Die pagane Theologie des Philosophen Salustios 3161576675, 9783161576676, 9783161618505

Der vom Neuplatonismus inspirierte Philosoph Salustios skizziert Lehrsätze "über die Götter, die Welt und menschlic

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Die pagane Theologie des Philosophen Salustios
 3161576675, 9783161576676, 9783161618505

Table of contents :
Cover
Titel
Sapere
Vorwort zum Band
Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
Einführung in die Schrift (Detlef Melsbach)
1. Identität des Autors
2. Die Schrift
2.1. Gattung, Entstehungszeit und Zielgruppe
2.2. Inhalt und Struktur des Textes
2.3. Grundmotive und Bezüge zum ideengeschichtlichen Kontext
2.4. Das theologische Profil von De deis
2.5. Die Texttradition des Salustios (J. Groisard / A. Lecerf)
2.6. Zum Text
B. Text, Übersetzung und Anmerkungen
Σαλουστίου Περὶ θεῶν (Text und Übersetzung von Detlef Melsbach)
Anmerkungen zur Übersetzung (Detlef Melsbach [DM] und Jan Opsomer [JO])
C. Essays
Salustios’ Schrift als Propagandadokument (Adrien Lecerf)
1. Das Publikum
1.1. Textaussagen
1.2. Die beiden Leseebenen
1.3. Eine an künftige Priester adressierte Schrift?
2. Die Zielgruppen
2.1. Textaussagen
2.1.1. Gegen die Endlichkeit der Welt
2.1.2. Ein politischer Vorwurf
2.1.3. Atheisten und Unwissende
2.2. Streitpunkte zwischen Paganen und Christen
2.2.1. Theologie
2.2.2. Philosophie der Religion
2.2.3. Vorsehung und Schicksal: Eschatologie
2.2.4. Kosmologie
2.2.5. Psychologie und Anthropologie
3. Die Sichtweise der Welt des Hellenismus
3.1. Die Welt des Hellenismus
3.1.1. Eine vollkommene Welt, ohne Anfang und Ende
3.1.2. Das enge Band zwischen der Welt und den Göttern
3.1.3. Die Theodizee
3.2. Der Mensch des Hellenismus
3.2.1. Der Einfluss der Anthropologie Jamblichs
3.2.2. Klassische Merkmale der griechischen Ethik
3.2.3. Die Qualitäten des Hörers und die Frage der natürlichen Beschaffenheit
3.3. Die Religion des Hellenismus
3.3.1. Von der menschlichen Schwäche zur Notwendigkeit von Kult und Ritual
3.3.2. Göttliche Wohltaten in der Welt
3.4. Die Politik des Hellenismus
3.4.1. Gesellschaftliche Institutionen
3.4.2. Die Staatsverfassungen
4. Hauptkonzepte
4.1. Ähnlichkeit, Nachahmung
4.1.1. Allgemeine Hinweise
4.1.2. Die Bedeutung für das Kultverständnis
4.2. Vermittlung, Kontakt, Vereinigung
4.2.1. Von der Ähnlichkeit zur Vermittlung
4.2.2. Von der Vermittlung zur Vereinigung
4.2.3. Eine vielschichtige Welt (Hierarchie)
4.3. Die Paideia
4.3.1. Der organische Charakter der Bildung
4.3.2. Zielsetzungen und Abgrenzungen
Spuren einer wissenschaftlichen platonischen Theologie in Salustios’ De deis (Jan Opsomer)
1. Eine Epitome einer systematischen platonischen Götterlehre
2. Was zeichnet einen Gott aus?
3. Die erste Ursache
4. Nachgeordnete Götterklassen
4.1. Die überweltlichen Götter
4.2. Die innerweltlichen Götter
5. Demiurgische Wirkung
6. Die metaphysische Ursächlichkeit
Kommunikationsformen zwischen Göttern und Menschen (Nicole Belayche)
1. Vorbereitende Orientierung
2. Die Religion, ein Kommunikationssystem
3. Opfer und Gebet als Medien
4. Rituale, Versöhnung und Hilfe der Götter: die Besonderheit von De deis
5. Salustios und die Theologie des Rituals
6. Fazit
Salustius’ composite theory of myths (Robbert M. van den Berg)
1. Myths in the (Neo-)Platonic tradition
1.1. Introduction: Plato on myths
1.2. Plotinus
1.3. Porphyry
1.4. Theurgic Neoplatonism (Iamblichus; Julian)
2. Salustius’ mythology
2.1. The question: why myths rather than logoi? (3,1)
2.2. Demonstration that myths are divine (3,1–3)
2.3. Two explanations of why myths are divine (3,2–3)
2.4. A third explanation of the use of myths by the ancients (3,4)
2.5. Five types of myths (4,1–5)
2.6. The fives types of myths and their ancient users (4,6)
2.7. The myth of Mother of the Gods and Attis: an example of a mixed, theurgic myth (4,7–11)
3. Concluding remarks
D. Anhang
I. Literaturverzeichnis
1. Abkürzungen
2. Ausgaben, Kommentare und Übersetzungen
3. Sekundärliteratur (und Ausgaben anderer Autoren)
II. Indices (Andrea Villani)
1. Stellenregister (in Auswahl)
2. Namens- und Sachregister
III. Die Autoren dieses Bandes

Citation preview

SAPERE Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam REligionemque pertinentia Schriften der späteren Antike zu ethischen und religiösen Fragen Herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Verantwortliche Editoren Reinhard Feldmeier, Rainer Hirsch-Luipold, Heinz-Günther Nesselrath unter der Mitarbeit von Simone Seibert und Andrea Villani

Band XLI

Die pagane Theologie des Philosophen Salustios eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von

Nicole Belayche, Robbert M. van den Berg, Adrien Lecerf, Detlef Melsbach und Jan Opsomer herausgegeben von

Detlef Melsbach

Mohr Siebeck

SAPERE ist ein Forschungsvorhaben der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen im Rahmen des Akademienprogramms der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften. ISBN 978-3-16-157667-6 / eISBN 978-3-16-161850-5 DOI 10.1628/978-3-16-161850-5 ISSN 1611-5945 / eISSN 2569-4340 (SAPERE. Scripta antiquitatis posterioris ad ethicam religionemque pertinentia) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Band wurde vonseiten des Herausgebergremiums von Rainer Hirsch-Luipold betreut und von Marius Pfeifer und Andrea Villani in der SAPERE-Arbeitsstelle in Göttingen gesetzt. Druck von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier, gebunden von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier. Printed in Germany.

SAPERE Griechische und lateinische Texte der späteren Antike (1.–4. Jh. n. Chr.) haben lange Zeit gegenüber den sogenannten ‚klassischen‘ Epochen im Schatten gestanden. Dabei haben die ersten vier nachchristlichen Jahrhun‑ derte im griechischen wie im lateinischen Bereich eine Fülle von Werken zu philosophischen, ethischen und religiösen Fragen hervorgebracht, die sich ihre Aktualität bis heute bewahrt haben. Die – seit Beginn des Jah‑ res 2009 von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften geförderte – Reihe SAPERE (Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam REligionemque pertinentia, „Schriften der späteren Antike zu ethischen und religiösen Fragen“) hat sich zur Aufgabe gemacht, gerade solche Texte über eine neuartige Verbindung von Edition, Übersetzung und interdiszi‑ plinärer Kommentierung in Essayform zu erschließen. Der Name SAPERE knüpft bewusst an die unterschiedlichen Konnota‑ tionen des lateinischen Verbs an. Neben der intellektuellen Dimension (die Kant in der Übersetzung von sapere aude, „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, zum Wahlspruch der Aufklärung gemacht hat), soll auch die sinnliche des ‚Schmeckens‘ zu ihrem Recht kommen: Einer‑ seits sollen wichtige Quellentexte für den Diskurs in verschiedenen Diszi‑ plinen (Theologie und Religionswissenschaft, Philologie, Philosophie, Ge‑ schichte, Archäologie ...) aufbereitet, andererseits aber Leserinnen und Le‑ ser auch ‚auf den Geschmack‘ der behandelten Texte gebracht werden. Deshalb wird die sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung der Texte, die in den Essays aus unterschiedlichen Fachperspektiven beleuchtet wer‑ den, verbunden mit einer sprachlichen Präsentation, welche die geistesge‑ schichtliche Relevanz im Blick behält und die antiken Autoren zugleich als Gesprächspartner in gegenwärtigen Fragestellungen zur Geltung bringt.

Vorwort zu diesem Band Das kleine Büchlein des Salustios, das zwar keinen authentischen Titel hat, aber nach eigener Aussage Grundeinsichten „über die Götter, die Welt und menschliche Angelegenheiten“ kommuniziert, fand in den vergan‑ genen Jahrzehnten zunehmende Beachtung im Diskurs um die ideologi‑ schen Auseinandersetzungen und Transformationsprozesse des 4. Jahr‑ hunderts. Ein Meilenstein der modernen Forschung war 1926 die erste kri‑ tische Ausgabe mit ausführlichen Prolegomena zu literarischen und geis‑ tesgeschichtlichen Bezügen der Schrift, das wissenschaftliche Debut des bedeutenden Religionshistorikers Arthur Darby Nock (1902–1963). Die Annahme, dass es sich bei dem Verfasser der Schrift um einen Weggefähr‑ ten Kaiser Julians handelt, verschaffte ihm einen festen Platz im Kontext der ausgedehnten Forschung zum Wirken und Denken des berühmten Apostaten. Von einer allzu eng mit den religionspolitischen Aktivitäten Julians verknüpften Deutung der Schrift des Salustios hat man allerdings in den letzten Jahren Abstand genommen. Auch die Beiträge des vorlie‑ genden Bandes würdigen die Schrift als eigenständiges Zeugnis paganer Selbstdefinition gegenüber und neben der wachsenden Dominanz christ‑ licher Weltanschauung. Adrien Lecerf, ausgewiesener Kenner der neuplatonischen Literatur im Umfeld Iamblichs und Iulians, analysiert das ideologische Profil der Schrift, wobei neben den Merkmalen neuplatonisch orientierter Selbstde‑ finition auch Salustios’ implizite Abgrenzungsversuche zu christlichen Po‑ sitionen in den Blick geraten. Der Essay wurde von Natalia Pedrique und Simone Seibert übersetzt. Zusammen mit Jocelyn Groisard, arbeitet Adrien Lecerf zur Zeit auch an einer kritischen Neuedition von De deis und gibt im Rahmen der Ein‑ führung wichtige Hinweise zur Überlieferung der Schrift. Ansonsten ist für Einführung und Übersetzung der Theologe Detlef Melsbach verant‑ wortlich. Der hier präsentierte griechische Text folgt den Ausgaben von A. D. Nock und G. Rochefort, relevante textkritische Probleme werden in den Anmerkungen zur Übersetzung berücksichtigt. Zu danken ist Jan Op‑ somer für die kritische Durchsicht der Übersetzung und hilfreiche philo‑ sophiehistorische Querverweise. Der durch einschlägige Forschungen zu Strukturen und Traditionen des Neuplatonismus bekannte Philosophiehistoriker Robbert van den Berg arbeitet die Besonderheit der mythologischen Theorie des Salustios im Kontext (neu‑)platonischer Konzepte zur Mythenallegorese heraus.

VIII

Vorwort zu diesem Band

Die renommierte Religionshistorikerin Nicole Belayche beschäftigt sich mit Salustios’ wenigen, aber, wie sich zeigt, durchaus signifikanten Aus‑ sagen zur rituellen Praxis. Ihr Essay wurde von Simone Seibert und Maria Gkamou übersetzt. Jan Opsomer widmet sich als Spezialist für die großen neuplatoni‑ schen Lehrsysteme den Ansätzen wissenschaftlicher Theoriebildung, wie sie auch in der kurzen Darstellung des Salustios erkennbar sind. Der Bei‑ trag wurde von Mareike Hauer sprachlich durchgesehen. Jan Opsomer gebührt außerdem für die Konzeption des vorliegenden Bandes und die Sammlung des Autorenkreises besonderer Dank. Die Entwürfe zu den Beiträgen wurden während eines Kolloquiums in Göttingen diskutiert, das im September 2019 unter der souveränen Mo‑ deration von Heinz‑Günther Nesselrath stattfand, der uns auch vielerorts mit seiner philologischen Expertise unterstützte. Mancher Impuls des Kol‑ loquiums floss dann in die vorliegende Fassung der Essays ein, die nun ihrerseits zu einem vertieften Verständnis des Salustios und seiner Welt‑ anschauung anregen möchten. Allen Beteiligten gilt herzlicher Dank, besonders auch dem Redaktions‑ team für die freundliche und geduldige Zusammenarbeit. Hamburg, im Oktober 2021

Detlef Melsbach

Inhaltsverzeichnis SAPERE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Vorwort zum Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

A. Einführung Einführung in die Schrift (Detlef Melsbach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 4 7 7 10 11 12 15 18

Σαλουστίου Περὶ θεῶν (Text und Übersetzung von Detlef Melsbach) . . . . . . . . . . . Anmerkungen zur Übersetzung (Detlef Melsbach [DM] und Jan Opsomer [JO]) . . . .

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1. Identität des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Gattung, Entstehungszeit und Zielgruppe . . . . . . . . . . . 2.2. Inhalt und Struktur des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Grundmotive und Bezüge zum ideengeschichtlichen Kontext 2.4. Das theologische Profil von De deis . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Die Texttradition des Salustios (J. Groisard / A. Lecerf) . . . . 2.6. Zum Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Text, Übersetzung und Anmerkungen

C. Essays Salustios’ Schrift als Propagandadokument (Adrien Lecerf) . . . . . . . . . . 1. Das Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Textaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Die beiden Leseebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Eine an künftige Priester adressierte Schrift? . . . . . . . . . 2. Die Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Textaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Gegen die Endlichkeit der Welt . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Ein politischer Vorwurf . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3. Atheisten und Unwissende . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Streitpunkte zwischen Paganen und Christen . . . . . . . . 2.2.1. Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Philosophie der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Vorsehung und Schicksal: Eschatologie . . . . . . . 2.2.4. Kosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5. Psychologie und Anthropologie . . . . . . . . . . . . 3. Die Sichtweise der Welt des Hellenismus . . . . . . . . . . . . . 3.1. Die Welt des Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1. Eine vollkommene Welt, ohne Anfang und Ende . . 3.1.2. Das enge Band zwischen der Welt und den Göttern

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X

Inhaltsverzeichnis 3.1.3. Die Theodizee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Der Mensch des Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Der Einfluss der Anthropologie Jamblichs . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. Klassische Merkmale der griechischen Ethik . . . . . . . . . . . 3.2.3. Die Qualitäten des Hörers und die Frage der natürlichen Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Religion des Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Von der menschlichen Schwäche zur Notwendigkeit von Kult und Ritual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2. Göttliche Wohltaten in der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Die Politik des Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. Gesellschaftliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2. Die Staatsverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hauptkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Ähnlichkeit, Nachahmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Die Bedeutung für das Kultverständnis . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Vermittlung, Kontakt, Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Von der Ähnlichkeit zur Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2. Von der Vermittlung zur Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3. Eine vielschichtige Welt (Hierarchie) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Die Paideia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1. Der organische Charakter der Bildung . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2. Zielsetzungen und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 88 88 89 91 92 92 95 96 96 98 99 100 100 102 104 104 106 107 108 108 111

Spuren einer wissenschaftlichen platonischen Theologie in Salustios’ De deis (Jan Opsomer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. 2. 3. 4.

Eine Epitome einer systematischen platonischen Götterlehre Was zeichnet einen Gott aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erste Ursache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachgeordnete Götterklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Die überweltlichen Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Die innerweltlichen Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Demiurgische Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die metaphysische Ursächlichkeit . . . . . . . . . . . . . . .

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(Nicole Belayche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbereitende Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Religion, ein Kommunikationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Opfer und Gebet als Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rituale, Versöhnung und Hilfe der Götter: die Besonderheit von De deis 5. Salustios und die Theologie des Rituals . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kommunikationsformen zwischen Göttern und Menschen

Salustius’ composite theory of myths (Robbert M. van den Berg) . . . . . . . . 171 1. Myths in the (Neo‑)Platonic tradition . . . . . . . 1.1. Introduction: Plato on myths . . . . . . . . 1.2. Plotinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Porphyry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Theurgic Neoplatonism (Iamblichus; Julian) 2. Salustius’ mythology . . . . . . . . . . . . . . . .

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XI

Inhaltsverzeichnis 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.7.

The question: why myths rather than logoi? (3,1) . . . . . . . . . . Demonstration that myths are divine (3,1–3) . . . . . . . . . . . . . Two explanations of why myths are divine (3,2–3) . . . . . . . . . . A third explanation of the use of myths by the ancients (3,4) . . . . Five types of myths (4,1–5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . The fives types of myths and their ancient users (4,6) . . . . . . . . The myth of Mother of the Gods and Attis: an example of a mixed, theurgic myth (4,7–11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Concluding remarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Anhang I. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Ausgaben, Kommentare und Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Sekundärliteratur (und Ausgaben anderer Autoren) . . . . . . . . . . . . . . 199

II. Indices (Andrea Villani) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Stellenregister (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Namens‑ und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

III. Die Autoren dieses Bandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

A. Einführung

Einführung in die Schrift Detlef Melsbach

Mit Recht hat man diesem Laienbrevier jamblichischer Prägung trotz seiner wenig ge‑ schickten, vielleicht aber auf einen Exzerptor zurückgehenden Darstellung um einer gewissen Einfachheit willen einige Anerkennung nicht versagen wollen. Denn es ent‑ hält in der Tat alles, was damals einem Hellenen zu wissen nötig war und besonders, was zu seiner Beruhigung, zur Behütung seines Innenlebens gegen christliche Anfech‑ tungen dienen konnte.1 Gerade weil der Verfasser kein Originalgenie ist und weil er eben deshalb als Vertre‑ ter vieler gleich oder ähnlich Denkenden gelten darf, kann sein kleines Buch uns wie kaum ein anderes Zeugnis Aufschluß darüber geben, woran die der alten Religion treu Gebliebenen, genauer: die Gebildeten unter ihnen, damals tatsächlich glaubten.2

Diese vor einem ganzen und fast einem halben Jahrhundert formulier‑ ten Sätze markieren die Ambivalenz des Urteils hinsichtlich der geistesge‑ schichtlichen Bedeutung der kleinen Schrift, als deren Autor ein „Philoso‑ phos Salustios“ genannt wird und deren Titel die Erstherausgeber in An‑ lehnung an eine zusammenfassende Formulierung in der Mitte der Schrift konstruiert haben.3 In der lateinischen Variante De diis (et mundo) hat sich der Titel dann in der Fachwelt etabliert.4 Erste Anerkennung brachten die humanistischen Entdecker der Schrift tatsächlich wegen der prägnanten Darstellung komplexer philosophischer Zusammenhänge entgegen. Diese Qualität wurde dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts eher als Mangel an Ausführlichkeit gegenüber der übrigen neuplatonischen Fachliteratur gewertet. Ein anderer Zugang zur Schrift und ihrem Autor eröffnete sich durch die vermutete Nähe zur Restaurationsbewegung Kaiser Julians, die zu der nicht unproblematischen Charakterisierung von De deis als „paganem Ka‑ techismus“ führte.5 Auch unabhängig von einer religionspolitischen Funk‑ tion wurde die Schrift in der jüngeren Forschung als Schlüsseltext neupla‑ 1

J. GEFFCKEN, Der Ausgang des griechisch‑römischen Heidentums (Heidelberg 1920) 138. WYSS 1973, 374. 3 De deis 13,1: „Über … Götter, Welt und menschliche Angelegenheiten“ (Περὶ ... θεῶν καὶ κόσμου καὶ τῶν ἀνθρωπίνων πραγμάτων). 4 Wir verwenden im Folgenden den an die klassische Deklinationsform angepassten Kurztitel De deis. 5 Vgl. STENGER 2019, 429; MELSBACH 2007, 204–208. 2

4

Detlef Melsbach

tonischer Religiosität und Weltanschauung in den religiösen Transformati‑ onsprozessen des vierten Jahrhunderts gedeutet.6 Die relativ ausführliche Behandlung mythentheoretischer Fragen in De deis 3–4, worin man den Hauptgrund für die bis in byzantinische Zeit fortgesetzte Rezeption der Schrift vermutete,7 rückte dabei wieder stärker in den Mittelpunkt des In‑ teresses.8 Doch hat sich neben der zunehmenden Wertschätzung der Schrift auch der Zweifel an ihrer eigenständigen Bedeutung bis in die jüngere For‑ schung gehalten. Während Emma Clarke den Autor als einen „indepen‑ dent thinker“ schildert, der mit seiner Schrift einen originellen Beitrag zum neuplatonischen Diskurs geliefert habe,9 hält Jean Bouffartigue dieses Urteil aufgrund des „style extraordinairement scolaire“ für ungerechtfer‑ tigt.10

1. Identität des Autors In der handschriftlichen Überlieferung von De deis wird der Autor im Zu‑ sammenhang der vorangestellten Kephalaia als „Salustios Philosophos“ bezeichnet. Weitere explizite Hinweise auf die Identität des Autors liefert die Schrift nicht. Die deutliche Parallele bei der Behandlung des Attismy‑ thos zu einer entsprechenden Passage im Hymnos In Matrem Deorum aus der Feder Kaiser Julians lenkten die Forschungshypothesen auf zwei hohe Funktionäre im Umfeld Julians: Flavius Sallustius und Saturninius Saluti‑ us Secundus.11 Die erhaltenen Informationen zu Flavius Sallustius beziehen sich auf sein Amt des gallischen Prätorianerpräfekten und darauf, dass er im Jahr 363 Mitkonsul Julians war, was vor allem deshalb bemerkenswert schien, weil er nicht zur etablierten Elite gehörte.12 Ammianus Marcellinus be‑ schrieb ihn als besorgten und vorsichtigen Politiker, der Julian vor den 6

Vgl. z.B. STENGER 2009, 320–333 und TANASEANU‑DÖBLER 2012, 117–129. Vgl. NOCK 1926, cxviii–cxxi und CLARKE 1998, 340. 8 Vgl. z.B. W. BERNARD, Spätantike Dichtungstheorien. Untersuchungen zu Proklos, Hera‑ kleitos und Plutarch. Beiträge zur Altertumswissenschaft 3 (Stuttgart 1990) 62–69; F. THOME, Historia contra Mythos. Die Schriftauslegung Diodors von Tarsus und Theodors von Mopsuestia im Widerstreit zu Kaiser Julians und Sallustius’ allegorischem Mythenverständnis. Hereditas 24 (Bonn 2004); SCHÄFER 2015. 9 CLARKE 1998, 327. 10 BOUFFARTIGUE 2016, 94. 11 Vgl. zur Frage der Identität neben den entsprechenden Abschnitten in den Ausgaben von Nock, Rochefort und di Giuseppe die Diskussion bei RINALDI 1978, CLARKE 1998, 347– 350 und MELSBACH 2007, 37–44 (Flavius Sallustius), 43–77 (Saturninius Salutius Secundus). Vgl. zur nicht zweifelsfrei geklärten Verfasserfrage die wichtigen Hinweise von R. BREN‑ DEL, Rez. zu MELSBACH 2007, Byzantinische Zeitschrift 113 (2020) 1102–1111. 12 Ammianus Marcellinus bezeichnete ihn als privatus, Amm. Marc. XXIII 1,1. Vgl. Lib. Or. 17,22. 7

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Risiken des Perserfeldzuges warnte.13 Für eine über sein politisches Amt hinausgehende Bedeutung spricht höchstens eine Bemerkung des Ausoni‑ us, derzufolge die Bekanntheit des Flavius Sallustius vor allem auf seiner Beschreibung durch den Rhetor Latinus Alcimus Alethius beruht.14 Zu Saturninius Salutius Secundus liegen deutlich mehr Informationen hinsichtlich seiner politischen Karriere und seiner intellektuellen Nähe zu Julian vor. Er stammte aus Gallien, bekleidete schon unter Kaiser Constan‑ tius II. wichtige Funktionen und wurde dem jungen Cäsar Julian bei den militärischen Operationen in Gallien im Jahr 355 als quaestor sacri palatii zur Seite gestellt. Als Constantius II. ihn 359 wieder von Julians Seite abbe‑ ruft, verfasst dieser eine Trostrede, in welcher er die herausragenden Cha‑ raktereigenschaften des Weggefährten und die gemeinsame Orientierung an der hellenischen Kultur benennt. Julian beschreibt Saturninius Saluti‑ us Secundus als einen „Mann, der zu den hervorragendsten der Hellenen zählt sowohl hinsichtlich des ausgeprägten Rechtsbewusstseins als auch im Blick auf seine sonstige Tüchtigkeit, ausgezeichnet in der Redekunst und durchaus erfahren in der Philosophie, in welcher die Hellenen das Beste erreicht haben, indem sie sich mit vernünftiger Argumentation um die Wahrheit bemühen, wie sie nun einmal beschaffen ist, und nicht zu‑ lassen, dass wir uns unglaublichen Geschichten oder gar widersinnigem Hirngespinst widmen wie die meisten der Barbaren.“15 Nach Julians Übernahme der alleinigen Kaiserherrschaft im Jahr 361 wurde Saturninius Salutius Secundus das Amt des Praefectus Praetorio Orientis16 übertragen, das er auch nach Julians Tod unter den Kaisern Jo‑ vian und Valentinian ausübte. Die ihm sowohl nach Julians als auch nach Jovians Tod angebotene Kaiserwürde lehnte er ab.17 Neben der Erwähnung bei den paganen Historikern Ammianus Mar‑ cellinus und Zosimos belegen auch mehrere Äußerungen des um das hel‑ lenische Erbe bemühten Rhetors Libanios die geschätzte administrative Tä‑ tigkeit des Saturninius Salutius Secundus, der demnach auch unter den 13

Amm. Marc. XXIII 5,4f. Ausonius, Prof. 2,23–24: Sallustio plus conferent libri tui / Quam consulatus addidit (Dem Sallust haben deine Bücher mehr [an Ruhm] eingebracht als das Konsulamt ihm zugefügt hat). 15 Jul. Cons. 8, 252A–B: ἄνδρα εἰς τοὺς πρώτους τῶν Ἑλλήνων τελοῦντα καὶ κατ’ εὐνομίαν καὶ κατὰ ἀρετὴν τὴν ἄλλην, καὶ ῥητορείαν ἄκρον καὶ φιλοσοφίας οὐκ ἄπειρον, ἧς Ἕλληνες μόνοι τὰ κράτιστα μετεληλύθασι, λόγῳ τἀληθές, ὥσπερ οὖν πέφυκε, θηρεύσαντες, οὐκ ἀπίστοις μύθοις οὐδὲ παραδόξῳ τερατείᾳ προσέχειν ἡμᾶς, ὥσπερ οἱ πολλοὶ τῶν βαρβάρων, ἐάσαντες. 16 Die Funktion des Praefectus Praetorio Orientis (PPO) veränderte sich seit der Auflö‑ sung der Prätorianerkohorten durch Konstantin i.J. 312 zum höchsten Verwaltungsamt. Der PPO fungierte auch als Stellvertreter des Kaisers, vgl. J. MIGL, Die Ordnung der Ämter. Prätorianerpräfektur und Vikariat in der Regionalverwaltung des Römischen Reiches von Konstan‑ tin bis zur Valentinianischen Dynastie (Frankfurt/M. u.a. 1994). 17 Amm. Marc. XXV 5,3–5, Zosimos III 36,2. 14

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Nachfolgern Julians die klassische rhetorische Ausbildung der Amtsträger förderte.18 Bei Gregor von Nazianz und den Kirchenhistorikern des vierten und fünften Jahrhunderts diente Saturninius Salutius Secundus als Beispiel ei‑ nes um Gerechtigkeit bemühten hohen Beamten, der antichristliche Maß‑ nahmen trotz seines Bekenntnisses zur pagan‑hellenischen Tradition nur widerwillig ausführt. Gregor schilderte ihn in einer seiner Invektiven ge‑ gen den im Perserfeldzug gefallenen Kaiser Julian als einen „Mann, der hinsichtlich seiner Religion zwar Hellene, seiner Gesinnung nach aber dem Hellenen überlegen ist und zu den Besten unter den berühmten Persön‑ lichkeiten der Vergangenheit und Gegenwart gehört“.19 Da Gregor sich ansonsten sehr entschieden gegen Julians Bemühen wandte, die beken‑ nenden Hellenen zu den allein berechtigten Sachwaltern der klassischen Paideia zu machen, ist dieses Lob des Saturninius Salutius Secundus als einer trotz seines Hellentums bewunderungswürdigen Persönlichkeit als Anerkennung dafür zu verstehen, dass sein besonnenes politisches Han‑ deln nicht wie im Falle Julians mit religiös‑kulturellen Eifer verbunden war. Diese Wertschätzung des Saturninius Salutius Secundus als eines vor‑ bildlichen, um Ausgleich bemühten Staatsmannes wurde in der kirch‑ lichen Historiographie fortgeschrieben.20 Vielleicht kann die stereotype Charakterisierung des gemäßigten Hellenen sogar dahingehend gedeutet werden, dass die primär auf ein tugendhaftes Leben und das Angleichen ans Göttliche ausgerichtete pagane Frömmigkeit, wie sie in De deis zum Ausdruck kommt, als religiöse Haltung einer ansonsten untadeligen, il‑ lustren Persönlichkeit akzeptiert werden konnte. Einen Hinweis auf den Autor von De deis bietet möglicherweise Ab‑ bildung und Umschrift auf einem Kontorniaten.21 Eine mögliche Funkti‑ on dieser in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts bis zu Beginn des 5. Jahrhunderts geprägten Medaillons bestand wohl darin, die Erinnerung an wichtige Kulturschaffende der klassischen Tradition aber auch der Ge‑ genwart zu bewahren und abzubilden.22 Relativ viele Kontorniaten sind erhalten, welche die Umschrift SALVSTIVS AVTOR23 tragen. Dieser Zusatz zum Namen, die Charakteristik der Bart‑ und Haartracht und die umseitig abgebildete mythologischen Szenerie ließen Jean‑Luc Desnier vermuten, 18

Z. B. Lib. Ep. 1224 FÖRSTER. Greg. Naz. Or. 4,91: ἄνδρα Ἕλληνα μὲν τὴν θρησκείαν, τὸν τρόπον ὑπὲρ Ἕλληνα, καὶ κατὰ τοὺς ἀρίστους τῶν πάλαι καὶ νῦν ἐπαινουμένων. 20 Vgl. MELSBACH 2007, 70–74. 175–179. 21 Vgl. DESNIER 1983. Zur bislang nicht zweifelsfrei zu klärenden Frage nach Funktion und Bedeutung der Kontorniaten vgl. MITTAG 1999. 22 Zur Kritik dieser Hypothese vgl. CAMERON 2011, 691–698. 23 Zu dieser Schreibweise (klassischerweise erwartet man „Auctor“), die als Indiz für eine späte Datierung des Kontorniaten gilt, vgl. DESNIER 1983, 56. 19

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dass es sich hier nicht um den berühmten Historiker aus dem 1. Jahrhun‑ dert v. Chr., sondern um den Verfasser von De deis handelt.24 Das würde bedeuten, dass dieser gegen Ende des 4. Jahrhundert ähnliche Bekanntheit genoss wie Apuleius von Madaura oder Apollonios von Tyana, derer man ebenfalls mittels der Kontorniaten im gebildeten Milieu der Metropolen des Römischen Imperiums gedachte.

2. Die Schrift 2.1. Gattung, Entstehungszeit und Zielgruppe Bei De deis handelt es sich um eine Einführungsschrift, in der theologische und philosophische Grundfragen erörtert werden. Es ergeben sich Bezü‑ ge zu mehreren verwandten Gattungen. Durch die gleich zu Beginn be‑ tonte pädagogische Intention rückt die Schrift in die Nähe der eisagogi‑ schen Literatur.25 Die Zusammenstellung und Erörterung von Axiomen und elementaren Erkenntnissen ist Merkmal der Stoicheiosis. Auf die‑ se hauptsächlich im mathematisch‑naturwissenschaftlichen Bereich behei‑ matete Gattung nahm dann später Proklos in unterschiedlichen erkennt‑ nistheoretischen Kontexten mit einer στοιχείωσις φυσική,26 aber auch mit einer στοιχείωσις θεολογική Bezug.27 Mit der mathematischen Stringenz des Proklos ist der Gedankengang in De deis kaum vergleichbar, höchstens hinsichtlich des Ansatzes einer auch didaktisch motivierten Elementarisie‑ rung komplexer Zusammenhänge.28 24 MITTAG 1999, 125 nimmt nicht auf Desnier Bezug, kommt aber durch eine entgegen‑ gesetzte Argumentation zu einer ähnlichen Vermutung, dass es sich bei dem Abgebildeten zwar um den bekannten Historiker aus dem 1. Jh. v.Chr. handle, der Zusatz „Autor“ aber deshalb nötig gewesen wäre, um die Verwechslung mit einer zeitgenössischen Persönlich‑ keit gleichen Namens zu vermeiden, wofür der Verfasser von De deis durchaus in Frage komme. TANASEANU‑DÖBLER 2012, 128f. nimmt Desniers These auf und vergleicht unter dem Zugeständnis, dass wir uns mit solchen Mutmaßungen auf „shaky ground“ befin‑ den, die Abbildung des Salustios auf dem Kontorniaten mit dem literarischen Porträt des Vettius Agorius Praetextatus in Macrobius’ Saturnalia, wo es ähnlich wie bei der ideologi‑ schen Ausrichtung von De deis um die „quiet and dignified self‑assurance of a select circle of pagan aristocrats“ geht. 25 Vgl. K.T. SCHÄFER, „Eisagoge“, RAC 4 (1959) 862–904; M. ASPER, Griechische Wissen‑ schaftstexte. Formen, Funktionen, Differenzierungsgeschichten (Stuttgart 2007) 214–314. 26 Zu Proklos’ Profilierung der Begriffe Stoicheia/Stoicheiosis in den unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Kontexten vgl. OPSOMER 2020, 83–101. 27 Zum Profil der στοιχείωσις θεολογική vgl. ONNASCH / SCHOMAKERS 2015, LIII: „Die Methode einer Grundlegung ist nicht darauf angelegt, die Erkenntnisse einfach auszu‑ sagen, sondern vielmehr darauf, sie im Bewusstsein der Schüler lebendig und fruchtbar entstehen zu lassen.“ 28 Vgl. OPSOMER 2020, 85f.: „A work that is basic or ‚elementary‘ is often also fundamen‑ tal, in the sense that it comprises the fundaments of a science, the elements (stoicheia) from which a science is built … Proclus’ usage of the term in the titles of both his stoicheioseis

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Salustios’ expliziter Hinweis auf die Kürze der Darstellung, wo eine ausführliche Abhandlung angemessen wäre,29 weist auf den Gattungs‑ kontext der Epitome, die als Zusammenfassung eines ausführlichen eige‑ nen oder fremden Werkes oder auch als selbständiger Abriss komplexer Argumentationszusammenhänge begegnet.30 Angesichts der handlichen Zusammenstellung zentraler philosophi‑ scher und theologischer Einsichten ist auch der Begriff des Encheiridions zur gattungsmäßigen Charakterisierung von De deis geeignet, das formal als kürzeste der eisagogischen Gattungen gilt31 und im Sinne des Wortes als leicht mit sich zu führendes, kompendienhaftes Handbuch verstanden werden kann.32 Aus der Phase des Mittelplatonismus sind mehrere Werke überliefert, die sich überblicksartig mit der platonischen Denktradition auseinander‑ setzen, gleichzeitig aber auch stoische und aristotelische Ansätze zu inte‑ grieren versuchen. Im Vordergrund steht dabei das Bemühen um lehrmä‑ ßige Bündelung und dogmatische Befestigung der Lehre (z.B. Apuleius, De Platone et eius dogmate, Alkinoos, Didaskalikos) oder auch das mit den rhetorischen Interessen der zweiten Sophistik verbundene Bemühen, die Vielfalt und den Beziehungsreichtum des klassischen Dichtens und Den‑ kens weiterzugeben (Maximos von Tyros, Dialexeis).33 Einflussreich für die Entwicklung der platonischen Denktradition war außerdem das thema‑ tisch breitgefächerte philosophische Schrifttum Plutarchs (Moralia). Aus dem Kontext des Neuplatonismus sind außer De deis keine mit den genannten mittelplatonischen Kompendien vergleichbaren Schriften über‑ liefert;34 neben den großen systematischen Entwürfen Plotins und Proklos’ accords with these notions: both texts offer a basic or elementary summary of a complex system“. 29 De deis 5,1. 30 Vgl. I. OPELT, „Epitome“, RAC 5 (1962) 944–973. PRAECHTER 1920, 1967, vermutete auf‑ grund der Feststellung, dass „gute neuplatonische Erudition durch eine unzulängliche Darstellung verkümmert ist, … dass wir es mit dem Auszuge aus einem ausführlichen Werke zu tun haben“. 31 Vgl. M. ASPER, „Zu Struktur und Funktion eisagogischer Texte“, in: W. KULLMANN / J. ALTHOFF / M. ASPER (Hg.), Gattungen wissenschaftlicher Literatur in der Antike. ScriptOralia 95/A22 (Tübingen 1998) [309–340] 312f. 32 In diesem Sinn z.B. STENGER 2019, 425: „Dem literarischen Charakter nach ist das Werk als handbuchartige Einführung konzipiert, die in konziser Weise wichtige Fragen paganer Theologie abhandelt.“ 33 Vgl. P. DONINI, „Testi e commenti, manuali e insegnamento: la forma sistematica e i metodi della filosofia in età postellenistica“, ANRW II,36.7 (Berlin 1994) 5027–5100, auch in: P. DONINI, Commentary and Tradition. Aristotelianism, Platonism, and Post‑Hellenistic Phi‑ losophy, hg. v. M. BONAZZI (Berlin 2011) 211–282, J. DILLON, The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B.C. to A.D. 220 (London 2 1996) und F. FERRARI / I. MÄNNLEIN‑ROBERT, „Mit‑ telplatonismus und Neupythagoreismus“, in: RIEDWEG / HORN / WYRWA 2018, 545–705. 34 Gegenstand und Zielrichtung der beiden Einführungsschriften des Porphyrios sind sehr speziell und nicht mit De deis vergleichbar, vgl. MELSBACH 2007, 82f.

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überwiegen umfangreiche, auf das Corpus Platonicum bezogene exegeti‑ sche Schriften, die aus dem philosophischen Lehrbetrieb heraus entstan‑ den sind. In der jüngeren Forschung wird die im Vergleich mit dem üb‑ rigen neuplatonischen Schrifttum untypisch kurze Darstellung komple‑ xer Zusammenhänge in De deis weniger als Anzeichen wissenschaftlicher Dürftigkeit sondern als Ausrichtung auf Rezipienten außerhalb des philo‑ sophischen Schulbetriebs wahrgenommen.35 Die Berücksichtigung des religionspolitischen Kontextes erweitert die Frage nach der literarischen Gattung um den funktionalen Aspekt, dass es sich bei De deis um eine offizielle Propagandaschrift, um so etwas wie einen „paganen Katechismus“ im Umfeld der entsprechenden Restaurationsbe‑ mühungen Kaiser Julians handeln könnte.36 Abgesehen davon, dass es we‑ der im Œuvre Julians noch anderenorts Hinweise auf einen solchen, mit De deis identifizierbaren Katechismus gibt, ist auch im Blick auf das eigene, nicht unmittelbar mit den missionarischen Interessen Julians vergleichba‑ re, pädagogische Profil von De deis Zurückhaltung bei einer solchen engge‑ führten Funktionsbestimmung der Schrift geboten.37 Gleichwohl weist der Begriff des Katechismus auch unabhängig von einer unmittelbaren religi‑ onspolitischen Funktion auf den besonderen kommunikativen Charakter der Schrift hin.38 Im direkten Zusammenhang mit der Bestimmung einer besonderen re‑ ligionspolitischen Funktion steht die Frage nach dem Zeitrahmen, der für das Verfassen und die Verbreitung der Schrift in Frage kommt. Die Über‑ einstimmungen der Behandlung des Attismythos in De deis 4 zu den ent‑ sprechenden Passagen im Hymnos In Matrem Deorum,39 den Julian zum Frühlingsbeginn 362 verfasste, begründen die Annahme, dass beide Schrif‑ ten zeitnah im gleichen religionspolitischen Kontext verfasst wurden. Weil keine Belege zur zeitgenössischen Rezeption von De deis erhal‑ ten sind, können sich die Vermutungen zur Zielgruppe nur auf die in der Schrift selbst gegebenen Hinweise stützen. Ein engerer institutioneller Kontext im Sinne eines philosophischen Lehrbetriebes ist aufgrund der Beschreibung der Rezipienten40 kaum an‑ 35 Vgl. TANASEANU‑DÖBLER 2012, 119: „He takes philosophy out of its traditional closed circle“. 36 Zur Diskussion dieser auf E. ZELLER, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, dritter Teil, zweite Abt.: die nacharistotelische Philosophie (Leipzig 5 1923) 793 und CUMONT 1892 zurückgehenden und von DOWNEY 1957 zugespitzten Hypothese vgl. den Beitrag von Adrien Lecerf im vorliegenden Band, S. 72. 37 Vgl. TANASEANU‑DÖBLER 2012, 126: „Salutius’ compendium of Neoplatonic religiosity would not have fitted into Julian’s ideal classroom“. 38 Vgl. die sehr angemessene Würdigung von De deis als primär kommunikativer Leis‑ tung bei CLARKE 1998, STENGER 2009, 327–333 und TANASEANU‑DÖBLER 2012, 119f. 39 Julian, In Matrem Deorum 3, 161C–16, 176A. 40 De deis 1,1, 5,1 und 13,1. Vgl. zu der von Salustios intendierten Binnendifferenzierung der Zielgruppe den Beitrag von Adrien Lecerf im vorliegenden Band, S. 69–72.

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zunehmen, da zwar allgemeine Bildung im Sinne der klassischen Paideia vorausgesetzt, aber keine erschöpfende philosophische Diskussion zuge‑ mutet wird. Salustios’ Beschreibung seiner Zielgruppe passt am ehesten zu Angehö‑ rigen der Bildungselite in den Metropolen des Imperiums, die der zuneh‑ mend Raum greifenden christlichen Weltanschauung eher skeptisch ge‑ genüberstanden und sich stärker der philosophischen und religiösen Tra‑ dition verbunden fühlten.41 Mit einer zurückhaltend polemischen Argu‑ mentationsweise ermöglichte De deis den Leserinnen und Lesern ein un‑ aufgeregtes Erinnern und Vergegenwärtigen der hellenischen Denk‑ und Glaubenstraditionen.

2.2. Inhalt und Struktur des Textes Der Schrift sind Kephalaia vorangestellt, die im Sinne eines Inhaltsver‑ zeichnisses die behandelten Themen auflisten. In diesem Zusammenhang wird auch der Name des Autors genannt, was als Hinweis dafür gelten kann, dass die Kephalaia aus einem frühen Überlieferungsstadium, viel‑ leicht sogar vom Autor selbst stammen.42 Die 32 Kephalaia sind nicht de‑ ckungsgleich mit den 21 Kapiteln, die auf die Erstherausgeber der Schrift zurückgehen. Der inhaltliche Duktus der Schrift legt folgende Gliederung nahe: Prolegomena (1–4): Auf die kurze Beschreibung der Zielgruppe (1) und des Gegenstandes (2) der Schrift folgen detaillierte Ausführungen zur Be‑ sonderheit der mythischen Rede (3–4), die als hermeneutische Prolego‑ mena für den anschließenden logischen Diskurs gelten können. Es wer‑ den fünf Arten der mythischen Rede unterschieden. Die Unterschiede der theologischen, physischen, psychischen und materiellen Redeweise wer‑ den am Beispiel des Kronosmythos demonstriert, als Beispiel für ein, die vier Grundformen integrierendes μικτὸν εἶδος wird der Mythos vom Pa‑ risurteil vorgestellt. Anschließend wird am Beispiel des Mythos von Kybe‑ le und Attis die Verbindung des mythischen Narrativs mit seiner rituellen Vergegenwärtigung verdeutlicht. Exposition der theologischen, kosmologischen und anthropologischen Grundsätze (5–12): Nach der Benennung der im Folgenden zu behandeln‑ den Topoi (5,1) wird die Erstursache (πρώτη αἰτία) behandelt (5,2). Theo‑ logisch im engeren Sinne ist die Unterscheidung von über‑ und innerwelt‑ 41

Vgl. TANASEANU‑DÖBLER 2012, 126: „it reaches out to all well‑educated non‑ philosophers, answering their existential questions and giving them a sense of Geborgen‑ heit in the harmonious web of divine and cosmic reality“. Die bei CAMERON 2011 gesam‑ melten Beobachtungen zu den Ausdrucksformen paganer Kultur im 4. Jh., die demnach dem Christentum weniger organisiert und polemisch gegenüberstand als oft vermutet, sind auch im Blick auf Salustios und seine Adressaten bedenkenswert. 42 Vgl. MELSBACH 2007, 89–92.

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lichen Gottheiten. Letztere werden in einem Schema von zwölf (olympi‑ schen) Gottheiten nach Funktionen und Zuständigkeitsbereichen unterge‑ bracht (6). Daraufhin werden Prinzipien der Kosmologie erörtert (7), be‑ reits in Analogie zu den anschließend dargestellten Grundsätzen zu Geist und Seele (8). Vorhersehung (πρόνοια), Schicksal (εἱμαρμένη) und glück‑ liche Fügung (τύχη) beschreibt Salustios dann als gleichermaßen auf Kos‑ mos und Seele bezogen (9). Daraufhin werden in Verbindung mit den Grundsätzen zur Seelenlehre ethische Themen (10) von Tugend und Laster (ἀρετή / κακία) und politische Grundmodelle (11) erörtert. Das Problem des Bösen in der Welt verweist Salustios dann in einem gesonderten Argu‑ mentationsgang aus dem kosmologischen und theologischen Bereich und will es stattdessen als menschliche Fehlleistung verstanden wissen (12). Diskussion von Einzelfragen (13–21): Der Übergang von der Expositi‑ on der Grundsätze zur Klärung von Detailfragen ist in 13,1 explizit be‑ nannt. Zunächst wird das schon in 7 behandelte Problem der Kosmogonie vertieft, indem das Werden als ewiger, dynamischer Prozess beschrieben wird. In 14–16 versucht Salustios seine theologischen Grundsätze mit den Phänomenen religiöser Praxis zu harmonisieren, indem er Opfer und Ge‑ bete nicht als auf das unwandelbare Sein der Götter Einfluss nehmende, sondern als autotherapeutische Funktionen beschreibt, durch die sich die Menschen mit den Göttern verbinden. Die folgende ausführliche Entfaltung des Grundsatzes von der Unzer‑ störbarkeit des Kosmos im Sinne eines ewigen Transformationsprozesses (17) rechtfertigt Salustios als Reaktion auf die Bitte um stärkere Argumen‑ te (17,10). Mit der Bezugnahme auf Phänomene der Gottlosigkeit (18), die nicht den Göttern, sondern höchstens den Gottlosen selbst schade, knüpft der Autor wieder an die Fragen zur religiösen Praxis an. In diesem Zusam‑ menhang wird die Frage nach der Strafe als früher oder später eintreten‑ der Konsequenz des Fehlverhaltens der individuellen Seele angesprochen (19), woran Salustios entsprechende Mutmaßungen zur Seelenwanderung (μετεμψύχωσις) anschließt (20), die nach einem tugendgemäßen Leben in einem Zustand der von allen Fesseln der Körperlichkeit befreiten Voll‑ endung mündet (21,1). Dieser eschatologischen Aussicht stellt Salustios dann aber noch das finale Bekenntnis zum tugendhaften Leben gegenüber, das auch unabhängig von der Perspektive auf transzendente Vollendung die Glückseligkeit schon in sich trage (21,2).

2.3. Grundmotive und Bezüge zum ideengeschichtlichen Kontext Die Schrift kann aufgrund zahlreicher direkter und indirekter Bezüge in den Kontext neuplatonischer Philosophie in der Ausprägung Jamblichs eingeordnet werden. Inwieweit inhaltliche Parallelen zu einer Schrift Jamblichs mit dem Titel περὶ θεῶν bestehen, die nicht überliefert ist, für

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deren Existenz und vereinzelte Aussagen es aber Testimonien gibt,43 lässt sich nur vermuten. Salustios’ Erörterungen lassen in den unterschiedlichen Argumenta‑ tionszusammenhängen eine Reihe von fundamentaltheologischen, ethi‑ schen und religionspraktischen Grundmotiven erkennen. Das relativ aus‑ führlich geschilderte Konzept der Mythenallegorese im dritten und vierten Kapitel beeinflusst als hermeneutisches Prolegomenon den theologischen und kosmologischen Diskurs, der dann nicht von der zugrundeliegenden mythischen Schau und Einsicht zu lösen ist.44 Mit den theologischen Grundmotiven der Güte, Unwandelbarkeit und Fürsorge verbindet Salustios traditionelle Vorstellungen vom Wesen und Wirken der Götter mit spezifisch neuplatonischen Denkmodellen, wie sie dann auch der christlichen Gotteslehre anverwandelt werden konnten. Im‑ plizite Polemik gegenüber christlichen Konzepten kann in De deis ebenso aufgespürt werden wie Anzeichen eines die ideologischen Grenzen über‑ schreitenden, monotheistischen Konzeptes. Die in der neuplatonischen Tradition kontrovers gedachte und geübte Praxis der Kommunikation mit dem Göttlichen wird in den Abschnitten zu Ritual und Gottesdienst fokussiert, ist aber als religionspraktisches Kor‑ relat immer auch mit der theoretischen Erörterung verbunden. Obwohl Salustios den Begriff der Theurgie nicht verwendet, kommt das damit be‑ zeichnete Konzept einer durch die Kommunikation mit dem Göttlichen bestimmten Praxis in seinen Ausführungen zur Sprache.45 Ein zentrales Grundmotiv der Darstellung ist schließlich die Anglei‑ chung ans Göttliche, die im kultischen Handeln, aber vor allem durch ein tugendgemäßes Leben ermöglicht wird. Durch die Betonung des tugend‑ gemäßen Lebens am Schluss des Werks betont Salustios einmal mehr die fundamentale Bedeutung ethischen Selbstbewusstseins für alles Nachsin‑ nen „über die Götter, die Welt und menschliche Angelegenheiten“.

2.4. Das theologische Profil von De deis Der Gedankengang von De deis lässt, wie die Beiträge dieses Bandes im Einzelnen zeigen, mehr oder weniger klar definierbare philosophische, re‑ ligiöse und soziale Traditionen erkennen. Die theologischen Aussagen der Schrift sind vom Nebeneinander des Postulats einer Erstursache und den Betrachtungen zur Vielfalt der Götter und des Göttlichen bestimmt.46 Die 43 Vgl. J. OPSOMER / B. BOHLE / C. HORN: „Iamblichos und seine Schule“, in: RIEDWEG / HORN / WYRWA 2018, [1349–1395. 1434–1452] 1360. 44 Diese Transzendierung des logischen Diskurses markiert Salustios in 4,11, 6,5 und 17,10 durch gebetsartige Klauseln. 45 Vgl. TANASEANU‑DÖBLER 2013, 149–151. 46 Zur Einordnung von Salustios’ Aussagen in den Kontext neuplatonischer Theologie vgl. den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band.

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Frage nach prinzipiellen Konvergenzen spätantiker theologischer Speku‑ lation wurde in der jüngeren Forschung im Vergleich von paganem und christlichem Monotheismus diskutiert.47 Ein neuralgischer Punkt der De‑ batte ist die Verhältnisbestimmung trinitarischer Strukturen neuplatoni‑ scher Reflexion (das höchste Eine und seine Emanation in Intellekt und Seele) und deren Niederschlag in der christlichen Trinitätslehre, wie sie im vierten Jahrhundert entwickelt und erstritten wurde.48 Dass die neuplato‑ nische Spekulation über das unfassbare höchste Eine nicht zu einer affir‑ mativen und expliziten Gotteslehre führt, weshalb man diesen Denkansatz als negative Theologie bezeichnet, lässt sich auch gut am Argumentations‑ gang in De deis nachvollziehen. Zwar lässt Salustios seine Beschreibung des traditionellen Systems der Götter und ihrer kosmologischen Funktio‑ nen (6) direkt auf die Postulierung der ersten Ursache / Urkraft (5) folgen, stellt aber keinen logischen Zusammenhang her. Hier zeigt sich deutlich, dass es in De deis nicht um die Konstruktion eines theologischen Systems geht, sondern sich die das Lernziel der Schrift bildenden Lehrsätze (λόγοι) gleichermaßen aus neuplatonischer Prinzipienmeditation und aus der in Mythos und Kult bewahrten religiösen Theorie und Praxis speisen. Anders als es der Begriff eines paganen Katechismus suggeriert, geht es in De deis nicht um Unterweisung in richtigen Glauben, sondern um die Mitteilung einer schlüssigen Weltanschauung, in der neben der Spekula‑ tion über die unaussprechlichen theologischen Prinzipien und dem Räso‑ nieren über kosmologische und anthropologische Zusammenhänge eben auch die Würdigung der rituellen und sozialen Traditionen ihren Platz hat, die nicht als Beiwerk eines prinzipiellen Monotheismus, sondern konstitu‑ ierende Elemente eines paganen Selbst‑ und Weltbewusstseins zu verste‑ hen sind.49 Der moderne wissenschaftssystematische Begriff der Theologie lässt sich kaum auf antike religiöse Reflexion übertragen, auch der in zeitlicher Nähe zu Salustios’ Versuch paganer Selbstdefinition geführte Streit der

47 Vgl. P. ATHANASSIADI / M. FREDE (Hg.), Pagan Monotheism in Late Antiquity (Oxford 1999). 48 Vgl. M. EDWARDS, „Pagan and Christian Monotheism in the Age of Constantine“, in: M. EDWARDS / S. SWAIN (Hg.), Approaching Late Antiquity. The Transformation from Early to Late Empire (Oxford 2006). 49 Alfons Fürst macht am Beispiel der Profilierung christlicher Theologie bei Origenes und Augustinus deutlich, dass es nicht das monotheistische Prinzip, sondern die kulti‑ schen und sozialen Konsequenzen sind, welche die Unvereinbarkeit paganer und christli‑ cher Konzepte ausmachen: A. FÜRST, „Monotheism between cult and politics: the themes of the ancient debate between pagan and Christian monotheism“, in: S. MITCHELL / P. VAN NUFFELEN (Hg.), One god: pagan monotheism in the Roman Empire (Cambridge 2010) 82–99.

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christlichen Meinungsbildner um ein orthodoxes Bekenntnis führte nicht zur Ausgestaltung eines theologischen Systems.50 Die mehrdimensionale theologische Reflexion in De deis legt den Ver‑ gleich mit der theologia tripertita nahe, wie sie als zumeist implizites Form‑ prinzip das pagane Nachdenken über die Götter strukturiert hat.51 Die‑ ses im Anschluss an hellenistische Ansätze von Varro im 1. Jh. v. Chr. begrifflich gefasste Modell unterscheidet das vor allem durch Dichtung und Schauspiel überlieferte mythologische Narrativ der göttlichen Wirk‑ samkeit (theologia fabulosa), das philosophische Nachdenken über kosmo‑ logische Zusammenhänge (theologia naturalis) und die religiöse Begrün‑ dung des Gemeinwesens in Kult, Orakeln und Gesetzen (theologia civilis). Auch für die pagan‑christliche Kontroverse im 4. Jahrhundert war die‑ ses Schema von Bedeutung, wie sich in der apologetischen Schrift Praepa‑ ratio Evangelica des Eusebios von Caesarea zeigt, deren Aufbau sich an der theologia tripertita orientiert.52 Nachdem Eusebios im ersten und zwei‑ ten Buch Probleme der Mythenallegorese und im dritten philosophisch‑ naturwissenschaftliche Fragen behandelt, wobei pagane und christliche Positionen nicht grundsätzlich unvereinbar scheinen, stellt er dann im vierten Buch die althergebrachte und durch Gesetze und Orakel begrün‑ dete Theologie des staatlichen Kultes als das eigentliche Problem dar, weil hiermit die Verfolgung der Christen als gottlose Verweigerer der Kult‑ handlungen legitimiert werden konnte.53 Die unterschiedlichen Dimensionen der theologia tripertita sind auch in De deis erkennbar, wobei Salustios eigene Differenzierungen vornimmt. So macht er im Kontext der Legitimierung des Mythos (3–4) neben der theolo‑ gischen Aussage auch andere Funktionen der mythischen Redeweise gel‑ tend und ordnet die so differenzierten Mythen unterschiedlichen Kontex‑ ten zu (4,6: Philosophie, Dichtung, Orakel). Die von Salustios selbst be‑ nannte Dreiteilung seiner Erörterungen „über Götter, Welt und mensch‑ liche Angelegenheiten“ (13,1) ist nicht deckungsgleich mit dem Modell der theologia tripertita, weist aber im Blick auf die konkreten Ausführungen deutliche Verschränkungen auf. So können die kosmologischen Erörterun‑ 50 Zur Differenzierung von Begriff und Gegenstand von „Theologie“ im antiken Kontext vgl. C. MARKSCHIES, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie (Tübingen 2007) 11–31. 51 Vgl. G. LIEBERG, „Die Theologia tripertita als Formprinzip antiken Denkens“, Rheini‑ sches Museum 125 (1982) 25–53. Zur Rezeption des Modells durch Eusebios von Caesarea und Augustinus von Hippo vgl. LÖHR 2015. 52 Im Vorwort des vierten Buches fasst er noch einmal zusammen, dass das gesamte Spektrum paganer Theologie (τὸ πᾶν τῆς θεολογίας αὐτῶν εἶδος) untergliedert ist in die Erscheinungsformen des Mythos, der von den Dichtern wiedergegeben wird, der Natur‑ wissenschaft, die von den Philosophen erschlossen wird, und der Politik, die durch Geset‑ ze sanktioniert ist (Praep. Ev. IV 1,1 DES PLACES). 53 Vgl. LÖHR 2015, 116–118.

Einführung in die Schrift

15

gen der theologia naturalis, die Betrachtungen zu Staatsverfassung und ritu‑ eller Praxis der theologia civilis zugewiesen werden.54 Bei der Behandlung von Fragen zu Intellekt, Seele und Ethik sind philosophische und politi‑ sche Aspekte bereits in der platonischen Denktradition eng verknüpft, z.B. bei der Korrelation seelischer und staatlicher Funktionen. Wenn es beim Problemkomplex der Theodizee darum geht, die Axio‑ me über Gott/das Göttliche auch angesichts des Bösen in der Welt gelten zu lassen, macht Salustios die menschliche Seele für die Störungen der kos‑ mischen Ordnung verantwortlich, die göttlicherseits durch Schutz‑ und Sühnemaßnahmen ausgeglichen werden (12,6). Die in diesem Zusammen‑ hang genannten kulturellen Institutionen bieten ein signifikantes Panora‑ ma der theologia civilis. Der religionspolitische Ansatz, Gottlosigkeit nicht als besorgniserregendes Delikt, sondern selbst schon als Strafe der Götter zu verstehen (18), steht in bemerkenswertem Kontrast zu den genannten Ausführungen des Eusebios zur theologia civilis. Es ist also in De deis eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Prinzip der theologia tripertita festzustellen, über die Götter im jeweiligen Erkenntnis‑ und Erfahrungszusammenhang von Dichtung, Philosophie und Kult zu reden. Diese Profilierung theologischer Mehrdimensionalität hat im Kontext der pagan christlichen Kontroverse und des Ringens um das hellenische Erbe eine kaum zu überschätzende Bedeutung.

2.5. Die Texttradition des Salustios (J. Groisard / A. Lecerf) Es gibt keine indirekte Überlieferung von Salustios’ Werk aus Antike oder Mittelalter, die uns bekannt wäre. Kein antiker Autor verweist eindeutig auf die literarische Produktion seitens des Freundes von Kaiser Julian, Sa‑ turninius Secundus, genannt „Salutius“.55 Salustios seinerseits verweist in 4,6–11 auf Julians Rede An die Göttermutter (eher als andersherum). Die direkte Handschriftenüberlieferung besteht aus drei Zeugnissen: A B V

Mailand, Ambr. gr. B 99 sup. Mailand, Ambr. gr. O 123 sup. Rom, Vat. Barb. gr. 84

spätes 13. Jahrhundert frühe 1560er Jahre frühe 1560er Jahre

Von diesen dreien ist nur A unabhängig. In der Tat zeigt die philologische Analyse, dass A, ein Manuskript, das der Sammlung des italienischen Hu‑ manisten Gian Vincenzo Pinelli (1535–1601) angehörte, als Model sowohl 54

Zu Salustios’ Übereinstimmungen und Abweichungen im Vergleich mit Varros Sche‑ ma der Theologia tripartita vgl. die Erläuterungen von Nicole Belayche in ihrem Beitrag zum vorliegenden Band, S. 168–169. 55 Die lateinische Form „Salutius“ ist bei Ammianus Marcellinus belegt. Es hat sich ein‑ gebürgert, ihn als „Sal(l)ustius“ zu bezeichnen, was teils der griechischen Wiedergabe Σαλούστιος geschuldet ist und dem (missverständlichen) Einfluss des bekannteren Sal‑ lustius, dem Namen des berühmten Historikers.

16

Detlef Melsbach

für B als auch für V diente, das von Gelehrten, die auch Pinellis Kreis aus Padua verbunden waren, kopiert wurde: dem Kreter Manuel Moros und dem griechischen Humanisten aus Chios, Theodoros Rendios.56 (Der soge‑ nannte codex Saregicus, der in Justus Ryckius’ Briefsammlung beschrieben und von Muccio herangezogen wurde, scheint kein anderer als V zu sein.) In A kann man vor dem Werk des Salustios die letzten Zeilen von He‑ raklitos Rhetors Allegoriae Homericae (von 79,9 bis zum Ende) finden; da‑ nach das Gedicht Europa von Moschos aus einer anderen Hand. Zwei ande‑ re Schreiber ergänzten jeweils zwei kurze Anmerkungen zu enzyklopädi‑ schem Wissen und zur Entstehung und zum Tod des Menschen. Ebenfalls finden sich ein Scholion und 20 Verse von Johannes Tzetzes über Proklos als Kommentator von Hesiod und eine Notiz zur Etymologie des Namens „Hesiod“. Diese ganze Liste erstreckt sich auf neun Folien, die wiederum eine einzelne Codex‑Einheit bilden. Die beiden anderen derartigen Einhei‑ ten enthalten entsprechend bildhafte Gedichte des Theokrit und anderer Autoren und eine fast vollständige Abschrift der Odyssee: Sie haben wenig Einfluss auf das Verständnis, warum Salustios’ Werk erhalten wurde und es ist schwierig ihren chronologischen Bezug zum Rest von A zu präzisie‑ ren. Die Verbindung von Salustios mit Heraklitos Rhetor in der ersten Codex‑Einheit weist jedoch darauf hin, dass sein Traktat als eine Übung in der Mytheninterpretation gesehen wurde. Obwohl uns dies möglicherwei‑ se überraschend erscheint, ist es unbestreitbar, dass Kapitel 3 und 4 diese Thematik behandeln und diese Art der Lektüre, auch wenn sie ziemlich selektiv ist, ist daher nicht völlig unpassend. Die Kopie von Heraklitos in A beginnt genau dort, wo die Kopie von Heraklitos’ Werk in Vat. Gr. 871 endet, und zeigt dabei, dass Vat. gr. 871 und Manuskript A miteinan‑ der zusammenhängen, obwohl sie offensichtlich nicht zwei Hälften eines einzigen Manuskripts bilden. Wenn wir annehmen, dass Vat. gr. 871 eine Abbildung von A (oder von einem Model von A) ist, bevor dieser beschä‑ digt wurde, und seine Inhalte berücksichtigen, dann können wir versuchs‑ weise eine Folge rekonstruieren, bestehend aus Harpokrations Lexikon zu den zehn Rednern – Horapollons’ Hieroglyphica – Heraklitos’ Allegoriae – Sa‑ lustios. Dies verschafft den Eindruck eines kohärenten Korpus, das der Erhaltung und dem Verständnis des Erbes der Antike gewidmet ist.

56 Pace Muccio, Nock und Rochefort, die glaubten, dass der Schreiber von V Konstanti‑ nos Patrikios, Rendios’ Schüler, gewesen sei; die Zuschreibung an Rendios hat zum ers‑ ten Mal Paul Canart (in: M. PHOSKOLOS, Ἄγvωστα στοιχεῖα καὶ κείμενα τοῦ οὑμανιστῆ Κωνσταντίνου Πατρικίου τοῦ Χίου [Athen 1973] 17) unternommen, dann wurde dies von Anna Meschini in ihrer Monographie zu Rendios, Teodoro Rendios (Padua 1978) 12f., bestä‑ tigt.

Einführung in die Schrift

17

Ein paar Jahre nach Pinellis Tod gelangte das Manuskript A schließlich in die Sammlungen von Kardinal Federico Borromeo, Gründer der Biblio‑ theca Ambrosiana, und ist bis heute dort verwahrt. Die von Leone Allacci, Gabriel Naudé und Lukas Holste (alle waren zu dieser Zeit Bibliothekare in Rom) besorgte editio princeps57 verwende‑ te V als Referenztext. Drei Jahrzehnte später wurde ihr Werk mit wenigen Korrekturen von Thomas Gale in seinen Opuscula mythologica, ethica et phy‑ sica (Cambridge 1671) erneut gedruckt. Salustios’ Werk hinterließ wenig Eindruck bei den Gelehrten der Neuzeit, aber der deutsche Bibliograph Johann Albert Fabricius kommentierte es in seiner Bibliotheca Graeca (Bd. XIII, Hamburg 1726) und er war der erste, der verstanden hatte, dass Nau‑ dés Identifizierung des Autors mit Σαλούστιος, einem Zeitgenossen von Damaskios, nicht möglich war, und den Freund und Hofbeamten Julians vorschlug. Die erste Übersetzung in eine moderne Sprache wurde von dem deut‑ schen Hugenotten Jean Henri Samuel Formey unternommen,58 dessen französische Version direkt ins Deutsche übertragen wurde. Eine weitere frühe deutsche Übersetzung erschien anonym 1762.59 1779 veröffentlich‑ te Johann Georg Schultess eine Übersetzung in der von ihm herausgege‑ benen Bibliothek der Griechischen Philosophen.60 Eine erste englische Über‑ setzung stammt von Thomas Taylor.61 1821 erschien basierend auf dem Text der Erstedition die griechisch‑lateinische Ausgabe von Johann Conrad Orelli62 mit vielen textkritischen Anmerkungen und Hinweisen auf Paral‑ lelen und Anklänge aus dem neuplatonischen Schrifttum.63 Eine wissen‑ schaftliche Würdigung des Traktats im eigentlichen Sinne konnte jedoch nicht früher erreicht werden als – basierend auf der philologischen Pio‑ nierarbeit von Muccio,64 der auf die Überlegenheit von Manuskript A hin‑

57 Sallustii Philosophi De Diis et Mundo, nunc primus e tenebris eruit et Latine vertit Leo Alla‑ tius (Mascardus, Rom 1638; neu gedruckt mit leichten Modifikationen, Jan Maire, Leiden 1639). 58 Salluste le Philosophe, Traité des Dieux et du Monde, (C. L. Kunst, Berlin 1748). 59 Anonymus, Sallustius, Des Weltweisen Sallust Abhandlung den Göttern und der Welt, All‑ gemeines Magazin der Natur, Kunst und Wissenschaften (Leipzig 1753). WYSS 1973, 371 fand einen Hinweis auf Johann Christian Arnold als möglichen Verfasser im S. F. W. HOFF‑ MANN, Lexicon Bibliographicum (Leipzig 1832–1836). 60 J. G. SCHULTESS, Sallustius des Philosophen Buch von den Göttern und der Welt, Bibliothek der Griechischen Philosophen, Bd. III (Zürich 1779). 61 Sallust on the gods and the world (Edward Jeffrey, Pall Mall, London 1793). 62 Sallustii philosophi Libellus de diis et mundo (Typis Orellii, Fuesslini et Soc., Zürich 1821). 63 Der Abschnitt „Eine weitere …“ bis „… neuplatonischen Schrifttum“ ist eine Ergän‑ zung von D. Melsbach. 64 G. MUCCIO, „Studi per un’edizione critica di Sallustio filosofo“, Studi italiani di filologia classica 3 (1895) 1–31; Ders., „Osservazioni su Sallustio filosofo“, Studi italiani di filologia classica 7 (1899) 45–73.

18

Detlef Melsbach

gewiesen hatte65 – Arthur Darby Nock eine Ausgabe herausbrachte, die unser Verständnis von Salustios, seinem Werk und seinen Quellen revolu‑ tionierte.66 Drei Jahrzehnte später veröffentlichte Gabriel Rochefort seine eigene Edition,67 die, obwohl sie durch ihre Verfügbarkeit zum Referenz‑ text wurde und die Ausgabe von Nock in manchen Aspekten verbesserte, durch etliche ernste Fehler, Verwechselungen und unnötige Spekulationen beschädigt war. Vor dem Erscheinen der zweisprachigen Ausgabe Nocks hatte Gilbert Murray die Schrift ins Englische übertragen. Auch der Aus‑ gabe Rocheforts sind französische Übersetzungen von Mario Meunier und André Jean Festugière vorausgegangen. Nach Claudio Mutti, Giuseppe Dagnino und Valeria Vacanti hat Riccardo di Giuseppe De deis ins Italie‑ nische übertragen und auch den griechischen Text mit ausführlichen An‑ merkungen zu den wesentlichen textkritischen Problemen beigefügt. Eine niederländische Übersetzung veröffentlichte Rein Ferwerda im Jahr 2003. Neuere deutsche Übersetzungen stammen von Bernhard Wyss und Detlef Melsbach.68

2.6. Zum Text Der vorliegende Text basiert auf den Ausgaben von Nock (1926) und Ro‑ chefort (1960). Die im Text mit einem Asterisk (*) markierten Abweichun‑ gen sind hier aufgeführt:

Kephalaia 7 26 Text 1,1 2,1 3,2 3,3 4,1 4,3 4,8 4,10 5,3

vorliegende Ausgabe Nock

Rochefort

διὰ τί γίγνονται

ὅτι διὰ τί γίγνονται

[ὅτι] διὰ τί γίνονται

ἀκούειν ἔστιν γίγνωνται τὴν τῶν θεῶν ἀγαθότητα οἱ ὥσπερ βοτάνας ἄρχεται ἱλαρία ἀληθὴς ἦν ὁ λόγος

ἀκοῦσαι ἔστιν γίγνωνται τὴν τῶν θεῶν ἀγαθότητα ἔτι ὥσπερ βοτάνας ἄρχεται ἱλαρεῖαι ἀληθὴς ἦν ὁ λόγος

ἀκούειν εἰσίν γίνωνται τὴν τῶν Θεῶν ἀγαθότητα οἱ ὥσπερ καὶ βοτάνας ἔρχεται ἱλαρία ἀληθὴς ἦν ὁ λόγος

65 Zuerst entdeckt von B. DE MONTFAUCON, Bibliotheca bibliothecarum manuscriptorum nova (Paris 1739) 530. 66 NOCK 1926. 67 ROCHEFORT 1960. 68 Der Abschnitt „Vor dem Erscheinen …“ bis „… Detlef Melsbach“ ist eine Ergänzung von D. Melsbach.

19

Einführung in die Schrift

7,5

8,4 9,2 9,4 9,4 9,5

9,6 10,2 11,1 12,1 12,3 12,6 13,1 13,2 13,4 13,4 13,4 13,5 14,1 14,3

15,2 17,4 17,5 17,7 17,8

20,1 20,1 20,3 21,2

φέρεται δὲ εἰς γῆν

φέρεται δὲ εἰς γῆν

μηχανήμασι μηχανήμασι γιγνόμεναι γιγνόμεναι τοῖς σώμασι τοῖς σώμασι εὔλογόν τέ ἐστι εὔλογόν ἐστι Πέρσαι δὲ τὴν Πέρσαι δὲ τὴν εὐγένειαν σῴζουσι εὐγένειαν σῴζουσι , ἀστέρων ἄστρων μικρόν τι μέρος μικρόν τι μέρος χρήματα χρήματα γίγνεται γίγνεται δύναμιν οὐσίαν ἀρεταί ἀρεταί ἐν τοῖς λόγοις ἐν τοῖς λόγοις γίγνεται γίγνεται εἰ μή τις τοῦ εἰ μὴ τοῦ ποιοῦντος ποιοῦντος ἀφέλοι ἀφέλοι τις μεγίστης δὲ τῆς μεγίστης δὲ δυνάμεως δυνάμεως ἀγγέλους ἀνθρώπους τὰ μέσα τὰ μεταξύ ἡδονῇ ἡδονῆς οὔτε τοὺς θεοὺς οὔτε τοὺς θεοὺς θεραπεύομεν οὔτε θεραπεύομεν οὔτε μεταβάλλομεν μεταβάλλομεν πανταχῇ πανταχοῦ τῶν μὲν εἰδῶν τοῦ μὲν εἴδους φθειρομένων φθειρομένου γίγνεται γίγνεται γίγνεσθαι γίγνεσθαι οὐδὲ τὸ παρὰ φύσιν οὐδὲ τὸ παρὰ φύσιν γίγνονται γίγνονται γένηται γένηται γίγνεται γίγνεται αὐταῖς αὐτοῖς

φέρεται δὲ εἰς γῆν

μηχανοποιήμασι γινόμεναι τοῖς σώμασι εὔλογόν τέ ἐστι Πέρσαι δὲ τὴν εὐτεκνίαν σῴζουσι

ἀστέρων μακρόν τι μέρος χρήσιμα γίνεται δύναμιν μελέται ἐν τοῖς λόγοις γίνεται εἰ μή τις τοῦ ποιοῦντος ἀφέλοι μεγίστης δὲ τῆς δυνάμεως Ἀγγέλους τὰ μέσα ἡδονῇ καὶ τοὺς Θεοὺς θεραπεύομεν καὶ μεταβάλλομεν πανταχῇ τῶν μὲν εἰδῶν φθειρομένων γίνεται γίνεσθαι οὐδὲ τὸ παρὰ φύσιν

γίνονται γένοιτο γίνεται αὐταῖς

B. Text, Übersetzung und Anmerkungen

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1.

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2. 3. 4. 5. 6. 7. * 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.

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Salustios, Über die Götter Des Philosophen Salustios Hauptpunkte seines Buches:1 (1)

(2)

(3) (4) (5) (6)

(7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14)

(15) (16) (17) (18)

(19)

1. Wie der Hörende beschaffen sein muss und über allgemeine Vorstellung. 2. Dass Gott sich nicht verändert. 3. Dass jeder Gott ungeschaffen und ewig ist. 4. Dass jeder Gott unkörperlich ist. 5. Dass er nicht räumlich begrenzt ist. 6. Über die Mythen, dass auch die Mythen göttlich sind. 7. Warum die Mythen göttlich sind. 8. Dass es fünf Mythenformen gibt; Beispiele für jede. 9. Über die Erstursache. 10. Über die überweltlichen Götter. 11. Über die zwölf innerweltlichen. 12. Dass es zwölf Sphären gibt. 13. Über die Natur der Welt und ihre Ewigkeit. 14. Dass die Erde in der Mitte ist und warum. 15. Über den Intellekt und die Seele. 16. Dass die Seele unsterblich ist. 17. Über Vorsehung, Schicksal und glückliche Fügung. 18. Über Tugend und Laster. 19. Über richtige und schlechte Staatsverfassung. 20. Woher die Übel kommen, und dass es keine Natur des Schlechten gibt. 21. In welchem Sinn man vom Ewigen sagt, dass es entsteht. 22. In welchem Sinn man von den Göttern sagt, dass sie zürnen und sich kultisch besänftigen lassen, obwohl sie keiner Veränderung unterliegen. 23. Warum wir den Göttern Ehren erweisen, obwohl sie bedürfnislos sind. 24. Über Opfer und die anderen Ehrungen, dass wir (damit) keineswegs den Göttern, sondern den Menschen nützen. 25. Dass die Welt auch ihrer Natur nach unzerstörbar ist. 26. Warum Formen der Gottlosigkeit entstehen; dass Gott (dadurch) keinen Schaden nimmt. 27. Dass es rituell ungünstige Zeiten gibt, weil die Menschen nicht immer Gottesdienst feiern können. 28. Warum die, welche sich verfehlen, nicht unverzüglich bestraft werden.

24

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}–

29. . 30. 31. 32.

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Über die Götter – Hauptpunkte

(20)

(21)

25

29. Dass es verschiedene Strafen gibt und dass alle mit der irrationalen Seele zusammenhängen, vermittelt durch den schattenhaften Körper. 30. Über die Seelenwanderung und in welchem Sinn man sagt, dass die Seelen in vernunftlose Wesen gelangen. 31. Dass es notwendigerweise Seelenwanderung gibt. 32. Dass die Guten sowohl im Leben als auch nach dem Tod glückselig sind.

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} 1.1 –3.3

1.1

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3.3

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Über die Götter 1.1–3.3

27

1.1 Die über die Götter etwas hören2 wollen, müssen seit der Kindheit gut erzogen sein und dürfen nicht mit unvernünftigen Anschauungen aufwachsen. Nötig ist auch, dass sie von Natur aus gut und verständig sind, damit sie etwas gemeinsam haben mit den Lehrsätzen. Außerdem müssen sie die allgemeinen Vorstellungen kennen. 1.2 Allgemeine Vorstellungen3 sind alle die, denen die Menschen insgesamt, wenn man sie nur richtig fragt,4 zustimmen werden, z.B. dass jeder Gott gut, Empfindungen nicht unterworfen und unveränderlich ist; denn alles Veränderliche kann sich nur zum Besseren oder Schlechteren hin ändern; wenn zum Schlechteren, wird es schlecht, wenn zum Besseren, war es ursprünglich schlecht. 2.1 So sei der Hörende beschaffen, während die Lehrsätze unter folgenden Voraussetzungen entwickelt werden sollen: Die Götter sind ihrem Wesen nach nicht entstanden, denn ewig Seiendes ist nie entstanden; ewig aber ist, was die ursprüngliche Kraft besitzt und von Natur aus nichts erleidet. 2.2 Sie bestehen nicht aus Körpern, denn auch die Kräfte der Körper sind ja unkörperlich.5 Sie sind nicht räumlich begrenzt, da auch dies ein Merkmal der Körper ist, und sind weder von der Erstursache noch untereinander getrennt, sowenig wie Gedanken vom Intellekt, Erkenntnisse von der Seele, Sinneswahrnehmungen von Lebewesen. 3.1 Warum denn nun die Alten solche Lehrsätze beiseiteließen und Mythen verwendeten,6 lohnt sich zu untersuchen und somit bereits einen ersten Nutzen aus den Mythen zu ziehen, nämlich den Dingen auf den Grund zu gehen und nicht denkfaul zu sein.7 Dass die Mythen göttlich sind, kann aufgrund derer behauptet werden, die sie zur Anwendung brachten. Es haben nämlich die göttlich Inspirierten unter den Dichtern, die Besten der Philosophen, die Vermittler der Kulte und in Orakeln auch die Götter selbst sich der Mythen bedient.8 3.2 Zu untersuchen, warum die Mythen göttlich sind, ist Gegenstand der Philosophie. Weil nun alles, was existiert, Ähnliches anzieht und Unähnliches meidet, müssen auch die Reden über die Götter diesen ähnlich sein,9 damit sie sich ihres Wesens würdig erweisen und die Götter wohlwollend stimmen gegenüber den Redenden, was allein durch Mythen geschehen kann. 3.3 Die Mythen ahmen die Götter selbst nach, wenn es um Sagbares und Unaussprechliches, Sichtbares und Unsichtbares, Deutliches und Verborgenes geht und beziehen sich damit auf die Güte der Götter.10 Denn wie jene die aus den Sinneswahrnehmungen stammenden Güter

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} 3.3 –4.3

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Über die Götter 3.3– 4.3

29

für alle gemeinsam geschaffen haben, die aus den intellektuellen Einsichten stammenden aber nur für die Verständigen, so sagen die Mythen zwar allen, dass es Götter gibt, welche aber und wie beschaffen sie sind, nur denen, die es begreifen können. Andererseits bilden die Mythen aber auch die Wirkungen der Götter ab. So kann man nämlich sagen, dass die Welt ein Mythos ist, Körper und Gegenstände in ihr sichtbar, Seelen und Intellekte verborgen sind. 3.4 Darüber hinaus verursacht das Bemühen, alle die Wahrheit über die Götter zu lehren, bei den Unverständigen wegen ihrer Begriffsstutzigkeit Verachtung, bei den Gescheiten jedoch Trägheit, während das Verschlüsseln der Wahrheit durch Mythen hingegen jene an der Verachtung hindert und diese zum Philosophieren zwingt.11 Warum aber hat man in den Mythen von Ehebruch, Diebstahl, Fesselung der Väter und anderem Unsinn gesprochen? Oder ist auch dies insofern bewundernswert, als durch den offensichtlichen Unsinn die Seele die Worte spontan für Verhüllungen hält und die Wahrheit als unaussprechlich anerkennt? 4.1 Unter den Mythen sind die einen theologisch, die anderen physisch, außerdem gibt es psychische, materielle und Mischungen aus diesen.12 Theologisch sind die, welche keinen Körper verwenden, sondern die Seinsweisen der Götter an sich betrachten; zum Beispiel das Verschlingen der eigenen Kinder durch Kronos: Weil der Gott geistig ist, jeder Intellekt aber auf sich selbst gerichtet ist, spielt der Mythos so auf das Wesen des Gottes an.13 4.2 Physisch können die Mythen immer dann aufgefasst werden, wenn jemand von den Wirkungen der Götter auf die Welt spricht; so hatten einige Kronos als die Zeit gedeutet und sagen deshalb, indem sie die Zeitabschnitte als Kinder des Ganzen bezeichnen, dass die Kinder vom Vater verschlungen werden. Die psychische Variante besteht in der Beobachtung der eigenen Wirkungen der Seele, weil ja die intellektuellen Wahrnehmungen unserer Seelen, auch wenn sie auf andere übergehen, in denen verbleiben, die sie erzeugt haben. 4.3 Die materielle Art ist zugleich die minderwertigste, welche besonders die Ägypter14 wegen mangelnder Bildung verwendeten, indem sie die Körper selbst für Götter halten und deshalb Isis die Erde nennen, Osiris die Feuchtigkeit, Typhon die Wärme, Kronos das Wasser, Adonis die Früchte, Dionysos den Wein. Zu behaupten, dass diese Phänomene, ebenso wie Pflanzen, Steine und Tiere Göttern zugeordnet

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} 4.3 –4.8

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4.8

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Über die Götter 4.3– 4.8

31

sind, zeichnet vernünftige Menschen aus, während es Eigenschaft von Verrückten ist, sie selbst Götter zu nennen; es sei denn in dem Sinne, wie man gewöhnlich sowohl die Sonnenkugel als auch den von ihr ausgehenden Strahl Sonne nennt. 4.4 Die gemischte Betrachtungsweise15 ist vielerorts festzustellen; etwa wenn erzählt wird, dass beim Gastmahl der Götter Eris einen goldenen Apfel hingeworfen hatte, und die Göttinnen, die sich um ihn stritten, von Zeus zu Paris geschickt wurden, um sich beurteilen zu lassen; diesem sei Aphrodite schön erschienen, der er dann auch den Apfel gegeben habe. 4.5 In diesem Fall verweist das Gastmahl auf die überweltlichen Kräfte der Götter, weshalb sie Gemeinschaft untereinander haben, der goldene Apfel auf die Welt, über die, weil sie aus Gegensätzen besteht, mit Recht gesagt wird, sie sei vom Streit hingeworfen worden. Da aber jeder Gott der Welt durch etwas anderes seine Gunst erweist, scheinen sie um den Apfel zu wetteifern. Die Seele aber, die nur gemäß sinnlicher Wahrnehmung lebt (dies nämlich ist Paris), entscheidet, weil sie nicht die anderen Kräfte in der Welt, sondern nur die Schönheit wahrnimmt, dass der Apfel Aphrodite zukommt.16 4.6 Die theologischen Mythen passen zu den Philosophen, die physischen und psychischen zu den Dichtern, die gemischten aber zu den Kulten, weil auch jeder Kult uns mit der Welt und mit den Göttern verbinden will. 4.7 Vielleicht ist es nötig, einen anderen Mythos17 zu erzählen: Man berichtet, die Mutter der Götter habe den Attis am Fluss Gallos liegen sehen, sich verliebt, die sternenbesetzte Filzmütze genommen, ihm aufgesetzt und ihn fortan bei sich behalten. Der aber habe sich in eine Nymphe verliebt, die Göttermutter verlassen und sich mit der Nymphe vereinigt. Deswegen bewirkte die Göttermutter, dass Attis wahnsinnig wurde und, nachdem er sich die Genitalien abgeschnitten und sie bei der Nymphe zurückgelassen hatte, zurückkehrte und mit ihr zusammenlebte. 4.8 Die Mutter der Götter ist demzufolge die lebenspendende Göttin und wird deshalb Mutter genannt, während Attis der Schöpfer dessen ist, was entsteht und vergeht, weshalb man auch sagt, er sei am Fluss Gallos gefunden worden. „Gallos“ nämlich spielt an auf die Milchstraße,18 von der die den Empfindungen unterworfene Körperwelt ausgeht. Da nun die ursprünglichen Götter die nachgeordneten vollenden, begehrt die Göttermutter den Attis und verleiht ihm himmlische Kräfte – das nämlich bedeutet die Filzmütze.

32

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} 4.9 –5.2

4.9

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Über die Götter 4.9–5.2

33

4.9 Attis begehrt die Nymphe; die Nymphen aber sind die Aufseherinnen des Werdens; denn alles Werdende ist im Fluss. Weil es aber nötig ist, dass der Prozess des Werdens zum Stillstand kommt und nicht aus dem Geringsten etwas noch Schlechteres entsteht, entlässt der damit beschäftigte Schöpfer seine zeugenden Kräfte in die Schöpfung und verbindet sich wieder mit den Göttern. Dies hat sich nicht irgendwann einmal zugetragen, sondern gilt immer; der Intellekt schaut alles zugleich, während die Worte eines nach dem anderen erzählen.19 4.10 Weil nun aber der Mythos der Welt so verwandt ist, ahmen wir die Weltordnung nach (wie könnten wir wohl besser zur Ordnung kommen?20) und feiern dazu passend ein Fest: Als wären wir selbst vom Himmel gefallen und lebten mit der Nymphe zusammen, befinden wir uns zunächst in Trauer und enthalten uns des Brotes und der übrigen schweren und unreinen Kost; beides nämlich ist ungünstig für die Seele. Dann kommt das Schneiden des Baumes und das Fasten, als schnitten auch wir den weiteren Fortgang des Werdens ab. Darauf folgt Ernährung mit Milch, als seien wir neugeboren; anschließend Festfreude und Kränze, gleichsam ein Wiederaufstieg zu den Göttern. 4.11 Für diese Vorstellungen spricht auch der Zeitpunkt der heiligen Handlungen: Die Rituale werden nämlich im Frühjahr zur Tagundnachtgleiche vollzogen, wenn einerseits das Werdende aufhört zu entstehen, andererseits aber der Tag länger wird als die Nacht, was genau passt zu aufstrebenden Seelen. Zur entgegengesetzten Tagundnachtgleiche wird mythisch erzählt, dass sich der Raub der Kore ereignet, was dann der Abstieg der Seelen ist. Uns, die wir diese Erklärungen über die Mythen abgegeben haben, seien die Götter selbst und die Seelen der Mythendichter gnädig. 5.1 Im Anschluss an diese Betrachtungen sollte man Bescheid wissen über die erste Ursache und die ihr folgenden Ordnungen der Götter, die Natur der Welt, das Wesen des Intellektes und der Seele, Vorsehung, Schicksal und glückliche Fügung, Tugend und Laster sowie die daraus entstehenden guten und schlechten Staatsverfassungen erkennen, und woher überhaupt das Schlechte in die Welt gelangt. Jeder dieser Punkte bedarf vieler und ausführlicher Erörterungen, doch hindert uns wohl nichts, sie möglichst kurzgefasst, damit niemand völlig unwissend bleibt, zu besprechen. 5.2 Die erste Ursache21 muss eine einzige sein; denn über jeder Mehrzahl steht eine Einheit. Sie übertrifft alles an Kraft und Güte;

34

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} 5.2– 6.5

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5.3

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Über die Götter 5.2– 6.5

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deswegen hat auch alles notwendigerweise an ihr Anteil. Denn nichts anderes wird sie wegen ihrer Kraft hemmen, und sie wird sich auch selbst nicht fernhalten aufgrund ihrer Güte. 5.3 Wäre sie Seele, wäre alles beseelt; wäre sie Intellekt, wäre alles geistig; wäre sie bloßes Sein, hätte alles an diesem Sein Anteil; und so haben einige das Sein, weil sie dieses in allem wahrnehmen, für jenes (sc. die erste Ursache) gehalten. Wenn das Seiende tatsächlich nur existierte, aber nicht zugleich gut wäre, wäre die Annahme richtig; da das Seiende aber durch Güte existiert und am Guten Anteil hat, muss das Ursprüngliche sowohl dem Sein übergeordnet als auch gut sein. Dafür ein besonders deutlicher Beleg:22 das Sein verachten die tapferen Seelen um des Guten willen, wann immer sie sich für das Vaterland, die Freunde oder die Tugend in Gefahr bringen. Nach der so unaussprechlichen Urkraft folgen die Ordnungen der Götter. 6.1 Unter den Göttern sind die einen innerweltlich, die anderen überweltlich.23 Als innerweltlich bezeichne ich die Götter, welche die Welt schaffen. Unter den überweltlichen Göttern24 gestalten die einen die Essenzen, andere den Geist, andere die Seelen; und deswegen haben sie drei Ordnungen, die auch alle in den sie betreffenden Erörterungen wiederzufinden sind. 6.2 Unter den weltlichen Göttern bewirken die einen, dass die Welt existiert, andere beleben sie, andere bringen die aus unterschiedlichen Elementen bestehende (Welt) in Harmonie, andere beschützen die in Einklang gebrachte. Wenn es also diese vier Funktionen gibt und jede Anfang, Mitte und Ende hat, muss es zwölf Waltende25 geben: 6.3 Die, welche die Welt schaffen, sind Zeus, Poseidon und Hephaistos; Demeter, Hera und Artemis beleben sie; für Harmonie sorgen Apollon, Aphrodite und Hermes; Beschützende sind Hestia, Athene und Ares. 6.4 Rätselhafte Anspielungen auf diese Zuständigkeiten sind an den Götterbildern wahrzunehmen: Apollon stimmt die Lyra, Athene ist mit einer Rüstung geschmückt, Aphrodite aber ist nackt, weil die Harmonie das Schöne in Einklang bringt, die Schönheit aber in sichtbaren Dingen unverborgen ist.26 Weil primär diese Götter die Welt dominieren, muss man annehmen, dass die anderen Götter in diesen sind, wie Dionysos in Zeus, Asklepios in Apollon, die Grazien in Aphrodite. 6.5 Auch ihre Sphären sind identifizierbar: Zu Hestia gehört die Erde, zu Poseidon das Wasser, zu Hera die Luft, zu Hephaistos das Feuer; die sechs höheren Sphären aber gehören zu den Göttern, denen sie üblicher-

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weise zugeschrieben werden: Apollon und Artemis stehen für Sonne und Mond, die Sphäre des Kronos aber ist der Demeter zugeeignet, der Aether der Athene, der Himmel aber allen gemeinsam. Die Ordnungen, Wirkungskräfte und Sphären der zwölf Götter sind auf diese Weise beschrieben und gepriesen. 7.1 Die Welt selbst muss unzerstörbar und ungeschaffen sein; unzerstörbar muss sie sein, weil es, wenn diese zerstört würde, nötig wäre, eine bessere, eine schlechtere, sie selbst oder Chaos herzustellen: eine schlechtere – dann wäre auch der schlecht, welcher aus Besserem etwas Schlechteres macht; eine bessere – dann wäre unfähig, wer nicht gleich zu Beginn Besseres macht; dieselbe – wird er sinnlos schaffen; Chaos – dies darf man sich nicht einmal anhören.27 7.2 Dieses ist hinreichend, um das Ungeschaffensein zu beweisen; wenn sie nämlich nicht zugrunde geht, ist sie nicht entstanden, weil ja alles Entstandene zugrunde geht;28 außerdem muss, weil die Welt durch die Güte Gottes existiert, sowohl Gott ewig gut sein als auch die Welt ewig existieren, so wie Licht zusammen mit Sonne und Feuer, Schatten zusammen mit dem Körper auftritt.29 7.3 Unter den Körpern in der Welt ahmen die einen den Intellekt nach und bewegen sich im Kreis,30 die anderen ahmen die Seele nach und bewegen sich geradlinig.31 Unter den Geradlinigen bewegen sich Feuer und Luft nach oben, Erde und Wasser nach unten. Unter den im Kreis Umlaufenden bewegen sich die fixe Sphäre von Osten, die sieben Planeten(-sphären) von Westen her. Dafür spricht neben vielen anderen Gründen vor allem die Notwendigkeit zu verhindern, dass der Prozess des Werdens aufgrund des (zu) schnellen Umlaufs der Sphären unvollkommen bleibt.32 7.4 Weil es einen Unterschied der Bewegung gibt, muss sich auch die Natur der Körper unterscheiden; auch kann der himmlische Körper weder brennen noch erkalten noch irgendetwas anderes tun, was den vier Elemente eigen ist. 7.5 Weil die Welt eine Kugel ist (dies nämlich zeigt uns der Tierkreis), der tiefste Punkt jeder Kugel aber ihre Mitte ist (von allen Seiten ist sie ja am weitesten entfernt), strebt das Schwere in die Tiefe, d.h. zur Erde hin. Dies alles schaffen die Götter, ordnet der Intellekt, bewegt die Seele; über die Götter wurde bereits gesprochen.33

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8.1 Der Intellekt ist eine dem Sein nachgeordnete, der Seele vorausgesetzte Kraft, die vom Sein die Existenz hat und die Seele wie die Sonne die Sehfähigkeit vervollkommnet.34 Unter den Seelen gibt es einerseits rationale und unsterbliche, andererseits irrationale und sterbliche, wobei jene von den ersten, diese von den zweiten Göttern hervorgebracht werden.35 8.2 Zunächst muss untersucht werden, was die Seele denn eigentlich ist. Die Seele ist das, worin sich das Beseelte vom Unbeseelten unterscheidet; ein Unterschied besteht hinsichtlich Bewegung, Wahrnehmung, Vorstellungs- und Denkvermögen. Die irrationale Seele ist demnach das von Wahrnehmung und Vorstellung bestimmte Leben, die rationale Seele indes dominiert Wahrnehmung und Vorstellung und macht von der Vernunft Gebrauch; während die irrationale Seele den körperlichen Affekten folgt (unberechenbar begehrt und zürnt sie), verachtet die rationale Seele mittels der Vernunft den Körper und bringt im Kampf gegen die unvernünftige Seele als Siegerin Tugend, als Unterlegene Schlechtigkeit hervor. 8.3 Sie muss unsterblich sein, weil sie die Götter kennt (nichts Sterbliches kennt etwas Unsterbliches)36, die menschlichen Angelegenheiten als fremd verachtet und sich als etwas Unkörperliches den Körpern entgegengesetzt verhält: sind diese nämlich jung und schön, macht sie Fehler; altern sie, steht sie in Blüte. Jede tüchtige Seele bedient sich des Intellektes, den kein Körper aus sich hervorbringt; wie sollte auch etwas Vernunftloses den Intellekt hervorbringen? 8.4 Den Körper gebraucht die Seele als Werkzeug,37 ist aber nicht in ihm, wie der Maschinenbauer nicht in den Maschinen ist, und sich doch viele Maschinen bewegen, ohne dass jemand Hand anlegt. Wenn die Seele oft vom Körper abgelenkt wird, muss man sich nicht wundern; denn auch die handwerklichen Künste können nichts bewirken, wenn die Werkzeuge beschädigt sind. 9.1 Die Vorsehung der Götter ist bereits aufgrund dieser Erwägungen feststellbar. Woher nämlich käme die Ordnung in der Welt, wenn es nicht etwas Ordnendes gäbe?38 Woher käme es, dass alles um etwas anderen willen entsteht, z.B. eine unvernünftige Seele, damit es sinnliche Wahrnehmung gibt, eine vernünftige, damit die Erde geordnet werde? 9.2 Es ist auch aufgrund der in der Natur waltenden Vorsehung zu erkennen: Die Augen sind für das Sehen durchscheinend gemacht, die Nase befindet sich über dem Mund, um üblen Geruch (von Speisen)

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wahrnehmen zu können, die vorderen Zähne sind scharf zum Schneiden, die hinteren flach zum Zerreiben der Speisen. So sehen wir alles in allen Dingen vernunftgemäß angeordnet; doch ist es unmöglich, dass es so große Vorsehung in den kleinsten Details, nicht aber in den ersten Dingen gibt. So sind auch die sich in der Welt ereignenden Orakel und Heilungen der Körper Anzeichen der guten Vorsehung der Götter. 9.3 Man muss aber davon ausgehen, dass die Götter solche Fürsorge bezüglich der Welt ausüben, ohne sich zu beraten oder abzumühen; im Gegenteil: Wie unter den Körpern diejenigen, welche Kraft besitzen, aufgrund ihres bloßen Seins tun, was sie tun, wie die Sonne leuchtet und erwärmt allein aufgrund ihres Seins,39 so geschieht in viel größerem Maße auch die Vorsehung der Götter ohne eigene Mühe und zum Guten für das ihrer Fürsorge Unterstellte. Somit werden auch die Fragestellungen der Epikureer40 geklärt; diese behaupten nämlich, dass das Göttliche weder selbst Mühe habe, noch anderen Mühe mache. 9.4 So also ist die unkörperliche Vorsehung der Götter hinsichtlich der Körper und Seelen beschaffen. Von dieser unterschieden ist die von Körpern auf Körper wirkende, die auch als schicksalhafter Zusammenhang41 bezeichnet wird, weil eben besonders bei den Körpern die Verknüpfung in Erscheinung tritt. Deswegen wurde auch die Astrologie42 entwickelt. Es ist sinnvoll und einleuchtend, dass die menschlichen Angelegenheiten und besonders die körperliche Natur nicht nur von den Göttern, sondern auch von den göttlichen Körpern (den Sternen) organisiert werden; dass dadurch auch Gesundheit und Krankheit, Glück und Unglück in angemessener Weise entstehen, sieht rationale Überlegung ein. 9.5 Die Behauptung, auch Ungerechtigkeit und Zügellosigkeit würden durch das Schicksal zugeteilt, bedeutet hingegen, uns gut, die Götter aber schlecht zu machen; es sei denn, jemand will so argumentieren, dass insgesamt der Welt und denen, die sich naturgemäß verhalten, alles zum Guten gereiche, und erst schlechte Erziehung oder eine Schwächung der Natur die guten Gaben des Schicksals in Schlechteres verkehre, so wie es geschieht, dass die Sonne, die eigentlich gut für alle ist, den Augenkranken und Fiebernden schadet. Warum sonst verzehren die Massageten ihre Eltern, beschneiden sich die Hebräer, bemühen sich die Perser um den Erhalt ihres edlen Erbgutes?43 9.6 Wie machen die, welche Kronos und Ares eigentlich als Unheilsbringer bezeichnen, sie dann doch wieder zu Wohlgesinnten, wenn sie Philosophie und Königsherrschaft, Kriegsführung und Reichtum auf sie zurückführen?44 Wenn sie aber mit Drei- und

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Vierecken argumentieren,45 wäre es unsinnig, dass die menschliche Tugend überall dieselbe bleibt, die Götter hingegen sich je nach Konstellation verändern. Das Vorhersagen edler oder unedler Geburt im Blick auf die Vorfahren zeigt, dass die Sterne nicht alles bewirken, sondern nur etwas andeuten.46 Wie nämlich könnte durch Geburt werden, was schon vor der Geburt existierte? 9.7 Ebenso wie es Vorsehung und Schicksal sowohl für Völker und Städte als auch für jeden Einzelnen gibt, verhält es sich auch mit der glücklichen Fügung, worüber jetzt noch gesprochen werden muss. Als glückliche Fügung nämlich wird die Kraft der Götter bezeichnet, welche Unterschiedliches und das, was einen unerwarteten Verlauf nimmt, zum Guten hin ordnet; deshalb kommt es auch in besonderer Weise den Gemeinwesen zu, diese Gottheit öffentlich zu ehren; denn jedes Gemeinwesen setzt sich aus unterschiedlichen Interessen zusammen. Sie ( ) übt ihren Einfluss im Bereich des Mondes aus, weil jenseits des Mondes überhaupt nichts durch glückliche Fügung geschieht.47 9.8 Wenn es den Schlechten gut geht, die Guten es hingegen schwer haben, darf uns das nicht wundern; denn jene tun alles, diese nichts des Reichtums wegen, und während das Wohlergehen der Schlechten ihre Schlechtigkeit nicht mindert, genügt den Guten allein ihre Tugend.48 10.1 Die Erörterungen zu Tugend und Laster bedürfen wiederum solcher über die Seele. Während die vernunftlose (Seele) in die Körper gelangt und sogleich Beherztheit und Verlangen erzeugt, ist die vernünftige diesen übergeordnet und bewirkt eine seelische Dreiteilung, bestehend aus Vernunft, Beherztheit und Verlangen. Die Tugend der Vernunft ist rationales Denken, die der Beherztheit Mut, die des Verlangens Mäßigung, die der Seele insgesamt Gerechtigkeit.49 So nämlich muss die Vernunft sich für das Gebührende entscheiden, die Beherztheit muss der Vernunft gehorchen und verachten, was furchterregend erscheint, das Verlangen sollte nicht dem nur scheinbaren, sondern dem der Vernunft nach Angenehmen folgen. 10.2 Wenn die Dinge sich so verhalten, wird das Leben gerecht. Die auf materielle Güter bezogene Gerechtigkeit ist indes nur ein kleiner Teil der Tugend. Deswegen sind nur bei Gebildeten alle Tugenden zu beobachten; unter den Ungebildeten ist der eine zwar tapfer, aber ungerecht, ein anderer zwar gemäßigt, aber unverständig, ein anderer zwar klug, aber zügellos. Alle diese Eigenschaften verdienen nicht Tugenden genannt zu werden, weil sie der Vernunft entbehren, unvollkommen sind und auch bei einigen der vernunftlosen Wesen vorkommen.

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10.3 Das Laster muss von dem jeweils Entgegengesetzten her betrachtet werden: Das Laster der Vernunft ist die Torheit, das der Beherztheit die Feigheit, das des Verlangens die Zügellosigkeit, das der Seele insgesamt die Ungerechtigkeit. Die Tugenden werden durch ein richtig organisiertes Gemeinwesen, durch gute Erziehung und Bildung hervorgebracht, die Laster durch das Entgegengesetzte. 11.1 Auch die Staatsverfassungen entstehen gemäß der Dreiteilung der Seele.50 Die leitenden Personen entsprechen der Vernunft, die Soldaten der Beherztheit, das Volk dem Verlangen. Wo alles gemäß der Vernunft getan wird und der Beste von allen regiert, entsteht Monarchie;51 wo gemäß der Vernunft und der Beherztheit gehandelt wird, und mehr als einer regiert, kommt es zur Aristokratie; wo aber Politik gemäß dem Verlangen gemacht wird und die Führungsämter dem Vermögen entsprechen, wird ein solches Gemeinwesen Timokratie genannt. 11.2 Der Gegensatz zur Monarchie ist die Tyrannenherrschaft; jene nämlich verwirklicht alles, diese nichts gemäß der Vernunft. Der Aristokratie steht die Oligarchie gegenüber, weil nicht die Besten, sondern wenige, besonders Schlechte regieren; der Timokratie ist die Demokratie entgegen gesetzt, weil nicht die, welche die Mittel haben, sondern das Volk Herr über alles ist. 12.1 Wie aber gibt es Schlechtes52 in der Welt, wenn doch die Götter gut sind und in der Welt alles gut geschaffen haben? Oder muss man zunächst einmal sagen, dass, weil die Götter gut sind und alles gut geschaffen haben, es kein eigenes Wesen des Schlechten gibt, sondern es nur bei Abwesenheit des Guten auftritt, so wie es die Dunkelheit selbst nicht gibt, sondern sie nur durch die Abwesenheit des Lichtes entsteht?53 12.2 Wäre es von sich aus existent, muss es notwendigerweise in den Göttern, in den Intellekten, in den Seelen oder in den Körpern sein. In den Göttern kann es nicht sein, da ja jeder Gott gut ist; wenn aber jemand behauptet, der Intellekt sei schlecht, bezeichnet er den Intellekt als unintelligent; wenn jemand die Seele schlecht nennt, macht er sie geringer als den Körper, denn kein Körper hat von sich aus Schlechtigkeit.54 Sollte es aus der Verbindung von Seele und Körper entstehen, wäre es widersinnig, dass das, was für sich genommen nicht schlecht ist, beim Zusammentreffen Schlechtes schafft. 12.3 Wenn aber jemand die Dämonen als schlecht bezeichnet, so können sie, wenn sie ihre Kraft von den Göttern haben, ja wohl kaum

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schlecht sein; haben sie diese aber anderswoher, sind die Götter nicht mehr Schöpfer aller Dinge. Wenn die Götter aber nicht alles schaffen, dann entweder, weil sie es nicht können, obwohl sie es wollen, oder weil sie nicht wollen, obwohl sie es können; keine dieser Alternativen ist Gott angemessen.55 12.4 Aufgrund dieser Argumente ist zu erkennen, dass nichts in der Welt von Natur aus schlecht ist; vielmehr treten erst im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Menschen, aber auch unter diesen nicht bei allen und nicht immer die schlechten Handlungen in Erscheinung. 12.5 Wenn die Menschen diese um des Schlechten selbst willen begingen, wäre die Natur an sich schlecht. Wenn aber der Ehebrecher den Ehebruch zwar für schlecht, die Lust aber für gut befindet, der Raubmörder den Mord zwar für schlecht, das erbeutete Vermögen aber für gut hält, derjenige, welcher den Feind schlecht behandelt, die schlechte Behandlung zwar missbilligt, die Abwehr des Feindes aber gutheißt, wenn in allen Fällen die Seele sich so verfehlt, entsteht das Schlechte um des Guten willen, so wie durch das Nichtvorhandensein des Lichts Dunkelheit entsteht, die es von Natur aus nicht gibt. Die Seele verfehlt sich also, weil sie nach Gutem strebt, gerät aber hinsichtlich des Guten in die Irre, weil sie kein erstes Wesen ist. 12.6 Damit sie (die Seele) sich nicht verirre, bzw. der Verirrten geholfen werde, ist, wie man sehen kann, von Seiten der Götter viel geschehen: So sind nämlich Künste, Kenntnisse und Fähigkeiten, Gebete, Opferhandlungen und Initiationsriten, Gesetze und Staatsverfassungen, Rechtsverfahren und Strafen entwickelt worden, um die Seelen am Fehlverhalten zu hindern. Wenn sie den Körper verlassen haben, reinigen Sühnegötter und Dämonen sie von ihren Verfehlungen. 13.1 Über Götter, Welt und menschliche Angelegenheiten wird dies denen genügen, die zwar nicht durch die ganze Philosophie geführt werden können, aber auch nicht unheilbar hinsichtlich ihrer Seelen sind. Es bleibt nun noch zu erörtern, dass all dies weder einen Anfang hat noch voneinander trennbar ist, nachdem wir ja in unseren Ausführungen gesagt haben, dass durch das Ursprüngliche das Nachgeordnete entsteht. 13.2 Alles, was entsteht, entsteht entweder durch Kunst, durch Natur oder aus Kraft. Das, was künstlich oder natürlich schafft, muss vor dem Geschaffenen sein. Das aus Kraft Schaffende56 aber bringt das Geschaffene zusammen mit sich selbst zustande, weil es die Kraft als etwas Untrennbares innehat, wie die Sonne das Licht, das Feuer die Wärme, der Schnee die Kälte.

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13.3 Wenn die Götter die Welt nun durch Kunst gestalten, schaffen sie nicht das bloße Sein, sondern das Beschaffensein; jede Kunst nämlich schafft die Gestalt. Woher aber hat die Welt das bloße Sein? Wenn es sich aber um einen natürlichen Schaffensprozess handelt, gibt alles, was natürlich schafft, seiner Schöpfung etwas von sich selbst. Da die Götter unkörperlich sind, müsste dann auch die Welt unkörperlich sein. Wollte aber jemand behaupten, die Götter seien Körper, woher käme dann die Kraft des Körperlosen? Würden wir sogar dies zugestehen, wäre es notwendig, dass beim Untergang der Welt auch der, der sie geschaffen hat, zugrunde geht, wenn er sie denn gemäß der Natur schafft. 13.4 Wenn die Götter die Welt nun aber weder künstlich noch natürlich schaffen, bleibt nur, dass sie es durch Kraft tun. Alles aber, was durch Kraft entsteht, kommt nur gemeinsam mit dem zustande, das die Kraft hat, und das, was so entsteht, kann auch nie vergehen, wenn nicht jemand die Kraft des Schaffenden raubt. Daher sagen diejenigen, welche die Welt für vergänglich halten, dass es keine Götter gibt, oder machen Gott ohnmächtig, wenn sie behaupten, dass es Götter gibt. Wer nun aus Kraft alles schafft, bringt alles zusammen mit sich selbst zur Existenz. Weil es sich aber um die größte Kraft handelt, war es notwendig, nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Götter, Engel und Dämonen zu schaffen. 13.5 Je mehr sich der erste Gott von unserer Natur unterscheidet, umso zahlreicher müssen die Kräfte zwischen uns und jenem sein. Alles nämlich, was äußerst weit voneinander getrennt ist, hat vieles zwischen sich.57 14.1 Wenn jemand es zwar für vernünftig und wahr hält, dass die Götter sich nicht verändern, aber ratlos ist, wie sie sich über Gute freuen, von Schlechten aber abwenden, wie sie denen gegenüber zornig sind, die sich verfehlen, aber gnädig sind, wenn sie kultisch verehrt werden, muss man antworten, dass Gott sich nicht freut (denn was sich freut, betrübt sich auch), nicht zürnt (denn Zorn ist ja eine Leidenschaft) und nicht durch kultische Geschenke versöhnt wird (dann würde er ja vom Lustempfinden dominiert); überhaupt ist es nicht rechtens (anzunehmen), dass es dem Göttlichen aufgrund menschlicher Handlungen gut oder schlecht geht. Vielmehr sind die Götter immer gut und ausschließlich hilfreich, schaden nie und bleiben sich stets gleich. 14.2 Wir verbinden uns, wenn wir gut sind, durch Ähnlichkeit mit den Göttern;58 werden wir schlecht, trennen wir uns durch Unähnlichkeit; leben wir tugendgemäß, stehen wir mit den Göttern in Beziehung; werden wir schlecht, machen wir sie uns zu Feinden, nicht weil sie

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zürnen, sondern weil unsere Verfehlungen verhindern, dass die Götter uns leuchten, und uns stattdessen mit strafenden Dämonen verbinden.59 14.3 Wenn wir durch Gebete und Opfer Befreiung von den Verfehlungen finden, erweisen wir den Göttern keinen Dienst oder stimmen sie um,60 sondern heilen durch die rituellen Handlungen und durch unsere Hinwendung zum Göttlichen vielmehr unsere eigene Schlechtigkeit und genießen daraufhin wieder die Güte der Götter. So gleicht die Behauptung, dass sich die Götter von den Schlechten abwenden, derjenigen, dass die Sonne sich vor denen verbirgt, die des Sehvermögens beraubt sind. 15.1 Aufgrund des Gesagten ist auch die Frage der Opfer und anderer den Göttern erbrachter Ehrungen geklärt. Das Göttliche ist nämlich selbst bedürfnislos, während die Ehrungen um unseres Nutzens willen geschehen. 15.2 Die Vorsehung der Götter erstreckt sich überallhin und bedarf nur der Eignung zur Annahme. Jede Eignung aber entsteht durch Nachahmung und Ähnlichkeit. Deshalb imitieren die Tempel den Himmel, die Altäre die Erde, die Kultbilder das Leben (deshalb sind sie Lebewesen nachgebildet), die Gebete das Intelligible, Symbole die unaussprechlichen Kräfte von oben, Pflanzen und Steine die Materie, die Opfertiere das vernunftlose Leben in uns. 15.3 Aus all diesem haben die Götter keinen Gewinn (welchen Gewinn sollte Gott erhalten?), wir aber bekommen Gemeinschaft mit ihnen. 16.1 Ich halte es für angemessen, bezüglich der Opfer noch einige kurze Bemerkungen anzufügen. Erstens: Da wir alles von den Göttern haben und es gerecht ist, den Gebern das Erste aller Gaben zu weihen, bringen wir Erstlingsgaben für materielle Güter in Form von Weihegeschenken, für Körper in Form des Haupthaares, für das Leben in Form von Opfertieren.61 Zweitens: Die Gebete ohne Opfer sind nur Worte, Gebete mit Opfern aber sind beseelte Worte, wobei das Wort das Leben kräftigt, und das Leben das Wort beseelt. Außerdem ist der glückliche Zustand einer jeden Sache die zu ihr passende Vollendung. Die passende Vollendung besteht für alles in der Verbindung mit seinem Ursprung. Deswegen also beten wir, um uns mit den Göttern zu verbinden. 16.2 Weil nun aber das ursprüngliche Leben das der Götter ist, es aber auch ein menschliches Leben gibt und dieses sich mit jenem

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verbinden will, bedarf es eines Mediums (nichts nämlich, was weit entfernt ist, verbindet sich unvermittelt);62 das Medium aber muss den Dingen, die verbunden werden, gleich sein; also muss Leben das Medium des Lebens sein. Deshalb opfern die Menschen Lebendiges, in der Gegenwart die glückseligen, früher alle, dies aber nicht einheitlich, sondern jedem Gott das Gebührende mit sehr unterschiedlicher religiöser Praxis.63 Das soll hinsichtlich dieser Fragen genügen. 17.1 Es wurde schon gesagt, dass die Götter die Welt nicht zerstören werden; im Anschluss daran ist nun noch festzustellen, dass sie auch eine unzerstörbare Natur hat. Alles nämlich, was zerstört wird, geht entweder durch sich selbst oder durch etwas anderes zugrunde. Würde die Welt nun durch sich selbst zerstört, müsste auch das Feuer sich selbst verbrennen und das Wasser sich selbst austrocknen; würde sie durch etwas anderes zerstört, dann entweder durch Körperliches oder Unkörperliches. 17.2 Unmöglich aber wird sie durch Unkörperliches zerstört; denn Unkörperliches wie Natur und Seele bewahrt das Körperliche, nichts aber wird durch das, was es natürlicherweise bewahrt, zerstört. Würde sie durch Körper zerstört, dann entweder durch existierende oder durch andere. Wenn aber durch existierende, dann würden entweder die geradlinig laufenden Körper durch die, welche sich kreisförmig bewegen, oder umgekehrt die im Kreis laufenden durch die sich geradlinig bewegenden Körper zerstört. 17.3 Doch weder haben die sich kreisförmig bewegenden Körper eine zerstörerische Natur (warum nämlich sehen wir nichts, was dadurch zerstört wurde?) noch können die geradlinig sich bewegenden Körper mit jenen in Berührung kommen (weshalb haben sie es sonst bis heute nicht gekonnt?) Aber auch gegenseitig können sich die geradlinig laufenden Körper nicht zerstören, denn die Zerstörung des einen ist die Entstehung des anderen; das aber ist kein Zerstören, sondern ein Verwandeln. Wenn die Welt aber von fremden Körpern zerstört wird, ist es unmöglich zu erklären, woher diese denn entstanden oder wo sie jetzt sind. 17.4 Im Übrigen wird alles, was zerstört wird, entweder in seiner Form oder in seiner Materie zerstört. Die Form ist die Gestalt, die Materie ist der Körper. Wenn die Form zerstört wird, die Materie aber bleibt, sehen wir, dass anderes entsteht. Wenn aber die Materie zerstört wird, wie ist sie in so vielen Jahren nicht geschwunden? 17.5 Wenn aber anstelle der zerstörten Materie andere entsteht, kommt sie entweder aus Seiendem oder aus Nichtseiendem zustande.64

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Entsteht sie aus Seiendem, ist, weil Seiendes für immer bleibt, auch die Materie ewig. Wenn aber auch das Seiende vergeht, folgert man, dass nicht nur die Welt, sondern alles vergeht. Wenn die Materie aber aus Nichtseiendem entsteht, ist es zunächst einmal unmöglich, dass aufgrund von Nichtseiendem etwas sei; wenn dies aber doch geschehen sollte, es also möglich wäre, dass es Materie aus Nichtseiendem gibt, dann wird die Materie solange existieren, wie es das Nichtseiende gibt, denn was nicht ist, geht niemals zugrunde. 17.6 Wenn sie aber behaupten, dass die Materie gestaltlos bleibe, ist zu entgegnen erstens, warum dies der Welt nicht in Teilen sondern nur im Ganzen widerfährt, zweitens, dass sie damit nicht das Sein der Körper, sondern nur ihre Schönheit zunichtemachen. 17.7 Ferner wird alles, was vergeht, entweder in das aufgelöst, woraus es entstanden ist, oder verschwindet in das Nichtsein. Sollte es aber in das aufgelöst werden, woraus es wurde, entsteht wieder anderes. Wodurch sonst ist es ursprünglich entstanden? Wenn es aber in das Nichtsein verschwindet, was verhindert, dass dies auch Gott widerfährt? Wenn es seine Kraft verhindert, passt es nicht zum Kräftigen, nur sich selbst zu erhalten, und somit ist es ebenso unmöglich, dass Seiendes aus Nichtseiendem entstehe, wie dass Seiendes in das Nichtsein verschwinde. 17.8 Auch ist es notwendig, dass die Welt, wenn sie zerstört wird, entweder gemäß oder entgegen der Natur zugrunde geht. Das Naturwidrige aber ist der Natur nicht überlegen.65 Wenn nämlich die Welt naturwidrig zugrunde geht, muss es eine andere Natur geben, welche die Natur der Welt umwandelt, was ja aber nicht erkennbar ist. 17.9 Ferner können auch wir alles zerstören, was natürlicherweise zugrunde geht. Den kreisförmigen Körper der Welt aber hat noch nie jemand zerstört oder verändert; hinsichtlich der Elemente ist zwar die Veränderung möglich, die Zerstörung aber unmöglich. 17.10 Außerdem wird alles Vergängliche von der Zeit verändert und altert. Die Welt aber bleibt schon so viele Jahre hindurch unverändert. Nachdem wir nun all dies denen gegenüber ausgeführt haben, die stärkere Argumente fordern, beten wir, dass sich die Welt uns gnädig erweise. 18.1 Auch die Tatsache, dass an einigen Orten der Erde Fälle von Gottlosigkeit aufgetreten sind und auch in Zukunft oft vorkommen werden, soll die Verständigen nicht erschüttern, weil dies keine Auswirkungen auf die Götter hat, wie ja auch die Ehrungen ihnen offensichtlich keinen Nutzen bringen, und weil die Seele, die von

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Über die Götter 18.1–20.1

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mittlerem Wesen ist, nicht immer richtig zu handeln vermag, und weil nicht die ganze Welt in gleicher Weise die Vorsehung der Götter genießen kann. 18.2 Vielmehr hat einiges immer, anderes nur zeitweise, einiges unmittelbar, anderes nur sekundär an der Vorsehung Anteil, wie auch der Kopf alle Empfindungen, der ganze Körper aber jeweils nur eine einzelne wahrnimmt. Deswegen haben, wie es scheint, die Begründer religiöser Feste rituell ungünstige Zeiten festgelegt, an denen einige Tempel ohne Kulthandlung, andere geschlossen waren,66 während sie aus anderen sogar die Einrichtung entfernten und somit Sühne leisteten für die Schwachheit unserer Natur. 18.3 Es ist übrigens nicht unwahrscheinlich, dass Gottlosigkeit eine Erscheinungsform von Strafe ist. Denn es macht Sinn, dass die, welche die Götter verachten, obwohl sie von ihnen Kenntnis hatten, in einem anderen Leben auch dieser Kenntnis beraubt werden; auch musste höhere Gerechtigkeit bewirken, dass die, welche ihre eigenen Könige als Götter verehren,67 sich von den wirklichen Göttern entfernen. 19.1 Wenn aber weder für diese noch für andere Verfehlungen die Strafen die Täter unmittelbar ereilen, muss das nicht wundern;68 denn es sind nicht nur die Dämonen, welche die Seelen strafen, sondern sie (die Seele) unterzieht sich auch selbst dem Gericht,69 und es ist nicht nötig, dass den Seelen, weil sie ja allezeit bleiben, alles innerhalb kurzer Zeit zuteilwird;70 außerdem muss es ja menschliche Tugend geben. Wenn die Strafen nämlich unmittelbar folgten, handelten die Menschen nur aus Furcht gerecht und hätten keine Tugend. 19.2 Sie (die Seelen) werden bestraft, wenn sie den Körper verlassen haben, wobei einige vor Ort herumirren, andere zu bestimmten warmen oder kalten Orten der Erde irren, andere von Dämonen hin und her getrieben werden. Alles aber ertragen sie mit der unvernünftigen Seele, mit der sie auch gesündigt haben. Durch diese entsteht auch der schattenhafte Körper, der in der Umgebung der Gräber besonders derjenigen erscheint, die schlecht gelebt haben.71 20.1 Was aber die Seelenwanderungen72 betrifft: Wenn sie sich in Vernunftwesen hinein vollziehen, werden sie genau das: Seelen dieser Körper; vollziehen sie sich in unvernünftige Wesen hinein, so folgen die Seelen ihnen von außen wie die Dämonen, die uns durch das Los zugewiesen sind.73 Niemals nämlich wird eine vernünftige Seele Teil eines unvernünftigen Lebewesens.

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20.2 Die Seelenwanderung ist zu erkennen aufgrund der Leiden von Geburt an (warum sonst werden die einen blind, andere gelähmt, andere mit schlechter seelischer Verfassung geboren?),74 und außerdem deswegen, weil es nicht sein kann, dass die Seelen, die natürlicherweise im Körper Leitungsfunktion haben, die ganze Ewigkeit hindurch in Untätigkeit verharren, nachdem sie einmal ausgezogen sind. 20.3 Würden indes die Seelen nicht erneut in Körper gelangen, wäre es notwendig, dass sie an Zahl unendlich sind,75 oder Gott ständig andere schafft. Doch ist nichts in der Welt unendlich, denn im Begrenzten kann ja nichts Unbegrenztes entstehen; auch ist es nicht möglich, dass andere Seelen entstehen, denn alles, in dem etwas entsteht, ist notwendiger-weise neu und unvollkommen. Es gehört sich aber, dass die Welt, die aus Vollkommenem entstanden ist, vollkommen ist.76 21.1 Die Seelen, die tugendgemäß gelebt haben, sind aus vielen anderen Gründen glückselig, vor allem aber deshalb, weil sie, nachdem sie von der unvernünftigen Seele befreit und von allem gereinigt wurden, was zum Körper gehört, sich mit den Göttern verbinden und zusammen mit ihnen die ganze Welt betreuen.77 21.2 Doch auch wenn ihnen nichts davon widerführe, genügte die Tugend selbst und die von der Tugend ausgehende Freude und Ehre, das unbetrübte und herrenlose78 Leben, um diejenigen glückselig zu machen, die entschlossen und fähig waren, tugendgemäß zu leben.

Anmerkungen zur Übersetzung * Der Asteriskos im griechischen Text bezieht sich auf die Liste der Textvarianten am Ende der Einführung. 1 2 3

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Zur Diskussion, ob die κεφάλαια vom Autor der Schrift stammen oder später hin‑ zugefügt wurden, vgl. MELSBACH 2007, 89–92. [DM] Das Verb ἀκούειν bezeichnet gleichermaßen den rezeptiven („Vernehmen“) und kognitiven Aspekt („Verstehen“) des Lernprozesses. [DM] Durch diese Definition der allgemeinen Vorstellungen im Sinne von philosophi‑ schen Axiomen distanziert sich Salustios von neuplatonischer Kritik an den κοιναὶ ἔννοιαι als Allgemeinplätzen im Gegensatz zur vertieften philosophischen Er‑ kenntnis, vgl. CLARKE 1998, 329 und MELSBACH 2007, 106. [DM] – Nach platoni‑ scher Ansicht sind allgemeine Vorstellungen erfahrungsunabhängig, d.h. nicht‑ empirisch, und in der Seele latent anwesend, bis sie durch Wiedererinnerung auf‑ geweckt und, auch durch das Stellen der richtigen Fragen, expliziert werden. S. dazu C. HELMIG, Forms and concepts. Concept formation in the Platonic tradition. CAGB 5 (Berlin / New York 2012). [JO] Zum Konzept der durch das richtige Befragtwerden geförderten Erkenntnis vgl. z.B. Plat. Men. 86a: „Lehren, die durch Fragen aufgeweckte Erkenntnisse werden“ (δόξαι, αἳ ἐρωτήσει ἐπεγερθεῖσαι ἐπιστῆμαι γίγνονται). [DM] Vgl. Plot. IV 7[2]8a; VI 3[44]16,36–40; Porphyrios, Sentenzen 42; Pseudo‑Galen, De qualitatibus incorporeis (Ὅτι αἱ ποιότητες ἀσώματοι). [JO] Zum Gegenüber von erdichtetem Mythos und wahrem Logos vgl. den locus classicus Plat. Tim. 26e. [DM] Vgl. zu dem auch von Julian profilierten Argument, die mythische Rede rege zum Nachdenken an, NESSELRATH 2008, 214. [DM] – Diese Denkfigur findet sich auch bei Plutarch, De E apud Delphos 3, 385E. [JO] Mit der figura etymologica: ἐν χρησμοῖς οἱ θεοὶ μύθοις ἐχρήσαντο betont Salustios diese im Kontext theurgischer Konzepte nachvollziehbare Korrelation von Mythos und Orakelpraxis. [DM] Gemäß dem methodologischen Prinzip, das Platon im Timaios 29b4–5 formuliert. [JO] Die komplexe Periode ist auf der Gegenüberstellung konstruiert, womit die Mythen die Götter selbst und womit sie deren Wirkungen nachahmen. Das elliptisch ange‑ schlossene τὴν τῶν θεῶν ἀγαθότητα ist als Akkusativus respectus zu verstehen. Die Konjektur der Konjunktion ist für das Verständnis hilfreich, aber nicht zwingend notwendig. [DM] Vgl. Olympiodoros, In Gorg. 49,1. Zur Differenzierung der pädagogischen Funktion des Mythos vgl. SCHÄFER 2015, 94–99. [DM] Bei dieser Klassifizierung handelt es sich nicht um unterschiedliche mythische Gat‑ tungen, sondern um Modalitäten, die deshalb, wie das Beispiel des Kronosmythos zeigt, auf nur einen Mythos anwendbar sind. Vgl. MELSBACH 2007, 109–111. 115–120 und SCHÄFER 2015, 97. [DM] Vgl. den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 126–127. [JO] Salustios distanziert sich hiermit nicht von ägyptischen Traditionen insgesamt, son‑ dern eben nur von dieser naiven materialistischen Variante der Allegorese. Dieses Problem thematisiert auch Plutarch, Is. et Os. 64–66, 376F–377E. Eine grundsätzli‑ che Ablehnung ägyptischer Traditionen wäre angesichts ihrer positiven Bewertung durch Jamblich und Julian wenig plausibel. [DM]

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Das μικτὸν εἶδος integriert die anderen Modalitäten, wie hier am Beispiel des Pa‑ risurteils gezeigt werden soll: Das göttliche Gastmahl und der Streit um den Ap‑ fel verbinden theologische und physische Aspekte, in der Entscheidung des Paris kommt die psychische Dimension zur Geltung. [DM] S. dazu auch den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 125, Anm. 37. [JO] Der Mythos von Kybele und Attis wird zunächst als weiteres Beispiel für das μικτὸν εἶδος vorgestellt, dann aber ergänzt durch ätiologische Beobachtungen zu rituel‑ ler Praxis und heiligen Zeiten. Vgl. die ausführlichere aber in vielen Aspekten sehr ähnliche Behandlung dieses Mythos bei Julian, In Matrem Deorum 3, 161C–16, 176A, vgl. NOCK 1926, lii: „we must probably conclude that Sallustius used Julian’s ora‑ tion, but not without an independent exercise of his intelligence.“ Zeitgenössische Bemerkungen zum Attiskult aus christlicher Perspektive finden sich bei Arnobius, Nat. V 5–7. Vgl. zudem den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 134– 135 und 137 Anm. 88; OPSOMER 2008, 148–561; LECERF 2012; 2014. [DM] Dieser pseudoetymologische Hinweis auf einen Zusammenhang von Γάλλος und Γαλαξία findet sich auch bei Julian, In Matrem Deorum 5, 165C. [DM] S. den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 127, Anm. 48. [JO] Salustios betont diesen Gedanken der Nachahmung des Kosmos im Ritual durch das Wortspiel mit den Begriffen κόσμος („Welt/Weltordnung“) und κοσμέω („ord‑ nen/schmücken“). Vgl. Platon, Tim. 90b6–d7. [DM] Zur ersten Ursache siehe den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 120–124. [JO] Zu diesem Argument vgl. die von Jan Opsomer im vorliegenden Band aufgelisteten Parallelstellen, S. 123, Anm. 31. [JO] Zu diesen Götterklassen, s. den Beitrag von Jan Opsomer, 124–132. [JO] Eine alternative Übersetzung wird diskutiert in Jan Opsomers Beitrag im vorliegen‑ den Band, S. 126. [JO] Salustios bemüht sich hier die traditionelle kanonische Zwölfzahl der Götter (vgl. z.B. Pind. Olymp. 10,49: μετὰ δώδεκ’ ἀνάκτων θεῶν, „zusammen mit den Zwölf Gebietern, den Göttern“, Übers. Schadewaldt) durch sein Funktions‑ und Sphären‑ schema zu begründen. Vgl. H. DÖRRIE / M. BALTES, Der Platonismus in der Antike. Grundlagen – System – Entwicklung, Bd. 7.1: Die philosophische Lehre des Platonismus. Theologia Platonica (Stuttgart / Bad Cannstatt 2008) 172–175. 528–533. [DM] Kontrastiert ist hier die aus sich allein wirkende sichtbare Schönheit dem durch harmonische Kunst hergestellten (hörbaren) Schönen. [DM] – Vermutlich wird auch angespielt auf Heraklit, dem zufolge sich die Natur gerne versteckt hält (12 B 123 DK) und verborgene Harmonie stärker ist als unverborgene (12 B 54 DK). [JO] Chaos (ἀκοσμία) wird hier als Verneinung kosmischer Ordnung verstanden, bzw. als frevelhafter Gedanke abgelehnt. Vgl. Hierokles von Alexandrien (ap. Phot. Bibl., cod. 251), s. BALTES 1976, 191f. [DM] Vgl. Arist. De caelo I 10, 279b17–21; I 12, 281a28. Die gegenteilige Auffassung einer entstandenen, aber unvergänglichen Welt wurde gelegentlich Platon zugeschrieben (s. Philon, Aet. mund. 13–16, verweisend auf Tim. 41a), obwohl die meisten Platoni‑ ker der Ansicht waren, nach Platon wäre die Welt sowohl unentstanden als auch unvergänglich. Zu dieser Debatte, s. BALTES 1976; 1978. [JO] Zu diesem Argument und seinen philosophischen Quellen (wahrscheinlich Por‑ phyrios), s. BALTES 1976, 166–169. [JO] Vgl. Plot. II 2[14]1,1. S. ebenfalls Plat. Tim.34a4; Alex. Aphr. Quaest. I 18, 63,2; I 19, 63,20–21 BRUNS. [JO] Vgl. Plot. II 3[52]16,6. [JO] Ein zu schneller Umlauf der Sphären käme also durch ihre nicht gegenläufige Be‑ wegung zustande. Durch solche auch von Nock und Rochefort gewählte Deutung /

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Detlef Melsbach und Jan Opsomer Übersetzung bleibt der sonst schwer verständliche Aspekt der Schnelligkeit ge‑ danklich akzeptabel. [DM] Durch diesen resümierenden Satz wird betont, dass die kosmologischen Prinzipien nicht von den unmittelbar anschließend erörterten Vorstellungen zu Geist und Seele zu trennen sind. [DM] DI GIUSEPPE 2000, 199 vermutet wegen der unvermittelt einsetzenden Erläuterungen zur Seelenlehre hier den Verlust entsprechender Ausführungen zum νοῦς. [DM] Die auf Platon und Aristoteles zurückgehende Theorie von zwei Seelenarten entfal‑ tet Jamblich in Resp. (= Myst.) VIII 6. [DM] Gemäß dem Grundsatz: Gleiches wird vom Gleichen erkannt. Vgl. Aristoteles’ Be‑ richt zur diesbezüglichen Ansicht Platons, De anima I 2, 404b17–18. [JO] Zur Vorstellung von der Seele, die den Körper als Werkzeug (ὄργανον) benutzt, vgl. Plot. I 1[53]3. [JO] Salustios präsentiert hier eine Reihe kosmologisch‑teleologischer Argumente, die darauf abzielen, die Wirksamkeit der göttlichen Vorsehung akzeptabel zu machen. Zur Geschichte dieses Argumentationsmusters s. D. SEDLEY, Creationism and its Cri‑ tics in Antiquity. Sather Classical Lectures 66 (Berkeley u.a. 2007). [JO] Vgl. dazu den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 136, Anm. 83. [JO] Salustios’ einziger expliziter Hinweis auf eine andere philosophische Schule. Epi‑ kurs Kyriai Doxai, eine De deis übrigens nicht ganz unähnliche Sammlung von Lehr‑ sätzen, beginnen mit der Behauptung der göttlichen Glückseligkeit, die eben darin besteht, weder sich selbst zu sorgen noch anderen Sorgen zu bereiten. Die epikurei‑ schen Argumente sind explizit gegen die stoische und platonische Götterlehre ge‑ richtet. S. Cicero, De natura deorum I 18–24. Die Platoniker erwidern, dass weder die Weltschöpfung noch die Ausübung von Fürsorge für die Götter anstrengend ist, da diese Tätigkeiten spontan aus ihrem Wesen hervorgehen. S. dazu J. OPSOMER, „Demiurges in Early Imperial Platonism“, in R. HIRSCH‑LUIPOLD (Hg.), Gott und die Götter bei Plutarch. Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder (Berlin / New York 2005) 51–99. [DM] Hier handelt es sich um ein pseudoetymologisches Wortspiel mit εἱμαρμένη (schicksalhafter Zusammenhang) und εἱρμός (Verknüpfung). [DM] Durch den Zusammenhang wird deutlich, dass es sich bei der μαθηματικὴ τέχνη hier um die mathematisch begründete Astrologie handelt. [DM] Für die genannten Beispiele depravierten Brauchtums gibt es folgende Belege: Im Rahmen der Beschreibung des Stammes der Massageten erwähnt Herodot diese kuriose Form der Bestattungsvorsorge (I 216,2f.); auch bei Porphyrios (Abst. IV 21) werden die Massageten und dieser Brauch noch als Beispiel besonders verwilderter Völker genannt. Die Beschneidung wird von Herodot als ein im Nahen Osten von Volk zu Volk weitergegebener, dann aber auch wieder weitgehend aufgegebener Brauch geschildert (II 104,2–4). Für das Bemühen um den Erhalt aristokratischer Gene, was auch ohne die von Praechter vorgeschlagene Ergänzung ἐκ μητέρων παιδοποιούμενοι als selektierende bzw. inzestuöse Maßnahme verstanden werden kann, gibt es nur einen Beleg bei Philon, Spec. leg. III 3 (13). Trotzdem kann Roche‑ forts mit dem Hinweis auf Herodot, I 136,1 begründeter, sinnverändernder Vor‑ schlag, εὐγένεια (Adel) durch εὐτεκνία (Kinderreichtum) zu ersetzen, nicht über‑ zeugen. [DM] Zu den astrologischen Ambivalenzen vgl. Firm. Math. III 2 (Saturn) und III 4 (Mars). Die grundsätzliche Güte der Götter auch in ihrer astrologischen Gestalt betont Jamblich in Resp. (= Myst.) I 18 (43,2–3 SAFFREY / SEGONDS): „Weder die Götter im Himmel selbst noch ihre Gaben wirken Schlechtes“ (οὔτε αὐτοὶ οἱ ἐν οὐρανῷ θεοὶ οὔτε αἱ δόσεις αὐτῶν εἰσι κακοποιοί). [DM] Hiermit ist die trigonometrisch berechnete Konstellation der mit den Göttern iden‑ tifizierten Sterne gemeint. [DM]

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Vgl. Plot. II 3[52]14,1–9; III 1[3]5,38–45. [JO] Nach dem zugrundeliegenden kosmologischen Sphärenmodell (vgl. § 7) ist das Leben auf der Erde von der sublunaren Sphäre umgeben und entsprechend be‑ einflusst. Ein zeitgenössischer Beleg für die Identifikation von Mond(‑sphäre) und τύχη findet sich in Macr. Sat. I 19,17. [DM] Vgl. dazu den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 123, Anm. 31. [JO] Im Hintergrund dieser knappen Ausführungen zur Seelen‑ und Tugendlehre steht das in Plat. Rep. IV, 435b–445e entwickelte psychologische Konzept. [DM] Zur Wirkungsgeschichte der platonischen Staatsphilosophie bis in die Kaiserzeit vgl. O’MEARA 2003. [DM] Die Präferenz der Monarchie kann als Hinweis auf Salustios’ eigene politische Akti‑ vität an der Seite der römischen Kaiser verstanden werden, vgl. E. A. RAMOS JURADO, „La teoria politica de Salustio, prefecto de Juliano“, Habis 18–19 (1987/88) 93–100. [DM] Obwohl diese kurze Abhandlung über das Böse Gemeinsamkeiten mit Proklos’ Be‑ handlung dieses Themas aufweist (s. dazu die von Jan Opsomer in seinem Beitrag zum vorliegenden Band aufgelisteten Parallelen, S. 123 Anm. 31), ist Salustios’ Lö‑ sung keineswegs mit der proklianischen gleichzusetzen. Salustios fasst das Böse als Privation und Nichtsein, gleichwohl nicht als nichtexistent auf. Weder die Götter, der Intellekt, Dämonen oder Körper seien an sich schlecht. Böses an sich gebe es in der Welt nicht; es entstehe nur dadurch, dass menschliche Seelen – aber nicht alle und nicht immer – es in ihren Tätigkeiten erzeugen (vgl. 9,5–6). [JO] Vgl. zum hier allerdings nur anklingenden Konzept Plotins (Enn. I 8) Ch. SCHÄFER, Unde malum. Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius (Würzburg 2002) 51–193. [DM] Mit dieser Ansicht unterscheidet sich Salustios von der Mehrheit der kaiserzeitli‑ chen Platoniker, die anerkennen, dass ein Körper von sich auch schlecht sein kann: s. Plot.I 8[51]4,1–5; 5,21–23; Procl. Mal. subst. 27–29. Allerdings gibt es auch die ge‑ genläufige Tendenz, derzufolge, wie hier bei Salustios, das seelische Böse in den Vordergrund gerückt wird: s. Plot. Enn. I 7[54]3,4–7. [JO] S. Epikur, fr. 374 USENER (= Lactantius, De ira dei 13,20–21). Vgl. hierzu den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 136, Anm. 83. [JO] Zu dieser Art des Hervorbringens, s. den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 23. [JO] Zu diesem Grundsatz s. den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 10. [JO] Vgl. den Beitrag von Jan Opsomer im vorliegenden Band, S. 24. [JO] In ähnlicher Weise profiliert Jamblich in Resp. (= Myst.) I 13 die kathartische Funkti‑ on der Religion. TANASEANU‑DÖBLER 2013, 151 sieht in Salustios’ Ausführungen zur kultischen Praxis insgesamt eine „paradoxical non‑theurgical, non‑elitist interpre‑ tation and relecture of Iamblichean theurgy“. [DM] Das handschriftlich überlieferte καί ... καί stellt wegen des folgenden ἀλλά eine so große stilistische und inhaltliche Störung dar, dass eine Ersetzung durch verneinen‑ de Konjunktion geboten ist. [DM] Mit diesen Erläuterungen zu materiellen Opfergaben stimmt Salustios mit der von Jamblich im fünften Buch von Resp. (= Myst.) dargestellten Opfertheorie überein und setzt sich damit vom spirituellen Opferverständnis bei Porphyrios, Abst. II 34 ab. Vgl. den Beitrag von Nicole Belayche im vorliegenden Band, S. 151–162. [DM] Vgl. oben 13,5. [DM] Der Begriff θρησκεία kennzeichnet hier die je nach verehrter Gottheit unterschied‑ liche religiöse Praxis und zielt weniger auf die Pluralität von Religionsgemein‑ schaften. I. TANASEANU‑DÖBLER, Rez. zu MELSBACH 2007, ZAC 14 (2011) 642–644, hält zu Recht eine allzu weitreichende Deutung dieser von Melsbach missver‑

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Detlef Melsbach und Jan Opsomer ständlich übersetzten Formulierung für gewagt. Gleichwohl ist Salustios’ Aner‑ kennung ritueller Vielfalt etwa im Vergleich zu Jamblichs Profilierung des reinen Kults (ἄχραντος θρησκεία) in Resp. (= Myst.) I 11 (29,10 SAFFREY / SEGONDS) bemer‑ kenswert. [DM] Vgl. G. MAY, Schöpfung aus dem Nichts: Die Entstehung der Lehre von der creatio ex nihilo. Arbeiten zur Kirchengeschichte 48 (Berlin / New York 1978) 17, Anm. 73; Simpl. In Arist. Phys. 1150,24–25 DIELS; Philop. In Arist Phys. 55,19–24 VITELLI. [JO] Auch dieser Argumentationsgang folgt der Struktur der Reductio ad absurdum: Durch die Widerlegung des Gegenteils (die Welt ist weder gemäß noch entgegen der Natur zerstörbar) soll die These der Unzerstörbarkeit der Welt verifiziert werden. Die in der überlieferten Form stark elliptische Formulierung hat hier zu Konjektu‑ ren Anlass gegeben: Die Rekonstruktion eines fehlenden Satzes, der zunächst das naturgemäße Zerstören erläutert hat (Nock u.a.) oder die Annahme, dass es dann im anschließenden Satz um das naturgemäße Zerstören ging und hier statt κατὰ φύσιν (naturgemäß) versehentlich παρὰ φύσιν (naturwidrig) überliefert wurde (zuletzt DI GIUSEPPE 2000, 214f). [DM] TANASEANU‑DÖBLER 2013, 151 weist auf eine bislang nicht beachtete Parallele in ei‑ nem Fragment aus Jamblichs Timaioskommentar (fr. 14 DILLON) hin, wo es ebenfalls um die Begründung sanktionierter Zeiten des Tempelkults geht. [DM] Diese Bemerkung mutet im Blick auf den römischen Kaiserkult etwas merkwürdig an, was Muccio zur Annahme einer christlichen Interpolation veranlasst hat. Doch ist die postume Apotheose der Kaiser sicher von dem hier genannten Brauch zu unterscheiden. Auch Kaiser Julian setzt sich in Caesares satirisch‑kritisch mit seinen divinisierten Vorgängern auseinander, vgl. NOCK 1926, lxxxix, Anm. 110. [DM] Vgl. zu dem Problem der vermeintlich ausbleibenden, bzw. später erfolgenden Be‑ strafung die ausführliche Erörterung in Plutarchs Schrift De sera numinis vindicta, deren Argumente Proklos in seiner Schrift De decem dubitationibus circa providentiam übernimmt. Dazu J. OPSOMER / C. STEEL, Proclus. Ten problems concerning providence. Ancient Commentators on Aristotle (London 2012) und OPSOMER 2016. Für weite‑ re Parallelen zwischen diesen Schriften und Salustios, s. Jan Opsomers Beitrag im vorliegendem Band, S. 123, Anm. 31. [JO] Vgl. Plut. De sera num. 9, 553F–554B; 11, 556D. [JO] Vgl. Plut. De sera num. 6, 551E. [JO] Diese Vorstellungen gehen zurück auf Plat. Phaed. 81B–D. Vgl. Procl. In Remp. 1,119,12–22 KROLL. [JO] Der Begriff μετεμψύχωσις ist erst seit dem 1. Jh. v. Chr. belegt; die durch ihn de‑ finierten, eng mit ethischen Konzepten (Strafe/Belohnung) verbundenen Vorstel‑ lungen gehen aber auf pythagoreische und orphische Traditionen zurück, vgl. Ch. RIEDWEG, „Seelenwanderung“, DNP 11 (2001) 328–330. [DM] In seiner verlorenen Schrift Über die Seelenwanderung hat Jamblich die Transmigra‑ tion einer menschlichen in eine Tierseele abgelehnt. S. Nemesios, Nat. hom. 35,7–11 MORANI. Möglicherweise beabsichtigte er mit dieser Lehre, die Praxis der Tieropfer aufrecht zu erhalten. S. dazu R. SORABJI, The Philosophy of the Commentators, 200‑600 AD. A Sourcebook, Bd. 1, Psychology (with Ethics and Religion) (London 2004) 213. Für Proklos, der sich wohl auf Jamblichs Auffassung stützt, ist die Ansicht bezeugt, menschliche Seelen können sich im Lauf ihrer Reinkarnationszyklen von außen mit Tieren verbinden mittels einer nicht‑räumlich zu verstehenden Beziehung (σχέσις). Er schreibt diese Ansicht bereits Theodor von Asine zu (In Remp. 2,309,28–310,21; 2,339,17–18 KROLL). Aeneas von Gaza zufolge entstand diese Deutung jedoch erst mit Proklos und dessen Lehrer Syrianos (Theophr. 12,11–25 COLONNA). [JO] Vgl. Plot. III 2[47]13; Iambl. Resp. (= Myst.) IV 4–5. [JO] Vgl. Procl. In Remp. 2,338,21–28 KROLL; Olymp. In Phaed. 10,1, 137–139 WESTERINK. [JO]

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Vgl. Plat. Tim. 32d1–2. [JO] Die Idee, dass die Seele gemeinsam mit den Göttern die Welt verwaltet (συνδιοικεῖν), stellt ein bekanntes platonisches Motiv da: s. Plat. Phaedr. 246c1–2; Plot. IV 8[6]2,19– 26; 4,1–9; Syr. In Met. 82,18–20 KROLL; Procl. In Remp. 1,52,11 KROLL. [JO] Das Motiv der herrenlosen Tugend stammt aus Platons Er‑Mythos (Rep. X, 617e3, ἀρετὴ δὲ ἀδέσποτον). In diesem Mythos befasst sich Platon mit der ethischen Be‑ deutung der Seelenwanderungslehre. [JO]

C. Essays

Salustios’ Schrift als Propagandadokument* Adrien Lecerf 1. Das Publikum 1.1. Textaussagen Ein großer Teil der Originalität des Werkes hängt zweifelsohne mit der Zielsetzung der Schrift zusammen, die nach wie vor sehr mysteriös bleibt. Um sie einzugrenzen, ist es am besten, die Passagen der Schrift aufzulisten, in denen auf die Leserschaft angespielt wird: – Der Abschnitt 1,1, ganz am Anfang des Traktats, erwähnt Menschen, „die über die Götter etwas hören wollen.“ – Der zweite Text (13,1) befindet sich am Übergang vom zweiten zum dritten Teil (der erste Teil besteht aus den Kapiteln 1–4). Er zeigt, dass die allgemeine Darstellung, die den zweiten Teil ausmacht, auf diejenigen zielt, „die zwar nicht durch die ganze Philosophie geführt werden kön‑ nen, aber auch nicht unheilbar hinsichtlich ihrer Seelen sind“, d.h. auf ein nicht philosophisches Publikum; der dritte Teil scheint, im Gegensatz dazu und implizit, an eine spezialisiertere Hörerschaft gerichtet zu sein, die mit einigen der bisher abgegebenen Aussagen nicht zufrieden zu stellen war. – Dahingehend lässt sich eine dritte Aussage in 17,10 verstehen, die die‑ jenigen erwähnt, „die stärkere Argumente fordern“. – Schließlich wird man feststellen, dass der Leser, der sich genauer über die Theologie informieren möchte, auf spezialisierte Werke verwie‑ sen wird (6,1). Das Profil des Publikums der Schrift, das sich aus diesen Passagen ablei‑ ten lässt, ist also zweigeteilt: Solche, die sich einfach nur über den letz‑ ten Stand der paganen Vorstellung über die Welt informieren wollen, und insbesondere über die theologische Lehre, und die nicht die intellektuel‑ len Fähigkeiten haben, komplexen Argumentationen zu folgen, sondern lediglich guten Willens sind. Ihnen genügen die ersten beiden Teile (1–4; 5–12), wo Salustios sich im Wesentlichen damit zufriedengibt, ex professo zu sprechen. Salustios scheint vor allem den „Dutzendmenschen“ im Auge * Die Übersetzung des Beitrags aus dem Französischen wurde von Natalia Pedrique unter Mitarbeit von Simone Seibert erstellt, denen ich meinen herzlichen Dank ausdrücken möchte.

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zu haben, der, obwohl der paganen Kultur angehörig, wenig mit den Kon‑ troversen vertraut ist. Er richtet sich an ihn mit mehr Glück als Julian, des‑ sen theologische Reden (Hymnos auf den König Helios, An die Göttermutter) auf Konzepte und Ideen zurückgreifen, die deutlich abstrakter sind, einer komplizierteren Argumentationsstruktur folgen und mit lyrischen Einla‑ gen, Exkursen und persönlichen Bekenntnissen durchzogen sind. Franz Cumont spricht bei der Schrift des Salustios von einer „vulgarisation“1 und merkt an, dass vom Leser nur die „notions communes“ verlangt wer‑ den.2 Ihrerseits finden diejenigen, die das philosophische Vokabular besser beherrschen, im dritten Teil, der hauptsächlich dieselben Themen behan‑ delt, verbindliche Argumente. Es ist schwer, genau zu bestimmen, was Salustios mit „stärkere Argumente fordern“ (ἀποδείξεων δεῖσθαι) meint, aber wahrscheinlich geht es um solche Menschen, die, geübt in der philo‑ sophischen Lehre – seien es überzeugte Heiden oder Intellektuelle, die ver‑ sucht sind, zum Christentum überzutreten, – sich nicht von der Wahrheit einer Rede überzeugen können, außer wenn sie auf Beweisen beruht. Der in 14,1 auftretende Gegner, der überzeugt ist, dass die Götter unwandelbar sind (ein Dogma, das Salustios selbst vertrat, vgl. 1,2), aber Schwierigkei‑ ten hat, dies in Einklang mit Belohnungen und Bestrafungen zu bringen, die aus guten und bösen Handlungen herrühren, ist offensichtlich ein Hei‑ de, der ernsthaft über theologische Probleme nachgedacht hat, aber nicht über neuere Lösungsvorschläge informiert ist – Plotin starb vor weniger als einem Jahrhundert –, die die Neuplatoniker zu Widersprüchlichkeiten der alten Religion vorgebracht haben. Es könnte sich bei diesem dritten Teil auch um vorgreifende Antwor‑ ten handeln, die an die Gegner adressiert sind: Doch dies scheint weniger wahrscheinlich zu sein, insofern diese zu den „Unheilbaren“ (13,1) gehö‑ ren, die ausdrücklich von der Schrift ausgeschlossen werden und unter de‑ nen man wahrscheinlich die Christen oder andere „Atheisten“ verstehen muss.3

1.2. Die beiden Leseebenen Die Idee einer zweifachen Lesart ist insbesondere interessant, weil sie einer Struktur entspricht, die bei Jamblich gut belegt ist,4 aber auch bei Julian 1

CUMONT 1892, 54. Ibid. 55, Anm. 1. 3 Vgl. unten, S. 75–77. 4 Vgl. insbesondere die Unterscheidung zwischen körperlichem und nicht‑ körperlichem Kult und die Parallele zwischen zwei Stufen der menschlichen Reinigung: Ad Porphyrium responsio [De mysteriis], 162,4–166,17 SAFFREY / SEGONDS. Es ist auch anzu‑ merken, dass die Theorie der Vorsehung bei Salustios mehrere Ebenen unterscheidet: Vorsehung (nicht‑körperlich) / Schicksal (körperlich) / Glück (vgl. unten, S. 80–81). 2

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(dessen Ideal es war, „gleichermaßen alle zu belehren, aber speziell jene, die es dessen würdig sind“5 ), so auch bei Salustios selbst, wenn er seine Mythentheorie angeht: Denn wie jene die aus den Sinneswahrnehmungen stammenden Güter für alle gemein‑ sam geschaffen haben, die aus den intellektuellen Einsichten stammenden aber nur für die Verständigen, so sagen die Mythen zwar allen, dass es Götter gibt, welche aber und wie beschaffen sie sind, nur denen, die es begreifen können ... Darüber hinaus verur‑ sacht das Bemühen, alle die Wahrheit über die Götter zu lehren, bei den Unverstän‑ digen wegen ihrer Begriffsstutzigkeit Verachtung, bei den Gescheiten jedoch Trägheit, während das Verschlüsseln der Wahrheit durch Mythen hingegen jene an der Verach‑ tung hindert und diese zum Philosophieren zwingt. (3,3–4)

Wie die Mythen in Anbetracht dieser Parallele eine allgemeine Lehre für alle und insbesondere für Weise vermitteln – die außerdem zur weiteren Beschäftigung anregen –, so vermittelt auch die Schrift auf der Oberfläche eine allgemeine für alle zugängliche Lehre, von der aber nur die Gruppe der vernünftigen Menschen vollständigen Nutzen zieht. Zweifellos geht diese Analogie nicht völlig auf, sei es auch nur, weil die Schrift sich an ei‑ nen Rezipienten richtet, der von „Natur aus gut und verständig“ (1,1) ist, während die Mythen durch ihre Bildersprache auch auf diejenigen wir‑ ken, die ihre Vernunft nicht gebrauchen. Von den ersten erwartet man ei‑ ne Form des persönlichen Engagements;6 die zweiten – Zuhörer von My‑ then, oder Zuschauer von Zeremonien, die sie inspirieren – sind einfach passive Rezipienten, und so hoffnungslos bleiben sie auch, denn Salustios will nicht, dass allen die Wahrheit über die Götter gelehrt wird (3,4). Um‑ gekehrt, wenn man annimmt, dass die Schrift selbst ein Beispiel für die Verallgemeinerung theologischer Wahrheiten bildet, muss man schließen, dass sein Publikum von höherem Bildungsniveau ist als dasjenige, das von den Mythen adressiert wird. Tatsache bleibt, dass in beiden Fällen (Leser der Schrift und Mythenliebhaber) keine philosophische Vorkenntnis erfor‑ derlich ist. Ebenfalls ist Salustios’ Mythentheorie sehr interessant dadurch, dass er die Masse des Volkes ohne Bildung berücksichtigt, die wegen der Unfähig‑ keit, die Bedeutung der Mythen rational zu verstehen, aus ihnen zumin‑ dest die Gewissheit über die Existenz der Götter zieht. Diese Rücksichtnah‑ me auf einfache Menschen war notwendig, um ein wahrhaftes politisches Projekt, das mit dem Paganismus verbunden war, zu begründen und sie fehlt bei den elitäreren Autoren wie Plotin und Porphyrios. Dagegen ent‑ spricht es völlig der Ansicht Jamblichs, der in das platonische Denken ritu‑ elle und überrationale Elemente integriert, deren überzeugende Kraft von allen und jedem nachempfunden werden konnte. Wir denken, dass die 5 Hymnos auf den König Helios 44, 157D. – Vgl. den Beitrag von Robbert M. van den Berg in diesem Band, S. 178–179 (zu Julian, CHer. 11, 216B–D). 6 Vgl. unten, S. 88–92 and 108–113.

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Erwähnung der Riten, die während der Hilaria durchgeführt wurden, mit ihrer Wirkung auf die Seelen, die im Anschluss an Julian von Salustios ge‑ nau beschrieben werden (4,10), völlig repräsentativ ist für diese Offenheit der Philosophie für einen Menschen mit gutem Willen, aber ohne Bildung. Die Schrift des Salustios selbst würde dann ihrerseits einen ähnlichen Ver‑ such bilden, der allerdings auf der rationalen Ebene angesiedelt ist, indem er von philosophischen Argumenten Gebrauch macht und den Bestand und die Resultate des mythischen Diskurses erklärt. Man findet dort die wesentlichen Spannungen wieder, die in den neuplatonischen Texten über das Thema der Wahrheitsfindung enthalten sind: die optimistische Über‑ zeugung, dass die Wahrheit für alle durch Vernunft und Bildung zugäng‑ lich ist, aber auch die pessimistische Überzeugung, dass eine „gute Natur“ notwendig ist; ein beruhigender Glaube an die Fähigkeit der Wahrheit sich selbst durchzusetzen, wird aber durch die Existenz der „Unheilbaren“ in Frage gestellt; Erkenntnisstufen werden unterschieden und bilden Phasen; eine Balance zwischen Vernunft und Offenbarung stellt sich ein.

1.3. Eine an künftige Priester adressierte Schrift? Der Ausdruck „die über die Götter etwas hören wollen“ (1,1) scheint auf den ersten Blick die von Glanville Downey7 formulierte Hypothese zu be‑ stätigen, die besagt, dass es sich um ein „Lehrbuch für pagane Priester für ihre religiöse Lehrtätigkeit“ handelt. Seiner Meinung nach wäre die Schrift ein ideologisches Dokument, das Licht auf das angeblich von Julian betrie‑ bene Vorhaben einer paganen Kirche wirft, und könnte mit den sogenann‑ ten „pastoralen Briefen“ des Kaisers verglichen werden.8 Auch wenn diese These a priori überzeugend klingt, ist sie nicht beweis‑ bar und wirft selbst weitere ernste Schwierigkeiten auf. Erstens, wenn das Publikum wirklich aus angehenden Priestern zusammengesetzt gewesen wäre, könnte man vermuten, dass Salustios sich auf die eigentlichen reli‑ giösen Probleme konzentriert und insbesondere über die Rolle der Priester gesprochen hätte, was bemerkenswerterweise in seiner Schrift fehlt.9 Im Übrigen erwähnen die Periphrasen, die er bezüglich seiner Leserschaft for‑ muliert, keine Priester: Es wäre sehr erstaunlich, dass Salustios als einzige Forderung an zukünftige Priester stellte, dass sie nicht „unheilbar hinsicht‑ lich ihrer Seelen“ (13,1) seien: von Priestern muss in der Tat eine positive Heiligkeit verlangt werden,10 nicht nur eine Abwesenheit von Bösartigkeit. 7

DOWNEY 1957, 99. Vgl. KOCH 1928. 9 Man wird insbesondere bemerken, dass das Kap. 16, das den Opfern gewidmet ist, sich ausdrücklich als ein separater Abschnitt ausweist, was sehr schwer mit der These von Downey zu vereinbaren ist. 10 Das moralische Porträt der Priester und die mit dieser Position einhergehenden Ver‑ pflichtungen werden von Julian geschildert, Ep. 89, 453A; 288C–289B; 297A–B; 299B–304D. 8

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Dagegen kann man nicht ausschließen, dass ein Text wie die Schrift von Salustios Teil der Lektüren war, die einem gewissen Publikum wie beispielsweise kaiserlichen Beamten um Julian empfohlen wurden. Die Schrift lässt sich offensichtlich einem paganen Kulturkampf 11 zuordnen, wie gleich gezeigt werden soll. Man könnte sie wohl mit dem von Julian abgebrochenem Projekt vergleichen, „Schulen“ (διδασκαλεῖα) zu eröffnen und „Lehrstühle“ (βήματα) einzurichten, um „Lesungen und Erläuterun‑ gen paganer Dogmen“ durchzuführen, „wie solche, die die Sitten bestim‑ men, und solche, die sich auf das Verborgene beziehen“ (ἑλληνικῶν τε δογμάτων ἀναγνώσεις καὶ ἀναπτύξεις, ὅσαι τε ἦθος ῥυθμίζουσι, καὶ ὅσαι τῆς ἐπικρύψεως):12 Die Schrift versteht es sehr gut, ein Schlüssel für das Verständnis des Hellenismus und insbesondere der paganen Religion (Grundgedanken und Praktiken) zu sein. Dennoch bleibt die Frage unbeantwortet, ob und in welchem Maße die Schrift unter einem bestimmten Publikum verbreitet worden ist. Unserer Meinung nach adressiert Salustios vielmehr ohne Unterschied jeden, der sich für die gute pagane Lehre interessiert. Ob es zu dieser Zeit ein sol‑ ches Publikum außerhalb der Vorstellungswelt von Kaiser Julian und sei‑ nem Kreis wirklich gegeben hat und ob er tatsächlich fähig war, eine sol‑ che Darlegung wie Salustios’ Schrift zu verbreiten (selbst ohne den dritten Teil), ist die andere Frage. Es kann uns schwer nachvollziehbar erscheinen, dass manche höchst zugespitzten Diskussionen des Werkes (die Materie; das Nichtseiende; die hyper‑ und enkosmischen Götter usw.) zugänglich gewesen wären für nicht mit Philosophie vertrauten Menschen: Auf der anderen Seite wäre es falsch, den Grad der Durchdringung mit teilweise komplexen theologischen Ideen in ziemlich weiten Schichten der Bevölke‑ rung zu unterschätzen, ein Beispiel sind die von Arius komponierten und von Seemännern und Reisenden wieder aufgegriffenen Lieder.13

2. Die Zielgruppen 2.1. Textaussagen Mit der Erwähnung der „Unheilbaren“ dringen wir tiefer in die Charakte‑ risierung des polemischen Kontextes des Werkes und seiner Zielsetzungen ein. Selbst wenn es wahr ist, wie Praechter anmerkt, dass Salustios „sich 11

Das französische Original verwendet den deutschen Begriff (Anm. d. Übers.). Zum Zeugnis von Gregor von Nazianz, Or. 4,111 (siehe auch die Erwähnung, § 115, der „Interpreten von inspirierten Orakeln“). Zum Thema s. KOCH, 1928, insbesondere 1370– 1373. – Die ἐπίκρυψις verweist auf die Vorstellung, dass die Wahrheit durch den Schleier der Mythen verdeckt wird, wie es Salustios beschreibt (3,3–4). 13 Siehe Philostorgios, Kirchengeschichte II fr. 2. 12

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aber jedes klaren Angriffs auf die christlichen Widersacher [enthält],“14 und dass Salustios im Allgemeinen bestrebt ist, eine für sich selbst gültige Argumentation zu entwickeln, deutet die Hinzufügung einer Reihe von Anspielungen auf Zielgruppen der Schrift trotzdem in diese Richtung. 2.1.1. Gegen die Endlichkeit der Welt In 13,4 könnte sich die Erwähnung der „Menschen, die die Welt zerstören“, auf den christlichen Glauben an eine finale Katastrophe beziehen, gefolgt vom Zugang zu einer transfigurierten Realität. Die Frage nach der Ewig‑ keit der Welt oder dem Gegenteil, dem zukünftigen Ende der Welt war in der Tat einer der Hauptpunkte, in denen Christen und Pagane voneinan‑ der abwichen.15 Der Octavius des Minucius Felix (34,2) liefert das Haupt‑ argument gegen die Ewigkeit der Welt im Sinne, dass „alles, was geboren ist, stirbt, alles was gemacht worden ist, vergeht“, ein Argument, das man gerade auch bei Salustios findet (7,2), der daraus jedoch den Schluss zieht, dass die Welt gerade nicht hervorgebracht worden ist. Die Neuplatoniker suchen ihrerseits zu zeigen, dass die Geburt (die im Fall der Welt nichts an‑ deres als eine Ableitung aus einer ewigen und göttlichen Ursache ist) nicht zwingend den Tod impliziert und stützen sich vor allem auf die Rede des Demiurgen im Timaios. Der Unterschied zu Salustios ist nur scheinbar, da er, wie wir sehen, das Schema der Erschaffung durch reine Emanation des Guten verwendet (7,2), die bewirkt, dass das Erscheinen der Welt mit ei‑ nem metaphysischen und seiner Definition nach atemporalen Phänomen verbunden ist. Die Anspielung von Salustios könnte ebenfalls auf pagane Philosophen abzielen, wie der Zusatz „… diejenigen, die zwar zugeben, dass Götter existieren, Gott aber dennoch ohnmächtig machen …“ (13,4)16 andeuten könnte: Es könnte sich um die Stoiker handeln, denen Salustios den Ma‑ terialismus ihres Denksystems vorwirft, das den Göttern die Fähigkeit ab‑ spricht, den Kosmos zu erhalten. 2.1.2. Ein politischer Vorwurf Die Kritik in 18,3 an denen, „welche ihre eigenen Könige als Götter vereh‑ ren“, ist besonders interessant. Es könnte sich freilich dort um eine Anspie‑ 14

In der Rezension zur Ausgabe von Nock in Gnomon 3/8 (1927) [469–476] 475. Vgl. Minucius Felix, Octavius 10,1; Porphyrios, fr. 456 SMITH (apud Zacharias Mitylenus, Ammonius Z. 102–143 COLONNA); Gegen die Christen, fr. 34 HARNACK; und die Polemik des Philoponos gegen Proklos. 16 Melsbachs Übersetzung wird hier angepasst, um die Besonderheit der Gruppe her‑ vorzuheben, die innerhalb eines polytheistischen Rahmens zur Schlussfolgerung göttlicher Schwäche geführt wird, und die sich von bloßen Atheisten (θεοὺς μὴ εἶναι λέγουσιν) un‑ terscheidet. 15

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lung auf antike monarchische Praktiken handeln, aber es scheint überzeu‑ gender, darin eine Anspielung auf Praktiken des Hofes der konstantini‑ schen Dynastie zu sehen,17 die implizit der Bescheidenheit und Einfachheit von Julian entgegengesetzt sind,18 auch wenn die Kaiser der konstantini‑ schen Dynastie nichts anderes als eine Entwicklung fortsetzten, die schon lange zuvor von den paganen Kaisern etabliert wurde, besonders von Au‑ relian und Diokletian. Julian hasste Konstantin und wirft ihm geradezu Atheismus vor.19 Wie dem auch sei, die Leute, die Julian im Blick hat, „ha‑ ben die Götter verloren“ (τῶν θεῶν ἐκπεσεῖν): Es handelt sich folglich um Personen, die in den Paganismus hineingeboren wurden, sich aber abge‑ wandt und so von der Ordnung der Welt abgeschnitten haben: Die Kritik erinnert an diejenige des paganen Historikers Eunapios bei Zosimos.20 Die Tatsache, dass Salustios über diese Praktiken in der Vergangenheit spricht, könnte bedeuten, dass die Abfassung des Werkes unter der Regierungs‑ zeit Julians stattfand, in der Annahme, dass dieses Kapitel endgültig abge‑ schlossen war.

2.1.3. Atheisten und Unwissende Die offenkundigste Anspielung auf mögliche Zielgruppen der Schrift ist vielleicht diejenige, die auf den „Atheismus“ (18,1) gerichtet ist, von dem Salustios nicht nur die Anwesenheit „an einigen Orten der Erde“ (περί τινας τόπους τῆς γῆς) erwähnt, sondern auch, dass er sich in Zukunft wiederholen wird (πολλάκις δὲ ὕστερον ἔσεσθαι). Eine solche Redewei‑ se schließt aus, dass Salustios nur frei Denkende wie die Epikureer meint (auch wenn sie in 9,3 erwähnt werden), die nie Städte gegründet haben und anderswo zu der Zeit fast komplett verschwunden waren. Es handelt sich sicher um Christen, deren Kontrolle über bestimmte Regionen damals eine unausweichliche Tatsache darstellt, mit der die Heiden lernen müssen zu leben. Die Anschuldigung der Gottlosigkeit gegen die Christen findet sich

17

Siehe unten S. 98–99. Aurelius Victor, Die römischen Kaiser XXXIII 30. 19 Caesares 38, 336B; Contra Heraclium 4, 208A–C; 23, 234C–235A (Julian äußert seine Em‑ pörung angesichts der Tatsache, einem Sterblichen und insbesondere ihm selbst, den Na‑ men eines Gottes zu geben). Ammianus Marcellinus XX 4,17–18; XXI 1,4 weist darauf hin, dass Julian das Diadem nur ungern trug. 20 Vgl. Neue Geschichte I 57,3: „die heutige Generation lehnt jede göttliche Wohltat ab“; IV 36,4: eine Kritik an Konstantin, „der sich vom rechten Weg bezogen des Göttlichen ab‑ gewandt hat“; 59,1: der römische Senat ist nicht erneut über das Feld derjenigen gegangen, welche die Götter verachten. 18

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wiederholt bei Julian,21 der außerdem behauptet, durch seine Herrschaft den „Nebel“ des Atheismus aufgelöst zu haben.22 In 18,3 fügt Salustios hinzu, dass diese Atheisten „die Götter verachten, obwohl sie sie kannten“ (γνόντες θεοὺς καὶ καταφρονήσαντες). Auch hier handelt es sich demnach um Personen, die in einer paganen Welt er‑ zogen wurden, und die beschlossen haben, sich davon abzuwenden: Keine Atheisten im engen Sinne des Wortes, sondern Ungläubige oder Abtrünni‑ ge, die auf den Rang von Atheisten herabgesetzt werden, weil sie beschlos‑ sen haben, sich von der „Wahrheit“ abzukehren. Dies entspricht dem Profil christlicher Intellektueller, die der klassischen Kultur entstammen,23 und jedenfalls kann man kaum die Länder und Völker darin sehen, die nicht dem Römischen Reich unterworfen waren (Skythen, Germanen etc.). Schließlich dürfte die Anspielung am Anfang auf diejenigen „die mit unvernünftigen Anschauungen aufwachsen“ während ihrer Erziehung (1,1) nach Cumont auch auf die Christen gerichtet sein.24 Bei ihnen würde es sich nicht um kürzlich Konvertierte handeln, sondern um solche, die in einer bereits christianisierten Familie geboren sind. Allerdings könnte die Anspielung viel allgemeiner sein und man kann insbesondere an die pla‑ tonische Zensur bezüglich der Dichter denken, die für die Verbreitung von unangemessenen Geschichten über die Götter schuldig erachtet werden,25 die den Jugendlichen in ihrer Erziehungsphase schaden. Auf diese Weise könnte man dem Text eine Reihe von Hinweisen ent‑ nehmen, die in Richtung einer gegen die Christen gerichteten Polemik wei‑ sen. Man wird sich vielleicht über den Kontrast zu Julians Vorgehenswei‑ se wundern, der nicht zögert, diese frontal zu attackieren, auch indem er polemische Anspielungen in anderslautende Kontexte einfügt.26 Ein einfaches Gegenargument besteht in der Tat darin, hervorzuheben, dass die Christen niemals explizit in Salustios’ Schrift erwähnt werden, wobei höchstens die dritte Person und Paraphrasen verwendet werden. Um dies zu erklären, lassen sich mindestens vier Gründe nennen: Julian hatte selbst direkte Polemik betrieben; Salustios hatte sicherlich das Anliegen, einen 21 Vgl. Ep. 84, 429D; 89b, 288A; Caesares 13, 314B; Misopogon 15, 346B; 28, 337D; 33, 361A (ἡ ἀθεότης bzw. οἱ ἄθεοι – das Christentum bezeichnend); Gegen die Galiläer, fr. 55,88 MASA‑ RACCHIA apud Kyrill von Alexandria, Gegen Julian VII. Siehe ebenfalls Zosimos (der Eunapi‑ os folgt?), Neue Geschichte IV 51,3: Theodosios hat das Kaiserreich mit Gottlosigkeit regiert. 22 Misopogon 35, 362C. Im letzten Gebet von An die Göttermutter (20, 180B) fordert Julian die Göttin auf „den Fleck des Atheismus auszulöschen“ (ἀποτρίψασθαι τῆς ἀθεότητος τὴν κηλῖδα). 23 Vgl. die Theorie der „Apostasie“ der Christen vom Hellenismus, die Julian in Gegen die Galiläer verteidigt. 24 CUMONT 1892, 55 Anm. 2. 25 Politeia II, 377b–378e. 26 Siehe An den Senat und das Volk der Athener 13, 287A: Anspielung auf Konstans, der die Grabstätten seiner Vorfahren ignorierte, aber nicht zögerte, diejenigen der „Fremden“ zu ehren (d.h. die martyria).

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respektierenden Ton anzuschlagen, als Gegenstück zur Polemik und Iro‑ nie der Reden Gegen die Galiläer und Misopogon von Julian und bot einen weniger destruktiven theoretischen Beitrag; auf der anderen Seite wird es der Geschmack (oder einfach die Vorsicht) gebieten, sich nicht herabzu‑ lassen, die Gegner zu erwähnen, die die Mühe nicht lohnen, da sie im Unrecht sind (ebenso kritisieren heidnische Intellektuelle der Spätantike systematisch die Christen mittels Periphrasen und indirekten Anspielun‑ gen).27 Schließlich ist dieses diskrete Vorgehen auch mit Salustios’ Ansicht über das Böse verbunden: Dieses ist eher die Abwesenheit von Gutem als eine aktive Bösartigkeit (12,1), existiert aber auch durch die Umstände, da wir von Natur aus unfähig sind, die göttliche Erleuchtung ununterbrochen zu empfangen (12,5). Nach einer solchen Auffassung sind die Atheisten mehr als andere zu bedauern: die Wiederherstellung der hellenistischen Werte,28 oder einfach die zyklische Wiederkehr besserer Zeiten (wie im Mythos des Politikos) würde graduell ihr Verschwinden verursachen, und es ist daher nicht notwendig, sie direkt zu attackieren. Die Atheisten fü‑ gen sich ihr eigenes Übel zu, da sie sich von den Göttern abwenden und bestraft werden (18,3): Umgekehrt machen die Tugendhaften ihr eigenes Glück (21,1–2). Die Atheisten eher zu ignorieren als ihnen zu drohen oder sie zu dämonisieren, passt gut zur umsichtigen Haltung, die der Präfekt Salustios selbst eingenommen hat, der wenig interessiert war, die Christen aktiv zu verfolgen:29 aber das entspricht auch den „tolerantesten“ Aussa‑ gen Julians.30

2.2. Streitpunkte zwischen Paganen und Christen Die polemische Dimension der Schrift wird auch, und vielleicht noch deut‑ licher, aus ihrem Inhalt ersichtlich, der in der Tat die großen Glaubensarti‑ kel des Paganismus vereint, wie er durch seine Intellektuellen gegen Ende der Antike theoretisiert wird, und die fast genauso viele Dogmen enthal‑ ten, die von den Christen vehement abgestritten werden. Es handelt sich um folgende Punkte: 27 Siehe Ph. HOFFMANN, „Un grief antichrétien chez Proclus: l’ignorance en théologie“, in: A. PERROT (Hg.), Les Chrétiens et l’hellénisme. Études de littérature ancienne 20 (Paris 2012) 161–197 (er diskutiert die vorausgehende Bibliographie, insbesondere A. Cameron und H. D. Saffrey). Auch Libanios macht eine Anspielung auf die christlichen Autoritäten, die verantwortlich sind für die Zerstörung von Pausanias’ Grab in Sparta, bezeichnet als „Giganten“ ἀλλὰ γὰρ οὐδ’ ὑμῖν τὴν Σπάρτην ἀφῆκαν ἀκέραιον οἱ γίγαντες (Ep. 1518,5); andernorts zur Zerstörung eines Tempels durch die ἄθεοι (Ep. 695,2). Ich verdanke diese Anmerkung Herrn Professor Heinz‑Günther Nesselrath. 28 Vgl. unten, S. 83–84. 29 Vgl. Sozomenos, Historia Ecclesiastica V 10,13. 30 Ep. 114, 438B: man muss die Christen durch Argumente und nicht mit Gewalt über‑ zeugen; Ep. 42, 424A–B: Die Christen können nicht unterrichten, aber sie können häufig Schulen besuchen, weil es besser ist, die Toren zu erziehen als sie zu bestrafen.

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2.2.1. Theologie a) Die Unveränderlichkeit (1,2) und die Absolutheit des Göttlichen, nach der die allgemeine Theologie zu Beginn der Kaiserzeit im Zuge der Er‑ neuerung des dogmatischen Platonismus eingerichtet wurde; die Götter sind ewig, die Geschehnisse, die die Mythen über sie berichten, ereignen sich nicht in der Zeit (4,9). Vorgebracht wird dies gegen die christliche Kri‑ tik an der Trivialität der paganen Vorstellung über das Göttliche, ebenso gegen die Wiederaufnahme der euhemeristischen Perspektive, um die Ent‑ stehung der Götter zu erklären.31 b) Während die Behauptung, nach der die Mythen „sich nicht irgend‑ wann einmal zugetragen“ haben (4,9: vgl. Julian, An die Göttermutter 10, 169D; 11, 171C) – sondern, wie Plotin es erklärt, sie nichts anderes sind als die Wiedergabe gleichzeitiger metaphysischer Phänomene32 – die neupla‑ tonische Standardlehre darstellt, könnte sie ein verdeckter Angriff auf den christlichen Nachdruck auf die Geschichtlichkeit und Realität der Inkar‑ nation sein. c) Die Definition, dass die Götter eher als ein Gut‑Sein denn als Wesen anzusehen sind (5,3; 7,2; 12,2), entspricht Plotins Linie (das Eine‑Gute jen‑ seits des Seins) und insbesondere der von Jamblich, bei dem das Gute und das Göttliche noch strenger miteinander korrelieren.33 Umgekehrt ist der christliche Gott Sein.34 d) Die emanatorische Kausalität: das Göttliche handelt nicht durch Wil‑ le oder Anstrengung (9,3), gegen die persönliche und willensgeleitete Auf‑ fassung Gottes, die unter Christen herrscht. e) Der rationale Polytheismus: die Wiedereinsetzung der olympischen Götter in die Hierarchie (6,3); die Überzeugung, dass die Götter nicht in Konflikt oder getrennt voneinander sind (2,2), wie man es bei der Lektüre mancher Mythen oder nach den Theorien der Astrologie glauben könnte; das gilt als Antwort auf die Angriffe der Christen gegen die Konflikte, den schlechten Lebenswandel und die bösen Streitereien unter den Göttern. f) Die Dämonologie: Salustios ist verhältnismäßig diskret diesbezüg‑ lich, gibt sich aber Mühe, standhaft die – vermutlich aus christlichem Geist stammende – These der bösen Natur der Dämonen zu bestreiten (12,3): Er möchte vielleicht auch Abstand von Porphyrios nehmen, der seinerseits an 31

S. z.B. Clemens von Alexandria, Protreptikos und Arnobius, Adversus gentes. Enn. III 5,9,24–29. 33 Resp. I 5, 11,9–16 SAFFREY / SEGONDS. 34 Ex 3,14LXX: καὶ εἶπεν ὁ θεὸς πρὸς Μωυσῆν· Ἐγώ εἰμι ὁ ὤν. Numenios scheint mit der Passage gut vertraut zu sein, vgl. fr. 13,4 DES PLACES und die Anm. 2 der Ausgabe von des Places. Salustios 5,3 könnte eine Anspielung auf diese Auffassung Gottes als Sein be‑ inhalten; aber es könnte sich auch um eine Kritik gegen die materialistischen Philosophen handeln, die es nicht für nützlich hielten, ein Jenseits neben dem Sein zu postulieren, oder vielleicht sogar gegen Aristoteles. 32

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die Existenz böser Dämonen glaubte.35 Er behauptet außerdem die Not‑ wendigkeit von Vermittlern und Vermittlungen (13,4–5; 16,2) gegen Plotin (Enn. V 1,3,4). Die christliche Identifizierung des Paganismus mit dem Dä‑ monenkult war spätestens seit Justin, dem Märtyrer üblich.36 Man kann annehmen, dass Salustios, wenn er nichts weiter sagt, als dass man die Dämonen ehren soll, dies tut, um dem leichtfertigen Vorwurf der Dämo‑ nolatrie zu entgehen (mit anderen Worten des Satanismus). g) Schließlich könnten die λόγοι in Kapitel 2, während sie die wich‑ tigsten Wahrheiten über die Götter anführen und gleichzeitig eine Zusam‑ menfassung der neuplatonischen Theologie liefern, eine implizite Kritik am Christentum beinhalten. Die Idee, dass die Götter nicht an einem Ort sind, kann auf gewisse naive Gottesvorstellungen abzielen, beispielsweise auf der Basis von Jesaja 66,1: „Der Himmel ist mein Thron, und die Er‑ de der Schemel meiner Füße“ (vgl. Mt 5,34–35). Wenn Salustios sagt, dass die himmlischen Wesenheiten nicht gezeugt sind, kann das eine polemi‑ sche Anspielung auf den Sohn sein, der vom Vater gezeugt und von den Christen verehrt wurde: Ebenso vertritt die Ablehnung jeglicher Trennung zwischen Göttern die gegenteilige Ansicht eines starken Unterschieds zwi‑ schen den göttlichen Personen, wie es damals von den Anhängern des Ari‑ us vorgeschlagen wurde.

2.2.2. Philosophie der Religion a) Die Darstellung einer Typologie der Mythen (4) mit dem Ziel, den Reich‑ tum und die Tiefe davon zu zeigen und auch mit dem Ziel, sich von der Zoolatrie und Elementolatrie der Ägypter zu distanzieren (4,3), die von den Christen heftig als gottlos kritisiert wurden. b) Die Göttlichkeit der Mythen, auch die der scheinbar skandalösesten (3,4), die offenbar die Empörung der Christen erregten. c) Die Reinigung der gröbsten Vorstellungen des Paganismus: Der Zorn der Götter hat keine Bedeutung an sich, da die Götter unveränderbar gut sind, sondern bezeichnet nur unsere Unfähigkeit, in Kontakt mit den Göt‑ tern zu treten (14,2); die Kultpraktiken und besonders die Opferhandlun‑ gen, lassen nichts den Göttern zukommen, ihr Nutzen ist auf uns gerich‑ tet (15,3). Es handelt sich hier vor allem um die Fortsetzung der Antwort Jamblichs auf die gegen die Absurditäten des Paganismus aufgeworfenen Aporien des Porphyrios (Brief an Anebo), insbesondere mit Hilfe der Theo‑ 35 Siehe De Abstinentia II 38–43; fr. 326 und 328 SMITH (apud Eusebius, Praep. ev. IV 22,15– 23,6; 23,6–8); In Tim. fr. 10 SODANO. 36 Was sich bei Justin, dem Märtyrer entsprechend dem späten Judentum finden lässt (vgl. Ch. MUNIER, „La méthode apologétique de Justin le martyr“, Revue des sciences reli‑ gieuses 62.2 [1988] [90–100] 99 Anm. 60).

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rie der „Eignung“, ἐπιτηδειότης.37 Salustios kann indirekter auch auf den Zorn Gottes im Alten Testament abzielen und einige andere biblische Pas‑ sagen, die daraufhin hindeuten, dass die Beziehung zwischen Gott und Israel für beide Seiten von Vorteil ist. d) Der Ritualapparat: Feste wie das der Muttergöttin (4,10); blutige Op‑ fer (Kap. 16, das ein Exkursstatus hat und zeigt, dass Salustios absicht‑ lich sich entscheidet, bei diesem Thema zu verweilen); Gebete (12,6; 15,2; 16,1): eine allegorische Rechtfertigung der Kultstatuen (6,4); ungünstige Tage und Weissagung (kurze Hinweise in 18,2 und 9,2); die Überzeugung, dass konkrete Dinge mit verschiedenen Gottheiten verbunden sind, die dementsprechend ihren Wirkungsbereich besitzen, wie bei der Theurgie und der Astrologie (vgl. 4,3; 6,4–5; 15,2; man muss jedem Gott das dar‑ reichen, was ihm entspricht, vgl. 16,2). Gebete und Opfer gehen Hand in Hand (16,1); das entspricht den Theorien von Jamblich, die für eine reli‑ giöse Erneuerung des Paganismus entworfen wurden.38 e) Die Astrologie wird in 9,4 erwähnt: Sie bildet das Objekt einer ge‑ gensätzlichen Bewertung, denn Salustios, gemäß Plotin (Enn. II 3; III 1,5– 6), lehnt es ab, den Sternen eine kausale Macht zuzuschreiben, die für ihn unter die körperliche Vorsehung fallen (die selbst eine Vorsehung ist, so dass die Körper der Götter ihm zufolge eine Rolle in der Vorsehung spie‑ len). Wie auch immer, Astrologie hatte im christlichen Dogma größtenteils keinen Platz mehr.39

2.2.3. Vorsehung und Schicksal: Eschatologie a) Die Vorsehung und das Schicksal: Unterscheidung von zwei Ordnun‑ gen von Vorsehung, die eine unabhängig von den Körpern, die andere an diese gebunden, genauer genommen an die Sterne (9,1–6).40 Eine ähnli‑ che Theorie – eigentlich durch den neuplatonischen Blickwinkel betrach‑ tet – schreibt Bischof Nemesios von Emesa, der sie mit der richtigen (d.h. christlichen) Lehre in Beziehung setzt, Platon zu.41 37

Vgl. zu diesem Aspekt CLARKE 1998, 332. Siehe infra, S. 92–96. 39 Zu bemerken sind allerdings die Nuancen, auf die K. VON STUCKRAD, „Jewish and Christian Astrology in Late Antiquity: A New Approach“, Numen 47 (2000) 1–40, zu dieser Ansicht hinweist. 40 Diese Art der Unterscheidung findet sich bei Jamblich (Brief an Makedonios über das Schicksal) und bei Autoren dieser Tradition wie z.B. Hierokles, der das Schicksal (im Gegen‑ satz zur Vorsehung) mit den Dämonen verbindet: „Daraus folgt … dass wir Rechenschaft für unsere Taten hier unten ablegen müssen vor denen, die das mittlere Los erhalten ha‑ ben, da ihnen die Aufgabe als unsere Beschützer und Wächter zugeschrieben wurde. Die Summe ihres Wirkens uns gegenüber nennt man Schicksal, das unsere Angelegenheiten nach den Gesetzen der Gerechtigkeit verwaltet“ (apud Photios, Bibliothek, cod. 251, 462a). 41 De Natura hominis 43, 125,21–126,21 MORANI. 38

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b) Die Ablehnung der Realität des Bösen (12):42 es gibt weder ontologi‑ sche noch moralische Gründe für die Existenz des Bösen. Aus christlicher Sicht ist das moralisch Böse real, und es stellt sich auch die Frage nach der physischen Existenz des Teufels. c) Die Verteidigung der Reinkarnation in Kap. 20 mit der Begründung, dass Seelen nicht für die Ewigkeit untätig bleiben sollten, könnte ein An‑ griff gegen die christliche Lehre (den „Schlaf“ der Seelen beim Warten auf das jüngste Gericht) auf einer aristotelischen Basis sein: Die Natur macht nichts umsonst, jedes Wesen muss die seinem Zweck entsprechende Tä‑ tigkeit ausüben. d) Die Verurteilung und Bestrafung post mortem (12,6; 19)43 steht, wohl‑ gemerkt, nicht im Widerspruch mit den christlichen Dogmen. Aber sie ist hier vereinigt mit der Reinkarnation (20), insofern die Schuldigen in einem zukünftigen Leben schließlich ihre Fehler sühnen werden. Die Reinkarna‑ tion wird als eine gerechtere Theorie betrachtet als diejenige, die eine un‑ endliche Zahl oder eine fortwährende Schöpfung von Seelen in Betracht zieht.44 e) Die Bestrafung von Fehlern ist ein wiederkehrendes Thema des Wer‑ kes, zu oft erwähnt, um zufällig eingeführt zu sein. Die Seele muss für ihre Fehler bezahlen (19,1). Eine solche Idee ist unter Neuplatonikern eher ungewöhnlich.45 Hier kann es sich durchaus um eine Nachahmung des Christentums handeln: Man muss dem Menschen eine Perspektive für eine moralische Erneuerung bieten (siehe die Verwendung von „heilen“ in 12,6 und 14,3), da Salustios die Seelen der Menschen für fehlbar hält.46 Aber es gibt nicht, wie in der christlichen Lehre, die Perspektive eines einzigen und letzten Gerichts. f) Die Perspektive, nach der die Seelen von jeglichem Körper gereinigt werden können (21,1), muss man vielleicht im Gegensatz zur christlichen Lehre über die Auferstehung der Körper lesen, aber das ist natürlich auch schlichtweg eine platonische These (insbesondere Phaidon).

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Vgl. unten, S. 87–88. Siehe CLARKE 1998, 334–340. 44 Man vergleiche 20,3 mit Nemesios, De Natura hominis 2, 31,8–13 MORANI (über Euno‑ mios). 45 Generell wird das Thema Bestrafung nur vereinzelt direkt thematisiert (De decem dubi‑ tationibus, Quaestiones VIII und IX, im Zuge von Plutarchs De sera; die Exegese des Mythos von Er und des Mythos im Gorgias), und selten unter dem Gesichtspunkt der Reue und Sühne, ohne Zweifel aufgrund eines gewissen Unbehagens bei der Vorstellung von „stra‑ fenden Dämonen“ (was eine Form von Gewalt der uns höhergestellten Wesen zu impli‑ zieren scheint und der Vorstellung einer Ableitung der Vorsehung aus dem absolut Guten widerspricht). Über den Umgang mit der Frage der Bestrafung bei Salustios siehe Nicole Belayche in diesem Band, S. 162–166. 46 Vgl. unten, S. 88–89. 43

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2.2.4. Kosmologie a) Die Ewigkeit der Welt, a parte ante und a parte post (Kap. 7; 13). Die Welt ist eine direkte Emanation des Göttlichen (13,4); es gibt keine Latenz zwi‑ schen ihr und ihm, die man mit der Vorstellung eines „Willens“ verbin‑ den könnte (für die paganen Philosophen verwirklichen sich die göttlichen Kräfte notwendigerweise). b) Die Welt kann nicht mehr zerstört oder zumindest verändert werden, wie von den Christen angenommen (1 Kor 7,31: „Die Gestalt dieser Welt vergeht“), die „diejenigen, welche die Welt für vergänglich halten“ (13,4) sein müssen.47 c) Vollkommenheit der Welt, Allianz aus Gegensätzen und ihren Struk‑ turen (die Bewegung der Sphären): 7,3 (in der Lesart τελείας für ταχείας); 20,3.

2.2.5. Psychologie und Anthropologie a) Die Schwäche der Seele (18,1–2), die Notwendigkeit der göttlichen Gna‑ de. In diesem präzisen Punkt gibt es eine echte Konvergenz zwischen der Position, die von Salustios verteidigt wird, und derjenigen der Christen, aber die direkte Quelle ist Jamblich, wie man sehen wird.48 b) Die Minderwertigkeit der Seele gegenüber dem Geist (8,1): diese Hauptthese des Neuplatonismus erinnert auch an die Debatten um die Christologie des Apollinaris, der zwischen der Seele und dem Geist von Christus unterschied, eine These, die sich übrigens an Plotin bei Nemesios von Emesa anlehnt.49 c) Ein beständiges Beibehalten des traditionellen Vokabulars der Philo‑ sophie (Tugend und Laster; Geist und Seele; rationale und irrationale Seele; Dreiteilung der Seele in den Kapiteln 10–11) und der klassischen Thesen wie die Autarkie der Tugend und ihre enge Verbindung mit dem Glück50 und dem Leitspruch, dass „niemand vorsätzlich böse ist“ (12,5–6); der al‑ te sokratische Hintergrund immer noch mit der Idee, dass Menschen sich auf gemeinsame Vorstellungen einigen werden „wenn man sie nur richtig fragt“ (1,2), vergleichbar mit dem Menon. Auch wenn diese möglichen polemischen Anspielungen auf das Chris‑ tentum von unterschiedlichem Wert sind, lässt ihre Anzahl keinen Zweifel an den antichristlichen Ansichten von Salustios’ Schrift. 47 48 49 50

Vgl. oben, S. 74. Unten, S. 88–89. De Natura hominis 1, 1,9–14 MORANI. Vgl. unten, S. 89–91.

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3. Die Sichtweise der Welt des Hellenismus Ihre Thesen stimmen im Wesentlichen mit denen überein, die von den pa‑ ganen neuplatonischen Philosophen verteidigt werden, insbesondere seit Jamblich von Chalkis (der an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert lehrte): sie bilden auch den Hintergrund von Kaiser Julians Schriften. Tatsächlich besteht das Wesentliche von Salustios’ Schrift in der Entwicklung einer ra‑ tionalen Theologie nach den neuplatonischen Fortschritten und einer Kos‑ mologie und Theodizee als Erweiterung davon. Vor dem Abschnitt über die Weltsicht, die die Basis der Schrift bildet und die wir mit dem Begriff „Hellenismus“51 zusammenfassen, werden wir einige allgemeine Anmerkungen vorstellen: – Es handelt sich um äußerst kontrovers diskutierte Themen, die las‑ sen sich an zwei gegensätzlichen Strategien festmachen: die strikte Vertei‑ digung von Identitätsmerkmalen, die dem Autor unabdingbar erscheinen (Mythen, sogar die schockierenden; religiöse Riten, insbesondere Opfer‑ handlungen); die Ablehnung einiger nicht wesentlicher Aspekte (der „Ma‑ terialismus“ der ägyptischen Mythen in 4,3), oder vorsichtiger deren still‑ schweigendes Übergehen (Spannung zwischen der intrinsischen Güte der Dämonen – die uns in der Hierarchie der Wesenheiten vorangestellt sind – und die Existenz der strafenden Dämonen), oder erneut die Annahme einer Kompromisshaltung (Astrologie). – Der Teil, der sich der Religion widmet, ist beachtlich. Dies entspricht genau der paganen Erneuerungspolitik, die von Kaiser Julian durchge‑ führt wurde. Wir weisen besonders darauf hin, dass einerseits Bemühun‑ gen unternommen werden, um den paganen Kult von Absurditäten zu reinigen und so eine Antwort auf christliche Kritik vorzubringen; ande‑ rerseits, um ihn zu stützen, indem man ihn an einer rationalen Theologie ausrichtet und ihn durch Autoritätsquellen rechtfertigt: Orakel (nebenbei erwähnt in 3,1) und vor allem Mythen. – Es handelt sich ebenfalls um eine absolut vollständige und ausformu‑ lierte Weltsicht. Es ist daher verständlich, dass sie als echter Weg vorge‑ 51

Julian spricht häufig – besonders in den Briefen und in Gegen die Galiläer – von „Grie‑ chen“ oder dem „griechischem“ Charakter von etwas: er bezeichnet ebenfalls als χωρίον Ἑλληνικόν die Gegend von Batnai „denn im Land steigt der Dunst des Weihrauchs von allen Seiten her auf und überall sehen wir Betrieb in den Heiligtümern“ (Ep. 98, 400C). Wir sehen daran, dass „Griechentum“ als untrennbar mit dem Paganismus aufgefasst wird. Das Wort „Hellenismus“ erscheint in Ep. 84, 429C immer mit einer religiösen Konnotati‑ on: beachtenswert ist, dass Julian ihn als eine Gemeinschaft beschreibt, der man „zugehört“ (μετιόντων). – Das, was Julian in Caesares 25, 324B τὸ Ἑλληνικόν nennt, ist die griechische politische Hegemonie unter der Ägide Alexanders des Großen (den Julian sprechen lässt und ihn Julius Caesar gegenüberstellt), eine Epoche, in der die Griechen „das Gleiche dach‑ ten“ (ὁμονοοῦντες): Es ist schwer, in dieser Erwähnung nicht das Programm Julians selbst zu erkennen, der die Gesellschaft unter dem paganen Banner vereinen und in Persien die Heldentat Alexanders wiederholen wollte.

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schlagen wird, der den Einzelnen vollständig einbezieht und eine Bekeh‑ rung erfordert.52 Der Paganismus erreicht hier den Rang einer spirituellen Disziplin. Das führt zu zwei Konsequenzen: einerseits dem Ausschluss von Widerspenstigen, nicht nur von Christen, sondern auch von nicht idealisti‑ schen Philosophen – insbesondere dem Epikureismus (vgl. 9,4) – und der unkritisch konzipierten Gattung der Astrologie (9,4–6). Man hat hier ein sehr gutes Beispiel von einem „Weg hin zur Orthodoxie“, der die intellek‑ tuellen Strömungen der Spätantike charakterisiert und die neuplatonische Schule im Besonderen.53 – Schließlich sieht man, dass sich ein sehr starkes Identitätsgefühl ein‑ stellt: die paganen Menschen zielen darauf hin, sich als Gruppe zu definie‑ ren und messen ihren kulturellen Merkmalen eine sehr hohe Wichtigkeit bei. Das Ergebnis dieser Synthese ist am Ende nichts anderes als eine neue Form der Paideia. Diese reformierte Paideia verfolgt einerseits das tradi‑ tionelle Ideal des Studiums klassischer Texte und der Ausübung der freien Künste (wie wir insbesondere bei Macrobius und Martianus Capella se‑ hen), besitzt aber außerdem auf der anderen Seite eine deutlich religiöse Komponente: Der Glaube wird notwendig für das Heil, bis hin zur Identi‑ tätsspannung, wodurch die absurdesten Mythen gerechtfertigt und sogar erhöht werden. Es ist gerade die Religion, die schließlich diesem Projekt eine soziale Dimension gibt, es erlaubt ihr, die Massen zu erreichen, auch wenn diese die speziellen Details der Philosophie nicht kennen. Hier fin‑ det der Text von Salustios seine Entsprechung in den großen programma‑ tischen Reden religiöser Thematik Kaiser Julians (Hymnos auf den König Helios, An die Göttermutter).

3.1. Die Welt des Hellenismus 3.1.1. Eine vollkommene Welt, ohne Anfang und Ende Die Welt von Salustios’ Schrift ist in erster Linie das Erbe der paganen klas‑ sischen Philosophen, in der Version der „orthodoxen“ Kosmologie, die von den Platonikern in der Kaiserzeit entwickelt wurde. Von einem Ge‑ sichtspunkt, der sich als statisch oder strukturell bezeichnen lässt, wird sie durch ihre Perfektion (oder Vollendung, der Sinn des griechischen Wortes τέλειον) (7,3; 20,2), das Fehlen ihrer Entstehung (7,1–2), und ihre Immu‑ nität gegen alle Zerstörung (7,1; 17) charakterisiert: diese beiden letzten Merkmale bilden ihre Ewigkeit. Salustios fasst die Errungenschaften der philosophischen Kosmologie zusammen, ohne sie alle zu erklären, insbe‑ sondere in Hinblick auf den unentstandenen Charakter der Welt, im offen‑ 52

Vgl. unten, S. 108–113. Vgl. P. ATHANASSIADI, La lutte pour l’orthodoxie dans le platonisme tardif. L’Âne d’Or 25 (Paris 2006). Zu den „bösen Philosophen“ nach Julian, siehe BOUFFARTIGUE 1992, 120–130. 53

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sichtlichen Widerspruch zu Platons Behauptung, nach der die Welt „gebo‑ ren“ (γέγονεν) ist.54 Vielleicht hielt er es für überflüssig, diesen Punkt wei‑ terzuentwickeln, oder er wollte die Mehrdeutigkeit der neuplatonischen Position hervorheben. Man wird in Salustios’ Schrift die Abwesenheit von jeglichem strengen Dualismus zwischen Form und Materie55 feststellen so‑ wie eine neutrale Auffassung von Körperlichkeit.56 So wird ein Diskurs vermieden, der die Welt abwertet. Diese außergewöhnlichen Eigenschaften legen nahe, dass nach Salus‑ tios (auch wenn er es nicht explizit angibt), die Welt den Menschen einen Einblick in die göttliche Vollkommenheit und Unveränderlichkeit bietet. Zumindest lässt sich das vernünftigerweise aus der charakteristischen und zweimal wiederholten Idee schließen,57 dass der Mensch die Welt nachah‑ men und sich mit ihr vereinigen will: Die Vorstellung der „Ordnung“ der Welt spielt hier eine wichtige Rolle (4,10; 6,5; 9,1 und 7; 21,1). Dies ist eines der Zeichen für die Bedeutung und Autonomie der Welt in der Schrift, ein Status, der begründeterweise dem Einfluss der Kommentare zum Timaios (und in geringerem Maße zu De Caelo) auf das Milieu des Autors zuge‑ schrieben werden kann. 3.1.2. Das enge Band zwischen der Welt und den Göttern Auf vielfältige Weise bildet die wahrnehmbare Welt (κόσμος) das Zentrum der Anliegen von Salustios’ Schrift, was den Titel, der traditionell dem Werk gegeben wird, rechtfertigt, Über die Götter und die Welt, auch wenn dieser nicht authentisch ist: und in dem Ausdruck, der wahrscheinlich den Titel inspiriert hat („Über die Götter, die Welt und die menschlichen An‑ gelegenheiten …“, 13,1) erscheint die Welt in der mittleren Position. Das, was die Welt überragt, ist die Gruppe der unkörperlichen Wesen‑ heiten, die Salustios in den Kapiteln 5, 6 und 8 aufzählt. Diese Wesenheiten tragen zur Ausbildung und Erhaltung der Welt bei, sowie es der Schluss in Abschnitt 7 (5) zeigt: „Dies alles schaffen die Götter, ordnet der Intellekt, bewegt die Seele“, ein Beispiel des Nachdrucks der Schrift auf die tiefge‑ hende Einheit der Wirklichkeit. Auf Geist und Seele wird hier vorgegrif‑ 54 Tim. 26b7. Die allgemeine neuplatonische Position geht davon aus, dass die von Platon gemeinte Entstehung kausaler Natur sei und nicht temporal: siehe z.B. Proklos, In Tim. 1,276,10–299,9 DIEHL (auch die Widerlegung von Proklos’ Argumenten durch Philoponos in De aeternitate mundi contra Proclum). 55 Dies wird völlig neutral (und bewusst vereinfacht) eingeführt in 17,4. 56 Nach 12,2 ist die Körperlichkeit zwar an sich nicht schlecht. Vgl. jedoch oben S. 81 zu den von Körpern reinen Seelen. Die Körperlichkeit der Welt ist natürlich: aber die Götter ihrerseits übersteigen sie offensichtlich (2,2). 57 Vgl. 4,10: „Weil nun aber der Mythos der Welt so verwandt ist, ahmen wir die Welt‑ ordnung nach (wie könnten wir wohl besser zur Ordnung kommen?)“ und bereits 4,6. Vgl. unten, S. 100–104.

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fen, sie werden aber erst im nächsten Kapitel behandelt (8): Im Gegensatz dazu sind die Götter schon behandelt worden (5–6). Die getrennte Behand‑ lung der Götter einerseits und des Geistes und der Seele andererseits rührt wohl daher, dass letztere der Welt zumindest teilweise immanent sind, ihr gegenwärtig sind, wenn auch auf eine „verborgene“ Art (3,3). Im Gegen‑ satz dazu sind die Götter der Welt gegenüber entschieden transzendent,58 was sich richtigerweise als eine göttliche Wirkung definieren lässt (3,3), in‑ sofern die Tätigkeit eines Wesens von ihm verschieden ist und von ihm abhängt. Ein wichtiger Punkt besteht in der harmonischen Synergie zwischen den verschiedenen Gliedern der Hierarchie: die „hyperkosmischen“ Göt‑ ter erzeugen die Essenzen, den Geist und die Seelen; die „enkosmischen“ Götter definieren sich als jene, die die Welt erzeugen und pflegen (6,1).59 Die Götter vergeben Geschenke an die Welt (4,5). Die ersten Götter voll‑ enden die nachgeordneten Götter (4,8), und die ersten Wesenheiten erzeu‑ gen die zweiten (13,1). Der Geist vervollkommnet die Seele, wie die Sonne die Sehfähigkeit (8,1). Die rationalen Seelen kümmern sich um die irratio‑ nalen von außen (20,1). Anders ausgedrückt, die Handlung der Wesenhei‑ ten, die die Hierarchie in Salustios’ Schrift bilden, orientiert sich systema‑ tisch nach unten, während die Transzendenz des Höheren gewahrt wird. Dadurch wird sichergestellt, dass insbesondere die Welt dauerhaft in der Obhut der Götter bleibt: eine offensichtlich essentielle Behauptung, für den, der entschieden die Ordnung der Dinge rechtfertigen will. Ins‑ besondere bekräftigt Salustios die Beziehung zwischen den Göttern und der Welt, indem er zwei neuplatonische Schemata über die Kausalität inte‑ griert: das vom „Sein selbst“ (9,3), und das von der „Wirkungskraft“, nach dem das Geschaffene gleichzeitig mit seinem Schaffenden ist (13,2). Man muss beachten, dass das Thema der Welt in Verbindung mit dem der Göt‑ ter eingeführt wird: Wenn die Welt unvergänglich ist, bedeutet es, dass die gegenteilige Meinung entweder die Bosheit oder Unfähigkeit der Götter implizierte (7,1) oder die destruktive Natur von unkörperlichen Wesenhei‑ ten (17,2), was im Widerspruch zu allgemeinen Vorstellungen steht (1,2);60 58 Die elementaren und planetarischen Sphären entsprechen den Göttern (6,5), aber sie lassen sich nicht mit ihnen identifizieren, so wie es unangemessen ist „Helios“ als „Son‑ nensphäre“ zu bezeichnen (4,3; vgl. Julian, Hymnos auf den König Helios 6, 133C, die Son‑ nenscheibe steht erst an dritter Stelle, wenn wir den Gott Helios betrachten). 59 Der Terminus „enkosmisch“, der zugegebenermaßen ambivalent ist, enthält unserer Meinung nach nichts, das auf die Immanenz dieser Götter in der Welt deutet, sondern nur die Tatsache, dass ihre Aktivität die Welt zum Objekt hat. 60 Die Abwesenheit von jeglichem destruktiven Charakter der unkörperlichen Wesen‑ heiten kann aus der Korrelation zwischen Wirkkräften – die alle unkörperlich sind – und dem Fehlen der Passivität abgeleitet werden (2,1–2). Ebenso wird die Vorstellung, dass die Götter gut sind (12,2), verwendet, um zu leugnen, dass das Böse unter den Göttern und durch sie unter den Dämonen existiert (12,3).

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wenn sie unentstanden ist, so deshalb, weil die Götter immer gut sind und sie daher ewig bestehen lassen (7,2); die göttliche Güte bildet auch das Fun‑ dament der wahrnehmbaren Welt, in Übereinstimmung mit der neuplato‑ nischen Lehre.61 All dies führt zur These der gemeinsamen Ewigkeit der Welt und der Götter. 3.1.3. Die Theodizee Auch die Theodizee (Gegenstand von Kapitel 9) leitet sich aus dieser privi‑ legierten Verbindung zwischen den Göttern und der Welt ab: „muss man zunächst einmal sagen, dass, weil die Götter gut sind und alles gut ge‑ schaffen haben, es kein eigenes Wesen des Schlechten gibt“ (12,1). So wie die Welt existiert, weil die Götter existieren, ist die Vorsehung keine Fra‑ ge des Willens: sie ist immer gegeben. Das bedeutet nicht, dass es nicht irgendein Übel in der Welt gibt, denn wenn alles Natürliche zum Guten geschieht, kann es leidenschaftlich aufgenommen werden (9,5); es ist die Natur des Bösen, die nicht existiert.62 Das ist der Sinn der Unterscheidung zwischen unkörperlicher Vorsehung (in der die Ursachen und Wirkungen absolut gut sind) und körperlicher Vorsehung (in der die Prinzipien gut sind, aber nicht notwendigerweise alle Resultate). Diese Theodizee ist in groben Zügen die des späten Platonismus. So bewundernswert sie auch ist, kann man im Nachhinein meinen, dass sie aufgrund ihrer Subtilität als Antwort auf die Ängste der Zeit ungeeignet war: Man ertappt Salus‑ tios überraschend bei der Behauptung, dass „Die Vorsehung der Götter [sich überallhin] erstreckt“ (15,2; cf. 9,2, mit den „kleinsten Details“), weil „nicht die ganze Welt in gleicher Weise die Vorsehung der Götter genießen kann“ (18,1), und der moderne Leser könnte das Gefühl haben, dass man das Problem der Theodizee nur verschoben hat, ohne es zu lösen. In jedem Fall ist Salustios daran interessiert, jede Ursache für ein posi‑ tives Übel auszuschließen. Das zwölfte Kapitel erklärt, dass es nirgends in der Natur der Dinge existiert (insbesondere nicht bei sogenannten bösen Dämonen) oder als moralisches Übel: Es ist also nur der entstehende Rest des Gegensatzes zwischen der Vollkommenheit der göttlichen Welt und der Relativität der Wesen hier unten, in der Weise wie der Schatten die Abwesenheit des Lichts ist (12,1).63 So ist nach der sokratischen Maxime „niemand vorsätzlich böse“ und die Sehnsucht nach dem Bösen entsteht nur aus einer falschen Einschätzung des Guten (12,5–6).64 Die unterschied‑ 61 Vgl. Procl. In Tim. 1,355,28–357,23; 360,4–362,16 DIEHL über das Band zwischen dem Guten und der Welt. 62 Es ist genauso wie bei Syrianos, der später die Existenz einer Idee des Bösen ablehnt (In Metaph. 8,22–25; 107,8–9 KROLL). 63 Vgl. Jamblich, Resp. III 13, 98,2–3; III 31, 132,7–10 SAFFREY / SEGONDS. 64 Platon, Gorgias 509e.

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lichen Schicksale der Guten und Bösen sind nicht von Bedeutung, denn die Tugend allein ist ausreichend (9,8). Die letzten Kapitel erweitern das Pro‑ blem des Bösen, um es in eine eschatologische Perspektive einzuordnen: Verzögerungen bei der Bestrafung des Bösen stellen keinen Einwand dar, da Fehler auch nach dem Tod oder durch aufeinander folgende Reinkar‑ nationen bestraft werden können65 (etwas, das gerade durch die Bestän‑ digkeit der Welt in Frage kommt). So wird ein Plan skizziert, der mit der christlichen Ökonomie konkurrieren kann, der aber nicht ganz frei ist von einer gewissen Melancholie, da er ohne Fortschritt und Ergebnis ist.

3.2. Der Mensch des Hellenismus 3.2.1. Der Einfluss der Anthropologie Jamblichs Die Lösung des Problems der Theodizee, die von Salustios aufgegriffen wurde, der die Existenz einer Hierarchie der Wirklichkeit annimmt und die Existenz des Bösen durch die strukturelle Unfähigkeit der unteren Ebe‑ nen erklärt, den vollkommenen Zustrom der höheren Ebenen zuzulassen, musste notwendigerweise einen Einfluss auf die dazugehörige Anthro‑ pologie haben. Tatsächlich unterstreicht diese deutlich die Schwäche des Menschen. Die menschliche Seele ist folglich grundsätzlich fehlbar, weil sie nicht zur πρώτη οὐσία (12,5) gehört, sondern von einem „mittleren We‑ sen“ (18,1) ist. Salustios erkennt, dass die Seele aus diesem Grund nicht immer dem richtigen Weg folgen kann und spricht ausdrücklich von der „Schwachheit unserer Natur“ (18,1–2):66 Im gleichen Kontext unterschei‑ det er zwischen dem, was ewig und in der Zeit an der Vorsehung teil‑ nimmt, eine Aussage, die die Temporalität evoziert, die später Proklos der Aktivität der Seele zuschreibt im Gegensatz zu der des Geistes.67 All diese Merkmale lassen sich durch den direkten Einfluss von Jamblich erklären, der der erste neuplatonische Philosoph war, der die Seele als der intelligiblen Welt deutlich unterlegen betrachtete und als an sich fehlbar,68 im Gegensatz zu der von Plotin und seinem Schüler Porphyrios entwi‑ ckelten Seelenlehre. Er ist ebenfalls des erste, der die göttliche Welt teilt 65 Vgl. Resp. IV 4, 139,18–140,14 SAFFREY / SEGONDS: die Götter berücksichtigen bei der Bestrafung vergangene Leben. 66 Das Thema der menschlichen Schwachheit in Bezug auf das Göttliche ist platonischen Ursprungs (z.B. Gesetze VII, 803c: der Mensch als Marionette Gottes; Apologie 23a: der ge‑ ringe Wert der menschlichen Weisheit; Phaidon 62b: die Menschen als Eigentum der Götter) und erscheint bei Jamblich (Resp. I 15, 36,10–11; III 18, 108,15–17 SAFFREY / SEGONDS). 67 Vergleiche die Prop. 169 und 191 der Elemente der Theologie. 68 In Tim. fr. 87 DILLON (= Procl. In Tim. 3,334,3–8 DIEHL). Zur Anthropologie Jamblichs siehe C. STEEL, The Changing Self: A Study on the Soul in later Neoplatonism (Brüssel 1978). Aufgrund der negativen Eigenschaften, die der Seele zugeschrieben werden, geht Plotin nicht weiter als das „Wagnis“, das sie aus der intelligiblen Welt herabsteigen lässt (Enn. V 1[10]1,4).

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in unveränderliche Bereiche, insbesondere die Seele, die „unter dem Geist einer anderen Hypostase entsprechend einordnet wird“;69 an anderer Stel‑ le weist er die Vorstellung zurück, dass die Seele ihrem Wesen nach zu einem höheren Wesen wie einem Engel werden könnte.70 Diese Fixiertheit (die mit der von Hierokles verglichen werden kann)71 findet sich bei Sa‑ lustios mittels der entschiedenen Zuschreibung der Seele an die mittlere Essenz, sowie durch den grundlegenden Unterschied zwischen rationaler und irrationaler Seele, der a priori die Möglichkeit der Reinkarnation des Menschen in einem Tier ausschließt (20,1). Salustios unterstreicht ebenso den natürlichen Charakter der Inkarnation (20,2), und weigert sich daher, die Rückkehr der Seele in die intelligible Welt als ein Ideal darzustellen (was einen endgültigen Ausstieg aus dem Zyklus der Reinkarnationen, und somit aus der Welt, impliziert), auch wenn er der Meinung ist, dass sie sich von allem Körperlichen reinigen kann (20,1). Daher besteht das Ziel des Menschen darin, demütig seinen Rang zu wahren, während er sein Bestes tut, um göttliches Handeln zu unterstüt‑ zen. Das ist die Perspektive, die den Seelen der Gerechten, die den Kör‑ per verlassen haben (21,1), angeboten wird, analog zu den „Heroen“ aus der archaischen und klassischen Zeit.72 Diese Seelen „verbinden sich“ mit den Göttern (συνάπτονται), was an die Gefährten der Götter erinnert (συνοπαδοὶ θεῶν), ein Ausdruck, der bei Proklos vorkommt, um die nie‑ deren rationalen Wesen zu bezeichnen, die die Seelen der Menschen mei‑ nen.73 Das ist das Ideal, das Salustios’ Schrift dem Menschen vorschlägt und gewährt ihm auf diese Weise seinen rechtmäßigen Platz im harmoni‑ schen Ganzen von Götter – Welt – Menschheit. 3.2.2. Klassische Merkmale der griechischen Ethik Neben dieser immer noch innovativen Auffassung der Seele und ihres Wir‑ kens, verwendet Salustios ebenso die klassischeren Konzepte, insbesonde‑ re das der „Tugend“, die einen der roten Fäden seiner Schrift bildet und 69 Siehe De Anima 7 FINAMORE / DILLON, apud Stobaios, Anth. I 49, 32,78–82; zum mittleren Rang der Seele, ibid. (Appendix D in FINAMORE / DILLON), apud ps.‑Simplicios, In De Anima 240,37. 70 Resp. II 2, 52,4–11 SAFFREY / SEGONDS, wo die letzte Präzisierung τὸ δὲ εἰ χρὴ τἀληθὲς εἰπεῖν, ὥρισται μὲν ἀεὶ καθ᾽ ἕν τι die vorgeschlagene Vorstellung, dass die menschliche Seele in den engelhaften Zustand aufsteigen kann, erheblich einschränkt. 71 Siehe In Carmen Aureum 1,8 und 22,2; vgl. zusätzlich die Übersetzung von N. AU‑ JOULAT / A. LECERF, Hiéroclès d’Alexandrie. Commentaire sur les Vers d’or des Pythagoriciens (Paris 2018), Einführung 39–40. 72 Diese Heroen sind in die neuplatonischen Theorien integriert und Julian spielt gele‑ gentlich darauf an (vgl. Erste Lobrede auf Constantius 37, 46A, wo er Konstantin mit einem „guten Heros“ vergleicht). 73 Elemente der Theologie Prop. 185; 202. Einfluss von Phaidros 248c3 [Seele als Begleiterin der Götter].

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weit über seine grundsätzliche, aber ein wenig gelehrsame und von der Politeia74 inspirierte Behandlung in Kapitel 10 hinausgeht. Dies ermöglicht es ihm, dem menschlichen Wesen eine aktivere und mobilisierendere Per‑ spektive (zumindest dem Anschein nach) zu bieten als die einfache Rezep‑ tion göttlicher Einflüsse, und auch ein prestigeträchtiges und fast tausend‑ jähriges hellenisches Erbe einzufangen. Die Erhöhung der Tugend kann darüber hinaus als Überbringer einer politischen Botschaft angesehen wer‑ den, die implizit der moralischen Mittelmäßigkeit und Heuchelei entge‑ gensteht, die den christlichen Kaisern zugeschrieben wird (man denke an Konstantin, der seine vielen Verbrechen im Taufwasser abwäscht).75 Auch wenn uns die Anthropologie von Jamblich, die auf der Schwach‑ heit und Zerbrechlichkeit der Seele besteht, schwer mit dem klassischen griechischen Begriff der „Tugend“ vereinbar erscheint, der auf der Mög‑ lichkeit des Menschen beruht, seine Vorzüglichkeit zu erreichen, müssen wir davon absehen, zu glauben, dass diese Tatsache von den Neuplato‑ nikern selbst als widersprüchlich angesehen wurde: Jamblich selbst ver‑ wendet häufig diese Auffassung in seinen exoterischeren Schriften.76 Es ist auch anzumerken, dass der durch den Tugendbegriff vermittelte Elitismus nie vollständig aus dem Neuplatonismus verschwunden ist, der bereitwil‑ lig behauptet, die Philosophie der Verteidiger der Zivilisation gegenüber unwissenden Horden (Barbaren, Christen) zu sein. Nach dem klassischen griechischen ethischen Ideal ist die Tugend eng mit dem guten Leben verbunden (vgl. 14,2; 21,1)77 und sogar mit der Glückseligkeit (21,1–2) sowie mit der Herrschaft der Vernunft über das Ir‑ rationale (8,2). Sie genügt einem guten Menschen (9,8) und die Umstände haben keinen Einfluss auf die Seele, da die Seele unsterblich und körperlos ist (8,3): Dies ist das Thema der Autarkie der Tugend, das den hellenisti‑ 74 Die drei von Platon entnommenen Hauptelemente sind die Aufzählung der vier Kar‑ dinaltugenden; ihre Krönung mit der Gerechtigkeit; und das Prinzip der Analogie zwi‑ schen der Tugend der Seele und den Verfassungen. Es sei darauf hingewiesen, dass Salus‑ tios die neuplatonische Theorie der Tugenden vollständig ignoriert, wie sie insbesondere von Porphyrios, Sentenz 32 dargestellt und von Jamblich übernommen wird (apud Damas‑ kios, In Phaed. I 143). Ihre Darstellung hätte das Thema unnötig verkompliziert und zu‑ sätzlich in die Richtung des persönlichen Heils bewegt: Tatsächlich stehen die politischen Tugenden (an die Salustios vor allem denkt, wenn er von „Tugend“ spricht) in der Ge‑ samttheorie auf einer sehr niedrigen Stufe, und werden übertroffen von den reinigenden, intellektuellen und religiösen Tugenden, die notwendigerweise individuell sind. Was Sa‑ lustios jedoch über die Reinigung des ganzen Körpers (21,1) und die religiöse Vereinigung (16) sagt, ist mit den höheren Graden der neuplatonischen Tugenden völlig vereinbar. 75 Caesares 38, 336A–B. In der Reihe der Kaiser spricht Konstantin unmittelbar nach dem tugendhaften und lakonischen Mark Aurel, der seinen Kontrapunkt bildet (29–30). 76 Insbesondere Protreptikos, Briefe: siehe z.B. Prot. 41,25–42,15 und Ep. 16 An Sopatros über Tugend (= Stobaios, Anth. III 1,17; 1,49; 37,32; IV 39,23). 77 Vgl. Julian, Über die Abreise des vortrefflichen Salustius 2, 242C: ihre Freundschaft basiert auf der Tugend (τὴν σὴν συνουσίαν καὶ τῆς φιλίας μεμνημένος, ἣν ἐκ τῆς ἀρετῆς μὲν μάλιστα καὶ προηγουμένως).

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schen Schulen lieb und teuer, aber auch während der Kaiserzeit weit ver‑ breitet war. Tugend ist eine unveränderliche Eigenschaft des Menschen, da sie „überall dieselbe bleibt“ (9,6). Sie ist auch eine Notwendigkeit: Wenn die göttliche Gerechtigkeit die Schuldigen nicht sofort bestraft, geschieht dies, damit das moralische Leben einen Raum findet, sich auszudrücken (19,1). All dies macht Gemeinplätze aus, ebenso wie die Verachtung, die der tugendhafte Mensch gegenüber äußeren Umständen zu zeigen beru‑ fen ist (weil die Seele „die menschlichen Angelegenheiten als fremd ver‑ achtet“, 8,3), bis hin zum Opfer für das Gute und die Tugend (5,3). Origi‑ neller ist die Behauptung, dass wir durch die Ausübung der Tugend mit den Göttern verbunden bleiben (14,2), so wie wir gesehen haben, dass auch die Welt mit ihnen innig verbunden ist: Diese Bemerkung dient der Absicht des Buches, die Realität einheitlich zu erklären. 3.2.3. Die Qualitäten des Hörers und die Frage der natürlichen Beschaffenheit Das erste Kapitel bietet ebenfalls einen Einblick in Salustios’ Auffassung des menschlichen Ideals. Es ist inspiriert von den Prologen zu den Kom‑ mentaren der philosophischen Werke: Die Definition der erforderlichen Qualitäten des Hörers, der sich in der wahren Lehre ausbilden möchte – im Gegensatz zu denen, die vom Exegeten verlangt werden – ist in der Tat ein beliebtes Thema der Neuplatoniker,78 und das Zeugnis von Salustios erlaubt uns mit großer Wahrscheinlichkeit daraus zu schließen, dass diese Praktiken in den verlorenen Kommentaren von Porphyrios und Jamblich zu den Werken Platons und Aristoteles’ bereits formalisiert waren. Salustios begnügt sich seinerseits mit sehr kurzen Hinweisen. Der inter‑ essanteste Punkt betrifft die Bildung: wir werden uns später damit befas‑ sen. Salustios weist aber auch auf die Notwendigkeit der „natürlichen Gü‑ te“ des Zuhörers hin (moralische Güte79 und intellektuelle Fähigkeiten): Die Alternative zwischen natürlicher Veranlagung und Bildung kommt in 78 Sie kommt insbesondere in den zusammenfassenden Einleitungen der Kommentare zu den Kategorien vor (WESTERINK, Einführung zu den Prolégomènes anonymes à la philosophie de Platon [Paris 1990] XLV), siehe z.B. Philoponos, In Cat. 1,13 BUSSE: ποῖον δεῖ εἶναι τὸν ἀκροατήν; aber man findet sie auch in Proklos, Theol. Plat. I 10,11–11,7; bei In Parm. 4,926,5– 928,11 COUSIN (wo εὐφυίᾳ διαφέρειν dem τὴν φύσιν ἀγαθοὺς εἶναι καὶ ἔμφρονας Salus‑ tios 1,1 entspricht); bei Asklepios von Tralleis, In Metaph. 134,11–12 HAYDUCK: ὁποῖον δεῖ εἶναι τὸν τοιοῦτον ἀκροατήν (sc. jemand, der theoretische Philosophie studiert). Bei Al‑ kinoos, Didaskalikos 1 findet man eine Liste der geforderten Qualitäten ähnlich wie die des Salustios, aber sie bezieht sich auf den Philosophen und nicht auf den Schüler. Zur Biblio‑ graphie siehe MANSFELD 1994, insbesondere Kap. 1, „Schemata Isagogica from Origen to Stephanus“; I. HADOT / Ph. HOFFMANN, Simplicius. Commentaire sur les Catégories, Faszikel 1 (Leiden 1990) 131–137. 79 Vgl. Simpl. In Cat. 7,33 KALBFLEISCH: der Hörer muss „gut und tugendhaft sein“ (καλόν τε εἶναι καὶ σπουδαῖον).

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9,5 wieder vor. Wir haben es hier mit einer der – wiederum von Platon ge‑ erbten – Zweideutigkeiten in Salustios’ Schrift zu tun, nämlich der Span‑ nung zwischen dem angeborenen oder erworbenen Charakter der Moral. Dies setzt einerseits eine Bildung und eine gute Veranlagung voraus, was darauf hindeutet, dass manche diese Bildung und diese natürliche Veran‑ lagung nicht haben und es somit unter den Menschen verschiedene Abstu‑ fungen geben würde.80 Auf der anderen Seite werden „alle Menschen“ als fähig angesehen, sich gemeinsame Vorstellungen vom Göttlichen anzueig‑ nen, entsprechend der Öffnung der Schrift für ein nicht spezialisiertes Pu‑ blikum. Dieses Konzept der „gemeinsamen Vorstellungen“ ist selbst nicht eindeutig: Alle Menschen haben Zugang dazu, aber es ist immer noch not‑ wendig, sie „richtig zu befragen“, was bedingt, dass diese Vorstellungen als Voraussetzung eine gewisse Belesenheit erfordern, um vergegenwär‑ tigt zu werden, eine Spannung, die auch von Platon stammt (der Sklave im Menon kann die Rückerinnerung an Theoreme erreichen, aber es bedarf noch der Hilfe von Sokrates). Ebenso sprechen wir von einer natürlichen guten Seite und suggerieren damit, dass es eine schlechte gibt (vgl. auch 14,3: τὴν ἡμετέραν κακίαν); und andererseits leugnen wir, dass die Natur schlecht ist (12,5). Schließlich ist auch die vom Hörer geforderte „Ähnlich‑ keit“ mit dem Göttlichen mehrdeutig, weil sie zu‑ oder abnehmen kann.81

3.3. Die Religion des Hellenismus 3.3.1. Von der menschlichen Schwäche zur Notwendigkeit von Kult und Ritual Die Behandlung religiöser Themen in Salustios’ Schrift steht im Einklang mit der Anthropologie und ist wie diese von Jamblich inspiriert. Aus‑ gehend vom Postulat Jamblichs der menschlichen Schwäche, wie es bei‑ spielsweise durch die Beachtung ungünstiger Tage belegt wird, die durch die Unmöglichkeit gerechtfertigt werden, kontinuierlich an der Vorsehung teilzuhaben (18,2), und in der Reihenfolge des Mythos durch unseren Ab‑ stieg bei der „Nymphe“ symbolisiert wird (4,10), sieht Salustios im Kult ein Mittel, um diesen Mangel so weit wie möglich zu beheben. Auch wenn er nirgends das Wort „Theurgie“ verwendet, ist seine Theorie des Opfers der‑ jenigen Jamblichs sehr nahe – sie unterscheidet sich deswegen von der des Porphyrios82 –, und sie basiert auf denselben Prinzipien: Die Götter zeigen 80 Wir denken auch an die Verhaltensweisen, die ganzen Völkern in 9,5 zugeschrieben werden, sowie an die Erwähnung von Menschen, die „mit schlechter seelischer Verfas‑ sung“ geboren wurden (20,2; sind das moralische oder intellektuelle Einschränkungen?). 81 Vgl. unten, S. 100–104. 82 Porphyrios hatte in der Tat behauptet, dass sich die bösen Dämonen an den Dämpfen der Blutopfer erfreuten (De Abstinentia II 40,2; 42,3–43,1; Brief an Anebo fr. 62), und bevor‑ zugte das verbale Opfer des Gebets, besonders das stille (De Abstinentia II 34,2; Brief an

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unwandelbar ihre Güte (14,1: es ist daher absurd zu glauben, dass sie zor‑ nig werden, vgl. Jamblich, Antwort auf Porphyrios I 13, 32,18–24 Saffrey / Segonds), ohne sich jemals zu enthalten (5,2), aber der Mensch kann sie nicht immer empfangen und sich daran erfreuen;83 Opfer – oder auch jede andere religiöse Handlung – üben keinen Zwang auf die leidenschaftslo‑ sen Götter aus (14,1, vgl. Antwort auf Porphyrios I 14, 33,22–34,6 Saffrey / Se‑ gonds), die kein Bedürfnis haben, das durch sie befriedigt werden könnte (15,1; 3, vgl. Antwort auf Porphyrios V 10, 158,11–159,14 Saffrey / Segonds); im Gegenteil üben sie ihre Wirkung auf den Gläubigen aus und bringen ihn den Göttern in dem Sinne näher, dass sie ihm ermöglichen, von der göttlichen Güte zu profitieren (14,3) und mit den Göttern in Kontakt zu treten (15,3). Der Kult ist daher notwendigerweise eine einseitige Bezie‑ hung: Wir verdanken den Göttern alles, aber wir können ihnen in keiner Weise nützen. Eine solche Kultauffassung macht den Menschen zu einen essentiell re‑ ligiösen Wesen. Zur Quasi‑Identifikation von Tugend und Vernunft84 und zur Anerkennung rationaler theologischer Quellen (die allgemeinen Vor‑ stellungen, zu denen man jeden führen kann, indem man ihn befragt) kom‑ men die offenbarten Quellen hinzu, die in den Mythen bestehen, und im ersten Teil und in den dogmatischen Reden Kaiser Julians behandelt wer‑ den. Nach Salustios sind die Mythen das Material äußerst brillanter paga‑ ner Denker: Dichter, Philosophen und andere Vermittler (3,1). Die Dichter werden mit dem Adjektiv θεόληπτοι beschrieben: die Götter erfüllen sie demnach mit einer Eingebung. Die Mythen selbst werden symbolisch transponiert, um die Grundlage konkreter Kulte zu bilden, deren Abläufe an sich nicht rational sind, son‑ dern nur a posteriori rationalisiert werden: So inspirieren die Leiden des Attis – um nicht zu sagen die quasi‑christliche „Passion“ – das Fest der Hilaria, wo wir die Schmerzen des Gottes wieder erleben, „als wären wir selbst vom Himmel gefallen und lebten mit der Nymphe zusammen … als Anebo fr. 18). Zum Blutopfer siehe RIVES 2011, der sich jedoch auf die kritische Strömung des Blutopfers konzentriert und dessen Verteidigung bei Jamblich nur andeutet. Siehe auch den Beitrag von Nicole Belayche in diesem Band S. 142–145, bes. 143 zu Julians Vorliebe für die Opfer. 83 Vgl. Jamblich, Resp. I 18, 41,16–42,13 SAFFREY / SEGONDS; In Tim. fr. 14 DILLON (der be‑ reits die Nähe zu Salustios aufzeigte), apud Procl. In Tim. 1,145,5–24 DIEHL. Das Fragment bezweckt, die Art der Beziehungen zwischen den Göttern und ihre „Bestimmung“ darzu‑ legen (κληρώσεις, κλῆροι, λήξεις): Die Antwort lautet, dass der Gott ewig an seine Bestim‑ mung gebunden ist, aber wir nur zeitweise und mit Unterbrechungen daran teilhaben, so dass wir uns manchmal an den Hauptgöttern erfreuen und manchmal ihrer beraubt wer‑ den (ποτὲ μὲν ἀπολαύειν τῶν ἡγεμόνων, ποτὲ δὲ στέρεσθαι). Das Fragment verbindet diese Unterbrechung mit der Tatsache, dass bestimmte Tage zu Festtagen erklärt werden: vgl. die ungünstigen Tage bei Salustios (18,2). Zum Gegensatz Ewigkeit – Zeit, siehe Salus‑ tios, ibid. 84 Vgl. 8,2, oben erwähnt, S. 91.

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schnitten auch wir den weiteren Fortgang des Werdens ab“ (4,10), um die Erfahrung der Rückkehr zur Mutter zu machen. Insofern der Attis‑Mythos ein „gemischter“ Mythos ist, gehört er zu Initiationsritualen (4,6): Dies ent‑ spricht auch dem Verständnis Julians, denn die Abhandlung An die Götter‑ mutter besteht aus einem Kommentar zum heiligen Fest des Gottes, das von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten gefeiert werden soll, die so an einer symbolischen Inszenierung teilhaben, die Verstand und Sinne berührt.85 Es gibt einen echten Versuch, eine streng dogmatische pagane Religion neu zu begründen, die versucht, die religiöse Praxis auf eine so‑ wohl theologisch als auch philosophisch vollständig gerechtfertigte und akzeptierte Erzählung zu stützen. Salustios’ Schrift weist sich außerdem dreimal als Akt der Frömmigkeit aus, indem sie zu den Seelen der My‑ thenschreiber (4,11) sowie der Welt (17,10) betet und darin die Ordnungen der Götter „preist“ (6,5 ὕμνηνται).86 Eines der einzigartigsten Themen der Schrift ist die beträchtliche Bedeu‑ tung, die „Verfehlungen“ (ἁμαρτήματα) beigemessen wird. Wir müssen davon „befreit“ und von unserem Zustand als böse Menschen „geheilt“ werden (14,3). Es ist jedoch eine Sache, den Menschen angesichts der Voll‑ kommenheit der Götter als „nichtig“ zu bezeichnen und ihm das Ziel zuzu‑ weisen, der würdige Empfänger ihres Wirkens zu werden (die orthodoxe Position aller Neuplatoniker nach Jamblich, die selbst Plotin und Porphy‑ rios – Befürworter der Wesenskontinuität zwischen Menschenseelen und Göttern – nicht direkt bestreiten); aber es ist etwas ganz anderes, ihn als an sich „fehlerhaft“ und „schlecht“ zu bezeichnen.87 Es ist schwer, hier nicht einen Einfluss des Christentums in Spannung mit der oben erwähnten eher klassischen Tugenderhöhung zu erkennen.

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Zum Verhältnis zwischen Mythos und Initiation s. Julian, CHer. 11, 216B–D, vgl. RI‑ NALDI 1978, 148. Zu den „telestischen“ Mythen s. TANASEANU‑DÖBLER 2013, 141–144. 86 Die Praxis, Gebete in neuplatonische Kommentare einzufügen, findet sich häufig: TI‑ MOTIN 2017, 200–203 untersucht die Beispiele Jamblichs Resp. X 8, 217,16–23 SAFFREY / SE‑ GONDS und Julians Hymnos auf den König Helios 44, 158B–C und An die Göttermutter 20, 179D– 180C. Die Praxis ist von Platon inspiriert: Timaios 27c; Gesetze X 893b. Aber bei Jamblich, Salustios und Julian handelt es sich um abschließende und nicht eröffnende Gebete, wie bei Platon. 87 Die wahrscheinlich negativste Passage über menschliche Anmaßung bei Jamblich ist Resp. I 15, 36,5–26 SAFFREY / SEGONDS: Während sich dort zwar eine Beschreibung des Menschen findet als „Mangel an Kraft und Reinheit“ (τῇ δυνάμει καὶ καθαρότητι … ἀπολειπόμεθα), „Unvollkommenheit“ (ἀτελές) und sogar als „Nichts“ (οὐδένεια), und außerdem eingeräumt wird, dass er selbst durch das tugendhafteste menschliche Verhal‑ ten nicht einfach von Grund auf gereinigt werden kann (οὐδ᾽ ἀνθρώπινον ἦθος … ῥαδίως ἀποκαθαίρεσθαι), geht Jamblich dennoch nicht so weit, von intrinsischer Bosheit oder Schlechtigkeit zu sprechen.

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3.3.2. Göttliche Wohltaten in der Welt In Übereinstimmung mit seiner providenziellen Sichtweise stellt sich Sa‑ lustios eine Welt vor, die vollständig unter der Führung und Fürsorge der Götter steht („die alles gut geschaffen haben“, 12,1). Die Existenz von Weis‑ sagung und Heilmitteln bezeugt die Vorsehung (9,2); die Seele profitiert von der Hilfe der Götter, von „Gebeten, Opfern und Einweihungen“;88 die Götter bieten der Welt verschiedene Geschenke an (4,5), und die tra‑ ditionelle Liste der olympischen Götter wird zu einem perfekten Ensem‑ ble von vier Triaden, die sich die Zuständigkeitsbereiche aufteilen (6,3); Attis hinterlässt Zeugungskräfte (4,9). Das Individuum steht selbst unter dem Schutz eines persönlichen Dämons (Anspielung in 20,1).89 Feste und Mythen (4), Kultbilder (6,4) enthalten so viele göttliche Symbole (3,1), die uns erlauben, die bedeutenden Wahrheiten zu erahnen: Die Statuen drü‑ cken die Eigenschaften der Gottheit aus, die sie darstellen, und die Mythen werden uns von außergewöhnlichen Männern übermittelt (3,1; 6). In ähn‑ licher Weise bestätigt Julian, dass uns Statuen, Altäre und andere Symbole von unseren Vorfahren hinterlassen wurden, damit wir die Götter anbeten, während wir davon abgehalten werden, diese Objekte selbst anzubeten.90 Salustios argumentiert auch, dass die theologische Wahrheit göttlicher Na‑ tur ist, da der Zuhörer Ähnlichkeit mit den Diskursen haben muss, die er erhält (1,1), und dass diese Diskurse selbst den Göttern ähneln müssen (3,2). Eine solche Haltung, die gleichzeitig aus einer Würdigung der Vorse‑ hung und des paganen (insbesondere religiösen) Erbes besteht, in dem sie sich manifestiert, ist ein typisches Merkmal des späten Neuplatonismus und entspricht der Abgrenzung der paganen Identität vom Christentum durch die Inanspruchnahme und Sakralisierung der eigenen Kultur – viel radikaler als in der vorhergegangenen Kaiserzeit – angesichts der Entwick‑ lung einer konkurrierenden Offenbarungsreligion. Salustios lässt jedoch einige Anspielungen auf die wirkliche Schwierigkeit der paganen Situati‑ on fallen (16,2; 18), aber feststeht: Abweichenden Kulten wird keine An‑ erkennung zuteil.91 Genau genommen gab es in der Spätantike keine To‑ 88 Die vollständige Liste findet sich in 12,6: siehe auch 15,2, das eine Auflistung der uns angebotenen Hilfsmittel für den Aufstieg enthält. 89 Die Frage nach dem persönlichen Dämon war von Jamblich erläutert worden, Resp. IX 1, 201,24–204,27 SAFFREY / SEGONDS. 90 Ep. 89b, 293A–C, vgl. 296B und Salustios 4,3. Julian stützt sich auf eine Argumentation Jamblichs: der körperbezogene Kult lässt sich durch die Tatsache rechtfertigen, dass wir in Körpern leben (vgl. Jamblich, Resp. V 14–15, 162,3–164,21 SAFFREY / SEGONDS). Vgl. den Beitrag von Nicole Belayche in diesem Band S. 155. 91 Die Worte μετὰ πολλῆς τῆς ἄλλης θρησκείας (16,2) lassen tatsächlich nicht in dem Sinne interpretieren, wie Detlev Melsbach (2007) ursprünglich vorgeschlagen hatte (die Übersetzung ist im vorliegenden Band korrigiert, veranlasst durch den Hinweis von I. Tanaseanu‑Döbler in ihrer Rezension, vgl. oben Anmerkung 63 zur Übersetzung: Der Be‑

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leranz (abgesehen von Ausnahmefällen wie dem des Philosophenkönigs Chosrau I., der die athenischen Neuplatoniker nach der Schließung ihrer Schule im Jahr 529 willkommen hieß): Die seltenen Appelle in diese Rich‑ tung (Themistios, Symmachus) kommen von der Seite der Besiegten und werden nicht weiterverfolgt. Julians Anerkennung der Existenz des Gottes der jüdisch‑christlichen Tradition in Gegen die Galiläer widerspricht dieser Beobachtung nicht, da er einerseits als untergeordnete Gottheit dargestellt wird,92 und andererseits handelt es sich um ein halbes Zugeständnis an die Juden, um dem Christentum, dem vorgeworfen wird, neben dem Hellenis‑ mus auch sein jüdisches Erbe verraten zu haben, besser entgegentreten zu können.

3.4. Die Politik des Hellenismus 3.4.1. Gesellschaftliche Institutionen Die auf die Götter und die Welt fokussierte Schrift geht auf den ersten Blick kaum auf soziale und politische Fragen ein, die in Julians Werk sehr prä‑ sent sind.93 Die wichtige Passage in 12,6, die wir gerade im Zusammen‑ hang mit den Kulten erwähnt haben, listet jedoch auch einige politische Institutionen auf, die es der Seele ermöglichen, Fehlern zu entgehen: „Ge‑ setze und Staatsverfassungen, Rechtsverfahren und Strafen“,94 sowie im intellektuellen und kulturellen Bereich, „Künste, Kenntnisse und Fähig‑ keiten“.95 Salustios bekräftigt den göttlichen Ursprung all dieser Institu‑ griff θρησκεία kennzeichnet hier die je nach verehrter Gottheit unterschiedliche religiöse Praxis). 92 Er ist der „unmittelbare Schöpfer dieser Welt“, transzendiert von anderen Gottheiten, die Moses ignoriert hätte, vgl. CGal. 96C, 169,13–16 und 148B, 187,11–12 NEUMANN = fr. 18,4–6; 28,2–3 MASARACCHIA. 93 Siehe zum Beispiel Ep. 84, 429D, wo Julian drei Faktoren identifiziert, die den Erfolg des „Atheismus“ (d.h. des Christentums) erklären: „die Sorgfalt, mit der die Toten begra‑ ben werden“, „eine vorgetäuschte Frömmigkeit bei der Lebensführung“ und vor allem „ei‑ ne ausgestreckte brüderliche Hand nach Fremden“, was Julian darüber hinaus motivierte, die Einrichtung von Hospizen (ξενοδοχεῖα) zu fordern: BIDEZ / CUMONT 1922 verweisen diesbezüglich auf den Kommentar von Gregor von Nazianz, Or. 4,111 über Julians Nach‑ ahmung christlicher Institutionen der Solidarität. 94 Zu diesem letzten Thema sei daran erinnert, dass Julian es liebte, selbst Gerechtigkeit zu üben (s. Ammianus Marcellinus, Hist. XVIII 1; XXII 10; Panegyrici latini 3 (XI) [Cl. Mamer‑ tinus], 4,6 Aestates omnes in castris, hiemes in tribunalibus degit). – Zu Julians Gesetzgebung, siehe die Monographie von R. BRENDEL, Kaiser Julians Gesetzgebungswerk und Reichsverwal‑ tung. Studien zur Geschichtsforschung des Altertums 32 (Hamburg 2017), der der Ansicht ist, dass sich daraus nicht schließen lasse, dass sie eine antichristliche Ausrichtung hatte (395f.). Natürlich können wir nicht wissen, was passiert wäre, wenn Julian länger als an‑ derthalb Jahre regiert hätte. 95 „Übungen“ (μελέται und nicht ἀρεταί) nach Muccio.

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tionen,96 genauso wie er es für die Welt und die Vorsehung als Ganzes ge‑ tan hat. Auf diese Weise trägt er zur Sakralisierung der gesamten paganen Gesellschaft bei und weist jeden Wunsch,97 der Welt zu entfliehen, sofort zurück. Diese Perspektive entspricht wiederum der von Jamblich, dessen Philosophie eine deutlich politischere Ausrichtung hat als die von Plotin oder Porphyrios.98 Aber auch hier ist Salustios nicht ganz eindeutig, denn wenn Glück Tugend ist (unten, S. 104) und Glück außerdem die Verbin‑ dung des Menschen mit seiner Ursache (16,1), dann setzt dies voraus, dass Tugend nicht nur im sittlichen Leben liegt, sondern auch und vor allem im religiösen Dasein, unabhängig von irdischen Verhältnissen (die Salustios zu „verachten“ aufruft, 8,3). Politische und gesellschaftliche Institutionen helfen dem Einzelnen in seinem moralischen Leben und lehren ihn die Bedeutung des Opfers „für Vaterland, Freunde oder Tugend“ (5,3). Auch ein „richtig organisiertes Ge‑ meinwesen“ ist ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung von Tugen‑ den (10,3). Es gibt also gemäß der ganzheitlichen Auffassung des späten Neuplatonismus gesellschaftliche „Heilsfaktoren“: der Einzelne kann sich nur im Rahmen des Ganzen verwirklichen und sein Handeln mit dem des Ganzen koordinieren,99 daher das eschatologische Ideal der körperlosen Seelen, die den Plänen der Götter folgen (21,1). Es ist daher nicht verwun‑ derlich, dass Salustios ein bestimmtes Schicksal für verschiedene Städte 96 Vgl. Julian, Ep. 89a, 453B οἰόμενος χρῆναι τοὺς πατρίους ἐξ ἀρχῆς φυλάττεσθαι νόμους, οὓς ὅτι μὲν ἔδοσαν οἱ θεοί, φανερόν. 97 Besonders die Würdigung des Gesetzes ist ein griechisches Thema par excellence. Der Brief 1 von Jamblich (An Agrippa, Über das Regieren) enthält ebenfalls ein Lob auf das Gesetz (apud Stobaios, Anth. IV 5,77). Siehe auch Julian, Zweite Lobrede auf Constantius (Über das Kaisertum) 29, 89A. 98 Siehe O’MEARA 2003, Index of Passages s.v. „Iamblichus“; und Ders., „A Neoplatonic Ethics for High‑Level Officials: Sopatros’ Letter to Himerios“, in: A. SMITH (Hg.), The Phi‑ losopher and Society in Late Antiquity (Swansea 2005) 91–100, siehe auch unten Anm. 106. 99 Siehe zu dieser kollektiven Dimension Jamblich, Ep. 6 (An Dyscolius, Über das Regie‑ ren) apud Stobaios, Anth. IV 5,74: Οὐ γὰρ δὴ κεχώρισται τὸ κοινὸν συμφέρον τοῦ ἰδίου∙ πολὺ δὲ μᾶλλον ἐν τῷ ὅλῳ καὶ τὸ καθ’ ἕκαστα λυσιτελοῦν περιέχεται καὶ σῴζεται ἐν τῷ παντὶ τὸ κατὰ μέρος ἐπί τε τῶν ζῴων καὶ τῶν πόλεων καὶ τῶν ἄλλων φύσεων („denn nicht ist das allgemeine Nützliche vom individuellen getrennt; sondern vielmehr wird in dem Ganzen auch das im Detail Nützende umfasst, und in dem Gesamten wird das Partielle sowohl bei den Lebewesen als auch bei den Städten und den übrigen Wesen be‑ wahrt“, Übers. Heinz‑Günther Nesselrath) und fr. 6 In Philebum DILLON (apud Damaskios, In Phil. 227): ταῦτά τοι φησὶν ὁ θεῖος Ἰάμβλιχος, ἀδύνατον εἶναι τῶν κοινῶν τάξεων καθ’ ἕνα μεταλαβεῖν, εἰ μὴ σὺν τῷ θεσπεσίῳ χορῷ τῶν ὁμονοητικῶς ἀναγομένων. Καὶ τῇ Πολιάδι οἱ Ἀθηναῖοι ὑπὲρ μόνης τῆς πόλεως προσηύχοντο ὡς τὸ κοινὸν ἐφορώσῃ, οὐ μὴν ἰδίᾳ ὑπὲρ ἑκάστου („dies also sagt der göttliche Jamblich, dass es unmöglich sei, an den allgemeinen Ordnungen als Einzelner Anteil zu erhalten, es sei denn zusammen mit dem erhabenen Chor derjenigen, die in einträchtiger Weise nach oben geführt wer‑ den. Auch zu der [Göttin Athena] Polias beteten die Athener allein für ihre Stadt, weil sie über die Gemeinschaft wachte, nicht aber privat für ein jedes Individuum“, Übers. Heinz‑ Günther Nesselrath).

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annimmt (9,7), die bei Jamblich eine Parallele findet mit der Idee, dass Städ‑ te und Völker100 mit göttlichen Gütern beschenkt oder dass Verfehlungen durch die Gemeinde abgegolten werden können.101 3.4.2. Die Staatsverfassungen Politik im engeren Sinne ist Gegenstand von Kapitel 11, mit einer von der Politeia inspirierten Abhandlung (Analogie von Seelenteilen und Verfas‑ sungen).102 Das hervorstechendste Merkmal dieses kurzen Kapitels ist die dem König zugeschriebene Überlegenheit, die als Analogon der Vernunft betrachtet wird, während der Tyrann der Unvernunft angehört (11,2).103 Das Königtum unterscheidet sich von der Aristokratie durch einen mon‑ archischen Charakter,104 was eine Analogie zwischen dem König und der ersten Ursache nahelegt, die eine einzige sein muss (5,2):105 aber diese Ver‑ bindung wird nicht explizit bejaht. Laut Salustios ist der König „der Beste von allen“, und laut Julian muss er sich durch Bildung und Tugend aus‑ zeichnen.106 Dies bringt einen, wenn auch diskreten, Rückhalt für das von Julian gewünschte einheitliche imperiale System. Was meint Salustios mit seinem Vorwurf, Könige als Götter zu vereh‑ ren (18,3)? Vorstellbar ist, dass er auf die Etikette des christlichen Kaiser‑ 100

Resp. V 10, 157,26–158,2 SAFFREY / SEGONDS. Resp. IV 5, 141,1–9 SAFFREY / SEGONDS. 102 Diese Analogie findet sich auch in 34. Kapitel des Didaskalikos, das Alkinoos der Politik nach Platon widmet, aber der Rest der Abhandlung ist deutlich anders und folgt genau Politeia VIII. 103 Vgl. Platon, Politikos 302e: Während die Monarchie die beste Staatsform ist, ist die Ty‑ rannei umgekehrt die schlechteste (weil in diesen beiden Staatsformen die Macht maximal konzentriert ist). 104 Eine gut etablierte Tradition von Homer (Il. II 204f. οὐκ ἀγαθὸν πολυκοιρανίη· εἷς κοίρανος ἔστω, / εἷς βασιλεύς, „Nichts Gutes ist Vielherrschaft: einer soll Herr sein / Einer König“ Übers. Schadewaldt) bis zu den pythagoräischen Schriften Über das Königtum (zu diesen siehe nun das von Dominique LENFANT herausgegebene Dossier in Ktèma 45 [2020]), die außerdem von Stobaios aufgegriffen wird, einem Autor kurz nach Julian und Salustios, und wie sie ein guter Kenner der Werke Jamblichs. 105 Es sei an die Meilensteine zu Ehren von Julian erinnert mit den Inschriften εἷς θεός, εἷς Ἰουλιανός und νικᾶν ἐγεννήθης (vgl. J.‑Ch. und J. BALTY, „Julien et Apamée: Aspects de la restauration de l’hellénisme et de la politique antichrétienne de l’empereur“, Dialogues d’histoire ancienne 1 [1974] [267–304] 274 und S. AGUSTA‑BOULAROT / J. SEIGNE, „Milliaires anciens et nouveaux de Gerasa“, Mélanges de l’École française de Rome. Antiquité 110.1 [1998] [261–295] 274 und Anm. 33). 106 Julian, Erste Lobrede auf Constantius 10, 14B–D; Zweite Lobrede auf Constantius (Über das Königtum) 26, 83C–84A. Das hohle Porträt des guten Prinzen, das dabei entsteht, ist kaum originell: Man vergleiche die zeitgleich zu Salustios entstandenen Schriften, die der Gattung des „Fürstenspiegel“ angehören und aus der Tradition Jamblichs stammen (D. J. O’MEARA / J. SCHAMP [Hg.], Miroirs de prince dans l’Empire romain au IVe siècle. Vestigia 33 [Paris / Fribourg 2006]), sowie das Porträt des guten Politikers im Kommentar zu Hermo‑ genes von Sopatros, einem wohl neuplatonischen Rhetoriker, dem O’MEARA 2003 seinen Appendix II (209–211) widmet. 101

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hofs abzielt, ein Erbe älterer Praktiken und insbesondere der von Dio‑ kletian eingeführten Anbetung.107 So schreibt die Epitome de Caesaribus, eine pagane historische Quelle, Konstantin das ununterbrochene Tragen des Diadems zu.108 Die Statue von Konstantin, die auf einer Porphyrsäu‑ le in Konstantinopel errichtet wurde, ist ebenfalls der Ikonographie von Apollon‑Helios entlehnt.109 Wenn Salustios tatsächlich darauf abzielt – al‑ lerdings kann eine Anspielung auf ältere Praktiken nicht ausgeschlossen werden, beginnend mit der Apotheose der paganen römischen Kaiser und den Praktiken der hellenistischen Herrscher –, müssen wir die Haltung Ju‑ lians vergleichend hinzuziehen, der behauptete, ein Diener des römischen Staates zu sein,110 und den Mamertinus dafür lobt, ein hart arbeitender Kaiser zu sein, der sich den machthungrigen Ambitionen widersetzt.111 Julian selbst liebt Offenheit und Einfachheit; er versichert, dass er nicht der Herr seiner Untertanen ist, und wirft ihnen vor, ihn statt der Götter zu verehren und ihm zu schmeicheln;112 er nimmt für sich in Anspruch, nicht anstelle der Götter im Tempel geehrt zu werden.113 Dass die tatsächliche Machtpraxis Julians mehr in Kontinuität mit der der konstantinischen Dy‑ nastie steht, als er zugeben will, betrifft uns hier nicht, da wir es mit einem Propagandadokument zu tun haben. Auf der anderen Seite, obwohl Julian behauptete, „Hohepriester“ zu sein,114 das heißt pontifex maximus – ein Titel, der ihm aufgrund seines Sta‑ tus als Kaiser zukam und erst von Gratian abgelegt werden wird –, gibt es keinen Hinweis in Salustios’ Schrift auf die religiöse Rolle des Kaisers noch einer ihm unterstellten paganen Kirche.115

4. Hauptkonzepte Zum Abschluss des Beitrags, der den Hauptkonzepten und Thesen gewid‑ met ist, mit denen der Autor der Schrift seine Sichtweise der Welt zum 107 Vgl. Aurelius Victor, Liber de Caesaribus XXXIX 4. Zum Thema siehe E.‑Ch. BABUT, „L’adoration des empereurs et les origines de la persécution de Dioclétien“, Revue histo‑ rique 123.2 (1916) 225–252. 108 Epitome de Caesaribus XLI 14. 109 Vgl. G. FOWDEN, „Constantine’s Porphyry Column: The Earliest Literary Allusion“, Journal of Roman Studies 81 (1991) [119–131] 125–131; ATHANASSIADI 1981, 179. 110 Siehe die beiden Erscheinungsweisen des Genius populi Romani (Ammianus XX 5,10; XXV 2,3); vgl. auch Aurelius Victor, Liber de Caesaribus XXXIII 30. 111 Panegyrici latini 3 (XI) 13,3. 112 Misopogon 11, 345A–B. 113 Julian, Ep. 176 BIDEZ (Ref. bei Nicole Belayche in diesem Band, S. 162 Anm. 129). 114 Ep. 89b, 298D; Misopogon 34, 362B. 115 Zur Sackgasse, die die Hypothese zu sein scheint, dass die Schrift an angehende Pries‑ ter gerichtet sei, siehe oben S. 72–73. Zur Abwesenheit von Priestern, Nicole Belayche in diesem Band S. 139–140 Anm. 3.

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Ausdruck bringt, konzentrieren wir uns auf drei von ihnen, die sich wie‑ derholen und auf mehreren Ebenen aktiv sind.

4.1. Ähnlichkeit, Nachahmung 4.1.1. Allgemeine Hinweise Der erste dieser Begriffe ist der der „Nachahmung“, definiert als der Er‑ werb einer Ähnlichkeit: „Jede Eignung aber entsteht durch Nachahmung und Ähnlichkeit“ (15,2). Um das Ausmaß seiner Verwendung in der Schrift zu zeigen, kann es nützlich sein, die Vorkommen in einer Tabelle zu sam‑ meln: Referenz Nachahmende Wirklichkeit

Nachgeahmte Wirklichkeit

1,1

Zuhörer

theologische Diskurse eine gute und reflektierende Natur

3,2

Wesen im Allgemeinen theologische Diskurse Götter; Güte der (Mythen) Götter

3,2–3

3,3

Mythen

4,10

der Attis‑Mythos („gemischt“) Menschen

4,10 7,3

Welt (Aktivität der Götter) Welt Welt Intellekt

10,1 10,1 10,1 14,2 15,2 15,2 15,2

Körper in der Welt (Himmelssphären) Körper in der Welt (Elemente) König Soldaten Völker Menschen Tempel Altäre Statuen

15,2 15,2 15,2 15,2

Gebete Symbole Pflanzen und Steine Opfertiere

das Intelligible unsagbare Kräfte Materie irrationales Leben in uns

7,3

Seele Vernunft Herz / Eifer Appetit / Begehren Götter Himmel Erde Leben

Nachahmung durch …

Sagbares und Unsagbares, Sichtbares und Unsichtbares, Manifestes und Verborgenes (Manifestes und Verborgenes) (Umstände der Mythen) (Abfolge des Rituals der Hilaria) Kreisbewegung geradlinige Bewegung

Güte – Tugend

die Statuen sind Abbilder von Lebewesen

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Anhand dieses Befunds lassen sich folgende Bemerkungen machen: – Imitationsbeziehungen betreffen Wirklichkeiten aller Art: Menschen; Kultelemente; physische Körper; Mythen und allgemein „alle Wesen“.116 – Die nachgeahmten Wirklichkeiten hingegen sind ihrem Wesen nach immateriell oder stellen auf die eine oder andere Weise Prinzipien dar (so beziehen sich Pflanzen und Steine auf Materie als Substrat der Welt). Be‑ sonders hervorzuheben ist, dass alle Elemente der Hierarchie Götter – In‑ tellekt – Seele – Welt vertreten sind; aber insofern die Welt als Wirken der Götter definiert ist (3,3) und auch Intellekt und Seele von ihnen verursacht werden (6,1), so endet die Kette der Ähnlichkeit doch mit letzteren. Men‑ schen sind nur Nachahmer: Salustios spricht nie ausdrücklich von Nach‑ ahmung des Königs, Weiser oder tugendhafter Männer, auch wenn wir aus dieser Beobachtung ex silentio keine besonderen Schlüsse ziehen können. – Zwei Ebenen erscheinen in einer Zwischenposition: theologische Dis‑ kurse und Mythen, die von den Zuhörern nachgeahmt werden und die Welt nachahmen; die Welt, nachgeahmt von Mythen und Menschen, ahmt Intellekt und Seele nach durch die Körper, die in ihr sind. Die Gegenüber‑ stellung dieser beiden Ebenen ist umso stichhaltiger, als die Nachahmung der Welt durch Mythen kein absolut eindeutiges Verhältnis ist, weil Salus‑ tios hinzufügt, dass die Welt selbst gewissermaßen ein Mythos ist (3,3). – Was die Menschen betrifft, erfolgt die Nachahmung durch intellektu‑ elle und moralische Qualitäten. Was die Prinzipien betrifft, geschieht dies durch eine symbolische Sprache: mythische Erzählung; Elemente des Ri‑ tuals; die Dialektik von Verhüllen und Enthüllen; Entsprechung zwischen körperlichen Bewegungen und intelligiblen „Bewegungen“.117 Aus diesen Bemerkungen lässt sich der Schluss ziehen, dass die Beziehun‑ gen der Nachahmung in der gesamten Wirklichkeit verbreitet sind, und genauer gesagt, dass sie dazu dienen, die Hierarchie zu vereinen, die sie durchzieht. Dies ist verständlich, wenn wir es vor dem Hintergrund dreier Lehrmeinungen betrachten, die den Neuplatonikern am Herzen lagen und die, obwohl sie in der Schrift höchstens angedeutet werden, Licht auf die Probleme werfen: das Ideal der „Vergöttlichung“ des Menschen, das sich aus dem platonischen Ausdruck ὁμοίωσις θεῷ ergibt;118 die Dynamik des „Verlangens“ (ἔφεσις), die die Realität durchzieht und sie durch die Ket‑ te der Vermittler auf natürliche Weise auf das Erste Prinzip ausrichtet;119 116 Es ist schwer zu präzisieren, was Salustios in diese Kategorie einbezieht und insbe‑ sondere zu ermitteln, ob die Götter andere Götter imitieren (vor allem das Erste Prinzip). Dies scheint möglich, insbesondere wegen der Behauptung, dass einige Götter in anderen eingeschlossen sind (6,4). 117 Die Überlegenheit der Kreisbewegung über die geradlinige Bewegung und ihre Ver‑ bindung mit dem Intellekt stammt aus der klassischen Philosophie, insbesondere aus dem Timaios. 118 Theaitetos 176b1.

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und die Essentialisierung des Begriffspaares Ähnlichkeit – Unähnlichkeit in Form der platonischen Prinzipien des Gleichen und des Anderen.120 Der Begriff der Nachahmung und die Verwendung der Welt als Bezugspunkt können auch mit der Analogie zwischen der Welt und literarischen Texten in Verbindung gebracht werden, ein häufiges Thema in neuplatonischen Texten.121 Da die Nachahmung außerdem mit einer niedrigeren oder höchstens mittleren Position des Menschen auf der Skala der Wesen einhergeht, kön‑ nen wir davon ausgehen, dass sie auch mit dem Begriff der „Rezeptivi‑ tät“ einhergeht.122 Der „normale“ Zustand des Menschen besteht in der Schwäche,123 und für den göttlichen Einfluss empfänglich zu werden – al‑ so handlungsfähig zu werden und ein gutes Leben zu führen – impliziert einen Prozess der Nachahmung, ja die Identifikation mit diesen Schritten. 4.1.2. Die Bedeutung für das Kultverständnis Schließlich ist der Begriff der Ähnlichkeit von besonderer Bedeutung für die Theorie der Kultpraxis. Beim Ansprechen dieser Frage bringt Salustios die folgende universelle Aussage vor: „Jede Eignung aber entsteht durch Nachahmung und Ähnlichkeit“ (15,2). Die bei dieser Gelegenheit vorge‑ schlagene Symbolik trägt zu dem von Julian und Salustios gewünschten religiösen Reiz bei. Ja, alle Elemente treten in Korrespondenz mit der Ord‑ nung der Welt und darüber hinaus mit den metaphysischen Mächten: dem Intellekt, dem Leben,124 dem Unaussprechlichen. Es gibt hier einen kur‑ 119 Vgl. 14,4 und das angeborene „Verlangen“ nach dem Guten. Der Ursprung dieser Leh‑ re ist die Definition von Gott durch Aristoteles als „Objekt des Verlangens“, ὀρεκτόν (Me‑ taphysik Λ, 7 1072a20–b4). 120 Siehe insbesondere Sophistes 254e–255e. Vgl. die Kapitel 3,2; 14,2, die von „Ähnlich‑ keit“ und „Verschiedenheit“ abstrakt sprechen, als wären sie metaphysische Kräfte. 121 Vgl. J. A. COULTER, The Literary Microcosm: Theories of Interpretation of the Later Neopla‑ tonists. Columbia Studies in the Classical Tradition 2 (Leiden 1976). 122 Im Griechischen ἐπιτηδειότης: 15,2. Zu diesem wichtigen und zu wenig untersuch‑ ten Begriff des Neuplatonismus siehe G. AUBRY, „Capacité et convenance. La notion d’epitêdeiotês dans la théorie porphyrienne de l’embryon“, in: L. BRISSON / M.‑H. CONGOUR‑ DEAU / J.‑L. SOLÈRE (Hg.), L’embryon. Formation et animation (Paris 2008) 139–155. 123 Vgl. oben S. 88. 124 Seit Plotin, der aus dem Sophistes eine Triade „Sein, Leben, Denken“ ableitet (siehe P. HADOT, „Être, vie, pensée chez Plotin et avant Plotin“, in: Les sources de Plotin. Entre‑ tiens sur l’Antiquité classique V [Vandœuvres‑Genève 1960] 157–197), wird der Begriff „Leben“ im Neuplatonismus immer wieder hypostasiert. Es liegt nahe, das Auftreten in 15,2 im Zusammenhang mit dieser Verwendung zu verstehen: Die Götterstatuen, Abbil‑ der von Lebewesen, stehen in Bezug auf das absolute Leben der Götter. Das von Salustios erwähnte „Intelligible“ entspräche dann dem Denken und die „Materie“ dem Sein, wenn wir uns daran erinnern, dass Plotin bereits die Triade Sein – Leben – Denken der Skala der wahrnehmungsfähigen Wesen entsprechend eingerichtet hatte, von denen „einige nur am Sein teilzuhaben scheinen, andere am Leben, andere verfügen über Wahrnehmung, wie‑

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zen, aber bemerkenswerten Versuch, eine pagane philosophische Liturgie zu skizzieren: Die Angemessenheit zwischen Opfergabe und Göttlichkeit greift ein altes Prinzip auf.125 Der entscheidende Punkt ist, dass diese Theo‑ rie, indem sie den Ähnlichkeitsbegriff zugrunde legt, gleichzeitig die Ma‑ terialität neu bewertet und sich damit weigert, die religio mentis allein als gültig anzusehen, wie es Plotin tat, der sich nicht für den Vorschlag von Amelios, den Opfern beizuwohnen, erwärmen konnte.126 Porphyrios, Kritiker blutiger Opfer und Förderer des stillen Gebets, folgte Plotin im Wesentlichen, aber er hatte auch eine Abhandlung Über die Statuen geschrieben, von der Stobaios eine ganze Reihe von Fragmenten überliefert, in denen der Tyrer eine allegorische Interpretation der Kult‑ statuen entwickelt. Dies ist ein wichtiger Präzedenzfall für die Idee in 6,4, dass die Eigenschaften der Götter von ihren Statuen umfasst werden:127 Jamblich spielte sicherlich auch eine Rolle.128 Dass bestimmte konkrete Elemente wie Statuen und Kulträume, aber auch Opfergaben129 bestimm‑ ten Gottheiten entsprechen – und dass umgekehrt verschiedene Gottheiten verschiedenen Gaben entsprechen (4,5) – erinnert stark an die Theorie der

der andere haben Vernunft“ (τὰ μὲν τοῦ εἶναι μετέχειν δοκεῖ μόνον, τὰ δὲ τοῦ ζῆν, τὰ δὲ μᾶλλον ἐν τῷ αἰσθάνεσθαι, τὰ δὲ ἤδη λόγον ἔχει, Enn. III 2[47]3,36–38). 125 Siehe Nicole Belayche in diesem Band S. 141. 126 Porphyrios, Vita Plotini 10,33–36. Siehe auch zu Porphyrios selbst den oben gegebenen Verweis Anm. 82. 127 Vergleiche insbesondere fr. 352,11–17 SMITH (apud Eusebius, Praep. ev. III 7,3), das er‑ klärt, dass die Götter in unterschiedlichen Formen, Altersgruppen, Positionen und Klei‑ dern dargestellt werden, um ihre Unterschiede zu manifestieren. Dass Julian und mit ihm Salustios diese Abhandlung von Porphyrios tatsächlich kannten, lässt sich aus zwei Tatsa‑ chen ableiten: der Wiederaufnahme eines exegetischen Elements, der Filzmütze von Attis, Symbol des Himmels (Julian, An die Göttermutter 5, 165B; Salustios 4,7 und 8; vgl. Porphy‑ rios, Über die Statuen fr. 359,14–15 SMITH = Eusebios, Praep. ev. III 11,3); der Bezug auf phi‑ losophische Erörterungen von Porphyrios zum Attis‑Mythos (An die Göttermutter 3, 161C = Porphyrios, fr. 476 SMITH), von denen Julian sagt, sie „nicht gelesen zu haben“ (οὐ γὰρ ἐνέτυχον), was wir eher als Verlegenheit Julians interpretieren würden angesichts der Aus‑ legung mit Relevanz für die physische Allegorie, deren völlig andere Ausrichtung er sehr gut kannte. Porphyrios erwähnt Attis noch an anderen Stellen in seiner Abhandlung (fr. 358 und 358a, apud Eusebios, Praep. ev. III 11,12 und 15; Augustinus, De civitate Dei VII 25). 128 Das ist der Gedanke von Nock in seiner Ausgabe (1926, lviii) auf der Basis eines Ver‑ gleichs mit Macrobius. Die Symbolik der bewaffneten Athene, die von Salustios in 6,4 evo‑ ziert wird, wird von Jamblich in fr. 17 DILLON des Kommentars zum Timaios beschrieben, das ggf. mit B. DALSGAARD LARSEN ergänzt werden soll (Jamblique de Chalcis, exégète et phi‑ losophe [Aarhus 1972] fr. 212, apud Proclus, In Tim. 1,156,31–157,23 DIEHL). Jamblich hatte auch eine Abhandlung über die Statuen geschrieben, in der er von ihrer Macht sprach, aber das einzige Zeugnis (Photius, Bibliothèque codex 215) enthält keine Allegorie: Dass Jamblich sie behandelt hat, ist daher nur Vermutung. 129 4,3: „Zu behaupten, dass diese Phänomene, ebenso wie Pflanzen, Steine und Tiere Göttern zugeordnet sind, zeichnet vernünftige Menschen aus“; 16,2: „sondern jedem Gott das Gebührende“.

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„Ketten“ (σειραί),130 die nach den Vorstellungen der Neuplatoniker die Grundlage der Theurgie bildet, auch wenn zugegebenermaßen weder das Wort „Theurgie“ noch „Kette“ in Salustios’ Schrift erscheinen (wahrschein‑ lich aus Gründen der Popularisierung). Salustios hatte Zugang zu dieser Theorie im Gefolge von Julian, der ihm die Passagen aus Jamblich zeigen konnte, wo das „Schicksal“ oder „zugeteilte Los“ (λήξεις) erwähnt wer‑ den, über das die Götter ihre Vormundschaft ausüben;131 Julian seinerseits spricht von „Ethnarch“‑Göttern, das heißt, sie beaufsichtigen jedes einzel‑ ne Volk.132 Diese Theorie der Ketten kann als Anpassung der platonischen Partizipationstheorie an religiöse Themen betrachtet werden.

4.2. Vermittlung, Kontakt, Vereinigung 4.2.1. Von der Ähnlichkeit zur Vermittlung Aus diesen Überlegungen lässt sich erkennen, dass der Begriff der Nachah‑ mung nach dem der Vermittlung verlangt, der ihn vervollständigt. Da die Entfernung zwischen uns und dem ersten Gott groß ist (13,5), kann Nach‑ ahmung tatsächlich Prinzipien und Ziele nicht unmittelbar verbinden: Sa‑ lustios stellt dies als universelles Gesetz fest: „Alles nämlich, was äußerst weit voneinander getrennt ist, hat vieles zwischen sich.“ Diese Notwen‑ digkeit mehrerer Vermittler ist ein Lehrsatz Jamblichs.133 Wir haben gera‑ de von der Welt und dem Mythos als Vermittler gesprochen: Wir verei‑ nen uns mit der Welt und mit den Göttern, indem wir den Initiationsritus der Hilaria vollziehen (4,6, vgl. 10); was die Mythen betrifft, so stellen sie durch ihre Ähnlichkeit mit dem Göttlichen das Göttliche günstig für uns bereit (3,2). Aber es sind die Opfer und die Gebete, die Salustios als Vorlage nimmt, wenn er seine Theorie des „Kontakts“ (συναφή) und der „Vermitt‑ lung“ (μεσότης) in Kapitel 16 entwickelt: – Für eine gegebene Wirklichkeit besteht das Glück in ihrer Vollkom‑ menheit, aber diese Vollkommenheit besteht im Kontakt mit ihrer Ursache; 130 Diese Theorie, nach der alle Wesen, unabhängig von ihrer ontologischen Ebene, an Schutzgottheiten gebunden sind, stammt aus drei Hauptquellen: Platon, Ion 533d–534e, wo die Idee der Poesie als göttliche Inspiration des Dichters entwickelt wird, die an einer Muse wie an einem Magneten befestigt ist; Phaidros 246e–247a, das sich den zwölf olympischen Göttern anschließende Gefolge; Hom. Il. VIII 18–22, Zeus fordert die anderen Götter auf, ihn an einer „goldenen Kette“ aus dem Himmel zu ziehen (σειρὴ χρυσείη). 131 Resp. I 9, 23,10–25,17 SAFFREY / SEGONDS und In Tim. fr. 14 DILLON, oben zitiert, Anm. 83. 132 CGal. fr. 21,8–10; 26,2–5 (wo eine „Kette“ Ethnarch‑Gott – Engel – Dämon – Seelen‑ klasse vorliegt); 28,5–6 MASARACCHIA (= 179,10–11; 185,10–13; 187,14–15 NEUMANN, apud Kyrill von Alexandria, Gegen Julian 115D; 143A; 148B). 133 Siehe z.B. Resp. I 5, 12,3–13,19 SAFFREY / SEGONDS (Dämonen und Helden, die zwischen den beiden äußeren Gliedern höherer Wesen liegen: Götter und Seelen). Vgl. CLARKE 1998, 333. Im Gegensatz dazu sagt Plotin: οὐδὲ πολλὰ τὰ μεταξύ (V 1[10]3,4).

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– Menschen haben ein bestimmtes Leben, während die Götter das erste Leben haben; da diese beiden Leben weit voneinander entfernt sind, benö‑ tigen die Menschen Vermittlung (Wiederholung des universellen Gesetzes aus 13,5); – diese Vermittlung muss den verwandten Gliedern ähnlich sein: Da es um Leben geht, muss die Vermittlung auch ein Leben sein, in diesem Fall das der geopferten Tiere.134 Diese Argumentation ist eine der technischsten in der Schrift, weil sie – ex‑ plizit oder nicht – den gesamten neuplatonischen Apparat mobilisiert. Ers‑ tens ist der Begriff der „Vollkommenheit“ (τελειότης) ein aristotelisches Erbe, das insbesondere aus der Auslegung der Beziehung zwischen den beiden Begriffen für den Geist, das Wirkende und das Leidende, in De Anima III 5, 430a14–17 stammt: Aristoteles bestätigt, dass der wirkende Geist dem Licht ähnlich ist, das Farben potenziell zu Farben mit Wirkkraft macht, was im Neuplatonismus als „Vervollkommnung“ (τελείωσις) des leidenden Geistes durch den wirkenden interpretiert wird. Salustios hatte in 4,8135 auf dieselbe Idee angespielt und erklärt, dass die ersten Wirklich‑ keiten die zweiten Wirklichkeiten vervollkommnen, und besonders in 8,1, wo der Geist der Seele Vollkommenheit verleiht; vielleicht auch in 10,2, wo die Tugenden ohne Vernunft „unvollkommen“ (ἀτελεῖς) genannt werden, und in 20,3, wo die Welt vollkommen ist, weil sie von etwas Vollkomme‑ nem aus entstanden ist.136 Das Konzept des „ersten Lebens“ hingegen resultiert aus der Verbin‑ dung zweier unterschiedlicher Strömungen: dem Glauben an die Tatsache, dass die Götter leben;137 und die Unterscheidung zwischen absoluter oder „primärer“ Prädikation und der als „sekundär“ bezeichneten Prädikati‑ on, die wir in 6,4 (mit Naudés Korrektur, πρώτως für πρώτους) und 18,1 finden. Ihr gleichzeitiges Vorkommen bei Salustios und Proklos138 erlaubt uns, auf eine gemeinsame Quelle zu schließen, die zweifellos Jamblich ist. 134 Überhaupt muss bedacht werden, dass „Tier“ im Griechischen wörtlich „lebend“ be‑ deutet (ζῷον). 135 Vgl. oben, S. 86. 136 Der Singular ἐκ τελείου, an dem sich Muccio hier störte, könnte gerade durch den Einfluss des Modells gerechtfertigt sein, bei dem ein Geist (wirkend) einen anderen Geist (leidend) vervollkommnet. 137 Eine der Hauptquellen dieses Lehrsatzes ist Aristoteles, Metaphysik Λ, 7, 1072b26–30, der Gott das vollkommene und ewige Leben zuschreibt (und dieses Leben sogar mit Gott identifiziert); im Neuplatonismus war es Plotin, der die Lehre vom Intellekt als „Leben“ entwickelte und dort die Triade „Sein, Leben, Denken“ aufstellte (oben, Anm. 124). Siehe auch Eth. Nic.X, 1178b26: die Götter sind ein βίος μακάριος (der nicht wie bei Endymion im Schlaf besteht, sondern in Aktivität). 138 Z.B. Elemente der Theologie Prop. 18: Πᾶν τὸ τῷ εἶναι χορηγοῦν ἄλλοις αὐτὸ πρώτως ἐστὶ τοῦτο, οὗ μεταδίδωσι τοῖς χορηγουμένοις, „Alles, was andere mit dem Sein aus‑ stattet, ist selbst dasjenige zuerst, was es den Ausgestatteten mitteilt“ (Übers. Onnasch / Schomakers).

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Schließlich hat die Idee, dass eine Vermittlung den zugehörigen Glie‑ dern ähnlich sein muss – worin wir die Verbindung zwischen dem Begriff der „Vermittlung“ und dem der zuvor behandelten „Ähnlichkeit“ sehen – klassische Quellen, insbesondere in der Elemententheorie (der Timaios nennt Wasser und Luft ausdrücklich „Vermittler“, und Aristoteles ordnet die Elemente in einem Quadrat an, wobei jedes Element, das durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet ist, jede dieser Eigenschaften mit einem an‑ deren der Elemente gemeinsam hat). Zur Zeit von Salustios hatte diese Idee eine technische Formulierung in Form des „Gesetzes der mittleren Glieder“ erhalten, auch wenn anzumerken ist, dass die von Proklos vorge‑ brachte Formulierung (zwischen einer Wirklichkeit A und einer Wirklich‑ keit B wird ein dazwischen liegendes AB eingeschoben, das beide Enden verbindet) etwas anders und komplexer ist als das, was bei Salustios zu finden ist.139 4.2.2. Von der Vermittlung zur Vereinigung Das Bedürfnis nach Vermittlung ist universell: Es findet sich auch bei den göttlichen Ordnungen, die selbst erste, mittlere und letzte Glieder haben (6,2)140 – und wir erinnern daran, dass Helios nach Julian die absolute μεσότης ist.141 Diese Universalität steht im Zusammenhang mit dem Ziel der Verbindung und Vereinigung, da sich der Gott Attis nach der Verei‑ nigung mit der Nymphe (4,7; vgl. 4,10) wieder mit den Göttern verbindet (4,8),142 und damit dem Menschen ein Beispiel bietet, dem er folgen kann, denn es ist die συναφή mit der Ursache, in der, wie gesagt, die Vollkom‑ menheit besteht (16,1, nach einer Ankündigung dieses Themas in 15,3). Kapitel 16 stellt Opfer und Gebete als Mittel dar, um den Kontakt mit den Göttern zu vollziehen, der auch durch Tugend erreichbar ist,143 gemäß der eschatologischen Perspektive, die am Ende des Werkes eröffnet wird (21,1; 139 Elemente der Theologie Prop. 28; 132. Siehe jetzt A. LECERF / D. P. TAORMINA, „Jamblique et la théologie scientifique“, wird erscheinen in: O. BOULNOIS u.a. (Hg.), La Naissance de la théologie comme science (Paris) (Kapitel: „La loi des termes moyens“). 140 Andererseits, so scheint es, soll die Seele aus einer Zwischenessenz entstehen (18,1): sicherlich im Sinne des Timaios, wo die Seele aus dem Gleichen und dem Anderen besteht. Wichtig ist, dass es sich nicht um ein „erstes Wesen“ handelt (12,5). 141 Hymnos auf den König Helios 13, 138C–14, 139A. 142 Jamblich sprach von der συναφή der sichtbaren Götter mit den unsichtbaren (Resp. I 19, 46,1–2 SAFFREY / SEGONDS). Vgl. Salustios 6,4. 143 Vgl. Jamblich, Resp. I 15, 37,6–11 SAFFREY / SEGONDS: „Und wenn eine solche Verwandt‑ schaft oder Ähnlichkeit (zwischen etwas Materiellem und dem Göttlichen) überhaupt ein‑ mal vorhanden ist, mag sie nun enger oder weiter sein, dann genügt sie auch schon für die Vereinigung (des Opfers und auch des Opfernden) mit den Göttern …, von der ich jetzt spreche; denn es gibt nichts, was auch nur ein wenig zu den Göttern in Beziehung steht, mit dem sie sich nicht sogleich verbinden würden … “ V 26, 177,3–5: „Ich erkläre also, daß die erste Gattung des Gebetes zusammenführend ist und dem Anschluß an das Göttliche

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vgl. 14,2). Wir sehen auf diese Weise, dass Salustios den Anspruch erhebt, eine Art Gleichgewicht zwischen religiösem Leben und ethischem Leben aufrechtzuerhalten. „Kontakt“ (συναφή) ist ein Terminus technicus bei Jamblich, dessen Bedeutung dem eines anderen Schlüsselbegriffs, „Vereinigung“ (ἕνωσις), nahe kommt.144 So behauptet Jamblich an einer Stelle in der Antwort auf Porphyrius, dass man beim Kontakt mit den Göttern streng genommen nicht von einem Wissen sprechen könne, da der Abstand aufgrund des Andersseins unbekannt ist, sondern dass es sich um eine gleichförmige Verflechtung handele.145 Mit anderen Worten, der Vermittler verschwin‑ det dann.146 Auch Jamblich spricht von der „Hinwendung“ (ἐπιστροφή) des Untergeordneten als Ergebnis eines Kontaktes: Salustios spricht sei‑ nerseits von Hinwendung im Zusammenhang mit dem Gott Kronos (4,1), dann allgemeiner von „Hinwendung zum Göttlichen“ (14,3). Ein letzter Berührungspunkt besteht in der Möglichkeit einer συναφή der höheren Wesenheiten mit den niederen,147 so wie sich bei Salustios Attis mit der Nymphe vereinigt (4,7) und die Bösen durch ihre Fehler mit den strafen‑ den Dämonen verbunden sind (14,2). 4.2.3. Eine vielschichtige Welt (Hierarchie) Wir haben uns bereits etwas früher148 mit der Hierarchie der Wesen in ih‑ rem vertikalen Aspekt befasst. Die Synergie zwischen den verschiedenen Klassen göttlicher Wesen, die in der Konstitution der Welt beobachtet wird (7,5), legt nahe, dass der Begriff der Einheit nicht nur das Verhältnis zwi‑ schen dieser und jener Wirklichkeit bezeichnet, sondern die ganze Ord‑ nung als solche. Die Einheit ist jedoch maximal auf der Ebene der Götter, die „Gemeinschaft untereinander“ haben (4,5) und nicht „untereinander getrennt“ sind (2,2). Es handelt sich um eine Abwandlung der neuplatonischen Vorstellung der göttlichen Welt als gleichzeitige Totalität, die ihren Ursprung bei Plo‑ tin findet (Vereinigung des Denkens und des Gedankens im Intellekt und aller Theoreme in einer einzigen Einheit,149 eine These, die auch Salustios und seiner Erkenntnis vorangeht“ (Übers. Hopfner). Zur Gebetslehre bei Jamblich siehe TIMOTIN 2017, 169–205. 144 Wenn er die Vereinigung zwischen sichtbaren und unsichtbaren Göttern behandelt, verwendet Jamblich gleichermaßen ἕνωσις oder ἕν, συμπλοκή, σύνδεσμος, σύνοδος, συναφή, κοινωνία, ταὐτότης und das Vokabular der „Erbauung“, ἱδρῦσθαι und der „Hinwendung“, ἐπιστροφή ein (I 19, 43,4–46,3). 145 Resp. I 3, 5,21–6,4 SAFFREY / SEGONDS. 146 Resp. I 19, 44,5–6 SAFFREY / SEGONDS. 147 Wie etwa bei Helden, Resp. I 6, 15,7–9 SAFFREY / SEGONDS. 148 Oben, S. 85–87. 149 Plotin, Enn. V 9[5]8,3–5.

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äußert 2,2) und von Jamblich weiterentwickelt wird, wonach Einheit ein grundlegendes Attribut der Götter ist.150 Diese Konzeption ermöglicht es, Einheit und Vielfalt, Gleiches und Anderes im platonischen Sinne, auch hier unten, in dieser Welt der Gegensätze zusammenzuhalten (4,5, vgl. 6,2: οἱ δὲ ἐκ διαφόρων ὄντα ἁρμόζουσιν), Sichtbares und Verborgenes (3,3), deren Sphären sich in entgegengesetzte Richtungen drehen (7,3) und wo verschiedene Völker und Städte, die aus verschiedenen Wirklichkeiten hervorgehen, (9,7) Schicksal (9,5) und Glück (9,7) unterschiedlich erhalten, was nicht verhindert, dass das Ganze von einer universellen Vorsehung regiert wird, zu der die Sterne und die Seelen der Gerechten beitragen. In der göttlichen Welt ist das, was von einem Standpunkt aus verschieden ist, von einem anderen aus geeint; in der vom Göttlichen so weit entfernten Menschenwelt gibt es dennoch Mittel, um den Kontakt zu ermöglichen: Mythen, Opfer, Gebete. Wir müssen Salustios dafür Anerkennung zollen, dass er die ganze Neuheit des Beitrags des Neuplatonismus aufgegriffen hat, wo zum ersten Mal eine Metaphysik der Einheit Vorrang hat vor der des Seins.

4.3. Die Paideia Der letzte auf mehreren Ebenen bedeutsame Begriff, den wir ansprechen möchten, ist Paideia, die Bildung, eine wichtige Frage der Spätantike, die begründeterweise als Hauptthema der Abhandlung151 sowie des Werks von Kaiser Julian angesehen werden kann. Für deren Behandlung in Sa‑ lustios’ Schrift lassen sich schwer Parallelen finden, da die Bildung in das Zentrum einer vollständigen und kohärenten Vorstellung der Welt gestellt wird, die in der Religion gipfelt, aber die freien Künste ignoriert, mit denen die Paideia traditionell verbunden ist.152 Die Schrift ist keine Einführung in die gesamte Paideia. Die freien Künste werden nicht erwähnt. Es ist ei‑ ne Einführung in die richtige Sicht der Welt, die den vorherigen Erwerb von Paideia voraussetzt, welche eher als „philosophischer Weg“ denn als Summe von Wissen konzipiert ist. 4.3.1. Der organische Charakter der Bildung Diese Paideia ist die einer Welt in tiefer Krise, auf der Suche nach einer neu‑ en Orthodoxie, die das Individuum bildet und in eine einheitliche Hierar‑ 150

Resp. I 5, 13,20–14,2 SAFFREY / SEGONDS; apud Damasc. De principiis II 36,17. Wir verweisen in Bezug auf diesen Begriff auf P. BROWN, Power and Persuasion in Late Antiquity. Towards a Christian Empire (Madison, WI 1988) 35–70; ATHANASSIADI 1981, 1–12 zu einer Kontextualisierung; 121–131 zu Julian und 154–160 zu Salustios; BOUFFARTIGUE 1992, 579–603 und 658–673. 152 Eine Übersicht zu Julians Kenntnissen der freien Künste findet sich bei BOUFFARTIGUE 1992, 504–510. 151

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chie integriert: sie ist daher organisch und aufbauend. Dabei können wir uns daran erinnern, dass der Gallier Salustios selbst in der griechischen Paideia willkommen geheißen wurde, wie die Trostschrift über die Abreise des Salustios belegt.153 Julians Halbbruder Gallus verdankte seinen schrof‑ fen Charakter seiner schlechten Erziehung, die bei Julian erst durch die Bekehrung zur Philosophie korrigiert wurde.154 Die Paideia bildet einen wahrhaftigen Weg, auf dem der Einzelne auf‑ gerufen ist, sich zu engagieren. Nachdem der Hörer eine gute Ausbildung erhalten hat, muss er bestimmte Qualitäten zeigen und der erhaltenen Aus‑ bildung gerecht werden (1,1). Tugend resultiert sowohl aus Bildung als auch aus einer „richtigen Einstellung“,155 während das Laster aus dem entgegengesetzten Zustand resultiert (10,3). So ist die Bildung ein wesent‑ licher „Heilsfaktor“,156 der es erlaubt, die Einflüsse des astralen Schicksals in Gutes umzuwandeln (9,5), und der in der Aussicht auf Glück hier un‑ ten und nach dem Tod gipfelt (21).157 Wenn sie die während der Kindheit erhaltenen Gebote gut ausfüllt, identifiziert sie sich letztendlich mit der gesamten Ideologie des Hellenismus, der der gute Pagane folgen soll: Der Mensch „von guter Bildung“ (der πεπαιδευμένος) ist weniger derjenige, der mit der griechischen Sprache umzugehen weiß oder die Wissenschaf‑ ten kennt, als derjenige, der eine moralische Wandlung erfahren hat, indem er sensibel geworden ist für die Sichtweise der Welt, die der Tradition in‑ newohnt. Dies erklärt auch, warum Julian und Salustios die praktischen Aspekte der Bildung (Lehrplan, Lernübungen, Beziehung zwischen Meis‑ ter und Lehrer usw.) souverän ignorieren, auf die die modernen Theorien zu diesem Thema im Gegensatz dazu eingehen. Salustios (10,2) adaptiert die These von der gegenseitigen Implikation aller Tugenden im Weisen, die stoischen Ursprungs ist, aber von den Neu‑ platonikern umfänglich aufgegriffen wird, und erklärt: Deswegen sind nur bei Gebildeten (πεπαιδευμένοι) alle Tugenden zu beobachten; un‑ ter den Ungebildeten ist der eine zwar tapfer, aber ungerecht, ein anderer zwar gemä‑ ßigt, aber unverständig, ein anderer zwar klug, aber zügellos. Alle diese Eigenschaften verdienen nicht Tugenden genannt zu werden, weil sie der Vernunft entbehren, unvoll‑ kommen sind und auch bei einigen der vernunftlosen Wesen vorkommen.

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8, 252A–B. Brief an die Athener 4, 271D. 155 Vgl. oben, S. 97. – Zur Tugend siehe insbesondere Julian, Zweite Lobrede auf Constantius (Über das Kaisertum) 24, 80A–81A; zum Zusammenhang zwischen Bildung und Tugend siehe Erste Lobrede auf Constantius 3, 4D; Proclus, In Remp. 1,236,14–15 DIEHL. 156 Vgl. die Schrift (ungefähr zeitgleich mit Salustios’ Werk) des Nemesios, De natura homi‑ nis 17, 75,21–23 MORANI: Es gibt drei Ursachen für das Auftreten bösartiger Leidenschaften: schlechte Erziehung, Unwissenheit, schlechte Veranlagung (sc. des Körpers). Es ist durch‑ aus möglich, dass Nemesios von einer paganen Quelle inspiriert wurde. 157 Zum Glück, vgl. auch 16,1. 154

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Wir sehen auf diese Weise, dass die Bildung praktisch in den Rang der höchsten Tugenden erhoben wird, eine Rolle, die traditionell der Gerech‑ tigkeit zukommt (die nur erreicht wird, wenn die anderen Tugenden vor‑ liegen).158 Es ist dieser organische Charakter von Paideia und Tugend, der es Ju‑ lian erlaubt, einen Grund zu finden, seinem Widersacher Herakleios zu vergeben, der keine Chance hatte, von einer korrekten Ausbildung zu pro‑ fitieren,159 und sein Edikt über Lehrer160 mit der Tatsache zu rechtfertigen, dass sie Moral haben müssen in Übereinstimmung mit dem, was sie leh‑ ren. Tatsächlich lässt sich Bildung durch gesundes Urteilsvermögen und die richtige Unterscheidung von Gut und Böse erkennen: „Was wir für ei‑ ne richtige Erziehung halten, ist nicht durch das erhabene Gleichmaß der Worte und Sprache gekennzeichnet,161 sondern durch die gesunde Denk‑ weise, die mit Vernunft und wahren Meinungen über das Gute und Böse, das Schöne und Hässliche ausgestattet ist.“162 Mit anderen Worten, Wissen wird nicht als Summe neutraler Informationen betrachtet: Kultur, Religion und Tugend sind letztendlich eins, wie aus der Liste der göttlichen Wohlta‑ ten in 12,6 hervorgeht, die so unterschiedliche Dinge wie Künste, Wissen‑ schaften, Tugenden, Gebete, Opfer, Einweihungen, Gesetze, Verfassungen, Urteile und Strafen aufzählt.163 In unterschiedlichem Maße ist diese Hal‑ tung die aller Neuplatoniker, vielleicht mit Ausnahme von Plotin: Es ist diese ganzheitliche Konzeption, die Julian und Jamblich verteidigen.164 158 Vgl. Julian, Erste Lobrede auf Constantius 7, 10C–D (der Erwerb der Kardinaltugenden erfordert Gymnastik und das Studium der Literatur). 159 Gegen Herakleios 23, 235A. 160 Codex Theodosianus XIII 3,5 (61b BIDEZ / CUMONT). 161 Mit anderen Worten, nicht die Regeln und die Praxis einer freien Kunst wie der Rhe‑ torik. 162 Julian, Ep. 61c, 422A (παιδείαν ὀρθὴν εἶναι νομίζομεν οὐ τὴν ἐν τοῖς ῥήμασιν καὶ τῇ γλώττῃ πολυτελῆ εὐρυθμίαν, ἀλλὰ διάθεσιν ὑγιῆ νοῦν ἐχούσης διάνοιας καὶ ἀληθεῖς δόξας ὑπέρ τε ἀγαθῶν καὶ κακῶν, καλῶν τε καὶ αἰσχρῶν). 163 Vgl. Julian, Zweite Lobrede auf Constantius (Über das Kaisertum) 16, 70D (enge Verbin‑ dung zwischen Religion und Tugend: θετέον δὲ ἐν ἀρετῆς μοίρᾳ τὴν εὐσέβειαν τὴν κρατίστην· ἔστι γὰρ ὁσιότης τῆς δικαιοσύνης ἔκγονος· αὕτη δὲ ... τοῦ θειοτέρου ψυχῆς εἴδους ἐστίν, „man muss die beste Frömmigkeit zur Tugend rechnen; denn die Religion ist die Tochter der Gerechtigkeit; diese aber gehört zur göttlicheren Erscheinung der Seele“, Übers. Heinz‑Günther Nesselrath). 164 Der Hauptbeleg besteht hier in den Briefen des „Ps.‑Julian“, in denen der Verfas‑ ser – ein anonymer Rhetoriker, der die Schule Jamblichs besuchte – den Meister aus Chalkis als „Wohltäter der Griechen“ (κοινὸν τῶν Ἑλλήνων Ep. 181, 449B, 238,13 BI‑ DEZ / CUMONT) und „Retter des Hellenismus“ (παντὸς ὡς εἰπεῖν τοῦ Ἑλληνικοῦ σωτήρ, Ep. 184, 419A, 247,5f. BIDEZ / CUMONT) anspricht. Diese Formeln sind sehr bedeutsam, besonders wenn wir sie mit dem Klischee von Jamblich als dem Einführer „orientali‑ scher“ Ideen in die griechische Philosophie vergleichen. Die Korrespondenz des anony‑ men Autors lässt uns verstehen, dass die Ausstrahlung und Interessen von Jamblich weit über die Philosophie hinausgingen und sich auf die griechische Kultur im Allgemeinen (Rhetorik, Poesie) bezogen. Zum Korpus von Ps.‑Julian siehe die Ausgabe von E. FAS‑

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4.3.2. Zielsetzungen und Abgrenzungen Wir wissen, dass einige Christen (z.B. Tertullian und Tatian) eine Spiegel‑ haltung einnahmen – Julian behauptete sogar, dass die Christen die Worte der klassischen Schriften, die seiner Meinung nach Zugang zur Tugend gewähren,165 Satan zuschrieben – und eine Trennung zwischen dem spi‑ rituellen und weltanschaulichen Hintergrund und dem profanen Wissen für unmöglich hielten, und somit auch, es sich anzueignen. Die umfassen‑ de Verteidigung des paganen Erbes, die wir bei Julian und indirekter bei Salustios sehen, gibt schließlich dieser Strömung Anlass, die, indem sie die Religion des Hellenismus leugnete, notwendigerweise auch den Rest ihrer Werte leugnete. Laut Julian waren die Götter für Homer, Hesiod, De‑ mosthenes und die anderen Klassiker die Grundlage aller Bildung,166 und umgekehrt gilt auch, dass nur gebildete Menschen wirklich fromm sind: salus extra paideian non est, könnte man sagen, um die Äußerung Cypri‑ ans von Karthago aufzugreifen. In ähnlicher Weise sehen wir, wie Simpli‑ kios behauptet, dass die Angriffe des christlichen Philoponos gegen Aris‑ toteles die „gebildeten Menschen“ (πεπαιδευμένοι) nicht stören werden, sondern nur die ἀπαίδευτοι, die den Ruhm der alten Philosophen nicht ertragen können und meinen, Gott zu verehren, indem sie den Himmel erniedrigen, mit anderen Worten die Christen.167 Von dem so reglemen‑ tierten Paganismus sind nur wenige dissonante Stimmen ausgeschlossen: Philosophen, die die Existenz von Göttern und der Vorsehung leugnen, oder respektlose Autoren.168 Für uns, die wir von einer rückblickenden Position profitieren und vom Blickwinkel der Prinzipien einer „offenen Gesellschaft“, erscheint ein sol‑ ches Projekt offen gesagt sektiererisch, und es sollte beachtet werden, dass die Paganen bei weitem nicht alle Anteil daran hatten (wie auch viele SA, Ἰουλιανοῦ τοῦ Σύρου, Ἐπιστολὲς στὸν φιλόσοφο Ἰάμβλιχο, εἰσαγωγή, μετάφραση, σχόλια. Βιβλιοθηκή αρχαίων συγγράφεων 27 (Athen 2016), mit meiner Rezension dazu bei Bryn Mawr Classical Review, 2016.12.04 (im Internet). Jamblich hatte sich außerdem mit der Paideia beschäftigt in seinem Werk Über das pythagoreische Leben (vgl. D. J. O’MEARA, „Iamblichus’ On the Pythagorean Life in context“, in: C. A. HUFFMAN [Hg.], A History of Py‑ thagoreanism [Cambridge 2014] [399–415] 408). 165 CGal. fr. 55,24–29 MASARACCHIA, (230A, 206,5–9 NEUMANN). 166 Ep. 61c, 423A. 167 In Cael. 26,2–7. Auch Simplikios spricht von „gebildeten“ und „ungebildeten Men‑ schen“ am Ende von Kap. 11 seines Kommentars zum Handbüchlein des Epiktet (Z. 52–84 HADOT). 168 Vgl. Ep. 89b, 300C–301D (wo die Liste der „orthodoxen“ philosophischen Autoren aufgeführt ist: Pythagoras, Platon, Aristoteles und die Stoiker); und vgl. oben, S. 84. Die Neuplatoniker könnten natürlich die von Platon auf Homer bezogene „Zensur“ in der Po‑ liteia geltend machen: siehe den Kommentar von Proklos in Form eines Plädoyers für eine „strenge“ Muse, basierend auf einer moralischen Konzeption der Erziehung als „Medizin für Seelen“, In Remp. 1,47,2–14 KROLL.

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Christen die klassische Kultur akzeptierten).169 Laut einem modernen Au‑ tor richtet sich das Buch „nicht an zu bekehrende Massen“, sondern an diejenigen, „die bereits in der hellenischen Tradition stehen“.170 Aber das ist der springende Punkt: Mehr als sechs Jahrhunderte nach Alexander ge‑ hörte fast jeder im Römischen Reich der griechisch‑römischen Kultur an: Die kappadokischen Väter waren es nicht weniger als Julian selbst. Die Frage war, ob diese Kultur axiologisch neutral und daher anschlussfähig an die neue christliche Religion sein würde oder Werte vermittelte, die ihr intrinsisch entgegengesetzt waren, und somit – gemäß dem Schwerpunkt der Polemik, die in Gegen die Galiläer vorgebracht wurde – diejenigen zur „Apostasie“ verurteilte, die glaubten, sich in bestimmten Punkten von ih‑ nen trennen zu müssen. Die Schrift basiert auf dieser letzten Prämisse: In diesem Sinne mag es scheinen, als würde sie nur den Überzeugten pre‑ digen. Aber wenn das der Fall gewesen wäre, wäre sie nutzlos gewesen: Schon ihr Wortlaut deutet darauf hin, dass damals eine unentschlossene Öffentlichkeit existierte, die guten Willens war, sich aber der letzten neu‑ platonischen Errungenschaften nicht bewusst war, oder die Bildung sogar spontan als ein einfaches Werkzeug, eine Reihe von technischen Fähigkei‑ ten betrachtete. Es ist nicht einmal völlig ausgeschlossen, dass Salustios erwog, Konver‑ titen zu machen: Es gab einige in Julians Gefolge,171 und hier sei angeführt, was der Kaiser selbst über sie sagte: Dank dieser Disziplinen (scil. denen der klassischen Erziehung) ist alles, was die Natur bei euch (scil. Christen) an Edlem hervorgebracht hat, vom Atheismus abgewichen. Wer also einen noch so kleinen Teil guten Naturells in sich hatte, der kam nicht umhin, sich von dem bei euch geltenden Atheismus abzuwenden. … Durch unsere (Schriften) könnte jeder, auch wenn er völlig ohne gute natürliche Veranlagung ist, besser werden. Aber wenn seine Natur stark ist und er die Lehren (παιδεῖαι) erhält, die sich aus diesen Schriften ziehen lassen, dann wird er unbestreitbar zu einer Gabe für die Menschen: indem er das Licht der Wissenschaft zum Leuchten bringt, indem er eine Form der

169 Dies zeigt tendenziell die Studie von G. AGOSTI, „Paideia greca e religione in iscrizioni dell’età di Giuliano“, in: A. MARCONE (Hg.), L’imperatore Giuliano. Realtà storica e rappre‑ sentazione (Florenz 2015) 223–239 der, wenn er die epigraphischen Dokumente aus der Regierungszeit Julians untersucht, auf die Fortdauer einer vor allem an soziales Prestige gebundenen Kulturauffassung schließt, und nicht auf den Willen, sich an ein politisches Programm zu halten oder es abzulehnen. L. VAN HOOF, „Performing paideia: Greek culture as an instrument for social promotion in the fourth century A.D.“, The Classical Quarterly N.S. 63,1 (2013) 387–406 insistiert auch auf die Kontinuität. 170 Di Giuseppe in seiner Ausgabe (52). 171 Hecebolus (Socrates, Historia ecclesiastica III 13), Helpidius (Philostorgios, Historia eccle‑ siastica VII 10); zu denken ist außerdem an Bischof Pegasios von Ilion, der das Andenken an Achilles treu bewahrte (Julian, Ep. 72). Die Feststellung, ob diese Bekehrungen aus Auf‑ richtigkeit oder Opportunismus erfolgten, liegt außerhalb unserer Möglichkeiten.

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Staatsverfassung begründet, indem er viele Feinde zurückdrängt, indem er zu Land oder Wasser unermessliche Weiten durchquert, und so zeigt er sich heroisch.172

Julian glaubt daher, dass sowohl die natürliche Kraft eines im Christentum geborenen Individuums als auch die Kraft der Bildung geeignet sind, eine Bekehrung zur Paideia zu bewirken. Bestimmte Aspekte der Schrift lassen sich sicherlich so verstehen, dass Christen unverbesserlich sind: Der Hörer darf nicht von Kindheit an mit „törichten Meinungen“ (1,1) genährt werden, und der Atheismus ist dazu bestimmt, fortzubestehen (18,1). Aber auf der anderen Seite leugnet Salus‑ tios die Existenz des moralischen Bösen, und nach seinen eigenen Argu‑ menten „verlangen“ sogar Christen „das Gute“ (12,5),173 und die Götter hassen sie nicht, da es absurd ist zu sagen, dass sie böse Menschen abwei‑ sen (14,3).174 Auch die Ägypter – ein „heiliges“ heidnisches Volk par excel‑ lence – entgehen der Kritik wegen der „mangelnden Bildung“ ihrer Vor‑ stellungen nicht (ἀπαιδευσία, 4,3). Vielleicht hat Salustios das Buch als ei‑ nen ersten Schritt innerhalb einer Wiederbelebung der Paideia konzipiert, die es dem Hellenismus ermöglichen würde, wenn die Zeit gekommen ist und mit der Unterstützung der weltlichen Seite, die Kontrolle zurückzu‑ gewinnen.

172 Julian, CGal. fr. 55,8–11 und 15–21 MASARACCHIA (229C–D, 205,3–6 und 11–17 NEU‑ MANN). 173 Die These „Niemand ist freiwillig böse“ (oben, S. 87). Siehe auch Aristoteles: es ist das Gute (manchmal nur scheinbar), das bewegt (De Motu animalium 700b25–29). 174 Oben wurde auf eine ähnliche Ambivalenz hingewiesen (S. 92): ist jeder Mensch lern‑ fähig oder schließt die Forderung nach einer „guten Natur“ einen Teil der Menschheit von vorneherein aus?

Spuren einer wissenschaftlichen platonischen Theologie in Salustios’ De deis* Jan Opsomer 1. Eine Epitome einer systematischen platonischen Götterlehre Trotz des in der Forschungsliteratur gängigen Titels ist Salustios’ klei‑ ne Schrift keine rein theologische Abhandlung, sondern handelt vielmehr von „Göttern, Welt und menschlichen Angelegenheiten“, wie der Verfas‑ ser den Inhalt seines Büchleins zusammenzufassen scheint (13,1). In dieser einführenden Schrift wird tatsächlich ein umfassendes Weltbild vermit‑ telt, ein Weltbild, das zutiefst religiös und theologisch geprägt ist. Mehr noch als die Götterlehre selbst steht dabei die hellenische religiöse Praxis im Fokus. Die ebenfalls, und zwar relativ ausführlich, thematisierten kos‑ mologischen Themen stehen wiederum im gedanklichen Zusammenhang mit der Frage nach der göttlichen Weltursache sowie der Providenz. Auch die Erörterung der menschlichen Seele, ihrer Tugenden und Laster, ihrer Verbindung mit einem Körper sowie ihrer Reinkarnationen, Belohnungen und Bestrafungen wird hier hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Provi‑ denzlehre hinterfragt und in sie eingeordnet. Dabei fällt der argumentati‑ ve Stil auf. Die Schrift besteht keineswegs aus einer bloßen Auflistung von Ansichten, sondern der Autor versucht ständig, die dargebotenen Lehr‑ stücke argumentativ zu begründen. In der Hinsicht erinnert die Schrift an Epikurs Briefe, die nicht nur eine knappe Darstellung der Hauptelemente1 * Dieser Beitrag entstand während der Arbeit am Projekt „Not another history of Pla‑ tonism. The role of Aristotle’s criticisms of Plato in the development of ancient Platonism (PlatoViaAristotle)”, finanziert vom European Research Council (ERC) im Rahmen des Ho‑ rizon 2020 Forschungs‑ und Innovationsprogramms der Europäischen Union (grant agree‑ ment No. 885273). Ich danke Dr. Mareike Hauer für die sprachliche Durchsicht des vorlie‑ genden Beitrags. 1 Epikur verweist selbst auf die Bausteine des Systems als Elemente (στοιχεῖα, vgl. Ep. ad Her. 35–36) und bezeichnet seine Einführung als eine Epitome und eine στοιχείωσις (Ep. ad Her. 37). Vgl. auch das Scholion in Diog. Laert. X 44 (ἐν ταῖς ιβ΄ στοιχειώσεσι). Für seine Verwendung von Argumenten kann man beispielsweise auf das Argument für die Unver‑ gänglichkeit der Welt in Ep. ad Her. 38–39 verweisen, das sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit den von Salustios in Kap. 17 vorgebrachten Argumenten aufweist. Im Gegensatz zu Proklos orientiert Epikurs Beweisführung sich nicht an den geometrischen Handbüchern.

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des jeweiligen epistemischen Bereichs bieten, sondern auch die Argumen‑ te liefern, anhand deren die Benutzer dieser Werke imstande sein sollten, ihre Auffassungen zu festigen und vor allem gegen die Kritik ihrer Gegner zu verteidigen. Allerdings sind die von Salustios erörterten Auffassungen keineswegs epikureisch, sondern platonischer Provenienz. Viele Kernideen der Schrift lassen sich auf Platons Dialoge zurückfüh‑ ren: die Dreiteilung der Seele mit einer entsprechenden Tugendlehre (Po‑ liteia), die seelische Unsterblichkeit und Reinkarnation (Phaidon, Phaidros, Politeia, Timaios), die Idee einer Weltschöpfung in Verbindung mit der Leh‑ re der Unvergänglichkeit der Welt (Timaios), oder die Zwölfergruppe des olympischen Pantheons als die Götter, die den Kosmos verwalten und ge‑ stalten (Phaidros). Dennoch ist die konkrete Gestaltung dieser Auffassun‑ gen sowie das dargestellte Weltbild das Ergebnis einer langen platonischen Tradition, in der raffinierte Exegese mit Systematisierungsversuchen ein‑ hergeht und von Debatten unter Platonikern und zwischen Platonikern und Anhängern anderer Denkschulen vorangetrieben wurde. Den Spuren solcher Deutungstraditionen ist dieser Beitrag gewidmet. Dabei wird der Schwerpunkt auf der komplexen, vielfach gestuften Götterlehre liegen. Wie bei manchen Themen in diesem Werk, kann sich der Leser schwer‑ lich dem Eindruck entziehen, die diesbezügliche Erörterung sei verkürzt und zudem nicht in vollem Umfang einheitlich. Sicherlich hat dies mit der literarischen Gattung der Schrift zu tun. Knappe Darstellungen gehören zum Wesen einer Epitome. Nur hätte man vielleicht erwarten können, dass eine Epitome, die von den Göttern handelt, auch von Anfang an eine sys‑ tematische Skizze der vom Verfasser vertretenen und propagierten Göt‑ terlehre beinhaltet hätte. So hätte die Leserschaft bereits ab den ersten Ka‑ piteln gewusst, dass es nach Salustios einen höchsten Gott gibt, der auch Weltschöpfer ist, dass dieser an der Spitze eines Pantheons steht, zu dem sowohl überweltliche als auch innerweltliche Götter zählen, dass letztere mit dem olympischen Pantheon identifiziert werden, und dass die Götter unterschiedlichen metaphysischen Bereichen zugeordnet sind. Stattdessen erfährt Salustios’ Leserschaft diese Elemente eines theologischen Systems erst allmählich im Laufe der Lektüre. Die henotheistische Ausrichtung des theologischen Systems, im Sin‑ ne einer von einem einzigen Gott angeführten Göttervielheit,2 bleibt den Lesern und Leserinnen zuerst verborgen, denn die Schrift fängt mit ei‑ Auch von letzterer Tradition scheint Salustios beeinflusst gewesen zu sein. Siehe dazu die Einführung in diesem Band, S. 7–8 sowie unten S. 123. 2 Siehe M. L. WEST, „Towards Monotheism“, in: ATHANASSIADI / FREDE 1999, [21–40] 24: „Where we see a god emerging as plenipotentiary, the existence of other gods is not denied, but they are reduced in importance or status, and he is praised as the greatest among them. This is what is sometimes called ‚henotheism‘.“ Siehe auch MELSBACH 2007, 133, mit dem Zitat aus M. FREDE, „Monotheism and Pagan Philosophy in Later Antiquity“, in: ATHA‑ NASSIADI / FREDE 1999, [41–67] 55.

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nem einfachen Verweis auf die Götter, im Plural, an, eingebettet in einer kurzen Beschreibung3 der natürlichen, anthropologischen und pädagogi‑ schen Vorzüge, die das Erlangen theologischer Kenntnisse bedingt.4 Salus‑ tios’ De deis mag zwar insgesamt eine systematische und klar strukturier‑ te Schrift sein, für die Darstellung des metaphysischen Gebäudes sowie der entsprechenden Götterklassen jedoch ist die Systematik schwieriger erkennbar. Ein Grund dafür besteht meines Erachtens darin, dass der Ver‑ fasser mehrere Ansätze, bzw. aus unterschiedlichen Quellen stammende Materialien, miteinander zu verbinden versucht, ohne die genauen Bezie‑ hungen der verschiedenen Theoriestücke eingehend auszuarbeiten. Er ist dabei bestrebt, ein komplexes System vereinfacht darzustellen. Auf diesen Charakter seiner theologischen Erörterungen weist er zum Anfang des Ka‑ pitels 13 hin, als er die vorhergehende Darstellung mit der Bemerkung ab‑ schließt, sie möge genügen für Leser, die einerseits nicht in der Lage sind (aus welchem Grund auch immer; wohl weil ihnen dazu die Muße fehlt), sich eingehend mit Philosophie zu beschäftigen, aber andererseits nicht in einer unheilbaren seelischen Verfassung sind5 (weil letztere sie wohl gegen die Philosophie immunisiere).6 Die darauf folgenden Erörterungen (bis Kapitel 17 einschließlich) sind dagegen technischer Art.7 Sie betreffen insbesondere den argumentativen Nachweis, dass die Welt unentstanden und unvergänglich ist. Die Vermutung, der Verfasser habe Stellen einer oder mehrerer ausführ‑ licheren Erörterungen exzerpiert und zusammengefasst, wird durch die Tatsache gestützt, dass gerade angesichts theologischer und religionswis‑ senschaftlicher Angelegenheiten der Text auffällige Ähnlichkeiten mit so‑ wohl früheren oder zeitgenössischen (insbesondere Jamblich, Julian, aber auch Porphyrios’ Sentenzen) als auch späteren platonischen Texten (Pro‑ klos’ Platonische Theologie und Elementatio theologica) aufweist, wobei al‑ lerdings „gute platonische Erudition“ auf „seltsame Art […] durch eine unzulängliche Darstellung verkümmert ist“8 und kleinere Unstimmigkei‑ ten zwischen unterschiedlichen Textstellen nicht zu leugnen sind. Darüber 3 Einen ähnlichen, aber viel ausführlicheren Abschnitt findet man auch in Proklos, Theo‑ logia platonica I 2 (9,1–7; 10,1–11,26 SAFFREY / WESTERINK). 4 Vgl. dazu MANSFELD 1994, 23. 164–169. 5 Hiermit greift Salustios eine frühere Bemerkung auf: „Jeder dieser Punkte bedarf vie‑ ler und ausführlicher Erörterungen, doch hindert uns wohl nichts, sie möglichst kurz‑ gefasst, damit niemand völlig unwissend bleibt, zu besprechen“ (Τούτων δὲ ἕκαστον λόγων δεῖται πολλῶν καῖ μεγάλων· ὡς δὲ ἐν βραχέσιν εἰπεῖν καὶ πρὸς τὸ μὴ παντελῶς ἀνηκόους εἶναι οὐδὲν ἴσως λέγειν κωλύει 5,1). Diese methodologischen Bemerkungen umrahmen somit den Abschnitt 5–12. Man vergleiche ebenfalls Salustios’ Einschätzung der von den Mythen vorausgesetzten und geforderten Fähigkeiten (3,3). 6 De deis 13,1. Per Implikat erkennt der Verfasser mit dieser Bemerkung das therapeuti‑ sche Ziel der Philosophie an. 7 Eine ähnliche Unterscheidung macht Epikur, Ep. ad Her. 36. 8 So PRAECHTER 1920, 1963.

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hinaus verweist Salustios auch auf weitere, spezialisierte Schriften, ohne allerdings deren Titel oder Verfasser zu nennen.9 Salustios’ knappe Dar‑ stellung des Attismythos (4,7–9) ist zudem so eng mit Julians Darbietung desselben im Hymnos An die Göttermutter10 verwandt, dass entweder eine direkte Abhängigkeit oder die Verwendung einer gemeinsamen Quelle an‑ zunehmen ist. Wollen wir Salustios’ Götterlehre auf einer tieferen als nur der vom Verfasser dargebotenen Ebene verstehen, scheint es unabding‑ lich zu sein, sie um Elemente, die bei anderen Autoren zu finden sind, zu ergänzen. Dadurch besteht allerdings die Gefahr, fremdes Gedankengut in die vom Text intendierte Lehre11 zu integrieren. Deshalb bleibt eine ge‑ wisse Zurückhaltung bei der Formulierung über den Text hinausgehender Schlussfolgerungen geboten. Das allgemeine Bild, das sich dabei ergibt, lässt jedoch keinen Zweifel: Salustios’ De deis enthält unverkennbare Spuren eines etablierten theolo‑ gischen Systems, das wesentlich komplexer ist als die Summe der im Text enthaltenen expliziten theologischen Aussagen. Die unterliegende Theo‑ logie ist zudem wissenschaftlich geprägt und argumentativ begründet. Sie weist sogar eine Ordnung nach Theoremen und Beweisen auf, die deutlich an die axiomatische Darbietung erinnert, die den späteren Text von Proklos’ Elementatio theologica (Theologische Grundlegung) kennzeich‑ net, von der aber auch schon Vorformen bekannt sind, z.B. in der Ge‑ stalt von Porphyrios’ Sentenzen sowie einzelnen Stellen bei unterschied‑ lichen Autoren.12 Da Salustios sich stellenweise näher an Julian und Pro‑ klos als an Porphyrios oder Plotin anlehnt, ist eine wichtige Quelle mit großer Wahrscheinlichkeit Jamblich gewesen, möglicherweise dessen ver‑ schollene Schrift Über die Götter (De deis) oder auch Die platonische Theologie (Theologia platonica), deren argumentative Form leider unbekannt ist.13 Wie wir tatsächlich feststellen werden, ist Salustios’ metaphysische Götterleh‑ re nicht nur neuplatonisch im Ansatz, sondern von gewissen nachplotini‑ schen Grundvorstellungen geprägt.

2. Was zeichnet einen Gott aus? Bevor wir das Augenmerk auf die unterschiedlichen Götterklassen rich‑ ten, sollten noch einige allgemeine Aussagen über die Natur der Götter in 9

De deis 6,1, vgl. unten S. 126. In Matr. Deor. 5–7, 165B–D; 166B–167D; 11, 170C–171D; 15, 175A–B. Zu Julians und Salustios’ Behandlung des Attismythos, siehe unten, S. 134–135. 11 Hiermit verweise ich auf den von U. Eco geprägten Begriff der intentio operis: U. ECO, The limits of interpretation. Advances in semiotics (Bloomington 1994) 44–63. 12 Siehe OPSOMER 2021. 13 Siehe B. BOHLE, „Salutios“, in: RIEDWEG / HORN / WYRWA 2018, [1383–1389; 1450–1451] 1384f. 10

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Erinnerung gebracht werden, wie Salustios sie in Kap. 1–2 auflistet: Göt‑ ter sind gut, unaffizierbar14 – d.h. in keinerlei Weise passiv –, unverän‑ derlich, ihrem Wesen nach unentstanden, ewig (d.h. nicht nur unentstan‑ den, sondern auch unvergänglich), dem Werden nicht unterworfen, un‑ körperlich und nicht räumlich. Ihre Ewigkeit wird argumentativ begrün‑ det durch den Hinweis auf eine ursprüngliche Kraft, womit wohl der Be‑ griff der Dynamis in seiner rein aktiven Bedeutung gemeint ist. Salusti‑ os’ Gedankengang könnte man so verstehen, dass, was rein aktiv ist und durch keine Potentialität gekennzeichnet ist, notwendigerweise von Ver‑ änderung frei ist.15 Wie der Begriff der Ewigkeit hier genau gefasst ist, lässt sich aus dem Text nicht schließen. Möglicherweise handelt es sich um ei‑ nen „sauberen“, jede Art von Dauer und Ausdehnung ausschließenden Begriff der Ewigkeit, möglicherweise aber auch um die Vorstellung einer unendlichen Dauer ohne Veränderung. Den im ersten Teil intendierten, nicht besonders philosophisch geschulten Leserinnen und Lesern werden solche philosophischen Feinheiten erspart. Die göttliche Güte16 nimmt da‑ gege unter den göttlichen Merkmalen wohl einen besonderen Platz ein, wie sich auch im Nachhinein herausstellen wird (3,3). Die bisher aufgelisteten Merkmale überraschen nicht: Sie sind platonisches Gemeingut. Die in der Einleitung genannten Eigenschaften könnte man als Wesens‑ eigenschaften des Göttlichen bezeichnen. Zusammen genommen würden diese den Kern des Gottesbegriffes ausmachen. Allerdings fehlen noch die Bestimmungen des Verhältnisses zwischen Göttern und der sonsti‑ gen Wirklichkeit, die mit Kausalität und Vorsehung zu tun haben und auf die Salustios erst in späteren Kapiteln eingeht. Eine zweifache Eigenschaft wird aber noch in der Einleitung zur Schrift erwähnt: Die Götter sind we‑ der von der Erstursache noch voneinander getrennt (2,2). Was es genau bedeutet, dass die Götter nicht voneinander getrennt sind, wird nicht er‑ läutert. Wenn im Nachhinein von Inklusionsverhältnissen zwischen Göt‑ tern die Rede ist (6,4), handelt es sich dort um bestimmte, miteinander besonders verwandte und in einem hierarchischen Verhältnis der direk‑ ten Abhängigkeit stehende Götter, nicht um alle Götter. Zudem schließen die dort genannten Inklusionsverhältnisse Wechselseitigkeit aus, während hier, im zweiten Kapitel, das Nicht‑Getrenntsein deutlich symmetrisch ge‑ meint ist. Wenn Salustios hier behauptet, die Götter seien nicht voneinan‑ der getrennt, deutet er eher keine Inklusion an. Es wird nicht gesagt, dass 14 Diese Eigenschaft verbinden die Platoniker mit der Unkörperlichkeit: Siehe Plot. III 6[26]; Porph. Sent. 18. 15 Diese Idee liegt auch Aristoteles’ Beweis für die Natur des unbewegten Bewegers zu‑ grunde. Vgl. Met. XII 6–7. 16 Vgl. auch Platons Phaidros 246d8–e1: „Das Göttliche aber ist schön, klug, gut und über‑ haupt alles, was sonst noch als positiv zu nennen“ (Übers. Heitsch; τὸ δὲ θεῖον καλόν, σοφόν, ἀγαθόν, καὶ πᾶν ὅτι τοιοῦτον).

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sie ineinander sind (wie in 6,4), sondern lediglich, dass sie nicht voneinan‑ der getrennt sind.17 Diese Formulierung scheint gerade eine eigenständige Existenz jedes Gottes vorauszusetzen, in dem Sinn, dass jeder Gott trotz al‑ lem eine eigenständige, von den anderen unterschiedene Natur besitzt,18 ohne dass kausale Abhängigkeiten ausgeschlossen werden. Irgendwie, so meint der Verfasser vielleicht, sind Götter generell nicht nur in ihrem Wir‑ ken, sondern auch ihrer Seinsweise nach immer miteinander verbunden. Das Ungetrenntsein gilt aber auch für das Verhältnis der Götter zur Er‑ stursache. Man könnte meinen, Salustios gebe hiermit zu verstehen, dass die Götter von der ersten Ursache unterschieden werden in dem Sinn, dass die erste Ursache nicht zu den Göttern zählt oder vielleicht selbst nicht einmal als Gott zu bezeichnen wäre. In der eigentlichen Behandlung der ersten Ursache vermeidet der Verfasser tatsächlich das Wort „Gott“: Erst in Kap. 13,5 wird ausdrücklich ein „erster Gott“ erwähnt. Es liegt nahe, zu vermuten, dass dieser mit dem ersten Prinzip identisch ist. Folgt man die‑ ser Überlegung, wäre das erste Prinzip durchaus als göttlich zu betrachten. Denn in der platonischen Tradition wird das erste Prinzip zumeist als ein Gott betrachtet.

3. Die erste Ursache Vorerst aber, in der Ankündigung der im ersten großen Abschnitt (5– 12) zu behandelnden Themen wie auch in der dieser höchsten Ursache gewidmeten Erörterung wird diese nicht Gott genannt. Das axiologisch höchste Prinzip wird dagegen ständig als „erste Ursache“ bezeichnet (2,2; 5,1; Keph. 9). In diesem Kontext unterscheidet Salustios diese erste Ursa‑ che von den ihr nachgeordneten Götterordnungen (5,1, τὰς μετ’ ἐκείνην τάξεις τῶν θεῶν).19 Damit könnte ein Gegensatz zwischen einer (nicht als Gott zu bezeichnenden) ersten Ursache und den Göttern gemeint sein, aber genauso gut ein Gegensatz zwischen einem ersten Gott und den sonstigen Göttern. Die erste Ursache wird insbesondere durch Güte und Kraft ge‑ kennzeichnet, denn sie überragt alles andere in diesen beiden Hinsichten. Auffällig ist, dass weitere Merkmale durch kurze argumentative Begrün‑ dungen, welche sich auf axiomatische Prinzipien zu berufen scheinen, be‑ 17 Ähnliche Äußerungen bei Procl. In Parm. 1048,7–11 STEEL; In Tim. 1,363,26–364,23 DIEHL. Diese Parallelen zeigen zudem, dass es sich nicht um eine sinnleere rituelle For‑ mel handelt, sondern um einen Ausdruck, der einen genauen, philosophisch‑theologisch bestimmbaren Sinn haben sollte. 18 Siehe ebenfalls 3,3: τίνες δὲ οὗτοι; 4,5: Jede Gottheit lässt die Welt jeweils an ihrem persönlichen Geschenk teilhaben. 19 Vgl. auch De deis 2 und 5,3: „Nach der so unaussprechlichen Urkraft folgen die Ord‑ nungen der Götter“ (μετὰ δὲ τὴν οὕτως ἄρρητον δύναμιν αἱ τῶν θεῶν τάξεις εἰσί).

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stätigt werden. Letztere sind auch aus anderen, meist späteren, Texten be‑ kannt. Betrachten wir einige Beispiele: 1. Das Erste ist einzig in seiner Art, verkündet Salustios. Damit meint er, dass es nur ein Einziges geben kann, das die höchste Stellung innehat, und nicht etwa mehrere gleichrangige Entitäten. Zur Begründung führt Salustios die Regel an, dass jeder Vielheit eine Monade vorangeht (5,2). Der Terminus „Monade“ verweist dabei nicht auf die Einheitlichkeit, d.h. die Abwesenheit innerer Differenziertheit, sondern auf die Singularität, bzw. die Mächtigkeit Eins. Das Theorem und seine Begründung stimmen, sogar im Wortlaut, eng mit Proklos, Elem. Theol. 11 überein.20 2. Alle übrigen Dinge haben aufgrund der Kraft und Güte der ersten Ur‑ sache mit Notwendigkeit an ihr teil (5,2). Auch diese Notwendigkeit wird begründet: Einerseits kann nichts anderes die übrigen Dinge davon abhal‑ ten, am Ersten teilzuhaben. Der Grund dafür liegt in der Kraft der Erstursa‑ che. Andererseits wird die Erstursache selbst dies nicht verhindern, denn sie ist gut (Z. 16–18). Das Argument fällt sehr knapp aus und lässt vieles offen, wie z.B. die Frage, warum etwas überhaupt an einem Prinzip teil‑ haben muss; oder auch die Frage, welche Bedingungen für eine Teilhabe gelten, sowohl auf der Seite der Teilhaber als auch auf der Seite der die Teil‑ nahme verleihenden Instanz. Möglicherweise schwingt hier die Idee mit, dass Gutes per definitionem Zweckursache für andere Dinge ist,21 sowie das uralte Motiv, nach dem das Gute sich neidlos anderen mitteilt.22 Die en‑ ge Verknüpfung der Teilhabe‑ mit der Kausalbeziehung wird hier ebenso wenig erläutert. Für Platoniker mag diese evident sein – was an etwas teil‑ hat, wird von diesem verursacht, und umgekehrt (s. unten, S. 137) –, die angeblich intendierten Leser dieser Darbietungen (vgl. 5,1; 13,1) könnten dies jedoch leicht falsch oder gar nicht verstehen. Salustios verbindet die

20 Elem. theol. 11, „Alle Seienden kommen aus einer Ursache hervor, nämlich aus der ers‑ ten“ (Πάντα τὰ ὄντα πρόεισιν ἀπὸ μιᾶς αἰτίας, τῆς πρώτης – die Übersetzungen aus der Elementatio theologica folgen ONNASCH / SCHOMAKERS 2015). Die Konklusion des Arguments lautet: „Daß es nämlich einen Ursprung geben muß, wurde schon dadurch gezeigt, daß alle Vielheit nach dem Einen besteht“ (ὅτι γὰρ μίαν εἶναι δεῖ τὴν ἀρχήν, δέδεικται, διότι πᾶν πλῆθος δεύτερον ὑφέστηκε τοῦ ἑνός, 12,32–34 DODDS). Diese Erklärung verweist auf die Proposition 5: „Alle Vielheit ist nach dem Einen“ (Πᾶν πλῆθος δεύτερόν ἐστι τοῦ ἑνός). Für die Bezeichnung „Monas“ für das erste Prinzip einer ontologischen Ordnung, siehe Elem. theol. 21. 21 Vgl. Procl. Elem. theol. 8. 22 Vgl. Plat. Tim. 29e1–2 (in Bezug auf den Demiurgen): „Er war gut und in einem Guten erwächst niemals in irgendeiner Hinsicht Missgunst“ (ἀγαθὸς ἦν, ἀγαθῷ δὲ οὐδεὶς περὶ οὐδενὸς οὐδέποτε ἐγγίγνεται φθόνος – Übersetzung Paulsen / Rehn). Phaedr. 247a7: „Denn Neid hat keinen Platz im göttlichen Reigen“ (φθόνος γὰρ ἔξω θείου χοροῦ ἵσταται, Übers. Heitsch). Platon wendet sich damit gegen das traditionelle Motiv der nei‑ dischen Götter: vgl. Pind. Pyth. 10,20; Aesch. Prom. vinct. 859; Herod. I 32; 3,40. Vgl. VON WILAMOWITZ‑MOELLENDORF 1919, 460, Anm. 2.

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Teilhabe allerdings in einem weiteren Argument nachdrücklich mit der Güte des ersten Prinzips. 3. Das nächste Argument (5,3) bestimmt die Natur der Erstursache auf‑ grund der Teilhabe. Da alle Dinge an ihr teilhaben (s. unten, S. 135–136) und ihre ursächliche Wirkung darin besteht, den Teilhabern ihre Wesensei‑ genschaft zu vermitteln, ist es möglich, anhand der partizipierenden Din‑ ge die Natur der Erstursache zu bestimmen. Die genannte Wesenseigen‑ schaft soll nämlich dasjenige sein, was allen gemeinsam ist. Nun ist weder das Beseeltsein, noch der Besitz eines Intellekts bzw. intellektiver Fähig‑ keiten, noch das Sein selbst allen gemeinsam, sondern nur die Güte. Dass nicht alles Existierende lebt oder am Intellekt teilhat, ist evident. Einige Denker sind aber der Auffassung, so Salustios, dass allem Existierenden Sein zukommt. Wenn das stimme, wäre das höchste Prinzip seiner Natur nach Seiendes.23 Diese Überlegung greift aber zu kurz.24 Wenn alle Din‑ ge lediglich seiend wären, hätten diese Denker recht. Aber die Dinge sind nicht nur seiend, sondern auch gut. Denn das Sein wird den Dingen zuteil kraft eines dem Sein übergeordneten Prinzips, des Guten. Der überseien‑ de Charakter der Form des Guten ist eine wohlbekannte platonische Idee, die zum ersten Mal in Platons Politeia zum Ausdruck gebracht wird (VI, 509b8–9) und im Neuplatonismus allgegenwärtig ist. Argumente zur Bestimmung des Wesens einer Ursache aufgrund der Wesensmerkmale ihrer Wirkungen, begleitet von einer Differenzierung nach Klassen, sind auch bei Proklos geläufig.25 Auch bereits Julian verwen‑ det es in seiner antichristlichen Streitschrift,26 was wohl einen jamblichi‑ schen Hintergrund vermuten lässt.27 Aber nicht nur inhaltlich lassen sich leicht Parallelen für dieses Argument auffinden, auch die argumentative Strategie erinnert an Schriften, in denen Platoniker sich um eine wissen‑ schaftliche Theologie bzw. Metaphysik bemühen.28 Denn das Argument ist eindeutig eine reductio ad absurdum, nach dem Muster: Die näher zu be‑ 23 Siehe den Beitrag von Adrien Lecerf in diesem Band zur näheren Bestimmung dieser Denker. 24 Man würde vielleicht erwarten, dass Salustios an dieser Stelle auf Existierendes hin‑ weisen würde, dem kein Sein zukommt. Für Jamblich, Syrianos oder Proklos, z.B., wäre das die Materie. Vgl. Procl. Elem. theol. 72. Salustios’ Argument nimmt hier aber eine ande‑ re Wendung: Existierende Dinge sind auch gut und haben Sein kraft ihrer Güte, weshalb das Gute das höhere Prinzip ist. 25 Vgl. Procl. Elem. theol. 12–13; 20 (22,24–28 DODDS). 26 Vgl. Contra Galileos fr. 10,28–34 MASARACCHIA (65E–66A). 27 Vgl. OPSOMER 2008, 130f. 28 Zu den Bezeichnungen „Theologie“ und „Metaphysik“, siehe D. J. O’MEARA, „La sci‑ ence métaphysique (ou théologie) de Proclus comme exercice spirituel“, in: A. Ph. SE‑ GONDS / C. STEEL (Hg.), Proclus et la Théologie Platonicienne. Actes du Colloque International de Louvain (13–16 mai 1998). En l’honneur de H. D. Saffrey et L. G. Westerink (Leuven / Paris 2000) 279–290; C. STEEL, „Theology as first philosophy. The Neoplatonic concept of meta‑ physics“, Quaestio 5 (2005) 3–21.

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stimmende Ursache ist nicht X. Denn, angenommen diese Ursache wäre X, wären ihre Wirkungen x. Quod non. Deshalb ist die Ursache nicht X. Ähnliche indirekte (apagogische) Beweise29 findet man öfters in argu‑ mentativ ausgeprägten philosophischen Texten, aber sie sind insbesondere kennzeichnend für den geometrischen Stil, so wie dieser in Proklos’ Ele‑ mentatio theologica angewendet wird.30 Salustios’ Argumentationsstrategie ist somit ein eindeutiges Indiz für seine Vertrautheit mit dem technischen platonisch‑theologischen Stil. 4. Salustios lässt seinen Beweis des überseienden Charakters der mit dem Guten identischen Erstursache von einem weiteren Indizienbeweis folgen: Menschen schätzen das Gute höher ein als die bloße Existenz, was sich daran zeigt, dass sie in bestimmten Krisensituationen den Tod einem unguten Zustand vorziehen. Dass auch dieses Argument den Platonikern vertraut gewesen ist, zeigt sich an einer weiteren Parallele zu Proklos, dies‑ mal vor allem in Werken, die sich nicht an ein Fachpublikum31 bzw. an anfangende Studierende richteten.32 Diese Beispiele zeigen, dass Salustios sich bekannter Argumente sowie Argumentationsmuster bedient. Zum Teil weisen diese Ähnlichkeiten mit Werken auf, die einem strengen demonstrativen Ideal verpflichtet sind, teilweise übernehmen sie Topoi, die in einführenden oder einem breite‑ ren Publikum zugänglichen Schriften gerne verwendet werden. Salustios schließt seine Erörterung des ersten Prinzips ab und leitet zu den ihm nachgeordneten Götterklassen über, indem er auf die unaussag‑ bare Kraft der ersten Ursache verweist (5,3). Auf die positiven und ana‑ logischen Bestimmungen des ersten Prinzips folgt somit ein Hinweis auf

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Weitere Beispiele für dieses Verfahren: Sal. De deis 7,1; 13,3. Dazu OPSOMER 2021. 31 Procl. Decem dubitationibus circa providentiam, quaestio 1, 4,24–34 BOESE; Mal. subst. 3,7– 8 BOESE: Significant autem qui le non esse ante male esse ponunt („Darauf weisen diejenigen hin, die das Nicht‑Sein über das Schlecht‑Sein stellen“). Auch angesichts anderer Themen gibt es deutliche Parallelen zu den Tria opuscula, was die Existenz gemeinsamer Quellen nahelegt (s. dazu ebenfalls meine Erläuterungen in der Anmerkung zur Übersetzung 52, S. 63). Man vergleiche De deis 9,8 (den Guten geht es schlecht, den Schlechten gut) mit Decem dubit. de prov., quaestio 6, 42; De deis 12,5 (das Böse geschieht, während man das Gute beabsichtigt; die Seele irrt sich lediglich) mit Procl. Mal. subst. 49,2–7 BOESE; De deis 12,3 und 14,2 (über vermeintlich böse Dämonen) mit Procl. Mal. subst. 17; De deis 18,1– 2 (über durchgängige und intermittierende Partizipation) mit Mal. subst. 7,12–14; 8,13–14 BOESE; De deis 18,3 (Bestrafung für Versäumnisse in einem vorigen Leben) mit Decem dubit. de prov., quaestio 9, 60; De deis 19,1 (zur späten Bestrafung menschlicher Verfehlungen; die lasterhafte Seele bestraft sich selbst) mit Decem dubit. de prov., quaestio 8, 49–57 BOESE, insb. 52–53 (ähnliche Argumente findet man bei Plutarch, aus dem Proklos hier schöpft. Vgl. Plut. De ser. num. vind. 9, 553F–554B und 11 555F–556D); dazu OPSOMER 2016. 32 Procl. In Alc. 144,4–7; 337,12–14 SEGONDS; vgl. ebenfalls In Remp. 2,89,24–28; 2,90,25–26 KROLL. 30

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die Unaussagbarkeit,33 deren Bedeutung jedoch nicht weiter ausgeführt wird.34 In auffälliger Weise wird das erste Prinzip von Salustios nicht als „das Eine“ bezeichnet, noch findet sich eine Anspielung auf seine absolu‑ te, herausragende Einheitlichkeit. Der spätere Verweis auf seine Göttlich‑ keit (wenn man annimmt, dass die Erwähnung eines ersten Gottes des 13. Kapitels tatsächlich das erste Prinzip meint – siehe oben) sieht dabei fast wie ein Versehen aus. Es scheint so zu sein, dass Salustios vor allem die ur‑ sächliche Wirkung der genannten Entität sowie ihre absolute Güte betonen möchte. Ebenso wenig, schließlich, erwähnt er die jamblichische Trennung zwischen dem (zwar ebenfalls unaussagbaren) Einen und dem ihm über‑ geordneten Unaussagbaren. Entweder übernimmt er diese Ansicht nicht oder traut solche Feinheiten seiner Leserschaft nicht zu. Insgesamt ist Sa‑ lustios’ Lehre des ersten Prinzips ziemlich gradlinig: Es ist die unaussag‑ bare, erste Ursache, Ursache von allen Dingen, die ihnen ihr Gutsein ver‑ leiht (kraft dessen sie zudem ihr Sein erhalten). Es hat eine überragende Kraft und Güte, aber diese Wesensmerkmale können aufgrund seiner Un‑ aussagbarkeit nicht direkt erkannt werden, sondern nur aufgrund der an diesem Prinzip teilhabenden Dinge.

4. Nachgeordnete Götterklassen Wenn im 13. Kapitel von einem ersten Gott die Rede ist, möchte Salus‑ tios den großen Abstand zwischen diesem und der menschlichen Natur betonen. Diese Kluft hat einen Bedarf an mittleren Instanzen zur Folge, der umso größer ist und umso zahlreichere Vermittler erfordert, je größer die Distanz zwischen den Extremen ist (13,5; vgl. 16,2). Mit der Aussage, die Kräfte zwischen uns und jenem Gott seien zahlreich (πλείους εἶναι τὰς μεταξὺ ἡμῶν τε κἀκείνων δυνάμεις, 13,5), schließt sich Salustios einem metaphysischen Strukturprinzip35 an, das die (post)jamblichische theologische Hierarchie prägt.36 Seine Behauptung kommt einer fast wort‑ wörtlichen Verneinung der Beteuerung Plotins gleich, „es gebe nicht vie‑ les dazwischen“, d.h. zwischen der menschlichen Seele und Gott (Enn. V 1[10]3,4: οὐδὲ πολλὰ τὰ μεταξύ). 33 Vgl. bereits Alcinous, Did. 10, 164,31, und selbstverständlich auch die Neuplatoniker; beispielsweise Plot. V 3[49]13,1. 34 Weitere Anspielungen finden sich allerdings in 3,3 und 15,2. 35 Vgl. auch unten, S. 137. 36 Siehe Iambl. In Tim. fr. 60 DILLON (Procl. In Tim. 2,313,19–21 DIEHL). E. R. DODDS, Πρόκλου Διαδόχου Στοιχείωσις θεολογική. Proclus. The Elements of Theology. A Revised Text with Translation, Introduction and Commentary (Oxford 2 1963) xxii.

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Die gesamten Götter unterteilt Salustios in innerweltliche (enkosmi‑ sche) und überweltliche (hyperkosmische)37 Götterklassen (6,1). Wahr‑ scheinlich bezieht sich diese Einteilung auf alle Götter, mit Ausnahme des ersten Prinzips, das diese noch übersteigt. Theoretisch ist es allerdings eben‑ falls möglich, dass Salustios das erste Prinzip selber nicht als Gott betrach‑ tet (s. oben) oder dass es zu den hyperkosmischen Göttern gerechnet wird. Auf jeden Fall ist im diesbezüglichen Abschnitt weder vom ersten Prinzip noch vom ersten Gott die Rede. Während die überweltlichen Götterklas‑ sen dreigeteilt sind, weisen die innerweltlichen eine viergliedrige Struktur auf (6,1–2). Auf die doppelte Frage, ob Salustios die Zweiteilung der Göt‑ terklassen als erschöpfend betrachtet und ob er diesbezüglich auf ältere Vorbilder zurückgreifen konnte oder vielmehr eine Ausnahmeposition einnimmt, werde ich später eingehen. Es ist an dieser Stelle noch zu ergänzen, dass Salustios in 8,1 zwischen primären und sekundären Göttern unterscheidet. Meines Erachtens han‑ delt es sich hier allerdings nicht um eine absolute,38 sondern um eine relati‑ ve, bzw. kontextabhängige Bezeichnung, die nicht deckungsgleich mit der Zweiteilung innerweltlich‑überweltlich ist: Da irrationale Seelen, bzw. ir‑ rationale seelische Kräfte, den rationalen untergeordnet sind, werden ers‑ tere von niedrigeren göttlichen Prinzipien verursacht, die sich wie sekun‑ däre zu primären Göttern verhalten.

4.1. Die überweltlichen Götter Die Dreiteilung der überweltlichen Götter richtet sich nach der Trias Ousia‑Nous‑Psyche (Wesen‑Intellekt‑Seele). Man könnte meinen, die drei Klassen spiegelten die bekannte Trias Sein‑Leben‑Intellekt wider, aller‑ dings in verstellter Folge. Dem ist aber nicht so, denn die Gliederung bezieht sich nicht vornehmlich auf die Götterklassen selbst, sondern auf deren Erzeugnisse: Unbelebte Körper haben Essenzen, belebte Wesen par‑ tizipieren an der Seele, und gewisse Lebewesen am Intellekt.39 Salustios’ Darstellung fällt möglichst knapp aus: „Unter den überwelt‑ lichen Göttern gestalten die einen die Essenzen, andere den Geist, andere 37 Die hyperkosmischen Kräfte hat Salustios bereits in seiner Deutung des Parisurteils erwähnt (4,5). Beim Gastmahl der Götter hat Eris einen goldenen Apfel hingeworfen, was den Anstoß für die nachfolgenden Ereignisse lieferte. Während der Apfel die Welt versinn‑ bildlicht und Paris, d.h. die gemäß der sinnlichen Wahrnehmung lebende Seele, unfähig ist, die sonstigen innerweltlichen Kräfte, symbolisiert von den partiellen Elementen des My‑ thos, zu sehen, steht das göttliche Gastmahl selbst für die überweltlichen göttlichen Kräfte. Es versinnbildlicht den Zusammenhalt des Göttlichen (siehe dazu auch oben, S. 119–120). 38 Deshalb entfällt auch Praechters Einwand: PRAECHTER 1920, 1963. 39 Vgl. Procl. Elem. theol. 57, corollarium DODDS; Olymp. In Alc. I 110,7–9 WESTERINK. Be‑ reits in 2,2 und 3,3 hat Salustios Intellekte und Seelen von Körpern und körperlichen Le‑ bewesen unterschieden.

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die Seelen.“40 Man könnte den Satz allerdings auch anders lesen und ent‑ sprechend übersetzen als: „Unter den überweltlichen [Göttern] gestalten die einen die Seinsweisen der Götter, andere den Geist, andere die Seelen.“ Nach dieser zweiten Interpretation41 der Syntax müsste man wohl anneh‑ men, dass die von den überweltlichen Göttern erzeugten Götter – von de‑ nen hier nur die Rede sein kann, denn sogar Götter können schwerlich sich selbst erzeugen – eine innere triadische Struktur aufweisen, bzw. aus Es‑ senz, Intellekt und Seele bestehen.42 Während dies zwar nicht unmöglich ist,43 scheint es mir doch annehmlicher, dass Salustios die überweltlichen Götter als generische Ursachen der Essenzen, Intellekte und Seelen ver‑ steht. Sie sind die Prinzipien, die allen Seienden eine formale Wesenheit verleihen, bestimmte Seiende am Leben44 teilhaben lassen und bestimm‑ ten lebenden Seienden intellektive Fähigkeiten verleihen. Auf der Ebene dieser Prinzipien, bzw. der überweltlichen Götter, bedeutet diese Struk‑ tur freilich eine Unterscheidung zwischen Sein und Intellekt,45 was auf ei‑ ne postplotinische Entwicklung hindeuten mag. Denn Plotin zufolge gibt es zwar eine begriffliche, aber keine reale Unterscheidung zwischen dem Sein als Objekt des Denkens (dem Noetischen) einerseits und dem Subjekt des Denkens (dem Noerischen) andererseits.46 In De deis erläutert Salusti‑ os diese Frage jedoch nicht, sondern verweist lediglich auf weiterführende Fachliteratur (6,1). Es sei noch kurz erwähnt, dass Salustios in seiner Deutung des Kronos‑ mythos, dem zufolge Kronos seine eigenen Kinder verschlingt, auf des‑

40 De deis 6,1: τῶν δὲ ὑπερκοσμίων οἱ μὲν οὐσίας ποιοῦσιν θεῶν, οἱ δὲ νοῦν, οἱ δὲ ψυχάς. So wie ich den Satz hier verstehe, enthält er ein Hyperbaton. 41 Siehe ROCHEFORT 1960, 9f.; NOCK 1926, 11, Anm. 1; DI GIUSEPPE 2000, 131; SAFFREY / WESTERINK 1997, XIII. 42 Es macht wohl keinen Sinn, den Genitiv θεῶν ausschließlich auf οὐσίας, und nicht auf νοῦν und ψυχάς zu beziehen. Denn wenn die hyperkosmischen Götter den universellen Intellekt (und nicht lediglich die Intellekte der untergeordneten Götter) erzeugen würden, würde wiederum absurderweise folgen, dass sie das Prinzip, das ihre eigene Existenzweise begründet, selbst erzeugen. 43 Immerhin beteuert später Proklos, dass die hyperkosmischen und enkosmischen Göt‑ ter, und insbesondere die hyperkosmisch‑enkosmischen Götter, eine seelische Natur ha‑ ben (Theol. plat. VI 16). Dabei scheint gerade seine hyperkosmisch‑enkosmische Klasse mit Salustios’ enkosmischer Götterreihe übereinzustimmen, wobei allerdings zu beachten gilt, dass Salustios von einer bedeutend einfacheren Einteilung ausgeht. 44 Im mythentheoretischen Abschnitt nennt Salustios hier die Göttermutter, die er als lebensspendende Göttin bezeichnet (4,8: Ἡ μὲν οὖν μήτηρ τῶν θεῶν ζωογόνος ἐστὶ θεά). Dieser Göttin ist auch Julians Hymnos An die Göttermutter gewidmet. Möglicherweise ist sie mit der oben genannten überweltlichen Gottheit identisch. 45 Diese Unterscheidung tritt noch deutlicher hervor in 8,1: Ἔστι δὲ νοῦς δύναμις οὐσίας μὲν δευτέρα ψυχῆς δὲ πρώτη. 46 Vgl. die S. 124 zitierte Bemerkung über das Fehlen von Zwischenebenen zwischen den drei Hypostasen, Einem, Geist (= Intellekt bzw. Sein) und Seele.

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sen noerische Natur verweist (4,2).47 Denn Intellekte seien wesentlich auf sich selbst bezogen, sie wenden sich zurück auf sich selbst (εἰς ἑαυτὸν ἐπιστρέφει). Gemäß der neuplatonischen, auf Aristoteles zurückgehen‑ den Analyse des Intellekts als Denken des Denkens, ist nämlich im Intel‑ lekt Denken und Gedachtes eins.48 Genau diese noerische Essenz werde laut Salustios im Mythos angedeutet. Auch in der athenischen Schule49 wird Kronos als noerischer Gott angesehen, auf einer Ebene, die nicht nur den Kosmos, sondern auch das, was in dieser Schule als „hyperkosmisch“ bezeichnet wird, übersteigt. Da Salustios im Gegensatz dazu nur zwei Ebe‑ nen unterscheidet, rechnet er vermutlich den noerischen Gott Kronos, und damit wahrscheinlich auch die noerischen Götter insgesamt, zur höhe‑ ren dieser beiden Ebenen, d.h. der hyperkosmischen. Dass alle überwelt‑ liche Götter bei ihm noerisch wären, ist dagegen aus dem oben genannten Grund eher unwahrscheinlich.

4.2. Die innerweltlichen Götter Die vierfache Einteilung der innerweltlichen Götter ist nach deren Wir‑ kungsbereich ausgerichtet: der Gestaltung, Beseelung, Harmonisierung und dem Schutz der Welt. Jede dieser vier Aufgaben ist triadisch gestaltet, woraus sich die Zwölfzahl ergibt. Dieses Dutzend entspricht dem Panthe‑ on der Olympier,50 das Salustios daraufhin folgenderweise aufteilt (6,3): Enkosmische Götter [Salustios] Gestaltend

Belebend

Harmonisierend

Beschützend

1. Zeus (Dionysos) 2. Poseidon 3. Hephaistos

1. Demeter 2. Hera 3. Artemis

1. Apollon (Asklepios) 2. Aphrodite (Chariten) 3. Hermes

1. Hestia 2. Athena 3. Ares

47 Vgl. Procl. In Crat. 63 (28,1–4 PASQUALI); Theol. plat. V 5 (20,15–23 SAFFREY / WESTERINK); Damaskios, In Parm. 3,17,23–25 WESTERINK / COMBÈS (μετὰ γὰρ τὴν πρόοδον ἡ ἐπιστροφή. Καὶ δὴ οὕτως καὶ τοὺς ἑαυτοῦ παῖδας ὁ Κρόνος κατέπιεν, ὅτι καὶ αὐτὸς ἐν ἐπιστροφαῖς οὐσίωται, „Auf das Hervortreten folgt die Hinwendung. Und genau in diesem Sinn hat Kronos auch seine eigenen Kinder verschluckt, weil auch er selbst sein Wesen in den Hin‑ wendungen erhält“). 48 Es handelt sich hier also nicht um die Epistrophe als Element der dynamischen tria‑ dischen Struktur aller Seienden (siehe unten, S. 24), sondern um die spezifisch noerische Struktur des Intellekts (auch wenn letztere die allgemeine ontologische Struktur begrün‑ det). Im Mythosabschnitt erläutert Salustios, dass der Intellekt, im Gegensatz zum diskur‑ siven Denken, auf ewige und unveränderliche Weise „alles zugleich“ denkt (4,9) – ein wei‑ teres traditionelles Element der platonischen Nouslehre. 49 Siehe Procl. Theol. plat. V 5–10. 50 Erwähnt in Plat. Phaedr. 246e6–247a4. Im athenischen Zwölfgötterkreis ersetzt Dio‑ nysos Hestia. Platon hat aber im Phaidros die ältere Tradition bevorzugt (siehe VON WILAMOWITZ‑MOELLENDORF 1919, 460, Anm. 1; HEITSCH 1997, 101, Anm. 173) und wird hier‑ in von seinen späteren platonischen Interpreten gefolgt.

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Die vier aufgrund ihrer Wirksamkeit definierten Gruppen sind jeweils in einer hierarchischen Triade geordnet nach dem Schema Erstes, Mittleres, Letztes (6,2). In Klammern werden die Götter erwähnt, die zwar nicht zu den zwölf primären innerweltlichen Göttern gehören, aber jeweils mit ei‑ nem bzw. einer von ihnen assoziiert sind. Der von Salustios gewählten Formulierung zufolge befinden sie sich sogar in den primären Göttern, mit denen sie assoziiert sind. Die von ihm gewählte Formulierung suggeriert darüber hinaus, dass sich alle sonstigen innerweltlichen Götter auf die ur‑ sprünglichen zwölf verteilen lassen.51 Er bemüht sich des Weiteren, die Zuschreibung der Wirkungsbereiche durch kultische Aspekte zu rechtfer‑ tigen: Elemente des Kults symbolisieren die Wirksamkeit der entsprechen‑ den Götter (6,4).52 Wichtige Parallelen zu dieser Gliederung gibt es in Julians Helios‑ Hymnos,53 der dem Salustios54 gewidmet ist. Kaiser Julians Beschreibung der königlichen Herrschaft über ein zwölfgliedriges Götter‑ und Dämo‑ nenheer ist, wie bei Salustios (s. unten), dem Phaidros verpflichtet.55 Im Rahmen der zwölfgliedrigen Unterteilung des Himmels erwähnt auch Ju‑ lian sowohl die Chariten als auch Dionysos.56 Dionysos’ Wirkung erstreckt sich auf die sichtbare Welt.57 Zudem betont Julian, dass der demiurgische Helios – d.h. Zeus – nicht von der dionysischen Demiurgie getrennt ist. Da Helios zudem alles in sich umschließt, ist er ebenfalls Apollon der Musen‑ führer, der Asklepios in der Welt erzeugt.58 Auch Ares, Athena, Aphrodite, Hera und Hermes werden mehrfach in der Heliosrede erwähnt. Neben der funktionalen Gliederung der Zwölferreihe ordnet Salustios diese Götter zudem auf etwas artifizielle Weise den Erd‑ und Himmels‑ sphären zu (6,5). Vier Götter verbindet er mit den vier Elementen, die in der klassischen Vorstellungsweise selbstverständlich sphärisch angeord‑ net sind. Athena wird mit Äther, dem traditionellen fünften Element, ver‑ bunden. Andere Götter werden mit Himmelssphären assoziiert, wobei Sa‑ lustios erklären musste, dass der Planet, der Kronos gehört,59 hier Demeter 51

De deis 6,4: καὶ τοὺς ἄλλους ἐν τούτοις ἡγητέον εἶναι θεούς. Siehe dazu MELSBACH 2007, 134. 53 Zu Julians theologischen Auffassungen, siehe OPSOMER 2008. 54 Vermutlich ist dieser Salustios mit unserem Autor identisch. Siehe zur Verfasserfrage die Einführung, S. 4–7. 55 Julian, In Sol. 24, 145C. Die terminologische Nähe zu Jamblich zeigt sich in der Ver‑ wendung des Adjektivs περικόσμιος zur Bezeichnung des Innerweltlichen. Siehe In Sol. 13, 138D; 26, 145D; unten, S. 132. 56 In Sol. 29, 148C–D. 57 Bei Proklos vermittelt die Figur des Dionysos zwischen dem hyperkosmischen und dem enkosmischen Bereich: vgl. OPSOMER 2003, 25. 58 Julian, In Sol. 22, 143D–144B; 31, 149A–B. 59 Kronos gehört nicht zur traditionellen Zwölfergruppe. Wie wir gesehen haben (S. 127), betrachtet Salustios ihn als einen noerischen Gott, was wohl bedeutet, dass er zu den über‑ weltlichen (oder gegebenenfalls zu den noch höheren) Göttern zählt. 52

Spuren einer wissenschaftlichen platonischen Theologie in Salustios’ De deis

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zugewiesen wird. Schließlich ist der Himmel (Ouranos) allen gemeinsam. Salustios’ Zuordnungen lassen sich somit in die folgende Liste übertragen: Die zwölf Götter

Ouranos

(Welt)

1. Hestia 2. Poseidon 3. Hera 4. Hephaistos 5. Athena 6. Apollon 7. Artemis 8. Hermes 9. Aphrodite 10. Ares 11. Zeus 12. Demeter

Erde Wasser Luft Feuer Äther Sonne Mond Merkur Venus Mars Jupiter (Saturn) Kronos

(Element) (Element) (Element) (Element) (Element) (Himmelskörper) (Himmelskörper) (Himmelskörper) (Himmelskörper) (Himmelskörper) (Himmelskörper) (Himmelskörper)

Eine sehr ähnliche Zuordnung findet man in Calcidius’ Timaioskommentar: Calcidius fängt mit der Fixsternsphäre an, die durch das geflügelte Ge‑ spann des Zeus symbolisiert wird. Diese wird gefolgt von sieben Himmels‑ sphären und den Sphären der vier Elemente, wobei Feuer als „Äther“ be‑ zeichnet wird (178). Genau diese Deutung wird von Hermias erörtert und zurückgewiesen.60 Allerdings hat Hermias Calcidius’ Kommentar nicht gekannt. Die von Calcidius erörterte Lehre geht wohl auf eine ältere, ver‑ mutlich vorneuplatonische Doktrin zurück. Auch Julian verweist in seiner Heliosrede auf die astronomische Bedeutung einiger dieser Götter: So wird Zeus durchgängig mit der Sonne (Helios) gleichgesetzt und Aphrodites Identifikation mit dem Planeten Venus angedeutet.61 Wenn man Salustios’ nach den Wirkungsbereichen angeordnetes Sche‑ ma mit der komplexeren metaphysischen Theologie bei Proklos, über die wir viel besser als über das System anderer Platoniker informiert sind, ver‑ gleicht, stellt man sofort große Abweichungen, aber auch auffällige Über‑ einstimmungen fest. Beide Götterklassen, sowohl die überweltlichen (hy‑ perkosmischen) als auch die innerweltlichen (enkosmischen), sind bei Pro‑ klos im unteren Teil der Götterhierarchie angesiedelt. Denn sogar über‑ weltliche Götter, auch wenn sie den Kosmos übersteigen, werden noch immer aufgrund ihrer Beziehung zu ihm definiert, was für wirklich trans‑ zendente Götter nach Proklos’ Empfinden nicht angebracht wäre. Zeus befindet sich, zum Beispiel, in der ersten noerischen Triade, in der er die dritte und letzte Stelle innehat. Zwischen der noerischen Ebene und dem ersten Prinzip gibt es bei Proklos außerdem noch einen großen Zwischen‑ bereich, in dem auf drei noetische noch drei noetisch‑noerische Triaden 60 61

Hermias, In Phaedr. 141,25–29 und 141,31–142,15 LUCARINI / MORESCHINI. Julian, In Sol. 33, 150B.

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folgen. Hyperkosmische Götter gibt es bei ihm erst unterhalb der Ebene der noerischen Triaden. Zudem existiert eine Zeusfigur laut Proklos nicht nur in der noerischen Welt; auch auf hyperkosmischer Ebene und in der hyperkosmisch‑enkosmischen Hypostase befindet sich jeweils ein Gott, der den Namen Zeus trägt. Gerade auf der hyperkosmisch‑enkosmischen Ebene finden wir fast alle Götternamen, die bei Salustios als enkosmische Götter auftauchen. Überdies sind diese Götter bei Proklos auf die gleiche Weise angeordnet, auch wenn ihre Funktionen bei ihm teilweise anders bezeichnet werden.62 Hyperkosmisch‑enkosmische Götter [Proklos] Demiurgisch

Beseelend

Erhebend (ἀναγωγοί)63 Makellos (ἄχραντοι)64

1. Zeus 2. Poseidon 3. Hephaistos

1. Demeter 2. Hera 3. Artemis

1. Apollon 2. Aphrodite 3. Hermes

1. Hestia 2. Athena 3. Ares

Der Theologia Platonica VI 14 zufolge sind diese Götter hyperkosmisch‑ enkosmisch. Im Timaioskommentar jedoch behauptet Proklos, dass Zeus zwei Zwölfzahlen hervorbringt, eine hyperkosmische und eine enkosmi‑ sche – was ihn wieder etwas näher an die Charakterisierung unseres Tex‑ tes rückt.65 Überdies ist auffällig, dass Zeus, Dionysos, Poseidon und He‑ phaistos laut Proklos alle zu den demiurgischen Göttern zählen.66 Wie soll man diese unterschiedlichen Einordnungen des olympischen Pantheons in eine umfassendere Götterhierarchie einschätzen? Die kosmo‑ logische Rolle der zwölf Olympier geht zurück auf Platons Phaidros. Dort ist die Rede von einem zwölfgliedrigen Heer von Göttern und Dämonen, angeführt vom „großen Führer am Himmel, Zeus“ (246e4–247a8). Elf die‑ ser Götter oder Götterscharen befinden sich am Himmel, begleitet von Dä‑ monen, während Hestia, die Erde, „daheim bleibt“. Der große Zeus ordnet und besorgt das Ganze (διακοσμῶν πάντα καὶ ἐπιμελούμενος, 246e5– 62

Siehe auch BRISSON 1987, 83f. In seinem Kommentar erläutert Hermias, weshalb die genannte Phaidros‑Stelle (246c) auf die anagogische Rolle dieser Götter hinweist: In Phaedr. 141,15–25 LUCARINI / MORE‑ SCHINI. 64 Siehe Theol. plat. VI 11. Auch Julian assoziiert Athena mit der Gabe des makellosen Lebens: In Sol. 32, 149D. 65 In Tim. 1,451,1–5 DIEHL. BRISSON 1987, 83, schreibt die Bestimmung dieser Götter als in‑ nerweltlich, aufgrund der Tatsache, dass man sie bei Salustios findet, Jamblich zu. Übrigens ist bekannt, dass Jamblich die gesamte hyperkosmische Klasse als die der hegemonischen Götter bezeichnete: siehe Dam. In Parm. 3,123,9–10 WESTERINK / COMBÈS. 66 Siehe Theol. plat. V 35 (127,24–128,2 SAFFREY / WESTERINK₎; VI 6–10. Zu Hephaistos, siehe In Tim. 1,142,14–143,25 DIEHL. 63

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6).67 Dieser kurzen, nicht ganz eindeutigen68 Erörterung setzt Platon eine Beschreibung des überhimmlischen Ortes (τὸν δὲ ὑπερουράνιον τόπον, 247c3), in dem sich das wahrhaft Seiende befindet, entgegen. Zweifelsoh‑ ne liegt diese im Phaidros gemachte Unterscheidung dem Gegensatz zwi‑ schen innerweltlichen und überweltlichen Göttern bei Salustios zugrun‑ de.69 Während aber bei Salustios die inner‑ und überweltlichen Götter zu‑ sammen offenbar den gesamten göttlichen Bereich erschöpfen (mit der wahrscheinlichen Ausnahme der Erstursache), bilden diese beiden Klas‑ sen lediglich einen kleineren Ausschnitt in Proklos’ theologischem System, das ältere Theoriestücke einarbeitet und auf diese Weise gewissermaßen die große Synthese der vorangehenden platonischen Tradition bildet.70 Bei Proklos und Hermias71 – anders gesagt, in der Syrianosschule – ist die Be‑ zeichnung „überweltlich“ tatsächlich der unmittelbar an den innerweltli‑ chen Bereich angrenzenden Götterklasse (abgesehen von der Zwischen‑ ebene der hyperkosmisch‑enkosmischen Klasse) vorbehalten. Salustios ist freilich nicht der erste Platoniker gewesen, der von dieser Zweiteilung der Götterklassen ausgeht (die problematische Zuordnung der ersten Ursache sei hier ausgeklammert). Das Adjektiv „überweltlich“ (ὑπερκόσμιος) ist, wie H. D. Saffrey in Saffrey / Westerink (1997) IX–XIII nachgewiesen hat, wahrscheinlich über die Chaldäischen Orakel (fr. 18 des Places) in die philosophische Fachsprache aufgenommen worden und war ab dem Ende des zweiten Jahrhunderts weit verbreitet, übrigens auch bei christlichen Schriftstellern.72 Für Platoniker war es naheliegend, so Saffrey, 67

Die Übersetzung folgt HEITSCH 1997. So ist nicht klar, ob Zeus selbst zu den zwölf von ihm angeführten Göttern gehört. Für die Zusammensetzung des Kreises der zwölf Götter, siehe HEITSCH 1997, 101, Anm. 173. Die Zweideutigkeiten, die dieser Stelle anhaften, haben zu unterschiedlichen Exege‑ sen geführt. Jamblich ist der Auffassung, Platon verweise mit dem großen Führer Zeus auf den Demiurgen des Timaios, den alleinigen Schöpfer des Kosmos als ganzen. Hermias stimmt dem zu, unterscheidet diesen Zeus jedoch von den zwölf Göttern. Innerhalb dieser Zwölferreihe bildet die erste Trias eine weitere Zeusfigur, während das erste Glied die‑ ser Dreiheit selbst wiederum als Zeus bezeichnet wird (die anderen Glieder sind Poseidon und Pluton). Somit unterscheidet er hier Zeusfiguren auf drei Ebenen (In Phaedr. 142,16–28 LUCARINI / MORESCHINI). Hermias’ Exegese stimmt mit der von Procl. Theol. plat. VI 21 voll‑ kommen überein, sodass man annehmen darf, dass sie von ihrem gemeinsamen Lehrer Syrianos stammt. Vgl. dazu SAFFREY / WESTERINK 1997, XX–XXVIII. Zeitlich und philoso‑ phisch näher zu Salustios hat bereits Kaiser Julian die überweltlichen („prokosmischen“) Kräfte des Helios‑Zeus von dessen innerweltlicher, sichtbarer Demiurgie unterschieden. Vgl. In Sol. 24, 144D. 69 Im zweiten Buch seiner Schrift De providentia (apud Phot. Bibl. cod. 251, 463b39–464a6) zitiert Hierokles diese Phaidros‑Stelle und erläutert, dass mit dem „überhimmlischen Ort“ kein Ort im eigentlichen Sinne gemeint ist, sondern vielmehr eine „hyperkosmische und noetische“ Seinsart. 70 Eine Übersicht der proklischen Götterklassen bietet D’HOINE / MARTIJN 2017, 323–328. 71 Siehe Hermias, In Phaedr. 139,30–31; 145,25–29 LUCARINI / MORESCHINI. 72 Siehe, z.B., Clem. Alex. Protr. I 5,4; Paed. I 5,21,3; Strom. (in einem Bericht zum Gnosti‑ ker Basilides) IV 26,167,1. 68

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es als gleichbedeutend mit dem aus dem Phaidros bekannten Terminus „überhimmlisch“ (247c3) zu verwenden. Darüber hinaus wurde die Unter‑ scheidung zwischen himmlischen und überhimmlischen Göttern auf die aus dem Timaios stammende Unterscheidung zwischen sichtbaren und un‑ sichtbaren Göttern bezogen.73 In seiner Antwort an Porphyrios, meistens zi‑ tiert unter dem apokryphen Titel De mysteriis, verwendet Jamblich das Ad‑ jektiv „überweltlich“ durchgängig um die transzendenten Götterklassen generell von den kosmischen Göttern (als enkosmisch, aber auch als peri‑ kosmisch bezeichnet) abzugrenzen. Wenn er im achten Buch die göttliche Hilfeleistung bei der Befreiung der Seelen vom Schicksal erörtert, erwähnt er die zweigliedrige Taxonomie der Götterklassen im hypothetischen Mo‑ dus: Falls man die Einteilung der Götter auf zwei Klassen beschränke, die innerweltlichen (Jamblich verwendet hier, wie auch an anderen Stellen, das Adjektiv περικόσμιος) und die überweltlichen, dann würde die Erlö‑ sung für die Seelen auf jeden Fall von den hyperkosmischen Göttern kom‑ men. Jamblich fügt hinzu, dass er dies in seiner Schrift De deis genauer und vollständiger erklärt hat.74 Dabei sollte man noch erwähnen, dass er im un‑ mittelbaren Kontext den Terminus „hyperkosmisch“ zur Abgrenzung von den sichtbaren Göttern verwendet.75 Obwohl Jamblich anderswo höhere Götterklassen erwähnt, bestätigt seine Verwendung des Begriffspaars hy‑ perkosmisch / enkosmisch in der Responsio, dass es auch für ihn möglich ist, die Einteilung der Götter auf diese zwei großen Klassen zu beschrän‑ ken. An diese Praxis knüpft Salustios an.76

5. Demiurgische Wirkung Auf den ersten Blick mag die Komplexität der in De deis erörterten Theo‑ logie einen Eindruck der Inkonsistenz und der Redundanz vermitteln. Viele Funktionen scheinen sich zu verdoppeln bzw. zu vervielfältigen. Dementsprechend überschneiden sich anscheinend gewisse göttliche Wir‑ kungsbereiche. Das Studium der noch viel komplexeren Theologien in der athenischen Akademie hat jedoch gezeigt, dass Komplexität nicht notwen‑ 73

Vgl. Tim. 30c7–d1; 39e10; 40e4; Epinomis 984d5. Iambl. Resp. [= De myst.] VIII 8 (200,25–201,1 SAFFREY): Εἰ δ’ ἄρα τις καὶ δύο γένη περικοσμίων καὶ ὑπερκοσμίων θεῶν ἀπολείποι, διὰ τῶν ὑπερκοσμίων ἔσται ταῖς ψυχαῖς ἡ ἀπόλυσις. Ταῦτα μὲν οὖν ἐν τοῖς Περὶ θεῶν ἀκριβέστερον λέγεται („Wenn man von zwei Götterklassen ausgehen würde, von den innerweltlichen und den überwelt‑ lichen Göttern, so verliefe die Erlösung für die Seelen durch die überweltlichen. Das wird mit größerer Genauigkeit in der Schrift Über die Götter erläutert“). 75 Iambl. Resp. VIII 8, 200,22 SAFFREY. Man vergleiche Julian, In Sol. 13, 138B. 76 Auch Damaskios kann den Terminus „hyperkosmisch“ in der weniger stringenten Bedeutung verwenden. Er behauptet von einem noetischen Gott sogar, dass er in seiner „wahrhaft hyperkosmischen Warte“ angesiedelt ist: siehe De princ. III, 56,5–8 (WESTERINK / COMBÈS). 74

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digerweise in Inkonsistenz mündet. Typischerweise führen kausale Ver‑ dopplungen nicht zu kausaler Überdeterminiertheit, bei der mehrere Ursa‑ chen auf redundante Weise genau die gleiche Wirkung entfalten würden, sondern sie treten als konstituierende Elemente eines komplexen kausalen Vorgangs auf. Bei manchen Forschern besteht die Ansicht, die neuplatoni‑ sche Metaphysik sei überkompliziert, gerade weil die Hauptabsicht darin bestünde, der bunten heidnischen Götterwelt eine philosophische Recht‑ fertigung zu bieten. Demnach wurden metaphysische Funktionen beliebig erfunden, um der Vielzahl der Götter gerecht zu werden. Obwohl diesem Eindruck vor allem beim Studium der Details des metaphysischen Systems gelegentlich schwerlich zu entkommen ist, soll doch festgehalten werden, dass die theologische Systematik, wie sie zum Beispiel in Proklos’ Werken zum Ausdruck kommt, als wohlbegründetes Ergebnis genauer metaphysi‑ scher Gesetze nachvollziehbar ist.77 Als Grundprinzip gilt dabei, dass die vielschichtige metaphysische Struktur einzelner Seienden durch eine Viel‑ zahl metaphysischer Prinzipien verursacht wird, wobei ein einziges Prin‑ zip für jeweils eine spezielle Wirkung zuständig ist. Dieses Muster lässt sich auch in Salustios’ Theologie, wenn auch nur im Ausriss, erkennen. Die erste Ursache ist laut unserem Autor verantwortlich für das Gut‑ sein aller Dinge und jedes einzelnen Dinges, und damit auch für deren bloße Existenz. Unter den überweltlichen Göttern sind welche für das Sein verantwortlich. Hiermit ist mehr als die reine Existenz gemeint. Mit dem Sein erhält ein jedes Seiende seine formale Bestimmung, kraft deren es ei‑ ne wohldefinierte Essenz besitzt. Andere überweltliche Götter sind Prin‑ zip des Lebens für diejenigen Seienden, die beseelt sind; noch andere wie‑ derum lassen eine Teilmenge der beseelten Seienden darüber hinaus am Intellekt partizipieren. Wozu bedarf die Welt noch weiter der innerwelt‑ lichen Götter, wenn die genannten transzendenten Ursachen bereits aus‑ zureichen scheinen für die Existenz all dessen, was sich in der Welt be‑ findet? Die Antwort ergibt sich aus den genaueren Angaben zur Tätigkeit dieser niedrigeren Götter. Auch wenn Salustios nicht wirklich ins Detail geht, lässt sich einiges aus den Parallelen bei Julian, Hermias und Proklos ergänzen. Von den innerweltlichen Göttern ist die erste Trias unverkennbar demi‑ urgisch: Es sind drei männliche Götter, Zeus, Poseidon und Hephaistos, die den Kosmos erstellen,78 bzw. die machen, dass der Kosmos (wesen‑ 77 Für einige Beispiele, siehe A. LERNOULD, „Nature in Proclus: from irrational immanent princile to goddess“, in: C. HORN / J. WILBERDING (Hg.), Neoplatonism and the Philosophy of nature (Oxford 2012) 68–102; A. KOBEC, „Proclus on the Forms of Attributes: The Case of Figures and Numbers (in Prm. 3.826.19‑827.18)“, Mnemosyne 70,5 (2017) 775–807; G. VAN RIEL, „The One, the Henads, and the Principles“, in: D’HOINE / MARTIJN 2017, 72–97. 78 Numenios zufolge „geht“ der Demiurg „durch die Welt“ (fr. 12,14 DES PLACES). Damit greift er ein Bild aus dem Phaidros auf (246e4–6), dessen sich auch Julian bedient (siehe In Sol. 36, 151A–C). Man vergleiche ebenfalls Hermias, In Phaedr. 143,7–13 LUCARINI / MORE‑

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haft) ist (6,2: εἶναι ποιοῦσιν τὸν κόσμον; 6,3: οἱ ποιοῦντες τὸν κόσμον).79 Zu diesen gesellt sich noch Dionysos. Somit ergibt sich eine Vierzahl an innerweltlich schaffenden Göttern. Es sind die gleichen Götter, die bei Pro‑ klos den Kosmos und dessen Teile demiurgisch zustande bringen.80 Diese demiurgischen Kräfte ergänzen die Wirkung der höheren Götter, indem sie die Welt konkret, mithilfe einzelner und zunehmend spezifischer wer‑ denden Formen gestalten. Die zweite Trias bildet dagegen gleichsam eine weibliche demiurgische Linie, bestehend aus Demeter, Hera und Artemis: Sie kooperiert mit den männlichen Göttern der ersten Trias zur Beseelung des Kosmos und dessen Teile. In seiner Erörterung verwendet Salustios den Terminus „Demiurg“ bzw. „demiurgisch“ nicht. Lediglich die For‑ men des Verbs ποιέω verweisen auf diesen Charakter.81 Die dritte Trias bringt „die aus unterschiedlichen Elementen Bestehende Welt in Harmo‑ nie“, während die vierte „die in Einklang Gebrachte“ beschützt (6,2). Im mythentheoretischen Abschnitt erscheint Attis (4,7–11) als weiterer schaffender Gott, den Salustios diesmal ausdrücklich als Demiurgen be‑ zeichnet. Er ist der „Demiurg des Entstehenden und Vergehenden“ (4,8), von dem erzählt wird, dass er sich zu gegebener Zeit – was verstanden wer‑ den soll als „in einer bestimmten Funktion“ (ebd.) – am Rande der Milch‑ straße aufhält. Dies bedeutet, dass er sich in seiner demiurgischen Tätigkeit in der sichtbaren Welt befindet, jedoch an der Grenze und oberhalb des Be‑ reichs des Werdens, denn die Milchstraße symbolisiert den Ursprung des Werdens. Attis’ Beziehung zur Göttermutter wird allegorisch erklärt als eine ontologische Abhängigkeit von einer übergeordneten Gottheit, durch die er vervollkommnet wird. Deshalb begehrt sie ihn ja und stattet ihn mit den himmlischen Zeugungskräften aus. Ein analoges Liebesverhältnis gibt SCHINI. Hermias appliziert hier die Etymologie δίιον (vgl. Διός, Gen. von Ζεύς) nicht nur auf Zeus, sondern auf die gesamte Zwölferreihe. 79 Im Gegensatz zu DI GIUSEPPE 2000, 194, betrachte ich diese beiden Ausdrücke als gleichbedeutend: εἶναι ποιοῦσιν bedeutet nicht, dem Kosmos die bloße Existenz zu ver‑ leihen, sondern sie formal zu gestalten, genauso wie das für das einfache ποιεῖν der Fall ist. Die Existenz wird der ganzen Wirklichkeit von der ersten Ursache verliehen. 80 Auf noerischer Ebene gilt Zeus als der universelle Demiurg des Timaios, der die Welt als Ganzes sowie ihre unveränderlichen Bestandteile erschafft. Auf niederer Ebene mani‑ festiert sich Zeus auch als hyperkosmisch. Dionysos gilt als der Anführer der „geteilten“ Demiurgie. Die proklianische Demiurgielehre wird ausführlich dargestellt in J. OPSOMER, „Proclus on Demiurgy and Procession in the Timaeus: a Neoplatonic Reading of the Ti‑ maeus“, in: M. R. WRIGHT (Hg.), Reason and Necessity. Essays on Plato’s Timaeus (London 2000) 113–143 und Ders. 2003. 81 Vgl. Plat. Tim. 28c2–3. Von Demiurgie im strengen Sinne redet Proklos, wie die meis‑ ten Platoniker, nur im Fall der Erzeugung von im Werden begriffenen Seienden. Vgl. Procl. In Tim. 1,260,19–26 DIEHL. Das Prinzip, das er und auch Salustios als erste Ursache bezeich‑ nen, wäre nach dieser terminologischen Einschränkung nicht demiurgisch. Numenios je‑ doch spricht auch von einem Demiurgen des Seins, den er vom Demiurgen des Werdens unterscheidet, wobei er allerdings andeutet, dass man vom Demiurgen des Seins nur im uneigentlichen Sinn redet. Vgl. frr. 12; 13; 16 (insb. Z. 9) DES PLACES.

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es zwischen Attis und der Nymphe, die als Wächterin des Werdens auftritt (4,9). Sie ist genauso von ihm abhängig, wie er von der Göttermutter, so könnte man ergänzen, und genau auf die gleiche Weise vervollkommnet er die Wächterin des Werdens. In dieser Deutung der Attisgeschichte ist es möglich, deutliche Parallelen zwischen Salustios und Julian auszuma‑ chen.82 So wie nach dem oben aufgeführten Schema der olympischen Göt‑ ter männliche demiurgische Prinzipien mit weiblichen lebenserzeugenden Kräften kooperieren, so geht der männliche und demiurgische Attis eine zweiseitige Verbindung mit weiblichen Prinzipien ein, wobei die höhere Göttin ihm Kräfte verleiht, die er der niedrigeren Nymphe weitervermit‑ telt. Wie die ausführlichere Darstellung bei Julian bestätigt, steht Attis für das noerische demiurgische Prinzip, das bis in die niedrigsten Bereiche der materiellen Welt durchdringt und sie von innen heraus gestaltet. Auch Ju‑ lian beschreibt ihn als den angrenzenden Demiurgen der sublunaren Welt. Der Urheber dieser Theorie dürfte wohl Jamblich gewesen sein. Attis’ demiurgische Kraft erstreckt sich auf Dinge, die entstehen und vergehen. Das heißt, m.E., dass er nur dadurch wirksam sein kann, dass er episodisch tätig wird und aktiv eingreift, während er bis in die untersten Erscheinungen der sublunaren materiellen Welt eintaucht. Ganz anders ist das bei den höheren Göttern, insbesondere bei den Ursachen, die die Welt als solche hervorbringen.

6. Die metaphysische Ursächlichkeit Der Kosmos hat immer existiert und wird immer existieren. Salustios ver‑ wendet einen großen Abschnitt seines Werks, um diese Kernansicht ar‑ gumentativ zu begründen. Im Rahmen dieses Aufsatzes interessiert uns vor allem die Frage, was diese Annahme für die göttliche Kausalität impli‑ ziert. Kurz gesagt bedeutet sie, dass die Prinzipien, die der Welt Existenz und formale Bestimmtheit verleihen, niemals von ihrer Wirkung ablassen. Dazu würde es nicht einmal reichen, wenn die göttlichen Prinzipien im‑ merwährend sind. Wie wir im Abschnitt 2 festgestellt haben, sind Götter ewig und unveränderlich. Salustios und andere Platoniker meinen jedoch, dass darüber hinaus die ununterbrochene und unaufhörliche Wirkung nur dann verbürgt werden kann, wenn sie nicht aufgrund einer Entscheidung, bzw. eines Willensaktes, zustande kommt, sondern mit dem Wesen des jeweiligen Prinzips einhergeht. Ihrem Sein nach sind die Prinzipien reine Tätigkeit. Diese innere Tätigkeit erzeugt spontan eine Wirkung nach au‑ ßen, kraft deren andere Sachen zustande kommen. Aus diesem Grund betont Salustios, dass Gott die Welt mit Notwendig‑ keit und kraft seiner Güte hervorbringt. Die Welt existiert durch Gott, so 82

Siehe dazu OPSOMER 2008, 148–156; LECERF 2012; 2014.

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wie Licht zusammen mit Feuer und der Sonne, Schatten zusammen mit Körpern auftritt (7,2). Mit „Gott“ meint er hier wohl das erste Prinzip, aber die gleiche Argumentation wäre auf jeden Fall auch für die überweltli‑ chen Götter gültig. Dass die kontinuierliche Zeugung, was man als die un‑ veränderliche kausale Abhängigkeit der Welt von der göttlichen Ursache verstehen kann, mit der Güte Gottes verbunden wird, könnte man noch als eine Art Willensentscheidung Gottes verstehen. Die Licht‑ und Feuer‑ gleichnisse deuten jedoch in eine andere Richtung: Sie versinnbildlichen die metaphysische Notwendigkeit der göttlichen Kausalität. Diese Auffas‑ sung wird durch einen terminologisch genauen Ausdruck bestätigt, den Salustios an einer anderen Stelle verwendet: Götter bringen ihre Erzeug‑ nisse „aufgrund ihres bloßen Seins“ (αὐτῷ τῷ εἶναι, 9,3) hervor.83 Die‑ selbe Art von Ursächlichkeit wird gemeint, wenn er behauptet, die Göt‑ ter schöpfen „aus Kraft“ (κατὰ δύναμιν, 13,2).84 Diesem Schaffen setzt Salustios zwei andere Arten des Hervorbringens entgegen: das Schaffen durch Natur oder durch Kunst. Im Gegensatz zu diesen beiden, „bringt das aus Kraft Schaffende das Geschaffene zusammen mit sich selbst zu‑ stande, weil es die Kraft als etwas Untrennbares innehat, wie die Sonne das Licht, das Feuer die Wärme, der Schnee die Kälte“ (13,2). Die Verwen‑ dung derselben Gleichnisse ist ein starkes Indiz dafür, dass unserem Autor auch in 7,2 das gleiche Ursächlichkeitsmodel vorschwebt. Salustios erläu‑ tert diese Art des Erzeugens mit der Bemerkung, dass „alles, was durch Kraft entsteht, nur gemeinsam mit demjenigen, das die Kraft hat, zustan‑ de kommt“ (13,4: Πᾶν δὲ τὸ δυνάμει γινόμενον τῷ τὴν δύναμιν ἔχοντι συνυφίσταται)85 oder auch, dass „wer nun aus Kraft alles schafft, alles zusammen mit sich selbst zur Existenz bringt“ (ebd.: Δυνάμει μὲν οὖν πάντα ποιῶν ἕαυτῳσυνυφίστησι πάντα).86 Da laut Salustios die Götter 83 Vgl. Procl. Elem. theol. 18; 20; 76 (72,8 DODDS); Theol. plat. I 15; III 6; V 15 und V 16 (1,76,4; 3,26,3; 5,52,1; 5,56,9f. SAFFREY / WESTERINK); In Remp. 2,206,6 KROLL et passim. Siehe auch bereits Porph. In Tim. fr. 51, 36, 2–7 SODANO (= Procl. In Tim. 1,392,30–393,5 DIEHL): Porphyrios argumentiert, dass es unmöglich ist, dass die Welt nicht existiert, solange es die aufgrund ihrer bloßen Seinsart wirkende Ursache gibt. 84 Vgl. die vorherigen Überlegungen zur „ursprünglichen Kraft“ (S. 119): Etwas, das die‑ se Kraft innehat, ist reine Aktualität und kann seine Wirkung auch nicht ändern, denn das würde Potentialität voraussetzen. 85 Sprachlich gleicht dieser Grundsatz den Propositionen von Proklos’ Elementatio theolo‑ gica, z.B. Prop. 3: Πᾶν τὸ γινόμενον ἓν μεθέξει τοῦ ἑνὸς γίνεται ἕν („Alles Einswerdende wird eins durch Teilhabe am Einen“; Übers. Onnasch / Schomakers). 86 Möglicherweise sollte man den Ausdruck „zusammen mit sich selbst hervorbringen“ als einen Hinweis auf den Begriff des αὐθυπόστατον verstehen, buchstäblich „das sich selbst Hervorbringende“. Siehe dazu Procl. Elem. theol. 40. Der Terminus kommt bereits bei Jamblich vor (Stob. II 174,22), aber auch Porphyrios scheint mit dem Begriff vertraut zu sein: Sent. 17; 19. Vgl. C. STEEL, „Proklos über Selbstreflexion und Selbstbegründung“, in: M. PERKAMS / R. M. PICCIONE (Hg.), Proklos. Methode, Seelenlehre, Metaphysik. Philosophia antiqua 98 (Leiden / Boston 2006) 230–255.

Spuren einer wissenschaftlichen platonischen Theologie in Salustios’ De deis

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Schöpfer aller Dinge seien, gebe es nichts in der Welt, das grundsätzlich schlecht ist (12,3–4).87 Ein letzter Aspekt der göttlichen Ursächlichkeit soll hier noch hervor‑ gehoben werden. Die vorangehenden Überlegungen haben bereits zwei Momente der klassischen triadischen Struktur der neuplatonischen Kau‑ salität gezeigt: das In‑Sich‑Verharren der Ursache (die μονή, die zugleich beinhaltet, dass das Hervorgebrachte in seiner Ursache verharrt) sowie das aus der Ursache Hervortreten (der πρόοδος). Das dritte Strukturmoment besteht darin, dass das Hervorgebrachte sich auf seine Ursache zurück‑ wendet (die ἐπιστροφή) und sich selbst dadurch vollendet.88 Auch dieses Zurückwenden wird von Salustios thematisiert, wenn er nämlich in Ab‑ schnitt 14,2 die Auffassung erörtert, dass unsere Seelen sich vervollkomm‑ nen durch die Rückwendung auf ihre Herkunft, d.h. auf die sie verursa‑ chenden Götter. Da eine solche Rückwendung Ähnlichkeit voraussetzt, ge‑ lingt es den Seelen nur dann, diese Verbindung herzustellen (das Motiv der συναφή), wenn sie sich durch tugendhaftes Verhalten den Göttern anglei‑ chen (das Motiv der ὁμοίωσις θεῷ, das hier aber nicht als solches benannt wird). Auf den gleichen Gedanken aufbauend, bietet Salustios in Abschnitt 16,2 eine metaphysische Rechtfertigung für Tieropfer. Wenn nämlich eine Verbindung zwischen weit auseinander liegenden Dingen hergestellt wer‑ den soll, braucht man eine mittlere, vermittelnde Instanz. Das Gebot der Ähnlichkeit erfordert darüber hinaus, dass das Mittlere einschlägige Ge‑ meinsamkeiten mit den beiden Extremen ausweist. Deshalb sind Opfer le‑ bender Wesen erforderlich, um zwischen dem ursprünglichen Leben der Götter und dem menschlichen Leben zu vermitteln, und zwar Opfer aus‑ gewählter Tiere, passend jeweils zum spezifischen Gott, zu dem wir eine Verbindung herstellen wollen, und begleitet von einer ihm gebührenden religiösen Praxis. Sowohl für die von Salustios verwendete Terminologie als auch für die zugrundeliegenden Ideen lassen sich enge Parallelen zu

87 In 12,3 übernimmt Salustios das berühmte epikureische Trilemma, das auf die Unver‑ einbarkeit der Güte Gottes, der (All)macht Gottes, und der Existenz des Bösen abzielt. Siehe Epikur, fr. 374 USENER (= Lactantius, De ira dei 13,20–21). Vgl. Sext. Emp. Pyrrh. hyp. 3,9–12. In 9,3 spricht Salustios ein Kernstück der epikureischen Theologie, d.h. die Leugnung der göttlichen Providenz, explizit an und versucht, es zu widerlegen. 88 Siehe dazu W. BEIERWALTES, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik. Philosophische Abhandlungen 24 (Frankfurt am Main 1965) 118–164. Für die Trias Mone‑Prohodos‑ Epistrophe, siehe Procl. Elem. theol. 35 (38,9–10 DODDS): Πᾶν τὸ αἰτιατὸν καὶ μένει ἐν τῇ αὐτοῦ αἰτίᾳ καὶ πρόεισιν ἀπ’ αὐτῆς καὶ ἐπιστρέφει πρὸς αὐτήν („Alles Verursach‑ te bleibt in seiner Ursache, tritt von dieser aus hervor und wendet sich auf dieselbe hin“; Übers. Onnasch / Schomakers). Siehe auch Julian, In Matr. 6, 166D (zu Attis): ἡ πρὸς τὸ κρεῖττον ἐπιστροφή („Die Zurückwendung auf das Bessere“). Vgl. Sal. De deis 4,9: [ὁ Ἄττις] δυνάμεις γονίμους ἀφεὶς εἰς τὴν γένεσιν πάλιν συνάπτεται τοῖς θεοῖς („[At‑ tis] entlässt seine zeugenden Kräfte in die Schöpfung und verbindet sich wieder mit den Göttern“).

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Proklos’ theologischen Schriften nachweisen.89 Dieses Beispiel zeigt übri‑ gens auf wunderbare Weise, wie bei Salustios die Gesetze einer wissen‑ schaftlichen Theologie sogar dazu verwendet werden, eine gewisse kulti‑ sche Praxis90 zu erläutern.

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Man vergleiche Sal. De deis 14,2, Ἡμεῖς δὲ ἀγαθοὶ μὲν ὄντες δι’ ὁμοιότητα θεοῖς συναπτόμεθα, mit Procl. Elem. theol. 32 (36,3–4 DODDS): Πᾶσα ἐπιστροφὴ δι’ ὁμοιότητος ἀποτελεῖται τῶν ἐπιστρεφομένων πρὸς ὃ ἐπιστρέφεται („Jede Hinwendung kommt durch Ähnlichkeit der Hinwendenden mit demjenigen zustande, auf das sie sich hinwen‑ den“; Übers. Onnasch / Schomakers), und 32 (36,9 DODDS): συναφὴ πᾶσα δι’ ὁμοιότητος („Jede Verknüpfung ist durch Ähnlichkeit“), Elem. theol. 112 (98,35–36 DODDS), διὰ τὴν ὁμοιότητα συνάπτεται („Sie verbinden sich durch ihre Ähnlichkeit“) und Elem. theol. 125 (112,11–12 DODDS). Man vergleiche ebenfalls Sal. De deis 16,2, ἡ ἀνθρωπίνη βούλεται δὲ αὕτη συναφθῆναι ἐκείνῃ, μεσότητος δεῖται· οὐδὲν γὰρ τῶν πλεῖστον διεστώτων ἀμέσως συνάπτεται. Ἡ δὲ μεσότης ὁμοία εἶναι τοῖς συναπτομένοις ὀφείλει, κτλ. („Weil [das menschliche Leben] sich mit jenem [göttlichen Leben] verbinden will, bedarf es eines Mediums (nichts nämlich, was weit entfernt ist, verbindet sich unvermittelt); das Medium aber muss den Dingen, die verbunden werden, gleich sein; also usw.“) mit Procl. Elem. theol. 55, (52,17–19 u. 21–23 DODDS), εἰ γὰρ αἱ πρόοδοι πᾶσαι δι’ ὁμοιότητός εἰσι, καὶ πρὸ τῶν πάντῃ ἀνομοίων συνεχῆ τοῖς πρώτοις ὑφίσταται τὰ ὅμοια πρὸς αὐτὰ μᾶλλον ὄντα ἢ ἀνόμοια […] μέσα δὲ τούτων τε καὶ ἐκείνων ἐστὶ τὰ πῇ μὲν ὅμοια ἐκείνοις, πῇ δὲ ἀνόμοια („Denn kommt jedes Hervortreten durch Ähnlichkeit zustande und bestehen vor den in jeder Hinsicht Unähnlichen kontinuierlich mit den Ersten diejenigen, die den Ersten eher ähnlich als unähnlich sind […] und sind in der Mitte zwischen [jenen] und [diesen] diejenigen, die in einer bestimmten Hinsicht diesen ähnlich, in einer anderen jedoch un‑ ähnlich sind, usw.“). 90 Siehe auch den Beitrag von Nicole Belayche in diesem Band, S. 153.

Kommunikationsformen zwischen Göttern und Menschen* Nicole Belayche … bedarf es eines Mediums (nichts nämlich, was weit entfernt ist, verbindet sich unver‑ mittelt); das Medium aber muss den Dingen, die verbunden werden, gleich sein; also muss Leben das Medium des Lebens sein. Deshalb opfern die Menschen Lebendiges, … Salustios1

Salustios’ Abhandlung De deis et mundo präsentiert sich als didaktisches, sogar als „wissenschaftliches“,2 Exposé systematischer Theologie. Kaiser Julian hat es bei seinem Prätorianerpräfekten für den Orient im Frühjahr 362 in Auftrag gegeben, jedoch ist der Text zu keinem „Katechismus“ des Regimes geworden, vielleicht, weil die Zeit dafür gefehlt hat (Julian stirbt ein Jahr später).3 * Einen herzlichen Dank möchte ich Maria Gkamou und Simone Seibert ausdrücken, die den Beitrag aus dem Französischen übersetzt haben. Ich bedanke mich bei allen Kolle‑ gen und Autoren in diesem Band für ihre präzisen Kommentare, insbesondere bei Adrien Lecerf für seine aufmerksame Lektüre, sowie auch bei Heinz‑Günther Nesselrath, der mich vor den Fehlern der ersten Fassung dieses Textes bewahrt hat. Ebenfalls bin ich Constan‑ tinos Macris sehr dankbar für sein freundliches und bereitwilliges Korrekturlesen. 1 De deis 16,2: Μεσότητος δεῖται· οὐδὲν γὰρ τῶν πλεῖστον διεστώτων ἀμέσως συνάπτεται. Ἡ δὲ μεσότης ὁμοία εἶναι τοῖς συναπτομένοις ὀφείλει· ζωῆς οὖν μεσότητα ζωὴν ἐχρῆν εἶναι. Καὶ διὰ τοῦτο ζῷα θύουσιν ἄνθρωποι. Im Französischen schreibe ich die Wörter „dieu(x)“ und „monde“ klein; großschreiben ließe sich nur das „Principe pre‑ mier“, das „erste Prinzip“, die „erste Ursache“ (5,1) und die „indicible puissance“, die „un‑ aussprechliche Urkraft“ (5,3). 2 BOUFFARTIGUE 2016, 94. 3 Vgl. ROCHEFORT 1960, XXIV, der vom „catéchisme officiel de la religion nouvelle“ spricht (er greift eine Formulierung des jungen CUMONT 1892, 55 auf: „catéchisme officiel de l’empire païen“) im Kontext eines dogmatischen (?) Unterfangens von Julian; Detlef Melsbach folgt ihm in diesem Band, S. 3 und 9 („einen paganen Katechismus“). Wie bei den Übersetzungen und dem Kommentar von G. Rochefort üblich, die sehr christlich ge‑ prägt sind, scheint mir der Ausdruck anachronistisch und unangemessen. Julian hat aus De deis kein Staatsdogma gemacht und seine kultur‑religiösen Empfehlungen waren nur für die Lehrer verbindlich (vgl. sein „Schulrecht“, Julian, Ep. 61c [423A] u. 61b = CTh XIII 3,5) und für die Priester nur wenn sie in ihrem Tempel sind (Ep. 89b [302C–303B]); dagegen P. ATHANASSIADI / C. MACRIS, „La philosophisation du religieux“, in: L. BRICAULT / C. BONNET (Hg.), Panthée: Religious Transformations in the Graeco‑Roman Empire. RGRW 177 (Leiden / Boston 2013) [41–83] 82. Darum scheint mir das Konzept der „heidnischen Kirche“ (siehe z.B. den Beitrag von Adrien Lecerf, S. 72–73) eher ein historiographischer Effekt der christ‑ lichen Polemik zu sein (angestoßen von den vier Artikeln von W. KOCH 1927–1928 mit dem

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Auch wenn der Text sich an eine Linie des julianischen Denkens anlehnt, zitiert Salustios jedoch nie den Kaiser, weder verbatim noch durch Anspie‑ lungen.4 Die beiden Männer teilten die philosophische Herangehensweise an den Mythos und ein spezielles Interesse für den Mythos von Attis sowie eine kosmo‑theologische Vorstellung.5 Und auch wenn Salustios zweimal am Ende einer Erläuterung, wie Julian in seinem Leben, an die Gunst der Götter (4,11) und der Welt (17,10) appelliert, ist dies ohne Zweifel keine bloße rhetorische Konvention: Das Gebet verleiht der Abhandlung einen frommen Status als Opfergabe an die timè der Götter.6 Der Historiker kann auch bei der Amtsstellung, die Salustios innehatte, als Inhaber von Funk‑ Titel „Comment l’empereur Julien tâcha de fonder une église païenne“), die, Gregor von Nazianz folgend, Julian als einen „Affen der Christen“ dargestellt hat (Or. 4 [Contre Julien 1],112) – wobei wir Gregors vorangehendem Kapitel (4,111) das am deutlichsten „mimeti‑ sche“ Bild der kirchlichen Struktur verdanken, vgl. SCROFANI 2010, 78f. und 86–89. Ohne die Frage grundsätzlich aufzugreifen, die einen weiteren Aufsatz nötig machen würde, muss konstatiert werden, dass es nicht immer einen Konsens unter den Gelehrten gibt. D. N. GREENWOOD, „Constantinian Influence upon Julian’s Pagan Church“, Journal of Ecclesiasti‑ cal History 68,1 (2017) 1–21 hat die verschiedenen Thesen aufgezählt, die vertreten werden, um letztlich die „heidnische Kirche“ zu verteidigen. Jedoch hat T. NESSELRATH, Kaiser Julian und die Repaganisierung des Reiches: Konzept und Vorbilder. JbAC.KR 9 (Münster 2013, zitiert nach H. C. TEITLER, The Last Pagan Emperor. Julian the Apostate and the War against Christiani‑ ty [Oxford 2017] 160 Anm. 8), m.E. die beiden strukturellen Punkte gut herausgearbeitet, die diese Formulierung diskreditieren (dies ist auch die Analyse von SCROFANI 2010): der Status der Priester (sie sind nicht geweiht) und das Beharren auf rituellen Aufgaben („Es ist nicht einfach, das christliche Klerikerbild mit dem Julians zu vergleichen, da es in christ‑ lichen Texten oft mehr um das theologische Konzept des Priestertums an sich geht, als um direkte praktische Handlungsanweisungen, wie sie Julian seinen Priestern gab.“). Was die ethischen und philanthropischen „Inhalte“ betrifft, auf die sich D. N. Greenwood eben‑ falls stützt, nimmt Julian, wenn er ein Beispiel sozialer christlicher Werke anführt, auch das Erbe der städtischen hellenistischen Tradition des kalos kagathos in Anspruch, und er zeigt seine dementsprechende Fürsorge, um mit seiner philotimia zu glänzen. Schließlich erfordert der Vergleich mit einem eventuell vorausgegangenen Projekt von Maximinus Daia Vorsicht, siehe N. BELAYCHE, „La politique religieuse ‚païenne‘ de Maximin Daia. De l’historiographie à l’histoire“, in: G. CECCONI (Hg.), Politiche religiose nel mondo antico e tar‑ doantico: orientamenti di governo, forme del controllo, idee e prassi di tolleranza. Coll. Munera (Florenz 2011) 235–259. A. FINKELSTEIN, The Specter of the Jews. Emperor Julian and the Rhe‑ toric of Ethnicity in Syrian Antioch (Oakland 2018) 86–91 spricht m.E. sehr zutreffend von einem „priestly program“. 4 CÉLÉRIER 2013, 89–104 („Saloustios, philosophe julianien qui ne cite pas Julien“). Da‑ gegen wird Salustios von Julian zitiert, Gegen den Kyniker Herakleios 18 [223B]. 5 Die Kommentatoren haben schon früh darauf hingewiesen, wie viel De deis zu den Werken von Julian, insbesondere zu Gegen den Kyniker Herakleios und zur Rede An die Göt‑ termutter beigetragen hat, vgl. NOCK 1926 und G. ROCHEFORT, „Le Περὶ Θεῶν καὶ κόσμου de Saloustios et l’influence de l’empereur Julien“ REG 69 (1956) 50–66. Zu ihrer Konver‑ genz beim Mythos CÉLÉRIER 2013, 89–94. Zu Julian siehe R. SMITH, Julian’s gods: religion and philosophy in the thought and action of Julian the Apostate (London / New York 1995). 6 Schon bei Platon, Nomoi 801a: „Was wird denn nun wohl nach der guten Vorbedeutung das zweite Gesetz der musischen Kunst (i.e. die Musen: νόμος μουσικῆς) sein? Nicht dies, dass unsere Gesänge Gebete zu den Göttern sein sollen (εὐχὰς εἶναι τοῖς θεοῖς), denen wir jeweils opfern?“ (Übers. Schöpsdau / Müller) Vgl. TIMOTIN 2017, 39–44.

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tionen auf höchster Ebene seit Konstantin II. bis zu Valentinian‑Valens (c. 355–365),7 ein Werk im Staatsdienst vermuten – sogar ein Werk der pie‑ tas, in Anbetracht der rituellen Formen, die er erwähnt, beispielsweise in den Städten.8 Denn Salustios’ Handbuch lässt sich auch einer Tradition der römischen Aristokratie zuschreiben, die die Magistrate und Priester‑ ämter verwaltete, sogar die Kaiser erzog (wie Seneca bei Nero), und die, neben ihren priesterlichen Zuständigkeiten,9 reflektierende Werke veröf‑ fentlichte, in Anbetracht, dass sie mit einer moralischen Verantwortung und Anleitung gegenüber der Gemeinschaft betraut war. Exemplarisch ist der Fall Ciceros, der (seinerseits die Form des platonischen Dialogs favo‑ risierend) De legibus sehr direkt auf die religiösen Riten zugeschnitten und politisch verfasst hat, De natura deorum auf den philosophischen Bereich, und De divinatione sogar an der Schnittstelle zwischen der philosophischen Debatte und der Position des Regierenden.10 Aber, im Gegensatz zu Salus‑ tios, der einen Auftrag erfüllt, schreibt Cicero seine Werke als ein persön‑ liches politisches Projekt, vor allem seit seinem erzwungenen politischen „Rückzug“. Dieses Verantwortungsgefühl der Elite steht teilweise für die griechisch‑römische Konzeption der Religion: die Religionslosigkeit, sogar die Gottlosigkeit,11 entsteht durch eine schlechte Kenntnis oder Unwissen‑ heit von den Göttern.12 In meinem Beitrag zu diesem Sammelwerk, in dem ich mich mit den Kommunikationsformen zwischen dem Göttlichen und dem Menschli‑ chen auseinandersetze, schlage ich daher vor, mit Hilfe der historischen Untersuchungsweise den Interpretationszug eines römischen habitus der religiösen Pragmatik des Autors13 zu betrachten, wobei aufgezeigt wird, wie seine Konzeption der unveränderlichen Götter a priori den Rahmen für die Beziehungen zwischen Menschen und Göttern absteckt.

7

Zu seinem cursus honorum siehe die Einführung von Detlef Melsbach zu diesem Band,

S. 5. 8

S. unten Anm. 128. Der Pontifex Mucius Scaevola war es, der die „drei Arten der Theologie“ darlegte, siehe unten S. 168 und Anm. 160. 10 Eine Bibliographie kann hier nicht angegeben werden und wäre auch nicht nötig. Ich beschränke mich auf E. RAWSON, Intellectual Life in the Late Roman Republic (London 1985) zum Umfeld dieses „intellektuellen“ Staatsmannes. 11 Das, was Salustios, De deis 18,1, Atheismus / ἀθεΐα (auf die Christen bezogen?) nennt, scheint auch mit dem Kult in Verbindung zu stehen, weil „dies keine Auswirkungen auf die Götter hat“ (οὐκ εἰς θεοὺς γίνεται ταῦτα). 12 Vgl. N. BELAYCHE, „Rites et ‚croyances‘ dans l’épigraphie religieuse de l’Anatolie im‑ périale“, in: SCHEID 2007, 73–115 13 Diese Betrachtungsweise habe ich bereits auf die Opferpraktiken von Julian in BELAY‑ CHE 2001 angewandt. 9

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1. Vorbereitende Orientierung Der „vortreffliche“ (ἀγαθώτατος) Salustios14 erwähnt einige Male die Ri‑ tuale, die praktiziert werden müssen, um die innerweltlichen Götter zu ehren, die er in Kapitel 6 hierarchisiert. Dies macht er jedoch knapp, oh‑ ne viele Details über die rituellen Handlungen anzumerken, und unter‑ schiedslos in den beiden „Teilen“ des Buches.15 Die Ausdrücke, die er ver‑ wendet, sind traditionell und allgemein: τοὺς θεοὺς θεραπεύομεν (14,3), θρησκεία (16,2), τιμαί (9,7: τὴν θεὸν … τιμᾶν; 15,1: περὶ θυσιῶν καὶ τῶν ἄλλων τῶν εἰς θεοὺς γινομένων τιμῶν; 18,1; 18,3 für die göttlichen Eh‑ ren, die „Königen“ zuteilwerden). Er erwähnt (wie wir sehen werden) nur zwei besondere Feste, nämlich das der Göttermutter im Frühjahr – eine Hauptgottheit für Julian –, und andeutungsweise das von Eleusis. Mit Aus‑ nahme von einigen Erwähnungen der rituellen Formen, die er mit einem ebenso allgemeinen Wortschatz bezeichnet: εὐχαί τε καὶ θυσίαι (12,6; 14,3) und τὰ δρώμενα (4,11; 14,3)16 – er hebt sich für später die vielschichtige Bedeutung der τελεταί auf (Zeremonien oder Initiationen?)17 –, widmet Salustios den Überlegungen zu den rituellen Praktiken, im Wesentlichen Opferpraktiken, nur ein kurzes Kapitel (περὶ θυσιῶν βραχέα, 16,1), das er in einer abrupten Weise abschließt, als ob es sich um eine Exkurs gehandelt hätte: „Das soll hinsichtlich dieser Fragen genügen.“18 Diese vorläufige Aufstellung präziser ritueller Informationen, ohnehin schmal gehalten, überrascht mindestens aus zwei Gründen. Erstens, Kai‑ ser Julian, Salustios’ intellektueller und philosophischer Mentor für dieses kleine Werk, ist ein in hohem Maße praktizierender cultor deorum (maß‑ los gerade für seine Kritiker),19 und zwar aus einem „Bedürfnis“, wie er schreibt (weil er aus Glauben zum Dienst an den Göttern zurückgekehrt sei),20 und durch seinen Status, weil ja der Kaiser pontifex maximus ist.21 14

Kaiser Julian, Trostrede an sich selbst über die Abreise des vortrefflichen Salustius [S. 311 Hertlein]. 15 Zu dieser Struktur siehe den Beitrag von Adrien Lecerf in diesem Band, S. 92–94. 16 Zum Vergleich Lukian, Von den Opfern 1: „bei Opfern, öffentlichen Festen und feierli‑ chem Besuch der Tempel …, und … das was die einfältigen Leute von den Göttern bitten und … die Begriffe, die sie sich von denselben machen“ (ἐν ταῖς θυσίαις […] καὶ ταῖς ἑορταῖς καὶ προσόδοις τῶν θεῶν καὶ ἃ αἰτοῦσι καὶ ἃ εὔχονται; Übers. Wieland, leicht geändert). Für eine ähnliche Liste (Opfer, Trankopfer, Gebete, Danksagungen, Hymnen) in den Inschriften siehe z.B. IStratonikeia 1101. 17 De deis 3,1; 4,6; 12,6. S. unten S. 167–168. 18 De deis 16,2: Καὶ περὶ μὲν τούτων ἱκανά. Vgl. Strabon, Geogr. X 3,23 [C 474] für einen ebenso abrupten Abschluss seines Exkurses über die Kureten: „Doch genug hiervon“ (ἀλλ’ ἀπόχρη περὶ αὐτῶν) (Übers. Radt). 19 Julian, Misopogon 15, 346B–D. Vgl. das polemische Porträt des christlichen Autors Pru‑ denz, Apotheosis 460–502. 20 Bzw. Julian, Ep. 80 (1*), 98,8–10 BIDEZ; Ep. 26 (38), 415C. 21 Libanios, Or. 24,36: „Er ist es nämlich, der sein Leben zu gleichen Teilen der Verwal‑ tung des Reiches und dem Dienst an den Altären gewidmet hat“ (Übers. Fatouros / Kri‑

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Der kaiserliche Frömmler hatte den Ruf „des Belästigers der Götter“ mit zu vielen Opfern, sogar nach Meinung seiner Unterstützer wie Ammianus Marcellinus oder Libanios.22 Jedoch genau wie sich Julian über Mark Aurel wundert: „den Körper ernährte ich natürlich, vielleicht irrtümlich, aber doch in der Überzeugung, dass auch eure Leiber der Nahrung aus den Opfern bedürfen“23 und eine philosophische Tradition übernimmt, die auf Platon zurückgeht und von Jamblich erneut bekräftigt wird,24 schreibt Salustios, dass das Göttliche bedürfnislos ist (τὸ θεῖον ἀνενδεές)25 – ein Konzept, das sich von der griechischen mythologischen Tradition unterscheidet, die reich an Episoden ist, in denen die Götter befürchteten, nicht mehr vom Duft der Opfer zu profitieren. Die Ehren, die den Göttern gezollt werden (αἱ τιμαί), werden daher nur durch ihren „Nutzen“ für die Menschen ge‑ rechtfertigt (τῆς ἡμετέρας ὠφελείας ἕνεκα, 15,1), indem sie die Güte der Götter und ihre Hilfe26 anlocken, und sie fungieren in der Tat wie Kräfte der persönlichen und sozialen Regulation, wie wir sehen werden. Dann lässt außerdem, angesichts des philosophischen Inhalts der Abhandlung, auch die Abwesenheit des gesamten theurgischen oder telestischen Wort‑ schatzes verwundern,27 während er bei den beiden Impulsgebern von Sa‑ lustios zentral ist, dem „überaus göttlichen Jamblich“28 und dem nachfol‑ genden Julian.29 Henri‑Dominique Saffrey sieht diese Abwesenheit darin begründet, dass sich die Theurgie an Philosophen richtet,30 während Sa‑ lustios’ Schrift auf ein größeres Publikum zielt, entsprechend einem vade‑

scher). Vgl. G. SCROFANI, „Ὡς ἀρχιερέα: La ‚chiesa pagana‘ di Giuliano nel contesto della politica religiosa imperiale del III e IV secolo“, Studi Classici e Orientali 51 (2005) [195–215] 197–201. 22 Bzw. Julian, Misopogon 15 [346C]; Ammianus XXII 12,6; siehe BELAYCHE 2001. 23 Julian, Caesares 34 [333D] (Hervorhebung Verf.): δεῖται τῆς ἐκ τῶν ἀναθυμιάσεων τροφῆς (Übers. Müller). Zur Frage nach dem Zweck der Opfer in der griechischen und römischen Vorstellung, siehe die Bemerkungen von F. VAN STRATEN, „Ancient Greek Ani‑ mal Sacrifice: Gift, Ritual slaughter, Communion, Food supply, or what? Some thoughts on simple explanations of a complex ritual“, in: GEORGOUDI / PIETTRE / SCHMIDT 2005, 15–29. 24 Bzw. Platon, Timaios 29e; Jamblich, Réponse à Porphyre (De mysteriis) V 10–12 (158,8– 161,12 SAFFREY / SEGONDS). 25 S. auch De deis 14,1 (οὐδὲ δώροις θεραπεύεται – ἡδονῇ γὰρ ἂν ἡττηθείη) und 18,1. 26 De deis 14,1: θεραπευόμενοι δὲ ἵλεῳ γίνονται und die Götter ὠφελοῦσι μόνον. 27 Die telestische Manie ist eine der vier maniai im Phaidros (244a–d) von Platon. Zur Spätantike siehe O. BALLÉRIAUX, „Φιλοσόφως τὰ θεουργικὰ ἐξετάζειν. Syrianus et la té‑ lestique“, Kernos 2 (1989) 13–25. 28 Julian, Ep. 98 (27) [401B]. Siehe auch Jamblich, Resp. III 22 (114,19 SAFFREY / SEGONDS) (τὴν θεουργικὴν ἐνέργειαν) und der 3. Teil über die Theurgie. 29 Julian, Gegen den Kyniker Herakleios 14, 219A–B (διὰ θεουργίας καὶ τελεστικῆς) und An die Göttermutter 20, 180B. 30 H.‑D. SAFFREY, La théurgie comme phénomène culturel chez les néoplatoniciens (IVe –Ve siè‑ cles), Koinonia 8 (1984) [161–171] 171.

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mecum für die Laien,31 aber durchdrungen von Philosophie und pepaideu‑ menoi.32 In ihrem schönen Werk über die Theurgie untersucht Carine Van Liefferinge nicht im Detail die Abhandlung von Salustios (vielleicht weil der Begriff θεουργία uel sim. fehlt), aber sie führt eine kurze Begründung an: Si H.‑D. Saffrey n’a pas vu dans le traité de Saloustios d’allusion à la théurgie, c’est que celle‑ci doit y être considérée au sens large du terme, c’est‑à‑dire, comme chez Jambli‑ que, dans le sens de rite païen tout entier, ce qui correspond d’ailleurs à l’objectif du traité.33

Im Gegensatz zu Jamblichs Antwort an Porphyrios (De mysteriis) besteht das Ziel von De deis nicht darin, eine pragmatische Theologie vorzulegen, d.h. eine „Götterlehre“ (Plato, De Republica 379a) die sich in Ritualen ausdrückt. Um es mit John Scheid zu sagen: „par des gestes, par la hiérarchisation des offrandes, par les offrandes, l’action rituelle réalisait des énoncés sur le système des êtres et des choses“.34 Aber in seinem Streben nach περὶ θεῶν ἀκούειν („lernen über die Götter“), inkludiert Salustios die Kommunika‑ tionsformen als einen Weg, diese zu erproben,35 wie wir sehen werden. Die rituellen Hinweise, die in der Abhandlung gegeben werden, verwei‑ sen auf traditionelle Praktiken des griechischen und römischen Kultes, vor allem auf Opferpraktiken, die sich durch den Theurgen (re)semantisieren lassen, der seine Seele zu den Göttern zu erheben sucht. Es ist die Exegese, die dem Ritual eine besondere Bedeutung verleiht, und nicht sein Ablauf, der ihm einen wörtlichen Sinn gibt, wie der Indologe Charles Malamoud erklärt: „faire l’exégèse d’un rite, c’est en réalité … partir de ce qui est dé‑ jà autre chose que le rite“.36 Z.B. semantisiert Salustios in De deis 18,2 auf 31 De deis 5,1: „Doch hindert uns wohl nichts, sie möglichst kurzgefasst (ἐν βραχέσιν εἰπεῖν), damit niemand völlig unwissend bleibt (τὸ μὴ παντελῶς ἀνηκόους), zu bespre‑ chen“; ebenso 13,1. Siehe den Beitrag von Adrien Lecerf in diesem Band, S 69. 32 De deis 1,2 (die κοιναὶ ἔννοιαι der Götter wie die apatheia und die Unwandelbarkeit sind keine traditionellen Konzeptionen der göttlichen Mächte in der griechischen und rö‑ mischen Praxis) und 10,3 (über die Bedeutung der paideia für die Ausübung der Tugenden). 33 VAN LIEFFERINGE 1999, 242. 34 J. SCHEID, „Religion collective et religion privée“, Dialogues d’Histoire Ancienne 39 (2013) [19–31] 22. Zur Reflexion über theologische Vorstellungen in der griechischen Religion J. KINDT, „The story of theology and the theology of the story“, in: EIDINOW / KINDT / OSBORNE 2016, 12–34, die aber nur die Texte (das „storytelling“) untersucht, als ob die griechische Religion nicht von Anfang an eine Ritenreligion gewesen wäre; und EIDINOW / KINDT / OSBORNE 2016, aber unter Vorbehalt des Auslegungskonzepts, das von C. BONNET, online‑ Rezension bei BMCR, https://bmcr.brynmawr.edu/2017/2017.06.13/ dargelegt wird. 35 De deis 1,1 (Hervorhebung Verf.); siehe auch 2,1. Die Übersetzung von Detlef Melsbach in diesem Band, Anm. zur Übers. 2, hebt ganz bewusst die doppelte Bedeutung des Verbs hervor (rezeptiv und kognitiv). Constantinos Macris, dem ich Dank schulde, zieht schließ‑ lich „laut vorlesen“ in Betracht, da ἀκούειν auch „lesen“ bedeutet, D. M. SCHENKEVELD, „Prose usages of ἀκούειν ‚to read‘“, Classical Quarterly 42,1 (1992) 129–141. 36 C. MALAMOUD, „Présentation“ des Dossiers „Oubli et remémoration des rites. Histoire d’une répugnance“, ASSR 85 (1994) [5–8] 6. Parallel dazu Porphyrios, Über die Weisheits‑

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philosophische Weise (πρὸς τὴν ἀσθένειαν τῆς ἡμετέρας ἀφοσιούμενοι φύσεως) die religiöse Festsetzung der ungünstigen Tage (ἀποφράδες) des öffentlichen Kalenders, dessen Logik soziopolitisch konstruiert und des‑ sen Abfassung entwicklungsbedingt war,37 wie bei allen Ritualen. Die Be‑ merkung von John Scheid: „ces interprétations rendent intelligible le mon‑ de, mais elles n’expliquent pas le culte et la religion“,38 gilt auch für die rituellen Notationen von De deis.

2. Die Religion, ein Kommunikationssystem Wie Salustios in der eingangs zitierten Passage darstellt, ist die Religion, d.h. ihre Ausübung (θρησκεία),39 ein Kommunikationssystem,40 das sym‑ bolische Vermittlungsinstanzen (μεσότης)41 nutzt, die geeignet sind, zwei Ordnungen mit verschiedenem ontologischen Status (menschlich und göttlich) in Kontakt zu bringen, oder besser, zu verbinden (συνάπτειν),42 lehre aus den Orakelsprüchen (fr. 314 SMITH), ap. Eusebios, Praeparatio evangelica IV 9,2, ent‑ faltet seine Interpretation der Opfersymbola, nachdem er ein langes Orakel zitiert hat – sowohl als Opferhandbuch als auch als genaue polytheistische Theologie, die die Götter ihren Klassen (taxis) zuordnet. A. BUSINE, Paroles d’Apollon. Pratiques et traditions oraculai‑ res dans l’Antiquité tardive (IIe –VIe siècles). RGRW 156 (Leiden / Boston 2005) 259–262 hat richtig die Distanz zwischen dem Text dieses Orakels (pragmatische Theologie) und der Auslegung des Philosophen festgestellt. 37 Salustios vermischt Tage unterschiedlicher Kategorien: die zahlreichen dies fasti, die ungeeignet für Kulthandlungen sind, da sie menschlichen Aktivitäten vorbehalten sind, insbesondere der Justiz (an denen die Tempel geschlossen sind: τὰ μὲν ἤργει τῶν ἱερῶν), und die Tage, an denen Kulthandlungen verboten sind, welche in der römischen Tradition verschiedene Zuordnungen haben: dies religiosi, auch atri genannt, wie der dies Alliensis am 15./18. (?) Juli (M. ENGERBEAUD, „Le « jour de l’Allia » [dies Alliensis]: recherches sur l’anniversaire d’une défaite dans les calendriers romains“, MEFRA 130/1 [2018] en ligne: http://journals.openedition.org/mefra/4769), usw., vgl. RÜPKE 1995, 562–592. 38 SCHEID 2007a, 57. 39 Zu einer Reflexion über den Religionsbegriff und die Abweichung unseres Wortschat‑ zes verglichen mit den antiken Kategorien B. NONGBRI, Before Religion. A History of a Modern Concept (New Haven / London 2013). Es ist kein Zufall, dass der Autor mit seiner indischen Herkunft beginnt (S. 1), d.h. mit einem aktuellen Modell des Ritualismus. 40 CLARKE 1998 behandelt diese Kommunikation nur im Rahmen des dargelegten philo‑ sophischen Systems („this definitive catalogue of Neoplatonic doctrine“, 327). 41 ROCHEFORT 1960, 49 Anm. 8 und 10, zieht eine Adaption des Christentums in Betracht, die mir nicht notwendig scheint, wenn man nicht von Anfang an die Abhandlung als einen polemischen Text betrachtet. Außerdem hat Adrien Lecerf, bei dem ich mich bedanke, auf‑ gezeigt, dass der Begriff „est clairement un vocable issu des philosophes classiques (Platon, Timaios; Aristoteles, passim)“. 42 Die Häufigkeit der Verwendung des Verbs συνάπτω oder des Substantivs συναφή sollte zuerst beachtet werden (nach einer Überprüfung im TLG ist das Wort ebenso häufig bei Jamblich, Resp.). ROCHEFORT 1960 übersetzt oft mit „communier“, vielleicht mit einem unbewussten christlichen Einfluss. Ich ziehe es vor, die Kommunikationsbedeutung bei‑ zubehalten, wenn der Kontext rituell ist, z.B. in De deis 4,6: πᾶσα τελετὴ πρὸς τὸν Κόσμον ἡμᾶς καὶ πρὸς τοὺς θεοὺς συνάπτειν ἐθέλει.

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die aber gleichsam in derselben Raumzeit der irdischen Dinge präsent sind (das ἐγκόσμιον) und im Einklang mit ihrem jeweiligen Status.43 Die re‑ ligiöse Praxis gibt daher Aufschluss über das Glaubenssystem (δόξα, De deis 1,1), das auf Vorstellungen (ἔννοια, 1,2) basiert, die die Menschen von Göttern haben.44 Ihre Rituale, d.h. die Opfer und die Ehrungen, die den Götter abgestattet werden (ἡ περὶ θυσιῶν καὶ τῶν ἄλλων τῶν εἰς θεοὺς γινομένων τιμῶν), bleiben dennoch eine ζήτησις, die seine Schrift glaubt gelöst zu haben (λέλυται, 15,1), als ob Salustios die Debatte über die Opfer vor Augen gehabt hätte, die Porphyrios gegen Jamblich geführt hat, und bei der er sich klar auf die Seite des Zweiten stellt, wie Julian. Die philosophische Exegese sei den Experten überlassen, ich kann als Religionshistorikerin nur feststellen, dass die salustische Konzeption zu einem gewissen Grad mit der Ritualreligion übereinstimmt, wie die grie‑ chische und römische Religion eine war. Aus diesem Grund stellt das Ritu‑ al eine Kommunikationssprache dar, die mit einer „pragmatischen Theo‑ logie“ spricht, welche die Götter und die Welt durch die Besonderheiten der Formen und die zeremoniellen Modalitäten erzählt:45 „deshalb opfern die Menschen ... jedem Gott das Gebührende (ἑκάστῳ θεῷ τὰ πρέποντα)“ (16,2). Salustios legt dort das Fundament des Ritualismus dar, das Jamblich ὁ τῆς θρησκείας νόμος („das Gesetz des Kultes“) nennt, das laut ihm eine Kommunikation unter Ähnlichen (ὅμοιοι) schafft.46 Bei diesem gemein‑ samen anthropologischen Konzept der Kommunikation geht es um die Natur der „Ähnlichkeit“ und der ähnlichen (ὅμοιοι) Objekte, wobei die Exegese sie entfalten und Unterschiede einführen kann. In der religiösen Vorstellung der Römer deutete die wörtliche Natur des Rituals darauf hin, dass die Götter des Staatspantheons natürlich Bürger sind, also Ähnliche, aber von einem übergeordneten Rang (ordo, Ordnung),47 deren ganz spe‑ 43 Zur Religion als Kommunikationssystem (und nicht nur als Symbolsystem laut der Tradition des Soziologen Émile Durkheim) J. RÜPKE, „Antike Religionen als Kommunika‑ tionssysteme“, in: K. BRODERSEN (Hg.), Gebet und Fluch, Zeichen und Traum. Aspekte religiö‑ ser Kommunikation in der Antike. Antike Kultur und Geschichte 1 (Münster 2001) 13–30; C. FREVEL / H. VON HESBERG (Hg.), Kult und Kommunikation. Medien in Heiligtümern der Antike (Wiesbaden 2007); J. RÜPKE (Hg.), A Companion to Roman Religion (Malden, MA / Oxford 2007) 6f. („For the purpose of a historical analysis, ‚religion‘ is conceptualized […] as hu‑ man action and communication. These were performed on the presupposition that gods existed who were part of one’s own social or political group, existed in the same space and time“); E. STAVRIANOPOULOU (Hg.), Ritual and Communication in the Graeco‑Roman World. Kernos Suppl. 16 (Liège 2006) besonders S. 7–22. 44 Ennoia, hyponoia, epinoia sind die geläufigen Begriffe um die Vorstellung / Darstellung / Konzeption von den Göttern auszudrücken, vgl. Dion von Prusa, Ὀλυμπικός ἢ περὶ τῆς πρώτης τοῦ θεοῦ ἐννοίας (Olympische Rede oder über die erste Erkenntnis Gottes), Or. 12. 45 J. SCHEID, Quand faire c’est croire. Les rites sacrificiels des Romains (Paris 2005). S. bereits M. LINDER / J. SCHEID, „Quand croire, c’est faire. Le problème de la croyance dans la Rome ancienne“, ASSR 81 (1993) 47–62. 46 Jamblich, Resp. V 20 (169,22–23 SAFFREY / SEGONDS). 47 SCHEID 2001, 69–75.

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zifische Identität (da sie keine phänomenale Existenz haben) die Menschen durch die rituelle Sprache deklinieren. Schon im religiösen Teil von De le‑ gibus mahnte Cicero, dass man „bestimmte Feldfrüchte und Früchte der Bäume … bei bestimmten Opfern und an bestimmten Tagen“48 verwen‑ den muss – daher verstand die Historiographie die römische Religion lan‑ ge als Kasuistik.49 Die Kombination der Zeiten für Rituale – die der Amts‑ inhaber Salustios gut kannte, da ja der geltende Kalender der traditionelle Kalender geblieben war –,50 ihrer Räume, Objekte, Gesten, Worte ergibt die wörtliche Bedeutung.51 Gregor von Nazianz, einer der heftigsten Kriti‑ ker des „Apostaten“ und seiner Praktiken, hatte dies gut verstanden: „Wo ist … der ganze Erdkreis, der binnen kurzer Zeit von frevlerischem Blut umgeben ist?“52 Dass er die Emphase auf ein divinatorisches Ritual setzt, spiegelt die Stigmatisierung des Opferns wider, worauf sich die Abscheu gegenüber dem „heidnischen“ Ritualismus konzentrierte.53 Im gedanklichen Kontext der Abhandlung, also in jamblichischem Kiel‑ wasser, setzt Salustios diese Praktiken in Verbindung (συνάπτειν)54 mit der von ihm entwickelten theologischen Architektur, wobei er eine Adap‑ tion (ἐπιτηδειότης) vorbringt, die infolge der Affinität und der Verwandt‑ schaft des Menschen mit den Göttern (Imitation / μίμησις und Ähnlich‑ keit / ὁμοιότης) möglich ist.55 Eben durch jene συναφή verleiht Salustios vielleicht diesen alltäglichen Ritualen einen „theurgischen“ Sinn, d.h. eine wirksame hieratikè pragmateia für seine kosmotheologische Darstellung.56 48

Cic. Leg. II 8 (Übers. Nickel): certas fruges certasque baccas […] hoc certis sacrificiis ac die‑

bus. 49 Th. Mommsen nannte sie eine „Religion der Krämerseelen“, zitiert von J. SCHEID, Les dieux, l’État et l’individu. Réflexions sur la religion civique à Rome (Paris 2013; engl. The Gods, the State, and the Individual: Reflections on Civic Religion in Rome, Philadelphia 2016) 32. 50 Zu den unterschiedlichen religiösen Bedeutungen der Tage (18,2), oben Anm. 37, selbst wenn die christlichen Feiertage seit Konstantin hinzugefügt wurden (wie der dies Solis/Sonntag), vgl. z.B. RÜPKE 1995 und GRAF 2015, 107–127. Durch Proklos ist die durch‑ gängige Feier der Numenien im 5. Jh. bezeugt (Marinos, Proklos oder Über das Glück 19,15). 51 SCHEID 2007a zum „sens implicite“ der Rituale (ihrer „literarische Bedeutung“), und zur Vielfalt ihrer Interpretationen, die niemals zwingend sind. 52 Gregor von Nazianz, Or. 5 (Gegen Julian 2),25: ποῦ … οἰκουμένη πᾶσα περινοουμένη δι’ ὀλίγου καὶ ἐναγοῦς αἵματος. 53 S. BELAYCHE 2005. 54 Dies gehört für Julian, Gegen den Kyniker Herakleios 17, 222D zur τελεστικὴν καὶ μυσταγωγὸν φιλοσοφίαν des Jamblich. 55 De deis 15,2: „Die Vorsehung der Götter erstreckt sich überallhin und bedarf nur der Eignung zur Annahme. Jede Eignung aber entsteht durch Nachahmung und Ähnlich‑ keit. Deshalb imitieren die Tempel den Himmel, die Altäre die Erde (διὸ οἱ μὲν ναοὶ τὸν οὐρανόν, οἱ δὲ βωμοὶ μιμοῦνται τὴν γῆν) [...], die Opfertiere das vernunftlose Leben in uns (τὰ δὲ θυόμενα ζῷα τὴν ἐν ἡμῖν ἄλογον ζωήν)“. Siehe den Beitrag von Adrien Lecerf in diesem Band, S. 100–104. 56 Über die Wirkungskraft der Opfer bei Jamblich, Resp. V 9–10 (156,14–158,7 SAFFREY / SEGONDS): Die Seele schreitet durch die rituelle Frömmigkeit zur Divinität fort, „durch eine Gemeinschaft unaussprechlicher Art“ (διά τινος ἀρρήτου κοινωνίας), was durch die Op‑

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Salustios benennt die Heilsthematik nicht explizit und verwendet nicht die Begrifflichkeit der σωτηρία vel sim. Er bevorzugt diejenige der Hilfe und des Beistands (ὠφελέω). Aus dieser Perspektive kann man verstehen, dass das, was er teletai (Zeremonien) nennt, „Initiationen“ bezeichnen könnte, vorausgesetzt wir lesen den Begriff θεουργικῶς (siehe unten). Wenn die Möglichkeit des Rituals aus der Ähnlichkeit zwischen Men‑ schen und Göttern herrührt, die es ihnen erlaubt zu kommunizieren, ent‑ spricht seine Notwendigkeit einem Akt der Gerechtigkeit gegenüber der Großzügigkeit der höheren Mächte. Erstens: Da wir alles von den Göttern haben (Πρῶτον μὲν ἐπειδὴ πάντα παρὰ θεῶν ἔχομεν), und es gerecht ist (δίκαιον), den Gebern das Erste aller Gaben zu weihen (τοῖς διδοῦσι τῶν διδομένων ἀπάρχεσθαι).57

Diese Regel der Reziprozität (da ut dem) ist eine der Kommunikationsre‑ geln zwischen Menschen und Göttern in der öffentlichen römischen Reli‑ gion, zu der Salustios, ein sehr hoher Beamter des Reiches, bestellt war und die er als Magistrat anwenden musste. Sein philosophisches Engagement überschneidet sich also mit einer säkularen Tradition der römischen Kon‑ zeption des Religiösen, wie sie z.B. von Cicero in seiner Abhandlung De legibus systematisiert worden war – die wegen der didaktischen Form und der beiden Lektüreebenen der zwei Abhandlungen wie ein Echo klingt.58 Die römische pietas ist aufgebaut auf den Kardinaltugenden der iustitia (δίκαιον) und fides und besteht darin, als fromme Handlung den Göttern ihr ius abzustatten. Die zentrale Stellung des ius in einer Praxis, die als Ort der Kommunikation mit den Göttern59 gedacht ist, erklärt, warum das öf‑ fentliche römische religiöse System nach derselben Rechtsarchitektur wie der Staat organisiert ist.60 Nun lebt aber Salustios immer noch in einem „heidnischen“ und nicht in einem schon christlichen Reich, wie die His‑ toriographie das 4. Jh. seit langem darstellt (und sogar damit fortfährt).61 Selbst wenn das sogenannte Edikt von Mailand im Jahr 313 das Christen‑ tum legalisierte und einige Kaiser, beginnend mit Konstantin, Maßnahmen fergaben geschieht. Vgl. VAN LIEFFERINGE 1999, 23–126 („La théurgie selon le De mysteriis de Jamblique“). 57 De deis 16,1. Indem Salustios die Ehrungen, die den Göttern dargebracht werden, dem Gebiet der Gerechtigkeit zuordnet, pflichtet er auch der julianischen Frömmigkeitsvorstel‑ lung bei, die in Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) und frommer Tugend (ἀρετὴ ὅσια) besteht, vgl. Julian, Zweite Lobrede auf Constantius II. 16, 70D: „Denn die Frömmigkeit ist die Frucht der Gerechtigkeit, diese selbst aber eine Eigenschaft des göttlicheren Teils der Seele“. 58 Cic. Leg. II 7: „Die Bürger sollen also schon von Anfang an überzeugt davon sein, dass die Götter die Herren und Lenker aller Dinge sind“ (Übers. Nickel) usw. Das Werk De legibus wie auch De divinatione richten sich an mehrere Leserkreise. 59 Cic. De natura deorum I 42: religionem, quae deorum cultu pio continetur. 60 Vgl. SCHEID 2001, v.a. 29–76. 61 Z.B. A. PIGANIOL, L’empire chrétien (Paris 1947; 2 1972), der das 4. Jh. als „christliches Imperium“ bezeichnete. Siehe kürzlich die heftigen Debatten um CAMERON 2011, der die Bedeutung der Heiden im 4. Jh. abwertet.

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ergriffen, die seine Institutionen und ihre rituellen Vertreter begünstigt ha‑ ben,62 war die religiöse Struktur des römischen Staates nicht erschüttert – außer in einem Bild, wie es durch bestimmte christliche Geschichten ge‑ zeichnet wurde, vorrangig in denen der Vita Constantini des Eusebios von Caesarea. Der Kaiser (selbst ein „Kaiser‑Papst“ wie Constantius II.) bleibt pontifex maximus bis Gratian, und die öffentlichen Priesterkollegien sind belegt bis zum Beginn des 5. Jh.s.63 Die zunehmende Vernachlässigung der Tempel, für die sich Julian aktiv eingesetzt hat, um die Zeremonien zu revi‑ talisieren,64 begann seit der Mitte des 3. Jh.s und lässt sich durch zahlreiche Faktoren erklären, darunter dem Rückzug der Eliten aus dem religiösen Euergetismus. Gewiss, die geistigen Grundlagen, die das Denken der im Codex Theodosianus65 erhaltenen Gesetze während des 4. Jh.s strukturieren, verleugnen diesen Atavismus der traditionellen Kategorien.66 Opferhandlungen sind nicht nur geeignete Objekte im juristischen Sys‑ tem der Kommunikation und Reziprozität, wie dem der öffentlichen Reli‑ gion. Die Frömmigkeit, die sie ausdrücken, ist für die Menschen von Nut‑ zen, indem sie sich der wohlwollenden Fürsorge „der guten Vorsehung der Götter“ (τῆς ἀγαθῆς προνοίας τῶν θεῶν) versichert. Salustios sieht sie, ganz klassisch, sich in Orakeln und Heilungen manifestieren (μαντεῖαι 62 Vgl. C. PIÉTRI, „Les succès: la liquidation du paganisme et le triomphe du catholicisme d’État“, in: J.‑M. MAYEUR / C. PIETRI / L. PIETRI / A. VAUCHEZ / M. VÉNARD (Hg.), Histoire du christianisme. 2. Naissance d’une chrétienté (250‑430) (Paris 1995) 399–404. 63 Vgl. F. VAN HAEPEREN, „Des pontifes païens aux pontifes chrétiens. Transformations d’un titre entre pouvoirs et représentations“, Revue Belge de Philologie et d’Histoire 81 (2003) 137–159. 64 Dazu die epigraphischen Widmungen als templorum restaurator und als ἀνανεωτὴς τῶν ἱερῶν, N. A. OIKONOMIDÈS, „Ancient Inscriptions Recording the Restoration of Greco‑ Roman Shrines by the Emperor Flavius Claudius Julianus (361‑363 AD)“, The Ancient World 15 (1987) 37–42. Julian, Ep. 78 (4), 375C, hatte notiert, dass die Opferpraktiken verloren gegangen waren: „Bisher sehe ich hier [...] einige wenige, die es zwar wollen, sich aber nicht darauf verstehen (ὀλίγους δέ τινας ἐθέλοντας μέν, οὐκ εἰδότας δὲ θύειν ὁρῶ)“ (Übers. Weis). Zum „Ende des Opferkults“, STROUMSA 2005. 65 Vgl. N. BELAYCHE, „Ritus et cultus ou superstitio? Comment les lois du Code Théodosien (IX & XVI) de Constantin à Théodose parlent des pratiques religieuses traditionnelles“, in: S. CROGIEZ‑PÉTREQUIN / P. JAILLETTE (Hg.), Traduire le Code théodosien (Rom 2009) 191–208. Bekanntlich beinhaltet die Sammlung des CTh eine Zusammenstellung von Gesetzen, mit einer Neufassung, durchgeführt durch die Juristen von Theodosios II., vgl. CTh I 1,6: […] et demendi superuacanea uerba et adiciendi necessaria et demutandi ambigua et emendandi incongrua. Vgl. T. HONORÉ, „The Making of the Theodosian Code“, Zeitschrift der Savigny‑Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) 103 (1986) 133–222 und Ders., Emperors and Lawy‑ ers (Oxford 2 1994). 66 Inbesondere die Ausübung öffentlicher oder privater Opfer trotz ihrer zunehmenden Vernachlässigung, vgl. P. CHUVIN, Chronique des derniers païens. La disparition du paganisme dans l’Empire romain du règne de Constantin à celui de Justinien (Paris 2 1991) 237–242 und BELAYCHE 2005, 345–349. Dagegen datiert CAMERON 2011 das Aussterben der heidnischen Praktiken ins Jahrzehnt 340, während er die Aufrechterhaltung der öffentlichen Priester‑ kollegien zur Kenntnis nimmt.

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καὶ θεραπεῖαι σωμάτων, 9,2); aber für ihn geht es (wie für den Neupla‑ tonismus) um eine natürliche Manifestation (οὐδὲν βουλευομένους οὐδὲ πονοῦντας τοὺς θεοὺς, 9,3) der ontologischen Güte des Göttlichen, ohne kausalen Faktor, während die griechisch‑römische Konzeption darin einen Effekt der pietas wiedererkannte. So der Prophet T. Flavius Ulpianus aus Didyma in der Mitte des 3. Jh.s: die der Gott [Apollon] oft durch göttliche Vorschriften (διὰ θείων θε̣σ̣ | [πισμ] άτων) in einer Vision (ἐν | [ὄψει]) bezeugt hat (ἐμαρτύρησεν) und der nun so in einem Orakel (ἐ̣ν χρηστηρίῳ) zu ihm spricht wegen seiner Frömmigkeit ([διὰ τὴν ε] ὐσέβειαν) … seit du an unsere Orakel geglaubt hast ([πεποι]θώς), und in immer frömmeren Sinne die vertrauensvolle Weisheit (θε[οπειθέα]) in den Göttern durch alte Gesetze (θεσμοῖσιν) und alte Orakel (λογίοισιν) vermehrt hast, hast du deinen Geist den Altären gewidmet, die dem Opfern dienen.67

Bei den Heilungen, die generell mit inkubatorischen Praktiken verknüpft sind,68 wird die Heilung von den Frommen empfangen, von den Gläubi‑ gen (pistoi), die die Allmacht der Götter anerkennen, oder auch von den Ungläubigen (apistoi), die zur Bekehrung gekommen sind, wie Ambrosia in Epidauros (4. Jh. v. Chr.):69 Als sie im Heiligtum herumging, lachte sie über einige von den Heilungen als unwahr‑ scheinlich und unmöglich, daß Lahme und Blinde gesundwerden sollen, nachdem sie nur einen Traum gesehen hätten. Als sie im Heilraum schlief, sah sie ein Gesicht: es träumte ihr, der Gott trete vor sie und sage, daß er sie zwar gesundmachen werde, aber als Lohn von ihr verlange, daß sie in das Heiligtum ein silbernes Schwein stifte als Er‑ innerung an ihre Unwissenheit. Nachdem er das gesagt, habe er ihr das kranke Auge aufgeschlitzt und ein Heilmittel eingegossen. Als es Tag geworden, kam sie gesund heraus.70 (Übers. Herzog)

Wenn die Konzeption von Salustios die Existenz von Ritualen traditionel‑ ler Form zulässt, die die Kommunikation zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen ausdrücken, ist die theologische Repräsentation, die sie unterstützen, und besonders die Konzeption von einer „gnädigen“ göttli‑ 67 IDidyma 277. Die theopeithea ist das einzigartige Vertrauensverhältnis zum Göttlichen (der Glaube), das die religiöse Haltung bestimmt. Tatsächlich taucht der Begriff (der hier restituiert wird) erst in der spätchristlichen Poesie auf. 68 Die griechische Phrase beschränkt diese Heilungen nicht zwangsläufig auf die Orakel‑ konsultationen, wie ROCHEFORT 1960, 38 Anm. 5 es macht. Die Inkubationspraktiken sind eine Art der Kommunikation, siehe folgende Anm. 69 Nicht alle Inkubationsträume waren Heilmittel, was RENBERG 2016, I, 21–30, „thera‑ peutic incubation“ nennt. Einige Inschriften von Epidauros (die iamata), die sorgfältig von den Priestern des Heiligtums aufgezeichnet wurden, berichten, dass der gottergebene Pa‑ tient beim Aufwachen geheilt war, in bestimmten Fällen nach einer chirurgischen Inter‑ vention, deren Beweise er beim Aufwachen findet (IG IV,12 , 121, XII, XIII u. 122, XXVII), vgl. RENBERG 2016, I, 226–238 und G. PETRIDOU, „Asclepius the Divine Healer, Asclepius the Divine Physician: Epiphanies as Diagnostic and Therapeutic Tools“, in: D. MICHAELI‑ DES (Hg.), Medicine and Healing in the Ancient Mediterranean World (Oxford 2014) 291–301 zu Asclepius als Mediziner. 70 IG IV,12 , 121, IV.

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chen pronoia – ein Ausdruck der Güte des Göttlichen –, die sie von der Ausgleichsvorstellung der griechischen und römischen Ritualismen unter‑ scheidet, die die Beziehung zu den Göttern bestimmten.

3. Opfer und Gebet als Medien Der Mittler, μεσότης, zwischen Menschlichem und Göttlichem ist für Sa‑ lustios, sehr traditionell, das Opfer, ebenso in den erhaltenen Gesetzen des Codex Theodosianus (pagani ritus cultusque) aus dem 4. Jh. n. Chr.71 Die in diesen Anordnungen zusammengetragenen Informationen skizzieren ein Bild heidnischer Praktiken in der Zeit von Salustios sehr ähnlich demje‑ nigen, das für die klassische römische Zeit rekonstruiert wurde.72 Nach der Aufgabe des Großpontifikats durch den Kaiser (spätestens im Jahr 379) und der Unterdrückung der öffentlichen Finanzierung der Kulte in Rom im Jahrzehnt 380,73 gibt es eine Anordnung vom 8. November 392, die Teil‑Edikte der Jahre 39174 und 392 allgemein verbindlich macht, und jede „heidnische“ Praxis verbietet, und nicht ihre Theologie oder Konzep‑ tion einer höheren Welt (d.h. eine „Religion“ im christlichen Sinne des Be‑ griffs). Für seine Anwendung musste also das Gesetz alle üblichen Gesten der Kommunikation mit den Göttern auflisten, in tierischer oder pflanz‑ licher Form, die im Kontext ritueller Reinheit standen, die sich im Kranz manifestierte. ein Opfertier schlachten (uictimam caedere); einen Lar mit Feuer verehren (larem igne), einen Genius mit Wein (mero genium), die Penaten mit Duftöl (penates odore); Lichter entzünden (accendere lumina); Weihrauch auflegen (inponere tura);75 Kränze aufhängen (serta suspendere); einen Baum mit heiligen Bändern umwinden (redimita uittis arbore); einen Altar aus Grassoden errichten (erecta effossis ara cespitibus).76 71 CTh XVI 10,10; siehe auch Eusebios, Vita Constantini IV 25,1 (zur Terminologie, nicht zur „Historizität“ des Gesetzes). Vor dem Jahr 392 ist sacrificium der Begriff, der in 12 von 25 Gesetzen vorkommt, die sich auf konkrete heidnische Praktiken beziehen, vgl. O. GRA‑ DENWITZ, Heidelberger Index zum Theodosianus (Berlin 1925) 221. 72 Vgl. SCHEID 1998 und M. BEARD / J. NORTH / S. PRICE, Religions of Rome, 2 vol. (Cam‑ bridge, 1998). 73 Nach F. PASCHOUD, Zosime. Histoire nouvelle, Tome II/2 (Livres IV), CUF (Paris 1979) 470–473, Anm. 213 zu Zosimos IV 59,3f., im Jahr 389. Nach CAMERON 2011 im Jahr 382. 74 Vgl. J. GAUDEMET, „La condamnation des pratiques païennes en 391“, in: J. FONTAI‑ NE / C. KANNENGIESSER (Hg.), Epektasis. Mélanges patristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou (Paris 1972) 597–602. 75 Eine rituelle Geste, die so elementar ist, dass das Gesetz (Zeile 17) die Ausführenden der Götteranbetung turificantes nennt, eine Wortverwendung, die sich seit Cyprian von Karthago im 3. Jh. verbreitet hatte, der sie in seiner Typologie der lapsi so bezeichnete, Cyprian, Ep. 55,2. 76 CTh XVI 10,12,4–6 und 13; die Bibliographie ist besonders reich, vgl. BELAYCHE 2005 mit vorausgehender Bibliographie. Die Praktiken werden in anderen Quellenarten bestätigt, vgl. Sozomenos, Kirchengeschichte II 4,5 (in Mamre im 5. Jh.), und Mischna Sanhedrin 7,6.

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Salustios ist nicht deskriptiv. Angesichts der Tatsache, dass alle Opferga‑ ben an die Götter eine Gegenspende in Form von ἀπαρχαί sind,77 d.h. der Zehnte von allen Gütern, die die Götter den Menschen erweisen (zi‑ tiert oben), teilt er diese Opfergaben in drei Kategorien ein, die verschiede‑ nen Typen von göttlichen Gaben (16,1) entsprechen: anathèmata (Weihege‑ schenke) für die materiellen Güter (χρημάτων μὲν δι’ ἀναθημάτων), tie‑ rische Opfer für die Gabe des Lebens (ζωῆς δὲ διὰ θυσιῶν), und, zwischen den beiden stehend, das Haaropfer für die Gabe der menschlichen Körper‑ lichkeit (σωμάτων δὲ διὰ κόμης).78 Auch wenn das Haaropfer ein weithin attestiertes Ritual ist, könnte seine Erwähnung, ein wenig unerwartet in dieser Typologie, einen supplementären Hinweis geben, der die Annahme bestätigt, dass die Schrift auf eine „allgemeine“ Leserschaft zielt. Tatsäch‑ lich teilte schon die klassische griechische religiöse Denkweise die Opfer‑ gaben zwischen anathèmata und thusiai auf, und die Haare waren Teil der thusiai. Seit Homer besteht die der Tötung des Opfertieres vorangehende Sequenz darin, ihm einige Haare vom Kopf auszureißen (ἀπαρχόμενος, κεφαλῆς τρίχας) und sie ins Feuer zu werfen.79 Bei Euripides schneidet Orest während des Beerdigungsopfers, das er am Grab seines Vater Aga‑ memnon darbringt, eine von seinen Haarlocken (κόμης ἀπηρξάμην) ab und legt sie über das Grab, bevor er ein Schaf opfert.80 Das Haaropfer ist Teil der rituellen Opfergeste als pars pro toto, und zugleich für junge Men‑ schen ein kulturübergreifender Übergangsritus.81 In Rom besiegelte die depositio barbae den Eingang in das Erwachsenenalter (mit etwa 20 Jahren), zur gleichen Zeit mit dem Anlegen der toga virilis; sie ist daher durch die Historiker und Biographen für die Kaiser festgehalten, vor allem wenn es zu einem großen religiösen Ereignis kommt, wie bei derjenigen von Nero:

77 Zu ἀπαρχή als „acte religieux complet“ und „rite initial“ in der griechischen Opfer‑ vorstellung RUDHARDT 1992, 219–222. 78 Vgl. Euripides fr. 516 NAUCK: ἀπαρχὴν θύειν. Zu Julian, Ep. 89b [293B: „Denn da wir in einem Körper leben (Ἐπειδὴ γὰρ ἡμᾶς, ὄντας ἐν σώματι) und daher auch unserer Göt‑ terverehrung materielle Formen verleihen mußten (σωματικὰς ἔδει ποιεῖσθαι τοῖς θεοῖς καὶ τὰς λατρείας)“ (Übers. Weis). 79 Hom. Od. III 445–446: Nestor „flehte innig zu Pallas, schnitt das Stirnhaar und warf es ins Feuer“ (Übers. Ebener); siehe auch Hom. Il. XIX 254–255. 80 Euripides, Elektra 90–92. Desgleichen Hom. Il. XXIII 142 (Achilles schneidet eine Locke von seinem Haar nach dem Tod des Patroklos). 81 Siehe das Fest der Apatouria im klassischen Athen mit der Weihung der Haare an Arte‑ mis am dritten Tag, vgl. D. D. LEITAO, „Adolescent Hair‑Growing and Hair‑Cutting Rituals in Ancient Greece. A Sociological Approach“, in: D. DODD / C. A. FARAONE (Hg.), Initiation in Ancient Greek Rituals and Narratives (London / New York 2003) 109–129 und P. BRULÉ, Les sens du poil (grec) (Paris 2015) 324–325 und 272–295 zu den Weihungen von Haaren, die in Epigrammen belegt sind. In Titane (Pausanias II 11,6) stammen diese Haare von Frauen. Das Schneiden der Haare war Teil der Trauerrituale, die auch Übergangsrituale sind, vgl. Platon, Phaidon 89b.

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er ließ sich während eines Rindopfers mit großem Gepränge seinen ersten Bart ab‑ nehmen und ihn in eine goldene Büchse legen, die mit sehr kostbaren Perlen besetzt war; dann stiftete er sie als Weihgeschenk dem Tempel des Iuppiter auf dem Kapitol.82 (Übers. Martinet)

Die Praxis ist auch in den Heiligtümern der römischen griechisch‑sprachi‑ gen Welt gut belegt, ob es sich um griechische Städte handelt, wie Stra‑ tonikeia in Karien83 oder römische wie Antiochia in Pisidien. Bei Stra‑ tonikeia brachten fünf vom Haushalt adoptierte Sklaven (threptoi) nach der Tradition dem „Ahnengott Mên (Μ̣[ηνὶ] θ̣εῷ Πατρίῳ)“ eine Votivgabe dar und „alle weihten sie auch (πάντες ἀπεδώκαμεν), wie es der Brauch ist (ὡς ἔθος ἐστίν), als Sühnemittel ihrer Reinheit (λύτρον ἁγνείης)84 ihre Haarlocken (τοὺς πλοκάμους) …“.85 Weiter östlich schließt der Sophist Lukian, geboren in Samosata in Kommagene (Provinz Syrien), seine Ab‑ handlung Von der syrischen Göttin mit der Erinnerung, dass er in seiner Jugend eine von seinen Haarlocken in einer Schachtel mit seinem Namen geweiht hatte, die in dem Heiligtum stets zu sehen war (ἔτι μευ ἐν τῷ ἱρῷ καὶ ὁ πλόκαμος καὶ τὸ οὔνομα).86 Das Haaropfer ist also Teil der re‑ gulären hagnistischen Abläufe in den Ritualen, die Altersgruppen einen neuen Status verleihen, der ihnen die Möglichkeit eröffnet, Kultausüben‑ de zu sein und mit den göttlichen Instanzen zu kommunizieren. Wenn Sa‑ lustios, der die traditionellen Rituale gut kannte, die Haarweihe von den Opfern unterscheidet, tut er dies, weil ihre Körperlichkeit sie in die Nähe einer niedrigeren Stufe des Lebens stellt. Im Gegensatz dazu musste der flamen Dialis, der Jupiter geweihte Priester, seine Haare begraben (und sei‑ ne Nägel) subter arborem felicem, da sie Sitze des Lebens waren.87 Auch hier semantisiert Salustios also bekannte Rituale in Übereinstimmung mit dem 82 Sueton, Vita Neronis 12,4: inter buthysiae apparatum barbam primam posuit conditamque in auream pyxidem et pretiosissimis margaritis adornatam Capitolio consecravit. Zu Augustus im Alter von 23 Jahren (teilweise wegen der Ereignisse des Triumvirats) Dio Cassius XLVIII 34. 83 Eine wichtige Reihe von männlichen Haarweihen während der Komyria zu Ehren des Zeus Panamaros, G. DESCHAMPS / G. COUSIN, „Inscriptions du temple de Zeus Panamaros (1). La consécration de la chevelure“, Bulletin de Correspondance Hellénique 12 (1888) 479–490. Auf Paros im 3. Jh. n. Chr., IG XII,5, 173, III–V (an Asklepios und Hygieia). 84 Zum Konzept des lutron mit einem sühnenden Sinn siehe unten Anm. 154, die lydi‑ schen und phrygischen Dokumente aus römischer Zeit. 85 CMRDM IV, 127. Zum Konzept der Reinheit RUDHARDT 1992, 171–173. 86 Lukian, De Dea Syria 60, der es der gleichen Praxis in Troizen, Griechenland, gegen‑ überstellt: „Etwas Ähnliches ist auch zu Hierapolis eingeführt. ... wenn sie aber das mann‑ bare Alter erreicht haben, schneidet man ihnen eine Locke in dem Tempel ab, und die‑ se wird dann, nebst dem ersten Bart, von den meisten in silbernen, von vielen auch in goldenen kleinen Vasen, worauf der Name des Gebers eingegraben ist, im Tempel aufge‑ hängt. Auch ich habe diese Zeremonie in meiner Jugend mitgemacht, und meine Locke mit meinem Namen muß noch auf diesen Tag im Tempel der syrischen Göttin zu sehen sein“ (Übers. Wieland). 87 Aulus Gellius, Noctes Atticae X 15,15.

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von ihm entwickelten theologisch‑philosophischen System, wie er es auch tut, wenn er die zurückkehrenden Verstorbenen mit den Seelen identifi‑ ziert, die für ihre Fehler bestraft wurden (19,2). Im Gegensatz dazu erklär‑ ten die Griechen und die Römer diese Geisterphänomene durch einen Ver‑ stoß gegen die Bestattungsrituale, der von den Lebenden verschuldet wur‑ de: die eines unnatürlichen Todes Verstorbenen (biaiothanatoi z.B.) oder die insepulti Verstorbenen kamen, die Lebenden zu umgeben, solange bis sie die Begräbnisehrungen (die iusta / τὰ νεκύσια) bekommen hatten, die sie in ihren neuen Status als dii Manes / θεοὶ καταχθόνιοι einsetzten.88 Das Denksystem von Salustios erklärt Umkehrungen aus einer traditionellen Perspektive. Salustios legt die Betonung auf das Blutopfer (θυσία), weil es das Para‑ digma der vermittelnden Opfergabe in seiner Konzeption von homothe‑ tischen menschlichen und göttlichen Welten ist, ohne dass man hier eine polemische Anspielung auf christliche Attacken und erste Verbotsgesetze von Opferpraktiken vermuten kann.89 Ebenso war das Opfer, sei es tierisch oder pflanzlich,90 Herzstück der Kommunikation mit den Göttern in der griechischen oder römischen Vorstellung. In der Amtssprache, die im 4. Jh. das Lateinische geblieben war, war der Ausdruck operam sacrificiis da‑ re eine Weise, über die religiöse Praxis zu sprechen.91 Das sacrificium als Weihehandlung bestimmte die hierarischen Beziehungen zwischen Men‑ schen und Göttern, und unter den lebenden Wesen zwischen Menschen und Tieren.92 Es garantierte so die weltliche Ordnung, die ordo rerum, die durch die Götter bewahrt wurde: „Dein ist, so du den Göttern dich beugst,

88 Vgl. Sueton, Caligula 59 und die berühmte Anekdote vom Spukhaus, berichtet in Pli‑ nius, Ep. 7,27. Auch deshalb bevorzugten „Zauberer“ die materia, die von toten Kindern, aôroi, gesammelt wurde. 89 Vgl. das berühmte Gesetz von Constantius II. aus dem Jahr 341, CTh XVI 10,2: Cesset superstitio, sacrificiorum aboleatur insania usw. Vgl. STROUMSA 2005. 90 SCHEID 1998, 71–93. Die Verbotsgesetze des Codex Theodosianus machen keinen Unter‑ schied mehr; sie betreffen speziell das Tieropfer zum Vereiteln der divinatorischen Prakti‑ ken, die destiniert waren, den Staat in der Person des Kaisers anzugreifen, vgl. BELAYCHE 2005. 91 Vgl. ein Gesetz von Constantius II. im Jahr 356, mitunterzeichnet von Julian als Caesar, CTh XVI 10,6: operam sacrificiis dare und colere simulacra. 92 J. SCHEID, „Roman animal sacrifice and the system of being“, in: C. FARAONE / F. S. NAIDEN (Hg.), Greek and Roman Animal Sacrifice. Ancient Victims, Modern Observers (Cam‑ bridge 2012) [84–95] 84: „the sharing of an animal victim constructs a social hierarchy in the human world, while the libation of wine immediately creates an absolute difference between human and divine.“ Im 2. Jh. ist die schärfste Kritik des griechischen und rö‑ mischen rituellen Systems diejenige von Lukian in seinem Peri thusiôn, der die Debatten um die theurgischen Opfer im Neuplatonismus ankündigt, vgl. N. BELAYCHE, „Entre deux éclats de rire. Sacrifice et représentation du divin dans le traité Sur les sacrifices de Lucien“, in: V. PIRENNE DELFORGE / F. PRESCENDI (Hg.), Nourrir les dieux? Sacrifice et représentation du divin. Coll. Kernos 21 (Liège 2011) 321–334.

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das Reich“ sang Horaz den Römern.93 Dies setzt eine Angemessenheit zwi‑ schen dem angebotenen Objekt (belebt oder unbelebt) und der göttlichen Macht, dem Adressat der Handlung, voraus – ἑκάστῳ θεῷ τὰ πρέποντα, schreibt Salustios (16,2). Cicero hatte in seinen Gesetzen, die die Religion betreffen, geschrieben: die entsprechenden Vorschriften (institutis) …, womit geregelt ist, mit welchen Opfer‑ tieren man jedem einzelnen Gott ein Opfer darbringen muss (quibus hostiis immolandum cuique deo), wem mit älteren, wem mit noch saugenden, wem mit männlichen und wem mit weiblichen Tieren. (Leg. II 12) (Übers. Nickel)

Salustios bewegt sich im Einklang mit der rituellen Sprache der Opfer‑ handlung, die für Platz und Funktion der göttlichen Partner in der Hier‑ archie der Wesen semantisch adaptiert ist (οὐχ ἁπλῶς).94 Das ist der Grund, warum die rituellen Einrichtungen (Heiligtümer, Altäre, Statu‑ en, Opfer) die Merkmale des Göttlichen (De deis 15,2) darstellen. Diese rituellen Handlungen, die von pragmatischer römischer Theologie spre‑ chen, fahren im 4. Jh. fort eine gemeinsame religiöse Kultur zu fördern, zumindest unter den Eliten, die die Hauptakteure des öffentlichen Kultes waren.95 Wie Cicero vier Jahrhunderte zuvor kennt auch der Christ des 4. Jh.s, Gregor von Nazianz, akkurat die akribischen Regeln, die daraus eine technè/ars (τοῖς τεχνολόγοις) machen – was in seinen Augen nichtig erscheint: Nehmen wir das Wort im Sinne von Kultus, dann zeige uns, wo und bei welchen Pries‑ tern das Hellenisieren Gesetz war, so wie es Vorschrift war, gewisse Gaben gewissen Dämonen zu opfern (τὸ θύειν ἔστιν ἃ καὶ οἷς τῶν δαιμόνων)! Nicht bestand nämlich nach euren Opferlehrern (τοῖς παρ’ ὑμῖν ἱεροφάνταις96 ) und Ceremoniaren (τοῖς τῶν θυσιῶν τεχνολόγοις) die Vorschrift, daß alle die gleichen Opfer (οὔτε γὰρ πᾶσι τὰ αὐτὰ) oder daß einer alle (verschiedene) Opfer (οὔτε ἑνὶ τὰ πάντα) darbrachte und daß sie auf die gleiche Weise erfolgten (οὔτε τὸν αὐτὸν τρόπον).97 (Übers. Haeuser)

Im griechisch‑römischen Paganismus kombiniert die Opferhandlung im‑ mer mündliche (Anrufung / Gebet zu einer bekannten Gottheit) und gesti‑

93 Horaz, Oden III 6,5: Dis te minorem quod geris, imperas (Übers. Kayser / Nordenflycht / Burger). Vgl. SCHEID 2007a, 49: „Les multiples formes du sacrifice aux dieux consistent en une affirmation publique de la supériorité de la divinité honorée, de son immortalité et de la vénération que les Romains lui portent.“ 94 Vgl. Porphyrios, De abstinentia II 34,1–4 und 36,3–4. 95 Bei der Ankunft in Ilion sieht Julian (Ep. 79/78) „auf den Altären noch Glut, fast möchte ich sagen noch Flammen“ (Übers. Weis) unter der Leitung des „Bischofs“ Pegasios, der Priester genannt wird. Eunapios, Vitae sophistarum 501, hat das Interesse der Philosophen an den Opfern und der Theurgie anhand der Person des Chrysanthius, des Hohenpriesters von Lydien, beschrieben. 96 Hierophantes ist einer der griechischen Begriffe, der das lateinische pontifex übersetzt, vgl. F. VAN HAEPEREN, „Grand‑prêtre ou hiérophante. Les traductions grecques du terme pontifex“, L’Antiquité classique 73 (2004) 149–163. 97 Gregor von Nazianz, Or. 4 (Gegen Julian 1),103.

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sche Sprache.98 Die von Cato erwähnten Gebete sind dafür ein Beweis aus republikanischer Zeit (Mitte des 2. Jh.s v. Chr.): „Jupiter, mit Darbietung dieses Opferfladens richte ich an dich gute Bitten, dass du seiest wohlwol‑ lend und geneigt mir.“99 Auch für Salustios hängt seine Vorstellung des Rituals mit einer traditionellen Interaktion zwischen mehreren symboli‑ schen Sprachen des „Tuns“ zusammen: „Die Gebete ohne Opfer sind nur Worte“ (αἱ μὲν χωρὶς θυσιῶν εὐχαὶ λόγοι μόνον εἰσίν, 16,1). Er ist durch die Position von Jamblich bestärkt, laut der der Opferverlauf (die gesti‑ sche Sprache, die ἱερουργία) in Verbindung mit dem Gebet das Wort in die Tat umsetzt und den Worten performativen Wert verleiht, indem eine „unauflösliche Gemeinschaft“ (τὴν κοινωνίαν ἀδιάλυτον) mit den Göt‑ tern entsteht. Dabei geht das Gebet dem Opfer bald voran, bald unterbricht es die heilige Hand‑ lung (τὴν ἱερουργίαν) und ein drittes Mal wieder stellt es den ergänzenden Abschluß der Opferhandlung vor (ἀποπληροῖ). Keine heilige Handlung kann ohne die in den Gebeten liegenden Bitten (τῶν ἐν ταῖς εὐχαῖς ἱκετειῶν) vollzogen werden.100 (Übers. Hopfner)

Selbst die eulogischen Praktiken, d.h. Ansprachen an die Götter in Form von Lobpreisung und Verherrlichung, die insbesondere für die Kaiserzeit bezeugt sind, beziehen sich auf eine rituelle Reihenfolge innerhalb einer

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F. PRESCENDI, Décrire et comprendre le sacrifice. Les réflexions des Romains sur leur propre religion à partir de la littérature antiquaire. PAwB 19 (Stuttgart 2007). 99 Cato, De agricultura 134 (Übers. Schönberger); siehe auch die öffentlichen Gebete der Arvalbrüder, J. SCHEID, Commentarii fratrum arvalium qui supersunt. Les copies épigraphiques des protocoles annuels de la confrérie arvale (21 av.–304 ap. J.‑C.) (Rom 1998). Das ist der Grund, warum die Gefahr besteht, diesen habitus von Salustios zu verkennen, wenn man allein den jamblichischen Einfluss in Betracht zieht (vgl. den Beitrag von Adrien Lecerf, S. 80). 100 Jamblich, Resp. V 26 (177,16–20, und weiter 179,3–6 SAFFREY / SEGONDS): „Deshalb darf man diese enge Zusammensetzung der Kulthandlung aus ihren Teilen nicht geringschät‑ zen und etwa nur die eine Hälfte ihrer Bestandteile für zweckdienlich erklären, die andere Hälfte aber verwerfen; die, die sich in lauterer Weise mit den Göttern verbinden wollen, müssen sich vielmehr in allen Bestandteilen der Kulthandlung üben und sich durch alle insgesamt vervollkommnen“ (Übers. Hopfner). Zum Gebet bei Jamblich, siehe z.B. C. AD‑ DEY, „The role of divine providence, will and love in Iamblichus’ theory of theurgic prayer and religious invocation“, in: AFONASIN / DILLON / FINAMORE 2012, 133–150; L. BRISSON, „Prayer in Neoplatonism and the Chaldaean Oracles: Porphyry, Iamblichus, Proclus“, in: J. DILLON / A. TIMOTIN (Hg.). Platonic Theories of Prayer (Leiden / Boston 2016) [108–133] 114–116; TIMOTIN 2017, 169–205; und M. WILDISH, „Iamblichus on the language of prayer“, in: E. PACHOUMI / M. EDWARDS (Hg.), Praying and Contemplating in Late Antiquity: Religious and Philosophical Interactions. STAC 113 (Tübingen 2018) 59–70. Andererseits hebt sich im griechischen und römischen Kontext die supplicatio in Form von Gebeten und Wünschen (z.B. Titus Livius XXII10) dadurch vom Opfer ab, dass es die Beteiligten nicht in Kommu‑ nikation setzt, sondern die Unterwerfung unter die göttliche Allmacht durch die Gesten ausdrückt (Niederknien auf dem Boden, gelöstes Haar), vgl. C. FÉVRIER, Supplicare deis. La supplication expiatoire à Rome. RRR 10 (Turnhout 2009).

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Zeremonie, deren Codes rhetorisch und sozial umrahmt sind,101 eher als auf eine „Begeisterung“ des Herzens oder der Seele, die die Historiogra‑ phie entsprechend einer evolutionistischen Sichtweise des Spätpaganis‑ mus bevorzugt hatte. Jedoch war auch Julian, der viel geopfert hat, be‑ sorgt um das Opfer des Herzens, mit anderen Worten um die Disposi‑ tion der Seele – „die Heiligung seiner Seele durch seine Vorstellungen“ (τὸ καθοσιῶσαι τὴν ἑαυτοῦ ψυχὴν διὰ τῶν ἐννοιῶν) –, die die griechi‑ sche Reflexion zumindest seit Diogenes durchdringt:102 „Oder ist dir das verborgen geblieben, dass alle Gaben, sowohl die großen als auch die klei‑ nen, wenn sie an die Götter mit frommer Scheu herangetragen werden, die gleiche [214A] Wirksamkeit haben, während dagegen ohne diese fromme Scheu nicht nur, bei den Göttern, eine Hekatombe, sondern auch die Chi‑ liombe der olympischen Festfeier nur eine teure Ausgabe ist, sonst aber nichts?“103 (Übers. Nesselrath). Salustios bewegt sich zwischen drei Funktionalitäten des Rituals, die al‑ le den Menschen in Einklang mit der wohlwollenden göttlichen Fürsorge bringen, der „Güte der Götter“ / τῆς τῶν θεῶν ἀγαθότητος (14,3; siehe auch 1,2). Das Opfer ist sowohl eine Ehrbezeugung gegenüber den höhe‑ ren Mächten in einer vertikalen Beziehung,104 als auch eine Zeremonie die 101 Siehe z.B. PETZL 1994, Nr. 63 (Lydien, aus dem Jahr 132–133) und 36 (Lydien aus dem Jahr 191–192): εὐλογοῦντες ἀπέδωκαν. Siehe auch H. MALAY / G. PETZL, New Reli‑ gious Texts from Lydia. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften der philosophisch‑historischen Klasse 497. Tituli Asiae Minoris, Ergänzungsbände 28 (Wien 2017) Nr. 55 (εὐλογοῦσα καὶ εὐχαριστοῦσα) und 177. Zur eulogia in der Kaiserzeit, N. BE‑ LAYCHE, „L’eulogia dans l’épigraphie religieuse de l’Anatolie impériale“, in: Ph. HOFFMANN / A. TIMOTIN (Hg.), Théories et pratiques de la prière dans l’Antiquité tardive (IIe –VIe s.). BEHE/SR (Turnhout 2020) 17–38. 102 Julian, Gegen die ungebildeten Hunde 17, 199B: „Wenn aber jemand darin, dass er [Dio‑ genes] sich den Tempeln, den Götterbildern und den Altären nicht mit frommer Verehrung nahte, einen Beweis von Gottlosigkeit erblicken will (τις ἀθεότητος εἶναι σημεῖον), so hat er hiermit nicht recht (οὐκ ὀρθῶς νομίζει). Denn jener Mann besaß ja kein einziges von den hierzu nötigen Erfordernissen, keinen Weihrauch, keine Spende und auch kein Geld, um solche Dinge davon zu kaufen (ἦν γὰρ οὐθὲν αὐτῷ τῶν τοιούτων, οὐ λιβανωτός, οὐ σπονδή, οὐκ ἀργύριον, ὅθεν αὐτὰ πρίαιτο). Wenn er aber nur eine richtige Vorstellung von den Göttern hatte (Εἰ δὲ ἐνόει περὶ θεῶν ὀρθῶς), so genügte dies vollkommen. Er ver‑ ehrte sie eben mit der Seele selbst (αὐτῇ γὰρ αὐτοὺς ἐθεράπευε τῇ ψυχῇ), indem er ihnen das Kostbarste darbrachte, was er hatte (διδοὺς οἶμαι τὰ τιμιώτατα τῶν ἑαυτοῦ), nämlich seine durch seine Vorstellungen geweihte Seele (τὸ καθοσιῶσαι τὴν ἑαυτοῦ ψυχὴν διὰ τῶν ἐννοιῶν)“ (Übers. Asmus). 103 Julian, Gegen den Kyniker Herakleios 9, 213D–214A; siehe auch An den König Helios 44, 158 A–B. Die christliche Tradition sagte nichts Anderes: „wenn er nur das Opfer achtet, das reine Hände und hoher, heiliger Sinn dem Heiligsten darbringen“ (Übers. Haeuser), Gregor von Nazianz, Or. 4 (Gegen Julian 1),29. Zur Reinheit des Herzens in der griechischen Tradition, A. CHANIOTIS, „Greek ritual purity: from automatisms to moral distinctions“, in: P. RÖSCH / U. SIMON (Hg.), How Purity Is Made (Wiesbaden 2012) 123–139 und PETROVIC / PETROVIC 2016. 104 Bei Julian, Ep. 89b, 293D und 295A, ist der Kult die zweckfreie Huldigung der Men‑ schen an die „unsichtbare Essenz“ der Götter (τῆς ἀφανοῦς αὐτῶν οὐσίας).

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einen Wunsch erfüllt (ex voto, εὐχαῖς) – also eine Beziehung, die als ei‑ ne horizontale Partnerschaft aufgebaut ist mit Verpflichtung aufseiten der Göttlichkeit –, schließlich ein Ritual, das die Rückkehr zu guten Verhältnis‑ sen zeigt (eine πρὸς τὸ θεῖον ἐπιστροφή) nach einem religiösen Vergehen, einer Gottlosigkeit (λύσιν τῶν ἁμαρτημάτων εὑρίσκομεν), und das es er‑ möglicht, das Wohlwollen der Götter wiederzuerlangen. Wenn wir durch Gebete und Opfer (εὐχαῖς καὶ θυσίαις) Befreiung von den Verfeh‑ lungen finden (λύσιν τῶν ἁμαρτημάτων), erweisen wir den Göttern keinen Dienst (οὐ τοὺς θεοὺς θεραπεύομεν) oder stimmen sie um, sondern heilen durch die rituel‑ len Handlungen (διὰ τῶν δρωμένων) und durch unsere Hinwendung zum Göttlichen (τῆς πρὸς τὸ θεῖον ἐπιστροφῆς) vielmehr unsere eigene Schlechtigkeit, und genießen daraufhin wieder die Güte der Götter (14, 3).

Jamblich akzeptierte die beiden ersten Funktionen, die „nur für Men‑ schen (πρὸς ἀνθρώπους) Geltung [haben] und von dem allgemeinen Ver‑ kehr der Menschen untereinander (ἀπό τῆς κοινῆς πολιτείας) hergeholt [sind]“;105 aber in der Kontroverse mit Porphyrios, konzentriert sich seine Darstellung auf „die Wirkung der Opfer“ (τὸ δραστήριον τῶν θυσιῶν),106 die auf der koinônia zwischen Göttlichem und Menschlichem basiert und die die dritte Form von Salustios ist. Anstatt in Salustios eine „concession to popular opinion“ zu sehen,107 scheint es mir angesichts der vorher‑ gehenden Ausführungen schlüssiger, in den beiden ersten Funktionali‑ täten die Haupttypen „politischer“ Anlässe zu erkennen, bei denen der Priester‑Magistrat Gottesdienst halten musste. Nur im dritten Fall, und in der jamblichischen Linie, lässt ihn diese philosophische Konzeption der Unveränderlichkeit der Götter und der Ähnlichkeit (ὁμοιότης) im Opfer den Ausdruck der Umkehr des Frommen (seine „Konvertierung“) erken‑ nen, und keine versöhnende Tat der Götter entsprechend der traditionellen griechisch‑römischen Konzeption. Die Beziehung bleibt vertikal, aber die Richtung ist umgekehrt (bottom‑up). Salustios stimmt mit der Verteidigung und Darlegung der Opfer über‑ ein, die durch Jamblich befürwortet wurde und in Julian ihren Nachfolger fand. Das Ritual – τὸν θεσμὸν τῶν θυσιῶν („das heilige Gesetz der Op‑ fer“) nach den Worten von Jamblich –,108 als symbolische Sprache muss sich an die Hierarchie der göttlichen Wesenheiten adaptieren, die Salusti‑ os in Kapitel sechs,109 wieder nach Jamblich, auflistet: Daher ist es zwar ganz unangebracht (ἀλλότριον), den immateriellen Göttern Materien im Opfer (διὰ θυσιῶν) darzubringen, den materiellen Göttern dagegen insgesamt sehr wohl passend (οἰκειότατον). 110 (Übers. Hopfner) 105 106 107 108 109 110

Jamblich, Resp. V 5–7 (154,6–26 SAFFREY / SEGONDS; Übers. Hopfner). Jamblich, Resp. V 6 (154,14 SAFFREY / SEGONDS). Siehe oben Anm. 56. CLARKE 1998, 333. Jamblich, Resp. V 14 (162,4 SAFFREY / SEGONDS). Vgl. die Einführung von Detlef Melsbach in diesem Band, S. 12–15. Jamblich, Resp. V 14 (163,9–11 SAFFREY / SEGONDS).

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Dies ist der Grund, warum die Tradition, die mindestens bis auf Platons Timaios zurückgeht,111 nach der die Götter sich nicht um Rituale kümmern, weil „das Göttliche nämlich selbst bedürfnislos ist“ (De deis 15,1; ebenfalls 15,3), bei den Philosophen den Rückgriff auf die Rituale im öffentlichen Le‑ ben nicht diskreditiert hat. So erklärte Apollonios von Tyana, der ein Werk Peri thusiôn schrieb,112 in seinem 26. Brief an die Magistrate von Olym‑ pia, dass „die Götter keinen Bedarf an Opfern haben“ (θεοὶ θυσιῶν οὐ δέονται), sondern an Weisheit.113 Dennoch unterstützt er die traditionellen Praktiken der Frömmigkeit, die siebzig Altäre von Olympia, die unblutige Opfergaben empfingen, ebenso die „Mysterien und Opfer“ (μυστήρια καὶ θυσίαι), die die Stadt Ephesos praktizierte.114 Die blutigen Opfer gebühren also den Göttern der kosmischen Regi‑ on, die über die Materie herrschen, die ἐγκόσμιοι θεοί bei Salustios.115 Diese entsprechen den Göttern des offiziellen Pantheons, deren bildliche Darstellung mit ihren Attributen ebenso sehr die αἰνίγματα (6,4) konstitu‑ ieren, die visuell ihre Individualitäten und funktionellen Felder (6,5), um es mit Dumézil zu sagen, ausdrücken oder signifizieren (σημαίνειν, aber Salustios verwendet das Verb nicht). Wie bei Julian ist das vollkommene Opfer, teleia thusia, folglich das blutige Opfer, das jedem Gott die Opfertiere gewährt, die ihm zukommen, denn „die belebten Dinge (τὰ ἔμψυχα) ha‑ ben mehr Wert (τιμιώτερα) als leblose Dinge in den Augen des lebendigen Gottes und der Lebensursache (τῷ ζῶντι καὶ ζωῆς αἰτίῳ θεῷ), insofern sie am Leben teilgenommen haben“.116 Schon im 2. Jh. n. Chr. hatte auch der eklektischere Lukian die „Lebensweise der Götter“ (βίος τῶν θεῶν) und die Opferpraktiken auf der Basis der Übereinstimmung zueinander in Be‑ ziehung gesetzt: „Natürlicher Weise haben also die Menschen den Dienst und die Verehrung, die sie ihnen schuldig zu sein glauben, diesen Vorstel‑ lungen gemäß eingerichtet“ (τοιγαροῦν καὶ οἱ ἄνθρωποι συνῳδὰ τούτοις

111 Platon, Timaios 29e. Bereits Heraklit, fr. 5 (= Fragmente Griechischer Theosophien 68); vgl. C. OSBORNE, „Heraclitus and the rites of established religion“, in: A. B. LLOYD (Hg.), What is a God? Studies in the Nature of Greek Divinity (London / Swansea 1997) 35–42; G. MOST, „Heraclitus on purification: inner purity and sacrifice after Pythagoras“, in: PETROVIC / PE‑ TROVIC 2016, 67–77. 112 Eusebios, Praeparatio evangelica IV 12. 113 Schweigen und reine Gedanken ap. Porphyrios, Abst. II 34,2. 114 Vgl. C. P. JONES, „Institutions and Cults in the Letters of Apollonius of Tyana“, Studi ellenistici 19 (2006) 599–613 zur Frage nach dem Autor des Briefes. 115 Siehe in diesem Band den Beitrag von Jan Opsomer S. 127–128. Kontorniaten mit der Inschrift Salutius autor (sic) stellen auf der Rückseite Sol auf seinem Streitwagen und die Nymphen dar, also innerkosmische Kräfte (6,1), vgl. DESNIER 1983; aber die Identifizierung mit Salustios (nicht mit dem Historiker Sallustius) wird immer noch debattiert, siehe die Einführung zu diesem Band von Delef Melsbach S. 6–7. 116 Julian, Contra Galileos fr. 84,22–24 MASARACCHIA.

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καὶ ἀκόλουθα περὶ τὰς θρησκείας ἐπιτηδεύουσιν) (Übers. Wieland, leicht geändert).117 Salustios rechtfertigt das blutige Opfer durch die gleiche Teilhabe des Göttlichen und des Menschlichen am Leben: Καὶ διὰ τοῦτο ζῷα θύουσιν ἄνθρωποι („Deshalb opfern die Menschen Lebendiges“, 16,2). Er betont also „das große klassische Opfer: die ΘΥΣΙΑ“,118 unter Einbeziehung in die Palette der rituellen Kommunikation (16,1 und 15,1) mit den weltlichen Göttern, gerade die der Kulte der Städte.119 Außerdem ist es bemerkens‑ wert, dass die beiden einzigen im religiösen Kalender eingeschriebenen Feste (ἑορτήν, 4,10), die Salustios erwähnt, Feierlichkeiten mit mehreren rituellen Sequenzen (die der Opfer) sind, die sich über mehrere Tage erstre‑ cken (τὰ δρώμενα, 4,11): die „heilige Woche“ des Kultes der Göttermutter im Frühjahr und die Panegyris von Eleusis (ta mystèria) im September. Tat‑ sächlich werden die letzteren umrissen durch ihr Datum (das Äquinokti‑ um des Herbstes, τὴν ἐναντίαν ἰσημερίαν)120 und durch die Erwähnung vom Raub der Kore (ἡ τῆς Κόρης ἁρπαγή) – beide dienen ihm vor allem als Mythenpädagogik.121 Salustios erörtert ausführlicher die Frühlingsfes‑ te der Mutter (von 15. bis zum 25. März). Man kann hier ein Echo des Ran‑ ges sehen, den die Göttin im Pantheon von Julian einnimmt – er wird sich damit in seiner Abhandlung An die Göttermutter befassen –, und einen rele‑ vanten Fall für die Darstellung eines Ritus, in dem sich ein göttliches Werk vollzieht, hierourgia – also die Theurgie.122 Aus dem Ritual hebt Salustios 117

Lukian, Von den Opfern 10 (Hervorhebung Verf.). RUDHARDT 1992, 257–266. 119 Seine Liste der zwölf Götter (De deis 6,3) entspricht derjenigen des panhellenischen Pantheons, wie er durch die Poeten überliefert ist, aber die Pantheons der Städte waren weniger „kanonisch“, vgl. S. GEORGOUDI, „Les Douze Dieux des Grecs: variations sur un thème“, in: S. GEORGOUDI / J.‑P. VERNANT (Hg.), Mythes grecs au figuré, de l’antiquité au baroque (Paris 1996) 43–80. 120 Die „Mysterien“ begannen am 14. Boedromion (September). Sie werden im 4. Jh. im‑ mer noch praktiziert: das Gesetz von Valentinian und Valens (CTh IX 16,7, aus dem Jahr 364), das die nächtlichen Opfer verboten hat, hat Eleusis schließlich ausgenommen nach der Intervention von Praetextatus, dem Prokonsul von Achaia, der sich dafür eingesetzt hatte, das Fest beizubehalten, Zosimos IV 3,3; vgl. M. KAHLOS, Vettius Agorius Praetexta‑ tus. Senatorial life in between. Acta Instituti Romani Finlandiae 26 (Rom 2002) 82f. und E. WATTS, „Athens between East and West: Athenian Elite Self‑Presentation and the Durabi‑ lity of Traditional Cult in Late Antiquity“, Greek, Roman, and Byzantine Studies 57 (2017) [191–213] 199–201. Die Kommentare von ROCHEFORT 1960, 32 Anm. 19 und 20, die sich auf praktische Rituale beziehen, spiegeln vor allem philosophische oder christliche Interpre‑ tationen wider. Zu unseren historischen Kenntnissen über die Rituale im 2. Jh. n. Chr. N. BELAYCHE, „Percer la loi du silence? Les initiations à Éleusis au IIe siècle“, in: BELAYCHE / MASSA / HOFFMANN 2020, 25–53 (mit der vorangehenden Bibliographie). 121 Vgl. Julian, Gegen den Kyniker Herakleios 11, 216C. In seinem Eleusinios (Or. 22), den er in Smyrna im Jahr 171 vorgetragen hat, unterscheidet Aelius Aristides ab Kapitel 3 ebenfalls die arrhèta phasmata der Initiierten, die sie gesehen haben (sie werden gleichzeitig δρώμενα und ὁρώμενα genannt) von den Erzählungen des Mythos durch die literarische Tradition. 122 Siehe in diesem Band Robbert M. van den Berg S. 191–194 . 118

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drei Etappen hervor, die er als Weg des Aufstiegs (ἐπάνοδος) der Seele zu den Göttern (4,10) benennen kann: a) eine Zeit der Enthaltsamkeit, die b) dem dies sanguinis, dem 24. März, vorausgeht, den er als „das Schnei‑ den des Baumes (δένδρου τομαί)“ bezeichnet, auf den c) die ἱλάρια vom 25. März folgen.123 Obwohl er andererseits bei den Göttern unterschei‑ det „wenn es um Sagbares und Unaussprechliches (κατὰ τὸ ῥητόν τε καὶ ἄρρητον), Unsichtbares und Sichtbares (ἀφανές τε καὶ φανερόν), Deutli‑ ches und Verborgenes geht (σαφές τε καὶ κρυπτόμενον)“ (3,3), führt er keine ähnliche Unterscheidung bezüglich der zeremoniellen Typen ein, wie Strabon es gemacht hatte, indem er ein binäres Typenmodell natür‑ licher Ordnung darlegte. Nun ist es eine den Griechen und den Barbaren gemeinsame Sitte, Kulthandlungen in festlicher Entspannung zu vollziehen (τὰς ἱεροποιίας), manche mit Ekstase, andere ohne (τὰς μὲν σὺν ἐνθουσιασμῷ τὰς δὲ χωρίς), manche von Musik begleitet, ande‑ re nicht, manche im geheimen, andere vor aller Welt (τὰς μὲν μυστικῶς τὰς δὲ ἐν φανερῷ). Und dazu leitet die Natur (ἡ φύσις) an.124 (Übers. Radt)

Trotz des strukturierenden Aspektes der Verbindung (συναφή) mit den Göttern für denjenigen, der seine Erbauung anstrebt, gibt Salustios nur wenige präzise Details zum rituellen Ausdruck dieser Beziehung zwi‑ schen Menschlichem und Göttlichem. Das Kapitel über die Opfer hat die Form eines kurzen Exkurses, nur ein Fest (das der Göttermutter) gibt An‑ lass zu einigen Hinweisen, und es findet sich keine Erwähnung in der Schrift von den Kultausübenden noch von den Kultstätten. Die ναοί und βωμοί werden knapp erwähnt in einer Ausführung über die „Anpassung“ (ἐπιτηδειότης) zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos (15,2), obwohl Julian sie eifrig besuchte.125 Man kann nur dann den Ritus Ausübende ver‑ muten, wenn er (und das ist der einzige Fall) den öffentlichen Kult der Ty‑

123 Er kennzeichnet also weder den Anfang des Festes (canna intrat am 15. März) noch den Beginn des Baumschneidens (arbor intrat am 22. März) noch die lavatio des 27. März, die sich auf die Göttin bezieht; zum Verlauf des Festes in der Kaiserzeit P. BORGEAUD, „La Mère des dieux. De Cybèle à la Vierge Marie“ (Paris 1996) 131–139. Eine Exegese der Rituale der „heiligen Woche“ findet sich bei Julian, An die Göttermutter 9, 168C–169D. 124 Strabon, Geographie X 3,9, C 467. Er entlehnt diese Einteilung aus Poseidonios, vgl. F. LASSERRE, Strabon. Géographie, Tome VII (Livre X), CUF (Paris 1971) 131f., Anm. 1 und 2. 125 Julian, Misopogon 15, 346B–C: „Der Kaiser opferte einmal im Zeustempel, dann in dem der Tyche, dann ging er dreimal hintereinander in den der Demeter (und ich habe vergessen, wie oft ich zum [Apollon‑]Tempel in Daphne ging) ...; dann naht das Syrische Neujahrs‑Fest, und der Kaiser besucht wieder den Tempel des Zeus Philios; dann das allen gemeinsame Fest, und der Kaiser geht in den Tempel der Tyche. Nach Einhalten eines dies nefastus erneut zum Zeus Philios, und er nimmt die Gebete nach Vätersitte wieder auf.“ (Übers. Müller). Ein Gesetz des Jahres 399 (CTh XVI 10,16,2–3) sieht in den Kultstätten die Grundlage des Aberglaubens (superstitionis materia).

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che ausdrücklich benennt, der einen kollektiven Zusammenhalt gewähr‑ leisten kann,126 also ausgestattet ist mit Priestern und Finanzmitteln.127 deshalb kommt es auch in besonderer Weise den Gemeinwesen (τὰς πόλεις) zu, diese Gottheit öffentlich zu ehren (διὰ τοῦτο μάλιστα κοινῇ τὰς πόλεις τὴν θεὸν προσήκει τιμᾶν); denn jedes Gemeinwesen (πόλις) setzt sich aus unterschiedlichen Interessen zusammen (πᾶσα γὰρ πόλις ἐκ διαφόρων πραγμάτων συνίσταται).128

Salustios kritisiert andererseits implizit die dem Kaiser verliehenen göttli‑ chen Ehren (18,3), als dem Gottesbegriff (ennoia) widersprechend, den er entweder dem Beispiel von Julian folgend,129 oder auch als ein Resultat der Funktionen, die ihn implizieren, darlegt. In den Jahren 330 berichtet Euse‑ bios von der adoratio, die Konstantin sowohl bei seinem funus, als auch zu Lebzeiten erhielt, und Münzen haben seine consecratio verbreitet, d.h. sei‑ ne Vergöttlichung.130 Als Salustios schrieb, blieben die Anlässe, den Kaiser anzurufen, zahlreich, bei den vota zu Anfang des Jahres zum Beispiel;131 und die öffentlichen lustrationes wurden weiterhin während der Gedenk‑ tage der Kaiser praktiziert, aber nach dem Jahr 380 mussten sie auf Gebete begrenzt werden.132

4. Rituale, Versöhnung und Hilfe der Götter: die Besonderheit von De deis Was Verfehlungen und ihre Entsühnung betrifft, führt die Konzeption der Ähnlichkeit zwischen Menschen und Göttern (die ὅμοιοι) und der gött‑ lichen Unwandelbarkeit Salustios zu einem wichtigen Unterschied in der Perspektive mit der gängigen griechisch‑römischen Konzeption. Wenn wir durch Gebete und Opfer (εὐχαῖς καὶ θυσίαις) Befreiung von den Verfeh‑ lungen (λύσιν τῶν ἁμαρτημάτων) finden, erweisen wir den Göttern keinen Dienst 126

Julian war ein glühender Anhänger, vgl. die vorige Anmerkung und Anm. 128. Auch Porphyrios beschäftigte sich mit den öffentlichen Kulten, vgl. De abstinentia II 33,8 und 2–3 zu den öffentlichen Opfern, die er akzeptiert, aber ohne den Fleischverzehr, vor allem was die Philosophen und die Priester betrifft. Siehe L. BRUIT ZAIDMAN, Le com‑ merce des dieux. Eusebeia. Essai sur la piété en Grèce ancienne (Paris 2001) 201–209 und RIVES 2011. 128 De deis 9,7; Salustios spricht klar von der „Stadt“ (nicht von irgendeiner Kollektivität) und die pragmata bezeichnen etwas Konkretes, reale Handlungen (nicht einfach agglome‑ rierte „Interessen“). Auch bei Julian, Misopogon 35, 363A heißt es: „der Stadt aber steht es, glaube ich, wohl an zu opfern, privat und als Stadt.“ (Übers. Müller). Zu Tyche neben Vor‑ sehung / Πρόνοια und Schicksal‑Notwendigkeit / Εἱμαρμένη (5,1 und 9,4 und 7) siehe die Einleitung von Detlef Melsbach in diesem Band, S. 11. 129 Vgl. Julian, Ep. 176 (BIDEZ). 130 Bzw. Eusebios, Das Leben Konstantins IV 67,1 und 3; P. BRUUN, „The consecration coins of Constantine“, Arctos NS 1 (1954) 19–31. 131 Die vota des 3. Januar sind vermerkt im Festkalender von Capua aus dem Jahr 387, CIL X, 3792 = ILS 4918. Vgl. GRAF 2015, 128–146. 132 CTh XVI 10,7,5 (im Jahre 381). 127

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(οὐ τοὺς θεοὺς θεραπεύομεν) oder stimmen sie um, sondern heilen durch die rituel‑ len Handlungen (διὰ τῶν δρωμένων) und durch unsere Hinwendung zum Göttlichen (τῆς πρὸς τὸ θεῖον ἐπιστροφῆς) vielmehr unsere eigene Schlechtigkeit und genießen daraufhin wieder die Güte der Götter. (De deis 14,3)

Das griechische und römische religiöse System basiert, wie wir gesehen haben, auf Rechtlichkeit, d.h. dem Respekt vor den jeweiligen Rechten der beiden Partner, den menschlichen und göttlichen, (darin besteht die pietas / eusebeia), mit der Folge von Sanktionen im Fall der Rechtsübertre‑ tung. So sind die Ritualvorschriften Teil des öffentlichen Rechts. Die Göt‑ ter sind berufen, die Fundamente der Gemeinschaft zu legitimieren, die sie unterstützen und die sie ehrt, wie Platon festgestellt hatte: „dem del‑ phischen Apollon aber noch die größten, schönsten und ersten aller An‑ ordnungen“, nämlich die religiösen.133 Sie garantieren das soziale Leben als Nomotheten durch ihre Orakel134 oder wie Bürgen in den juristischen und imprekatorischen Praktiken.135 Die ländlichen Heiligtümer von Lydi‑ en und Phrygien, die im 1.–3. Jh. in ihren jeweiligen Dörfern als Vertreter ihrer allmächtigen Götter, als Herren des Gebietes,136 präsentiert durch ih‑ re Zepter,137 das Gesetz machen (im eigentlichen Sinn des Wortes), stellen konkret vor Ort diesen Typ der Regulierung dar, der sich auf die Götter be‑ zieht.138 Auch bei Salustios sind die Rituale – Gebete, Opfer, Zeremonien (oder Initiationen?) – Teil der Grundlagen des Göttlichen (πολλὰ παρὰ θεῶν γινόμενα) „um die Seelen am Fehlverhalten zu hindern“ (διὰ τὸ κωλύειν ψυχὰς ἁμαρτάνειν) (12,6), ebenso wie die Rahmenbedingungen des kollektiven Lebens: Wissensbestände, öffentliche Organisation, Justiz. Ohne den philosophischen Bezug zu ignorieren139 konnte der Magistrat 133

Plat. Rep. IV, 427b (Übers. Schleiermacher). De deis 3,1. Das Zurückgreifen auf eine offenbarte Norm als Gründungs‑ oder nur Legitimierungsinstanz stützt sich immer auf eine theologische Konzeption. Bei den Prak‑ tiken liegt der entscheidende Faktor für die Intervention des Götterwortes, nicht nur in religiösen Angelegenheiten, in der sozialen Funktion der Orakel, die sich mit einem Wahr‑ heitsanspruch umgibt, der für die unmittelbare Kommunikation zwischen Menschlichem und Göttlichem anerkannt ist. Vgl. N. BELAYCHE, „Les dieux ‚nomothètes‘. Oracles et pre‑ scriptions religieuses à l’époque romaine impériale“, Revue de l’Histoire des Religions 224/2 (2007) 171–191. 135 Vgl. die Verwünschungen, um die Unverletzlichkeit der Gräber zu garantieren, J. STRUBBE, ΑΡΑΙ ΕΠΙΤΥΜΒΙΟΙ. Imprecations against Desecrators of the Grave in the Greek Epi‑ taphs of Asia Minor. A Catalogue. IK 52 (Bonn 1997). 136 PETZL 1994, Nr. 68 „Groß ist Meter Anaitis, die Azita beherrscht“ oder Nr. 47 „Groß sind die Götter, die Nea Kome besitzen!“ Siehe P. HERRMANN, „Men, Herr von Axiotta“, in: E. SCHWERTHEIM / S. SAHIN / J. WAGNER, Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens. EPRO 66/1 (Leiden 1978) 415–423. 137 Vgl. PETZL 1994, Nr. 6,16–19 u. Nr. 5. Die Priester werden auf den Reliefs repräsentiert, indem sie ein Zepter halten, das Rechtssymbol der Götter, PETZL 1994, Nr. 11 u. 12. 138 Vgl. das göttliche Paar Hosios kai Dikaios, M. RICL, „Hosios kai Dikaios“, Epigraphica Anatolica 18 (1991) 1–70 und 19 (1992) 71–103. 139 S. De deis 10,1–2. 134

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Salustios auch dieses Panorama der Ordnungs‑ und der Kontrollstruktu‑ ren unterfüttern, die der Stadt unter der glaubwürdigen (ἀξιόπιστος) Zu‑ wendung der Götter zukommen.140 Drei Mal – beim Auflisten der soziopolitischen Strukturen (12,6), in ei‑ ner Reflexion über die Leistung der Kultpraktiken (14,3) und über die Stra‑ fen (19,1; δίκαι τε καὶ κολάσεις, 12,6) –, stellt Salustios die Verbindung zwischen den Vergehen (ἁμαρτήματα) und ihrer Entsühnung mittels ritu‑ eller Praktiken141 her – ein Punkt, an den sich die „heidnischen“ Denker im Allgemeinen unter der Perspektive der Gottlosigkeit annäherten. In De deis charakterisiert die Konzeption des Göttlichen das Vergehen nicht als Ver‑ stoß gegen eine durch die Götter gewährleistete Regel, sondern als Verlust der Ähnlichkeit mit dem Göttlichen. Daher geht die Entsühnung des Ver‑ gehens – was Jamblich „den Ritus der Versöhnung (ἡ ἐξίλασις)“ nennt142 – von einer Umkehr aus, von einer epistrophè, die das Wiederherstellen der Ähnlichkeit erlaubt, also das Wiederfinden der Erleuchtung durch die Gü‑ te der Götter: „unsere Verfehlungen verhindern, dass die Götter uns leuch‑ ten (ἐλλάμπειν), und uns stattdessen mit strafenden Dämonen verbinden“ (14,2). Griechische und römische Konzeptionen, die in einer anderen theolo‑ gischen Darstellung verankert waren, berichteten von Vergehen aller Art, a fortiori von rituellen (Gottlosigkeiten),143 gegen die Allmacht der Göt‑ ter, die daher einem Strabon oder einem Seneca als eine Art „Mormoly‑ ken für die Einfältigen“ dienten.144 Die Nachlässigkeit oder die Verletzung von religiösen Regeln, die sich in Unreinheit (ἀκαθαρτία)145 manifestier‑ 140 Porphyrios, Über die Weisheitslehre aus den Orakelsprüchen (fr. 303F SMITH), ap. Eusebios, Praeparatio evangelica IV 7,2: „durch die glaubwürdige Lehre derjenigen [der Götter], die sprechen“ (διὰ τὴν τῶν λεγόντων ἀξιόπιστον διδασκαλίαν). 141 Es ist nicht nötig mit CLARKE 1998, 338 („again perhaps because his work was designed for popular appeal“) anzunehmen, dass diese Verbindung auf eine „populär“ angelegte Gestaltung zurückgeht. 142 Jamblich, Resp. I 13 (32,18–33,3 SAFFREY / SEGONDS). 143 Vgl. Aelianus, De natura animalium XI 31: „Menschen, sagte er, sind an manchen ihrer Leiden selbst schuld, indem sie etwas Gottloses getan oder aber etwas Frevelhaftes gesagt haben“ (Übers. Brodersen). 144 Strabon, Geographie I 2,8 (Übers. Radt); Seneca, Das Gewitterbuch (Nat. quaest. II) 42,3: „Um also diejenigen abzuschrecken, die sich nur aus Furcht zu einem schuldlosen Leben bereitfinden (ad conterrendos eos quibus innocentia nisi metu non placet), stellten sie ihnen ei‑ nen Rächer zu Häupten, und zwar einen bewaffneten (uindicem…armatum)“ (Übers. Schön‑ berger / Schönberger). Vgl. Y. BERTHELET, „Colère et apaisement des dieux de Rome. Re‑ marques sur la réponse graduelle des autorités républicaines à l’angoisse suscitée par les prodiges“, Mythos 4 N.S. (2010) 15–26. 145 Vgl. PETZL 1994, Nr. 120,1–5 im Heiligtum des Apollon Laibenos: „Ich, Sosandros aus Hierapolis, bin nach einem Meineid (bzw. Bruch eines Eides) (ἐπιορκήσας) in unreinem Zustand (ἄναγνος) in den gemeinsamen Tempel hereingegangen (ἰς τὸ σύνβωμον); mich traf die Strafe […].“ Siehe R. PARKER, Miasma. Pollution and Purification in Early Greek Religion (Oxford 1990; 1 1983) 352–356.

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te, drückte Verachtung für die Götter aus und legte daher ein Schwingen ihrer némésis offen, ihrer Vergeltungskraft vor den Angriffen gegen ihre δύναμις.146 Diese Konzeption ist insbesondere für Stelen der Kaiserzeit in den ländlichen Gemeinschaften von Lydien und Phrygien bezeugt, deren Götter (durch ihre Priester) die Ordnung garantierten. Die ἁμαρτία (und ihre lexikalische Familie),147 sei sie explizit ausgedrückt oder nicht, formt den Hintergrund für rituelle Dokumente fast ohne Äquivalente, was die historiographische Tradition „Beichtinschriften“ genannt hat, die aber in Wirklichkeit Texte der Glorifizierung oder der Verherrlichung sind.148 Die Souveränität der Götter (Mên ist z.B. tyrannos)149 manifestiert sich dort vor allem in ihrer machtvollen Justiz.150 Die Unglücksfälle werden also wie ei‑ ne Strafe (κολάζω) erlebt für Vergehen hauptsächlich gegen die soziore‑ ligiöse Ordnung (Angriffe auf heiliges Eigentum oder Verletzung der so‑

146 Vgl. den anfänglichen Jubel, z.B. PETZL 1994, Nr. 62: „Für Mên Axiottenos und seine Macht!“. Siehe bei Ovid im Kontext des Isiskultes, Epistulae ex Ponto I 1,55–56: „Himmlische freuen sich, wenn sie ein solches Geständnis vernehmen, weil es durch Zeugen erweist, was ihre Herrschaft vermag“ (Talia caelestes fieri praeconia gaudent, / ut sua quid ualeant numina teste probent) (Übers. Willige). 147 Z.B. PETZL 1994, Nr. 73 und 74. 148 N. BELAYCHE, „Les stèles dites de confession: une religiosité originale dans l’Anatolie impériale?“, in: L. DE BLOIS / P. FUNKE / J. HAHN (Hg.), The Impact of Imperial Rome on Religi‑ ons, Ritual and Religious Life in the Roman Empire (Leiden / Boston 2006) [66–81] 73–80. Das Vorgehen beim Eingeständnis sieht keine Introspektion vor, wie wir sie von Augustinus kennen, die das Modell der abendländischen Beichte werden wird; die Analogien, die von P. FRISCH, „Über die lydisch‑phrygischen Sühneinschriften und die Confessiones des Au‑ gustinus“, EpAnat. 2 (1983) 41–45 angeführt werden (Bestrafung, Unreinheit, Schrift) sind formeller Natur. Zur christlichen Exomologese vgl. M. FOUCAULT, Histoire de la sexualité. 4, Les aveux de la chair (Paris 2018) 78–105. 149 E. J. SCHNABEL, „Divine Tyranny and Public Humiliation: a suggestion for the interpre‑ tation of the Lydian and Phrygian confession inscriptions“, Novum Testamentum 45 (2003) 160–188 zieht in Betracht, dass die Betonung, die auf die „divine tyranny“ gelegt wird, eine Reaktion auf die Expansion des Christentums ist, was die Chronologie nur ungenügend unterstützt, da die Formulierungen vor der Expansion des Christentums in diesen Regio‑ nen liegen, beginnend mit der Herrschaft von Nero. 150 Meis Ouranios, der „Axiotta hält (κατέχων)“ ist κρ[ι]τὴς ἀλάθητος ἐν οὐρανῷ, HERR‑ MANN / MALAY 2007, Nr. 51. Zu den Appellen an die Gerechtigkeit der Götter („call for jus‑ tice“ oder „judicial prayers“) H. S. VERSNEL, „Prayers for Justice East and West: New Finds and Publications since 1990“, in: R. L. GORDON / F. MARCO SIMON (Hg.), Magical Practice in the Latin West. RGRW 168 (Leiden / Boston 2010) 275–356 (mit früheren Arbeiten) und M. RICL, „The Appeal to Divine Justice in the Lydian Confession‑Inscriptions“, in: E. SCHWERT‑ HEIM (Hg.), Forschungen in Lydien. Asia Minor Studien 17 (Bonn 1995) 67–76, und zu den Ritualen der Glorifizierung, die auf dieser Grundeinstellung basieren A. CHANIOTIS, „Un‑ der the watchful eyes of the gods: divine justice in Hellenistic and Roman Asia Minor“, in: S. COLVIN (Hg.), The Greco‑Roman East. Yale Classical Studies 31 (Cambridge 2004) 1–43 und N. BELAYCHE, „‚Au(x) dieu(x) qui règne(nt) sur …‘. Basileia divine et fonctionnement du polythéisme dans l’Anatolie impériale“, in: A. VIGOURT u.a. (Hg.), Pouvoir et religion dans le monde romain. En hommage à Jean‑Pierre Martin (Paris 2006) 257–269.

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zialen oder moralischen Gesetze).151 Die Götter bestätigen sie selbst, wenn die Priester sie vorführen: „[Zeus] Ich habe den Theodoros an seinen Au‑ gen bestraft (ἐκολασόμην) entsprechend den Sünden, die er begangen hat (κατὰ τὰς ἁμαρτίας, ἃς ἐπύησεν) [sic] ….“152 Auch die Anerkennung des Vergehens (ὁμολογῶ), gefolgt von Votiv‑ und Opferritualen,153 sorgt für die Beschwichtigung der göttlichen Mächte.154 Diese rituellen Entsüh‑ nungen zu Versöhnungszwecken (ἱλάσκομαι) befreien von dem Vergehen und bewirken die Regulierung, die λύσις (De deis 14,3), und die Rückkehr zum Zustand der εὐσέβεια / pietas.155 So stellt sich die Konzeption von den Göttern und ihren Beziehungen zu den Menschen dar, die in diesen Fällen eine durch ihre Allmacht auferleg‑ te Vertikalität etabliert. Für Salustios hindert das Vergehen, das Ausdruck einer Unähnlichkeit in Bezug auf die göttliche Natur ist (14,2), den Men‑ schen daran, am Licht des Göttlichen teilzuhaben (ἐλλάμπειν) und zer‑ stört die Ähnlichkeit, die die Möglichkeit des Zugangs zum Licht schafft, ohne das ontologische Anderssein zu beseitigen. Die Rituale (Gebete und Opfer, 14,3) sind damit die Bedingung und die Manifestation einer wie‑ dererlangten Ähnlichkeit.

151 PETZL 1994, Nr. 1 (Speisen, die nicht geopfert werden); 9 (Kauf von heiligen Bäumen); 43 und 116 (unrein in das Heiligtum eintreten; vgl. auch 120); 49 (Übergabe einer Hierodule an die offiziellen Autoritäten); 50 (Flug der heiligen Tauben); 63 (heiliger Weizen, der nicht gespendet wird); 64 (Häute, die aus dem Tempel entwendet werden); 67 (heilige Tiere); 76 (Bäume des Heiligtums); 71 (respektlose Worte gegenüber dem Gott). Vgl. N. BELAYCHE, „‚Un châtiment en adviendra‘. Le malheur comme signe des dieux dans l’Anatolie impé‑ riale“, in: S. GEORGOUDI / R. KOCH PIETTRE / F. SCHMIDT (Hg.), La raison des signes. Langages divinatoires, rites, signes et destin dans les sociétés de la Méditerranée ancienne (Leiden 2012) 319–342. 152 PETZL 1994, Nr. 5,5–7, siehe auch 19–21. 153 PETZL 1994, Nr. 123. Zu einem Opfer, das dargeboten wird, um göttliche Vergebung zu erlangen, Philostratos, Vita Apollonii 6,40. 154 Zur Dodone bereits H. W. PARKE, The Oracles of Zeus. Dodona, Olympia, Ammon (Oxford 1967) Nr. 12 und 14: τίνας θεῶν ἱλασκόμενος. Vgl. A. CHANIOTIS, „Illness and cures in the Greek propitiatory inscriptions and dedications of Lydia and Phrygia“, in: Ph. J. VAN DER EIJK / H. F. J. HORSTMANSHOFF / P. H. SCHRIJVERS (Hg.), Ancient Medicine in its Socio‑Cultural Context (Amsterdam / Atlanta 1995) II, 323–344. Diese Rituale können lutron genannt wer‑ den, z.B. PETZL 1994, Nr. 51,4 u. 53,4; und HERRMANN / MALAY 2007, Nr. 72 (das lutron eines Dorfes). Ein Orakel des Apollon, das von Porphyrios berichtet wird, De philosophia ex ora‑ culis haurienda, ap. Eusebios, Praeparatio evangelica IV 20,1, antwortet seinem Propheten, der „das Göttliche sehen will“, wofür er ein „Lösegeld zahlen“ muss, das in rituellen Spenden besteht (Libation von Wein und Milch und Entzünden von Opferfeuer). 155 Zum Verlauf des Prozesses mit einem Eingeständnis (in diesem Fall präventiv) und einem Ritual zum Beschwichtigen der Gottheiten, Ovid, Fasti IV 747–782; siehe auch Tibull, Elegien I 2,85–88.

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5. Salustios und die Theologie des Rituals Während er die Mythen präsentiert, die für ihn logoi über die Götter sind – also etymologisch „Theo‑logien“ –, teilt Salustios sie zuerst in fünf Ka‑ tegorien,156 um darin schließlich zu einer bereits angekündigten ternären Taxonomie zu kommen (3,1). Die theologischen Mythen passen zu den Philosophen, die physischen und psychischen zu den Dichtern, die gemischten aber zu den Kulten (τελεταῖς), weil auch jeder Kult (πᾶσα τελετή) uns mit der Welt und mit den Göttern verbinden will.157

Die Entsprechungen, die Salustios feststellt, sind nach der funktionellen Natur der drei Einteilungen geordnet. Die theologischen und physisch‑ psychischen Mythen stehen in Verbindung mit den sprachlichen Gattun‑ gen und den Autoren, die sie auslegen, Philosophen und Poeten. Ande‑ rerseits sind die „gemischten“ Mythen (wie derjenige der Muttergöttin, der kurz danach entfaltet wird) charakterisiert durch einen Begriff der re‑ ligiösen Praxis (die teletai)158 und durch ihre Endgültigkeit, die Verbin‑ dung / συνάπτειν mit den Göttern.159 Die Bedeutung von τελετή ist im‑ mer schwierig zu bestimmen, da der Begriff mehrdeutig ist, von einem „gewöhnlichen“ religiösen Fest bis zu den Mysterienkulten. In dieser Pas‑ sage (im Gegensatz zu den beiden anderen in der Abhandlung angeführ‑ ten) scheint mir, dass τελετή eine umfassende Bedeutung hat und nicht auf eine rituelle Form vom initiatorischen Typ hinweist, wie bei (εὐχαί τε καὶ θυσίαι καὶ τελεταί), wo das Wort eine rituelle Typologie neben den 156 De deis 4,1. Vgl. den Beitrag von R. M. van den Berg in diesem Band, S. 186–189. Bei Julian, Gegen den Kyniker Herakleios 11, 216B, gibt es Mythen zweier Typen: ethische und telestische (initiatorische). 157 De deis 4,6: Πρέπουσι δὲ τῶν μύθων οἱ μὲν θεολογικοὶ φιλοσόφοις, οἱ δὲ φυσικοὶ καὶ ψυχικοὶ ποιηταῖς, οἱ δὲ μικτοὶ τελεταῖς, ἐπειδὴ καὶ πᾶσα τελετὴ πρὸς τὸν Κόσμον ἡμᾶς καὶ πρὸς τοὺς Θεοὺς συνάπτειν ἐθέλει. Entsprechend dem oben über die Rituale Festge‑ haltenen gibt es keinen Grund, hier teletè mit „Initiation“ zu übersetzen, (wie ROCHEFORT 1960 und LECERF / GROISARD in der neuen Ausgabe in Bearbeitung für die Collection des Universités de France, ad. loc.). Bestimmt war seit der klassischen Zeit der Initiations‑ oder mysteriöse Sinn von τελετή spezifisch für bestimmte Kulte (Eleusis und Dionysos), aber erst in der byzantinischen Zeit (bei Photius und in der Suda) wurde τελετή ausschließlich mit den mysteria verbunden, selbst wenn, beginnend mit dem 2. Jh., das Wort immer mehr in diesem Sinn benutzt wird, z.B. Aelius Aristides, Or. 49 (Heilige Reden 3),48, vgl. F. L. SCHUDDEBOOM, Greek Religious Terminology, Telete & Orgia. A Revised and Expanded English Edition of the Studies by Zijderveld and Van der Burg (Leiden / Boston 2009) und N. BELAYCHE / F. MASSA, „Quelques balises introductives: lexique et historiographie“, Mètis NS 14 (2016) [7–19] 8f. Zum Phänomen der „mystérisation“ im 2. Jh. BELAYCHE / MASSA / HOFFMANN 2020. 158 R. M. van den Berg nennt sie „theurgisch“ und „telestisch“ (S. 191), aber die Begriffe lassen sich bei Salustios nicht finden. 159 Siehe oben Anm. 42. Der Begriff „popular rituals“ (CLARKE 1998, 343: „they are appro‑ priate for popular rituals [τελεταῖς], presumably because all sorts of people will attend, from the truly wise to the truly ignorant“) lässt sich also als „öffentliche Rituale“ verste‑ hen.

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Votivgebeten und den Opfern ausdrückt. Außerdem greift Salustios an‑ schließend beispielsweise die Frühlingsfeste der Muttergöttin auf (4,10– 11), die, wie wir gesehen haben, ein öffentliches Ritual der römischen Reli‑ gion seit dem 1.–2. Jh. ohne initiatorischen Charakter waren. Aus der Sicht des Historikers für religiöse Ideen in Rom und ihrer Fortdauer, also ihrer Relevanz für das 4. Jh., evoziert die salustische Dreiteiligkeit die tria genera theologiae, die Varro in seinen Antiquitates rerum divinarum dargelegt hat‑ te, und die die Autoren, Christen wie Heiden, der Spätantike (Augustinus und Macrobius nach Eusebios von Caesarea) weiterhin berücksichtigen. Es ist jedoch eine pontifikale Tradition, dass Varro sich auf den Pontifex Mucius Scaevola bezieht.160 tria genera theologiae dicit [Varro] esse, id est rationis quae de diis explicatur: die mythische (mythicon), sodann die physische (physicon), drittens die staatliche (civile) […] Mythisch nennt man die Art, die sich zumeist bei den Dichtern, physisch, die sich bei den Philo‑ sophen, staatlich, die sich bei den Völkern findet.161

Die beiden Theologien (poetisch und philosophisch) sind vollkommen austauschbar in De deis, aber sie finden sich dort in umgekehrter Weise: bei Varro ist die philosophische Theologie physisch, während sie bei Salustios poetisch ist, und das gilt also umgekehrt auch für die poetische Theologie, die mythisch bei Varro und physisch bei Salustios ist. Für die Denker der Kaiserzeit war es ein Thema, über die jeweiligen Gebiete des poetischen und philosophischen Diskurses über die Götter zu reflektieren,162 wegen ihres gemeinsamen Zurückgreifens auf die Allegorie. Der Zusammenhang zwischen den gemischten Mythen bei Salustios als neuplatonischem Au‑ tor und politischer Theologie bei Varro als Antiquar fällt nicht sofort auf, schon deshalb, weil die dominierende Richtung der Philosophie am Ende der Republik die stoische war.163 Dennoch fallen beide unter die rituellen 160 Vgl. J. RÜPKE / A. GLOCK, Fasti sacerdotum. Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch‑christlicher Kulte in der Stadt Rom von 300 v. Chr. bis 499 n. Chr., 2: Biographien. PAwB 12,2 (Stuttgart 2005) Nr. 2478 (Pontifex im Jahr 115, Pontifex Maximus im Jahr 89 v. Chr.). 161 Varro, Antiquitates rerum divinarum fr. 6–9 CARDAUNS, ap. Augustinus, De Civitate Dei VI 5 (Übers. Andresen); siehe auch 4,27 und 6,12. Siehe, stets grundlegend, PÉPIN 1956, be‑ sonders 282–285 für die Kenntnis, die Eusebios von Caesarea von dieser Dreiteilung hatte (zurückgenommen in PÉPIN 1976, 276–307). 162 Siehe z.B. die 4. Dialexis (Vortrag) des Sophisten, Rhetors und Philosophen Maximos von Tyros, Wer hatte das bessere Verständnis von den Göttern, (Τίνες ἄμεινον περὶ θεῶν διέλαβον), G. L. KONIARIS, Maximus Tyrius, Philosophoumena‑ΔΙΑΛΕΞΕΙΣ (Berlin / New York 1995) 4,1: „Da sich also beide [die Dichtung und die Philosophie] nur durch zwei Din‑ ge, Zeit und Form (χρόνῳ μόνον καὶ σχήματι), voneinander unterscheiden, wie könnte da jemand den Unterschied in dem finden (πῶς ἄν τις διαιτῆσαι τὴν διαφορὰν), was beide, Dichter und Philosophen, von der Gottheit aussagen (περὶ τοῦ θείου ἑκάτεροι λέγουσιν)?“ (Übers. Schönberger / Schönberger). 163 Y. LEHMANN, Varron théologien et philosophe romain. Coll. Latomus 237 (Brüssel 1997) 193–225 („La THEOLOGIA TRIPERTITA de Varron: sources et signification“).

Kommunikationsformen zwischen Göttern und Menschen

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Praktiken (teletai) und sind gemischt – ex utraque temperatam („aus beidem gemischt“) bei Varro / οἱ μικτοὶ bei Salustios –, d.h. sie entlehnen Elemente aus den beiden anderen Theologien.164 Auf der anderen Seite lädt Salustios zur Verständigung ein, indem er den Mythos / die Feste der Göttermutter auswählt, die sich auf einer doppelten kulturellen und theurgischen Ebene lesen lassen. Diese Theologie der Praktiken beruht sowohl auf dem Verlauf von Zeremonien (teletai) als auch auf den Regeln, die die Götter in ihren Orakeln (De deis 3,1) festlegen, wie wir gesehen haben.165

6. Fazit In dieser Untersuchung der Kommunikationsformen zwischen Göttern und Menschen in der Schrift von Salustios habe ich, bei der Suche nach πραγματεία, das Augenmerk auf die rituelle Praxis gelegt, und ich habe versucht, die Prägung dieser rituellen Bezeichnungen in der Welt des 4. Jh.s zu beschreiben, in der Salustios ein bedeutender Akteur nebst seiner philosophischen Ausrichtung war. Was die kulturelle Tradition des Helle‑ nismus betrifft, der er ebenso angehört wie dem Neuplatonismus, ist Sa‑ lustios mit bestimmten rituellen Regeln gut vertraut, die er gelegentlich zitiert, wenn sie sein Interpretationssystem erklären: so das blutige Opfer als Mittler zwischen Göttern und Menschen, vielleicht weil es seit einiger Zeit eine Debatte unter den Philosophen gab – aber sein Handbuch war nicht der Ort, um darüber zu berichten. Die Rituale sind zwar die unver‑ zichtbare Voraussetzung dafür, dass die Menschen einen Gewinn aus ih‑ rer Homothetie mit den Göttern ziehen können (weil sie die Äußerung der richtigen Orientierung der Menschen gegenüber dem Göttlichen sind), die Reflexion über das Ritual stellt aber keine Hauptlinie der Abhandlung dar. Salustios erwähnt die wichtigsten – Gelübde, Opfer, teletai (Zeremonien oder Initiationen je nach Fall) – auf eine generelle Art und Weise, und er widmet ihnen nur sehr kurze Passagen, in denen er sich namentlich darauf bezieht. In den griechischen und römischen Polytheismen waren die pra‑ xis (religio) und die theologischen Überlegungen zwei mögliche Wege der Erklärung der Beziehung mit dem Göttlichen: ein sozialer Weg, der sich durch die Rituale ausdrückt (seien sie öffentlich, kombinativ oder privat), und ein weiterer spekulativer, der die Exegese einschloss und allen Inter‑ pretationen aufgeschlossen war. Beide Wege „sprachen“ auf ihre Art vom Göttlichen. Bei Salustios bestimmt der Eine den Anderen: D.h., seine theo‑ logische Konzeption (die göttliche Unwandelbarkeit) und seine kosmolo‑ 164 Vgl. PÉPIN 1956, 274: „la confluence de la théologie des poètes et de celle des philoso‑ phes pour construire la théologie civile“. Die Mischung der Elemente setzt die Verbindung zwischen ihnen voraus, vgl. Aristoteles, De anima 410a 30–410b 2. 165 S. oben Anm. 134.

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gische Konzeption (die Ähnlichkeit zwischen der Welt, den Göttern und den Menschen) bestimmten die Bedeutung des Rituals und seine Notwen‑ digkeit für das Elevationsziel. Sie umschließen damit das Feld der Mög‑ lichkeiten der Exegese, das andererseits unendlich in einer rituellen Vor‑ gehensweise ist, die alle Interpretationen zulässt. In der Interpretation der Vergehen und ihrer rituellen Entsühnung weicht De deis am meisten von der traditionellen griechischen und römischen Konzeption ab; dies kann erklären, warum er sie mehrere Male erwähnt und dort länger verweilt. Andererseits kann man, hier oder anderswo in der Abhandlung, keine An‑ spielung auf einen Dialog oder eine Konfrontation mit dem Christentum sehen, wobei die Thematik der Theodizee dazu hätte einladen können und die Regierung von Julian, jedenfalls in der Historiographie, diesen Ein‑ druck des Konflikts, sowohl aufgrund von dessen Contra Galilaeos als auch in der christlichen Tradition, hinterlassen hat. Aber Salustios hat seine Ab‑ handlung über die Götter und die Welt für die Menschen, nicht über die Menschen geschrieben.

Salustius’ composite theory of myths* Robbert M. van den Berg “Why, then, did the ancients use myths while ignoring these doctrines (λόγοι)? That is a question well worth examining.” With this program‑ matic statement, Salustius introduces his discussion of myths. The issue is a pertinent one for any Platonist to raise, for Plato famously combines philosophical argument (logos) with myth. Many of Plato’s readers, both ancient and modern ones, are troubled by this combination. What has ra‑ tional philosophical discourse to do with invented stories? The question is all the more urgent for the Neoplatonist Salustius, because for him Plato is but one of a group of ancient authoritative myth‑makers that also in‑ cludes the great Greek poets Homer and Hesiod and the seer Orpheus. Such was in fact the esteem in which the emperor Julian and his circle held these myths, that they play an important role in the religious politics of his short‑lived reign. Julian did not only spend much time and energy on the exegesis of these ancient myths, but he also ferociously attacked those who, to his mind, did not sufficiently respect the divine nature of myths. In his oration On the Mother of Gods, for example, he discusses the myth of her re‑ lation with Attis at considerable length, whereas in his oration Against the cynic Heraclius he severely criticizes Heraclius for his frivolous attempts at myth‑making.1 Below, we will come back to both orations, since Salustius’ discussion clearly draws on these, and in particular on the one about the Mother of the Gods. * Thanks are due to my fellow contributors to this volume for their constructive remarks and criticism and in particular to Adrien Lecerf for his thoughtful and detailed observa‑ tions. 1 P. ATHANASSIADI, “Le traitement du mythe: de l’empereur Julien à Proclus”, in: M.‑A. AMIR MOEZZI / J.‑D. DUBOIS / C. JULIEN / F. JULIEN (Hg.), Pensée Grecque et sagesse d’Orient. Hommage à Michel Tardieu (Turnhout 2009) [63–76] 66–70 rightly insists on the political di‑ mension of Julian’s interest in mythology. As she observes, Julian, in articulating a theory of myths, addresses not just Christian polemics against Graeco‑Roman myths, but also ir‑ reverent pagan attitudes towards those myths. On Julian’s oration against Heraclius, see also NESSELRATH 2008 for an analysis of its content and R. M. VAN DEN BERG, “The Emperor Julian, Against the Cynic Heraclius (Oration 7): A Polemic about Myths”, in: G. H. VAN KOOTEN / J. VAN RUITEN (Hg.), Intolerance, Polemics, and Debate in Antiquity: Politico‑Cultural, Philosophical, and Religious Forms of Critical Conversation in the Ancient Near Eastern, Biblical, Graeco‑Roman, and Early‑Islamic World (Leiden 2019) 424–439 for an analysis of polemical structure of the treatise.

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The question of why Plato and other ancient authorities had made use of myths had been answered in different ways by different Neoplatonists. In this chapter, I intend to demonstrate how Salustius’ answer to this question can be understood as a combination of the views of Plotinus, Porphyry, and theurgic Neoplatonists such as Iamblichus and the emperor Julian on the issue of myths. By way of background, I shall in part one first briefly sketch these various Neoplatonic approaches to myths. The second part of this chapter consists of a close reading of Salustius’ discussion of the topic in order to flesh out his own theory on myths. Finally, we will take a closer look at Salustius’ application of this theory to his exegesis of the afore‑mentioned myth of the Great Mother and Attis, which he provides as an illustration of his own theory.

1. Myths in the (Neo‑)Platonic tradition 1.1. Introduction: Plato on myths All Neoplatonic theories about myths and their relation to philosophy take, as may be expected, Plato’s own use of and reflection on myths as their starting‑point. Much can and indeed has been said about Plato’s attitude towards myths, but for our present purposes it suffices to restrict ourselves to two issues: 1. the relation between myth and truth and 2. Plato’s distinc‑ tion between good and bad myths. Both issues come to the fore at the be‑ ginning of the Republic, when Socrates discusses what sort of myths should play a role in the upbringing of the young. One such myth is the (in)famous noble lie. Plato introduces this story as follows: And how about those mythic stories that we talked about just now: isn’t it the case that because we have no way to know the truth about ancient events, we make a falsehood resemble the truth as closely as we possibly can, thus creating something useful? (Plato, Republic II, 382d1–4)2

Since we have no way of knowing what actually happened in prehistoric times, we cannot but speculate. The story that the noble lie tells of how the first inhabitants of the utopian city of Kallipolis were all born from the same earth yet were composed of different sorts of metals is clearly false: such things are impossible and hence have never happened in the past nor will ever happen in the future. At the same time, however, the political message of this false story “resembles the truth”. It points to the fact that all citizens of a community owe their existence to that community 2 καὶ ἐν αἷς νυνδὴ ἐλέγομεν ταῖς μυθολογίαις, διὰ τὸ μὴ εἰδέναι ὅπῃ τἀληθὲς ἔχει περὶ τῶν παλαιῶν, ἀφομοιοῦντες τῷ ἀληθεῖ τὸ ψεῦδος ὅτι μάλιστα, οὕτω χρήσιμον ποιοῦμεν;

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and hence have an obligation towards it. The noble lie is relevant for our present concerns for two reasons. The definition of myths as false stories plays a role in the anti‑Platonic polemics that in part underlie Salustius’ initial question about the usefulness of myths. On the other hand, it also invites allegorical interpretation of myths, an invitation that was readily accepted by the Neoplatonists, be it not always in the same way. Plato qualifies the false myth about the autochthonous origins of the inhabitants of Kallipolis as ‘noble’ in contradistinction to the false myths from Homer and Hesiod. The latter he rules out as unfit for the education of the young, since they imbue the young with all sorts of wrong ideas about the divine and morality. As the example par excellence of these cor‑ rupting myths, “the greatest falsehood about the most important things” (Plato, Rep. II, 377e5–6), Socrates refers to Hesiod’s myth about the grue‑ some power struggle between the first generations of God‑Kings. Ac‑ cording to this story Uranus was castrated and overthrown by his son Cronus, who, in his turn, was dethroned and imprisoned in Tartarus by his son Zeus. In Plato’s time, intellectuals tried to rescue Homer and Hesiod from the criticism that the represented the gods as human beings behav‑ ing badly by arguing that these stories had to be understood allegorically. Plato’s Socrates is not overly enthusiastic about this proposition. If these stories have to be told at all, he opines, this should happen behind closed doors to the smallest number of listeners, after they had made an expen‑ sive sacrifice (Plato, Rep. II, 378a1–6). From the context, it seems evident that we are meant to understand this as a condemnation both of Homeric and Hesiodic mythology and of the allegorical interpretation of these. As we will find, however, Neoplatonists such as Plotinus and Salustius were attracted to precisely the afore‑mentioned myth of divine successions from Hesiod’s Theogony. They took Plato’s line about the need to keep the cir‑ culation of these stories restricted to the smallest possible circle as Plato’s blessing for their own allegorical interpretations, provided that these were practiced within a restricted circle of philosophical minds.

1.2. Plotinus In comparison to Porphyry and the emperor Julian, Plotinus interest in myths appear to have been rather limited. Yet, he can be credited with a theory of the nature of myths that is in keeping both with Neoplatonic metaphysics and psychology. In short, Plotinus holds that myths are a di‑ dactic devise that presents the eternal and unified intelligible in such a way that it can be understood by the human soul which thinks discursively. Plotinus develops his theory in his treatise On Love (Enn. III 5[50]9) in the course of his allegorical interpretation of Plato’s myth about the con‑

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ception of Eros in the Symposium.3 Eros, we are told, was conceived during the party in celebration of the birth of Aphrodite, when Penia (Poverty) managed to sleep with drunk Plutus (Abundance). According to Plotinus, Plutus represents the rational principle (λόγος) in the intelligible world, Penia intelligible matter and Aphrodite Soul. Aphrodite / Soul, thus Ploti‑ nus, belongs to the realm of Being, represented in the myth by the garden of Zeus, the place where the party is said to have taken place. This how‑ ever, raises a problem, for according to the Platonic conception of Being, Being is ungenerated, so how can Aphrodite said to have been born / gen‑ erated? Plotinus comments: But myths, if they are really going to be myths, must separate in time the things of which they tell, and set apart from each other the many realities which are together, but distinct in rank or powers, at points were rational discussion (logoi), also, make generations of things ungenerated, and themselves, too separate things which are to‑ gether; the myths, when they have taught us as well as they can, allow the man who has understood them to put together again that which they have separated. (Plotinus, Enn. III 5[50]9,24–29; tr. Armstrong)4

Myths are stories, and stories are characterized by temporality: they start at a given moment and after a series of events arrive, in the end, at a conclu‑ sion. Hence Plotinus remark that myths “must separate in time the things of which they tell”. The temporality of stories, exemplified by stories about divine births, sits ill with the eternal nature of the intelligible. Hence, we may say that for Plotinus too myths are false, or, at least, not true ones.5 Yet we, human beings, need myths, since we think in a discursive manner and hence struggle to grasp intelligible reality in its eternal simplicity. This is also evident from the fact that even philosophers tend to talk about the intelligible in terms of generation and so on. In other words, myths are a didactical tool which allows us, imperfect discursive souls that we are, to come to understand the intelligible, just as philosophical arguments are. The truth about timeless, unified intelligible being can only properly be grasped by the intuitive intellection that is characteristic of intellect (νοῦς). As Pierre Hadot (1990, 23) has put it well: Le mythe et le discours sont donc deux formes inférieures de la pensée qui conviennent à l’âme tombée en ce monde. Mais, pour l’âme qui s’élève au niveau de l’Esprit ou qui s’approche du Bien, “les raisonnements scientifiques”, comme le dira Proclus (In Tim. I 302,5–6), “ne paraissent plus que comme des fables, lorsqu’elle est avec le Père, qu’elle se repaît de la vérité de l’Être”. 3

On Plotinus’ theory, see, e.g., PÉPIN 1958, 190–192; HADOT 1990, 22–25. Δεῖ δὲ τοὺς μύθους, εἴπερ τοῦτο ἔσονται, καὶ μερίζειν χρόνοις ἃ λέγουσι, καὶ διαιρεῖν ἀπ’ ἀλλήλων πολλὰ τῶν ὄντων ὁμοῦ μὲν ὄντα, τάξει δὲ ἢ δυνάμεσι διεστῶτα, ὅπου καὶ οἱ λόγοι καὶ γενέσεις τῶν ἀγεννήτων ποιοῦσι, καὶ τὰ ὁμοῦ ὄντα καὶ αὐτοὶ διαιροῦσι, καὶ διδάξαντες ὡς δύνανται τῷ νοήσαντι ἤδη συγχωροῦσι συναιρεῖν. 5 PÉPIN 1958, 192: “or le mythe est un image, et, à ce titre, reflète la vérité par une sorte de pacte naturel. Mais il n’est pas lui‑même la vérité”. 4

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Plotinus, however, gives us not only a reason of why myths were com‑ posed in the first place, but also a justification for allegorical interpretation: once myths “have taught us as well as they can”, we have to abstract from the story‑like structure of the myth, by putting together what the myth has separated, as Plotinus himself in fact does in the treatise On Love. It is this sort of operation that prepares us to transcend the limitations of discursive soul towards the intuitive understanding of intellect (νοῦς).

1.3. Porphyry Porphyry developed an elaborate and highly influential theory on the na‑ ture of myths, and those of Plato in particular, in his response to the polem‑ ical treatise against Plato’s myth of Er by Colotes of Lampsacus, a pupil of Epicurus. Neither Colotes’ work, nor that of Porphyry has survived, but reports by Proclus in his Commentary on the Republic and by Macrobius in his Commentary on the Dream of Scipio give us some idea of the gist of both Colotes’ criticism and of Porphyry’s reply. Proclus reports that: The Epicurean Colotes brings a charge against Plato of doing away with scientific truth and wasting his time when telling stories concerned with falsehood like a poet, rather than giving demonstrations like a scientist. (Proclus, In Remp. 2,105,23–26 Kroll = Por‑ phyry, fr. 182F.1–22 Smith; tr. Wilberding, adapted)6

Colotes here uses Plato’s own definition of myths as false stories (see p. 172 above) against him. Colotes had clearly hit a nerve, as appears from the fact that Porphyry felt forced to answer him some 500 years later, while even a century later, both Proclus and Macrobius, independently of one another, still find it necessary to deal with Colotes. We may thus assume that Salustius’ question about the usefulness of myths, which in, a similar manner, contrasts myths to philosophical logoi, too, is part of this polemical exchange about myths between Platonists and their opponents, especially since Salustius clearly knows of some of the ideas that Porphyry had de‑ veloped in his treatise against Colotes. Colotes had accused Plato not just of preferring false myths over argu‑ mentative λόγοι, but also of being inconsistent. For at the beginning of the Republic Plato, Colotes had pointed out, takes to task the poets for invent‑ ing stories that might corrupt the morals of the young. These corruptive myths include the Hesiodic tale of the power‑struggle between Uranus, Cronus and Zeus, referred to above, but also Homer’s gloomy depiction of Hades. Plato’s condemnation of Homer’s Hades, Colotes had argued, was inconsistent with his own eschatological myth of Er at the end of the Republic. Taking up Plato’s distinction between good and bad myths, Por‑ 6 Ὁ μὲν Ἐπικούρειος Κωλώτης ἐγκαλεῖ τῷ Πλάτωνι, ὅτι τὴν ἀλήθειαν ἀφεὶς τὴν ἐπιστημονικὴν περὶ τὸ ψεῦδος διατρίβει μυθολογῶν ὡς ποιητής, ἀλλ’ οὐκ ἀποδεικνὺς ὡς ἐπιστήμων.

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phyry replies that Plato’s condemnation of myths at the beginning of the Republic had not been categorical: Neither does philosophy resist all stories, nor does she take pleasure in all of them. ... For, there are two types of narrations. One type concerns a composition of the narra‑ tion that has been put together from indecent and monstrous acts that are unworthy of the gods, for example gods who commit adultery, Saturn who cuts off the genitals of his father Caelus and who himself, in his own turn, again is thrown into chains by his son once the latter has seized the kingship – this entire genre the philosophers prefer to ignore. The other type reveals the teaching about sacred matters under the pious veil of fictitious events and covered up by decent matters and dressed in decent names. And this is the only genre which the prudence of the philosopher who deals with di‑ vine matters allows for. (Macrobius, Commentary on the Dream of Scipio I 2,6 and 2,11 = Porphyry, fr. 182cF Smith; tr. my own)7

Macrobius, who writes in Latin, here refers to Uranus and Cronus by their Roman names Caelus and Saturn. Interestingly, Porphyry, unlike Salustius, follows Plato in his condemnation of this myth. Plotinus and Porphyry hold different views on the function of the fictional element of myths. Whereas Plotinus sees it as a didactic tool to clarify the obscure structure of the metaphysical world, Porphyry thinks of it as a mechanism to hide the truth. The false fictional cover story acts, as it were, as a veil that covers the true hidden message of the myth. We are hence meant to lift that veil, i.e. to interpret myths allegorically. A second important distinction between Plotinus’ views about myths and those of Porphyry concerns the subject‑matter of myths. According to Porphyry, the fictitious veil is not just meant to shield doctrines about the divine from the unkempt masses, but also in keeping with the subject‑ matter of these doctrines, i.e. nature (φύσις). Since Nature, in the famous words of Heraclitus, likes to hide, true doctrines about nature have to be should be presented in a cryptic manner, hence the need for fictional stories and allegorical interpretation: And that this fiction is in a way in accordance with nature, because even “Nature likes to hide itself”, according to Heraclitus (22 A 123 DK). And just as the daimons that guard nature through some such fictions as these reveal their gift to us in the form of dreams or waking visions. And they use ambiguous language, and signify different things through different fictions, revealing images endowed with form as likenesses of things having no form at all, and still other things through analogous figures. Sacred cere‑ monies and acts of initiation are full of these things, which actually draw their efficacy from this secrecy and concealment among the initiated. (Proclus, In Remp. 2,107,5–14

7 Nec omnibus fabulis philosophia repugnat nec omnibus adquiescit … aut enim contextio nar‑ rationis per turpia et indigna numinibus ac monstro similia componitur ut di adulteri, Saturnus pudenda Caeli patris abscindens et ipse rursus a filio regno potito in uincla coniectus, quod genus totum philosophi nescire malunt – aut sacrarum rerum notio sub pio figmentorum uelamine hon‑ estis et tecta rebus et uestita nominibus enuntiatur et hoc est solum figmenti genus quod cautio de diuinis rebus philosophantis admittit.

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Kroll; Porphyry, fr. 182F Smith; tr. Wilberding, adapted; cf. Macrobius, In Somn. I 2,17 = Porphyry, fr. 182dF Smith)8

Pierre Hadot has traced the reception of Heraclitus’ maxim in his last book Le voile d’Isis. As he rightly stresses, for Porphyry the scope of myths is restricted to those lower divine powers such as daimons and the hyposta‑ sis of Soul that are somehow linked to the material realm (i.e. Nature). This aspect of the divine world is studied by what Hadot calls “theological physics” (physique théologique). As we found above, however, Porphyry’s own teacher Plotinus makes use of myths when doing “theology” (théolo‑ gie), i.e. the study of the higher divine powers that transcend the material world completely. The same holds true for later Neoplatonists, such as the emperor Julian, Salustius and Proclus.9 This does not mean, though, that Salustius rejects Porphyry’s ideas about physical myths altogether. Rather, as we will find, he assumes that theological and physical myths supple‑ ment each other.

1.4. Theurgic Neoplatonism (Iamblichus; Julian) The attitude of both the emperor Julian and Salustius to myths is to a large extent determined by the theurgic Neoplatonism of Iamblichus. Whereas both Plotinus and Porphyry assume that the pursuit of Neoplatonic phi‑ losophy by itself enables the human soul to ascend towards the intelligible and hence become divine, Iamblichus holds that divinization of the hu‑ man soul requires divine assistance and that this divine assistance can only be invoked by means of theurgic rituals. These rituals consist in the cor‑ rect manipulation of so‑called symbols (σύμβολα), i.e. (parts of) animals, plants, stones etc. that are sacred to specific gods, in order to channel di‑ vine powers that will enable the human soul to ascend. The efficacy of theurgy is a matter of the correct performance of the ritual, philosophical understanding does not come into play at all. As Iamblichus puts it in a fa‑ mous passage from his treatise on theurgy, Reply to Porphyry (also known under its traditional title De Mysteriis, or On the mysteries of Egypt):10 8 καὶ ὅτι τὸ πλασματῶδες τοῦτο κατὰ φύσιν πώς ἐστιν, διότι καὶ ἡ φύσις κρύπτεσθαι φιλεῖ καθ’ Ἡράκλειτον∙καὶ ὡς οἱ δαίμονες οἱ προστάται τῆς φύσεως διὰ δή τινων τοιούτων πλασμάτων ἡμῖν ἐκφαίνουσιν τὴν ἑαυτῶν δόσιν ὄναρ τε καὶ ὕπαρ, λοξὰ φθεγγόμενοι, δι’ ἄλλων ἄλλα σημαίνοντες μεμορφωμένα τῶν ἀμορφώτων ἀφομοιώματα καὶ διὰ τῶν ἀνὰ λόγον ἄλλα σχημάτων, ὧν δὴ καὶ τὰ ἱερὰ πεπληρῶσθαι καὶ τὰ δρώμενα ἐν τοῖς τελεστηρίοις, ἃ καὶ δρᾶν αὐτῷ τῷ κρυφίῳ καὶ ἀγνώστῳ παρὰ τοῖς τελουμένοις. 9 P. HADOT, Le voile d’Isis: essais sur l’histoire de l’idée de nature (Paris 2004) 70. 10 The title De Mysteriis is a modern invention by Ficino; the most recent editors of the text, SAFFREY / SEGONDS (2018, IX–XXI) hence prefer the title Reply to Porphyry (Réponse à Porphyre).

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… thinking does not connect the theurgists to the gods. For if it did, what would pre‑ vent people who philosophize in a theoretical manner to experience theurgic union with the gods? As things stand, however, this is not true. To the contrary: it is the accomplishment of ineffable acts that are religiously performed and beyond all under‑ standing and the power of the unspeakable symbols that can only be understood by the gods that bring about theurgic union. (Iamblichus, Reply to Porphyry 73,1–8 SAFFREY / SEGONDS = The Μysteries of Egypt II 11, 96,13–97,2 des Places)11

Iamblichus’ point is emphatically not that theurgy replaces philosophy, but rather that theurgy and philosophy do different things. Rational phi‑ losophy accounts for the possibility of theurgic practices and explains why these are necessary for the salvation of the human soul. The salvation itself, however, can only be accomplished by means of non‑rational rituals. Iamblichus in Reply to Porphyry does not deal with the role of myths within the context of theurgic ritual. The emperor Julian, though, does so, while hinting that he gets his ideas from Iamblichus.12 Especially in‑ structive in this regard is his speech Against the Cynic Heraclius, which is about the uses and abuses of myths. Heraclius had incurred the wrath of Julian by giving a public speech which centered around a myth of his own making about an encounter between the gods Pan and Zeus. The hairy Pan was apparently meant to represent Julian, who sported a philoso‑ pher’s beard and otherwise cultivated an unkempt appearance. Julian’s main grief against Heraclius, or so he says, is that by representing a mortal human being as a god, Heraclius had been disrespectful to the gods. As part of his attack on Heraclius, Julian discusses various types of myths and when (not) to use to them. Most importantly, Julian distinguishes between ethical and theological myths. The former play a role in the education of the young, and hence are free of any possible offensive element. The latter have a place in the celebration of initiation rites (τελεταί), i.e. of theurgic rituals, and may contain offensive elements. This distinction echoes Plato’s recommendation in the Republic, alluded to above, that in the case of the education of the young myths like Hesiod’s account of the violent succes‑ sion of the first God‑kings should be avoided, but that they may perhaps be the subject of allegorical interpretation in the secluded context of a re‑ ligious ceremony. Two passages are in particular relevant for our present purposes. The first one goes as follows: [The composition of myths] only comes into play, if at all, in the case of practical phi‑ losophy that is concerned with the individual and in the case of theology that is con‑ 11

… οὐδὲ γὰρ ἡ ἔννοια συνάπτει τοῖς θεοῖς τοὺς θεουργούς· ἐπεὶ τί ἐκώλυε τοὺς θεωρητικῶς φιλοσοφοῦντας ἔχειν τὴν θεουργικὴν ἕνωσιν πρὸς τοὺς θεούς; νῦν δ’ οὐκ ἔχει τό γε ἀληθὲς οὕτως, ἀλλ’ ἡ τῶν ἔργων τῶν ἀρρήτων καὶ ὑπὲρ πᾶσαν νόησιν θεοπρεπῶς ἐνεργουμένων τελεσιουργία ἥ τε τῶν νοουμένων τοῖς θεοῖς μόνον συμβόλων ἀφθέγκτων δύναμις ἐντίθησι τὴν θεουργικὴν ἕνωσιν. 12 For Iamblichus’ influence on Julian’s conception of myths as theurgic instruments, see BOUFFARTIGUE 1992, 337–345.

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cerned with initiation and mystery rites. “For nature likes to hide itself” and the hidden essence (οὐσία) of the gods does not bear to be thrown out in plain words to an impure audience. For this reason, the ineffable nature of the characteres is useful, even when unknown. For it benefits not just the souls, but also the bodies and brings about the presence of the divine. That, I believe, also often happens because of myths, when divine things are poured out by means of riddles and the enactment of myths over audiences of common people who are unable to receive these in a pure form. (Julian, CHer. 11, 216B–D)13

Julian, like Porphyry (cf. above, p. 176–177) before him, quotes Heraclitus’ famous saying “Nature likes to hide itself”, when discussing the allegor‑ ical interpretation of myths. Yet both Neoplatonic authors use it to make a very different point. According to Porphyry, myths play a role in theo‑ logical physics: the fictitious mythical story serves as a veil to keep certain doctrines about the cosmos hidden from view. According to Julian, myths of the type that he is discussing here are about the essence (being) or na‑ ture of the gods, and hence theological in nature. Moreover, the function of the fictional element becomes a different one. Iamblichus compares it to the so‑called characteres in the case of theurgic ritual. These are meant to call forth divine powers in the same way as material symbols do.14 In fact, these myths are recited or even played out in the context of the cele‑ bration of theurgic rites. This point has been observed by various scholars. According to Ilinca Tanaseanu‑Döbler (2013, 142f.), for example, … Julian goes beyond the traditional allegorical interpretation and conceptualises the telestic myths analogously to theurgy as efficacious vehicles of divine action. Theurgy is thus here enlarged to include not only the performance of rituals, but also the ad‑ vanced reading and interpretation of myths; both are held together by the aura of ini‑ tiation and divine inspiration.

Tanaseanu‑Döbler is right about the theurgic qualities of myths. Yet, it should be noted that what corresponds to the performance of the ritual is not primarily the interpretation of the myth, but the mere listening to it. Ju‑ lian (above, p. 178–179) draws a distinction between listening to a theurgic myth and its interpretation. Ordinary participants in a ritual may fail to grasp the allegorical meaning of the myth that is read out to them. Hence, they will fail to obtain special knowledge about the essence (οὐσία) of the 13 τούτων δὴ τῶν μερῶν οὔτε τῷ λογικῷ προσήκει τῆς μυθογραφίας οὔτε τοῦ φυσικοῦ τῷ μαθηματικῷ, μόνον δέ, εἴπερ ἄρα, τοῦ πρακτικοῦ τῷ πρὸς ἕνα γινομένῳ καὶ τοῦ θεολογικοῦ τῷ τελεστικῷ καὶ μυστικῷ· “φιλεῖ γὰρ ἡ φύσις κρύπτεσθαι”, καὶ τὸ ἀποκεκρυμμένον τῆς τῶν θεῶν οὐσίας οὐκ ἀνέχεται γυμνοῖς εἰς ἀκαθάρτους ἀκοὰς ῥίπτεσθαι ῥήμασιν. Ὅπερ δὲ δὴ τῶν χαρακτήρων ἡ ἀπόρρητος φύσις ὠφελεῖν πέφυκε καὶ ἀγνοουμένη· θεραπεύει γοῦν οὐ ψυχὰς μόνον, ἀλλὰ καὶ σώματα, καὶ θεῶν ποιεῖ παρουσίας. Τοῦτ’ οἶμαι πολλάκις γίγνεσθαι καὶ διὰ τῶν μύθων, ὅταν εἰς τὰς τῶν πολλῶν ἀκοὰς οὐ δυνα τὰ θεῖα καθαρῶς δέξασθαι δι’ αἰνιγμάτων αὐτὰ μετὰ τῆς μύθων σκηνοποιίας ἐγχέηται. 14 For the identification of these characteres with theurgic symbola, see, e.g., BOUFFARTIGUE 1992, 340f. and VAN LIEFFERINGE 1999, 233.

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gods. This is because on the epistemological principle that like is known by like, people who have not yet perfected themselves by purifying them‑ selves are unlike the divine and hence cannot have knowledge of the divine essence. Still, even just listening to these theurgic myths has a beneficial influence on both their imperfect soul and body. This is in line with the non‑rational nature of theurgic ritual (cf. the text quoted at p. 178 above): it is all about the performance of the ritual, not about rational understand‑ ing. Hence whereas Porphyry thinks of the fictional element as a means of exclusion of impure souls, Julian thinks of it as an instrument of inclusion: the essence of the gods may remain hidden to the many, yet they may still profit from the beneficial divine powers that the theurgic myths summon up.15 This does not away with the practice of allegorical interpretation, as appears from Julian’s elaboration on theurgic myths: But, since I have made mention of myths that play a role in initiations (telestikoi mythoi), let us now try to see for ourselves which sort of myths should go with each of the two parts of philosophy (i.e. ethics and theology, see the text mentioned above, p. 178– 179, RMvdB). We don’t always need the ancient witnesses, but I will now follow in the recent footsteps of a man whom I personally “revere and admire” (Homer, Od. VI 168) most after the gods, as much as I do Aristotle and Plato. He speaks not of all myths, but only about the myths that play a role in initiations (telestikoi), the ones that Orpheus has given us when he established the most holy initiations (teletai). For what is incongruous in myths puts us on the way to the truth, precisely because it is thus. For the more paradoxical and monstrous the riddles, the more they tell us not to take things literally, but to work on the hidden content and not to stop before, under the guidance of the gods, these things become clear and the intellect in us is initiated, or rather perfected, and, if there is such a thing, the element that is superior to intellect itself, i.e. a little part of the One and the Good that has the all in a partless manner, the fulness of the soul, and that in the One and the Good holds together all of soul because of its superior, separate and transcendent presence. (Julian, CHer. 12, 217B–D)16

15

Cf. the contribution by Adrien Lecerf to this volume, p. 70–72, for a similar observa‑

tion. 16

Ἐπεὶ δὲ καὶ τῶν τελεστικῶν μύθων ἐπεμνήσθην, φέρε νῦν ὁποίους εἶναι χρὴ τοὺς ἑκατέρῳ τῶν μερῶν ἁρμόττοντας αὐτοὶ καθ’ ἑαυτοὺς ἰδεῖν πειραθῶμεν, οὐκέτι μαρτύρων παλαιῶν ἐν πᾶσι προσδεόμενοι, ἑπόμενοι δὲ νέοις ἴχνεσιν ἀνδρὸς ὃν ἐγὼ μετὰ τοὺς θεοὺς ἐξ ἴσης Ἀριστοτέλει καὶ Πλάτωνι ἄγαμαι τέθηπά τε. Φησὶ δὲ οὐχ ὑπὲρ πάντων οὗτος, ἀλλ’ ὑπὲρ τῶν τελεστικῶν, οὓς παρέδωκεν ἡμῖν Ὀρφεὺς ὁ τὰς ἁγιωτάτας τελετὰς καταστησάμενος. Τὸ γὰρ ἐν τοῖς μύθοις ἀπεμφαῖνον αὐτῷ τούτῳ προοδοποιεῖ πρὸς τὴν ἀλήθειαν· ὅσῳ γὰρ μᾶλλον παράδοξόν ἐστι καὶ τερατῶδες τὸ αἴνιγμα, τοσούτῳ μᾶλλον ἔοικε διαμαρτύρεσθαι μὴ τοῖς αὐτόθεν λεγομένοις πιστεύειν, ἀλλὰ τὰ λεληθότα περιεργάζεσθαι καὶ μὴ πρότερον ἀφίστασθαι, πρὶν ἂν ὑπὸ θεοῖς ἡγεμόσιν ἐκφανῆ γενόμενα τὸν ἐν ἡμῖν τελέσῃ. μᾶλλον δὲ τελειώσῃ, νοῦν καὶ εἰ δή τι κρεῖττον ἡμῖν ὑπάρχει τοῦ νοῦ αὐτοῦ, τοῦ ἑνὸς καὶ τἀγαθοῦ μοῖρά τις ὀλίγη τὸ πᾶν ἀμερίστως ἔχουσα, τῆς ψυχῆς πλήρωμα, καὶ ἐν τῷ ἑνὶ καὶ ἀγαθῷ συνέχουσα πᾶσαν αὐτὴν διὰ τῆς ὑπερεχούσης καὶ χωριστῆς αὐτοῦ καὶ ἐξῃρημένης παρουσίας.

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The anonymous recent authority whom Julian here follows is probably Iamblichus.17 Above we found that Porphyry tried to rescue Plato from Colotes’ criticism of inconsistency: Plato at the beginning of the Repub‑ lic rejects the myths of Homer and Hesiod because of their offensive ele‑ ments: his own myth of Er, however, is free of these and hence is admissi‑ ble. Iamblichus is less concerned with defending Plato against this charge, but instead tries to justify the use of shocking myths in ritual settings. As appears from the context, Julian here has in mind in particular the myth of the murder of young Dionysus by the Titans and his subsequent resurrec‑ tion, which played an important role in the Orphic mysteries. The para‑ doxical nature of this myth (how could a god suffer and even be killed?) is an incentive to look for the deeper meaning of the myth. The correct un‑ derstanding of such a myth is not given to just anyone. In the text quoted at p. 178–179 above we found that impure souls may benefit from simply listening to such a theurgic myth, but they will fail to come to understand the essence (οὐσία) of the gods that is communicated through the myth. In the case of those who are actually able to arrive at an allegorical inter‑ pretation of the myth, this involves a process of the perfection of certain mental capacities, our intellect and mystic organ, the One in us. One could thus say that in this respect Iamblichus takes up Plotinus’ theological ap‑ proach to myths (as opposed to Porphyry’s theological physics), be it that theurgy plays no role in Plotinus’ account.18 According to Plotinus, the dis‑ cursive human soul is ill‑equipped to capture intelligible truth because of it’s a temporal and unified nature, hence the need of mythical fictions. The epistemic faculty that does allow us to fully take in this intelligible truth is intellect (νοῦς). Plotinus holds that doing philosophy by itself suffices to perfect our inner intellect. Iamblichus holds that the perfection of intel‑ lect (and the superior mystic organ) is a matter of theurgic initiation. Since only very few people will reach this stage of perfection, very few people will actually be able to grasp the truth about divine essence (οὐσία). Most of us will have to do with the beneficial effects of divine activity (ἐνέργεια) that can be channeled through theurgic ritual and is effective anyhow, re‑ gardless we understand it or not.

2. Salustius’ mythology We will now proceed with a close‑reading of Salustius’ discussion of myths. In order to help the reader to maintain an overview of the discus‑ 17 Thus, e.g., BOUFFARTIGUE 1992, 338; VAN LIEFFERINGE 1999, 229; TANASEANU‑DÖBLER 2013, 142. 18 Note, though, that Plotinus, unlike Iamblichus, makes no reference to the myths’ of‑ fensiveness and apparent absurdity.

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sion, I shall now first give a brief outline of the argument. The numbers between square brackets refer to the corresponding paragraph below, the numbers between round brackets to the relevant paragraph of Salustius’ text. The table of the end of this contribution, too, provides a summary of argument and brings out how Salustius combines the Plotinian, Porphyr‑ ian and theurgic views on myth into one single theory. [2.1] Salustius’ discussion of myths starts from the question “Why, then, did the ancients use myths while ignoring these doctrines (λόγοι)?”. Salustius proceeds to give three answers to this question. [2.2] Salustius first establishes that these ancient myths are divine from the fact that these were used by three different groups of divinely inspired users (3,1). [2.3] He next explains why allegorical myths are divine: they are some‑ how like the gods. This likeness renders the gods favorable to those who use these divine myths, hence the ancients had good reason to use myths (3,2). Some myths are like the gods in that they imitate their essence (οὐσία) (first answer), while other myths are like the gods in that they im‑ itate their activities (ἐνέργειαι) within the cosmos (second answer) (3,3). [2.4] An additional reason for using myths is that it is a discriminative mode of communication: only those capable of understanding them will get the allegorical message (third answer) (3,4). [2.5] Salustius continues by establishing five types of myths (4,1–5). [2.6] These five types can be reduced to three groups of myths, which are now made to correspond to the three groups of ancients that made use of myths (4,6). [2.7] Having thus answered his initial question of why the ancients uses myths, Salustius next adds flesh to the bones of his schematic treatment of myths by means of a brief exegesis of the myth of Attis and the Mother of the Gods (4,7–11).

2.1. The question: why myths rather than logoi? (3,1) Salustius’ treatise is meant as a work of philosophy, i.e. a work of logoi. Salustius stresses the logical nature of the treatise directly at the outset of his work. He demands of his intended readers (1,1) that they “should have received good guidance ever since childhood and should not have been brought up with thoughtless opinions” and that they be “of a good nature and intelligent, in order they are somehow like” Salustius’ logoi. He next lists these logoi (2,1) as the starting points of his philosophical treatise about the gods and the cosmos. Salustius’ insistence on the philosophical nature of his instruction about the divine, raises the question of why the ancients (παλαιοί) preferred to present their theological doctrines in mythological form, rather than by means of logoi as Salustius does. These ancients are, as

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we will see, ancient philosophers like Plato, poets like Homer and Hesiod, and priests like Orpheus. While the question about the relation between myth and logos makes sense within the context of Salustius’ own project, there is probably also a polemical dimension to it. As we have already noted (§ 1.3), the ques‑ tion of why one might prefer myth over logoi probably derives from the polemics of the Epicurean Colotes against Plato’s myth of Er. Epicurean polemics against other philosophical schools is given a new leash of life in late Antiquity, when Christian intellectuals start to recycling bits of it in their own polemics against pagan Neoplatonic philosophers. The (sup‑ posed) agreement between the teachings of the ancients and the philoso‑ phy of the Neoplatonists was seen as the ultimate proof for the truth of the latter. If Salustius in his treatise prefers logoi over myths – and for good reason, as either Colotes or a Christian polemicist might add – he seems to implicitly criticize the ancients. But if so, he would undercut the very au‑ thority of the ancients to which the pagan Neoplatonists appealed to justify their philosophy. Salustius’ position is that the ancients had good reasons to use myths and furthermore that their myths and his philosophical logoi do not exclude each other. Myths are, as we would now say, good to think with. For as, Salustius observes, the very fact that the ancients use myths already gives rise to the philosophical question of why they do so and thus prevents us from being “intellectually lazy”.

2.2. Demonstration that myths are divine (3,1–3) According to Aristotle, Posterior Analytics B.1 (89b24–35) there are four types of question: 1. the that (τὸ ὅτι); 2. the why (τὸ δίοτι); 3. if it is (εἰ ἔστι); 4. what it is (τί ἐστι).19 Usually the first two and the last two are grouped together.20 In keeping with these Aristotelian guidelines, Salustius here first demonstrates that (ὅτι) myths are divine (3,1) and next seeks to answer the question why (διὰ τί) this is so (3,2). That myths are divine, is easy to tell when one considers the ancients who have used myths. Salustius distinguishes three groups: 1. “those po‑ ets who are divinely inspired”, 2. “the best philosophers”, and 3. “those who introduced the mysteries and the gods themselves in their oracles” 19

On the reception of these four Aristotelian questions, see J. MANSFELD / D. RUNIA, Aë‑ tiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer. Volume Two: The Compendium. Philosophia Antiqua 114 (Leiden 2009) 168–172, and especially 169 regarding theological discussions. 20 For the second couple of questions (whether the gods exist and, if so, what their nature is), cf. 3,3: “the myths tell all that there are gods. Which gods there are and what they are like, however, they tell only to those who are capable of understanding”.

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(3,1).21 These three groups composed their myths under divine inspira‑ tion, hence they need to be divine.

2.3. Two explanations of why myths are divine (3,2–3) The question of why these myths are divine is a one that “philosophy should investigate”. On the assumption that some myths deal with the essence (οὐσία) of the gods, while others with their activities (ἐνέργειαι), Salustius comes up with two, not very different, explanations that revolve around the idea that allegorical myths are divine in the sense that they are somehow like the divine. Regarding myths that are concerned with the essence of the Gods, Salustius’ point is that myths have unique powers that allow us to come to know the otherwise unknowable essence of the gods. Above we discussed how, according to Iamblichus and the emperor Julian, the allegorical sym‑ bolism of the myths is not just a literary but also theurgic device. Salustius here hints at this theurgic aspect of allegorical myths. He first postulates that as a universal rule, like is attracted to like, while unlike things turn away from each other.22 Therefore, it is necessary that discourses about the Gods are somehow like them, “in order that they are worthy of the being (οὐσία) of the gods and render the latter well‑disposed towards those who deliver these discourses. This could only be done by means of myths”. This echoes Julian’s remark (p. 180) that we will only be successful in our allegorical interpretations and hence come to know their essence (οὐσία) if we do so “under the guidance of the gods”. But how are myths like the Gods? Salustius’ point here is that allegor‑ ical myths imitate the way in which the Gods present themselves to us by presenting some aspects of the divine in a clear and hence easily accessi‑ ble form, while other aspects in a hidden manner. Salustius here focusses on manifestations of divine goodness. There is a direct relation between the goodness of the gods and their being (οὐσία), for according to Pla‑ tonic metaphysics Goodness is the cause of all Being, and hence Goodness makes knowledge of Being possible.23 Some aspects of divine goodness manifest themselves in visible form, and hence are common knowledge. Other, intelligible, aspects of divine goodness are only accessible to intel‑ 21 Cf. 4,6 for a similar division into three groups. I assume that “those who introduced the mysteries and the gods themselves in their oracles” constitute one group. Oracles play an important role in mystery‑cults. Think, e.g., of the case of the Chaldaean Oracles that play an important role in the case of theurgic rituals. 22 This principle of the attraction of like things is known as sympatheia. It is this bound of sympatheia between the gods and theurgic symbols which make theurgy possible. 23 Cf. Plato, Rep. VI, 508b12–509a8 (the simile of the sun: the Good is the cause of Being and makes knowledge of it possible.

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ligent people.24 I assume that Salustius here thinks of the Stoics and Pla‑ tonists respectively. The Stoic doctrine about divine providence is based on the perceived order and goodness of the physical world. Salustius here refers to these perceptions of divine goodness as “common goods” (ἀγαθὰ κοινά). I suggest that the predicate “common” alludes to the Stoic theory of the common notions (κοιναὶ ἔννοιαι). The omnipresence of commodi‑ ties in this world (i.e. common goods such as fruit to eat, water to drink et cetera) gives rise to the common notion of divine providence. In the intro‑ duction (1,1–2), Salustius had already mentioned these common notions as a necessary requirement for a proper understanding of his treatise: “Fur‑ thermore, they (i.e. the readership of Salustius’ treatise, RMvdB), should know the common notions. Common notions are those notions on which all people agree when questioned in the right manner.” Yet, such common notions are at best starting points. Stoics, unlike Platonists, fail to grasp the intelligible goodness that is behind the visible manifestations of divine Goodness. A similar distinction between things visible to all and invisi‑ ble things that can only be grasped by intelligent people applies to myths. These too are a mixture of what is evident (the story as it is told) and hid‑ den (the implied, yet untold allegorical message about the divine essence). The evident element of myth is of use to all: “the myths tell all that there are gods.” Its hidden, allegorical message about the essence of the gods, however, is only understandable to a few initiates: “which gods there are and what they are like, however, they tell only to those who are capable of understanding.” This is in line with Julian’s point that we should not think of the fictional, outward element of myths as a means of exclusion of the many, as seemed to have been the point of Porphyry, but as a way to include them: they too profit from myths, even if only to a limited degree. Next, Salustius explains the use of (some) myths by the ancients from the activities (ἐνέργειαι) of the gods. Whereas the essence of the Gods is located in the intelligible, the activities of the gods are located in the cosmos. Myths about the cosmos imitate the structure of the cosmos. The fictional cover story of these myths corresponds to the visible aspects of the cosmos (e.g. bodies and colors), the hidden allegorical doctrine the invisible powers in the cosmos, i.e. souls and intellects.

2.4. A third explanation of the use of myths by the ancients (3,4) By way of additional explanation, Salustius observes that allegorical myths are discriminative. As we found above, not all people are able to grasp the 24

Cf. Julian, In Matr. 12, 172A–C: It is an easily observable fact that the sun has the power to draw up all things from the earth by making them grow. “We ought then to make these visible things proof of the unseen powers of the sun”, i.e. to elevate human souls from the material realm to the divine world.

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truth about the divine. The inability of unintelligent people to do so would cause them to despise the truth about the divine, if it were presented to them in a straightforward manner. The doctrines contained in these myths are hence intended for intelligent people. The riddling nature of allegorical myths forces them to philosophize. This holds especially true in the case of disturbingly strange myths, such as the stories about divine adultery, theft, and power struggles, i.e. the myths that Plato has ruled out as unsuited for the education of the young. Once again, one has the impression that Salustius here takes up an ele‑ ment of Colotes’ polemics against Plato’s myth of Er that was also useful to the Christian adversaries of Julian’s religious politics. Proclus reports that one of the points that Colotes had raised against Plato’s eschatological myths was the following: [Colotes claims that] these sorts of myths necessarily have no real purpose: They are not suited to the masses because they cannot understand them, and they are unnecessary for the wise, as they have no need to become better from such objects of fear. And since [these stories] cannot of themselves tell [us] for whom they are written, they show us that the effort directed at telling them is pointless. (Proclus, In Remp. 2,106,9–14 Kroll = Porphyry, fr. 182F 1–22 Smith; tr. Wilberding, adapted)25

Salustius’ third explanation thus provides an answer to Colotes’ criticism. Yes, it is true that the masses fail to understand myths, but that is actu‑ ally a good thing. It prevents them from adopting a dismissive attitude towards the gods. And no, it is not true that myths are unnecessary for in‑ telligent people: myths force them to philosophize. Telling myths is hence not pointless at all.

2.5. Five types of myths (4,1–5) Salustius next distinguishes between five types of myths, which he orga‑ nizes in accordance with the Neoplatonic metaphysical hierarchy. This distinction is furthermore informed by the various reasons that the an‑ cients had for using myths that we have just distinguished: 1. Theological myths (θεολογικοὶ μῦθοι) that deal with the essence of (οὐσία) the divine in isolation from the body. These myths correspond to Salustius’ first explanation of why myths are divine (i.e. some myths imitate the divine essence). As an example, Salustius refers to “Cronus, who devours his children”. The myth hints at the being of god, since god is intelligent and every intelligence reverts upon itself. Salustius derives this 25 ὅτι τοὺς τοιούσδε μύθους πολὺ τὸ μάταιον ἔχειν ἀναγκαῖον· τοῖς μὲν γὰρ πολλοῖς οὐδὲ συνεῖναι δυναμένοις αὐτῶν εἰσιν ἀσύμμετροι, τοῖς δὲ σοφοῖς οὐ δεομένοις ἀμείνοσιν ἐκ τῶν τοιῶνδε γίνεσθαι δειμάτων περιττοί· πρὸς τίνας οὖν γράφονται, παρ’ αὑτῶν εἰπεῖν οὐκ ἔχοντες μάταιον ἀποφαίνουσιν τὴν περὶ τὰς μυθολογίας ἑαυτῶν σπουδήν.

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example from Plotinus Enn. V 1[10]7,33–35, who interprets this story “as told in mysteries and myths about the gods” as an allegorical description of divine Intellect.26 2. Physical myths (φυσικοὶ μῦθοι) that deal with the divine activities (ἐνέργειαι) of the gods regarding the (physical) cosmos. These myths cor‑ respond to Salustius’ second explanation of why myths are divine, i.e. some myths imitate the divine activities, for example those of intellects and souls. 3. Psychic myths (ψυχικοὶ μῦθοι) that deal with the activities (ἐνέργει‑ αι) of soul (ψυχή) itself, and in particular with those our own individual souls. These myths correspond once again to Salustius’ second explana‑ tion: cosmic myths are both about the visible, bodily aspects of the cosmos and its invisible aspects, such as the souls that inhabit it. To some extent physical and psychic myths are hence about the same topic, i.e. soul in the cosmos, yet in the case of psychic myths the focus is on the relation of the individual soul to the cosmos. Such myths play an important role in telestic rituals, since these are concerned with the liberation of the indi‑ vidual soul, as we will find in our discussion of the myth of the Mother of the Gods and Attis. 4. Material myths (ὑλικοὶ μῦθοι) as told by the Egyptians. Matter (ὕλη) holds the lowest position in Neoplatonic ontology and the myths that cor‑ respond to it rank lowest in Salustius’ hierarchy of myths. Whereas the supreme theological myths deal with the gods in isolation form the bod‑ ily, and the intermediate physical myths with the activities of the gods regarding the cosmos and hence regarding the bodily, these myths iden‑ tify, wrongly, the gods with bodies such as earth, water, fruits, and wine. While it is true that these are consecrated to the gods, they are not the Gods themselves. Salustius’ criticism of Egyptian mythology may come as a bit of surprise. Many Neoplatonists held the Egyptians in high es‑ teem, most of all Iamblichus, who even wrote his manifesto of Neopla‑ tonic theurgy, Reply to Porphyry, under the pseudonym of Abam(m)on, an Egyptian priest, precisely because he considers Egyptian priests as author‑ ities in religious matters.27 Arthur Darby Nock, in his commentary, sug‑ gests that we should understand this remark against the background of the polemical attacks by Christians on paganism. Salustius, thus Nock, “is chiefly concerned with saving the traditional Greek religion as interpreted

26 On Plotinus’ theological exegesis of this myth in terms of his metaphysics, see P. HADOT, “Ouranos, Kronos and Zeus in Plotinus’ Treatise Against the Gnostics”, in: H. J. BLUMENTHAL / R. A. MARKUS (Hg.), Neoplatonism and Early Christian Thought. Essays in Honour of A. H. Armstrong (London 1981) 124–137. 27 On the “Egyptian fiction” of De Mysteriis, see SAFFREY / SEGONDS 2018, LXI–LXXI.

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by later Neoplatonism. He could not prejudice his case by trying to defend Egyptian cults, which presented a vulnerable side to Christian polemic”.28 Nock’s explanation is along the right lines, yet allows for some elabo‑ ration. Salustius here takes sides in a debate about the correct interpreta‑ tion of Egyptian mythology. This debate had started as a polemic between Stoics and Platonists about the correct interpretation of Egyptian mytho‑ logy. As is borne out by Plutarch in his treatise On Isis and Osiris, Stoics had interpreted Egyptian mythology in much the same way as they had done in the case of Greek mythology. Stoic philosophy is materialistic, and hence they read Egyptian mythology as being about the material cos‑ mos. To some extent Stoic readings of myths thus resemble Porphyry’s physical interpretation of myths (cf. § 1.3 above). There is an important difference between Porphyrian and Stoic allegory, though. As we found above, Porphyry’s physical myths imitate nature in that the story as it is told resembles the visible elements of the cosmos, whereas the untold al‑ legorical message resembles the invisible divine powers. These invisible divine powers do not have a place as such in Stoic philosophy. Hence the Stoic interpretation of myth is not so much about discovering some secret doctrine underneath the cover story by means of an allegorical interpre‑ tation, but about correctly substituting divine names for physical entities. This method of substitution is known as the μεταληπτικὸς τρόπος. Sub‑ stitution is precisely how Salustius here characterizes the material exegesis of myths: Isis = earth, Osiris = moist, Typhon = warmth, Cronus = water and so forth. Plutarch, On Isis and Osiris 64–66, 376F–377E criticizes such stoic interpretations of Egyptian mythology as misguided and a source of atheism.29 Stoic interpretations of Egyptian mythology come next up in the debate between Porphyry and Iamblichus on the status of theurgy. In his Letter to the Egyptian Anebo, Porphyry calls attention to an Egyptian Stoic Chaire‑ mon and his interpretation of Egyptian myths by means of substitution.30 According to Porphyry, “Chaeremon and the others do not believe in any‑ thing prior to the visible worlds”.31 This runs counter to the assumption 28

NOCK 1926, xlviii. Cf. ROCHEFORT 1960, 29f. n. 14 to p. 6 for a similar explanation. Cf. Plutarch, On Isis and Osiris 66, 377Ε: people like Cleanthes “are spreading dread‑ ful and atheistic teachings in that they transfer the names of the gods to imperceptible and inanimate objects that are of necessity destroyed by the men who need them and use them” (transl. Griffiths); ἀλλὰ δεινὰς καὶ ἀθέους ἐμποιοῦσι δόξας, ἀναισθήτοις καὶ ἀψύχοις καὶ φθειρομέναις ἀναγκαίως ὑπ’ ἀνθρώπων δεομένων καὶ χρωμένων φύσεσι καὶ πράγμασιν ὀνόματα θεῶν ἐπιφέροντες. I owe this reference to Jan Opsomer. 30 According to Porphyry, Against the Christians (fr. 39 HARNACK = Chairemon test. 9 VAN DER HORST) Origen learned the μεταληπτικὸς τρόπος of interpretation from the Stoics Chaeremon and Cornutus. 31 Porphyry, Letter to Anebo fr. 81 SAFFREY / SEGONDS = Chairemon, fr. 5 VAN DER HORST. On this passage, cf. A. FOWDEN, The Egyptian Hermes: A Historical Approach to the Late Pagan Mind (Cambridge 1986) 138–141. 29

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that underpins theurgic symbolism. All sorts of material objects have the power to attract the divine because this world and all things in it are the products of the creative activities of the gods who are at home in the in‑ telligible world. These material objects have a relation to the gods, but are not themselves Gods. Iamblichus, in his reply to Porphyry, protests that Porphyry’s account of the position of the Egyptians is misguided. The Egyptians do not say that all things are physical, but distinguish between physical things and non‑physical entities such as soul and intellect.32 Whereas, as we have seen, Julian and his circle are for the most part happy to follow in the footsteps of Iamblichus (cf., e.g., the text quoted above, p. 180), Salustius here probably chooses to follow Porphyry’s take on Egyptian religion in order not to play into the hands of Christian polemicists. Eusebius, for example, in The Preparation for the Gospel, para‑ phrases the above‑mentioned passage from Porphyry as testimony that all pagan gods are nothing but physical objects.33 In a response to such attacks on paganism, Salustius here presents Stoic substitution and the physical interpretation of myths not as a Greek approach to myths, but as something that is typical of the Egyptians and that has little to do with the Greeks. Hence also his condemnation of this position in the strongest pos‑ sible way: “To say that these things (i.e. earth, moist, warmth etc., RMvdB) belong to the gods, just as plants, stones, and animals do, is something that intelligent people do. To call these things gods, however, is something that only insane persons would do.” 5. Mixed myths (μικτοὶ μῦθοι) that combine elements from 1. theo‑ logical, 2. physical, and 3. psychic myths. As an example of such a myth, Salustius mentions the one about the judgement of Paris: Eris, the goddess of Envy, had not been invited to the banquet of the gods in celebration of the marriage of Peleus and Thetis. Eris tries to wreck the divine banquet and throws a golden apple in the middle of the partying gods as a prize “for the most beautiful”. This results in a beauty contest between the god‑ desses Hera, Athena, and Aphrodite. The Trojan prince Paris acts as the judge and grants the prize to Aphrodite. According to Salustius the divine banquet party is a theological element, since it presents the gods among themselves. One may compare this to Plotinus’ theological exegesis of the divine party in celebration of the birth of Aphrodite. The apple represents the cosmos and the dispute among the goddesses over it the fact the vari‑ ous divine activities that are it work in this world. This is therefore the physical element of this myth. Paris represents the psychic element: he is the human soul that, of all these divine powers, only sees that of beauty. 32 Iamblichus, Reply to Porphyry 197,12–15 SAFFREY / SEGONDS = The Μysteries of Egypt VIII 4 (198, 11–14 DES PLACES). 33 Eusebius, Preparation for the Gospel III 9,15 and 13,8 = Chairemon, fr. 6–7 VAN DER HORST.

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2.6. The fives types of myths and their ancient users (4,6) Salustius’ five types of myths sit seemingly ill with the fact that in the previ‑ ous section he had identified only three groups of ancients that used myths (3,11): the best of the philosophers, inspired poets and priests. The five types of myths can, however, easily be reduced to three. The psychical and psychic myths may be grouped together since they are both about the cosmos, whereas the material myths have been rejected as misguided. This leaves us with the following three groups of myth: 1. theological myths, cosmic myths, consisting both of 2. physical and 3. psychic myths, and 5. mixed myths. This reduction now allows Salustius to combine his initial list of ancient myth‑users with these categories of myths: ancient philosophers used theological myths, ancient inspired poets used cosmic myths and ancient priests of telestic rituals used mixed myths. In the case of philosophical‑ theological myths we should presumably think of Plato’s myths, such as the afore‑mentioned myth about the birth of Eros from the Symposium that had been discussed by Plotinus. The link between cosmic myths and inspired poets is not immediately clear. As we found, Porphyry is the main Neoplatonic representative of idea that myths are a form of theological physics. The best example of this the approach is his treatise On the Cave of the Nymphs, an allegorical interpretation of a passage from Homer’s Odyssey (XIII 102–112).34 The first half of the treatise (§§ 5–31) interprets the cave itself as a symbolical representation of the material cosmos. In the second half of the treatise (§§ 31–35), Porphyry focuses on Odysseus as an allegorical representation of the human soul which tries to flee this material cosmos. Hence, the Homeric passage combines elements from physical myth and as a psychic one. This leaves us with the third category that of mixed myths, which are used in telestic rituals. Salustius briefly explains this telestic use of myths as follows: “the mixed myths belong to the mysteries (teletai), because every mystery‑rite aims to connect us both to cosmos and the gods”. In other words, mixed myths are about us, enmattered souls, i.e. the topic of 3. psychic myths. They play a role in telestic rituals that seek to con‑ nect us to the cosmos, i.e. the topic of 2. physical myths and, ultimately, to the Gods themselves, i.e. the topic of 1. theological myths. This brief explanation of why telestic myths are mixed reflects Iamblichus’ concep‑ tion of theurgy as demiurgy. As Gregory Shaw has explained in his study of Iamblichean theurgy, the theurgist imitates the Platonic Demiurge. The cosmos, being the product of the divine Demiurge, is the perfect living‑ 34 On Porphyry’s On the Cave of the Nymphs and its structure, cf. K. ALT, “Homers Nymphengrotte in der Deutung des Porphyrios”, Hermes 126 (1998) 466–487.

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being: all its (physical) parts are arranged in the best possible way. These parts are the equivalent to theurgic σύμβολα. Hence, we may think of the cosmos as perfect, giant theurgic statue, that is supremely capable of channeling the divine powers. Man is a micro‑cosmos. Theurgy makes it possible for us to become Demiurges of our own microcosm, i.e. to ren‑ der our microcosm into a copy of the perfect cosmos itself. By imitating the cosmos, we thus turn ourselves into equally fit receptacles of the di‑ vine powers. These divine powers next allow us to ascend towards the divine.35

2.7. The myth of Mother of the Gods and Attis: an example of a mixed, theurgic myth (4,7–11) Salustius’ discussion of the myth of the Mother of Gods and Attis, with which he rounds up his discussion of myths, helps us to clarify further how and to what end mixed myths combine the various types of myths. He did not single out the myth of the Mother of the Gods and Attis for no reason. As Susanna Elm has put it well, the emperor Julian had made “this myth the showpiece of Roman imperial political and religious phi‑ losophy”.36 He does so in his oration On the Mother of the Gods in which he presents an interpretation of the myth that, he emphatically claims, is of his own making.37 The oration was composed at the time of the equinox of the spring of 362, on the occasion of the celebration of the festival of the Mother of Gods. Salustius, writing shortly after Julian’s oration, here presents his readers with an abridged version of Julian’s exegesis.38 In fact, Salustius’ version is at times hard to follow without recourse to Julian’s oration. While Salustius may thus have little to add by way of interpreta‑ tion of the content of the myth, his discussion still is a worthwhile comple‑ ment to that of Julian, since, unlike Julian, he reflects on the nature of the myth. As already the fact that Julian composes his oration in celebration of the festival of the Mother of the Gods indicates, this is an example of what Salustius calls telestic, mixed myths. In my discussion of Salustius’ treat‑ ment, I will, therefore, be less interested in the details of his interpretation of particular elements of the myth and all the more so in the question of how the myth illustrates his concept of mixed myths and how its different parts (i.e. its theological, physical, psychologic elements) contribute to its theurgic function. 35

For theurgy as demiurgy, see SHAW 1995, 45–57. S. ELM, Sons of Hellenism, Fathers of the Church. Emperor Julian, Gregory of Nazianzus and the Vision of Rome (Berkeley 2012) 119. 37 Julian, In Matr. 3, 161C; 19, 178D; on the degree of originality of Julian’s interpretation, see LECERF 2014. 38 According to ROCHEFORT 1960, xxv, Salustius probably composed his treatise some‑ where between 22 March and 16 June 363. 36

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Salustius begins by giving a brief summary of the myth (4,7): the Mother of the Gods saw Attis near the river Gallus, fell in love with him and gave him her felt hat decorated with stars. Attis next falls in love with a nymph and leaves the Mother to live with her. Because of this, the latter makes Attis castrate himself in a fit of insanity. Gallus leaves the nymph and returns to the Mother to live with her once more. Salustius next interprets the myth as an allegorical story about (Neopla‑ tonic) demiurgy (4,8–9). The Mother is the “Life‑producing Goddess” and as such the cause of demiurgic divinities, such as Attis.39 Attis himself is “the Demiurge of the things that come to be and perish”. While Plato in the Timaeus mentions only one Demiurge, Neoplatonists, in order to make Plato’s account fit their many‑layered ontology, produced a hierarchy of Demiurges. In his oration, the emperor Julian had identified Attis with the lowest Demiurge, the so‑called third one, that is responsible for the actual creation of the things in the material realm.40 This Demiurge is at the border between the intelligible and physical world. This border is in the myth represented by the river Gallus, i.e. the “Milky Way, from which derives the body that is susceptible to affec‑ tions”.41 The love of the Mother for Attis and her gift of the hat represent the fact that the primary gods bring the secondary gods to their perfection. While this all is about the gods among themselves in isolation of the physi‑ cal world, we may assume that Salustius considers this to be the theological bit of the myth, comparable to the divine birthday party in the myth about the birth of Eros from the Symposium and to the divine wedding party in the myth about the golden apple and the judgement of Paris. Salustius next interprets Attis’ falling in love with the nymph as the demiurgic powers at work within the cosmos. While in the Neoplatonic metaphysical scheme of things every act of emanation is followed by one of reversion, the third demiurge reconnects again with the Mother of the Gods, i.e. with his cause. As we have seen above, physical myths hint in an allegorical manner at the invisible powers that are behind the visible cosmos, i.e. intellects and souls. Attis, being a Demiurge, belongs to the former category, as Julian, In Matr. 3, 161C stated explicitly when describ‑ ing Attis as a “demiurgic intellect”. This episode of the myth thus rep‑ resents its physical element. Salustius concludes his discussion about the gods and their activities as follows: “These things never happened, but are forever the case: Intellect too sees all things at the same time, whereas lan‑

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Cf. Julian, In Matr. 6, 166A–B. Cf. Julian, In Matr. 3, 161C; on Julian’s third Demiurge, see further OPSOMER 2008, esp. 146–148 and LECERF 2012. 41 Cf. Julian, In Matr. 5, 165B–C. 40

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guage (logos) tells one thing after another”.42 These words echo Plotinus’ above‑mentioned explanation of why humans need myths, i.e. as a means to overcome the limitations of the discursive way in which the human soul, unlike the divine Intellect, thinks. Now that Salustius has interpreted the myth in terms of the demiurgy of the macrocosm, he relates this to the microcosm of the human soul and the celebration of the festival of the Mother of the Gods (4,10–11): “Since the myth is in this way related to the cosmos, we ourselves imitate the cosmic order – for what better way would there be to put ourselves in order? – and re‑enact these events during the festival.” We, human souls, are like Attis / the third Demiurgic intellect in that we ourselves too have descended from the divine into the realm of matter and that we too should aim at reverting towards the Gods. Here, we have thus hit upon the psychic el‑ ement of the myth, which is about the activities (ἐνέργειαι) of individual soul (ψυχή) in the cosmos. While the fate of Attis the Demiurge is anal‑ ogous to that of our souls in that both descend into the depths of matter, they differ in one crucial aspect. The Demiurge is a divine intellect, we are human souls. The myth may seemingly tell us that Attis at some given time left the Mother of the Gods for the nymph, i.e. that the demiurgic intellect at a given moment truly descended into matter, but this is only a matter of speaking. As Julian (In Matr. 11, 171C–D) puts it, echoing once again the Plotinian conception of myths as presenting atemporal things in a temporal sequence: “those things never happened, apart from the way in which they happen at present. No, Attis is forever the servant of the Mother and her charioteer; forever he lusts for the realm of becoming”.43 Thus, the third demiurge, while descending into the realm of matter re‑ mains at the same time at the intelligible level. This is different in the case of the human soul. Julian and his circle follow Iamblichus against Ploti‑ nus on the issue of the (un)descended soul. Whereas Plotinus holds that the best part of soul coincides with Intellect and therefore never ever com‑ pletely leaves the intelligible realm, Iamblichus argues that the soul, being soul, cannot be an intellect and hence descends in its entirety from the in‑ telligible realm. It is precisely this complete descent which makes theurgy necessary. In keeping with this, Salustius here stresses that our reversion towards the divine in imitation of the reversion of Attis, the demiurgic in‑ tellect is brought about by participating in the celebration of the (theurgic) festival of the Mother of the Gods. The third Demiurge and its creative 42 Cf. Julian, In Matr. 10, 169D–170A (on the castration of Attis and his subsequent return to the Mother of the Gods): “and let no‑one assume that I mean to say that these things were ever done and ever happened” (Καὶ μή τις ὑπολάβοι με λέγειν ὡς ταῦτα ἐπράχθη ποτὲ καὶ γέγονεν). 43 Καὶ οὐδέποτε γέγονεν ὅτε μὴ ταῦτα τοῦτον ἔχει τὸν τρόπον ὅνπερ νῦν ἔχει, ἀλλ’ ἀεὶ μὲν Ἄττις ἐστὶν ὑπουργὸς τῇ Μητρὶ καὶ ἡνίοχος, ἀεὶ δὲ ὀργᾷ εἰς τὴν γένεσιν …

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activities constitute the pathway between the intelligible divine realm and the material cosmos. The descent of the demiurgical activities produce the material cosmos, whereas the upward reversion that corresponds to this emanation allow the soul to travel upwards.44 The theurgic festival, cel‑ ebrated at the time of the spring equinox when the demiurgic activities are most evident in the world that comes to life again, allows the human souls to profit from these to be transported back upwards to the divine realm.45 Salustius next continues to discuss various aspects of the rites of the Mother of the Gods, such as the cutting down of a tree, fasting and the consumption of milk and the time of the year at which these rituals are performed, and gives allegorical interpretations of these in corroboration of his initial interpretation of the myth.

3. Concluding remarks The table of the end of this contribution summarizes my reading of Salustius’ chapter on myths. From it, it appears that Salustius’ distinction between theological, cosmic, and mixed myths mirrors the Neoplatonic causal process. The theological myths describe the divine causes as such, which remain forever the same. The physical myths describe the pro‑ cession of creative activities which causes this cosmos to be. The psychic myths describe how each individual soul too is part of this procession. The human soul is a microcosm that first needs to align itself with the macro‑ cosm of the physical myths and, next, to ascend towards the intelligible gods of the theological myths. The myths that describe this process thus contain a mix of physical and theological myths, and are for that reason called mixed myths. These mixed myths do not just describe this process of reversion, but actually contribute to it. Because of their symbolic nature, they have the theurgical power to channel the divine powers at work in the cosmos in such a way that they elevate the soul back to its divine origin. It is an open question whether Salustius’ theory about myths, which com‑ bines in an elegant way the previous theories of Plotinus and Porphyry with the theurgical interests of the Iamblichean school was his own inven‑ tion. Given Salustius’ very concise presentation of what appears to be a very rich theory, one is tempted to assume that, as is the case with the exe‑ 44 Cf. Julian, In Matr. 11, 171B–C: the superiority of the gods (i.e. of the Mother of Gods) rules out the possibility that they themselves descend towards this world. What may descend however, is a superior being which combines the active and the passive (Attis), which has the power to elevate the things of this world to a better existence. Cf. SHAW 1995, 225f. on the festival of the great Mother as a theurgic ritual. 45 Cf. Julian, In Matr. 12, 172C–13, 173A: from the evident fact that at the time of the spring equinox the sun draws up all things from the earth, we may deduce its invisible power to lead upwards the souls of the blessed.

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gesis of the myth of the Mother of the Gods and Attis, Salustius here offers his readers an abridged version of an existing, more elaborate treatment of the same material. If so, one is tempted to think of Iamblichus. But then again, this may be to underestimate the ingenuity of Salustius himself. Neoplatonic Approaches to Myth

Salustius’ Five Types of Myths

Plotinus: 1. Theological – Theological Myths (about the myths: about the οὐσία of the gods intelligible gods) – Myths are a didactic device that presents atemporal reality in a temporal fashion. – Example: the conception of Eros at the divine party in honor of the birth of Aphrodite Porphyrius: – Myth as physical theology (about the divine powers at work in the cosmos, including the human soul) – Myths are meant as a protective veil. – Example: Homer’s ‘Cave of the Nymphs’.

2. Physical myths: about the divine ἐνέργειαι in the cosmos (intellects and souls) 3. Psychic myths: about the individual soul in the cosmos.

Mixed Myth (1): the judgement of Paris

Mixed Myth (2): The Mother of the Gods and Attis

Theological element: the divine banquet in honor of the marriage of Peleus and Thetis representing the gods among themselves in the intelligible realm

Theological element: the relation of the Mother of the Gods (= source of demiurgic divinities) with Attis (= third demiurge)

Physical element: the dispute of the three goddesses about the apple: divine forces at work within the cosmos

Physical element: Attis falls in love with Nymph: descent of demiurgic powers into matters (=> constitution of the cosmos); castration and return of Attis to the Mother: reversion of the third demiurge away from the material cosmos to the divine realm. Psychic element: the individual human soul imitates the demiurgic activity of Attis.

196 Neoplatonic Approaches to Myth Iamblichus / Julian: – Theurgic myths (myths allow us connect to the divine) – Myths are symbolic stories (in both the literary and theurgic sense) – Examples: the myth of the judgement of Paris; the myth of the Mother of Gods and Attis

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Salustius’ Five Types of Myths

5. Mixed myth: connects the human soul in the cosmos (cf. Myth type 3.) through the divine powers at work in the cosmos (cf. Myth type 2.) to the gods themselves (cf. Myth type 1.)

Mixed Myth (1): the judgement of Paris

Mixed Myth (2): The Mother of the Gods and Attis

Mixed element: the celebration of the festival of the Mother of the Gods and Attis (including recitation of myth) at the moment of the spring equinox = theurgy

D. Anhang

Literaturverzeichnis 1. Abkürzungen ASSR CIL CMRDM DK IDidyma IG ILS IStratonikeia RAC RE REG

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2. Ausgaben, Kommentare und Übersetzungen Salustios, Über die Götter DI GIUSEPPE 2000 NOCK 1926 ROCHEFORT 1960

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3. Sekundärliteratur (und Ausgaben anderer Autoren) AFONASIN / DILLON / FINAMORE 2012 ATHANASSIADI 1981 ATHANASSIADI / FREDE 1999 BALTES 1976 / 1978

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Stellenregister (in Auswahl) Aelianus Nat. animal. XI 31: 164 Aelius Aristides Or. 22,3: 160 Aeneas von Gaza Theophr. (Colonna) 12,11–25: 64 Ammianus Marcellinus XX 4,17–18: 75 XXI 1,4: 75 XXII 12,6: 143 XXIII 1,1: 4 XXIII 5,4f.: 5 XXV 5,3–5: 5 Aristoteles Anim. I 2, 404b17–18: 62 III 5, 430a14–17: 105 An. post. II 1, 89b24–35: 183 Eth. Nic. X, 1178b26: 105 Met. XII 7, 1072a20–b4: 102 XII 7, 1072b26–30: 105 Asklepios von Tralleis In Metaph. (Hayduck) 134,11–12: 91 Aurelius Victor Caes. XXXIII 30: 75 XXXIX 4: 99 Ausonius Prof. 2,23–24: 5 Biblici libri Vetus Testamentum Ex 3,14LXX: 78 Jes 66,1: 79 Novum Testamentum 1 Kor

7,31: 82 Cato Agr. 134: 156 Chairemon (van der Horst) fr. 5: 188 fr. 6–7: 189 test. 9: 188 Cicero Leg. II 7: 148 II 8: 147 II 12: 155 Nat. deor. I 18–24: 62 I 42: 148 Codex Theodosianus I 1,6: 149 IX 16,7: 160 XIII 3,5: 110, 139 XVI 10,2: 154 XVI 10,6: 154 XVI 10,10: 151 XVI 10,12,4–6: 151 XVI 10,12,13: 151 XVI 10,16,2–3: 161 Cyprian Ep. 55,2: 151 Damaskios In Parm. (Saffrey / Westerink) 3,17,23–25: 127 Princ. III: 132 Diogenes Laertios X 44: 115 Epikur Ep. ad Her. 35–36: 115 37: 115 38–39: 115 fragmenta (Usener) 374: 137 Epitome de Caesaribus

XLI 14: 99 Eunapios V. Sophist. 501: 155 Euripides El. 90–92: 152 fragmenta (Nauck) 516: 152 Eusebios Praep. ev. IV 1,1: 14 IV 12: 159 A. Gellius X 15,15: 153 Gregor von Nazianz Or. 4,29: 157 4,91: 6 4,103: 155 4,111: 73, 96, 140 4,112: 140 5,25: 147 Heraklit (DK) 12 B 54: 61 12 B 123: 61 22 A 123: 176 Hermias In Phaedr. (Lucarini / Moreschini) 139,30–31: 131 141,15–25: 130 141,25–29: 129 141,31–142,15: 129 142,16–28: 131 143,7–13: 133 145,25–29: 131 Herodot I 216,2f.: 62 II 104,2–4: 62 Homer Il. VIII 18–22: 104 XXIII 142: 152 Od. III 445–446: 152

204 VI 168: 180 Horaz Carm. III 6,5: 155 Inscriptiones CMRDM IV, 127: 153 IDidyma 277: 150 IG IV,12 121, IV: 150 Jamblich An. fr. (Finamore / Dillon) 7: 89 Ep. 6: 97 In Phil. fr. (Dillon) 6: 97 In Tim. fr. (Dillon) 14: 64 17: 103 87: 88 Resp. (= Myst.) I 3: 107 I 5: 78, 104, 108 I 9: 104 I 11: 64 I 13: 63, 164 I 15: 94, 106 I 18: 62 I 19: 106f. II 2: 89 II 11: 178 III 22: 143 IV 4: 88 IV 5: 98 V 5–7: 158 V 6: 158 V 9–10: 147 V 10: 98 V 14: 158 V 14–15: 95 V 20: 146 V 26: 106, 156 VIII 4: 189 VIII 6: 62 VIII 8: 132 Julian 1. Laus Const. 7, 10C–D: 110 10, 14B–D: 98 37, 46A: 89 2. Laus Const. 16, 70D: 110, 148 26, 83C–84A: 98

Andrea Villani Caes. 25, 324B: 83 34, 333D: 143 38, 336A–B: 90 38, 336B: 75 CCyn. 17, 199B: 157 CGal. fr. (Masaracchia) 21,8–10: 104 26,2–5: 104 28,5–6: 104 55,8–11: 113 55,15–21: 113 55,24–29: 111 84,22–24: 159 CHer. 4, 208A: 75 9, 213D–214A: 157 11, 216B–D: 179 11, 216C: 160 12, 217B–D: 180 14, 219A–B: 143 23, 234–235AC: 75 23, 235A: 110 Cons. 2, 242C: 90 8, 252A–B: 5, 109 Ep. Ath. 4, 271D: 109 13, 287A: 76 Ep. (Bidez) 42, 424A–B: 77 61c, 422A: 110 61c, 423A: 111, 139 72: 112 78, 375C: 149 84, 429C: 83 84, 429D: 96 89b, 293A–C: 95 89b, 293B]: 152 89b, 293D: 157 89b, 295A: 157 89b, 298D: 99 89b, 300C–301D: 111 89b, 302C–303B: 139 98, 400C: 83 98, 401B: 143 114, 438B: 77 176: 99, 162

181, 449B: 110 184, 419A: 110 In Matr. 3, 161C: 103, 192 3, 161C–16, 176A: 9 5, 165B: 103 5, 165B–C: 192 5, 165C: 61 6, 166A–B: 192 6, 166D: 137 10, 169D–170A: 193 11, 171B–C: 194 11, 171C: 193 12, 172A–C: 185 12, 172C–13, 173A: 194 20, 180B: 76, 143 In Sol. 6, 133C: 86 13, 138C–14, 139A: 106 22, 143D–144B: 128 24, 145C: 128 29, 148C–D: 128 31, 149A–B: 128 32, 149D: 130 44, 157D: 71 Misop. 11, 345A–B: 99 15, 346B–C: 161 15, 346B–D: 142 15, 346C: 143 33, 361A: 76 34, 362B: 99 35, 362C: 76 35, 363A: 162 Libanios Ep. 695,2: 77 1518,5: 77 Or. 24,36: 142 Lukian Dea Syr. 60: 153 Luct. 1: 142 Sacr. 10: 160 Macrobius Sat. I 19,17: 63 Maximos von Tyros

Stellenregister (in Auswahl) Or. 4,1: 168 Minucius Felix Oct. 34,2: 74 Nemesios von Emesa Nat. hom. 1: 82 7: 109 43: 80 Numenios fragmenta (des Places) 12,14: 133 Ovid Ep. ex Pont. I 1,55–56: 165 Panegyrici latini 3 (XI) 13,3: 99 Pausanias II 11,6: 152 Philon Aet. mund. 13–16: 61 Spec. leg. III 3: 62 Philoponos In Cat. (Busse) 1,13: 91 Pindar Olymp. 10,49: 61 Platon Apol. 23a: 88 Gorg. 509e: 87 Ion 533d–534e: 104 Leg. 801a: 140 VII 803c: 88 Men. 86a: 60 Phaed. 62b: 88 Phaedr. 244a–d: 143 246c1–2: 65 246d8–e1: 119 246e4–6: 133 246e4–247a8: 130 246e5–6: 131 246e–247a: 104 247a7: 121 247c3: 131 248c3: 89 Rep. II, 377b–378e: 76 II, 377e5–6: 173 II, 378a1–6: 173

II, 382d1–4: 172 IV, 427b: 163 VI, 508b12–509a8: 184 VI, 509b8–9: 122 X, 617e3: 65 Soph. 254e–255e: 102 Theaet. 176b1: 101 Tim. 26b7: 85 26e: 60 29e1–2: 121 30c7–d1: 132 39e10: 132 40e4: 132 41a: 61 Plotin I 1,3: 62 I 7,3,4–7: 63 I 8,4,1–5: 63 I 8,5,21–23: 63 II 2,1,1: 61 II 3,14,1–9: 63 III 2,3,36–38: 103 III 2,13: 64 III 5,9: 173 III 5,9,24–29: 78, 174 III 6: 119 IV 7,8a: 60 IV 8,2,19–26: 65 V 1,1,4: 88 V 1,3,4: 104, 124 V 1,7,33–35: 187 V 3,13,1: 124 V 9,8,3–5: 107 VI 3,16,36–40: 60 Plutarch Is. et Os. 66, 377E: 188 Porphyrios Abst. II 33,8: 162 II 34: 63 II 34,2: 92 II 40,2: 92 II 42,3–43,1: 92 IV 21: 62 fragmenta (Smith) 182cF: 176 182dF: 177 182F 1–22: 186 303F: 164 314: 145 352,11–17: 103

205 358: 103 358a: 103 Sent. 18: 119 42: 60 V. Plot. 33–36: 103 Proklos Elem. theol. 3: 136 5: 121 11: 121 18: 105 21: 121 28: 106 32: 138 35: 137 55: 138 112: 138 125: 138 132: 106 185: 89 202: 89 In Parm. (Cousin) 4,926,5–928,11: 91 In Remp. (Kroll) 1,47,2–14: 111 1,52,11: 65 2,309,28–310,21: 64 2,339,17–18: 64 In Tim. (Diehl) 1,276,10–299,9: 85 1,451,1–5: 130 Mal. subst. (Boese) 3,7–8: 123 27–29: 63 Theol. plat. V 35: 130 VI 6–10: 130 VI 11: 130 VI 14: 130 VI 16: 126 Salustios De deis Keph. 7: 18 Keph. 9: 10, 120 1,1: 9, 18, 69, 71f., 76, 95, 100, 109, 113, 144, 146, 182 1,1–2: 185 1,2: 78, 82, 86, 144, 146

206

Andrea Villani 1–2: 119 1–4: 10, 69 Keph. 26: 10, 18, 120 2,1: 18, 182 2,1–2: 86 2,2: 78, 85, 107, 119f., 125 3,1: 83, 93, 95, 142, 163, 167, 169, 182–184 3,1–3: 183 3,2: 18, 95, 100, 104, 182f. 3,2–3: 100, 184 3,3: 18, 86, 100f., 108, 117, 119f., 125, 161, 182 3,3–4: 71, 73 3,4: 71, 79, 182, 185 3–4: 10, 14 4: 9, 79, 95 4,1: 18, 107, 167 4,1–5: 182, 186 4,2: 127 4,3: 18, 79f., 83, 86, 103, 113 4,5: 86, 95, 103, 107, 120, 125 4,6: 14, 94, 104, 142, 145, 167, 182, 184, 190 4,6–11: 15 4,7: 103, 106f., 192 4,7–9: 118 4,7–11: 134, 182, 191 4,8: 18, 86, 103, 105f., 126, 134 4,8–9: 192 4,9: 78, 95, 127, 135 4,10: 18, 72, 80, 85, 92, 94, 100, 160f. 4,10–11: 168, 193 4,11: 94, 140, 142, 160 5: 13 5,1: 8–10, 117, 120, 139, 144 5,2: 10, 93, 121

5,3: 18, 78, 91, 120, 122f., 139 5–6: 86 5–12: 10, 69 6: 11, 13, 95, 142 6,1: 69, 86, 101, 118, 125f. 6,1–2: 125 6,2: 106, 108, 128, 134 6,3: 78, 95, 134, 160 6,4: 80, 95, 101, 103, 105, 119, 128, 159 6,4–5: 80 6,5: 85f., 94, 128, 159 7: 11, 82 7,1: 84, 86 7,1–2: 84 7,2: 74, 78, 87, 136 7,3: 82, 84, 100, 108 7,5: 19, 85, 107 8: 11, 86 8,1: 82, 86, 105, 125f. 8,2: 90 8,3: 90 8,4: 19 9: 11 9,1: 85 9,1–6: 80 9,2: 19, 80, 95, 150 9,3: 78, 86, 136f., 150 9,4: 19, 80 9,4–6: 84 9,5: 19, 87, 92, 108f. 9,6: 19, 91 9,7: 85, 108, 142, 162 9,8: 88, 90, 123 10: 11 10,1: 100 10,1–2: 163 10,2: 19, 105, 109 10,3: 109 10–11: 82 11: 11 11,1: 19

12: 11, 81 12,1: 19, 77, 87, 95 12,2: 78, 85f. 12,3: 19, 78, 86, 123, 137 12,3–4: 137 12,5: 77, 88, 92, 106, 113, 123 12,5–6: 82, 87 12,6: 15, 19, 80f., 110, 142, 163, 167 13: 82 13,1: 9, 11, 14, 19, 69f., 72, 85f., 115, 117 13,2: 19, 86, 136 13,4: 19, 74, 82, 136 13,4–5: 79 13,5: 19, 104f., 120, 124 13–21: 11 14,1: 70, 93, 143 14,2: 79, 91, 100, 107, 123, 137, 164, 166 14,3: 19, 81, 92–94, 107, 113, 142, 157, 163f., 166 14,9: 137 14–16: 11 15,1: 93, 142, 146, 159f. 15,2: 19, 80, 87, 100, 102, 147, 155, 161 15,3: 79, 93 16: 80, 104, 106 16,1: 80, 106, 142, 148, 152, 160 16,2: 79f., 95, 103, 137, 139, 142, 146, 155, 160 17: 11, 84 17,2: 86 17,4: 19, 85 17,5: 19 17,7: 19 17,8: 19 17,10: 11, 69, 140 18: 11, 15, 95 18,1: 75, 87f., 105f., 113, 141f.

207

Stellenregister (in Auswahl) 18,1–2: 82, 88, 123 18,2: 80, 92, 144, 147 18,3: 74, 76f., 98, 123, 142, 162 19: 11, 81 19,1: 81, 91, 123, 164 19,2: 154 20: 11, 81 20,1: 19, 86, 89 20,2: 84, 89, 92 20,3: 19, 82, 105 21: 109 21,1: 11, 81, 85, 89, 106 21,1–2: 77, 90 21,2: 11, 19

Seneca Nat. quaest. II 42,3: 164 Simplikios In Cael. (Heiberg) 26,2–7: 111 In Cat. (Kalbfleisch) 7,33: 91 Sozomenos V 10,13: 77 Strabon I 2,8: 164 X 3,9: 161 X 3,23: 142 Sueton Cal. 59: 154 Ner. 12,4: 153 Syrianos

In Met. (Kroll) 8,22–25: 87 82,18–20: 65 107,8–9: 87 Varro Ant. rer. div. (Cardanus) fr. 6–9: 168 Zosimos I 57,3: 75 III 36,2: 5 IV 3,3: 160 IV 36,4: 75 IV 51,3: 76 IV 59,1: 75

Namens‑ und Sachregister Achaia: 160 Achilles: 112, 152 Ägypter: 79, 113, 187, 189 Ähnlichkeit: 92, 100–103, 106, 137, 146f., 158, 162, 164, 166, 170 Aelius Aristides: 160 Aeneas von Gaza: 64 Agamemnon: 152 Alcimus Alethius: 5 Alexander der Große: 83, 112 Alkinoos: 8, 98 Allacci, Leone: 17 Allegorese: 60 – Mythenallegorese: 12, 14, 126, 128f., 134 Allegorie: 103, 168, 188 – physische Allegorie: 103 Altes Testament: 80 Ambrosia: 150 Amelios: 103 Ammianus Marcellinus: 4f., 15, 143 Anthropologie: 82, 88, 90, 92 Antiochia: 153 Aphrodite: 127–130, 174, 189, 195 Apollinaris: 82 Apollon: 127–130, 150, 163, 166 – Apollon‑Helios: 99 – Apollon‑Tempel: 161 Apollonios von Tyana: 7, 159 Apostasie: 76, 112 Apuleius von Madaura: 7f. Ares: 127–130 Aristokratie: 98, 141 Aristoteles: 62, 78, 91, 102, 105f., 111, 113, 119, 127, 180, 183 Arius: 73, 79 Artemis: 127, 129f., 134, 152 Arvalbrüder: 156 Asklepios: 127f., 153 Astrologie: 62, 78, 80, 83f. Atheismus: 75f., 96, 112f., 141, siehe auch Gottlosigkeit Atheisten: 70, 74, 76f. Athen: 152 Athena: 103, 127–130, 152, 189

Attis: 93, 95, 103, 106f., 134f., 137, 171f., 192–194, siehe auch Mythos – als das noerische demiurgische Prinzip: 135 – als Demiurg: 134f., 192f., 195 – Attiskult: 61 Auferstehung: 81 Augustinus: 13f., 165, 168 Augustus: 153 Aurelian: 75 Ausonius: 5 Barbaren: 5, 90 Batnai: 83 Bestrafung: 64, 81, 88, 115, 123, 165 Bildung: 10, 71f., 91f., 98, 108–113, siehe auch Paideia Böse: 11, 15, 63, 77, 81, 86–88, 110, 113, 123, 137, siehe auch Dämonen, böse – seelisches / moralisches Böse: 63, 81f., 87, 113 Borromeo, Federico: 17 Caelus: 176 Calcidius: 129 Capua: 162 Cato: 156 Chairemon: 188 Chalkis: 110 Chaos: 61 Chariten: 127f. Chios: 16 Chosrau I.: 96 Christen: 70, 74–79, 82, 84, 90, 111–113, 168, 187 Christentum: 70, 76, 81f., 94–96, 113, 145, 148, 165, 170 – Christentumkritik: 79 Christenverfolgung: 14 Christologie: 82 Christus: 82 Chrysanthius: 155 Cicero: 141, 147f., 155 Constantius II.: 5, 149, 154 Cornutus: 188 Cyprian von Karthago: 111, 151

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Andrea Villani

Dämonen: 63, 78, 83, 86, 104, 130, 155, 176f. – böse Dämonen: 79, 87, 92, 123 – Dämonenkult: 79 – Dämonolatrie: 79 – Dämonologie: 78 – persönlicher Dämon: 95 – strafende Dämonen: 81, 83, 107, 164 Damaskios: 17, 132 Daphne: 161 Demeter: 127–130, 134, 161 Demiurg: 74, 121, 131, 133f., 190f., 193 Demiurgie: 128, 131, 134, 192f. Demosthenes: 111 Didyma: 150 Diogenes: 157 Diokletian: 75, 99 Dionysos: 127f., 130, 134, 167, 181 Dynamis: 119 Eleusis: 142, 160, 167 Engel: 89 Ephesos: 159 Epidauros: 150 Epikur: 62, 115, 175 Epikureer: 75 Epikureismus: 84 Eris: 125, 189 Erkenntnis: 60, 107 – Erkenntnisstufen: 72 – philosophische Erkenntnis: 60 Eros: 174, 190, 192, 195 Ethik: 15, 180 Eunapios: 75f. Euripides: 152 Eusebios von Caesarea: 14f., 149, 162, 168, 189 Ewigkeit: 119, siehe auch Welt, Ewigkeit der Welt Fabricius, Johann Albert: 17 Flavius Sallustius: 4f., siehe auch Salustios Flavius Ulpianus: 150 Formey, Jean Henri Samuel: 17 Gale, Thomas: 17 Gallien: 5 Gallus (Fluss): 192 Gallus (Julians Halbbruder): 109 Gebet: 11, 80, 92, 94f., 104, 106, 108, 110, 140, 142, 155f., 158, 162f., 166 – Gebetslehre: 107

– stilles Gebet: 103 Geist: 11, 62, 82, 85f., 88f., 105, 125f., 174, siehe auch Intellekt Germanen: 76 Glück: 11, 70, 77, 82, 97, 104, 108f. Glückseligkeit: 11, 62, 90 Gnade – göttliche Gnade: 82 Götter: 3, 11–15, 60–62, 65, 69–72, 74–80, 85–89, 91–108, 111, 113, 115–120, 125f., 128–130, 132–137, 140–152, 154, 156–170, 173, 176–190, 192–195 – demiurgische Götter: 130 – enkosmische / innerweltliche Götter: 11, 73, 86, 116, 125–134 – Ethnarch‑Götter: 104 – Götteranbetung: 151 – Götterklassen: 61, 117f., 120, 123, 125, 129, 131f. – Götterlehre: 62, 115f., 118, 144 – Götternamen: 130 – Götterverehrung: 152 – Götterwelt: 133 – hegemonische Götter: 130 – himmlische Götter: 132 – hyperkosmische / überweltliche Götter: 11, 73, 86, 116, 125–133, 136 – hyperkosmisch‑enkosmische Götter: 126, 130 – immaterielle Götter: 158 – innerweltliche Götter: 142 – intelligible Götter: 194 – kosmische Götter: 132 – materielle Götter: 158 – neidische Götter: 121 – noerische Götter: 127 – olympische Götter: 78, 95, 104, 127, 130, 135 – primäre Götter: 125, 128, 192 – sekundäre Götter: 125, 192 – sichtbare Götter: 106f., 132 – transzendente Götter: 129 – überhimmlische Götter: 132 – unsichtbare Götter: 106f., 132 – weltliche Götter: 160 – Zorn der Götter: 79 Göttermutter: 126, 134, 142, 160f., 167–169, 171f., 191–195 Gott: 15, 74f., 78, 80, 88, 93f., 96, 102f., 105, 111, 116, 120, 124, 130, 135–137, 146, 150, 155, 159, 166 – als Weltschöpfer: 116 – Angleichung an Gott: 12

Namens‑ und Sachregister – christlicher Gott: 78 – erster Gott: 104, 120, 124f. – Gottesbegriff: 119, 162 – Gotteslehre: 12f. – Gottesvorstellung: 79 – höchster Gott: 116 – noetischer Gott: 132 – Zorn Gottes: 80 Gottesdienst: 12, 158 Gottlosigkeit: 11, 15, 75, 141, 157f., 164, siehe auch Atheismus Gratian: 99, 149 Gregor von Nazianz: 6, 140, 147, 155 Griechen: 5f., 83, 110, 154, 161, 189 Griechenland: 153 Hades: 175 Harmonie: 134 Harpokration: 16 Hecebolus: 112 Heiden: 70, 75, 168, siehe auch Pagane Helios: 86, 106, 128f. – demiurgischer Helios: 128 – Helios‑Zeus: 131 Hellenen: siehe Griechen Hellenismus: 73, 76, 83, 96, 109f., 113, 169 Helpidius: 112 Henotheismus: 116 Hephaistos: 127, 129f., 133 Hera: 127–130, 134, 189 Herakleios: 110, 171, 178 Heraklit: 61, 176f., 179 Heraklitos Rhetor: 16 Hermes: 127–130 Hermias: 129–131, 133 Hermogenes von Sopatros: 98 Herodot: 62 Hesiod: 16, 111, 171, 173, 181, 183 Hestia: 127, 129f. Hierapolis: 153 Hierokles von Alexandria: 89 Hinwendung: 107, 127, 138, 158, 163 Holste, Lukas: 17 Homer: 98, 111, 152, 171, 173, 175, 181, 183, 190, 195 Horapollon: 16 Horaz: 155 Hygieia: 153 Ilion: 155 Initiation: 94, 142, 148, 163, 169, 176, 179f.

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– Initationsrituale: 94, 104, 178 – theurgische Initation: 181 Inkarnation: 78, 89 Inkubation – Inkubationspraktiken: 150 – Inkubationsträume: 150 Intellekt: 13, 15, 63, 85, 100–102, 105, 107, 122, 125–127, 133, 174f., 180f., 185, 187, 189, 192, 195, siehe auch Geist – demiurgischer Intellekt: 192f. – göttlicher Intellekt: 187, 193 – universeller Intellekt: 126 Isis: 188 – Isiskult: 165 Israel: 80 Jamblich: 11, 60, 62–64, 70f., 78–80, 82f., 88, 90–95, 97f., 103–108, 110, 117f., 122, 130–132, 135, 143f., 146f., 156, 158, 164, 172, 177–179, 181, 184, 187–190, 193, 195f. Jovian: 5 Juden: 96 Judentum: 79 Julian: 3–6, 9, 15, 17, 60f., 64, 70, 72f., 75–77, 83f., 89, 93–96, 98f., 102, 104, 106, 108–113, 117f., 122, 126, 128–131, 133, 135, 139f., 142f., 146, 149, 152, 154f., 157–162, 170–173, 177–181, 184–186, 189, 191–193, 196 – Ps.‑Julian: 110 Julius Caesar: 83 Jupiter: 153, 156, siehe auch Zeus Jupiter (Planet): 129 Justin: 79 Kallipolis: 172f. Kapitol: 153 Karien: 153 Kirche – heidnische Kirche: 139f. – pagane Kirche: 72, 99 Kleanthes: 188 Königtum: 98 Kolotes von Lampsakos: 175, 181, 183, 186 Kommagene (Provinz): 153 Konstans: 76 Konstantin: 5, 75, 89f., 99, 147f., 162 Konstantin II.: 141 Konstantinopel: 99 Kosmogonie: 11 Kosmologie: 11, 83f. – philosophische Kosmologie: 84

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Andrea Villani

Kosmos: 11, 61, 74, 85, 116, 127, 129, 131, 133–135, 179, 182, 185, 187–196, siehe auch Welt – materieller Kosmos: 190, 194 Kronos: 107, 126, 128f., 173, 175f., 186, 188, siehe auch Mythos – als noerischer Gott: 127f. Kult: 13–15, 70, 92f., 95f., 101, 128, 145f., 151, 155, 157, 160f., 167 – ägyptische Kulte: 188 – griechischer Kult: 144 – Kaiserkult: 64 – Kulthandlungen: 145, 156 – kultische Praxis: 63, 79, 102, 138, 164 – Kultstatuen: 80, 103 – Mysterienkult: 167, 184 – öffentlicher Kult: 155, 162 – paganer Kult: 83 – reiner Kult: 64 – römischer Kult: 144 – Tempelkult: 64 Kultur: 95, 110, 112 – griechische Kultur: 110 – hellenische Kultur: 5 – klassische Kultur: 76, 112 – pagane Kultur: 70 – religiöse Kultur: 155 Libanios: 5, 77, 143 Literatur – eisagogische Literatur: 7, 91 Liturgie – philosophische Liturgie: 103 Logos: 60, 171, 174, 183, 193 Lukian: 153f., 159 Lydien: 155, 163, 165 Macrobius: 84, 103, 168, 175f. Mailand: 148 Mamertinus: 99 Mark Aurel: 90, 143 Mars (Planet): 129 Martianus Capella: 84 Massageten: 62 Materialismus: 74, 83 Materie: 73, 85, 100f., 158f., 187, 193 – intelligible Materie: 174 Maximinus Daia: 140 Maximos von Tyros: 8 Mên: 153, 165 Merkur (Planet): 129 Metaphysik: 108, 122 – neuplatonische Metaphysik: 133, 173

– platonische Metaphysik: 184 Minucius Felix: 74 Mittelplatonismus: 8, siehe auch Platonismus Mên – Mên Axiottenos: 165 Monade: 121 Monarchie: 63, 98 Monotheismus: 13, siehe auch Henotheismus – christlicher Monotheismus: 13 – paganer Monotheismus: 13, 116f. Moros, Manuel: 16 Moschos: 16 Moses: 96 Mucius Scaevola: 141, 168 Musen: 104 Mysterien: 183f., 187, 190 – orphische Mysterien: 181 Mythos: 10, 13f., 60f., 65, 71, 73, 77–79, 81, 83–85, 92f., 95, 100f., 104, 108, 117, 125, 127, 140, 160, 167–169, 171–196 – ägyptische Mythen: 83, 188 – Attis‑Mythos: 4, 9f., 61, 94, 100, 103, 118, 126, 134, 140, 182, 187, 191f., 195f. – Er‑Mythos: 65, 81, 175, 181, 183, 186 – Kronosmythos: 10, 60, 126f. – Mythenallegorese: 12, 14 – Mytheninterpretation: 16, 118, 126f., 173, 179, 181, 188f. – Mythenpädagogik: 160 – Mythentheorie: 71, 172 – Mythentypologie: 79 Nachahmung: 100–102, 104, 147 Naudé, Gabriel: 17 Nemesios von Emesa: 80, 82, 109 Nero: 141, 152, 165 Neuplatoniker: 70, 74, 81, 90f., 94, 96, 101, 104, 109–111, 124, 172f., 177, 183, 187, 192, siehe auch Platoniker Neuplatonismus: 8, 82, 90, 95, 97, 102, 105, 108, 122, 150, 154, 169, 188, siehe auch Platonismus Nichtseiendes: 63, 73 Numenios: 78, 133f. Nymphe: 92, 106f., 135, 192f. Nymphen: 159, 195 Odysseus: 190 Offenbarung: 72 Olympia: 159 Ontologie: 192 – neuplatonische Ontologie: 187

Namens‑ und Sachregister Opfer: 11, 80, 91–93, 95, 97, 103f., 106, 108, 110, 137, 142f., 146f., 151, 155–163, 166, 168f. – Blutopfer: 80, 92f., 103, 154, 159f., 169 – Haaropfer: 152f. – öffentliche Opfer: 162 – Opfergabe: 63, 103, 140, 148, 152, 154, 159 – Opferhandlung: 79, 83, 149, 155 – Opferpraktiken: 144, 149, 154, 159 – Opfertheorie: 63 – theurgische Opfer: 154 – Tieropfer: 64, 137, 152, 154 Orakel: 14, 60, 83, 131, 149f., 163, 166, 169, 183f. Orelli, Johann Conrad: 17 Orest: 152 Origenes: 13, 188 Orpheus: 171, 180, 183 Osiris: 188 Ouranos: 129 Ovid: 165 Padua: 16 Pagane: 74, 84, 109, 111, siehe auch Heiden Paganismus: 71, 75, 77, 79f., 83f., 111, 155, 187, 189 Paideia: 6, 10, 84, 108–110, 113, 144, siehe auch Bildung Pallas: siehe Athena Pan: 178 Paris: 61, 125 – Parisurteil: 10, 61, 125, 189, 192, 195f. Paros: 153 Patrikios, Konstantinos: 16 Patroklos: 152 Pausanias: 77 Pegasios von Ilion: 112, 155 Peleus: 189, 195 Penia: 174 Persien : 83 Philoponos: 85, 111 Philosophen: 14, 84, 91, 93, 111, 143, 155, 159, 162, 167, 169, 174, 183, 190 – materialistische Philosophen: 78 – neuplatonische Philosophen: 83 – pagane Philosophen: 74, 82, 84 Philosophie: 5, 9, 14f., 69f., 72f., 82, 84, 90, 97, 101, 109, 117, 144, 168, 172, 176, 178, 180–182, 184 – griechische Philosophie: 110

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– neuplatonische Philosophie: 11, 177, 183 – politische Philosophie: 191 – religiöse Philosophie: 191 – Staatsphilosophie: 63 – stoische Philosophie: 168, 188 Photius: 167 Phrygien: 163, 165 Pinelli, Gian Vincenzo: 15–17 Pisidien: 153 Platon: 61f., 65, 80, 85, 90–92, 98, 111, 116, 121f., 130f., 143, 159, 163, 171–173, 175f., 178, 180f., 183, 186, 190, 192 Platoniker: 61–63, 84, 116, 119, 121–123, 129, 131, 134f., 175, 185, 188, siehe auch Neuplatoniker Platonismus: 87, siehe auch Mittelplatonismus, Neuplatonismus – dogmatischer Platonismus: 78 Plotin: 8, 63, 70f., 78–80, 82, 88, 94, 97, 102–105, 107, 110, 118, 124, 126, 172–177, 181, 187, 189f., 193–195 Plutarch: 8, 64, 123, 188 Pluton: 131 Plutos: 174 Polemik: 12, 74, 76f., 112, 183 – antichristliche Polemik: 76, 131, 159, 170 – antiplatonische Polemik: 173 – christliche Polemik: 139, 188 – epikureische Polemik: 183 Politik: 14, 96–99 – religiöse Politik: 171, 186 Polytheismus: 78, 116f., 169 Porphyrios: 8, 61–63, 71, 79, 88, 90–92, 94, 97, 103, 117f., 136, 146, 158, 162, 166, 172f., 175–177, 179–181, 185, 188–190, 194f. Poseidon: 127, 129–131, 133 Praetextatus: siehe Vettius Agorius Praetextatus Priester: 72, 140, 153, 162f., 165f. Prinzip: 101, 120–122, 124, 126, 133–135 – demiurgische Prinzipien: 135 – erstes Prinzip: 101f., 120, 122–125, 129, 136 – göttliche Prinzipien: 125, 135 – metaphysische Prinzipien: 133 Proklos: 7f., 16, 63f., 85, 88f., 105f., 111, 115, 117f., 121–123, 126, 128–131, 133f., 136, 138, 147, 174f., 177, 186 Providenz: 115, siehe auch Vorsehung – göttliche Providenz: 137

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Andrea Villani

Prudenz: 142 Psychologie: siehe Seele Pythagoras: 111 Reinkarnation: 11, 65, 81, 88f., 115f. Religion: 6, 63, 83f., 108, 110, 141, 145, 151, 155 – ägyptische Religion: 189 – als Kommunikationssystem: 145f. – alte Religion: 3, 70 – christliche Religion: 112 – griechische Religion: 146, 187 – hellenische religiöse Praxis: 115 – öffentliche Religion: 149 – Offenbarungsreligion: 95 – pagane Religion: 73, 94 – religiöse Praxis: 11, 13, 63, 94, 137, 146, 154, 167 – Religion des Hellenismus: 111 – Religionsbegriff: 145 – Ritualreligion: 146 – römische Religion: 146–148, 168 Rendios, Theodoros: 16 Ritual: 12, 61, 100f., 142, 144–148, 150, 152f., 156–160, 163, 166f., 169f., 177–179 – divinatorisches Ritual: 147 – Initationsrituale: 94 – öffentliches Ritual: 168 – praktisches Ritual: 160 – telestische Rituale: 190 – theurgische Rituale: 177–181, 184, 194 – traditionelle Rituale: 153 – Trauerritual: 152 Ritualismus: 145–147, 151 Ritus/Riten: 72, 160f., 194 – religiöse Riten: 83, 141 Römer: 146, 154f. Römisches Reich: 7, 10, 76, 112 Rom: 17, 151f., 168 Ryckius, Justus: 16 Sallustius (Historiker): 15, 159 Salustios: 3f., 8–18, 60–64, 69–99, 101f., 104–109, 111–113, 115–164, 166–173, 175–177, 181–195 Samosata: 153 Satan: 111 Satanismus: 79 Saturn: 176 Saturn (Planet): 129 Saturninius Salutius Secundus: 4–6, 15, siehe auch Salustios

Schicksal: 11, 70, 80, 97, 104, 108f., 132 Schöpfung: 137 Schultess, Johann Georg: 17 Seele: 11, 13, 15, 60, 62–65, 69, 72, 81f., 85f., 88–91, 94–96, 100f., 104f., 108, 115, 123–126, 132, 137, 144, 154, 157, 161, 163, 173–175, 177–181, 185, 187, 189f., 192–196 – Dreiteilung der Seele: 82, 116 – irrationale Seele: 82, 89, 125 – körperlose Seelen: 97 – rationale Seele: 82, 89 – Schwäche der Seele: 82, 88–90, 92, 102 – Seelenlehre: 11, 62f., 82, 88, 173 – Tierseele: 64 Seelenwanderung: siehe Reinkarnation Seneca: 141, 164 Simplikios: 111 Skythen: 76 Sokrates: 92, 172f. Sparta: 77 Stobaios: 103 Stoicheiosis: 7, 115, 120f., 127f., 136f. Stoiker: 74, 109, 111, 185, 188 Strabon: 161, 164 Stratonikeia: 153 Symmachus: 96 Syrianos: 64, 87, 122, 131 Syrien (Provinz): 153 Tartaros: 173 Tatian: 111 Taylor, Thomas: 17 Tertullian: 111 Teufel: 81 Themistios: 96 Theodizee: 15, 83, 87f., 121f., 170 Theodoros: 166 Theodor von Asine: 64 Theodosios: 76 Theodosios II.: 149 Theokrit: 16 Theologie: 13f., 69, 78, 118, 122, 132f., 141, 151, 167–169, 177, 180 – christliche Theologie: 13 – epikureische Theologie: 137 – metaphysische Theologie: 129 – mythische Theologie: 168 – negative Theologie: 13 – neuplatonische Theologie: 12, 79 – pagane Theologie: 14 – philosophische Theologie: 168 – physische Theologie: 168

Namens‑ und Sachregister – poetische Theologie: 168 – pragmatische Theologie: 144, 146 – rationale Theologie: 83 – römische Theologie: 155 – systematische Theologie: 139 – theologia civilis: 14f. – theologia fabulosa: 14 – theologia naturalis: 14f. – theologia tripertita: 14f., 168 – wissenschaftliche Theologie: 122, 138 Thetis: 189, 195 Theurgie: 12, 80, 92, 104, 143f., 155, 160, 177–179, 181, 188, 190f., 193, 196 – als Demiurgie: 190 – neuplatonische Theurgie: 187 Titanen: 181 Tradition: 80, 98, 109, 116, 127, 141, 146, 148, 153, 159 – ägyptische Tradition: 60 – christliche Tradition: 157, 170 – griechische Tradition: 112, 157 – hellenistische Tradition: 140 – historiographische Tradition: 165 – jüdisch‑christliche Tradition: 96 – klassische Tradition: 6 – kulturelle Tradition: 169 – literarische Tradition: 160 – mythologische Tradition: 143 – neuplatonische Tradition: 12 – orphische Tradition: 64 – pagan‑hellenische Tradition: 6 – philosophische Tradition: 10, 12, 143 – platonische Tradition: 8, 15, 116, 120, 131 – pontifikale Tradition: 168 – pythagoreische Tradition: 64 – religiöse Tradition: 10, 12 – rituelle Tradition: 13 – römische Tradition: 145 – soziale Tradition: 12f. Trinitätslehre: 13 Troizen: 153 Tugend: 11, 65, 82, 88–91, 93, 97f., 105f., 109–111, 115 – Kardinaltugenden: 90, 148 – politische Tugenden: 90 – Tugendlehre: 63, 116 Tyche: 161f. Typhon: 188 Tzetzes, Johannes: 16 Unvernunft: 98 Uranos: 173, 175f.

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Urasche: siehe auch Prinzip Ursache: 87, 97, 104, 106, 109, 120, 122–124, 126, 133, 135, 137 – erste Ursache: 10, 12f., 61, 98, 119–124, 131, 133f. – ewige Ursache: 74, 119 – göttliche Ursache: 74, 136 – transzendente Ursachen: 133 Valens: 141, 160 Valentinian: 5, 141, 160 Varro: 14, 168f. Venus (Planet): 129 Vereinigung: 107 Verfehlungen: 94, 98, 123, 158, 162, 164 Vergöttlichung: 101 Vermittlung: 105f. Vernunft: 71f., 90, 93, 98, 100, 105 Vervollkommnung: 105 Vettius Agorius Praetextatus: 7, 160 Vollkommenheit: 104–106 Vorsehung: 11, 62, 70, 80f., 87f., 92, 95, 97, 108, 111, 119, 147, 149, 185, siehe auch Providenz, Theodizee – körperliche Vorsehung: 80, 87 – unkörperliche Vorsehung: 87 Wahrheit: 71–73, 76, 95, 172, 174, 176, 180, 183, 186 – intelligible Wahrheit: 181 – theologische Wahrheit: 71, 95 – Wahrheitsfindung: 72 – wissenschaftliche Wahrheit: 175 Welt: 3, 11f., 14f., 61, 63–65, 69, 74, 82, 84–89, 91, 94–97, 99–102, 104f., 107–109, 115, 117, 120, 125, 127f., 133–135, 137, 140, 146, 161, 167, 169f., 185, 189, 192, 194, siehe auch Kosmos – als Mythos: 101 – Ende der Welt: 74 – entstandene Welt: 61 – Ewigkeit der Welt: 74, 82, 87 – göttliche Welt: 87f., 107f., 154, 177, 185 – höhere Welt: 151 – intelligible Welt: 88f., 174, 189 – materielle Welt: 135, 177 – metaphysische Welt: 176 – noerische Welt: 130 – pagane Welt: 76 – sichtbare Welt: 128, 134, 188 – unvergängliche Welt: 61, 86, 115f. – Vollkommenheit der Welt: 82 – wahrnehmbare Welt: 85, 87

216 – Weltordnung: 61, 75, 85, 102 – Weltschöpfung: 62, 116 Zeus: 104, 127–131, 133, 166, 173–175, 178 – als universeller Demiurg: 134

Andrea Villani – Zeus Panamaros: 153 – Zeus Philios: 161 – Zeustempel: 161 Zosimos: 5, 75f. Zweite Sophistik: 8

Die Autoren dieses Bandes Prof. Dr. Nicole Belayche ist emeritierte Directrice d’études (Pr.) bei der Sektion der Religi‑ onswissenschaften an der École Pratique des Hautes Études, PSL (Paris). Ihre Forschungs‑ interessen liegen vor allem im Bereich der heidnischen Kulte und ihre spätantike Entwick‑ lung im östlichen Römischen Reich, besonders in Kontexten von religiösen Zusammenle‑ ben und Interaktionen sowie der Analyse von Ritualen und ihrer Dynamiken. Vor Kurzem hat sie ein Forschungsprojekt zu den Mysterienkulten geleitet, dessen Ergebnisse in vier Bänden publiziert worden sind. Schriftenauswahl: Iudaea‑Palaestina. The Pagan cults in Roman Palestine (Second to Fourth Century). Religion der Römischen Provinzen I (Tübingen 2001); (zusammen mit F. Massa), Mystery Cults in Visual Representation in Graeco‑Roman Antiquity. RGRW 194 (Leiden 2021); (zusammen mit F. Massa und Ph. Hoffmann), Les mystères au IIe siècle de notre ère: un tour‑ nant. BEHE/SR 187 (Turnhout 2021). Dr. Robbert M. van den Berg ist Universitätsdozent für Antike Philosophie an der Universität Leiden. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der platonischen Tradition. Schriftenauswahl: Proclus’ Hymns: Essays, Translations, Commentary (Leiden / Boston 2001); Proclus’ Commentary on the Cratylus in Context: Ancient Theories of Language and Naming (Leiden / Boston 2008); (zusammen mit H. Koning) De Mythen van Plato (Budel 2022). Dr. Adrien Lecerf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Centre National de la Recherche Scientifique (UMR 8061 – Centre Léon Robin). Seine Forschungsinteressen liegen im Be‑ reich der Geschichte des Neuplatonismus von Plotin bis Proklos (Porphyrios, Jamblich, Kaiser Julian und sein Umfeld). Schriftenauswahl: (zusammen mit H. D. Saffrey / A.‑Ph. Segonds), Jamblique. Réponse à Porphyre (De Mysteriis), Collection Budé (Paris 2013); (zusammen mit N. Aujoulat) Hiéroclès d’Alexandrie. Commentaire sur les Vers d’or des Pythagoriciens – Traité sur la Providence (Paris 2018). Dr. Detlef Melsbach ist Pastor der Evangelisch‑Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Sein Forschungsinteresse liegt im Bereich religiös‑kultureller Identitätsbildung in der Spät‑ antike. Schriftenauswahl: Bildung und Religion. Strukturen paganer Theologie in Salustios’ Περὶ θεῶν καὶ κόσμου (Hamburg 2007). Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Opsomer ist Ordentlicher Professor für Philosophie (Antike Philoso‑ phie) an der KU Leuven. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des antiken Platonismus. Schriftenauswahl: In Search of the Truth. Academic Tendencies in Middle Platonism (Brüs‑ sel 1998); (zusammen mit C. Steel), Proclus. On the Existence of Evils (London / Ithaca 2003); (zusammen mit C. Steel), Proclus. Ten Problems concerning Providence (London 2012).