Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen [Reprint 2022 ed.] 9783112672389, 9783112672372

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Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen [Reprint 2022 ed.]
 9783112672389, 9783112672372

Table of contents :
Vorwort.
Inhaltsverzeichnis.
I. Abschnitt. Geschichtliche Grundlagen.
1. Vorbemerkung.
2. Untreue und furtum.
3. Selbständige Pönalisierung der Untreue.
4. Untreue und falsum.
II. Abschnitt. Der Grundcharakter der Untreuebestimmungen.
5. Die wesentlichen Streitfragen.
1. Unterabschnitt. Oer Gesetzestext in historischer Betrachtung.
6. Die endgültige Feststellung der Eigentumsverbrechen.
7. Die Untreue der Vormünder usw.
8. Die Untreue Der öffentlich-vereideten Gewerbetreibenden.
9. Die Untreue des privatbevollmächtigten.
10. Die Vermehrung der Untreuetatbestände in der nachfolgenden Gesetzgebung.
2. Unterabschnitt.
11. Der Wert des Begriffs des Vollmachtmißbrauchs.
III. Abschnitt. Das geltende Recht im Einzelnen.
I. Unterabschnitt. Die Untreue Des 266 Ziff. 1 und der nachgebildeten Bestimmungen.
12. Die tauglichen Subjekte.
13. Die Untreue als Vermögensschädigung.
14. Die Untreue als Pflichtverletzung.
15. Die angegriffenen Vermögensträger.
16. Die Untreue der öffentlich-verpflichteten Gewerbetreibenden.
17. Die Untreue des Kommissionärs.
II. Unterabschnitt. Die Bevollmächtigten-Untreue.
18. Oer Begriff des Bevollmächtigten.
19. Die Verfügung über ein Vermögensstück.
III. Unterabschnitt.
20. Gemeinsame Bestimmungen.
IV. Abschnitt. Der Entwurf.
21. Oer wahre Gehalt der Bindingschen These.
22. Oer erste Untreuefall des Entwurfes.
23. Die andere Untreuebestimmung des Entwurfs.
Zusammenfassung.
Literaturbemerkungen.
Druckfehler-Verzeichnis.

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Von demselben Verfasser erschien:

Zuchtgewalt und Strafrechtspflege Ein grundsätzlicher Versuch.

Würjburger Abhandlungen zum deutschen und ausländischen Prozeßrecht.

C. L. Hirschfeld, Leipzig 1922.

Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen.

Von

Dr. Hellmuth Mayer Rechtöanwalt in Würzburg

19

2

6

München, Berlin und Leipzig

I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier)

Druck: C- 3- Becker Universitäts-Druckerei, Würzburg.

Herrn Geheimrat Prof. Dr. Friedrich Oetker

zum 50 jährigen Doktorjubiläum in Verehrung und Dankbarkeit.

Vorwort. Das Buch hat eine Vorgeschichte, die seinen besonderen Charakter

erklärt. Ausgehend von § 2 St. G. B. hatte ich mich mit den all­ gemeinen Fragen der Rechtsanwendung beschäftigt. Aber je mehr ich in diese Fragen eindrang, desto klarer mußte ich erkennen, daß es mir vorerst noch nicht möglich war, die Probleme in ihrer Allgemeinheit zu

bewältigen. So legte ich denn die umfänglichen Vorarbeiten zurück und entschloß mich, gerade ein Gebiet des besonderen Teiles des Strafrechts zu bearbeiten. Dabei kam es mir darauf an, sorgfältig und genau die Methode zu begründen, die mich zu den vorgetragenen Einzelergeb­

nissen geführt hatte. So möchte dies Buch auch ein Beitrag zur Aus­ legungslehre sein im Sinne einer Mahnung Rudolf Sohms (vgl. Arch. s. Bürg. Recht, Bd. 28, S. 173 N. 1). Besonders möchte ich auf meine

Ausführungen S. 79 ff., 123 f., 150 ff., 219., 228 ff. und 287 ff. Hin­ weisen.

Im Verlaufe der Arbeit freute ich mich um so mehr des gewählten Themas, als ich immer deutlicher einsah, daß heute der allgemeine Teil des Strafrechts am meisten durch Untersuchungen über den besonderen gefördert werden kann. Unmittelbar berühren mußte ich das Problem

der unechten Unterlassung (vgl. S. 169 ff.) sowie die Hauptfrage des § 2, die Tatbestandsmäßigkeit der Verbrechen (vgl. S. 182 ff.). Dazu kam noch, daß der systematische Zusammenhang der Vermögensver­ brechen zu klären war (vgl. die „Geschichtlichen Grundlagen" und S. 150 ff.). Das Verhältnis von Strafrecht und Zivilrecht ist fortlaufend im ganzen dogmatischen Teil der Arbeit erörtert.

Besondere Aufmerksamkeit habe ich den mit dem Gegenstand im Zu­ sammenhang stehenden zivilrechtlichen Problemen gewidmet. Niemals habe ich mich mit einer Verweisung auf das Privatrecht begnügt, da

das Strafrecht die fraglichen Probleme in ganz anderer Art und Weise behandeln muß als das Privatrecht. Gerade aber um diese Probleme

— VI — in ihrer besonderen strafrechtlichen Bedeutung betrachten zu sönnen, mußte ich mich mit dem Privatrecht sorgfältig auseinandersetzen. Hier­ bei war ich wiederholt genötigt, zu zivilrechtlichen Fragen selbständig

Stellung zu nehmen. Insbesondere verweise ich auf meine Ausführungen über den Stellvertretungsbegriff im allgemeinen S. 85 ff. und seine

Abgrenzung zum Botenbegriff S. 231 ff., sowie über den Vermögens­ begriff S. 145 ff., die Lehre von der Bormundschaftsklage S. 155 ff. und die Eigentumsübertragung an Fungibilien S. 291 ff. Die spezielle Literatur habe ich über das sonst übliche Maß

ständig angeführt, weil meiner Ansicht nach monographische Dar­ stellungen des besonderen Teils erschöpfend sein müssen. Aus diesem Grund Habe ich mich auch bemüht, die gesamte Kasuistik der Rechtsprechung erschöpfend zu verwerten und glaube auch, daß mir kein irgendwie bedeutsames Urteil entgangen ist. Eben deshalb mußte ich aber darauf verzichten, den Tatbestand der Untreue in allen Beziehungen eingehend zu untersuchen. Vielmehr habe ich ein­ zelne bedeutsame Punkte nur kurz abgehandelt, da sie sich im Rahmen des Untreuedeliktes allein hätten nicht fruchtbar behandeln lassen. Die Arbeit war bis auf den Abschnitt über den Entwurf Mitte Sep­ tember 1925 abgeschlossen. Besondere Umstände verzögerten den Druck. Die inzwischen erschienene Literatur habe ich in Anmerkungen verwertet. Dies war für die Kontroverse zwischen Raape und Jsay über den Ver­ fügungscharakter der Einwilligung (vgl. Arch. f. ziv. Pr. N. F. Pd. 1 S. 257 ff., Bd. 2 S. 195 ff., Bd. 3 S. 194 ff.) nicht möglich. Eine Berichtigung meiner insbesondere auf S. 99 f. vorgetragenen Ansicht schien mir nicht veranlaßt, eine ausdrückliche Auseinandersetzung hätte übermäßigen Raum für eine vom Hauptthema abführende Frage be­ ansprucht. Das Buch ist etwas umfänglich geworden. Durch die kurze Zu­ sammenfassung am Schluß, das ausführliche Inhaltsverzeichnis und auch die Verweisungen in diesem Vorwort glaubte ich seine Benützbar­

keit erleichtern zu sollen. Würzburg, den 8. August 1926. Hellmuth Mayer.

Inhaltsverzeichnis. L Abschnitt. Geschichtliche Grundlagen. Sette

Vorbemerkung Carpzow -aU Ausgangspunkt der geschichtlichen Auslegung S. 1. — Die drei Cntwicklungslinien der Untreue S. 3.

4—3

$ 2.

Untreue und furtum . I. Der Begriff des furtum bei Carpzow S. 4. — 1. Der Diebstahlsbegriff des deutschen Rechts S. 5. — Der angebliche Unterschlagungsbegriff des deutschen Rechts S. 7. — Untreue­ fälle im Amisrecht S. 44. — Art. 470 CCC S. 43. — 2. Der römische Begriff des furtum S. 44. — 3. Das furtum als contrectatio vera und ficta bei Carpzow S. 45. — 4. Die Lehre Berlichs S« 49. II. Die Entstehung des modernen Eigentumsverbrechens S. 20. — 4. Der Konservativismus der älteren gemeinrechtlichen Lehre S. 24. — 2. Eigentum und Diebstahlsbegriff im. Na­ turrecht S. 25. — 3. Die älteren Kodifikationen S. 28. — 4. Die Formulierung des modernen Cigentumsverbrechens im Bayer. St. G. B. von 4843. S. 30.

4—32

$ 3.

Selbständige Pönalisierung der Untreue Die Untreue des Beamten S. 33. — Die Untreue des Vor­ munds nach der R. P. O. S. 34. — Die älteren Kodifikationen S. 37. — Feuerbach und das Bayer. St. G. B. S. 38. Untreue und falsüm / . . . . .

33—39

5 4.

Das gemeinrechtliche crimen falsi S. 39. — Untreue und sum S. 42.

39—43

fal-

II. Abschnitt. Oer Grun-charatter -er Untreuebestimmungen.

3 5.

D i e wesentlichen Streitfragen 4. Die Bindingsche Untreuelehre S. 43. — Der geschichtliche Un­ treuebegriff S. 45. — 2. Die Untreue als Vermögensver­ brechen S. 47.

43—47

VIII I. Unterabschnitt.

Oer Gesehestext in historischer Betrachtung. §

§

§ §

§

6. Die endgültige Feststellung der Eigentums­ verbrechen. 1. Die Formulierung des Preuß. St. G. B. S. 49. — 2. Die Erweiterung der Unterschlagung in der Praxis des Obertribunals S- 51. — 3. Das Eigentumsverbrechen des geltenden Rechts S. 55. 7. D i e Untreue der Vormünder usw. .... I. Der Grundcharakter der Untreue S. 56. II. Die Untreue als Vermögensverbrechen S. 60. III. Einzelheiten S. 64. 8. D i e Untreue der öffentl. vereideten Gewerbe­ treibenden 9. Die Untreue des Privatbev.ollmächtigten . 1. Keine Untreue desselben im Preußischen St. G. B. S. 69. — 2. Das Problem der Unterschlagungspraxis des Obertribunals S. 69. — 3. Lösung des Problems im Reichsrecht durch Er­ weiterung der Untreue S. 72. 10. D i e Vermehrung der Untreuetatbestände in der nachfolgenden Gesetzgebung 1. Die Untreue im öffentl. Versicherungsrecht S. 74. — 2. Die Untreue der Vorstände usw. jur. Personen S. 77. — 3. Die Untreue im Hyp.-Bankgesetz und Börsengesetz S. 78. — Ver­ wandte Tatbestände S. 78.

47—56

56—65

65—68 69—74-

74—79

II. Unterabschnitt. § 11. Der Wert des Begriffs des Vollmachtsmiß­ brauches I. Der geschichtliche Charakter der Untreue S. 79. — Strafrecht und objektive Auslegungstheorie S. 80. II. Die Formulierung der Bindingschen These als Mißbrauch der privatrechtlichen Vertretungsbefugnis in der nachfolgenden Theorie S. 83. III. Kritik der herrschenden Stellvertretungslehre — Vertretungs­ macht und subjektives Recht S. 85. — 1. Der weite Um­ fang der lediglich als äußere Rechtsmacht gefaßten Ver­ tretungsmacht S. 88. — a) Die sogenannte gesetzliche Ver­ tretung S. 88. — Die Auflösung dieses Begriffes in der modernen Stellvertretungslehre S. 89. — b) Die gewill­ kürte Stellvertretung S. 93. — c) Stellvertretung auf Grund besonderer Rechtsmacht S. 94. — Der Vertretungscharakter dieser Rechtsverhältnisse S. 94. — d) Ergebnis S. 97. — 2. Vergebliche Versuche zur Begrenzung des Stellvertretungs­ begriffes S. 97. — 3. Historisch-dogmatische Entwicklung des Begriffes der Stellvertretung S. 102. — 4. Die Neufor­ mulierung der angeblichen Bindingschen These S. 105.

79—122

IX IV. Die Kritik der Bindingschen These S. 106* — 1* Syste­

matische Unzweckmäßigkeit S. 106. — 2. Praktische Un­

brauchbarkeit S. 111. V. Allgemeine Folgerungen S« 116. — Strafrecht und Zivilrecht S. 117. VI. Untreue Bruch eines Vertrauensverhältnisses S. 121.

III. Abschnitt. Das geltende Recht im Einzelnen. I. Unterabschnitt.

Die Untreue -es ß 266 J. 1 und -er nachge-il-eien Bestimmungen. §12. Die tauglichen Subjekte.

.

.

.

.

.

.

122—143

I. Die Aufzählung in $ 266 Z. 1, S. 123. — II. Die Neben­ gesetze S. 135. — III. Wirkung fehlerhafter Bestellung zum

Amt S. 138. — IV. Beginn und Ende der Verbrechenstaug­ lichkeit S. 141. — V. Verbrechenstauglichkeit und Beamten­ eigenschaft S. 143.

§13» Die Untreue als Vermögensschädigung . . I. Die Untreue lediglich Vermögensverbrechen S. 143. — Die

143—167

Unanwen^bark it eines allgem. Vermögensbegriffs S. 145. — 1. Die Tragweite des zivilistischen Vermögensbegriffs S. 145. — 2. Der angebliche strafrechtliche Vermögensbegriff S. 150.

III. Der Vermögensnachteil des Untreuetatbestandes S. 155. — 1. Der Vermögensschaden der actio tutelae S. 155. — 2. An­

wendung auf den Untreuetatbestand S. 159. — 3. Die juristi­

sche Natur des entwickelten Begriffes S. 166. § 14. Die Untreue als Pflichtverletzung .

.

.

.

167—188

I. Untreue durch jede beliebige Handlung oder Unterlassung be­ gehbar S. 167. — Echte und unechte Unterlassung S. 169. —

II.

Begründung S.

171.

— 1. Übersicht über

die Recht­

sprechung S. 171. — 2. Untreue Zuwiderhandlung gegen die nach Billigkeit bestimmte Verpflichtung S. 175. — Untreue nicht

Mißbrauch der tatsächlichen Machtstellung S. 178. — 3.

Das Wesen der Billigkeit S. 180. — Die Tatbestandsmäßig­ keit der Verbrechen nach! § 2 St. G. B. S. 182. — Durch­

führung des Grundsatzes im St. G. B. S. 185. — 4. Straf­ recht und zivilistischer Klagtatbestand. S. 187. § 15. Die

angegriffenen V erm ögens träger .

.

.

I. Die Untreue Verbrechen gegen das Vermögen als Ganzes

S.

189. —

II.

Die Vermögensträger des

dem Vormund,

Pfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlaßpfleger, Nachlaßverwal­

ter anvertrauten Vermögens S. 191. — III. Die Vermögens­

träger des Vermögens juristischer Personen S. 197.

188—210

X $ 16. D i e Untreue der öffentlich verpflichteten Ge­ werbetreibenden I. Die tauglichen Subjekte S. 210. — IL Die besondere Aus­ gestaltung der Untreuehandlung S. 216. §17. Die Untreue des Kommissionärs . . . . I. Begriff des Kommissionärs S. 219. — II. Die Untreue als Vermögcnsbeschädigung S. 224. — III. Die Untreue als Pflicht­ verletzung S. 225.

210—218

218—228

II. Unterabschnitt.

Oie Bevollmäqiigienurüreue. §18. Der Begriff des Bevollmächtigten . . . Auslegungsfragen S. 228. — Das Blankett an die Recht­ sprechung S. 230. I. Haup^fall der auf Grund Auftrag Bevollmächtigte S. 231. 1. Rechtsgeschäftliche und tatsächliche Tätigkeit S. 231. — 2. Bote und Bevollmächtigter, das Problem der Recht­ sprechung S. 231. — 3. Bote und Bevollmächtigter, die Lösung des Problems S. 233. — 4. Genauere Begriffs­ bestimmung S. 238. II. Erwcitcrung des Begriffes S. 239. — 1. Der Gesellschafter und Vorstand einer juristischen Person S. 239. — 2. Der indirekte Stellvertreter S. 242. III. Die Bedeutung der Ungültigkeit des zivilrechtlichen Innen­ verhältnisses S. 244. IV. Ablehnung einer weiteren Ausdehnung S. 253. V. Die Vollmacht auf Grund öffentlichen Rechts S. 254. — 1. Wesen deH öffen'lichen Rechts S. 254 — öffentliche Voll­ macht kann Deliktstauglichkeit begründen S. 255. — 2. Be­ amter untauglich als Subjekt der Untreue S. 256. — 3. Ebenso der Gerichtsvollzieher S. 259. VI. Haupt- und Untervollmacht S. 259. VII. Die Beendigung der Vollmacht S. 260. § 19. D i e Verfügung über ein Vermögensstück . . Auslegungsgrundsähe S. 261. I. Die Vermögensaltiva als Angriffsobjekte 262. — 1. Schuld­ begründung nicht ausreichend S. 262. — 2. Der Begriff des Vermögensaktivums S. 267. — a) Subjektive Rechte S. 270. — b) Fremdnützige subjektive Rechte S. 271. — q) BeweiZurkunden S. 272. — d) Offerten S. 273. — e) Be­ sitz S. 274. — f) Treugut S. 274. — g) Geschuldete Gegenstände S. 275. II. Der Begriff der Verfügung S. 276. — 1. Verfügung über körperliche Sachen S. 279. — 2. Verfügung über Sachen, die nicht im Eigentum des Auftraggebers stehen S. 281. — 3. Verfügung über Immaterialgüterrechte S. 281.

228—261

261—303

XI III. Verfügung über eine Forderung S. 281» — 1. Erfüllungs­ vereitlung als Verfügung S. 281. — 2. Die sogenannte Forderungsunterschlagung S. 283. — a) Die Untreue des Kommissicnärs nach der herrschenden Lehre S. 284. — b) Die Absicht des Gesetzgebers S. 286. — Die richtige Aus­ legung S. 290. — 3. Die Veruntreuung von Geld S. 291. — a) Sachenrechtliche Beziehungen des Geldes S. 291. — b) Rechtsprechung der Strafsenate S. 296. — Die Lösung des Problems durch den Begriff der Forderungsunterschlagvng S. 370. IV. Die Verfügung als Vermögensbeschädigung S. 300. V. Die Unterlassung als Verfügung S. 303. VI. Die Verfügung als Pflichtverletzung S. 303.

III. Unterabschnitt. §20. Gemeinsame Bestimmungen . . . . . I. Der Begriff des Vermögensvorteils S. 304. II. Der sub­ jektive Tatbestand S. 306. — III. Untreue und $ 247 Abs. 2. — Fortfall der Rechtswidrigkeit S. 307. — IV. Der subsidiäre Charakter der Untreue S. 308. — V. Teilnahme S. 308. — VI. Strafmaß S. 309. — VII. Versuch und Verjährung S. 309.

304—309

IV. Abschnitt.

Der Entwurf. § 21. Der wahre Gehalt der Bindingschen These . Die falsche Ausdeutung der Bindingschen Lehre S. 309. — 1. Der prozessuale Vollmachtsbegriff Dindings S. 311. — 2. Vollmacht eine besondere Art des Auftrags S. 312. — 3. Der innere Widerspruch der Bindingschen Vorstellung S. 314.

309—315

§ 22. Der erste Untreuefall des Entwurfes . . . I. Der Grundcharakter der Bestimmung S. 316. — II. Die tauglichen Subjekte S. 321. — III. Die Untreue als Ver­ mögensschädigung S. 327. — IV. Die Untreue als Treubruch S. 328.

316—330

$ 23. Die andere Untreuebestlmmung des Entwurfs Wortlaut und Begründung S. 330. — 1. Das österreichische Vorbild S. 331. — 2. Die tauglichen Subjekte S. 333. — 3. Der Begriff des anvertrauten Gutes S. 334. — 4. Die Un­ treuehandlung S. 336. — 5. Kritik S. 336. Zusammenfassung

330—337

337—344

I. Abschnitt.

Geschichtliche Grundlagen. 8 1-

Vorbemerkung. Dieser Abschnitt dient, wie die ganze Darstellung, vorwiegend der Auslegung des heute geltenden Rechts, darüber hinaus der Kritik des­ selben. Es sind also die geschichtlichen Wurzeln des heutigen Rechts zu zeigen.

Demnach muß Carpzow zum Ausgangspunkt der Untersuchung genommen werden. Er ist zwar nicht der Begründer — das wäre Ber­ ti ch —, aber der bestimmende Faktor der deutschen Strafrechtsdoktrin. Es ist ein grundsätzlicher Fehler, wenn man die Carolina zum Ausgangs­ punkt der geschichtlichen Auslegung machen will, da diese ja tat­ sächlich erst durch die Vermittlung von Carpzow für die spätere Zeit gewirkt hat und auch die eigentlichen Kommentatoren der Carolina Böhmer und Kreß von Carpzow abhängig sind. Die Carolina selbst

darf ja nicht in der Weise ausgelegt werden, welche heute bei modernen

Kodifikationen angewandt wird, war doch damals die Gesetzgebung schwach und die Rechtslehre viel wirksamer. Wer mit dem Schema der „objektiven Auslegungstheorie" an die Carolina herantritt und sich so

ein System des damaligen Strafrechts aufbauen will, zimmert sich ein Phantom zurecht. Nicht mit dem Recht, wie es sich aus der Caro­ lina dem subsidiären römischen Recht sowie aus den Landrechten nach angeblich richtiger Auslegungsmethode hätte entfalten sollen, sondern mir dem Recht, wie es in der Doktrin gelehrt, in der Praxis tatsächlich Mayer, Das Rechtsgefübl.

1

2

geübt wurde, hat sich die moderne Gesetzgebung auseinandergesetzt *). Ihr Inhalt ergibt sich somit nicht aus dem Vergleich mit dem angeblich wahren Inhalt der Carolina und der sie ergänzenden Rechte, sondern aus dem Vergleich mit der tatsächlichen Doktrin und Praxis, mag diese auch auf Eigenmacht oder Mißverständnis beruhen. Darüber hinaus scheint mir allerdings auch für die rein historische Betrachtung ein nachträgliches dogmatisches Urteil über diese Doktrin und Praxis, ob sie den maßgebenden Rechtsquellen entsprochen haben, von sehr fragwürdigem Wert. Denn die Stellung des Richters und da­ mit die des Auslegers zum Gesetz wechselt. Die Normen, nach welchen sich die Auslegung zu vollziehen hat, sind zwar schwer zu fassen, aber sie sind positiven Rechts, ja sogar das wichtigste Stück davon und sind somit historisch wandelbar. Es mußte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, weil gerade die Frage nach dem historischen Verhältnis von Diebstahl, Unterschlagung imb Untreue, eine Frage, welche für uns an dieser Stelle von ent­ scheidender Bedeutung ist, gänzlich dadurch verwirrt worden ist, daß man im Banne moderner Anschauung ein Unterschlagungsdelikt in den Artikel 170 der Carolina hineinkonstruiert hat?), das der damaligen *) Dieser Sachverhalt kommt in der geschichtlichen Darstellung bei Hippel, Deutsches Strafrecht Bd. I (vgl. vor allem S. 212, 221 f., 227 f.) nicht mit hinreichender Schärfe zum Ausdruck. Die Bedeutung der Carolina soll mit dem Obengesagten übrigens in keiner Weise verkleinert werden. Sie bleibt der ent­ scheidende Mittelpunkt, an dem die Rezeptions-Jurisprudenz Halt gewann, sie bestimmt auch im großen und ganzen die Richtung, in der sich römisches und deutsches Strafrecht einigten. Insofern ist es richtig, wenn Hippel S. 212 sagt, daß die Carolina als Neichsgesetz die Grundlage des gemeinen Strafrechts geblieben sei. Aber wenn Hippel über Carpzow nur ausführt, daß er ein Jahrhundert lang die Praxis mit fast gesehesgleicher Wirkung beherrscht habe, daß er eine wissen­ schaftliche Darstellung des bestehenden Rechts auf Grund der Carolina gegeben habe, keine Neuschöpfung, so trifft dies die Sache nicht ganz. Carpzow dachte natürlich an gar'nichts anderes als an die Darstellung des geltenden Rechts, nur muß man sich klar machen, daß die damaligen Vorstellungen über das Wesen des geltenden Rechts ganz anders waren als die heute herrschenden. Und Carpzow steht auf Grund der sächsischen Praxis der Carolina doch wieder vielfach recht frei gegenüber, möglicherweise hat er sie auch teilweise mißverstanden. Jedenfalls — und dies ist das Entscheidende — hat eben die Carolina in der Form auf die spätere Lehre gewirkt, die ihr durch Carpzow gegeben war. Es ist darum falsch, unmittelbar auf die Carolina zurückzugreifen, wenn man die inhaltliche Entwick­ lung des gemeinen Rechts darlegen will. 2) So noch Hippel a. a. O. S. 193.

Zeit ganz fremd war. Ein Vergleich mit Carpzow und der ihm folgen­ den Doktrin dagegen zeigt sofort, daß der Unterschlagungsbegriss in seiner heutigen Ausgestaltung erst von Feuerbach geschaffen wurde,

während der Begriff der Untreue bereits älter ist. Wird Carpzow als Ausgangspunkt genommen, so ist damit auch

ausgesprochen, daß für die mittelalterliche Zeit für uns vor allem

der Sachsenspiegel und die sächsische Praxis heranzuziehen sind. Die gemeinrechtliche Entwicklung nach Carpzow erhält eine neue Wendung

durch das Naturrecht und die Kodisikationsbestrebungen der Auf­ klärungszeit 3). Die Auseinandersetzung zwischen der älteren gemein­ rechtlichen, durch Carpzow bestimmten Lehre und diesen beiden neuen Faktoren führt zur letzten entscheidenden, die Folgezeit und auch noch das heutige Recht bestimmenden Leistung, zum Lehrbuch Feuerbachs und zum bayerischen Strafgesetzbuch von 1813. Mit Feuerbach sind die geschichtlichen Grundlagen des geltenden Rechts gelegt. Nur soweit ist also in diesem Abschnitt die Untersuchung zu führen.

Die Dar­

stellung des preußischen Strafrechts gehört schon zur Gesetzgebungsge­

schichte des Reichsstrafgesetzbuches. Das war vorauszuschicken, um die in diesem Abschnitt angewandte

Methode zu rechtfertigen.

So betrachtet, sind drei Entwicklungsstufen zu verfolgen:

1. Die Aufnahme des Untreuetatbestandes unter den gemeinrecht­ lichen Begriff des furtum und wiederum das Ausscheiden des

Untreuetatbestandes aus diesem Bereich durch die Neuschöpfung des Unterschlagungsbegrisses im heutigen Sinn.

2. Die selbständige Pönalisierung einzelner Untreuetatbestände. 3. Die Auseinandersetzung der Untreue mit der Verbrechensgruppe

des falsum. 3) Es gibt allerdings noch eine andere Entwicklungslinie als die hier auf­ gezeigte: Sachsenspiegel, Carolina, Carpzow, Naturrecht, Feuerbach. Das ist näm­

lich die oberdeutsch-bayerische, die, wie aus den Anmerkungen Kreittmayers zum Coder criminalis hervorgeht, weitgehend unabhängig von Carpzow und auch dessen

Ausgangspunkt, der Glosse zum Sachsenspiegel ist.

In Oberdeutschland hat viel­

leicht wirklich die Carolina unmittelbar gewirkt. Aber Feuerbach, obwohl im bayerischen Dienst, knüpft nicht an diese oberdeutsche Entwicklung an. Man muß

sich ja

nur darüber klar sein, daß man ttn protestantischen Deutschland

Kreittmayer so gut wie nichts wußte.

r

von

4 « 2-

Untreue und furtum. I. Der Begriff des furtum umfaßt bei Carpzow x) außer dem eigent­ lichen Diebstahl eine große Anzahl von Tatbeständen, welche wir heute als Unterschlagung oder Untreue*2) bezeichnen dürfen, darüber hinaus

noch eine Reihe ähnlicher Delikte. Eine scharfe Abgrenzung dieser Ver­ brechensgruppe nach außenhin fehlt. Der eigentliche Diebstahl wird jedoch innerhalb der Gruppe scharf umgrenzt herausgehoben,. Er ist seinem Wesen nach gewinnsüchtiger Gewahrsamsbruch und somit zu­ gleich enger und weiter als der heutige Diebstahl, der Angriff auf das Eigentum ist. Nur dieser eigentliche Diebstahl ist mit der Regel-

strase bedroht, die übrigen Fälle werden als unvollständige Neben­ formen milder gestraft. Diese Carpzowsche Grundlegung war für die weitere Entwicklung maßgebend. Sie kann aber in ihrer Bedeutung nur verstanden werden, wenn man sie in ihren geschichtlichen Grund­ lagen erfaßt und mit dem heutigen Recht vergleicht. Der Gegensatz zum heutigen Recht liegt klar zutage. Heute find' Unterschlagung und Diebstahl Angriff auf das Eigentum, Enteignung mit dem Vorsatz, sich die Sache anzueignen. Der Diebstahl ist das

einfach qualifizierte Aneignungsverbrechen, da er auch den Besitz ver­ letzt, der Raub das zweifach qualifizierte, da er außerdem noch das Moment der Nötigung enthält. Ursprünglich bestand und besteht teilweise auch heute noch die Vor­ stellung, diese uns geläufige Parallelstellung von Diebstahl und Unter­ schlagung sei altdeutschen Ursprungs. Insbesondere sei der Unter­ schlagungsbegriff schon im altdeutschen Recht in seinem Gegensatz und x) Carpzow:

Practica

nova.

Hier nach der mit den observationes von

l. S. F. Böhmer versehenen und von diesem besorgten Ausgabe — Frankfurt a. M.

1758 — zitiert. Vergl. P. II Qu. 77 ff. 2) Vergl. P. II Qu. 85.

Der Begriff der Untreue muß hier ohne nähere, Be­

grenzung vorausgesetzt werden. Es ist aber im wesentlichen darunter die Schä­ digung zur Verwaltung anvertrauten Gutes zu verstehen. Wenn im folgen­ den. ausgeführt wird, daß im Tatbestand des furtum Untreue und Unterschlagung ungeschieden enthalten seien, so ist daraus nicht zu schließen, daß die Unter­ schlagung nicht auch Untreue sei wie ja bekanntlich die Unterschlagung nach der. m. E. richtigen Ansicht des Reichsgerichts zugleich Untreue ist, vielmehr soll nur

gesagt sein, daß neben der Unterschlagung auch andere Untreuehandlungen straf­

bar sind.

seiner Verwandtschaft zum Diebstahl klar herausgearbeitet gewesen. Erst durch den Einbruch der Rezeptionsjurisprudenz sei diese Rechtsauf­ fassung verschüttet worden^). Diese Ansicht ist irrig. 1. Kriminell ist zunächst überhaupt im deutschen Recht nur der Diebstahl ^). Das Strafrecht in unserem modernen Sinn ist ja nicht

unmittelbar aus dem alten Kompositionssystem hervorgewachsen, das ja auch noch wesentlich andere Züge- trägt. Unser heutiges Strafrecht knüpft vielmehr an die Ausdehnung der peinlichen Strafe, d. h. der

Leibes- und Lebensstrase im späteren Mittelalter an. Nur die pein­ liche Strafe ist Kriminalstrase in unserem Sinn, nur die mit pein­ licher Strafe bedrohte Handlung ein Verbrechen53).4 So müssen auch 3) Vergl. z. B. H ä l s ch n e r : Preuß. Strafrecht, Bd. II, S. 408, Allselb: Lehrbuch, S. 431. Vergl. die ausführliche Zusammenstellung in Eckhard Meister: Fahrnisverfolgung und Unterschlagung im deutschen Recht. Festschrift für Adolf Wach, Leipzig 1913 S. 48 N. 1. Deutsches Strafrecht I, S. 152 N. 11, S. 193.

Neuerdings wieder Hippel:

4) Vergl. zum Folgenden vor allem Cropp in Hudtwalkers und Trümmerkriminalistischen Beiträgen, Bd. II S. 1—79, 232—406, Köstlin in Kritische

Überschau, Bd. III, S. 149—228, 334—376.

Löning: Der Vertragsbruch im

deutschen Recht, Straßburg 1876, Wilda: Strafrecht der Germanen, Halle 1842, S. 859 ff. Brunner: Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II, S. 637 ff.

Friese:

Strafrecht

des

Sachsenspiegels

(Gierkes

Untersuchungen

Bd.

55),

S. 238 ff. Außerdem vor altem die Abhandlung von Meister, insbesondere S. 48 ff. Bei diesem ist jedoch das Ergebnis sehr stark von seiner grundsätzlichen

Deutung des zivilrechtlichen Klagesystems und der Anevangsklage abbängig. diese Deutung

bin

ich

hier nicht zuständig,

sie erscheint mir aber

Für

immerhin

zweifelhaft, so kann hier ein einfacher Verweis auf Meister nicht genügen.

Im

Anschluß an Meister B i n d i n g, Normen Bd. II, S. 1066, aber nicht ganz zutreffend.

Vgl. unten N. 36.

Der Sachsenspiegel ist zitiert nach H o m e y e r,

3. Aufl. 1861. 5) His : Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. I, S. 343 f., 583 ff.

führt „Buße und Brüche" wohl im Strafensystem auf, wenngleich er dabei den Verfall des Bußsystems schildert. Aber, er bringt m. E. zu wenig zum Ausdruck, daß

eben die peinliche Strafe als etwas völlig anderes als die Buße

wurde.

empfunden

Auch Friese: Strafrecht des Sachsenspiegels, geht bei seiner Charakte­

risierung von „Wergeld und Buße" S. 171 ff. (His und Friese haben da verschiedene Nomenklatur) von durchaus modernen Kriterien aus.

Gegen diese Vermengung

des altrechtlichen Bußsystems mit dem neueren System der peinlichen Strafe als Beleg sehr interessant. Carpzow! Qu. 34. De werigeldo eiusque praestatione N. I.:"... Ita ob varias circumstantias et qualitates dolum excludentes, eadem poena

(homicidii d. V.) mitigatur, ut ex iis quae praestantibus quaestionibus fusius tractata

6 nicht ohne weiteres Beziehungen zwischen den volksrechtlichen Kom­ positionsklagen und den späteren Tatbeständen des peinlichen Rechts bestehen. а) Der mit peinlicher Strafe bedrohte Tatbestand des Diebstahls ist aber allerdings mit dem Diebstahl des Kompositionssystems identisch. Er deckt sich aber, wie schon bemerkt, keineswegs mit dem heutigen Deliktstatbestand. Der Diebstahl, der alten Volksrechte ist ebenso wie der des Sachsenspiegels und des gesamten mittelalterlichen Rechts nicht Angriff auf das Eigentum, sondern Bruch fremden Gewahrsams in gewinnsüchtiger Absicht 6*).7* * Der entscheidende Beweis hiefür wird allein schon dadurch geliefert, daß nicht dem Eigentümer, sondern dem Inhaber der gebrochenen Oewere die Diebstahlsklage zusteht?). Freilich ist der Gewahrsams­ inhaber in der Regel auch der Eigentümer, ja man versucht sogar nachzuweisen, daß der Diebstahl eine in fremdem Eigentum befindliche Sache voraussetze8). Letzteres bleibt mindestens zweifelhaft, ist aber überhaupt nicht so wesentlich. Der Nachdruck liegt jedenfalls auf der fuerunt, luculenter aparet, unde fit, quod de crimine homicidii non semper criminaliter, sed quandoque civilster agitur. n. 2. non enim de iure saxonico criminalis actio est nisi quaead poenam corporis dirigitur afflictivam.

б) Wilda : Strafrecht a. a. O. legt das alte Schema Diebstahl als An­ eignungsverbrechen zu Grunde, ohne es auf seine Tragfähigkeit zu prüfen. Ebenso Cropp a. a. O. und Brunner, R. G. Bd. II, S. 638 f. Aber gerade die näheren Ausführungen über den Aneignungsbegriff bei Brunner zeigen doch, daß die Sache nicht stimmen will, auch deckt sich der Brunnersche Aneignungs­ begriff offenbar nicht mit der neueren strafrechtlichen Doktrin. 7) Das ist ja unbestritten. Vergl. Brunner, R. G. Bd. II, S. 639. Auch schyn Cropp a. a. O. S. 233 ff. Cropp sucht S. 240 diese Erscheinung gewisser­ maßen mit einer Cessio legis zu erklären, welche die logische Folge der Schadensersatzregelung sei. Ein solcher Gedanke ist natürlich einem ursprünglichen Recht vollkommen fremd, vergl. auch Plank: Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, S. 396 N. 10, Sachsenspiegel: Landrecht, Buch II, Artikel 57/60. 8) Vergl. Brunner: R. G. a. a. O. Danach ist mindestens bei einem Teil der Volksrechte fremdes Eigentum nicht erforderlich. Friese a. a. O. S. 242 sucht für den Sachsenspiegel nachzuweisen, daß fremdes Eigentum erfordert werde und zwar auf Grund von Buch II, Artikel 47 § 1. Die Auslegung erscheint mir recht fraglich, gerade auch mit Rücksicht auf die auch von Friese zitierte Ansicht Planks, a. a.O. S. 396 N. 10. Man muß doch auch bedenken, daß das Pfandrecht ursprünglich Eigentum war. Die Eigenmacht des Artikels 47 kann sich sehr wohl auf Fälle beziehen, in denen für den Angegriffenen kein Besitzrecht bestand.

äußerlich wahrnehmbaren Rechtsverletzung, auf der sinnlich vorge­ stellten Handlung der Wegnahme aus fremdem Gewahrsam.

Diese

Vorstellung wird noch genauer konkretisiert durch das Erfordernis der Heimlichkeit.

Diese ist so sehr das eigentliche Charakteristikum, daß

noch Damhouder aus diesem Grunde furtum und falsum für fast wesensgleich erachtet 9). Der Diebstahlsbegriff ist insofern auch int

Sachsenspiegel noch enger als im heutigen Recht, denn auch hier ist

noch nicht negativ Gewaltlosigkeit, sondern positiv Heimlichkeit erfor­ dert io). Man muß doch überhaupt bedenken, daß ja diesen ursprüng­ lichen Zeiten die moderne Vorstellung, daß das Strafrecht bestimmt sei, zivilrechtliche Institute zu schützen, noch ganz fern liegen mußte, denn das alte Kompositionsrecht war ja im allgemeinen nur ein

Recht der Rechtsverletzungen und nicht der positiven Rechtsinhalte.

Im Gegensatz zu der Entwicklung des römischen Rechts ist nun der besondere Charakter dieses eigentlichen Diebstahls auch in der Folgezeit und auch in den Fluten der Rezeption erhalten geblieben. Ursache war wohl, daß auf den Diebstahl Todesstrafe gesetzt war. Dies mußte die Erweichung des Diebstahls zum furtum im römischen Sinn verhindern, denn selbst eine Zeit, welche mit der Todesstrafe sehr freigebig um­ ging, konnte unmöglich alle Handlungen mit Tod bestrafen, welche nach den römischen Quellen als furtum anzusehen waren. So blieb der Diebstahl im engeren Sinn als vergleichsweise fest umrissener Be­ griff auch im späteren deutschen Recht erhalten.

b) Der Begriff der Unterschlagung, dessen klare Abscheidung vom Diebstahl dem germanischen Recht bisweilen im Gegensatz zum römi­ schen Recht nachgerühmt wird, war aber dem germanischen Recht über­

haupt fremd ii).

9) Vergl. Damhouder: Praxis rerum criminalium (II. Aufl., Antwerpen 1562), Kap. 119 N. t. Vergl. übrigens auch Wilda a. a. O. 864 f. Cropp a. a. O. S. 10. 10) Wenn auch der Sachsenspiegel das Moment der Vermögensschädigung schon wesentlich schärfer betont, der Grund der strengen Bestrafung liegt hier nicht mehr ausschließlich in der Heimlichkeit, d. h. der Unheimlichkeit der Tat, wird doch im Sachsenspiegel der Raub nicht mehr milder als der Diebstahl be­ straft. Vergl. Friese a. a. O. S. 253. n) Vgl. darüber insbesondere L ö n i n g : Vertragsbruch, insbesondere S. 5t ff., 99 ff., 393 ff. Meistera. a. O. S. 48 ff. Friese a. a. O. S. 257 ff. Brun­ ner, R. G. Bd. II, S. 650. Wilda: S. 917 ff.

8 Natürlich mußte irgendwie ein Schutz gegen Unterschlagungshand­

lungen bestehen.

Dieser war auch zur Zeit des Kompositionssystems

dadurch gegeben, daß die Unterschlagung ja normalerweise eine Kon­ traklsverletzung ist, und als solche wurde sie mitgefaßt und gebüßt. So kennt, modern gesprochen, das alte Volksrecht demnach den Tat-,

bestand der Unterschlagung nicht, sondern nur den Tatbestand der Un­

treue; in der lex Salica ist dies überaus deutlich 12). Allerdings kennt der Sachsenspiegel wie auch die Bolksrechte13)* eine

Anzahl von Fällen, welche man heute unter dem gemeinsamen Titel diebliches Behalten zusammenzusassen pflegt und welche der Sachsen­

spiegel mit dem Diebstahl in Beziehung bringt^).

Alle diese Fälle

kommen darin überein, daß die betreffende Sache ohne den Willen des

Eigentümers aus seinem Gewahrsam gekommen ist, daß somit der­ jenige des Diebstahls verdächtig ist, bei dem sie sich befinden15). Wenn 12) Vergl. lex Salica

Titel 52 de re pristita.

Es ist ganz ununterschieden,

warum der Beklagte nicht erfüllt. Es kann die Erfüllung unmöglich sein, weil er

die Sache verbraucht, also unterschlagen bat.

Er mag sie vielleicht nur vernichtet

haben oder vielleicht aus Rache oder sonst einem Grund dem Gegner nur entziehen wollen. All das ist unerheblich. Aneignungswille wird nicht verlangt. Auch richtet sich die Höhe der Buße nicht nach dem Wert des vorenthaltenen Gutes. Das wäre aber nötig, wenn vom Gedanken der Aneignung ausgegangen würde. Dazu L ö n i n g a. a. O. S. 51 ff. Die bekanntlich stark r omanisierende lex Visigothorum fragm. 280 und die lex Baiuvariorum XV, cap. V. behandeln anscheinend wirklich die Unterschlagung gleich dem Diebstahl, obwohl hinsichtlich der letzteren bereits Bedenken bestehen.

Daß die lex Baiuvariorum nichts für die spätere Entwicklung bedeutet, ergibt sich daraus, daß nicht einmal das Münchener Stadtrecht die Unterschlagung kennt, aber überhaupt ist ja auch in diesen Fällen kein Unterschlagungsbegriff aufgestellt, sondern nur analog dem römischen Recht der Diebstahlsbegriff erweicht, denn der

Täter wird ja „sicut für“, als wenn er ein Dieb wäre, gestraft. L ö n i n g S. 99 ff., Meister S. 53 f.

Vergl. dazu

13) Brunner : R. G. II S. 650., Wilda : S. 917 ff. u) Der erste Fall ist, wenn einem eine fremde Sache im Wasser zufließt, Sachsenspiegel Buch II, Art. 29, der zweite, wenn eine Sache gefunden wird, 11,37 $ 1, der dritte, wenn eine Sache Dieben und Räubern abgejagt wird (ebenda),

der vierte, wenn jemand durch einen Mißgriff in den Besitz einer fremden Sache gelangt ist, 111,37 $$ 3, 4, 89.

*5) Vergl. das Zitat bei Wilda S. 920 aus dem Uplandsrecht: „DaFinden folgt nächst dem Diebstahl, denn der Dieb findet gerne, wie der Küster den Kelch".

er die Sachen verhehlt oder verschweigt, so werden sie diebisch 16), d. h. die Sachen werden als Diebsgut behandelt. In einem Fall verfügt der

Sachsenspiegel, daß Buße und Gewedde gezahlt werden müsse, mög­ licherweise war dies auch bei den anberen17)18Fällen oder einem Teft

davon ebenso.

Aber auch die Vorstellung des dieblichen Behaltens

darf nicht im Sinne der Unterschlagung gedeutet werden.

Vielmehr

erwähnt der Spiegler einerseits, daß die Sache zwar einem Diebstahl sehr ähnlich sieht und darum die Sache als Diebsgut behandelt werden soll, er fügt aber andererseits gleich hinzu, daß der Täter gerade kein

Dieb ist. Die Aufstellung, eines Verbrechensbegrisses liegt dem Spiegler ganz ferne.

Er will nur den Diebstahl verneinen, trotzdem nahe­

liegender Verdacht gegeben ist19). Man muß sich dies alles sehr einfach und praktisch vorstellen. Füx

diese primitiven Zeiten, war Diebstahl eben dann gegeben, wenn der-

Dieb auf Handhafter Tat betroffen wurde, oder wenn eine fremde Sache sich im Hause eines anderen fand und dieser nicht erwidern konnte, der

Eigentümer habe sie ihm oder seinem Gewährsmann selber gegeben. Auch heute wird man doch im allgemeinen einen Beschuldigten, xin dessen Haus man eine fremde Sache seststellt, nicht gerne mit der Be­

hauptung hören, er habe sie „gefunden". Nur daraus erklärt sich die ausdrückliche Feststellung, daß dennoch kein Diebstahl vorliege. Wollte man dem Sachsenspiegel die Vorstellung einer Missetat des

dieblichen Behaltens unterlegen, so müßte denn doch auch die Unter16) Im Falle Sachsenspiegel Buch III, Artikel 89 ist das Verschweigen zur Erhebung der anevangsklage gar nicht nötig, wohl auch nicht gut denkbar. Spiegler vermeidet auch hier den Ausdruck, daß die Sache diebisch werde. F r i e s e a. a. O. S. 261 nimmt das an. ausreichend.

Der

Die Begründung ist aber nicht

Im vierten Falle spricht dafür allerdings eine Analogie aus dem

lübischen Recht, die Friese'übersehen hat.

Vergl. Cropp

a. a. O. S. 60, 9g 34.

18) Cs erscheint mir auch sehr zweifelhaft, ob der Ausdruck im Sachsenspiegel Buch II, Art. 29 wirklich vorkommt, wie Friese S. 259 annimmt. Die anderen Lesarten, vergl. die Ausgabe von H o m e y e r, haben m. E. mindestens ebenso­ viel für sich.

19) Insofern kann ich also Meister S. 54 nicht ohne weiteres zustimmen. Ebensowenig B i n d i n g : Normen Bd. II, S. 1067.

Es ist ja durchaus mög­

lich, daß eine ältere Zeit, welche Schuld und Ungefährwerk noch nicht zu scheiden verstand, auch die Fälle des dieblichen Behaltens des Sachsenspiegels wirklich als Diebstahl bestrafte, d. h. mit der Diebstahlsbuße belegte. Peinliche Strafe aber stand niemals auf diesen Fällen, denn das wird ja vom Sachsenspiegel ausdrück­

lich verneint. Es ist also nicht richtig, wenn Meister und Binding die Fälle des dieblichen Behaltens ohne weiteres als echte Diebstahlsfälle ansehen.

10 schlagung des geliehenen oder sonst anvertrauten Gutes als krimineller Tatbestand nachweisbar sein.

Es ist ja eine Unmöglichkeit, daß sich

die Unterschlagung gerade aus dem Fund oder aus fundähnlichen Ver­ hältnissen damals hätte entwickeln können.

Vielmehr legen alle diese

Stellen des Sachsenspiegels nur die Vorstellung eines unvollständigen Diebstahls nahe. Die Unterschlagung geliehenen oder sonst anvertrauten Gutes kennt der Sachsenspiegel aber überhaupt nicht 20).

Der Schutz gegen Unter­

schlagungshandlungen ist insofern sogar geringer als in der lex Salica,

da der Verzug in der Rückerstattung als solcher nicht einmal büßbar ist und nur zur Zwangsvollstreckung führt.

Ob es büßbar ist, wenn

der Verwahrer die Zwangsvollstreckung gegenstandslos macht dadurch, 20) Vergl. Sachsenspiegel Buch

III,

Art.

22

§ 2,

43, $ 1,2.

Art.

Dazu

Löning st. o. O. S. 393—404, Friese a. a. O. S. 358, Brunner, R. G.

Bd. II, S. 650 Abs. 2 st. A., Meister a. a. O. S. 49 ff.

Cropp, S. 61 ff.

sucht zwischen Leihe und depositum zu unterscheiden und will Strafbarkeit im

zweiten Falle annehmen, wohl durch die Carolina bestimmt. Diese Unterscheidung ist natürlich unhaltbar.

Dagegen sucht Köstlin: Kritische Überschau, Bd. III

S. 208 ff. im deutschen Recht ein generelles Unterschlagungsdelikt nachzuweisen. Es ist, trohdem die neuere Forschung ja in unserem Ergebnis übereinstimmt, not­

wendig, auf Köstlin mit einigen Worten einzugehen.

Köstlin ist so überzeugt,

daß cs ein Verbrechen der Unterschlagung gegeben haben müsse, daß er nahezu verlangt, es müsse in der Rechtsquelle stehen, daß die Unterschlagung nicht strafbar

sei, wenn sie nicht bestanden haben solle. Vergl. insbes. S. 216 ff., was er denn auch an positiven Zitaten (vergl. S. 208 n. 2) bringt, ist entweder für das

wirklich deutsche Recht bedeutungslos wie die Zitate aus der lex

Baiuvariorum

und Visigothorum (vergl. oben S. 8 n. 12) oder einfach falsch. Goslarer Statuten — herausgegeben von Göschen 1840, S. 82 Zeile 22—27 — sehen,

indem

sie

das

Drittel des Vogts

Kriminalsache nicht vorliegt.

ausschließen, ja ausdrücklich fest, daß

eine

Zudem scheint die Stelle vntvernet he dat gram­

matisch recht bedenklich, denn der Sah paßt nicht zusammen.

Vergl. dazu die

ebenfalls von Köstlin zitierte Stelle, Rechtsbuch nach Distinetionen, heraus­ gegeben von Ortloff 1836, Buch IV, cap. 42, Dist. VI. Nach den Anmerkungen von O r t l 0 f f, S. 558 ist das he in diesem Sahe unsicher. Es kann also der Sah

ursprünglich vielleicht geheißen haben, daß die Sache ihm, d. h. dem Verwahrer entfernt würde, es wäre doch auch für die spätere Auffassung des Kriminalrechts

sehr eigentümlich, wollte man die Tat des Herrn mit der Tat des Gesindes gleichstellen. Das Zitat Richtsteig 11,9 wohl nach Senkenberg Bd. I betrifft in Wahrheit ja die Glosse zum Sachsenspiegel Buch II, Art. 37.

Köstlin meint, ist nicht ganz gewiß.

Punkten bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Unterschlagungsfälle zum Diebstahl.

Welche Ausgabe der Glosse

Bei Senkenberg ist die Glosse in manchen

Die spätere Glosse zieht ja allerdings

daß er die Sache irgendwie beseitigt, sei dahingestellt21 * *).* *Ein * * Kriminal­

fall liegt aber jedenfalls nie vor und auch für die Haftung mit Buße ist der Tatbestand der Unterschlagung als solcher nicht erfaßt.

Nur von einer Unterschlagung in diesem engeren Sinne könnte aber ein Unterschlagungsbegriff ausgehen, wie ja die spätere Entwicklung desselben auch tatsächlich an den Artikel 170 der Carolina ange­

knüpft hat. Es ist im übrigen keine Besonderheit des Sachsenspiegels, wenn dieser den Begriff der Unterschlagung nicht kennt.

Die Betrachtung/ des oberdeutschen Rechts führt zum gleichen Ergebnis und auch dia oberdeutschen Stadtrechte führen im allgemeinen nicht über die Auf­

fassung des Sachsenspiegels hinaus22)

Wie evtl, durch allgemeinere

Bestimmungen Schutz geschaffen war, ist ja hier nicht zu erörtern.

c) Dagegen bringt nun allerdings die Frührezeption in Anlehnung

an den Diebstahl eine Anzahl neuer strafbarer Tatbestände auf. Schon ziemlich früh wurde der ungetreue Amtsträger kriminell er­ faßt, sei es, daß er Amtmann eines Sperrn, sei es, daß er Bürger­

lich

öl) Für die Leihe wird diese Frage verneint von Cropp S. 65. Daß natür­ nicht zwischen Leihe und deposituni unterschieden werden kann, ist klar.

L ö n i n g S. 404 ff. führt aus, daß nach anderen Rechten Buße zu zahlen war,

in der aber der Schadensersatz inbegriffen war. Daß der Sachsenspiegel dies nicht

erwähnt, ist immerhin auffällig. Mir will es scheinen, daß in der Buße für die Nichterfüllung des Urteils nach Buch I Artikel 53 $ t auch die Unterschlagung ab­ gegolten war.

22) Vergl. im allgemeinen L ö n i n g a. a. O. S. 393 ff. Dazu Laßberg , Schwabenspiegel 230 I, auch Caspar: Der strafrechtliche Inhalt des Schwaben­ Dieser nimmt insofern ebenfalls kein be­

spiegels. Diss. Berlin 1892, S. 29. sonderes

Unterschlagungsdelikt

umfassen läßt.

an,

als

er

die diupheit die Unterschlagung

Die Note 48 angeführten Fälle gehören

Unterschlagung. Schwabenspiegel 374 Zusatz 2 ist besonders zu behandeln.

allerdings

mit

aber nur z. T. zur Cs ist

nicht zu verkennen, daß bisweilen über den eigentlichen Diebstahls­

bereich hinausgegriffen wird. Über das Augsburger Stadtrecht vergl.

Caspar

a. a. O.

S. 75.

Caspar

wundert sich, daß die Strafe der Unterschlagung fast immer im Gnadenwege er­ lassen sei. Es handelt sich im übrigen gar nicht um Unterschlagung, sondern um

Amtspflichtverlehung schlechthin, die nach der landrechtlichen Grundlage eben von vornherein nicht unter einen besonderen Titel gefaßt wurde.

Über Regensburg

vergl. Knapp: Altregensburg, Berlin 1914, S. 244, auch hier lediglich Grenz­

überschreitung

beim

Diebstahlsbegriff.

Kriminalrecht, Berlin 1896, S. 245. Unterschlagungsfall finden.

Über

Nürnberg,

Knapp, Nürnberger

Hier kann ich überhaupt keinen eigentlichen

J2 meister ober Ratsmitglieb einer Stabt war.

Die Hanblung konnte

Vermögcnsbeschäbigung in irgenb einer Weise sein.

Sie konnte be­

gangen werben durch Unterschlagung von Steuern unb Abgaben ober auch burch Nichtbeitreibung von solchen unb burch falsche Rechnungs­

legung. In allen Fällen stammt aber bie Kriminalstrafe nicht aus bem Lanbrecht, sondern aus bem Amtsrecht, ber Tatbestanb war Ver­ untreuung im weiteren Sinn unb nicht Unterschlagung23).

Scharf

ausgeprägt tritt uns bann diese kriminelle Ahnbung ber Beamten­ untreue in ben sächsischen Konstitutionen P. IV const. 41 entgegen. Diese Konstitution muß aber offenbar älteres Recht24) als Vorbild

haben, benn sie führt nur bie Tobesstrase als eine neue Satzung an. Außerbem aber zeigt natürlich bie Praxis bie Neigung, ben Diebstahls­

begriff noch zu erweitern, entweber, inbem sie äußerlich bem Diebstahl 23) Einen Fall, der ebensogut Untreue als Unterschlagung im heutigen Sinne

bedeuten kann, enthalten die Magdeburger Fragen, herausgegeben von Behrend.

Buch I, cap. I distinctio 25.

Diese Entscheidung wird auch wiedergegeben im

Breslauer systematischen Schöffengericht, herausgegebew von Laband, Buch III. Teil 2 $$ 9, 10. Schöffengericht der Dresdener Handschrift, herausgegeben von

Wasserschleben, cap. II. Ein Beweis, daß der ausgesprochene Rechtssatz "für wichtig und grundlegend angesehen wurde, aber auch, daß er sonst nirgends zu belegen war. Wegen des oberdeutschen Rechts vergl. Knapp, Rechtsbuch des Rupprecht von Freising in seiner Bedeutung 1914, S. 41, Caspar a. a. O. S. 75. Hier über

Augsburger Stadtrecht. Besonders wichtig ist aber die schon oben N. 22 erwähnte Stelle des Schwabenspiegels 374,11. Woher dieser Zusatz stammt, habe ich nicht finden können. Auch R o ck i n g e r, Abhandlungen der historischen Klasse der baye­ rischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 22 S. 581 N. 1 Abs. 4 weiß über den

Koder in Großfolio, aus dem der jedenfalls jüngere Zusatz stammt, nichts zu melden. In der Stelle ist sehr deutlich, daß der Amtmann ursprünglich als Unfreier gedacht

ist. Es ist ein neu entstandener Rechtsschutz, daß der Herr nun den Amtmann vor Gericht fordern kann, ein Rechtsschutz für diese Art der Unfreien, welche nun der nach wie vor willkürlichen Gewalt ihres Herrn erst dann verfallen, wenn das Gericht ihre

Schuld festgestellt hat. Das duplum, die Buße für einen Freien aber ist offenbar

römischen Ursprungs, denn ursprünglich kann ja dieser Prozeß, der das ordal vor­ schreibt und dem Beklagten den Eid verweigert, gar nicht gegen einen Freien

gerichtet gewesen sein. aus

dem Recht

der

Sonach ist deutlich, daß die Kriminalisierung der Untreue Unfreiheit

und

andererseits

aus

dem

römischen Recht

stammt 24) Im oberdeutschen Recht übereinstimmend pfälzische Malefizordnung von

1582, Titel 57, vergl. auch Perneder, Ausg. v. 1563 bei Weissenhorn, In­ golstadt, Bl. XXII (Art. 141).

ähnliche Fälle zum Diebstahl zog 25), andererseits bildete die sächsische

Praxis auf Grund der oben besprochenen Fälle des sogen, dieblichen Behaltens und der betreffenden Stellen der Glosse des Sachsenspiegels sowie der eben erwähnten Konstitution eine allgemeinere und in den

Grenzen unbestimmte Bestrafung der Unterschlagung, Untreue und ähnlicher Handlungen au326). Im einzelnen läßt sich die Entwicklung hier nicht genauer verfolgen. In den Stadtrechten werden außerdem die Veruntreuungen von Boten, Fuhrleuten, Schiffern, Handwerkern allmählich unter Strafe gestellt2?). Aus Carpzow können wir schließen, daß dies auch in der sächsischen Praxis geschehen ist28),29es ist nicht wahrscheinlich, daß

dies später geschah.

Diese starke Erweiterung des Diebstahls hatte ihren Grund wohl im allmählichen Herüberwirken des römischen Rechts, sowohl direkt seines Begriffes vom furtum als auch indirekt des Eindringens des römischen Prozesses, der den generellen Schutz der Prozeßbußen be­ seitigte. d) Zuletzt tritt hinzu die in ihren Grundlagen jedenfalls junge Be­ stimmung der Carolina, Artikel 170. Die Entstehungsgeschichte ist noch nicht aufgeklärt28). Jedenfalls beruht sie nicht auf altem deutschen

Recht, ja nicht einmal die Stadtrechte haben einen solchen Tatbestand entwickelt30). Vielleicht hat die Bamberger Praxis das Vorbild ge25) Vergl. Nichtsteig, Landrecht, herausgegeben von Homeyer, cap. 47.

Die äußerliche Ähnlichkeit der Handlung ist unverkennbar.

Buch durchschaut diese

und verwirft in Übereinstimmung mit dem früheren Recht die Behandlung dieses Tatbestandes als Diebstahl. 26) Insbesondere Glosse zu Buch H, Artikel 37. Außerdem Carpzow, Qu. 85. Jedenfalls beruht die Kriminalisierung dieser Handlungen nicht erst auf Art. 170 der Carolina, wie sich aus Carpzows Darstellung ohne weiteres

schließen läßt.

27) Vergl. vor allem Rothe nbücher, Geschichte des Werkvertrages nach

deutschem Recht, S. 112, Cropp 28) Qu. 85 N. 74 ff.

a. a. O. S. 73.

Vgl. Sächsische Konstitutionen P. IV. const. 41 a. C.

29) Brunnen meister, Quellen der Bamb., S. 96, 279, geht noch von der Auffassung aus, daß der Unterschlagungsbegriff altgermanischen Ursprungs

sei und stellt darum überhaupt keine Frage nach der Herkunft unserer Bestimmungen. 30) Nur in der Nürnberger Reformation, Titel 15, 5. Gesetz, wird ein Fall unter Strafe gezogen, der hierher gehört, aber viel enger umgrenzt ist. Hier ist

die römisch-rechtliche Grundlage am duplum deutlich zu erkennen. Strafe wird gerade hier in der Regel nicht verhängt.

Aber peinliche

14 liefert 31), vielleicht ist auch an unmittelbaren Einfluß irgendwelcher

Rezeptionsjuristen zu benfen32). Immerhin wird man um die An­ nahme eines schöpferischen Entschlusses Schwarzenbergs nicht

herumkommen. Der Umfang der Bestimmung ist streitig.

Dem Wortlaut nach

könnte sie auch Verfügung über die Sache und Sachbeschädigung in sich begreifen, doch möchte man vielleicht das erstere an „vertrautem" Gut für unmöglich ansehen. Jedenfalls stellt sie aber den bisher straf­ losen Tatbestand der Unterschlagung am depositum und commodatum unter Strafe, sie hat ebenso bestimmt keine Beziehung zu den schon

im Sachsenspiegel strafbaren Funddiebstählen. Sie umfaßt wahrschein­ lich aber auch die Untreue.

Es darf übrigens nicht übersehen werden, daß es sich bei dem Streit um die Reichweite des Art. 170 in der gemeinrechtlichen Doktrin und

Praxis gar nicht darum handelte, zu untersuchen, inwieweit Unter­ schlagung oder Untreue überhaupt strafbar sei. Vielmehr lag die ganze Bedeutung der Kontroverse nur darin, wie weit die Todesstrafe, welche Artikel 170 evtl, androht, anzuwenden sei33).

Die sächsische Praxis hatte sich der Carolina gegenüber ziemlich selbständig gehalten und diese keineswegs in den Mittelpunkt gestellt34). So standen diese sämtlich mit den Namen des Diebstahls oder genauer des furtum genannten Tatbestände auch für Carpzow in ihrer Viel­ fältigkeit unvermittelt nebeneinander35). 2. Auch aus dem römischen Recht war der Gedanke der Untere

schlagung nicht zu entnehmen. Auch die Rezeptionsjurisprudenz konnte 31) So Scheel, Johann Freiherr zu Schwarzenberg S. 233, derselbe. Das alte Bamberger Strafrecht vor der Bambergensis S. 80 f. 32) Unmittelbar aus dem römischen Recht kann ja der Begriff nicht stammen,

da das furtum

zwar die Unterschlagung in sich schließt, aber nicht als selbständigen

Begriff. Vergl. unten S. 17 A. Bei Bartolus, Gandinus und Clarus habe ich nichts finden können. Dagegen weist die Behandlung des furtum um .commodat bei Menochius de arbitrariis judicum questionibus lib. II. cas. 298 unleugbar

Ähnlichkeit mit Art. 170 der Carolina auf. kein Vorbild

nachweisen.

Vergl.

Auch im kanonischen Recht läßt sich

Hinschius, System

des

katholischen

Kirchen­

rechts, Bd. V, S. 830 f.

33) Das übersieht Draheim a. a. O. S. 6. 34) Vergl. Hälschner, Preuß. Strafrechtsgeschichte, S. 122, 126 f., man

braucht übrigens ja nur Berlich und Carpzow zu vergleichen. 35) Auck Be l ch hatte emen Ausgleich nodr nicht gebracht. Vergl. unten S. 19 f.

demnach nicht zu dem Schema — Unterschlagung als Eigentums­

angrifs — gelangen 36). Der Begriff des römischen furtum

umspannt ein sehr weites und

in der Abgrenzung sehr unsicheres Gebiet, wie ja schon die Definition bezeugt:furtum est contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia36 37).38

Denn contrectatio kann, wenn das Wort nicht ausschließlich auf den Vollendungsgrad der eigentlichen Wegnahmehandlung bezogen wird, so ziemlich alles bedeuten. Außer dem eigentlichen Diebstahl sind aus­

drücklich aufgezählt eine Anzahl von Handlungen, welche heute den Tatbestand der Unterschlagung, der Untreue, ja auch des Betruges be­ gründen würden33).

In diesem weiten Bereich ist der eigentliche Diebstahl untergegangen und innerhalb der übrigen Fälle nicht besonders hervorgehoben. Dies dürfte vermutlich erst das Ergebnis einer späten Entwicklung sein, denn die Unterscheidung zwischen furtum manifestum und nec mani­ festum zeigt doch wohl, daß die Anfänge des römischen Rechts dem germanischen in diesem Punkte identisch waren. Jedenfalls konnte die Gegenüberstellung von Diebstahl und Unterschlagung nicht aus dem römischen Recht entnommen werden. Ebenso fremd ist diesem der Gedanke des Aneignungsdeliktes über­ haupt, betrachtet doch das corpus iuris das furtum usus und das furtum possessionis 39)40als echte Fälle des furtum. Nun fehlt es aber zweifellos beim furtum usus am Aneignungswillen, bei dem furtum

possessionis überhaupt an einem tauglichen Objekt der Aneignung. Zu dem furtum treten aber noch hinzu die crimina residui, peculatus und repetundarum. Sie alle können für das deutsche Recht, das

ja nicht zwischen privatem und öffentlichem Eigentum unterscheidet, unmöglich klare Gestalt gewinnen ^o). 3. So erklärt sich vollständig, wie Carpzow zu seiner oben kurz zu36) Hier liegt also der Fehler der kurzen dogmengeschichtlichen Skizze, welche

B i n d i n g, Normen Bd. II, S. 1066 ff. im Anschluß an Meister a. a. O. entwirft.

Grade das römische furtum ist ja eben kein Eigentumsverbrechen.

37) 1.1 $ 3. 38) 1.1

$ 2;

D. de furtis XLVII,2.

1.20,

33,

43,

außerdem

Girard

(Mayr),

Geschichte und

System des römischen Rechts, Berlin 1908 S. 438 ff. ") Vergl. Girard a. a. O. S. 440; der Sachverhalt ist hier unbestritten. 40) Darum verschwinden sie auch bei Carpzow in der Versenkung. Vergl.

Qu. 85 N. 4, 5.

16 sammengefaßten Lehre gelangen mußte. Seine Aufgabe war, begriff­ liche Ordnung in das Chaos, das hier vorlag, zu bringen. Er übernimmt vom römischen Recht die Definition des furtum als

contrectatio. Dannt setzt er sich eigentlich in Widerspruch zum deutschen Recht, das ja ein Wegschaffen der Sache als Endziel verlangt4l). Beim

eigentlichen Diebstahl ist dies aber nebensächlich, denn für diesen ver­ langt Carpzow vera contrectatio und diese ist ihm ab latio rei alienae.42)43 So hat er den deutschen Diebstahlsbegriff aufrecht erhalten und ihn in das gemeine Recht hinübergetragen.

Dagegen wird es als eine mildere Form des Diebstahls angesehen, wenn die contrectatio fitta ist"). Jetzt gibt aber die Unbestimmtheit des Wortes contrectatio die Möglichkeit, so ziemlich jeden Vermögens­ eingriff dem furtum einzuordnen, besonders da der Beisatz ficta jede Grenzbestimmung ausschließt. Zwar muß es sich um res administrationi aut fideiconcreditae handeln. Aber contrectatio ist eben jede translatio ad alium usum. Daß mit der Sache irgend etwas geschehen, daß

sie irgendwie angerührt werden muß, bietet gar keinen Halt. So be­ handelt Carpzow als milder zu strafende Nebenform des furtum unter dem Gesichtspunkte der contrectatio ficta alle Fälle der heutigen Unter­ schlagung, eine Anzahl von Tatbeständen der Untreue oder ähnliche Formen44)"). 45 Jedoch hat Carpzow den Begriff der Unterschlagung 41) Vergl. Carolina Art. 157, 158. Die Unterscheidung von offenem und heimlichem Diebstahl ist ja ohne diese Voraussetzung eigentlich undenkbar. 42) Dieser Begriff ist Carpzow viel zu selbstverständlich, als daß er ihn über­ haupt definieren wurde. So enthalten Qu. 77, 78 keine Definition, aber auch hier konnte die Unterscheidung von furtum manifestum und nec manifestum, dle Unterscheidung von einfachem und Einbruchsdiebstahl ohne diese Voraussetzung gar nicht in dieser Weise durchgeführt werden. 43) Diese Unterscheidung ist natürlich den Digesten fremd. Denn hier ist alle­ mal die contrectatio als wirkliche gemeint. 44) Die Überschrift der Qu. 85 lautet: De furto in pecunia ac rebus suae administrationi aut fidei concreditis commisso, eiusque poena. Entscheidend ist N. 1. Quinto praebet quoque causam mitigationis poenae forma ac modus furti commissi. Consistit en im forma liuius delicti potissimum in ipsa rei alienae contrectatione.. . Contrectatio autem non eodem modo perficitur nec semper una eademque est. Sed quandoque fit vere cum rei ablatione, quandoque fiele per translationem ad alium usum contra voluntatem domini et promi ssionein data in, quo casu non plenam ablationem sive amotionem necessariam esse, sed sufficere rem tantum attrectari lucrandi animo. 45) Der Funddiebstahl wird nicht in der Qu. 85 behandelt. Die auf den Regeln des Sachsenspiegels über diesen aufgebaute sächsische Praxis beeinflußt

keineswegs selbständig erfaßt, ebensowenig wie etwa den allgemeineren

einer Veruntreuung. Vielmehr werden der Reihe nach als Milderungsgründe, welche vor

der Regelstrase des Stranges schützen, aufgezählt: 1..Der Mangel eines wirklichen Schadens (Qu. 80).

2. Unvollständiger Beweis (Qu. 81).

3. Die persönlichen Verhältnisse des Täters (Qu. 82). 4. Die Art der gestohlenen Gegenstände (Qu. 83). 5. Die Begehung durch Eingriff in

fremde Jagd- und Fischereirechte (Qu. 84). 6. Die nur fiktive Natur der^ contrectatio (Qu. 85).

7. Die Begehung des Diebstahls an ge­

fundenen Gegenständen (Qu. 86). 8. Der bloße Beihilfecharakter der Handlung (Qu. 87). 9. Der Mangel der Vollendung (Qu. 88). Gerade

daß die letzteren beiden Milderungsgründe in eine Reihe gestellt werden mit den milder zu beurteilenden Begehungsformen, zeigt, daß Carpzow keinen irgendwie dem Diebstahl gegenüber selbständigen Deliktbegriff aufstellen wollte, sondern daß er alle diese Fälle nur als unvollständige Diebstahlstatbestände unter dem Gesichtspunkt des Mangels am Tat­ bestand ansieht. Auch die gelegentliche Wendung, der Täter einer so beschriebenen Tat sei kein für, hat keine andere Bedeutung, denn ge­ rade vom Täter des Diebstahlversuchs wird gesagt, daß er nach Sachsen­ recht nicht als für anzusehen fei46). Man würde vielleicht heute ge­ neigt sein, diese Lehre Carpow's als eine verworrene Aufzählung zu

betrachten, welche systematischer Unbeholfenheit entspringt. Man darf aber moderne Begriffe nicht gewaltsam in eine ältere Doktrin hinein­ tragen. In Wahrheit trägt Carpzow seine Lehre in wohldurchdachter Ordnung vor. Die einzelnen Gruppen der contrectatio ficta teilt Carpzow ein in'

Veruntreuung an anvertrautem und der Verwaltung übergebenen Gut — wobei natürlich die Verwaltung auch die Verfügungsgewalt in sich

schließt —, in Veruntreuung an Sachen, die ohne Verwaltungsbefugnis anvertraut sind, und in Unterschlagung gefundener Sachen4^)4^). Im aber auch die Behandlung der Fälle der Qu. 85. Vergt. z. B. N. 16. Im übrigen wird aber auch der Funddiebstahl unter den Fällen der contrectatio ficta aufgezählt. Qu. 86 schließt an Qu. 85 an und wird in der Reihe der Milde­ rungsgründe nicht als neuer Fall vorgetragen und in dieser Reihe nicht besonders beziffert. Vergl. oben im Text. 46) Qu. 88, N. 6. 47) Qu. 85 N. 2. . . , Id quod fit 1. in subtractione rei alicuius fidei et administrationi commissae, eiusque conversione in proprios usus, 2. in substractione et subversione rei fidei et custodiae alicuius absque administratione tarnen concreditae, 3. attrectatione rei alienae repertae. 48> Wegen des letzten Falles vergl. oben N. 45. Mayer, Das Rechtsgefühl.

18 übrigen wird aber auf die Unterscheidung des ersten und zweiten Falles nicht etwa in der Weise Wert gelegt, daß es sich im ersten um Miß­ brauch der Verwaltungsbefugnis handeln müsse.

Unter Ziff. 1 werden als taugliche Subjekte angeführt: dolosi tutores et curatores, factores, gestores, quaestores, praesides, publicani et

similes: qui omnes sive publicum sive privatum gerant officium. Es werden also die privaten und öffentlichen Amtsträger völlig gleich­ gestellt^). Die Handlung kann einfache dolose Zurückhaltung sein50 * *),* *eigent * ­

liche Unterschlagung darstellen oder auch nur auf doloser Geschäfts­

führung beruhen 51).- Es ist nicht einmal notwendig, daß das anver­ traute Gut im Eigentum des Geschäftsherrn verblieben nm52) Auch die Zurückhaltung der für den Herrn eingenommenen Einkünfte be­

deutet eine derartige Veruntreuung. Vielleicht ist auch die Steuerüber­ hebung ohne Schädigung des Herrn einzubeziehen53).

Unter Ziffer 2 werden aufgeführt — aber nur beispielsweise — der depositar, der creditor pignoraticius, der commodatar54). Hier ist

wohl

tatsächlich nur eigentliche Unterschlagung

denkbar.

in unserem Sinne

Eine besondere Behandlung erfahren dann noch ungetreue

Boten und Fuhrleute55). Die Art, wie Carpzow die milde sächsische Praxis gegenüber den

strengen Strafbestimmungen der Carolina Art. 170 sowie der kur­ sächsischen Konstitutionen (pars IV, constit. 41) zu retten sucht, führt 45)) Das wird noch einmal ausdrücklich bestätigt bei der Auseinandersetzung mit dem Begriff des römischen residuum. N. 4 wird gesagt, daß dies bei öffent­ lichen Amtsträgern allerdings auch gegeben sei und dann fährt N. 5 fort: Nihilominus tarnen et hi officiales publici, perinde atque alii administratores, qui munus publicum non subeunt, simul furtum faciunt’ 50) Q.U. 85 n. 3 aliquid in rationibus dolose omittant. 51) Der Gedanke, der bei n. 6 und 7 in Bezug auf den Vormund auftauchen könnte, daß wahres Eigentumsdelikt nötig sei, wird durch Note 8 sofort aus­ geschlossen. ... in proprios usus converteus vere eam (rem) non contrectat et amoveat. Daß die öffentlichen Amtleute und die Förster dies Verfügungsrecht über das Gut des Herrn haben, lehrt der Zusammenhang. 52) Vergl. N. 12. Die Übertragung in das Eigentum des Administrators wird hier nur als Grund milderer Bestrafung angeführt, befreit aber nicht von Strafe überhaupt. 53) Vergl. N. 24. 5i) Vergl. N. 65. 55) Vergl. N. 74 ff., 92 ff.

in keinem Falle zu einer anderen Formulierung der Begriffe. Carpzow sieht den Artikel 170 überhaupt nicht als Begründung eines neuen

Für ihn be­

Delikts an, ebensowenig wie die sächsische Konstitution. deuten diese Fällen.

Bestimmungen nur Strafverschärfungen

in

besonderen

Im übrigen ist diese Kontroverse über die Höhe der Strafe

hier nicht zu verfolgen 56).

mit

der

Darstellung

ist für Carpzows systematisch-dogmatische

Art

bezeichnend.

4. Der Berlichs

Vergleich

der

Carpzowschen

Lehre

Zwar lehrt der Augenschein, daß auch hier Carpzow Berlich an ein­ zelnen Punkten wörtlich abgeschrieben hat, aber trotzdem ist der Unter­ schied bedeutend.

Berlich beschreibt einfach den oben wiedergegebenen

chaotischen Rechtszustand 57). Es verursacht ihm ebensowenig Bedenken,

daß ohne irgendwelche Ratio gewisse Fälle der Veruntreuung straffrei bleiben, wie daß verschiedene, als furtum bezeichnete Handlungen mit

dem Diebstahl, der ja auch ihm die Grundform ist, gar nichts zu tun habend). Ec unterscheidet drei Fälle. Der erste ist die Anvertrauungfremder Sachen auf Grund Kontraktes oder Quasikontraktes ohne Ad^ ministratio; beispielsweise genannt werden der depositar, creditor pig-

noraticius, commodatar.

Den anderen Fall bilden die Privatrechts-'.

Verhältnisse, welche Besitz und Verwaltung fremden Gutes gewähren; genannt sind: socius, institor, factor, exactor, testamentorum, tutor

curator.

Den dritten Fall bilden die öffentlichen Ämter, welche Ver­

waltungsbefugnis in sich schließen. Nur der erste und dritte Fall sind

nach Berlich strafbar 59), nicht strafbar ist dagegen der zweite FallGo). Nur beim Vormund wird unter besonderen, aber nicht klaren Voraus­ setzungen furtum angenommen61). Der Fortschritt von Carpzow über

Berlich hinaus beruht somit gerade darauf, daß Carpzow versucht, den ganzen Zusammenhang systematisch zu begreifen62).

56) Die später erschienene Jurisprudentia forensis saxonica (hier zitiert nach der Ausgabe von Mnlius, Leipzig 1903, bringt in ibren sich an P. IV const. 41 anschließenden Ausführungen keine neuen Gedanken. 57) Vergl. Conclusiones practicabiles, zit. nach der Ausgabe von S ch w e n dendörfer, Leipzig 1693. 58) Vergl. über das letztere P. IV., Concl. 57, N. 15. 59) a. a. O. N. 16,N. 26. 60) Note 22—24. 61) Note 25. 62) Diese Erweiterung des Diebstahlsbegriffes ist natürlich nickt nur eine Eigentümlichkeit von Carpzow, vergl. z. B. auch M e v i u s , Comincntarius in ius lubeccnse lib. II. Titel 3 vor Art. I n. 37 ff.

20 II. Carpzows Lehre war, wie oben dargelegt, keine willkürliche Ver­

biegung des überlieferten Rechtes, sondern die zutreffende Zusammen­

fassung des bereits geltenden Rechtes, allerdings unter Ziehung der Konsequenzen. Sonst hätte auch diese Lehre nicht so lange sich behauptet. Im wesentlichen blieb der durch Carpzow aufgestellte Begriff des furtum

bis zu Feuerbach an der Herrschaft.

Im einzelnen ist natürlich die Entwicklung des Diebstahls- und Unterschlagungsbegrisfes hier nicht zu verfolgen, sondern nur insoweit,

als dies zum Verständnis der Entstehung der heutigen Untreuebestim­ mung erforderlich ist.

Aber es ist von entscheidender Bedeutung, von

vornherein festzustellen, daß die Untreue aus dem Bereich des furtum

nicht etwa dadurch ausgeschieden ist, daß man ihr besonderes Wesen gegenüber dem furtum — etwa in dem Mißbrauch der Verfügungs­

gewalt — erkannt hätte. Vielmehr mußte die Untreue nur deshalb vom

furtum geschieden werden, weil allmählich Diebstahl und Unterschlagung im modernen Sinn als Aneignungsdelikte erfaßt wurden. Damit war natürlich für die Untreue kein Platz mehr innerhalb des furtum,

da ja umgekehrt die Untreue das Aneignungsdelikt als einen Sonder­ fall in sich umfaßt.

Die Absonderung der Begriffe geschah aber zu

einer Zeit, als der Begriff der Untreue als Treubruch schon längst feststand infolge der selbständigen Pönalisierung der Untreue63).

So

wird nicht etwa die Untreue als ein neues Delikt neben die Unter-» schlagung gestellt, sondern vielmehr die Unterschlagung als ein beson­

derer Untreuefall neu geschaffen.

Der Weg zur Aufstellung des besonderen Untreuetatbestandes führt» darum zunächst über die neue, uns heute geläufige Formulierung der

Eigentumsverbrechen, Diebstahl und Unterschlagung. Die erste Vorbedingung hierfür war, daß der Diebstahl seine ur­ sprüngliche Gestalt einbüßte und aus einem Angriff gegen den Besitz wesentlich ein Angriff gegen das Eigentum wurde.

Erst dann konnte

sich überhaupt der moderne Unterschlagungsbegrisf bilden. Diese Wand­ lung vollzog sich im Naturrecht, das den Gedanken der akzessorischen

Natur des Strafrechtes gegenüber dem Zivilrecht zuerst durchführte.

Ermöglicht wurde die Wandlung des Diebstahlbegrisfs aber auch durch den Antagonismus von deutschem und römischem Recht.

Als

63) Die geschichtliche Auffassung, mit welcher Binding seine Lehre begründen

will, ist demnach falsch, vergl» unten S. 45 f.

deutsches Recht kam für die spätere Zeit eigentlich nur die Carolina, in Frage. In dieser sind aber tatsächlich Diebstahl und dirs Verbrechen des Art. 170 als zwei verschiedene und dennoch eng zusammengehörige

Bestimmungen behandelt. So kam die Fassung der Carolina den Be­

strebungen des Naturrechts, die wichtigsten Vermögensdelikte in syste­ matischen Zusammenhang mit dem Eigentumsbegrisf zu bringen, wirksam entgegen, wenngleich den Verfassern der Carolina ein solcher

Gedanke völlig ihren deutschen kam nun der allmählich mit

sionis

fern gelegen haben dürfte, wie er ja auch weder in noch in ihren römischen Quellen enthalten war. Dazu Vergleich der beiden verschiedenen Rechtsquellen, der der Behauptung, daß das furtum usus und posses­

in Deutschland nicht anerkannt seien, zum Aneignungsbegriff

herüberleitete. Im einzelnen hier die Auseinandersetzung zwischen deut­ schen und römischen Elementen zu verfolgen, wäre zugleich weitläufig! und wertlos, denn die juristische Kunst bestand ja im 17. und 18. Jahr­ hundert gerade darin, durch willkürliche Kombination beider Rechts­ quellen, welche natürlich die mannigfaltigsten Möglichkeiten bot, das Ergebnis herauszuarbeiten, das praktisch gewünscht oder durch allge­ meine theoretische Anschauungen nahe gelegt toar61). In großen Zügen lassen sich folgende Entwicklungslinien unter­ scheiden: Die gemeinrechtliche Lehre vor den Kodifikationen hält im1 ganzen noch an den Anschauungen Carpzows fest. Währenddem aber verbindet das Naturrecht den Diebstahl mit dem Eigentumsbegriff. Dies wirkt auf die Kodifikationen mehr oder weniger ein, damit auch auf die Doktrin. Aber immer noch bleibt die alte Auffassung einiger­ maßen bestehen. Erst Feuerbach hat den neuen Gedanken in systemati­

scher Schärfe ersaßt und durchgeführt und damit die weitere Entwick­ lung maßgebend bestimmt. 1. Die ältere gemeinrechtliche Doktrin war ja im allgemeinen über­ haupt nicht sehr fruchtbar und hat Carpzows systematische Höhe nicht

erreicht. Es war so wenig im allgemeinen wie in unserem besonderen

Gebiet ihre Art, neue systematische Gedanken hervorzubringen. So hält sie in der Hauptsache am überlieferten fest. 64) Der erste Ausgangspunkt liegt wohl bei Thomasius und seinen Schülern.

Thomasius' Schüler Kreß brachte die ersten Carolinakommentare, die commentatio succincta 1721 heraus. Vergl. zu diesem Kampf des Thomasius für das deutsche Recht Stinzing-Landsberg, Bd. III, 1. Abt. S. 75, 79 ff.

wegen Kreß, S. 139.

22 In Lauterbach, OolleZium theoretico practicum65), mödjte man einen Anknüpfungspunkt für die kommende Entwicklung sehen, denn unter

den homonymen Bedeutungen des Wortes furtum erscheint eine neue Definition: omnis illicita usurpatio rei alienae66), aber unmittelbar folgt dann die herkömmliche Wendung „quo sit delictum, quo res aliena, invito domino, fraudulenter contrectatur.“ Die einzelnen Merk­

male dieser Definition sind, wie die Erläuterungen zeigen, sehr weit aufzufassen67). Wenn es dann im besonderen über die res aliena heißt „late accipitur et denotat rem iure dominii ad alium pertinentem,* ut et quae ab alio propter ius in re detinetur68), also die Beziehung wenig­ stens zum Sachenrecht überhaupt ausgenommen wird 69),70so kommt bald darauf die Unterscheidung der contrectatio vera und ficta, welche wiederum ungeschieden Unterschlagung, Untreue und ähnliche Fälle in das furtum einreiht79).

Daß auch noch peculat und crimen residui, letzteres Unterschlagung und Untreue umfassend, der Titelfolge gemäß gesondert abgehandelt werden, macht die Sache nicht klarer, da eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des furtum nicht einmal versucht wird 71). So bietet Lauterbach nur einen Rückschritt hinter Carpzow, da er weder dessen systematische Geschlossenheit noch großzügige Klarheit er­ reicht. In Stryks Usus modernus72) ist die Darstellung weniger wider65) Nach den Vorlesungsheften von Wolfgang Ad. Lauterbach, heraus­ gegeben und überarbeitet von dessen Sohn Ulrich, Thomas im Jahre 1689 (vgl. Praefatio) zit. nach einer editio nova prioribus correctior, Tübingen bei Cotta 1744.

66) Lib. 47 Titel 2 de furtis § 1,11. 67) a. a. O. III, IV—XVI.

e«) a. a. O. XX. 69) Welche auch nachher noch eine starke Rolle spielt, auch noch einmal bei Feuerbach wiederkehrt. 70) a. a. O. XXV. Forma consistit in contrectatione fraudulosa invito domino lucri gratia facta. XXVI. . Item vere vel siete. . Unter den Beispielen sind folgende hervorzuheben: „Si pecuniam accipiens ut creditori meo solvat, cum tantam summ am eidem deberet, suo nomine so’veret. Item tutor vel curator pecuniam pupillorum vel minorum intercipient. Et in genere procedit in omnibus administratinoibus sibi commissis fraudulenter subtrahentibus." Ja sogar Beihilfe und Hehlerei werden als contrectatio ficta angesehen. 71) Buch 48, Titel 13, vergl. besonders X und das Zitat der const. Sax. 41. 72) Usus modernus pandectarum, hier zit. nach der von Stryks Sohn besorgten 7. Ausgabe Halle-Magdeburg 1746. Das Werk wurde 1690 begonnen, 1712 erschien der hier einschlägige 4. Bd. Vergl. Stinzing-Landsberg, Bd. III. 1. Abt. S. 64.

spruchsvoll, jedoch geht Stryk weniger ins Einzelne, weil er nur in großen Zügen das Verhältnis von deutschem und römischem Recht dar­

legen will.

Der Begriff des furtum wird näher nicht erläutert, doch

wird es offenbar als ablatio aufgesaßt.

Wichtig ist die nahe Heran­

ziehung der Unterschlagung und gerade eben btefer73), ausgehend von dem Gedankengang, daß hier Diebstahl ohne Verletzung der possessio

sei. Ein offenbarer Fortschritt ist, daß der peculat als im furtum des

usus modernus eingeschlossen erklärt wird, während allerdings das crimen residui noch besondere Behandlung findet. Doch betrachtet Stryk

dasselbe offenbar als eine leichtere Form des furtum, er läßt es Un­ treue und Unterschlagung ungeschieden umfassen, wie aus dem Zitat

der const. sax. 41 P. IV unschwer zu ersehen ist. So bleibt auch Stryk wesentlich auf dem Standpunkte von Carpzow stehen.

Auch Titius, der schon Schüler von Thomasius ist, behält noch die weite Auffassung des furtum bei, obwohl er bereits die Titelfolge

der Pandekten verläßt und damit vom römischen Vorbild unabhängig ist.

Seine Definition scheint zwar eine strengere Auffassung anzu­

kündigen, aber das Kapitel „De variis furtorum speciebus" enthält wieder alle Fälle des Carpzowschen furtum74).75 Auch Leyser, der doch bereits viel freier und selbständiger sich

dem gegebenen Rechtsstoff gegenüber verhält7ö),

verändert die alte

Linie, soweit von einer solchen gesprochen werden kann, im wesent­ lichen nicht76). Eine eigentliche Abgrenzung von Diebstahl und Unter­

schlagung gelingt nicht, beim Hausdiebstahl fließt beides ineinander77). Die Untreue wird unter dem Begriff des furtum mit erfasst78). 73) Vergl. Buch 47, Titel 2 § XVII. Sunt adhuc aliae causae, quae eficiunt, ut poena ordinaria furti non infligatur . .. huc pertinent casus, quando quidem res aliena in fraudem domini intervertitur ipsa tarnen ex possessione domini non aufertur, v. g. si commodatarii et depositarii rem commodatam in proprios usus convertunt. 74) Gottlieb Gerhard Titius iuris privati, romano-saxonici /libri duodecim erstmals 1709 zit. nach 2. Ausgabe Leipzig 1724, vergl. lib. V. cap. I de furto, insbesondere §§ 2, 3 von cap. II de variis furtorum speciebus, insbesondere §§ 4, 8 (plagium literarum) 10, 16. 75) Vergl. Stinzing-Landsberg III/l, S. 210 ff. 76) Leyser, Meditationes ad Pandectas, Bd. VIII, erstmals erschienen 1735 (vergl. Stinzing-Landsberg III/l Noten S. 136), hier zitiert nach 3. Ausl. Leipzig 1746. 77) Vergl. Spec. 535 Titel 20, Movit hoc electorem . . . ut in Const. 38 P. IV furibus domesticis laquei poenam irrogaret. Leges sat clarae sunt et sine distinctione loquuntur. ’At J. C. ti more suo potestatem legislatorium, suam saepe

24 Selbst die beiden Kommentare zur Carolina von Kreß und von

Böhmer erreichen keine Fassung des Diebstahls- und Unterschlagungs­ begriffes in unserem modernen Sinn, obwohl immerhin die Carolina

ja eine solche Fassung ermöglichen würde. Bei SreB79 * *)* *fehlt * 78 zunächst jede eigentliche Definition des Dieb­ stahls. In den Anmerkungen zu Art. 157 ff. berichtet er lediglich über

die geschichtliche Entwicklung der Diebstahlstrase. Somit kann von einer

begrifflichen Erfassung keine Rede sein.

Demgemäß enthält auch Art.

170 für Kreß ungeschieden Unterschlagung und Untreue 80). Die Unter­ schlagung und Untreue von Beamten wird zunächst dem Artikel 170

unterstellt, dann aber am Ende der Erläuterung in nicht ganz klarer Weise dem crimen residui, dessen systematische Beziehungen nicht er­

örtert werden, bezw. wird sie dem crimen falsi eingeordnet 8*). Sogar der Kommentar von Böhmer 82), der doch schon zur Zeit der

Hochblüte des Naturrechts und mitten in den Kodifikationsbestrebungen geschrieben ist, gibt kein wesentlich anderes Bild. Auch hier fehlt eine

sibi arrogant, hic quoque exercuerunt, variisque distinctionibus legcs saluberrimas eludere teantarunt. Praecipua limitatio est poenam (laquei) tune locitm non habere, quando res sub tractae famulorum custodiae et administrationi commissae fuerunt" Leyser verwirft dann diese Unterscheidung als unrichtig, berichtet aber, daß er vom Kollegium überstimmt einen Dienstboten nicht mit dem Strange bestrafen durfte. 78) Vergl. Spec. 535 XX. Hic etiam, qui res custodiae et administrationi suae commissae intervertunt ordinarie puniri oportebat. Besonders bezeichnend Spec. 537 corrolaria (93b. VIII, S. 129) IV: „Sunt nonullae furti species, quas vulgus pro furtis non reputat et impune se laturum sperat, quae tarnen vera furta sunt, sed extra ordinem punienda. Huc pertinet, quando quis oblatam sibi ab alio, qui se obligatum per errorem Credit, rem indebitam sciens accipit, quando quls debitum sibi a creditore invalide cessum exigit, 1.38 § 1 de solut, quando procurator ad exigendum debitum eonstitutus pariern eius in usus suos convertit, quando quis rem sibi datam ut alteri donaret, donat quidam huic, sed suo nomine non dantis." 79) Commentatio succincta in CCC, erstmals Hannover 1721 zit. nach der Auflage von 1744. 80) Vergl. dazu Artikel 170 § 1 insbesondere Note 1. „Interim a mente imperatoris non adeo al i en um videntur plures species (außer den Deponenten) V. C. commodantem, mandantem, debitorem pignus dantem, domminum ad officium camerale aliquem constituentem, a suis correlaris perfide agentibus huc refere. 81) Vergl. Artikel 170 § 3. 82) J. S. F. De Böhmer, Meditationes in CCC, Halle 1770. Als Böhmer diese schrieb, war er allerdings schon ein „Alter". Vergl. StinHing-Landsberg, III/l, S. 302.

knappe Definition des Diebstahls. Böhmer erkennt zwar den Unter­ schied des römischen furtum und des deutschen Diebstahls 83). Er will nur das furtum rei als deutschen Diebstahl anerkennen 84), aber auch für ihn ist der Diebstahl wesentlich noch Gewahrsamsbruch S5). So be­

zieht auch er den Artikel 170 sowohl auf Unterschlagung als auch aus Untreue 86).

Die gesamte ältere gemeinrechtliche Lehre verläßt also den Boden der Carpzow'schen Anschauungen nicht. Auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts war die Unterschlagung als besonderer Verbrechenstat­ bestand noch nicht erfaßt, aber unter dem Gesichtspunkt des Artikels 170 wurden Untreue und Unterschlagung in weitem Umfang für strafbar erklärt. Inwieweit die Praxis tatsächlich daraus, die Folgerungen zog,

kann im einzelnen nicht nachgewiesen werden. Der ungetreue Vormund und Beamte wurde jedenfalls infolge der unten zu besprechenden Son­ derbestimmungen bestraft, aber, wie hier dargelegt, auf den Titel desfurtum. 2. Die Verwandlung des Diebstahls aus dem Gewahrsamsbruch in das Eigentumsdelikt geht auf das Naturrecht zurück. Jedoch vollzieht

sich auch hier die Wandlung nicht so rasch. Die große dogmengeschichtliche Bedeutung des Naturrechts für unsere

privatrechtliche Entwicklung ist auch heute noch bei weitem nicht ge­ nügend gewürdigt 87). Für das Strafrecht hat das Naturrecht aller­ dings nicht ein so hohes Interesse, da ja das Naturrecht die Rechtsord­ nung vorwiegend als ein System von Rechten und nicht von Pflichten

ansah.

So hat es sich nicht in diesem Maße mit dem Strafrecht be­

schäftigt. Immerhin ist auch der allgemeine Teil des Strafrechts ent83) Zu Art. 157, $ 1. 81) a. a. O. $ 4. 8d) a. a. O. §§ 2, 3. 86) Artikel 170 § 1: Non multo ahter de bis, qui ex contractu dominii non translativam rem possident, iudicandum, sive eam administrent, sive in alium finem, domini causa eam detinent, quales sunt tutores, procuratores, nautae, caupones, tabellarii, institores, socii... § 2 . . . Nam si tutor, tabellarius, vel quivis rem alienam detinens, cum ea lucri causa aufugit, dubio procul furti quäle principii iuris germanici respondet, reus est Nec aliud de alienatione animo lucri facta dicendum, cum utroquae casu lucri causa res domino intervertatur, quod furto proprium. Vergl. auch seine Bemerkungen zu Carpzow, erschienen 1759 Observ. I. zu Qu. 85, wo er keinen Anstoß an der weiten Ausdehnung des furtum nimmt. 87) Binder: Wille und Willenserklärung (Arch. f. Rechts- und Wirtschafts­ philosophie, Bd. 5 und 6, S. 70).

26 scheidend vom Naturrecht beeinflußt worden^).

Der spezielle Teil

wurde im wesentliche^ nur indirekt durch das Streben nach strenger und sauberer Fassung der Begriffe sowie durch die systematische Ver­ bindung des Strafrechts mit dem Zivilrecht beeinflußt. Auch in unserem

Falle ist Wolff, der das Naturrecht von den Pflichten her auf­ baut^) und damit das Strafrecht in vollem Umfange in sein System aufnimmt, die ergiebigste Quelle.

Grotius behandelt im allgemeinen den Diebstahl nur von seiner zivilrechtlichen Seite90 88).89Erörterungen über die Restitutionspslicht sind aber nicht geeignet, den Diebstahlsbegrifs zu klären. Doch ist bemerkens­ wert, daß in einer beiläufigen Behauptung die Beziehung zwischen Eigentum und Diebstahl als etwas ganz Selbstverständliches betrachtet

wird 91). Auch bei Pufendorf findet sich einmal diese Auffassung ange­

deutet 92).93

Thomasius äußert sich in seinem ius divinum und ius naturae über unsere Frage überhaupt nicht. Von den geringeren Größen bringt Da ries zwar die herkömmliche Definition des furtum, setzt sie aber bereits in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vermögensrecht9^). 88) Vergl. das Urteil Hälschners, Geschichte des Brandenburgisch-preuß. Strafrechts, S. 159.

89) Damit soll natürlich die restlos aufklärerisch-rationalistische Art derWolffschen Philosophie, welche außer dem Individuum keinen Wert kennt, nicht be­ stritten werden. 90) De iure belli ac pacis libri tres. Erstmals 1625 zit. nach der Ausgabe von 1667, Amsterdam. Vergl. Buch II, cap. XVII n. XVI. Auch die Frage der Not­ wehr gegen Diebstahl wird ausführlich behandelt. Vergl. Buch II, cap. I n. 11 ff. 91) Vergl. Buch I, cap. I, $ 10, Iiff. 4. Bei der Erörterung der Möglich­ keit naturrechtlicher Beziehungen an dem erst durch menschlichen Entschluß ein­ geführten Eigentum: „At eo introducto nefas mihi esse id arripere te irivito, quod tui est dominii, ipsum iudicat ius naturale." Die Beziehung zum Diebstahl wird erst deutlich aus dex dort zitierten Euripides-Stelle, die allerdings — darum ist das Aitat besonders charakteristisch — den Diebstahl als Friedensbruch auffaßt. 92) De iure naturae et gentium libri octo Lund 1672. Buch V. cap. 4 § 7 n. 16. Imo crediderim, turpius esse flagitium, depositum abnegare aut intercipere, quam furtum facere, cum heic solum ius dominii et iustitia, illic etiam amicitia et humanitas violetur. 93) Daries, Institutiones iurisprudentiae universalis, 6. Ausgabe, Jena 1764 (erstmalig 1744). § 328 VI.

Von Köhler aber stammt die erste ausdrückliche Definition des Dieb­ stahls als Eigentumsdelikt9^). „Turbatio alterius in eo, quod in eius

dominio est, existit, est laesio perfecta ... Huc referas praecipue fures,

qui rem alienam clam, hoc est inscio et invito domino auferunt, eam

que suam faciunt."

Damit ist zum erstenmal klar der Gedanke

ausgesprochen, daß der Diebstahl nicht Besitzstörung (ablatio) aus Ge­

winnsucht (luci facienda gratia) ist, sondern der Wille, das Eigentum sich anzumaßen.

Breit durchgeführt wird dann der Gedanke bei Wolff. In P. II, der von der communio primaeva und vom Eigentum handelt, spricht er im Kapitel III (de obligationibus et iuribus ex dominio oriundis) ausführlich vom Diebstahl. Die Definiton des Diebstahls beschreibt diesen als Aneignung 94 95).96 Der 97 Eigentümer kann an seinem Eigentum, wenn es in fremden Händen ist, keinen Diebstahl begehen98). Später

wird allerdings wieder vom furtum usus gesprochen"). Nettelbladt hält den Grundgedanken fest, jedoch mit weit ge­ ringerer Klarheit als Köhler und Wolff98). Trotzdem dürfen diese naturrechtlichen Zitate in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Für das Naturrecht hat das Wort Eigentum, dominium, eine viel

weitere Bedeutung. Dem Rechtsphilosophen ist ja Eigentum eigentlich alles das, was dem Individuum an Gütern zur eherrschung und Ver­ fügung überlassen ist, während ihn das juristische Detail weniger be­

rührt99). So darf auch hier in all diesen Stellen das Wort Eigen­ tum noch nicht streng technisch ausgefaßt werden. Aber es ist von großer Wichtigkeit, daß nun, wie ja aus den angeführten Stellen her­ vorgeht, das Strafrecht als dem Zivilrecht akzessorisch betrachtet wird, als bestimmt die Zivilrechtsinstitute zu schützen. Dieser Gedankengang

94) Köhler: Juris naturalis exercitationes, Frankfurt 1738. Erstmals 1729. Exerc. VII. De iure domini, § 1494.

95) Jus naturae, hier zit. nach der Erstausgabe Frankfurt und Leipzig 174-0. P. II cap. 3 § 498. Ablatio rei alienae inscio ac invito domino animo rem sibi habendi, vel suam faciendi facta. 96) a. a. O. $ 516. 97) a. a. O. $$ 465, 580, 581. 98) Systema elementare universae iurisprudentiae naturalis, § 942.

99) Vergl. Binder, Philosophie des Rechts 1924, S. 467 ff., insbesondere S. 473.

28 muß allmählich zum engen Anschluß des Diebstahls an den zivilrecht­ lichen Eigentumsbegrifs führen ^oo). 3. So tritt der Gewahrsam für das Strafrecht an selbständiger recht­

licher Bedeutung zurück, wie dies ja auch der zivilrechtlichen Entwick­

lung entspricht. Der Besitz wird zum Beweismittel und Übertragungs­ mittel eigentlicher Vermögensrechte. Nur auf dem letzteren ruht nun­

mehr auch im Strafrecht der Nachdruck. In gewissem Umfang finden die neuen Anschauungen auch in den Kodifikationen des 18. Jahr­ hunderts Verwendung und wirken durch diese wieder aus die Doktrin zurück. Dies gilt zuerst für den Codex ciiminalis bavaricus Kreittmayers ioi). Das Gesetz faßt Diebstahl und Unterschlagung unter der gemeinsamen Bezeichnung Diebstahl zusammen102 * * *). 101 Wohl fehlt der spätere Terminus „aneignen", noch immer ist die Gewinnsucht

als Motiv bezeichnet, aber die völlige Gleichstellung von Diebstahl und Unterschlagung, wobei nur diese letztere als Form des furtum beibe­ halten ist, zeigt doch, daß der Gewahrsamsbruch nicht mehr die Haupt­ sache ist. Wesentlich ist ferner, daß die Unterschlagungen der Beamten in das Gebiet des falsum103) verwiesen sind. Die Unterschlagung Kreittmayers ist bereits die Unterschlagung im engeren Sinne, wie der Wortlaut „vorenthält oder abnützt" in der Definition des Dieb­ stahls beweist. Untreue läßt sich darunter nicht mehr verstehen. Auch

die Erläuterung zu dem Wort „vorenthält" läßt keinen Untreuefall' 10°) Vergl. besonders die Überschrift von Wolff P. II, cap. 3, wo der Dieb­ stahl eingeordnet ist:

De obligationibus et iuribus ex dominio oriundis. 101) Die Ansicht Landsbergs (StinHing-Landsberg, Buch III, Abt. 1,

S. 223), daß sich Kreittmayer genau an dem ihm erteilten Auftrag gehalten und nur das bisherige Recht revidiert habe, ist in dieser Schroffheit nicht zutreffend.

Kreittmayer ist zwar manchen Konstruktionen des Naturrechts gegenüber skeptisch,

aber er erkennt das Naturrecht als solches doch durchaus an.

Sehr bezeichnend

sein Ausspruch (Anmerkungen zum bayer. Landrecht, I. Teil 2. cap. $ 4 N. 15):

„Was sind denn unsere meisten leges civiles anders als lauter kleine Stück und zertrümlete Ausbrüch von diesem ungeschriebenen großen Gesetz."

Auch Kreitt­

mayer ging von dem systematischen Bedürfnis seiner Zeit aus und auch er sah das herkömmliche Recht, durch die Brille der Zeitanschauung, gerade weil er Prak­

tiker war.

Nur der bewußte gesetzgeberische Wille tritt bei ihm zurück.

102) I. Teil cap. II. § 1. „... Fremd bewegliches Gut ... nimmt vorenthalt oder abnuhet..." Das Abnuhen wird gleichgestellt mit Verbrauch. Anmerkungen,

Erl. c zu § L 103) I. Teil cap. 9 $ 5.

als denkbar erscheinen.

In dem § IO104),105welcher * dann die Unter­

schlagung besonders behandelt, gibt zwar der doppelte Ausdruck „Ver­

untreuen und Vorenthalten" der Vermutung Raum, es möchten auch

Untreuefälle eingezogen sein. aus^05).

Die Anmerkungen schließen dies jedoch

Bei Inkonsequenzen im einzelnen *06) ist zu bedenken, daß

der Kodex eine scharfe Begrenzung der Verbrechenstatbestände in der heutigen Art und Weise gar nicht geben will.

Wenn sich so der bayerische Kriminalkodex immerhin dem modernen Rechte erheblich nähert, so schlägt das preußische allgemeine Landrecht

einen eigenen Weg ein. Der Diebstahl wird in seiner Grundform im 14. Abschnitt allein abgehandelt, er ist durchaus noch gewinnsüchtiger

Gewahrsamsbruch107). keine Rolle.

Die

Verletzung des

Eigentums

Alle übrigen Fälle des gemeinrechtlichen

spielt dabei

furtum

sind

erst im folgenden Abschnitt behandelt unter der Überschrift „Vermögens­

beschädigung aus verbotenem Eigennutz oder Betrug. Alle diese Fälle werden somit als falsum behandelt.

fizierten

Betrugs

wird die Untreue

schlagung in sich befaßt.

Als erster Hauptfall des quali­

aufgeführt,

welche die

Unter­

Soweit diese letztere überhaupt eine gewisse

Selbständigkeit erlangt, werden nur verschiedene, nirgends zusammen­

gefaßte Einzelsälle aufgezählt.

Es fehlt also ein einheitliches Unter­

schlagungsdelikt, eine Verwandtschaft von Unterschlagung und Dieb­

stahl ist noch keineswegs vorhanden 108)>

104) Der Codex ist in der Weise angeordnet, daß eine Definition zu Beginn

des Kapitels das Verbrechen im allgemeinen beschreibt, während dann die folgen­ den Paragraphen die einzelnen Verbrechensarten und ihre Strafbarkeit aufzählen. 105) Es steht in Erl. ä zu § TO dev depositar im Mittelpunkt der Erörterung.

Die officiales publici werden grundsätzlich im allgemeinen ausgeschieden, der Vor­

mund nicht erwähnt. 106) Inkonsequenzen im einzelnen liegen freilich vor, so vor allem bei Erl. c

zu cap. II. $ 1, wo der Fall behandelt wird, daß jemand im eigenen Namen fremde Sachen verschenkt, die er im Namen des Eigentümers verschenken sollte. Doch ist darauf hinzuweisen, daß dies nur bei Erklärung des Wortes „gewinnsüchtig^ geschieht.

Auch fallen laut Erl. ä zu cap. II. $ 10 die u n v e r p f l i ch t e t e n Diener unter diese Bestimmung. Doch dürften diese praktisch wohl nur zur Unterschlagung

Gelegenheit gehabt haben.

107) Vergl. II. Teil 20. Titel §§ 1108, 1109, 1110. i06) Vergl. a. a. O. $$ 1339 ff.

1350, 1353 ff., 1366, 1367.

Wegen Unterschlagung insbesondere §§ 1347,

30 Anders ist dies bereits bei Klein109).* * Der Diebstahl ist zwar auch nach Klein Bruch des Gewahrsams mit der Absicht, irgendein Ver­ mögensrecht zu schädigen uo), ö6er die Unterschlagung wird dem Dieb­ stahl gleichgestelltlu), wobei allerdings ihr systematisches Verhältnis

zur Untreue im Dunkel bleibt112). Auch die Werke von Quistorp113) und dem jüngeren Meister114) führen im ganzen noch nicht weiter. Der Gedanke des Eigentumsdelikts

fehlt noch, wenn auch bei Quistorp immerhin starke Anfänge dazu vor­

handen sind. Dagegen ist gerade bei Quistorp Unterschlagung und Untreue nicht geschieden115), während bei Meister sich dieser Punkt nicht klar erkennen läßt.

4. Die entscheidende Wendung vollzieht sich mit dem Aufsatz von Kleinschrod über den Diebstahl116). Sie ist bei Kleinschrod be­ sonders begründet durch eine übrigens methodisch unzulängliche Ver­ schmelzung deutscher und römischer Rechtsgedanken. Methodisch unzu­ länglich deshalb, weil Kleinschrod den deutschen Diebstahl als Aus­ schnitt des römischen furtum auffaßt, während überhaupt doch in

beiden verschiedene Grundgedanken wirksam sind. Für Kleinschrod ist der Diebstahl Verletzung des Eigentums, begangen durch Entziehung des Besitzes, der römisch-rechtlich aufgefaßt wird 117). Es reicht sowohl Entziehung des natürlichen als auch des juristischen Besitzes au3118).

Zur Eigentumsverletzung wird der Diebstahl negativ durch Ausscheiden

des furtum usus, das nach deutschen Begriffen nicht strafbar sei. Wenn Kleinschrod den deutschen Gewahrsam durch den römischen Besitz auf diese Weise ersetzt, so muß er nun natürlich Unterschlagung. 109) Klein: Grundsätze des gemeinen preußischen peinlichen Rechts, Halle 1796. no) S. 304, $ 424. in) S. 317, § 441. l18) § 471. Die Untreue wird nämlich überhaupt nicht behandelt. Quistorp: Grundsätze des deutschen peinlichen Rechts, Rostock und Leipzig, 1783. Vergl. $$ 341, 344, 416 ff. in) Meister : Principia iuris criminalis, Frankfurt und Leipzig 1790. Vergl. P. II, lib. I. cap. XII de furtu, §§ 211, 212. Vergl. P. II, lib. I, cap. XII de furtu, §§ 211, 212. nd) Vergl. Quistorp a. a. O. § 419. 116) Abhandlungen aus dem peinlichen Recht, Erlangen 1798, Nr. 8 über den Begriff, das Wesen und Bestrafung des Diebstahls. 117) a. a. O. S. 65, 77, 79. 118) a. a. O. S. 77.

und Diebstahl überhaupt eng zusammenrücken119).

Konsequent muß)

der Funddiebstahl unbestraft bleiben, da hier ja gar keine Besitzes­

störung mehr vorliegt 12°).

Untreue und Unterschlagung müssen sich

nun endgültig trennen, nachdem der Diebstahl so energisch als Angriff auf das Eigentum charakterisiert ist.

Feuerbach hat diese Kleinschrodsche Theorie übernommen und klar

herausgearbeitet121), dabei dürfte er von seiner naturrechtlichen Schulung bestimmt sein. Das Gattungsverbrechen der Entwendung, welches Raub, Diebstahl und Unterschlagung umfaßt, ist bei Feuer­ bach Angriff auf das Eigentum, die Handlung wird als rechtswidrige

Zueignung definiert. Strafbar ist diese aber nur in der Form der rechtswidrigen Besitzergreifung, da auch hier der römische Besitzbegriff den deutschen Gewahrsamsbegriff verdrängt hat, so müssen auch hier Diebstahl und Unterschlagung äufammenrücfen122). Auf dieser Auf­ fassung von Feuerbach beruhen offenbar die Diebstahlsbestimmungen vom Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813, jedoch ist hier Diebstahl und Unterschlagung wieder getrennt, beide sind als Verbrechen der rechtswidrigen Zueignung gefaßt, auch wird der römische Besitzbegriff wieder mit dem des deutschen Gewahrsam vertauscht. Diebstahl und Unterschlagung stehen durchaus im Verhältnis des heutigen Rechts zu einander in der Art, daß der Diebstahl das einfach qualifizierte An­ eignungsverbrechen ist123). Ein Diebstahl an der eigenen Sache zum Nachteil irgendeines Sachenrechts oder Besitztitels wird ausdrücklich verworfen124).125Damit hatten die beiden Verbrechensbegrifse des Dieb­ stahls und der Unterschlagung ihre heutige Gestalt gewonnen.

Die späteren Auflagen des Feuerbachschen Lehrbuches vertreten die reifere Auffassung, wie sie im Bayer. Strafgesetzbuch zur Herrschaft gelangt ist123). 119) a. a. O. S. 98 f.

12°) a. a. O. S. 93 f. 121) Lehrbuch des in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, II. Ausl. Gießen 1803, S. 273 ff., ebenso 10. Ausl. 1828. 122) Feuerbach zieht an einer Stelle auch den Angriff auf das Pfandrecht an beweglichen Sachen unter den Diebstahlsbegriff.

123) Letzteres ist ganz klar erkannt in den amtlichen

Anmerkungen, Erl. 2

zu Art. 229, 230. Vergl. im übrigen die Überschrift des 3. Kapitels des 2. Buches

und Art. 209. 1M) Art. 211. 125) Vergl. z. B. 10. Ausl. S. 201 ff. Nun ist das Verhältnis zwischen deut­

schem und römischem Recht geklärt. Vergl. insbesondere §§ 314, 316, wo die Ein-

32 Feuerbach und das Bayer. Strafgesetzbuch haben die Lehrmeinung der nachfolgenden Zeit bestimmt. Die rückwärts gewandten Lehrbücher von Stört in126 * * *) *und Tittmann 12?), sowie die von Conopack bearbeitete 6. Auslage von £l u ist o r p 128) bleiben für die weitere Ent­

wicklung ohne Bedeutung. Diesen ist allerdings der Diebstahl wesentlich gewinnsüchtiger Gewahrsamsbruch, die Unterschlagung betrügliche oder

treulose Vermögensbeschädigung ohne klare Gestalt129), und wird dem Diebstahl demzufolge nicht an die Seite gestellt. Immerhin bedurfte

es auch im Preußischen Strafgesetzbuch noch einer gewissen Zeit, bis Die Entwicklung des

sich die Feuerbachsche Auffassung durchsetzte.

Problems in den Vorarbeiten zum Preußischen Strafgesetzbuch ist unten genauer zu verfolgen. Wesentlich ist, daß auch Wächter in seinem sehr einflußreichen,

und bedeutenden Lehrbuche sich der Auffassung Feuerbachs anschloß 13°). Eigentümlich ist in der ganzen Kontroverse, daß eigentlich niemand merkt, daß eine Kontroverse vorliegt. Auch Wächter ist sich nicht be-; wußt, daß die verschiedenen Definitionen eine wesentlich verschiedene Bedeutung haben131). Offenbar waren die Vertreter der neuen An­ sicht in ihrer Auffassung von Diebstahl und Unterschlagung so sicher, sie war ihnen zu natürlich und selbstverständlich, als daß ihnen eine Prüfung notwendig erschienen wäre. Nur der eine Martin ist sich der grundsätzlichen Wandlung in der Definition bewußt und sich über

den Unterschied völlig Hat132). beziehung des Diebstahls an eigener Sache zum Nachteil fremden Sachenrechts aufgegeben ist, § 317, wo die Unterschlagung nicht mehr als Verwandlung des Naturalbesitzes in juristischem Besitz sondern als Cntwendungshandlung schlecht­ hin gefaßt ist. 126) Martin: Lehrbuch des teutschen gemeinen Kriminalrechts, Heidelberg 1829. $$ 135—142, insbesondere § 139 bei Note 9, § 142 bei Note 10, 11. 127) Tittmann: Handbuck der Strafrecktswissenschaft und der deutschen Strafgesehkunde, drei Teile, Halle 1809, vergl. insbesondere § 446. 128) Quistorp: Grundsätze des Klein und Conopack, 6. Aufl. Leipzig i28) Vergl. Quistorp a. a. O. a. a. O. $ 200, Tittmann a. a. Q

deutschen peinlichen Rechts, bearbeitet von 1812, vergl. insbes. $ 341. $416 ff., insbesondere § 419. Martin $ 525.

13°) Wächter, Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechtes, Bd. II, Stutt­ gart 1828, S. 280 ff., insbesondere § 189, 11,2. Dazu Erläuterung über das Erfordernis der Zueignung § 198, Erl. 6, dazu § 189, Erl. 56ä. 131) Vergl. § 189, Erl. 56b, insbesondere Abs. 2, wo er Quistorp für seine Ansicht in Anspruch nimmt, gar unter Zitierung von $ 340, Quistorp a. a. O. 132) Martin a. a. O. § 139 bei Note 9.

8 3Selbständige Pönalisierung -er Untreue. Zur gleichen Zeit, als man Untreuetatbestände in den Rah mell des gemeinrechtlichen furtum einbezog, machte sich das Bedürfnis eines kriminellen Einschreitens gegen das Verbrechen der Untreue auch durch selbständige Pönalisierung des Untreuetatbestandes geltend. Zunächst werden der ungetreue Vormund und der ungetreue Beamte mit pein­ licher Strafe bedroht. Wenn sich das Bedürfnis einer solchen Krimi­ nalisierung immerhin verhältnismäßig spät geltend macht, so hat dies fernen einfachen Grund darin, daß einerseits der ungetreue Beamte als niederer oder höherer Unfreier an sich der Gewalt des Herrn unterstand, so daß die Kriminalisierung hier eigentlich den Schutz des

Dienstmannes gegen die arbiträre Gewalt des Herrn bedeutetes), wäh­ rend andererseits der Vormund nicht so leicht eine Untreue begehen konnte, da er ja über die gesamte fahrende Habe in seinem Nutzen verfügen durfte*2). Die Untreue des Privatbevollmächtigten als besonderes Delikt wurde erst Ende des 18. Jahrhunderts erfaßt, da ja nur die Untreue des Beamten und des Vormundes zu Beginn der Neuzeit praktisch eine

genügende Rolle spielten, um besondere Strafdrohungen hervorzurufen. Die Strasverordnungen gegen ungetreue Beamte sind ja schon oben mehrfach erwähnt worden. Deutlich und klar spricht zuerst die sächsische Constitutio 41 P. IV. Äus dieser Bestimmung geht klar hervor, daß jeder Fall doloser Verwaltung, welche den Herrn oder dessen Unter­ tanen am Vermögen schädigt, gestraft werden soll. Die constitutio

lautet nämlich insoweit folgendermaßen: „Wurde ein Schosser/Verwalter/Vogt, Vorsteher, Geleitsmann, Baumeister, Bauschreiber, Zöll­

ner, Förster, oder ein jeglicher ander, so zu einem Amt verordnet, und von unserm oder eines andern wegen Geld, Korn, Holz, Getreide und anders aufzuheben und einzunehmen hat, von den Leuten mehr an

Zinsen, Schulden, Lehenwar und dergleichen einnehmen, dann er be­ rechnet, in verkauffen und kauffen, verleihen und ausmessen, unrechten x) Vergl. den oben S. 13 N. 23 besprochenen Zusah zum Schwabenspiegel bei Laßberg, 374, II.

2) Vergl. Hübner, Deutsches Privatrecht, 4. Ausl. S. 609, Heusler,

Institutionen des deutschen Privatrechts, S. 496, Huber, Schweizer Privatrecht, S. 513. Mayer, Das Rechtsgefühl.

34 und falschen Scheffel und Maaß gebrauchen, Holz, Getreide und der­

gleichen verkaufsen und in Rechnung nicht einbringen, oder anders mehr unterschlagen und solches alles in seinem eigenen Nutz verwen­

den oder dergleichen Veruntreuung und Betrug gebrauchen, so uns oder unserm Untertanen oder anderen Leuten zu Nachteil und Schaden

gereicht, so soll der oder dieselben unterschiedlich mit folgenden Pönen

belegt und bestraft werden." Demnach sind als einzelne Handlungen genannt das Nichtverrechnen von einzelnen Einkünften, der Gebrauch falschen Maßes beim VerVerkauf an die Untertanen oder bei der Ablieferung. Es folgt dann aber eine Generalklausel, welche schlechthin jede untreue Handlung unter Strafe zieht. Das Wesen des umschriebenen Tatbestandes kann sonach nicht etwa in dem Mißbrauch der Amtsgewalt oder einer darin enthaltenen Verfügungsberechtigung gesehen werden, sondern es ist schlechthin die dolose gewinnsüchtige Amtspslichtverletzung geahndet. Dies ergibt sich ja auch aus der Behandlung der Constitutio durch Carpzow, der den gesamten Tatbestand als Untreue zusammenfaßt3).4 Da als Verbrechenssubjekte auch die Amtleute der Adeligen (wie natür­ lich auch der Städte) einbezogen sind, so sind auch die damals wich­ tigsten Verwalter von im heutigen Sinne Privaten fähig, das Delikt

zu begehen^). Ähnliche Strafdrohungen gegen untreue Beamte ergingen in anderen Reichsgebieten 5).6 Andere begnügten sich mit einer sich auf Carpzows Autorität stützenden Praxis. Insbesondere aber hat Brandenburg eine Verordnung gegen ungetreue Beamte erlassen, welche zwar als Ver­ brechenssubjekte nur die kurfürstlichen Beamten kennt, im übrigen aber der sächsischen analog ist. Auch hier ist jede gewinnsüchtige Amts­ pflichtverletzung als solche unter Strafe gestellt 6). Fernerhin hat die Reichspolizeiordnung von 1577 7) die Untreue des Vormundes kriminalisiert. Die entscheidende Stelle lautet: „...Und 3) Carpzow, Jurisprudentia forerisis Romano-Saxonica, Ausgabe von Mylius, Leipzig '1703. P. IV, Constitutio 41, des. I. Administrator infidelis. 4) Carpzow a. a. O. Beispiel zur des. I. 5) Vergl. z. V. Pfälzische Malefizordnung von 1582 Titel 51, bayer. General­ mandate vom 8. Januar 1665 und 5. Oktober 1741, oberpfälzische Malefizordnung Titel XII, Art. 16. 6) Mylius Corpus constitutiorem Marchicarum, Buch II, Abt. III, Nr. 11, Verordnung vom 22. Jan. 1683. ') Titel 31, § 3 a. C.

alles anders handeln, das einem getreuen Vormünder eignet und zu­

stehet, alles bei Vermeidung der Straff gemeiner Recht... und darunter keines Vormünders Fahrlässigkeit, noch weniger Vervorteilung bei seinem PfLegkind, oder dessen Güter ungestraft hingehen lassen sollen."

Soweit ich sehen kann, ist übrigens erst dort Strgfe angedroht, noch in der Reichspolizeiordnung von 15488)9 fehlt der Passus mit der Straf­ drohung.

Dem Vormundschaftsrecht der Reichspolizeiordnung dient das römi­

sche Vormundschaftsrecht als Muster. Die R. P. O. will weder das römische Vormundschaftsrecht aufheben, noch es an entscheidenden Punkten ergänzen, sondern es lediglich einschärfen 9). So bedeutet die Kriminalisierung der Untreue des Vormundes durchaus nichts anderes

als die Kriminalisierung der gemeinrechtlichen actio tutelae. Welche Strafe unter der „Straff gemeiner Rechte" allerdings ge­ meint ist, kann kaum geklärt werden. Es ist nicht gut möglich, daß damit unmittelbar darauf Bezug genommen werden soll, daß nach römischem Recht der Vormund, der wegen doloser Führung der Vor­ mundschaft verurteilt wird, infam wird. Damit wäre kaum die Vor­ stellung einer Strafe verbunden gewesen, denn das Rechtsinstitut der Infamie war ja überhaupt nicht eigentlich rezipiert 10). Möglich ist, daß der pflichtvergessene Vormund, der ja mit Gelübden und Eiden

beladen werden sollte, als Eidbrüchiger wegen Meineids mit peinlicher Strafe gesaßt werden sollte11). Vielleicht ist es aber auch nur eine Nachlässigkeit im Ausdruck. Jedenfalls berichtet Kreitmayer, daß tat­ sächlich auf Grund dieser Bestimmung arbiträre Strafe verhängt 8) Titel 32,

9) Vergl. Segall, Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnung, Diss. Gießen 19X4 S. 164.

10) Die Carolina spricht sowohl in Art. 107 und 122 von Ehrlosigkeit.

Als

eigentliche Strafe steht aber in diesen Fällen dahinter wirklich peinliche Strafe.

Die R. P. O. von 1577 Titel I, $ 7 benützt „Ehrlosschelten" als wirkliche Strafe, es handelt sich hier aber im Grund um eine feierliche Verfluchung aus

religiösen Gründen.

Eine Beziehung zwischen der alten Ehrlosigkeit, wie sie aus

unehrlicher Hantierung folgte, und der Infamie läßt sich nicht Nachweisen. Vergl. S a v i g n y, System des heutigen römischen Rechts, Bd. II, S. 224 ff. Vergl. auch

Kreittmayer, Anmerkungen zum bayer. Landrecht, Bd. I, S. 243:

„.. ♦ so schlagt zwar das römische Recht poenam infamiae

heutzutage nicht mehr in usu ist." n) So Segall a. a. O. S. 165.

darauf, welche aber

36 wurde 12), ebenso berichtet für das sächsische Recht Titius^).

Die

Reichspolizeiordnung straft sowohl die einfache als auch die gewinn­

süchtige Schädigung des Mündels durch den Vormund.

Daß es sich

bei der angeführten „Fahrlässigkeit" des Vormundes um die einfache Vermögensschädigung im Gegensatz zur gewinnsüchtigen handelt, er­ gibt die Gegenüberstellung „Fahrlässigkeit" — „Vervorteilung". Die Untreue der Reichspolizeiordnung ist nur die Schädigung ver­

mögensrechtlicher Interessen. Wenn Ammonu), gestützt aus die Wendung „bei seinem Pflegkind oder dessen Gütern", das Gegenteil behauptet, so legt er einem pleonastischen Ausdruck zu großes Gewicht bei. Bei genauerem Zusehen wird diese Deutung unmöglich, denn es heißt ja, „Vervorteilung bei seinem Pflegkind oder dessen Gütern".

Übervorteilen aber kann man jemanden nur in Vermögensangelegen'heiten. Der Doppelausdruck erklärt sich ja nur daraus, daß der Ver­ fasser einerseits daran denkt, daß der Vormund sein Pflegkind betrügt, andererseits daran, daß er unmittelbar ohne Wissen des Pflegkindes dies an seinem Gut schädigt. Schon der Zusammenhang verbietet aber die Strafdrohung auf die Verletzung der Pflicht der Personensürsorge zu beziehen. Der einschlägige § 3 Titel 33 handelt zunächst von der Aufsicht über die Vermögensverwaltung, um dann mit der Straf­ drohung sortzufahren. Zudem kommt natürlich in Betracht, daß ja, wie erwähnt, die actio tutelae — eine reine Vermögensklage — das Vorbild war. Jedenfalls aber bestraft die R. P. O. die dolose Verletzung der Amtspflicht als solche. Von einem Mißbrauch des Ver­ fügungsrechts als solchem findet sich keine Spur. Es ist einfach die actio tutelae zum kriminellen Tatbestand erhoben.

Im übrigen erstreckt sich die Strafbestimmung auch auf die Pfleger von Kirchengut 15).

Daß die Reichspolizeiordnung im bayerischen und sächsischen Rechts­ gebiet Wirksamkeit erlangte, ist schon oben erwähnt. Im preußischen 12) Kreittmayer a. a. O. S. 243.

Dies steht allerdings im Widerspruch

zu der codifikatorischen Absicht des Codex criminalis,

der ja v o r dem Landrecht

erlassen wurde.

13) Titius, iu8 privatum, Romano germanicum, Buch 6, cap. 16, $ 28. Bei Carpzow wird die Reichspolizeiordnung nicht erwähnt.

u) Vgl. Ammon a. a. O. S. 47. 15) Vergl. a. a. £). $ 4.

Recht wurde in der preußischen Vormundschaftsordnung vom 23.9.1718 erneut arbiträre Strafe angedroht16). Auch hier ist die Beziehung zur Vormundschastsklage unverkennbar. Auch die Kodifikationen haben an dieser Auffassung der Untreue nichts geändert. Der Codex iuris bavarici criminalis straft als Un­

treue, welche unter die Fälschungsgruppe eingerecht wird, die gewinn­ süchtige Verletzung der Beamtenpflichten überhaupt, indem er insbe­ sondere auch die Unterschlagung unter die Beamtenuntreue einbe­ zieht 17).

Das preußische Landrecht hat die strafbaren Untreuefälle außer­ ordentlich vermehrt. Hier wird zum erstenmal auch die Untreue der

Privatbevollmächtiglen ausdrücklich mit Strafe bedroht, außerdem aber werden auch die Mäkler, die Gesellschafter, die Privatverwalter wegen Untreue kriminell haftbar gemacht. Die Untreue des Beamten, welche für die weitere Entwicklung nicht mehr in Betracht kommt, braucht demnach nicht mehr für Privatrechtsverhältnisse zu Vikariieren18). In allen diesen Verhältnissen wird der Strafgrund in der Ver­ letzung des Kontrakts oder Quasikontrakts gesehen. Dies ist insbeson­

dere auch der Fall bei der Untreue des Vormundes. Vormünder usw., die ,-die Remotion verwirkt haben, werden für strafbar erklärt". Deut­ licher kann der Zusammenhang mit der Amtspflicht des Vormundes nicht zum Ausdruck gebracht werden.

Das Verhältnis der Untreue

zum Diebstahl wird nun erstmalig dahin geklärt, daß die Untreue im Verhältnis zum Diebstahl subsidiäres Delikt ist19). Im preußischen allgemeinen Landrecht ist jedenfalls die Untreue reines Vermögensverbrechen, denn bei der Untreue des Vormundes ist dies im § 1331 ausdrücklich ausgesprochen und bei den übrigen

tauglichen Subjekten kommt etwas anderes als eine Vermögensschädi­ gung nicht in Frage, es sei denn bei den Anwälten, welche überhaupt

besonders betrachtet werden müssen. 16) auch» bei

v t i u 6 a. a. O. Buch II, 2. Abt. Nr. 32 § 63. anderen

Reichsständen

A m m o n a. a. O. S. 18 N. 21.

geschehen

sein.

Wegen

Natürlich wird das

Württemberg

vergl.

Eine Zusammenstellung aller hierzu erlassenen

reichsständischen Verordnungen erübrigt sich wohl.

17) Vergl. Teil I. eap. 9 $ 5. 18) Vergl. preuß. allgemeines Landrecht 20. Titel §§ 1329—1376. 18) Vergl. preuß. allgemeines Landrecht, 20. Titel, $$ 1329—1376. der Beamten insbesondere $ 1330 und 7. und 8. Abschnitt. 19) $$ 1331, 1332.

Wegen

38 Alle vorerwähnten Strafbestimmungen haben allerdings nicht zu einer entsprechenden Beachtung in der gemeinrechtlichen Theorie ge­

führt, sehr begreiflicherweise, denn solange die Untreue noch im Begriff des furtum mit untergebracht war, konnte man sich ja dabei beruhigen. Erst Feuerbach, welcher ja auch die Eigentumsverbrechen fest begrenzte, hat auch das Wesen der Untreue theoretisch klar gestellt. Seine Defini­ tion ist wichtig genug, um sie hier wörtlich wiederzugeben 20): „Wer

jedoch in einem besonderen Rechtsverhältnisse, dessen Eingehung ein vorzügliches Zutrauen in seine Rechtlichkeit voraussetzt — nämlich in dem Bevollmächtigungs- und Gesellschasts -Vertrag so­ wie in dem vertragsähnlichen Verhältnisse der Vormundschaft —, jenes besondere Vertrauen durch vorsätzliche Beteili­ gung des anderen hintergeht, wird bloß infolge des ihn ver­ urteilenden zivilrechtlichen Erkenntnisses dem allgemeinen Rechtsnach­ teile eines wegen Verbrechen Verurteilten, nämlich der Infamie unter­ worfen." „Wird die Treulosigkeit einer in solchem Vertragsverhältnisse stehen­ den Person durch eine Handlung verübt, welche auch außer solchem Verhältnisse ein Verbrechen ist, z. B. durch Unterschlagung, Fälschung oder Betrug und dergleichen, so kommen die Strafgesetze dieser Ver­ brechen zur Anwendung."

Bemerkenswert ist, daß sich Feuerbach überhaupt nicht auf die R. P. O. bezieht, sondern nur auf den entsprechenden Digestenstellen seine Theorie aufbaut20 21). Inhaltlich ist die Formulierung völlig klar.

Untreue

ist

grundsätzlich jede

vorsätzliche

Benach­

teiligung dessen, dem Treue geschuldet wird, sie ist den anderen Vermögensdelikten subsidiär. Die Auf­ fassung Feuerbachs hat sich in der nachfolgenden gemeinrechtlichen Lehre behauptet22).

Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 verwertet die Feuerbachsche Theorie, straft die Zuwiderhandlung gegen die von Feuerbach auf­ gezählten Kontraktspflichten und drückt das subsidiäre Verhältnis der

Untreue gegenüber den übrigen Vermögensdelikten mit großer Schärfe aus 23). 20) 1803, 21) 22) 23)

Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 2. Aufl. 10. Aufl. 1828, übereinstimmend. $$ 371 ff. Vergl. lib. III Titel 2. D. de bis, qui notantur infamia. Martin a. a. O. § 199, Wächter a. a. O. Bd. II, S. 205, 209; Vergl. Bayer. Strafgesetzbuch von 1813, Art. 295, 398—400.

Eine wichtige, das Wesen der Untreue betressende Frage rückt aller­ dings durch das Bayerische Strafgesetzbuch in neue Beleuchtung. Wenig­ stens aus den amtlichen Anmerkungen ist zu entnehmen, daß die Un­

treue des Vormundes auch in einem Angriff auf die Person als solche bestehen sonn24). Im Lehrbuch Feuerbachs ist dies nicht der Fall,

denn Feuerbach bezieht sich auf die actio tutelae, welche reine Ver­ mögensklage ist. Wenn nun auch Feuerbach vielleicht die spätere Auf­ fassung stärker bestimmt hat mit seinem Lehrbuch als mit dem Bayeri­ schen Strafgesetzbuch, so bleibt doch eine gewisse Unsicherheit zurück. Zusammensassend kann aber jedenfalls gesagt werden, daß die Un­ treue geschichtlich stets die dolose Zuwiderhandlung gegen eine durch Kontrakt oder Quasikontrakt übernommene Verpflichtung war, daß die Vorstellung einer besonderen Begehungsweise etwa durch Mißbrauch

der Verfügungsgewalt niemals vorhanden war. 8 4-

Untreue und falsum. Es wäre verwunderlich, wenn die Untreue im Lause der Entwick­ lung nicht auch zu dem Allerweltsverbrechen des falsum Beziehungen gewonnen hätte. Sie mußten sich verstärken, als die Untreue, aus dem Gebiet des furtum verdrängt, sich anderen Unterschlupf suchen mußte, und sie sind wichtig insofern, als sie die Stellung der Un­ treue in der Titelsolge des Gesetzbuchs bestimmt haben. Vor allem

aber zeigt dieser Versuch, das selbständig erfaßte Delikt dogmatisch in größerem Zusammenhang einzuordnen, daß der Gedanke, der Treulose mißbrauche ein ihm zivilrechtlich zustehendes Berfügungsrecht, völlig unbekannt war.

Die Entwicklung des gemeinrechtlichen crimen falsi*) ist des Ver­ ständnisses halber kurz darzulegen. Diese kann nicht aus den deutschs­

rechtlichen Grundlagen erklärt werden, ebensowenig aus der Carolina, welche ihrerseits im wesentlichen ein Ergebnis des einheimischen Rechts 24) Anmerkung znm Bayer. Strafgesetzbuch nach den Protokollen des geheimen Rates, Bd. II. München 1813, S. 321. i) Vergl.

im

allgemeinen

K ö st l i n,

Hälschner, Preuß. Strafrecht, Bd.

Bd. II, S. 120 ff.

Abhandlungen, Bd.

II, S.

114 ff.

II, S. 333ff. Dinding, Lehrbuch,

40 sein mag2). Vielmehr entsteht das gemeinrechtliche crimen falsi durch eine Wetterführung der italienischen Doktrin, wobei allerdings von

Anfang an das römische Recht gründlich mißverstanden wurde. Die lex Cornelia de falsis3) war wesentlich ein Prozeßgesetz, das für eine

Anzahl verschiedener, immerhin verwandter Delikte einen besonderen Gerichtshof und das entsprechende Verfahren vorschrieb. Den allge­ meinen Verbrechensbegriff des falsum wollte die lex Cornelia keines­ wegs aufstellen, denn einerseits sind nur einige besonders gefährliche Fälle der Fälschung herausgegriffen, andererseits lassen sich einige der

angeführten Fälle unmöglich unter den Gesichtspunkt der Fälschung

bringen. Daran hat auch das Kaiserrecht und die Gesetzgebung Justi­ nians nichts geändert^). Daneben stellt der Stellionat ein kriminalistisches Seitenstück zur actio doli dar, wie diese subsidiär und alle arglistigen Benachteili­ gungen anderer umfassend, also durchaus nicht nur subsidiär zu den Fällen der lex Cornelia de falsis. Der Stellionat konnte als crimen extraordinarium nicht mit der Popularklage gefaßt werdens. Es hat demnach keinen Sinn, nach dem materiell rechtlichen Unter­ schied zwischen falsum und Stellionat zu fragen und diesen etwa im Gegensatz von Fälschung und Betrug finden zu wollen, wie dies öfters versucht wurde.

Carpzow3)5 definiert 6 nun das falsum, in welchem ihm der Stellio­ nat untergeht — dieser wird überhaupt nicht erwähnt —, als dolosa yeritatis immutatio in alterius praejudicium facta7).8 Diese Defini­ tion ist nicht eigentlich originell3), die damit gegebene Verschmelzung

des Betrugs und der Fälschung, deren weitere Entwicklung ist hier 2) Inwieweit das römische Recht mitspielt, wird immer schwer zu entscheiden sein, da sich die Fälschungsdelikte der Carolina, Artikel 111—114 bei entsprechen­ der wirtschaftlicher Entwicklung geradezu aufdrängen. — Genauer ist diese ganze Frage noch nicht untersucht. Vergl. Brunnenmeister, Quellen, S. 284 ff. Köstlin a. a. O. S. 136 ff., Hälschner a. a. O. S. 342 ff. 3) Vergl. D. lib. 48, Titel 10, Inst. lib. 4, Titel 18/7. 4) M o m msen, Römisches Strafrecht S. 203 f., S. 667 ff. Insbesondere S. 666, S. 670. 5) Vergl. Mommsen a. a. O. S. 678 ff., B i n d i n g , Grundriß, Straf­ recht S. 14 f. 6) Qu. 103. Vergl. auch Qu. 42, 43, 46. 7) Qu. 103, N. 5. 8) Vergl. die Verweisungen bei Carpzow auf die italienische Doktrin.

nicht zu erörtern. Carpzows Definition hat wohl praktisch die Herr­ schaft gehalten, wenigstens führt sie noch Kreittmayer, der ja den

Durchschnitt der Meinungen wiedergibt, als durchaus nicht kontrovers an9).10 Neu 11 war bei Carpzow, daß er eine besondere Erwähnung des

speziellen Tatbestandes in der lex Cornelia zur Strafbarkeit einer Handlung, welche den allgemeinen Erfordernissen des falsum ent­ spricht, für unnötig erklärt ^O). Damit ist ein sehr vager Verbrechens­

begriff geschaffen, zu dem die Untreue einmal in Beziehung treten

mußte, umsomehr als auch noch Carpzow das falsum für ein dem furtum, bei welchem die Untreue vorerst untergebracht war, sehr ähn­ liches Delikt erklärtn). Das Ganze ist im übrigen außerordentlich be­ zeichnend dafür, in wie naiver Weise manchmal die Rezeptionsjuris­ prudenz durch die Systematisierung den Inhalt des römischen Rechts veränderte. Im übrigen behandelt Carpzow die wichtigsten Fälschungsverbrechen, nämlich Münzfälschung und Meineid, nicht unter dem crimen falsi, weil er die erstere als Majestätsverbrechen, den letzteren als Religions­ verbrechen betrachtet12). Carpzows Behauptung, daß eine besondere Nennung des speziellen Tatbestandes in der lex Cornelia nicht erfordert sei, blieb allerdings nicht unwidersprochen^), jedoch konnte man falsum und Stellionat

nicht unterscheiden und der letztere war bestimmt generell gefaßt. Da­ durch, daß die spätere Doktrin den Meineid — und zwar sowohl den

echten Meineid als auch den Eidesbruch — und die Münzfäschung ebenfalls zum falsum zog, hat sie den Charakter des Verbrechens noch mehr verallgemeinert^). Auch entwickelte sich nun im Naturrecht die Theorie von dem Recht auf Wahrheit, welches dem weit gespannten

crimen falsi jedenfalls entsprach, wenn es nicht überhaupt durch dieses 9) Vergl. Anmerkungen zum Codex criminalis, Teil L cap. 9, § 2. 10) Qu. 103, N. 14. Über die Neuheit des Gedankens vergl. die Fassung bei

Carpzow.

Vergl. auch Leyser, Spec. 615, VIII. (a. a. O. Bd. 8 S. 769), der

die Ansicht nur mit Hinweis auf Carpzow begründet.

n) Qu. 103,N. 1. 12) Qu. 42, N. 1, 46, N. 1, dagegen Stryk (zu D. 48 Titel 10), § 1 und Lauterbach, § .1 IV.

13) Für Carpzow insbesondere Leyser, vergl. N. 10. 11) Vergl. Stryk, VI und VIII, Lauterbach, D. lib. 48, Titel 10. und § 2 zu Art. 110.

VIII

und

XII,

zu

Böhmer, Meditationes in Carolinam, § 1 zu Art. 107

42 angeregt toar15).

Dieses allgemeine Recht auf Wahrheit aber wurde

durch das falsum verletzt, wenn auch die Beziehung bei den Schul­ häuptern selbst nicht klargestellt wird, da sie ja überhaupt das Straf­

recht im allgemeinen vernachlässigten 16). Jedenfalls war der Begriff des

crimen falsi

in einer sehr weiten Fassung Gemeingut des 18.

Jahrhunderts.

Trotz einer so weiten Ausdehnung dieses Deliktsbegriffes bietet es uns heute Schwierigkeiten, die Untreue als falsum zu betrachten, denn es ist nicht ohne weiteres einzusehen, wieso in dem Bruch einer Treu­

verpflichtung eine

imnuitatio

veritatis

liegen solle.

Die praktischen

Beziehungen sind in den beiden vornehmlich in Frage kommenden Fällen, dem des Vormundes und des Beamten aber schon darin, ge­

geben, daß beide mindestens häufig eidbrüchig wurden und daß beide sehr oft falsche Rechnungen einreichen mußten, um das Delikt über­ haupt begehen zu können17).

Auch

sonst liefen naturgemäß leicht

eigentliche Täuschungshandlungen unter.

Wesentlich war aber doch

wohl die Vorstellung, daß der ungetreue Beamte oder Vormund das Vertrauen täusche, wie dies ja am besten in dem doppeldeutigen lateini­ schen Ausdruck sickern falle re zum Ausdruck kommt.

So wurde die Gesetzgebung des 18 Jahrhunderts bewogen, als sie

die Untreue als besonderes Verbrechen formulierte, diese unter das

falsum einzureihen 16), da sie ja wegen der besonderen Benennung in

der lex Cornelia

kein Bedenken zu tragen brauchte

Aber auch die

Rechtslehre ist der Gesetzgebung gefolgt. Hiebei hat auch eine Digesten-

stelle eine Rolle gespielt, welche Fälle der Untreue unter den Ber15) Bei dem allgemeinen Verhältnis des Naturrechts zum positiven Recht wäre dies zu vermuten.

Es kann aber auch tatsächlich, wie B i n d i n g, Lehrbuch II,

S. 124 Abs. 2 meint, eine Erfindung des Naturrechts sein, die dann an G r o t i u ö a. a. O. Buch 4 cap. 1 § 12 ff., der die Frage ganz natürlich von der Kriegslist ausgehend behandelt, anknüpfen würde. Es würde sich dann wieder um die Wendung vom Naturrecht vorwiegend als Völkerrecht zum allgemeinen Natur­

recht handeln. Vergl.

Pufendorf

a. a. O. P. III, cap. II—III.

a. a. O.

Lib.

IV,

cap. I.

§§

VIII ff.

Wolff

Klar ist die Beziehung bei N e t t e l b l a d a. a. O.

§§ 920 ff.

17) Die Bedeutung gerade dieses letzteren Momentes für das Bewußtsein der Nechtslehre ergibt sich aus Kreß a. a. O. § 3 zu Art. 170 der Carolina. 38) Vergl. preuß. allg. Landrecht Tit. 20. §§ 1329 ff.

I. Teil, cap. 9, insbesondere §§ 2, 5.

Codex criminalis Bav.

brechen der lex Cornelia ansührte19).20 So zählte die überwiegende Mei­

nung die Untreue zum falsum, erst Feuerbach und Wächter, welche die Untreue als „Treulosigkeit" faßten und sie damit selbständig mach­

ten, lösten diese Verbindung99). Das allgemeine Recht aus Wahrheit

blieb aber doch noch versteckt am Leben und wirkte auf die Zusammen­

stellung der Untreue mit dem Betrug in einen Titel hin.

II. Abschnitt.

Oer Grun-charakter der llntreuebestimmungen. 8 5. Oie wesentlichen Streitfragen. 1. Die bisherige geschichtliche Darlegung bietet bereits die wesent­

lichen Unterlagen für das Verständnis des § 266 unseres Strafgesetz­ buches und der diesen ergänzenden Bestimmungen. Von den erarbeiteten

geschichtlichen Grundlagen aus müssen wir an den bedeutsamsten und wichtigsten Versuch das Untreuedelikt formulieren, die Theorie Bindings

über die Untreue herantreten. Der Klarheit wegen sei die Bindingsche Theorie hier mit den Worten

ihres Urhebers selbst wiedergegebenx):

„Untreue ist d i e vorsätzlich rechtswidrige Schädi­ gung fremden Vermögens seitens seines berufenen 19) 1.1 § 6 de lege eornelia, Wächter, Lehrbuch II, S. 205 und 219 be­

streitet dies in. E. mit Unrecht, er geht hierbei eben von derselben falschen Vor­ stellung aus, wie die Rezeptionsjuristen, daß die lex Cornelia einen materiellen

Verbrechensbegriff aufstellen wolle.

Martin a. a. O. $ 199 N. 1 hat das

schon richtig gesehen.

20) Für

den

Charakter

als

falsum

insbesondere

Klein a. a. O.

§ 461,

Kreittmayer in den Anmerkungen zum Codex criminalis, Teil 1, cap. 9,

2, 5, Quistorp

— allerdings nur zur Erläuterung des Strafmaßes —

$ 419 und zwar auch noch in der von Klein und C o n o p a ck besorgten 6. Aufl. 1812. Erhard im „Entwurf eines Gesetzbuches über Verbrechen und Strafen", 1816, II. Teil, 1. Abschn., 9. Titel, insbesondere Art. 1846 ff. Aus­

drücklich ablehnend Martin, § 199, insbesondere N. 1, Wächter a. a. O. Bd. II, S. 205 und 219, welche aber feststellen, daß die herrschende Meinung die Untreue als falsum betrachtet.

Der Sache nach aber ohne Polemik derselben An­

sicht Feuerbach, übereinstimmend 2.—10. Aufl., $$ 370 ff. 1) Bergt. Binding, Lehrbuch I, S. 396 ff. Sperrungen nach dem Original.

44 Verwalters oder Behüters durch Mißbrauch der ihm gesetzlich zu er kannten Macht st ellung..." „Sie ist ein Vermögensverbrechen durchaus selbständigen Inhalts — gerade so selbständig wie die Aneignungs­ verbrechen, die Pfandkehr und der Betrug, mit denen sie in einer

Reihe steht. Raub, Erpressung, Diebstahl, Mundraub, Sachbeschädigung

können nie Untreue sein..„wie bei gesunder Strafrechtsentwicklung allein natürlich schließt sich der jüngste Verbrechenstatbestand da an, wo die älteren aufhören; allein wiederum ist natürlich, daß seine Lösung von dem älteren Tatbestand sich nur allmählich vollzieht." „Praxis und Gesetzgebung haben eine empfindliche Lücke des bisherigen Strafrechts richtig erkannt. Beim Betrug macht der Betrüger

den fremden Willen des zu Schädigenden Bundesgenossen. In einer großen aber ist, wer auf Unredlichkeit lichen Lage, von Rechts wegen

durch Täuschung zu seinem Anzahl von Fällen denkt, in der glück­ über fremdes Ver­

mögen verfügen zu können; dieses Vermögen findet dann seinen Feind gerade in der Person, der es von Rechts wegen unter­ stellt ist, und gegen diese bedarf sein Inhaber energischen Schutzes." „Die Art, wie jener zu seiner Machtstellung gekommen ist, ob durch­ obrigkeitliche Bestellung oder Ermächtigung oder durch privates Rechts­ geschäft, muß als gleichgültig erscheinen, weshalb es auch durchaus

richtig war, die Bevollmächtigten unter die tauglichen Subjekte der Untreue aufzunehmen..." „...Der Tatbestand der Untreue läßt sich aber in voller Allgemeinheit dahin fassen, daß alle, welche

durch Gesetz oder Rechtsgeschäftberufen werden, über fremde Vermögensrechte zu verfügen, sich der Un­

treue schuldig machen, falls sie durch ihre Verfügung vorsätzlich die Inhaber jener Rechte schädigen." Die geschichtliche Begründung der Bindingschen These läßt sich aus einer Stelle seines Handbuches noch klarer entnehmen2).

„Die einfachsten Verbrechenstypen treten dem Gesetzgeber am frühesten

klar vor's Auge. Zur Aufstellung der verwickelteren schreitet er dann erst, wenn sich die Unzulänglichkeit der einfacheren ergeben hat. Seine Absicht ist dann regelmäßig, das Gebiet des komplizierteren Verbrechens da beginnen zu lassen, wo das des einfacheren aufhört. Bis zum Be2) Binding, Handbuch I, S. 362 f.

weis des Gegenteils ist — allerdings nur bei einer Gesetzgebung, die, von den Verbrechensbegriffen ausgeht — anzunehmen, daß der neue

Begriff sich grenznachbarlich an den alten anschließen, nicht aber in

dessen Gebiet teilweise übergreisen will. Der Betrug beginnt, wo Diebstahl bezw. Unterschlagung nicht vorliegen; das durch Täuschung begangene Eigentumsverbrechen ist kein Betrug; das Vergehen der Untreue ist nur da anzunehmen, wo Veruntreuung nicht vorliegt."

Die bisherige geschichtliche Darlegung führt zu einem gänzlich anderen Untreuebegriff. Nach dem bisherigen wäre die Untreue nichts anderes als die Zuwiderhandlung gegen die Pflicht des Vormundes oder des Beamten in der Absicht, das anvertraute Vermögen z,u schädigen bezw. für sich selbst Gewinn zu ziehen. Es ist nun die Frage, ob auch im geltenden'Recht die Untreue diesen ihren alten Charakter als „Treubruch" beibehalten hat, oder ob sie wirklich, wie Binding.

behauptet, zum Mißbrauch der dem Täter der Untreue zustehenden Vollmacht geworden ist, wobei der Begriff der Vollmacht noch der Erläuterung bedarf 3). Soweit sich Binding in den oben angeführten Stellen auf die geschichtliche Entwicklung bezieht, ist seine Begründung offenbar verfehlt.

Der Untreueöegriff entstand ja nicht, wie Binding meint, dadurch, daß man sich bewußt wurde, Diebstahl, Unterschlagung und Betrug 3) Die überwiegende Ansicht ist wohl gegen Binding. So zunächst die älteren Lehrbücher. Vor allem H ä l s ch n e r, Das gemeine deutsche Strafrecht, Bd. II,

S.

39t ff., Merkel, Lehrbuch

des

deutschen

Strafrechts, S.

330 f., ferner

Merkel in Holhendorffs Handbuch, Vd. III, S. 781 ff. 3m übrigen kann man bei einer Literatur, die fast nur aus Dissertationen besteht, allerdings schlecht von herrschender Meinung sprechen, jedoch sind die bedeutendsten Arbeiten D r a h e i m ,

S. 40 ff., 48 ff., ausdrücklich S. 55 ff. und Freudenthal, S. 114 ff. gegen

Binding.

Ebenso die tüchtige Dissertation von A m m o n, S. 42 ff., die aber

noch vor Bindings Lehrbuch geschrieben ist, und wohl auch Konrad, S. 41 ff., Engelhardt, S. 41 ff., Cartier, S. 26 ff. scheint de lege lata sich der

herrschenden

Ansicht

anzuschließen, obwohl allerdings

nicht

klar

ist, wie

seine

„begriffliche Entwicklung" S. 95 ff." gemeint ist. Gegen Binding auch A l l f e l d ,

Lehrbuch, S. 485, im wesentlichen auch Richard Schmidt, Grundriß des deut­ schen Strafrechts, S. 214 f.

Anderer Ansicht Frank, Erläuterung I, vergl. jedoch unten S. , und Leopold, S. 12 ff. Ebenso H e g l e r, Archiv für Rechts- und Wirtschafts­ phil., Bd. 10 S. 152 ff. und Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht, S. 317 ff.

Die Reichsgerichtspraris steht gegen Binding. bei Leopold, S. 10 und unten S. 167 ff.

Vergl. die Zusammenstellung

46 feien nicht die einzige Form der Vermögensschädigung und darum das neue Verbrechen der Untreue erfand.

Vielmehr waren im alten

gemeinen Recht Unterschlagung und Untreue in dem weiten Bereich

des uneigentlichen furtum ungeschieden enthalten.

Gleichzeitig aber

erfaßte die Gesetzgebung schon sehr früh die Untreue als selbständiges Delikt und zwar als gar nichts anderes als die pönalisierte actio

tutelae, oder die pönalisierte Amtspflichtverletzung, welch letzteres Mo­ ment ja für das gegenwärtige Recht nicht mehr in Betracht kommt.

Die Untreue ist somit nicht jünger, sondern älter als die Unterschlagung, die erst in neuester Zeit sich analog dem neugeformten Diebstahls­ begriff entwickelte. Die Doktrin allerdings hat der Untreue erst später

Aufmerksamkeit geschenkt, aber sie wurde jedenfalls zu gleicher Zeit

erfaßt, zu der der Unterschlagungsbestand geschaffen wurde.

Ganz im

Gegensatz zur Meinung Bindings entwickelte sich die Unterscheidung von Untreue und Unterschlagung also dadurch, daß die Unterschlagung als ein Sondersall der Untreue selbständig gemacht wurde. So bekam

die Untreue selbst einen subsidiären Charakter, die übrigen Vermögens­

verbrechen, soweit dies denkbar ist, ebenso in sich befassend, wie über­

haupt alle Pflichtverletzungen, welche einen Nachteil für das anver­

traute Gut bezwecken.

Jedoch bedarf die

Entstehungsgeschichte des

heute gültigen Gesetzestextes noch genauerer Betrachtung, damit in ihr die historische Beweisführung ihren Schlußpunkt findet. Bei genauerem Zusehen ist aber überhaupt das Argument Bindings

nicht sowohl ein historisches, als vielmehr ein dogmatisches, und zwar

ist es aus systematischen Erwägungen entstanden.

Gerade vom syste­

matischen Gesichtspunkt aus, soweit es überhaupt möglich sein soll,

daß er gegenüber dem historischen durchschlagen kann, scheinen mir subsidiäre Tatbestände durchaus nichtverwerslich zu sein.

Denn allein

diese geben Gewähr dafür, daß der neue Verbrechensbegriff sich an den alten lückenlos anschließt.

Jede Verselbständigung birgt die Ge­

fahr, daß ein leerer Raum zwischen den beiden, auf selbständigen, Grundgedanken beruhenden Tatbeständen entsteht. Dies wäre ja auch

der Fall zwischen Untreue und Unterschlagung, wenn die Bindingsche

Theorie zuträfe, wie dies unten nachzuweisen ist.

Jedenfalls ist aber

die Bindingsche These auch in ihrer dogmatischen Tragfähigkeit zu prüfen.

Unsere Gegenansicht, daß die Untreue ihrer Benennung entsprechend wesentlich Treubruch sei, läßt sich in zwei Formulierungen bringen:

ä) Konsequent durchgesührt ist Untreue schlechthin jede der zahllosen Pflichtverletzungen, welche das anvertraute Gut schädigen und schädigen

sollen. b) Vermittelnd könnte man die Ansicht dahin formulieren, daß Un­ treue zwar nicht Mißbrauch der rechtsgeschäftlichen Verfügungsmacht,

aber immerhin doch Mißbrauch der tatsächlichen Machtstellung sei. Ob diese letzte Formulierung richtig und durchführbar ist, kann nicht in diesem Abschnitt dargelegt werden, sondern muß erst im

3. Abschnitt untersucht werden^). 2. (Sine zweite Grundfrage steht in diesem Abschnitt zur Erörterung. Nach der vorherrschenden und m. E. richtigen Meinung ist die Untreue reines Vermögensverbrechen, Zuwiderhandlungen gegen dre Person als solche sind danach niemals Untreue im Sinne des Strafgesetzbuches. Eine andere Ansicht will jedoch auch den Angriff auf die Person,

z. B. die Unzucht des Vormunds mit dem Mündel, unter die Untreue ziehen 4 5).

Die geschichtliche Entwicklung stützt auch hier, wie oben dargelegt, die herrschende Meinung.

Diese Frage kann aber in diesem Abschnitt nur soweit untersucht werden, als die Entstehungsgeschichte des Gesetzes in Frage kommt. Die endgültige Antwort muß auch hier in den dritten Abschnitt ver­ schoben werden.

1. Unterabschnitt.

Oer Gesetzestext in historischer Betrachtung. 8 6.

Oie endgültige Feststellung der EigentumSverbrechen. Unsere geltenden Untreuebestimmungen sind aus den Untreuebestim­ mungen des Preußischen Strafgesetzbuches von 1851 entstanden. Da­

her ist die Geschichte der Reichsgesetzgebung im Zusammenhang mit der

4) Vergl. unten S. 178 ff.

5) Gegen die herrschende Ansicht vor allem Ammon, S. 42 f., im einzelnen vergl. unten S. 143 ff.

48 Entstehungsgeschichte des Preußischen Strafgesetzbuches zu erläutern *1).

Hiebei soll, soweit es der Zusammenhang erfordert, auch über die als Hauptthema dieses Abschnittes genannten beiden Fragen hinaus­ gegangen werden. Das preußische allgemeine Landrecht hatte zwar die allgemeine Gruppe des furtum verworfen, aber im übrigen den alten Diebstahlsbegrifs noch festgehalten. Darum konnte es auch keine Verwandtschaft zwischen Diebstahl und Unterschlagung erkennen und hatte die letztere

als einen besonderen Fall der Untreue in der Gruppe des

falsum

untergebracht. Erst das Preußische Strafgesetzbuch hat demnach für das preußische Strafrecht die Eigentumsverbrechen in unserem Sinne konstruiert und die Unterschlagung von der Untreue gelöst. Dabei hatte die Lehre des gemeinen Rechts die Führung. Die Einflüsse des französischen Rechts haben sich insoweit nur hemmend geltend machen können, da ja der Code penal keine Unterschlagung im eigentlichen Sinn kennt2).* *DarS. v) Über die sehr verwickelte Gesetzgebungsgeschichte des preuß. Strafgesetzbuches von 1851 (Pr.St.G.B.) vergl. Goldtammer, Materialien 311111 Pr.St.G.B. I. S. VII ff., neuerdings noch Hippel, Deutsches Strafrecht, Vd. I, S. 314 ff. Die einzelnen Entwürfe und deren Materialien sind wie folgt zitiert, die Kom­ missionen sind im Text stets nach dem Jahr ihrer Einsetzung benannt. Revidierter Entwurf des Str. G. B, für die königlich preußischen Staaten, Berlin 1836, Entwurf der Staatsratskommission von 1843, Entwurf des Staats­ rats von 1843, sämtlich nach K a m p tz. Zusammenstellung der drei Entwürfe des Pr. St. G. B. Berlin 1844 und zwar als Ministerial-, bezw. Kommissions-, bezw. Staatsratsentwurfs. Die „Beratungsprotokolle der zur Revision des Strafrechts ernannten Kom­ missionen des Staatsrats", II. Teil, 2. Abteilung, Berlin 1842 als Beratungs­ protokolle. „Revidierter Entwurf des Strafgesetzbuches", Berlin 1845 als „revidierter Entwurf von 1845". „Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuches von 1843". 3. Bd. Berlin 1845 als „Revision". Die Entwürfe von 1846, 1847, 1850 (letzterer dem Landtag vorgelegter Ent­ wurf gedruckt, Berlin 1851) sind als Entwürfe von 1846, 1847, 1851 zitiert. Motive zum Entwurf des Strafgesetzbuches von 1847, Berlin 1847, als „Motive 1847". Die Motive zum Entwurf von 1850, Stenogr. Berichte über die Verhandlungen der vom 2. 11. 1850 einberufenen Kammern, II. Kammer, III. Bd. Aktenstück 23 als „Motive" 1851. 2) Vergl. Art. 406 ff., über den abus de confiance auch Freu d e n t h a l, S. 137. Der Code halte im wesentlichen den Zustand der gemeinrechtlichen Lehre vor Feuerbach fest, während das Pr. St. G. B. Feuerbach und das Bayerische von 1813 zum Vorbild hat.

über war man sich wohl nicht ganz klar, als man jene bedeutsame.

Wendung „zum Nachteil des Eigentümers, des Besitzers oder In­

habers in den § 225 Pr. St. G. B. übernahm3).4 5Gerade 6 diese Wen­ dung hat einen Rückschlag in der Entwicklung verursacht, welcher für

uns mehrfach bedeutsam ist.

1. Die ersten beiden Entwürfe von 1827 und 1830 zum Preußi­ schen Strafgesetzbuch brachten gegenüber dem preußischen allgemeinen Strafrecht noch keine wesentliche Änderung, sie zogen ja noch das

furtum rei suae oder possessionis zum Diebstahl ^).

Im revidierten Entwurf von 1836 aber ist der Diebstahl zur Ent­

wendung der fremden Sache mit der Absicht der Zueignung geworden und ist dies in allen Stadien der Beratung sowie im Gesetze selbst

geblieben3).

Entschlossen durchgeführt hat den Gedanken der Eigen­

tumsverletzung allerdings erst die Staatsratskommission von 1838, in­

dem sie aus dem revidierten Entwurf das Erfordernis der gewinn­ süchtigen Absicht fallen ließ, „da die gewinnsüchtige Absicht in der

Tat nicht unbedingt zum Wesen des Diebstahls gehört, da es den Bestohlenen in der Regel ganz gleichgültig ist, zu welchem Zweck der

Dieb die Sache verwendet" 6). stahlverbrechens

zum

Die akzessorische Stellung des Dieb-

Eigentumsinstitut des

Zivilrechts

kann

nicht

schärfer zum Ausdruck gebracht werden als mit diesem Satz.

Dieselbe Kommission hat auch die Unterschlagung mit dem Dieb­ stahl in einen Titel vereinigt, welche Verbindung in der Folge bestehen blieb, und damit ihr heutiges Verhältnis zum Diebstahl auch äußerlich

zum Ausdruck gebracht. Der Unterschlagungstatbestand selbst war aller­ dings im Ministerialentwurf klarer als im Kommissionsentwurf als ungeschärfte Entwendung in Aneignungsabsicht gefaßt gewesen.

Der

Ministerialentwurf bestrafte die Zueignungshandlung schlechthin, wäh­

rend der Kommissionsentwurf glaubte, einzelne bestimmte Zueignungs­ handlungen ansühren zu müssen7).

Wenn man es damals ablehnte,

3) Vergl. Code penal, Art. 408. 4) Vergl. Goldtammer, Materialien zum Pr. St. G. B. II, S. 458. 5) Kantph, Minist.-Entw. $ 539, Kommiss.-Entw. § 401, StaatsratsEntw. § 402. Revidierter Entwurf von 1845 § 253, Entw. v. 1847 § 267, Entw. v. 1851 §198. Pr. St. G. B. $ 215. 6) Beratungsprotokolle S. 350. 7) Vgl. Minist.-Entw. § 594. „Wer eine fremde, bewegliche Sache, die er in der Gewahrsam hat, in der Absicht, sich oder anderen einen Gewinn zu ver­ schaffen, widerrechtlich sich zueignet, ist der Unterschlagung schuldig." Kommiss.Mayer, Das Nechisgefühl.

4

50 jeden Fall der rechtswidrigen Zueignung kriminell zu bestrafen, so zeigt dies, daß die neue Auffassung über das Wesen der Eigentums­

verbrechen noch nicht ganz durchgedrungen war 8* ).* * Doch * wurde immer­ hin der Allgemeinbegriff der rechtswidrigen Zueignung als Tatbestands­ merkmal beibehalten, die einzelnen Zueignungshandlungen nur bei­ spielsweise aufgezählt. Der Staatsratsentwurf behielt Stellung und Fassung der Unterschlagung bei9).

Die Revision des Gesetzentwurfs

von 1843 und die erneuerte Revision von 1846 10) brachten ebensowenig

wie der Entwurf von 1847 eine wesentliche Änderung. Dagegen hat der Entwurf von 1851n) das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Zueignung durchstrichen und die erwähnten Beispiele damit zu einer erschöpfenden Auszählung einzelner Fälle gemacht. So lautete schließlich § 225 des Pr. St. G. B.: „Wer eine fremde, bewegliche Sache, deren Besitz oder Gewahrsam er mit der Verpflich­ tung erlangt hat, sie zu verwahren, zu verwalten, zurückzugeben oder abzuliesern, zum Nachteil des Eigentümers, Besitzers oder Inhabers

veräußert, verpfändet, verbraucht oder beiseite schafft, macht sich einer Unterschlagung schuldig." Diese Fassung bringt den Gedanken des Eigentumsdelikts nicht mehr in vollem Umfange zum Ausdruck. Einerseits ist in den einzelnen be­ sonders genannten Handlungen der allgemeine Aneignungsbegrisf unter­ gegangen, vor allein aber führen die Worte „zum Nachteil des Eigen-tümers, Besatzers oder Inhabers" zu einer ganz anderen Auslegung, wenn sie überhaupt etwas bedeuten sollen. Denn sie nötigen doch zur Annahme, daß es genügt, wenn dem Besitzer oder Inhaber ein Nach­

teil, d. h. also eine Zuwiderhandlung und Benachteiligung der Rechte des Eigentümers gar nicht erforderlich ist. Praktisch gesprochen, wer als Untermieter dem Mieter eine Sache entzieht, begeht Unterschlagung auch dann, wenn er das Recht des Eigentümers weder schädigt noch Entwurf § 42T.

Insbesondere Abs. 2. „Als Zueignung wird es insonderheit an­

gesehen, wenn der Inhaber die Sachen veräußert, verpfändet, oder verbraucht, oder

den Besitz oder die Gewahrsam derselben wider besseres Wissen dem Berechtigten

verleugnet."

.8) Beratungsprotokolle S. 385. 9) Staatsrats-Entw. § 423.

10) Sehr charakteristisch in „Verhandlungen", S. 150.

Die einzelnen auf­

gezählten Handlungen gelten hier immerhin nach einer praesumtio iuris et de iure

als an sich als Zueignung. Revision, S. 16 ff. Entw. v. 1847, § 272. n) Vgl. Entw. v. 1851 § 208.

schädigen will. Andererseits ist aber jedenfalls ein Nachteil, d. h. ein Vermögensschaden erfordert, eine Unterschlagung als Eigentumsangriff braucht aber einen Vermögensschaden für den Eigentümer ja gar nicht notwendig zu erhalten, denn der Schaden kann ja durch Ersatz­

leistungen von vornherein ausgeglichen fein12). Ob sich die letzte Kommission über die Bedeutung ihrer Änderungen

klar war, läßt sich nicht erkennen13).14

Die Behandlung der Fundunterschlagung, welche immer als Unter­ schlagung aufgefaßt wurde, geht der Unterschlagung parallel^). Sie wurde von Anbeginn an in wechselnder Ausdehnung herangezogen, aber stets als Eigentumsangriff betrachtet, was noch im Entwurf von 1847 deutlich hervortritt. Auch hier hat der Entwurf von 1851 den Grundcharakter verwischt. Auch hier wird zwar von der fremden be­ weglichen Sache gesprochen, daß der Finder nur selten Eigentümer sein kann, ist ja ohnedies klar, dagegen „wer die Sache durch Zufall in seinen Gevahrsam bekommen hat", mag sehr wohl Eigentümer ge­ worden sein. Denn der Wortlaut fordert nicht einmal unbedingt, daß die Sache den Charakter einer fremden beibehalten habe15) So ist der Begriff der Eigentumskehr sowohl bei der Unterschlagung wie bei der Fundunterschlagung nur in dem Erfordernis der „fremden Sache" ausgedrückt. Dies drängt nicht ohne weiteres zu der heutigen Auffassung der Unterschlagung, und die Praxis hat auf dieser Grund­ lage das gemeinrechtliche furtum wieder in weitem Umfange aufleben lassen 16). 2. Die Rechtsprechung zur Fundunterschlagung hält wenigstens theoretisch an dem Grundgedanken des Eigentumsdeliktes fest, praktisch

sind allerdings eine Anzahl von Entscheidungen von diesem Gesichts­ Beim „Erlangen durch Zufall" kamen natür­ lich nicht die Fälle des Sachsenspiegels, an die man aus rechtshistori-

punkt aus bedenklich.

12) Über die Schwierigkeiten der Auslegung des § 225 Pr. St. G. B. vergl. Hälschner in G. A., Bd. 15. S. 3 ff. G o l d t a m m e r, ebenda, S. 230 ff., 281 ff. 13) Vergl. Motive zu §§ 208—210, des Entw. von 1851. 14) Minist.-Entw. § 595, Kommissions-Entw. § 422, Staatsrats-Entw. § 424, Beratungsprotokolle S. 388 f., Revision S. 18 ff. Entw. v. 1845 § 259, Entw. v. 1847 $ 273, dazu Motive zu § 273. 15) Entw. v. 1851 $ 208, Pr. St. G. B. § 226. 16) Über den entscheidenden Wendepunkt in der Rechtsprechung vergl. G o l dlamm e r in Goldtammers Archiv, Bd. 10 S. 3 ff.

52 scheu Erwägungen vor allem gedacht hatte, so sehr in Betracht, sondern

es handelt sich nahezu nur um die Aneignung irrtümlich zu viel heraus­

gegebenen Geldes. Die preußische Rechtsprechung nahm nämlich an, daß solches Geld unterschlagen werden sönne17). Diese Entscheidung wäre jedenfalls nach dem heutigen Recht unmöglich, da der Eigentums­ erwerb mindestens vorläufig feststeht. Jedoch entfernen sich die Ent­ scheidungen des Obertribunals hierbei nicht bewußt vom Eigentums­ begriff des Zivilrechts 18), sondern nehmen Eigentum des Irrenden an, wenn er über das Geldstück oder das Wertpapier selbst sich

täuschte19),20verneinen das Eigentum des Irrenden und folgeweise die Unterschlagung des Empfängers, wenn die zu hohe Zahlung auf einem Irrtum über die Zahlungsverpflichtung, also hinsichtlich des sachenrechtlicheu Geschäftes auf einem Irrtum im Motiv beruht29). Vom zivilrechtlichen Standpunkt aus Läßt sich wohl diese Rechtsprechung kaum halten, doch liegt hier ein Problem vor, das auch heute noch in seiner Bedeutung nicht genügend gewürdigt wird 21). Für den Hauptfall der Unterschlagung dagegen verwischt das Ober­ tribunal mehr und mehr den Charakter des Aneignungsverbrechens, bis ein vages Delikt der Vermögensschädigung wider Treu und Glauben zurückbleibt. Bereits die Rechtsprechung über die Unterschlagung von Fungibilien, insbesondere von Geld steckt die Grenzen der Unterschlagung sehr weil22). Immerhin setzt sich auch hier das Obertribunal noch

nicht in bewußten Widerspruch zum Eigentumsbegrifs, den es aber 17) G. A. Bd. II, S. 556, Bd. VII, S. 397,' Bd. X, S. 371, 782, Bd. XII, S. 642, Bd. XIV, S. 143.

Oppenhoff, Rechtsprechung des Obertribunals

(O.) Bd. II, S. 289, Bd. V, S. 18, Bd. VI, S. 87, S. 552. 18) Doch war dies nicht in der gesamten Praxis der Fall, so wurde dem Ober­ tribunal inrmerhin die Frage vorgelegt, ob derjenige, der noch guten Glaubens das

zuviel empfangene Geld weitergibt, weil er den Irrtum noch nicht bemerkt- hat,

auch Unterschlagung an dem nunmehr hierauf neuerdings herausgegebenen Geld begehen könne, obwohl dies doch offenbar nicht mehr Eigentum des Irrenden sein

kann. O. Bd. II, S. 289. 19) Vergl. insbesondere O. Bd. 6 S. 87, S. 552. G. A. Bd. XII, S. 642.

20) G. A. Bd. VII, S. 397; wenn z. B. der Kaufmann über den Wert des vom Kunden hingegebenen Geldstückes irrt. 21) Vergl. unten § 19 III.

9i) Das Obertribunal mußte sogar einmal eine Revision des Staatsanwaltes

;urückweisen, der einen Chaussee-Einnehmer, der Geld dolos nicht erhoben hatte, wegen Unterschlagung verurteilt haben wollte. Vergl.

doch verflüchtigt 23).

Wenn es sich hier auch um die eben erwähnte

schwierige sachenrechtliche, auch heute noch nicht befriedigend geklärte Frage handelt, so wird in späteren Entscheidungen die Eigentumsfrage gar nicht mehr ernsthaft gestellt23 24).

In dem mehrfach entschiedenen Fall der Lotteriegesellschaft verläßt das Oberlribunal gänzlich den Boden des neueren und heutigen Unter­ schlagungsbegriffs.

Es handelt sich darum, daß auf ein mit dem

Gelde mehrerer Mitspieler gekauftes Los ein Gewinn entfällt, den der Bevollmächtigte für sich einlöst und zurückhält. Hier haben die übrigen Gesellschafter und Mitspieler bestimmt kein Eigentum am Geld, sehr häufig wohl auch nicht am Los2^). Das Obertribunal spricht demzu­ folge auch klar aus, daß Kränkung des Eigentümers im zivilrechtlichen Sinne nicht Voraussetzung zu Unter­

schlagung sei. Dabei liegt es bfin Obertribunal gänzlich fern, etwa einen besonderen strafrechtlichen Eigentumsbegrisf aufzustellen 26). Ähnlich entscheidet das Obertribnnal beim Wechselkommissionsgeschäft.

Der Tatbestand besteht darin, daß z. B. ein Akzept gegeben wird und 23) Wenn z. B. in dem sehr lehrreichen Fall G. A. Bd. IV, S. 255 das

tribunal ausführt, daß nach §§ 80, 140, Titel 4, Teil III, Pr. Allg. R. der Ver­ walter empfangenes Geld ohne besondere Erlaubnis nicht benützen dürfe, so stellte es im Grunde die Entscheidung auf einen schuldrechtlichen Gesichtspunkt ab, den

nes G. A. Bd. IV S. 570 glatt verneint, hier weil er der Verurteilung im Wege stünde. Es fehlt in diesem letzteren Fall wegen Unsittlichkeit des Geschäfts die

schuldrechtliche Bindung, übrigens auch aus demselben Grunde die rei vindicatio. Die Entscheidung, G. A. Bd. IV, S. 396, erregt weniger Bedenken als G. A. Bd, V,'S. 102, O I, S. 553, wo ausgeführt wird, daß der Bevollmächtigte, der für den Vollmachtgeber Geld einhebt, noch nicht dadurch zum Eigentümer der

Spezies wird, und daß er berechtigt ist, gleichwerte Geldstücke dafür abzuliefern. Cs müßte doch zunächst gefragt werden, wodurch der Vollmachtgeber Eigentum

erhalten haben kann, bezw. bezw. ob es nicht etwa überhaupt beim Dritten ge­

blieben ist. Vergl. auch G. A. Bd. XVIII, S. 580.

24) Vergl. G. A., Bd. X, S. 13.

Angeklagter war beauftragt, für den Ge-

schäftöherrn Geld einzuziehen und berechtigt, hierauf für sich persönliche Vorschüsse

zu erheben, dennoch nimmt das Obertribunal bei Überschreitung dieser Befugnis

Unterschlagung an.

Mit Recht sieht G o l d t a m m e r a. a. O. darin eine grund­

sätzliche Erweiterung des Unterschlagungsgebietes.

G. A. Bd. XVIII, S. 359 läßt jede Erörterung der Eigentumsfrage vermissen. 25) Vergl. überzeugend Goldtammer in G. A. Bd. X, S. 7, a. A. allerdings Zastrow in G. A. Bd. XI, S. 150. haltbar.

Jedoch ist die Meinung des letzteren nicht

26) G. A. Bd. X, S. 6 f., S. 8 f., S. 581, Bd. XI, S. 632.

54 dasselbe durch den Kommissionär in der Weise ausgeboten wird, daß

der eigentliche Darleiher als Aussteller zeichnet, dann

kommt der

Kommissionär selbst gar nicht wechselrechtlich zum Vorschein, oder der Kommissionär figuriert selbst als Aussteller. In allen Fällen straft das Obertribunal wegen Unterschlagung, wenn der Kommissionär die Valuta nicht an den Akzeptanten ausliefert27).28 29

Am schärfsten aber löst sich die Rechtsprechung von der zivilrecht­

lichen Beziehung der Unterschlagung zum Eigentumsbegriff, als sie nach anfänglichem Schwanken ganz allgemein den Verkaufskommissionär, der den Kaufpreis für sich verbraucht, wegen Unterschlagung verurteilt. Hier wird gar nicht mehr der Versuch gemacht, sich mit dem Eigen­ tumsbegriff auseinanderzusetzen, und zuletzt heißt es klipp und klar, daß § 225 bestimmt sei, Treu und Glaube n im Ver­ kehr zu schützen2^). Soweit sich dies aus dem nicht immer genau mitgeteilten Tatbestand ersehen läßt, sind unter diesen Fällen fast keine vorhanden, die sich mit der Untreue des § 286 Ziss. 2 decken, wie sie in der vorherrschen­ den Lehre dargelegt wird. Nach dieser muß die Sache, über welche verfügt wird, im Eigentum des Auftraggebers stehen, oder er selbst Gläubiger der betreffenden Forderung, Inhaber des fraglichen Rechts

sein. Die Untreuehandlung soll ihm die Jnhaberschaft dieser Rechte rechtlich oder bei beweglichen Sachen auch nur rein tatsächlich ent­ ziehen. Wenn das Obertribunal, wie man sich auszudrücken pflegt, in der Mehrzahl dieser Fälle die Unterschlagung von Forderungsrechten anerkannt haben soll, so handelt es sich jedesmal nur um eine treu­ lose Zuwiderhandlung des Schuldners selbst gegen die betreffende For­ derung, nicht aber um eine Verfügung des Mandatars über die For­ derung gegen einen Dritten22). 27) Vergl. G. A. Vd. V, S. 64, Bd. VI, S. 709, Bd. X, S. 9 ff., Bd. XVIII S. 352, S. 643. O. Bd. III, S. 379. 28) G. A. Bd. III, S. 134 verneint noch die Unterschlagung,, dagegen wird sie bejaht in G. A. Bd. XVI, S. 232 (O. Bd. VIII, S. 763) — übrigens die klarste Entscheidung — G. A. Bd. XVIII, S. 352, O. Bd. IV, S. 306, Bd. VII, S. 612, Bd. VIII, S. 692.

29) Diese oft gehörte Behauptung geht anscheinend auf Goldtammer in G. A. Bd. XV, S. 283 Anm. 3 zurück. Aber gerade die dort zitierten Urteile G. A. Vd. X, S. 8, 9; Bd. XI, S. 150 enthalten keine Untreuefälle im Sinne der herrschenden Lehre. Die Ausdrucksweise Goldtammers ist durchaus unverfänglich, da der Aufsatz ja noch zur Zeit des preußischen Rechts geschrieben wurde. Von da an ist dann die Behauptung verschiedentlich nachgeschrieben worden.

Nur einige Fälle der Untreue im Sinne der herrschenden Lehre sind ebenfalls unter Strafe gezogen, jedoch spielen sie keine zahlenmäßig be­ deutsame Rolle. Einige auch unter den vorhin aufgezählten Fällen möchten vielleicht hierher gehören, doch ist die Untersuchung des Tat­ bestandes nicht möglich ^0), jedoch sind immerhin einige Entscheidungen vorhanden, welche mit ziemlicher Sicherheit als Untreuefälle im Sinne der herrschenden Lehre angesprochen werden können, da in diesen Fällen der Täter über wohl noch dem Auftraggeber zustehende Rechte verfügte31 * *). * * * Die Bedeutung dieser Zusammenstellung für die heutige Auslegung ist weiter unten zu erörtern. Die Wissenschaft hat sich jedoch dieser Praxis entgegengestellt und trotz aller Schwierigkeiten des Wortlautes die neuere gemeinrechtliche Lehre durchgesetzt 3^). Es ist übrigens bezeichnend, daß die Praxis des Obertribunals keinen Verteidiger fand, der auf das ältere gemeine Recht zurückgegriffen hätte. So selbstverständlich war die Feuerbachsche Lehre von Diebstahl und Unterschlagung bereits geworden. 3. Der Entwurf zum Norddeutschen Strafgesetzbuch, insoweit unver­ ändert zum Gesetz erhoben und auch in die Reichsgesetzgebung über­ nommen, stellte den gesetzgeberischen Gedanken des revidierten Ent­ wurfs von 1836 in seiner vollen Reinheit wieder her33). Durch hie ausdrückliche Beschreibung der Unterschlagung als rechtswidrige Zu­ eignung, die Beseitigung aller Einschränkungen der tauglichen Ver-brechensobjekte und zuletzt durch die neue Bestimmung in § 266 Ziff. 2 mißbilligte er die Praxis des preußischen Obertribunals, welche das eng umgrenzte Vergehen der Unterschlagung wieder zu einem Aus­ schnitt aus dem gemeinrechtlichen furtum erweitert hatte. Die Motive bringen diesen gesetzgeberischen Willen mit völliger Klarheit zum Ausdruck34). 30) Vergl. aber Zastrow in G. A. Bd. XI, S. 150, Dieser nennt bei dem Wechselkommissionsgeschäft die eine Möglichkeit, daß der Wille zur Unterschlagung schon im Augenblick der Verfügung über den Wechsel bestand. Dann sieht er eine Unterschlagung in der Veräußerung. In solchen Fällen ist immerhin unter Umständen Eigentum des als Aussteller zeichnenden Treugebers möglich.

31) O. Bd. IV, S. 306, G. A. Bd. IV,'S. 396, Bd. X, S. 580. 32) Vergl. Hälschner, G. A. Bd. XV, S. 3 ff. Goldtamme r ebenda, S. 230 ff., S. 281 ff., Bd. XI, S. 309 ff., Hälschner, Lehrbuch des preuß.

Strafrechts, Bd. II, S. 498 ff.

33) Vergl. $ 246 St. G. B. 34) Vergl. die Motive zu §§ 241 und 261 des Bundesrats-Entwurfs.

56 Damit hat die Entwicklung ihren endgültigen Abschluß gefunden. Die "Rechtsprechung hat sich dem Willen des Gesetzgebers unterworfen35),

die Rechtslehre war ja ohnedies schon aus demselben Standpunkt gx-standen. Der Hergang ist auch in diesem letzten Stadium in mehr als einer Hinsicht interessant. Die mehrmaligen Versuche, den alten gemeinrechtlichen D^ebstahlsbegriff wieder einzusühren, mußten scheitern, da im Grunde jeder unbewußt von der im Naturrecht entstandenen Vorstellung der Akzessor'.etät des Diebstahls zum Eigentum ausging,

ohne die Berechtigung der Vorstellung zu prüfen. So hat, soweit ich sehe, nur Martin die Verschiebung der Grundlage des Deliktbegriffs

überhaupt bemerkt36).

Andererseits war es vielleicht nicht so leicht, den im Volksbewußt­ sein schon festgewurzelten alten Diebstahlsbegriff wirklich dort zu be­ seitigen 37). 8 7Oie Untreue der Vormünder usw. I. Das preußische allgemeine Landrecht straft die Untreue, wie oben

bemerkt, in sehr weitem Umfang. Der Tatbestand war die dolose Ver­

letzung der betreffenden Vermögensverwaltungspflicht und war im ganzen den anderen Vermögensverbrechen subsidiär. Dieser Grund­ charakter kehrt auch in der Untreue des Preußischen Strafgesetzbuches wieder, nur die Auswahl der fraglichen, durch die Strafdrohung ge­

schützten Vertrauensverhältnisse und ihre Zusammenfassung zu einem einheitlichen Verbrechensbegrifs hat sich in einer wechselvollen Vor­ geschichte in den verschiedenen Beratungen herausgebildet.

1. Die ersten Entwürfe faßten die verschiedenen Einzelfälle noch nicht zusammen, sie sprechen beim Vormund ausdrücklich aus, daß jede dolose pflichtwidrige Vermögensschädigung im Sinne des Entwurfs 3;>) Vergl. vor allem R. G. St. Bd. III, S. 152.

36) Vergl. oben S. 42, Martin, Lehrbuch § 139 bei Note 9. 3T) Vergl. die sehr interessante Debatte über die Definition des Diebstahls in

den

S.

Verhandlungen

672 ff.

des

Norddeutschen

Insbesondere die

Reichstags.

Session

Äußerung Friedbergs, S.

1870,

Bd. I,

II,

674: „Dars ich

meine Überzeugung aussprechen, so würde das eigentlich Richtige sein, wenn wir

gar keine Definition gäben; denn wenn es irgend eine verbrecherische Handlung gibt, über deren Begriff im Volk nicht einen Augenblick Zweifel herrscht, so ist es die des Diebstahls."

Untreue sei, mochte sie auch durch Diebstahl oder andere strafbare Handlungen begangen fein1).

Der revidierte Entwurf brachte als neues Erfordernis die gewinn-; süchtige Absicht2) und stellte die Untreue des Vormundes und ähnlicher

Personenkatcgorien mit Prävarikation und verschiedenen Fällen der Un­ treue in privatrechtlichen Vertragsverhältnissen zusammen. Die Staat­ ratskommission vereinfachte und verkürzte die Fassung, stellte die Un­

treue mit dem Betrug zusammen und ließ im übrigen ihren Cha­ rakter unverändert. Der Staatsrat veränderte den Entwurf nur un­ erheblich 3).

Auch die späteren Entwürfe hielten an diesem Ergebnis im wesent­ lichen fest4), sie faßten im übrigen die einzelnen bisher zerstreuten»

Fälle unter dem Gesamtbegriss der Untreue zusammen, wobei für das

Wesen der Untreue sehr bezeichnend ist, daß man zunächst die Prävari­ kation in ihr aufgehen ließ, welche man nur deswegen später besonders stellte, weil sie ein Amtsverbrechen sei5).

Die Staatsratskommission

Vergl. Goldtammer, Materialien, Bd. II, S. 560:

„...wenn sie

durch Diebstahl, Unterschlagung oder sonst auf irgend eine Weise vorsätzlich zum

zum Nackteil des Vermögens ihrer Pflegebefohlenen ... handeln ..." 2) Vergl. Ministerialentwurf § 660, Ziff. 1. Vormünder und Kuratoren, Vor­

steher und Verwalter milder Privatstiftungen, sowie Vertreter von Korporationen oder Gemeinden..., welche ihres Vorteils wegen..."

Sonst wie oben.

Im

übrigen brachte der Ministerialentwurf den Gedanken der Subsidiarität der Un­

treue gegenüber den übrigen Vermögensdelikten in einer besonderen Weise zum

Ausdruck, die hier nicht zu erörtern ist.

Vergl. insbesondere § 642.

3) Vergl. Staatsratsentwurf $ 452 ff.

*) Besonders charakteristisch Revision Bd. III, S. 36 ff.

„Bei den hier in

Rede stehenden Rechtsverhältnissen können sehr viel strafbare Veruntreuungen vor­ kommen, welche weder als Unterschlagung

noch

als eigentlicher Betrug... zu

betrachten sind." „Zur Untreue gehört eigentlich auch die Unterschlagung und der Betrug...

Cs erscheint daher zulässig, all diese verwandten Handlungen, wenn sie von Vor­ mündern aus begangen werden, hier unter der gemeinsamen Benennung von Un­ treue zusammenzufassen."

einzelne,

Motive 1847 zu $ 299.

„Allein es müssen nicht nur

sonst geringer bestrafte Verbrechen... mit härteren

Strafen bedroht

werden, wenn Vormünder sie verüben, sondern es ist in diesen Verhältnissen

auch notwendig, solche vorsätzliche Benachteiligungen unter Strafe zu stellen, welche nicht gerade unter die engen Begriffe anderer Verbrechen fallen... auf­ zählen lassen sich derartige Handlungen ebensowenig, wie die Fälle des Betrugs."

5) Vergl. Kommissiensentwurf § 450, dazu Beratungsprotokolle S. 430, Staatsratsentwurf § 452, ferner „Revision" S. 36 f., Entwurf von 1847 § 299, vergl. dazu auch die Motive 1847.

58 von 1837 hat auch die Fassung für das Verhältnis zu den übrigen Vermögensverbrechen gefunden, welche dann auch im wesentlichen in das Preußische Strafgesetzbuch übergegangen ist, eine Fassung, aus der klar hervorgeht, daß auch Diebstahl, Unterschlagung, Betrug an sich in der Untreue enthalten sind, aber daß die Bestrafung wegen der

letzteren Delikte nur dann eintritt, wenn die angedrohte Strafe härter­ ist als die Strafe der Untreue6* ).* *

Der Entwurf von 1851 enthielt die Untreue nicht. Man hatte den häufigen Einwürfen, eine Bestimmung über Untreue sei überflüssig,

weil schon durch die allgemein gefaßte Strafdrohung gegen den Be­

trug und die Unterschlagung das kriminalpolitische Bedürfnis schon

befriedigt wäre, nachgegeben7).8 Die Kommission der zweiten Kammer stellte die Untreue wieder ein. Es läßt sich kein Anhalt.dafür gewinnen,

daß sie dem Untreuetatbestand einen anderen Inhalt geben wollte, als er in der ganzen vorhergehenden Gesetzgebungsgeschichte hattet). So erhielt § 246 des Preußischen Strafgesetzbuches folgenden Wort­ laut:

„Wegen Untreue werden .... bestraft 1. Vormünder..., wenn sie vorsätzlich zum Nachteil der ihrer Auf­ sicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln.

2. Mäkler..., wenn sie bei den ihnen übertragenen Geschäften vor­ sätzlich diejenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen/' „Wird die Untreue in der Absicht verübt, sich oder anderen

Gewinn zu verschaffen, so soll neben der Freiheitsstrafe auch Geldbuße... erkannt werden."

„Ist durch die Handlung eine härtere Strafe begründet, so tritt nach den Grundsätzen des § 55 diese härtere Strafe ein. Sonach bestraft das PreußischeStrafgesetzbuch jede dolose pflichtwidrige Vermögensführung durch den

betreffenden Vermögensverwalter, wie es sich auch

aus dem Wortlaut, insbesondere aus der ganz allWegen der Prävarikation insbesondere Ministerialentwurf, $ 660 Ziff. 2, Kommissionsentwurf § 450 Iiff. 2, Staatsratsentwurf, H 453, ferner Revision S. 37 Abs. 3, hier die Ausscheidung. Motive zum Entwurf von 1867 zu § 301. 6) Vgl. Kommissionsentwurf § 450 Abs. 1, dazu Beratungsprotokolle S. 430, Staatsratsentwurf § 452, ferner „Revision", S. 36 f., Entwurf von 1847, $ 299, preuß. St. G. B. $ 246 Abs. 3. 7) Goldtammer, Materialien Bd. II, S. 559 f. 8) Vergl. die unten S. 63 N. 25 zitierte Stelle des Kommissionsberichtes.'

gemein

gefaßten

„zum

Klausel

und aus Absatz 3 ergibt.

Nachteil

handeln"

Auch die preußische Rechtsprechung

und Rechtslehre haben dieses Ergebnis — eine besondere Streitfrage, vergl. unten II — überhaupt nicht in Zweifel gezogen9).

Es ist wichtig, gegenüber der Bindingschen Argumentation festzu-

stellen, daß sonach das Preußische

Strafgesetzbuch

wohl einen klar

umrissenen Tatbestand der Untreue besaß, während es in der Begriffs­ bestimmung der Unterschlagung noch sehr unsicher war.

Auch hier er­

weist sich also, daß die Untreue als Verbrechenstatbestand älter ist als

die Unterschlagung. 2. Das Norddeutsche Strafgesetzbuch, welches insoweit unverändert

zum' Reichsgesetz erhoben wurde, hat nun allerdings den Wortlaut der Untreuebestimmung verändert.

Man hat nämlich im § 266 St. G. B.

den Absatz 3 des vormaligen § 246 Pr. Str. G. B. nicht übernommen, so daß eine ausdrückliche Betonung des subsidiären Charakters fehlt.

Eine Begründung dieser Textänderung wird nirgends gegeben. Darum

kann ich auch derselben kein Gewicht beilegen.

Der Absatz 3 sollte ja

das Verhältnis zu anderen Strafbestimmungen ausdrücken, da er dies

nicht anders tat, als das Verhältnis ohnehin in den Bestimmungen

über die Jdealkonkurrenz geordnet war, so konnte er als überflüssig

gestrichen werden10).

Von den verschiedenen, ihrem Wesen nach sub­

sidiären Delikten des Preußischen Strafgesetzbuches hatten nur noch

zwei außer der Untreue in ihrer Tatbestandsbeschreibung einen gleichen Passus, nämlich der regelwidrige Zweikampf § 171 und der Rauf­

handel § 195.

Bei dem letzteren ist ebenfalls im R. Str. G. B. § 227

der betreffende Absatz gestrichen, beim ersten ist der Passus in § 206 St. G. B. stehen geblieben. Beides geschah ohne Begründung. Es han­

delt sich demnach nur um eine redaktionelle Unsicherheit, aus der ein !)) Hälschner, preuß. Strafrecht, Bd. II, S. 387, ebenso aber nicht klar, B e s e l e r, Kommentar zum preuß. Strafgesetzbuch $ 246, Oppenhoff, Kommentar zunr preuß. Strafgesetzbuch (3) zu § 642, Erläuterungen I. Vergl. dort auch Temme, Lehrbuch S. 984. G o l d t a m m e r, Materialien, Bd. II, S. 559, Köstlin, in G. 2l. Bd. IV, S. 163. Rechtsprechung vergl. G. A. Bd. VI, S. 130, Bd. XV, S. 776, Bd. XVIII, S. 358, vergl. auch Bd. VII, S. 557. Für das preuß. Strafrecht ist übrigens auch B i n d i n g der gleichen Meinung, vergl. Lehrbuch Bd. I, S. 397, Note 1. 10) Richtig A in nr o n S. 89, Note 67. Draheim S. 56. Anderer Ansicht B i n d i n g , Lehrbuch, Bd. I, S. 397, Note 1.

60 gesetzgeberischer Wille nicht zu entnehmen ist.

Außerdem bringt aber

die ganz allgemeine Fassung von § 266, Ziff. 1 St. G. B. den Ge­ danken der Subsidiarität noch hinreichend zum Ausdruck. Nach der oben erläuterten geschichtlichen Entwick­ lung der Untreue und dem allgemeinen Verhält­ nis des Reichsrechts zum preußischen Strafrecht^)

ist demnach de lege lata

dem

anzunehmen, daß auch nach

geltenden Gesetzestext die Untreue des § 266

Ziff. 1 jede dolose pflichtwidrige nachteilige Ver­ mögensverwaltung unter Strafe zieht, gleichgültig, auf welche Weise das Delikt begangen wurde.

Dies wird auch nicht anders dadurch, daß die Ziffer 2 in den §266 eingeschoben wurde *2). Die Bedeutung der Ziffer 2 für den Un'treuetatbestand soll weiter unten besprochen werden. II. 1. Eine besonders bedeutsame Frage geht auf die Revision von 1845 zurück. Dieselbe Kommission, welche die Untreue des Privatbe­ vollmächtigten fallen ließ, erweiterte die Untreue der Vormünder usw.

auch auf Benachteiligung in persönlichen „Rechtsverhältnissen"13 * *),14 womit nicht nur an subjektive Rechte im strikten Sinne gedacht ist. Aus diesem Entwurf stammt nun die Fassung, welche sowohl in das Preußische Strafgesetzbuch § 246 Ziff. 1 wie auch in das R. St. G. B. § 266 Ziff. 1 übergegangen ist: „...wenn sie zum Nachteil der... an­ vertrauten Personen oder Sachen handeln". Diese Fassung zwingt keineswegs zu der Auslegung, welche die Kommission mit ihr aller­

dings unzweifelhaft beabsichtigte. Sie begründet aber eine Kontro­ verse, die immerhin auch heute noch geprüft werden muß und zunächst für das preußische Recht zu entscheiden ist u). Slmmon15) will in ia) Vergl. unten S. 80.

12) So argumentiert nämlich Leopold, S. 7 ff. 13) Vergl. $ 285 des revidierten Entwurfes von 1845, dazu Revision S. 37; „Der § 452 bedarf außerdem noch einer anderen Fassung, um dem schon vor­

gekommenen Mißverständnisse vorzubeugen, als ob hier nur von Vermögensnach­ teilen die Rede wäre. Wie beim Betrug überhaupt, so sind auch hier die Benach­

teiligungen in den persönlichen Rechtsverhältnissen nicht minder als die im Ver­ mögen zu berücksichtigenden.

Der $ 452 wird demnach so zu fassen sein, wie er

im $ 285 des revidierten Entwurfs lautet." 14) Eine Beschränkung auf Vermögensbeeinträchtigung nimmt für daS preuß. Recht an, H ä l s ch n e r, Preuß. Strafrecht, Bd. II, S. 386 Nr. 2, indem er seine Ansicht aus der GeseHgebungsgeschichte aber in sehr unklarer Weise be-

dem Worlaut auch tatsächlich den Ausdruck des Willens der Revisionskomnission finden, indem er die Tatsache urgiert, daß die Be­

stimmung das allgemeine Wort Nachteil und nicht „Vermögensnachteil" enthilt und indem er sich auf den Doppelausdruck „Personen oder Sachn" stützt. Der erste Punkt ist für das preußische Recht ohne

weiteres hnsällig. Das Wort Nachteil habe ich im preußischen St. G. B. sonst nicht finden können, es steht immer dafür das Zeitwort „schaden" ohne jede» Zusatz. Das Obertribunal will darum in unserem Fall

die Verwendung des Wortes „Nachteil" an Stelle des sonst üblichen Zeitworte^ „schaden" damit erklären, es sollte damit gesagt werden, daß der Schaden noch nicht eingetreten zu sein brauche *6). Dagegen findet sich das Korrelat des Wortes Nachteil, nämlich „Vorteil" im Preußischer Strafgesetzbuch und wird dort jedenfalls auch zur Bezeich­ nung des Vermögensvorteiles verwendet17 * *).* * Das * * * * Wort * * * * * Vermögens * * 16 ­ vorteil konmt aber überhaupt nicht vor, auch nicht im § 246 Abs. 2, sondern nird durch andere.Wendungen umschrieben, soweit nicht das einfache Bort „Vorteil" verwendet wird 18). Sprachlich muß zunächst aber das Wort „Nachteil" auf die Vermögenslage bezogen'werden, gründet, Oppenhoff, Kommentar zum Preuß. Str. G. B. (3) $ 246, Erl. 2.

(Dort

für Beschränkung auch

angeführt T e m m e und

Berner),

für das

Reichsrecht nunmehr allgemein herrschende Meinung; insbesondere B i n d i n g, Lehrbuch, B>. I, S. 396, Draheim, S. 40 f. Auch Allfeld, S. 486 (die Auflage vor Meyer war noch anderer Meinung). Dagegen für

das

preuß.

Recht

G o l d t a m m e r,

S. 561; fü das Reichsrecht Ammon, S. 44 f.

Materialien,

Bd.

II,

Früher auch Meyer, (noch

5. Aufl.), E. 632. Wenn ih trotz der herrschenden Ansicht die Frage nochmals aufgreife, so ge­ schieht dies, weil Binding und Draheim die historische Erwägung zu wenig be­

achten und die beigebrachten systematischen Gründe nicht genügend gestützt sind.

Sie unterläsen beide vor allem den $ 2, St. G. B. bezw. heute R. V. Art. 116

heranzuzieha.

Über den ganzen Fragenkomplex der Tatbestandsmäßigkeit unten

S. 182 ff. ’15) A mm o n S. 44 ff.

16) G. 2. Bd. 18, S. 358.

17) Pre«. St.G.B. $$ 234 — Erpressung,- $$ 237, 238 — Hehlerei; m. E auch im $ 310—314 — Bestechung. 18) Preiß. St. G. B. $$ 147, 148 —

Kuppelei: aus Eigennutz; § 205 —

Menschenrmb: zu gewinnsüchtigen Zwecken; $ 241 — Betrug: in gewinnsüchtiger Absicht; $246, Abs. 2 — Untreue: um sich Gewinn zu verschaffen; $$ 247 bis

249 — Uiundenfälschung: Gewinn; $ 323 — Urkundenfälschung im Amt. Ge­ winn.

62 Bedenklicher ist die Wendung „Personen oder Sachen", aber sie kann ganz zwanglos auch daraus erklärt werden, daß sich das Wort „Per­ son" aus diejenigen Subjekte der Ziffer 1 bezieht, welche für eine Person die gesamte Vermögensverwaltung führen, und Sache auf die­

jenigen, welche nur eine Masse oder eine bestimmte Einzelsache zu

verwalten haben19). So kann der Wortlaut durchaus auch im Sinne der herrschenden Lehre ausgelegt werden. Die weitere Gesetzgebungsgeschichte zeigt nun aber, daß ein gesetz­

geberischer Wille in dem Sinn der Revisionskommission für die Zeit

des Gesetzeserlasses nicht mehr nachgewiesen werden kann.

Die Kom­

mission hatte den fraglichen Entschluß gefaßt, um d.ie Untreue dem

Betrug gleichzustellen, der ebenfalls und zwar bestimmt seit dem Ent­ wurf der Staatsratskommission von 1838 20) über den Rahmen eines Vermögensverbrechens hinausging.

Jmmediatkommission von

Jedoch beschloß beim Betrug die

1845, diesen wieder auf die Vermögens­

beschädigung zu beschränken, was denn auch in der Folge beibehalten hrnrbe21). Dieselbe Kommission nahm nun allerdings an, daß damit das Wesen dec Untreue sich nun von dem des Betrugs unterscheidet

und hat deshalb die Untreue in einen eigenen Titel verwiesen22). Da­ mit hat sie also den weiten Umfang der Untreue belassen wollen, jedoch keineswegs durch die neue Stellung der Untreue diese Aus­

legung notwendig

gemacht.

Über die

Absichten der späteren Kom­

missionen läßt sich aber nichts feststellen 23). Demgegenüber ist es nun

von Wichtigkeit, daß der Entwurf von 1851 die Untreue aus dem 19) Vergl. ausführlich Draheim , S. 41, auch N. G. St. Bd. XVI, S. 79 f. Binding,

Lehrbuch

S.

396,

insbesondere

N. 3.

Das

weitere

Argument

Dindings aus dem bayer. Strafgesetzbuch von 1861 Art. 331 geht allerdings fehl, denn dort herrscht der gleiche Zweifel und ist die gegenteilige Meinung vorherr­

schend. Vergl. S t e n g l e i n , Kommentar zum bayer. St. G. B. von 1861, Er­

läuterung 2 zu Art. 331. 20) Ob schon seit dem revidierten Entwurf von 1836, erscheint mir zweifelhaft. Vergl. Ministerialentw. $ 668. Wegen des Kommissionsentw. vergl. $ 445 und

vor allem Beratungsprotokolle S. 395.

21) Goldtammer, Materialien, Bd. II, S.

§ 293, Verhandlungen S. 157 ff.

539, Entwurf von 1847,

Entw. von 1851, § 219, Pr. St. G. B. $ 241.

22) Vergl. Verhandl. S. 161.

23) Vergl. die Motivs zum Entwurf von 1847 zu § 299. einer Stelle für die Ammonsche Auffassung bewertet werden.

Diese könnten an

Dagegen spricht

aber die Fassung des § 299, „durch Unterschlagung, Betrug, oder auf andere

Weise".

Grund gestrichen hat, weil man glaubte, das Bedürfnis sei schon durch

die Bestimmungen über Unterschlagung und Betrug gedeckt2^).

Ob

die Kommission der zweiten Kammer, welche die Untreuebestimmung eben nach ihrer letzten vorhandenen Fassung wieder hergestellt hat,

die Frage überhaupt erwogen hat, läßt sich nicht feststellen. Immerhin geht aber aus dem Kommissionsbericht hervor, daß bei der Wieder­ einsetzung der Vorschrift der Kommission im wesentlichen Vermögens­ schädigungen vorgeschwebt haben müssen24 25). So läßt sich mindestens

nicht nachweisen, daß ein gesetzgeberischer Wille bestand, die Untreue über den Bereich der Vermögensschädigung hinaus auszudehnen.

Gewiß ist aber, daß das in Preußen vorher geltende Recht diesen Fall der Untreue nur auf das Vermögen bezog26), daß die römisch­ rechtliche Grundlage, die gemeinrechtliche Gesetzgebung und Doktrin, die Untreue als Bermögensverbrechen betrachteten. Es hätte der Wille zur Rechtsänderung doch wohl nachweisbar vorhanden sein müssen und er hätte auch eindeutigen Ausdruck finden müssen, wenn wir eine solche Änderung annehmen sollen. Für das heutige Recht ist aber nun von wesentlicher Bedeutung, daß die herrschende Meinung und die Rechtsprechung die Untreue des Preußischen Strafgesetzbuches als reines Bermögensverbrechen be­ trachteten. Auf Grund dieser Praxis wurde das Preußische Strafgesetz­ buch als solches des Norddeutschen Bundes übernommen 27). 2. Für das Reichsrecht ist zunächst das sprachliche Argument Am­

mons neu zu beachten.

Man hat im Reichsstrafgesetzbuch nämlich, ohne daß die Motive hierfür irgendwelche Gründe angeben, ganz allgemein für das Wort

„Gewinn" das Wort „Bermögensvorteil" eingesetzt, so auch im § 266 24) Vergl. Goldtammer, Materialien, Bd. II, S. 559.

25) Vergl. Kommissionsbericht der zweiten Kammer zu § 222a, Abs. 1: „Es wurde namentlich bemerkt, daß jemand durch besondere Verhältnisse, indem er zu einen:

anderen stehe, diesem in höherem Maße zur Treue verpflichtet sein

könne, wie z. B. der Vormund dem Mündel, und daß eine von solchen Personen begangene Untreue selbst dann mit Strafe zu belegen sei, wenn die Handlung auch den Tatbestand des Betruges oder der Unterschlagung nicht in sich schließe." 26) Preuß. Allg. L. N. 20. Titel, § 1331. 27) Vergl. oben Anm. 14. Ein weiteres Zeugnis über die preußische Praxis

enthält auch S t e n g l e i n , Kommentar zum bayer. St. G. B. von 1861, Art.

331, Note 6.

64 Abs. 2 28). Auch ist in einem Falle das Wort „Vorteil" durch „Bermögensvorteil" ersetzt2Q).

Es handelt sich in allen Fällen nicht um

eine Änderung des Sinnes, sondern nur um eine redaktionelle Ände­

rung.

Aber auch diese hat einen festen technischen Sprachgebrauch

noch immer nicht herbeigeführt, denn noch immer steht in einem Fall das Wort „Vorteil" für „Vermögensvorteil" 30 * *).* * An anderen wird der Gedanke durch Synonyma ausgedrückt31). Das Wort „Nachteil"

hat aber, wie schon im Pr. St. G. B., um deswillen keine technische Bedeutung, weil es nur an dieser einzigen Stelle vorkommt, und

aus dem Korrelat „Vorteil" kann man bei so bewandten Umständen keinen zwingenden Schluß ziehen. Dagegen hat das Norddeutsche Strafgesetzbuch durch die Aufnahme der „Güterpfleger" und „Massenverwalter" als tauglicher Berbrechens­ subjekte die Erklärung der Wendung „Personen oder Sachen", wie sie oben gegeben wurde, sprachlich noch viel geläufiger gemacht.

Erwägt man dies alles im Zusammenhang, so kommt man zu dem Schluß, die Untreue als Vermögensdelikt aufzufassen. Jedenfalls er­ möglicht der Wortlaut diese Auslegung. Trotzdem bleiben noch gewisse Zweifel übrig, welche erst in der dogmatischen Betrachtung überwunden werden können32). III. Zuletzt sind noch einige Einzelheiten der Fassung zu erwähnen. Der revidierte Entwurf von 1836 fordert als Tatbestandsmerkmal grundsätzlich die gewinnsüchtige Absicht33), er faßte auch die Einzel­ fälle der Untreue, darunter auch die des Privatbevollmächtigten und die Prävarikation, unter dem Gesamtbegrisf zusammen3^). Die Staats­ ratskommission verkürzte und vereinfachte die Fassung, stellte die Un­ treue mit dem Betrug unter einen Titel und ließ im übrigen den Charakter dec Bestimmungen unverändert35). Der Staatsrat veränderte den Entwurf nur unwesentlich. 28) So 1 263 Betrug (Preuß. St. G. B. § 241); §§ 268, 272, Urkunden­

fälschung (Preuß. St. G. B. §§ 247 ff.); § 349, Falschbeurkundung (Preuß, St. G. V. § 323). 29) § 253, Erpressung (Preuß. St. G. B. § 234). 30) Vergl. §§ 258, 259 St. G. B. wenigstens nach der m. E. allein richtigen Auslegung. 31) Vergl. §§ 219, 180—181a, 235. 32) Vergl. unten S. 143 ff. 33) Vergl. Ministerialentwurf, § 660. 34) Goldtammer, Materialien, Bd. II, S.. 559, Abs. 2. 35) Kommissionsentwurf § 450, Staatsratsentwurf §§ 452 ff.

Über die weiteren Textänderungen, soweit sie den Charakter des Ver­

brechens betreffen, ist eben schon berichtet worden. Hier sei nur noch bemerkt, daß die gewinnsüchtige Absicht für den Normalfall als Tat­

bestandsmerkmal seit dem Entwurf von 1847 gestrichen bleibt und

daß die Aufzählung der tauglichen Subjekte „Vormünder, Kuratoren, Sequester, Testamentsexekutoren und Verwalter von Stiftungen eben­ falls seit diesem Entwurf unverändert geblieben ist36). Das R. St. G. hat dann noch den Güterpfleger und Massenverwalter hinzugefügt37).

§8. Oie Untreue -er öffentlich-verei-eten Gewerbetreibenden. Bezüglich der dritten Gruppe der Untreuesubjekte des R. St. G. B., welche ebenfalls schon, im Pr. St. G. B., aber als zweite und einzige weitere Gruppe enthalten waren, spielt die große, durch Binding an­ geregte Streitfrage bekanntlich nicht. Binding selbst stellt ja fest, daß mit Ausnahme des Versteigerers die in § 266 Ziff. 3 genannten Täter eine Untreue in seinem Sinn nicht begehen können x). Allerdings will er die Untreue des Versteigerers wie die des Bevollmächtigten be­ handeln. Es ist ja auch nach dem Wortlaut im § 266 Ziff. 3, der insoweit

mit dem § 246 Ziff. 2 Pr. St. G. B. genau übereinstimmt, sowie nach der Natur der vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse völlig klar, daß grundsätzlich jede pflichtwidrige Benachteiligung des Vermögens des

Auftraggebers als strafbare Untreue angesehen werden muß, so daß jedenfalls dem Betrug gegenüber das gleiche Verhältnis der Sub­ sidiarität besteht wie bei der Untreue der Ziffer 1. Ob dies auch der Unterschlagung gegenüber der Fall ist, hängt von der Auslegung der Worte „bei den ihm übertragenen Geschäften" ab.

So ist als erste

Frage der geschichtlichen Auslegung zu erörtern, ob die Benachteiligung geschehen sein muß in der Ausführung des übertragenen Geschäftes

selbst, oder ob nur durch die Geschästsübertragung überhaupt die Mög­ lichkeit zum Delikt gegeben sein muß. 36) Vergl. Entwurf von 1847, $ 299.

37) Bundesratsentwurf § 261, Str. G. B. $ 366 giss. 1.

Vergl. Binding, Lehrbuch Bd. I, S. 398. Mir erscheint dies allerdings soweit dies die Scheidung des Versteigerers und der übrigen Subjekte der Ziffer 3 betrifft, eine Vergewaltigung des Wortlauts zu sein. Mayer, Das Rechtsgefühl.

66 Daneben ist noch eine andere, für das Wesen der Untreue bedeut­ same Frage hier zu erörtern, nämlich, ob auch die Schädigung der Interessen Dritter durch diese öffentlich bestellten Gewerbetreibenden als Untreue erachtet werden kann. Diese Frage, welche auch bei der Untreue der Vorstände von juristischen Personen und einigen Per­

sonenklassen der Ziffer 1 in Betracht fontmt2), hat hier umsomehr Be­ deutung, als den Beurkundungen und Angaben der betreffenden Per­ sonenkategorie möglicherweise ein öffentlicher Glaube zukommt3).*

1. Im früheren Recht finden sich unmittelbare Anknüpfungspunkte für die Untreue bet Gewerbetreibenden nicht, jedoch finden sich in den Stadtrechten Strafbestimmungen, nach denen derartige Delikte vielleicht erfaßt werden konnten; im übrigen waren sie alle zweifellos

im weiten Bereich des falsuni unterzubringen. Auch im preußischen Landrecht sind nur die „Betrügereien" der öffentlich bestellten Mäkler mit Strafe bedroht^). In beit Entwürfen zum Preußischen Strafgesetzbuch tritt uns das Vergehen des § 236 Ziff. 3 zum erstenmal im Staatsratsentwurf von 1843 entgegen. Es ist eingereiht unter dem 26. Titel: „Verbrechen der

Gewerbetreibende,!". Auch hier ist schon die strafbare Handlung in den Worten des heutigen Gesetzes formuliert: „Wenn sie diejenigen

benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen" 5). Für das Verbrechens­ subjekt wird nur die öffentliche Verpflichtung als einziges Merkmal auf­ gestellt, besondere Kategorien von Gewerbetreibenden sind noch nicht erwähnt.

Die Revisionskommission von 1843 änderte weder die systematische Stellung noch eigentlich den Inhalt. Sie glich jedoch die Fassung in­

sofern der Bestimmung über die Untreue der Vormünder an, als sie

den subsidiären Charakter des Delikts ausdrücklich und besonders her­ vorhob 6). Die Jmmediatkommission von 1845 strich den Titel über die Verbrechen der Gewerbetreibenden und gliederte die Strafbestim­ mung desselben, soweit sie diese überhaupt bestehen ließ, einzeln bei

den verwandten Deliktsgruppen ein, so die Untreue der Gewerbetreiben­ den bei dem Titel Untreue7). Der Entwurf von 1847 enthielt den 2) 3) J) 5) 6) 7)

Vergl. unten S. 188 ff. Vergl. § 36 Abs. 2, Reichsgew. Ordnung. Vergl. Pr. Allgem. Landrecht 20. Titel § 1333. Staatsratsentwurf § 567. Revision S. 90, Entwurf von 1845 § 357. Verhandlungen S. 181 ff.

vormaligen § 357 des Entwurfs von 1845 in wenig abgeänderter

Fassung als zweiten Fall der Untreue.

Auch diese Bestimmung zählt

noch keine besonderen Gewerbekategorien auf8).9

Die Untreue des Mäklers war in den früheren Entwürfen unter

der Untreue der Privatbeauftragten angeführt gewesen, war aber mit dem

Staatsratsentwurf

von

1843

endgültig

aus

dem

Gesetz ver­

schwunden8). Des Mäklers als eines öffentlich verpflichteten Gewerbe-,

treibenden wurde hierbei nicht besonders gedacht.

Die Benennung der einzelnen Gewerbetreibenden stammt also erst aus der Landtagskommission, und zwar benannte nun das Preußische Strafgesetzbuch ausdrücklich: Mäkler, Güterbestätiger, Schaffner.

Als

man die Untreue dieser Gewerbetreibenden in das Gesetz aufnahm, ging man davon aus, daß dem gewöhnlichen Privatbeauftragten gegen­

über der Kontrahent sich ja doch durch Vorsicht in der Auswahl selbst

schützen könne, erwogen wurde nur der Schutz der mit den fraglichen Gewerbetreibenden

kontrahierenden

Personen, nicht aber der

Schutz

der öffentlichen Interessen vor einem Mißbrauch dieser Gewerbetätig-

keit überhaupt10). 2. Nur die erste der beiden Fragen kam in der Praxis des preußi­

schen Obertribunals zur Entscheidung, die andere ist auch heute noch Glicht aufgeworfen.

Das Obertribunal bestraft in einem Fall einen vereideten Korn­ messer, der das ihm zum Messen anvertraute Korn entwendet hatte,

auch wegen Untreue.

Es' begründet diesen Spruch damit, es genüge^

wenn die vorsätzliche Benachteiligung begangen worden sei, während

der Dauer des ben Gewerbetreibenden zur Treue gegen den Benach­ teiligten verpflichtenden Verhältnisses.

Es sei dagegen nicht erforder­

lich, daß die Benachteiligung gerade durch die Ausübung dieses be­

sonderen Gewerbes als solchem entstanden seiu). Die Neufassung int Strafgesetzbuch entspricht der inzwischen einge8) Entwurf von 1847 § 300, dazu Motive. 9) Ministerialentwurf § 660, Ziff. 2, Kommissionsentwurf § 450 Iiff. 2, der Staatsratsentwurf hat den Mäkler schon gestrichen, § 452. 10) Vergl. Kommissionsbericht der II. Kammer, ferner Beseler, Kom­ mentar zum preuß. St. G. B., § 246, Erläuterung II, c. n) Vergl. G. A. Bd. VII, S. 557. Wir brauchen hier nicht darzulegen, daß die Ausdrucksweise des Obertribunals recht unglücklich ist. Es kommt natürlich nicht auf die Zeitspanne als solche an, sondern auf die übernommenen Neben­ verpflichtungen oder auch auf die tatsächliche Machtstellung, welche der betreffende Gewerbetreibende hat und die er nicht braucht.

68 treten en Änderung der Gewerbeordnung. Es sotten jedenfalls die Personenkategorien, welche nach der Gewerbeordnung besonders öffentlich

verpflichtet werden können oder sollen, einer besonderen Strafdrohung

unterliegen.

Insofern ist der Zusammenhang zwischen Gewerbeord­

nung und Strafgesetzbuch unzweifelhaft12). Die Reichsgewerbeordnung

hat aber nicht nur die fraglichen Personenkategorien geändert, sie hat es mindestens erstmalig deutlich ausgesprochen, daß die Verpflichtung

der betreffenden Personen nicht nur zum Schutz der mit ihnen un­ mittelbar kontrahierten, sondern auch zum Schutz des Publikums selbst

erfolgt, denn man verlieh den Beurkundungen dieser Gewerbetreiben­

den

in gewissem Umfange öffentlichen Glauben13),

wovon

in der

preußischen Gewerbeordnung wenigstens nicht ausdrücklich die Rede tvor14).

Es läßt sich aber kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß

man irgend daran dachte, diese publizistischen Pflichten der betreffen­ den Gewerbetreibenden durch Strafdrohung zu sichern.

Dies, obwohl

zweifellos das alte preußische Landrecht die Betrügerei „des Mäklers" auch dann unter Strafe zog, wenn dadurch nicht der Kontrahent, son­

dern ein Dritter geschädigt toutbc15).

3. Nach dem Wortlaut der Entstehungsgeschichte ergeben sich dem­

nach nachstehende Folgerungen: a) Wesen der Untreue nach § 266 Ziff. 3 ist die bewußte Benach­

teiligung der Auftraggeber unter Verletzung der Vertragspflicht. Da­ mit soll noch nichts gesagt sein über die Frage, ob eine gültige Ver­

pflichtung im Sinne des Obligationsrechts Voraussetzung des Tatbe­

standes ist.

Diese Benachteiligung muß nicht durch dolose Ausübung

gerade der betreffenden Erwerbsbetätigung geschehen, sondern es ge­ nügt die Benachteiligung bei Gelegenheit derselben, wie dies in dem Wortlaut „bei den ihnen übertragenen Geschäften" m. E. klar zum

Ausdruck kommt, wie dies der Entstehungsgeschichte und der preußischen Praxis entspricht. b) Aber die Untreue nach Ziff. 3 ist auch nur Benachteiligung der

Kontrahenten, denn nur auf diese und nicht auf daH Publikum. Darauf deutet zunächst die Wendung „deren Geschäfte zu besorgen". Zu einer

anderen Deutung aber gibt die Entstehungsgeschichte kein Recht. 12) Vergl. die Motive zu § 261 des Bundesratsentwurfs.

13) Vergl. Reicksgewerbeordnung $ 36 Abs. 2. ") Vergl. preuß. Gewerbeordnung vom 17. I. 1845, § 51, 52.

15) Vergl. preuß. allgem. Landreckt 20. Titel, § 1333.

8 9.

Oie Untreue -es privatbevollmächtigten. 1. Die ersten Entwürfe des Preußischen Strafgesetzbuches zählten eine ganze Anzahl von tauglichen Subjekten der Untreue auf, welche ledig­ lich privatrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen hatten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Untreue dieser Privat­ personen genau ebenso wie die des Vormundes durch jede pflichtwidrige dolose Vermögensbeschädigung begangen wurdet). Nach der Fassung des Staatsratsentwurfes waren „Gewerbsgehilfen, Bevollmächtigte, Rechtsbeistände und Dienstboten" als taugliche Verbrechenssubjekte auf­ gezählt, woraus die Revisionskommission von 1843 den „Bevollmäch­ tigten", die Revisionskommission von 1846 den Rechtsbeistand strich, welch letzterer aber dafür „die Beamten von Aktiengesellschaften" ein­ fügte. So war das Untreuedelikt bereits etwa in dem Umfange er­ örtert worden, den es heute im Reichsstrafgesetzbuch und den er­ gänzenden Nebengesetzen erlangt hat. Für diesen ganzen Bereich war stets der Gesichtspunkt der Untreue im eigentlichen Sinn, nicht des Berfügungsmißbrauches maßgebend gewesen. Als die Kommission der zweiten Kammer die im Entwurf gestrichene Untreue wieder auf­ nahm, glaubte sie die Untreue in Privatverhältnissen fallen lassen zu 'müssen, da sie es nicht für möglich hielt, dem Verbrechen die nötige. Bestimmtheit zu verleihen* 2).3 2. Auch der ursprüngliche Entwurf des Norddeutschen Strafgesetz­ buchs, der Entwurf des preußischen Justizministeriums enthielt keine derartige Bestimmung. Erst Schwarze beantragte in der Bundes­ kommission die Einfügung der heutigen Ziffer 2 und drang mit diesem Antrag auch durchs). Die Motive sprechen sich über die gesetzgeberische Absicht folgendermaßen aus: „Die Aufnahme einer solchen Vorschrift Ministerialentw. $ 660, Ziff. 2: „In diesem Verhältnis rechtswidrig am Vermögen beschäftigen", § 663: „Welche vorsätzlich zum Nachteil handeln". Kommkssionsentw. § 450 Ziff. 2: „vorsätzlich diejenigen Benachteiligten". Ebenso Staatsratsentw. § 453 und die späteren Entwürfe. Entwurf von 1845 § 286, Cntw. von 1847 §§ 300, 301.

2) Goldtammer, Materialien, Bd. II, S. 560. 2. Kammer zu $ 222a, Abs. 2.

Kommissionsbericht der

3) Bergt. Ruedorff, Kommentar zum St. G. B. Erläuterung 5, zu § 266, Kronecker, G. A. Bd. 34, S. 405.

70 beruht auf einem in der Rechtsprechung hervorgehobenen Bedürfnis,

wie bei Begründung der Bestimmungen über das verwandte Vergehen der Unterschlagung zu § 241 näher ausgeführt ist." (Vergl. Motive zu § 261 des Bundesratsentwurfs.) Diese Stelle in den Motiven zu § 241 des Bundesratsentwurfs § 246 St. G. B. lautet: „In der Praxis ist vielfach noch die Frage erörtert worden, ob der Tatbestand der Unterschlagung auch auf die widerrechtliche Verfügung über fremde Vermögensrechte zum Nachteil des Berechtigten anwendbar sei.

Man hat die Unterschlagung an

einem bloßen Forderungsrechte annehmen zu können geglaubt, obschon

das Gesetz nur von einer körperlichen beweglichen Sache spricht, wenn

sie Gegenstand des Eigentums eines anderen ist. Allein der Entwurf hat geglaubt, die hierher gehörigen Fälle unter den Begriff der „Un­ treue" stellen und daher in § 261 durch Beifügung der Bestimmung unter Nr. 2 erledigen, hierdurch aber einem allerdings in der Praxis

hervorgetretenen und auch neuerdings wieder in der Wissenschaft ein­ gehend erörterten Bedürfnis Abhilfe verschaffen zu sollen." Bei diesen Ausführungen ist zunächst an den wichtigen Gesichtspunkt zu erinnern, daß das Wort „Verfügung" in unserem heutigen Sinne als veräußernde und rechtsvernichtende Rechtshandlung noch nicht in Gebrauch war, was weiter unten darzutun ist.

Vor allem zeigen aber diese Ausführungen deutlich und klar, dah man einerseits jetzt die Unterschlagung als Aneignungsverbrechen fest fixieren wollte, daß man andererseits aber dem Bedürfnis der Praxis,

wie es sich in den oben besprochenen Entscheidungen des Obertribunals aussprach, in § 266 Ziff. 2 Raum verschaffen wollte. Nun ist es

oben aber gezeigt, daß die große Mehrzahl dieser Fälle weder unter die Definition der Untreue nach der Reichsgerichtslehre, noch viel

weniger aber nach der Lehre Bindings gebracht werden kann.

Denn

wenn von Unterschlagung der Forderung geredet wird, so handelt es sich, wie gesagt, um Fälle, in denen nicht etwa ein Stellvertreter des

Gläubigers über die Forderung zum Nachteil desselben verfügte, son­ dern vielmehr der Schuldner selbst sich treulos der Erfüllung ent­ zog. Man wollte also jenen Bereich des alten gemeinrechtlichen fur­

tum irgendwie unterbringen, der in der preußischen Praxis wieder aufgelebt war, und nicht unter dem strengen Begriff der Unter­ schlagung gefaßt werden konnte. Es lag aber offenbar dem Gesetzgeber

völlig fern, die rechtsgeschäftliche Versügungsberechtigung als solche

kriminell zu sichern, und es mußte ihm auch gerade nach den die Praxis bewegenden Fragen sernliegen. Der Antrag Schwarzes gründete sich aber nicht nur auf die Schwie­ rigkeiten der preußischen Praxis, sondern lehnte sich vor allem auch an das Vorbild des Art. 287 des Sächsischen Strafgesetzbuchs von 1855 an.

Dieser lautete: „Der Unterschlagung ist es gleichzuachten, wenn ein ein Geschäftsführer über Forderungen und andere Vermögensstücke des Geschäftsherrn, welche er nicht im Besitz hat, in gewinnsüchtiger Ab­ sicht zum Nachteil des Geschäftsherrn verfügt/' Dieser Satz war der

Sache nach schon in dem Kriminalgesetzbuch von 1838 enthalten ge-wesen, dessen Artikel 242 folgenden Wortlaut hatte: „Wer eine fremde,, bewegliche Sache in seinem Besitz oder Gewahrsam oder zu verwalten,

hat und irgendeine Handlung vornimmt, woraus die rechtswidrige An­ eignung entweder an sich, oder nach den übernommenen be­ sonderen Verpflichtungen sich ergibt, ist ... nach dem Ver­

hältnis des Wertes derselben mittels Strafe des einfachen Diebstahls» zu belegen/' Letztere Bestimmung besagt tatsächlich nichts anderes, als

daß das furtum im Sinne des älteren gemeinen Rechts als Diebstahl zu strafen sei. Ganz so weit ging nun allerdings das Strafgesetzbuch von 1855 nicht, aber auch im ersten Absatz, Art. 287 desselben geht» der Begriff der Unterschlagung hinsichtlich der Fungibilien über den

heutigen Unterschlagungsbegrifs hinaus 4).

Es ist sehr charakteristisch für die Auslegung der sächsischen Bestim­ mungen, daß es gerade Schwarze war, der in der Kritik der preußi­ schen Entwürfe die Entfernung der Untreue gefordert hatte, da das Bedürfnis durch die Unterschlagung gedeckt würde4 5). So ist es allerdings richtig, daß man bei Erlaß des Norddeutschen

Strafgesetzbuches kein besonderes Bedürfnis empfand, weitere Ver­ trauensverhältnisse als solche zu schützen, sondern vielmehr eine An­

zahl von Tatbeständen unterbringen wollte, welche durch den nun­ mehr

scharf

präzisierten

Unterschlagungsbegriff

nicht

mehr

gedeckt

4) Bergt, insbesondere Krug, Kommentar zum sächsischen Strafgesetzbuch von 1855, Erl. 4. Dort wird auseinandergeseht, daß in vielen Unterschlagungsfällen nicht nur das Vertrauen auf die Redlichkeit, sondern auch das Vertrauen auf die Zahlungs­ fähigkeit getäuscht wird. 5) Vergl. Revision S. 36.

72 wurden. Aber man kann daraus nicht den Schluß ziehen, daß darum der Charakter der Untreue in § 246 Pr. St. G. B. verlassen worden wäre, daß die Untreue zum Mißbrauch der Verfügungsgewalt dadurch geworden wäre 6).

Es lagen vielmehr eine Anzahl von Tatbeständen vor, welche zu­ nächst nur negativ dadurch bestimmt waren, daß sie keine Unter­ schlagung darstellten.

Diese Tatbestände unter einem neuen Begriff

möglichst zusammenzufassen, war die gesetzgeberische Aufgabe.

3. Das Norddeutsche Strafgesetzbuch löste diese Aufgabe durch Er­ weiterung der Anzahl der tauglichen Subjekte der Untreue, indem es den Charakter der Untreue nicht veränderte.

Der andere Deutungsversuch Bindings, der das Wesen der Untreue

in dem Mißbrauch rechtsgeschäftlicher Verfügungsmacht sieht, knüpft offenbar an den Wortlaut der Ziffer 2 an, und diese scheint ja nun einigermaßen für Bindings Ansicht zu sprechen. Aber Binding ver­ kennt hiebei, daß die beiden Worte „Vollmacht" und „Verfügen", welche diesen Schein erzeugen, damals noch einen ganz anderen Klang hatten als heute. Die ältere gemeinrechtliche Lehre unterschied keines­

wegs in der Schärfe zwischen Vollmacht und Auftrag, wie wir es heute gewohnt sind, sondern faßte beides als die verschiedenen Seiten eines und desselben Rechtsverhältnisses auf, nämlich des Mandats. Die historische Schule stand dem Gedanken der direkten Stellvertretung überhaupt skeptisch gegenüber, für sie war also auch ein Mißbrauch derselben gar nicht recht denkbar6 7). Die Juristen aber, welche hier den iisus modernus anerkannten, sahen in der Vollmacht einen Teil

der Mandatswirkung8). Wollte man aber die Außenseite des Ver­ hältnisses recht scharf bezeichnen, so wählte man hiezu nicht das Wort

Vollmacht, sondern das Wort Stellvertretung9).

Erst ungefähr gleichzeitig mit der Entstehung des Preußischen Stras6) Vergl. zu dieser ganzen Fragestellung Leopold S. 8.

T) Vergl. Vangerow, Pandekten, 7.

Ausl. 1869, Bd. III, S. 499 ff.

(§ 661). 8) Vergl. Thibaut, der die Vollmacht, beim Mandat unter den Schuld­

verhältnissen abhandelt: Pandekten 8. Aufl. 1834, $$ 517 ff., insbesondere § 529.

Wächter, Württ. Privatrecht, Bd. II, 1842, S. 676, auch Puchta, Pan­

dekten, 12. Aufl. 1877 (!), §§ 323, 325. 9) Vergl. außer den angeführten Stellen auch Keller, Pandekten, $ 61.

gesetzbuches haben dann Brinz^o) und Laband^) die Scheidung

von Vollmacht und Auftrag durchgeführt, indem sie den Gedanken aus­

sprachen, daß die Vollmacht kein Mandat voraussetze. Aber gerade Laband bezeugt uns noch für 1886 den durchaus untechnischen Ge­ brauch des Wortes Vollmacht12 10).* Dernburg ist den beiden gefolgt

und auch Wind scheid hat die Lehre übernommen 13).

Das Wort „Verfügung" hat aber überhaupt erst durch das Bürger­ liche Gesetzbuch seinen heutigen Sinn bekommen. Vorher gab es keinen technischen Gebrauch dieses Wortes im Sinne der rechtsändernden,

rechtsgeschäftlichen Handlung. Entstanden ist der Begriff der fügung als eine Erweiterung des gemeinrechtlichen Begriffs der äußerung 14). Dabei ist noch zu bemerken, daß der Ausdruck fügen" schon aus dem Sächsischen Strafgesetzbuch von 1855

Ver­ Ver­ „ver­ über­

nommen ist, also für das Strafrecht schon ziemlich alt ist. Nach dem Sprachgebrauch dieser Zeit müßte demnach „Bevollmächtigter" mit „Mandatar", „verfügen" aber ganz unbestimmt etwa mit „contrectare" übersetzt werden. Das Reichsgericht hat also durchaus Recht, wenn es im Zusammenhang des § 266 Zisf. 2 mehrfach von „Vollmachtsvertrag"

spricht, und ist wegen dieses Sprachgebrauchs nicht zu tadeln.

So führt jedenfalls der Wortlaut nicht zu einer Auslegung der Ziffer 2 im Sinne Bindings. Ebensowenig läßt sich eine dahingehende gesetzgeberische Absicht nachweisen, wurde ja doch der Gedanke von Binding erstmals deutlich ausgesprochen. Unter diesen Umständen ist aber bei der Einbeziehung eines neuen Subjekts in einen alten Tatbestand an sich der zwingende Schluß ge­ geben, daß man nicht den Charakter der Bestimmung verändern, son­

dern nur ihre Anwendungsmöglichkeit erweitern wollte. Dies geschah in Übereinstimmung mit der gemeinrechtlichen Theorie des Strafrechts seit Feuerbach durch Einstellung des Privatbevollmächtigten unter die 10) Brinz, Pandekten, 1. Aufl., S. 1613 f., 1619, § 371, M- 4, 5, $ 372. Wieweit er hierbei auf anderen aufbaut, kann hier nicht dargelegt werden.

n) Zeitschr. f. Handelsrecht, Bd. 10, S. 187 ff. 12) a. a. O. S. 203.

13) Dernburg, Pandekten, III. Aufl., 1892, $ 11?. W i n d sch e i d, Pand., 6. Aufl., 1887, § 74. 14Q v. Tuhr, Handbuch des allgemeinen Teils des BGB., Bd. II, S. 238, Note 1. Windscheid-Kipp, 9. Aufl., Bd. I, S. 317 f. Motive zum BGB. Bd. 1, S. 128.

74 tauglichen Subjekte der Untreuelö). Es stand der damaligen Zeit gar

kein anderes Mittel zu Gebote, die von der Praxis aufgeworfenen. Fragen zu lösen als durch diese Erweiterung der Untreue. Es ist aber

methodisch

unzulässig,

die

Formulierung

des

Strafgesetzbuches

aus

ihrem Zusammenhang mit dem gemeinen Recht zu reißen, in dem

sie entstanden sind. Demnach ist auch die Bevollmächtigten-Untreue nach Geschichte und

Wortlaut die dolose Verletzung des „Vollmachtsvertrags" zum Nach­ teil des Vermögens des Vollmachtgebers15 16).

8 10. Oie Vermehrung der llntreuetatbestände in der nachfolgenden Gesetzgebung. Mit dem Vorstehenden ist der Begriff der Untreue, so wie er der.

Gesetzgebung vorschwebte, einigermaßen umschrieben als Vermögensbe­ schädigung mit irgendwelchen Mitteln bei der Erledigung aufgetragener

Geschäfte unter Bruch eines besonderen Vertrauensverhältnisses. Dieser gesetzgeberische Gedanke ist in Anlehnung an die bisher besprochenen

Bestimmungen noch mehrfach verwertet worden.

1. Zuerst geschah dies im Gesetz über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 7. 4. 1876 in § 34 in folgender Fassung: „Mitglieder des Vor­

standes (oder) des Ausschusses (oder einer örtlichen Verwaltungsstelle) *), welche den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwiderhandeln, werden mit

Geldstrafe bis zu 300 Mk. gerichtlich bestraft. Haben sie absichtlich zum Nachteil der Kasse gehandelt, so unterliegen sie der Strafbestimmung

des § 266 St. G. B." Der Gebrauch des Perfekts im zweiten Satz legt die Deutung nahe, daß die Benachteiligung durch Verstoß gegen die besonderen Bestimmungen über die Geschäftsführung der Hilfskasse ver­

wirklicht sein muß.

Dies wäre insofern wichtig, als das Hilfskassen­

gesetz die an sich ja selbstverständliche Verpflichtung der betreffenden Kassenbeamten zu treuer Vermögensverwaltung nicht ausdrücklich fest­

setzt. Darin läge aber weiter eine Anweisung, die Worte „zum Nach15) Vergl. Feuerbach, Lehrb. 10. Ausl. § 371 der unter den Fällen der Untreue auch die Verletzung des Bevollmächtigungsvertrages anführt, dazu auch

Art. 331 des bayer. St. G. B. von 1861. 16) Auch hier sei die Frage der zivilrechtlichen Gültigkeit dahingestellt. v) Vergl. Novelle vom 1. 6. 84, Art. 17.

teil der Klsse" nicht ganz strikt in dem Sinne zu nehmen, daß es sich um eine 8erringerung des Kassenvermögens handeln müßte, sondern vielmehr zrr Erfüllung des Tatbestandes auch genügen zu lassen, wenn

die Kasse gesetzwidrig ihren im öffentlichen Interesse fest umschriebenen

Aufgaben und Interessen entfremdet wird.

So nahe dieser Gedanke

liegen Mly, so wenig wurde er jedenfalls damals bewußt.

Die Be­

gründung des Entwurfs gibt auf diese Frage keine Antwort, aber die an sih nichtssagende Wendung bestätigt wenigstens das eine mit

Sicherheit daß auch damals nur die Vorstellung der dolosen Geschäfts-,

führung in sich, nicht aber der Gedanke des Vollmachtsmißbrauchs! der Krimnalisierung zugrunde lag 2). Auch zeigten die gesetzgebenden

Instanzen durch die Verweisung auf § 266 St. G. B., daß sie diese Bestimmmg selbst so deuteten, wie wir sie darlegen. Das Kankenversicherungsgesetz vom 15. 6. 83 nimmt in bewußter Anlehnurg an das Hilsskassengesetz3) den Gedanken der Untreue eben­

falls auf. Der fragliche § 42, der nach § 64 und 73 auch für Be-,

triebs- uib Innungkrankenkassen gilt, lautet:

„Die Mitglieder des Vorstandes sowie Rechnungs- und Kassen­ führer haten der Kasse für pslichtmäßige Verwaltung wie Vormünder

ihren Mindeln.... HandeU sie absichtlich zum Nachteile der Kasse, so unterliegen sie der Bestinmung in § 266 St. G. B."

Die Wrhl der Präsensform des Verbums in Abs. 3 und die Boran­

stellung des Abs. 1 gibt jedenfalls zu erkennen, daß die Untreue durch jedwede tolose Geschäftsführung also nicht nur durch Verletzung be­ sonderer 8orschriften begangen werden kann. Nicht ganz so einfach läßt sich die nettere Frage beantworten, ob als Nachteil der Kasse nur eine

Schmälermg des Vermögens derselben gelten soll, oder ob auch die

Abziehuw der Kasse von ihren gesetzlichen Verwaltungsausgaben zur

Erfülluns des Tatbestandes genügt.

Der Absatz 1 gibt nämlich der

2) Motve zum Entwurf des Hilfskassengesetzes, Reichstagsdrucksachen, 3. Session

1875/76, 2r. 15.

Zu $$ 31, 32 ($ 32 des Entwurfes stimmt mit $ 34 des Gesetzes überein) . Um de Verwaltung in den gesetzlichen Grenzen zu halten, beschränkt sich der Entwurf drauf, die an der Leitung der Kasse beteiligten Organe für eine gesetz-

entsvrechewe Geschäftsführung strafrechtlich verantwortlich zu machen und ihre

Tätigkeit cner öffentlichen Aufsicht zu unterstellen." 3) Der) § 1911 BGB., Pr. allg. L. N., Teil II, Titel 18, §§ 19, 24. 3G) § 1912 BGB., Pr. allg. L. N., Teil II, Titel 18, §§ 10, 11. 37) §§ 1960 ff. BGB., Pr. allg. L. R., Teil II, Titel 18, §§ 468 ff., Teil I, Titel 9, § 471. 38) Vergl. §§ 1981 ff., BGB. Kipp, Erbrecht, § 78,VII. 39) § 1909 Abs. 3 BGB., Pr. allg. L. R., Teil II, Titel 18, $ 377. 40) § 1910 BGB., der im Pr. allg. L. N., Teil II, Titel 18, $ 51 nur Bei­ stand war. 41) § 1914 BGB., der aber vielfach im Pfleger des unbekannten Interessenten enthalten ist. 42) Allgem. preuß. Gerichtsordnung vom 5. 2. 1815 I. Teil, 50. Titel, §§ 72, 73.'

Mayer, Das Rechtsgefühl.

9

130 i

wie der dem früheren Recht unbekannte Nachlaßverwalter^^) können nicht mehr unter den Begriff des Kurators im besprochenen Sinn ge­ bracht werden, da sie entgegengesetzte Interessen auszugleichen haben,

mithin einen viel weiteren Amtskreis versehen. Im übrigen aber ist als Kurator jeder anzusehen, der kraft obrig­

keitlicher

Ernennung

einer bestimmten,

Vermögensrechte

wenngleich

unbekannten Person (möglicherweise auch einer unbekannten juristi­

schen Person), als deren Vertreter zu deren Schutz und Fürsorge

wahrzunehmen hat43 44).45 46 Die Stellung eines Kurators kann auch aus Landesrecht beruhen.

2. Sequester ist nach gemeinem Recht der Verwahrer einer streit­

befangenen Sache, der kraft des Verwahrungsvertrages die verwahrte Sache dem Sieger herauszugeben hat4^).

Ein derartiger Vertrag ist

allerdings im preußischen Recht nicht verboten, aber als gesetzlichen

Begriff kennt das preußische Landrecht nur die amtliche Sequestration, d. h. die Verwaltung und Verwahrung einzelner Sachen oder Güter­ massen durch einen gerichtlich bestellten Sequester 4§).

Sequester ist

demnach der vom Gericht zur Sicherung oder Vollstreckung eines An­

Er unterscheidet sich dadurch

spruchs bestellte Zwangsverwalter47). 43) Kipp, Erbrecht, § 78, Anm.

") Die Pflegschaft hat sich aus familienrechtlichen Verhältnissen entwickelt. Der Vorstand einer juristischen Person ist darum nie ein Pfleger.

Vergl. N. G.

St. Bd. 24, S. 109. Dagegen kann die Pflegschaft für den unbekannten Nechts-

inhaber natürlich auch zu Gunsten einer juristischen Person

ausgeübt werden.

Keine Kuratoren sind aus dem angeführten Grunde auch die Mitglieder des Kvn-

kursgläubigerausschusses. R. G. St. Bd. 39 S. 386. Die Vorstände einer städt. Sparkasse werden selbstverständlich nicht dadurch zu Kuratoren, daß sie amtlich so bezeichnet werden.

45) Vergl.

Vergl. N. G. St. Bd. 24, S. 109.

Dernburg,

Windscheid,

Pandekten,

Pandekten,

6.

III.

Aufl., Bd.

Aufl.,

II, § 380,

Bd. 2,

§ 93

Keller,

Aiff. 2.

Pandekten

$ 309. 46) Forster, Preuß. Privatrecht, 1. Aufl., Bd. II, S. 288 f., 4. Aufl., Bd. I, S. 256, Bd. II, S. 341, Dernburg, Preuß. Privatrecht, Bd. I,

§ 147.

Vergl. Pr. allg. L. R., Teil I, Titel 14, $$ 103 ff.

47) Ammon, S. 37 f.

Dort auch sehr ausführlich über die Frage, inwie­

weit rein privatrechtliche Verhältnisse des § 266 Aiff. erfüllen konnten. Möglich ist natürlich auch im geltenden Recht eine derartige vertragliche Sequestration.

Veryl. Planck zu $ 1052 BGB. Erl. 6.

Aber die Untreue eines solchen Se­

questers erfüllt nicht den Tatbestand der Aiff. 1. Dagegen dürfte ein solcher Sequester fast immer nach Aiff. 2 gefaßt werden können. Praktisch jst die ganze

Frage nicht.

vom Pfleger, daß seine Aufgabe nicht Fürsorge für den Berechtigten ist, sondern vielmehr Sicherung oder Vollstreckung der Rechte Dritter gegen den Berechtigten durch die Sequestration.

Sequester sind dem­

nach heute vor allem der Zwangsverwalter von Grundstücke^), der Sequester bei Nießbrauch *9) und Nacherbschaft 50), der Sequester nach

§ 938 Z. P. £).51 48).52 49 53 Begrifflich 50 54 55 56 notwendig ist es nicht, daß diese Art des Sequesters in irgend einer Richtung rechtsgeschäftliche Verfügungs­

macht besitzt, vielmehr geht das ganze Institut von der Verwahrung aus 52). Nachdem der Gedanke des Vollmachtsmißbrauchs als falsch er­

wiesen ist, hindert nichts, auch einen solchen Sequester ohne rechtsgeschästliche Verfügungsmacht als taugliches Subjekt anzuerkennen.

Sequester ist ferner die Aufsichtsperson bei Geschäftsaufsicht 53). Die

Befugnisse des Konkursverwalters gehen aber, nachdem der Kontradiktor in ihm aufgegangen ist, doch wohl so weit, daß sie ihn über den Sequester hinausheben.

3. Güterpflege, cura bonorum, ist eine Pflegschaft, durch welche nach

Vorstellung des gemeinen Rechts nicht so sehr für eine Person als für ein bestimmtes Vermögen Fürsorge getroffen werden sollte 54). Gleich­

gültig, ob diese Unterscheidung mit den Quellen übereinstimmt und überhaupt dogmatisch haltbar ist 55), jedenfalls sah man die Einfügung des Güterpflegers in Ziff. 1 § 266 wohl deshalb als nötig an, weil

der Begriff im gemeinen Recht vorlag, das preußische Recht eine-

Güterpflege aber nicht kannte 56).

Im heutigen Recht gibt es nur

48) $ 150, I. V. G., N. G. St. Bd. 38, S. 190. Ebermayer, Erl. 7. Pr. allg. L. N., Teil I, Titel 14, § 104, auch der Sequester eines Lehens, Pr. allg. L. N., Teil I, Titel 18, $ 333, 343 ff.

49) § 1052 BGB. Dazu Planck, Erl. 2, 3, dort vor allem auch über das Verhältnis dieser Sequestration zu § 146 ff. A. V. G. 50) § 2128 BGB., der auf 1052 Bezug nimmt. 51) Vergl. dazu insbesondere Stein zu § 938 A. P. O. 11,1, III,2.

52) Vergl. analog insbesondere Pr. allg. L. N., Teil I, Titel 14, § 103, 108, gänzlich grundlos die Behauptung bei C a r t i e r, S. 6. 53) Vergl. §§ 22 ff., Geschäftsaufsichtsverordnung. 54) Vergl. Keller, Pandekten, § 452, W i n d's ch e i d - Pandekten, 6. Auf., Bd. II, § 447. 55) Ein Problem entstand für das gemeine Recht natürlich bei der hereditas iacens, die vielleicht die Aufstellung des Begriffes der Güterpflrge rechtfertigt. 56) Foerster, Preußisches Privatrecht, 1. Aufl., Bd. 4, S. 257, 4. Aufl., Bd. 4, S. 237.

132

den Pfleger als Vertreter einer bestimmten, wenn auch unbekannten oder erst zukünftigen Perfon 57). Der Güterpfleger ist demnach heute nur eine besondere Art des Pflegers überhaupt, d. h. also des Kurators, indem man unter dieser

Bezeichnung diejenigen Pflegschaftsfälle zusammenfassen kann, in denen der Pflegebefohlene keine benannte Person ist58 * *)* * * *

4. Der Ausdruck Massenverwalter entstammt, soweit ich sehen kann,

der preußischen Konkursordnung vom 8. V. 185559). Der neue Aus­

druck Verwalter der Konkursmasse dürfte sich daraus erklären, daß durch die Vereinigung der Ämter des Kontradiktors und des Konkurs­ kurators Zweifel entstanden, ob der Verwalter noch als Kurator an­

gesehen werden könne. Als Massenverwalter muß demnach in erster Linie der Konkurs­

verwalter betrachtet werden 60). Jedoch ist der Ausdruck Massenverwalter allgemein gebraucht, so daß

auch analoge Rechtsinstitute, wie vor allem der Nachlaßverwalter als Massenverwalter anzusehen finb61).

Auch im Landesrecht können sich derartige Institute finden. ö7) §§ 1909 ff. BGB. Es ist darum falsch, wenn Ebermayer, Erl. 7 ausführt, Güterpflege sei ein veralteter Ausdruck, es ist vielmehr ein veralteter

Begriff.

Für das alte Recht wurde Güterpflege angenommen, z. B. in R. G..St. Bd. 11 S. 244, Bd. 23 S. 280." In letzterer Entscheidung ist der Gedanke der Güter-

Pflegschaft mit außerordentlicher Schroffheit durchgeführt. 58) Gegen die Einreihung des Konkursverwalters unter die Güterpfleger spre­ chen demnach dieselben Bedenken, wie gegen seine Einreihung unter die Kura­ toren, a. M. A m m o n , S. 37.

59) Vergl. § 4 Abs. 2 Preuß. Konkursordnung vom 8. 5. 1855. In der ge­ meinrechtlichen Literatur kommt der Ausdruck nicht vor. Dem preuß. allgem. L. R. sowie der allg. G. O. von 1815 ist er unbekannt.

60) Vergl. Frank, Erl. 11,1, Ebermayer, Erl. 7, R. G. St. Bd. 26, S. 108, vergl. aber oben Anm. 2 das von Ebermayer angeführte Urteil

Bd. 29, S. 29 gehört nicht hierher.

61) Wegen des Nachlaßverwalters vergl. Eber mayer, Erl. 7.

Außerdem

wurde z. B. der frühere Liquidator als Leiter des Umlageverfahrens nach § 52 ff.

Gen. G.

von

1868

ält.

Fassung

als

Massenverwalter

anerkannt.

R. G. St.

Bd. 19, S. 184.

Wie Stenglein, Nebengesetze zu $ 36 Hypothekenbankges. zu der Be­ hauptung kommt, daß der Treuhänder bei der Hypothekenbank ein Massenver-

5. Vollstrecker letztwilliger Verfügungen ist der Testamentsvoll­ strecker 62). Nur insofern er zur Ausführung letztwilliger Ver­ fügungen berufen ist, nicht insoweit es sich um Durchführung von

Erbverträgen handelt, falls überhaupt ein Testamentsvollstrecker diese Aufgabe haben kann63 * *).** 65 * 6266 67 68 6. Stiftungen sind nach heutiger Auffassung mit juristischer Per­ sönlichkeit ausgestattete Zweckvermögen 64), welche der Verwirklichung

bestimmter Zwecke zu dienen bestimmt sind 65).

Dieser Stiftungsbe­

griff ist nun teils enger, teils weiter als der des preußischen LanLrechts. Weiter, weil dieses Stiftungen als juristische Person nur kannte, wenn sie „Armen- oder andere Versorgungsanstalten" waren 66), alles andere sind nach preußischem Landrecht Korporationen 67). Enger ist der Stiftungsbegriff des bürgerlichen Rechts, weil das preußische Land­

recht auch einen weiteren Begriff der Stiftung kennt, der eigene juristi­ sche Persönlichkeit nicht erfordert. Eine Stiftung in diesem weiteren Sinne ist eine Zuwendung von Vermögensgegenständen an eine Kor­ poration mit dem Auftrag, die Einkünfte aus dem hingegebenen Kapital zu bestimmten Zwecken zu verwenden 68). Hierbei ist nicht erfordert, daß die Stiftung eine von der übrigen Vermögensverwaltung der Kor­ poration abgetrennte Verwaltung ihrer Aktiven habe.

Ein unmittelbarer Rückgriff auf das preußische Recht scheint hier nicht zulässig, da das Strafgesetzbuch ja als gemeines Gesetz erlassen ist

und nicht wie bei den oben besprochenen Ausdrücken durch die Gegenwalter sei, und wie er dazu kommt, hierfür R. G. St. Bd. 16, S. 77, Bd. 23, S. 430, Bd. 27, S. 39, Rspr. Bd. X, S. 57 zu zitieren, ist mir nicht recht faß­

lich.

Sämtliche Entscheidungen handeln von ganz anderen Dingen, die letztere

nicht einmal von der Untreue.

62) §§ 2197 ff. BGB.

63) § 2278 BGB. bejahend

scheinbar

Kipp, Erbrecht $ 117,1,1.

Vergl,

falsch Cartier, S. 6.

64) Im Einzelfall genügt auch die bloße vermögenslose Organisation.

En-

n e c c e r u s Bd. I, § 110,1. 65) Eine Stellungnahme zur Konstruktionsfrage liegt uns dabei fern, die De­

finition reicht für unsere Iwecke aber aus. 66) Preuß. allg. L. R. Bd. II, Titel 19, § 42.

67) Auch

die

Kirchenvermögen

werden als

Pr. allg. L. R., Teil II, Titel 11. § 160. 68) a. a. O. Teil II, Titel 6, $$ 73 ff.

Gesellschaftövermögen bezeichnet,

134 Überstellung der Worte auf das preußische Recht zurückverwiesen ist. Aber auch das gemeine Recht erkennt diesen doppelten Stiftungsbegriff an 69), wenn er auch teilweise bestritten wird. Somit ist in Übereinstimmung mit dem preußischen Recht anzu­

nehmen, daß zu den Stiftungen im Sinne des Strafgesetzbuchs auch eine derartige Zuwendung, also die Stiftung im weiteren Sinne gehört.

Selbstverständlich ist, daß die Verwendung der Stiftungsmittel irgend­ wie öffentlich-rechtlich gesichert sein muß, sonst kann allerdings von einer Stiftung gar keine Rede sein. Darüber hinaus ist aber im Gegensatz zum Stiftungsbegrifs des preußischen Landrechts erforderlich, daß die Bermögensaktiva der Stiftung gesondert verwaltet werden7"). Würde der Träger der Zuwendung lediglich verpflichtet sein, aus seinen gesamten Einkünften eine bestimmte Summe entsprechend zu verwen­ den, so würde der Wortlaut der Ziffer 1 Anwendung auf diesen Fall nicht gestatten, denn es kann dann von einer „Verwaltung" der Stif­ tung im gewöhnlichen Wortsinne nicht mehr die Rede sein, sondern nur noch von Verwendung der Stiftungsgelder. Außerdem muß der Stiftungsträger eine juristische Person des öffentlichen Rechtes fein71 69).70 Andererseits erscheint es nicht angebracht, soweit die Stiftung int engeren Sinne, also als juristische Person, in Frage kommt, den Be­ griff der Stiftung auf diejenigen juristischen Personen zu beschränken, welche im Sinne des preußischen Landrechts Armen- oder Versorgungsaustalten sind. Es kommt doch für das Strafrecht nicht sowohl auf den Zweck der (Stiftung, als vielmehr auf die Organisationsform und die hieraus entstehende Stellung der Verwalter an. Allerdings stand

auch im gemeinen Recht der Begriff der Stiftung im engeren Sinne als juristische Organisationsform, abgesehen von ihrem Zweck, nicht völlig fest. Bor allem die Abgrenzung zum Anstaltsbegriff war recht

unsicher. Da jedoch das Strafgesetzbuch sich durch seine Ausdrucks­ weise nicht unmittelbar auf das preußische Recht bezieht, so kann es sinnvoll nur entsprechend der vorherrschenden gemeinrechtlichen Lehre

ausgelegt werden. Somit ist Stiftung in diesem Sinn das Zweckver69) Vergl. Dernburg, Pandekten, 3. Aufl., Bd. I, $ 62, Z. 2. 70) Die Stiftung muß also mindestens z. B. bestimmte eigene Wertpapiere

besitzen, deren Zinsen sie erhebt.

71) Ich glaube nicht, daß bei einer Aktiengesellschaft eine Wohlfahrtsstiftung errichtet werden kann, denn das widerspricht der geschichtlichen Entwicklung der Stiftung.

mögen oder die Zweckorganisation mit eigener juristischer Persönlich­

keit 72).

Gleichgültig ist bei der allgemeinen Ausdrucksweise des Ge­

setzes, ob die Stiftung auf öffentlichem oder auf Zivilrecht beruht. Der Begriff der Stiftung im Sinne unserer Strafdrohung ist somit

bei der Stiftung im weiteren Sinne enger, bei der Stiftung im engeren Sinne weiter als der Stiftungsbegriff des preußischen Landrechts. Stiftungsverwalter der Stiftung im engeren Sinn ist ihr Vorstand als ihr gesetzlicher Vertreter bei der Stiftung im weiteren Sinn, wer eine einem solchen Vorstand analoge Stellung einnimmt. Der Stistungsverwalter braucht nicht von einer Behörde ernannt zu

sein, da das Gesetz dies keineswegs fordert73).74 II. Geringere Schwierigkeit bildet die Feststellung der tauglichen Subjekte in den nachgebildeten Strafbestimmungen. Es bedarf keines Beweises, daß hier eine analoge Ausdehnung auf andere Rechtsverhält­ nisse erst recht nicht in Frage kommt. 1. a) Nach § 312 HGB. sind unter Untreuestrafe gestellt Mitglieder des Vorstandes7^) und Aussichtsrates sowie die Liquidatoren einer

Aktiengesellschaft. Die Vorschrift gilt nach § 242 HGB. auch für stell­ vertretende Vorstandsmitglieder. Die stellvertretenden Vorstandsmit­ glieder unterstehen in ihrer gesamten Geschäftsführung der Strafvor72) Vergl. Dernburg, Bd. I, $ 62. 73) Nichts gibt den Anlaß, das in das Gesetz hineinzulegen.

ausführlich Ammon S. 33 f.

Vergl. darüber

Ganz unverständlich Ebermayer, Erl. 7,

der anscheinend überhaupt nur den Fall der $$ 29,80 ff. BGB. gelten lassen will. 74) Der Vorstand ist in der Regel vom Prokuristen leicht zu unterscheiden

durch den Umfang der Vollmacht. Hat der Vorstand als gesetzlicher Vertreter eine schlechthin unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsbefugnis (vergl. Staub zu $ 231 Erl. 4), so hat der Prokurist nur Vertretungsbefugnis zum Betrieb

eines Handelsgewerbes und zur Führung der Geschäfte dieser Aktiengesellschaft. (Auch wenn sie keine Handelsgeschäfte sind, m. E. nicht ganz genau Staub, $ 238, Erl. 5.) Cs fehlt ihnen die Befugnis zu Grundstücksgeschäften und zur Wahrnehmung der Geschäfte des Vorstandes nach innen hin ( S t a u b, § 238, Erl. 6). Nun kann allerdings der Prokurist alle ihm hiernach fehlenden Voll­

machten

durch besondere Vollmachtserteilung

übertragen erhalten.

Sollte dies

ausnahmsweise geschehen, ohne ihn als Vorstand ins Handelsregister eintragen

zu lassen, so müßte hieraus gefolgert werden, daß die Gesellschaft ihm gegenüber die strengere Haftung eines Vorstandes nicht geltend machen will.

Dies wäre

dann auch für das Strafrecht maßgebend, da die Gesellschaft den Bevollmäch­

tigten eben nicht zum Vorstand ernannte. Gewöhnlich wird sich ja der Prokurist vom Vorstand immer noch durch die Ernennung unterscheiden, nur wenn der

Vorstand Kooptationsrecht hat, fiele auch dieses Kriterium weq.

136 schrift, nicht nur insoweit sie als Stellvertreter eines Vorstandsmit­

gliedes handeln75). Nachdem das Gesetz allgemein spricht, so sind als Vorstände oder Aufsichtsräte auch die nach § 190 HGB. bestellten Organe der Aktien­ gesellschaft vor der Eintragung anzusehen. Es wäre sinnwidrig, gerade auf diesen besonders kritischen Fall die Vorschrift nicht zu beziehen 76).

b) Durch § 320 Abs. 3 HGB. ist die Strafvorschrift auch ausge­ dehnt auf die persönlich haftenden Gesellschafter, sowie auf die Liqui­ datoren und Aufsichtsräte der Aktienkommanditgesellschasten. Für den persönlich haftenden Gesellschafter findet dies in § 325 Ziff. 9 HGB. ausdrückliche Bestätigung77). 2. Taugliche Täter sind nach § 146 Gen.G. auch die Vorstände7^),

Liquidatoren und Aufsichtsräte von Genossenschaften.

Stellvertreter

der Vorstandsmitglieder sind nach § 35 Gen.G. ebenfalls der Strafbe­ stimmung unterstellt, natürlich nur, sofern sie tatsächlich irgendwie in der Geschäftsführung überhaupt tätig sind 79). 3. Ferner gehören hierher die Mitglieder des Vorstandes, Aufsichts­ rates oder eines „ähnlichen Organs", sowie die Liquidatoren eines 75) Falsch Staub, zu § 312, Erl. 4, Abs. 2, Stenglein, Nebengesehe, 4. Aufl., Bd. I zu § 312 Erl. 5. §242 HGB. überträgt die Vorschriften über

Vorstandsmitglieder schlechthin auch auf die stellvertretenden Vorstandsmitglieder. Sie sind nach außen als Vorstandsmitglieder zu betrachten und nur nach innen

hin verpflichtet, gewisse Geschäftsführungshandlungen nur in Vertretung der eigent­ lichen Vorstände vorzunehmen. Man kann auch nicht, wie Staub zwischen eigent­

lichen Vorstandshandlungen und anderen Vertreterhandlungen unterscheiden.

Auch

der Vorstand kann Untreue durch Handlungen begehen, die jeder beliebige Hand­

lungsgehilfe vornehmen könnte. 76) Eine Bestätigung in der Rechtsprechung habe ich nicht finden können. Das Zitat bei Staub, $ 312 Anm. 4: R. G. St. Bd. 34, S. 312, beruht auf

einem Irrtum. 77) Es darf aus der ausdrücklichen Erwähnung des persönlich haftenden Gesell­ schafters nicht der Schluß e contrario bezüglich der anderen Organe gezogen werden.

Die ausdrückliche Verweisung in § 327 Ziff. 9 hat ihren Grund darin, daß ein Vorstand immerhin etwas anderes ist, als ein persönlich haftender Gesellschafter,

so daß Zweifel hinsichtlich desselben hätten entstehen können. 78) Der Zweifel, ob jemand Prokurist oder Vorstand ist, kann hier gar nicht vorkommen, da eine Bestellung von Prokuristen oder Generalbevollmächtigten zu­ lässig ist. § 42 Abs. 2 Gen. G.

79) Dies muß hier erwähnt werden, denn bei der Genossenschaft können diese Stellvertreter sehr häufig ohne den Vertretungsfall gar nicht mit den Geschäften der Genossenschaft in Beziehung kommen.

Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (V. A. G. § 110). Wegen des Vorstandes und Aufsichtsrates gilt das oben Bemerkte. „Ähnliche Or­ gane" sind die gemäß § 29 Abs. 2 V. A. G. errichteten Vertretungs­ körper 80), welche eine dem Aufsichtsrat ähnliche Tätigkeit ausüben. Da hier alles auf die Satzung gestellt wird, ist die Deliktstauglichkeit

quaestio facti im Einzelfalle. 4. Die Reichsversicherungsordnung stellt in § 23 R. V. O. die Or­

gane der Versicherungsträger unter Untreuestrafe. §535 R. V. O. dehnt

diese Strafbestimmung aus auf geschäftsleitende Beamte und Ange­ stellte von Krankenkassen, sowie auf den Arbeitgeber bei Betriebs­

krankenkassen und die von diesem nach §361 Abs. 2 R. V. O. ernannten Angestellten. Es ist nach der ratio legis anzunehmen, daß auch hierbei nur an geschäftsleitende Angestellte gedacht ist. „Geschäftsleitend" ist ein Gradbegriff, der zutrisft, wenn der Betreffende einen eigenen

Amtskreis von nicht allzu geringer Bedeutung unter zunächst eigener

Verantwortung versieht. Die Frage ist somit nur nach Maßgabe des Einzelfalles zu beantworten80 81).

Die Personen des § 535 dürften

demnach stets Vertretungsbefugnis, wenn auch bisweilen nur zu publi­ zistischen Rechtsakten besitzen. Organe nach § 23 Abs. 2 R. V. O. sind die Vorstände der Ver­

sicherungsträger, welche die Stellung gesetzlicher Vertreter haben82).83 Organe sind aber auch bei der Krankenversicherung der Ausschuß88), bei der. Unfallversicherung die Genossenschaftsversammlung, die aus den Genossen, also den Mitberechtigten selbst bestehen fann84),85der 86 Ausschuß bei der Landesversicherungsanstalt88). Alle diese Körper­ schaften werden unter den Organen aufgezählt. Es ist für das Wesen

der Untreue bemerkenswert, daß sie ebenso wie der Aufsichtsrat in der Regel keine Vertretungsbefugnis besitzen88). 80) Und zwar n ur , nicht a u ch solche, wie S t e n g l e i n , NebengeseHe zu § 110, Erl. 3 meint. Andere kommen hier ja gar nicht in Frage. 81) Vgl. ausführlich über den Begriff des Geschäftsleiters Stier-Somlo, Kommentar zur R. V. O., Berlin 1915, Vd. I, S. 748 ff. 82) R. V. O. H 5 Krankenversicherung, §§ 327, 338, 341, 342 (für den Arbeit­ geber ist aber § 535 einschlägig), Unfallversicherung §§ 685, 794, 975 (bei der landw. Unfallversicherung kann die Organstellung auch auf Selbstverwaltungs­ körper übertragen werden § 977 R. V. O.) Jnvalidenvers. §§ 1146, 1194, 1342. 83) R. V. O. §§ 327, 332. 89 R. V. O. §§ 686, 675, 678 giss. 1, 976, 1146. 85) N. D. O. $ 1351. 86) R. V. O. $$ 345, 686 (685), 975 (977), 1146, 1353.

138

5. Auf den Treuhänder bei Hypothekenbanken ist nach § 3 Hypo­ thekenbankgesetz § 266 unmittelbar anwendbar. Dies gilt selbstverständ­ lich auch für den nach § 29 ernannten Stellvertreter.

III. Die Benennung der betreffenden Amtsträger erfolgt in allen

Fällen schlechtweg, ohne Beisatz, wie etwa „als Vormund" oder „iw

der Stellung eines Vormunds". Damit stellt der Wortlaut fest, daß als Verbrechenssubjekt nur in Frage kommt, wer tatsächlich z. B. Vor­ mund ist.

Nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch ist Vormund

nur derjenige, auf den die entsprechenden Bestimmungen der Zivil-

gesttze zutreffen, wer also als solcher ernannt ist, die entsprechenden

Pflicht- und Machtbefugnisse übernommen hat. Wer sich als Vormund geriert, ohne es zu sein, ist vielleicht ein Betrüger, keinesfalls ein Vormund, selbst wenn es ihm gelingen sollte, tatsächlich zu einer vor­ mundschaftsähnlichen Machtstellung zu gelangen. Der Zusammenhang zwischen dem Strafgesetz und den Zivilrechtsinstituten, auf welche es verweist, ist bei der Absicht eindeutiger Bezeichnung hier viel zu eng, als daß andere Personen, wie die in den Zivilgesetzen vorgesehenen Amtsträger in Betracht kommen könnten87).

Dagegen läßt sich die Frage, wie es sich verhält, wenn aus irgend einem Grund die Ernennung mangelhaft ist, die normalen Befugnisse

nicht erteilt, die normalen Verpflichtungen nicht übernommen wurden,

endgültig nur für die einzelnen Rechtsverhältnisse beantworten. 1. Inwieweit eine fehlerhafte Ernennung zum Vormund oder Pfleger

(Kurator, Güterpfleger) der Wirksamkeit entbehrt, ist bestritten.

Klar

ist nur, daß die örtliche Unzuständigkeit oder die Untauglichkeit der betreffenden Person (§§ 1781—1784 BGB.)88) die Ernennung nicht unwirksam macht. Bedeutsam aber ist die Frage, welche Wirkung es ausübt, wenn eine Vormundschaft oder Pflegschaft eingesetzt wird, ohne daß die Vor­ aussetzungen zu einem Schritt überhaupt vorliegen, wenn also z. B. 87) Im Ergebnis zutreffend A m m o n, S. 40. tautologisch.

Die Begründung ist aber

Es kann hier nur auf den Sprachgebrauch ankommen.

88) Die Ernennung eines Unfähigen (§ 4780) ist schlechthin nichtig und wir­

kungslos.

Vergl. Wolff-Kipp, Familienrecht, § 104. Wie Ebermayer,

Erl. 9 dazu kommt, diesen Fall mit dem der Untauglichkeit zusammenzustellen, ist mir unklar.

Mir scheint die ganze Anm. 9 „belanglos".

Nichtig ist die Be­

stellung im Falle der Unfähigkeit notwendig deshalb, weil sonst die Gegenüber­ stellung der $$ 1780 und 1781 ff. gar keinen Sinn hätte.

die betreffende Person gar nicht minderjährig ist89 * *).90 * Wäre hier die Ansicht zutreffend, daß der Vormund bis zur Aufhebung des Be­ schlusses immerhin Vertretungsmacht besäße99), so wäre hier die gleiche

Rechtslage gegeben wie bei dem Vormund, der auf Grund eines durch Anfechtungsklage wieder aufgehobenen Entmündigungsbeschlusses be­

stellt wurde, und bei der Anordnung einer vorläufigen Vormundschaft, wenn die Entmündigung abgelehnt wird (§ 115 BGB). Wirkliche Vormünder im Sinne der eigentlichen Bedeutung des § 26691) sind diese Personen nicht, denn es bleibt nur die rechtsgeschäftliche Bertretungsmacht nach außen gültig bestehen, und auch diese nicht in vollem Umfange92). Immerhin dürften sie als Kuratoren anzusprechen sein 93).

Aus grundsätzlichen Erwägungen ist es bedeutsam, sestzustelten, daß

der als Vormund bestellte Minderjährige Vormund im Sinne des Es ist wichtig, dies festzustellen, weil m. E. eine

Strafgesetzes ist.

obligatorische Beziehung zwischen diesem Vormund und dem Mündel nicht vorhanden ist94). ") Nur solche Fälle

sind bedeutungsvoll.

Bei grundlegenden

Verfahrens­

fehlern z. B. sachlicher Unzuständigkeit des Richters ist völlige Nichtigkeit anzu­ nehmen. Vergl. F. G. G. § 32, Schlegelberger, Kommentar zum F. G. G. $ 7, Erl. 11. 90) Vergl. Wolff-Kipp, Familienrecht, § T02, V,3 mit Rücksicht auf

$ 32

F. G. G.

Vergl.

aber

auch

Schlegelberger,

§ 7

Erl. 6,

dessen

Stellung mir nicht recht klar ist.

Der übrigens

irrtümlich

für

bestimmt

den Nichtabwesenden eingesetzte

richtiger

Abwesenheitspfleger,

vergl.

Abwesenheitspfleger

ist

Schlegelberger,

a. a. O. Erl. 6.

Für einen Sonderfall, nämlich der Anordnung der Vormundschaft für einen Ausländer nimmt R. G. St. Bd. 45 S. 310 ff. m. E. mit Recht überhaupt

völlige Gleichgültigkeit der Verfügung an. 91) Vergl. Pr. allg. L. N., Teil II, Titel 18 § 3, dazu oben S. 92) Vergl. Planck, § 115, Erl. 1 Abs. 2. Bei manchen familienrecht­ lichen Erklärungen verbietet sich die Annahme der Gültigkeit auch ohne den Ge­

danken der Kollision. 93) Trotzdem es sich natürlich um eine ganz neue Rechtsfigur handelt, aber es

ist doch nicht sowohl die Stellung des Vertreters, als vielmehr die des Vertretenen

neuartig.

94) Drese Frage ist im Zivilrecht unvollkommen erörtert, m. E. ist die Be­ stallung ein publizistischer Vertrag. Einschlägig hierfür ist der Laband-Seydelsche Streit über den Charakter der Beamtenernennung (vergl. hierzu meine „Zucht­

gewalt und Strafrechtspflege" (S. 119).

In der Bestallung liegt an sich die

Annahme der Rechtsmacht und die Verpflichtungserklärung.

Die Ernennung ist

140 2. Die Folgen etwaiger Ungültigkeit und Fehlerhaftigkeit bei der Be­ stellung von Sequestern und Massenverwaltern soll hier keine Be­

sprechung finden, da der Fall doch zu unwahrscheinlich ist. Ebensowenig können die Rechtsfolgen besprochen werden, welche für unsere Strafbestimmung die Mängel bei der Ernennung von Stiftungs­

verwaltern nach sich ziehen. Ernennung der Stiftungsverwalter regelt sich nach Landesrecht oder Satzung, die Wirkungen von Fehlern können

also in ihrer Vielgestaltigkeit hier unmöglich dargestellt werden. 3. Testamentsvollstrecker ist jedenfalls auch, wer zu Unrecht durch ein Testamentsvollstreckerzeugnis legitimiert ist, denn seine rechtliche

Stellung ist die eines echten Testamentsvollstreckers95 * *).* * * * * * * * 4. Ist die Bestellung eines Vorstandes oder Aufsichtsrates einer

Aktiengesellschaft

oder

einer

Genossenschaft9^) nichtig,

so

kann

er

als Vorstand nicht bezeichnet werden. Es gilt hier das oben zu 1 Be­

merkte 97). Ist dagegen die Bestellung des Vorstandes nur anfechtbar, so ist

der Vorstand bis zur erfolgten bezw. durchgeführten Anfechtung tat­ sächlich Vorstand gewesen, vorausgesetzt natürlich, daß er das Amt

ausgeübt hat. Die von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen bleiben zweifellos gültig ($ 1780 BGB.). Die Verpflichtung konnte aber nicht gültig erklärt werden. Es besteht auch in diesem Fall keinerlei Veranlassung, den

Grundsatz des § 107 BGB. irgend zu durchbrechen.

Die Vormundschaftsklage

wäre eine für den Minderjährigen untragbare Belastung, es genügt durchaus, die Haftung aus unerlaubter Handlung.

Trotz der geschichtlich engen Beziehung zwischen Vormundschaftsklage und Un­

treue ist aber Strafbarkeit eines solchen Vormunds anzunehmen.

Dazu führt vor

allem die Rücksicht auf pr. allg. L. R., Teil II, Titel 18, $ 3, wo nur von der

Machtstellung die Rede ist.

Der Wegfall der Vormundschaftsklage spielt dem­

gegenüber eine zu geringe Rolle. 95) § 2368 BGB. Kipp, Erbrecht, § 117 III. Das Institut war allerdings dem preußischen Recht noch nicht bekannt, jedoch gilt hier das S. 129 beim Ku­

rator Bemerkte.

06) Nur diese Fälle sollen hier behandelt werden, bei den übrigen ergeben sich besondere Fragestellungen, die zu weit führen würden.

97) Auch dann, wenn durch die Eintragung er etwa Vertretungsbefugnis nach außen erworben haben sollte, was mir aber zweifelhaft erscheint. Dafür Staub,

Anhang zu § 8 Anm. 14, § 15 Anm. 14. Nichtigkeit kann bei Ernennung durch den Aufsichtsrat zunächst nur nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts vorkommen, wegen der Unfähigkeit des Ernannten vergl. Staub, § 231,

Erl. 11.

gültig 98).

Er war also wahrer Vertreter, und die Tatsache, daß er

die Geschäfte geführt hat, läßt sich nicht durch die Anfechtung aus der Welt schaffen99). Demnach müssen auf einen solchen Vorstand die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten eines solchen Anwen­ dung finden, somit auch die §§ 312 HBG., § 146 Gen G. 10 * *°). *******

IV. Die Tauglichkeit zum Delikt beginnt mit der Übernahme des Amtes, der Zeitpunkt wird kaum Schwierigkeiten bereiten. Dagegen ist unklar, was unter dem Ende des Amtes im strafrecht­

lichen Sinne zu verstehen ist. So erlischt die Vormundschaft auto­ matisch mit dem Tod des Mündels oder dessen Großjährigkeit. Tat­ sächlich hat aber dann der Vormund das Vermögen noch in Händen, wenngleich seine Vollmacht erloschen ist. Der Vorstand einer Aktien­ öl Natürlich nicht mit Rücksicht auf § 15 HGB., wie Staub zu $ 231

ausführt.

Erl. 11

Aber von dem

allgemeinen Grundsatz ausgehend, daß Er­

klärungen gegenüber der Öffentlichkeit im allgemeinen nicht anfechtbar sind. ") Wegen der Wirkung der erfolgreichen Anfechtung von Generalversamm­ lungsbeschlüssen vergl. Staub zu § 272 Anm. 4 ff. Die Anfechtung bereitet auch sonst im Strafrecht Schwierigkeiten. Das zivilrechtliche Wesen der An­ fechtung ist natürlich auch nicht nachträglich zu ändern, was unmöglich wäre. Viel­ mehr sind die Regeln über die Anfechtung Anweisungen an den Richter, be­ stimmte Tatsachenkomplexe so zu betrachten, als wenn sie sich in den fraglichen

Punkten anders abgespielt hätten. Dabei herrscht zunächst das zivilrechtliche In­ teresse vor.

Wie weit diese Anweisung für den Strafrichter Bedeutung hat, ist

eine ganz andere Frage.

Man hat versucht, diese mit dem Gedanken des be­

dingten Verbrechens zu lösen.

Man kann doch nicht die Diebstahlsfrage davon

abhängig machen, ob der vom Vormann bestohlene Eigentümer den Eigentums­

erwerb nachträglich anficht.

Vergl. zutreffend auch A l l f e l d, S. 425 Note 5.

Note 5.

10°) Vergl. übereinstimmend Stenglein zu § 312 KGB., EH. 6 zu § 14-> Gen. G. Erl. 3 $ 116 V.A. G. Erl. 1 zu § 23, R. V. O. Erl. 1, Staub zu § 312

HGB. Erl. 4.

Dafür werden

nachstehende Entscheidungen ständig an­

geführt: R. G. St. Bd. 16 S. 271 Bd. 29 S. 383.

dings nicht sachdienlich.

Diese sind beide aller­

Die erste bezieht sich auf K. O. § 210 Nr. 2, § 214

der alten, $$ 240 A. 3, 244 der neuen Fassung und dies ist ein wesentlicher Unterschied. Denn im Falle der Konkursverbrechen ist wirklich eine ratio legis vor­

handen, daß irgend jemand für die Buchführung verantwortlich sein soll, aber im

Falle der Untreue läßt sich kein ratio finden, daß durchaus ein taugliches Sub­ jekt der Untreue da sein soll.

phisterei.

Die gegebene Begründung ist zudem bare So­

Was die Entscheidung Bd. 29 S. 383 eigentlich sagen wiU, habe ich

nicht herausbringen können. Sie scheint mir aber gegen die zitierte Meinung Zu sprechen, denn sonst hat es ja gar keinen Sinn, die Frage aufzuwerfen, ob der Vorstand gültig gewählt war.

142 gesellschaft behält durch die Eintragung im Handelsregister dem gut­ gläubigen Dr'tten gegenüber die Vollmacht. Besondere Schwierigkeiten macht die Frage beim Testamentsvollstrecker, wenn man der von S t r o h a l vertretenen Theorie folgt, daß die Beendigung der Ge­ schäfte sein Amt nicht zum Erlöschen bringt101). Hat er sein Testa­ mentsvollstreckerzeugnis, so behält er dann seine Vollmacht bis zur formellen Beendigung des Amtes, welche möglicherweise nie stattsindet. Der Sprachgebrauch des Zivilrechts gibt hierüber keine Auskunft102). Auch aus dem Sprachgebrauch des Strafgesetzes ist nichts zu entnehmen. Auslegung aus dem systematischen Zusammenhang ist darum notwendig und erlaubt. Sämtliche Subjekte der Ziffer 1 und der Nebengesetze zeichnen sich dadurch aus, daß sie eine gesamte Vermögensverwaltung innehaben und Besitz ausüben. Die Vollmacht ist jedenfalls nicht unbedingt wesentlich, denn der Gedanke des Vollmachtsmißbrauchs ist ja abgelehnt. Es kann also nicht ohne weiteres darauf ankommen. Ebensowenig kann aber genügen, daß die Vollmacht fortbesteht in der Weise wie beim Vorstand der Aktiengesellschaft und beim Testaments­ vollstrecker. Es besteht, nachdem diese Personen ihr Amt de facto be­ endigt haben, kein vernünftiger Grund mehr, sie für jede schädigende Handlung, welche ja durchaus nicht Vollmachtsmißbrauch zu sein braucht, ohne weiteres strafrechtlich verantwortlich zu machen.

So fällt der Endpunkt der Deliktsfähigkeit beim Vormund — ebenso entsprechend beim Pfleger103) — zusammen mit der Herausgabe des Mündelgutes und der Rechnungslegung, beim Vorstand einer Aktien­ gesellschaft usw. mit der tatsächlichen Einstellung der Geschäftsführung, beim Testamentsvollstrecker mit der Beendigung des Auftrags104). Eine 101) Vergl. Strohal, Deutsches Erbrecht, III. Ausl. Bd. 1, S. 273 N. 28 a. M. Kipp, Erbrecht, § 126,V, Staudinger, zu § 2225, 1,1, vergl. ins­ besondere auch § 2368, Abs. 3 BGB.

102) Der Sprachgebrauch des Zivilrechts ist an sich ja nicht maßgebend.

Das

BGB. spricht übrigens in $ 1890 vom gewesenen Vormund ruhig als vom „Vor­ mund" schlechthin. 103) A.

A.

allerdings

bei Beendigung

der Pflegschaft

durch

den

Tod

des

Kurenden, Nspr. Dd. 2, S. 612. 104) Dies Ergebnis wird für den letzten Fall dadurch gestützt, daß ja jedenfalls

nach

preußischem

Landrecht

das

Amt

des

Testamentsvollstreckers

mit

der

Er­

ledigung der Geschäfte beendet war, da hinsichtlich seiner Dauer die Auftrags­ regeln analog galten.

Vergl. Pr. allg. L. R., Teil I, Titel 12, $$ 557—562.

dolose Zurückhaltung anvertrauten Gutes bei dieser Gelegenheit wäre

Untreue, alles weitere straflose Nachtat 105). V. Die Inhaber der bezeichneten Ämter werden nicht dadurch un­

tauglich zur Begehung des Delikts, daß sie ihr Amt als Ausfluß eines

öffentlichen Amtes innehaben, wie dies z. B. beim Anstaltsvormund,

beim Gerichtsvollzieher als Konkursverwalter der Falt ist. Eine dahin­

gehende Unterscheidung liegt im Gesetz nicht vor106).

8 13. Die Untreue als Vermögensschädigung. I. Bei einer ganzen Anzahl der nach dem Vorstehenden in Betracht

kommenden tauglichen Subjekte kann die Untreue vernünftigerweise nur als Vermögensdelikt aufgefaßt werden **).

Aber auch beim Bor-

i°5) Dergl. im übrigen R. G. St. Bd. 17, S. 241, Bd. 14, S.

184 ff.,

401 ff., Bd. 45, S. 434. Die angeführten Entscheidungen kommen teilweise nur

analog in Betracht.

Ammon, S. 40 f., Draheim, S. 19 f., Binding,

Lehrb. Bd. I, S. 402, Frank, Erl. 11,1, Ebermayer, Erl. 10. i°H) Dergl. auch Ammon, S. 38. *) Dies gilt natürlich insbesondere auch für $ 312 H. G. B. Fuld, G. S.,

Bd. 37, S. 435 drückt sich darum sehr unglücklich aus.

Eine Aktiengesellschaft

hat doch keine persönliche Ehre, sie kann wohl den Ruf der gesetzlichen Zu­ verlässigkeit und der Kreditwürdigkeit haben, das sind aber Vermögensgiiter.

Ob

freilich solche faktischen Zustände geschützt sind, ist weiter unten zu erörtern. Nun ist zu dem im Text und hier in der Anmerkung Gesagten freilich eine ge­ wisse Einschränkung nötig.

Bei einigen der in Betracht kommenden Personen­

kategorien scheint mir allerdings die Amtspflicht restlos in der richtigen Wahr­

nehmung der Vermögensinteressen aufzugehen, so beim Konkursverwalter, beim Sequester, beim Güterpfleger, dem Treuhänder der Hypothekenbank. Der Testa­

mentsvollstrecker hat an sich möglicherweise nicht nur vermögensrechtliche, sondern auch ideale Interessen, z. B. die Ehre des Erblassers gerade in seiner Geschäfts­

führung zu wahren, doch kommt dieser Gedanke strafrechtlich nicht in Betracht. Er kann nämlich nach dem Wortlaut nur dann bestraft werden, wenn er zum Nachteil der ihm anvertrauten Sachen, d. h. eben des Vermögens handelt.

Anders ist es dagegen bei den juristischen Personen.

Diese sind als Sinngebilde

sehr wohl Träger sittlicher Werte, welche von ihren Vorständen zu wahren sind.

Sie haben eine soziale Ehre, dies ist ganz besonders deutlich bei den Stiftungen, trifft aber auch für Handelsgesellschaften zu. Jedoch scheidet dieser Gedankengang

strafrechtlich völlig aus, da ja nicht einmal die eigentliche Beleidigung unseres durchaus individualistisch eingestellten Strafrechtes diese Zusammenhänge berück­

sichtigt. Vergl. z. B. Ebermayer, $ 185 Erl. 4 und 5. Sonach kommt eine Anerkennung dieser Sachverhalte im Bereich der Untreue bestimmt nicht in Frage,

144 mund und Pfleger führt, wie oben erörtert, die geschichtliche Betrach­ tung des Wortlautes zur Annahme, daß nur die Benachteiligung des Mündels oder Kuranden am Vermögen den Untreuetatbestand erfüllt. Völlig zwingend ist allerdings die Schlußfolgerung nicht, sie wird jedoch durch zwei weitere Umstände erhärtet. 1. Würde man auch die Schäden, welche die Person betreffen, herein­

ziehen, so würde der Tatbestand aller festen Grenzen entbehren. Es könnte schlechthin jede vorsätzliche Handlung, welche der sehr umfassen­ den Vormundschaftsverpflichtung zuwiderläust, genügen, um die Ge­

setzesbestimmung zu erfüllen. Dies aber würde dem Grundsatz des § 2 Strafgesetzbuchs zuwiderlaufen, der außer dem Grundsatz des Analogie­ verbotes auch die bisher noch zu wenig bemerkte Forderung der Tat­ bestandsmäßigkeit der Verbrechensbegriffe aufstellt. Außerdem aber wäre die Gleichstellung des Angriffs auf ethische und ökonomische Werte, welche mit einer solchen Auslegung gegeben wäre, im deutschen Strafrecht sonst ohne Beispiel*2). 2. Schließlich ist aber jeder Zweifel beseitigt durch die Stellung­ nahme der Praxis, welche ebenfalls den Nachteil des § 266 Ziff. 1 auf das Vermögen beschränkt. Allerdings wird nur in einem Urteil des Reichsgerichts die Frage ex professo behandelt, hier aber mit sehr

sorgfältiger Begründung3).4 Freisprechende Urteile des Reichsgerichts führen ihrer Art nach zu sofortiger Erledigung der Frage, wenn sie

in den Untergerichten und bei der Staatsanwaltschaft anerkannt werden. So kann ein Urteil an Stelle einer konstanten Praxis stehen. Immer­ hin sprechen noch weitere Urteile

den Grundsatz nebenbei aus.

Da

vergl. im allgemeinen zu dem Problem der juristischen Person Binder, Philo­

sophie des Rechts, S. 445 ff.

Im übrigen handelt es sich durchaus nicht etwa

nur um moralische Pflichten der betreffenden Amtsträger, sondern um rechtliche, was sich insbesondere beim gegen sie auszuübenden Kündigungsrecht zeigt.

2) Vergl. Binding, Lehrb. Bd. I, S. 396, Draheim, S. 41.

Diese

halten die beiden vorgebrachten Argumente nicht auseinander. Das mit $ 2 St.

G. B. gegebene Erfordernis der Tatbestandsmäßigkeit hat

erkannt.

auch Binding nicht

an­

Vergl. über dieses ausführlich unten S. 182 ff.

3) Vergl. R. G. St. Bd. 16, S. 77 ff. 4) Vergl. R. G. St. Bd. 14, S. 404, Bd.

27, S. 40 übereinstimmend :„Die

Worte „zum Nachteil handeln" in § 266 Ziff. 1 St. G. B. ... haben dieselbe Bedeutung wie „das Vermögen beschädigen" in § 263 St.G.B." Ebenso R.G.St.

Bd. 23, S. 282, „ein Handeln zum Nachteil" setzt die Verursachung eines Ver­

mögensnachteils „voraus".

diese Praxis jedenfalls widerspruchsfrei ist5),* da sie ferner der durch­

aus vorherrschenden Lehrmeinung entspricht 6), so ist die Frage damit

endgültig7) entschieden 8). II. Mit dieser allgemeinen Feststellung beginnt jedoch erst die eigens

Gemeinhin bezeichnet man die Untreue als ein

liche Schwierigkeit.

Verbrechen gegen das Vermögen als solches, welcher Definition wir

uns vorläufig anschließen, und stellt sie dann mit Erpressung und Betrug zusammen.

So kommt es dann zu der üblichen Behauptung,

der Vermögensbegrisf der Untreue sei derselbe wie der des Betrugs 9). Der nächste Schritt führt uns dann zu dem bekannten Streit, ob hier der „wirtschaftliche" Begriff des Vermögens oder der „juristische" maß­ gebend sei, wobei als juristischer Begriff dann gern der Vermögens­

begrisf des Zivilrechts untergeschoben wird.

Dieser ganze Gedanken­

gang ist methodisch nicht haltbar.

1. Der Vermögensbegriff ist im Zivilrecht10) sehr umstritten. Durch 5) Bedenken möchte die Bd.

52, S. 44) erregen.

Entscheidung R. G. St. Jedoch

die Beiziehung

Bd. 30, S.

des

494 (G.

A.

Alimentenschuldners ist

zweifellos ein Teil der Vermögensverwaltung des Vormunds. Falls überhaupt ein familienrechtliches Verhältnis zwischen dem unehelichen Kind und seinem Srzeuger vorliegt, so könnte dies auch durch Verschweigen keinesfalls beeinträchtigt

werden. Beeinträchtigt wird nur das Vermögensrecht. G) Vergl. außer den Anm. 2 genannten Allfeld, S. 486, Hälschner,

Gemeines deutsches Strafrecht, Bd. II, S. 393, Merkel in H. H. Bd. III, S. 783, Olshausen, Note 2a, Frank, Erl. IV, Liszt, Lehrbuch § 436,11. Anderer Meinung bedeutsam nur Ammon, S. 44 ff.

7) Unter solchen Umständen ist nach meiner hier nicht zu begründenden Uber-

zeugung die Rechtsprechung in der Lage, objektives Recht zu schaffen. 8) Ganz so einfach, wie die Kommentare zitieren, läßt sich die Sache

aus der Praxis entnehmen, vergl. Anm. 4.

nicht

Im übrigen erreicht hier E b e r -

mayer den Rekord der falschen Zitate, da er gleich vier Urteile: R. G. St.,

Bd. 40, S. 37, Bd. 43, S. 377, Bd. 23, S. 430, Bd. 27, S. 34 zitiert, die

sämtlich nicht hierher gehören, dagegen die einschlägigen Urteile nicht nennt. 9) Vergl. Frank, Erl. IV, Ebermayer, Erl. 8 und 46, Binding,

Bd. I, S. 400, S. 344, Allfeld, S. 486.

Vergl. auch R. G. St. Bd. 44,

S. 404, Bd. 27, S. 40.

10) An Literatur ist in diesem Absatz vor allem zu vergleichen für das gemeine Recht Birkmeyer, Das Vermögen im juristischen Sinn, 4879, Brinz,

Pandekten, 2. Aufl., Bd. 4, S. 445 ff., für das bürgerliche Recht v. T u h r, Allg. Teil, Bd. I, S. 343 ff.

Sehr wichtig ist die Kontroverse von Sohm und

Binder, vergl. Sohm, Der Gegenstand, 4905, ferner Arch. bürg. R., Bd. 28,

S. 473 ff., 3, I. 4908, S. 373 ff., B i n d e r, A. f. Handb. R., Bd. 59, ,S. 4 ff., Arch. bürg. R. Bd. 34, S. 209 ff. Mayer, Das Ttechlsgefühl.

10

146 das BGB. 11) ist jedenfalls eine Änderung gegenüber dem gemeinen Recht nicht eingetreten.

Eine, im Grund auf Savigny zurückgehende

Ansicht unterscheidet die Vermögensrechte von den anderen Rechten

durch ein sittliches Bewertungsmoment. Vermögensrechte sind dar­ nach jene Rechte, welche eine Herrschaft über die äußere Natur ge­ währen oder vermitteln folkn12). Dies ist die ältere Fassung des

Gedankens. Brinz, welcher den Geldwert mit einbezieht, stellt als Merkmal des Vermögensrechtes auf, daß es dem reinen Individual­ interesse bient13). Ähnlich motiviert Windscheid seine Zusammen­ stellung von Sachenrechten und Forderungsrechten als der Vermögens­ rechte^). Die Definition Savignys und Brinz' verschmilzt Enneccerns zu dem Gedanken, daß das Vermögen der individuellen Bedürfnisbefriedigung zu dienen bestimmt fei15). Jede Definition ist

an sich anfechtbar, jedoch die Grundvorstellung, daß wir ein sittliches Werturteil abgeben, wenn wir ein Recht zu den Vermögensrechten zählen, ist von wesentlicher Bedeutung und wird sich auch für die Lösung unserer Aufgabe als fruchtbar erweisen. Aber dieses sittliche Werturteil wechselt mit der Zeitanschauung13) und ist zu keiner Zeit eindeutig bestimmt. Eine andere Ansicht sieht das Kriterium im Geldwert. Vermögens-

Es ist sehr charakteristisch, daß im allgemeinen von den Kriminalisten die zivilistische Literatur nicht zitiert wird, obwohl sie auf den zivilistischen Begr ff verweisen wollen. So zitiert z. B. Frank, $ 263, Erl. V nur den längst über­ holten Birkmeyer. Hätte man sich tiefer mit dem zivilistischen Problem be­ schäftigt, so wäre zweifellos von vornherein eine heilsame Klärung eingetreten. u) ES ist also hier belanglos, daß das St. G. B. noch unter der Herrschaft des gemeinen Rechts erlassen wurde. Auch für das preuß. Privatrecht ergibt die Kontroverse nichts besonderes. Vergl. Dernburg, preuß. Privatrecht, 4. Auft. S. 79 f. 12) So Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I, S. 338 ff., insbesondere S. 340 bei Note b. Klarer und schärfer noch Puchta, Vor­ lesungen, 4. Aufl., Bd. I, S. 75 f. 13) Brinz, Pand. 2. Aufl., Bd. I, S. 449 f. ") Windscheid, Pandekten, 6. Aufl., Bd. I, S. 107. Dabei läuft aller­ dings ein Fehler unter, denn welche absoluten Rechte sind dann Sachenrechte. 15) Vergl. Enneceerus, Bd. I, $ 71 11,2. Seine Definition leidet dar­ unter, daß er die Vermögensrechte im Grund nur von deü Familienrechten ab­ grenzt und das Vermögen dabei per exclusionem bestimmt. 16) Darauf macht schon Brinz a. a. O. aufmerksam.

rechte sind demnach alle geldwerten Rechte17). Dagegen macht Enneccerus18) daraus aufmerksam, daß z. B. die elterUche Gewalt über arbeits­ fähige Kinder einen sehr hohen Geldwert darstellen kann.

Hinzuweisen ist ferner auf die These Sohms, daß Vermögens­ rechte die Rechte des verfügungsgeschäftlichen Verkehrs seien 19). Die

Schwierigkeit dieser Formulierung liegt aber darin, daß es sowohl unveräußerliches Eigentum als unübertragbare Forderungen gibt20). Zuletzt sucht Tuhr2^) in vermittelnder Weise die Ansichten gegen­ einander auszugleichen und zu verbinden. Er läßt aber dabei jedes

einheitliche Kriterium fallen. Aus dieser kurzen Übersicht22)* ergibt sich ohne weiteres, daß mit einer Verweisung aus den zivilrechtlichen Vermögensbegriff wenig ge­ dient ist, abgesehen von der Verschiedenheit der Meinungen lehrt doch der kurze Bericht, daß einem derartig allgemeinen klassifikatorischen Be­ griff des Zivilrechts nur ein sehr bedingter Wert zukommt. Nur in einer Hinsicht stimmen sämtliche Definitionen überein, da sie unter Vermögen jedenfalls nur die Summe oder Einheit aller subjektiven, d. h. anspruchgeschützten Vermögensrechte28) sehen. Demnach zählen nicht zum Vermögen Gesundheit, Freiheit, ArArbeitskraft, Besitz, die tatsächliche Möglichkeit einen Gewinn zu machen,

insbesondere die Kundschaft.

Merkwürdigerweise betrachtet nun aber

das Zivilrecht den in Geld schätzbaren Schaden, der durch den An­ griff auf diese Rechtsgüter entsteht, als Vermögensschaden24).* * Da­

mit ist ein grundsätzlich anderer Vermögensbegriff 17) ©o Virkmeyer, Vermögen, S. 142 ff., S. 290 ff., Dernburg, Pandekten, 3. Ausl., Bdi. I, § 22. 18) a. a. O.

19) Sohm, Gegenstand S. 88, Arch. bürg. R., Bd. 28, S. 184 f. 20) Binder, Z. f. Hand. R., Bd. 59, S. 20 ff.

21) Altgem. Teil, Bd. I, S. 313 ff. 22) Die natürlich nicht erschöpfend sein kann, aber die meiner Meinung nach wesentliche Gesichtspunkte enthalten soll.

und

Vermögen, Vermögen

als

Fragen, welche das Problem Schulden

Summe oder

Einheit

betreffen,

berühren

uns

hier nicht.

2S) Wegen der Schulden vergl. oben Anm. 22. 24) Vom BGB. $ 252 ausdrücklich so bezeichnet. Aber diese Bezeichnung ist auch der gemeinrechtlichen Literatur geläufig, vergl. Windscheid, 6. Ausl., Bd. V, S. 257, Dernburg, Pand., 3. Aust., BII, $ 44, Z. 2.

148 eingeführt, der im allgemeinen von der Rechtslehre wenig Be­

achtung findet 25).

So kennt das Zivilrecht jedenfalls zwei ganz verschiedene Vermögens­ begriffe, bereit einer noch dazu sehr bestritten ist, welche aber jeden­

falls beide schlechterdings nicht miteinander vereinbar sind. Will man den ersten der beiden zivilistischen Vermögensbegrisfe, das

Vermögen als Jabegriff der Rechte

als einen eigentlich positivrecht­

lichen Begriff ausfassen, so kann man ihn in Wahrheit auch nicht ein­

heitlich definieren.

Es gibt nur wenige Rechtssätze 26), welche sich auf

das Vermögen als Ganzes beziehen, aber gerade in diesen Rechtssätzen

wird das Wort Vermögen in sehr verschiedener Bedeutung gebraucht. Der Begriff des Vermögens bei der Erbfolge ist ein anderer als der Vermögensbegrisf des Konkursrechtes, und wieder andere Bedeutung hat

der Vermögensbegrisf im Vertrag über das Vermögen als Ganzes 27). Was Vermögen im Sinne dieser verschiedenen Bestimmungen ist, läßt

sich also nur aus der ratio legis im Einzelfalle entnehmen, indem man an Hand vor allem der Entstehungsgeschichte nachprüft, auf welche Rechte nach dem Willen des Gesetzes die betreffenden Vorschriften An­

wendung finden sollen 28).

Entgegen dieser Verschiedenheit des positiven Rechts liegt aber aller­ dings dem oben geschilderten Dogmenstreit über den Vermögensbegrisf 25) Auf diesen besonderen Begriff macht energisch aufmerksam B r a u w e i l e r , Der Vermögensbegriff, Diss. Erlangen 1910. Wie v. Tuhr, allg. Teil, Bd. I, S. 320 über die Aufstellung eines doppelten Vermögensbegriffes hinwegkommen

will, ist sehr bedenklich.

Man lese nur folgenden Satz: „Obgleich solche Sach­

lagen und Verhältnisse keine Rechte und somit keine Bestandteile des Vermögens

sind, so kann durch einen Eingriff in diese Verhältnisse ein Schaden entstehen

und zwar ein Vermögensschaden:

denn Vermögensschaden

Verletzung von Vermögensrechten vor."

haupt über die Schwierigkeit weg. § 249 Erl. 2, § 253 Erl. 1.

liegt nicht nur bei

Enneccerus, § 234, gleitet über­

Merkwürdigerweise auch Plank — Siber,

Die letztere Stelle ist allerdings aus früheren Auf­

lagen stehen geblieben.

26) Es gibt aber immerhin solche.

Unrichtig v. T u h r, Allgem. Tl., Bd. I,

S. 313.

27) Die mehrdeutige Verwendung des Begriffs Vermögen in dieser Beziehung ist durchaus keine Eigentümlichkeit des BGB., das hier an dem gemeinen Recht

nichts ändert. 28) Richtig Binder, Z. f. Hand. R. Bd. 59, S. 24 f., insbesondere S. 25, „es gibt keinen einheitlichen Vermögensbegriff des positiven Rechts", überein­ stimmend v. Tuhr, allg. T., Bd. I, S. 313.

eine einheitliche Vorstellung zugrunde. Dies ist aber nur möglich, weil

der Begriff des Dogmenstreites gar kein positiv-rechtlicher ist, welcher durch Rechtsnorm bestimmt würde. In diesem Sinne ist vielmehr Ver­

mögen ein rein klassifikatorischer Begriff29).30 Sonach läßt sich auch der Dogmenstr.it gar nicht schlichten, denn ein klassifikatorischer Begriff kann niemals als richtig oder unrichtig bezeichnet werden.

Vielmehr

kann man nur fragen, ob er konsequent durchgeführt ist, ob er geeignet ist, ein sinnvolles Begriffsgebäude zu errichten, in welchem sowohl das Ganze als auch die Teile sich klar und übersichtlich erkennen lassen.

Di.se Ausgabe kann man aber verschieden, wenn auch vielleicht besser oder schlechter lösen.

Tatsache ist jedenfalls, daß auch zur Zeit des Er­

lasses des Strafgesetzbuches die gemeinrechtliche Lehre zu einem einheit­ lichen Vermögensbegrifs nicht gelangt war.

Sind wir also grundsätzlich dem Glauben an die akzessorische Natur

des

Strafrechts abgeneigt, so ist der bei den Vermögensverbrechen

übliche Hinweis auf den Vermögensbegriff im Sinne des Zivilrechts

doch ganz besonders fragwürdig, denn dieser Hinweis wäre ein Weg­ weiser mit sehr viel Armen zu den verschiedensten Gegenden. Der Vermögensbegriff im Sinne einzelner positiver Rechtsnormen hätte

jedenfalls

sofort

auszuscheiden.

Der

Vermögensbegriff

des

Schadenersatzrechts könnte an sich die nächste Verwandtschaft mit einem Vermögensbegrifs des Strafrechts beanspruchen, denn Schadensersatz

und Strafe stehen geschichtlich in naher Beziehung, wenn sie sich auch heute völlig getrennt haben99). Aber auch hier erheben sich Bedenken. So ist es im Sinne des Zivilrechts ein Vermögensschaden, wenn A-

den B durch Täuschung veranlaßt, sich körperlich zu schädigen und

dadurch seine Arbeitskraft zu mindern, ein Vermögensschaden im Sinne

von § 263 St. G. B. liegt aber hier bestimmt nicht vor.

Der Ver­

mögensbegriff der zivilistischen Systematik aber kommt schon deswegen

nicht in Betracht, weil er ja keinesfalls einheitlich festgestellt ist31). Wenn es schon sehr bedenklich ist, daß das Strafrecht auf Rechtsinstitute

des Zivilrechts einfach verweisen soll, so ist es doch ganz unwahrschein­ lich, daß es einen nur klassifikatorischen Begriff der Rechtslehre zu 29) Vergl. vor allem Binder, a. a. O. S. 25 f. 30) Vergl. darüber Binding, Normen, 3. Aufl., Bd..I, S. 270 ff. 31) Und' zwar auch in dem einen Punkt hat dieser Vermögensbegriff für das Strafrecht auszuscheiden, in welchem die Doktrin einig ist, nämlich in dem Punkt, daß das Vermögen ein Inbegriff subjektiver Rechte sei. Vergl. unten S- 157 f. S- 163 f.

150 Grunde legt, wenn man sich über die Tragweite und die Formu­ lierung des Begriffs noch nicht einmal geeinigt hat. Ein besonderer Grund, welcher den zivilistischen Vermögensbegriss für das Strafrecht unanwendbar macht, beruht darin, daß das Straf­

recht zweifellos auch Vermögensrechte öffentlich-rechtlichen Charakters zu schützen berufen ist32).

2. So ist denn die Hauptfrage zu würdigen, ob das Strafrecht einen aufstellt und welchen

allgemeinen Vermögensbegriff für sich besonders

Inhalt derselbe befasse33). a) Der sogenannte juristische

Vermögensbegriss

umschließt die

Summe der subjektiven Rechte. Diese Vorstellung findet sich erstmals noch etwas zaghaft ausgesprochen bei Köstlin: „Als mögliche Gegen­

stände der Verletzung erscheinen jedenfalls alle bereits gegenwärtigen Vermögensrechte, und es darf dabei nicht nur das damnum emergens, sondern es muß auch das lucrum cessans in Betracht gezogen werden, soweit es eben als unvermeidliche Folge der widerrechtlichen Bestim­ mung des Tuns oder Unterlassens des Getäuschten erscheint. Dagegen sind die zukünftigen Rechte in der Tat noch, keine Rechte, sondern nur juristisch mehr oder minder begründete Aussichten auf den Erwerb ge­ wisser Rechte"3^). Diesem widerspruchsvollen Satz tritt nun Adolf Merkel mit der apodiktischen Versicherung bei: „Wenn der Betrug mit Recht zu den Verbrechen gegen die Vermögensrechte gezählt toirby so scheint mir selbstverständlich, daß zu seinem Tatbestand eine Verletzung dieser seiner spezifischen Angriffsobjekte gehöre... Zum Betrug ge­ hört also (!) ein Eingriff in fremde Vermögensrechte... Nur Rechte,

nicht bloße Prätentionen oder faktische Zustände, welche einer recht­ lichen Anerkennung nicht teilhaftig sind, können als die für Behand-

32) Vergl. dazu Binding, Lehrb. Bd. I, S. 34t. 33) Ich beabsichtige hier nicht den ganzen Status causae et controversiae wiederzugeben, da man sich ja über die Streitfrage leicht unterrichten kann und eS sich um sehr bekannte Dinge handelt. Die kriminalistische Literatur ist bei Frank, $ 263, Erl. V im wesentlichen aufgeführt. Im übrigen vergl. B i n d i n g, Lehrb. Bd. I, S. 236 ff. Ich weiß natürlich, daß außer den oben besprochenen beiden Grundvorstellungen des juristischen und wirtschaftlichen Ver­ mögensbegriffes die mannigfaltigsten Kombinationen vorkommen, auf Einzelheiten ist hier nicht einzugehen, umsomehr als viele Aufsätze in dieser Sache, hätten un­ geschrieben bleiben können. 34) Vergl. Köstlin, Abhandlungen, S. 142 f. Er verweist auch auf die zivilistische Doktrin.

lung der (!) Verbrechen zunächst entscheidenden Angriffsobjekte der­

selben gelten"35).

Und ebenso axiomatisch behauptet Binding: „Für

den Kriminalisten wird das Vermögen eines Rechtssubjekts gebildet aus

der Summe aller seiner Vermögensrechte..36).

Das Eigentümliche an dieser Deduktion ist der völlige Mangel an Gründen. Gewonnen ist sie übrigens an Hand der Betrugslehre und

von dort aus verallgemeinert. Diese apodiktische Lehre wird noch verwunderlicher, wenn man die ältere gemeinrechtliche Auffassung des Betrugstatbeständes betrachtet. Bon den drei Erfordernissen des falsum, nämlich dolus, immutatio veritatis und damnum, hat das letztere sowohl geschichtlich als nach dem

Zusammenhang einen vorwiegend „wirtschaftlichen" Sinn, wie dies bei dem Zusammenhang mit der Schadensersatzlehre auch gar nicht anders

möglich ist. So hat also diese Lehre auch gar keine geschichtliche Grundlage3?). Nur scheinbar kann sie sich an das preußische Landrecht anlehnen, wenn dessen Wortlaut das Vermögen im Sinne der Betrugslehre als die Rechte einer Person 38)39 bezeichnen. Damit ist nach dem Sprachgebrauch der naturrechtlichen Periode nämlich gar nicht an Rechte im subjektiven Sinne gedacht. Dies ist ohne weiteres klar, wenn man die einzelnen Unterfälle des Betrugs heranzieht. Denn unter Betrug werden auch aufgeführt Wucher, Dardanariat, Aufkäuferei, Pachtüberschreitung, un­ erlaubte Spiele, Störung des Familienfriedens, Erbschleicherei, Mein­ eid33).

Auch die gemeinrechtliche Doktrin am Anfang des 19. Jahr­ hunderts sieht in dem durch den Betrug zugefügten Schaden einfach 35) Merkel, Abhandlungen, Bd. II, S. 99, 101. Zwischen dem ersten Satz und dem „also" steht zwar ein langer Absatz, aber keine Begründung des Axioms, das nicht einmal durch Literaturverweisungen gestützt ist. 36) .. und Pflichten". Der letztere Gedanke ist gerade kriminalistisch sehr eigentümlich, aber hier nicht weiter zu erörtern. Binding, Lehrb. Bd. I, S. 238. 37) Noch im Codex iuris bavarici criminalis, heißt es Tl. I. eap 9 $ 2 ganz deutlich: „... wodurch die Wahrheit der Sach, teils mit Worten, teils mit Werken und Schriften auf eine gefährlich und anderen zu Schaden gereichende Art verdreht wird...", vergl. auch Kreit 1 mayr, Anm. a, b. 38) Vergl. Pr. allg. L. R. T. II, Titel 20. § 1256. „... wodurch jemand an seinem Recht gekränkt werden soll." Ebenso Klein, Grundriß des peinlichen Rechts, Halle 1796, S. 339 f. 39) Vergl. a. a. O. SS 1271, 1290, 1292, 1293, 1298, 1308, 1309, 1405, vgl. a. Klein, a. a.O. S. 339 ff.

152 den ökonomischen Nachteil, wenn sie auch teilweise an Anlehnung an den Sprachgebrauch des Naturrechts den Betrug als die Verletzung

von Rechten befiniert40). Man kann sich also nicht des Eindrucks erwehren, daß diese so siegesgewiß und ohne jede Begründung vorgetragene Lehre auf einem

primitiven Irrtum beruht. Die naturrechtliche Doktrin hatte den Be­ griff des subjektiven Rechts nicht gekannt, indem sie alle Lebensgüter, welche irgendwie rechtlich geschützt waren, als Rechte ansprach. Als nun eine spätere Zeit unter Recht wesentlich das subjektive Recht ver­

stand, behielt man in der Lehre vom strafrechtlichen Vermögensdegriff die alte Definition bei, daß die Vermögensverbrechen Angriffe auf Ver­ mögensrechte seien. Dabei verkannte man nun und verkennt sogar noch Binding, daß die Rechtsordnung nicht nur durch das Mittel des sub­ jektiven Rechts, sondern auch durch andere Mittel Lebensgüter und zwar auch Vermögensinteressen schützen sann41). In diesem Zusammen­ hang ist es sehr interessant, daß Binding in einer petitio principii be­ hauptet, es könnten eben nur „Rechte" und nicht faktische Zustände ge­

schützt fein42). In dem Augenblick, in dem das Strafrecht einen tat­ sächlichen Zustand schützt, wird er eben zu einem rechtlichen, wenn auch primär kein subjektives Recht entsteht. Sekundär entsteht meistens sogar ein solches, wie sich aus dem § 823 BGB. ergibt. So sehen wir auch hier wieder als im Hintergrund wirkend die Vorstellung von der akzessorischen Natur des Strafrechts. Wie man diese für das Ver40) Vergl. z. B. auch die 6. Aufl. von Quistorp, Grundriß des deutschen

peinl. Rechts, Bd. II, S. 129, § 405.

Der Gebrauch des Wortes Schaden im

Sinne des ökonomischen Schadens ist besonders deutlich auf S. 138 in $ 411a

Sinnt. Wenn

Feuerbach,

Lehrb.

10.

Ausl.,

§ 412

von

Verletzung

wirklicher

Rechtsobjekte spricht, so ist wie beim preuß. Landrecht darauf hinzuweisen, daß ihm auch Leben, Gesundheit, Ehre, Rechte sind. Vergl. vor allem vor $ 206. Martin, Lehrb. d.

„Schaden".

Kriminalrechts, 2.

Aufl., S. 453,

spricht nur von

Er verwirft aber weiterhin das Merkmal des Schadens überhaupt,

da er zum erstenmal den Begriff der Fälschung klarzustellen sucht und den Betrug überhaupt nicht kennt. Vergl. insbesondere S. 450. Ähnlich Wächter, Röm.-

teutsches Strafrecht, Bd. II, S. 218, Nore 99.

Auf die durch Trennung der

Fälschung des Betrugs entstehende Kontroverse ist hier nicht einzugehen.

41) Vergl. über die dogmengeschichtliche Entwicklung ausführlich Binder, Problem der juristischen Persönlichkeit, S. 34 ff.

Hier mußte ich natürlich den

Verlauf schematisieren. 42) Vergl. Binding, Lehrbuch Bd. I, S. 236.

mögensrechr festhalten will und sie gerade hier auf das subjektive Ver­ mögensrecht abstellen kann, wenn man sie sonst verneint, ist mir aller­ dings angesichts des § 823 Abs. 2 BGB- unverständlich43). Im ganzen handelt es sich im Grunde auch hier wieder darum, daß

ein Won von ursprünglich vager Bedeutung nun als präziser Begriff aufgefaßt wird.

Es ist dies nun bereits das dritte Beispiel dieser

Art44).45

b) Soviel genügt, um jene apodiktische Behauptung in ihrer Grund­ lage zu verstehen. Einen herkömmlichen strafrechtlichen Vermögens­

begriff, wie er von Binding aufgestellt ist, gibt es jedenfalls nicht. Ob die Bindingsche Betrugslehre speziell für das geltende Recht zutrifft,

kann uns aber hier gleichgültig bleiben. Es fehlt ja überhaupt jeder Grund, 'einen einheitlichen, strafrechtlichen Vermögensbegriff auszu­ stellen. Man nennt als Verbrechen gegen das Vermögen als solches die Erpressung., den Betrug und die Untreue.

Nun fordert der Wortlaut des Gesetzes bei der Erpressung ^über­ haupt nur, daß ein Vermögensvorteil beabsichtigt sei, es ergibt sich erst aus der allerdings richtigen Auslegung, daß das Vermögen des Angegriffenen irgendwie geschädigt werden müsse. Der Begriff des Vermögensvorteils aber birgt einen viel weiteren Vermögensbegriff als der Begriff des Vermögensnachteils43). Der Betrug erfordert nach dem Wortlaut, daß jemand das Vermögen eines anderen schädigen müsse. Der Wortlaut der Untreuebestimmungen erfordert nur'die Zu­ fügung eines Nachteils.

Es fehlt also im Gesetz jede gemeinsame Etikettierung der drei Ver­ brechen als Vermögensverbrechen. Es findet sich somit gar kein An­

halt, daß ein gemeinsamer Vermögensbegriff bei diesen Strafbestim­ mungen vorgeschwebt habe. Ebensowenig aber läßt sich in der ge­ schichtlichen Entwicklung der systematische Gedanke des Vermögensver43) Vergl.

über diese Frage gut Brauweiler, Der Vermögensbegriff,

S. 181 ff. Er übersieht nur § 823 Abs. 2 BGB.

Eine Einheit muß sich aller­

dings auf diesem Weg beim Vermögensrecht wieder Herstellen.

44) Es handelt sich um die Wandlung von Eigentum im rechtsphilvsophischen Sinn zum Eigentum im technischen Sinn des Zivilrechts, vom Vollmachtsmiß­ brauch int Sinne des Mißbrauchs einer tatsächlichen Machtstellung zum Voll­ machtsmißbrauch im Sinn des Mißbrauchs der rechtsgeschäftlichen Verfügungs­

gewalt, vom Begriff des Rechts im Sinne des Rechtsgutes zum subjektiven Recht.

45) Vergl. unten S. 304.

154 brechens nachweisen, vielmehr hat Binding völlig recht, wenn er aus-

sührt, daß die einzelnen Arten der Vermögensverbrechen schon längst

bestanden, ehe man die Gruppe unter dem gemeinsamen Namen zu­

sammenfaßte und ihr damit eine Etikette von sehr zweifelhafter Ge­ nauigkeit gab 46).

aus

dem

In diesem Zusammenhang lehnt es Binding ab,

zivilistischen

Bermögensbegriff deduktive

Folgerungen

zu

ziehen, aber unmittelbar nachher weicht er von dieser Erkenntnis ab,

indem er zwar nicht den zivilistischen Bermögensbegriff anwendet, aber a priori einen strafrechtlichen aufstellt und aus diesem deduziert. Zu begreifen ist das nur aus der Bindingschen Auslegungslehre. Will man ein so knapp und andeutungsweise gefaßtes Gesetz wie das Straf­

gesetz wesentlich aus seinem Wortlaut auslegen, so wird man nicht viel

erreichen.

Man muß dann stark systematisieren, und das kann man

nur, wenn man zu diesem Zweck a priori

Begriffe aufstellt.

Doch

damit wird verkannt, daß gerade in diesem Fall jedes Delikt eine kleine

Welt für sich bildet. Denn wie Binding ganz richtig bemerkt, nicht die systematischen Vorstellungen haben die Entwicklung geführt, sondern die einzelnen Verbrechen standen längst vor der Gruppenbildung in ihrer

besonderen Gestalt fest47).48 49

c) Damit fällt von vornherein auch die gegenteilige Lehre, daß Ver­

mögen im Sinne des Strafrechts ein wesentlicher ökonomischer Begriff

sei.

Dieser Gedanke ist, wie weiter unten näher auszuführen, über­

haupt methodisch falsch4^). An dieser Stelle kommt er schon deswegen nicht in Betracht, weil ein einheitlicher Vermögensbe­ griff ja überhaupt gar nicht anzunehmen ist.

d) Vielmehr kann nur aus der Geschichte der einzelnen Delikte ent­

nommen werden, durch welche Angriffe der Tatbestand des § 253 er­

füllt wird, was eine Vermögensschädigung im Sinne des § 263 sei, was ein Nachteil im Sinne des § 266 Ziff. 1. Ganz ebenso kann in

der Diebstahlslehre der Begriff der fremden Sache nicht aus dem an­ geblich strafrechtlichen Vermögensbegriff entwickelt werden. Bei der Betrachtung werden sich allerdings verwandte Gedanken­

gänge zeigen, und es wird ein Leitgedanke nicht übersehen werden

dürfen, den ebenfalls Binding ausgesprochen hat4^), den er aber in 46) 47) 48) 49)

Binding, Lehrbuch I, S. 238. Vergl. Binding, Lehrbuch a. a. O. Vergl. unten S. 166. Vergl. Binding, Lehrbuch.

seiner Vermögensdefinition nicht angewandt hat, nämlich, daß das Strafrecht

stets

von

einer wesentlich

realistischen

Auffassungsweise

ausgeht.

Die Untreuebestimmung in § 266 Ziff. 1 ist zu dieser Untersuchung aber mit den in diesem Abschnitt besprochenen Nebengesetzen zusammen­

zufassen, da diese durchaus dem Tatbestände des § 266 Ziff. 1 nach­ gebildet finb50).

Es muß somit angenommen werden, daß der Ver­

mögensnachteil als Tatbestandsmerkmal dieser Bestimmungen den Vor­ aussetzungen des § 266 Ziff. 1 entsprechen soll51). III. Die Aufgabe ist demnach, im einzelnen festznstellen, was unter Nachteil im Sinne des § 266 Ziff. 1 zu verstehen ist.

1. Die geschichtliche Grundlage, von der wir ausgehen müssen, ist die Vormundschastsklage, wie sie im gemeinen Recht ausgebildet war. Sofern diese Rechnungslegung und Herausgabe zum Gegenstand hat,

berührt sie uns weniger. Für die Rechnungslegung kommen ja zweifel­ los nur eigentliche Vermögensrechte in Betracht, beten Einbeziehung

in den Vermögensbegrisf keine Schwierigkeiten bedeutet.

Im übrigen

geht die actio tutelae auf Schadensersatz, also nach allgemeinem Grund­ satz nur auf Ersatz des Bermögensschadens52) und zwar in Geld53).

Vermögensschaden ist somit nur eine Einbuße an Lebensgütern, welche sich in Geld ausdrücken läßt. Aber durchaus nicht jede solche Schädi­ gung ist ein Bermögensschaden, sondern nur ein Schaden an Ber-

mögensgütern kommt in Betracht. Dieser grundsätzliche Gedanke muß

hier betont werden. Bon manchem sogenannten idealen Schaden läßt sich sehr wohl sagen, daß er eine in Geld feststellbare wirtschaftliche Einbuße zur Folge gehabt habe.

Es wird häufig die Wirkung dieses

Schadens für die Zukunft schwer geschätzt werden können, was abar auch beim sogenannten reinen Bermögensschaden oft nur schwer mög­

lich ist. So ist der Entgang einer bestimmten, sicher in Aussicht stehen­

den Heirat sehr leicht als geldwerter Schaden zu bestimmen. Dennoch 60) Vergl. oben S. 74 ff.

51) Vergl. auch R. G. St., Bd. 27, S. 40. 52) Vergl. z. B. W i n d s ch «i d, 6. Ausl., Bd. II, $ 257, N. 3, aber auch Dornburg, Pandekten, 3. Ausl., Bd. 2, $ 44 a. E.

Wenn Dernburg hier

vom Ersah immateriellen Schadens durch Satisfaktion spricht, so kommt das aus das gleiche hinaus.

Denn eine derartige Satisfaktion ist eben kein Schadens­

ersatz.

53) Den, gemeinsamen Recht war der Gedanke der Naturalherstellung fremd.

Vergl. insbesondere Degenkolb, Arch. f. Ziv.-Praxis, Bd. 76, S. 9ff.

156 zählt ein solcher Schaden nach richtiger Ansicht nicht zum Vermögens­ schaden

und

werden^).

kann

auch

mit

der

Deflorationsklage

nicht

verlangt

Es gibt eben Lebensgüter, welche sehr wohl ihren Geld­

wert haben könnten, welche aber nach sittlicher Anschauung ebensowenig in Geld ersetzt verlangt werden dürfen, als sie für Geld käuflich sein bliesen55).

Echter Vermögensschaden ist aber, wenn etwa ein ver­

führtes Mädchen wegen der Schwangerschaft seine Stellung verliert. Der Vormund haftete gemeinrechtlich für die gesamte Vermögens­

verwaltung (nach dem Maßstabe der diligentia quam suis rebus).

Es

5i) Verlangt dagegen kann eine angemessene Entschädigung in Geld werden. Aus dem Zusammenhalt der §§ 825, 842, 847 Abs. 2 BGB. wird dies ohne

weiteres klar, vor allem aber, wenn man die Gegenüberstellung von $$ 1298 und 1300 BGB. heranzieht. Denn § 1298 birgt eben die Definition dessen, was als Vermögensschaden angesehen werden kann. Im übrigen wäre doch die Konsequenz

einer Ansicht, die einen Schadensersahanspruch anerkennen will, daß eben der

Wert der individuellen Heiratsaussicht dem Schadensersatz zu Grunde gelegt werden müßte. Hätte also etwa eine Verführte einen reichen Ehemann in petto gehabt, so wäre sie so zu entschädigen, daß sie als reiche Ehefrau leben könnte. Das ist aber doch offenbar Unsinn. Übereinstimmend auch Staud i n g e r, $ 825, Erl. 4, § 842, Erl. 2, Planck-Unzner, zu § 1300, Erl. 3.

Widerspruchsvoll

Komm,

der

R. G. R.

zu

§ 825

Erl. 7,

wo

aus­

geführt wird, daß überwiegend nicht Vermögensschaden in Frage kommt und § 842 Erl. 2 unter Verweisung auf R. G. Warn. 1912. Nr. 256, a. A. Oert mann, Kommentar § 825, Erl. 4, 823, Erl. 3?, Enneccerus, Bd. II, § 46, III,1. öö) Es ist also nicht ganz genau, wenn Binder, Philosophie des Rechts-, S. 398 f. diese Verletzungen einfach dem Gelde incommenfurabel bezeichnet. Die

Verletzungen, soweit sie als sittliche Verstöße in Betracht kommen, sind aller­

dings incommenfurabel mit Geld.

In ihrer Wirkung brauchen sie es durchaus

nicht zu sein, aber wir betrachten sie aus sittlichen Gründen auch in ihren Wirkungen als incommenfurabel. Übrigens lassen sich auch andere Beispiele anführen.

Ein freigebiger Onkel ist

für einen Studenten rein wirtschaftlich gesehen ein Vermögensgut. Trotzdem wird

man dem Studenten gegen den Mörder seines Onkels, wenn nicht die Verhält­ nisse des § 844, Abs. 2 vorliegen, keinen Anspruch geben, denn wenn ein solcher

Onkel auch goldeswert ist, so zählt er dennoch nicht zu den geldwerten Gegen­

ständen. Eine interessante Aufzählung mancher in Betracht kommenden Verhältnisse bringt R o t e r i n g, Arch. f. Kriminalanthropologie, Bd. 31 S. 114 f.

Hier

käme vor allem etwa folgender Gedanke in Frage: Ein Vormund erzieht wider­ rechtlich den Mündel in einer bestimmten Konfession, welche den Mündel dann

von einem Stipendium ausschließt, auf welches er sonst sichere

besäße.

Anwartschaft

ist ganz selbstverständlich, daß er nicht nur dann haftet, wenn er Rechte dem Vermögen des Mündels entzogen hat, sondern auch, wenn er ihren

Wert verschlechtert.

Ebenso hastet er auch, wenn er Annexe von Ver­

mögenskomplexen, wie z. B. die Kundschaft eines Erwerbsgeschäftes

verdirbt, denn er haftet als Quasimandatar, und der Mandatar haftet zweifellos

auch für solche Vermögensschäden.

Der Vormund haftet

weiter auch für die Erzielung des normalen Gewinns 56), insbesondere

für zinsbare Anlegung der Mündelgelder, die rechtzeitige Zwangsbei­ treibung von Außenständen.

Dabei kann natürlich nicht die in der

Betrugslehre erörterte Frage in Betracht kommen, ob aus diesen zu er­ zielenden Gewinn schon ein Rechtsanspruch bestand.

Der Vormund

haftet also für lucrum cessans und da besondere Einschränkungen nicht

gemacht sind, analog57) den im - 8 252 BGB. ausgesprochenen, aber schon für das gemeine Recht gültigen58) Grundsätzen.

Insofern die actio tutelae Schadensersatzklage ist, kann sie das Ver­ mögen. nur als amorphe Wertmasse begreifen.

Schadensersatz

kann

nur dann in Frage kommen, wenn tatsächlich der Gesamtgeldwert des 56) Im ursprünglichen römischen Recht beschränkte sich der Anspruch wohl auf den positiven Schaden, vergl. Girard-Mayr, S. 240 Note 1. Ob die

Haftung für Gewinnentgang nach dem corpus iuris ganz allgemein gilt, scheint mir zweifelhaft. S o h m, Institutionen, 15. Aufl., S. 671 nimmt es an. Vergl. auch D. Lib. 27 Titel 3, lex 1 pr. Die Reichspolizeiordnungen von 1548 Titel 31

und 1577, Titel 32 haben die Haftung für Gewinnentgang nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber im 18. Jahrh, steht diese Haftung fest.

Vergl. Kreitt-

m a y r, Anm. zum bayer. Landrecht, Bd. I, S. 218 („hingegen an der Einnahm nichts verabsäumen")» Für die spätere Zeit vergl. T h i b a u t, Pandekten, 8. Aufl. $ 416 („vollen positiven Fleiß anwenden"), Puchta, Pandekten,

12. Aufl., § 348, Vorlesungen, 4. Aufl., Bd. II, S. 206, Windscheid, Pand. 6. Aufl., Bd. II, $ 349,2, Dernburg, Pand. Bd. III, $ 49, ebenso natür­ lich auch das Partikularrecht, vergl. Dernburg, preuß. Vormundschaftsrecht,

S. 214.

57) Nicht unmittelbar, da der Wortlaut auf Eingreifen eines Dritten zu­

geschnitten ist.

.

ö8) Vergl. Enneceerus, § 235,V. Im übrigen ist das Vermögen, wie es

unter Ausschaltung des sogen, positiven Schadens berechnet wird, ein genau so fiktiver Wert. Darum irrig, R o t e r i n g, Arch. f. Kriminalanthropologie, Bd. 31, S. 124. Auch Förster, preuß. Priv.-R., 1. Aufl., Bd. I, S. 694 stellt den Gewinnentgang in keinen scharfen Gegensatz zum positiven Schaden.

Auch nach

preuß. Landrecht wird danach bei doloser Zuwiderhandlung gegen die Vormnnd-

schaftsverpflichtung

für

hierum cessans in

kommt es im Strafrecht vor allem an.

vollem Umfange

gehaftet.

Darauf

158 Vermögens vermindert ist. Damit sind eine Anzahl Einzelsragen be­ antwortet. Eine bloße Gefährdung reicht niemals aus, um eine Schadensersatzklage zu begründen, sie muß den Gesamtgeldwert tat­ sächlich mindern. Eine Gefährdung ist auch die Schmälerung der Urkundlichkeit des Vermögens. Aber gerade diese wird im Regelfälle den effektiven Geldwert des verbrieften Rechts verringern. Eine Schädi­ gung, welche gleichzeitig einen Vorteil mit sich bringt, der sie aüs-

chiegt, ist natürlich in Wahrheit keine Schädigung (compensatio lucri cum damno). Aber wenn der Vormund nur nachträglich Ersatz leistet,

so fällt mit dem Augenblick der Ersatzleistung zwar der zivilistische Klagegrund fort, aber natürlich niemals die Tatsache, daß zu einem» gewissen Zeitpunkt einmal eine Klage begründet gewesen wäre. Schließ­ lich kommt es für den Schadensersatzanspruch nur auf den Gesamt­ geldwert an, die Vernichtung eines Affektionswertes genügt nicht, um die actio tutelae ju begründen. Bloßes Asfektionsinteresse liegt auch inmitten, wenn ein Einzelrecht gegen vollen Wertersatz weggegeben wird, z. B. wenn der Vormund dem Mündel den ererbten Hof günstig verkauft. Nur ist dabei stets zu beachten, daß der rein ökonomische Wert sich vielleicht gerade durch die Person des Bermögensinhabers bestimmen kann, wie etwa in dem angeführten Beispiel. In alten Fällen genügt es aber nicht, den Wert zu vergleichen einfach in den Zeitpunkten vor und nach der zu Schadensersatz verpflichtenden Hand­ lungen. Vielmehr muß der tatsächliche Vermögensstand nach dex be­ treffenden Handlung mit dem Bermögensstand verglichen werden, der bei ordnungsmäßiger Vermögensverwaltung erreicht sein müßte.

Wenn allerdings der Vormund ordnungswidrig Güter an sich selbst gebracht hat, so daß noch eine Herausgabeklage möglich ist, so bezieht

sich die actio tutelae auch auf einzelne Rechte, unabhängig davon, ob der Vormund ausreichenden Ersatz zum Vermögen des Mündels ge­ leistet hat oder nicht.

Die actio tutelae stützt sich aber nur auf die Verletzung der Ver­

pflichtung zur Vermögensfürsorge, sie ist nicht gegeben, wenn sich aus der Verletzung der Pflicht zur Personensürsorge ein Vermögensschaden entwickelt. Für das römische Recht59) lehrt dies schon der Aufbau der actio tutelae, insbesondere wegen des Zusammenhangs mit der Rechnungslegung. Dahin führt vor allem die allgemeine Einstellung

ö9) Vergl. auch Girard-Mayr a. a. O. S. 239 ff.

des römischen Rechts zu Schäden, welche aut Angriffen auf die Person

entstanden sind.

Die Reichspolizeiordnungen bringen hierzu nichts

Neues. Auch für das ältere gemeine Recht wurde dies als selbstver­ ständlich angenommen 60). Auch die neuere .Doktrin des gemeinen Rechts60 61),

ebenso wie das preußische

Landrecht62)

auf

beharrten

diesem Standpunkt. Man muß dazu rein praktisch bedenken, daß die Personensürsorge verhältnismäßig weniger ins Gewicht fiel, in einer

Zeit, die auch dann schon einen Vormund einsetzte, wenn die Mtter noch lebte.

Z.Diese actio tutelae ist die geschichtliche Grund­ lage unserer Untreuebe st immun g. Die insamierende Wir­ kung 63) der actio wurde von einer späteren Zeit in peinliche Strafe umgedeutet 64). Sowohl in der Reichspolizeiordnung als auch im Feuerbachschen Lehrbuch und im Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 ist der Untreuetatbestand nichts anderes als der Tatbestand der actio tutelae, Im Bayerischen Strafgesetzbuch von 1813 wird allerdings

dieser Rahmen überschritten, und auch bei der Vorbereitung des Preußi­ schen Strafgesetzbuches wurde die Erweiterung der Untreue auf An­ griffe gegen die Person vertreten. Es möchte daher bedenklich erscheinen, unmittelbar auf die actio tutelae als Richtschnur der Auslegung zu­ rückzugreifen. Aber wenn die weitere Entwicklung diese Ausdehnung des Untreuebegrisfes nun einmal verwarf dadurch, daß die Verletzung 60) Vergl. Kreittmayr, Anm. z. bayer. Landrecht, I. Teil, 7. Kap. § 26

a. A. Die actio tutelae wird hier nur wegen der Administration gegeben.

ist gleichbedeutend mit der Vermögensverwaltung.

Diese

Vergl. die Überschriften der

$$ 11, 12. Vergl. z. B. auch Würzburger Landrecht, Titel 21.

61) Vergl. Thibaut, Pand., 8. Ausl., Bd. I, S 429, Puchta, Pand., 12.

Aufl., S 353.

S 347.) S. 90.

(Nur

Klage wegen der Administration, vergl. über diese

Keller, Pand. S 441, Dernburg, Pand. 3. Aufl., Bd. III, Nur bei Windscheid ist dies etwas unklar, aber doch wohl nach dem

näheren Zusammenhang kaum anders aufzufassen. Vergl. Pand., 6. Aufl., Bd. II, S 438,1.

62) Vergl. Förster, Preuß.

Priv.-R.,

I. Aufl., Bd.

III, S.

648.

Die

preußische Vormundschaftsordnung von 1875 kommt natürlich ebensowenig mehr in Frage wie das BGB., das auch für Vermögensschaden, der aus der unzu­ reichenden Personensürsorge sich ergibt, haften läßt. Vergl. Planck-Unzner,

S 833, Erl. 2, Staudinger, S 833, Erl. 2 a. Motive, Bd. 4, S. 1176.

63) D. Lib. III. Tit. 2,1.1. 64 a. 61) Vergl. im wesentlichen oben S. 35 f. S. 38 f.

160 der Personensürsorge nicht zur Strafe herangezogen wurde, so ist es doch berechtigt, anzunehmen, daß die Entwicklung sich überhaupt zum geschichtlichen Ausgangspunkt des Delikts zurückgewendet hat. Diese Erwägung wird durch zwei weitere Gründe unterstützt, näm­ lich durch die systematische Stellung des Verbrechens und weiter

durch die Tatsache, daß im Grunde die oben entwickelte Haftung bei der actio tutelae nur eine genauere Analyse der Vorstellung ist, welche der gemeine Sprachgebrauch mit dem Worte Nachteil verbindet 65).

Auch für die nachgebildeten Delikte ist es berechtigt, die gleiche Grundlage anzunehmen.

Denn einmal sind wir befugt, anzunehmen,

daß sie denselben Tatbestand, nur durch andere Subjekte verwirklicht, kriminalisieren wollten, zum andern ist aber auch das Jnnenverhältnis

des Zivilrechts dem Vormundschaftsrecht durchaus gleichgeartet. So ist der Begriff des Vermögensschadens im Sinne von § 266 Zijf. 1 und der nachgebildeten Strafbestimmungen an Hand des Vermögensschadensbegri,fs der actio tutelae zu entwickeln. a) Der erforderliche Vermögensnachteil muß aus

der dolosen Verwaltung des Vermögens entstehen. Außer dem Zusammenhang mit der actio tutelae ergibt sich dies aus der systematischen Stellung des Verbrechens. Wenn man überhaupt den Nachteil auf den Vermögensnachteil beschränkt, so muß auch diese Ein­

schränkung gewollt werden. Denn es hätte keinen Sinn, beispielsweise die Verführung 66) des Mündels nur dann als Untreue zu behandeln, wenn damit ein Vermögensschaden verbunden ist. zu einer ganz unmöglichen Wertung.

Wir kämen damit

Einen Sinn aber hat es, die

Angriffe auf die Person in ihren leiblichen und sittlichen Beziehungen auszuschließen aus dem Bereich der Untreue, weil diese Angriffe, sofern

sie überhaupt strafbar sein sollen, an anderer Stelle erschöpfend aufge­

zählt sind. Vermögensverwaltung ist aber die wirtschaftliche und recht­

liche Disposition über diejenigen Rechte und Güter, welche wir nach unserem sittlichen Urteil als käuflich oder den Zwecken des Wirtschafts­

verkehrs dienend vorstellen. Nicht allein weil sie geldwert sind, son­ dern weil wir sie außerdem als Geldwert betrachten dürfen. Solche Dispositionen sind demnach Verkauf einer Sache, aber auch die Anord65) Gerade der Laienverstand der Morte ist aber für das Strafrecht zunächst maßgebend. Vergl. auch Eckstein, G. A. Bd. 58, S. 81.

66) Oder noch klarer die dolos nachlässige Erziehung, denn hier greift eine andere Strafbestimmung nicht ein.

nung einer bestimmten HersteLlungsweise des Produkts der einer Aktien­

gesellschaft gehörigen Fabrik. Ob eine Angelegenheit der Vermögens­

verwaltung vorliegt, kann demnach der Richter immer nur im Einzel­

salle entscheiden. Da die Rechtsprechung sich in dieser Beziehung ruhig ihrem Instinkt überlassen durfte, hat sie diese Richtlinien auch durchaus eingehalten.

Die Beitreibung des Unterhalts eines außerehelichen Kindes ist eine Angelegenheit der Vermögensverwaltung67).

Aber wenn der Vor­

mund sein Mündel beleidigt68),69so ist dies kein Nachteil im Sinne des § 266 Ziff. 1, weil die Fürsorge für die Ehre eine Personenangelegen­

heit und keine Vermögensangelegenheit ist, mag sie auch immerhin auf die Vermögensverhältnisse Einfluß gewinnen können. Aber umgekehrt verlieren Angelegenheiten der Vermögensverwaltung diesen Charakter nicht schon deshalb, weil ihre dolose Verwaltung sittlichen Schaden mit

sich bringt, wie wenn sich der Vormund an der Verschwendung des

Mündels bereichert, denn es ist Angelegenheit der Vermögensverwal­ tung, eine Verschwendung zu verhindern 69). b) Der Vermögensnachteil besteht in der Vernichtung oder Ent­

wertung von eigentlichen Vermögensrechten sowohl wie von Vermögens­ gütern. Niemals genügt die Zerstörung eines Asfektionswertes, viel­ mehr ist stets eine Minderung des Vermögensgeldwertes erforderlich 70). Auch wer es unterläßt, den Gewinn zu ziehen, den er pflichtmäßig zu

ziehen hätte, verursacht einen Vermögensnachteil im Sinne des §266 Ziff. 1. Dies folgt wiederum nicht nur aus dem Zusammenhang mit der actio tutelae, sondern auch aus dem Gebrauch des Wortes Nach­ ei) G. A. Bd. 5t, S. 44, R. G. St. Bd. 30, S. 19t ff.

68) N. G. St. Bd. 16, S. 78 ff. Der Vormund gab hier dem Schwangerer seines Mündels das Material, die exceptio plurium zu erheben.

69) G. A. Bd. 44, S. 149.

Vormund hatte gestattet, daß sich das Mündel

über den vernünftigen Bedarf hinaus, Luxusgegenstände aus dem Laden des Vormunds entnahm. 70) Denn der Affektionswert ist eben kein in Geld ersetzbarer Wert, mithin kein Vermögensschaden.

So liegt keine Untreue vor, wenn der Vormund einen

Familienschmuck, der als Kunstwerk wertlos nur den Metallwert hat, einschmelzen

läßt, etwa um dar Andenken an den verhaßten Vater zu vernichten. Oder, wenn der Vormund das Erbgut des Mündels böswillig verkauft.

Nur ist natürlich der

Geldwert auch immer in Beziehung auf eine bestimmte Person als Vermögens­

inhaber festzustellen. Ein Bauernsohn kann viel mit einem Hof, aber wenig mit Effekten anfangen. Vergl. N. G. St. Bd. 16, S. 7 (bei einer Entsch. über Be­ trug).

Mayer, Das Aechisgefühl.

11

162 i

teil, welches ganz allgemein auf das Schadensersatzrecht hinweist und auch nach dem laienmäßigen Sprachgebrauch durchaus diese Bedeutung

hat. Daß Vorstände von Erwerbsgesellschaften Untreue begehen, wenn

sie dolos Gewinn zu ziehen unterlassen, ist eigentlich selbstverständlich. Würde Gewinnvereitelung den Tatbestand nicht erfüllen, so wäre da­ mit die Untreue dieser Personen praktisch weithin straflos.

Fall, daß dolos nicht der mögliche Gewinn

Denn der

erzielt wird, ist weit

leichter denkbar als der, daß das Vermögen unmittelbar vermindert

wird.

Eine Erwerbsgesellschast muß nach ihrem ganzen Wesen gerade

auch gegen Untreue nach dieser Richtung geschützt werden. Nun führt

allerdings das Reichsgericht in einem Urteil, das im Ergebnis durchaus

diesen Gedankengängen entspricht, in Anlehnung an die ältere, in­ zwischen ja bekanntlich abgebogene Betrugspraxis71) aus, daß die Ge­

winnvereitelung nur dann als Untreue anzusehen sei, wenn auf den Gewinn ein rechtlicher Anspruch bestanden habe, oder wenn er mit.

Sicherheit zu erwarten gewesen sei.

Daß ein rechtlicher An­

spruch gegen einen Dritten bestanden haben müsse, fordert also das Reichsgericht nicht unbedingt und ausnahmslos. Dies wäre beim Vormundschaftsrecht schon um deswillen nicht an­

gebracht, weil ja die Verpflichtung des Vormunds, die Mündelgelder verzinslich anzulegen, ausdrücklich gesetzlich festgestellt ist.

Eine Ver­

letzung dieser Verpflichtung wurde demnach auch vom Reichsgericht 71) Wegen der Untreue vergl. N. G. St. Bd. 27, S. 39 ff., insbes. S. 43. Das Reichsgericht führt in den früheren Urteilen hinsichtlich des Betrugs ziem­

lich übereinstimmend aus, daß Gewinnvereitelung nur dann den Betrugstatbestand begründen könne, wenn auf den Gewinn ein rechtlicher Anspruch bestanden habe, oder dieser ohne weiteres mit Sicherheit zu erwarten gewesen sei. Vergl. R.G.St.

Bd. 13, S. 8 ff. (Hier noch nicht so ausgeprägt, denn das N. G. spricht nur von

Vereitelung einer Hoffnung, aber daraus allein hätte sich nur Zurückverweisung

ergeben.) Die häufig zitierte Entscheidung, Bd. 16, S. 1 ff., kommt hier weniger in Betracht. Ausdrücklich wird der Gedanke ausgesprochen in R. G. St. Bd. 23, S. 55 ff. und Bd. 26, S. 239 ff. Eine Begründung des Standpunkts vermisse

ich in allen Fällen. Die späteren Urteile R. G. St. Bd. 38, S. 108 ff., Bd. 41, S.373 ff. führen unter Berufung auf § 252 BGB. das glatte Gegenteil aus. Wenn das N. G. seinen veränderten Standpunkt mit der Änderung des Zivil­ gesetzes in $ 252 BGB. begründen will, so ist dies natürlich abwegig.

Vergl.

darüber Frank, $ 263, Erl. V 3b und die dort angeführten Stellen. Hier ist keine Stellungnahme veranlaßt, soweit es auf den Tatbestand des Betrugs selbst

ankommt. Aus der späteren Geschichte des Betrugsdeliktes sprechen in der Tat erhebliche Gründe für die ältere Auffassung des R. G.

folgerichtig als Untreue anertannt72). Einen anderen Fall strafbarer

Untreue, begangen durch Gewinnvereitelung, sah das Reichsgericht

darin, daß der Liquidator einer Genossenschaft Forderungen, wegen deren einzelne Gläubiger bereit waren, sich weit unter dem Nominal­ betrag befriedigen zu lassen, nicht direkt mit den verfügbaren Mitteln

der Kasse tilgte, sondern sie statt dessen für sich erwarb und sie dann

zum vollen Betrag geltend machte73).74 75 Bei genauerer Betrachtung

spricht aber das Reichsgericht auch in dem oben erwähnten, grund­ sätzlich gehaltenen Urteil nichts anderes aus, als daß im Strafprozeß

andere Beweisregeln gelten als im Zivilprozeß, daß also der Gewinn-

entgang genau ebenso zu beweisen ist wie alle anderen strafbegründen­ den Tatsachen, nämlich als historische Gewißheit7^). Insofern ist

es allerdings richtig, daß § 252 BGB. als Beweisregel eine singuläre Vorschrift ist, welche zunächst nur für das Privatrecht gilt.

Der Be­

weis ist vielmehr strafrechtlich nach § 261 St. P. O. zu führen7ö). Daß auch die Schädigung von Vermögensgütern, die nicht als sub­

jektive Rechte konstruiert sind, im übrigen einen Nachteil im Sinne

des § 266 Zisf. 1 darstellt, bedarf nach allem, was oben ausgeführt ist, insbesondere nach der Aufdeckung des Zusammenhangs mit der actio tutelae und dadurch mit dem Vermögensbegriff des Schadens­ ersatzrechtes keiner längeren Begründung. Auch verträgt es sich nicht mit dem schlichten Wortverstand, zu behaupten, daß etwa der Vorstand

einer Aktiengesellschaft dieser keinen Nachteil zufüge, wenn er absicht­ lich die Kundschaft vertreibt, oder wenn er absichtlich ihren guten Ruf

als zuverlässige Firma dadurch zerstört, daß er minderwertige Ware Herstellen läßt oder liefert.

Auch der Besitz gehört in diesem Sinns

fraglos zum Vermögen. 72) G. A. Bd. 36, S. 400. 73) Vergl. N. G. St. Bd. 19, S. 186. 74) Vergl. N. G. St. Bd. 27, S. 39 ff., insbes. S. 43: „Ob sich aber (ein Kontrahent) zur Zahlung höherer Preise verstanden haben würde, wenn der Am

geklagte (Vorstand einer A. G.) das Angebot von 20 Mk. pro Doppelwaggon nicht angenommen hätte, ist durchaus nicht sicher, zumal sich das patentierte Ver­

fahren bei Abschluß der Verträge schon bewährt hatte.

Nach den tatsächlichen

Verhältnissen bestand für den Verein (die A. G.) nur die Möglichkeit, daß er ohne die Handlungen des Angeklagten einen Gewinn erzielt haben würde.

In

der Vereitelung dieser Möglichkeit ist aber eine Vermögensbeschädigung nicht zu finden."

75) Vergl. Frank, $ 263, Erl. V, 3b. Rotering, G. S. Bd. 67, S. 220.

ir

164 i

So bedeutet die Zufügung eines Vermögensnachteiles für uns an

dieser Stelle die Schmälerung der geldwerten Vermögensrechte und Vermögensgüter in diesem ihrem Geldwerte und zwar gegenüber dem Zustande nicht vor der schädigenden Handlung, sondern gegenüber dem Zustand, welchen das Vermögen bei pflichtmäßiger Verwaltung

erlangt hätte76). c) Bei der Untreue kann als Vermögensschädigung nur gelten die Minderung — in dem oben beschriebenen Sinn — des GesamtGeldwertes des Vermögens. Ob diese These für den Betrug zutreffeu würde, erscheint mir recht zweifelhaft.

Beim Betrug wird nicht nur

die ökonomische Lage geschädigt, sondern auch der Wille, ein bestimmtes Einzelrecht zu erlangen, oder auch ein bestimmtes Einzelrecht nur unter gewissen Voraussetzungen aufzugeben, mißachtet77).

Ein solcher

Wille und nur ein solcher ist imstande, eine Beziehung des Mündels zu einem einzelnen Recht zu schaffen.

Aber gerade, daß ein solcher

Wille maßgebend vorhanden sei, wird doch bei allen hier in Betracht kommenden

Pflegebefohlenen

vom Recht entschieden verneint.

Wir

sahen oben, daß die Vormundschaftsklage nur dann auf Herausgabe geht, wenn der Vormund eine Sache aus dem Mündelvermögen, wenn­

gleich unter Ersatz ihres Wertes, an sich genommen hat. Dann ist die 76) Vergl. über den maßgeblichen Zeitpunkt des Vergleichs Pröll, G. A. Bd. 66, S. 148 ff.

Einzelnes daran ist bedenklich, vor allem geht Pröll von der

Anerkennung des sogen, juristischen Vermögensbegriffes aus.

77) Nur in dieser Umprägung scheint mir die Bindingsche These haltbar zu sein.

Vergl. Dinding, Lehrb. Bd. I, S. 351 ff.

Aus dem Vermögensbegriff

läßt sie sich nicht folgern, denn die ganze oben S. 150 ff. dargestellte Argumentation

ist ja auch für den Betrug nichts weiter als eine petitio principii. Binding vergl. a. a. O. S. 359 ist genötigt, eine obligatorische Kraft der Vorbesprechungen

eines Vertrages anzunehmen, dem Betrogenen ein Recht nicht aus dem Vertrag, sondern aus den Vorbesprechungen zuzuschreiben.

Dies in einem Umfang, wie es

zivilrechtlich sicher nicht angenommen werden kann. Allerdings übersehen die straf­

rechtlichen Kritiker Dindings gänzlich, daß nach der neueren Lehre von der culpa in contrahendo auch im Zivilrecht heute weithin angenommen wird, daß schon aus den Vorbesprechungen eine Verpflichtung zu ehrlichem Verhalten beim Vertrags­ schluß folgt, die auch durch Schadensersahklage geltend gemacht werden kann.

Vergl.

Planck-Siber,

Schuldverhältnisse

S.

192.

Außer

den

dortigen

Zitaten neuerdings Reichsgericht I. W. 1922, S. 1313, R. G. Z. Bd. 104 S. 265. Mit unserer Auffassung erhielte der Betrug ein doppeltes Angriffsobjekt. Diese wichtige Wendung des Betrugs gegen den Willen konnte m. E. nur infolge des methodischen Zwanges übersehen werden, welche die Systematik nach Verbrechens­

objekten mit sich bringt.

actio tuteiae

allerdings begründet nicht als Schadenersatzklage, son­

dern als Herausgabeklage.

Es hat aber keinen Sinn, die Verletzung

einzelner Rechte nur dann als Untreue anzusehen, wenn der Vormund auf Herausgabe verklagt werden kann. Sonst läßt sich aber kein Maß­ stab finden, ob einzelne Rechte verletzt sind oder nicht. Der Wille des

Mündels nach seiner Volljährigkeit kann doch nicht in Betracht kommen, oder sollten etwa die Vorschriften entscheiden, welche dem Vormund be­

stimmte Geschäfte entziehen? Es kann doch die Verletzung solcher Vor­ schriften n-cht an sich strafbar sein, wenn diese Geschäfte höchst vorteil­

haft waren. So führt der Zusammenhang mit der Schadensersatzklage

der actio tuteiae, die das Vermögen nur als amorphe Masse kennt, und

die Natur der Sache zu der Forderung, daß das Vermögen in seinem Gesamtgeldwert geschmälert sein muß, wenn Untreue vorliegen sott78 * *).*

d) Die Vermögensschädigung muß endlich tatsächlich erfolgt sein, eine bloße Gefährdung genügt nicht79). Es besteht nicht der leiseste An­ laß, insoweit über die geschichtliche Grundlage der actio tuteiae hinaus­ zugehen.

Man käme sonst praktisch dazu, das Versuchsstadium in die

vollendete Handlung hineinzunehmen, was gerade deshalb bedenklich ist, weil bei Untreue der Versuch nicht strafbar ist.

Eine Gefährdung,

welche bereits den gegenwärtigen Geldwert des Vermögens mindert, ist in diesem Sinne natürlich bereits ein gegenwärtiger Schaden. Da­

gegen ist die Behauptung, daß ein vorübergehender Schaden genüge, in dieser Allgemeinheit unzutreffend.

Eine Handlung, welche Nach­

teile und Vorteile int Gefolge hat, wobei sich die Vorteile etwas später einstellen, verursacht deshalb in unserem Sinne noch keinen Schaden, Wenn aber der Vormund etwa Mündelgeld entnimmt und dann wieder­

erstattet, oder wenn er durch Verschweigen der Miterbenqualität des

Mündels89) diesem zunächst sein Erbteil entzieht, aber schließlich ohne Erfolg, weil die Sache aufkommt, so liegt allerdings Untreue vor.

Denn einmal gab es hier wirklich einen Zeitpunkt, zu welchem die actio

tuteiae begründet gewesen wäre, andererseits ist es aber bei sämtlichen« Vermögensverbrechen gleichermaßen nicht erforderlich, daß der durch 7a) Von dieser Auffassung geht auch R. G. St. Bd. 27, S. 39 ff. aus. Über­ einstimmend unter Hinweis auf die Betrugslehre, Frank, Erl. IV, Ebermaner, Erl. 3, Staub, § 312 HGB., Erl. 9, Draheim, S. 43. Un­ bestimmt A l l f e l d, S. 486. 79) A. A. R. G. St. Bd. 53, S. 194. 8,)) Vergl. R. G. St. Bd.19, S. 80 ff.

166 die strafbare Handlung herbeigeführte Zustand nicht korrigiert werden

könne. Ein besonders wichtiger Fall der Gefährdung ist die Zerstörung oder Entziehung von Urkunden. Sie wird fast immer echte Schädigung sein, ist allerdings auch nur dann strafbar81). Eine gewinnsüchtige

Ausnützung des anvertrauten Gutes ist an sich nicht strafbar, sie ist vielmehr eben nur dann strafbar, wenn sie zu einer Schädigung des anvertrauten Vermögens führt82).

3. Dieser sonach entwickelte Begriff des Vermögensschadens kann keinesfalls als ein ökonomischer Begriff bezeichnet werden, dieser Be­ griff ist vielmehr genau so juristisch wie der Vermögensbegriff des Zivilrechts, wie er zu kLassifikatorischen Zwecken aufgestellt wird. Die Meinung, daß Vermögen im Sinne des Strafrechts ein wirtschaftlicher Begriff fei83), ist unhaltbar und mußte umgekehrt die unzutreffende Lehre Bindings fördern. Sollte denn etwa der Betrugstatbestand seine genauere Begrenzung jeweils daraus erfahren, was die Volkswirt­ schaftslehre, welche ja in ihren Begriffen recht wandelbar ist, unter Vermögen versteht? Dies ist vollends schon deshalb unmöglich, weil die Volkswirtschaftslehre ja gar kein Interesse hat, den Vermögens­ begriff anders aufzustellen als im Gegensatz zum Einkommensbegriff, und als Vorstufe für den Kapitalbegriff, eine im Strafrecht ganz un­ verwertbare Begriffsbildung. Grundlage der juristischen Begriffsbildung

ist vielmehr hier die L a i e n Vorstellung vom Vermögen, welche inso­ fern, als die natürliche der juristischen entgegengesetzt werden kann, als

sie noch nicht für einen anderen juristischen Zweck, nämlich ursprünglich 81) Anderer Ansicht Binding, Lehrb. Bd. I, S. 400, der die Schmälerung der Urkundlichkeit des Vermögens schlechthin für strafbar hält.

82) Bedenklich darum das Urteil des Obertribunals in G. A. Bd. T9 S. 320: Sequester läßt Mehl in der sequestrierten Mühle mahlen.

Obertribunal spricht

mit Recht frei, aber nur weil Sequester des dolus deshalb ermangelt habe, weil er allein als ausfallende Hypothekgläubiger in Frage gekommen sei.

Es wäre

aber doch zunächst zu untersuchen, ob überhaupt wirklich eine Geldaufwendung damit

verbunden

war,

oder

ob

irgendwie Gewinn entgangen ist.

tatsächlich

der

sequestrierten

Vermögensmasse

Diese ist nach Lage des Falles durchaus nicht

notwendig. 83) So die Reichsgerichtspraxis. Vergl. Ebermayer, $ 263, Erl. 6. Eck­

stein, G. A. Bd. 58, S. 70 ff. Nicht ganz korrekt auch Brauweiler, Der Vermögensbegriff, Diss. Erlangen 1910, S. 181 ff. Dörr, Uber das Objekt bei den strafbaren Angriffen auf Vermögensdelikte, Breslau 1897, S. 16 ff.

Für

das Schadensersahrecht auch Fischer, Der Schaden nach dem BGB., Jena

1903, S. 14 und zustimmend Tuhr, Kr. V. I. S. 1907, S. 63.

den der Durchführung des Erbrechts umgebildet ist*84). Die Gegenüber­ stellung bei Ulpian: „Bonorum appellatio aut civilis aut naturalis

est" 85)86bringt dies auch ganz richtig zum Ausdruck. Aber freilich über­

nimmt das Recht nicht etwa einfach eine solche schwankende Bezeich­ nung des täglichen Lebens. Wie es überhaupt jeden Begriff zu einem Rechtsbegriff zuschärft88), so formt es diesen Laienbegriff zu einem

technisch juristischen Begriff, aber hier im Strafrecht durchaus unter Beibehaltung einer realistischen Anschauungsweise.

Das Ergebnis ist

dann der Begriff des Vermögensschadens und des Vermögens, wie wir ihn eben gefunden haben. So „schafft sich das Recht allerdings seinen

eigenen

Vermögensbegriff zu Rechtszwecken", aber

immer

zu

dem

konkreten Zweck, den es im Auge hat, und verwendet nicht den

Bcrmögensbegriff des Erbrechts zur Aufstellung des Untreuetatbestandes, wo er zweckwidrig toöre87).

8 14.

Oie Untreue als Pflichtverletzung. I. Die Handlung, durch welche das Vermögen in dem obenbezeichneten Sinne geschädigt wird, kann ganz beliebiger Art sein.

Sie kantn in

gültigen rechtsgeschäftlichen Akten bestehen, also in Handlungen, durch

welche tatsächlich die Vollmacht mißbraucht wird, sie kann ebensogut aber auch in tatsächlichen Handlungen aller Art bestehen, welche im

Ergebnis das Vermögen schädigen. Nachdem die Vorstellung von der

Untreue als Bollmachtsmißbrauch überwunden ist, führt die allgemeine

Ausdrucksweise des Wortlautes uns zu dieser Auslegung. Es ist auch bedeutsam, daß diese Ausdrucksweise vom Gesetzgeber mit Bedacht ge­ wählt ist, da sich „derartige Handlungen ebensowenig aufzählen lassen 81) An sich gewinnt der Gebrauch des Wortes „juristisch" hier tatsächlich leicht

den unangenehmen Geschmack als „dem gesunden Menschenverstand zuwider". 85) D. lib. 50 tit. 16 1.49. 86) Dies gilt übrigens auch für das Beispiel des Pferdes in 481 BGB., das

Binder, J. f. Hand.-R., Bd. 59, S. 6 f. anführt.

Man vergleiche überhaupt

die dortigen Ausführungen über Begriffe der Laienauffassung und des Rechtes.

87) Abzulehnen sind darum insbesondere die Ausführungen von R o t e r i n g in §. f. krim. Anthrop., Bd. 31, S. 114 ff.

Sie bringen übrigens am besten den

gegenteiligen Standpunkt zum Ausdruck neben den ja schon oben zitierten Bindingschen Ausführungen.

168 wie die Fälle des Betrugs" *).

Auch die geschichtliche Entwicklung

stimmt mit unserer Auslegung durchaus übereilt*2).

In der Recht­

sprechung wurden als Untreue anerkannt: Die Erbschaftsverschleierung durch den Vormund als Miterben3),4 5 die Verschweigung der Vaterschaft

am Mündel durch den Vormund^), daß der Vormund den unehelichen Vater bestimmte, die Alimente nicht freiwillig zu zahlen, wenn die Zwangsvollstreckung aussichtslos war 5), die dolose Ableugnung der

Übernahme einer Mündelschuld durch den Vormund 6), die schlechte Pro­

zeßführung als solche7), die Ausbedingung eines wucherischen Gehalts

durch den Krankenkassenvorstand8),9 der Abschluß eines ungünstigen Vertrags durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft, auch dann, wenn der Vorstand keine Alleinzeichnungsvollmacht besaßt), vor allem er­ füllt auch der Tatbestand der Unterschlagung den der Untreue10).

Insbesondere

ist

die

auch

Schädigung

durch

Schädigung durch positive Handlung gleichzustellen.

Unterlassung

der

Schon die actio

tutelae macht den Vormund für die pflichtwidrige Unterlassung haft­

bar, und es wäre sinnlos, die vorsätzliche Unterlassung nicht zu be­

strafen, wenn man die Verletzung der Pflichten eines Vormundes strafen x) Der Schluß dieses Satzes ist allerdings nicht ganz unbedenklich, er steht in

den Motiven zum Entwurf vom 1847 § 299. Vergl. auch Revision, S. 36.

2) Bei der actio tutelae sind natürlich auch beliebige Handlungen als das Ver­

mögen

schädigende Handlungen

denkbar.

Vergl.

außerdem

Anm. zum Bayer.

St. G. V. von 1813, Bd. II, S. 321 f., Stenglein, Kommentar zum bayer. St. G. B. von 1861, Art. 331, Erl. 3. 3) R. G. St. Bd. 19, S. 80. 4) R. G. St. Bd. 30, S. 191.

5) G. A. Bd. 51, S. 44. 6) G. A. Bd. 6, S. 130.

Entsch. d. Obertribunals.

Dieser Fall war natür­

lich nur durch eine komplizierte Verknüpfung verschiedener Umstände möglich.

7) R. G. St. Bd. 16, S. 78. 8) R. G. St. Bd. 38, S. 364.

hinein. 9) R. G. St. Bd. 47, S. 32.

Hier spielt auch der Unterschlagungstatbestand Es konnte in diesem Fall allerdings der Kon­

trahent der Einrede aus dem Erfordernis der Kollektivzeichnung den Einwand des dolus entgegenhalten, wegen der tatsächlichen Duldung der Alleinzeichnung. Somit läge vielleicht ein Fall im Sinne Bindings vor.

10) So schon Obertribunal G. A. Bd. 2, S. 561, Bd. 17, S. 373, S. 658. Ferner R. G. St. Bd. 2,

S. 345, Bd. 16, S. 344, Bd. 17, S. 242, Bd. 38,

S. 190, S. 364, ferner R. G. in G. A. Bd. 48. S. 356.

Die meisten Schrift­

steller zitieren hier Urteile, welche sich auf Ziff. 2 $ 266 beziehen. sind übrigens auch hier falsch.

Viele Zitate

will. Dasselbe gilt ganz besonders für die Leiter juristischer Personen. Die Vorarbeiten zum Preußischen Strafgesetzbuch sprechen sich zwar zu diesem Punkte nicht ausdrücklich aus, aber einmal wird gerade eine

Unterlassung als Beispiel der Untreue angeführtn).

Die Auslegung

hat auch von Anfang an die Unterlassung als in der Handlung inbe­ griffen angesehen12 * *).* Die Rechtsprechung und das Schrifttum stimmen

in diesem Ergebnis auch heute durchaus ü6erein13).

Es ist nun von erheblicher Bedeutung, das Wesen der strafbaren

Unterlassung in diesem Zusammenhang festzustellen. Bekanntlich herrscht

darüber Streit, ob die Unterlassung bei Kommisivdelikten als soge­ nannte unechte Unterlassung konstruiert werden muß, oder ob sie viel­ mehr als echte Unterlassung, d. h. Nichterfüllung eines Gebotes aufge­ faßt werden foH14). Diese Frage kann für uns im allgemeinen gänz­ lich ausscheiden. Die Untreue kann jedenfalls nicht nur durch soge­

nannte unechte Unterlassung begangen werden15), sondern sie ist auch als echtes Unterlassungsdelikt denkbar. Gewiß lassen sich auch eine Anzahl von Untreuefällen als Begehungsdelikte durch Unterlassung konstruieren16), sofern diese Vorstellung überhaupt Berechtigung hat. n) Vergl. Revision S. 36.

Der Vormund zögert absichtlich mit dem Ein­

tragungsantrag, um einem Dritten die Priorität vor dem Mündel gewinnen zu

lassen. 12) Vergl. Oppenhoff, Komm. z. preuß. St. G. B. $ 246, Erl. 3.

13) Vergl. Binding, Lehrb. Bd. I, S. 40T, Frank, Erl. III, a. E. Ebermayer, Erl. 2 a. E., Gerland S. 518 N. 5. Außerdem R. G. St. Bd. 19 S. 80, S. 184, insbes. S. 186, Bd. 30 S. 191, G. A. Bd. 36, S. 400.

L. 3. 1914, S. 955 Nr. 22, 1916, S. 1479 Nr. 24. I. W. 1911, S. 507,

Nr. 10. (Dies Urteil kommt aus anderen Gründen allerdings zur Freisprechung), Recht 1914, Nr. 865. 14) Ein Hinweis auf die Literatur ist hier im einzelnen nicht erforderlich, da es sich ja um eine bekannte Streitfrage handelt.

Vergl. aber insbesondere Din­

ding, Normen, Bd. II, S. 516 ff.

lö) Wie Binding annimmt, vergl. Lehrb. Bd. I, S. 401. Ebermayer, Erl. 2 a. E. legt sich diese Frage nicht vor, obwohl der Kommentar S. 67 ff., 71 echte und unechte Unterlassung scheidet. Frank, der diese Scheidung im Grunde ablehnt — vergl. $ 1 Erl. IV —, bleibt sich konsequent, wenn er § 266 Erl. III

a. E. ausführt, daß auch hier die Unterlassung dem Handeln gleichsteht.

Auch er

übersieht, daß unser Tatbestand für die Frage besonders instruktiv ist.

16) So z. B. Recht 1914 Nr. 2797 (L. Z. 1914 S. 932 Nr. 21), Vormund

Entwendung des Sparkassenbuchs des Mündels nicht angezeigt und dadurch die Erhebung des Guthabens dem Dieb ermöglicht.

Recht 1914 Nr. 865, Vormund

hatte geduldet, daß die Mutter des unehelichen Kindes die Abfindungssumme für

170 Aber es sind Fälle denkbar und auch in der Rechtsprechung belegt, welche diese Ausdeutung schlechterdings nicht mehr zulassen.

das Bargeld des

Vormund

der

Mündels

unverzinslich

in

Wenn seinem

Kassenschrank liegen läßt, so tritt weder eine Veränderung in der

äußeren Wirklichkeit noch in den Rechtsverhältnissen ein. Vielmehr bleibt lediglich ein Erfolg aus, den herbeizuführen dem Vormund geboten ist17). Ebensowenig tritt eine tatsächliche und rechtliche Änderung ein,

wenn der Vormund vor dem Nachlaßrichter die Miterbenqualität18) oder

vor

dem

Vormundschastsrichter

Mündel 18) verschweigt 20).

seine

eigene

Vaterschaft

am

Auch diese Fälle echter Unterlassung er­

füllen nach dem Willen des Gesetzes den Tatbestand der Untreue, die Unterhaltungsrente für sich verbrauchte.

L. I. 1916 S. 1479 Nr. 24, Auf-

sichtSrat einer Genossenschaft hatte falsche Bilanz passieren lassen und so verur­ sacht, daß sie der Genossenschaftsversammlung vorgelegt wurde. In diesen Fällen läßt sich ein bestimmter äußerer Erfolg nachweisen:

Die

Auszahlung des Guthabens, der Verbrauch der Abfindungssumme, die Vorlage einer falschen Bilanz.

Dagegen scheint es mir bereits eine Künstelei zu sein, wenn man es als un­

echte Unterlassung bezeichnet, daß z. B. der Vormund eine Forderung des Mündels absichtlich verjähren läßt. (Der Fall gehört unbestritten zur Untreue, vergl. Eber­ mayer, Erl. 2 a. C., Frank, Erl. III a. E. Die dafür zitierte Entscheidung

R. G. St. Bd. 11 S. 412 insbes. S. 414, bezieht sich allerdings zunächst nur auf Aiff. 2 und führt unseren Fall überhaupt nur als Beispiel an.

Unmittelbar kann

ich den Sah überhaupt nicht durch eine Entscheidung irt der Praxis belegt finden.) In einem solchen Fall wird in Wahrheit doch gar kein äußerer Erfolg verursacht,

vielmehr unterbleibt ein vorgeschriebener äußerer Erfolg, nämlich die rechtzeitige Klageerhebung.

Daß die Forderung nachher verjährt, ist keme kausale Wirkung,

sondern logische Folge. Erst ein etwaiges klagabweisendes Urteil wäre kausale Folge, weil empirische Tatsache. Erhebt aber niemand mehr für den Mündel die Klage, weil eben die Forderung verjährt ist, so entsteht niemals eine Veränderung in der Außenwelt.

Binding übersieht den Unterschied zwischen kausaler Wirkung

und logischer Folge gänzlich.

Vergl. Lehrb. Bd. I, S. 401.

Die Bindingsche Garantentheorie ist für unsere Strafbestimmung schon deshalb kaum anwendbar, weil sie doch im Grunde vorausseht, daß die Übernahme der

Garantie frei erfolgt. Der Vormund ist aber zur Übernahme seines Amtes ver­ pflichtet. Vergl. dazu Binding, Normen Bd. II, insbesondere S. 552 ff. 17) Vergl. G. A. Bd. 36 S. 400, auch Recht, 1914 Nr. 865.

18) R. G. St. Bd. 19 S. 80. 19) R. G. St. Bd. 30 S. 191.

2C) Dazu gehört m. E. auch noch R. G. St. Bd. 19 S. 184, insbes. S. 186. Auch in diesem Falle ist m. E. nur die Unterlassung strafbar, das positive Tua

als solches wäre noch gar nicht strafbar gewesen.

Es ist nämlich nicht denkbar, daß die Nichterfüllung einer eigens ge­ nannten Verpflichtung des Vormunds als straflos gelten sollte, nach­

dem eben doch die Nichterfüllung der Bormundschaftspflichten krimi­ nalisiert werden sollte. Aber es ist der Sachverhalt nicht anders, wenn eine nicht ausdrücklich benannte Verpflichtung unerfüllt blieb, denn, es ist eben überhaupt der Tatbestand der actio tutelae zum Straftat-, bestand eines Vergehens gestempelt worden. Gerade die Materialien

führen einen Fall echter Unterlassung als einen Fall der Untreue nn und zwar handelt es sich gerade um die Unterlassung einer Verpflich­ tung, die vom Gesetz als Verpflichtung des Vormunds nicht besonders genannt ist21).

Man darf also die subtile Unterscheidung von echter und unechter Unterlassung an dieser Stelle gewiß nicht in das Gesetz hineintragen, das von ihr sicher nichts gewußt hat22). So steht hier hinter dem Verbot zweifellos ein echtes Gebot, dessen Um­ fang erst näherzube st immeni st. Esi st alsoganzzwecklos, die Berechtigung des Begriffes vom unechten Begehungsverbrechen überhaupt zu prüfen, da er uns für unsere Bestimmung gar nicht helfen kann.

II. Das Gesagte bedarf einer näheren Begrenzung.

1. Es ist ohne weiteres klar, daß nicht jede Unterlassung strafbar sein kann. Nicht jede Handlung, welche möglicherweise oder vielleicht .auch mit Gewißheit z. B. dem Mündel oder der Aktiengesellschaft Ge­ winn und Vorteil bringen würde, kann vom Vormund oder vom Vor­

stand einer Aktiengesellschaft verlangt werden. Vielmehr müssen solche

Handlungen irgendwie durch die besondere Amtspflicht gefordert sein. Bei den positiven Handlungen aber ist die Rechtsprechung scheinbar verschiedene Wege gegangen.

a) Die Vorstände und Aussichtsräte der Aktiengesellschaften und Ge­ nossenschaften, demzufolge wohl überhaupt die Vorstände juristischer

Personen, will die Rechtsprechung wenigstens nach der Begründung der betreffenden Urteile für jede schädigende Handlung schlechthin haft­ bar machen. Die allgemeinen Wendungen, daß § 146 Gen G. bezw. 21) Vergl. di« oben Anm. 11 zitierte Stelle: Revision, S. 36. Vormund zögert mit dem Eintragungsantrag, um einen Dritten di« Priorität vor dem

Mündel gewinnen zu lassen. 22) Vergl.

als

besondere Abs. 4.

weiteres

Argument

nochmals

Anm.

16,

Abs. 3

und ins­

172 § 312 HGB. ganz allgemein ein Handeln zum Nachteil mit Strafe be­

drohen und daß den betreffenden Organen ihre Eigenschaft als solche unlöslich anhafte, sind natürlich das Gegenteil einer Begründung, weil

sie lediglich eine Petitio principii enthalten23).24 Um 25 so eifriger wird besonders die letztere Wendung, die schon sprachlich mißlungen ist, nach­

geschrieben. Richtig ist jedenfalls, daß es nicht auf die Geschäftsver­ teilung innerhalb des Vorstandes ankommt, auch nicht darauf, daß der Vorstand gerade als solcher tätig geworden ist, denn dem Vorstand obliegen viele Geschäfte, welche nicht gerade spezifische Borstandsge­ schäfte sind. Darum enthält die Verurteilung eines Krankenkassen­ vorstandes, der aus Gefälligkeit dem Kassenboten die Besorgung von

Einzahlungen abnahm, dann aber das Geld unterschlug, keine An­ wendung des ausgesprochenen Prinzips. Man braucht ja auch nur zu bedenken, daß der Kassenbote einem wildfremden Menschen das Geld sicher nicht übergeben hättet). Dagegen scheint ein anderer Fall23) allerdings dem ausgesprochenen Grundsatz wirklich zu entsprechen. Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft wird verurteilt, weil es ent­ gegen den von ihm im Gründungsvertrag übernommenen Verpflich­ tungen ein einzubringendes Grundstück mit einer Hypothek belastet26). Jedoch enthält ein derartiges Vorgehen immerhin eine Vertragsver­ letzung, welcher der Angeklagte entgegenzutreten verpflichtet ge­ wesen wäre. Daß die Ausbedingung eines ausgesprochen wucherischen Gehaltes 27)28 Untreue ist, unterliegt ja wohl überhaupt keinen Bedenken. Da nun gerade in dem Urteil2^), welches die Theorie scharf und 23) Sie finden sich erstmals N. G. St. Bd. 26, S. 136, welches Urteil leider nicht einmal die Andeutung eines Tatbestandes enthält.

Ähnlich G. A. Bd. 48,

S. 356: „Der Vorstand kann diese seine Eigenschaft nicht plötzlich ablegen und

als Privatmann auftreten".

Ähnlich auch R. G. St. Bd. 36, S. 7t: „Seine

Stellung als Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft legt ihm die Pflicht

auf, nicht zum Nachteil der Aktiengesellschaft zu handeln, also benachteiligende

Handlungen zu unterlassen, und Unternehmungen, welche der Aktiengesellschaft schadendrohen, entgegen zu arbeiten. 24) G. Ä. Bd. 48 S. 356. 25) R. G. St. Bd. 36 S. 69.

2G) Der Fall entspricht

also

durchaus dem von R a b b e n, S.

95

kon­

struierten : Ein Gutsbesitzer, Aufsichtsrat der Zuckerfabrik, der seine Rübenernte

verkauft, schädigt die Aktiengesellschaft gerade beim Verkaufsabschluß.

27) R. G. St. Bd. 38, S. 364. 28) R. G: St. Bd. 26, S. 136.

grundsätzlich ausspricht, der Tatbestand nicht wiedergegeben ist, so ist die Rechtsprechung durchaus nicht so eindeutig, wie dies dargesteklt wird 29).

b) Von den in § 266 Ziff. 1 aufgezählten Personen ist der Vor­

mund der weitaus wichtigste.

Wird nun bei kollidierendem Interesse

des Vormunds und des Mündels ein Pfleger aufgestellt, so kann der Vormund mindestens regelmäßig sich keiner Untreue schuldig machen in Bezug auf diejenigen Interessen des Mündels, welche der Pfleger

wahrzunehmen hat.

Dies ist denn auch von Reichsgerichtspraxis an­

erkannt worden, wobei das Reichsgericht es als das entscheidende Kri­

terium betrachtete, daß die spezifische Vormundschaftspflicht hier nicht

besteht 20).

Liegt allerdings lediglich eine Jnteressenkollision vor, ist

aber noch kein Pfleger aufgestellt, so bleibt bei Verstößen gegen das Interesse des Mündels der Untreuetatbestand begründet, weil die Ver­ pflichtung des Vormunds durch die Jnteressenkollision allein nicht er­

lischt 2i).

Verletzt der Vormund seine Verpflichtung zur Herausgabe

des Mündelvermögens nach beendeter Vormundschaft, so kommt es nach dem Reichsgericht darauf an, ob er die Gegenstände vor oder nach

Beendigung, der Vormundschaft erlangt hat. Nur im erstere» Fall liegt nach dem Reichsgericht eine' Verletzung der Bormundschaftspflichten vor, während er im zweiten Fall die Gegenstände ja gar nicht mehr auf Grund seiner vormundschaftlichen Stellung erlangt hat32).

Um­

gekehrt bejaht das Reichsgericht bei Unterschlagung von Gegenständen, welche der Vormund vor Amtsantritt zur Verwahrung übernahm, die

Untreue gerade deshalb, weil mit dem Amtsantritt die vormundschaft­

liche Verwaltungspflicht sich auch auf diese Gegenstände erstreckte:i3)

Auch sonst stellt das Reichsgericht immer wieder seine Begründung aus

29) Vergl. Staub zu $ 312, Erl. 4. 30) N. G. St. Bd. 13 S. 333: „Hat aber die Angeklagte mit dem Ver­ schweigen solcher Nachlaßbestandteile nicht eine ihr als der Vormünderin obliegende Pflicht, sondern eine ihr unabhängig hiervon ihrem Miterben gegenüber ob­ liegende privatrechtliche Verpflichtung verletzt, so entfällt damit die Anwendbarkeit des § 266, Ziff. 1, welche begrifflich eine Verletzung jener spezifischen Vormund­ schaftspflicht voraussetzt." Dgl. übrigens auch schon Obertribunal in G. A. Bd. 6 S. 130. 31) R. G. St. Bd. 19, (5. so, Bd. 30 S. 191. 32) N. G. St. Bd. 45, S. 434. 33) R. G. St. 93t. 29, S.4i8f'

174 das Moment der Pflichtverletzung ab34).

Nur in dem ja zweifellos

verfehlten Urteil, welches auch den Gegenvormund unter die Personen

der Ziff. 1 ziehen will, findet sich der Gedanke, daß dieser durch sein Amt zur Treue nach allen Richtungen hin verpflichtet sei, doch wird auch hier die Beziehung zum Amt festgehalten35).*

An einer Stelle

findet sich auch der Gedanke, daß es sich bei der Untreue des Vor­

munds um einen Mißbrauch der amtlichen Machtstellung handle33).

Durchaus kein Widerspruch zu der Grundtendenz des Reichsgerichts ist es, wenn es einmal ausführt37),38daß ein Verstoß gegen Anord­

nungen des bürgerlichen Rechts oder des Vormundschaftsgerichts weder genügt noch erforderlich sei.

Vielmehr sei die absichtliche Schädigung

als solche das entscheidende Kriterium. Diese Sätze sind dahin zu ver­

stehen, daß in diesem Fall unter den fraglichen Anordnungen die ein­ zelnen Ordnungsbestimmungen zu verstehen sind, andererseits aber ja eine Zuwiderhandlung als solche ohne absichtliche Schädigung tatsächlich

nicht ausreicht. So kann man die Rechtsprechung dahin zusammenfassen, daß sie jede absichtliche Schädigung des Mündelvermögens unter Verletzung der

spezifischen Vormundschastspflichten als Untreue betrachtet.

Derselbe Grundsatz gilt auch für die übrigen Personenkategorien von § 266 Ziff. 138). c) Bei den Unterlassungen stimmt die Rechtsprechung wohl dahin

überein, daß ein Handeln durch die Verpflichtung des betreffenden Amtsträgers geboten gewesen sein müsse.

Gerade das Urteil, welches

34) R. G. St. Bd. 1, S. 329: „Das wesentliche ist der Vertrauensbruch, die Verletzung der besonderen Pflicht zur Treue."

(Die Entscheidung bezieht sich auf

Ziff. 2, spricht aber allgemein über die Untreue überhaupt.)

Auch R. G. St.

Bd. 2, S. 345, G. A. Bd. 51, S. 44, L.Z. 1915, S. 1383 Nr. 13.

35) N. G. St. Bd. 2, S. 34: Gegen-Vormund hatte im vorliegenden Fall die

Vermögensverwaltung

vom

Vormund

übertragen

erhalten.

Reichsgericht

nimmt von sich aus an, das sei mit Rücksicht auf das Amt geschehen — wo bleibt der Tatrichter? —, und führt dann das obige aus. Im Grunde konstruiert

ja das Reichsgericht nur eine allerdings durchaus unmögliche Erweiterung der Amtspflichten des Gegenvormunds.

Im Ergebnis ist das Urteil richtig, da § 266

Ziff. 2 vorlag. Vergl. übrigens oben S. 127. 3«) R. G. St. Bd. 30 S. 191.

37) Vergl. N. G. in L. Z. 1924 S. 167 N. 3. 38) Vergl. R. G. in I. W. 1911 S. 507 Nr. 10, über den Testamentsvoll­ strecker; I. W. 1905, S. 753, N. 50 für den Zwangsverwalter nach $ 150 Z. V. G.

hinsichtlich der positiven Handlungen von Vorständen juristischer Per­

sonen am weitesten geht, ist sich klar darüber, daß für die Unterlassung die Beziehung auf die Borstandspflichten hergestellt werden müsse39). Ein anderes Urteil straft die Schädigung durch Unterlassung mit der

Begründung, daß hier eine Amtspflicht nicht erfüll! worden fei40). Beim Vormund und den übrigen in § 266 Ziff. 1 aufgezählten Per­ sonenkategorien straft die Rechtsprechung in Unterlassungsfällen kon­ sequent der oben besprochenen Grundanschauung, wenn und weil in der Unterlassung eine Amtspflichtverletzung enthalten ist41). 2. Die Rechtsprechung, wie sie in den Fällen des § 266 Ziff. 1 richtig begründet und auch in den übrigen Fällen unter falscher Be­ gründung tatsächlich durchgeführt wird, ist zutreffend. Untreue ist. die absichtliche Schädigung des anvertrauten Gutes durch Verletzung der besonderen Amtspflicht, sei es, daß diese durch Handeln oder Unterlassen verletzt wird. Dafür spricht der geschichtliche Zusammenhang mit der actio tutelae,

welcher sich zunächst allerdings nur für § 266 Ziff. 1 ergibt. Dieser Bestimmung sind aber die Ergänzungsgesetze nachgebildet. Dafür spricht der Wortlaut des Gesetzes mit einer großen Deutlichkeit, und zwar

indem das Gesetz das Verbrechen ausdrücklich als Untreue bezeichnet. Dafür spricht die erweisbare Absicht des Gesetzgebers42), ebenso wie' die in Wahrheit einheitliche Praxis, welche noch besonders dadurch charakterisiert ist, daß die Rechtsprechung die Untreue nach § 266 Ziff. 2 stets als Treubruch faßt. ©eßen diese Auslegung sprechen aber grundsätzliche Bedenken, deren sich jedoch auch Binding nicht völlig klar bewußt wurde. So sind die 39) N. G. St. Bd. 36, S. 69, insbesondere S. 71 unten.

40) N. G. St. Bd. 19, S. 184, insbesondere S. 186. 41) Vergl. N. G. St. Bd. 19, S. 80, Bd. 30 S. 191 (hier möchte die Ent­ scheidung bedenklich stimmen, da es immerhin zweifelhaft erscheint, ob eine derart

weitgehende Verpflichtung des Vormunds anzunehmen ist, doch ist dies wohl zu bejahen), ferner G. A. Bd. 36, S. 400, L. Z. 1914, S. 932, Note 21, 1916, S. 1479, N. 24; I. W. 1911, S. 507, N. 10; Recht, 1914, N. 865.

42) Vergl. insbesondere Motive zum Entw. von 1847, § 299: „sondern es ist i n diesem Verhältnisse auch notwendig, solche vorsätzliche Benachteiligung unter Strafe zu stellen..." Bericht der Kommission der 2. Kammer, zu § 222,

a. Abs. 1.

Motive zürn Bundesratsentwurf zu § 261: „... mit Rücksicht auf

Treu und Glauben..."

176 anderen Lösungspersuche zu prüfen; da sie sich als Irrwege erweisen

werden, so ist zuletzt auch der indirekte Beweis per exclusionem ge­ liefert. a) Verhältnismäßig einfach ist es, sich darüber klar zu werden, daß

auch den Vorständen und Aufsichtsräten juristischer Personen unmög­ lich jede, die vertretene juristische Person schädigende Handlungsweise

verboten fein kann. Für die Personenkategorien des § 266 Ziff. 1 legt dies ja schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts in einer in sich über­ zeugenden Weise dar, so daß hier nichts hinzuzufügen ist.

Es ist nun schon methodisch falsch, wenn man die dem § 266 Ziff. 1 nachgebildeteu Ergänzungsgesetze anders auslegen will als die das Vorbild darstellende Gesetzesbestimmung. Aber will man denn wirk­ lich sagen, daß der Vorstand Untreue begehe, wenn er pflichtmäßig nach § 240 HGB. den Konkurs anmeldet in dem Bewußtsein, daß dies wirtschaftlich unberechtigt ist und er damit allen Beteiligten, auch den Gläubigern schweren Schaden bringt. Man kann diese Fragestellung nicht mit dem Schlagwort vom Fortfall der Rechtswidrigkeit einfach abtun, denn wo die Rechtswidrigkeit fortfällt, ist eben der Tatbestand nicht gegeben. Der Tatbestand ist aber nicht gegeben, weil die ihm zugrunde liegende Amtsverpslichtung auch ihre Grenzen hat. Diese Grenzen sind allerdings sehr weit. Sämtliche Vorstände und Aufsichts­ räte juristischer Personen trifft für ihre Geschäftsführung eine analoge Haftung >oie die Personen des § 266 Ziff. 1, nämlich die Haftung für oinnis culpa nach Treu und Glauben43).44 Aber Grenzen hat auch diese Verpflichtung, ebenso wie die zivilrechtliche Haftung. Die Schädi­ gung muß jedenfalls in der übertragenen Vermögensverwaltung ihren Grund haben"), wobei allerdings auch Handlungen strafrechtlich und zivilrechtlich haftbar machen, welche nicht als Berwaltungshandlunge» im eigentlichen Sinn angesehen werden können, z. B. Unterschlagung. Schon oben ist erörtert, daß ein Schade, der durch Verletzung der Pflicht zur Personenfürsorge entsteht, den Vormund nicht strafbar macht45), wenn natürlich auch die zivilrechtliche Haftung heute in 43) Vergl. BGD. §§1793, 1833, 1915, 2216, 2219; K. O. $ 82, A. D. G. § 154; HGB. § 236, Gen. G. § 34, R. V. O. § 23, V. A. G.

34. Für den

Treuhänder bei Hypothekenbanken fehlt allerdings «ine derartig« Bestimmung, doch

dürfte sie zu ergänzen sein. sehr umfangreich.

44) Vergl. oben S. 160.

") Vergl. oben S. 159.

Der Pflichtenkreis ist hier allerdings an sich nicht

Aber auch der Vorstand einer Aktiengesell­

diesem Falle gegeben ist. schaft, welche

einen

antisemitischen Verlag betreibt, macht sich nicht

strafbar, wenn er eine im Geruch jüdischer Abstammung stehende Dame

heiratet und dadurch den Absatz schädigt, nicht einmal, wenn er dies

aus purer Bosheit tun sollte.

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft

ist nicht notwendig, der Aufsichtsrat grundsätzlich nicht vom Wettbe­

werbsverbot getroffen^). Schädigen sie also im Wettbewerb ihre Aktien­ gesellschaft, so sind sie weder zivilrechtlich noch auch vernünftigerweise

strafrechtlich haftbar.

Ebenso sind beide grundsätzlich in der Wahr»

nehmung ihres Gläubigerrechts der Aktiengesellschaft gegenüber nicht

beschränkt.

Der Aufsichtsrat, der ein Darlehen rücksichtslos geltend

macht, oder der Vorstand, der sein Gehalt erhebt, werden auch dann

nicht strafbar, wenn sie wissen, daß sie durch diese Handlungen den

Zusammenbruch der Aktiengesellschaft herbeiführen.

Die oben (vergl. II, 1 a) besprochenen Urteile enthalten nun einebesondere Schwierigkeit.

In allen diesen Fällen ist ja zweifellos eine

Verpflichtung der Aktiengesellschaft gegenüber verletzt und zwar eine vertragliche Verpflichtung.

Es ist jedenfalls Aufgabe eines Vorstandes

einer Aktiengesellschaft, in der Regel wohl auch die eines Aufsichts­

rates, sofern dieser eben besondere Kenntnis und Möglichkeit erhält, die Erfüllung von Vertragspslichten der Aktiengesellschaft gegenüber sichern.

zu

Ist nun der Vorstand oder der Aufsichtsrat in irgend einer

Beziehung Schuldner der Aktiengesellschaft, so führt diese Kollision nicht

zur Einsetzung eines Pflegers.

Somit

wäre

eine Aktiengesellschaft

gegen Verletzung von besonderen Vertragsverpslichtungen seitens eines

Vorstandes rechtlich wehrlos, und es ist durchaus gerechtfertigt, in solchen Fällen die Verletzung der besonderen Vertragspflicht als eine Verletzung der amtlichen Bertragspflicht zu betrachten. Auch zivilrecht­

lich würde diese Konstruktion wohl unbedenklich angewandt werden, sofern

sie

etwa (z. B. wegen der Mängelrüge) der Aktiengesellschaft

einen Vorteil böte.

Sieht man genauer zu, so hat das Reichsgericht für den Vormund

genau so entschieden, wenn es ihn erst dann von strafrechtlicher Ver­ antwortung in Fällen der Jnteressenkollision freisprach, wenn bereits

ein Pfleger aufgestellt todt46 47). 46) HGB. §§ 236, 248 Abs. 2. 47) Vergl. R. G. St. Bd. 19 S. 80, Bd. 30 S. 191.

Mayer, Das Rechtsgefühl.

12

178 So führt eine genauere Betrachtung der Rechtsprechung zu einer

einheitlichen Lösung der Frage in unserem Sinn. b) Die gegenwärtig vor allem propagierte Auffassung der Untreue als Bollmachtsmißbrauch ist bereits hinreichend widerlegt. c) Nun ist noch ein letzter Gedanke zu prüfen, der sich ja in Wahr­ heit häufig hinter der Vorstellung des Vollmachtsmißbrauchs verbirgt

und unter diesem Namen vertreten wird. Könnte die Untreue nicht als Mißbrauch der tatsächlichen, mit dem Amte verliehenen Macht­ stellung aufgefaßt werden? Aus nie klar ausgesprochenen, aber sehr be­ deutsamen Gründen, die anschließend darzustellen sind, wehrt sich der juristische Instinkt gegen die oben als richtig vorgetragene Lösung. Genau so wie bei den Begehungsdelikten durch Unterlassung versucht man zu einem als schädlich vorgestellten Erfolg eine echte Kausalitäts­ beziehung herzustellen, welche eine bestimmte und klare, ein für allemal begrifflich eindeutige Beschreibung des Verbrechenstatbestandes zu ge­ währleisten scheint. Dies wäre allerdings nicht möglich, wenn man ungefähr den Tatbestand einer zivilrechtlichen actio bonae fidei zum Strastatbestand erhebt, da es dann stets auf Entscheidung im Einzel­ fall ankommt. Von vornherein sind zwei Feststellungen zu machen. Die bei Frank vertretene Ansicht, der Unterschied zwischen der Konstruktion der Un­ treue als Mißbrauch der rechtlichen Vertretungsmacht (sprich: tatsäch­ liche Machtstellung) und der Konstruktion der Untreue als Treubruch zeige sich vor allem darin, daß der Täter nach ersterer gerade auf Grund des Verhältnisses gehandelt haben müsse, aus dem seine Macht­ stellung beruhe^), ist irrig. Auf Grund des fraglichen Verhältnisses

handelt der Täter eben dann, wenn er den aus diesem Verhältnis ent­ springenden Pflichten zuwiderhandelt, oder auch unterläßt, zu handeln, wie er verpflichtet wäre. Eine Lösung von dem Grundverhältnis er48) Frank, Erl. I.

Das von Frank gewählte Beispiel — Verjährenlassen

einer eigenen Schuld des Vormunds gegen den Mündel — ist übrigens unzu­ treffend.

Keine Untreue wäre es demnach, wenn der Vormund eine gegen ihn

selbst gerichtete Mündelforderung verjähren läßt.

Da Frank sonst das Verjähren­

lassen als Untreue, allerdings sonderbarerweise als Mißbrauch einer doch gar nie

benützten Vertretungsmacht anerkennt, so ließe sich zunächst doch gar nicht ein­

sehen, warum dies anders sein sollte, wenn er selbst Schuldner wäre. Der Unter­ schied vom Normalfall ist nämlich nur, daß Jnteressenkoklision vorliegt. Aber der angenommene Fall ist überhaupt gar nicht denkbar, solange kein Pfleger aufgestellt ist, kann ja die Forderung gar nicht verjähren.

gibt sich bei der

Treubruchtheorie gerade nicht.

Ebensowenig kann

man etwa den Mißbrauch der Machtstellung nach außen von einem Mißbrauch der Stellung nach innen unterscheiden. Entweder kommt man damit tatsächlich zur Bindingschen Theorie oder man gelangt zu

gar keinem verwendbaren Begriff. Der Täter erwirbt überhaupt eine Machtstellung über das anvertraute Gut. Eine Unterscheidung nach Außenverhältnis oder Jnnenverhältnis ist da gar nicht möglich.

Man könnte den Gedanken nur auf die Weise streng durchführen, wenn man nur diejenige positive Handlung als Untreue strafen

würde, welche der Täter nicht hätte verüben können, wenn er nicht In­ haber des betreffenden Amtes gewesen wäre, oder wenn man die Unterlassung nur dann strafen würde, wenn niemand anders als der Täter die geforderte Handlung vorzunehmen imstande ist. Auch diese Feststellung wäre häufig recht schwierig, aber man könnte dann viel­ leicht wirklich eine Kausalbeziehung zwischen der besonderen AmtssteUung und der Schädigung konstruieren. Zu einem sinnvollen Ergebnis kommen wir aber auf diese Weise nicht. Auch die bösartigste Schädi­ gung müßte straflos bleiben, wenn sie dieser Voraussetzung nicht ganz entsprechen würde, so z. B., wenn der Vormund den unehelichen Vater bestimmt, keine Alimente zu zahlen, oder wenn der Vormund als Mit­ erbe die Erbschaft verschleiert^). Bei allen Untreuehandlungen, zu denen Besitz erforderlich ist, wäre zu untersuchen, ob der Täter etwa nur in seiner Eigenschaft als Träger dieses besonderen Amtes 49 50) den Besitz der veruntreuten Sache erlangt hat. Mündelgut, das der Vor­ mund vor seiner Ernennung erhalten hat, wäre danach vogelfrei51), da ja die Eigentumsdelikte durchaus nicht stets die Lücke ausfüllen. Alle Unterlassungen wären straflos, wenn auch ein anderer hätte die Hand­

lung vornehmen können. Ein Vorstandsmitglied, welches eine For­ derung absichtlich verjähren läßt, die einzuklagen ein anderes Vor­ standsmitglied versehentlich unterläßt, wäre durchaus straflos, denn der Täter könnte völlig weggedacht werden, und die Sache verhieltesich gar nicht anders.

Sinnvoller erscheint es nun anzunehmen, daß Untreue dann vor49) G. A. Bd. 5t, S. 44. N. G. St. Bd. 19, S. 80. Ebenso auch Bd. 30 S. 191. 50) Vergl. besonders die Fälle G. A. Bd. 48, S. 356, I. W. 1905, S. 752, Nr. 50, L. I. 1915, S. 1383, Nr. 13; 1924 S. 167, Nr. 3. 51) R. G. St. Bd. 29 S. 418.

180 liegt, wenn die besondere Machtstellung die Schädigung nur erleichtert

oder gefährlicher gestaltet hat.

Diese Lösung ist aber praktisch ganz

unmöglich. Denn damit verlöre das Delikt allerdings jede Grenze und

jede Greifbarkeit. Selbst in Fällen, in denen z. B. ein Pfleger wegen Jnteressenkollision aufgestellt

versagen.

ist,

würde

das

Kriterium

vollkommen

Denn der Pfleger wird mit Rücksicht auf die Amtsstellung

des Vormunds sich diesem gegenüber regelmäßig nicht so verhalten,

wie man sich einem gänzlich Fremden gegenüber verhält, er wird regelmäßig geringere Vorsicht an den Tag legen.

Es kann von allen

bisher besprochenen Beispielen schlechterdings keines ausgeschaltet wer­ den, vielmehr wären die Grenzen des Delikts noch erheblich zu er­ weitern. Die ganze Vorstellung scheitert aber schon an den echten Unter­ lassungen.

Ausgabe des Vormunds ist es immerhin, auch einen be­

stimmten positiven Zustand herbeizusühren bei Vorständen juristischer Personen, auch beim Konkursverwalter und Testamentsvollstrecker ist

darin die wesentliche Seite ihrer Tätigkeit enthalten. Was sie zu tun verpflichtet sind, müßte man also zunächst feststellen, bevor über­

haupt die Frage aufgeworfen werden kann, ob nur sie in der Lage

waren, die betreffende Handlung vorzunehmen.

Ebenso müßte auch

bei allen positiven Handlungen untersucht werden, ob der Täter nicht zu

dieser Handlung

berechtigt war,

oder

umgekehrt,

ob

er v e r >

pflichtet war, diese Handlung zu unterlassen.

So versagt auch diese letzte künstliche Konstruktion, die sich übrigens

weder im Wortlaut irgendwie angedeutet findet, noch der Absicht des

Gesetzgebers entspricht. 3. Die actio tutelae war eine actio bonae kicket; für sämtliche taug­

lichen Subjekte der Untreue, die für uns in diesem Abschnitt in Be-' tracht kommen, gilt der Satz, daß sich ihre Verpflichtung nach Treu und Glauben mit Rücksicht aus die Verkehrssitte bestimmt.

Verweist

das Gesetz den Richter auf Treu und Glauben, so ermächtigt es ihn, im Einzel fall zu entscheiden, was nach seiner Überzeugung in

diesem Einzelfall billig ist. Hierbei hat er allerdings die Verkehrssitte, d. h. die allgemeine Auffassung von dem, was die Billigkeit in diesem Falle fordert, zu beachten, sofern eine solche überhaupt vorhanden ist.

Aber er ist auch nicht an diese allgemeine Auffassung unbedingt ge­

bunden^).

Es ist das Wesen der Billigkeit, in diesem Sinne den.

52) Cnneecerus, Bd. I, $ 53,1.

Einzelsall zunächst als solchen zu betrachten55 53).56 54 Es ist allerdings

richtig, daß es sich hier nicht um einen Willkürakt des Richters han­ delt, daß er vielmehr auch diese Entscheidung über den Einzelfall in: einen höheren Zusammenhang einordnen soll. Es mag auch dahin­ gestellt sein, wie die Vernünftigkeit einer solchen Verweisung auf den Einzelfall zu begreifen ist54). Gewiß ist jedenfalls, daß man nicht sagen kann, das Gesetz selbst habe vorher ausgesprochen, was als Pflicht

des betreffenden Amtsträgers anzusehen sei. Ja, man kann nicht ein­

mal sagen, daß das in solchem Einzelfall anzuwendende Recht irgend­ wie stillschweigend mit dem ausdrücklichen Gesetzesbefehl durch kon­ kludente Handlung gesetzt sei, wie man dies cum grano salis von bet, Analogie behaupten kann. Der Richter hat also nach Treu und Glauben zu beurteilen, ob der Täter seine obligatorische Verpflichtung füllt hat.

er­

Die actio tutelae ist die geschichtliche Grundlage unseres Straftat­ bestandes Aber es wehrt sich schon das Sprachgefühl gegen die Be­ hauptung, daß der Richter nach Treu und Glauben zu prüfen habe, ob der Täter seine Amtspflicht erfüllt habe, und ihn bei Verneinung dieser Frage bestrafen soll. Auch dürfte es Fälle geben, in denen man zwar die Schadensersatzpslicht anerkennen kann, aber nach ver­ nünftiger Abwägung nicht dahin kommen wird, eine Bestrafung für gerechtfertigt zu halten55). So ist also der Gedanke für das Straf­ recht umzuformen. Der Richter hat demnach zu prüfen, ob nach ver­ nünftigem Ermessen 56) eine Handlung oder Unterlassung, durch welche das Vermögen des Mündels geschädigt wurde, eine so erhebliche Pflicht­ verletzung darstellt, daß dadurch der Tatbestand des § 266 Ziff. 1 er­ füllt ist. Er wird hierbei von einfachen Fällen auszugehen haben, in denen ein Zweifel nicht möglich ist. So ist bestimmt Untreue gegeben, wenn der Vormund eine Forderung zu eigenen Gunsten abtritt oder 53) Binder, Philosophie des Rechts, S. 396 ff., insbesondere S. 400.

54) Hier verschieden Binder a. a. O., insbesondere S. 788, Stammler. Lehrbuch, § 164.

Der Gegensatz beruht darin, daß Stammler durch seinen Be­

griff des richtigen Rechtes einen Dualismus in die Rechtsordnung trägt, weil er eine Entscheidung nach Treu und Glauben für eine Entscheidung aus dem rich­ tigen Recht ansieht, während Binder den Gegensatz in die Einheit einer positiven

Rechtsordnung aufzulösen versucht. 55) Hierin scheint mir die Bedeutung des Wortes absichtlich zu liegen.

56) über den Begriff des Ermessens vergl. unten S. 187.

182

es unterläßt, eine ausdrücklich benannte Verpflichtung zu erfüllen, z. B. die verzinsbare Anlage von Mündelgeld.

Das Verhältnis der Pflichtverletzung im Sinne des Strafrechts und der obligatorischen Verpflichtung ist weiter unten noch näher zu er­ örtern. Zunächst bedarf das vorläufige Ergebnis einer Auseinander­

setzung mit den Grundsätzen des § 2, mit dem Satz nulla poena sine lege. Das Verhältnis der strafrechtlichen Amtspflicht und der obligatori­ schen Verpflichtung ist weiter unten noch näher zu erörtern. Zunächst bedarf das- vorläufige Ergebnis einer Auseinandersetzung mit den Grundsätzen des § 2, mit dem Satz nulla poena sine lege. a) § 2 lautet in seinem Absatz 1: „Eine Handlung kann nur dann mit Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde." Diese Fassung besagt nach dem genauen Wortlaut zunächst nur das eine, daß irgend eine Strafe der Art oder Höhe nach bestimmt sein müsse, also beispielsweise nach Maßgabe der §§ 13—18, damit für irgend eine Handlung eine Strafe verhängt werden dürfe. Mit anderen Worten: § 2 verbietet seinem Wortlaut nach eigentlich nur, daß dem Gesetz unbekannte Strafmittel und Strafmaße angewendet werden,

z. B. die Prügelstrafe. Eine genaue grammatische Betrachtung zwänge zu dieser Deutung. Es ist aber ganz gewiß, daß § 2 etwas anderes sagen soll. Es ist nur wesentlich darauf hinzuweisen, daß der sprachliche Ausdruck sehr unzu­ reichend ist, ein sicheres Kennzeichen, daß das Schlagwort nulla poena sine lege nicht ernstlich durchdacht war, wie dies bei den meisten solchen Schlagworten zu gehen pflegt. Man darf also den Wortlaut nicht zu sehr urgieren, und auch den Satz nulla poena sine lege nicht

in seinen letzten Konsequenzen durchführen, wenn dies nicht sinnvoll erscheint57).

Da die rein grammatische Betrachtung keinen Sinn hätte, weil man dies jedenfalls nicht hätte zu sagen brauchen, so ist übereinstimmend mit der weiter unten zu erörternden Entstehungsgeschichte anzunehmen, daß die Strafe für eine bestimmte Handlung angedroht gewesen sein muß, damit die Handlung bestraft werden kann. Damit ist auch aus­ gedrückt, daß ein Strafgesetz keine rückwirkende Kraft hat, daß keine

ö7) Vergl. in einem ähnlichen Fall Stammler, Lehrbuch der Rechtsphilo­ sophie, $ 164 Note 2. .

unbestimmten Strafen angedroht58) oder verhängt werden

können,

und zuletzt, daß eine selbständige59) Strafdrohung nicht auf Gewohn­ heitsrecht gegründet werden kann. Nun ist m. E. anzunehmen, daß die aus Analogie erschlossenen Rechtssätze zum Gesetzesrecht gehören, man käme sonst zur Annahme einer dritten Rechtsquelle neben Gesetzesrecht und Gewohnheitsrecht, und somit wäre die Analogie nach dem Wortlaut gestattet. Die da­ malige Zeit hatte aber in dieser Frage eine strengere Auslegung des Wortes Gesetz im Auge und verstand als dessen Inhalt nur, was aus­ drücklich in ihm ausgesprochen war 60).61 So 62 63 haben 64 denn auch alle Kom­ missionen die insoweit stets ähnlich und auch stets sehr unvollkommen gefaßte Bestimmung des nachmaligen 8 2 u. a. als Analogieverbot verstanden 6i). Schon in der Auslegung des Preußischen Strafgesetz­ buches wurde sofort angenommen, daß § 2 den Satz nulla poena sine lege in sich enthalte 62). Als der § 2 bei der Umarbeitung des Preußi­ schen zum Norddeutschen Strafgesetzbuch unwesentlich verändert wurde und die oben angeführte Fassung erhielt, war insoweit eine Änderung des Sinnes nicht beabsichtigt 63). Daß seither § 2 stets auch als Ana­

logieverbot betrachtet wurde, bedarf keines Nachweises. Die Erfor­ schung des Wesens der Analogie, die Tragweite des Analogieverbotes ist allerdings noch kaum versucht worden 64).

b) Damit ist also das Ergebnis gewonnen, daß die Voraussetzungen, der Tatbestand, an den die Rechtsfolge der Strafe geknüpft ist, vom

Gesetz ausdrücklich genannt sein müssen. Diese Voraussetzungen müssen als „Handlungen" beschrieben sein, d. h. als bestimmt vorgestellter Vorgang. So gelangen wir zu einem 58) Diesen Satz hätte natürlich jedes gewöhnliche Reichsgesetz allgemein oder

für seinen Sondcrbereich aufheben können.

59) Dagegen spielt das ergänzliche Gewohnheitsrecht gerade im Strafrecht eine sehr große Rolle. 60) Vergl. z. B. Feuerbach, Revision

Bd. II, S.

17 ff., Wächter,

Lehrbuch des römisch-teutschen Strafrechts, Bd. I, § 41. 61; Vergl. Beratungsprotokolle, Bd. I, Berlin 1839, S. 11 zu § 7, Revision

Bd. I, Berlin 1845, zu § 7.

Verhandl. Bert. 1846 zu $ 6.

Motive zum Ent­

wurf von 1851, Verhandl. der 2. Kammer 1851, Aktenstück 9, zu § 2. 62) Vergl. Beseler, Kommentar z. preuß. St. G. B. $ 2, Erl. II. 63) Motive zum Entw. des preuß. Justizmin. zu § 2 und (weil schlechter)

Motive zum Bundesratsentw. zu $ 2.

64) Ex professo wird die Frage nur in einer Dissertation von' Eick die Ana­ logie im Strafrecht aber mit ganz unzureichenden Mitteln angefaßt.

184 weiteren, höchst wichtigen Inhalt des § 2, nämlich zu der Forderung der Tatbestandsmäßigkeit der Strafbestimmung, wie wir dies Erfor­ dernis nennen wollen.

Um die Sache praktisch und drastisch auszu­

drücken, seien folgende an sich denkbare, aber höchst unzweckmäßige. Bestimmungen erwähnt: „Wer durch unsoziale Maßnahmen das Volks­ wohl erheblich gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft." Oder: „Wer die Weimarer Republik gefährdet, wird gehängt." Solche Sätze würden keineswegs gegen das Analogieverbot, aber jedenfalls gegen den § 2

verstoßen. Denn hier ist keine Handlung mit Strafe bedroht, vielmehr hätte der Richter erst den Einzelfall nach seinem Ermessen festzustellen, welche Handlungen den Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Dies Ermessen würde bei dem Spielraum, der ihm gewährt wäre, der völligen Willkür gleichkommen. Dies ist aber offenbar unmöglich, denn der Sinn des § 2 soll doch sein, dem einzelnen Staatsbürger seine, staatsbürgerliche Freiheit zu garantieren. Diese wird aber nicht nur gefährdet durch die Analogie oder rückwirkende Strafgesetze, sondern ebenso auch durch Strafgesetze, welche der Willkür des Richters freie Hand lassen. Im übrigen stammt der Satz nulla poena sine lege in der heutigen Durchführung aus der psychologischen Zwangstheorie, deren Sinn doch nur erfüllt wird, wenn eine ganz bestimmt um­ schriebene Handlung unter Verbot gestellt wird. c) Diese überaus wichtige und bisher fast völlig übersehene Be­ ziehung des § 2 65) gewinnt noch dadurch an Bedeutung, daß § 2 nun­ mehr in das Verfassungsrecht übernommen wurde.

Der Artikel 116 R. B. hat bisher bekanntlich zwei Streitfragen aus­ gelöst, nämlich, ob durch ihn § 2 Abs. 1 St. G. B. aufgehoben sei, und ob Art. 116 auch die unbestimmte Strafe verbiete, wie dies § 2 Abs. 1 unzweifelhaft getan hat 66). Beide Fragen gehören nicht hierher. So­

viel ist aber doch gerade in dieser Kontroverse festgestellt worden, daß 65) Ich selbst bin anläßlich meiner früheren Arbeit: Zuchtgewalt und Straf­ rechtspflege, Leipzig 1922, auf diese besondere Natur des strafrechtlichen Tat­ bestandes geleitet worden.

Cs ist ein wesentlicher Unterschied des Disziplinarrechts

vom Strafrecht, daß das Disziplinarrecht die Pflichtwidrigkeit, auf welche es mit der Disziplinarstrafe reagiert, nicht ein für allemal bestimmt zu betreiben braucht.

Vielmehr genügt für die Disziplinarstrafe eine beliebige Verletzung der Verhaltens­

pflicht, welche den betreffenden Beamten oder sonstigen Gewaltunterworfenen ob­

liegt.

Vergl. insbesondere a. a. O. S. 18 f., S. 56 f.

66) Vergl. darüber Frank, zu § 2, Erl. I.

mit Einführung des Artikels 116 keine Änderung des geltenden ma­ teriellen Strafrechts beabsichtigt todt67). Nun stimmt die Fassung des Gedankens in der Reichsverfassung

jedenfalls gerade in dem für uns entscheidenden Punkt wörtlich § 2 übere.n.

mit

Artikel 116 lautet nämlich: „Eine Handlung kann nur

dann mit Strafe belegt werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich be­ stimmt war..Auch daraus ginge also hervor, daß nur bestimmt

beschriebene Handlungen als strafbar erklärt werden können. Darum gewinnt die Frage ein ganz neues Gesicht. Die Auslegung

des § 266 steht an sich fest, und es wäre kein Grund anzunehmen, warum er nicht als lex specialis der lex generalis des § 2 widersprechen

dürfte.

Nunmehr aber ist der Grundsatz des § 2 eine übergeordnete

Rechtsnorm geworden, welche durch ein einfaches Strafgesetz nicht mehr

eingeschränkt werden kann.

So könnte daran gedacht werden, daß

die vorgetragene Auslegung des § 266 Zisf. 1 nunmehr unzulässig sei. Gegen einen solchen Schluß ließe sich ohne weiteres anführen, daß der Wille des fraglichen Ausschusses der Nationalversammlung 68) da­

hin gegangen sei, das materielle Recht nicht zu ändern, denn dieser bezog sich mindestens zunächst nur aus den § 2 selbst. Außerdem war

man sich ja auch dort über die in § 2 aufgestellte Forderung der Tat­

bestandsmäßigkeit keineswegs klar. Man hatte sich demzufolge die Frage gar nicht gestellt, ob der besondere Teil des Strafrechts überall eine

Durchführung und nicht viel mehr in einzelnen Fällen eine Durch­ brechung des § 2 enthielte.

So würde die Frage nach der Tragweite

des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit unmittelbar kritisch. Könnte man nun hiegegen vielleicht auch einwenden, daß dann eben Art. 116

dem geltenden Strafrecht gegenüber insoweit noch nicht vollzugsfähiges Recht sei, da er ja bei anderer Auslegung zum Chaos führen müßte, so würde dies bei einem neuen Entwurf gar nichts helfen.

d) Nachdem aber nun das Auge für das hier vorliegende Problem geschärft ist, erkennen wir auf den ersten Blick, daß der in § 2 av&

gesprochenen Forderung der vorherigen Androhung der Strafe nicht

der Sinn beiwohnen könne, daß die verbotene Handlung oder die Bor67) Giese, Kommentar zur Reichsverfassung Art. 116, Crl. 2, Anschütz, Art. 116, Crl. 1, Käcke ll, I. s. St. W., Dd. 41, S. 684; Düringer, I. W. 1919, S. 702; Arndt, L. Z. 1921, S. 201 ff. 68) Vor allem Anschütz a. a. O.

186 aussetzungen

eines

Gebotes

im

Gesetz

erschöpfend

beschrieben

sein

müßten.

Ein kurzer Hinweis aus die wesentlichen Punkte genügt hier für unseren Zweck.

Die wichtigsten Merkmale des Straftatbestandes, die allgemeinen Voraussetzungen der Strafbarkeit, nämlich die Schuld in ihren beiden

Formen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit sind im Gesetze nicht ge­

regelt, sondern vorausgesetzt.

Nur einzelne Bestimmungen sind im

Gesetz enthalten, welche die Fülle der Fragen in keiner Weise beant­

worten.

Es sind insofern strafbegründende Analogie — ich verweise

hier nur auf die vielfachen analogen Umkehrschlüsse aus §§ 51—59 — und auch strafbegcündendes Gewohnheitsrecht 69) möglich. Gewohnheits­

recht ist hier sowohl in der Weise denkbar, daß das Strafgesetz das bei seinem Erlaß feststehende Gewohnheitsrecht festhalten wollte und still­ schweigend voraussetzte, wie auch in dem Sinn, daß sich neues Ge­

wohnheitsrecht bilden kann.

Denn das Gesetz will sich hier nicht aus

feststehende Ergebnisse etwa der Wissenschaft oder der Judikatur be­ ziehen, sondern es will als geltendes Recht angesehen wissen, was die Wissenschaft in ihrem Fortschreiten zur Erkenntnis des Problems bei­

trägt.

Es wäre sinnlos und grotesk, anzunehmen, daß ein Gesetz ge­

rade die Ergebnisse einer unfertigen Wissenschaft hätte in alle Zukunft festhalten wollen, obwohl es eben darauf verzichtete, die allgemeinen Voraussetzungen der Strafbarkeit zu formulieren, weil dies nach dem

Stande der Wissenschaft noch gar nicht möglich todt69 70). 69) Eine Untersuchung über das Wesen des Gewohnheitsrechts würde hier zu

weit führen.

Wenn ich im Text das Juristenrecht neben dem Gewohnheitsrecht

als selbständige Rechtsquelle nenne, so bitte ich die Unterscheidung nicht zu sehr technisch zu nehmen. Ich halte hier nur den Wortgebrauch Gewohnheitsrecht im

üblichen Sinne für etwas anstößig und möchte ihn darum vermeiden.

Wesentlich

ist nur hier das negative Moment, daß die fraglichen Materien nicht durch Gesehesrecht geregelt sind.

70) Es ist an dieser Stelle ganz unmöglich, den Beweis für das Gesagte in vollem Umfange zu führen.

Flüchtige Bemerkungen hätten aber keinen Zweck, zu­

dem müssen methodische Behauptungen vor allem einmal durch sich selbst einleuchten. Man vergleiche aber nur, wie die gesamte wissenschaftliche Erörterung über Fragen des allgemeinen Teils weithin ganz aprioristisch und im Grunde naturrechtlich verfährt. Nicht unerheblich ist in diesem

Zusammenhang daran zu erinnern, daß noch Feuerbach den allgemeinen Teil des Strafrechts für eine philosophische Angelegenheit hielt.

dings Frank zu § 2,M.

Gut im übrigen neuer­

Ebenso verhält es sich im besonderen Teil. Auch hier werden eine

Anzahl der wichtigsten Begriffe vom Gesetz nicht normiert, sondern vprausgesetzt. So die Begriffe der unzüchtigen Handlung (§§ 174, 176,

183), der Beleidigung (§§185 ff.), der körperlichen Mißhandlung (§ 223),

vor allem der Begriff der Zueignung (§§ 242 ff.), der Begriff der Amts­ handlung (§§ 332, 333)71). Gerade im besonderen Teil läßt sich auch nicht damit helfen, daß der

Begriff,

der

hier

vorausgesetzt

zwar

werde,

nicht

im

Gesetz

enthalten, aber sonst irgendwie zu ermitteln sei und dann jedes Er­

messen im Einzelfall ausschließe.

Vielmehr wird sich beispielsweise

immer nur im Einzelfall feststellen lassen, was als eine unzüchtige

Handlung vom Gesetz angesehen und daher verboten ist. Dieses Bei­ spiel ist vielleicht gerade deshalb so lehrreich, weil hier die Recht­ sprechung es sich meist verbirgt, was sie eigentlich tut, indem sie die

Frage als eine Frage tatsächlicher Natur behandelt.

Eine Handlung

oder eine Schrift sind aber nie an und für sich unzüchtig, etwa weil sie gegen das Phantom des normalen Empfindens verstoßen, sondern

im Sinne des Gesetzes sind sie unzüchtig, weil der Richter sie dafür,

erklärt. e) Somit unterliegt es auch keinem Bedenken, dem Richter die Feststellung nach seinem vernünftigen Ermessenes) zu überlassen, ob der Betreffende Täter der Untreue durch seine Handlung oder Unter­

lassung seine Amtspflicht verletzt hat. 4. Der Begriff der Amtspflicht im Sinne dieser Ausführung ist als

ein

strafrechtlicher

Begriff

gegenüber den

in

Betracht

kommenden

obligatorischen Verpflichtungen abzugrenzen. Ebensowenig wie die Un­ treue Schutz des zivilrechtlichen Instituts der Vollmacht ist, ebensowenig ist sie zur Sicherung obligatorischer Verhältnisse in ihrer technischen

zivilistischen Durchführung bestimmt.

Es muß grundsätzlich festgestellt werden, daß die Untreue keine gültige obligatorische Verpflichtung zwischen dem Amtsträger und dem­ jenigen, dessen Gut dem Amtsträger anvertraut ist, erfordert.

Auch

71) Wenigstens kommt es nach der herrschenden Lehre auf den Begriff der Amts Handlung und nicht der Amts pflicht an.

Die letztere wäre natür­

lich genau ebenso vom Gesetz vorausgesetzt. Vergl. Frank, $ 332, Erl. I. 72) Es bedarf keiner Ausführungen, daß hier von richterlichem Ermessen die Rede ist.

Das Wesen des richterlichen Ermessens vor allem in seinem Ver­

hältnis zum Verwaltungsermessen ist hier nicht zu würdigen.

188

deckt sich der Tatbestand der Amtspflichtverletzung nicht mit dem Tat­ bestand einer Schadensersatzklage aus der Verletzung des obligatorischen Verhältnisses.

Der minderjährige Vormund ist taugliches Subjekt der Untreue, ob­ wohl zwischen ihm und dem Mündel keine obligatorische Beziehung

besteht 73).

Der Testamentsvollstrecker haftet auch dann strafrechtlich,

wenn er nur den Destinatär einer Auflage schädigt, obwohl ihn mit diesem keine obligatorischen Beziehungen verbinden74). So kann es also eine

Amtspflicht geben, wenn eine obligatorische Verpflichtung nicht vorliegt. Sofern dagegen überhaupt eine obligatorische Verpflichtung besteht,

ist der Zusammenhang insofern enger, als die Fälle der Strafklage

immerhin stets einen Ausschnitt aus den Fällen der Zivilklage bilden, die strafbare Untreue stets auch eine Verletzung des obligatorischen

Vertrages darstellt.

Dies schreibt sich aber nur daher, weil nach dem

Zivilrecht der Mandatar, nach dessen Analogie ja alle diese Verhält­

nisse zu behandeln sind, eben schlechthin für jeden Schaden hastet, den er schuldhaft anrichtet.

So muß allerdings die Strafklage ein Aus­

schnitt aus der Zivilklage sein, und insofern ist ein Zusammenhang ge­ geben. Aber der engere Bereich der Strafklage ist eben doch innerhalb des weiteren Bereichs der Zivilklage nach durchaus selbständigen Ge­

sichtspunkten abgegrenzt.

Es muß ein — wenn auch nur vorüber­

gehender 75 — Vermögensschaden entstanden sein, der in der Verwal­ tung des anvertrauten Vermögens seinen Grund hat. Diesen Schaden muß der Täter „absichtlich" verursacht haben.

So sind allerdings Beziehungen zwischen Zivilrecht und Strafrecht hergestellt, wie es denn auch nicht anders möglich ist.

Aber das

Strafrecht folgt dem Zivilrecht nicht in allen technischen Einzelheiten,

weil dies in hohem Grade unzweckmäßig wäre.

§ 15.

Oie angegriffenen Verrnögensträger. Die Ausführungen dieses Abschnittes können nicht im selben Maße wie die bisherigen mit Fällen der Rechtsprechung belegt werden. Sie sind darum nicht minder praktisch, und das Fehlen einer Judikatur

73) Vergl. oben S. 139 f. 74) Vergl. unten S. 195 f. 7ö) Insofern geht die Strafklage ja weiter als die Zivilklage, da die letztere in Wegfall kommt, sobald der Schade nachträglich ersetzt ist.

zeigt von vornherein, daß die Strafdrohung der Untreue in wichtigen

Punkten heute noch nicht durchgeführt wird, weil sie in ihrer Be­ deutung nicht völlig erfaßt wird. Es ist ja keineswegs so einfach, wem das anvertraute Vermögen wirklich zugehört, wer also geschädigt sein

muß, damit von einer Untreue die Rede sein kann. beim

Gesellschaftsrecht

sich

damit begnügt,

zu

Wenn man z. B.

sagen,

der Tätiger

schädige die juristische Person, so folgt man gleichzeitig der Fiktions­ theorie und hält es doch für möglich, ein fingiertes Vermögenssubjekt,

also ein Nichts' zu schädigen. So bleibt uns noch die Frage nach dem geschädigten Vermögensträger, welche bisher in Rechtslehre und Recht­

sprechung noch fast gar nicht gestellt wurde.

Die Neuheit des Gegen­

standes und seine Schwierigkeit mögen also Unebenheiten der Dar­

stellung entschuldigen.

Zunächst ist eine Vorfrage zu betrachten.

I. Wir haben oben, mit der herrschenden Meinung im wesentlichen übereinstimmend,

die

Untreue für ein

mögen als Ganzes erklärt.

Verbrechen

gegen das Ver­

Diese Definition bedarf zugleich einer

Rechtfertigung und einer genaueren Darlegung.

1. Wenn

die

Untreuebestimmungen

des

Handelsgesellschaftsrechts

(§ 312 HGB., § 146 Gen.G., § 110 V. A. G.)

ebenso wie die der

Reichsversicherungsordnung (§§ 23 Abs. 2, 535) zur Erfüllung des

Tatbestandes verlangen, daß zum Nachteil der Gesellschaft, der Ge­ nossenschaft, des Vereins, des Versicherungsträgers, der Kasse ver­

fahren worden sei, so ist in diesen Worten klar ausgesprochen, daß das Vermögen der betreffenden Korporationen als Ganzes in seiner

Gesamtheit angegriffen sein müsse, daß es sich also nicht um die

Schädigung einzelner Sachen handle. Ebenso ist klar, daß der Treuhänder der Hypothekenbank sich zwar

nicht gegen das gesamte Vermögen der

Pfandbriefbesitzer vergehen'

kann, daß er aber der Untreue schuldig ist, wenn er in irgend pflicht­ widriger Weise ermöglicht, daß der Wert der Pfandbriefe, als Ver­

mögensmasse im ganzen betrachtet, verringert wird.

2. Schwierigkeiten bietet dagegen der Wortlaut des § 266 Ziff. 1. Hier ist als Angriffsobjekt nicht das zu verwaltende Vermögen als

solches genannt, sondern vielmehr „Personen oder Sachen".

Die An­

sicht, daß das Wort Personen die Bedeutung haben soll, daß die

Person als solche mit Untreue angegriffen werden könne, ist bereits zurückgewiesen.

So können wir die Gegenüberstellung Personen oder

Sachen mit der herrschenden Ansicht nur dahin deuten, daß im ersten

190 Fall Bezug genommen werden soll auf diejenigen Verhältnisse, in

denen dem Amtsträger eben nur bestimmte Sachen anvertraut sindx). a) Im ersten Fall ordnet sich dann die Tatbestandsbeschreibung zwanglos dem Begriffe eines Verbrechens gegen das Vermögen als Ganzes ein. Untreue begeht, wer die ihm anvertraute Person irgend­

wie an Vermögen schädigt. b) Noch aber bietet der Ausdruck Sachen Schwierigkeiten, beson­

ders wenn man bedenkt, daß nach dem Wortlaut zum Nachteil der anvertrauten Sache gehandelt worden sein muß.

So hat auch das

Reichsgericht einmal den Pfleger eines Hauses sreigesprochen, der Miet­ gelder unterschlagen hatte, weil er zwar den zum Bezug der Miets­ gelder Berechtigten, nicht aber die ihm anvertraute Sache, nämlich das

Haus benachteiligt habe*2). Diese Entscheidung beruht auf einer schroffen Anwendung des Gedankens der Güterpflegschaft, aber wie dieser Ge­

danke überhaupt sehr anfechtbar ist, so ist seine Anwendung hier ganz

besonders verfehlt. Zunächst ist jedenfalls soviel gewiß, daß Sache nicht im Sinne des körperlichen Gegenstandes verstanden werden darf. Anschließend an das

römische Recht unterschied das gemeine Recht körperliche und unkörper­ liche Sachen, unter denen es die verschiedenen Rechte verstand 3).4 Es wäre doch auch ungereimt, wenn man den Konkursverwalter nicht be­

strafen wollte, weil er nur eine Forderung und nicht bares Geld ver­ untreut.

So sind unter dem Wort Sache auch Rechte aller Art zu

verstehen ^). Daher ist die besprochene Entscheidung schon um deswillen

verfehlt, weil dem Pfleger doch nicht nur das Haus, sondern auch die Mietzinsforderung und das eingenommene Geld als Sache anver­

traut war. Keine Personen, sondern Sachen sind anvertraut außer dem schon

genannten Pfleger dem Sequester, Massenverwalter, Testamentsvoll­

strecker und dem Stiftungsverwalter. Diesen Personen sind aber nicht einzelne

Sachen anvertraut,

sondern zunächst

ein

bestimmter Ver-

x) Vergl. Draheim, S. 41, Cartier, S. 20 fv Binding, Lehrb. Bd. I S. 396,

2) Vergl. R. G. St. Bd. 23, S. 280.

3) Vergl. z. B. Dernburg, Pandekten, 3. Auflage, Bd. 1. $ 67. Thi baut, Pandekten, 8. Aufl., Bd. I, § 171. Der Sprachgebrauch ist ganz all­

gemein. Vergl. auch I. lib. 2 tit 2 §§ 1 und 2. Gai inst II, $$ 12—14. 4) Vergl. insbesondere Cartier, S. 20 f.

R. G. St. Bd. 12, S. 185, zu

$ 137 St. G. B. und allgemein über den Sprachgebrauch des Strafgesetzbuches.

mögenskomplex in seinem ganzen Umfang. Dieser Gedanke wäre aller­

dings mit dem Wort „Sache" nur sehr unzureichend wiedergegeben und man könnte immerhin auf den Gedanken kommen, es müßte zum

Nachteil einer einzelnen Sache als solcher gehandelt sein, da ja doch auch einzelne Sachen anvertraut sind.

Es wäre dann die oben be­

sprochene Entscheidung des Reichsgerichts int Falle des Pflegers zur Erwägung zu ziehen. Es würde auch etwa der Konkursverwalter keine Untreue begehen, wenn er ein Haus ungünstig vermietet, denn das Haus benachteiligt er ja gar nicht dabei und sonst ist noch kein Recht

anvertraut.

Diese Auslegung wäre aber sinnlos.

Auch ist die Ana­

logie zum Vormund mit der Untreue des Vormundes geboten, denn

wie beim Vormund der Angriff auf das Vermögen als Ganzes straf­ bar ist, so ist er es auch bei den übrigen Subjekten der Ziffer 1.

Es

liegt hier offenbar kein Wille des Gesetzgebers vor, einen Unterschied zu machen.

Sonach ist unter dem Angriff auf die anvertraute Sache

ein Angriff auf den anvertrauten Vermögenskomplex in allen seinen Beziehungen zu verstehen.

Eine Vermögensmasse als Ganzes ist demnach in allen diesen Fällen als anvertraut anzusehen. Der anvertraute Wert als solcher ist zu er­

halten bezw. durch pflichtmäßige Ziehung der Nutzungen zu vergrößern.

So hat denn auch in einem späteren Urteil das Reichsgericht an­

erkannt, daß der Zwangsverwalter eines Mietshauses, der den. Miet­ zinsertrag unterschlägt, sich der Untreue schuldig macht5).

II. Wer em Vermögen zu verwalten hat, erfüllt nur dann seine

Pflicht, wenn er das fragliche Vermögen zugunsten desjenigen ver­ waltet, welcher der Berechtigte ist.

Es genügt nicht, daß er die Ver­

mögensmasse in seinen Händen wahrt oder auch mehrt, sonst wäre der

Bankdesraudant,.der mit dem gestohlenen Geld ein blühendes Erwerbs­

geschäft betreibt, der treueste Verwalter.

Der Konkursverwalter ver­

untreut die Konkursmasse nicht nur dadurch, daß er sie unterschlägt, sondern auch dadurch, daß er einen Gläubiger ungerechtfertigt be­

günstigt. Dies erscheint sehr einfach und selbstverständlich. In Wahr­

heit ist die Durchführung dieses Grundsatzes sehr schwer, da an jedem Vermögen widerstreitende Interessen bestehen.

Es muß nun für jede

einzelne Kategorie der Untreuesubjekte entschieden werden, welchen der rechtlichen Interessen gegenüber eine besondere Treupslicht besteht, wer

Vermögensträger im Sinne der Untreuebestimmungen ist. 5) R. G. St. Bd. 38, S. 190. Vergl. auch Ebermayer, Erl. 8.

192 1. Diese Frage ist für den Vormund leicht zu entscheiden. Nach dem Wortlaut der Ziffer 1 ist dem Vormund eine Person, d. h. sein Mündel

in seinen Vermögensangelegenheiten anvertraut. Damit ist klar ausge­ sprochen, daß der Vormund eine besondere Treuverpflichtung nur gegen

sein Mündel hat, nicht etwa gegen dritte Personen, welche gegen das

Mündel Vermögensansprüche besitzen. gläubiger

Der Vormund, der

Mündel­

rechtswidrig benachteiligt, begeht keine Untreue.

Ebenso ist dem Kurator nach dem hier als Erklärung des Sprach­

gebrauchs beizuziehenden preußischen Landrechts eine Person anver­ traut 6). Demnach ist auch für den Pfleger die Sachlage höchst einfach,

wie denn auch seine Amtspflicht nach dem BGB. in der Wahrnehmung der Rechte einer ganz bestimmten Person besteht, mag diese vielleicht auch unbekannt (rin6 7).

Dem Güterpsleger des alten Rechts waren dagegen nur Sachen an­ vertraut. Da er heute im Pfleger, d. h. dem Kurator aufgegangen ist, so haben wir uns mit ihm nicht weiter zu beschäftigen.

Es gibt nur

noch Pflegschaften für eine bestimmte Person, keine mehr für Sachen.

2. Schwierig ist dagegen die Frage zu lösen für den Sequester, den Massenverwalter, den Testamentsvollstrecker, den Nachlaßpfleger und Nachlaßverwalter, da sie sämtlich verschiedenen, in entgegengesetztem

Interesse beteiligten Berechtigten verpflichtet sind. Dazu gibt der Wort­

Da den genannten

laut des Strafgesetzes uns gar keine Auskunft.

Personen nach Ansicht desselben Sachen anvertraut sind, so bleibt

es zunächst gänzlich unklar, welche Vermögensträger sie benachteiligen müssen, damit sie ihre besondere Treupflicht verletzen.

Es wäre etwa

denkbar, aus dem Schweigen des Gesetzes heraus so zu argumentieren,

daß die Sache eben immer dann benachteiligt werde, wenn sie in ihrem Wert verringert würde.

Erlaubt und nicht strafbar, wäre dann nur

diejenige Vermögensminderung,

die

zivilrechtlich

erlaubt

ist.

Dann

wäre z. B. der Testamentsvollstrecker strafbar, der Nachlaßgläubiger

schädigt, denn er würde die in seiner Hand befindliche Masse ver­

ringern, ohne hierzu das Recht zu besitzen. Diese Auslegung würde in der Tat dem Wortlaut am genauesten entsprechen, nur so könnte man

von Benachteiligung einer Sache eigentlich reden. Aber diese Auslegung kann nicht beabsichtigt sein, es kann doch nicht angehen, den Testaments6) Vergl. Pr. Allg. L. R. Teil II, Titel 18, § 4.

7) Vergl. §§ 1909 ff. BGB., insbesondere § 1913.

Wegen des Nachlaß-

pflegers und Nachlaß Verwalters vergl. unten anschließend im Text.

Vollstrecker, der altruistisch die Nachlaßgläubiger schädigt, schlechter zu

stellen als den Vermögensinhaber selbst, der egoistisch seine Gläubiger schädigt. Sonach muß auch hier die Frage entschieden werden, zu welchen Personen die an dem Vermögen irgendwie rechtlich interessiert sind, haben die Amtsträger ein besonderes Treueverhältnis. Dabei wird be­ deutsam sein, welchen Personen gegenüber eine obligatorische Verpflich­ tung besteht. So ist z. B. der Testamentsvollstrecker den Nachlaßgläubigern gegenüber zweifellos nicht obligatorisch verpflichtet. Aber diese ob­ ligatorische Verpflichtung kann für die Strafbarkeit nicht ohne weiteres maßgebend sein, denn wie wir oben sahen, sind als taugliche Täter

des Delikts auch Personen denkbar, welche überhaupt nicht zum Ver­ mögensinhaber in einem obligatorischen Rechtsverhältnis stehen. So muß für die einzelnen Kategorien im besonderen untersucht werden,gegen welche Personen sie eine Treupflicht verletzen können. a) Der Konkursverwalter ist nach § 82 K. O. für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten gegenüber verantwortlich. Als solche kommen jedenfalls in Betracht der Gemeinschuldner und die Konkursgläubiger, einschließlich der Vorrechtsgläubiger, da der Kon­ kursverwalter für die Gläubiger das Vermögen zu sammeln und zu verwerten hat, einen etwaigen Überschuß dem Gemeinschuldner zurückzugeben hat. Auch strafrechtlich haftet der Konkursverwalter für jede dolose Benachteiligung des Gemeinschuldners und der Konkursgläubiger. Es besteht ganz fraglos eine Treupflicht, denn es sind die dem Gemein­ schuldner gehörigen und zu Gunsten der Gläubiger beschlagnahmten Sachen dem Verwalter anvertraut8).9 In der Lehre des Konkursrechts wird aber auch die Meinung ver­ treten, daß auch die Massegläubiger, die Absonderungs- und Ausson­

derungsberechtigten zu den Beteiligten im Sinne von § 82 K. O. ge­ hören, Diese Ansicht hat zivilrechtlich auch Gründe gegen sich8). Strafrechtlich sind zwei Momente zu berücksichtigen. Einmal muß es sich um dem Konkursverwalter anvertraute Sachen handeln, zum

andern muß es sich um ein Vertrauensverhältnis besonderer Art han­

deln.

Man kann aber nicht sagen, daß dem Konkursverwalter Ver­

mögen anderer Personen anvertraut sei, als eben das Vermögen des Gemeinschuldners, welches zu Gunsten der Konkursgläubiger beschläg8) Das

entspricht jedenfalls

auch

dem

bedeutsamsten

KonkursgeseH

maligen Zeit, vergl. Preuß. K. O.-vom 8.5.1855 $ 4. 9) Vergl. über die Kontroverse Jäger,

Mayer, Das Rechtsgefühl.

Dr § 82, Crl. 2.

der

da­

194

nahmt ist. Den Masseschuldnern, Absonderungs- und Aussonderungs­ berechtigten steht der Konkursverwalter im Grunde ebenso gegenüber,

wie der Vormund den Gläubigern des Mündels. Von einem besonderen Treuverhältnis kann nicht die Rede sein.

Auch der Vormund verletzt

ja seine Pflicht, wenn er Dritte dolos benachteiligt, aber er begeht

keine Untreue io).

Demnach kann sich der Konkursverwalter — und

das ist wohl der einzige praktische Fall — nur dann gegen die Aus-

sonderungs- und Absonderungsberechtigten verfehlen, wenn er auf den Titel der Unterschlagung oder sonstiger besonderer Delikte hin strafbar wird.

Dagegen dürfte es Untreue sein, wenn der Konkursverwalter dolos konkursfreie, dem Gemeinschuldner gehörige Gegenstände zur Masse

zieht.

Er hat im gewissen Sinne ein Zugriffsrecht zum ganzen Ver­

mögen des Gemeinschuldners, eben um das beschlagnahmte Vermögen

auszulesen und festzustellen. So kann die Handlung des Konkursverwalters ebensogut in einer"

Schädigung oder Unterschlagung der Konkursmasse selbst, wie auch in der Anerkennung nicht bestehender Forderungen oder in sonstigen Be­

günstigungshandlungen bestehen.

Auch wenn der Verwalter eine un­

richtige Verteilung dolos herbeisührt, oder

wenn

er dem Gemein­

schuldner einen etwaigen Überschuß entzieht und den Gläubigern zu­ führt, verletzt er seine Treupflicht gegenüber den Konkursgläubigern

oder dem Gemeinschuldner. b) Der Sequester einer streitbefangenen Sache ist strafbar, wenn er

eine der beiden Parteien schädigt, der Sequester eines Nießbrauchs dann, wenn er den Nießbraucher oder den Eigentümer schädigt, der

Sequester einer Nacherbschaft, wenn er den Vorerben oder den Nach­ erben benachteiligt. Die letzteren beiden sind, wenn sie Dritte benach­ teiligen, gewiß nicht strafbar, denn es läßt sich nicht einsehen, inwie­ fern ihnen Dritten gegenüber eine besondere Treupslicht auferlegt sein

sollte. Jnbezug auf den Sequester einer streitbefangenen Sache könnte

an diesem Ergebnis gezweifelt werden, da ja eben die Möglichkeit der 10) Eine Argumentation aus dem alten Privatrecht ist hier kaum möglich, weil ja das alte Recht keineswegs einheitlich war.

Aber auch die Auffassung des

gemeinen Rechts führt zum selben Ergebnis, denn danach war der Verwalter Ver­ treter der Konkursgläubigerschaft, d. h. der Konkursgläubiger. Vergl. S e u f fert, Deutsches Konkursprozeßrecht, Leipzig 1899, S. 158 N. 1.

Dies verträgt

sich aber nicht mit einer Treupflicht gegenüber konkursfremden Personen.

Hauptintervention theoretisch immer besteht. Die im übrigen unwichtige

Frage ist aber bei allen bisher genannten Kategorien des Sequesters gleichmäßig zu beantworten. Die Untreue der Aufsichtsperson im Geschäftsaufsichtsverfahren ist analog der Untreue des Konkursverwalters zu behandeln. Der Zwangsverwalter von Grundstücken ist nach § 154 Z. V. G. n) allen Beteiligten gegenüber für seine Amtsführung zivilrechtlich ver­ antwortlich. Die Beteiligten sind in § 9 Z. V. G. aufgezählt12 * *). Es

sind der Eigentümer und der betreibende Gläubiger, sowie sämtliche direkt oder indirekt dinglich Berechtigten und die aus einem Miet- oder Pachtverhältnis Berechtigten. Nach der Art des Verfahrens ist der

Zwangsverwalter auch gerade diesen Personenkategorien gegenüber zu treuer Geschäftsführung verpflichtet. Es besteht kein Bedenken, daß er

gegen alle hier genannten Beteiligten Untreue begehen kann13).

Es

besteht kein Grund, noch weitere Personenkategorien hereinzuziehen. c) Auch dem Testamentsvollstrecker ist nicht die Fürsorge für eine

bestimmte Person, sondern Fürsorge für Sachen, nämlich für den Nach­ laß aufgetragen. Diese Fürsorge hat er in erster Linie für den Erben

oder sämtliche Miterben auszuüben.

Er begeht daher nicht nur dann

Untreue, wenn er aus dem Nachlaß etwas für sich verbraucht, oder den Nachlaß sonst vermindert, sondern überhaupt, wenn er den Erben, oder einen der Erben in Bezug auf den Nachlaß schädigt, insbesondere, wenn er bei der Vornahme der Auseinandersetzung (§ 2204 BGB.) einen Erben widerrechtlich begünstigt. Der Testamentsvollstrecker hat darüber hinaus überhaupt die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB.).

Er hat demnach auch

Vermächtnisse und Auflagen zu vollziehen. Nur dem Erben und dem Vermächtnisnehmer, nicht dem Destinatär einer Auflage ist er ob­ ligatorisch verpflichtet (§ 2219 BGB.). Die Treupflicht des Testaments­

vollstreckers im strafrechtlichen Sinne besteht aber primär gegenüber n) Diese Vorschrift ist § 82 K. O. nachgebildet.

Vergl. Jäckel-Güthe,

Kommentar zum I. V. G. § 154, Erl. 1.

12) R. G. I. Bd. 74, S. 258 f.

Anderer Meinung Iackel-Güthe, $ 154,

Erl. 1.

13) Er kann also keine Untreue begehen gegen die Personen, mit denen er als Zwangsverwalter Rechtsgeschäfte abschließt und gegen die Ersteher. Dagegen aller­ dings gegen den neu eintretenden Eigentümer, obwohl dieser eigentlich nicht am Verfahren beteiligt ist.

Vergl. dazu auch I ä ck e l - G ü t h e, § 9 Erl. 2, Abs. 4.

196 dem Willen des Erblassers selbst^). Gewiß kann ein Verstorbener nicht

im.Sinne des Zivilrechts vertreten werden, aber dies braucht die rea­

listische Auffassung des Strafrechts, daß hier eben doch der Wille des Verstorbenen maßgebend ist, nicht zu beirren.

Der Testamentsvoll­

strecker verletzt ganz allgemein seine Treupflicht, wenn er die ihm an­

vertrauten Sachen nicht gemäß den Anordnungen des Erblassers ver­

wertet, also wenn er den Erben oder den Vermächtnisnehmer oder den Destinatär der Auflage in Bezug auf den Nachlaß am Vermögen schädigt, auch dadurch, daß er einen der Beteiligten ungerechtfertigt

begünstigt^).

Es ist unerheblich, daß der Destinatär der Auslage

gegen den Testamentsvollstrecker keine obligatorische Klage hat. Es kommt

nicht auf das Bestehen eines gültigen obligatorischen Verhältnisses an. Der Testamentsvollstrecker hat aber geradezu den Willen des Erb­

lassers auch gegen den Willen des Erben zur Durchführung zu bringen. So benachteiligt er auch das ihm anvertraute Vermögen, wenn er dieses

dem Erben ausantwortet — natürlich absichtlich und böswillig —, dem es mit Rücksicht auf seine Verschwendungssucht nach § 2338 BGB. 14) Vergl. zur ganzen Frage instruktiv die zivilrechtliche Kontroverse über das Wesen des Testamentsvollstreckers, S t r o h a l, Erbrecht, 3. Ausl., Bd. 1, S. 292 ff. Binder, Rechtsstellung des Erben, Bd. I, S. 196. Bd. II, S. 105, Bd. III, S. 379 N. 18. Binder, Erbrecht, Berlin 1923 S. 38. Im

Grunde kommt hier die zivilistische Doktrin mit der nun seit Binders Über­ schwenken vorwiegenden Amtstheorie — denn praktisch besagen seine Ausführungen,

Erbrecht S. 38 eben doch nichts anderes — auf denselben Gedanken hinaus, den wir der strafrechtlichen Auslegung zu Grunde legen, denn das Amt besteht eben

um den Willen des Erblassers zu verwirklichen. Im gemeinen Recht war die Stellung des Testamentsvollstreckers sehr be­ stritten. Es wurde allerdings auch die Ansicht vertreten, daß der Testamentsvoll­

strecker Stellvertreter des Erben sei, jedoch überwog in verschiedenen Formulie­ rungen die Amtstheorie.

So wurde sie vertreten von Dernburg, Pandekten,

3. Aufl., Bd. 3, § 124 (Vertreter des Willens des Verstorbenen, er handelt für den Nachlaß und nicht für den Erben), auch von Windscheid, 6.

Aufl.,

Bd. 3, § 567, insbesondere N. 7, (Vormundschaftsähnliches Verhältnis). Besonders bedeutsam ist im strafrechtlichen Zusammenhang für uns, daß das

preuß. Recht den Testamentsvollstrecker geradezu als Vertreter des Vorstorbenen

betrachtet und ausdrücklich feststellt, daß er als Vertreter des Erblassers sich auch nicht durch die Einwilligung des Erben wegen Nichtausführung des Testamentes entschuldigen könne. Vergl. Pr. Allg. L. N., Teil I, Titel 12, §§ 557 ff.

15) Ganz selbstverständlich ist es natürlich, daß der Testamentsvollstrecker Un­ treue an der ihm anvertrauten Sache begeht, wenn er sie unterschlägt, auch wenn

dadurch ausnahmsweise der Erbe nicht geschädigt werden sollte, z. B. wenn der Testamentsvollstrecker den Gegenstand der Auflage unterschlägt.

durch die Testamentsvollstreckung entzogen bleiben sollte. Wenn der Erbe das Vermögen verpraßt und dieser Erfolg vom Testamentsvoll­ strecker in den Willen ausgenommen war, stehe ich nicht an, Untreue anzunehmen16). Hat der Testamentsvollstrecker den Nachlaß zu verwalten, so ist er

zur ordnungsmäßigen Verwaltung verpflichtet (8 2216 BGB.).

Dazu

gehört auch d'.e ordnungsmäßige Erledigung der Nachlaßschulden. Ver­ letzt der Testamentsvollstrecker jedoch diese Verpflichtung nur in der Ab­ sicht, die Nachlaßgläubiger, etwa die Pflichtteilsberechtigten zu schädigen,

so begeht er keine Untreue, da er zu den Nachlaßgläubigern in keinem besonderen Treuverhältnis steht. Vielmehr ist dieser Fall gleichermaßen zu beurteilen, wie die Schädigung der Mündelgläubiger durch den Vormund. d) Dagegen begehen sowohl der Nachlaßpfleger (§§ 1960 f. BGB.) wie der Nachlaßverwalter (§§ 1980 ff. BGB.) auch dann Untreue, wenn sie die Nachlaßgläubiger schädigen. Allerdings sind beide Pfleger für

den Erben und Vertreter des Erben. Aber diese Pflegschaft dient ebenso

auch dem Interesse der Gläubiger. Vor allem bei der Nachlaßverwal­ tung handelt es sich um ein dem Konkurs nachgebildetes Verfahren. III. Eine juristische Person kann man im eigentlichen Sinne nicht schädigen. Schädigen kann man vielmehr nur die verschiedenartigen

Vermögensinteressen, welche nach der Absicht des Gesetzes durch diese juristische Person verwirklicht werden sollen. Es ist demnach zu unter­ suchen, zu welchen in diesem Interesse Beteiligten der Vorstand der juristischen Person in einem besonderen Vertrauensverhältnis steht. 1. Der Stiftungsverwalter ist wesentlich nach zwei Seiten hin ver­ pflichtet. Er hat einerseits das Stiftungsvermögen selbst zu wahren, zu erhalten, vielleicht auch zu mehren, jedenfalls die Früchte des Stif­ tungsvermögens zu ziehen, er hat andererseits die Einkünfte an die stiftungsgemäß berechtigten Destinatäre zu verteilen. Wenn der Stif­ tungsverwalter das Stiftungsvermögen selbst irgendwie schädigt oder ihm auch die Einkünfte und Früchte nicht zusührt, so begeht er Untreue. Er begeht keine Untreue, wenn er die eigentlichen Stiftungsgläubiger

in irgend einer Weise benachteiligt, da er zu diesen in keinem beson­ deren Treueverhältnis steht. Soviel ist gewiß. Fraglich ist dagegen, ob eine Schädigung, d. h. vor allem eine ungerechtfertigte Verkürzung

der Destinatäre eine Untreue darstellt. Die juristische Natur der Stiftung ist auch heute noch bestritten,

16) Vergl. dazu insbes. das preuß. L. R., vergl. oben N. 14, a. E.

198 jedoch ist der Streit nur in einer Richtung von Bedeutung.

Nach

Meurer sind Träger des Stiftungsvermögens die Destinatäre^^).

Diese Auffassung könnte zur Bejahung der gestellten Frage führen. Der Stiftungsverwalter müßte demnach vorgestellt werden als Ver­

walter des Vermögens der jeweils im konkreten Einzelfalle berech­ tigten Destinatäre. Die Überweisung von Stiftungsgeldern an Minder­

berechtigte wäre eine Veruntreuung des Vermögens der besser Be­ rechtigten. Doch verbietet bereits der Wortlaut von § 266 Zisf. 1, die Frage auf diese Weise zu lösen. Auch dem Stiftungsverwalter sind Sachen, d. h. eben die Stiftung als solche anvertraut. Auch wenn man die Rechtsstellung der Destinatäre im Sinne Meurers auffassen will, könnte daraus nicht die Vorstellung entstehen, daß dem Stiftungs­ verwalter Personen anvertraut sind. Der Wortlaut läßt sich aber un­ gezwungen nur dahin deuten, daß nach § 266 Zisf. 1 das Gesetz die Untreue des Stistungsverwalters darin sieht, daß er das Stiftungsver­ mögen als solches vermindert. Die Sachlage ist insofern gegenüber den Fällen des Testamentsvollstreckers, Sequesters und Massenver­ walters verschoben, als in diesen Fällen nicht von vornherein wie hier ein bestimmter einzelner Berechtigter vorhanden ist, vielmehr der Amts­ träger eine Vielzahl widerstreitender Interessen auszugleichen hat. Im Falle der Stiftung ist aber primär ein einzelner Berechtigter da, eben

die juristische Person. Die Vorstellung von Meurer hat auch niemals die für uns entscheidende gemeinrechtliche Theorie beherrscht. Sie gibt

den Tatbestand unzutreffend wieder, weil eben tatsächlich die Stif­ tungsberechtigung in keiner Weise vom Zivilrecht als ein Vermögens­ recht des Destinatärs behandelt wird, und sofern die Stistungsberechtigung tatsächlich die Gestalt eines subjektiven Rechts annimmt, ist sie durchaus als Gläubigerrecht und nicht als Mitgliedschaftsrecht ge­ staltet^^). Die Theorie Meurers beruht zudem aus der Vorstellung, daß im Grunde nur Rechte von Individuen denkbar feien19 * *). Somit

ist eine Schädigung der Stiftung selbst durchaus denkbar und nur eine Schädigung der Stiftung erfüllt den Tatbestand unserer Strafbe­ stimmung. Damit ist aber unsere Frage noch nicht endgültig erledigt. Es ließe n) Vergl. Meurer, Die juristischen Personen, S. 22 ff. ls) Vergl. Enneceerus, allg. Teil, Bd. I, § 110, 9h 1. 19) Vergl. Meurer, a. a. O. S. 18 f., S. 43 ff. Ich gebe Meurer in

seiner Polemik gegen Gierke völlig recht. Vergl. dazu auch Binder, Problem der juristischen Persönlichkeit, S. 130 f. Der Ausgangspunkt Meurers führt aber

sich nämlich nun folgendermaßen argumentieren: Das Wesen der Stif­

tung besteht eben gerade darin, daß ihre Einnahmen verausgabt werden.

Wenn nur im ganzen nicht mehr verausgabt wird, plan entspricht, kann von einer Schädigung der Rede sein. Dies könnte dahin beschränkt werden, oben angedeutet ist, daß jedenfalls dann Untreue

als dem Stiftungs­ Stiftung nicht die wie dies ja schon vorliegt, wenn die

Einnahmen dem Stiftungsvermögen überhaupt nicht zugeführt wurden. Doch dürste sich dieser Fall von dem Fall der rechtswidrigen Veraus­ gabung praktisch kaum unterscheiden lassen. Es ist aber doch wohl un­ denkbar, daß eine Veruntreuung, z. B. eine Unterschlagung der plan­ mäßig zu verteilenden Stistungsgelder straflos sein sollte. Hier scheint mir nur eine einzige Lösung vernünftigerweise denkbar zu sein. Es verstößt gegen den Sprachgebrauch und ist auch rechtspolitisch bedenk­ lich, jede stiftungswidrige Verwendung von Stiftungsmitteln als Un­ treue, d. h. als Schädigung der Stiftung an ihrem Vermögen zu be­ trachten. Da es jedoch umgekehrt zweckwidrig wäre, solche Fälle grund­ sätzlich straflos zu lassen, so ist zu unterscheiden, ob die Mittel über-4 Haupt noch innerhalb des Stiftungszweckes verwendet oder gänzlich stiftungsfremden Zwecken zugeführt werden, z. B. ob der Stiftungsver­ walter nur in der Wahl der Destinatäre parteiisch ist, oder ob er Gelder unterschlägt. Auch wenn der Stiftungsverwalter einen Minder­ würdigen, aber immerhin den Stiftungsbestimmungen entsprechenden Destinatär bedenkt, wird der Zweck der Stiftung noch erfüllt. So ist der Stiftungsverwalter strafbar, wenn er das Stiftungsver­ mögen selbst mindert 20) oder wenn er die zu verteilenden Stiftungs­ mittel gänzlich stiftungsfremden Zwecken zuführt. Er ist dagegen nicht strafbar, wenn er die Gläubiger der Stiftung schädigt, oder wenn er eben konsequent dazu, wie Binder, vergl. a. a. O., S. 132 die Stiftung als Amtsvermögen des Stifters zu betrachten. Dann steht man auf dem Boden der Wirklichkeit wie Meurer und beschreibt aber auch das Verhältnis zwischen Stiftung

und Destinatären zutreffend.

Im übrigen würde diese ältere Bindersche Theorie

strafrechtlich ebenfalls zu dem vorgeschlagenen Ergebnis führen. Aber so richtig die Theorie vom Amtsrecht des Verwalters immer bleibt, denn ohne das Amtsrecht wäre seine Rechtsmacht unerklärlich, so verfehlt ist sie doch im Ausgangspunkt. Es hat eben einen Sinn, die Stiftung als Rechtssubjekt anzuerkennen.

Gewiß ist

das Recht um menschlicher Zwecke willen da, aber nicht nur um individueller

Zwecke willen, und darum ist die Stiftung als Rechtssubjekt nicht widersinnig,

die Frage aber nach dem dahinter stehenden Rechtsträger überflüssig. -Vergl. jetzt

Binder, Philosophie des Rechts, S. 449 f. 20) Vergl. z. B. Recht 1922, Nr. 140.

200 die Stiftungsmittel einem minderberechtigten Destinatär zuführt, so­ lange er nur überhaupt bei der Verteilung innerhalb des Stiftungs­ zweckes bleibt.

2. Bei der Aktiengesellschaft hat die Rechtslehre unser Problem wenig­

stens berührt. So stellt Fuld^i) folgenden Satz auf: „Eine Hand­

lungsweise eines Vorstandsmitgliedes, welche bewirkt, daß einer oder mehrere Aktionäre in ihrem Vermögen geschädigt werden, ist noch keine Handlung zum Nachteile der Gesellschaft, wenigstens nicht

direkt, wenn schon eine indirekte Influenz auf die Verhältnisse der Gesellschaft nicht zu leugnen ist. Der Nachteil darf also nicht gegen ein individuelles Interesse, sondern er muß gegen das gesellschaftliche Interesse verübt worden sein." Der Satz von dem direkten und indirekten Einfluß ist unverständlich. Im übrigen ist zunächst fraglich, ob diese Gegenüberstellung von individuellem und gesellschaftlichem Interesse überhaupt möglich ist. Man hat versucht, die Selbständigkeit der juristischen Person gegenüber ihren Mitgliedern zu leugnen, als wahre Rechtsträger die Gesellschafter zu erklären 22). Damit wäre die von Fu l d gemachte Unterscheidung im Grunde gegen­ standslos. Die Gesellschaft wäre dann identisch mit der Gesamtheit

der Aktionäre und zwar der jeweiligen Aktionäre. Der Satz Fulds müßte dann etwa dahin umgeformt werden, daß Handlungen, welche nur einzelne, also nicht die Gesamtheit der Aktionäre schädigen, keine strafbare Untreue enthalten. In Wahrheit würde diese Auffassung den vielseitigen, vom Recht gerade der Aktiengesellschaft verfolgten Zwecken und der Wirklichkeit nicht gerecht. Die ganze Anschauungsweise, aus

der diese Auffassung stammt, ist zudem, wie schon öfter betont, rechts­ philosophisch überwunden. a) Die Frage kann nur geklärt werden, wenn wir sie an den wichtigsten Einzelbeispielen erörtern 23). a) Der Vorstand — unter dem wir im folgenden ebenso wie bei 21) Vergl. G. S. Bd. 37, S. 434 (Sperrungen nach dem Original). Sätze sind öfters nachgeschrieben worden. 22) Vergl. z. B. Meurer a. a. O. S. 28 ff.

Die

Binder, Problem, S. 103 ff.

jetzt aber die schon wiederholt zitierte Stelle, Philosophie des Rechts, S. 445 ff.

23) Vergl. zum folgenden aus der volkswirtschaftlichen Literatur etwa Pa ssow, Die wirtschaftliche Bedeutung und Organisation der Aktiengesellschaften, Jena 1907, Liefmann, Die Unternehmungsformen, Stuttgart 1912. Im einzelnen sind hier Verweisungen auf die volkswirtschaftliche Literatur sachlich nicht nötig,

natürlich habe ich aus ihr gelernt.

der Darstellung der Genossenschaft Aussichtsrat und Liquidator mit­ verstehen wollen —, hat jedenfalls die Bermögensmasse als solche

zweckmäßig zu verwalten, d. h. sie zu erhalten und zu mehren, den größtmöglichen Nutzen und Gewinn zu ziehen. Kapitalinteresse

der

Aktiengesellschaft.

Dies nenne ich das

Der Vorstand

begeht

also ohne Zweifel Untreue, wenn er irgendwie Vermögenswerte der

Aktiengesellschaft in eigenen Nutzen verwendet (Fall I). ß) Der Vorstand hat aber darüber hinaus das Interesse der gegen­

wärtigen Aktionäre zu wahren, dies nenne

ich das Aktionär­

interesse. Diese Interessen können selbst außerordentlich verschieden­

artig sein, da eben sehr verschiedene Gesellschaftstypen sich der juristi­

schen Form der Aktiengesellschaft bedienen können.

Als Typen seien

hier nur genannt: Die reine Familienaktiengesellschaft oder Aktienge­ sellschaft, die nur aus Großaktionären besteht; die Aktiengesellschaft,

deren Aktien sich sämtlich im Publikum zerstreut befinden, ein prak­ tisch seltener Fall, der aber theoretisch lehrreich ist; die Aktiengesell­

schaft, in welcher Großaktionäre und Kleinaktionäre durcheinander ver­ treten sind.

Im ersten Fall haben die Aktionäre meist ein Interesse

an einem angemessenen Wachstum, jedenfalls an der dauernden Auf­ rechterhaltung der Aktiengesellschaft und auch ihrer zukünftigen Ren­ tabilität.

In diesem Fall ist das Kapitalinteresse und das Aktionär­

interesse identisch. Im zweiten Fall besteht seitens der Aktionäre nor­

malerweise ein Interesse an hohen Kursen, damit auch an hohen Divi­ dendenausschüttungen, weil nur auf diese Weise der Besitz richtig aus­

genutzt wird, da er ja nicht aus die Dauer berechnet ist. Das Interesse

an der dauernden Prosperität des Werkes tritt zurück. Das Kapital­ interesse und das Aktionärinteresse sind also hier möglicherweise ent­

gegengesetzt.

Im dritten Fall durchkreuzen sich im Aktionärinteresse

beide Richtungen. Einige Beispiele machen die strafrechtliche Bedeutung

des Gedankenganges klar. Der Vorstand, der zu hohen Gewinn ausschüttet24), etwa seiner Tantieme wegen, und dadurch bewirkt, daß in Krisenzeiten die erfor­

derlichen Reserven fehlen, verstößt jedenfalls gegen das Kapitalinteresse

(Fall II). Begeht nun ein solcher Vorstand Untreue, wenn dadurch das Jn24) Oder vielleicht notwendige Neubauten unterläßt, oder sonst irgendwie Raub­ bau treibt.

202 teresse sämtlicher Aktionäre geschädigt ist, weil sie sämtlich ihren Aktien­ besitz als Däueranlage betrachten? (Fall Ila).

Begeht der Vorstand auch dann Untreue, wenn sämtliche Aktionäre nur hohe Kurse und Dividenden wollen, da sie sämtlich nicht auf DauerDaueraktionäre geschädigt werden? (Fall IIc).

Begeht der Vorstand Untreue, wenn nur ein Teil der Aktionäre als Daueraktionäre geschädigt werden? (Fall Ilb).

Der Vorstand schüttet ohne alle Not keine oder nur eine geringe

Dividende aus, oder er drückt irgendwie sonst den Kurs (Fall III). Begeht ein solcher Vorstand Untreue, wenn nur Daueraktionäre vor­

handen sind, die gar keine hohe Dividende wollen, sondern denen die Ausspeicherung des Wertes durchaus entspricht? (Fall Illa).

Begeht er Untreue, wenn nur Börsenaktionäre

vorhanden sind,

welche durch geringe Dividende und geringen Kurs geschädigt sind? (Fall Illb).

Begeht er Untreue, wenn beide Gattungen von Aktionären vertreten sind? (Fall IIIc). Aus den letzten Beispielgruppen ist ersichtlich, daß das Aktionär­

interesse durchaus im Gegensatz zum Kapitalinteresse stehen kann, wir werden vom Aktionärinteresse im folgenden nur als vom Interesse an hohen Dividenden und Kursen reden. y) Daneben besteht noch das Interesse der einzelnen und der Summe

der Aktionäre daran, daß ihnen ihr wirklicher, realer Anteil am Wert

der Aktiengesellschaft erhalten wird. Es ist eine nach dem Krieg leider nicht allzu selten geübte Kunst geworden, den Aktienbesitz in unlauterer Weise zu verschieben.

Man kann das auf verschiedene Weise machen

durch Fusionen oder Kapitalaufnahmen irgendwelcher Art.

Die Me­

thode läuft stets darauf hinaus, daß man entweder den bisherigen Wert zu gering einschätzt oder auf den Nominalwert der neuen Aktien

zu geringe Realleistungen macht, was besonders in der Inflation sehr leicht war, wenn man die Einzahlung hinauszögerte25).

Oder man

25) Es ist mir der geradezu groteske Fall bekannt geworden, daß während der

Inflation die Witwe des Gründers und Aktienmehrheitsbesitzers durch derartige

Manöver so geprellt wurde, daß sie bei der Umstellung in Goldmark nur einen minimalen Bruchteil der Aktien noch besaß. Dabei waren von den Neuerwerbern nur sehr geringe reale Einzahlungen gemacht worden. Zuletzt wurde die Sache allerdings wenigstens einigermaßen ausgeglichen, weil man Angst vor der Öffent­ lichkeit bekommen hatte.

drückt den Kurs der Aktien in ungerechtfertigter Weise, um den In­ teressenten einen billigen Erwerb zu ermöglichen.

Begeht nun ein Vorstand, der derartigen Schiebungen Vorschub leistet, Untreue? (Fall IV). Ich nenne das in diesen Fällen in Betracht kommende Interesse

das Einzelaktionärinteresse. 8) Der Vorstand hat aber auch redlich gegenüber eventuellen künf­ tigen Aktionären zu verfahren. Er darf nicht den ungerechtfertigten Schein einer Prosperität des Unternehmens erwecken, die nicht besteht, %. B. indem er zu hohen Gewinn verteilt (vergl. oben Fall II), ober sonst Raubbau treibt, der zunächst nicht in Erscheinung tritt, die Bilanz frisiert oder irgendwie sich an einem Nachgründungsschwindel

beteiligt, der Gelegenheit bieten soll, geringe Aktienwerte um einen hohen Preis an den Mann zu bringen. Ich nenne dies das Inter­ esse des Aktienmarktes. Begeht nun der Vorstand, der arglistig diese Interessen schädigt, Un­ treue? (Fall V). e) Der Vorstand hat zuletzt die Verpflichtung, Gläubigerinteressen

wahrzunehmen. Er hat im Interesse der Gläubiger das Grundkapital zu erhalten. Zu diesem Zweck ist er formal verpflichtet, nur unter bestimmten Voraussetzungen Gewinn auszuschütten. Begeht der Vorstand Untreue, wenn er zuviel Gewinn ausschüttet a) in unredlicher Absicht (Fall Via), b) in der Absicht, dadurch die Kreditfähigkeit zu erhalten und das Grundkapital gerade sicher zu stellen, insbesondere, wenn er wirklich Erfolg gehabt hat (Fall VIb). b) Die Rechtsprechung hat nur in ganz geringem Umfang zu diesen Fragen Stellung genommen. Grundsätzlich wichtig ist eine allerdings

nicht unmittelbar hierher gehörige Entscheidung des Reichsgerichts, welche sich auf § 34 des alten Hilfskassengesetzes bezieht, aber darüber hinaus Bedeutung I)üt26). Die Vorstände einer aufgelösten und in Liquidation befindlichen Hilfskasse hatten aus dem Vermögen der Kasse Zahlungen an die nunmehr für die bisherigen Mitglieder der Hilsskasse zuständige Krankenkasse geleistet. Diese Zahlung war aber 26) R. G. St. Bd. 14 S. 401 ff., insbesondere S. 404.

Ich gehe gerade

hier auf diese grundsätzliche Entscheidung ein, weil ganz allgemein die vorliegende Frage erst bei der Aktiengesellschaft zu behandeln ist, da bei der Stiftung noch di«

Argumentation aus dem Wortlaut des $ 266 Ziff. 1 eine zu groß« Roll« spielt, auch di« ganz« Fragestellung bei der Stiftung in dieser Weis« nicht möglich ist.

204 rechtswidrig, da gesetzmäßig das Vermögen der Hilsskasse nicht der neuen Krankenkasse, sondern der Armenverwaltung zukam. Der Vorder­

richter hatte die Angeklagten sreigesprochen, da ja die in Liquidation

befindliche Kasse nicht mehr habe geschädigt werden können.

Das Reichsgericht führt demgegenüber aus: „Von den Interessen des „Instituts" der Kasse kann man, da letzteres bloß ein gedachtes,

kein natürliches Vermögenssubjekt ist, überhaupt nur unter der Vor­

aussetzung sprechen, wenn man dabei von den Zwecken des Instituts, die während seiner Wirksamkeit erreicht werden sollen, und, nachdem nun noch das Stadium der Liquidation übrig geblieben ist, von den

Zwecken der Liquidation, selbstverständlich von den

gesetzlichen und

statutarischen Zwecken derselben ausgeht, und demgemäß hat man als

interessewidrig zu betrachten, was diesen Zwecken zuwiderläuft.

Aus

diesem bei den fingierten Rechtssubjekten, die als solche vom Recht

lediglich wegen ihrer Zwecke und der besseren Erreichung derselben fingiert werden, abzuleitenden Begriff der bei ihnen denkbaren Inter­

essen und aus jenem Begriff der Benachteiligung und Schädigung des

Vermögens folgt die Unrichtigkeit der Ansicht des Jnstanzrichters, daß die Angeklagten die Interessen der Kasse, deren Vertretung ihnen als

bevollmächtigten Beamten obgelegen, nicht geschädigt hätten, weil die

Kasse kein vermögensrechtliches Interesse daran gehabt habe, ob nach ihrer Auflösung der in Rede stehende Fond ganz oder teilweise der Armenverwaltung oder einem Dritten zugefallen sei."

Diese gerade

nicht sehr leicht lesbaren Sätze besagen ganz allgemein, daß jede Schädi­ gung der durch eine juristische Person zu erfüllenden Zwecke eine Be­

nachteiligung dieser juristischen Person sei.

Run sind aber alle oben

aufgezählten, bei der Aktiengesellschaft bestehenden Interessen

Interessen im Sinne der Entscheidung des Reichsgerichts.

zum Aktienrecht liegen nur wenige Entscheidungen vor.

solche

Speziell

Sie betreffen

sämtlich nur den einen Fall, daß infolge einer Bilanzverschleierung

Dividenden aus dem Grundkapital selbst zur Verteilung gelangt sind. Der Gedankengang von zwei Entscheidungen 27) sei hier wiedergegeben. Nach der ersten28) kann Untreue auch dadurch begangen werden, daß

infolge einer Bilanzfälschung eine zu große Dividende teilweise aus

27) Die dritte hier in Betracht kommende Entscheidung R. G. in I. W. T908 S. 603 Nr. 117 bleibt mir unklar. 28) Vergl. R. G. in I. W. 1903, S. 326 Nr. 10.

dem Vermögen der Aktiengesellschaft bezahlt wird.

„Die durch die

Verteilung der Dividende alljährlich bewirkte Schädigung würde daher nicht ungeschehen gemacht worden sein, selbst wenn sie später einen

vollen Ausgleich in dem bei der Ausgabe neuer Aktien erzielten Agio gefunden hätte/' Auch die zweite Entscheidung29) hält ein derartiges

Vorgehen für strafbar, selbst wenn es geschieht, um Ansehen und Kredit der Gesellschaft zu erhalten und dadurch ihren Zusammenbruch zu ver­

hüten.

Es handle sich dabei nicht um eine Aufgabe von Vermögens­

werten zum Zweck kaufmännischer Gewinnerzielung, sondern um eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens zum Zweck der Täuschung. In beiden Fällen sind offenbar nicht die Aktionäre, auch nicht etwa

die Daueraktionäre geschädigt worden, da es ja im Interesse aller Aktio­ näre gelegen sein mußte, die Aktiengesellschaft überhaupt aufrecht zu

erhalten.

Selbst wenn ein Schaden tatsächlich für die Aktionäre ein­

getreten sein sollte, so wäre er doch nach dieser Richtung hin nicht be­ absichtigt, nicht vom Vorsatz umfaßt gewesen.

Das Interesse, das

hier geschädigt wurde, war das reine Gläubigerinteresse an der In­ tegrität des Grundkapitals.

Und zwar erklärt es die Rechtsprechung

hierfür belanglos, ob für die Gläubiger wirklich ein Schade entstand, oder ob sie durch die verbotene Handlung umgekehrt sogar einen Vor­

teil hatten und auch haben sollten, weil die Aktiengesellschaft wieder flott wurde. Es genügt nach dem Reichsgericht zur Untreue der Ein­ griff in die Integrität des Grundkapitals, die Verletzung des Gläubiger­

interesses durch Verletzung der formalen Schutzvorschriften.

c) Es ist nunmehr die Antwort auf die oben zu b gestellten Fragen zu geben.

Die Fuldsche Theorie von der Unterscheidung des Gesell­

schaftsinteresses und des Individualinteresses erscheint jedenfalls an sich durchführbar, denn man kann, wie gerade das Beispiel aus der

Rechtsprechung (vergl. unseren Fall b) zeigt, sehr wohl das individuelle Interesse der Aktionäre und das Gesellschaftsinteresse unterscheiden.

Jedoch gibt uns die Fuldsche Theorie auf verschiedene Fragen keine

Antwort (vergl. Fall II und III) und sie zwingt den Fall IV straflos zu lassen, was ich für bedenklich halte.

Die Meinung des Reichsge­

richts, die Schädigung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Zwecke der betreffenden juristischen Person sei st e t s Untreue, ist jedenfalls zu allgemein ausgedrückt. Man darf nicht vergessen, daß eben der Wort29) Recht 1915 Nr. 2193, 2194.

206 laut doch erfordert, daß zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt werde.

Gewiß wäre es unrichtig, den Begriff zu eng zu fassen, aber die Schädi­

gung aller Zwecke, denen.die Aktiengesellschaft dienen soll, für strafbar zu erklären, hätte unmögliche Konsequenzen. So zählt zu den Zwecken

der Aktiengesellschaft auch die richtige Befriedigung

der Gläubiger.

Wenn aber ein Vorstand die Interessen der Gläubiger schädigt, ohne einen Einbruch in das Grundkapital zu begehen, so ist das noch keine

Untreue. Zu den gesetzlichen Zwecken der industriellen Aktiengesellschaft

gehört wie bei jeder Unternehmung auch die Beschäftigung von Arbeits­ kräften, man denke hierzu nur an die Bestimmungen über die Still­ legung

von Betrieben., Ein Vorstand, der

den

Betrieb

unzulässig

stillegt, begeht aber deshalb noch keine Untreue. So muß es sich eben um die besonderen, eigentlich gesellschaftlichen Zwecke handeln.

Die

Antwort ist am besten im einzelnen auf die einzelnen Fragen zu geben.

Das Aktionärinteresse (Fall II und III) ist jedenfalls ein Gesell-

schastsinteresse im Sinne des § 312 HGB.

Es kann bei einer Rechts­

einrichtung, welche bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Zwecken dient, nicht daraus ankommen, welche egoistischen Interessen tatsächlich von einzelnen Beteiligten verfolgt werden, sondern darauf, welche Inter­

essen schutzwürdig sind.

Nur der Verstoß gegen solche schutzwürdigen

Interessen ist Untreue.

Die Aktiengesellschaft dient der Kapitalbe­

schaffung für Unternehmungszwecke, dies ist das öffentliche Interesse,

welches dabei berücksichtigt werden muß.

Sowohl das Interesse der

Daueraktionäre, wie das Interesse des Aktienmarktes, d. h. etwa künf­ tige Aktionäre, verbietet es, daß die Aktiengesellschaft zugunsten der

jeweiligen Aktionäre ausgeplündert wird.

Umgekehrt ist es aber auch

nicht zulässig, daß die Kleinaktionäre, welche meist nicht auf Dauer­ besitz rechnen, zugunsten der Großaktionäre ausgebeutet werden.

Es

soll auch das Kapital solcher Aktionäre, welche nicht zu einer dauern­ den Vermögensanlage imstande sind, für den Produktionsprozeß nutz­ bar gemacht werden können.

Strafbar sind demnach: Fall Ila, IIc, Illb, IIIc, natürlich nur so­ fern es sich um arglistige und böswillige Schädigungen handelt 30). 30) Letzteres gehört ja eigentlich nicht in diesen Zusammenhang, sondern betrifft die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit.

hier wichtig darauf hinzuweisen.

Aber es ist praktisch, gerade

Auf die hohe Bedeutung des Wortes „absichtlich

lich" in diesem Zusammenhang macht mit Recht auch Staub, § 312, Crl. 8 aufmerksam.

Nicht strafbar ist der übrigens schwer denkbare Fall Ilb, da die Ge-

samtheit der Aktionäre das Recht hat, über ihr Eigentum zu ver­ fügend^), ebenso ist nicht strafbar der mögliche Fall Illa, da ja nie­

mand der Interessenten geschädigt ist.

Ebenfalls für ein Gesellschaftsinteresse im Sinne des § 312 HGB.

halte ich das Einzelaktionärinteresse. strafbar.

Ich halte darum Fall IV für

Gewiß liegt ein Individualinteresse im Sinne Fulds vor.

Aber es geht doch das gesetzliche Interesse der Aktiengesellschaft auch

dahin, daß nicht einzelne Aktionäre durch unlautere Machenschaften

in ihrem Aktienbesitz geschädigt werden. Man darf den Wortlaut nicht zu sehr pressen, da der Gesetzgeber sich nicht alle Konsequenzen und Einzelfragen klar gemacht hat.

Selbstverständlich darf dagegen das

Einzelaktionärinteresse nicht mit dem Privatinteresse des Aktionärs ver­

wechselt werden31 32). Strafbar ist auch die Verletzung des Gläubigerinteresses, wenn sie

durch einen Einbruch in das Grundkapital begangen wird (Fall Via und VIb), wie das die Rechtsprechung klargelegt hat.

Auch wenn die

Aktionäre nicht geschädigt sind, so liegt hier ein Interesse der Aktien­ gesellschaft vor, da die Aktiengesellschaft eben nicht nur um der Aktio­

näre willen besteht, sondern auch um ihrer Gläubiger willen. Dagegen kann die Schädigung des Interesses des Aktienmarktes m. E. nicht als Untreue gestraft werden. Hier kann ich eine Beziehung

zum Gesellschastsinteresse nicht mehr finden.

Der neue Aktionär, dem

schlechte Aktien zu hohem Kurse in die Hand gespielt wurden, hat erst

dann eine Beziehung zur Gesellschaft gewonnen, nachdem er schon geschädigt ist.

Diese Überlegung wird dadurch unterstützt, daß ja die

Bilanzfälschung und der Gründungsschwindel selbständig strafbar sind.

Der Fall V ist demnach als Untreue nicht strafbar. 3. Die Genossenschaft ist grundsätzlich anders aufgebaut als die

Aktiengesellschaft, im allgemeinen braucht hier aus ihr Wesen nicht ein­ gegangen zu werden. Es genügt die Feststellung, daß bei der Genossen­ schaft eine derartige Verselbständigung des Kapitalinteresses, wie es bei der Aktiengesellschaft stattfindet, und eine derartige Differenzierung 31) Sofern

damit

nicht

Bilanzfälschung

oder Gründungsschwindel betrieben

wird, vergl. unten gleich anschließend im Tert. 32) So ist es beispielsweise keine Untreue, wenn der Vorstand einer Aktien­

gesellschaft einen Aktionär in dessen privatem Erwerbsgeschäft schädigt. ist nur die Schädigung im Aktienbesitz.

Untreue

208 des Interesses der Genossen, wie dies bei den Aktionären der Fall ist; nicht wohl denkbar ist.

Soweit solche

Fragen immerhin auftreten

können, beantworten sie sich analog den oben für die Aktiengesellschaft gemachten Ausführungen. Nach einer besonderen Seite hin ist aber die besondere Art der Ge­

nossenschaft

strafrechtlich

von

nossenschaft im Gegensatz

Bedeutung.

„Das

zu dem der

Wesen

der

Ge­

Gesellschaften im

ökonomischen Sinn liegt nämlich darin, daß sie nicht wie diese s elb-

ständige Vereinigungen von Personen zu gemeinsamer Wirtschafts­ tätigkeit sind, sondern sie wollen die private Wirtschaftstätigkeit der einzelnen Mitglieder nur fördern und ergänzen.

Eine Ge­

nossenschaft ist also immer eine unselbständige Wirtschaft, sie hängt zusammen mit der privaten Haus- und Erwerbstätigkeit ihrer Mitglieder"33).

Dieser wirtschaftliche Zweck der Genossenschaft ist zugleich der den Genossenschaften vom Gesetz vorgeschriebene Zweck. „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs

oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinsamen Geschäfts­ betriebes bezwecken (Genossenschaften) namentlich: .... erwerben die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft nach Maßgabe dieses Ge­

setzes" 34).

Eine Schädigung dieser Zwecke der Genossenschaft liegt selbstverständ­ lich auch dann vor, wenn der genossenschaftliche Betrieb als solcher in

seiner Vermögensmasse geschädigt wird.

Es entsteht aber die neue

und sehr wichtige Frage, ob Untreue auch dann vorliegt, wenn das Vermögen der Genossenschaft den eigentlich genossenschaftlichen Zwecken

entfremdet wird und zu kapitalistischen Unternehmungen verwendet wird. Praktisch ausgedrückt: Ist es Untreue, wenn der Vorstand eines

landwirtschaftlichen

Darlehenskassenvereins

das

Vermögen der

Ge­

nossenschaft in Industrieanlagen festlegt, so daß die Mitglieder des Vereins keine Darlehen erhalten können und in ihrer privaten Er­

werbstätigkeit schwer geschädigt werden? Es ist durchaus denkbar, daß der Vorstand derart aus egoistischen Gründen handelt und die Genossen

bewußt, d. h. absichtlich schädigt.

Es ist ja die kritische Erscheinung,

des gesamten Genossenschaftswesens, daß die Leiter der Genossenschaft

33) Vergl. Liefmann, Unternehmungsformen, S. 126. 34) Vergl. § 1 Gen. G.

häufig das Bestreben haben, teils aus Bequemlichkeit, teils aber auch aus

Eigensucht Genossenschaften ihrem eigentlichen Zwecke

zu ent­

fremden und in kapitalistische Unternehmungen zu verwandeln.

Nach 'dem Gesetz ist aber die Genossenschaft eben an die Zwecke ihrer Mitglieder gebunden.

Eine Schädigung der Genossen

ist eine Schädigung der Genossenschaft. Soweit also eine

Genossenschaft auf unlautere Weise den Zwecken ihrer Genossen und unter bewußter Schädigung derselben entfremdet wird, trage ich keine Bedenken, Untreue als gegeben anzunehmen.

Das Gläubigerinteresse ist bei der Genossenschaft an sich nicht wie bei der Aktiengesellschaft zu einem selbständigen Kapitalinterefse der Ge­

sellschaft selbst erhoben worden.

Aber auch das Genossenschaftsgesetz

verbietet die unberechtigte Gewinnausschüttung und die unberechtigte Rückzahlung des Geschäftsguthabens35).

Da durch solche Handlungen

jedenfalls das Genossenschaftsvermögen in' unberechtigter Weise ver­ ringert, also geschädigt wird, liegt Untreue vor. Daß diese Maßnahme vielleicht den Interessen der Genossen dienlich sein mag und auch

ihrem Willen entspricht, kann den Vorstand nicht entschuldigen. Auch

die Genossenschaft dient nicht nur den Zwecken der Genossen, sondern auch sie besitzt ihren Mitgliedern gegenüber eine gewisse Selbständigkeit.

Möglich sind auch Verschiebungen des Anteils der einzelnen Ge­ nossen am Genossenschaftsvermögen.

So ist es in der Inflationszeit

vorgekommen, daß Genossen neu ausgenommen wurden mit hohem Ge­

schäftsguthaben, die aber in entwerteter Währung eingezahlt wurden.

Auch solche Schiebungen sind, wenn sie von Vorständen begangen

werden, als Untreue strafbar. 4. Stiftung, Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft) und Genossenschaft

sind die reinen Grundformen der juristischen Personen, welche hier für uns in Betracht kommen. Es würde zu weit führen, die Möglichkeiten

der Schädigungen der anderen in Betracht kommenden juristischen Per­

sonen zu besprechen. Hier müssen die obigen Ergebnisse analog ange­

wandt werden. Dabei wird darauf zu achten sein, daß für die Versicherungstiäger ähnliche Regeln wie für die Stiftung, für die Versicherungsvrreine Grundsätze des Genossenschaftsrechtes in Anwendung zu

kommer haben. Hinzuweisen ist nur noch auf ein Problem. Die juristischen Formen 35) Vergl. $$ 19, 22, 142, Gen. G. Mayer, Das Rechlsgefühl.

210 können mit verschiedenem wirtschaftlichen Inhalt gefüllt werden.

Die

Aktiengesellschaft kann in Wirklichkeit genossenschaftlichen Zwecken dienen, eine Genossenschaft kann in Wahrheit eine Kapitalgesellschaft sein. Im letzten Fall ist dann natürlich die Schädigung der Genossen in ihrer

Privatwirtschaft keine Untreue, aber auch im ersten Fall nicht, weil

eben die juristische Form der Aktiengesellschaft gewählt ist. Es können sich darüber hinaus aus diesem Gedankengang neue Fragestellungen

entwickeln, auf die hingewiesen zu haben hier genügen mag.

§ 16.

Die Untreue der öffentlich-verpflichteten Gewerbetreibenden. Auch die Fälle des § 266 Zisf. 3 sind in diesem Unterabschnitt zu

behandeln, da sie sachlich, wenn auch nicht dem Wortlaute nach gleicher

Art sind, wie die Fälle der Ziffer 1. I. Taugliche Subjekte *) nach Zisf. 3 sind Gewerbetreibende, welche

zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtet sind,

und zwar alle Gewerbetreibende, welche so verpflichtet sind, nicht nur die einzeln genannten Kategorien.

Vielmehr sind diese nur beispiels­

weise aufgezählt. Auch die vom Gesetz einzeln aufgezählten Personenklassen müssen

also den Bedingungen ber clausula generalis entsprechen. Es ist wichtig, dies zu betonen, denn die genannten Betätigungen könnten ja auch von

Beamten oder nicht verpflichteten Gewerbetreibenden ausgeübt werden. Dies ergibt schon eine zwanglose Lesung des Wortlautes, denn es er­ scheint nicht gut möglich, die Generalklausel, welche sich nach dem Wort

„andere" ja auf mindestens eine der genannten Kategorien mitbeziehen muß, etwa nur an die letzte anzuhängen.

Dazu kommt der oben er­

örterte historische Zusammenhang der Strafbestimmung mit der Ge­

werbeordnung, da hier das Strafgesetzbuch ja dem Wortlaut der Ge­

werbeordnung angepaßt wurdet).

Auch ist darauf hinzuweisen, daß

T) Bei der Behandlung dieser Ziffer macht sich vielleicht die Trennung der

Darstellung in die historische und die dogmatische Aufstellung unangenehm be­

merkbar, es ist § 8 oben ständig zu vergleichen. Aus dem Schrifttum vergl. vor allem Ammon S. 53 ff., dazu Landmann, Kommentar zur Gew. O., insbesondere zu § 36. Von der strafrechtlichen Literatur kommt hier nur Ammon S. 53 ff. in Betracht.

2) Vergl. oben S. 67 f.

Zisf. 3 doch noch auZ dem Preußischen Strafgesetzbuch stammt, das nur Verhältnisse mit einem gewissen öffentlichen Charakter unter den

Schutz der Untreuestrafe stellte.

So hat denn das Reichsgericht mit

Recht verneint, daß der private Auktionator, der nicht nach § 36 R.Gew.O. verpflichtet ist, Untreue begehen könnet). 1. Dec Begriff des Gewerbetreibenden ist in § 266 Ziff. 3 ebenso­ wenig wie in der Gewerbeordnung normiert, sondern in beiden Fällen

vorausgesetzt. Bei dem deutlichen Zusammenhang der Strafbestimmung

mit § 36 R. Gew. O. und gerade in Anbetracht der Tatsache, daß die

Gewerbeordnung den Begriff des Gewerbes nirgends definiert, ist anzu­ nehmen, daß beide Gesetze denselben Begriff voraussetzen. Von be­

sonderen strafrechtlichen Zwecken kann hier nicht die Rede fein4). So entscheidet der gewöhnliche Sprachgebrauch.

„Nach dem gewöhnlichen

Sprachgebrauch aber, womit auch die Auffassung in verschiedenen einzel­

staatlichen älteren Gewerbeordnungen und in einzelnen neueren Ge­ nwerbesteuergesetzen (z. B. von Preußen und Bayern) übereinstimmt,

versteht man unter Gewerbe im allgemeinen alle erlaubten Erwerbs­ arten, insbesondere Industrie, Handel und verwandte Erwerbszweige, ausgenommen die Gewinnung roher Naturerzeugnisse, die höheren

Berufsarten (diese aber nur im allgemeinen! d. V.) und den Gesinde­ dienst" 5).

Gewerbetreibender ist nur, wer die betreffende Tätigkeit um des Er­ werbes toillen und berufsmäßig ausübt.

Damit ist aber nicht gesagt,

daß gerade im konkreten Fall Entgelt verlangt worden sein muß. Wenn

ein Gewerbetreibender, auf den die Voraussetzungen des § 266 Zisf. 3 zutressen, im Einzelfall aus „Freundschaft" auf Entgelt verzichtet, um gerade dadurch Gelegenheit zu erhalten, den Auftraggeber zu schädigen, so begeht er Untreue.

Nicht als gewerbliche Tätigkeit gilt der öffentliche Dienst. Wer Be­

amter ist, ist kein Gewerbetreibender.

Im Einzelsall ist gerade der

3) Vergl. N. G. St. Bd. 44 S. 68. Es muß an dieser Stelle zur Vermei­ dung von Mißverständnissen und zur Erklärung darauf hingewiesen werden, daß bei den Gewerben des § 36 die Gewerbefreiheit keineswegs beschränkt ist; auch wer nickt verpflichtet ist, darf diese Gewerbe ausüben. Vergl. Landmann, Anm. 6. 4) Falsch darum Ammon, S. 53. 5) So zutreffend Landmann, S. 34, wegen der höheren Berufsarten vergl. unten Nr. 22.

212 öffentlich verpflichtete Gewerbetreibende nicht leicht vom Beamten zu unterscheiden.

Gewerbetreibender im Sinne der Gewerbeordnung und darum hier auch unserer Strafbestimmung ist nur der selbständige Gewerbetreibende,

nicht der Gewerbegehilfe.

Nur der erstere kann auch rechtsgültig ver­

pflichtet und angestellt werden.

2. Von der Obrigkeit verpflichtet können nach § 36 Gew. O. ver­

schiedene Gruppen von Gewerbetreibenden werden.

Nach dem engen

Zusammenhang unserer Strafbestimmungen mit dieser Bestimmung der

Gewerbeordnung kann kein Zweifel sein, daß unter den von der Obrig­ keit verpflichteten Personen die „aus die bestehenden Vorschriften be­ eidigten und öffentlich angestellten Gewerbetreibenden" des § 36 zu

verstehen sind. Von der Obrigkeit verpflichtet sind diese, wenn sie von irgend einer der in § 36 genannten zuständigen Stellen, Staats- oder

Kommunalbehörden oder auch Korporationen angestellt sind.

Wenn

Korporationen eine solche Macht übertragen ist, so ist ihnen damit eine obrigkeitliche Befugnis eingeräumt, sie sind im Sinne von § 266

Biff. 3 Obrigkeit«).

Außer dem Fall des § 36 kennt die Gewerbeordnung eine obrigkeit­

liche Verpflichtung nicht.

Insbesondere ist in keiner der verschiedenen

Formen der persönlichen Konzession eine Verpflichtung enthalten und

es kann auch in diesen Fällen keine gefordert werden (vergl. § 29 ff.

R. Gew. O.).

Dagegen wäre es allerdings denkbar, daß das Landes­

recht für Gewerbezweige, aus welche sich die Reichsgewerbeordnung nicht

bezieht, eine obrigkeitliche Verpflichtung einsührt, oder daß eine solche

in anderen Reichsgesetzen enthalten sein könnte. Die heutige, wohl über­ wiegende Theorie will den Beamten an der Anstellung erkennen6 7).

Daraus ergeben sich in unserem Fall besondere Schwierigkeiten, da ja auch der Gewerbetreibende nach § 36 R. Gew. O. verpflichtet und angestellt wird.

Art der

Ich kann auch tatsächlich nicht finden, daß sich diese

Anstellung

unterscheiden sollte.

irgendwie von der Anstellung

eines Beamten

Die Anstellung als solche kann darum hier nicht

wesentlich sein, denn die Personen des § 36 R. Gew. O. sind nach dieser Bestimmung, wie auch nach § 266 Ziff. 3 offenbar nicht als Be­ amte zu betrachten. Beamter ist in solchen Fällen jedenfalls, wer auf 6) Falsch darum A m m o n S. 55, der nur die Anstellung durch Staat oder

Kommunalbehörden als obrigkeitliche Verpflichtung gelten lassen will. 7) Vergl. Binding, Lehrbuch Bd. II, S. 381 ff., Frank, § 359, Erl. II.

festes Gehalt angestellt wird, nicht notwendig ist aber Gewerbetreiben­ der, wer nur Taxen für die einzelne vorgenommene Handlung bezieht.

Auch sonst kann die Art des Dienstverhältnisses zwischen dem Ange­

stellten und dec ansteltenden Behörde die Frage der Beamtenqualität entscheiden.

Ganz allgemein dürfte in solchen Verhältnissen auch der­

jenige als Beamter anzusehen sein, dem in irgendwelcher Weise poli­

zeiliche Befugnisse übertragen sind. So sind die Fleischbeschauer 8) des heutigen Rechts übereinstimmend mit älteren Landesrechten wohl als

Beamte anzusehen.

Auch die in bayerischen Gemeinden angestellten

Getreidemesser sind möglicherweise als Beamte zu betrachten, und zwar vor allem dann, wenn ihnen auch die Überwachung der Ausführung der städtischen Schrannenordnung oder sonst dergleichen polizeiliche Be­

fugnisse anvertraut sind9).

Beamte sind auch die Eichungsbeamten

und in einer Anzahl von Bundesstaaten die Geometer.

Die Beeidigung gehört notwendig zur Anstellung und begründet die­

selbe.

Eines besonderen Anstellungsaktes oder einer Bekanntmachung

bedarf es nicht *0). 3. Zu be t einzelnen Kategorien ist folgendes zu bemerken:

a) Dec Begriff des Feldmessers bedarf an sich keiner Erläuterung. Hinzuweisen ist darauf, daß die Markscheider, welche sich mit der Ver­

messung der unterirdischen Grubenbauten beschäftigen, nicht zu den Feldmessern gehörenn).

In den Ländern, welche ein ausgedehntes

staatliches Messungswesen haben und dasselbe mit Beamten durchführen, ist die Vorschrift natürlich ohne Bedeutung, jedoch ist gerade in Preußen das Feldmesserwesen nach § 36 Gew. O. geregelt12). 8) Vergl. ReichsgeseH vom 3. 6. 1900, R. G. Bl. S. 547. Dazu Landmann, § 36, Anm. 7, Abs. 2, R. G. St. Bd. 4, S. 422, Bd. 9, S. 139, Bd. 19, S. 197. 9) Vergl. R. G. St. Bd. 18, S. 37. 10) Vergl. Landmann a. a. O., Abs. 3.

Darin liegt insofern ein Unter­

schied zum Beamten, als die Anstellung als Beamter keine Vereidigung erfordert,

aber dies ist ein Plus über die Anstellung hinaus. Eines besonderen Aktes, wenn eine Vereidigung stattgefunden hat, bedarf es auch beim Beamten nicht. Es läßt sich also auch darin kein Unterschied zwischen dem Beamten und dem Gewerbe­ treibenden in unserem Sinne finden. n) Vergl. § 34, Abs. 3 R. Gew. O.

Falsch Ammon, S. 55.

Die Mark­

scheider können übrigens auch nicht unter die Generalklausel fallen, da ihr Ge­

werbe zwar konzessionspflichtig gemacht werden darf, eine Verpflichtung ihnen

aber nicht abverlangt werden kann. 12) Vergl. dazu Landmann, § 36, Erl. 2.

214 b) Versteigerer (Auktionator)13)14ist, 15 wer gewerbsmäßig Versteige­ rungen fremder Sachen vornimmt, d. h. sie im Versteigerungstermin

ausbietet und den Zuschlag vornimmt. Es gehören nicht hierher solche

Personen, welche Versteigerungen eigener Waren in Ausübung ihres Handelsgewerbes vornehmen^). Hier hat die öffentliche Verpflichtung

praktisch sehr hohe Bedeutung, da nur die im Sinne des §36R. Gew. O-

verpflichteten Versteigerer zur Vornahme gewerbsmäßiger Jmmobiliarversteigerungen befugt, § 35 Abs. 3 R. Gew. O-, und zur Vornahme

von öffentlichen Versteigerungen im Sinne des BGB. ermächtigt sind. (Vergl. insbesondere §§ 383, 461, 489, 753, 935, 966, 977 ff., 1219, 1235 ff., 1003, 2042 BGB) 15).

Keine Versteigerer im Sinne unserer Vorschrift sind selbstverständlich

die Gerichtsvollzieher, weil sie Beamte und keine Gewerbetreibenden

sind.

c) Mäkler sind heute aus der Gruppe der nach § 36 R. Gew. O. zu verpflichtenden Gewerbetreibenden gestrichen. Da auch das HGB. keine

amtlich bestellten Mäkler mehr kennt, so ist der Mäkler im wesentlichen aus dem Bereich der tauglichen Subjekte der Untreue ausgeschieden.

Nur der Börsenmakler wird heute noch verpflichtet und angestellt (§ 30

Börsengesetz). Diese Verpflichtung entspricht durchaus der Verpflichtung im Sinne von § 36 R. Gew. O. d) Die „Güterbestätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer,

Stauer" sind als eine zusammengehörige Gruppe zu betrachten.

Die

Bezeichnungen gewinnen ihren bestimmten Sinn erst aus einer Gene­

ralklausel, als deren Beispiele sie in der Gewerbeordnung aufgezählt sind.

Sie sind nämlich Gewerbetreibende, „welche die Beschaffenheit,

Menge oder richtige Verfassung von Waren irgend einer Art fest­ stellen."

(§ 36

R. Gew. O.)

Im

einzelnen

sind

die

Bezeichnungen

keineswegs klar, da ein Teil der Ausdrücke nur landschaftlich gebräuch­

lich ist.

13) Der Versteigerer ist natürlich identisch mit dem Auktionator der Gewerbe­ ordnung.

Es handelt sich hier ebenso wie bei dem Testamentsvollstrecker statt

executor in $ 266 Iiff. 1 um eine Verdeutschung. Im allgemeinen vergl. §§ 35, Abs. 3, 36 R. Gew. O. 14) So Landmann, § 35, Erl. 10. Vergl. auch dort noch weitere Einzel-

heiten> 15) Vergl. im einzelnen L a n d m a n n a. a. O., vor allem auch wegen der einzelstaatlichen Regelung.

Güterbestätiger sind Personen, welche die Beschaffenheit oder das

Gewicht von Gütern bestätigen, eine ganz bestimmte Kategorie ist da­

mit nicht festgestellt.

Am unbestimmtesten ist der Ausdruck Schaffner, denn er bedeutet schlechtweg eine Person, welche irgend ein Dienstleistungsgewerbe niederer

Art betreibt. Klar sind die Ausdrücke Messer und Wäger, zu den Messern ge­ hören auch die Holzmesser, Kalkmesser, Getreidemesser16).

Unter Bracker werden solche Personen verstanden, welche sich ge-

werbinäßi mit der Aussonderung von Waren befassen17). Schauer sind Personen, welche gewerbsmäßig die Entladung der Seeschiffe, Stauer solche, welche das richtige Beladen derselben be­ sorgen 18).19 20 4. Außer den in § 266 Ziff. 3 einzeln aufgezählten Kategorien fallen unter die Generalklausel folgende Gruppen: a) Die Bücherrevisoren. Sie sind in § 36 R. Gew. O. durch die Novelle vom 30. 6. 1900 eingefügt, weil sich ein Bedürfnis für kauf­

männische Firmen, insbesondere für Aktiengesellschaften fühlbar machte,

ihre Bücher und Bilanzen durch kaufmännisch gebildete und unab­

hängige kaufmännische Revisoren prüfen zu lassen. Diese Kategorie ist

von erheblicher Bedeutung *9). b) Gewerbetreibende, welche den stellen 20).

Feingehalt edler

Metalle fest­

c) Alle Gewerbetreibenden, welche der Generalklausel des § 36 R. Gew. O. entsprechen, welche also die Beschaffenheit, Menge oder richtige Verpackung von Waren irgend einer Art feststellen. Unter

Waren sind Immobilien nicht zu verstehen.

So hat der preußische

Handelsminister dahin entschieden, daß die Bestellung und Beeidigung gewerblicher Sachverständiger für die Beschaffenheit der Bauten durch 16) Vergl. Landmann, § 36, Erl. 5. 17) Ammon, S. 57. 18) Vergl. Ammon, S. 57. Jedoch steht die Auslegung des Wortes Schauer nicht ganz fest.

Zu ihnen werden bisweilen auch die Fleischbeschauer gerechnet,

welche übrigens jedenfalls, soweit sie nicht Beamte sind, unter die clausula gene­ ralis sowohl von § 36 R. Gew. O., wie auch von § 266 Ziff. 3 fallen.

Vergl.

Landmann, § 36, Erl. 5. 19) Vergl. im einzelnen L a n d m a n n , $ 36, Erl. 3 a, vergl. auch § 266 HGB. 20) Vergl. dazu Landmann, § 36, Erl. 4.

216

Handelskammern nicht statthaft ist, „da Bauten nicht als Waren im Sinne des § 36 R. Gew. O. anzusehen sind und diese Bestimmung im wesentlichen den Zweck verfolgt, den Handel- und Gewerbetreiben­ den die Möglichkeit zu geben, die Beschaffenheit, Menge, Verpackung

ihrer Waren von bestimmter unparteiischer Seite prüfen zu lassen und den Umsatz der Waren dadurch zu erleichtern und zu fötbern" 21).

Als wichtige Fälle sind zu nennen der vereidigte Chemiker (Nah­ rungsmittelchemiker) und Elektrotechniker 22).

d) Außer bei diesen aufgezählten Kategorien kennt die Gewerbeord­

nung eine Verpflichtung, nicht,nach dem Grundsatz der Gewerbefreiheit ist eine solche auch nicht zulässig. Eine besondere Verpflichtung könnte also nur in einem besonderen Reichsgesetz eingeführt werden, wie dies

ja bei den oben erwähnten Börsenmaklern geschehen ist, oder ließe sich landesrechtlich nur in Bezug auf solche Gewerbegebiete einführen, die

von der Gewerbeordnung nicht geregelt sind.

Damit kommen für das Strafrecht über die aufgezählten Kategorien hinaus taugliche Subjekte der Untreue nach Ziffer 3 kaum in Be­ tracht, da sie eben nach den Bestimmungen des Gewerberechts nicht vorkommen können.

II. Die im Vorstehenden aufgezählten Personen begehen Untreue,

„wenn sie bei den ihnen übertragenen Gesetzen absichtlich diejenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen". 1. Auch § 266 Ziff. 3 ist Vermögensverbrechen. Schon der Wort­ laut führt zu dieser Annahme. Es ist sprachlich noch möglich, den

Ausdruck in § 266 Ziff. 1, nämlich „Handeln zum Nachteil einer Per­ son", besonders infolge der Gegenüberstellung „Personen oder Sachen"

auch auf die Beeinträchtigungen von Persönlichkeitswerten zu beziehen, wenngleich dies immerhin schon ein schlechtes Deutsch wäre. Dagegen

erlaubt die sprachliche Fassung des § 266 Ziff. 3 eine Deutung in diesem Sinne nicht. Man „benachteiligt" eine Person nicht, wenn man sie körperlich verletzt oder sie moralisch verführt. Dazu kommt die zwei­

malige Erwähnung der „Geschäfte" in diesem Zusammenhang. Schließ21) So Landmann, $ 36, Erl. 5.

22) Landmann a. a. O.

Die höheren technischen Berufsarten gehören im

Sinne der Gewerbeordnung wohl meist zum Gewerbe übrigens auch nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch.

lich führt uns die Analogie der Ziffer 1 notwendig zum gleichen Er­ gebnis, wie wir es zu Ziffer 1 gewonnen haben23).24

Freilich

muß der Begriff des Vermögens in dem Sinn gefaßt

werden, wie er oben § 13 dargelegt ist. Wenn z. B. der Bücherrevisor Kundschaft, Kredit und geschäftlichen Ruf seines Auftraggebers schädigt, wozu er sehr wohl in der Lage sein kann, so schädigt er das Vermögen

desselben und macht sich somit der Untreue schuldig. Im übrigen kann auf die Ausführungen in § 13 dieser Darstellung

Bezug genommen werden.

2. Die Benachteiligung erfolgt nicht durch die den tauglichen Per­

sonen übertragenen Geschäfte, sondern bei den Geschäften.

Damit ist

gesagt, daß die Untreue nach § 266 Zisf. 3 nicht etwa nur den Miß­ brauch eines besonderen gewerblichen Könnens enthält, sondern daß

vielmehr die betreffenden Gewerbetreibenden Untreue begehen, wenn

sie bei der Ausführung der ihnen übertragenen Geschäfte ihre Amts­ pflicht irgendwie verletzen.

Die Benachteiligung kann also durch Handlungen oder Unterlassungen

beliebiger Art erfolgen2^).

So ist hier im allgemeinen auf die Aus­

führungen in § 14 dieser Darstellung zu verweisen. Im besonderen ist

aber noch folgendes zu bemerken: Der verpflichtete Gewerbetreibende muß gerade in der Gewerbsart tätig geworden sein, für die er verpflichtet ist. Der Versteigerer muß

in den Geschäften eines Versteigerers, der Bücherrevisor in den Ge­ schäften eines Bücherrevisors tätig geworden sein.

Der Versteigerer,

der gleichzeitig ein eigenes Ladengeschäft betreibt, wird nicht strafbar, wenn er bei dessen Führung seine Kunden schädigt.

Der Gewerbe­

treibende muß also genau innerhalb des Gewerbes tätig geworden sein,

für das er verpflichtet ist. Ein Versteigerer, der nur für die Versteige­ rung von Immobilien verpflichtet ist, begeht keine Untreue, wenn er

auch Mobilien versteigert und dabei seine Auftraggeber schädigt. Andrer­

seits ist es selbstverständlich, daß sich der Versteigerer auch dann straf­ bar macht, wenn er ein Geschäft in strafwürdiger Weise vornimmt, das

auch dem unvereideten Versteigerer erlaubt ist.

Der Versteigerer, der

für alle Arten von Versteigerung verpflichtet ist, macht sich auch dann 23) Falsch also Ammon, S. 59. 24) Vergl. Ammon, S. 59 und oben S. 167f. Dazu Frank, Erl. 11,3; auch Binding, Lehrbuch Bd. I, S. 398, G. A. Bd. 7, S. 557.

218 strafbar, wenn er in ungetreuer Weise Mobilien versteigert, obwohl zu

solchen Versteigerungen jeder unverpslichtete Versteigerer imstande ist25). So ist also der Gewerbetreibende nach Ziff. 3 strafbar für jede Ver­ letzung seiner besonderen Amtspflicht. Diese Amtspflicht selbst ist zwar

von weit geringerem Umfang als die Amtspflicht der bisher in diesem Unterabschnitt genannten Personen. Da aber die Verletzung der Amts­ pflicht zum Zweck der Vermögensschädigung stets strafbar ist, gleich­

gültig auf welche Weise sie begangen wird, so entspricht die Untreue der Ziffer 3 durchaus der Untreue in Ziffer 1 und war sonach im Rahmen

dieses Unterabschnittes zu behandeln.

3. Schon ofcen26) ist darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber nur

daran dachte, den Auftraggeber zu schützen, nicht etwa das Publikum und dritte Personen, obwohl Gewerbetreibende der Ziffer 3 sehr häufig

in der Lage sein werden, gerade Dritte zu schädigen. Allerdings werden

sie dann wohl stets strafbaren Betrug verüben.

Als Untreue strafbar

ist aber nach dem Wortlaut nur die Schädigung der Auftraggeber27).

So ist die Frage nach dem geschädigten Vermögensträger an sich stets

ebenso einfach zu beantworten wie beim Vormund 28). Im Einzelfalle wird es aber oft schwer zu entscheiden sein, wer als Auftraggeber an­ zusehen ist

So kann z. B. der Bücherrevisor, der bei einem Geschäfts­

verkauf die Bücher zu prüfen hat, sowohl dem Käufer als auch dem

Verkäufer und auch beiden zusammen verpflichtet sein.

§ 17. Die Untreue -es Kommissionärs. Ebenfalls eine Erweiterung des Tatbestandes der Ziff. 1, eine Ver­ mehrung der Subjekte desselben ist die Untreue des Kommissionärs nach § 95 Börsengesetz *). Da auch in diesem Falle der Wortlaut der Straf­ bestimmung sich von dem Wortlaut des § 266 Ziff. 1 unterscheidet, so 25) G. A. Bd. 54, S. 298. 26) Vergl. oben S. 67 f. 27) Vergl. den Wortlaut: „Wenn sie ... diejenigen benachteiligen, deren Ge­ schäfte sie besorgen."

28) Vergl. oben $ t5, 1,1. i) An Literatur vergl. vor allem Nußbaum, Kommentar zum Börsengeseh, München 1910

(Jit. Nußbaum),

Kommentar zum Börsengeseh von Rehm,

Trumpler, Dove, Neukamp, Schmidt-Ernsthausen, Breit, Berlin 1909 (Ait. Schmidt-Crnsthausen).

muß diese Bestimmung zwar in diesem Unterabschnitt, aber gesondert

besprochen werden.

Falsch wäre. es jedenfalls, § 95 Börsengesetz als

eine Erweiterung des Tatbestandes von § 266 Ziff. 2 aufzufassen2).3

I. Die Strafbestimmung bezieht sich auf den Kommissionär, d. h. den

Kaufmann, der das Kommissionsgewerbe betreibt, schlechthin, nicht etwa nur auf den Kommissionär, der Börsenkommissionsgeschäfte betreibt.

Dies mag zunächst befremden, weil die Strafbestimmung in das Börsen­

gesetz eingeordnet ist, wo sie bei unserer — übrigens der völlig herrschendeu — Auslegung an falscher Stelle steht.

Jedoch regelte das

Börsengesetz in seiner älteren Fassung nicht nur die eigentlichen Börsen­

geschäfte, sondern gab darüber hinaus generelle Vorschriften über das

Kommissionsgeschäft überhaupt 3).

So war es unbedenklich, auch eine

allgemeine Strafbestimmung wider die Untreue der Kommissionäre in das Börsengesetz auszunehmen.

Nachdem nun die betreffenden Vor­

schriften des Börsengesetzes über das Kommissionsgeschäft in das HGB. herübergewandert sind, steht allerdings unsere Strafbestimmung auf verlorenem Posten, und sie scheint vielleicht gerade deshalb in der ge­ richtlichen Praxis eine geringere Rolle zu spielen, als man nach ihrer

sehr hohen praktischen Bedeutung annehmen müßte. Da aber für das alte Börsengesetz nach dem ganzen Gesetzeszusammenhang zweifellos

seststeht, daß sich § 79 nicht nur auf Börsenkommissionäre bezog, so ist kein Grund anzunehmen, daß nunmehr für den heutigen, im Wortlaut übereinstimmenden § 95 eine andere Auslegung erforderlich sei, zumal die Bestimmung nach dem Aufbau des HGB. in dieses nicht mit den

privatrechtlichen Bestimmungen über das Kommissionsgeschäft über­

nommen werden konnte. 1. Der Begriff des Kommissionärs wird vom Strafgesetz nicht nor­

miert, sondern vorausgesetzt. Das alte Börsengesetz verwies deutlich auf das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch, die gesamten Bestimmungen

des Börsengesetzes einschließlich unserer Strafbestimmungen waren in­ soweit einfach als Bestandteil bezw. als ein Anhang der Bestimmungen

des A. D. HGB. über das Kommissionsgeschäft zu lesen4).

Durch die

2) Falsch Stenglein, Nebengesetze, 4. Ausl., zu $ 95 BörsengeseH, Erl. I. 3) Vergl. die ursprüngliche Fassung des BörsengeseHes vom 22. 6. 96, V. Ab­

schnitt, Kommissionsgesetz $$ 70—74.

Unsere Bestimmung war damals in $ 79 enthalten. 4) Vrrgl. § 70 BörsengeseH a. F.: „Die Bestimmungen des Art. 376 des Han­

delsgesetzbuches werden durch die Bestimmungen der §§ 71—74 ersetzt." Da es sich

220 Streichung der ehemaligen §§ 70—74 des alten Börsengesetzes ist dieser

deutliche Hinweis auf das derzeitig geltende Handelsrecht weggefallen. Die Definition des Kommissionärs des neuen HGB. § 383 ist nun der Definition in Artikel 360 A. D. HGB. nicht ganz gleichbedeutend. In unserem Fall ist der Begriff des Kommissionärs aus dem neuen HGB.

zu entnehmen, da es im höchsten Grade zweckwidrig wäre, für das Strafrecht eine besondere Definition des Kommissionärs weiterzuführen, die man im Zivilrecht bewußt aufgegeben hat. Dies ist gerade deshalb anzunehmen, weil der Unterschied des alten vom neuen Gesetz nicht allzu erheblich ist, weil das neue Gesetz eine bessere Umschreibung des Begriffes geben sollte, nicht etwa eine wesentlich neue Regelung des ganzen Verhältnisses 5* ).* * * Die Definition des § 383 HGB. lautet folgendermaßen: „Kommissionär ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) in eigenem

Namen zu kaufen oder zu verkaufen." Zu dieser Definition ist nun die in § 406 HGB. enthaltene Bestimmung zur Erläuterung heranzuziehen: „Die Vorschriften dieses Abschnittes kommen auch zur Anwendung, wenn ein Kommissionär im Betriebe seines Handelsgewerbes ein Ge­ schäft anderer als der in § 383 bezeichneten Art für Rechnung eines anderen im eigenen Namen zu schließen übernimmt. Das gleiche gilt, wenn ein Kaufmann, der nicht Kommissionär ist, im Betrieb seines Handelsgewerbes ein Geschäft in der bezeichneten Weise zu schließen

übernimmt. Als Einkauf- und Verkaufskommission im Sinne dieses Abschnittes

gilt auch eine Kommission, welche die Lieferung einer nicht vertret­ baren beweglichen Sache, die auf einem von dem Unternehmer zu be­ schaffenden Stoffe herzustellen ist, zum Gegenstände hat." Hier den Wortlaut zitieren, heißt sich lange Erörterungen sparen. Es ist ohne weiteres klar, daß § 406 HGB. nicht den Begriff des in den Bestimmungen des Börsengesehes nur um Bestimmungen über den Selbst­ eintritt handelt, so wird der Begriff des Kommissionärs, wie er in Art. 360

A. D. HGB. definiert ist, nicht berührt.

Da der Kommissionär in Abschnitt V

des Bors. G. nur der Kommissionär des Art. 360 sein kann, so muß auch Ab­

schnitt VI des Bors. G., $ 79 in gleicher Weise verstanden werden. 5) Der apodiktische Sah bei Schmidt-Ernsthau sen, vergl. Erl. 2:

„Das jeweils geltende Zivilrecht ergibt, wer Kommissionär t(l" reicht als Be­

gründung nicht aus.

Kommissionärs erweitert, sondern nur die Regel über die Kommissions geschäfte

als

in

einem

weiteren

Umfange

anwendbar

erklärt. Wir müssen hier aber'nochmals auf das alte A. D. HGB. zurück­ kommen.

Nach Art. 360 desselben war nämlich Kommissionär der­

jenige, welcher gewerbsmäßig im eigenen Namen für Rechnung eines

Auftraggebers (Kommittenten) Handelsgeschäfte (also nicht nur

Handelskäufe d. V.) abschließt", der dem § 406 HGB. entsprechende Artikel 378 lautete aber: „Die Bestimmungen dieses Titels kommen

auch zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Han­

delsbetrieb nicht in Kommissionsgeschäften besteht, ein einzelnes Han­

delsgeschäft im eigenen Namen für Rechnung schließt."

eines Auftraggebers

Man hat aus der letzteren Bestimmung schließen wollen,

daß Kommissionär im Sinne des § 79/95 des Börsengesetzes auch ein

solcher Kaufmann fei6).

Wäre diese Auslegung für die alte Fassung

des Börsengesetzes richtig gewesen, so müßte sie auch heute noch für

die Auslegung des jetzigen § 95 maßgebend sein. Ob nur Kommissio­ näre im engeren Sinn oder alle Kaufleute taugliche Subjekte des Ver­

brechens sind, ist ein zu bedeutender Unterschied, als daß man nur ge­ stützt auf eine Änderung des Textes des HGB., welche dort wesentlich nur redaktionelle Bedeutung hat, eine Änderung einer strafrechtlichen

Bestimmung behaupten dürfte. Jedoch ist auch früher als Kommissionär im Sinne von § 79/95 Börsengesetz nur derjenige anzusehen gewesen,

der der Definition des Art. 360 A. D. HGB. entsprach. Dafür spricht im ganzen auch der Wortlaut des Art. 378 A. D. HGB., wenngleich

nicht mit derselben Deutlichkeit, wie § 406 HGB., ferner aber die

Erwägung, daß die Strafbestimmung doch in der Meinung geschaffen

wurde, daß der Kommissionär im Gegensatz zum Eigenhändler eine besondere Vertrauenswürdigkeit genießen müsse7).

Diese Erwägung

trifft aber auf den Kaufmann, wenn er nur gelegentlich ein Kom­ missionsgeschäft vornimmt, nicht in diesem Maße zu.

Es ist schon daraus hingewiesen, daß die Definition des § 383 HGB. insofern enger ist, als die des Art. 360 A. D.HGB., als nach dem

ersten nur Kaufgeschäfte, nach dem letzten Handelsgeschäfte aller Art die Eigenschaft eines Kommissionärs begründen. Hier scheint es aber 6) Vergl. z. B. Hoffmann, Kommentar zum Börs. G., Berlin 1897, § 79, Erl. I. 7) Vergl. dazu Nußbaum, § 95, Erl. I, Abs. 1.

222 zulässig gemäß dem oben ausgesprochenen Grundgedanken, die neue

Definition für die Auslegung des geltenden Strafrechts heranzuziehen. Denn es handelt sich einerseits um einen Unterschied, der nicht allzu groß ist, andererseits aber erscheint es

zweckwidrig,

die

Auslegung

an einen Begriff des Handelsgeschäftes zu binden, der im Handels­ recht überhaupt aufgegeben ist und daher eine große Komplikation in

das Strafrecht hereintragen müßte.

Auch spricht der Grundgedanke

der ganzen Strafbestimmung für die Möglichkeit einer solchen Ein­

engung des Tatbestandes, denn das Publikum muß doch in erster Linie

bei Kaufgeschäften gegen Übervorteilung geschützt sein, sonstige Handels­ geschäfte kommen weniger in Betracht.

Die Definition des § 383 HGB. ist demnach auch für die Auslegung

unserer Strafbestimmung maßgebend.

2. Im einzelnen ist zu bemerken: a) Kommissionär in unserem Sinne ist nur ein Kaufmann, der ge­

werbsmäßig Kommissionsgeschäfte schließt s), also nur ein Kaufmann, der seine Kaufmannseigenschaft schon infolge seines Kommissionsge­

werbes, abgesehen von weiterer Gewerbstätigkeit, besitzt. Strafrechtlich

ist zweckmäßig darauf hinzuweisen, daß der Begriff der Gewerbsmäßig­ keit infolgedessen strenger als eine auf dauernde Gewinnerzielung

gerichtete Tätigkeit ausgefaßt werden muß, als wie beim Begriff der Gewerbsmäßigkeit im Strafrecht erforderlich ist8 9).

b) Kommissionär ist ferner nur, wer Käufe oder Verkäufe als Kom­

missionsgeschäft übernimmt.

Im

einzelnen

ist auf das Schrifttum

im Handelsgesetzbuch zu verweisen, da die besondere strafrechtliche Be­

trachtung hier keine neuen Ergebnisse liefert.

c) Kommissionär ist nach dem Wortlaut von § 383 HGB., der in

§ 95 Börs. G. ausgenommen wird, nur wer s e l b st das Kommissions­ gewerbe betreibt, wer auf Grund dieses Gewerbes für seine Person

Kaufmann ist. Nicht tauglich als Täter ist demnach der Angestellte des Kommis­

sionärs. Nicht tauglich als Täter sind ebenso auch die Vorstände juristischer

Personen, sofern sie bei der Führung der Geschäfte der juristischen 8) Vergl. Nußbaum, § 95, Erl. 11, Abs. 3. 9) Vergl. dazu einerseits Staub, § 1, Anm. 6 ff., $ 383, Anm. 16, andrer» seits Ebermayer, $ 261, Erl. 3; Frank, § 74, Erl. V, 2 b.

Person Untreue gegen deren Kunden begehen*10).* Sie sind nach der

Definition des § 383 HGB. keine Kommissionäre, vielmehr ist im Sinne des § 383 HGB. und damit des § 95 Börs. G. Kommissionär nur die juristische Person selbst. Bestätigt wird diese Überlegung durch

die Tatsache, daß der Gesetzgeber bei den Konkursverbrechen und den Verbrechen des Depotgesetzes es für notwendig gehalten hat, die Straf­

barkeit der Vorstände von juristischen Personen eigens und besonders

auszusprechen. (Vergl. § 12 Depotgesetz, § 244 K. O.) Nun hat das Reichsgericht allerdings in einem anderen Fall, der ein Vergehen nach § 146 R. Gew. O. betraf, wie folgt entschieden:

„Dem Vertreter einer juristischen Person liegt aber auch an Stelle der letzteren die Erfüllung derjenigen Verpflichtungen ob, welche ihr im öffentlichen Interesse auferlegt sind, und er macht sich infolgedessen

auch schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bei der aus der Natur der Sache folgenden Unmöglichkeit einer kriminellen Verfolgung der

juristischen Person selbst strafrechtlich haftbar, wenn die Nichterfüllung

jener Verpflichtungen durch eine Rechtsnorm unter Strafe gestellt ist"n). Dieser Satz ist als Begründung jedenfalls durchaus verfehlt, denn er enthält einen reinen Analogieschluß, der gemäß § 2 St. G. B. nicht erlaubt ist. Daraus, daß einer bestimmten Person dieselbe öffent­ liche Verpflichtung auferlegt ist wie einer anderen, folgt noch lange

nicht, daß sie für eine Verletzung dieser Verpflichtung strafbar ist, wenn

als tauglichem Täter vom Strafgesetz eben nur der andere genannt ist. Nun mag die Entscheidung daraus eine gewisse Berechtigung gewinnen,

daß die Gewerbeordnung ja zweifellos den Willen hat, die Erfüllung der Arbeiterschutzvorschriften unter allen Umständen sicher zu stellen,

daß es in dem ganzen Zusammenhang äußerst zweckwidrig wäre, die Vorstände juristischer Personen, welche diese Vorschrift verletzen, straflos zu lassen, da die Gewerbeordnung eben die Arbeiter aller Unterneh­ mungen schützen toin12). So hat sich denn die herrschende Meinung auch hier auf die Seite des Reichsgerichts gestellt. Auf unsere Bestim­

mung können wir diese Überlegung jedoch nicht übertragen.

Einmal

10) Vergl. ebenso Nußbaum, Erl. II, anderer Ansicht SchmidtErnsthausen, Erl. 3. M) Vergl. R. G. St. Bd. 33, S. 261, insbesondere S. 264. 12) Vergl. Landmann, $ 146, Erl. 3, Abs. 3, § 151, Erl. 2 b, Abs. 3. Die Entscheidung R. G. St. Bd. 29, S. 27 kann übrigens nicht als Beleg dienen, da sie die Frage überhaupt umgeht.

224 handell es sich nur um die Verletzung von Privatrechten, vor allem

zahlt aber gerade unsere Strafbestimmung überhaupt nur einzelne

Kategorien als taugliche Täter auf, obwohl natürlich de facto noch eine ganz; Menge anderer Leute in der Lage sind, Untreue zu begehen. Das Gesetz straft aber aus allen an sich möglichen Tätern der Untreue nur

eine begrenzte Auswahl, welche Auswahl, wie wir schon oben be­ merkt haben, im einzelnen stets anfechtbar sein muß. Das Gesetz wählt

diesen Weg der Aufzählung, um überhaupt eine feste Grenze ziehen zu können. Wer nach dem Wortlaut nicht aufgezählt ist, kommt dem­ nach als Täter nicht in Betracht. Die Rechtsprechung hat sich gerade

zu unserem Fall nicht geäußert, jedoch hat sie für andere Fälle, bei

denen die vorstehenden Erwägungen nicht unterstützend ins Gewicht sielen, aus § 12 Depotgesetz und § 244 K. O. den Schluß e contrario

gezogen").

Für unseren Fall ist bisher die Frage nicht ausdrücklich

entschieden13 14). Der Gesellschafter, auch der persönlich haftende Gesellschafter der Aktien-Kommanditgesellschaft ist dagegen Kaufmann und Kommissionär. d) Inwieweit der Kommissionsvertrag selbst gültig sein muß, ist

besser in anderem Zusammenhang zu erörtern.

Die Frage spielt bei

der Untreue des Bevollmächtigten eine bedeutende Rolle und beant­

wortet sich dort in gleicher Weise wie hier15).

II. De: Kommissionär muß absichtlich zum Nachteil des Kommit­ tenten gehandelt haben.

Es bedarf in diesem Zusammenhang wohl

keines Beweises mehr, daß unter Nachteil nur ein Vermögensnachteil

zu verstehen ist. Der Begriff des Vermögensnachteils ist in dem oben (vergl. oben

§ 13) erörterten Sinn zu verstehen, da jeder Grund fehlt, die § 266

Zisf. 1 offenbar nachgebildete Bestimmung anders ausznlegen, als ihr Vorbild. Demnach kann auch durch Kreditschädigung Untreue begangen

werden.

Wenn z. B. der Kommissionär Verkäufe, welche von einer

Firma zu Sanierungszwecken gemacht werden, absichtlich in solcher Weise ausführt, daß ihre Notlage in der Öffentlichkeit bekannt wird,

etwa um die Aktien des Unternehmens zu drücken, so begeht er Untreue.

Gerade in unserem Falle ist es sehr deutlich, daß zum Vermögen des Kommittenten nicht nur gehört, worauf er einen rechtlichen Anspruch 13) Vergl. R. G. St. Bd. 16, S. 121, Bd. 38, S. 200. 14) Vergl. aber R. G. St. Bd. 34, S. 375 ff., insbesondere S. 379. 15) Vergl. also unten S. 244 ff.

hat, kenn vor her Ausführung Kes Auftrags hat er ja gegen Dritte nie­

mals einen rechtlichen Anspruch. Ebenso ist gerade hier klar, daß auch

die dolose Gewinnvereitelung Untreue ist. Es ist ganz undenkbar, daß der Kommissionär sich damit sollte entschuldigen können, daß ja tatsäch­ lich der Kommittent den vollen Gegenwert etwa zum augenblicklichen

Marktpreis erhalten habe, wenn er absichtlich und arglistig selbst den Preisstand beeinflußt hat. Ein Vermögensnachteil liegt vor, wenn das

Vermögen zur Zeit der Erledigung des Geschäftes geringer ist, als es

bei pflichtmäßiger Ausführung der Kommission sein müßte. Eine besondere Frage ist in diesem Zusammenhang zu erörtern. Man hat angenommen, daß auch die Benachteiligung bei Ausführung eines verbotenen Börsentermingeschäftes strafbar sei, wenn nur der Anspruch des Kommittenten zwar klaglos, aber immerhin erfüllbar sei. (Bergl. z. B. § 64 Börs. G.)16) Dies ist irrtümlich. Ein Gewinn, der nach dem Willen des Gesetzes überhaupt nicht gemacht werden soll, gehört auch nicht zum Vermögen im strafrechtlichen Sinn. Ganz abgesehen davon macht aber ein Auftrag zu einem verbotenen Kommissionsgeschäft den Kommissionär nicht zu einem Kommissionär im Sinne des Ge­ setzes, da ein strafrechtlich beachtliches Jnnenverhältnis fehltl7).

Der Vermögensnachteil muß ebenso wie in allen übrigen Fällen dieses Unterabschnittes eingetreten sein. Zwar würde der Wortlaut in unserem Falle nicht zu dieser Schlußfolgerung zwingen, aber es er­ gibt sich aus dem Zusammenhang mit den übrigen Untreuefällen. Die Bestimmung deckt sich insoweit wörtlich mit dem § 266 Ziff. 1 und ist dieser Ziffer nachgebildet. § 266 Ziff. 1 setzt aber voraus, daß der

Nachteil wirklich eingetreten ist. Auch eine Gefährdung reicht an und für sich nicht aus. „Wenn z. B. der Kommittent, der den Kommissio­ när mit dem Einkauf von Wertpapieren betraut hat, bemerkt, daß der Kommissionär einen zu hohen Kurs in Ansatz gebracht hat, und in­ folgedessen den unrechtmäßiger Weise verlangten Betrag nicht zahlt,

so kann eine Bestrafung nicht einttetai"18). III. Der Kommissionär muß bei der Ausführung eines Auftrages oder bei der Abwicklung eines Geschäfts gehandelt haben. Diese Be­ griffe sind hier nicht im technischen handelsrechtlichen Sinn zu nehmen. 16) ©o Schmidt-Ernsthausen, Anm. 6. 17) Vergl. dazu unten S. 251 f. 18) ©o Nußbaum, Erl. IIIb2. Übereinstimmend Schmidt-ErnstHausen, Anm. 6. Mayer, Das Rechtsgefühl. 15T

226 Das ergibt sich schon aus dem Wort abwickeln, das im Handelsleben

eine hier unverwendbare Bedeutung hat: „Der Ausdruck Abwicklung ist üblicher Weise nur auf Zeitgeschäfte zu beziehen. Ein solches Ge­

schäft ist dann abgewickelt, wenn die Spekulation durch Abschluß eines Gegengeschäftes unter demselben Kontrahenten zum Abschluß gebracht ist, oder wenn der Termin ohne Abschluß eines Gegengeschäftes und ohne Vereinbarung einer Erstreckung des ersteren verlaufen ist und so­ mit feststeht, daß der Verkäufer nunmehr zu liefern hat und der Käufer zu empfangen und den Kaufpreis zu zahlen hat"19). In diesem Sinne

kann das Wort Abwicklung natürlich nicht verstanden werden. Dennoch ist die Kritik an der Fassung des Gesetzes20) nicht veranlaßt, da das Gesetz nicht vermeiden kann, Worte zu verwenden, die eine auf irgend einem Gebiet bestimmte technische Bedeutung haben, welche es hier nicht

angewendet wissen will. Das Wort Abwicklung ist vielmehr ganz im Sinne der Laiensprache zu verstehen und soll gerade keinen bestimmt abgegrenzten Vorgang bezeichnen. Es soll eben auch nicht notwendig sein festzustellen, ob die Schädigung bei der Ausführung oder der Ab­ wicklung begangen ist. Vielmehr will das Gesetz nur ganz deutlich sagen, daß die besondere Amtspflicht des Kommissionärs sich auf beide

Seiten des Kommissionsgeschäftes erstreckt, nämlich auf den Abschluß des aufgetragenen Geschäfts und auf die Übertragung der Geschäfts­

wirkungen auf den Kommittenten. Bei einer kürzeren Wendung hätte

leicht ein gegenteiliges Mißverständnis entstehen können. Strafbar ist also die Verletzung der besonderen Pflicht des Kommissionärs zu treuer Erledigung des konkreten, ihm ausgetragenen Geschäfts in vollem Um­ fange. Das Geschäft selbst muß natürlich ein Kommissionsgeschäft sein, kein Eigengeschäft. Der Selbsteintritt begründet noch kein Eigengeschäft, vielmehr handelt es sich auch hier um ein Kommissionsgeschäft, für dessen redliche Ausführung der Kommissionär vom Anfang bis zur endgültigen Erledigung strafrechtlich haftet. Im Einzelfall sind aller­

dings Kommissionsgeschäfte und Eigengeschäfte des Kunden mit dem Kommissionär schwer zu unterscheiden.

Die Untreue muß sich auf das Kommissionsgeschäft selbst beziehen. Wer nur bei Gelegenheit des Kommissionsgeschäftes den Kommittenten in anderer Weise als durch die Art und Weise der Vornahme des Kommissionsgeschäftes schädigt, ist nach § 95 nicht strafbar, z. B. wenn So Nußbaum, IIb 1. 20) Vergl. Nußbaum a. a. O.

der Kommissionär bei Gelegenheit des Geschäftes den Kommittenten

bestiehlt, ist er vielleicht wegen Diebstahls, nicht aber wegen Untreue strafbar. Ebensowenig begeht der Kommissionär Untreue, wenn er im Anschluß an das Kommissionsgesetz das ihm zu weiterer Verwahrung

übergebene

Kommissionsgut

unterschlägt,

denn

hier

ist

das Kom­

missionsgeschäft schon völlig beendet gewesen.

Kurz gesagt, der Kommissionär muß den besonderen Pflichten, welche ihm für das konkrete Kommissionsgeschäft obliegen, zuwidergehandelt haben. Auch eine Schädigung beim Abschluß des Kommissionsvertrages

selbst zählt natürlich nicht hierher, dürfte dagegen meist unter § 95 Ziff. 1 fallen 2i). In diesem Rahmen kann die Schädigung durch be­ liebige Handlungen erfolgt sein, die Pflicht durch beliebige Handlungen

verletzt werden. Wieweit die Pflicht des Kommissionärs im Einzelsalle geht, inwieweit er seine eigenen Interessen wahrnehmen darf, insbe­ sondere auch mit Rücksicht aus die von verschiedenen Kunden gegebenen entgegengesctzten Aufträge, möchte ich unterlassen hier zu erörtern. Viel­

mehr sei hier auf die vorzüglichen Ausführungen im Nußbaumschen Kommentar21 22) verwiesen. Zu eigener Stellungnahme wäre hier eine praktische Erfahrung erforderlich, die nur an einem größeren Börsenorte

zu erwerben ist23). IV. Im Gegensatz zu allen bisher behandelten Untreuebestimmungen

verwendet § 95 Börs. G. das Motiv eigenen oder fremden Vermögens21) So

ist m.

E. folgendes Dilemma bei Nußbaum, Erl. II b 2

zu

lösen: „Von besonderer Wichtigkeit ist die absichtliche Beeinflussung des Kurses

zum Nachteil des Kommittenten.

Nicht selten kommt folgender Fall vor: Der

Kommissionär hat von einem Papier, in welchem ein geringer Umsatz an der

Börse stattzufmden pflegt, erhebliche Bestände.

Er erhält von dem Kunden einen

größeren Kaufauftrag und gibt nun an der Börse einen Kaufauftrag, der mög­

lichst klein, aber hinreichend ist, den Kurs stark in die Höhe zu treiben; hierauf liefert der Kommissionär dem Kunden die Papiere im Wege des Selbsteintritts

aus den eigenen Beständen zu dem in die Höhe getriebenen Kurse.

Indessen

dürfte es in diesem Falle an der für die Strafbarkeit erforderlichen Schädigung des Kommittenten fehlen.

Denn dieser hat keinen Anspruch darauf, daß der Kom­

missionär ihm aus eigenen Beständen liefere. Der Kommissionär kann vielmehr

auch den gesamten Auftrag an der Börse ausführen. In diesem Fall aber würde

naturgemäß der Kurs sich für den Kommittenten noch ungünstiger gestaltet haben" Hier liegt doch wohl stets dolose Erteilung eines Rates im Sinne von § 95 Ziff. 1 Börs. G. vor. 22) Vergl

Nußbaum a. a. O.

23) Also nicht hier in Würzburg, wo ich als Anwalt sitze.

228 Vorteils nicht als straferhöhendes, sondern als strasbegründendes Tat­ bestandsmerkmal.

Es ist selbstverständlich, daß damit nicht der Kommissionär für straf­ los erklärt werden soll, soweit er etwa schon nach § 266 Ziss. 2 straf­

bar ist, das Qualisikationsmoment der Absicht, Vorteil zu erlangen, aber nicht vorliegen sollte24).

H. Unterabschnitt.

Die Bevollmächtigten-Llntreue. § 18.

Oer Begriff des Bevollmächtigten. Die Bevollmächtigten-Untreue ist in einem besonderen Unterabschnitt

zu behandeln, nicht etwa wegen der besonderen Art des tauglichen Ver­ brechenssubjekts, sondern wegen der besonderen Ausgestaltung der ver­

brecherischen Handlung.

Die Begründung dieses Satzes kann erst im

nächsten Paragraphen gegeben werden. Das Wort Bevollmächtigter in § 266 Zisf. 2 hatte zu der Zeit, als Ziss. 2 Gesetz wurde, keine technische Bedeutung in der Sprache des

gemeinen Rechts gewonnen, wie dies ja oben dargelegt ist1).

Insbe­

sondere war damals der Gedanke der abstrakten Vollmacht, als des von seiner internen Grundlage gelösten Stellvertretungsverhältnisses noch nicht durchgedrungen. Es ist darum gänzlich unzulässig, diesen dem heutigen Zivilrecht zu Grunde liegenden Vollmachtsbegriff einfach für den Bevollmächtigten

unserer

Strafbestimmung

zu

übernehmen2),

denn

jedes Gesetz ist nur aus der Rechtssprache seiner Zeit

zu verstehen.

Eine technische Bedeutung hatte das Wort Bevollmächtigter aller­ dings in der Sprache des preußischen Landrechts3). Es bezeichnete dort 24) Vergl. auch Binding, Lehrbuch Bd. I, S. 404.

x) Vergl. oben S. 72 ff. 2) Wie dies am schärfsten von Frank, Erl. II, 2 geschieht, der allerdings

im Widerspruch damit auch die Verfügungsberechtigung im eigenen Namen hier­

herzieht. 3) Vergl. preuß. L. N., Teil I, Titel 13, §§ 5—227.

ben Mandatar in dem Verhältnis eines Vollmachtsauftrages. Der Vollmachtsauftrag des preußischen Rechts ist ein entgeltliches oder unentgeltliches Auftragsverhältnis, durch welches jemand von einer natürlichen Person oder deren Vertreter, von dem Vertreter einer Ge­

sellschaft oder juristischen Person mit einem bestimmten Geschäft oder mit einer Gattung oder Gruppe von Geschäften beauftragt wird, durch welches er außerdem Vertretungsmacht erhält. Das preußische Recht faßte also die Bertretungsmacht als Folge des internen Auftragsver­ hältnisses auf, der Bevollmächtigte war stets dem Auftraggeber ver­ pflichtet^). Es war zwar anerkannt, daß die Vollmacht einen weiteren

Umfang besitzen könne als der Auftrag *5),6 aber die abstrakte Vollmacht war dem Gesetze fremd 6). Das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem vertretungsberech­ tigten Gesellschafter ist nach preußischem Landrecht zwar wie ein Voll­

machtsauftrag zu behandeln, jedoch wird der Gesellschafter nicht als Bevollmächtigter, die Gesellschaft nicht als Auftraggeber bezeichnet 7).

Auch eine früher verbrntete Auffassung des gemeinen Rechts ent­ sprach dieser Regelung des preußischen Landrechts8). Es ist von Frank zur Auslegung des Begrisfspaares Bevollmäch­ tigter-Auftraggeber folgender Satz aufgestellt worden: „Auftraggeber ist vielmehr nur ein dem älteren Sprachgebrauch gemäßer laxer Aus­ druck für Vollmachtgeber" 0). Dieser Satz ist nach dem, was wir eben

darlegten, offenbar nicht zu halten. Vielmehr könnte man in der Ver­ wendung dieses Begriffspaares eine Verweisung auf das preußische

Landrecht sehen. Es ist aber nicht zulässig, hier das preußische Land­ AI Vergl. a. a. O. insbesondere $$ 5—7. 5) Vergl. a. a. O. $ 93. 6) Höchstens in dem Fall des Quittungsüberbringers ließe sich an eine ab­ strakte Vollmacht denken, aber auch hier muß die Quittung „anvertraut" sein. Vergl. a. a. O. § 130.

In den übrigen Fällen der stillschweigend erteilten Voll­

macht handelt es sich nur um den Umfang der Vollmacht. Vergl. §§ 129—141. Bei der sog. vermuteten Vollmacht liegt aber gar keine Vollmacht vor, da die durch

Notvertretung

abgeschlossenen

Rechtsgeschäfte

erst

der Genehmigung

dürfen. 7) Vergl. preuß. A. L. R., Teil I, Titel 17, §§ 210, 227, 231.

be­

Daß beim

Bevollmächtigten ursprünglich nicht an den vertretungsberechtigten Gesellschafter gedacht ist, lehrt vor allem auch Titel XIII, § 120. 8) Vergl. Keller, Pandekten, $ 313; Puchta, Pandekten, 12. Auflage, $ 323; Thibaut, Pandekten, 8. Aufl., $ 517. 9) Frank, Erl. II,2.

230 recht zum Ausgangspunkt der Auslegung zu nchmen.

Die Ziffer 2

wurde ja erst im Norddeutschen Strafgesetzbuch neu geschaffen und zwar gerade erst in der Bundesratskommission aus den Antrag des sächsischen Bevollmächtigten Schwarze eingefügt.

So ist ein Rückgriff

auf das preußische Zivilrecht unerlaubt. Auch ist zu bedenken, daß das

Recht der Handelsvollmacht schon gemeinsam für ganz Deutschland

im A. D.HGB. geregelt war. Für das gemeine Recht läßt sich aber im ganzen genommen ein

fester Sprachgebrauch nicht ermitteln, insbesondere stand häufig der Bevollmächtigte im heutigen Sinn an Stelle des Beauftragten im heutigen Sinne.

Aus dem Wortlaut des Strafgesetzes selbst läßt sich ebensowenig wie

aus der Gesetzgebungsgeschichte ein genauerer Anhalt für die Auslegung

gewinnen. Nur aus der ratio legis, aus der Gleichstellung des Bevoll­ mächtigten mit den Personen der Ziffer 1, welche besondere öffentliche

Autorität genießen, aus dem Bestreben der früheren Entwürfe, den Tatbestand fest zu umgrenzen, läßt sich noch schließen, daß es sich um

Personen handeln muß, denen ein ganz besonderes Vertrauen, d. h. ein Vertrauen besonderer Art entgegengebracht wird. So gelangt die Aus­ legung aus dem Gesetze selbst im ganzen zu keinem klaren Ergebnis. In einem solchen Falle muß daher angenommen

werden, daß die Gesetzgebung der Rechtsprechung ein

Blankett zur Ausfüllung eingeräumt hat. Die Rechtsprechung ist also insoweit Rechtsquelle, als sie die Schran­ ken dieses Blanketts nicht überschreitet und in sich vernünftig und folge­

richtig ist.

Nicht etwa kann hier aber die Rede davon sein, daß die

Rechtsprechung im Einzelfall zu entscheiden hätte, wer Bevollmächtigter

sei. Die Entscheidung im Einzelfall wäre hier vielmehr bloße Willkür, da noch gar keine feste Richtlinie vorliegt, wie wir oben sahen, und

wie sich insbesondere auch im nachfolgenden bei der Behandlung der Einzelfragen zeigen wird.

So ist der Rechtsprechung in diesem engen

Rahmen eine eigentliche Recht schaffende Funktion zuzuerkennen, so

daß sie imstande ist, nach allgemeinen Grundsätzen ein für allemal fest­ zustellen, wer Bevollmächtigter sein soll. So ergeben sich generelle Be­

griffe, deren Anwendung in einzelnen Beziehungen allerdings vielleicht

für die Entscheidung im Einzelfall noch Raum läßt.

Auch diese Er­

kenntnis widerstreitet dem Grundsatz des § 2 nicht, denn ebensolche Fälle kommen auch sonst im Strafgesetzbuch vor, und so haben wir es

auch hier nicht mit einer Durchbrechung, sondern mit einer Durch­ führung des in § 2 ausgesprochenen Gedankens zu tun. Die Rechtsprechung hat in Anlehnung an den Begriff des Bevoll­ mächtigten des preußischen Rechts und an den immerhin schon damals

verbreiteten Sprachgebrauch des gemeinen Rechts nur solche Per­

sonen für Bevollmächtigte im Sinne von §266 Zisf. 2 erklärt, welchen r e ch t s g e s ch ä f t l i ch e Tätigkeit für den

Auftraggeber übertragen ist. I. Demnach ist zunächst jedenfalls Bevollmächtigter, wer auf Grund eines Auftrags im obigen Sinne die Rechtsmacht besitzt, namens seines Auftraggebers Rechtsgeschäfte abzuschließen10).* 12 1. Ein Auftrag zu einer rein tatsächlichen Tätigkeit reicht demnach nicht aus, so bedeutsam solche Tätigkeiten z. B. auf dem Gebiete der Technik auch zu sein vermögen. Für nicht ausreichend wurden also er­

klärt z. B. das Amt des Waldhüters, der eine Waldparzelle nur zu beaufsichtigen hat44), das Amt eines Försterssofern er nicht z.B.

die Holzverkäufe vorzunehmen hat, das Amt eines Werkmeisters13) und eines Betriebsingenieurs 14), auch wenn z. B. der letztere Einsicht in wichtigste Betriebsgeheimnisse erhält. Hier bietet es übrigens gar feine Schwierigkeiten, die rein faktischen Tätigkeiten von rechtsgeschäft­

licher Tätigkeit abzugrenzen. 2. Erheblich schwieriger ist aber die Abgrenzung der rechtsgeschäft­ lichen Tätigkeit und derjenigen tatsächlichen Tätigkeit, welche der Vor­

bereitung und Unterstützung des Abschlusses von Rechtsgeschäften dient.

Die Unterscheidung zwischen einem Boten und einem Bevollmächtigten ist in Wahrheit gar nicht so leicht.

So erscheint es reichlich bedenklich, wenn der Auftrag, Geld auf eine 10) Das

heißt

also,

wenn

ein

Vollmachtsauftrag im

engeren Sinne

des

preußischen Rechts vorliegt.

n) Vergl. N. G. St. Bd. 7, S. 377 (Rechtsprechung Bd. V, S. 21). 12) N. G. St. Vd. 36, S. 133; L. Z. 1918, S. 281, Nr. 25.

Die weitere

Wendung bei E b e r m a y e r, Erl. 13, der Förster scheide aus, wenn ihm die

freie Willensentschließung bei Festsetzung des Verkaufs oder der Pachtbedingung ent­ zogen ist, kann ich nirgends belegt finden. Allerdings sind wieder einmal die Zitate R. G. St., Bd. 13, S. 198, Bd. 47, S. 147 und S. 324, Bd. 48, S. 58

entweder als Druckfehler oder als Verwechslung falsch, so daß eine Nachprüfung unmöglich ist. 13) N. G. St. Bd. 50, S. 314.

u) R. G. St. Bd. 11, S. 243.

232 Postanweisung bei der Post einzuzahlen und diese Anweisung abzu­

geben, eine Vollmacht in sich schließen sott15). Denn wo soll hier noch Rauni sein für irgend einen Willensentschluß des Bevollmächtigten? Besonders schwierig aber ist die Unterscheidung zwischen einem Emp­

fangsboten und einem zum Empfang einer Willenserklärung oder auch zur Annahme einer Zahlung Bevollmächtigten. An diese Vollmachten ist ja zu der Zeit, als die Bollmachtslehre diskutiert wurde, kaum ge­ dacht worden, vielmehr stand durchaus die gewillkürte Stellvertretung beim Vertragsabschluß und zwar beim Abschluß eines obligatorischen Vertrags im Vordergründe der Diskussion. Auch das preußische Land­

recht hatte der Empfangsvollmacht keine Beachtung gcfdjentt16). Die Rechtsprechung zu § 266 Ziff. 2 aber hat auch die passive Stellver­ tretung einbezogen und bezeichnet den Jnkassomandatar als Bevollmäch­ tigten, insbesondere den Handlungsagenten und den Handlungsreisen­ den, welche zur Annahme von Zahlungen befugt sind17). Dagegen wurde die Bevollmächtigteneigenschast verneint bei einem Kolporteur, der mit der Entgegennahme und Einsammlung von Bestellungen be­ auftragt to(xr18), bei einem Zeitungsträger, welcher Quittungen zu überbringen und das Geld einzusammeln hatte 19), und ebenso auch beim Makler2^.

Die Literatur hat, soweit ich sehe, die hier vorliegende Schwierigkeit nicht einmal bemerkt, sondern sich vielmehr mit einigen Redewendungen über sie hinweggesetzt21). Die Wendungen, daß dem Bevollmächtigten die „an Stelle der mechanischen Tätigkeit tretende Selbständigkeit der Verfügungsgewalt"22) oder die „rechtsgeschästliche Selbsttätigkeit"2a) 15) R. M. G. Dd. 16, S. 280. x 16) Vergl. im allgemeinen: Teil I, Titel 13, $ 18, vergl. aber den ganzen übrigen Inhalt der $$ 5 ff. M) R. G. St. Bd. 38, S. 267, Bd. 39, S. 336, Bd. 43, S. 432, G. A. Bd.

50, S. 142, Rspr. Bd. 4, S. 393, L. I. 1914, S. 959, Nr. 23, 191, S. '4860 Nr. 18. 18) Bay. Ob. Bd. 2 S. 837. Es ist übrigens in diesem Falle gar nicht klar, ob nicht der Auftraggeber mit der Annahme der Bestellung durch den Kolporteur überhaupt schon zur Lieferung verpflichtet wurde. In diesem Falle wäre die Ent­ scheidung bestimmt falsch. 19) R. G. St. Bd. 42, S. 211. 20) Recht, 1914, S. 1933. 21) In den Kommentaren von Cbermayer, Erl. 13, Abs. 2, Frank, Erl. II, a. E. wird allerdings auf den Gegensatz von Boten und Bevollmächtigten hingewiesen. 22) Ebermayer a. a. O. 22) Frank a.a.O.

auszeichne, helfen in keiner Weise vom Fleck. Die Frage ist praktisch nicht unwichtig, und wiederum methodisch interessant, weil hier wieder

einmal versucht wird, mit einem Generalbegriff qualitativ eine Unter­

scheidung zu fixieren, die in Wahrheit nur im Einzelfcill als eine rein

graduelle Unterscheidung bestimmt werden kann. Zur Klärung des Sachverhalts muß auf die zivilrechtliche Streit­ frage nach dem Wesen des Boten im Gegensatz zu dem des Bevoll­

mächtigten eingegangen werden.

3. Zunächst ist der allgemeine Charakter des Boten festzustellen. In weiterem Sinne ist natürlich auch dieser als Stellvertreter zu bezeichnen. Denn es ist ja eine reine Fiktion, daß die Botenerklärung nur hie Erklärung des Absenders und nicht auch die des Boten ist. Verändert der Bote den Inhalt der Botschaft, so ist zunächst maßgebend die Er­ klärung des Boten, so wie er sie gestaltet hat24). Die von dem Boten abgegebene Erklärung, welche ohne dessen Willensentschluß doch nicht möglich wäre, steht demnach an Stelle einer Willenserklärung des Ab­ senders, nur die eine Besonderheit besteht, daß an den natürlichen Willen des Botens nicht die besonderen Anforderungen der Geschäfts­ fähigkeit gestellt werden. Auch der Bote wird demnach rechtsgeschäftlich selbsttät'g, auch er hat eine Verfügungsgewalt, die freilich nicht selbständig ist, aber das ist auch die Verfügungsgewalt des Bevollmäch­ tigten nicht.

Besonders schwierig ist aber die Unterscheidung des passiven Stell­ vertreters vom Empfangsboten. Sofern es sich nur um Entgegen­ nahme einer Erklärung handelt, läßt sich ein Unterschied überhaupt nicht finden 25). In beiden Fällen ist die Willenserklärung zu gleicher Zeit vollendet. Etwas anders liegt allerdings die Sache bei Empfang­ AI § 120 BGB. Also nimmt er gerade eben dadurch an der Bildung des Geschäftswillens teil, gerade durch) $ 120 ist die nach Fleck, Archiv f. bürgerl.

Recht, Bd. 15, S. 348, einzig mögliche Grenze überschritten. 35) Darum ist ja wohl die Unterscheidung zwischen Boten und Bevollmäch­ tigten insoweit geleugnet bei Hellwig, Lehrbuch des Aivilprozeßrechts § 121,

I, 2, I. W. 1905, S. 356. Es wäre natürlich möglich, daß der Empfangsbote nur als Überbringer der

Erklärung insofern gedacht ist, daß z. B. der Vertrag erst dann als abgeschlossen gelten soll, wenn der Bote die Erklärungen seinem Herrn überbracht hat.

Dann

handelt es sich aber in Wahrheit gar nicht mehr um einen Empfangsboten, son­ dern um einen vom Erklärungsempfänger gestellten Boten des Erklärenden, auf wessen Gefahr dann die Botschaft reist, ist Frage des Cinzelfalles.

234 nähme einer Leistung. Hier kann unterschieden werden zwischen einer

Annahme mit einer Prüfung und ohne eine solche. Aber gerade bei dem für uns wichtigsten praktischen Falle bei der Inkassovollmacht läßt sich diese Unterscheidung nicht durchführen, denn hier ist eine Annahme

ohne Prüfung des Empfangenen auch für den Empfangsboten nicht denkbar, jedenfalls hat das Reichsgericht auch in einem Fall, in dem der Betreffende das empfangene Geld zweifellos nachzählen mußte, sich gegen den Vollmachtscharakter und für reine. Botenleistung ausge­

sprochen 26 * *).

Auch hier ist es angezeigt, sich zunächst einmal den Werdegang der Unterscheidung zu vergegenwärtigen. Die Möglichkeit, durch einen Boten Rechtsgeschäfte abzuschließen, bestand ja schon immer. Die Voll­ macht wurde erst viel später endgültig anerkannt. Es dürfte also der Botenbegrisf ursprünglich in der Praxis sehr weit gefaßt gewesen sein, später aber bestand dann zunächst gar kein zivilistisches Interesse, den Boten vom Bevollmächtigten genau zu unterscheiden, vielmehr drehte sich die Kontroverse doch nur darum, ob auch in den Fällen, wo man sich mit dem Botenbegriff schlechterdings nicht mehr helfen konnte, die gewillkürte Stellvertretung möglich sei. Dieser Zustand spiegelt sich auch im BGB. wieder. Die Verfasser desselben sind wohl von der Vorstellung eines grundsätzlichen Unterschiedes zwischen dem Boten und dem Bevollmächtigten ausgegangen, aber sie haben sich diesen Unterschied nicht an dem Gegensatz der Rechtsfolgen klar gemacht27). So kann es zunächst nicht zum Ziele führen, deduktiv einen Begriff des Boten im Gegensatz zum Begriff des Bevollmächtigten zu ent­ wickeln und dann hieraus die einzelnen Unterschiede zu begründen28), sondern zunächst muß der Komplex der einzelnen Rechtsfolgen ins Auge gefaßt werden. Es kommen nun zwei Unterschiede in Frage: Bevoll­ mächtigter kann nur ein Geschäftsfähiger sein, Bote auch ein Geschäfts26) R. G. St.

Bd. 42,

S. 214.

Hier handelt

es sich

um einen Zeitungs­

träger, der auf Grund der Prüfung der erhaltenen Summe Quittung zu über­

geben hatte. 27) Vergl. Motive, Bd. I, S. 223, S. 203. 28) Wie dies die zivilistische Literatur versucht, vergl. z. B. Fleck, Arch. f. bürg. R., Bd. 15, S. 341, der sich zu dem wunderlichen Satz versteigt: „Es

m u ß also eine Differenz bestehen", und zwar, weil die Verfasser des BGB. ge­ glaubt haben, es liege ein Unterschied vor, ohne daß Fleck überhaupt die Unter­ schiede in den Rechtsfolgen prüft.

Abt. 2, S. 339, S. 358.

Vergl. auch T u h r, Allgem. Teil, Bd. II,

Enneecerus, Allgeim Teil, Bd. I, $ 166.

unfähiger, z. B. der wegen Geisteskrankheit Entmündigte. Der andere

Punkt betrifft die Regelung der sonstigen Voraussetzungen und der Mängel des Geschäftsschlusses. In keinem Falle hilft uns aber hier die übliche Definition, der Be­ vollmächtigte sei Stellvertreter in der Willensbildung, tatsächlich zur Entscheidung der einzelnen Fragen. Will man etwa grundsätzlich durch

einen Geschäftsunfähigen vermittelte Geschäfte auch dann als ungültig betrachten, wenn seine natürliche Verstandes- und Willensfähigkeit zu dem ihm übertragenen Geschäft durchaus ausreicht, nur weil er einen begrenzt selbständigen Entschluß zu fassen hatte, auch wenn die Gegen­

partei das Sachverhältnis kennt29). Hinsichtlich der Behandlung von Willensmängeln und Fehlern in der Bestellung der Botschaft oder der Ausführung des aufgetragenen

Geschäfts durch den Bevollmächtigten müssen wir zunächst den Unter­ schied der Rechtsfolgen auf das richtige Maß zurückführen. Überschreitet der Bevollmächtigte zweifelsfrei seine Vollmacht, richtet der Bote etwas völlig anderes aus, als seine Botschaft besagte, so ist in beiden Fällen gleichermaßen nichts geschehen. Richtet der Bote die ihm aufgetragene Botschaft, wenngleich unrichtig, aber immerhin doch noch aus, so muß der Absender unverzüglich ansechten. Überschreitet der Bevollmächtigte seine Vollmacht in einer nicht ohne weiteres zweifelsfreien Weise, so muß in der Regel ebenfalls der Geschäftsherr das Geschäft unverzüglich annullieren, wenn er das Geschäft nicht gegen sich gelten lassen will. Der letztere Grundsatz ist zwar erst in der Rechtsprechung herausge­ bildet, aber er ist der Natur der Sache nach gar nicht zu vermeiden30). Praktisch kann man überhaupt nur in beiden Fällen gemeinsam so vor­ gehen, daß man fragt, ob entweder der gesamte Tatbestand des Einzel­ salles so liegt, daß irgend eine Annullierungserklärung gar nicht er­

forderlich ist, oder es sich so verhält, daß eine Annullierungserklärung genügt und erforderlich ist, um das Geschäft hinfällig zu machen. Die theoretische Unterscheidung des Boten und des Bevollmächtigten spielt

hier gar keine Rolle.

Keinen Unterschied macht es auch, ob der Bote oder der Bevollmäch29) So nenn Kindern Besorgungen aufgetragen werden, oder etwa auch, wenn ein im Haushalt der Irrenanstalt verwendeter Geisteskranker Gemüse auf dem

Markt einkarftn soll, was beides doch sehr leicht vorkommen kann. 30) Vergl. Planck, Erl. 1, zu $ 177 BGB. Kommentar der R. G. R. $ 177, Erl. 2.

236 tigte den Geschäftsabschluß durch Betrug herbeiführt, da keiner von

beiden als Dritter im

Sinne des § 123 BGB. angesehen werden

kann31). Irrt der Bote über einen wesentlichen Umstand und richtet dem­

zufolge die Botschaft falsch aus32), irrt der Bevollmächtigte und schließt in diesem Irrtum ab, so ist in beiden Fällen das Anfechtungsrecht ge­

geben. Es bleibt aber allerdings ein sehr wichtiger und bedeutsamer Unterwer wegen Botenirrtums anficht, haftet für das Vertrauensinteresse

(§ 122 BGB.), wenn der

Erklärungsempsänger auf die Richtigkeit

der Botschaft vertrauen durfte.

Überschreitet dagegen der Stellvertreter

seine Vollmacht, so haftet der Vollmachtgeber überhaupt nicht.

Zu­

treffend nimmt die Rechtslehre an, daß es hiefür darauf ankomme, ob der Betreffende als Bote oder Vertreter aufgetreten sei33), da ja jeder Bevollmächtigte Bote seiner Bevollmächtigung ist.

Eine Botschaft im

Sinne der §§ 120, 122 BGB. ist nach § 122 Abs. 2 demnach dann

gegeben, wenn der Erklärungsempfänger annehmen durfte, daß die über­

brachte Erklärung, so wie sie abzugeben war, eine Erklärung des Ge­ schäftsherrn selbst war, und daß er sich also über den Umfang der Vollmacht des die Erklärung Überbringenden keine Gedanken zu machen

bräuchte34). Besteht die passive Stellvertretung lediglich in der rein passiven

Entgegennahme einer Erklärung, so kommen Willensmängel überhaupt nicht in Betracht, außer in der einen Richtung, daß die Erklärung nicht gültig abgegeben ist, wenn der Erklärungsempfänger als Stell­

vertreter figuriert, aber nicht geschäftsfähig war.

Im Gegensatz dazu

darf der Empfangsbote auch geschäftsunfähig sein. Praktisch läuft das

darauf hinaus, daß die Empfangnahme einer Erklärung durch einen Geschäftsunfähigen dann nicht genügt, wenn nach Treu und Glauben

mit Rücksicht auf die Bedeutung der Erklärung diese nur von einem Geschäftsfähigen entgegengenommen werden kann. 31) Ich finde zwar keinen Beleg in der Rechtsprechung wegen des Boten, aber wer den Betrug des Boten zu seinen Gunsten ausnützen wollte, dem stünde doch fraglich die actio oder exceptio doli generalis entgegen. 32) Es kommt also auch auf das Wissen des Boten an, da er eben ohne das richtige Wissen seine Botschaft nicht richtig ausführen kann. 33) Tuhr, Allgem. Teil, Bd. II, Abt. 2, S.340; Fleck, Arch. f. bürg. R., Bd. 15, S. 348 ff. 34) Nur diese Erwägung, welches Vertrauen im öffentlichen Interesse schutz­ würdig ist, gibt der Unterscheidung einen Sinn.

Handelt es sich aber um die Empfangnahme einer Leistung, so liegt der Fall wieder bei beiden Kategorien soweit ganz gleich, daß bei irr­

tümlicher Annahme im einen Fall Widerspruch, im anderen Anfech­ tung nötig und zulässig ist, wenn die Annahme nicht gültig werden

soll 35).

Aber insofern ergibt sich allerdings ein Unterschied, als der

Bevollmächtigte in dec Lage ist, Rechtsbehelfe zu vernichten dadurch, daß er ohne Vorbehalt annimmt, trotzdem er einen etwaigen Fehler

hätte bemerken müssen. So kommt es hier darauf an, ob der Bevoll­

mächtigte ein selbständiges Prüsungsrecht haben sollte. Damit scheinen mir die

ausgezählt zu sein.

möglichen Rechtsunterschiede

erschöpfend

Sie lassen sich folgendermaßen kurz zusammen-

fassen: 1. Als aktiver Vertreter im weiteren Sinn (natürlich unter dem

Titel des Boten) kann dec Geschäftsunfähige nur figurieren, wenn der von ihm zu fassende Entschluß nach der Verkehrsaufsassung seine Fähig­

keiten nicht überschreitet. 2. Der Geschästsherr hat bei der Anfechtung

einer Erklärung das negative Vertrauensinteresse zu ersetzen, wenn der Erklärungsgegner annehmen durste, daß die abgegebene Erklärung un­

mittelbar eine Erklärung des Geschäftsherrn selbst, also eine Boten­ erklärung war und er die Reichweite der Vollmacht darum nicht zu prüfen hatte. 3. Eine Erklärung kann von einem Geschäftsunfähigen nur dann entgegengenommen werden, wenn sie nach Treu und Glauben

von einem solchen entgegengenommen werden konnte. 4. Die Annahme

einer Leistung wirkt dann, wie durch den Geschäftsherrn selbst vorge­ nommen, wenn der Bevollmächtigte die Leistung selbständig zu prüfen hatte.

Ich kann hieraus aber weder einen Begriff des Bevollmächtigten im Gegensatz zu dem des Boten entwickeln, noch kann ich finden, daß die Beantwortung dieser Fragen im Einzelfall durch die Formel er­

leichtert würde, daß der Bote nur Vertreter in der Erklärung, der

Bevollmächtigte aber Vertreter im Willen sei.

Dabei ist es natürlich

völlig klar, daß unser Sprachgebrauch etwa bei einem Prokuristen nie­

mals von Botschaft sprechen wird, weil er im Einzelfall eben völlig selbständig entscheiden kann. So bleibt allerdings ein klassifikatorischer Unterschied zwischen dem

Boten und dem Bevollmächtigten übrig, der mit der rein gradmäßigen

35) Bei der Annahme durch einen Boten folgt dies daraus, daß ohne Wider­ spruch ja die Annahme genehmigt wäre.

238

Unterscheidung zusammenfällt, ob der Betreffende größeren oder ge­ ringeren Spielraum eigener Entscheidung hat 36).

Richtig

ist, daß

diese Unterscheidung nicht genügt, um die Einzelfragen zu lösen, die wir eben besprochen haben, und insofern ist der Widerspruch gegen die

ausschließliche Verwendung dieses Kriteriums berechtigt 37). Aber diese Fragen können überhaupt nicht durch die Definition des Botenbegriffs

oder des Begriffs des Bevollmächtigten gelöst werden. Bote und Be­ vollmächtigter müssen zwar von der zivilistischen Doktrin unterschieden werden,

weil

sie

verschiedene

klassisikatorische

Grundgedanken

zum

Ausdruck bringen, aber man muß sich darüber klar sein, daß die

Einzeldurchführung eben von der besonderen Fragestellung im Einzel­ fall abhängt.

Diese Erörterungen beweisen zur Genüge, daß eine für das Straf­

recht fruchtbar zu machende Unterscheidung zwischen dem Boten und

dem Bevollmächtigten in der zivilistischen Doktrin nicht besteht. Das liegt natürlich im gemeinen Recht, das ja für unser Strafgesetzbuch

zunächst maßgebend wäre, keineswegs besser.

Auch hier erweist sich

also die Berufung auf die zivilistische Doktrin für ungenügend. 4. Für die Auslegung unseres Strafrechtssatzes sind nur zwei Tat­ sachen wichtig.

Man wollte durch das Wort Bevollmächtigter die

Wichtigkeit des Auftrags und eine besondere Verantwortlichkeit des Beauftragten kennzeichnen.

Man hatte weiterhin zunächst nur den

Fall eines regelrechten Vertragsabschlusses im Auge, da ja in der Wissenschaft der damaligen Zeit eben fast nur die Vollmacht zun Ver­

tragsabschluß erörtert wurde. Sonach ist Bevollmächtigter in unserem Sinnederjenige,

der

für

einen

anderen

in

einer

gewissen

SelbständigkeitRechtsgeschäfte vorzunehmen hct. Ob dies der Fall ist, hat das Gericht nach vernünftigem Ermessen fe st zu st eilen. AlsMaßstabistdabeiderFall

des selbständigen Vertragsschlusses anzusehen. Selb­ ständig ist der Vertragsschluß, wenn der Bevollmächtigte zu entscheiden

hat, ob überhaupt, oder mit wem, oder mit welchem Inhalt dec Ver­ trag geschlossen werden soll. Dann kann aber die reine Inkassovollmacht, wenn sie sich nicht mit

einer Verantwortung für die Art und Weise der Einziehung, insbe36) Tuhr, Allgem. Teil, Bd. II, Abt. 2, S. 340. 37) Enneccerus, Allgem. Teil, Bd. I, § 166, N. 1.

sondere einer Stundungsvollmacht verbindet, nicht als Vollmacht in

unserem Sinne angesehen werden.

Denn es läßt sich schlechterdings

nicht einsehen, welche der Verantwortung für einen selbständigen Ver­ tragsschluß analoge Verantwortung in dem bloßen Annehmen und Nachzählen einer Geldsumme bestehen soll.

Freilich besteht hier eine

in ihrer Bedeutung dec Höhe der Summe entsprechende Verantwort­

lichkeit des Kassenboten und des Verwahrers, aber nicht die besondere eines Bevollmächtigten. Wie danach die einzelnen von der Praxis ent­

schiedenen Fälle zu beurteilen wären, läßt sich nicht richtig würdigen, da bei allen Entscheidungen der genaue Tatbestand fehlt. Die Begrün­

dung der Entscheidung ist aber in allen Fällen unzureichend. In einem Urteil kommt allerdings das Reichsgericht diesen Erwägungen nahe

und stützt durch besondere Belege die Verurteilung mit Recht38). Die Bevollmächtigten-Eigenschaft ist dagegen mit Recht in den anderen Ziffer 2, Note 18, 19, 20 angeführten Fällen verneint. II. Die bisher besprochenen Fälle entsprachen somit dem Vollmachts­

auftrag im engeren Sinne des preußischen Landrechts. Es war jeden­ falls unbedenklich, in diesen Fällen den Tatbestand des § 266 Ziff. 2

als erfüllt anzusehen.

Nach zwei Richtungen ist die Rechtsprechung

über diesen Bereich hinausgegangen.

1. Die Rechtsprechung betrachtet auch die Vorstände der juristischen

Personen, sowie den vertretungsberechtigten Gesellschafter als Bevoll­ mächtigte. Diese Auslegung ist nach Wortlaut und Sinn der Bestim­ mung sehr wohl möglich und die Rechtsprechung somit befugt, das ihr ausgestellte Blankett in dieser Weise auszufüllen.

Es wird gegen diese Rechtsprechung eingewandt, Vollmacht und Auftrag könnten sich „begrifflich nur auf eine freie Willenserklärung

des Geschäftsherrn, nicht aber... auf Gesetz gründen"39). Gemeint ist hierbei, daß die Entstehung der Vollmacht sich auf eine „freie Willens38) R. G. St. Bd. 43, S. 432, obwohl natürlich auch hier nicht klar einge­ standen wird, daß eine Ermessensfrage vorliegt. Im Ergebnis aber ist vom Er­

messen und zwar richtig Gebrauch gemacht, denn das Halten der Agenturkasse (vergl. S.

436)

begründet

allerdings

eine besonders

bedeutsame

Verantwort­

lichkeit. 39) Vergl. Ammon, S. 64, ihm folgend D r a h e i m, S. 25, N. 3, Din­ ding,

Lehrbuch Bd. I, S. 400, N. 1. Ebenso Cartier, S. 11: „Da nur

solche Vollmachten gemeint sind, die sich direkt oder indirekt auf freie Willens­

erklärung zurückführen lassen, so scheiden hier alle auf Gesetz beruhenden Voll­

machten aus."

Vergl. dann S. 12 N. 2.

240 erklärung" gründen müsse,denn dessen, daß Umfang und Inhalt bet Vollmacht selbst gerade in besonders wichtigen Fällen wie den der Prokura vom Gesetz bestimmt wird, ist man sich natürlich bewußt 40). Dieses Bedenken tr'f^t nun keinesfalls den Vorstand einer juristischen

Person40 41), denn der Vorstand einer Aktiengesellschaft wird ja genau aus dieselbe Weise wie ein anderer Bevollmächtigter durch eine beson­ ders zu diesem Zweck abgegebene Willenserklärung, evtl, allerdings in der Form eines Generalversammlungsbeschlusses mit seinem Amte beliehen. D:e ganze Vorstellung, die hier zum Ausdruck kommt, erklärt sich aber überhaupt nur aus dem naturrechtlich infizierten Willens­ dogma. Es ist natürlich immer das Gesetz, worauf die Vollmacht be­ ruht, und es ist die bei der gegnerischen Auffassung anklingende alte naturrechtliche Vorstellung, daß der Wille durch seine Erklärung die Rechtsfolgen erschaffe, ganz und gar abzulehnen. Immer knüpft das Gesetz an einen bestimmten Tatbestand die Vollmacht an. Es soll hier nicht in den Streit zwischen Willenstheorie und Er­ klärungstheorie eingetreten werden, und darum sei hier nicht unter­ sucht, ob ein anderer als der Erklärungswille überhaupt erforderlich ist, ob nicht diesen vorausgesetzt die Erklärung ohne einen die Rechtsfolgen umfassenden Willen zur Begründung der Vollmacht genügt42). Viel­ mehr soll von dem tatsächlichen Regelfall ausgegangen werden, daß der Wille wirklich auf ein Bollmachtsverhältnis gerichtet ist. Dies ist bei Eingehung des Gesellschaftsvertrages aber auch der Fall, rein tat­ sächlich gesprochen will in fast allen Fällen der Gesellschafter, wenn er den Gesellschastsvertrag schließt, auch die Vertretungsbefugnis ge­ währen, so wie sie im Gesetz dispositiv festgelegt ist, sonst würde er ja eine andere Vereinbarung treffen. Die Erklärung wird gleichermaßen im Falle der besonderen Vollmacht wie in dem der Gesellschaft häufig

nicht eigentlich auf die Bertretungsbefugnis lauten, sondern im einen Fall nur auf den Auftrag, im anderen nur auf die Gesellschaft. Der 40) Vergl. Ammon a. a. O., insofern ist die Polemik von Konrad, S. 26 f. nicht ganz treffend. 41) Ammon hat diesen Fall noch gar nicht ins Auge gefaßt, bei den Späteren ist die Meinung insofern unklar. 42) Daß diese wenigstens bei der externen Vollmacht die Rechtsfolgen in ihrem Umfang nur sehr allgemein umfassen kann, ist klar, insofern ist der In­ halt der Vollmacht immer in höherem Maße gesetzlich, d. h. nicht nach der Ab­ sicht des Vollmachtgebers bestimmt, als dies bei anderen Rechtsgeschäften der Fall sein kann.

einzige Unterschied ist mithin, daß die Bevollmächtigung durch Ge-

sellschastsvertrag nur ein Bestandteil eines weit umfangreicheren Rechts­ geschäftes ist.

Die Gesellschaft selbst wird aber grundsätzlich genau so

frei abgeschlossen, wie die Ernennung zum Bevollmächtigten in ein

Auftragsverhältnis im engeren Sinn frei erfolgt").

Bei der Gesell­

schaft des bürgerlichen Rechts muß ja ohnedies eine Einzelvollmacht stets besonders verliehen werden (§ 709 BGB.). Im übrigen sehe ich

aber auch gar keinen Grund im Falle eines Kontrahierungszwanges,

der leichter für den Auftrag als für alle anderen Fälle denkbar ist, die Anwendung des § 266 Ziff. 2 auszuschließen.

Ja, es tritt oft in

solchem Fall zu dem privaten Interesse ein öffentliches hinzu.

So bleibt noch der weitere Einwand, daß das Begriffspaar Bevoll­ mächtigter-Auftraggeber nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auf

das Gesellschaftsverhältnis nicht anwendbar sei, da mindestens der Auf­ traggeber fehle").

Betrachtet man die juristische Natur des Verhält­

nisses, so kann natürlich der Einwand nicht gehalten werden, denn das

Verhältnis des vertretungsberechtigten Gesellschafters zu der Gesamt­

heit der Gesellschafter ist eben ein Auftragsverhältnis"), es ist also sehr wohl ein Auftraggeber vorhanden.

Richtig ist aber allerdings, daß nach einem ganz ungezwungenen Laiensprachgebrauch der Vorstand einer juristischen Person und der

vertretungsberechtigte Gesellschafter nicht als Bevollmächtigter, die Ge­ samtheit der Gesellschafter und die juristische Person in diesem Zusam­ menhang nicht als Auftraggeber bezeichnet werden. Aber so wichtig der Laiensprachgebrauch ist, so steht doch hier seiner Anwendung entgegen,

daß eine Beschränkung des Gesetzes auf den Vollmachtsaustrag im engeren Sinn unvernünftig wäre, und daß man doch keinesfalls einen wirklich se^steheaden Laiensprachgebrauch behaupten kann.

Es kommt

weiter hinzu, daß schon das preußische Landrecht in dem Fall der Ge­

sellschaft ausdrücklich aus den Bollmachtsauftrag verwies").

Unter

diesen Umständen ist die Ausdehnung des § 266 Ziff. 2 auf diese Ver­ hältnisse möglich. 43) Richt g Konrad, S- 26.

44) Vergl. Ammon, S. 61, Draheim, S. 25, Note 3, Binding, Lehrbuch S. 400, Note 1, am klarsten Freudenthal, S. 108. 45) Nergl. BGB. § 713, Staub, zu § 114 HGB., Erl. 6. Das BGB. gibt auch hier nur die gemeinrechtlich« Auffassung wieder. 46) Vergl. preuß. allg. L. R., Teil I, Titel 17, $$ 210, 227, 231.

Maye r. Das Rechttgesühl.

16

242 So hat das Reichsgericht die Bevollmachtigteneigenschast anerkannt, einerseits beim vertretungsberechtigten Gesellschafter und Liquidator^)

sowohl der Gesellschaft des bürgerlichen^) Rechts, als auch der offenen Handelsgesellschaft^) und beim Vorstand eines nicht rechtsfähigen Ver­

eins 50), andererseits beim Vorstand einer Aktiengesellschaft 51 47),52 48einer 53 49 54 50 55 Genossenschaft 52), einer Innung 53). Die wichtigsten Fälle, die bei

juristischen Personen heute in Betracht kommen, sind der Geschäfts­ führer einer G. m. b. H. 5 Dr. E. Meyn, Senats­ präsident am RG. i. R.; Dr. O. Strecker, Senatspräsident am RG. Herausgegeben von Dr. Kranz, Klimmer, Oberlandesgerichtsrat. München.

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