruch Sach 8,10 mit seinem Hinweis auf die u n t e r anderem durch Unsicherheit und Bedrohung bestimmten Verhältnisse im Land.) Traditionsgeschichtlich treffen in dieser Ankündigung verschiedene Linien z u s a m m e n 4 6 : 1. Die Vorstellung von der die Stadt rings umgebenden Feuermauer steht zweifellos in Beziehung zu einem Element der Paradiesesüberlieferung, zu der das Paradies nach Gen 3,24 bewachenden „Flamme des zuckenden Schwertes". 2. Daß es sich in Sach 2,9 nicht u m eine ganz normale, sondern um eine Feuermauer handelt, steht sicher im Zusammenhang mit der weiteren Besonderheit, daß J a h w e selbst diese Mauer sein will. Von Feuer ist in Verbindung mit J a h w e die Rede in Theophanieschilderungen. J e d o c h wird der Zusammenhang von Feuer- und Lichtphänomenen mit dem ПШ1 Т1ЭЭ als Erscheinungsform Jahwes — so vor allem in priesterlichen Texten, in Ρ u n d bei Ezechiel — den Hintergrund für Sach 2,9a bilden, da die Fortsetzung V . 9 b ausdrücklich von Jahwes spricht. Indem Sacharja dieses Moment priesterlichen Gedankengutes mit dem ganz anderen Element aus der Paradiesesüberlieferung verbindet, k o m m t es zu einer in dieser Form einzigartigen Ausprägung der leuchtenden Feuersubstanz des ГШ4 ТПЭ: in Gestalt der Feuermauer. 3. Auf den Überlieferungskomplex der Ziontradition weisen a) die Beobachtung, daß im Alten Testament mehrfach vom Feuer die Rede Segensansage mit einer ausdrücklichen Erwähnung der Erzväterverheißung (V.2) verbunden. — Daß der Segen bei den Erzvätern weitgehend in Reichtum an Vieh besteht, zeigen die entsprechenden in die Vätererzählungen eingestreuten Bemerkungen, etwa Gen 13,2.5f; 2 4 , 3 5 ; 2 6 , ( 1 2 - ) 14; 32,8-11. 46 Da V . 9 a und auch 9 b unter diesem Gesichtspunkt bereits genau untersucht worden sind (Ch. Jeremias, Sacharja und die prophetische Tradition ..., S. 5 7 - 6 3 und - zu V . 9 b - S . 5 1 - 5 7 , auch 5 8 - 6 0 ) , wird im folgenden nur eine kurze Zusammenfassung des dort Ausgeführten gegeben und im übrigen für alle Einzelfragen und Nachweise auf diese Untersuchung verwiesen.

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de ist als der von Jahwe zum Schutz des Zion eingesetzten Waffe, b) die Feststellung, daß die Feuermauer die Funktion hat, Jerusalem zu schützen. Denn Sicherheit und Schutz durch Jahwe ist ein ganz zentrales Thema der Ziontradition. Dabei steht Sacharja, wenn er von Jahwe als der Jerusalem schützenden Mauer spricht, sehr nahe bei bestimmten Formulierungen der Zionspsalmen 46 und 48, wo Jahwe etwa als sicherer, unzugänglicher Ort, als Festung, als Hochburg für Zion bezeichnet wird. Unter den Propheten, die dieses Thema der Ziontradition aufgegriffen haben, bezieht es außer Sacharja besonders Deuterojesaja auf das nach dem Exil neu erstehende Jerusalem — jedoch findet sich nirgends eine derartig weitgehende Aussage wie in Sach 2,9 a. 4. Indem Jerusalem, selbst unbefestigt, ganz auf Jahwes Schutz verwiesen ist, geschieht eine Aufforderung zum „Glauben" (auch wenn dieser Begriff selbst hier nicht fällt), die an Jesajas Glaubensforderung erinnert, die in den „althergebrachten Vorstellungskreis von Jahwes rettender Hilfe", wie sie sich in den von ihm für Israel geführten heiligen Kriegen realisierte, gehört 4 7 . V.9b 4 8 schließt dann das Gotteswort ab mit der Ankündigung „und als (bzw. zum) "ПЭЭ werde ich in seiner (sc. Jerusalems) Mitte sein", wobei durch das Wort Mitte ("pn) sicher der Tempel als Jerusalems Mittelpunkt umschrieben ist 4 9 . Da "ШЭ hier „die personale Gegenwärtigkeit Jahwes in seiner Lichtherrlichkeit" 5 0 bezeichnet, besagt V.9b, daß Jahwe, dessen Т1ЭЭ nach Ez lOf den Tempel und Jerusalem verlassen hatte, nun nach Jerusalem zurückkehrt 5 1 und hier wieder in seinem TDD gegenwärtig sein will. Dieser Gebrauch des Begriffs "ИЗЭ verbindet Sachaija unter den Propheten mit Ezechiel — beide sind dabei von priesterlichem Denken bestimmt (s.P) —, der häufig (17 mal) von dem in seinem ТПЭ gegenwärtigen Jahwe spricht, wobei Jahwes Herrlichkeitserscheinung l l m a l in Beziehung zum Tempel steht, den sie verläßt und in den sie nach seiner Wiedererrichtung zurückkehren wird. Trotz und ne47

G. v. Rad, ThAT II, 5. Α., S. 166, s.a. ders., Der Heilige Krieg im alten Israel, S. 66. 48 Zu den speziell V . 9 b betreffenden Einzelfragen und Nachweisen gilt das o. Anm. 46 Gesagte. 49 Dazu s. Ch. Jeremias, a.a.O., S . 4 3 — 4 5 . — Auffallenderweise ist vom Bau des neuen Tempels in diesem Nachtgesicht keine Rede. 50 W. Zimmerli, Ezechiel, S. 5 8 . 51 Zur Ankündigung der Rückkehr Jahwes zum Zion in Sacharjas Verkündigung s. Ch. Jeremias, a.a.O., S. 3 2 f f .

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ben dieser Berührung ist jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen Sacharja und dem Ezechiel-Buch festzustellen: Nach Sacharja ist Jerusalem der Ort, an dem Jahwe wieder in seinem "TUD gegenwärtig sein wird; dagegen kehrt nach Ez 43 Jahwes TDD in den hier wie überhaupt in Ez 40—48 scharf von der Stadt Jerusalem geschiedenen Tempel zurück (anders jedoch der Abschluß Ez 48,30— 35: hier ist wieder die Stadt Jerusalem der Ort der Gottesgegenwart — dieses ist auch die Erwartung Deuterojesajas, des anderen großen Exilspropheten, s. 52,7ff; 40,9ff). Da nach Sach 2,9 Jahwes ТПЭ und die Feuermauer offenbar so zusammengehören, daß die Feuermauer eine Ausprägung der leuchtenden Feuersubstanz des ТПЭ ist (s. oben), wird im neuen Jerusalem Jahwes ТПЭ den Bewohnern immer sichtbar sein. Insofern überbietet die neue Heilszeit alles Frühere, auch das in bezug auf den ТПЭ in Ez 43 Erwartete. In ihrer auffallenden Formulierung erinnert die Aussage über den ТПЭ in Sach 2,9 b an die Bundesformel, deren eine Hälfte sie in einer sonst nirgends mehr begegnenden Art offenbar interpretierend abwandelt.

D. Das 4. (5.) Nachtgesicht ( 4 , I f f ) Da die Aussage dieses Nachtgesichts zusammen mit der darin aufgenommenen Davidtradition schon früher behandelt worden ist 1 , kann die Untersuchung von 4 , I f f 2 sofort mit dem von Sacharja visionär geschauten Bild selbst in seiner Anordnung und in seinen Elementen beginnen. Auf dem Hintergrund der übrigen Nachtgesichte Sachaijas erscheint als ein Charakteristikum des Visionsbildes vom Leuchter zwischen den beiden ölbäumen der symmetrische Aufbau dieses statischen, keine Bewegung oder Handlung aufweisenden Bildes. Diese Anordnung der Bildelemente erinnert unmittelbar an unzählige Beispiele aus dem Bereich der altorientalischen K u n s t 3 , besonders an Darstel1

Ch. Jeremias, a.a.O., S . 9 0 f f , bes. 9 6 - 9 8 , 1 2 0 - 1 3 1 . Es ist fast allgemein anerkannt, daß in V.6aj3—10a (bis einschl. Vaa-it). eine nicht zum Visionsbericht gehörende und diesen zerreißende Sprucheinschaltung vorliegt (eine andere Lösung schlägt Beuken, a.a.O., S. 2 6 1 f f vor) und V.12 eine nachträgliche Erweiterung ist (anders z.B. Sellin und Rignell). 3 Darauf verweist schon L . R o s t , Bemerkungen zu Sacharja4: ZAW 6 3 , 1 9 5 1 , S. 2 1 7 . 2

Das 4. (5.) Nachtgesicht (4,1 ff)

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Jungen auf Siegeln und Reliefs, die — z.B. in Gestalt der antithetischen Gruppen — einen derartigen Aufbau erkennen lassen. Es liegt daher nahe, diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, wenn nach der Herkunft des Visionsbildes oder seiner einzelnen Elemente gefragt wird. Dabei sind — abgesehen davon, daß es sich um ein Bild sui generis handeln könnte oder um eines, zu dem sich keinerlei Vorbilder oder ähnliches aufzeigen lassen — grundsätzlich zwei Möglichkeiten vorstellbar: 1. Das Bild ist als geschlossener Bild- oder Motivkomplex mehr oder weniger so durch Sacharja übernommen worden, wie er es in K. 4 schildert, oder 2. es sind einzelne Motive oder Elemente aufgegriffen worden und in eigenständiger Weise im übernommenen Rahmen des formalen Aufbaus zusammengefügt worden. In Richtung der ersten Möglichkeit sind verschiedene Lösungsvorschläge gemacht worden. Der deutlichste, aber auch gewaltsamste Lösungsvorschlag s t a m m t von P. Haupt4. Er sieht in den beiden in 4 , 1 4 genannten Gestalten zwei Engel, die den Aufstand J u d a s gegen die Perser zu leiten haben (a.a.O., S. 115). In ihrer Stellung (flanking the seven-branche candelabrum) erinnern sie ihn an assyrische Darstellungen geflügelter Genien, die den heiligen Baum b e r ü h r e n 5 . Daraus ergibt sich für ihn als evident folgende T e x t ä n d e r u n g : Statt D T H in 4,3.11 liest er ΠΉ'ΊΡ entsprechend einer assyrischen Bezeichnung für diese Genien, sedu (a.a.O., S. 116, 122). Es liegt auf der Hand, daß ein solcher Vorschlag, der den Sacharja-Text in dieser Weise zurechtbiegt, nicht annehmbar ist. Anders erschließt H. Gunkel als „Vorlage ... ein mythologisches Bild": Rechts und links vom himmlischen siebenarmigen Leuchter — so werde hier der „Weltbaum" dargestellt 6 — stehen die beiden himmlischen Ö l b ä u m e , die den Leuchter mit ö l versorgen. Als Heimat dieses Bildes k o m m t nach Gunkel nur „die babylonische Religion" in Frage, allerdings sei „die von uns erschlossene Anschauung ... bisher bei den Babyloniern noch nicht nachgewiesen" 7 . Damit bleibt dieser Lösungsvorschlag unbefriedigend. Auch E. Sellin8 meint, daß hinter d e m Bild der Vision 4 , I f f ein traditioneller Stoff, „ein älteres Bild, das geläufig ist", steht. Er n i m m t an, „daß das Bild ... in die Reihe uralter mythologischer Symbole hineingehört, die Sacharja besonders auch in Babylon wird gesehen haben, von denen wir jetzt bereits, beson-

4

The Visions of Zechariah: JBL 32, 1913, S. 1 0 7 - 1 2 2 . Vgl. z.B. AOB 2 A b b . 256. — Auf einigen assyrischen Skulpturen habe der heilige Baum sieben Äste und gliche so einem siebenarmigen Leuchter (Haupt, a.a.O., S. 118). 6 Dazu vgl. u. S. 182; zu Gunkels Verständnis der sieben L a m p e n und ihrer Deutung s.u. S. 185. 7 S c h ö p f u n g und Chaos in Urzeit und Endzeit, 2. Aufl. 1921, S. 1 2 5 - 1 3 0 (Zitate: S. 129 und 130). 8 Das Z w ö l f p r o p h e t e n b u c h , ΚΑΤ 12,2-/3. Α. 1930, S. 507. 5

12 J e r e m i a s , Nachtgesichte

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

ders auf Siegeln, so viele besitzen". Wenn sich aber bis heute trotz der Fülle von Siegeln, die gefunden und publiziert worden sind — es handelt sich um Zehntausende —, keine derartige Darstellung hat nachweisen lassen, dürfte es äußerst unwahrscheinlich sein, daß sich Sellins Vermutung noch bestätigen wird. A. J. Wensinck9 knüpft an Gunkels Lösungsvorschlag an 1 0 . Die von ihm bei Gunkel vermißte Frage nach der „kosmologischen Idee", die in den zwei Ölbäumen zum Ausdruck k o m m t , beantwortet er folgendermaßen: "We can hardly avoid thinking of the two trees at the end of the earth which are sometimes conceived of as olive trees, and the sun rising between t h e m " (a.a.O., S. 12f). Unmittelbar darauf folgt der Satz: "Look at figure 11, a striking illustration of Zecharja's vision, and a corroboration of the opinion that Zecharja, as a matter of fact, does not describe a purely fantastic vision, but gives an image borrowed from a well known representation" (a.a.O., S. 13). Um diese Auffassung beurteilen zu können, ist es unumgänglich, Klarheit über das auf der erwähnten Abbildung Dargestellte und über die ungefähre Herk u n f t dieser Darstellung zu erhalten. Dazu macht Wensinck keinerlei Angaben u . Es ergibt sich, daß es sich um eine ägyptische Darstellung handelt, und zwar im wesentlichen um „eine Wiedergabe des Wellgebäudes ..., die wir u.a. in den Vignetten zum 17. Kap. des Totenbuchs finden ... 2 Löwen sitzen Rücken an Rükken und tragen die Sonnenscheibe, die ... auf einem Kuhkopf, dem Symbol der Himmelsgöttin Hathor, r u h t " 1 2 . Diese Löwen werden verschieden verstanden und gedeutet: als Heute und Gestern, als symbolische Darstellung des Horizontes, als Tefnut und Schu 1 3 . Wensincks Fig. 11 unterscheidet sich von diesem Darstellungstypus dadurch, daß in der Sonnenscheibe ein widderköpfiger Gott sitzt 1 4 , vor allem aber durch das kleine baumartige Gebilde, das sich in verschiedener Höhe über dem Kopf jedes der beiden Löwen befindet. Möglicherweise stehen diese beiden Bäumchen in Beziehung zur Vorstellung von den beiden Sykomoren (nicht Ölbäumen), die nach der Schilderung von Kap. 109

9

Tree and Bird as Cosmological Symbols in Western Asia. VAA, Afdeeling Letterkunde, Nieuwe Reeks Deel XXII,1,1921. 10 Was er allerdings als Gunkels Schlußfolgerung aus der Untersuchung von Sach 4 bezeichnet (nämlich "that the bowl and the seven lamps are a symbolical representation of the sun ar.d the seven planets"; so S. 12), ist tatsächlich nur ein Teilgedankengang in Gunkels Erörterung, der zudem durch Wensinck ungenau wiedergegeben wird: Gunkel versteht nur die Lampen (und nicht auch die Schale) des Leuchters als Darstellung nun nicht der Sonne und der 7 Planeten, sondern allein der 7 Planeten, zu denen er entsprechend altorientalischer Sicht auch die Sonne rechnet (Gunkel a.a.O., S. 127, 130). 11 Er vermerkt lediglich im Abbildungsverzeichnis: Sphinx, vol. X, p. 104. 12 H. Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, 1952, S. 12; s. bes. H. Prinz, Altorientalische Symbolik, 1915, Taf. IV,3, auch 5, dazu S. 20, 25; vgl. auch Bonnet, a.a.O., Abb. 3. 13 Bonnet, a.a.O., S. 12. 14 Dazu vgl. W. Spiegelberg, Ein Skarabäus mit religiöser Darstellung: OLZ 33, 1930, S. 2 4 9 - 2 5 2 , hier: 251; vgl. auch den in der Sonne sitzenden Gott auf Taf. IV,3 bei Prinz, a.a.O.

Das 4. (5.) Nachtgesicht ( 4 , I f f )

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des T o t e n b u c h s am östlichen H o r i z o n t t o r des Himmels stehen u n d zwischen d e n e n u n d aus dem täglich die S o n n e h e r v o r g e h t l s . Der n u n mögliche Vergleich dieser Darstellung m i t Sacharjas Visionsbild kann n u r zu d e m Ergebnis f ü h r e n , daß "a striking i l l u s t r a t i o n " in d e m Sinn, daß Darstellungen dieses T y p s Vorbild für Sacharjas Visionsbild sind, sicher nicht vorliegt. Dafür sind die D i f f e r e n z e n zu groß: Mit der S o n n e n s c h e i b e und der in ihr sitzenden Gestalt verbindet nichts den 7 - L a m p e n l e u c h t e r ; das fest zu diesem ägyptischen Darstellungstyp g e h ö r e n d e E l e m e n t der b e i d e n L ö w e n fehlt bei Sacharja; dagegen scheinen die Bäume kein C h a r a k t e r i s t i k u m derartiger ägyptischer Darstellungen zu sein. Auch das erscheint unwahrscheinlich, daß Sacharja b e w u ß t an die allgemeine „kosmologische I d e e " a n k n ü p f t , die Wensinck hinter Sach 4 zu e r k e n n e n m e i n t , da nichts in S a c h 4 an die (aufgehende) S o n n e , an Bäume am Weltrand erinnert. Es bleibt also nicht m e h r als ein Beispiel für zwei flankierende Bäume — ein Ergebnis, das zu allgemein ist, u m für die hier verfolgte Fragestellung bedeutsam zu sein, das z u d e m n o c h an Gewicht verliert, da sich solche Beispiele, dazu in V e r b i n d u n g mit a n d e r e n B e r ü h r u n g s p u n k t e n , auch in dem Sacharja u n t e r historischen G e s i c h t s p u n k t e n näherliegenden m e s o p o t a m i s c h e n Bereich f i n d e n 1 6 . In seinem K o m m e n t a r verweist auch F. Horst, der dabei ganz offensichtlich eine Erwägung K. Möhlenbrinks a u f n i m m t 1 7 , zu Sach 4 auf eine ägyptische Darstellung: „ D e m Bilde, das die Vision hinstellt, wären religionsgeschichtlich am meisten zu vergleichen Heiligtumsdarstellungen des ägyptischen F r u c h t b a r keitsgottes Min: der G o t t mit einem Altar neben sich und auf diesen zwei Z y p r e s s e n b ä u m c h e n gestellt mit einem größeren S y m b o l in ihrer Mitte; dies sieht auf einigen Darstellungen wie ein kleiner L e u c h t e r aus, auf a n d e r e n m e h r wie eine stilisierte P a p y r u s s t a u d e . " 18 Ebenso wie Möhlenbrink ü b e r n i m m t damit Horst, allerdings o h n e V o r b e h a l t , die 1893 von M. O h n e f a l s c h - R i c h t e r gegebene D e u t u n g 1 9 , die aber längst nicht m e h r zu halten ist. Denn bei d e n auf d e m „ A l t a r " oder kapellenartigen U n t e r s a t z 2 0 stehenden Pflanzen h a n d e l t es sich nicht um Zypressen, s o n d e r n um Lattiche, ein A t t r i b u t des G o t t e s M i n 2 1 . Ferner ist das zwischen ihnen, o f t auch separat auf einem kleinen Naos stehende

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Zu dieser Vorstellung s. B o n n e t , a.a.O., S . 8 3 , H. Kees, Der G ö t t e r g l a u b e im Alten Ä g y p t e n , 1941, S. 8 4 . Zu vergleichen ist auch das Deckenbild im Tempel von Dendera (s. Kees, a.a.O., T a f . I H b ) , auf d e m u.a. die b e i d e n Horizontberge mit j e einem Baum zu sehen sind, zwischen d e n e n aber nicht die S o n n e steht, s o n d e r n ein Säulenkapitell m i t einem H a t h o r k o p f ; dazu Kees, a.a.O., S. 84, R. R. M o f t a h , Die heiligen B ä u m e im Alten Ä g y p t e n , Diss. G ö t t i n g e n 1959, S. 164. 16 Dazu s.u. S. 181 ff. 17 K. M ö h l e n b r i n k , Der L e u c h t e r im f ü n f t e n Nachtgesicht des P r o p h e t e n Sacharja: ZDPV 52, 1 9 2 9 , S. 2 6 0 / 2 6 1 A n m . 4. 18 F. H o r s t , H A T , S. 2 3 0 . 19 K y p r o s , die Bibel und H o m e r , T e x t b a n d 1 8 9 3 , S. 78. 20 Hier liegt übrigens ein bereits innerägyptisches Mißverständnis vor: Ursprünglich war eine Pflanzung, ein Feld gemeint, die seit dem N e u e n Reich wie ein Altar dargestellt w u r d e ; so H. B o n n e t , a.a.O., A r t . Min, S . 4 6 2 . 21 H. Kees, Der G ö t t e r g l a u b e im A l t e n Ä g y p t e n , 1 9 4 1 , S . 9 1 + A n m . 4 ; Bonn e t , a.a.O., S . 4 6 2 .

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Gebilde, das mit einem „blütenförmigen Wedel" 2 2 wechselt — beide erscheinen seit dem Neuen Reich als Symbole, Attribute des Min 2 3 —, nicht als „Leuchter, Candelaber" 2 4 zu verstehen. Es wird etwa von H.Kees als „Königssymbol" bezeichnet, bei dem „die Pflanzenform ... das ursprünglich Richtige" ist 2 5 , von H. Bonnet als „blattartiger Fächer" beschrieben 2 6 . Damit ist der grundsätzliche Einwand gegen Horsts Versuch, diese ägyptischen Darstellungen in Beziehung zu Sacharjas Visionsbild zu setzen, genannt. Daneben ist noch darauf zu verweisen, daß Horst die zeitliche Ansetzung dieser Darstellungen völlig unberücksichtigt läßt. Uber deren Herkunft fehlen schon bei Ohnefalsch-Richter, auf den Horst verweist, ausreichende Angaben; J . G. Wilkinson— S. Birch 2 7 , auf den sich Ohnefalsch-Richter bezieht, bringt keinerlei Angaben dafür, woher die bei ihm abgebildeten Darstellungen stammen. Offensichtlich gehören diese Darstellungen in die Zeit des Neuen Reichs 2 8 . Es besteht also ein erheblicher zeitlicher Abstand zu Sacharja, es sei denn, es gäbe derartige Darstellungen auch noch in wesentlich späterer Zeit. Außer dem zur Deutung und zur zeitlichen Ansetzung Gesagten spricht gegen Horsts Lösungsversuch auch die geschichtliche Lage zur Zeit Sacharjas: Sie läßt Beziehungen zum babylonischen und persischen Bereich als viel wahrscheinlicher erscheinen als solche zum ägyptischen Raum.

Keiner dieser Versuche, das Visionsbild von Sach 4 als Ganzes zu (genau so) vorgegebenen Vorstellungen oder Darstellungen in Beziehung zu setzen oder von ihnen abzuleiten, ist also befriedigend. Aber auch aus der Durchsicht einer großen Zahl von zum Teil erst in den letzten Jahrzehnten erschienenen Publikationen altorientalischer Siegel ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte für einen in dieser Richtung gehenden Lösungsvorschlag, wohl aber Beiträge für die zweite der oben als denkbar bezeichneten Herleitungsmöglichkeiten. Auf den symmetrischen Aufbau, der Sacharjas Visionsbild mit altorientalischen Darstellungen verbindet, war schon hingewiesen worden. Wendet man sich den einzelnen Bildelementen und dabei zuerst dem Leuchter zu, so ist es wichtig festzuhalten, daß dieser im Visionsbild von Sach 4,Iff ganz offensichtlich für Jahwe steht 29 . 22 Bonnet, a.a.O., S. 462; Ohnefalsch-Richter, a.a.O., S. 78: „stilisierte ... Papyrusstaude". 23 Bonnet, a.a.O., S. 462. 24 So Ohnefalsch-Richter, a.a.O., S. 78. 25 H. Kees, Der Opfertanz des Ägyptischen Königs, 1912, S. 127, 128. 26 A.a.O., S. 462. 27 The Manners and Customs of the Ancient Egyptians, New Edition 1878, Bd. I, Fig. 174 (S. 405), Bd. Ill Fig. 504 (S. 24). 28 S. die oben angeführte Bemerkung Bonnets; s. die Abb. in AMG 30/1 (1902): pi. 8 - 1 1 , auch 13,16; A. St. G. Caulfield, The Temple of the Kings at Abydos, 1902, Taf. 15 Nr. 6; AOB 2 Abb. 270. 29 Dagegen L. Rost, ZAW 63, 1951, S. 2 1 8 - 2 2 0 .

Das 4. (5.) Nachtgesicht ( 4 , I f f )

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Das wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ist aber aus der Deutung der Lampen (V.lOb) und der ölbäume (V.14) zu erschließen. Im Blick auf diesen Sachverhalt sind zwei Beobachtungen interessant. 1) Im Alten Testament finden sich zahlreiche Aussagen, die Jahwe mit dem Bereich des Lichtes in Verbindung bringen 3 0 . Auch bei Sacharja findet sich in einem anderen Nachtgesicht dafür ein Beispiel: In 2,9 sagt Jahwe, daß er nicht nur zur Jerusalem rings umschließenden Feuermauer werden will, sondern auch "ПЗЭ1? in seiner (Jerusalems) Mitte 3 1 . Es dürfte wohl kaum unabhängig von dieser vielfach im Alten Testament begegnenden Verbindung Jahwes mit der Sphäre des Lichts sein, wenn in Sachaijas visionärer Schau der Leuchter — noch dazu in einer in diesem Fall durch die Vielzahl der Lampen bewirkten besonderen Lichtfülle — als Bild für Jahwe steht. Allerdings gibt es im Alten Testament sonst kein Beispiel dafür, daß für Jahwe das Bild eines Leuchters steht. Hier ist nun die zweite Beobachtung zu nennen: Auf altorientalischen Siegeln, vorwiegend neubabylonischen Stempelsiegeln — es handelt sich also zeitlich und politisch-kulturell um einen Bereich, in dem bzw. in dessen Einfluß Sacharja gelebt hat 32 — findet sich sehr häufig ein als Leuchter oder Kandelaber zu bezeichnender Gegenstand als Gottessymbol, und zwar des Feuergottes Nusku 3 3 . Die30 Dazu s. Aalen, Art. I I S , ThWBAT I, Sp. 1 6 0 - 1 8 2 , bes. 175 und 178, wo die Belege genannt werden; s. ferner a. H. Conzelmann, Art. ι / ω ί В . 3 . 4 , ThW IX, S. 31 If. 31 Dazu s.o. S. 174f. 32 Von der „Verwendung der neobabylonischen Siegelformen in ganz Syrien, Palästina und Mesopotamien" spricht Η. H. v. d. Osten, Altorientalische Siegelsteine der Sammlung H. S. v. Aulock, 1 9 5 7 , S. 71. 33 L. Delaporte, Catalogue des cylindres orientaux et des cachets assyro-babyloniens, perses et syro-cappodociens de la Bibliotheque Nationale, 1910: Nr. 5 6 6 , 5 6 7 , 5 6 8 , 5 7 1 , vgl. auch 5 8 6 .

Ders., Catalogue des cylindres orientaux cachets et pierres grav6es du Musee du Louvre, Bd. И (Acquisitions) 1 9 2 3 : Nr. A 7 3 9 , A 76. r s \ 7 6 6 , A 767, A 775, s.a. A 784. Η. H. v. d. Osten, Ancient Oriental Seals in the Collection of Mr. Ε. T. Newell, 1934: Nr. 4 8 8 . Ders., Ancient Oriental Seals in the Collection of Mrs. A. B. Brett, 1936: Nr. 166. G. A. Eiscn, Ancient Oriental Cylinder and other Seals with a Description of the Collection of Mrs. W. H. Moore, 1940: Nr. 93. K. Galling, Beschriftete Bildsiegel des ersten Jahrtausends ν. Chr. vornehmlich aus Syrien und Palästina: ZDPV 6 4 , 1941, S. 1 2 1 - 2 0 2 : Abb. 154, vgl. auch 122 und 130.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

ser wichtige Sachverhalt (Leuchter als Gottessymbol) wird nicht bedeutungslos, wenn man feststellt, daß in Einzelheiten — soweit diese zu erkennen sind — der Leuchter Sacharjas34 von den auf den genannten Siegeln abgebildeten Leuchtern abweicht. Das betrifft vor allem den eigentlichen Beleuchtungskörper. Denn dieser entspricht auf den Siegeln weitgehend — oft ist er allerdings stilisiert oder bei der Kleinheit der Darstellung nicht genau zu erkennen — der einfachen Lampe, wie sie etwa in RLA III, S. 486 dargestellt ist. Sie steht auf einem Leuchterschaft und ist interessanterweise wohl ein echt mesopotamisches Symbol, da sie bisher in syrisch-palästinensischen Darstellungen nicht vorkommt 3 5 . Es ist durchaus denkbar, daß die Anschauung solcher neubabylonischer Darstellungen eines Leuchters als Gottessymbol bei Sacharja mit der dem Jahweglauben geläufigen Verbindung Gottes mit dem Bereich des Lichts zusammengeflossen sind zu dem Bild eines Leuchters, der für Jahwe steht 3 6 . Nicht möglich ist es, Sacharjas Leuchter von dem auf altorientalischen Darstellungen sehr häufig begegnenden Lebensbaum abzuleiten 3 7 , da es sich bei Sa-

E. Porada, The Collection of the Pierpont Morgan Library (Corpus of Ancient Near Eastern Seals in North American Collections, vol. I) 2 Bde 1948: Nr. 795, 796, 798, 804, vgl. 755; s. auch S. 98 im Textband. Η. Η. ν. d. Osten, Altorientalische Siegelsteine der Sammlung H. S. v. Aulock, 1957: Nr. 144, s.a. Nr. 149. R. Opificius, Siegel aus Vorderasien: Berliner Jahrbuch für Vor- und Frühgeschichte 2, 1962, S. 2 0 5 - 2 1 4 ; hier: S. 21 lf und Abb. 13. B. Buchanan, Catalogue of Ancient Near Eastern Seals in the Ashmolean Museum, vol.1 1966: vgl. Nr. 669. Drei weitere Beispiele nennt Ε. Douglas van Buren, Symbols of the Gods in Mesopotamian Art, AnOr 23, 1945, S. 134, A n m . 9 . 34 S. die archäologische Erklärung durch К. Möhlenbrink, a.a.O., S. 257—286 und die Rekonstruktion bei K. Galling, Art. Lampe (und Leuchter), BRL Sp. 347—350, s. neuerdings R. North, Zechariah's Seven-Spout Lampstand: Biblica 51, 1970, S. 1 8 3 - 2 0 6 . 35 So B. Hrouda, Art. Göttersymbole und -attribute. Α. II.: RLA III, S. 492. 36 Es mag auch der Gedanke an den Tempel, der neu zu bauen war, in dem Jahwe gegenwärtig sein würde (vgl. o. S. 175) u n d in dem sicher ebenso wie im Salomo-Tempel (s. l . K ö n 7,49, dazu M. Noth, z.St.) der Leuchter ein wesentlicher Gegenstand sein würde, mitgespielt haben. Seybold, der allgemein unter den „bildhaften Elementen" der Nachtgesichte die „Tempelmotive" dominieren sieht (a.a.O., S. 108), meint zum Leuchter in 4 , I f f : „In jedem Fall stammt dieses Bildmotiv aus dem Bereich des Tempels" (S. 66). 37 So z.B. P. Haupt, a.a.O., S. 118, E. L. Ehrlich, Die Kultsymbolik im Alten Testament und im nachbiblischen J u d e n t u m , 1959, S. 95; vgl. auch Gunkel, a.a.O., S. 127f.

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charja (im Unterschied zu E x 25,31 — 4 0 ; 37,17—24) nicht um den siebenarmigen Leuchter handelt 3 8 , der einem stark stilisierten Lebensbaum ähnlich sehen kann.

Nun ist bemerkenswerterweise auf den oben genannten neubabylonischen Siegeln fast ausnahmslos der Leuchter nicht allein dargestellt 3 9 . Vielmehr steht in den allermeisten Fällen vor diesem — o f t sind mit ihm zusammen noch weitere Göttersymbole dargestellt — ein Priester oder A d o r a n t 4 0 . Dieselbe Kombination findet sich auch in Verbindung mit anderen Göttersymbolen, also ohne einen Leuchter, sehr häufig. Es ist dieses — Priester oder Adorant vor Göttersymbolen — die auf neubabylonischen Stempelsiegeln am meisten anzutreffende Darstellung 4 1 . „Gelegentlich werden auch zwei Adoranten gezeigt, die, sich gegenüberstehend, ein zwischen ihnen vorhandenes Symbol verehren." 4 2 Die mit Sacharjas Visionsbild verbindenden Momente sind nicht zu übersehen: Dort geht es ebenfalls — jedenfalls der Sache n a c h 4 3 — um zwei Personen, deren eine (Josua) zudem ein Priester i s t 4 4 , zwischen denen das Symbol des Leuchters — hier als Bild für Jahwe — steht. Im Visionsbild sind die zwei Personen durch zwei ölbäume dargestellt. Dazu mag verschiedenes beigetragen haben, so einmal die Absicht der Verschlüsselung 4 5 . Für den dazu verwendeten Vergleich von Menschen mit einem Baum bzw. einem ölbaum finden sich im Alten Testament eine Reihe von Beispielen 4 6 . DaDazu s. Möhlenbrink, a.a.O., S. 2 5 8 f . So nur auf der Basis des Siegels Delaporte, Louvre A 739. 4 0 Anders Delaporte, Louvre Nr. A 784 und Porada Nr. 7 5 5 , wo man 1 (2) Leuchter neben einem 2 Tiere packenden „ H e l d e n " wahrnimmt. 4 1 Η. H. v. d. Osten, Altorientalische Siegelsteine der Sammlung H. S. v. A u · lock, S. 6 3 , 114; ebenso H. Frankfort, Cylinder Seals, 1 9 3 9 , S. 2 1 8 ; s.a. G. A. Eisen, a.a.O., S. 79 (er sieht diese Darstellung als typisch für eine große Gruppe von Stempelsiegeln "in late Assyrian and Neo-Babylonian times and even l a t e r " an), E. Porada, a.a.O., S . 9 8 . 42 v. d. Osten, a.a.O., S . 63, s.a. S. 142 und vgl. z . B . Siegel Nr. 149. Es sind nur wenige Belege dafür zu nennen, daß dieses S y m b o l zwischen zwei Adoranten ein Leuchter ist; sie sind zudem in der Darstellung nicht ganz sicher bzw. gehen über die einfache Form (Symbol zwischen zwei Adoranten) hinaus, ferner schwankt ihre zeitliche Ansetzung: K. Galling, Beschriftete Bildsiegel ...: ZDPV 6 4 , 1 9 4 1 , Siegel Nr. 122, 154. 4 3 Sacharja erfährt das in der Deutung 4 , 1 4 . 4 4 Dazu vgl. o. S. 25. 4 5 Vgl. o. S. 47, 66. 46 ГГТ: Ps 5 2 , 1 0 ; 128,3; Hos 14,7; J e r 1 1 , 1 6 ; 1ΏΠ: Ps 9 2 , 1 3 (ff); V-X: J e s 6 1 , 3 b ; T"1N: Ps 9 2 , 1 3 (ff); 3 7 , 3 5 (c.t.); s.a. Ez 1 7 , 3 f . 2 2 f ; γ Χ : Ps 1,3; J e r 11, 19; 17,7f, vgl. a. Hi 2 9 , 1 9 ; Hos 14,6f (dazu s. die K o m m . ) , auch Ps Sal 38

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

bei geht es mit wenigen Ausnahmen immer um den Menschen vor oder in Beziehung zu J a h w e — so wie auch hier in Sach 4. Nach Ausweis der Deutung 4,14 ist hier bei Sacharja gerade das Bild des ö l b a u m s deswegen gewählt worden, um die beiden gemeinten Personen, Serubbabel und Josua, ills Gesalbte zu charakterisieren 4 7 . Von Einfluß auf die Bildgestaltung wird aber auch die auf altorientalischen Siegelzylindern häufig begegnende R a h m u n g durch zwei Bäume, die allerdings keine ö l b ä u m e sind, gewesen sein 4 8 . Zusammenfassend ist festzustellen: Es spricht einiges dafür, daß für das Visionsbild dieses Nachtgesichts auch Einflüsse der altorientalischen Umwelt von wesentlicher Bedeutung gewesen sind. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist noch größer, wenn Sacharja, was o f t vermutet wird, selbst im babylonischen Exil war, wie umgekehrt für letzteres die oben genannten Berührungen zwischen Visionsbild und Siegeldarstellungen sprechen können. Von dem Bild- und Vorstellungsmaterial der Vision Sach 4 ist weiter das in der Deutung V . l O b Enthaltene zu bedenken. Es heißt dort: „Diese sieben (sc. die Lampen des Leuchters, wie aus dem Kontext V.2—5 hervorgeht) sind die Augen Jahwes; sie schweifen über die ganze E r d e . " Die Frage nach der H e r k u n f t der hier ausgesprochenen Vorstellung wird fast ausschließlich mit dem Hinweis auf babylonische astrale Vorstellungen beantwortet. Es wird darauf verwiesen, daß bereits Philo und Josephus Verbindungslinien zu den

14,3f; zu vgl. ist auch das Bild vom Reis für den kommenden König (s. Jes 11,1; Jer 23,5; 33,15; Sach 3,8; 6,12, dazu die o. genannten Ezechiel-Stellen), ferner der Vergleich eines Herrschers mit einem Baum (z.B. Ez 31, Dan 4). Zur außeralttestamentlichen Bezeugung dieses Bildes s. H. J. Kraus, Psalmen zu Ps 1,3. 47 Dazu s. Ch. Jeremias, a.a.O., S. 9 6 - 9 8 . - Auch E. L. Ehrlich, Die Kultsymbolik ..., S. 95 vermutet diese Beziehung zwischen dem Bild der Ölbäume und den Gesalbten; vgl. auch Horst z.St. 48 Eine Schwierigkeit bei diesen Siegeldarstellungen ist, daß oft nicht ganz sicher zu entscheiden ist, an welcher Stelle eine Abrollung geschnitten werden muß, damit die ursprünglich intendierte Bildwirkung erreicht wird. So kann ein Baum ebenso wie ein Symbol o.ä. das Siegelbild an einer Seite begrenzen oder, wenn der Siegelzylinder ein klein wenig weiter als einmal abgerollt wird, einen das Bild an beiden Seiten abschließenden Rahmen bilden. Dazu s. Η. H. v. d. Osten, Altorientalisches Siegelsteine ..., S. 16; ders., Ancient and Oriental Seals ... Newell, S. 106. Sichere Beispiele dafür, daß zwei rahmende Bäume auf dem Siegel dargestellt werden, sind z.B.: Delaporte, Bibl. Nat. Nr. 319, AOB 2 Nr. 528 (Echtheit umstritten), Galling, ZDPV 64, 1941, Nr. 169, D. J. Wiseman, Götter und Menschen im Rollsiegel Westasiens, 1958, Nr. 100 (= В. M. 89132).

Das 4. (5.) Nachtgesicht (4,Iff)

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sieben Planeten zogen 4 9 . Von großer Bedeutung für die neueren Auslegungen ist unverkennbar die Sicht Gunkels 50 . Er geht aus von der Darstellung der Sterne als Lampen, verweist dazu auf Gen 1,16 und fährt dann fort: „Dass man aber in den Gestirnen Gottes Augen sieht, ist in antiker Mythologie häufig genug bezeugt und sogar noch uns Modernen fast unmittelbar verständlich" (a.a.O., S. 125). Daraus, daß es sich hier um sieben Sterne handelt und sie die ganze Welt durchstreifen, schließt er, daß es sich um bestimmte Sterne handelt, nämlich um die sieben Planeten 5 1 . Hinter der Darstellung der sieben Planeten als Lampen eines Leuchters meint Gunkel nun die Vorstellung eines Himmels- oder Weltbaums mit Sternen als Früchten und dessen Darstellung als Leuchter erschließen zu können. Er bemerkt aber selbst dazu, daß diese von ihm „erschlossene Anschauung ... bisher bei den Babyloniern noch nicht nachgewiesen" (a.a.O., S. 130) sei.

Ausgesprochen oder unausgesprochen folgen die neueren Ausleger fast ausnahmslos dieser Sicht Gunkels zumindest in ihrer Grundthese, daß ein Zusammenhang zwischen den sieben Planeten und den sieben Lampen des Leuchters bzw. den sieben Augen Gottes besteht 52 . Der entscheidende Nachteil dieser These ist, daß überzeugende Belege und Parallelen aus dem babylonischen Bereich fehlen. Ja, es erscheint überdies der Erwägung wert, ob es tatsächlich das Nächstliegende ist, einen direkten Zusammenhang mit derartigen astralen Vorstellungen zu vermuten. Dabei ergibt sich folgendes. Es erscheint als durchaus nicht zwingend, von den sieben Lampen auf Sterne zu schließen; denn es geht nicht wie etwa in Gen 1 um „Lampen" am Himmel, die dort ausdrücklich als Sonne, Mond und Sterne bezeichnet werden; vielmehr handelt es sich um die Lampen eines Leuchters (für dessen Lampen im übrigen auch ein anderer Begriff als in Gen 1 erscheint!), und von Sternen ist überhaupt nicht, auch nicht andeutungsweise, die Rede. Das „Umherschweifen über die ganze Erde" (ülir pil.) könnte zwar gut als Aussage über Sterne passen; es ist aber festzustellen, daß Subjekt dieses Verbs im Alten Testament niemals Sterne oder Gestirne sind. Auch von (Jahwes) 49

So z.B. Gunkel, Schöpfung und Chaos, S. 126f, Rignell S. 173. Schöpfung und Chaos, S. 1 2 5 - 1 3 1 . 51 Genauso argumentiert Horst z.St. 52 Dagegen z.B. Nötscher (Echter-Bibel). Anders auch Beuken, der meint, das Nachtgesicht Sach 4 so rekonstruieren zu müssen, daß u.a. V.6a/3—7 auf V. 10b folgen. In diesem Kontext will er die Aussage von den Augen Jahwes verstehen aus der Verbindung biblischen Sprachgebrauchs mit Vorstellungen akkadischer Texte (dabei folgt er einer Arbeit von A. Petitjean), die „vom wohlgesinnten Blick der G ö t t e r " sprechen, „der den Königen Schutz gewährt, wenn sie auf ihren Befehl einen großen Bau unternehmen" (a.a.O., S. 288, s.a. S. 267). 50

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Augen wird ein „Umherschweifen" (üW) außer in Sach 4,10 nur an der fast gleichlautenden und wohl in einem Zusammenhang mit dieser stehenden Stelle 2. Chr 16,9 53 ausgesagt. Subjekt sind sonst meist Menschen (etwa Joab, das Volk, die Isracliten, Judäer), aber auch der Satan (so Hi 1,7; 2,2). Auch aus dieser Aussage ergibt sich also nicht zwingend der Rückschluß auf Sterne. Schließlich ist die Zahl sieben — der Leuchter hat sieben Lampen mit je sieben Schnauzen, so 4,2 — ohne Schwierigkeit so zu verstehen, daß sie durch gebräuchliche Lampentypen vorgegeben ist 54 , daß daneben aber auch die Zahlensymbolik eine ganz wesentliche Rolle spielen wird, insofern die im Alten Testament oft begegnende Zahl sieben hier als Ausdruck der Vollkommenheit besonders gut paßt, da der Leuchter als Bild für Jahwe fungiert 55 . Da ein Zusammenhang der als Augen Jahwes gedeuteten sieben Lampen des Leuchters mit den sieben Planeten kaum zu beweisen sein dürfte 56 , da zudem der Wortlaut von Sach 4,10b überhaupt Beziehungen zu astralen Vorstellungen nicht zwingend nahelegt, da es auch an altorientalischen Belegen für die Vorstellung von einer sie53

Rudolph (HAT) z.St.: ,,wörtliches Zitat aus Sach 4 , 1 0 " ; ganz ähnlich Galling (ATD) z.St.; Beuken a.a.O., S. 265f hält es für möglich, „daß unser Satz eine feste Redensart war. Zumindest wurde er es." 54 Dazu s. das archäologische Material und die damit verbundenen Erörterungen bei R. North, Zechariah's ... Lampstand, bes. S. 190, 197ff, Galling BRL Sp. 349, vgl. auch Möhlenbrink a.a.O., S. 2 7 9 - 2 8 2 . 55 Sofern die Zahl sieben ursprünglich als Zahl der antiken Planeten bzw. der Tage der Mondphasen die Vollkommenheit des Universums bezeichnet hat und von daher ihre Bedeutung herrührt (vgl. dazu z.B. A.Schimmel, Art. Zahlensymbolik I, RGG 3. Α., Bd. 6, Sp. 1862; К. H. Rengstorf, Art. έπτά ..., ThW II, S. 623f), bestünde zumindest unter diesem Aspekt und also nur indirekt eine Verbindung zu astralen Vorstellungen. 56 In der Erwähnung eines „Sar-gaz ... mit sieben ,Augen'" (Gudea von Lagasch, Statue B, V 3 9 : F. Thureau-Dangin, Die sumerischen und akkadischen Königsinschriften, 1907 (VAB 1.1) S. 69) ist keinerlei Verbindungslinie zu Sach 4 , 1 0 b zu erkennen. — Auch Vorstellungen wie die babylonische vom Mond als Auge Himmels und der Erde (s. Ebeling, Art. Auge, RLA I, S.313) und die ägyptische von Sonne und Mond als zwei Augen (s. H. Bonnet, a.a.O., Art. Sonne, S. 733f) können einen solchen Zusammenhang nicht beweisen. Ebenso ergibt sich nichts aus der Untersuchung der Verwendung und Bedeutung des AugenSymbols in der altorientalischen Kunst (s. E. Douglas van Buren, Symbols of the Gods in Mesoptamian Art, S. 53—57). Ferner sind keinerlei Beziehungen zu erkennen zum altorientalischen Symbol Seven Dots / Siebengestirn (es stellt die Plejaden dar und ist Symbol der Dämonengruppe Sebettu: s. U. Seidl, Die babylonischen Kudurru-Reliefs (in: Baghdader Mitteilungen 4, 1968, S. 7—220), S. 103; s.a. van Buren, a.a.O., S. 7 4 - 8 2 ) u. Rod with Balls (vgl. v. Buren, a.a.O., S. 1 5 3 - 1 5 5 ) .

Das 4. (5.) Nachtgesicht (4,1 ff)

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benäugigen Gottheit fehlt 57 , bleiben als sicher erkennbare Verbindungslinien die zu den alttestamentlichen Aussagen über die Augen Jahwes. Man wird dort allerdings nirgends auf die Vorstellung stoßen, daß Jahwe sieben Augen habe 58 . Aber es ist auch die Frage — sie wird bestärkt durch das Fehlen genauer altorientalischer Parallelen —, ob Sach 4,10 b dieses unbedingt sagen will, ob nicht vielmehr eine lockerere Form der Gleichsetzung von Lampen (von denen der Leuchter, wohl veranlaßt durch reale Vorbilder und aus Gründen der Symbolik, sieben trägt, s. oben) und Augen Jahwes vorliegt, die nicht auf die Siebenzahl der Augen Gewicht legt. Diese Erwägung wird nahegelegt durch die Formulierung „diese sieben sind die (nicht: 7!) Augen Jahwes", wenn man sie mit der auf die Frage V . l l b („Was sind diese zwei ölbäume ...?") antwortenden Deutung V.14 vergleicht: „... diese sind die zwei ЧПЗГЛ'ЧЗ"59. Wenn das so ist, dann könnte die im einzelnen zwar anders gestaltete Aussage Ez 1,18 von den sich an den Felgen des Thronwagens befindlichen „Augen" in eine gewisse Nähe oder sogar Parallelität zu Sach 4,10b rücken; denn auch in Ez 1,18 geht es um bestimmte Bestandteile eines (visionär geschauten) Gegenstandes 60 , die als Augen gedeutet werden, die ohne Frage in Beziehung zu Jahwe stehen und seine Allsichtigkeit zum Ausdruck bringen 61 . Inhaltlich zeigt sich die Verbindung der alttestamentlichen Aussagen über die Augen Jahwes zu Sach 4,10b darin, daß sich im übrigen 57 Darüber helfen auch nicht Belege für die Vorstellung hinweg, daß Marduk vier Augen (ebenso wie vier Ohren — entsprechend seinen zwei Köpfen: Enuma elisch 1,91.95.98) und damit eine größere Sehkraft als der Mensch hat. Auch die Beispiele für eine Fülle von Augen zum Ausdruck der Wachsamkeit, Allsichtigkeit bei L. Dürr, Ezechiels Vision von der Erscheinung Gottes ..., S. 59f stellen keine solchen Belege dar. 58 Auch Sach 3,9 („auf einem Stein sieben Augen") ist hier wohl nicht anzuführen, da bei aller Unsicherheit der Deutung es noch am wahrscheinlichsten erscheint, daß hier Gravierungen gemeint sind; s. z.B. K. Galling, Serubbabel und der Hohepriester ..., S. 147; vgl. ferner die Kommentare. — Es ist interessant, daß A. Petitjean (La Mission de Zorobabel et la Reconstruction du Temple, Zach 3 , 8 - 1 0 : EThL 42, 1966, S. 4 0 - 7 1 ) , der in neuester Zeit die Deutung der sieben Augen in 3,9 als Augen Jahwes „tout comme en IV,10b" vertritt, bei der Erklärung dieses Ausdrucks mit Hilfe assyrisch-babylonischer Texte nicht weiter auf die Siebenzahl eingeht, sondern nur allgemein „le regard divin, plein de grace ..." (S. 50) erwähnt. 59 S. auch die ebenfalls eine genaue Zahlangabe bietende Deutung 6,5b; anders die Deutungen in 2,1 — 4. 60 Sie sind allerdings anders als die Lampen des Leuchters in Sach 4 nicht ausdrücklich genannt, sondern nur, wenn auch mit ziemlicher Sicherheit, zu erschließen: bestimmte Verzierungen der Räder. 61 Vgl. W. Zimmerli, Ezechiel z.St.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Alten Testament eine Anzahl von Belegen findet, die davon sprechen, daß Jahwes Augen an jedem Ort sind und alle Menschen, auch alle Völker in ihrem Tun und Denken beobachten 6 2 . Eine Weiterführung dieser Aussage — aus- oder unausgesprochen ist sie auch mit den schon genannten Belegen verbunden — ist die, daß Jahwes Augen nicht nur beobachten, sondern daß Jahwe sich um den einzelnen, um Israel, um sein Land im Guten wie im Bösen kümmert, indem er seine Augen auf diese richtet 63 . Im positiven Sinn dieser Aussagen wird man das bei Sacharja von den Augen Gottes ausgesagte „Umherschweifen" verstehen dürfen 64 und es auf die beiden „ölsöhne" in ihrem Amt der Führung des Volkes zu beziehen haben. (Ausdrücklich wird in 4,10b zwar über eine solche Beziehung nichts gesagt, sie wird aber durch das Visionsbild nahegelegt.) 65 4,14 mit dem Anklang an das Motiv der himmlischen Versammlung ist bereits oben besprochen worden (S. 121f, s. auch unten S. 217f).

E. Das 5. (6.) Nachtgesicht ( 5 , 1 - 4 ) Auf das recht komplizierte, kunstvoll-symmetrisch aufgebaute Visionsbild von dem Leuchter zwischen den beiden ölbäumen (4,1 ff) folgt in Sach 5,1—4 ein einfaches, knappes Bild, dessen Beschreibung nur zwei Worte umfaßt: riDS? nVin. V.2 fügt dann noch die Ausmaße der Rolle hinzu: 20mal 10 Ellen, d.h. etwa lOmal löMeter 1 . Die 62

Spr 15,3; 5,21; Hi 34,21; Ps 11.4(f); 66,7; Am 9,3; J e r 16,17; 32,19; Hi 14,3; der Sache nach gehören auch Stellen wie die folgenden hierher (die davon reden, daß J a h w e vom Himmel auf die Menschen, auf die Erde blickt), auch wenn von Jahwes Augen nicht ausdrücklich die Rede ist: Ps 14,2; 33,13f; 102,20; 113,5f. 63 Dtn 11,12; J e r 24,6; Ez 5,11; 7,4.9; 8,18; 9,10; 20,17; Am 9,4.8; J o n a 2,5; Hab 1,13; Sach 12,4; Ps 32,8; 33,18; 34,16; Hi 36,7; Esr 5,5. 64 In diese Richtung weist auch die Beobachtung, daß das Verb ÜW sonst meist mit einem Beobachten, Suchen, Achthaben ... verbunden ist (s. z.B. J e r 5,1; Am 8,12). 65 Dieses Verständnis des Sinnes von 4,10b berührt sich mit dem etwa von Beuken, a.a.O., S. 265—268 und Sellin, Studien zur Entstehungsgeschichte ... II, S. 87 vertretenen (dazu vgl. a.o. S. 185), s.a. K.-M. Beyse, Serubbabel und die Königserwartungen der Propheten Haggai und Sacharja, Arbeiten zur Theologie 1,48, 1972, S. 73f. - Vgl. jetzt a. Seybold (Bilder ..., S. 83), der, anknüpfend an A. L. Oppenheim, sogar „den berühmten, gleichnamigen 'secret service' des persischen Staatsapparats" ins Spiel bringt. 1 Vorausgesetzt ist, daß eine Elle ca. 0,5 m entspricht. Zur genauen Umrechnung einer Elle S. Galling, BRL S p . 3 6 7 , de Vaux, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen, Bd. I, 2. A. 1964, S. 317f, auch den Uberblick bei Zimmerli, Ezechiel, S. 1000.

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Länge dieser Rolle liegt offenbar an der oberen Grenze des Üblic h e n 2 . Dagegen erscheint, wenn man sich die Maße etwa von lQIs a (7,34 m mal 0,26 m ) 3 vor Augen hält, die Breite von 5 Metern als äußerst ungewöhnlich. Es wird nicht gesagt, welche Bedeutung diese Maße haben. Es läßt sich auch nicht erschließen, warum sie genannt werden und was sie b e d e u t e n 4 . Die Tatsache, daß Gegenstand einer visionären Schau eine Buchrolle ist, erinnert an Ez 2,9—3,3. Im einzelnen berühren sich beide Visionsbilder nur darin, daß die Rolle, die jeweils von J a h w e her k o m m t , mit Unheil ankündigenden, bewirkenden Worten beschrieben ist: mit einem Fluch (Sach 5,3f), mit Klagen u n d Seufzen und Wehe (Ez 2,10, hier wird der Inhalt der Worte durch ihre Wirkung beschrieben). Im übrigen sind nur Unterschiede festzustellen: a) die Situation der Propheten, b) das die Rolle betreffende Geschehen und damit c) der Sachgehalt des Visionsbildes. Zu a: Bei Ezechiel handelt es sich anders als bei Sacharja um die Berufung des Propheten. — Zu b: Ezechiel wird die Rolle zum Essen von einer ausgestreckten Hand gereicht, bei Sacharja fliegt die Rolle. — Zu c: Ezechiel wird das von ihm zu verkündigende Gotteswort, vergegenständlicht im Bild der Rolle, übergeben. Sacharjas Rolle stellt den ganz bestimmte Täter verfolgenden Fluch dar, sie hat also nicht einen derart umfassenden, weitreichenden Inhalt wie Ezechiels Rolle, sondern betrifft nur eine ganz bestimmte, eng umschriebene Situation. Dementsprechend wird bei Sacharja anders als bei Ezechiel auch kein Zusammenhang mit der Buchwerdung des Prophetenwortes, sondern mit schriftlich fixierten Flüchen anzunehmen sein, dazu s. unten S. 191 f.

Vor allem aber ist hier interessant d) der Unterschied, der in der jeweiligen Zuordnung der Buchrolle zum Propheten festzustellen ist: Ist diese bei Ezechiel eine ganz enge, wenn er das Gotteswort in sich a u f n i m m t , um es dann — entsprechend seiner Beauftragung und Aussendung durch J a h w e — zu verkündigen, so steht Sacharja unverkennbar in Distanz zu der von ihm geschauten Rolle: Diese bzw. der Fluch wird von J a h w e ausgesandt und erfüllt den Auftrag selbständig; Sacharja hat dabei keine Funktion, er ist nur mehr Zuschauer 5 , der dann allerdings von seinen visionären Wahrnehmungen berichtet. Auch hier zeigt sich wieder etwas von der Distanz Jahwes 2

Vgl. E. Würthwein, Der Text des Alten Testaments, 4. A. 1973, S. 10 Anm. 1. Würthwein, a.a.O., S. 9. 4 Da die Länge der Rolle den Rahmen des Üblichen nicht überschreitet, kann man in der Nennung der Maße auch nicht eine Betonung der besonderen Größe und damit der Wichtigkeit dieser Buchrolle sehen. — Die o f t angeführte Beobachtung (s. z.B. Rignell z.St.), daß die Vorhalle des salomonischen Tempels dieselben Maße hat ( l . K ö n 6,3), läßt keine weiteren Schlüsse zu. 5 Vgl. dazu o. S. 82f. 3

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

zum P r o p h e t e n 6 , aber auch zu denen, denen das Unheil gilt, insofern J a h w e diese straft, indem er sich des Fluchs bedient, den er zwar selbst aussendet, der dann aber selbständig die Täter ausfindig macht und trifft. Es sind zwei bestimmte Menschengruppen, gegen die der Fluch gerichtet ist (V.3f): 1. die Diebe, 2. die bei/in Jahwes Namen falsch Schwörenden, die also Gottes Namen mißbrauchen, um mit dessen Hilfe „die göttliche Macht in einer asozialen Weise zu nutzen und sie in den Dienst privater und womöglich dunkler Interessen zu stell e n " 7 . Damit sind zwei Vergehen genannt, gegen die sich bereits der Dekalog wendet (Ex 2 0 , 1 5 / D t n 5,19 und Ex 2 0 , 7 a / D t n 5,11a 8 ) u n d die kurz hintereinander in einer der Verbotsreihen innerhalb von Lev 19 (V. 11.12) aufgeführt werden. Anklagend wendet sich J e r e m i a in seiner Tempelrede u.a. gegen Diebstahl und Meineid (Jer 7,9). Beide Delikte werden auch unabhängig voneinander mehrfach im Alten Testament g e n a n n t 9 . Hier ist also auf zwei Gebote Bezug genommen, die zum alten Gottesrecht Israels gehören. Es erscheint unwahrscheinlich, daß es Sacharja nur allgemein um die Durchsetzung des alten Gottesrechtes geht, wobei er beispielhaft diese zwei Gebote herausgriffe, oder daß Diebe und Meineidige hier als „Repräsentanten derer, die gegen die beiden Gesetzestafeln sündigen" 1 0 , genannt sind. Vielmehr dürfte Sacharja ganz bestimmte Vorfälle in seiner Zeit u n d Umgebung vor Augen haben. Dafür spricht allein schon die zeitgeschichtliche Situation, noch mehr aber die nachdrückliche Ankündigung einer ganz bestimmten Strafe und vor allem die spezielle Ausrichtung der Strafe (nämlich auf das Haus der Täter) in diesem Nachtgesicht. So hat die Vermutung, daß hier auf die Auseinandersetzung zwischen den 6

Dazu vgl. S. 87f, 104f. G. v. Rad, Das fünfte Buch Mose. Deuteronomium, ATD 8, 1 9 6 4 , S. 4 2 . 8 Ex 2 0 , 7 a / D t n 5,11a spricht zwar nicht ausdrücklich vom Schwur, aber in der umfassenden Formulierung dieses Gebotes „Du sollst den Namen Jahwes, deines Gottes, nicht zu nichtigem Zweck aussprechcn" ist auch der Mißbrauch des Namens Jahwes in der Form des Meineids bei seinem Namen eingeschlossen. 9 So im Zusammenhang von gesetzlichen Regelungen, von kultischen Ordnungen, von prophetischen Anklagen, von weisheitlichen Sprüchen. Diebstahl: Ex 2 1 , 1 6 . 3 7 ; 2 2 , 1 , 6 f . l 1; Dtn 24,7; Jes 1,23; Hos 4 , 2 ; 7,1; Spr 2 9 , 2 4 ; 30,9; Meineid: Lev 5 , 2 2 . 2 4 ; Jer 5,2; Mal 3,5; Ps 24,4, auch Sacharja selbst wendet sich an einer zweiten Stelle (8,17) in einem Mahnwort scharf gegen den falschen Schwur. 10 Rignell, S. 186. 7

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Rückkehrern aus dem Exil und den im Lande Ansässigen um den Grund- und Hausbesitz Bezug genommen wird, viel für sich 1 1 . Auch die Mahnung Sach 8 (16— )17 ließe sich gut auf dem Hintergrund dieser Konfliktsituation verstehen. Die Haltung der im Land Gebliebenen gegenüber den Deportierten und ihrem Grundbesitz illustriert im übrigen bestens der in Ez 11,15 wiedergegebene Ausspruch der Einwohner Jerusalems. Auffallend bleibt bei Sacharja, daß er so allgemein formuliert und die gemeinten Täter und Delikte nicht konkreter beschreibt. Man wird sich dieses nur so erklären können, daß damals jeder, der dieses hörte, wußte, wissen m u ß t e , was und wer gemeint war. Die Feststellung, daß hier auf das alte Gottesrecht Israels Bezug gen o m m e n wird, ist wichtig auch für das Verständnis des Fluches (Π1?«) im Zusammenhang von Sach 5,1—4. Denn dadurch k o m m t man über die rein definitorische Bestimmung des Fluch-Terminus nbs hinaus 1 2 zur Erkenntnis des hinter Sach 5,1—4 stehenden Zusammenhangs von Gottesrecht und Fluch, wie er in aller Deutlichkeit am deuteronomischen und am Heiligkeits-Gesetz wahrzunehmen ist. In beiden folgt auf den Gesetzes-, Gebotsteil ein (Segen- und) Fluch-Kapitel (Dtn 28; Lev 26, s. auch D t n 27,1 I f f ; 2 9 , 1 9 f ) 1 3 . Daß sich zu dieser Abfolge enge Parallelen in altorientalischen Vertragstexten finden — an deren Schluß wird dem Vertragsbrecher der Fluch angedroht —, ist längst bekannt und hier nur anzumerken. Da es in Sacharjas Nachtgesichten um einen schriftlich fixierten Fluch geht — er wird durch eine Schriftrolle repräsentiert —, ist eine Berührung mit D t n 2 9 , 1 9 f festzustellen. Dort, in einem sehr späten Passus des Deuteronomium (dieses liegt schon als Buch vor),

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Dazu s. bes. Elliger, auch Horst z.St., ferner A. H. J. Gunnewegs von Jer 3 9 , 1 0 und 2. Kön 25,12 ausgehende Ausführungen über eine Neuverteilung des Landbesitzes in Judäa durch die Babylonier (Geschichte Israels bis Bar Kochba, Theologische Wissenschaft 2, 1972, S. 116). 12 „nVx bezeichnet nicht Flüche ... schlechthin, sondern nur bedingte Flüche", ausgesprochen zum Schutz von Rechtsgütern und religiös-sittlichen Ordnungen (Scharbert, Art. ThWBAT I, S p . 2 8 0 ) . Л1?« heißt der Fluch als Rechtsbehelf, als Rechtsrache gegen den unbekannt gebliebenen Dieb (s. Ri 17,2) und gegen den Meineidigen (F. Horst, Art. Segen und Fluch II, RGG 3 . A . Bd. 5, Sp. 1651; ders., Der Diebstahl im Alten Testament: Gottes Recht. Gesammelte Studien zum Recht im Alten Testament, ThB 12, 1961, S. 169; s. a. ders., Der Eid im Alten Testament: Gottes Recht, S. 311). als Folge der Übertretung von Gesetz und Gebot Gottes nennen ausdrücklich Jes 24,5f; Dan 9,11. Zum Zusammenhang von Gesetz und Fluch s. auch W. Zimmerli, Das Gesetz und die Propheten, 1963, S . 8 1 f f .

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ist zweimal von „allen (Bundes-) Flüchen, die in diesem Buch (der Weisung) aufgeschrieben" sind, die R e d e 1 4 . Offensichtlich steht diese Vorstellung des auf das Gottesrecht bezogenen schriftlich fixierten Fluches auch hinter Sach 5,1—4. Das Fliegen der Rolle schließlich, von dem Sacharja berichtet, wird zu verstehen sein als bildhafter Ausdruck dafür, daß der Fluch, auch der schriftlich fixierte, wenn J a h w e ihn „ausschickt", in K r a f t gesetzt hat, selbständig den von ihm zu Verfolgenden überall und ohne weiteres erreichen kann. Der von J a h w e ausgesandte Fluch ist in seiner Wirkung ganz auf das Haus der Diebe und Meineidigen bezogen (V.4). Wie von einem Lebewesen wird gesagt, daß der Fluch, den J a h w e hat „hinausgeh e n " lassen, in das Haus der Schuldigen „hineingeht" (X13), j a sogar m i t t e n im Haus „ ü b e r n a c h t e t " (]V?)15. Dann „zerstört er es, sowohl seine Balken wie auch seine S t e i n e " 1 6 . Es stellt sich die — in der Literatur bisher anscheinend nicht weiter untersuchte — Frage: Wie k o m m t Sacharja zu der Vorstellung, daß der Fluch gegen die genannten Täter sich in dieser Weise auswirkt? Der erste Eindruck spricht nicht dafür, daß es sich hier um eine singuläre Vorstellung handelte, deren Ursprung bei Sacharja selbst zu suchen wäre. Es ist also zu fragen, ob sich Anhaltspunkte dafür finden lassen, daß hinter Sach 5,4 eine feste, vorgeprägte Vorstellung steht. In den großen alttestamentlichen Fluchabschnitten, die mit dem deuteronomischen und dem Heiligkeitsgesetz verbunden sind, in D t n 28 (s. auch 29,18ff) und Lev 26, wird eine derartige Fluchwirkung nicht g e n a n n t 1 7 . Auch die im Alten Testament (und sonst im Alten Orient) festgesetzten Strafen für die in Sach 5,1—4 ange14

S. auch 2 9 , 2 6 , ferner Dan 9 , 1 1 ; 2.Chr 3 4 , 2 4 . Dazu sind die entsprechenden Äußerungen zu vgl. in Jes 24,6 (der Fluch „frißt", ^DX), Dtn 29,19 (die Flüche „lauern auf", p l ) , 28,45 (sie „verfolgen" und „erreichen", liPl). 16 Diese Erwähnung des Baumaterials zeigt, daß hier eindeutig das Wohnhaus gemeint ist und nicht „die Familie des Frevlers", wie J. Scharbert, Solidarität in Segen und Fluch im Alten Testament und in seiner Umwelt, BBB 14, 1958, S. 129 annimmt. 17 In Dtn 2 8 , 3 0 a ß ist zwar vom Haus die Rede, aber anders als in Sach 5 , 4 b in der Weise der "futility curses" (s. D. R. Hillers, Treaty Curses and the Old Testament Prophets, Biblica et Orientalia 16, 1 9 6 4 , S. 35). — Etwas anders liegen die Dinge in Ps 109,10: Hier ist innerhalb der Fluchworte der Feinde des Psalmbeters von den „aus ihren Trümmern" vertriebenen Kindern die Rede. Die Zerstörung des Hauses ist zwar nicht ausdrücklich genannt, aber vorausgesetzt. 15

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führten Delikte des Diebstahls und Meineids sind andere. Als eine erste, hier weiterführende alttestamentliche Aussage ist Hab 3,13 b zu nennen. Hier wird über Frevler in Juda, die wirtschaftlicher und rechtlicher Unterdrückung ihrer Mitbürger schuldig sind 1 8 , gesagt: „Du (sc. Jahwe) zerschlägst den First vom Haus des Gottlosen, legst die Grundmauer bloß bis auf den .Felsen'." 1 9 Weiter sind drei Stellen zu nennen, die als Strafe die Zerstörung des Hauses erwähnen — jedesmal durch einen ausländischen König demjenigen angedroht, der einen bestimmten königlichen Befehl oder Erlaß nicht befolgt: Nebukadnezar droht nach Dan 2,5 seinen Weisen, falls sie seinen Traum nicht erraten und nicht deuten können, nach Dan 3,29 allen, die den Gott der drei Männer im Feuerofen lästern, an, daß sie in Stücke gehauen und ihre Häuser zu Ruinen, Trümmerhaufen pVu) gemacht werden. Noch interessanter ist der Beleg Esr 6,11, da er Bestandteil des Abschnitts Esr 5,6—6,12 ist, der — so wird fast allgemein angenommen — als amtlicher Schriftwechsel zwischen dem persischen Satrapen von Transeuphrat und dem König Darius anzusehen ist 2 0 und dementsprechend etwa in die Zeit Sachaijas gehören m u ß 2 1 . Der persische König Darius droht hier jedem, der seine mit dem neu bestätigten Kyros-Erlaß verbundenen Anweisungen nicht befolgt, an, daß er „einen Balken aus seinem Haus gerissen bekommt, an dem er aufrecht angeschlagen wird; sein Haus selbst aber soll um deswillen in einen Trümmerhaufen (lVll) verwandelt w e r d e n " 2 2 . Die naheliegende Frage, ob es sich womöglich um eine im persischen Bereich übliche Strafweise handelt, an die dann Sach 5,4 anknüpft, muß unbeantwortet bleiben, da entsprechende Texte aus dem persischen Bereich fehlen. Dafür sind aber aus dem sonstigen altorientalischen Raum hier interessierende Belege zu nennen. Vor allem handelt es sich um Vertragstexte. In ihnen wird häufig dem Vertragsbrüchigen u.a. die Zerstörung seines Hauses angedroht und zwar — das ist im Blick auf Sach 5,4 besonders hervorzuheben — in dem die Flüche gegen den Vertragsbrecher enthaltenden Abschnitt. Zeitlich sehr weit von 18

Zu diesem Verständnis s. J. Jeremias, Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit, WM Α NT 3 5 , 1 9 7 0 , S. 8 5 - 8 8 . 19 Übersetzung: F. Horst, HAT. 20 Bedenken gegen die Echtheit äußern neuerdings O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1 9 6 9 , S. 144 (im Anschluß an Hölscher), Α. H. J. Gunneweg, Geschichte Israels, S. 125. 21 M. Noth, Geschichte Israels, 3. A. 1956, S. 2 8 3 : „in die Zeit nach dem Auftreten der Propheten Haggai und Sacharja". 22 Übersetzung nach W. Rudolph, HAT. 13 J e r e m i a s , N a c h t g c s i c h t e

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Sacharja entfernt sind die hethitischen Verträge. (So heißt es etwa in dem Vertrag zwischen Suppiluliuma und Tette von Nuchasche: Rs. IV „(48) (we)nn Tette diese Worte des Vertrages (49) und Eides nicht innehält und den Ei(d) (50) über (t) ritt, bei diesen Göttern: den Tette (nebst seinem Haupte), (51) seinen (Frau)en, seinen Söhnen, seinen Enkelsöhnen, seinem Hause, seiner Stadt, seinem Lande (52) und nebst seiner Habe, sie mögen (sie) vernic(hten).") 23 Daher ist besonders auf zwei aus der Mitte des 8. Jh. stammende Verträge zu verweisen: auf den Vertrag zwischen Assurnirari V. von Assyrien und Mati'ilu von Arpad (Rs. V „(5) so möge Assur, der Vater der Götter, der die Königswürde verleiht, dein Land zur Steppe, (6) deine Leute zur Überschwemmung, deine Städte zu Trümmerhügeln, dein Haus (7) zur Ruine machen (bita-ka ana harba-ti)") 24 und auf den zwischen Bar-ga'jä von KTK und Mati'-'el von Arpad (Sfire 1С „(20) ... an dem Tag, an dem er (21) so handel(t), sollen die Götter (je)nen Man(n) umstürzen (lDan4) (22) und sein Haus (ΠΓΡ1Ί) und alles, was (dar) (23) in ist, und sollen sein Unterstes (zu (24)o)berst kehren! Und seine Nachkom(menschaft) soll keinen Namen (25) besitzen!"). 25 Der Zusammenhang mit einem Fluch ist auch gegeben in der aus dem 5. oder 4.Jh. v.Chr. stammenden lydisch-aramäischen Bilingue von Sardes (Lydien): Hier wird über einen eventuellen Zerstörer einer bestimmten Grabanlage der Fluch ausgesprochen: „(7) Die Artemis von Koloe und die 23

E. F. Weidner, Politische Dokumente aus Kleinasien. Die Staatsverträge in akkadischer Sprache aus dem Archiv von Boghazköi, Boghazköi-Studien 8 und 9, 1923 (Nachdruck 1970), S. 68/69. - Ein ganz entsprechender Wortlaut wie der eben angeführte findet sich z.B. in dem Vertrag Suppiluliumas mit Aziru von Amurru (Rs. 13—16, s. Weidner a.a.O., S. 74/75), in dem Vertrag zwischen Mursiiis mit Duppi-Tessub von Amurru ( § 2 0 * * , s. ANET 2 S . 2 0 5 ) , etwas kürzer in dem Vertrag zwischen Hethitern und Ägyptern (s. ANET 2 S. 201). Nicht anzuführen ist hier aus den hethitischen Gesetzen Taf. II § 58*a (= Hrozny 173) „(11) Wenn jemand Kö(ni)gsurteil anficht, (12) wird sein Haus ...". Denn das dem hethitischen Wort für „Haus" folgende, für die vorliegende Fragestellung wesentliche Wort pupulli, das üblicherweise an dieser Stelle als „Trümmerhaufen, Totenhaufen, shambles" (s. Scharbert, Solidarität in Segen und Fluch ..., S. 31, AOT 2 S . 4 2 9 , ANET 2 S. 189) wiedergegeben wird, ist nach J . Friedrich, Die hethitischen Gesetze, Documenta et Monumenta Orientis Antiqui Vol. 7, 1959, S. 111 (s. auch S. 130 s.v. pupulli) sonst unbekannt und sowohl in seiner Wortart als auch in seiner Bedeutung unklar. (Die o. wiedergegebene Übersetzung ist die von J . Friedrich, a.a.O., S. 76f.) 24 E. F. Weidner, Der Staatsvertrag Assurniräris VI. (sie!) von Assyrien mit Mati'ilu von Bit-Agusi, AfO 8, 1932, S. 17ff, hier: S. 22/23; s. a. ANET Suppl. 1969, S. 533 (97). 25 KAI Nr. 222.

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(Artemis) der Epheser möge seinen Hof, sein Haus (ЛГГЗ), (8) seine Habe, Erde und Wasser und alles, was sein ist, ihm zerstreuen und ihm zerbrechen (ППВ/ΤΊ n i m r ) . " 2 6 Schließlich ist noch ein MariText zu nennen, in dem die Rede davon ist, daß das Haus eines Verschwörers und dieser selbst verbrannt werden soll 27 . Es gibt also im Bereich des Alten Orients aus verschiedenen Zeiten und Gebieten Belege dafür, daß die Zerstörung des Hauses als Strafe, als Fluchwirkung angedroht wird. Dieser Befund spricht sehr dafür, daß Sach 5,4b nicht Sacharjas eigenem Denken entsprungen ist, sondern daß dahinter eine verbreitete Vorstellung steht, ohne daß sich allerdings spezielle Verbindungslinien aufzeigen ließen. Sacharjas eigener Beitrag wird darin zu sehen sein, daß er diese auch sonst verbreitete Strafe bzw. Fluchwirkung in Verbindung brachte mit einem speziellen Problem, das sich aus der Situation des frühnachexilischen Israel ergab (Auseinandersetzung um Hausund Grundbesitz). Diese Kombination wird sich durch die Gemeinsamkeit des jeweiligen sachlichen Bezugspunktes — das Haus einerseits als Objekt der Fluchwirkung, andererseits als ein Gegenstand der Streitigkeiten — nahegelegt haben.

F. Das 6. (7.) Nachtgesicht ( 5 , 5 - 1 1 ) Inhalt und Aussage des vorletzten Nachtgesichts ist die Entfernung der — in enge Beziehung dazu ist der Begriff J15?1 gesetzt — aus dem Land, d.h. aus dem Leben(sbereich) des nachexilischen Israel. ns?sh, in der Regel als „Frevel, Gottlosigkeit" übersetzt, bezeichnet sonst im Alten Testament ein menschliches Verhalten — meist Jahwe gegenüber —, das vielfach ausdrücklich dem durch ЛрТХ umschriebenen Verhalten gegenübergestellt wird 2 und im Gegensatz zum Einhalten von Jahwes Ordnungen steht. 3 Auch in Sach 5,5ff wird ΠϊΙΡΊ das gegen Jahwe gerichtete Verhalten meinen — und zwar offenbar im Sinn einer wesensmäßigen Bestimmtheit des Landes und d.h. seiner Bewohner 4 . Wird, wie es heißt, die ins Land Sinear, KAI Nr. 260 В (Aramäischer Teil). ARM III 73 (14.) (b)it-sü ü su-u (15) i-s(at)am li-iq-qa-li. 1 Zum textkritischen Problem von V . 6 b s.o. S. 26. 2 Dtn 9 , 4 . 5 ; 2 5 , ( l - ) 2 ; Ez 1 8 , 2 0 . 2 7 ; 3 3 , 1 2 . 1 9 ; Spr 13,6; vgl. Mal 3,19. 3 Ez 5,6; Mal 3 , 1 5 , s.a. Ez 18; 3 3 , 1 0 f f . 4 Anders L. Rost, der die als ursprünglich angesehene forensische Bedeutung auch für Sach 5 , 5 f f annimmt: ПУЕИ als Verdammungsurteil, hier auf Grund

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

d.h. nach Babylonien 5 , gebracht, dann ist damit Babylonien geradezu zum Land der Gottlosigkeit erklärt, worin die ganze Antipathie gegen das Land der Gefangenschaft zum Ausdruck kommen dürfte. Geht es in Sach 5,5ff um die Entfernung von ЛУВП (und pS?) und insofern dann um eine grundlegende Änderung im Verhältnis des Volkes zu J a h w e 6 , dann ist damit in der Sache — die dabei verwendeten Bilder sind ganz andere — dasselbe Thema wie in Ez 36,25ff behandelt (dort: Entfernung der Unreinheit, des steinernen Herzens). Es ist also dieselbe Frage, die während des Exils den Verfasser von Ez 36,25ff (s. auch J e r 31,31ff) beschäftigt, ebenso wie dann in frühnachexilischer Zeit Sacharja: die Frage, wie das aus dem Exil wieder in sein Land zurückgeführte Israel auch im Verhältnis zu seinem Gott zu einem neuen Anfang kommt. Allerdings besteht in der Beantwortung ein bemerkenswerter Unterschied: Gerade der in der Situation des Neubeginns im Land stehende Sacharja sagt positiv überhaupt nichts über das neue Verhältnis, nichts etwa über eine ein neues Wesen und Verhalten Israels bewirkende Gabe Jahwes; dagegen ist in Ez 36 betont in Überbietung des alten Zustands vom Austausch des steinernen gegen ein neues, fleischernes Herz die Rede, dazu von der Gabe eines neuen Geistes, des Geistes Jahwes, der den Gehorsam gegen Jahwes Gebote bewirkt (V. 26f, s. auch J e r 31,3 I f f ) . Nun läßt aber die Tatsache, daß im Nachtgesicht Sach 5,5ff die ni?UH verkörpert ist durch ein — wie gleich genauer darzulegen ist — kultisch verehrtes weibliches Wesen, die Überlegung aufkommen, ob nicht die genannte, hinter Ez 36,25ff ebenso wie hinter Sach 5,5ff stehende Frage hier bei Sacharja von einem ganz bestimmten Tatbestand aus angegangen wird: von der Verehrung anderer Gottheiten neben oder anstelle von Jahwe. Daß dabei an Erscheinungen angeknüpft werden kann, die eine Folge der Katastrophe von 587 waren, zeigt etwa das in J e r 44,17—19 über die Verehrung

der Schuld der Väter (= V.6) ergangen (Erwägungen zu Sacharjas 7. Nachtgesicht: ZAW 5 8 , 1 9 4 0 / 4 1 , S. 2 2 3 - 2 2 8 , bes. S . 2 2 5 f ) . - Rignell (z.St.) denkt im Anschluß an Mitchell speziell an Götzendienst. 5 Sinear ist hier wohl archaisierende Bezeichnung der Landschaft Babyloniens. „Land Sinear" noch Gen 10,10; 11,2; Dan 1,2. 6 Hinzuweisen ist auch auf das Nachtgesicht Sach 3,1—7, in dem es — in etwas anderem Zusammenhang — um die Entfernung von um die Ersetzung des Status der Unreinheit durch den der Reinheit geht. Dazu s. im einzelnen u. S. 207f.

Das 6. (7.) Nachtgesicht ( 5 , 5 - 1 1 )

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der „Himmelskönigin" Gesagte 7 . Sollte hinter dem Bild Sacharjas ein aus dem babylonisch-assyrischen Bereich stammender Fremdgötterkult stehen 8 , wie es z.B. bei dem der „Himmelskönigin" der Fall ist 9 , dann erklärte sich daraus sehr gut der Zug des Visionsbildes, daß die Frau ins Land Sinear transportiert wird, also dahin, woher sie kam und wohin sie gehört. Die von Sacharja damit angekündigte Erneuerung des nachexilischen Israel wäre um so radikaler, wenn damit auch schon vor 587 herrschende Fremdgötterverehrung im Land eingeschlossen ist. 10 Diese die Л572Л verkörpernde Frau steht im Mittelpunkt des visionären Bildes, in das die Aussage dieses Nachtgesichts gekleidet ist. Sie wird nach Auskunft des Deuteengels im „Land Sinear" wie ein göttliches Wesen kultisch verehrt werden. Das ergibt sich aus V . l l : Das für sie d o r t zu errichtende Haus (ΓΓΠ) m e i n t zweifellos einen T e m p e l 1 1 ; die d o r t b e f i n d l i c h e ПЗЭ0. auf d e r sie niedergesetzt wird, bezeichnet ein P o d i u m , ein Podest, einen Sockel, d . h . eine V o r r i c h t u n g , wie sie im m e s o p o t a m i s c h e n Bereich d e r A u f n a h m e von G ö t t e r b i l d e r n u n d -Symbolen d i e n t e . Die Frau in Sacharjas Nachtgesicht wird also wie ein Götterbild auf ein Podest g e s t e l l t 1 2 . U n t e r d e n Rollsiegeln — sie liefern uns einen Großteil d e r A u s k ü n f t e über das Aussehen der G ö t t e r b i l d e r im alten Mesopotamien — gibt es einige — aus verschiedenen Zeiten u n d aus verschiedenen räumlichen Bereichen des Alten Orients —, die das Bild einer auf einem Postament stehenden Göttin bieten13.

Dorthin, ins „Land Sinear", wird die Frau durch zwei überirdische Wesen, Mischwesen in der Gestalt von Frauen mit Storchenflügeln

7

Vgl. a. das bei E. J a n s s e n , J u d a in d e r Exilszeit, F R L A N T 6 9 , 1956, S. 64ff über das starke Wiederaufleben des Kanaanismus im Land nach 5 8 7 Ausgeführte. 8 K. Galling v e r m u t e t „ h i n t e r d e m Weib ... letztlich die Istar von B a b y l o n " (Die Exilswende ..., S. 120), also die G ö t t i n , die auch mit d e r „Himmelskönig i n " gemeint ist (zu dieser Gleichsetzung s. die Literatur der f o l g e n d e n Anmerkung). 9 Dazu s. W. R u d o l p h , J e r e m i a (HAT) zu J e r 7,18, ferner Μ. A. Beek, Art. Himmelskönigin, BHH Bd. II, Sp. 721F; J . Nelis, A r t . Himmelskönigin, BL (2. A. 1968), Sp. 742. 10 Auf die Verehrung z.B. d e r g e n a n n t e n „ H i m m e l s k ö n i g i n " t r i f f t das o f f e n b a r zu; s. d a z u die in d e r vorangehenden A n m . g e n a n n t e L i t e r a t u r . 11 ГРЗ in dieser Bedeutung z.B. auch Sach 1,16; 4,9, allerdings bezogen auf den Jerusalemer Tempel. 12 In einer gewissen Unausgeglichenheit des Bildes ist in V. 7f offensichtlich nicht wie in V . l l an ein G ö t t e r b i l d , s o n d e r n an ein lebendes Wesen gedacht: die Frau h e b t — o f f e n b a r um sich zu b e f r e i e n — den Deckel des E p h a , so d a ß sie wieder hineingestoßen und d e r Deckel neu geschlossen w e r d e n m u ß . 13 Vgl. z.B. A . M o o r t g a t , Vorderasiatische Rollsigel, Nr. 3 4 5 , 3 4 6 , 3 4 8 , 3 5 0 , 3 5 9 .

198

Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

(V.9), auf überirdische Weise (V.9: „zwischen Erde und H i m m e l " 1 4 gebracht. Auf dieses Visionsbild fällt ein neues Licht durch die Beobachtung, daß es in seinen Grundzügen an das in Ez 1 beschriebene Visionsbild erinnert: Hier wie dort schaut der Prophet in einer Vision (a) menschengestaltige, mit Flügeln ausgerüstete Misch- oder Zwischenwesen, die (b) die Funktion haben zu tragen, zu transportieren und die in Wahrnehmung dieser Aufgabe (c) ein göttliches Wesen (d) mit dessen (Thron-) Sitz (e) durch die L u f t (f) in einen anderen Bereich der Erde transportieren 1 5 . Zu a: Zwei O4®] mit Storchenflügeln (Sach 5,9) stehen gegenüber vier Lebewesen (ΠνΠ) von menschlichem Aussehen (DIU MIDI) mit j e vier Flügeln (Ez l,5f)16. Zu b: Während in Sach 5,9.10 von Ntttt und "[Ъл hi. die Rede ist, ist bei Ezechiel diese A u f g a b e der vier Wesen nicht ausdrücklich mit entsprechenden Verben ausgesagt, sondern sinngemäß aus dem Gesamtzusammenhang zu entnehmen (s. besonders 1,22). Zu c: Geht es bei Sacharja um das weibliche Wesen, das im Land Sinear göttliche Verehrung genießen wird (5,11), so bei Ezechiel um J a h w e , den Gott Israels, in seiner Herrlichkeit ( 1 , 2 8 ) . Zu d: Dem verschlossenen E p h a , in d e m die Frau sitzt und transportiert wird (Sach 5,7—9), steht der auf der festen Platte befindliche Thron J a h w e s gegenüber (Ez 1,22.26). Zu e: Dem Transport „zwischen Erde und H i m m e l " (Sach 5,9) entspricht bei Ezechiel J a h w e s K o m m e n im Sturmwetter (Ez 1,4). Zu f: Die Frau im Epha wird aus Palästina nach Babylonien (= Sinear) gebracht (Sach 5 , 1 1 ) ; J a h w e , den man im Jerusalemer Tempel thronen weiß, erscheint Ezechiel im babylonischen Exil (Ez 1,1).

Aus diesem Vergleich ergibt sich: Die visionäre Szene Sach 5,5ff ist in ihren Grundzügen keine einmalige. Denn bestimmte Elemente, wie sie, eine ganz bestimmte Szene bildend, in Ez 1 auf J a h w e bezogen vorkommen, sind in gleichartiger Zuordnung und Szene in Sach 5,5ff zu erkennen. Nur sind Bezug und Tendenz an beiden Stellen ganz verschieden: Schildert Ez 1 die machtvolle Erscheinung

Zu dieser Wendung s.o. S. 53, Anm. 36. Eine derartige Parallelität gibt es bei dem Reinigungsritus Lev 14,1 — 7.48— 5 3 , auf den z.B. Marti in H S A T , Sellin, auch Rignell z.St. verweisen, nicht. Auch Ezechiels Entraffungen (8,3; 1 1 , 2 4 ) , die hier gelegentlich genannt werden (z.B. Marti in H S A T , Rignell z.St.), bieten nicht eine derartige Entsprechung wie der Vorgang Ez 1. 1 6 Die Beschreibung der vier verschiedenen Gesichter in Ez 1,10 gehört zur Nachinterpretation, s. W. Zimmerli, Ezechiel, S . 2 5 . 14

15

Das 6. (7.) Nachtgesicht ( 5 , 5 - 1 1 )

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Jahwes in seiner Herrlichkeit, so geht es in Sach 5,5ff um die personifizierte Gottwidrigkeit, die alles andere als ihre Macht zu erweisen und Ehrfurcht hervorzurufen vermag, die vielmehr als machtlos und in einer erniedrigenden, geradezu Spott h e r a u s f o r d e r n d e n 1 7 Lage in Erscheinung tritt. Diese abwertende Tendenz in Sach 5,5ff findet ihren Ausdruck in bestimmten, die oben genannten Elemente in diesem Sinn ausgestaltenden Einzelzügen: 1. Im Mittelpunkt steht eine Frau (als geschöpfliches Wesen, als Göttin?). Die Verehrung weiblicher Gottheiten wie überhaupt anderer Götter neben J a h w e (womöglich die Verehrung eines geschöpflichen Wesens) war mit Israels Glauben unvereinbar. 2. Die Mischwesen, die den Transport vornehmen, werden ausdrücklich als Frauen bezeichnet. Vielleicht spielt dabei eine absichtliche Angleichung an die Frau ns?tth eine Rolle. Vor allem aber ist damit ein deutlicher Unterschied zu Jahwes Hofstaat gegeben. Denn dessen Glieder werden nach l . K ö n 22, Jes 6, Ez 1, Hi If zwar nicht in b e t o n t e r geschlechtlicher Differenzierung als männliche Wesen bezeichnet — Ez 1 spricht sogar völlig neutral nur von menschenähnlichen lebenden Wesen (V.5) —, keinesfalls jedoch als Frauen. Der Zusammenhang mit altorientalischen Vorstellungen liegt hinsichtlich der geflügelten Frauen von Sach 5,5ff auf der H a n d : Sie gehören zu den in den Darstellungen altorientalischer Kunst, besonders auch im Zweistromland, weitverbreiteten Mischwesen 1 8 . Die dort neben verschiedenen anderen Kombinationen v o r k o m m e n d e Verbindung von Mensch und Vogel ist u.a. auch in der Form geflügelter weiblicher Wesen nachweisbar 1 9 . 17 Seybold (Bilder ..., S. 56) bezeichnet die Darstellung als „parodistisch heiter und grotesk", auf „befreite Heiterkeit" abzielend. 18 Dazu ist z.B. zu vergleichen E. Unger, Art. Mischwesen, RLV VIII, S. 1 9 5 - 2 1 6 ; K. Galling, Art. Mischwesen, BRL Sp. 3 8 2 - 3 8 5 ; A. Moortgat, Vorderasiatische Rollsiegel, S. 83. 19 Als Beispiele seien hier angeführt: das neubabylonische Siegel Nr. 751 bei E. Porada, a.a.O.; die assyrisch-babylonischen Siegel Nr. 6 1 2 , 6 1 3 bei L. Delaporte, Catalogue ... Bibliothcque Nationale; die bei K. Galling, Beschriftete Bildsiegel ...: ZDPV 64, 1941 abgebildeten Siegel Nr. 89, 9 0 , 9 2 ; BRL Sp. 4 8 5 f Siegel Nr. 4; hinzuweisen ist auch auf die Reliefdarstellungen ANEP 655 (Teil Halaf), 6 5 6 (Nimrud), auf die Elfenbeinarbeit in ägyptisierendem Stil i n j . W. u. G. M. Crowfoot, Early Ivories from Samaria (= Samaria-Sebaste II), 1 9 3 8 , Plate 111,1; in einem ugaritischen Text heißt es von der Göttin Anat: „es erhob die Flügel die Jungfrau Anat, sie erhob die Flügel ..." (ts'u knp.btlt.'n(t) ts'u. knp.: СТА 10 II,10f = IV AB IIДOf), s.a. die weiteren Belege zur fliegenden Göttin Anat bei A.Jirku, Der Mythus der Kanaanäer, 1966,

200

Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

3. Der Abstand zu Jahwes Bereich wäre unterstrichen und es paßte insofern gut zu den anderen Zügen mit dieser Tendenz, würde hier auf den Storch (Storchenflügel V.9) als unreinen Vogel, ids der er nach Lev 11,19; Dtn 14,18 gilt, Bezug genommen. Aber ausdrücklich ausgesprochen ist dieser Bezug nicht. Die andere Verständnismöglichkeit ist die, daß mit den Storchenflügeln große, starke Flügel, die einen weiten Flug ermöglichen, gemeint sind 2 0 . Dagegen ist jedoch zu fragen, warum dann die Flügel nicht klar in dieser Weise bezeichnet werden, sondern eigens der Storch genannt wird, der sonst — anders als der Adler (vgl. Ex 19,4; Dtn 32,11, vgl. auch Jes 40,31) — im Alten Testament nie in diesem Sinn erwähnt wird. 4. Der ,,Thron" dieser Frau ist ein Epha, also ein Hohlmaß, ein Getreidemaß. Damit nicht genug: sie ist in diesem gefangen (V. 7a. 8). Der herabsetzende Zug ist hier nicht zu verkennen, ob darüber hinaus das Bild des durch geflügelte Frauen getragenen Epha beeinflußt ist von bestimmten Vorstellungen, etwa von dem in altorientalischen Darstellungen o f t begegnenden Motiv geflügelter Wesen mit einem Eimer oder Henkelgefäß in der Hand 2 1 , dürfte kaum mit Sicherheit zu entscheiden s e i n 2 2 .

5. So gevviß im Visionsbild Sach 5,5ff der Deckel auf dem Epha das Aussteigen der Frau aus diesem verhindern soll und deshalb wohl das schwere Metall Blei das Material des Deckels abgibt, so wahrscheinlich dürfte, da es der Sache nach um die HVtth geht, die Bedeutung, die die Erwähnung von Blei in theologisch-bildhafter Rede hat, auch hier zumindest mitschwingen: Mit der Frau Π5Η2Π, die entfernt wird, ist das unnütze, unedle Metall Blei, das Abfallprodukt beim Ausschmelzen von Edelmetall, das weggetan wird, das in Ez 22,18; Jer 6,29 den gottwidrigen Charakter des Volkes symbolisiert, verbunden. S. 74f; s.a. E. Unger, Art. Mischwesen, § 3 2 Geflügelte Frau, RLV VIII, S. 2 0 9 f . 20 So z.B. Marti, Nowack, Rignell. 21 So z.B. die assyrischen Siegel N r . 6 0 3 , 749 bei Moortgat, a.a.O.; J. Wiesner, Die Kunst des Alten Orients, 1 9 6 3 , Abb. 41 u. Fig.21; AOB 2 2 5 6 . 22 S. Marenofs Deutung, das Epha repräsentiere einen Tempel (Note Concerning the Meaning of the Word "Ephah", Zechariah 5 , 5 - 1 1 : AJSL 4 8 , 1 9 3 1 / 3 2 , S. 264—267), kommt — abgesehen von der Problematik seines Versuchs der sprachlichen Ableitung von dem sumerischen Namen Ε-pa einer Zikkurat in Lagasch — in Schwierigkeiten mit dem Visionsbild selbst: das Epha hat einen Deckel, der die Frau offensichtlich gegen ihren Willen darin festhält.

Das ( 4 . ) N a c h t g e s i c h t 3 , 1 — 7

G. Das (4.) Nachtgesicht

1. Die Stellung im Zusammenhang

201

3,1-7

der Nachtgesichte

Sacharjas

Von 3,1—7, dem im vorliegenden T e x t des Sacharja-Buches 4. Nachtgesicht, laufen ohne Zweifel Verbindungslinien zu den übrigen 7 Nachtgesichten: Es ist wie diese als Ich-Bericht des Propheten eingeführt ("ΊΧΤΙ V . l ) ; wie in l , 7 f f und 6 , I f f schaut dieser eine himmlische Versammlung; ein Engel sagt ein deutend-erklärendes Wort ( V . 4 b ) ; im Mittelpunkt steht der Hohepriester J o s u a , der auch ohne Zweifel im folgenden Nachtgesicht 4 , I f f eine Rolle spielt; den Abschluß bildet wie in l , 1 4 f ; 2 , 8 b - 9 ; 5 , 4 ; 6,8 1 ein Gotteswort (V. 7), das in gewisser Weise auch eine Erklärung des vorangehenden Geschehens gibt. In diesen Gemeinsamkeiten sind aber bereits eine Reihe von Differenzen mit enthalten: Das einleitende "ΊΝ"Η begegnet sonst nie bei Sacharja als Visionsanfang — nur in der 2. Vision leitet ГШ 4, 18ТЧ den 2. Teil ein ( 2 , 3 ) —, vielmehr wird die Schau in den anderen Nachtgesichten durch die Wendung ΠΙΠΊ (Л)ХПК1/,Л''И·) eingeleitet; das deutende Wort wird 1. nicht wie sonst dem schauenden Propheten, sondern J o s u a , also einer Gestalt des Visionsbildes, gesagt, redet ihn direkt an und betrifft — auch das ist ein Unterschied — nur ihn; es ist 2. nicht wie sonst üblich Antwort auf eine Frage des P r o p h e t e n 2 , die dementsprechend eingeleitet und formuliert wäre, sondern diese Deutung wird mehr indirekt und im Verlauf der visionären Handlung gegeben, j a sie scheint als „deklarierende (s) W o r t " zu dieser Handlung, einem Ritus des Kleiderwechsels, zu g e h ö r e n 3 ; 3. der diese Erklärung gebende Engel (ГШ4 InVq) ist nicht der Deuteengel der übrigen Nachtgesichte pn T a i n ^кЬаЛ), sondern ein Wesen mit ganz anderen F u n k t i o n e n 4 . Das abschließende Gotteswort richtet sich hier an den von Sacharja visionär geschauten J o s u a , sonst ist es an den Propheten g e r i c h t e t 5 . Im Unterschied zu den anderen genannten Stellen betrifft hier das abschließende Gotteswort ganz speziell den Angeredeten ( J o s u a ) . Es ist zudem eine bedingte VerheiDazu s . o . S. 7 4 f f . Sie fehlt allerdings a u c h vor 5 , 8 , was aber an G e w i c h t verliert, da es sich hier um die 3 . Deutung im R a h m e n einer einzigen Vision h a n d e l t , w o b e i d e n beiden übrigen D e u t u n g e n eine ausdrückliche Frage v o r a u s g e h t . Z u 5 , 2 s . o . S. 5 9 . 3 Vgl. H.-J. Hermisson, S p r a c h e und Ritus im altisraelitischen K u l t , W M A N T 1 9 , 1 9 6 5 , S. 9 1 . Dazu s . o . S. 8 7 . — Die B e z e i c h n u n g ΠΙΠ11 findet sich a u c h im 1. N a c h t gesicht 1 , 7 f f ( V . l 1 . 1 2 ) ; d a z u s. S. 8 5 . 5 Nur in 2 , 8 ist diese Adressierung u m s t r i t t e n . 1

2

202

Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

ßung, wodurch es sich ganz wesentlich von den anderen Gottesworten der Nachtgesichte unterscheidet. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich im Blick auf den formalen Aufbau von 3,1—7, daß er nicht dem in den übrigen Nachtgesichten zu erkennenden Grundschema folgt. Weitere Unterschiede sind festzustellen: 3,1—7 bietet nur visionäre Schau im engeren Sinn, jedoch keinen diese umschließenden Rahmen (Gespräche); was an wörtlicher Rede begegnet, ist lediglich Rede des „Engels Jahwes" 6 . Hinzu kommt, daß die Symmetrie in der Komposition der 7 anderen Visionen durch 3,1—7 gestört bzw. verändert wird. a) Ohne 3,1—7 schließen das 1., 3., 5., 7. Nachtgesicht innerhalb der Siebenerreihe mit einer Jahwerede, b) Bildet 4 , I f f in der Siebenerreihe den Mittelpunkt, so wird durch 3,1—7 das Zentrum zweigipflig. Diese Doppelheit wirkt unausgeglichen: In 3,1—7 geht es nur um Josua, in 4 , I f f um Josua und Serubbabel; wenn also Josua im Unterschied zu Serubbabel eine eigene Vision gewidmet ist, wird ihm offensichtlich ein ganz besonderes Interesse zugewandt; dabei fällt weiter auf, daß 3,1 ff klar Josuas Namen nennt, während 4 , I f f keinen Namen bietet — warum dieses unterschiedliche Vorgehen in zwei benachbarten und von derselben Person handelnden Visionen? Zudem ist eine inhaltliche Konkurrenz nicht zu übersehen, vergleicht man die Zusage an Josua in 3,7b mit 4,14, dazu s.u. S. 217f; außerdem hat die Schau in 4 , I f f ein völlig statisches, verschlüsseltes Bild zum Inhalt, in 3,1 ff dagegen eine bewegte, von wörtlicher Rede durchsetzte Handlung.

Die eben angeführten Differenzen im Bild selbst zwischen den Visionen 3,1 ff und 4,Iff gelten weitgehend auch für das Verhältnis zwischen 3 , l f f und den anderen Nachtgesichten. 3 , l f f hebt sich von ihnen ab a) durch die Ausführlichkeit und Lebendigkeit der Handlung 7 , b) dadurch daß diese unverschlüsselt ist, c) daß keine traumhaften und keine symbolischen Gestalten, Objekte und Vorstellungen vorkommen, sondern vielmehr eine bestimmte — und das ist das Neue: sogar ausdrücklich mit Namen genannte — geschichtliche Person des frühnachexilischen Jerusalem der Zeit Sacharjas im Mittelpunkt steht und angeredet wird, d) ferner dadurch, daß der Prophet eine vollkommen passive Rolle spielt, insofern er nicht einmal die sonst übliche Frage nach der Deutung stellt oder als Empfänger des abschließenden Gotteswortes fungiert 8 , e) Von den Nachtgesichten l,7ff 6

Vgl. dazu o. S. 82. Am ehesten sind in diesem Punkt noch 2,5ff und 5,5ff zu vergleichen, wobei sich 5,5ff aber formal aus mehreren Stücken zusammensetzt. 8 Allerdings berichtet nach dem Wortlaut des MT in V.5a Sacharja von einer eigenen mündlichen Äußerung (ТО,ЙГ "IÖiO „und ich sprach: sie setzen bzw. man setze (so übersetzt z.B. Horst) ..."). Da sonst in 3,1 — 7 der Prophet völlig zurücktritt und nur in dem einleitenden (V.l) von sich — als dem Schaucnden — spricht, ist der MT hier sehr auffallend. Das gilt um so mehr, wenn man WiP 4 7

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7

203

und 6,Iff hebt sich 3,1 ff außerdem ab durch die Ausführlichkeit, mit der die himmlische Versammlung geschildert wird, ferner dadurch, daß die dienenden himmlischen Wesen benannt werden — wenn auch nur sehr allgemein als DHQS? — und nicht wie in l,7ff und 6,Iff völlig hinter dem zurücktreten, womit sie ihre Aufträge ausführen (Pferde, Wagen) 9 . Bezieht man auch das Vokabular in die Untersuchung ein, so zeigt sich, daß in 3,1—7 eine Begrifflichkeit benutzt wird, die mit wenigen Ausnahmen (nvr "jxVa in 1,11.12, Botenformel in 1,14) in den anderen Nachtgesichten, vielfach überhaupt in Sach 1—8 nicht wieder begegnet. Allerdings ist dieses Ergebnis nicht überzubewerten, soweit die Wortwahl zusammenhängt mit dem Charakter des in 3, 1—7 von Sacharja Geschauten, das in den übrigen Visionen von anderer Art ist. Aus den angeführten Beobachtungen ergibt sich, daß die Vision 3, 1 — 7 aus formalen und inhaltlichen Gründen von den übrigen 7 Nachtgesichten abzurücken ist 1 0 . 2. Von der Überlieferung

bestimmtes Begriffs- und in Sach 3,1—7

Gedankengut

Bevor den Fragen, die sich aus der festgestellten besonderen Stellung von 3,1—7 im Rahmen der Nachtgesichte ergeben, weiter nachgegangen wird, soll dieser Text auf erkennbare Verwurzelungen in der Tradition durchgesehen werden. Soweit notwendig, wird dabei zunächst die Aussage des Textes selbst erörtert werden müssen. Folgt Sach 3,1—7 in seinem Aufbau auch nicht dem den anderen Nachtgesichten zugrunde liegenden Grundschema, so lassen sich doch überraschend deutliche Verbindungslinien zur Struktur eines anderen Visionsberichts, zu der von Jes6, erkennen. hier jussivisch versteht, da es der in diesem visionären Geschehen mit großen Vollmachten ausgestattete Engel Jahwes war, der gerade vorher (V.4a) einen Befehl gegeben hat, der den Kleiderwechsel einleitet. So wird man "IDNl hier als nicht ursprünglich ansehen müssen, dieses Wort mit LXX tilgen oder — wohl besser und ohne graphische Schwierigkeiten — in ändern, so daß hier also eine Fortsetzung der Rede des Engels Jahwes vorliegt. Dementsprechend ist vielleicht auch WfeO) statt W©·' zu lesen (vgl. LXX). 9 Vgl. o. S. 117ff. 10 Eine solche Ansicht vertreten z.B. auch: A. Jepsen, Kleine Beiträge zum Zwölfprophetenbuch III: ZAW 6 1 , 1 9 4 5 / 4 8 , S. 9 5 f , K. Galling, Die Exilswende ..., S. 110, Elliger z.St., vgl. Horst z.St. und ders., Die Visionsschilderungen ..., S. 195, 198.

204

Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Abgesehen von dem voranstehenden Datum in Jes 6,1, setzt hier wie in Sach 3,1 der Visionsbericht im selben Stil ein 1 . In beiden Fällen wird eine himmlische Versammlung geschaut 2 . Bei dieser ist jeweils ein bestimmter, mit Namen genannter Mensch gegenwärtig: Josua steht vor dem „Engel J a h w e s " (Sach 3,1) — als Angeklagter; Jesaja meldet sich selbst — allerdings nicht schon zu Anfang, sondern erst in einem späteren Zeitpunkt (V.8b) — zu Wort im himmlischen Thronrat, nachdem er vorher nur Zuschauer und Zuhörer war. Es folgen — nun allerdings sehr verschiedene — Äußerungen im Rahmen der himmlischen Versammlung: dem Lobpreis der Seraphen bei Jesaja 3 steht bei Sacharja die Zurückweisung der gegen Josua gerichteten Anklage des Satans durch den „Engel J a h w e s " gegenüber (V.2 c . t . ) 4 . In beiden Berichten ist dann von der Unreinheit der bei dieser himmlischen Versammlung gegenwärtigen Menschen die Rede: Jesaja bekennt sich selbst als unrein(XöB), aufs äußerste betroffen durch die Schau Jahwes (V.5); Josua wird als unrein beschrieben durch den Hinweis auf seine schmutzigen CNS) Kleider (V.3). Diesem ersten Abschnitt, der die Szene beschreibt und die Unreinheit der beteiligten irdischen Personen feststellt, folgt ein zweiter, in dem es um die Entsündigung dieser Personen geht. In beiden Fällen wird sie durch die himmlischen Mittelwesen vollzogen: ein Seraph berührt Jesaja mit einem Glühstein (V. 6—7aa), der „Engel J a h w e s " befiehlt den „vor ihm Stehenden", Josua die schmutzigen Kleider auszuziehen (V.4a). Hier wie dort schließt sich ein deutenderklärendes bzw. deklarierendes Wort an, in dem der Seraph Jesaja bzw. der „Engel Jahwes" dem Hohenpriester Josua sagt, daß durch 1 Ich-Bericht mit dem Verb ΠΝΊ ( q . b z w . hi.), gefolgt von dem mit der nota acc. versehenen Objekt des Schauens, das durch eine Paritizipialkonstruktion näher bestimmt ist. 2 Jes 6,1 f: der Thronrat des im Tempel über der Lade thronenden J a h w e mit himmlischen Wesen, den Seraphen; Sach 3,1: an Stelle Jahwes der „Engel Jahwes" mit anderen himmlischen Wesen (s. V.4) und dem Satan in einer Gerichtsszene an einem nicht näher bezeichneten, zweifellos himmlischen Ort. 3 V.3; V . 4 berichtet von den Auswirkungen auf den Tempel. 4 Für eine Änderung des MT ΠΊΠ4 in ΠΊΠ4 -JxVü Ί 0 1 Π entsprechend der syrischen Übersetzung, wie sie von den meisten Auslegern (auch von Rignell) vorgenommen wird, sprechen folgende Überlegungen: 1) MT enthält die große Schwierigkeit, daß in der folgenden wörtlichen Rede Jahwe von sich selbst in 3.pers. redet und sich selbst zum Schelten des Satans auffordert. 2) Vorher und nachher tritt in dieser Vision nur der „Engel Jahwes" handelnd auf, nie Jahwe selbst; auch Jahwes Wort an Josua (V. 7) vernimmt dieser nicht direkt von Jahwe, sondern es wird ihm durch den „Engel Jahwes" übermittelt.

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7

205

diese Handlung seine Sünde entfernt sei 5 . Bei Sacharja ist dann, der besonderen Situation entsprechend, noch vom Bekleiden mit neuen, kostbaren Kleidern und einem reinen Turban die Rede (V. 4Ь0.5). Das Gemeinsame des abschließenden 3. Abschnitts ist in der Beauftragung Jesajas und Josuas zu sehen. Dabei ist sofort hinzuzufügen, daß die Beauftragung Jesajas als prophetischer Bote (V.9f) — vorausgegangen war Jahwes Frage nach einem Boten, worauf Jesaja sich meldet (V.8) — nicht nur inhaltlich unterschieden ist von dem Gotteswort an Josua in Sach3,7: Dieses ist als ein Bedingungssatz formuliert, wobei V. 7 b eine Verheißung gibt und nur V. 7 aß — falls man hier den Beginn des Nachsatzes ansetzt 6 — eine Beauftragung zum Inhalt hat. Ein weiterer Berührungspunkt zwischen beiden Visionsberichten ist in diesem Abschnitt der Bezug zu Jahwes himmlischer Versammlung: Jesaja schaut diese in seiner Vision, hört das dort Gesprochene, wendet sich selbst mit seiner Meldung zum Botendienst an den himmlischen Thronrat; Josua wird für die Zukunft der Zutritt zugesagt als ständige Möglichkeit 7 . Der Vergleich der beiden Visionsberichte führte trotz der genannten Differenzen im einzelnen auf ein solches Maß an Gemeinsamkeiten im Gesamtaufbau, daß es schwerfällt, sie als zufällig anzusehen. Diese Vermutung wird bestärkt dadurch, daß auch in Sach 3 so etwas wie eine Berufung vorliegt, nun zwar nicht die eines Propheten wie in Jes 6, sondern die eines Priesters in sein A m t 8 . Für die Schilderung der prophetischen Schau dieser auf Josua konzentrierten Handlung ist offenbar die Form, die Struktur des prophetischen Berufungsberichts, wie sie in Jes 6 vorliegt, von Einfluß gewesen. Daß sich dabei Veränderungen ergeben haben — über die hinaus, die mit der Konzentrierung dort auf den Propheten, hier auf den Priester zusammenhängen —, ist nicht verwunderlich. So ist besonders auffallend, daß die Distanz zu Jahwe größer geworden ist; sie ist so groß geworden, daß Jahwe in der Vision Sach 3 unsichtbar und unhörbar bleibt und nur der „Engel Jahwes", der ihn hier vertritt, Jahwes Wort an Josua ausrichtet — dieselbe Erscheinung, die auch in den anderen Nachtgesichten zu bemerken ist.

5

Jes 6,7 a0b." "|ПКВГП ТП»; Sach' 3 , 4 b : Dazu s. genauer u. S. 2 1 2 f f . 7 So wird man V . 7 b verstehen müssen, s.u. S. 217. 8 Diese scheint allerdings keine erstmalige zu sein, sondern bestätigenden Charakter zu haben; dazu s.u. S. 21 l f . 6

206

Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Auch des Propheten Haltung bei der Schau dieser himmlischen Versammlung ist eine andere geworden: Im Unterschied zu Jesaja, der selbst in der visionären Handlung eine Rolle spielt, ist der Visionär von Sach 3 ganz passiv, nur Beobachter. Beim Vergleich von Jes 6 und Sach 3 wurde bereits erwähnt, daß es in beiden Texten um eine himmlische Thronszene bzw. Versammlung geht. Damit ist nun in der Untersuchung, die danach fragt, wieweit durch die Überlieferung vorgeprägtes Gut in Sach 3 vorliegt, vollends der Bereich des Inhaltlichen erreicht. Dem genannten Motiv ist bereits in anderem Zusammenhang nachgegangen worden 9 . Deshalb braucht an dieser Stelle über das bisher dazu Gesagte und die Feststellung, daß damit in Sach 3 ein traditionelles Motiv aufgegriffen worden ist, hinaus nichts gesagt zu werden. In dem den Widerspruch des Satans zurückweisenden Wort V.2 wird auf die Erwählung Jerusalems durch Jahwe verwiesen (D*7BftT3 ЧГПЛ). Es ist damit ein Sacharja sehr wichtiger Gedanke ausgesprochen, der sich auch in 1,17; 2,16 (hier heißt es: TU? ЧГП) findet. Es ist damit gesagt, daß Jahwe nach dem Bruch durch das Gericht des Exils sich Jerusalem wieder zuwendet, diesen Bruch nicht als endgültig ansieht und die Erwählung der Stadt erneuert bzw. bestätigt. In den Worten der Schriftpropheten vor Sacharja ist öfter der Sache nach von der Erwählung Jerusalems, d.h. von den besonderen Beziehungen Jahwes zu dieser Stadt, die Rede oder sie wird vorausgesetzt (besonders bei Jesaja, Ezechiel, Deuterojesaja) 1 0 . Dabei wird aber nie das Verb 1Π3 gebraucht. Das trifft auch zu für die Worte dieser Propheten über einen Neuanfang Jahwes mit seiner Stadt nach dem Gericht 1 1 . Auch in bezug auf das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel kommt das für das gesamte dt. und dtr. Schrifttum so wesentliche Wort 1Π3 — dort besonders auch in Anwendung auf den erwählten Ort - bei Jesaja (14,1), Jeremia (33,24) und Ezechiel (20,5) nur je einmal vor. (Dabei wird Jer 33,24 sicher jünger als Sacharjas Worte sein, Jes 14,1 ihnen nahestehen.) Dagegen verwendet Deuterojesaja mehrfach dieses Wort, um Jahwes Zuwendung zu seinem Volk und zu seinem Knecht auszudrücken 1 2 , bezieht es allerdings nicht auf 9

Dazu s.o. S. 117ff. Z.B. Jes 1 , 2 1 - 2 6 ; 8,18; 14,32; Ez 10,4.18a. 19b; 11,23, wenn von Jahwes Fortgang die Rede ist; Ez 1 6 , 6 - 1 4 ; (Deutero ) Jes 52,8 (3W)· 11 Z.B. Jes 1,26; 2 8 , 1 4 f f ; Jer 3 , 1 6 - 1 7 a ; Ez 2 0 , 4 0 ; 4 0 - 4 8 ; Dtjes z.B. 4 4 , 2 6 ; 45,13; 51,3; 5 4 , l l f f u.ö. 12 J e s 4 1 , 8 . 9 ; 4 3 , 1 0 ; 4 4 , 1 . 2 ; 4 9 , 7 , dazu Т Т Л 4 2 , 1 ; 4 3 , 2 0 ; 45,1. 10

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Jerusalem oder Zion. Haggai, der Zeitgenosse Sacharjas, verwendet einmal das Verb "ΙΠ3 in einem Wort über Serubbabel (2,23). Im Sprachgebrauch hebt sich also Sacharja von den übrigen Propheten deutlich ab, wenn er von der Erwählung Jerusalems und besonders von seiner Wiedererwählung spricht. Die Verwendung des Wortes ЧГП verbindet ihn innerhalb der Prophetie mit Deuterojesaja. In der Sache ist hier deutlich ein Stück Zionstheologie, wie sie Jesaja vertritt, aufgegriffen. Die Verbindung von i m mit Iis? in 1,17 und 2,16 zeigt, wie Sacharja den Neuanfang betont in einem Entsprechungsverhältnis zu Jahwes erster Zuwendung sieht und damit eine Kontinuität über Gericht und Exil in Jahwes Tun an Israel festhält. Dem Hinweis auf die Erwählung Jerusalems folgt unmittelbar — ebenfalls noch in dem an den Satan gerichteten Wort in V. 2 b — die Frage: tfxa Vsa ПК ЛТ NlVn „Ist dieser (sc. Josua) nicht ein aus dem Feuer gerissenes Scheit?" In Am 4,11 heißt es: „Da wart ihr wie ein dem Brand entrissenes Holzscheit" (ЛЕЗ-ШП TINS ГПЛЧ). Die Gleichartigkeit des Vergleichs, der Wortwahl und Wortzusammenstellung (]B bsa TIN) und die Tatsache, daß sich das Substantiv ПЖ im Alten Testament sonst nur noch einmal, in Jes 7,4, findet und auch *?2M im hoph. nur in dieser Partizipialform und lediglich an diesen beiden Stellen im Alten Testament vorkommt, sprechen dafür, daß Sachaija sich hier bewußt an die Formulierung des Wortes Am 4,11 anschließt 13 . Wenn in dieser Frage V. 2b das Feuer (©X) erwähnt wird, dann wird es zweifellos als Bild für das Gericht gebraucht, auf das hier zurückgeblickt wird — ein Sprachgebrauch, der sich häufig in der Prophetie — aber auch sonst im Alten Testament — findet 1 4 . In V. 3f ist von den schmutzigen Kleidern Josuas die Rede. Zweifellos ist damit ein Status der Unreinheit gemeint: Zwar wird hier nicht der Begriff Nüü gebraucht, sondern 'KS; Ez 4,12/13f kann aber zeigen, wie beide Begriffe bzw. ihre Wurzeln inhaltlich zusammenhängen können. Ferner wird das Entfernen der schmutzigen Kleidung in V.4b als Entfernung von Josuas fiSJ gedeutet; daß Unreinheit bedeutet, zeigt deutlich z.B. Levl7,15f. Schließlich wird 13

In Sach 8,21 scheinen Formulierung und Vorstellung durch einen anderen Vers (4,8) des Kehrreimgedichts Am 4,6ff beeinflußt zu sein; dieses Kehrreimgedicht, das nach H. W. Wolff, Joel und Amos, S. 250ff allerdings nicht von Arnos stammt, war also offenbar Sacharja und seiner Zeit bekannt. 14 Z.B. Am 1,4.7.10.12.14; 2,5; 5,6; 7,4; Hos 8,14; Jer 11,16; 17,27; 21,14; 22,7; 43,12; Ez 5,4; 10,2.6.7; 1 5 , 4 - 7 ; 16,41; 19,12.14; 21,3.37; 2 2 , 1 7 - 2 2 ; 23,47; 24,10.12.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

bei der Nennung der der schmutzigen entgegengesetzten neuen Kleidung das Wort „rein", lints ("lints «px V.5), gebraucht, der Gegensatzbegriff zu „unrein". Worum es bei dieser Unreinheit geht, erhellt V.2b: Es wird sich um die durch das Leben im Exil, dem unreinen Land (s. Hos9,3f, Ez 4,12—14) 1 S , bewirkte Unreinheit handeln 1 6 , die den Rückkehrern aus dem Exil, Josua wie dem Volk, anhaftet 17 . Wenn der „Heimkehrer" Josua — vielleicht stellvertretend für das Volk 18 — von dem ]1V, der mit der durch das Exil bewirkten Unreinheit verbunden ist — steht dahinter evtl. auch noch der der der Grund für die Exilierung war? 19 —, befreit wird, so erinnert das an Ez 36,25.29; denn dort wird dem von Jahwe aus dem Exil in sein Land zurückgeführten Volk auch die Reinigung von seiner Unreinheit in einem rituellen Akt (allerdings ariderer Art) zugesagt. Dieser Vorgang der Entferung des |1S? in der Form des Kleiderwechsels enthält noch einen anderen Aspekt. Der Textzusammenhang von Sach 3 zeigt, daß hierin im besonderen die Vorstellung zum Ausdruck kommt, daß eine Verunreinigung die gleichbedeutend ist mit einer Schuld фУ), die Ausübung des (Hohen-) Priesteramtes, das Hintreten des Priesters vor Jahwe, unmöglich macht. Dieser Gedanke begegnet besonders in priesterlichen bzw. von priesterlichem Denken geprägten Texten. Er steht z.B. hinter der bei der Weihe Arons und seiner Söhne zu Priestern auszuführenden bzw. ausgeführten Waschung und Einkleidung (Ex 2 9 , 4 b . 5 f ; Lev 8,6—9) und dem dabei „prophylaktisch" 2 0 vorzunehmenden bzw. vorgenommenen Sündopfer (Ex 29,10—14; Lev 8,14—17); er steht etwa hinter der Bestimmung Ex 28,43, wonach der nicht mit den heiligen Kleidern zum Altar

15

Dazu W. Zimmerli, Ezechiel S. 127. Daß es hier um eine mit dem Exil zusammenhängende Unreinheit geht, nehmen auch an z.B. Rothstein S . l l O f f , Nowack S . 3 3 9 , Sellin (ΚΑΤ) S . 4 9 4 , Jepsen (ZAW 61, 1945/48, S. 107); eine Übersicht über andere Deutungen gibt Horst S . 2 2 7 . 17 Versteht man den Text so, dann dürfte die Alternative „persönliche Schuld" Josuas oder Repräsentation der Schuld ... der Gemeinde durch J o s u a — wie sie Horst z.St. herausstellt — nicht sinnvoll sein. Wieweit Josua dann auch noch besonders gemeint ist — nicht als Einzelperson, sondern als Hoherpriester, also als Amtsträger —, zeigen die Ausführungen in den folgenden Abschnitten. 18 So z.B. Horst z.St.: „Josua steht ... da als Repräsentant der irdischen Gemeinde" (Horst verweist dazu auf Hitzig, Marti, Duhm, Greßmann, Galling); so auch Elliger, v. Rad, ThAT II, 5. Α., S . 2 9 8 , Mitchell z.St., vgl. a. Rignell S. 109. 19 So etwa Marti (KHC) S . 4 0 8 , s.a. Sellin (ΚΑΤ) S. 494, Rignell S. 109. 20 M. Noth, Das 2. Buch Mose, Exodus, ATD 5, S. 189. 16

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tretende Priester p v auf sich lädt 2 1 . Nach E z 4 4 , 1 0 — 14 ist die Verschuldung фУ) der Leviten Grund für ihren Ausschluß vom eigentlichen Priesterdienst. Auch die Bestimmung Ez 44,25—27 — der Priester, der sich verunreinigt hat, muß 7 Tage mit dem Dienst im Heiligtum aussetzen — wäre zu nennen. Esr 2,62 berichtet über die Priesterfamilien, die ihre Abstammung nicht nachweisen konnten: ГПЛЭП" jö iVtCl, „sie wurden zu unrein erfunden, als dass sie das Priestertum hätten versehen dürfen". 2 2

Es ist nicht überraschend, wenn Sach 3 hier, wo es um den Hohenpriester und sein Amt geht, im Zusammenhang mit priesterlich-kultischem Denken steht. Zum Vorgang des an Jösua vorgenommenen Kleiderwechsels gehört aber nicht nur das als Entsündigung gedeutete Ausziehen der alten Kleider, sondern als weiterer Akt die Bekleidung mit neuen Gewändern. Die beiden eben behandelten Fragen erweisen sich nur als Teilaspekte eines größeren Zusammenhangs, wenn man diesen Vorgang des Kleiderwechsels als ganzen, also in seinen beiden Teilen, betrachtet und dazu Ex 29 und Lev 8 (auch Lev 16) vergleicht. Es zeigt sich dabei, daß hinter diesem Vorgang in Sach 3 ein ganz spezifisches Geschehen steht: die Einsetzung des Hohenpriesters in sein Amt. Ex 29 (s. auch 28 und 39) und Lev 8 sprechen von der Priesterkleidung und von der Einsetzung Arons und seiner Söhne ins Priesteramt, wobei bei Aron an den Hohenpriester gedacht ist 2 3 . Diese Texte sind daher für die Frage nach der Einsetzung und Amtstracht des Hohenpriesters zuerst für einen Vergleich heranzuziehen, etwas abgerückt dann auch Lev 16,4, da es hier um die Zurüstung des (Hohen-) Priesters zu einem bestimmten Fest, dem großen Versöhnungstag, geht. Im Ganzen des Vorganges der Einsetzung ist Sach 3 mit den genannten Texten gemeinsam: der Akt der Reinigung und der Bekleidung. Von Salbung und Opfer 2 4 ist in Sach 3 keine R e d e 2 5 . Aber auch hinsichtlich der Reinigung und Bekleidung zeigen sich Differenzen zwischen Sach 3 und den anderen Texten: a) Geht es in Sach 3 um das durch den „Engel J a h w e s " veranlaßte Ausziehen der schmutzi21

Vgl. Lev 22,9: der Priester, der Opfcrvorschriften nicht hält, lädt ΧϋΠ auf sich. 22 Übersetzung von A.Bertholet, Die Bücher Esra und Nehemia, KHC 19, 1902, z.St. 23 Vgl. etwa Noth, Exodus, ATD, S. 179, 188. 24 So Ex 29,7.lOff; Lev 8,12.14ff. 25 Zur Frage der Salbung ist allerdings auf das folgende Nachtgesicht 4,1 ff und die dazu angestellten Überlegungen bei Ch. Jeremias, a.a.O., S. 97f, 121 zu verweisen. 14 J e r e m i a s , N a c h t g e s i c h t e

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

gen Kleider und deren Austausch gegen neue Kleider, so sprechen Ez 29,4; Lev 8,6; 16,4b ausdrücklich von einer Waschung, legen aber kein Gewicht auf das — auch hier vorausgesetzte — Ausziehen der bisherigen Kleidung und lassen sie unerwähnt. Daß auf letzterem in Sach 3 der Ton liegt, hängt sicher mit der Situation des Heimkehrers aus dem Exil zusammen, in der sich J o s u a befindet und auf die bereits eingegangen worden ist. b) An den Einzelgewändern, ihrer Art und Anzahl hat Sach 3,1—7 anders als die P-Texte kein Interesse. Sie werden nur zusammenfassend als ГПХ^Пй 2 6 bezeichnet. Das einzige vergleichbare Kleidungsstück ist die Kopfbedeckung: ^JX (V.5), der K o p f b u n d , bei P 2 7 als ЛВЗХН, also nicht gleich, wenn auch mit einem Wort derselben Wurzel фХ bezeichnet 2 8 . Dabei handelt es sich, wie Ez 21,31 (ПВЗХП), J e s 62,3, auch Sir 11,5; 4 0 , 4 ; 47,6 (fpX) zeigen, um ein Teil der königlichen Kleidung 2 9 . Da Sach 3, 1—7 nur den rpJX als einzelnes Kleidungsstück nennt und damit hervorhebt, scheint hier in diesem aus dem Königsornat übernommenen Stück das eigentliche Würdezeichen des Hohenpriesters gesehen zu werden 3 0 . Wenigstens kurz muß in diesem Zusammenhang auf den im jetzigen Text des Sacharja-Buches der Vision 3,1—7 angefügten Abschnitt 3,8—10 hingewiesen werden, weil in V.9 höchstwahrscheinlich mit dem dort erwähnten Stein ein weiteres Einzelstück des hohenpriesterlichen Ornats genannt wird: „der Edelstein in dem (sis benannten) Stirnornament des Hohenpriesters (Ex 2 8 , 2 6 f f ) " 3 1 , das am K o p f b u n d (ЛЭЗХТЭ) des Hohenpriesters befestigt ist (Ex 2 8 , 3 6 f ) und ursprünglich ebenfalls ein Teil des königlichen Ornats w a r 3 2 . Galling meint sogar in d e m Stein von 4 , 1 0 entgegen der sonstigen Deutung dieses S t e i n s 3 3 eiG B : „köstliche K l e i d e r " ; im Alten Testament k o m m t dieser Ausdruck nur noch in J e s 3,22 vor. 2 7 Ex 2 8 , 4 . 3 7 . 3 9 ; 2 9 , 6 ; 3 9 , 2 8 . 3 1 ; Lev 8 , 9 ; 16,4. 2 8 Nach Galling, B R L Sp. 4 3 2 ist über die Form dieser K o p f b e d e c k u n g nichts bekannt. 2 9 Vgl. M. Noth, A m t und Berufung im Alten Testament ( 1 9 5 8 ) : Ges. S t u d i e n , T h B 6, 2 . A . 1 9 6 0 , S. 3 1 7 ; R . d e V a u x , Das A T und seine Lebensordnungen Bd. II, 2. A. 1966, S. 2 4 1 . 3 0 Nach Ez 2 1 , 3 1 ist er ein so wesentlicher Teil des königlichen Ornats, daß seine Entfernung den Verlust des königlichen Amtes und der königlichen Macht bedeutet! 3 1 K. Galling, Serubbabel und der Hohepriester beim Wiederaufbau des Tempels in J e r u s a l e m ( 1 9 6 1 ) , Studien zur Geschichte Israels ..., 1 9 6 4 , S. 147; so u.a. auch Rignell S. 132, Elliger, Horst z.St., vgl. a. Sellin z.St. — anders neuerdings wieder Beuken, der im Anschluß an A. Petitjean, L a Mission de Zorobabel et la Reconstruction du Temple. Zach. 111,8-10: E T h L 4 2 , 1966, S. 4 0 - 7 1 , den Stein in 3,9 als Grundstein des Tempels versteht (S. 2 8 4 - 2 8 9 ) . 3 2 Noth, A m t und Berufung ..., a.a.O., S . 3 1 7 ; ders., E x o d u s , A T D , S . 184. 3 3 Vgl. die Übersicht bei Ch. J e r e m i a s , a.a.O., S. 114, A n m . l . 26

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nen weiteren Bestandteil der hohenpriesterlichen Amtstracht, die Steine Urim und Tummim, erkennen zu k ö n n e n 3 4 .

Gemeinsamkeiten mit Ρ sind also ohne Zweifel zu konstatieren. Die Frage, worauf die genannten Unterschiede zurückzuführen sind, ist nicht sicher zu beantworten: Es kann an der besonderen Ausrichtung von Sach 3,1—7 liegen, für die Einzelheiten der Tracht keine Rollen spielen. Vielleicht hat sich zur Zeit von Sach 3,1—7 auch der hohepriesterliche Ornat in seinen Besonderheiten noch nicht bis ins einzelne herausgebildet. Es kann aber auch sein, daß der Kopfbund herausgehoben wird, weil er das eigentlich neue Stück des Ornats ist, das, jetzt vom königlichen Ornat übernommen, zum besonderen Würdezeichen des Hohenpriesters wird und neben dem die anderen Teile der hohenpriesterlichen Kleidung deswegen nicht einzeln genannt werden, weil es sich um die übliche priesterliche Tracht handelt, die summarisch mit einem Begriff (msVn») zusammengefaßt werden kann 3 5 . Bei dieser Investitur Josuas handelt es sich aber offensichtlich nicht um die erstmalige Einsetzung in das Amt des Hohenpriesters. Denn Josua wird bereits in V.l ganz selbstverständlich mit diesem Titel vorgestellt 3 6 . Wenn das so ist, dann kann nur an eine Bestätigung des Hohenpriesteramtes gedacht sein, die nun von Jahwe her geschieht. In ihr wird durch die Beseitigung von Unreinheit und ps?, die mit der letzten Geschichtsphase verbunden waren, auch darin Jahwes Zukehr zu Jerusalem (vgl. 1,16) nach dem Exil deutlich gemacht, daß es in dem neuen Tempel einen von J a h w e bestätigten Hohenpriester geben wird 3 7 . 34

Serubbabel und der Hohepriester ..., a.a.O., S. 143—146. Zu diesem Vorgang des Kleiderwechsels sei nur am Rande hingewiesen auf einen ähnlichen Vorgang, von dem der babylonische Adapa-Mythus erzählt (B, 14ff, s. АОТ г S. 1 4 4 f , ANET 2 S. l O l f ) und auf den im Zusammenhang mit Sach 3 schon mehrfach aufmerksam gemacht worden ist (dazu s. Rignell S. 107f). 36 Zu vgl. sind auch die Erwähnungen dieses Titels im Haggai-Buch (1,1.12.14; 2,2.4), sofern diese nicht alle einer späteren Redaktion zuzuschreiben sind (so etwa Beuken, a.a.O., S. 3 0 9 f ) . — Nicht so sicher ist, ob man die Bemerkung über den reinen Kopfbund auch so verstehen kann, daß er schon einen Kopfbund trug (so Mitchell, z.St.), dieser aber wie die übrigen Kleider schmutzig, also unrein war, d . h . daß er schon hohepriesterlichen Ornat, wenn auch unrein gewordenen, trug. 37 Daß diese Neueinsetzung mit einer bedingten Zusage (V. 7) verbunden ist, erinnert von ferne an eine der Konfessionen Jeremias: Nach Jer 15,19 darf Jeremia unter bestimmten Bedingungen, nachdem er sich zuvor über die Leiden und Anfeindungen seines Amtes bei J a h w e beschwert hatte, wieder vor Jahwe stehen 35

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Das abschließende Wort an Josua in V. 7 bietet nicht wenige Schwierigkeiten. Die sehr knappe und z.T. auch ungewöhnliche Formulierung erschwert vielfach das Verständnis im einzelnen oder läßt sichere Lösungen nicht zu. Ein Problem ist bereits die Abgrenzung zwischen Vorder- und Nachsatz innerhalb des Bedingungssatzes. Sicher ist, daß V. 7 b zum Nachsatz gehört. Umstritten ist, ob dieser bereits mit V. 7aj3 einsetzt. Dafür könnte sprechen, daß nach zwei jeweils mit DX eingeleiteten Vordersätzen in V. 7aa durch das betonte ППН am Beginn zweier jeweils mit Dil eingeführter Teilsätze eine Zäsur markiert wird, die den Anfang des Nachsatzes anzuzeigen scheint 38 . Dagegen werden grammatische, sprachliche und auch inhaltliche Argumente geltend gemacht, zugunsten der Ansicht, daß der Nachsatz mit V . 7 b beginnt 3 9 . Bei der mangelnden Eindeutigkeit grammatischer und sprachlicher Argumente erscheint es noch am aussichtsreichsten, dem auffallenden und ohne sprachliche Notwendigkeit in V. 7aj3 stehenden Personalpronomen ЛПХ nachzugehen. Freilich kann ein solches zum Verb hinzugefügtes selbständiges Personalpronomen auch „ohne besonderen Nachdruck" stehen 40 .

(IDVn ЧВ1?, vgl. Sach 3,7b) und wieder Jahwes Prophet sein, also sein bisheriges A m t behalten. 38 Für den Beginn des Nachsatzes an dieser Stelle entscheiden sich z.B. Wellhausen, Marti, Mitchell (entgegengesetzt äußert er sich S. 160!), Nowack, Sellin, Elliger z.St.; W. W. Baudissin, Die Geschichte des alttestamentlichen Priesterthums, 1889, S. 253; Rothstein, S. 101; H. Schmidt, Das 4. Nachtgesicht des Propheten Scharja: Z A W 54, 1936, S. 49; P. R. Ackroyd, Exile and Restoration, 1968, S. 186f. 39 So Beuken, a.a.O., S. 2 9 1 - 2 9 3 , der an Rignell, S. 119 anschließt, aber umfassender argumentiert, sich außerdem auf die Grammatik Joüons stützt. Auch v. Orelli, Horst vertreten diese Lösung. — Wenn Beuken, a.a.O., S. 292 zu ПГЖ sagt: „Joüon nennt unseren Vers als ein Beispiel dafür, daß das pronomen separatum einen neuen Aspekt desselben Subjekts einführen kann", und wenn er zu DV1 hinzufügt, daß Joüon „Dil als eine Beifügungspartikel ansieht", daß Dil hier also eine „spezifizierende Funktion" hat und die dadurch eingeleiteten Teilsätze eine „nähere Umschreibung" des zweiten' DK -Satzes geben, so ist damit kein letztlich zwingender Beweis geführt (Beuken spricht selbst auch von einer grammatischen Möglichkeit — vgl. das eben angeführte Zitat —, die er allerdings an dieser Stelle für zutreffend ansieht): Für die Verknüpfung von DU mit einem Personalpronomen, speziell für · , ]Κ~0ΪΊ, findet sich bei H. W. Wolff, Joel und Amos, S. 251 und W. Zimmerli, Ezechiel, S. 340 eine Reihe weiterer Beispiele; in ihnen hat aber diese Verknüpfung keinen spezifizierenden Charakter, sondern markiert einen Neueinsatz (meist ist eine Androhung gegen eine Anklage gesetzt), ist allerdings meist mit Subjektswechsel verbunden. Besonders interessant sind Ez 20,15.23 (etwas anders auch V.25): hier liegt gegenüber dem Vorangehenden kein Subjcktwechsel — also so wie Sach 3,7a — und trotzdem ein Neueinsatz vor, Dil hat also keine „spezifizierende Funktion" (allerdings handelt es sich bei diesem Beispiel um keinen Bedingungssatz). 40

Brockelmann § 34b.

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Wenn sich v o m Inhalt des V. 7 wahrscheinlich machen ließe — trotz aller Schwierigkeiten, die sich hier ergeben —, daß V. 7aß neue A u f gaben des Hohenpriesters, verglichen mit den Priesteraufgaben in vorexilischer Zeit, nennt, ergäben sich daraus neue Gesichtspunkte für die betonende Funktion des П1Ж und für den Einsatz des Nachsatzes an dieser Stelle. Diese Problematik ist mit zu bedenken bei der Frage nach Verbindungslinien zur Überlieferung. Der Gottesspruch V.7 beginnt nach der B o t e n f o r m e l mit 2 parallelen OK -Sätzen. Der erste von ihnen — "jVn ' O T I S ' D X — nimmt eine in der dt.-dtr. T h e o l o g i e sehr verbreitete Wendung a u f 4 1 . Da diese A u f f o r d e r u n g im Zusammenhang mit seiner Neuinvestitur an Josua ergeht, ist zu fragen, ob hier ein „ A n s p o r n zu jahwegetreuem Handeln im weitesten S i n n " 4 2 gemeint ist oder ob daneben auch mit gemeint sind spezielle Anforderungen an den Hohenpriester etwa entsprechend den in Lev 21, E z 4 4 , 1 7 f f formulierten Priesteranweisungen. Die knappe Formulierung läßt nicht mehr als diese Erwägung zu. Die im zweiten mit DN eingeleiteten Satz — Чй!ГП ТЛав?а~ЛК ПЮ — begegnende Wendung m a t f a "IBP kann einmal ganz allgemein bedeuten einen Dienst, eine Obliegenheit wahrnehmen 4 3 . Sie kann aber auch als Terminus technicus, der sich besonders häufig in Ρ findet, den Priesterdienst bezeichnen 4 4 . Zu Sach 3,7 lassen sich für beide Bedeutungen Argumente nennen: Für das allgemeinere Verständnis könnte, da o f f e n b a r ein Parallelismus membrorum vorliegt, der Sinn des parallelen ersten DK-Satzes sprechen 4 5 . Gegen diese allgemeine und für die spezielle Fassung spricht der inhaltliche Zusammenhang: Das Wort ist an den Hohenpriester im Zusammenhang mit seiner Bestätigung durch Jahwe gerichtet. A u c h die Erwägung spricht dafür, daß in dem kurzen G o t t e s w o r t V . 7 , das als Abschluß der Vision an betonter Stelle steht, wohl nicht zweimal sachlich Gleiches nur in verschiedenen Formulierungen gebracht wird. Leider verhindert auch hier die Knappheit des T e x t e s eine

Z . B . Dtn 5,33; 8,6; 10,12; 11,22; 13,6; 19,9; 26,17; 28,9; 30,16; Jos 22,5; l . K ö n 2,3; 3,14; 8,58; 11,33.38.

41

Beuken, a.a.O., S. 292. V g l . K B L ; z.B. Gen 26,5; D t n 11,1. 4 4 Z . B . N u m 3,28; 18,5. 4 5 A n der durch ihre weitgehende Ähnlichkeit auffallenden Stelle l . K ö n 2,3 — dieselben Wendungen wie in Sach 3,7aα stehen auch hier in enger Verbindung: Г Э П П ПЭ1?1? " I ^ V n n w Л 1 П Й Т Х m n t t f t - hat m » # a "latf. zweifellos diesen Sinn. 42

43

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

letzte Gewißheit, wie sie eine nähere Bestimmung (etwa o.ä.) 4 6 ermöglicht hätte.

ГРЗП

matfa

Auch in V. 7 aß folgen zwei im Parallelismus stehende Sätze: •ПХП-ПК natfn Dil ντα-πχ p n ллх-ап. Die beiden wesentlichen Worte des ersten Satzes p und ГРЗ, werfen in ihrer Verbindung und in diesem Kontext nicht geringe Probleme auf. a) ГГЗ wird von den meisten als Haus - Tempel verstanden. Es wird aber auch die Deutung auf das Volk Israel, die Kultgemeinde vertreten 47 . Gegen die zuletzt genannte Deutung sprechen 1. der Sprachgebrauch des Sacharja-Buches, in dem ГГЭ ohne nähere Bestimmung nie das Volk bezeichnet 48 ; 2. der Parallelismus mit ΉΧΠ49: Von den ΟΉΧΠ wäre sonst merkwürdig isoliert die Rede, vom Tempelbereich wären nur die Vorhöfe erwähnt, sie bilden aber zusammen mit dem Tempelgebäude den gesamten Tempelbereich; 3. der Kontext: Da Josua gerade als Hoherpriester bestätigt ist, ist das Nächstliegende, daß der Tempel in diesem Zusammenhang erwähnt wird, ГРЗ also in diesem Sinn zu verstehen ist. b) Mit diesem — wie es scheint: klaren — Ergebnis kommt man in Schwierigkeiten, wenn man das Verb p , dem ГРЗ als Objekt verbunden ist, in die Betrachtung einbezieht. Nach KBL 3 hat p die Bedeutungen 1. jemand Recht schaffen (hier wird Sach 3,7 genannt), 2. rechten mit, 3. Gericht halten. Die Schwierigkeit von Sach 3,7 liegt darin, daß p sonst immer als Objekt Personen, -gruppen (Volk, Völker) bei sich hat 50 . Rignell kommt zu seiner bereits genannten Interpretation, weil Л , э hier ein direktes Objekt darstellt und keine Präposition bei sich hat (wodurch es dann als Ortsangabe ohne Schwierigkeit mit p zu verbinden wäre — dieses scheint Rignell damit sagen zu wollen). Es stehen also gegeneinander der Sprachgebrauch von ГГЗ im Sacharja-Buch und Bedeutung und Sprachgebrauch von ρ im übrigen AlV g l . z . B . Ez 4 0 , 4 5 ; 4 4 , 1 4 f . So Baudissin, Die Geschichte des alttestamentlichen Priesterthums, 1889, S. 253; Rignell, S. 120, HitzigS, Hitzig-Steiner z.St. 4 8 a) Haus: 5,4 ( 3 m a l ) ; 6,10. b ) T e m p e l : 1,16; 4,9; 5,11 (für das Epha, die „ G o t t l o s i g k e i t " ) ; 7,3; 8,9 (wahrsch. sek.). c ) „ H a u s I s r a e l " u n d / b z w . „ H a u s J u d a " : 8,13.15.19. 4 9 Gegen Baudissin, Priesterthum S. 253, A n m . 50 Auch das Ps 9,9 (s.a. 7 , 9 ) ; Spr 31,9; J e r 5,28 (s.a. 2 2 , 1 5 f ) parallel zu p stehende V e r b ÜStf ist n i r g e n d w o mit einem O b j e k t verbunden, das d e m ΓΡ3 v o n Sach 3,7 ähnlich ist. 46

47

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7

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ten Testament. Auf Grund der genannten Schwierigkeiten wird in der Auslegung dieses Satzes meist entweder ГРЭ oder ]Ή nicht im strengen Sinn gefaßt. Die Interpretation von ΓΡ3 als Israel wurde schon genannt und besprochen. Versteht man |Ή als „verwalten, regieren" o.a. 5 1 , so erhält I м ! eine Färbung, die es sonst in seinem Sinn nicht zu haben scheint. Von „Tempelgerichtsbarkeit" spricht v. R a d 5 2 ; ГГЗ und wären dabei im strengen Sinn verstanden. Die Frage ist nur, ob wir von diesem Phänomen sonst etwas wissen. Hier entsprechend Dtn 17,9; Ez 44,24 eine Funktion des Hohenpriesters im Gerichtswesen zu erkennen, dagegen sprechen Formulierung und auch Kontext. Erwägenswert scheint es, zu übersetzen „meinem Hause Recht schaff e n " und diese Worte in dem Sinn zu verstehen, daß es um Ordnungen, Regeln geht, die das Leben im Tempel bestimmen 5 3 , deren Einhaltung zu überwachen und denen gegebenenfalls Geltung zu verschaffen ist. Damit wäre man nicht weit entfernt von Horsts Deutung, der übersetzt: „wenn du meines Hauses Rechte wahrnimmst". So verstanden, ergeben diese Worte einen guten Sinn im Kontext als paralleles Glied zur folgenden Aussage Ή Β Π Τ Ν Ί?3Β?η Dil. Aber auch hier verwehrt die knappe und allgemeine Formulierung eine völlig gesicherte Entscheidung. Der parallele, mit Ш eingeleitete Satz bietet nicht derartige Schwierigkeiten. Da von Vorhöfen die Rede ist, hat dieser Satz offensichtlich die beiden Vorhöfe vor Augen, die für den vorexilischen Tempel in der Zeit Manasses und Josias (2. Kön 21,5; 23,12) bezeugt sind, die auch in Ezechiels Vision K. 8f erscheinen und die Neh 8, 16; 13,7 (MT) dann auch für den nachexilischen Tempel bezeugen. Ob sie nach verschiedenen Graden der Heiligkeit differenziert sind und deshalb nicht jede Personengruppe Zutritt zum Innenhof h a t 5 4 , darüber sagt der Text nichts. Diese Vorhöfe soll Josua „hüten, bewachen" (lütt?). Da hier nicht mehr gesagt wird, diese Wendung auch sonst im Alten Testament nicht wieder begegnet, kann man nur 51 So z.B. Wellhausen, Marti (KHC und HSAT) z.St., Rothstein, S. 101, Nowack, Sellin, Mitchell, Elliger z.St., P. R. Ackroyd, Exile and Restoration, 1 9 6 8 , S. 186f, Beuken, a.a.O., S. 2 9 2 f . 52 ThAT II, 5. Α., S. 298. 53 Vgl. z.B. Ez 4 3 , 1 1 „alle es (das Tempelhaus) betreffenden Weisungen und Satzungen" (c.t.), ebenso 4 4 , 5 , vgl. a. 4 4 , 2 4 . 54 Vgl. Ez 8,14f: Möglicherweise ist der Innenhof in spätvorexilischer Zeit den Frauen verboten (s. W. Zimmerli, Ezechiel z.St.); Ez 4 4 , 1 7 — 19: Der Innenhof ist nur den Priestern zugänglich; dagegen scheint nach Neh 8 , 1 6 am Laubhüttenfest das Volk beide Vorhöfe betreten zu dürfen.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

Vermutungen über das hier Gemeinte anstellen. Möglicherweise ist daran gedacht, daß J o s u a darauf zu achten hat, daß solche Unordnung wie etwa das Aufstellen von Altären für den Gestirndienst in den Vorhöfen durch Manasse (2. K ö n 21,5) oder die in Ez 8 , 1 0 f f geschilderten Versündigungsszenen 5 5 nicht vorkommen, oder daß er — als viel alltäglichere Aufgabe — etwa darüber zu wachen hat, daß bei den Festen und Begehungen die Teilnehmer sich den Ordnungen entsprechend verhalten. D a der innere Vorhof auch der Ort des Brandopferaltars i s t 5 6 , mag auch die Aufsicht über das Opferwesen in den Vorhöfen mit gemeint s e i n 5 7 . J o s u a hätte also so etwas wie die „Verwaltungshoheit" 5 8 über diesen Bereich inne, die früher zum Teil dem König z u k a m 5 9 . Wenn die Interpretation von V. 7a/? in etwa zutrifft, ginge es um die obersten Befugnisse im neuen Tempel in Kultus und Verwaltung. Da hier nichts von Rechten und Aufgaben eines (zukünftigen) Königs in diesen Bereichen gesagt wird, wie dieser sie in vorexilischer Zeit hatte, da der Tempel rechtlich ein königliches Heiligtum, ein Staatsheiligtum w a r 6 0 , sieht es so aus, daß mit den in V.7aß genannten Aufgaben zusätzlich zu den Aufgaben, die der oberste Priester des Tempels auch in königlicher Zeit gehabt haben wird, Pflichten und Rechte des Königs auf den Hohenpriester übergegangen sind. Wenn das so ist, hat das ЛЛХ zu Anfang von V.7aj3 betonenden Charakter, und es dürfte dort die Übertragung weitgehend neuer Aufgaben gemeint sein und mithin sinnvollerweise an dieser Stelle der Nachsatz einsetzen. In V. 7 ist damit folgender inhaltlicher A u f b a u zu erkennen: Auf Grund bestimmter Bedingungen (V. 7 a a ) b e k o m m t J o s u a als Hoher5 5 V. 10—12: die Ältesten Israels räuchern im äußeren Vorhof vor Bildern von Tierwesen; V. 14f: Frauen verehren am Nordtor zum Innenhof den T a m m u z ; V. 16: Sonnenanbetung im inneren Vorhof. 5 6 2. K ö n 16,14; Ez 8 , 1 6 ; 4 0 , 4 7 ; 4 3 , 1 3 f f . 5 7 Vgl. die Äußerung Ez 4 6 , 2 1 f f über das Mahlopfer des Volkes im äußeren Vorhof. 5 8 Horst z.St. 5 9 Vgl. 2. K ö n 2 3 , 1 2 , dazu 21,5. 6 0 S. z . B . die Verwaltungsverordnung des J o a s 2. K ö n 1 2 , 5 f f , deren Einhaltung auch J o s i a noch überwacht, 2 . K ö n 22,3 — 7; auf 2. K ö n 2 3 , 1 2 , die Beseitigung der Altäre des Manasse durch J o s i a , wurde schon hingewiesen; nach 2. K ö n 16, 10—18 veranlaßt Ahas Änderungen im Heiligtum und K u l t ; vgl. überhaupt die Übernahme von Elementen aus Fremdkulten auf Grund politischer Gegebenheiten. Zum ganzen vgl. de V a u x , Das Alte Testament und seine Lebensordnungen Bd. I, 2. A. 1964, S. 184ff, II, 2. A. 1 9 6 6 , S. 146f. Auch der JCiM von Ez 4 0 - 4 8 hat noch — wenn auch reduzierte — Rechte und Aufgaben.

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priester besondere Befugnisse und Rechte im und über den neuen Tempel zugesprochen (V.7aj3), woran sich mit V. 7b eine weit darüber hinausgehende Zusage Jahwes anschließt 61 . Auch diese Zusage in V. 7 b bietet in dem Wort D'oVna ein viel erörtertes Problem. Meistens wird hier die Vokalisation in Q^V^iD geändert und das Wort mit „Zutritt" übersetzt 6 2 . Folgt man dieser Lösung, dann stellt sich als weitere Frage die, zu wem J o s u a Zutritt gewährt wird. Daß das priesterliche „Vor-Jahwe-Treten" gemeint ist, ist sehr unwahrscheinlich, da der dafür gebrauchte Terminus technicus 31p 63 hier fehlt, da zudem nichts von einem kultischen Bezug zu erkennen ist. Auch von einem Zutritt zum Allerheiligsten (wie in Lev 16,2.17a) ist nicht die Rede. Vielmehr weisen die den Begriff OObn» ergänzenden Worte nVxn ПИгэУЛ рэ zurück auf die in V.4 genannten vor dem Engel Jahwes „stehenden" himmlischen Wesen. Da hier eine himmlische Versammlung geschildert wird 6 4 , dürfte der Zutritt zu diesen himmlischen Wesen und dann doch wohl mit ihnen, dem himmlischen Hofstaat, zusammen zu Jahwe gemeint sein. (Daß Jahwe dabei nicht genannt wird, hängt sicher mit der Distanz zusammen, die sich in dieser und auch in den anderen Visionen des Sacharja-Buches Jahwe gegenüber zeigt.) Offenbar ist an kein einmaliges Ereignis, sondern an eine ständige Einrichtung gedacht. Über den Sinn dieses Zugangs wird nichts gesagt. Zu einer Antwort auf diese Frage verhilft Sach4,14. Dort findet sich eine ähnliche Aussage, wenn auch in anderer Formulierung: J o s u a und mit ihm SerubAuch darin könnte sich zeigen, wie zunächst mit dem Königtum Verbundenes auf den Hohenpriester übertragen wird. So sieht W. H. Schmidt (Kritik am Königtum, in: Probleme biblischer Theologie, Festschr. v. R a d , 1971, S. 4 4 0 — 4 6 1 , hier 4 4 7 f ) „Verpflichtungen, denen der König unterworfen w a r " (nämlich die schon im Psalter, bes. aber im deuteronomistischen Geschichtswerk erkennbare Bindung der dem König geltenden Verheißung an dessen Gehorsam), auf den Hohenpriester übertragen, wenn nach Sach 3,7 J o s u a s Sonderstellung an von ihm zu erfüllende Voraussetzungen geknüpft wird. 6 2 Dazu ist die neueste ausführliche Erörterung und Übersicht über die neueren Vorschläge in der Literatur zu dieser Frage bei Beuken, a.a.O., S. 293—296 zu vgl., der allerdings von der oben genannten Lösung abweicht: er versteht als „Männer, die g e h e n " , d . h . „ J o s u a erhält die Verfügung über Gestalten, die Zugang zu J a h w e s Hof h a b e n " und „für ihn den K o n t a k t mit J a h we unterhalten" ( S . 2 9 5 f ) . Der Versuch, die sprachlichen Schwierigkeiten zu lösen, führt hier zu einer Erklärung, die inhaltlich viel zu kompliziert ist, als daß sie überzeugen könnte. 6 3 Z . B . Lev 2 1 , 1 7 f ; Num 17,5; Ez 4 4 , 1 5 f . 6 4 Zu diesem Motiv s.o. S. 117ff, wo auch bereits auf 3 , l f f eingegangen worden ist. 61

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

babel 65 stehen vor dem „Herrn der ganzen Erde" 6 6 , haben also offenbar Zutritt zu ihm, stehen „,zur Seite des Herrn' in Bereitschaft zum Dienste, wie die Minister neben dem auf dem Thron sitzenden König stehen, seiner Befehle gewärtig" 67 . Es scheint also das, was in 4,14 beiden, Josua und Serubbabel, gilt — sieht man von dem Aussagegehalt der Formulierung "ΙΓΠΤΙ 43 ab —, hier nur von Josua ausgesagt zu sein. Zur schärferen Erfassung dieses Sachverhalts in seiner Bedeutung verhilft ein Blick auf Jer 30,21. Hier heißt es über den kommenden Gesalbten: „Sein Herrscher wird aus ihm (sc. Jakob, s. V. 18) hervorgehen, ihn will ich mir nahen lassen, daß er vor mich trete; denn wer wagte sonst sein Leben daran, mir zu nahen?" 6 8 Auch Jes 9,5, wo T^V N^D als einer der Thronnamen des Davididen erscheint, ist heranzuziehen. Dort geht es in Anlehnung an ein „höfisches Privileg" 69 um das Vorrecht des Gesalbten, daß dieser Zutritt zu Gott, Zugang zu dessen Beratungen hat. Es ist ganz offenbar dieses Vorrecht, das nach Sach 4,14 der von Sacharja als künftiger König erwartete Davidide Serubbabel ebenso wie die Salbung 7 0 mit dem Priester teilt und das nach 3,7b ganz auf den Priester übergeht. Es liegt dann nahe zu vermuten, daß V. 7 b mit seiner Aussage auf der Linie der Bearbeitung von 6,9ff liegt, die dort offensichtlich das ursprüngliche Nebeneinander von Serubbabel und Josua durch Tilgung der Erwähnung Serubbabels zugunsten Josuas geändert hat. Es scheint also auch hier in V. 7 b eine Übertragung von Vorstellungen, die bisher an den König gebunden waren, auf den Hohenpriester zu erkennen zu sein 71 . Dazu fügt sich gut, daß in dem diesem Gottesspruch vorangehenden Investiturakt mit dem η 4 ^ ein Stück des königlichen Ornats zur Amtstracht des Hohenpriesters geworden ist.

Auch wenn ihre Namen nicht genannt werden, sondern nur von den "Ί3 Ч© "IHST! die Rede ist, sind sie sicher gemeint. Dazu s. Ch. J e r e m i a s , a.a.O., S. 9 2 , bes. А п ш . 1. 6 6 Zu dieser Bezeichnung s.o. S. 121. 6 7 Rothstein, S. 127, Anm. 1. — Anders versteht L. Rost (Bemerkungen zu Sacharja 4: ZAW 63, 1951, S. 2 1 9 f ) 4 , 1 4 b : Der Dienst der beiden „Öls ö h n e " sei der Kult. 6 8 Übersetzung nach v. R a d . T h A T I I , 5. Α., S . 2 2 7 , der dazu zu vergleichen ist. 69 v. Rad, a.a'.O.', S. 2 2 7 ; er verweist dazu auf 2. Sam 15,5, Dan 7 , 1 3 b , ganz am Rande —nur unter Nennung der Stellenangabe — auch auf Sach 3 , 7 b . 7 0 Dazu s. Ch. J e r e m i a s , a.a.O., S . 9 6 f , 121. Hinzuweisen ist auch auf das Nebeneinander von Herrscher und Priester im ursprünglichen T e x t von Sach 6 , 9 f f ; dazu s. Ch. J e r e m i a s , a.a.O., S. 9 4 f , A n m . 2 , 120f. 7 1 Dazu vgl. M . N o t h , A m t und Berufung ..., a.a.O., S . 3 1 6 f f . 65

Das (4.) Nachtgesicht 3,1 — 7

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Wenn dieses Verständnis von V. 7 b zutrifft, ist es begreiflich, daß hier — wie oben festgestellt — nicht vorn Allerheiligsten, überhaupt von kultischen Dingen die Rede ist. Aus dieser Sicht könnten sich dann aber auch Hinweise, Konsequenzen für die zeitliche Ansetzung dieser Vision 3,1—7 ergeben (s. unten). Überblickt man die Verbindungslinien, die sich bei der vorangegangenen Untersuchung des Textes gezeigt haben, dann fällt auf, daß nichts von einem Einfluß der Überlegungen und Planungen über den neuen Tempel und seine Ordnungen, wie sie sich in Ez 40—48 niedergeschlagen haben, auf Sach 3,1—7, einen Text also aus der Zeit des Neuanfangs im Land, in der das Wiedererstehen des Tempels Wirklichkeit wird, zu erkennen ist. Diese Tatsache ist auffallend, auch wenn man sich die knappe Formulierung — besonders des hier vor allem in Frage kommenden V. 7 —, die für ein großes Programm keinen Raum läßt, und die Ausrichtung auf ein bestimmtes Problem vor Augen hält. Die bauliche Anlage des neuen Tempels spielt weder in großen Zügen noch in Einzelheiten eine Rolle. Nichts wird über die Opfer gesagt 7 2 . Daß keine Angaben über das Verhältnis des Davididen bzw. eines iTiPJ zu den Priestern im gottesdienstlichen Bereich und über dessen Rolle im Kult gemacht werden, obwohl Sacharja wie auch Haggai in Serubbabel eine bestimmte Person vor Augen haben, von der sie zudem den Bau des Tempels erwarten, läßt sich wahrscheinlich von der zeitlichen Ansetzung der Vision her erklären (dazu s. unten). Wenn zu erwägen ist, ob die in E z 4 4 zum Ausdruck kommende „starke Spannung zwischen (levitischen) Zadokiden und Leviten in die ausgehende Exilszeit, in der das Priestertum in Jerusalem neu konstituiert werden muß", führt, da „der Kampf der verschiedenen Gruppen ... ja auch unmittelbar vor dem Neubeginn des Kultes, wo Entscheidungen anstehen, am härstesten aufbrechen" mußte 7 3 , und wenn ferner zu fragen ist, ob in diesen zeitlichen Zusammenhang auch die eine schärfere Differenzierung der Heiligkeitsgrade im Tempelbereich aussprechenden Texte aus Ez40—48 gehör e n 7 4 , so ist es besonders auffallend, daß nichts von alledem in Sach 3,1—7 zu bemerken ist, nicht einmal in der Form eines Hinweises darauf, daß Josua Zadokide ist. Es fehlen aber nicht allein jegliche Beziehungen, sondern es ist sogar ein deutlicher Gegensatz festzustel72

Sie werden wohl in V. 7a mit im Blick sein; aber die Allgemeinheit der Formulierung läßt auch dieses nicht mit letzter Sicherheit sagen. 73 W. Zimmerli, Ezechiel, S. 1248f; vorher, auf S. 1139, wird Ez 4 4 , 6 - 3 1 in die „nachexilische Zeit" verwiesen. 74 Ebda. S. 1249.

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

len: Wenn nach Sach 3 der Hohepriester Josua, ein Zadokide 75 , von p» befreit werden muß, so ist das gänzlich unvereinbar mit den Vorstellungen, die E z 4 4 über die Zadokiden äußert: Diese werden nachdrücklich herausgestellt als die, die sich, „als Israel in die Irre ging" (V.10, s. auch V.15), nichts haben zuschulden kommen lassen; vielmehr haben sie sich bewährt, wofür sie dann besondere Rechte erhalten (V.15f) — ganz im Unterschied zu den Leviten, die J1V auf sich luden (V.9—14, besonders V.10.12) und deshalb zur Strafe niedere Dienste zugewiesen bekommen. Die Frage ist, ob sich Gründe dafür erkennen lassen, daß sich in Sach 3 keinerlei Beziehungen zu Ez 40ff, darunter besonders zu K. 44, finden. Daß zur Zeit dieser Vision die Spannungen zwischen Zadokiden und Leviten schon keine Rolle mehr spielen, dagegen sprechen Notizen wie Esr 2,36—40 76 und für die Zeit Esras Esr 8,15 ff. Aber auch wenn sich in der Praxis die Zadokiden schon durchgesetzt haben sollten, wäre es merkwürdig, daß keinerlei Anklang an die Kämpfe und Spannungen der jüngsten Zeit, die zudem fortdauerten (s. Esr 8,15ff), erinnert und keine Erwähnung der (zadokidischen) Herk u n f t Josuas geschieht 7 7 . Auch gegen die Vermutung, die fehlende Bezugnahme in Sach 3 auf Ez 44 könnte ihren Grund darin haben, daß es seine Zeit dauerte, bis Überlegungen der babylonischen Exulanten in Jerusalem bekannt wurden, erheben sich Bedenken: 1. Man müßte dann annehmen, daß Sacharja nicht im Exil war, was keineswegs sicher ist. 2. Aber selbst wenn Sacharja nicht im Exil gewesen sein sollte, ergeben sich Schwierigkeiten; denn die genannte Vermutung verträgt sich auch nicht mit der oben erwähnten Annahme, die Neukonstituierung des Kultus in Jerusalem sei der Hintergrund für Ez 44, da dann ja mit einer gewissen Kommunikation zwischen den Exilierten und Jerusalem gerechnet wird. 3. Ferner: Wenn die Spannungen zwischen Zadokiden und Leviten sich in einer Zurückhaltung der Leviten bei der Rückwanderung aus dem Exil auswirken (s. Esr 2,36—40, auch 8,15ff), dann ist es schwer vorstellbar, daß die Gedankengänge und Ansichten, wie sie in Ez 44 Ausdruck gewinnen, denen unbekannt bleiben, die deren Auswirkungen vor Augen haben. Der Schluß, E z 4 4 stamme erst aus späterer Zeit und sei deshalb Sacharja unbekannt, verbietet sich wohl aus verschiedenen Gründen (z.B. ist von einem Hohenpriester in

75

Vgl. dazu R. de Vaux, Das AT und seine Lebensordnungen, Bd. II, S. 226. Für die Authentizität der Liste Esr 2 und ihre Herkunft aus der Zeit bald nach der Rückkehr aus dem Exil setzen sich ein A. Alt, Die Rolle Samarias bei der Entstehung des J u d e n t u m s (1934): Kl. Schriften II, 2. A. 1959, S. 335 Anm. 1 und K.Galling, Die Liste der aus dem Exil Heimgekehrten, Studien zur Geschichte Israels S. 8 9 - 1 0 8 . 77 Dieses Fehlen jeglicher Anklänge spricht auch gegen die von Rothstein, S. 115ff und Nowack, HK, S. 339 geäußerte Vermutung, daß hinter Sach 3 , 1 - 7 Ez 44 und die damit zusammenhängenden Spannungen und Kämpfe um den Priesterdienst zwischen Leviten und zadokidischen Priestern stehen. 76

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7

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Ez 4 4 noch nicht die Rede; die Zurückhaltung der Leviten bei der Rückkehr aus dem Exil erklärt sich am besten als Reaktion auf Vorstellungen, wie sie Ez 4 4 wiedergibt) 7 8 .

Im Blick auf Ez 44 wie auch auf den Gesamtzusammenhang Ez 40—48 und die fehlende Bezugnahme darauf in Sach 3 bleibt also nur anzunehmen, daß entweder der aus priesterlicher Familie stammende Prophet Sacharja z. Zt. der Entstehung von Sach 3 die Planungen und Überlegungen von Ez 40—48 nicht kennt, so sehr merkwürdig das anmutet, oder daß deswegen jegliche Beziehungen fehlen, weil sich Sach 3,1—7 streng auf ein besonderes Einzelproblem konzentriert: der Hohepriester Josua kann als von Jahwe bestätigt im neuen Tempel sein Amt ausüben. 3. Abschließende

Erwägungen

Auf dem Hintergrund der vorangegangenen Untersuchungen ist zu überlegen, inwieweit sich Näheres zur Erklärung der Eigenart dieser Vision, zu der in ihr vorausgesetzten Situation und zu ihrer zeitlichen Ansetzung sagen läßt. Deutlich ist, daß es um eine ganz bestimmte Person, Josua, und deren hohepriesterliches Amt geht. Es scheint damit ein äußerst drängendes, unmittelbar anstehendes, ganz spezielles Problem angesprochen zu sein. Vielleicht deshalb geht die Vision darauf ohne Verhüllungen und Umschreibungen ein. Als Situation, auf die in 3,1—7 Bezug genommen wird, ist zu erschließen: Der Tempel ist im Bau. Man ist über das Vorstadium (s. Hag 1) und Anfangsstadium (s. Hag 2,3, wohl auch Sach 4,10a) anscheinend hinaus. Der Tempel scheint Gestalt anzunehmen: 3,7a spricht selbstverständlich vom „Haus" und den Vorhöfen. Damit stellt sich dringend die Frage nach dem Priester, der dort wirken soll. (Das Wort 4,14, in dem auch von Josua die Rede ist, gibt darauf keine Antwort.) Das Problem ist offenbar: Wer kann oberster Priester sein, wenn er — wie das ganze Volk — im Status der Unreinheit ist? Wer setzt den Priester gültig ein in einer von der vorexilischen Zeit verschiedenen Situation, in der der Tempel nicht mehr wie damals königliches Heiligtum ist und die Priester dann auch nicht mehr königliche Beamte sind? Wenn das Nachtgesicht 3,1—7 Josua, der als Nachkomme des letzten Jerusalemer Oberpriesters 1 Ansprüche auf dieses Amt er78

Vgl. dazu W. Zimmerli, Ezechiel, S. 1139, 1248. Josua wird Hag 1,1.12.14; 2 , 2 . 4 (Sach 6,11) als Sohn Jozadaks bezeichnet, der nach l . C h r 5 , 4 l f der 587 deportierte Sohn Serajas, des 587 hingerichte1

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

heben wird, als Hohenpriester von Jahwe her bestätigt sieht, wird es auf eine derartige Situation eingehen. Es wird in dieser wichtigen Frage eine klare und unverschlüsselte Antwort geben wollen und in dieser zunächst nur für den Kultus bedeutsamen und von politischen Problemen freien Angelegenheit auch geben können (anders z.B. als das folgende Nachtgesicht). Wo über diese nur auf den Tempel bezogenen Aufgaben und Rechte hinausgegangen wird, in V. 7 b, wird die Aussage dann auch undeutlicher und verhaltener. Bedenkt man dieses, dann scheint die Besonderheit der Vision in Aufbau und Gestalt weitgehend erklärlich. Sie muß auch nicht gegen eine Herkunft dieses Nachtgesichts von Sacharja sprechen (vgl. die Amos-Visionen, von denen 4 weitgehend gleichartig gebaut sind, die 5., 9 , I f f , aber abweichend). Im übrigen ist mit der Erwählung Jerusalems (V. 2) ein Sacharja auch sonst sehr wichtiger Gedanke ausgesprochen 2 . Von der Bestimmung der Situation dieses Nachtgesichts ist es nicht weit zur Frage nach seiner zeitlichen Ansetzung. Zum Datum 1,7 paßt 3,1—7 nicht. Diese Vision wird vielmehr näher an den Termin der Tempelfertigstellung heranzurücken sein 3 . Dafür sprach schon die Situation. Darauf weisen auch die oben zu V.7b angestellten Überlegungen 4 . Sie führen über die bei Vertretern einer Herauslösung von 3,1—7 aus der Reihe der übrigen Nachtgesichte anzutreffende, vage Feststellung, 3,1—7 sei später den anderen Nachtgesichten hinzugefügt w o r d e n 5 , hinaus ein Stück weiter in der relativen chronologischen Ansetzung. Wenn es so ist, wie oben ausgeführt, daß 3,7b nur Josua zusagt und auf ihn allein überträgt, was 4,14 von Josua und Serubbabel aussagt, wenn zudem mit dem Kopfbund ein Stück des königlichen Ornats jetzt dem Hohenpriester zukommt,

ten letzten „ersten Priesters" am Jerusalemer Tempel (2.Kön 25,18.21), war; vgl. dazu etwa de Vaux, Das AT und seine Lebensordnungen, Bd. II, S. 226, Noth, Geschichte Israels, S. 286, Anm. 1. 2 1,17; 2,16, hier allerdings ΤΙ» 1ПЭ. 3 Vgl. jetzt K.-M. Beyse, Serubbabel und die Königserwartungen der Propheten Haggai und Sacharja, 1972, der die „Verkündigung Sacharjas in Kap. 3 im Frühjahr 5 1 5 " ansetzt (S.85), zum „Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Kultus oder kurz davor" (S.47). — Anders K. Galling, Die Exilswende ..., a.a.O., S. 123 (erste Zeit des Bauens). 4 Schon die Tatsache, daß 3,1—7 Josuas Namen deutlich nennt, die folgende Vision 4,Iff die Namen Josuas und Serubbabels aber nicht ausspricht, ist bei ursprünglicher Zusammengehörigkeit beider Visionen schwer zu erklären. 5 Z.B. Elliger, ATD S. 103; Horst, Die Visionsschilderungen ..., S. 195; O.Kaiser, Einleitung S. 215, Anm. 5.

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7

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dann legt sich als Vermutung nahe: 3,1—7 gehört in die Zeit, in der von Serubbabel nicht mehr die Rede ist, in der die auf ihn als den künftigen davidischen König Jahwes gesetzten Hoffnungen offenbar nicht mehr zu halten sind und die Entwicklung bereits einsetzt, die auf den Hohenpriester als die führende Persönlichkeit zu übertragen beginnt, was bisher mit dem König verbunden war. Wann und warum Serubbabel verschwunden ist, läßt sich nicht genau bzw. überhaupt nicht erkennen 6 . Auffallend ist, daß er, dessen Name in besonderer Weise mit dem Tempelbau verbunden war (s. Sach 4,9 (f); auch 6,12f), im Bericht des Esra-Buches über die Fertigstellung und Einweihung des Tempels nicht mehr erwähnt wird (Esr 6,14ff). 7 Dementsprechend läge in Sach 3,1—7 ein wohl von Sacharja stammendes, aber einem späteren Zeitpunkt als die übrigen Visionen zugehöriges Nachtgesicht vor, das dann auch erst nachträglich in den Zyklus der 7 Nachtgesichte eingefügt worden wäre. Exkurs:

Zu Beukens Verständnis von Sach 3,7

Da die neueste Monographie zum Sacharja-Buch (W. Α. M. Beuken, HaggaiSacharja 1—8, 1967) V.7 nicht als ursprünglichen Bestandteil der Vision 3,lff betrachtet, sondern als spätere Interpolation (S. 290—300), muß auf die Hauptargumente, auf die sich diese Beurteilung stützt, noch eingegangen werden. Dieses geschieht am Schluß der Untersuchung von 3,1—7, da so auf diese und ihre Ergebnisse zurückgegriffen werden kann. 1. B. führt an, die Form des „bedingten Segensspruches" ließe an V.7 als „Pointe der Vision" zweifeln, da sie in der Heilsverkündigung der übrigen Nachtgesichte nicht vorkomme, in der es immer um „Gottes gnadenvolle Initiative" gehe, für die menschliches Verhalten nie Vorbedingung sei (S. 290f). Dazu ist zu sagen: a) 3,1—7 unterscheidet sich auch sonst, wie sich gezeigt hat, von den anderen Nachtgesichten. b) Auch in dieser Vision geht es in der Befreiung von Unreinheit und J157, in der Bestätigung des Hohenpriesters durch Jahwe um „Gottes gnadenvolle Initiative, die allem menschlichen Verhalten zuvorkommt" (S. 290f). Erst danach und bezogen auf etwas anderes, nämlich die Ausübung dieses höchsten Priesteramtes mit seinen erweiterten Rechten, folgt der Bedingungssatz. Auch wenn man 6

Eine Übersicht der dazu vertretenen Ansichten gibt K.-M. Beyse, a.a.O., S. 48f, der selbst vermutet (S.49), Serubbabel sei „kurz nach der Vollendung des Tempelbaus, aber noch vor der bald darauf erfolgten Tempelbauweihe, also in den ersten Apriltagen des Jahres 515 gestorben". 7 Galling, Serubbabel und der Hohepriester ..., S. 148 hält es trotzdem für wahrscheinlich, daß Serubbabel an der Tempeleinweihung teilgenommen hat. Aber er meint auch, daß in 4,10 auf die kurz vor der Einweihung durch Serubbabel vorgenommene Investitur Josuas zum Hohenpriester angespielt ist (a.a.O., S. 146)!

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Das inhaltliche Material der Nachtgesichte

wie B. erst in V. 7b den Nachsatz sieht, trifft es nicht zu, „daß Josuas Begnadigung ... hinterher von seinem Lebenswandel abhängig gemacht w i r d " (S. 291). 2. Die Verheißung V. 7 b kann, wenn man sie versteht als Gewährung freien Zugangs für den Hohenpriester zu Jahwes Umgebung, „inhaltlich gesehen, nicht authentischer Bestandteil der Vision" sein, da sie in ihrer „Dynamik" der der übrigen Nachtgesichte („von der himmlischen Szene hin auf die irdische Situation gerichtet") nicht entspricht, sondern diese umkehrt, da dann außerdem Josuas Stellung die Serubbabels weit überträfe (S. 294). a) Auch hier wäre die — ebenfalls in anderen Punkten an 3,1 — 7 zu beobachtende! — Andersartigkeit gegenüber den anderen Visionen Sacharjas kein überzeugendes Argument, zeigt sie doch zunächst nur, daß 3,1 ff aus dem Rahmen der 7 übrigen Nachtgesichte herausfällt, was sich — wie oben gezeigt wurde — gut aus einer anderen Entstehungssituation von 3,1—7 erklären läßt. b) Im übrigen ist auch in dieser Vision die von B. vermißte Dynamik zu erkennen, sofern man nicht allein V. 7 b betrachtet: Dem nachexilischen Israel wird von J a h w e der Hohepriester bestätigt, der neue Tempel wird einen Priester haben. Darauf läuft die visionäre Handlung und ebenso das Gotteswort in seinem 1. Teil zu. Mit V. 7b kommt eine besondere Verheißung noch dazu. c) Die Argumentation, daß Josuas Stellung entsprechend der genannten Interpretation von V . 7 b die Serubbabels übertrifft, ist nur möglich unter der — nicht überzeugenden, hier aber nicht zu besprechenden — Voraussetzung B.s., daß 4,14 als Nachinterpretation der Vision 4,1 ff zu betrachten ist. 3. Aber auch so, wie er V.7 versteht, paßt nach B. dieser „Segensspruch" nicht in das Nachtgesicht 3,1 ff. „Die Rechtsposition", „die Autorität des Hohenpriesters", wie sie in V. 7a zum Ausdruck kommen (B. folgt hier Horst: „Verwaltungshoheit über den gesamten Tempelbezirk ..."), „erscheint für Sacharjas Zeit als ein Anachronismus", da Serubbabel „nach dem Exil noch völlig als der Grundherr des Heiligtums betrachtet" wird (S. 294f). Gäbe es in den Texten Anhaltspunkte für diese Stellung Serubbabels, hätte B. sie hier sicher genannt. Diese Argumentation B.s erübrigt sich aber sowieso, wenn 3,1 — 7 — wie oben erörtert wurde — aus der Zeit nach Serubbabels Verschwinden stammt. 4. Aber auch die Verheißung V . 7 b läßt sich nach B. auch in der Weise, wie er sie interpretiert („Josua erhält die Verfügung über Gestalten, die Zugang zu Jahwes Hof haben", „für ihn den Kontakt mit Jahwe unterhalten"), ,.nicht in die Zeit unmittelbar nach dem Exil ansetzen", da sie nicht in die Theologie der Nachtgesichte paßt: Der Hohepriester hat „an einem bleibenden Kontakt mit Jahwes unmittelbarer Umgebung großes Interesse"; was einmal in der Vision geschah (der Engel überbringt Josua „Gottes Beschlüsse"), wird — anders als in Sacharjas Theologie — institutionalisiert („durch Vermittlung von Engeln bleibender Kontakt mit Gottes Hof"); diese ständige Vermittlung durch Engel als gewöhnliche Offenbarungsform ist aber erst in einer späteren Zeit denkbar, „in welcher die Prophetie ausgestorben war und der Hohepriester die Aufgabe des Propheten, nämlich die Vermittlung des Jahwewortes, in sein Amt integriert hatte". Aus diesen Gründen hält B. die Verheißung für eine „spätere Interpolation" (S. 295f). a) B.s Deutung des schwierigen und sich einer eindeutigen Erklärung offenbar entziehenden Wortes DO^HD als „Männer, die gehen" kompliziert inhaltlich die

Das (4.) Nachtgesicht 3 , 1 - 7

225

Verheißung zu sehr, als daß sie überzeugen könnte, und läßt die oben (S. 217) angeführte Erklärung als wahrscheinlicher erscheinen. b) Aber selbst angenommen, B.s Übersetzung von DO^Hü sei die zutreffende, so ist damit zwar ohne Zweifel in V. 7b das Moment der Vermittlung enthalten. Aber es ist nicht einsichtig, daß V. 7b damit von der ständigen Übermittlung der Beschlüsse Jahwes an den Hohenpriester redet, schon gar nicht, daß die eigentliche prophetische Aufgabe der „Vermittlung des J a h w e w o r t e s " auf den Hohenpriester übergegangen sei. Vielmehr bleibt das oben (S. 217f) unter Heranziehung von 4,14 und J e r 30,21 gewonnene Verständnis der Verheißung das wahrscheinlichere, das bei B.s Verständnis des Wortes •,Э17ПЙ nur modifiziert (und kompliziert) würde, indem J o s u a nun nicht selbst Zutritt zu Jahwes Beratung erhielte, sondern lediglich mittelbar durch einen ständigen Botenverkehr daran beteiligt würde. (Im übrigen erscheint es unangemessen, diese verheißende Zusage eines Vorrechts mit einem „Interesse" des Hohenpriesters in Verbindung zu bringen.) c) Es wurde gezeigt (S. 222), wie sich das in der vorangegangenen Untersuchung (S. 217f) gewonnene Verständnis von V.7b im Rahmen der Vision 3,1—7 gut erklären läßt aus einer gegenüber den anderen Nachtgesichten späteren Entstehungszeit von 3,1 — 7 8 . V. 7 muß also nicht als spätere Interpolation verstanden werden, die nicht mehr aus der Zeit Sacharjas stammt. Abschließend ist festzustellen, daß die Beschäftigung mit den wesentlichen Argumenten B.s keinen Anlaß gibt, V. 7 nicht als das zur Vision gehörige Gotteswort an Josua anzusehen. 8

Eine solche hält auch B. für möglich (S. 283), ohne sie jedoch näher zu bestimmen.

15 J e r e m i a s , N a c h t g e s i e h t e

SCHLUSS

In der vorausgehenden Untersuchung der Nachtgesichte des Sacharja ist zunächst der Frage der Datierung und des zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhangs der Nachtgesichte nachgegangen worden. Es ergab sich dabei, daß Wesentliches dafür spricht, daß diese Visionen zum Datum 1,7 oder zumindest in seinen Umkreis gehören, also in derselben Zeit und Situation entstanden sind. Nach Beantwortung dieser Vorfrage wurde der formale Aufbau der Nachtgesichte mit dem der übrigen alttestamentlichen Visionen verglichen. Es wurden dabei beachtliche Verbindungslinien zur älteren Prophetie bis hin zu Arnos erkennbar, aber auch — besonders im Umkreis der Deutung — ganz Neuartiges, auf die Daniel-Visionen Hinführendes. Der nächste Abschnitt galt der Form des Gesprächs als einem wichtigen Gestaltungsmoment der Nachtgesichte und der Rolle und Funktion der an ihm beteiligten Personen im Rahmen der Nachtgesichte. Auch hier zeigte der Vergleich mit den sonstigen Visionen des Alten Testaments Verbindungen zu den älteren Propheten; auffallender und an gewichtigen Stellen zu finden waren hier jedoch neue Züge, die zum Teil fortführen, was bereits bei Ezechiel begegnet ist. Teil II befaßte sich dann mit dem Bild- und Vorstellungsmaterial der Nachtgesichte. Unübersehbar und vielfältig sind hier die inneralttestamentlichen Beziehungen, vor allem die zu den Vorstellungen der Propheten. Mehrfach war auch erkennbar, daß und wie Sacharja Hoffnungen, Erwartungen und Überlegungen der Menschen seiner Zeit aufnimmt und auf sie eingeht. Durchaus nicht bei allen Bildern läßt sich erkennen, woher sie Sachaija zugekommen sind. Dabei fällt vor allem auf, daß sich zum Teil naheliegende Vermutungen über eine Herkunft gewisser Bilder oder Bildelemente aus der altorientalischen Umwelt viel weniger mit Sicherheit bestätigen oder wahrscheinlich machen lassen, als auf den ersten Blick anzunehmen ist. In Zusammenfassung dieser Untersuchungen und der dabei zutage getretenen Fülle von Beziehungen und Berührungen soll jetzt abschließend der Frage nachgegangen werden, wie Sachaijas Standort im Hinblick auf sein Verhältnis zur Prophetie und zur Apokalyptik zu bestimmen ist. Ganz allgemein hatte sich gezeigt, daß

Schluß

227

in dieser Hinsicht die Nachtgesichte meist keine klare und deutliche Trennungslinie erkennen lassen; vielmehr bieten sie eine Verflechtung, ein enges Nebeneinander von Zügen, die die Verbindung zur Prophetie oder Apokalyptik oder mit beiden zugleich herstellen. Es liegt auf der Hand, daß bei einem solchen Sachverhalt oft Nuancen, Einzelzüge besonders aufschlußreich sind. Aus dem Gesagten geht hervor, daß man der Eigenart der Nachtgesichte nicht gerecht würde, wollte man nur scharfe Konturen, deutliche Differenzen herausstellen, wo solche nicht oder kaum gegeben sind. Die Antwort auf die oben genannte Frage kann nur die sein: Sachaija nimmt in seinen Nachtgesichten eine Zwischenposition zwischen der Prophetie und der Apokalyptik, wie sie sich im Daniel-Buch zeigt, ein. Es kann hier nicht darum gehen, alle oben besprochenen Einzelwahrnehmungen, die zu dieser Antwort führen, noch einmal aufzuführen. Vielmehr sind in diesem zusammenfassenden Rückblick nur von besonderem Interesse und deshalb hervorzuheben: 1. wesentliche, charakteristische Elemente der Prophetie, die sich in Sacharjas Nachtgesichten finden, jedoch bei Daniel nicht mehr zu erkennen sind, die also die prophetische Komponente in den Nachtgesichten deutlich hervorheben; 2. das gegenüber den früheren prophetischen Visionen Neue (oder allenfalls bei Ezechiel schon Vorbereitete), das sich dann in den apokalyptischen Visionen Daniels fortsetzt. 1. An erster Stelle sind drei grundlegende Merkmale der Prophetie zu nennen, die sich in Sacharjas Nachtgesichten finden: a) Sacharja erhält von Jahwe her, durch den Deuteengel übermittelt, einen Auftrag zur Verkündigung (1,14). b) Das zu Verkündigende folgt unmittelbar darauf in Gestalt eines durch die Botenspruchformel eingeführten Gottesspruchs in l.pers. sg. ( l , 1 4 f ) ; ebenso wie hier im 1. Nachtgesicht finden sich in drei weiteren Nachtgesichten solche abschließenden Gottessprüche, in denen ganz deutlich das Grundelement der Prophetie, das in die aktuelle Situation des Volkes ergehende Wort Jahwes, gegeben ist. c) Etwas abgerückt davon ist zu erwähnen, daß ein weiteres prophetisches Charakteristikum, die Fürbitte, offenbar noch in 1,12 zu erkennen ist. Für alle drei eben genannten Merkmale gilt, daß sie aufs engste mit einem gegenüber den früheren prophetischen Visionen neuen Moment, das bereits eine Verbindung zur Apokalyptik herstellt (dazu s. unten), zusammenhängen: mit der Vermittlung durch den Deuteengel.

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Schluß

Hinzuweisen ist ferner auf zwei Einzelelemente, die in älteren prophetischen Visionen und bei Sacharja, jedoch nicht mehr bei Daniel begegnen: einmal die Feststellung, daß J a h w e ihn die Vision hat schauen lassen, und dann die vergewissernde Frage an den Visionär „was siehst du?". Nicht zuletzt darin ist Sacharja mit den Propheten vor ihm verbunden, daß er seinen Standort deutlich in der geschichtlichen Situation seiner Gegenwart hat. Inhalt und Botschaft der Nachtgesichte zeigen, daß es ihm zentral um das frühnachexilische Israel/Jerusalem geht. Auf dessen aktuelle Probleme geht er ein, Hoffnungen, Erwartungen, Überlegungen der Menschen seiner Zeit nimmt er a u f 1 . Er verkündigt dem frühnachexilischen Israel, daß es in seiner bestimmten geschichtlichen Situation neu Jahwes Zuwendung erfahren wird. (Ganz offensichtlich ist auch von den Völkern und Reichen der Erde im 2. und letzten Nachtgesicht nur im Blick auf ihre Beziehungen zu Israel die Rede.) Unverkennbar ist in vielen Einzelzügen (in der Formulierung, inhaltlich, im Bildmaterial, in Vorstellungen) eine starke Beziehung zu den älteren Propheten und ihren Visionen bis hin zu Arnos, am meisten aber zu Deuterojesaja und zum Ezechiel-Buch. 2. Das im Vergleich mit den früheren prophetischen Visionen Neue in Sacharjas Nachtgesichten, das dann in der Apokalyptik des Daniel-Buchs wiederbegegnet und insofern Sacharjas Nachtgesichte in einer Beziehung zu dieser zeigt, wird in seinen wichtigsten Zügen im Umkreis der Frage nach der Deutung erfaßbar. Denn nicht nur diese Frage nach der Deutung selbst ist ein bei Sacharja neuer Bestandteil im Aufbau des Visionsberichts. Vielmehr weist sie auf eine wesentliche Veränderung des Visionsbildes hin, nämlich auf dessen ganz weitgehende Unverständlichkeit, dazu auf das Unvermögen des Visionärs, die Schau selbst zu entschlüsseln. Adressat der Frage ist eine — sieht man von Vorstufen in einem Teil der Visionen Ezechiels ab — nach ihrer Aufgabe im Rahmen der Vision neue Gestalt: ,,der Engel, der mit mir redete". Seine Hauptfunktion ist es, dem Visionär die erbetene Deutung zu geben, die — zum Teil ebenso wie dann bei Daniel verschlüsselt und nur eine Auswahl des Visionsbil1

Zu nennen sind z.B. das Problem der Führung des Volkes ( 4 , I f f ) , des Schutzes Jerusalems (2,1—4, auch 2,5—9), der Grundbesitzansprüche (5,1—4), des im neuen Tempel amtierenden Priesters (3,1—7); ferner ist hinzuweisen auf das o. S. 136 (70 Jahre), 153f (Bestrafung der Völker, „die zum Bösen geholfen haben"), 167ff (Wiederaufbau Jerusalems), 171 (Wiederbevölkerung Jerusalems) Ausgeführte.

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des betreffend — in den Nachtgesichten von erheblichem Gewicht ist. Auftreten und Funktion des deutenden Engels lenken den Blick auf einen weiteren wichtigen Zug: auf eine in den älteren prophetischen Visionen unbekannte Distanz Jahwes dem Visionär und dem visionären Geschehen gegenüber, die so weit geht, daß Jahwe für den Visionär nicht sichtbar und vernehmbar ist, daß drei Nachtgesichte nicht einmal mehr einen ausdrücklichen Jahwespruch enthalten. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, wenn diese Distanz an der Stelle am geringsten ist, wo an Sacharja der Auftrag zur Verkündigung ergeht. (Nur hier führt Jahwe nämlich ein direktes Gespräch, und zwar mit dem Deuteengel, der unmittelbar darauf Sacharja mit der Verkündigung beauftragt.) Diese Distanz vermittelnd zu überbrücken ist Aufgabe des Deuteengels. Er ist in Sacharjas Nachtgesichten als Gesprächspartner des Visionärs an die Stelle getreten, die in den früheren prophetischen Visionen — ausgenommen Teile von Ez40—48, wo bereits Vorstufen dazu zu erkennen sind — Jahwe innehatte. Was die Visionsbilder selbst anlangt, so sind ähnlich gewichtige Wahrnehmungen über eine Berührung zwischen Sacharja und dem apokalyptischen Daniel-Buch nicht zu nennen; es können vielmehr nur Einzelzüge aufgeführt werden: so etwa die wichtige Rolle, die das Bild des Horns spielt, die zwischen dem 2. Nachtgesicht und Dan 2; 7; 8 zu beobachtende Gemeinsamkeit in den Hauptlinien der Bildkomposition und der inhaltlichen Züge. Bedeutsamer ist es dann, daß in Sach 2,1—4 zumindest ein Schritt hin auf Daniels Vorstellungen von den vier Weltreichen getan zu sein scheint. Abgesehen von Berührungen in Einzelzügen, war hinsichtlich der Botschaft eine wichtige Gemeinsamkeit — allerdings nicht ausschließlich zwischen Sacharja und Daniel — in der Strukturierung der Erwartung, der Zukunftsschau erkennbar, insofern der Übergang von einer Zornzeit zu einer neuen, heilvollen Zeit in Verbindung mit der Entmachtung von Feind-, Weltmächten angekündigt wird. Die Einzeluntersuchung zeigte, daß einige Charakteristika der danielschen Sicht bei Sacharja in Anklängen, aber eben nur in solchen, anzutreffen sind (es sei erinnert an das oben S. 142f, 147 über die Auswertung der Erfahrungen der jüngsten Geschichte, über den — eingeschränkten — Universalismus, über die Weltherrschaft Gottes, über das evtl. vorliegende Beispiel für einen mehrphasigen Vorgang Gesagte). Mindestens ebenso wichtig für die Einschätzung von Sacharjas Position ist, daß wesentliche apokalyptische Merkmale, die sich bei Daniel finden, bei Sacharja fehlen, es gibt in den Nachtgesichten keine zwei Weltzeiten, keine Ankündigung einer Totenauferstehung, keine Berechnungen der Zeiten, kein genaues Programm der Endzeitereignisse in ihrem Ab-

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lauf, keine fingierte Zukunftsschau aus einem fingierten Standort in der Vergangenheit heraus, keine Psyeudonymität des Verfassers, keine Neuauslegung älteren Prophetenwortes; obwohl die Nachtgesichte eine zusammenhängende Reihe von Visionen darstellen, die auch inhaltlich nicht ohne Zusammenhang sind, ist damit noch nicht ein umfassendes, auf die ganze Welt, auf die Weltgeschichte und ihr Ende ausgerichtetes Programm gegeben, wie es sich dann im Daniel-Buch findet. Die Tatsache, daß einerseits unverkennbare Berührungen mit der Apokalyptik festzustellen sind, daß andererseits eine ganze Reihe wesentlicher apokalyptischer Züge fehlen und vor allem charakteristische Merkmale der Prophetie, die sich dann bei Daniel nicht mehr finden, vorkommen 2 , läßt Sacharjas Position als die des Übergangs zwischen Prophetie und Apokalyptik bestimmen 3 und verwehrt es dementsprechend, „in Sacharja den ersten Apokalyptiker (zu) sehen" und seine Nachtgesichte als „die älteste uns bekannte Apokalypse" bzw. „die erste Apokalypse" zu bezeichnen. Diese These vertritt jetzt H. Gese4. Ergänzend ist hinzuzufügen, daß er in Sacharja jedoch nicht nur den „ersten Apokalyptiker" (S. 39) sieht, sondern zugleich den (letzten) Propheten (S. 24, 39), den er dann jedoch mehr (S.27, dazu s. unten) oder weniger (S. 24) scharf von den früheren Propheten abrückt. Dementsprechend kann er von den Nachtgesichten auch als dem „Hauptteil seiner prophetischen Verkündigung" (S. 24) sprechen. Auf die wichtigsten von Gese für seine These „die Nachtgesichte des Sacharja (sind) die älteste uns bekannte Apokalypse" (S. 24) vorgebrachten Argumente soll im folgenden eingegangen werden. Dabei ist zunächst darauf hinzuwei2

Daß es sich dabei vielfach um ein sehr enges Neben- und Ineinander dieser gegensätzlichen Tendenzen handelt, hatten die Einzeluntersuchungen gezeigt (z.B.: während das prophetische Element des Gottesspruchs in vier Nachtgesichten vorkommt, enthalten drei Nachtgesichte kein ausdrückliches Jahwe-Wort und kommen darin den Daniel-Visionen nahe, s. dazu o. S. 78f). 3 Zu einem solchen Ergebnis kommen neuerdings auch S. Amsler und R. North in ihren bereits genannten Aufsätzen, auch die neuhebräisch abgefaßte Untersuchung von B. Uffenheimer, The Visions of Zechariah, from Prophecy to Apocalyptic, 1961 (s. Summary S. VIII). Daß Sacharjas Nachtgesichte „eine Vorstufe der späteren Apokalyptik" darstellen, ist früher schon vertreten worden, z.B. durch E. Sellin, Studien zur Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinde nach dem babylonischen Exil II, 1901, S.88. 4 Anfang und Ende der Apokalyptik, dargestellt am Sacharjabuch: ZThK 70, 1973, S. 2Off; die eben angeführten Zitate finden sich auf S.39. - Ähnliche Ansichten wurden auch früher schon geäußert. So nennt z.B. B. Duhm (Israels Propheten, 2 . A . 1922, S.321) die Nachtgesichte „eine ausführliche Apokalypse interessanter Art". L. Dürr (Die Stellung des Propheten Ezechiel in der israelitisch-jüdischen Apokalyptik, 1923, S. 14) zählt die Nachtgesichte zu den apokalyptischen Schriften.

Schluß

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sen, daß in seinen Äußerungen über den Begriff der Apokalyptik eine Spannung nicht zu übersehen ist. Einerseits wird festgestellt, daß man von keinem anerkannten Begriff der Apokalyptik ausgehen k ö n n e , da es sich o f f e n b a r um ein noch gar nicht ausreichend beschriebenes und definiertes Phänomen handele (S. 2 0 ) ; andererseits zeigt sich — am deutlichsten bei der Bezugnahme auf die von J . Schreiner zusammengestellten Merkmale (S. 3 8 ) , aber auch an anderer Stelle (etwa S. 2 2 f , 2 4 , 3 7 ) —, daß doch von einem b e s t i m m t e n Begriff der Apokalyptik ausgegangen wird. Ferner ist darin eine Spannung festzustellen, daß b e m e r k t wird, „daß die Wesensbestimmung der A p o k a l y p t i k und die Ansetzung ihres Beginns in Abhängigkeit voneinander s t e h e n " , daraus aber als Folge abgeleitet wird, „daß j e d e r Fortschritt im Verstehen der Apokalyptik gebunden ist an eine sichere Bestimmung des Anfangs dieser Bewegung" (S. 2 2 ) , womit eine Alternative zur einzigen Möglichkeit erklärt ist. Wichtigster Punkt in Geses Interpretation Sacharjas als des „ersten Apokalypt i k c r ( s ) " (S. 3 9 ) und seiner Nachtgesichte als einer „vollständige (n) Apokalyps e " (S. 3 7 ) ist folgender: Er versteht die Nachtgesichte als „ein System siebenfacher Offenbarung vom Einbruch des neuen Äons. ... Die qualitativ andere Zeit des neuen Äons wird bestimmt durch den transzendenten Eingriff G o t t e s " ( S . 3 7 ) . V o n diesem Eingriff Gottes in die Welt sei im letzten Nachtgesicht die R e d e , und zwar in Gestalt der — nach Geses Interpretation dort angesagten — Geistausgießung in alle vier Himmelsrichtungen, einem „pfingstlichen Ereignis" (S. 3 3 ) , einer „Weltbelebung" ( S . 3 7 ) . Das heißt: „Das Heilswirken Gottes geschieht nicht wie in der alten Prophetie im R a h m e n der Geschichte durch das geschichtsmächtige G o t t e s w o r t , sondern G o t t macht mit der menschlichen Geschichte ein Ende durch seinen transzendenten Eing r i f f " (S. 2 7 ) . Auch wenn in der hier sehr wesentlichen Frage, wie die Wirkung des Geistes J a h w e s nach 6,1—8 (besonders V . 8) zu verstehen ist, in der vorliegenden Arbeit eine andere als die von Gese geäußerte Ansicht vertreten wird, erübrigt sich damit nicht schon ein Eingehen auf die übrigen Argumente. Zu der Interpretation der Nachtgesichte als Offenbarung vom Ende der menschlichen Geschichte und vom Beginn, vom Einbruch der qualitativ anderen Zeit des neuen Äon ist zu sagen: Die menschliche Geschichte allgemein, die Weltgeschichte — zumal als Einheit —, weltgeschichtliche Abläufe sind nicht im Blick. Zwar ist auch von V ö l k e r n , von Weltreichen, von den Ländern der Erde die R e d e , über die J a h w e seine Herrschaft a u s ü b t 5 , aber es geht dabei nicht um einen uneingeschränkten Universalismus. Denn letztlich ist von den Völkern und Weltmächten immer in bezug auf Israel die R e d e 6 . Um die irdische Geschichte des nachexilischen Israel, in der dieses wieder J a h w e s Zuwendung erfährt, geht es Sacharja. S o wird man, selbst wenn z.T. auch ganz Neues in den Blick k o m m t , nicht von einem Ende der Geschichte und der qualitativ anderen Zeit des neuen Äon sprechen k ö n n e n , wenn etwa zur Frage der Führung des nachcxilischen Israel Stellung genommen wird und dabei zudem einem bestimmten Davididen, einem Zeitgenossen Sacharjas, eine entscheidende Rolle zugesprochen wird, wenn in der Perspektive der Nachtgesichte Israel in realistischer Aufnahme der zeitgeschichtlichen Verhältnisse praktisch auf die Stadt Jerusalem beschränkt ist, wenn auf die mit ihrem Wiederaufbau verbundenen Fragen, auf ihre Sicherheit, ihre Bevölkerungszahl, ihren Viehbesitz eingegan-

5 6

Vgl. o. S. 1 4 7 f . Vgl. o. S. 1 4 2 f .

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Schluß

gen wird, wenn es um die Frage des Grundbesitzes geht und die Bestrafung der Rechtsbrecher in dieser Angelegenheit. Dabei ist an dem zuletzt Genannten offensichtlich, daß Probleme der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart nicht gegenstandslos geworden sind, sondern daß ihre Lösung im Sinn rechtlicher Ansprüche aus der Vergangenheit von Interesse ist und eine solche auch angekündigt wird. In alledem besteht ohne Frage eine Kontinuität zwischen der erwarteten Z u k u n f t und der Vergangenheit. Ein ganz wesentlicherEinwand ist dagegen zu erheben, wie Gese (S.27) unter dem Gesichtspunkt des „Heilswirkens Gottes" die Nachtgesichte Sacharjas (Gottes Heilswirken erfolge durch seinen transzendenten Eingriff, der der menschlichen Geschichte ein Ende macht) und die „alte Prophetie" (das Heilswirken geschehe „im Rahmen der Geschichte durch das geschichtsmächtige Gotteswort") gegenüberstellt: Denn er läßt dabei ein in den Nachtgesichten vorkommendes grundlegendes Element der Prophetie unberücksichtigt. Daß sich Sacharja so nicht einordnen und in dieser Weise ganz von der älteren Prophetie abrükken läßt, zeigen die in 4 (5) Nachtgesichten an wesentlicher Stelle erscheinenden abschließenden Gottesworte: Denn hier begegnet durchaus noch das durch den Propheten zu verkündigende, auf die geschichtliche Situation der Gegenwart bezogene Gotteswort, durch das Sacharja wie die Propheten vor ihm Gottes Plan ankündigt. (Reichlich begegnen solche Gottesworte in dem außerhalb der Nachtgesichte von Sacharja überlieferten Spruchgut; hier spielt auch ausdrücklich das Eintreffen des in ihnen Angesagten eine Rolle: s. 1,1 — 6, besonders V.6a, ferner die Erkenntnisformulierungen 2,13.15; 4,9; 6,15.) Im einzelnen ist auf die oben in Teil I.B gebotene genauere Untersuchung zum abschließenden Gotteswort zu verweisen. Dort ist auch die ganz andere Situation in den Daniel-Visionen erwähnt, in denen derartige Gottessprüche nicht vorkommen. In Geses Argumentation ist ferner wichtig, daß er den „erstaunliche (n) Einfluß der Weisheit in der Apokalyptik" bei Sacharja bestätigt findet (S.39), und zwar in der Wind- und Kontinentenlehre, die er hinter den im ersten und letzten Nachtgesicht genannten Pferdefarben erkennen zu können meint. Es ist o b e n 7 dargelegt worden, daß und warum diese Interpretation nicht überzeugt. Schließlich sieht Gese seine These bestätigt auf Grund eines Vergleichs der von J . Schreiner (Alttestamentlich-jüdische Apokalyptik, 1969) aufgeführten Charakteristika der Apokalyptik mit Sacharjas Nachtgesichten (S. 38). Was als Ergebnis dieses Vergleichs genannt wird, stimmt nur z.T. mit dem in der vorliegenden Untersuchung Erarbeiteten überein. Einwände erheben sich vor allem dagegen, daß die „Vorstellung von den zwei Äonen", eine „Jenseitshoffnung", ein „Vorherbestimmtsein aller Geschichte und jeglichen Sichereignens", eine „Verbindung von universaler und individueller Eschatologie ... wenigstens in Ansätzen zu finden" sei: Auf die Vorstellung von der Äonenwende ist eben bereits eingegangen worden. Wo in Sacharjas Nachtgesichten Jenseitshoffnung und individuelle Eschatologie ausgesprochen sein soll, ist nicht zu erkennen. Ein Determinismus, der sich wie bei Daniel in einem die Ereignisse in ihrer Abfolge aufführenden Programm äußert, findet sich bei Sacharja nicht 8 oder allenfalls einmal angedeutet im Nacheinander des vorletzten und letzten Nachtgesichts 9 . 7

8 S. 129f. S. o. S. 140. S. o. S. 147; diese Verständnismöglichkeit ist allerdings ausgeschlossen bei Geses Interpretation von 6,1—8.

9

Schluß

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Ein kurzer Blick auf das in Sach 1—8 außer den Nachtgesichten noch von Sacharja Überlieferte bestätigt, daß man Sacharja nicht als Apokalyptiker bezeichnen kann. Denn hier tritt unvergleichlich viel stärker als in den Nachtgesichten das prophetische Element hervor 10 , und die in den Nachtgesichten beobachteten Beziehungen zur Apokalyptik treten zurück. Dementsprechend müßte, sofern man von der gesamten Botschaft Sacharjas ausgeht, das aus der Untersuchung der Nachtgesichte gewonnene Urteil über Sacharjas Position eine leichte Akzentverschiebung erfahren, da dann dem Prophetischen größeres Gewicht zukäme. 10

Dazu ist hinzuweisen: auf die v e r w e n d e t e n R e d e f o r m e n und F o r m e l n ; auf den Verkündigungsauftrag in 1,17; auf die m e h r f a c h e B e t o n u n g d e r S e n d u n g durch J a h w e in 2 , 1 3 . 1 5 ; 4 , 9 ; 6 , 1 5 , w o b e i allerdings diese a u f f a l l e n d e Hervorh e b u n g zeigt, d a ß die S i t u a t i o n nicht m e h r ganz dieselbe ist wie bei d e n früheren P r o p h e t e n ; auf die Bezeichnung „frühere P r o p h e t e n " in 1,4; 7,7.12; vgl. 1,5.6, worin einerseits ein Hinweis auf Sacharjas Selbstverständnis als P r o p h e t zu sehen ist, andererseits in dieser die vorangegangene Prophetie wie eine geschlossene Erscheinung b e h a n d e l n d e n Z u s a m m e n f a s s u n g ein neuartiges E l e m e n t nicht zu übersehen ist, das allerdings in J e s 4 4 , 2 6 schon eine E n t s p r e c h u n g hat; auf d e n klaren Bezug auf eine b e s t i m m t e geschichtliche S i t u a t i o n Israels; auf die in p r o p h e t i s c h e r Vollmacht geschehende Neuansage der Z u k u n f t ; auf die sich in e n t s p r e c h e n d e n A u f f o r d e r u n g e n aussprechende Sorge u m rechtes V e r h a l t e n d e m Nächsten gegenüber.

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242

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ABGEKÜRZT ZITIERTE LITERATUR (Genannt sind nur solche Abkürzungen, die nicht in RGG aufgeführt sind.) ANET Suppl. BHH BHS Brockelmann СТА Gesenius-Kautzsch KAI Meyer G. v. Rad, ThAT ThWBAT

WMANT

s. Literaturverzeichnis zu J . B. Pritchard. Biblisch-Historisches Handwörterbuch, hg. v. B. Reicke und L. Rost, Bd. I—III, Göttingen 1 9 6 2 - 1 9 6 6 . Biblia Hebraica Stuttgartensia. Ed. K. Elliger et W. Rudolph, Stuttgart 1968ff. C. Brockelmann, Hebräische Syntax, Neukirchen 1956. s. Literaturverzeichnis zu A. Herdner. W. Gesenius-E. Kautzsch, Hebräische Grammatik, 2 8 Leipzig 1909. s. Literaturverzeichnis zu H. Donner-W. Röllig. R. Meyer, Hebräische Grammatik, Bd. I—III: SG 763/a/b; 764/a/b; 5765, 3 Berlin 1 9 6 6 - 1 9 7 2 . s. Literaturverzeichnis zu G. von Rad. Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, hg. v. G. J . Botterweck und H. Ringgren, Stuttgart—Berlin— Köln-Mainz 1970ff. Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament.

REGISTER DER NAMEN UND SACHEN (in Ergänzung des Inhaltsverzeichnisses) Anrede 1 0 1 - 1 0 3 Apokalyptik 8.40.44.56.58f.70.79f. 93.96.106.108.140.143.147.228233 astrale Vorstellungen 128.184f Babylon, Babylonien, babylonisches Reich 22.35.196 Berechnungen 138 Berge, zwei 110 Bildrede, Umsetzung einer B. 157 Blei 200 Botenformel 76.80 Buchrolle 189 Buchüberschrift 16—19 Davidtradition 176 Determinismus 140 Deutung 99 Erwählung 206f Erwartungsstruktur 138 Erz 113 Erzväterverheißung 172f Exodustradition 20 Farben 126 Feuer 207 Fluch 1 9 1 - 1 9 5 Frau 199 Fremdgötterkult 196f Fürbitte 9 4 - 9 7 . 2 2 7 Geschichte 231 geschichtliche Situation 20.22ff. 134f.l46f. 149.154.163.167. 190f.196f.221f.228.231f.233 Geschichtsrückblick 142f Gilgamesch - Epos 111.116.162 Gottesgarten 114 Gottesrecht 190 Gotteswohnsitz 115

Heilige des Höchsten 145 Heilsw^nde 1 9 - 2 1 Himmelsrichtungen 128 Himmelstor 112.179 himmlische Versammlung 117.204. 206 himmlische Wesen 122 Hoherpriester 2 0 8 - 2 1 1 . 2 2 1 f - , Aufgaben 2 1 3 - 2 1 7 Hörner 2 2 . 1 5 6 - 1 5 9 Jahwe, Augen 1 8 4 - 1 8 8 - , Distanz 79.88.90.94f. 107.205. 217.229 - , Eifer 150 —, Feuermauer 174 - , Zorn 139.151 Jerusalem 166—176 Josua 25.68.208.218.22Iff katechetisches Schema 60 Kleiderwechsel 2 0 8 - 2 1 1 Kontinente 129 Kontinuität 148 Lebensbaum 182 Legitimierung 40f. 118 Leuchter 1 7 7 - 1 8 3 Licht 181 Mauerbau 167 Misch wesen 199 Myrten 113 Neubeginn 144—149 Norden, Nordland 27.35f.l 19.143. 146 ölbäume 177-180.183ff. Paradiesesüberlieferung 174 Paradiesesvorstellungen 115

245

Stellenregister priesterlicher Einfluß 65.174 Prophetie 227.232 Reiter 125 Sacharja, geschichtlicher Ort 7 - , Nacharbeit 39.109 - , Spruchgut 80.88.233 Satan 120 Schamasch 111.125 Schmiede 22f Segen 173 Serubbabel 24f.68.218.221f siebzig J a h r e 97.130 Siegel, Rollsiegel 110.125.177. 181-184.197.199 Situationsvision 48—51.53f Storch 200 Symbolvisionen 47.51f Symmetrie 13.176 Tempel 221 Tradition 7 Umschreibungen 43.90 - , für Gott 105f

Universalismus 143.145.231 Unreinheit 204.207 Vergewisserungsfrage 60 Verhüllung 58f.70.106 Verkündigungsauftrag 76.80.86.93. 227 Vermittlung 86.94.96.98.107.227 Verschlüsselung 183 Vertragstexte 193 Vision, Begleitumstände 83.93.107 Wagen 31.123 Weisheit 232 Weltmächte, Weltreiche 1 4 1 - 1 4 3 . 154f.231 Weltreichlehre 162f Weltzeiten 148 Wiederbevölkerung 171 Winde 123.129 Wortspielvisionen 52 Zadokiden 219f Zahlen - , Vierzahl 23.119.123.130.142.161 - , Siebenzahl 13.186 Zeitberechnung 96f Zionstradition 174f

STELLENREGISTER (in Auswahl) Genesis 2,1 Off 18,3 19,2 28,1 Off 41 41,25ff Exodus 29,4.5f Leviticus 8,6-9

114.116 103 103 112 56 67

Deuteronomium 29,19f

191

Richter 6,13.15

103

1. Könige 22,19 22,19-22

12 Of 117

2. Könige 2,11 6,17

124 123

208f

208f

246

Stellenregister

Jesaja

6 6,2 6,11 9.5 10,5-7 10,25 23,15.17 26,20 27.7 41,18f 47,6 49,18ff 51.2 54, I f f 54.8 54,16 66,15

Jeremia

1,1 l f 1,11.13 l,13f 15,19 24 24.3 24,5.8 25,1 l f 25,12 29,10 30,21 44,17-19 49,36 51,24 Ezechiel

1 1-3 1-4 1,18 1,28

1,28-2,2

2,2

2,9 2,9-3,3 4.6 4,12ff 8 8,1 8,3

117.203-206 120 94.96.97.101 218 152 140 132 140 133 114 24.153 168.172f 172 168.172 139 160 124

52 59.66.101 51 211 52 59.101 66 131-136 152 131-136 218 196 123 152

198 117 16f 187 106 104 106 106 189 133 207 53 99 99

8,5.6 8,6.12.17 8,6.12.15.17 8,18 9,8 11 11,2f 1 l,4ff 11,13 11,15 12,13f 17,12 21,35-37 21,36 28,13.14 36,25ff 37 37,1-14 37,3 37,11 37,11-14 38f 38,11 40-48 40.3 40.4 40,45f 41,4.22 42,13f 43 43.6 43.7 43,7-9 44 46,20.24 47,6 47,8ff Arnos

4,11 7,2.5 7,7f 7,8 8,lf 8,2

Habakuk

3,8 3,13

100 99 60.101 78 94.96.101 53 99 78 94.96.101 191 99 55 152 160f 116 196.208 54 52 60.101 66.99 78 153.155 170 79.168.219-221 164 100 99 99 99 99 106 99 78 219-221 99 60.101 99

207 94.96.101 51.66.164 59.101 52.66 59.101

124 193

247

Stellenregister Haggai 2,6f.20ff 2,21-23 Sacharja 1,1 1,2 1,7 l,7f 1,7-15 1,8 l,8f 1,9 1,10 l,10f 1,1 l f 1,12 1,12f l,13f 1,14 1,14f 1,15 1,16 1,17 2,1-4 2,2 2,2.4 2,3f 2,4 2,5-9 2,6 2,8 2,8.9 2,9 2,13 2,15 2,16 3,1-7 3,2 3,4 3,5 3,7

30 24 18f 139 36 15-19 10-12.19-21.2834.48.50.110 110.114.117.126 85 101 71.117 29f.l43 30.76.85 29.84.94.130f. 134-138.139 88 165 146.150 24.29.74.76.98. 118.139 68.140.142f.144. 150.151.153f 21 206 10-12.22.35.47. 142f. 156ff 35.68 70 159f 62.68.159 10-12.25.37.49. 50.148.164ff 76.83.84.166 77 74.166-177 148.181 40.80 40.80 206 10-12.13.49.50. 69.82.87.201ff. 206f. 120 202 120.205.212-218. 223-225

3,8-10 3,9 4 4,1 4,1-6.10-14 4, I f f

6,9ff 6,15 7,1 7,5 7,12 8,9ff 8,16 8,16f 8,21

210 187 73.184-188 84.104 10-12 13.25f.37.47 148.176ff.202 59.74.83.101 101 40.80 68.71 68.71.121.217 10-12.26.37.47. 59.71.148.188ff 73.101 77 74.77.192-195 100 10-12.26.30.36. 47.52.71.148.195ff 43.47 69.71.197 110.112 10-12.26-36.48f. 50.72.110.143 119 126 101 31 f. 121 76 68 126 26f.30.33f.68.74. 76.142 218 40.80 19 131 139 146 139 191 207

Psalmen 30,6 68,18 90,10 103,20f

139 124 132 123

4,2 4,4.5.13 4,9 4,10 4,14 5,1-4 5,2 5,3 5,4 5,5 5,5-11 5,9 5,11 6,1 6,1-8 6,1.5 6,2f 6,4 6,5 6,5-6 6,6 6,6f 6,8

248

Register der hebräischen Wörter

Hiob 1,6—12;2,1—7

117

Esther 9,19

170

Daniel 2 2,2-11.26 2,3ff 2,5 2,39f 2,4 I f f 3,29 4,3-6 4,12f 5 5,7.15f 7

161f 56 112 193 69 70 193 56 71 52 56 52.71.73.74.157f. 161.162 73.78.90 71 103 145 56 69 145 158 70 52.56.71.73.157f. 162 71

7,5 7,8 7,9ff 7,13f 7,16.19f 7,17.23f 7,18.22.27 7,21 7,21f 8 8,3.5.8.9.11

8,4 8,6f 8,11 8,13 8,15f 8,16 8,17f 8,19 8,21ff 9,2 9,4-19 9,16 9,23 9,24 9,27 10,8-12 10,11 10,16.19 10,17 10,20 11,36 12,1-3 12,6 12,8

73 73 159 90.95-97 165 78.90.98 104 140 69 137f 95 140 78.90.98 138 141.144 104 90.98.165 101 101 60 140 145 90.95-97 56.101

Esra 2,36-40 6,11 8,15ff

220 193 220

2. Chronik 36,21

137

REGISTER DER HEBRÄISCHEN WÖRTER ÜTX p-ix "ПК VDX mr rohn Т1ПЭ

171 121 101-103 100, 164 126 22, 24 159-161 174-176

Vv mns •wa fps Л1гг n n nytth ото

114-116 207f 169f 61 210 27f, 33f 195f 186