Von der Notwendigkeit des Leidens: Die Theologie des Martyriums bei Tertullian 352555186X

Die für uns literarisch greifbare Geschichte des christlichen Nordafrika beginntmit einem Martyrium: Am 17. Juli 180 wer

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Von der Notwendigkeit des Leidens: Die Theologie des Martyriums bei Tertullian
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Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte

Herausgegeben von Adolf Martin Ritter und Thomas Kaufmann

Band 78

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 2001

Von der Notwendigkeit des Leidens Die Theologie des Martyriums bei Tertullian

von Wiebke Bähnk

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 2001

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Bähnk, Wiebke: Von der Notwendigkeit des Leidens: die Theologie des Martyriums bei Tertullian / von Wiebke Bähnk. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 78) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-525-55186-X

© 2001 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Wintersemester 1998/99 vom Theologischen Fachbereich der Universität Hamburg als Dissertation angenommen worden. Dem Gutachter Prof. Dr. Eckhard Reichert und der Gutachterin Prof. Dr. Inge Mager bin ich für ihre Voten sehr zu Dank verpflichtet. Mein Dank gilt ebenso dem Herausgeber Prof. Dr. Adolf Martin Ritter, der der Aufnahme dieser Arbeit in die „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte" zugestimmt hat. Namhafte Druckkostenzuschüsse gewährten die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche und die Vereinigte EvangelischLutherische Kirche Deutschlands, fur deren finanzielle Unterstützung hier gedankt sei. Die Entstehung der Arbeit mit jeglicher Form von Stärkung und Unterstützung begleitet haben mein Mann, Pastor Walter Günther, meine Eltern, Dorothea und Günther Bähnk, und Pastorin Christa Mohr-Usarski. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Zu der sich in der vorliegenden Arbeit niederschlagenden Beschäftigung mit Tertullian und Cyprian bin ich durch Prof. Dr. Henneke Gülzow (t) angeregt worden, der mir in meiner Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kirchen- und Dogmengeschichte großen Freiraum fur eigenständiges Forschen bot. Das Erscheinen dieser Untersuchung drei Jahre nach seinem Tod steht so auch im Zeichen der Erinnerung an einen akademischen Lehrer, der in besonderer Weise die Liebe zur Kirchengeschichte wecken konnte.

Hamburg, im Juli 2000

WIEBKE BÄHNK

Inhalt

1. Einleitung 1.1 Die Quellenlage 1.2 Hinweise zum Forschungsstand 1.3 Anliegen und Aufbau der Darstellung

9 11 13 24

2. Der historische Kontext: Rom und die afrikanische Christenheit um 200 . 28 3. Die Deutung der Verfolgungssituation 3.1 Die Geschehensebene der Verfolgung 3.1.1 Die Verfolgung als innerweltliche Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen 3.1.2 Die Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi" Exkurs: Die Verfolgung als Kampf des Teufels gegen die als „milites Dei" verstandenen Christinnen und Christen in der altkirchlichen Tradition 3.2 Der göttliche Zweck der Verfolgung: Die Verfolgung als Prüfung der Christinnen und Christen 3.3 Das Selbstverständnis der Verfolgten 3.3.1 Die Verfolgten als Teilhaber des Verfolgungsschicksals aller Gerechten seit Beginn der Welt 3.3.2 Die Verfolgten als von Gott Gerächte 3.4 Die Frage nach der eschatologischen Deutung des Verfolgungsgeschehens: Die Verfolgung als Zeichen des nahen Endes der Zeit? 3.5 Zusammenfassung: Die Aspekte der Verfolgungsdeutung Tertullians in ihren literarischen Kontexten 4. Die Deutung des Martyriums 4.1 Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor" und „martyrium/martyr" bei Tertullian 4.1.1 „confessio/confiteri/confessor" 4.1.2 „martyrium/martyr" 4.2 Die Begründung des Martyriums

40 40 40 58

59 76 84 84 88

100 106 110 110 111 116 124

8

Inhalt

4.2.1

Das Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht gegenüber dem Willen Gottes

124

Das Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

146

4.3

Das Verständnis des Wirkens Gottes im Martyrium

154

4.3.1

Der göttliche Beistand im Leiden

154

4.3.2

Die Gaben des Geistes in den Märtyrerinnen und Märtyrern

164

4.4

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung in der

4.2.2

Verfolgung

168

Exkurs: Flucht und Selbstauslieferung in der altkirchlichen Martyriumstheologie

169

4.5

Die Bedeutung des Martyriums für den Heilsstand der Christinnen und Christen

193

4.5.1

Das Martyrium als Weg zu himmlischem Ruhm

193

4.5.2

Das Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

209

4.5.3

Die Exklusivität des Martyriums in seiner Bedeutung fur den himmlischen Ruhm der Christinnen und Christen

4.6

Die Bewertung des Märtyrertodes im Vergleich zum natürlichen

4.7

Zusammenfassung: Grundzüge der theologischen Martyriums-

Tod deutung Tertullians

220 233 239

5. Bekenntnis und Martyrium im Rahmen der christlichen Gemeinschaft . . 251 5.1

Die Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission

5.2

Die innergemeindliche Bedeutung von Bekenntnis und

251

Martyrium

258

5.2.1

Die gemeindliche Fürsorge für die Bekennerinnen und Bekenner

259

5.2.2

Die Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens

5.3

268

Zusammenfassung: Die Märtyrerinnen und Märtyrer und die „ecclesia"

282

6. Zusammenfassung und Ausblick: Das Profil der Martyriumstheologie Tertullians im Vergleich zu der martyrologischen Konzeption Cyprians von Karthago - Zwei Antworten auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" Abkürzungsverzeichnis

289 316

Quellen- und Literaturverzeichnis

320

Register

342

1. Einleitung Die für uns literarisch greifbare Geschichte des christlichen Nordafrika beginnt mit einem Martyrium: Am 17. Juli 180 werden fünf Frauen und sieben Männer aus Scilli, einem bis heute nicht sicher identifizierten kleinen Ort in der Nähe Karthagos, von dem karthagischen Prokonsul Satuminus auf Grund ihres Bekenntnisses „Christianus sum" zum Tode verurteilt und unmittelbar daraufhingerichtet.1 Mag es auch eine historische Zufälligkeit darstellen, daß gerade die Akten eines Märtyrerprozesses das erste überlieferte Dokument des nordafrikanischen Christentums bilden, so erweist sich dies aber als signifikant für den weiteren Verlauf der Geschichte der Christenheit in dieser Region und für den Charakter ihrer Frömmigkeit: Zeigt bereits die Zeit um 200 erste Ansätze zu einer Verehrung der Märtyrerinnen und Märtyrer2, so entwickelt sich in den folgenden zwei Jahrhunderten um die afrikanischen Blutzeugen ein Kult, der im Vergleich zu dem Märtyrerkult in den anderen Teilen des Imperium Romanum besonders ausgeprägt ist.3 ' Acta Scillitanorum (Musurillo, 86-89). Zu dem Martyrium der Scillitaner vgl. weiter Kap. 2, mit Anm. 5f. 2 Die Verlesung von Märtyrerakten zur Erbauung der Gemeinde („in aedificationem ecclesiae") bezeugen Pro- wie auch Epilog der „Passio Perpetuae et Felicitatis" (l,5f; 21,11). Nach Victor Saxer, Morts, martyrs, reliques en Afrique chrétienne aux premiers siècles. Les témoignages de Tertullien, Cyprien et Augustin à la lumière de l'archéologie africaine, Paris 1980, 79, zeigen auch schon einige redaktionelle Veränderungen innerhalb der „Akten der Scillitanischen Märtyrer", daß sie für die liturgische Lesung bestimmt waren. Theofried Baumeister, Art. Heiligenverehrung I, in: RAC XIV ( 1988), 117, hält es für denkbar, daß die „Passio Perpetuae" „bei der Eucharistiefeier aus Anlaß des Gedächtnistages des Martyriums" vorgelesen wurde. Daß an dem Todestag der Märtyrer und Märtyrerinnen die Eucharistie gefeiert wurde, legt Tertullians Hinweis auf den Brauch nahe, grundsätzlich fur alle Verstorbenen an ihrem Todestag Oblationen darzubringen (De cor. 3,3; CChr.SL II, 1043,22f; De mon. 10,4; CChr.SL II, 1243,23-25). Zu den Belegstellen fur die beginnende Märtyrerverehrung in Nordafrika vgl. weiter Victor Saxer, Die Ursprünge des Märtyrerkultes in Afrika, in: RQ 79 (1984), 2f. 3 Nach Wilhelm Gessel, Monumentale Spuren des Christentums im römischen Nordafrika, in: AW. Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte 12 (1981), 63, finden sich in Nordafrika „die meisten Verehrungsstätten von Märtyrern im gesamten Imperium Romanum". Die Bedeutung des Märtyrerkultes für Nordafrika hat besonders herausgestellt William H.C. Frend, The North African Cult of Martyrs. From Apocalyptic to Hero-Worship, in: Theodor Klauser (Hg.), Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenkschrift für Alfred Stuiber, JAC.E 9, Münster 1982, 154: „From this moment, 17 July 180, when the confessors from the town of Scilli,... heard sentence of death passed on them by the Proconsul of Africa, down to the seventh century when scarcelydecipherable inscriptions on reliquaries commemorate Byzantine as well as North African martyrs, martyrdom and its cult was a dominating feature in the life of the North African Christians. Throughout its 500 years existence the Church of North Africa was a Church of the Martyrs." Zu den bei Tertullian, Cyprian und Augustin zu findenden Belegen für den afrikanischen Märtyrerkult vgl

Einleitung

10

Daß die Fragen des Umgangs mit denjenigen Christen, die in der Verfolgung zu Bekennem und Märtyrern werden, und die theologische Deutung ihres Leidens wesentliche Aspekte der afrikanischen Theologie darstellen, zeigt sich in besonderem Maße in der Mitte des 3. Jahrhunderts bei Cyprian, dessen Werk durchgängig von dieser Thematik geprägt ist.4 Unter den veränderten Vorzeichen der nachkonstantinischen Zeit spiegelt sich die Bedeutung der Martyriumstheologie ebenso auch noch bei Augustin wider.5 Den Beginn dieser eingehenden Beschäftigung mit dem christlichen Martyrium in Afrika aber markiert das Werk Tertullians, in dem sich damit zugleich erstmals eine Martyrologie des lateinischen6 Westens ausformt.

Saxer, Morts, passim, zu inschriftlichen und archäologischen Belegen vgl. Yvette Duval, Loca sanctorum. Bd. 1. Recueil des inscriptions martyrologiques d'Afrique, Bd. 2. Le culte des martyrs en Afrique du IV e au VII e siècle, Rom 1982. 4 Mehr als die Hälfte der von Cyprian verfaßten Briefe innerhalb des überlieferten Briefcorpus (36 von 66 Briefen) sind unmittelbar durch die Verfolgungen unter Decius und Valerian sowie durch innergemeindliche Folgeprobleme veranlaßt. Die Testimoniensammlung „Ad Fortunatum" ist der Ermunterung zum Martyrium unter dem Eindruck einer drohenden Verfolgung gewidmet und erhält entsprechend in einigen Handschriften auch den Titelzusatz „De exhortatione martyrum" bzw. „martyrii". Darüberhinaus finden sich mit einer Ausnahme („Ad Donatum") in jeder seiner weiteren Schriften mehr oder weniger umfangreiche Bezugnahmen auf die Verfolgungs- und Martyriumsthematik. Ihre Bedeutung für Werk und Theologie Cyprians ist mehrfach in der Literatur herausgestellt worden. So bezeichnet José Capmany-Casamitjana, „Miles Cristi" en la espiridualidad de San Cipriano, Barcelona 1956, 70, „la formación martirial de los cristianos" als wesentliche Aufgabe der pastoralen Tätigkeit Cyprians. Henricus A.M. Hoppenbrouwers, Recherches sur la terminologie du martyre deTertullien á Lactance, Nimwegen 1961, sieht in der Beschäftigung mit dem christlichen Martyrium „sa préoccupation constante" und Simone Deléani, Christum sequi Etude d'un theme dans l'œuvre de saint Cyprien, Paris 1979, konstatiert: „La spiritualité de Cyprien est vraiment dominée ... par le concept de martyre." 5 Zu Augustins Auffassung vom Martyrium vgl. Jan den Boeft, „Martyres sunt, homines fuerunt": Augustine on Martyrdom, in: A.A.R. Bastiaensen et al. (Hg.), Fructus centesimus. Mélanges offerts à Gerard J.M. Bartelink à l'occasion de son soixante-cinquième anniversaire, Dordrecht 1989, 115-124. Zu seinen Märtyrerpredigten vgl. A.M. Bonnardière, Les ,Enarrationes in psalmos' prechées par Saint Augustin à l'occasion des fetes des martyrs, in: RechAug 7 (1971), 73-103. 6

Die ursprüngliche Abfassung der „Acta Scillitanorum" auf Latein und die damit angezeigte Ausrichtung auf lateinisch sprechende Adressaten weist daraufhin, daß sich zum Ende des 2. Jhdts. in Nordafrika - anders als in Rom - das Lateinische durchgesetzt hatte. In Afrika zeigen sich nach Victor Reichmann, Art. Bibelübersetzungen I (3.1 Die altlateinischen Übersetzungen des Neuen Testaments), in: TRE VI (1980), 172, auch Ende des 2. Jhdts. die ersten Spuren eines lateinischen Neuen Testaments (vgl. Act.Scill. 12). Zu der Frage der Benutzung lateinischer Bibeltexte durch Tertullian vgl. Paul Monceaux, Histoire littéraire de l'Afrique chrétienne depuis les origines jusqu'à l'invasion arabe. Vol. 1: Tertullien et les origines, Paris 1901, 106-118, der davon ausgeht, daß dieser sowohl selbst aus dem Griechischen übersetzt als auch auf schon bestehende lateinische Übersetzungen zurückgegriffen hat (Monceaux, Histoire, 110). Tertullian hat auch selbst noch griechische Schriften verfaßt, wie er u.a. in De bapt. 15,2 (CChr.SL I, 290,16) und De

Die Quellenlage

11

1.1 Die Quellenlage Auf die verschiedenen, durch seine eigenen Schriften wie auch durch die „Passio Perpetuae et Felicitatis" bezeugten konkreten Übergriffe gegen die afrikanischen, insbesondere die karthagischen Christen sowie auf die grundsätzlich bestehende Situation ihrer permanenten latenten Gefährdung durch die heidnische Umwelt hat Tertullian mehrfach literarisch reagiert. Drei seiner Schriften sind ausschließlich dem Thema des christlichen Leidens in der Verfolgung gewidmet - allerdings mit unterschiedlichen Intentionen: Geht es ihm in „Ad martyras" um die Exhortation und Konsolation inhaftierter Christinnen und Christen, so richten sich seine Ausführungen in „Scorpiace" sowie in „De fuga in persecutione" auf eine polemische Betonung der Notwendigkeit des Martyriumsleidens zum einen gegenüber einer von ihm behaupteten Relativierung der Pflicht zu Bekenntnis und Martyrium in gnostischen Kreisen, zum anderen gegen eine innerhalb des katholischen Klerus vertretene Akzeptanz einer Flucht in der Verfolgung. 7 Ein vierter Traktat, „De corona", ist durch das Bekenntnis eines Soldaten veranlaßt8 und enthält ebenfalls Hinweise zur Bewertung und Deutung dieses Geschehens. Aus apologetischer Perspektive betrachtet Tertullian das Verfolgungsgeschehen und das Leiden der Christinnen und Christen ausführlich im „Apologeticum"9, knapper in „Ad Scapulam". Darüberhinaus finden sich innerhalb seines Werkes sowohl in dogmatischen als auch in den die christliche „disciplina" betreffenden Schriften10 eine Vielzahl

cor. 6,3 (CChr.SL II, 1047,21-23) erwähnt. Von seinen griechischen W e r k e n hat sich aber keines erhalten. Zu den verlorengegangenen Schriften vgl. die in C C h r . S L I, Turnhout 1954, V/VI, aufgeführte Liste sowie Adolf von Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius, Teil 1 : Die Überlieferung und der Bestand, 2. Halbband, Leipzig 195 8 2 , 671-673. 7

Zu den Intentionen von „Scorpiace" und „De fuga in p e r s e c u t i o n e " vgl. Kap. 4.2.1 und 4.4

8

Zu d e m von Tertullian in De cor. 1,1-3 ( C C h r . S L II, 1039,2-1040,22) geschilderten Vorfall vgl. Kap. 2, mit A n m . 35-37. 9 Knappe Hinweise z u m Verständnis des V e r f o l g u n g s g e s c h e h e n s enthalten auch die zwei Bücher „Ad nationes". Da sie aber weitgehend eine vorläufige „ K u r z f a s s u n g " des im „Apologetic u m " Ausgeführten darstellen, werden sie dort jeweils mit angeführt. 10

Die Schwierigkeit einer Kategorisierung der Schriften Tertullians spiegelt sich deutlich in der Literatur wider. So unterteilen z.B. Berthold Altaner/ Alfred Stuiber, Patrologie - Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg/Basel/Wien 1966 7 , 148-160, in I. Apologetische Schriften, II. Dogmatisch-polemische Schriften, III. Praktisch-aszetische Schriften. Unter denen, die sie der dritten Abteilung zugeordnet haben, finden sich aber ebenfalls einige mit deutlich polemischer Tendenz. In ähnlicher Weise zeigt sich dieses Problem bei Fabio Ruggiero, De corona. Introduzione, testo, traduzione e note, Mailand 1992, X X X I f , der zwischen „genere apologetico", „genere sacramentale", „genere parenetico" und „genere antiereticale" unterscheidet. Von den von ihm unter dem „genere parenetico" eingeordneten Schriften ist z.B. „Scorpiace" auch antihäretisch ausgerichtet. Auf Grund dieser Schwierigkeit wird in der vorliegenden Arbeit zuerst nur unter-

12

Die Quellenlage

von Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf sein Verständnis von Verfolgung und Martyriumsleiden ziehen lassen, auch wenn es in den Kontexten nicht eigentlich um dieses Thema, sondern um andere Fragestellungen geht. Solche Äußerungen finden sich in „De praescriptione haereticorum", „De spectaculis", „De oratione", „De baptismo", „De patientia", „De paenitentia", „De cultu feminarum", „Ad uxorem", „Adversus Marcionem", „Adversus Valentinianos", „De anima", „De resurrectione carnis", „Adversus Praxean", „De ieiunio" und „De pudicitia"." Auch wenn es sich hierbei zum Teil nur um kurze Bemerkungen oder beiläufige Hinweise handelt, so weist dieser Überblick doch darauf hin, daß die Beschäftigung mit dem Leiden der Christinnen und Christen in der Verfolgung für Tertullian nicht nur in den direkt diesem Thema gewidmeten Schriften ein zentrales Anliegen darstellt, sondern ein darüberhinausgehendes vitales Interesse und eine Konstante in seiner Deutung christlicher Wirklichkeitserfahrung.12 Die Einordnung dieser Thematik in auf andere Fragestellungen ausgerichtete Kontexte zeigt dabei aber auch deutlich, daß Tertullian sie in den Dienst nimmt, um verschiedene dogmatische oder moralische Zielsetzungen zu verfolgen und argumentativ zu untermauern. Die Frage des christlichen Leidens stellt dabei fur ihn immer

schieden zwischen apologetischen Schriften, die sich zumindest der Intention nach an die Heiden richten, und im weitesten Sinne innerkirchlich ausgerichteten Werken (einschließlich der Auseinandersetzung mit für Tertullian häretischen Auffassungen); innerhalb dieser kann noch differenziert werden zwischen den Schriften, die sich auf Inhalte der christlichen Lehre beziehen, und denen, die primär praktische Fragen der konkreten Verwirklichung des Christentums in Gestalt der Sakramente oder der Moral, d.h. der „disciplina", im Blick haben (zu dem Verständnis von „disciplina" bei Tertullian vgl. Kap. 4.3.1, Anm. 228). Weitere Überlegungen zu Charakter und Ausrichtung einer Schrift finden sich dann jeweils in den betreffenden Zusammenhängen innerhalb der Arbeit. " Die Aufzählung folgt der im CChr.SL vorgegebenen relativen Chronologie der Schriften Tertullians (vgl. „Tabula chronologica", in: CChr.SL II, Turnhout 1954, 1627f). Trotz anhaltender Forschungsbemühungen um zeitliche Einordnungen seiner Werke bleibt die Chronologie aber in vielen Teilen ungeklärt. Dies zeigt sich deutlich an den differierenden Vorschlägen zu Reihenfolge und Datierung der Schriften Tertullians in der Literatur: Vgl. z.B. Monceaux, Histoire, 208f; Heinrich Karpp, Schrift und Geist bei Tertullian, Gütersloh 1955, 9; Timothy David Bames, Tertullian - A Historical and Literary Study, Oxford 1971, 55; Jean-Claude Fredouille, Tertullien et la conversion de la culture antique, Paris 1972, 487f, sowie René Braun, Deus Christianorum. Recherches sur le vocabulaire doctrinal de Tertullien, Paris 19772, 563-577, der zusätzlich zu seinen Datierungen jeweils die Datierungs vorschläge der älteren Forschung seit E. Noeldechen, Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians, Leipzig 1888, aufführt. 12 Angesichts der drei ausschließlich der Martyriumsthematik gewidmeten Schriften und der Vielzahl von entsprechenden Passagen in einem Großteil seiner weiteren Werke bleibt es unklar, warum Saxer, Ursprünge, 2, lediglich von „gelegentlichen Äußerungen (Tertullians) über das Martyrium" spricht. Ebensowenig ist nachvollziehbar, warum er die Bedeutung der Martyriumstheologie Tertullians reduziert, indem er von einer „Art Theologie des Martyriums" spricht, die aber nicht „systematisch" sei.

Hinweise zum Forschungsstand

13

wieder einen, Angelpunkt" in der Bewertung abweichender Auffassungen innerhalb der Lehre oder der Sittlichkeit und Moral dar.

1.2 Hinweise zum Forschungsstand Die große Bedeutung der Martyriumsthematik innerhalb des Wirkens Tertullians ist zuweilen auch in der Literatur explizit betont worden13; dennoch, und obwohl sowohl die theologische Deutung des Martyriums in der Alten Kirche als auch Theologie und Werk Tertullians Gegenstände eingehender Forschung im deutschen, angelsächsischen sowie im romanischen Sprachraum bilden14, stellt eine

13 So hebt Claude Rambaux, Tertullien face aux morales des trois premiers siècles, Paris 1979, 406, hervor: „Tertullien a été vraiment obsédé toute sa vie par le martyre." Gerald Lewis Bray, Holiness and the Will of God - Perspectives on the Theology of Tertullian, Atlanta (1979), 44, spricht von „Tertullian's concentration on martyrdom as a phenomenom", die allerdings in einem unproportionalen Verhältnis zur tatsächlichen Erfahrung von Martyrien in seiner Zeit und in seinem Umfeld gestanden habe. Die von Bray gebotene Erklärung dieser Diskrepanz, daß Tertullian mit der Frage nach dem christlichen Martyrium ein Thema aufgegriffen habe, daß zu diesem Zeitpunkt bereits „a stock theme of Christian literature" geworden sei, greift aber zu kurz und läßt die verschiedenen Intentionen seines Wirkens, in deren Zusammenhänge das Thema „Martyrium" gestellt wird, unberücksichtigt. Deutlich herausgestellt hat auch Claudio Moreschini, Aspetti della dottrina del martirio in Tertulliano, in: Comp 35 (1990), 56, die Bedeutung dieses Themas ftir Tertullians gesamtes Denken: „Con Tertulliano,..., la concezione del martirio è assai importante ed è penetrata profondamente nelle strutture delle sue concezioni e delle sue convinzioni etiche e religiose." 14 Zwar ist seit der grundlegenden Darstellung von Hans von Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche, Göttingen 1936 (2. durchgesehene und ergänzte Auflage 1964), bis heute kein Versuch mehr unternommen worden, einen Überblick über die gesamte Entwicklung der altkirchlichen Martyriumstheologie zu geben, aber es finden sich gerade in der jüngeren Zeit etliche Veröffentlichungen zu einzelnen Zeitabschnitten innerhalb dieser Entwicklung, zur Martyrologie verschiedener Kirchenväter oder zu thematischen Aspekten der Martyriumstheologie. Den Beginn der christlichen Martyrologie bis ins 2. Jhdt. einschließlich seiner Verwurzelung in der jüdischen Märtyrertheologie hat eingehend dargestellt Theofried Baumeister, Die Anfänge der Theologie des Martyriums, Münster 1980, eine Quellenzusammenstellung, die die Entwicklung bis ins 4. Jhdt. dokumentiert, bietet Ders., Genese und Entfaltung der altkirchlichen Theologie des Martyriums (Traditio Christiana VIII), Bern/Berlin/Frankftirt/New York/Paris/ Wien 1991. Die von Arthur J. Droge/ James D. Tabor, A Noble Death. Suicide and Martyrdom among Christians and Jews in Antiquity, San Francisco 1992, 129, betonte Tatsache, daß das christliche Martyrium „one of the most fascinating and most studied aspects of early Christianity" darstelle, illustrieren fur die jüngere Literatur die von Jan den Boeft und Jan Bremmer seit 1981 in unregelmäßigen Abständen veröffentlichten „Notiunculae Martyrologicae" in „Vigiliae Christianae". Die Literatur zu dem Werk Tertullians, zu Aspekten seiner Theologie, zu Fragen seines Sprachgebrauchs und der durch ihn geprägten lateinischen theologischen Begrifflichkeit sowie zu Problemen seiner weitgehend unbekannten Biographie füllt Regale. Für einen Überblick zur Forschungsgeschichte seit dem Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Tertullian in der Neuzeit bei August Neander vgl. Bray,

14

Hinweise zum Forschungsstand

umfassende monographische Darstellung der in seinem Werk zutagetretenden Deutung des christlichen Leidens in der Verfolgung noch ein Desiderat dar. Bislang ist die Frage der Martyriumstheologie Tertullians lediglich entweder als ein Teilaspekt innerhalb der Literatur zur Theologie bzw. zur Ethik Tertullians oder aber im Rahmen übergreifender Veröffentlichungen zum altkirchlichen Verständnis des Martyriums aufgegriffen worden; darüberhinaus spielt sie eine Rolle in den Untersuchungen zu sprachlichen Entwicklungen innerhalb der christlichen Latinität, in denen auch die martyrologische Terminologie Tertullians betrachtet worden ist. Im folgenden soll ein Überblick über Darstellungen gegeben werden, in denen seit dem Ende des letzten Jahrhunderts die Frage der Deutung christlichen Leidens bei Tertullian aufgegriffen worden ist. Dabei ist keine Vollständigkeit intendiert, sondern vielmehr der Aufweis unterschiedlicher Fragehorizonte und differierender Skopoi in der Charakterisierung der tertullianischen Martyrologie. Knappe Hinweise auf Äußerungen Tertullians zum Martyrium finden sich in der 1885 veröffentlichten Ethik Tertullians von Günther LUDWIG.1s Wie sein Zeitgenosse Christoph Ernst LUTHARDT16 stellt auch er als Prinzip der Moral Tertullians den sukzessive in der Natur, im Alten Testament, im Neuen Testament und zuletzt durch den Parakleten geoffenbarten Gotteswillen heraus; die Aufgabe des Menschen bestehe im absoluten Gehorsam gegenüber der Gesetzesforderung Gottes und in der damit verbundenen strikten Trennung von der Welt und den in ihr wirkenden Mächten der Sünde.17 Das Martyrium erscheint als Folge der Verpflichtung der Christen zum Bekenntnis gegenüber der „widergöttlichen Welt" und der strikten Absage an jeden Götzendienst.18 In ähnlicher Weise hat auch Robert E. ROBERTS in seiner 1924 erschienenen Dissertation „The Theology of Tertullian" das Bild einer wesentlich durch die Betonung der Separation der Christen von der sie umgebenden Welt sowie durch die Eschatologie bestimmten Ethik des Afri-

Holiness, 15-42, Hinweise zu lexikalischen Untersuchungen finden sich bei Braun, Deus Christianorum, passim. Für die Literatur der letzten 25 Jahre vgl. die seit 1975 von René Braun, Jean-Claude Fredouille und Pierre Petitmengin veröffentlichten „Chronica Tertullianea et Cyprianea" in „Revue des Etudes Augustiniennes". " Günter Ludwig, Tertullians Ethik, Leipzig 1885. 16 Vgl. Christoph Ernst Luthardt, Geschichte der christlichen Ethik, Bd. 1. Geschichte der christlichen Ethik vor der Reformation, Leipzig 1888,155-161. 17 Ludwig, Ethik, 56. Vgl. Luthardt, Geschichte, 157, der betont, daß Tertullian „allen Accent auf den Gegensatz zur Welt" setze, so daß sich kein „positives Verhältnis des christlichen Geistes zum Weltleben" abzeichne. Hierin sieht er die Gefahr des Sektentums begründet. " Ludwig, Ethik, 74: „In allen Lebensverhältnissen muß sich der Christ der widergöttlichen Welt gegenüber offen als Christ bekennen. Verstellt und verleugnet er sich jedoch, so wird er bei jeder Sache als Heide angesehen und fällt dem Götzendienste anheim, weil jede Verleugnung Götzendienst ist, wie auch jeder Götzendienst eine Verleugnung, sei es in Werken oder in Worten."

Hinweise zum Forschungsstand

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kaners gezeichnet. Diese sei „essentially legal in character"19: Der Forderung Gottes nach Erfüllung seines Willens müsse der Mensch in Glauben und Gehorsam gegenüberstehen, Nichterfüllung führe zur Bestrafung, Erfüllung zum Lohn Gottes.20 Das Martyrium bilde in Tertullians „anti-worldly view of life" den Weg zu höchstem Ruhm.21 Auf Grund fehlender Ausführungen zur materialen Ethik findet sich darüberhinaus bei Roberts aber keine weitere Einordnung des Martyriums in dieses ethische Konzept. Diese bietet hingegen Theodor B R A N D T in seiner 1928 veröffentlichten Ethik Tertullians.22 Als wesentliche Punkte zu ihrem Verständnis hebt er ihren apologetischen bzw. polemischen Charakter hervor, der dazu führe, daß sie den „genauen Zusammenhang mit dem Glaubensgrund verliert, weil sich andere Normen zwischeneingeschoben haben, mit denen man die Gegner zu überwinden hofft." 23 Konkret in bezug auf das Verständnis des Leidens der Christen mündet diese Bewertung in eine Betonung der darin nicht wirklich überwundenen „Gesetzlichkeit", die „keine ganze Gewißheit der Gnade aufkommen" lasse, da der Sieg der Christen im Martyrium letztlich ihr „eigenes Ringen" sei.24 Geht es hier primär um eine systematische Bewertung und Kritik des tertullianischen Konzeptes an Hand des Maßstabs der Bewahrung des Evangeliums, „das darin besteht, daß der Mensch ohne Verdienst allein aus Gnaden zu Christus und Gott kommt"25, durch den konservativen Lutheraner Brandt, so hat Hans von CAMPENHAUSEN in seiner 1936 erschienenen Darstellung „Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche"26 als erster die Martyrologie Tertullians in den Kontext der Entwicklung der

" Robert E. Roberts, The Theology of Tertullian, London 1924, 223. Roberts, Theology, 224-226: „Corresponding to law on the part of God is faith and obedience on the part of man. Faith is no more than the unquestioning acceptance of the contents of the Rule of Faith ... Obedience, too, is the expression ofthat faith, in doing what is commanded and abstaining from what is prohibited ... It (sc. obedience) is an unending compliance with rules, positive and negative... Since God has given a law, man must obey it If he fails he deserves punishment, which he will receive here or hereafter; if he succeeds in doing all that is commanded, and in abstaining from all that is forbidden, he satisfies God, and so obtains the reward of eternity." 21 Roberts, Theology, 220: „In a world that is fast approaching its end, the ordinary sanctions of morality are reinforced, and indeed replaced, by others whose immediacy gives them transcendent importance. Celibacy, asceticism and other-worldliness are emphasized. The world is doomed; separation from it is salvation. Patience is the supreme virtue, martyrdom the greatest glory ... Tertullian found in the Scriptures an ally of great power. He made much of their eschatological teaching, and pressed them into the service of his anti-worldly view." 22 Theodor Brandt, Tertullians Ethik. Zur Erfassung der systematischen Grundanschauung, Gütersloh (1928). 23 Brandt, Ethik, 17. 24 Vgl. Brandt, Ethik, 179f. 25 Brandt, Ethik, 215. 20

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Hinweise zum Forschungsstand

Deutung christlichen Martyriums gestellt und auf dieser Basis ihr Profil erhoben. In seiner auf der grundsätzlichen Abhebung des christlichen Martyriums von der Vorstellung des Glaubenstodes im Judentum basierenden Arbeit27 gelangt aber auch er zu der abwertenden Konsequenz, daß Tertullians Konzept als „gesetzlich" zu charakterisieren sei. Ihm fehle die für die „urchristliche Märtyreridee" entscheidende Auffassung vom Martyrium als eines „lebendigen Zeugnisses im Kampf mit der gegen Christus stehenden, feindlichen Welt". Vielmehr gehe es um „die Erfüllung des göttlichen Gebotes, wie es Gott im alten und neuen Gesetz gegeben hat".2* Da die Märtyrer mit dieser Forderung auf sich selbst zurückgeworfen seien, höre „das Martyrium überhaupt auf, ein im tiefsten Grunde seliges Ereignis zu sein".29 Der Heilige Geist wirke im Martyrium lediglich als „ein Bundesgenosse des Märtyrers in dessen Kampf, an seine menschliche Bemühung und Bewährung ... gebunden"30; insofern sei die Hoffnung Tertullians letztlich auf eine Bewährung und Rettung durch den Menschen selbst ausgerichtet.31 Diese Grundzüge bezeich-

26 Zu dem Ort dieses Werkes innerhalb der Biographie von Campenhausens vgl. Adolf Martin Ritter, Hans von Campenhausen und Adolf von Hamack, in: ZThK 87 (1990), 326-328. 27 Vgl. Campenhausen, Idee, 1.5: „Die Idee des Martyriums und die Vorstellung des Märtyrers sind christlichen Ursprungs ... Jesu Auftreten, Predigt und Tod sind die entscheidende Voraussetzung für die Idee und Wirklichkeit des Martyriums." Gegenüber dieser Abgrenzung hat William H.C. Frend, Martyrdom and Persecution in the Early Church. A Study of a Conflict from the Maccabees to Donatus, Oxford 1965, 31-78, die vielfältigen inneren Zusammenhänge zwischen jüdischer und christlicher Martyriumstheologie herausgearbeitet. Ebenso hat Baumeister, Anfänge, I, nachdrücklich auf die „Verwurzelung der christlichen Märtyreridee in der jüdischen Martyriumsdeutung" hingewiesen, die er an Hand einer ausführlichen Darstellung der Martyrologie des Judentums, wie sie sich u.a. in ÄthHen, Jub, AssMos, den Makkabäer-Büchern und Martles niedergeschlagen hat, aufweist (Baumeister, Anfange, 6-65). Dennoch betont auch er das „Spezifikum der christlichen Märtyreridee", das in der Nachfolge Jesu gründet (Baumeister, Anfange, 4f). 21 Campenhausen, Idee, 120. Die „Gesetzlichkeit" Tertullians hat von Campenhausen auch in dem Abschlußsatz seiner biographischen Skizze in: Ders., Lateinische Kirchenväter, Stuttgart/ Berlin/ Köln/Mainz 19835, 35f, betont: „... (Tertullian) ist in allem doch mehr ein Christ des Alten als des Neuen Testamentes geblieben; er ist, theologisch geurteilt, beinahe ein Jude." Die letzten Worte des Zitates fehlen bezeichnenderweise in dem Abdruck dieses Abschnittes in Martin Greschat (Hg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 1 (Alte Kirche), Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1984, 119. 29 Campenhausen, Idee, 122. 30 Campenhausen, Idee, 122. 31 Campenhausen, Idee, 123: „Gewiß kann das Verhältnis zwischen Gottes und menschlicher Treue auch im Sinn des Neuen Testaments nur dialektisch entwickelt werden, aber hier handelt es sich nicht darum, sondern einfach um eine Koordination, die damit praktisch dem Menschen das letzte Wort gibt. Christus und der Geist sind für Tertullian nicht das unbedingte Ende aller menschlichen Möglichkeiten. Vielmehr geht Tertullian, paulinisch gesprochen, noch durchaus den Weg des „Gesetzes", indem er im Gehorsam gegen die Gebote und im Vertrauen auf Gottes Allmacht und wunderbaren Beistand sich zuletzt doch selbst zu bewähren und zu erretten hofft."

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neten nach von Campenhausen die „Schwäche" der martyrologischen Konzeption Tertullians.32 In deutlicher Abhängigkeit von von Campenhausen hat 1956 Antonius VERMEULEN innerhalb seiner Darstellung zur semantischen Entwicklung des Begriffs „gloria" in der christlichen Latinität eine kurze Charakterisierung der Martyriumstheologie Tertullians gegeben33 und dabei ebenfalls das Zurücktreten des Zeugnis-Aspektes betont. Das Martyrium sei vielmehr zu verstehen als „serious obligation imposed upon the Christian by God".34 Bei aller Unterschiedlichkeit in Ansatz und Fragestellung zeigt sich bei den bislang aufgeführten Veröffentlichungen doch insofern eine Konstante, als die „Gesetzlichkeit" Tertullians in der Einschärfung seiner ethischen Forderungen und speziell des Martyriums herausgestellt und er - außer bei Vermeulen - auf der Basis unterschiedlicher Kriterien einer entsprechenden Kritik unterzogen wird. Die methodische Problematik dieser Darstellungen besteht darin, daß die Äußerungen Tertullians zum christlichen Leiden nicht in ihre jeweiligen literarischen und argumentativen Kontexte eingeordnet und entsprechend differenziert, sondern als systematisiertes Gesamtbild dargeboten werden. Unabhängig davon sind mit der Betonung der Gehorsamsforderung Gottes als Grundlage der Forderung nach dem Martyrium, dem - bei von Campenhausen herausgestellten - Zurücktreten der Christusbeziehung und der geringen Betonung der „Göttlichkeit" des Martyriumsereignisses wesentliche Punkte benannt, die in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen und überprüft werden. Die zuletzt erwähnten Ausführungen Vermeulens gehören in den Zusammenhang der Arbeit der von J. SCHRIJNEN begründeten Nimwegener Schule, die sich der Erforschung des altchristlichen Lateins in seinem Charakter als Sondersprache gewidmet hat. Als erster lateinischer Schriftsteller, dessen Werk zu einem Großteil überliefert ist, hat Tertullian eine zentrale Rolle für diese Forschungsrichtung gespielt35, wobei auch die Frage seiner martyrologischen Terminologie in den Blick genommen worden ist. So findet sich bereits in der Darstellung „Sprachlicher Bedeutungswandel bei Tertullian" von Stephan TEEUWEN aus dem Jahr 1 9 2 6 eine

32

Campenhausen, Idee, 120.

33

Antonius Johannes Vermeulen, The Semantic Development of Gloria in Early Christian Latin, Nimwegen 1956, 58-64. " Vermeulen, Development, 60. 35

Vgl. die Bemerkung bei Robert Dick Sider, Approaches to Tertullian: A Study of recent Scholarship, in: SecCent 2 (1982), 238: „Tertullian was, of course, central in the Nijmegen School: convinced that the primitive community was the creative force in developing a special language of Christians, the school assigned to Tertullian the role of „first witness" to a language already in the process of formation."

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ausführliche Untersuchung der Verwendung der Begriffe „confiteri", „confessor" und „martyr" bei Tertullian.36 Methodische Kritik an dieser Darstellung hat 1961 Henricus HOPPENBROUWERS geübt, der in seinen „Recherches sur la terminologie du martyre de Tertullien á Lactance" wesentlich stärker den jeweiligen literarischen und historischen Kontext der Verwendung eines Begriffs in den Blick nimmt. Im Unterschied zu Teeuwen ergibt sich für ihn aus dieser Prämisse, daß sich mit einem Terminus in verschiedenen Zusammenhängen auch eine differierende Vorstellung verbinden kann.37 Im Bereich der lexikalischen und semantischen Untersuchungen war damit der Weg für eine Erfassung und Darstellung der Martyriumstheologie Tertullians in ihren jeweiligen literarischen und historischen Zusammenhängen bereitet. Ein Verständnis der tertullianischen Martyriumstheologie als eines maßgeblich durch den Montanismus beeinflußten Konzeptes hat im Jahr 1940 Johannes KLEIN in seiner Darstellung „Tertullian - Christliches Bewußtsein und sittliche Forderungen" geboten.38 Unter Aufnahme der These, daß Tertullian der Herausgeber und Redaktor der „Passio Perpetuae et Felicitatis" gewesen sei39, versteht er dessen Martyrologie als eine Art „Kommentar" zu diesen Märtyrerakten.40 Unter ihrem Einfluß habe sich „das christliche Bewußtsein Tertullians ... zu dem System einer Ethik (gesteigert), deren bestimmender Mittelpunkt und krönender Höhepunkt die Forderung des Martyriums ist."41 Damit habe sich seine Ethik zwar an sich an alle Christen gewandt, sei aber letztlich „doch nur die Ethik der Auser-

36

Stephan W.J. Teeuwen, Sprachlicher Bedeutungswandel bei Tertullian. Ein Beitrag zum Studium der christlichen Sondersprache, Paderborn 1926, 80-97. 37

Zur Kritik an Teeuwen vgl. Hoppenbrouwers, Recherches, If.

38

Johannes Klein, Tertullian - Christliches Bewußtsein und sittliche Forderungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Moral und ihrer Systembildung, Düsseldorf 1940. Als Ziel dieser von Joseph Lortz angeregten katholischen Arbeit stellt Klein, Bewußtsein, 14, heraus, „... die ethischen Gedanken und Forderungen Tertullians zu erfassen und in Beziehung zu bringen zu den ihnen zugeordneten Grundanschauungen, die ihrerseits in ihrem Zusammenhang mit seinem allgemeinen religiös-sittlichen Bewußtsein und dessen durch zeit-räumliche und personale Situation bedingten Wandlungen aufzuzeigen sind." Mit dieser Betonung des Wandels richtet er sich gegen protestantische Kritik, die die spätere Kirche im allgemeinen an dem Maßstab der Frühzeit mißt und den „abgrundtiefen Graben", der sie von der Zeit der Apostel trenne (vgl. Brandt, Ethik, 16), betont, sowie gegen eine entsprechende Abwertung Tertullians im besonderen. 39 40

Klein, Bewußtsein, 274. Zu dieser These und ihrer Kritik vgl. Kap. 4.3.2, Anm. 280.

Der entsprechende Abschnitt bei Klein, Bewußtsein, 274-313, ist betitelt: „Die Auswirkung der in der Passio Perpetuae geschilderten Geschehnisse auf das christliche Bewußtsein Tertullians und seine Hinneigung zum Montanismus (Tertulllians theologische Ethik des Martyriums als Kommentar zur Passio Perpetuae)." 41 Klein, Bewußtsein, 311.

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wählten, ..., die Ethik der Märtyrer" gewesen.42 Ebenfalls eine zentrale Rolle in der Ausprägung der tertullianischen Martyrologie hat 25 Jahre später auch William H.C. FREND dem Montanismus zugewiesen. In „Martyrdom and Persecution in the Early Church" charakterisiert er die sich in Tertullians Schriften widerspiegelnde Stimmung als durch „radical apocalypticism" und „provocation of persecution and joyful voluntary martyrdom" bestimmt43; im Zuge seiner Konversion zum Montanismus hätten sich diese Themen zunehmend in alle Bereiche der tertullianischen Theologie ausgebreitet.44 Beide Darstellungen enthalten problematische Aspekte, unter denen insbesondere die Schlüsselfunktion der durchaus fragwürdigen Herausgeberschaft der „Passio Perpetuae" durch Tertullian bei Klein sowie die von Frend herausgestellte Bedeutung der seiner Auffassung nach mit dem Montanismus verbundenden eschatologischen Spannung für Tertullians Martyrologie45 zu nennen sind. Für die Untersuchung der Martyriumstheologie Tertullians geben sie aber die Frage nach der Rolle der von der „Neuen Prophetie" ausgehenden Einflüsse auf deren Ausformung mit auf den Weg. Einen Einschnitt in der Beschäftigung mit Tertullian stellte die 1971 erschienene Arbeit „Tertullian - A Historical and Literary Study" von Timothy D. BARNES dar. Wirken und Werk Tertullians werden in das ausführlich beschriebene historische und literarische Umfeld eingezeichnet bzw. auch aus diesem rekonstruiert.46 Für die Darstellung seiner Auffassung des christlichen Martyriumsleidens bedeutet dieser Ansatz, daß die Aussagen Tertullians zum Martyrium in ihrem literarischen Kontext beleuchtet und mit der Argumentation der jeweiligen Gegner bzw. der

42

Klein, Bewußtsein, 312.

43

Frend, Martyrdom, 361.

44

Frend, Martyrdom, 370: „If we move on to his (sc. Tertullians) transition to Montanism from 205-208 we find martyrdom and Divine judgement continuing to enter every aspect of his theology." 45

Auch in seinem Artikel „Montanismus" in: TRE XXIII (1994), 275, hat Frend diesen Zusammenhang hervorgehoben: Der Montanismus machte den Christen „angesichts des näherkommenden Endes ihre gesteigerten Verpflichtungen insbesondere im Blick auf das Martyrium bewußt... Darin lag fur Tertullian seine wesentliche Anziehungskraft." 46 Zur Kritik an Barnes vgl. René Braun, Un nouveau Tertullien: problèmes de biographie et de chronologie, in: REL 50 (1972), 67-84, der aber trotz einzelner Hinweise auf problematische Rekonstruktionen, z.B. im Bereich der Chronologie der Schriften Tertullians, der Darstellung grundsätzlich anerkennend gegenübersteht: „Sur ces substructures s'édifie une présentation documentée et vivante de ce qu'on pourrait appeler ,Tertullien dans son milieu et dans son temps'." Negativ äußert sich hingegen Bray, Holiness, 30f, zu Barnes' Darstellung, die mehr „a possible reconstruction ... than a documented history" darstelle. Barnes habe darüberhinaus Tertullians Schriften lediglich als „Steinbruch" verwendet, um aus den gesammelten Informationen „a framework of his own design" aufzubauen. Hinweise auf Tertullians Wirken könnten ausschließlich aus seinen Schriften entnommen, sein Denken nur aus deren innerer Struktur erhoben werden.

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angesprochenen Adressaten in Verbindung gebracht werden. 47 In enger Anlehnung an Barnes haben 1992 Arthur J. D r o g e und James D. TABOR in ihrer Darstellung „A Noble Death. Suicide and Martyrdom among Christians and Jews" die Martyriumstheologie Tertullians skizziert. Wie bei Barnes bleibt aber auch in ihren kurzen Ausführungen „Ad martyras" weitgehend unberücksichtigt 48 , die Deutung des Martyriums wird im wesentlichen auf der Grundlage von „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" erhoben; ein Schwerpunkt liegt entsprechend auf der Bewertung der Flucht in der Verfolgung durch Tertullian. Übereinstimmend ist in beiden Veröffentlichungen - im Unterschied zu den oben erwähnten Darstellungen von Klein und Frend - die Unabhängigkeit der Argumentation Tertullians von seinen montanistischen Überzeugungen hervorgehoben worden. 49 Am konsequentesten durchgeführt worden ist die Interpretation der einzelnen Aussagen Tertullians zum christlichen Leiden innerhalb ihres literarischen Kontextes von Christel

BUTTERWECK

in ihrer 1995 erschienenen Studie zu der Frage

einer „Martyriumssucht" in der Alten Kirche.50 Unter der Leitfrage nach Funktion und Gestalt der Behauptung christlicher Todesbereitschaft innerhalb unterschiedlicher literarischer Zusammenhänge untersucht sie auch die Rolle dieses Motivs in den auf diese Thematik bezogenen Schriften Tertullians. Dieser greife in erster Linie in den Kontexten auf die Betonung der Martyriumsbereitschaft zurück, wo es ihm entweder um eine Argumentation gegen die Verfolgung seitens der Heiden oder um Abgrenzung gegenüber divergierenden Auffassungen innerhalb der Kirche oder gegenüber Häretikern gehe, d.h. in apologetischen oder in polemischen Zusammenhängen. 51 In letzteren spreche er gegenüber den Gnostikem vom Martyrium, „wo das Wesen und die Autorität Gottes, das Bekenntnis zu Christus und die Schriftauslegung auf dem Spiel" stünden 52 , gegenüber den Katholiken, wo die Gestalt der Praktizierung der „den Gläubigen von Gott geschenkte(n) Freiheit im Alltag" in Frage stehe. 53 Zwar beinhaltet insbesondere die Funktion der Martyriumsthematik innerhalb der antignostischen Auseinandersetzung Tertullians noch weitere Aspekte, grundsätzlich ist aber die bei Butterweck zu findende Herausstel-

47

Barnes, Tertullian, 163-186.

48

Barnes untersucht „Ad martyras" in bezug auf die Frage nach den von Tertullian darin ver-

arbeiteten literarischen Genera (Tertullian, 225-228), nicht aber im Blick auf die darin zutagetretende Deutung des christlichen Leidens in der Verfolgung. 49

Barnes, Tertullian, 183; Droge/Tabor, Death, 148.

50

Christel Butterweck, „Martyriumssucht" in der Alten Kirche ? Studien zur Darstellung und

Deutung christlicher Martyrien, Tübingen (1995). 51

Vgl. Butterweck, Martyriumssucht, 46-62.

52

Butterweck, Martyriumssucht, 51.

53

Butterweck, Martyriumssucht, 58.

Hinweise zum Forschungsstand

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lung der primären „Sitze im Leben" dieses Themas in apologetischen sowie besonders in polemischen Kontexten zentral fur das Verständnis des Charakters der Martyriumstheologie Tertullians. Wieder auf die systematische Frage der Charakterisierung der Ethik Tertullians im Sinne eines „gesetzlichen" Konzeptes sind von unterschiedlichen Ansätzen aus zwei neuere Untersuchungen aus Schweden und den USA zurückgekommen, von denen die erstere sich allerdings nicht auf die Frage des Martyriums bezieht. Sie wird hier aber deshalb erwähnt, weil es in ihr um die grundsätzliche Charakterisierung der tertullianischen Ethik und des ihr zugrundeliegenden Verhältnisses zwischen Gott und Mensch geht. Die 1984 erschienene Dissertation von Gösta HALLONSTEN, „Satisfactio bei Tertullian", ist der Kritik der Forschungstradition, die in Tertullian den „Vertreter einer Satisfaktions- und Verdienstlehre" sieht, gewidmet.54 Auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung der Verwendung der Begriffe „satisfactio" und „satisfacere" bei Tertullian, speziell in „De paenitentia", kommt er zu dem Schluß, daß diese wohl etwas mit „Gehorsam und dem Befolgen einer kirchlichen Disziplin" zu tun hätten, sie aber kein Anspruchs- oder Rechtsverhältnis gegenüber Gott bezeichneten.55 Diese Konsequenz seiner Untersuchung bezieht sich auf die Frage des zwischen Gott und Menschen stattfindenden Geschehens in der Buße, in der es Tertullian nicht um eine vom Menschen ausgehende Genugtuung und einen daraus resultierenden Anspruch auf Versöhnung gehe, sondern um ein von Gott aus ergehendes Angebot.56 Für die von Hallonsten nicht in den Blick genommene Frage nach dem Martyrium als einer möglicherweise „verdienstlichen" Leistung ist der Hinweis auf den prinzipiell von Gott auf Grund seiner Güte in Aussicht gestellten Lohn, auf den der Mensch keinen 54

Gösta Hallonsten, Satisfactio bei Tertullian. Überprüfung einer Forschungstradition, Malmö 1984. Zu dieser Darstellung vgl. auch Gert Haendler, Tertullianforschung in Nordeuropa, in: ThLZ 111 (1986), 4-7. 55 Hallonsten, Satisfactio, 151f. 56 Hallonsten, Satisfactio, 138f: „Die Buße ist eine Initiative Gottes, eine unerwartete Gelegenheit, eine Rettungsplanke ... Der Sprachgebrauch betont ständig das aktive Handeln Gottes: Er tut den ersten Schritt, und es ist Gott und niemand anders, der die Sünden vergibt. Es wird von T(ertullian) nirgendwo behauptet, daß der Mensch nach der Erfüllung der Voraussetzung etwas fordern, einen Anspruch auf venia oder salus erheben kann. Der Mensch bittet, Gott gibt." Die vorlaufende Eröffnung der Heilsmöglichkeit durch Gott, die „Praevalenz der Gnade", hatte auch Stephan Otto, „Natura" und „Dispositio". Untersuchungen zum Naturbegriff und zur Denkform Tertullians, München 1960, 144f, herausgestellt: „Die Voraussetzung dazu, daß wir uns das Heil , verdienen' können, ist die, daß uns der Weg zum Heil bereits geöffnet ist: ,Dem Christen steht erst der Himmel, dann der Weg dorthin offen; es gibt keinen Weg zum Himmel, wenn nicht für den, dem der Himmel bereits geöffnet ist; wenn er diesen Weg betritt, wird er in den Himmel eintreten können' (Scorp. 10)." Er bleibt aber dennoch, wie auch Hallonsten, Satisfactio, 44, in seiner Kritik der Darstellung Ottos betont, bei der Vorstellung einer tertullianischen „Verdienstlehre".

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Hinweise zum Forschungsstand

„Rechtsanspruch" erwerben könne, wesentlich; die von ihm abgelehnte Auffassung des Denkens Tertullians als eines „kompensatorischen Denkens" bleibt fur die Interpretation der tertullianischen Auffassung vom Martyrium aber in dem Sinne von Bedeutung, als letzterer von einer unmittelbaren Korrelation zwischen „Leistung" und „Lohn" ausgeht. Diese ist entscheidend für die singulare Bewertung des Glaubenstodes innerhalb der tertullianischen Ethik. Von einem anderen Ansatz ausgehend hat auch John Osborn GOOCH Kritik an der unwidersprochen vorherrschenden Auffassung der Ethik Tertullians als auf der Vorstellung von Gehorsam und Verdienst basierend geübt. Im Anschluß an Gerald Lewis BRAY 5 7 hat er in seiner 1983 erschienenen Dissertation „The Concept of Holiness in Tertullian" die Bedeutung der von Irenaus übernommenen Rekapitulationstheorie bei Tertullian betont: In Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi sei die durch den Fall verlorengegangene Gleichheit mit Gott wiederhergestellt worden. Die Erlösung, die durch Christus gekommen sei, müsse aber von den Christen in ihrem täglichen Leben realisiert werden; dieses sei also zu verstehen als „a struggle to bring to fullness or completion what is there in essence".58 Die Möglichkeit hierzu erhielten die Christen durch die Taufe und den in ihr verliehenen Geist Gottes. Die Forderung, diesem neuen Status zu entsprechen, bildet für Gooch das Zentrum der tertullianischen Ethik59, wobei bei der Erfüllung dieser Forderung entscheidend sei, daß dem Menschen durch die Erlösung und die Zueignung dieser Erlösung in der Taufe Gottes Gnade vorlaufend zuteil geworden sei. Insofern sei die Erfüllung des Willens Gottes als Gabe Gottes zu verstehen60, als „gift of grace and a response to grace, not the result of one's own efforts at rigtheous living".61 Mit dieser — als Korrektiv gegenüber der bisherigen Forschung zu verstehenden - pointierten Herausstellung der Bedeutung der göttlichen Gnade innerhalb des ethischen Konzeptes Tertullians hat Gooch auf die auch für die Frage des Martyriums wichtige Verknüpfung von Tauftheologie und Ethik aufmerksam gemacht; dennoch bedarf die Rolle des Gnadenhandelns Gottes im Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer einer weiteren Überprüfung.

57

Bray, Holiness, 89f. " John Osborn Gooch, The Concept of Holiness in Tertullian, Saint Louis 1983, 79f. 59 Gooch, Concept, 89. 60 Gooch, Concept, 105: „Christian holiness is a derived holiness, in the sense that it is a gift from God. It is a grace given to Adam and lost in the Fall, but restored to its fullness in the recapitulatio, when the lost likeness to God is restored and joined to the image. Sanctification is conferred in baptism, the sacrament of recapitulation." 61 Gooch, Concept, 79.

Hinweise zum Forschungsstand

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Zu den zahlreichen Arbeiten, die nach dem Verhältnis Tertullians zur römischen Tradition, insbesondere zum Recht, zur Rhetorik und zur Philosophie fragen, gehört auch die 1 9 7 9 erschienene Veröffentlichung von Claude R a m b a u x , der in der Tradition vor allem französischer Forscher steht, die die besondere Rolle der Moral in Tertullians Denken betont haben.62 In seinem eingehenden Vergleich zwischen der Ethik Tertullians und ethischen Aussagen des Neuen Testaments sowie christlicher und besonders auch heidnischer Autoren der ersten drei Jahrhunderte hat dieser auch die Frage des Martyriums in den Blick genommen 63 , sich dabei weitgehend aber auf die Untersuchung von „De fuga in persecutione" beschränkt. Seine Gegenüberstellung des darin ausgeführten Verbotes einer Flucht in der Verfolgung zu Aussagen innerhalb des Neuen Testaments, bei den „orthodoxen" christlichen Schriftstellern und in der heidnischen Philosophie, insbesondere der Stoa, fuhrt zu einer Betonung der Rigorosität und Isoliertheit der tertullianischen Position.64 Insgesamt läuft seine Darstellung auf eine Verurteilung Tertullians hinaus, die jeglicher Differenzierung entbehrt: Dessen vollständiger Bruch mit der Welt und seine Ablehnung aller Freuden des Lebens6S habe darin gegipfelt, daß er seine Mitchristen zum Tod aufgefordert habe als ein Mensch, der „gierig gewesen sei, alles zu zerstören" (assoiffé de tout anéantir).66 Den Forschungsüberblick abschließend, sei zuletzt noch auf zwei Veröffentlichungen aus jüngerer Zeit hingewiesen, die sich wieder deutlich an von Campenhausens Charakterisierung der tertullianischen Martyrologie angelehnt haben. So hat William Carl W e i n r i c h in seiner 1 9 8 1 erschienenen Untersuchung zum Wirken des Heiligen Geistes im Zusammenhang von Martyrium und Verfolgung in

62

Vgl. z.B. Charles Guignebert, Tertullien. Étude sur ses sentiments a l'égard de l'Empire

et de la société civile, Paris 1901, 389: „Les préoccupations morales tiennent dans l'esprit de Tertullien une place presque aussi considérable que les préoccupations religieuses, parce que les prescriptions chrétiennes conduisent, dans la pratique, à des obligations morales et que c'est la morale qui mène l'homme au salut." Monceaux, Histoire, 380, nennt Tertullian „un austère moraliste". In diesem Sinne betontauch Rambaux, Tertullien, 12, die Bedeutung der Moral für Tertullian: „... la morale lui parait tout aussi importante que la théologie." 63

Rambaux, Tertullien, 367-406.

64

Vgl. die bei Rambaux, Tertullien, 391, gegebene Zusammenfassung des Vergleichs: „...

notre auteur parait passablement isolé tant que l'on compare sa position avec celle de Jésus, de l'orthodoxie juive ou chrétienne, et même des principales philosophies de son époque,...". 65

So spricht Rambaux, Tertullien, 395f, von „sa rupture totale avec la vie d'ici-bas", mit der

eine vollständige Verurteilung aller Freuden und Vergnügungen des irdischen Lebens einhergegangen sei: „Le moraliste a toujours condamné rigoureusement tous les plaisiers et toutes les joies du siècle ...". 66

Rambaux, Tertullien, 406. Hallonsten, Satisfactio, 54, hat treffend zu dieser Darstellung

geäußert, daß mit ihr „vermutlich die Art der Forschung ihren unübertreffbaren Höhepunkt erreicht (hat), die mehr darauf aus ist, den Standpunkt Tertullians zu verurteilen, als ihn zu beschreiben."

Anliegen und Aufbau der Darstellung

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der neutestamentlichen und altkirchlichen Literatur betont, daß die Martyriumstheologie Tertullians von einer „ethischen Perspektive" bestimmt sei.67 Das Martyrium sei „essentially the Christian's obedience to the divine command to have no other god before the Creator". Die Gegenwart Christi oder des Heiligen Geistes sei zwar notwendig zur Bewahrung der Standhaftigkeit, aber diese seien nicht als aktiv kämpfend vorgestellt. In diesem Sinne sei der Märtyrer „by and large alone in his martyrdom". 68 Auf von Campenhausen hat sich 1990 auch Claudio MORESCHIN1 in der einzigen speziell dem Thema der Martyriumstheologie Tertullians gewidmeten Veröffentlichung zurückbezogen. In seinem Aufsatz „Aspetti della dottrina del martirio in Tertulliano" hat letzterer die einzelnen Aussagen Tertullians zu dieser Thematik kurz in ihren jeweiligen literarischen und argumentativen Kontext eingeordnet; der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf „Scorpiace" und der in dieser Schrift in den Blick genommenen gnostischen Position.69 In seiner abschließenden Bewertung der Grundlage des christlichen Martyriums bei Tertullian hat Moreschini die von von Campenhausen betonte „Gesetzlichkeit" Tertullians prinzipiell bestätigt, sie aber anders bewertet: In der nicht zu leugnenden „Hinwendung zur Gesetzlichkeit" (inclinazione al legalitarismo) bei diesem sei kein Rückschritt zu sehen, sondern die in der Kirche des Abendlandes verbreitete Auffassung. 70

1.3 Anliegen und Aufbau der Darstellung Die angeführten Veröffentlichungen weisen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen, methodischer Ansätze und Deutungsschwerpunkte hin, unter denen das Verständnis christlichen Martyriumsleidens bei Tertullian betrachtet worden ist. Die nachhaltigsten Impulse für die weitere Forschung bis in die jüngste Zeit sind dabei von Hans von Campenhausen und Timothy D. Barnes ausgegangen. Ihre Bedeutung ebenso wie diejenige anderer genannter Darstellungen

67

William Carl Weinrich, Spirit and Martyrdom - A Study o f the Work of the Holy Spirit in

the Contexts of Persecution and Martyrdom in the N e w Testament and Early Christian Literature, Washington (1981), 266. 68

Weinrich, Spirit, 266. In seiner Rezension der Arbeit Weinrichs in: VigChr 37 (1983),

308-310, hat Theofried Baumeister herausgestellt, daß dieser durch den (von ihm nicht weiter begründeten) Abschluß der Untersuchung mit Tertullian „einen mit diesem Autor beginnenden ,Abfall' von der ursprünglichen Höhe des christlichen Martyriumsverständnisses" suggeriere. 69

Moreschini, Aspetti, 60-68.

70

Moreschini, Aspetti, 69: „Una forma di legalitarismo è innegabile, ma quella era la via

sulla quale si stava avviando la Chiesa occidentale ...".

Anliegen und Aufbau der Darstellung

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zeigt sich auch in der vorliegenden Arbeit - sei es durch die Rezeption von Fragestellungen, Schwerpunktsetzungen und Ergebnissen, wie sie im Forschungsüberblick angeführt worden sind, oder auch durch Abgrenzung. Über die aufgeführten Veröffentlichungen hinausgehend, soll es in ihr aber um einen umfassenderen monographischen Überblick über die in Tertullians Schriften zutagetretende theologische Deutung des christlichen Leidens in der Verfolgungssituation gehen, wobei nicht nur die speziell dieser Thematik gewidmeten Traktate, sondern auch seine weiteren Werke, insbesondere die einleitend genannten, die Quellengrundlage bilden. Als Grundlage für das Verständnis der Martyriumstheologie Tertullians als eines aus seiner Zeit heraus zu deutenden, historischen Phänomens erfolgt zunächst eine Einführung in ihren zeitgeschichtlichen Kontext, der Situation der Christinnen und Christen in Afrika um 200, auf der Basis der aus seinen eigenen Schriften sowie aus weiteren Quellen zu entnehmenden Nachrichten (Kap. 2). Damit werden zugleich die wesentlichen auf die Martyriumsthematik bezogenen Traktate in ihr zeitliches Umfeld eingeordnet. In einem ersten Hauptschritt soll dann nach den von Tertullian zur Deutung des Verfolgungsgeschehens herangezogenen Motiven gefragt, d.h. quasi die „Außenseite" des christlichen Martyriums beleuchtet werden (Kap. 3). Vor dem Hintergrund seiner theologischen Verfolgungsdeutung werden dann in einem zweiten Hauptschritt die zur Interpretation des Martyriums verwendeten Deutungsmuster untersucht und dargestellt, mit Hilfe derer Tertullian das christliche Leiden begründet, die ihm innewohnende Verheißung charakterisiert und seinen Stellenwert innerhalb der Ethik bestimmt (Kap. 4). Geht es in diesem Teil primär um die Bedeutung des Martyriums für den einzelnen Christen oder die einzelne Christin, so betrachtet der dritte Hauptabschnitt gesondert die überindividuelle Bedeutung des Martyriumsleidens und nimmt die Frage des bei Tertullian zutagetretenden Verständnisses des Martyriums im Kontext der christlichen Gemeinschaft, seines ekklesiologischen Bezuges, in den Blick (Kap. 5). Innerhalb der Darstellung der einzelnen Motive der Martyriumsdeutung werden die Einzelaussagen in ihren jeweiligen literarischen und argumentativen Kontext eingeordnet, so daß sich der Zusammenhang zwischen der Intention eines Textes und der jeweils spezifischen Aufnahme eines Motivs bzw. dem Vorkommen eines Deutungsmusters überhaupt zeigt. Damit verfolgt die Arbeit ein zweifaches Ziel: Zum einen die Erhebung des Bestandes der von Tertullian zur Deutung von Verfolgung und Martyrium herangezogenen Motive und damit verbunden die Herausarbeitung von Grundstrukturen und -tendenzen innerhalb seiner Martyrologie, zum anderen eine Differenzierung der Aufnahme dieser Motive nach literarischen und argumentativen Zusammenhängen und ihrer jeweiligen durch die

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Anliegen und Aufbau der Darstellung

Argumentationsrichtung bedingten Gestalt und Funktion. Letzteres bedeutet, daß die Theologie des Martyriums bei Tertullian als Konzept mit durchaus unterschiedlichen Akzent- und Schwerpunktsetzungen betrachtet wird, mit denen dieser auf verschiedene theologische Herausforderungen im Bereich von Lehre und Moral reagiert. Darüberhinaus soll die im Forschungsüberblick angedeutete Frage nach der Bedeutung der „Neuen Prophetie" für die Ausformung seiner Martyrologie in den Blick genommen werden, ohne daß hierauf aber das Hauptaugenmerk liegt. Die Untersuchung der bei Tertullian vorliegenden Martyrologie erfolgte in stetem Vergleich mit der martyriumstheologischen Konzeption seines karthagischen „Nachfolgers" Cyprian. Zwar finden sich in der Literatur zuweilen kurze Gegenüberstellungen zwischen Äußerungen Tertullians und denjenigen anderer Kirchenväter zu dieser Thematik, aber bevorzugt wird dort auf seinen Zeitgenossen Clemens von Alexandrien verwiesen71, dessen auf eine Spiritualisierung des Martyriums hinauslaufendes Konzept72 eine deutliche Kontrastierung erlaubt. Ein eingehender Vergleich zwischen Tertullians Martyriumstheologie mit der zwar ein halbes Jahrhundert später ausgeformten, aber in der gleichen geographischen Region angesiedelten und entsprechend durch gemeinsame Traditionsströme sowie durch literarische Abhängigkeit73 verbundenen Martyrologie Cyprians ist hingegen in der Literatur noch nicht durchgeführt worden, obwohl die neben vielen Gemeinsamkeiten in den verwendeten Motiven bestehenden grundsätzlichen Differenzen 71 Vgl. z.B. Campenhausen, Idee, 119: „Der Abstand von Klemens und seiner heroisierenden Martyrologie ist überall (sc. bei Tertullian) deutlich"; Droge/Tabor, Death, 144: „Tertullian stands in sharp contrast to his Alexandrian contemporary." Barnes, Tertullian, 168-171, stellt die Position Tertullians derjenigen des Petrus von Alexandrien gegenüber, der zu Beginn des 4. Jhdts. die Flucht gutheißt und die Selbstauslieferung ablehnt. 72 Zu Clemens' Konzept, daß der „wahre Gnostiker", der sich durch ein Leben in „imitatio" auszeichnet, der sich selbst in der Gewalt hat, geduldig ist, gerecht lebt, seine Leidenschaften beherrscht und anderen gegenüber mildtätig ist, kurz: nach den Geboten Gottes lebt, als „Märtyrer" anzusehen ist (Clem.AI., Strom. II, 19), vgl. Edward E. Malone, The Monk and the Martyr - The Monk as the Successor of the Martyr, Washington 1950, 8-14. Mit dieser Ausweitung hat Clemens ein ethisches Ideal postuliert, das prinzipiell allen Christen zugänglich ist, nicht nur einigen Auserwählten: „Martyrdom as an ideal of perfection had suffered from the defect - so to speak - of being the portion of only those to whom God granted it as a special grace." (Malone, Monk, 10) 73 Nach Hieron., De vir.ill. 53, hat Cyprian täglich nach den Schriften seines „magister" Tertullian verlangt. Der Bezug Cyprians auf die Werke seines Vorgängers ist in der Literatur vielfach hervorgehoben worden und bestätigt sich sowohl im Blick auf den Aufbau als auch auf den Inhalt mehrerer seiner Traktate. Entgegen der vielfach zu findenden Behauptung der prinzipiellen Uneigenständigkeit Cyprians in theologischer Hinsicht (vgl. exemplarisch die bei Johannes Quasten, Patrology, Vol. II, The Ante-Nicene Literature after Irenaus, Utrecht 1953, 340, zu findende Aussage, „... as a theologian Cyprian is entirely dependent on Tertullian.") zeigt sich aber gerade in der Martyriumstheologie eine deutliche theologische Eigenständigkeit.

Anliegen und A u f b a u der Darstellung

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zwischen beiden Konzepten unter anderem deutliche Rückschlüsse auf die unmittelbare Abhängigkeit zwischen historischer Situation einerseits und Gestalt und Ausformung der Martyrologie andererseits erlauben. Da es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, die gesamte Darstellung der Martyriumstheologie Cyprians derjenigen Tertullians gegenüberzustellen, soll lediglich in einem abschließenden Ausblick auf die Grundzüge der Martyrologie Cyprians hingewiesen werden, in denen der Unterschied zwischen ihm und seinem Vorgänger in der Deutung und Wertung christlichen Leidens deutlich hervortritt (Kap. 6). Diese Gegenüberstellung erfolgt unter der Leitfrage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" - „Fordert Gott das Blut des Menschen?". Cyprian hat etwa fiinzig Jahre, nachdem Tertullian diese Frage in „Scorpiace" von seinen gnostischen Gegnern übernommen und in seinem Sinne beantwortet hat, ebenfalls eine Antwort auf diese Frage formuliert, die sich aber in signifikanter Weise von derjenigen Tertullians unterscheidet. Beide Antworten, die Bejahung bei Tertullian, die eine von Gott ausgehende „ Notwendigkeit des Leidens " behauptet, wie auch die Verneinung bei Cyprian, stellen durch die jeweilige Intention bedingte und herausgeforderte „Spitzensätze" innerhalb ihrer martyrologischen Konzepte dar. Dennoch sind sie geeignet, eine grundsätzliche, den Stellenwert des Martyriums innerhalb der Ethik betreffende, Differenz dieser Konzepte „in nuce" zusammenzufassen. Dieser Ausblick auf die „Antwort" Cyprians soll sowohl zu einer abschließenden Profilierung des Konzeptes Tertullians auf dem Wege der Kontrastierung beitragen als auch auf die Weiterentwicklung der afrikanischen Martyriumstheologie vorausweisen.

2. Der historische Kontext: Rom und die afrikanische Christenheit um 200 Als Tertullian in den 90er Jahren des 2. Jahrhunderts anläßlich einer Verfolgungssituation mit seiner literarischen Tätigkeit beginnt1, hat die afrikanische Christenheit bereits eine längere Geschichte hinter sich2, deren Konturen allerdings auf Grund der mangelnden literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse für die Zeit des 1. und 2. Jahrhunderts undeutlich bleiben.3 Sicher ist aber, daß es bereits in der Zeit vor Tertullian zu Konfrontationen zwischen afrikanischen Christen und ihrer heidnischen Umwelt gekommen war. Hierfür legt das erste überlieferte literarische Dokument der afrikanischen Christenheit - die „Acta Scillitanorum" - beredtes Zeugnis ab. Diese Märtyrerakten berichten von einem Prozeß gegen drei Frauen und drei Männer vor dem karthagischen Prokonsul Saturninus im Jahr 180. Auf Grund ihres Bekenntnisses „Christianus sum"4 wurden sie sowie wahrscheinlich sechs weitere Christinnen und Christen5 zum Tod durch das Schwert verurteilt. Unter der Voraussetzung, daß der von Tertullian in „Ad Scapulam" erwähnte Vigellius Saturninus mit dem in den „Acta Scillitanorum" genannten Prokonsul identisch ist, handelte es sich hierbei um die ersten in Africa proconsularis über Christinnen und Christen verhängten Todesstrafen:

' Hier wird vorausgesetzt, daß die Reihe der uns überkommenen tertullianischen Werke im Jahr 197 mit der an inhaftierte Christen gerichteten Exhortationsschrift „Ad martyras" sowie mit dem „Apologeticum" einsetzt. Zu dieser Einschätzung vgl. Anm. 12.14. 2 Vgl. Alfred Schindler, Art. Afrika I, in: TRE I (1977), 642. 3 Insbesondere die Ursprünge des afrikanischen Christentums bilden eines der größten „missing links" der Kirchengeschichte. Vgl. Frend, Martyrdom, 361. Zu der Frage nach den Anfängen des afrikanischen Christentums vgl. W. Telfer, The Origins of Christianity in Africa, in: StPatr 4 (1961), 512-517; René Braun, Aux origines de la Chrétienté d'Afrique: un homme de combat, Tertullien, in: BAGB 1965/2, 189-191; Gilles Quispel, African Christianity before Minucius Felix and Tertullian, in: Jan den Boeft (Hg.), Actus. Studies in Honour of H.L. W. Nelson, Utrecht 1982, 257335. Daß sich das afrikanische Christentum zum Ende des 2. Jhdts. von der Stadt bereits auf das Land ausgebreitet hatte, belegen die „Akten der Scillitanischen Märtyrer". Darüberhinaus bezeugt eine bei Cypr., ep. 71,4; ep. 73,3 erwähnte Synode, an der 70 Bischöfe aus Numidien und Africa proconsularis teilnahmen (zu dieser Zahl vgl. Aug., De bapt. 13,22; CSEL LUI, 21,21f), die weite Ausbreitung des Christentums in Afrika zu Beginn des 3. Jhdts. 4 Act.Scili. 9.10.13 (Musurillo, 88,7.10.18). 5 Vgl. Act.Scill. 14 (Musurillo, 88,20-24): „Saturninus proconsul decretum ex tabella recitavit: Speratum, Nartzalum, Cittinum, Donatam, Vestiam, Secundam et ceteros ritu Christiano se vivere confessos,..., gladio animadverti placet"; Act.Scill. 16(Musurillo, 88,27-30): „Saturninus proconsul per praeconem dici iussit: Speratum, Nartzalum, Cittinum, Veturium, Felicem, Aquilinum, Laetantium, Ianuarium, Generosam, Vestiam, Donatam, Secundam duci iussi."

Der historische Kontext

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„Vigellius Saturninus, qui primus hic gladium in nos egit ,..".6 Der Verlauf des Verhörs und der Verurteilungsgrund - das „nomen ipsum" - weisen darauf hin, daß auch im Afrika des ausgehenden 2. Jahrhunderts die im Plinius-Trajan-Reskript festgelegten Anweisungen für das Vorgehen gegenüber Christen maßgebend waren 7 - eine rechtliche Situation, die bis zur „Decischen Verfolgung" in den Jahren 249/50 bestehen bleiben sollte.8 In der auf diesen Prozeß folgenden Zeit scheint es bis zum Jahr 197 infolge der toleranten Haltung einiger Statthalter zu einer Entspannung im Verhältnis zwischen Christen und Heiden in Afrika gekommen zu sein.9 Die Prokonsuln der Jahre 190/191 bzw. 191/192, Cincius Severus und Vespronius Candidus10, werden von Tertullian noch in der 212 verfaßten Schutzschrift „Ad Scapulam" als positive Beispiele für das Verhalten römischer Magistrate angeführt." Von 197 bis 212, dem Zeitraum, für den Tertullians Schriften Zeugnisse bieten, sind nach seiner Darstellung mehrfach Übergriffe und Verfolgungen gegenüber

6 Ad Scap. 3,4 (CChr.SL II, 1129,21f). Rudolf Freudenberger, Die Akten der scilitanischen Märtyrer als historisches Dokument, in: WS 86 ( 1973), 196, geht von einer Identität dieses Prokonsuls mit dem in den „Acta Scillitanorum" genannten aus. Ebenso Pier Angelo Gramaglia, A Scapula. Introduzione, traduzione e note, Rom 1980,193; Hans Armin Gärtner, Die Acta Scillitanorum in literarischer Interpretation, in: WS 102 (1989), 154. Ein Rest von Unsicherheit bleibt bei dieser Identifizierung aber, weil die Namensform in Ad Scap. 3,4 textkritisch nicht zweifelsfrei ist. 7

Die Einheitlichkeit des Vorgehens der Römer gegenüber den Christen im 2. Jhdt. auf der Basis des Plinius-Trajan-Reskriptes betont Joachim Molthagen, Der römische Staat und die Christen im 2. und 3. Jahrhundert, Göttingen 1970, 35f: „(Das) Festhalten an dem trajanischen „conquirendi non sunt" erklärt den sporadischen Charakter der „Verfolgungen". Sie blieben jeweils örtlich und zeitlich begrenzt, und stets waren nur einzelne Christen betroffen. In den Verfahren war das Entscheidende immer die Frage, ob der Angeklagte Christ sei. Bekannte er es, verfiel er der Todesstrafe." Nach Rudolf Freudenberger, Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jhdt. Dargestellt am Brief des Plinius an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians, München 1967, 241, ist das Christenreskript Trajans bereits zur Zeit Hadrians, im Jahr 124/25, in die kaiserlichen Mandate aufgenommen worden, wodurch die im Reskript getroffene Regelung auf das ganze Reich ausgedehnt wurde. „Damit wäre die Gleichförmigkeit im grundsätzlichen Vorgehen der praeses bei ordnungsgemäßen Anzeigen gegen Christen als solche im ganzen Reich trotz der Unterschiede im konkreten Verfahren fur das 2. und das beginnende 3. Jhdt. geklärt." 8

Grundsätzlich zu den rechtlichen Grundlagen der Christenverfolgungen vgl. Antonie Wlosok, Die Rechtsgrundlagen der Christenverfolgungen der ersten zwei Jahrhunderte, in: Gym 66 (1959), 14-32; H. Last, Art. Christenverfolgung II (juristisch); in: RAC II (1954), 1212-1228. Quellenzusammenstellungen bei Timothy David Barnes, Legislation against the Christians, in: JRS 58 (1968), 32-50 sowie in der ausfuhrlichen Sammlung P.R. Coleman-Norton, Roman State and Christian Church - A Collection of Legal Documents to A.D. 535, Vol. 1-3, London 1966. 9

Vgl. Antonio Quacquarelli, La persecuzione secondo Tertulliano, in: Gr 31 (1950), 566. Zur Datierung der Statthalterschaften vgl. Gramaglia, A Scapula, 203. " Ad Scap. 4,3 (CChr.SL II, 1130,12-15).

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Christen in Afrika zu verzeichnen gewesen. Bereits in der 197, zu Beginn seiner literarischen Tätigkeit, verfaßten Exhortationsschrift „Ad martyras"12, wendet Tertullian sich an inhaftierte Christinnen und Christen, die im Kerker auf ihren Prozeß warten13, um sie zur Standhaftigkeit zu ermuntern. In demselben Jahr weist er auch in seinem „Apologeticum"14 daraufhin, daß die Christen Verfolgungen ausgesetzt sind.15 Ebenfalls noch in die Regierungszeit des Septimius Severus (193-211), in das Jahr 20316, fallen die in der „Passio Perpetuae et Felicitatis"

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„Ad martyras" wird in der Forschung weitgehend übereinstimmend zu den ersten Werken Tertullians gezählt und in das Jahr 197 datiert: So z.B. bei Carl Becker, Tertullians Apologeticum - Werden und Leistung, München (1954), 350-54; Antonio Quacquarelli, Q.S.F. Tertulliani Ad Martyras. Prolegomeni, testo critico, traduzione e commento, Rom 1963, 23; Franceso Sciuto, Tertulliano. Tre Opere Parenetiche (Ad Martyras, De Patientia, De Paenitentia), Catania 1961, XIV; René Braun, Sur la date, la composition et le texte de l'Ad martyras de Tertullien, in: REAug 24 (1978), 221-223.231 ; Barnes, Tertullian, 38.55, wobei allerdings die relative Chronologie, besonders das zeitliche Verhältnis zum „Apologeticum", unterschiedlich gesehen wird. Einen Datierungsvorschlag in die Jahre 202/203 bieten Altaner/Stuiber, Patrologie, 156; Heinrich Kellner, Tertullians private und katechetische Schriften, Kempten/München 1912 (BKV VII), 93. Diese Datierung beruht auf der hypothetischen Identifikation der in Ad mart, angeredeten „benedicti martyres designati" mit den Märtyrern der „Passio Perpetuae et Felicitatis". Ausfuhrlich ist diese These begründet worden bei Willy Rordorf, Dossier sur l'Ad martyras de Tertullien, in: REAug 26 (1980), 3-14; ebda., 14-17, findet sich eine Widerlegung einiger der genannten Argumente durch René Braun. Einen Gesamtüberblick zu den vorgeschlagenen Datierungen bietet Quacquarelli, Ad Martyras, 21-23. 13 Ein Anklang an den ausstehenden Prozeß findet sich im Zusammenhang des von Tertullian durchgeführten Vergleichs zwischen dem „carcer" im wörtlichen Sinne und dem „mundus career" (Ad mart. 2,1 ; CChr.SL I, 3,30-4,4), in welchem letzterer als eigentliches Gefängnis herausgestellt werden soll: „Plures postremo mundus reos continet, scilicet universum hominum genus. Iudicia denique non proconsulis, sed Dei sustinet." (Ad mart. 2,3; CChr.SL I, 4,8-10) 14

Zur Datierung des „Apologeticums" auf das Jahr 197 vgl. Becker, Apologeticum, 350-354; Braun, Deus Christianorum, 568. Auf 197 oder 198 datiert Barnes, Tertullian, 55. 15 Vgl. z.B. Apol. 50,12 (CChr.SL 1,171,51-56): „Sed hoc agite, boni praesides, meliores multo apud populum, si illis Christianos immolaveritis, cruciate, torquete, damnate, atterite nos ... Nam et proxime ad lenonem damnando Christianam poti us quam ad leonem putastis ...". Umstritten ist aber, inwieweit die Äußerungen des „Apologeticums" sich unmittelbar auf eine aktuelle Verfolgungssituation beziehen: Nach Joseph Vogt, Art. Christenverfolgung I (historisch), in: RAC II (1954), 1180, sowie Wlosok, Rechtsgrundlagen, 24, Anm. 32, deutet die Doppelung der auf eine Verfolgungssituation bezogenen Schriften Tertullians im Jahr 197 auf ein besonders intensives Vorgehen der römischen Magistrate zu diesem Zeitpunkt hin; in den Zusammenhang einer aktuellen Verfolgungssituation bringt auch Paul Keresztes, The Emperor Septimius Severus: A Precursor of Decius, in: Hist 19 (1970), 567, das „Apologeticum" sowie „Ad Nationes". Molthagen, Staat, 39, hingegen wehrt diese Überlegung auf Grund des Charakters des „Apologeticums" ab, „das nicht eine um augenblicklicher lokaler Ereignisse willen rasch niedergeschriebene Eingabe an die Statthalter" darstelle. Deshalb könne ein Schluß auf eine aktuelle Verfolgung aus seiner Veröffentlichung nicht abgeleitet werden. 16

Zur Datierung des Martyriums der Perpetua vgl. Timothy David Barnes, Pre-Decian Acta martyrum, in: JThS 19 (1968), 522.

Der historische Kontext

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überlieferten Martyrien der Perpetua, vierer weiterer Katechumenen und ihres Lehrers Saturus. Nachdem sie nach ihrer Festnahme noch getauft worden waren, wurden sie von dem Prokurator Hilarianus auf Grund ihres Bekenntnisses zum Christsein „ad bestias" verurteilt17 und während eines Tierkampfes anläßlich des Geburtstags des Caesaren Geta hingerichtet.18 Daß die Übergriffe gegen Christen zu diesem Zeitpunkt über die hier bezeugten Martyrien hinausgingen, belegt die Passio selbst, wenn sie eine Paradies-Vision des Saturus wiedergibt, in der dieser drei Märtyrer sieht, die in derselben Verfolgung lebendig verbrannt worden seien, sowie einen weiteren, der im Kerker gestorben sei.19 Umstritten ist in der Forschung, auf welcher Rechtsgrundlage das in der „Passio Perpetuae" berichtete Vorgehen beruhte. Im Anschluß an die bei Eusebius erhaltene Überlieferung einer reichsweiten Verfolgung unter Septimius Severus20 sowie die in der „Historia Augusta" zu findende Vorstellung eines von diesem Kaiser erlassenen Übertrittsverbotes zum Juden- und Christentum21 zeigt sich in Teilen vor allem der älteren Literatur die Tendenz, ein „Christengesetz" des Kaisers als Grundlage der Übergriffe in dieser Zeit anzunehmen. Nach Moreau erließ Septimius Severus ein Übertrittsverbot zum Juden- und Christentum und „inaugurierte ... eine neue Ära der Unterdrückungspolitik, wenn diese sich auch nicht sofort auswirken sollte."22 Frend geht von „the first co-ordinated world-

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Pass.Perp. 6,6 (Habermehl, Passio, 12). Zu dieser als besonders grausam und entehrend geltenden Form der Kapitalstrafe vgl. Peter D.A. Garnsey, Social Status and Legal Privilege in the Roman Empire, Oxford 1970, 129-131. 18 Pass.Perp. 18-21 (Habermehl, Passio, 22-26). Zu der Angabe des Anlasses vgl. Pass.Perp. 7,9 (Habermehl, Passio, 14). 19 Pass.Perp. 11,9 (Habermehl, Passio, 18): „Ibi invenimus Iocundum et Satuminum et Artaxium, qui eadem persecutione vivi arserunt, et Quintum, qui et ipse martyr in carcere exierat." 20 Eus., HE VI, 1 ; VI,2,3. 21 HA, vita Sept.Sev. 17,1: „in itinere Palaestinis plurima iura fundavit (Septimius Severus). Iudaeos fieri sub gravi poena vetuit. idem etiam de Christianis sanxit." Zur Tendenz dieser Quelle vgl. Karl-Heinz Schwarte, Das angebliche Christengesetz des Septimius Severus, in: Hist. 12 ( 1963), 201f. Den geringen Quellenwert dieses Werkes, einer „antichristlichen Tendenzschrift des ausgehenden vierten oder des fünften Jahrhunderts", betont auch Molthagen, Staat, 38. 22 Jacques Moreau, Die Christenverfolgung im römischen Reich, Berlin/New York 19712, 73. Er geht aber auch davon aus, daß einige der Martyrien aus der Zeit dieses Kaisers auf der Grundlage der vorher bestehenden, nicht außer Kraft gesetzten Rechtslage erfolgt sind, nicht infolge der von ihm erlassenen Vorschriften (Moreau, Christenverfolgung, 74). Von einem "Christengesetz" bei Septimus Severus gehen auch aus Peter Kawerau, Geschichte der Alten Kirche, Marburg 1967, 86; Vogt, Christenverfolgung, 1180f; Frend, Martyrdom, 319-23. Innerhalb der neueren Literatur vertritt dezidiert Keresztes, Emperor, 564-578, ein Übertrittsverbot des Kaisers als Grundlage des Vorgehens gegen Christen; dieses hätte das Ziel gehabt „to stop the increase of Christianity. To achieve this, catechumens and neophytes were to be searched out on the initiative of the governments and without waiting for denunciations." Um dem Gegenargument der lokalen und zeitlichen

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wide move against the Christians"23 unter Septimius Severus aus. Dagegen sprechen die für Karthago ebenso wie die für Alexandrien erhaltenen Zeugnisse eines Vorgehens gegen Christen24 aber eher für ein Weiterbestehen lokal und zeitlich begrenzter Übergriffe auf einer dem Plinius-Trajan-Reskript entsprechenden Rechtsgrundlage.25 Unterstützt wird diese Einschätzung, daß das Vorgehen nicht auf einem kaiserlichen Edikt beruhte, durch Tertullian selbst, der dem Kaiser Septimius Severus noch im Jahr 212 in „Ad Scapulam" eine positive Bewertung zukommen läßt und ihn als Beschützer von Christen charakterisiert26 - eine Dar-

Begrenztheit der Übergriffe, die für viele Historiker für ein Weiterbestehen der rechtlichen Lage des Plinius-Trajan-Reskriptes und gegen ein kaiserliches Edikt als Grundlage der Verfolgungen spricht (vgl. Anm. 25), begegnen zu können, behauptet auch er, daß trotz dieses kaiserlichen Dekretes die rechtliche Situation der Christen unverändert geblieben sei: „Severus' anti-conversion measure also left the legal status of Christians unchanged." (Keresztes, Emperor, 577) Die von ihm angenommene behördliche Suche nach Katechumenen und Neophyten auf Grund des Übertrittsverbotes würde aber den rechtlichen Status der Christen gegenüber dem „conquirendi non sunt" des Plinius-TrajanReskriptes wesentlich verändert haben. Innerhalb der neuesten Literatur ist der Gedanke eines Übertrittsverbotes des Kaisers als Grundlage der Verfolgungen seiner Zeit wieder vertreten worden von Christine Pouilly, Tertullien et les Persécuteurs, in: Connaissance des Pères de l'Église 47 (Sept. 1992), 18; Günter Eckert, Orator Christianus. Untersuchungen zur Argumentationskunst in Tertullians Apologeticum, Stuttgart 1993, 20. 23

Frend, Martyrdom, 321. Zu Übergriffen gegen Christen in Alexandrien vgl. Eus., HE VI,1-5. Möglicherweise waren auch Christen in Kappadokien (Tert., Ad Scap. 3,4; CChr.SL Π, 1129,22-24) und in Rom (Eus., HE V,28,8-12) zu dieser Zeit von Verfolgung betroffen. Nach Karl Johannes Neumann, Der römische Staat und die allgemeine Kirche bis auf Diokletian, Bd. I, Leipzig 1890, 170, sind auch die bei Cyprian (ep. 39,3,1; CChr.SL ΠΙ B,  189,44­48) erwähnten Martyrien einer Frau und zweier Männer in die Zeit des Septimius Severus zu datieren. Diese Einschätzung ist aber in der Forschung umstritten, da sich aus Cyprians Hinweis auf die für diese Märtyrerin und die Märtyrer eingerichtete „anniversaria commemoratio", die bereits häufiger begangen worden sei (ep. 39,3,1 ; CChr.SL ΠΙ Β,  189,49­51),  lediglich schließen läßt, daß diese Martyrien nicht in der zum Zeitpunkt der Briefabfassung wütenden Verfolgung unter Decius, sondern zu einem weiter zurückliegenden Zeitpunkt stattfanden. Entsprechend ist in der Literatur für diese Martyrien auch die Zeit Caracallas (Molthagen, Staat, 44, Anm. 48) oder der Zeitraum zwischen Caracalla und Decius (Timothy David Barnes, Three neglected Martyrs, in: JThS 22 (1971), 159-161) vorgeschlagen worden. 24

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Vgl. Schwarte, Christengesetz, 197f: „Die Christenverfolgungen am Beginn des 3. Jhdts. waren ... örtlich begrenzt und zeitlich auf wenige Jahre beschränkt, wobei besonders ins Gewicht fällt, daß bereits die letzten Regierungsjahre des Septimius Severus wieder ohne Verfolgungen verliefen. Solange Trajans Weisung, daß Christen conquirendi non sunt, als auch für die Severerzeit gültig angesehen wird, ist dieser Sachverhalt in keiner Weise auffällig und durch wechselnde Häufigkeit von Denunziationen zu erklären". Gegen ein Übertrittsverbot des Kaisers als Grundlage der Verfolgungen dieser Zeit spricht nach Barnes, Legislation, 40, daß „in the only contemporary account of a martyrdom of the time which is extant, the Passio Perpetuae, the charge is still being a Christian, not having become one." Auch er geht von einem Weiterbestehen der in dem PliniusTrajan-Reskript festgelegten Rechtssituation aus: „The legal position of Christians continues exactly as Trajan defined it until Decius." (Barnes, Legislation, 48)

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Stellung, die jenseits der Frage nach der Historizität ihrer Details27 zumindest dagegen spricht, daß in Karthago ein „Christengesetz" des Septimius Severus als Grundlage der genannten Übergriffe angenommen worden wäre.28 Daß die Amtszeit des Prokurators Hilarianus, der Perpetua verurteilte, in Karthago generell durch eine besonders christenfeindliche Stimmung gekennzeichnet war, zeigt die bei Tertullian zu findende Erwähnung pogromartiger Übergriffe gegen Christen auf Grund von Mißernten: Unter der Parole „areae non sint!" sei das Volk zu dieser Zeit gegen die Christen vorgegangen, wobei es mit der Bezeichnung „areae" nach seiner Auskunft die Begräbnisplätze (areae sepultarum) der Gläubigen meinte.29 Welcher Vorgang sich allerdings genau hinter dieser kurzen Notiz in „Ad Scapulam" verbirgt, ist umstritten. Unter der Voraussetzung, daß die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt bereits eigene Begräbnisplätze besaß30, könnte hinter dieser Parole die Forderung gestanden haben, den Christen diese gänzlich wegzunehmen.31 Eine andere Interpretation versteht den Ausruf als Ausdruck der Verweigerung ordentlicher Begräbnisse auf den karthagischen Friedhöfen für die Christen und insbesondere die Märtyrer, um auf diese Weise die christliche Auferstehungshoffhung angreifen zu können.32 Ebenso könnte eine solche Verweige26  Ad  Scap.  4,5f  (CChr.SL  II,  1130,27­1131,35):  „Ipse  etiam  Severus  ...  Christianorum  memor  fuit. ...  Sed  et  clarissimas  feminas et  clarissimos  viros  Severus,  sciens  huius  sectae  esse,  non  modo  non  laesit,  verum  et testimonio  exornavit,  et  populo  furenti  in  nos  palam  resistit."  27  Die  apologetische  Zielsetzung des  Kontextes  und  die mit  wenigen  Ausnahmen  positive  Zeich­ nung der römischen  Kaiser durch Tertullian ­  auch  entgegen  der geschichtlichen  Realität ­  (vgl.  Kap.  3.1.1) berechtigen  zu  Skepsis gegenüber  den  Details  der Darstellung des Septimius  Severus  bei  ihm.  28  Anders  Keresztes,  Emperor,  577,  der  zwar  auf  die positive  Wertung  des  Kaisers  durch  Tertul­ lian hinweist ebenso wie  auf sein  Schweigen  über ein etwaiges  kaiserliches  Dekret,  diese  deutlichen  Indizien  aber  nicht  als  Argumente  gegen  die  Existenz  eines  Übertrittsverbotes  als  Grundlage  der  Verfolgungen  zu  Beginn  des  3. Jhdts.  gelten  lassen  will.  Das  Schweigen  Tertullians  könnte  seiner  Auffassung nach  allenfalls  noch  darauf  zurückzuführen  sein,  daß  nicht  ein  öffentlich  publiziertes  Edikt, sondern lediglich ein an einen  Statthalter ergangenes  Reskript das Augenmerk  auf die  Christen  lenkte. Ähnlich  spricht William  H.C.  Frend, Art. Persecution,  in: Encyclopedia  of the Early  Church,  Bd.  II (1992),  672,  von  „...  (a) reply to  a provincial  governor  who  had  asked  for  instructions  about  popular  movements  against  the  Christians,  particularly  against  converts."  29   Tert.,  Ad  Scap.  3,1  (CChr.SL  II,  1129,3­5):  „...  sub  Hilariano  praeside,  cum  de  aréis  sepulturarum  nostrarum  acclamassent:  „Areae  non  sint!"  Areae  ipsorum  non  fuerunt: messes  enim  suas  non  egerunt."  30  So  z.B.  Neumann,  Staat,  112;  Saxer,  Morts,  117;  Henri  Leclercq,  Art.  Carthage,  in:  DACL  II/2 (1925),  2285f;  Gramaglia,  A  Scapula,  191f.  31  So Leclercq,  Carthage,  2286.  Auch  David  Ivan  Rankin,  Tertullian  and  the  Church,  Cambridge  1995,13,  spricht  in bezug auf diesen  Hinweis Tertullians  von  „hostility  against  the Christians  which  led,  inter  alia,  to  calls  for the  closure  of Christian  burial  areas  ..."  32   So  Georg  Schöllgen,  Ecclesia  sordida?  Zur  Frage  der  sozialen  Schichtung  frühchristlicher  Gemeinden  am  Beispiel  Karthagos  zur Zeit Tertullians  (JAC.E  12), Münster  1984,  30.  Er  führt den  Brief der Gemeinde  von  Vienne  und  Lyon  an (Eus.,  HE  V, 1,62),  in dem  die Verbrennung  der  Leichen 

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Der  historische  Kontext 

rung auch zum Ziel gehabt haben, den Christen keinen „Kristallisationspunkt" für eine nachfolgende Verehrung etwaiger Märtyrer zu bieten, wobei allerdings ungeklärt ist, ob um 200 die Feier des Gedächtnistages des Märtyrers tatsächlich bereits am Märtyrergrab stattfand.33 Nach einer Phase, die Tertullian als „bona et longa pax" bezeichnet34, lassen sich die nächsten Auseinandersetzungen zwischen Heiden und Christen in Afrika erst wieder für den Beginn der Regierungszeit des Caracalla (211-217) belegen. Zunächst berichtet Tertullians Traktat „De corona" von einem Soldatenmartyrium im Jahre 211,35 Ein christlicher Soldat - nach seiner Darstellung ohnehin „mehr ein Krieger Gottes"36 - weigerte sich, anläßlich einer an die Soldaten ausgeteilten Geldzuwendung37 seinen Kranz aufzusetzen38 und wurde daraufhin inhaftiert.

der  Märtyrer  und  das  Streuen  der  Asche  in  die  Rhone  auf  den  Wahn  der  Heiden  zurückgeführt  werden, „Herr über Gott zu werden und die Auferstehung der Märtyrer zu verhindern" (Eus., HE V,  1,62).  33   Baumeister,  Heiligenverehrung,  117,  geht  davon  aus,  daß  die  Gemeinde  in  Karthago  die  Eucharistiefeier anläßlich des Gedächtnistages eines Martyriums um 200 noch dort feierte, „wo man  sich  normalerweise  zum  Gottesdienst  versammelt.  Die  Verlagerung  des  Gedächtnisses  an  das  Märtyrergrab  wäre  dann  in Afrika später  erfolgt..."  34  De cor.  1,5 (CChr.SL  Π,  1040,29).  35   Die  Datierung  dieses  Ereignisses  beruht  im  wesentlichen  darauf,  daß  der  Anlaß  für  das  Martyrium, eine im Heer ausgeteilte Geldspende,  von Tertullian  als „liberalitas praestantis simorum imperatorum"  bezeichnet wird (vgl. Anm. 37). Der Plural  weist daraufhin, daß dieses  Ereignis  im  Jahr 211 stattfand, als Caracalla noch zusammen mit seinem  Bruder  Geta regierte,  der am  19.2.212  ermordet wurde. Nach  Rudolf Freudenberger, Der Anlaß zu Tertullians  Schrift „De corona militis",  in: Hist  19 (1970),  580, fand der Vorfall nur kurz vor der Abfassung der  Schrift im Herbst 211  statt  (vgl. die Angabe  in De cor.  1,1; CChr.SL  II,  1039,2: „proxime  factum est").  Ruggiero,  De  corona,  61, geht davon aus, daß es sich bei der erwähnten  „liberalitas" um eine Geldspende gehandelt  habe,  die „in occasione della ascesa all'impero, col rango di Augusto, dei figli di  Settimio Severo" ausge­ teilt worden sei; demnach  müßte der geschilderte  Vorfall unmittelbar nach dem Tode des  Septimus  Severus im Februar 211 stattgefunden haben. Zu Anlaß, Ort und Verlauf des Vorfalls vgl.  Quacqua­ relli, Persecuzione,  569; Ruggiero,  De corona, 61f, sowie detailliert Freudenberger,  Anlaß,  passim.  36

 De cor.  1,1 (CChr.SL  II,  1039,4):  „magis  dei  miles".   De cor.  1,1 (CChr.SL Π, 1039,2f) spricht von einer „liberalitas praestantis  simorum  imperato­ rum",  12,3 (CChr.SL  II,  1059,21) von einem „donativum".  Eine „liberalitas"  war eine  Geldspende  aus dem Privatvermögen des Kaisers an Zivilpersonen,  um 200 konnten aber bereits auch die an das  Heer gerichteten  „donativa" mit dem  gleichen  Begriff bezeichnet werden.  Vgl.  Helmut  Berve,  Art.  liberalitas I, in: PW  XIII/1 (1926), 92. Nach Berve,  liberalitas,  88f, waren diese  Geldzuwendungen  besonders für die Kaiser des 3. Jhdts.  ein  wichtiges  Mittel,  um sich  die  Anerkennung  des  Volkes,  bzw. wie  in diesem  Fall,  des Heeres  zu verschaffen.  38   Während  Tertullian  in  Apol.  42,6  (CChr.SL  I,  157,21f)  und  De  spect.  18,3  (CChr.SL  I,  243,12f)  nur  kurz  konstatiert,  daß  eine  Bekränzung  fiir  Christen  nicht  opportun  sei,  stellt  „De  corona" eine ausführliche Begründung für die strikte Ablehnung jeglicher Bekränzung durch Christen  dar, wobei das zentrale Argument die Beziehung zum Götzendienst darstellt: Der Brauch der Kränze  erweise sich als  idololatrisch,  weil  er sowohl  von den Göttern ausgehe als auch  zu ihrer  Verehrung  diene (vgl.  De cor.  7,7; CChr.SL  II,  1049,51­54).  37

Der  historische  Kontext 

35

Die Verurteilung eines anderen Christen „ad bestias" sowie die grundsätzlich christenfeindliche Stimmung unter der Statthalterschaft Scapulas39 bildete den Anlaß für die Abfassung der Schutzschrift „Ad Scapulam" durch Tertullian im Jahr 212.40 Diese Schrift weist daraufhin, daß es nicht nur in Karthago, sondern auch in anderen Teilen Afrikas, in Numidien und Mauretanien, zu Verurteilungen von Christen kam.41 Auf eine Verfolgungssituation um das Jahr 212 herum deutet möglicherweise auch der Traktat „De fuga in persecutione" hin.42 Da seine Datierung aber umstritten ist43, muß die zeitliche Einordnung der in ihm zu findenden Hinweise auf Inhaftierungen und Verurteilungen von Christen letztlich unsicher bleiben. Ebenso unsicher ist die Zuordnung des in der 212 verfaßten Fastenschrift von Tertullian erwähnten Martyriums.44 Als Ausdruck massiver Gefährdung der Christinnen und Christen durch aktuelle Verfolgungen erscheint Tertullians Schrift „Scorpiace".45 Zum Zeitpunkt ihrer Abfassung gab es sowohl Inhaftierte, die im Kerker auf das Martyrium warteten,

39   Die  Verurteilung  erwähnt  Tertullian  in  Ad  Scap.  3,5  (CChr.SL  II,  1129,32f),  die  grund­ sätzlich  christenfeindliche  Haltung  des  Statthalters  beklagt  er  in  Ad  Scap.  5 (CChr.SL  II,  1131,1­ 1132,26).  40  Zur  Datierung  der  Statthalterschaft  Scapulas  vgl.  Gramaglia,  A  Scapula,  40.  „Ad  Scapulam"  wird  in der  Literatur  mit  großer  Übereinstimmung  in  das  Jahr  212  datiert.  Vgl.  Braun,  Deus  Chri­ stianorum,  575.  41   Ad  Scap.  4,8  (CChr.SL  II,  1131,51­53):  „Nam  et  nunc  a  praeside  Legionis,  et  a  praeside  Mauritaniae  vexantur  hoc  nomen,  sed  gladio tenus  ...".  Mit  „  sed  gladio  tenus"  ist  wahrscheinlich  gemeint,  daß keine  so schweren  Strafen wie Kreuzigung,  Damnatio  ad bestias o.ä.  verhängt  wurden;  vgl.  die  Konjektur  E.  Kroymanns  in  CSEL  LXXVI,  15,53:  „gladio  tenus,  non  tormentis".  Molthagen,  Staat,  44,  mutmaßt,  daß  der  in  De  cor.  1 berichtete  Fall  von  Insubordination  die  „Welle  von Anklagen und Verurteilungen  von Christen" in Numidien, Mauretanien  und Africa proconsularis  ausgelöst  habe.  42  Vgl.  De  fuga  1,1  (CChr.SL  II,  1135,8f): „Quanto  enim  frequentiores  imminent  persecutiones 

43  Unumstritten  in  bezug  auf  „De  fuga "  ist,  daß  es sich  um  eine  montanistische  Schrift  handelt.  Die Vorschläge  zur  genauen  Datierung variieren  in der  Forschung  hingegen:  Barnes, Tertullian,  55,  datiert  auf 208/209,  Altaner/Stuiber,  Patrologie,  159,  gehen  von  der  Zeit  um  212  aus,  Monceaux,  Histoire,  207;  Braun,  Deus  Christianorum,  576,  von  213;  Karpp,  Schrift, 9,  von  derZeit  nach  213.  44

  De  ieiun.  12,3  (CChr.SL  II,  1271,30)  : „...  ille  Pristinus  vester  non  Christianus  martyr  ...".  Fraglich  ist  hier  die  Deutung  von  „pristinus/Pristinus"  entweder  als  Attribut  zu  „martyr",  d.h.  im  Sinne  von  „euer  früherer Märtyrer",  oder  als  Personenname,  wie  es  in den  Textausgaben  im  CSEL  und  im CChr.SL  gesehen  wird, sowie von Schöllgen,  Ecclesia  sordida, 202. In letzterem  Fall  enthielte  der  Satz  keinerlei  Hinweis  auf  den  Zeitpunkt  des  Martyriums.  45   Scorp.  1,10  (CChr.SL  II,  1070,lOf):  „Et  nunc  in  praesentia  rerum  est  medius  ardor,  ipsa  canícula  persecutionis  ...". Nach  Ilona Opelt,  Die  Polemik  in  der  christlichen  lateinischen  Literatur  von  Tertullian  bis  Augustin,  Heidelberg  1980,  35,  handelt  es  sich  bei  dem  Ausdruck  „canícula  persecutionis"  („Hundsstern  der  Verfolgung")  um  eine „astronomische  Metapher",  die die  „Klimax  der  Verfolgung"  kennzeichnet. 

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Der  historische  Kontext 

als auch Christen, die bereits durch Feuer, Schwert oder wilde Tiere den Martertod gestorben waren.46 Von der Forschung ist diese Schrift zumeist als montanistisches Werk angesehen47 und dem Zeitraum zwischen 211 und 213 zugeordnet worden.48 Diese Einschätzung ist aber zunehmend infragegestellt worden49 und auf Grund verschiedener Charakteristika dieser Schrift eher unwahrscheinlich.50 Da „Scorpiace" keinerlei zeitgeschichtlich eindeutig zuzuordnende Hinweise enthält, läßt sich der Zeitpunkt der in ihr erwähnten Inhaftierungen und Martyrien ebenfalls nicht genau bestimmen.51 Nach dem Zeugnis der Werke Tertullians, die für den Zeitraum um 200 die Hauptquelle für die Frage nach Christenverfolgungen in Afrika bilden, sowie der „Passio Perpetuae et Felicitatis" gab es in dieser Zeit also mindestens drei Zeitpunkte, in denen es schwerpunktartig zu Übergriffen des Volkes gegen die Christen und zu Verhaftungen und Verurteilungen seitens der römischen Behörden kam (197, 202/203, 211/212). Dabei scheint auf Grund des Weiterbestehens der rechtlichen Weisungen des Plinius-Trajan-Reskriptes die Zahl der aus diesen Verfolgungssituationen hervorgegangenen Märtyrer nicht sehr groß gewesen zu sein52

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 Vgl.  Scorp.  1,11  (CChr.SL  II,  1070,11­1071,14)   Vgl. Barnes, Tertullian,  171: „For generations the Scorpicae was expounded  as an  expression  of Tertullian's  montanism."  48  So z.B. bei Monceaux,  Histoire,  206; Roberts,  Theology,  95; Emesto  Buonaiuti,  L'Antiscor­ pionico  di  Tertulliano,  in:  RR  3  (1927),  146;  Vermeulen,  Development,  60;  Altaner/Stuiber,  Patrologie,  155; Karpp,  Schrift, 9; in der jüngeren Zeit  bei Francine Jo Cardman,  Tertullian  on  the  Resurrection,  Yale  1974, VII; Braun,  Deus  Christianorum,  574; Paolo  Siniscalco,  Art.  Tertullian,  in: Encyclopedia  of the  Early  Church,  Bd.  II (1992),  819;  Ruggiero,  De  corona,  XXXII.  49   Bereits  bei  Kellner,  BKV  24,  2Iff,  findet  sich  eine  Zuordnung  von  „Scorpiace"  in  die  katholische Zeit und eine Datierung auf  203/204; nachdrücklich  vertreten hat diese Datierung aber  vor allem Timothy  David Bames, Tertullian's  Scorpiace,  in: JThS 20 (1969),  105­132, ohne  eigene  Diskussion  übernommen  worden  ist sie bei  Weinrich,  Spirit,  259f;  Droge/Tabor,  Death,  147;  But­ terweck, Martyriumssucht, 52f. Kellners Versuch, die hinter der Abfassung stehende Verfolgung als  die Severianische zu identifizieren und so die Schrift auf203 zu datieren, ist auf Grund der Fragwür­ digkeit einer solchen Verfolgung aber nicht überzeugend. An das Ende der katholischen Zeit, in die  Jahre 206/207,  ist „Scorpiace"  von  René  Braun  eingeordet  worden:  Vgl.  Braun, Tertullien,  80.  50  Vgl.  Kap. 4.2.1,  mit Anm.  177.  51   So  läßt  z.B.  der  in  Scorp.  1,10  (CChr.SL  II,  1070,11)  zu  findende  Hinweis  auf  den  „cynocephalus"  als  Urheber  der  aktuellen  Verfolgung  auf  Grund  seiner  Rätselhaftigkeit  keine  Aussage über den  Zeitpunkt dieser Verfolgung zu.  52  Für die Übergriffe aus dem Jahr  197 bestätigt Neumann,  Staat,  171, diese Einschätzung:  „Die  Verfolgung des Jahres  197 hat in Afrika wohl einzelne Martyrien hervorgerufen, aber ihre Zahl  kann  nur eine ganz beschränkte  gewesen sein."  Von „Opfern  in  höherer  Anzahl"  spricht  er hingegen  in  bezug auf die Zeit um 202/03, fur die er aber auch von einer Verfolgung auf Grund eines  Reskriptes  seitens  des  Kaisers  Septimius  Severus  ausgeht.  Unter  den  von  ihm  dieser  Zeit  zugeordneten  17  Martyrien  in Afrika (vgl. Neumann,  Staat,  170­177) sind aber sechs (der von Tertullian  in De fuga  5 erwähnte Rutilius sowie die von Cyprian  in ep. 39,3 und De  laps.  13 überlieferten Martyrien  der  47

Der  historische  Kontext 

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- wo Tertullian konkret von Verhaftungen oder Verurteilungen berichtet, handelt es sich durchwegs um einzelne Christen oder kleine Gruppen. Namentlich erwähnt er tatsächlich nur drei Märtyrer und eine Märtyrerin aus seiner Zeit.S3 Dennoch spiegeln seine Schriften ein Klima grundsätzlicher Gefährdung durch repressives Verhalten der Magistrate, durch Angriffe seitens des Volkes und Denunziationen bei den Behörden wider54, das die gesamte afrikanische Christenheit, insbesondere aber die Hauptstadtgemeinde Karthago betraf. Das von Tertullian mehrfach konstatierte Wachstum der Christenheit ebenso wie ihre Ausdehnung in höhere Gesellschaftsschichten55 hat die christenfeindliche Stimmung dabei vermut-

Celerina,  des  Laurentius,  Egnatius,  Castus  und  Aemilius)  in  ihrer  zeitlichen  Zuordnung  ungeklärt.  Zu  den  Martyrien  der  Celerina,  des  Laurentius  und  des  Egnatius  vgl.  Anm.  24.  53   Perpetua  (De  an.  55,4;  CChr.SL  II,  862,32);  Rutilius  (De  foga  5,3;  CChr.SL  II,  1142,25);  Pristinus  (De  ieiun.  12,3;  CChr.SL  II,  1271,30);  Mavilus  (Ad  Scap.  3,5; CChr.SL  II,  1129,32).  Auf  die  geringe  Zahl  der  von  ihm  konkret  erwähnten  Martyrien  weist  auch  Bray,  Holiness,  43,  hin,  der  für die Zeit Tertullians  von „a period of relative calm in which  very  few Christians  were put to  death"  spricht.  Anders  hingegen  Hoppenbrouwers,  Recherches,  7, der  „un  nombre  appréciable  de  victimes  parmi  les chrétiens"  fur die  Zeit  Tertullians  annimmt;  dessen  Schriften  zeigten  seiner  Auffassung  nach,  daß  Verfolgungen  zu  dieser  Zeit  regelmäßig  vorkamen,  ebenso  erweckten  die  „Acta  Scillitanorum"  und  die  „Passio  Perpetuae"  den  Eindruck,  daß  es  sich  nicht  um  exzeptionelle  Vorkommnisse  gehandelt habe. Dennoch  lassen sich über die unmittelbar durch  Tertullians  Schriften  und  die genannten  Märtyrerakten  bezeugten  Verfolgungen  und  Übergriffe hinaus  keine  weiteren  zu  dieser  Zeit  belegen,  so  daß  Hoppenbrouwers  Auffassung hypothetisch  bleiben  muß.  54   Vgl.  z.B.  Apol.  37,2  (CChr.SL  I,  147,4­148,7):  „Quotiens  enim  in  Christianos  desaevitis,  partim  animis  propriis,  partim  legibus  obsequentes?  Quotiens  etiam  praeteritis  vobis  suo  iure  nos  inimicum  vulgus  invadit  (lapidibus  et  incendiis)?"  Die  stete  Gefährdung  durch  christenfeindliche  Stimmung  und  dieser  gegenüber  willfährige  Magistrate  illustrieren  u.a. auch  Apol.  7,4  (CChr.SL  I,  99,15­17);  Apol.  9,6 (CChr.SL  1,102,25f); Apol.  35,8 (CChr.SL  I,  146,37f);  Apol.  50,12  (CChr.SL  I,  171,51­53);  Ad  Scap.  4,7  (CChr.SL  II,  1131,35);  De  exhort.cast.  12,4  (CChr.SL  II,  1032,28f);  De  spect. 27,1  (CChr.SL  I, 249,1­4).  Eine  solche  feindliche  Stimmung  konnte jederzeit  aufbrechen,  zumal  die Christen  von  der heidnischen  Umwelt  bei vielerlei  Mißständen  als  Sündenböcke  angesehen  wurden:  „Si  Tiberis  ascendit in moenia,  si Nilus  non ascendit  in rura,  si  caelum  stetit,  si terra  movit,  si  fames,  si  lues,  statim  .Christianos  ad  leonem!'"  (Apol.  40,2;  CChr.SL  I,  153,6­9).  55

 Zur  Ausbreitung  der  Christen  in  höhere  Gesellschaftsschichten  und  zu  ihrer  zahlenmäßigen  Ausdehnung  vgl.  Ad  nat.  1,2 (CChr.SL  I,  11,7­12);  Apol.  1,7  (CChr.SL  I,  86,38­41);  Apol.  37,4  (CChr.SL  I, 20­22);  Ad  Scap.  2,10  (CChr.SL  Π,  1128,420;  Ad  Scap.  5,2  (CChr.SL  II,  1132,8­10);  Adv.Marc.  III, 20,2 (CChr.SL  1,535,13f); De cor.  12,4 (CChr.SL  II,  1059,30f) u.a. Bei den  Angaben  Tertullians  zum  Wachstum  der Christenheit  ist allerdings  zu  berücksichtigen,  daß  diese  wesentlich  auch  apologetischen  Zielsetzungen  dienten.  Zur  Funktion  dieser  Argumentation  in  apologetischen  Kontexten  vgl.  Hans­Werner  Thönnes,  Caelestia  recogita  et  terrena  despicies.  Altkirchliche  Apologetik  am  Beispiel  Tertullians  im  Vergleich  mit  modernen  Entwürfen,  Frankfurt/Main  1994,  15­21.  Zur  sozialgeschichtlichen  Auswertung  der  Nachrichten  Tertullians  zum  Wachstum  der  Gemeinde  in  Karthago  vgl.  Schöllgen,  Ecclesia  sordida,  298,  zur  Ausdehnung  der  afrikanischen  Christenheit  um  200  vgl.  auch  Anm.  3.  Schindler,  Afrika,  644,  geht  davon  aus,  daß  es  zu  diesem  Zeitpunkt  noch  nicht  unbedingt  eine  große  Anzahl  von  Christen  gab,  „wohl  aber  eine  beachtliche  Streuung in geographischer (Africa proconsularis, nördlich und südlich, Mauretanien,  wahrscheinlich  Numidien),  sozialer  und  institutioneller  Hinsicht." 

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Der historische Kontext

lieh erheblich verstärkt56, ebenso die in verschiedenen  Lebensbereichen  deutlich  werdende Abgrenzung der Christen gegenüber den heidnischen Lebensformen, die  nicht zuletzt zu dem Vorwurf der „Geschäftsschädigung" seitens der Heiden führ­ te.57  Die  in  Tertullians  Werk  zu  findenden Äußerungen  zur  Deutung  von  Verfol­ gungserfahrung und  Martyriumsleiden  sind  also vor  dem  Hintergrund  einer für  alle  Christen  und  Christinnen  stets  latenten  Drohung  von  Verfolgung  und  Übergriffen zu  verstehen,  in  der  potientiell  alle  Mitglieder  der  christlichen  Ge­ meinde der Herausforderungssituation eines Pogroms oder eines Prozesses  ausge­ setzt sein konnten, realiter  aber nur eine Minorität  zu Märtyrern wurde.  Wesent­ lich für ihre Interpretation ist dabei, daß es in der karthagischen  Gemeinde offen­ sichtlich unterschiedliche Auffassungen gab, wie auf die Herausforderung seitens  der heidnischen Umwelt und etwaige Verfolgungen konkret zu reagieren  sei. Die  Notwendigkeit  eines öffentlichen Bekenntnisses und Martyriums,  die Frage einer  möglichen  Selbstauslieferung gegenüber den heidnischen Behörden einerseits wie  auch  diejenige  einer  Flucht  in  der  Verfolgung  andererseits  wurden  nach  dem  Zeugnis  der  Schriften  Tertullians  kontrovers  diskutiert.  Verstärkt  wurde  diese  Diskussion zum einen durch die Propaganda  gnostischer  Gruppierungen, die ge­ gen  eine  Pflicht  der  Gläubigen  zur  Martyriumsbereitschaft  polemisierten58  und  damit unter den Karthagern zumindest soviel Erfolg hatten, daß Tertullian sich zur  Abfassung der Gegenschrift „Scorpiace" veranlaßt  sah. Zum anderen  spielten  die  montanistischen  Einflüsse  in Nordafrika59  für diese  Auseinandersetzungen  eine  wesentliche Rolle, insofern sie zu einer verstärkten Rigorosität sittlicher Forderun­ gen,  auch  in bezug  auf  das Verhalten  in  der  Verfolgung,  führten oder  diese  zu­ mindest unterstützten. Tertullians  Schriften, insbesondere  „Scorpiace",  „De fuga  in persecutione" und „De corona" spiegeln, wenn auch zuweilen polemisch  über­ spitzt,  deutlich  die  unterschiedlichen  Auffassungen wider,  die  in  bezug  auf  die  Frage  christlichen Verhaltens  in der Verfolgung vertreten wurden. Insofern sind 

56 Vgl. Ad nat. 1,2 (CChr.SL I, 11,7-12): „Adeo quotidie adolescentem numerum Christianorum ingemitis; obsessam voeiferamini civitatem, in agris, in castellis, in insulis Christianos; omnem sexum, omnem aetatem, omnem denique dignitatem transgredí a vobis quasi detrimento doletis." 57 Vgl. Apol. 42,1-7 (CChr.SL I, 156,1-157,30). Zu diesem Vorwurf vgl. Georg Schöllgen, Die Teilnahme der Christen am städtischen Leben in vorkonstantinischer Zeit - Tertullians Zeugnis für Karthago, in: RQ 77 (1982), 3-13, der entgegen dieser Unterstellung aber betont, daß sich aus Tertullians Schriften kein Hinweis darauf ergebe, „daß sich die Christen vom Wirtschaftsleben der Stadt distanziert oder gar ausgeschlossen hätten". 58 Zu der Position der Gnostiker vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 79. 59 Zu der Frage, welche Gestalt der Montanismus hatte, der nach Afrika gelangte, vgl. Kap. 3.4, Anm. 261-263.

Der historische Kontext

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sie als Ausdruck des in der karthagischen  Gemeinde bestehenden  Spannungsfeldes  zu werten,  innerhalb dessen Tertullian nachdrücklich  und zumeist polemisch  seine  eigene Position  bestimmt. 

3. Die Deutung der Verfolgungssituation 

3.1  Die  Geschehensebene  der  Verfolgung  Innerhalb  der  Äußerungen  Tertullians  zu  den  Christenverfolgungen  zeigen  sich  zwei Ebenen, auf denen  die Auseinandersetzung  verstanden  und  dargestellt  wird.  Zum  einen  erscheint  sie  als  politisch­rechtlicher  Konflikt  zwischen  Heiden  und  Christen,  d.h.  als  ein  innerweltliches  Phänomen.  Zum  anderen  wird  die  Verfol­ gung  als  ein  Geschehen  begriffen,  in  dem  die  Gläubigen  nicht  menschlichen  Gegnern,  sondern  dem  hinter  ihnen  stehenden  Teufel gegenüberstehen.  In  dieser  Metaebene  wird  die  mit  politischen  und  juristischen  Kategorien  beschreibbare  Auseinandersetzung  transzendiert  zu einem  Konflikt mit kosmischer  Bedeutung.  Beide  Deutungsebenen  sind  von  Tertullian  in jeweils  unterschiedlichen  literari­ schen  Kontexten  aufgegriffen  worden.  Die  Differenz  in  der  Betrachtung  der  Verfolgungssituation  wie  auch  die  Unterschiedlichkeit  der  Aufnahme  beider  Ebenen  soll im  folgenden dargestellt  werden. 

3.1.1  Die  Verfolgung als  innerweltliche  Auseinandersetzung  zwischen  Heiden  und  Christen  Die  vorangegangene  historische  Einfuhrung hat  gezeigt,  daß  sich  in  zahlreichen  Schriften  Tertullians  die  Situation  der  afrikanischen  Christenheit  in  ihrer  Kon­ frontation  mit der heidnischen  Umwelt widerspiegelt.  Es  finden  sich bei  ihm  eine  Vielzahl von Nachrichten  über das konkrete Vorgehen  gegen  die  Christinnen  und  Christen:  So werden  pogromartige  Übergriffe seitens  des Volkes von  ihm  ebenso  überliefert  wie  Verurteilungen  durch  die  römischen  Magistrate;  er  erwähnt  die  Anwendung  von  Folter  gegenüber  den  Christen1  ebenso  wie  die  verschiedenen  Formen  der  Kapitalstrafen,  die  über  diese  verhängt  wurden. 2  Darüberhinaus 

1   Vgl.  z.B.  Apol.  2,10­13  (CChr.SL  I,  89,45­69);  Ad  Scap.  3,4  (CChr.SL  II,  1129,27f);  Ad  Scap.  4,2  (CChr.SL  II,  1130,5f);  Scorp.  1,11  (CChr.SL  II,  1070,12f).  2  In Tertullians  Schriften  finden  sich  Hinweise  auf  folgende  Kapitalstrafen:  Bergwerksstrafe  („damnatio  ad  metalla":  Apol.  12,5;  39,6;  44,3);  Verbannung  auf  eine  Insel  („relegatio  bzw.  deportatio  ad  insulam":  Apol.  12,5;  39,6);  Verurteilung  einer  Christin  zum  Bordell  („damnatio  ad 

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werden von ihm aber auch die politischen und juristischen Voraussetzungen für die Verfolgung der Christen angesprochen und untersucht; ebenso wirft er die Frage nach den entscheidenden Triebkräften des Vorgehens gegen die christlichen Gemeinden auf. Unter diesen Aspekten nimmt die Frage nach den juristischen Bedingungen der Verfolgung und dem prozessualen Vorgehen gegenüber den Christen bei Tertullian einen vorrangigen Platz ein. Nach ersten Anmerkungen zu diesem Thema in „Ad nationes"3 hat er sich in ausfuhrlicher Weise im „Apologeticum" mit dem Verlauf der Christenprozesse auseinandergesetzt und diesen einer harschen Kritik unterzogen. Er setzt dabei ein mit der apologetischen Feststellung, daß die eigentliche Ursache der Verurteilungen der Gläubigen in der Unkenntnis der Heiden über das Christentum zu suchen sei, denn nur auf ihrer „ignorantia" beruhe die den Christinnen und Christen entgegengebrachte Ablehnung. 4 Deutliches Indiz dieser Unwissenheit, die als Ursache wie auch als Konsequenz des Hasses gegen

lenonem": Apol. 50,12). Unter den verschiedenen Formen der Todesstrafe erwähnt er den Tierkampf („damnatio ad bestias": Apol. 12,4; 30,7; 44,3; 50,12; Ad nat. I, 3,10; 1, 18,1; Ad Scap. 3,6; Scorp. 1; De pat. 13; Ad mart. 4,2.9), die Enthauptung („gladius": Apol. 12,4; 30,7; Ad Scap. 4; Scorp. 1 ; Ad nat. I, 3,10; I, 18,1; De pat. 13; Ad mart. 4,2.9), die Kreuzigung („crux": Ad nat. I, 3,10; I, 18,1; Apol. 12,3; 30,7; 50,12; De pat. 13; Ad mart. 4,2.9), die Pfáhlung, („stipes": Apol. 12,3) und den Feuertod („ignis": Apol. 12,5; 30,7; Scorp. 1; D e pat. 13; Ad Scap. 4; 11; Ad nat. 1,18; Ad mart. 4,2.9; 5,1). „Damnatio ad bestias", „ad crucem" und „ad ignem" waren die besonders häufig über Christen verhängten Formen der Todesstrafe, die von Tertullian auch mehrfach in stereotyper Reihung aufgezählt werden (vgl. z.B. Ad mart. 4,9; De pat. 13). Zur Häufigkeit der Verhängung dieser Strafen über Christen vgl. auch Garnsey, Social Status, 126f. 130, der dort weitere Belegstellen zu ihrer Vollstreckung an diesen bietet. Eine ausführliche Übersicht über die allgemein in den ersten drei Jahrhunderten über Christen verhängten Strafen findet sich bei Paul Allard, Dix leçons sur le martyre, Paris 1907, 273-307. Die Unterschiedlichkeit der Urteile und Strafsentenzen weist darauf hin, daß die römischen Magistrate bei der Verhängung der Strafen gegen Christen einen Ermessenspielraum hatten. Vgl. Allard, D i x leçons, 282: „... a partir de la fin du second siècle, le choix des peines à prononcer contre les martyrs parait avoir été, presque toujours, laisse à l'arbitraire de leurs juges", sowie Freudenberger, Verhalten, 233, der als einen der wesentlichen Punkte des Reskriptes Hadrians an Minicius Fundanus, das in Ergänzung des Plinius-Trajan-Reskriptes die Rechtssituation der Christen im 2. Jhdt. bestimmte, anmerkt: A u f die Bestätigung des Christseins eines Angeklagten folge die Verhängung einer Kapitalstrafe, wobei „die konkrete Strafe ... dem Ermessen des Statthalters überlassen (bleibt); der Kaiser gibt nur die generellen Richtlinien." 3 4

Ad nat. I, 2f (CChr.SL 1, 12, 8-14,20).

Apol. 1,4-9 (CChr.SL I, 85,21-86,52); ähnlich schon Just., Apol. 1,3. Hintergrund dieser Vorstellung ist der sokratisch-platonische Gedanke, daß niemand freiwillig Unrecht tue, sondern nur auf Grund mangelnder Kenntnis. Vgl. U w e Kühneweg, Die griechischen Apologeten und die Ethik, in: VigChr 4 2 ( 1988), 114. Für Tertullian ist damit aber keine Entschuldigung der Unwissenden verbunden, vielmehr ist ihre Unkenntnis schuldhaft: „Malunt nescire, quia iam oderunt" (Apol. 1 , 9 ; CChr.SL I, 86,47). Zu der Frage der in der heidnischen Umwelt vorhandenen Kenntnisse über das Christentum vgl. Joseph Walsh, On Christian Atheism, in: VigChr 45 (1991), 264f; Robert L. Wilken, The Christians as the Romans saw them, N e w Haven/London 1984.

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die Christen  zu verstehen  sei, ist für Tertullian  das durchweg ungerechte  Vorge­ hen  der  Behörden  diesen  gegenüber.  Um  diese  Ungerechtigkeit  im juristischen  Umgang mit Christinnen und Christen zu erweisen, bietet er eine detaillierte  Dar­ stellung des ihnen gegenüber durchgeführten Verfahrens und vergleicht dieses mit  den für andere  Strafprozesse gültigen Rechtsgrundlagen  und  Verfahrensnormen.  Als Ausgangspunkt der Argumentation weist er auf das Vorurteil  der Römer hin,  daß es sich bei den Christen um Verbrecher handele. Unter dieser  Voraussetzung  müßten  sie  aber  auch  genauso  wie jeder  andere  unter  der  Anklage  eines  Ver­ brechens  Stehende  behandelt  werden.5  Daß  demgegenüber  in  der  Rechtspraxis  aber eine fundamentale Ungleichbehandlung  der Christen  im Vergleich zu  ande­ ren  Angeklagten  festzustellen  sei,  erweist  Tertullian  an  Hand  verschiedener  Aspekte  des  Verfahrens  ­  der  Möglichkeit  einer  Verteidigungsrede,  der  Zu­ lässigkeit  der  Fahndung  nach  den  „Delinquenten"  und  der  Funktion  der  Folter  innerhalb des Prozesses. Während in jedem anderen Strafprozeß den  Angeklagten  die Möglichkeit  einer Verteidigungsrede  offenstünde, erlaube  man  den  Christen  nicht,  sich  ausführlich  zu  verteidigen;  Ziel  der  Befragung  sei  vielmehr  aus­ schließlich  das  Bekenntnis  des  Christseins.6  Im  Unterschied  zu  anderen  Ver­ brechen,  bei  denen  nach  den  genauen  Umständen,  nach  der  „Beschaffenheit"  (qualitas)  der Tat, nach  Ort, Zeit und Mittätern  gefragt werde,  erfolge nach  dem  Bekenntnis  des  Christseins  auch  keinerlei  Untersuchung  mehr  über  die  den  Christen zur Last gelegten Verbrechen.7 Nach jedem  Verbrecher  dürfe gefahndet  werden, die Christen allein hingegen  stünden auf Grund des Reskriptes Trajans an  Plinius8 unter dem Vorbehalt, daß nach ihnen nicht geforscht werden dürfe (solum 

5   Apol.  2,1  (CChr.SL  I,  87,1­4):  „Si  certum  est  denique  nos  nocentissimos  esse,  cur  a  vobis  ipsis  aliter  tractamur,  quam  pares  nostri,  id  est  ceteri  nocentes,  cum  eiusdem  noxietatis  eadem  tractatio  deberet  intervenire?"  6   Apol.  2,2f  (CChr.SL  I,  87,4­11):  „Quodcumque  dicimur,  cum  alii  dicuntur,  et  proprio  et  mercennario  ore  utuntur  ad  innocentiae  suae  commendationem;  respondendi,  altercandi  facultas  patet,  quando  nec  liceat  indefensos  et  inauditos  omnino  damnari.  Sed  Christianis  solis  nihil  per­ mittitur  loqui  quod  causam  purget,  quod  veritatem  defendat,  quod  iudicem  non  faciat  iniustum;  sed  illud  solum  exspectatur,  quod  odio  publico  necessarium  est: confessio nominis,  non  examinatio  criminis."  7  Apol.  2,4f  (CChr.SL  I, 87,11­88,19):  „quando,  si  de  aliquo  nocente  cognoscatis,  non  statim  confesso eo  nomen  homicidae  vel  sacrilegi  vel  incesti  vel  publici  hostis  (ut de  nostris  eligiis  loquar)  contenti  sitis  ad  pronuntiandum,  nisi  et  consequentia  exigatis,  qualitatem  facti, numerum,  locum,  tempus,  conscios,  socios?  De  nobis  nihil tale, cum  aeque extorqueri  oporteret  quod  de falso  iactatur,  quot  quisque  iam  infanticidia  degustasset,  quot  incesta  contenebrasset,  qui  coqui,  qui  canes  adfuissent."  8  Vgl.  Apol.  2,7 (CChr.SL  I, 88,31f): „Tunc Traianus  rescripsit,  hoc  genus  inquirendos  quidem  non  esse,  oblatos  vero  puniri  oportere." 

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Christianum inquirí non licet).9 Spräche dies eigentlich für ihre Unschuld, erschienen sie andererseits aber doch als Schuldige, da sie denunziert und verurteilt werden könnten.10 Über diesen eklatanten inneren Widerspruch in dem Vorgehen der Heiden gegen die Christen hinaus stellt Tertullian die Diskrepanz im Umgang mit der Folter in Christen- und in anderen Strafprozessen heraus: Während bei den übrigen Verbrechen die Folter dazu diene, im Falle der Leugnung doch noch ein Geständnis herbeizufuhren, werde sie bei den Christen umgekehrt nach dem bereits erfolgten Bekenntnis zum Zwecke der Ableugnung eingesetzt - eine Differenz, die Tertullian im entsprechenden Zusammenhang in „Ad nationes" nur mit dem Ausruf „quae tanta perversitas" quittieren kann.11 Wenn es sich bei dem Bekenntnis zum Namen Christi tatsächlich um ein in dem Prozeß zu erweisendes Verbrechen handelte - so die weitere Argumentation im „Apologeticum" - , müßte die Anwendung der Folter doch auch bei den Christen auf ein Geständnis zielen.12 Das Ziel eines Verbrecherprozesses sei das Geständnis des Verbrechens, Ableugnung stoße hier kaum auf Glauben; demgegenüber bestehe das Ziel eines CVzräiewprozesses in der Ableugnung, die, anders als in einem anderen Strafprozeß, auch akzeptiert werde.13 Die Aufzählung dieser Unterschiede zwischen gewöhnlichen Strafprozessen und Christenprozessen, in denen die angeklagten Christen nach Tertullians Einschätzung „contra formam iudicandorum malorum",

9  Apol. 2,6­9 (CChr.SL  I, 88,22­89,44).  Dieser Beleg bei Tertullian  unterstützt ­  entgegen  der  noch bei Richard Heinze, Tertullians Apologeticum,  Leipzig  1910, 302, geäußerten  Auffassung („...  sicher  hat  zu Tertullians  Zeit  die Bestimmung  Trajans nicht  mehr  in Kraft gestanden  ..."),  die  in  Kap. 2 getroffene Feststellung,  daß das Reskript Trajans auch  im Afrika des  ausgehenden  2.  Jhdts.  maßgeblich  für die Art des Vorgehens  gegen die Christen war. Vgl. Molthagen,  Staat,  35f. Als  ein  Argument zur Herausstellung der Inkonsequenz des Vorgehens der römischen Magistrate wird diese  Bestimmung erstmals von Tertullian angeführt, die früheren Apologeten  beziehen sich nicht darauf;  möglicherweise  war der  in  Latein  abgefaßte und  überlieferte Briefwechsel  ihnen  nicht  bekannt.  10  Apol. 2,8f (CChr.SL I, 88,37­88,44):  „Latronibus vestigandis  per universas  provincias  milita­ ris statio sortitur; in reos maiestatis  et públicos hostes omnis homo miles est: ad socios, ad  conscios  usque inquisitio extenditur. Solum Christianum  inquirí non licet, offerii licet, quasi aliud esset actura  inquisitio quam oblationem. Damnatis itaque oblatum, quem nemo voluit requisitum; qui, puto, iam  non  ideo meruit  poenam,  quia nocens  est,  sed  quia non  requirendus  inventus  est."  "  Ad  nat.  I, 2,2 (CChr.SL  I,  12,12­14).  12  Apol.  2,10  (CChr.SL  I,  89,45­49):  „Sed  nec  in  isto  ex  forma malorum  iudicandorum  agitis  erga nos, quod ceteris negantibus tormenta adhibetis ad confitendum, solis Christianis ad  negandum,  cum, si malum  esset,  nos quidem negaremus,  vos  vero confiteri tormentis  compelleretis".  Auf  die  unterschiedliche  Zielrichtung  der  Folter  bezieht  sich  auch  Minucius  Felix  (Oct.  28,3;  CSEL  II,  41,10­12).  13  Apol.  2,13  (CChr.SL  I,  89,67­69):  „Plane  aliis  negantibus  non  facile  fidem  accomodatis:  nobis,  si  negaverimus,  statim  creditis."  Ebenso  Ad  nat.  I, 2,3 (CChr.SL  I,  12,18f)· 

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d.h. entgegen den Vorschriften für Kriminalprozesse14, und keinesfalls entsprechend den Grundsätzen eines Rechtsstaates behandelt würden15, mündet in die grundsätzliche Beobachtung einer im Vergleich zu dem Umgang mit den anderen „Verbrechern" völlig abweichenden Behandlung der Christinnen und Christen: „... in omnibus aliter nos disponitis quam ceteros nocentes."16 Diese fundamentale Diskrepanz führt für ihn zu dem zwingenden Fazit, daß es sich bei dem Gegenstand der Christenprozesse - im Unterschied zu demjenigen, der in den anderen Strafprozessen verhandelt werde - keinesfalls um ein Verbrechen handeln könne; nicht um ein solches gehe es dort, sondern vielmehr um das „nomen", d.h. das Christsein an sich.17 Mit seinen detaillierten Ausführungen zum „ungerechten" und „widersinnigen"18 juristischen Vorgehen gegenüber den Christen verfolgt Tertullian im Rahmen des „Apologeticums" das Ziel, die prinzipielle Ungerechtigkeit jeglicher

14  Diese  Formulierung  in  Ad  nat.  I,  2,1  (CChr.SL  I,  12,8),  in  Apol.  2,10  (CChr.SL  I,  89,45f)  schreibt  Tertullian  ähnlich:  „Sed  nec  in  isto ex forma malorum  iudicandorum  agitis erga nos  ...".  Vgl. auch die Formulierung Apol.  2,14  (CChr.SL  I, 89,71­90,72):  „...  adversus  formam,  adversus  naturam  iudicandi,  contra  ipsas  quoque  leges  ...".  Zu  der  Erläuterung  im  Text  vgl.  die  bei  J.P.  Waltzing,  Tertullien.  Apologétique.  Bd.  II. Commentaire  analytique,  grammatical  et  historique,  Paris  1919, 22, gegebene Übertragung von „forma malorum  iudicandorum"  im  Sinne von „les  lois  de  la procédure  criminelle".  15   Vgl.  Apol.  2,14  (CChr.SL  I,  90,72­76):  „Nisi  fallor  enim,  leges  malos  erui  iubent,  non  abscondi,  confeseos  damnari  praescribunt,  non  absolui.  Hoc  senatus  consulta,  hoc  principum  mandata  definiunt.  Hoc  imperium  cuius  ministri  estis,  civilis,  non  tyrannica  dominatio  est."  Die  Nichtentsprechung der Magistrate gegenüber den Gesetzen der „civilis dominatio" drückt Tertullian  in Apol. 2,17  (CChr.SL  I, 90,87)  aus: „Praevaricaris  in  leges."  16  Apol. 2,18 (CChr.SL I, 90,94f). Zur Funktion dieser Betonung der durchgängigen  Ungleichbe­ handlung  und  der  Singularität  des  Vorgehens  gegen  die  Christen  vgl.  Louis  J.  Swift,  Forensic  Rhetoric  in Tertulliano  Apologeticum,  in: Latomus 27/2 (1968),  868f., der die Intention  der  Argu­ mentation  Tertullians  darin sieht, Empörung,  (indignatio) über  das den  Christen  gegenüber  geübte  Verfahren zu  erregen.  "  Apol.  2,18  (CChr.SL  I,  90,97f): „...  intellegere  potestis,  non  scelus  aliquod  in  causa  esse,  sed nomen  ...". Mit einer entsprechenden  Intention hat sich  Tertullian  auch  in „Ad  Scapulam"  mit  der  Art  der  römischen  Christenprozesse  auseinandergesetzt.  Auf  Grund  des  Charakters  dieser  Schrift als  „Gelegenheitsschrift",  die  sich  direkt  an den  Prokonsul  Scapula  wendet  und  nur  kurz  einzelne  Punkte,  die bereits im „Apologeticum"  ausführlich erörtert  worden  waren,  aufgreift, wird  hier  lediglich  in  prägnanter  Weise  das  Ergebnis  der  detaillierten  Argumentation  von  Apol.  2  angeführt: „Videtis  ergo  quomodo  ipsi  vos  contra  mandata  faciatis, ut  confesses negare  cogatis.  Adeo  confïtemini  innocentes  esse nos,  quos  damnare  statim  ex  confessione  non  vultis.  Si  autem  contenditis ad elidendos nos, iam ergo innocentiam  expugnatis" (Ad  Scap. 4,2; CChr.SL  II,  1130,6­ 10).  18  Zur Charakterisierung des Verfahrens gegen die Christen  verwendet  Tertullian  mehrfach  den  starken  Ausdruck  „perversitas"  bzw.  „perversus"  (Apol.  2,11.13.14.17;  CChr.SL  I,  89,52.66.70;  90,89;  Ad  nat.  I, 2,2; CChr.SL  I,  12,12). 

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Feindschaft gegenüber den Christen seitens der Heiden zu erweisen. 19 Um dieser grundlegenden Intention apologetischer Argumentation20 gerecht zu werden, ist es für ihn notwendig, eine auch für seine heidnischen Adressaten evidente Argumentationsebene einzunehmen. Gegenüber den von Tertullian angesprochen „Romani imperii antistites"21, für die das „Christenproblem" wesentlich eine mit juristi-

19  Vgl. Apol.  4,1 (CChr.SL I, 92,1­3): „Atque adeo, quasi  praefatus haec  ad suggillandam  odii  erga nos publici  iniquitatem,  iam de causa innocentiae consistam." Unterschiedlich  wird  in der  For­ schung  die  konkret  hinter  dem  Erweis  der  „iniquitas"  stehende  Intention  Tertullians  verstanden:  Während  es nach Becker,  Apologeticum,  303, in der Darstellung  der Ungerechtigkeit  der  Christen­ prozesse  für Tertullian  primär darum  geht, den „Widersinn,  das  Absurde  und  Perverse  des  ganzen  Daseins der Heiden" aufzuzeigen und zu entlarven, „weil sie ein Symptom  sind und sich in ihnen der  Widersinn  des  heidnischen  Treibens  am  stärksten  ausgeprägt  hat",  geht  Swift, Forensic  Rhetoric,  876f,  davon  aus,  daß  dieser  Erweis  direkt  Einfluß  nehmen  solle  auf die  Haltung  der  heidnischen  Umwelt:  „The  apologist's  purpose  ...  was  to  bring  his  audience  face to  face with  the  paradox  of  Christian  practice and  pagan condemnation  in the  hope that such a confrontation would  eventually  effect a change  in the pagan  mind." Sehr differenziert im  Blick  auf den  Adressatenkreis,  der  unter  den  gebildeten  Römern  zu  suchen  sei,  urteilt  Barnes,  Tertullian,  109f:  „Throughout,  however,  Tertullian  seeks to divide all his educated  readers  from the blind  prejudices of the mob,  who  were  not likely to read the Apologeticum." Ähnlich sieht Eckert, Orator Christianus,  56f, diesen  Abschnitt  des  „Apologeticums"  zum  Zweck  der  Polarisation  des  Leserpublikums  verfaßt.  20   Vgl.  Michele  Pellegrino,  Studi  su  l'Antica  Apologetica,  Rom  1947,  121.  Vor  Tertullian  zeigt sich  diese  Intention  insbesondere  bei  Justin (Apol.  II).  21  Apol.  1,1 (CChr.SL  I, 85,2). Umstritten  ist, wer  genau  mit  dieser  Bezeichnung  gemeint  ist:  Während nach Heinze, Apologeticum, 286, hiermit die „praesides", die Provinzstatthalter,  allgemein  angesprochen  sind, da Tertullian  „die Verbreitung seiner Schrift nicht  auf seine  Heimat  beschränkt  wissen  will",  meint  letzterer  nach  Schöllgen,  Ecclesia  sordida,  100,  mit  dieser  Bezeichnung  „im  untechnischen  Gebrauch  des  Wortes"  konkret  den  karthagischen  Prokonsul  zusammen  mit  den  Provinzlegaten, die den Prokonsul, der die uneingeschränkte Zivil­ und Strafgerichtsbarkeit ausübte,  in der Rechtsprechung unterstützten. Im Unterschied zu den ersten griechischen Apologeten, die sich  in ihren Schriften an die jeweiligen Kaiser  wandten, richtet Tertullian sich also entweder an alle oder  zumindest  an  die karthagischen Provinzmagistrate,  von  denen  das  Verfahren  gegen  die  Christen  abhängig war. Tertullian  verfolgte nach Richard  Klein, Tertullian  und  das römische  Reich,  Heidel­ berg  1968,  38,  mit dieser  Adressierung  das Ziel,  das  Verhalten  der  staatlichen  Organe  sowie  auch  das des Volkes anklagen, dabei  aber  das von  ihm positiv  gewertete  Kaisertum  von  der  Kritik  aus­ nehmen  zu  können.  Nach  Becker,  Apologeticum,  290f,  sollen  die  für  die  Verurteilungen  von  Christen  verantwortlichen  Statthalter  und  die  Kaiser  sogar  gegeneinander  ausgespielt  und  „die  Kaiser als Bundesgenossen  für die Christen in Anspruch genommen" werden (vgl. Apol. 5,4;  21,24;  30,1;  32,2).  Vermutlich  beruhte  die  Ausrichtung  der apologetischen  Schriften Tertullians  auf  die  Prokonsuln  und Legaten auf der klaren und pragmatischen Einsicht, daß die unmittelbare Gefahr für  die Christen  von den  Statthaltern,  nicht  von  den  Kaisern  ausging,  und  sie  insofern  auch  direkt  auf  Fehler  und  Unzulänglichkeiten  in  ihrer  Beurteilung  und  Behandlung  der  Christen  anzusprechen  seien. In eine ähnliche Richtung geht die bei A.N. Sherwin­White, The Letters of Pliny. A Historical  and  Social  Commentary,  Oxford  1966,  782f,  geäußerte  Einschätzung,  daß  der  den  Prokonsuln  zustehende  Spielraum  in Verfahrensablauf und Urteils v erhängung  den  unmittelbaren  Grund  dafür  darstellte,  daß  Tertullian  sich  mit  dem  im  „Apologeticum"  unternommenen  Versuch  der  Beein­ flussung  direkt  an  sie  wandte:  „...  it  lay  in the  governor's  discretion  whether  to  accept  or refuse  accusations,  how  to  manage  the  case  if  accepted,  and  how  to  sentence  the  guilty,  whether  to  a 

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sehen Mitteln zu bewältigende Problematik darstellte, konnte eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Prozeßverfahren und eine breite Aufnahme juristischer Argumentationsformen22, die ihn von seinen Vorgängern in der griechischen Apologetik unterscheidet23, diesen Zweck erfüllen. Die Betrachtung der Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen unter juristischen Gesichtspunkten, d.h. ihr Verständnis als eines wesentlich im Bereich des Rechts angesiedelten, innerweltlichen Konfliktes, beruht also auf der primär auf heidnische Adressaten ausgerichteten apologetischen Zielsetzung der Ausführungen zur Verfolgung im „Apologeticum". Neben den juristischen Aspekten des Verfolgungsgeschehens finden sich in apologetischen Kontexten noch weitere Äußerungen, in denen die Verfolgung als immanentes Ereignis verstanden wird. So greift Tertullian mehrfach die Frage der

particular form of death,  or to the mines,  or to relegation  ... It is because  the  governors  enjoyed  such  discretion  that  Tertullian  addressed  his  Apology  and  Ad  Scapulam,...,  to  the  governors  and  not  the  emperor;  the  remedy  lay  in  the  governor's  arbitrium."  Zu  diesem  Ermessensspielraum  vgl.  auch  Anm.  2.  22  Bereits  in der  Alten  Kirche  wurde  auf Tertullians juristische  Kenntnisse  hingewiesen  (Eus.,  HE  11,2,4). In der  Forschung  ist aber  sowohl  die Herkunft  als  auch  das  Ausmaß  seiner  juristischen  Bildung sehr unterschiedlich  bewertet worden:  So zeigt sich zum einen eine auf von Harnack  zurück­ gehende  Tendenz,  Tertullian  spezielle,  auf  einer  besonderen  juristischen  Ausbildung  beruhende  Kenntnisse  des  Rechts  zuzuschreiben  (so  z.B.  Brandt,  Ethik,  117).  Die  neuere  Forschung  neigt  hingegen  eher  zu  Skepsis  gegenüber  einer  besonderen  juristischen  Bildung  Tertullians.  Vgl.  z.B.  Barnes,  Tertullian,  24:  „The  legal  knowledge  of Tertullian  is  readily  explicable  by  the  easy  hypo­ thesis  that  he  received  a  normal  education."  Eine  differenzierte  Betrachtung  dieser  Fragestellung  findet  sich  bei  Hallonsten,  Satisfactio,  61­65,  der  als  heute  in  der  Forschung,  insbesondere  der  französischen,  dominierende  Anschauung  hervorhebt,  daß  Tertullian  sicherlich  juristische  Kennt­ nisse  hatte  und  Rechtstermini  übernommen  hat,  aber  von  der  Position  eines  Rhetors  aus,  nicht  der  eines  Juristen;  wesentlicher  als juristische  Fachkenntnisse  seien  bei  ihm  die  Einflüsse der  Rhetorik.  Für  den  englischsprachigen  Bereich  vgl.  ähnlich  Bray,  Holiness,  31.  23   Die  gegenüber  der  griechischen  Apologetik  neue  eingehende  Beschäftigung  mit  dem  Prozeßverfahren  in Tertullians  „Ad  Nationes",  wesentlich  stärker  dann  noch  im  „Apologeticum",  betonen  Becker,  Apologeticum,  290; Alexander Beck, Römisches  Recht bei Tertullian  und  Cyprian.  Eine  Studie  zur  frühen  Kirchenrechtsgeschichte,  Halle  1930,  52f. Vor  Tertullian  wird  lediglich  bei  Justin  die  Rechtsfrage  bereits  als  eigenständiges  Thema  aufgegriffen (Apol.  0,2);  sowohl  in  der  Ausführlichkeit  als  auch  in  der  Durchdringung  dieser  Frage  bleibt  letzterer  aber  hinter  Tertullian  zurück.  Einen  neuen  Abschnitt  innerhalb  der  Apologetik  bezeichnet  auch  die  verstärkte  Aufnahme  juristischer  Argumentationsformen  in Tertullians  „Apologeticum".  So  leitet  nach  Altaner/Stuiber,  Patrologie,  151, „das  Apologeticum  ... die Apologetik  von der philosophischen  Linie auf die juristi­ sche  über." Trotz  vereinzelter  Gegenstimmen  (so z.B.  Paul  Keresztes,  Tertullian's  Apologeticus:  a  Historical  and  Literary  Study,  in:  Latomus  25  (1966),  124­133)  wird  das  „Apologeticum"  her­ kömmlicherweise  als  Traktat  in  der  Form  einer  forensischen  Rede  betrachtet,  der  entsprechende  rhetorische  Merkmale  aufweist. Vgl.  die  für die  Etablierung  dieses  Verständnisses  des  „Apologeti­ cums" grundlegende Untersuchung von Heinze, Apologeticum,  passim. Zu der Verwendung forensi­ scher  Rhetorik  bei  Tertullian  vgl.  weiter  Swift,  Forensic  Rhetoric,  864­877;  Robert  Dick  Sider,  Ancient  Rhetoric  and  the  Art  of  Tertullian,  Oxford  1971;  Eckert,  Orator  Christianus,  passim. 

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konkreten Urheberschaft der Verfolgungen gegen die Christen auf. Die grundsätzliche Feststellung, daß den Christinnen und Christen alle Machthaber dieser Welt feindlich gegenüberstünden24, erfährt in apologetisch ausgerichteten Zusammenhängen eine nach dem Grad der Feindseligkeit und dem Ausmaß des tatsächlichen Vorgehens gegen die Christen differenzierte Betrachtung. Tertullian beurteilt dabei die Rolle der Kaiser im Verfolgungsgeschehen ebenso wie diejenige der Provinzmagistrate und des Volkes und bezieht eindeutig Stellung, wo seiner Auffassung nach die Verantwortung für die Verfolgungen zu suchen sei. Zur Beurteilung der Stellung der Kaiser im Zusammenhang des Verfolgungsgeschehens greift er im „Apologeticum" auf die Verfolgungsgeschichte des 1. und 2. Jahrhunderts zurück. Unter Aufnahme einer apologetischen Tradition stellt er diese so dar, daß alle Verfolgungen grundsätzlich nur von anerkannt schlechten Kaisern ausgegangen seien: „Tales semper nobis insecutores, iniusti, impii, turpes ,..".25 Als Prototypen dieser ungerechten, verkommenen und deshalb eo ipso christenverfolgenden Kaiser erscheinen bei ihm Nero26 und Domitian27 — eine Vor24

 De  idol.  18,8 (CChr.SL  Π,  1120,3­5):  „...  omnes  huius  saeculi  potestates  et  dignitates,...  per  illas  adversus  dei  servos  supplicia  consulta  sunt...".  25   Apol.  5,4  (CChr.SL  I,  95,19f).  In  ähnlicher  Weise  schreibt  er  in  Apol.  5,7  (CChr.SL  I,  96,3 lf) die Christengesetze  den „impii  iniusti,  turpes truces,  vani  dementes"  zu.  In diesen  Äußerun­ gen  zeigen  sich  erste  Ansätze  des  zuerst  bei  Laktanz  und  Eusebius  deutlich  hervortretenden,  politische  und  moralische  Kategorien  vermischenden,  Bildes des  grundsätzlich  schlechten  Christen­ verfolgers: „Quis enim  iustitiam  nisi malus  persequatur?" (Lakt.,  De  mort.pers. 4,1). Zu  diesem  Bild  vgl.  Campenhausen,  Idee,  157f.  Zu  der  in  der  Zeichnung  der  moralischen  Verwerflichkeit  der  christenverfolgenden  Kaiser  stattfindenden  Anknüpfung  an  pagane  politische  Polemik  vgl.  Opelt,  Polemik,  22.  26  In Apol.  5,3 (CChr.SL  I, 95,12­15)  heißt  es von  Nero,  dem  „dedicator  damnationis  nostrae":  „Consulite  commentarios  vestros,  illic  reperietis  primum  Neronem  in  hanc  sectam  cum  maxime  orientem  Caesariano  gladio  ferocisse." Apol.  21,25  (CChr.SL  I,  127,131)  spricht  von  der  „Neronis  saevitia",  durch  die  Christen  ihr  Blut  vergossen  hätten.  Vgl.  Ad  nat.  I,  7,8  (CChr.SL  I,  18,22):  „...  Nerone  damnatio  invaluit  ...";  Scorp.  15,3  (CChr.SL  II,  1097,1 lf):  „Vitas  Caesarum  legimus:  orientem  fidem  Romae  primus  Nero  cruentavit".  Die  Tradition  von  Nero  als  erstem  grausamen  Verfolger  hat  sich  bei  Tertullian  auch  in der  Vorstellung  eines  „institutum  Neronianum"  (Ad  nat.  I, 7,9;  CChr.SL  I,  18,27f) niedergeschlagen,  die  ­  unabhängig  von  der  viel  diskutierten  Frage  der  Interpretation  dieses  Terminus  ­  zunächst  einmal  den  für die  Folgezeit  maßgeblichen  Beginn  eines  Vorgehens  gegenüber  Christen  mit  dem  Namen  Nero  verbindet.  Zur  Diskussion  um  die  Deutung  dieser  Stelle  vgl.  Freudenberger,  Verhalten,  5­7.  27  Domitian  wird  dabei  von  Nero  sogar  noch  positiv  abgehoben:  „Temptaverat  et  Domitianus,  portio Neronis  de  crudelitate;  sed  quia  homo,  facile coeptum  repressit,  restitutis  etiam  quos  relega­ verat."(Apol.  5,4;  CChr.SL  I,  95,17­19).  Die  Tradition  vom  Abbruch  der  Verfolgung  gegen  die  Christen  hat Tertullian  nach  Moreau,  Christenverfolgung,  39,  von  Hegesipp  übernommen;  in  bezug  auf  die  Aufhebung  der  Verbannungen,  die  dort  nicht  berichtet  wird,  vermutet  Jakob  Speigl,  Der  römische  Staat und die Christen ­  Staat und  Kirche von Domitian  bis Commodus,  Amsterdam  1970,  34, die Vermischung  der Nachricht  vom  Abbruch  der Verfolgung „mit einer römischen  Tradition  der  Rückkehr  von  Verbannten  nach  Domitians  Tod."  Im  Gegensatz  zu  der  Kennzeichnung  Domitians 

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Stellung, die sich schon vor Tertullian in der apologetischen Literatur, zuerst bei Melito von Sardes, findet.28 Im Gegensatz zu den „Christenverfolgern" Nero und Domitian werden alle anderen, die „guten und gerechten" Kaiser, von Tertullian entlastet. Unter ihnen habe es keinen Christenfeind gegeben29, sie hätten sich mo-

zumindest  als  partiellem  Verfolger bei  Tertullian  und  in  anderen  Teilen  der  altkirchlichen  Literatur  (vgl.  Anm.  28)  ist  aber  die  Frage  nach  der  Historizität  eines  tatsächlich  in  die  Zeit  Domitians  zu  datierenden  Vorgehens  gegen  Christen  in der  Forschung  umstritten:  Gegen  die  Wahrscheinlichkeit  einer  „domitianischen  Christenverfolgung" wendet  sich  Barnes,  Legislation,  35f;  skeptisch  äußert  sich auf Grund der geringen  Belege Moreau,  Christenverfolgung, 39f. Für ein Vorgehen  gegen  Chri­ sten  unter  diesem  Kaiser  votiert  unter  Verweis  auf die  ApkJoh  und  1 .Clem  1,1 ; 7,1  hingegen  Vogt,  Christenverfolgung,  1167­70.  28  Eus.,  HE  IV,26,9.  Vgl.  Barnes,  Legislation,  34f. Nach  Freudenberger,  Verhalten,  7,  bildete  diese  Darstellung  das  Modell  für Tertullians  Nero­  und  Domitianbild;  dagegen  Becker,  Apologeti­ cum, 361, Anm. 26. Die Verbindung zwischen der Überlieferung von den „schlechten" Kaisern  Nero  und  Domitian  und  ihrer  Charakterisierung  als  Christenverfolger  in  der  christlichen  Apologetik  beruhte  nach  Speigl,  Staat,  223f, darauf, daß  die Apologeten,  allen  voran  Melito,  eine  plausible,  all­ gemeinverständliche  Erklärung  für das  Auftreten  von  Verfolgungen  gesucht  hätten.  So  „boten  sich  damals  als gängige  Erklärung  der  Feindseligkeiten  gegen  die  Christen  die  schlechten  Kaiser  (Nero  und  Domitian) an",  deren  Negativbild  in  der  heidnischen  Überlieferung  bereits  ausgestaltet  worden  war.  Dort  finden  sich  insbesondere  bei  Autoren  aus  senatorischen  Kreisen,  bei  denen  sich  eine  grundsätzliche  Ablehnung  überzogener  Forderungen  des  Kaisertums  zeigt,  eine  Vielzahl  negativer  Äußerungen  sowohl  über Nero als auch über Domitian. Nero  erfährt eine  negative  Charakterisierung  besonders  bei  Sueton  (Vit.Ner.  26.35.38),  aber  auch  bei  Marc  Aurel  (Med.  111,16,1).  Zu  weiteren  negativen  heidnischen  Urteilen  über Nero  vgl.  Fritz Taeger,  Charisma.  Studien  zur  Geschichte  des  antiken  Herrscherkultes,  Bd.  II, Stuttgart  1960,  314­320.  Eine  Vielzahl  von  Belegen  bietet  sich  auch  für die negative  Sicht Domitians,  der nach seinem Tod  wie auch Nero der „damnatio  memoriae"  (der  quasi  offiziellen Seite  ihrer  Charakterisierung  als  „schlechte"  Kaiser;  vgl.  Speigl,  Staat,  224,  Anm.  252) verfiel. Neben  Sueton (Vit.Dom.  1.14) äußern  sich auch Tacitus (Agr.  3,1),  Plinius (ep.  X,52,4;  97,1;  Pan.Trai.  94,2)  und  Juvenal  (Sat.  I,4,38.85f) negativ  über  diesen  Kaiser.  Eine  Reihe  weiterer  Belege  fur die  negative  Sicht  der  Herrschaft Domitians  bei  den  genannten  und  bei  weiteren  zeitge­ nössischen  und  späteren  antiken  Autoren  bietet  Christiana  Urner,  Kaiser  Domitian  im  Urteil  antiker  literarischer  Quellen  und  moderner  Forschung,  Augsburg  1993,  226­280.  29   Vgl.  Apol.  5,5  (CChr.SL  I,  96,22­24):  „Ceterum  de  tot  exinde  principibus  ad  hodiernum  divinum  humanumque  sapientibus  edite  aliquem  debellatorem  Christianorum!"  Die  Vorstellung,  daß  kaum  Kaiser  tatsächlich  Christen  verfolgt  hätten,  hat  ihre  Wirkung  v.a.  bei  Laktanz  gezeitigt  (vgl.  De  mort.pers.  3,4),  der  neben  den  Kaisern  seiner  Gegenwart  nur  fünf  Kaiser  als  Christen­ verfolger benennt.  Die  Diskrepanz  zwischen  dem  „idyllischen"  Bild  in der  christlichen  Apologetik  von  einer  nur  von  wenigen  Kaisem  ausgehenden  Verfolgungstätigkeit  und  der  dort  ebenfalls  aufbewahrten  gegenläufigen  Erinnerung  an  eine  häufige  Gefahrdung  der  Christen  auch  unter  den  „offiziell" nicht  christenverfolgenden  Kaisern  wird  von  Kurt  Aland,  The  Relation  between  Church  and  State in Early Times:  A  Reinterpretation,  in: JThS  19 (1968),  122­124,  mit dem  Hinweis  auf  die  grundsätzliche  Loyalität  der  Christen  gegenüber  dem  von  Gott  eingesetzten  Kaiser  und  dem  Staat  erklärt.  Ähnlich  Jean­Claude  Fredouille,  Tertullien  et  l'Empire,  in: RechAug  19 (1984),  127:  „Sauf  exceptions  lamentables  (Néron,  Domitien),  les  chrétiens,  et  Tertullien  le  premier  en  Occident,  ne  considèrent  pas  le  Empereur  ­  qui  est  l'Empereur  de  tous  les  sujets ­  comme  un  ennemi.  S'il  y  a  persécution,  ils  en  reportent  la  responsabilité  sur  son  entourage  ou  sur  ses  subordonnés  mal  in­ fluencés  par  les  démons." 

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derat, z u m Teil sogar ausdrücklich schützend g e g e n ü b e r den Christen verhalten. A u s dieser Kategorie erwähnt er explizit Tiberius, V e s p a s i a n , Trajan, Hadrian, A n t o n i n u s Pius, M a r c Aurel und Lucius Verus. Tiberius h a b e i m Senat seine Stimme z u g u n s t e n der Christen abgegeben 3 0 , Marc Aurel sei sogar als „Beschützer" (protector) der Christen aufgetreten. Tertullian berichtet in d i e s e m Z u s a m menhang v o n e i n e m Brief Marc Aurels an den Senat, in w e l c h e m dieser angeblich die Rettung einer A r m e e in Germanien auf ein durch die G e b e t e v o n Christen h e r v o r g e r u f e n e s W a s s e r w u n d e r zurückführt. D i e Christen s e i e n zwar daraufhin nicht v o n Strafe befreit worden, aber der Kaiser habe ein schärferes V o r g e h e n g e g e n „accusatores" der Christen verfugt und sie auf d i e s e W e i s e geschützt. 3 1 V e s p a s i a n und Hadrian hätten e b e n s o w i e A n t o n i n u s Pius und L u c i u s V e r u s die v o n den „ U n g e r e c h t e n und Gottlosen" g e g e n die Christen verhängten G e s e t z e u m g a n g e n oder ihnen zumindest k e i n e n N a c h d r u c k verliehen. 3 2 E b e n s o wird bei ihm auch Trajan entschuldigt, die Christengesetze u m g a n g e n zu haben, i n d e m er verboten habe, nach den Christen zu suchen. 3 3 Mit diesen positiven Charakterisierungen römischer Kaiser, insbesondere Hadrians, A n t o n i n u s Pius' und Mark Aurels, greift Tertullian z u m Teil deutlich auf Traditionen der griechischen A p o l o g e t i k zurück. 3 4

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 Apol.  5,2 (CChr.SL I, 94,7­95,10). Nach  Waltzing, Tertullien,  34, handelt es sich hierbei um  „une légende invraisemblable, dont l'origine est inconnue". Barnes, Legislation, 32f, geht davon aus,  daß Tertullian  selbst  der Urheber  dieser  Überlieferung gewesen  sei,  während  R.F.  Evans,  On  the  Problem  of  Church  and  Empire  in  Tertullian's  Apologeticum,  in:  StPatr  14 (1976),  23,  Anm.  2,  Tertullians  Notiz  auf einen  apokryphen  Brief  des  Pilatus  an  Tiberius  zurückfuhrt,  der  Tertullian  bekannt  gewesen  sei  (vgl.  Apol. 21,24;  CChr.SL  I,  127,124f:  „Ea  omnia  super  Christo  Pilatus  ...  Caesari  tunc  Tiberio  nuntiavit...").  31  Vgl.  Apol.  5,6  (CChr.SL  I,  96,24­30)  32  Apol.  5,7 (CChr.SL  I, 96,30­35):  „Quales ergo  leges  istae, quas  adversus  nos  soli  exsequun­ tur  impii  iniusti, turpes truces, vani dementes,  quas Traianus  ex parte frustratus est  vetando  inquirí  Christianos,  quas  nullus Vespasianus,  quamquam  ludeaorum  debellator,  nullus  Hadrianus,  quam­ quam  omnium  curiositatum  explorator,  nullus  Pius,  nullus  Verus  impressit?"  Die  Formulierung  „adversus nos"  ist  eine  Korrektur  des  in  CChr.SL  gebotenen  „non";  vgl.  den  dort  angegebenen  griechischen  Paralleltext,  der ,,καθ'ήμών"  liest.  33  Apol.  5,7 (CChr.SL I, 96,32f). Vgl. dagegen aber die kritische  Einschätzung des  Fahndungs­ verbotes  in Apol.  2,8 (CChr.SL I, 88,33­35):  „O sententiam  necessitate confusami  Negat  inquiren­ dos  ut  innocentes  et  mandat  puniendos  ut  nocentes.  Parcit et saevit,  dissimulât  et  animadvert«."  34   Sowohl  Hadrian  als  auch  Antoninus  Pius  werden  schon  von  Justin  positiv  dargestellt:  Hadrian  wird  von  ihm  als  „ μ έ γ ι σ τ ο ς  κ α ι  ε π ι φ α ν έ σ τ α τ ο ς  κ α ί σ α ρ "  bezeichnet  (Apol.  1,68,3),  sein  Reskript  an  Minicius  Fundanus  wird  als  Grundlage  fur  ein  gerechtes  Verfahren  gegenüber Christen zitiert. An anderer Stelle wird ein gegen drei Christen ergangenes Urteil als nicht  den Maximen des Antoninus Pius und Mark Aurels entsprechend  bezeichnet (Apol. 11,2,16). Die bei  Tertullian aufgenommene Überlieferung vom „Regenwunder" (vgl. dazu Dieter Berwig, Mark Aurel  und die Christen,  München  1970,  100­119) findet sich bereits bei  Apollinaris  von  Hierapolis  (Eus., 

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Die Ausführungen Tertullians zeigen deutlich, daß nicht die tatsächliche Erinnerung an Verfolgungen und Martyrien seine Darstellung der Verfolgungsgeschichte bestimmt, denn auch unter den von ihm so genannten „guten" Kaisern, nicht zuletzt besonders unter Mark Aurel, litten die Christen unter Verfolgungen.35

HE  V,  5,4);  nach  Robert  M.  Grant,  Greek  Apologists  of the  Second  Century,  Philadelphia  (1988),  85,  legt  die  Identität  des  Kontextes  bei  Apollinaris  und  Tertullian  (Apol.  5,6;  Ad  Scap.  4,7)  eine  direkte  Übernahme  von  dem  griechischen  Apologeten  nahe.  Auch  mit  der  grundsätzlich  positiven  Charakterisierung  Marc  Aurels  steht Tertullian  bereits  in einer apologetischen  Tradition:  Melito  von  Sardes  betont  die  Gerechtigkeit  dieses  Herrschers  und  stellt  es  als  fraglich  hin,  ob  eine  in  Asien  ausgebrochene  Verfolgung auf einem  Erlaß dieses Kaisers beruhe (Eus., HE  IV, 26,6f),  Athenagoras  von Athen  (Apol.  37)  bezeichnet  ihn  als einen  der  besten  und  würdigsten  Kaiser.  Ihre  Fortsetzung  findet  diese  apologetische  Tradition  einer  positiven  Haltung  Marc  Aurels  zu  den  Christen  bei  Laktanz,  der  diesen  Kaiser  in  „De  mortibus  persecutorum"  nicht  erwähnt,  während  er hingegen  bei  Eusebius  (HE  IV,  15,1)  als  Verfolger  erscheint.  35   Die  apologetische  Tradition  von  dem  christenfreundlichen  Kaiser  Mark  Aurel  steht  zu­ mindest  in Diskrepanz  zu  den  Überlieferungen  über eine  Vielzahl  von  Verfolgungen,  die  in die  von  Krisen  geschüttelte  Regierungszeit  dieses  Kaisers  fallen. In erster  Linie  ist hier  die  Verfolgung  von  Vienne  und Lyon  zu nennen,  bei der sich auch die Frage nach einer unmittelbaren  Mitverantwortung  des  Kaisers  stellt.  So  haben  nach  Josef  Vogt,  Die  Religiosität  der  Christenverfolger,  Heidelberg  1962,  14,  „Kaiser  und  Senat...  im  Jahr  177  zusammen  gewirkt,  um  den  Priestern  des  Concilium  Galliarum  ...  die  Ausgaben  für die  Spiele  im  Amphitheater  zu  ermäßigen  durch  die  Erlaubnis,  an  Stelle  der  unerschwinglich  teuren  Gladiatoren  die  zum  Tod  verurteilten  Gefangenen  billig  zu  erwerben  und als  rituelle  Opfer bei den  Spielen  zu verwenden." Auch  Berwig,  Mark Aurel,  101, geht  davon  aus,  daß  der  Kaiser  „vermutlich  nicht  unerheblich  zur  Verschärfung der  Verfolgung von  177  beigetragen  hat." In  bezug  auf weitere  Martyrien  in diesem  Zeitraum  (Justin,  Polykarp,  sowie  die  in  Eus.,  HE  IV,  15,1­8;  23,2;  26,3  erwähnten  Verfolgungen)  läßt  sich  ein  solcher  Zusammenhang  allerdings  nicht  herstellen;  sie geben  weniger  Auskunft über  die  Haltung  des  Kaisers,  denn  über  die  Stimmung in den Provinzen.  Einige der Martyrien dieses Zeitraums  sind zudem  in ihren  Datierungen  umstritten,  insbesondere  das  Martyrium  Polykarps.  Grundsätzlich  zu  den  Verfolgungen  der  Zeit  Mark  Aurels  vgl.  P.A.  Brunt,  Marcus  Aurelius  and  the  Christians,  in:  Carl  Deroux  (Hg.),  Studies  in  Latin  Literature  and  Roman  History,  Brüssel  1979,  483­520.  Zur  Stimmung  dieser  Zeit  vgl.  die  bei  dem  Zeitgenossen  Theophilus  von  Antiochien  zu  findende  Behauptung,  daß  die  Frommen  von  den  Griechen  schon  seit j e  verfolgt worden  seien und  noch  immer  täglich  verfolgt würden;  sie  seien  gesteinigt  und  getötet  worden  und  bis  in die  Gegenwart  würden  sie  mit  grausamen  Martern  überzo­ gen  (Ad  Autolyc.  ΠΙ,30).  In  der  modernen  Forschung  wird  die  Zeit  Mark  Aurels  durchaus  als  Kumulationspunkt  der  Verfolgungen  angesehen:  „Bis  zur  Zeit  der  großen  Christenverfolgung  des  Decius  (249­251)  gab  es  keine  Epoche,  in  der  die  Christen  einer  derartig  massiven  Verfolgung  ausgesetzt  gewesen  wären  wie  in  der  Mark  Aurels."  (Berwig,  Mark  Aurel,  101)  Mark  Aurels  persönliche  Haltung  gegenüber  den  Christen  zeigt sich  in Med.  XI,3,2,  wo  er  deutlich  seine  Gering­ schätzung  christlichen  Märtyrertums  ausdrückt.  Zur  Interpretation  dieser  Stelle  vgl.  Berwig,  Mark  Aurel,  90f; Butterweck,  Martyriumssucht,  96; zu weiteren  Stellen  innerhalb  der  „Meditationes",  die  möglicherweise ebenfalls auf die Christen  bezogen  werden können,  vgl. Berwig,  Mark Aurel,  93­97,  der  aus  den  Belegstellen  eine  „strikt  antichristliche  Haltung  Mark  Aurels"  schließt.  Zu  der  aus  der  Gegenüberstellung  der  apologetischen  Tradition  und  den  Nachrichten  über  Verfolgungen  aus  der  Zeit  Mark  Aurels  erwachsenden  Frage  nach  der  Erklärung  dieser  Diskrepanz  vgl.  Berwig,  Mark  Aurel,  98f, der die  positive  Haltung  Melitos  und Athenagoras'  als „captatio  benevolentiae"  versteht.  Tertullian  ist  vermutlich  von  dieser  apologetischen  Tradition  abhängig. 

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Vielmehr  sind  seine  Ausführungen  geprägt  von  der  apologetischen  Vorstellung  einer  Gleichsetzung  von  „schlechten" Kaisern  und  Christenverfolgern.  Die  Ver­ bindung  des  Vorgehens  gegen  die  Christen  mit  dem  schlechten  Charakter  der  jeweiligen  kaiserlichen  Urheber  unterstreicht  dabei  die grundsätzliche  Ungerech­ tigkeit  der Christenverfolgungen. Im  Blick auf den  Schuldvorwurf  gegenüber  den  Christen  bot  diese  Darstellung  die  Möglichkeit,  die  Unschuld  der  Christen  zu  betonen,  denn  ­  so  Tertullians  Argumentation  ­  handelte  es  sich  bei  ihnen  tatsächlich  um schlechte,  d.h. schuldige  Menschen, wären  sie eher von  den besten Kaisern  verfolgt worden.36 In bezug auf das Verhältnis  zum Kaisertum  ermöglich­ te  diese  Darstellung  Tertullian,  die  überwiegende  Zahl  der  Kaiser  vom  Vorwurf  der Verfolgung freizusprechen. 37 Dieses  vorwiegend  positive Bild  der Kaiser  der  Vergangenheit  setzt  sich  bis  in  seine  Gegenwart  fort.  Der  einzige  namentlich  erwähnte  Kaiser  seiner  Zeit —  Septimius  Severus38  — erscheint  in  dem  positivem  Licht eines Verteidigers  von  Christen  im  Senatorenstand. 39  An  keiner  Stelle  wird  ihm bei Tertullian  die politische Verantwortung  für die Verfolgungen zur Zeit  sei­ ner Regierung zugeschrieben;  ebensowenig  erscheinen  Commodus  oder  Caracalla  in der Rolle  der Urheber  der Verfolgungen  ihrer  Regierungszeit.  Tertullians  Bewertung  der Kaiser  im Zusammenhang  des  Verfolgungsgesche­ hens entspricht  zum  einen  der rechtlichen  Situation  seiner Zeit, in der es keine  von  den  Herrschern  unmittelbar  ausgehenden  Verfolgungen  gab40,  sondern  lediglich  lokal  begrenzte  Maßnahmen  seitens  der  Provinzmagistrate.  Die  Stilisierung  von  zumindest  indirekt  christenverfolgenden  Kaisern  wie  Trajan  und  Mark  Aurel  zu  positiven Gestalten  innerhalb der Geschichte des Christentums  im römischen  Staat  zeigt  aber,  daß  zum  anderen  auch  eine ­  besonders  in  apologetischen  Kontexten 

36

  Apol.  5,8  (CChr.SL  I,  96,35­37):  „Facilius  utique  pessimi  ab  optimis  quibusque,  ut  ab  aemulis,  quam  a  suis  sociis  eradicandi  iudicarentur."  Der  Gedanke,  daß  die  Schlechtigkeit  der  Verfolger  den  Christen  zum  Ausweis  ihrer  „Güte"  und  Unschuld  dient,  findet  sich  auch  in  bezug  auf die  Verfolgung durch  Nero  ausgedrückt:  „Tali  dedicatore  damnationis  nostrae  etiam  gloriamur:  qui  enim  seit  illum,  intellegere  potest  non  nisi  grande  aliquod  bonum  a  Nerone  damnatum"  (Apol.  5,3;  CChr.SL  I,  95,15­17).  37  Dies  spricht  deutlich  gegen  die  bei  Opelt,  Polemik,  22,  zu  findende  Pauschalaussage,  „für  ihn  (sc.  Tertullian)  ist  der  Herrscher  der  Verfolger".  38  Ein  (nicht  namentlicher)  Hinweis  auf  die  „imperatores"  Caracalla  und  Geta  findet  sich  in  De cor.  1,1  (CChr.SL  II,  1039,2f); er  dient  aber  lediglich  der  Datierung  des  Anlasses  fur das  von  Tertullian  berichtete  Soldatenmartyrium,  weitergehende  Aussagen  zu  den  Kaisern  fehlen  völlig.  39   Ad  Scap.  4,6  (CChr.SL  II,  1131,32­35):  „Sed  et  clarissimas  feminas  et  clarissimos  viros  Severus,  sciens  huius  sectae  esse,  non  modo  non  laesit,  verum  et  testimonio  exornavit,  et  populo  furenti  in  nos  palam  resistit."  Vgl.  die  Charakterisierung  des  Kaisers  in  Apol.  4,8  (CChr.SL  I,  93,37)  als  „constantissimus  prineipum".  40  Zu  der  Frage  einer  „Severianischen  Christenverfolgung"  vgl.  Kap.  2,  mit  Anm.  22­25. 

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herausgestellte - prinzipiell positive Haltung zur Institution „Kaisertum" hinter seiner Darstellung steht. Diese, in der Forschung allerdings nicht unumstrittene41, bejahende Haltung zum Kaisertum zeigt sich mehrfach deutlich im „Apologeticum" und in „Ad Scapulam".42 Das Kaisertum erhält dabei eine positive Funktion als von Gott eingesetzter Ordnungsmacht zugewiesen, deren Bestand das Kommen des Endes noch aufhalte.43 Mit dieser Funktion begründet Tertullian auch die Praxis der Christen, für den Kaiser zu beten, was als Ausdruck prinzipieller Loyalität erscheint.44 Diese Loyalität hat zwar fur ihn eine klar definierte Grenze:

41  Nach  Opelt,  Polemik,  22,  ist Tertullian  „in  der  Antithese  von  Kirche  und  Kaiser  ...  der  erste  und  ein  scharfer  Kritiker".  Thomas  Gerhard  Ring,  Auctoritas  bei Tertullian,  Cyprian  und  Ambrosi­ us,  Würzburg  1975,  52,  unterstellt  Tertullian  trotz aller positiven  Äußerungen  bezüglich  der  Kaiser,  „daß  (er)  in  Wirklichkeit  die  Kaiser  doch  zu  den  schärfsten  Gegnern  des  Christentums  rechnet".  In  der  überwiegenden  Mehrzahl  gehen  die  Forscher aber  von einer  vorwiegend  zustimmenden  Haltung  Tertullians  zum  Kaisertum  aus:  So  jüngst  Karl  Strobel,  Das  Imperium  Romanum  im  „3.  Jahr­ hundert":  Modell  einer  historischen  Krise?  Zur  Frage  mentaler  Strukturen  breiterer  Bevölke­ rungsschichten  in  der  Zeit  von  Marc  Aurel  bis  zum  Ausgang  des  3.  Jh.  n.  Chr.,  Stuttgart  1993,  90,  der  von  einer  „stringent  vertretene(n),  bejahende(n)  Haltung  zu  Imperium  und  Kaisertum  als  politi­ schen  und  ordnungspolitischen  Institutionen"  bei Tertullian  spricht.  „Der  unmittelbare  Konflikt  mit  der  staatlichen  Herrschaft bleibt für ihn (sc. Tertullian)...  auf einzelne Herrscher  oder  Statthalter  be­ schränkt;  er bezieht  sich  nicht  auf die  politische  Institution  als  solche."  In  diesem  Sinne  hatte  sich  auch  Fredouille,  l'Empire,  121,  geäußert:  „Le  temoignage  de  Tertullien  est  donc  sans  ambiguïté  aucune:  il ne saurait exister  de conflit entre  les chrétiens  et l'Empereur  ou  l'Empire,  mais  seulement  entre  les chrétiens et des  empereurs  ou des  gouverneurs  de  province.  Ceci  est  beaucoup  plus  qu'une  nuance,  car  le principe  de  la  légitimité  du  pouvoir  impérial  comme  celui  du  loyalisme  des  chrétiens  demeure  intact  ­  et  ce,  en  dépit  des  persécutions."  Auch  die  älteren  Darstellungen  von  Klein,  Tertullian,  73­80;  Becker,  Apologeticum,  290f;  Brandt,  Ethik,  109;  Quacquarelli,  Persecuzione,  586f,  sehen  Tertullians  Bewertung  des  Kaisertums  als  positiv  an.  Zur  Diskussion  um  Tertullians  Haltung  zu  Kaiser  und  Staat  vgl. auch  Fredouille,  l'Empire,  111­113,  sowie  René  Braun,  Christia­ nisme  et  pouvoir  imperial,  in:  Aspects  de  l'œuvre  de  Tertullien,  Toulouse  1990,  1­13.  42

  Apol.  2,14;  5,4;  21,24;  30,1;  32,2;  33;  34,1;  36;  Ad  Scap.  2,6­8;  vgl.  De  spect.  16;  einge­ schränkt  De  idol.  15.  43  Apol.  32,1  (CChr.SL  I,  142,1­143,7).  Tertullian  bezieht  ­  nach  Ansätzen  bei  Aristides  und  Justin  (Apol.  11,7)  zum  ersten  Mal  in  der  altkirchlichen  Tradition  in  eindeutiger  und  positiver  Weise  (so  Klein,  Tertullian,  112) ­  die  in  2.Thess  2,6  auftauchende  Vorstellung  des  die  Endzeit  hemmenden  „Katechon"  auf  das  Imperium  Romanum  und  das  Kaisertum  (De  res.earn.  24,17f;  CChr.SL  II,  952,44­48),  was  nach  Strobel,  Imperium  Romanum,  94,  nichts  weniger  bedeutet  als  die  „theologische  Zuerkennung  einer  positiven  Funktion  im  Heilsplan  Gottes".  Daneben  spielt  bei  der Sicht des Imperiums  als letztem  Reich  vor dem  Ende der Zeiten  auch  die Auslegung des  Weltrei­ cheschemas  aus  Dan  2;7 eine  Rolle.  Für  einen  Überblick  zu  den  hinter  Tertullians  Verständnis  des  römischen  Reiches  und  des Kaisertums  stehenden  Traditionen  vgl.  Wemer  Suerbaum,  Vom  antiken  zum  frühmittelalterlichen  Staatsbegriff. Über  Verwendung  und  Bedeutung  von  res publica,  regnum,  imperium  und  status  von  Cicero  bis Jordanis,  Münster  19702,  112f; zu  dem  paulinischen  Erbe  in  der  Bewertung  des  Reiches  vgl.  Braun,  Christianisme,  4f.  44

  Apol.  32,1  (CChr.SL  I,  142,lf);  vgl.  auch  Apol.  30,1  (CChr.SL  I,  141,lf);  Ad  Scap.  2,8  (CChr.SL  II,  1128,33­35).  Zu  dem  in  l.Tim  2,2  gebotenen  und  schon  anderweitig  in  der  apologeti­ schen  Tradition  hervorgehobenen  Gebet  der  Christen  für den  Kaiser  (vgl.  Just.,  Apol.  1,17;  11,7,1; 

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Sie besteht „intra limites disciplina, quousque ab idololatria separamur".45 Dennoch führt sie fur Tertullian zu einer grundsätzlichen Entlastung der Kaiser im Blick auf die Verantwortung für die gefährdete Situation der christlichen Gemeinden. Eine andere Einschätzung bezüglich der Verantwortlichkeit für die Übergriffe gegenüber den Christen zeigt Tertullian, wenn er auf die Rolle der Provinzmagistrate zu sprechen kommt. In administrativer Hinsicht erscheinen die Statthalter als die eigentlichen Verfolger der Christen: „Quotiens enim in Christianos desaevitis, partim animis propriis, partim legibus obsequentes?" 46 Dabei fungierten sie nicht selten als willfährige Exekutivorgane des „Volkszorns", von dem sie sich beeinflussen ließen und auf den sie vielfach Rücksicht nahmen.47 Diese klare Zuweisung der Verantwortung für die juristische Seite der Verfolgung an die Adresse der Statthalter und Prokuratoren, die sich auch an anderen Stellen seines Werkes zeigt48, bedeutet für Tertullian aber keinesfalls eine Pauschalverurteilung der Inhaber dieses Amtes: Fälle, in denen Provinzmagistrate z.B. den Christen

Athen.,  Suppl.  37,3;  Aristid.,  Apol.  16,6;  Ep.  ad  Diogn.  6)  vgl.  Hans­Ulrich  Instinsky,  Die  alte  Kirche  und  das  Heil  der  Kaiser,  München  1963,  4Iff.  45

 De  idol.  15,8  (CChr.SL  II,  1116,30f).  Zu  diesem  Maßstab  für die  Loyalität  vgl.  Fredouille,  l'Empire,  122­127.  Auf der  Basis  dieses  Maßstabs  ist  es  den  Christen  verboten,  für den  Kaiser  zu  opfern (Apol.  28),  einen  Eid  beim  Genius  des  Kaisers  zu  leisten  (Apol.  32),  den  Kaiser  als  „deus  et  dominus"  zu  bezeichnen  (Apol.  33f) und  die  Kaisergedenktage  in  heidnischer  Manier  mitzufeiern  (Apol.  35).  46

  Apol.  37,2  (CChr.SL  I,  147,4­6).    Apol.  49,4  (CChr.SL I,  169,17­19):  „De  qua  iniquitate  saevitiae  non  modo  caecum  hoc  vulgus  exsultat  et  insultat,  sed  et quidam  vestrum,  quibus  favor vulgi  de  iniquitate  captatur,  glorian­ tur...";  Apol.  50,12  (CChr.SL I,  171,51­53):  „Sed  hoc  agite,  boni  praesides,  meliores  multo  apud  populum,  si  illis  Christianos  immolaveritis,  cruciate,  torquete,  damnate,  atterite  nos  ...".  Die  Beeinflussung  der  Provinzmagistrate  durch  das  Volk  spiegelt  sich  auch  in  Ad  Scap.  4,3  (CChr.SL  II,  1130,14f)  wider:  „...Vespronius  Candidus,  qui  Christianum  quasi  tumultuosum  civibus  suis  satisfacere dimisit." Nach  Ulpian  (Dig.  1,18,Iff) bestand  die  entscheidende  Aufgabe  der  Statthalter  in  der  Bewahrung  der  öffentlichen  Ordnung;  entsprechend  groß  war  vermutlich  zuzeiten  die  Nachgiebigkeit  gegenüber  einer  machtvollen  Parteiung  im  Volk.  Die  Verwurzelung  des  Vorgehens  gegenüber  Christen  in  gemeinsamen  Vorurteilen  des  Volkes  und  der  Magistrate  betont  Walsh,  Christian  Atheism,  255: „Without...  popular hostility,  prosecutions  would  not  have taken  place.  Nor  would  the  authorities  have  acted  on  these  accusations  had  they  not  shared  to  some  extent  the  prejudices  and  suspicions  of the  accusors.  It  was  hostility  at  the  popular  and  official  levels  which  accounted  for the  afflictions of the  Christians  of that  period  (i.e.  im  1.  und  2.  Jhdt.)."  47

48

  Vgl.  die  Formulierung  in  De  spect.  30,3  (CChr.SL I,  252,12:  „...  praesides  persecutores  dominici  nominis  ..."),  die  Beispiele  christenverfolgender  Statthalter  in  Ad  Scap.  3,4f  (CChr.SL  II,  1129,18­1130,34),  sowie  die  ausfuhrliche Auseinandersetzung  mit  dem  von  den  Provinzmagi­ straten  geübten juristischen  Verfahren  in  Apol.  2 (CChr.SL  I,  87,1­91,111),  in  der  den  Magistraten  das  Übertreten  der bestehenden  Gesetze  zuungunsten  der Christen  vorgeworfen  wird:  „Praevaricaris  in  leges"  (Apol.  2,17;  CChr.SL  I,  90,87). 

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5 4 

gegenüber angaben, wie sie sich zu verhalten hätten, um ohne Verurteilung entlassen zu werden49, oder in denen auf Grund juristischer Besonderheiten die Durchführung des Prozesses verweigert wurde50, werden von ihm ebenfalls aufgegriffen und in seiner Schutzschrift „Ad Scapulam" dem Prokonsul als positive Vorbilder vor Augen geführt.51 Neben den römischen Magistraten erscheint das heidnische Volk als wesentliche Triebkraft der Verfolgungen.52 Dessen christenfeindliche Stimmung resultiere häufig aus Unglücksfällen und Katastrophen, für deren Auftreten die Christen verantwortlich gemacht würden: „Si Tiberis ascendit in moenia, si Nilus non ascendit in rura, si caelum stetit, si terra movit, si fames, si lues ,.."53 - dann erhebe sich sofort das Geschrei: „Christianos ad leonem!".54 Zuweilen hatten an dieser feindseligen, antichristlichen Stimmung wohl auch Heiden innerhalb religionsver-

49

  Vgl.  Ad  Scap.  4,3  (CChr.SL  II,  1130,10­13). 

50

  Ad  Scap.  4,3  (CChr.SL  II,  1130,18­21):  „Pudens  etiam  missum  ad  se  Christianum,  in  elogio concussione eius  intellecta, dimisit, scisso eodem elogio,  sine accusatore  negans se  auditurum  hominem  secundum  mandatum."  „concussio"  bedeutete,  daß  ein  Angeklagter  sich  der  Anklage  entzog,  indem  er  seinen  Ankläger  eines  noch  größeren  Verbrechens  bezichtigte,  in diesem  Fall  des  Christseins.  Ad  Scap.  5,1  (CChr.SL  II,  1131,4­1132,8)  weist  auf  einen  Prokonsul  in  Asien,  Arrius  Antoninus, hin, der von einigen Christen, die sich freiwillig gestellt hatten, nur ein paar abführen  ließ  und  den  Rest  wegschickte.  Zu  den  genannten  Fällen  vgl.  Molthagen,  Staat,  37,  Anm.  115.  51   Ad  Scap.  4,1.3  (CChr.SL  II,  1130,2f. 10­12):  „Potes  et  officio  iurisdictionis  tuae  fungi  et  humanitas  meminisse  ...  Quanti  autem  praesides,  et  constantiores  et  crudeliores,  dissimulaverunt  ab  huius  modi  causis!"  52  Apol.  35,8  (CChr.SL  I,  146,37f): „Ut  vulgus, tarnen  Romani,  nec  ulli  magis  depostulatores  Christianorum  quam  vulgus."  Das  Volk  als  treibende  Kraft hinter  den  Verfolgungen  erscheint  auch  De  spect. 27,1;  De  exhort.cast  12; Apol.  9;  37;  50;  Ad  Scap.  3,1;  4,  3.7;  De  fuga  12,1;  Scorp.  10;  De  res.carn.  22,9.  In  der  altkirchlichen  Martyriumsliteratur  zeigt  sich  vielfach  eine  ähnliche  Ein­ schätzung  der Rolle  des  Volkes: z.B. Mart.Pol.  3;  12; Athen.,  Suppl.  1; Eus.,  HE  V,  1,7; VI,  41,1­9.  Zu Überlegungen  in  bezug  auf die hinter  der  öffentlichen Abneigung  gegen  das Christentum  zu  ver­ mutenden  Motive  vgl.  z.B.  Marta  Sordi,  The  Christians  and  the  Roman  Empire,  London/Sydney  1986,  194­203.  53  Apol.  40,2  (CChr.SL  1,153,8f); vgl.  Ad  nat.  I, 9,2  (CChr.SL  I, 22,35­23,7).  Wie  umfassend  dieser  Schuld v orwurf  war,  betont  Eckert,  Orator  Christianus,  120: Der  Leser  erfahrt, „daß  es  weder  nah  noch  fern (Tiberis­Nilus),  weder  oben  noch  unten  (caelum­terra),  weder  in  diesem  Bereich  der  Natur  noch  im  unmittelbaren  menschlichen  Leben  (fames­lues) ein  Unheil  gibt,  das  man  nicht  den  Christen  zur  Last  legt."  Die  Auseinandersetzung  mit diesem  bei  Tertullian  erstmals  in  der  christli­ chen  Literatur referierten  Schuldvorwurf  zieht  sich durch  über  Firmilian  (Cypr.,  ep.  75,10);  Arnob.,  Adv.  nat.  1,1­22  bis  zu  Aug.,  De  civ.  Dei  1,1­3,31.  Letzterer  nimmt  in  De  civ.  Dei  2,3  (CChr.SL  XL VII,  36,3)  den  Spruch  „Pluvia  défit, causa  Christian!  sunt" auf, der  nach  Eric  R.  Dodds,  Heiden  und  Christen  in  einem  Zeitalter  der  Angst ­  Aspekte  religiöser  Erfahrung von  Marc  Aurel  bis  Kon­ stantin,  Frankfurt/M.  1985,  102  eine  etablierte  „volkstümliche  Redensart"  darstellte.  54   Auf  diesen  „Schlachtruf'  weist  Tertullian  mehrfach  hin:  Apol.  40,2  (CChr.SL  I,  153,8f);  De  spect.  27,1  (CChr.SL  I, 249,3);  De  exhort.cast.  12,4  (CChr.SL  II,  1032,28f); De  res.carn.  22,9 

( C C h r . S L  II, 9 4 9 , A l f ) .

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5 5 

schiedener Familien 55 teil, die ihre eigenen Verwandten oder Hausherrn verrieten.56 Die heidnische Bevölkerung erhält so bei Tertullian eine wesentliche Verantwortung für das Vorgehen gegen die Christen sowohl in der Vergangenheit als auch zu seiner Zeit zugeschrieben. In der Literatur ist zudem zuweilen vertreten worden, daß er auch der jüdischen

Bevölkerung eine maßgebliche Be-

teiligung an aktuellen Verfolgungssituationen zuschreibe. 57 Die wenigen Stellen, in denen er einen Zusammenhang zwischen der Verfolgung der Christen und den Juden herstellt, insbesondere die Formulierung „synagoga(e) Iudaeorum fontes persecutionum"58, beziehen sich demgegenüber aber eher auf die ersten Auseinandersetzungen in Palästina, denn auf gegenwärtige

Verfolgungssituationen. 59

55   Nach  Schöllgen,  Teilnahme,  23,  waren  Familien  mit  heidnischen  und  christlichen  Familienmitgliedern,  „solange die Kirche  in Karthago eine missionierende  Minderheit  blieb,...,  nicht  selten".  Bei  Tertullian  finden  sich  Hinweise  auf  Konversionen  einzelner  Ehepartner,  Kinder  und  Sklaven  (Apol.  3,4;  CChr.SL  I,  91,18­21),  sowie  auf  Ehen,  die  zwischen  Christinnen  und  Heiden  geschlossen  wurden  (Ad  ux.  II,  2,1;  CChr.SL  I,  3 8 4 , l f ) .  56   Vgl.  Scorp.  10,11  (CChr.SL  II,  1089,15­18),  wo  Tertullian  gegen  die  Behauptung  einer  Bekenntnispflicht  erst  im  Himmel  in  gnostischen  Kreisen  argumentiert,  daß  dann  ja  auch  alle  Bedingungen,  die  die  Verfolgung  auf  Erden  kennzeichneten,  im  Himmel  zu  finden  sein  müßten.  Dazu  gehörten  auch  „fratres  nostros  et  patres  et  filios  et  socrus  et  nurus  et  domésticos  nostros....  per  quos  traditio  disposita  est."  Daß  Verfolgungen  auch  „a  proximis"  vorhergesagt  seien,  betont  er  in  Adv.Marc.  IV,  39,8  (CChr.SL  I,  652,14­16).  57   Vgl.Vogt,  Christenverfolgung,  1173;  Frend,  Martyrdom,  334;  Ders.,  A  Note  on  Tertullian  and  the  Jews,  in:  StPatr  10 (1970),  291­296,  die  Tertullians  Formulierung  ,,synagoga(e)  Iudaeorum,  fontes  persecutionum"  (Scorp.  10,10;  CChr.SL  II,  1089,12f)  auf  eine  Beteiligung  der  Juden  an  aktuellen  Verfolgungen  beziehen.  Frend  schreibt  insgesamt  den  Juden  und  zwar  insbesondere  den  orthodoxen  eine  maßgebliche  Rolle  in  den  Christenverfolgungen  des  1. und  2. Jhdts.  zu: „... they  (sc.  the  Christians)  roused  the  bitter  hostility  of  both  Greeks  and  orthodox  Jews,  and  in  particular  the  latter,  for the  advent  of  Christianity  meant  that  the  stream  of  ardent  semi­proselytes  who  accepted  the  ethic  and  practices  but  not  the  rites  of  Judaism  began  to  dry  up."  (William  H.C.  Frend,  The  Gnostic  Sects  and  the  Roman  Empire,  in:  JEH  5 (1954),  36)  Zwar  berichtet  die  christliche  Literatur  für die  Zeit  bis  zur  Mitte  des  2.  Jhdts.  vereinzelt  von  der  Partizipation  jüdischer  Gemeinden  an  der  Verfolgung  von  Christen  (vgl.  Mart.Pol.  12,2;  13,1;  17,2;  18,1;  Just.,  Dial.  131,2;  zu  diesen  Stellen  vgl.  Horacio  E.  Lona,  Treu  bis  zum  Tod  ­  Zum  Ethos  des  Martyriums  in  der  Offenbarung  des  Johannes,  in:  Helmut  Merklein  (Hg.),  N T  und  Ethik,  FS  Rudolf  Schnackenburg,  Freiburg/Basel/  Wien  1989,  444f),  dennoch  läßt  sich  daraus  keine  generelle  Beteiligung  ableiten.  58

  Vgl.  Anm.  57. 

59

 Dies  legt  auch  der  unmittelbare  Kontext  („...  apud  quas  apostoli  flagella  perpessi  sunt...")  nahe;  vgl.  Barnes,  Scorpiace,  132.  Diese  Einschätzung  wird  durch  Apol.  21,25  (CChr.SL  I,  127,128­130:  „...  discipuli  ...,  qui  et  ipsi  a  Iudaeis  insequentibus  multa  perpessi  ..."  )  und  Scorp.  15,2 (CChr.SL  II,  1096,5)  gestützt,  wo  die  „impetus  Iudaeorum"  als  in  der  Apg  überliefert  erwähnt  werden;  vgl.  auch  den  Hinweis  auf  die  Verfolgung  der  Apostel  durch  die  Juden  in  Adv.Marc.  IV,  39,9 (CChr.SL  1,652,21).  Auch  Claude  Aziza,  Tertullien  et  le Judaisme,  Nizza  1977,  37f,  geht  nicht  von aktuellen  Verfolgungen  seitens  der  Juden  in  Karthago  aus:  „...  il existait  entre  les  deux  religions  sœurs  moins  de  haine  qu'on  ne  le  pourrait  croire  et  qu'il  ne  faut  pas  attribuer  trop  de  crédit  à  l'acti­ vité  anti­chrétienne  qu'aurait  eue  la  communauté  juive  de  Carthage.  Cette  activité,  d'ailleurs, 

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Verfolgung  als  innerweltliche  Auseinandersetzung 

In Tertullians Auffassung von der Urheberschaft der Verfolgung spiegelt sich zum einen die rechtliche Situation seiner Zeit wider, zum anderen verfolgt er mit der Zuweisung der Verantwortung an die Provinzbehörden und das Volk aber auch eine apologetische Intention: Die Herausstellung der positiven Wertung des Kaisertums, dem gegenüber den Christen Illoyalität unterstellt wurde. Diesem Ziel dient seine „Doppelstrategie", die Verantwortung der Kaiser fur die Verfolgungen insgesamt zu minimieren, „gleichzeitig aber die Exzesse der Statthalter und des römischen Pöbels mittels einer ausgefeilten Rhetorik zu attackieren."60 Sowohl in der Auseinandersetzung Tertullians mit den juristischen Besonderheiten der Christenprozesse als auch in den Hinweisen auf die Verantwortlichen für die Verfolgungen erscheinen letztere als ein innerweltliches, unter politischen, juristischen, z.T. auch moralisch-sittlichen Aspekten zu betrachtendes Geschehen, in dem sich „romani" und „christiani" als Antagonisten gegenüberstehen.61 Dieser Blick auf die konkreten irdischen Gegebenheiten der Verfolgungssituation, auf die rechtliche Situation der Christen und ihre menschlichen Gegner, der in der Literatur zuweilen übersehen worden ist62, findet sich bei Tertullian fast ausschließlich in apologetischen Texten, in „Ad nationes", dem „Apologeticum" und „Ad Scapulam". In diesen primär auf heidnische Adressaten ausgerichteten Schriften63 geht es ihm darum, sich auf der Grundlage einer für

d'après  le témoignage  meme  de Tertullien,  se réduit à des controverses théologiques.  Tous  les  autres  textes  (u.a.  Scorp.  10) de  notre  auteur  ne  peuvent  s'appliquer  aux  Juifs de  Carthage."  Scorp.  10  sei  folgendermaßen  zu  verstehen:  „La mauvaise  renommée  des chrétiens  est venue de Juifs et  le  „perse­ cutions" (...) ont commencé  dans  les synagogues  (sc. zur Zeit der Apostel)." (Aziza,  Tertullien,  115)  60   Eckert,  Orator  Christianus,  176.  Nach  Pouilly,  Tertullien,  19,  sollte  die  Negierung  einer  Verantwortung  der  Kaiser  zudem  eine  besondere  Vorbildwirkung  entfalten:  „...  si  les  empereurs  honorables  sont  bienveillants  envers  les  chrétiens,  les  autres  paiens  devraient  en  faire  autant."  61   Nach  Apol.  35,9  (CChr.SL  I,  146,44f)  sind  „romani"  grundsätzlich  keine  Christen:  „De  Romanis,...,  id est  de  non  Christianis."  Tertullian  hat  hier  also  nicht  den  staatsrechtlichen  Begriff  im  Blick,  nach  dem  unter  den  römischen  Bürgern  durchaus  Christen  zu  finden  sind,  sondern  sieht  „romanus"  als  Verkörperung  der  den  Christen  feindlich  gegenüberstehenden  Heidenwelt  (vgl.  Apol.  24,9;  CChr.SL  I,  135,43­45;  Apol.  25,9;  CChr.SL  1,136,43;  Apol.  25,13;  CChr.SL  I,  137,64  u.a.).  62   So  spricht  Ring,  Auctoritas,  53,  von  der  vollkommenen  „Vergleichgültigung"  alles  Inner­ weltlichen  bei Tertullian,  und  Frend,  Martyrdom,  15,  behauptet  überspitzt:  „There  is  no  evidence  that the  Christians  regarded  their  quarrel  specifically with  the  authorities,  let alone  with  the  Roman  Empire."  Zutreffend  kennzeichnet  hingegen  Freudenberger,  Verhalten,  1,  die  bei  Tertullian  im  Unterschied  zur  Folgezeit  noch  feststellbare  Sicht  auf die  innerweltlichen  Realitäten:  „...Tertullian  (vergißt)...  die  irdische  Wirklichkeit  dessen,  was  sich  in  diesen  Verfolgungen  abspielt,  nicht...".  63   Diese  Ausrichtung  soll  nicht  bedeuten,  daß  ein  innerchristlicher  Erbauungseffekt  nicht  ebenso  mit  intendiert  war.  In der  Praxis  ist der  Einfluß der apologetischen  Schriften auf die  Christen  selbst  vermutlich  sogar  wesentlich  größer  gewesen  als  derjenige  auf  die  Heiden.  Nach  Antonie  Wlosok,  Christliche  Apologetik  gegenüber  kaiserlicher  Politik  bis zu  Konstantin,  in:  Heinzgünther 

Verfolgung  als  innerweltliche  Auseinandersetzung 

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diese unmittelbar zugänglichen Argumentationsebene  mit dem Phänomen  der Ver­ folgungen auseinanderzusetzen  und  ihre Ungerechtigkeit  zu  erweisen.  Diese  bei  Tertullian  gemachte  Beobachtung,  daß  die  Betrachtung  der  Verfolgung  als  politisch­juristisches  Geschehen  ihren  Schwerpunkt  in  apologetischen  Schriften  hat, bestätigt  sich  auch  im Blick  auf  seinen  karthagischen  „Nachfolger"  Cyprian.  Deutlich weniger  als Tertullian  hat dieser  sich  auf die politischen  und juristischen  Aspekte  des  Verfolgungsgeschehens  bezogen  oder  die  konkreten  Verfolger  benannt.  Sein  weitgehendes  Desinteresse  an  dieser  Dimension  der  Verfolgung  korrespondiert  mit  seinem  im  Vergleich  zu  Tertullian  geringeren  Interesse  an  apologetischer  Auseinandersetzung  mit  den  seitens  der  Heiden  erhobenen  Vor­ würfen; lediglich  in der  apologetischen  Schrift „Ad  Demetrianum"  fuhrt er  diese  Auseinandersetzung  ausdrücklich  und auch nur  in ihr  ist die  Sicht  der  Verfolgung  als einer von  den Heiden  ausgehenden  Gefährdungssituation,  die  sich mit juristi­ schen,  politischen  und  moralisch­sittlichen  Kategorien  beschreiben  läßt,  denn  auch prägend.64  Darüberhinaus,  d.h.  in den  auf christliche  Adressaten  bezogenen  Schriften, finden sich bei ihm nur wenige verstreute Erwähnungen  der  heidnischen  Gegner  sowie  der  rechtlichen  Grundlagen  des  Vorgehens  gegen  die  Christinnen  und Christen.65 Eine entsprechende  Gewichtung  zeigt sich auch  schon bei  Tertulli­ an: In den auf christliche  Adressaten  bezogenen  Schriften erscheinen  die Verfol­ gungen  nur  in wenigen  Ausnahmefällen66 als politisch­juristisches  Geschehen,  die  heidnischen Gegner werden  in ihnen kaum erwähnt. Bestimmend  ist dort  hingegen  das  Verständnis  der  Verfolgung  als  eines  Konfliktes,  in  dem  die  Christen  nicht  menschlichen Antagonisten,  sondern  dem Teufel  selbst  gegenüber  stehen. 

Frohnes/Uwe  W.  Knorr  (Hg.),  Kirchengeschichte  als  Missionsgeschichte,  Bd.  I,  Die  Alte  Kirche,  147­165,  bes.  163,  läßt  sich  eine  nachhaltige  Auswirkung  auf  die  heidnischen  Adressaten  nicht  nachweisen.  Eine  erhebliche  innerchristliche  Wirkung  wird  hingegen  in  der  Literatur  auch  konkret  dem  „Apologeticum"  zugeschrieben.  Vgl.  Becker,  Apologeticum,  234:  „Wenn  das  Material  immer  wieder  auf  die  Heiden  zugeschnitten  wird,  so  bedeutet  das  nicht,  daß  dann  die  Christen  mit  der  Schrift nichts  hätten  anfangen  können.  Auch  auf  die  bereits  Bekehrten  mußte  eine  derartige  Ver­ teidigung  tiefen  Eindruck  machen  und  sie  in  ihrem  Glauben  bestärken."  64   Vgl.  Ad  D e m . l 2 f  (CChr.SL  III  A,  42f).  Cyprian  greift  hier  auf  Apol.  2  und  Ad  nat.  I,  3,2  zurück;  vgl.  Pellegrino,  Studi,  124­127.  65  Z.B.  ep.  6,4  (CChr.Sl  III B,  36,96);  ep.  10,4,3  (CChr.SL  III  B,  53,83);  ep.  20,1,2  (CChr.SL  III  B,  106,9f);  ep.  38,1,2  (CChr.SL  III  B,  184,17f)  u.a.  66  Z.B.  De  spect.  27,1  (CChr.SL  I, 249,1­4),  wo die  heidnischen  Theater  als  „Brutstätten"  des  Volkszorns  gegenüber  den Christen  dargestellt  werden.  Im Zusammenhang  der  Auseinandersetzung  mit  der  gnostischen  Behauptung  einer  Pflicht  zum  Bekenntnis  erst  im  Himmel  kann  Tertullian  in  Scorp.  10 die  Bindung  der  Bekenntnispflicht  an  die  irdischen  Gegebenheiten  betonen;  hier  werden  „reges  et  praesides  et  armatas  potestas"  als  irdische  Gegner  der  Christen  benannt  (Scorp.  10,11;  CChr.SL  II,  1089,18).  Mit  der  gleichen  antignostischen  Zielrichtung  stellt  er  auch  in Adv.Val.  30,2  (CChr.SL  II,  774,5­9)  die  Bindung  des  Bekenntnisses  an  die  irdische  Situation  heraus. 

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Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

3.1.2 Die Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi" Auch wenn Tertullian in seinen apologetischen Schriften den Blick auf die konkreten Gegner der Gläubigen richtet, so deutet sich in ihrer Charakterisierung bereits an, daß die Christen es in der Auseinandersetzung mit den Heiden nicht nur mit Menschen, sondern mit einer hinter ihnen stehenden Macht zu tun haben. So fuhrt er das ungerechte Verhalten der Verfolger auf eine „vis in occulto", eine „Macht im Verborgenen", zurück67; die Macht der Dämonen unter ihrem „Fürsten", dem Satan68, kämpfe aus ihrem Innern heraus gegen die Christen.69 Eine wesentlich breitere Ausgestaltung erfährt diese Vorstellung aber in den Texten, in denen es Tertullian um die innerchristliche Deutung der Verfolgungserfahrung geht. Mit dem für diese Schriften grundlegenden Verständnis der Verfolgung als eines Kampfes des Teufels gegen die Gläubigen hat Tertullian einen für die alt-

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 Apol.  2,14  (CChr.SL  I,  89,70­90,72):  „Suspecta  sit  vobis  ista  perversitas,  ne  qua  vis  lateat  in occulto, quae  vos  adversus  formam, adversus naturam  iudicandi,  contra  ipsas  quoque  leges  mini­ stret."  Ähnlich  spricht  er  in  Ad  nat.  I, 3,3  (CChr.SL  I,  13,27)  von  „quaedam  occulta  vis".  Die  Ver­ wendung  des  von  Tertullian  vorwiegend  im  pejorativen  Sinne  gebrauchten  Begriffs  „vis"  unter­ streicht,  daß  es  sich  hier  um  eine  „Macht"  bzw.  „Gewalt"  mit  negativer  Ausrichtung  handelt.  Zur  Verwendung  von  „vis" bei  Tertullian  vgl.  Braun,  Deus  Christianorum,  115.  In Apol.  2,18  (CChr.SL  I, 90,98)  bezeichnet  Tertullian  die hinter  den  Verfolgern  stehende  dämonische  Macht  als  „quaedam  ratio  aemulae  operationis".  68

  Apol.  22,2  (CChr.SL  I,  128,7):  „princeps  huius  mali  generis".   Apol.  27,4  (CChr.SL  I,  139,13­18):  „Ille  scilicet  spiritus  daemonicae  et  angelicae  paraturae,  qui,  noster  ob  divortium  aemulus  et  ob  Dei  gratiam  invidus,  de  mentibus  vestris  adversus  nos  proeliatur  occulta  inspiratione  modulatis  et  subornatis  ad  omnem,  quam  in primordio  exorsi  sumus,  et  iudicandi  perversitatem  et  saeviendi  iniquitatem."  Die  Dämonen  unter  Satan  sind  die  dem  Men­ schen  feindlich  gegenüberstehenden  Verderbensmächte:  „Operatio  eorum  est  hominis  eversio"  (Apol.  22,4;  CChr.SL  I,  128,14f).  Seine  im  wesentlichen  mit  den  griechischen  Apologeten,  z.T.  auch  mit  heidnischen  Vorstellungen  übereinstimmende  Dämonologie  führt  Tertullian  in  Apol.  22i.ll  aus.  Entscheidend  für  Tertullian  ist,  daß  die  Dämonen  ausschließlich  über  die  Heiden  wirkliche Macht  haben,  nicht aber  über die Christen,  die im Namen  Christi  ihrerseits Vollmacht  über  die  Dämonen  besitzen  (Apol.  23,15f;  CChr.SL  I,  132,78­133,85).  Auch  bei  Justin  (Apol.  1,5,1;  Apol.  11,1,2; 11,4; 11,7) und  Minucius  Felix  (Oct.  27)  kann  das  Verhalten  der  Heiden  auf  Dämonen  bzw.  eine  böse  Macht  zurückgeführt  werden,  die  heidnischen  Richter  erscheinen  konkret  als  „λ α τ peú o ν τ e ς " der Dämonen  (Just., Apol. II, 1,2). Die hier aufscheinende Doppeldeutigkeit  in der  Sicht der  Verfolgung  in apologetischen  Schriften erwähnt  auch  Kühneweg,  Apologeten,  116, der  in  bezug  auf  die  griechische  Apologetik  bemerkt:  „Die  Dämonen  ...  sind  Ursprung  und  Verkörperung  des Bösen. Gegen  das Christentum  wüten  sie begreiflicherweise ganz besonders  heftig,  insbesondere  auch  durch  die  Verfolgungen.  (Hier  sieht  man,  wie  verschiedene  Interpretationen  sich  überlagern.  Einerseits  wird  an  die  Einsicht  der  Obrigkeit  appelliert,  andererseits  aber  deren  Handeln  aus  dem  Wirken  der  Dämonen  erklärt)."  69

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kirchliche Martyriumstheologie insgesamt zentralen Deutungszugang aufgegriffen70, ihm dabei aber eine eigene Prägung verliehen. In der plastischen Darstellung dieses „Kampfes" mit Hilfe einer Metaphorik aus dem Bereich des Militärs und der antiken Wettkämpfe steht er ebenfalls in einer langen Tradition.

Exkurs: Die Verfolgung als Kampf des Teufels gegen die als „milites Dei" verstandenen Christinnen und Christen in der altkirchlichen Tradition Seit dem Beginn der Verfolgungen haben die Christinnen und Christen ihre Gefahrdung als vom Teufel ausgehend verstanden, der hinter den konkreten menschlichen Gegnern als eigentliche Verderbensmacht steht.71 Prägnanten Ausdruck findet diese Vorstellung, daß die Gläubigen in der Verfolgung, in dem gegen sie geführten Prozeß und im Erleiden der über sie verhängten Strafe dem Teufel gegenüberstehen, in der ihre Vision vom Kampf mit dem Ägypter deutenden Aussage der Perpetua: „Et intellexi me non ad bestias, sed contra diabolum esse pugnaturam."72 Standhaftigkeit in der Verfolgung bedeutet dementsprechend nicht nur einen Sieg über menschliche Gegner, sondern über den Feind Gottes; die Christen partizipieren an dem kosmischen Kampf zwischen Teufel und Gott und tragen durch ihren Glaubensmut zur endgültigen Niederlage des Teufels bei - ein Gedan-

70  Vgl. exemplarisch die Darstellung bei Edelhard Leonhard  Hummel, The Concept of  Martyrdom  according to St. Cyprian of Carthage,  Washington  1946, 74, nach  der die Alte Kirche überzeugt  war,  „that the  martyrs  were  contending  not  merely  with  men  and  wild  beasts,  but  with  Satan  himself.  It  is the devil  who  is the  real adversary and  who wages  war against the Christians  by means  of  persecu­ tions.  Persecutors  end  executioners  were  merely  the  helpmates  of  Satan,  or,  rather,  they  were  the  tools  which  he  used  in  his  attempts  to  defeat  the  soldiers  of  Christ."  71

  Vgl.  Apk  2,10;  Ign.Rom.  5,3;  Herm.,  Sim.  VIII,3,6;  Just.,  Apol.  1,5;  11,7;  Mart.Pol.  3,1;  17,If;  Eus.,  HE  V,l,4f.l6.23.27.35.42;2,6;  Min.Fel.,  Oct.27;  Pass.Perp.l0,14;20,l;  Pass.Mont.  6,4f.  Zu  dieser  Vorstellung  vgl.  Campenhausen,  Idee,  156,  mit  Anm.  6,  der  eine  Reihe  weiterer  Belege  aus  Märtyrerakten  des  2.  bis 4.  Jhdts.  bietet,  sowie  Franz  Josef Dölger,  Der  Kampf  mit  dem  Ägypter  in der  Perpetua­Vision:  Das  Martyrium  als Kampf  mit dem Teufel,  in: AuC  ΙΠ (1932),  177­ 188.  72   Pass.Perp.  10,14  (Habermehl,  Passio,  16).  In  beiden  Kampfvisionen  Perpetuas  ist  dieser  Gedanke  bildlich  ausgedrückt:  „... et  apprehendi  illi  caput;  et  cecidit  in  faciem  et  calcavi  illi  caput"  (10,11 ; Habermehl,  Passio,  16); „et desub  ipsa scala,  quasi  timens  me,  lente  eiecit  caput  (drako).  et  quasi  primum  gradum calcarem,  calcavi  illi caput et ascendi" (4,7; Habermehl,  Passio,  10). In  diesen  Visionen  ist das  Bild  vom  Treten  der  Schlange  aus  Gen  3,15  präsent.  Dieses  sog.  Protevangelium  wurde  in der Alten  Kirche auf Christus,  durch  die  Übersetzung  der  Vulgata  auf Maria  bezogen.  Die  Visionen  zeigen  nun  eine  Übertragung  dieses  Heilsgeschehens  auf  die  Märtyrerin,  wodurch  es  „dynamisch weitergeschrieben" wird (Anne Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter.  Frauenemanzipa­ tion  im frühen Christentum  ?, Freiburg/Basel/Wien  (1992),  224).  Zu  diesen  Belegstellen  vgl.  weiter  Dölger,  Kampf,  177­182;  Jensen,  Töchter,  219­225;  Peter  Habermehl,  Perpetua  und  der  Ägypter  oder  Bilder  des  Bösen  im  frühen  Christentum.  Ein  Versuch  zur  Passio  Sanctarum  Perpetuae  et  Felicitatis,  Berlin  1992,  74­88.130­144. 

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Verfolgung als Kampf zwischen  dem  Teufel und  den  „milites  Christi" 

ke, der z.B. in der Beschreibung des Martyriums der Blandina ausgedrückt ist.73 Jedem standhaft ertragenen Martyrium kommt in diesem Vorstellungsrahmen eine eigene heilsgeschichtliche Bedeutung zu, antizipiert es doch den endgültigen Sieg Gottes in der Welt. Insofern macht diese Vorstellung auch deutlich, daß die Alte Kirche das Leiden der Märtyrer keinesfalls im Sinne eines passiven Erduldens eines seitens feindlicher Mächte über sie hereinbrechenden Schicksals verstanden hat; vielmehr erscheint jedes Martyrium als aktiver Beitrag zur endgültigen Überwindung des Teufels und damit zur Durchsetzung des Reiches Gottes. Zur bildlichen Beschreibung dieses insbesondere von den Märtyrern, aber grundsätzlich auch von allen Christen im täglichen Leben gegen den Teufel zu fuhrenden Kampfes hat die altkirchliche Literatur Termini aus den Bereichen des Militärs sowie des Wettkampfs aufgegriffen. In dieser Übertragung militärischer und agonistischer Terminologie auf die spezifisch christlichen Kämpfe in Anfechtungs- und Verfolgungssituationen konnte sie auf verschiedene Vorläufer zurückgreifen. So kennt die Stoa die Darstellung des inneren Kampfes eines Menschen um Sittlichkeit unter Zuhilfenahme militärischer Bilder und versteht diesen Kampf im Sinne einer „militia spiritualis". Seneca faßt diese Vorstellung knapp zusammen, wenn er schreibt: „vivere militare est".74 Ebenso findet sich in hellenistisch-jüdischen Schriflen7s und im NT - dort vorzugsweise im paulinischen Schrifttum - militärische und agonistische Begrifflichkeit zur Beschreibung menschlicher Kämpfe in Verfolgung und ethischer Anfechtung.76 In Aufnahme dieser Traditionsstränge hat auch die altkirchliche Literatur des 2. und 3. Jahrhunderts den gesamten Bereich christlichen

73  Blandina  ist  beim ersten Mal in der Arena von den wilden Tieren nicht angerührt worden  und  wird  wieder  in  das  Gefängnis  gebracht  „εις  άλλον  άγώνα  τηρούμενη,  ίνα  δια  πλειόνων  γυμνασμάτων  νικήσασα,  τω  μεν  σκολιώ  όφει  άπαραίτητον  ποίηση  την  καταδίκην  ..."  (Eus.,  HE V,  1,42).  74  Sen., ep. 96,5. Vgl.  Sen., ep. 51,6; Sen., De prov.  3,6; 4,5; 5,1; Marc Aurel, Med. Π,17; Epict.,  Diss.  II  18,27  u.a.  Zur  Verbreitung  dieses  Topos  in  der  Stoa  vgl.  Hilarius  Emonds,  Geistlicher  Kriegsdienst ­  Der Topos  der militia spiritualis  in der antiken  Philosophie,  Anhang zu Adolf  von  Harnack, Militia Christi ­  Die christliche Religion und der Soldatenstand  in den ersten drei  Jahrhun­ derten,  Darmstadt  1963 (Nachdruck der Ausgabe von  1905),  134.142­154;  Victor C. Pfitzner, Paul  and the  Agon  Motif.  Traditional  Athletic  Imagery  in the  Pauline  Literature,  Leiden  1967,  29­35,  sowie  Simone Deléani­Nigoul,  L'utilisation  des modeles  bibliques  du martyre  par les écrivains  du  IIIe siecle,  in: Le  monde  latin antique  et la  Bible (voir n" 28),  Paris  1985,  318.  75  Vgl. z.B. 4.Makk  17,11­16. Verfolgung als „Kampf  erscheint in 4.Makk  11,20;  15,29;  16,16;  17,11. Zu dieser  Vorstellung  in hellenistisch­jüdischen  Schriften vgl. Pfitzner, Paul, 38­72;  Saviero  Xeres, La „bella morte" del cristiano. La metafora agonistica on  Paolo e nei  primi  Atti  dei  Martiri,  in:  Marta  Sordi  (Hg.),  „Dulce  et  decorum  est  pro  patria  mori".  La  morte  in  combattimento  nell'  antichità, Mailand  1990,  282f.  76   l.Thess  5,8;  l.Kor  9,24f; 2.Kor  6,7;  10,3­6; Rom  6,13f;  13,12;  Eph  6,10­18;  Kol  2,1;  l.Tim  1,18; 2.Tim 2,3­5; 4,7f; Hebr  10,32;  1 .Petr 2,11. Die Bilder aus dem  Wettkampfbereich und diejeni­ gen  aus dem  militärischen  Bereich  sind  nach Pfitzner, Paul,  157,  in der heidnischen,  der  helleni­ stisch­jüdischen und  auch  in der neutestamentlichen  Tradition  in austauschbarer  Weise  verwendet  worden. Der Unterschied  zwischen den beiden  Bildern  werde  dabei  aber  zumeist  folgendermaßen  charakterisiert:  „In  the  picture  of  the  Agon  Paul  emphasizes  the  motif  of the  goal  for which  the  ,athlete'  strives; in the military picture, on the other hand, it is the thought of the enemy and the need  to stand  fast against  his onslaughts  which  predominates." (Pfitzner, Paul,  158) 

Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

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Lebens mit seinen ethischen Entscheidungssituationen unter der Kategorie der „militia spiritualis" verstehen und mit entsprechenden Termini beschreiben können77; in herausragender Weise dienten die militärische und die agonistische Terminologie aber zur Beschreibung des in der Verfolgung stattfindenden, besonders exponierten christlichen Kampfes.78 In bezug auf das christliche Selbstverständnis spiegelt sich in der Übernahme dieser Terminologie zweierlei wider: Zum einen zeigt sie die - zumindest in der Theorie - starke Distanz der Christen zu den Institutionen, die mit ihr ursprünglich bezeichnet wurden - zum Militär und zum Wettkampfwesen. Zum anderen weist sie auf ein christliches Superioritätsgefühl hin: Nicht die Kämpfe im Krieg und in der Arena sind die eigentlich wesentlichen Kämpfe, sondern die, die ein Christ in Anfechtung und Verfolgung durchzustehen hat. Die Aufnahme der militärischen Begrifflichkeit zeigt überdies, daß der Kampf der Christen in der Verfolgung nicht als Kampf einzelner Individuen verstanden wurde, sondern als Kampf einer Gemeinschaft gegen eine feindliche Macht. Ihren literarischen Schwerpunkt hat die Übernahme der Militär- und Wettkampfterminologie in der abendländischen lateinischen Kirche gehabt; stärker als der Osten hat der Westen die christliche Existenz im Sinne einer „militia spiritualis" gedeutet und dargestellt.79 Am Beginn der Einbürgerung dieses Vorstellungskomplexes im lateinischen Westen steht Tertullian. Er hat - wie die vor ihm liegende Tradition - sowohl die Gesamtheit des christlichen Lebens mit seinen Anfechtungs- und Entscheidungssituationen als auch die besondere Herausforderung durch die Verfolgung im Rahmen des „militia spiritualis"-Gedankens verstanden.80 Zunächst einmal sind

77  Unterschiedlich  gewichtet  wird  dabei  in  der  Forschung,  welche  dieser  Traditionen  in  beson­ derem  Maße  die  altkirchliche  „militia  spiritualis"­Vorstellung  bestimmt  haben.  Während  Harnack,  Militia Christi,  12, die  Wurzeln  v.a.  in den  sittlichen  Ermahnungen  des NT  sieht, hat Othmar  Perler,  Das  IV.  Makkabäerbuch,  Ignatius  von  Antiochien  und  die  ältesten  Märtyrerberichte,  in:  RivAC  25  (1949),  47­72,  besonders  die  Einflüsse des  4.Makkabäerbuches  herausgestellt.  Zu  dieser  Frage  vgl.  auch  Baumeister,  Anfänge,  246f. 

"  Vgl.  z.B.  l.Clem  5;  Herrn.,  Sim.  VIII,3,6;  Mart.Pol.  17,1;  18,3;  Eus.,  HE  V,  1,19.36.38.  40­ 42;  Pass.Perp.10;  Orig.,  Exhort.ad  mart.  18;  Pass.Mont.  6,4f,  Mart.Pion.  22,lf.  75  Vgl. Harnack,  Militia Christi, 40f. Dennis  Edward  Groh,  Christian  Community  in the  Writings  of Tertullian.  An Inquiry  into the Nature  and  Problems  of Community  in North  African  Christianity,  Evanston/Ill.  1970,  57,  hebt  den  diesbezüglichen  Unterschied  zwischen  Karthago  und  Alexandria  hervor.  80   Die  Aufnahme  der  militärischen  und  agonistischen  Terminologie  bei  Tertullian  ist  vielfach  in  der  Forschung  dargestellt  worden:  Vgl.  Harnack,  Militia  Christi,  32­40;  Hoppenbrouwers,  Recherches,  71­73; Teeuwen, Bedeutungswandel,  106­108; T.P. O'Malley,  Tertullian and the  Bible.  Language  ­  Imagery  ­  Exegesis,  Nimwegen/Utrecht  1967,  107­113.  Aus  diesem  Grund  finden  sich  im  Text  nur  kurze  Verweise  auf  den  allgemeinen  Gebrauch  dieser  Begrifflichkeit  bei  Tertullian;  ausführlicher dargestellt  wird  nur  die  spezielle  Verwendung  im  Verfolgungs­  und  Martyriumskon­ text.  Die breite  Aufnahme  militärischer  Termini  bei  Tertullian  wird  zuweilen  in  unmittelbare  Ver­ bindung gebracht mit  der bei Hieronymus  (De  vir.ill.  53) zu findenden Überlieferung, daß  Tertullian  der  Sohn  eines  centurio  proconsularis  gewesen  sei.  Vgl.  z.B.  Braun,  Origines,  196;  dagegen  O'Malley,  Tertullian,  107;  Barnes,  Tertullian,  13­21. 

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Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

fur ihn alle Christen „milites Dei"81, die in der „manus" der christlichen Gemeinschaft82 als Krieger des „imperator" Christus83 kämpfen. Die Grundlage der Bindung zwischen den „milites" und ihrem „Feldherrn" bildet die mit dem Begriff „sacramentum" bezeichnete Taufe: „Vocati sumus ad militiam Dei vivi tunc, cum in sacramenti verba respondemus."84 Handele ein Christ der im „sacramentum" eingegangenen Verpflichtung gegenüber Gott zuwider, sei dies zu vergleichen mit einem Überlaufen in das „Lager der Feinde"85; es bedeute - im Bild gesprochen - das Verlassen von „Feldzeichen" und „Treueeid" des eigenen „princeps".86 Der Kontext des eben angeführten Zitates aus „Ad martyras" macht deutlich, wie stark Tertullian mit dem Doppelsinn der verwendeten Termini spielt. Mit dem Gebrauch der Begriffe „sacramentum"87 und „signum"88 für die Taufe und dem über den Christen geschlagenen Kreuzeszeichen läßt er zugleich die pagane militärische Bedeutung der Termini - „Treueeid" und „Feldzeichen" - mitanklin-

81   De  exhort.cast.  12,1  (CChr.SL  II,  1031,8f):  „Non  enim  et  nos  milites  sumus  ­  eo  quidem  maioris  disciplinae,  quanto  tanti  imperatoris...  ";  De  cor.  12,5  (CChr.SL  II,  1060,34f):  „Sed  tu  proinde  miles  ac  servus  alterius  (sc.  Dei)...".  Vgl.  Ad  mart.  3,1  (CChr.SL  I,  5,12):  „Vocati  sumus  ad  militiam  Dei  vivi...";  De  or.19,5  (CChr.SL  I,  268,8):  „...  nam  et  militia  Dei  sumus...".  82   Apol.  39,2  (CChr.SL  I,  150,6):  „Coimus  in  coetum  et  congregationem  facimus,  ut  ad  Deum  quasi  manu  facta  precationibus  ambiamus."  83

 De  or.  29,3  (CChr.SL  I, 274,29);  De  exhort.cast.  12,1  (CChr.SL  II,  1031,9);  De  fuga  10,1  (CChr.SL  II,  1147,5). Nach  Harnack,  Militia Christi,  32 findet sich  die Bezeichnung  „imperator" für  Christus  zuerst  bei  Tertullian.  Zu  weiteren  Belegstellen  für diese  Christusbezeichnung  in  der  Alten  Kirche  vgl.  Erik  Peterson,  Christus  als  Imperator,  in:  Cath  5  (1936),  64­72,  bes.  64f.  84  Ad  mart.  3,1 (CChr.SL  I, 5,12f). Indem  er die Basis  des  Verhältnisses  zwischen  den  Christen  und  Gott  bezeichnet,  ist  der  hier  verwendete  Terminus  „sacramentum"  nach  Harnack,  Militia  Christi,  33,  fur Tertullian  zu  einem  Grundelement  des  „militia  spiritualis"­Gedankens  geworden.  85  De  spect.  24,4  (CChr.SL  I, 248,15).  Eine  solche  „Fahnenflucht" bedeutete,  zu  dem  „Herrn"  zurückzukehren,  dem  man  in  der  Taufe  explizit  entsagt  hatte:  „Cum  aquam  ingressi  Christianam  fidem  in  legis suae  verba  profitemur,  renuntiasse  nos  diabolo  et  pompae  et  angelis  eius  ore  nostro  contestamur" (De  spect. 4,1; CChr.SL  1,231,2­5);  ebenso  De cor.  3,2 (CChr.SL  II,  1042,15);  De  an.  35,3  (CChr.SL  II,  837,26f).  86

 De  spect.  24,4  (CChr.SL  I, 248,15­17):  „Nemo  in castra  hostium  transit  nisi  proiectis  armis  suis,  nisi  destitutis  signis  et  sacramentis  principis  sui,  nisi  pactus  simul  perire."  87   De  bapt.  1,1  (CChr.SL  I,  277,2);  De  pud.  14,17  (CChr.SL  II,  1308,70);  De  idol.  19,2  (CChr.SL  II,  1120,15).  Die Verwendung  des Terminus  „sacramentum"  bei Tertullian  ist ebenso  wie  die  semantische  Entwicklung  des  Begriffs  in  der  christlichen  Latinität  überhaupt  Gegenstand  ausfuhrlicher  Untersuchungen  besonders  zu  Beginn  des  Jahrhunderts  gewesen;  Hinweise  auf  die  ältere  Literatur  bietet  O'Malley,  Tertullian,  110,  Anm.  3,  eine  Zusammenfassung  der  Forschungs­ ergebnisse  Braun,  Deus  Christianorum,  435­441;  ein  knapper  Überblick  über  die  Untersuchung  dieses  Terminus,  der  „by  far the widest  discussion  of any  word  in  TertuIIian's  vocabulary"  (Sider,  Approaches,  239)  hervorgerufen  hat,  findet  sich  auch  bei  Sider,  Approaches,  239­241.  88  De  or.  29,3  (CChr.SL  I, 274,29);  De  idol.  19,2  (CChr.SL  II,  1120,15)  u.a. 

Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

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gen.89 Das in der Taufe eingegangene Verhältnis des Christen zu Gott erscheint so als eine Gehorsamsverpflichtung, die den Getauften in ein dem soldatischen vergleichbares Gehorsams- und Dienstverhältnis stellt.90 Zu bewähren sei dieser Treueeid in den „Kämpfen" mit den alltäglichen Versuchungen, die im Innern des Menschen aufbrechen.91 Die Ausrüstung der Kämpfenden sei dabei spiritueller Art92, ihre „Hauptwaffe" bilde das Gebet.93 Das absolute Proprium des christlichen Kampfes liege darin, daß er nicht gegen menschliche Gegner, „adversus carnem et sanguinem", zu fuhren sei, „sed adversus mundi potestates, adversus spiritalia malitiae".94 Eine besondere Herausforderungssituation für den christlichen „miles" stellt die Verfolgung dar. Die Bewährung darin ist von Tertullian wesentlich stärker noch als die Auseinandersetzung mit den Versuchungen des täglichen Lebens mit Hilfe der „militia spiritualis"-Vorstellung dargestellt und gedeutet worden. Umfangreiche Parallelisierungen zwischen den christlichen und den weltlichen Soldaten bzw. Athleten in den Ausführungen zum christlichen Leiden in der Verfol-

89  Auf  diesen  Doppelsinn  der  Begriffe spielt  Tertullian  in  De  idol.  19,2  (CChr.SL  II,  1120,14­ 16) an:  „Non  convenit  sacramento  divino  et  humano,  signo  Christi  et  signo  diaboli..."  90

 Zu dem  besonders  in Ad mart.  3,1  deutlich  hervortretenden  Verständnis  der Taufe als  Eintritt  in die „militia  Dei"  vgl. zusammenfassend  Willy  Rordorf, Tertullians  Beurteilung  des  Soldatenstan­ des,  in:  VigChr  23  (1969),  133: „Das  Taufbekenntnis  ist also der  Fahneneid,  den  der Täufling  Chri­ stus,  seinem  neuen  Herrn,  zu  leisten  hat.  Das  Taufbekenntnis  ist wie  ein  Vertrag,  den  der  Gläubige  mit Christus  eingeht  und  der  durch  das  Wasserbad  und  die  Ölsalbung  gesiegelt'  wird...  Spätestens  zur  Zeit  Tertullians  hat  der  göttliche  Fahneneid  einen  doppelten  Aspekt:  er  ist einerseits  die  feierli­ che Zusage  an  Christus  im  Taufgelöbnis,  die  fürs Leben  gilt;  andererseits  ist  er  begleitet  von  dem  Akt der  Absage  an  den  bisherigen  Herrn,  den  Satan."  Allgemeiner  formuliert  Braun,  Deus  Christia­ norum,  439,  in  bezug  auf  die  Stellen,  in  denen  Tertullian  „sacramentum"  im  Sinne  von  „Eid"  verwendet: „Tertullien...  exprime par ces rapprochements  sa conviction  profonde d'homme  pour qui  le  service  du  Christ  requiert  l'engagement  de  tout  l'etre."  Die  Bedeutung  der  militärischen  und  agonistischen  Begrifflichkeit  für  dieses  Konzept  hat  Gooch,  Concept,  119,  herausgestellt:  Sie  charakterisiere  das  christliche  Leben  als  „life of disciplined  response  to  Christ's  call".  91   Vgl.  De  spect.  29,5  (CChr.SL  I,  252,21­24);  De  idol.  21,3  (CChr.SL  II,  1121,34).  92  De  ieiun.  17,8 (CChr.SL  II,  1277,24f): „...  non  carne  et  sanguine,  sed  fide et  spiritu  robusto  oportet  adsistere."  93   De  or.  29,3  (CChr.SL  I,  274,26f):  „Oratio  murus  est  fidei,  arma  et  tela  nostra  adversus  hostem,  qui  nos  undique  observât."  94

 De  ieiun.  17,8  (CChr.SL  II,  1277,22f). Tertullian  zitiert  hier  aus  Eph  6,12,  das  eine  zentrale  Rolle  bei  der  Einbürgerung  des  „militia  spiritualis"­Gedankens  in  der  altkirchlichen  Paränese  gespielt hat,  und auch  von  ihm  noch  mehrfach zur  Kennzeichnung  der Besonderheit  des  christlichen  Kampfes  aufgegriffen  wird  (De  fuga  1,5;  12,3;  De  praescr.haer.  39,1;  Adv.Marc.  111,14,3;  V,18,12f). Auf den  gesamten  Kontext  Eph  6,10­18 spielt Tertullian  ebenfalls mehrfach  an  (vgl.  z.B.  De  cor.  1,3; CChr.SL  I,  1040,18­22).  Die  Bedeutung  dieses  Textes  für die  Übertragung  der  Kampf­ metaphorik  bei  Tertullian  hat  O'Malley,  Tertullian,  111, betont:  „...  it  is clearly  a watershed  for this  aspect  of  arms  imagery." 

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Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

gung im „Apologeticum"95, besonders aber in „Ad martyras", „Scorpiace", „De fuga in persecutione" und „De corona" weisen darauf hin, daß der primäre Ort dieses Topos bei ihm in der Deutung von Verfolgung und Martyrium zu suchen ist.96 Die Selbstverständlichkeit der Übernahme dieser Vorstellung zeigt sich in „Ad martyras". Bereits in seiner ersten auf eine Verfolgungssituation bezogenen Schrift stellt Tertullian die Leiden der Bekenner und Märtyrer als einen dem soldatischen bzw. athletischen Kampf97 vergleichbaren Kampf dar.98 Dieser sei aber eben nicht gegen menschliche Gegner, sondern gegen den Teufel direkt auszutragen. Die angesprochenen Bekennerinnen99 und Bekenner hätten durch ihre Inhaftierung in besonderem Maße die Möglichkeit erhalten, den Teufel zu überwinden, denn der Kerker sei die „domus diaboli"100 - sein eigener Ort, an dem er die Gefangenen durch besondere Anfechtungen versuche.101 Vor dem

95

  In  Apol.  50,1­3  (CChr.SL  I,  169,1­17)  betont  Tertullian  gegenüber  dem  heidnischen  Einwand,  daß  die  Christen  das Leiden ja  wollten,  daß  sie es  in dem  Sinne  „wollten",  wie  ein  Soldat  den  Krieg  „wolle",  d.h.  nicht  unbedingt  gern,  aber  mit  umso  größerer  Freude,  wenn  der  Sieg  errungen  werde.  Für  die  Christen  sei  die  Gerichtsverhandlung  ein  „ K a m p f '  (proelium),  in  dem  sie  als  „Sieg"  das  „Wohlgefallen  Gottes"  und  als  „Beute"  das  ewige  Leben  erlangten:  „Ea  victoria  habet  et  gloriam  placendi  Deo  et  praedam  vivendi  in  aeternum."  96

 So auch  O'Malley,  Tertullian,  113: „While  the  (military  and  athletic)  imagery  is  broadened  to  Christian  life,  it  is the  martyr  aspect  which  dominates."  97   Insbesondere  in  „Ad  martyras"  zeigt  sich  deutlich  die  enge  Zusammengehörigkeit  beider  Bildkomplexe  (vgl.  Anm.  76).  Nach  Bray,  Holiness,  129,  beschränkt  sich  die  Verwendung  der  agonistischen  Bilder  bei Tertullian  auf „Ad  martyras".  Dies  ist nicht zutreffend; auch  in  „Scorpiace"  und  „De  fuga in  persecutione"  greift er auf Bilder  und  Termini  aus  dem  Wettkampfbereich  zurück.  98   Zur  Übernahme  der  militärischen  und  agonistischen  Metaphorik  in  „Ad  martyras"  vgl.  Hélène  Pétré, L'Exemplum  chez Tertullien, Neuilly­sur­Seine  1940,71­73;  Pier Angelo  Gramaglia,  Ai  martiri.  Introduzione,  traduzione  e  note,  Rom  1981,  lOlf.  105­108.  Letzterer  verweist  ins­ besondere  auf  Senecas  „De  Providentia"  als  Quelle  fur die  Militär­  und  Wettkampfbilder  in  „Ad  martyras",  betont  aber  die  Differenz in der  Zielsetzung  ihrer  Aufnahme:  „...  nello  Ad  martyras  tali  esempi  hanno una funzionalità nuova,  che qualifica appunto  il cristianesimo  di fronte alla  tradizione  senechiana  e  stoico  dell'  uomo  forte."  99

  In  Ad  mart.  4,3  (CChr.SL  I,  6,22f)  erwähnt  Tertullian  explizit,  daß  sich  unter  den  angesprochenen  „martyres  designati"  auch  Frauen  befanden.  100  Ad  mart.  1,4  (CChr.SL  I, 3,17).  Vgl.  die  Bezeichnung  des  Kerkers  als  „habitatio  satanae"  in  Scorp.  12,7  (CChr.SL  II,  1093,13).  101  Ad  mart.  l,4f  (CChr.SL  I, 3,16­21):  „Domus  quidem  diaboli  est  et  career,  in  qua  familiam  suam  continet.  Sed  vos  ideo  in  carcerem  pervenistis,  ut  ilium  etiam  in  domo  sua  conculcetis.  lam  enim  foris  congressi  conculcaveratis.  Non  ergo  dicat:  In  meo  sunt,  temptabo  illos  vilibus  odiis,  defectionibus,  aut  inter  se  dissensionibus."  Die  von  Tertullian  erwähnte  Bekämpfung des  Teufels  durch  die  Bekenner  vor  ihrer  Inhaftierung  („foris")  könnte  sich  auf  ihre  Standhaftigkeit  in  den  Versuchungen  des Alltags beziehen, die ja auch vom Teufel ausgehen. In unmittelbarem  Zusammen­ hang mit  der  Inhaftierung könnte  es aber  auch  einen  Hinweis  auf die  Standhaftigkeit  der  Bekenner 

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Anblick der Inhaftierten solle dieser aber fliehen und sich in seinem „Schlupfloch" verkriechen wie eine verzauberte oder ausgeräucherte Schlange 102 ; in seinem eigenen „regnum", dem Kerker, solle es ihm nicht so wohl werden, daß er Zwietracht zwischen den Konfessoren säen könne, sondern er solle diese vielmehr gut „bewaffnet" mit Eintracht vorfinden, denn - so betont Tertullian mit einem Wortspiel - der „Frieden" unter den Inhaftierten bedeute „Krieg" für den Teufel: „... pax vestra bellum est illi (sc. diaboli)".103 Bietet der Aufenthalt im Gefängnis so eine besondere Möglichkeit zum Kampf mit dem Teufel und läßt er die Gefangenen aus dem eigentlichen „Kerker", nämlich der Welt, entrinnen104, so gesteht Tertullian andererseits aber durchaus zu, daß er auch für Christen unangenehm und beschwerlich ist105; relativiert wird dieses Eingeständnis aber durch den Hinweis auf die auch für die weltlichen Soldaten notwendige Vorbereitung auf den Kampf. Wie diese keinerlei Annehmlichkeiten im Lager genössen und durch vielerlei Übungen und Strapazen auf den Krieg vorbereitet würden106, so seien eben auch die Unannehmlichkeiten des Kerkers für die Inhaftierten als „Übungen

gegenüber der vom Teufel ausgehenden  Versuchung zum  Abfall darstellen.  In diesem  Sinne  versteht  Klein,  Bewußtsein,  292, diese  Stelle. Vgl. die Erwähnung der „argumenta  diaboli" in Pass.Perp.  3,3,  die  den  Versuch  der  Überredung  zum  Abfall  darstellen.  102

  Ad  mart.  1,5  (CChr.SL  I,  3,21­23):  „Fugiat  conspectum  vestrum,  et  in  ima  sua  delitescat  contractus  et torpens,  tamquam  coluber  excantatus  aut  effumigatus." Die  Verwendung  der  „Schlan­ ge"  (coluber)  als  Vergleichsbild  (tamquam)  für den  Teufel weist  zurück  auf  die  bereits  in  der  Bibel  zu findende Identifikation zwischen  Satan  und  Schlange (Apk  12,9). Zu dem  Bild  der „Schlange"  bei  Tertullian  vgl.  weiter  O'Malley,  Tertullian,  85­87.  103   Ad  mart.  1,5  (CChr.SL  I,  3,23­25):  „Nec  illi  tarn  bene  sit  in  suo  regno,  ut  vos  commitat,  sed  inveniat  munitos  et  concordia  armatos:  quia  pax  vestra  bellum  est  illi."  104  Der  Vorstellung,  daß  die  Inhaftierten  durch  ihren  Kerkeraufenthalt  dem  eigentlichen  „Ker­ ker",  der  Welt  mit  ihren  idololatrischen  Lebensformen,  entronnen  sind,  ist  Ad  mart.  2  gewidmet  (CChr.SL  I, 3,30­5,10).  In diesem  Sinne gewährt  die Haft den  Konfessoren  die gleiche  Möglichkeit,  wie die  Wüste  den  Propheten,  d.h.  diejenige der  „Zurückgezogenheit"  von  der  Welt:  „Hoc  praestat  career  Christiano,  quod  eremus  prophetis...  Auferamus  carceris  nomen,  secessum  vocemus"  (Ad  mart.  2,8;  CChr.SL  I,  4,31­5,2).  Zu  dem  Vergleich  zwischen  „carcer"  und  „eremus"  vgl.  weiter  Theofried  Baumeister,  Martyrium  ­  Mönchtum  ­  Reform:  Tertullian  und  die  Vorgeschichte  des  Mönchtums,  in:  Reformatio  Ecclesiae.  FS  Erwin  Iserloh,  Paderborn/München/Wien/Zürich  1980,  23­24.  105

 Ad  mart.  3,1  (CChr.SL  I,  5,11):  „Sit  nunc,  benedicti,  carcer  etiam  Christianis  molestus." 

106

  Ad  mart.  3,If  (CChr.SL  I,  5,13­18):  „Nemo  miles  ad  bellum  cum  deliciis  venit,  nec  de  cubiculo  ad  aciem  procedit,  sed  de  papilionibus  expeditis  et  substrictis,  ubi  omnis  duritia  et  inboni­ tas  et  insuavitas  constitit.  Etiam  in  pace  labore  et  incommodis  bellum  pati  iam  ediscunt,  in  armis  deambulando,  campum  et decurrendo,  fossam moliendo,  testudinem  densando."  Der  Gedanke  einer  Vorbereitung zum  Kampf durch vorherige  Abhärtung  findet  sich auch  innerhalb der stoischen  Tradi­ tion  der  „militia  spiritualis".  Vgl.  z.B.  Sen.,  ep.  51,6. 

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der Kräfte des Geistes und des Körpers"107 anzusehen, d.h. als Vorbereitung zum Martyrium und notwendige Voraussetzung für Standhaftigkeit und Bewährung. Die hier zutagetretende Bedeutung des Gedankens der für das Erleiden des Glaubenstodes notwendigen „praeparatio ad martyrium" durch Entbehrungen bzw. Absage an jegliche Vergnügungen und „Verzärtelungen" ist von Tertullian auch anderweitig herausgestellt worden.108 In „Ad martyras" spricht Tertullian dann in fließendem Übergang von den militärischen Bildern zu den agonistischen109 von dem „Wettkampf ' (agon), auf den sich die Bekenner vorbereiteten. Dieser sei von grundsätzlich anderer Qualität als ein weltlicher Wettkampf, denn Gott selbst werde der „agonothetes", der Leiter des Kampfes und der Preisrichter sein.110 Der Heilige Geist erscheint als „xystarches", d.h. in der Rolle des Vorsitzenden einer Athletenvereinigung, durch den die Kämpfer wohl auch zum Kampf vorbereitet

107

 Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  1, 5,22f): „exercitationes  virtutum  animi  et  corporis". 

108

 Vgl.  z.B.  De  cult.fem. Π,  13,3f  (CChr.SL  I, 369,20­370,20).  Besonders  nachdrücklich  hat  Tertullian  als  Montanist  in  De  ieiun.  12,2  (CChr.SL  II,  1270,19­1271,27)  den  Aufenthalt  im  Kerker  als  Einübung  in  Hunger  und  Durst  und  als  Möglichkeit  zur  Praktizierung  rigorosen  Fastens  herausgestellt,  wodurch  der  Christ  in  besonderer  Weise  auf  Folter  und  Tod  vorbereitet  sei.  Die  Bedeutung  des  Gedankens  der notwendigen  „praeparatio"  des Christen  im  Blick  auf das  Martyrium  für Tertullian  betont  auch  Bray,  Holiness,  45:  „Indeed,  of  all  the  aspects  of  martyrdom  which  the  Early  Church  celebrated,  it was  the  notion  that the  victims  should  display  a worthiness  (dignitas)  to  meet  their  fate which  most  impressed  Tertullian.  As  far as  he  was  concerned,  the  greatest  danger  to  a  prospective  martyr  was  that he would  succumb,  not so  much  to the  fear of death,  as to the  tempta­ tions of the world.  He therefore concentrated  his attention  on the  martyr's  need  for stringent  spiritual  exercises  in  prison  in  order  that  they  might  subdue  the  flesh  in  advance.  If  martyrdom  could  be  compared  to a  battle,  than  spiritual  discipline  was the  necessary  training  for  success  at the  moment  of  crisis."  109

 Auf den  Zusammenhang  dieses  Wechsels  mit  der  nachfolgenden  Einführung des  Lohnmo­ tivs,  für  welches  der  „Vergleich  mit  einem  Sportwettkampf  für  die  exhortatio  ad  martyrium  ergiebiger"  sei,  macht  Butterweck,  Martyriumssucht,  160,  Anm.  93,  aufmerksam.  110

  Nach  Emil  Reisch,  Art.  Agonothetes,  in:  PW  1/1  (1893),  870,  bestand  die  Aufgabe  des  „agonothetes"  in der  Festleitung,  d.h. der Sorge fur den ordnungsgemäßen  Hergang der Spiele,  in  der  Preisrichterfunktion  und  im  Überreichen  der  Kränze  und  Wertpreise;  letzteres  bildete  nach  Reisch,  Agonothetes,  872,  eine  der  hervorstechendsten  Aufgaben  im  Rahmen  der  Agonothesie,  die  ihr  Bild  in  der  Öffentlichkeit  maßgeblich  bestimmte.  Darüberhinaus  hatte  der  „agonothetes"  für  weitere  Ehrungen  der  Sieger  zu  sorgen,  fur die  Aufstellung  der  Siegerlisten,  der  Votivstatuen  u.a.  Häufig  wurden  von  ihm  auch  die  Kosten  des  Festes  oder  Kampfes  übernommen,  so  daß  der  „agonothetes"  auch  als  Stifter erscheint.  Im  Zuschauerraum  hatte  er  einen  Ehrenplatz  inne.  Im  Sinne  von  „Preis­ richter  in einem  irdischen  Wettkampf'  greift Tertullian  diesen  Terminus  in  Scorp.  6,5  (CChr.SL  II,  1079,4)  auf, als  Metapher  für Gott  in  der  im Text  genannten  Stelle  Ad  mart.  3,3  und  in  De  fiiga  1,5  (CChr.SL  II,  1136,41 ). Auf die mit einem  „agonothetes" verbundenen  Funktionen  spielt er auch  dort  an, wo  er von Gott  als  demjenigen  spricht,  der „palma",  „honor",  „civitas" oder  „stipendia"  vergebe  (Scorp.  6,6;  CChr.SL  II,  1080,8f). 

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werden.111 Als Siegespreis des ausstehenden Kampfes winkten die „Krone der Ewigkeit" (corona aetemitatis), der „Preis der engelhaften Substanz" (brabium angelicae substantiae), das „Bürgerrecht im Himmel" (politia in caelis) und der „Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit" (gloria in saecula saeculorum)'12 - Ausdrücke, die durch ihre Überhöhung irdischer Siegespreise den einzigartigen, transzendenten Charakter des von den Bekennern auszutragenden Kampfes noch unterstreichen." 3 Dieser Gedanke des singulären Lohnes, der den Bekennern in Aussicht stehe, wird von Tertullian unter Aufnahme von 1 .Kor 9,25 noch weiter ausgeführt: Wie auch die weltlichen Athleten sich vor einem Kampf strenger Zucht zur Kräftigung ihres Körpers unterzögen, so seien nun auch die Inhaftierten von Christus,

111  Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  I,  5,23f): „Bonum  agonem  subituri  estis  in  quo  agonothetes  Deus  vivus  est,  xystarches  Spiritus  Sanctus,  ...".  Mit  „bonum  agon"  bezieht  Tertullian  sich  vermutlich  auf  l.Tim  6,12  zurück.  In  bezug  auf  den  „xystarches"  ergeben  die  inschriftlichen  Zeugnisse  allerdings  kein  eindeutiges  Bild  des  Aufgabenfeldes.  Nach  Gustave  Glotz,  Art.  Xystos  II,  in:  DAGR  V,  1029,  waren  die  „xystarches"  die  hochangesehenen  Vorsitzenden  der  antiken  Athle­ tenorganisationen,  wobei  dies  mehr  als  Ehrenstellung,  denn  als  Amt  mit  konkret  umrissenen  Funktionen  erscheint:  „La  plupart  du  temps,  la  xystarchie  apparaît plutôt comme une dignité honorifique, une sorte de présidence et de vague patronat, que comme une fonction régulière aux occupations absorbantes." (Glotz, Xystos, 1030) Auf jeden Fall repräsentierte der „xystarches" die Athletenorganisation bei den Wettkämpfen und bei anderen offiziellen Anlässen. Inschriftlich überliefert als konkrete Aufgabe im Zusammenhang des Wettkampfs ist die Verteilung des Öls an die Athleten (Inscr.gr.V,l,20,A,5-8); war der „xystarches" auch Priester, konnte er für das Opfer vor Beginn des Kampfes zuständig sein. 112 113

Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,24-26).

Die „corona" war in der Antike das gebräuchlichste Zeichen fur den Sieg; in der christlichen Wettkampirnetaphorik findet es sich bereits im Neuen Testament ( l . K o r 9,25). Zur Übernahme dieses Siegessymbols von den Heiden vgl. Karl Baus, Der Kranz in Antike und Christentum, Bonn 1940,173ff; Antonius J. Brekelmans, Martyrer-Kranz. Eine symbolgeschichtliche Untersuchung im frühchristlichen Schrifttum, Rom 1965, 39-70. „brabium" ist eine auch bei den Heiden verwendete Bezeichnung für den Siegespreis, die ebenfalls bereits vor Tertullian von den Christen übernommen wurde (vgl. die Übersetzung von 1 .Kor 9,24 in der Vetus Latina: „Nescitis quoniam ei qui in stadio currunt omnes quidem currunt, sed unus accipit bravium?" (Iren., Adv.haer. IV, 37,7; vgl. auch Mart.Pol. 17,1)). Mit der „angelica substantia" ist die durch das Martyrium erlangte Verähnlichung mit den Engeln ausgedrückt, die eine in der christlichen Martyriumstheologie seit Beginn an verbreitete Vorstellung darstellte (vgl. Apg 6,15; Mart.Pol. 2,3). Mit der Wendung „politia in caelis" greift Tertullian vermutlich auf Phil 3,20 zurück: „Unsere Heimat aber ist im Himmel..." (vgl. De res.earn. 47,15; CChr.SL II, 986,59f: „Et quidem de terra in caelum, ubi nostrum munieipatum Philippenses quoque ab apostolo discunt"). Nach Quacquarelli, Ad martyras, 135, will Tertullian mit dieser Wendung ausdrücken, „che la cittadinanza dei martiri per loro diritto è in cielo; il martire, cioè, è iscritto al l'albo del cielo." In den antiken Wettkämpfen gab es auch den Brauch, siegreichen Athleten das Bürgerrecht zu verleihen. Zu „gloria" als Bezeichnung fur die im Martyrium zu erlangende Würde vgl. Vermeulen, Development, 53-95, zu Tertullians Verwendung von „gloria" 53-63. „saecula saeculorum" ist eine doxologische Formel, die Tertullian noch an zwei weiteren Stellen verwendet (De or. 29,4; CChr.SL I, 274,38; Ad ux. 1,1,3; CChr.SL I, 373,16).

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ihrem „epistates"114, zur härteren Übung ihrer Kräfte für den bevorstehenden Kampf abgesondert worden"5, wobei der Kerker als „Ringschule" (palaestra) verstanden wird, in dem die Vorbereitung für den „Wettkampf' stattfindet."6 Während aber die Sportler all dies sogar für eine „corona corruptibilis" auf sich nähmen, könnten die inhaftierten Christen die Mühen und Strapazen des Kerkers in Zuversicht darauf überstehen, daß ihnen für ihre Standhaftigkeit im bevorstehenden Kampf, der im Gerichtssaal stattfinde1 '7, eine „corona aeterna" in Aussicht stehe."8 Deutlich werden hier die Höherwertigkeit des spirituellen Kampfes der Märtyrer gegenüber dem irdischen der Soldaten und Athleten sowie die Bedeutungslosigkeit der irdischen Ziele ausgedrückt. Trotz der Nichtigkeit ihrer Ziele und des zu erwartenden Lohnes nehmen letztere aber Strapazen und Mühen auf sich; um wieviel mehr können dann Christen in der Hoffnung auf weit hö-

114

 Der  Bedeutungsgehalt  der  Bezeichnung  „epistates"  ist  sehr  weit  gefaßt:  In  der  heidnischen  Welt  wurden  mit  „epistates"  eine  Vielzahl  offizieller Funktionsträger  in  den  städtischen  Räten  und  Behörden,  in  den  Tempeln  und  auch  im  Zusammenhang  der  Wettkampfspiele  bezeichnet,  die  sehr  unterschiedliche  Aufgaben  erfüllten;  vgl.  F.  Chavannes,  Art.  Epistates,  in:  D A G R  II/l,  699­708.  Nach  Emil  Szanto,  Art.  έ π ι σ τ ά τ α ι ,  in:  PW  VI/1  (1907),  200,  können  „Vorsteher jeder  Korpora­ tion  und  Kommission" „epistátai" genannt werden, „sowie alle Personen ..., denen die Obsorge für irgend ein Werk obliegt." Die Unbestimmheit dieses Terminus, wenn er nicht durch die Angabe des Wirkungsfeldes des „epistates" ergänzt wird, spiegelt sich auch in den modernen Übersetzungen wider, die zumeist im Sinne von „Führer" (so Gramaglia, Ai martiri, 169: „dirigente"), „Vorsteher" (Baumeister, Genese, 113) oder „Gebieter" (so Pétré, L'Exemplum, 73: „maitre"; Kellner, BKV 7, 219: „Oberer") übersetzen; vermutlich auf Grund der Formulierung „... epistates vester Christus Iesus,..., voluit vos ante diem agonis ad duriorem tractationem a liberiore condicione seponere, ut vires corroborarentur in vobis" (Ad mart. 3,4; CChr.SL II, 5,26-29) spricht Barnes, Tertullian, 227, von Christus als „trainer". Bereits Plato bezeugt die Funktion der  „ γ υ μ ν ι κ ώ ν  ά θ λ ω ν  έ π ι σ τ ά τ α ι "  (Leg. 12). Ihnen oblag die Präsidentschaft über die Spiele, zuweilen auch die Ahndung von Regelverstößen. Zusätzlich konnte mit dieser Stellung auch die Überwachung des Trainings der jugendlichen Wettkämpfer verbunden sein. Vgl. Chavannes, Epistates, 707. 115 Ad mart. 3,4 (CChr.SL I, 5,26-29): „Itaque epistates vester Christus Iesus, qui vos Spiritu unxit et ad hoc scamma produxit, voluit vos ante diem agonis ad duriorem tractationem a liberiore condicione seponere, ut vires corroborarentur in vobis." Die Formulierung „qui vos Spiritu unxit" verweist auf die Taufe als Grundlage des Gehorsamsverhältnisses der Bekenner gegenüber ihrem „epistates". 116 Ad mart. 3,5 (CChr.SL I, 6,6-9): „... carcerem nobis pro palaestra interpretamur, ut ad Stadium tribunalis bene exercitati incommodis omnibus producamur, quia virtus duritia exstruitur, mollitia vero destruitur." 117

Ad mart. 3,5 (CChr.SL I; 6,7f): „Stadium tribunalis". Ähnlich wird in Apol. 50,2 (CChr.SL I, 169,8) der Gerichtssaal als Kampfort beschrieben; während in Ad mart. 3,5 aber das Bild des Wettkampfes im Hintergrund steht, denkt Tertullian in Apol. 5 0 , l f (CChr.SL I, 169,3-9) an den Krieg: „Plane volumus, verum eo more, quo et bellum miles... Proelium est nobis, quod provocamur ad tribunalia, ut illic sub discrimine capitis pro veritate certemus." 118

Ad mart. 3,4f (CChr.SL I, 5,29-6,9).

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heren Lohn ihre Kräfte für die bevorstehenden „spiritalia bella" stärken.119 Die von Tertullian in „Ad martyras" durchgeführte Parallelisierung zwischen weltlichen Soldaten und Athleten einerseits und den inhaftierten Christinnen und Christen andererseits dient also der Ermunterung der Bekenner durch die Herausstellung der grundsätzlich anderen Qualität ihres Kampfes: Sie stehen nicht menschlichen Gegnern gegenüber, sondern dem Teufel selbst, ihr Auftreten vor Gericht ist nicht ein irdisches, juristisches Geschehen, sondern ein kosmisches Ereignis, an dem die Trinität selbst in verschiedenen Funktionen teilhat, ihr Lohn wird entsprechend von gänzlich anderer Art sein als der in weltlichen Kämpfen zu erlangende. Daß der christliche „Soldatenstand" trotz aller Parallelisierung mit dem weltlichen Soldatenstand einen grundsätzlich anderen Charakter hat, erweist Tertullian auch in „De corona". Anläßlich einer kaiserlichen Geldspende sollten die Soldaten eines Lagers mit Lorbeer bekränzt zum Appell antreten. Einer der Soldaten, nach Tertullians Darstellung ohnehin „mehr ein Soldat Gottes"120, habe die Bekränzung mit dem Hinweis auf sein Christsein verweigert.121 Nach einer Beratung seitens der Befehlshaber sei dieser Fall an den Praefekten verwiesen worden, der Soldat habe alle Insignien des Soldatenstandes ablegen müssen. 122 Diese Szene interpretiert Tertullian vor dem Hintergrund von Eph 6,11-17 und betont die Überlegenheit der geistlichen Ausrüstung des zukünftigen Märtyrers über die materielle des

Explizit  erfolgt  dieser  Schluß  a  minori  ad  maius  in  dem  folgenden  Kapitel  Ad  mart.  4,9  (CChr.SL  I,  7,17­24):  „Igitur  si  tantum  terrenae  gloriae  licet  de  corporis  et  animae  vigore,  ut  gladium,  ignem,  crucem,  bestias,  tormenta  contemnat  sub  praemio  laudis  humanae,  possum  dicere,  modicae  sunt  istae passiones  ad consecutionem  gloriae caelestis  et divinae  mercedis.  Si tanti  vitrum,  quanti  verum  margaritum?  Quis ergo non  libentissime  tantum  pro  vero  habeat  erogare,  quantum  alii  pro  falso?" Die  hier  auftauchende Gegenüberstellung  „gloria  caelestis" ­  „gloria terrena"  entspricht  dem  stoischen  Gegensatz  zwischen  „vera  et  falsa gloria".  Vgl.  Antonius  J.  Vermeulen,  Art.  gloria,  in:  RAC  XI  (1981),  209.  Die  „gloria terrena"  bzw.  „gloria  saecularis"  wird  von  Tertullian  nicht  nur  in  diesem  Zusammenhang  deutlich  abgewertet  (vgl.  Apol.  2,5;  CChr.SL  I,  88,20;  Apol.  39,16;  CChr.SL  I,  152,76;  Apol.  46,7;  CChr.SL  I,  161,37;  Apol.  47,3;  CChr.SL  1,  163,11),  sie  erscheint  als  „gloria turpis"  (De  cor.  13,7;  CChr.SL  II,  1062,49)  oder  „gloria  vana"  (De  pall.  4,6;  CChr.SL  II,  744,68).  120 121

 De  cor.  1,1  (CChr.SL  I,  1039,4):  „magis  dei  miles". 

 Zu  Zeit  und  Umständen  dieses  Vorfalls  vgl.  Kap.  2.,  Anm.  35  sowie  die  dort  angegebene  Literatur.  122   Zu  dem juristischen  Hintergrund  dieses  Vorgangs  vgl.  Freudenberger,  Anlaß,  588f:  Das  Bekenntnis  des  Christen  rückte  den  Fall  aus  dem  Bereich  der  Disziplinarverstöße,  „die  in  die  Kompetenz  des  Militärtribunen  fielen", in den  Bereich  der  Kapitalverbrechen.  Der  Fall  sei  vertagt  und  an  das  Gericht  des  Gardepräfekten  übergeben  worden.  Zu  den  einzelnen  Insignien  („paenula"  ­  Mantel;  „speculatoriae"  ­  Soldatenschuhe;  „gladium"  ­  Schwert;  „laurea"  ­  Lorbeerkranz)  vgl.  detailliert  Ruggiero,  De  corona,  65f. 

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vormaligen Soldaten: Erst nach dem Ablegen von Kriegsmantel, Soldatenschuhen, Schwert und Lorbeerkranz könne er tatsächlich „totus de apostolo armatus", d.h. mit der in Eph 6,11-17 beschriebenen geistlichen Waffenrüstung versehen sein. Er sei schärfer mit dem Wort Gottes bewaffnet als vorher mit dem Schwert und schöner bekränzt mit der Anwartschaft123 auf das Martyrium als vorher mit dem Kranz. Statt der „Geldzuwendung" (liberalitas) der Caesaren erwarte er nun im Kerker die „Spende Christi" (donativum Christi), d.h. den eigentlich den Christen bestimmten Lohn.124 Die bislang erwähnten Ausführungen Tertullians weisen darauf hin, in wie starkem Maße er besonders die der Verfolgung ausgesetzten Christen als „milites" in einer Schlacht, einem Krieg, verstanden hat. Welch reales Verständnis er dabei von dem „Soldatenstand" der Christen gehabt hat, zeigt sich daran, daß für ihn prinzipiell die Zugehörigkeit zur „militia Dei" und zu einem weltlichen Kampfverband unvereinbar sind.125 Diese Exklusivität der „militia Dei" beruht auf der im

123   Der  von  Tertullian  verwendete  Begriff  „candida  (martyrii)"  (De  cor.  1,3;  CChr.SL  II,  1040,21)  ist  schwierig  zu  übersetzen;  während  Kellner/Esser,  BKV  24,  232,  hier  mit  „Anwart­ schaft"  übersetzen,  und  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  98,  „candida"  ähnlich  als  „Erkorensein,  Designata"  versteht,  ist  dieser  Terminus  nach  Heinz  Finé,  Die  Terminologie  der  Jenseitsvorstel­ lungen  bei Tertullian.  Ein  semasiologischer  Beitrag zur Dogmengeschichte  des  Zwischenzustandes,  Bonn  1958,  65ff, mit  „Würde"  zu übersetzen.  Zu  dieser Übersetzungsproblematik  vgl.  weiter  Kap.  4.1.2,  Anm.  37.  124

  De  cor.  1,3  (CChr.SL  I,  1040,18­22):  „...  et  nunc  rufatus  sanguinis  sui  spe,  calceatus  de  evangelii  paratura,  succinctus  acutiore  verbo  dei ac totus de apostolo armatus,  ut de martyrii  candida  laurea  melius  coronandus  donativum  Christi  in carcere  expectat."  Zu  den  Termini  „liberalitas"  und  „donativum"  vgl.  Kap.  2.,  Anm.  37.  Zu  Inhalt  bzw.  Gestalt  des  „donativum  Christi"  vgl.  den  von  Freudenberger,  Anlaß,  590, gegebenen  Hinweis,  „daß chárisma in Rom 6,23 durch die Vetus Latina öfters mit donativum übersetzt wird; in Rom 6,23 aber ist das ewige Leben in Christus Jesus das donativum Gottes an seine Streiter." Auf die hier deutlich werdende Höherwertigkeit des den standhaften Christen in Aussicht stehenden Lohnes verweist Tertullian noch einmal zum Ende dieses Traktates in einem Bild: „Quid caput strophiolo aut dracontario damnas diademati destinatum?" (De cor. 15,2; CChr.SL I, 1065,1 lf) 125 Vgl. die grundsätzliche Ablehnung des Soldatenstandes für Christen in De idol. 19 (CChr.SL II, 1120,10-25). Ebenso rigoros erscheint seine Haltung in De cor. 11, wobei nach Heinrich Karpp, Die Stellung der Alten Kirche zu Kriegsdienst und Krieg, in: EvTh 17 ( 1957), 501, zwei Gründe entscheidend sind fur diese Ablehnung: zum einen die Gefahr „religiöser Befleckung durch den Götzendienst", zum anderen das „Verbot der Rache und des Tötens". Differenzierter im Vergleich zu De idol. 19 urteilt Tertullian in De cor. 11 allerdings in bezug auf Soldaten, die als solche erst zum Glauben kommen (De cor. 11,4; CChr.SL II, 1057,28-36). Daß die Praxis der grundsätzlichen Idealvorstellung einer Unvereinbarkeit von Christentum und Militärdienst nicht entsprach, bezeugt Tertullian selbst in De cor. 1,1 (CChr.SL II, 1039,4-6), wo er den Soldaten, der die Bekränzung verweigert, abhebt von „ceteris ... fratribus, qui se duobus dominis servire posse praesumpserant." In selbstverständlicher Weise spricht Tertullian auch in Ad nat. 1,1,2 (CChr.SL I, 1 l,9f); Apol. 5,6 (CChr.SL I, 96,26f); Apol. 37,4 (CChr.SL 148,20-22) und Apol. 42,3 (CChr.SL

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„sacramentum" begründeten Gehorsamsbindung an Gott und den „imperator" Christus, die keine andere Bindung erlaubt: „Non potest una anima duobus deberi, deo et Caesari."126 Das „sacramentum divinum" steht dem „sacramentum humanuni" unvereinbar gegenüber. 127 In den beiden weiteren im Zusammenhang mit Verfolgungssituationen entstandenen Traktaten „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" erscheint das Leiden der Christen in der Verfolgung ebenfalls als ein Kampf besonderer Art, der mit spirituellen Waffen gegen einen kosmischen Gegner ausgetragen werde. Im

1,157,11) von  der Existenz  christlicher  Soldaten.  Während  Klein, Tertullian,  102­124,  versucht,  die  genannten  Belege  aus  „De  corona"  und  dem  „Apologeticum"  zu  harmonisieren,  muß  doch  die  auf  der unterschiedlichen Zielsetzung der Kontexte beruhende Differenz in den Aussagen betont  werden:  Geht  es  in  „De  idololatria"  und  „De  corona"  um  innerchristliche  Ermahnung  und  Einprägung  eines  Ideals  christlicher  Sittlichkeit  abseits jeder  Berührung  mit  dem  Götzendienst,  mit  der  der  Militär­ dienst  zwangsläufig  auch  verbunden  war,  so  im  „Apologeticum"  um  Verteidigung  gegenüber  heidnischen  Vorwürfen.  So erscheint  in der  letztgenannten  Stelle  die  Existenz  christlicher  Soldaten  als  positives  Argument  gegen  die  den  Christen  von  den  Heiden  unterstellte  Absonderung  und  Schädlichkeit  für das  allgemeine  gesellschaftliche  Leben.  In diesem  Sinne  äußert  sich  auch  Evans,  Problem,  28f:  „In the  Apologeticum  he  (sc.Tertullian)  employs  his  knowledge  of what  he  knows  to  be  frequent  Christian  practice,...,  ...  in  the  interest  of  making  the  Church  and  its  faith  both  intel­ ligible  and  attractive  to  his  highly  placed  pagan  readers."  Nach  Strobel,  Imperium  Romanum,  92,  wird  mit  der  „uneingeschränkten  Hervorhebung  der  Christen  im  Heer  einer  entsprechenden  antichristlichen  Polemik  entgegengewirkt"  (vgl.  Celsos  bei  Orig.,  C.Cels.  VIII,  73).  Fraglich  ist  die  von  Stephen  Gero,  Miles  gloriosus:  The  Christian  and  Military  Service  according  to  Tertullian,  in:  ChH  39(1979),  291,  aufgestellte These,  daß Tertullian  erst nach  211,  d.h.  als  Montanist,  auf  Grund  eines „sudden  influx of Christians  into the militaiy  profession" die  Unvereinbarkeit  des  Heeresdien­ stes  mit  der  Christusnachfolge  betont  habe:  Die  Datierung  von  „De  idololatria"  und  die  damit  verbundene  Frage  nach  der  Einordnung  dieses  Traktates  in die  katholische  oder  montanistische  Zeit  ist sehr  umstritten;  die  zeitlichen  Zuweisungen  schwanken  zwischen  193­203  (favorisiert  von  der  älteren  deutschen  Forschung,  aber  auch  von  Barnes,  Tertullian,  55)  einerseits  und  207­212  (ver­ treten  u.a.  von  Monceaux,  Histoire,  208;  Braun,  Deus  Christianorum,  574)  andererseits.  Grundsätz­ lich  ist  die  Bewertung  des  Militärdienstes  in  der  Alten  Kirche  und  speziell  bei  Tertullian,  nicht  zuletzt durch jeweilige aktuelle Auseinandersetzungen  veranlaßt, vielfach diskutiert worden; vgl. u.a.  Hans  Frhr.  von  Campenhausen,  Der  Kriegsdienst  der  Christen  in  der  Kirche  des  Altertums,  in:  Offener Horizont.  FS  Karl  Jaspers,  München  (1953),  255­264;  Rordorf,  Beurteilung,  passim;  Gero,  Miles, 285­298;  Wilhelm  Geerlings,  Die Stellung der vorkonstantinischen  Kirche zum  Militärdienst,  Barsbüttel  1989,  5­10. Einen  Überblick  über  die  breite  Behandlung  dieses  Themas  in  der  Literatur  gibt  die  Bibliographie  bei  Ruggiero,  De  corona,  XLIV­XLVIII.  126  De  idol.  19,2  (CChr.SL  II,  1120,18).  Christen,  die  als  Soldaten  dienen,  erscheinen  hingegen  als  „(fratres),  qui  se  duobus  dominis  servire  posse  praesumpserant"  (De  cor.  1,1;  CChr.SL  II, 

1039,5ft·  121  De  idol.  19,2;  CChr.SL  II,  1120,14­17:  „non  convenit  sacramento  divino  et  humano,  signo  Christi  et  signo  diaboli,  castris  lucís  et  castris  tenebrarum...  ";  ähnlich  die  von  Tertullian  verneinte  Frage  in De cor.  11,1 (CChr.SL  II,  1056,4f): „Credimusne  humanuni  sacramentum  divino  superduci  licere  ...?" Zur  Unvereinbarkeit  von  „militia  Dei" und  „militia  Caesaris"  vgl.  auch  Rordorf,  Beurtei­ lung,  136f. 

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Verfolgung als Kampf zwischen  dem  Teufel und  den  „milites  Christi" 

Unterschied zu den beiden vorher erwähnten Schriften geht Tertullian hier aber auf die theologische Frage der eigentlichen Urheberschaft der Verfolgung ein. Ebenso wie in „Ad martyras" stellt die Verfolgung in „Scorpiace" zunächst einen Kampf dar, in dem die Christen unmittelbar dem teuflischen Gegner, dem „adversarius", gegenüberstehen. Entscheidend flir Tertullians Verständnis dieses Kampfes ist hier aber, daß der Teufel als Gegner keineswegs auch selbst Urheber dieser Herausforderung ist. Nach seiner Auffassung hat Gott selbst mit dem Martyrium die Möglichkeit dargeboten, durch welche diejenigen, die durch die Taufe dem Teufel bereits entrissen sind, endgültig zu Siegern über diesen werden können.128 Denen, die in diesem zur Prüfung der Gläubigen gedachten Kampf129 den Sieg erringen, lasse Gott auch selbst die Siegespreise zuteil werden130, wobei der Kampf als von Gott ausgerichtetes „spectaculum hominibus et angelis et universis potestatibus" erscheint.131 Während die Vorstellung, daß die Christen in der Verfolgung zwar gegen einen teuflischen Gegner zu kämpfen haben, dieser aber von Gottes Ermächtigung abhängig sei, in „Scorpiace" nur angedeutet ist, findet sie sich in „De fuga in persecutione" ausfuhrlich dargelegt. Um die Notwendigkeit zu erweisen, sich der Verfolgung auszusetzen und nicht die Flucht zu ergreifen, führt Tertullian in diesem Traktat eingehend den Gedanken von der Urheberschaft Gottes in bezug

128

 Scorp. 6,1  (CChr.SL  II,  1078,3­9):  „Sed  si  certaminis  nomine  deus  nobis  martyria  propo­ suisset, per quae cum adversario experiremur, ut, a quo libenter homo elisus est, eum  ¡am  constanter  elidat, hic quoque  liberalitas  magis quam  acerbitas dei  praeest.  Evulsum  enim  hominem  de  diaboli  gula per fidem iam et per virtutem inculcatorem eius voluit efficere, ne solummodo evasisset, verum  etiam  evicisset  inimicum."  129  Zu  der  Vorstellung  von  der Verfolgung als  Prüfung vgl.  Kap.  3.2.  130   Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1079,5­1080,8f):  „(Deum  dedecebit)  ...  carnem  atque  animam  probare de constantia  atque tolerantia?  Dare huic palmam,  huic honorem,  illic civitatem,  illi  stipen­ dia?" Mit „stipendia"  bezieht Tertullian  sich  auf die  unmittelbar  vorher  aufgezählten  Siegespreise  der weltlichen  Wettkämpfe zurück,  zu denen  auch Besoldungen  seitens  der  Bürgerschaft  gehörten  („stipendia civica":  Scorp. 6,4; CChr.SL  II,  1079,24).  In bezug auf die Bedeutung  der  Verleihung  der  „civitas",  des Bürgerrechtes,  vgl.  die Erläuterungen  zu „politia"  in Anm.  113.  131   Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1079,5­7):  „Deum  dedecebit  artes  et  disciplinas  suas  educere  in  medium,  in  hoc  saeculi  spatium,  in  spectaculum  hominibus  et  angelis  et  universis  potestatibus."  Die  Vorstellung  eines  im  Martyrium  den  Menschen  dargebotenen  Schauspiels  findet sich  schon  in 4.Makk  17,14. Mehrfach greift auch Cyprian  den  Gedanken  eines  im  Martyrium  stattfindenden  Schauspiels  auf,  aber  bei  ihm  sind  an  keiner  Stelle  die Menschen,  sondern  immer Gott  bzw.  Christus  die  Zuschauer  des  „spectaculum"  (ep.  10,2,3;  CChr.SL  III B, 49,43:  „O quale  illud fuit  spectaculum  domino  ...";  De laps. 2; CChr.SL  III, 222,21f:  „... spectaculum  gloriosum  praebuistis  Deo  ...";  ähnlich  ep.  37,3,1;  CChr.SL  III  B,  180,61f;  ep.  60,2,4;  CChr.SL  III  C,  377,48).  Von  einem  Gott  durch  das  Leiden  dargebotenen  „Schauspiel"  spricht  auch  Min.Fel.,  Oct.  37,1. 

V e r f o l g u n g  als  K a m p f  zwischen  d e m  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

7 3 

auf die Verfolgung aus.132 Basierend auf dem Grundsatz, daß nichts ohne den Willen Gottes geschehe (nihil fieri sine Dei volúntate)133, postuliert er den göttlichen Ursprung auch des Verfolgungsgeschehens. Auf der Ebene der Wettkampfmetaphorik sieht er dieses als einen von Gott proklamierten „agon", in welchem dieser selbst auch als Spender der Siegespreise fungiere. Diese Vorstellung, daß Gott selbst den in der Verfolgung zu bestehenden Kampf ausrichtet und dem Standhaften einen besonderen Lohn offeriert, faßt Tertullian hier wie auch schon in „Ad martyras" und indirekt in „Scorpiace"134 in der Übertragung der Funktionsbezeichnung „agonithetes" auf Gott zusammen.135 Dieser verwende die in der Verfolgung Verfolgung"

wirksame 136

Ungerechtigkeit

des

Teufels

als

„Werkzeug

der

, der Teufel stehe mit ihr in dem Dienst Gottes zur Ausführung der

Verfolgung. Deshalb könne man wohl sagen, daß die Verfolgung „durch den Teufel" (per diabolum) geschehe, nicht aber „vom Teufel" (a diabolo) komme 137 , denn der Teufel könne nicht „propria potestate", „aus eigener Vollmacht", in der Verfolgung gegen die seinem Herrschaftsbereich bereits entrissenen Christen kämpfen, sondern nur auf Grund der Ermächtigung durch Gott.'38 Zwar träfen den

132

  N a c h  D e  f u g a  1,2  ( C C h r . S L  II,  1135,13­16)  bildet  die  B e a n t w o r t u n g  der  Frage  nach  der 

U r h e b e r s c h a f t  der  V e r f o l g u n g  die  V o r a u s s e t z u n g  für  die  Entscheidung,  ob  es  eine  Pflicht  gebe,  sich  dieser  Situation  auszusetzen:  „Igitur  consultationi  tuae  ordinem  q u o q u e  induimus,  anim­ advertentes  ante  determinan  oportere  de  statu  ipsius  persecutionis,  utrum  a  Deo  veniat  an  a  diabolo,  quo  facilius  de  obitu  eius  constare  possit."  D e  f u g a  1,2  ( C C h r . S L  II,  1135,17f);  De  ftiga  1,3  ( C C h r . S L  II,  1135,23).  134

  Vgl.  Scorp.  6,5  ( C C h r . S L  II,  1079,4f). 

135

 De  f u g a  1,5  (CChr.SL  II,  1136,25­40):  „Sic  et  agonem  intellegt  capit  persecutionem,  a  quo 

certamen  edicitur,  nisi  a  q u o  c o r o n a  et  praemia  p r o p o n u n t u r ?  Legis  edictum  agonis  istius  in  Apocalypsi,  quibus  praemiis  ad  victoriam  invitet  vel  m a x i m e  illos,  qui  proprie  vicerint  in  perse­ cutione  vincendo,  luctati  revera  non  adversus  c a m e m  et  sanguinem,  sed  adversus  spiritalia  nequitiae;  ita  agnosces  ad  e u n d e m  agonithetam  pertinere  certaminis  arbitrium,  qui  invitât  ad  p r a e m i u m . "  Zu  der  B e z e i c h n u n g  „agonithetes"  bzw.  „agonothetes"  vgl.  A n m .  110.  136

  De  f u g a  2,1  ( C C h r . S L  II,  1137,11):  „instrumentum  persecutionis".  A u f  das  Z u s a m m e n ­

wirken  des  Willens  z u m  Bösen  beim  Teufel  und  des  göttlichen  Willens  in  Tertullians  K o n z e p t  der  Verfolgung  weist  auch  Quacquarelli,  persecuzione,  579,  hin:  „...  la  persecuzione  avviene  fra  i  due  termini  di  D i o  e  del  diavolo,  fra  gli  interessi  di  entrambi  positivi  e  negativi  ...  Dio  permette  al  diavolo  di  attaccare  i cristiani,  m a  ad  un  fine:  per  sperimentarli  e  tenerli  desti."  137

  De  f u g a  2,2  ( C C h r . S L  II,  1137,18­22):  „Igitur  quod  ministerium  non  est  arbitrii,  sed 

servitii  ­  arbitrium  enim  Domini  persecutio  propter  fidei  probationem,  ministerium  autem  iniquitas  diaboli  propter  persecutionis  instructionem  ­ ,  ita  eam  per  diabolum,  si  forte,  non  a  diabolo  evenire  credimus."  138

 De  f u g a 2,2  (CChr.SL  II,  1137,22f):  „Nihil  satanae  in  servos  Dei  vivi  licebit,  nisi  permiserit 

D o m i n u s  ...";  De  f u g a  2,7  ( C C h r . S L  II,  1138,60­64):  „Ceterum  in  d o m é s t i c o s  Dei  nihil  licet  (satanae)  ex  propria  potestate...  Aut  e n i m  ex  causa  probationis  conceditur  ei  ius  temptationis  ..."  Über  diejenigen  hingegen,  die  nicht  zu  Gott  gehörten,  habe  der  Teufel  durchaus  eine  eigene  Voll­

7 4 

Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

Christen im „Krieg" der Verfolgung'39 die „glühenden Speere des Teufels"140, aber dies beruhe auf dem Willen Gottes.141 In der Auseinandersetzung mit dem von Gott ermächtigten Teufel stehen den Christen nach Tertullian spirituelle Waffen zur Verfügung, die er unter Aufnahme von Eph 6,16 beschreibt; unter diesen befände sich auch der „Schild", mit dem die „Pfeile des Teufels" ausgelöscht werden könnten und seiner Gewalt sicher widerstanden werden könnte.142 Wer trotz dieser Waffenrüstung in der Verfolgung die Flucht ergreift, über den ergießt sich der beißende Hohn Tertullians.143 Grundsätzlich sei der Tod in der Verfolgung immer der Bewahrung des Lebens durch eine Flucht vorzuziehen; diese Zentralaussage des Traktates schärft er unter Aufnahme militärischer Termini ein und verdeutlicht dadurch einmal mehr die Gehorsamsbindung des Christen gegenüber dem die Verfolgung erlaubenden Gott: „Pulchrior est miles in pugna (proelio) amissus quam in fuga salvus."144 Für Tertullian stehen die Christen in der Verfolgung also im „Krieg" (bellum), in einer „Schlacht" (proelium, acies) oder einem „Wettkampf ' (agon, certamen).145 Durchgängig hebt er dabei aber die Besonderheit des von den Christen geführten Kampfes hervor146, den spirituellen Charakter der von ihnen verwendeten Waffen sowie die prinzipielle Höherwertigkeit des von Gott zu gewärtigenden Lohnes

macht  (vgl.  De  fuga  2,6;  CChr.SL  II,  1138,56­60)  Zu  dieser  Vorstellung  einer  Abhängigkeit  des  Teufels  von  der  Ermächtigung  Gottes  vgl.  auch  Jeffrey  Burton  Russell,  Satan.  The  Early  Christian  Tradition,  Ithaca/London  1981,  94­97.  139  De  fuga 3,1  (CChr.SL  II,  1139,7): „Nostrae  autem  paci  quod  est  bellum  quam  persecutio?";  vgl.  De  fuga  11,1  (CChr.SL  II,  1148,7):  Verfolgung  als  „acies".  140  De  fuga 3,2  (CChr.SL  II,  1139,14):  „ignea  iacula  diaboli".  141

  De  fuga 3,2  (CChr.SL  II,  1139,15). 

142

 De  fuga 9,2  (CChr.SL  II,  1146,19­22):  „Arma  quoque  demonstrat  (Paulus),...,  inter  quae  et  clipeum,  quo  possitis  tela  diaboli  extinguere,  resistentes  sine  dubio  et  excipientes  omnem  vim  illius."  143   De  fuga  10,1  (CChr.SL  II,  1147,4­7):  „Bonum  militem  Christo  imperatori  suo  praestat,  qui  tarn  piene  ab  apostolo  armatus  tuba  persecutionis  audita  diem  deserit  persecutionis!"  144

 De  fuga  10,2  (CChr.SL  II,  1147,1 lf).   De  fuga 3,1  (CChr.SL  II,  11397):  „bellum";  Apol.  50,2  (CChr.SL  1,  169,6f):  „proelium";  De  fuga  11,1  (CChr.SL  II,  11148,7);  Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  I,  5,23);  De  fuga  1,5  (CChr.SL  II,  1136,35.37):  „agon";  Scorp.  6,1  (CChr.SL  II,  1079,3);  De  fuga  1,5  (CChr.SL  II,  1136,35f.41):  „certamen".  145

146   Vgl.  auch  Apol.  50,3  (CChr.SL  I,  169,12f):  „Ergo  vincimus,  cum  occidimur"  Die  Kriegsmetaphorik  in  Apol.  50  ist,  wie  auch  dieses  Zitat  zeigt,  auf  die  radikale  Umwertung  des  jeweiligen  heidnischen  Verständnisses  ausgerichtet.  So  wird  die  Feuerstrafe  als  ein  Triumph  beschrieben:  „...  ad  stipitem  dimidii  axis  revincti  sarmentorum  ambitu  exurimur.  Hie  est  habitus  victoriae  nostrae,  haec  palmata  vestís,  tali  curru triumphamus."  (Apol.  50,3;  CChr.SL  I,  169,15­17) 

Verfolgung  als  Kampf  zwischen  dem  Teufel  und  den  „milites  Christi" 

75 

über jede von irdischen Gewalten in Aussicht gestellte Prämie.147 Ihre Basis hat diese Besonderheit in der Vorstellung, daß der Kampf der Christen in der Verfolgung insofern jeden irdischen Kampf transzendiere, als den Christinnen und Christen nicht weltliche Gegner, sondern der Teufel selbst gegenüberstünden. Das Spezifikum des tertullianischen Verständnisses der Verfolgung besteht dabei darin, daß er zwischen dem Gegner (adversarius) der Gläubigen und dem eigentlichen Urheber (auctor)148 der Verfolgung unterscheidet. Der Teufel habe keinerlei eigene Vollmacht und Befugnis (propria potestas)149 zum Kampf gegen die Christen, sondern müsse von Gott zum Vorgehen gegen die „milites Dei" ermächtigt werden.150 Durch die Postulierung der göttlichen Urheberschaft der Verfolgung kann Tertullian jeden Dualismus in der Verfolgungsdeutung vermeiden: Die Christen stehen zwar den Angriffen des Teufels gegenüber, aber dies nur „ex Dei volúntate".151 Wenn der Gedanke, daß Gott der eigentliche Urheber der Verfolgung ist, möglicherweise auch für „Ad martyras" vorausgesetzt werden kann152, so hat Tertullian ihn aber doch nur in „Scorpiace" und pointierter noch in „De fuga in persecutione" expliziert. Dies hängt unmittelbar mit der Zielrichtung dieser Traktate zusammen: Beide richten sich gegen die Negierung einer Pflicht zum Bekenntnis und zur Standhaftigkeit in der Verfolgung. Dem gegenüber er-

147   Vgl.  auch  Apol.  50,2  (CChr.SL  I,  169,9­11):  „Ea  victoria  (sc.in  persecutione)  habet  et  gloriam  placendi  Deo  et  praedam  vivendi  in  aeternum."  148 149

 De  fuga 3,1  (CChr.SL  II,  1139,9).    De  fuga 2,7  (CChr.SL  II,  1138,61). 

150   Auf  dieses  Spezifikum  der  Verfolgungsdeutung  Tertullians  weist  auch  hin  Weinrich,  Spirit,  256:  „...  in  persecution  Satan  is  fundamentally  God's  servant  and  minister  of  judgement.  Satan  is God's  instrument  of  reprobation.  This  is  a  considerably  different perspective  than  that  of  Ignatius  of Antioch  and  the  martyrs  of Lyon.  For  these  the  enmity  was  fully  between  God  (Christ)  and  satan  ...  (In  Tertullian)  the  tension  is  between  God  who judges  and  man  who  is judged.  Mar­ tyrdom  is  not  Christ's  victory  but  evidence  that  man  was  obedient  to  G o d ' s  command  even  unto  death."  151

  De  fuga  3,2  (CChr.SL  II,  1139,15).  Zur  expliziten  Rückführung  der  Verfolgung  auf  die  „voluntas"  bzw.  das  „arbitrium  Dei"  vgl.  auch  De  fuga  1,5  (CChr.SL  II,  1136,44f);  2,1  (CChr.SL  II,  1137,90;  2,2  (CChr.SL  II,  1137,190­ 152

 Die  Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  1,5,230  auf  Gott  übertragene  Funktionsbezeichnung  „agono­ thetes"  läßt  einen  solchen  Schluß  zumindest  möglich  erscheinen,  da  dieser  häufig auch  als Stifter und Ausrichter  eines  Wettkampfes  erscheint.  Vgl.  Reisch,  Agonothetes,  874f  und  Anm.  110.  In  diesem  Sinne  deutet  Brekelmans,  Martyrerkranz,  81, diese  Bezeichnung  in  Ad  mart.  3,3:  „Hier  aber  ist Gott  selber der  Stifter des christlichen  Agons,  nämlich  des Martyriums."  Deutlich  ausgesprochen  ist der Zusammenhang  zwischen der „Agonothesie" Gottes  und dem  bei  ihm  liegenden  Ursprung  der  Verfolgungssituation  in  De  fuga  1,5  (CChr.SL  II,  1136,35f.40­42):  „Si  et  agonem  intellegi  capit  persecutionem.  A quo  certamen  edicitur,  nisi  a quo  corona  et  praemia  proponuntur?  ...  Ita  agnosces  ad  eundem  agonithetam  pertinere  certaminis  arbitrium,  qui  invitât  ad  praemium." 

7 6 

Verfolgung  als  Prüfung 

scheint die Gottgewolltheit der Verfolgungssituation als unabweisbares Argument für die Notwendigkeit und Pflicht, sich der Verfolgung bis zur letzten Konsequenz auszusetzen.

3.2 Der göttliche Zweck der Verfolgung: Die Verfolgung als Prüfung der Christinnen und Christen Diese zumindest in zwei Traktaten hervortretende Sicht Gottes als des eigentlichen Urhebers der Verfolgung führt zu der Frage nach dem von Gott mit der Verfolgung intendierten Zweck. Zur Beantwortung dieser Frage hat Tertullian die bereits im Alten Testament, in der zwischentestamentlichen Literatur wie auch im Neuen Testament zu findende Vorstellung vom Leiden als einer Prüfung der Gläubigen153 aufgegriffen. Beiläufig und ohne besonderes Gewicht spricht Tertullian bereits in „De praescriptione haereticorum" von der Verfolgung als einer von Gott ausgehenden Entscheidungssituation, deren Bestehen einen Christen als Bewährten erweisen könne. Der Kontext zeigt dabei allerdings, daß es Tertullian in diesem Zusammenhang nicht um eine Deutung der Verfolgung geht, sondern um eine im Anschluß an 1 .Kor 11,19 erfolgende Herausstellung des Zweckes der Häresien als für die Endzeit vorhergesagter Bewährungssituationen. Diese gott-

153  Der  Gedanke  des Leidens  als  von  Gott  ausgehender  oder  zumindest  zugelassener  Prüfung  der  Frommen  findet  sich  vielfach  im  AT  und  in der  zwischentestamentlichen  Literatur:  vgl.  z.B.  Ps  66,10­12;  Hiob  1,6­12;  2,1­7,  SapSal  3,1­10.  Zu  dieser  Vorstellung  und  den  genannten  Stellen  vgl.  Norbert  Peters,  Die  Leidensfrage im  Alten  Testament,  Münster  1923,  47­52.  Im  Neuen  Testament  erscheint  die  Vorstellung  des  Leidens  als  Prüfung  in  l.Petr  l,6f;  4,12;  Apk  2,10,  wobei  in  den  genannten  Stellen konkret an das Leiden der Christen unter Diskriminierung und  Verfolgung  gedacht  ist. Zu  1 .Petr  1,6f; 4,12  vgl. Norbert  Brox,  Der erste Petrusbrief (EKK  XXI), Neukirchen  1979,  213 :  „Eine  erste  wichtige  Einsicht  ist:  Was  da  an  Verfolgung  und  Unrecht  den  Christen  angetan  wird,  muß  als  „Erprobung"  angesehen  werden.  Dann  geht  es  also  auf  Gottes  Willen  (oder  Zulassung)  zurück,  ist nur  vordergründig  beängstigend  und  feindlich,  muß  als  Probe  angenommen  und  bestan­ den  werden.  Damit  eröffnet sich  die  Möglichkeit  für die  Gemeinden  und  den  einzelnen,  die  bösen  Erfahrungen positiv einzuordnen  in ihr Bild einer Welt und Geschichte  mit Gott." Zu dieser  Deutung  des  Leidens  vgl.  weiter  Helmut  Millauer,  Leiden  als  Gnade ­  Eine  traditionsgeschichtliche  Unter­ suchung  zur  Leidenstheologie  des  ersten  Petrusbriefes,  Bern/Frankfurt/M.  1976,  144.  In  der  alt­ kirchlichen  Tradition  taucht  der  Gedanke  des  Prüfungsleidens z.B.  in  Herrn.,  Vis.  IV,3,4f  und  Did.  16,4f  auf.  Innerhalb  der  heidnischen  Philosophie  findet  sich  die  Vorstellung  einer  göttlichen  Verhängung  von  Leiden  zum Zweck  der  Prüfung z.B. bei  Sen.,  De prov.  4,7:  „Hos  itaque deus  quos  probat,  quos  amat,  indurat,  recognoscit,  exercet." 

Verfolgung  als  Prüfung 

77

gewollte Funktion wird mit Hilfe der Parallele der Verfolgung zusätzlich betont.154 Eindeutig auf die Prüfung der Gläubigen durch die Verfolgung bezogene Äußerungen finden sich erst in „Scorpiace". Nach der Darstellung in diesem Traktat würden „Fleisch und Geist" der Gläubigen in der Verfolgung in bezug auf ihre Standhaftigkeit und Ausdauer geprüft; die einen erlangten dabei die für den Sieg in Aussicht gestellten Preise, andere hingegen würden verworfen werden. Auf diese Weise fälle Gott im voraus ein Urteil (praeiudicare) über die Christinnen und Christen155, d.h. das Ergebnis der in der Verfolgung stattfindenden Prüfung nimmt dasjenige des Endgerichtes vorweg. Auch unter Aufnahme von Sach 13,9a deutet Tertullian die Foltern, Strafen und Martertode als eine Prüfung des Glaubens: „Audio enim et alibi dicentem deum: uram illos sicut uritur aurum, et probabo illos sicuti probatur argentum." Dies geschehe durch die „Martern des Feuers und der Hinrichtungen", „durch die Martyrien, welche den Glauben erproben".156 An anderer Stelle in diesem Traktat greift Tertullian mit 1 .Petr 4,12 und Apk 2,10 die neutestamentlichen Zentralstellen für den Gedanken einer durch die Verfolgung stattfindenden Versuchung und Prüfung auf157, ohne daß dieser aber im

154

 De praescr.haer.  4,6 (CChr.SL  1,190,17­19):  „... probabiles  quique  manifestarentur, tarn  qui  in  persecutionibus  steterint  quam  qui  ad  haereses  non  exorbitaverint."  Zeitlich  liegt  diese  Aussage  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  vor  den  im  folgenden  anzusprechenden  Traktaten  „Scorpiace"  und  „De  fuga in persecutione".  Zu  den  Datierungsvorschlägen,  die sich  in dem  Zeitraum  zwischen  198  und 206 bewegen,  vgl. die Übersicht  bei Braun,  Deus Christianorum,  568f, sowie Barnes,  Tertullian,  55.  155

  Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1079,5­1080,13):  „(Deum  dedecebit)  ...  carnem  atque  animan  probare  de  constantia  et tolerantia?  Dare  huic  palmam,  huic  honorem,  i 11 i civitatem,  illi  stipendia?  etiam  quosdam  reprobare  et  castigatos  cum  ignominia  submovere?  Nimirum  praescribis  deo,  quibus  temporibus  aut  modis  aut  locis  de  familia  sua  iudicet,  quasi  non  et  praeiudicare  iudici  congruat?"  156   Scorp.  7,3f  (CChr.SL  II,  1081,12­16):  „Utique  per  tormenta  ignium  et  suppliciorum,  per  martyria  fidei  examinatoria."  Sach  13,9  wird  von  Tertullian  auch  in  De  fuga  3,1  (CChr.SL  II,  1139,  1  lf) zur  Untermauerung  des  Prüfungsgedankens  angeführt. Die  in  beiden  Fällen  vorliegende  Vertauschung  der  Metalle  gegenüber  dem  lateinischen  Bibeltext  („uritur  argentum  ...  probatur  aurum")  könnte  darauf  beruhen,  daß  Tertullian  diese  Zentralstelle  für den  Gedanken  einer  Prüfung  der  Gläubigen  aus  dem  Gedächtnis  zitiert.  Die  Verknüpfung des  Prüfungsleidens  mit  dem  Bild  von  dem  im  Feuer  geprüften  und  geläuterten  Edelmetall  findet sich  vielfach  schon  in  der jüdischen  wie  auch  der  christlichen  Tradition:  vgl.  Ps  66,10;  Sir  2,5;  Spr  17,3;  27,21;  Mal  3,3;  SapSal  3,4­6;  Jdt  8,25­27;  l.Petr  1,7; Apk  3,18; Heim.,  Vis IV,3,4. Zu  diesem  Motiv  vgl. Brox,  Petrusbrief, 65,  sowie  Millauer,  Leiden,  144, der  in bezug auf das  hinter  diesem  Bild  stehende  Erwählungsbewußtsein  der  durch  das  Leid  Betroffenen bemerkt:  „Das  traditionelle  Bild  von  der  Entschlackung  edler  Metalle  entspricht dem  Selbstverständnis  des  Erwählten  in seiner  Leidenssituation."  Auch  in  der  Stoa findet  sich  die  Verbindung  dieses  Bildes  mit  dem  Prüfungsleiden:  „Ignis  aurum  probat,  miseria  fortes  viros."  (Sen.,  De  prov.  5,10)  157

 Scorp.  12,3.6  (CChr.SL  II,  1092,17­19;  1093,9­11). 

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Verfolgung als Prüfung

Kontext weiter ausgeführt wird. Auch die Vorstellung, daß die Standhaftigkeit un­ ter den Martern und grausamen  Strafen entsprechend  die Bewährung fiir die Chri­ stinnen  und  Christen  bedeute,  taucht  außer  an  der  oben  angeführten  Stelle  nur  noch sehr beiläufig auf.158  Eine wesentlich breitere Darlegung des Gedankens einer durch die Verfolgung  vollzogenen Prüfung der Christen findet sich in dem montanistischen  Traktat  „De  fuga in persecutione". Um gegenüber den Katholiken  die absolute  Notwendigkeit  zu erweisen, sich einer Verfolgung nicht durch Flucht zu entziehen,  sondern  sich  ihr auszusetzen, widmet Tertullian die ersten drei Kapitel dem Nachweis, daß die  Verfolgung  dem  Willen  Gottes  entspringe.159  Für  Gott  sei  diese  deshalb  not­ wendig,  weil  er  durch  sie  die  Gläubigen  prüfen  und  in  Bewährte  und  Nicht­ bewährte  scheiden  könne; insofern diene sie „ad probationem  servorum  eius (sc.  Dei) sive reprobationem".160  Der Abschluß  (exitus) bzw. das Ergebnis (effectus)  der mittels  der Verfolgung stattfindenden Prüfung sei also nichts anderes als die  Bewährung oder auch Nichtbewährung des Glaubens.161 In diesem Sinne stelle die  Verfolgung das „Gericht" (iudicium) Gottes dar, durch das ein Christ entweder als  „Bewährter" oder als „Verworfener" erwiesen werde162, sich also sein  Status vor  Gott offenbare. Untermauert  wird dieser Gedanke einer  Sichtung und  Scheidung  der Gläubigen mittels der Verfolgung von Tertullian durch Rückgriff auf zwei bi­ blische Bilder: Die Verfolgung sei zum einen als die „Schaufel" zu verstehen, mit  der  Gott  auf  der  Dreschtenne  den  Weizen  von  der  Spreu  trenne  (vgl.  Mt  3,12).  Durch  die Verfolgung sichte er  also  die  in der  Kirche  versammelte  „vermischte 

158 Scorp. 1,11 (CChr.SL II, 1070,1 lf): „Alios ignis, alios gladius, alios bestiae Christianos probaverunt..." Auf das Bestehen der „Prüfimg" als Voraussetzung zur Aufnahme in den Himmel spielt Tertullian in seiner Polemik gegen die gnostischen Gruppierungen an, die von einer Bekenntnispflicht erst im Himmel ausgehen: „Quae porro fides rerum, ut post excessum ad superna sublevatus illic probarer, quo non nisi iam probatus inponerer, illic de receptu examinarer, quo nisi admittendus pervenire non possem?" (Scorp. 10,5; CChr.SL II, 1088,8-11) 159 Vgl. die zu Beginn des vierten Kapitels aus den ersten drei Kapiteln gezogene Folgerung: „Igitur si constat a quo persecutio eveniat, possumus iam consultationem tuam inducere et determinare ex hoc ipso praetractatu fugiendum in persecutione non esse. Si enim persecutio a deo evenit, nullo modo fugiendum erit, quod a Deo evenit." (De fuga 4,1; CChr.SL II, 1139,1- 1140,5) 160 De fuga 1,3 (CChr.SL II, 1135,24f). 161

De fuga 1,3 (CChr.SL II, 1135,25-27): "Quis est enim exitus persecutionis, quis effectus alius, nisi probatio et reprobatio fidei, qua suos utique Dominus examinavit ?" Vgl. De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136, 42-43): „Totum, quod agitur in persecutione, gloria Dei est, probantis et reprobantis, imponentis et deponentis". 162

De fuga 1,4 (CChr.SL II, 1135,27-1136,29): „Hoc nomine iudicium est persecutio, per quam quis aut probatus aut reprobatus iudicatur: porro iudicium soli Deo competit."

Verfolgung  als  Prüfung 

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Menge der Gläubigen" (confusus acervus fidelium) und scheide den „Weizen" der Märtyrer von der „Spreu" der Verleugnen 163 In diesem Bild erscheint die Verfolgung als ein Mittel, das „corpus permixtum" der Kirche164 schon auf Erden zu überprüfen und derart zu scheiden, daß die „wahren" Gläubigen - für Tertullian in diesem Kontext die „martyres" im Gegensatz zu den „negatores", den „Verleugnern"165 - erkennbar würden. Im Kontext von „De fuga in persecutione" bedeutet dies konkret eine Scheidung in diejenigen, die sich der Verfolgung bis zur Konsequenz des Martertodes aussetzen, und diejenigen, die die Flucht ergreifen.166 Daß allein den ersteren der Zugang zum Paradies möglich sei, verdeutlicht er durch das zweite biblische Bild. Diesem zufolge stelle das Verfolgungsgeschehen die „Jakobsleiter" (vgl. Gen 28,12) dar, auf der die einen in die Höhe, in das Paradies, stiegen, die anderen aber in die Tiefe, die Unterwelt, hinab.167 Nicht zuletzt die Aufnahme dieser Bilder zeigt, daß für Tertullian der Skopus des Prüfungsmotivs in der dadurch ermöglichten Scheidung zwischen den Gläubigen, in dem Erweis ihres Heils bzw. (Un)heilsstandes vor Gott, liegt.168 Auf sprachlicher Ebene wird

163   De  fuga  1,4  (CChr.SL  II,  1136,29­32):  „Haec  (sc.  persecutio)  pala  illa,  quae  et  nunc  dominicam  aream  purgat,  ecclesiam  scilicet,  confusum  acervum  fidelium  eventilans  et  discernens  frumentum  martyrum  et  paleas  negatorum."  164  Vgl.  die  Erläuterung  zu  „confusus acervus  fidelium"  bei  Johannes  Jakobus  Thierry,  Tertul­ lianus.  De  fuga in  persecutione,  Hilversum  1941,  114:  „...  het  onderscheid  tuschen  de  ware  geloo­ vigen  en  de  „hypocrieten"  is  nog  niet  evident."  165  Nach  Hoppenbrouwers,  Recherches,  63,  verwendet  Tertullian  hier  „negatores"  „avec  une  signification  technique  comme  antithèse  à  martyres".  Daß  Tertullian  abgesehen  von  „confessor"  nur diese  beiden  Begriffe zur  Kennzeichung  der Christen  in  der  Verfolgung  kennt,  zeigt  sich  auch  in  De  cor.  2,1  (CChr.SL  II,  1141,2­4):  Die  von  ihm  aufgestellte  Behauptung,  daß  Christen  keine  Kränze  trügen,  wird  dort  folgendermaßen  untermauert:  „Omnes  ita  observant  a  catechumenis  usque  ad  confessores  et  martyras  vel  negatores."  Die  letzten  drei  Begriffe  bezeichnen  die  drei  möglichen  Status,  die  ein  Christ  in der  Verfolgung erlangen  könne.  Anders  als  ein  halbes  Jahrhun­ dert  später  für Cyprian  gibt  es  für Tertullian  zwischen  „confessio" und  „martyrium"  einerseits  und  „negatio" andererseits  keine dritte Möglichkeit  der Standhaftigkeit ohne  Bekenntnis  und  Martyrium.  Dies  hängt  zum  einen  mit  der  rechtlichen  Situation  seiner  Zeit  zusammen,  in  der  nur  einzelne  Christen  oder  kleine  Gruppen  von  Verfolgung  betroffen  waren  und  diese  dann  vor  die  genannten  Alternativen  gestellt  waren,  zum  anderen  aber  auch  mit Tertullians  Interesse,  alle  Verhaltensweisen  in  der  Verfolgung,  die  nicht  auf das  Bestehen  der  Verfolgungssituation  bis  zur  letzten  Konsequenz  hinauslaufen,  als  „negatio"  zu  diskreditieren.  166  Zur  Gleichsetzung  von  „fuga"  und  „negatio"  in  „De  fuga in  persecutione"  vgl.  Kap.  4.4.  167   De  fuga  1,4  (CChr.SL  II,  1136,32­24):  „Hae  etiam  scalae,  quas  somniat  Iacob,  aliis  ascensum  in  superiora,  aliis  descensum  ad  inferiora  demonstrantes."  Zu  dem  Gebrauch  von  „inferiora"  als  „Unterwelt"  vgl.  De  an.  55,2  (CChr.SL  II,  862,7­11).  Zu  der  von  Tertullian  ver­ tretenen  Vorstellung,  daß  nur  die  Märtyrer  nach  ihrem  Tod  in  das  Paradies  gelangten,  alle  anderen  Gläubigen  hingegen  zunächst  in  die  Unterwelt  vgl.  ausführlich  Kap.  4.5.1,  4.5.3  und  4.6.  168   Das  Bild  der  „Jakobsleiter"  verwendet  Tertullian  auch  in  Adv.Marc.  III,  24,9  (CChr.SL  I,  543,5­9)  für die  von  Gott  durchgeführte  Scheidung  innerhalb  der  Gläubigen. 

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Verfolgung als Prüfung

dies daran deutlich, daß er mehrfach die beiden möglichen  „Ergebnisse" der Prü­ fung,  „probatio"  oder  „reprobatio",  Bewährung  oder  Verwerfung,  antithetisch  einander  gegenüberstellt.169  Nachdem er die Funktion der von Gott ausgehenden Verfolgung umrissen  hat,  beschäftigt Tertullian  sich in einem  zweiten  Argumentationsgang  mit  der  in  der  Verfolgung  gegenüber  den  Gläubigen  wirksamen  Ungerechtigkeit.  Diese werfe  erneut die Frage nach ihrem Ursprung auf. Dem möglichen Argument,  daß die in  der Verfolgung waltende „Ungerechtigkeit" (iniquitas) auf den Teufel als eigentli­ chen Urheber hinweisen könne, begegnet Tertullian mit der Vorstellung, daß die  Ungerechtigkeit  des Teufels von  Gott als „instrumentum  persecutionis"  benutzt  werde. Sie werde in den Dienst genommen, um den von Gott gewollten Zweck der  Verfolgung, die Prüfung der Gläubigen,  zu erreichen;  in diesem  Sinne  erscheint  die „iniquitas  diaboli" als notwendig zur Prüfung des Glaubens.170 Die  Sichtung  und Prüfung der Christen wird von Tertullian in diesem Zusammenhang als „ratio  persecutionis",  als Grund oder Motiv der Verfolgung, bezeichnet,  die Verfolgung  umgekehrt als „ratio probationis", als Mittel zur Prüfung.171 In dieser  Ausrichtung  entspreche sie dem  Willen Gottes172 und nur zu diesem Zweck  erhalte der Teufel  die  Macht  zur  Versuchung.  Auf  keinen  Fall  könne  dieser  ohne  Ermächtigung  Gottes gegen die Gläubigen vorgehen, da er zwar über die Heiden, nicht aber über  die Christen als „Hausgenossen  Gottes" eigene Macht besitze. Gemäß der Schrift  werde  ihm ein Vorgehen  gegen letztere von Gott aber  aus drei Gründen  erlaubt:  „ex causa probationis",  „ex causa reprobationis" und „ex causa cohibitionis",  d.h.  um jemanden  zu demütigen  und  in seine Schranken  zu weisen.173 Letzteres  solle 

169 De fuga 1,3 (CChr.SL II, 1135,24f.26); 1,4 (CChr.SL II, 1135,28f); 1,5 (CChr.SL II, 1136,43); 3,1 (CChr.SL II, 1139,2). 170 De fuga 2,1 (CChr.SL II, 1136,7-1137,8): „... propter probationem fidei necessaria ...". Vgl. De fuga 2,1 (CChr.SL II, 1137,17f): „Ita et iniquitas adhibetur, ut iustitia probetur confundens iniquitatem." Zu diesem Zusammenhang vgl. Weinrich, Spirit, 255f: „Persecution is God's testing of man. Nowhere is this clearer than in the role which Satan plays. While God wills persecution in order that there might be a testing of faith, Satan supplies the injustice necessary for this testing. Satan thus becomes a minister of God in the execution of the divine judgement... Satan confronts the Christian with his injustice not of his own free will but because he his the servant of God." 171 De fuga 2,1 (CChr.SL 11,1137,9-12): „... praecedere enim Dei voluntatem circa fidei probationem, quae est ratio persecutionis, sequi autem diaboli iniquitatem ad instrumentum persecutionis, quae ratio est probationis". Zur unterschiedlichen Verwendung von „ratio" im Sinne von „Grund" bzw. „Mittel" vgl. Thierry, De fuga, 128. 172

De fuga 2,2 (CChr.SL 11,1137,19): „... arbitrium enim Domini persecutio propter fidei probationem ...". 173 Zum Verständnis von „cohibitio" vgl. ThLL III, 1548f.

Verfolgung  als  Prüfung 

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dabei dem Zweck der Besserung dienen.174 Diese Ergebnisse der dem Teufel gestatteten Versuchung zeigten sich nun besonders in den Verfolgungen, „... siquidem magis tunc probamur vel reprobamur, et magis tunc humiliamur vel emendamur ,..".'75 Nach Tertullian können die Verfolgungen also ein vierfaches Resultat zeitigen: Bewährung, Verwerfung, Erniedrigung oder Besserung der Christinnen und Christen. Diese Ausführungen Tertullians zu den Intentionen, an die Gott die Ermächtigung des Teufels zur „temptatio", zur Versuchung der Gläubigen, bindet, zeigen, daß er neben dem Gedanken der Verfolgung als einer Prüfung mit dem Ergebnis der Bewährung oder Verwerfung hier auch denjenigen einer Besserung oder Erziehung aufgreift. Die in der biblischen Tradition zuweilen eng mit dem Gedanken des Prüfungsleidens verbundene Vorstellung eines Läuterungs- und Erziehungsleidens, die in der altkirchlichen Verfolgungsdeutung u.a bei Clemens von Alexandrien, aber auch bei Cyprian aufgegriffen worden ist176, findet sich bei

174  Vgl.  De  fuga 2,7 (CChr.SL  II,  1138,60­1139,71).  In  dieser  Stelle  zeigt  sich  eine  Akzentver­ schiebung  gegenüber  den  vorhergegangenen  Überlegungen  Tertullians  zum  Zweck  der  Verfolgung:  Zunächst  erscheint  diese  als  Herausforderungssituation,  in  der  sich  erst  entscheidet,  ob jemand  zu  den  „probati"  oder  zu  den  „reprobati"  gehört;  diese  Scheidung  ist  das  Ergebnis  („effectus")  der  Prüfung und  Sichtung.  Hier  hingegen  stehen  Bewährung  bzw.  Verwerfung bereits  vorher  fest;  über  den  Sünder  kommt  die  Verwerfung  durch  den  Teufel  „quasi  carnifici  poenam",  d.h.  als  Strafe.  Neben  dieser  Stelle,  die  sich  allerdings  weniger  konkret  auf  die  Ermächtigung  des  Teufels  zur  Verfolgung der  Gläubigen  bezieht,  sondern  eine  Art  Exkurs  zur  prinzipiellen  Zielsetzung  der  Gott  dem  Satan  gegebenen  Vollmacht  über  die Gläubigen  darstellt,  findet sich  der Gedanke  der  Strafe im  Verfolgungskontext  nur  noch  in  Scorp.  3,2­7  (CChr.SL  II,  1074,3­1075,12),  wo  Tertullian  auf  die  Überlieferung  Israels  an  fremde  Völker  als  Ausdruck  des  Zornes  Gottes  über  ihren  Abfall  zur  Idololatrie hinweist. Über diese beiläufigen Andeutungen  hinaus  verwendet Tertullian den  Gedanken  einer  von  Gott  durch  den  Teufel  verhängten  Strafe nicht  weiter  zur  Interpretation  der  Verfolgungs­ erfahrung.  Die  bei  Bray,  Holiness,  47,  zu  findende  Behauptung,  „The  idea  that  persecution  was  a  punishment  inflicted  on  the  Church  as  a  scourge  for  its  failure  to  wipe  out  heresy  will  not  seem  strange to  anyone  acquainted  with  early  Christian  apocalyptic  literature.  Its  importance  as  a  theme  in  Tertullian's  writings  should  not  be  underestimated",  erscheint  insofern  unzutreffend.  175 176

 De  foga  3,1  (CChr.SL  II,  1139,2f). 

 Die  Verküpfung beider  Gedanken  in der  alttestamentlichen  Tradition  zeigt  sich  gerade  auch  in  dem  auch  von  Tertullian  aufgegriffenen Bild  der  Entschlackung  von  Edelmetallen  (vgl.  z.B.  Ps  66,10­12).  Zu  diesem  Bild  vgl.  Anm.  156.  Zu  Belegen  aus  dem  Alten  Testament  und  der  zwischentestamentlichen  Zeit  für  die  Vorstellung  eines  von  Gott  zur  Läuterung  und  Erziehung  verhängten  Leidens  vgl.  Peters,  Leidensfrage, 43­47.  Konkret  auf  Verfolgung bezogen  erscheint  die  Vorstellung einer  durch  diese  erfolgenden  Erziehung  und  Läuterung  z.B.  in  2.Makk  6,12­17.  In  der  altkirchlichen  Verfolgungsdeutung spielt der Gedanke des erzieherischen  Leidens eine Rolle z.B.  bei  Clemens  von  Alexandrien  (Strom.  IV,  87,2:  Verfolgungen  gehören  zur  Erziehungskunst  der  Vorsehung)  und  bei  Cyprian,  der  ihn  aber  in  Zusammenhang  mit  der  Vorstellung  des  Strafleidens  bringt: Die in der  Verfolgung über die Christen  verhängte  Strafe erfolge nicht  um  ihrer selbst  willen,  sondern  diene  dem  positiven  Ziel  der  Läuterung,  Besserung  und  Rettung  der  Christen  und  sei 

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Verfolgung als  Prüfung 

Tertullian allerdings lediglich angedeutet. In seinen Darlegungen zu Zweck und Ergebnis der von Gott ausgehenden Verfolgung in „De fuga in persecutione" fuhrt er aus, daß die Verfolgung nicht nur zur Prüfung und Sichtung der Gläubigen diene, sondern auch zu einer Verstärkung des Glaubens und der Gottesfurcht: „Sed quando Deus magis creditur, nisi cum magis timetur, nisi in tempore persecutionis?"177 Die Bestürzung über die Verfolgungssituation führe zu verstärkten Glaubensübungen, Fasten, Wachen, Gebeten, zu erneuerter Demut, gegenseitiger Liebe, Heiligkeit und Mäßigkeit. In diesem Sinne erscheint die Verfolgung also als ein Geschehen, durch das die Christen gebessert würden.178 Trotz dieser Ausweitung bleibt in „De fuga in persecutione" aber der Gedanke der Prüfung zum Zweck der Scheidung zwischen Bewährten und Verworfenen Schwerpunkt der Ausführungen Tertullians zu dem von Gott intendierten Ziel der Verfolgung. Diese ist für ihn die Entscheidungs- und Bewährungssituation der Gläubigen par excellence: „... nec probado fidei sine persecutione ..,"'79. In dieser könnten sie durch ihr Verhalten über die Zuteilung des „Lebens" oder des „Todes" durch Gott entscheiden. Das ewige Leben erlange derjenige, der in der Verfolgung standhalte und sich so als „Bewährter" (probatus) erweise.180 Jegliches Ausweichen vor der Verfolgung hingegen führe zum zweiten Tod, der Verbannung in den „Höllenpfuhl aus Schwefel und Feuer" (vgl. Apk 21,8), die die endgültige Verwerfung durch Gott bezeichnet.181 Diese Deutung ermöglicht ihm die rigorose

insofern als Ausdruck  der Liebe Gottes zu  werten: „Et deus  utique,  qui  quem  corripit  diligit,  quando  corripit,  ad  hoc  corripit  ut  emendet,  ad  hoc  emendai  ut  servet."  (ep.  11,5,1;  CChr.SL  III  B,  61,83f)  Grundsätzlich  auf die  den  Christen  treffenden Übel  bezogen  findet sich  der  Gedanke  einer  Züchti­ gung mit dem  Ziel  der  Besserung  und  Läuterung  als  Ausdruck  der  Liebe  Gottes  bei  Tertullian  in  De  pat.  11,4  (CChr.SL  1,311,12­17).  177

 De  fuga  l,5f  (CChr.SL  II,  1136,45f).   De  fuga  1,6 (CChr.SL  Π,  1136,46­52):  „Ecclesia  in  attonito  est; tunc  et  fides in  expeditione  sollicitior  et disciplinatior  in  ieiuniis  et  stationibus,  orationibus  et  humilitate,  in  alterutra  diligentia  et  dilectione,  in  sanctitate  et  sobrietate:  non  enim  vacatur  nisi  timori  et  spei.  Adeo  et  ex  hoc  ipso  ostenditur  nobis  non  possse  diabolo  deputari  earn,  quae  meliores  efficit Dei  servos."  179  De  fuga 2,1  (CChr.SL  II,  1136,7f); vgl.  De  fuga 3,1  (CChr.SL  II,  1139,2).  180   De  fuga  3,1  (CChr.SL  II,  1139,8­14):  „...  persecutionis  vel  maxime  exitus  aut  vitam  afferunt aut  mortem...  Cum  enim  exurimur  persecutionis  ardore,  tunc  probamur  de  fidei tenore."  Zu  dem  hier  vorliegenden  spezifisch  christlichen  Gebrauch  von  „vita"  und  „mors"  im  Sinne  von  „ewigem  Leben"  und  „ewigem  Tod",  d.h.  endgültiger  Verwerfung  durch  Gott,  vgl.  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  43.  178

181

 De  fuga 7,4  (CChr.SL  II,  1145,32­24):  „Postremo  in  Apocalypsi  non  fijgam  timidis  offert,  sed  inter  ceteros  reprobos  particulam  in stagnum  sulfuris et  ignis,  quod  est mors  secunda."  Daß  die  Feigen  in  besonderem  Maße  zu  den  Verworfenen  gezählt  werden,  unterstreicht  Tertullian  unter  Bezug  auf Apk  21,8  auch  in  Scorp.  12,11  (CChr.SL  II,  1094,11­13):  „Inter  omnes  enim  reprobos,  immo ante  omnes,  timidi.  Timidis  autem,  inquit,  dehinc  ceteris  partícula  in stagno  ignis  et sulfuris." 

Verfolgung als Prüfung

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Ablehnung  des  seiner  Auffassung  nach  die  Verwerfung  nach  sich  ziehenden  Verhaltens  ­  der mangelnden  Standhaftigkeit und  der Bereitschaft zur  Flucht.  Durch  das  in  „Scorpiace"  und  deutlicher  noch  in  „De  fuga  in  persecutione"  ausgeführte Verständnis  der Verfolgung als einer von  Gott  ausgehenden  Prüfung  verleiht  Tertullian  dem  Leiden  in  der  Verfolgungssituation  einen  gottgewollten  Sinn. Daß  er sowohl  die Urheberschaft Gottes  als auch  den  göttlichen  Zweck  der  Verfolgung  schwerpunktmäßig  in  diesen  beiden  Traktaten  herausgestellt  hat,  hängt  unmittelbar  mit  deren  Intention  zusammen.  Beide  Schriften  richten  sich  gegen eine Negierung der Pflicht zur Standhaftigkeit in der Verfolgung, zum  einen  seitens  gnostischer  Gruppierungen,  die  die  Bekenntnispflicht  relativieren,  zum  anderen  seitens  der  Katholiken,  bei  denen  nach  Tertullians  Darstellung  eine  grundsätzliche  Akzeptanz  der  Flucht  in  der  Verfolgung  vorherrscht.182  Um  in  seiner Polemik  gegenüber  diesen Positionen  die von  ihm  vertretene  absolute  Not­ wendigkeit  von  Standhaftigkeit, Bekenntnis  und  Martyrium  einschärfen  zu  kön­ nen,  ist  es  für  Tertullian  von  grundlegender  Bedeutung,  der  Verfolgung  einen  Gottes Willen  entsprechenden  Sinn beizulegen. Nur  auf dieser  Grundlage  kann  er  die Verfolgung als eine  Situation  erweisen,  der  sich  die Christinnen  und  Christen  bis zur letzten Konsequenz  aussetzen  müssen. Diese  „Zweckgebundenheit"  seiner  Ausführungen  zu der  mit der  Verfolgung verbundenen  göttlichen  Intention  zeigt  sich  deutlich  auch  daran,  daß  der  Gedanke  einer  von  Gott  ausgehenden  Prüfung  in  Gestalt  der  Verfolgung  in  „Ad  martyras"  vollständig  fehlt  ­  gegenüber  den  inhaftierten  Gläubigen,  die  bereits  ihre  Bereitschaft  zur  Akzeptanz  der  Verfol­ gungssituation,  zu  Standhaftigkeit  und  Bekennermut  nachhaltig  unter  Beweis  gestellt hatten, war die Herausstellung  des göttlichen Zweckes  der Verfolgung wie  auch  der Urheberschaft Gottes  nicht  mehr  vonnöten. 

182 Zu den von Tertullian in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" bekämpften Positionen vgl. ausführlich Kap. 4.2.1, Anm. 79, sowie Kap. 4.4.

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Die  Verfolgten als Teilhaber  des Verfolgungsschicksals  aller  Gerechten 

3.3 Das Selbstverständnis der Verfolgten 3.3.1 Die Verfolgten als Teilhaber des Verfolgungsschicksals aller Gerechten seit Beginn der Welt Während die Vorstellung der Prüfung der Gläubigen in „Scorpiace" eher beiläufig erscheint, hat Tertullian dort einen anderen Gedanken breit ausgeführt, um die Gottgewolltheit der Verfolgung und ihrer Konsequenz, des Martyriums, zu erweisen: die Konzeption, daß die Geschichte seit Anbeginn durch die Verfolgung gerade der Gerechten und Gottwohlgefälligen gekennzeichnet sei.183 Diese Deutung des Geschichtsverlaufes leitet er ein mit der Behauptung, „a primordio enim iustitia vim patitur"184, mit der die Grundsätzlichkeit und „Gesetzmäßigkeit" dieses

183

 Die Vorstellung,  daß das Leben eines jeden Gerechten  geprägt  ist durch  Leiden  und  Bedrük­ kung seitens der Ungerechten,  die damit  ihre Ablehnung  Gottes  und  seines  Gesetzes  ausdrücken,  findet sich insbesondere in der jüdischen Apokalyptik; vgl. z.B. ÄthHen  103,9­15; IV.Esra 7,89.96;  8,27. Zu dieser Vorstellung sowie ihrer weiteren  Verbreitung  in der  alt­  und  zwischentestamentli­ chen Literatur vgl. Lothar Ruppert, Der leidende Gerechte.  Eine motivgeschichtliche  Untersuchung  zum  Alten  Testament  und  zwischentestamentlichen  Judentum,  Würzburg  (1972);  Odil  Hannes  Steck, Israel und  das  gewaltsame Geschick der Propheten ­  Untersuchungen  zur Überlieferung des  deuteronomistischen  Geschichtsbildes  im AT,  Spätjudentum und Urchristentum, Neukirchen  1967,  255f, sowie Dietrich Rössler, Gesetz und Geschichte ­  Untersuchungen  zur Theologie der jüdischen  Apokalyptik und  der pharisäischen  Orthodoxie, Neukirchen  19622, 90ff. Das Leiden der  Gerechten  wird  in diesen apokalyptischen  Texten  nicht  auf eine bestimmte  eingegrenzte  politische  Situation  zurückgeführt,  sondern  kennzeichnet  ihr  Leben  in  grundsätzlicher  Weise.  Dahinter  steht  der  Gedanke, daß mit der Ablehnung und  Verachtung des Gesetzes durch  die Ungerechten  und  Sünder  auch  immer eine Ablehnung derjenigen einhergehe, die Gottes Gesetz bewahrten, also der  Gerech­ ten. Nach  Rössler,  Gesetz, 93, ist „die Negation der Gerechtigkeit...  immer  auch  und  zugleich  die  Negation  des Gerechten,  und  zwar  in der konkreten  Gestalt  von  Haß  und  Verfolgung. Sofern  und  indem der Menschen  sich gegen Gott  und das Gesetz  richtet  und dadurch zum  Sünder wird,  richtet  er sich zugleich  gegen den Gerechten." In Auseinandersetzung  mit Rösslers  Darstellung  formuliert  Ruppert,  Gerechte,  165f,  konkreter,  daß  das  Leiden  der  Gerechten  „aus  der  Feindschaft  der  als  praktische  Atheisten  geltenden  Sünder  (=  Heiden)  gegen  den  Höchsten  und  alles,  was  von  ihm  kommt  (Wege,  Gesetz)  oder  ihm  angehört,  also  folglich auch  gegen  seine  Erwählten  , d.h. seine Frommen  bzw. seine  Gerechten"  resultiere.  Im NT wird  der Gedanke  des  Leidens  der  Gerechten  zum einen  in der Deutung der Passion  Christi als „passio iusti" aufgegriffen (vgl.  Lothar  Ruppert,  Jesus als der leidende Gerechte  ? Der  Weg Jesu  im Lichte  eines alt­  und  zwischentestamentlichen  Motivs,  Stuttgart  (1972),  48­59),  zum  anderen  aber  auch  zum  Verständnis  des  Verfolgungs­ geschicks seiner Nachfolger: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das  Himmelreich  ist  ihrer." (Mt  5,10) Zur Aufnahme von Mt  5,10 bei Tertullian vgl.  Anm.  191.  184

 Scorp.  8,2 (CChr.SL  II,  1082,25). 

Die  Verfolgten  als  Teilhaber  des  Verfolgungsschicksals  aller  Gerechten 

85 

Zustandes ausgedrückt ist.185 Seit die Verehrung Gottes ihren Anfang genommen habe, sei diese dem Mißfallen ausgesetzt gewesen. Gleich zu Beginn der Geschichte Gottes mit den Menschen habe sich diese „Gesetzmäßigkeit" daran gezeigt, daß der Gott wohlgefällige Abel getötet worden sei, und zwar durch seinen eigenen Bruder.186 Gewalt sei aber nicht nur über die Gerechten, sondern speziell auch über die Propheten hereingebrochen, die von der „Gottlosigkeit" - denen, die der Verehrung Gottes feindlich gegenüberstehen - verfolgt und getötet worden seien. Traditionsgeschichtlich steht hinter dieser Aussage die Vorstellung des „generell gewaltsamen Geschicks aller Propheten", die sich in der ur- und frühchristlichen wie auch der zeitgenössischen jüdischen Literatur niedergeschlagen hat.187 Als exempla fur das „gewaltsame Geschick der Propheten" fuhrt Tertullian

185

 Auch  an  anderen  Stellen  zeigt  sich, daß Tertullian  eine  Argumentation  durch  den  Rückgriff  auf  einen  „a  primordio"  gegebenen  Tatbestand  aufbaut  und  damit  die  Grundsätzlichkeit  und  „Gesetzmäßigkeit"  der jeweiligen  Aussage  begründet:  Vgl.  De  ieiun.  3,1  (CChr.SL  II,  1259,4f);  De  mon.  5,1  (CChr.SL  II,  1234,3f).  186  Scorp.  8,3  (CChr.SL  II,  1082,25­27):  „Statim  ut  coli  deus  coepit,  invidiam  religio  sortita  est.  Qui  deo  placuerat,  occiditur,  et  quidem  a  fratre." Abel  erscheint  vor  Tertullian  u.a.  schon  bei  Irenäus  als  „Protomärtyrer"  (Iren.,  Adv.haer.  IV,18,3;25,2;34,4).  Zur  Funktion  Abels  als  „Proto­ märtyrer"  in  der  westlichen  Literatur  des  2.  und  3.  Jhdts.  vgl.  Karlmann  Beyschlag,  Clemens  Romanus  und  der  Frühkatholizismus  ­  Untersuchungen  zu  1 .Clem  1­7, Tübingen  1966,  72.  187

 Vgl.  Mt  5,12  par;  M t 2 3 , 3 0 f p a r ;  Lk  11,49;  Lk  13,34;  A p g 7 , 5 2 ;  Rom  11,3;  l.Thess2,15;  Jak  5,10;  IgnMagn  8,2;  Barn  5,11;  Just.,  Dial  16,4;  73,6;  93,4;  95,2;  112,5;  Jos.,  Ant.  IX,  13,2;  X,  3,1;  bei  Tertullian  Adv.Marc.  IV,  39,9  (CChr.SL  1, 652,21):  „memento  prophetas  quoque,  eadem  a  Iudaeis  passos  ...").  Dort  finden  sich  Aussagen  über  ein  gewaltsames  Geschick  der  Propheten  Israels,  die  nach  Hans­Joachim  Schoeps,  Die jüdischen  Prophetenmorde,  Uppsala  1943,  5,  keine  vereinzelten  Ereignisse  widerspiegelten,  sondern  „pluralisch"  seien  und  „generell  verstanden"  werden  wollten.  Die  Vorstellung  eines  grundsätzlich  gewaltsamen  Geschicks  aller  Propheten,  die  nicht mit dem Zeugnis des AT, das  lediglich  von zwei  Prophetenmorden  zu berichten  weiß  (Uria  ben  Schemaja (Jer  26,20­24);  Sacharja  ben  Jojada  (2.Chr  24);  vgl.noch  die  Klage  Elias,  daß  Israel  die  Propheten  ermordet  hätte  und  er  allein  übrig  geblieben  sei  (l.Kön  19,10.14))  harmoniert,  ist  nach  Steck,  Israel,  103,  in der  im  Deuteronomistischen  Geschichtswerk  durchgeführten  Selbstreflexion  Israels  über  seinen  Ungehorsam  gegenüber  JHWH  verwurzelt.  Der  Gedanke  der  grundsätzlichen  Abweisung  und  Verfolgung der  von  Gott  gesandten  und  Gottes  Willen  übermittelnden  Propheten  habe dabei  als eine „Aussagegestalt"  (Steck, 221) des Ungehorsams  Israels  gedient.  In der  urchristli­ chen  Tradition  habe  sich  dieses  Motiv  verselbständigt  und  konnte  nun  auch  zur  theologischen  Erfassung  der  „Ablehnung  eines  in  der  Gegenwart  ,den  Propheten'  entsprechend  wirkenden  Prediger"  (Steck,  221)  verwendet  werden.  In  der  Folge  habe  dieser  Gedanke  u.a.  auch  in  die  altkirchliche  Martyriumstheologie  Eingang  gefunden, in  der  das Geschick  der  Märtyrer  in  der  Linie  der  früheren  Prophetentötungen  verstanden  worden  sei.  Zu  der  durch  diese  Übertragung  in  den  Martyriumskontext  verursachten  Modifikation  der  Tradition  vgl.  Baumeister,  Anfange,  68:  „Die  Tradition  (des  generell  gewaltsamen  Geschicks  der  Propheten)  ist  an  der  Täterschaft  Israels  inter­ essiert;  die  Abweisung  und  Ermordung  der  Propheten  gilt  als  Beweis  für die  Unbußfertigkeit  und  Schuld  des  Volkes.  Die  Vorstellung  dient  nicht  dazu,  das  Geschick  der  Propheten  etwa  als  Folge  ihres  prophetischen  Wirkens  verständlich  zu  machen.  Doch  verändert  sich  die  Aussageabsicht, 

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Die  Verfolgten  als  Teilhaber  des  Verfolgungsschicksals  aller  Gerechten 

David, Elias, Jeremias, Jesaia, Zacharias und abschließend Johannes den Täufer an, wobei er zum Teil auf apokryphe Tötungstraditionen zurückgreift.188 Die standhafte Verehrung Gottes und die daraus resultierende Verweigerung jeglicher Idololatrie habe darüberhinaus auch bei den drei Männern im Feuerofen und bei Daniel zur Verfolgung geführt. Aus dieser Beispielkette folgert Tertullian, daß jeder, der Gott verehre und entsprechend den Götzendienst ablehne, zwangsläufig leiden müsse, und zwar - hier kommt ein neuer Gesichtspunkt hinzu - zum Zeugnis für die Wahrheit des Gottesglaubens.'89 Diese Zwangsläufigkeit und „Gesetz-

sobald  die  Tradition  von  einem  Abgewiesenen  auf  seine  eigene  Situation  angewandt  wird.  Denn  dadurch  stellt er sein Geschick  in die Linie  früherer  Abweisungen.  Er kann  sich das ihn treffende Los  verständlich  machen  als  das  den  Propheten  normalerweise  wegen  ihrer  Botschaft  zustoßende  Geschick."  188

  Scorp.  8,3  (CChr.SL  II,  1082,27­1083,6):  „Quo  proclivius  impietas  alienum  sanguinem,  insectaretur,  a suo  auspicata  insertata  est denique  non modo  iustorum,  verum  etiam  et  prophetarum.  David  exagitatur,  Helias fugatur, Hieremias  lapidatur,  Eseias secatur, Zacharias  inter altare et  aedem  trucidatur  perennes  cruoris  sui  maculas  silicibus  assignans.  Ipse  clausula  legis  et  prophetarum  nec  prophetes,  sed  angelus  dictus  contumeliosa  caede  truncatur  in  puellae  salticae  lucar."  Zu  den  einzelnen  exempla  vgl.  Pétré,  L'exemplum,  97f;  Salvador  Vicastillo,  Tertuliano  y  la  muerte  del  hombre,  Madrid  1980,  213f.  Die  in  bezug  auf  Jeremias  und  Jesaia  genannten  Todesarten  der  Propheten  entsprechen  apokryphen  Traditionen: Zur Zersägung Jesaias vgl.  MartJes  5,2,  Vit.Proph.  Jes  1 und  talmudische  Traditionen  über  den  Märtyrertod  Jesaias  (JerTalm  Sanh  X,2).  Zu  letzteren  vgl. Erling Hammershaimb,  Das  Martyrium  Jesaiae (JSHRZ  Π/4), Gütersloh  1973,  19.  Nach  Anna­ Maria  Schwemer,  Vitae  Prophetarum  (JSHRZ  1/7),  Gütersloh  1997,  562,  war  diese  „verhältnis­ mäßig  seltene  Todesart...  ein  feststehender Topos  für Jesaia."  Zur  Steinigung  Jeremias  vgl.  „Rest  der  Worte Baruchs"  LX,31 ff und  Vit.Proph. J er  1.  Zu  den  genannten  Traditionen  vgl.  auch  Schoeps,  Prophetenmorde,  passim.  189  Scorp.  8,8  (CChr.SL  II,  1083,2­1084,1):  „Ceterum  pati  oportebat  omnem  dei  praedicatorem  atque  cultorem,  qui  ad  idololatrian  provocatus  negasse  obsequium,  secundum  illius  quoque  rationis  statum,  qua  et  praesentibus  tune  et  posteris  deinceps  commendari  veritatem  oportebat,  pro  qua  fidem  diceret  passio  ipsorum  defensorum  eius,  quia  nemo  voluisset  frustra  occidi,  nisi  compos  veritatis."  Den  Gedanken  einer Notwendigkeit  des  Leidens  derer,  die  im  Besitz  der  Wahrheit  sind,  hat  Tertullian  auch  in  Ad  nat.  I,  4,6  (CChr.SL  I,  15,7­10)  ausgedrückt;  dort  greift  er  aber  der  apologetischen  Ausrichtung  entsprechend  auf  das  Beispiel  des  Sokrates  zurück  und  verwendet  es  als  Beleg dafür, daß  die  „veritas" schon  immer  verurteilt  worden  sei:  „Denique  Socrates  ex ea  parte  damnatus est,  qua  propius  temptaverat  veritatem,  deos  vestros  destruendo:  quamquam  nondum  tunc  in terris nomen  Christianum,  tarnen  veritas  semper  damnabatur."  Auch  in  Apol.  14,7  (CChr.SL  I,  113,27­31)  erweist  Tertullian  an  Hand  des  Sokrates­Beispiels,  daß  die  Wahrheit  schon  immer  verfolgt worden  sei.  Die  Aufnahme des  Sokrates  als  „exemplum"  für die  verfolgten  Christen  findet  sich auch  sonst  in  der  Apologetik:  Athenag.,  leg.  31; Just.,  Apol.  I,  5. Nach  Dorothea  Wendebourg,  Das  Martyrium  in  der  Alten  Kirche  als  ethisches  Problem,  in:  ZKG  98  (1987),  301,  Anm.  35,  empfahl  sich  die  Anfuhrung des  Sokrates  deshalb,  „weil  man  das  allseits  als  ungerecht  betrachtete  Verfahren gegen  ihn  propagandistisch  geschickt den Märtyrerprozessen  an  die Seite stellen  konnte".  Zur weiteren  Aufnahme des  Sokrates­Beispiels  in der altkirchlichen  Martyriumstheologie  vgl.  Ernst  Benz,  Christus  und  Sokrates  in  der  alten  Kirche,  in:  ZNW  43  (1950/51),  195­224,  zu  Tertullians  Aufnahme  dieses  Beispiels  vgl.  Benz,  Christus,  220. 

Die  Verfolgten  als Teilhaber  des  Verfolgungsschicksals  aller  Gerechten 

87

mäßigkeit" der Verfolgung und des Todes derer, die zu Gott gehören, zeigt sich nach Tertullian ebenfalls in der Zeit des „neuen Bundes", der „novitas": Wie den Propheten so habe auch den Aposteln der Tod bevorgestanden. 190 Das Leiden der Gerechten und Propheten einerseits und dasjenige der Apostel andererseits verknüpft Tertullian durch eine Auslegung von Mt 5,10: Während der erste Halbvers „beati qui persecutionem patiuntur ob iustitiam, quoniam est regnum caelorum" an alle Menschen, d.h. auch die alttestamentlichen Gerechten und Propheten, gerichtet sei, wende Christus sich mit dem zweiten Halbvers „beati eritis, cum vos dedecoraverint et persecuti fuerint et dixerint adversus vos omnia mala propter me" speziell an die Apostel.191 Die Verfolgung „propter Christum" erscheint also als die nach dem Kommen Christi erfolgte „Konkretion" der seit Anbeginn stattfindenden Verfolgung „propter iustitiam". In die gegenwärtige Situation der verfolgten Christinnen und Christen verlängert Tertullian die ausgeführte Vorstellung, indem er betont, daß die von Christus selbst den Aposteln vorhergesagte Verfolgung ebenso auch allen späteren Christen als ihren „Erben und Schülern" bevorstünde.192 Durch die Vorhersage der Verfolgung der Apostel wie auch aller späteren Christen habe Christus allen, die den mit dem Namen (Christi) verbunde-

190  Scorp.  9,2  (CChr.SL  II,  1084,25f): „ut  etiam  prophetaret,  quod  et  ipsi  (sc.  apostoli)  occidi  haberent  ad  exemplum  prophetarum."  Die  Vorstellung,  daß  die  Apostel  ein  dem  der  alttestamentli­ chen  Propheten  entsprechendes  Geschick  erwartet,  findet sich  bereits  im  NT  (Lk  11,49).  In  der  alt­ kirchlichen  Überlieferung verdichtete  sich  dieser  Gedanke  zu der  Überzeugung,  daß tatsächlich  alle  Apostel  auch  das  Martyrium  erlitten  hatten  (Pol.,  Phil.  9,lf; Tert.,  De  pat.  13,8;  CChr.SL  1,1X4,31­ 35;  De  pud.  22,3;  CChr.SL  II,  1328,18).  191 152

  Scorp.  9 , l f  (CChr.SL  II,  1084,17­22). 

 Scorp. 9,3  (CChr.SL  II,  1084,26­2):  „Quamquam  etsi  omnem  hanc  persecutionem  condicio­ nalem  in  solos  tunc  apostolos  destinasset,  utique  per  illos  cum  toto  sacramento,  cum  propagine  nominis,  cum  traduce  spiritus  sancti  in  nos  quoque  spectasset  etiam  persecutionis  obeundae  disciplina  ut  in hereditarios  discípulos  et  apostolici  seminis  frútices." Biblische  Grundlage  fur  seine  Ausführungen zum  Verfolgungsschicksal  der Apostel  bildet ein Abschnitt  aus der  Aussendungsrede  (Mt  10,16a. 17­22).  Die  Aussage  „Es  wird  aber  ein  Bruder  den  Bruder  und  ein  Vater  den  Sohn  zum  Tode ausliefern, und  es werden  sich  Kinder gegen  ihre Eltern erheben  und  sie töten" (vgl.  Mt  10,21 )  dient ihm dabei  als Beleg dafür, daß das in der Aussendungsrede  angekündigte  Verfolgungsschicksal  auch  allen  Christen  bevorstehe,  denn  bei  den  Aposteln  sei  dieses  nicht  geschehen.  „Nemo  enim  eorum  (sc.  apostolorum)  aut  fratrum aut  patrem  passus  est  traditorem  ..."  (Scorp.  9,5;  CChr.SL  II,  1084,1 lf); dafür geschehe  dies umso  mehr  in der Gegenwart.  In  diesem  Sinne  seien  die  gegenwärti­ gen Gläubigen  sogar  noch  mehr dem  Haß ausgesetzt  als die Apostel:  „Et eritis odio  omnibus  propter  nomen  meum  (Mt  10,22a).  Quanto  magis  nos,  quos  a  parentibus  quoque  tradì  oportet."  (Scorp.  9,5;  CChr.SL  II,  1085,13­15) 

Die Verfolgten als von Gott Gerächte

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nen  Haß trügen,  das  gleiche Ende  in Aussicht  gestellt.193  Wie  die  gesamte  Argu­ mentation  in  „Scorpiace"  zielt  auch  diese  Darstellung  auf  die  Einschärfung  der  Gottgewolltheit  des Verfolgungsleidens und  entsprechend  der Pflicht  zum  Beste­ hen der Verfolgungssituation.194 Die Aufzählung der seit Beginn der Welt verfolg­ ten  Gerechten,  Propheten  und  Apostel  erweist  das  Leiden  aller  auf  der  Seite  Gottes  Stehenden  als  der  Geschichte  inhärente Zwangsläufigkeit 195 ,  die von  Gott  zugelassen  wird  und  insofern  verpflichtend  als  Herausforderungssituation  zu  akzeptieren  ist.  Über  die Einschärfiing  der  „persecutionis  obeundae  disciplina",  der aus den genannten  Beispielen zu entnehmenden Lehre von  der  Notwendigkeit,  sich  der  Verfolgung  zu  unterziehen196,  hinaus  weist  die  Vorstellung  des  Verfolgungsschicksals  aller  Gerechten  aber  auch  auf  ein  christliches  Selbst­ verständnis  hin,  das  das  Leiden  in  der  Verfolgung  als  „unschuldiges"  Leiden  betrachtet197,  in  dem  den  Christen  gegenwärtig  das  widerfährt, was  allen  zu  Gott  Gehörigen  schon  seit je  widerfahren  ist. Die  Christen  werden  in  die  Kontinuität  der  stets  verfolgten  Gläubigen  Gottes  hineingenommen  und  können  sich  als  Nachfolger  der  „iusti,  prophetae  et  apostoli" mit  ihrem  Leiden  in  eine  Linie  mit  diesen stellen:  Wie deren Verfolgungsleiden aus ihrer Gottzugehörigkeit  resultiert  und  insofern  als  Ausweis  dieser  zu  gelten  hat,  so  auch  dasjenige  der  gegen­ wärtigen  Christen. 

3.3.2  Die  Verfolgten  als von  Gott  Gerächte  Das in der Betonung  der Kontinuität  des Leidens  aller zu  Gott Gehörigen  deutlich  werdende  Selbstverständnis  der Christinnen  und  Christen  als unschuldig  Leiden­ der  erstreckt  sich  auch  auf  die  Frage  einer  eventuellen  Vergeltung  für  das  Verfolgungsleiden.  So  legt  Tertullian  trotz  aller  Verfolgungserfahrung Wert  auf 

193

Scorp. 9,5 (CChr.SL II, 1085,15-17): „Ita hac permixtione nunc ad apostólos, nunc ad

omnes disponendo eundem in universos nominis exitum efifundit, in quibus consederit nomen cum odii sui lege." 194

Zu dieser Intention vgl. ausfuhrlich Kap. 4.2.1.

195

Zu dieser Funktion der exempla-Listen vgl. Deléani-Nigoul, L'utilisation, 319: „Le premier

enseignement des modèles bibliques est que le martyre répond à une nécessité fondamentale, à une loi inéluctable et universelle, inscrite dans l'histoire meme de l'humanité dès ses origines, celle de la souffrance du juste." 196

Scorp. 9,3 (CChr.SL II, 1084,1).

197

Explizit betont Tertullian dies in Scorp. 13,12 (CChr.SL II, 1096,3f): „... ob innocentiam

patimur...".

Die  Verfolgten  als von  Gott  Gerächte 

89 

die Feststellung, daß es den Gläubigen auf keinen Fall zustehe, selbst auf Erden Rache für das erlittene Unrecht zu üben. Diesen Ausschluß jeglicher eigenen, unmittelbar erfolgenden Vergeltung seitens der Christen hebt er insbesondere in apologetisch ausgerichteten Kontexten hervor: „Absit enim, ut... ultionem a nobis aliquam machinemur ,..".198 Dabei beeilt er sich zu versichern, daß keineswegs das Fehlen der notwendigen äußeren Machtmittel die Christen von einer eigenen Rache abhielte. 199 Vielmehr beruhe die Ablehnung eigener Vergeltung bei den Christen auf dem grundsätzlichen Verbot der Wiedervergeltung 200 sowie dem Gebot der unterschiedslosen Güte und Liebe auch gegenüber ihren Feinden. 201

198

  Ad  Scap.  2,10  (CChr.SL  II,  1128,46f);  ähnlich  Apol.  37,3  (CChr.SL  I,  148,14f).  Die  Absage  an eine eigene  Rache  erwähnt  er  darüberhinaus  im  Zusammenhang  seiner  Ablehnung  des  Soldatenstandes  für Christen: Könne derjenige Fesseln anlegen, jemanden  in den Kerker werfen oder  Folter  und  Todesstrafen vollziehen, der nicht  einmal  „suarum  ultor  iniuriarum"  sei?  (De  cor.  11,2;  CChr.SL  II,  1056,12­14)  199   Apol.  37,4­6  (CChr.SL  I,  148,16­29).  Diese  Ablehnung  einer  eigenen  Vergeltung  im  Kontrast  zu  den  von  Tertullian  ausfuhrlich  beschriebenen  realen  Möglichkeiten  dazu  dient  gegen­ über  den  heidnischen  Adressaten  als  schlagendes  Argument  gegen  die  den  Christen  unterstellte  Gefährlichkeit und den von paganer  Seite vorgebrachten  Vorwurf des  „odium  humani  generis"  (vgl.  die Verteidigung Tertullians  in Apol.  37,10  (CChr.SL  I,  149,48f): „... hostes...,  non  generis  humani  tarnen,  sed  potius  erroris";  Variationen  dieses  Vorwurfs  finden  sich  in  Apol.  35,1  (CChr.SL  I,  144,1):  „publici  hostes"  und  Apol.  35,5  (CChr.SL  I,  145,26):  „hostes  principum  Romanorum").  Dieser Vorwurf  war  seit Tacitus  (Ann.  15,44,4)  gegen  die  Christen  erhoben  worden  und  entspricht  der  schon  von  Cicero  grundsätzlich  als  seelischer  Erkrankung  attackierten  „misanthropia"  (vgl.  Cie.,  De off.  1,29), einem  schweren  Vergehen  gegen  die menschliche  Gemeinschaft durch  Rückzug  aus  ihr  und  Absonderung  von  der  Umwelt.  Zur  Tragweite  dieses  Vorwurfs  vgl.  Harald  Fuchs,  Tacitus  über  die Christen,  in:  VigChr  4  (1950),  65­93,  bes.  83­87;  Antonie  Wlosok,  Rom  und  die  Christen  ­  Zur  Auseinandersetzung  zwischen  Christentum  und  römischem  Staat,  Stuttgart  1970,  20ff.  200

 Apol.  37,1  (CChr.SL  I,  147,2f): „  ...  laesi  vicem  referre prohibemur...";  vgl.  De  pat.  10,3  (CChr.SL  I, 310,13f): „Absolute  itaque  praeeipitur  malum  malo  non  rependendum".  Zu  dem  hinter  dem Verbot der  Wiedervergeltung  stehenden  Prinzip der Gewaltlosigkeit  (vgl.  Apol.  37,5;  CChr.SL  I,  148,26f:  „...  apud  istam  diseiplinam  magis  occidi  liceret  quam  occidere")  vgl.  Michel  Spanneut,  La non­violence  chez  les  Pères africains avant Constantin,  in:  Patrick Granfield/ Josef A.  Jungmann  (Hg.),  Kyriakon,  FS  Johannes  Quasten,  Vol.  1, Münster  (1970),  36­39.  201

 Apol.  36,3f  (CChr.SL  I,  147,10f.l5f): „Nullum  bonum  sub  exceptione  personarum  admi­ nistramus...  Male  enim  velie,  male  facere,  male  dicere,  male  cogitare  de  quoquam  ex  aequo  veta­ mur";  vgl.  Apol.  37,1  (CChr.SL  I,  147,lf); Ad  Scap.  1,3 (CChr.SL  II,  1127,11­15);  De  spect.  16,6  (CChr.SL  I, 242,20f).  Vgl.  auch  den  Hinweis  auf das den  Christen  gegebene  Gebot,  für die  Feinde  zu beten  (Apol.  31,2;  CChr.SL  I,  142,6­9),  sowie  die  Erwähnung  des  Gebetes  für die  Feinde  und  Verfolger  in  De  or.  29,2  (CChr.SL  I, 274,13­15):  „Nunc  vero  oratio  ...,  pro  inimicis  exeubat,  pro  persequentibus  supplicai".  Der  Schwerpunkt  der  Betonung  des  Feindesliebegebotes  liegt  bei  Tertullian  im  apologetischen  Schrifttum,  wird  dort  allerdings  mit  unterschiedlicher  Intention  angeführt: Dient es im „Apologeticum" der Betonung der Loyalität und gesellschaftlichen Ungefähr­ lichkeit der Christen, erscheint es in „Ad  Scapulam" einleitend  zur Motivierung dieser  Schutzschrift,  deren Belehrungen  und  Mahnungen  an die Adresse  Scapulas von Tertullian  selbst  als Ausdruck  der 

Die  Verfolgten  als  von  Gott  Gerächte 

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Dennoch werde den Heiden ihr Unrecht gegen die Christen keinesfalls ungestraft durchgehen, denn letztere erwarteten eine Vergeltung für ihre Leiden von Gott202, dem Richter (iudex) und Vergelter (remunerator) der Menschen.203 Diesem gebühre allein die Vergeltung oder Rache, wie Tertullian unter Aufnahme von Dtn 32,35 - „Mein ist die Rache und ich will vergelten" - betont.204 Der aus der apokalyptischen Tradition stammende Gedanke einer göttlichen Vergeltung für die Leiden der auf der Seite Gottes Stehenden205 wird von ihm an mehreren Stellen seines Werkes aufgenommen, dabei aber im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rache Gottes in unterschiedlicher Weise interpretiert. Ein futurisches Verständnis bezüglich der von Gott ausgehenden Umkehrung der Leidenssituation zeigt sich im „Apologeticum". Mehrfach spricht er darin von einem zukünftigen Gericht Gottes „nach dem Ende der Welt" (post saeculi

christlichen  Feindesliebe  bezeichnet  werden.  Zur  apologetischen  Verwendung  des  Feindes­ liebegebotes  bei Tertullian  vgl. auch  Thönnes,  Caelestia  recogita,  55­59,  grundsätzlich  zur  apologe­ tisch  ausgerichteten  Aufnahme dieses  Gebotes  in der  Alten  Kirche  (vgl.  z.B. Just.,  Apol.  1,15,9­13;  16,1­2;  Dial.  35;  85;  95)  vgl.  Gerhard  Theissen,  Studien  zur  Soziologie  des  Urchristentums,  Tübingen  1989 3 ,  190f:  „Das  Gebot  (sc.  des  Gewaltverzichts  und  der  Feindesliebe)  war  in  der  Frühzeit  unter  Wandercharismatikern  lebendig,  erhielt  dann  aber  in  den  lokalen  Ortsgemeinden  einen  neuen  Sitz im  Leben,  der  sehr viel  literarischer  war: eine  apologetische  Funktion,  mit der  man  antichristlichen  Vorurteilen  entgegentrat."  202   Ad  Scap.  2,10  (CChr.SL  II,  1128,47f):  „•••  ultio(..)  ...,  quam  a  deo  expectemus";  Scorp.  11,3  (CChr.SL  II,  1090,20f):  „...  cum  deum  vindictam  facturum  electorum  suorum  affirmat  (sc.  Christus)...".  203  De paen.  2,1 l f  (CChr.SL  I,  323,44­47).  Zur  Richterfiinktion  Gottes  bzw.  Christi  vgl.  weiter  Ad  mart.  2,3  (CChr.SL  I,  4,9f);  Apol.  17,6  (CChr.SL  I,  117,25­27);  Apol.  23,15  (CChr.SL  I,  132,78­133,81);  De  spect.  20,4 (CChr.SL  I, 245,140;  De  pat.  10,7 (CChr.SL  1, 311,32);  Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1080,12);  Adv.Marc.  V,12,5  (CChr.SL  I, 701,5­9)  u.a.  204   De  pat.  10,6f  (CChr.SL  I,  310,24­311,32).  205

  Die  als  Trost  in  der  Verfolgungssituation  entstandene  Vorstellung  einer  Umkehrung  der  gegenwärtigen  Unrechtssituation  durch  Gott  findet sich zunächst  in der jüdischen  Apokalyptik  (vgl.  Dan  8,25;  9,27;  11,45;  ÄthHen  48,9;  62,11;  95,7;  96,8;  98,13f;  100,7;  103,1­3;  104,3f;  Jub  23,30f;  AssMos  10,2;  2.Makk  7,17.31.36;  4.Makk  9,9.32;  10,11.21;  12,12.18;  18,5.22):  „Gottes  Eingreifen  bewirkt  eine  Umkehrung  der  Verhältnisse.  Die  vorher  Bedrängten  erleben  nun  seine  Strafe an  ihren  Bedrängern.  Dem  endzeitlichen  Triumph  der  Gerechten  entspricht  die  Bestrafung  der Ungerechten"  (Baumeister,  Anfänge, 23). Diese  Überzeugung  von  der göttlichen  Vergeltung für  die  irdischen  Leiden  der zu Gott  Gehörigen  wurde  auch  in die christliche  Apokalyptik  übernommen  (vgl.  Lk  10,  10­12;  Lk  11,49­51;  2,Thess  1,3­10;  Apk  16,3­7;  PetrApk  7.9  u.a.).  Zur  Rezeption  dieses  Gedankens  in  der  Apk  vgl.  Baumeister,  Anfänge,  227,  sowie  Adela  Yarbro  Collins,  Perse­ cution  and  Vengeance  in the  Book  of Revelation,  in:  David  Hellholm  (Hg.),  Apocalypticism  in  the  Mediterranean  World  and  the  Near  East.  Proceedings  of  the  International  Colloquium  on  Apocalypticism  (Uppsala,  August  12­17,  1979),  Tübingen  1983,  738:  „The  underlying  message  then  (sc.  in  Apk  16ff) is  that  the  present  situation  will  be  reversed:  she  (sc.  Rome)  will  be  judged  as she now judges  you  ... The hope articulated  here  involves  a reversal  of roles  of the  persecutor  and  the  persecuted." 

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finem)206, an dem die Feinde der Christen ihre Strafe erhalten würden.207 Die Verbreitung der Hinweise auf das von Gott ausgehende Gericht im „Apologeticum"208 zeigt die zentrale Rolle des Urteils Gottes innerhalb der Argumentation dieser Schrift. Tertullian erweist hier, daß die Kriterien, die in den menschlichen Prozessen irrelevant sind, im göttlichen Gericht entscheidend sind, d.h. daß das göttliche Gericht die Umkehrung des menschlichen bedeutet. Eine plastische Ausmalung des Gerichtes über die Verfolger findet sich im Zusammenhang seiner in „De spectaculis" geäußerten Erwartung einer nach der bald erwarteten Wiederkunft des Herrn anbrechenden Herrschaft der Gerechten.209 Unter der Voraussetzung, daß Tertullian dort die eschatologischen Ereignisse in

206 Apol.  41,3  (CChr.SL  I,  156,1 Of).  Daß  die  heidnischen  Adressaten  grundsätzlich  auf  die  Vorstellung  eines  letzten  Gerichtes  mit  Strafe  und  Belohnung  ansprechbar  waren,  stellt  Tertullian  selbst  in  Apol.  47,12f (CChr.SL  I,  164,52­165,60)  mit  dem  Hinweis  auf das  Pyriphlegeton  und  das  Elysium  heraus.  207   Apol.  18,3  (CChr.SL  I,  118,13­17):  „  ...  qui  (sc.  Deus)  producto  aevo  ¡sto  iudicaturus  sit  suos cultores  in  vitae  aeternae  restitutionem,  profanos  in  ignem  aeque  perpetem  et  iugem,  suscitatis  omnibus  ab  initio  defunctis  et  reformatis  et  recensitis  ad  utriusque  meriti  dispunctionem";  vgl.  Apol.  41,3  (CChr.SL  I,  156,lOf);  Apol.  47,12  (CChr.SL  I,  164,120;  Apol.  48,15  (CChr.SL  I,  168,94­97).  208   Vgl.  noch  Apol.  17,6;  23,13;  39,4;  50,16.  Zur  Funktion  dieser  Thematik  innerhalb  des  „Apologeticum"  vgl.  Swift,  Forensic  Rhetoric,  874f.  209

 De  spect.  30,1 f (CChr.SL  1, 252,1 ­8):  „Quale  autem  spectaculum  in  proximo  est  adventus  Domini  iam  indubitati,  iam  superbi,  iam  triumphantis!  Quae  illa  exultatio  angelorum,  quae  gloria  resurgentium  sanctorum!  Quale  regnum  exinde  iustorum!  Qualis  civitas  nova  Hierusalem!  At  enim  supersunt alia spectacula,  ille ultimus et perpetuus iudicii  dies,  ille nationibus  insperatus,  ille  derisus,  cum  tanta  saeculi  vetustas  et  tot  eius  nativitates  uno  igni  haurientur."  Entgegen  der  zumeist  ver­ tretenen  Überzeugung,  daß Tertullian  erst als Montanist chiliastische  Erwartungen  gehegt  habe  (z.B.  Henri  Leclerq,  Art.  Millénarisme,  in: DACL  XI  (1933),  1186;  Jan  Hendrik  Waszink,  Tertullian.  De  anima.  Mit  Einleitung,  Übersetzung  und  Kommentar,  Amsterdam  1933,  592),  zeigen  sich  auch  in  dieser,  eindeutig  aus  seiner  katholischen  Zeit  stammenden  Stelle  Elemente  millenaristischer  Erwar­ tung (Auferstehung der  Heiligen,  Herrschaft der Gerechten),  wenn  auch  ohne Nennung  des  Zeitrau­ mes von tausend  Jahren.  Entsprechend  geht  auch  Marie  Turcan,  Les  spectacles.  Introduction,  texte  critique,  traduction  et  commentaire  (SCh  N°  332),  Paris  1986,  318,  von  einer  in  De  spect.  30,1  vorauszusetzenden  Milleniumserwartung  aus:  „Ce  règne  des justes,  comme  nous  l'apprend  Marc.  III, 24,3,  doit  durer  mille  ans  ..."  Ebenso  verweist  auch Georg  Schöllgen,  „Tempus  in  collecto  est".  Tertullian,  der  frühe Montanismus  und  die Naherwartung  ihrer  Zeit,  in:  JAC  27/28  ( 1984/85),  86,  für  das  seiner  Auffassung  nach  bei  Tertullian  schon  in  vormontanistischer  Zeit  „millenaristisch  gedachte  regnum  der  Gerechten"  auf De  spect.  30,1.  Daß  letzterer  schon  in seiner  katholischen  Zeit  chiliastische  Vorstellungen  gehabt  habe,  setzt  auch  Kurt  Aland,  Bemerkungen  zum  Montanismus  und  zur  frühchristlichen  Eschatologie,  in:  Ders.,  Kirchengeschichtliche  Entwürfe.  Alte  Kirche,  Reformation  und  Luthertum,  Pietismus  und  Erweckungsbewegung,  Gütersloh  (1960),  120,  voraus,  ohne  sich  allerdings  für diese  Vermutung  speziell  auf  De  spect.  30,1  zu  beziehen. 

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chronologischer Abfolge aufzahlt210, würde der Tag des letzten Gerichtes auf das  „regnum iustorum" folgen. Die an diesem Tag über die Verfolger verhängte Strafe  werde  ihr  eigenes  Wüten  gegen  die  Christen  bei  weitem  übertreffen,  für  die  Christen  hingegen  werde  das  Gericht  eine  Situation  der  Freude  und  des  Froh­ lockens sein.211 Als zukünftiges Ereignis erscheint die Vergeltung  für die Verfol­ gungsleiden auch in „De oratione", wo Tertullian unter Aufnahme von Apk 6,9­10  vom Warten der Märtyrer auf die göttliche Vergeltung spricht212, denn das Gericht  über  die  Verfolger  sei  mit  dem  Ende  der  Zeit  verbunden:  „Nam  utique  ultio  illorum  a  saeculi  fine  dirigitur."213  Diese  Verknüpfung  zwischen  Gericht  und  „saeculi finis" stellt für ihn in diesem Kontext ­  der Auslegung  der  Vater­Unser­ Bitte  „Dein  Reich  komme"  ­  ein  Argument  für das  Gebet  der  Christinnen  und  Christen  um  das schnelle Kommen  des Endes dar,  damit sich  ihre Hoffnung auf  Mitherrschaft  und  Gericht  an  den  Heiden  schneller  erfülle.214  Die  genannte  Vergeltungsvorstellung  aus Apk  6,9­10 hat Tertullian  auch  in „De  resurrectione  carnis" rezipiert. Entgegen einer präsentischen Eschatologie, die die Auferstehung  als bereits geschehen deutet215, verweist er dort auf die in der  Johannes­Apokalyp­ se zutagetretende „Abfolge der (letzten) Zeiten" (ordo temporum), der zufolge die  Märtyrer unter dem Altar auf die Vergeltung und das Gericht warteten. Erst wenn  alle  Zeichen  der  Endzeit,  unter  anderem  eine Verfolgung  der  Kirche  durch  den  Antichristen, erfüllt seien, der Teufel für die Zeit des Milleniums (interim) gebun­ den  sei,  die  erste  Auferstehung  stattgefunden  habe  und  darauf  der  Satan  dem  Feuer übergeben worden sei, werde nach der allgemeinen Totenauferstehung das  210

So Turcan, Les spectacles, 318: „Les divers moments de la fin du monde sont évoqués dans un ordre chronologique. Cf. Marc. V,10,14: „Primo enim resurrectio, dehinc regnum ...". " 211 De spect. 30,3 (CChr.SL I, 252,9-14): „Ubi gaudeam, ubi exultem, spectans ... praesides persecutores dominici nominis saevioribus, quam ipsi flammis saevierunt insultantibus contra Christianos, liquescentes." Zur Freude der Verfolgten an der Vergeltung Gottes vgl. z.B. Apk 18,20. 212 De or. 5,3 (CChr.SL I, 260,12-14):„Clamant ad Dominum invidia animae martyrum sub altari: Quonam usque non ulcisceris, Domine, sanguinem nostrum de incolis terrae?" Zu der von Tertullian hier, in Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,25-28) und in De res.cam. 25,1 (CChr.SL II, 953,1-3) aufgenommenen VergeltungsVorstellung von Apk 6,9-11 vgl. ausfuhrlich Rainer Stuhlmann, Das eschatologische Maß im NT, Göttingen 1983, 159f; William Klassen, Vengeance in the Apocalypse of John, in: CBQ 28 (1966), 300-311. 2,3 De or. 5,3 (CChr.SL I, 260,14f). 214 Vgl. De or. 5,lf.4 (CChr.SL I, 260,5-12.15-18). 215

Für die von Tertullian bekämpfte Vorstellung einer Auferstehung durch die „Erkenntnis der Wahrheit" (veritatis agnitio) oder unmittelbar nach dem individuellen Tod erfolgend vgl. De res.carn. 22,1 (CChr.SL II, 947,1-5). Diesen Auffassungen gegenüber stellt er unter Bezug auf die Schrift die Verknüpfung von Auferstehung und Parusie heraus, deren Vorzeichen aber eben noch nicht erfüllt seien (De res.carn. 22,9; CChr.SL II, 948,43-949,50).

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Gericht stattfinden.216 Die Erfüllung der christlichen Hoffnung sei also „in exodio saeculi", am Ende der Weltzeit, angesiedelt. 217 Eine Ergänzung erfährt dieser Rückbezug auf die Vergeltungsvorstellung der Johannes-Apokalypse in „Scorpiace", wo Tertullian im Anschluß an Apk 6,11 zusätzlich die apokalyptische Vorstellung des „eschatologischen Maßes"218 aufgreift: Bis die Zahl der für den Glauben Getöteten erfüllt sei, müßten die Märtyrer noch auf das Gericht warten, wobei die Gewißheit der nachfolgenden Vergeltung, die „fiducia ultionis", die Voraussetzung für das geduldige Warten bilde.219 Daß an diesem Gericht über die Christenverfolger die Märtyrer dereinst auch selbst teilhaben werden, hat Tertullian lediglich einmal, und zwar in „Ad martyras", angedeutet. Den dort angesprochenen Inhaftierten fuhrt er vor Augen, daß sie selbst diejenigen seien, die über die irdischen Richter, von denen sie verurteilt werden, zu Gericht sitzen werden:„Iudex exspectatur, sed vos estis de iudicibus ipsis iudicaturi."220

2,6   De  res.earn.  25,If  (CChr.SL  II,  953,1­9):  „Etiam  in  Apocalypsi  Iohannis  ordo  temporum  sternitur,  quem  martyrum  quoque  animae  sub  altari  ultionem  et  judicium  flagitantes  sustinere  didicerunt,  ut  prius  et  orbis  de  pateris  angelorum  piagas  suas  ebibebat,  et  prostituta  illa  civitas  a  decern  regibus  dignos  exitus  référât,  et  bestia  antichristus  cum  suo  pseudopropheta  certamen  ecclesiae  inferat, atque  ita diabolo  in  abyssum  interim  relegato  primae  resurrectionis  praerogativa  de soliis ordinetur,  dehinc et igni dato universalis resurrectionis  censura  de libris iudicetur."  Tertulli­ an  verweist  in  diesem  Satz  auf  einen  Vielzahl  von  Stellen  aus  der  Apk:  6,9f;  15,7;  16,1;  17,lf;  17,12;  17,16;  19,19f;  20,2­5;  20,10;  20,12.  211   De  res.earn.  25,3  (CChr.SL  II;  953,9­11):  „Cum  igitur  et  status  temporum  ultimorum  scripturae  notent  et  totam  Christiantae  spei  frugem  in  exodio  saeculi  conlocent."  218  Dieses  Motiv  des eschatologischen  Maßes  findet sich  bereits  in  der jüdischen  Apokalyptik  (z.B.  ÄthHen  47,3f;  IV.Esr  4,35f): Der  Anbrach  des  Endes  der  Zeit  hängt  von  der  Erfüllung  einer  bestimmten  Zahl  von  Gerechten  bzw.  Märtyrern  ab.  Zu  Gestalt  und  Funktion  dieses  Motivs  vgl.  Stuhlmann,  Maß,  109­192.  Im  Rahmen  dieser  Vorstellung  zeigt  sich  in besonderem  Maße die  heils­ geschichtliche  Funktion  der Martyrien.  Vgl. dazu  Stuhlmann,  Maß,  162: „Die Negativerfahrung  des  Leidens  bekommt  so  (sc.  durch  die  Aufnahme des genannten  Motivs)  einen  unausweichlich  positi­ ven  Sinn.  Sie wird eingeordnet  in den  im Gang  befindlichen  Prozeß  der  Erfüllung göttlicher  Verhei­ ßung.  Leiden  hält  nicht  das  Kommen  der  Herrlichkeit  auf,  sondern  beschleunigt  es."  Nach  Lona,  Tod,  453,  wird  den  Märtyrern  innerhalb  dieser  Vorstellung  „im  Heilsplan  Gottes  eine  bestimmte  Rolle"  zugewiesen:  „Durch  ihr  Leid  ...  tragen  sie  dazu  bei,  daß  er  zur  Vollendung  gelangt."Kurt  Erlemann,  Endzeiterwartungen  im frühen Christentum,  Tübingen/Basel  1996,  75,  stellt  denn  auch  heraus,  daß  dieses  Motiv  implizit  dazu  diene,  „ein  entsprechendes  Verhalten,...  ­  Bereitschaft  zum  Martyrium  ­ ,  zu  forcieren."  2,9  Scorp.  12,9 (CChr.SL  II,  1093,25­28):  „Sed  et  interim  sub  altari  martyrum  animae  placidum  quiescunt  et  fiducia  ultionis  patientiam  pascunt  et indutae  stolis  candidam  claritatis  usurpant,  donee  et  alii  consortium  illorum  gloriae  impleant."  220   Ad  mart.  2,4  (CChr.SL  I,  4,14).  Die  Vorstellung  einer  Teilhabe  der  Märtyrer  am  Gericht  drückt  zur  Zeit  Tertullians  auch  Hippolyt  aus  (In  Dan.  II,  37),  ebenso  spiegelt  sie  sich  in  der  Ermahnung  des  Saturus  an  die  heidnischen  Zuschauer  wider:  „notate  tarnen  vobis  facies  nostras  diligenter,  ut recognoscatis  nos in die  ilio." (PassPerp.  17,2; Habermehl,  Passio,  22) Tertullian  kennt 

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Allen bislang genannten Stellen ist gemeinsam, daß das Gericht als noch ausstehendes, mit dem Ende der Welt verknüpftes Ereignis begriffen wird. Eine Differenz zeigt sich aber in bezug auf den in den Texten artikulierten Wunsch der Christinnen und Christen nach dem Erleben des Endes und des damit verbundenen Gerichtes. Während Tertullian in „De oratione" von dem Wunsch der Gläubigen nach einem schnellen Ende der Welt, verbunden mit der Erwartung des Lohnes für die Gerechten und der Bestrafung der Verfolger, spricht und auch in „De spectaculis" und „De resurrectione carnis" ihre Sehnsucht nach dem „saeculi huius occasum" und dem „dies irae et retributionis" ausdrückt221, zeigt sich im „Apologeticum" eine gegenläufige Tendenz. Dort hebt er das Gebet der Christen für das Kaisertum und den Bestand des Imperium Romanum hervor und begründet dieses damit, daß das Bestehen des Reiches die endzeitliche Katastrophe aufhalte. Die Weltzeit währe noch so lange wie die dem Römischen Reich zugemessene Frist. Da die Christen die endzeitlichen „Drangsale" (acerbitates) nicht zu erleben wünschten, bestehe für sie also eine Notwendigkeit, für den Bestand des Imperium Romanum und des Kaisertums und damit für den Aufschub des Endes (pro mora finis) zu beten.222 Die Differenz gegenüber den zuerst genannten Belegen beruht auf der apologetischen Ausrichtung der Argumentation223: Gegenüber

daneben  aber  auch  die  allgemeine  Erwartung  einer  Partizipation  aller  Christen  am  Gericht  über  die  Heiden  (Ad  ux.  II,  6,1 ; CChr.SL  I,  390,8f).  221   De  res.earn.  22,2  (CChr.SL  II,  947,7­10):  „In  adventum  opinor  Christi  vota  nostra  suspi­ rant,  in saeculi  huius  occasum,  ad  diem  domini  magnum,  diem  irae  et  retributionis,  diem  ultimum  et occultum  ...".  In  De  spect.  30,3  (CChr.SL  I, 252,8­14)  drückt  Tertullian  den  Wunsch  nach  dem  Gericht  aus,  indem  er  plastisch  die  damit  verbundene  Freude  für  die  Christen  beschreibt:  „Quid  admirer?  Quid  rideam?  Ubi  gaudeam,  ubi  exultem,  spectans  tot  ac  tantos  reges,  qui  in  caelum  recepii  nuntiabantur,  cum  ipso  love  et  ipsis  suis  testibus  in  imis  tenebris  congemescentes?  Item  praesides  persecutores  dominici  nominis  saevioribus  quam  ipsi  flammis  saevierunt  insultantibus  contra  Christianis,  liquescentes?"  222

  Apol.  32,1  (CChr.SL  I,  142,1­143,7):  „Est  et  alia  maior  necessitas  nobis  orandi  pro  imperatoribus,  et  ita  universo  orbe  et  statu  imperii  rebusque  Romanis,  qui  vim  maximam  universo  orbi  imminentem  ipsamque  clausulam  saeculi  acerbitates  horrendas  comminantem  Romani  imperii  commeatu  scimus  retardari.  Itaque nolumus  experiri  et, dum  precamur  differri, Romanae  diutumitati  favemus."  Auch  in  Apol.  39,2  (CChr.SL  I,  150,80  betont  Tertullian,  daß  die  Christen  „pro  statu  saeculi...,  pro  mora  finis" beteten.  Zu  dem  Brauch  des  Kaisergebetes  vgl.  Anm.  44.  223  Die  Unterschiedlichkeit  der  Äußerungen  bes.  im  „Apologeticum"  und  in  „De  oratione",  wo  Tertullian  sich explizit  gegen  den  in ersterem  erwähnten  Wunsch  nach  Aufschub des  Endes  wendet  (De  or.  5,1; CChr.SL  I, 260,60,  spricht  eindeutig  gegen  den  Versuch,  diese  zu  einer  einheitlichen  Auffassung Tertullians  in  bezug  auf  die  Erwartung  des  Endes  zu  harmonisieren,  wie  es  z.B.  bei  Brandt,  Ethik,  209f,  sowie  Thönnes,  Caelestia  recogita,  50,  Anm.  137,  geschieht,  der  keinen  „Widerspruch"  zwischen  den  genannten  Äußerungen  erkennen  kann.  Sachgemäß  und  in der  gegen­ wärtigen  Forschung  weitgehend  vorherrschend  ist  demgegenüber  eine  adressaten­  und  intentions­

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mannigfachen Vorwürfen aus der Umwelt, in denen die Christen der Parteibildung und der Verbrechen gegen die Majestät angeklagt wurden224, unterstreicht Tertullian ihre Loyalität gegenüber dem Kaiser225, wie sie sich im Gebet für diesen und damit auch für den Aufschub des Endes manifestiert. Auf der einen Seite weist Tertullian im „Apologeticum" also mehrfach auf das Gericht über die heidnischen Verfolger hin, andererseits bewirken die Hinweise auf das Gebet für den Aufschub des Endes den Eindruck einer Dilation des Gerichts. Den apologetisch motivierten Wunsch nach Erhaltung des Kaisertums und des Reiches, dessen Bestehen das Ende der Welt determiniert, hat Tertullian auch zum Ausgang seines literarischen Wirkens in „Ad Scapulam" ausgedrückt.226 Dennoch erhält die Gerichtsvorstellung hier eine andere Intensität, indem er ein temporär erweitertes Verständnis der göttlichen Vergeltung einfuhrt: So spricht er zum einen von dem endzeitlichen Gericht Gottes, postuliert zum anderen aber auch ein Hereinreichen der Vergeltung bereits in die Gegenwart.

Vorrangige Intention

Tertullians ist es in dieser Schrift zunächst, die absolute Gewißheit der Vergeltung Gottes fur die Leiden der Christinnen und Christen herauszustellen. Zu diesem Zweck betont er, daß keiner Stadt das Vergießen des Blutes der Gläubigen ungestraft durchgehen werde. 227 Gegenüber den heidnischen Adressaten unterstreicht er die Gewißheit der Vergeltung durch die Verknüpfung gegenwärtiger Geschehnisse und Naturereignisse - konkret nennt er übermäßigen Regen, Feuersbrunst, Gewitter und Sonnenfinsternis - mit dem ausstehenden Gericht Gottes: Sie

bezogene Differenzierung der unterschiedlichen  Äußerungen.  So betont Barnes,  Tertullian,  118, den  innerchristlichen  Charakter  von  „De  oratione"  im  Gegensatz  zu  dem  auf  die  Heiden  ausgerichteten  des  „Apologeticum":  „Pagans  were  clearly  not  intended  to  read  the  De  oratione,  whose  exegesis  of  ,Thy  kingdom  come'  contradicts  the  Apologeticum.  There  Tertullian  represented  Christians  as  beseeching God  for the end  of the world to be delayed.  Here he desires  its swift approach:  Christians  yearn to see the heathen  confuted and the angels  exultant."  Evans,  Problem,  30,  betont  ebenfalls  den  Wechsel  von  „audience  and  purpose",  der  für die  unterschiedlichen  Äußerungen  verantwortlich  sei.  224

  Vgl.  z.B.  Apol.  35,5  (CChr.SL  I,  145,190;  Apol.  38,1  (CChr.SL  I,  149,10­

225

  Nach  Instinsky,  Kirche,  46f,  hängt  die  Betonung  des  Kaisergebetes  der  Christen  im  „Apologeticum"  auch  unmittelbar  mit  der  politischen  Lage  des  Jahres  197  zusammen:  Nach  der  Etablierung  der  severischen  Dynastie  habe  Tertullian  von  vornherein  die  Loyalität  der  Christen  herausstellen  wollen; Motiv  hierfür sei „die  Sorge (gewesen),  wie es künftig mit der  Behandlung  der  Christen  durch  die  Instanzen  des  Staates  und  sein  neues  Oberhaupt  stehen  würde  ...".  226 Ad  Scap.  2,6  (CChr.SL  II,  1128,24­28):  „Christianus  nullius  est  hostis,  nedum  imperatoris,  quem  sciens  ad  Deo  sui  constituí,  necesse  est  ut  et  ipsum  diligit  et  revereatur  et  honoret  et  salvum  velit,  cum  toto  Romano  imperio,  quousque  saeculum  stabit:  tamdiu  enim  stabit."  227  Ad  Scap.  3,1  (CChr.SL  II,  1129,1­3):  „Tarnen  sicut  supra  diximus,  doleamus  necesse  est,  quod  nulla  civitas  impune  latura  sit  sanguinis  nostri  effusionem  ...". 

Die  Verfolgten  als  von  Gott  Gerächte 

9 6 

erscheinen unmittelbar als „Zeichen des drohenden Zornes Gottes".228 Den Christen sei die Aufgabe gegeben, einerseits diesen Zorn Gottes verkündigen, andererseits aber auch seine Auswirkungen durch ihre Fürbitte zunächst noch lokal zu begrenzen. Diejenigen Heiden aber, die die „signa", Abbilder des bevorstehenden universalen Zorns Gottes, falsch deuteten, würden letztlich die „ira universalis et suprema" Gottes erfahren.229 Im Unterschied zu den oben genannten Belegen für die Erwartung der Vergeltung Gottes, die strikt futurisch ausgerichtet sind, spricht Tertullian in „Ad Scapulam" auch von einer bereits in der Gegenwart stattfindenden göttlichen Rache an den Verfolgern. So erscheinen verschiedene Krankheiten christenverfolgender Statthalter als eine präsentische Form der göttlichen Vergeltung.230 Der Statthalters Vigellius Saturninus, der als erster in Afrika gegen die

228

  Ad  Scap.  3,3  (CChr.SL  II,  1129,1 lf):  „signa  imminentis  irae  dei".  Entsprechend  der  intendierten  Ausrichtung  auf  heidnische  Leser  spricht  Tertullian  auch  in  Apol.  18,3  (CChr.SL  I,  118,10)  von  Regen  und  Feuer  als  „signa  maiestatis  suae  (sc.  Dei)  iudicando".  Alle  anderen  oben  aufgeführten, aus innergemeindlich  ausgerichteten  Traktaten  stammenden  Belege für die  Erwartung  der  göttlichen  Vergeltung  enthalten  hingegen  keine  Deutung  gegenwärtiger  Ereignisse  als  bereits  in  die  Gegenwart  hineinragender  (Vor)Zeichen  des  Zornes  Gottes.  229  Ad  Scap.  3,3  (CChr.SL  II,  1129,11­15):  „Omnia  haec  signa  sunt  imminentis  irae dei,  quam  necesse est, quoquo  modo  possumus,  ut et nuntiemus et praedicemus, et deprecemur  interim  localem  esse.  Universalem  enim  et  supremam  suo  tempore  sentient,  qui  exempla  eius  aliter  interpretantur".  Die  Anknüpfung Tertullians  an  römische  Gottesvorstellungen  bei  der  Betonung  des  Zornes  Gottes  stellt  heraus  Antonie  Wlosok,  Römischer  Religions­  und  Gottesbegriff  in  heidnischer  und  christli­ cher  Zeit,  in:  Dies.,  Res  humanae  ­  res  divinae.  Kleine  Schriften,  Heidelberg  1990,  24:  Der  „rö­ mische Gottes­  und  Religionsbegriff  konvergiert,...,  auffällig stark  zu  alttestamentlichen  Vorstel­ lungen. Daher waren  die römischen  Christen,  etwa Tertullian  und  Laktanz,  imstande,  bestimmte, für  griechisches  Denken  einfach  nicht  akzeptable  Züge  des jüdisch­christlichen  Gottes,  wie  die  Vor­ stellung  eines  strafenden  und  zornigen  Gottes,  zu  bejahen  und  darüberhinaus  mit  Hilfe  ihrer  römischen  Denkvoraussetzungen  auch  als  denknotwendig  zu  erweisen."  Für  Tertullian  ist  der  Zorn  Gottes  notwendiger  Teil  seines  Richteramtes  und  resultiert  sogar  aus  seiner  Güte:  „Schon  um  die  Frommen  zu  schützen,  kann  der  gerechte  Richter  den  Sündern  nur  mit  Strenge  und  Zorn  begegnen." (Heinrich Kraft/Antonie Wlosok,  Lactantius. De ira Dei. Vom  Zorne Gottes.  Eingeleitet,  herausgegeben,  übertragen  und  erläutert,  Darmstadt  1957,  XXII)  230  Tertullian  nimmt  hier  das  von  Laktanz  in  „De  mortibus  persecutorum"  ausgeführte  Schema  individueller  präsentischer  Vergeltung  vorweg.  Auf  einen  Einfluß  seines  in  Ad  Scap.  3  deutlich  werdenden  Verständnisses  der  göttlichen  Vergeltung  auf  Laktanz  weist  entsprechend  hin  Jacques  Moreau,  Lactance  ­  De  la  Mort  des  Persecuteurs  (SCh  N°  39),  Paris  1954,  64:  „Mais  c'est  sans  doute  à Tertullien  qu'il  (se.  Lactance)  a  emprunte  l'idèe  de tirer  de  ce  locus  des  effets  particulière­ ment  dramatiques  et puissants,  et probablement  l'idée  meme  de  consacrer  tout  un  livre à illustrer  ce  thème".  Eine  detaillierte  Darstellung  des  Zusammenhangs  zwischen  Tertullian  und  Laktanz  in  diesem  Punkt  bietet  Eberhard  Heck,  Mae  theomachein  oder:  Die  Bestrafung des  Gottes Verächters,  Frankfurt/Bern/New  York  1987,  186­226. 

Die  Verfolgten  als  von  Gott  Gerächte 

9 7 

Christen vorgegangen sei231, sei daraufhin erblindet, Claudius Lucius Hieronymianus, der in Kappadozien gegen die Christen gewütet habe, sei an der Pest erkrankt und bei lebendigem Leibe von Würmern aufgefressen worden.232 Auch der Adressat selbst, der Statthalter Scapula, habe nach der Verurteilung eines Christen „ad bestias" an einem Blutbrechen gelitten; dieses solle ihm als „Mahnung" (admonitio) dienen233, sein Verhalten gegenüber den Christen zu überdenken. Daß diese Beispiele unmittelbarer Vergeltung an einzelnen Exponenten der Verfolgung nach Tertullians Auffassung aber nur einen Teil des göttlichen Vergeltungshandelns darstellen, zeigt sich an seinem die exempla-Reihe abschließenden Hinweis auf das endgültige Gericht Gottes: Diejenigen Gegner der Christen, die zu Lebzeiten noch unbestraft geblieben zu sein scheinen, würden sich am Tage des Strafgerichtes Gottes zu verantworten haben.234 Mit der in „Ad Scapulam" ausgeführten Vorstellung einer individuellen, bereits in die Gegenwart hineinreichenden Vergeltung Gottes an den Christenverfolgern greift Tertullian auf die Tradition vom grausamen Leiden und Tode des Unfrommen und gegen Gott Kämpfenden, des „theomachos", zurück, die sowohl in der paganen als auch in der jüdischen und der christlichen Überlieferung verbreitet war.235 Dieser Tradition entsprechend äußert er den Wunsch, die heidni-

231  Ad  Scap.  3,4 (CChr.SL  II,  1129,21f). Nach  Quacquarelli,  persecuzione,  565,  spielt  Tertulli­ an  hier  wahrscheinlich  auf  das  Verfahren  gegen  die  Märtyrer  von  Scilli  im  Jahr  180  an.  Zu  der  Frage  der  Identität  der  Statthalter  in  Ad  Scap.  3,4  und  Act.Scill.  vgl.  Kap.  2,  Anm.  6  mit  der  dort  angegebenen  Literatur.  232   Ad  Scap.  3,4  (CChr.SL  II,  1129,22­25).  Tertullian  greift  mit  dieser  Schilderung  mögli­ cherweise  auf  die  Darstellung  des  Todes  des  Antiochos  IV.  Epiphanes  in  2.Makk  9,9  zurück.  Laktanz  hat  in  De  mort.pers.  33,7f.l  1 dem  Galerius  ebenfalls  einen  Tod  durch  Würmerfraß  zuge­ schrieben  (ebenso  Eus.,  HE  VIII,16,3f). Nach  Wilhelm  Nestle,  Legenden  vom  Tod  der  Gottesver­ ächter,  in:  ARW  33  (1936),  258,  wurde  in  der  antiken  Legendenbildung  „diese  abscheuliche  Krankheit  fur Menschen,  die  gegen  die  Religion  frevelten,  ...,  als  besonders  passend  erachtet."  Zu  weiteren  Belegen  für den  Tod  des Gottlosen  oder  Gotteslästerers  durch  Würmerfraß  vgl.  Christian  Habicht,  Das  2.  Makkabäerbuch  (JSHRZ  1/3),  Gütersloh  1976,  245.  233

  Ad  Scap.  3,5  (CChr.SL  II,  1129,30­1130,34). 

234

 Ad  Scap.  3,5 (CChr.SL  Π,  1129,30f): „Sed  qui  sibi  videntur  impune  tulisse,  venient  in  diem  divini  iudicii."  235   Moreau,  Lactance,  60,  verweist  auf  die  Verwurzelung  dieser  Tradition  bereits  in  der  grie­ chisch­römischen  Literatur:  „L'idée  que  la Providence  manifeste,  dès  ces  bas­monde,  les  effets de  sa  rigueur  en  frappant  les  impies  dans  leurs  biens  et  dans  leurs  corps,  appartient  en  effet  au  patrimoine  littéraire  gréco­latin,  et s'est transmise  à la pensée  chrétienne".  In der jüdischen  Literatur  spielt dieser  Gedanke  z.B.  bei  der  Schilderung  des  Todes  des  Verfolgers  Antiochos  IV.  Epiphanes  in  2.Makk  9,5­29  eine  Rolle  (vgl.  Anm.  232)  sowie  bei  Philos  Darstellung  des  Todes  des  ägypti­ schen  Statthalters  Avillius  Flaccus,  der  sich  bei  der  Judenverfolgung  in  Alexandria  zur  Zeit  Caligu­ las feindselig gegenüber  den Juden  verhalten  hatte und  aus  diesem  Grund  grausam  ermordet  worden 

Die Verfolgten als von Gott Gerächte

98

sehen Gegner zu retten durch die Ermahnung, nicht  „gegen  Gott zu kämpfen" (μή θ ε ο μ α χ ε ί ν ) . 2 3 6  Durch  diesen  expliziten  Verweis  auf  die  auch  den  heidnischen  Adressaten  geläufige Vorstellung identifiziert er ihr Vorgehen  gegen  die  Christen  als den zu Gott Gehörigen mit dem Kampf gegen  Gott  selbst. Die  Christenverfol­ ger  erscheinen  dadurch  nicht  mehr  nur  als  Gegner  von Menschen,  sondern  als  „theomachoi",  als  gegen Gott  Kämpfende.  Mit  der  Aufnahme  dieser  Tradition  unternimmt  Tertullian  den  Versuch,  die  christliche  Zuversicht  hinsichtlich  der  Vergeltung  Gottes  für ihr Leiden  in  einer  auch  für paganes  Denken  einsichtigen  Weise  zu  untermauern.  Der Überblick über Tertullians Ausführungen zur göttlichen Vergeltung für das  Verfolgungsleiden  der  Christen  zeigt  einen  Schwerpunkt  dieser  Thematik  in  apologetischen  Texten.  Den  Heiden  gegenüber  sollen  die  Christen  als  von  Gott  mit  Gewißheit  Gerächte  erscheinen,  wobei  der  Verweis  auf  die  bereits  in  die  Gegenwart  hineinreichende  Vergeltung  eindrucksvoll  die  Macht  Gottes  unter­ streicht,  diese  auch  tatsächlich  durchzuführen.  Die  Betonung  der  göttlichen  Vergeltung  für  die  Verfolgungsleiden  hat  bei  Tertullian  also  wesentlich  eine  Appellfunktion gegenüber  den heidnischen  Gegnern  ­  eine  Schwerpunktsetzung,  die sich  ähnlich  auch  noch  bei  Cyprian  zeigt. Auch  bei  ihm  fungiert der  Hinweis  auf  die  göttliche  Vergeltung  als  zentrales  Argument  für  eine  Beendigung  der  Verfolgung seitens  der  Heiden.237  Betont  wird  bei  Tertullian  die  Macht  Gottes,  und  zwar  in  ausdrücklichem  Gegensatz  zu  derjenigen  der  römischen  Götter,  zudem  durch  die  bei  ihm  im  Rahmen der christlichen Apologetik erstmalige Aufnahme 238 und spezifische Inter­ pretation  der  römischen  Vorstellung  von  der  Abhängigkeit  der  Größe  und  des 

sei (In Flacc. 189ff). In 2.Makk ist nicht nur das Thema des qualvollen Todes des gegen Gott Stehenden übernommen, sondern auch der Terminus  , , θ ε ο μ α χ ε ί ν "  (2.Makk  7,19).  Diese jüdischhellenistische Tradition wird in der christlichen Literatur fortgesetzt: Vgl. z.B. den Tod des Judas in Apg 1,18. ApkPetr 27 berichtet von „den Verfolgern und Überlieferern der Gerechten", die (allerdings erst in der Hölle) von ihren Gegnern zerrissen werden. Auch die Termini  , , θ ε ο μ ά χ ο ς "  bzw. , , θ ε ο μ α χ ε ί ν "  sind zur Kennzeichnung der Bestraften in die christliche  Literatur übernommen worden: z.B. Apg 5,39; 23,9 (textkritische Ergänzung in M). Für einen ausführlichen Überblick über heidnische, jüdische und christliche Legendenbildung zum Thema „Tod der gegen Gott Kämpfenden und der Gottesverächter" vgl. Nestle, Legenden, passim. 236 Ad Scap. 4,1 (CChr.SL II, 1130,1 f) : „Non te terremus, qui nec timemus; sed velim, ut omnes saluos facere possimus, monendo  μή  θ ε ο μ α χ ε ΐ ν . "  237   Vgl.  Ad  Dem.  16 (CChr.SL  III A,  44,32lf).  238

  Heck,  Mae  theomachein,  46. 

Die  Verfolgten  als  von  Gott  Gerächte 

99 

Wohlergehens  Roms  von  der rechten  Götterverehrung.239  Dem  aus diesem  Gedan­ ken resultierenden  Vorwurf  an die Christen,  gegenwärtige  Mißstände  würden  auf  ihrer Nichtverehrung  der römischen Götter  beruhen 240 ,  hält  Tertullian  entgegen,  daß  umgekehrt  die  Nichtverehrung  des einen Gottes  seitens  der  Römer  diese  Mißstände  hervorgerufen habe, denn diese seien Ausdruck  des Zornes  Gottes  und  der  Strafe  fur  seine  Mißachtung.241  Tertullian  greift hier  also  die  römische  Vor­ stellung  eines  Zusammenhangs  zwischen  rechter  Gottesverehrung  und  Wohl­ ergehen  des Reiches  auf ­  aber  in Gestalt  einer  Retorsio  gegen  die Römer  selbst,  deren eigene  „irreligiositas"242  zur Ursache  aller  Übel  wird.  Da  die die  Mißstände  verursachende  Nichtverehrung  Gottes  seitens  der  Heiden  sich  nicht  zuletzt  auch  in der Verfolgung der zu ihm Gehörigen  manifestiert, können  alle „mala" auch  als  göttliche Vergeltung  für die Verfolgungsleiden  aufgefaßt werden.243  Ausdrücklich  stellt Tertullian,  im  Unterschied  zu  Cyprian244,  diese  Verbindung  allerdings  nicht  her.  Auch  wenn  die  apologetisch  ausgerichteten  Ausführungen  zur  Vergeltung  Gottes eine stärkende  Wirkung vermutlich  auch  auf die Christen  ausgeübt  haben,  so spielt hingegen  bei Tertullian  die  für die  apokalyptische  Herkunft des  Vergel­ tungsgedankens  wesentliche  Trostfunktion  für  die  Verfolgten  selbst  nur  eine  nachgeordnete  Rolle.  Lediglich  einmal,  und  zwar  in  „Scorpiace",  wird  dieser  Zweck  der  Vergeltungsvorstellung  explizit  erwähnt.245  Innerhalb  der an  Christen  gerichteten  Schriften  klingt  er  darüberhinaus  in  „De  spectaculis"  an246;  ebenso  dient die Erwähnung  der Teilhabe  der  Märtyrer  am  Gericht  über  die  Verfolger in 

239

  Zu  dieser  prägnant  in  Hör.,  Carm.  111,6,2 ­  „dis  te  minorem  quod  geris,  imperas"  ­  zu­ sammengefaßten  Vorstellung  vgl.  Vogt,  Religiosität,  9;  Wlosok,  Rom,  58­67;  Heck,  Mae  Theoma­ chein,  30­41.  240   Vgl.  den  von  Tertullian  referierten  Schuldvorwurf  in  Apol.  40,1  (CChr.SL  I  153,5f):  „••·  omnis  publicae  cladis,  omnis  popularis  incommodi...  Christianos  esse  in  causa."  241   Vgl.  Apol.  40,12  (CChr.SL  I,  155,45­50);  Apol.  41,4  (CChr.SL  I,  156,17­19).  242

  Apol.  24,2  (CChr.SL  I,  133,11).    Vgl.  Pouilly,  Tertullien,  18. 

243

244

  Vgl.  Ad  Dem.  17  (CChr.SL  III  A,  45,334­337):  Die  gesamte  außenpolitische,  v.a.  mi­ litärische,  Bedrängnis  des  römischen  Reiches  in  der  Mitte  des  3.  Jhdts.,  die  von  Seiten  der  Heiden  den  Christen  zur  Last gelegt  wurde,  ist hier eine Erscheinungsform  der  göttlichen  Vergeltung  für die  letzteren  zugefugten  Leiden  in  der  Verfolgung.  245  Scorp.  11,3 (CChr.SL  Π,  1090,20­1091,22):  „... et  cum  deum  vindictam  facturum  electorum  suorum  affirmat (sc.  Christus),  passiones  consolatur  illorum  ...".  246   Auf  diese  Funktion  von  De  spect.  30,2  weist  hin  Turcan,  Les  spectacles,  57:  „Quand  des  gens  vivent  dans  l'angoisse  constante  de  la  dénonciation,  des  tortures  et  de  la  mort,  on  imagine  aisément  qu'à  l'idée  d'un  retournement  total  de  situation  ils soient  soulevés  d'une joie  frénétique." 

100 

Die  Frage  nach der eschatologischen  Deutung 

,Ad  martyras"247  einem  konsolatorischen  Zweck.  In  den  weiteren  Stellen  aus  nichtapologetischen  Schriften, in denen Tertullian ­  durchgängig unter Rückgriff  auf  Apk  6,9­10(11)  ­  von  der  Vergeltung  Gottes  für  die  Leiden  der  Märtyrer  spricht, fungiert der entsprechende Hinweis als Element innerhalb  unterschiedli­ cher Argumentationszusammenhänge.  So geht es Tertullian  in „De oratione" um  eine Begründung des Gebetes der Christen um das schnelle Kommen des Endes,  in  „Scorpiace"  um  die  Herausstellung  der Notwendigkeit  weiterer  Märtyrer  im  heilsgeschichtlichen  Prozeß und in „De resurrectione  carnis" um die Ablehnung  einer präsentischen Eschatologie. Insgesamt ist das Selbstverständnis der Christen  als von Gott Gerächter von Tertullian also wesentlich  eindeutiger und profilierter  im Blick auf seine Außen­, denn auf seine Binnenwirkung  entfaltet worden. 

3.4 Die Frage nach  der  eschatologischen  Deutung  des  Verfolgungsgeschehens :  Die Verfolgung  als Zeichen  des  nahen  Endes  der Zeit  ?  Sowohl  in  der jüdischen  als  auch  in  der  christlichen  apokalyptischen  Tradition  findet sich die Erwartung besonderer Bedrängnis und Verfolgung als Kennzeichen  der Endzeit.248 In der Literatur ist daraufhingewiesen worden, daß auch Tertullian  die Verfolgungen seiner Zeit als Zeichen  des nahenden  Endes aufgefaßt habe.249  In seinen  Schriften zeigt sich hingegen, daß er zwar prinzipiell von der Erwartung  einer  grausamen  Verfolgung  durch  den  Antichristen  zum  Ende  der  Zeiten  ausgeht250,  dabei  aber  allenfalls  an  einer  isolierten  Stelle251  die aktuellen 247

  Vgl.  Anm.  220. 

248

  Vgl.  z.B.  Dan  12,7;  AssMos  8;  Mt  24,9;  Mk  13,9;  Lk  21,12;  Apk  6,9-11;  12,17;  ApkPetr  2. In der Alten Kirche findet sich die Verknüpfung der Verfolgungserfahrung mit der Erwartung des  Endes  z.B.  bei  den  Märtyrern von  Vienne  und Lyon  (Eus.,  HE  V,  1,5).  249

  So  Roberts,  Theology,  210:  „...  Tertullian  evidently  thought  that  persecution  of  the  saints  was  one of the signs  of the approach  of the  day  of the  Lord,  and that in time  of persecution  it  was  natural that he  should  discern  ... the  first  of the  signs  of the  approaching  end."  250   De  praescr.haer.  4,5  (CChr.SL  I,  190,14f):  „...  tunc  antichristus  persecutionum  atrocitate  persequetur  ...";  De  res.carn.  25,1  (CChr.SL  II,  953,5f):  „...  bestia  antichristus  cum  suo  pseudopropheta certamen  ecclesiae  inferat...".  Vgl.  Adv.Marc.  IV,  39,4  (CChr.SL  I, 651,9f):  „Ante  haec  autem  persecutiones  eis  praedicat  et passiones  eventuras,  in martyrium  utique  et  in  salutem."  251  Lediglich  De  fuga  12,9  (CChr.SL  II,  1153,95f:  „...  antichristo  iam  instante  et  in  sanguinem,  non  in pecunias  hiante  Christianorum  ...")  könnte als  Hinweis  auf das  Verständnis  gegenwärtiger  Verfolgungserfahrung  im  Lichte  der vom  Antichristen  ausgehenden  endzeitlichen  Bedrängnis  zu  verstehen  sein.  Diese  Stelle  bliebe dann aber ein isolierter  Beleg  fur die  Deutung  aktueller  Verfol-

Die Frage  nach der  eschatologischen  Deutung 

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V e r f o l g u n g e n  seiner  Zeit  direkt  als  Z e i c h e n  des  bevorstehenden  E n d e s  deutet. 2 5 2  Eine  gesteigerte  Gefahrdung  der  Christinnen  und  Christen  in  der  G e g e n w a r t  spiegelt  sich  in  einer Ä u ß e r u n g in „ D e cultu feminarum" wider 2 5 3 , aber auch hier findet sich k e i n deutlicher B e z u g auf das erwartete E n d e der Zeiten. 2 5 4 A n einer, allerdings p o l e m i s c h g e g e n eine präsentische E s c h a t o l o g i e gerichteten, Stelle in „ D e resurrectione carnis" betont er h i n g e g e n sogar ausdrücklich, daß die V e r f o l g u n g durch den Antichristen n o c h nicht stattgefunden habe: „ N e m o adhuc fugit antichristum ,..". 255 Innerhalb der in der Forschung sehr differierenden Interpretationen des G e s a m t k o n z e p t e s seiner E s c h a t o l o g i e scheint die durchgängig deutlich w e r d e n d e Zurückhaltung Tertullians g e g e n ü b e r e i n e m Verständnis der V e r f o l g u n g s e r f a h r u n g e n seiner Zeit als Z e i c h e n des unmittelbar ausstehenden E n d e s d i e j e n i g e n S t i m m e n zu unterstützen, die v o n d e m F e h l e n einer Naherwartung ausgehen

256

akuten

und bei ihm lediglich das a l l g e m e i n christliche B e -

wußtsein, sich als Kirche grundsätzlich der letzten Zeit z u g e h ö r i g zu fühlen, also

gung als Zeichen  der Endzeit.  Primär zielt dieser Zusammenhang auch  nicht auf eine  Interpretation  der  Verfolgung, sondern  auf die Erklärung des Sachverhaltes,  daß  es keine  „Christensteuer"  gebe,  weil es dem  Antichristen  um das Blut der Christen,  nicht um ihr Geld  gehe („...  in sanguinem,  non  in pecunias  hiante  ...").  252  Zutreffend  Schöllgen,  Tempus,  91: „Es  findet sich  nicht  einmal  die konventionelle  Inter­ pretation der Verfolgung als Zeichen des nahen Endes, obwohl sie sich an manchen  Stellen  geradezu  anbietet." Ebenso im Anschluß an Schöllgen  Strobel, Imperium  Romanum,  105: „... die Verfolgung  als solche  wird  (bei  Tertullian)  nicht  als Zeichen  des  nahen  Endes  interpretiert."  253  De cult.fem. II,  13,6 (CChr.SL I, 370,33­36): „Ceterum tempora Christianis  semper, et nunc velmaxime,  non  auro sed  ferro transiguntur:  Stolae martyrum  praeparantur,  angeli  baiuli  sustinen­ tur."  254   Auch  Marie  Turcan,  La  toilette  des  femmes  (De  cultu  feminarum).  Introduction,  texte,  critique,  traduction  et  commentaire  (SCh  N0 173),  Paris  1971,  168,  sieht  in  dieser  Stelle  lediglich  einen  Hinweis auf die verstärkt drohenden  Verfolgungen zur Zeit Tertullians  („allusion  évidente  ...  aux persécutions  menaçantes  ..."), die aber nicht eschatologisch  gedeutet  werden.  Damit  ist  zumin­ dest im Blick auf diesen, fiir die Gläubigen seiner Zeit zentralen Aspekt ihrer  Wirklichkeitserfahrung  die bei  Rankin,  Church,  97, zu findende Auffassung infragegestellt, daß die eschatologische  Blick­ richtung das Denken Tertullians durchgängig  und nachhaltig beeinflusse: „Eschatological  reflection  profoundly  influences everything  he  says."  255  De  res.carn.  22,10  (CChr.SL  II; 949,52).  In demselben  Kontext  verwendet  Tertullian  die  Tatsache der anhaltenden  Verfolgung der Christen  auch als  Beleg dafür, daß die Parusie noch  nicht  stattgefunden hat ­  nicht,  daß  sie  bevorsteht!  (Vgl.  De res.carn.  22,9;  CChr.SL  II,  948,45­48)  256  So z.B. V.C.  DeClerq,  The  Expectation  of the  Second  Coming  of Christ  in Tertullian,  in:  StPatr  11/2 (1972),  146f: „... Tertullians's  expectation  of the parousia, when  compared  with  that  of  primitive Christianity,  presents several  significant differences. First of  all,  his  writings  do  not  bear  witness to the sense of immediateness and  imminence regarding the Day of the  Lord." Josephine M.  Ford,  Was Montanism  a Jewish­Christian  Heresy?,  in: JEH  17(1966),  154, spricht von einem  „lack  of  interest  in  an  imment  parousia" bei  Tertullian. 

102 

Die  Frage  nach  der  eschatologischen  Deutung 

eine latente  Naherwartung,  widergespiegelt  sehen. 2 "  Im  Zusammenhang  der  umstrittenen Frage nach dem Verhältnis zwischen  der Gestalt  seiner  Eschatologie  und  derjenigen  der  „Neuen  Prophetie"  bedeutet  das  auch  in  seinen  montanistischen  Schriften  zutagetretende  Desinteresse  an  einer  eschatologischen  Deutung  der aktuellen  Verfolgungen,  daß Tertullian selbst nicht als „Kronzeuge" für die in der Forschung zumeist selbstverständlich und häufig ohne weitere Differenzierung

257   So  Schöllgen,  Tempus,  80­86,  im  Anschluß  an  diesen  Strobel,  Imperium  Romanum,  88­ 106; ebenso  Erlemann,  Endzeitwartungen,  159. Dagegen  finden  sich  durchgängig  in  der  Forschung  bis  in  die jüngste  Zeit  auch  vielfach Äußerungen,  die  von  einer  in  Tertullians  Schriften  zutagetre­ tenden  akuten  Endzeiterwartung  ausgehen:  So z.B.  Brandt,  Ethik,  209;  Klein,  Tertullian,  188­198;  Jaroslav  Pelikan,  The  Eschatology  of Tertullian,  in:  ChH  21  (1952),  109,  sowie  Evans,  Problem,  35:  „...  in  company  with  many  other  eschatological  prophets  Tertullian  concurrently  expects  the  imminent  end."  Rankin,  Church,  97,  spricht  von  „the  imminence  of  the  parousia"  bei  Tertullian.  Hinweise,  die  gegen  eine  akute  Naherwartung  sprechen,  zeigen  sich  demgegenüber  1)  im  Zu­ sammenhang  von Tertullians  Deutung von  1 .Kor 7,29 und 2) in den  Stellen,  in denen  er von  Zeichen  der  Endzeit  spricht.  Zu  1) Von  Pelikan,  Eschatology,  109ff, ist  die  von  Tertullian  mehrfach  ange­ führte  Stelle  1 .Kor  7,29  „Tempus  in  collecto  est"  (De  cult.fem.  II,  9,6;  Ad  ux.  I,  5,4;  De  mon.  3,10; 7,4;  De  pud.  16,28;  De exhort.cast.  4; Adv.Marc.  V, 7,8) als wesentlicher  Beleg für eine  akute  Naherwartung  herangezogen  worden.  Die Betrachtung der Kontexte  zeigt  aber,  daß Tertullian  diese  Stelle  in  erster  Linie  im  Zusammenhang  von  Argumentationen  gegen  eine  Wiederverheiratung  herangezogen  hat.  Begründet  liegt  dies  darin,  daß  Paulus  in  1 .Kor  7  seine  Argumentation  für  Sexualaskese  und  gegen  eine Verheiratung mit der Naherwartung  verknüpft; diese  Verbindung  wird  von  Tertullian  übernommen,  ohne  daß  er  aber  selbst  dabei  das  Gewicht  auf  die  Naherwartung  als  Begründung  für seine  rigoristischen  Forderungen  legt (gegen  Karpp,  Schrift, 65­67).  Zu  2)  In  Apol.  20  zählt  Tertullian  die  in  der  synoptischen  Apokalypse  auftauchenden  Vorzeichen  des  Endes  auf  und  bezeichnet  sie  als  in  der  Gegenwart  erfüllt (Apol.  20,2f;  CChr.SL  I,  122,5­14).  Der  Kontext  dieser  Stelle macht  aber deutlich,  daß die Intention  dieses  Passus  nicht  darin  besteht,  die  Gegenwart  als  Zeit  unmittelbar  vor  dem  Ende  zu  deuten,  sondern  die  Göttlichkeit  der  Schrift  zu  erweisen:  Hierzu  greift Tertullian  das  apologetische  Argument  auf,  daß  die  gegenwärtig  eintretenden  Miß­ stände bereits  in  der  Schrift vorausgesagt  seien  (Apol.  20,3;  CChr.SL  I,  122,14­16).  Entgegen  einer  präsentischen  Eschatologie,  die von  einer  bereits  stattgefundenen  Auferstehung  in  der  „Erkenntnis  der  Wahrheit"  (veritatis  agnitio)  ausgeht  (De res.cam.  22,1;  CChr.SL  II, 947,1­5)  betont  Tertullian  in  „De  resurrectione  camis",  daß  die  Vorzeichen  der  Parusie  noch  nicht  erfüllt seien  (De  res.cam.  22,9;  CChr.SL  II, 948,43­949,50).  Ironisch  stellt er heraus,  daß  ausschließlich  die  Häretiker  bereits  die das  Kommen  Christi  ankündigenden  „vox  archangeli  (et) tuba  Dei"  gehört  hätten  (De  res.cam.  24,7;  CChr.SL  II,  951,18­20).  Die  Voraussetzungen  für den  Beginn  der  Endzeit,  die  Zerstörung  Roms  und  das  Erscheinen  des  Antichrist,  sind  nach  seiner  Darstellung  eben  noch  nicht  eingetreten  (De res.cam.  24,18; CChr.SL  II, 952,47f), die  Erde  ist „adhuc  integra" (De  res.cam.  22,9;  CChr.SL  II, 948,45).  Auch  in  Adv.Marc.  IV,  39,3­17  (CChr.SL  I,  651,1­655,2)  zeigt  sich  kein  Hinweis  auf  eine  gegenwärtige  Erfüllung der  dort  erwähnten  Vorzeichen  des  Endes,  der  „mala  imminentia,...,  quae  adventum  eius  (sc.  Christi)  antecedunt"  (Adv.Marc.  IV,  39,14;  CChr.SL  I,  645,8f)·  Zu  der  ebenfalls  in  diesen  Zusammenhang  gehörigen  Frage  nach  der  Deutung  der  unterschiedlichen  Äußerungen  Tertullians  in  bezug  auf  das  Gebet  der  Christen  für  das  Kaisertum  und  den  Bestand  des  Reiches  vgl.  Kap.  3.3.2. 

Die  Frage  nach  der  eschatologischen  Deutung 

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vorausgesetzte  Naherwartung  des Montanismus258  und eine  aus  dem  Blick  auf  die  Eschatologie  abzuleitende  Begründung  rigoroser  sittlicher  Forderungen,  insbesondere  der  Martyriumsbereitschaft,  angeführt  werden  kann.259  In  welchem  Verhältnis  seine  Zurückhaltung  gegenüber  einer  akuten Naherwartung  und  einer  entsprechenden  Verfolgungsdeutung  aber zu  der Gestalt  des  Montanismus  steht,  die  er  in  Karthago  kennenlernte,  d.h.  ob  sie  dieser  entspricht  oder  eine  eigene  Akzentsetzung  ihr gegenüber  darstellt,  ist aus zwei  Gründen kaum  zu klären.  Zum  einen  ist  grundsätzlich  fraglich,  ob  die  Erwartung  des  unmittelbaren  Endes  denn  überhaupt  auch  in  der  ursprünglichen  „Neuen  Prophetie"  die  Rolle  gespielt  hat,  die  ihr vielfach  in der Forschung  zugeschrieben  worden  ist.260  Zum  anderen  bleibt 

258  Charakteristisch  für diese  Tendenz,  in  dem  Blick  auf  das  nahe  Ende  die  „Grundstimmung  des  Montanismus"  (Aland,  Bemerkungen,  126)  zu  sehen,  ist  die  Darstellung  von  Nathanael  G.  Bonwetsch,  Die  Geschichte  des  Montanismus,  Erlangen  1881,  der  hieraus  die  Rigorosität  seiner  sittlichen  Forderungen  ableitet:  „Unzweifelhaft  erklärt  sich  die  neue  Prophetie  mit  allen  ihren  Forderungen  und  Ordnungen  vortrefflich von  der  einmal  gewonnenen  Überzeugung  aus,  dass  das  Ende  herangekommen  sei...  Der  Montanismus  wollte  das  Leben  des  Christen  in  der  Welt  von  der  Erwartung  des  Weltendes  bestimmt  wissen."  (Bonwetsch,  Geschichte,  135)  DeClerq,  Expectation,  147,  hat  „the  imminent  return  of  Christ"  explizit  als  „tenet  of  Montanism"  bezeichnet,  selbstver­ ständlich  vorausgesetzt  ist die  Bedeutung  der  „konkreten  Enderwartungen"  bei  Heinrich  Kraft,  Die  Lyoner  Märtyrer  und  der  Montanismus,  in:  Pietas.  FS  B.Körting  (JAC.E  8),  Münster  1980,  250f.  Zu  weiteren  Literaturbelegen  für diese  zumeist  vertretene  Auffassung vgl.  Schöllgen,  Tempus,  87,  Anm.  120.  259  Gegen  Frend,  Montanismus,  275, dem  zufolge der  Montanismus  den  Gläubigen  „angesichts  des  näherkommenden  Endes  ihre  gesteigerten  Verpflichtungen  insbesondere  im  Blick  auf  das  Martyrium  bewußt"  gemacht  hat.  „Darin  lag  für  Tertullian  seine  wesentliche  Anziehungskraft."  Das  Desinteresse  Tertullians  an  einer  eschatologischen  Begründung  seiner  sittlichen  Forderungen  hat  hingegen  Schöllgen,  Tempus,  90­94,  detailliert  herausgestellt:  „In  den  meisten  Traktaten  zur  Gemeindedisziplin,  auch  denen  aus  montanistischer  Zeit,  wird  die  Naherwartung  zur  Stützung  des  von  Tertullian  vertretenen  ­  im  Zweifelsfalle gegenüber  der  Mehrheit  der  Gemeinde  rigoroseren  ­ Standpunktes  nicht  angeführt." (Schöllgen,  Tempus,  94)  260  Nach  Schöllgen,  Tempus,  87,  ist  es  in  der  Forschung  weitgehend  „sententia  communis",  „daß  der  frühe phrygische  Montanismus  von  der  Vorstellung  des  in  Kürze  eintretenden  Weltendes  geprägt  war".  Nachhaltig  in  Frage  gestellt  worden  ist die  Existenz  einer  besonderen  Naherwartung  in der ursprünglichen  „Neuen  Prophetie" durch  Douglas  Powell, Tertullianist  and Cataphrygians,  in:  VigChr  29 ( 1975),  50f: „The original  Montanism,  the Montanism  of the great  prophetie  Trio,  shared  with  Justin  and  Irenäus  a  future eschatology  and  a belief  in  the  descent  of  the  heavenly  Jerusalem;  but  there  is  no  reason  to  suppose  that  it  taught  an  imminent  parousia."  Daß  die  zumeist  her­ angezogenen  Belege  für eine  akute  montanistische  Naherwartung  (Epiph.,  Pan.  48,2,4­7;  Eus.,  HE  V,  16,19;  18,2)  keinesfalls  zwingend  in  diesem  Sinne  zu  interpretieren  seien  und  zudem  das  von  Tertullian  in  De  fuga  9,4  überlieferte  Orakel  eher  gegen  eine  akute  Naherwartung  spricht,  bildet  auch  für Schöllgen,  Tempus,  89, die Grundlage  einer  Absage  an  diese  Vorstelllung:  „Dafür, daß  die  Naherwartung  der  Angelpunkt  der  montanistischen  Lehre  und  Lebensführung  und  Ursache  seines  Rigorismus'  gewesen  sei,  fehlt...  vor  Tertullian jeder  Hinweis;  es  gibt  keinerlei  Zeugnisse  für  die  explizite  Verbindung  der  Erwartung  des  nahen  Endes  mit  den  montanistischen  Verschärfungen." 

104 

Die  Frage nach  der eschatologischen  Deutung 

die Frage, ob Tertullian  den Montanismus  noch  in seiner  „phrygischen" Ausfor­ mung  oder in einer bereits veränderten Form kennenlernte.261  Da letzteres wahr­ scheinlicher  ist262,  die  Gestalt  dieses  möglicherweise  über  Rom  nach  Afrika  gelangten263,  modifizierten Montanismus  aber nicht  unabhängig  von  Tertullians  Schriften rekonstruierbar  ist,  lassen  sich Übereinstimmungen  und  Unterschiede  nicht  sicher  bestimmen.  So bleibt  zunächst  nur  festzuhalten, daß  er trotz  seines  auch  in der Martyriumsdeutung  noch mehrfach zu  bemerkenden  Rückgriffs auf  apokalyptische  Traditionen,  insbesondere  aus  der  Johannes­Apokalypse264,  die  Vorstellung  der  Verfolgung  als  Element  endzeitlicher  Bedrängnis nicht  zur  Deutung  der aktuellen Verfolgungserfahrung der karthagischen  Christinnen  und  Christen  übernimmt.  In  der  Verfolgungsdeutung  seines  „Nachfolgers"  Cyprian  ergibt  sich  dem­ gegenüber eine leichte Akzentverschiebung. Zwar werden auch bei ihm weder die  Verfolgung zur Zeit  des Kaisers Decius  in den Jahren  249/250  noch die Verfol­ gung unter Valerian in den Jahren 257/258 als Zeichen der Endzeit gedeutet,  aber  angesichts  einer  drohenden  Verfolgung im Jahr 253  ermuntert  Cyprian  zur Lei­ densbereitschaft  unter  ausdrücklichem  Hinweis  auf  das  nahe  Ende.265  Diese  Aufnahme des  apokalyptischen  Motivs der Verfolgung als  eines  für die  Endzeit  vorhergesagten  Phänomens  entspricht  einer  Häufung  von  Aussagen  zur  End­ zeiterwartung  in  Cyprians  Schriften  in  demselben  Zeitraum,  d.h.  in  den  Jahren  252/253,  die sich so weder vorher noch nachher bei  ihm finden lassen.266 Mögli­ cherweise  kam  es in diesen Jahren  auf Grund  einer Häufung krisenhafter Erfah­

261  Dieses  Problem  hat Aland, Bemerkungen,  114, zusammengefaßt: „Bietet Tertullian (den ursprünglichen Montanismus) rein und unverfälscht dar oder hat er ihn so umgeformt und seinem System angepaßt, daß er seinen eigentlichen Charakter verlor? Oder aber, als dritte Möglichkeit: hat Tertullian den Montanismus nur in einer Gestalt kennengelernt, die sich von der ursprünglichen schon erheblich entfernt hatte?" 262 Vgl. Powell, Tertullianists, 50, sowie René Braun, Tertullien et le montanisme. Église institutionelle et Église spirituelle, in: RSLR 21 (1985), 249f. 263 Diese Vermutung äußert Ronald E. Heine, The Montanist Oracles and Testimonia (Patristic Monograph Series 14), Macon 1989, X: „... Montanism reached Tertullian via Rome where other innovations had already been introduced." 264 Vgl. z.B. Kap. 3.3.2, mit Anm. 212.216; Kap. 4.5.1, mit Anm. 466. 265 ep. 58,1,2 (CChr.SL III C, 320,13-18); ep. 58,2,2 (CChr.SL III C, 321,37-40); Ad Fort.praef. 1 (CChr.SL III, 183,3-5). 266 De mort. 2 (CChr.SL III A, 17,21-18,32); De mort. 25 (CChr.SL III A, 30,426f); Ad Dem. 4 (CChr.SL III A, 37,79f); Ad Dem. 5 (CChr.SL III A, 37,81-87) u.a.

Die Frage  nach  der eschatologischen  Deutung 

105 

rungen  zu  einer  akuten  Endzeiterwartung  bei  ihm 2 6 7 ,  im  Z u g e  derer  auch  die  erwartete  V e r f o l g u n g  als  Z e i c h e n  des  bevorstehenden  E n d e s  erscheint.  D a ß sich das E n d z e i t m o t i v - w e n n auch nur zeitlich begrenzt -

bei Cyprian findet, nicht

aber bei Tertullian, könnte auch mit d e m unterschiedlichen Charakter der Christenverfolgungen u m 2 0 0 und in der Mitte des 3. Jahrhunderts z u s a m m e n h ä n g e n . D i e in ihrer Qualität und Intensität n e u e Erfahrung der zentral gelenkten, reichsweiten, die Christen in ihrer Gesamtheit treffenden V e r f o l g u n g unter D e c i u s führte m ö g l i c h e r w e i s e z u der Erwartung, bei e i n e m N e u a u f l e b e n oder gar einer Steigerung d i e s e s V o r g e h e n s , w i e e s für die Jahre 2 5 2 / 2 5 3 befürchtete wurde, könnte es sich u m die vorhergesagte große V e r f o l g u n g aller „Heiligen" vor d e m Ende der Z e i t e n handeln. D e r eher sporadische Charakter der Ü b e r g r i f f e g e g e n Christen zur Zeit Tertullians h i n g e g e n , v o n d e m z u m e i s t nur eine begrenzte Zahl von Gläubigen betroffen war, legte es für ihn m ö g l i c h e r w e i s e auch w e n i g e r nahe, diese mit der in der apokalyptischen Tradition erwarteten generellen

Verfolgung

z u m E n d e der Z e i t e n z u identifizieren.

267  So z.B.  Hugo  Koch,  Cyprianische  Untersuchungen,  Bonn  1926,  169: „Erst  die  kirchlichen  Zerwürfnisse, allerlei Nöte  und  Heimsuchungen  und vollends die als viel  schrecklicher  vorgestellte  Verfolgung unter Gallus  und Volusianus  weckten  in Cyprian den  lebhaften Glauben,  daß  das  Ende  der  Zeiten  unmittelbar  nahe  sei  und  der  Antichrist  vor  der  Tür  stehe  ...".  Im  Anschluß  an  Koch  entwirft auch Geza  Alföldy, Der heilige Cyprian  und die  Krise  des  römischen  Reiches,  in: Hist  22  (1973),  479­501  ein  chronologisches  Modell,  nach  dem  die  Endzeiterwartung  Cyprians  in  den  Jahren  252/253  auf Grund der Häufung innerer  Krisen der  Kirche  und  verschiedener  äußerer  Nöte  kumuliert.  Diese  These  einer  zeitlichen  Kumulierung  einer  akuten  Endzeiterwartung  ist  in  der  Forschung allerdings  umstritten: Gegen sie stehen zum einen diejenigen Darstellungen  der  Eschato­ logie Cyprians,  die von  einer durchgangig  bei  ihm feststellbaren Endzeiterwartung  ausgehen  (z.B.  Beck,  Recht,  11 lf.l  15;  Hummel,  Concept,  75).  Angesichts  des  Fehlens  von  Hinweisen  auf  eine  Endzeiterwartung  aus der Zeit der Decischen  Verfolgung und auch  vor Beginn  und  im  Verlauf  der  Valerianischen  Verfolgung  ist  eine  solche  aber  nicht  zu  belegen.  Zum  anderen  steht  gegen  die  Vorstellung  einer  zeitlichen  Konzentration  der  Endzeiterwartung  die  Auffasung,  die  eine  mit  besonderer  Krisenerfahrung verknüpfte akute Enderwartung  bei  Cyprian  ganz ablehnt  und  bei  ihm  lediglich das grundsätzliche Verständnis der Kirche als heilsgeschichtlicher  Endzeit  widergespiegelt  sieht  (Strobel,  Imperium  Romanum,  146­184).  Wenn  auch  einige  Aspekte  des  cyprianischen  Sprachgebrauchs  die  letztgenannte  These  unterstützen  können  ­  so  sind  z.B.  die  „novissima  tempora" bei  ihm nicht  die Zeiten  unmittelbar  vor dem  Ende  (anders  Alföldy, Cyprian,  487.495),  sondern  die  grundsätzlich  mit  dem  Kommen  Christi  begonnene  letzte  Zeit  (vgl.  De  dom.or.  34;  CChr.SL  III  A,  111,636)  ­ ,  so  bleibt  doch  der  Befund einer  besonderen  zeitlichen  Häufung der  Hinweise auf das Ende der Zeiten,  in deren Rahmen  eben  auch  die Gefährdung durch  die  drohende  Verfolgung mit dem Verweis auf die für die Endzeit vorhergesagen  Phänomene theologisch  gedeutet  und  bewältigt  wird.  Dieser  Befund  läßt  sich  kaum  anders  erklären,  denn  durch  ein  zumindest  gesteigertes  Bewußtsein  dessen, in den auf das Ende zulaufenden Zeiten zu leben, welches durch die  erwartete  Schwere  der  Verfolgung mitverursacht  war. 

106 

Zusammenfassung 

3.5  Zusammenfassung:  Die  Aspekte  der  Verfolgungsdeutung  Tertullians  in  ihren  literarischen  Kontexten  Die  Betrachtung  der  bei  Tertullian  zutagetretenden  Aspekte,  unter  denen  er  das  Verfolgungsleiden  der  Christinnen  und  Christen  darstellt  und  deutet, hat  gezeigt,  daß  die  Auswahl  der  Deutungszugänge  und  Motive  je  nach  den  literarischen  Zusammenhängen,  nach Adressatenkreis  und Intention  einer  Schrift, differiert. Es  ergeben  sich  unterschiedliche  Deutungsmuster  für die  Verfolgung  zum  einen  in  den  primär  auf  heidnische  Adressaten  ausgerichteten  apologetischen  Schriften  („Ad  nationes",  „Apologeticum",  „Ad  Scapulam"),  zum  anderen  in  den  inner­ christlich  ausgerichteten  Traktaten268;  bei  letzteren  ist  zusätzlich  noch  zwischen  dem konsolatorisch­exhortativen  „Ad martyras"269 und  den polemischen  Schriften  „Scorpiace"  und  „De  fuga  in  persecutione"  zu  unterscheiden  ­  um  nur  die  „Hauptquellen"  für Ausführungen Tertullians zur  Verfolgung zu  nennen.  Im  apologetischen  Schrifttum erscheint  das  Verfolgungsgeschehen  als  inner­ weltliches  Geschehen,  in dem  sich Heiden  und  Christen  als Antagonisten  gegen­ überstehen.  Auf  einer  für die heidnischen  Adressaten  einsichtigen  Darstellungs­ ebene  beschreibt  Tertullian  die  Verfolgung  unter  politischen  und  juristischen  Aspekten.  Nur  in  Ansätzen  zeigt  sich  hinter  dieser  immanenten  Ebene  die  Vor­ stellung,  daß  den  Christen  nicht  nur  menschliche  Gegner,  sondern  hinter  diesen  die  Macht  der  Dämonen  und  ihres  Fürsten,  des  Teufels,  gegenüberstehen.  Daß  dieser  Gedanke  darüberhinaus  keinesfalls  zu  einer  Verringerung  der  Verant­ wortung  der heidnischen  Gegner  für das den Gläubigen  angetane Leid  führt, zeigt  sich daran, daß Tertullian  innerhalb der apologetischen  Schriften in  eindringlicher 

268  Vielfach  ist in der Literatur die Unterschiedlichkeit  der Äußerungen Tertullians in apologetischen und nichtapologetischen Schriften herausgearbeitet worden, so z.B. in bezug auf die Frage des Militärdienstes von Christen (vgl. Kap. 3.1.2, Anm. 125) oder zum Kaisergebet (vgl. Kap. 3.3.2, Anm. 223). Eine entsprechende Differenzierung seiner Deutung der Verfolgung der Christen ist hingegen m.W. noch nicht durchgeführt worden. 269 Die Frage nach dem literarischen Genus von „Ad martyras" ist schwer zu klären, da Tertullian in dieser Schrift Elemente aus verschiedenen traditionellen Gattungen vereinigt und aus diesen „something new and Christian" (Barnes, Tertullian, 226) entwickelt hat. Nach Quacquarelli, Ad martyras, 26, eröffnet dieser Traktat „un genere letterario nuovo, librato tra la consolazione, il discorso protrettico e la diatriba". Zu den verschiedenen Elementen aus dem Bereich der Consolatio, der Exhortatio, dem Protreptikos und der Diatribe sowie den Differenzen zwischen „Ad martyras" und den jeweiligen literarischen Genera in der paganen Tradition vgl. Bames, Tertullian, 226, sowie ausführlich Quacquarelli, Ad martyras, 26-30. Im Unterschied zu Barnes und Quacquarelli hat Braun, Date, 232-237, hingegen die konsolatorischen Aspekte in „Ad martyras" negiert und diese Schrift als „epistula exhortatoria" verstanden, deren Grundidee sich an Cicero, Tusc. Ulf orientiere.

Zusammenfassung 

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Weise  auf  die  den  Heiden  in  Aussicht  stehende  Vergeltung  seitens  Gottes  hin­ weist.  Die  Vorstellung  einer  Rache  Gottes  für das Verfolgungsleiden  der  zu  ihm  Gehörigen  hat  hier  ihren  primären  „Sitz  im  Leben";  die  innerchristlich  ausge­ richtete Trostfunktion dieses Gedankens tritt bei Tertullian  deutlich  hinter  der  auf  die Gegner zielenden Mahn­  und Appellfunktion zurück. Die Evidenz des  Vergel­ tungsgedankens  für die Heiden verstärkt er dabei durch den Rückgriff auf die auch  diesen  geläufige  Tradition  vom  grausamen  Leiden  und  Tode  des  gegen  Gott  Kämpfenden,  des  θ ε ο μ ά χ ο ς .  Das  Vorgehen  der  Heiden  gegen  die  Christinnen  und  Christen  wird  durch  die  Aufnahme  dieser  Tradition  mit  dem  Kampf  gegen  Gott selbst  identifiziert, wodurch  dessen  Eingreifen zugunsten  der  Gläubigen  für  heidnisches  Denken  zusätzlich  plausibel  gemacht  werden  soll.  In  den  innerchristlich  ausgerichteten  Schriften  erscheint  die  Verfolgung  in  erster  Linie  als  ein  Kampf  des  Teufels  gegen  die  Christinnen  und  Christen,  die  konkreten  heidnischen  Gegner werden hingegen  nur am Rande erwähnt.  Innerhalb  der  Exhortationsschrift  „Ad  martyras"  dient  der  Verweis  auf  den  „ K a m p f ,  den  die  Inhaftierten  im  Gerichtssaal  zu  bestehen  haben,  der  „praeparatio  ad  martyri­ um". Die Widrigkeiten  des Kerkers werden unter  dem Aspekt  der  strengen  Übung  der  Kräfte  für den  ausstehenden  Kampf  gedeutet.  Die  zu  diesem  Zweck  durch­ geführte Parallelisierung zwischen  den in weltlichen  Schlachten und  Wettkämpfen  Kämpfenden  und  den  christlichen  Kämpfern mündet  dabei  in die  Hervorhebung  der  Einzigartigkeit  des  Kampfes  der  Christen,  der  unter  Teilhabe  der  göttlichen  Trinität  in verschiedenen  Funktionen  gegen  einen kosmischen  Gegner  ausgefoch­ ten wird.  Eine  entsprechende  Höherwertigkeit  kommt  auch  dem  zu  erwartenden  Lohn zu, der jeden  in einem weltlichen Kampf zu erlangenden  Lohn  transzendiert.  Während  Tertullian  in „Ad martyras"  Gläubige anredet,  die bereits  ihre  Bereit­ schaft zur Akzeptanz der Verfolgungssituation dokumentiert haben, wendet er sich  in  „Scorpiace"  und  „De  fuga  in  persecutione"  gegen  Argumente  verschiedener  Herkunft, die  in  seinen  Augen  die  Pflicht  zum  Bestehen  dieser  Situation  bis  zur  letzten  Konsequenz  negieren.  Zur  Bekämpfung dieser  Positionen  geht  er  in  den  genannten  Traktaten  bei  der  Darstellung  des  in  der  Verfolgung  stattfindenden  Kampfes  der  Christinnen  und  Christen  einen  wesentlichen  Schritt  über  „Ad  martyras"  hinaus,  indem  er  ansatzweise  in  „Scorpiace",  in  ausführlicher  Form  dann  in „De  füga in persecutione" zwischen  dem  Gegner  der  Gläubigen  und  dem  eigentlichen  Urheber  der  Verfolgung  unterscheidet.  Die  von  ihm  postulierte  Urheberschaft  Gottes  dient  dabei  dem  Erweis  der  absoluten  Notwendigkeit,  sich  der Verfolgung als einer Gottes  Willen entsprechenden  Situation  auszusetzen.  Zur 

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Zusammenfassung 

Unterstützung  dieses  Gedankens  der  Gottgewolltheit  und  insofern  auch  Notwendigkeit  der Verfolgungssituation hat Tertullian  in beiden Traktaten  noch  auf zwei weitere Deutungsaspekte zurückgegriffen. Während er ihn in „Scorpiace"  durch  die  Vorstellung  eines  seit  Beginn  der  Welt  zwangsläufigen  Verfol­ gungssschicksals  aller Gerechten und zu Gott Gehörigen unterstreicht, hat er auch  dort, vor allem aber  in „De  fuga in persecutione"  den  Gedanken  einer durch  die  Verfolgung stattfindenden Prüfung der  Gläubigen  durch  Gott  ausgeführt. Beide  Motive stehen im Dienst der von Tertullian  intendierten Einschärfung der Pflicht  zur  Akzeptanz  der  Verfolgung als  einer  zwar  durch  den Teufel  an den  Christen  herangetragenen,  aber letztlich von Gott autorisierten  Herausforderungssituation  für die Christinnen  und  Christen.  Über  die  hier  aufgeführten  Motive  zur  theologischen  Verfolgungsdeutung  hinaus sind in der Forschung noch zwei weitere Vorstellungen  angeführt worden,  mit  Hilfe  derer  Tertullian  die  Verfolgungsleiden  seiner  Zeit  interpretiere.  Zum  einen  habe er  diese auch  als  Strafe Gottes  dafür betrachtet,  daß  die Christen  die  Häresien nicht ausgetilgt hätten.270 Entgegen dieser Behauptung läßt Tertullian mit  Ausnahme  zweier  sehr beiläufiger Erwähnungen271  den  Strafgedanken zur  Deu­ tung der Verfolgungserfahrung aber ungenutzt. Der vor allem in der  zwischente­ stamentlichen Literatur auftauchende272 und in der Mitte des 3. Jahrhunderts  auch  von  Cyprian  zur  Deutung  der  Verfolgung  unter  Decius  rezipierte  Gedanke  der  Verfolgung  als  eines  von  Gott  auf  Grund  verschiedener  Mißstände  verhängten  Strafleidens273  spielt  für sein  Verständnis  der  Verfolgung  keine  weitere  Rolle.  Ebensowenig  erscheint  diese als Element  der Bedrängnisse  unmittelbar  vor  dem  Ende  der  Welt,  sondern  lediglich  als  Ausweis  der  grundsätzlich  die  Zeit  der  Kirche als letzte der Zeiten prägende Gegnerschaft der Gott und seinen  Gläubigen 

270  So  Bray,  Holiness,  47,  der von der bei  Tertullian  vorkommenden  Vorstellung  spricht,  daß die Verfolgung eine Strafe (punishment) sei, „inflicted on the Church as a scourge for its failure to wipe out heresy ...". 271 Vgl. Kap. 3.2, Anm. 174. 272 Vgl. l.Makk 1,64; 2.Makk 5,17; 6,12-17; 7,32f; 4.Makk 4,12; Jub 23,13f.22-24; AssMos 2,8-3,7. Zu diesen Stellen vgl. Baumeister, Anfänge, 31.38-42.47-49. 273

Vgl. ep. 11 (CChr.SL III B, 56-66); ep. 16,4,1 (CChr.SL III B, 94,64f); De laps. 5-7 (CChr.SL III, 223,84-225,146). Zu diesem Motiv bei Cyprian vgl. Koch, Untersuchungen, 160, sowie ausführlich Carla Lo Cicero, La persecuzione come punizione divina in Cipriano: motivi biblici e classici, in: Res Publica Litterarum 15 (1992), 91-97.

Zusammenfassung 

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ablehnend  gegenüberstehenden  „Welt".274  Daß  er  diese  als  konstitutiv  für  das  Dasein  der  Christinnen  und  Christen  unter  den  Bedingungen  der  noch  nicht  abgelaufenen  Weltzeit  betrachtet,  fuhrt zu  der Frage nach  ihrer  Reaktion  auf  die  Herausforderungssituation  einer Verfolgung. Diese  konnte  in der Bereitschaft zu  einem  öffentlichen Bekenntnis  mit  der  zumeist  zu  erwartenden  Konsequenz  des  Glaubenstodes  bestehen  oder  in  der  Flucht  vor  Übergriffen  und  Ver­ folgungssituationen, aber ebenso auch in der Glaubensverleugnung,  der  Apostasie.  Letzteres  bedeutete  für Tertullian  wie  für die  gesamte  Alte  Kirche  eine  schwere  Sünde,  die  er  als  Montanist  sogar  für unvergebbar  erklärte.275  Ersteres  hingegen  stellte für ihn das Ideal  christlichen  Verhaltens  im Konflikt mit den Heiden  dar, zu  dessen Begründung  und Heilsbedeutung  er  sich  in mehreren  seiner  Schriften  ein­ gehend  geäußert  hat.  Die  von  ihm  ebenfalls  aufgegriffene Frage  der  Bewertung  einer  Flucht  bildet  dabei  ein  Element  innerhalb  seiner  im  folgenden  dar­ zustellenden  theologischen  Deutung  des  christlichen  Martyriums. 

274

 Zu  „mundus"  bzw.  „saeculum"  als Gott  und  seinen  Gläubigen  feindlich  gegenüberstehender  Sphäre  vgl.  z.B.  Ad  mart.  2,1­6  (CChr.SL  I,  3,31­4,22).  Während  „mundus"  mehr  die  materielle  Welt  meint,  bezeichnet  Tertullian  mit  „saeculum"  eher  eine  der  „Welt"  als  gottfeindlichem  Bereich  entsprechende  Lebensform.  Vgl.  Braun,  Date,  234,  Anm.  68.  275   In  De  pud.  19,25  (CChr.SL  II,  1323,112­115)  rechnet  er  die  „negatio"  zu  den  „(delicta)  graviora  et  exitiosa,  quae  veniam  non  capiant". 

4. Die Deutung des Martyriums 

4.1  Terminologische  Vorklärung:  „confessio/confiteri/confessor" und  „martyrium/martyr"  in den  Schriften  Tertullians  Innerhalb der insbesondere  in der Nimwegener  Schule' betriebenen  Erforschung  der Entwicklung der christlichen Latinität und der Rolle Tertullians in diesem Pro­ zeß ist speziell auch der von ihm zur Bezeichnung christlichen Verfolgungsleidens  und  Martyriums  verwendeten  Terminologie  größere  Aufmerksamkeit  zuteil  geworden. Sowohl  die Veröffentlichungen von  TEEUWEN  als auch von  JANSSEN 2  enthalten  neben  anderen  Begriffsuntersuchungen  auch  Untersuchungen  seines  martyrologischen  Sprachgebrauchs,  die  Arbeit  von  HOPPENBROUWERS  ist  aus­ schließlich  der  „terminologie  du  martyre"  gewidmet.  Sie  unterscheidet  sich  insofern von ihren Vorgängern,  als diese primär philologische Gesichtspunkte  in  den  Mittelpunkt  stellen;  HOPPENBROUWERS  betrachtet  hingegen  stärker  den  jeweiligen literarischen und historischen Kontext der Verwendung eines Begriffs  und  erschließt  aus  diesem  Zusammenhang  die  jeweilige  Wortbedeutung.  Aus  dieser  methodischen  Prämisse  ergibt  sich  ftir ihn,  im  Unterschied  zu  TEEUWEN  und JANSSEN, daß sich mit einem Terminus in verschiedenen Kontexten auch eine  differierende Vorstellung  verbinden  kann. Diese Bedingtheit  durch  den  literari­ schen Zusammenhang und seine argumentative Ausrichtung bestätigt sich bei der  Untersuchung  der  martyrologischen  Termini  Tertullians.  Das  bedeutet,  daß  in  methodischer  Hinsicht  Zurückhaltung  geboten  ist  gegenüber  dem  Versuch,  aus  Einzeläußerungen  Aussagen mit grundsätzlichem Definitionscharakter  abzuleiten  ­  etwa in bezug  auf die Kriterien bei der Verwendung  eines Begriffs.3  Innerhalb  der  Literatur  zur  Theologie  Tertullians  zeigt  sich,  daß  die  von  Schlüsselbegriffen  ausgehende  lexikalische  und  semantische  Analyse  seiner 

1   In  den  Zusammenhang  der  Forschungen  dieser  Schule  gehören  die  in  Kap.  1 erwähnten  Untersuchungen  von  Teeuwen,  Vermeulen  und Hoppenbrouwers,  sowie  die  in  Anm.  2  genannte  Untersuchung  von  Janssen.  2   Harry  Janssen,  Kultur  und  Sprache.  Zur  Geschichte  der  alten  Kirche  im  Spiegel  der  Sprachentwicklung.  Von  Tertullian  bis  Cyprian, Nimwegen  1938.  3  Zu einer  solchen  Tendenz  in der Forschung  vgl.  z.B.  Anm.  47. 

Terminologische  Vorklärung:  „confessio/confiteri/confessor" 

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Schriften  eine  große  Bedeutung  hat.4  Besonders  in  der  angelsächsischen  For­ schung  ist gegenüber  diesem Zugang  aber deutliche  Skepsis  geäußert  worden,  da  durch  diesen  Tertullian  nicht  in  seinen  kulturellen  und  historischen  Zusammen­ hang gestellt würde.5 Trotz aller Berechtigung dieser Kritik,  soweit  sie  sich  gegen  Einseitigkeit  in der  Wahl des Zugangs wendet, bleibt  aber  fur das  Verständnis  der  tertullianischen  Martyriumstheologie  eine  einleitende  Untersuchung  der  martyrologischen  Begrifflichkeit notwendig. Zum  einen  bietet  sie die  Vorausset­ zung  für  eine  Sprachkonvention  in  bezug  auf  die  wesentlichen  Termini  „confessor/confessio/confiteri" und  „martyr/martyrium",  zum  anderen  lassen  sich  aus  Tertullians  Sprachgebrauch  bereits  deutliche  Hinweise  auf  Grundtendenzen  seiner  Martyriumstheologie  entnehmen,  so daß  dieser  quasi  als  „Spiegel"  seines  Martyriumskonzeptes  fungiert. 

4.1.1 „confessio/confiteri/confessor"  In Tertullians  Sprache  finden  sich  eine Vielzahl  von  Begriffen, die  aus  der  heid­ nischen  Umwelt,  insbesondere  den  Bereichen  des Militärs  und  des  Rechts,  stam­ men und  in christlichem  Sinne umgeprägt wurden.6 Juristischen  Zusammenhängen  entstammen  die  für die  Darstellung  der  christlichen  Haltung  im  Gegenüber  zur  heidnischen  Umwelt  grundlegenden  Termini  „confessio"  bzw.  „confiteri".  Ur­ sprünglich bezeichneten  sie das Geständnis  eines Verbrechens  vor  Gericht ­  eine  Bedeutung,  die bei Tertullian  in apologetischen  Kontexten  noch häufig  erscheint.7 

4

 Vgl.  z.B.  Braun,  Deus  Christianorum,  passim;  Hallonsten,  Satisfactio,  105-210.  Ein  nachdrückliches  Plädoyer  für die  lexikalische,  semantische  und rhetorische  Analyse  als  grundlegendem  Zugang zu Tertullians  Denken  liefert Sider,  Approaches,  260:  „It is by understanding  the  words  he  uses,  their content, their function and relationships,  and the art which  sets them together  in sustained  arguments  and  coherent  works,  that  we  have  our  most  immediate  access  to  his  (sc.  Tertullian's)  mind."  5

 Als  Vertreter dieser  Kritik  erscheinen  Bames,  Tertullian,  1,  und  vor  allem  Bray,  Holiness, 

28f.  6

 Zu dem  Vorgang  dieser  Umprägung  vgl.  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  11-24.  In  welchen  Fällen die Christianisierung  der Begriffe auf Tertullian selbst  zurückzuführen  ist und  in welchen  er  schon einen  entsprechenden  christlichen  Sprachgebrauch  vorfand, läßt sich im einzelnen allerdings nur bedingt entscheiden. 7 Ad nat. 1,2,1 (CChr.SL I, 12,9f): „Nam nocentes quidem perductos, si admissum negent, tormentis urgetis ad confessionem ..."; ebenso Ad nat. 1,2,5 (CChr.SL I, 12,24.26); Ad nat. 1,2,8 (CChr.SL I, 12,37); Apol. 2,4 (CChr.SL 1, 87,12); 2,10 (CChr.SL I, 89,51); 2,12 (CChr.SL I, 89,61); 2,15 (CChr.SL I, 90,79) u.a.

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Terminologische  Vorklärung:  „confessio/confiteri/confessor" 

Vor dem Hintergrund der Verfolgungssituation8 nahmen diese Begriffe im christlichen Sprachgebrauch den spezifischen Sinn eines Bekenntnisses  des  christlichen  Glaubens vor den heidnischen Richtern an.9 Um  dieses besondere  christliche  Bekenntnis von einem Geständnis eines Heiden vor Gericht abzuheben,  kennzeichnet  Tertullian  es  an einigen  Stellen  des  „Apologeticums"  als  „confessio  nominis".10  Dort  sowie  in anderen  apologetischen  Texten  benutzt  er aber auch nur „confessio/confiteri" für das Bekenntnis des Christseins, ohne den spezifischen Charakter  dieses  Bekenntnisses  durch  einen  Zusatz  zu  verdeutlichen.11  In  nichtapologetischen Schriften, besonders in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione",  versteht  sich die Bedeutung dieser Termini  so  sehr von selbst,  daß Tertullian mit wenigen Ausnahmen überhaupt keine weiteren Ergänzungen zur Erläuterung anfuhrt: „confessio/ confiteri" stehen als termini technici für das christliche Bekenntnis vor den Heiden.'2 Die Objektlosigkeit weist dabei deutlich auf den technischen Charakter

8

  Daß  „confessio"  für die  Christen  wesentlich  im  Zusammenhang  von  „persecutio"  zu  denken  ist,  verdeutlicht  z.B.  Scorp.  10,14  (CChr.SL  II,  1089,3­6):  „Siquidem  confessio  a  persecutione  deducitur  et  persecutio  in confessione  finitur  nec  possunt  non  una  sequi  quae  et  aditum  et  exitum,  id  est  initium  finemque  disponunt."  9   Neben  dieser  Verwendung  von  „confessio",  die  im  profanen  juristischen  Gebrauch  des  Wortes  wurzelt,  findet  sich  bei  Tertullian  auch  die  biblisch  fundierte  Verwendung  von  „confes­ sio/confiteri"  im  Sinne  von  „Glaubensinhalt/glauben",  die  zumeist  in  Auseinandersetzungen  mit  Häretikern  auftaucht  (vgl.  z.B.  Adv.Marc.  1,9,5;  CChr.SL  I,  450,17f;  De  praescr.haer.  40,9;  CChr.SL  I,  221,25f).  Darüberhinaus  verwendet  er  „confessio/confiteri"  im  Rahmen  der  Aus­ fuhrungen  zur  Buße  im  Sinne  von  „confessio  delictum"  als  Erläuterung  zu  „exomologesis"  (De  paen.  9,2;  CChr.SL  I,  336,5­7).  Zu  diesem  Gebrauch  vgl.  De  paen.  8,9  (CChr.SL  I,  336,34­36);  De  bapt.  20,1  (CChr.SL  I,  294,2f);  Adv.Marc.  11,25,3  (CChr.SL  I,  504,15f)  u.a.  10  Apol.  2,3  (CChr.SL  I,  87,11);  2,10  (CChr.SL  I,  89,50);  2,11  (CChr.SL  I,  89,53f.56);  vgl.  Apol.  3,7 (CChr.SL  I, 92,38):  „professio nominis". Nach  Hoppenbrouwers,  Recherches,  42,  handelt  es  sich  bei  „confessio  nominis"  um  „une  expression  originale  de  Tertullien  pour  désigner  l'aveu  qu'on  est  chrétien",  „nomen"  bezeichnet  hier  die  Eigenschaft des  Christseins  (vgl.  Ad  nat.  1,3,5;  CChr.SL  I,  13,37f;  Apol.  2,19f CChr.SL  I,  90,100­91,111;  Apol.  3,3;  CChr.SL  I,  91,15f  u.a.)  und  steht  in  Antithese  zu  den  den  Christen  von  den  Heiden  unterstellten  „scelera":  „non  scelus  aliquod  in causa esse sed nomen"  (Apol. 2,18;  CChr.SL  1,90,97f). Der  Ausdruck  „confessio nominis"  findet  sich  aber  auch  außerhalb  des  apologetischen  Schrifttums: Vgl.  z.B.  Adv.Marc.  I,  24,4  (CChr.SL  I,  467,28). 

"  Apol.  2,11  (CChr.SL  I,  89,54);  Apol.  2,12  (CChr.SL  I,  89,61);  Apol.  2,19  (CChr.SL  1,  90,104);  Ad  nat.  1,2,2  (CChr.SL  I,  12,12);  Ad  Scap.  4,2  (CChr.SL  II,  1130,8)  u.a.  12  Scorp.  12,5  (CChr.SL  II,  1092,3f):  „Quam  dilectionem  perfectam  adfirmat  (sc.  Iohannes),  nisi fugatricem timoris  et animatricem  confessionis?";  ebenso  Scorp.  1,7 (CChr.SL  II,  1070,21);  9,8  (CChr.SL  II,  1085,16);  9,11  (CChr.SL  II,  1086,8.10.14);  10,1  (CChr.SL  II,  1087,1.6);  10,4  (CChr.SL  II,  1087,25);  10,5  (CChr.SL  Π,  1088,5);  10,8  (CChr.SL  II,  1 0 8 8 , 2 6 f ) :  10,9  (CChr.SL  II,  1088,6.8);  10,13  (CChr.SL  II,  1089,3);  10,14  (CChr.SL  II,  1089,3f.8f);  10,15  (CChr.SL  II,  1089,9.10.11.12);  10,16  (CChr.SL  II,  1089,14f;  1090,20);  10,17  (CChr.SL  II,  1090,3);  11,2  (CChr.SL  II,  1090,13);  15,6  (CChr.SL  II,  1097,30);  Adv.Val.  30,2  (CChr.SL  II,  774,7);  De  fuga  7,1  (CChr.SL  II,  1144,lOf);  De  fuga  9,1  (CChr.SL  II,  1146,6)  u.a.  Eine  Ergänzung  zu  „confiteri" 

Terminologische  Vorklärung:  „confessio/confiteri/confessor" 

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des Begriffs  „confessio" im  Sinne des Bekenntnisses  vor den Heiden  hin.13  Dieses  bildet  in  der  Verfolgungssituation  die  eine  Möglichkeit  christlichen  Verhaltens,  die  andere besteht  in der Ableugnung  (negatio).  In diesem  Sinne  spricht  Tertullian  von  der „persecutio" als „confessionis  negationisue  materia"14,  als  „Veranlassung  zu  Bekenntnis  oder  Verleugnung";  das  Leiden  unter  der  Verfolgung,  die  Überlieferung, das Verhör und die Folter endeten entweder in der „confessio" oder aber der „negatio".15 Während die Ableugnung die Erhaltung des physischen Lebens - allerdings nach Tertullian um den Preis des geistlichen Todes - bedeutete16, zog die standhafte Bewahrung des Bekenntnisses auch unter der Folter die Verurteilung zu Verbannung, Zwangsarbeit oder zum Tode nach sich. Entsprechend faßt Tertullian den Verlauf der Verfolgung zusammen: „... et perducimur ad potestates et interrogamur et torquemur et confitemur et trucidamur."17 Daß Tertullian im Zusammenhang einer „confessio" mit Selbstverständlichkeit an ein damit verknüpftes physisches Leiden - unter den Martern oder bei der Hinrichtung - denkt, belegt exemplarisch seine Formulierung „caro in confessione nominis desaevitur."18 Die für ihn untrennbare Verbindung von Bekenntnis und Leiden zeigt sich auch daran, daß Verweigerung des Bekenntnisses für ihn nichts anderes heißt, als vor Leiden und Tod zurückzuschrecken: „Nisi si vis confiteri,

findet  sich  z.B.  in  Scorp.  9,9  (CChr.SL  II,  1085,17­1086,22):  „Qui  se Christianum  confitetur,  Chri­ sti  se  esse  testatur,  qui  Christi  est,  in  Christo  sit  necesse  est.  si  in  Christo  est,  in  Christo  utique  confitetur,  cum  se  Christianum  confitetur...  Porro  in  Christo  confitendo  Christum  quoque  confite­ tur...". Da es hier  aber  um den  offensichtlich von den  Valentinianern  geleugneten  (vgl.  Scorp.  9,12;  CChr.SL  II,  1086,19­21),  von Tertullian  aber  als untrennbar  dargestellten  Zusammenhang  zwischen  dem  Bekenntnis  zu  dem  eigenen  Christsein  und  dem  Bekenntnis  zu  Christus  geht,  ergibt  sich  die  Notwendigkeit  der  Zufugungen  hier  aus  dem  Argumentationsziel.  13   Vgl.  Hans  Rheinfelder,  Confiteri,  Confessio,  Confessor  im  Kirchenlatein  und  in  den  romanischen  Sprachen,  in:  Die  Sprache  1 (1949),  58;  Hoppenbrouwers,  Recherches,  34f.  14  Scorp.  10,9  (CChr.SL  II,  1088,8f).  15   Scorp.  10,14  (CChr.SL  II,  1089,6­9):  „Porro  et  odium  nominis  hic  erit  et  persecutio  hic  erumpit et traditio hic producit et interrogatio  hic compellit  et carnificina hic desaevit;  at totum  hunc  ordinem  in  terris  confessio  vel  negatio  expungit."  16   Vgl.  Scorp.  11,1  (CChr.SL  II,  1090,6­8):  „Qui  pluris,  inquit  (sc.  Christus),  fecerit  etiam  animam  suam  quam  me,  non  est  me  dignus,  id  est  qui  maluerit  vivere  me  negando  quam  mori  confitendo";  De  fuga  3,1  (CChr.SL  II,  1139,8f):  „Si  persecutionis  vel  maxime  exitus  aut  vitam  afferunt aut mortem  ..."  Der  leibliche  Tod  in der  Verfolgung zog  hingegen  den  Gewinn  des  ewigen  Lebens  nach  sich:  „Perdet  autem  eam  (sc.  animam)  ad  praesens  qui  confessus  occiditur,  sed  et  inventurus  eam  in  vitam  aeternam."  (Scorp.  11,2;  CChr.SL  II,  1090,12­14)  17  Scorp.  11,5 (CChr.SL  II,  1091,9f). Auf das  Bekenntnis  als juristische  Voraussetzung  für die  Verurteilung  weist  Tertullian  in  Ad  Scap.  4,2  (CChr.SL  II,  1130,8)  hin.  18

 Adv.Marc.  I, 24,4  (CChr.SL  I, 467,28);  vgl.  Apol.  2,19  (CChr.SL  I,  90,104):  „Ideo  torque­ mur  confitentes  ...". 

Terminologische  Vorklärung:  „confessio/confiteri/confessor" 

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pati non vis."19 Leiden und zumeist wohl  auch der Tod eines  Christen  erscheinen  bei  Tertullian  also  als  selbstverständliche  Konsequenzen  einer  standhaft  bewahrten  „confessio".  Dabei  werden  der  Tod  bzw.  die  Tötung20  von  ihm  aber  mehrfach noch  gesondert als Folge und Ergebnis des Bekenntnisses  erwähnt.  So  spricht er z.B.  von  der ,,confessio(..),  quae in finem sustinendo  passura est mortem".21 Diese Ergänzung weist daraufhin, daß der Gedanke an die Todesfolge bei den Begriffen „confessio/confiteri" zwar durchgängig im Hintergrund steht22, durch diese aber nicht schon unmittelbar mitausgesagt ist.23 Vor dem Hintergrund dieses Befundes zu den Begriffen „confessio/confiteri" ist die Frage nach dem Verständnis der möglicherweise von Tertullian selbst geprägten Bezeichnung „confessor"24 zu stellen. Die Mehrzahl der Belege für die-

19   De  fuga  5,2  (CChr.SL  II,  1141,13).  Vgl.  De  fuga  7,1  (CChr.SL  II,  1144,12f):  „Si  devito  passionem,  confundo  confessionem."  Nach  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  45,  sowie  Janssen,  Kultur,  147,  bedeutet  „passio/pati"  sowohl  in  der  Verwendung  „passio  Christi"  als  auch  „passio  martyrum"  bei  Tertullian  immer  Leiden  bis  zum  Tod.  An  einigen  Stellen  zeigt  sich  aber,  daß  Tertullian  auch  Leiden  ohne  Todesfolge mit  „pati/passio"  bezeichnen  kann.  So  stehen  z.B.  in  einer  Äußerung  zu  den  drei  Jünglingen  im  Feuerofen  beide  Bedeutungsvarianten  unmittelbar  nebenein­ ander:  „O  martyrium  et  sine  passione  perfectum!  Satis  passi,  satis  exusti  s u n t . . . "  (Scorp.  8,7;  CChr.SL  II,  1083,26f). Zu  einem  erweiterten  Verständnis  von  „pati/passio"  vgl. auch  De  paen.  10,4  (CChr.SL  I,  337,15);  De  paen.  10,6  (CChr.SL  I,  337,23).  20

  Tertullian  verwendet  zur  Bezeichnung  des  Todes  infolge  des  Bekenntnisses  sowohl  die  Begriffe  „Tod/sterben":  „mors/mori"  (z.B.  Scorp.  10,17;  CChr.SL  II,  1090,30f;  Scorp.  11,1;  CChr.SL  II,  1090,8)  als  auch  „Tötung/töten":  „occisio/occidi"  (z.B.  Scorp.  11,2;  CChr.SL  II,  1090,13;  Ad V.Marc.  IV,  28,4;  CChr.SL  I,  622,110  21  Scorp.  10,17  (CChr.SL  Π,  1090,30f).  Vgl.  Scorp.  11,1  (CChr.SL  II,  1090,6­8):  „Qui  pluris,  inquit  (sc.  Christus),  fecerit  etiam  animam  suam  quam  me,  non  est  me  dignus,  id  est  qui  maluerit  vivere  me  negando,  quam  mori  confîtendo";  Scorp.  11,2  (CChr.SL  II,  1090,12f):  „Perdet  autem  earn  (se.  animam)  ad  praesens  qui  confessus  occiditur  ...";  Adv.Marc.  IV,  28,4  (CChr.SL  I,  622,1 lf):  „···  qui  confïtebuntur autem  in  Christo  coram  hominibus  occidi  habebunt".  22

 In diesem  Sinne  spricht Janssen,  Kultur,  157, davon,  daß „die  Wörter  confiteri und  confessio  ...  sehr  oft  als  ihr  Komplement  die  Bilder  von  Leiden  und  Tod  wach(riefen)".  23  Gegen  Rheinfelder,  Confiteri,  58,  der  „confiteri" bei  Tertullian  häufig die  Bedeutung  „den  Märtyrertod  sterben"  zuschreiben  will,  ohne  allerdings  Belege  für diese  These  zu  bieten.  Lediglich  in  Scorp.  10,8  (CChr.SL  II,  1088,24f)  beinhaltet  der  Terminus  „confiten"  schon  direkt  die  Vor­ stellung  des  Martertodes.  24

  So Teeuwen,  Bedeutungswandel,  87:  „Indem  nun  Tertullian  Christi  Worte  ,qui  confessus  fuerit  in  me  et  ego  confitebor  in  ilio'  mit  einem  Substantiv  wiedergibt:  ,Christus  ....  confessurus  confessores et negaturus  negatores  suos  apud  patrem'  (Adv.Prax.  26;  CChr.SL  II,  1197,48f;  De  cor.  11,5;  CChr.SL  II,  1057,38­42),  prägt  er  ein  neues  Wort  confessor,  das  im  christlichen  Latein  bis  heute  fortlebt...".  Vgl.  im  Unterschied  zu  dieser  Wiedergabeweise  die  Zitationsformen  von  Mt  10,32:  „...  qui  confessus  fuerit me,  et  ego  confitebor  ilium  coram  patre  meo"  (Adv.Marc.  IV,28,4;  CChr.SL  I, 621,9­622,16;  De  fuga 7,1;  CChr.SL  Π,  1144,9f) oder  „...  qui  in  me  confessus  fuerit...  et  ego  confitebor  in  ilio"  (Scorp.  9,8;  CChr.SL  II,  1085,11­15;  Scorp.  10,4;  CChr.SL  II,  1087,27­ 1088,29).  Zu  diesen  Lesarten  vgl.  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  82,  Anm.  1. 

Terminologische  Vorklärung:  „confessio/confiteri/confessor" 

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sen Terminus  finden sich  innerhalb  der Zitation von  Mt  10,32  oder  dessen  Auslegung25; an diesen  Stellen  steht der Gedanke  an den Martertod klar im  Hintergrund,  mit „confessores"  sind bereits für den Glauben gestorbene  Christen  gemeint.26  Ob  diese  Stellen aber als Belege  dafür fungieren können,  daß „confessor" bei Tertullian grundsätzlich nur auf schon gestorbene und nicht auf noch lebende Christen bezogen wird27, ist zumindest fraglich, da die Bedeutung des Terminus hier durch den Bibeltext vorgegeben ist. An den beiden Stellen, in denen Tertullian „confessor" unabhängig von Mt 10,32 aufgreift, wäre ein Verständnis im Sinne von „Christen, die bekannt haben und inhaftiert worden sind, denen aber der Martertod noch bevorsteht" denn auch durchaus möglich; die in Frage stehenden Belege aus „Scorpiace" und „De corona" sind allerdings in ihrer Deutung umstritten. Als Bezeichnung fur Inhaftierte könnte „confessor" in Scorp. 11 verwendet worden sein: „... et cum in carcere fratrem vult visitari (Christus), confessoris imperai curam."28 Da dieser Beleg aber textkritisch nicht eindeutig ist - statt „confessoris" könnte auch „confessuris" zu lesen sein - 2 9 , besteht nur die Möglichkeit, nach der Stimmigkeit eines solchen Gebrauchs im Verhältnis zu demjenigen von „confessio/confiteri" zu fragen. Da auch dort der Martertod zwar häufig mitgedacht ist, aber eben erst als Folge des davor erfolgenden Schrittes der „confessio", wäre eine Anwendung auf noch lebende Christen, die bereits bekannt haben und inhaftiert, aber noch nicht getötet worden sind, durchaus denkbar. Ebenso er-

25

 Tertullian  verwendet  „confessor" insgesamt  nur siebenmal,  davon  fünfmal in der  Wiederga­ be  von  Mt  10,32f  und  seiner  Auslegung.  26   Adv.Marc.  IV,  28,5  (CChr.SL  I,  622,  17f.20.22­24):  „Si  enim  confessorem  confitebitur,  ipse est,  qui  et  negatorem  negabit.  Porro  si  confessor  est,  cui  nihil  timendum  est  post  occisionem,  negator  erit,  cui  timendum  est  post  mortem  ...  Si  autem  negator,  et  confessor,  qui  post  occisionem  nihil  ab  homine  passurus  est,  a  deo  plane  passurus,  si  negaret";  ebenso  Adv.Prax.  26  (CChr.SL  11,1197,48f);  De  cor.  11,5  (CChr.SL  II,  1057,  38­42).  27  So Teeuwen,  Bedeutungswandel,  87­95:  „Bei  ihm  (sc. Tertullian)  schließt  das  ,Confessor­ Sein'  den  Martertod  in  sich." Zur  gleichen  Einschätzung  gelangen  Janssen,  Kultur,  158­161,  und  im  Anschluß  an  diese  beiden  Untersuchungen  Hummel,  Concept,  4,  sowie  Rheinfelder,  Confiteri,  59.  Dagegen  definiert  Hoppenbrouwers,  Recherches,  40,  den  „confessor"  als  „...  celuiqui,  par  opposition  au  martyre  qui  a  succombé,  attend  l'accomplissement  de  son  martyre",  ohne  diese  Einschätzung  aber  zu  diskutieren.  28 29

  Scorp.  11,3  (CChr.SL  II,  1090,19f)· 

 Zur  Diskussion  vgl. Teeuwen,  Bedeutungswandel,  93f sowie  Hoppenbrouwers,  Recherches,  39  mit  Anm.  8,  der „confessoris" favorisiert. Teeuwen  hingegen  kann  sein  Votum  für „confessuris"  an  dieser  Stelle  nur  halten,  wenn  er  von  einer  Deutung  dieses  Partizips  im  Sinne  von  „die  den  Martertod  sterben  werden"  ausgeht,  denn  „bekannt"  hatten  die  Inhaftierten ja  schon.  Auch  wenn  bei  „confiteri" der  Gedanke  an  den  folgenden  Martertod  mitanklingt,  wird  er  doch  häufig  gesondert  erwähnt (vgl. Anm.  21);  „confiteri" unter  allen  Umständen  ist die  Voraussetzung  für den  Martertod,  nicht  die  Bezeichnung  für diesen  selbst. 

Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

116 

scheint auch eine Deutung von „confessor" in De  cor. 2 -  „omnes  ita observant a  catechumenis usque ad confessores et martyres vel negatores"30 -  auf noch Lebende  möglich.  Der  Sinn  dieses  Satzes  wäre  in  diesem  Fall  etwa  so  zu  verstehen:  „A"e Christen halten sich daran (d.h. an das Verbot des Kranztragens),  vom Katechumenat bis sie in der Verfolgung entweder die Möglichkeit von Bekenntnis und  Martyrium  oder  aber diejenige  der Ableugnung  ergreifen." Daß das Bekenntnis zumeist zum Tod fuhrt, scheint auch hier vorausgesetzt, aber es ist eben die Vorstufe dazu; insofern bezeichnet „confessores" noch nicht unbedingt Christen, die bereits hingerichtet wurden, wohl aber diejenigen, die die bestimmte Aussicht daraufhaben.31

4.1.2 „martyrium/martyr" Die Gesamtheit des Leidens und Sterbens eines Christen für den Glauben wird von Tertullian mit dem Begriff „martyrium" bezeichnet, wobei hier der Tod in der überwiegenden Zahl der Belege mitausgesagt ist und als konstitutiv für die Verwendung dieses Terminus erscheint.32 Lediglich an einer Stelle spricht Tertullian von einem „martyrium et sine passione perfectum"33, wobei „passio" hier wie auch sonst zumeist bei Tertullian „Leiden bis zum Tod" meint.34 Daß auch

30

 De cor.  2,1  (CChr.SL  II,  1041,2­4).   Hippolyte Delehaye, Sanctus — Essai sur le Culte des Saints dans l'Antiquité,  Brüssel  1927,  85,  fuhrt De cor.  2 als  Beleg  für eine Tertullian  bekannte  Unterscheidung  von  „confessores"  und  „martyres"  im  Sinne  von  noch  Lebenden  bzw.  bereits  Getöten  an;  ähnlich  Johann  Ernst,  Der  Begriff vom  Martyrium  bei Cyprian,  in: HJ  34 (1913),  348.  In diesem  Sinne  sieht  auch  Ruggiero,  De  corona,  70,  in  den  „confessores"  diejenigen,  die  in  der  Verfolgung  ihren  Glauben  bekannt  hätten,  aber  „senza  però  subire,  come  conseguenza  di  ciò,  il  martiro".  Dagegen  geht  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  90ff, davon aus, daß ein solcher Unterschied in die Texte Tertullians  eingetragen  werde, und dieser vielmehr bei beiden Begriffen den Blutzeugen  im Blick  habe. (Teeuwen,  Bedeu­ tungswandel,  91f; im  Anschluß an ihn ebenso Janssen,  Kultur,  159f). In eine  entsprechende  Rich­ tung geht Hummel, Concept,  5, mit seiner Übersetzung „from the catechumenate till the day of their  martyrdom";  „confessor" und  „martyr" sind hier als  Synonyme aufgefaßt.  31

32

  Scorp.  12,1  (CChr.SL  II,  1092,lOf);  12,10  (CChr.SL  II,  1093,7),  12,11  (CChr.SL  II,  1094,10);  13,1  (CChr.SL  II,  1094,19);  15,3  (CChr.SL  II,  1097,14);  De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,39)  u.a.  Zu  der  Verwendung  von  „martyrium"  und  „martyria"  bei  Tertullian  vgl.  Hoppen­ brouwers,  Recherches,  15f; entgegen  der  Auffassung Teeuwens,  Bedeutungswandel,  90,  Anm.  1,  bezeichnet  der  Plural  nicht  die  Foltern,  sondern  ebenfalls  den  Glaubenstod  (vgl.  Scorp.  13,1;  CChr.SL  II,  1094,19).  33  Scorp.  8,7 (CChr.SL  II,  1083,26).  34  Zu  „passio"  als  „Leiden  bis  zum  Tod"  vgl.  z.B.  De  an.  55,4  (CChr.SL  II,  862,32f);  De  res.cam.  41,3  (CChr.SL  II,  975,13);  in  bezug  auf die  Passion  Christi  De  pud.  22,4  (CChr.SL  II,  1328,23).  „pati"  im  Sinne  von  „leiden  bis  zum  Tod" findet sich  z.B.  in  Scorp.  15,4 (CChr.SL  II, 

Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

117 

Leiden  ohne  Todesfolge  in  Ausnahmefallen  als  „martyrium"  anerkannt  werden  kann,  muß - wie hier im Fall der Jünglinge im Feuerofen - gesondert erwähnt werden." Nach einer Formulierung in „De corona" erscheint die Inhaftierung an sich erst als „candida martyrii".36 Unter der Voraussetzung, daß „candida" hier im Sinne von „Erwartung" bzw. „Anwartschaft" zu übersetzen ist37, drückt sich durch diese Formulierung aus, daß ein inhaftierter Christ, der auf seinen Tod wartet, noch in der Aussicht auf das eigentliche „martyrium" steht. In diesem Sinne schreibt Tertullian über Christen in Haft, die Folter erlitten haben, daß sie in Gestalt dieser Leiden einen „Vorgeschmack" auf das Martyrium bekommen hätten, nach diesem selbst aber noch verlangten.38 Nach seinem besonders strengen Verständnis von „martyrium" in „De pudicitia"39 könne erst unter dem Schwert des Henkers, am Kreuz oder am Pfahl vor dem sprungbereiten Löwen, wenn der Tod unmittelbar bevorstehe, fur den Christen tatsächlich von der „securitas et possessio martyrii" gesprochen werden.40 Dem Verständnis von „martyrium" als Leiden für den Glauben einschließlich Todesfolge entspricht die Verwendung des Terminus „martyr" für den Blutzeu-

1097,15.17f);  Apol.  50,11  (CChr.SL  I,  171,50);  Apol.  50,12  (CChr.SL  II,  171,54).  Dieser  Ge­ brauch  von  „passio/pati"  ist  zwar  vorherrschend  bei  Tertullian,  daneben  zeigt  sich  aber  auch  eine  allgemeinere  Verwendung  für  „Leiden",  ohne  daß  die  Todesfolge  miteingeschlossen  ist.  Zum  Verständnis  dieser  Termini  bei  Tertullian  vgl.  weiter  Hoppenbrouwers,  Recherches,  49­53,  sowie  Anm.  19.  35  Drei  Ausnahmen  hiervon  finden  sich  allerdings  bei  Tertullian.  In  Adv.Val.  4,1  (CChr.SL  II,  755,27)  berichtet  er,  daß  Valentin  bei  der  Bewerbung  um  das  Bischofsamt  ein  Bekenner  „ex  martyrii  praerogativa"  vorgezogen  worden  sei;  hier  muß  die  Verwendung  von  „martyrium"  auf  Inhaftierung  (und  Folter)  ohne  Todesfolge  beschränkt  sein.  Zu  den  weiteren,  polemisch  ausge­ richteten  Belegen  für den  Bezug  von  „martyrium"  auf  Leiden  ohne  Todesfolge  vgl.  Anm.  50f.  36

 De  cor.  1,3  (CChr.SL  II,  1040,21).   Bei  Tertullian  finden sich  zwei  verschiedene  Verwendungen  von  „candida".  Zum  einen  im  Sinne  von  „exspectatio,  spes" (De  an.  58,2;  CChr.SL  II,  868,6;  Scorp.  12,9;  CChr.SL  II,  1093,27;  Adv.Marc.  IV,  34,14;  CChr.SL  I,  638,26),  zum  anderen  im  Sinne  von  „auctoritas,  dignitas"  (Adv.Marc.  IV,7,13;  CChr.SL  I,  556,12;  Ad  ux.  1,7, 4;  CChr.SL  I,  381,23).  Nach  ThLL  III,  245,  gehört  der  Gebrauch  von  „candida"  in  De  cor.  1,3  in  die  zweite  Kategorie.  Dieses  Verständnis  ist  aber  keineswegs  zwingend;  die  weitgehende  Beschränkung  von  „martyrium"  auf  den  tatsächlich  erlittenen  Martertod  gerade  auch  in Tertullians  späteren  Schriften macht  die  erstgenannte  Verwen­ dung  in  diesem  Kontext  mindestens  ebenso  plausibel.  In  der  Literatur  überwiegen  denn  auch  die  Übersetzungen  dieser  Stelle  im  Sinne  von  „Anwartschaft":  Vgl.  Ruggiero,  De  corona,  5,  der  mit  „aspirazione"  übersetzt,  sowie  die  weiteren  Übersetzungsvorschläge  in  Kap.  3.1.2,  Anm.  123.  37

38

 Scorp.  1,11  (CChr.SL  II,  1070,13­1071,1):  „...  alii  fiistibus  interim  et  ungulis  insuper  degu­ stato  martyrio  in  carcere  esuriunt."  Die  oben  gegebene  Paraphrase  beruht  auf  der  Textvariante  „degustata  martyria".  39   Vgl.  die  Ausführungen  zum  Ende  dieses  Kapitels.  40   De  pud.  22,3  (CChr.SL  II,  1328,15f). 

118 

Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

gen,  der  den  Martertod  erlitten  hat.41  Dieser  Gebrauch  zeigt  sich  auch  dort,  wo  Tertullian den Begriff in nahezu titularer Verwendung42 aufgreift und von  „Perpetua fortissima martyr"43 oder „Iustinus, philosophus  et martyr" spricht.44 Der  oben  beschriebenen Auffassung der Haft als sicherer „Anwartschaft" auf das Martyrium  entsprechend redet Tertullian in seiner Exhortationschrift „Ad martyras" inhaftierte  Christen  als  „benedicti  martyres  designati"45  an.  Wie  ein  Amtsbewerber  für  einen Posten bereits sicher bestimmt ist (designatus),  ihn aber noch nicht angetreten hat,  so  befinden  sich  auch die  inhaftierten Christen  in der sicheren  Aussicht  auf  das  Martyrium,  haben  es  aber  zum  Zeitpunkt  der  Abfassung  des  Traktates  noch nicht  erlitten.  Erscheint  in  den bislang  erwähnten  Belegstellen  der  Gebrauch  von  „martyr"  ebenso wie  der von „martyrium" auf den Glaubenstod bzw. auf die bereits für den  Glauben gestorbenen Christinnen und Christen beschränkt, zeigt bereits der Traktattitel „Ad martyras", daß Tertullian mit „martyr" aber auch noch lebende Christen bezeichnen kann. Für diese breitere Verwendung dieses Terminus gibt es bei ihm neben dem genannten Titel noch einige weitere Belege. So fragt er in „Ad uxorem II": „Quis in carcerem ad osculanda vincula martyris reptare (sc. mulleres) patietur?"46 Den Versuch mancher Christen, sich sogenannte Märtyrerfriedensbriefe zur Sündenvergebung zu verschaffen, beschreibt er in „Ad martyras" wie folgt: „Quam pacem quidam in ecclesia non habentes a martyribiis in carcere exorare consueverunt."47 In „De praescriptione haereticorum" stellt Tertullian die

41

  Scorp.  6,10  (CChr.SL  II,  1080,13f):  „Proprie  enim  martyribus  nihil  iam  reputari  potest,  quibus  in  lavacro  ipsa  vita  deponitur";  Scorp.  1,5 (CChr.SL  II,  1070,14);  Scorp.  7,2  (CChr.SL  II,  1081,6);  Scorp.  12,9  (CChr.SL  II,  1093,23.25);  De  an.  55,4  (CChr.SL  II,  862,32f)  u.a.  42

  Vgl.  Hoppenbrouwers,  Recherches,  13. 

43

  De  an.  55,4  (CChr.SL  II,  862,32).  44  Adv.Val.  5,1  (CChr.SL  II,  756,11).  Zur  titularen  Verwendung  von  „martyr"  vgl.  auch  De  fuga  5,3  (CChr.SL  II,  1142,25):  „Rutilius  sanctissimus  martyr";  Scorp.  12,6  (CChr.SL  II,  1093,12f):  „...  de  Antipa,  fedelissimo  martyre  ..."  45  Ad  mart.  1,1  (CChr.SL  I, 3,2).  Aus  der  Selbstverständlichkeit,  mit  der  Tertullian  bereits  in  einer  seiner  ersten  Schriften (zur  Datierung  von  „Ad  martyras"  vgl.  Kap.  2,  Anm.  12) den  Begriff  „martyr" aufgreift, schließt  Hoppenbrouwers,  Recherches,  10,  daß  er  schon  vorher  im  christlichen  Latein  gebräuchlich  war:  „C'est  (sc.  le  mot  „martyr")  une  des  plus  anciens  emprunts  du  grec...".  46  Ad  ux.  II, 4,2  (CChr.SL  I,  389,14f).  47  Ad  mart.  1,6 (CChr.SL  I, 3,25­27). Nach  Ernst,  Begriff, 348,  begründete  bloße  Inhaftierung  in der  afrikanischen  Kirche  zu Tertullians  Zeit noch  nicht  die Zuerkennung  des  Titels  „martyr".  Er  verweist  für  diese  These  auf  Adv.Prax.  1,4  (CChr.SL  II,  1159,22f):  „(Praxeas)  ...  de  iactatione  martyrii  inflatus  ob  solum  et  simplex  et  breve  carceris  taedium."  Aus  dieser  im  Zusammenhang  der  grundsätzlichen  Polemik  Tertullians  gegenüber  dem  Monarchianer  Praxeas  zu sehenden  Äußerung  entnehmen  zu  wollen,  daß  es  für die  Zuerkennung  des  „martyr"­Titels  an  lebende  Christen  feste  Kriterien  (z.B.  Inhaftierung und  Folterung)  gab,  erscheint  aber  zumindest  problematisch.  Durch 

Terminologische  Vorklârung:  „martyrium/martyr" 

119 

Frage:  „Quid  ergo  si  episcopus,  si  diaconus,  si  vidua,  si  virgo,  si  doctor,  si  etiam  martyr  lapsus  a regula  fuerit? Ideo  haereses  veritatem  videbuntur  obtinere?"48  In  diesen,  aus Tertullians  katholischer  Zeit  stammenden  Belegen  scheint  ein  Brauch  der Großkirche, schon die noch lebenden Christen, die ihren Glauben bekannt haben und dafür inhaftiert und möglicherweise auch gefoltert worden sind, mit dem Begriff „martyr" zu bezeichnen49, in selbstverständlicher Weise aufgenom-

keine der  anderen  Stellen, an denen Tertullian den  Begriff „martyr" auf noch  Lebende  anwendet  (Ad  ux.  II, 4,2;  Ad  mart.  1,6;  De  praescr.haer.  3,5;  vgl.  zu  dieser  Stelle  Anm.  48)  läßt  sich  die  Existenz  eines  solchen  klaren  Kriteriums  verifizieren,  da  diese  Stellen  keine  Auskunft  über  den  bisherigen  Leidensweg  der jeweiligen  „martyres"  geben.  Ernst,  Begriff,  348,  geht  entsprechend  dem  von  ihm  postulierten  Kriterium  fur die  Anwendung  des  Begriffs „martyr"  auch  davon  aus,  daß  „die  wegen  ihres  Glaubens  bloß  im  Gefängnis  gehaltenen  Christen  ...  höchstens  als  „martyres  designati"  be­ zeichnet  werden  (konnten)";  ähnlich  Delehaye,  Sanctus,  85.  Als  grundsätzliches  Kriterium  läßt  sich  dies aber eben  nicht  belegen,  denn  dann  müßte gezeigt werden  können,  daß  die  „martyres"  in Ad  ux.  II, 4,2; De praescr.haer.  3,5  und  Ad  mart.  1,6 über die Inhaftierung hinaus  auch  Folter  erlitten  haben  ­  was  aber  nicht  möglich  ist.  48  De  praescr.haer.  3,5  (CChr.SL  I,  188,12­14).  Die  Deutung  des  Begriffs  „martyr"  in  diesem  Zusammenhang  ist allerdings  problematisch:  Ob Tertullian  mit dem  Terminus  hier  an  einen  noch  in  Haft befindlichen Christen  oder einen wieder in die Gemeinde zurückgekehrten  denkt, ergibt sich  aus  dem Zusammenhang  nicht  eindeutig.  Versteht  man  die Reihung  „episcopus,  diaconus,  vidua,  virgo,  doctor,  martyr"  als  Auflistung gemeindlicher  Funktionen  oder  „Stände",  erscheint  es  naheliegend,  daß  „martyr"  hier  einen  wieder  in  der  Gemeinde  lebenden  Christen  bezeichnet;  so  Janssen,  Kultur,  144.  Im  Gegensatz  dazu  geht  Hoppenbrouwers,  Recherches,  12,  davon  aus,  daß  der  hier  genannte  „martyr"  durchaus  noch  inhaftiert sein  könne,  da  es  Tertullian  hier  nicht  um  verschiedene  Funktio­ nen  innerhalb der Gemeinde  gehe.  Vielmehr  wolle er illustrieren,  daß  sogar der Abfall  von  Personen  zur  Häresie,  die  solche  Gnade  empfangen  hätten  wie die  Bischöfe,  Diakonen,  Witwen,  Jungfrauen,  Lehrer  und  Märtyrer,  dieser  nicht  den  Anschein  von  Wahrheit  verleihen  möge.  Entsprechend  paraphrasiert  er  „martyr":  „... oui,  meme  celui  qui  a reçu  de  Dieu  tant  de  graces,  qui  est  si  proche  de  la  „gloire",  le  martyr  qui  dans  la  prison  attend  l'exécution,  meme  lui  peut  devenir  infidèle."  49  Vgl.  z.B.  den  Brief der  Lyoner  Märtyrer  (Eus.,  HE  V,2,4):  Die  inhaftierten  Christinnen  und  Christen verwahren sich gegen die ihnen von außen dem Herkommen  gemäß beigelegte  Bezeichnung  „martyres".  Auch  bei  Cyprian  finden  sich  Belege  für eine Bezeichnung  noch  lebender  Christen  als  „martyres",  wobei  diese  entweder  inhaftiert  (z.B.  ep.  15,1,1;  CChr.SL  III  B,  85,4f;  ep.  37,4,2;  CChr.SL  III  B,  181,86;  ep.  76;  CChr.SL  III  C,  605,6)  oder  wieder  freigelassen  sind  (ep.  38,2,2;  CChr.SL  III  B,  185,44).  Die  Kriterien  für die  Verwendung  des  Begriffs „martyr"  fur noch  lebende  Christen  bei  Cyprian  und  damit die Frage  der Abgrenzung  gegenüber  dem  von  ihm  weit häufiger als  von Tertullian  gebrauchten  Terminus  „confessor" sind allerdings  sehr  umstritten.  Zumeist  ist auf  das  Erleiden  von Folter als Unterscheidungsmerkmal  hingewiesen  worden  (vgl. z.B.  Ernst,  Begriff, 331 f;  Hummel,  Concept,  14f;  Hellmanns,  Wertschätzung,  2).  Diese  Differenzierung  läßt  sich  allerdings  nicht  durchgängig  verifizieren.  Neben  einer  Zuerkennnung  des  Begriffs  „martyr"  auf  Grund  des  Kriteriums  der „tormenta,  quae martyras  consecrant"  kennt  Cyprian  u.a. auch  seine  Verwendung  als  Ausdruck  der  Bewunderung  für  die  Angeredeten,  die  auf  diese  Weise  als  „martyres  honoraire"  (Pierre  de Labriolle,  Martyr  et Confesseur,  in:  BALAC  1 ( 1911 ),  52)  geehrt  werden.  Nach  Hoppen­ brouwers,  Recherches,  102,  wird  ihr  zukünftiger  „Status"  durch  diesen  Gebrauch  antizipiert.  Prinzipiell  zu  dem  Brauch  der  Großkirche,  auch  noch  lebende  Christen  als  „martyres"  zu  bezeich­ nen,  vgl.  auch  Peter  Corssen,  Begriff  und  Wesen  des  Märtyrers  in  der  Alten  Kirche,  in: NJKA  35  (1915),  486f. 

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Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

men.  Zumindest  in  „Ad  martyras"  steht  bei  dieser  Verwendung  allerdings  die  sichere Aussicht der Angesprochenen  auf den Glaubenstod  im  Hintergrund.  Im Gegensatz zu diesem Sprachgebrauch  findet sich die Verwendung des Ter­ minus „martyr" fur noch lebende Christen in Tertullians montanistischen Schriften  ausschließlich  in polemischen  Zusammenhängen,  und zwar mit der  Zielrichtung  gegen  Inhaftierte,  die  sich  bereits  als  „Märtyrer"  verstehen  oder  als  solche  be­ zeichnet und anerkannt werden. So nennt er in „De ieiunio" einen inhaftierten Ka­ tholiken, dem er mangelnde Standhafiigkeit nachsagt, „martyr"50, in „De pudicitia"  bezieht  er  den  Terminus  auf  katholische  Christen  im  Gefängnis  sowie  in  den  Bergwerken5',  deren  Streben  nach  Teilhabe  an der  Sündenvergebungsvollmacht  von ihrer Hybris Zeugnis ablege. Tertullian  greift hier den erwähnten  Brauch der  Großkirche,  schon  Inhaftierte als  „martyres"  zu bezeichnen,  auf, um  ihn  in  iro­ nischer Weise gegen  die erwähnten  Personen  zu richten: Durch die für den Mon­ tanisten  eindeutig  in unberechtigter  Weise zugesprochene  Titulatur52 werden  die  Unzulänglichkeit  bzw.  die Hybris  der genannten  katholischen  Inhaftierten  noch  deutlicher herausgestrichen; die Versorgung der Inhaftierten, gegen die Tertullian  sich  in  dem  genannten  Zusammenhang  in  „De  ieiunio"  wendet,  wird  ebenso  diskreditiert, wie  die Übertragung  einer  Sündenvergebungsvollmacht  an  in Haft  befindliche Christen.  Ein vergleichbarer  ironisch­polemischer  Gebrauch zeigt sich auch in bezug auf  den  Begriff  „martyrium",  den  Tertullian  zweimal  aufgreift,  um  ein  in  seinen  Augen  nicht als „Martyrium" anzuerkennendes  Leiden  zu diskreditieren.  Neben  einem Beleg in dem bereits erwähnten Zusammenhang  in „De pudicitia"53  ist für  50

 De  ieiun.  12,3  (CChr.SL  II,  1271,30).  Tertullian  geht es  in diesem  Kontext  um die  seiner  Auffassung  nach  zu  verwerfende  Praxis,  die  Gefangenen  zusätzlich  mit  Nahrungsmitteln  zu  versorgen (zu dieser Frage vgl. ausführlich Kap.  5.2.1).  Katholische  Inhaftierte, die auf diese  Weise  durch -  wie  er es  ironisch  nennt -  „Garküchen"  (popinae)  in  den  Gefangnissen  versorgt  wurden,  bezeichnet  er  als  „martyres  incerti" (De  ieiun.  12,3; CChr.SL  II,  1271,28).  51   De  pud.  22,1.6.8  (CChr.SL  II,  1328,1;  1329,30.41).  52   Neben  der Äußerung in De pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,11-13; Zitat vgl. Anm. 56), der zufolge noch Lebende prinzipiell nicht „Märtyrer" sein können, wird dies auch daran deutlich, daß Tertullian den angesprochenen Katholiken gegenüber betont von „martyres tuf (De pud. 22,1; CChr.SL II; 1328,1) bzw. „vester martyr" (De ieiun. 12,3; CChr.SL II, 1271,30) spricht. Nach Claudio Micaelli, La Pudicité. Tome 1: Introduction (SCh N° 394), Paris 1993, 94, werden mit diesen Formulierungen nicht nur die katholischen von den montanistischen Märtyrern abgehoben, sondern auch die wahren von den falschen „Märtyrern": „martyres tui peut donc signifier ,ceux que tu considères comme martyrs', meme s'ils ne méritent pas ce nom." 53 In De pud. 22,2 (CChr.SL II, 1328, lOf) bezieht er „martyrium" auf Haft und Leiden ohne Todesfolge: In bezug auf katholische Christen, die sich als Inhaftierte die Sündenvergebungsvollmacht anmaßen, spricht er von den (in der Haft begangenen) „delicta post martyrium nova"; zur Tilgung dieser Sünden wäre jetzt ein „aliud martyrium", d.h. ein richtiges Martyrium, notwendig.

Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

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diese  Tendenz  vor  allem  Tertullians  Polemik  gegenüber  dem  Monarchianer  Praxeas  anzuführen. Dieser  sei  aus  Prahlerei  über  sein  „martyrium"  aufgebläht,  dabei  habe  es  sich  lediglich  um  eine  gewöhnliche  und  kurze  Inhaftierung  ge­ handelt.54  Gegenüber  dieser  ironischen  Anwendung  von  „martyr"  und  „martyrium"  auf  noch Lebende hat Tertullian  in einem  montanistischen  Traktat  unmißverständlich  herausgestellt,  daß  „martyres"  im eigentlichen  Sinn  ausschließlich  diejenigen  sein  könnten, die bereits  für den Glauben  gestorben  seien: „Quis martyr  saeculi  incola,  denariis  supplex,  medico  obnoxius  et  feneratori?"55 Konkret  geht  es ihm  hier  um  eine eindeutige  Abweisung  der Ansprüche  katholischer  Inhaftierter auf  Teilhabe  an  der  Sündenvergebungsvollmacht:  Wer  noch  in  der  Welt  lebe  und  also  immer  auch  schuldbeladen  sei",  könne  nicht  „martyr"  sein  und  also  auch  keine  Voll­ macht  zur  Sündenvergebung  für sich  reklamieren."  Insgesamt  spiegeln  die  von  Tertullian  zur  Beschreibung  christlichen  Leidens  unter  der  Verfolgung verwendeten  Begriffe deutlich  eine  Rechtssituation  wider,  in der  ein  Bekenntnis  vor den heidnischen  Magistraten  in  den  meisten  Fällen  die  Verurteilung  zum  Tode  nach  sich  zog.  Die  Vollstreckung  dieses  Urteils  bildete  dabei die Regel,  eine Entlassung  aus der Haft die Ausnahme.58 Entsprechend  steht  bei ihm bei dem  Gebrauch  aller genannten  Termini  grundsätzlich  der Gedanke  an  physisches  Leiden  und  Tod  im  Hintergrund,  wenn  letzterer  auch  v.a.  bei  der  Verwendung  von  „confessio" an manchen  Stellen  noch  zusätzlich  erwähnt  wird.  Weder zeigt  sich bei  ihm eine wirklich  eindeutige  Grenzziehung  zwischen  „con­ fessores" und  „martyres"  noch  auch  die Vorstellung  einer  „confessio",  die  nicht  letztlich Leiden  und Tod bedeutet. Ebensowenig  deutet  sich  bei  ihm der  Gedanke  einer  in  einer  anderen  Gestalt  als  in  dem  Bekenntnis  vor  den  Heiden  abgelegten  „confessio" an. In diesem  Punkt,  in dem  er sich signifikant von  seinem  „Nachfol­

54

 Adv.Prax.  1,4  (CChr.SL  Π,  1159,22f):  „(Praxeas)...  de  iactatione  martyrii  inflatus ob  solum  et  simplex  et  breve  carceris  taedium."  55

  De  pud.  22,3  (CChr.SL  II,  1328,11-13). 

56

  Vgl.  D e  pud.  22,3  (CChr.SL  II,  1328,11):  „Quis  enim  in  terris  et  in  carne  sine  culpa?" 

57

  Zu  Tertullians  Argumentation  in  De  pud.  22  vgl.  ausfuhrlich  Kap.  5.2.2. 

58

 Dies  zeigt  sich  auch daran,  daß sich in Tertullians Schriften keine Hinweise auf den Umgang mit entlassenen Bekennen) finden, z.B. in bezug auf ihre nachmalige Versorgung oder auf ein etwaiges Anrecht, dem Klerus beigesellt zu werden. In diesem Punkt zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu Cyprian, der in der Verfolgung unter Decius mit der Situation konfrontiert wurde, daß erstmals eine Vielzahl von inhaftierten Christen wieder entlassen wurde, und der entsprechend mehrfach auf die Fragen des gemeindlichen Umgangs mit diesen Bekennern zu sprechen kommt (vgl. z.B. ep. 13,7; CChr.SL III B, 78,103f; ep. 14,2,1 f; CChr.SL III B, 80,23-81,36; ep. 29; CChr.SL III B, 137f; ep. 38; CChr.SL III B, 183-185; ep. 39; CChr.SL III B, 186-192).

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Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

ger" Cyprian unterscheidet,  für den auch die Flucht in der Verfolgung  eine Form  der  „confessio" darstellt" ebenso  wie  verschiedene  andere  Aspekte  christlicher  Sittlichkeit60,  zeichnet  sich  deutlich  seine  Konzentration  auf  die  Bereitschaft  zu  dem öffentlichen Bekenntnis mit den Konsequenzen  Verurteilung und Martertod  ab;  an  keiner  Stelle  wird  ein  anderes  Verhalten  in  der  Verfolgung  oder  auch  außerhalb einer unmittelbaren Verfolgungssituation diesem Bekenntnis terminologisch angeglichen und auf diesem Wege mit einer entsprechenden Wertung versehen.61 Bereits der Blick auf seinen Sprachgebrauch deutet so an, daß sich bei Tertullian noch kein Ansatz zu einer „Ethisierung" der Bekenntnisvorstellung findet. Auch die Begriffe „martyr" und „martyrium" beziehen sich durchgängig auf das konkrete Leiden unter der Verfolgung, wobei für ihre Verwendung zumeist der Glaubenstod konstitutiv ist. Wo Tertullian diese Begriffe auf inhaftierte Christen anwendet, ist wohl zumindest von einer sicheren Aussicht auf letzteren auszugehen. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die aus seiner montanistischen Zeit stammenden Belege fur eine ironisch-polemische Aufnahme dieser Termini, denen er deutlich die nach seiner Auffassung bestehende Beschränkung des Begriffs „martyr" auf bereits für den Glauben Gestorbene gegenüberstellt. Auch in dieser Begrenzung unterscheidet Tertullian sich deutlich von Cyprian, bei dem sich eine sehr flexible Verwendung dieses Begriffs feststellen läßt. So werden neben den auf unterschiedliche Weise für den Glauben Gestorbenen auch inhaftierte oder bereits wieder in die Gemeinde zurückgekehrte Christen als

59  Vgl.  De  laps.  3  (CChr.SL  III,  222,53f):  „Ma  publica,  haec  (sc.  foga)  privata  confessio  est  ...". Tertullian  hat demgegenüber  zumindest  in „De  fuga in persecutione"  in  einer  ironischen  Frage  deutlich  den Gegensatz  zwischen  Bekenntnis  und  Flucht  herausgestellt:  „Quomodo  confitebitur  lugiens?"  (De  fuga 7,1;  CChr.SL  Π,  1144,10) Neben  Differenzen in der  theologischen  Begründung  des Martyriums  (vgl.  hierzu  Kap.  4.3.1  und  Kap.  6)  ist für diesen  Unterschied  in  der  Bewertung  der  Flucht  aber  auch  die  veränderte  rechtliche  Situation  zur  Zeit  der  Verfolgung  unter  Decius  zu  veranschlagen:  Als  ein  Bekenntnisakt  ist  die  Flucht  fur Cyprian  deshalb  zu  verstehen,  weil  jeder,  der  die zum  Opfern  gesetzte  Frist  versäumte,  sich  als Christ  bekannte  ­  unabhängig  davon,  ob  er  in der  Gemeinde  blieb  oder  aber  sie  verließ  und  floh:  „Cum  dies  negantibus  praestitutus  excessit,  quisque  professus  intra  diem  non  est,  christianum  se esse  confessus  est."  (De  laps.  3;  CChr.SL  III,  222,  49f)  60  So kann  z.B.  die  Bewahrung  der  kirchlichen  Einheit  als  „alia  confessio" bezeichnet  werden  (ep.  54,1,2;  CChr.SL  III  B,  252,9f),  die  Beschränkung  des  Redens  auf  Friedfertiges,  Gutes  und  Gerechtes  erscheint  als  Weg  des „täglichen  Bekennens  Christi":  „Nam  qui  pacifica et  bona  et  iusta  secundum  praeceptum  Christi  loquitur  Christum  cotidie  confitetur."  (ep.  13,5,2;  CChr.SL  III  B,  77,87f)  61

  Gegen  Malone,  Monk,  30,  der  Tertullians  Formulierung  von  einem  „actus  quotidianae  confessionis" in  Scorp.  9,9  (CChr.SL  II,  1086,26)  als Beleg  fur ein  bereits  bei  Tertullian  vorliegen­ des  Konzept  eines  „spirituellen  Martyriums"  anfuhrt.  Diese  Stelle  bezieht  sich  aber  nicht  auf  ein  durch  andere  Formen  christlicher  Sittlichkeit  alltäglich  abzuleistendes  Bekenntnis,  sondern  auf  den  täglich  vorkommenden  Akt  des  öffentlichen Bekenntnisses  des  Christseins  vor  den  Magistraten. 

Terminologische  Vorklärung:  „martyrium/martyr" 

123 

„martyres"  bezeichnet62,  wobei  dieser  Sprachgebrauch  zum  Teil  in  der  Aussicht  auf  den  nahen  Tod  begründet  ist,  zum  Teil  aber  auch  als  Ausdruck  der  Bewun­ derung  für die  Angeredeten  zu  verstehen  ist,  die  auf  diese  Weise  als  „martyres  honoraire""  geehrt  werden.  Wenn  die  Gelegenheit  zum  Erleiden  des  Glaubens­ todes nicht gegeben  sei, dann werde nach Cyprian  sogar derjenige, dessen  Glaube  unverletzt  geblieben  sei, von Christus  „inter martyras honoratur".64  In  vorsichtiger  Weise  zeigt  sich  hier  also  eine  beginnende  Auflösung  der  unmittelbaren  Ver­ knüpfung zwischen  dem  Begriff „martyr" und  dem  Erleiden  des  Glaubenstodes.  Tertullians  Gebrauch  der  wesentlichen  martyrologischen  Termini  weist  dem­ gegenüber  in der Tendenz  daraufhin,  daß  seine  Martyriumstheologie  wesentlich  auf  das  tatsächliche  Erleiden  des  Todes  ausgerichtet  ist.  Ihren  deutlichsten  Aus­ druck  findet  diese  Konzentration  auf  das  realiter  erlittene  Martyrium  in  der  Antwort  Tertullians  auf  die  von  seinen  gnostischen  Gegnern  in  „Scorpiace"65  übernommene Frage, ob Gott denn tatsächlich  das Blut  des Menschen,  d.h.  seinen  Martertod66,  fordere: „Sanguinem  hominis  deus  concupiscit?"67  Diese  Frage  wird  von  ihm  unter  Hinweis  auf  das  von  den  Menschen  gewünschte  Heil,  fur das  als  Ausgleich  das  Martyrium  zu  erleiden  sei,  bejaht68, wodurch  er  eine  für die  Chri­ sten bestehende Notwendigkeit  des physischen  Leidens  postuliert.  Diese an seinem  Sprachgebrauch  sich abzeichnende Tendenz  der  Martyrologie  Tertullians  soll  im  folgenden  an  Hand  der  verschiedenen  von  ihm  zur  theologi­ schen  Deutung  des  Martyriums  herangezogenen  Motive,  seiner  Begründung,  seiner Verheißung  und  seinem  Stellenwert  innerhalb  der Ethik  überprüft und  de­ tailliert  dargestellt  werden. 

62

 ep.  15  (CChr.SL  III  B,  85,2);  ep.  16,1,1  (CChr.SL  III  B,  90,6);  ep.  20,2,2  (CChr.SL  III  B, 

108,27f);  ep.  38,2,2  (CChr.SL  III B,  185,44)  u.a.  63

  Labriolle,  Martyr,  52. 

64

  Ad  Fort.  12  (CChr.SL  III,  213,46). 

65

  Zu  den  Gegnern  Tertullians  in  „Scorpiace"  und  ihrer  Argumentation  vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm. 

79.  66

  „sanguis"  wird  von  Tertullian  häufig  als  bildlicher  Ausdruck  für  „Martyrium"  verwendet 

(z.B.  Apol.  50,13;  CChr.SL  I,  171,61;  Scorp.  12,9;  CChr.SL  II,  1093,24f;  De  cor.  1,3;  CChr.SL  II,  1040,  18).  Zu  diesem  Sprachgebrauch  vgl.  Pier  Angelo  Gramaglia,  Le  Semantiche  del  Sangue  in  Tertulliano,  in:  Sangue  e  antropologia  nella  letteratura  cristiana,  Rom  1983,  956-962.  67

  Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1081,19).  In  Scorp.  1,8  (CChr.SL  Π,  1070,26f)  greift Tertullian  die 

entsprechende  Frage  seiner Gegner  auf: „An  deus  hominum  sanguinem  flagitat,  maxime  si  taurorum  et  hircorum  récusât?"  68

  Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1081,20-23):  „et  tarnen ausìm dicere, sit et homo regnum dei, si et

homo certam salutem, sit et homo secundam regenerationem. Nulla conpensatio invidiosa est in qua aut gratiae aut iniuriae communis est ratio."

Martyrium  als  Erfüllung  der  Gehorsamspflicht 

1 2 4 

4.2 Die  Begründung  des  Martyriums 

4.2.1 Das Martyrium  als Erfüllung der Gehorsamspflicht  gegenüber  dem Willen  Gottes  Tertullian hat die Christinnen  und Christen  als ein „expeditum  morti genus", ein  „zum Tod bereites Geschlecht", bezeichnet69, und mehrfach die Notwendigkeit der  Bereitschaft zu Leiden und Tod um des Glaubens willen herausgestellt.70  Bereits  am  Anfang  seines  literarischen  Wirkens  widmet  er  sich  diesem  Ziel  in  „Ad  martyras", das zum einen auf Konsolation der Inhaftierten, zum anderen aber auch  auf  Exhortation,  d.h.  auf  die  Entschärfung  der  Bereitschaft  zum  Martyrium  ausgerichtet  ist."  Gegen  die bei  den Adressaten  vermutete Angst  vor Folter  und  dem Martertod in seinen verschiedenen Ausprägungen72 verweist er auf eine Reihe  heidnischer „exempla", die belegen sollen, das schon viele Menschen lediglich um  eines irdischen Ruhmes willen vergleichbare Leiden  auf sich genommen  hätten.73  In einem rhetorischen  Schluß a minori ad maius  folgert Tertullian  aus dieser Bei­ spielreihe:  Wenn  die  Heiden  so viel  für den  irdischen  Ruhm  litten,  um  wieviel  mehr  müßten  dann  die  Christen  bereit  sein,  Entsprechendes  für den  göttlichen 

69

  De  spect.  1,4  (CChr.SL  I,  227,18). 

70

 Neben  den  im  folgenden  aufgeführten  Stellen  aus  „Ad  martyras" sowie  aus „Scorpiace" und  „De  fuga in persecutione",  die  wesentlich  der  Einschärfung  der  notwendigen  Leidensbereitschaft  gewidmet  sind,  vgl.  u.a.  De  cult.fem.  II,  13,5  (CChr.SL  I,  370,27f),  w o  Tertullian  die  Absage  an  jeglichen  Schmuck  der  Frauen  mit  der  steten  Leidensbereitschaft  begründet:  „Quare,  benedictae,  meditemur duriora,  et  non  sentiemus;  relinquamus  laetiora,  et  non  desiderabimus;  stemus expeditae ad omnem vim,  nihil  habentes  quod  relinquere  timeamus."  71

  Zu  der  Frage  des  literarischen  Charakters  von  „Ad  martyras" vgl.  Kap.  3.5,  Anm.  269. 

72

  Ad  mart.  4,2  (CChr.SL  I,  6,17-20):  „Timebit  forsitan  caro  gladium  gravem,  et  crucem  excelsam,  et rabiem  bestiarum,  et summam  ignium poenam,  et  omne  camificis  ingenium  in  tormentis."  73  Tertullian  nennt  Lukretia,  Mucius  Scaevola,  Heraklit,  Empedokles,  Peregrinus,  Dido,  die  Gattin  des  Hasdrubal,  Regulus,  Kleopatra,  die  „meretrix  Atheniensis"  und  die  „adolescentes"  von  Sparta  (Ad  mart.  4,4-7;  CChr.SL,  6,24-11).  Die  Gliederung  erfolgt  nach  in  den  in  Ad  mart.  4,2  (CChr.SL  I, 6,17-20)  aufgezählten  Todesarten  (gladius,  crux,  bestiae,  ignis  sowie  zuletzt  allgemein  die  tormenta),  für die jeweils  einzelne  Beispiele  angeführt  werden.  Zu den  hinter  diesen  Beispielen  stehenden  Traditionen  sowie  ihrer  weiteren  Aufnahme  bei  Tertullian  (vgl.  bes.  Ad  nat.  I,  18,3-5;  CChr.SL  I,  37,25-32;  Apol.  50,5-9;  CChr.SL  I,  170,21-41)  vgl.  Pétré,  L'Exemplum,  73-80. 

Martyrium  als  Erfüllung  der  Gehorsamspflicht 

125 

Lohn  zu  erleiden.14  Damit  sind  die  „martyres  designati"75  nichts  anderes  gefragt  als,  ob  ihnen  „ihr  Glaube  ebensoviel  wert  sei  wie  anderen  ihr  Ruhm  und  ihre  Ehre".76 Nach  Tertullians  Argumentation  hat  Gott  Beispiele  freiwilligen  Leidens  zu  dem  Zweck  in  der  Welt  zugelassen,  um  die Christen  einerseits  zu  ermuntern,  andererseits  aber  auch  am  Gerichtstag  zu  beschämen,  wenn  sie  nicht  um  der  Wahrheit willen  das  leiden wollten, was andere sogar  aus  Eitelkeit  ertrügen.77  Die  hier  deutlich  werdende,  selbstverständlich  vorausgesetzte  Notwendigkeit  einer  christlichen  Leidens­  und Todesbereitschaft wird  von  ihm  theologisch  mit  dem  in  der Taufe eingegangenen  Gehorsamsverhältnis  gegenüber  Gott begründet,  das den  inneren  Grund  fur die Pflicht zur Martyriumsbereitschaft darstellt:  „Vocati  sumus  ad militiam  Dei  vivi  iam tunc,  cum  in  sacramenti  verba  respondemus." 78  Während  Tertullian  aber  in  „Ad  martyras"  diese  Begründung  nicht  weiter  ausführt,  sind  zwei  seiner  späteren  Traktate  ausschließlich  der  Darstellung  von  Leidensbereitschaft und Martyrium  als Akten des Gehorsams  gegenüber  dem  Wil­ len  Gottes  und  als  konstitutiv  fur das  durch  die  Gehorsamsforderung  bestimmte  Verhältnis  der  Christen  zu Gott gewidmet:  Sowohl  „Scorpiace"  als auch  „De  fuga  in  persecutione"  stellen  das  Martyrium  als  dem  Willen  Gottes  entsprechend  und  seinem Befehl entspringend  dar. Diese Begründung  bildet  die Voraussetzung  für  die von  Tertullian  in  den  genannten  Traktaten  intendierte  Einschärfung der Notwendigkeit des Leidens  und  der absoluten Pflicht zur Martyriumsbereitschaft. In „Scorpiace" richtet  sich diese Einschärfung der Pflichtmäßigkeit des  Marty­ riums  gegen  die  Argumentation  gnostischer  Gruppierungen,  die  zum  einen  die  Notwendigkeit  eines  Bekenntnisses  vor  irdischen  Autoritäten  negierten  und  zum  anderen  den  Martertod  als  im  Widerspruch  zu  dem  Heilswillen  Gottes  stehend  und  als  Infragestellung  der  einmaligen  soteriologischen  Bedeutung  des  Todes  Christi  betrachteten.79  Die  Ausführungen  des Traktates  sollen  demgegenüber  als 

74  Tertullian  drückt dies  mit einem  Bild  aus:  „Si  tanti  vitreum,  quanti  verum  margaritum?  Quis  ergo  non  libentissime  tantum  pro  vero  habet  erogare,  quantum  alii  pro  falso?"  (Ad  mart.  4,9;  CChr.SL  I,  7,22-24)  75

  Ad  mart.  1,1  (CChr.SL  I,  3,2).  Zum  Verständnis  dieser  Bezeichnung  vgl.  Kap.  4.1.2. 

76

  Butterweck,  Martyriumssucht,  163. 

77

  Ad  mart.  5,2  (CChr.SL  I,  7,32-36). 

78   Ad  mart.  3,1  (CChr.SL  I,5,12f).  Eine  ähnliche  Aussage  findet  sich  auch  in  Ad  Scap.  1,1  (CChr.SL  II,  1127,3-5).  79

 Diese  Hauptargumente  der Gnostiker,  unter denen  Tertullian  mit Namen  Valentinus  (Scorp.  15,6;  CChr.SL  II,  1097,29)  bzw.  die  Valentinianer  (Scorp.  1,5; CChr.SL  II,  1069,8)  sowie  Prodikus  (Scorp.  15,6;  CChr.SL  II,  1097,29)  nennt,  werden  von  ihm  in  Scorp.  l , 7 f  (CChr.SL  II,  1070,18-25)  zitiert:  „Dehinc  adigunt  (sc.  Gnostici):  perire  homines  sine  causa.  Perire  enim,  et  sine  causa,  prima  fixura.  Exinde  iam  caedunt:  sed  nesciunt  simplices  animae,  quid  quomodo  scriptum  sit,  ubi  et  quando  et coram  quibus  confitendum,  nisi  quod  nec  simplicitas  ista  sed  vanitas,  immo  dementia  pro 

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Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

ein  Gegenmittel,  ein  „Antidot",  gegen  die  mit  dem  giftigen Biß des Skorpions

deo  mori,  ut  qui  me  salvum  faciat.  Sic  is  occidet,  qui  salvum  facere debebit?  Semel  Christus  pro  nobis  obiit,  semel  occisus  est,  ne  occideremur."  Zur  Rahmung  des  gesamten  Traktates  findet  sich  eine  kurze  Zusammenfassung  der  gnostischen  Thesen  auch  in dem  abschließenden  Kapitel  (Scorp.  15,6;  CChr.SL  II,  1097,28­32).  Differenziert  zu  beantworten  ist  die  Frage,  inwieweit  die  von  Tertullian  referierte  Haltung  zum  Martyrium  den  tatsächlich  in  gnostischen  Gruppierungen  ver­ tretenen  Anschauungen  entspricht.  Zum  einen  zeigt  sich  innerhalb  des  Gnostizismus  durchaus  eine  Ablehnung  des blutigen  Martyriums  oder  zumindest  einer  einseitigen  Überbewertung  des  Martyri­ ums:  So polemisiert  z.B. das  gnostische  „Testimonium  veritatis" gegen  das  Martyrium:  „Wenn  sie  (sc.  die  Kirchenchristen)  aber  ihr  (Leben  voller)  Leidenschaft  zu  Ende  bringen,  so  ist  dies  der  Gedanke,  den  sie bei  sich haben:  Wenn  wir  uns um des Namens  willen  dem  Tod  ausliefern,  werden  wir gerettet  werden.  Aber  so verhält  es  sich  nicht." (Test.ver.  34,1­7) Nach  Klaus  Koschorke,  Die  Polemik  der  Gnostiker  gegen  das  kirchliche  Christentum.  Unter  besonderer  Berücksichtigung  der  Nag­Hammadi­Traktate  „Apokalypse  des  Petrus"  (NHC  VII,3)  und  „Testimonium  veritatis"  (NHC  IX,3),  Leiden  1978,  129ff,  richtet  sich  die Polemik  dieses  Traktates  aber  nicht  grundsätzlich  gegen  jedes  Martyrium,  sondern  gegen  ein  freiwilliges  Drängen  zum  Martyrium,  das  in  der  Großkirche  zumeist  nicht  akzeptiert  wurde;  insofern könne man  „eigentlich  nur  unter  Einschränkung  sagen,  daß  das  von  TestVer  attackierte  Martyriumsverständnis  das  der  Amtskirche  ist".  (Koschorke,  Polemik,  131) Grundsätzlich  stellt die  im „Testimonium  veritatis" deutlich  werdende  gnostische  Kritik  dem  nichtigen  Wortzeugnis  der  Kirchenchristen  das  wahre  Tatzeugnis  der  Gnostiker  in  Gestalt  der  Weltentsagung  gegenüber, die allein Ausdruck  richtiger  Gotteserkenntnis  sei. (Koschorke,  Polemik,  132ff) Eine  ähnlich  ausgerichtete  gnostische  Polemik  ergibt  sich  auch  aus  der  Auseinandersetzung  des  Clemens  von  Alexandrien  mit  den  Anschauungen  Herakleons:  Dieser  habe  zwar  nicht  das  Wortbekenntnis  völlig verworfen,  daneben  aber  als eigentliches  Bekenntnis  dasjenige  mit  Werken  und  Taten  herausgestellt.  (Clem.Al.,  Strom.  IV,  71,1­72,4)  Zu  der  Haltung  Herakleons  zum  Marty­ rium  vgl.  Buonaiuti,  L'Antiscorpionico,  149f,  Koschorke,  Polemik,  133f  sowie  Dirk  van  Damme,  Gott  und  die  Märtyrer  ­  Überlegungen  zu Tertullian,  Scorpiace,  in:  FrZPhTh  27  (1980),  U l f .  Der  von  Tertullian  in  Scorp.  7,1  (CChr.SL  Π,  1081,24)  referierte gnostische  Vorwurf,  ein  Gott,  der  sich  Martyrien  gefalle lasse, sei ein  „homicida",  findet  sich im  Evangelium  des  Philippus  § 50 (zitiert  bei  Koschorke,  Polemik,  135).  Innerhalb  der  altkirchlichen  Ketzerpolemik  überliefert  auch  Irenäus  Kritik am Martyrium  seitens der Gnostiker.  Ein Zeugnis  durch das Martyrium  sei unnötig, das  wahre  Zeugnis für Christus  bestehe in der Gnosis:  „neque quidem  necessarium  esse  ... tale martyrium:  esse  enim martyrium verum sententiam eorum" (Adv.haer. IV,33,9). Neben einer solchen Verwerfung des  Martyriums  bzw.  seiner  einseitigen  Überbewertung  im  Martyriumsverständnis  der  Großkirche  (zu  dieser  Differenzierung der  gnostischen  Kritik  vgl. Koschorke,  Polemik,  134f), die die Grundlage  für  die antihäretische  Kategorie  der  „Martyriumsscheu"  bildete  (neben  Tertullians  „Scorpiace"  vgl.  zu  der  großkirchlichen  Polemik  noch  Just.,  Apol.  I, 26,7;  Iren., Adv.haer.  111,18,4f und  Tert.,  Adv.Val.  30;  De  praescr.haer.  36,5),  zeigen  sich  innerhalb  der  gnostischen  Gruppierungen  aber  auch  andere  Haltungen  gegenüber  dem  Martyrium.  So finden sich  Belege  für eine  grundsätzliche  Akzeptanz  des  Martyriums,  die  durchaus  mit  Kritik  am  großkirchlichen  Martyriumsverständnis  einhergehen  kann  (vgl. Campenhausen,  Idee,  94.109f.l  13; Koschorke,  Polemik,  134f; Clemens  Schölten,  Martyrium  und  Sophiamythos  im  Gnostizismus  (JAC.E  14), Münster  1987,  117f), ebenso  wie  für ein  Drängen  nach  dem  Martyrium  als einem  Weg  aus der  Materie  (Clem.Al.,  Strom.  IV, 17,1 ).  Martyrien  unter  Gnostikern  bezeugen  Eus.,  HE V,16,21 sowie nach Koschorke,  Polemik,  135, auch  einige  koptische  Originaltexte.  Zur  Unterschiedlichkeit  der  in  gnostischen  Schriften  zutagetretenden  Haltung  zum  Martyrium  vgl.  auch  den  Überblick  bei  Elaine  Pageis,  Versuchung  durch  Erkenntnis.  Die  gnosti­ schen  Evangelien,  Frankfurt/Main  1981,  140­148. 

Martyrium  als Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

127 

verglichene  Propaganda dieser gnostischen  Gruppen dienen80,  die  gerade  in  Zeiten  heftiger Verfolgung  auf Erfolg unter den  Christen hofften. 8 ' Um  die  Argumentation  der  von  ihm  als  „martyriorum  refragatores"82  diskreditierten  gegnerischen  Gruppen83 zu entkräften, setzt Tertullian bei dem Erweis  der Pflichtmäßigkeit und Notwendigkeit des Martyriums ein.84 Den Ausgangspunkt dieses Erweises bildet dabei für ihn die „auctoritas divina"85 als ausschließlichem Kriterium für die Notwendigkeit einer Sache ebenso wie für deren sittliche Güte.86 Daß die „gesetz-

80  Scorp.  1,12 (CChr.SL 11,1071,15­17): „Itaque tempus admonuit  adversus  nostrates  bestiolas  nostratem theriacam  stilo temperare.  Qui  legeris,  biberis"; vgl.  Scorp.  15,7 (CChr.SL II,  1097,5­8).  81  Scorp.  1,5 (CChr.SL Π, 1069,7­1070,14):  „Cum  igitur  fides  aestuat  et ecclesia  exuritur  de  figura rubi, tunc Gnostici erumpunt, tunc Valentiniani proserpunt, tunc omnes martyriorum refraga­ tores  ebulliunt  calentes  et  ipsi  offendere,  figere,  occidere.  Nam  quod  sciant  multos  simplices  ac  rudes tum infïrmos, plerosque  vero in ventum et si placuerit  Christianos,  numquam  magis  adeundos  sapiunt, quam cum aditus animae formido laxavit, praesertim cum aliqua  iam atrocitas fidem marty­ rum coronavit." Bei Tertullians Behauptung,  daß gerade die „simplices und  rudes" schwach  werden  und  der  gnostischen  Propaganda  erliegen  könnten,  handelt  es  sich  um  einen  Topos  der  Ketzer­ polemik (vgl. z.B. Iren., Adv.haer. II, 14,8), der das Wirken der Gegner zusätzlich  abwerten soll. Der  Vorwurf, auf die „simplicitas  et  imperitia"  ihrer Zuhörer  zu spekulieren,  wurde  andererseits  auch  den  Christen  durch  heidnische  Gegner  entgegengehalten  (vgl.  Porph.,  Contra  Christ.,  fragm.5 =  Hieron.,  Comm.in  Joel. 2,28ff; CChr.SL  LXXVI,  194,6660·  Daß die gegenwärtige  Situation  der  Christen durch  Verfolgung gekennzeichnet  ist, d.h. also  eine  besondere  Gefahrdungssituation  fur  die  Standfestigkeit  insbesondere  auch  gegenüber  der  beschriebenen  gegnerischen  Propaganda  darstellt,  stellt  Tertullian  zum  Ende  von  Scorp.  1 noch  einmal  explizit  heraus  (Scorp.  1,1 Of;  CChr.SL  II,  1070,10­1071,14).  82   Scorp.  1,5  (CChr.SL  II,  1069,9);  in  Scorp.  1,13  (CChr.SL  II,  1071,22)  bezeichnet  er  die  Gegner  entsprechend  als  diejenigen, „qui  martyriis  refragantur".  83  In Adv.Val.  30,1 (CChr.SL Π, 774,22)  bezeichnet  er die  Valentinianer  in ähnlicher  Weise  als  „martyrii  eludentes  necessitatem".  84  Scorp.  2,1  (CChr.SL  II,  1071,3f): „Sed  nondum  de bono  martyrii,  nisi  de  debito  primum,  nec ante de utilitate eius, quam de necessitate discendum." Nach  Butterweck,  Martyriumssucht,  54,  Anm.  347,  zeigt  dieser  Satz  Tertullians  einleitend,  daß  die  „Pflichtmäßigkeit  des  Martyriums  (debitum,  necessitas)  über  seinem  ethischen  Nutzen  (bonum,  utilitas)"  stehe,  „der  nicht  als  selb­ ständiges  Argument,  sondern  nur als  Folgeerscheinung  gewertet  werden  darf'.  85  Scorp. 2,1  (CChr.SL  Π, 1071,4­6):  „Auctoritas  divina praecedit,  an tale quid  voluerit  atque  mandaverit  deus  ...".  86  Scorp. 2,2 (CChr.SL II,  1071,8­10): „Et utique satis optimum  praeiudicabitur  quod  probabi­ tur  a  deo  constitutum  atque  praeceptum."  Zur  unbedingten  Vorordnung  der  „auctoritas  Dei"  als  Kriterium  für die Notwendigkeit  einer  Sache vor jeglichen  menschlichen  Nützlichkeitserwägungen  vgl. De paen. 4,6 (CChr.SL I,  327,26­28):  „... ad exhibitionem  obsequii  prior  est  maiestas  divinae  potestatis,  prior est auctoritas  imperantis  quam  utilitas servientis." Zum  Verständnis der  „auctoritas  Dei" innerhalb der tertullianischen  Ethik vgl. Ring, Auctoritas, 60f: Tertullian  führe die  unbedingte  Pflicht zum  Martyrium  auf den Befehl, die „auctoritas",  Gottes  zurück.  Diese  sei  dabei  grundsätz­ lich dialogisch  ausgerichtet,  als sie auf die freie Zustimmung  des  Menschen  ziele.  Für  denjenigen,  „der einmal  in freier Glaubensentscheidung  die auctoritas  Gottes angenommen"  habe,  werde  diese  aber zu einer „das Gewissen für immer bindenden Größe, der er solchen bedingungslosen  Gehorsam  schuldet,  daß  er nicht  einmal  nach  der  inneren  Gutheit  der  göttlichen  Gebote  fragen  d a r f . 

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geberische Gewalt" Gottes" und sein Wille auf das Martyrium des Menschen  aus­ gerichtet seien, belegt Tertullian mit Hilfe einer ausführlichen biblischen Exegese.  Zunächst erhebt er die auf das Martyrium zielende „voluntas Dei"88 aus dem  „Ge­ setz":  Die  Grundlage  der Forderung  Gottes nach  der menschlichen  Bereitschaft  zum  Martyrium  bilde  das  Idololatrieverbot.  Eingeschärft  werde  dieses  Verbot  durch  den  Segen,  den Gott  ftir die gehorsame Befolgung, und  den Fluch,  den er  für  die  Mißachtung  des  Verbotes  in  Aussicht  stelle.89  Die  von  Gott  gewollte  Durchsetzung  des  Idololatrieverbotes  und  die  Sanktionierung  seiner  Nichtbe­ folgung durch Strafe stellten geradezu die „martyriorum ratio", das  entscheidende  Motiv und den wesentlichen Grund für die Martyrien, dar.90 Die schwere Ahndung  einer Verletzung  des Idololatrieverbotes,  die Tertullian  ausführlich an Hand  der  Geschichte vom Goldenen Kalb und der Unterjochung Israels unter fremde Völker  auf  Grund  seines Abfalls zu Fremdgöttern  illustriert,  zeige,  daß  das  Verbrechen  der Fremdgötterverehrung  von  Gott höher als jedes  andere eingeschätzt  werde.91  So seien seine Androhungen und Strafen schon zur Zeit Israels darauf  ausgerichtet  gewesen,  die  Notwendigkeit  des  Martyriums  im  Falle  einer  Verlockung  zur  Idololatrie zu erweisen: „... locum fecerat (sc. martyriis) prohibendo  idololatrian.  Aliter  enim  martyria  non  evenirent."92  So  habe  Gott  seine  „auctoritas"  für  die  Martyrien eingesetzt, indem er sie durch das Verbot der Idololatrie erst ermöglich­ te.93  Gegenüber jeglicher  Leugnung  eines  solchen  auf  das  Martyrium  zielenden  Willens  Gottes  seitens  der  gnostischen  Gegner94  kennzeichnet  Tertullian  den  göttlichen Willen prägnant als einen solchen, der den Martyrien Raum geschaffen  habe,  sowohl  durch  seine  Vorschriften,  die  die  Idololatrie  verbieten,  als  auch 

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 So  übersetzt  van  Damme,  Gott,  116,  „auctoritas  divina". 

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  Scorp.  2,2  (CChr.SL  II,  1071,1 lf).   Daß dieses Lohn-Strafe-Schema grundlegend für die von Tertullian behauptete Verpflichtung zum Martyrium ist, zeigt sich prägnant auch in Ad Scap. 1,1 (CChr.SL II, 1127,3-7): „... ad hanc sectam, utique suscepta condicione eius pacti, venerimus, ut etiam animas nostras exauctorati in has pugnas accedamus, ea quae Deus repromittit consequi optantes, et ea quae diversae vitae comminatur pati timentes." 90 Scorp. 3,2 (CChr.SL II, 1074,3). 91 Scorp. 4,1 (CChr.SL II, 1075,13-16): „Hanc igitur si a primordio constat et prohibitam de tot tantisque praeceptis et numquam inpune commissam de tot tantisque documentis nec ullam tam superbum crimen deputari apud deum ...". 92 Scorp. 4,1 (CChr.SL II, 1076,19-21). 93 Scorp. 4,1 (CChr.SL II, 1076,21f): „Et utique auctoritatem suam praestruxerat volens ea evenire quibus locum fecerat." 94 Nach Tertullians Darstellung leugnete die gegnerische Argumentation entweder einen solchen Willen Gottes oder wandte sich gegen einen Gott, der einen solchen Willen hat (vgl. Scorp. 4,2; CChr.SL II, 1076,22-27). 89

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durch  seine  Urteile,  die  diese  bestrafen.95  Wenn  die  Konsequenz  der  Beachtung  des Idololatrieverbotes  darin bestehe,  Gewalttaten zu ertragen,  dann sei  es  selbstverständlich,  daß auch diese Folge wie das Verbot selbst dem Willen Gottes entspreche.96 Mit Hilfe militärischer Bilder stellt Tertullian abschließend den verpflichtenden Charakter dieses göttlichen Willens heraus: Die ausschließliche Bindung an Gott und die damit verbundene Absage an jede Idololatrie erscheint als „sacramentum", als „Fahneneid", unter dem der Christ kämpfe und bei dessen Verteidigung er auch getötet werden könne. Ein solcher Tod entspreche der Bestimmung Gottes fur den Christen, denn er selbst habe diesen im „sacramentum" in die Pflicht genommen.97 Der für die Christen bei dem Begriff „sacramentum" aufscheinende Gedanke an das Taufgelübde98 weist daraufhin, daß Tertullian in „Scorpiace", wie auch schon in „Ad martyras" und später in „Ad Scapulam"99, die Bereitschaft zum Martyrium als notwendige und selbstverständliche Folge der in der Taufe eingegangenen Bindung an Gott ansieht: Das in der Taufe abgelegte Gelübde bedeutet das Eingehen einer Gehorsamsbindung gegenüber Gott bis hin zur letzten Konsequenz des „pro deo mori". Nachdem Tertullian also in „Scorpiace" in einem ersten Argumentationsgang dargelegt hat, daß das Martyrium dem Willen Gottes entspricht100, will er in einem zweiten Gedankengang den gnostischen Einwand abwenden, daß der auf das Martyrium zielende Wille kein guter Wille sei.10' Hierfür betont er den unmittel95   Scorp.  4,3  (CChr.SL  Π,  1076,1­3):  „volunta(s)...,  quae  martyriis  locum  fecerit, tarn  ex  prae­ ceptis  prohibitae  semper  quam  ex  iudiciis  punitae  idololatriae."  96   Scorp.  4,3f  (CChr.SL  II,  1076,3­9):  „Si  enim  praeceptum  observando  vim  patior,  hoc  erit  quodammodo  observandi  praecepti  praeceptum,  ut id patiar  per  quod  potero  observare  praeceptum,  vim  scilicet,  quaecumque  mihi  imminet  cavenda  ab  idololatria.  Et  utique  qui  inponit  praeceptum,  extorquet  obsequium.  Non  potuit  ergo  noluisse  ea  evenire  per  quae  constabit  obsequium."  97   Scorp.  4,5  (CChr.SL  II,  1076,14­18):  „Huic  sacramento  militans  ab  hostibus  provocor  ...  Hoc  defendendo  depugno  in acie,  vulnerar,  concidor,  occidor.  Quis  hunc  militi  suo  exitum  voluit,  nisi  qui  tali  sacramento  eum  consignavit?"  98  Zu dem Verständnis von  „sacramentum" in dem  doppelten  Sinne von militärischem  Fahneneid  und  christlicher  Taufe  bei  Tertullian  vgl.  Kap.  3.1.2.  99

 Vgl.  Anm.  78.    Vgl.  die  in  Scorp.  5,1  (CChr.SL  II,  1076,19)  gegebene  Zusammenfassung  der  in  Scorp.  2­4  durchgeführten  Argumentation:  „Habes  igitur  dei  mei  voluntatem".  101  Daß die  Güte  Gottes  zentrales  Anliegen  gnostischer  Spekulation  ist,  zeigt  sich  z.B.  im  Brief  des Ptolemäus  an Flora  7,5. Gerade  im Zusammenhang  mit  dem  Leiden  der Märtyrer  stellte  sich  die  Frage  der  Güte  Gottes  in besonderer  Weise;  während  Tertullian  bemüht  ist, auch  die  Verfolgungen  und  Martyrien  als  Ausfluß  göttlicher  Güte  und  seines  Heilswillens  zu  erweisen,  kann  z.B.  nach  Clemens  von Alexandrien  die Verfolgung nicht als etwas Gutes  angesehen  werden.  Wenn  Gott  Ver­ folgungen voraussage,  so seien dies keine  Willenskundgebungen  (so versteht es Tertullian),  sondern  lediglich  Mitteilungen,  die  der  Ermunterung  zur  Standhaftigkeit  dienten.  Die  irdischen  Verfolger  trügen  die  Verantwortung  für  ihr  Handeln  selbst,  Gott  hingegen  sei  für das  Leiden  nicht  verant­ 100

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Martyrium  als Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

baren  Zusammenhang  zwischen  der  „Gottheit"  Gottes  und  der  „Güte"  seines  Willens: Wer Gottes Willen fur schlecht halte, negiere  damit sein Gott-Sein.  Wer  letzteres aber nicht tue, müsse zwangsläufig die Güte des Willens Gottes anerkennen. Diese Prämisse will Tertullian an Hand der „bonitas" des von Gott gewollten  Martyriums untermauern.102  So stellt er die These auf, daß das Martyrium in den Augen des Gottes, der die Idololatrie verbiete und bestrafe, etwas Gutes darstelle'03, und verweist dazu auf den unversöhnlichen Gegensatz zwischen Martyrium und Götzendienst. Da das Martyrium von der von Gott verbotenen, also negativ qualifizierten Idololatrie befreie, müsse es zwangsläufig etwas Gutes sein104, gemäß der grundsätzlichen Überlegung: „Quod a malo libérât, quis non bonum pronuntiabit?"105 Das Martyrium entspricht also nach Tertullians Darstellung nicht nur grundsätzlich dem Willen Gottes, sondern stellt, weil der göttliche Wille prinzipiell nicht auf etwas Böses zielen könne106, auch ein Gut fur den Menschen dar.

wortlich,  er  verhindere  es nur  nicht  (vgl.  Strom.  IV,  86,2­87,2).  Die  von  Clemens  aufgewiesene  Aporie, daß die Sicht der Verfolgung als Gottes Willen entsprechend  eine Schuld­ und Straflosigkeit  der irdischen Verfolger bedeuten müsse, wird von Tertullian nicht aufgelöst. Zu diesem Problem vgl.  auch Quacquarelli,  persecuzione,  580f, der betont, daß die heidnischen  Gegner trotz der  göttlichen  Urheberschaft  der  Verfolgung  bei  Tertullian  unentschuldigt  blieben:  „Se  le  persecuzioni  sono  permesse da Dio, l'Impero è uno strumento necessario ai disegni  imperscrutablili  della  Provvidenza  ... Ciò non toglie che il male sia il male, e che la colpa esista nei persecutori." Im Zusammenhang der  Frage nach der Güte des göttlichen  Willens verweist Tertullian  auch auf den  gnostischen  Einwand,  daß  der  von  ihm  gemeinte  Gott,  der  das  Martyrium  wünsche,  nicht  der  „gute  Gott",  sondern  der  Demiurg  sei.  Diesen  Einwand  widerlegt  er hier  aber  nicht  gesondert,  sondern  verweist  auf  seine  Auseinandersetzung  mit den Marcioniten  in  „Adversus  Marcionem"  (vgl.  Scorp.  5,1 ; CChr.SL  II,  1076,2 lf).  102  Vgl.  Scorp.  5,2f (CChr.SL  II,  1077,23­1).  103  Scorp.  5,3 (CChr.SL  II,  1077,lf): „Bonum contendo martyrium  apud  eundem  deum,  a  quo  et prohibetur  et  punitur  idololatria."  104  Scorp.  5,3f (CChr.SL Π, 1077,2­8): „Obnititur  enim  et adversatur  idololatriae  martyrium.  Malo  autem  obniti  et  adversari  nisi  bonum  non  potest. Non  quasi  negem  esse aemulationem  tarn  malorum  inter  se  quam  et  bonorum,  sed  alia  condicio  est  huius  tituli.  Martyrium  enim  non  de  communi  aliqua  militia  certat cum  idololatria,  sed  de sua  gratia;  libérât  enim  ab  idololatria."  105  Scorp.  5,4 (CChr.SL  II,  1077,8).  106  Scorp.  5,2 (CChr.SL  II,  1077,26f): „Bona igitur erit et voluntas  eius (sc.dei) qui  nisi  bonus  non  erit  deus".  Dieselbe  Prämisse,  daß  in  dem  Willen  Gottes  grundsätzlich  nichts  Böses  liegen  könne, drückt Tertullian  auch noch anderweitig aus: „Item  dicentes:  fiat  voluntas  tua,  vel  eo  nobis  bene optamus,  quod  nihil mali  sit in Dei volúntate,  etiam  si quid pro meritis cuiusque secus  inroga­ tur" (De  or. 4,4; CChr.SL  II, 260,20­22; vgl.  auch  De paen.  4,5; CChr.SL  I, 327,23f) 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

131 

Nach  einem  Einschub über das  „bonum" des Martyriums,  über  dessen  Bedeutung  für den Heilsstand  des Menschen107,  kehrt Tertullian zu  seiner  Ausgangsthese  von  der Gottgewolltheit  des Martyriums zurück.108 Diese  illustriert  er an Hand  des  umfangreichsten Kataloges  christlicher  exempla  innerhalb  seines  Gesamtwerkes.  Zunächst erweist  er an Hand alttestamentlicher  Beispiele,  daß seit dem Beginn der Welt die Gerechten und zu Gott Gehörigen Gewalt erlitten hätten und auf Grund ihrer Beachtung des göttlichen Idololatrieverbotes bedrängt worden seien.109 Zusammenfassend bezeichnet Tertullian die genannten Beispiele als „exempla" für die seit Anbeginn bestehende Verpflichtung des Glaubens zum Martyrium.110 Entgegen der in gnostischen Kreisen vertretenen Vorstellung, daß sich im Neuen Testament ein abweichender Wille Gottes offenbare"1, erweist er anschließend die Einheitlichkeit des auf das Martyrium zielenden Willens Gottes in beiden Bünden."2 Für alle diejenigen, die als „hereditari et discipuli apostolorum""3 zum Herrn gehörten, stelle die Verfolgung ein notwendiges und zwangsläufiges Schicksal dar, innerhalb derer ihnen die Bekenntnispflicht auferlegt sei."4 Gegenüber einer gnostischen These, der zufolge dieses Bekenntnis erst vor himmlischen

107  Nach  Barnes,  Scorpiace,  108,  können  in  „Scorpiace"  zwei  Argumentationslinien  unter­ schieden  werden:  „proof  of the  necessity  of  martyrdom  (2­4;  8,1­15,6),  and  proof  of  its  goodness  (5­7)".  Zu  der  in  Scorp.  5­7 explizierten  Bedeutung  des  Martyriums  fur den  Heilsstand  des  Men­ schen  vgl.  ausfuhrlich  Kap.  4.5.1.  108   Scorp.  8,1  (CChr.SL  II,  1081,11­15):  „Unum  igitur  gradum  insistimus  et  in  hoc  solum  provocamus,  an  praecepta  sint  a deo  martyria,  ut credas  ratione  praecepta,  si  praecepta  cognoveris,  quia  nihil  deus  non  ratione  praeceperit."  109   Scorp.  8,2­7  (CChr.SL  II,  1082,25­1083,2).  Zu  den  angeführten  exempla  vgl.  Pétré,  L'Exemplum,  97,  sowie  Kap.  3.3.1.  110   Scorp.  8,8  (CChr.SL  II,  1084,8f): „Talia  a  primordio  et  praecepta  et  exempla  debitricem  martyrii  fidem  ostendunt."  111  Tertullian  nimmt  diesen  Gedanken  in  ironischer  Weise  auf:  „Plane,  alia  in  Christo  et  divi­ nitas  et  voluntas  et  schola,  qui  martyria  aut  nulla  in  totum  aut  aliter  intellegenda  mandavit,  qui  neminem  ad huiusmodi  discrimen  hortetur, qui  pro eo  passis  nihil  repromittat,  quia  pati  eos  nolit..."  (Scorp.  9,1;  CChr.SL  II,  1084,13­17).  Zur  Betonung  der  teilweisen  Unterschiedlichkeit  zwischen  dem  im  „Gesetz"  geoffenbarten  Willen  Gottes  und  dem  von  Christus  verkündigten  innerhalb  gnostischer  Kreise  vgl.  z.B.  den  Brief  des  Ptolemäus  an  Flora  6,1 ­6.  112   Brandt,  Ethik,  84,  spricht  in  bezug  das  Verhältnis  von  Altem  und  Neuem  Testament  bei  Tertullian  von  der „mehr als formalen Gleichheit  im gebietenden  Gotteswillen"  in beiden  Testamen­ ten.  Die grundsätzliche  Zusammengehörigkeit  beider Testamente  hat Tertullian  in der  Auseinander­ setzung  mit  Marcion  herausgestellt  (Adv.Marc.  1,19­21;  CChr.SL  1, 459,1­463,17;  vgl.  auch  De  praescr.haer.  36,5;  CChr.SL  1,217,17f:  „...  legem  et prophetas  cum  evangelicis  et apostolicis  litteris  miscet  (sc.  ecclesia)...").  Das  Neue  Testament  vollende  und  überschreite  aber  das  Alte,  die  im  Neuen  Testament  geoffenbarte „nova  lex"  sei  gegenüber  dem  Gesetz  des  Alten  Testamentes  „am­ pliata  et  suppleta"  (De  or.  22,8;  CChr.SL  I,  270,58f)·  113   Vgl.  Scorp.  9,3  (CChr.SL  II,  1084,lf).  114

  Scorp.  9,8­13  (CChr.SL  II,  1085,11­1087,28). 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

132 

Autoritäten  abzulegen  sei"5, betont Tertullian  ausdrücklich  die Bindung  des Be­ kenntnisses an die irdischen Gegebenheiten der Verfolgung."6 Nur hier liege nach  göttlicher Anordnung117 der Ort der Entscheidung, ob ein Christ seiner Bekenntnis­ pflicht  gerecht  werde  und  in  seinem  Bekenntnis  bis  zum  Martertod  ausharre"8  oder aber ableugne.119 Gehorsam gegenüber Gott bedeutet also auch die Akzeptanz  der Bekenntnissituation auf Erden mit der Konsequenz des Glaubenstodes und die  Absage an jede Verlagerung des Bekenntnisses in die postmortale  Sphäre mit der  damit einhergehenden  Relativierung der Bekenntnispflicht.  Das  alttestamentliche  Idololatrieverbot,  die  dort  überlieferte Ahndung  seiner  Übertretung und die Herrenworte zur Bekenntnispflicht des Christen, deren  Lite­ ralsinn  Tertullian  gegen jede  allegorische  Umdeutung  der  in  ihnen  enthaltenen  Forderung betont120, dienen  ihm ebenso wie die anschließend  angeführten Beleg­ stellen  aus  den  neutestamentlichen  Briefen und  der  Johannes­Apokalypse121  zur  biblischen Fundierung seiner Gehorsamsforderung gegenüber dem auf das Marty­ rium zielenden  Willen Gottes. Nicht nur die Lehren,  sondern  auch das Leben  der  Apostel  belegten  die  Notwendigkeit  des  Leidens  für  den  Glauben.122  Sie  seien  überzeugt gewesen, daß ihre Leiden der „voluntas  dei"  entsprächen.123  Durchgängig  zeigt  sich in Tertullians Darlegungen,  daß  der Wille Gottes  das  entscheidende Kriterium  für die Notwendigkeit  ebenso wie für die Zweckhaftig­ keit des Martyriums darstellt. Auf der „voluntas Dei" ­  der zentralen Kategorie in 

115

 Vgl.  Scorp.  10,1  (CChr.SL  II,  1087,29-31). 

116

 Als  Mittel  hierzu dient Tertullian  der Erweis  der Absurdität  der gnostischen  Behauptung:  Wenn das Bekenntnis  erst  im Himmel  abzulegen  wäre, müßten auch alle Umstände der Verfolgungen - die heidnische Menge, die römischen Magistrate, Gefängnisse und Folterinstrumente - , die auf Erden zu dem Bekenntnis nötigten, in den Himmel verlegt werden. Da dies alles nicht im Himmel, sondern auf Erden vorkomme, schlußfolgert Tertullian (Scorp. 10,15;CChr.SLII, 1089,911): „Igitur si cetera (sc. die beschriebenen Umstände der Verfolgungen) hic, nec confessio alibi; si confessio alibi, nec cetera hic. Enimvero non alibi cetera, itaque nec confessio in caelo." Zu weiteren Elementen dieser reductio ad absurdum vgl. Barnes, Tertullian, 175. 117 Scorp. 10,16 (CChr.SL II, 1090,18-20): „Hic omnem ordinem sustinemus ipso domino non aliam regionem mundi destinante." 118

Scorp. 10,17 (CChr.SL II, 1090,3f): „... illic constituât etiam confessionem, quae in finem sustinendo passura est mortem." 119 Scorp. 10,14 (CChr.SL II, 1089,6-9): „Porro et odium nominis hic erit et persecutio hic erumpit et traditio hic producit et interrogatio hic compellit et carnificina hic desaevit; at totum hunc ordinem in terris confessio vel negatio expungit." 120 Vgl. Scorp. 11 (CChr.SL II, 1090,5-1092,4). 121 122 123

Vgl. Scorp. 12-14 (CChr.SL II, 1092,5-1096,25). Vgl. Scorp. 15,4 (CChr.SL II, 1097,17f).

Scorp. 15,5 (CChr.SL II, 1097,25f): „..· fidentes (sc. apostoli) scilicet passiones ad dei voluntatem pertinere."

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

133 

Tertullians  Darlegungen  in  „Scorpiace"124  -  allein  beruht  für  ihn  die  Pflicht  zur  Martyriumsbereitschaft.  Die  Antwort des Menschen  auf diesen  göttlichen  Willen,  der, indem  er auf das Heil  des  Menschen  ausgerichtet  sei,  mehr  aus Gottes  Güte,  denn aus seiner Strenge entspringe,  kann für ihn nur im Gehorsam bestehen.  Diese  in „Scorpiace" ausgeführte Begründung  des Martyriums als eines Aktes  notwendigen Gehorsams  gegenüber  dem geoffenbarten Willen  Gottes entspricht  der grundsätzlichen  Fundierung  der tertullianischen  Ethik  auf  der Verpflichtung  des  Christen zur gehorsamen  Erfüllung des  göttlichen  Willens125,  wobei  für diese  Grundlegung  wohl  nicht  zuletzt  seine  Verwurzelung  in römischen  Vorstellungen  zu  veranschlagen  ist,  denen  zufolge  religio  primär als  Gehorsamsverpflichtung  gegenüber Gott zu verstehen  ist.126 Die  auf das Martyrium  zielende  Gehorsamsforderung 

124  S c orp.  2,2  (CChr.SL  II,  1071,11);  Scorp.  4,2  (CChr.SL  II,  1076,22.24.25.26);  Scorp.  4,3  (CChr.SL  II,  1076,1); Scorp.  5,1  (CChr.SL  II,  1076,19f); Scorp.  5,2 (CChr.SL  II,  1077,26);  Scorp.  9,1  (CChr.SL  II,  1084,14);  Scorp.  15,5  (CChr.SL  II,  1097,26).  125  Der  Wille Gottes  ist nach  Tertullian  geoffenbart worden,  um  von  den  Menschen  befolgt zu  werden  (De exhort.cast.  2,5;  CChr.SL  II,  1017,33f).  Diese  sind  Gott  Gehorsam  schuldig  (vgl.  De  pat. 4,5; CChr.SL  I, 302,20f).  Die Erfüllung dieser  Gehorsamspflicht,  die  Befolgung  des  Willens  Gottes,  bedeutet  für die  Menschen  die  Vermeidung  göttlicher  Strafe und  die  Belohnung  durch  Gott  (De pat. 4,2;  CChr.SL  I, 302,7­10).  Das  Wesen  des Gehorsams  besteht  letztlich  darin,  den  eigenen,  von Tertullian  als  frei  verstandenen  (vgl. De  exhort.cast.  2,3;  CChr.SL  II,  1017,20f:  „...  in  nobis  est  voluntas  et arbitrium  eligendi...")  Willen  in  Übereinstimmung  zu  bringen  mit  dem  Willen  Gottes:  „obsequi  enim  ratio  in  similitudine  animorum  constituta  est"  (De  paen.  4,4;  CChr.SL  I,  327,19f).  Die zentrale Bedeutung  des Gehorsams gegenüber dem  Willen  Gottes fur Tertullians  Ethik  ist in der  Literatur  vielfach  herausgestellt  worden.  Vgl.  z.B.  Michel  Spanneut,  Tertullien  et  les  premiers  moralistes  africains, Paris  (1969),  5: „Cependant  il est  également  certain  que  l'homme  ... est...  le  sujet de Dieu et que sa morale est souvent soumission  dans  la crainte. Dieu est pur lui (se.  Tertullien)  essentiellement  créateur,  législateur et juge.  L'homme  est relié à Dieu  par des  lois dont  l'observance  mérite récompense  et dont  le mépris entraine  un châtiment  éternel.  La volonté  de  Dieu  occupe  dans  l'œuvre une place considerable." Die Erfüllung des Willens Gottes als wesentliche Motivation  seiner  gesamten  Theologie  betont  auch  Bray,  Holiness,  62: „Tertullian's  real  interest  was  ...  in  sanctifica­ tion and discipline  ... Above  all else  he was concerned  to do the  will  of God  in the  light of  scripture,  and  as he  says  elsewhere,  the  will  of God  is our  sanctification  (De  exhort.cast.  1,3)."  Umstritten  ist  in der Literatur  aber die Frage, ob die Betonung der Gehorsamsforderung bedeutet, daß  in bezug  auf  Tertullian  von  einer  legalistischen  Ethik  mit  einem  streng  kompensatorischen  Denken  zu  sprechen  ist,  in  der  die  menschliche  Leistung  die  entscheidende  Voraussetzung  fur  einen  Anspruch  auf  entsprechenden  Verdienst  bei  Gott  darstelle.  Während  eine  solche  Interpretation  in  der  älteren  Forschung  unwidersprochen  vorherrschte (vgl. z.B.  Roberts,  Theology,  207f.223­226;  Beck,  Recht,  20f; für einige  Hinweise  auf entsprechende  Deutungen  bei  Harnack  und  Nygren  vgl.  E.  Langstadt,  Some Observations  on  Tertullian's  Legalism,  in: StPatr  6 (1962),  122f), finden sich  in der jüngeren  Literatur auch  kritische  Stimmen  gegenüber  einem  solchen  Verständnis.  Zu der von  Hallonsten,  Sa­ tisfactio, passsim;  Gooch,  Concept,  passim  vertretenen  Kritik  vgl.  Kap.  1.  126

 Die  Verbindung  zwischen  römischen  Religions­  und  Gottesvorstellungen  und  strukturell  ähnlichen  Vorstellungen  in  der  westlichen  lateinischen  Theologie,  insbesondere  bei  Laktanz,  hat  herausgestellt  Wlosok,  Religions­  und  Gottesbegriff,  30­34;  die  dort  in  bezug  auf  Laktanz  ge­ troffenen Feststellungen  sind  m.E.  im  Grundsatz  auch  für Tertullian  zutreffend. 

Martyrium  als  Erfüllung  der  Gehorsamspflicht 

1 3 4 

Gottes  ist  in  diesem  Traktat  allerdings  in  einzigartiger  Nachdrücklichkeit  und  Rigorosität  herausgestellt  worden.  So heißt es, daß Gott „zu sterben befehle" (mori praecipit)127, daß er nach dem Blut der Menschen „verlange" (sanguinem concupiscit)128 und „dürste" (sanguinem sitiat)129, wobei diese krassen Formulierungen durch die von ihm anvisierten Argumente der gnostischen Gegner bedingt sind. Um die bei diesen vertretene Ablehnung der Notwendigkeit des Martyriums zu bekämpfen, greift Tertullian zu dem Mittel, ihre Polemik aufzunehmen und in ihrer ganzen Schroffheit fur seine eigene Auffassung dienstbar zu machen: Wenn die betreffenden Gnostiker fragen, ob Gott denn tatsächlich das Blut der Menschen „fordere" (sanguinem flagitat)130, dann bejaht er diese Frage, nachdem er den entsprechenden Gotteswillen zunächst aus dem Alten Bund erhoben und den für das „Blut" in Aussicht stehenden Ruhm dargestellt hat. Wenn die Gegner so weit gehen, Gott einen „Menschenmörder" zu nennen13', ihn der „Härte" und „Grausamkeit" zu zeihen132, dann entwindet Tertullian ihnen diese blasphemischen Vorwürfe133 und erweist unter antignostisch ausgerichtetem Rückgriff auf die Tradition der „sophia"134 die göttliche „Weisheit" (sapientia) und „Vernunft" (ratio) hinter der Forderung Gottes nach dem Martyrium. Diese bestehe darin, daß

127   Scorp.  5,12  (CChr.SL  II,  1078,26f):  „Ita,  et  cum  mori  praecipit  medicus  ille  (=  deus),  veternum  mortis  excludit."  Vgl.  Scorp.  8,1  (CChr.SL  II,  1082,12­15):  „Unum  igitur  gradum  insistimus  et  in  hoc  solum  provocamus,  an  praecepta  sint a deo  martyria,  ut credas  ratione  praecepta,  si  praecepta  cognoveris,  quia  nihil  deus  non  ratione  praeceperit."  128

 Scorp.  6,6  (CChr.SL  II,  1081,19f):  „Sanguinem  hominis  deus  concupiscit?  et  tarnen  ausim  dicere...".  129  Scorp.  15,6  (CChr.SL  Π,  1097,28­31):  „Quodsi  iam  tunc  Prodicus  aut  Valentinus  adsisteret  suggerens  non  in terris  esse  confitendum  apud  homines,  minus  vereor ne  deus  humanum  sanguinem  sitiat..."  130   Scorp.  1,8  (CChr.SL  II,  1070,26f):  „An  deus  hominum  sanguinem  flagitat,  maxime  si  taurorum  et  hircorum  récusât?"  131

 Scorp.  7,1  (CChr.SL  II,  1081,24):  „Incutiat  adhuc  scorpius  homicidam  deum  ventilans  ...". 

132

 Scorp.  6,11  (CChr.SL  II,  1081,18f):  „Haec  tu  remedia, Consilia,  iudicia,  spectacula  etiam  dei  atrocitatem  vocabis?"  Vgl.  Scorp.  5,10  (CChr.SL  II,  1078,11):  „...  quod  saevitiam  existimas  ...";  Scorp.  7,5  (CChr.SL  II,  1082,25f):  „Crudelem  deum,  qui  non  intellegit,  credit."  133

  Die  Bezeichnung  Gottes  als  eines  „Menschenmörders"  seitens  der  Gnostiker  bezeichnet  Tertullian  als  „spurcus  blasphemiae  flatus  de  haeretico  ore  foetens"  (Scorp.  7,1;  CChr.SL  II,  1081,25f)·  134

  Tertullian  verknüpft  in  Scorp.  7,1  (CChr.SL  II,  1081,27f)  Gott  und  die  „sophia"  un­ mittelbar:  Gott  redet  in  der  Person  seiner  „sophia"  („...  pronuntiavit  ex  sophiae  suae  persona  ...").  Die  Valentinianer  gehen  hingegen  von  einem  präexistenten  Fall  der  „sophia"  aus,  der  für  die  Entstehung  der  von  Gott  getrennten  Welt  mitverantwortlich  ist.  Vgl.  Butterweck,  Martyriumssucht,  56. 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

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er töte,  damit  der  Getötete  nicht  „sterbe"135,  d.h.  im  geistlichen  Sinne  das  Leben  verliere.  Die  singulare  Schroffheit in der Einschärfung der auf das  Martyrium  zielenden  göttlichen  Forderung,  mithin  seiner Notwendigkeit  und Pflichtmäßigkeit, in „Scorpiace" entspricht also quasi „spiegelbildlich" der nach Tertullians Darstellung fundamentalen Infragestellung eines solchen Willens Gottes bei den gnostischen Gegnern.136 Um seine Adressaten mit einem ausreichenden „Gegengift" gegen die beschriebene gnostische Position zu versehen, läßt er sich durch deren Argumente zu größter Rigorosität in Inhalt und Ausdruck treiben. Eine solche Beeinflussung der eigenen Argumentation durch Sprache und Argumentation der jeweiligen gegnerischen Position zeigt sich auch anderweitig in Tertullians Schriften.137 Antignostisch ausgerichtet ist auch die in „Scorpiace" ebenfalls deutlich werdende Betonung der Leiblichkeit und Realität des Leidens der Märtyrerinnen und Märtyrer138, die er auch anderweitig unterstrichen hat.139 Diese ist im Zu-

135   Scorp.  7 , l f  (CChr.SL  II,  1081,26­4):  „...  sed  et  talem  deum  (sc.  homicidam)  de  fiducia  rationis  amplectar,  qua  ratione  etiam  ipse  se  plus  quam  homicidam  pronuntiavit  ex  sophiae  suae  persona,  voce  Solomonis.  „Sophia",  inquit,  „iugulavit  filios  suos."  Sophia  sapientia  est.  Sapienter  utique  iugulavit,  dum  in  vitam,  et rationaliter,  dum  in  gloriam.  O  parricidum  ingenium!  O  sceleris  artificium! O  argumentum  crudelitatis,  quae  idcirco  occidit,  ne  moriatur  quem  occiderit!"  Den  von  Tertullian  hier  gebotenen  Beleg  für  das  „Schlachten"  der  Söhne  durch  die  „Weisheit"  bietet  die  Bibel  allerdings  nicht;  vermutlich  bezieht  er  sich  hier  irrtümlich  auf Prov  9,2,  wo  von  dem  Schlach­ ten des  Viehs durch  die personifizierte  Weisheit die Rede  ist. Dies  legt auch  die von  ihm als  Folgezi­ tat  angeführte,  an  Prov  1,20  angelehnte  Stelle  nahe,  die  Ähnlichkeiten  mit  dem  auf  Prov  9,2  folgenden  Vers  aufweist. Barnes,  Tertullian,  174,  Anm.  5, verweist  auf JesSir  4,11  („Die  Weisheit  erzieht  ihre  Söhne")  als  Grundlage  des  tertullianischen  Zitates.  Möglicherweise  hat  Tertullian  Prov  9,2 und JesSir 4,11  im Gedächtnis  zu seiner  Fassung kompiliert.  Jakob  Speigl,  Tertullian  als  Exeget,  in: Stimuli.  Exegese  und  ihre Hermeneutik  in Antike  und  Christentum.  FS  Ernst  Dassmann,  (JAC.E  23),  Münster  1996,  161,  stellt  heraus,  daß  Tertullian  häufig aus  dem  Gedächtnis  zitiert.  136   Mehrfach  ist  in  der  Forschung  auch  die  These  vertreten  worden,  daß  die  Betonung  der  Notwendigkeit  des  Martyriums  und  der  Forderung  Gottes  nach  dem  Blut  der  Märtyrer  im  Zusammenhang  zu  sehen  sei  mit  der  heidnischen  afrikanischen  Religiosität  der  Punier  und  Berber,  insbesondere  dem  Satumkult  (vgl. Frend, Martyrdom,  362; Groh,  Community,  14; grundsätzlich  die  Beziehungen  zwischen  Tertullians  Denken  und  punisch­berberischen  Vorstellungen  stellt  heraus  Braun,  Origines,  6.14­20).  Hierbei  ist vor  allem  auf das  stark  sühnende  Moment  und  die  Opfervor­ stellungen  in  diesem  Kult  aufmerksam  gemacht  worden  (vgl.  Gramaglia,  Ai  martiri,  133f);  dem­ gegenüber  ist aber  auffällig, daß  Tertullian  ­  im  Unterschied  zu  Ignatius,  dem  „Martyrium  Polycar­ pi" und  auch  Cyprian  ­  das Martyrium  nicht  mit einem  Opferterminus (hostia,  victima,  sacrificium)  bezeichnet  (mit  Ausnahme  der  Stellen, wo  diese  Begriffe in  biblischen  Zitaten  auftauchen; so  zitiert  er  in  Scorp.  13,9f  (CChr.SL  II,  1095,13­15.18­21)  Phil  2,17  und  2.Tim  4,6­8).  137  Vgl.  Rankin,  Tertullian,  43:  „...  Tertullian  deliberately  employs  the  language  of  his  imme­ diate  opponents  in  each  of  the  various  controversies  in  which  he  becomes  engaged."  138  So  illustriert  z.B.  der  in  Scorp.  5,6­12  (CChr.SL  II,  1077,15­1078,27)  durchgeführte  Deus­ Medicus­Vergleich  die Schmerzhaftigkeit vieler Heilmittel, die aber  letztlich der Gesundung  dienten.  Der  Vergleichspunkt  ist das  (ebenfalls schmerzhafte)  Martyrium,  durch  das  Gott  den  Christen  das 

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Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

sammenhang  mit  seiner  grundsätzlichen  Auseinandersetzung  mit  den  innerhalb  gnostischer  Gruppierungen  -  auch bei  den von  ihm in „Scorpiace"  in den  Blick  genommenen Valentinianem -  vertretenen dualistischen  Vorstellungen  zu sehen,  die, wenn auch in unterschiedlicher  Weise,  die tatsächliche Fleischwerdung  Jesu  Christi ablehnen.140 Für Tertullian ist diese  aber notwendig  zur Ermöglichung der  Erlösung  der Menschen:  Gott habe,  so betont  er in „Adversus  Marcionem",  den  Sohn  in das „Fleisch  der Sünde" geschickt,  damit dieser  das sündige  Fleisch  der  Menschen  „simili  substantia"  erlöse.'41  Doketische  Vorstellungen  hingegen,  die  das  Kommen  Christi  in das „Fleisch" negierten142,  bedeuteten  die Leugnung  des  realen  Leidens  Christi  und  damit  auch  der  Erlösung  der  Menschen.143  Die  in 

Heil  verschaffe: „Licebit  et  deo  in  vitam  aeternam  per  ignes  et  gladios  et  acerba  quaeque  curare."  (Scorp.  5,8;  CChr.SL  II,  1078,25f)  139   Nachdrücklich  hat  Tertullian  die  Leiblichkeit  des  Leidens  u.a.  auch  in  De  res.earn.  8,5  (CChr.SL  II,  931,19­932,27)  herausgestellt,  wo  es  ihm  um  den  Erweis  geht,  daß  das  „Fleisch"  (caro)  notwendig  für  die  Erlösung  sei.  Nachdem  er  dort  die  Rolle  des  „Fleisches"  bei  der  Taufe,  Salbung,  dem Empfang des Kreuzeszeichens,  der Eucharistie und  dem  Ausüben  christlicher  Sittlich­ keit beschrieben  hat,  verweist  er zum  Höhepunkt  seiner Argumentation  auf die essentielle  Rolle  der  „caro" beim  Erleiden  von  Anfeindungen,  Haft, Folter  und  Tod  um  des  Glaubens  willen.  Vgl.  auch  Adv.Marc.  I,  24,4  (CChr.SL  I, 467,28):  „...  et  caro  in  confessione  nominis  desaevitur."  Daß  die  „caro"  leidet,  ist aber  auch  außerhalb  der  direkten  antignostischen  Argumentation  für ihn  selbstver­ ständliche  Denkvoraussetzung.  Vgl.  z.B.  De  pat.  13,6 (CChr.SL  I,  314,21­23):  „Carnis  patientia  in  persecutione denique  proeliatur.  Si fuga urgeat,  incommoda  fìigae caro  militât";  vgl.  De cult.fem. Π,  3,3  (CChr.SL  I,  356,21f).  140  Vgl.  De  res.cam.  2,3 (CChr.SL  II, 922,1­15):  „Ideoque  et  Christum  aliter  disponere  coacti,  ne  creatoris  habeatur,  in  ipsa  prius  carne  eius  erraverunt,  aut  nullius  veritatis  contendentes  earn  secundum  Marcionem  et Basiliden  aut  propriae  qualitatis  secundum  heredes  Valentini  et  Apellen."  141  Adv.Marc.  V,  14,1  (CChr.SL  I, 705,18­20):  „Ob  hoc  igitur  missum  filium  in  similitudinem  carnis  peccati,  ut  peccati  carnem  simili  substantia  redimeret..."  Zur  Betonung  des  realen  Leidens  Christi  vgl.  auch  Adv.Prax.  29,2  (CChr.SL  II,  1202,1 lf);  De  carne  Chr.  5  (CChr.SL  II,  880,1­ 883,71).  Zur  Bedeutung  der  Realität  der  Menschwerdung  für die  Erlösung  vgl.  Basil  Studer/Brian  Daley,  Soteriologie.  In  der  Schrift  und  Patristik  (HDG  III/2a),  Freiburg/Basel/Wien  1978,  83:  „In  der Sicht auf den Erlösungstod  Christi  sucht er (sc. Tertullian)  die Wirklichkeit der  Menschwerdung  nach  allen  Seiten  abzusichern.  Christus  mußte  geboren  sein,  um  sterben  zu  können.  Darum  sind  in  ihm  auch  zwei  substantiae  zu  unterscheiden,  eine  göttliche  und  eine  menschliche,  und  darf  das  Leiden  nur  der  caro  zugewiesen  werden."  142   In  Adv.Marc.  III,  8,1  (CChr.SL  I,  518,25)  spricht  er  von  den  Marcioniten,  „negantes  Christum  in  carne  venisse".  Sie  sähen  Christus  als  „phantasma"  (Adv.Marc.  III,  8,5;  CChr.SL  I,  519,22).  143   Daß  die  Konsequenz  der  Leugnung  der  „caro"  Jesu  Christi  die  Leugnung  der  Realität  seines Leidens und damit dessen Heilsbedeutung  ist, hat Tertullian  eingehend  in Adv.Marc.  III, 8,1 ­7  (CChr.SL  I,  519,20­519,16)  herausgestellt.  Vgl.  bes.  Adv.Marc.  III,  8,4f  (CChr.SL  I,  518,13­ 519,24):  „Iam  nunc,  cum  mendacium  deprehenditur  Christi  caro,  sequitur,  ut  et  omnia,  quae  per  carnem  Christi  gesta  sunt,  mendacio  gesta  sint,  congressus  contactus  convictus  ipsae  quoque  virtutes.  Si enim  tangendo  aliquem  liberavit  a vitio vel  tactus  ab  aliquo,  quod  corporaliter  actum  est  non  potest  vere  actum  credi  sine  corporis  ipsius  veritate...  Nihil  enim  passus  est qui  non  vere  est 

Martyrium  als  Erfüllung  der  Gehorsamspflicht 

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„Scorpiace" von  ihm bekämpfte Haltung gnostischer  Gruppen  zum  Martyrium  ist  somit  quasi  die  „Kehrseite"  einer  Theologie,  in  der  auf  Grund  der  Prämisse  der  „Nichterlösbarkeit  des  Fleisches'"44  der  Verflüchtigung  der  Realität  der Passion Christi  die Negierung  der Verpflichtung zum tatsächlichen Leiden der Gläubigen entspricht; damit  ist diese letztlich Indiz einer  fundamentalen dogmatischen Diffe­ renz, die die Massivität der literarischen Reaktion Tertullians  in diesem Traktat  er­ klärt.  Seine rigorose Ablehnung der Martyriumsethik  der gnostischen  Gruppierungen  beruht  dabei  auf  der  grundsätzlichen  Einsicht,  daß jede  Form  von  „Sittlichkeit"  jeweils  als  Ausweis  der  dahinter  stehenden  Lehre  zu  verstehen  sei:  „doctrinae  index disciplina est."145 In der Auseinandersetzung  mit  den  „martyriorum  refraga­ tores"  geht  es  ihm  also  um  weit  mehr  als  um  den  Dissens  über  verschiedene  Verhaltensweisen  in  der  Verfolgungssituation  ­  es  geht  um  das  Zentrum  des  Glaubens,  nämlich  die  Erlösung  des  Menschen  durch  den  in  das  „Fleisch"  ge­ kommenen  Christus.  Neben  „Scorpiace"  ist der Einschärfung der Verpflichtung zum  Martyrium  auf  Grund  des Gehorsams  gegenüber  dem  göttlichen  Willen  auch  die  montanistische  Schrift  „De  fuga  in  persecutione"146  gewidmet,  in  der  Tertullian  sich  gegen  die  nach  seiner Darstellung  in den Reihen  des katholischen  Klerus  übliche  Erlaubnis  zur Flucht  in der Verfolgung und damit  zur  Vermeidung  der  Martyriumssituation  wendet.147  In  formaler Parallelität  zu  dem Argumentationsverlauf  in  „Scorpiace"  erweist  er  auch  hier  zunächst,  daß  die  Situation,  die  die  Martyrien  hervorbringt,  die  Verfolgung,  dem  Willen  Gottes  entspringe  und  entspreche.148  Da  das  dem 

passus;  vere  autem  pati  phantasma  non  potuit.  Eversum  est  igitur  totum  dei  opus.  Totum  Christiani  nominis  et  pondus  et  fructus,  mors  Christi,  negatur,  ..."  Zu  Tertullians  antidoketischer  Betonung  der  Fleischwerdung  Christi  vgl.  weiter  Raniero  Cantalamessa,  La  Cristologia  di  Tertulliano,  Fribourg  1962,  84-87.  144

 Studer/Daley,  Soteriologie,  75,  heben dies  als gemeinsames  Kennzeichen  der von  Tertullian 

wie  auch  schon  von  Irenäus  bekämpften  dualistischen  Vorstellungen  hervor.  145

 D e  praescr.haer.  43,2  (CChr.SL  I,  223,5f)  . Zu  diesem  von  ihm  behaupteten  Zusammen-

hang  zwischen  häretischer  Lehre  und  verkehrter  „disciplina"  vgl.  auch  Francine  Jo  Cardman,  Tertullian  on  Doctrine  and  the  Development  of  Discipline,  in:  StPatr  16  (1985),  137.  146

 Zur  zeitlichen  Einordnung  von  „De  fuga  in  persecutione"  vgl.  Kap.  2,  Anm.  43. 

147

 Eine  entsprechende  Einschätzung  der  Haltung  der  Katholiken  findet  sich  auch  in  De  cor. 

1,5  (CChr.SL  II,  1040,29-31):  „Nec  dubito  quosdam  secundum  scripturas  emigrare,  sarcinas  expedire,  fugae  accingi  de  civitate  in  civitatem";  das  sei  letztlich  nichts  anderes  als  „...  martyria  recusare  ..."  (1040,26).  Zu  der durchaus  differenzierten  Haltung  der Großkirche zu der Frage der Flucht in der Verfolgung vgl. Kap. 4.4. 148

Vgl. De fuga 1-3 (CChr.SL II, 11352-1139,25). Tertullian wendet in diesen Kapiteln die

einleitend aufgestellte Prämisse „nihil fieri sine Dei volúntate" (De fuga 1,2; CChr.SL II, 1135,17f; De fuga 1,3; CChr.SL II, 1135,23) auf die Verfolgung an und kommt zu dem Schluß: „Haec erunt

138 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

Willen Gottes  Entsprechende  notwendig  gut sei,  müsse  auch die Verfolgung gut  sein,  selbst  wenn  sie  nach  menschlicher  Einschätzung  als  etwas  Schlechtes  erscheine.149  Derjenige  Christ,  der  versuche,  der  Verfolgung  aus  dem  Weg  zu  gehen,  stelle  sie  dadurch als etwas  zu Vermeidendes  und Schlechtes  dar und widerstrebe mit diesem Verhalten Gottes Willen, aus dem die Verfolgung  hervorgehe.150 Sich der Verfolgungssituation durch Flucht zu entziehen bedeute  also,  nicht  Gottes,  sondern nur dem eigenen  Willen gemäß zu handeln.'51 Da der Gehorsam gegenüber Gott aber in der Übereinstimmung des eigenen mit dem göttlichen Willen bestehe152, muß der seiner Gehorsamspflicht gegenüber Gott entsprechende Mensch sich nach Tertullians Verständnis der Verfolgung aussetzen. Dem möglichen Einwand, daß eine Flucht in der Verfolgung aber dem göttlichen Gebot aus Mt 10,23 entspreche153, begegnet Tertullian mit einer Auslegung dieses Verses, die das Fluchtgebot auf die Zeit der Apostel beschränkt und insofern als für die Gegenwart ungültig erklärt.154 Eine lange Reihe neutestamentlicher Belege untermauert weiter seine Auffassung, daß das Standhalten in der Verfolgung dem Willen Gottes entspreche, eine Flucht hingegen nicht.155 Neben den im Evangeli-

ignea  ¡acula  diaboli  (sc.  in  persecutione),  per  quae  fidei  ustio  et  conflatio administratur,  ex  Dei  tarnen volúntate"  (De  fuga 3,2; CChr.SL  II;  1139,14f). Zu dem  von Gott  intendierten  Zweck  der  Verfolgung vgl.  ausführlich Kap.  3.2  149  De fiiga 4, lf (CChr.SL Π,  1140,6­8.23­25): „Non  debet  devitari  (sc.  persecutionem),  quia  bonum; necesse est enim bonum esse omne,  quod  deo visum  est...  Ita et persecutio  statu bona  est,  quia  divina  et rationalis  dispositio,  sensui  eorum  vero,  quorum  malo  venit,  displicet."  150  De  fuga 4,3  (CChr.SL  II,  1141,31­37):  „Ita  si  bonum  persecutio  quoquo  modo,  quia  de  statu constat,  merito definimus quod bonum est vitari  non  oportere,  quia  delictum  sit quod  bonum  est recusare,  eo amplius,  quod  Deo visum  est; iam  vero nec posse  vitari, quia  a Deo  evenit,  cuius  voluntas non poterit evadi. Igitur qui putant fugiendum aut malum exprobrant Deo, si  persecutionem  uti  malum  fugiunt ­  bonum  enim  nemo devitat ­  ...".  151  De fuga 5,3 (CChr.SL Π,  1142,23f): „ Hoc potius nostrum est, stare sub dei  arbitrio,  quam  fugere  sub  nostro."  In  entsprechender  Weise  bezeichnet  Tertullian  in  De  fuga  8,3  (CChr.SL  II,  1145,21­23)  die Flucht  als  ein  Verhalten  „nec quod  pater  vult...,  sed  quod  tu".  152  Vgl. De paen. 4,4 (CChr.SL  I, 327,19f): „... obsequi  enim  ratio  in similitudine  animorum  constituía est".  Wähle der Mensch  mit Hilfe seines  freien  Willens  das  Böse,  d.h.  das  nicht  Gottes  Willen Entsprechende,  bedeute dies die Scheidung von demjenigen, dessen  Willen  er nicht erfüllen  wolle (vgl.  De mon.  14,7; CChr.SL  II,  1250,47­52).  153  De fuga 6,1  (CChr.SL  II,  1142,lf): „Immo,  inquit,  (quia)  praeceptum  adimplevit  fogiens  de civitate  in  civitatem."  154  De fuga 6,1 (CChr.SL II,  1142,7­9): „Hoc  (sc.  Mt  10,23)  in persona  proprie  apostolorum  et  in tempora et  in causas  eorum  pertinere  defendimus...".  155  Tertullian  bezieht  sich  in De  foga  7f (CChr.SL  II,  1144,1­1145,23)  zunächst  auf  Hen­en­ worte,  die  nach  seiner  Auslegung  gegen  ein  fortdauerndes  Fluchtgebot  sprechen:  Mt  10,32;  Mt  5,1 Of; Mt  10,22; Mt  10,38; Lk  14,27.  De  foga  9 (CChr.SL  II,  1146,1­1147,41)  ist dem  Nachweis  gewidmet,  daß auch  seitens der Apostel  keinesfalls das  Fluchtgebot  erneuert  worden  sei  und  auch  sie  „secundum  deum"  gelehrt  hätten  (De  fuga  9,1;  CChr.SL  II,  1146,1).  So  habe  Paulus  zur 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

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um  geoffenbarten  Willen  Gottes  stellt  er in diesem  Traktat  zusätzlich  noch  zwei  montanistische  Orakel,  nach denen der Geist zum Martyrium als  dem allein  erstrebenswerten  Tod  auffordere.'56 Ein  ironischer  Vergleich  des  Fliehenden  mit  einem  Deserteur  zeigt  plastisch,  daß für Tertullian der Unwillen, sich dem Martyrium aussetzen, eine klare Verletzung der Gehorsamsbindung gegenüber Gott darstellt: „Bonum militem Christo imperatori suo praestat qui tarn piene ab apostolo armatus tuba persecutionis audita diem deserit persecutionis." 1 " Sich der von Gott durch die Verfolgung eröffneten und gewollten Möglichkeit zum Martyrium zu entziehen, sei es durch Flucht oder durch das von Tertullian gesondert behandelte Mittel des Loskaufs158, ist nach seiner prägnanten Zusammenfassung nichts anderes als Verleugnung Gottes, als Apostasie: „negatio est etiam martyrii recusatio."159 Daß der in „De fuga" als Gottes Willen entsprechend beschriebene Weg des Standhaltens in der Verfolgung und der Bereitschaft zum Martyrium aber

Standhaftigkeit  aufgefordert und  eben  nicht  zur  Flucht  ­  „Stare  immobiles  praecipit  ­  utique  nec  fuga  mobiles  ­ . . . "  ­  (De  fuga  9,2;  CChr.SL  II,  1146,17f;  vgl.  l.Kor  15,58)  und  Johannes  zur  Hingabe  des  Lebens  für  die  Geschwister  (vgl.  l.Joh  3,16):  „Proinde  et  Iohannes  pro  fratribus  quoque  animas  ponendas  docet,  nedum  pro  Domino.  Hoc  a  fugientibus  non  potest  adimpleri"  (De  fuga 9,3; CChr.SL  II,  1146,23f). Zur  Funktion  der zahlreichen  Schriftbelege in Tertullians  montani­ stischen  Traktaten  vgl.  Speigl,  Tertullian,  174,  dem  zufolge  der  Schriftbeweis  in  diesen  eine  neue  Aufgabe erhielt:  „Er  mußte  zeigen,  daß  die  neue  Entwicklung,  das,  was  der  Paraklet  ausdeutet,  mit  dem  früher  schon  dagewesenen  oder  immer  schon  gemeinten  göttlichen  Vollkommenheitswillen  ...  übereinstimmt."  156  De  fuga 9,4  (CChr.SL  II,  1147,32­41):  „Spiritum  vero  si consulas,  quid  magis  sermone  ilio  Spiritus  probat?  Namque  omnes  paene  ad  martyrium  exhortantur,  non  ad  fugam,  ut  et  illius  commemoremur:  ,Publicaris?'  inquit,  ,bonum  tibi  est;  qui  enim  non  publicatur  in  hominibus,  publicatur  in  domino.  N e  confundaris:  iustitia  te  producit  in  medium.  Quid  confünderis  laudem  ferens? Potestas  fit, cum  conspiceris  ab  hominibus.'  Sic et  alibi:  ,Nolite  in  lectulis  nec  in  aborsibus  et  febribus  mollibus  optare  exire,  sed  in  martyriis,  uti  glorificetur,  qui  est  passus  pro  vobis'."  157

 De  fuga  10,1  (CChr.SL  II,  1147,4­7).   Der  Abwehr  des  Loskaufs  ist De  fuga  12 (CChr.SL  II,  1149,1­1153,111)  gewidmet.  Flucht  und  Loskauf  werden  gleichgestellt:  „...  sicut  fuga redemptio  gratuita  est,  ita  redemptio  nummaria  fuga est"  (De  fuga  12,1;  CChr.SL  II,  1149,7­9).  158

159  De  fuga  12,5  (CChr.SL  II,  1151,54f).  Durch  diese  Gleichsetzung  gehört  die  Verweigerung  des  Martyriums  durch  die  Vermeidung  der  zu  diesem  fuhrenden  Situation  für  den  Montanisten  Tertullian  neben  Mord,  Idololatrie,  Betrug,  Blasphemie,  Ehebruch  und  Hurerei  zu  den  „(delicta)  graviora  et  exitiosa,  quae  veniam  non  capiant..."  (De  pud.  19,25;  CChr.SL  II,  1323,112f),  den  „Septem  capitalia  delicta"  (Adv.  Marc.  IV,9,6;  CChr.SL  I,  559,28).  Zu  diesem  Verständnis  der  Flucht vgl. weiter Kap. 4.4. Die von Tertullian  aufgezählten Kapitalsünden  sind allerdings  insgesamt  nicht einheitlich;  während  die  Kataloge  in  den  beiden  genannten  Stellen  zwar  nicht  terminologisch,  aber  inhaltlich  und  der Zahl  nach  übereinstimmen,  nennt  er  in  De  idol.  1,4  (CChr.SL  II,  1101,24)  nur  vier  „...  crimina  ... exitiosa".  In  der  katholischen  Schrift  „De  paenitentia"  erscheinen  noch  gar  keine  „delicta  inremissibilia"  (so  der  Terminus  in  De  pud.  2,16;  CChr.SL  II,  1286,66).  Zu  Tertul­ lians  Sündenkatalogen  vgl.  ausführlich  William  P.  LeSaint,  Tertullian.  Treatises  on  Penance.  On  Penitence  and  on  Purity.  Edited  with  a  Commentary,  London  1959,  47f. 

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Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

dennoch  als hart und schwer zu ertragen erscheinen könne,  gibt Tertullian  dabei  durchaus  zu.  Gehen  könnten  diese  „via  angusta"  letztlich  denn  auch  nur  diejenigen,  die  den  Parakleten  empfangen  hätten,  der  durch  sie  sprechen  und  sie  in  ihrem  Leiden  und  Sterben  leiten  werde'60 -  der Gehorsam  gegenüber  der  unbedingten  Forderung  Gottes  nach  der  Bereitschaft  zum  Martyrium  ist  also  nach  diesem Traktat eigentlich nur von den Montanisten zu  leisten.'61  Sowohl  „De  fuga in persecutione" als auch der vorher genannte Traktat „Scorpiace" erscheinen als ausführliche „Pflichtethiken" des Martyriums aus Anlaß der polemischen Auseinandersetzung mit Gruppierungen, die in Tertullians Augen als „Gegner" - „refragatores" - des Martyriums erscheinen.162 In Frontstellung ihnen gegenüber erweist er dieses als grundsätzlich verpflichtende Tat des Gehorsams gegenüber Gottes Willen. Die Argumentationsgrundlage bildet dabei die als Gesetz verstandene biblische Überlieferung, wobei er in „Scorpiace" vom alttestamentlichen Idololatrieverbot ausgeht und die neutestamentliche Weiterfuhrung in der Bekenntnisforderung findet, sich in „De fuga" hingegen auf neutestamentliche Belege beschränkt; hier treten allerdings neben die biblische Überlieferung die montanistischen Orakel als autoritative Willenskundgebungen Gottes. Von einer nomistischen Position aus fordert Tertullian so zur Entsprechung gegenüber der „voluntas dei" auf 63 , die in beiden Traktaten im Zentrum seiner Martyrologie steht. Die von den Christen gegenüber Gott eingegangene

160  De  fuga  14,3  (CChr.SL  Π,  1155,20­24):  „Et  ideo Paracletus  necessarius,  deductor  omnium  veritatum,  exhortator  omnium  tolerantiarum.  Quem  qui  receperunt,  neque  fugere  persecutionem  neque  redimere  noverunt,  habentes  ipsum,  qui  pro  nobis  erit,  sicut  locuturus  in  interrogatione,  ita  iuvaturus  in  passione."  161  Entsprechend  charakterisiert  Barnes,  Scorpiace,  118,  diesen  Traktat  als  „Montanist  pro­ trepticus":  „For the conduct  which  is obligatory  for every Christian  (1.2­14.2)  is in  practice  possible  only  for those  who  accept  the  guidance  of the  paraclete  (14.3)."  162   Vgl.  Scorp.  1,5  (CChr.SL  II,  1069,9).  In  bezug  auf  die  Katholiken  spricht  Tertullian  indirekt  von  einer  „martyrii  recusatio"  (De  fuga  12,5;  CChr.SL  II,  1151,55);  vgl.  seinen  gegen  die  Katholiken  gerichteten  Vorwurf  in  De  cor.  1,4 (CChr.SL  II,  1040,26­28):  „Plane  superest,  ut  etiam  martyria  recusare  meditentur  qui  prophetias  eiusdem  spiritus  sancti  respuerunt."  163  Vgl.  Campenhausen,  Idee,  117f: „...  der  souveräne  Wille  und  das  Gesetz  des  allmächtigen  Gottes  stehen  im  Mittelpunkt  (der Martyrologie  Tertullians)  ... Das, worum  es geht  (im  Martyrium),  ist  die  Erfüllung  des  göttlichen  Gebotes,  wie  es  Gott  im  alten  und  neuen  Gesetz  gegeben  hat,  wodurch  vor  allem  das von  den  Heiden  verlangte  Götzenopfer  verboten  ist."  Im  Anschluß  an  von  Campenhausen  betont  auch  Vermeulen,  Development,  60f,  die  zentrale  Rolle  des  Willens  Gottes  und  der  darauf bezogenen  Gehorsamsforderung  in  Tertullians  Martyrologie:  „In  Tertullian  the  will  and  honour  of  God  occupy  the  foremost  place.  Since  at  baptism  the  Christian  takes  an  oath  of  allegiance to  God,  who  claims  everything  for His  own  glory and  strictly forbids all  idolatry,  he  must  accept  the  consequences  of his  oath,  and  if this  should  mean  death  by  torture,  he  must  accept  it  as  a  clear  expression  of God's  will; martyrdom  is a serious  obligation  imposed  upon  the  Christian  by  God." 

Martyrium  als  Erfüllung  der  Gehorsamspflicht 

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Gehorsamsbindung  und die damit verbundene Verpflichtung zur Erfüllung seines  Willens  wird  dabei  durch  die  Aufnahme  der  „militia  spiritualis"­Vorstellung  zusätzlich  eingeschärft.164  In dieser Eindrücklichkeit  und Ausführlichkeit ist die Begründung  des  Martyri­ ums als eines Aktes  des Gehorsams  gegenüber  Gottes Willen  und  die betonte  Her­ ausstellung  der  Verpflichtung  der  Christinnen  und  Christen  zur  Bereitschaft  zu  Bekenntnis  und  Martyrium  von  Tertullian  nur  in  den  genannten  zwei  Traktaten  herausgestellt  worden,  wenn  er  auch  anderweitig  ebenfalls  von  der  von  Gott  erhobenen Forderung nach dem Martyrium  sowie dessen  „Notwendigkeit"  (néces­ sitas) gesprochen  hat.165 Insbesondere  in der für Tertullians  Martyrologie  wesentli­ chen  frühen  Schrift  „Ad  martyras"  wird  diese  Begründung  aber  nicht  weiter  expliziert.  Zwar  deuten  der  Hinweis  auf  die  in  der  Taufe  eingegangene  Gehor­ samsbindung166 und die breite Verwendung  der  „militia  spiritualis"­Vorstellung167  daraufhin, daß der Gedanke des Gott gegenüber  schuldigen  Gehorsams  auch  dort  im  Hintergrund  der  Ausführungen  steht,  er  erfährt  aber  ­  wie  zu  Beginn  dieses  Kapitels  erwähnt  ­  keine  ausdrückliche  Betonung.  Diese  Differenz  gegenüber  „Scorpiace"  und  „De  fuga  in  persecutione"  ist  zunächst  durch  unterschiedliche  Adressatenkreise  und  Intentionen  zu  erklären:  Während  die  Ermunterung  der  „martyres  designati",  die sich ja  bereits  als gehorsam  gegenüber  dem  die  Bereit­ schaft  zum  Martyrium  fordernden  Gotteswillen  erwiesen  hatten,  eine  Betonung  der Verpflichtung zum  Gehorsam nicht  in besonderem  Maße nahelegt,  fordert  die  Auseinandersetzung  mit  Gruppierungen,  die diesen  Willen  nach  Tertullians  Ein­ schätzung  negieren  und  auf  diesem  Wege  die  innerchristliche  Standhaftigkeit  angreifen, eine solche Betonung  geradezu heraus. Insofern hat die betonte  Heraus­ stellung dieser Begründung des Martyriums und seines verpflichtenden  Charakters  ihren  „Sitz  im  Leben"  in  der  polemischen  Konfrontation, was  sich  auch  in  dem  aus  Tertullians  katholischer  Zeit  stammenden,  antihäretischen  Traktat  „De  prae­ scriptione haereticorum" zeigt: Dort wird  die Forderung  nach  dem  Martyrium  als 

164  Zur Aufnahme  der „militia spiritualis-Vorstellung"  in „Scorpiace"  und  „De  fuga  in  persecutione"  vgl.  Kap.  3.1.2.  165  In D e  an.  50,4  (CChr.SL  Π,  8 5 6 , 2 9 0  betont  Tertullian  gegen jegliche  Leugnung  der  Allgemeinheit  des  Todes,  daß der Gott Jakobs die Menschen keineswegs den Tod umgehen lassen wolle; vielmehr fordere er ausdrücklich „den Tod durch das Martyrium, den er auch von seinem Christus verlangte" („... mortem per martyrium quoque..., quam de Christo etiam suo exegit"). Vgl. auch De ieiun. 12,2 (CChr.SL II, 1270,21), wo er das Erleiden der Folter als „officium" des Christen gegenüber Gott bezeichnet, sowie die in Anm. 169.171 f genannten Belegstellen. 166

Vgl. Anm. 78.

167

Zur Rezeption der „militia spiritualis"-Vorstellung in „Ad martyras" vgl. Kap. 3.1.2 sowie

die dort in Anm. 98 angegebene Literatur.

142 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

ein  Punkt  hervorgehoben,  der  die  Kirche  von  den  häretischen  Hauptgegnern  Valentinus, Marcion und Apelles168 unterscheide.169 Nach BUTTERWECK legt es der  Zusammenhang,  in  dem  Tertullian  Glaubensinhalte  auffuhrt,  von  denen  seine  Gegner  abweichen,  nahe,  die  Aufforderung  zum  Martyrium  „als  kirchliches  Gegenstück  —  in  diesem  Falle  zur Aufforderung,  das  Martyrium  zu  umgehen  aufzufassen."170 Speziell  innerhalb der antignostischen  Argumentation  findet  sich  die Rede von der „Notwendigkeit" des Martyriums in „Adversus  Valentinianos"171,  antikatholisch ausgerichtet  ist sein Hinweis  auf die „necessitas  obeundi  martyrii"  in der montanistischen  Schrift „De  corona".172  Neben  der unterschiedlichen  Ausrichtung  der jeweiligen  Traktate steht hinter  der  verstärkten  Herausstellung  der  Gehorsamsforderung  aber  auch  eine  Entwicklung  innerhalb  der Martyrologie  Tertullians.173  Diese läßt sich inhaltlich dahingehend charakterisieren, daß Tertullian entsprechend einer zunehmend rigoristischen ethischen Grundhaltung in verstärktem Maße auch den für die Christinnen und Christen verpflichtenden Charakter des Martyritims herausgestellt hat. Die Beantwortung der Frage, ob die nachdrückliche Betonung der Verpflichtung zum Martyrium schon in Tertullians katholische Zeit gehört oder aber erst in den

168

 Vgl. De praescr.haer.  30,1­10 (CChr.SL I, 210,1­35).  In De  praescr.haer.  30,13  (CChr.SL  I, 21 l,35f) nennt  er  darüberhinaus  noch Nigidius,  Hermogenes  „et multi  alii".  169  De praescr.haer.  36,4f (CChr.SL I, 217,14.20): „videamus quid didicerit,  quid  docuerit:...  martyrium  exhorbatur...".  170  Butterweck,  Martyriumssucht,  52.  171  Adv.Val.  30,1  (CChr.SL  II, 774,21­23):  „Ideoque  nec operationes  necessarias  sibi  existi­ mant nec ulla disciplinae munia observant (sc. Valentiniani), martyrii quoque eludentes  necessitatem  qua volunt  interpretatione."  172  De  cor.  11,6  (CChr.SL  II,  1058,48f). Tertullian  geht  es  hier  um  die  Absage  an die  nach  seiner  Darstellung  in  katholischen  Kreisen  häufigere  Bereitschaft,  sich  mit  den  für  ihn  idolola­ trischen „Notwendigkeiten"  zu arrangieren,  die z.B.  der  Soldatenstand  für einen  Christen  mit  sich  brachte:  „Non  admittit  status  ftdei  allegationem  necessitatis.  Nulla  est  necessitas  delinquendi,  quibus una est necessitas non delinquendi. Nam et ad sacrificandum et directo negandum  necessitate  quis  premitur  tormentorum  sive  poenarum.  Tarnen  nec  illi  necessitati  disciplina  conivet,  quia  potior est necessitas timendae negationis et obeundi  martyrii quam evadendae passionis et  implendi  officii." (De  cor.  11,6; CChr.SL  II,  1057,43­1058,50)  173  Eine Veränderung in Tertullians Anschauungen zum Martyrium hat auch Barnes, Tertullian,  171,  konstatiert:  „Tertullian's  attitude  toward  martyrdom  changed  with  the  passing  years.  That  is a platitude;  but one whose truth has rarely been  accurately  perceived."  Inhaltlich  stellt er  diesen  Wandel aber ausschließlich  in bezug auf die Haltung zur Flucht  in der Verfolgung dar.  Diese  auch  in anderen Veröffentlichungen zu  findende  Konzentration auf die Frage der Flucht (vgl. z.B.  Karpp,  Schrift, 13) stellt aber eine Engfiihrung im Verständnis der tertullianischen  Martyrologie  dar,  denn  die Entwicklung umfaßt über die Haltung zur Flucht hinaus mehrere weitere Aspekte, die zusammen  einen Komplex  von Vorstellungen  ergeben,  durch den  eine absolute  Verpflichtung zum  Martyrium  eingeschärft und  und  diesem  eine singulare  Stellung  innerhalb  der christlichen  Ethik  zugewiesen  wird.  Vgl. Kap.  4.5.3. 

Martyrium  als Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

143 

Zusammenhang  seiner  montanistischen  Phase174,  d.h.  ob  von  einer  besonderen  „idée  montaniste  de  la nécessité  du martyre"175  gesprochen  werden  kann,  hängt  unmittelbar mit der umstrittenen Zuordnung von „Scorpiace" zusammen.  Zumeist  ist dieser Traktat in die montanistische Zeit Tertullians eingeordnet worden.176 Das  gerade  auch  im  Vergleich  zu  „De  fuga  in  persecutione",  einer  in  der  Tendenz  vergleichbar  ausgerichteten  Schrift,  deutlich  hervortretende  Fehlen  spezifisch  montanistischer Aussagen innerhalb der Einschärfung der Pflicht zur Martyriumsbereitschaft stellt diese Einordnung aber nachhaltig infrage.177 Daß an keiner Stelle

174  In bezug  auf Tertullians  montanistische  Zeit  stellt  sich  die  in der  Forschung  allerdings  sehr  umstrittene  Frage,  in  welchem  Maße  er  der  montanistischen  Bewegung  zuzurechnen  ist  und  wie  ausgeprägt  der  Bruch  mit  der  katholischen  Kirche tatsächlich  war. Neben  der  herkömmlichen  Sicht  der  Entwicklung  Tertullians,  die  von  einer  zunehmenden  Abkehr  von  der  Großkirche  v.a.  aus  sittlichen  Motiven,  einem  klaren  Bruch  mit der  Kirche  um  207  oder  211­13  und  einer  weitgehenden  Identifikation  mit  dem  Montanismus  (so  z.B.  Karpp,  Schrift,  9;  Cecil  M.  Robeck,  The  Role  and  Function  of Prophetic  Gifts for the  Church  at Carthage,  A.D.  202­258,  Ann  Arbor  1985,  13;  Frend,  Montanismus,  275)  ausgeht,  findet sich  in der  gegenwärtigen  Forschung  die  These,  daß  Tertullian  zwar  in bezug  auf die  moralischen  Aspekte  mit  der  montanistischen  Bewegung  sympathisierte  und  ihr entsprach,  aber  nicht  eigentlich  als  Montanist  zu  verstehen  sei,  da  die  genuin  montanistischen  Themen  Prophetie  und  Eschatologie  bei  ihm  keine  zentrale  Rolle  spielten:  „...  Montanism,  though  it was  defended  by Tertullian,  neither  conquered  his  allegiance  nor  influenced  the  development  of  his thought  to  any  great  degree  ... Tertullian  backed  the  Montanists  because  he  saw  in  them  fellow  spiritales,  whose  thirst  for holiness  and  concern  for discipline  equalled  his  own  ...  Tertullian's  real  interest  was  not  in  prophecy  or  eschatology,  but  in sanctification  and  discipline.  To  the  extent  that  Montanists  shared  this  overriding  concern,  Tertullian  was  prepared  to  welcome  them  and  defend  them  from attack.  Apart  from  that,  he  was  not  interested"  (Bray,  Holiness,  62).  Gegenüber  dieser  These  läßt  sich  aber  die  Frage  stellen,  ob  die  Gestalt  des  Montanismus,  die  Tertullian  in  Afrika  kennenlernte,  noch  deijenigen  der  ursprünglichen  „Neuen  Prophetie"  entsprach,  oder  bereits  eine  Modifizierung  darstellte,  wie  es  Powell,  Tertullianists,  50,  sowie  Braun,  montanisme,  249f,  wahrscheinlich  gemacht  haben.  In diesem  Fall  wäre  nicht zu  sagen,  ob  die Themen  „Prophetie"  und  „Eschatologie"  noch  eine  wesentliche  Rolle  gespielt  hätten,  bei  letzterem  ist  dies  nicht  einmal  in  bezug  auf  die  ursprüngliche  „Neue  Prophetie"  mit  solcher  Sicherheit  zu  sagen,  wie  es  in  der  Forschung  zumeist  geschieht.  Zu  dieser Frage vgl. Kap.  3.4.  Sowenig wie  der  Grad  der  inhaltlichen  Identifikation Tertullians  mit  montanistischen  Vorstellungen  ist  auch  derjenige des  institutionellen  Bruchs mit der katholischen  Kirche geklärt.  Während  in der älteren  Forschung  zumeist  ein  formales  Schisma  vorausgesetzt  worden  ist (vgl. die  bei  Powell,  Tertullianists,  32,  zu  findenden  Hinweise),  haben  Powell,  Tertullianists,  32­42,  und  im Anschluß  an  ihn  Rankin,  Church,  27­38,  u.a.  aus  dem  Fehlen  deutlicher  Indizien  für eine eigene  Hierarchie  geschlossen,  daß  die Montanisten  in  Karthago  zu  Tertullians  Zeiten  eine  „ecclesiola  in ecclesia"  dargestellt  hätten,  nicht  aber  eine  schismatische  Sekte. Zu weiteren  Äußerungen  in bezug  auf diese  Fragestellung  vgl.  auch  Sider,  Approaches,  237f.  175

 Monceaux,  Histoire,  206,  Anm.  7.    Neben  den  in  Kap.  2,  Anm.  47f  genannten  Literaturangaben  vgl.  noch  Campenhausen,  Martyrium,  117,  Anm.  1, sowie  die  Einordnung  in  CChr.SL  II,  1069­1097.  177  Esser,  in:  Kellner,  BKV  24,  23,  hat  zur  Unterstützung  der  Zuordnung  zur  montanistischen  Zeit gerade  die  inhaltliche Nähe  zu  „De fuga" angeführt. Bei  einem  Vergleich  fällt aber  auf, daß  die  spezifisch montanistischen  Aussagen,  mit denen  Tertullian  in „De fuga" die Pflicht zur  Martyriums­ bereitschaft einschärft (vgl. v.a. De  fuga 9.14),  in „Scorpiace"  gerade  nicht auftauchen.  So haben  für  176

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Martyrium  als Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

dieser Schrift -  ganz anders als im Fluchttraktat -  auf ein montanistisches  Orakel  zur Untermauerung  der Argumentation zurückgegriffen oder auf das Wirken des  Parakleten verwiesen  wird,  unterstützt  die  Wahrscheinlichkeit  einer  Entstehung  noch  in der katholischen Zeit. Unter dem Aspekt der in diesem  Traktat betonten  Pflichtmäßigkeit des Martyriums betrachtet ist es allerdings unwahrscheinlich, daß „Scorpiace" aus derselben Zeit wie „Ad uxorem" und „De patientia" stammen kann, in denen Tertullian eine zumindest begrenzte Akzeptanz einer Flucht in der Verfolgung ausdrückt.178 Unter der Voraussetzung, daß die genannten Traktate in die Zeit vor 204-206 gehören179, wäre fur „Scorpiace" dann eine Abfassungszeit in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts des 3. Jahrhunderts, d.h. zum Ende der katholischen Zeit Tertullians, anzunehmen.180 Innerhalb seiner Martyrologie repräsentiert „Scorpiace" ein Stadium, in dem die schon in „Ad martyras" vorausgesetzte Gehorsamsverpflichtung des Christen gegenüber dem Willen Gottes ins Zentrum der Ausführungen rückt und zum grundlegenden Kriterium für die Einschärfung der absoluten Notwendigkeit und Pflichtgemäßheit von Bekenntnis und Martyrium wird. Das Fehlen von Bezügen auf montanistische Vorstellungen zeigt dabei, daß fur diese Entwicklung - anders als in der Literatur zuweilen vorausgesetzt181 - der Montanismus weder ursächlich noch zunächst konstitutiv

eine Zuordnung zur katholischen Zeit auch Barnes,  Scorpiace,  115, sowie Braun,  Tertullien, 80, auf  das Fehlen spezifisch montanistischer Gedanken in „Scorpiace" hingewiesen sowie auf Äußerungen,  die für eine eindeutig montanistische  Schrift unwahrscheinlich  wären (Barnes,  Scorpiace,  115­117).  Besonders der von  Barnes gegebene  Hinweis  auf die  in  Scorp.  10 zu  findende Auslegung  von  Mt  16,18, die der  in der eindeutig montanistischen  Schrift „De pudicitia"  (De  pud.  21) auftauchenden  Exegese dieses Verses nicht entspricht, stellt die zumeist vertretene Einordnung des Traktates  in die  montanistische  Zeit  Tertullians  infrage.  Darüberhinaus  wäre  auf  die  Selbstverständlichkeit  hin­ zuweisen,  mit der Tertullian  in Scorp.  11,3 (CChr.SL II,  1090,19f) die Versorgung  der  inhaftierten  Bekenner  erwähnt,  während  dieser  Brauch  in der eindeutig  montanistischen  Schrift „De  ieiunio"  beißender  Kritik  unterzogen  wird.  178  Vgl. Ad  ux. 1,3; De pat.  13; zu Tertullians  Haltung zur Flucht  in  der  Verfolgung vgl.  Kap.  4.4.  179  Altaner/Stuiber,  Patrologie,  157, datieren beide Schriften auf die Zeit um 203; Braun,  Deus  Christianorum,  570f, setzt „De patientia" zwischen  198 und 206  an, „Ad  uxorem" um 204; vgl.  die  weiteren  bei  ihm  referierten  Datierungen,  die durchgängig  von  einer  Einordnung  dieser  Traktate  zwischen  198  und  206  ausgehen.  180  So datiert  z.B. Braun, Tertullien,  80, auf 206/07,  Rambaux,  Tertullien,  368,  setzt  „Scor­ piace" allgemein  an  das  Ende  der  katholischen  Zeit  Tertullians.  Für  eine  genauere  zeitliche  Ein­ ordnung bieten aber weder die Hinweise  auf die aktuelle Verfolgungssituation  in Scorp.  1 noch  auf  den kürzlich  abgehaltenen  „Pythicus  agon" (Scorp. 6,2f) einen  Anhalt  (gegen  Barnes,  Scorpiace,  125­128).  181  So betont z.B.  Klein,  Bewußtsein,  274­313,  daß sich  innerhalb  der Entwicklung der  tertul­ lianischen  Martyrologie  der Gedanke der Pflichtmäßigkeit und Notwendigkeit  des Martyriums  ver­ stärke  und  führt dies  maßgeblich  auf  die  von  dem  Montanismus,  insbesondere  von  der  „Passio 

Martyrium  als  Erfüllung der  Gehorsamspflicht 

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gewesen  ist. Ein ethischer Rigorismus kristallisierte  sich vielmehr bereits im Laufe  seiner katholischen  Zeit ­  in bezug auf das Martyrium  maßgeblich  unter dem  Ein­ fluß  der  antignostischen  Konfrontation  ­  zunehmend  heraus  und  fand  dann  innerhalb  der  montanistischen  Überlieferungen  zusätzlich  ihm  gemäße  Argu­ mente, wie  in „De  fuga in persecutione"  deutlich  wird. Im Blick  auf die  Betonung  der  Notwendigkeit  und  Pflichtmäßigkeit  des  Martyriums  wäre  hiermit  die  Auf­ fassung in der Forschung  unterstützt,  die weniger  von  einer besonderen  Prägung  Tertullians  durch  montanistische  Einflüsse ausgeht,  als  vielmehr  in  dem  Monta­ nismus, den er kennenlernte,  eine „Geistesverwandtschaft" mit  schon vorher  ent­ wickelten Vorstellungen  sieht, „a congenial  ,home'  for his rigorous  views".182  Für  die  schon  in  vormontanistischer  Zeit  zu  findende  nachdrückliche  Betonung  der  Gehorsamsverpflichtung  als  Grundlage  sittlicher  Forderungen,  insbesondere  der  Aufforderung zu  Martyriumsbereitschaft,  ist  ­  wie  oben  schon  erwähnt  ­  nicht  zuletzt  die  Verwurzelung  Tertullians  in  einem  römischen  Religionsbegriff  zu  sehen,  dem  zufolge das  Gott­Mensch­Verhältnis  wesentlich  als  ein  Gehorsams­ verhältnis  zu  verstehen  ist.183  Ein  grundsätzlicher  Rückbezug  auf  den  Gottes  Willen  gegenüber  notwendigen  Gehorsam  als  Grundlage  der  Aufforderung  zum  Martyrium  zeigt sich entsprechend  denn  auch  bei  seinem  im gleichen  Traditions­ bereich  beheimateten  „Nachfolger" Cyprian.184 Allerdings unterscheidet  Tertullian  sich von diesem  deutlich hinsichtlich  der Nachdrücklichkeit  der  Einschärfung der  Gehorsamsforderung.  Bei  Cyprian  tritt  die  Betonung  der  Gehorsamsforderung  innerhalb  der  Martyriumstheologie  zurück,  was  wesentlich  mit  der  Zielrichtung  seiner martyrologischen  Ausführungen zusammenhängt:  Bei  ihm überwiegen  die  panegyrischen  Zusammenhänge,  und  selbst  die  auf  Exhortation  ausgerichtete  Testimoniensammlung  „Ad Fortunatum" zeigt deutlich auch seelsorgerliche  Züge.  Entweder  ist  bei  den  jeweiligen  Adressaten  die  Gehorsamsforderung  ohnehin  bereits  erfüllt  oder  aber  der  Hinweis  auf  die  dem  Martyrium  inhärenten  Ver­ heißungen  erscheint  dem  seelsorgerlich  ausgerichteten  Denken  Cyprians  erfolg­ versprechender  für die Ermunterung  zum Martyrium  als jede  isolierte  und  harsche 

Perpetuae  et  Felicitatis" ausgehende  Wirkung auf Tertullian  zurück.  Die  Begründung  der  Pflichtmäßigkeit des Martyriums betrachtet er entsprechend als einen „montanistischen Zielgedanken". 182 Rankin, Church, 50. Vgl. Rankin, Church, 42: „... Tertullian found a measure of congeniality in Montanism, rather that he was particularly influenced by it." 183 Vgl. Anm. 126. 184 Zur Begründung des Martyriums im Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes bei Cyprian vgl. z.B. De dom.or. 15 (CChr.SL ΠΙA,  99,282);  ep.  6,2,1  (CChr.SL  ΙΠ B,  30,24-31,26);  ep.  37,3,2  (CChr.SL  III  B,  180,68-181,71);  ep.  58,5,1  (CChr.SL  III  C,  325,100-102);  Ad  Fort.praef.  5,1-5  (CChr.SL  III,  185,74-89). 

146 

Martyrium  als Akt der Nachfolge  Christi 

Einschärfung der Forderung nach Martyriumsbereitschaft auf Grund des  Gehorsams gegenüber Gottes  Willen. 

4.2.2 Das Martyrium als Akt der Nachfolge  Christi  Neben  der  Begründung  des  Martyriums  als  gehorsamer  Erfüllung  des  Willens  Gottes  findet  sich  bei  Tertullian  auch  seine  Begründung  als  eines  Aktes  der  Nachfolge  bzw.  Nachahmung  Christi.'85  Innerhalb  der  altkirchlichen  Martyriumstheologie  des 2. Jahrhunderts stellt der Gedanke der Nachahmung  des Herrn  im Leiden die grundlegende Kategorie zur Deutung  des Martyriumsleidens  dar.186  Das Martyrium erscheint dabei, da es in vollkommener  Weise  dem Weg Jesu bis  zur  letzten  Konsequenz  des  Todes  entspricht,  als perfekte,  wenn  nicht  sogar  als  einzig  wahre  Form  der  „imitatio".187  Im  Rahmen  der  Martyrologie  Tertullians 

185  Im Unterschied  zu dem im NT vorherrschenden  Verständnis  von „Nachfolge" als  „Lebens­ und Leidensgemeinschaft mit dem Messias" (Kittel, Georg, Art.  ά κ ο λ ο υ θ ε ΐ ν ,  in: ThWNTI,  214)  teilen  Tertullian  wie auch  später  Cyprian  das  unter hellenistischem  Einfluß aufgekommene  Ver­ ständnis  von  „Nachfolge"  als  „Nachahmung"  des  irdischen  Lebens  Jesu  in  einzelnen  Zügen,  insbesondere  seiner  Passion,  das  sich  zuerst  in  l.Petr  2,21  zeigt.  Zentral  für das  Martyriumsver­ ständnis  ist  die  Identifizierung  von  „Nachfolge"  und  „Nachahmung"  bei  Ignatius.  Vgl.  Karin  Bommes,  Weizen Gottes ­  Untersuchungen zur Theologie des Martyriums bei Ignatius,  Köln/Bonn  1976,  50:  „Das  Martyrium  ist  nach  der  Aussage  der  Bezeichnungen  „mathaetaes"  und  „mima­ ethaes" Nachfolge Christi  als Nachahmung  seines Todesleidens  ..."  Verbreitung  fand die  Imitatio­ Vorstellung  des Ignatius  nach Gerd  Buschmann,  Das  Martyrium  des  Polykarp.  Übersetzt  und  er­ klärt,  Göttingen  1998,  84, durch  Polykarp.  186  Vgl.  Marcel  Viller,  Martyre  et  Perfection,  in:  RAM  6 (1925),  7:  „Le  premier  aspect  du  martyre dans  la littérature chrétienne,  son  aspect  fondamental, c'est  qu'il  est du  Christ  l'imitation  par  excellence.  Le  martyr  est  vraiment  celui  qui  suit  le  Christ  partout  où  il  va,  son  véritable  disciple." Zu der Auffassung des Märtyrerleidens  als Nachahmung  der  Passion  vor Tertullian  vgl.  z.B. Apg 7,54­60;  Ign.Rom 4,2; 6,2f; IgnMagn  5,2;  IgnSmyrn  4,2; PolPhil  1,1;  8,2; MartPol  17,3;  19,1; Eus, HE  IV, 22,4;  V,l,9f; 2,2; Iren.,  Adv.haer.  111,12,13;  18,5;  Pass.Perp.  18,9. Auch  in der  Folgezeit  ist  dieses  Motiv  wesentlich  für die  Martyriumstheologie  geblieben:  Für  die  römischen  Korrespondenzpartner  Cyprians sind die Märtyrer „collegae passionis cum  Christo" (ep.  31,3),  die  pseudocyprianische  Schrift „De laude martyrii" bezeichnet  sie als  „consortes  passionis" (De  laude  mart.  14); die Hinrichtung des Pionius ist derjenigen Jesu nachgezeichnet (Pass.Pion. 21 ). Zu diesem  Verständnis  des  Martyriums  vgl.  E.  Ledeur,  Art.  Imitation  du  Christ,  in:  DSp  VII,2,  1563­1567;  Marc  Lods,  Confesseurs  et  martyrs.  Successeurs  des  prophètes  dans l'Église des trois premiers siècles, Neuchatel (1958), 24-27, zu weiteren Belegen auch aus späteren Märtyrerakten vgl. Michel Pellegrino, L'imitation du Christ dans les „Actes des martyrs", in: VS 98 (1958), 38-54, bes. 4449; Henri Crouzel, L'imitation et la „suite" de Dieu et du Christ dans les premiers siècles chrétiens, ainsi que leurs sources gréco-romaines et hébraïques, in: JAC 21 (1978), 29f. 187 Vgl. Deléani, Christum sequi, 76; Pellegrino, L'imitation, 38. Die besondere Bedeutung des Martyriums im Rahmen der altkirchlichen Nachfolgetheologie zeigt sich auch in terminologischer Hinsicht: „Suivre, imiter Jésus, ces deux formules scripturaires vont etre rapidement utilisées

Martyrium  als  Akt  der  Nachfolge  Christi 

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spielt  der Nachfolgegedanke  allerdings  im Vergleich  zu  dem  Motiv  des  Gehorsams gegenüber dem  Willen Gottes eine  sekundäre  Rolle.  Nach seiner auf die Einschärfung der Pflichtmäßigkeit des Martyriums ausgerichteten Argumentation in „Scorpiace" ergibt sich die Notwendigkeit für das Leiden der Christen aus dem Leiden Christi selbst: Da der Herr Verfolgung und Tod erlitten habe, so müßten auch seine Schüler dasselbe Leiden ertragen und denselben Preis bezahlen, da der Schüler nicht über dem Lehrer, der Knecht nicht über dem Herrn stehen dürfe.188 Wer dieser Forderung entspreche, werde in Leiden und Tod dem Herrn gleich."9 Einen Anklang an die Nachfolgevorstellung bietet Tertullian in „Scorpiace" darüberhinaus dort, wo er von den „vestigia Domini" spricht, die den Aufstieg in die himmlischen Gefilde geebnet hätten190; die Aufforderung, den Fußstapfen Christi bis zur Passion zu folgen, ist implizit enthalten, zumal es die Märtyrer sind, die die „Schlüssel des Himmels" mit sich nehmen werden.191 In „De fuga in persecutione" erscheint die Forderung nach Nachahmung im Leiden in der kategorischen Behauptung Tertullians: Wer sich selbst scheue zu leiden, könne dem nicht angehören, der selbst gelitten habe.192 Als Aufforderung zur Leidensnachfolge erscheint auch eines der in diesem Traktat

avec  prédilection  pour  désigner  et  comprendre  le  martyre"  (Ledeur,  Imitation,  1563).  Deléani,  Christum  sequi,  77­81,  erweist  detailliert  die  besondere  Zugehörigkeit  der  Formel  „Christum  sequi"  zur  Martyriumstheologie.  Dies  zeige  sich  deutlich  auch  an  der  altkirchlichen  Auslegung  neutestamentlicher  Texte,  die diese  Formulierung  enthielten;  auch  wenn  sie  ursprünglich  nicht  auf  den  Glaubenstod  bezogen  gewesen  seien,  konnten  sie  in der  patristischen  Exegese  auf  das  Martyri­ um bezogen  werden  (vgl. z.B. die Auslegung  von Apk  14,4  in Eus., HE  V,  1,10).  Auch  Begriffe, die  den  Wegcharakter  der Nachfolge verdeutlichten,  gehörten  nach  Deléani  in  besonderer  Weise  zum  semantischen  Feld  des  Martyriums  (vgl.  z.B.  Iren.,  Adv.haer.  111,18,5:  „vestigia  assequi  passionis  Domini";  Pass.Mont.  2,1:  „ab  aquae  baptismo  ad  martyrii  coronam  immaculato  itinere  festinare").  188

  Scorp.  9,6  (CChr.SL  II,  1085,21­26):  „...  non  est  discipulus  super  magistrum,  ...  ,  nec  servus  super  dominum  suum  (Mt  10,24),  quia  cum  magister  et  dominus  ipse perpessus  sit  persecu­ tionem  et traditionem  et occisionem,  multo  magis  servi  et  discipuli  eadem  expendere  debebunt,  ne  quasi  superiores  exempti  de  iniquitate  videantur...".  189   Scorp.  9,6  (CChr.SL  II,  1085,26):  „...  aequari  passionibus  domini  et  magistri".  Vgl.  De  praescr.haer.  36,3  (CChr.SL  I, 216,11):  „...  Petrus  passioni  dominicae  adaequatur  ...".  190

  Scorp.  10,7  (CChr.SL  II,  1088,17­21):  „...  si  autem  audisti  apud  Amos:  qui  ascensum  suum  aedificat  in cáelos, et profusionem suam fundat in terras (Am 9,6), scito et ascensum illum exinde conplanatum vestigiis domini et introitum exinde reseratum viribus Christi...". 191 Scorp. 10,8 (CChr.SL  Π,  1088,24­26):  „Nam  etsi  adhuc  clausum  putas  caelum,  memento  claves  eius  hic  dominum  Petro  et  per  eum  ecclesiae  reliquisse,  quas  hic  unusquisque  interrogatus  atque  confessus  feret  secum."  192  De  fuga  14,2 (CChr.SL  II,  1155,15):  „Non  potest  qui  pati  timet  eius  esse,  qui  passus  est." 

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Martyrium  als  Akt der Nachfolge  Christi 

angeführten  montanistischen  Orakel193,  demzufolge  keiner  und  keine  sich  wün­ schen  solle, eines gewöhnlichen  Todes  zu sterben,  sondern  durch  das  Martyrium,  damit der verherrlicht werde, der vorher für die Christen  gelitten  habe.194 In  beiden  Schriften  erscheint  der  Gedanke  der  Leidensnachfolge  als  Motivation  zur  Martyriumsbereitschaft über  die genannten  Stellen  hinaus  nur noch  in  biblischen  Zitaten:  So  nimmt  Tertullian  in  „Scorpiace"  l.Petr  2,20f  und  4,12­16  auf  und  charakterisiert  dadurch  das  Martyrium  als  Nachahmung  des  von  Christus  durch  sein  Leiden  gegebenen  Vorbildes  (exemplum)  und  als  Teilhabe  an  der  Passion  Christi.195  In  „De  fuga in persecutione" zitiert  er das Nachfolgelogion  Lk  14,26f,  um  jedes  Ausweichen  vor  der  Verfolgung  auszuschließen:  „Qui  pluris  fecerit  animam  suam  quam  me,  non  est  me  dignus  et  qui  non  tollit  crucem  suam  et  sequitur me, non potest meus esse discipulus."196  Beide  Male wird  der Aspekt  der  Nachfolge im Kontext von Tertullian  aber nicht weiter  expliziert.  Im  Zusammen­ hang  des  gleichen  Parakletenspruchs,  der  in  „De  fuga"  auf  diesen  Gedanken  hinweist, erscheint  auch in „De  anima" die Vorstellung  der  Kreuzesnachfolge  im  Martyrium. Die Forderung  des Orakels nach  dem Tod  durch  das Martyrium  wird  dort durch  die an Lk  14,27  angelehnte  Formulierung  „...  si crucem  tuam tollas  et  sequaris dominum"  erläutert'97, wodurch  dieser  ausdrücklich  als Akt  der  Leidens­ nachfolge charakterisiert  wird.  Auf  die häufige Gleichartigkeit  des Todes  Christi  und der Christinnen  und Christen hinsichtlich  der Hinrichtungsart  bezieht  Tertulli­ an  sich  in  „De  resurrectione  carnis",  ohne  allerdings  dabei  den  Gedanken  der  Nachahmung ausdrücklich aufzugreifen.198 Unter der Vorherrschaft des Motivs  des  Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes steht die Aufforderung zur Nachahmung 

193

 Nach  Butterweck,  Martyriumssucht,  119,  Anm.  179,  zeigt  die  in  dem  Vergleich  zwischen  der Zitation dieses  Orakels in De fuga 9,4 (vgl.  Anm.  194) und derjenigen  in De an.  55,5  (vgl.  Anm.  197) zutagetretende  Variation  in dem erläuternden  Zusatz,  daß dieser jeweils von Tertullian selbst hinzugefügt wurde. Da die Erläuterungen zu „in martyriis" aber in ähnlicher Weise auf den Bezug des Martyriums zum Leiden Christi hinweisen, kann die Variation ebenso durch eine Zitation des Orakels aus dem Gedächtnis erklärt werden. Aland, Bemerkungen, 145, und Heine, Oracles, 7, gehen denn auch von einer Zugehörigkeit dieser Zusätze zum ursprünglichen Orakel aus. 194 De fuga 9,4 (CChr.SL Π,  1147,39-41): „Nolite  in lectulis nec  in aborsibus et febribus  mollibus optare  exire,  sed  in  martyriis,  uti  glorificetur qui  est  passus  pro  vobis."  195   Scorp.  12,2  (CChr.SL  II,  1092,12-27).  196  De  fuga  7,2  (CChr.SL  II,  1145,29-31).  Lk  14,26  erscheint  auch  in  Scorp.  11,1  (CChr.SL  II,  1090,6f)  zur Untermauerung  der  Bekenntnisforderung  Christi.  197   De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,36-40):  „Agnosce  itaque  differentiam  ethnici  et  fidelis  in  morte,  si  pro  deo  occumbas,  ut  paracletus  monet,  non  in  mollibus  febribus  et  in  lectulis,  sed  in  martyriis,  si  crucem  tuam  tollas  et sequaris  dominum,  ut ipse  praecepit."  198  De  res.carn.  8,5  (CChr.SL  II,  931,19-932,26):  „Age  iam,  quid  de  ea  (sc.  carne)  sentis,...,  cum denique  suppliciis  erogatur,  enisa reddere Christo  vicem  moriendo  pro ipso  ...,  et quidem  per  eandem  crucem  saepe,  nedum  per atrociora  quoque  ingenia  poenarum." 

Martyrium  als  Akt  der Nachfolge  Christi 

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Christi in Wirken und Leiden in „De oratione". Im Zusammenhang  der  Auslegung  der Vater­Unser­Bitte  „Dein  Wille  geschehe"  erscheint  Christus  als  „exemplum"  der Erfüllung des Willens Gottes.  So wie er selbst gehorsam  gegenüber  dem  Vater  gewesen  sei,  indem  er  nicht  seinen  eigenen  Willen,  sondern  denjenigen  Gottes  getan habe, so seien  auch  die Christen  aufgefordert, entsprechend  diesem  Vorbild  zu  predigen,  zu  wirken  und  zu  leiden  bis  zum  Tode.'99  Die  gesamten  an  einen  Christen  gestellten  ethischen  Forderungen  einschließlich  der  Bereitschaft  zum  Glaubenstod  werden  hier in den Blick genommen,  eine  besondere  Akzentuierung  des  Martyriums  als  Kreuzesnachfolge  findet  dabei  aber  nicht  statt.200  In  „De  patientia" zeigt sich  ebenfalls, daß die ethische Kategorie  „Gehorsam"  derjenigen  der „Nachahmung"  übergeordnet  ist:  Auf die  Schilderung  des  Lebens  Jesu  unter  dem Gesichtspunkt  der demütigen  Geduld  auch  in seinem  Leiden  (De pat. 3) folgt  bei  Tertullian  nicht  etwa  eine  Aufforderung  zur Nachahmung  dieser  Haltung,  sondern  zum Gehorsam  gegenüber  dem  sich hierin  ausdrückenden  Willen  Gottes  (De  pat.  4).  Der  Unterschied  zeigt  sich  deutlich  bei  einem  Vergleich  mit  den  entsprechenden  Passagen  in Cyprians  „De bono patientiae": Nach  der  Schilderung  des  Wirkens  und  Leidens  Christi  in Geduld  (De bon.pat.  5­8) folgt hier  nicht  die  Aufforderung zum  Gehorsam  gegenüber  dem  sich  in  Christus  manifestierenden  Willen Gottes, sondern zur Nachfolge Christi im Leiden. Demgegenüber  zeigt  sich  bei  Tertullian  deutlich  die  Präponderanz  des  Gehorsams­Motivs:  „Tertullian  interpreted  the  imitatio  Christi  in  terms  of  complete  obedience  to  the  will  of  God."20'  Dieser  Überblick  über  die  Aufnahme  der  Nachfolgevorstellung  innerhalb  martyrologischer  Ausführungen  Tertullians  zeigt,  daß  diese  im  Rahmen  der  zu  Leidens­  und  Martyriumsbereitschaft  auffordernden  Schriften  „Scorpiace"  und  „De  fuga  in  persecutione"  in  einer  gegenüber  dem  Gehorsamsmotiv  deutlich  nachgeordneten  Funktion herangezogen  wird, was  sich  auch  durch  die  erwähnten  Stellen  aus  „De  oratione"  sowie  „De  patientia"  bestätigt.  Die  Rezeption  dieses  Gedankens  in  „Ad  martyras" beschränkt  sich  auf  den  Hinweis  auf  den  Rückzug  Jesu  zum  Gebet  und  zur Abkehr  von  der  „Welt",  womit  die  Inhaftierung und  die  199

  D e  or.  4,3  (CChr.SL  1,  259,13-260,18):  „Est  et  illa  Dei  voluntas,  quam  Dominus  ad-

ministravit  praedicando,  operando,  sustinendo.  Si  enim  ipse  pronuntiavit  non  suam,  sed  Patris  facere  se  voluntatem,  sine  dubio,  quae  faciebat,  ea  erat  voluntas  Patris,  ad  quae  nunc  nos  velut  ad  exemplaria  provocamur,  ut  et  praedicemus  et  operemur  et  sustineamus  ad  mortem  usque."  200

  In  einer  weiteren  Stelle  in  „De  oratione"  spricht  Tertullian  davon,  daß die Christen sich

„dem Leiden des Herrn nachbildeten" (De or. 14; CChr.SL I, 265,7: „... dominica passione modul a l a ) ... "). Diese Formulierung bezieht sich aber nicht auf das Märtyrerleiden, sondern auf das Nachbilden der Haltung des Herrn am Kreuz durch den Gebetsgestus der ausgebreiteten Arme. 201

Bray, Holiness, 83.

150 

Martyrium  als  Akt  der  Nachfolge  Christi 

damit  den „martyres  designati" eröffnete Möglichkeit  zum  „Rückzug" von  dem  „saeculum" und seinen Übeln als Akt der Nachfolge charakterisiert wird.202 Hier geht es - anders als in den oben genannten Stellen - aber auch nicht um die Nachahmung des Leidens Christi im Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer, sondern um eine konsolatorisch ausgerichtete Deutung der Inhaftierung unter Verweis auf einen Aspekt der Vita Jesu. Das Thema „¿e/cfensnachfolge" spielt in diesem Traktat keine Rolle. Es zeigt sich so, daß die Aufforderung zur Nachfolge bzw. Nachahmung Christi für die Begründung des Martyriums und die Einschärfung der Bereitschaft zu Leiden und Tod zwar von Tertullian aufgegriffen worden ist, aber keine hervorragende Bedeutung gewonnen hat.203 Dies entspricht einem prinzipiellen Kennzeichen der tertullianischen Ethik, in welcher im Unterschied zur Ethik Cyprians204 der Gedanke der Nachfolge keine zentrale Rolle spielt: „Den Charakter eines allgemeinen ethischen Formprinzips hat die Idee der Nachfolge bei ihm (sc. Tertullian) kaum erreichen können."205 Dies spiegelt sich deutlich auch in seinem Sprachgebrauch wider: So bezieht sich „sequi" nur an wenigen

202

  Ad  mart.  2,5.8  (CChr.SL  I,  4,15­17.32­5,2):  „Christianus  etiam  extra  carcerem  saeculo  renuntiavit,  in  carcere  autem  etiam  carceri  (sc.saeculi)  ...  Ipse  Dominus  in  secessu  frequentius  agebat,  ut liberius  oraret,  ut saeculo cederet...  Auferamus carceris  nomen,  secessum  vocemus."  Auf  die  geringe  Bedeutung  des  Nachfolge­  bzw.  Nachahmungsgedankens  in  „Ad  martyras"  hat  auch  Bray,  Holiness,  45,  hingewiesen:  „This  work  (sc.  Ad  martyras)  says  virtually  nothing  about  follo­ wing the  example  set  by  Christ,  although  there  are  references  to  his  teaching  ...  Obviously  fidelity  to  Christ  was  not  the  most  important  element  in  Tertullian's  definition  of  a  martyr."  203   Daß  die  Vorstellung  der  Nachahmung  bzw.  Nachfolge  keinen  zentralen  Gedanken  im  Rahmen  der  Begründung  des  Martyriums  darstellt,  heben  auch  hervor  Rambaux,  Tertullien,  381,  sowie  Fredouille,  Tertullien,  401f. Nach  Klein,  Bewußtsein,  215,  hat  der  Gedanke  der  Nachfolge  grundsätzlich  im  Rahmen  der  tertullianischen  Ethik  wie  auch  im  Zusammenhang  der  Martyriums­ exhortation  in  der  montanistischen  Zeit  Tertullians  aber  an  Bedeutung  gewonnen.  Da  aber  „Scor­ piace",  aus  dem  die  meisten  Belege  für die  Aufnahme des Nachfolgemotivs  innerhalb  der  Begrün­ dung des Martyriums stammen, aller Wahrscheinlichkeit  nach aus der katholischen  Zeit stammt  (vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm.  177),  ist  diese  Auffassung nicht  zu  halten.  204  Zur  Bedeutung  der Nachfolge Christi  als  ethischem  Leitbild  bei  Cyprian  vgl.  Beck,  Recht,  135f;  Michel  Spanneut,  Tertullien  et  les  premiers  moralistes  africains,  Paris  (1969),  67f.  205  Klein,  Bewußtsein,  215;  ähnlich  Pétré,  L'Exemplum,  141,  die  die  geringe  Bedeutung  des  Nachfolgemotivs  bei  Tertullian  mit  der  weit  größeren  bei  Cyprian  kontrastiert,  sowie  Crouzel,  L'imitation,  33:  „Chez  Tertullien  le  thème  de  l'imitation  est  d ' u n  emploi  plus  limité."  Dennoch  finden sich einige  Stellen,  in denen Tertullian das Nachfolgemotiv im Rahmen  ethischer  Ermahnun­ gen  aufnimmt;  so  begründet  er  in  De  idol.  12,2  (CChr.SL  II,  1112,13­15)  seine  Forderung  nach  Absage  an  alle  Aspekte  des  Götzendienstes  auch  unter  Daransetzung  des  eigenen  Auskommens  unter  Aufnahme  der  Nachfolgesprüche  Lk  9,62  und  Lk  9,23.  In  De  pat.  8,3  (CChr.SL  I,  308,15f)  verweist  er  auf  die  Geduld  Christi  als  Vorbild  fur das  Erleiden  von  Schlägen  und  Beleidigungen:  „Igitur  dominum  servi  consequamur  et  maledicamur  patienter  ut  benedicti  esse  possimus." 

Martyrium  als  Akt  der Nachfolge  Christi 

151 

Stellen auf die Nachfolge Christi206, „imitari" erscheint überhaupt nicht im  Kontext  ethischer  Ermahnungen,  „imitatio" wird  von Tertullian  gar nicht  verwendet.207  Mit  dem  verringerten  Interesse  an  der  Nachfolgevorstellung  bei  Tertullian208  geht  ingesamt ein Zurücktreten  der christologischen  Fundierung  des  Märtyrerlei­ dens  einher.  So  stellt  er nur  an vereinzelten  Stellen  ausdrücklich  eine  Beziehung  zwischen  dem  Leiden  Christi  und  demjenigen  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  her. Die Gleichartigkeit  des Todes  Christi und der Blutzeugen  im Hinblick  darauf,  daß  sie  beide  von  Gott  gefordert  worden  seien,  drückt  er  in  „De  anima"  aus:  Gegen  jegliche  Leugnung  der  Allgemeinheit  des  Todes  stellt  Tertullian  dort  heraus,  daß  der  Gott  Jakobs  die  Menschen  keineswegs  den  Tod  umgehen  lassen  wolle; vielmehr  fordere er ausdrücklich den Tod  „per martyrium", den er auch von  Christus verlangt habe.205 Hiermit  ist zugleich  angedeutet,  daß der  Tod  Christi  wie  auch  der  von  den  Christen  um  des  Glaubens  Willen  erlittene  gleichermaßen  als  „martyrium" verstanden  werden  können;  eine weitere  Explizierung  erfahrt  dieser  Gedanke  aber  nicht. Eine  ausdrückliche  Verknüpfung zwischen  der  Bereitschaft  zum  Martyrium  und  dem  Sühnetod  Christi  findet  sich  in  „De  fuga" in  dem  Zu­ sammenhang, wo  es Tertullian  um die Ablehnung  des Loskaufs in der Verfolgung  geht:  Keiner  dürfe sich  in der  Verfolgung um  den  geringen  Preis  einer  Geldzah­ lung auslösen, der bereits um den hohen  Preis  des Blutes  Christi  losgekauft sei.210  Legt  es  hier  der  Kontext  nahe,  daß  die  soteriologische  Bedeutung  des  Leidens  Christi unter  der Kategorie  des „Loskaufs" (redemptio,  emptio)  dargestellt  wird 2 ",  so  zeigt  sich  aber  auch  anderweitig  in  Tertullians  Schriften,  daß  er  die  Heils­

206   De  pat.  8,3  (CChr.SL  I,  308,15);  D e  idol.  12,2  (CChr.SL  II,  1112,14);  auf  das  Martyrium  bezogen  in D e  an.  55,5  (CChr.SL  II, 863,39);  daneben  wird  „sequi" auch  zur Bezeichnung  ethischer  Nachfolge  anderer  Personen  verwendet  (Scorp.  15,4;  CChr.SL  II,1097,15f:  „nec  mea  interest,  quos  sequar  martyrii  magistros...";  D e  mon.  6,2;  CChr.SL  II,  1236,17:  „Aut  si  posteriorem  Abraham  patrem  sequaris...").  In der  Mehrzahl  der  Fälle  erscheint  dieses  Verb  aber  überhaupt  nicht  im  Zusammenhang  ethischer  Ermahnungen.  Das  Derivat  „adsequi"  findet  sich  im  Zusammenhang  der  Nachfolge  Christi  nur  innerhalb  der  Zitation  von  l.Petr  2 , 2 0 f  (Scorp.  12,2;  CChr.SL  II,  1092,17).  207

  Vgl.  Gösta  Claesson,  Index  Tertullianeus,  Bd.  2,  Paris  1975,  730. 

208

  Vgl.  dagegen  z.B.  IgnRom  6,3;  PolPhil  8,2;  Eus.,  HE  V,  1,10;  2,2;  Iren.,  Adv.haer.  III, 

18,5.  209

  De  an.  50,4  (CChr.SL  II,  856,29f):  „...  mortem  per  martyrium  quoque  ...,  quam  de  Christo 

etiam  suo  exegit."  210 211

  De  fuga  12,2f  (CChr.SL  II,  1149,11-1151,38). 

  De  fuga  12,2  (CChr.SL  II,  1150,12f.20f):  „·..  hominem  ...,  quem  sanguine  suo  redemit  Christus  ...  Sol  cessit  diem  emptionis  nostrae";  De  fuga  12,3  (CChr.SL  II,  1150,28-31):  „Et  Dominus  quidem  illum  redemit ab angelis  munditenentibus,  (a) potestatibus,  a spiritalibus  nequitiae,  a  tenebris  huius  aevi,  a  iudicio  aeterno,  a  morte  perpetua." 

152 

Martyrium  als  Akt  der  Nachfolge  Christi 

bedeutung des Todes Christi  als eine Redemption versteht.212  Das  Märtyrerleiden  erscheint demgegenüber als ein „Zurückzahlen" dessen, was Christus durch seinen  Tod  den Christen  gegeben  habe,  als eine  „Vergeltung"  für das  Leiden  Christi.213  An einer Stelle in „Scorpiace" bezeichnet er es direkt als „Leiden für  Christus"214;  der Gedanke  der durch den Märtyrertod zu erreichenden  Verherrlichung  Christi  klingt  in „De  fuga in persecutione" an.215 Im Blick  auf das Endgericht zeigt  sich  zuletzt eine enge  Verbindung  zwischen  den Märtyrerinnen  und Märtyrern einerseits  und  Christus  andererseits  an  den  Stellen,  an  denen  Tertullian  unter  Aufnahme von Mt  10,32(f) die Bekenntnisforderung einschärft216, setzt diese doch das  Verhalten der Christen in der Verfolgungssituation in unmittelbare Relation zu der  Haltung, die Christus dereinst am Gerichtstag ihnen gegenüber einnehmen werde:  Wer Christus verleugne vor den Heiden, werde selbst von Christus vor Gott verleugnet werden, wer aber Christus bekenne,  für den werde auch Christus ein Bekenntnis  ablegen.  Die genannten Belege für eine Verknüpfung zwischen dem Märtyrerleiden und  dem Leiden Christi, die sich verstreut über verschiedene  Schriften -  „Scorpiace",  „De  anima",  „De  resurrectione  carnis" und „De  fuga in persecutione" -  finden,  sowie  der mit der Einschärfung der Bekenntnisforderung  gegebene  Hinweis  auf  das  in  Abhängigkeit  von  der Leidensbereitschaft  der  Gläubigen  verhängte  endzeitliche  Urteil  Christi  relativieren  die Einschätzung  von  CAMPENHAUSENS,  daß

212

 Vgl.  z.B.  Ad  ux.  II,  3,1  (CChr.SL  I,  387,10f):  „Quod  sciam,  non  sumus  nostri,  sed  pretio  empti.  Et  quali  pretio!  Sanguine  Dei!";  Adv.Marc.  V,  14,1  (CChr.SL  I,  705,18­20):  „Ob  hoc  igitur  missum  filium  in similitudinem  carnis  peccati,  ut peccati  carnem  simili  substantia  redimerei...";  De  pud.  6,18  (CChr.SL  Π): „...  et  magno  redempta  est (se. caro),  sanguine  scilicet  Domini  et  agni  ...".  Zu  dem  Verständnis  der  Redemption  bei  Tertullian  vgl.  Karl  Wölfl, Das  Heilswirken  Gottes  durch  den  Sohn  nach  Tertullian,  Rom  1960,  253f, dem  zufolge dieser  „redemptio"  „im  Sinne  der  Heiligen  Schrift  verstanden"  habe:  „Christus  hat  nicht  dem  Teufel  sein  Blut  als  „Lösepreis"  bezahlt,  noch  war die „aemula  operatio"  Christi  (De carne Chr.  17) eine „pia  fraus" im  Sinne einer späteren  Theo­ logie.  Es  geht  nur  darum,  den  Menschen  wieder  dahin  zurückzufuhren,  wo  Adam  vor  der  Sünde  stand."  Tertullian  hat  in  seiner  Darstellung  des  „Loskaufs"  der  Menschen  durch  Christus  u.a.  auf  l.Petr  1,19  zurückgegriffen. „Scientes  quod  non  corruptibilibus  auro,  vel  argento  redempti  estis,...,  sed  pretioso  sanguine  quasi  agni  immaculati  Christi." (Vgl.  De  fuga  12,3;  CChr.SL  II,  1150,24­26;  Ad  ux.  II,  3,1;  CChr.SL  I,  387,lOf).  213   Scorp.  15,6  (CChr.SL  II,  1097,31f)  „...  Christus  vicem  passionis  ...  exposcat  ...";  De  res.earn.  8,5  (CChr.SL  II,  932,25):  „...  reddere  Christo  vicem  moriendo  pro  ipso  ..."  Vgl.  die  Bezeichnung  „expendere" ­  „bezahlen"  für das Märtyrerleiden  in  Scorp. 9,6 (CChr.SL  H,  1085,25).  214  Scorp.  13,9  (CChr.SL  II,  1095,11):  „...  pro  ipso  (sc.  Christo)  pati."  Vgl.  die  in  Anm.  213  angeführte  Stelle  De  res.earn.  8,5.  2,5   De  fuga 9,4  (CChr.SL  II,  1147,39­41).  Vgl.  Zitat  Anm.  194.  216  Scorp.  9,8  (CChr.SL  II,  1085,11­15);  Scorp.  10,4  (CChr.SL  II,  1087,27­1088,29);  De  fuga  7,1  (CChr.SL  II,  1044,9f);  De  cor.  11,5  (CChr.SL  II,  1057,38­42). 

Martyrium  als  Akt  der  Nachfolge  Christi 

153 

Tertullian  „nicht  an  einer  direkten  Beziehung  des  Martyriums  auf  Christus"  lie­ ge. 2 "  Hinsichtlich  des  von  ihm  selbst  im  Kontext  dieser  Aussage  in  den  Blick  genommenen  Zeugnis­Aspektes  des Martyriums  ist  seine  Auffassung  allerdings  zutreffend: Lediglich  an einer  Stelle  in „Scorpiace"  erscheint  das  Bekenntnis  des  Christseins  ausdrücklich  als ein Bekenntnis Christi.™ Um  eine Argumentation  der  Gnostiker  zu  widerlegen,  derzufolge  ein  Christ  durchaus  sein  Christsein  ver­ leugnen  könne,  da  er  damit  noch  nicht  Christus  selbst  verleugnet  habe219,  betont  Tertullian  die  unbedingte  Zusammengehörigkeit  beider  Aspekte.  Über  diese,  letztlich  nicht  auf  eine  positive  Erfassung  des  Martyriums  als  eines  Zeugnisses,  sondern  auf polemische  Abwehr einer Relativierung  der Bekenntnispflicht  ausge­ richtete  Stelle  hinaus  findet  sich  bei  ihm  kein  Hinweis  auf  ein  Verständnis  des  Martyriums  als  eines  Christuszeugnisses.220  Der Überblick über Tertullians Aufnahme des Nachfolgemotivs in  martyrologi­ schen Kontexten,  seine Hinweise  auf eine Verknüpfung des  Leidens  der  Märtyre­ rinnen und Märtyrer mit der Passion  Christi und auf den Zusammenhang  zwischen  dem  Bekenntnis  der  Christen  und  dem  endzeitlichen  Urteil  Christi,  sowie  seine  einmalige  Identifikation  zwischen  dem  Bekenntnis  des  Christseins  und  dem  Bekenntnis  Christi  zeigt,  daß  er  zwar  keinesfalls  von  dem  Christusbezug  des  Martyriums  absieht,  dieser  aber  nicht  im  Vordergrund  seines  Martyriums­ konzeptes  steht.  Deutlich  weisen  die  Beiläufigkeit  und  die  häufig nicht  zentrale  Stellung  der  genannten  Belege  innerhalb  der  Argumentationszusammenhänge  darauf  hin,  daß  die  spezifisch  christologische  Fundierung  von  Bekenntnis  und  Glaubenstod  bei Tertullian zurücktritt221 hinter der Begründung des Martyriums  als 

217

 Campenhausen,  Idee,  120.   Scorp.  9,9 (CChr.SL  II,  1085,17­1086,23):  „Qui  se  Christianum  confitetur,  Christi  se  esse  testatur, qui  Christi  est,  in Christo  sit necesse  est.  Si  in Christo  est,  in Christo  utique  confitetur,  cum  se Christianum  confitetur.  Hoc  enim  non  potest  esse,  nisi  sit  in  Christo.  Porro  in Christo  confìtendo  Christum  quoque  confitetur,  qui  sit  in  ipso,  dum  et  ipse  in  ilio  est,  utpote  Christianus  est."  Unter  Verweis  auf  diese  Stelle  hat  sich  Otto,  Natura,  151,  gegen  die  zitierte  Auffassung von  Campen­ hausens, mit  der dieser den  Abstand  des tertullianischen  Konzeptes  von  der  „urchristlichen  Märtyre­ ridee"  herausstellen  will,  gewandt.  219   Vgl.  Scorp.  9,12  (CChr.SL  II,  1086,19­21):  „Itaque  frustra erit  dicere:  etsi  me  negavero  Christianum,  non  negabor  a  Christo,  non  enim  ipsum  negavi."  220   Zu  der  in  Scorp.  8,8  (CChr.SL  II,  1083,2­1084,8)  auftauchenden  Vorstellung  eines  allgemeinen  Zeugnisses  für die  Wahrheit  vgl.  K.ap.  5.1.  218

221

  Weinrich,  Spirit,  279f,  stellt  heraus,  daß  hierin  bei  Tertullian  im  Vergleich  zur  Martyri­ umstheologie  des  1. und  2.  Jhdts.  eine  Akzentverschiebung  stattgefunden  hat: „For  the  writings  just  reviewed  (sc. die paulinischen  Briefe, das Joh­Ev,  Ign, MartPol,  MartVienne  und  Lyon),  the  thought  of resurrection  from  the  dead  is integral  to  reflection  on  Christian  suffering and  martyrdom.  It  was  integral  because  martyrdom  was  christologically  founded  and  oriented  ...  However,  this  essentially  christological  and  eschatological  perspective  rather  early  began  to  be  lost.  Martyrdom  began  to  be 

154 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

eines Aktes menschlichen  Gehorsams gegenüber  dem zum Leiden auffordernden  Gotteswillen. Die geringere Bedeutung des Christusbezuges  innerhalb der Marty­ rologie  Tertullians  zeigt  sich  nicht  zuletzt  auch  im  Vergleich  mit  derjenigen  Cyprians,  in  der  nicht  nur  die  Nachfolgevorstellung  einen  wesentlich  breiteren  Raum einnimmt222,  sondern in der das Martyrium  auch wesentlich  christologisch  fundiert ist, indem  die durch Leiden und Tod Christi  erlangte Erlösung  die Ver­ pflichtung der Christen zur eigenen Leidensbereitschaft begründet.223 

4.3  Das  Verständnis  des Wirkens  Gottes  im  Martyrium 

4.3.1 Der göttliche Beistand  im Leiden  Die in den beiden vorangegangenen  Kapiteln betrachteten  Begründungen  für das  Martyrium  haben  die  ethische  Perspektive  der  Martyrologie  Tertullians  aufge­ zeigt,  in  der  das  Martyrium  als eine  an  die Christinnen  und  Christen  auf  Grund  ihrer Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, zur Nachfolge  Christi und zur Bekenntnisbereitschaft gerichtete Forderung erscheint. Daß deren  Erfüllung in Gestalt  des Bekenntnisses,  der Bewahrung  der  Standhaftigkeit und  des Erleidens des Martyriums aber keinesfalls nur als Leistung des Menschen zu  verstehen  ist,  sondern  wesentlich  auch  auf  dem  Wirken  Gottes  beruht,  ist  eine  zentrale Vorstellung der martyrologischen Tradition224, die sich auch bei Tertullian  niedergeschlagen  hat.  So  geht  er  bereits  in  „Ad  martyras"  davon  aus,  daß  die  Gläubigen  die  zum  Martyrium  führende Situation,  das  Verhör  und  die Inhaftie­ viewed  as a courageous  exercise  of the human will  on  behalf of  a religious  truth... Tertullian,  and  to  a  lesser  extent  the  Passion  of  Perpetua  and  Felicitas,  represent  this  ethical  view."  Auf  die  Auferstehungshoffnung als Begründung  der christlichen  Leidens-  und Todesbereitschaft  verweist  Tertullian  denn  auch  nur beiläufig  in apologetischen  Kontexten  (vgl.  Ad  nat.  I,  19,2;  CChr.SL  I,  38,22-25;  Apol.  50,11;  CChr.SL  I,  171,48-50).  222  Vgl.  z.B.  ep.  6,2,1  (CChr.SL  III B,  32,44-47);  ep.  58,2,1  (CChr.SL III C,  321,29-31 ); ep.  58,3,1  (CChr.SL m  C,  323,67-69);  ep.  58,6,3  (CChr.SL  III C,  328,145-329,160).  Vgl.  auch  Anm.  205.  Campenhausen,  Idee,  131-133,  unterschlägt  die  Bedeutung  des  Nachfolgemotivs  und  der  Christusbeziehung  fur  Cyprians  Martyriumstheologie  und  ebnet  die  Konzepte  Tertullians  und  Cyprians  in dieser  Hinsicht  ein.  223   Vgl.  z.B.  Ad  Fort  5  (CChr.SL  III,  192,28-31):  „...  nulla  sit  homini  excusatio  pro  se  non  patienti,  cum  passus  sit  ille  pro nobis,  et cum  ille  passus  sit  pro alienis  peccatis,  multo  magis  pro  peccatis  suis  pati  unumquemque  debere";  ähnlich  ep.  58,6,3  (CChr.SL  III C,  328,145-148).  224  Vgl.  z.B.  Mart.Pol.  2,2;  Eus,  HE  V,  1,42. 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

155 

rung, nur mit Hilfe göttlichen Beistands bestehen könnten. Zuteil  werde  ihnen  dieser  in  Gestalt  des  Heiligen  Geistes,  der  sie  in den  Kerker begleitet  habe.225  Seine  Gegenwart  erscheint zunächst als Voraussetzung  für die zur Inhaftierung führende  Standhaftigkeit,  denn  „si  enim  non vobiscum  nunc  introisset,  nec  vos  illic  hodie  fuissetis."226  Darüberhinaus  ist  die  Hilfe  des  Heiligen  Geistes  aber  ebenso  notwendig  für die Bewahrung des Glaubensmutes  der Märtyrerinnen  und Märtyrer im  Gefängnis  und  fur das Erleiden  des  Martertodes.  Deshalb  werden  die  „benedicti  martyres designati" von Tertullian unter Rückgriff auf Eph 4,30  aufgefordert,  den  Geist nicht zu betrüben,  damit er bei  ihnen bleibe  und sie  durch  das  Martyrium  zu  Christus  führe.227  Im  Hintergrund  dieser  Forderung  steht  die  in  der  Taufe  eingegangene  Gehorsamsverpflichtung  des  Christen228;  den  in  der  Taufe  verliehenen  Geist  nicht  zu betrüben  bedeutet,  dem  Taufeid  zu  entsprechen  und  sich  als gehorsam  gegenüber  den  Forderungen  Gottes  zu  erweisen.  Gerade  im  Kerker  sei  der „miles  Christi" den Anfechtungen  des Teufels  in besonderer  Weise  ausgesetzt,  gelte  dieser  doch  als  „domus  diaboli".229  Auch  hier  unter  den  vielfältigen  Entbehrungen  und  physischen  Härten  nicht  in  Gehässigkeiten  und  Zwist  zu  verfallen  und  den  Frieden  zu  bewahren heiße, den Versuchungen des Teufels nicht nachzugeben230 und dem „sacramentum" gerecht zu werden. Nur ein solches Verhalten garantiert also nach Tertullian das Verbleiben des Geistes bei den

225   Ad  mart.  1,3  (CChr.SL  I,  3,13f): „...  (Spiritus  sanctus),  qui  vobiscum  introiit  carcerem."  Zur  Rolle  des  Heiligen  Geistes  in  der  tertullianischen  Martyrologie  vgl.  Poschmann,  Bernhard,  Paenitentia secunda — Die  kirchliche Buße  im ältesten  Christentum  bis Cyprian  und  Orígenes,  Bonn  1940, 280f; Bender,  Wolfgang, Die  Lehre  über  den  Heiligen  Geist  bei  Tertullian,  München  1961,  144f.  Speziell  zum  Wirken  des Geistes  im Zusammenhang  des  Märtyrerleidens  vgl.  Viller,  Marcel,  Les  martyrs  et  l'Esprit,  in:  RSR  14 (1924),  544­551.  226

  Ad  mart.  1,3  (CChr.SL  I,  3,14f).    Ad  mart.  1,3  (CChr.SL  I,  3,12­16):  „Inprimis  ergo,  benedicti,  nolite  contristare  spiritum  sanctum,  qui  vobiscum  introiit  carcerem...  Et  ideo date operam,  ut  illic vobiscum  perseveret,  ita  vos  inde  perducat  ad  dominum."  228   Daß  bei  Tertullians  Ausführungen  in  „Ad  martyras"  die  in  der  Taufe  eingegangene  Gehorsamsverpflichtung  des  „miles  Christi"  grundlegend  ist,  zeigen  Ad  mart.  3,1  (CChr.SL  I,  5,1 lf): „Vocati  sumus  ad  militiam  Dei  vivi  iam  tunc,  cum  in  sacramenti  verba  respondimus"  und  Ad  mart.  3,4  (CChr.SL  I, 5,26f): „Itaque  epistates  vester  Christus  Iesus,  qui  vos  Spiritu  unxit,  et  ad  hoc  scamma  produxit...".  Zu  der  Vermittlung  des Heiligen  Geistes  durch  die  nach  der  Taufe  erfol­ gende  Salbung  vgl.  De  bapt.  7 , l f  (CChr.SL  I,  282,1­11).  227

229 230

 Ad  mart.  1,4  (CChr.SL  I,  3,16f). 

 Vgl.  Ad  mart.  1,5 (CChr.SL  I, 3,20f): „Non  ergo  dicat  (sc. diabolus):  ,ln  meo  sunt,  tempta­ bo  illos  vilibus  odiis,  defectionibus,  aut  inter  se dissensionibus...'...  pax  vestra  bellum  est  illi".  Daß  Ruhe  und  Frieden  die  Voraussetzungen  zur  Bewahrung  des  Geistes  bilden,  hat  Tertullian  auch  in  De  spect.  15,2  (CChr.SL  I,  240,6­9)  herausgestellt:  „Deus  praecepit  spiritum  sanctum,  utpote  pro  naturae  suae  bono  tenerum  et  delicatum,  tranquillitate  et  lenitate  et  quiete  et  pace  tractare,  non  furore, non  bile,  non  ira,  non  dolore  inquietare." 

156

Der göttliche  Beistand  im  Leiden 

Bekennern und damit die Ermöglichung des Martyriums. Daß das Verbleiben  des  Geistes an Bedingungen geknüpft ist, zeigt Tertullian  auch in „De patientia":  Wer  der  als  „Begleiterin"  des Heiligen  Geistes  auftretenden Geduld  keinen Raum  in  seinem  Leben  gewähre,  werde  auch  diesen  selbst  wieder  verlieren.231  Da  beide  aber  notwendig  zur  Vollendung  eines  Martyriums  seien232,  könnten  diejenigen  also,  die die Gaben  des Geistes nicht bewahrten, auch kein Martyrium  erleiden.  In  „Scorpiace"  hat  Tertullian  die  Notwendigkeit  des  Wirkens  des  Geistes  zur  Bewahrung der Standhaftigkeit am „exemplum" der drei Jünglinge im Feuerofen  herausgestellt. Bereits in der Zeit der „antiquitas",  des Alten Bundes, seien dieje­ nigen, die sich von dem Geist fuhren ließen, von diesem  zum Martyrium gefuhrt  worden.233 Für die drei Männer habe dies bedeutet, daß sie in der Situation,  in der  der babylonische König die Verehrung seines Götterbildes befahl, die Forderung  des  Glaubens  nach  unbedingter  Standhaftigkeit  gegenüber  der  Verfuhrung  zur  Idololatrie erfüllen konnten.234 Darüberhinaus erwähnt Tertullian in diesem Traktat  die  den  Christen  nach  Mt  10,19f  zugesagte  Hilfe  des  Geistes  in  der  Bekennt­ nissituation: „Sed cum prohibet (sc. Christus) meditari responsionem  ad tribunal,  fámulos suos instruit, spiritum sanctum responsurum repromittit ...",235 Über diese beiden Stellen hinaus wird das göttliche Wirken innerhalb der ganz auf die Einschärfung der menschlichen Verpflichtung zur Leidensbereitschaft ausgerichteten Schrift „Scorpiace" aber nicht weiter thematisiert. Eine größere Rolle spielt die Vorstellung des für das Erleiden des Martyriums notwendigen göttlichen Beistands innerhalb der montanistischen Schrift „De fuga in persecutione". Von der von Gott durch die Schrift und durch die Offenbarung

231  De  pat.  15,7  (CChr.SL I, 316,27-31):  „Cum ergo  spiritus  dei  descendit,  individua  patientia  comitatur eum.  Si non cum spiritu admiserimus,  in nobis morabitur semper?  Immo nescio an diutius  perseveret:  sine  sua comité  ac  ministra  omni  loco  ac tempore  angatur necesse  est...".  232  De  pat.  15,2  (CChr.SL I,  316,5-10):  „omnia enim  placita  eius  (sc.  Dei)  tuetur (sc.  patientia),  omnibus  mandatis  eius  intervenit:...  martyria  consummat...".  233  Scorp.  8,4 (CChr.SL  Π,  1083,6-8):  „Et utique qui  spiritu dei  agebantur,  ab ipso  in  martyria  dirigebantur  etiam  patiendo  quae  et  praedicassent."  Nach  De  praescr.haer.  13,5  (CChr.SL  I,  198,12f) bezeichnet  „agere" in der „Regula  fidei" das  Wirken  des  von  Christus  gesandten  Geistes  in den  Gläubigen.  234  Scorp.  8,4  (CChr.SL  II,  1083,8-11):  „Proinde  et trina fraternitas,  cum  dedicatio  imaginis  regiae  turbam  urgeret  officii,  non  ignoraverunt,  quid  fides,  quae  sola  in  illis  captiva  non  fuerat,  exigeret,  moriendum  scilicet  adversus  idololatrian."  235   Scorp.  11,3  (CChr.SL Π,  1090,17-19).  Das  Verbot  Christi,  im  voraus  die  Antwort  vor  dem  Gericht zu bedenken,  erwähnt Tertullian auch  in Adv.Marc.  IV,  39,6  (CCChr.SL  I, 652,lf):  „Et hic  igitur  ipse  cogitari  vetat,  quid responden  oporteat apud  tribunalia  ..." 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

157 

des Parakleten  autoritativ  erhobenen Forderung nach dem Martyrium236 werden  die  Christen  nach  Tertullians  Darstellung  als  solche  betroffen,  denen  Gott  seinen  Sohn  zur Bewahrung  ihres  Glaubens  gesandt  habe,  die  also  in  der  Verfolgungssituation die „protectio  a filio" für sich hätten.237  Gott habe  die Macht,  auch  in  der  vermeintlich  schutzlosen  Situation  der Verfolgung  Schutz  zu  bieten.238  Wer  sich  durch  eine  Flucht  dieser  Situation  zu  entziehen  suche,  offenbare  mangelndes  Vertrauen in Gottes  „potentia protectionis".239  Eine wesentliche  Beistandsfunktion 

236

  Der  Paraklet  erhält  in  „De  fuga  in  persecutione"  die  Funktion  einer  verbindlich  zum  Martyrium  auffordernden Instanz  zugeschrieben.  Im  Hintergrund  steht  das  montanistische  Prinzip  einer  durch  das  Kommen  des  Parakleten  eröffneten  Offenbarung,  die  die  bereits  im  Evangelium  gegebene  ergänze  und  verschärfe. In dem  von  Gott  zur  Unterweisung  der  Menschen  zur  Gerechtig­ keit  durchgeführten Offenbarungsprogramm  sei  die  letzte von  vier  Stufen  erreicht  (De  virg.vel.  1,7;  CChr.SL  II,  1210,46­50:  „Sic  et  iustitia  (...)  primo  fuit in  rudimentis,  natura  deum  metuens;  dehinc  per  legem  et  prophetas  promovit  in  infantiam, dehinc  per  evangeliam  efferbuit in  iuventutem,  nunc  per Paracletum  componitur  in maturitatem."),  in der der Paraklet sittliche Forderungen  verkünde,  die  den  Christen  bislang  noch  nicht  zugemutet  worden  seien  (vgl.  De  mon.  2,If;  CChr.SL  II,  1229,26­ 1230,13).  Ziel  dieser  auschließlich  auf  die  „disciplina"  (vgl.  De  virg.vel.  1,5;  CChr.SL  II,  1209,35,1210,38;  zu  dem  die  moralischen  Vorschriften,  die  gemeindlichen  Vollzüge,  aber  auch  einige  Lehrfragen  umfassenden  Bedeutungsgehalt  von  „disciplina"  bei  Tertullian  vgl.  Valentin  Morel,  Le  développement  de  la „disciplina"  sous  l'action  du  Saint­Esprit  chez  Tertullien,  in:  RHE  35 (1939),  243­265,  bes. 261),  nicht  aber  auf  den  unveränderlichen  Inhalt  der  „Regula  fidei"  bezo­ genen  Offenbarungstätigkeit  des  Parakleten  ist  nach  Tertullian  die  Heiligung  des  Christen  durch  einen  sittlich  einwandfreien  Lebenswandel  (De  pud.  11,3;  CChr.SL  Π,  1302,17f):„·•·  nemo  sanctus  ante spiritum  sanctum  de caelo repraesentatum  ipsius disciplinae  determinatorem";  vgl. die  Bezeich­ nung  des  Parakleten  als  ,,sanctificator(..)  fidei  eorum  qui  credunt  in  Patrem  et  Filium  et  spiritum  sanctum"  in  Adv.Prax.  2,1;  CChr.SL  II,  1160,15f)·  Zu  diesem  auf  die  „disciplina"  bezogenen  Wirken  des  Heiligen  Geistes  vgl.  Morel,  développement,  passim;  Bray,  Holiness,  105f,  grundsätz­ lich zu Tertullians  Lehre  vom  Parakleten  vgl.  Bender,  Lehre,  150­168,  sowie  Henry  Barclay  Swete,  The  Holy  Spirit  in  the  Ancient  Church  ­  A  Study  of  Christian  Teaching  in  the  Age  of the  Fathers,  London  1912,  78­80.  In  „De  foga"  erhält  der  Paraklet  eine  verbindliche  adhortative  Funktion  in  bezug  auf  die  Verpflichtung  zum  Martyrium  zugewiesen.  Unter  Verweis  auf  ein  montanistisches  Orakel  betont Tertullian,  daß  der  Geist  zum  Martyrium  auffordere: „Spiritum  vero  si consulas,  quid  magis  sermone  ilio  Spiritus  probat? Namque  omnes  paene  ad  martyrium  exhortantur,  non  ad  fugam  ..."  (De  fuga  9,4;  CChr.SL  II,  1147,32­34).  Im  Gegensatz  dazu  würden  diejenigen,  die  sich  der  Pflicht zum Martyrium  auf dem  Wege der  Flucht entziehen  wollten, von dem  Parakleten  beschimpft:  „Si  et  Spiritum  quis  agnoverit,  audiet  fugitivos denotantem"  (De  fuga  11,2; CChr.SL  II,  1149,24f)·  237  De  fuga 2,4  (CChr.SL  Π,  1137,37­40):  „Per  quod  ostenditur  utrumque  apud  deum  esse,  et  concussionem  fidei  et  protectionem,  cum  utrumque  ab  eo  petitur,  concussio  a  diabolo,  protectio  a  filio."  Vgl.  De  fuga 2,5  (CChr.SL  II,  1138,41­43).  In  De  fuga  10,3  (CChr.SL  II,  1148,25)  spricht  er  von  demjenigen,  der  nicht  fliehe,  als  „confidens  ...  de  tutela  Domini."  238  De  fuga 5,2  (CChr.SL  II,  1141,14­18):  „Si  vero  in  Deo  totum  est,  cur  non  totum  relinqui­ mus  arbitrio  eius,  agnoscentes  virtutem  et  potestatem,  quod  possit  (sc.  deus)  nos  sicut  fugientes  reducere  in  medium,  ita  et  non  fugientes,  immo  et  in  medio  populo  conversantes  obumbrare?"  239  De  fuga 5,3  (CChr.SL  II,  1141,18­21):  „Quale  est,  ut  ad  fiigiendum  Deo  honorem  reddas,  qui  possit te etiam  fìigientem producere in medium,  ad constandum  autem  inhonores  ilium  desperans  potentiam  protectionis  ab  ilio?" 

158 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

in der Verfolgung erhält in „De  fuga in persecutione" der Paraklet  zugewiesen.240  Derjenige,  der  ihn  empfangen  habe,  könne  auf jeden  Fall  standhaft  dem  Martyrium  entgegenblicken;  Flucht  oder  Loskauf,  jegliches  Ausweichen  vor  dem  Martyrium,  seien  fur ihn vollkommen  unnötig,  denn  der Paraklet  werde  ihm  im  Leiden beistehen  und -  wie Tertullian auch hier im Anschluß an Mt 10,19f zusagt - vor Gericht für ihn sprechen.241 Dies bedeutet für Tertullian aber auch, daß der Beistand des Parakleten notwendig für die Standhaftigkeit im Leiden ist242; letztlich können also nur diejenigen, die den Parakleten annehmen, ein Martyrium erleiden, da auch nur sie die Notwendigkeit und Pflichtgemäßheit des Martyriums erkannt hätten. Diejenigen, die den Parakleten und seine Prophetien zurückwiesen, würden hingegen jede Möglichkeit wahrnehmen, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.243 Sowohl die Erkenntnis der Notwendigkeit des Martyriums als auch die Standhaftigkeit im Leiden sind also für den Montanisten Tertullian auf die Geistkirche beschränkt; in bezug auf die „psychici", die katholischen Christen, die den Geist nicht annehmen244, wird hiermit sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeit zum Martyrium geleugnet. Die göttliche Gegenwart als unbedingte Voraussetzung für das Erdulden der Märtyrerleiden wird von Tertullian auch in der späten montanistischen Schrift

240

  Zur  grundsätzlichen  Beistandsfunktion  des  Parakleten  vgl.  De  ieiun.  13,5  (CChr.SL  II,  1272,60f); De  mon.  3,10  (CChr.SL  Π,  1232,77f), wo  der  Paraklet  als  „advocatus"  bezeichnet  wird.  Nach  Heinrich  Hoppe,  Syntax  und  Stil  des  Tertullian,  Leipzig  1903,  118,  hat  „advocare"  bei  Tertullian  häufig die  Bedeutung  des  griechischen  π α ρ α κ α λ ε ί ν  (trösten,  helfen).  241  De  fuga  14,3 (CChr.SL  II,  1155,22­24):  „Quem  qui  receperunt,  neque  fugere  persecutio­ nem  neque  redimere  noverunt,  habentes  ipsum,  qui  pro  nobis  erit,  sicut  locuturus  in  interrogatione  ita  iuvaturus  in  passione."  242  De  fuga  14,2f (CChr.SL  II,  1155,18­22):  , 3 t  ideo multi  vocati, pauci  electi. Non  quaeritur,  qui  latam viam  sequi paratus sit, sed qui angustam.  Et ideo Paracletus  necessarius,  deductor  omnium  veritatum, exhortator omnium tolerantiarum." Zu der aus dieser den Traktat abschließenden  Aussage  abgeleiteten  Charakterisierung  von  „De  fuga" als  „montanistischen  Protreptikus"  durch  Barnes,  Scorpiace,  118,  vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm.  161.  243

  Vgl.  De  cor.  l,4f  (CChr.SL  II,  1040,26­32):  „Plane  superest,  ut  etiam  martyria  recusare  meditentur  qui  prophetias  eiusdem  spiritus  sancti  respuerunt...  Nec  dubito  quosdam  secundum  scripturas  emigrare,  sarcinas  expedire,  fugae accingi  de  civitate  in  civitatem.  Nullam  enim  aliam  evangelii  memoriam  curant."  244  Vgl.  De  mon.  1,3  (CChr.SL  Π,  1229,17).  Nach  Rankin,  Church,  28,  meint  Tertullian  mit  „psychici"  nicht  „the  Catholic  church  and  its  hierarchy  in  toto,  but  rather  ...  a  particular  element  within  that church."  Diese  Auffassung hängt  zusammen  mit  seiner These,  daß  sich  die  Montanisten  in  Karthago  nicht  als  schismatische  Gruppierung  abgespalten,  sondern  eine  „ecclesiola  in  ecclesia"  gebildet  hätten,  aus  der  heraus  er seinen  „ K a m p f '  für eine  rigorosere  christliche  Disziplin  gefuhrt  hätte. Als „psychici" erschienen diejenigen seiner Mitchristen,  insbesondere  unter den  Klerikern,  die  die  Forderungen  des  Parakleten  ablehnten:  „...  regardless  of their  precise  identity,  it  is their  failure  properly  to  recognize  the  Paraclete  ..., that  identifies them  as  „Psychici"."  (Rankin,  Church,  49) 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

159 

„Adversus Praxean"245 herausgestellt:  „... nec nos pati pro deo possumus  nisi  Spiritus Dei  sit in nobis  .. ."246, wobei  er hier zum dritten Mal  die  in Mt  10,19f verheißene Hilfe in der Bekenntnissituation erwähnt.247 In diesem Kontext, in dem er gegen den Modalisten Praxeas die absolute Leidensunfähigkeit Gottes betonen will, ist es für ihn allerdings wesentlich, darauf zu verweisen, daß der „Geist Gottes"248 nicht selbst leide, sondern den Bekennern nur die Fähigkeit zum Leiden verleihe.249 Daß die Gegenwart und der Beistand Gottes, des Sohnes und des Heiligen Geistes, konstitutiv für das Erleiden eines Martyriums sind, ist für Tertullian schon in der frühen Schrift „Ad martyras" sowie in „Scorpiace" selbstverständlich; stärker noch stellt er die Bindung des Martyriums an die göttliche Gegenwart aber in der montanistischen Schrift „De fuga in persecutione" heraus.250 Dennoch zeigt sich durchgängig in seinen martyrologischen Ausführungen, daß das Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer aber immer dasjenige der Menschen bleibt. Obwohl die in „Adversus Praxean" getroffene explizite Einschränkung, daß der „Geist Gottes" nicht selbst leide, durch die antipatripassianistische Polemik des Kon-

245

 Zu den  zwischen  213 und 218 schwankenden  Datierungen  vgl. Braun,  Deus  Christianorum, 

576.  246

  Adv.Prax.  29,7  (CChr.SL  II,  1203,46).    Adv.Prax.  29,7  (CChr.SL  II,  1203,46f):  „•••  qui  et  loquitur  de  nobis  quae  sunt  confessio­

247

nis...".  248  „spiritus  Dei"  meint  bei  Tertullian  die  göttliche  Substanz  Christi.  Zu  dieser  Verwendung  von  „spiritus  Dei"  vgl.  weiter  Cantalamessa,  Cristologia,  49­51.  „Spiritus  Dei"  bezeichne  „una  porzione  della  sostanza  divina,  passata  nel  Figlio"  (Cantalamessa,  Cristologia,  51).  Zu  „spiritus  Dei"  als  Bezeichnung  fur Christus  vgl.  z.B.  De  or.  1,1  (CChr.SL  I,  257,2f):  „Dei  spiritus  et  Dei  sermo  et  Dei  ratio,...,  Iesus  Christus..."  249  Adv.Prax.  29,7  (CChr.SL  II,  1203,47f):  „···  non  ipse  (sc.  spiritus  Dei)  tarnen  patiens  sed  pati  posse  praestans."  Zur  Intention  dieses  Zusammenhangs  vgl.  Wölfl,  Heilswirken,  248:  „Der  Geist  Gottes  als  solcher  hat  nicht  gelitten  (...).  Gelitten  hat  vielmehr  nur  die  Caro.  Sobald  nämlich  gesagt  würde,  der  Sermo habe  mitgelitten,  stünde  einer  „compassio"  des  Vaters  (...) nichts  mehr  im  Wege."  250

 Vgl. Weinrich,  Spirit, 259f: „According to Tertullian, therefore, the Holy  Spirit  is the  divine  instrument  by whose aid the Christian  perseveres  in the worship of the one, true God  and  in  obedien­ ce  to  God's  commands.  By  enabling  the  Christian  to  persevere,  the  Spirit  in  effect  guides  and  exhorts  to  martyrdom..  While  this  view  occurs  in the  non­Montanist  works  of  Tertullian  (Ad  mart.  1,3;  Scorp.  8,3;  9,3),  it  is most  prevalent  in the  Montanist  work,  De  fuga in  persecutione,  where  the  activity  of the  Spirit  is especially  viewed  as the  strength  required  to  overcome  the  weakness  of  the  flesh."  Auch  Butterweck,  Martyriumssucht,  62,  stellt  heraus,  daß  Tertullian  in  bezug  auf  „das  betonte  Wirken  des  Hl.  Geistes"  in „De  fuga" über  das  hinaus  gehe,  was  er  bereits  in  „Scorpiace"  gesagt  habe.  Dieses  ermögliche  es  einerseits,  „sich  von  den  Anweisungen  inkonsequenter  Amts­ träger zu  distanzieren",  und  andererseits  eröffne es  die  Möglichkeit,  „in  einer  Zeit  zuversichtlich  zu  existieren,  in  der  das  Christentum  noch  so  wenig  verbreitet  und  bekannt  ist,  daß  es  ständig  mit  Gewaltmaßnahmen  rechnen  muß  ...". 

160 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

textes bedingt  ist,  ist sie grundsätzlich auch für die anderen Schriften Tertullians  zutreffend. An keiner  Stelle findet sich bei  ihm der Gedanke,  daß Christus selbst im Märtyrer kämpfe und leide.251 Hierin unterscheidet er sich deutlich von in dem Brief der Märtyrer von Vienne und Lyon, in der „Passio Perpetuae et Felicitatis" sowie später bei Cyprian deutlich werdenden Vorstellungen.252 Gerade bei letzterem hat der Gedanke der Christuspräsenz im Märtyrer eine besondere Bedeutung gewonnen253: Christus selbst kämpfe und siege in dem Märtyrer, deshalb sei dessen Sieg nicht seiner eigenen Stärke anzurechen, sondern als Werk Christi anzusehen, der aus Liebe und Güte das belohne, was er selbst geleistet habe.254 Christus kröne zwar die Märtyrer, aber zugleich gebühre der Ruhm fur das Marty-

251  Der  Gedanke  der Christuspräsenz  im Märtyrer spielt bei Tertullian  grundsätzlich  kaum  eine  Rolle.  Er  wird  von  ihm  nur  an  einer  Stelle  aufgegriffen: „Si  propterea  Christus  in  martyre  est,  ut  moechos  et fornicatores martyr  absolvat..."  (De  pud. 22,6;  CChr.SL  II,  1329,29f). Der  Kontext  und  die  konditionale  Formulierung  zeigen  aber,  daß  es  Tertullian  hier  nicht  um  eine  eigene  positive  Aussage  zur  Christusgegenwart  im  Märtyrer  geht  (gegen  Hans  Achelis,  Das  Christentum  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten,  Bd.  II,  Leipzig  1912,  Exkurs  87;  Hippolyte  Delehaye,  Les  Origines  du  Culte  des  Martyrs,  Brüssel  1933 2 ,  9;  Fredouille,  Tertullien,  402,  Anm.  139),  sondern  um  die  Wiedergabe  einer  allgemein  vertretenen  Anschauung,  die  er  im  Hinblick  auf  die  katholischen  Märtyrer  ad  absurdum  fuhren will. Vgl.  Lods,  Confesseurs,  27,  dem  zufolge Tertullian  in  De  pud.  22,6  schreibe,  „qu'il  est  courant  parmi  les chrétiens  de  dire  que  le  Christ  habite  dans  le martyr."  Im  Kontext der Martyriumsthematik  spricht Tertullian über De  pud. 22 hinaus  noch an drei  Stellen  über  die Christuspräsenz  (Scorp.  9,9;  CChr.SL  II,  1086,21­23;  De  fuga  10,3;  CChr.SL  II,  1147,16­18;  De  fuga  12,7; CChr.SL  II,  1150,37f),  dort  geht  es  aber  nicht  um  die  besondere  Gegenwart  Christi  in den  Märtyrern,  sondern  um  die  auf der  Taufe  beruhende  Christusgegenwart  in  allen  Gläubigen.  Daß  der  Gedanke  der  Christuspräsenz  von  Tertullian  nicht  weiter  aufgegriffen wird,  betont  auch  Campenhausen,  Idee,  92.  Tertullian  versuche  vielmehr,  in  seiner  Martyrologie  „dem  heiligen  Geist  seine  Stellung  zu  bewahren".  Im Hintergrund  dieses  Votums  steht  aber  Campenhausens  ausdrück­ liche  Differenzierung zwischen  der  Vorstellung  der  Gegenwart  des  Geistes  und  derjenigen  Christi  in der  Martyriumstheologie:  „Urchristlich  ist nicht  der  Glaube  an  eine  besondere  Gegenwart  Christi  im  Martyrium,  sondern  an  die  Sendung  des  Geistes."  Ersterer  begegne  erst  im  2.  Jhdt.  flüchtig  und  werde  im  3. Jhdt.  dann  weiter  entfaltet. (Campenhausen,  Idee,  90) Bei  Cyprian  zeigt  sich  aber,  daß  entgegen  dieser  Differenzierung  von  einer  inneren  Zusammengehörigkeit  beider  Vorstellungen  ausgegangen  werden  kann  (vgl.  ep.  10,3;  CChr.SL  III  B,  50,50­58;  ep.  76,5,1;  CChr.SL  III  C,  613,110­115,  wo jeweils  K a m p f u n d  Sieg  Christi  im  Märtyrer  biblisch  durch  Mt  10,19f  begründet  werden).  252

 Zu  der  Vorstellung  des  in dem  Märtyrer  leidenden  Christus  in dem  Brief  der  Märtyrer  von  Vienne  und  Lyon  vgl.  Eus.  HE  V, 1,23.29.41 f.  Zu  der  entsprechenden  Vorstellung  in  der  Passio  Perpetuae  vgl.  den  Ausspruch  der  Felicitas  in  Pass.Perp.  15,6  (Habermehl,  Passio,  20):  „Modo  ego  patior  quod  patior;  illic autem  alius erit  in me qui  patietur  pro  me,  quia  et ego  pro  ilio passura  sum."  Zur  Interpretation  dieser  Stellen vgl. Jensen,  Töchter,  248: „In diesem  Kampf  sind  Christus  und  der  Märtyrer  so  sehr  eins,  daß  sie  als  Subjekte  vertauschbar  werden:  Christus  leidet  im  Märtyrer,  der  Märtyrer  erneuert  den  Sieg  Christi."  253  ep.  10,3  (CChr.SL  IH Β,  50,50­52):  „Quam  laetus  illic Christus  fuit, quam  libens in  talibus  suis  et  pugnavit  et  vicit...".  254

  ep.  76,5,1  (CChr.SL  III  C,  613,110­112);  ep.  76,4,2  (CChr.SL  III C,  613,103­109). 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

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rium  ihm,  so  daß er selbst im Märtyrer gekrönt werde.255 Die Präsenz Christi im Märtyrer verbürge zugleich dessen sicheren Sieg.256 Demgegenüber wird nach Tertullians martyrologischen Vorstellungen der Kampf im Martyrium nicht von Christus ausgefochten, sondern vom Menschen, der im Martyrium seinem Gott gegenübersteht, der von ihm Gehorsam erwartet.257 So muß der Mensch sich trotz göttlicher Beistandszusage auch durch die Übung seiner Tugend und Tapferkeit, seiner „virtus", d.h. durch die "praeparatio ad martyrium", auf das Martyrium vorbereiten.258 Deses Verständnis eines zwar durch den Beistand des Geistes bzw. Christi erst ermöglichten und von diesen unterstützten, letztlich aber von den Christinnen und Christen selbst zu bestehenden Kampfes zeigt sich auch in der plastischen Darstellung des Martyriums als eines „Wettkampfes" in „Ad martyras".259 Dieser finde zwar in der Gegenwart des Geistes wie auch Gottvaters und des Sohnes statt, aber die auf sie übertragenen Bezeichnungen aus dem Bereich des antiken Wettkampfwesens260 weisen weder dem Geist noch Christus eine aktiv kämpfende Rolle zu. In den aufgeführten Aussagen Tertullians zum göttlichen Wirken in Bekenntnis und Martyrium zeigen sich also zwei Seiten. Zum einen ist die durch die Taufe

255

  ep.  10,4,4  (CChr.SL  DI B,  54,98). 

256

  ep.  10,1,2  (CChr.SL  ΙΠ  B,  47,17­22).  Zu  dieser  Vorstellung  bei  Cyprian  vgl.  Hummel,  Concept,  9,  sowie  Capmany­Casamitjana,  Miles  Cristi,  243:  „Cristo  es  presentado  como  actual  combatiente  junto  al  miles,  en  un  acción  intima  de  presente  ...".  Seit  dem  4.  Jhdt.  hat  sich  die  Vorstellung der Christuspräsenz  in dem Titel  „Christophoros"  niedergeschlagen.  Vgl.  Dölger,  Franz  Josef,  Christophoros  als  Ehrentitel  für Märtyrer  und  Heilige  im  christlichen  Altertum,  in:  AuC  IV  (1934),  73­80.  257  Vgl. die entsprechende  Einschätzung  bei  Weinrich,  Spirit, 266: „...  Christ  or the Holy  Spirit  are  ministers  of divine  exhortation  and  support  who  help  and  aid  the  Christian  to  remain  faithfully  steadfast.  But Christ  and  the  Spirit are  not  themselves  actively  engaged  in  conflict.  The  martyr  is by  and  large  alone  in  his martyrdom,  required  to  exercise  his  virtue  and  courage  lest  he  prove  himself  unworthy  and  become  subject  to  God's  condemnation."  258  Dieses Nebeneinander  wird besonders  deutlich  in Ad  mart.  3,1­5 (CChr.SL  I, 5,11 ­6,9):  Die  Entbehrungen  des  Gefängnisses  bereiten  die  Christen  zum  Erleiden  des  Martyriums  vor,  wie  die  Übungen  im  Feldlager  die  Soldaten  auf den  Krieg und das Training  die Athleten  auf den  Wettkampf  in der  Arena  vorbereiten.  Die  Härten  und  Entbehrungen,  die  im  Kerker  zu  erdulden  sind,  dienen  so  „ad  exercitationem  virtutum  animi  et  corporis"  (Ad  mart.  3,3;  CChr.SL  1,  5,22f),  denn  „virtus  duritia  exstruitur"  (Ad  mart.  3,5; CChr.SL  I, 6,9).  Zur  Bedeutung  des  Gedankens  der  notwendigen  „praeparatio  ad  martyrium"  in  Tertullians  Konzept  vgl.  auch  Kap.  3.1.2,  Anm.  108.  259   Ad  mart.  3,3f  (CChr.SL  I,  5,23­29):  „Bonum  agonem  subituri  estis  in  quo  agonothetes  Deus  vivus,  xystarches  Spiritus  Sanctus...  Itaque  epistates  vester  Christus  Iesus,  qui  vos  Spiritu  unxit,  et  ad  hoc  scamma  produxit,  voluit  vos  ante  diem  agonis  ad  duriorem  tractationem  a  liberiore  condicione  seponere,  ut  vires  corroborarentur  in  vobis."  260  Zu  diesen  Bezeichnungen  („agonothetes",  „xystarches",  „epistates")  und  ihrer  Interpreation  vgl.  ausführlich  Kap.  3.1.2. 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

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den Christinnen und Christen verliehene  Gegenwart des  Geistes  notwendig  zum  Bestehen  der Herausforderungssituation.261  In diesem  Sinne beruht die Erfüllung  der auf  das Martyrium  zielenden  Forderung  Gottes  auf der vorlaufenden  Gnade  Gottes  und kann  entsprechend  als Gabe  Gottes  verstanden  werden.262  Besonders  GOOCH hat in seiner Interpretation der tertullianischen Ethik auf die Ermöglichung  christlicher Vollkommenheit  durch die in der Taufe geschenkte Gabe des Heiligen  Geistes  aufmerksam gemacht,  durch die die Christen in den  Stand versetzt  würden,  das  Leben  zu  leben,  das  Adam  nach  Gottes  Willen  hatte  leben  sollen.263  Insofern sei die Erfüllung des Willens Gottes durch die Gläubigen „a gift of grace  and a response to grace".264 Die  damit gegebene Rückbindung  des Martyriums an  die Taufe nicht nur im Sinne der darin eingegangenen  Gehorsamsbindung  gegenüber  Gott,  sondern  der durch  die  Gabe  des  Geistes  geschenkten  Ermöglichung,  dem  neuen  Status  zu entsprechen  und die Forderungen  Gottes  zu  erfüllen,  stellt  ein Korrektiv  dar gegenüber  einer ausschließlichen Betonung des menschlichen

261  Zum  E m p f a n g  des  Geistes  in  der  Taufe  vgl.  De  bapt.  5­8  (CChr.SL  I,  280,1­283,30);  De  res.carn.  8,3  (CChr.SL  Π, 931,11);  De  an.  1,4 (CChr.SL  Π,  782,26ff). Der  Getaufte erhält  ein  neues  Kleid,  das  „indumentum  spiritus  sancti"  (De  pud.  9,11 ; CChr.SL  II,  1298);  ihm  wird  in  der  Taufe  der  Geist  erneut  zuteil,  den  Adam  bereits  empfangen,  aber  durch  seine  Übertretung  wieder  verloren  hatte: „Recipit (homo)  enim  illum  dei  spiritum quem  tunc de adflatu eius (sc. Dei) acceperat  sed  post  amiserat  per  delictum."  (De  bapt.  5,7;  CChr.SL  I,  282)  Der  Mensch  wird  durch  den  Empfang  des  Geistes  Gottes  erneut  in  den  Zustand  versetzt,  den  er  vor  dem  Fall  innehatte;  er  erlangt  erneut  die  verlorengegangene  „similitudo  Dei":  „Ita  restituitur  homo  deo  ad  similitudinem  eius,  qui  retro  ad  imaginem  dei  fuerat  ­  imago  in  effigie,  similitudo  in  aetemitate  censentur  ­ . "  (De  bapt.  5,7;  CChr.SL  I,  282)  Diese  „Wiedergeburt"  (vgl.  De  bapt.  20,5;  CChr.SL  I,  295,29:  „lavacrum  novi  natalis";  De  exhort.cast.  1,4; CChr.SL  II,  1015,17f:  „secunda  nativitas")  des  Christen  als  geistlicher  Mensch  ist  die  Voraussetzung  für ein  heiligmäßiges  Leben,  d.h.  auch  für das  Erleiden  des  Martyri­ ums,  denn  der  Geist  ist die  bewegende  Macht  in  den  Gläubigen  (De  praescr.haer.  13,5;  CChr.SL  I,  198).  262  So  auch  Lods,  Confesseurs,  29:  „Donc  il  n'y  a  pas  de  martyre  possible  sans  la  présence  et  l'action  du  Saint­Esprit;  le  martyre  est  réellement  un  don  de  l'Esprit."  263   Im  Anschluß  an  Bray,  Holiness,  89ff,  hat  Gooch  auf  die  von  Tertullian  übernommene  Rekapitulationstheorie  hingewiesen:  In Leben,  Tod  und  Auferstehung Jesu  Christi  ist die  durch  den  Fall  verlorengegangene  Gleichheit  mit  Gott  wiederhergestellt  worden.  Die  Erlösung  ist  durch  Christus  gekommen  und  wird  in  der  Taufe zugeeignet.  Durch  diese  ist  der  Christ  eine  neue  Schöp­ fung, dem  die  Sünden  vergeben  sind  und  der  durch  die  Gabe  des  Heiligen  Geistes  die  Möglichkeit  erhält,  das Leben  zu  leben, das Adam  vor dem  Fall  leben  sollte.  Die  Forderung,  diesem  neuen  Status  zu entsprechen,  erscheint  nach Gooch,  Concept,  89, als Zentrum  der tertullianischen  Ethik;  entschei­ dend  ist  bei  der  Erfüllung dieser  Forderung  aber,  daß  dem  Menschen  durch  die  Erlösung  und  die  Zueignung  der  Erlösung  in der  Taufe Gottes  Gnade  vorlaufend  zuteil  geworden  ist  und  diese  Erfül­ lung  insofern als Gabe  Gottes  zu  verstehen  ist: „Christian  holiness  is a  derived  holiness,  in the  sense  that  it  is a  gift from God.  It is a  grace  given  to  Adam  and  lost  in the  Fall,  but  restored  to  its  fullness  in the  recapitulatio,  when  the  lost  likeness to  God  is restored  and joined  to  the  image.  Sanctification  is  conferred  in  baptism,  the  sacrament  of  recapitulation"  (Gooch,  Concept,  105).  264

  Gooch,  Concept,  79. 

Der  göttliche  Beistand  im  Leiden 

163 

Handelns  im  Martyrium  und  einer  Abkoppelung  des  Märtyrerleidens  vom  Gnadenhandeln  Gottes.265  Auf  der  anderen  Seite  erscheint  aber  in  Tertullians  Martyriumskonzept  die  Vorstellung  vom  Glaubenstod  als  eines  „göttlichen"  Ereignisses  in  zweierlei  Hinsicht  zurückgedrängt:  Zum  einen  durch  die  oben  erwähnte  Zurückhaltung  gegenüber  der  sonst  durchaus  verbreiteten  Vorstellung  eines  aktiven  Kampfes  Christi  in  den  Märtyrerinnen  und  Märtyrern,  zum  anderen  dadurch,  daß das Martyrium mit einer Ausnahme266 an keiner Stelle bei ihm betont als besondere Gabe oder Würdigung Gottes herausgestellt wird. Anders als die „Passio Perpetuae"267, aber vor allem auch sein „Nachfolger" Cyprian, der explizit herausgestellt hat, daß das Martyrium nicht in der Macht des Menschen liege, sondern in der Gnade Gottes268, hat Tertullian das Martyrium nicht als Ausdruck der „dignatio divina" bezeichnet.269 So findet sich bei ihm auch nicht die Vorstellung eines für das Erleiden des Martyriums notwendigen „Rufes" seitens Gottes. Für Tertullian „there was no need to wait for a special divine command" in bezug auf das Martyrium.270 Damit weist die Martyrologie Tertullians trotz der tauftheologischen Fundierung eine besonders im Vergleich zu derjenigen Cyprians stärkere anthropozentrische Perspektive auf, in der das ethische Handeln der Menschen und ihr Leiden den Wert des Martyriums bestimmt, während das Gnadenhandeln Gottes zwar vorausgesetzt, aber nicht in besonderer Weise betont wird.

265

 Grundsätzlich  für das ethische  Konzept  Tertullians  findet  sich  eine  solche  Gewichtung  bei  Thönnes,  Caelestia  recogita,  125: „...  Tertullian  (kennt)  noch  keine  ausgeprägte  Gnadentheologie,  die es erlaubte,  in der rechten  Lebenspraxis  einfach den  Ausfluß göttlicher  Begnadung zu sehen.  Das  rechte Tun  hängt  v.a.  von  der  rechten  Erkenntnis  und  der  konsequenten  Befolgung  dessen  ab,  was  als  gut  und  richtig  erkannt  wird.  Es  ist  Leistung  der  Bekehrten  und  Getauften."  266  In  Scorp.  13,9  (CChr.SL  II,  1095,lOf) spricht  Tertullian  von  Paulus,  der  „beatos  affirmavit  quibus donatum  esset  non  tantum  credere  in  Christum,  sed  etiam  pro  ipso  pati."  267   Pass.Perp.  1,5  (Habermehl,  Passio,  6)  spricht  von  der  „martyrum  dignatio".  268   De  mort.  17  (CChr.SL  III  A,26,281f):  „·••  non  est  in  tua  potestate  sed  in  Dei  dignatione  martyrium."  Der  entsprechende  Begriff  „divina  dignatio"  bzw.  „dominica  dignatio"  findet  sich  durchgängig in seinen Ausführungen zum Märtyrerleiden  innerhalb seiner Korrespondenz (ep.  5,2,1 ;  CChr.SL  III  B,  27,19;  ep.  11,1,3;  CChr.SL  ΠΙ  B,  58,28;  ep.  12,1,1;  CChr.SL  III  B,  68,14;  ep.  28,1,1,;  CChr.SL  III  B,  133,8;  ep.  28,2,3;  CChr.SL  III  B,  135,42;  ep.  37,1,2;  CChr.SL  III  B,  177,11;  ep.  39,4,1;  CChr.SL  III  B,  190,61f  u.a.).  Die  Häufigkeit  seiner  Aufnahme  zeigt,  welch  zentrale  Bedeutung  Cyprian  der  Bindung  des  Martyriums  an  die  Gnade  Gottes  beimißt.  269  Obwohl  z.B.  De  pat.  11,4  (CChr.SL  I,  311,13­15)  zeigt,  daß  auch  er  die  Vorstellung  einer  besonderen  Würdigung  durch  Gott  mit  dem  Begriff  „dignatio"  bezeichnen  kann:  „Quin  insuper  gratulari  et  gaudere  nos  decet  dignatione  divinae  castigationis  ...".  270  Droge/Tabor,  Death,  148. Unzutreffend  Campenhausen,  Idee,  123, der  davon  ausgeht,  daß  „Tertullian  betont...,  daß  das  Martyrium  keine  Sache  sei,  die  der  Mensch  nach  seinem  Ermessen  auswählen  kann,  sondern  fur die  er  durch  Gott,  der  den  Geist  senden  muß,  auserwählt  wird." 

164 

Die Gaben  des  Geistes 

4.3.2 Die  Gaben des Geistes  in den Märtyrerinnen und Märtyrern  Diese  Gewichtung  spiegelt  sich  auch  Tertullians  Haltung  zu  einer  besonderen  Geistesbegabung  der Märtyrerinnen und Märtyrer wider. Innerhalb der martyrologischen Tradition des 2. und 3. Jahrhunderts,  insbesondere  in den Märtyrerakten,  hat sich die Bedeutung  des Wirkens des Heiligen Geistes  im Martyrium vielfach  auch  an  den  den  Märtyrerinnen  und  Märtyrern  zugeschriebenen  Geistesgaben  gezeigt.  In  Prophetien,  Visionen  und  Wundern  wurde  ihre außerordentliche Geisterflilltheit für die Umwelt sichtbar.271 Tertullian hat sich in seinen Äußerungen zum Märtyrerleiden aber nur sehr am Rande auf entsprechende Aufweise der Wirksamkeit des Geistes bezogen. Als Ausdruck ihrer besonderen Teilhabe am göttlichen Geist erscheint zunächst die in „Ad martyras" den Inhaftierten zugesprochene Tröstung, daß der Kerker zwar von unangenehmem Geruch erfüllt sei, sie aber selbst einen „Wohlgeruch" (odor suavitatis) darstellten.272 Diese auch anderweitig in der altkirchlichen Martyriumstheologie auftauchende Vorstellung, daß von den Märtyrern ein besonderer

271  Vgl. Apg 7,55f; Mart.Pol.  5,2;7,3;9,l;15,lf;16,l;  Pass.Perp.  4;10;  Hipp.,  In Dan.  II,  38,4;  Cypr.,  ep.  10,4;  Vita  Cypr.  12;  Acta  Carpi  39;  Pass.Mar.et  Jac.  6,5­15;7,l­8;8,l­16;ll,l­6;  Pass.Mont.et  Luc.  5;7;8;11;21;  Eus,  HE  V,  l,9f. Zu  den  Zeichen  besonderer  Geisterfülltheit  der  Märtyrer besonders  in den Märtyrerakten vgl. Lods, Confesseurs, 29­31. Zu der Rolle der  Prophetie  in der Darstellung der Martyrien vgl. auch Heinrich Kraft, Zur Enstehung des altchristlichen  Märty­ rertitels,  in: Ecclesia et Res publica.  FS K.D.  Schmidt, Göttingen  (1962),  72: „Alte  Martyrien,  wie  die Passio Perpetuae,  haben die ... prophetischen Fähigkeiten  der Märtyrer festgehalten und den Zu­ sammenhang zwischen  dem  Martyrium  und der prophetischen  Gabe  bewahrt."  Daß den  Märtyrern  ein besonderer OfFenbarungsempfang zugeschrieben  wurde,  kann  möglicherweise  zusätzlich  auch  mit der in der Antike weit verbreiteten  und auch im Christentum  übernommenen  (vgl. z.B. Tert., De  an.  53,2­5;  Cypr.,  De  mort.  19)  Vorstellung  zusammenhängen,  daß  Sterbende,  deren  Seele  sich  schon ein Stück weit vom Leib gelöst hat, eine höhere Erkenntnis besitzen. Vgl. Waszink, De anima,  544; Joseph A. Fischer,  Studien zum Todesgedanken  in der Alten  Kirche,  München  1954,  31.  Die  Geisterflilltheit der Märtyrer ist auch durch die Vorstellung einer Unempfindlichkeit gegenüber den  Torturen  und Schmerzen ausgedrückt worden: vgl. Eus., HE V,1,22.24.51.56; Mart.Pol. 2,2,; Cypr.,  ep. 31,3; Pass.Mar.et Jac. 6,1­5; Pass.Mont.et  Luc. 21,3f; Acta Carpi  35. Zu dieser Vorstellung  vgl.  Lods,  Confesseurs,  32f;  Campenhausen,  Idee,  154,  mit  Anm.  4;  Ernst  Lucius,  Die  Anfänge  des  Heiligenkultes  in  der  christlichen  Kirche,  Tübingen  1904,  59f.  Bei  Tertullian  erscheint  dieser  Gedanke lediglich  angedeutet  in Ad mart. 2,9f (CChr.SL II, 5,3­7): „Vagare spiritu, spatiare  spiritu,  et  non  stadia  opaca  aut  porticus  longas  proponens  tibi,  sed  illam  viam,  quae  ad  Deum  ducit.  Quotiens  eam  spiritu  deambulaveris,  totiens  in  carcere  non  eris.  Nihil  crus  sentit  in  nervo,  cum  animus in caelo est." Die Unempfindlichkeit gegenüber Haft und Fesseln beruht hier auch  nicht  auf  dem Beistand und der Gegenwart  Christi  bzw. des Geistes Gottes (vgl. z.B. MartPol.  2,2),  sondern  auf der Vorstellung einer Entfernung des Geistes des Menschen („spiritus", „animus") aus dem  Kör­ per.  272

 Ad  mart.  2,4  (CChr.SL  I, 4,13):  „Triste  illic exspirat, sed  vos  odor estis  suavitatis." 

Die  Gaben  des  Geistes 

165 

„Wohlgeruch"  ausgehe273,  erscheint  als  Symbol  für  die  göttliche  Gegenwart274,  indem  Gott  als  „eigentliche  Quelle  des  Wohlgeruchs"  durch  seinen  Sohn  und  seinen  Geist  den  Bekennern  und  Märtyrern  Anteil  an  dem  göttlichen  „odor"  gibt.275 Daß Tertullian mit diesem Bild auch auf die mit dem Motiv des „Wohlgeruchs" in der biblischen Tradition verbundene Opfervorstellung276 hinweisen will, erscheint insofern eher unwahrscheinlich, als er an keiner Stelle seiner martyrologischen Ausführungen den Gedanken des „Opfers" auf die Märtyrerinnen und Märtyrer überträgt.277 Über diese metaphorische Umschreibung göttlicher Präsenz hinaus scheint die Vorstellung einer besonderen Wirksamkeit des Geistes in den Märtyrerinnen und Märtyrern aber keine positive Funktion im Zusammenhang seiner Deutung des Martyriums gehabt zu haben: Obwohl Tertullian sich grundsätzlich - zumindest in montanistischen Schriften278 - mehrfach auf geistgewirkte Orakel und Visionen bezieht279, werden speziell den von ihm angesprochenen oder erwähnten

273

 Vgl.  Mart.Pol.  15,2;  Eus.,  HE  V,  1,35;  Eus.,  Mart.Pal.  11,27.  Biblisch  verankert  ist  diese  Vorstellung in 2.Kor2,14­16.  Zur Übernahme  dieser  Stelle bei  den Märtyrern  von  Vienne  und  Lyon  vgl.  Victor  Saxer,  Bible  et  Hagiographie.  Textes  et  thèmes  bibliques  dans  les  Actes  des  martyrs  authentiques  des  premiers  siècles,  Bern/Franklurt/New  York  (1986),  52­54.  274  Vgl.  Weinrich,  Spirit,  171: „A  sweet  odor  was  often symbolic  of the  divine  presence."  Zu  entsprechenden  Vorstellungen  in  der  antiken  Religiosität  vgl.  Bernhard  Körting,  Wohlgeruch  der  Heiligkeit,  in: Theodor  Klauser  (Hg.),  Jenseitsvorstellungen  in  Antike  und  Christentum.  Gedenk­ schrift für Alfred  Stuiber  (JAC  E.  9),  Münster  1982,  168f.  275   Kötting,  Wohlgeruch,  173.  276

 Vgl. Gen  8,21;  Eph  5,1 f. Zu  dem  Zusammenhang  zwischen  dem  Motiv  des  „Wohlgeruchs"  und  der  Opfervorstellung  vgl.  Kötting,  Wohlgeruch,  172f;  Buschmann,  Martyrium  des  Polykarp,  302­305,  sowie  Annick  Lallemand,  Le  parfum des martyrs  dans  les  Actes  de  Lyon  et  le  Martyre  de  Polycarpe,  in:  StPatr  16  (1985),  186­192.  Im  Zusammenhang  dieser  Vorstellung  sei  der  von  den  Märtyrern  ausgehende  „Wohlgeruch"  dann  als  „sinnbildlicher  Ausdruck  des  Wohlgefallens  zu  ver­ stehen,  das  Gott  an  den  Märtyrern  hat,  da  sie  auserlesene  und  Gott  wohlgefällige  Opfer  sind."  (Richard  Klein/Peter  Guyot,  Das  frühe Christentum  bis  zum  Ende  der  Verfolgungen.  Eine  Doku­ mentation,  Bd.  I.  Die  Christen  im  heidnischen  Staat,  Darmstadt  1993,  333,  Anm.  58)  277  Hierin  unterscheidet  er sich deutlich  von  Ignatius,  dem  „Martyrium  Polycarpi" und  Cyprian.  Vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm.136,  Kap.  4.5.2,  Anm.  546.  Bei  Cyprian  findet  sich  eine  an  Phil  4,18  an­ knüpfende deutliche Verbindung zwischen der Vorstellung des Opfers und  dem „Wohlgeruch"  in  De  dom.or.  33  (CChr.SL  III  A,  111,626­632),  wobei  sich  „sacrificium"  dort  aber  auf  gute  Werke  bezieht:  „Nam  quando  qui  miseretur  pauperi  Deo  faenerat et qui  dat  minimis  Deo  donat,  spiritai iter  Deo  suavitatis  odore  sacrificat."  278  Während  Bray, Holiness, 62, pauschal  von einem  weitgehenden  Desinteresse  Tertullians  an  Fragen  der Prophetie  spricht,  betont  Robeck,  Role,  192, daß zwar  bis 207  wenig  Bezüge  auf  prophe­ tische  Gaben  in  Tertullians  Schriften zu  finden  seien,  diese  aber  in der  montanistischen  Zeit  zunäh­ men.  279  In bezug  auf  seine  Zeit  erwähnt Tertullian  an  zwei  Stellen  einen  besonderen  Oflfenbarungs­ empfang einer  Frau  (De  an.  9,4;  CChr.SL  II,  792,  24­28;  De  virg.vel.  17,3;  CChr.SL  II,  1226,24­ 29).  Zu  diesen  Belegen  sowie  den  Bezügen  auf  geistgewirkte  Orakel  bei  Tertullian  vgl.  ausfuhrlich 

166 

Die Gaben  des  Geistes 

Märtyrerinnen und Märtyrern mit einer Ausnahme  keine Wunder,  Visionen  oder  prophetische Gaben als Erweis des Geistes zugeschrieben.280 Lediglich in „De anima" weist er auf eine Vision der Märtyrerin Perpetua hin.28' In dem einzigen  weiteren Zusammenhang,  in dem Tertullian die Vorstellung  der prophetischen  Gabe  bei Märtyrern aufgreift, geht es  ihm nicht um eine Reflexion der Geisterfülltheit  von  Blutzeugen,  für die  die  Prophetie  ein  Zeichen  wäre,  sondern  um  eine  von  montanistischer  Warte aus geübte Kritik an der Beanspruchung  geistlicher  Vollmacht seitens katholischer Märtyrer.  Im Zusammenhang  seiner in „De pudicitia"  ausgeführten grundsätzlichen Polemik gegen die Möglichkeit  der Vergebung auch 

Robeck,  Role,  192­255.  Grundsätzlich  von  der  prophetischen  Gabe  bei  Frauen  spricht  er  in  Adv.Marc.V,  8,12;  CChr.SL  I, 688,23f). Im  Blick  auf biblische  Gestalten  betont  er mehrfach  die  geistliche  Ekstase  Adams  (De ieiun.  3,2; CChr.SL  II,  1259,7­9;  De an.  11,4; CChr.SL  II,  797,33­ 35;  De  an.  21,2;  CChr.SL  II,  813,5f;  De  an.  45,3;  CChr.SL  II,  849,13­15),  die  Geistbegabung  Daniels (De ieiun. 9,2; CChr.SL Π, 1265,21­25), die besondere Geisterfulltheit Petri (Adv.Marc. IV,  22,4f;  CChr.SL  I,  601,27­602,9),  der  Apostel,  deren  Geistbegabung  diejenige  der  normalen  Gläubigen übertreffe (De exhort.cast.  4,6;  CChr.SL  II,  1022,39­42),  sowie  die prophetische  Gabe  des Hauptmanns  Cornelius (De ieiun. 8,4; CChr.SL  Π,  1265,6­9). Grundsätzliche  Ausführungen zu  den  Geistesbegabungen  finden sich  in  Adv.Marc.  V,8  (CChr.SL  1,685,1­688,3).  Weitere  Nach­ richten  über Offenbarungen befanden sich nach  Swete, Holy  Spirit, 78f, wahrscheinlich  in den  von  Hieronymus  (De  virili.  24,40,53)  Tertullian  zugeschriebenen,  aber  verlorengegangenen  sechs  Büchern  „De  ecstasin".  280

 Dieser Befund fiele anders aus, wenn die möglicherweise  von Tertullian  redigierte  „Passio  Perpetuae et Felicitatis" als Quelle für von ihm geteilte Anschauungen  herangezogen werden könnte.  Das Verhältnis zwischen Tertullian und der Passio bleibt aber bis heute in der Forschung umstritten.  Auf  der  einen  Seite  ist  auf  Grund  von  Ähnlichkeiten  in  Wortwahl  und  Stil  sowie  gedanklicher  Korrespondenzen  zwischen Tertullians  Schriften und dem Pro­ bzw. Epilog der Passio  (1­2.14­21)  vielfach  seine  Autorschaft für diese  Abschnitte  behauptet  worden:  z.B.  von  Pierre  de  Labriolle,  Tertullien,  auteur  du  prologue  et  de  la  conclusion  de  la  passion  de  Perpétue  et  de  Félicité,  in:  BALAC  3 (1913),  126­132; Campenhausen,  Idee,  117,  Anm. 2; Klein,  Bewußtsein,  274­313.  Auf  der anderen  Seite ist nicht selten  auch gegen Tertullian  als Redaktor  der  Passio  und  Verfasser der  genannten  Abschnitte votiert  worden:  z.B.  von  Monceaux,  Histoire,  83f, sowie auf Grund  stilisti­ scher  und  linguistischer  Untersuchungen  von Âke Fridh, Le problème de la Passion des saintes Perpetue et Felicité, in: SGLG 26 (1968), 11-45, und René Braun, Nouvelles observations sur le rédacteur de la „Passio Perpetuae", in: VigChr 33 (1979), 105-117. Barnes, Tertullian, 265, Weinrich, Spirit, 224, und Robeck, Role, 33, weisen auf die fehlerhafte Aufnahme einer Vision der Passio in Tertullians „De anima" hin, in der er zum einen die Vision des Saturus der Perpetua zuschreibe und zum anderen auch den Inhalt leicht verändere (vgl. Kap. 4.5.3, Anm. 575); ein solcher Unterschied lasse Tertullian als Redaktor der Passio wenig wahrscheinlich erscheinen. Zur ausführlichen Diskussion dieser Frage vgl. Robeck, Role, 30-34, der das bisherige Unvermögen der Forschung herausstellt, „to determine precisely who the final author/redactor of the Passion was". (Robeck, Role, 33) Auf Grund der m.E. berechtigten Skepsis gegenüber einer Autor-/Redaktorschaft Tertullians wird die Passio Perpetuae hier nicht als Quelle für von ihm vertretene Anschauungen herangezogen. 281

De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32f): „Quomodo Perpetua, fortissima martyr, sub die passionis in revelatione paradisi solos illic martyras vidit...". Zu der hier wahrscheinlich vorliegenden Verwechslung der Vision des Saturus mit der der Perpetua vgl. Kap. 4.5.3, Anm. 575.

Die Gaben  des  Geistes 

167 

schwerer postbaptismaler  Sünden  innerhalb  der Großkirche, der gegenüber er als Praxis des „Geistes" die Unvergebbarkeit dieser Sünden herausstellt282, wendet er sich abschließend gegen die bei den Katholiken zu findende Ausweitung des Rechtes zur Sündenvergebung auch auf die Märtyrer als letztem Indiz für deren „geistlose" Bußpraxis.283 Ausgehend von der Prämisse, daß jegliche Sündenvergebungsvollmacht prinzipiell ausschließlich der „Geistkirche" (ecclesia spiritus) zustehe2"4, erweist Tertullian die fehlende geistliche Legitimierung der katholischen Märtyrer. Als Kriterium für ihre Geistbegabung erscheint die prophetische Gabe zur Erkenntnis der „occulta cordis", der „Geheimisse des Herzens".285 Mit der von ihm selbstverständlich vorausgesetzten Unerfullbarkeit dieses Kriteriums seitens der inhaftierten Katholiken illustriert er ihre sich in der Anmaßung der Sündenvergebungsvollmacht seiner Ansicht nach manifestierende Hybris.286 Die Erwähnung der prophetischen Gabe fungiert also hier genau wie in seiner Polemik gegen den katholischen Adressaten des Traktates287, von dem er ebenfalls „prophetica exempla" zur Legitimierung der Vergebung schwerer Sünden fordert288, als negatives Indiz für die von Tertullian behauptete mangelnde Geistbegabung innerhalb der „ecclesia numerus episcoporum", zu der auch die katholischen Märtyrer zählen.

282

 De  pud.  21,7  (CChr.SL  II,  1326,27­31).  Vgl.  Kap.  5.2.2,  Anm.  101.   De pud. 22,1  (CChr.SL  Π,  1328,lf): „At tu (sc.  psychice)  iam et  in  martyras  tuos effundis  hanc potestatem." Zu Tertullians  Haltung zur Sündenvergebungsvollmacht  der  Märtyrer  vgl.  Kap.  5.2.2.  284   De  pud.  21,17  (CChr.SL  II,  1328,76­78):  „Et  ideo  ecclesia  quidem  delieta  donabit,  sed  ecclesia  spiritus  per  spiritalem  hominem,  non  ecclesia  numerus  episcoporum."  285  De pud. 22,6 (CChr.SL II,  1329,29­31): „Si propterea  Christus  in  martyre  est,  ut  moechos  et fornicatores martyr absoluat,  occulta cordis  edicat,  ut  ita delieta  concédât..."  Zum  Verständnis  dieser Stelle vgl. Bender,  Lehre,  165: „Alle Gewalt  in der  Kirche  ist...  vom  göttlichen  Geist,  von  einer  Teilhabe  an  der  göttlichen  Geist­Substanz  abhängig.  Diese  Gegenwart  des  Geistes  will  Tertullian  durch den Aufweis prophetischer  Gaben  unter  Beweis  gestellt  wissen:  nur daran  ist die  Gottheit  zu erkennen  und damit auch  die Berechtigung eines Anspruchs  auf die Macht, die  Sünden  zu vergeben." Die „Kenntnis der Geheimnisse der Herzen" ist ein Merkmal  geistgewirkter  propheti­ scher  Gabe:  Vgl.  Adv.Marc.  V,8,12  (CChr.SL  I, 688,19f): „...  qui  (sc.  prophetae)  tarnen  non  de  humano sensu, sed de dei spiritu  sint  locuti,  qui  et futura praenuntiarint  et  cordis  occulta  traduxe­ rint";  ähnlich  De  an.  9,4  (CChr.SL  II,  792,28);  De  an.  15,4  (CChr.SL  II,  801,22f). Zu  der  Vor­ stellung des  Propheten  als „kardiognostaes"  vgl. Heinrich  Weinel,  Die  Wirkungen  des  Geistes  und  der Geister  im nachapostolischen  Zeitalter  bis  auf Irenäus,  Freiburg/Br.  1899,  183­190.  286  Der Märtyrer  stellt sich damit an Christi  Stelle: „... ut ita delieta  concédât,  et Christus  est"  (De  pud.  22,6;  CChr.SL  II,  1329,31f).  287  Zu  der Frage  des Adressaten  von  „De pudicitia" vgl.  Kap.  5.2.2,  Anm. 95 288  De pud.  21,5 (CChr.SL II,  1326,21­24): „Exhibe igitur et nunc mihi, apostolice,  prophetica  exempla,  ut agnoscam  divinitatem,  et vindica tibi delictorum  eiusmodi  remittendorum  potestatem."  283

168

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

Da  er  darüberhinaus  aber  auch  an keiner  Stelle  von  einer  besonderen  Geist­ erfiilltheit der Märtyrerinnen  und  Märtyrer  der „Neuen  Prophetie" spricht,  zeigt  sich,  daß die Vorstellung  einer hervorgehobenen  spirituellen  Begabung  mit  den  entsprechenden  „notae"  Prophetien,  Visionen  und  Wunder289  innerhalb  seiner  Martyrologie  insgesamt keine positive Funktion zur Beschreibung  der  herausge­ hobenen Würde von Bekenntnis und Martyrium  gehabt hat.290 Selbst Cyprian,  der  auf  Grund  seiner  Auseinandersetzungen  mit  den  charismatisch  begründeten  Ansprüchen  der Bekenner  auf  Sündenvergebungsvollmacht  nur wenig  Interesse  gehabt hat,  ihre  geistliche Begabung  herauszustellen,  spricht  zumindest  an zwei  Stellen  in  selbstverständlicher  Weise  von  der  prophetischen  Gabe  bzw.  einer  Vision,  die  Märtyrern  zuteil  geworden  seien.291  So zeigt  sich  auch  unter  diesem  Aspekt  wieder  deutlich  das Zurücktreten  der  Sicht  des Martyriums  als eines  im  eigentlichen  Sinne „göttlichen" Ereignisses bei  Tertullian. 

4.4 Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung  in  der  Verfolgung 

Im Anschluß an die Darstellung  der martyrologischen  Begründung bei  Tertullian  und  die Betrachtung  des göttlichen  Wirkens  im Martyrium  stellt  sich  die Frage,  welche Haltung zu der Möglichkeit einer Flucht  in der Verfolgung einerseits und  einer  Selbstauslieferung  gegenüber  den  Heiden  andererseits  aus  seinem  Ver­ ständnis des Martyriums als verpflichtender Tat des Gehorsams sowie der zurück­ tretenden  Gewichtung  des  göttlichen  Gnadenhandelns  im  Martyrium  resultiert. 

289

 In De  exhort.cast.  4,6  (CChr.SL  Π,  1022,40f)  zählt  Tertullian  als  Zeichen  der  besonderen  Geisterfiilltheit der Apostel  auf: Werke der Prophetie,  Wirksamkeit der (Wunder)kräfte,  Bewährung  der  Sprachengabe  („opera prophetiae,  efficacia virtutum,  documenta  linguarum").  290  Gegen Frend, Cult,  155, der pauschal  zu den Auffassungen in Karthago zur Zeit Tertullians  bemerkt: „Confession  and martyrdom were regarded as the supreme  manifestations of divine  favour  towards an individual,  permitting him to enjoy  visions  of  the  Lord  while  in prison  and  revelations  concerning the future." Robeck,  Role,  389f, betont hingegen zutreffend, daß bei Tertullian der durch die „Passio Perpetuae" und auch durch Cyprian belegte Zusammenhang zwischen Verfolgung und dem Hervortreten prophetischer Gaben nur ansatzweise gegeben sei: „... Tertullian's citations as well as his use of prophetic oracles with two exceptions appear not to be directly related to persecution and martyrdom." 291 Von der prophetischen Begabung des Märtyrers Mappalicus spricht Cyprian in ep. 10,4,1 (CChr.SL ΙΠΒ,  51,59-63),  eine nächtliche Vision des Bekenners Celerinus berichteter in ep. 39,1,2 (CChr.SL III B, 187,15). Darüberhinaus übt aber auch er große Zurückhaltung gegenüber der Herausstellung besonderer charismatischer Gaben der Bekenner und Märtyrer.

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

169

Um  eine  bessere  Einordnung  seiner  Bewertung  dieser  Verhaltensweisen  zu  ermöglichen,  soll  zunächst kurz ein Überblick über das Spektrum der in der Alten Kirche vertretenen Auffassungen zu dieser Thematik gegeben werden.

Exkurs: Flucht und Selbstauslieferung in der altkirchlichen Martyriumstheologie Sowohl nach christlichen als auch nach einigen heidnischen Zeugnissen zeichneten sich die Christen in den Augen ihrer heidnischen Umwelt durch eine besondere Leidens- und Todesbereitschaft aus.292 Ihre eigene theologische Wertung des Martyriums als Tat vollkommenen Gehorsams, vollkommener Liebe und perfekter Nachahmung des leidenden Herrn, der höchster Ruhm bei Gott in Aussicht steht, legte eine durchgängige Bereitwilligkeit zum Martyrium ebenso nahe. Demgegenüber zeigte sich in der Praxis der verfolgten Kirche aber sowohl unter Laien als auch unter Klerikern durchaus eine breite Spanne der Handlungsweisen. So finden sich auf der einen Seite die Provokation der Heiden2n sowie die freiwillige Auslieferung zum Martyrium,294 Zuweilen zeigt sich der unbedingte Wunsch nach dem Martyrium, wie z.B. bei Ignatius, der die römische Gemeinde auffordert, keinerlei Maßnahmen zur Verhinderung seines Martyriums zu ergreifen.295 Daneben steht die Akzeptanz des Martyriumstodes, wo er durch Pogrome und Verurteilungen in Christenprozessen bedingt ist. Daß die Annahme dieses Todes dabei nicht selten

292

 Vgl.  die  von  Tertullian  zitierten  heidnischen  Aussprüche:  „Ergo,  inquitis,  cur  querimini,  quod  vos  insequamur,  si  pati  vultis,  cum  diligere  debeatis,  per  quos  patimini  quod  vultis?"  (Apol.  50,1;  CChr.SL  I,  169,1­3);  , , ' Ω  δ ε ι λ ο ί ,  e i  θ έ λ ε τ ε  ά π ο θ ν ή σ κ ε ι ν ,  κ ρ η μ ν ο ύ ς  ή  β ρ ό χ ο υ ς  έ χ ε τ ε "  (Ad  Scap.  5,1;  CChr.SL  II,  1131,7­1132,8).  Zu  den  heidnischen  Zeugnissen  fur  die  Todesbereitschaft  der  Christen  vgl.  Kap.  5.1,  Aran.  14 sowie  ausführlich  Butterweck,  Martyriums­ sucht,  92­106.  293

  Vgl.  z.B.  Eus.,  De  mart.palaest.  4,9;  Pass.Marc.  1,1;  Pass.Eupli  lf.   Vgl.  z.B.  Mart.Pol.  4;  Pass.Perp.  4,3;  Act.Carpi  42­47;  Tert.,  Ad  Scap.  5,1 ; Eus.,  HE  IV,  41,7;  V,l,9f.49f;  VI,  41,16.22f;  VII, 12;  Eus.,  De  mart.palaest.  3.  Orígenes  kann  nach  der  Dar­ stellung  Eusebs  nur  durch  das  Verstecken  seiner  Kleider  von  einer  Selbstauslieferung  abgehalten  werden  (Eus.,  HE  VI,  2,3­5).  Zu  weiteren  Belegen  fiir  Selbstauslieferungen  vgl.  Achelis,  Christen­ tum,  Bd.  Π, Exkurs  85,  sowie  Droge/Tabor,  Death,  152­155.  G.E.M.  de  Ste  Croix,  Why  were  the  early  Christians  persecuted  ?,  in: PaP 26  (1963),  21,  betont,  daß  der  Kreis  derer,  die  sich  selbst  aus­ lieferten,  sich  nicht  auf  die  von  der  Großkirche  als  häretisch  eingestuften  Gruppierungen,  wie  Montanisten  oder  im 4.  Jhdt.  Donatisten,  beschränkte;  seiner  Auffassung nach  war  die  Selbstaus­ lieferung „a  good  deal  more  common  among the  orthodox  than  is generally  admitted".  Aus  welchen  Motivationen  heraus  die  Selbstauslieferungen  erfolgten,  ist sicherlich  sehr  unterschiedlich  gewesen  und  heute  nicht  zweifelsfrei  rekonstruierbar.  Vgl.  z.B.  die  Deutung  der  in  der  Passio  Perpetuae  berichteten  Selbstauslieferung  des  Saturus  (Pass.Perp.  4,5;  Habermehl,  Passio, 10)  bei  Bames,  Tertullian,  77­79,  der  sie  als Zeichen  des  montanistischen  Enthusiasmus'  der  karthagischen  Beken­ ner ansieht.  Demgegenüber  behauptet  Weinrich,  Spirit,  228:„Not  Montanist  enthusiasm  but  a  sense  of continuing  responsibility  toward  the  imprisoned  group  motivated  Saturus."  294

295

  Ign.Rom.  4,1. 

Die  Haltung zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

170 

von Ängsten bestimmt ist, spiegelt sich ebenfalls deutlich  in den Quellen wider.296 Auf  der  anderen  Seite  zeigt  sich  als  Verhalten  in  der  Verfolgung  aber  auch  die Flucht  vor  den  Behörden297  sowie  das Ausweichen  vor dem  Martyrium  durch Loskauf.298  Neben  der  breit  bezeugten  Annahme  des  Glaubenstodes  stellte  die  Flucht  in  der  Verfolgungssituation  dabei vermutlich die häufigste Reaktion der Gläubigen dar: „Indications of the scale of the  different  responses  to  persecution  show  quite  clearly  that  the  preponderant  one  was  flight"299  Die  Wahl  dieses  Schrittes  bedeutete  dabei  für die  Betroffenen  zum  einen  den  Verlust  ihres  Vermögens,  das  zumeist  konfisziert  wurde,  so  daß nicht nur sie selbst, sondern ihre gesamte „familia" davon nachhaltig mit betroffen waren.300 Zum anderen zog

296  Herrn.,  Sim. IX. 28,3f. berichtet,  daß einige  Märtyrer  freudig, andere  hingegen  furchtsam  und zaghaft Leiden  und  Sterben erduldet hätten. Auf Ängste vor dem  Martyrium  weist auch  Cypri­ ans Überlegung in bezug auf die Sterblichkeit in der Pestepidemie hin, welche Frauen die Furcht vor  der  Verfolgung sowie  die  Martern  durch  einen  schnellen  Tod  erspare  (De  mort.  15).  Ebenso  er­ scheint  nach  Pass.Perp.  14,2  (Habermehl,  Passio,  20)  der  Tod  eines  Christen  im  Gefängnis  als  Gnade,  da  ihm  so  der  Tierkampf  erspart  geblieben  sei.  Ängste  spiegeln  sich  auch  in  den  in  den  Quellen  zu  findenden  Versuchen  wider,  die  Pein  des  Martertodes  zu  verringern.  So  wird  in  Pass.Perp.  19,4 (Habermehl,  Passio, 24) von  Saturus berichtet,  daß er  sich gewünscht  habe,  einem  Leoparden und nicht einem Bären vorgeworfen zu werden; der Leopard tötet mit einem Biß, der Bär  jagt und scheucht hingegen  sein Opfer. Tertullian  deutet  in  Ad  mart. 4,2 (CChr.SL  I, 6,17­20)  auf  mögliche  Ängste  vor  Folter  und  Hinrichtung  bei  den  Inhaftierten hin.  Zu  diesen  Indizien  fur die  Ängste  der Christen  vor dem  physischen  Leiden  vgl.  Wendebourg,  Martyrium,  305f. Franz  Josef  Dölger,  Der  Flammentod  des  Märtyrers  Porphyrios  in  Cäsarea  Maritima.  Die  Verkürzung  der  Qualen durch Einatmung des Rauchs,  in: AuC I (1929), 243­53,  weist  darüberhinaus  auf den  Ver­ such hin, beim Feuertod durch Einatmen des Rauchs in Ohnmacht zu fallen und so geringere Qualen  zu  erleiden.  297  Zur Flucht  von  Laien vgl. z.B.  den  Brief Firmilians  von  Caesarea  an Cyprian  (Cypr.,  ep.  75,10),  Dionysios bei  Eus., HE VI, 41,12; Cypr., De laps. 3; Pass.Agap.1,2  u.a. Mehrfach  ist  in der  Alten  Kirche  auch  die  Flucht  von  Bischöfen  belegt:  Polykarp  (Mart.Pol.  5),  Clemens,  Cyprian,  Dionysios  (Eus., HE VI, 40,1­9),  Chaeremon  von Nilus (Eus.,  HE VI, 42,3),  Gregor  Thaumaturgos  (Greg.Nyssa,  Vit.Greg.) sowie weitere ungenannte Bischöfe aus der Zeit der Decischen Verfolgung  (Cypr., ep. 30,8; 66,7),  Petrus von Alexandrien,  Meletius von Pontus und Quirinus  von  Siscia.  Zur  Flucht von Klerikern vgl. Achelis, Christentum,  Bd. Π, 435f, Exkurs 84; Bernhard Kötting, Darf ein  Bischof in der Verfolgung die Flucht ergreifen?, in: Vivarium, FS Theodor  Klauser, Münster  1984,  221­228, sowie Oliver Nicholson,  Flight from Persecution  as Imitation of Christ: Lactantius'  Divine  Institutes  IV,  18.1­2,  in: JThS 40 (1989),  51­53.  298

 Vgl. Tert.,  De  foga  12,1­14,1 (CChr.SL II,  1149,1­1155,8);  Petr.Al., ep.can.  12 (PG  XVIII, 

499).  299

 Ramsay MacMullen,  Ordinary Christians in the Roman Empire,  in: Changes  in the  Roman  Empire.  Essays  in  the  Ordinary,  Princeton  1990,  159;  ebenso  Wendebourg,  Martyrium,  306.  Möglich war eine Flucht häufig nicht zuletzt deshalb,  weil die Verfolgungen zumeist auf die  Städte  konzentriert  waren.  Vgl. MacMullen,  Ordinary  Christians,  159f.  300  Vgl. Cypr., ep.  19,2,3 (CChr.SL ΙΠ B,  104,31); De laps.  3 (CChr.SL  III, 222,58);  De  laps.  10 (CChr.SL III, 226,183­186). Zu den vermögensrechtlichen  Folgen einer Flucht vgl.  MacMullen,  Ordinary Christians,  159; Henri Leclerq,  Art.  martyr,  in: DACL  X  (1932),  2424;  Ders.,  Art.  Fuite  de  la  persécution,  in:  DACL  V/2  (1928),  2670.  Die  Konsequenzen  für  die  „familia"  konnten  allerdings  durch  Sonderregelungen  zugunsten  der  Erben  abgemildert  werden.  Vgl.  Allard,  Dix  leçons,  190f;  Manfred Fuhrmann,  Art. publicatio  bonorum,  in: PW  XXIII/2  (1959),  2506f. 

Die Haltung zu Flucht  und  Selbstauslieferung 

171 

die Flucht  in der Verfolgung  ein  Dasein  nach  sich,  das  von  Entbehrungen  und  Gefahren  gekennzeichnet  war.301  Ebensowenig  wie  in der Praxis  der Alten Kirche zeigt sich in der theoretischen Bewertung  dieser Verhaltensweisen  Einheitlichkeit.  So  finden  sich in der altkirchlichen  Literatur  durchaus Belege  für eine  Billigung  oder  gar Bewunderung  in bezug  auf eine  Selbstauslieferung.302 Mehrfach ist in der Alten  Kirche aber auch die Ablehnung  eines  solchen  Schrittes  formuliert  worden 303 ,  wobei  die  Begründungen  für die  negative  Haltung  zur  Selbstauslieferung  allerdings  sehr unterschiedlich  ausfielen.  So  wird  im  „Martyrium  Polycaipi"  auf das  Beispiel  Christi  verwiesen,  der  sich  nicht  selbst  dargeboten  habe,  sondern  überliefert  worden  sei:  das  το  κατά  το  ε ύ α γ γ ε λ ι ο ν  μαρτυριον  könne  nie  ein  willentlich  gesuchtes  und  herausgefordertes  sein;  vielmehr  müsse  der  Christ  genauso  wie  Christus 

301

 Vgl. Cypr., ep.  58,4,2 (CChr.SL  ΠΙ C,  324,89­325,92);  Äthan.,  Apol.  17;  19.   Orig,  In ep. ad Rom. IV,  10 (PG  XIV, 998f); Eus, HE VII, 12; VIII,5;  Eus.,  De  mart.palaest.  3,3.  Zu  der  Herausforderung  des  Martyriums  durch  die  Lyoner  Märtyrer  Vettius  Epagathus  und  Alexander (Eus.,  HE V,  l,9f.49f) und  seine positive Bewertung  vgl. Kraft, Lyoner  Märtyrer,  264:  „Die Märtyrer  gehen zwar mit Rücksicht auf das, was die katholische  Kirche  fur  richtig  hält,  nicht  so weit, daß sie sich  unmittelbar bei den Behörden  als Christen  anzeigen.  Aber  Vettius  Epagathus  und Alexander ernten Lob daftlr, daß sie beim  Verhör ihrer Glaubensgenossen  die Aufmerksamkeit  der Behörden auf sich lenken und sich dadurch die Frage des Richters nach ihrem eigenen  Bekennt­ nis  zuziehen."  303  Zumeist wird  in der Literatur davon ausgegangen,  daß die Ablehnung eines solchen  Schrittes  in der Alten Kirche vorherrschend  gewesen sei: So z.B. bei Allard, Dix leçons, 324; SteCroix, Chri­ stians,  234;  MacMullen,  Ordinary  Christians,  158, mit  Anm.  13;  Wendebourg,  Martyrium,  307;  Gerd  Buschmann,  Martyrium  Polycarpi  4  und  der  Montanismus,  in:  VigChr  49  (1996),  112f.  Anders  hingegen  Droge/Tabor,  Death,  152,  die  lediglich  von  „occasional  references"  für  eine  Verurteilung  einer  Selbstauslieferung  sprechen;  diese  fänden  sich  bei  Christen,  die  entweder  geflohen seien oder in irgendeiner  Weise mit den  Behörden  kollaboriert  hätten.  Insofern seien  die  Absagen  an  eine  Selbstauslieferung  zu  verstehen  als  „a  factor  of  self­definition and self­justifi­ cation".  Sowohl  bei  Clemens  und Cyprian  als auch  bei  Petrus  von  Alexandrien  kann  der  Wunsch  nach  Rechtfertigung  des  eigenen  Weges  durchaus  eine  Rolle  bei  ihrer  Ablehnung  der  Selbst­ auslieferung  gespielt  haben.  Bei  Cyprian  ist  allerdings  zu  berücksichtigen,  daß  seine  einzige  explizite Ablehnung  der Selbstauslieferung aus seinem  letzten Brief stammt,  d.h.  aus einer Zeit,  in  der er sein eigenes Martyrium  unmittelbar vor Augen hat. Auffällig ist aber auch, daß die Belege, die  innerhalb von Märtyrerakten  für die Ablehnung  einer  Selbstauslieferung sprechen  (Mart.Pol.  1,2;  4,1 ; Act.Cypr.  1,5), aus Akten vormals geflohener Bischöfe stammen.  Andererseits  unterschätzen  Droge/Tabor  die  Bedeutung  der  theologischen  Begründung  für  eine  Absage  an  die  Selbstaus­ lieferung und bewerten die bei Clemens entscheidende  Bindung des Martyriums an einen  göttlichen  Ruf implizit als eine Art „Hilfskonstrukt", das primär zur Rechtfertigung seines eigenen  Verhaltens  gedient habe. Auch bei Cyprian, der von den Autoren aber  nicht  weiter  berücksichtigt  wird,  bildet  die Bindung des Martyriums an eine göttliche  Würdigung eine wesentliche Grundlage seines  pasto­ ral  ausgerichteten  Martyriumskonzeptes  und  ist mit  der  vordergründigen  Einschätzung  als  einer  Rechtfertigungsmöglichkeit  für eine  Flucht  bzw.  eine  damit  korrespondierende  Absage  an  eine  Selbstauslieferung keinesfalls ausreichend erfaßt. Eine Betonung dieser theologischen Grundlage für  eine Ablehnung  einer  Selbstauslieferung  findet sich  hingegen  bei  Nicholson,  Flight,  58, der  (zu­ mindest für den in dieser Anm.  erwähnten Teil der martyrologischen  Tradition) zutreffend bemerkt:  „There were also deeper roots for Christian  distrust of volunta^  martyrdom;  these were part  of the  fundamental Christian  understanding of martyrdom.  Martyrdom,  like  life, was  a gift from  God."  302

172 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

überliefert  werden. 3 0 4  N a c h  Clemens  v o n  Alexandrien  ist  die  Selbstauslieferung  eine  Unterstützung  der  bösen  Absichten  der Verfolger 305 ,  Cyprian  untersagt  sie  aus  Rücksicht  auf die  Ruhe  der  Gemeinde. 3 0 6  N a c h  ALLARD  ist  die  v o n  ihm  als  „prudence  en  temps  de  persécution"  gekennzeichnete  Haltung  der Großkirche  mit  ihrer vorherrschenden  Absage  an  die  Selbstauslieferung  v.a.  auf  z w e i  Motive  zurückzuführen:  Z u m  einen  auf  die  Erkenntnis  der  menschlichen  Schwachheit,  gerade  auch bei  einem  selbst  herausgeforderten  Martyrium,  z u m  anderen  auf die  christliche  Liebe,  die  die  Heiden  nicht  zusätzlich  in  die  Versuchung  zu einem christenfeindlichen Handeln bringen wollte. 307 Auch wenn die  Rücksicht auf die Verfolger durchaus als  Motiv  angeführt  worden  ist308,  sind daneben  aber  zum  einen  auch  der Rückbezug  auf  die  Passion  Christi  und  z u m  anderen  die  vitale  Frage  nach 

304

 Mart.Pol.  1,2. Auch nach Mart.Pol. 4,1 kann eine Selbstauslieferung kein Lob ernten, weil  das  Evangelium nicht in diesem  Sinne lehre. Diese auf den sich selbst ausliefernden Phryger Quintus,  der  letztlich  doch  nicht standhalten  konnte,  bezogene  Kritik  ist nach  Kraft, Lyoner  Märtyrer,  264,  als  „Reflex  auf  das  Lob"  zu  verstehen,  das  in  dem  Brief  der  montanistisch  gesinnten  Märtyrer  von  Vienne  und  Lyon  zwei  Märtyrer  erhalten,  die  das  Martyrium  für sich  herausfordern.  Die  Frage,  gegen  wen  sich  die  Betonung  des  „evangeliumsgemäßen  Martyriums"  hier  richtet,  ist  in  der  For­ schung  bis  heute  umstritten:  Während  z.B.  Buschmann,  Martyrium  des  Polykarp,  120­129,  sie  gegen  ein Drängen  nach dem  Martyrium  in montanistischen  Kreisen  gerichtet  sieht,  bezieht  Theo­ fried  Baumeister,  Die Norm  des evangeliumsgemäßen  Blutzeugnisses.  Das Martyrium  Polycarpi  als  vorsichtige  Exhortatio  ad  Martyrium,  in:  Stimuli.  Exegese  und  ihre  Hermeneutik  in  Antike  und  Christentum.  FS  Emst  Dassmann  (JAC  E.  1996),  126, sie auf den  „Martyriumsenthusiasmus  ...  als  Problem innerhalb der Gemeinden der katholischen Kirche". Zu der Frage einer besonderen  „Marty­ riumssucht"  innerhalb  des  Montanismus  vgl.  die Ausfiihrungen zum  Ende  dieses  Kapitels.  305  Clem.Al.,  Strom.  IV, 77,1.  In  Strom.  IV,  17,1­4  findet sich  eine  Polemik  gegenüber  Anhän­ gern  einer  von  Clemens  als  häretisch  eingestuften  Gruppierung,  die  sich  aus  „Haß  gegen  den  Weltschöpfer" selbst  auslieferte. Da  sie nach  seiner  Darstellung  den  wahren  Gott nicht kennen  und  die Leiblichkeit  ablehnen,  könnten  sie nicht  als  Märtyrer  anerkannt  werden;  vielmehr  sei  ihr  Tod  ebenso  nichtig  wie  deijenige  indischer  Gymnosophisten,  die  sich  selbst  ins  Feuer  stürzten.  Nach  Adolf von Harnack,  Marcion.  Das  Evangelium  vom  fremden  Gott.  Eine  Geschichte  der  Grundle­ gung der  katholischen  Kirche,  Leipzig  19242,  324, ist diese  Stelle auf die Marcioniten  zu  beziehen;  dagegen jetzt  Butterweck,  Martyriumssucht,  115f, die  sie  auf die  Montanisten  bezieht.  306   Cypr.,ep.  81,4  (CChr.SL  III C,  630,24f).  In  der  von  Wendebourg,  Martyrium,  307,  Anm.  85, für diese Auffassung Cyprians  angeführten Belegstelle  ep.  5 fordert dieser  zum  Maßhalten  bei  den  Besuchen  im  Kerker  auf, um  die  Zutrittsmöglichkeiten  nicht  zu  gefährden.  Der  Gedanke  an  Selbstauslieferung  scheint  hier  nicht  im  Hintergrund  zu  stehen.  Weitere  negative  Äußerungen  zu  einer  Selbstauslieferung  finden  sich  z.B.  in  Act.Cypr.  1,5; Eus.,  HE  IV,  15,8,  Petr.Al.,  ep.  can  .9  (PG  XVIII,  485f);  Aug.,  Brev.coll.  3,13,25  (PL  XLIII,  638);  ep.  185,12  (CSEL  LVII,  11,5­7);  Greg.Naz., Oratio 43 in laudem Basilii 6 (PG XXXVI,  500f)·  In diesen Zusammenhang  gehört  auch  die Bewertung  eines durch  die Zerstörung eines heidnischen  Kultbildes  herausgeforderten  Martyri­ ums, das nach Bernhard Kötting, Martyrium  und Provokation,  in: Kerygma und Logos, FS  C.Andre­ sen,  Göttingen  1979,  329­336,  in  der  Zeit  bis  zur  Konstantinischen  Wende  durchgängig  negativ  beurteilt wurde.  Deutlich  spiegelt sich diese  Haltung noch  in Can.  60  der  Synode  von Elvira  wider,  dem  zufolge der  Tod  nach  der  Zerstörung  heidnischer  Kultbilder,  d.h.  infolge einer  Provokation,  nicht  als Martyrium  anerkannt  werden  soll.  Vgl.  Eckhard  Reichert,  Die Cánones der Synode von Elvira. Einleitung und Kommentar, Hamburg 1990, 183f. 307 308

Allard, Dix leçons, 324f. Vgl. z.B. Clem.Al., Strom. IV,77f; Greg.Naz., Oratio 43 in laudem Basilii 6.

Die  Haltung zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

173 

der Sicherheit der Gemeinden maßgebliche Gründe zur Ablehnung der Selbstauslieferung  gewesen.  Ebenso  uneinheitlich  stellte  sich die Argumentation  in bezug auf eine  Flucht in der  Verfolgung dar, die in einer Vielzahl altkirchlicher Äußerungen als akzeptable  Möglichkeit christlichen Verhaltens bewertet wurde.305 Für Clemens von Alexandrien ist sie geboten,  damit  die  Christen  nicht  zu Miturhebern  des  Bösen  würden,  indem  sie  durch das  Verweilen  am  Ort  die  Übergriffe  ermöglichten.310  Zum  Zweck  der  Vermeidung  einer  Gefahr für die Gemeinde oder fur Freunde erscheint die Flucht geboten bei Cyprian3" und  Eusebius.312  Als  Möglichkeit  zur  Schonung  der  Verfolgten,  die  unter  Umständen  der  Gefahr nicht  standhalten könnten,  sieht  Ambrosius  die Flucht  an313; der Wunsch,  Gott  nicht zu versuchen, wird von Augustin als Motivation der Flucht angeführt.314 Zur biblischen  Untermauerung  der  Akzeptanz  einer  Flucht  wurde  auf  das  exemplum  Christi  verwiesen -  so z.B. bei Cyprian, Orígenes, Laktanz, Athanasius und Augustin315 — oder das Fluchtgebot Mt 10,23 herangezogen. Letzteres wurde zumeist in dem Sinne ausgelegt, daß es sich bei einer Flucht um ein grundsätzlich dem Willen des Herrn entsprechendes und von ihm gebotenes Verhalten handele. In den meisten Belegen für Zitate oder Anspielungen auf Mt 10,23 bis zum Ende des 4. Jahrhunderts dient die Stelle der uneingeschränkten Rechtfertigung oder gar Forderung nach der Flucht im Verfolgungsfall. 316 Daneben finden sich in der altkirchlichen Literatur aber

309  Mart.Pol.  5; Clem.Al.,  Strom. IV, 76f.; Eus.,  HE  VI,19,16;  Dionys,  bei  Eus.,  HE  VI,40,1­9;  Cypr., De  laps. 3; Orig., Comm.in  Mat.  10,23 (PG  XIII,  897); Lakt.,  Div.Inst.  IV,  18,1­2;  Petr.Al.,  ep. can. 9f.l2;  Äthan.,  Apologia  de  fuga sua; Greg.Naz.,  Adv.Jul.or.  38 (PG  XXXV,  619);  Aug.,  Sermo  133,7 (PL XXXVIII,  741). Zu Clemens'  und Origenes'  Haltung zur  Flucht  vgl.  ausfuhrlich  Thierry,  De  fuga,  17­26.  310  Clem.Al.,  Strom. IV, 76,2. Eine ähnliche Begründung findet sich auch bei  Petrus von  Alexan­ drien  (ep.  can.  9;  PG  XVIII, 483f)·  311   Cypr.,  ep.  20,1,2  (CChr.SL  III  B,  106,10­107,12).  In  allen  Ausführungen  Cyprians  zur  Motivation und Rechtfertigung seiner Flucht spielt die Bewahrung der „pax omnium" und der „salus  et  quies  fratrum"  eine  zentrale  Rolle  (ep.  7,1;  CChr.SL  III  B,  38,10;  ep.  14,1,2;  CChr.SL  III  B,  79,15­80,17;  ep.  43,4,2;  CChr.SL  III  B,  204,72).  Zur  Bedeutung  dieses  Arguments  vgl.  Hugo  Montgomery,  Saint Cyprian's  postponed  Martyrdom: A Study  of Motives,  in:  SO  63  (1988),  127f.  312  Eus.,  Comm.in  ps.  56 (PG  XXIII,505f).  313  Ambr.,  De  off.min. 37,186  (PL  XVI,79).  314  Aug.,  C.  Faust.  22,36 (CSEL  XXV,  629f).  315  Cypr.,  De  laps.  10 (CChr.SL  III, 226,196­198);  Orig.,  Comm.in  Mt.  10,23 (PG  XIII,  897);  Lakt.,  Div.Inst.  IV,  18,1­2;  Aug.,  Sermo  133,7 (PL  XXXVIII,  741);  Äthan.,  Apol.  13.  316   Vgl. die  Auslegungen  bei Kallist (ep. 2,3; PG  X,  126f), Clemens  (Strom.  IV,  76,If),  Petrus  von Alexandrien (ep. can. 9; PG XVm, 483f), Ambrosius (De off.min. 37,186; PL XVI, 79f), sowie  die Anspielungen  auf ein  „Gebot"  oder  eine „Vorschrift" (mandatum,  νόμος,  εντολή)  des  Herrn,  die zur Flucht auffordern, in Didask.  19, bei  Cyprian  (ep. 20,1 ; De  laps.  10), Pontius  (Vita Cypr.  7)  und  in der Passio Agapaes  (1,2). Am deutlichsten  hat Athanasius  in seiner  „Apologia  de  fuga sua"  (PG  XXV, 643­680) den  Verpflichtungscharakter von  Mt  10,23  herausgestellt:  Seiner Auffassung  nach könnten  die Christen in der Verfolgung ­  zu seiner Zeit geht es nicht mehr um Heiden, sondern  um christliche Gegner  im arianischen  Streit ­  nicht nur fliehen, sondern  sie mußten  nach dem  in Mt  10,23 grundgelegten  „Gesetz"  (νόμος)  fliehen (vgl.  Apol.  22).  Parallel  zu  der Nennung  von  Vor­ bildern für das Martyrium  bei anderen altkirchlichen Theologen  fuhrt er eine lange Reihe  biblischer 

174 

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung 

auch einige wenige Belege für eine Auslegung dieses Verses, in denen seine Geltung partiell  eingeschränkt  wird.  Lediglich  als  um  der  Schwachheit  der  Menschen  willen  zugestandene  Erlaubns  sieht  Tertullian  in  „Ad  uxorem"  1,3  diese  Stelle,  der  Montanist  Tertullian schränkt in „De fuga in persecutione" die Geltung dieses Gebotes temporär ein  und bezieht sie nur auf die Zeit der Apostel.  Augustin greift eine Deutungstradtion auf,  nach der das Fluchtgebot nur fur diejenigen Geltung habe, die nicht durch die  „ecclesiastici officii vincula" gebunden seien, d.h. fur die Laien.317 Differenziert wurde in der Frage  der  Flucht  in  der Alten  Kirche  so  vor  allem  in bezug  auf die  Stellung  der  Fliehenden:  Während  die Tendenz  zumeist  dahin ging,  die Flucht  eines  Laien in der Verfolgung  in  selbstverständlicher  Weise  anzuerkennen318,  wurde ein  solches  Verhalten bei  einem  Bischof, der für seine Gemeinde verantwortlich war, häufiger kritisiert und als  „Feigheit"  charakterisiert.3" Den zentralen biblischen Beleg  für Kritik und Polemik  gegenüber der  Flucht eines Bischofs bildete dabei der Gegensatz zwischen dem „guten Hirten" und dem 

exempla für die Flucht an, die dieses Verhalten als Gottes Weisung entsprechend einschärfen sollten  (Apol.  10­25). Deutlich wird bei ihm auch, daß das Leben als Wert erscheint, der durch eine Flucht  erhalten werden könne; die Möglichkeit zur Flucht ist demgemäß eine Gnade Gottes, der das Leben,  das er erschaffen hat, nun auch erhält (Apol. 25f). Die Flucht gilt Athanasius darüberhinaus auch als  Möglichkeit, Entbehrungen zu erleiden und so dem von ihm gepriesenen asketischen Ideal gerecht  zu werden (Apol.  17; 19) und sich auf den Tod vorzubereiten (Apol.  17). Die genannten  Belege  sprechen eher  gegen die von Wendebourg,  Martyrium,  309, geäußerte Auffassung, daß die Alte  Kirche Mt 10,23 als „Zugeständnis,... worin dem Schwachen eine Ausnahme von der Regel einge­ räumt  wird"  verstanden  habe.  Auch  wenn  sie  sich  mit  dieser  Einschätzung  nur  auf  die  vor­ konstantinische  Zeit bezieht,  so zeigt sich  doch  auch  in den Belegen  aus diesem Zeitraum  eine  vorherrschende  Auslegung  von  Mt  10,23,  die  diesen  Vers  als  autoritative  Vorschrift, nicht  als  bedingte Erlaubnis versteht.  317  Aug., ep. 228,4 (CSEL LVH, 487,3f). Zu den verschiedenen Auslegungen vgl. weiter Martin  Künzi, Das Naherwartungslogion  Matthäus  10,23, Tübingen  1970,  11­17.28­31.  318  Vgl. z.B. die in Didask.  19 deutlich werdende Selbstverständlichkeit,  mit der Christen sich  in der Verfolgungszeit „nach dem Befehl des Herrn" (iuxta mandatum  Domini) in Sicherheit brin­ gen. Auch Firmilian von Cäsarea berichtet auf selbstverständliche  Art und Weise von der Flucht  vieler Gläubigen  in einer Verfolgung unter dem Statthalter Serenianus (Cypr., ep. 75,10). In der  Decischen  Verfolgung fordert Gregor Thaumaturges  zur Flucht auf (Greg.Nyssa, Vit.Greg.; PG  XL VI,945), nach der Einschätzung Augustins ist die Flucht der Gläubigen keine Sünde (Aug., In  Joh.tract.  15,2; CChr.SL  XXXVI,  151; 28,2; CChr.SL  XXXVI,  277; 49,28;  CChr.SL  XXXVI,  433).  319  Neben der Kritik an Cyprian (Cypr., ep. 8; 27) vgl. z.B. die Hinweise auf kritische Äußerun­ gen zur Flucht  des Dionysios  in Eus., HE VII,  1 l,18f. Zur Differenzierung zwischen  Laien und  Klerikern  in  der  Frage  der  Flucht  vgl.  Kötting,  Bischof, 220f: „...  darüber  gab es  weitgehende  Übereinstimmung, daß einer, der nur für sich selbst oder höchstens für seine Familie Verantwortung  trug, sein Leben durch Flucht retten durfte, wenn das ohne Glaubensverleugnung möglich war ...  Anders und problematischer wurde die Beurteilung der vorbeugenden Flucht in der Verfolgung,  wenn es sich um Personen  handelte, die nicht nur für sich allein Verantwortung trugen, sondern  denen die Leitung einer Gemeinde anvertraut war und die sich der Frage stellen mußten, ob durch  ihren Weggang nicht nur ein schlechtes Beispiel gegeben wurde, sondern ob nicht dadurch ihre erste  Aufgabe, für das geistliche Wohl der Gemeindeglieder zu sorgen und sie in der schwierigen Zeit der  Versuchung zu stärken,  in schwerer Weise vernachlässigt und mißachtet werde." 

Die Haltung zu Flucht  und  Selbstauslieferung 

175 

„Mietling" aus Joh  10,11-13. 320  Wenn es  auch einige  Beispiele  von  geflohenen  Bischöfen  gibt, bei denen über kritische  Stimmen nichts bekannt ist321,  findet  sich eine  ausdrückliche  Rechtfertigung  der  Flucht  eines  Klerikers  in  der  altkirchlichen  Literatur  doch  nur  innerhalb  der von  geflohenen  Episkopen  selbst  verfaßten Apologien,  bei  Cyprian,  Petrus  von  Alexandrien  und  Athanasius.322  Daß  die  Frage,  ob  die  Flucht  eines  Bischofs  unter  bestimmten  Umständen  nicht  doch  erlaubt  sein  könne,  letztlich  in  der Zeit  der  Verfolgungen ungeklärt blieb,  zeigt  noch  Augustins  Auseinandersetzung  mit  diesem  Problem.  Seiner Auffassung nach müsse  das Kriterium  des bischöflichen Verhaltens  stets  der  Nutzen  flir  die  Gemeinde  sein.323  Grundsätzlich  befürwortet  er  eher  ein  Verbleiben  der  Kleriker, da sie durch die Sakramentserteilung  Trost spendeten; wenn die  Gemeinde  ihrer  bedürfe,  sei  die  Flucht  sogar eine  schwere  Schuld.324  Furcht  oder das  Argument,  sich  der  Gemeinde  fur die Zeit nach der Verfolgung erhalten zu wollen,  werden als  Begründungen  für  eine  Flucht  abgelehnt.  Seien  die  Gläubigen  aber  auch  geflohen,  könne  der  Bischof  ebenfalls  die  Gemeinde  verlassen.325  In der Tendenz  hat die  Alte  Kirche  angesichts  der Verfolgungen  zumeist  versucht,  eine  Haltung  zwischen  den beiden  Polen  der grundsätzlich  inakzeptablen  Apostasie  einerseits  und  des  in  den  meisten  Fällen  negativ  bewerteten  aktiven  Drängens  nach  dem  Martyrium andererseits einzunehmen.  Dazwischen standen die Akzeptanz des Martyriums  oder aber die  mehr oder weniger  umstrittene  Flucht  mit  ihren  vielfältigen  negativen  Begleiterscheinungen  für die  Fliehenden. 

320

 Vgl. Tert,  De fuga  11,2 (CChr.SL  II,  1148,11­13);  Cypr., ep.  8,1,2f (CChr.SL  III B, 40,14­ 41,23);  Aug.,  ep.  228,6  (CSEL  LVII,  488,11­489,14).  Zu  dieser  Auslegungstradition  von  Joh  10,11­13 vgl. auch  Aug., In Joh.tract. 46,7 (CChr.SL  XXXVI,  402).  321  So bei Polykarp, der sogar von Gemeindegliedem  zur Flucht  überredet  wurde (Mart.Pol.  5),  bei  Gregor  Thaumaturgos,  den  von  Cyprian  in ep.  66,7,3  (CChr.SL  III  C,  441,120f)  erwähnten  „coepiscopi (et) collegae..., qui... de medio recederent", den von den römischen Klerikern genannten  „episcopi", die durch die „Wut der Verfolgung" aus anderen Provinzen nach Rom vertrieben worden  seien (Cypr.,  ep.  30,8; CChr.SL III B,  149,169­172)  und  bei  Chaeremon  von Nilus  (Eus.,  HE  VI,  42,3).  322  Petrus von Alexandrien  hat seine Flucht in der Verfolgung ausdrücklich  gerechtfertigt. Nach  der Diokletianischen  Verfolgung begründet er in seiner „epistula canonica" ausführlich die Erlaubt­ heit der Flucht von Klerikern auf biblischer Grundlage: Neben  der Berufung auf Mt  10,23 führt er  das  Beispiel  Christi  an  sowie diejenigen  des  Stephanus,  Jakobus,  Paulus  und  Petrus (ep.can.  9).  Ebenfalls als nicht tadelnswert bewertet auch Athanasius  in der „Apologia de fuga sua" (PG  XXV,  643­680) die Flucht von Klerikern; sie sei eine Gewissensentscheidung  des Bischofs oder  Presby­ ters, deren Kriterium das Wohl der Gemeinde sein müsse (Apol.  18­21 ). Ähnlich äußert er sich auch  in Ep. encycl.  5 (PG  XXV,231f): „···  cavens ne ecclesia  laederetur,  et ne virgines  quae  illic erant  indigna  paterentur,...,  me populis subduxi,  memor  Salvatoris dicentis:  (folgt Mt  10,23)."  323  ep. 228,9  (CSEL  LVII, 49 lf).  324  ep. 228,8 (CSEL  LVII,  490,18­491,17).  325  ep. 228,5 (CSEL LVD, 488,1­10). Als Möglichkeit zur Entscheidung eines in der Verfolgung  möglicherweise auftretenden Gewissenskonfliktes empfiehlt Augustin den Losentscheid, in dem der  Wille Gottes deutlich  werden könne (ep. 228,12; CSEL LVII, 494,  13­15). Zu der  in ep. 228 deut­ lich werdenden  differenzierten Haltung Augustins zur Flucht vgl.  Leclerq,  Fuite,  2683. 

176 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

Tertullians  Haltung  zu  der  Frage  einer  Flucht  in  der  Verfolgung  ist  im  Laufe  seines  Wirkens  einer  Veränderung  und  Radikalisierung  unterworfen  gewesen.  Läßt  sich aus einer Äußerung zu diesem Thema aus seiner katholischen  Zeit zu­ nächst noch eine Akzeptanz  eines solchen  Schrittes entnehmen,  so zeichnet  sich  in  einem  anderen  Zusammenhang  doch  bereits  eine  zunehmend  negative  Auf­ fassung einer Flucht  ab. Als Montanist vertritt er eine strikt ablehnende  Haltung  gegenüber der Möglichkeit einer Flucht, die in ihrer Rigorosität  keine Parallele in  der Alten Kirche hat.326  Eine beiläufige Äußerung in dem katholischen Traktat „De patientia" bietet den  ersten Hinweis auf Tertullians  Sicht der Flucht in der Verfolgung. Im  Zusammen­ hang  seiner  Ausführungen zu  der  Funktion  der  Geduld  „in  corpore"327,  im  „Be­ reich des Leibes",  fuhrt er verschiedene Umstände an, unter denen die Ausdauer  des Fleisches  notwendig  sei: Neben  dem Fasten und der Enthaltsamkeit nennt er  die Verfolgungen mit ihren unterschiedlichen Formen des Leidens. So sei die Ge­ duld notwendig zum Ertragen der Einkerkerung und des eigentlichen  Martyriums­ leidens328; sie helfe dem schwachen Fleisch beim Ertragen  aller Dinge,  die auf die  Umstürzung  des Glaubens und seine Bestrafung zielten: „Schläge, Feuer,  Kreuz,  wilde Tiere und  Schwerter."329 Zu Beginn  der Aufzählung der durch  die Verfol­ gungen verursachten  Leidenssituationen  findet sich die Flucht,  deren  Beschwer­ nisse ebenfalls durch die Ausdauer des Fleisches ertragen werden könnten:  „Car­ nis  patientia  in  persecutionibus  denique  proeliatur.  Si  fuga urgeat,  incommoda  fugae caro  militât."330  Zwar  läßt  die  Beiläufigkeit  dieser  Erwähnung  der  Flucht  keinen weitreichenden  Schluß  auf Tertullians  grundsätzliche  Haltung  zu  diesem  Zeitpunkt zu; da sie aber ohne weitere Wertung als eine in der Verfolgung mögli­ che  Leidenssituation  angeführt wird,  kann  zumindest  von  einer  Akzeptanz  der  Flucht gesprochen  werden.331 

326

  Vgl.  Thierry,  De  fuga,  16. 

327

  De  pat.  13,2  (CChr.SL  I,  314,6):  „Quae  igitur negotiatio  patientiae  in  corpore?"   De  pat.  13,7  (CChr.SL  I,  314,25-28):  „Cum  vero  producitur  ad experimentum  felicitatis,  ad  occasionem  secundae  intinctionis,  ad  ipsum  divinae  sedis  ascensum,  nulla  plus  illic  quam  patientia  corporis."  329   De  pat.  13,8  (CChr.SL  I,  314,30-34):  „At  cum  hoc  dominus  de  carne  dicit,  infirmam  pronuntians,  quid  ei  firmandae  opus  sit ostendit,  patientia  scilicet  adversus  omnem  subvertendae  fidei  vel  puniendae  paratura(m),  ut  verbera  ut  ignem  ut  crucem  bestias  gladium  constantissime  toleret...".  330  De  pat.  13,6  (CChr.SL  I,  314,21-23).  331   So  auch  DrogeATabor,  Death,  146:  In  „De  patientia"  „martyrdom and  flight  are  both  acceptable  responses  to  persecution".  328

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

177 

Eine  deutliche  Einschränkung  der  Anerkennung  eines  solchen  Schrittes  zeigt  sich hingegen  in „Ad  uxorem I". Wie  in „De patientia" geht es auch  hier  nicht  um  das Thema  „Flucht"  selbst; vielmehr  dient  die Erwähnung  der  Flucht  in  der  Ver­ folgung der Untermauerung  einer  auf die geschlechtliche  Enthaltsamkeit  bezoge­ nen Argumentation  Tertullians.  Wie sich Enthaltsamkeit  und  Ehe als besserer  und  schlechterer  Weg  gegenüberstünden,  so auch  das  Standhalten  in  der  Verfolgung  und  die  Flucht.  So  wie  die  Ehe  nur  auf  Grund  der  menschlichen  Schwachheit  notgedrungen  zugestanden  werde332,  so  sei  auch  die  Flucht  nicht  mehr  als  ein  Zugeständnis  in  der  Verfolgungssituation.  Grundsätzlich  sei  es  zwar  besser  zu  fliehen  ­  so  räumt  Tertullian  ein  ­  ,  statt  unter  der  Folter  abzuleugnen,  seliger  seien aber dennoch  diejenigen, die nach dem Bekenntnis  das Martyrium  erlitten.333  Die Tatsache,  daß  etwas  erst zugestanden  werden  müsse,  bedeutet  fur Tertullian,  daß  es  moralisch  nicht  einwandfrei  sei:  „...  quod  permittitur,  bonum  non  est."334  Was nämlich besser  sei, brauche niemand  erst zu erlauben,  da es völlig  unzweifel­ haft sei.335 Darin,  daß  anderes  ihnen  vorgezogen  würde,  liege  letztlich  ein  Verbot  der  lediglich  erlaubten  Dinge  begründet,  die  entsprechend  auch  nicht  angestrebt  werden dürften.336 Im Zusammenhang  der hier deutlich werdenden  und von  Tertul­ lian  in  späteren,  montanistischen  Schriften  noch  klarer  explizierten  Unter­ scheidung  zwischen  dem bloß erlaubenden  und dem  eigentlichen  Willen  Gottes337  bedeutet  die Kennzeichnung  der Flucht  als etwas  lediglich  „Erlaubtem"  also  kei­

332

  Ad  ux.  1,3,2  (CChr.SL  I,  375,10­13):  „Quid  tarnen  bono  isto  melius  sit  accipimus  ab  apostolo,  permittente  quidem  nubere,  sed  abstinentiam  praeferente,  illud  propter  insidias  temptatio­ num,  hoc  propter  angustias  temporum."  333  Ad  ux.  1,3,4  (CChr.SL  I,  375,20­376,23):  „Etiam  in  persecutionibus  melius  ex  permissu  fugere de oppido  in  oppidum  quam  comprehensum  et  distortum  negare.  At  quae  isto  beatior  res?  (Q)uae  qui  valent  beat:  a testimonii  confessione  excedere."  Die  Formulierung  „fugere de  oppido  in  oppidum"  weist  auf  Mt  10,23  als  Schriftgrundlage  der  „permissio"  hin.  334   Ad  ux.  1,3,4  (CChr.SL  I,  376,26).  335  Ad  ux.  1,3,5 (CChr.SL  I, 376,26­28):  „Quod  enim  (melius)  est,  nemo  permisit,  ut  indubita­ tum  et  sua  sinceritate  manifestum."  336

 Ad  ux.  1,3,5  (CChr.SL  I,  376,28­31):  „Non  propterea  appetenda  sunt  quaedam,  quia  non  vetantur  ­  etsi  quodammodo  vetantur  cum  alia  illis  praeferuntur;  praelatio  enim  superior(um)  disuasio  est  inferiorum..".  337

 Vgl.  De  exhort.cast.  3,3f (CChr.SL  II,  1018,17­23):  „Si  tarnen  alia  ista  istis  praeposuit,  uti­ que  quae  magis  vult  (sc.  deus),  dubiumne  est ea  nobis  sectanda  esse,  quae  mavult,  cum  quae  minus  vult,  quia  alia  magis  vult,  perinde  habenda  sunt  atque  si  nolit?  Nam  ostendens  quid  magis  velit,  minorem  voluntatem  maiore delevit,  quantoque  notitiae  tuae  utramque  proposuit,  tanto  definiit  id  te  sectari  debere  quod  declaravit  se  magis  velie";  De  mon.  3,3  (CChr.SL  II,  1231,18f):  „Quod  enim  mere  bonum  est,  non  permittitur,  sed  ultro  licet." 

178

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

nesfalls  eine wirkliche  Akzeptanz  eines  solchen  Schrittes.338  Vielmehr  erscheint  sie  lediglich  als  ein  „kleineres  Übel"  zur  Vermeidung  der  Apostasie,  das  aber  letztlich als ein Zugeständnis nicht dem eigentlichen  Willen  Gottes  entspreche.339  Im Unterschied zu diesen beiläufigen, in andere Zusammenhänge  eingebetteten  Äußerungen Tertullians zur Flucht in seiner katholischen Zeit hat er als Montanist  diese  Frage  in  eingehender  Weise  in  dem  ausschließlich  diesem  Thema  gewidmeten Traktat „De  fuga in persecutione" verhandelt. In bezug auf die Anfrage des  Katholiken Fabius340, ob man in der Verfolgung  fliehen  dürfe oder nicht34', will er  darin  untersuchen,  auf  welche  Weise  der  Glaube  die  zunehmend  drohenden  Verfolgungen annehmen müsse.342  Seinen Ausgangspunkt  in dieser Schrift bildet  die Rückführung der Verfolgung auf die Providenz Gottes,  der die Verfolgung zur 

338  Gegen  die  häufig vorgebrachte  Anschauung  einer  gleichbleibenden  Akzeptanz  der  Flucht  in Tertullians  katholischer Zeit: Vgl. Otto Bardenhewer,  Geschichte  der altkirchlichen  Literatur,  Bd.  II, Freiburg  1903,  422:  „Als  Katholik  hatte  Tertullian  die  Flucht  in  der  Verfolgung  gutgeheißen."  Quacquarelli,  Ad  martyras,  41,  faßt die Positionen  in „De  patientia"  und  „Ad  uxorem"  zusammen:  „... Tertulliano ortodosso  ammette  che si possa  fuggire la persecuzione",  ähnlich  spricht  Moreschini,  Aspetti,  68,  von  der  Aufassung  der  Flucht  in  beiden  Schriften  als  „cosa  lecita".  Zutreffend  hat  hingegen  Barnes,  Tertullian,  177,  die  Position  in  „Ad  uxorem"  gekennzeichnet:  Sie  sei  nicht  zu  verstehen  als  „mere  repetition  of the  statements  in De  patientia.  Tertullian  has  changed  his  position  if only slightly.  Flight  from persecution  he  no  longer  regards  as normal:  he now  condones  it as  a  pis  aller for weaker  brethren."  Ob  der  Unterschied  zwischen  „De  patientia"  und  „Ad  uxorem"  auf  einer  Entwicklung  in Tertullians  Haltung  zur  Flucht  beruht,  ist  auf  Grund  des  nicht  klärbaren  zeitlichen  Verhältnisses  zwischen  den  beiden  Schriften nicht  zu  entscheiden.  Für  beide  Traktate  variieren  die  Datierungsvorschläge  zwischen  193  und  206  (vgl.  Braun,  Deus  Christianorum,  570f).  Möglicher­ weise  liegt der Unterschied  eher  in der jeweiligen  Argumentation  begründet,  in die die Aussagen  zur  Flucht  eingebettet  sind.  339   Vgl.  De  exhort.cast.  3,1  (CChr.SL  II,  1018,8f):  „...  non  statim  omne  quod  permittitur  ex  mera  et  tota  volúntate  procedit  eius,  qui  permittit."  Da  der  erlaubende  Wille  („indulgentia")  sein  Motiv  nicht  in sich  selbst,  sondern  in  demjenigen  habe,  demgegenüber  er  nachsichtig  sei,  erscheine  er  im eigentlichen  Sinne  als  „invita  voluntas"  (De  exhort.cast.  3,2; CChr.SL  II,  1018,12).  Die  Kon­ sequenz  dieses  doppelten  Willens  in  Gott  für die  Ethik  ist  von  Roberts,  Theology,  224,  herausge­ stellt  worden:  „The  theory  of two  wills,  or the  voluntas  and  the  indulgentia,  in  God  is  at  the  root  of  Tertullian's  doctrine  of merit.  Since  there  is, on  God's  part  a  double  standard  of good,  i.e.  what  He  permits  or  allows  as  ,good'  and  what  He  desires  as  ,better',  so  it  follows  that  there  is  a  double  standard  of  obedience  on  man's  part  ...".  Zu  der  hinter  dem  Konzept  des  zweifachen  Willens  stehenden  Frage  nach  dem  Verhältnis  zwischen  der  Gerechtigkeit  Gottes  einerseits  und  seiner  Güte  andererseits vgl.  Albrecht  Dihle, Tertullians  Lehre vom  zweifachen  Willen  Gottes,  in: Panchaia,  FS  Klaus  Thraede  (JAC.E.22),  Münster  1995,  61­65.  340  Vgl.  die  Kennzeichnung  des  Fabius  in De  fuga  1,1 (CChr.SL  II,  1135,11)  als  „Paracletum  non  recipien(s)".  341  De  fuga  1,1 (CChr.SL  II,  1135,3f): „Quaesisti  proxime,  Fabi  frater, fugiendum  necne  sit  in  persecutione  ...".  342

 De  fuga  1,1  (CChr.SL  II,  1135,8­10):  „Quanto  enim  frequentiores  imminent  persecutiones,  tanto  examinatio  procuranda  est,  quomodo  eas  excipere  fides  debeat." 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

1 7 9 

Prüfung der Gläubigen  geschehen  lasse.343 Aus dieser göttlichen  Urheberschaft re­ sultiert  für Tertullian  als Prämisse für die weiteren Ausführungen, daß eine  Flucht  vor  der  Verfolgung  ausgeschlossen  sei:  „Si  enim  persecutio  a Deo  evenit,  nullo  modo  fugiendum erit,  quod  a deo evenit."344  Wer  vor  dieser  gottgewollten  Situa­ tion  fliehe,  wende  sich  direkt  gegen  Gott  als  deren  Urheber;  indem  er  der  Ver­ folgung,  die  wie  alles,  was  aus  Gottes  Willen  entspringe,  etwas  Gutes  sei345,  zu  entkommen  suche, werfe er  Gott  ein  böses  Handeln  vor,  denn  er qualifiziere  die  Verfolgung  damit  als  etwas Negatives  und  zu  Vermeidendes.  Zudem  schätze  er  sich  stärker  als  Gott  ein,  wenn  er  meine,  einer  von  Gott  intendierten  Situation  entgehen  zu können.346 Dem von ihm  in „Ad  uxorem" selbst noch  angeführten Ar­ gument,  daß  eine  Flucht  unter  Umständen  vor  der  Ableugnung  bewahren  könne,  hält Tertullian hier  entgegen,  daß  die bloße  Erwartung  der  Verleugnung  im  Falle  der  Gefangennahme  bereits  Apostasie  sei,  schon  der  Unwille  zum  Bekenntnis  Abfall: „Nolle  autem  confiteli negare est".347 Eine Flucht  zeige darüberhinaus,  daß  bei  dem  Fliehenden  kein  Vertrauen  auf Gottes  Schutz  in der  Verfolgung  bestehe  und stelle  in diesem  Sinne  eine Entehrung  Gottes  dar.348 Das  Beispiel  eines  Chri­ sten, der nach häufiger Flucht  ergriffen worden  sei  und  unter  grausamen  Foltern,  die Tertullian  als  „pro  fugae castigatio",  als „Strafe für die Flucht",  deutet349,  das  Martyrium  erlitten  habe,  lehre,  daß die  Flucht  keinen  Sinn  habe,  wenn  Gott  nicht  einverstanden  sei.350 In einem zweiten  Argumentationsgang  geht Tertullian  auf  die 

343

  D e  fuga  1-3  (CChr.SL  II,  1135,2-1139,25).  Zu  dieser  göttlichen  Zweckbestimmung  der 

Verfolgung  vgl.  Kap.  3.2.  344

  De  fuga  4,1  (CChr.SL  II,  1140,3-5). 

345

  D e  fuga  4,1  (CChr.SL  II,  1140,11-15):  „Multa  quidem  sunt,  quae  a  D e o  eveniant,  et 

alicuius  malo  eveniunt.  Immo  bonum  est  ideo,  quia  a D e o  evenit,  ut  divinum,  rationale.  Quid  enim  divinum  non  rationale?  (Quid  rationale)  non  bonum?  Quid  bonum  non  divinum?"  346

 De  fuga 4,3  (CChr.SL  Π,  1141,35-39):  „Igitur qui  putant  fugiendum,  aut  malum  exprobrant 

Deo,  si  persecutionem  uti  malum  fugiunt -  bonum  enim  nemo  devitat  -  aut  fortiores  se  Deo  existimant,  qui  putant  se  evadere  posse,  si  Deus  tale  aliquid  voluerit  evenire."  347

  De  fuga  5,2  (CChr.SL  II,  1141,13f). 

348

  D e  foga  5,3  (CChr.SL  II,  1141,18-1142,1):  „Quale  est,  ut  ad  fugiendum  Deo  honorem 

reddas,  qui  possit  te  etiam  fugientem  producere  in  medium,  ad  constandum  autem  inhonores  ilium  desperans  potentiam  protectionis  ab  ilio?"  349

  D e  fuga  5,3  (CChr.SL  II,  1142,29). 

350

 De  fuga  5,3  (CChr.SL  II,  1142,  25-32):,,  Rutilius,  sanctissimus  martyr,  cum  totiens  fugisset  persecutionem  de  loco  in locum,  etiam  periculum,  ut putabat,  nummis  redemisset,  post totam  securitatem,  quam  sibi  prospexerat,  ex  inopinato  apprehensus  et  praesidi  oblatus  tormentis  dissipatus,  credo  pro  fugae castigatione,  dehinc  ignibus  datus,  passionem,  quam  vitarat,  misericordiae  Dei  retulit.  Quid  aliud  voluit  Dominus  nobis  demonstrare  hoc  documento,  quam  fugiendum  non  esse,  quia  nihil  fuga  prosit,  si  Deus  nolit?" 

180 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

zur  Rechtfertigung  einer  Flucht  herangezogene  Aufforderung  aus  Mt  10,23  „Wenn  sie  dich verfolgen,  fliehe aus einer  Stadt  in die  andere" -  ein,  auf die er  sich selbst  in „Ad uxorem" noch als Grundlage der „Erlaubnis" zur Flucht bezogen hatte.351 Gegen eine Auslegung,  die daraus die grundsätzliche Berechtigung zu  einer Flucht  ableitet,  stellt er eine  Exegese,  die die  Gültigkeit  dieser  Anweisung  auf die Zeit der Apostel  einschränkt.352 Sie habe dazu gedient, die Ausbreitung  des  Evangeliums  in  Israel  zu  gewährleisten353;  die  Aufforderung zur Flucht  sei  also  keinesfalls  „propter  eludendum  periculum  proprio  nomine  persecutionis  ...  sed  propter profectum annuntiationis" erfolgt.354 Als die Apostel  dann zu den Heiden  gegangen  seien,  seien sie auch nicht mehr geflohen, was  sich  deutlich an Paulus  zeige,  der nicht vor der Verfolgung  in Jerusalem  ausgewichen  sei.355  Sei  so  also  sogar  zu  der  Zeit  der  Apostel  die  Vorschrift  Mt  10,23  schon  zeitlich  begrenzt  gewesen,  so könne erst recht nicht bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bindend sein,  was  bereits  damals  seine  Gültigkeit  verloren  habe.356  Zur  Unterstützung  dieser  Exegese  stellt  Tertullian  eine  Reihe  von  Herrenworten  zusammen,  die  einer  Erlaubnis zur Flucht widersprächen.357 Jesus selbst sei  auch nur geflohen, um sein 

351

 Vgl.  Anm.  333. 

352

 De  fuga 6,1 (CChr.SL  Π,  1142,7­9):  „Hoc (sc. Mt  10,23) in persona(s)  proprie  apostolorum  et  in  tempora  et  in  causas  eorum  pertinere  defendimus  ...".  Auch  in  De  cor.  1,5  (CChr.SL  II,  1040,3 l f )  negiert  er  eine  durch  Mt  10,23  gegebene  Erlaubnis  zur  Flucht,  indem  er  diese  Stelle  polemisch  als die einzige aus dem  Evangelium  bezeichnet,  die den  Katholiken  im Gedächtnis  bliebe  und  der  sie  Folge  leisteten.  353  De  fuga 6,3  (CChr.SL  II,  1142,19­1143,24):  ,,Si(c)  igitur  et  fùgae praeceptum  apostolorum  condicio  desiderabat,  quoniam  primo  praedicandum  erat  ad  oves  perditas  domus  Israelis.  Ut  ergo  perficeretur  praedicatio  apud  quos  priores  eam  perfici  oportebat,  uti  panem  ante  filii  quam  canes  sumerent,  ideo  íIiis  fogere  tune  ad  tempus  praecepit...".  354   De  foga  6,3  (CChr.SL  II,  1143,24­26).  355   De  foga  6,6  (CChr.SL  II,  1143,45­55):  „Denique  ex  quo,  saturato  Israele,  apostoli  in  nationes  transierunt,  nec  fogerunt  de  civitate  in civitatem,  nec  pati  dubitaverunt.  Atquin  Paulus,  qui  se  per  murum  concesserat  expediri  de  persecutione,  qua  adhoc  tempus  erat  praecepti,  discipulis  magnopere deprecantibus,  ne se Hierosolyma  committeret  passurus  illic quae Agabus  prophetaverat,  sollicitudini  eorum  non subscripsit, sed e contrario:  ,Quod',  inquit,  ,facitis lacrimantes  et  conturban­ tes cor meum?  Ego enim  non modo vincula  pati optaverim, sed etiam  mori  Hierosolymis  pro  nomine  Domini  mei  Iesu Christi?""  Bezeichnenderweise  unterschlägt  Tertullian aber die  in 2.Kor  1 l,32f  zu  findende  Erwähnung  der Flucht des  Paulus aus Damaskus,  die zu Beginn des 4. Jhdts. von  Athanasi­ us  als  „exemplum"  für die  Erlaubtheit  der  Flucht  angeführt wird  (Apol.  11).  356

  De  foga  6,7  (CChr.SL  II,  1144,60­62):  „Igitur  cum  etiam  sub  apostolis  ipsis  temporale  foerit  fogae  praeceptum,  sicut  et  reliquorum  praescriptorum,  non  potest  apud  nos  persevare  quod  apud  doctores  nostras  concessavit...".  357   De  foga  7 , l f  (CChr.SL  II,  1144,9­1145,34):  Angeführt  werden  Mt  10,32f;  Mt  5,11;  Mt  10,22;  Mt  10,28;  Mt  10,38. 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

181 

Wirken  zu  vollenden358,  letztlich  habe  er  sich  aber  in  den  Willen  des  Vaters  ge­ schickt,  wie  es auch  von  den  Christen  zu  erwarten  sei.359 Auch  bei  den  Aposteln  fanden  sich keine  Hinweise  auf  ein  andauerndes  Gebot  zur  Flucht  in der  Verfol­ gung,  vielmehr  sprächen  ihre  eigenen  Beispiele  ebenso  wie  ihre  Ermahnungen  gegen  eine  solche  Möglichkeit.360  Gesondert kommt Tertullian  im folgenden auf die Frage  der Flucht  von  Kleri­ kern  zu  sprechen.  Sei  diese  schon  fur Laien  nicht  akzeptabel,  verbiete  sie sich  in  besonderer  Weise  für die Kleriker,  die  ihre Gemeinde  zur  Standhaftigkeit auffor­ dern  müßten.361  In Auslegung  von  Joh  10,11­13  überträgt  Tertullian  das  Bild  des  „schlechten  Hirten",  der  im  Angesicht  des  Wolfes  sein  Vieh  seinem  Schicksal  überlasse,  auf  Kleriker,  die  fliehen  und  ihrer  Verantwortung  für  die  Gemeinde  nicht  gerecht  werden.  Diese  würden  wie  schlechte  Hirten  von  ihrem  „Landgut"  entfernt werden,  d.h. sie dürften ihrer Hirtenfunktion nicht mehr  nachkommen;  ihr  nachmaliger  Lohn  würde  ihnen  vorenthalten  und  ein  Ersatz  für  den  von  ihnen  verursachten  Schaden  gefordert werden.362  Auch  bei  Sacharja, Hesekiel  und  Jere­ mía  fanden  sich  entsprechende  Drohungen  gegenüber  denjenigen  „Hirten",  die  ihre  Herde  den  wilden  Tieren  zur  Beute  überließen.  Eine  solche  Situation  trete  besonders  dann  ein,  wenn  die  Gemeinde  in  der  Verfolgung  von  ihrem  Klerus  allein  gelassen  werde.363  Seine  Polemik  gegenüber  fliehenden  Klerikern,  die  in 

358  De  fuga 8,1  (CChr.SL  II,  1145,1­3):  „Refugit et  ipse  (sc.  Iesus  Christus)  vim  interdum,  sed  eadem  ratione  qua  apostolis  fiigere praeceperat,  donee  scilicet  doctrinam  suam  impleret...".  359   De  fuga  8,3  (CChr.SL  II,  1145,17­21):  „Postulavit  et  ipse  (sc.  Iesus  Christus)  a  pâtre,  si  fieri posset,  ut transiret  ab  ilio  calix  passionis.  Postula  et  tu,  sed  stans  ut  il le,  sed  postulans  tantum,  sed  subiungens  et  reliqua:  ,verum  non  quod  ego  volo,  sed  quod  tu'".  360  De  fuga 9,1  (CChr.SL  II,  1146,1­7):  „Omnia  apostoli  secundum  Deum  utique  docuerunt,  omnia  Evangeli!  revoluerunt.  Ubi  illos  ostendi  praeceptum  fugiendi de  civitate  in  civitatem  restau­ rasse?  Quia  nec  potuissent  tale quid  constituere  tam  contrarium  exemplis  suis,  ut  fugam  mandarent,  qui  cum maxime  de vinculis vel  insulis, quibus  ad confessionem,  non  ob fugam nominis  contineban­ tur,  ad  ecclesias  scribebant."  361

 De  fuga  11,1  (CChr.SL  II,  1148,1­8):  „Haec  sentire  et  facere  omnem  servum  Dei  oportet,  etiam  minoris  loci,  ut  maioris  fieri  possit,  si  quem  gradum  in  persecutionis  tolerantia  ascendereit.  Sed cum ipsi actores,  id est ipsi diaconi  et presbyteri  et episcopi,  fugiunt, quomodo  laicus  intellegere  poterit,  qua  ratione  dictum  sit:  ,Fugite  de  civitate  in  civitatem'?  Itaque  cum  duces  fugiunt,  quis  de  gregario  numero  sustinebit  ad  gradum  in  acie  figendum  suadere?"  362  De  fuga  11,2  (CChr.SL  Π,  1148,11­15):  „Ceterum  Christo  confirmante  figuras  suas  malus  pastor  est  qui  viso  lupo  fugit et  pecora  diripienda  derelinquit.  Proicietur  de  villa  pastor  huiusmodi,  detinebuntur  illi  mercedes  missionis  suae  in  compensationem,  immo  et  de  priore  peculio  eius  exigetur  detrimenti  dominici  restitutio."  363  De  fuga  11,2  (CChr.SL  II,  1149,17­24):  „Sic  Zacharias  comminatur:  ,Exsurge  romphaea  in  pastores  et  evellite  oves,  et  superducam  manum  meam  in  pastores. 1  In  quos  et  Ezechiel  et  Hieremias  iisdem  minis pérorant,  quod non tantum  de pecoribus  improbe  vescantur  pascentes  potius 

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Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

ihrer Konsequenz auf die Forderung nach ihrer Amtsenthebung abzielt, unterstützt  Tertullian mit dem Hinweis auf die Stellung des Parakleten  in dieser Frage:  Wer  diesen erkannt und angenommen habe, höre, daß er die Fliehenden beschimpfe.364  Das  Verbot  gegenüber  den Klerikern,  in der Verfolgung zu  fliehen,  bestehe  nur  dann nicht, wenn die Gemeinde selbst  fliehe,  da dann die Schutzíunktion  (tutela)  des Klerus nicht mehr vonnöten sei.365 Da Tertullian  aber grundsätzlich,  d.h. auch  für  die  Laien,  die  Flucht  als  akzeptables  Verhalten  in  der  Verfolgung  negiert,  dürfte eine solche  Situation  im Idealfall überhaupt nicht  entstehen.  Zum  Abschluß  des Traktates  betrachtet Tertullian  die Frage  des Loskaufs in  der  Verfolgung.  Ein  solcher  Schritt wird  von  ihm  genauso  strikt  abgelehnt  wie  eine Flucht; letztlich sei ein Loskauf nur eine andere Form der Flucht, eine „num­ maria  fuga".366 Der  sowohl  durch  Loskauf  als auch  durch  Flucht  zutagetretende  Unwille, sich öffentlich zu Christus zu bekennen und das Martyrium  zu  erleiden,  stelle  nichts  anderes  dar  als  Ableugnung367:  „negatio  est  etiam  martyrii  recusa­ do".368 Durch diese Gleichsetzung zwischen dem Ausweichen  vor der Verfolgung  und der Apostasie gehört die Verweigerung  des Martyriums  für den  Montanisten  Tertullian neben Mord, Idololatrie, Betrug, Blasphemie,  Ehebruch und Hurerei  in  die  Reihe  der  unvergebbaren  Kapitalsünden,  den  „delicta  graviora  et  exitiosa,  quae veniam non capiant  ,..".369 Denjenigen, die unter Hinweis auf die Erhaltung  des Gemeindelebens zum Loskauf rieten, wirft er mangelnden  Glauben und  auch  mangelnde  Weisheit vor.370 Auch wenn es zuweilen keine  gottesdienstliche  Ver­

semetipsos,  verum et dispersum gregem faciant et in praedam esse  omnibus bestiis agri, dum non est  pastor  ¡Iiis.  Quod  numquam  magis  fit, quam  cum  in  persecutione  destituitur  ecclesia  a  clero."  364   De  fuga  11,2  (CChr.SL  II,  1149,24f):  „Si  et  Spiritum  quis  agnoverit,  audiet  fugitivos  denotantem."  365   De  fuga  11,3  (CChr.SL  II,  1149,30-33):  „Ceterum  si  grex  fogere  deberet,  non  debere(t)  praepositus gregis stare, sine causa staturus ad tutelam gregis, quam grex non desideraret,  ex  licentia  fogae  scilicet."  366   De  fuga  12,1  (CChr.SL  II,  1149,5-9):  „Ultro  igitur  de  hoc  tibi  suggeram,  definiens  persecutionen,  quam  constat  non  esse  fogiendam,  proinde  nec  redimendam.  Pretium  interest;  ceterum  sicut  fuga redemptio  gratuita est,  ita redemptio  nummaria  fuga  est."  367

  De  foga  12,5  (CChr.SL  II,  1151,52f):  „...  ergo  et  apud  plures  nolendo  confiteri  negasti." 

368

  De  fuga  12,5  (CChr.SL  II,  1151,54f). 

369

  De  pud.  19,25  (CChr.SL  II,  1323,112f).  Vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm.  159. 

370

  De  foga  14,1  (CChr.SL  Π,  1155,1-8):  ,„Sed  quodmodo  colligemus',  inquis,  ,quomodo  dominica  solleminia  celebrabimus?'  Utique  quomodo  et apostoli,  fide,  non pecunia tuti,  quae  fides  si  montem  transferre potest,  multo magis  militem.  Esto sapientia,  non  praemio cautus.  Neque  enim  statim  et  a populo  eris  tutus,  si  officia militaría redemeris. Una ergo tibi et fides et sapientia ad tutelam opus est, quibus non adhibitis et redemptionem tuam potes perdere, adhibitis autem redemptionem desiderare."

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

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Sammlung  geben  könne  -  wichtiger  sei  allemal  die  Reinerhaltung  der  „virgo  sponsa" Kirche,  statt durch Geldzahlungen  an die Heiden  die  Möglichkeit  gottesdienstlicher  Zusammenkünfte  zu  „erkaufen".371  Die  Verwendung  der  Bilder  der  „Braut" und der „Jungfrau" für die  Kirche,  die  ihre Heiligkeit  und Reinheit  symbolisieren372,  zeigt,  daß  hinter  Tertullians  rigorosen  Forderungen  das  Bemühen  steht, die Kirche  in diesem  für ihn essentiellen  Zustand  zu  bewahren.  Seine  durch  die  Vorstellung  von  der  reinen  und  heiligen  Kirche  geprägte  Ekklesiologie 373  erscheint  hier  also  zunächst  als  Grundlage  der  Absage  an  den  Weg,  das  Fortbestehen  des gemeindlichen  Lebens,  insbesondere  der Gottesdienste,  während  der  Verfolgung  zu  „erkaufen";  die  pointierte  Stellung  des  Hinweises  auf  die  „virgo  sponsa"  Kirche  zum  Ende  von  „De  fuga  in  persecutione"  erweist  sie  aber  auch  prinzipiell  als  Basis  seiner Ablehnung  gegenüber jeglichem  Versuch,  der  in  Gestalt der gottgewollten  Verfolgung  an die Gläubigen herantretenden  Forderung zur  Leidensbereitschaft  zu entgehen.  Ein solches,  durch  die Gleichsetzung  „(nummaria)  fuga"  =  „martyrii  recusatio"  =  „negatio"  als  Kapitalsünde  disqualifiziertes  Verhalten  bedeutete  fur Tertullian  eine  tiefgreifende  Beeinträchtigung  der  kirchlichen  Heiligkeit  und  Reinheit  und  führte  -  wenn  die  Argumentation  aus  „De  pudicitia", wonach  Kapitalsünden  den  sofortigen Ausschluß  aus der Kirche  nach 

371

  De  fuga  14,If  (CChr.SL  II,  1155,11­13):  „Melius  est  turbas  tuas  aliquando  non  videas,  quam  addicas.  Serva  Christo  virginem  sponsam;  nemo  quaestum  de  ea  faciat." Tertullians  Absage  an jegliche  Geldzahlung  an  die  Heiden  zur  Aufrechterhaltung  gemeindlichen  Lebens  während  der  Verfolgung  ist  sehr  drastisch  formuliert,  indem  die  Kombination  von  „virgo  sponsa"  und  „quae­ stum"  (Verdienst  der  Dirnen)  die  Assoziation  der  Prostitution  hervorruft.  372  Vgl.  die Verbindung  von  „virgo"  und  „sponsa"  in  De  pud.  1,8  (CChr.SL  II;  1282,34­36),  De  pud.  18,11  (II,  13I8,47f). Zu  diesen  Bildern  und  den  weiteren  mit  ihnen  verbundenen  Konnota­ tionen  vgl.  Rankin,  Church,  83­86.  373  Tertullian  hat seine Auffassung von der Kirche nicht zusammenhängend  dargeboten,  so  daß  diese  aus  verschiedenen  Einzeläußerungen  geschlossen  werden  muß,  die je  nach  Ausrichtung  des  Kontextes  aber  verschiedene  Akzente  in seinem  Kirchenbegriff setzen.  Als  zentrales  Kennzeichen  der Kirche erscheint  fur ihn aber deren  „Heiligkeit":  „It  is crucial  to his (sc. Tertullian's)  understan­ ding  of the  essential  nature  of the  authentic  church;  this  is particularly  so  in the  later  period,  though  it is far from absent  earlier;  it  is an  attribute  without  which  the  church  cannot  be the true  church  ...".  (Rankin,  Church,  114) Zur  Bedeutung  des  Kennzeichens  „Heiligkeit"  für Tertullians  Kirchenbegriff  vgl.  weiter  Walter  Simonis,  Ecclesia  visibilis  et  invisibilis.  Untersuchungen  zur  Ekklesiologie  und  Sakramentenlehre  in der  afrikanischen  Tradition  von  Cyprian  bis  Augustinus,  Frankfurt/M.  1970,  4. 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

1 8 4 

sich  ziehen374,  auf  „De  foga"  übertragen  werden  kann  ­  in  seinen  Augen  zum  Ausschluß  aus  der kirchlichen  Gemeinschaft.  Zum Ende  der  Schrift stellt Tertullian heraus, worin  der Unterschied  zwischen  denen,  die der Verfolgung ausweichen  wollten,  und  denen, die die „via  angusta"  zum  Martyrium  bereitwillig  gingen,  bestehe.  Nur  die  letzteren  hätten  den  Para­ kleten  angenommen  und  könnten  durch  seinen  Beistand  im  Leiden  und  Sterben  standhaft bleiben.375 Nach seiner Auffassung können  also  nur  „pneumatici"  in  der  Verfolgung  die  richtige  Entscheidung  treffen, allen  anderen,  d.h.  in  erster  Linie  der  Mehrheit  der  Katholiken,  diktiere  ihre  Feigheit  eine  Schriftauslegung,  die  Flucht  und  Loskauf  erlaube.376  Abgesehen  von  der wenig  prägnanten  Äußerung  in  „De patientia"  ist  Tertul­ lians  Haltung  zu  einem  Ausweichen  vor  der  Verfolgung  also  durchgängig  eher  negativ geprägt, wenn  auch die Absage in der montanistischen  Zeit einen  ungleich  rigoroseren  Charakter  annimmt.  Innerhalb  des  Konzeptes  seiner  Ethik  bedeutet  dies,  daß  der  in  „Ad  uxorem"  gerade  noch  akzeptierte  niedrigere  Standard  des  christlichen  Gehorsams  auf der  Grundlage  des  erlaubenden  Willens  Gottes  gänz­ lich  ausgeschlossen  und  gemäß  der  auf  einen  höheren  Stand  der  Sittlichkeit  zielenden  Offenbarung des Parakleten377 nur noch  der  eigentliche,  absolute  Wille  Gottes, der die Flucht verbietet, als Basis des Gehorsams  anerkannt  wird.  Im  Ver­ gleich  zu  der  in  „Ad  uxorem"  zutagetretenden  Position  zur  Flucht  zeigt  sich  in  Tertullians Ausführungen in „De  foga  in  persecutione" also keine  Kehrtwendung,  wohl  aber  eine  deutliche  Radikalisierung  der  Ablehnung.378  Zu  fragen ist,  ob für 

374

 Vgl.  D e  pud.  7  (CChr.SL  II,  1294,92):  „Statim  apparuit  (sc.  moechia  et  fornicatio),  statim 

homo  de  ecclesia  expellitur  nec  illic  manet...".  Bezieht  Tertullian  diese  Aussage  hier  konkret  auf  Hurerei  und  Ehebruch,  so  wird  in  De  pud.  19,25  (CChr.SL  II,  1323,112f)  deutlich,  daß  sie  sich  auf  alle  Kapitalsünden  bezieht.  375

  De  fuga  14,3  (CChr.SL  II,  1155,20-24):  , 3 t  ideo  Paracletus  necessarius,  deductor  omnium 

veritatum,  exhortator  omnium  tolerantiarum.  Quem  qui  receperunt,  neque  fugere  persecutionem  neque  redimere  noverunt,  habentes  ipsum,  qui  pro  nobis  erit,  sicut  locuturus  in  interrogatione,  ita  iuvaturus  in  passione."  376

  D e  fuga  13,3  (CChr.SL  II,  1154,34-36):  „Sed  quid  non  timiditas  persuadebit?  Quasi  et 

fugere  scriptum  permittat et  redimere  praecipiat." Zur Ironisierung  der  Berufung  der Katholiken  auf  die  Schrift  bei  ihrer  Haltung  zur  Flucht  vgl.  auch  Anm.  352.  377

  Vgl.  Kap.  4.3.1,  Anm.  236. 

378

 Vgl.  Karpp,  Schrift,  13:  „Tertullian  hat  also  mit  den  Jahren  sein  Urteil  über  die  Flucht... 

lediglich  verschärft,  es  jedoch  nicht  grundsätzlich  geändert." 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

185 

letztere montanistische  Einflüsse maßgebend waren379,  d.h.  ob die rigorose  Absage  an  jegliche  Flucht  als  „Montanist  cause"380  anzusehen  ist.  Gegen  eine  solche  Einschätzung  spricht,  daß  die  in dem  vormontanistischen  Traktat  „Scorpiace"  zu  findende Einschärfiing der Pflichtmäßigkeit des Martyriums  als völlig  unvereinbar  mit einer auch nur begrenzten Akzeptanz  eines Ausweichens  vor der  Verfolgungssituation  erscheint;  wenn  auch  das  Thema  „Flucht" nicht  eigens  behandelt  wird,  liegt in der Konsequenz dieser  Schrift eine klare Absage  an jeden  Versuch,  der auf  das Martyrium zielenden Forderung  Gottes zu entgehen.38'  Insofern  erweisen  sich  „Scorpiace" und „De  foga  in persecutione" in ihrer Tendenz  als kongruent.382  Dies  weist  daraufhin,  daß die  in Tertullians  Fluchttraktat  zutagetretende  Haltung  nicht  erst auf Einflüsse der „Neuen Prophetie" zurückzufuhren  ist,  sondern  sich  bereits  vorher entwickelte  und  dann zusätzlich  durch  spezifisch montanistische  Vorstellungen  wie  den  Verweis  auf das  Wirken  des  Parakleten  und  den  Rückbezug  auf  entsprechende  Orakel  unterstützt  wurde.383  Wie  in  bezug  auf  die  Herausstellung 

379

 So z.B.  Klein,  Bewußtsein,  304:  „...  der  Ethiker,  der  Moralist,  der  Moralprediger,...,  der  altchristliche  Tertullian  wurde  zum  Montanisten!  Auch  und  gerade  in  der  Frage  des  Martyriums.  Denn anders wäre  für ihn die...  Frage nach der Pflichtmäßigkeit des Martyriums  im vollen  Sinne  des  Wortes, so daß also auch  das Fliehen  in der Verfolgung verboten  war, nicht  zur Lösung  gekommen."  380  Rankin,  Church,  42.  Ford,  Montanism,  155, spricht  von  „Tertullian's  montanist  view  that  one  must  not  flee  from  the  city  of  martyrdom."  381 So auchCardman,  Resurrection,  171. Barnes,  Scorpiace,  118, will  hingegen  aus Scorp.  1,11  (CChr.SL  II,  1071,14f:  „Nos  ipsi  ut  lepores,  destinata  venatio,  de  longinquo  obsedimur...")  eine  Anerkennung  der  Flucht  in diesem  Traktat  entnehmen:  „The  Scorpiace  seems to  imply the  possibili­ ty  of  flight:  if  its  author  and  readers  are  being  hunted  like  hares,  might  they  not  run  away  like  hares?"  Ebenso  im  Anschluß  an  Barnes  Rambaux,  Tertullien,  368.  Mehr  als  die  Bedrängnis  der  Christen  seitens  der  Heiden,  die durch  das  Wirken  der  Häretiker  noch  verschärft  werde  (vgl.  Scorp.  1,11;  CChr.SL  II,  1071,15),  aus diesem  Vergleich  der  Verfolgten  mit  den  „lepores"  herauslesen  zu  wollen,  heißt  aber,  das  Bild  überzuinterpretieren,  und  widerspricht  der  Grundtendenz  dieses  Traktates.  382   So  auch  Droge/Tabor,  Death,  147:  „Although  his  (sc.  Tertullian's)  position  in  On  Flight  differs  from  what  he  says  in To  his  wife,  it coheres  with  the  view  expressed  in  the  Scorpiace,  a  pre­ Montanist  work,  even  though  in that  treatise  the  subject  of flight was  not  directly  addressed.  In  the  Scorpiace  Tertullian  argued  that  God  ordained  martyrdom  as  means  of  salvation.  It  is  a  duty  and  cannot  be  avoided.  On  Flight  in  Persecution  elaborates  this  view  with  respect  to  flight..."  383   Barnes,  Tertullian,  183,  betont  die  Unabhängigkeit  der  Argumentation  von  „De  fuga  in  persecutione"  von  montanistischen  Vorstellungen:  „Tertullian  ...  made  his  arguments  indépendant  of his  Montanist  convictions."  So seien  die von  ihm  angeführten  montanistischen  Orakel  keinesfalls  essentiell  fur die  Argumentation,  sondern  erschienen  lediglich  als  Bestätigung  einer  anderweitig  entwickelten  Position.  Im Anschluß  an  Barnes  vertritt auch  Rambaux, Tertullien,  386,  eine  ähnliche  Einschätzung:  „Tertullien  n'a  pas  subi,  sur  ce  point  (sc.  der  Flucht),  la  contrainte  du  montanisme;  il est  allé  à  lui  parce  qu'il  correspondait  à  ses  aspirations  de  toujours."  Droge/Tabor,  Death,  148,  stellen ­  ebenfalls unter  Rückbezug  auf  Bames ­  heraus,  daß die  Verurteilung  einer  Flucht  nicht  als  „expression  of  Montanist  bias"  zu  verstehen  sei,  sondern  eine  unabhängig  von  montanistischen 

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Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

der auf das Martyrium zielenden Gehorsamsforderung Gottes,  deren das konkrete  Verhalten der Gläubigen in der Verfolgung betreffende „Kehrseite" die Absage an  die Flucht darstellt, zeigt sich auch hier, daß seine Hinwendung zum Montanismus  weniger  eine  Veränderung  seiner  Position  mit  sich  brachte,  als  daß  sie  vorher  entstandene  Auffassungen reflektierte und unterstützte.  Eine  ebenfalls  klare Absage  an die  Flucht  mit  deutlicher  Polemik  gegenüber  der vermeintlich bei den Katholiken vorherrschenden Haltung  findet  sich auch in  dem  montanistischen  Traktat „De  corona".  Unter diesen -  so schreibt  Tertullian  -  seien etliche,  die die Flucht ergriffen, denn sie behielten  aus der Schrift nur die  eine,  zur Flucht  auffordernde  Stelle  im Gedächtnis.384  Die  katholischen  Kleriker  bezeichnet  er  geringschätzig  als  solche,  die  im  Frieden  zwar  als  „Löwen"  erschienen,  im Kampf  (der Verfolgung)  hingegen  als „Hirsche",  d.h.  er vergleicht  sie  mit Tieren,  die beim geringsten  Schrecken  schnell  die Flucht  ergreifen.385 Im  Zusammenhang  stehen diese Äußerungen mit Tertullians Darstellung eines  Vorfalls in der römischen Armee, bei dem ein christlicher Soldat anläßlich der Austeilung einer Geldspende  die obligatorische Bekränzung verweigerte  und daraufhin  verhaftet wurde.386 Während Tertullian selbst dieses Verhalten  lobt, erhoben  sich  unter  den  Katholiken  Stimmen,  die  den  Soldaten  als  „begierig  nach  dem  Tod"  (mori  cupidus),  d.h.  als  unnötig nach dem  Martyrium drängend verurteilten und  auf die nachteiligen Folgen einer solchen Unbesonnenheit  für die  Sicherheit  aller 

Überzeugungen  entwickelte  Position,  die  kongruent  gegenüber  der  in  „Scorpiace"  und  auch  „Ad  martyras"  vertretenen  sei.  Wenn  auch  letzteres  überzogen  ist,  da  sich  aus  „Ad  martyras"  keine  zwangsläufig  auf  eine  Absage  an  eine  Flucht  hinauslaufende  Tendenz  entnehmen  läßt,  ist  dieser  These dennoch  grundsätzlich  zuzustimmen.  Unklar  bleibt  in  bezug  auf  die  Positionen  von  Barnes  und  Rambaux letztlich, warum sie zwar einerseits die Unabhängigkeit  der Ablehnung der Flucht  von  montanistischen  Vorstellungen  postulieren,  andererseits aber aus dem vormontanistischen  „Scorpia­ ce" eine Akzeptanz  eines  solchen  Schrittes  entnehmen  wollen.  Die Auffassung von  Droge/Tabor  ist  hier  in  sich  stimmiger.  384

  De  cor.  1,5  (CChr.SL  II,  1040,29­32):  „Nec  dubito  quosdam  (secundum)  scripturas  emigrare,  sarcinas  expedire,  fugae accingi  de  civitate  in  civitatem.  Nullam  enim  aliam  evangelii  memoriam  curant."  385  De  cor.  1,5 (CChr.SL  II,  1040,32f):  „Novi  et  pastores  eorum  in  pace  leones,  et  in  proelio  cervos." Zu  dem  Verständnis  von  „cervus"  als  Bild  für „velocitas  (persaepe  ex  metu)"  vgl.  ThLL  ΙΠ, 954.  Kellner/Esser,  BKV  24,  233,  übersetzen  fälschlich mit  „Hasen".  Die  Frage  der  Flucht  will  Tertullian  in diesem  Kontext  nach  eigenen  Angaben  aber weiter  nicht  betrachten:  „Sed  de  quaestio­ nibus  confessionum  alibi  docebimus"  (De  cor.  1,5;  CChr.SL  II,  1040,33­141,34).  Mit  „alibi"  bezieht  er  sich  vermutlich  auf  „De  fuga in  persecutione",  so  daß  diese  Schrift  nach  „De  corona"  anzusetzen  wäre.  386  Zu  Datierung  und  Umständen  dieses  Vorfalls  vgl.  Kap.  2,  Anm.  35­37. 

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

187 

Christen hinwiesen.387 Die Kritik der Katholiken  steht Tertullians  Auffassung nach  für eine Grundhaltung,  die in die Nähe des Versuches  einer gänzlichen  Absage  an  das Martyrium komme388;  für eine  solche  Haltung  stehe  die Akzeptanz  der  Flucht  als beredtes  Indiz.  In  der  Darstellung  dieses  Vorfalls  durch  Tertullian  wird  deutlich,  daß  seiner  negativen  Bewertung  der  Flucht  auf  der  einen  Seite  eine  positive  Sicht  eines  zumindest  herausgeforderten  Martyriums  auf  der  anderen  Seite  entspricht.  Die  Weigerung  des  Soldaten,  den  Kranz  aufzusetzen,  und  sein  Bekenntnis  vor  dem  Tribun  erwiesen  ihn  als  „miles  gloriosus  in deo"389; nur er allein  unter allen  Mitchristen  beim  Militär  habe  Tapferkeit  bewiesen,  so  daß  er  letztlich  als  einziger  Christ  zu  gelten  habe:  „solus  scilicet  fortis  inter  tot  fratres  commilitones,  solus  Christianus".390  Zu  diesem  Lob  paßt  Tertullians  Äußerung  in  „Ad  Scapulam",  in  der  er  anknüpfend  an  einen  entsprechenden  Vorfall  in  der  Provinz  Asia  eine  Selbstauslieferung  von  Gläubigen  dem  Statthalter  Scapula  als  grundsätzlich  gegebene  Möglichkeit  christlichen  Verhaltens  vor Augen  führt.391  Sowohl  in  „De  corona"  als  auch  in  „Ad  Scapulam"  zeigt  die  mit  dem  geschilderten  Verhalten  sympathisierende  Darstellung  die Akzeptanz  und positive  Wertung  einer  Herausforderung  des  Martyriums  bzw.  eines  Verhaltens,  welches  zumindest  in  den  von  ihm kritisierten  großkirchlichen  Kreisen  als „Begierde  nach dem  Sterben"  angesehen wurde.  Im Blick  auf die theologische  Begründung  des  Martyriums  paßt  diese 

387

  De  cor.  l,4f  (CChr.SL  II,  1040,22­29):  „Exinde  sententiae  super  ilio,  ­  nescio  an  Christianorum;  non enim  aliae ethnicorum  ­  ut de abrupto et praecipiti  et  mori  cupido,  qui  de  habitu  interrogatus  nomini  negotium  fecerit...  Musitant  denique  tarn  bonam  et  longam  pacem  periclitari  sibi."  Nach  Buschmann,  Montanismus,  108,  wird  hier  der  „Zusammenhang  von  Montanismus,  Martyriumssucht  und  Kritik  der  Großkirche"  deutlich.  388  De  cor.  1,4 (CChr.SL  II,  1040,26­28):  „Plane  superest,  ut  etiam  martyria  recusare  mediten­ tur  qui  prophetias  eiusdem  spiritus  sancti  respuerunt."  389   De  cor.  1,2  (CChr.SL  II,  1039,13).  390 391

  De  cor.  1,4  (CChr.SL  II,  1040,25f). 

 Ad  Scap.  5,1 f (CChr.SL  II,  1131­4­1132,10):  „Arrius  Antoninus  in Asia  cum  persequeretur  instanter,  omnes  illius  civitatis  Christiani  ante  tribunalia  eius  se  manu  facta  obtulerunt...  Hoc  si  placuerit et hie  fieri,  quid  facies de tantis  milibus  hominum,  tot  viris  ac  feminis, omnis  sexus,  omnis  aetatis,  omnis  dignitatis,  offerentibus se tibi?"  Auf  die  grundsätzliche  Bereitschaft  zur  Selbstaus­ lieferung  weist  auch  Ad  Scap.  1,2  (CChr.SL  II,  1127,7f)  hin:  „Denique  cum  omni  saevitia  vestra  concertamus,  etiam  ultra  erumpentes  ..."  Zur  Funktion  der  Hinweise  auf  eine  mögliche  Selbstaus­ lieferung im  Kontext  der Argumentation  dieser  Schutzschrift vgl. Butterweck,  Martyriumssucht,  49:  „Das  „ultro  erumpere"  dient...  als  Argument,  Scapula  wegen  der  Konsequenzen  für die  Allgemein­ heit  von  einer  Verfolgung  abzubringen."  Unwahrscheinlich  ist  hingegen,  daß  Tertullian  mit  dem  Hinweis  in Ad  Scap.  1,2 den  Eindruck  erwecken  wollte,  daß jeder  Christ  in  Karthago  ein  Montanist  sei  (so  Barnes,  Tertullian,  167). 

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Die  Haltung zu Flucht  und  Selbstauslieferung 

Vorstellung eines  aktiven Drängens zum Glaubenstod seitens der Christen insofern  in  das  martyrologische  Konzept  Tertullians,  als  sich  bei  ihm  -  im  Unterschied zu seinem Zeitgenossen Clemens von Alexandrien sowie zu Cyprian392  -  keine nachdrückliche Bindung des Martyriums an einen Ruf oder eine Würdigung Gottes findet.393 Somit ist die Entscheidung über das Erleiden eines Martyriums  weitgehend  aus  dem  Gnadenhandeln  Gottes  in  den  Handlungsbereich  des  einzelnen Christen verlegt, eine Herausforderung des Glaubenstodes wird theologisch begründbar.  Dennoch -  das  ist einschränkend zu sagen -  hat Tertullian  in keinem  seiner  Traktate explizit  zu einem solchen Verhalten aufgefordert.394 In der Forschung ist  insbesondere der Parakletenspruch „Nolite in lectulis nec in aborsibus et febribus  mollibus optare exire, sed in martyriis"395 im Sinne einer direkten Forderung nach  einem  Drängen  zum Martyrium verstanden worden.396 Hier ist aber zu differenzieren zwischen  der vermuteten  ursprünglichen Intention  dieses  als  authentisch  angesehenen Orakels397 und seiner Verwendung in dem Kontext des Fluchttraktates. Das Orakel stellt den Martertod anderen Todesarten, dem natürlichen Tod im  Bett, infolge einer Fehlgeburt oder an einem Fieber gegenüber. Anders als diese  alltäglichen Formen des Todes erscheint nur der Martertod als erstrebenswert. Isoliert kann dieser Parakletenspruch also durchaus als Aufforderung zu einem for-

392  Zur Bindung des Martyriums an einen göttlichen Ruf bei Clemens vgl. Droge/Tabor,  Death,  142: „... Clement  maintains that one can  be a true martyr  only  if he  acts  in accordance  with  God's  will. An individual  Christian  cannot choose to become a martyr without  being called by God.  Once  again, the decision to allow one's  life to be taken  is evaluated  in the light of the Socratic tradition  of  the  .divine  signal'."  Zu  Cyprian  vgl.  Kap.  4.3.1,  Anm.  268,  und  Kap.  6.  393  Vgl.  Kap.  4.3.1.  394  Guignebert,  Tertullien,  156, hat die Auffassung vertreten,  daß  Tertullian  in keiner  Weise  zum  Drängen  nach  dem  Martyrium  aufgefordert habe.  Wenn  auch  diese  These  zutreffend ist  im  Blick  auf  eine  entsprechende ausdruckliche  Aufforderung,  so  läßt  sie  doch  die implizit  auf  ein  Drängen  nach dem Martyrium hinauslaufenden Aspekte des tertullianischen  Martyriumskonzeptes,  insbesondere  in „Scorpiace"  (vgl.  die Ausführungen zum  Ende  dieses  Kapitels),  außer  acht.  Zur  Unterstützung  seiner  These  hat  Guignebert  darauf  hingewiesen,  daß  Tertullian  selbst  nicht  das  Martyrium  gesucht  habe.  Angesichts  des  völligen  Fehlens  einer  Überlieferung  über  Tertullians  Lebensende  läßt  sich  dies  aber  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  wenn  auch  ein  etwaiges  Martyrium  Tertullians vermutlich  trotz der allgemein  geringen Zeugnisse  über den  „Häretiker" in der  altkirch­ lichen Literatur in Erinnerung geblieben und überliefert worden wäre. Anders Bames, Tertullian, 59,  der es  für möglich  hält,  daß Tertullian  als  Märtyrer  starb,  „whom  the  church  preferred to forget".  395

 De  fuga 9,4 (CChr.SL  II,  1147,39f).    Buschmann,  Montanismus,  117,  spricht  von  der  in  diesem  Orakel  deutlich  werdenden  „Verpflichtung zu  gewolltem  Martyrium".  Robeck,  Role,  229,  geht davon  aus,  daß  dieses  Orakel  benutzt  wurde  „to  exhort  people  to seek  a death  in  martyrdom."  397  Vgl. Heine,  Oracles,  6.  396

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

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eierten  Drängen  nach  diesem  allein  wünschenswerten  Tod  verstanden  worden  sein398,  wobei  eine  solche  Feststellung  allerdings  immer  unter  dem  Vorbehalt  stehen  muß,  daß  der  ursprüngliche  „Sitz  im  Leben"  des  Orakels  nicht  bekannt  ist.399 Innerhalb des Kontextes  von  „De  fuga" erfährt der Spruch  aber insofern  eine  Differenzierung,  als  es  Tertullian  dort konkret  um  die  Ablehnung  einer  Flucht  in  der Verfolgung  geht.  Das  Orakel  dient dabei  als Argument  gegen  ein  Ausweichen  vor dem Glaubenstod  in einer bereits bestehenden  Verfolgungssituation.  Der  Gegensatz  zu  einem  solchen  Verhalten  ist  die  Annahme  des  auf  die  Gläubigen  zukommenden  Martyriums,  nicht aber speziell  das selbst herausgeforderte  Martyrium.  Diese  Interpretation  des  Orakels  zeigt  sich  auch  an  der  Überschrift,  die  Tertullian  über  die  Zitation  dieses  und  eines  weiteren  Parakletenspruchs  gestellt  hat:  „Namque  omnes  paene  ad  martyrium  exhortantur, non ad fugam".40°  Diese  Aussage  macht deutlich,  daß es ihm mit der nachfolgenden  Aufnahme des  Orakels  nicht isoliert um eine Aufforderung zu einem  seitens  der Christinnen  und  Christen 

398   Eine  andere  Interpretation  dieses  Orakels  findet  sich  bei  Butterweck,  Martyriumssucht,  119f: In diesem  sei es ursprünglich  um nicht eine Gegenüberstellung  von  Martertod  und  natürlichem  Tod  und  damit  letztlich  um  eine  Aufforderung zum  Martyrium  gegangen,  sondern  um  eine  Ab­ grenzung  gegen  ausschweifende  Lebensformen,  in  deren  Konsequenz  ein  früher Tod  „in  lectulis,  aborsibus  et  mollibus  febribus" stehe.  „Deshalb  werden  die  Adressaten  (des  Orakels)  aufgefordert,  wenn  sie schon ein  früher  Tod  ereilen sollte, sich zu wünschen, daß  die Ursache  dafür nicht ­  wie  bei  manchen  Psychikern  —  in  einem  ausschweifenden  Leben,  sondern  allenfalls  im  Martyrium  liegen  möge."  Zwingend  ist  dieses  Verständnis  aber  nicht,  denn  es  setzt  immerhin  voraus,  daß  das  Orakel  in  seiner  Aufforderung zu  einer  bestimmten Lebensform  den  Umweg  über  die  Argumentation  mit  verschiedenen  7Wejformen und  ­arten macht,  von denen  die  Hörer auf die abgelehnten  Formen  des  Lebens  bzw. die  gebotene  Lebensausrichtung  zurückschließen  müßten.  Zudem  stellt  sich  die  Frage,  warum Tertullian, wenn  denn das Orakel  ursprünglich  auf die Ablehnung  bestimmter  Lebensformen,  konkret  der  Ehe  und  Mutterschaft  (ausgedrückt  durch  den  Tod  „in  aborsibus")  sowie  jeglicher  Verweichlichung  und  Dekadenz  (ausgedrückt  durch  den  Tod  „in  lectulis  ... et  in mollibus  febribus";  vgl.  hierzu  Butterweck,  Martyriumssucht,  119),  ausgerichtet  gewesen  ist,  es  nicht  in  diesem  Sinne  aufgegriffen hat,  obwohl  auch  dies  mehrfach  zu  seiner  Argumentation  gepaßt  hätte  (z.B.  in  „De  monogamia",  „De  ieiunio").  Entweder  hätte  er also das  ursprüngliche  Verständnis  selbst  nicht  mehr  gekannt oder bewußt eine Veränderung der Zielrichtung durch einen anderen Kontext  vorgenommen.  Die  dritte  und  m.E.  wahrscheinlichste  Möglichkeit  besteht  aber  darin,  daß  seine  doch  immerhin  zweimalige Rezeption  des Orakels im Sinne einer Gegenüberstellung  von Martertod  und  natürlichem  Tod  als  deutliches  Indiz  für  eine  entsprechende  Zielrichtung  auch  des  ursprünglichen  Orakels  gewertet  werden  kann.  399  Nicht  nachvollziehbar  ist, auf welcher  Grundlage  Jensen,  Töchter,  295,  davon  ausgeht,  daß  es  sich  bei  dem  Orakel  nicht  um  „grundsätzliche  Handlungsanweisungen",  sondern  um  Worte  gehandelt  habe,  „die  in  einem  Kerker  gesprochen  wurden,  in  einem  Gottesdienst  der  Verurteilten,  deren  Martyrium  unmittelbar  und  unausweichlich  bevorstand".  Für  Jensens  These  ist  diese  Argumentation  aber  insofern  vonnöten,  als  es  ihr  um  die  grundsätzliche  Widerlegung  einer  Suche  nach  dem  freiwilligen  Martyrium  bei  den  Montanisten  geht.  400

  De  fuga 9,4  (CChr.SL  II,  1147,33f). 

Die Haltung zu Flucht  und  Selbstauslieferung 

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forcierten  Martyrium  geht401,  sondern  um  die  Ablehnung  einer  Flucht  in  der an  diese  herangetragenen  Herausforderungssituation.  Zu  diesem  Zweck  wird  das  Martyrium  als wünschenswerteste  und deshalb  freudig  anzunehmende  Todesart  herausgestellt.  Daß der Gedanke an ein durch Provokation  der Heiden  verursachtes  Martyrium  in  dieser  Schrift nicht  in  seinem  Blickfeld  liegt,  zeigt  sich  auch  daran, daß er in einem anderen Abschnitt dieses Traktates Hinweise  daraufbietet,  wie gottesdienstliche Versammlungen ohne weiteren Konflikt mit den heidnischen  Soldaten durchgeführt werden  können.402  Dem  Montanismus  ist  in  der  Forschung  weithin  ein  Drängen  nach  dem  Martyrium und eine Akzeptanz der Selbstauslieferung zugeschrieben  worden; die  „montanistische Martyriumssucht"403 erscheint geradezu als ein Standard-Topos in  der  Charakterisierung  der  „Neuen  Prophetie"404,  der  sie  von  der  katholischen 

401  Ein  solches Verständnis  zeigt sich  hingegen  z.B.  in der  Übersetzung  in The  Ante­Nicene  Fathers,  Vol.  IV:  Tertullian  (IV),  Minucius  Felix,  Commodian,  Orígenes  (I­II),  Grand  Rapids  (1965),  121: „For,  indeed,  it incites all almost to go and offer themselves in martyrdom,  not to flee  from it." Ähnlich  paraphrasiert Frend,  Martyrdom,  372, die in De fuga 9 deutlich werdende Auffas­ sung: „... the Christian's weapon  was his own death, martyrdom  not merely to be suffered, but to be provoked  and  granted  as  a  reward  ..."  Ebenso  geht  William  Tabbernee,  Early  Montanism  und  voluntary  Martyrdom,  in: Colloquium.  The  Australian  and New  Zealand  Theological  Review  17  (1985),  38, davon  aus,  daß Tertullian  dieses  Orakel  aufgenommen habe  als eines, das  „voluntary  martyrdom" fordere. Als Beleg fuhrt er die von Tertullian  gegebene Überschrift über das Orakel  an,  wobei er aber zum einen den Schluß („non ad  fagam")  unterschlägt und zum anderen unkritisch  die  oben  angeführte Übersetzung aus den ANF  übernimmt.  402   De  fuga  14,1  (CChr.SL  II,  1155,1­12):  „,Sed  quomodo  colligemus',  inquis,  ,quomodo  dominica sollemnia celebrabimus?'  Utique quomodo et apostoli,  fide, non  pecunia  tuti,  quae  fides  si montem  transferre potest,  multo magis militem.  Esto sapientia,  non  praemio  cautus...  Postremo  si  colligere  interdiu  non  potes,  habes  noctem,  luce  Christi  luminosa  adversus  eam.  Non  potes  discurrere  per  singulos,  si tibi est  in tribus ecclesia?" Vgl.  Butterweck,  Martyriumssucht,  55,  der  zufolge Tertullian  in  „De  fuga" „nicht  daran denkt,  die Behörden  zu  reizen,  um Verfolgungen  zu  erzwingen  ..."  Tertullian  hat das genannte  Orakel  ebenfalls in „De  anima" zitiert,  aber  auch  dort  dient es nicht zur Aufforderung nach einem  Drängen zum  Martyrium,  sondern  illustriert  die Diffe­ renz zwischen Märtyrern einerseits  und allen Nichtmärtyrern  — Heiden wie Christen — andererseits  in bezug auf ihre postmortale  Destination: Nur  die Märtyrer gelangen  gleich  nach  dem  Tod  in  das  Paradies,  nicht erst  in die Unterwelt. Daß dies nicht als  Forderung  zur  Forcierung  des  Marytriums  gemeint  ist, zeigt sich  an Tertullians  im  selben  Zusammenhang  zu  findender Kritik  an  denjenigen  Christen, die die Seelen  der Gläubigen  fur die Unterwelt  zu  gut finden. Eine  direkte Aufforderung  zum  Glaubenstod  bedeutete  aber, daß die  Gläubigen  genau  diese  postmortale  Bestimmung,  in  der  auch  Christus  nach  seinem  Tod  zunächst  weilte,  umgingen.  403

 Buschmann,  Martyrium  des  Polykarp,  84.   Vgl. z.B. Frederick C. Klawitter,  The Role of Martyrdom  and  Persecution  in  Developing  the  Priestly  Authority  of  Women  in  Early  Christianity.  A Case  Study  of Montanism,  in: ChH  49  (1980),  253:  „The  desire  for  martyrdom  or  what  has  been  called  voluntary  martyrdom  was  an  important feature in the New Prophecy." Ähnliche Äußerungen finden sich schon bei Heinrich Kraft,  Die Kirchenväter bis zum Konzil von Nicäa, Bremen ( 1966), 321 ; Campenhausen, Idee,  116; Joseph  404

Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

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Kirche  unterscheidet.405  Die  beschriebene  Position  Tertullians  könnte  hier  in  zweifacher Hinsicht  zu  einer Differenzierung beitragen:  Zum  einen  findet sich  ­ gerade  auch  in  dem  sicher  montanistischen  Traktat  „De  fuga in  persecutione"  ­ keine ausdrückliche  Aufforderung  zu  Provokation  und  Selbstauslieferung.  Das  Lob Tertullians  für das Verhalten  des  Soldaten  in „De  corona",  das durchaus  für  die Adressaten  auch paränetisch  gemeint sein kann, beruht  letztlich  nicht auf  einer  undifferenzierten Bejahung von Selbstauslieferung seitens Tertullians, sondern  auf  einer  strikteren  Bestimmung  des  „status  confessionis".  Daß  eine  Selbstausliefe­ rung, wenn  sie auch nicht explizit gefordert ist, bei  ihm  aber  auf Akzeptanz  stößt,  zeigen  die  sympathisierende  Darstellung  einer  Selbstauslieferung  einer  großen  Anzahl  von  Christinnen  und  Christen  in  der Provinz Asia  sowie  der  Hinweis  auf  die prinzipielle Möglichkeit  eines  solchen  Verhaltens  innerhalb  der  ebenfalls  aus  seiner montanistischen  Zeit  stammenden  Schrift „Ad  Scapulam".  Zum  anderen  läßt  sich eine theologische  Rechtfertigung  eines Drängens  nach  dem  Martyrium  aber  schon  aus  seinem  vormontanistischen  Martyriumskonzept  ableiten,  wie  er  es  in  „Scorpiace"  expliziert  hat.  Auch  wenn  die  Frage  einer  Selbstauslieferung direkt  darin nicht angesprochen  wird,  kann  in der  Konsequenz  der Einschärfung der Notwendigkeit  des Martyriums  und  der noch  zu  betrachten­ den singulären  Heilsbedeutung  des  Glaubenstodes406  für die Adressaten  durchaus  ein  solches  Verhalten  liegen,  wenn  sie  nicht  zu  den  Christinnen  und  Christen  gehören,  die  unmittelbar  von  der  Verfolgung  seitens  der  Heiden  betroffen  sind  und  damit  die  Gelegenheit  zur  Erlangung  des  „Gipfelpunktes  der  christlichen  Hoffnung"  (spei  cumulus)407  geboten  bekommen.  Da  die  Ausführungen  von  „Scorpiace"  so durchaus als implizite  Aufforderung zur Forcierung  eines  Martyri­ ums  verstanden  werden  können,  läßt  sich  Tertullian  nicht  als  „Kronzeuge"  für 

A.  Fischer,  Die  antimontanistischen  Synoden  des 2./3.  Jahrhunderts,  in: AHC  6 (1974),  263; jüngst  bei Klaus Koschorke,  Gnosis, Montanismus,  Mönchtum. Zur Frage emanzipatorischer  Bewegungen  im  Raum  der  Alten  Kirche,  in: EvTh  53 (1993),  223,  und  Andrzej  Wypustek,  Magic,  Montanism,  Perpetua,  and  the  Severan  Persecution,  in: VigChr  51  (1997),  281 : „In  Montanist  communities  one  probably  went  as  far as  to  deliberately  provoke  martyrdom  ..."  405  Exemplarisch  sei  hier  auf  Kraft, Kirchenväter,  321,  verwiesen,  der  die Neigung  zur  Selbst­ auslieferung als einen  „Differenzpunkt zwischen  Montanismus  und  Katholizismus"  bezeichnet.  Kri­ tisch  gegenüber  einer  solchen  Auffassung hat  sich  Tabbernee,  Montanism,  33­44,  geäußert;  er  hebt  die prinzipielle  Gleichheit  der  Haltungen  zu  einem  herausgeforderten  Martyrium  in Großkirche  und  Montanismus  hervor:  „... the  attitudes  of Montanists  to  martyrdom  did  not  differ substantially  from  those  of their  orthodox  opponents."  (Tabbernee,  Montanism,  43)  406   Vgl.  Kap.  4.5.3.  407   Scorp.  6,7  (CChr.SL  II,  1080,15). 

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Die  Haltung  zu  Flucht  und  Selbstauslieferung 

einen besonderen montanistischen  „Martyriumsenthusiasmus"  und  einen speziell innerhalb  der  „Neuen  Prophetie"  zu  findenden  Drang  nach  Selbstauslieferung  anfuhren.408 Vielmehr  zeigt die Argumentation  in diesem Traktat,  daß ein  Martyri­ umskonzept,  das die theologische Begründung eines Drängens nach dem  Glauben­ stod  ermöglichte,  unabhängig  von  montanistischen  Vorstellungen  ausgeformt  werden  konnte. Die  in „Ad  Scapulam" zu findende Notiz  über  die  Selbstausliefe­ rung einer Anzahl  von  Gläubigen,  die keinen  Hinweis  darauf  enthält,  daß  es  sich  bei  diesen  um Montanisten  gehandelt  habe409,  weist  darauf  hin,  daß  die  Praxis  eines  Drängens  nach  dem  Martyrium  vermutlich  auch  abseits  der  Kreise  der  „Neuen  Prophetie"  vorkam.  Bestätigt  wird  diese Überlegung,  daß  es  ebenso  bei  den  Katholiken  Tendenzen  zur  Selbstauslieferung  gab,  für die  Folgezeit  gerade  auch durch Cyprians  strikte Absage an ein solches Verhalten  in der  karthagischen  Gemeinde.410 Die Märtyrerakten  Cyprians  erwähnen  als  Wunsch  der nach  der  Ur­ teilsverkündung  gegen  den  Bischof  anwesenden  Gemeinde:  „Et  nos  cum  eo  decollemur"411,  woraufhin  alle  ihm  zum  Hinrichtungsplatz  gefolgt  seien.  Die  Akten  berichten  allerdings  nicht  von  einer  darauf  folgenden  Verhaftung  der  Christen.  Dabei  zeigt  sich  weder  in  Cyprians  Verbot,  daß  es  sich  gegen  mon­ tanistische  Tendenzen  richtete,  noch  auch  in  den  Akten,  daß  die  anwesenden  Gemeindeglieder  montanistischen  Einflüssen  unterlagen.412  Die dargestellte Position Tertullians zeigt so, nicht zuletzt  im Kontext  der  eben  angeführten weiteren  Überlieferungen, daß  eine große Bereitschaft zum  Erleiden 

408   Es  geht  hier  nicht  um die  Widerlegung  der  Vorstellung,  daß  es  überhaupt  innerhalb  des  Montanismus  ein  Drängen zum Martyrium  gegeben  habe.  Diese  Tendenz  verfolgt Jensen,  Töchter,  293-296,  allerdings  mit  Hilfe  schwer  nachvollziehbarer  Prämissen:  Auf  die  Vorentscheidung  bezüglich  des  „Sitzes  im Leben" der montanistischen  Orakel  wurde  schon  hingewiesen  (vgl.  Anm.  399).  Darüberhinaus  behauptet sie ohne nähere Untersuchung,  daß „ein  konkreter  Fall  von  Selbstdenunzierung  ...  in der Neuen  Prophetie" nicht  nachweisbar  ist (Jensen,  Töchter,  295).  Zu  diesem  Zweck  muß  sie  z.B.  von  vornherein  davon  ausgehen,  daß der  in Mart.Pol.  4  erwähnte  „Phryger"  Quintus  kein  Montanist  gewesen  sei,  was  zumindest  der  Diskussion  bedarf.  Zur  entsprechenden  Auseinandersetzung  mit  Jensen  vgl.  Buschmann,  Montanismus,  1  lOf.  409   So  auch Gramaglia,  A  Scapula,  211; Tabbemee,  Montanism,  41,  der gegen  die  bei  Frend,  Martyrdom,  293,  zu  findende Behauptung,  daß es sich bei  den  erwähnten  Christen  um  Montanisten  gehandelt  habe,  herausstellt,  daß diese  zum  einen auf der a priori  getroffenen Entscheidung  beruhe,  daß Montanisten  „voluntary  martyrs" waren,  zum anderen auf der Tatsache,  daß es  Tertullian  war,  der diese  Episode  überliefert.  Aber „neither is sufficient to  label  these  Asian  volunteers  as  Montanists".  410 411 412

 ep.  81,4  (CChr.SL  III C,  630,240  Act.Cypr.  5,1  (Musurillo,  172,  25f)· 

 Ebensowenig  läßt sich das von  Eusebius überlieferte  Verhalten  des Orígenes (Eus., HE VI, 2,3-5; vgl. Anm. 294) auf montanistische Einflüsse zurückführen.

Bedeutung  des  Martyriums  für den  Heilsstand 

193 

des  Martyriums  sowie  ein  sich  daraus  möglicherweise  in  fließendem  Übergang  ergebendes  Drängen  nach  dem  Glaubenstod  nicht  als  „Differenzpunkt(e)" 413  zwischen  der  katholischen  Kirche  und  der  „Neuen  Prophetie"  zu  sehen  sind,  sondern  Phänomene  darstellen,  die  bei  beiden  ihre  Vertreter  fanden.414  Ein  Martyriumskonzept,  wie  das  in  Tertullians  „Scorpiace"  dargestellte,  das  eine  theologische  Rechtfertigung eines Drängens nach dem  Martyrium  möglich  mach­ te, bildete dabei  allerdings  innerhalb  der  Großkirche  eine  „Minderheitsposition". 

4.5  Die  Bedeutung  des  Martyriums  für den  Heilsstand  der  Christinnen  und  Christen 

Ging es in den vorhergegangenen  Kapiteln  um  die theologische  Begründung  des  Martyriums,  um  das  Verhältnis  von  menschlichem  und  göttlichem  Wirken  im  christlichen  Leiden  und  um  die  daraus  resultierenden  Implikationen  für  das  konkrete Verhalten  der  Christinnen  und  Christen  angesichts  von  Verfolgung  und  latenter  Bedrohung  seitens  einer  ihnen  vielfach  ablehnend  gegenüberstehenden  heidnischen  Umwelt,  so  stellt  sich  zuletzt  die  Frage  nach  der  Wirkung  des  Martyriums  auf diejenigen Gläubigen,  die bereit  sind,  der  an  sie  herangetragenen  göttlichen  Forderung  nach  Leidens­  und  Martyriumsbereitschaft  bis  zur  letzten  Konsequenz  Folge  zu  leisten. 

4.5.1  Das  Martyrium  als  Weg zu  himmlischen  Ruhm  Wesentlich  für  die  Motivation  zum  Erleiden  des  Martyriums  ist  in  der  Alten  Kirche  die Überzeugung  gewesen,  daß  denjenigen Christinnen  und  Christen,  die  für ihren  Glauben  Leiden  erduldeten,  besondere  Verheißungen  in Aussicht  stün­ 413

  Kraft,  Kirchenväter,  321. 

414

  Daß  sich  in  der  altkirchlichen  Literatur  auch  Zeugnisse  für ein  Drängen  nach  dem  Martyrium  innerhalb  der  katholischen  Kirche  finden,  ist  in  der  Forschung  schon  von  de  Ste  Croix,  Christians,  234,  betont  worden,  ebenso  geht  Baumeister,  Norm,  126,  davon  aus,  daß  sich  die  Betonung  des  „evangeliumsgemäßen"  Blutzeugnisses  in  Mart.Pol.  1,2;  4,1  gegen  den  Martyriumsenthusiasmus  als  „Problem innerhalb  der  Gemeinden  der  katholischen  Kirche"  gerichtet  habe.  (Hervorhebung  der  Verf.) 

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Martyrium  als Weg zu himmlischem  Ruhm 

den.  So heißt es im „Martyrium Polycarpi",  daß die Märtyrer „mit den Augen  des  Herzens" die Güter gesehen hätten, die diejenigen  erhielten,  die im Leiden  standhaft blieben.415  Auch Tertullian hat auf die den Märtyrern  in Aussicht  stehenden  himmlischen  Verheißungen  sowohl  zum Zweck  der Motivation  zum  Martyrium  als  auch  zur  Beschreibung  seiner  besonderen  Wertigkeit  zurückgegriffen,  allerdings  ohne  daß  diese  Perspektive  eine  vorrangige  Position  innerhalb  seiner  Martyriumstheologie  eingenommen hätte.416 Gegenüber der Einschärfung der Notwendigkeit  und Pflichtmäßigkeit des Martyriums hat die Beschäftigung mit  dem  zu  erlangenden  Lohn  bei  ihm  deutlich  sekundären  Charakter  -  gerade  auch  im  Vergleich  mit  der Konzeption  Cyprians,  bei  dem  sich  in  allen  der Ermunterung  zum Martyrium und dem Lob der Märtyrer gewidmeten Briefen ebenso wie in  der  der Exhortation  zum  Martyrium gewidmeten  Schrift „Ad Fortunatum" Passagen  finden, die ausfuhrlich und bildreich  den göttlichen  Ruhm  des Martyriums  preisen.417  In  seinen  Ausführungen  zur  Deutung  des  Martyriums  bleibt  Cyprian  an  keiner  Stelle  bei  dessen  Begründung  als  Tat  des  Gehorsams  oder  als  Akt  der  Nachfolge  stehen,  sondern  betont  durchgängig  den Verdienstcharakter  des  Leidens  für den Glauben und hebt diesen als zentrale Motivation  fur das Martyrium  hervor.418  Die  bei  Tertullian  demgegenüber  feststellbare  Nachordnung  des  Verdienstgedankens  hat  dieser  in  „Scorpiace"  explizit  ausgesprochen:  „Sed  nondum  de  bono martyri, nisi  de debito primum, nec  ante de utilitate eius,  quam de  necessi-

415

 Mart.Pol.  2,3  (Musurillo,  4,4f).    So  auch  Bray,  Holiness,  47:  „Tertullian  never  denied  that  a  martyr  was  certain  of  his  heavenly  reward,  but that was not the main  focus of his  attention."  417  Vgl  bes. ep.  6;  10; 37;  58;  76; Ad  Fort.l2f.  418   In diesem  Sinne charakterisiert auch Campenhausen, Idee,  131, zutreffend die Tendenz der  cyprianischen  Martyriumstheologie·.  „Cyprian macht keinen  Versuch, auch nur grundsätzlich  einen  Augenblick  lang bei der ausschließlich theonomen Begründung des Martyriums  stehen zu  bleiben.  Vielmehr legt er jeden Beweis so an, daß er mit einer nachdrücklichen  Hervorhebung des  Verdienst­ gedankens gekrönt werden kann, durch die das Martyrium immer wieder als die große Glückschance  des Menschen  empfohlen wird". In ähnlicher  Weise beschreibt  auch  Capmany­Casamitjana,  Miles  Cristi, 292, die Bedeutung des Hinweises auf den den Märtyrern ausstehenden Lohn bei Cyprian: „...  San Cipriano proponía  siempre los premios  celestiales  a la confesión y al martirio  para  convencer  y  enardecer  al  Miles  a  realizar  su  gran  combate,  hasta  al  punto  de  estimar  que  ello  daba  razón  suficiente para que  la repugnancia  natural  al sufrimiento y la muerte  desaparecieran,  ante el  gozo  producido pro la  firme  esperanza del premio  a obtener." Vgl.  auch  die allgemein  auf die Rolle  des  Lohnmotivs bezogene Einschätzung bei Brian Daley, Eschatologie in der Schrift und Patristik (HDG  IV,7a), Freiburg/Basel/Wien  1986,  117: „Cyprian  betont  eigentlich  mehr  als jeder  frühere  lateini­ sche Schriftsteller die Größe des Lohnes,  die jenen  verheißen  ist, die trotz aller  Widrigkeiten  treu  bleiben."  416

Martyrium  als  W e g  zu  himmlischem  Ruhm 

195 

tate discendum."419 Zuerst  seien die Verpflichtung  der Gläubigen  zum  Martyrium  und dessen Notwendigkeit  einzuschärfen, erst dann dürfe betrachtet werden, worin  „Güte"  und Nutzen  des Glaubenstodes  für die Christen bestünden.  Entsprechend  nimmt die Darstellung  der den Märtyrerinnen  und Märtyrern  gegebenen  Verhei­ ßungen in diesem Traktat  auch nur einen verhältnismäßig  kleinen  Raum ein: Ein  Kapitel  erläutert  prinzipiell,  daß  das  Martyrium  ein  „Getötetwerden  zum  Heil"  (occidi  in  salutem)  bedeute420,  und  daß  Gott  mit  diesem  Mittel,  auch  wenn  es  zunächst  schrecklich  scheine,  nur  das Beste  für die  Gläubigen  erreichen  wolle;  hierin sei er einem Arzt vergleichbar, der schreckliche Heilmittel anwende, um die  Genesung  der  Patienten  zu  erreichen.421  Darauf  folgend  verweist  Tertullian  mit  Hilfe  eines  Vergleiches  aus  dem  Wettkampfbereich  auf  den  den  Märtyrern  in  Aussicht  stehenden  Siegeskranz  und  die  Exklusivität  des  ihnen  gebührenden  Lohnes.422 In einem weiteren Kapitel  findet  sich darüberhinaus noch eine knappe,  unter Rückgriff auf die „Siegersprüche" aus der Johannes­Apokalypse formulierte  Darstellung  der  den  Blutzeugen  gegebenen  Verheißungen.423  Innerhalb  eines  Gesamtumfangs von  15 Kapiteln zeigt dies deutlich die Zweitrangigkeit  der Frage  nach dem Nutzen  des Martyriums für die Gläubigen, nach dem mit dem  Glauben­ stod verknüpften himmlischen Ruhm  innerhalb der Aufforderung zur Martyriums­ bereitschaft.  Diese Gewichtung zeigt sich aber nicht nur in dem ohnehin durch die Betonung  des Pflichtcharakters des Martyriums gekennzeichneten  Traktat „Scorpiace"; auch  schon in „Ad martyras" spielt die Beschreibung  des zu erwartenden  Lohnes  keine  essentielle  Rolle  bei  der  Exhortation  und  Motivation  der  inhaftierten  „martyres  designati".424 Auch nach Tertullians Eingeständnis,  daß er bislang noch gar nichts  über den den Märtyrern  in Aussicht  stehenden Lohn Gottes gesagt habe425, finden 

4

"  Scorp.  2,1  (CChr.SL  II,  1071,3f). 

420

  Scorp.  5,13  (CChr.SL  II,  1078,28). 

421

  Scorp.  5,6f  (CChr.SL  II,  1077,15-1078,26).  Zu  dem  hier  aufgegriffenen  Deus-Medicus-

Motiv  vgl.  O'Malley,  Tertullian,  106f.  422

  Scorp.  6,1-11  (CChr.SL  II,  1079,3-1081,23).  Zu  diesem  Abschnitt  vgl.  Kap.  4.5.3. 

423

  Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,15-22).  Zu  dieser  Stelle  vgl.  die  Darlegungen  im  weiteren 

Verlauf  dieses  Kapitels.  424

 Innerhalb der sechs  Kapitel  dieses  Traktates  finden sich  nur in  Kap.  2f  knappe  Hinweise  auf 

den  himmlischen  Ruhm  der  Märtyrer  (Ad  mart.  2,4;  CChr.SL  II,  4,14;  Ad  mart.  3,3;  CChr.SL  II,  5,24-26).  Entsprechend  hat  Bray,  Holiness,  45,  herausgestellt:  „Heavenly  rewards  are  hardly  mentioned  in  Ad  martyras."  425

  Ad  mart.  2,6  (CChr.SL  II,  4,19f):  „Nihil  adhuc  dico  de  praemio,  ad  quod  Deus  martyres 

invitât." 

196 

Martyrium  als  Weg  zu  himmlischem  Ruhm 

sich  nur  andeutungsweise  Darlegungen  zur  Gestalt  des  die  Blutzeugen  erwartenden  himmlischen  Ruhmes.  So  verweist  er  darauf,  daß  es  sich  bei  dem  Erleiden  des  Martyriums  um eine  „negotiatio",  ein „Geschäft",  handele,  in  dem  der Christ die Freuden des Lebens eintausche fur einen weit größeren Gewinn: „Et  si  aliqua amisistis  vitae gaudia:  ,negotiatio  est aliquid amittere,  ut maiora  lucreris.'"426  Unter Anspielung  auf Rom  8,18  betont  er, daß  im  Blick  auf die  „gloria  caelestis et divina merces", die dem Märtyrer winkten,  die hier erduldeten  Leiden  unbedeutend  seien.427 Als wesentliches Kennzeichen  dieser durch das Martyrium  zu erlangenden „gloria" stellt Tertullian ihre absolute Überlegenheit über jeden in  der  heidnischen  Umwelt  der  Christen  zu  erlangenden  Ruhm  heraus:  Der  von  Menschen  für  nichtige  Dinge  verliehenen  „gloria  terrena"428  -  von  Tertullian  anderweitig auch als „gloria vana"429, „nichtiger Ruhm", oder gar „gloria turpis"430,  „schändlicher  Ruhm",  abgewertet  -  stehe  die  von  Gott  vergebene  „gloria  caelestis"  gegenüber.4"  Wenn  nun  die  Heiden  sogar  bereit  seien,  für den  menschlichen Ruhm eine Vielzahl von Leiden zu ertragen432, um wieviel  mehr müßten die  Christen  die  Bereitschaft  zeigen,  für  den  göttlichen  Ruhm  zu  leiden.  Im  Bild  gesprochen:  Wenn  die  Heiden  für  eine  wertlose  Glasperle  so  viel  bezahlten,  müßten dann nicht die Christen für die echte Perle allemal ebensoviel  einsetzen?433  Grundsätzlich  sei  für die  Christinnen  und Christen -  so  stellt  Tertullian  in  „De 

426

  Ad  mart.  2,6  (CChr.SL  I,  4,18f). 

427

 Ad  mart. 4,9 (CChr.SL  I, 7,20f): „... modicae  sunt  istae passiones  ad consecutionem  gloriae  caelestis  et  divinae  mercedis."  428 429

 Ad  mart.  4,9  (CChr.SL  I,  7,18);  vgl.  Ad  nat.  11,7,5 (CChr.SL  I,  51,19):  „gloria  humana". 

  De  pall.  4,6  (CChr.SL  II,  744,68). 

430

  De  cor.  13,7  (CChr.SL  II,  1062,49). 

431

 Mit  der  Unterscheidung  zwischen  der  allein  anzustrebenden  „gloria  caelestis"  und  der  für  Christen  nichtigen  „gloria terrena" nimmt Tertullian  die  stoische Unterscheidung  von  „vera  et falsa  gloria"  auf  und  interpretiert  sie  in  christlichem  Sinne.  Vgl.  Kap.  3.1.2,  Anm.  119.  Brekelmans,  Martyrerkranz,  76,  macht  auf  die  Verwurzelung  des  tertullianischen  Konzeptes  der  „gloria"  in  römischen  Vorstellungen  aufmerksam: „Wie  der  römische  Ruhm  aus  der  praktischen  und  sozial­ ethischen  Tat  hervorgeht,  so  hängt  auch  die  christliche  Glorie  bei  Tertullian  eng  mit  der  virtus  zusammen." Tertullians  „Idee der Glorie" verbinde sich mit der „Tugend  der Treue  und  Standhaftig­ keit,  die  besonders  in  der  Verfolgungszeit  gefordert  wird".  432   Tertullian  illustriert  diese  heidnische  Leidensbereitschaft  an  Hand  eines  ausführlichen  Katalogs  heidnischer  exempla  (Ad  mart. 4,4­8;  CChr.SL  I, 6,24­7,17).  Zu  diesen  exempla  vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm.  73,  sowie  ausführlich  Pétré,  L'Exemplum,  74­80.  433

  Ad  mart.  4,9  (CChr.SL  I,  7,17­24):  „Igitur  si  tantum  terrenae  gloriae  licet  de  corporis  animae  vigore,  ut gladium,  ignem,  crucem,  bestias,  tormenta  contemnat  sub  praemio  laudis  huma­ nae,  possum  dicere,  modicae  sunt  istae  passiones  ad  consecutionem  gloriae  caelestis  et  divinae  mercedis.  Si tanti  vitreum,  quanti  verum  margaritum?  Quis  ergo  non  libentissime  tantum  pro  vero  habet  erogare,  quantum  alii  pro  falso?" 

Martyrium  als  Weg zu himmlischem  Ruhm 

197 

virginibus  v e l a n d i s "  heraus  -  ausschließlich  der  göttliche  R u h m  v o n  Bedeutung,  nur  auf  ihn  allein  solle  sich  ihr  Streben  richten:  „A  deo,  non  ab  hominibus  captanda  gloria  est." 434  Im  Zentrum  dessen,  w a s  den  den  Märtyrern  z u g e s p r o c h e n e n  göttlichen  L o h n  ausmacht,  steht  bei  Tertullian  die  durchgängig  in  der  altkirchlichen  Martyriumst h e o l o g i e  zu  f i n d e n d e  Vorstellung  einer  mit  d e m  T o d  e r f o l g e n d e n  V e r s e t z u n g  in  h i m m l i s c h e  Gefilde. 4 3 5  S o  geht  er  bereits  in  „ A d  martyras"  d a v o n  aus,  daß  die  G l ä u b i g e n  durch  das  Martyrium  in  die  Gegenwart  Christi  gelangten 4 3 6 ,  nach  „ D e  patientia"  e r ö f f n e  ihr Leiden  den  Märtyrerinnen  und  Märtyrern  den  W e g  zum  A u f stieg  zu  d e m  Sitz  Gottes. 437  Bildlich  g e s p r o c h e n  stehe  den  B l u t z e u g e n  das  „Bürgerrecht  i m  H i m m e l "  (politia  in  caelis)  zu. 438  Indem  Tertullian  mit  dieser  Formulierung  auf  Phil  3 , 2 0  verweist  -  „Unsere  Heimat  aber  ist  i m  H i m m e l "  - ,  drückt 

434

 De virg.vel. 2,3 (CChr.SL II,  1211,21f). Im Blick auf den  im Kampf zu erringenden  Sieges­ preis, die „corona",  formuliert Tertullian  ähnlich  in  De  cor.  13,8 (CChr.SL  II,  1062,53):  „igitur  et  homo  ipse a deo coronandus  est...".  435  Zu der Vorstellung eines himmlischen  Aufenthaltsortes der Märtyrer  und eines  Verweilens  bei Gott und  Christus  vgl.  l.Clem  5,4; 5,7; Ign.Rom. 2,lf; Pol.Phil.  9,2; Mart.Pol.  19,2;  Herrn.,Vis.  111,1,9; Just., Apol.  1.8; Apol.  11,2; Acta Just.  5; Iren., Adv.haer.  111,16,4; IV,33,9;  Eus.,  HE  V,  2,7;  Hipp.,  In Dan. 2,37,4;  besonders prägnant  ist der  Ausspruch  des  Märtyrers  Nartzalus  in  Act.Scili.  15 (Musurillo,  88,26):  „Hodie martyres in caelis  sumus. Deo gratias." Gegen Campenhausen,  Idee,  126, Anm. 8, ist zu sagen, daß es weder in den genannten  Stellen noch  in den bei Tertullian zu dieser  Vorstellung  zu  findenden  Belegen  um den  Gedanken  einer sofortigen Auferstehung  der  Märtyrer  geht,  sondern  lediglich  um  die  unmittelbar  nach  dem  Tod  erfolgende Aufnahme der Seelen in himmlische Gefilde.  Ebenso sprechen  die von Achelis,  Christentum,  Bd.  Π, Exkurs 89, zum  Thema  „Auferstehung der Märtyrer" gesammelten  Belege in der Mehrzahl  nur von dem  sogleich  nach  dem  Tod eingenommenen himmlischen Aufenthaltsort der Märtyrer; die Vorstellung eines Vorrechtes bei  der Auferstehung im Sinne der Teilhabe an der nach Apk 20,5f den Märtyrern  vorbehaltenen  „prima  resurrectio"  drückt  von  den  angegebenen  Textstellen  lediglich  Hipp.,  In  Dan.  2,37,4  aus.  Bei  Tertullian  findet  sich  trotz  der  Aufnahme  chiliastischer  Vorstellungen  (Adv.Marc.  III,  24,3;  CChr.SL  I,  542,18­22;  De  spect.  30,1;  CChr.SL  I, 252,1­5)  keine  Beschränkung  der  ersten  Auf­ erstehung auf die Märtyrer:  in De spect.  30 wird  allgemein  die Auferstehung und Mitherrschaft der  „sancti" und „iusti" erwartet, zu denen nicht allein die Märtyrer  gehören, in De mon.  10,4 (CChr.SL  II,  1243,24f) spricht Tertullian  von  dem  Gebet  einer  Witwe,  die  für ihren  Mann  um  das  „in  prima  resurrectione  consortium"  bittet.  436  Ad mart.  1,3 (CChr.SL I, 3,15f): „Et ideo date operam  ut illic vobiscum  perseveret  (sc.  spi­ ritus  sanctus)  et  ita vos  inde perducat  ad  Dominum."  437   De  pat.  13,7  (CChr.SL  I,  314,25­27):  „Cum  vero  producitur  ...  ad  ipsum  divinae  sedis  ascensum  ...".  438   Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  I,  5,25).  Zum  Verständnis  dieser  Formulierung  vgl.  weiter  Kap.  3.1.2,  Anm.  113. 

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Martyrium als Weg zu himmlischem  Ruhm 

er aus, daß das Martyrium ein „Aufenthaltsrecht" für die eigentliche  Bestimmung  der Christen  erwirke.435  Detaillierte  Auskünfte in bezug  auf die Frage nach der postmortalen  Destination  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  bietet  er  in  den  späteren  Traktaten  „De  resurrectione  camis"  und  „De  anima".440  Unter  Aufnahme  der  besonders  in  der  jüdischen  Apokalyptik  ausgeformten  und  in  der  altkirchlichen  Literatur  in  sehr  heterogener Weise verwendeten Vorstellung des Paradieses als Aufenthaltsort der  verstorbenen Gerechten441 beschreibt er in ihnen das Los der Märtyrer nach ihrem  Tod.  Nach  seiner  Darstellung  in  „De  resurrectione  carnis"  gelangen  diese  „sogleich"  (statim)  zu  Christus.  Ihr Martyrium  verleihe  ihnen  den  Vorzug442,  nach 

439  Tertullian spielt mehrfach auf Phil 3,20 an, um den Himmel als die eigentliche  Bestimmung  aller  Christen  zu kennzeichnen:  Apol.  1,2 (CChr.SL  I, 85,12­14):  „Seit  (secta  Christianorum)  se  peregrinam  in terris agere,...  ceterum  genus, sedem, spem,  gratiam, dignitatem  in caelis  habere";  Adv.Marc. ΠΙ, 24,3 (CChr.SL  I, 542,22­24):  „Et politeuma  nostrum,  id est munieipatum,  in  caelis  esse  pronuntians,  alicui  utique  caelesti  civitati  eum  députât";  De  res.carn.  47,15  (CChr.SL  II,  986,59f): „et quidem de terra in caelum, ubi nostrum munieipatum  Philipenses quoque ab  apostolo  discunt...".  440

  Nach  Waszink,  De  anima,  5f,  wurde  „De  anima"  zwischen  210  und  213  verfaßt.  Zu  weiteren  Datierungsvorschlägen,  die sich  im  wesentlichen  aber  alle  in  dem  genannten  Zeitraum  bewegen, vgl. Braun, Deus Christianorum, 572f. „De resurrectione carnis" stammt nach weitgehend  übereinstimmender  Einschätzung  aus  dem  Zeitraum  zwischen  208  und  212.  Vgl.  Braun,  Deus  Christianorum,  573.  Abweichend  datiert  allerdings  Barnes,  Tertullian,  205,  beide  Schriften  auf  206/7.  441  Insbesondere in der jüdischen Apokalyptik findet sich die Vorstellung, daß das Paradies der  Urzeit identisch ist mit dem für die Endzeit wiedererwarteten  Paradies. In der Gegenwart hat dieses  noch  eine  verborgene  Existenz  und  dient  als  Aufenthaltsort  der  verstorbenen  Patriarchen  und  Gerechten (Sl.Hen.  8,l­8;9). Zu weiteren Belegen, in denen sich auch  die unterschiedliche  Zuwei­ sung dieses  zwischenzeitlichen  Paradieses  zur  irdischen  oder zur  himmlischen  Sphäre  zeigt,  vgl.  Hans Bietenhard,  Die himmlische  Welt im Urchristentum  und Spätjudentum, Tübingen  1951,  161­ 182,  speziell  zu  rabbinischen  Belegen  vgl.  Hermann  Strack/Paul  Billerbeck,  Kommentar  zum  NeuenTestament  aus  Talmud  und  Midrasch,  Bd.  IV.  Exkurse  zu  einzelnen  Stellen  des  Neuen  Testamentes. Abhandlungen zur neutestamentlichen Theologie und Archäologie II, München  1928,  1130­1144.  Das  Verständnis  von  π α ρ ά δ ε ι σ ο ς  im  Sinne  eines  „gegenwärtig  verborgenen,  zwischenzeitlichen Aufenthaltes der Gerechten" ist nach Hans Bietenhard, Art. Paradies, in: Coenen,  Lothar (Hg.), Theologisches  Begriffslexikon zum NT,  Bd. 2, 998,  auch  für die  in Lk 23,43  an den  Schacher ergehende Verheißung vorauszusetzen:  „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese  sein";  das Dasein  im Paradies  zeichnet sich hiernach  durch Christusgemeinschaft  aus. Insgesamt  ergibt  sich  aber  aus den  drei  Belegen  für π α ρ ά δ ε ι σ ο ς  im NT  (2.Kor  12,4; Lk 23,43; Apk  2,7)  keine  einheitliche Aussage über den Charakter den Paradieses. Auch in der altkirchlichen Tradition finden  sich vielfaltige Aussagen  über die Zugehörigkeit  des Paradieses  zum himmlischen  oder  irdischen  Bereich wie auch zu der Frage, wer Zugang zum Paradies erhalten solle und zu welchem  Zeitpunkt.  Vgl. Finé, Terminologie, 217­224, sowie Henri  Leclerq, Art. Paradis, in: DACL ΧΙΠ (1938),  1578­ 1615.  442  De res.carn.  43,4 (CChr.SL  II, 978,12): „... martyriorum  praestantia  ..." 

Martyrium  als  Weg  zu  himmlischem  Ruhm 

199 

dem Tod nicht  erst in die Unterwelt,  sondern gleich  in das Paradies"3 zu  gelangen.  Niemand  außer  denjenigen,  die  das  „Vorrecht"  (praerogativa)  des  Martyriums  hätten,  verweile  sofort,  nachdem  er  gestorben  sei,  im  Angesicht  des  Herrn,  d.h.  niemand  außer den Märtyrern halte  sich  nach  seinem  Tod  im Paradies  statt  in  der  Unterwelt  auf.444 Ebenso  erscheint  in  „De  anima" das Paradies  als  exklusiver  Bestimmungsort  der Märtyrerinnen  und Märtyrer.445  Anders  als  alle  anderen  Gläubi-

443   „paradisus"  erscheint  bei  Tertullian  in  drei  Bedeutungen:  Der  Begriff  bezeichnet  1)  das  urzeitliche  Paradies  (Adv.Marc.  I, 22,8; CChr.SL  I, 464,7;  De  an.  38,2;  CChr.SL  II,  841,18;  De  pat.  5,13; CChr.SL  I, 304,45),  2) den  Ort des  Zwischenzustandes  der  Märtyrer  zwischen  ihrem  Tod  und  der  Auferstehung (De  res.carn.  43,4;  CChr.SL  II, 978,12­979,14;  De  an.  55,5;  CChr.SL  II;  863,40)  und  3) den  Zustand  der  endgültigen  Seligkeit  nach  der  Auferstehung:  „et  postremo  totus  homo  in  paradisum  revocatur,  ubi  ab initio fuit" (De mon.  5,3; CChr.SL  II,  1234,25f; vgl.  Deres.cam.  26,14;  CChr.SL  II,  955,56­956,60),  444

  De  res.carn.  43,4  (CChr.SL  II, 978,12­979,14):  „Nemo  enim  peregrinatus  a corpore  statim  immoratur  penes dominum,  nisi  ex martyrii  praerogativa,  paradiso  scilicet,  non  inferís,  deversurus."  „Inferi"  erscheint  in  den  altlateinischen  Bibelübersetzungen  als  Wiedergabe  des  griechischen  Ά ι δ η  ς; bei Tertullian  ist es die häufigste Bezeichnung  für den  Ort der  Seelen  nach dem  Tode.  Vgl.  Finé,  Terminologie,  79f.  445   De  an.  55,4f (CChr.SL  II,  862,29­863,36):  „Et  quomodo  Iohanni  in  spiritu  paradisi  regio  revelata,  quae  subicitur  altari,  nullas  alias  animas  apud  se  praeter  martyrum  ostendit?  Quomodo  Perpetua  fortissima martyr,  sub  die  passionis  in  revelatione  paradisi  solos  illic  martyras  vidit,  nisi  quia nullis romphaea  paradisi  ianitrix cedit  nisi  qui  in Christo  decesserint,  non  in  Adam? Nova  mors  pro  deo  et  extraordinaria  pro  Christo  alio  et  privato  excipitur  hospitio."  Der  Zusammenhang  macht  deutlich,  daß Tertullian  mit  denjenigen, „qui  in Christo  decesserint",  die  Märtyrer  meint,  mit  denen,  „(qui)  in  Adam  (decesserint)",  alle  Christen,  die  nicht  Märtyrer  sind,  und  vermutlich  auch  die  Heiden.  So  auch  Wilhelm  Hellmanns,  Die  Wertschätzung  des  Martyriums  als  eines  Rechtferti­ gungsmittels  in der  altchristlichen  Kirche  bis  zum  Anfang  des  4.  Jhdts.,  Breslau  1912,  52;  anders  hingegen  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  52. Zu  dieser  Frage vgl.  weiter  Kap. 4.5.3,  Anm.  578.  Nach  Tertullians  Argumentation  in „De anima" gibt es nämlich  zwischen  den  Heiden  und den Christen  im  Tod  nur  dort  einen  Unterschied,  wo  ein Christ  den  Märtyrertod  stirbt.  Als  Blutzeugen  gelangen  die  Gläubigen  ins  Paradies,  ansonsten  kommen  alle anderen  Christen ­  wie auch  die  Heiden  ­  zuerst  in  die  Unterwelt,  d.h.  zwischen  ihnen  besteht  zunächst  keine  Differenz hinsichtlich  des  unmittelbaren  postmortalen  Schicksals:  „Agnosce  itaque differentiam ethnici et fidelis in morte, si pro deo occumbas,  ut paracletus  monet, non mollibus  febribus et in  lectulis, sed  in  martyriis..." (De  an.  55,5;  CChr.SL  II,  863,36­39).  Daß  die  Differenz  zwischen  dem  Tod  der  Heiden  und  demjenigen  der  Christen nur  im Falle eines  Märtyrertodes  zu erkennen  ist, wird  in der Übersetzung  von  Jan  Hendrik  Waszink, Tertullian.  Über  die  Seele,  Zürich/München  1980,  173, nicht  deutlich:  „Erkenne  also  den  Unterschied  zwischen  dem  Heiden  und dem  Gläubigen  im Tode  an! (Tue  es erst  recht),  wenn  du für  Gott  stirbst...".  Diese  Interpretation  entspricht  nicht der Argumentation  Tertullians  in  De an.  55,  die  darauf ausgerichtet  ist, den  Aufenthalt aller Gläubigen  in der  Unterwelt  zu  erweisen.  Auf  den  gegen  diese  Vorstellung  gerichteten  Einwand:  „Ceterum  quod  discrimen  ethnicorum  et  Christianorum,  si  career  mortuis  idem?"  (De  an.  55,3;  CChr.SL  II,  862,17f)  antwortet  er  mit  dem  Hinweis  auf  die  Märtyrer,  denen  als  einzigen  Christen  ein  anderer  postmortaler  Aufenthaltsort  bereit  stehe.  In  der  Konsequenz  dieser  Darlegungen  liegt, daß  zwischen  dem  Aufenthaltsort der  übrigen  Gläubigen  und  demjenigen  der  Heiden  zunächst  eben  keine  Differenz  besteht. 

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Martyrium  als  Weg zu himmlischem  Ruhm 

gen müßten sie nicht nach dem Tod erst in den Hades hinabsteigen446,  sondern ihr  als „nova mors pro deo et extraordinaria pro Christo"447 qualifizierter Tod gewähre  ihnen den Zugang zu einem „alium et privatum hospitium"448 -  dem Paradies,  das  Tertullian wahrscheinlich  als im Himmel  gelegen versteht.449 Für einen  Christen,  der -  der Ermahnung  des Parakleten entsprechend -  in der Nachfolge  des Herrn 

446   De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,40­42):  „Habes  etiam  de  paradiso  a  nobis  libellum,  quo  constituimus omnem  animam apud  inferos sequestrali  in diem domini." Tertullian verweist hier auf  ein verlorengegangenes  Werk „De paradiso".  Begründet  wird  die Notwendigkeit  des  Aufenthaltes  in der Unterwelt fur alle Seelen  durch  den  Hinweis  auf die Hadesfahrt Christi  (Eph  4,9):  „Quodsi  Christus  deus,  quia  et  homo,  mortuus  secundum  scripturas  et  sepultus  secundum  easdem,  huic  quoque  legi satisfecit forma humanae mortis apud  inferos functus, nec  ante  ascendit  in  sublimiora  caelorum quam descendit  in inferiora terrarum, ut illic patriarchas et prophetas compotes sui faceret,  habes et regionem  inferum subterraneam  credere et illos cubito pellere qui  satis superbe non  putent  animas  fidelium  inferís dignas, servi  super dominum  et discipuli  super magistrum  ..." (De an.  55,2;  CChr.SL Π,862,7­15).  Abgelehnt  wird  von Tertullian  die Vorstellung,  daß die Hadesfahrt  Christi  gerade dazu diente,  daß die Gläubigen  nicht mehr  in die Unterwelt  müssen  (De an.  55,3;  CChr.SL  II,  862,16­25).  447  De an. 55,5 (CChr.SL Π, 863,35). Finé, Terminologie, 214, sieht in der Kennzeichnung  des  Todes als „extraordinarius" die Gegenüberstellung des Todes für Christus zu jedem  „gewöhnlichen"  Tod, der eben nicht Martyriumscharakter  hat. Nach  Waszink, De anima, 562, ist damit hingegen  das  Gewaltsame des Martertodes betont.  Dies entspricht der Kennzeichnung jedes  gewaltsamen  Todes  als „extraordinarius"  in De an. 52,1 (CChr.SL  II, 853,5f). Zu dieser Gleichsetzung zwischen  „mors  extraordinaria"  und  „mors  violenta"  vgl. ausführlich Vicastillo,  Muerte,  199­207.  448  De an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,36).  449  In der Literatur ist die Frage, ob sich das Paradies  im Himmel  befindet, d.h. ob  „paradisus"  und  „caelum"  identisch  sind,  allerdings  unterschiedlich  beantwortet  worden:  Hellmanns,  Wert­ schätzung,  52,  verneint  unter  Bezug  auf De  an.  55,3  („...  nulli  patet  caelum  adhuc  salva  ...")  die  Lokalisierung des Paradieses im Himmel: Grundsätzlich bleibe der Himmel bis zum Ende der Zeiten  verschlossen,  aber  den  Märtyrern  stehe  ein  „bevorzugter  Ort  im  Jenseits",  das  Paradies,  offen;  gegenüber  dem  Himmel  sei  dies  aber  ein  „Ort  niederer  Seligkeit".  Als  „unzugänglichem  Ort  auf  Erden" sieht Fischer, Todesgedanken,  250, das Paradies  bei Tertullian  an; eine Differenz zwischen  Himmel  und  Paradies  setzt auch  L.J.  van der Lof, Abraham's  Bosom  in the  Writings  of  Irenäus,  Tertullian  and  Augustin,  in:  AugStud  26/2  (1995),  115,  voraus.  Waszink,  De  anima,  554;  Finé,  Terminologie,  230, und Alfred Stuiber, Refrigerium Interim.  Die Vorstellungen  vom  Zwischenzu­ stand und die frühchristliche Grabeskunst, Bonn  1957, 78, Anm.  1, haben hingegen das Paradies als  Ort des Zwischenzustandes im Himmel situiert. Für diese Auffassung sprechen mehrere Argumente:  1)  In  De  res.carn.  43,4  (CChr.SL  II,  978,13)  erklären  sich  die  bezüglich  der  postmortalen  Be­ stimmung  der  Märtyrer  gemachten  Angaben  „penes  dominum"  und  „paradisus"  gegenseitig.  2)  Tertullian identifiziert das Paradies mit dem Ort unter dem himmlischen  Altar, an dem nach Apk 6,9  die  Seelen  der  Märtyrer  warten  (vgl.  Anm.  454). In „Scorpiace",  wo  er ebenfalls die  Vorstellung  eines Verweilens der Märtyrer unter dem Altar aufnimmt, spricht er zudem davon, daß jeder, der hier  auf Erden sein Bekenntnis abgelegt habe, die „Schlüssel  des Himmels"  mit sich nehme (Scorp.  10,8;  CChr.SL  II,  1088,24­26).  3) In  De  an.  55 erweist  Tertullian  für die Märtyrer eine Ausnahme  von  dem allgemeinen  Gesetz des Gelangens  aller  Seelen  in die Unterwelt  und  der Verschlossenheit  des  Himmels  bis  zum  Ende  der  Welt. 

Martyrium  als  Weg  zu  himmlischem  Ruhm 

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das Martyrium erleide450, gelte also: „Tota paradisi clavis tuus sanguis est."451  Das  Blut  der Christinnen  und  Christen,  d.h.  ihr Martyrium452,  stelle  den  „Schlüssel"  zum postmortalen Aufenthalt im Paradies dar.  Dieser  Aufenthaltsort  der Märtyrer scheint  fur Tertullian  allerdings  lediglich  einen vorläufigen Charakter gehabt zu haben453, denn er identifiziert das Paradies  mit dem Ort unter dem himmlischen Altar,  an dem nach Apk  6,9  die Märtyrer bis  zum Ende der Zeit warten.454 Nach seiner ebenfalls an Apk  6,9-11  anknüpfenden  Darstellung  in  „Scorpiace"  ist  dieses  der  Ort,  an  dem  die  Seelen  der  Märtyrer  „vorläufig"  (interim)  ruhen  und  im  Vertrauen  auf  die  Vergeltung  Gottes  die  Geduld „nähren".455 Bis zur Erfüllung der Zahl der Märtyrer, die das Ende der Zeit  bestimmt456,  befinden sich  die  Seelen  der bereits  für ihren Glauben  gestorbenen  Christen also in einem Zustand, der durch die Verwendung des Begriffs „interim"  als ein vorläufiger oder Übergangszustand  gekennzeichnet ist.45' Daß Tertullian in  „De anima", „De resurrectione camis" und in stärkerem Maße noch in „Scorpiace"  Apk  6,9-11  zur Beschreibung  des  Zustandes  der Märtyrer  nach  ihrem  Tod  heranzieht458, weist daraufhin, daß er in diesen Traktaten nicht von einer unmittelbar 

45C  De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,37­40):  „...  si  pro  deo  occumbas,  ut  paracletus  monet,  non  in  mollibus  febribus et  in  lectulis,  sed  in martyriis,  si crucem  tuam  tollas  et  sequaris  dominum,  ut  ipse  praecepit."  451   De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,40).  452

 Zu  der  Verwendung  von  „sanguis"  im  Sinne  eines  Synonyms  zu  „martyrium"  vgl.  Waszink,  De  anima,  563  sowie  ausfuhrlich Gramaglie,  Semantiche,  956­962.  453  Gegen  Finé,  Terminologie,  91.124,  nach  dessen  Einschätzung  Tertullian  „paradisus"  nicht  auf  den  Zwischenzustand  bezieht.  454   De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  862,30f):  „...  paradisi  regio  revelata,  quae  subicitur  altari,..."  455  Scorp.  12,9  (CChr.SL  Π,  1093,25­28):  „Sed  in  interim  sub  altari  martyrum  animae  placidum  quiescunt  et  fiducia  ultionis  patientiam  pascunt  et  indutae  stolis  candidam  claritatis  usurpant,  450  Scorp.  12,9 (CChr.SL  II,  1093,27f): „...  donec  et  alii  consortium  illorum  gloriae  impleant."  Zu  dieser  aus der jüdischen  (vgl.  z.B.  Äth.Hen.  47,1­4;  4.Esr.  4,35f;  Bar.Apk.  30,2)  in  die  christli­ che  Apokalyptik  (Apk  6,11)  übernommenen  Vorstellung  des  „eschatologischen  Maßes"  vgl.  Kap.  3.3.2,  Anm.  218.  457

 „Interim"  wird  von  Tertullian  auch  an  anderen  Stellen  zur  Kennzeichnung  der  Vorläufigkeit  des Zustandes  der  Seelen  zwischen  Tod  und  Auferstehung  verwendet  (vgl.  z.B.  De  res.earn.  17,5;  CChr.SL Π, 941,21). Zu der  auch  für Apk 6,9­11  vorauszusetzenden  Vorstellung eines  Zwischenzu­ standes  der  Seelen  der  Märtyrer  vgl.  Ulrich  B.  Müller,  Die  Offenbarung des  Johannes,  ÖTBK  19,  Gütersloh  1984,  170.  458

  Neben  De  an.  55,5;  Scorp.  12,9  vgl.  De  res.carn.  25,1  (CChr.SL  II,  953,1­3):  „Etiam  in  apocalypsi  lohannis  ordo temporum  sternitur,  quem  martyrum  quoque  animae  sub  altari  ultionem  et  iudicium  flagitantes  sustinere  didicerunt..." 

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mit dem Märtyrertod eintretenden Vollendung und Beseligung ausgeht.459 Die  Seelen der Blutzeugen verweilen zwar nach den genannten Belegen  an einem  gegenüber  dem  der  übrigen  Gläubigen  privilegierten  Ort,  dem  Paradies,  müssen  dort  aber ebenfalls auf die mit dem Ende der Zeiten verbundene eschatologische  Vollendung warten. Bis  zu diesem Zeitpunkt haben sie  lediglich  die „candida claritatis" inne460,  die  sichere  Anwartschaft auf die  endgültige  Beseligung.  Diese  Auffassung  entspricht  der  bei  Tertullian  besonders  in  „De  anima",  aber  auch  in  anderen Schriften zutagetretenden Vorstellung eines Zwischenzustandes  zwischen  Tod und der Auferstehung zum Gericht461, in welchem  die Seelen ihr endgültiges  Geschick nach dem Gericht vorwegnehmen.462  Der Ort dieses  Zwischenzustandes  ist dabei  für die eines natürlichen Todes  verstorbenen  Gläubigen die  Unterwelt,  die ihrerseits wieder unterteilt ist in die „Unterwelt" im engeren  Sinne als vorläu-

459  Zu  der  entsprechenden  Vorstellung  in Apk  6,9­11  vgl.  Stuhlmann,  Maß,  158.  Unter  Bezug  auf  Scorp.  12,9  betont  auch  Campenhausen,  Idee,  125,  Anm.  6:  „Die  volle  Seligkeit  wird  freilich  auch  den Märtyrern  erst am  Ende der Zeiten  zuteil." Im  Hintergrund  dieser  Dilation  der  endgültigen  Beseligung  ist die  anthropologische  Konzeption  Tertullians  zu  sehen,  die  von  einer  leib­seelischen  Einheit des Menschen  ausgeht.  Da nur Leib und  Seele  zusammen  den ganzen  Menschen  ausmachen  (De  res.carn.  14,9;  CChr.SL  Π, 937,30­34),  können  Bestrafung und  Belohnung  des  Menschen  im  endgültigen  Sinne erst dann  erfolgen, wenn  sie sich  auf beide Teile  erstrecken,  d.h.  nach  der  „camis  resurrectio"  (De  res.carn.  17,9;  CChr.SL  II,  942,34­38).  Was  nur  die  Seele  allein  erfährt,  kann  lediglich  Vorstufe  zum  endgültigen,  d.h.  am  ganzen  Menschen  vollzogenen,  Richterspruch  sein.  460

  Scorp.  12,9  (CChr.SL  II,  1093,27). 

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 Die  Voraussetzung  der  Lehre  vom  Zwischenzustand  ist  die  Verbindung  zweier  Anschau­ ungen: zum  einen  der  Lehre von der  Auferstehung aller Menschen  am  Ende  der  Zeiten  zum  Gericht  und  zum  anderen  der  griechischen  Vorstellung von  der  Unsterblichkeit  der  Seelen,  die  gleich  nach  dem  Tode  ihr  Los  zugeteilt  bekommen.  Zur  Aufnahme  dieser  Vorstellung  in  der  hellenistisch­ jüdischen  Literatur vgl. WeishSal  3,10. Im christlichen Bereich  hat die Frage des  Zwischenzustandes  nach ersten  Andeutungen  im NT und  bei den Apostolischen  Vätern  (vgl. ausführlich Charles  E.  Hill,  Regnum  caelorum.  Patterns  of  Future  Hope  in Early  Christianity,  Oxford  1992,  66­89;  155­177),  klarer  bei  Justin  (Dial.  80)  und  Irenäus  (Adv.haer.  V,31,2),  eine  intensive  Betrachtung  zuerst  bei  Tertullian  erfahren. Zu  diesem  Aspekt  der  Eschatologie  Tertullians  vgl.  Finé,  Terminologie,  31­53;  Stuiber,  Refrigerium  interim,  51­61,  sowie  Hill,  Regnum,  24­28.  462

 Vgl.  De  an.  58,2  (CChr.SL  II, 868,4­6):  „Cur  enim  non  putes  animam  et puniri  et foveri  in  inferís  interim  sub  expectatione  utriusque  iudicii  in  quadam  usurpatione  et  candida  eius?";  Adv.Marc.  IV,  34,14  (CChr.SL  I, 638,25f): „(sinus  Abrahae)  in quo  iam  delinietur  futuri  imago  ac  candida quaedam  utriusque  iudicii  prospiciatur."  Die hier verwendeten  Begriffe fur die  Vorwegnah­ me  des  Gerichts  im  Zwischenzustand  entsprechen  den  in  Scorp.  12,9  (CChr.SL  II,  1093,27)  auf­ tauchenden:  „... candida  claritatis  usurpant  (martyres)...",  d.h.  der Zustand  der  Seelen  im  Zwischen­ zustand  zeichnet  sich  durch  „usurpatio"  bzw.  „candida"  des  zukünftigen  Gerichts  aus. Nach  Finé,  Terminologie,  65,  ist mit „usurpatio/usurpare" hier das „Anrecht  auf den  Gegenstand  einer zukünfti­ gen  Entscheidung"  gemeint  (vgl.  De  res.carn.  51,3;  CChr.SL  II, 994,160­  Zu  dem  Verständnis  von  „candida"  vgl.  Kap.  4.1.2,  Anm.  37.  Im  Zwischenzustand  zeichnet  sich  also  „das  Bild  dessen  ab,  was  der  spätere  Gerichtsspruch  beinhaltet  bzw.  was  er zur  Wirkung  hat." (Finé,  Terminologie,  66f)  Roberts,  Theology,  206,  spricht  von  „anticipation  of  gloom  and  glory"  im  Zwischenzustand. 

Martyrium  als  Weg  zu  himmlischem  Ruhm 

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figem  Strafort  und  den  „sinus  Abrahae"  als  Ort  der  Gerechten.463  Die Märtyrer hingegen  erwarten ihre Vollendung  im Paradies,  in dem  sie  schon während  dieser  Weltzeit  der Nähe  Christi  gewürdigt  werden.  Zu  dem  Charakter  der  den  Märtyrerinnen  und  Märtyrern  verheißenen  himmlischen  Herrlichkeit  hat  Tertullian  sich  ansatzweise  bereits  in  „Ad  martyras"  geäußert.  Ihnen  stehe  die  Umgestaltung  zu  Engeln  in  Aussicht:  Für  ihren  im  Martyrium  errungenen  Sieg  erhielten  sie  das  „brabium  angelicae  substantiae"464,  den „Preis  des engelhaften  Wesens".  Da Tertullian  in dieser  Schrift keine  näheren  Auskünfte zur postmortalen  Chronologie  gibt,  bleibt  allerdings  unklar,  ob er hier  von  einer  unmittelbar  auf  den  Tod  folgenden  Umwandlung  ausgeht.  In  den  in  anderen  Traktaten  zu  findenden  Äußerungen  zu  der  Erwartung  einer  Verähnlichung der Gläubigen mit Engeln  ist diese  allerdings  durchgängig  erst  für die  Zeit 

463

  Grundsätzlich  gelangen  „omnes  animae"  in  die  Unterwelt  (De  an.  55,5;  CChr.SL  II,  863,4 lf;  De  an.  58,1;  CChr.SL  Π,  867,1);  einige  Seelen  verweilen  aber  auch  im  „sinus  Abrahae",  der  nach  De  idol.  13,4  (CChr.SL  II,  1113,22:  „...  apud  inferos  in  sinu  Abrahae");  De  an.  7,4  (CChr.SL  II,  790,18­20);  Adv.Marc.  III,  24,1  (CChr.SL  I,  541,7­542,8)  zur  Unterwelt  gehört.  Während  „inferi"  den  vorläufigen  Strafort  bezeichnet,  erscheint  der  „sinus  Abrahae"  nach  Adv.Marc.  IV,  34,13  (CChr.SL  I, 638,10­14)  als  Ort  der  Gerechten:  „Eam  itaque  regionem,  sinum  dice  Abrahae,  etsi  non  caelestem,  sublimiorem  tarn  inferís,  interim  refngerium  praebere  animabus  iustorum,  donec  consummatio  rerum  resurrectionem  omnem  plenitudine  mercedis  expungat,  tunc  apparitura  caelesti  promissione."  Vgl.  Roberts,  Theology,  206:  „In one  passage  (Adv.Marc.  IV,34)  Tertullian  seems to give to the place of the good  in the  , lower  world'  the name  of Abraham's  bosom,  and  to  indicate  that  it  is  separated  by  a  great  gulf  from  the  region  of  the  bad."  Tertullians  Aus­ führungen  zum  „sinus  Abrahae"  richten  sich  gegen  Marcions  Theorie,  daß  nur  die  Verehrer  des  Schöpfergottes  in  die  Unterwelt  kämen,  während  die  Nachfolger  Christi  in  den  „caelestis  sinus"  gelangten.  Tertullian  stellt  dagegen  die  Überzeugung,  daß  alle  Seelen  nach  dem  Tod  erst  in  die  Unterwelt  kämen,  welche  aber  in  den  „sinus  Abrahae"  für  die  Gerechten  und  die  Unterwelt  im  engeren  Sinne aufgeteilt sei. Zu der Vorstellung vom  „Schoß Abrahams"  vgl. weiter  W.  Staerk,  Art.  Abrahams  Schoß,  in: RAC  I (1950),  27­28,  sowie  Lof,  Abraham's  Bosom,  109­123,  zu  Tertullian  113­116.  Für Tertullians  Auffassung von  der  Unterwelt,  die  er  „in  corde  terrae"  lokalisiert  (De  an.  55,1;  CChr.SL  II,  8612,4),  waren  nach  Finé,  Terminologie,  89,  in  erster  Linie  die  Stellen  von  der  Hadesfahrt Christi  (Eph  4,9; Rom  10,6) sowie  Lk  16,22 maßgeblich.  „Nur  bei  der  konkreten  Ausge­ staltung der  Unterweltstopographie  scheinen  in einigen  Einzelzügen  die  mit  dem  lateinischen  Wort  „inferi" von  der  poetischen  und  philosophischen  Tradition  her  assoziierten  Vorstellungen  stärker  mit."  (Finé,  Terminologie,  89)  464   Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  I,  5,25).  Zu  „brabium"  vgl.  Kap.  3.1.2,  Anm.  113.  Das  auch  anderweitig  in der  martyrologischen  Literatur  zu  findende  Motiv  der  Umgestaltung  der  Märtyrer  zu  Engeln  (vgl.  Mart.Pol.  2,3;  Didask.  19; Cypr.,  Ad  Fort.  13;  (Cypr.),  ep.  31,2)  stammt  nach  Lods,  Confesseurs,  35,  Anm.  3,  aus  dem  Stephanus­Martyrium  (Apg  6,15).  Zu  dieser  Vorstellung  der  „vita  angelica"  vgl.  auch  Karl  Suso  Frank,  Angelikos  bios  ­  Begriffsanalytische  und  begriffsge­ schichtliche Untersuchungen  zum „engelgleichen  Leben"  im frühen Mönchtum,  Münster  1964,  177­ 179. 

204 

Martyrium  als  Weg zu  himmlischem  Ruhm 

nach  der Auferstehung  vorausgesetzt.465  Daß  in  „Ad  martyras" ein  Hinweis  auf  diesen Zeitpunkt der Erfüllung dieser Verheißung  fehlt, läßt also  wahrscheinlich  nicht den Schluß zu, daß Tertullian hier von einer sofort mit dem Tod erfolgenden  eschatologischen  Verwandlung  ausgeht.  Ausführlichere Hinweise zu der den Märtyrerinnen und Märtyrern verheißenen  himmlischen  Herrlichkeit hat Tertullian in „Scorpiace" gegeben,  und zwar unter  Rückgriff auf die Bildersprache der Johannes-Apokalypse,  deren Martyriumskonzept  mehrfach in seinen martyrologischen Ausführungen eine wesentliche  Rolle  spielt.464 Zur Charakterisierung des himmlischen Lohnes der Blutzeugen hat er die  Verheißungen aufgenommen, die in den sieben Sendschreiben (Apk 2,1-3,22) den  „Überwindern" in Aussicht gestellt werden.467 Indem er die johanneiischen  „victores"  ausschließlich  mit  den  Märtyrern  identfiziert468,  erscheinen  die  ersteren  gegebenen Verheißungen als Darstellung der besonderen Herrlichkeit der Blutzeugen. Diese werden von dem „Baum des Lebens" essen469 und damit „als Lohn das  erhalten,  was  den  Stammeltern  durch die Vertreibung  aus  dem  Paradies  genommen  wurde,  nämlich  die  Möglichkeit,  durch den  Genuß  der Frucht  des  Lebensbaumes Unsterblichkeit  zu erlangen".470 Ihnen bleibt die „mors secunda",  die die 

465

  Vgl.  Ad  ux.  I,  1,5  (CChr.SL  I,  374,25f);  De  cult.fem.  I,  2,5  (CChr.SL  1,  346,43f);  De  res.carn.  26,7  (CChr.SL  II, 954,27f); De res.carn.  62 (CChr.SL  II,  1010,1­1011,17);  Adv.Marc.  III,  24,6  (CChr.SL  I,  542,1 Of).  466  Als  wesentlichste  Belege  seien  hier die mehrfache Übernahme  von  Apk  6,9­11  (vgl.  Kap.  3.3.2),  die  ausführliche  Rezeption  der  „Siegersprüche"  aus  Apk  2,1­3,22  in  Scorp.  12,8f,  der  Hinweis auf die den „Siegern" in der Apokalypse  gegebenen  Verheißungen  in De fuga 1,5 (CChr.SL  II,  1136,37­39)  und  der  Bezug auf Apk 21,8  in  bezug  auf die  Ablehnung  der  Furchtsamkeit  in  der  Verfolgung  (De  fuga  7,2;  CChr.SL  II,  1145,32­34;  9,3;  CChr.SL  II,  1146,25f)  genannt.  Zu  dem  Einfluß der  Apokalypse  v.a.  auf Tertullians  montanistische  Schriften, zu  denen  der  Verf.  allerdings  auch  „Scorpiace"  zählt,  vgl.  Lona,  Tod,  458f.  467   Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,15­22):  „Exinde  victoribus  quibusque  promittit  nunc  arborem vitae et mortis veniam  secundae, nunc latens manna  cum calculo candido  et nomine  ignoto,  nunc  ferreae virgae  potestatem  et stellae matutinae claritatem  nunc  albam  vestiri  nec deieri  de  libro  vitae  et  columnam  fieri  in  dei  templo  in  nomine  dei  et  domini  in  throno  eius,  quod  aliquando  Zebedaei  filiis  negabatur?"  468  Scorp.  12,9 (CChr.SL  Π,  1093,22­25):  „Quinam  isti tarn  beati  victores,  nisi  proprie  marty­ res?  Illorum  etenim  victoriae,  quorum  et pugnae,  eorum  vero  pugnae,  quorum  et  sanguis."  469  Scorp.  12,8 (CChr.SL  II,  1093,150:  „Exinde  victoribus  quibusque  promittit  nunc  arborem  vitae  ...".  Vgl.  Apk  2,7. Nach  Apk  2,7;  22,2  wird  die  „arbor  vitae"  in  dem  fur die  Endzeit  wieder­ erwarteten  Paradies  stehen.  470  Heinrich  Kraft, Die Offenbarung des Johannes, Tübingen  1974,  59. Ebenso Mitchell  Glenn  Reddish, The Theme of Martyrdom  in the Book of Revelation,  Ann  Arbor  1982,140:  „The  conque­ rer  is  assured  of eternal  life  ..." 

Martyrium  als  Weg  zu  himmlischem  Ruhm 

2 0 5 

unwiderrufliche  Verdammnis  nach dem  Gericht bedeutet,  erspart.471  Sie  erhalten  von  dem  „verborgenen  Manna"472,  mit  dem  nach jüdisch-apokalyptischer  Hoffnung  Gott  sein  Volk  in  der  Endzeit  speisen  werde473;  im  christlichen  Kontext  bedeutet  diese Verheißung  die Teilnahme  am eschatologischen  Mahl  im  Gottesreich.474 Schwer zu deuten ist der den Märtyrerinnen und Märtyrern zugesprochene  „weiße Stein"475: Auf die vorhergehende Verheißung bezöge  sich  die  Vorstellung,  er  sei  Ausdruck  ihrer  „Teilnahmeberechtigung"  für  das  eschatologische  Festmahl.476  „Calculus  Candidus" könnte  aber auch  auf weiße  Marmortäfelchen  hinweisen, die bei antiken Spielen als Siegerurkunde  ausgeteilt wurden, oder als aus  dem juristischen  Bereich übernommenes  Symbol  des Freispruchs  dienen.477  Eine  häufiger vertretene  Interpretation  rekurriert  auf den  volkstümlichen  Glauben  an  Amulettsteine,  auf die „eine dem Inhaber übernatürliche  Kräfte verleihende  und  ihn  vor  bösen  Mächten  schützende  Zauberformel  eingeritzt  ist".478  Für  letztere  spräche  der  Zusammenhang  mit  der  folgenden  Verheißung  eines  neuen,  unbekannten Namens; dieses wäre der den Heiden noch unbekannte Name  Christi,  der  auf dem Stein eingeritzt ist.479 Die den Märtyrern verheißene  „ferreae virgae potestas"  steht  für die  Teilhabe  an  der  endzeitlichen  Herrschaft  Christi  und  seinem  richtenden Wirken gegenüber den Heiden.480 Die  in Aussicht  gestellte  Verleihung 

471   Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,116):  „...  mortis  veniam  secundae  ..."  Vgl.  Apk  2,11.  Zu  der  Bedeutung  dieser  Verheißung  vgl.  Apk  20,6.14f;  21,8.  472

  Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,17):  „...  latens  manna  ...".  Vgl.  Apk  2,17.    Vgl.  Syr.Bar.  29,8:  „Es  wird  zu  jener  Zeit  geschehen,  daß  aus  der  Höhe  Mannaschätze  wiederum herniederkommen;  sie werden  zehren davon  in jenen  Jahren, weil  sie es sind, die ans  Ende  der Zeit gekommen  sind." (Übersetzung nach  A.F.J.  Klijn,  Syrische Baruch­Apokalypse,  in:  JSHRZ  V/2,  Gütersloh  1976,  142)  474  Nach  Heinrich  Kraft,  Die  Bilder  der  Offenbarung des  Johannes,  Frankfurt/Main  1994,  58,  gilt  für das  Manna,  „daß  Gott  es  verborgen  hat,  um  es  in  der  neuen  Schöpfung erneut  zu  schenken.  Wem  das verborgene  Manna  versprochen  wird,  der  wird  am  himmlischen  Festmahl  teilnehmen."  Ahnlich spricht Jürgen  Roloff, Die Offenbarung des Johannes,  ZBK.NT  18, Zürich  1984, 55,  davon,  daß  diese  Verheißung  die  „Teilhabe  am  messianischen  Mahl  der  Heilszeit"  umschreibe.  475   Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,17):  „...  cum  calculo  candido  ...".  476   So  Kraft,  Bilder,  58.  477   So  Reddish,  Theme,  142:  „The  faithful witness  may  have  been  condemned  and  sentenced  to  execution  in an  earthly  lawcourt,  but that  is not the  final  verdict.  The  martyr  will  receive  a  white  stone  of  acquittal  from  the  heavenly  court."  473

478

  Roloff, Offenbarung,  55;  ähnlich  Müller,  Offenbarung,  114. 

479 480

  Scorp.  12,8  (CChr.SL  Π,  1093,17):  „...  nomine  ignoto  ..."  Vgl.  Apk  2,17. 

 Scorp.  12,8 (CChr.SL  Π,  1093,18).  Vgl. Apk  2,26f.  Die  Offenbarung beschreibt  die  Teilhabe  der  Überwinder  an  der  Herrschaft Christi  hier  mit  den  Worten  aus  Ps  2,9.  Schwer  zu  deuten  ist  die  ebenfalls  verheißene  Gabe  der  „stellae  matutinae  claritas"  (Scorp.  12,8;  CChr.SL  II,  1093,18;  vgl.Apk  2,28). Nach  Apk  22,16  hat  Christus  sich  selbst  als  „Morgenstern"  bezeichnet.  Unter  Bezug 

206 

Martyrium  als  Weg zu himmlischem  Ruhm 

weißer  Gewänder  bezeichnet  die  Reinheit  und  die  eschatologische  Vollendung  derer, die treu geblieben sind und sich so der Gemeinschaft Christi würdig  erwiesen  haben.481  Die  ewige  Zugehörigkeit  zu  Gott  und  Christus  drückt  auch  die  Verheißung  aus,  nicht  aus dem  „liber vitae" gestrichen  zu werden482:  Analog  zu  der Vorstellung,  daß jemand, der in das Buch einer Stadt eingetragen  ist,  ihr Bürgerrecht besitzt,  stehen im „Buch des Lebens" diejenigen verzeichnet,  die in das  ewige Leben eingehen werden.483 Als  „Säulen" des himmlischen  Tempels  werden  die  Märtyrer  mit  den  Namen  Gottes  und  Christi  als  deren  Eigentum  gekennzeichnet und mit dem Namen  des himmlischen Jerusalem als Bürger  desselben ausgewiesen.484 Mit Christus werden sie auf seinem Thron Platz nehmen,  mit  ihm richten und herrschen in Ewigkeit.485  Mit diesen teilweise  enigmatischen  und 

auf diese  Stelle deutet  Roloff, Offenbarung, 58, Apk  2,28:  „Der  Herr  wird  sich  den  Seinen  selbst  geben;  mit  ihm  zu  herrschen  heißt volle  Gemeinschaft mit  ihm  zu  haben."  481  Scorp.  12,8 (CChr.SL  II,  1093,19): „... nunc albam  vestiri...".  Vgl.  Apk  3,5.  Die  Akzente  in der Interpretation  des „weißen Gewandes" werden  in der Literatur allerdings  in  unterschiedlicher  Weise  gesetzt.  Nach  Stuhlmann,  Maß,  156f,  ist  die  „Bekleidung  der  Märtyrer  mit  leuchtenden  Gewändern  ... eindeutig ein Akt himmlischer Verklärung". Innerhalb der Apokalypse werden  weiße  Gewänder den „Überwindern"  (Apk 3,5; 7,9­17), den Märtyrern (6,11) und den Engeln  zugeschrie­ ben (4,4;  15,6;  19,14). Über die Offenbarung hinaus spricht das NT von weißen Kleidern nur bei der  Verklärung Jesu (Mk 9,3) und bei den Engelerscheinungen bei der Himmelfahrt Jesu (Apg  1,10) und  am  leeren  Grab  (Mk  16,5).  Auf Grund  dieser  Parallelen  kann  die  Verheißung  „albam  vestiri"  im  Sinne einer Umgestaltung der Märtyrern  zu Engeln gedeutet werden, wie sie den Märtyrern  auch in  Ad  mart.  3,3 (CChr.SL  I,  5,25) zugesagt  wird.  Entsprechend  sieht  Müller,  Offenbarung,  172,  das  „weiße  Kleid"  als  „Kleid  der  Engel  und  vollendeten  Gerechten".  Roloff, Offenbarung, 84,  setzt  stärker  den  Akzent  auf  die  damit  ausgedrückte  Reinheit  und  Sündenvergebung,  die den  Christen  durch das Sühneleiden Christi zugeeignet sei. Das „weiße Kleid" sei „Symbol für das den  Gläubigen  auf Grund der Heilstat  Christi  geschenkte Heil und für ihre  im Gehorsam  zu bewahrende  Gemein­ schaft mit  Gott".  482  Scorp.  12,8 (CChr.SL  Π, 1093,19): „... nec deieri  de  libro vitae  ...".  Vgl.  Apk  3,5.  Zu  den  mit  dem  „liber  vitae"  verbundenen  Vorstellungen  in  der  „Offenbarung"  vgl.  Apk  13,8;  17,8;  20,12.15; 21,27. Die Verheißung der „Offenbarung" bezieht sich  auf die jüdische Vorstellung eines  Buches bei Gott, in dem die Namen der Gerechten verzeichnet sind, die zum ewigen Leben  bestimmt  sind  (Dan  12,1).  483  So auch  Reddish, Theme,  146: „To be assured that one's  name  will  remain  in the  book  of  life is to be  assured  of eternal  life."  484   Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,19f):  „...  columnam  fieri  in  dei  templo  in  nomine  dei  et  domino  et  Hierusalem  caelestis  inscriptam  ...".  Vgl.  Apk  3,12. Kraft, Offenbarung, 82f,  verweist  zum  Verständnis  des  Bildes  der  „Säulen"  auf die  Mysterienkulte  (vgl.  Apul.,  Met.  11,24,2)  oder  aber Vorstellungen des römischen Kaiserkultes.  Wesentlich naheliegender  ist es aber doch, an die in  Gal  2,9  auftauchende  Bezeichnung  „Säulen"  für Jakobus,  Petrus  und  Barnabas  zu  denken.  Mit  diesem Ehrentitel wäre den Märtyrern eine „hervorgehobene Stelle" in der mit dem Bild des Tempels  symbolisierten  „Heilsgemeinde  der  Endzeit" eingeräumt  (Roloff, Offenbarung, 62).  485   Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,21f): „... nunc  residere  cum  domino  in throno  eius,  quod  aliquando Zebedaei  filiis  negabatur."  Vgl.  Apk  3,21; Mt  20,20­23. 

Martyrium  als  W e g  zu  himmlischem  Ruhm 

207 

schwer  zu  deutenden  Bildern  umschreibt  Tertullian  im  wesentlichen  zwei  unmittelbar  zusammengehörige  Verheißungen  für die Märtyrerinnen  und  Märty­ rer:  die  Teilhabe  an  der  endzeitlichen  Herrscher­  und  Richterfunktion  Christi  sowie  die  Erlangung  des  ewigen  Lebens  in  immerwährender  Gemeinschaft  mit  Gott  und  Christus.486  Für  welchen  Zeitpunkt  er  ihre  Erfüllung  erwartet,  sagt  er  dabei nicht  explizit.  Die bereits  erwähnte  Aufnahme von  Apk  6,9­11487 sowie  die  in der Johannes­Apokalypse  selbst deutlich  werdende  Erwartung,  daß die  Sieger­ sprüche  2,11.26f;  3,5.21  (Teilhabe  an  der  endzeitlichen  Herrschaft  Christi,  Verschonung  vom  zweiten  Tod)  im  bzw.  am  Ende  des  Milleniums  erfüllt  sein  werden  (Apk  20,1­15)488,  legen  es  nahe,  daß  auch  Tertullian  in  „Scorpiace"  von  einer  zumindest  partiellen  Verschiebung  der  Verheißungserfüllung  auf  die  Zeit  nach  Beendigung  des Zwischenzustandes  ausgeht.  Am häufigsten erwähnt  wird  bei Tertullian  die den  Märtyrerinnen  und  Märty­ rern  in  Aussicht  stehende  Erlangung  des  ewigen  Lebens  bei  Gott.  Zu  dem  Preis  für das im Martyrium  verlorene physische  Leben  in der  Welt  gewinnen  sie  seiner  Auffassung nach  das  geistliche,  ewige  Leben,  das  dem  für  den  Abfall  von  Gott  gebührenden  „ewigen  Tod"  konträr  gegenübersteht.485  In  Form  eines  Paradoxes  drückt Tertullian  dies  in „Scorpiace" aus: Gott hebe den  „Tod" durch  den Tod  auf  und gebe das „Leben",  indem  er  es den  Gläubigen  nehme.490  Der  im  Glaubenstod  errungene  Sieg  trage,  so heißt  es  im  „Apologeticum",  als „Beute"  das „Leben  in  Ewigkeit"  davon.491  Insofern  sei  das  Leiden  der  Märtyrer  von  Gott  auf  Grund  seiner Güte zugelassen worden, denn trotz seiner Schrecklichkeit  diene es nur dem 

486

 Entsprechend  hat Georg  Kretschmar,  Die  Offenbarung des  Johannes.  Die  Geschichte  ihrer  Auslegung  im  1.  Jahrtausend,  Stuttgart  1985,  33,  den  in  allen  Siegersprüchen  verheißenen  Lohn  zusammenfassend  charakterisiert  als „Gemeinschaft  mit  Christus, ja  das  Ihm  Gleichgestaltetwerden  bis  zur Teilhabe  an  seinen  göttlichen  Funktionen".  487

  Vgl.  Anm.  458. 

488

  So  Reddish,  Theme,  140.144.148.  Anders  hingegen  Hill,  Regnum,  167-169,  der  keinen 

Grund  sieht,  die  Siegersprüche  nicht  als  Verheißungen  für  den  Zwischenzustand  zu  sehen.  489

  Scorp.  5,4f  (CChr.SL  II,  1077,9-11):  „Quid  aliud  est  adversatio  idololatriae  atque  martyrii 

quam  mortis  et  vitae?  In tantum  vita  martyrio  deputabitur,  quantum  morti  idololatria";  Adv.Marc.  IV,  21,9  (CChr.SL  I,  599,8).:  „...  qui  animam  suam  propter  deum  perdit  servat  illam.";  vgl.  Scorp.  11,2  (CChr.SL  II,  1090,12-14).  490

  Scorp.  5,9  (CChr.SL  Π,  1078,5-9):  „Deum  vero  et  quidem  zeloten  culpandum  existimabis, 

si  voluit...  mortem  morte  dissoluere,...,  vitam  auferendo  conferre  ...".  491

  Apol.  50,2  (CChr.SL  I,  169,9-11):  „Ea  victoria  (sc.  in  martyrio)  habet  et  gloriam  placendi 

deo  et praedam  vivendi  in aeternum." Die  Teilhabe  an  der  „vita  aeterna" erscheint  für Tertullian  als  zentrales  Ziel  aller  christlichen  Tugend  (vgl.  De  mon.  10,6;  CChr.SL  II,  1246,430· 

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Martyrium  als  Weg  zu  himmlischem  Ruhm 

Heil  der Christen, nämlich der Erlangung  des  ewigen  Lebens.492 Die  Würdigung  des  Martyriums  beruht  also  auf  einer  spezifisch  christlichen  Betrachtung  der  Kategorien  „Leben"  und  „Tod",  innerhalb  derer  dem  physischen  Leben  der  geistliche  Tod,  dem  physischen  Tod  hingegen  das  geistliche  Leben  zugeordnet  ist.493  Eine nach außen ähnlich paradox erscheinende Auffassung des  Märtyrertodes  zeigt  sich  im  Blick  auf  die  in  der  konkreten  Verfolgungssituation  bestehenden  rechtlichen Bedingungen  und Machtverhältnisse494,  denn die Verurteilung  seitens  der  menschlichen  Gegner  bewirke  den Freispruch  durch  Gott.495  Die  von  den  Menschen Verurteilten erscheinen als der göttlichen Verurteilung  entzogen496 und  erhalten im kommenden Weltgericht ihrerseits die Richterfunktion gegenüber  den  irdischen  Richtern:  „...  vos  estis  de  iudicibus  ipsis  iudicaturi."497  Hinter  dieser  Vorstellung  der Verschonung  der Märtyrer von der ewigen  Verdammnis  und der  Erwartung  ihrer  Teilhabe  am  Weltgericht  steht  die  Überzeugung  von  der  Vergebung  aller  Sünden durch das Martyrium,  d.h.  der absoluten  Sündlosigkeit  und  Reinheit  der für den Namen  Christi  Gestorbenen. 

492

  Scorp.  5,7  (CChr.SL  II,  1077,24­1078,26):  „Sic  et  martyria  desaeviunt,  sed  in  salutem.  Licebit  et  deo  in  vitam  aeternam  per  ignes  et  gladios  et  acerba  quaeque  curare."  493  Zu  dieser  Wertung  vgl.  z.B.  den  gegen  eine  Verhinderung  seines  Martyriums  gerichteten  Wunsch  des  Ignatius:  „Hindert  mich  nicht  zu  leben,  wollt  nicht,  daß  ich  sterbe."  (Ign.Rom.  4,2)  494   Vgl.  Ad  Scap.  5,1  (CChr.SL  II,  1131,1):  „Crudelitas  vestra  gloria  est  nostra."  495

  Apol.  50,16  (CChr.SL  I,  171,71­73):  „Ut  est  aemulatio  divinae  rei  et  humanae,  cum  damnamur  a  vobis,  a  Deo  absolvimur."  Vgl.  Ad  nat.  I,  1,10  (CChr.SL  I,  12,4­6):  „Si  denotatur,  gloriatur;  ...  damnatus  gloriatur."  496  Vgl. De fuga 9,4 (CChr.SL  II,  1147,35f): „,Publicans',  inquit (sc.  spiritus  sanctus),  ,bonum  tibi  est;  qui  enim  non  publicatur  in hominibus,  publicatur  in  Domino'";  Scorp.  12,8  (CChr.SL  II,  1093,116):  „...  mortis  venia(..)  secundae  ...".  497   Ad  mart.  2,4  (CChr.SL  I, 4,14).  Nach  Ernst  Dassmann,  Sündenvergebung  durch  Taufe,  Buße  und  Märtyrerfürbitte  in  den  Zeugnissen  frühchristlicher  Frömmigkeit  und  Kunst,  Münster  1973,  181, stellt  die  Vorstellung  der  Assistenz  der  Märtyrer  beim  Weltgericht  eine  Weiterentwick­ lung  der  alten  Erwartung  einer  Teilhabe  am  Reich  Gottes  und  an  der  Herrschaft  Christi  dar.  Die  richterliche  Funktion  der  Märtyrer  im  Weltgericht  wurde  seit  dem  3.  Jhdt.  in  besonderer  Weise  betont: Vgl. Hipp.,  In Dan.  11,37,4; Orig.,  Exhort.ad  mart. 28  ; Dionysios  von  Alexandrien  (Eus.,  HE  VI,  42,5);  (Cypr.),  ep.  31,3;  Cypr.,  ep.  6,2;  ep.  15,3;  auf  diese  Vorstellung  weist  auch  Pass.Perp.  17,2 (Habermehl,  Passio,  22) hin:  „notate  vobis  facies nostras  diligenter,  ut recognoscatis  nos  in  die  ilio". Zu  weiteren Belegstellen  aus den Märtyrerakten  vgl.  Karl  Holl,  Die  Vorstellung  vom  Märtyrer  und  der  Märtyrerakte,  in:  GesAufs.  II (1928),  86;  Achelis,  Christentum,  Bd.  II,  Exkurs  90. 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

209 

4.5.2  Das  Martyrium  als Mittel  zur vollkommenen  Sündenvergebung  Die bereits seit Mitte des 2. Jahrhunderts  in der  altkirchlichen  Martyriumstheolo­ gie aufzuweisende Sicht des Märtyrertodes  als einer zur Taufe in Parallele  gesetz­ ter Möglichkeit  der  Sündentilgung498  spielt auch  in Tertullians  martyrologischem  Konzept  eine  wesentliche  Rolle.  Daß  er  in  selbstverständlicher  Weise  von  einer  sündenvergebenden  Wirkung  des  Martyriums  ausgeht,  zeigt  sich  daran,  daß  bereits die katholische  Schrift „De  baptismo"499  eine  ausgeführte  Parallelisierung  zwischen  dem  Martyrium  und  der  Taufe  bietet,  die  alle  auch  für  die  Folgezeit  wesentlichen  Elemente  der Vorstellung  vom Martyrium  als Mittel  der  Sündenver­ gebung  enthält.500  Nach  einer  antihäretisch  und  antijüdisch  ausgerichteten  Ein­ schärfung der  Einheit  und  Einmaligkeit  der  Taufe501 kommt  Tertullian  in  diesem 

498  Vgl.  Didask.  20;  Herrn.,  Sim.  IX,  28,6.  Da  es  für den  „Hirten  des  Hermas"  nur  eine  Buße  für nach  der Taufe  wieder  in  Sünde  gefallene Christen  gibt  (Herrn.,  Mand.  IV,  3,6),  ist  das  Marty­ rium  die einzige  Möglichkeit,  nach  erneutem  Sündigen  Vergebung  zu  erlangen.  Eine  ausdrückliche  Parallelisierung von Taufe und Martyrium hinsichtlich  ihrer sündenvergebenden  Kraft findet sich bei  Melito  von  Sardes,  Frgm.  12. Zur  Zeit  Tertullians  wird  der  Charakter  des  Martyriums  als  zweiter  Taufe  bezeugt  durch  Pass.Perp.  18,2;  21,2  (Habermehl,  Passio,  22;  26).  Daß  die  Übertragung  der  Taufterminologie  auf  das  Martyrium  darauf  beruhte,  daß  das  im  Leiden  fließende  Blut  mit  dem  Wasser  in  Verbindung  gesetzt  wurde,  die beide  die  Sünden  „abwaschen"  (vgl.  Gramaglia,  Semanti­ che,  958,  Anm.  27),  wird  durch  Pass.Perp.  21,2f.  nahegelegt:  „Et  statim  in  fine  spectaculi,  leopardo  eiecto,  de  uno  morsu  tanto  perfusus  est  sanguine,  ut  populus  revertenti  illi  secundi  baptismatis  testimonium  reclamaverit:  Salvum  lotum,  salvum  lotum.  Plane  utique  salvus  erat qui  hoc  modo  (sc.  sanguine)  laverat."  Zu  dem  Ruf  „salvum  lotum",  einem  antiken  Badewunsch,  vgl.  Franz  Josef  Dölger,  Gladiatorenblut  und  Märtyrerblut.  Eine  Szene  der  Passio  Perpetuae  in kultur­  und  religions­ geschichtlicher  Beleuchtung,  in: Vorträge  der  Bibliothek  Warburg  III,  Leipzig  1926,  196­214.  Für  die  alexandrinische  Theologie  belegt  Clem.Al.,  Strom.  IV,73,l­4;  74,3  zur  gleichen  Zeit  den  Gedanken  einer  durch  das  Martyrium  bewirkten  vollständigen  Buße  für alle  Sünden.  499  Die  genaue  Datierung  dieses  Traktates  ist allerdings  umstritten.  Zumeist  wird  er  in  die  Zeit  zwischen  198 und  206  eingeordnet:  So setzt  z.B.  Raymond  F.  Refoulé,  Tertullien.  Traité  du  bapte­ me,  Paris  1952,  12,  „De  baptismo"  in  die  Zeit  zwischen  200  und  206.  Ernest  Evans,  Tertulliano  Homily  on  Baptism.  The  Text  edited  with  an  Introduction,  Translation  and  Commentary,  London  1965,  XI,  geht  von  einer  Entstehungszeit  um  200  aus.  Zu  weiteren  entsprechenden  Datierungsvor­ schlägen  vgl.  Braun,  Deus  Christianorum,  570,  der  selbst  „De  baptismo"  ebenfalls  in  diesen  Zeit­ raum  einordnet.  Daneben  finden  sich  aber  in  der  Forschung  auch  Datierungen,  die  diesen  Traktat  ganz an den  Beginn  der  literarischen  Wirksamkeit Tertullians,  d.h. noch  vor  198, ansetzen;  zuweilen  wird  „De  baptismo"  sogar  als  erste  Schrift angesehen  (so  z.B.  bei  Roberts,  Theology,  86).  Mangels  zeitgeschichtlicher  Hinweise  muß  eine  genaue  zeitliche  Einordnung  dieses  Traktates  letztlich  aber  hypothetisch  bleiben.  500  Nach  Franz  Josef  Dölger,  Tertullian  über  die  Bluttaufe  ­  Tertullian  De  baptismo  16,  in:  AuC  II  (1930),  123,  legt  Tertullian  hier  eine  „völlig  ausgebildete  Lehre  Uber  das  Martyrium  als  Bluttaufe"  dar.  501   De  bapt.  15,1­3  (CChr.SL  I,  290,4­20).  Zu  dem  Verständnis  diese  Passage  vgl.  Evans,  Homily,  92­94. 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

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Traktat  auf  die  einzige  Ausnahme  von  der  Bestimmung  „de  uno  lavacro"502  zu  sprechen. Neben  der Wassertaufe gebe  es ein „secundum  lavacrum"503,  die  Bluttaufe. In dem Sinne, in dem Christus von seinem eigenen Leiden  als  „baptismus"  gesprochen habe, könne auch das Martyrium der Christen als eine Taufe verstanden werden.504 Nach  l.Joh 5,6 sei Christus „per aquam et sanguinem"  gekommen,  um  im  Wasser  getauft,  im  Blut  aber  verherrlicht  zu  werden.505  Um  auch  die  Christen  durch  die  Wassertaufe  zu  Berufenen  zu  machen,  durch  die  Bluttaufe  sogar  zu  Auserwählten,  habe  Christus  beide  Taufen  eingesetzt,  wie  Tertullian  exegetisch  unter Rückgriff auf Lk  19,34  erweist: Die  Wassertaufe  wie  auch  die  Bluttaufe seien aus Christi durchbohrter Seite,  aus der Wasser und Blut  geflossen  seien,  hervorgegangen.506  Die  Bluttaufe  erscheint  dabei  in  Tertullians  Ausführungen hinsichtlich ihrer Wirkung gegenüber der Wassertaufe als überlegen: Während  die  Christen  durch die Taufe zwar zu  den  „vocati" gehörten,  gelangten  sie 

502

  De  bapt.  15,3  (CChr.SL  I,  290,20).  „lavacrum"  wird  nach  Dölger,  Bluttaufe,  124,  von  Tertullian  als  ein  „feierliches Wort  für die Taufe"  verwendet.  503   De  bapt.  16,1  (CChr.SL  I,  290,1).  Ähnliche,  das  Martyrium  direkt  mit  der  Taufe  parallelisierende  Bezeichungen  finden  sich  bei  Tertullian  noch  mehrfach:  „lavacrum  sanguinis"  (Scorp. 6,9; CChr.SL  Π,  1080,10);  „secunda  intinctio" (De pat.  13,7; CChr.SL  I, 314,26f); „aliud  baptisma" (De pud. 22,9; CChr.SL Π,  1329,44); „secundum  (baptisma)"  (De  pud.  22,11;  CChr.SL  II,  1329,47).  In  Scorp.  6,10  (CChr.SL  II,  1080,14)  verwendet  er  für  das  Martyrium  sogar  nur  „lavacrum".  504  De bapt.  16,1 (CChr.SL  I, 290,1­3):  „Est quidem  nobis etiam  secundum  lavacrum,  unum  et  ipsum,  sanguinis  scilicet,  de  quo  dominus:  Habeo,  inquit,  baptismo  tingui,  cum  iam  tinctus  fuisset." Tertullian  greift hier  auf  Lk  12,50  zurück;  daß  diese  Stelle  im  3.  Jhdt.  vielfach auf  das  Martyrium  als  Bluttaufe bezogen wurde, belegen z.B. Orig., Comm.  in Joann.  VI, 43.56;  Exhortad  mart.  30.37; Cypr., ep. 73,22; Ps.­Cypr.,  De rebapt.  14. Die  Formulierung  „unum  et  ipsum"  zeigt,  daß Tertullian  die  Bluttaufe genauso  wie  die  Wassertaufe an die Kirche  bindet.  Die hier  deutlich  werdende  Vorstellung,  daß  allein die Kirche  wahre  Märtyrer  hervorbringt,  findet sich  bereits  bei  Irenaus:  Adv.haer.  IV,  33,9.  Eine besondere Rolle spielt sie 50 Jahre später bei  Cyprian.  Vgl.  Kap.  5.3.  505  De bapt.  16,1 f (CChr.SL I, 290,4­6): „Venerat enim per aquam et sanguinem sicut Iohannes  scripsit,  ut aqua tingueretur,  sanguine  glorificaretur."  506  De bapt.  16,2 (CChr.SL 1,290,6­291,9): „Proinde nos facere aqua vocatos sanguine  electos  hos  duos  baptismos  de  vulnere  percussi  lateris  emisit  (sc.  Christus),  quia  qui  in  sanguinem  eius  crederent aqua  lavarentur, qui aqua  lavissent  et  sanguine  oporterent."  Bei  der  Verbindung  von  Lk  12,50,  l.Joh  5,6 und Joh  19,34 als Schriftbelege für das Verständnis  des  Martyriums  als Bluttaufe  muß es sich nach Dölger, Bluttaufe,  124, um einen „bereits ausgebildeten  Schriftbeweis des 2. Jahr­ hunderts" gehandelt haben, denn  in selbstverständlicher  Weise werden zumindest  Lk  12,50 und Joh  19,34 von Tertullian  auch  in De pud. 22,10 (CChr.SL II,  1329,44­46) zur exegetischen  Untermaue­ rung des Verständnisses  des Martyriums  als zweiter  Taufe verwendet.  Die  Deutung des  nach  Joh  19,34 aus der  Seitenwunde Jesu  fließenden  Wassers  und  Blutes  auf Taufe und  Martyrium  wird  in  der Mitte  des  3. Jhdts.  aufgenommen in De rebapt.  14 (CSEL 111,3,87,15.26ff). 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

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nur durch das Martyrium  in den  exklusiven  Kreis  der „electi".507  Seine  Darlegungen  zur Bluttaufe  abschließend  stellt  er heraus,  daß das Martyrium  als Mittel  der  Sündenvergebung  eine zweifache Funktion habe: „Hic est baptismus qui  lavacrum  et non acceptum repraesentat  et perditum  reddit".508  Zum  einen  ersetze  es  bei  den  Katechumenen  die  noch  nicht  empfangene  Wassertaufe509,  zum  anderen  biete  es  für die bereits Getauften nach dem Verlust  ihrer Taufgnade  die  „Chance  postbaptismaler  Entsiindigung"510.  Während  das  Verständnis  des  Martyriums  als  einer  Taufe der Katechumenen  in ihrem eigenen  Blut nur an dieser einen  Stelle bei  Tertullian erwähnt wird, weist er auf die  durch das Martyrium  gegebene  Möglichkeit  zur  Erneuerung  der  durch  die  Sünde  verlorengegangenen  Taufgnade,  auf  die  Bedeutung  des Martyriums  als  „occasio  secundae  intinctionis"5",  wiederholt  hin.  Möglicherweise  zeitlich  sogar  schon  vor  den  ausführlichen  Darlegungen  in  „De  baptismo"  anzusetzen,  spielt  dieser  Gedanke  eine  wesentliche  Rolle  im  „Apologeticum".512  Zum  Abschluß  dieser  Schrift verdeutlicht  Tertullian  gegenüber  den  heidnischen  Adressaten mit seiner Hilfe die vollkommen  unterschiedliche  Wertigkeit des Märtyrertodes  in der  Sicht  der menschlichen  Gegner  der Christen  und  in  der für die  Gläubigen  entscheidenden  Sicht  Gottes.  Wer einmal  Christ  geworden  sei,  wünsche  sich  zu  leiden,  um  von  Gott  um  den  „Preis  seines  Blutes"  die  voll-

507  Nach  Dölger,  Bluttaufe,  123,  ist hinter dieser  Aussage  ein  Rückbezug  auf  Mt  22,14  zu  ver­ muten:  „multi  enim  sunt  vocati,  pauci  vero  electi."  508

  De  bapt.  16,2  (CChr.SL  I,  291,9f). 

509

 Nach  Schwarte,  Christengesetz,  196,  war  nach  Ausweis  dieser  Darstellung  „die  theologi­ sche  Reflexion  über  die  Heilsmöglichkeiten  der  ungetauften  Märtyrer  zu  einem  feststellbaren  Abschluß  gelangt.  Daraus  kann  mit  ziemlicher  Sicherheit  gefolgert  werden,  daß  es  Martyrien  Ungetaufter schon  geraume  Zeit  vor  dem  Anfang des  3. Jhdts.  gegeben  hat;  denn  nicht  theoretische  Spekulation,  sondern  die  Bedrängnis  des  Tagesgeschehens  läßt  Fragen  wie  die  nach  den  Heils­ möglichkeiten  der  ungetauften Blutzeugen  lautwerden  ..."  Den  Brauch  der  Katechumenentaufe  im  eigenen  Blut  bezeugen  auch  Hipp.,  Trad.Apost.  19,2;  Eus.,  HE  VI,  4,2f;  Cypr.,  ep.  73,22.  Obwohl  sie  als  gültiger  Ersatz  der  Wassertaufe  galt  (vgl.  Hipp.,  Trad.Apost.  19,1),  bemühte  man  sich  dennoch,  Katechumenen  noch  vor  dem  Erleiden  des  Martyriums  zu  taufen  (vgl.  Pass.Perp.  3,4;  Pass.Mont.et.Luc.  2,1;  Derebapt.  14),  da  die Taufe  andererseits  als  absolut  heilsnotwendig  angese­ hen  wurde.  Vgl.  z.B.  Herrn,  Sim.  IX,  16,3;  Tert.,  De  bapt.  12,1  (CChr.SL  1, 286,1­287,4):  „Cum  vero  praescribitur  nemini  sine  baptismo  competere  salutem  ex  illa  maxime  pronuntiatione  domini  qui  ait:  ,Nisi  natus  ex  aqua  quis  erit  non  habebit  vitam'...".  " ° D a s s m a n n ,  Sündenvergebung,  155.  511

 De  pat.  13,7  (CChr.SL  I,  314,26f). 

512

  Die  Ungeklärtheit  des  zeitlichen  Verhältnisses  zwischen  „De  baptismo"  und  dem  „Apologeticum"  hängt  mit  der  ungelösten  Datierungsfrage  des  Tauftraktates  zusammen.  Das  „Apologeticum"  wird  in  der  Forschung  übereinstimmend  in  die  Jahre  197  oder  198  datiert.  Vgl.  Kap.  2.,  Anm.  14. 

212 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

ständige „venia" für seine Sünden zu erlangen.513 Diese  Vergebung  erstrecke  sich  auf alle Vergehen:  „Omnia enim huic operi delieta donantur."514 Die  heidnischen  Adressaten  werden  von Tertullian mit dem Paradox  entlassen,  daß das, was  von  ihnen  als  Strafe gegenüber  den Christinnen und Christen gemeint  sei,  diesen  bei  Gott  zum  Besten  diene:  „...  cum  damnamur  a vobis,  a  deo  absolvimur."515  Aus  diesem Grund würden die Christen ihren heidnischen Richtern auch für deren Urteilssprüche  Dank  sagen.5" Die  den Heiden  entgegengehaltene  Ummünzung  der  von ihnen gegen die Gläubigen verhängten Todesurteile  in einen „Sieg",  der von  Gott  reich  belohnt  werde517,  beruht  also  darauf,  daß  die  Christen  eine  positive  Haltung  Gottes  zu  der  im  Martyrium  dargebrachten  Gabe  des  eigenen  Lebens  voraussetzten,  für das dieser als Ausgleich -  „compensatio"518  -  die  vollständige  Sündenvergebung gewähre. Die Aufnahme dieser Vorstellung in die apologetische  Argumentation weist daraufhin, daß Tertullian sich mit ihr im Bereich der „communis  opinio" der Alten  Kirche  befand; ihre  exponierte  Position  zum  Abschluß  des  „Apologeticums"  zeigt  die  fundamentale  Bedeutung,  die  sie  innerhalb  der  theologischen  Deutung  und  Bewertung  des  Martyriums  nach  innen  und  nach  außen für ihn hatte. 

513

 Apol.  50,15  (CChr.SL  I,  171,67­70):  „Quis  non,  ubi  requìsivit,  accedit,  ubi  accessit,  pati  exoptat,  ut  totam  Dei  gratiam  redimat,  ut  omnem  veniam  ab  eo  compensatione  sanguinis  suis  expediat?"  Nach  Evans,  Homily,  95,  bezieht  sich  diese  Stelle  auf  ein  Martyrium,  „which  makes  actual  a  baptism  not  received."  Die  Formulierung  „ubi  accessit"  macht  hingegen  deutlich,  daß  Ter­ tullian  hier  das  Martyriumsleiden  getaufter Christen  im  Blick  hat.  5U

  Apol.  50,16  (CChr.SL  I,  171,70).    Apol.  50,16  (CChr.SL  I,  171,72f).  In  Tertullians  Perspektive  relativiert  das  Urteil  Gottes  dasjenige  der  heidnischen  Richter  und  macht  ihre  Bedeutungslosigkeit  offensichtlich.  Auf  den  Rückbezug  dieses  Abschlusses  des  „Apologeticums"  auf  seinen  Anfang  macht  Eckert,  Orator  Christianus,  244,  aufmerksam:  „Zugleich  sorgt  die  abschließende  Anrede  der  Verfahrensrichter  (50,16)  für  einen  interessanten  Kontrast  zur  Einleitung  Apol.  1,1.  Dort  nämlich  wurden  sie  an­ gesprochen  als Männer,  die beinahe an  der  Spitze  des  Reiches  stehen  (...).  Hier  dagegen  weitet  sich  der  Blick  zum  obersten  Richter,  der  über  der  Welt  und  auch  über  den  Statthaltern  steht.  Legt  man  dieses  Maß an, so erscheinen  die weltlichen  Gerichtsherren  unendlich  geringer  als der höchste  Gott,  was  wiederum  suggeriert,  daß  ihr  weltliches  Urteil  so  unendlich  unbedeutend  ist  gegenüber  dem  überweltlichen  Urteil  dieses  Gottes."  516  Apol.  50,16  (CChr.SL  I,  171,70):  „Inde  est,  quod  ibidem  sententiis  vestris  gratias  agimus."  Zu  dem  Dank  der  Märtyrer  für ihre Verurteilung  vgl. z.B.  Just.,  Apol.  11,2; Act.Scill.  15;  Act.Cypr.  4,3.  511  Apol.  50,2  (CChr.SL  I,  169,7­11):  „Proelium  est  nobis,  quod  provocamur  ad  tribunalia,  ut  illic sub discrimine  capitis pro ventate  certemus.  Victoria  est autem,  pro quo  certaveris,  obtinere.  Ea  victoria  habet  et  gloriam  placendi  Dei  et  praedam  vivendi  in  aeternum."  5,5

518

 Apol.  50,15  (CChr.SL  I,  171,69). 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

213 

Auch  in  der  Folgezeit  hat  Tertullian  mehrfach  auf  den  sündenvergebenden  Charakter der Bluttaufe hingewiesen.  So unterstreicht  er in  „Scorpiace"  mit  dem  Hinweis  auf die durch das Martyrium zu erlangende  Sündenvergebung  die  Forderung nach Bereitschaft zum  Märtyrertod:  Da  Gott vorhergesehen  habe,  daß  Christen  auch  nach  der Taufe wieder  in  Sünde  fallen könnten,  habe  er ihnen  mit  dem  Martyrium einen  „zweiten Trost und eine  letzte Hilfe" (secunda  solacia et  extrema  praesidia) bereitgestellt.519  In diesem  Sinne  seien  es  die  Märtyrer,  von  denen  es  in  Ps  3 2 , l f  heiße:  „Beati  quorum  dimissae  sunt  iniquitates  et  quorum  tecta  sunt  peccata.  Beatus  cui  non  inputaverit  deus  delictum"520,  denn  allein  diesen  könnten  keine  Sünden  mehr  zugerechnet  werden.52'  Der  Grund  für die  durch  das  Marty-

519   Scorp.  6,9  (CChr.SL  II,  1080,3­10):  „Prospexerat  et  alias  deus  inbecillitates  condicionis  humanae,  adversarii  insidias, rerum  taladas,  saeculi  retia, etiam  post  lavacrum  periclitaturam  fidem,  perituros  plerosque  rursum  post  salutem,  qui  vestitutum  obsoletassent  nuptialem,  qui  facu! is  oleum  non  praeparassent,  qui  requirendi  per  montes  et  saltus  et  umeris  essent  reportandi.  Posuit  igitur  secunda  solacia  et  extrema  praesidia,  dimicationem  martyrii  et  lavacrum  sanguinis  exinde  secutur­ um."  520 521

  Scorp.  6,10  (CChr.SL  II,  1080,11­13). 

  Scorp.  6,10  (CChr.SL  II,  1080,13­f):  „Proprie  enim  martyribus  nihil  iam  reputari  potest,  quibus  in lavacro ipsa vita deponitur."  Wie  die Formulierung „in  lavacro  ipsa vita deponitur"  zu  ver­ stehen  ist,  ist  in  der  Forschung  umstritten.  Die  eine  Interpretation  ist,  daß  nur  das  Martyrium  eine  endgültige  Vergebung verbürgen könne, weil  die fur den Glauben  Gestorbenen  mit ihrem  physischen  Leben  auch jegliche  Möglichkeit  zu  einem  erneuten  Sündigen  verlören.  In  diesem  Sinne  versteht  Dölger,  Bluttaufe,  127,  die genannte  Formulierung:  Den  Märtyrern  werde  nichts  mehr  angerechnet,  und  ihr  Heil  sei  gesichert,  weil  durch  das  Martyrium  „das  Leben  und  die  Möglichkeit  der  Sünde  dahinfallt". „deponere"  wäre  in  diesem  Fall  mit  „ablegen,  aufgeben,  beendigen"  zu  übersetzen:  „...  denen  in der  (Blut)taufe  das  Leben  selbst  beendigt  wird."  Das  gleiche  Verständnis  der  genannten  Stelle  zeigt  sich  auch  bei  Eduard  Lohse,  Märtyrer  und  Gottesknecht.  Untersuchungen  zur  ur­ christlichen  Verkündigung  vom  Sühntod  Jesu  Christi,  Göttingen  1955,  212.  Nach  der  anderen  Deutung  soll  mit  dieser  Formulierung  ausgesagt  werden,  daß  den  Märtyrern  durch  ihren  Tod  das  Leben,  d.h.  das  ewige  Leben,  anvertraut  sei.  Bei  diesem  Verständnis  müßte  „deponere"  im  Sinne  von  „zur  Aufbewahrung niederlegen,  sicher  unterbringen"  übersetzt  werden,  wie  es  Kellner/Esser  in: BKV  24,  201,  tun:  „Nur  den  Märtyrern  kann  im  vollen  Sinne  nichts  mehr  angerechnet  werden,  weil  ihnen  bei  der  Abwaschung  das  Leben  selbst  in  Sicherheit  gestellt  wird".  Ein  entsprechendes  Verständnis  zeigt  sich  auch  in  der  Übertragung  der  genannten  Passage  bei  Dassmann,  Sünden­ vergebung,  157:  „Allein  den  Märtyrern  kann  nichts  weiter  mehr  zustoßen,  weil  ihnen  bei  der  Ab­ waschung  das  Leben  selbst  anvertraut  wird."  Bei  der  Betrachtung  der  sonst  in  Tertullians  Werk  zu  findenden  Verwendung  von  „deponere" zeigt  sich,  daß  er das Verb  zwar  insgesamt  in seiner  ganzen  Bedeutungsbreite  (hierzu  vgl.  ThLL  V , l ,  576­585)  aufnimmt,  dabei  aber  die  „negativen"  Bedeu­ tungsgehalte  wie  „niederwerfen"  (Adv.Marc.  IV,  34,17;  CChr.SL  I,  639,20f),  „zurückhalten"  (Adv.Marc.  I,  29,2;  CChr.SL  I,  473,27f),  „ablegen,  zerstören"  (Adv.Marc.  V,  2,2;  CChr.SL  I,  666,27f),  „ablegen"  (De  mon.  12,2;  CChr.SL  II,  1247,14f)  bevorzugt;  ein  der  zweiten  Deutung  entsprechendes  „positives"  Verständnis  im  Sinne  von  „aufbewahren"  bildet  die  Ausnahme  (De  res.earn.  52,18;  CChr.SL  II,  998,70).  Dieser  Befund  könnte  zumindest  ein  unterstützendes  Argu­ ment  fur die  erstgenannte  Deutung  darstellen. 

214 

Martyrium  als Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

rium erlangte Sündenvergebung bestehe in der dadurch zum Ausdruck  gebrachten  Liebe  zu  Gott,  die -  wie  Tertullian  unter Rückgriff auf  l.Petr  4,8  aussagt -  die  „Menge der Sünden" bedecke.522 Um zu der Gnade einer „zweiten  Wiedergeburt"  (secunda regeneratio) zu gelangen,  in der auch die nach der ersten  Wiedergeburt  in der Taufe begangenen  Sünden vergeben  werden,  erwarte  Gott von dem  Menschen den hohen Preis seines Blutes.  Im Unterschied zu der Taufe eröffne dieser  aber auch den Weg  zur endgültigen  Sicherung des Heils  für die Märtyrer.523  Das  Martyrium  erscheint  hier  also  in bezug  auf den  Heilsstand  der Christinnen  und  Christen  der  Taufe  deutlich  überlegen.524  An  anderer  Stelle  desselben  Traktates  verdeutlicht  Tertullian  die  sündenvergebende  Wirkung  von  Wassertaufe  und  Bluttaufe mit Hilfe des Bildes von der Reinigung und Abwaschung  des  „Sündenschmutzes":  „Sordes  quidem  baptismate  abluuntur,  maculae  vero  martyrio  candidanti^."525 Unter Bezug  auf Jes  1,18 stellt er heraus,  daß aus dem Rot des Martyriums  das  Weiß  der  Reinheit  und  Sündlosigkeit  hervorgehen  solle.526  Durch  diese Verbindung ist auch hier eine deutliche Überlegenheit der Bluttaufe über die  Wassertaufe  ausgesagt:  Nur durch das Martyrium gelangten  die  Christen  in den 

522

 Scorp. 6,11  (CChr.SL  II,  1080,14­1081,18):  „Sic dilectio operit  multitudinem  peccatorum,  quae deum scilicet diligens ex totis viribus suis, quibus in martyrio decertat, ex tota anima sua, quam  pro deo ponit, hominem martyrem excudit." Die Vorstellung, daß das Martyrium einen Ausdruck der  Liebe  zu  Gott  darstellt,  hat  sich  auch  in  Scorp.  13,12  (CChr.SL  II,  1096,lf)  niedergeschlagen:  „Virtute enim patimur exdilectione  in deum...", ebenso im Anschlußan  l.Joh  4,18 in De fuga 14,2  (CChr.SL  II,  115,17f): „At qui  pati non timet,  iste erit perfectus in dilectione,  utique  Dei."  523   Scorp.  6,11  (CChr.SL  II,  1081,19­21):  „Sanguinem  hominis  deus  concupiscít?  et  tarnen  ausim  dicere, si et homo regnum dei, si et homo certam  salutem,  si et homo secundam  regeneratio­ nem." Die Überlegenheit  des Martyriums  über die Taufe drückt sich  auch  darin aus, daß der  Christ  durch  die  Taufe  und  den  Glauben  dem  Teufel  entkomme,  durch  das  Martyrium  ihn  aber  sogar  besiege: „Evulsum  enim hominem  de diabola gula per  fidem  iam et per virtutem  inculcatorem  eius  voluit efficere (sc. deus), ne solummodo  evasisset,  verum etiam  evicisset  inimicum." (Scorp. 6,1 ;  CChr.SL  II,  1079,6­9)  524   So  auch  Klein,  Bewußtsein,  299:  „Das  Martyrium  ist  auf diese  Weise  (d.h.  nach  der  Dar­ stellung  in  Scorp.  6)  die  Bedingung  Gottes,  die  der  Mensch  erfüllen  muß,  wenn  er  Verlangen  trägt nach dem  Reiche  Gottes, nach  Sicherheit  des  Heils,  nach  einer zweiten  Wiedergeburt.  Dem  Werte  nach  hat  sie  ...  die  erste  regeneratio  weit  hinter  sich  gelassen."  Damit  beginne  sich  in  „Scorpiace"  ein  Prozeß  zu  entwicklen,  „der  die Taufgnade zugunsten  der  Martyriumsgnade  ent­ werten  könnte".  (Klein,  Bewußtsein,  298) Zu  dieser  Entwicklung  vgl. weiter  Kap.  4.5.3.  525   Scorp.  12,10  (CChr.SL  II,  1093,6f).  Der  Begriff  „maculae"  ­  „Flecken"  weist  auf  die  Vorstellung  hin, daß der Getaufte, der wieder  in Sünde falle, sein „vestitutum  nuptialem",  mit  dem  er  sich  mit  Christus  in  der  Taufe  vermählt  habe,  befleckt  habe  (vgl.  Scorp.  6,9;  CChr.SL  II,  1080,6f).  Daß  der  „veternus  mortis"  durch  das  von  Gott  befohlene  Martyrium  beseitigt  werde,  betont  Tertullian  auch  in  Scorp.  5,12  (CChr.SL  II,  1078,26f).  526  Scorp.  12,10 (CChr.SL Π,  1093,7f): „Quia  et Eseias  ex  russeo  et coccino  niveum  et  laneum  repromittit." 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

215 

Kreis  der  Auserwählten,  in die  von  der Johannes-Apokalypse  erwartete  „Menge  der Weißgekleideten"  (multitudo  albati)527,  die  vor  Christi  Thron  stehen  und  ihm  dienen wird.528 Nach  der von Tertullian zitierten  Stelle Apk  7,14  sind  dies  diejenigen,  die  „ihre  Kleider  im  Blut  des  Lammes  gewaschen  haben".  Seine  martyrologische  Engflihrung  dieser  Stelle  zeigt  sich  deutlich  in  den  darauf  folgenden  Zeilen: Zur Erlangung der mit dem weißen  Kleid  symbolisierten  Sündlosigkeit  ist  nicht  allein  das  Sühneleiden Christi  Voraussetzung,  sondern  das  Leiden  der  Märtyrer selbst.529  In der Konsequenz  bedeutet diese  Interpretation,  daß nach  Tertullians Auffassung das Blut  Christi keine  vollständige  Sündenvergebung,  keinen  vollkommenen  Heilsbesitz  für  die  Getauften  verbürgt;  zu  ihrer  Erlangung  ist  zusätzlich  das  Vergießen  des  eigenen  Blutes  vonnöten.  Damit  führt seine  Betonung  des  singulären  Lohnes  der Blutzeugen  letztlich  zu  einer  Einschränkung  der  soteriologischen  Bedeutung  des  Todes  Christi530,  wie  sie  so  auch  in  der von  ihm  selbst zu Beginn des Traktates referierten gnostischen  Kritik an der Notwendigkeit  christlichen  Leidens  behauptet  worden  ist.531 

527

 Scorp.  12,10  (CChr.SL  II,  1093,28).  Zur  Prägung  von  Scorp.  12  durch  die  Verheißungen  der  Johannes­Apokalypse  vgl.  Kap.  4.5.1.  !28

  Vgl.  Apk  7,9­17. 

529

 Scorp.  12,10  (CChr.SL  II,  1093,1­5):  „Nam  et  rursus  innumera  multitudo  albati  et  palmis  victoriae  insignes  revelantur,  scilicet  de  Antichristo  triumphantes,  sicut  unus  de  presbyteris,  ,hi  sunt',  ait,  ,qui  veniunt  ex illa pressura  magna  et  laverunt  vestimentum  suum  et  candidaverunt  ipsum  in sanguine agni'.  Vestitus  enim  animae  caro.  Sordes  quidem  baptismate  abluuntur,  maculae  vero  martyrio  candidantur." Nach  Roloff, Offenbarung, 92, drückt  Apk  7,14 aus, daß die Gemeinde  „von  den  Sünden  befreit  (ist)  durch  die  Lebenshingabe  Christi".  Bezieht  die  Stelle  sich  nach  seiner  Auslegung  also nur auf das  Sühneleiden  Christi,  das  in der Taufe den  Christen  übereignet  wird,  geht  Müller,  Offenbarung,  183, schon  von  einem  auf die  Aktivität  der  Gläubigen  bezogenen  Verständnis  in  der  Apk  selbst  aus:  „Weil  die  Christen  durch  ihr  Verhalten  sich  zur  Erlösung  durch  das  Blut  Christi  bekannt,  sich  also  in  der  Drangsal  bewährt  haben,  gewinnen  sie  bleibenden  Anteil  an  der  einmal  geschehenen  Heilstat  Christi."  530   Vgl.  die  bei  Rambaux,  Tertullien,  383,  zu  findende  Einschätzung,  daß  die  Betonung  der  Verpflichtung zum  Martyrium  bei Tertullian  unmittelbar  mit der  geringen  Betonung  des  Opfertodes  Jesu  zusammenhänge:  „...  moins  l'on  saisit  le  caractère  décisif  et  irremplaçable  de  la  Passion,  de  cette  mort  subie  une  fois pour  toutes  à  la place  des  pécheurs,  plus  l'on  se  sent  obligé  de  payer  soi­ meme  son  salut  en  se  faisant  tuer."  Grundsätzlich  hat  J.N.D.  Kelly,  Early  Christian  Doctrines,  London  (I960) 2 ,  177,  daraufhingewiesen,  daß  die  Gedanken  des  Opfertodes  Christi  und  der  dadurch  erlangten  Sündenvergebung  bei  Tertullian  nicht  nachdrücklich  ausgearbeitet  sind:  „These  thoughts,  however,  while  they  contain  the  germ  of a doctrine  of substitution,  are  nowhere  expanded  or  worked  up  into  a  synthesis,  and  there  is  a  distinct  tendency  in  Tertullian  to  reduce  Christ's  achievement  to  „the  proclamation  of a  new  law  and  a new  promise  of  the  kingdom  of heaven"  (De  praescr.haer.  13)..."  531

  Vgl.  Kap.  4.2.1,  Anm.  79. 

216 

Martyrium  als  Mittel  zur vollkommenen  Sündenvergebung 

Was sich bei Tertullian in „De baptismo" zunächst nur durch die Formulierung  „aqua vocati sanguine electi" andeutet, findet sich also in „Scorpiace" plastischer  und eindringlicher ausgedrückt: Die Überzeugung, daß das Martyrium die Voraus­ setzung für die Auserwählung  durch Gott bilde und in diesem  Sinne die Taufe in  ihrer Bedeutung für den Heilsstand der Christinnen und Christen übertreffe ­  eine  Vorstellung, die sich ebenfalls in „De resurrectione carnis" widerspiegelt: Tertulli­ an  deutet  dort  die  in  l.Kor  15,39  zu  findende Aussage  vom  unterschiedlichen  Fleisch des Viehs, der Vögel und der Fische allegorisch  auf verschiedene  „Klas­ sen" unter den Menschen, auf deren unterschiedliche himmlische „Vorrechte" und  „Ehrenstellungen".  Die Vögel symbolisierten  die Märtyrer, die in die Höhe,  d.h.  das  Paradies,  strebten,  die  Fische  hingegen  diejenigen  Gläubigen,  denen  das  Wasser  der  Taufe  „genüge"  (sufficit).532 In  dieser  bildlichen  Gegenüberstellung  drückt sich deutlich das Zurücktreten der Taufe gegenüber dem Martyrium in ihrer  Bedeutung  für den Heilsstand  der Gläubigen  aus.  Eine zentrale Rolle spielt die Betonung der durch das Martyrium  ermöglichten  Sündenvergebung  für Tertullian zuletzt noch in dem montanistischen  Traktat  „De  pudicitia", in dem es ihm um die rigorose Ablehnung  einer Vergebung  der Kapi­ talsünden  durch  die  Buße  geht;  in  diesem  Kontext  erscheint  das  Martyrium  als  einzige Möglichkeit der Vergebung postbaptismaler Sünden. Im Zuge einer Ausle­ gung des Gleichnisses vom verlorenen  Sohn lehnt er in dieser Schrift die Deutung  des  Sohnes  auf  den  wieder  in  Sünde  gefallenen  Christen  ab,  dem  Gott  nach  entsprechender  Reue  Vergebung  anbiete;  durch  eine  solche  Deutung,  die  auch  Kapitalsündern  Verzeihung anbiete, werde der auf der Festigkeit  der  „disciplina"  beruhende  Heilsstand  untergraben.5"  Wer  etwas  wiedererhalten  könne,  brauche  sich ja nicht zu bemühen, es zu bewahren, so daß durch die Zusage der Vergebung  auch  schwerer  Sünden  die  „Begierde  nach  den  Vergehen"  geradezu  angefacht 

532

  De  res.earn.  52,1 If  (CChr.SL  II, 997,40-49):  „Sine  dubio  ad hoc  dirigit,  non  omnis  caro  eadem  caro,  non  ad  denegandam  substantiae  communionem  sed  praerogativae  peraequationem,  corpus honoris,  non generis,  in differentiam redigens...  Alia caro volatilium,  id est martyrum, qui ad  superiora  conantur,  alia  piscium,  id  est  quibus  aqua  baptismatis  sufficit." Zu  dem  Aufstieg  der  Märtyrer  „ad  superiora"  vgl.  De  fuga  1,4  (CChr.SL  Π,  1136,32-34),  zu  der  Deutung  von  „sublimiora" im  Sinne  von  Aufstieg  zum  Paradies  bzw.  Himmel  vgl.  De  an.  55,2  (CChr.SL  II,  862,10).  533  De  pud.  9,8  (CChr.SL  II,  1297,32-34):  „Totum  autem  statum  salutis  in tenore  diseiplinae  constitutum  subvertí videmus ea interpretatione, quae ex diverso adfectatur." Tertullian bekämpft hier eine Auslegung, die er selbst in De paen. 8,6-8 (CChr.SL I, 335,21-336,34) noch vertreten hatte.

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

2 1 7 

werde.534  Wenn  überhaupt  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  auf  eine  Form  der  Sündenvergebung  angewendet  werden  könnte,  dann  ­  so  gesteht  Tertullian  ganz  am Ende  seiner entsprechenden  Auslegung  zu ­ ausschließlich  auf das  Martyrium,  „  ...  quod  solum  omni  substantia  prodacta  restituere  filium  poterit  ..."." 5  Ebenso  könnten  auch  die  Gleichnisse  von  der  verlorenen  Drachme  und  dem  verlorenen  Schaf  nur  auf  das  Martyrium  bezogen  werden,  nicht  aber  auf  eine  anderweitig  ermöglichte  Sündenvergebung. 536  Vor  dem  Hintergrund  der  in  „De  pudicitia"  ver­ tretenen  Überzeugung  Tertullians  von  der  Unvergebbarkeit  schwerer  Sünden  durch  die  Buße  erhält das Martyrium  hier  also  die  Funktion  der einzigen  Möglich­ keit  zur Entsühnung.  Die  Verwendung  des  Verbs  „restituere"  537 zeigt  dabei  deut­ lich,  daß  das  Martyrium  hier  die  Rolle  zugewiesen  bekommt,  die  in  Tertullians  katholischer  Bußlehre  die  Buße  innehatte:  Die  von  der  Nachsicht  Christi  gebote­ ne,  einmalige  Möglichkeit,  das  wiederherzustellen  (restituere),  was  durch  die  Sünde  verloren  gegangen  ist.538  An  einer  weiteren  Stelle von  „De pudicitia"  taucht  der  Gedanke  von  der  Funk­ tion  des Martyriums  als  einziger  Möglichkeit  zur  Entsühung  noch  im  Zusammen­ hang  der von  Tertullian  vertretenen  Ablehnung  der  Sündenvergebungsvollmacht  der  Märtyrer 53 '  auf;  das  Schwergewicht  der  Argumentation  liegt  dort  darauf,  daß  eine  Vergebung  schwerer  Sünden  nur  durch  ein eigenes, selbst erlittenes  Marty­ rium  möglich  sei.  Gegen  den  Brauch  einer  von  Märtyrern  vollzogenen  Sün­ denvergebung  betont  er, daß  es diesen  genug  sein  solle,  durch  das  Martyrium  ihre  eigenen  Sünden  zu  tilgen;  keinesfalls  sollten  sie  das  auf  andere  Christen  über­ tragen  wollen,  was  sie  selbst  um  einen  hohen  Preis  erlangt  hätten.540  Schwere  Vergehen  könnten  nur  „durch  ein  eigenes  Martyrium"  (proprio  martyrio)  getilgt 

534

  De  pud.  9,10  (CChr.SL  II,  1297,44-1298,46):  „Quis  enim  timebit  prodigere,  quod  habebit 

postea  recuperare?  Quis  curabit  perpetuo  conservare,  quod  non  perpetuo  poterit  atnittere?  Securitas  delieti  etiam  libido  est  eius."  535

  De  pud.  9,21  (CChr.SL  II,  1299,940-

536

 De  pud.  9,21  (CChr.SL  II,  1299,92-98):  „Denique  si  aiiorsum  parabolas  transducere  liceret, 

ad  martyrium  potius  dirigeremus  spem  illarum,  quod  solum  omni  substantia  prodacta  restituere  filium  poterit  et  drachmam  inter omnia  licet  in  sterrare  repertam  cum  gaudio  praedicabit,  et  ovem  per  aspera  quaeque  et  aprupta  fugitivam  humeris  ipsius  Domini  in  gregem  referet."  537

  D e  pud.  9,21  (CChr.SL  II,  1299,94f).  : 

538

  D e  paen.  7,11  (CChr.SL  II,  334,40-42). 

539

  Zu  Tertullians  Haltung  zur  Sündenvergebungsvollmacht  von  Märtyrern  vgl.  ausfuhrlich 

Kap.  5.2.2  540

  De  pud.  22,2  (CChr.SL  II,  1328,20-22):  „Sufficiat martyri  propria  delieta  purgasse.  Ingrati 

vel  superbi  est  in  alios  quoque  spargere,  quod  pro  magno  fuerit  consecutus." 

218 

Martyrium  als  Mittel  zur vollkommenen  Sündenvergebung 

werden,  nicht  aber  durch  ein  fremdes.541 Die  Ablehnung  einer  Übertragung  der  durch ein Martyrium erlangten Sündenvergebung auf andere Christen unterstreicht  Tertullian  exegetisch  durch  die  Aufnahme  von  Lk  12,50  und  Joh  19,34.  Aus  diesen folge, daß das Martyrium ein „aliud baptisma" sei. Wenn ein Christ durch  die zweite Taufe die Sündenvergebung für einen anderen erwirken könnte,  müßte  er dies auch durch die erste können; da letzteres aber nicht möglich ist, ist die von  Tertullian  implizit  ausgedrückte Folgerung,  daß  auch  ersteres nicht zutrifft: Die  durch  ein  Martyrium  erlangte  Sündenvergebung  kann nicht  auf andere  Christen  ausgedehnt  werden.542  Die  von  ihm  vertretene  rigorose  Ablehnung jeder  Mög­ lichkeit  zur  Vergebung  schwerer  Sünden  außer  durch  das  eigene  Martyrium  schließt also eine Übertragung der in einem anderen Martyrium erlangten  Sünden­ vergebung aus. Mit dieser Einschränkung wendet er sich auch gegen die Vorstel­ lung einer  Fortsetzung  des sühnenden  Leidens  Christi  im Leiden  der Märtyrer543  und  behält  die  auf  andere  übertragene  Entsühnung  ausschließlich  der  Passion  Christi  vor.544 Im Blick  auf die für andere  zu erlangende Erlösung  durch  Leiden  und  Tod  bleibt  die  singulare  soteriologische  Bedeutung  des  Todes  Christi  also  gewahrt, wobei die Herausstellung dieser Differenz zwischen dem Leiden  Christi  und  demjenigen  der  Märtyrer  hier  aber  nicht  viel  mehr  als  ein  unterstützendes  Argument  gegenüber  dem  von  ihm  abgelehnten  Märtyrerprivileg  darstellt.  An  keiner Stelle wird deutlich, daß es ihm prinzipiell um die Wahrung des Abstandes  zwischen  den  Blutzeugen  und  Christus  geht;  vielmehr  zeigt  sich  ­  wie  oben  erwähnt ­  zum Teil sogar eine Einschränkung der soteriologischen Bedeutung des  Todes  Christi. 

541

  De  pud.  22,9  (CChr.SL  II,  1329,41-43):  „Cum  tarnen  moechis  et  fomicatoribus  a martyre  expostulas  veniam,  ipse confiteris eiusmodi  crimina nonnisi  proprio martyrio, diluendo,  qui  praesumis  alieno."  542

 De  pud.  22,9-11  (CChr.SL  II,  1329,43-47):  „Quod  sciam,  et  martyrium  aliud erit  baptisma.  Habeo enim, inquit, et aliud baptisma.  Unde et ex vulnere  lateris dominici  aqua et sanguis,  utriusque  lavacri  paratura  manavit.  Debeo  ergo  et  primo  lavacro  alium  liberare,  si  possum  secundo."  Zur  Interpretation dieser  Stelle  vgl.  auch  LeSaint,  Treatises,  297:  „Since  it is impossible  for me to  wash  away another's  sin by receiving the lavacrum aquae for him,  neither is it possible for me to free him  from  his  sins  by  receiving  the  lavacrum  sanguinis  in  his  stead.  If  I  were  able  to  receive  second  Baptism  for another,  there  is  no reason  why  I should  not  be  able  to  receive  first  Baptism  for him  also."  543   Zur  Verbreitung  dieser  an  Kol  1,24  anknüpfenden  Vorstellung  in  der  Alten  Kirche  vgl.  Lods,  Confesseurs,  55f.  544  De pud. 22,4  (CChr.SL  II,  1328,22f): „Quis alienam mortem sua soluit,  nisi  solus  Dei  filius?" 

Martyrium  als  Mittel  zur  vollkommenen  Sündenvergebung 

2 1 9 

Die  Übersicht  über  die  Stellen,  in  denen  die  Vorstellung  vom  Martyrium  als  Weg zur vollkommenen  Sündenvergebung  auftaucht, zeigt, daß diese von  Tertullian  in  sehr  unterschiedlichen  Kontexten  rezipiert  worden  ist:  im  Rahmen  seiner  Tauftheologie,  innerhalb  der  apologetischen  Argumentation,  in  der  Martyriumsexhortation  und  in  seiner  montanistischen  Bußlehre.545  Das  Martyrium  erscheint  dabei  zum  einen  als  Ersatz  der  Taufe,  zum  anderen  -  und  das  ist  für  Tertullian  der weitaus  bedeutsamere  Gedanke  -  als  Ersatz  der  Buße.546  Während  aber  in  „De  baptismo" und  dem  „Apologeticum"  noch  nicht  die  Rede  davon  ist,  daß dem Martyrium die Funktion der Vergebung  postbaptismaler  Sünden  exklusiv  zukomme,  erscheint  es  in  „Scorpiace",  expliziter  noch  in  „De  pudicitia"  als  einzige  Möglichkeit,  die  Vergebung  schwerer  Sünden  zu  erlangen547;  diese  Entwicklung  stellt das Pendant zu der von  Tertullian parallel  zu  seinem  zunehmenden  ethischen Rigorismus  entwickelten Vorstellung von  der Unvergebbarkeit  schwerer  Sünden  durch  die  Buße  dar.  Damit  hängt  sie  unmittelbar  zusammen  mit  der  besonders  nachdrücklich  in „De pudicitia" explizierten  Auffassung von  der reinen  und  heiligen  Kirche,  die  sich  als  „virgo  sponsa"548  „heilig  und  ohne  Schand-

545

  Bezeichnenderweise  finden  sich  in  der  katholischen  Bußschrift  „De  paenitentia",  in  der  Tertullian  noch  von  der  Möglichkeit  der  Vergebung  schwerer  postbaptismaler  Sünden  durch  die  Buße  ausgeht,  keine  Ausführungen  zum  sündenvergebenden  Charakter  des  Martyriums.  546

 Auffällig ist dabei,  daß  Tertullian  nicht  die  Vorstellung  eines  im  Martyrium  dargebrachten  „Opfers"  aufgreift.  Hierin  unterscheidet  er  sich  signifikant  von  Ignatius,  für  den  die  Opfervor­ stellung  zentral  ist  (Eph.  8,1;  18,1;  21,1;  Smyrn.  10,2;  Rom.  4,2;  Pol.  2,3;  6,1),  dem  „Martyrium  Polycarpi"  (Mart.Pol.  14,lf)  sowie  von  Cyprian  (ep.  10,4,3;  CChr.SL  111 B,  52,75f;  ep.  57,3,2;  CChr.SL  ΠΙB,  304,69;  ep.  61,4,2;  CChr.SL  III C,  384,72;  vgl.  auch  De  dom.or.  24;  CChr.SL  III  A,  105,456).  547  Dieser  Unterschied  wird  bei  Lohse,  Märtyrer,  212,  nicht  deutlich,  wenn  er grundsätzlich  zu  Tertullians  Auffassung  von  der  Sündenvergebung  durch  das  Martyrium  bemerkt:  „Wie  Melito  erkennt  auch  Tertullian  den  Weg  der  Buße  nicht  als  Mittel  der  Entsündigung  an,  sondern  er  nennt  nur  die  Bluttaufe  als  Möglichkeit,  um  zur  Reinigung  von  den  Sünden  zu  gelangen."  Zur  Zeit  der  Abfassung  von  „De  paenitentia"  (zwischen  198  und  206)  ist  Tertullian  durchaus  von  einer  Ver­ gebung schwerer  Sünden durch die Buße ausgegangen, auch wenn diese Möglichkeit  in der ebenfalls  aus  diesem  Zeitraum  stammenden  Schrift  „De  baptismo"  nicht  gesondert  erwähnt  wird.  Dieses  Schweigen  liegt  aber  ­  wie  „De  paenitentia"  nahelegt ­  sicher  nicht  an  einer  Ablehnung  der  Buße  als  Mittel  zur  Vergebung  schwerer  Sünden  schon  zu  diesem  Zeitpunkt  bei  Tertullian,  sondern  an  dem  Charakter  und  der  Intention  des Tauftraktates, der  an  der  Frage  der  Buße  nicht  interessiert  ist.  In diesem  Sinne  erklärt  auch  Cardman,  Resurrection,  164,  den  fehlenden  Hinweis  auf  die  Buße  in  „De  baptismo":  „It  is  perhaps  understandable  that  in  a  treatise  defending  baptism  against  its  detractors  (while  also  instructing  catechumens  and  refreshing the memory  of the  faithful) Tertullian  would  be  unwilling  to  mention  the  possibility  of  or  need  for  a  further  forgivenesse  of  sins  after  baptism."  548   De  pud.  1,8 (CChr.SL  II,  1282,34­36);  De  pud.  18,11  (CChr.SL  II,  1318,47f). 

220 

Die Exklusivität  des  Martyriums 

fleck"549,  d.h. unbefleckt von der Sünde, zu bewahren hat und entsprechend  Kapitalsündern keine  Möglichkeit  der Wiederaufnahme  in Aussicht  stellen kann.550 

4.5.3  Die Exklusivität  des Martyriums  in seiner Bedeutung  für den  himmlischen  Ruhm der Christinnen und Christen  Bei  der Betrachtung der den Märtyrerinnen und Märtyrern in Aussicht  stehenden  Verheißungen  hat  sich  bereits  angedeutet,  daß  Tertullian  zumindest  in  seinen  späteren  Schriften  die  Überzeugung  vertritt,  daß  diese  einzig  den  Blutzeugen  zukämen, den anderen Gläubigen hingegen nicht. Der ausdrücklichen  Herausstellung der Exklusivität des Martyriums in bezug auf die dadurch zu erlangende Vergebung  schwerer postbaptismaler  Sünden  in „De  pudicitia" entspricht  die  Betonung der Einzigartigkeit des Glaubenstodes  im Hinblick auf den zu gewärtigenden  himmlischen Ruhm in „Scorpiace",  „De resurrectione  camis" und „De  anima".551  Eine  nachdrückliche  Hervorhebung  des  Martyriums  als  Weg  zu  besonderem  himmlischem Ruhm, dessen alle anderen Christen nicht teilhaftig werden könnten,  findet sich zunächst in „Scorpiace". Im Rahmen seiner Einschärfimg der Notwendigkeit des Martyriums charakterisiert Tertullian dort das Martyrium als von Gott  selbst den Christinnen und Christen dargebotener Möglichkeit zum Wachstum des 

549

 De pud.  18,11 (CChr.SL  II,  1318,46): „...  sancta  et sine  opprobio  ..."  Vgl.  Eph  5,27.    Vgl.  De  pud.  18,11  (CChr.SL  II,  1318,43­48):  „Haec  enim  consultata  sunt  Christi  ec­ clesiam  diligentis,  qui  se  pro  ea tradidit,  uti  earn  sanctificet emundans  lavacro  aquae  in  verbo  et  sistat  sibi  ecclesiam  gloriosam  non  habentem  maculam  aut  rugam,  utique  post  lavacrum,  sed  sit  sancta  et  sine  opprobio,  exinde  scilicet  sine ruga  vetustatis  ut  virgo,  sine  macula  fornicationis ut  sponsa, sine probro vilitatis  ut emundata";  De pud.  13,25 (CChr.SL  II) macht den  eschatologischen  Bezug dieser Forderung deutlich: Die Kirche soll am Tag des Herrn rein dastehen. Entsprechend  hat  Micaelli, La pudicité, 40, als Grund  für die  rigorose  Haltung Tertullians  zur Buße  in „De  pudicitia"  formuliert: „la nécessité de sauvegarder la pureté de l'Église qui représente,..., une sorte de présence eschatologique'. Pour lui (se. Tertullien), en effet, l'Église doit etre sans ride et sans tache post lavacrum, et il sacrifie l'indulgence à cet idéal." 551 Wobei fiir Tertullian diese beiden Aspekte unmittelbar zusammenhängen: Weil der Märtyrer alle seine Sünden durch seinen Glaubenstod getilgt hat, steht ihm ein besonderer himmlischer Lohn zu. Diese Verbindung zeigt sich auch daran, daß Tertullian, solange er nicht die Ausschließlichkeit des Martyriums als Mittel der Vergebung schwerer Sünden behauptet (vgl. Kap. 4.5.2), auch nicht die Exklusivität des Märtyrerruhms explizit herausstellt. Die Verbindung des besonderen himmlischen Ruhmes der Märtyrer und der durch das Martyrium erlangten Sündenvergebung findet sich deutlich ausgedrückt in Scorp. 12,10 (CChr.SL II, 1093,1-7): Die Auserwählten, die zu der „Menge der Weißgekleideten" gehören, sind nicht die „nur" Getauften, sondern diejenigen, die auch die „Flecken" ihres Gewandes durch das Martyrium geweißt haben: „Sordes quidem baptismate abluuntur, maculae vero martyrio candidantur." 550

Die  Exklusivität  des  Martyriums 

221

Glaubens;  es  stelle  den  „Gipfelpunkt  der  christlichen  Hoffnung" (spei  cumulus)  dar,  auf den  die  Gläubigen  ihr Streben und  ihr Verlangen  richten  müßten.552  Daß  das  letztendliche  Erreichen  eines  solchen  Zieles  in  bezug  auf  den  dadurch  vor  Gott  erlangten  Verdienst  und  den  diesem  entsprechenden  Lohn  von  anderen  Glaubensleistungen  zu  unterscheiden  sei,  erscheint  Tertullian  dabei  selbstverständlich,  denn  -  so  begründet  er  die  Unterschiedlichkeit  der  Verdienste  mit  Hilfe  von  Joh  14,2553  und  l.Kor  15,41  -  „Aut  quomodo  multae  mansiones  apud  patrem,  si  non  pro  varietate  meritorum?  quomodo  et  stella  ab  stella  distabit  in  gloria,  nisi  pro  diversitate  radiorum?"554  Menschliche  Glaubensleistung  und  der  von Gott erlangte  Lohn,  „pretia et merces"555,  stehen  für ihn in unmittelbarer  Relation  zueinander:  Im  Sinne  einer  „conpensatio"556,  eines  „Ausgleichs"  zwischen  menschlicher  Leistung  und  göttlichem  Lohn  erhält  deijenige,  der  das  meiste  einsetzt,  auch den größten Gewinn  von  Gott.557 Der höchste  Preis,  den ein  Mensch  zahlen  könne,  bestehe  im  Erleiden  von  Foltern  und  in  der  Hingabe  des  eigenen  Lebens  -  des  Liebsten,  was  der  Mensch  besitze.558  In  der  Konsequenz  dieser  Ausführungen  liegende  Überzeugung  Tertullians  ist es,  daß der Lebenshingabe  im 

552   Scorp.  6,7  (CChr.SL  II,  1080,13­16):  „Quid  nunc,  si  non  certaminis  nomine  in  martyria  fidem  exposuisset  (sc.  Deus),  sed  et  proprii  profectus,  nonne  oportebat  illam  habere  aliquem  spei  cumulum,  cui  Studium  suum  cogeret  votumque  suspenderet,  quo  eniteretur  ascendere...?"  553   Dieselbe  Stelle  dient  Tertullian  auch  in  De  mon.  10,6  (CChr.SL  II,  1243,42f)  zur  Herausstellung  der  Unterschiedlichkeit  menschlicher  Verdienste  vor  Gott.  554  Scorp.  6,7 (CChr.SL  II,  1080,17­20).  Diese  Stelle zielt  auf eine  Abhebung  des  Verdienstes  der  Märtyrer  von  demjenigen  der  Nichtmärtyrer  ab,  nicht,  wie  Hellmanns,  Wertschätzung,  50,  behauptet,  auf eine  Staffelung der  Verdienste  innerhalb  der  als  „coronati"  bezeichneten  Gruppe  der  Märtyrer.  555   Vgl.  Scorp.  6,8  (CChr.SL  II,  1080,3).  556  Scorp.  6,8  (CChr.SL  II,  1080,23);  Scorp.  6,11  (CChr.SL  II,  1081,22);  ebenso  Apol.  50,15  (CChr.SL  1,171,69).  Daß Tertullian  mit dem  Begriff „conpensatio"  die  Vorstellung einer  „Aufrech­ nung"  oder  „Ausgleichszahlung"  verbindet,  zeigt  sich  deutlich  in  De  fuga  11,2  (CChr.SL  il,  1148,13f);  Adv.Marc.  II,  20,3  (CChr.SL  I,  498,11).  557

 Hallonsten,  Satisfactio,  156,  wendet  sich  gegen  die  Vorstellung  eines  kompensatorischen  Denkens  als  Grundlage  der  tertullianischen  Sicht  des  Verhältnisses  zwischen  Gott  und  Mensch,  wobei  es  ihm  um  die  Ablehnung  eines  auf  dem  Verdienst  des  Menschen  beruhenden  Anspruchs  gegenüber  Gott  geht  (vgl.  Kap.  1).  Im  Rahmen  der  Einschärfung der  Pflicht  zum  Martyrium  kann  m.E.  aber  insofern  von  einem  „kompensatorischen  Denken"  gesprochen  werden,  als  der  Gedanke  einer  Abhängigkeit  zwischen  menschlicher  Leistung  und  göttlichem  Lohn  als  konstitutiv  erscheint.  Vgl.  den  in  Anm.  548  belegten  Gebrauch  des  Begriffs „conpensatio"  fur  das  Verhältnis  zwischen  menschlichem  Einsatz  und  göttlichem  Lohn.  558   Scorp.  6,8  (CChr.SL  II,  1080,20­24):  „Porro  si  fidei  propterea  congruebat  sublimitati  et  claritatis  aliquas  prolatio,  tale quid  esse oportuerat  illud  emolumenti,  quod  magno  constaret:  labore,  cruciatu,  tormento,  morte.  Sed  respice  conpensationem,  cum  caro  et  anima  dependitur  ­  quibus  in  homine  carius  nihil  est...". 

222 

Die  Exklusivität  des  Martyriums 

Märtyrertod  als  singulärem  Verdienst  ein exklusiver  göttlicher  Lohn  zukomme.  Diesen  Vorrang  der  Märtyrer  beschreibt  er  in  „Scorpiace"  in  bezug  auf  ihre  einzigartige  Stellung  im  kosmischen  Kampf:  Während  zwar jede  Christin  und  jeder Christ durch den Glauben bereits dem Teufel entrissen sei, könnten  sie nur  durch  das  Martyrium  zum  tatsächlichen  Sieger  über  diesen  werden.  Dadurch  gehörten  sie nicht nur zu den durch den Glauben vom Teufel Befreiten, den  „li­ berati", sondern zu der exklusiven Schar der „coronati".559 Während allen Christen  die  „salus"  zugesprochen  werde,  erlangten  nur  die Märtyrer  allein  die  „gloria".  Die  direkte  Gegenüberstellung  zwischen  allen  Gläubigen,  d.h.  denen,  die  nicht  den  Glaubenstod  sterben,  und  den  Blutzeugen  stellt  deutlich  die  Exklusivität  letzterer heraus: „evadere inimicum", „vocari in salutem", „gaudere liberati" wird  den  nur  Getauften  zugesprochen,  „evincere  inimicum",  „invitari  ad  gloriam",  "exultare  coronati"  den  Märtyrerinnen  und  Märtyrern.560  Die  für  diese  Über­ zeugung  grundlegende  Vorstellung  des  nur  im  Martyrium  letztgültig  zu  erlan­ genden „Sieges" über den Teufel spiegelt sich im selben Traktat  auch dort wider,  wo Tertullian unter Aufnahme der „Siegersprüche" aus der  Johannes­Apokalypse  den göttlichen Lohn  der Märtyrer ausmalt.561 Ausdrücklich  stellt er dabei die Be­ grenzung dieses himmlischen Ruhmes auf diejenigen heraus,  die für Gott ihr Blut  vergießen,  indem  er die in der  „Offenbarung" als Empfänger  der  Verheißungen  genannten „Sieger" (victores) ausschließlich mit den Märtyrern identifiziert: „Qui­ nam isti tarn beati victores, nisi proprie  martyres?"562 In dieser exklusiven  marty­ rologischen Deutung der „Siegersprüche" zeigt sich deutlich  die auf das Martyri­ um  bezogene  elitäre  Sicht  Tertullians  in  „Scorpiace",  zumal  es  fraglich  ist,  ob  diese  Einengung  der  Intention  der  Johannes­Apokalypse  selbst  entspricht.  In 

559

  Sowohl  „corona"  als  auch  „coronare"  finden  sich  bei  Tertullian  hauptsächlich  in  zwei  Kontexten:  1 ) auf den heidnischen Brauch der Bekränzung bezogen, 2) im übertragenen  Sinn auf den  im Martyrium  erlangten  Siegespreis  bezogen.  Daneben  finden  sich  nur zwei  Stellen,  in denen  sich  dieser  übertragene  Gebrauch  auf einen  auf andere  Weise  im  christlichen  Leben  zu  gewinnenden  „Siegespreis" bezieht. Zu diesem  Sprachgebrauch Tertullians vgl.  Anm.  598.  Diese nahezu exklusiv  auf das Martyrium  bezogene  übertragene  Verwendung  von  „corona/coronare"  legt es  nahe,  auch  in  „coronatus" eine ausschließlich  den  Märtyrern vorbehaltene  Bezeichnung  zu  sehen.  So  geht  auch  Baus,  Kranz,  183f,  davon  aus,  daß  „coronati"  bei  Tertullian  „einmal  ohne  weiteres  Märtyrer"  bedeute.  560   Scorp.  6 , l f  (CChr.SL  11,1079,11):  „Evulsum  enim  de  diaboli  gula  per  fidem  iam  et  per  virtutem inculcatorem eius voluit efficere, ne solummodo evasisset, verum etiam evicisset  inimicum.  Amavit, qui vocaverat  in salutem,  invitare et ad gloriam,  ut qui  gaudeamus  liberati, exultemus  etiam  coronati."  561   Zur Gestalt  dieses  Lohnes  vgl.  ausführlich  Kap.  4.5.1.  562

  Scorp.  12,9  (CChr.SL  II,  1093,22f). 

D i e  Exklusivität  des  Martyriums 

2 2 3 

dieser  erscheinen  zwar  vorrangig,  aber wohl  nicht  ausschließlich  die  Blutzeugen  als „Sieger"; neben  ihnen  stehen  auch  andere  standhafte Gläubige  als  Empfanger  der Verheißungen.563  Ein stärker diese Auffassung entsprechendes  Verständnis  der  in den  „Siegersprüchen" verheißenen  Belohnungen  findet sich  in Tertullians  „De  fuga in persecutione",  wo er zumindest  andeutet,  daß  sie nicht  ausschließlich  den  Märtyrern  zukämen.  Dort  heißt  es,  daß  Gott  durch  diese  Belohnungen  zum  Sieg  in dem von  ihm proklamierten  „Wettkampf ' einlade,  und  zwar  „am  allermeisten"  (vel maxime)  diejenigen, die speziell  in der Verfolgung  siegten.564  Die  Formulie­ rung „am  allermeisten"  weist  daraufhin, daß  es daneben  auch  noch  andere  Emp­ fänger der Verheißungen  geben  könne;  aber  im  eigentlichen  Sinne  sind  auch  hier  nur diejenigen, die in der Verfolgung bestehen,  die  „Sieger".  Während  Tertullian  aber  in  „De  fuga" keine  weiteren  Ausführungen zu  dem  Inhalt  der  ihnen  gebüh­ renden  Verheißungen bietet, hat er diese in „Scorpiace"  detailliert  aufgelistet  und  damit plastisch  den  singulären  Lohn  der Märtyrerinnen  und  Märtyrer  ausgemalt.  Danach wird  diesen exklusiv die Teilhabe an der Herrschafts­ und Richterfunktion  Christi und  die Erlangung  des ewigen  Lebens  zugesprochen;  nur  sie  erhalten  das  „weiße  Gewand"  als Zeichen  der Reinheit  und  Sündlosigkeit  und  werden  zu  der  „Menge der Weißgekleideten"  gehören.565 Diese Auffassung hängt unmittelbar  mit  seiner Auffassung von der exklusiven  Sündenvergebungsfunktion  des  Martyriums  zusammen: Nur  durch dieses allein werden  die „Flecken"  auf  dem  „Gewand"  der  Christinnen und  Christen, mit dem  sie sich  in der  Taufe Christus  vermählt  haben,  vollständig  geweißt.566  Auch  mit  der  Ausschließlichkeit  in  der  Zuweisung  des  „weißen  Gewandes"  an die Märtyrer  weicht  Tertullian von  ihm  bekannten  Tradi­

563

  Diese  durch  Apk  3,4f;  3,10f.20  gestützte  Auffassung  ist  allerdings  in  der  Forschung  um-

stritten.  Zur Diskussion  dieser  Frage  sowie  zu  Literatur-Belegen  fur  beide  Auffassungen  vgl.  Reddish,  Theme,  137f,  der  sich  selbst  fur ein  exklusives  Verständnis  der  „Überwinder"  im  Sinne  von  „Märtyrer"  ausspricht  (Reddish,  Theme,  148f).  Anders  äußert  sich  hingegen  Baumeister,  Anfänge,  214:  „Die  Verknüpfung  der  Verheißungen  mit  den  an  alle  gerichteten  Ermahnungen  (in  den  Sendschreiben)  und  die  Tatsache,  daß  sich  die  Siegersprüche  in  allen  sieben  Sendschreiben  finden,  zeigen,  daß  sie  sich  nicht  auf  einige  wenige,  etwa  die  Märtyrer,  sondern  auf  die  Gesamtheit  der  Christen  beziehen."  Ebenso  sehen auch  Roloff,  Offenbarung,  50f,  und  Müller,  Offenbarung,  94,  den  Kreis  der  „Überwinder"  im  Verständnis  der  „Offenbarung"  keinesfalls  auf  die  Märtyrer  eingeschränkt,  „wenn  auch  allerdings  in  ihrem  Weg  das  Wesen  solchen  Überwindens  am  klarsten  zum  Ausdruck  kommt."  564

  De  fuga  1,5  (CChr.SL  II,  1136,37-39):  „Legis  edictum  agonis  istius  in  Apocalypsi,  quibus 

praemiis  ad  victoriam  invitet,  vel  maxime  illos,  qui  proprie  vicerint  in  persecutione  ...".  565

  Scorp.  12,10  (CChr.SL  Π,  1093,1-3):  „Nam  et  rursus  innumera  multitudo  albati  et  palmis 

victoriae  insignes  revelantur,  scilicet  de  Antichristo  triumphantes  ...".  566

  Vgl.  Kap.  4.5.2,  Anm.  525. 

224 

Die Exklusivität  des  Martyriums 

tionen  wie  der  Johannes-Apokalypse  und  dem  „Hirten  des  Hermas"  ab567  und  radikalisiert sie in Richtung auf ein elitäres Martyriumsethos,  in dem die Märtyrer  und die übrigen Gläubigen nicht nur durch die Erwartung verschiedener  „himmlischer Ehrenränge", sondern eines „unterschiedlichen Heilsbesitzes" voneinander  geschieden  sind.568  So  ist  für ihn völlige  Sicherheit  des  persönlichen  Heils  ausschließlich  auf dem  Wege  des Martyriums  zu erlangen;  dem  „Heil" (salus)  aller  Getauften steht das „sichere Heil" (certa salus) der Blutzeugen  gegenüber.  Insofern kann nach Tertullian auch die Frage, ob Gott das Blut des Menschen,  d.h. das  Martyrium, verlange, bejaht werden: Wer sich seines Heil vollkommen sicher sein  wolle,  müsse  dafür sein Blut  vergießen.569  Unterstrichen  wird  diese  Ausschließlichkeit  zuletzt  auch durch die  von Tertullian  in diesem  Traktat vertretene  Auslegung  von  Mt  16,18,  nach  der  der  Schlüssel,  der  einem  Christen  den  Himmel  öffne,  sein  „Bekennen" (confiteri) sei.570 Der Kontext  legt  es  nahe,  daß mit  dem 

567

 Nach Apk 3,4 gebührt allen treuen Christen unabhängig von einem Märtyrertod ein „weißes  Kleid". Ebenso  spricht der „Hirte des Hermas" allen Gerechten  das „weiße  Kleid" zu (Herrn.,  Sim.  VIII, 2,1­4),  wodurch nach Baumeister,  Anfänge, 245f, der  den  Märtyrern  und  den  anderen  treuen  Gläubigen  „gleiche  Heilsbesitz" symbolisiert  ist. Eine ähnliche Annäherung zwischen  dem  Los  der  Märtyrer und dem der anderen Christen zeigt sich in Vis. III, 2. Norbert Brox,  Der Hirt des  Hermas.  Übersetzt  und erklärt,  Göttingen  1991,  116,  stellt  in  bezug auf diese  Stelle  heraus,  daß der  „Hirte  des  Hermas" hier „ausdrücklich eine Identität von Heil („Gaben") und  Hoffnung („Verheißungen")  fur Märtyrer  und  alle  (sündenfreien) Christen" konstatiere,  die  „Blutzeugen  aber  nach  Rang  und  Ehrenstellung  („doxa")"  abhebe.  „Es  gibt  also  relative  Unterschiede  der  Erlösten,  nicht  der  Erlösung." Daß Tertullian  den „Hirten" kannte, zeigt sich in De or.  16,If (CChr.SL I, 266,3­8);  De  pud.  10,13 (CChr.SL  Π,  1301,54f), so daß seine Haltung möglicherweise  als  bewußte  Abgrenzung  gedeutet werden kann, zumal er die Schrift in „De pudicitia" deutlich abwertet als die einzige,  „quae  moechos  amat",  und  ihre Nichtakzeptanz  auch  bei  den  Katholiken  betont  („...  ab omni  concilio  ecclesiarum,  etiam  vestrarum,  inter  apocrypha  et  falsa iudicaretur  ...").  Dem  steht  allerdings  die  breite Wirkung des „Hirten" in der Alten Kirche gegenüber, so daß  Micaelli,  La Pudicité,  in bezug  auf diese Formulierung  von  „une  exagération  polémique"  spricht.  Möglicherweise  will  Tertullian  aber  auch  auf die Nichtaufnahme  in den  bisherigen  Kanon  hinweisen.  568  Für diese Begriffe vgl. Baumeister, Anfänge, 254f, der sie zur Kennzeichnung der gegenläu­ fig ausgerichteten Haltung des „Hirten des Hermas" verwendet. Zu dieser Tendenz des „Hirten" vgl.  Anm.  567.  569   Scorp.  6,11  (CChr.SL  II,  1081,19­21):  „Sanguinem  hominis  deus  concupiscit?  et  tarnen  ausim  dicere, si et homo regnum  dei, si et homo certam  salutem, si et homo  secundam  regeneratio­ nem."  Droge/Tabor,  Death,  144,  betonen  den  Unterschied  dieser  Konzeption  zu  derjenigen  des  Clemens von Alexandrien:  Für Clemens  sei das Martyrium  „one of several  means of salvation", fur  Tertullian hingegen  „the only sure way of escape" (Hervorhebung der Autoren); ähnlich  Gramaglia,  Ai  martiri,  133,  dem  zufolge das  Martyrium  für Tertullian  „l'unico  modo  sicuro per  raggiungere  Dio"  darstelle.  570  Scorp.  10,8 (CChr.SL II,  1088,24­26):  „Nam  etsi  adhuc  clausum  putas caelum,  memento  claves eius hic dominum  Petro et per eum  ecclesiae  reliquisse,  quas  hic unusquisque  interrogatus  atque  confessus feret  secum." 

Die Exklusivität  des  Martyriums 

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Begriff „confiteri" hier Leiden  und Tod mitgemeint  sind; diese  ermöglichten  also  allein  den  Zugang  zum  Himmel.  Daß  diese  Folgerung  auch  für  die  Folgezeit  zutreffend  ist,  zeigt  sich  an  den  Stellen,  wo  Tertullian  von  dem  Aufenthaltsort  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  nach  ihrem Tod  spricht  und  diesen  unmittelbar  dem  Bestimmungsort  der  übrigen  Gläubigen  gegenüberstellt.  Während  letztere, unabhängig von  ihrer  Sittlichkeit  zu  Lebzeiten,  erst einmal  in die Unterwelt  gelangten571,  gehen  die Märtyrer  nach  „De  resurrectione  carnis" sogleich  in  das Paradies  ein;  ihnen  allein  gebühre  der  „Vor­ zug"  (praestantia)572  des  sofortigen Gelangens  zu  Christus.573  Dieser  Vorrang  der  Märtyrer in bezug auf ihren postmortalen  Aufenthaltsort wird von Tertullian  eben­ falls in „De anima" hervorgehoben:  Wie Johannes  in seiner Offenbarung des Para­ dieses574,  so  habe  auch  die  Märtyrerin  Perpetua  in  ihrer  Vision  des  Paradieses  ausschließlich  Märtyrer  gesehen575,  denn  nur  denjenigen  sei  der  Zugang  dorthin 

571   Vgl.  Hill,  Regnum,  27:  „No  degree  of  holiness  or  piety  will  suffice; virgins  and  infants,  whose  condition  of life was  ,pure'  and  , innocent',  know  no  higher  abode  than  the  good  section  of  Hades." Innerhalb der Unterwelt  gibt es nach der  Darstellung Tertullians  in „De  anima"  unterschied­ liche Regionen,  die den  Seelen der Gläubigen je nach  ihren diesseitigen Verdiensten  als  Aufenthalts­ ort bis  zum  Gerichtstag  zugewiesen  würden  und  in  der  sie  das  Gericht  in  Gestalt  von  Strafe  oder  Lohn  vorwegnähmen:  „Igitur  si quid tormenti  sive solacii  anima  praecerpit  in carcere  seu  diversorio  inferum, in igni vel  in sinu  Abrahae  ..." (De  an.  7,4; CChr.SL  II, 790,18­20).  Zu  diesem  Verständnis  des  Unterweltsaufenthaltes  als  Vorwegnahme  des  endgültigen  Schicksals  der  Seelen  sowie  grundsätzlich  zu  Tertullians  Auffassung von  der  Unterwelt  vgl.  Kap.  4.5.1,  Anm.  462.  572

  De  res.cam.  43,4  (CChr.SL  II,  978,12).   De  res.carn.  43,4  (CChr.SL  II, 978,12­979,14):  „nemo  enim  peregrinatus  a  corpore  statim  immoratur  penes  dominum,  nisi ex  martyrii  praerogativa,  paradiso  scilicet,  non  inferís,  deversurus."  574  Tertullian  identifiziert hier  das  Paradies  mit  dem  Ort  unter  dem  Altar,  an  dem  die  Märtyrer  nach  Apk  6,9f  auf  ihrer  Vergeltung  warten:  „Et  quomodo  Iohanni  in  spiritu  paradisi  regio  revelata,  qua  subicitur  altari,  nullas  alias  animas  apud  se  praeter  martyrum  ostendit?"  (De  an.  55,4;  CChr.SL  Π, 862,29­31) Nach  Campenhausen,  Idee,  125,  Anm.  8,  bilden  Apk  6,9;  20,4  die  biblischen  Aus­ gangspunkte  für die  Vorstellung  eines  besonderen  himmlischen  Aufenthaltsortes  der  Märtyrer.  573

575

  De  an.  55,4  (CChr.SL  II,  862,32f):  „Quomodo  Perpetua,  fortissima  martyr,  sub  die  passionis  in revelatione  paradisi  solos  illic  martyras  vidit...".  Tertullian  schreibt  hier  wahrscheinlich  die Vision  des  Saturus  der  Perpetua zu.  Vgl.  Habermehl,  Passio,  246,  Anm.  20;  Robeck,  Role,  218­ 223.  Das  „solos"  ist  von  ihm  in  den  entsprechenden  Zusammenhang  Pass.Perp.13,8  („...  multos  fratres  sed  et  martyras...")  eingefügt  worden.  Umstritten  ist  in  der  Forschung,  inwieweit  seine  Ergänzung sachlich  der Passio Perpetuae entspricht.  Nach  Frend,  Martyrdom,  365,  entsprechen  sich  Tertullians  Interpretation  und  die  Intention  der  Passio.  Weinrich,  Spirit,  224,  sieht  hingegen  in  der  tertullianischen  Übernahme  der  Vision  ein  Mißverständnis  der  Passio  und  weist  auf  Grund  dieser  Einschätzung  auch  die  Autorschaft Tertullians  für Pro­  und  Epilog  der  Passio  ab.  Die  Formulierung  „multos  fratres sed et martyras"  spricht  eher  dafür, daß  Saturus  die  gerechten  Gläubigen  und  unter  ihnen  auch die  Märtyrer erblickt  hat, die Vision  von Tertullian  also  einer martyrologischen  Radikali­ sierung unterzogen  worden  ist. Diese  Frage ist aber insofern letztlich  schwer  zu klären, da sich in  der  Passio  keine  expliziten  Hinweise  auf  die  postmortale  Destination  der  Nichtmärtyrer  finden. 

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Die Exklusivität  des  Martyriums 

gestattet576,  „qui  in Christo decesserint,  non  in Adam"."7  Der Kontext,  in dem  es  Tertullian um den Erweis der für alle Christen mit Ausnahme der Märtyrer geltenden Hadesdestination  geht, weist daraufhin,  daß mit denjenigen,  die „in Christus  sterben" hier nur die Märtyrerinnen und Märtyrer gemeint sind.578 Bis  zur Wiederkunft Christi sei so der einzige Weg in das Paradies das Martyrium: „Tota paradisi  clavis  tuus  sanguis  est."579 Alle  anderen  Christen  hingegen  müßten bis  zum  Tag  des  Herrn,  an dem  erst der Himmel  offenstehe580,  in der Unterwelt  bleiben.581  In  bezug auf Christologie und Soteriologie ergeben sich aus der exklusiven Paradiesdestination der Märtyrer zwei  Folgerungen: Zum einen werden die Märtyrer dem  postmortalen  Schicksal  entnommen,  das  selbst  Christus  fur  drei  Tage  erleiden  mußte -  dem Hadesinterim.582 Damit sind die Blutzeugen  letztlich genau das,  was  Tertullian  in  bezug  auf  die  anderen  Gläubigen  ironisch  ablehnt:  „servi  super 

576   Die  grundsätzliche  Verschlossenheit  des  Paradieses  drückt  Tertullian  mit  dem  Bild  der  „romphaea paradisi  ianitrix" aus (De an. 55,4; CChr.SL  II, 863,34);  er spielt damit auf Gen  3,24 an.  577  De  an.  55,4  (CChr.SL  II, 863,34f).  578  Nach  Teeuwen,  Bedeutungswandel,  52, meint „in Christo  decedere" hingegen  das  Sterben  der Christen im Gegensatz zu demjenigen der Heiden; dies entspräche zwar dem  neutestamentlichen  ,,έν  Χ ρ ι σ τ ώ  ά π ό λ λ υ μ ι "  (vgl.  z.B.  l.Kor  15,18),  paßt  aber  nicht  in  den  Argumen­ tationszusammenhang.  Tertullian will in De an. 55 zeigen, daß alle Christen genauso wie die Heiden  nach  ihrem  Tod  zuerst  in  die  Unterwelt  gelangen.  Die  einzige  Ausnahme  bildeten  lediglich  die  Märtyrer, die von Johannes und Perpetua in Visionen im Paradies gesehen worden seien; da diejeni­ gen, vor denen sich nach Tertullians Auffassung allein die Tür des Paradieses öffne, von ihm als die  bezeichnet werden, „qui in Christo decesserint", muß mit dieser Formel  der Tod durch  das  Martyri­ um  gemeint sein, dem mit „in Adam"  der natürliche Tod  gegenübergestellt  wird.  In diesem  Sinne  verstehen  auch  Hellmanns,  Wertschätzung,  52, sowie F.  Kattenbusch,  Der  Märtyrertitel,  in:  ZNW  4 (1903),  117, Anm.  1, die genannte  Stelle: „Er (sc. Tertullian) geht soweit, daß er nur die Märtyrer  als solche ansehen  will, qui  in Christo  decesserint,  non  in Adam."  Zur  Interpretation  dieser  Stelle  vgl. weiter  Kap. 4.5.1,  Anm.  445.  579  De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,40). Daß das Martyrium  der einzige  Weg in das Paradies  sei,  drückt  indirekt auch  Scorp.  12,1 (CChr.SL  II,  1092,1 Of) aus:  „... (Paulum),  quem  paradisi  quoque  conpotem  fecit (sc. Christus)  ante martyrium."  Hieronymus  hat die Aussage Tertullians  von  dem  Blut  der Märtyrer  als  „paradisi  clavis" auf das  Leiden  Christi  übertragen:  „Sanguis  Christi  clavis  paradisi  est."  (ep.  129,2,1;  CSEL  LVI,  165,4)  Vgl.  Hom.in  Luc.  16,19­31  (CChr.SL  LXXVIII,  515,296f):  „Crux  Christi  clavis  paradisi  est.  Crux  Christi  aperuit  paradisum."  Hieronymus  will  damit  die  grundsätzliche  Verschlossenheit  des  Paradieses  bis  zur  Passion  Christi  ausdrücken;  gegenwärtig  gelangen  aber  auch  bei  ihm  nur  die  Märtyrer  gleich  in  das  Paradies:  „Si  martyrium  fecerimus,  statim  in paradisum;  si  paupertatis  poenam  sustinuerimus,  statim  in  sinum  Abrahae."  (Hom.in  Luc.  16,19­31;  CChr.SL  LXXVIII,  516,304­306)  580   De  an.  55,3  (CChr.SL  II,  862,23­25):  „Nulli  patet  caelum  terra  adhuc  salua,  ne  dixerim  clausa.  Cum  transazione  enim  mundi  reserabuntur  regna  caelorum."  581   De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,40­42):  „Habes  etiam  de  paradiso  a  nobis  libellum,  quo  constituimus  omnem  animam  apud  inferos sequestrari  in  diem  domini."  582  Vgl.  Anm.  446. 

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dominum  et  discipuli  super  magistrum".583  Zum  anderen  zeigt  sich,  daß  das  Blut  der Märtyrer selbst  vonnöten  ist, um  in  das Paradies  zu  gelangen,  das von  Chri­ stus ein  für allemal vergossene Blut hingegen nicht ausreichend  ist, den  Gläubigen  diesen  Aufenthaltsort  nach  dem  Tod  zu  eröffnen.  Hierin  zeigt  sich  eine  Ein­ schränkung  der soteriologischen  Bedeutung  des Todes  Christi, die sich in Tertulli­ ans Martyrologie  auch  schon  anderweitig  angedeutet  hat.584  Explizit  hat  Tertullian  die  Unterscheidung  zwischen  der  Paradiesdestination  der  Märtyrer  und  dem  Verweilen  der  übrigen  Gläubigen  in  der  Unterwelt  nur  in  den  montanistischen  Schriften  „De  resurrectione  carnis"  und  „De  anima"  her­ ausgestellt.585  Da  der  Traktat  „Scorpiace",  in  dem  er  in  nachdrücklichster  Weise  einen Märtyrervorrang  herausstellt,  aber noch vormontanistisch  ist, kann  die  Vor­ stellung eines auf der Betonung  des Märtyrervorranges  basierenden  Unterschiedes  in  der  postmortalen  Existenz  durchaus  schon  für  seine  spätere  katholische  Zeit  vorausgesetzt  werden.  Weder  die  Herausstellung  des  besonderen  himmlischen  Ruhmes  der  Blutzeugen  noch  die  damit  unmittelbar  zusammenhängende  Erwar­ tung eines gegenüber  den übrigen  Gläubigen  privilegierten  Aufenthaltsortes  nach  dem  Tod  können  somit  als  spezifisch  montanistische  Vorstellungen  betrachtet  werden.586  Daß Tertullian  allerdings zumindest  zu Beginn  seines  Wirkens  wohl  eher  von  einer  Gleichheit  der  postmortalen  Bestimmung  der  Gläubigen  ausgegangen  ist,  wird  durch die Stellen  aus katholischen  Schriften nahegelegt,  in denen  er  im  An­ schluß  an  Phil  1,23 von  einem  unmittelbar  nach  dem  Tod  erfolgenden  Gelangen 

583

  De  an.  55,2  (CChr.SL  II,  862,140-

584

  Vgl.  Kap.  4.5.2,  Anm.  530. 

585

 So  spricht Campenhausen,  Idee,  127,  Anm.  8, denn  auch  in bezug  auf diese  Vorstellung  von  der  Übernahme  einer  „montanistischen  Sonderlehre"  seitens  Tertullians.  Stuiber,  Refrigerium  Interim,  78f,  lehnt  dies  unter  Verweis  auf  die  bereits  bei  Irenaus  vorgeformten  Elemente  dieser  Anschauung  ab  (vgl.  Iren.,  Adv.haer.  IV,  33,9  mit  V,  31,2).  Hill,  Regnum,  15f,  hat  hingegen  die  Differenz zwischen  Irenäus  und  Tertullian  betont;  in  seiner  einzigen  ausfuhrlichen  Beschäftigung  mit  der Frage  des  Zwischenzustandes  (Adv.haer.  V,  31 f) mache  ersterer  keine  Ausnahmen  von  der  allgemeinen  „lex  mortuorum",  die  für alle  Seelen  das  Gelangen  in  die  Unterwelt  vorsehe  -  „until  reunited  with  their  flesh  before  ascending  therefrom".  586  Gegen  Campenhausen,  Idee,  125-127,  mit  Anm.  8  (vgl.  Anm.  585),  sowie  gegen  die  von  Stuiber,  Refrigerium  Interim,  78,  vertretene  Auffassung,  daß  Tertullian  den  Vorrang  der  Märtyrer  in  bezug  auf das  durch  ihr Leiden  erlangte  Verdienst  und  ihren  von  Gott  zugesprochenen  Lohn  erst  in seiner montanistischen  Zeit  explizit herausgestellt  und zur eindringlichen  Ermahnung  zum  Martyrium  verwendet  habe. 

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Die  Exklusivität  des  Martyriums 

auch  anderer  Christinnen  und  Christen  zum  Herrn  spricht.587  Eine  dieser  Belegstellen  findet sich  in „De patientia",  so daß in dieser  Schrift die Erwartung,  daß  die  Märtyrer  zu  dem  „Sitz  Gottes"  gelangten,  neben  dem  für  alle  Christen  vorausgesetzten Wunsch, nach dem Tod zum Herrn zu gelangen,  steht.588 Zeitlich  noch davor anzusetzen,  geht Tertullian vermutlich  auch im „Apologeticum" von  einer Paradiesbestimmung  aller Gläubigen  aus.589 Damit verheißt Tertullian  denn  in  seiner  frühen  Schrift „Ad martyras" den Märtyrerinnen  und Märtyrern  nichts  anderes, als zur selben Zeit oder kurze Zeit später in anderen Kontexten  auch den 

587

  De  pat.  9,5  (CChr.SL  I,  309,18­310,21);  De  spect.  28,5  (CChr.SL  I,  251,15­17);  Ad  ux.  1,5,1  (CChr.SL  I,  378,5f)·  Andererseits  spricht  er  auch  noch  in  „De  exhortatione  castitatis",  d.h.  ungefähr  in  dem  Zeitraum,  in  dem  „De  anima"  und  „De  resurrectione  carnis"  mit  ihrer  klaren  Entgegensetzung  zwischen  dem Los der Märtyrer und  demjenigen der übrigen  Gläubigen  entstanden  („De  exhortatione  castitatis"  wird  zumeist  in die  Zeit  zwischen  208  und  212  datiert.  Vgl.  Braun,  Deus  Christianorum,  573;  Barnes,  Tertullian,  55, datiert  auf  208/9;  daneben  finden  sich  aber  auch  Zuweisungen  in die Zeit vorher (etwa 204­206/7).  Vgl. Braun,  Deus Christianorum,  573f), von  einer  Nichtmärtyrerin,  daß  sie  nach  ihrem  Tod  „beim  Herrn  aufgenommen  sei"  (De  exhort.cast.  11,1;  CChr.SL  Π,  1031,7: „recepta apud  dominum").  In  De  mon.  7,9 (CChr.SL  II,  1239,65f), d.h.  zeitlich  sogar  noch  nach  „De  anima"  und  „De  camis  resurrectione"  anzusetzen  (vgl.  Braun,  Deus  Christianorum,  576),  spricht  Tertullian  darüberhinaus  von  dem  „Leben"  der  Toten  „in  Christo".  Nach  Finé,  Terminologie,  198f,  spielt  die  Vorstellung  einer  unmittelbaren  Aufnahme  der  ver­ storbenen  Christen  „apud  dominum"  bei  Tertullian  insgesamt  keine  bedeutende  Rolle;  wo  er  sie  aufnehme, sei  sie  durchgängig  einer  „ganz anders  ausgerichteten  Polemik  untergeordnet."  So  geht  es  in  De  mon.  7,8f  um  die  Frage,  ob  Christen,  die  „sacerdotes  a  Christo  vocati"  seien,  an  einem  Begräbnis teilnehmen  könnten,  da nach Lev 21,11 j a  allen Priestern  der Umgang  mit Toten  untersagt  sei.  Nach  Tertullian  ist  diese  Vorschrift  deshalb  für Christen  nicht  gültig,  da  es ja  keine  „Toten"  seien,  die  sie  begrüben,  „quia  et  illi vivunt  in  Christo"  (De  mon.  7,9;  CChr.SL  II,  1239,65f).  Der  Hinweis  auf das  „Leben"  der  Toten  in  bzw.  bei  Christus  bildet  hier  also  die  Voraussetzung  dafür,  daß  die genannte  Vorschrift als  nicht  zutreffend abgelehnt  werden  kann.  Finé,  Terminologie,  198,  bietet  allerdings  eine  unzutreffende  Deutung  des  Zusammenhangs:  Es  gehe  hier  um  die  „Recht­ fertigung des  christlichen  Begräbnisses  durch  den  Priester."  Vielmehr  betont  Tertullian  in  diesem  Zusammenhang den priesterlichen  Stand aller Gläubigen, um mit diesem Argument  alle Christen  zur  Monogamie  verpflichten  zu  können  (De  mon.  7,9;  CChr.SL  II,  1239,66f).  588

 De  pat.  9,5  (CChr.SL  I,  309,18­310,19):  „Cupio,  inquit  apostolus,  recipi  iam  et  esse  cum  domino.  Quanto  melius  ostendit  votum!";  De  pat.  13,7  (CChr.SL  I,  314,25­27):  „Cum  vero  producitur  ad  experimentum  felicitatis,...  ad  ipsum  divinae  sedis  ascensum,  nulla  plus  illic  quam  patientia  corporis".  589

 Apol.  47,13  (CChr.SL  I,  165,56­58):  „Et  si  paradisum  nominemus,  locum  divinae  amoeni­ tatis  recipiendis  sanctorum  spiritibus  destinatum  ...".  In bezug  auf diese  Stelle  ist es  allerdings  nicht  eindeutig,  ob Tertullian  mit  „sancti"  in  erster  Linie  die  Märtyrer  meint  oder  alle  Christen.  Haber­ mehl,  Passio, 42, Anm.  23, deutet  diese  Stelle  im  Sinne einer  Paradies­Destination  für alle  Christen;  ebenso  Waszink,  De  anima,  554.  Möglicherweise  wäre  es  in  einer  apologetischen,  an  die  Heiden  gerichteten Schrift auch nicht sinnvoll gewesen, von einer Differenz in der himmlischen  Bestimmung  zwischen  Märtyrern  und  Nichtmärtyrern  zu  sprechen. 

Die  Exklusivität  des  Martyriums 

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übrigen  Gläubigen  in  Aussicht  gestellt  wird:  Das  Gelangen  zum  Herrn.590  Das  hierin  deutlich  werdende  Desinteresse  Tertullians  an einer  deutlichen  Abhebung  des Märtyrerruhms  von  demjenigen  der übrigen Gläubigen  zu  Beginn  seines  Wirkens  zeigt  sich  darüberhinaus  daran,  daß  auch  die  den  Märtyrern  verheißene  Partizipation  am  Gericht  über  die  Heiden5"  in  selbstverständlicher,  wenn  auch  beiläufiger  Weise  ebenso  fur alle  Gläubigen  vorausgesetzt  wird.592  Auch  das  den  Märtyrern  in  „Ad  martyras" verheißene  „brabium  angelicae  substantiae"593  wird  insofern in seiner Besonderheit relativiert, als die Verähnlichung  mit Engeln  auch  den anderen  Gläubigen  für den Tag  der Auferstehung  in Aussicht  gestellt  wird.594  Obwohl  Tertullian  also  eine  Unterscheidung  zwischen  dem  Lohn  und  der  postmortalen  Destination  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  sowie  der  anderen  Gläubigen  zu Beginn  seines  Wirkens  nicht  explizit  herausgestellt  hat,  finden  sich  andererseits  aber  auch  erste  Andeutungen  darauf,  daß  der  Gedanke  eines  Märtyrerlohnes  sui  generis  ihm schon zu  dieser Zeit nicht  gänzlich  fern liegt.  So  bietet  sich mit der bereits  erwähnten Formulierung  „aqua vocati  sanguine  electi"595  auch  innerhalb  einer frühen  Schrift Tertullians bereits  ein  Hinweis  auf eine  Überlegenheit  der  Wirkung  des  Martyriums  über  diejenige  der  Taufe  und  damit  auf  eine  Abhebung  des himmlischen  Ruhmes  der Blutzeugen  von  demjenigen  der  übrigen 

590  Ad  mart.  1,3 (CChr.SL  I, 3,16):  „...  ita  vos  inde  perducat  (spiritus  sanctus)  ad  dominum."  Alle  Schriften,  in denen  diese  Erwartung  prinzipiell  für die  Gläubigen  angedeutet  ist  (De  spect.,  De  pat.,  Ad  ux.  ),  werden  zumeist  in die Zeit  zwischen  200  und  203/4  datiert  (vgl.  Braun,  Deus  Chri­ stianorum,  569­571),  insbesondere  für „De  spectaculis"  wird  nicht  selten  sogar  noch  eine  frühere  Datierung  auf  196/7  vorgeschlagen  (vgl.  z.B.  Barnes,  Tertullian,  55,  aber  auch  die  bei  Braun,  Deus  Christianorum,  569,  aufgelisteten  Vorschläge).  Während  hier  deutlich  wird,  daß  Tertullian  zur  Zeit  von  „Ad  martyras"  keinen  deutlichen  Unterschied  zwischen  der  Erwartung  der  Märtyrer  und  derjenigen  der  übrigen  Christen  macht,  geht  Moreschini,  Aspetti,  57,  unzutreffend von  einer  Über­ einstimmung  der  Auffassungen Tertullians  in  „Ad  martyras"  und  „De  resurrectione  carnis"  aus:  „  ...  la concezione  ...  è  la medesima:  solo  il martire  ha  il diritto  di  essere  accolto  in  paradiso  e  di  non  trascorrere  un  periodo  di  tempo  più  on  meno  lungo  negli  inferi."  591   Ad  mart.  2,4  (CChr.SL  I,  4,14):  „Iudex  exspectatur,  sed  vos  estis  de  iudicibus  ipsis  iudicaturi."  592   So  heißt  es  in  Ad  ux.  11,6,1  (CChr.SL  1, 390,7­9)  in  bezug  auf  eine  Frau,  die  mit  einem  Heiden  verheiratet  ist:  „Et  non  hinc  praeiudicium  damnationis  suae  agnoscet,  eos  observans  quos  erat  iudicatura?"  593

 Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  I,  5,25).   So  wird  in  De  cult.fem.  I, 2,5  (CChr.SL  I,  346,43f)  den  Frauen  die  „substantia  angelica"  verheißen,  in  Ad  ux.  I,  1,5  (CChr.SL  I,  374,25f)  allen  Gläubigen  die  „translati(o)  in  angelicam  qualitatem  et  sanctitatem".  Nach  Ad  ux.  I,  4,4  (CChr.SL  I,  377,25f) werden  die  Unverheirateten  sogar  schon  auf  Erden  der  „Familie  der  Engel"  beigezählt  („...  ac  iam  in  terris  non  nubendo  de  familia  angelica  deputantur.")  595   De  bapt.  16,2  (CChr.SL  I, 290,6).  Zu  dieser  Stelle  vgl.  Kap.  4.5.2.  594

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Gläubigen.  Im  Blick  auf  seine  Verwendung  zentraler  Begriffe  für  den  himmlischen  Ruhm  zeigt  sich  zudem,  daß  er einzelne  Termini  auch  schon  in  seinen  frühen Schriften nahezu ausschließlich  zur Beschreibung  der besonderen  Würde  des Martyriums und des Ruhmes der Märtyrer verwendet.  So wird der wesentliche  Terminus  für den  Ruhm  bei  Gott,  „gloria",  von  ihm exklusiv  auf den durch  ein  Martyrium  zu  erlangenden  Ruhm  bezogen596;  nur  den  Märtyrerinnen  und  Märtyrern wird ein ewiger Ruhm bei  Gott in Aussicht  gestellt.597  Ebenso werden  die  aus dem agonistischen Bereich übertragenen Bilder der von Gott zum Zeichen des  Sieges  verliehenen  „palma"  sowie  der  „corona"  fast  ausschließlich  auf  den  im  Martyrium erlangten Sieg bezogen598; lediglich an zwei  Stellen aus frühen katholi-

596

 Vgl.  Vermeulen,  Gloria, 62f. Tertullian verwendet  „gloria"  vorwiegend  in drei  Bedeutun­ gen: 1) Im Sinne der von den Heiden angestrebten  und von ihm abgewerteten „gloria saecularis" (De  cult.fem.  I,  8,6;  CChr.SL  I,  351,28):  Vgl.  z.B.  Apol.  39,16  (CChr.SL  I,  152,76);  Apol.  46,7  (CChr.SL  I,  161,37); Apol. 47,3 (CChr.SL  I,  163,11); De cult.fem. I, 2,4 (CChr.SL  I, 345,35f);  De  cultfem. II, 3,2 (CChr.SL I, 356,14f); De cor.  13,7 (CChr.SL II,  1062,49). 2) Für den Ruhm Christi :  Vgl. z.B. Scorp.  12,1 (CChr.SL II,  1092,9); Adv.Marc. ΠΙ, 7,5 (CChr.SL  I, 517,13); Adv.Marc.  IV,  7,13 (CChr.SL I,  556,9); De cor.  14,4 (CChr.SL Π,  1064,30);  De  mon.  8,7 (CChr.SL  II,  1240,51).  3)  Für  den  von  den  Gläubigen  zu  erlangenden  Ruhm  bei  Gott;  hier  findet sich  durchgängig  der  Bezug  auf das  Martyrium  als  Weg zur  Erlangung dieses  Ruhms: Ad  mart.  3,3  (CChr.SL  I,  5,26);  Apol.  50,2 (CChr.SL  I,  169,10); Apol.  50,4 (CChr.SL I,  169,20); Scorp. 6,2 (CChr.SL II;  1079,10);  Scorp.  12,2 (CChr.SL  II,  1092,13);  Scorp.  12,3 (CChr.SL  II,  1092,23);  Scorp.  12,9 (CChr.SL  II;  1093,29);  Scorp.  13,4  (CChr.SL  II,  1094,4);  Ad  Scap.  5,1  (CChr.SL  II,  1131,1).  597

 Ad  mart.  3,3 (CChr.SL I, 5,25): „gloria in saecula saeculorum".  Vgl. Apol.  50,2  (CChr.SL  I, 7,21): „gloria  placendi  dei".  598  Die Verwendung  von  „palma" als  Siegespreis  für den  Märtyrertod  findet sich  z.B.  in  De  spect. 29,3 (CChr.SL  I, 251,16): „... ad  martyrii  palmas  gloriare",  ebenso  in  Scorp. 6,6  (CChr.SL  II,  1080,9). Der Begriff „corona" wird von Tertullian  in zweifacher Weise gebraucht. Zum einen  be­ zeichnet er konkret die im heidnischen Rahmen, z.B. bei Wettkämpfen und Beerdigungen  benutzten  „coronae", deren  Gebrauch  für Christen grundsätzlich  unerlaubt  sei (vgl. De cor.  13,7; CChr.SL  II,  1062,44­46).  In  diesem  herkömmlichen  Sinn  erscheint  erscheint  „corona"  z.B.  in  Apol.  42,6  (CChr.SL  I,  157,21f); De mon.  17,3 (CChr.SL  II,  1252,15);  De pali. 4,3  (CChr.SL  II, 743,44)  und  durchgängig  in „De idololatria" und „De spectaculis".  Daneben  findet sich die Übertragung auf den  den Christen von Gott verliehenen  Siegespreis, den Tertullian  ausschließlich  auf das Martyrium be­ zieht: Ad  mart. 3,3 (CChr.SL 1,24f); Scorp.  12,6 (CChr.SL II,  1093,12);  Scorp.  13,10 (CChr.SL II,  1095,20­22);  Adv.Marc.  IV,  39,8  (CChr.SL  I, 652,19f);  De  cor.  15,1  (CChr.SL  II,  1064,lf);  De  fuga 1,5 (CChr.SL II,  1136,36). In Scorp.  12,6; De cor.  15,1 taucht  „corona"  innerhalb eines Zitates  von  Apk  2,10  auf,  in  Scorp.  13,10  greift Tertullian  2.Tim.4,6­8  auf.  In  der  letztgenannten  Stelle  wird  „corona"  durch  „scilicet  passionis"  erläutert  und  dadurch  exklusiv  als  Siegespreis  fur  das  Martyrium  qualifiziert. Ein ähnlicher  Sprachgebrauch  zeigt sich hinsichtlich  des Verbs  „coronare":  Zum einen verwendet Tertullian es für den heidnischen  Brauch der Bekränzung (vgl. De spect.23,2;  CChr.SL  II,  247,6),  zum  anderen  für  die  „Krönung"  der  Gläubigen  durch  Martyrien  (De  pra­ escr.haer.  29,3; CChr.SL  I, 209,7­210,8;  De praescr.haer.  36,3; CChr.SL  I, 216,1 lf; De cult.fem.  11,3,3; CChr.SL  I,  357,23;  vgl. De  an. 45,4;  CChr.SL  II,  850,23).  Daneben  bezieht er  „coronare"  mehrfach auf die „Krönung" Christi  seitens des Vaters (vgl. Adv.Prax.  16,5;  CChr.SL  II,  1181,37;  Adv.Marc.  III, 7,5; CChr.SL  I,  517,13). 

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sehen  Schriften  taucht  der  Gedanke  einer  „Krönung"  der  Gläubigen  auf  Grund  anderweitig  erlangter  Verdienste  auf.599 Die  ausdrückliche  Differenzierung  zwischen dem himmlischen Ruhm  der Märtyrer und demjenigen  der Nichtmärtyrer  in  „Scorpiace",  „De  resurrectione  carnis",  „De  anima" und „De  pudicitia" ist so  zum  Teil  als  Bruch  mit  vorherigen  Auffassungen,  insbesondere  derjenigen  von  der  Gleichheit  der postmortalen  Destination  aller Gläubigen,  zum  Teil  aber  auch  als  Radikalisierung  und  Explizierung  bereits  angelegter  Vorstellungen  zu  verstehen.  Für  diese  Veränderung  gibt  es  im  wesentlichen  zwei  Motive:  Zum  einen  ist  Tertullians  radikal  antignostische  Haltung  zu  nennen,  aus  der  die  polemische  Betonung  der Gottgewolltheit  des  christlichen  Martyriums  resultiert;  die  Herausstellung  der Singularität  seines Lohnes  stellt dabei  quasi  die  „Rückseite" der  Betonung von Notwendigkeit  und Pflichtmäßigkeit  des  Martyriums  dar.  Zum  anderen  ist es  seine  auf Reinheit  und Heiligkeit  der empirischen  christlichen  Gemeinschaft  ausgerichtete  Ekklesiologie 600 ,  der  zufolge  sich  die  „sanetitas"  der  Kirche  durch  die  persönliche  Heiligkeit  ihrer Glieder  konstituiert601,  die  zu  einer  Einschärfung 

599  In De  spect.  29,5  (CChr.SL  I, 252,21­24)  bezieht  Tertullian  „coronare"  im  Zusammenhang  der  Vorstellung  eines  täglich  auszufechtenden  „Kampfes"  der  Christen  auch  auf  andere  Formen  christlicher  Sittlichkeit:  „Aspice  impudicitiam  deiectam  a  castitate,  perfidiam  caesam  a  fide,  saevitiam  a  misericordia  contusam,  petulantiam  a  modestia  adumbratam,  et  tales  sunt  apud  nos  agones,  in  quibus  ipsi  coronamur."  In  Ad  ux.  I,  8,3  (CChr.SL  I,  382,15)  behauptet  er  in  bezug  auf  eine  Witwe:  „...  in  ista  virtus  coronatur."  600

  Vgl.  Rankin,  Church,  75f.83­86,  der  auf  die  von  Tertullian  verwendeten  Bilder  von  der  Kirche  als  „virgo"  und  „sponsa"  hinweist,  die  die  „Reinheit"  und  „Heiligkeit"  der  Kirche  symboli­ sierten,  sowie  auf  seine  Vorstellung  des  in  der  Kirche  verkörperten  Christus  (De  paen.  10,6;  CChr.SL  I,  337,20f)  bzw.  der  Trinität  (vgl.  De  bapt.  6,2;  CChr.SL  I,  282,12­14;  De  pud.  21,16;  CChr.SL  II;  1328,71­74):  „The  church  ­  as  a  ,body  of  t h r e e ' ­  is  witness  to  the  reality  of  the  involvement  of the  triune  God  in the  World...  From  such  a  high  ecclesiologi cal  view  comes,  in  part  then,  Tertullian's  emphasis  on  the  necessary  unity,  holiness  and  apostolicity  of  the  authentic  church...  A  church  which  is the true  Body  of Christ  must  become  now  what  it  is  to  be  in  the  future  and  in promise;  this  leaves  no  room  for sin  or other taint  of impurity  in the  present."  Zur  Heiligkeit  der  Kirche  bei  Tertullian  vgl.  auch  Erich  Altendorf,  Einheit  und  Heiligkeit  der  Kirche  ­  Untersu­ chungen zur Entwicklung des altchristlichen  Kirchenbegriffs im Abendland  von Tertullian  bis zu den  antidonatistischen  Schriften Augustins,  Berlin/Leipzig  1932,  20,  dem  zufolge  die  Kirche  fur  diesen  „die  zum  himmlischen  Heil  bestimmte  heilige  Gemeinde  der  vom  heiligen  Geist  erfüllten  heiligen  Glieder  Christi"  ist.  Das  Wesen  der  Kirche  bestehe  darin,  daß  sie  Geist,  Christus  sei;  „von  ihr  als  Geisteskirche  wird  vorausgesetzt,  daß sie vera,  pudica, sancta  ist (De  pud.  1,8)...". Die Heiligkeit  der  Kirche  ist  von  Tertullian  durchgängig  betont  worden.  Vgl.  Rankin,  Church,  94:  „For  Tertullian  ­ both  Catholic  and New  Prophet  ­  the  church  was  ever  to  be  regarded  as  ,holy'  and  maintained  free  from  .contamination 1  by the  unworthy."  601   Nach  Altendorf,  Einheit,  20,  haftet  Tertullians  Kirchenbegriff  „an  Personen,  nicht  an  Institutionen  oder Nonnen",  d.h. er bestimmt  sich  durch  die „Idee der  Gemeinschaft, der  Gemeinde,  nicht  die  der  Gnadenanstalt,  der  objektiv  bestehenden  Institution".  (Altendorf,  Einheit,  24)  So  konstituieren  die  einzelnen  Christen  durch  ihre  „Heiligkeit"  die  „sancta  ecclesia".  Vgl.  auch 

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der Forderung nach individueller Heiligung und ­  in seiner montanistischen  Zeit  ­  zu einer Ablehnung der Möglichkeit zur Vergebung schwerer  Sünden durch  die  Buße fuhrt.602 Die Gewährleistung vollkommener Reinheit und  Sündlosigkeit  und  damit  der  Sicherheit  des persönlichen  Heils ausschließlich  durch das  Martyrium  stellt  die  notwendige  Konsequenz  aus  dieser  Konzeption  dar.  Der  Glaubenstod  bildet  danach  das  einzige  Mittel  zur  völligen  Sicherung  des  Heils,  zur  „certa  salus".603  Wer  in  den  „Besitz"  der  vollkommenen  Heilssicherheit  und  der  Ver­ gebung der postbaptismalen  Sünden gelangen will, dem hat Gott nach  Tertullian  das Martyrium als ausschließlichen  Weg vor Augen geführt, ebenso erspart dieses  allein den postmortalen Unterweltsaufenthalt. Für diese, in den späteren Schriften  „Scorpiace", „De resurrectione carnis", „De anima" und „De pudicitia" zutagetre­ tende Position ist somit die Charakterisierung  als „martyr élitist view" treffend.604  Auf  die  Konsequenzen  dieser  Auffassung  für  die  Soteriologie  wurde  bereits  hingewiesen603: Die Heilsbedeutung des Todes Christi erscheint zur Erlangung des  vollkommenen  persönlichen Heils ergänzungsbedürftig durch das eigene Leiden,  worin  letztlich  die „Notwendigkeit des Leidens"  begründet  ist.  Für  Tertullians  Ethik  bedeutet  diese  Position,  daß  sie  zumindest  in  den  genannten  späteren  Schriften wesentlich  eine „Ethik  der Auserwählten,  ... der Märtyrer"606  darstellt,  denn  nur  ihnen  ist der Weg zur Heilssicherheit  eröffnet; ein vergleichbarer  Weg  fur alle anderen  Christinnen  und Christen,  die auch zu Tertullians Zeit die Majo­ rität darstellten, zeigt sich hingegen  nicht. 

Simonis,  Ecclesia visibilis,  4: Die  Heiligkeit  der Kirche versteht Tertullian  „konkret als  die  persönliche  Heiligkeit  der  Christen".  „Nur  ,Heilige'  können  ,virgo'  und  ,sponsa  Christi',  .corpus  trinitatis'  und  ,Spiritus'  sein."  602

  Vgl.  Altendorf,  Einheit,  27f:  „Ein  wesentliches  Charakteristikum  der  Kirche  besteht  fur 

Tertullian  in  ihrer Heiligkeit,  nicht  s o f e m  sie  Institution,  sondern  Gemeinde  ist.  Und  dieses  Prädikat  wird  nicht  nur  für  die  ideale  Kirche  im  Himmel,  sondern  ebenso  für  die  empirische  auf  Erden  beansprucht.  Daher  kann  sie  als  virgo,  sponsa  Christi,  als  corpus  trinitatis  und  Verwirklichung  des  Geistes  in  der  Welt,  als  Gemeinde  der  Heiligen,...,  unmöglich  Sünder  in  ihrer  Mitte  dulden."  603

  Scorp.  6,11  (CChr.SL  II,  1081,21). 

604

  Hill,  Regnum,  23,  der  diese  Formulierung  aber  speziell  auf  Tertullians  Aussagen  zur 

postmortalen  Destination  der  Märtyrer  in  „De  anima"  und  „De  resurrectione  carnis"  bezieht.  605

  Kap.  4.5.2,  Anm.  530,  Kap.  4.5.3,  Anm.  584. 

606

  Klein,  Bewußtsein,  307. 

Bewertung  des  Märtyrertodes  im  Vergleich  zum  natürlichen  Tod 

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4.6  D i e  Bewertung  des  Märtyrertodes  im  Vergleich  zum  natürlichen  Tod 

Der  singulare  Stellenwert,  den Tertullian  explizit  seit  der Abfassung  von  „Scorpiace"  dem  Martyrium  innerhalb  seiner  Ethik  zugeschrieben  hat,  spiegelt  sich  ebenfalls  in  den  Äußerungen  wider,  in  denen  er  diese  Todesart  direkt  einem  natürlichen  Tod  gegenüberstellt.  Indirekt  zeigt  er  sich  aber  auch  schon  in  seiner  grundsätzlichen  Bewertung  des menschlichen  Todes,  in der die negativen  Aspekte  vorherrschend  sind.  Tertullian  hat  zunächst,  wie  auch  die  biblische  und  die  altkirchliche  Tradition607,  die  Universalität  des  Todes  betont.  Der  Tod,  von  ihm  als  Trennung  von  Leib  und  Seele  verstanden608,  ist  ein  allgemeines,  alle  Menschen  gleichermaßen  treffendes Geschick.609 Dabei  ist der Tod  als „von allen Menschen  zu  begleichende  Schuld" (omnium debitum)610 für ihn aber keinesfalls  als ein der Natur von  Beginn  an  inhärentes  Ende  des  menschlichen  Lebens  zu  verstehen.  Entgegen  einer  solchen  natürlichen  Begründung  des  Todes  leitet  er  an  zahlreichen  Stellen  seines  Werkes die Notwendigkeit  des  Sterbens  nachdrücklich  aus  dem  Sündenfall  ab6", 

601

 Vgl.  z.B.  Ps  89,49;  Pred  3,19f;  Hebr  9,27;  l.Clem  50,3;  Just.,  Apol.  1,18;  Min.Fel.,  Oct. 

21,11. 608  De  an.  52,1  (CChr.SL  II, 858,lf):  „Hoc  igitur  opus  mortis:  separatio  carnis  atque  animae";  ähnlich  De an.  27,2  (CChr.SL  II, 823,6f); De  res.carn.  7,12  (CChr.SL  II, 931,540  u.a. Tertullian  hat  ein  dichotomisches  Menschenbild,  innerhalb  dessen  die „anima"  die  Rolle  des  belebenden  Prinzips  übernimmt:  „Denique  sine  anima  nihil  sumus,  neque  hominis  quidem,  sed  cadaveris  nomen."  (De  carne  Chr.  12,1;  CChr.SL  II,  896,5f).  Sterblich  ist  für Tertullian  nur  der  Körper;  er  ist  durch  das  Entweichen  der  Seele  im eigentlichen  Sinne  ,tot':  „corpus  est  quod  amittit  animam  et  amittendo  fit  mortuum:  ita mortui  vocabulum  corpori  competit"  (Adv.Marc.  V,9,3;  CChr.SL  1, 689,23f). Zu  dem  dichotomischen  Menschenbild  Tertullians  vgl.  ausfuhrlich Roberts,  Theology,  149­153,  zu  seinem  Verständnis  der  Seele  Bray,  Holiness,  73­83,  zu  seinen  Vorstellungen  zum  Vorgang  des  Todes  Fischer,  Todesgedanken,  28­33.41 f.67­69,  Bray,  Holiness,  75,  sowie  Vicastillo,  Muerte,  190f.  609  De an.  50,2 (CChr.SL  II, 855,4­6):  „Publica totius generis humani  sententia  mortem  naturae  debitum  pronuntiamus."  Nach  De  spect.  21,3  (CChr.SL  I,  246,12)  ist  ein  auf  gewöhnliche  Weise  Verstorbener  „communi  lege  defunct(us)".  Anschließend  an  Paulus  (l.Kor  15,51;  l.Thess  4,17)  werden  von  ihm  nur  diejenigen  Menschen  von  dem  allgemeinen  Todesgeschick  ausgenommen,  die  bei  der  Parusie noch  leben  werden;  ihnen  wird  die „conpendio  mortis" gewährt  wegen  der  in der  Zeit  des  Antichrists  erduldeten  Leiden  (De  res.carn.  41,6;  CChr.SL  II,  976,25f).  6,0   De  mon.  10,1  (CChr.SL  II,  1242,6f); ebenso  Scorp.  8,1  (CChr.SL  II,  1082,16f):  „commu­ nis  et  omnium  debitum".  611

 Diese zwar  im  AT grundgelegte  (Gen  2,17;  3,22),  aber  erst  in  der  zwischentestamentlichen  Literatur  (4  Esr.  3,7;  Sir  25,24)  und  im  NT,  insbesondere  bei  Paulus  (Rom  5,12­21;  6,23;  8,10;  l.Kor  15,21.56),  ausformulierte  Vorstellung  ist nach  Norbert  Brox,  „Den  Tod  einüben".  Gedanken  der  Kirchenväter  über  das  Sterben,  in:  Wolfgang  Beinert  (Hg.),  Einübung  ins  Leben  ­  Der  Tod,  Regensburg ( 1986), 68, besonders  scharf in der afrikanischen Theologie  ausgedrückt  worden;  neben  Tertullian  ist hier v.a.  Augustin  anzuführen (De  civ.Dei  XIII,  3ff.; De Cat.rud.  II, 30  u.a.).  Innerhalb 

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Bewertung des Märtyrertodes  im  Vergleich  zum natürlichen  Tod 

faßt also den Tod als Straffolge der Sünde auf.612 Der Tod beende das Leben nicht  „ex natura, sed ex culpa".613 Die Übertretung des Befehls Gottes  durch den ersten  Menschen habe alle kommenden Menschengeschlechter  dem Tod  preisgegeben614  und zu „suae damnationis traduces" gemacht.615 Ursprünglich war dem  Menschen  nach Tertullian die Möglichkeit zum Guten und zum Bösen gegeben,  zum Leben  und  zum  Tod616;  erst  der  Mißbrauch  seines  freien  Willens  durch  die  Nichtbefolgung  der göttlichen  Gebote  habe  zum Vollzug  der von  Gott  für diesen  Fall  angedrohten  Strafe  des  Todes  geführt.617  Schuld  am  Tod  sei  also  nicht  Gott,  sondern  der  Mensch,  der  die  Todesdrohung  mißachtete.618  Diese  Deutung  des 

der altkirchlichen  Literatur  spielt aber  grundsätzlich  die Ableitung  des Todes  aus  dem  Sündenfall  eine größere Rolle als die Begründung der Sterblichkeit in der Natur des Menschen. Zur Verbreitung  dieser  Auffassung bei  den  Kirchenvätern  vgl.  Fischer, Todesgedanken,  81­104.  612   De  an.  52,2  (CChr.SL  II,  858,7­15):  „...  determinamus  mortem  non  ex  natura  secutam  hominem, sed ex culpa ne ipsa quidem naturali;...  nam si homo in mortem  directo institutus fiiisset,  tunc  demum  mors  naturae  adscriberetur.  Porro  non  in  mortem  institutum  eum  probat  ipsa  lex  condicionali comminatione suspendens et arbitrio hominis addicens mortis eventum. Denique si non  deliquisset (homo), nequaquam  obisset."  Weitere Belege zur Deutung des Todes  als  Straffolge der  Sünde:  Zunächst  auf  den  Verlust  der  Unsterblichkeit  des  ersten  Paares  bezogen  in  De  pat.  5,15  (CChr.SL I, 304,51f); Adv.Jud. 2,2 (CChr.SL II,  1341,13f); ausgeweitet  auf die Unterwerfung des  gesamten  Menschengeschlechts  unter den Tod seit der Sünde der Stammeltem  z.B.  in Adv.Marc. I,  22,8 (CChr.SL  I, 464,5f); De paen. 2,3 (CChr.SL  I, 322,8­11);  Scorp.  5,12 (CChr.SL II,  1078,200;  mit  Adam,  dem  „primus  homo  de terra,  choicus",  verbindet  die nachfolgenden  Generationen  das  „collegium  transgressionis,  consortium  mortis,  exilium  paradisi" (De  res.cam.  49,6;  CChr.SL  II,  991,29f); im Zusammenhang  der Betonung der Sterblichkeit  nur des Körpers steht die Aussage  des  Todes  als  Straffolge  in  Adv.Marc.  V,14,4  (CChr.SL  I,  706,22):  „...  cui  mors  obvenit  propter  delictum,  id est corpori";  ähnlich  De res.carn.  44,9  (CChr.SL  II,  980,19).  613  De  an.  52,2 (CChr.SL  II, 858,7f).  614  Adv.Marc.  I, 22,8 (CChr.SL  I, 464,5f): „Homo  damnatur  in mortem  ob  unius  arbusculae  delibationem  ..."  615  De testan.  3,2 (CChr.SL I,  178,12f): „... exinde totum  genus de  suo  semine  infectum  suae  etiam  damnationis traducem  fecit." Die Formulierung Tertullians  weist auf traduzianische  Vorstel­ lungen  in bezug  auf die Übertragung der  Sünde  hin.  616  Adv.Marc.  II, 5,7 (CChr.SL I, 480,24f): „Sic et posteris  legibus  creatoris  invenías,  propo­ nents  ante hominem  bonum  et malum,  vitam et  mortem,...".  617  Adv.Marc.  II,  5,7  (CChr.SL  I, 480,20­24):  „Non  enim  poneretur  lex ei, qui  non  haberet  obsequium debitum  legi  in sua potestate, nec rursus comminatio mortis transgression!  adscriberetur,  si  non  et contemptus  legis  in arbitrii  libertatem  homini  deputaretur."  618  Adv.Marc.  Π, 9,9 (CChr.SL  I, 486,3If): „Si  mors  malum,  nec  mors  comminatori  suo,  sed  contemptori  faciet invidiam,  ut auctori." Zielrichtung dieser moralischen  Begründung des Todes  in  „Adversus  Marcionem"  ist  die  Widerlegung  des  dualistischen  Gottesbildes  Marcions  und  seiner  Versuche,  dem  alttestamentlichen  Gott  die  Eigenschaft  der  Güte  abzusprechen.  Demgegenüber  spricht  Tertullian  Gott  von  der  Verantwortung  für das  Übel  „Tod"  frei  und  überträgt  diese  dem  ungehorsamen  Menschen,  der  seinen  freien  Willen  zur  Übertretung  der  göttlichen  Befehle  miß­ brauchte. 

Bewertung  des  Märtyrertodes  im  Vergleich  zum  natürlichen  Tod 

235 

Todes  als  Strafsentenz  für  das  „delictum  transgressionis" 6 "  bedeutet  also  eine  negative Wertung des Todes in bezug auf seine Ursache. Indem  seine Existenz  auf  den Ungehorsam  der ersten Menschen  verweist, ist er bereits an sich Indiz fur den  Mißbrauch  des  freien  Willens seitens  der  Geschöpfe  Gottes  und  ihrer  Entfernung  von  dem  Willen  ihres  Schöpfers.  Wo  Tertullian  nicht  nach  dem  Grund  des  Todes  als  ontischer  Gegebenheit,  sondern  nach  der mit dem  individuellen  Tod verbundenen  Hoffnung fragt, zeigen  sich andererseits  auch positive Aspekte  im Verständnis des Todes. Diese  Perspek­ tive  eröffnet  sich  in  seiner  Auseinandersetzung  mit  verschiedenen  Formen  menschlicher  Ungeduld  in  „De  patientia",  zu  denen  auch  die  durch  den  Verlust  eines Angehörigen  herbeigeführte gehöre. Diese sei auf Grund  der Auferstehungs­ hoffhung unangebracht,  denn  wenn  die Auferstehung  der Toten  feststehe, sei  der  Schmerz über  den Tod überflüssig.620 Die Trennung  zwischen  den  noch  Lebenden  und den Toten  sei nur eine vorläufige, der Tod nur  ein  „Verreisen"  (profectio).  In  ihm  gingen  die  Toten  nur  voraus  auf  einem  Weg,  auf  dem  die  Lebenden  bald  nachfolgen würden.621 Da  der Tod,  wie  Tertullian  unter  Aufnahme von  Phil  1,23  aussagt,  den  Christen  zu  Christus  gelangen  lasse,  bedeute  Trauer  über  den  Tod  sogar  eine Beleidigung  des Herrn selbst.622 Eine positive  Deutung  des Todes  zeigt  sich  auch  dort,  wo  er das antike  Trostmotiv623  aufgreift, daß  der  Tod  eine Befrei­ ung von den Übeln der Welt bedeute und „Frieden vor allen  Unannehmlichkeiten" 

619

  De  res.carn.  26,12  (CChr.SL  II,  955,51). 

620

  D e  pat.  9,2  (CChr.SL  I,  309,8f):  „Ergo  cum  constet  de  resurrectione  mortuorum,  vacat 

dolor  mortis  ...".  Vgl.  auch  Ad  nat.  I,  19,2  (CChr.SL  I,  38,24f):  „Spes  resurrectionis  fastidium  est  mortis."  621

  De  pat.  9,3  (CChr.SL  I,  309,11-14):  „Profectio  est  quam  putas  mortem.  N o n  est  lugendus 

qui  antecedit  sed  plane  desiderandus.  Id  quoque  desiderium  patientia  temperandum:  cur  enim  inmoderate  feras  abisse  quem  mox  subsequeris?"  622

  D e  pat.  9,4f  (CChr.SL  I,  309,16-310,19):  „...  Christum  laedimus  cum  evocatos  quosque  ab 

ilio quasi  miserandos  non  aequanimiter  accipimus.,Cupio',  inquit  apostolus,  ,recipi  iam et esse  cum  domino.'  Quanto  melius  ostendit  votum!"  Von  dem  „Wunsch"  (votum)  der Christen  nach  dem  Tod  als  Möglichkeit  des  Gelangens  zum  Herrn  spricht  Tertullian,  ebenfalls  unter  Aufnahme  von  Phil  1,23,  auch  in  D e  spect.  28,5  (CChr.SL  I,  251,15-17):  „Nam  quod  et  aliud  votum  nostrum  quam  quod  et  apostoli,  exire  de  saeculo  et  recipi  apud  Dominum?  Hic  voluptas,  ubi  et  votum."  623

  Vgl.  z.B.  Cie.,  Tuse.  I, 34,83;  Sen.,  ep.  71,15.  Zu  diesem  Motiv  vgl.  Jaroslav  Pelikan,  The 

Shape  of  Death  -  Life,  Death  and  Immortality  in  the  Early  Fathers,  N e w  York  (1961),  59,  der  die  Vorstellung  des  Todes  als  einer  Ruhe  vor den  Übeln  der  Welt  als  „stock  argument  in the  Greek  and  Latin  consolation"  bezeichnet. 

236 

Bewertung  des  Märtyrertodes  im  Vergleich  zum  natürlichen  Tod 

(incommodorum pax) gewähre.624 Innerhalb der Gesamtheit seiner auf den Tod des  Menschen bezogenen Äußerungen625 spielt die seelsorgerlich-konsolatorische,  auf  den  Umgang  mit  dem  individuellen  Tod  ausgerichtete  Betrachtungsweise  bei  Tertullian  -  gerade  auch  im  Vergleich  zu  Cyprian626  -  aber  lediglich  eine  sekundäre Rolle.  So  erscheint  der Tod bei ihm nicht in erster Linie  als konsequent  zu bejahendes Ziel  persönlicher  Hoffnung, sondern als zur Strafe über das Menschengeschlecht  verhängtes  universelles  Geschick.  Betrifft die Zurückhaltung gegenüber einer ausgeprägt positiven  Wertung  des  Todes den natürlichen Tod, so zeigt sich hingegen in bezug auf den Tod durch das  Martyrium bei Tertullian eine deutliche Hochschätzung,  die sich in drei Traktaten  in  einer  expliziten  Abhebung  des  Märtyrertodes  von  jedem  anderen  Tod  ausdrückt. So könne nach seiner Darstellung  in „Scorpiace" der Psalmvers  „Honorata  est  apud  ilium  (sc.  deum)  mors  religiosorum  ipsius"627  keinesfalls  auf  den  von  allen  Menschen  geschuldeten  Tod  als  „Sentenz  der  Übertretung  und  Lohn  der  Verdammnis",  d.h.  auf jeden  natürlichen  Tod,  bezogen  werden,  sondern  ausschließlich auf den Tod, der Gottes wegen erlitten werde. Nur wer „ex  testimonio  religionis et proelio confessionis pro iustitia et sacramento" sterbe, dessen Tod sei 

624

 De testan.  4,7  (CChr.SL  1,179,37­42).  Die  Bezeichnung  des  Todes  als  einer  „pax"  findet  sich  auch  in  der  antiken  Konsolation,  z.B.  bei  Seneca  (Dial.  VI,  19,5).  In  der  Mitte  des  3.  Jhdts.  taucht  dieses  Bild  bei  Cyprian  auf, dem  zufolge gegenüber  den  Übeln  der  Welt  allein  der  Tod  „pax,  fida tranquillitas,  stabilis  et  firma et  perpetua  securitas"  biete  (De  mort.  3;  CChr.SL  III  A,  18,55f).  625   Einen  wesentlichen  Teil  seiner  Ausführungen  zum  Tod,  insbesondere  in  „De  anima",  machen  darüberhinaus  Überlegungen  zum  Vorgang  des  Todesgeschehens  aus,  die  er  als  erster  christlicher  Schriftsteller  in  dieser  Ausführlichkeit  anstellt.  Für  die  spezielle  Frage  nach  der  Be­ wertung  des  Märtyrertodes  im  Vergleich  zur  grundsätzlichen  Einschätzung  des  Todes  sind  diese  Aussagen  aber  von  untergeordneter  Bedeutung.  Es  zeigt  sich  allerdings  an  ihnen  ebenfalls  die  prinzipiell  negative  Wertung  des  gewöhnlichen  Todes,  der  als  „Schiffbruch des  Lebens"  (naufragi­ um  vitae) aufgefaßt wird,  der  das  Ende  der  „Seefahrt der  Seele" (animae  navigatio)  bedeute  (De  an.  52,4;  CChr.SL  II,  859,32­35).  Die  negative  Bewertung  des  gewöhnlichen  Todes  bei  Tertullian  faßt  zusammen  Vicastillo,  Muerte,  193:  „En  resumen,  la  muerte  común,  no  es  natural,  sino  posterior  y  libre,  no  es plácida sino violenta, no es consumación sino naufragio." Die letzten beiden Charakterisierungen beziehen sich auf die Trennung der Seele vom Leib. 626 Cyprian hat sich vorrangig mit der seelsorgerlichen Frage des Umgangs mit dem individuellen Todesgeschick beschäftigt und aus Anlaß einer Pestepidemie, die im Jahr 252 in Afrika zu einer Vielzahl von Todesfallen führte, den Traktat „De mortalitate" verfaßt, der Trost und Ermunterung sowie Ermahnungen zur Bewältigung der Ängste der Adressaten enthielt. Diese Schrift, die „erste christliche Monographie über das Sterben" (Fischer, Todesgedanken, 108), eröffnet die Reihe christlicher Konsolationsschriften. Vgl. Charles Favez, La consolation latine chrétienne, Paris 1937,17f. Eine konsequente Interpretation des Traktates aus den Zeitumständen seiner Entstehung heraus findet sich jüngst bei J.H.D. Scourfield, The De mortalitate of Cyprian: Consolation and Context, in: VigChr 50 (1996), 12-41. 627

Vgl. Ps 116,15.

Bewertung  des  Märtyrertodes  im  Vergleich  zum  natürlichen  Tod 

2 3 7 

als Tod  eines  Gerechten kostbar vor Gott, und dessen  Begräbnis  gereiche  ihm  zur  Ehre.628  In  dieser  im  Gegensatz  zur  allgemeinen  Bewertung  des  Todesgeschicks  stehenden  positiven  Wertung  des  Todes  durch  das  Martyrium  bestehe  die  „praedicatio  et remuneratio  martyriorum".629  Stellt  Tertullian  die  Exklusivität  des  Märtyrertodes  in  diesem  Traktat  heraus,  um die unbedingte  Aufforderung zur Martyriumsbereitschaft  zu unterstreichen,  so  geht es  ihm  in der entsprechenden  Stelle  in „De  anima" um die Frage des  postmortalen Zustandes  der Christen.  Seiner  dort geäußerten,  bereits  oben  dargestellten630  Auffassung zufolge  gelangen  alle  Menschen  nach  dem  Tod  in  die  Unterwelt  und  teilen auf diese  Weise  das  Schicksal  Christi,  der ebenfalls nach seinem  Tod  zuerst  im  Hades  verweilte. 63 '  Dem  Gegenargument,  daß,  wenn  auch  die  Christen  in  die  Unterwelt  müßten,  kein Unterschied  zwischen  Heiden  und Christen  bestünde,  hält  er  kategorisch  entgegen,  daß  bis  zum  Ende  der  Welt  niemandem  der  Himmel  offenstünde.632 Von  dieser prinzipiellen  Festlegung  gibt  es  fur ihn  allerdings  eine  Ausnahme:  Die  Märtyrer  gelangten  unmittelbar  nach  ihrem  Tod  in  das  Paradies  und  müßten  nicht  erst  in  die  Unterwelt  hinab633,  denn  ihr  als  „nova  mors  pro  deo  et extraordinaria pro Christo" gekennzeichneter  Glaubenstod  eröffne  ihnen  einen 

628  Scorp.  8 , l f ( C C h r . S L  II,  1082,15­23):  „Siquidem  honorataest  apud  illum  (sc.Deum)  mors  religiosorum  ipsius,  ut  canit  David,  non,  opinor,  ista  communis  et  omnium  debitum  ­  atquin  ista  etiam  ignominiosa  est  ex  elogio  transgressionis  et  merito  damnationis  ­  sed  illa  quae  in  ipso  aditur  ex testimonio  religionis  et  proelio confessionis  pro  iustitia  et  sacramento.  Sicut  Eseias,  ...  inquit,  ...  a  facie enim  iniustitiae  perit  iustus et  erit honor sepulturae  eius." Vgl.  Adv.Marc.  IV,  39,8  (CChr.SL  I, 652,18f):  „honorabilis  mors  iustorum,  ex  tolerantia  (sc.  in  persecutionibus)  sine  dubio  ...".  629   Scorp.  8,2  (CChr.SL  II,  1082,24).  630   Vgl.  Kap.  4.5.3.  631

 Zu  der  Frage  des  Verhältnisses  zwischen  Christi  postmortalem  Schicksal  und  demjenigen  der  Gläubigen  vgl.  Bertrand  de  Margerie,  L'intérêt  théologique  du  „De  mortalitate"  de  Saint  Cyprien,  In:  ScEc  15  (1963),  205f,  sowie  Hill,  Regnum,  25f.  Tertullian  wurde  eine  Auffassung  entgegengehalten,  die  davon  ausging,  daß  die  Hadesfahrt  Christi  die  Gläubigen  von  demselben  Los  befreit  habe:  „...  Christus  inferos  adiit,  ne  nos  adiremus"  (De  an.  55,3;  CChr.SL  II,  862,17).  Demgegenüber  vertritt  er  wie  Irenäus  (vgl.  Adv.haer.  V,31)  die  Auffassung, daß  alle  Menschen  im  Anschluß  an  Christus  zunächst  der  „lex  mortuorum"  unterworfen  seien,  die  zunächst  ein  Gelangen  in  die  Unterwelt  vorsehe.  632  De  an.  55,3  (CChr.SL  II, 862,17f.23f): „Ceterum  quod  discrimen  ethnicorum  et  Christiano­ rum,  si  career  mortuis  idem?  ... Nulli  patet  caelum  terra  adhuc  salva,  ne  dixerim  clausa."  633  De  an.  55,4  (CChr.SL  II,  862,32­863,35):  „Quomodo  Perpetua,  fortissima  martyr,  sub  die  passionis  in  revelatione  paradisi  solos  illic  martyras  vidit,  nisi  quia  nullis  romphaea  paradisi  ianitrix  cedit  qui  in  Christo  decesserint,  non  in  Adam."  Zur  Interpretation  von  De  an.  55  vgl.  auch  Kap.  4.5.1,4.5.3. 

Bewertung  des Märtyrertodes  im Vergleich  zum  natürlichen  Tod 

238 

anderen, abgeschiedenen Bereich nach dem Tod.634 Die  Sonderstellung  der durch  ein  Martyrium  Umgekommenen  in  der  Sicht  Tertullians  zeigt  sich  deutlich  an  einem  Vergleich  mit  der  Stelle  in  Irenaus'  „Adversus  haereses",  auf  die  er  im  Blick auf die für alle Menschen geltende Hadesbestimmung  nach dem Tod rekurriert635:  Irenäus kennt dort keinerlei Ausnahme von diesem Prinzip,  erst Tertullian  hat  die  Vorstellung  eines  anderen  postmortalen  Aufenthaltsortes  der  Märtyrer  ausdrücklich  in diesen Kontext eingefügt.636 Im Rahmen der Argumentation  von  „De anima" geht es ihm um die durch die Gegner aufgeworfene Frage nach einem  Unterschied zwischen den Heiden und den Christen in bezug  auf ihr postmortales  Geschick: Ein solcher sei also -  das ist die herausfordernde Konsequenz  Tertullians - nur im Falle eines Märtyrertodes zu erkennen: „Agnosce itaque differentiam  ethnici  et  fidelis  in  morte, si  pro  deo  occumbas,  ut  paracletus  monet,  non  in  mollibus febribus et in lectulis, sed in martyriis...".637 Zur Bestätigung seiner Argumentation  greift Tertullian hier auf ein montanistisches  Orakel  zurück,  das zum  Tod  durch das Martyrium  auffordert638, dem  gegenüber  der natürliche  Tod,  z.B.  durch Krankheit, abgewertet wird. Die Bedeutung dieses Gedankens  für ihn zeigt  sich  daran,  daß  er  das  Orakel  in  vollständigerer  Form  auch  in  einem  anderen  Traktat,  in  „De  fuga  in  persecutione",  aufnimmt.  Eine  lange  Reihe  biblischer  Belege,  die  nach  seiner Auslegung  für eine  Absage  an jede  Flucht während  der  Verfolgung sprechen, wird dort abgeschlossen  durch die Aufnahme  autoritativer 

634

 De an. 55,5 (CChr.SL Π, 863,35f): „Nova  mors  pro deo et extraordinaria  pro Christo  alio  et privato  excipitur  hospitio."  635  Vgl.  Adv.haer.  V,31.  Zu  dieser  Abhängigkeit  vgl.  Waszink,  De  anima,  554.  636  Vgl. Hill, Regnum, 28, dem zufolge Tertullian die von Irenäus formulierte „lex mortuorum"  (Adv.haer.  V,31) einschränke, nach der alle Christen  wie Christus  selbst  nach  dem Tod  erst  in  die  Unterwelt  müssen.  „The  exception  made  for the  martyrs  seems  therefore  to  be  a  concession,  a  compromise between  the view of Tertullian's opponents (and  his former self) (d.i. daß alle Christen  sogleich in den Himmel gelangen) and the view which his position of chiliasm demanded of him (d.i.  daß eigentlich keiner der Christen erst in den Himmel gelangen kann, um dann wieder im Millenium  auf Erden an der Herrschaft Christi teilzuhaben)." Irenäus hat an anderer Stelle (Adv.haer. IV,  33,9;  vgl.  auch  Adv.haer.  111,16,4)  allerdings  durchaus  von  einem  Gelangen  der  Märtyrer  zum  Herrn  gesprochen.  Auf der Basis von Adv.haer.  IV,33,9 und V,31  ist in der Literatur  davon  ausgegangen  worden,  daß  Irenäus  ebenso  wie  nach  ihm  Tertullian  schon  eine  „Ausnahmeregelung"  für  die  Märtyrer  gekannt  habe. Hill, Regnum,  15f, hat demgegenüber  vornehmlich  auf der Grundlage  von  IV,  31,3  behauptet,  daß  Irenäus  zu  Beginn  der  Abfassung  von  „Adversus  haereses"  von  einem  Gelangen aller  Gerechten  zum  Herrn  ausging.  Im  Zuge  der  weiteren  Abfassung  habe  er  diese  Position grundlegend  geändert und  in seiner  einzigen  ausführlichen  Darlegung  zum  Thema  „Zwi­ schenzustand"  die Hadesbestimmung  aller Christen  betont.  637  De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,36­39).  638  Zu der kontextabhängigen  Frage nach der Deutung dieses Orakels vgl. Kap. 4.4, Anm.  398­ 401. 

Zusammenfassung 

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Willenskundgebungen  des  Parakleten,  die dieselbe  Haltung  widerspiegelten  und  deutlich  zur  Akzeptanz  des Martyriums  aufforderten.639 Als  krönender  Abschluß  dieser Argumentationskette  erscheint das genannte Orakel: Keiner und keine  solle  sich wünschen,  im Bett,  infolge einer  Fehlgeburt  oder  am  Fieber  zu  sterben,  son­ dern  ausschließlich  durch  das  Martyrium,  denn  nur  durch  dieses  werde  Christus  verherrlicht.640 Obwohl  die Kontexte in „De anima" und  „De fuga in  persecutione"  unterschiedliche  Zielrichtungen  haben,  verwendet  Tertullian  also  in  beiden  das  Orakel  für eine Gegenüberstellung  von  Märtyrertod  und  natürlichem  Tod,  dessen  Erscheinungsformen  durch  verschiedene  Beispiele  illustriert  werden.  Die  Be­ sonderheit  des Martertodes  besteht  für ihn dabei  zum  einen  darin,  daß der  Christ  durch  ihn der vom  Herrn  aufgestellten Forderung  zur Leidensnachfolge  nachkom­ me641, zum  anderen,  daß Christus,  der  selbst  für die Menschen  gelitten  habe,  nun  durch  das  Leiden  des  Märtyrers  verherrlicht  werde.642  Darin  liegt  nach  Ausweis  des  genannten  Orakels  der  Ruhm  des  Martyriums  begründet,  der  den  Tod  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  von jedem  anderen  Tod  unterscheidet  und  abhebt. 

4.7  Zusammenfassung:  Grundzüge  der  theologischen  Martyriumsdeutung  Tertullians  Die vorangegangene  Untersuchung  der Deutung des Martyriums bei Tertullian  hat  auf die verschiedenen  Aspekte hingewiesen, unter  denen  er das christliche  Leiden  betrachtet,  und  die  unterschiedlichen  Motive  aufgezeigt,  mit  Hilfe  derer  er  Be­ kenntnis und  Glaubenstod theologisch  begründet,  als Forderung  an  die  Gläubigen  einschärft,  das  Verhältnis  zwischen  menschlichem  und  göttlichem  Wirken  im  Martyrium beschreibt,  die mit dem Erleiden des Martertodes  verbundenen  Verhei­

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  De  fuga 9,4  (CChr.SL  II;  1147,32-34):  „Spiritum  vero  si  consulas,  quid  magis  sermone  ilio 

Spiritus  probat?  Namque  omnes  paene  ad  martyrium  exhortantur,  non  ad  fugam,  ut  et  illius  commemoremur:,Publicans'  inquit  ,bonum  tibi  est;  qui  enim  non  publicatur  in  hominibus,  publicatur  in  Domino.  N e  confundaris;  iustitia  te  producit  in  medium.  Quid  confunderis  laudem  ferens?  Potestas  fit,  cum  conspiceris  ab  hominibus.'"  640

 De  fuga 9,4  (CChr.SL  II,  1147,39-41):  „Nolite  in  lectulis  nec  in  aborsibus  et  febribus  molli-

bus  optare  exire,  sed  in  martyriis,  uti  glorificetur  qui  est  passus  pro  vobis."  641

  De  an.  55,5  (CChr.SL  II,  863,39):  „...  si  crucem  tuam  tollas  et  sequaris  Dominum,  ut  ipse 

praecepit"  642

  De  fuga  9,3  (CChr.SL  II,  1147,40f):  „•··  uti  glorificetur  qui  est  passus  pro  vobis". 

Zusammenfassung 

2 4 0 

ßungen  ausmalt  und  dessen  Bedeutung  für  den  Heilsstand  der  Christinnen  und  Christen bestimmt.  Zugleich  hat sich gezeigt, daß wie bei seiner Interpretation  des  Verfolgungsgeschehens  auch  hier  die  Rezeption  der  Deutungsmuster  und  ihre  Anwendung wesentlich  durch den jeweiligen  literarischen Kontext und seine argu­ mentative  Ausrichtung bedingt ist. Dies führt dazu,  daß  sich  innerhalb  der  Schrif­ ten, die die Martyriumsthematik  aufgreifen, durchaus verschiedene  Schwerpunkte  in  der  Deutung  finden,  zum  Teil  treten  sogar  Differenzen  auf.  Bei  der  abschlie­ ßenden Darstellung der Grundzüge der theologischen Martyriumsdeutung  Tertulli­ ans  soll  auf  die  unterschiedliche  Schwerpunktsetzung  noch jeweils  kurz  hinge­ wiesen  werden.  Der  Schwerpunkt  der Ausführungen  Tertullians  zum  christlichen  Leiden  und  Martyrium  liegt innerhalb polemisch  ausgerichteter  Kontexte;  dies prägt  deutlich  ihren  Charakter  und  ist  als wesentlicher  Grund  für die  Rigorosität  insbesondere  der  Einschärfung  der  göttlichen  Forderung  nach  dem  Martyrium  anzusehen.  So  zeigt  sich,  daß  die  Fundierung  des  Martyriums  auf  der  Gehorsamsverpflichtung  gegenüber  dem  Willen  Gottes  in  dem  konsolatorisch­exhortativen  Traktat  „Ad  martyras" nur angedeutet  ist, hingegen  sowohl  in „Scorpiace" als auch in „De fuga  in  persecutione"  den  Zentralgedanken  bildet643,  mit  Hilfe  dessen  die  unbedingte  Bereitschaft zum Martyrium zum einen gegenüber einer  in gnostischen  Kreisen  zu  findenden  Relativierung  der  Bekenntnispflicht,  zum  anderen  gegenüber  der  bei  den Katholiken  vertretenen Akzeptanz einer Flucht  in der Verfolgung eingeschärft  wird. Daß  die Herausstellung  der  auf das Martyrium  zielenden  Forderung  Gottes  ihren „Sitz  im Leben" innerhalb  der Polemik hat, zeigt sich bei Tertullian  auch  an  anderen Stellen, in denen er von der „Notwendigkeit" christlichen Leidens und der  „Pflicht" zur  Leidens­  und  Todesbereitschaft  spricht:  Diese  stehen  entweder  im  Zusammenhang allgemein antihäretischer Ausführungen wie in „De  praescriptione  haereticorum",  antignostischer  Polemik wie in „Adversus  Valentinianos"  oder  der  Konfrontation des Montanisten  Tertullian mit den Katholiken  wie  in „De  corona"  oder  „De  ieiunio".  Die  Streuung  der  Belege  für  die  Betonung  der  Forderung  Gottes  nach  Martyriumsbereitschaft  zeigt,  daß  es  sich  hierbei  nicht  um  einen  besonderen  „montanistischen  Zielgedanken"644  handelt,  hat Tertullian  doch  diese 

643

  Weinrich,  Spirit,  255,  hat  die  Verpflichtung  des  Menschen,  „to  respond  in  absolute  obedience  to  God's  command",  als  eines  der  zwei  grundlegenden  Elemente  der  tertullianischen  Martyriumstheologie bezeichnet.  Er ist allerdings von Tertullian nicht durchgängig in gleicher  Weise  betont  worden.  644   Klein,  Bewußtsein,  284. 

Zusammenfassung 

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Begründung  für  das  christliche  Leiden  auch  in  vormontanistischen  Schriften  angeführt und  besonders  in  dem  noch  nicht  durch  montanistische  Vorstellungen  geprägten  „Scorpiace" in singulärer Radikalität  und  Schroffheit expliziert. An  die­ ser  Schrift  wird  ­  gerade  auch  im  Vergleich  zu  „De  fuga  in  persecutione"  ­ deutlich,  daß Tertullian  zur Herausstellung  dieser Fundierung  des  Martyriums  auf  dem  göttlichen  Willen  keiner  speziellen  montanistischen  Argumente  bedarf:  Weder  verweist  er  auf  die  die  Forderungen  der  „disciplina"  verschärfende  Of­ fenbarung des Parakleten  oder zitiert die montanistischen  Orakel,  die zum  Marty­ rium  auffordern, noch  erwähnt  er  das Wirken  des Parakleten,  das  diejenigen,  die  ihn  angenommen  haben,  von  der  Notwendigkeit  des  Martyriums  überzeuge.  Die  Einflüsse der „Neuen  Prophetie" erscheinen  somit nicht  als ursächlich  für Tertulli­ ans Herausstellung  der Gehorsam heischenden  Forderung Gottes nach  unbedingter  Martyriumsbereitschaft, vielmehr haben  diese bereits  vorher  entwickelte  Vorstel­ lungen  unterstützt  und  zusätzlich  argumentativ  untermauert;  er  findet  in  den  montanistischen  Vorstellungen,  die er kennenlernt,  „a measure  of  congeniality".645  In  ihrer  Rigorosität  übertrifft die  Einschärfung der  Gehorsamsforderung  in  dem  vormontanistischen  „Scorpiace"  denn  auch  diejenige  in  dem  montanistischen  Fluchttraktat  deutlich.  Die  Infragestellung  der  Notwendigkeit  christlicher  Martyriumsbereitschaft  durch  die  in  „Scorpiace"  in  den  Blick  genommenen  gnostischen  Gegner  ist  wesentlich  fundamentaler  als  diejenige  seitens  der  die  „fuga  in  persecutione"  akzeptierenden  „psychici",  so  daß  entsprechend  auch  Tertullians  Gegenreaktion  gegenüber  der  gnostischen  Argumentation  erheblich  massiver ausfällt und  er sich  zu  größter  Radikalität  in der  Formulierung  der  gött­ lichen Forderung nach dem  Martyrium  der Christinnen  und  Christen  treiben  läßt.  Seine  bejahende Antwort  auf die  Frage  „Sanguinem  hominis  deus  concupiscit?"  hat  hier  ihren  „Sitz  im  Leben".  Daß  es  ihm  in  der  antignostischen  Auseinander­ setzung dabei keineswegs  nur um die ethische Frage des Martyriums geht,  sondern  um  grundlegende  dogmatische  Fragen  der  Christologie  und  Soteriologie646,  zeigt  sich  an  seiner  nachdrücklichen  Betonung  der  Leiblichkeit  und  Realität  des  Lei­

645

  Rankin,  Church,  42. 

646

 Zur grundlegenden  Bedeutung der antignostischen  Auseinandersetzung  ftir die  Ausformung  der tertullianischen Theologie  vgl.  Bardenhewer,  Geschichte,  341,  sowie  Jean Daniélou, The  Origins  o f  Latin  Christianity.  A  History  of  Early  Christian  Doctrine  before  the  Council  of  Nicäa,  Vol.  3,  London  (1977),  465fT.  Bereits  die  den  Beginn  der  wissenschaftlichen  Auseinandersetzung  mit  Tertullian  in der Neuzeit  markierende  Untersuchung  von  August  Neander  trägt  bezeichnenderweise  den  Titel  „Antignostikus.  Geist  des  Tertullianus  und  Einleitung  in  dessen  Schriften  mit  archäologischen  und  dogmenhistorischen  Untersuchungen"  (Berlin  1825). 

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Zusammenfassung 

dens. Diese richtet sich letztlich gegen dualistische Vorstellungen,  die die  Wirk­ lichkeit der Fleischwerdung Christi und seines Todes und damit für Tertullian die­ jenige der Erlösung leugnen, und deren Kehrseite die Leugnung  des  notwendigen  realen  Leidens  der  Gläubigen  darstellt;  der  gnostischen  Überzeugung  von  der  „Nichterlösbarkeit  des Fleisches"647 stellt er das durch das Leiden Christi und der  Märtyrer „in carne" erlangte Heil  entgegen.  Daß Tertullian zur Bereitung  des „Gegengiftes" gegen  die gnostischen  Argu­ mente  ebenso wie  für seine aus montanistischer  Zeit  stammende Ablehnung  der  bei den „psychici" vertretenen Akzeptanz einer Flucht primär auf den  Gedanken  des  dem  göttlichen  Willen  gegenüber  schuldigen  Gehorsams  der  Gläubigen  zur  Begründung der Pflicht zur Leidensbereitschaft zurückgegriffen hat, hängt  mögli­ cherweise mit seiner Verwurzelung in römischen Vorstellungen zusammen, denen  zufolge  „religio"  wesentlich  als  Gehorsamsverpflichtung  gegenüber  Gott  zu  verstehen  ist. Auffällig ist denn auch, daß gegenüber  dem Motiv des  Gehorsams  dasjenige der Leidensnachfolge in der Begründung des Martyriums bei  Tertullian  deutlich zurücktritt. Auch hierbei zeigt sich aber, daß letzteres in „Scorpiace" und  „De fuga in persecutione"  eine größere Rolle als in „Ad martyras" spielt, wo die  Ermunterung der Inhaftierten zur Leidensbereitschaft ohne deutlichen Hinweis auf  den für die altkirchliche Martyrologie  zentralen  Gedanken  der Nachfolge Christi  in  seinem  Leiden  auskommt.648  Möglicherweise  hängt  das  Fehlen  dieser  Vor­ stellung damit zusammen, daß „Ad martyras" wahrscheinlich  Tertullians  christli­ ches Erstlingswerk darstellte, denn in „Scorpiace" und „De  fuga in persecutione"  greift Tertullian stärker auf die Nachfolgevorstellung zurück, ohne daß sich dieser  Unterschied  aus  den jeweiligen  Intentionen  erklären  ließe.  Dennoch  bleibt  sie  auch  in  diesen  Traktaten  innerhalb  der  Argumentation  weitgehend  dem  Gehorsamsmotiv nach­ bzw. untergeordnet.  Gerade  auch im Vergleich  zu Cypri­ ans Martyriumsexhortation,  in der der Gedanke der Nachfolge bzw. Nachahmung  Christi649  durchgängig  von  zentraler  Bedeutung  ist650,  zeigt  sich  die  geringere  647

  Studer,  Soteriologie,  75.    Auch  die  im  Zusammenhang  der  in  dieser  Schrift  breit  aufgegriffenen  agonistischen  Metaphorik  erwähnte  Bezeichung  Christi  als  „epistates" der  Gläubigen  bleibt  für den  Nachfolgegedanken  ungenutzt.  649   Cyprian  erwähnt  ausdrücklich  die  Gleichsetzung  beider  Vorstellungen:  „Sequitur  autem  Christum qui praeceptis eius  insistit...  qui id quod Christus et docuit et fecit imitatur." (De zel.et  liv.  11 ; CChr.SL  III A,  81,199-202)  650  Vgl.  u.a.  ep.  6,2,1  (CChr.SL  III B,  32,44-47;  33,51-55);  ep.  58,2,1  (CChr.SL ΠΙ C,  321,2931);  ep.  58,3,1  (CChr.SL  III C, 323,67-69);  ep.  58,6,3  (CChr.SL  ΠΙ C,  328,145-329,160);  Ad  Fort.  5  (CChr.SL  III,  192,26-31);  ep.  76,2,1  (CChr.SL  III  C,  608,42-47).  Daß  Cyprian  häufiger  als  648

Zusammenfassung 

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Bedeutung  dieser  Vorstellung  in  Tertullians  der  Aufforderung zur  Leidens­  und  Martyriumsbereitschaft  gewidmeten  Schriften.  Wenn  auch  die  verstreut  über  verschiedene  Schriften ­  vor  allem  „Scorpiace",  „De  resurrectione  carnis",  „De  anima"  und  „De  fuga  in  persecutione"  ­  zu  findenden  Hinweise  auf  eine  Ver­ knüpfung  zwischen  der  Passion  Christi  und  dem  Märtyrerleiden  sowie  der  Be­ kenntnisbereitschaft  der  Gläubigen  und  dem  zu  erwartenden  Urteil  Christi  deut­ lich machen,  daß Tertullian  den Christusbezug  des  Martyriums  nicht  völlig  außer  acht läßt, zeigt  sich  aber  andererseits  das Zurücktreten  dieses  Bezuges  darin,  daß  der  Gedanke  des  im  Martyrium  bekräftigten  Christuszeugnisses  nur  am  Rande  auftaucht. Ebensowenig  findet sich  bei  ihm ­  anders  als  zur  gleichen  Zeit  in  der  „Passio  Perpetuae"  und  ein  halbes  Jahrhundert  später  bei  Cyprian  ­  die  Vor­ stellung  eines  aktiven  Kampfes  Christi im Märtyrer,  der  den  Sieg verbürge,  dem  aber  letztlich  auch  der Ruhm  gebühre.  Die Notwendigkeit  göttlichen  Beistands,  insbesondere  desjenigen des  Heiligen  Geistes, zur Bewahrung der  Standhaftigkeit und  zum  Erleiden  des Martyriums  ist  durchgängig  in  Tertullians  martyrologischen  Ausführungen  vorausgesetzt  und  wird gegenüber  „Ad  martyras" und  „Scorpiace"  in den montanistischen  Schriften  „De fuga in persecutione" und „Adversus Praxean" sogar noch verstärkt  herausge­ stellt; im Rahmen  seiner Tauftheologie erscheinen  Standhaftigkeit im  Bekenntnis  und das Erleiden  des Glaubenstodes  als durch den  in der Taufe geschenkten  Geist  ermöglicht  und  damit  als Gaben  einer vorlaufenden Gnade Gottes. Dennoch  bleibt  bei  ihm  das  Leiden  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  ein  zwar  durch  den  Geist  ermöglichtes,  aber  letztlich vom  Menschen  selbst  auszustehendes  Leiden, auf  das  sich  dieser  denn  auch  durch  entsprechende  Übung  seiner  „virtus"  vorbereiten  müsse.  Dieses  Zurücktreten  des  Verständnisses  des  Martyriums  als  eines  im  ei­ gentlichen  Sinne  „göttlichen"  Ereignisses  zeigt  sich  deutlich  auch  daran,  daß  Tertullian mit einer Ausnahme  an keiner  Stelle das Erleiden  des Glaubenstodes  als  besondere  Gabe  Gottes  versteht,  auf  dessen  spezielle  Würdigung  des jeweiligen  Christen zurückfuhrt oder  an einen  entsprechenden  Ruf  Gottes  bindet.  Dies  stellt  einen grundlegenden  Unterschied  gegenüber  der Martyriumskonszeption  Cyprians  dar,  für den  das Martyrium  in erster  Linie  als  Ausdruck  der  „divina  dignatio"  zu 

Tertullian  auf  die  Nachfolge  Christi  zur  Begründung  des  Martyriums  verweist,  entspricht  der  grundsätzlich  größeren  Bedeutung,  die  die  Nachfolge  als  ethisches  Prinzip  für ersteren  besitzt.  Zur  Relevanz  der Nachfolge  Christi  als  Prinzip  christlicher  Existenz  bei  Cyprian  vgl.  Spanneut,  Tertullien,  67f;  Beck,  Recht,  135f. 

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Zusammenfassung 

werten ist und der das Erleiden des Martertodes von dem Ergehen eines göttlichen  Rufes abhängig  macht.  Führt diese  nachdrückliche  Verankerung  des  Martyriums  im  Gnadenhandeln  Gottes  bei  letzterem  zu  einer  theologischen  Rechtfertigung  einer  Flucht  in  der  Verfolgung einerseits sowie einer strikten Absage an jede Selbstauslieferung andererseits651,  so  sind  bei  Tertullian  die Vorzeichen  umgekehrt  gesetzt,  wobei  seine  Haltung  allerdings  nicht  durchgängig  einheitlich  gewesen  ist.  Seine  Bewertung  einer  Flucht  vor  der  Verfolgungssituation  ist  deutlich  einer  Radikalisierung  unterworfen gewesen.  Zeichnet sich in einer beiläufigen Äußerung  in „De patientia" noch  eine Akzeptanz  der Flucht  in dem  Sinne  ab,  daß  sie  ohne  weitere  Abwertung als eine während einer Verfolgung mögliche Leidenssituation  vorausgesetzt wird, erfährt diese Anerkennung bereits eine deutliche  Einschränkung  in der  ebenfalls  katholischen  Schrift  „Ad  uxorem":  Dort  wird  die  Flucht  als  etwas  lediglich „Erlaubtes" zugestanden, wodurch für Tertullian, der zwischen dem bloß  erlaubenden  und dem eigentlichen  Willen  Gottes  unterscheidet,  ihre  moralische 

651  Eine Ausnahme von dieser strikten Regel  Cyprians bildete allerdings vermutlich der zur  Zeit  der  Verfolgung  unter  Decius  an  einige  Abgefallene  ergangene  Hinweis  auf  das  Martyrium  als  Möglichkeit,  Vergebung  für ihre Apostasie  zu erlangen,  falls sie nicht  auf die  fiir  die Zeit  nach  dem  Ende  der  Verfolgung  in  Aussicht  gestellte  Regelung  ihrer  Buße  warten  wollten:  Wer  den  Abfall  bereue,  habe  in der noch  andauernden  Verfolgungssituation ja  die Gelegenheit,  das  Warten  auf  eine  spätere  Rekonziliation  zu  vermeiden  und  gleich  die  Krone  des  Martyriums  zu  erlangen  (ep.  19,2).  Welchen  praktischen  und  rechtlichen  Hintergund  diese  Empfehlung allerdings  hatte,  ist  umstritten.  Paul  Keresztes,  The  Decian  Libelli  and  contemporary  Literature,  in:  Latomus  34  (1975),  771,  spricht  von  einem  „retesting  of  the  once  lapsed"  durch  den  Prokonsul  in  der  zweiten  Phase  der  Verfolgung als  Voraussetzung  dafür, daß  einmal  Gefallene  zu  Bekennern  oder  Märtyrern  werden  konnten,  verknüpft Cyprians  Empfehlung also  mit  einem  (hypothetischen) juristischen  Akt  seitens  der  römischen  Behörden.  Da  dieser  aber  eher  unwahrscheinlich  ist  —  hatten  die  Christen  einmal  geopfert und  damit  der  Aufforderung zur  „supplicatio"  Folge  geleistet,  waren  sie  für die  römischen  Behörden  nicht  mehr  von  Interesse  ­  ,  ist  die  Vermutung  naheliegender,  daß  Cyprian  hier  an  provokative  Akte  der  Gefallenen  zur  Herausforderung  eines  Martyriums  denkt.  Obwohl  er  ein  solches  Verhalten  an  anderer  Stelle  (ep.  81) explizit  ablehnt,  erscheint  es durchaus  möglich,  daß  er  unter  dem  Druck,  sich  gegen  das  Drängen  der  Gefallenen  auf  Wiederaufnahme zu  wehren,  indirekt  auf einen  solchen  Weg  hinweist.  In diesem  Sinne  spricht  auch  Graeme  W.  Clarke,  Double­Trials  in  the  Persecution  of  Decius,  in:  Hist  22  (1973),  657f,  in  bezug  auf  die  Empfehlung  Cyprians  von  „some  such  simple  act  of  voluntary  martyrdom":  „Therefore,  those  lapsed  who  wish  positively  to  seek  the  martyr's  corona  are  being  urged  to  perform  some  such  defiantly  Christian  act  of  public  confession  ...".  Grundsätzlich  geht Clarke  davon  aus,  daß  die  Möglichkeit  der  Wiedergutmachung  der  Sünde  des  Abfalls einige  der  wenigen  Ausnahmen  der  generell  in der  Alten  Kirche  vertretenen  Ablehnung  der  Selbstauslieferung  darstellte:  „...  one  of the  rare  cases  for which  church  praepositi  were  prepared  to relent  this  rule was that of lapsed  Christians  so that they  might  blot out their former  fault  by  offering themselves  for  martyrdom."  (Clarke,  Letters,  Vol.  1,  303)  Ebenso  Tabbemee,  Montanism,  35. 

Zusammenfassung 

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Fragwürdigkeit  bereits  ausgedrückt  ist. Hier zeigt  sich,  daß  auch  fur seine  katho­ lische  Zeit  nicht  von  einer  gleichbleibenden  Akzeptanz  dieser  Form  christlichen  Verhaltens  ausgegangen,  eine beginnende  Ablehnung  hingegen  bereits  vorausge­ setzt  werden  kann.  Unterstrichen  wird  die  „Rückdatierung"  der  Absage  an  eine  Flucht  bereits  in  seine  vormontanistische  Zeit  durch  seine  Ausführungen  in  „Scorpiace":  Auch  wenn  sich  in  diesem  Traktat  keine  unmittelbar  auf die  Frage  eines Entweichens  vor  der  Verfolgung bezogenen  Äußerungen  finden, bietet  die  auf  die  Einschärfung  der  Gottgewolltheit  und  Pflichtmäßigkeit  des  Martyriums  ausgerichtete  Argumentation  keinen  Raum  für  die  theologische  Rechtfertigung  einer Flucht. Eine Radikalisierung  erfährt die von Tertullian vertretene Haltung  in  der montanistischen  Schrift „De  fuga in persecutione",  in  der  er  sich  in einer für  die  Alte  Kirche  singulären  Weise  gegen  jegliches  Ergreifen  einer  Flucht­ möglichkeit  wendet.  Seine  in diesem  Traktat  gebotene  Exegese  von  Mt  10,23,  in  der das Fluchtgebot  temporär  auf die Zeit der Apostel  eingeschränkt  und  damit  in  seiner  Gültigkeit  fur die  nachfolgenden  christlichen  Generationen  negiert  wird,  steht  isoliert  innerhalb  der  altkirchlichen  Auslegung  dieses  Verses,  in  der  dieser  zumeist  nicht  nur  als  „Zugeständnis"  für  die  schwachen  Christen652  aufgefaßt  wurde,  sondern  der  uneingeschränkten  Rechtfertigung  oder  gar  Forderung  nach  der  Flucht  diente.  Tertullians  Polemik  in  dem  Fluchttraktat,  die  sich  weniger  ausführlich auch in „De corona" abzeichnet, richtet sich genau  gegen diese  Exege­ se als Grundlage  der  seiner  Ansicht  nach  in der  katholischen  Kirche  verbreiteten  theologischen  Rechtfertigung  einer  Flucht.  In  der  einleitenden  Schilderung  der  Verweigerung  der Bekränzung  seitens eines christlichen  Soldaten  in „De  corona"  zeigt  sich  darüberhinaus,  daß  Tertullians  Ablehnung  einer  Flucht  auf  der  einen  Seite die positive Bewertung  eines zumindest  nach  den Maßstäben  der von  ihm  in  den Blick genommenen großkirchlichen Gegner herausgeforderten Martyriums  auf  der  anderen  Seite  entspricht.  Ebenso  von  Akzeptanz  geprägt  ist  auch  die  Schil­ derung der  Selbstauslieferung  einer  großen  Anzahl  von  Christinnen  und  Christen  in der Provinz Asien,  die er in  „Ad  Scapulam"  dem  Adressaten  als  grundsätzlich  gegebene Möglichkeit  christlichen Verhaltens vor Augen  führt. Daß Tertullian  das  Drängen  zum  Martyrium  nicht  nur  prinzipiell  anerkennt,  sondern  auch  explizit  fordert,  ist  unter  Hinweis  auf  das  in  „De  fuga  in  persecutione"  aufgenommene  montanistische  Orakel  „Nolite  in  lectulis  nec  in  aborsibus  et  febribus  mollibus  optare  exire,  sed  in martyriis" behauptet  worden.  Wenn  dieser  Parakletenspruch 

652

 So  Wendebourg,  Martyrium,  309. 

246 

Zusammenfassung 

auch  ursprünglich  diese  Intention  gehabt  haben  kann,  verwendet  Tertullian  ihn  jedoch  in dem  Fluchttraktat  nicht  im  Sinne  einer direkten  Aufforderung zum  ge­ suchten  oder  provozierten  Martyrium:  Hier  geht  es  ihm  um  die  theologische  Begründung  der  Bereitschaft,  sich  dem  in  der  Verfolgungssituation  drohenden  Martyrium  nicht  durch  Flucht  zu  entziehen,  nicht  aber  um  die  Herausforderung  eines  Martyriums.  Am  deutlichsten  auf  eine  theologische  Rechtfertigung  eines  Drängens  nach  dem  Glaubenstod  läuft, auch  wenn  diese  Frage  direkt  darin  nicht  aufgegriffen wird,  die  Schrift „Scorpiace"  hinaus;  angesichts  der  Betonung  der  Pflichtmäßigkeit  des Martyriums  und  der  deutlichen  Differenz zwischen  Märty­ rern und Nichtmärtyrern  in bezug auf ihren Heilsbesitz konnte eine Forcierung  des  Erleidens  des  Martyriums  durchaus  als  praktische  Konsequenz  aus  ihren  Aus­ führungen abgeleitet werden. Die Tatsache, daß Tertullian  den  Glaubenstod  nicht  an einen besonderen  Ruf Gottes bindet und damit  aus dem  Gnadenhandeln  Gottes  wesentlich  in  den  Bereich  ethischer  Entscheidung  des  freien  menschlichen  Wil­ lens verlegt, macht eine Selbstauslieferung auch theologisch  begründbar. Im  Blick  auf die vielfach geäußerte  These  der besonders  innerhalb  der  „Neuen  Prophetie"  zu  findenden  „Martyriumssucht"653  trägt  Tertullians  Position  insofern  zu  einer  Differenzierung bei,  als  sich  an keiner  Stelle  in seinen  montanistischen  Schriften  eine ausdrückliche  Aufforderung zu einem  Drängen  nach  dem Martyrium  findet,  wohl  aber  an  mehreren  Stellen  eine  deutliche  Akzeptanz  eines  solchen  Schrittes  bzw.  eines  in  der  Großkirche  in  diesem  Sinne  gewerteten  Verhaltens  deutlich  wird. Kann  dies  als eine  durch  die Darstellung  gegebene  implizite Aufforderung  nach einer Forcierung  des Martyriums bei dem Montanisten  Tertullian  verstanden  werden,  so zeigt  sich  andererseits  aber,  daß  sich  eine  solche  auch  schon  aus  der  vormontanistischen  Schrift „Scorpiace"  ableiten  läßt.  Dies  weist  daraufhin,  daß  die Akzeptanz und theoretische Begründung eines Drängens nach dem  Martyrium  unabhängig  von  montanistischen  Vorstellungen  möglich  war,  wenn  sie  auch  innerhalb  der Reihen der katholischen  Kirche eine „Minderheitsposition"  darstell­ te.  Einen  verhältnismäßig  schmalen  Raum  nimmt  innerhalb  der  Ermahnungen  Tertullians  zur  Leidens­  und  Martyriumsbereitschaft  der  Verweis  auf  die  den  Märtyrerinnen  und Märtyrern  in Aussicht  stehenden  Verheißungen  ein; in  „Scor­ piace" tritt  er  deutlich  hinter  der Einschärfung der Pflichtmäßigkeit  des  Martyri­ ums zurück,  der Fluchttraktat  entbehrt seiner  fast vollständig,  und selbst in der zur 

653

  Buschmann,  Martyrium  des  Polykarp,  84. 

Zusammenfassung 

247 

Ermunterung  der  Inhaftierten  dienenden  Schrift  „Ad  martyras"  argumentiert  Tertullian  nur  am Rande mit den himmlischen  Belohnungen  für den  Glaubenstod.  Seine  Bewertung  des  Martyriums  im  Blick  auf  den  dadurch  zu  erlangenden  Heilsstand  des  Gläubigen  ergibt  sich  aber  darüberhinaus  aus  mehreren  anderen  Traktaten,  in  denen  er  ­  wie  im  „Apologeticum",  i n  „De  baptismo"  und  „De  pudicitia"  ­  entweder  die  Vorstellung  einer  durch  den  Martertod  ermöglichten  völligen  Vergebung  der  Sünden  aufgreift oder  sich  ­  wie  in  „De  resurrectione  carnis" und  „De  anima" ­  zu der postmortalen  Destination  der Märtyrerinnen  und  Märtyrer  äußert.  Die  Betrachtung  dieser  Texte  weist  darauf  hin,  daß  Tertullian  zwar auch  schon zu  Beginn  seines  Wirkens  die Vorstellung  eines  Märtyrerlohnes  sui generis kennt,  aber kein weiteres  Interesse  an  der Abhebung  des  himmlischen  Ruhmes  der Blutzeugen von dem der übrigen  Gläubigen  zeigt.  So verweist  er  zur  Ermunterung  der  „martyres  designati"  in  „Ad  martyras"  an  keiner  Stelle  auf  die  Überlegenheit  des ihnen in Aussicht  stehenden  Lohnes  gegenüber  demjenigen  der  Nichtmärtyrer.  Eine  deutliche  Exklusivität  des  Märtyrerlohnes  im  Vergleich  zu  demjenigen  der  übrigen  Gläubigen  zeigt  sich  hingegen  in  „Scorpiace".  In  bezug  auf  die  postmortale  Destination  spiegelt  sich  die  Differenz zwischen  Märtyrern  und Nichtmärtyrern  in „De resurrectione  carnis" und „De  anima" wider,  die  beide  ersteren  exklusiv  zusprechen,  sofort nach  dem  Tod  in  das  Paradies,  nicht  erst  in  die  Unterwelt  zu  gelangen;  die  Singularität  des  Wertes  des Martyriums  im  Blick  auf seine  Sündenvergebungsfunktion  zeigt sich am deutlichsten  in „De  pudicitia",  wo der Glaubenstod  die Funktion  der einzigen  Möglichkeit zur Vergebung  schwe­ rer  postbaptismaler  Sünden  zugeschrieben  bekommt.  In  der  Konsequenz  laufen  die Ausführungen in den zuletzt  genannten  Schriften auf einen klaren  Unterschied  im  Heilsstand  zwischen  den  Märtyrern  und  Nichtmärtyrern  hinaus;  die  in  der  Taufe  den  Christen  zugeeignete  Erlösung  durch  die  Heilstat  Christi  erscheint  insofern  als  ergänzungsbedürftig  durch  das  Martyrium,  als  erstere  allein  nicht  mehr  den  gleichen  Heilsbesitz  verbürgt  wie  das  Erleiden  des  Glaubenstodes.  Diese Differenzierung bei Tertullian  ist ­  wie die Einschärfung der  Notwendigkeit  und Gottgewolltheit  des Martyriums  ­  ebenfalls nicht  ursächlich  auf den  Einfluß  des  Montanismus  zurückzuführen,  wenn  sie  auch  in  montanistischen  Schriften  verstärkt  herausgestellt  worden  ist. Vielmehr  sind zwei  Motive  zu  nennen,  die für  die  explizite  Unterscheidung  zwischen  Märtyrern  und  Nichtmärtyrern  in  bezug  auf den  ihnen  zustehenden  himmlischen  Ruhm  und  ihren  Heilsstand  maßgeblich  sind: Zum  einen  die radikal  antignostische  Haltung  Tertullians,  die zu einer  Ver­ lagerung  der Martyriumsthematik  in den  Bereich  der  Polemik  gegenüber  gnosti­

2 4 8 

Zusammenfassung 

sehen Relativierungen  der Pflicht zur Leidensbereitschaft  fuhrt, denen  gegenüber  das Martyrium  als Notwendigkeit,  aber  auch  als höchstes  Ziel  christlicher Hoff­ nung mit entsprechend singulärem Lohn eingeschärft wird. Zum anderen  seine  auf  die  Reinheit  und  Heiligkeit  der  christlichen  Gemeinschaft  ausgerichtete  Ek­ klesiologie,  die  zu  größter  Rigorosität  in  den  ethischen  Forderungen,  zu  einer  Ablehnung  der Duldung jeglicher  Sünde  in  ihren Reihen  und  damit  letztlich  auch  zu  einem  Ausschluß  der  Buße  als  Möglichkeit  der  Vergebung  schwerer  Sünden  fuhrt.  Die  von  Tertullian  in  „Scorpiace"  und  besonders  in  „De  pudicitia"  be­ hauptete Gewährleistung vollkommener  Reinheit und  Sündlosigkeit  und damit der  Sicherheit  des  persönlichen  Heils  ausschließlich  durch  das  Martyrium  ist  als  Konsequenz dieser „perfektionistischen" ekklesiologischen  Position zu betrachten.  Die  in mehreren  Schriften herausgestellte  Überlegenheit  des Ruhmes  der  Märtyre­ rinnnen  und  Märtyrer  über  denjenigen  der  Christen,  die  nicht  den  Glaubenstod  erleiden,  zeigt,  daß  Tertullian  dem  Martyrium  einen  exklusiven  Stellenwert  in­ nerhalb  seiner Ethik zuweist, die damit zumindest  seit „Scorpiace"  den  Charakter  einer auf eine Elite  ausgerichteten  Zwei­Stufen­Ethik bekommt,  in der  die  Nicht­ märtyrer  ­  auch  zu  seinen  Zeiten  die  Majorität  der  Gläubigen  ­  lediglich  einen  zweiten  Rang  in bezug auf die himmlischen  Belohnungen,  die postmortale  Desti­ nation  und  die  persönliche  Heilssicherheit  zugewiesen  bekommen.  In  diesem  Sinne  erscheint  sie  als  „eine  Ethik,  die  sich  an  alle,  die  berufen  waren,  an  alle  Getauften, an alle Christen wandte, und  doch nur  die Ethik  der Auserwählten,  die  Ethik  der  Wenigen,  die Ethik  der  Märtyrer  sein  konnte".654  Was  sich  bereits  bei  der Betrachtung der von ihm zur Beschreibung des christlichen Leidens  verwende­ ten  Terminologie  angedeutet  hat,  bestätigt  sich  bei  der  Betrachtung  der  theo­ logischen Deutung des Martyriums: Anderen Formen des Verhaltens  innerhalb  der  Verfolgungssituation  wird  ebensowenig  ein  dem  Märtyrerlohn  vergleichbarer  Lohn  in  Aussicht  gestellt  wie  der  Bewahrung  christlicher  Sittlichkeit  in  Zeiten  ohne  äußere  Verfolgung.  Damit  bietet  Tertullians  Martyriumstheologie  keinen  Ansatzpunkt  für eine „Spiritualisierung"  oder  „Ethisierung"  des  Martyriumskon­ zeptes,  wie  er  sich  ein  halbes  Jahrhundert  später  bei  Cyprian  findet655;  vielmehr  bleibt sie auf den  realiter  erlittenen  Glaubenstod,  das tatsächlich  vergossene  Blut  der Gläubigen,  ausgerichtet. 

654

  Klein,  Bewußtsein,  312. 

655

  Vgl.  Kap.  6. 

Zusammenfassung 

2 4 9 

Diese  Charakterisierung  der  Martyrologie  Tertullians  bezieht  sich primär  auf  seine  entsprechenden  Ausführungen  in  polemischen  Kontexten,  innerhalb  derer  die Mehrzahl  seiner auf die Martyriumsthematik bezogenen  Äußerungen  zu finden  sind  und  die  so maßgeblich  seine Martyriumskonzeption  bestimmen.  Die  grund­ sätzlich  in  bezug  auf  sein  Werk  zu  findende  Kennzeichnung,  dieses  sei  mehr  dasjenige  eines  Polemikers  als  das  eines Predigers656,  läßt sich  insofern  auf  seine  Martyriumstheologie  übertragen,  als  auf  deren  primär  polemischem  Charakter  sowohl  die  Schroffheit  in  der  Einschärfung  der  göttlichen  Forderung  nach  dem  Martyrium  als  auch  die  Herausstellung  seines  exklusiven  göttlichen  Lohnes  zurückzuführen sind.  Die wenigen  Kontexte,  in denen  Tertullian  mit  nicht­pole­ mischer  Ausrichtung  auf  die  Martyriumsthematik  Bezug  genommen  hat,  bieten  demgegenüber  eine  wesentlich  weniger  profilierte martyrologische  Position.  Es  zeigt  sich  allerdings,  daß  sich  in  diesen  weder  eine  rigorose  Einschärfung  der  Gehorsamsforderung  noch  eine explizite  Abhebung  des  Ruhmes  der  Blutzeugen  von demjenigen der übrigen  Christinnen  und Christen  finden.  Flucht und  Martyri­ um  stellen  ­  zumindest  in  „De  patientia"  ­  gleichermaßen  Formen  christlichen  Leidens  innerhalb  der  Verfolgung  dar,  der  Glaubenstod  bildet eine  Möglichkeit  zur  Vergebung  schwerer  postbaptismaler  Sünden  neben  der  noch  akzeptierten  Buße.  Dennoch  weist  das auch  hier  erkennbare  Zurücktreten  des  Verständnisses  des  Martyriums  als  eines  auf  göttlicher  Initiative  beruhenden  Geschehens  schon  auf den Punkt hin,  an dem Tertullian  in seinen polemisch  ausgerichteten  martyro­ logischen  Ausführungen  mit  der  an  den  Menschen  ergehenden  Forderung  nach  Leidens­ und  Martyriumsbereitschaft  ansetzt.  Insofern  steht  sein  zuerst  in  „Scor­ piace"  expliziertes  und  in  der  Folgezeit  in  montanistischen  Schriften  weiter  ausgeführtes,  ebenso  rigoroses  wie  exklusives  Martyriumskonzept  trotz  verschiedener  Differenzen  besonders  in  bezug  auf  die  konkreten  Verhal­ tensnormen  für die Verfolgungszeit und  die bußtheologische  Relevanz  des  Marty­ riums  doch  in  einer  inneren  Kontinuität  zu  seinen  frühesten,  nicht­polemischen  Äußerungen  zum  christlichen  Leiden  in  der  Verfolgung.  Nur am Rand  in den Blick gekommen  sind  bislang  die Ausführungen  Tertulli­ ans  zum  Martyriumsleiden  innerhalb  der  apologetischen  Argumentation,  ins­ besondere  im „Apologeticum",  in dem er mit diesem Thema  seine  Argumentation  beschließt.  Ausfuhrlich  rezipiert  er  hier,  wie  auch  in  dem  wahrscheinlich  im 

656

  Pétré,  L'Exemplum,  140:  „Mais  cette  oeuvre  (sc.  de Tertullien)  est  plus  d'un  polémiste  que  d'une  prédicateur." 

2 5 0 

Zusammenfassung 

selben  Jahr  entstandenen  „Ad  martyras",  das  Motiv  des  „Kampfes",  den  die  Christen in Verfolgungsleiden und Martyrium zu bestehen  hätten. Mit  seiner Hilfe  gelingt  ihm die Verknüpfung zwischen dem apologetischen  Ziel  des Erweises  der  Ungerechtigkeit  der  Verfolgungen  einerseits  und  der  Betonung  der  christlichen  Leidensbereitschaft andererseits: Dem heidnischen  Einwurf, die Christen  brauch­ ten sich doch über die Verfolgungen nicht zu beklagen,  wenn  sie gerne  litten,  hält  er  entgegen,  daß  sie  das  Leiden  wollten,  aber  in  dem  Sinne,  wie  man  auch  den  Krieg  „wolle"  und  auf  sich  nehme  ­  nämlich  im  Blick  auf  den  dadurch  zu  er­ langenden Ruhm  und  die Beute.657 Letztere  sind  fur die Gläubigen  dergestalt,  daß  sie das heidnische  Urteil über die Christen  genau  in sein Gegenteil  verkehren:  Der  Verurteilung  durch  Menschen  steht  der  dadurch  erlangte  Freispruch  durch  Gott  gegenüber.  Damit dient der Hinweis  auf die sündenvergebende  Wirkung des  Mar­ tyriums  hier  als  abschließender  triumphaler  Beleg  für die  Relativität  und  Nutz­ losigkeit der Christenverfolgungen  seitens  der Heiden:  Die  „damnatio"  durch  die  Heiden  bedeutet  für  die  Gläubigen  „absolutio"  und  die  Erlangung  der  „gloria"  seitens Gottes. Die  Sinnlosigkeit  der Verfolgung der christlichen Gemeinschaft hat  Tertullian  darüberhinaus  noch  mit  der  im  folgenden  Kapitel  zu  betrachtenden  Vorstellung  einer  missionarischen  Wirkung  des  christlichen  Leidens  herausge­ stellt658, der  zufolge der Versuch,  die  Christinnen  und  Christen  durch  die Verfol­ gungen  als  gesellschaftliche  Kraft  zu  minimieren,  zu  dem  genauen  Gegenteil,  nämlich  ihrer Vermehrung,  führe. In doppelter Hinsicht  erweist Tertullian  also  im  Abschlußkapitel  des  „Apologeticums"  die  Umkehrung  des  heidnischen  Urteils,  zum  einen  im Blick  auf  das  für die Christen  entscheidende  göttliche Urteil,  zum  anderen  auf  die  letztendliche  Nutzlosigkeit  ihres  Vorgehens  gegenüber  den  Gläubigen;  damit  bildet  der  Verweis  auf  die  christlichen  Martyrien  nicht  ein  „Rand­  oder  Schlußthema" 65 '  im  „Apologeticum",  sondern  stellt  den  Höhepunkt  der  auf  die  Beendigung  der  Verfolgungen  ausgerichteten  apologetischen  Argu­ mentation  Tertullians  dar. 

657

  Apol.  5 0 , I f  (CChr.SL  I,  169,1-7):  „Ergo,  inquitis,  cur  querimini,  quod  vos  insequamur,  si 

pati  vultis,  cum  diligere debeatis,  per quos  patimini  quod  vultis?  Plane  volumus,  verum  eo more,  quo  et  bellum  miles.  N e m o  quidem  libens  patitur,  cum  et  trepidare  et  periclitan  sit  necesse.  Tarnen  et  proeliatur  omnibus  viribus  et  vincens  in  proelio  gaudet  qui  de  proelio  querebatur,  quia  et  gloriam  consequitur  et  praedam."  658

  Vgl.  Kap.  5.1. 

659

  Klein,  Bewußtsein,  303. 

5. Bekenntnis  und Martyrium  im Rahmen der  christlichen  Gemeinschaft 

Im vorangegangenen  Kapitel wurde nach der bei Tertullian vorliegenden  theologi­ schen Begründung  des Martyriums  gefragt sowie  nach  dessen  Bedeutung  fur das  Heil  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer.  Diese  Aspekte  der  Martyriumsdeutung  beziehen  sich  auf  die einzelne Person  des  Christen  oder  der  Christin,  die  als  solche  aufgerufen  sind,  der  auf  die  Martyriumsbereitschaft  bezogenen  Gehorsamsforderung  Gottes  Folge  zu  leisten,  und  denen  ein  entsprechender  himmlischer  Ruhm  in  Aussicht  gestellt  wird.  Daß  Bekenntnis  und  Glaubenstod  daneben  auch  eine über individuelle, auf die Gemeinschaft der Christinnen und Christen bezogene  Bedeutung  haben  können,  spielt  demgegenüber  bei  Tertullian  eine  sekundäre  Rolle.  In  der  theoretischen  Reflexion  über  das  Martyrium  tritt  diese  Perspektive  deutlich  nur  dort  zutage,  wo  er  von  der  missionarischen  Wir­ kung  der  christlichen  Blutzeugnisse  spricht. 

5.1  Die  Bedeutung  des  Martyriums  für die  christliche  Mission  Zentral  ist  das  Verständnis  des  Martyriums  im  Sinne  einer  Werbung  fur  die  christliche  Gemeinschaft  im  „Apologeticum".  Tertullian  beschließt  darin  seine  Auseinandersetzung  mit den Heiden  mit  dem  Hinweis  darauf,  daß  auch  das  grau­ samste Vorgehen  gegen  die Christen  nicht  zu  ihrer Verminderung  führe,  sondern  ihnen letztlich  sogar einen Dienst  erweise, da es als „illecebra",  als  „Verlockung",  zum  Christentum  diene.'  Während  die Verfolgungen  und  Übergriffe der  Heiden  auf eine Vernichtung  der Christen  als gesellschaftlicher Kraft ausgerichtet  waren,  behauptet  Tertullian  eine diesem Ziel vollkommen  entgegengesetzte  Wirkung  des  heidnischen  Vorgehens: „Etiam plures efficimur, quotiens metimur a vobis:  semen  est  sanguis  christianorum." 2  Hinter  diesem  Satz  steht  die  Überzeugung,  daß  das 

1

 Apol.  50,13  (CChr.SL  I,  171,58f):  „Nee  tarnen  proficit exquisitior  quaeque  crudelitas  vestra: 

illecebra  est  magis  sectae."  2

 Apol.  50,13  (CChr.SL  I,  171,59-61).  Vgl.  Apol.  21,25  (CChr.SL  I,  127,128-13):  „Discipuli 

vero  diffusi  per  orbem  e x  praecepto  magistri  Dei  paruerunt,  qui  et  ipsi  a  ludaeis  persequentibus  multa  perpessi  utique  pro  fiducia  veritatis  libenter  Romae  postremo  per  Neronis  saevitiam  sanguinem  Christianum  seminaverunt." 

2 5 2 

Bedeutung  des  Martyriums  für die  christliche  Mission 

Verhalten der Christen, ihre Bereitschaft zum Ertragen von  Schmerz und Tod,  die  Heiden veranlasse zu untersuchen, was hinter der christlichen  Haltung stehe.3 Im  Zusammenhang der Argumentation  Tertullians erscheint das christliche  Martyri­ um so  als eigentliche  „ultima ratio" seiner  apologetischen  Bemühungen,  die  auf  die  Beseitigung  der  Unkenntnis  der  Heiden  über  das  Christentum  ausgerichtet  sind.4  Wer  den  Hintergrund  des Verhaltens  der  Christinnen  und  Christen  unter­ sucht und daraufhin erkannt habe, auf welcher Wahrheit  ihre Leidensbereitschaft  gründe, werde ­  davon geht Tertullian  selbstverständlich  aus ­  auch der  christli­ chen Gemeinschaft beitreten.5 Insofern führten die Martyrien  zu einer  Vergröße­ rung der Zahl  der Christen, nicht zu ihrer Dezimierung,  d.h. die  angesprochenen  heidnischen  „praesides"6  erreichten  mit  ihrem  Vorgehen  gegen  die  Gläubigen  genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich intendiert hätten. Damit dient der  Hinweis auf die werbende und überzeugende Kraft der Martyrien  in nahezu para­ doxer Weise der auf eine Beendigung der Verfolgungen ausgerichteten  Intention  Tertullians: Je mehr Martyrien es gibt, desto mehr Heiden werden  überzeugt,  was  letztlich zu einer abnehmenden  Zahl von Verfolgungen fuhren wird. Aus  diesem  Grund  ist  es  für  ihn  auch  folgerichtig,  wenn  er  zum  Abschluß  des  „Apo­ logeticum", nachdem  er alle Gründe,  die gegen ein Vorgehen  gegen  die Christen  sprechen,  ausführlich  dargelegt  hat,  die  Heiden  dennoch  auffordert:  „Sed  hoc  agite,  boni  praesides,  ...,  cruciate,  torquete,  damnate,  atterite  nos  ...!"7  Dieses  Verhalten  trägt  nach  Tertullians  Verständnis  in  sich  den  Keim  für sein  eigenes  Ende.  In knapperer  Form hält Tertullian die Überzeugung von  der werbenden  Wir­ kung  der  Martyrien  auch  in  „Ad  Scapulam"  dem  heidnischen  Adressaten  ent­ gegen;  ebenso  wie  im  „Apologeticum"  bildet  dieser  Gedanke  auch  hier  den 

3   Apol.  50,14f  (CChr.SL  I,  171,61-67):  „Multi  apud  vos  ad  tolerantiam  doloris  et  mortis  hortantur,...;  nec tarnen tantos  inveniunt  verba discípulos, quantos Christiani factis docendo. Ipsa illa obstinatio, quam exprobratis, magistra est. Quis enim non contemplatione eius concutitur ad requirendum in re sit?" 4 Vgl. Apol. 1,2 (CChr.SL I, 85,14f): „Unum gestit interdum, ne ignorata damnetur." In diesem Sinne schließt Tertullian die Beweisführung im „Apologeticum" mit einem Rückgriff auf den Beginn des Traktates ab: Ziel seiner Ausführungen war es, die von ihm als Ursache des heidnischen Vorgehens gegen die Christen angesehene Unkenntnis zu beseitigen. In dem Bemühen, die Unwissenheit der Heiden zu überwinden, stellen die Martyrien nach seiner Auffassung ein wesentliches Mittel dar. Da durch sie der Unwissenheit der Heiden abgeholfen und diese zur Bekehrung veranlaßt würden, bilden sie die Voraussetzung für ein Ende des heidnischen Vorgehens gegen die Christen. 5 Apol. 50,15 (CChr.SL I, 171,67): „Quis non, ubi requisivit, accedit...?" 6 Vgl. Apol. 50,12 (CChr.SL I, 171,51). Zu den Adressaten des „Apologeticums" vgl. detailliert Kap. 3.1.1, Anm. 21. 7 Apol. 50,12 (CChr.SL I, 171,51 - 5 3 ) .

Bedeutung  des  Martyriums  für die  christliche  Mission 

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Abschluß der Argumentation.  Basierend  auf der Überzeugung,  daß niemand Gott etwas anhaben könne, betont er, daß auch die Gemeinschaft der zu ihm Gehörigen durch  den  Tod  ihrer  Mitglieder  keinesfalls  zugrundegehen  werde.  Vielmehr  wachse  sie  dann  stark  an,  wenn  sie  niedergeschlagen  zu  werden  scheine,  denn  jeder  der Heiden, der die Märtyrer  im Ertragen  ihres Leidens  gesehen  habe,  werde  veranlaßt,  nach  den  dahinterstehenden  Vorstellungen  zu  fragen. 8  Wie  im  „Apo­ logeticum" erscheint  auch hier das Martyrium  als entscheidendes  Mittel  gegen  die  zu Beginn  der  Schutzschrift beklagte  „ignorantia"9  der Heiden,  indem  es  förmlich  zur  Nachfrage  nach  dem  Grund  der  Leidensbereitschaft  dränge.  Daß  diejenigen  unter den Heiden, die sich ihrer Unwissenheit  bewußt  würden  und  die hinter  dem  Verhalten  der  Christen  stehenden  Überzeugungen  untersuchten,  diese  sofort  als  Wahrheit  erkennen  würden  und  ebenfalls  den  Weg  der  Christen  einschlügen10,  steht  fur Tertullian  dabei  außer  Frage.  In  paradoxer  Umkehrung  des  heidnischen  Verständnisses  der  Martyrien  als  Mittel zur Verringerung  der gesellschaftlichen Bedeutung  der Christen  schreibt  er  diesen also eine wesentliche missionarische  Wirksamkeit  zu. Welchen  Stellenwert  diese  auch  anderweitig  in  der  altkirchlichen  Literatur  behauptete  protreptische  Wirkung  der Martyrien' 1  allerdings tatsächlich  im Rahmen  der  christlichen  Mis­ sion hatte,  ist schwer nachzuvollziehen,  da es kaum  entsprechende  Zeugnisse  von  Heiden  oder  Konvertiten  gibt,  die  die  Faktizität  ihrer  Außenwirkung  belegen.  Lediglich  Justin berichtet, daß  die Furchtlosigkeit  der  Christen  vor  dem  Tode  ihn  von  der  moralischen  Güte  ihres  Lebens  überzeugt  habe.12  Daneben  finden  sich  Hinweise  auf durch  Martyrien  verursachte  Konversionen  nur  im  Zusammenhang  christlicher Märtyrerberichte.13 Da andererseits mehrere heidnische Zeugnisse  eine 

8   Ad  Scap.  5,4  (CChr.SL  II,  1132,19  - 2 5 ) :  „Magistrum  neminem  habemus,  nisi  solum  Deum.  Hic  ante  te  est,  nec  abscondi  potest,  sed  cui  nihil  facere  potest...  Nec  tarnen deficiet  haec  secta,  quam tunc magis  aedificari scias,  cum caedi  videtur.  Quisque  enim tantam tolerantiam  spectans,  ut  aliquo  scrupulo  percussus  et  inquirere  accenditur,  quid  sit  in  causa,...".  9   Ad  Scap.  1,4  (CChr.SL  II,  1127,15).  10  Ad  Scap.  5,4 (CChr.SL  Π,  1132,25f): „... et ubi  cognoverit  veritatem  et  ipse  statim  sequitur."  "  Vgl.  z.B.  Ep.ad  Diogn.  6,9;  7,8;  Just.,  Apol.  1,4,7;  Dial.  110,4;  Hipp.,  In  Dan.  11,38,3f;  Clem.Al.,  Strom. IV,73,5; Orig.,  Exhortad  mart. 35; C.  Cels.  VII, 26.  Zu diesen  Texten  vgl.  Michele  Pellegrino,  Le  sens  ecclesial  du  martyre,  in:  RSR  35  (1961),  163f;  Everett  Ferguson,  Early  Christian Martyrdom  and Civil  Disobedience,  in: Journal  of  Early  Christian  Studies  1 (1993),  76.  12   Just.,  Apol.  11,12,1.  Zu  der  Konversion  Justins  vgl.  Arthur  Darby  Nock,  Conversion.  The  Old  and  the  New  in  Religion  from  Alexander  the  Great  to  Augustine  of  Hippo,  Oxford  1933  (Reprint  1988),  255f.  13  Pass.Perp.  16,4  (Habermehl,  Passio,  22):  „...  iam et  ipso optione  carceris  credente";  Eus.,  HE  VI,  1-7; VI,  41,16. 

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Bedeutung des Martyriums  für die christliche  Mission 

negative  Bewertung  der  christlichen  Bereitschaft  zum  Martyrium  belegen14,  ist  Tertullians  triumphale  Aussage  von  der unbedingten  missionarischen  Kraft der  Martyrien  insgesamt  wohl  eher  als  apologetisch  ausgerichtete  Überspitzung15, 

14

 Der älteste erhaltene heidnische Hinweis auf die christliche Todesbereitschaft findet sich bei  Epiktet  (Diss.  IV,  7,6).  Seiner  Einschätzung  nach  sind  die  „Galiläer"  aus  bloßer  „Gewohnheit"  ( ή θ ο ς )  dem Tod  gegenüber furchtlos, nicht aber auf Grund eigenständiger  Überlegung, was für ihn  die Voraussetzung  zur Akzeptanz einer solchen Haltung wäre. Der Zusammenhang  dieser  Aussage  legt es nahe, daß für ihn die kritisierte  Haltung in die Nähe einer aus „Wahnsinn"  ( μ α ν ί α )  gebore­ nen Haltung gehört. Zu dieser beiläufigen Kritik Epiktets vgl. Butterweck,  Martyriumssucht,  92­94.  Eine  deutlich  negative  Auffassung von  der  Ursache  der  christlichen  Todesbereitschaft  zeigt  sich  auch  bei  Mark  Aurel  (Med.  XI,3).  Nicht  auf  Grund  eigenen  durchdachten  Urteils,  sondern  aus  „bloßem  Trotz",  „bloßer Opposition"  ( ψ ι λ ή  π α ρ ά τ α ξ ι ς )  seien  die Christen  zum Tode  bereit.  Zur  Interpretation  dieser  Aussage  vgl.  Berwig,  Mark  Aurel,  90­92,  der  hinter  der  Formulierung  ψ ι λ ή  π α ρ ά τ α ξ ι ς  konkret  einen  Hinweis  auf  die  christliche  OpferverWeigerung  vermutet.  (Berwig,  Mark Aurel, 91, ebenso  Richard  Klein/Peter Guyot, Das  frühe  Christentum  bis zum  Ende  der  Verfolgungen.  Eine  Dokumentation.  Bd.  2:  Die  Christen  in  der  heidnischen  Gesellschaft,  Darmstadt  (1994),  356)  Zu  der  Frage  weiterer  Äußerungen  Mark  Aurels  über  die  Christen  vgl.  Berwig,  Mark Aurel,  90­97, sowie Butterweck,  Martyriumssucht,  96f. Die auf der  undurchdachten  Übernahme der Lehren ihres Gesetzgebers, insbesondere der Lehren von der Unsterblichkeit und des  ewigen Lebens beruhende Bereitschaft zum  Tod  bei  den  Christen  ist auch  für Lukian  Gegenstand  der Kritik (De mort.Per.  13). In allen genannten Äußerungen wird deutlich, daß die heidnische Kritik  sich nicht gegen die Todesbereitschaft an sich, sondern gegen deren für sie uneinsichtige  Motivation  richtete: „Die bloße Zugehörigkeit  zu einer Gruppe,  dokumentiert  im  Bekenntnis  Christianus  sum,  ist ihnen (sc. den  Heiden)  keine einleuchtende  Begründung dafür, sich töten zu  lassen,  und  läßt  als  nicht situationsadäquates  Verhalten eher auf geistige Verwirrung schließen." (Butterweck,  Martyri­ umssucht,  104)  Eine  abwertende  Einschätzung  der  letztlich  auf  Martyrien  hinauslaufenden  oppositionellen Haltung der Christen gegenüber dem Staat findet sich auch bei Celsus; er charakteri­ siert  sie  als  „Wahnsinn"  (vgl.  Orig.,  C.Cels.  VIII,65).  Eine  positivere  Wertung  der  christlichen  Todesbereitschaft  zeigt  sich  hingegen  bei  dem  Arzt  Mark  Aurels,  Galen. Nach  der  von  Wilken,  Christians,  79f,  aufgenommenen  Deutung  von  Richard  Walzer,  Galen  on  Christians  and  Jews,  London  1949, 68f, gründete  die Sympathie  Galens für die Christen  darin,  daß er sie als  philosophi­ sche Schule betrachtete, durch die Menschen zu einem Leben in Tugend geführt würden: „In calling  Christianity a philosophical  school, even one whose dialectical skill did not impress him, Galen gave  Christianity a boost on the ladder of acceptance within the Roman World." (Wilken, Christians,  79)  Ihre  Furchtlosigkeit  vor  dem  Tode  wird  in  diese  positive  Bewertung  durch  Galen  einbezogen:  „Wahrlich, sie (sc. die Christen) haben ihren Glauben  aus Gleichnissen  und  Wundern  gezogen  ...;  doch bisweilen gehen von  ihnen Taten (wie) von scheinbaren  Philosophen  aus....  Denn  ihr Mangel  an Furcht vor dem Tod und dem, was sie danach erfahren werden  ..., ist eine Tatsache, die wir jeden  Tag  sehen  ..." (Text  nach  Walzer,  Galen,  15). Zu  den  heidnischen  Denkvoraussetzungen  für die  Wertung des christlichen  Martyriums  vgl. Nock,  Conversion,  193­198.  15  Daß Tertullian um der Argumentation  willen durchaus bereit ist, zur Übertreibung zu greifen,  zeigt sich z.B.  in Apol.  37,4 (CChr.SL I,  148,16­22), wo er die Ausbreitung  der Christen  über  den  gesamten  Erdkreis  und  in alle Bereiche der Gesellschaft behauptet, was  Schindler,  Afrika, 644,  als  „rhetorisch­apologetische  Übertreibung" bezeichnet. Ganz ohne Anhalt  an der historischen  Realität  sind aber wohl weder diese Ausführungen, noch diejenigen in Apol.  50 gewesen,  denn  andernfalls  hätte Tertullian ja  seine  gesamte  Argumentation  selbst  diskreditiert. 

Bedeutung  des  Martyriums  für die  christliche  Mission 

2 5 5 

denn als getreue Wiedergabe historischer Umstände zu verstehen.16  Ebensowenig  läßt sie sich eindeutig als Hinweis auf eine, in der Literatur häufig vorausgesetzte,  wesentliche  Bedeutung  der  Martyrien  bei  seiner  eigenen  Konversion  verifizieren.17  Daß  Tertullian  denn  auf  der anderen  Seite  auch  selbst  bewußt  war,  daß  die  Heiden der christlichen Todesbereitschaft keineswegs  mit Bewunderung,  sondern  vielmehr  mit  Skepsis  oder  gar Verachtung  gegenüberstehen,  zeigt  sich  deutlich  zum Abschluß des  „ A p o l o g e t i c u m s " ,  w o  er eine lange Reihe heidnischer  exempla  für die  Leidens-  und Todesbereitschaft  um des Ruhmes  und der Ehre willen  anführt,  an  Hand  derer  er  die  unterschiedliche  Bewertung  christlichen  und  heidnischen  Leidens  in  den Augen  der Römer  illustriert.18  Während  die  Christinnen 

16  In der  Forschung  ist die Bedeutung der  Martyrien  für die  Mission  sehr  unterschiedlich  gesehen  worden,  wobei  in der älteren  Literatur  eher  die Annahme  einer  großen  Außenwirkung  vorherrschte:  So  ist den  Martyrien  z.B.  bei  Adolf von  Harnack,  Die  Mission  und  Ausbreitung  des  Christentums  in den  ersten  drei  Jahrhunderten,  Bd.  1, Leipzig  19244,  377f.506f.  eine  große  missionarische  Kraft  zugemessen  worden,  ebenso bei Lods, Confesseurs, 37, der von einer  „grande efficacité" des  missio­ narischen  Zeugnisses  der  Martyrien  spricht.  Speziell  für die Christianisierung  Afrikas  ist  Johannes  Quasten,  Die  Reform  des  Märtyrerkultes  durch  Augustinus,  in:  ThGl  25  (1933),  319,  davon  ausgegangen,  daß  sie  „in  seltenem  Ausmaße  durch  zahlreiche  Martyrien  erkauft"  gewesen  sei.  Skeptisch  äußert  sich  hingegen  schon  Campenhausen,  Idee,  148,  Anm.  1; dieselbe  Zurückhaltung  zeigt  sich  bei  ihm  auch  noch  in  Ders.,  Das  Martyrium  in  der  Mission,  in:  Heinzgünther  Frohnes/  Uwe  W.  Knorr  (Hg.),  Kirchengeschichte  als  Missionsgeschichte,  Bd.I,  Die  Alte  Kirche,  München  1974,  78.  Auch  die  gegenwärtige  Forschung  geht  tendenziell  eher  davon  aus,  daß  die  christlichen  Martyrien  keinen  wesentlichen  Konversionsgrund  darstellten.  Vgl.  z.B.  Ramsay  MacMullen,  Christianizing the Roman  Empire, New  Haven  1984,29f,  im Anschluß  an  ihn  Michael  Slusser,  Art.  Martyrium  ΠΊ,Ι, in: TRE  XXII  (1992),  207. Nach  Rambaux,  Tertullien,  381,  Anm.  1, ist  Tertullian  mit dem  in  Ad  nat.  I,  19,3 (CChr.SL  I, 38,25f) gegebenen  Hinweis  auf  die  Verachtung  der  christli­ chen  Martyrien  seitens  der  Heiden  der  Wahrheit  näher  gekommen  als  mit  der  Behauptung  einer  werbenden  Wirkung. 

"  Von  einer  Bedeutung  der  Außenwirkung  der  Martyrien  bei  Tertullians  Konversion  geht  z.B.  aus  Bardenhewer,  Geschichte,  333:  „Durch  die  Standhaftigkeit  der  Märtyrer  wird  auch  Tertullian  mit  Hochachtung  für den  Glauben  der  Märtyrer  erfüllt oder  vielmehr  gleichsam  mit  einem  Schlage  in einen  Christen  umgewandelt  sein." Zurückhaltender  formuliert  Braun,  Origines,  7:  „La  fameuse  formule de la péroraison d'  l'Apologeticum  .Semen est sanguis christianorum' jaillit d'une  experien­ ce  vécue."  Vgl.  für  ähnliche  Voten  Kraft,  Kirchenväter,  259;  Campenhausen,  Kirchenväter,  13;  Groh,  Community,  17; Moreschini,  Aspetti,  56.  Pageis,  Versuchung,  138,  wertet  die  in Apol.  15zu  findende Erwähnung  der  Raserei  der  Heiden  bei  Hinrichtungen  im  Amphitheater  als  Beschreibung  der  Motivation  der  eigenen  Konversion,  die  durch  den  Anblick  verurteilter  Christen  eingeleitet  worden  sei.  Weder  wird  aber  in  diesem  Kontext  erwähnt,  daß  es  sich  bei  den  Verurteilten  um  Christen gehandelt habe, noch wird ein entsprechender  Eindruck auf Tertullian  auch nur  angedeutet.  Kritisch  in bezug auf eine Bedeutung der Martyrien  für Tertullians  Konversion  äußert  sich  Fredouil­ le,  Tertullien,  148f.  "  Apol.  50,5­9  (CChr.SL  I,  170,21­41).  Angeführt werden  Mucius,  Empedokles,  Dido,  Regulus,  Anaxarchus,  die  „Attica  meretrix",  Zeno  und  die  Geißelhiebe  erduldenden  Spartaner.  Zu  den  hier  angeführten  exempla,  die  außer  Anaxarchus  und  Zeno  auch  in  Ad  mart.  4,4­8  (CChr.SL  I,  6,24­

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Bedeutung  des  Martyriums  für die  christliche  Mission 

und Christen in ihrer Todesbereitschaft für „verzweifelte und heillose" Menschen  gehalten  würden19,  werde  die  in  dem  Verhalten  der  Heiden  deutlich  werdende  Verachtung  des  Todes  und  aller  Grausamkeiten  keinesfalls  auf  eine  „hoff­ nungslose und verzweifelte Gesinnung" (perdita (et) persuasio desperata)  zurück­ geführt. Der durch ihr Leiden und ihren Tod erlangte Ruhm werde  ­  so Tertullian  ­  anerkannt,  weil  er  ein  „menschlicher  Ruhm"  sei;  für  das  Vaterland,  für  das  Reich  und  für die Freundschaft  dürften sie  das  erleiden,  was  für Gott  zu  leiden  hingegen  nicht  erlaubt  sei.20  Die  Inkonsequenz  der  heidnischen  Umwelt  in  der  Bewertung der Todesbereitschaft in ihren Reihen  und derjenigen unter den  Chri­ sten verdeutlicht  er abschließend  durch einen Vergleich zwischen dem Bemühen  der Römer,  das Angedenken  der  genannten  Heiden  zu wahren  und  ihnen  so ein  „Weiterleben" zu ermöglichen, und der christlichen Auferstehungshoffnung. Was  wäre denn die Ehrung der Heiden durch Monumente anderes als  „gewissenmaßen  eine Auferstehung von den Toten"?  Diejenigen,  die  aber  für Gott  litten und  die  wirkliche  Auferstehung  von  ihm  erwarteten,  würden  als  „Verrückte"  (insani)  angesehen.21  Deutlich  spiegelt  sich hier der auch  in heidnischen  Quellen  zu fin­ dende Vorwurf des „Wahnsinns" wider22, aus dem letztlich  die Todesbereitschaft  der  Christen  entspringe.  So war  es primär  nicht  das Verhalten  an  sich,  daß  das  Unverständnis  der Heiden  begründete,  sondern  die für sie offensichtliche unein­ sichtige Motivation. Dies zeigt sich auch an anderen  Stellen in Tertullians Schrif­ ten, wo er die heidnische Einschätzung  der Martyriumsbereitschaft der  Christen  anspricht. Danach wurde  ihre Haltung  als „Hartnäckigkeit"  (obstinatio)  angese­ hen23 ­  ein Vorwurf, den schon Plinius erhoben hatte24; in ihrer Bereitwilligkeit zu 

7,17)  auftauchen,  vgl.  ausfuhrlich  Pétré,  L'Exemplum,  74-80.  Eine  kürzere  exempla-Reihe,  die  ebenfalls die unterschiedliche Bewertung heidnischer und christlicher Todesbereitschaft belegen soll,  fuhrt Tertullian  auch  in Ad  nat.  I,  18,3f (CChr.SL  I, 37,25-32)  an.  " In Apol.  50,4 (CChr.SL 1,169,18f) behauptet Tertullian ironisch: „... merito desperati  et perditi  existimamur."  20  Apol.  50,10  (CChr.SL  I,  170,42-46):  „O gloriam  licitam,  quia humanam,  cui  nec  praesumptio  perdita nec  persuasio  desperata reputatur in contemptu  mortis  et atrocitatis  omnimodae,  cui  tantum  pro patria,  (pro agro),  pro  imperio,  pro amicitia  permissum  est,  quantum  pro Deo  non  licet."  21

  Apol.  50,11  (CChr.SL  I,  170,46-171,50):  „Et  tarnen  litis  omnibus  et  statuas  defunditis  et  imagines  inscribitis  et títulos inciditis in aeternitatem! Quantum de monumentis potestis scilicet, praestatis et ipsi quodammodo mortuis resurrectionem. Hanc qui veram a Deo sperat, si pro Deo patiatur, insanus est!" 22 Vgl. die Anm. 14 genannten Belege von Epiktet und Celsus. 23 De spect. 1,5 (CChr.SL I, 227,17-19): „Sunt qui existimant Christianos, expeditum morti genus, ad hanc obstinationem abdicatione voluptatum erudiri...". Von der „obstinatio" der Christen spricht Tertullian auch in Ad nat. 1,18,1 (CChr.SL I, 37,19); I, 19,lf (CChr.SL I, 38,20.23); Apol. 50,15 (CChr.SL I, 171,65). 24 Plin., ep.X, 96,3: „inflexibilis obstinatio".

Bedeutung  des  Martyriums  für die  christliche  Mission 

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sterben  wurden  sie  als  „stupidissimae  mentes"  diskreditiert 25  und  als  „nichts­ würdige,  armselige"  Menschen. 26  Die  hier  aufgegriffenen  Vorwürfe  bleiben  allerdings  in  ihrer  Tragweite  noch  hinter  der  bereits  erwähnten  Unterstellung  der  „insania"  zurück,  die  in der  Antike  höchste  intellektuelle  Abwertung  bedeutete. 27  Die  „wie  zum  Trotz"  gegenüber  den  von  ihm  selbst  referierten  heidnischen  Disqualifizierungen der christlichen  Todesbereitschaft vertretene Auffassung einer  werbenden  Außenwirkung  der  Martyrien  hat  Tertullian  in  dieser  Nachdrücklich­ keit  nur  in  den  genannten  apologetischen  Texten  aufgegriffen.  Im  Rahmen  der  innerchristlich  ausgerichteten  Martyriumsexhortation  deutet  sich  diese  Vor­ stellung  lediglich  dort  an,  wo  er  von  dem  Zeugnischarakter  des  Martyriums  spricht:  Nach  seiner  Darstellung  in  „Scorpiace"  habe  der  Grund  für  die  Notwendigkeit  des Martyriumsleidens  fur alle Gottgläubigen  darin  bestanden,  daß  die  Wahrheit  sowohl  den  Zeitgenossen  als  auch  den  Nachkommen  anempfohlen  werden  mußte. 28  Das  Leiden  der  Märtyrer  habe  Zeugnis  für  den  von  ihnen  ver­ tretenen  Glauben  abgelegt,  „quia  nemo  voluisset  frustra  occidi,  nisi  compos  veritatis." 29  Tertullian  bezieht  sich  hier  auf  die  Märtyrer  des  Alten  Testamentes,  die  er  als  „exempla"  für  die  Verpflichtung  auch  der  Christen  zum  Martyrium  anfuhrt. Auch  wenn  der  Gedanke  des  durch  das Martyrium  abgelegten  Zeugnisses  für die christliche  Wahrheit  durchaus  auch  auf  die  Martyrien  seiner  Zeit  anwend­ bar  ist,  überträgt  er  ihn  nicht  explizit.  Es  zeigt  sich  also,  daß  der  Gedanke  einer  durch  das  Martyrium  als  Zeugnis  erreichten  Wirkung  auf  die heidnische  Umwelt  keine  Rolle  in  seiner innerchristlichen  Motivation  und  Ermahnung  zum  Martyrium  spielt30,  sondern  seinen  „Sitz  im 

23

  Ad  nat.  I,  19,3  (CChr.SL  I,  38,25f):  „Ridete  igitur,  quantum  libet,  stupidissimas  mentes, 

quae  moriuntur  ut  vivant."  26

  Vgl.  das  in  Ad  Scap.  5,1  (CChr.SL  II,  1131,7-1132,8)  überlieferte  Zitat  des  Statthalters 

Arrius  Antoninus,  der  sich  freiwillig  ausliefernden  Christen  entgegenhielt:  ,,Ώ  δ ε ι λ ο ί ,  e i  θ έ λ ε τ ε  ά π ο θ ν ή σ κ ε ι ν ,  κ ρ η μ ν ο ύ ς  ή  β ρ ό χ ο υ ς  ε χ ε τ ε . "  27

  Vgl.  Opelt,  Polemik,  239f. 

28

  Scorp.  8,8  (CChr.SL  Π,  1083,2­6):  „Ceterum  pati  oportebat  o m n e m  dei  praedicatorem  atque 

cultorem,  qui  ad  idololatrian  provocatus  negasset  obsequium,  secundum  illius  quoque  rationis  statum,  qua  et  praesentibus  tunc  et  posteris  deinceps  commendali  veritatem  oportebat...".  29

  Scorp.  8,8  (CChr.SL  II,  1083,7­1084,8). 

30

  Vgl.  die  entsprechende  Einschätzung  bei  Rambaux,  Tertullien,  380f:  „II  (sc.  Tertullien)  évoque  ...  à  plusieurs  reprises  l'utilité  du  martyre  pour  la  conversion  des  paiens,  mais  dans  l'ensemble  des  ouvrages  qu'il  adresse  aux  chrétiens  pour  les  exhorter  au  martyre,  il  ne  signale  cet  aspect  qu'une  fois  en  passant  (Scorp.  8,8)."  Auf  das  Zurücktreten  des  Zeugnisaspektes  hatte  auch  schon  von  Campenhausen,  Idee,  121,  hingewiesen:  „Der Gedanke  an  die  heidnische  Umwelt  und  an  die  Verfolger  ...  bleibt  bei  dieser  Betrachtung  der  Dinge  (d.h.  in  Tertullians  martyrologischem  Konzept,  in dem  der Gedanke  des Zeugnisses  keine  wesentliche  Rolle spielt)  ganz beiseite.  Er gehört  zum  Begriff  des  Martyriums  jedenfalls  nicht  notwendig  mit  hinzu;  denn  nur  apologetisch,  d.h.  in 

258 

Innergemeindliche  Bedeutung  von  Bekenntnis  und  Martyrium 

Leben"  bei  Tertullian  in  der apologetischen  Argumentation  hat,  denn  nur  hier  „liebt es Tertulian, auch die werbende Kraft des Märtyrerblutes  mit rhetorischem  Pathos  hervorzuheben."31 

5.2  Die  innergemeindliche  Bedeutung  von  Bekenntnis  und  Martyrium 

Während  die  Vorstellung  einer missionarisch wirksamen Außenwirkung  der  christlichen Martyrien bei Tertullian an zwei  Stellen ausdrücklich angeführt wird,  finden sich  in seinen  Schriften  -  im Unterschied zu denjenigen  seines Nachfolgers  Cyprian  -  mit  einer  sehr  beiläufigen  Ausnahme32  keine  direkten  Überlegungen  zur innergemeindlichen Bedeutung  der  Martyrien.  So  erscheinen  in  seiner theologischen Deutung des Martyriums weder der Gedanke einer Verherrlichung  der  gesamten  Gemeinde  durch  den  Glaubenstod  eines  ihrer  Mitglieder  noch  auch  die  Vorstellung  einer  pädagogischen  und  moralischen  Wirkung  des  durch die Haltung der Blutzeugen gegebenen Vorbilds auf die Mitchristen.  Beides  sind Aspekte, die in Cyprians auf die Belange  der gesamten  christlichen  Gemeinschaft ausgerichtetem  Martyriumskonzept  von  zentraler  Bedeutung  sind.33  Und  obwohl  Tertullian  die  Vorstellung  eines  durch  ein  standhaftes  Bekenntnis  er-

seinen  für heidnische Leser berechneten  Schriften, liebt es Tertullian,  auch die werbende  Kraft des  Märtyrerblutes mit rhetorischem Pathos hervorzuheben."  Problematisch  ist hier  aber die  implizite  Unterstellung,  daß  die  in apologetischen  Texten  zu  findenden  Ausführungen nicht  eigentlich  das  Verständnis  Tertullians  vom  Martyrium  mitkonstituierten.  31  Campenhausen,  Idee,  121.  32  In Scorp.  13,10 (CChr.SL II,  1095,15f) findet sich die Vorstellung angedeutet, daß die  Freude  über ein Martyrium  von  anderen  geteilt  werde: „Vides,  quam  martyrii  definiat (sc. Paulus) felici­ tatem,  cui de gaudio  mutuo  adquirit  sollemnitatem."  33  Zur  Verherrlichung  der Gemeinde durch  den  Glaubensmut  der  Bekenner  vgl. z.B. ep.  10,1,1  (CChr.SL  III  B, 46,5f): „Exulto  laetus  et  gratulor,  fortissimi  ac beatissimi  fratres,  cognita  fide et  virtute vestra,  in quibus mater ecclesia  gloriatur  ...".  In besonderer  Weise  dient  seiner Auffassung  nach das Martyrium  eines Bischofs zur Verherrlichung seiner Gemeinde  (ep.  81,2; CChr.SL  III C,  629,1 Of), die Worte, die er in der  Situation des Bekenntnisses auf Gottes  Eingebung  hin sage,  sage  er im Namen aller (ep.  81,2; CChr.SL  III C,  629,12­15).  Die Charakterisierung  der Bekenner  und  Märtyrer  als  „exempla"  für  Standhaftigkeit und  Bewahrung  des  Glaubens  ist  ein  durchgängiges  Motiv in seiner Korrespondenz:  Vgl. ep.  10,1,2 (CChr.SL ΠΙB, 48,23f); ep.  10,4,4 (CChr.SL m  Β,  53,92f); ep.  15,1,1  (CChr.SL  ΙΠ B,  85,9f); ep.  37,4,2  (CChr.SL  III  B,  181,85­182,89);  ep.  60,2  (CChr.SL  III  C,  375,26f);  De  laps.  2  (CChr.SL  ΙΠ,  221,21f)  u.a.  Zu  Cyprians  Darstellung  der  Bekenner und  Märtyrer als „exempla" vgl. Capmany­Casamitjana,  Miles Cristi,  349­352;  Pellegri­ no,  Sens ecclesial,  157­159. 

Gemeindliche  Fürsorge  fur die  Bekennerinnen  und  Bekenner 

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langten Vorrechtes  bei einer Bischofswahl kennt  ­  führt er doch  die  Abspaltung  der  valentinianischen  Gnosis  polemisch  auf  gekränkte  Eitelkeit  zurück,  da  dem  Valentinus bei einer Bischofswahl  ein  anderer  Bewerber  „ex praerogativa  marty­ rii"  vorgezogen worden sei34  ­ ,  äußert er sich an keiner  Stelle weiter zu der Frage  von Bekennererhebungen  in den Klerus. Mag dies zum  einen auch  darauf  zurück­ zuführen sein, daß es zur Zeit Tertullians  nur wenige wieder  in  die Gemeinde  zu­ rückgekehrte  Bekenner  gab35,  zeigt  sich  andererseits  daran  aber  auch  sein  Des­ interesse an einer Reflexion über das Verhältnis  von  Konfessoren  und  Märtyrern  zur Gemeinde.  Indirekt  spiegelt  sich  diese  in  seinem  Werk  allerdings  dort  wider,  wo er von der Fürsorge  der karthagischen  Gemeinde  für ihre inhaftierten  Gemein­ demitglieder  spricht,  sowie  in  den  Kontexten,  wo  es  um  die Rolle  der  Bekenner  und Märtyrer  innerhalb  des Bußwesens  geht. 

5.2.1 Die  gemeindliche  Fürsorge  für die Bekennerinnen  und  Bekenner  Mehrere  altkirchliche  Zeugnisse  belegen,  daß  die  christlichen  Bekenner  in  der  Haft von  ihren  Mitchristinnen  und  ­christen  versorgt  wurden. 36  Auch  Tertullian  bezeugt, daß Mitgliedern  der karthagischen  Gemeinde,  die  im Rahmen  von  Chri­ stenprozessen  inhaftiert und  verurteilt  wurden,  Unterstützung  verschiedener  Art  zuteil wurde. Als Aufgabe der aus den Mitteln  der Gemeinde  organisierten  Wohl­ tätigkeit  erscheint  diese  Unterstützung  zunächst  im  „Apologeticum".  Tertullian  weist dort auf die „arca", die „Kasse",  der Gemeinde  hin,  in  die jedes  Gemeinde­ glied  an  einem  bestimmten  Tag  des  Monats  freiwillig eine  gewisse  Summe  ein­ zahlte.37 Neben  dem  Unterhalt  und  den  Begräbniskosten  armer  Gemeindeglieder, 

34 35

  Adv.Val.  4,1  (CChr.SL  II,  755,1). 

 Andererseits thematisiert ebenfalls zu Beginn des  3. Jhdts.  die „Traditio Apostolica"  Hippolyts  ausfuhrlich  die  Frage  des  Zugangs  von  Bekennern  zum  Klerus  (Trad.Apost.  IX)  und  weist  damit  auf das  Vorhandensein  entsprechender  Bewerber  zumindest  in  Rom  hin.  36   Für die  Zeit  des  2.  Jhdts.  ist die  Fürsorge  der Gemeinden  fur ihre  Bekenner  belegt  in  einem  Brief des Dionysios von Korinth (Eus., HE IV, 23,10),  bei  Ignatius (Smyrn.  6,2), den Märtyrern  von  Vienne  und Lyon (Eus.,  HE V,  1,11) sowie  in einem  satirischen  Text  des  heidnischen  Rhetors  und  Sophisten  Lukian von Samosata (De mort.Per.  12).  Für den Beginn des  3. Jhdts.  bezeugt  die  „Passio  Perpetuae" die Versorgung  der Inhaftierten,  in der Mitte  des  3.  Jhdts.  wird sie  erwähnt bei  Cyprian.  Zur „Passio  Perpetuae" und zu Cyprian vgl.  Anm.  53.  Zur materiellen  Fürsorge der Gemeinden  für  die  Gefangenen  vgl.  weiter  Pellegrino,  Sens  ecclesial,  172-174.  37   Apol.  39,5  (CChr.SL  I,  150,22-151,25):  „Modicam  unusquisque  stipem  menstrua  die  vel  cum  velit,  et si  modo  velit et si  modo  possit,  apponit.  Nam  nemo  compellitur,  sed  sponte  confert."  Zu diesem  Brauch vgl.  Schöllgen,  Ecclesia sordida,  300f, der aber trotz der anderslautenden  Angabe  Tertullians  von  einer jeden  Sonntag  stattfindenden  Kollekte  zur  Ausstattung  der „arca"  ausgeht. 

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Gemeindliche  Fürsorge  für die Bekennerinnen  und  Bekenner 

der Fürsorge  für Waisen und alte Menschen sowie  für Schiffbrüchige wurde mit  diesem Geld die Unterstützung derer bestritten, die auf Grund ihrer Zugehörigkeit  zur christlichen Gemeinschaft zur Bergwerkwerksarbeit  und zur Verbannung  auf  eine Insel verurteilt oder inhaftiert wurden und so zu -  wie Tertullian es nennt  ,,alumni confessionis" wurden.38 Mit der übertragenen Verwendung  des Begriffs  „alumnus",  der eigentlich  das  „(Pflege)kind" bezeichnet39,  legt  er nahe,  daß  die  Gemeinde  sich  in  einem  quasi  elterlichen  Verantwortungsverhältnis  gegenüber  den inhaftierten und verurteilten  Gemeindegliedern  befindet.  Die  hier genannte  Fürsorge  für die Inhaftierten wird von Tertullian zur gleichen Zeit ebenfalls in „Ad martyras" erwähnt. Dort wird deutlich,  daß den inhaftierten  Bekennern  neben  der  Unterstützung  aus  Gemeindemitteln,  „per  curam  ecclesiae", auch privat organisierte Fürsorge seitens einiger Gemeindeglieder, „per  agapen  fratrum",  zuteil  wurde.40  Angesichts  der  auch  anderweitig  belegten 

„Die Reduzierung auf eine Monatskollekte  sollte jeden  Verdacht beseitigen, die Christen  mißachte­ ten die staatliche Kollegienordnung", nach der den collegia lediglich eine Beitragszahlung pro Monat  erlaubt war. Intention dieses Zusammenhangs  ist es, den gegen die Christen erhobenen Vorwurf, sie  bildeten eine „illicita factio" (vgl. Apol. 38,1; CChr.SL  I,  149,1­3) bzw. ein  „illicitum  collegium",  abzuweisen;  zu diesem  Zweck sollte die christliche Gemeinschaft als  in der  Struktur  den  erlaubten  „collegia" gleich dargestellt werden. Diese Zielsetzung des Kontextes spiegelt sich auch in der Wahl  der Termini wider. So wurde „arca" nach  Gerda Krüger, Die Rechtsstellung der  vorkonstantinischen  Kirchen, Stuttgart  1935 (Nachdruck Amsterdam  1961),  159, u.a. als Terminus für die „Kapitalfonds  der autorisierten  Verbände und Genossenschaften gebraucht."  Der  von  Tertullian  für die  Beiträge  der  Christen  gebrauchte  Begriff „stipes"  war  nach  Krüger,  Rechtsstellung,  160f, „im  Rechtssinn  Benennung  für  die  regelmäßig  wiederkehrenden  Geldleistungen  der  Angehörigen  behördlich  genehmigter Kollegien". Zur Intention dieses Zusammenhanges  vgl. weiter Beck, Recht,  55f, sowie  Sordi,  Christians,  183:  „...  Tertullian  described  the  organisation  of  the  Christian  communities  specifically as  .collegia religionis  causa'  in chapter XXXIX  of  his  Apologeticum,  underlining  the  legitimacy of Christian  gatherings  by quoting the exact terminology  of the contemporary  Severan  rescript",  das die Bildung  von „collegia  religionis  causa" begründete  (vgl.  Dig.  XLVII,  22,1).  38

  Apol.  39,6  (CChr.SL  I,  151,25 ­31):  „Haec  quasi  deposita  pietatis  sunt.  Quippe  non  epulis  inde nec potaculis nec ingratis voratrinis dispensatur,  sed  egenis  alendis humandisque  et pueris  ac  puellis re ac parentibus destitutis, (iamque) domesticis  senibus  iam otiosis,  item naufragis, et si  qui  in  metallis  et si qui  in  insulis  vel  in custodiis,  dumtaxat ex causa  Dei  sectae,  alumni  confessionis  suae fint."  39  In diesem  Sinn  verwendet  Tertullian  „alumnus"  z.B.  in Ad  nat.  I,  16,16  (CChr.SL  I, 36,6f).  Zur  Bedeutung  von  „alumnus"  vgl.  ThLL  I,  1793­1799,  zu  der  in  Apol.  39  vorliegenden  über­ tragenen  Verwendung  in bezug auf Arme,  „qui aluntur",  vgl. ThLL  I,  1794.  40   Ad  mart.  2,7  (CChr.SL  I,  4,22­24):  „Immo  et  quae  iusta  sunt  caro  non  amittit  per  curam  ecclesiae et agapen  fratrum  ..."; diese Doppelung  der Fürsorge bezeugt  deutlich  auch Ad  mart.1,1  (CChr.SL I, 3,2­4):  „Inter camis alimenta, benedicti  martyres designati, quae vobis et domina  mater  ecclesia de uberibus suis et singuli fratres de opibus suis propriis in carcerem  subministrant..."  Die  von  der  Gemeinde  organisierte  und  die  private  Fürsorge  für  Bekenner  ebenso  wie  für  andere  Bedürftige (vgl. zur privaten  Wohltätigkeit Ad ux. 1,8; 11,4; De idol. 22; De cult.fem. Π,11) scheinen  nach  Schöllgen,  Ecclesia  sordida,  302,  „parallel  nebeneinander  (hergelaufen  zu  sein),  ohne  daß 

Gemeindliche  Fürsorge  für die  Bekennerinnen  und  Bekenner 

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schlechten Versorgungslage  im Kerker41 scheint diese Unterstützung vorrangig  in  der Verbesserung der Situation der Häftlinge durch das Mitbringen von Nahrungsmitteln, „carnis alimenta"42, bestanden zu haben. Drückt Tertullian im „Apologeticum" die Fürsorgeverpflichtung der Gemeinde mit Hilfe des Bildes vom  „Kind"  aus,  das zu versorgen  sei, beschreibt er diesen Aspekt in „Ad martyras" mit dem  Motiv der „mater ecclesia", die aus ihren ,3rüsten" (de uberibus  suis) die  Bekenner  nähre.43  Das  Fürsorgeverhältnis  zwischen  Gemeinde  und  Inhaftierten  wird  damit auch metaphorisch  veranschaulicht. 

spezifische  Sektoren  erkennbar  voneinander  abgegrenzt  waren.  So  fällt die  Betreuung  der  Märtyrer  im Gefängnis sicherlich  in den Bereich der  Gemeindeaufgaben,  und  es  gibt mehrere  Belege,  daß  die  Diakone  dieser  Aufgabe nachgingen.  Gleichzeitig  sorgten  aber  auch  einzelne  Gemeindemitglieder  unabhängig  davon  für ihre  gefangenen  Glaubensgenossen."  41

  Zu  den  Zuständen  in  den  Gefängnissen  und  der  Versorgung  der  Gefangenen  vgl.  Theodor  Mommsen,  Römisches  Strafrecht,  Darmstadt  1961  (Nachdruck  der  Ausgabe  von  1899),  303f;  S.Arbandt/W.Macheiner,  Art. Gefangenschaft, in: R A C I X  (1976),  321; Hermann  Ferdinand  Hitzig,  Art.  career,  in: PW  ΙΠ/2  (1899),  1581.  Zumindest  temporär  unzureichende  Ernährung  werden  fur  den  Beginn  des  3.  Jhdts.  erwähnt  in Pass.Perp.  16,3, für das  Jahr  250  bietet  der  Bekenner  Lucianus  eine  eindringliche  Schilderung  in  (Cypr.),  ep.  22,2,2  (CChr.SL  III B,  118,41f):  „Nam  et  ante  dies  octo  per  dies  quinqué  medios  modicum  pañis  accepimus  et  aquam  ad  mensuram."  Dieser  Brief  beschreibt  eine  Abfolge von  Einschränkungen  durch  Hunger,  Durst  und  Eingeschlossensein  in  den  Zellen einerseits und temporären  Hafterleichterungen andererseits,  die nach Graeme  W. Clarke,  The  Letters  of  Cyprian.  Translated  and  annotated,  New  York  1984,  Vol.  1,  331.335,  als  besondere  Maßnahme  dazu  dienen  sollten, die  standhaften  Bekenner  doch  noch  zur  Apostasie  zu  bringen:  „...  on  his  (sc.  Decius')  orders  the  hopelessly  obstinate  are  now  to  be  starved  into  submission."  Zu  diesem  „programme  of  intensification" vgl.  auch  Ders.,  Prosopographical  Notes  on  the  Epistles  of  Cyprian  H, in:  Latomus  31  (1972),  1055f.  Das  von  dem  Bekenner  Lucianus  in  ep.  22  beschriebene  Vorgehen  stellte  also  möglicherweise  einen  Fall  besonderer  Härte  dar.  Von  Hunger  und  Durst  spricht  für die  Zeit  der  Verfolgung unter  Decius  aber  auch  ein  Brief  Cyprians,  in dem  er  die  Abma­ gerung  des  Bekenners  Celerinus  infolge  der  Haft  erwähnt  (ep.  39,2,2;  CChr.SL  III  B,  188,27­ 189,28:  „Caro  famis ac  sitis  diuturnitate  contabuit...").  Daneben  werden  als  Einschränkungen  der  Haft v.a. genannt  Hitze, Dunkelheit,  Schmutz,  Fesselung  in Ketten  und  Platzmangel  (vgl.  Pass.Perp.  3,5f;  Ad  mart.  2,4;  Scorp.  10,11;  De  res.carn.  8,5;  Cypr.,  ep.  6,2,2;  ep.  37,2,1).  Eine  humanere  Behandlung  der Gefangenen ist zuerst von  Konstantin  im Jahr  320 rechtlich  festgelegt worden  (lust.  9,4,1),  wobei  sich  dies  aber  zunächst  nur  auf  die  Untersuchungsgefangenen  bezog;  vgl.  hierzu  Mommsen,  Strafrecht, 303,  sowie  Bernhard  Raspeis,  Der  Einfluß des Christentums  auf die  Gesetze  zum  Gefängniswesen  und  zum  Strafvollzug von  Konstantin  dem  Großen  bis  Iustinian,  in: ZKG  102  (1991),  289­306,  bes.  290­93:  So mußten  z.B.  nach  der  Verordnung  Konstantins  die  Wärter  dafür  sorgen,  daß  ein  Gefangener  nicht  den  Hungertod  erleidet.  42

  Ad  mart.  1,1  (CChr.SL  I,  3,2).    Ad  mart.  1,1  (CChr.SL  I,  3,4).  Vgl.  das  Zitat  Anm.  40.  Zu  der  Verwendung  von  „ecclesia  mater"  bei  Tertullian  vgl.  ausführlich  Joseph  C.  Plumpe,  Mater  Ecclesia.  An  Inquiry  into  the  Concept  of the  Church  as  Mother  in  .Early  Christianity,  Washington  1943,  45­62,  sowie  Rankin,  Church,  78­83.  Die  Vorstellung  des  „Nährens"  der  Christen  durch  die  „mater  ecclesia"  findet  sich  auch sonst vielfach in der Alten Kirche, ist aber zumeist  im übertragenen,  geistlichen  Sinn  verwendet  worden.  Vgl.  z.B.  Iren.,  Adv.  haer.  ΠΙ, 24,1;  Clem.Al.,  Paid.  I, 42,1;  Cypr.,  De  eccl.un.  5;  Aug.,  ep.  243,8.  43

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Gemeindliche  Fürsorge  für die  Bekennerinnen  und  Bekenner 

Beiläufige Erwähnung findet die „cura" fur die Konfessoren auch in „Scorpia­ ce", wo Tertullian  den Besuch  der Gefangenen auf einen Befehl Christi  zurück­ fuhrt.44 Weitere Ausführungen zu dieser Frage finden sich diesem Zusammenhang,  in dem es ihm um die Einschärfung einer wörtlichen Exegese biblischer Auffor­ derungen zur Leidensbereitschaft entgegen jeglicher allegorischen Verflüchtigung  seitens  der  Gnostiker  geht4S,  aber  nicht.  Der  Hinweis  auf  Christi  Befehl  zum  Besuch  der  Inhaftierten soll  lediglich  Tertullians  Argument  unterstreichen,  daß  nur  dann  ein  allegorischer  Sinn  vorliege,  wenn  die  im  Bibelvers  ausgedrückte  Sache in der Wirklichkeit nicht vorhanden sei.46 Das, so die implizite Schlußfolge­ rung, sei aber weder bei der Aufforderung zum Besuch  der Gefangenen, noch  ­ und  das  ist  für ihn  in diesem Kontext  der entscheidende  Punkt ­  bei den  neute­ stamentlichen Belegen  fur eine Forderung Christi nach Leidens­ und  Todesbereit­ schaft der Fall.  Ebenso wie die frühe katholische Exhortationsschrift, das ,Apologeticum" und  beiläufig „Scorpiace" belegt auch der montanistische Traktat „De ieiunio", daß in  der katholischen Kirche der Brauch bestand, inhaftierte Bekenner mit Lebensmit­ teln zu versorgen. Zwischen  den katholischen  Schriften und der montanistischen  Fastenschrift  besteht  aber  eine  erhebliche  Differenz  hinsichtlich  der  in  ihnen  zutagetretenden Haltung Tertullians zu dem Usus der Versorgung der Inhaftierten:  Erscheint dieser in „Ad martyras", im „Apologeticum" und in „Scorpiace" als ein  mit selbstverständlicher Akzeptanz erwähnter Aspekt gemeindlicher Fürsorge,  so  unterzieht Tertullian  ihn in „De ieiunio" beißender Kritik. Im Rahmen  der Inten­ tion dieser Schrift, die Überlegenheit der montanistischen Fastenpraxis  gegenüber  der bei den Katholiken  geübten zu erweisen47, stellt er den Aufenthalt im Kerker  als Einübung  in Hunger und Durst und als Möglichkeit zur Praktizierung  rigoro­ sen Fastens dar; durch diese strenge Entsagung  sei der Montanist  sowohl  auf die  Folter  als  auf  den  Tod  in  besonderer  Weise  vorbereitet.48  Gegenüber  diesem 

44  Scorp.  11,3  (CChr.SL  II,  1090,19f):  „...  et cum  in carcere  fratrem  vult  visitali  (sc.  Christus),  confessoris  imperat  curam,...".  Tertullian  denkt hier vermutlich  an  Mt  25,36.  45  Vgl.  den Scorp.  11,4 (CChr.SL II,  1091,23-26)  geäußerten Vorwurf: „Haec si non ita accipiuntur (sc.  Gnostici),  quemadmodum  pronuntiantur,  sine dubio praeter quam sonant sapiunt,  et aliud in  vocibus  erit,  aliud  in sensibus,  ut allegoriae,  ut parabolae,  ut  aenigmata."  46

 Scorp.  1 l,4f  (CChr.SL II,  1091,26-5):  „Quemcumque  igitur conceperint  ventum  argumentationis  scorpii  isti,  quocunque  se  acumine  inpegerint,  una iam  linea est,  ad  ipsas  res  provocabuntur,  an secundum scripturas transigantur.  Siquidem tunc aliud significabitur in scripturis, si non id ipsum  reperiatur  in rebus.  Quod  enim  scriptum  est,  hoc  evenire  oportebit."  47  Zu Intention und Aufbau der Fastenschrift vgl. Johannes  Schümmer,  Die  altchristliche  Fastenpraxis  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Schriften Tertullians,  Münster  1933,  226-231. 

Gemeindliche  Fürsorge  für die  Bekennerinnen  und  Bekenner 

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Idealbild  montanistischer  Strenge  entwirft  Tertullian  ein  ironisches  Bild  des  Treibens  bei  katholischen  Inhaftierten: Ihnen würden  „Garküchen" (popinae)  in  den Gefangnissen errichtet, damit sie nicht an den Entbehrungen  der Haft Anstoß  nehmen könnten.49 Zur weiteren  Schmähung der Versorgung  der Bekenner greift  er das Beispiel  des Katholiken Pristinus50 auf, der in der Form der „custodia  libera" in einem  Privathaus51  inhaftiert war. Nachdem  dieser eine Weile  „gemästet",  mit Bädern und  anderen Erholungsarten  verwöhnt  worden  sei  und  am Tage  vor  dem  Verhör Wein  erhalten habe,  sei  er erwartungsgemäß  unter der Folter  seiner  Schwäche  erlegen  und  über  seiner  Ableugnung  gestorben.52  Die  hier  unter 

4

'  De  ieiun.  12,2  (CChr.SL  II,  1270,19­1271,27):  „...  in  carcerem  talis  introeat  Christianus,  qualis  inde  prodisset,  non  poenam  illic  passurus,  sed  disciplinam,  nec  saeculi  tormenta,  sed  sua  officia, eoque  fïdentior processurus  ad  certamen  e  custodia  abusus  nihil  habens  carnis,  sic  ut  nec  habeant tormenta  materiam, cum sola et arida sit cute loricatus,  et contra ungulas corneus,  praemisso  iam sanguinis  suco tamquam  animae  impedimentis,  properante  iam  et  ipsa,  quae  iam saepe  ieiunans  mortem  de  proximo  norit."  49  De  ieiun.  12,3  (CChr.SL  II,  1271,27­29):  „Plane  vestrum  est  in  carceribus  popinas  exhibere  martyribus  incertis,  ne  consuetudinem  quaerant,  ne  taedeat  vitae,  ne  nova  abstinentiae  disciplina  scandalizentur...".  50

 De  ieiun.  12,3  (CChr.SL  II,  1271,30):  „...  ille  Pristinus  vester  non  Christianus  martyr".  Die  Frage,  ob  „pristinus"  als  Eigenname  oder  als  Adjektiv  im  Sinne  von  „euer jüngster  Märtyrer"  (so  nach  der  Übersetzung  von  Kellner/Esser,  BKV  24)  zu  verstehen  ist,  wird  von  Schöllgen,  Ecclesia  sordida, 202, zugunsten  der ersten Möglichkeit  entschieden, da es aus  „stilistischen  Gründen  schwer  möglich"  sei,  „pristinus"  als Adjektiv zu  fassen. Auch  in  den  Editionen  von  „De  ieiunio"  im  CSEL  (Bd. XX; Reifferscheid/Wissowa) und  im CChr.SL (Bd. Π) erscheint  „Pristinus" als Eigenname.  Die  Bezeichnung  des  Pristinus  als  „non  Christianus"  bezieht  sich  vermutlich  darauf,  daß  er  letztlich  nicht  standgehalten  hat  und  über  seiner  Ableugnung  gestorben  ist;  ähnlich  Barnes,  Tertullian,  184:  „...  despite  his  death,  Pristinus  was  not  a  Christian  martyr  because  he  wished  to  deny."  Vgl.  De  praescr.haer.  3,6 (CChr.SL  1,188,16f), wo Tertullian  nur denjenigen, die  bis zum  Ende  standhalten,  das  Christsein  zuerkennt:  „...  nemo  autem  christianus  nisi  qui  ad  finem  usque  perse v era v erit."  In  diesem  Kontext  geht  es  allerdings  um  die  Versuchungen  seitens  der  Häresien,  weniger  die  Be­ drohung durch  die  Verfolgung, so  daß nicht  deutlich  ist,  ob  mit  „finis" hier,  wie  z.B.  in  Scorp.  9,5  (CChr.SL  Π,  1085,20f:  „Nec  enim  aliud  est  sustinere  in  finem,  quam  pati  finem"),  das  Standhalten  gegenüber  der Verfolgung bis zum  Martyrium  gemeint  ist (so Rankin,  Church,  95) oder  eher  die  bis  zuletzt  durchgehaltene  Standhaftigkeit  gegenüber  häretischen  Auffassungen.  51

 Zu  dieser  Form  der  Inhaftierung  vgl.  Anm.  65. 

52

  De  ieiun.  12,3  (CChr.SL  II,  1271,31­9):  „...  quem  (sc.  martyrem)  ex  facúltate  custodiae  liberae  aliquamdiu  fartum,  omnibus  balneis  quasi  baptismate  melioribus  et  omnibus  luxuriae  secessibus  quasi  ecclesia  secretioribus  et omnibus  vitae  istius  inlecebris  quasi  aeterna  dignioribus  hoc puto obligatum,  ne mori  vellet, postremo  ipso tribunaiis  die  luce summa  condito  mero  tamquam  antidoto praemedicatum  ita enervastis,  ut paucis  ungulis titillatus (hoc enim ebrietas sentiebat)  quem  dominum  confiteretur  interroganti  praesidi  respondere  non  potuerit  amplius,  atque  ita  de  hoc  iam  extortus,  cum  singultus  et  ructus  solos  haberet,  in  ipsa  negatione  discessit."  Auch  wenn  diese  Darstellung vermutlich nicht frei von polemischen  Übertreibungen  ist, so lassen sich nach  Schöllgen,  Ecclesia  sordida,  203,  „dahinter  doch  die  Verhältnisse  eines  Bürgers  erkennen,  dem  der  Prokonsul  die custodia  libera  einräumen  konnte." Nach  Garnsey,  Social  status,  148­152,  war  diese  Form  der 

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Gemeindliche Fürsorge für die Bekennerinnen und Bekenner

Aufnahme eines Einzelfalles sicherlich überspitzt und karikierend dargestellte Versorgung der Bekenner in der Haft, ein kurze Zeit vorher auch in der „Passio Perpetuae" selbstverständlich erwähnter Brauch53, bildet für Tertullian ein Element seiner Polemik gegenüber der Milde der katholischen Fastenpraxis, die sich eben auch in der „Verwöhnung" der Inhaftierten dokumentiere; diejenigen, die diesen von ihm als Teil der katholischen „sobrietatis disciplina" abgewerteten Brauch predigten und durchführten, sind fur ihn dann auch nichts anderes als „pseudoprophetae" und „haeretici".54 Die Akzeptanz, mit der Tertullian die Versorgung der Inhaftierten in den genannten Äußerungen aus katholischer Zeit erwähnt hat, deutet daraufhin, daß er sich der Bindung zwischen Bekennern und der übrigen Gemeinde bewußt war; die sich sowohl in dem Anrecht der Bekenner auf gemeindlich organisierte Fürsorge als auch in der privaten Wohltätigkeit widerspiegelnde Würdigung der Bekenner seitens der Mitchristen wird von ihm zwar nicht besonders unterstrichen, aber ohne kritische Zusätze dargestellt. Eine wesentliche Radikalisierung zeigt sich demgegenüber in der Fastenschrift: Die Versorgung der Bekenner wird als „Verwöhnung" diskreditiert, die in der Konsequenz sogar kontraproduktiv sei, da sie - das soll das Beispiel des Katholiken lehren - dazu führe, daß Bekenner nicht in der Lage seien standhaft zu bleiben. Auch wenn diese Darstellung zum

Inhaftierung Menschen mit höherem gesellschaftlichem Status sowie großem Vermögen vorbehalten. 53

Pass.Perp. 16,4 (Habermehl, Passio, 22): „et ita iussit (tribunus) illos humanius haberi ut

fratribus eius et ceteris facultas fieret introeundi et refrigerandi cum eis ...". Finé, Terminologie, 171f, weist zwar auf den umfassenden Bedeutungsgehalt von „refrigerare" in der Passio Perpetuae im Sinne von „sich erholen, sich erquicken durch materielle und geistige Dinge" hin, wie die Äquivalente in der griechischen Übersetzung erkennen ließen (vgl. Pass.Perp. 3,4; 3,7;9,1). In der zitierten Stelle ist aber durch den Kontext - Perpetua kritisiert die von dem Tribun veranlasste schlechtere Ernährung der Gefangenen (Pass.Perp. 16,3) - der Bezug auf das gemeinsame Essen deutlich. Als Pflicht angesehen wird die Versorgung der Bekenner in Didask. 19, ihre Durchführung in der Mitte des 3. Jhdts., zur Zeit der Verfolgungen unter Decius und Valerian, belegen zahlreiche Stellen im cyprianischen Briefcorpus (vgl. ep. 5,1,1; CChr.SL III B , 27,9-15; ep. 12,1,1; CChr.SL III B , 67,4-8; ep. 13,7; CChr.SL ΠΙ B , 78,103f; ep. 14,2,l,f; CChr.SL ΙΠ B , 80,23-81,36; ep. 41,1,2; CChr.SL ΠΙ B , 196,13-17; ep. 77,3,2; CChr.SL III C, 6 2 0 , 3 9 - 4 2 ; ep. 78,3,1; CChr.SL III C, 623,33f; ep. 79,1; CChr.SL ΠΙ C, 625,8f). Cyprian erwähnt drei Quellen der Bekennerffirsorge: die gemeindlichen Gelder (ep. 5,1,1; CChr.SL III B , 279,15), Spenden aus seinem privaten Vermögen (ep. 7,2; CChr.SL III B, 39,15-17; ep. 13,7; CChr.SL III B , 7 8 , 1 0 4 - 1 0 6 ) sowie persönliche Wohltätigkeit seitens der Mitchristen (ep. 13,7; CChr.SL III B , 78,107-109; ep. 14,2,2; CChr.SL ΠΙ B , 80,32-81,33). Bei letzterem ist allerdings nach Clarke, Letters, Vol.1, 260, nicht deutlich, ob Cyprian mit diesen Äußerungen auf eine speziell für die Bekenner veranstaltete Sammlung innerhalb der Gemeinde hinweist oder „in more general terms o f charitable endeavour" spricht. 54

De ieiun. 12,4 (CChr.SL II; 1271,9-11): „Ideo sobrietatis disciplinam qui praedicant, pseudo-

prophetae, ideo haeretici, qui observant."

Gemeindliche  Fürsorge  für die  Bekennerinnen  und  Bekenner 

265 

Zweck der Ablehnung katholischer Fastenauffassung vermutlich  zusätzlich überspitzt  ist  und  die  Thematik  der Bekennerversorgung  nur als  ein  Element  in  der  antikatholischen Argumentation  fungiert, läßt sie doch Rückschlüsse  auf Tertullians  Haltung  zur Bekennerfürsorge  in dieser Zeit  zu: Zumindest  die  Versorgung  mit zusätzlichen Nahrungsmitteln fällt unter ein Verdikt, darüberhinaus  physische  Erleichterungen,  die insbesondere  in der „custodia  libera" möglich waren.  Darin  zeigt  sich  letztlich  die Absage  an eine  Würdigung  der Bekenner  seitens  der Gemeinde,  insoweit  sie  in  deren  materieller  Versorgung  Gestalt  gewinnt.  Für  den  Bekenner  erscheint  die  Haft als Möglichkeit  der Verwirklichung  strengster,  auf  das Martyrium vorbereitender  Fastenpraxis und Askese,  die  keine  Erleichterung  duldet. In der Konsequenz dieser Ausführungen steht eine Individualisierung  des  Bekenners,  dessen  leidvolles  Dasein  primär unter  dem Aspekt  der  persönlichen  „praeparatio  ad martyrium" betrachtet  wird55,  nicht  aber unter  demjenigen  einer  Einbindung  in eine  „mitleidende"  Gemeinschaft.  Ein anderer Aspekt der Fürsorge  für die Bekenner,  ihre Versorgung  in geistiger und geistlicher Hinsicht,  spiegelt sich bei Tertullian  in der Abfassung  der Exhortationsschrift  „Ad  martyras"  wider,  die  nach  seinen  eigenen  Worten  „ad  spiritum  educandum" dienen  sollte.56  Diese  „Ernährung  des  Geistes" sollten  die  Inhaftierten zusammen  mit ihrer materiellen Versorgung  empfangen,  da es nicht  gut  sei,  nur  den  Leib  zu  nähren,  den  Geist  aber  hungern  zu  lassen.57  Daß  Tertullian sehr wahrscheinlich  als Laie  diese  Schrift verfaßte58, zeigt,  daß die  geistli55   Auch  in  „Ad  martyras"  spielt  der  Gedanke  der  Vorbereitung  auf  das  Martyrium  durch  die  Entbehrungen  der  Haft  schon  eine  zentrale  Rolle:  „Sit  nunc,  benedicti,  career  etiam  Christianis  molestus  ...  Proinde  vos,  benedicti,  quodcumque  hoc  durum  est,  ad  exercitationem  virtutum  animi  et  corporis  deputate  ...  Nempe  enim  et  athletae  segregantur  ad  strictorem  disciplinam,  ut  robori  aedificando vacent.  Continentur  a luxuria, a cibis laetiorius,  a potu  iucundiore.  Coguntur,  cruciantur,  fatigantur:  quanto  plus  in  exercitationibus  laboraverint,  tanto  plus  de  victoria  sperant."  (Ad  mart.  3,1.3f;  CChr.SL  I,  5,11­6,5)  Der  Vergleich  mit  dem  sich  auf  den  Wettkampf  vorbereitenden  Athleten  weist  aber  nur  auf eine mäßige  Fastenpraxis  im  Sinne  der  Enthaltung  von  üppigen  Speisen  als Element der „praeparatio" hin.  Entsprechend  erwähnt  Tertullian  in diesem Traktat  die Aufbesse­ rung  der  kargen  Gefängniskost  durch  Gaben  der  Gemeinde  oder  einzelner  Mitchristen  in  akzeptierender  Weise.  56   Ad  mart.  1,1  (CChr.SL  I,  3,5f): „...  capite  aliquid  et  a  nobis  quod  faciat  ad  spiritum  quoque  educandum."  57   Ad  mart.  1,1  (CChr.SL  I,  3,6­8):  „Carnem  enim  saginari  et  spiritum  esurire  non  prodest.  Immo,  si  quod  infirmum est curatur,  aeque  quod  infirmius est  neglegi  non  debet."  Mit  dem  Begriff  „educo"  ­  physisch  und  moralisch  erziehen,  ernähren  ­  bleibt  Tertullian  in dem  den Anfang  dieses  Traktates  prägenden  Bild  der  „Ernährung"  der  Bekenner.  58  Speziell  fur diesen  Traktat  könnte  dies  die  Bescheidenheitsformel  in  Ad  mart.  1,2  (CChr.SL  I,  3,8­12)  nahelegen:  „Nec tantus  ego  sum,  ut  vos  alloquar;  verumtamen  et  gladiatores  perfectissi­ mos  non  tantum  magistri  et  praepositi  sui,  sed  etiam  idiotae  et  supervacui  quique  adhortantur  de  longinquo,  ut  saepe  de  ipso  populo  dictata  suggesta  profuerint."  Hieronymus  (De  vir.ill.  55) 

266 

Gemeindliche  Fürsorge  für die Bekennerinnen  und  Bekenner 

che  und  moralische  Unterweisung  der Bekenner  noch  nicht  von  vornherein  als  Aufgabe  des  Gemeindeklerus  betrachtet wurde.  Demgegenüber  zeigt  sich  Mitte  des 3. Jahrhunderts, daß Cyprian in selbstverständlicher Weise davon ausgeht, daß  für die biblische  Unterweisung  und Exhortation der Inhaftierten herkömmlicherweise  die Diakone zuständig  sind.59  Sowohl für die Versorgung mit materiellen Dingen, in erster Linie mit Lebensmitteln,  als  auch  für das Überbringen  von  Schriften oder  die  mündliche  Unterweisung  war  die  Voraussetzung,  daß  Mitchristen  überhaupt  ein  Zugang  zum  Haftort gewährt wurde. In rechtlicher Hinsicht waren die Möglichkeiten  für den  Besuch  und  die  Versorgung  der  Bekenner  vermutlich  in  sehr  unterschiedlicher  Weise  gegeben.60  Daß  es  Haftbedingungen  gab,  die  keine  Besuchsmöglichkeit 

überliefert  demgegenüber,  daß  Tertullian  Presbyter  gewesen  sei.  Die  Frage  nach  der  Akzeptanz  dieser  Tradition  ist  in  der  Literatur  vielfach  diskutiert  worden  und  wird  auch  in  der  jüngeren  Forschung  noch  kontrovers  beantwortet:  Während  z.B.  Robeck,  Role,  11,  grundsätzlich  davon  ausgeht,  daß  Tertullian  wohl  Presbyter  gewesen  sei,  stützt  Braun,  Tertullien,  73f,  sich  für  die  Annahme eines Presbyterates Tertullians  speziell  auf die Stelle De an. 9,4, aus der er folgert,  „qu'à  une époque où il subissait l'influence montaniste sans avoir rompu avec l'Église, il se distinguait des laies (plebs) et exerçait l'office de prédicateur et de pretre." Von einem Amt innerhalb des Klerus der Montanisten geht aus Waszink, De anima, 169; dies setzt aber ein formelles Schisma zwischen Katholiken und Montanisten zur Zeit Tertullians und eine eine eigene montanistische Hierarchie voraus, was aber eher unwahrscheinlich ist. Vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 174. Barnes, Tertullian, 11, hat hingegen betont, daß Tertullian sich in keinem seiner Traktate als Kleriker darstelle, sondern sich vielmehr an zwei Stellen unter die Laien einordne (De mon. 12,2; De exhort.cast. 7,3); ähnlich Groh, Community, 19, Rankin, Church, 38-40. Uwe Neymeyr, Die christlichen Lehrer im 2. Jhdt., Leiden/New York/Kopenhagen/Köln 1989, 134f, sieht in Tertullian einen „doctor", der aber „kein Gemeindeamt bekleidete und seine Lehrtätigkeit ohne offizielle ständige Beauftragung durch die Gemeinde ausübte. An keiner Stelle seiner überlieferten Schriften beruft sich Tertullian auf irgendeine amtliche Autorisation oder Legitimation." In diesen Rahmen würde sich auch De an. 9,4 einfügen. Ohne jeden Anhalt an der Überlieferung erscheint hingegen die bei Russell, Satan, 88, zu findende Äußerung: Tertullian „became bishop of Carthage". 59 ep. 15,1,2 (CChr.SL II B, 85,10-86,15): „Et credideram quidem presbyteros et diáconos qui illic praesentes sunt monere vos et instruere pienissime circa evangeli! legem, sicut in praeteritum semper sub antecessoribus nostris factum est, ut diaconi ad carcerem comineantes martyrum desideria consiliis suis et scripturarum praeceptis gubernarent." Als Beauftragte des Bischofs hatten die Diakone im 3. Jhdt. vor allem den Bereich der praktischen Gemeindefureorge zu betreuen (vgl. Theodor Klauser, Art. Diakon I (christlich), in: RAC III (1957), 899); hierzu gehörte auch die Fürsorge für die Bekenner. Eine Illustration dieser Aufgabe der Diakone bietet die „Passio Perpet u a i ' (3,7; 6,7; 10,1), wobei es in den genannten Stellen aber vor allem um die materielle Fürsorge fur die Inhaftierten geht. 60

Die Modalitäten und Bedingungen der Haft, die im römischen Strafrecht entweder Untersuchungs- oder Vollstreckungshaft und nur sehr am Rande auch eigenständige Strafe war (vgl. Ulpian, Dig. XL Vili, XIX, 8,9: „career enim ad continendos homines, non ad puniendos haberi debet"), wurden von den Magistraten bei der Inhaftierung mit einer gewissen Beliebigkeit festgelegt. Vgl. Hitzig, career, 1577; Mommsen, Strafrecht, 305. Nach Arbandt, Gefangenschaft, 321, waren die Gefängnisse häufig unterteilt in den inneren Bereich, in dem die Haft durch Dunkelheit und Fesse-

Gemeindliche  Fürsorge  für die  Bekennerinnen  und  Bekenner 

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beinhalteten, ebenso wie erleichterte Inhaftierungen, belegt für die Zeit Tertullians  die „Passio Perpetuae": „et ita iussit (tribunus) illos humanius haberi ut fratribus  eius et ceteris facultas fieret introeundi et refrigerandi cum eis  ,..".61  In Tertullians  Äußerungen  zur  Fürsorge  fur  die  Bekenner  wird  die  Möglichkeit  des  Zutritts  Dritter hingegen durchgängig vorausgesetzt,  und zwar auch dort, wo er -  wie  z.B.  in „Ad  martyras" -  von  der Inhaftierung  der Bekenner  im  „carcer" spricht62,  in  dem diese  offensichtlich gefesselt sind.63 Gegeben war eine  Besuchsmöglichkeit  auf jeden Fall auch in der von  ihm in „De ieiunio" erwähnten Inhaftierung in der  Form der „custodia libera"64, einer leichteren Form der Untersuchungshaft.65  Daß 

lung der Gefangenen  besonders  schwer  war,  und  in den  äußeren  Bereich,  in  dem  die  Gefangenen  ungefesselt waren  und  durchaus  Dritte  zugelassen  sein  konnten.  Auf  eine  solche  Unterteilung  weist  auch  Pass.Perp.  3,5.7f  (Habermehl,  Passio,  8)  hin:  „post  paucos  dies  recipimur  in  carcerem;  et  expavi, quia numquam  expertaeram  tales tenebras..  ibi tunc Tertius et Pomponius,  benedirti  diaconi  qui  nobis  ministrabant,  constituerunt  praemio  uti  paucis  horis  emissi  in  meliorem  locum  carceris  refrigeramus. tunc  exeuntes  de  carcere  universi  sibi  vacabant."  Einen  Fall,  in  dem  der  Zugang  von  außen  und  die  Hilfe für inhaftierte Bekenner  ausdrücklich  von  Seiten  eines  Magistraten,  des  ägypti­ schen  Präfekten  Sabinus,  verboten  worden  waren,  belegt  fur die  Zeit  der Verfolgung unter  Valerian  Dionysios  bei  Eus.,  HE  VII,11,25.  61   Pass.Perp.  16,4  (Habermehl,  Passio,  22);  vgl.  Pass.Perp.  9,1  (Habermehl,  Passio,  14):  „qui  multos  ad  nos  admittebat  (Pudens  miles  optio)  ut  et  nos  et  illi  invicem  refngeraremus."  62   Tertullian  bezeichnet  in  „Ad  martyras"  den  Haftort  durchgängig  als  „carcer":  Ad  mart.  l,1.3f.6;  2,lf.4f.8f; 3,1;  4,2  (CChr.SL  1, 3,4.14.17.18.26f.30;  4,4.1 Of. 16,31;  5,6.10;  6,16).  An  der  einzigen  Stelle, an  der er den Begriff „custodia"  aufnimmt, beschreibt  dieser das Gefängnis als  einen  leichteren  Haftort gegenüber  dem  eigentlichen  „Kerker",  der  Welt  (Ad  mart. 2,4; CChr.SL  1,4,1 Of),  stellt  also  keinen  terminus  technicus  zur  Bezeichnung  der  Haftform  dar.  63

 Die  Ketten  („catenae",  „vincula")  der  Bekenner  erwähnt  Tertullian  in Ad  mart.  1,2  (CChr.SL  I, 4,6);  1,4 (CChr.SL  I, 4,12f). Die Verknüpfung von  „carcer"  und  „vincula"  zeigt  sich  auch  in  Ad  ux.  11,4,2 (CChr.SL  I, 389,14f): „Quis  in carcerem  ad  osculanda  vincula  martyris  reptare  patietur?".  Auch  hier  ist die  Zugangsmöglichkeit  zu  den  inhaftierten  Märtyrern  vorausgesetzt  (vgl.  aber  Anm.  65).  In De  pud.  22,1  (CChr.SL  II,  1328,2f) spricht  Tertullian  ebenfalls  von  den  „vincula",  die  den  gefangenen  Bekennern  angelegt  werden,  bezeichnet  die  Haftform aber  zunächst  als  „custodia"  und  verwendet  dann  erst  den  Begriff „carcer"  (CChr.SL  II,  1328,6).  Diese  Stelle  spricht  wie  auch  Ad  mart.  2,4 (vgl.  Anm.  62) dafür, daß Tertullian  zwar  einen  Unterschied  zwischen  der  Inhaftierung im  „carcer" und  in der Form  der „custodia" kennt  und voraussetzt,  diese rechtliche Ebene aber  zuweilen  zugunsten  seiner  Argumentation  beiseite  läßt:  Die  Haft kann  dann  als  „custodia"  erscheinen,  wenn  Tertullian  ihre verhältnismäßige  Leichtigkeit  ausdrücken  will;  in  De pud.  22  soll  durch  den  Hinweis  auf  die  nach  Tertullians  Einschätzung  nur  wenig  drückende  Haft  der  Anspruch  der  Bekenner  auf  Sündenvergebungsvollmacht  zusätzlich  diskreditiert  werden.  Wie  in  Ad  mart,  und  Ad  ux.  ist  auch  hier der Zugang Dritter,  in diesem  Fall  konkret  derer,  die sich  um  Friedensbriefe von den  Bekennern  bemühen,  vorausgesetzt:  „...  statim  ambiunt  moechi,  statim  adeunt  fornicatores..."  (De  pud.  22,1;  CChr.SL  II,  1328,3f).  64

 De  ieiun.  12,3  (CChr.SL  II,  1271,31). 

65

  Nach  Mommsen,  Strafrecht,  305,  meint  der  Begriff  „custodia  libera",  der  wohl  daraus  zu  erklären  ist,  daß die  Gefangenen  in der  Regel  nicht  gefesselt waren,  eine  Form  der  Untersuchungs­ haft sowohl  in republikanischer  als auch  in der  Kaiserzeit,  die  zunächst  v.a.  bei  vornehmen  Häftlin­

268 

Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

die „facultas introeundi", die Möglichkeit  des Zutritts, aber nicht auf einer klaren  rechtlichen  Regelung  beruhte  und  letzlich  wohl  weniger  mit  einer  bestimmten  Form  der  Inhaftierung  verknüpft  als  von  der  Haltung  der  jeweiligen  Gefängniswachen abhängig war, zeigt der von Tertullian in „De pudicitia"  gegebene  Hinweis  auf den Erwerb des „aditus carceris" durch  Bestechungsgelder.66 

5.2.2 Die Bewertung  von Bekenntnis  und Martyrium im Rahmen  des  Bußwesens  Ging  es  in  der Bekennerfürsorge  um  die  Erfüllung  der in Mt  25,36  geforderten  Gefangenenfürsorge und die Konkretion des fur das christliche Ethos grundlegenden  Nächstenliebegebotes,  so  kamen  Bekenntnis  und  Martyrium  darüberhinaus  vor allem dadurch eine zentrale Bedeutung  für die Gemeindefrömmigkeit  zu, daß  sich  die  sündentilgende  Kraft  des  Martyriums  in  der  Vorstellung  vieler  Christinnen und Christen nicht auf die jeweilige  Person des Märtyrers  beschränkte,  sondern auch auf andere Mitglieder der Gemeinde  ausgeweitet werden konnte.67  Welche  konkrete  gemeindliche  Praxis  sich  mit  dieser  Vorstellung  verband 

gen  angewandt  wurde  (Liv.,  24,45,8;  Cie.,  Catil. 4,3,5).  Diese  wurden  zumeist  in dem  Haus  eines  Magistraten oder einer angesehenen  Persönlichkeit verwahrt, wobei sie mit großer Schonung  behan­ delt wurden;  vgl.  hierzu  Hermann  Ferdinand  Hitzig,  Art.  custodia  (2),  in: PW  IV/2  (1901),  1898.  Grundsätzlich  bezeichnet  „custodia"  eher  die  Haft  im  Sinne  von  Untersuchungshaft,  während  „carcer" und „vincula" die Vollstreckungshaft in Fesseln bezeichnen;  vgl. Arbandt, Gefangenschaft,  318. In diesem Sinne verwendet auch Tertullian  „carcer", der nach seiner Darstellung durch  Dunkel­ heit  und  schlechten  Geruch,  d.h.  wohl  mangelnde  Belüftung,  gekennzeichnet  ist  (Ad  mart.  2,4;  CChr.SL  I,  4,11­13).  Daß  sich  mit  dem  Begriff  „custodia"  demgegenüber  die  Vorstellung  einer  leichteren  Form  der  Haft verbindet,  ergibt sich  bei  ihm  aus  Ad mart.  2,4 (CChr.SL  I, 4,1 Of) und  De  pud. 22,1  (CChr.SL  II,  1328,2f). Zur  Verwendung  von  „carcer"  und  „custodia"  bei  Tertullian  vgl.  Anm.  61 f.  66

  De  pud.  22,1  (CChr.SL  II,  1328,5f):  „...  nec  ulli  magis  aditum  carceris  redimunt  quam  qui  ecclesiam perdiderunt." Daß die Zahlung von Bestechungsgeldern  auch eine Rolle bei der  Erlangung  von Hafterleichterungen spielte, zeigt sich  in Pass.Perp. 3,7 (Habermehl,  Passio,  8): „ibi tunc Tertius  et  Pomponius,  benedicti  diaconi  qui  nobis  ministrabant,  constituerunt  praemio  uti  paucis  horis  emissi  in  meliorem  locum  carecris  refrigeraremus."  Zur  Rolle  der  Gefängnis w achen,  die  in  der  Kaiserzeit  zumeist  aus  dem  Soldatenstand  kamen,  vgl.  auch  die  Einschätzung  bei  Hitzig,  carcer,  1581 : „Im  Resultat  entschieden  aber  sowohl  in  dieser  (gemeint  ist  die Fesselung)  wie  in  anderen  Beziehungen (Empfang von Besuchen, Ausgänge) weniger gesetzliche Vorschriften und  Weisungen  des  Richters  als Willkür  und  Laune des  „custos  carceris"."  Möglicherweise  weist  auch  Tertullians  Formulierung  in  Ad  ux.  11,4,2 (CChr.SL  I,  389,14f;  Zitat  vgl.  Anm.  62)  auf  die  rechtliche  Unsi­ cherheit  bei  den  Besuchen  hin,  bei  denen  es  notwendig  ist,  „in  carcerem  ... reptare". 67   Vgl.  Dassmann,  Sündenvergebung,  163:  „So  hoch  die  Einschätzung  des  Martyriums  als  zweiter  Taufe auch  war,  sie  hätte  die  religiösen  Interessen  der  Gemeinden  doch  nur  geringfügig  tangiert, wenn die entsündigende Kraft des Martyriums dem Märtyrer allein zugute gekommen  wäre, 

Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

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und  welche  bußtheologische  Bedeutung  den  Bekennern  und  Märtyrern jeweils  zugemessen  wurde,  darüber  gehen  aber  insbesondere  in  bezug  auf  das  2.  Jahrhundert die Forschungsmeinungen  weit auseinander.  Insbesondere  das Verhältnis  zwischen  Bekennervollmacht  und  priesterlicher  Sündenvergebungsgewalt  erscheint  dabei  ungeklärt.68  Für  die  Zeit  der  Wende  vom  2.  zum  3.  Jahrhundert 

weil  nur  wenige  Christen  die  durch  das  Martyrium  gebotene  Möglichkeit  der  Sündenvergebung  er­ griffen haben. Viel  größer war die Zahl  derer, denen  die Verfolgung zum  Verhängnis  wurde, weil  sie  durch  die drohenden  Gefahren  zum  Glaubensabfall  getrieben  wurden.  Das  Martyrium  konnte  nur  dann  zu  einem  Faktor  ersten  Ranges  in  der  Gemeindefrömmigkeit  werden,  wenn  seine  Vergebungsfunktion  nicht  auf  die  Märtyrer  selbst  beschränkt  blieb,  sondern  ebenso  die  übrigen  Glieder  der  Gemeinde  und  besonders  die  durch  den  Glaubensabfall  Gefährdeten  erreichte."  Grundsätzlich  findet  sich  der  Gedanke  einer  durch  das  Martyrium  erlangten  Sühne  auch  fur  die  Vergehen  anderer  Menschen  bereits  in  der jüdischen  Martyriumstheologie,  z.B.  in  2.Makk.  7,32ff;  4.Makk.  6,28f; 9,24;  16,16;  17,22.  In der  altkirchlichen  Martyrologie  hat  er  besonders  bei  Orígenes  eine  wesentliche  Rolle  gespielt  (Exhort.ad  mart.  50;  Comm.in  Ioann.  VI,  54,36).  Zu  dieser  Vor­ stellung  vgl.  Lods,  Confesseurs,  54­57.  68

 Zunächst  zeigt  sich  die  Vorstellung  einer  Befähigung  der  Märtyrer  zur  Sündenvergebung  in  der  zweiten  Hälfte des  2.  Jhdts.  in  einer  ironischen,  antimontanistischen  (vgl.  Eus.,  HE  V,  18,1)  Bemerkung  des  Apollonius.  In  einem  von  Eusebius  zitierten  Bericht  über  einen  angeblichen  montanistischen  Märtyrer,  der  in  Wirklichkeit  auf  Grund  eines  Betrugs  festgenommen  worden  sei  und  mit  einer  Prophetin  üppige  Feste  gefeiert  habe,  fragt  er:  ,,τίς  ούν  τ ί ν ι  χ α ρ ί ζ ε τ α ι  τά  α μ α ρ τ ή μ α τ α ;  π ό τ ε ρ ο ν  ό  π ρ ο φ ή τ η ς  της  λ η σ τ ε ί α ς  τω  μάρτυρι  ή  ό  μάρτυς  τω  π ρ ο φ ή τ η  τάς  πλεονεξίας;"  (Eus.,  HE  V,  18,7).  Für  F.Ε.  Vokes,  Penitential  Discipline  in Montanism,  in:  StPatr  XIV (1976),  62,  dient dieser  Beleg als „... evidence  that  among the  Montanists  prophets  and  martyrs  were  acknowledged  to  have  authority  to  forgive sins." In  ihrer  Allgemeinheit  ist diese  Aussage  aber  gerade  auch  im  Blick  auf  die  Position  Tertullians  (vgl.  Anm.  104)  fraglich.  Jenseits  aller  Ironie  reflektiert die genannte  Stelle aber auf j eden  Fall die  Vorstellung,  daß  besondere  Geistbegabung  und  die  Befähigung  zur  Sündenvergebung  zusammengehören  (vgl.  dazu  auch  Dassmann,  Sündenver­ gebung,  170).  Ebenfalls  in die  zweite  Hälfte des  2.  Jhdts.,  in  das  Jahr  177,  gehören  die  Nachrichten  von  einer  durch  die  Märtyrer  von  Lyon  vorgenommenen  Wiederaufnahme  Gefallener  (Eus.,  HE  V,l,45;  2,5).  Es  ist  insbesondere  diese  Quelle,  die  in  ihrer  Deutung  im  Hinblick  auf  die  dahinter­ stehende  Praxis  und  die  bußtheologische  Bedeutung  der  Märtyrer  in  der  Forschung  sehr  umstritten  ist; verstärkt  wird  das  vorliegende  Interpretationsproblem  dadurch,  daß  die jeweiligen  Deutungen  in  unmittelbarem  Zusammenhang  mit der  grundsätzlichen  Auffassung der  Entwicklung  der  Buße  und  des  Bischofsamtes  in  der  Alten  Kirche  stehen: Nach  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  27If,  ist  das  den  Bekennern  zugeschriebene  λ ύ ε ι ν  nicht  im  Sinne einer direkten  Erteilung der  Sündenvergebung  durch  die Märtyrer  zu  verstehen;  die  Wirksamkeit  der  Märtyrer  habe  nach  diesem  Bericht  in  erster  Linie  im  Gebet  für  die  Gefallenen  bestanden,  das  diesen  „Gottes  Erbarmen  und  die  Gnade  des  Martyriums  erflehte."  Die  Märtyrer  hätten  durchaus  einen  besonderen  Einfluß  bei  Gott,  den  sie  durch  Fürsprache für die Gefallenen nutzten, aber  ihre „Prärogative (hat) keinen  kirchlich­sakramen­ talen  Charakter,  so  daß  sie  etwa  an  Stelle  des  Bischofs  Vergebung  und  Rekonziliation  erteilten."  Dieser  Einschätzung  schließt  sich  Josef  Grotz,  Die  Entwicklung  des  Bußstufenwesens  in  der  vomicänischen  Kirche,  Freiburg  1955,124,  mit Vorbehalten  an, geht aber  in seiner  Ablehnung  einer  hier  bezeugten  Sündenvergebung  durch  Märtyrer  noch  weiter:  „Feststehen  dürfte sicher,  daß  aus  dieser  Stelle  nichts  fur ein  Prärogativ  der  Märtyrer,  das  einem  Ersatz  kirchlicher  Sündenvergebung  gleichkäme,  zu  entnehmen  ist." Direkt  gegen  die  Einschätzung  Poschmanns  wendet  sich  Hans  von  Campenhausen,  Kirchliches  Amt  und  geistliche  Vollmacht  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten, 

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Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

bezeugt nun Tertullian, daß Christen, die sich im Büßerstand befanden, inhaftierte  Märtyrer um Vergebung ersuchten; Belege finden sich bei ihm in der katholischen  Schrift „Ad martyras" ebenso wie in dem montanistischen Traktat „De pudicitia".  Den  Kontext  des  Beleges  in  „Ad  martyras"  bildet  die  an  die  inhaftierten  Bekenner  gerichtete  Ermahnung  zur  „concordia"  und  „pax" untereinander.  Für  diese  Aufforderung  liefert  Tertullian  eine  zweifache  Begründung:  Zum  ersten  bedeute  Frieden  zwischen  den  Bekennern  Krieg  für  den  Teufel,  zu  dessen  Bekämpfung sie ja gerade in den Kerker gekommen seien.  Entzweiung  und Streit  seien Waffen des Teufels, Eintracht und Frieden aber die Gegenmittel  der Inhaf-

Tübingen  1953,  241:  „Sie  (die  Märtyrer  von  Lyon)  gewinnen  während  der  Gefangenschaft  die  vorher abgefallenen Brüder erneut für den Glauben, so daß sie nachher gemeinsam  mit ihnen  in den  Tod gehen. Diese sind aber nicht erst durch das Blutzeugnis zu Gliedern  der Kirche  geworden;  die  Märtyrer haben schon vorher,  im Gefängnis, die volle  Gemeinschaft mit  ihnen  aufgenommen  und  gerade dadurch  den  vorher Toten  ... das Leben  zurückgeschenkt."  Eine Unterscheidung  des  Vor­ gehens der Märtyrer von einer speziellen  priesterlichen  Rekonziliation  sei nicht sachgemäß, da von  einer besonderen Bußvollmacht des Bischofs zunächst noch gar nicht die Rede sei. Auf Grund  einer  differenzierteren Sicht der Entwicklung des kirchlichen  Amtes und seiner  Kompetenzen  hält Ingrid  Goldhahn­Müller,  Die  Grenzen  der  Gemeinde.  Studien  zum  Problem  der  Zweiten  Buße  unter  Berücksichtigung  der  Entwicklung  im 2. Jh.  bis Tertullian,  Göttingen  (1989),  334f, ebenfalls im  Gegensatz zur Auffassung Poschmanns eine hier zu erkennende direkte „Ausübung  der  Vollmacht  zur Sündenvergebung durch Märtyrer* für durchaus möglich. Zu Eus., HE V, 2,5­7 führt sie aus: „In  ihrer unfehlbaren Fürbitte, die alle entschuldigt und niemanden  anklagt (2,5),  und  in der  (pneuma­ tischen) Zusage, daß sichere Vergebung durch Gott erlangt sei, besteht das,Binden'  und,Lösen'  der  Märtyrer." Sie geht dabei davon aus, „daß die Wiederaufnahme der Abgefallenen durch die Beken­ ner  volle  Geltung  in  der  Gemeinde"  hatte.  Als  Beleg  für eine  direkte  Sündenvergebung  durch  Märtyrer  kraft  ihres  besonderen  Charismas  erscheint  der  zitierte  Bericht  ebenfalls  bei  Lucius,  Anfänge,  67;  G.  Jouassard,  Le role  des Chrétiens  comme  intercesseurs  auprès  de  Dieu  dans  la  Chrétienté  Lyonnaise  au  second  siècle,  in:  RSR  30  (1956),  217­229,  bes.  220;  Gramaglie,  Ai  martiri,  117­120, sowie bei Kraft, Lyoner Märtyrer, 265: „Da Mt  16,19 zitiert wird, ist die  Meinung  unseres  Textes,  die Märtyrer  seien  im Besitz der  Schlüsselgewalt  und  machten  auch  den  rechten  Gebrauch  davon."  Trotz  der  „Spitze"  dieses  Textes  gegen  „ein  Amt,  das  sich  den  Gefallenen  gegenüber weniger barmherzig zu verhalten  pflegte", sei  es  in Lyon nicht  zu einem  Streit über  die  Behandlung der Lapsi gekommen,  „denn  hier  fehlt das  institutionelle  Amt,  das den Märtyrern  die  Vergebungsvollmacht  bestreitet und für sich  beansprucht."  Eine  direkte  Sündenvergebung  seitens  der Märtyrer sieht auch Frend, Martyrdom,  17, in dem genannten Text widergespiegelt; er geht dabei  aber ebenso wie Vokes,  Discipline, 63, von einem  starken  montanistischen  Einfluß in Vienne  und  Lyon aus. Vokes folgert entsprechend  aus dieser Stelle: „In contexts  with Montanist sympathies  we  have evidence of martyrs being highly honoured  and reconciling  even those who have lapsed."  Zu  dieser Frage vgl. dagegen aber Kraft, Lyoner Märtyrer, 250­266, der den montanistischen  Charakter  des Christentums  in Vienne  und  Lyon zurückhaltender  beurteilt:  „Die  Lyoner  Märtyrer  (können)  trotz ihrer Anerkennung der montanistischen  Prophetie  und  ihrem  Eintreten  für den  Montanismus  doch nicht als Montanisten"  gedeutet werden. „Sie haben die Spaltung nicht mitgemacht." Die  von  ihnen vertretene Milde gegenüber den Abfallsündem entspräche auch gerade nicht der rigoristischen  Strenge einer konsequent  montanistischen  Position.  Für einen  weiteren  Überblick  zur  Stellung  der  Märtyrer  im Rahmen  der Buße vgl. Poschmann,  Paenitentia secunda, 270­283; Grotz,  Entwicklung,  123­132; Goldhahn­Müller,  Grenzen,  332­336. 

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tierten.69 Zum zweiten bestehe die Notwendigkeit  zum Frieden unter den  Bekennern deshalb,  damit sie  diesen eventuell  auch anderen  gewähren  (aliis praestare)  könnten.70 Gemeint sind mit den „alii" diejenigen Christen, die durch eine schwere  Sünde  aus  der  kirchlichen  Gemeinschaft  ausgeschlossen  sind  und  nun  bei  den  Bekennern um Wiedererlangung  der „pax" nachsuchen: „Quam pacem quidam in  ecclesia non habentes a martyribus in carcere exorare consueverunt."71  Tertullian  erwähnt  diese  offensichtlich  häufiger  geübte  Praxis72  mit  einer  Selbstverständlichkeit,  die nahelegt,  daß ihm zu dieser Zeit die Möglichkeit  der Bekenner,  Büßern wieder zur kirchlichen Gemeinschaft73 zu verhelfen, noch nicht infragestand.  In welcher Form diese erneute Gewährung der „pax" durch die Bekenner stattfand  und  in welchem  Verhältnis  sie  zu  einer eventuell  noch  durch  den  Bischof  vollzogenen  Rekonziliation  stand,  läßt  sich  aus  Tertullians  Ausführungen  in  „Ad  martyras" aber nicht  entnehmen.74 

69

 Ad  mart.  l,4f  (CChr.SL  I,  3,16­25). 

70

 Ad  mart.  1,6 (CChr.SL  I, 3,27­29):  „Et  ideo etiam  propterea  in vobis  habere et fovere et  custo­ dire  debetis  (sc. pacem),  ut, si  forte, et  aliis praestare  possitis."  Die  Formulierung  „et  aliis praestare"  (verschaffen,  gewähren;  zu  „praestare"  im  Sinne  von  „gewähren"  vgl.  z.B.  Ad  mart.  2,8;  CChr.SL  I, 4,31)  spricht  eher  gegen  die  z.B.  bei  Altendorf,  Einheit,  36,  und  Micaelli,  La  pudicité,  95,  vertretene  Einschränkung  der  hier  erkennbaren  Bekennervollmacht  auf eine  bloße  Fürbitte.  Be­ grifflich  entspricht  das,  was  die  Bekenner  tun,  dem,  was  in  De  pud.  11,1  (CChr.SL  II,  1301,8­ 1302,9)  von Christi  Verhalten  gegenüber  Menschen  ausgesagt  wird, die  noch  nicht  Christen  waren:  „...  veniam  delictorum  praestare  ...".  71   Ad  mart.  1,6  (CChr.SL  I,  3,25­27).  72   Darauf  weist  die  Verwendung  des  Verbs  „consuevisse"  ­  „gewohnt  sein,  pflegen"  für  das  genannte  Verhalten  der  Büßer  hin.  LeSaint,  Treatises,  290,  geht  davon  aus,  daß  Tertullian  sich  hier  auf  „a  custom  of  some  standing"  bezieht.  73   „pax"  ist  nach  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  272,  sowohl  bei  Tertullian  als  auch  später  bei  Cyprian  „stehender  Ausdruck  fur die Gemeinschaft  mit  der  Kirche."  Grotz,  Entwicklung,  125,  deutet  „pax"  in  Ad  mart.l  als „eine  Art  sozialen  Frieden,  allenfalls  ...  die  pax  ecclesiastica",  die  er  von  der  in  der  endgültigen  Rekonziliation  erteilten  pax  divina  abgrenzt.  74  In entsprechend  allgemeiner  Form  schreibt  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  273:  „Wenn  nun  nach Tertullian  manche,  die  sich nicht  des  Friedens  in der  Kirche erfreuten, ihn  von  den  Märtyrern  im  Gefängnis  zu  erbitten  pflegten,  dann  hat  man  diesen  die  Fähigkeit  beigelegt,  den  Sündern  die  kirchliche Gemeinschaft wieder zu verschaffen. Ich gebrauche absichtlich den allgemeinen  Ausdruck  .verschaffen', weil  der Text  nicht notwendig  besagt,  daß  die  Märtyrer  direkt,  mit  Ausschaltung  des  Bischofs, die Rekonziliation  vollzogen hätten...  Es muß dahingestellt  bleiben,  in welchem  Sinne  der  katholische  Tertullian  an  der  hier  herangezogenen  Stelle (Ad  mart.  1) die  Gewährung  des  Friedens  durch  die Märtyrer  gemeint  hat.  Er  sagt nichts  weiter  über  den  Usus,  scheint  ihn  aber  durch  die  Art  und  Weise,  wie  er  ihn  als  Motiv  verwendet,  gutzuheißen."  Poschmanns  Vermutung  tendiert  aber  dahin,  daß  Ad  mart.  1 auf einen  Einfluß der  Märtyrer  hindeutet,  der  nicht  mehr  nur  „rein  religiös"  war,  sondern  auch  „rechtlich"  zu  bewerten  sei.  Diese  These  beruht  aber  auf  der  problematischen  Entgegensetzung  der  durch  Bekenner  vollzogenen  Vergebung  durch  Gebet  und  Fürsprache  und  der  ,rechtlichen"  durch  Priester  vollzogenen  Rekonziliation  in  der  Zeit  vor  Tertullian,  die jüngst  auch  noch  von Micaelli,  La pudicité, 96, vorausgesetzt  worden  ist: „II est claire que le martyr  n'exerce  pas 

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Auf  eine  den  Büßer  in  seiner  tätigen  Buße  unterstützende  Fürsprache  der  Bekenner  und  Märtyrer  bei  Gott  könnte  ein  Beleg  aus  Tertullians  katholischer  Bußschrift „De paenitentia"75 hindeuten, in dem er die Anforderungen der öffentlichen Buße erläutert: Neben  dem Tragen von Büßergewändern,  dem Fasten,  dem  Weinen und Klagen76  sei  dem Bußfälligen geboten,  „presbyteris advolui,  et caris  dei  adgeniculari,  omnibus  fratribus  legationem  deprecationis  suae  iniungere."77  Die  Formulierung  „caris dei  adgeniculari" -  „vor den Lieblingen  Gottes  niederknien" -  könnte dabei im Sinne einer durch Niederknien ausgedrückten Bitte um  Fürsprache78  der  Märtyrer  zu  verstehen  sein.  Diese  Deutung  ist  aber  aus  zwei  Gründen unsicher. Zum einen ist die Stelle textkritisch unklar -  die Mehrzahl  der 

une autorité de gouvernement comme celle de l'éveque; il serait tout simplement absurde, sur le plan  historique,  de penser que la réadmisssion  dans l'Église puisse etre ratifiée, formellement et liturgiquement, par les martyrs." Gerade die Ungeklärtheit des Verhältnisses bei Tertullian weist aber daraufhin, daß diese Formen der Sündenvergebung noch nicht in deutlichem Gegensatz zueinander standen. Auf Grund sehr differenzierter Vorstellungen über die Entwicklung der Buße zur Zeit Tertullians meint Grotz, Entwicklung, 125, die Wirksamkeit der Bekenner nach Ad mart.l auf die Gewährung der kirchlichen Gemeinschaft, der „communio", eingrenzen zu können, d.h. auf die Aufhebung der Exkommunikation und die damit gewährte Zulassung zur kirchlichen Buße; die Erteilung der „pax divina" erfolge erst nach der Exomologese (bei Tertullian verstanden als Gesamt der von der Kirche auferlegten Bußakte; vgl. De paen. 9,3f; CChr.SL I, 336,8-18) in dem Akt der Rekonziliation. Ebenfalls als einen Schritt auf dem Weg zur endgültigen Rekonziliation sieht Hellmanns, Wertschätzung, 25, das von den Bekennern Gewährte, wenn er es als Empfehlung der Sünder zur Rekonziliation versteht. Ob diese Deutungen vor dem Hintergrund der tatsächlich aus Tertullian zu entnehmenden Informationen über den Ablauf der Buße haltbar sind, scheint mehr als fraglich. Trotz eingehender Untersuchung der Bußtheologie Tertullians unternimmt GoldhahnMüller, Grenzen, 334, keinen Versuch, die Kompetenz der Bekenner in den Rahmen der kirchlichen Buße einzuordnen; sie geht davon aus, daß „offenbar jeder Reumütige, der wegen schwerer Verfehlung in Distanz zur christlichen Gemeinde lebte, direkt durch die Märtyrer die volle Vergebung und Wiederaufnahme erlangen" konnte. Jenseits aller Mutmaßungen über die bußtheologische Kompetenz der Bekenner zeigt sich deutlich, daß Tertullian kein Interesse an einer Verhältnisbestimmung zwischen Bekennerprivileg und bischöflich verwalteter Buße hat; dies deutet zumindest nicht auf einen akuten Gegensatz oder Konflikt zwischen beiden hin. 75

Zur Datierung in die Zeit zwischen 198 und 206 vgl. Braun, Deus Christianorum, 570. Vgl. De paen. 9,3f (CChr.SL I, 336,8-16). Einen Überblick zu den aus Tertullians Schriften zu entnehmenden Elementen der öffentlichen Buße bietet Karl-Josef Klär, Das kirchliche Bußinstitut von den Anfängen bis zum Konzil von Trient, Frankfurt/Bern/New York/Paris (1991), 90f. Nach Goldhahn-Müller, Grenzen, 361, „begegneten einzelne Bußübungen wie Fasten, Trauer und Gebet als jüdischer Praxis entnommen bereits bei den Apostolischen Vätern und Irenäus." Tertullian bezeugt aber „erstmals ein sicher greifbares umfassendes System, das mit der Buße überhaupt zusammenfällt und für den postbaptismalen Sünder bindend geworden ist." 77 De paen. 9,4 (CChr.SL I, 336,16-18). 78 Zu diesem Brauch vgl. De paen. 10,6 (CChr.SL I, 337,21): „... ergo cum te ad fratrum genua protendis..." 76

Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

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Handschriften  liest  statt „caris" „aris"79  - ,  zum  anderen  ist ein Verständnis  von  „cari dei" als Bezeichnung  für die Konfessoren und Märtyrer zwar möglich,  aber  keinesfalls eindeutig.80 Unabhängig von diesem Interpretationsproblem wird in der  79  Dieser  Variante  schließt  sich  auch  der  im  CChr.SL  edierte  Text  an.  Andererseits  spricht  die  Struktur des Satzes,  in dem  zuerst von  den  „presbyteri",  zuletzt  von  den  „omnes  fratres",  d.h.  von  Personengruppen  die  Rede  ist,  eher  fur die  Lesart  „caris  Dei".  Als  bildliche  Redensart  für  eine  Personengruppe, nämlich die Witwen, deutet allerdings Charles Munier, La pénitence.  Introduction,  texte critique, traduction  et commentaire (SCh N°316), Paris  1984, „aris dei", und verweist dafür auf  die  Schilderung  einer  Buße  in  De  pud.  13,7  (CChr.SL  II,  1304,26f). Die  dort  angegebenen  drei  Gruppen,  die  an  der  Buße  teilhätten,  würden  auch  hier  genannt:  „les  pretres  et  les  fidèles  sont  désignés nommément,  les veuves y figurent sous l'expression  métaphorique:  aris  dei."  Er  verweist  für diese Deutung auf Ad ux. I, 7,4 (CChr.SL  I, 381,24),  wo Tertullian  ebenfalls in bildlicher  Rede  davon  spricht,  daß  nur  eine  „ara  munda"  vor Gott  aufgestellt werden  dürfte. Diese  Formulierung  bezieht sich aber nicht  nur  auf die vorher  erwähnten  Witwen,  sondern  auch  auf die  Vorsteher  der  Gemeinde.  In der Literatur  ist die Problematik  dieser  Stelle nicht selten übersehen  worden:  Keinen  Hinweis auf das textkritische Problem bietet z.B. der Kommentar  von  Sciuto,  Opere;  ebensowenig  greift er die Frage nach der Deutung von „caris dei" auf. Die  Formulierung „caris dei  adgeniculari"  wird  von  ihm ohne  weitergehende  Deutung  mit  „inginocchiarsi  davanti  ai cari  di  Dio"  übersetzt.  80

 In  der Forschung  ist die  Frage nach  der  Deutung  von  „cari  dei",  wenn  sie überhaupt  aufge­ griffen  worden  ist  (vgl.  Anm.  79),  in  zweifacher  Weise  beantwortet  worden.  1)  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  286,  bezieht  „cari  Dei"  auf  die Märtyrer und Konfessoren,  ebenso  unter  Verweis auf Cypr., ep. 21,3,2 (CChr.SL  EU B,  114,61 : Märtyrer als „amici  et testes Christi")  Vokes,  Discipline,  65.  2) Nach  Karl  Adam,  Der  Kirchenbegriff Tertullians,  Paderborn  1907,  84f,  sowie  jüngst Goldhahn­Müller, Grenzen, 361, Anm. 24., könnte der Begriff aber auch die Witwen  bezeich­ nen; sie verweist  dafür auf die Schilderung einer Buße  in De pud.  13,7 (CChr.SL  II,  1304,26f), die  vom „prostemere  ... ante viduas, ante presbyteros  ..." spricht.  Unklar  bleibt LeSaint, Treatises,  174,  der „cari Dei" zunächst auf „all faithful Christians" bezieht, „although  it may be that certain definite  groups within the Church  are intended  more specifically". An anderer  Stelle deutet er die  Formulie­ rung  hingegen  auf  „members  of  the  Church  who  had  suffered for the  faith" (LeSaint,  Treatises,  291). Heinrich  Holze,  Genugtuung  Gottes oder Heilung des Menschen?  Das Verständnis  der  Buße  bei Tertullian, Klemens von Alexandrien  und den ägyptischen Anachoreten, in: KuD 39 (1993), 229,  beläßt es gar bei der Auskunft, es handele  sich bei den  „cari Dei"  um „eine nicht näher  bezeichnete  Gruppe innerhalb der Gemeinde".  Aus Tertullians  Sprachgebrauch  lassen sich für die  Interpretation  dieser Bezeichnung keine weiteren Hinweise entnehmen, da sowohl  die Verbindung „carus dei" als  auch  das  Verb  „adgeniculari"  nur  an  der  genannten  Stelle  auftauchen.  Für  Überlegungen  zur  Deutung müßten  also Belegstellen  anderer  Autoren  bzw. parallele  Formulierungen  hinzugezogen  werden.  So bezeichnet  50 Jahre später Cyprian  den Bekenner  Aurelius  als  „Deo  carus" (Cypr.,  ep.  38,1,2; CChr.SL  ΙΠ Β,  183,8),  an anderer  Stelle  bezieht  er „Deo  cari" aber  auch  auf alle  Christen  (Ad  Dem.  12; CChr.SL  III A, 42,245).  Eine inhaltliche  Parallelität  besteht  darüberhinaus  zwischen  der Bezeichnung „carus Dei" und „amicus Dei", die von Tertullian sowohl individuell auf  Abraham  (Adv.Jud.  2,2; CChr.SL  II,  1342,47) als  auch  kollektiv  auf  die  Menschheit  vor dem  Fall  bezogen  wird  (De  pat.  5,13;  CChr.SL  I,  304,45:  „Innocens  erat  et  deo  de  proximo  amicus  et  paradisi  colonus") Innerhalb der in der altkirchlichen  Literatur nach  W. Stählin, Art. φίλος,  in: ThWNT  IX  ( 1973 ), 168, häufigeren kollektiven Deutung dieser Formulierung findet sich daneben aber mehrfach  auch  eine Anwendung  speziell  auf Märtyrer (Clem.Al.,  Strom.  IV,4,14;  IV,8,57,1;  Orig.,  Exhort.ad  mart.  37; Cypr., Ad  Fort.praef. 4; Ad  Fort.  13; ep.  15,3). Zu weiteren Belegen  aus der Folgezeit  für  den  besonders  auf  Märtyrer  bezogenen  Gebrauch  dieser  Bezeichnung  vgl.  Erik  Peterson,  Der  Gottesfreund, in: ZKG 42 (1923),  195f. Dieser Überblick weist daraufhin, daß „cari Dei"  im  Sinne 

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genannten Stelle deutlich, daß die Buße des Sünders, die durch „zeitliche Qual die  ewigen Strafen aufhebt"81, ergänzt wird durch gemeindliche Fürsprache.82  Neben  den Presbytern und den unbescholtenen  Laien haben dabei möglicherweise  auch  die  Märtyrer  die  Funktion  der  Unterstützung  der  Buße  durch  ihre  Fürbitte  gehabt.83 Daß ihrem Gebet, wenn denn die genannte  Stelle sich auf die Fürbitte der  Märtyrer bezieht, dabei eine herausragende Wirksamkeit innerhalb der gemeindlichen Fürsprache  fur die Büßer zugeschrieben  worden sei,  läßt sich nicht  entnehmen. Ebensowenig bietet „De paenitentia" weitere Hinweise auf Kompetenzen der  Märtyrer im Blick  auf die Wiederaufnahme der Büßer.  In deutlichem  Gegensatz  zu  der Selbstverständlichkeit,  mit  der Tertullian  in  „Ad  martyras",  möglicherweise  auch  in  „De  paenitentia",  den  Märtyrern  eine,  wenn auch nicht deutlich umrissene, Vollmacht im Rahmen der Sündenvergebung  zuschreibt,  steht seine diesbezügliche  Haltung in seiner montanistischen  Zeit. In  „De pudicitia" spricht er mit beißender Ironie von der Praxis,  daß Unzuchtsünder  und Ehebrecher  die Märtyrer,  sobald diese  nur in -  nach Tertullians  Darstellung  -  leichteste  Haft84 genommen worden sind, aufsuchten und sie um  Wiedererlangung  des  kirchlichen  Friedens  bäten.  Sofort,  so  heißt  es  bei  ihm,  wenn  einer  inhaftiert  sei,  ertönten  schon  die  Bitten  und  flössen  die  Tränen jener,  die  sich  befleckt hätten.  Keiner erkaufe sich  den „Zugang  zum Kerker" (aditus  carceris)  eher als  diejenigen,  die  den Zugang  zur Kirche verloren hätten.85  Andere  Büßer 

von Märtyrer  verwendet  worden  sein  kann,  zumal  in  De paen.  9,4 eine Deutung  auf alle  Christen  wegen  der  nachfolgenden  Erwähnung  der  „omnes  fratres"  nicht  wahrscheinlich  ist;  zwingend  ist  diese Deutung aber nicht,  da sowohl  „carus Dei" als auch  das parallele  „amicus  Dei"  insgesamt  in  sehr  unterschiedlicher  Weise  aufgegriffen worden  sind.  81  De paen. 9,5 (CChr.SL 1,336,18­22): „Haec omnia exomologesis,... temporali afflictatione ae­ terna  supplicia...  expungat".  82  Zur theologischen  Bedeutung der  gemeindlichen  Fürsprache  vgl. De paen.  10,6 (CChr.SL I,  337,21­24):  „...  ergo  cum  te  ad  fratrum  genua  protendis  Christum  contrectas,  Christum  exoras;  aeque  ¡Ili cum super te lacrimas agunt Christus patitur,  Christum  patrem deprecatur. Facile  inpetra­ tur semper  quod  filius  postulat."  83   Campenhausen,  Amt,  312,  spricht  von  einem  „anerkannten  Recht  ihrer  Fürsprache"  bei  Tertullian.  Seine Darstellung berücksichtigt aber weder die mit De paen.  9,4  zusammenhängenden  Interpretationsprobleme  noch die Tatsache, daß sich auch aus den anderen Texten Tertullians zu der  Frage der Sündenvergebung  durch Märtyrer  kein  eindeutiger  Hinweis  auf die konkrete  Form  ihres  sündenvergebenden  Wirkens  entnehmen  läßt.  Brandt,  Ethik,  178, versteht  De paen.  9 in  unspezi­ fischer Weise  als  „Andeutung"  auf die Sündenvergebungsvollmacht  der  Märtyrer.  84  Zu den von Tertullian  verwendeten  Bezeichnungen  für die Inhaftierung und den  sich jeweils  damit  verbindenden  Konnotationen  vgl. Kap.  5.2.1,  Anm.  62­65.  85  De pud. 22,1 (CChr.SL  II,  1328,2­6): „Ut quisque ex consensione vincula  induit adhuc  mollia  in  novo  custodiae  nomine,  statim  ambiunt  moechi,  statim  adeunt  fornicatores,  iam  preces  cir­ cumsonant, iam lacrimae circumstagnant maculati cuiusque, nec ulli magis aditum carceris redimunt  quam  qui ecclesiam  perdiderunt." Moreschini,  Aspetti,  58f, betont  den hier gegenüber  „Ad  marty­

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gingen  zu den zur Bergwerksarbeit  Verurteilten  und kämen von  dort als  „communicatores"  zurück.86  Deutlich  kennzeichnet  Tertullian  die  Akzeptanz  der  Vergebung  der Fleischessünden  durch  die  Märtyrer  als  eine  nur bei  den  Katholiken  vorzufindende  Haltung:  „At tu  (psychice)  iam  et  in  martyras  tuos  efftindis  hanc  potestatem."87 Demgegenüber  stellt er sich  auf die  rigoristische  Position,  daß  keiner,  der  noch  am  Leben  sei,  mithin  also  auch  die  inhaftierten  Märtyrer,  ohne  Schuld  sein  könne;  im  eigentlichen  Sinne  könne  bei  diesen  auch noch  nicht  von  „martyres" gesprochen  werden:  „Quis  enim  in terris  et  in came  sine  culpa?  Quis  martyr  saeculi  incola,  denariis  supplex,  medico  obnoxius  et  feneratori?"88  Ganz  anders  als  in  „Ad  martyras",  wo  Tertullian  die  Inhaftierten  als  der  „Welt"  enthoben sieht,  ihren Kerkeraufenthalt mit dem  Rückzug  der Propheten  in die  Wüste  vergleicht  und  die Präsenz  des  Geistes  betont,  charakterisiert  er sie hier als  noch  völlig  den  Bedingungen  der  „Welt"  verhaftet;  insofern  unterscheiden  sie  sich  letztlich auch nicht von  denjenigen,  deren  Sünden  zu vergeben  sie  sich  anmaßen.  Selbst im Angesicht  der Hinrichtung,  d.h.  in sicherer Aussicht  auf das  Martyrium,  habe  ein  Christ  nicht  die  Vollmacht,  das  zu  vergeben,  was  Gott  vorbehalten 

ras" deutlich werdenden Gegensatz in der  Bewertung des Kerkeraufenthaltes: Sie erscheine quasi  als  „descrizione  in  negativo  di  quell'ambiente  cosi  luminoso  che  Tertulliano  aveva  esaltato  al'inizio  della sua carriera di scrittore; al carcere, come  luogo di salvezza del martire, si contrappone  il carcere  come  luogo  di  corruzione  e  di  depravazione."  86

  De  pud.  22,2  (CChr.SL  II;  1328,8f):  „Alii  ad  metalla  confugiunt  et  inde  communicatores  revertuntur,  ..."  Nach  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  273,  dient  die  nur  an  dieser  Stelle  auf­ tauchende  Bezeichnung  „communicatores"  dazu,  „das  Groteske  der  von  ihm  bekämpften  Sitte  pla­ stisch  herauszustellen."  Aus  ihr  könne  nicht  unzweifelhaft entnommen  werden,  daß  die  Märtyrer  „aus eigener Autorität  direkt die Gemeinschaft gewährt  hätten." Die Bezeichnung sei  auch dann  ver­ ständlich,  „wenn  die  Märtyrer  grundsätzlich  nur  die  Rekonziliation  empfehlen,  sofern  der  Empfeh­ lung tatsächlich  regulär  stattgegeben  wird." Grotz,  Entwicklung,  125, versteht  den  Begriff im  Sinne  einer durch die Märtyrer wiedergewährten  „communio",  der Aufhebung der Exkommunikation.  Sehr  viel  weiter  geht  Goldhahn­Müller,  Grenzen,  334,  wenn  sie  diesen  Text  als  Hinweis  auf  die  „Spen­ dung  voller  Vergebung  durch  Märtyrer  ohne  Vermittlung  der  kirchlichen  Hierarchie"  versteht,  „communicatio  ecclesiastica" (De  pud.  18,2; CChr.SL  II,  1317,6f) bezeichnet  die Gemeinschaft  mit  der  Kirche,  die  nach  der  Auffassung  des  Montanisten  Tertullian  bei  schweren  Sünden  von  den  Bußfälligen  gerade  nicht  angestrebt  werden  solle;  vielmehr  sei  die  Vergebung  nur  von  Gott  zu  erflehen (De  pud.  3,4f;  CChr.SL  II,  1286,14­20).  Verweigerung  der  „communicatio  ecclesiastica"  bedeutet  konkret  „Ausschluß  vom  eucharistischen  Gottesdienst  und  dem  Gemeindegebet";  vgl.  Goldhahn­Müller,  Grenzen,  363,  Anm.  31.  87   De  pud.  22,1  (CChr.SL  II,  1328,lf).  Nach  De  pud.  21,16  (CChr.SL  II,  1328,70f)  meint  „potestas"  konkret  die  Vergebungsgewalt  für „delicta  capitalia",  welche  ausschließlich  pneuma­ tischen  Personen,  Aposteln  und  Propheten,  zusteht:  „secundum  enim  Petri  personam  spiritalibus  potestas  ista conveniet  aut  apostolo  aut  prophetae."  Zur  Bedeutung  von  „potestas"  in  De  pud.  vgl.  weiter  E.  Langstadt,  Tertullian's  Doctrine  of  Sin  and  the  Power  of  Absolution  in  ,De  pudicitia',  in:  StPatr  II  (1957),  251­257,  bes.  252.  88

  De  pud.  22,3  (CChr.SL  II,  1328,11­13). 

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bleiben  müsse.89  Wolle  der Märtyrer die  durch  das Martyrium  für seine  eigenen  Vergehungen erlangte Sündentilgung  auch auf andere Christen ausdehnen,  so  sei  dies  nur als  „ingratitudo" und „superbia" gegenüber  Gott  und dem  Sühneleiden  seines  Sohnes,  das  allein  die  Sündentilgung  für andere  bewirke,  zu  bewerten.90  Tertullian betont hier den christologischen Vorbehalt gegenüber einer sich seit der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  durchsetzenden  Entwicklung,  in  der  der  Märtyrertod  „als  mit  stellvertretender  Sühnekraft  begabt"  in  „vergleichende  Beziehung"  zu  dem Tod Jesu gesetzt wird.9'  Zur Diskreditierung  eines Anspruches  der Märtyrer  auf  eine  durch  ihr  Leiden  erlangte  Sündenvergebung  auch  fur  andere  Christen  konfrontiert  er  das  sündlose  Sterben  Christi  mit  dem  Sterben  der  grundsätzlich  noch  dem  Diesseits  und  der  Sünde  zugehörigen  Märtyrer.  Darüberhinaus  verknüpft  er  im Anschluß  an Mt  9,4f  die  Vollmacht  zur  Sündenvergebung  mit  der  prophetischen Fähigkeit zur Erkenntnis der Gedanken: Der Anspruch auf Sündenvergebung  müsse  sich  durch  den  Erweis  des  Geistes  legitimieren.92  Das  von  Tertullian selbstverständlich  vorausgesetzte Nichtvorhandensein  solcher  „prophe-

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 De pud. 22,3 (CChr.SL  II,  1328,13­19):  „Puta nunc  sub  gladio  iam  capite  librato (sc.  marty­ rem),  puta  ...  in  ipsa,  dico,  securitate  et  possessione  martyrii,  quis  permittit  homini  donare  quae  Deo reservanda sunt,  aquo ea sine excusatione damnata sunt...?" Zu diesen unvergebbaren  Sünden,  den  „graviora  et  exitiosa  (delicta),  quae  veniam  non  capiant",  zählt  Tertullian  in  „De  pudicitia"  „homicidium",  „idololatria",  „fraus", „negatio",  „blasphemia",  „moechia",  „fornicatio" (De  pud.  19,25; CChr.SL II,  1323,112­115).  Sie können als „delicta mortalia" nur vom Herrn selbst  vergeben  werden (De pud. 3,3f; CChr.SL Π,  1286,12­15).  Die Differenzen zwischen  den  verschiedenen  bei  Tertullian vorfindlichen Katalogen  von Todsünden  (De pud.  9;  19; Adv.Marc.  IV,9) zeigen  aber,  daß er noch keine fest überlieferte Zusammenstellung  von  „delicta  mortalia" kennt.  Einen  kurzen  Überblick  über  die  Kategorisierung  der  Sünden  bei  Tertullian  bietet  Goldhahn­Müller,  Grenzen,  371 f.  90   De  pud.  22,4  (CChr.SL  II,  1328,20­23):  „Sufficiat martyri  propria  delicta  purgasse.  Ingrati  vel superbi  est  in alios quoque  spargere,  quod  pro  magno  fuerit consecutus. Quis  alienam  mortem  sua soluit,  ni  solus  dei  filius?"  "  Lohse, Märtyrer, 208f, der die Konsequenz dieser Entwicklung betont: „Damit ist der Märtyrer  ganz  nahe  an  Christus  herangerückt."  Zu  dieser  Entwicklung  vgl.  auch  Lods,  Confesseurs,  55f.  Durch  die  Begrenzung  der  entsühnenden  Wirkung  des  Martyriums  auf die  Person  des  Märtyrers  unterstreicht  Tertullian  demgegenüber  in  De pud.  22 den  grundsätzlichen  Abstand  zwischen  den  Märtyrern  und  Christus.  92   De  pud.  22,8  (CChr.SL  II,  1329,37­41):  „Si  dominus  tantum  de  potestatis  suae  probatione  curavit,  uti traduceret cogitatus et ita imperaret sanitatem, ne non crederetur posse delicta dimittere,  non  licet mihi eandem  potestatem  in aliquo sine eisdem  probationibus  credere." Zur Verknüpfung  von  Sündenvergebungsvollmacht  und Erweis der Geistesbegabung  vgl.  Langstadt,  Doctrine,  255f:  „The full gift of the  Spirit  ist the gift of Spirit  in the fulness of His deity  and therefore also in  the  fulness of His  power: the power of prophecy, the  power  of miracles,  the  power  of absolution  from  unforgivable  sins." 

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tica exempla"93  bei  den katholischen  Märtyrern erscheint  als endgültiger  Beweis  ihrer  Hybris,  in  der  sie  sich  eine  Gott  und  Christus  vorbehaltene  Vollmacht,  nämlich  diejenige  der Vergebung  schwerer  postbaptismaler  Sünden,  anmaßten:  „Si propterea Christus in martyre est, ut moechos  et fornicatores martyr absoluat,  occulta cordis edicat,  ut ita delieta concédât,  et Christus  est."94  Diese den Märtyrern unterstellte Hybris bildet nach Tertullians Darstellung  in  „De  pudicitia"  ein  Element  innerhalb  der  aus  seiner  montanistischen  Position  heraus bitter kritisierten gesamten  katholischen  Bußpraxis.  Ausgehend  von  dem  Erlaß  oder  der  öffentlichen  Stellungnahme  eines  ungenannten  Bischofs95,  nach  dem  auch  Unzuchtsündern  und  Ehebrechern  nach  vollzogener  Buße  die  Vergebung gewährt werde96, kritisiert Tertullian scharf die in der katholischen  Kirche  geübte  Vergebung  auch schwerer  Sünden  durch die Bischöfe.  Eine  solche  Vollmacht  sei  lediglich eine  angemaßte;  auch die von Petrus persönlich  empfangene  Schlüsselgewalt97  könne  nicht  auf  die  Kirche  der  „psychici",  auf  die  „ecclesia  numerus episcoporum", übertragen werden und zur Legitimierung ihrer Bußpraxis  dienen.  Übertragbar  sei  die  Vollmacht  zur  Sündenvergebung  „secundum  enim  Petri  personam"  nur  auf pneumatische  Personen,  Apostel  und  Propheten.98  Die 

93  Diesen  Begriff verwendet  Tertullian  in  bezug  auf  den  Adressaten  seiner  Schrift, einen  katho­ lischen  Bischof  (vgl.  Anm.  95),  von  dem  er  ebenfalls  Erweise  des  Geistes  zur  Legitimierung  der  Vergebung  schwerer  Sünden  fordert: „Exhibe  igitur  et  nunc  mihi,  apostolice,  prophetica  exempla,  ut  agnoscam  divinitatem,  et  vindica  tibi  delictorum  eiusmodi  remittendorum  potestatem."  (De  pud.  21,5;  CChr.SL  Π,  1326,21­24)  Inhaltlich  entsprechen  die  hier  genannten  „prophetica  exempla"  den  von  den  katholischen  Märtyrern  geforderten  „probationes"  (De  pud.  22,8;  CChr.SL  II,  1329,40).  94  De  pud.  22,6  (CChr.SL  II,  1329,29­32).  95   Die  Frage,  ob  Tertullian  in  De  pud.  1,6  (CChr.SL  II,  1281,27­1282,28:  „pontifex  scilicet  maximus,  quod  est  episcopus  episcoporum,  edicit")  auf  Zephyrin  von  Rom,  Kallist  von  Rom  oder  ­  wie  in  der  gegenwärtigen  Forschung  vorherrschend  angenommen  wird  ­  auf  Agrippinus  von  Karthago  anspielt,  ist  für  die  vorliegende  Frage  ohne  Belang.  Zur  eingehenden  Diskussion  der  älteren  Forschung  vgl.  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  348­367;  einen  knappen  Überblick  zur  gegenwärtigen  Diskussionslage  bietet  Goldhahn­Müller,  Grenzen,  368f.  96   De  pud.  1,6  (CChr.SL  II,  1282,28f):  „Ego  et  moechiae  et  fornicationis  delicta  paenitentia  funetis  dimitto."  97   Gegen  eine  Inanspruchnahme  von  Mt  16,18f  zur  Legitimierung  der  Vergebung  schwerer  Sünden  seitens  der  Kirche  betont Tertullian  die unmittelbare  Beziehung  der  Binde­  und  Lösegewalt  auf die  Person  Petri:  „Super  te,  inquit  (Dominus),  aedificabo ecclesiam  meam,  et: dabo  tibi  claves,  non  ecclesiae,  et: quaecumque  solveris  vel  alligaveris,  non  quae solverint  vel  alligaverint."  (De  pud.  21,10;  CChr.SL  Π,  1327,45­47)  Die  darauf  folgende Argumentation  abschließend,  stellt  er  heraus,  daß  die  Petrus  übertragene  Binde­  und  Lösegewalt  nicht  auf  eine  aktuelle  Vergebung  schwerer  Sünden  in  der  Kirche  bezogen  werden  könne:  „Adeo  nihil  ad  delicta  fidelium  capitalia  potestas  solvendi  et  alligandi  Petro  emancipata."  (De  pud.  21,14;  CChr.SL  II,  1327,62f)  98  De  pud.  21,16  (CChr.SL  II,  1328,70f): „Secundum  enim  Petri  personam  spiritalibus  potestas  ista  conveniet,  aut  apostolo  aut  prophetae."  Unklar  bleibt,  auf  welchen  Beleg  Goldhahn­Müller,  Grenzen,  367,  ihre  Auffassung stützt,  „daß jede  Vollmacht  zum  Nachlassen  schwerer  Sünden  ... 

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Bewertung von  Bekenntnis  und  Martyrium  im Rahmen  des  Bußwesens 

Kirche  könne  also  Sünden  vergeben,  aber nur  sofern  sie  Geisteskirche  sei:  „Et  ideo ecclesia quidem delieta donabit, sed ecclesia spiritus per spiritalem hominem,  non ecclesia  numerus  episcoporum."99  Das Vorhandensein  des Heiligen  Geistes  bildet  die  entscheidende  Voraussetzung  zur Ausübung  der  „potestas  delicta  donandi".100  Nicht  mit  der Anwendung  dieses  Kriteriums  steht  Tertullian  nun  im  Widerspruch zur katholischen Kirche  -  auch hier ist die Gegenwart  des  Heiligen  Geistes Grundlage der Sündenvergebungsvollmacht  - ,  sondern mit der exklusiven  Zuweisung der Geisterfiilltheit an die Montanisten.101  Unter das Verdikt,  lediglich  zu den „psychici" zu gehören102,  fallen entsprechend auch die katholischen Märtyrer.  Ihr Status als in besonderer Weise Geisterfullte wird ihnen ausdrücklich abgesprochen;  gemeinsam  mit  den  katholischen  Bischöfen  entbehren  sie  als  Nichtpneumatiker  derjenigen  „virtus  cuius  est  indulgere."'03  Beider  Anspruch  auf  Sündenvergebung  kann  für  Tertullian  also  nur  als  Anmaßung  und  Hybris  er-

bestenfalls  den  Propheten  und Märtyrern  als  Organen  des  Geistes  reserviert"  sei  (ähnlich  auch  Grenzen, 377). Die Auffassung der Märtyrer als in besonderem Geistbegabte  findet  sich in De  pud.  gerade nicht; auch die von Langstadt, Doctrine, 255, und im Anschluß an ihn von Vokes,  Discipline,  69, als Beleg für die besondere Geistbegabung der Konfessoren und Märtyrer angeführte Stelle  De  exhort.cast. 4,6 (CChr.SL Π,  1022,39­42)  spricht nur  von dem  vollen  Geistbesitz der Apostel,  der  ihnen  im Unterschied  zu  allen  anderen  Menschen  zuteil  geworden  sei.  99   De  pud.  21,17  (CChr.SL  II,  1328,76­78).  In  praxi  soll  diese  Vergebung  aber  eben  gerade  nicht gewährt werden,  wie Tertullian  unter Rückgriff auf ein nach Heine,  Oracles,  6,  authentisches  montanistisches Orakel  betont: ,„Sed  habet',  inquis,  ,potestatem  ecclesia delicta donandi.'  Hoc  ego  magis  et  agnosco  et  dispono,  qui  ipsum  Paracletum  in  prophetis  novis  habeo  dicentem:  .Potest  ecclesia  donare  delictum,  sed  non  faciam,  ne  et  alia  délinquant.'"  (De  pud.  21,7;  CChr.SL  Π,  1326,27­31)  100  De pud. 21,7 (CChr.SL  II,  1326,28).  Zu  dem  Verständnis  von  „potestas" in De pud. 21  vgl.  David Ivan Rankin, Tertullian's Use of the Word  Potestas,  in: JRH  19 (1995), 9: „It was the church  of the  Spirit, through  spiritual  men,  which  possessed  the power (=  potestas) to remit  sin, not  one  whose claim to be the church resided solely in its historico­episcopal  structure. The power to forgive  was the Lord's,  not the servant's; God's,  not the priest's.  For this power was of the very essence  of  divinity  itself."  101  Dies ist der fur die Frage der Vollmacht der katholischen Märtyrer entscheidende  Unterschied.  Der zweite wesentliche Unterschied in der Anwendung dieses Kriteriums besteht darin, daß der Geist  der  Montanisten  für  die Unvergebbarkeit schwerer Sünden  steht:  vgl.  das  in  De  pud.  21,7  (CChr.SL  II,  1326,30f) überlieferte Orakel  des Parakleten:  „Potest ecclesia donare  delicta,  sed  non  faciam, ne et alii  délinquant."  Entsprechend  formuliert Campenhausen,  Amt,  255,  für Tertullian:  „Denn  von  seinem  montanistischen  Geiste  weiß  er  auf  alle  Fälle,  daß  er  wirklich  ein  Geist  der  Heiligkeit und der Zucht  ist, so wie er sie versteht: er  wird  die  Strenge  niemals  erweichen,  er  wird  stets ohne  Rücksicht  und Nachsicht  richten  und  er wird keinem  Todsünder jemals  verzeihen."  102  Zur Abwertung  der Katholiken  als „psychici",  als  irdisch  gesinnte  Menschen,  bei  Tertullian  vgl.  De  ieiun.  1,1  (CChr.SL  II,  1257,3);  De  pud.  1,10  (CChr.SL  II,  1282,41);  De  mon.  1,1.3  (CChr.SL  II,  1229,2.17).  Die  Abwertung  der  Katholiken  als  „psychici"  seitens  der  Montanisten  spiegelt  sich  zur gleichen  Zeit auch  bei  Clemens  von  Alexandrien  wider (Strom.  IV,  93,1).  103  De pud. 21,6 (CChr.SL  II,  1326,27). 

Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

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scheinen.  Anders  als zuweilen  in der Forschung  behauptet,  weist  „De  pudicitia"  aber ebensowenig  auf eine besondere Berechtigung der montanistischen  Märtyrer  zur Vergebung  schwerer Sünden  hin.104  Jenseits aller Polemik deutet Tertullians Darstellung  in „De pudicitia",  unterstützt  durch die vorher erwähnten Belege  in „Ad martyras" und  möglicherweise  „De paenitentia", aber daraufhin, daß in der katholischen Kirche Afrikas zu seiner  Zeit  die  Märtyrer  eine  Funktion  im  Rahmen  der  Sündenvergebung  innehatten;  abgesehen von dem  -  allerdings problematischen  -  Hinweis  auf ihre Fürbitte in  ,JDe paenitentia" lassen die erwähnten Texte aber keine exakten Rückschlüsse  auf  die konkrete Form ihrer Partizipation zu, was sich nicht zuletzt auch in der großen  Bandbreite  der Deutungen  in der Forschung widerspiegelt.  Die  bußtheologische  Kompetenz der Märtyrer bestand nach dem in, A d  martyras" beiläufig  gegebenen  Hinweis  in der erneuten Gewährung  der „pax"105,  der kirchlichen  Gemeinschaft.  Auch wenn sich mit diesem Begriff Interpretationsprobleme  verbinden106,  bedeute 

104

  So  geht  LeSaint,  Treatises,  296,  davon  aus,  daß  Tertullian  in  De  pud.  22,6  positiv  auf  montanistische  Märtyrer  anspiele,  „who,  if they were  also prophets,  were thought  to have  the  gift of  cardiognosis."  Auch  die  in  Anm.  98  angeführten  Äußerungen  von  Goldhahn­Müller,  Grenzen,  367.377,  gehen  vermutlich  von  der  Voraussetzung  aus,  daß  den  montanistischen  Märtyrern  im  Rahmen  der  Geistkirche  eine  Sündenvergebungsvollmacht  zukomme.  Micaelli,  La  Pudicité,  97,  betont  zwar,  daß  in  De  pud.  21,16  gerade  nicht  die  Märtyrer  als  „spiritales  homines"  erwähnt  würden,  denen  die  Sündenvergebung  zukomme.  Dennoch  würde  es  der  Rückbezug  auf  die  Person  Petri,  „à  la  fois  apotre  et  martyr",  rechtfertigen,  die  Märtyrer  hier  den  Aposteln  und  Propheten  zuzuzählen.  Über  die  Fragwürdigkeit  dieser  Argumentation  hinaus  zeigt  sich  aber  auch  an  den  weiteren  montanistischen  Schriften Tertullians,  daß  sich  kein  Beleg  für eine  besondere  Vollmacht  der  Märtyrer  zur  Sündenvergebung  findet,  so  daß  die  Äußerungen  in  der  Forschung,  die  pauschal  von  einer besonderen  Bedeutung der Märtyrer für die Sündenvergebung  innerhalb des  Montanismus  ausgehen (vgl. z.B. Frend, Martyrdom, 292;  Vokes,  Discipline,  63; Jensen,  Töchter,  298),  zumindest  an Tertullian  keinen  Anhalt  haben.  Für  ihn  wiegt  offensichtlich die Vorstellung  der  grundsätzlichen  Unvergebbarkeit  schwerer  Sünden,  d.h.  die  Betonung  der  absoluten  Heiligkeit  und  Reinheit  der  Kirche,  schwerer  als die  Hochschätzung  der  Bekenner  und  Märtyrer,  die  sich  in einer  Zuschreibung  der  Sündenvergebungsvollmacht  ausgedrückt  hätte.  Zu dieser Einschätzung  vgl.  die schon  bei  Bon­ wetsch,  Geschichte,  115f, auftauchenden  Überlegungen:  „Gemäß  Mt  16,18f  gehört  das  Recht  der  Absolution  der  Person  des  Petrus  und  demnach  den  Spiritalen  zu,  seien  es  Apostel  oder  Propheten  ...  Nur  der  kann  entscheiden,  ob jemand  würdig  ist,  der  Gemeinde  der  Gläubigen  anzugehören,  welcher  Inhaber  des  Geistes  in vollstem  Maße  und  daher  befähigt  ist,  die  Herzen  zu  durchschauen  ...  Von  den  Märtyrern  galt  das  nicht  in  der  Weise,  wie  von  den  Propheten,  auch  mußte  die  her­ gebrachte  Sitte,  daß  die  Märtyrer  den  Gefallenen  den  Kirchenfrieden  vermittelten,  die  disciplinari­ schen  Ziele  der  neuen  Prophetie  durchkreuzen."  105

 Ad  mart.  1,6 (CChr.SL  I, 3,25­29).  Auch  De  pud.  22,2  (CChr.SL  Π,  1328,8f:  „Alii  ad  metalla  confugiunt  et  inde  communicatores  revertuntur")  weist  jenseits  aller  Polemik  auf  die  durch  die  Märtyrer  wiedergewährte  „communicatio  ecclesiastica"  hin.  106

  Auf  Grund  der  Textgrundlage  kaum  zu  entscheiden  und  in  der  Beantwortung  stark  von  dogmatischen  Prämissen  abhängig  ist vor  allem  die  Frage,  ob  die  Wiedergewährung  der  „pax"  im  Sinne der Aufhebung der Exkommunikation  zu verstehen  ist und damit  lediglich  eine  Vorbedingung 

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Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

te dies zumindest,  daß die Märtyrer wieder Umgang mit den ehemals  auf Grund  ihrer Sünde aus der Gemeinde  Ausgeschlossenen  pflegten und sie vermutlich  zu  ihren  Gottesdiensten  zuließen.  In  seiner  beißenden  Kritik  in  „De  pudicitia"  bezeichnet  Tertullian  die  den  Märtyrern  seitens  der  katholischen  Kirche  zugeschriebene  Kompetenz  als  „Vollmacht"  (potestas)  zur  Vergebung  schwerer  Sünden.107 Mit  der Verwendung  dieses  Terminus,  mit dem er unmittelbar vorher  den  Vollmachtsanspruch  auf  Sündenvergebung  seitens  des  bischöflichen  Adressaten  dieses  Traktates  bezeichnet  hat108,  unterstellt  er,  daß  den  Märtyrern  innerhalb  der katholischen  Kirche  eine  Sündenvergebungsgewalt  zugesprochen  wurde,  die noch nicht der bischöflichen untergeordnet  scheint.109 Inwieweit Tertullians Ausführungen hier allerdings eine tatsächlich den katholischen  Märtyrern  zugeschriebene  Vollmacht  reflektieren  oder  aber  zum  Ziel  der  restlosen  Diskreditierung  der katholischen Bußpraxis das Märtyrerprivileg  überzeichnen110,  läßt sich  schwer  entscheiden.  Die  Intention  seiner Darstellung  in „De  pudicitia"  läuft einer exakten Erhebung des hinter der Polemik  stehenden  bußtheologischen  Sachverhaltes  und  der  Bußpraxis,  einschließlich  der  Frage  nach  einer  Verhältnisbestimmung zwischen Märtyrer- und bischöflicher Vollmacht, zuwider. Zumindest bietet sich aber in keiner der angeführten Stellen ein Indiz dafür, daß die 

zur Übernahme der eigentlichen  kirchlichen Buße und zur letztendlichen  eigentlichen  Rekonziliation  darstellt  (so  Grotz,  Entwicklung,  125,  der  für  Tertullian  zwischen  der  Wiedergewährung  der  kirchlichen  Gemeinschaft  und  der  Gewährung  der  Sündenvergebung  unterscheidet),  oder  ob  Gewährung  der  „pax"  und  eigentliche  kirchliche  Sündenvergebung  identisch  sind  (so  Goldhahn­ Müller,  Grenzen,  365f).  Vgl.  auch  Anm.  73.  107

 De pud.  22,1  (CChr.SL  Π,  1328,lf): „At tu  iam  et  in  martyras  tuos  effundis hanc  potestatem."  „hanc"  bezieht  sich  zurück  auf  die  Erläuterungen,  die  im  vorhergehenden  Kapitel  zu  „potestas"  gemacht  werden:  „delictorum  remittendorum  potestas"  (De  pud.  21,5;  CChr.SL  II,  1326,23f);  „potestas  delieta  donandi"  (De  pud. 21,7;  CChr.SL  II,  1326,28);  „delicta  fidelium  capitalia  potestas  solvendi  et  alligandi"  (De  pud.  21,14;  CChr.SL  II,  1 3 2 7 , 6 2 f ) . m   In De  pud.  21,5  (CChr.SL  II,  1326,21­24)  bezeichnet  Tertullian  die  von  ihm  nicht  akzeptierte  Vollmacht  des  bischöflichen  Adressaten  als  „delictorum  remittendorum  potestas".  109  Zu  der  Frage  des  Verhältnisses  zwischen  bischöflicher  Sündenvergebung  und  Märtyrervoll­ macht vgl. weiter Anm.  74. In der dort angegebenen  Literatur wie auch anderweitig in der  Forschung  zeigt  sich,  daß  die  Bewertung  der  Frage,  ob  die  von  Tertullian  erwähnte  Sündenvergebungsvoll­ macht  der  Märtyrer  unabhängig  von  der bischöflichen  bestanden  haben  kann,  abhängig  ist  von  der  Vorentscheidung  über  die  Rolle  des  Bischofs  im  Bußwesen  zu  dieser  Zeit.  So  argumentieren  z.B.  Poschmann,  Paenitentia  secunda,  270­283,  sowie  LeSaint,  Treatises,  292,  gegen  die  tatsächliche  Möglichkeit  einer  direkten  Sündenvergebung  durch  Märtyrer  mit  dem  (unbelegbaren)  Hinweis  darauf,  daß  diese  prinzipiell  dem  Bischof  zugestanden  habe.  110   Diese  Möglichkeit  wird  bei  LeSaint,  Treatises,  292,  in  den  Blick  genommen:  „...  we  must  not neglect the possibility that Tertullian's  language  in this chapter (De  pud. 22) represents  an effort  to  bring  catholic  doctrine  into  disrepute  by  portraying  the  power  of the  martyrs  as  greater  than  it  actually  was." 

Bewertung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  im  Rahmen  des  Bußwesens 

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durch  die  Märtyrer  ausgeübte  Kompetenz  in  Konkurrenz  zu  der  bischöflichen  stand; hier wird sich dann eine grundlegende Änderung in den auf diese Thematik  bezogenen Äußerungen  Cyprians  zeigen.1"  Bei Tertullian selbst ergibt sich hinsichtlich seiner Bewertung  der  Sündenvergebungsvollmacht  der Märtyrer eine strukturell ähnliche Tendenz wie in bezug auf  die Wertung der gemeindlichen Fürsorge. Beides hat er in seiner katholischen Zeit  zwar  nicht  besonders  akzentuiert,  wohl  aber  in  selbstverständlicher  Weise  erwähnt; hierin spiegelt sich eine, wenn auch eher distanzierte,  Anerkennung  der in  den genannten Phänomenen zum Ausdruck kommenden  Würdigung der Märtyrer 

" '  Cyprians  Korrespondenz  belegt,  daß  zur  Zeit  der  Verfolgung  unter  Decius  Abgefallene  in  die Gefängnisse gingen,  um  sogenannte  „Friedensbriefe"  (libelli  pacis)  zu  erhalten,  wobei  es  sich  dabei  offensichtlich um  ein  in  selbstverständlicher  Weise  geübtes  Verfahren  handelte,  das  von  ihm  auch  nicht  in  prinzipieller  Weise  infragegestellt wurde.  Solange  die Bekenner  selbst  die  „libelli"  als  der  Überprüfung  und  Bestätigung  seitens  des  Bischofs  bedürftige  „Empfehlungen"  zur  Wieder­ aufnahme der  Gefallenen zu  verstehen  scheinen  (vgl.  ep.  15,1,2;  CChr.SL  ΙΠ  Β,  86,20­23),  richtet  sich seine  Kritik  denn  auch  primär gegen  Kleriker der  karthagischen  Gemeinde,  die meinen,  auf  der  Basis der „Friedensbriefe" an ihrem geflohenen Bischof vorbei  den Gefallenen die sofortige  Wieder­ aufnahme gewähren  zu  können.  Wesentlich  für Cyprians  Ablehnung  dieses  Verhaltens  war  dabei,  daß  die  Gefallenen  in  übereilter  Weise  („crudo  tempore";  ep.  16,2,3;  CChr.SL  IH  B,  92,38)  aufgenommen  würden  und  keine  vollständige  Buße  leisteten  (ep.  15,1,2;  CChr.SL  III  B,  86,24­27);  diese  war aber  seiner Auffassung nach  notwendig  für die  Wiedererlangung  des  Heils.  Erst  nachdem  sich  in dem  Brief eines  Bekenners ein  Verständnis  des Bekennervorrechtes  dokumentiert,  das  dieses  als  unmittelbare  Gewährung  der  Sündenvergebung  gegenüber  den  Gefallenen  zu  verstehen  scheint,  ohne  daß  eine  nachfolgende  Rekonziliation  durch  den  Bischof  noch  vorausgesetzt  ist  (ep.  23;  CChr.SL  ΠΙ Β,  120,3­5),  richtet  sich  seine  Kritik  gegen  die  Bekenner,  insbesondere  den  Absender  der  genannten  ep.  23, Lucianus  (ep. 27,1,1;  CChr.SL  III  B,  127,7­128,10).  Hauptargument  ist  dabei,  daß das Verhalten  der  Bekenner  Spaltungen  in  der Gemeinde  hervorrufe (ep.  27,3,1 ; CChr.SL  III  B,  129,39)  und  zu  Aufruhr  gegenüber  den  Vorstehern  der  Gemeinde,  insbesondere  auch  gegen  ihn  selbst,  führe. Das Gewicht  dieser Vorwürfe zeigt sich  an der Bedeutung,  die Cyprian  der Einheit  und  Einmütigkeit  der  Gemeinde  und  der  Bindung  an  die  episkopale  Autorität  innerhalb  seiner  Ekklesiologie  zumißt.  Das  Konkurrenzverhältnis  zwischen  bischöflicher  Autorität  und  Bekenner­ vorrechten  und  der  auf Grund  der Austeilung  der  „libelli  pacis" deutlich  verringerte  Bußemst  in  der  karthagischen  Gemeinde  führten  dazu,  daß  Cyprian  sich  veranlaßt  sah,  die  Kompetenzen  der  Bekenner  in  der  Bußfrage ganz  auszuschalten.  War  er  noch  zu  Beginn  der  Decischen  Verfolgung  davon  ausgegangen,  daß  das  Votum  der  Bekenner  eine  Rolle  bei  den  nach  der  Verfolgung  statt­ findenden  Verhandlungen  über  die  Wiederaufnahme der  „lapsi"  spielen  sollte  (ep.  15,2,2;  CChr.SL  ΙΠ B,  87,40f), so  ist  bei  der  nach  der  Beendigung  der  Verfolgung auf  der  Ostersynode  251  getroffe­ nen  Entscheidung  einer  gestaffelten  Wiederaufnahme  der  Büßer  (vgl.  Poschmann,  Paenitenia  secunda,  379­390)  weder  von  ihrer  Präsenz  noch  von  einer  Bedeutung  der  „libelli"  die  Rede.  Im  Ergebnis  führten die  Konflikte  um  die  Wiederaufnahme  der  Gefallenen  also  zu  einer  Ausschaltung  der dem  Bischof  in Konkurrenz gegenüberstehenden  Ansprüche  auf Bußvollmacht;  konfrontiert mit  dem  von  den  Märtyrern  und  Bekennern  beanspruchten  Recht  auf  Sündenvergebung  hat  Cyprian  eindeutig  zugunsten  der  institutionellen,  bischöflichen  Bußgewalt  und  gegen  die  charismatische  entschieden.  Mit  diesen  Weichenstellung  ist er  für die  Folgezeit  prägend  geworden.  Vgl.  Campen­ hausen,  Amt,  311 f. 

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Zusammenfassung 

durch  die  Mitchristen  wider.  In  seiner  montanistischen  Zeit  hingegen  hat  er  sowohl gegen die Versorgung der Bekenner polemisiert  als auch die  Sündenver­ gebungsvollmacht der Märtyrer abgelehnt. Damit spricht er sich gegen Formen der  Würdigung der Bekenner und Märtyrer aus, die seiner Auffassung nach dem Ernst  der montanistischen Disziplin, konkret der Fasten­ und der Bußdisziplin, zuwider­ laufen.  Die  Art  und  Weise,  in  der  sich  die  Hochschätzung  des  Märtyrers  aus­ drücken darf, wird der Bewahrung der montanistischen  Sittlichkeit und damit der  Reinerhaltung der Kirche als „virgo" und „sponsa Christi"'12 untergeordnet. Da die  Fürsorge fur die Inhaftierten und das Ersuchen um  Sündenvergebung  in praxi  die  zentralen Bindeglieder zwischen den Bekennern und ihren Mitchristen  darstellten,  bedeutet  Tertullians  Polemik  in  der Konsequenz  eine Loslösung  des  Bekenners  oder Märtyrers von  der Gemeinde"3,  die sich auch  in seinem  weiteren  Desinter­ esse an der Frage  der Bedeutung von Bekenntnis  und Martyrium  für die christli­ che  Gemeinschaft  dokumentiert.  Die  Relevanz  des  Märtyrerleidens  für  die  christliche Gemeinde,  seine  „Gemeinschaftswirkung"114,  wird  zurückgestellt  gegenüber der bei Tertullian eindrücklichen Herausstellung seines Wertes für das  persönliche  Heil der Märtyrerinnen  und  Märtyrer. 

5.3  Zusammenfassung:  Die  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  und  die  „ecclesia" 

Der Überblick über Tertullians Äußerungen  zur Bedeutung der Martyrien  für die  christliche  Gemeinschaft  hat  gezeigt,  daß  er  nur  ein  geringes  Interesse  an  der  Frage  ihrer  überindividuellen  Bedeutung  hat. Eine  Ausnahme  hiervon  stellt  die  von  ihm  sowohl  im  „Apologeticum"  als  auch  in  „Ad  Scapulam"  explizierte  Vorstellung  ihrer  missionarischen,  werbenden  Wirkung  gegenüber  den  Heiden  dar. Dieser Gedanke eines durch das Martyrium ablegten „Zeugnisses" hat seinen  „Sitz  im Leben" in der apologetischen  Argumentation  und dient, mit Ausnahme  einer beiläufigen Erwähnung in „Sorpiace", nicht zur innerchristlichen Ermahnung  112

 De  pud.  1,8  (CChr.SL  II,  1282,35). 

113

  Moreschini,  Aspetti,  70,  spricht  in  bezug  auf die  Sicht  des  Martyriums  bei  Tertullian  von  einem  „valore  autonomo  ...  indipendente  dalla  Chiesa terrena  organizzata."  114   Klein,  Bewußtsein,  313,  hat  unter  Bezug  auf De  pud.  22  herausgestellt,  daß Tertullian  „im  letzten  Stadium seiner Entwicklung das Martyrium  seiner  Gemeinschaftswirkung,  seiner  Wirkung  auf die  Kirche  (beraube)..." 

Zusammenfassung 

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und Ermunterung zur Martyriumsbereitschaft. Ebensowenig  finden sich  in  dieser  Überlegungen  in  bezug  auf  die  innergemeindliche  Bedeutung  der  Bekenntnisse  und  Martyrien  und  die  Wirkung  auf  die  Mitchristinnen  und  Mitchristen.  So  erscheint  der  Gemeinschaftsbezug  für  die  theologische  Deutung  des  Glaubens­ todes  bei  Tertullian  nicht  konstitutiv,  die Einschärfung der  Leidens­  und  Todes­ bereitschaft  erfolgt  nicht  im  Blick  auf  eine  an  diesem  Leiden  teilhabende  Ge­ meinde und  deren  dadurch  mögliche  Verherrlichung.  Grundlegend  sind  vielmehr  die  an  die  einzelnen  Christen  ergehende  Forderung  Gottes  und  das  durch  das  Martyrium  zu erlangende persönliche  Heil  der Märtyrer. Diese  in der  Konsequenz  auf eine Individualisierung  der Märtyrer hinauslaufende Konzeption  spiegelt  sich  auch  in  Tertullians  Äußerungen  zur  Bekennerfürsorge  sowie  zur  Sündenverge­ bungsvollmacht  wider,  wobei  sich  hier  aber  eine  deutliche  Verstärkung  der  Distanz  zwischen  Märtyrern  und  Gemeinde  in  seinen  diesbezüglichen  Schriften  aus  montanistischer  Zeit  zeigt.  Werden  sowohl  die  Versorgung  der  Inhaftierten  mit Nahrung als auch die von diesen  ausgeübte  Praxis  einer  Sündenvergebung  in  den katholischen  Schriften „Ad  martyras",  dem „Apologeticum"  und  „Scorpiace"  zwar  nicht  betont  herausgestellt  und  mit  weiteren  Reflexionen  versehen,  wohl  aber  in  selbstverständlicher  Weise  als  gängiger  Usus  erwähnt,  ziehen  sie  in  den  montanistischen  Traktaten  „De  ieiunio"  und  „De  pudicitia"  massive  Kritik  und  Polemik  auf sich. Die in der katholischen  Kirche übliche Bekennerversorgung  und  das ihnen  dort gewährte  Bußprivileg  dienen  darin jeweils  als Illustrationen  der  in  der Großkirche  geübten und von  ihm  abgelehnten  Praxis  in bezug  auf das  Fasten  und  die Buße.  Die  strikte  Betonung  der  montanistischen  Fasten­  bzw.  Bußdiszi­ plin  führt damit  zu  einer theoretischen  Negierung  der wesentlichen  Bindeglieder  zwischen  den  Bekennern  und  Märtyrern  einerseits  und  der  Gemeinde  anderer­ seits." 5  Die  Hochschätzung  der  Märtyrerinnen  und  Märtyrer  drückt  sich  für 

115

  Diese  Konsequenz  trifft nicht  nur auf die  von  ihm  in den  Blick  genommenen katholischen Märtyrer zu,  sondern  auch  auf die  Blutzeugen  der Montanisten.  Die  Haft erscheint  für sie  nach  der  Darstellung  Tertullians  idealiter  als  Möglichkeit  zum  strengen  Fasten  und  zur  „praeparatio  ad  martyrium",  eine  Versorgung  der  montanistischen  Märtyrer  müßte  dementsprechend  unter  das  gleiche  Verdikt fallen wie  der in der Großkirche geübte  Brauch.  Ebenso  läßt sich aus „De  pudicitia"  nicht  entnehmen,  daß  den  montanistischen  Märtyrern  ein  Recht  auf  Sündenvergebung  seitens  Tertullians  zugestanden  worden  wäre.  Zum  einen  besteht  die  Intention dieser  Schrift in der  Absage  an jegliche  Vergebung  schwerer  Sünden,  zum  anderen  werden die  Märtyrer an keiner Stelle zu  den  „spiritales  homines"  gezählt,  denen  prinzipiell  die  „potestas"  zur  Sündenvergebung  zugestanden  wird, wenn sie sie eigentlich auch nicht ausüben sollen.  Das den katholischen  Inhaftierten  entgegengehaltene  Argument,  daß sie  als  noch  Lebende  noch  dem  Diesseits  verhaftet seien,  träfe  genauso  auch  auf  montanistische  Märtyrer  zu.  Da  Tertullian  weder  an  einer  anderen  Stelle  den  montanistischen Märtyrern eine Sündenvergbungsvollmacht  zuschreibt noch eine diesbezügliche  Differenzierung  zwischen  den  katholischen  und  den  montanistischen  Märtyrern  andeutet,  ist  er wohl  ein 

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Zusammenfassung 

Tertullian zu dieser Zeit aus in der Zuerkennung eines besonderen  Heilsstandes,  der sich vor  allem  in der Erwartung  einer gesonderten  postmortalen  Destination  niederschlägt,  nicht  aber in einer entsprechenden  Verhältnisbestimmung  zur Ge­ meinde vor ihrem  Tod.  Tertullians weitgehendes Desinteresse  an der Frage der Beziehung  zwischen  den  Bekennem  und  Märtyrern  und  der  christlichen  Gemeinschaft  zeigt  sich  deutlich  an  einem  Vergleich  seiner  Konzeption  mit  derjenigen  Cyprians,  fur  dessen  Martyrologie  die  Bedeutung  der  Martyrien  für  die  christliche  Gemein­ schaft konstitutiv  ist. Dies hat  sich bei  letzterem  zum  einen  in einer  Würdigung  der Bekenner und Märtyrer niedergeschlagen,  die die Wirkung ihres Leidens  auf  die Gemeinde mit in den Blick nimmt, zum anderen  in vielfältigen  Überlegungen  in  bezug  auf  den  konkreten  Umgang  mit  ihnen,  ihre  Versorgung,  die  durch  sie  ausgeübte  Sündenvergebungsvollmacht  oder die Möglichkeit  ihrer Erhebung  in  den  Klerus.  Die  ekklesiologische  Einordnung  des  Martyriums  zeigt  sich  bei  Cyprian darüberhinaus daran, daß er sowohl die Möglichkeit  als auch die Gültig­ keit  eines  Glaubenstodes  nachdrücklich  an  die  Zugehörigkeit  zur  einen  Kirche  bindet.  Die Möglichkeit  eines  Martyriums  ist  nach  seiner  Auffassung  an  die  Kirche gebunden, weil nur in ihr die Vorbereitung und „Ausrüstung" der  Gläubi­ gen  durch biblische Unterweisung  und vor  allem  durch  die Eucharistie  erfolgen  könne,  die die  Standhafitigkeit gewährleiste.  Der Empfang des nur in der  Kirche  wirkenden Geistes sei notwendig für das Bestehen der Bekenntnissituation,  in der  der Geist aus den Bekennern  spreche."6  Die Bindung der Gültigkeit  des Martyri­ ums vor allem im Blick auf seine entsühnende Wirkung an die Zugehörigkeit  zur  Kirche  ist  von  Cyprian  im Zusammenhang  seiner  Polemik  gegen  schismatische  Gruppierungen  in der karthagischen  Gemeinde herausgestellt worden: Durch  ihr 

„Kronzeuge"  für  die  strikte  Bußdisziplin  der  Montanisten,  nicht  aber  für  die  Ausübung  eines  besonderen  Bußprivilegs  seitens  ihrer Märtyrer.  Seine  Absage  an dieser  Bindeglied  zwischen  den  Märtyrern  und  der Gemeinde  betrifft also  katholische  wie  montanistsche  Blutzeugen.  116  ep.  57,4,2  (CChr.SL  II B,  305,86-306,96):  „...  idoneus  esse  non  potest  ad martyrium  qui  ab  ecclesia  non  armatur  ad  proelium...  mens  deficit quam  non  recepta  eucharistia  erigit  et  accendit.  Dominus  enim  in evangelio  suo  dicit:  ,cum  autem  vos  tradiderint,  nolite  cogitare  quid  loquamini.  Dabitur enim vobis  in illa hora quid loquamini. Non  enim vos  estis qui  loquimini,  sed spiritus patris  vestii  qui  loquitur in vobis.'  Quando autem  dicat  in traditis atque  in confessione  nominis  constitutis  spiritum  patris loqui,  quomodo  potest  ad confessionem  paratus  aut  idoneus  inveniri  qui  non  prius  pace  accepta  receperit  spiritum  patris,  qui  corroborans  servos  suos  ipse  loquitur  et  confitetur  in  nobis?" Cyprians Betonung  der Unmöglichkeit  eines Martyriums außerhalb der Kirche steht im Zusammenhang seiner Begründung der auf der Maisynode 252  beschlossenen  Wiederaufnahme  der in  der Decischen  Verfolgung Abgefallenen angesichts einer erwarteten neuen Verfolgung. Im Blick auf  diese  stellt er es als  Pflicht der Kirche dar, die Gefallenen wieder aufzunehmen  und  ihnen  dadurch  das  Bestehen  des  Verfolgungskampfes  überhaupt erst zu  ermöglichen. 

Zusammenfassung 

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Vergehen hätten  sie  eine so große  Schuld  auf sich geladen,  daß diese  selbst  durch  ein Martyrium  nicht  gesühnt  werden  könnte." 7  Derjenige,  der außerhalb  der Kirche  stehe,  könne  letztlich  überhaupt  kein  Märtyrer  werden:  „Esse  martyr  non  potest qui  in ecclesia non est.""8 Dieses  Kriterium  fur ein „wahres" Martyrium  ergibt sich für Cyprian unmittelbar aus seinem  Kirchenbegriff,  für den  der  Gedanke  der  auf  göttlicher  Einsetzung  beruhenden  Einheit  der  Kirche  grundlegend  ist.119  Sie  allein  ist  Vermittlerin  des  Heils,  das  in  keiner  Weise  an  ihr  vorbei  erlangt  werden  kann120;  das  gilt  auch  für das Martyrium,  das  entsprechend  nur  innerhalb  der  Kirche  zum  Heil  führt.  Damit  wird  allerdings  bei  Cyprian  die  Zugehörigkeit  zu  der  allein  heilsvermittelnden  kirchlichen  Gemeinschaft  dem  persönlich  verantworteten  Glaubenszeugnis  übergeordnet121,  worin  sich  der „Vorrang  der  aufgewiesenen  Kirche  vor  der glaubenden  Existenz"122  dokumentiert.  Während  Cyprian die Bindung  des  Martyriums  an die Kirche  mehrfach und  in  verschiedenen  Kontexten einschärft,  findet sich  dieser  Gedanke  bei  Tertullian  nur  in beiläufiger Form und erfährt keine  besondere  Betonung,  was  wesentlich  damit 

117  De  eccl.un.  14 (CChr.SL  III, 259,335­337):  „Tales  (sc.  schismatici)  etiam  si  occisi  in  confes­ sione  nominis  fuerint, macula  ista nec  sanguine  abluitur:  inexpiabilis  et  gravis  culpa  discordiae  nec  passione  purgatur."  Auch  in  De  dom.or.  24  (CChr.SL  III  A,  105,460­463)  betont  Cyprian,  daß  derjenige, der  in Uneinigkeit  und  Feindschaft mit  den  anderen  Christen  lebe,  das „crimen  dissensio­ nis  fraternae" nicht  einmal  dann  tilgen  könne,  wenn  er  den  Märtyrertod  erleide.  118  De  eccl.un.  14  (CChr.SL  III,  259,337f).  1,9  In ep.  69,5,1  (CChr.SL  III  C,  475,94f)  spricht  Cyprian  von  der  „unitas  de  divina  auctoritate  veniens".  Vgl.  ep.  55,24,4  (CChr.SL  111 B,  287,4450:  „...  (unitas)  quam  Deus  constituit...";  ep.  65,5:  „...  (ecclesia  catholica),  quae  una et  sola  est  a  Domino  constituta  ...",  sowie  die  mehrfach  auf­ tauchende  Rede  vom  „sacramentum  unitatis"  (De  eccl.un.  4;  CChr.SL  III,  252,11 lf;  De  eccl.un.  7;  CChr.SL  III, 254,163;  ep.  69,6,1;  CChr.SL  III  C,  477,117;  ep.  74,11,2;  CChr.SL  III C,  578,227).  Zur  Bedeutung  dieser  Wendung  für Cyprians  Ekklesiologie  vgl.  Adrien  Demoustier,  L'ontologie  de  l'Église selon saint Cyprien, in: RSR 52 (1964), 583f, sowie ausführlich Ulrich Wickert, Sacramentum unitatis - Ein Beitrag zum Verständnis der Kirche bei Cyprian, Berlin/New York 1971. Grundsätzlich zu Cyprians auf dem Gedanken der Einheit gründenden Kirchenbegriff vgl. Anneliese Adolph, Die Theologie der Einheit der Kirche bei Cyprian, Frankfurt/M. 1993. 120 ep. 4,4,3 (CChr.SL III B, 24,99-101): „Neque enim vivere foris possunt, cum domus dei una sit et nemini salus esse nisi in ecclesia possit." Mit dem Bild der „matrix", das von ihm häufig in vergleichbarer Weise wie „mater" gebraucht wird (vgl. Plumpe, Mater, 96-98), drückt Cyprian die ausschließliche Vermittlung des Heils durch die Kirche in De eccl.un. 23 (CChr.SL III, 266,566f) aus: „Quicquid a matrice discesserit, seorsum vivere et spirare non poterit: substantiam salutis amittit." Kategorisch formuliert er in ep. 73,21,2 (CChr.SL III C, 555,380): „Salus extra ecclesiam non est." 121 Vgl. Campenhausen, Amt, 166: „Cyprian macht die Teilhabe an der kirchlichen Gemeinschaft zum wesentlichsten religiösen Besitz, gegen den die bloße theoretische Erkenntnis der Wahrheit und auch die praktische Leistung eines Martyriums, für sich genommen, nichts bedeuten können." 122 Günter Klein, Die hermeneutische Struktur des Kirchengedankens bei Cyprian, in: ZKG 6 (1957), 64.

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Zusammenfassung 

zusammenhängt,  daß der für seinen Nachfolger zentrale Gedanke  der Kirche  als  alleiniger  „Heilsmittlerin"'23  bei  ihm  zwar  selbstverständlich  vorausgesetzt  ist,  nicht aber den vorrangigen Akzent seiner Ekklesiologie darstellt.124 So weist lediglich  eine  Stelle  in  „De  baptismo" darauf hin,  daß er als Katholik  mit  Selbstverständlichkeit  davon  ausgeht,  daß  es  ein  „wahres"  Martyrium  nur  innerhalb  der  Kirche geben könne. Nach seiner ausführlichen Begründung  der Einheit und Einmaligkeit der Wassertaufe125  führt er dort aus, daß es noch eine zweite Taufe,  ein  „secundum  lavacrum"  gebe,  nämlich  das  als  Bluttaufe  verstandene  Martyrium.  Wie  die  Wassertaufe  nur eine  sei,  d.h.  die  innerhalb  der Kirche,  so  müsse  auch  von der Blutaufe gesagt werden: „unum et ipsum".126 Der Kontext der Stelle  legt  aber nahe, daß es  Tertullian hier lediglich  um ein unterstützendes Argument zur  Abweisung der Ketzertaufe geht; weitere Überlegungen zur „Einheit" des Martyriums  und damit zur Bindung  an die Kirche  stellt er nicht an. Auch  als  Montanist  hat  er  sich  nur  einmal  zu  der  Frage  der  Kriterien  eines  gültigen  Martyriums  geäußert. Gegenüber dem Monarchianer Praxeas, dem er unterstellt,  daß er einen  kurzen Kerkeraufenthalt prahlend zum „Martyrium" aufgewertet habe, betont er, 

123   Carl  Andresen,  Die  Kirchen  der  alten  Christenheit,  Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz  (1971),  152, spricht  von einer „Betonung des kirchlichen  Heilsmonopols"  bei  Cyprian.  124  Der  Gedanke  deutet  sich  z.B.  an einigen  Stellen  an,  in denen  Tertullian  von der Kirche  als  „mater"  spricht  (z.B.  De  an.  43,10;  CChr.SL  II,  847,64:  „vera  mater  viventium";  De  pud.  5,14;  CChr.SL II;  1289,53­56; De mon.  16,4; CChr.SL II,  1251,22). Zu der inneren Notwendigkeit  dieser  Vorstellung gerade  in der antihäretischen  Auseinandersetzung  vgl. Altendorf, Einheit,  22: „Infolge  aber der immer stärker werdenden Betonung der Kirche, zumal den Häretikern gegenüber, als der auf  der apostolischen Überlieferung beruhenden und nur unter dieser Voraussetzung als dem Erkenntnis­ grunde mit dem  Geist  begabten  Gemeinschaft,  in der  allein  Gottes  wahre  Lehre und  Disziplin  zu  finden  ist  und  deshalb  ausschließlich  das  Heil  zu  erlangen  ist,  mußte  es  dahin  kommen,  daß  der  Akzent  sich  allmählich  und  unmerklich  von  der  Vorstellung  der  Kirche  als  der  Gemeinde  der  Heiligen und des Heiles verschob auf eine qualitativ andere, die in der Kirche als göttlicher Stiftung  die alleinige  Mittlerin  des  Heiles  sah."  125  De  bapt.  15 (CChr.SL  I,  290,1­22).  126  De bapt.  16,1  (CChr.SL  I,  290,lf).  Moreschini,  Aspetti,  60f,  deutet  auch De  praescr.haer.  4,5  (CChr.SL  I,  190,15f:  „...  persecutio  et  martyras  facit,  haeresis  apostatas  tantum")  in  dem  gleichen  Sinne, daß es unter den Häretikern  kein wahres Martyrium  geben könne, „che solo la retta  fede può garantire il merito del martirio". Dies scheint aber ein Mißverständnis der genannten  Stelle  zu sein, in der es Tertullian  um eine Herausstellung der  endzeitlichen  Funktion  der Häresien  nach  l.Kor  11,19  geht,  die  er  mit  der  Rolle  der  ebenfalls  für die  Endzeit  geweissagten  Verfolgungen  vergleicht: Der Unterschied bestehe darin, daß die Verfolgungen Märtyrer hervorbringe, die Häresie  hingegen  nur Apostaten.  Damit  ist nicht gemeint, daß in der Verfolgung aus den Reihen der Häreti­ ker  nur  Abgefallene  hervorkämen,  sondern  daß  die  Häresien  nur  Glaubensabtrünnige  im  Sinne  deijenigen, die zu den  Häresien  abfielen, hervorbrächten,  „persecutio"  und  „haeresis" werden  als  zwei  verschiedene  Herausforderungssituationen  für die Gläubigen  nebeneinander  gestellt;  ginge es  Tertullian  um  den  Gegensatz  zwischen  den  verschiedenen  „Ursprüngen"  wahren  und  falschen  Martyriums,  hätte  er „ecclesia" und  „haeresis" einander  gegenüberstellen  müssen. 

Zusammenfassung 

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daß auch ein tatsächlich  erlittener  Glaubenstod  diesem  nichts  genützt  hätte,  da  er  Gottes  Liebe  nicht  habe  und  dessen  Gnadengaben  bekämpfe. 127 Hiermit  ist  letzt­ lich  die Ungültigkeit  der  Martyrien  außerhalb  des Kreises  derer,  die die  „charis­ mata"  annehmen,  d.h.  der  Montanisten,  ausgesagt.128  Dieser  Gedanke  wird  von  ihm innerhalb seiner Polemik  gegen die „psychici" aber nicht weiter aufgegriffen;  vielmehr  leugnet  er  sowohl  deren  Bereitschaft zum  Erleiden  des  Martyriums  als  auch ­  in „De  fuga in persecutione" ­  deren  Befähigung dazu, da sie den  Parakle­ ten  nicht  empfangen  hätten;  dieser  sei  aber  notwendig  fur  die  Erkenntnis  der  Pflichtmäßigkeit des Martyriums wie auch  fur die Bewahrung  der  Standhaftigkeit  im  Leiden.129  Strukturell  liegt  hier  der  gleiche  Gedanke  vor  wie  bei  Cyprians  Betonung  der ausschließlichen  Möglichkeit  des Martyriums  innerhalb  der  Kirche,  die dieser unter anderem  ebenfalls pneumatologisch  begründet.  Anders  als  Cypri­ an hat  Tertullian  aber  die notwendige  Vorbereitung  und  „Ausrüstung"  der  Gläu­ bigen  zum  Martyrium  nicht  im  besonderen  als  Funktion  der  Kirche  verstanden;  die  für die  Bewahrung  der  Standhaftigkeit notwendige  „praeparatio  ad  martyri­ um",  die seiner Auffassung nach  das Leben  der Gläubigen  prägen  soll,  ist  primär  Aufgabe der einzelnen Christin  oder  des einzelnen  Christen.  Damit bestätigt  sich  auch  unter  diesem  Aspekt  die  bei  der  Betrachtung  seiner  Äußerungen  zu  der  Bedeutung von Bekentntnis  und  Martyrium  fur die christliche  Gemeinschaft  und  zu  dem  Verhältnis  zwischen  Konfessoren  und  Märtyrern  einerseits  und  der  Gemeinde  andererseits deutlich  gewordene Tendenz  einer Individualisierung  ihres  Leidens. Weder in bezug auf ihre Ermöglichung noch auf ihre Wirkung  erscheinen  Bekenntnis und Martyrium wesentlich  als Funktionen  der  Kirche,  sondern  primär  als  Ausdruck  persönlicher  Heiligung  und  Weg  zu  individueller  Heilssicherheit.  Dies  hängt  zum  einen  zusammen  mit  Tertullians  „persönlich­subjektiv(em)"  Kirchenbegriff 130 , dem  zufolge die  Heiligkeit  der  Kirche  nicht  eine  ihr  als  Insti­ tution zugesprochene  ist, sondern  sich konkret  durch die Heiligkeit  ihrer  einzelnen  Mitglieder konstituiert.131  Die persönliche  Heiligung  der Gläubigen  ist  Vorausset­

l27

Adv.Prax.  1,4  (CChr.SL  Π,  1159,24-26):  „...  quando  et  si  corpus  suum  tradidisset  exurendum, 

nihil  profecisset,  dilectionem  Dei  non  habens  cuius  charismata  quoque  expugnavit."  128

  Zu  den  Montanisten  als  denjenigen,  die  die  Gnadengaben  annehmen,  vgl.  De  mon.  1,2 

(CChr.SL  II,  1229,11),  w o  Tertullian  von  ihrer  „agnitio  spiritualium  charismatum"  spricht.  129

  De  fuga  14,2f  (CChr.SL  II,  1155,18-24). 

130

  Altendorf,  Einheit,  24. 

131

  Vgl.  Altendorf,  Einheit,  20.24:  „Die  Kirche  ist  für  ihn  (sc.  Tertullian)  nicht  göttliche  Institution  oder  ihrer  Ausstattung  wegen  heilige  Anstalt  an  sich  , . . . ,  sondern  die  Kirche  ist  ihm  die  zum himmlischen  Heil  bestimmte  heilige Gemeinde  der vom  heiligen Geist erfüllten heiligen  Glieder  Christi...  Tertullians  unzweideutige  Meinung  ist,...,  die,  daß  von  der  Kirche  auf Erden  nur  insofern  gesprochen  werden  kann,  als  sie  in  den  Christen  Gestalt  gewinnt,..." 

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Zusammenfassung 

zung  fur die  Zugehörigkeit  zur  „sancta  ecclesia"  und  die  Erlangung  des  Heils.  Diese  ekklesiologische  Tendenz  fuhrt dazu, daß die Christinnen  und Christen in  stärkerer Weise als bei Cyprian als Einzelne vor der Forderung nach  individueller  Heiligung stehen. Daneben ist für die bei Tertullian festzustellende Tendenz  einer  Individualisierung  des Märtyrerleidens  auch  seine  Stellung  in der  karthagischen  Gemeinde zu berücksichtigen:  Sein  Status als Laie, der zwar möglicherweise  die  Funktion  eines  Lehrers  „ohne  offizielle  ständige  Beauftragung  durch  die  Ge­ meinde" ausübte132, nicht aber im eigentlichen Sinne für die Leitung der gesamten  Gemeinde und ihre Konsolidierung in den Zeiten äußerer Bedrängnis  verantwort­ lich war, könnte sowohl sein Desinteresse an Fragen des praktischen Umgangs mit  den Bekennern als auch das Zurücktreten der Beziehung zwischen  den  Märtyrern  und  der  christlichen  Gemeinschaft  in  seinem  Martyriumskonzept  verständlich  machen. Die episkopal und pastoral  ausgerichtete Martyriumstheologie  Cyprians  zeigt hier eine deutlich andere Gewichtung der gemeinschaftsbezogenen  Aspekte  von Bekenntnis und  Glaubenstod.  Auf einen darüber hinausgehenden  grundsätzlichen Unterschied  innerhalb  der  Martyrologien  Tertullians  und  Cyprians,  der  die  Gewichtung  des  „blutigen"  Martyriums  innerhalb  der Ethik und  die Frage der „Notwendigkeit des Leidens " betrifft,  soll in der abschließenden Kontrastierung ihrer jeweiligen Antworten  auf  die Frage „Sanguinem  hominis deus concupiscit?" und der sich in diesen  wider­ spiegelnden  Grundtendenzen  ihrer Martyriumskonzepte  hingewiesen  werden. 

132

 So Neymeyr, Lehrer,  134f. Zu der Frage,  welchen  Status Tertullian  im Rahmen  der  karthagi­ schen  Gemeinde  innehatte,  vgl.  Kap.  5.2.1,  Anm.  58. 

6. Zusammenfassung  und Ausblick:  Das Profil der Martyriumstheologie  Tertullians  im Vergleich  zu  der martyrologischen  Konzeption  Cyprians von Karthago  Zwei  Antworten  auf die  Frage  „Sanguinem hominis  deus  concupiscit?" 

In  seinem  Traktat  „Scorpiace"  hat  Tertullian  die  ursprünglich  in  gnostischen  Kreisen  rhetorisch  gestellte  Frage,  ob  Gott  denn  tatsächlich  das  Blut  des  Men­ schen  fordere ­  „Sanguinem  hominis  deus  concupiscit?"  ­ ,  aufgegriffen. In  der  Auseinandersetzung  mit  den  ihm entgegengehaltenen,  die Pflicht zu  Bekenntnis­ und  Leidensbereitschaft  relativierenden,  Argumenten  benennt  diese  Frage  in  deutlichster  Form  den  Streitpunkt:  Stehen  die Christinnen  und  Christen  unter  der  uneingeschränkten  Forderung  Gottes nach  dem Martyrium?  Tertullian  hat  sie  mit  einem  klaren  „Ja"  beantwortet:  Wenn  die  Gläubigen  die  völlige  Sicherheit  des  eigenen  Heils  und  die  Vergebung  postbaptismaler  Sünden  wünschten,  dann  fordere  Gott  das  Martyrium  im  Sinne  eines  „Ausgleichs".  Cyprian  hat  ungefähr  fünfzig Jahre  später  implizit  ebenfalls  auf  diese  von  seinem  „Lehrer"  gestellte  Frage geantwortet ­  aber in gänzlich  anderer  Weise:  „Nec  enim  sanguinem  Deus  nostrum  sed  fidem quaerit."1 Nicht  um das Erleiden  des  Martertodes  an  sich  gehe  es  Gott,  sondern  um  die  Haltung  des  Glaubens  auf  Seiten  der  Christen,  deren  Konkretion  je  nach  äußerer  Situation  aber  differieren  kann.  Beide  Äußerungen  stellen kontextabhängige  Spitzensätze  dar,  deren  Deutung  in den  Zusammenhang  der  jeweiligen  Argumentation  zu  stellen  ist.  So  beruht  die  Rigorosität  der  bei  Tertullian  zu findenden Betonung  der  göttlichen  Forderung  nach  dem  Martyrium  auf  der  fundamentalen  Infragestellung  der  Notwendigkeit  der  Bekenntnis­  und  Martyriumsbereitschaft  durch  gnostische  Gruppen,  die offensichtlich auch  in  der  karthagischen  Gemeinde  für ihre Position warben. Dieser  massiven  Relativierung  des  Martyriums  als  einer  prinzipiell  mit  dem  Christsein  und  der  damit  ein­ hergehenden  Distanz  gegenüber  der  „Welt"  gegebenen  Perspektive  setzt  er  ent­ sprechend  nachdrückliche  und  in  ihren  Formulierungen  schroffe  Argumente  entgegen.  In dem von ihm selbst  für seine Darlegungen  in  „Scorpiace"  gebrauch­ ten  Bild  des  „Gegengiftes" gegen  die  Haltung  der  Gnostiker  bedeutet  dies,  daß 

'  De mort.  17 (CChr.SL  III A,  26,296). 

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Zusammenfassung  und  Ausblick 

dieses  um  so  stärker  sein  muß, je  stärker  auch  das  zu  bekämpfende  „Gift"  ist!  Nicht  in  einem  polemischen,  sondern  in  einem  konsolatorischen  Kontext  steht  hingegen  Cyprians  Antwort.  Im  Zuge  einer  Pestepidemie,  die  im  Jahr  252  in  Afrika  zu  einer  Vielzahl  von  Todesfällen  führte2,  kamen  in  der  karthagischen  Gemeinde Ängste auf, daß zum Glaubenstod bereiten Gläubigen  ein solcher  nicht  mehr möglich  sein könne, wenn  sie vorher  an der Pest  stürben.3 Diesen  Ängsten  gegenüber  betont  Cyprian,  daß  den  Christinnen  und  Christen  schon  für  ihre  Bereitschaft  zum Glaubensmut  die „pro virtute merces" von Gott zustehe.4 Es  sei  ein grundlegender  Unterschied,  ob zum Martyrium  der Mut  fehle, oder ob ­  wie  in dem genannten Fall ­  dem vorhandenen Glaubensmut  lediglich die Möglichkeit  zum Martyrium  abgehe.5 Für diese Zusage Cyprians ist entscheidend,  daß Gott  als  „scrutator  ... renis  et  cordis  et  occultorum  contemplator  et  cognitor"6  die  innere  Bereitschaft  und  den  Mut  erkennen  könne,  die  für  die  Menschen  verborgen  blieben.  In  den  Augen  Gottes  sei  nicht  der  tatsächliche  Akt  des  Sterbens  im  Martyrium, das physische Vergießen des Blutes, entscheidend,  sondern  die  innere  Haltung des Glaubens, die Integrität  des  Glaubens.7  Jenseits  ihrer  Kontextbezogenheit  weisen  die  Antworten  Tertullians  und  Cyprians  auf  die Frage  „Sanguinem  hominis  deus  concupiscit?"  in  signifikanter  Weise  auf  eine  deutliche,  den  Stellenwert  des  Martyriums  innerhalb  der  Ethik  betreffende, Differenz ihrer jeweiligen Martyriumskonzepte  hin. Wenn auch  noch  nicht  im  „Apologeticum"  und  in  „Ad  martyras",  so  stellt  der  Glaubenstod  für  Tertullian ausdrücklich  aber seit „Scorpiace" den Gipfelpunkt christlicher  Sittlich­

2

  Vgl.  De  mort.  15  (CChr.SL  III A,  24,240):  „Multi  ex  nostris  in  hac  mortalitate  moriuntur  ...";  in  De  mort.  1 (CChr.SL  III A,  17,3)  spricht  Cyprian  von  der „praesentis  mortalitatis  copia".  Zur Datierung  der  Pest  in  Afrika vgl.  Scourfield,  De  mortalitate,  23.  3   Cyprian  zitiert  entsprechende  Bedenken  in  De  mort.  17  (CChr.SL  III  A,  25,277-26,281):  „Hoc  me  ergo  in  praesenti  mortalitate  contristai  quod  qui  paratus  ad  confessionem  fueram  et  ad  tolerantiam  passionis  toto  me  corde  et  plena  virtute  devoveram  martyrio  meo  privor,  dum  morte  praevenior."  4   De  mort.  17  (CChr.SL  III A,  26,284-286):  „...  videt  te  et  laudat  et  conprobat  (sc.  deus)  et  qui  perspicit  aput te  paratam  fuisse virtutem  reddit pro virtute  mercedem."  3

  De  mort.  17  (CChr.SL  ΠΙ A,  26,292f):  „Aliud  est  martyrio  animum  deesse,  aliud  animo  defuisse  martyrium."  6   De  mort.  17  (CChr.SL  III  A,  26,283f).  Den  hier  vorliegenden  Bezug  auf  Apk  2,23  hat  Cyprian  auch  in  De  laps.  27  (CChr.SL  III,  236,539);  ep.  10,5,1  (CChr.SL  III  B,  54,1030  herangezogen,  um die  Erstreckung der  Richterfunktion  Gottes  auch  auf die  innere  Haltung  des  Menschen  und  damit  die  Möglichkeit  eines  „Bereitschaftsmartyrium"  zu  begründen.  7   De  mort.  17  (CChr.SL  III  A,  26,296).  Vgl.  Anm.l.  Zur  Interpretation  dieser  Stelle  vgl.  Margene, L'intérêt, 201 : „Cyprien refuse une conception magique et automatique du salut par le martyre: le Dieu bon n'est pas avide du sang de l'homme, et le Dieu juste récompense les intentions vertueuses et non seulement les actions."

Zusammenfassung und Ausblick 

291 

keit  dar,  der  allein  vollkommene  Entsprechung  gegenüber  dem  Willen  Gottes  bedeutet,  dem  in  exklusiver  Weise  ein besonderer  himmlischer  Ruhm  zugespro­ chen wird  und der  letztlich den einzigen  Weg zur Erlangung  völliger  Heilssicher­ heit  darstellt.  Demgegenüber  zeigt  sich  in  der  cyprianischen  Martyrologie  bei  aller, mit großem rhetorischem  Pathos  ausgedrückten,  Hochschätzung  des  Marty­ riums seine beginnende Relativierung zugunsten  einer vergleichbaren  Wertung  der  inneren Bereitschaft zum  Glaubensmut  sowie  anderer  Ausdrucksformen  christli­ cher Tugend. Dieser hier nur knapp  und plakativ  angedeutete  Unterschied  soll  ab­ schließend  kurz  ausgeführt  werden,  wobei  der  Schwerpunkt  auf  der  genannten  „spiritualisierenden"  Tendenz  Cyprians  liegen  wird.  Tertullians  zentrales  Anliegen  in „Scorpiace"  und  „De  fuga in  pesercutione"  besteht in der Einschärfiing der absoluten Notwendigkeit  und  Pflichtmäßigkeit  des  Martyriums  auf  der  Grundlage  des  Gehorsams  gegenüber  Gott,  in  der  Betonung  der göttlich  autorisierten Notwendigkeit des Leidens.  Um nun  den  auf das  Martyri­ um  zielenden  Willens  Gottes  erfüllen  zu  können,  steht  den  Christinnen  und  Christen  göttlicher  Beistand  zur  Seite.  Obwohl  dieser  durchgängig  in  Tertullians  martyrologischen  Ausführungen erwähnt wird, bestimmt  der Gedanke eines  göttli­ chen  Wirkens  im  Martyrium  aber  nicht  vorrangig  seine  Martyriumskonzeption.  Dies  zeigt  sich  deutlich  daran,  daß  er  das  Erleiden  des  Glaubenstodes  nicht  als  eine von Gott  den Christen verliehene besondere Gabe oder Gnade  charakterisiert  oder  es  ausdrücklich  auf  einen  Ruf  Gottes  zurückführt. Der  Schwerpunkt  seiner  Martyrologie  liegt vielmehr auf der menschlichen  Pflicht und  Leistung, die in Ent­ sprechung  zu dem  fordernden Gotteswillen  zu erfüllen ist. In bezug  auf die  Praxis  der verfolgten Gemeinde zieht dies zweierlei nach sich: Zum  einen  die Absage  an  jede Flucht vor  der Verfolgung, die innerhalb  dieses  Konzeptes  theologisch  nicht  begründbar  ist,  zum  anderen,  daß  Tertullian  dem  Drängen  nach  dem  Martyrium  keine Absage erteilt: Zwar  findet sich keine  direkte Aufforderung zu einer  Selbst­ auslieferung, wo  ein solches Verhalten  aber  erwähnt  wird,  erscheint  es als  durch­ aus  akzeptable  Verhaltensweise.  Darüberhinaus  laufen  insbesondere  seine  Aus­ führungen in „Scorpiace" in der Konsequenz  auf eine theologische  Rechtfertigung  eines forcierten Drängens nach  dem Martyrium  als des „Gipfelpunktes  christlicher  Hoffnung" hinaus.  Der deutlichen  Einschärfung der  Verpflichtung der  Christinnen  und  Christen  zum Martyrium  auf der  einen  Seite entspricht  auf der  anderen  Seite die  deutliche  Abhebung  des Ruhmes und der Würde der Märtyrerinnen  und Märtyrer von  deije­ nigen der übrigen  Gläubigen,  die letztlich  die Zuweisung  eines  unterschiedlichen  Heilsstandes  bedeutet.  Eine  solche  Hervorhebung  des Martyriums  als  einzigarti­ gem  Weg  zu  himmlischem  Ruhm,  dessen  alle  Nichtmärtyrer  nicht  teilhaftig 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

2 9 2 

werden können, findet sich in ausführlicher Form in „Scorpiace", speziell in bezug  auf die Frage der postmortalen  Destination in „De resurrectione  carnis" und  „De  anima" und  im  Blick  auf  die durch  das Martyrium  exklusiv  zu erlangende  Ver­ gebung schwerer postbaptismaler  Sünden in „De pudicitia". Die hier zutagetreten­ de Höherbewertung des Martyriums zeigt sich deutlich  auch an der bei  Tertullian  zu  findenden  Abhebung  des Martertodes von jedem natürlichen  Tod.  Deutlich  treten  diese  Grundzüge  der  Martyriumstheologie  Tertullians  al­ lerdings  erst  seit  „Scorpiace"  hervor,  d.h.  seitdem  die  Martyriumsthematik  von  ihm primär  innerhalb polemischer  Kontexte  aufgegriffen worden ist.  Gegenüber  den Ausführungen zum Glaubenstod im „Apologeticum",  in „Ad martyras" und in  katholischen  Schriften, die sich mit Fragen der christlichen „disciplina" beschäfti­ gen („De baptismo", „De patientia", „Ad uxorem",  „De cultu feminarum"), zeigt  sich eine Radikalisierung in bezug auf die unbedingte Forderung nach dem Marty­ rium sowie auf die Differenz zwischen dem durch den Glaubenstod  zu erlangen­ den Heilsstand und demjenigen der übrigen Christinnen und Christen. Daß die seit  „Scorpiace" vertretene Position aber keinen völligen Bruch mit vorher vertretenen  Auffassungen darstellt, wird daran deutlich, daß für Tertullian zum einen schon in  „Ad uxorem" das Ausweichen vor dem Martyrium moralisch  fragwürdig ist, und  er zum anderen in „De baptismo" die Heilsbedeutung  des Martyriums derjenigen  der Taufe überordnet.  In zunehmendem  Maße erhält das Martyrium  somit  einen  einzigartigen  Stellenwert  innerhalb  der Ethik  Tertullians  zugewiesen,  wird  zum  „sommet de sa morale pratique"8: Weder gibt es in der Verfolgungssituation  eine  andere akzeptable Verhaltensweise als die absolute Bereitschaft zum Erleiden  des  Glaubenstodes  noch wird  anderen  Formen  christlicher  Sittlichkeit  eine  entspre­ chende  Würdigung  oder  ein  gleicher  Ruhm  zuteil.  Dies  zeigt  sich  auch  bei  der  Untersuchung  der von Tertullian verwendeten  martyrologischen Begrifflichkeit:  „martyr/martyrium" sind in der Mehrzahl der Fälle auf den tatsächlichen  Blutzeu­ gen  bzw.  den  realiter  erlittenen  Glaubenstod  bezogenen, bei dem  Gebrauch  von  „confessor/confessio" ist  dieser  zwar  häufig nicht  mit  ausgesagt,  steht  aber  als  Ergebnis eines standhaften Bekenntnisses  im Hintergrund. An keiner  Stelle zeigt  sich eine übertragene Verwendung dieser Begriffe auf andere Formen  christlichen  Verhaltens während einer Verfolgung oder außerhalb dieser. Bestätigt wird  diese  Tendenz auch bei dem Blick auf den für die Bezeichnung des Ruhmes der Märty­ rer verwendeten Terminus „gloria" sowie auf die aus der agonistischen  Metapho­ rik übernommen Begriffe für die Siegespreise „palma" und „corona":  Sie werden  fast  ausschließlich  auf  das  Martyrium  bezogen,  lediglich  von  einer  „Krönung"  8

  Rambaux,  Tertullien,  367. 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

2 9 3 

auch  anderer  Ausdrucksformen  christlicher  „virtus"  spricht  Tertullian  in  zwei  Ausnahmefällen. Damit bleibt der Glaubenstod ein Akt sui generis, eine  Spirituali­ sierung  oder  Ethisierung  der  Martyriumstheologie  zeichnet  sich  in keiner  Weise  ab.  Daß  Tertullians  Ausführungen  zum  Martyrium  in  weiten  Teilen  durch  ihre  polemische Ausrichtung  geprägt sind, wurde  bereits  erwähnt. 9  Daneben  spielt  fur  das  Verständnis  seiner  Martyrologie  eine wesentliche  Rolle,  daß  er  wahrschein­ lich nicht Kleriker  in der  karthagischen  Gemeinde  war und  entsprechend  nicht  in  unmittelbarer  Verantwortung  fur  die  Konsolidierung  der  Gemeinde  und  die  Seelsorge  an ihren Mitgliedern  stand. Daß es sich  bei  seiner  Martyriumstheologie  um  eine  „Laien"­Theologie  handelt,  wird  auch  durch  das  deutliche  Desinteresse  an den Fragen  der gemeindlichen  Bedeutung  von  Bekenntnis  und  Martyrium  und  des  praktischen  Umgangs  mit  Bekennern  und  Märtyrern  sowie  die  in  ihr  zuta­ getretende Tendenz  zur Individualisierung  der Blutzeugen  nahegelegt.  Ebensowe­ nig  spielt  in  ihr  die  seelsorgerliche  Frage  nach  der  Würdigung  all  jener  Chri­ stinnen  und  Christen,  die  nicht  das  Martyrium  erlangen  können,  eine  Rolle.  So  wird  in  seinem  Martyriumskonzept  die  Majorität  der  Gläubigen,  die  nicht  den  Glaubenstod erleidet, nicht positiv  in den Blick genommen. Damit  ist es Ausdruck  einer  Ethik, die letztlich  nur eine „Ethik  der  Wenigen",  eine  „Ethik  der  (Märtyre­ rinnen  und)  Märtyrer" 10  darstellt.  Diese  ist  im  Zusammenhang  zu  sehen  mit  seinem  „persönlich­subjektiv(en)"",  „perfektionistischen" 12  Kirchenbegriff,  in  dem  die  Heiligkeit  und  Reinheit  der  Kirche  als  Gemeinde  der  Heiligen  durch  diejenige  ihrer  einzelnen  Glieder  konstituiert  ist,  die entsprechend  als  solche  vor  der  Forderung  nach  vollkommener  persönlicher  Heiligung  stehen,  deren  „Krö­ nung"  das  Martyrium  darstellt.  Daß  nach  Tertullians  Ekklesiologie  nicht  die  organisierte Kirche  ihren Gliedern  qua Zugehörigkeit  das Heil  vermittelt,  sondern  jeder  Gläubige  das Heil individuell  durch die Bewährung  seiner  „virtus"  erlangen  muß,  steht  hinter  der  unbedingten  Forderung  nach  dem  Martyrium  als  einzigem  Weg  zur völligen  Sicherung  dieses  Heils.  Ausgehend  von  einer  modifizierten  Akzentsetzung  im  Kirchenbegriff  zeigt  sich  bei  Cyprian  auch  eine veränderte  Wertung  des  Martyriumsleidens.  Was  bei  Tertullian  selbstverständlich  vorausgesetzt,  aber nicht  in der Vordergrund  gerückt 

9

  Vgl.  Kap.  4.7. 

10

  Klein,  Bewußtsein,  312. 

"  Altendorf,  Einheit,  24.  12

  Rankin,  Church,  92,  spricht  von  „the  exclusivist-perfectionist...  view  of  the  church"  bei 

Tertullian. 

294 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

ist, steht bei ihm im Mittelpunkt: Entscheidend fur die Erlangung  des Heils  ist für  ihn  die  Zugehörigkeit  zu  der einen  Kirche13,  außerhalb  derer  es  kein  Heil  gibt.  Diese  wird  damit  dem persönlichen  Glaubenszeugnis  vorgeordnet,  das  entsprechend  nachdrücklich  als  nur innerhalb  der Kirche  gültig  und zum  Heil  führend  herausgestellt  wird.  Für Cyprian  erlangen  die  Gläubigen  ihr Heil  durch  die  Bewahrung  der Einheit der Kirche  sowie  der in ihr vorfindlichen  „disciplina",  d.h.  der den göttlichen  Geboten entsprechenden gemeindlichen  und persönlichen  Lebensformen14; diese Möglichkeit haben alle Christinnen und Christen  gleichermaßen.  Damit  ist  der  Vorstellung  von  der Notwendigkeit  des  Martyriums  zur Erlangung  des  vollkommenen  persönlichen  Heils  in  Cyprians  Ekklesiologie  der  Boden entzogen. Für ihn stellt das Martyrium nicht eine Pflicht  und Notwendigkeit dar,  sondern  eine  mit  dem  Leben  der  Christinnen  und  Christen  in  der  Zeit  der  Verfolgung  gegebene Möglichkeit,  diese  veränderte  Akzentsetzung  beinhaltet  auch, daß das Erleiden des Glaubenstodes eine  Möglichkeit  christlichen  Verhaltens in der Verfolgung bildet, der andere Ausdrucksformen christlicher Sittlichkeit  in der Verfolgung, aber auch außerhalb der Verfolgungssituation in bezug auf ihre  Bewertung  an die  Seite gestellt werden.  Auch  Cyprian hält, wenn auch nicht pointiert,  daran fest, daß das Martyrium  die „Vollendung  der Tugend" (consummatio virtutis) darstellt15 und eine hervor-

13  Die Heilsnotwendigkeit  der Zugehörigkeit  zur Kirche hat Cyprian besonders  durch die  Ver­ wendung  entsprechender  Bilder  eingeschärft: So könne  man  deshalb  nur in der Kirche  zum  Heil  gelangen,  weil  sie  die  einzige  Arche  darstelle,  innerhalb  derer  man  vor  der  Sintflut  dieser  Welt  gerettet  werden  könne  (ep.  69,2,2;  CChr.SL  III  C,  472,47­473,55;  De  eccl.un.  6;  CChr.SL  III,  253,150)). Nur die Kirche allein bilde Quelle und Wurzel des Lebens, denn sie allein sei die „mater",  die die Christen durch die Taufe „gebäre" und mit der „Milch" der Lehre und der Sakramente  nähre  (De eccl.un.  5; CChr.SL  III, 253,141f; ep. 74,6,lf; CChr.SL ΙΠ C, 570,111­571,124).  Trennung von  der „ecclesia  mater" bedeute also zwangsläufig auch  Abtrennung  von  der Quelle  des  Lebens  und  somit den Verlust jeglicher Möglichkeit der Rettung und des Heils: „Quicquid  a matrice  discesserit,  seorsum  vivere  et  spirare  non  poterit:  substantiam  salutis  amittit."  (De  eccl.un.  23;  CChr.SL  III,  266,566f) In diesem  Sinne  formuliert Cyprian  kategorisch:  „Salus  extra  ecclesiam  non  est."  (ep.  73,21,2;  CChr.SL  III C,  555,380)  14

  Zur  Bedeutung  von  „disciplina"  bei  Cyprian  vgl.  Siegfried  Hübner,  Kirchenbuße  und  Exkommunikation  bei Cyprian, in: ZKTh 84 (1962), 59: Neben der Verwendung für die Gesamtheit  der  christlichen  Lehre  findet sich  bei  Cyprian  v.a.  der engere  Gebrauch  für das  „Leben  nach  der  christlichen Lehre, wobei die disciplina als Sittenlehre der fides, der Glaubensregel,  gegenübersteht."  „Disciplina" umfaßt hierbei  sowohl die kirchliche Ordnung und  Organisation  (ep.  17,3,2;  CChr.SL  IIIIB, 98,46f), die Ordnung der Sakramente Taufe (ep. 74,4,1 ; CChr. SL III C, 568,76f), Eucharistie  (ep. 63,15,1; CChr.SL ΠΙ C, 411,283), Kirchenbuße (ep.  16,2,3; CChr.SL m  Β, 92,35f) als auch die  persönlichen  Pflichten des  einzelnen  Christen  gegenüber  Gott  (Test.  111,66; CChr.SL  III,  156,lf).  15  ep.  10,4,4  (CChr.SL  III B,  53,89). 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

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gehobene  Form der Erfüllung des  göttlichen  Willens  bildet16,  die er größter  Hochschätzung würdigt.  Dies  zeigt sich nicht zuletzt  in  seinen panegyrischen,  in  erster  Linie dem Lob der Bekenner und Märtyrer gewidmeten  Briefen. 17 Dennoch  nimmt  das Martyrium  weder  den  Rang  einer  absoluten  Verpflichtung  ein,  noch  kann  es  eine völlige  Einzigartigkeit  in bezug  auf den  ihm zugesprochenen  Lohn  beanspruchen. 18  Vielmehr  geht  -  wie  oben  angedeutet  -  die  Tendenz  bei  Cyprian  in  die  Richtung  einer  Relativierung  des  Martyriums  zugunsten  anderer  Formen  christlicher  Sittlichkeit,  die  in  der  ihnen  verheißenen  Würde  dem  öffentlichen  Bekenntnis  und  dem  Martyrium  angenähert  werden.  Entscheidend  dafür ist,  daß  Cyprian  gegenüber  Tertullian  in  der theologischen  Begründung  des  Martyriums  den  Akzent  verschiebt:  Es  bleibt  zwar  eine  Tat  des  Gehorsams  gegenüber  dem  Willen  Gottes 19 ,  der sich  im  Idololatrieverbot  und  in  der Verpflichtung  zum  Bekenntnis  manifestiert 20 ,  aber diese  Seite  der  „menschlichen  Leistung" steht  nicht  mehr im Vordergrund.21  Grundlegend  für sein Verständnis  des Martyriums  ist  die  Vorstellung,  daß  dieses  immer  als  Ausdruck  göttlicher  Würdigung  („divina  dignatio")  zu  verstehen  ist.22  Jedes  Martyrium  ist  für ihn  auf besondere  göttliche 

16

 Vgl.  De dom.or.  15 (CChr.SL  III A,  99,270­282),  wo  Cyprian  die  Inhalte  der  „voluntas  Dei"  ausführlich aufzählt und  durch  die Formulierung „exhibere  in sermone  constantiam  qua  confitemur,  in quaestione  fiduciam  qua  congredimur,  in  morte  patientiam  qua  coronamur:  hoc  est  coheredem  Christi  velie  esse,  hoc  est  praeceptum  dei  facere,  hoc  est  voluntatem  patris  inplere"  abschließt  (CChr.SL  III  A,  99,279­282).  Bekenntnis  und  Martyrium  erscheinen  hier  quasi  als  „krönender"  Höhepunkt  in  der  Erfüllung des  göttlichen  Willens.  17

 Vgl.  bes.  epp.  6;  10;  28;  37;  76.   Gegen  Capmany­Casamitjana,  Miles  Cristi,  113, der  von  „el  premio  que  reciben  en  el  cielo  los mártires, mayor que el de los demás fieles" spricht, „constituye el argumento  apodíctico  de  la  preexcelencia  de  martirio  ...".  Das  Martyrium  erscheine  nicht  „como  uno  de  tantos  caminos  de  perfección,  sino como  la  ùnica  senda  a seguir  en  aquellas  duras  circunstancias  para  salvar  al  alma."  Die  Martyriumsspiritualität  Cyprians  bezeichnet  er  als  „escuela  de  espiritualidad  obligatoria."  (Capmany­Casamitjana,  Miles  Cristi,  125).  Der  einzige  Zusammenhang,  in  dem  der  Märtyrerlohn  explizit  von  dem  Lohn  anderer Christen  abgehoben  wird,  ist  die  Auslegung  des  Gleichnisses  vom  dreißig­,  sechzig­  und  hundertfältigen  Lohn,  in der  der  hundertfältige  auf  die  Märtyrer,  der  sechzig­ fältige auf die Jungfrauen bezogen  wird  (De  hab.virg.  21; CSEL  m , l ,  202,14­16;  ep.76,6;  CChr.SL  III C,  614,129­131).  Ziel  dieser  Stellen  ist  aber  nicht  die Hervorhebung  der  Märtyrer,  sondern  die  Angleichung  der  Jungfrauen,  „quarum  ad  gratiam  merces  secunda  est..."  (De  hab.virg.  21 ;  CSEL  111,1,202,18).  18

19

 Standhaftigkeit  im Bekenntnis  und  das  Erleiden  des  Martyriums  bedeuten  nichts  anderes  als  „praeceptum  dei  facere,...  voluntatem  patris  implere."(De  dom.or.  15;  CChr.SL  ΙΠ  A,  99,282)  20  Vgl.  u.a.  Ad  Fort.  1­5 (CChr.SL  III,  187,1­193,45).  21   Vgl.  dagegen  den  Tenor  der  Darstellung  der  cyprianischen  Martyrologie  durch  Campen­ hausen,  Idee,  131 f.  22  Der  Verweis  auf  die  im  Martyrium  wirksame  „divina  dignatio"  findet  sich  durchgängig  in  Cyprians  Ausführungen  zur  Martyriumsthematik.  Vgl.  die  in  Kap.  4.3.1.,  Anm.  268  aufgeführten  Belegstellen. 

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Zusammenfassung  und  Ausblick 

Begnadung  zurückzufuhren,  sein  Erleiden  steht  nicht  in  dem  Bereich  unmittel­ barer menschlicher  Entscheidung23:  „... non est in tua potestate sed in dei  digna­ tione martyrium."24 Diese Akzentverschiebung bildet die eigentliche  theologische  Voraussetzung dafür, daß Cyprian im Unterschied zu Tertullian eine Flucht in der  Verfolgung  akzeptieren  und  sogar  hoch  bewerten  kann.25  Die  Legitimität  einer  Flucht  beruht  fur  ihn  darauf,  daß  auch  die  Bestimmung  des  Zeitpunktes  eines  Martyriums der Gnade Gottes anheimgestellt  ist: „Nam cum corona de Dei  digna­ tione  descendat,  nec  possit  accipi  nisi  fuerit hora  sumendi,  quisque  in  Christo  manens  interim  cedit,  non  fidem denegai  sed tempus  expectat."26  Nur wenn  die  von  Gott  festgelegte  Stunde  des Martyriums  für einen  Christen  gekommen  sei,  könne dieser das Martyrium erleiden; wer in der Verfolgung fliehe, erwarte noch  seine Zeit. Während  derjenige, der öffentlich seinen  Glauben bekenne, von  Gott  bereits  als  „reif  (maturas)  befunden  sei,  sei  der  Fliehende  noch  bis  zum  Zeit­ punkt seines Bekenntnisses  „zurückgestellt" (dilatus) 27  Wie das Martyrium  wird  also auch die Flucht von Cyprian auf göttliche Bestimmung  zurückgeführt; nicht  nur Bekenntnis und Martertod erscheinen als Ausdruck göttlicher Gnade, auch die  durch die Flucht ermöglichte Bewahrung beruht auf der Hilfe Gottes und der „Dei  gratia".28  Cyprian  hält  zwar  grundsätzlich  an  einem  Vorrang  des  öffentlichen  Bekenntnisses vor den Heiden mit der darin inhärenten  Möglichkeit  des Martyri­ ums  fest, welches  einen höheren  himmlischen  Ruhm zu  gewärtigen habe als die  Flucht, dennoch  sei diese aber immerhin  der „zweite  Schritt zum Ruhm"  (secun­ dus ad gloriam  gradus).29 Trotz der Beibehaltung einer Abstufung zwischen  dem  öffentlichen Bekenntnis und einer Flucht ist letztere bei Cyprian aber keinesfalls  23  Dies  hebt auch hervor Butterweck,  Martyriumssucht,  185: „Das  rechte  Verhalten  in  Verfolgungszeiten  steht  also  nach Cyprian  nicht  im  Belieben  des  einzelnen  Gläubigen."  24   De  mort.  17  (CChr.SL  III  A,  26,281f).  Der  Bindung  des  Martyriums  an  ein  besonderes  Gnadenhandeln  Gottes  korrespondiert das von  Cyprian -  im Unterschied  zu Tertullian  -  erwähnte  Gebet  um  Gewährung  des  Martyriums  (Ad  Fort.praef.  4;  CChr.SL  III,  185,68).  Auf  der  anderen  Seite  entspricht  der  genannten  Vorstellung  aber  auch,  daß  Cyprian  auch  das  Überleben  in  der  Verfolgung auf Gottes Eingreifen zurückfuhrt und einer dadurch ermöglichten weiteren  Wirksamkeit  für die Gemeinde einen hohen Eigenwert zumißt (vgl.  ep.  10,5,2; CChr.SL ΙΠ Β,  54,106-55,109;  ep.  38,1,3;  CChr.SL  ΠΙ B,  184,22-25;  ep.  39,1,1;  CChr.SL  III B,  186,6-9).  25

 Nicholson,  Flight,  55,  spricht  von  einer  „distinctive  spirituality  of flight" bei  Cyprian.    De  laps.  10  (CChr.SL  III,  226,188-201). 

26 27

 De  laps.  3 (CChr.SL  III, 222,56-58):  „Ille  (sc.  qui  confessus  est)  adpropinquante  hora  sua  iam maturus  inventus  est; hie  fortasse  dilatus  est  qui  patrimonio  derelicto  idcirco  secessit...".  28   Vgl.  ep.  5,1,1  (CChr.SL  III  B,  27,4):  „Saluto  vos  incolumis  per  dei  gratiam  ...";  ep.  7,1  (CChr.SL  III B,  38,4);  ep.  59,6,1  (CChr.SL  III C,  346,159f).  29   De  laps.  3  (CChr.SL  ΠΙ,  222,52):  „Primus  est  victoriae  titulus  gentilium  manibus  adprehensum  Dominum  confiten;  secundus  ad gloriam  gradus  est  cauta  secessione  subtractum  iam  Deo  reservari." 

Z u s a m m e n f a s s u n g  und  Ausblick 

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nur als ein Zugeständnis  zu verstehen; vielmehr entspricht  sie einer  auf  göttlichem  „mandatum"  beruhenden  Aufforderung, um  der  möglicherweise  zur  Sünde  des  Abfalls  führenden  Situation  zu  entgehen.30  Auf  der begrifflichen Ebene wird  die  Flucht dem Bekenntnis vor den Heiden  sogar angeglichen:  Wie dieses eine  „publi­ ca confessio" sei, so stelle jene  eine „privata  confessio" dar, in der ein Christ  eben  nicht  vor  weltlichen  Richtern,  sondern  vor  Gott  als  seinem  alleinigen  Richter  stehe.31  Diese  Apologie  der  Flucht  ist  zunächst  auf  dem  Hintergrund  der  verän­ derten  rechtlichen  Lage  zur Zeit  der  Verfolgung unter  Decius  zu  sehen,  nach  der  jeder, der die zum  Opfern gesetzte Frist versäumte,  sich  als Christ  bekannte,  auch  wenn  er  floh.32  In  bezug  auf  die  Erfordernisse  der  Gemeindeführung  stehen  für  Cyprian  dahinter  die  Erfahrungen  des  weitverbreiteten  Abfalls  in  dieser  Ver­ folgung  und  dessen  verheerender  Folgen  fur  die  Stabilität  der  karthagischen  Gemeinde,  die ihn die Flucht als akzeptables Mittel  zur Vermeidung der  Apostasie  empfehlen  lassen.  Zeigt  sich  hier  bereits,  daß  die  episkopale  Sorge  Cyprians  um  gemeindliche  Konsolidierung  unmittelbar  auf  das  martyrologische  Konzept  einwirkt,  so  wird  dies dort noch  deutlicher, wo er die grundlegende  seelsorgerliche  Frage  nach  dem  Los  all  derjenigen  Christinnen  und  Christen  aufgreift, die  nicht  das  Martyrium  erleiden  können  ­  auch  zu  seiner  Zeit  die  Mehrheit  der  Gläubigen.  Ihnen  versi­ chert  er  in  „De  mortalitate",  daß jeder  Christ,  der  „fidelis et  iustus  et  laudabilis"  erfunden werde,  letztlich der himmlischen  Gemeinschaft der Patriarchen  zugesellt  werde,  da es Gott nicht um das Blut der Christen,  d.h. den  Akt  des  Glaubenstodes  an  sich,  sondern  um  den  Glauben,  d.h.  die  dahinter  stehende  Haltung,  gehe.33  Ausdrücklich  betont  er auch  in „Ad  Fortunatum",  daß nicht nur  denen,  die  getötet  würden, himmlische  Verheißungen  in Aussicht  stünden,  sondern  allen,  die  festen  und unbesiegten  Glaubens blieben;  sie würden von  Christus  gar unter  die  Märtyrer  gerechnet.34  Die  Bedeutung  der  oben  genannten  Frage  für Cyprians  episkopales  Wirken  spiegelt  sich  deutlich  auch  darin  wider,  daß  er  diesen  Traktat  mit  einer  programmatischen  Stellungnahme  hierzu  beschließt:  Wenn  die Gelegenheit  zum 

30

 De  laps.  10  (CChr.SL  III,  226,195­198):  „Qui  exit  et  cedit,  delicti  particeps  non  fit;...  et  ideo 

D o m i n u s  in  persecutione  secedere  et  fugere  mandavit  adque  ut  id  fieret  et  docuit  et  fecit."  31

  De  laps.  3  (CChr.SL  III,  222,  53­56):  „lila  publica,  haec  privata  c o n f e s s i o  est;  ille  iudicem 

saeculi  vincit,  hie  contentus  Deo  suo  iudice  conscientiam  puram  cordis  integritate  custodit."  32

  D e  laps.  3  ( C C h r . S L  III,  222,49f):  „ C u m  dies  negantibus  praestitutus  excessit,  quisque 

professus  intra  d i e m  non  est,  christianum  se  esse  confessus  est."  33

  De  mort.  17  ( C C h r . S L  111 A,  26,296­300). 

34

  A d  Fort.  12  ( C C h r . S L  III,  213,41­46):  „ N e c  solos  a n i m a d v e r s o s  et  interfectos  divinae  pollicitationis  manent  praemia,  sed  etiam  si  passio  fidelibus  desit,  fides  tarnen  integra  adque  invicta  perstiterit  ...,ipse  q u o q u e  a  Christo  inter  martyras  honoratur...". 

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Zusammenfassung und  Ausblick 

Martyrium nicht gegeben sei, bliebe dennoch der zum Glaubenstod bereite Glaube  nicht  ohne  Lohn  von  Gott,  denn:  „In  persecutione  militia,  in  pace  conscientia  coronatur."35 Cyprian geht es hier um die Honorierung der Integrität des  Glaubens  der Christen -  und zwar unabhängig von einem etwaigen  Martertod.  Dies  zeigt sich ebenso auch dort, wo  er den eigentlich  den Märtyrern verheißenen  Lohn  Christinnen  und  Christen  zuspricht,  die  sich  in  verschiedenen  Bewährungs- und Anfechtungssituationen außerhalb der Verfolgung als standhaft  erwiesen  haben.  Diese  Herausforderungssituationen,  zu  denen  er  zum  einen  Angriffe  auf  die  Einheit  der  Gemeinde  durch  Schismen  zählt  -  ein  in  seiner  Amtszeit massiv auftretendes Problem -  , zum anderen verschiedene  Versuchungen,  die  die  persönliche  „disciplina"  infragestellen,  werden  von  ihm  an  einigen  Stellen  seines  Werkes  durch  die  Übertragung  des  Begriffs  „persecutio"  ausdrücklich mit der äußeren Verfolgung durch die Heiden  parallelisiert.36  Für Cyprian hat nun die tatsächlich  erfolgte Bewährung  auch in diesen Herausforderungssituationen ein dem Bekenntnis  in der Verfolgung ähnliches Lob zu  gewärtigen, bildet letztlich sogar ein alltäglich mögliches  „Bekenntnis",  das auch  terminologisch  ersterem  angeglichen  wird;  insbesondere  der  Einsatz  für  die  Einheit der Gemeinde wie auch die Übung täglicher  Sittlichkeit vor allem in Ge-

35

 Ad  Fort.  13 (CChr.SL  III, 216,41f).    Nach  De  mort.  4f  (CChr.SL  III  A,  19,59­62.69)  werden  die  Christen  täglich  von  den  Versuchungen  der  Habsucht, der Unzüchtigkeit,  des Zornes, des Ehrgeizes  und  fleischlicher Laster  „verfolgt":  „cum  avaritia  nobis,  cum  inpudicitia,  cum  ira,  cum  ambitione  congressio  est,  cum  camalibus vitiis, cum  inlecebris  saecularibus  adsidua  et molestia  luctatio  est...  Tot  persecutiones  animus cotidie patitur  ... ".  Während  diese  inneren  Anfechtungen  nur  an einer  Stelle von  Cyprian  direkt  als  „persecutiones"  bezeichnet  werden,  hat  er diesen  Terminus  mehrfach  in  bezug  auf  das  Verhalten  schismatischer  Gruppierungen  aufgegriffen. So heißt es von  der Partei  des  Felicissimus,  die sich durch  eine voreilige  Wiederaufnahme der Gefallenen  während  der  Decischen  Verfolgung  „hervortat":  „Persecutio  est haec  alia et alia est temptatio  ..." (ep. 43,3,1;  CChr.SL  III  B,  202,41;  vgl.  De  laps.  16; CChr.SL  III, 230,330).  Das  Wirken  des Novatus  (vgl.  hierzu  S.L.  Greenslade,  Schism  in the Early  Church,  London  (1953),  38­42)  ist ihm  nichts  anderes  als eine weitere  „Ver­ folgung" innerhalb  der eigentlichen,  von den Heiden ausgehenden  Verfolgung: „... in ipsa  persecu­ tione  ... alia quaedam  persecutio  ..." (ep. 52,2,2; CChr.SL  III B, 246,47f). Auch grundsätzlich  kann  Cyprian  in  bezug  auf das  Phänomen  der  Kirchenspaltung  von  den  „persecutiones  haereticorum"  sprechen,  die unmittelbar  verknüpft werden mit den  „Iudeaorum  sive gentilium  persecutiones"  (De  bon.pat. 21;  CChr.SL  III A,  130,413f). Den  spezifischen Charakter  dieser  „Verfolgungen"  macht  er durchgängig durch Zusätze („cotidiana",  „alia",  „haereticorum"  als  gen.subj.) deutlich.  Bei  den  bei  Hoppenbrouwers,  Recherches,  132, zu  findenden  Ausführungen zu Cyprians  Terminologie  der  Verfolgung ist dieser  übertragene Gebrauch  gar nicht angemerkt.  Opelt, Polemik,  126, erwähnt ihn,  schreibt  aber  zu  dem  Beleg  aus  ep.  52,2,2  (CChr.SL  III  B,  246,47f):  „Mit  einem nur hier  zur  Beschimpfung gebrauchten  Abstrakten:  Verfolgung,  persecutio,  klagt  der  Bischof von  Karthago  beredt über seinen Feind..." (Hervorhebung von mir). Die weiteren Belegstellen für eine polemische,  antischismatische  Verwendung des Begriffs scheinen  ihr entgangen  zu  sein.  36

Zusammenfassung  und  Ausblick 

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stalt  der  Wohltätigkeit  können  von  ihm  als  Formen  des  „täglichen  Bekenntnisses"37  dargestellt  werden,  die  einen  dem  Märtyrerlohn  vergleichbaren  Lohn  zugesprochen bekommen.38 So bezeichnet Cyprian die Rückkehr einiger römischer  Bekenner,  die zwischenzeitlich zu Novatian übergelaufen waren, zur katholischen  Kirche  und  die  damit  gegebene  Wiederherstellung  des  kirchlichen  Friedens  explizit als „alia confessio".39  Seine Freude über die Nachricht von der Rückkehr  der Bekenner  zur Kirche sei  deshalb  auch ebenso  groß wie  die,  die er einst  über 

37   Der  Gedanke  einer  Übertragung  von  Motiven  und  Termini  der  Martyriumstheologie  auf  andere  Bereiche  christlicher  Sittlichkeit  und  die  damit  ausgedrückte  Parallelisierung  bestimmter  Tugenden  und  Verhaltensweisen  mit  dem  Martyrium  wird  in  der  Literatur  als  „unblutiges  Martyri­ ums"  bzw.  „tägliches  Martyrium"  bezeichnet.  Auch  in  bezug  auf  Cyprian  findet  sich  in  der  For­ schung  die  Rede  vom  „spiritual  martyrdom"  (Malone,  Monk,  35­40),  „unbloody  martyrdom"  (Hummel,  Concept,  20f),  „martyre  non  sanglant"  (Deléani,  Christum  sequi,  90)  oder  „daily  martyrdom"  (Peter  Brown,  The  Body  and  Society.  Men,  Women  and  Sexual  Renunciation,  London  1989,  195).  Sein  Sprachgebrauch  rechtfertigt  eine  solche  Bezeichnung  aber  nicht,  denn  der  Begriff  „martyrium"  bleibt  durchgängig  an  das  physische  Leiden  gebunden  und  findet  sich  nicht  im  Zusammenhang  seiner  Ausweitung  der  Martyriumstheologie.  Zweimal  übertragt  er  hingegen  den  Terminus  „confessio"  bzw.  „confiteri";  hierauf  beruht  die  im  Text  eingeführte  Bezeichnung  „tägliches  Bekenntnis".  38  In der  Forschung ist die in Cyprians  Schriften vielfach zu  findende Übertragung  von  Motiven  und Termini  der Martyriumstheologie  auf den  Bereich  des alltäglichen  gemeindlichen  und  persönli­ chen  Lebens der Christen  und  die damit  einhergehende  Relativierung  des eigentlichen,  mit  körperli­ chem  Leiden  verknüpften  Martyriums  bislang  zwar  häufiger  mit  knappen  Hinweisen  bedacht,  an  keiner  Stelle  aber  eingehend  dargestellt  worden  (vgl.  Campenhausen,  Idee,  139;  Capmany­Ca­ samitjana,  Miles  Cristi,  132; Hummel,  Concept,  134; Brown,  Body,  195);  zuweilen  wurde  sie  sogar  vollständig  übersehen  (so  führt  Slusser,  Martyrium,  210,  unter  der  Überschrift  „Moralische  Gleichstellung"  (anderer  christlichen  Tugenden  mit  der  Standhaftigkeit  im  Martyrium)  Cyprians  diesbezügliche  Vorstellungen  gar nicht an). Nicht weiter betrachtet  wird  die Übertragung  martyrolo­ gischer Motive auch  bei Malone,  Monk,  35­40;  bei diesem  findet sich zwar in bezug auf Cyprian  das  Stichwort  „spiritual  martyrdom",  aber  er  bezieht  dies  ausschließlich  auf  die  Vorstellung  eines  „Bereitschaftsmartyrium",  der  zufolge jeder,  der  zum  Martyrium  bereit  gewesen  ist,  den  entspre­ chenden  Lohn  erhält,  auch  wenn  er  den  Glaubenstod  nicht  erlitten  hat:  „Cyprian's  doctrine  of  spiritual  martyrdom  thus  resembles  that  of  Clement  of  Alexandria,  inasmuch  as  he  places  the  essence  of martyrdom  in the  willingness  to  suffer hardships  for  Christ."  (Malone,  Monk,  39f)  Am  deutlichsten  haben  Deléani,  Christum  sequi,  89f,  und  Margerie,  L'interet,  201,  die  Ausweitung  der  Martyriumstheologie  bei Cyprian  betont.  Auf Grund  der  Untersuchung  des Nachfolgegedankens  bei  Cyprians  spricht  erstere  von  der  bei  ihm  zu  erkennenden  „conviction  que  d'autres  voies  que  le  martyre ouvrent  aussi  l'accès  aux  demeures  célestes  et  peuvent  etre  assimilées  à  la voie  éminente  de  la  Passion,  que  d'autres  vertus chrétiennes  méritent  d'etre  mises  sur  la  meme  plan  que  le  martyre."  Margerie bezeichnet die besonders in „De mortalitate" deutlich werdende Ausweitung der  martyrolo­ gischen  Vorstellungen  als  „l'intériorisation  de  sa  spiritualité  du  martyre  et  de  la  persécution".  39   ep.  54,1,2  (CChr.SL  III  B,  252,9f):  „Nam  et  haec  fidei  et  laudis  vestrae  alia  confessio  est  unam  esse  ecclesiam  confiteri...".  Der  Kontext  zeigt  deutlich,  daß  mit  „unam  esse  ecclesiam  confi­ teri"  kein  Wort­,  sondern  ein  Tatbekenntnis  in  Gestalt  der  Rückkehr  zur  katholischen  Kirche  (regressio,  redintegratio:  ep.  54,1,1;  CChr.SL  III  B,  251,5f)  gemeint  ist. 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

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die Nachricht von ihrem mutigen Bekenntnis  empfunden habe.40 Der  Bewahrung  des kirchlichen  Friedens habe Christus, so fuhrt er in „De ecclesiae  unitate" aus,  „alle  Gaben  und  Belohnungen  seiner  Verheißung"  (dona  omnia  suae  pollici­ tationis et praemia) versprochen.41 In stärkerem Maße noch als die Bewahrung der  kirchlichen  Einheit  gleicht  Cyprian  die  Bewahrung  der  „disciplina"  in  ihrer  Bewertung dem öffentlichen Bekenntnis und Martyrium  an: Wo das Erleiden  des  Martyriums  nicht  möglich  ist,  wird  auch  dem  ethisch  einwandfreien  Leben  ein  gleichwertiger himmlischer Lohn zugeschrieben.  Grundlegend  fur diese  Konzep­ tion ist die von  ihm mehrfach explizit  geäußerte Überzeugung,  daß nicht nur die  Verfolgung, sondern auch die Friedenszeit „Kronen" für die Gläubigen  bereithal­ te.  Auf  der  Basis  dieses  Gedankens  tröstet  er  während  der  Verfolgung  unter  Decius karthagische Bekenner, die fürchteten, daß ein zu früh wieder  eintretender  Friede sie um ihre Märtyrerkrone bringen könne42: Es gebe eine zweifache Mög­ lichkeit zur Erlangung der „Krone", zum einen das Martyrium, dem die aus Rosen  gewundene „corona purpurea" gebühre, zum anderen  aber auch  die guten  Werke,  denen die aus Lilien bestehende „corona candida" zustehe.43 Das Streben der Chri­ stinnen  und  Christen  solle  nun  darauf  zielen,  entweder  durch  gute  Werke  die  weiße oder durch Leiden die purpurne Krone zu erlangen44,  denn: „In  caelestibus  castris et pax et acies habent flores suos quibus miles Christi  ob gloriam  corone­ tur."45 An dieser  Stelle zeigt sich erneut, daß eine der hinter  der Ausweitung  der  Martyriumstheologie bei Cyprian stehenden Triebkräfte die vitale  seelsorgerliche  Frage nach dem Los derjenigen Christinnen  und  Christen  darstellte, die nicht  das 

40

 ep.  54,1,1  (CChr.SL  ΙΠ Β,  251,4-9):  „Lectis  litteris  vestris,  fratres  carissimi,  quas  ad  me  de  vestra regressione et de ecclesiastica pace ad fraterna redintegratione  fecistis,  in tantum  me  laetatum  esse  confiteor in quantum fueram et ante  laetatus,  quando  confessionis  vestrae  gloriam  conperi  et  militiae  vestrae  caelestem  ac  spiritalem  laudem  gratulabundus."  41

  De  eccl.un.  24  (CChr.SL  III,  267,577f). 

42

 ep.  10,5,1  (CChr.SL  III Β,  54,99-103):  „Quod  si  ante  diem  certaminis  vestri  de  indulgentia  domini  pax  supervenerit,  vobis  tarnen  manet  voluntas  integra  et  conscientia  gloriosa.  Nec  contristetur aliquis ex  vobis  quasi  illis minor qui  ante vos tormenta perpessi  vieto  et calcato  saeculo  ad  Dominum  glorioso  itinere venerunt." Sowohl  das Erleiden des Märtyrertodes  als auch die  Rückkehr  in  die  Gemeinde  seien  „sublimis  pariter  et  inlustris"  (ep.  10,5,2;  CChr.SL  III B,  54,106f).  43  ep.  10,5,2 (CChr.SL  ΠΙ Β, 55,111-113):  „Erat ante in operibus fratrum candida (sc.  ecclesia),  nunc  facta  est  in  martyrum  cruore  purpurea.  Floribus  eius  nec  liliae  nec  rosae  desunt."  Nach  Campenhausen,  Idee,  140,  wird der Lilienkranz bei  Cyprian für die Jungfräulichkeit  verliehen;  dies  trifft nicht zu,  vielmehr sind es die guten Werke der Gläubigen,  die die „corona candida" verdienen:  „Accipiant coronas vel de opere  candidas  ... " (ep.  10,5,2; CChr.SL ID B,  55,114f); ebenso De  op.et  eleem.  26 (CChr.SL ΙΠ A, 72,556f): „...  in pace vincentibus  coronam candidampro operibus  dabit."  44   ep.  10,5,2  (CChr.SL  III  B,  55,113-115):  „Certent  nunc  singuli  ad  utriusque  honoris  amplissimam  dignitatem.  Accipiant  coronas  vel  de  opere  candidas  vel  de passione  purpureas."  45

  ep.  10,5,2  (CChr.SL  III B,  55,115-117). 

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Martyrium  erleiden können4*: Ihnen wird  ein dem  Martyrium  vergleichbarer  Weg  zum persönlichen  Heil vor Augen  gefuhrt. Über diese briefliche Äußerung  hinaus  zeigt  sich  auch  in  mehreren  Traktaten  Cyprians,  daß  er  der  Durchsetzung  der  christlichen  „disciplina"  einen dem Märtyrerlohn  ebenbürtigen  Lohn  zuweist.  Der  Verwirklichung  der  göttlichen  Zucht  und  der  dadurch  erlangten  Verähnlichung  mit  Gott  wird  in  „De  zelo et  livore"  die  „corona"  ebenso  wie  die  „palma"  zuge­ sprochen.47  Seinen  Appell  zur  steten  Wahrung  der Zucht  begründet  Cyprian  dort  mit  dem  Hinweis  auf  die auch  im Frieden  zu  erlangenden  „Kronen". Nicht  näm­ lich gebe es nur die Krone,  die in der Zeit der Verfolgung erlangt werde;  vielmehr  habe auch  der Frieden  seine Kronen, mit denen  diejenigen,  die  in  verschiedensten  Kämpfen den Teufel besiegten,  gekrönt würden.48  Diese Kämpfe bestünden  in  der  Bezwingung  der  Wollust,  in der Unterdrückung  des  Zorns  und  der  Ungerechtig­ keit,  in  der  Abwehr  der  Habsucht,  im  geduldigen  Ertragen  der  gegenwärtigen  Welt,  in  Demut  und  Barmherzigkeit  sowie  in  Einmütigkeit  und  Sanftmut.  Diese  göttliche Zucht zu verwirklichen  und  den  ihr zustehenden  himmlischen  Verdienst  ­  die  „continentiae  palma",  die  „corona  patientiae",  die  „laus  fidei"  und  die  „retributio  thensauri  caelestis"49  — zu  ernten,  sei  eine  Möglichkeit,  die  den  Chri­ stinnen  und  Christen  im  Unterschied  zu  Bekenntnis  und  Martyrium  jederzeit  offenstehe:  „In  hoc  virtutum  stadio  cotidie  currimus,  ad  has  iustitiae  palmas  et  coronas  sine  intermissione  temporis  pervenimus." 50  Von  der  im  Frieden  zu  er­ langenden  „corona"  spricht  Cyprian  auch  in  „De  opere  et  eleemosynis",  wobei  hier  allerdings  dem  Thema  des  Traktates  entsprechend  nicht  die  gesamte  Band­

46   Vgl.  ep.  10,5,1  (CChr.SL  III  B,  54,99f).  Entsprechende  Befürchtungen  innerhalb  der  Gemeinde,  das  Martyrium  nicht erleiden  zu  können,  spiegeln  sich  auch  in  De  mort.  17  (CChr.SL  ΠΙ  A,  25,277-26,281)  (Zitat vgl.  Anm.  3) wider,  wobei  aber jeweils  unterschiedliche  Hinderungsgründe  vorgestellt  sind:  In ep.  10  ist an das Ende  der Verfolgung gedacht,  in De  mort.  17 an einen  vor  einem  möglichen  Martyrium  erlittenen  Tod  auf  Grund  der  Pestepidemie.  Die  Bedeutung  der  Frage  nach  dem  Los  der  „verhinderten"  Märtyrer  für Cyprians  ausgeweitete  martyrologische  Konzeption  hat  auch  Adalbert  de  Vogüé,  „Martyrium  in  occulto".  Le  martyre  du  temps  de  paix  chez  Grégoire  le  Grand,  Isidore  de  Séville  et  Valerius  du  Bierzo,  in:  A.A.R.  Bastiaensen  (Hg.),  Fructus  centesimus.  Mélanges  offerts  à  Gerard  J.M.  Bartelink  à  l'occasion  de  son  soixante-cinquième  anniversaire,  Dordrecht  1 9 8 9 , 1 2 5 f ,  betont:  „Pour consoler  des  martyrs  manqués,  Cyprien  exalte  la vie  chrétienne  ordinaire,  à laquelle  ils vont etre rendus.  Ces  .œuvres'  du temps  de  paix  ne  sont  pas  moins  belles  que  la  mort  pour  le  Christ."  47

  De  zel.et  liv.  15  (CChr.SL  III  A,  84,287f). 

48

  De  zel.et  liv.  16  (CChr.SL  ΙΠ A,  84,299-302):  „Non  enim  christiani  hominis  corona  una  est 

quae  tempore  persecutionis  accipitur.  Habet  et  pax  coronas  suas,  quibus  de  varia  et  multiplici  congressione  victores  prostrato  et  subacto  adversario  coronamur."  49

  In  D e  mort.  26  (CChr.SL  III  A,  31,453)  spricht  Cyprian  von  den  Barmherzigen,  „qui 

dominica  servantes  ad  caelestes  thensauros  terrena  patrimonia  transtulerunt..."  50

  De  zel.et  liv.  16  (CChr.SL  III  A,  85,310-312). 

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Zusammenfassung und  Ausblick 

breite  christlicher  Sittlichkeit,  sondern  speziell  die  Wohltätigkeit  als  verdienstvolles Verhalten und zentrale Tugend51  in den Blick  genommen  ist.52 Cyprian appelliert an seine Leser,  an dem „agon iustitiae Deo  et Christo spettante"53  teilzunehmen und nach der „operum salutarium palma"54 zu streben. Ähnlich wie  in der  oben erwähnten ep.  10 betont er die Gewißheit  des himmlischen Lohnes auch für  die guten Werke durch den Verweis auf die weiße und die rote Krone: „...  in pace  vincentibus coronam candidam pro operibus dabit in persecutione  purpuream pro  passione geminabit."55 Der Geduld in der Ausübung der Wohltätigkeit  steht auch  nach „De bono patientiae" eine Krone in Aussicht.56 Nach  „De  mortalitate" fuhrt  das  Standhalten  in  anhaltenden  inneren  Versuchungen,  in  Krankheiten  und  Schwächen,  zur „Krönung" des  Glaubens.57  Im Blick  auf den zu erlangenden himmlischen Lohn bieten Verfolgungs-  und  Friedenszeit  den  Gläubigen  also  letztlich  die  gleichen  Möglichkeiten.  Vorausgesetzt ist dabei, daß die Christen sich hier wie  dort strukturell  in der  gleichen  Art von Auseinandersetzungssituation,  im Kampf gegen den Teufel und seine verschiedengestaltigen  Angriffe, befinden.  Entsprechend  wird  ihr Verhalten  in der  einen wie  der anderen Situation auch in paralleler Weise  geschildert,  wobei  zum 

51  Vgl. De op.et eleem. 7 (CChr.SL ΠΙ A, 59,135­139): „Itaque  in evangelio  Dominus  ...  inter  sua  mandata  divina  et  praecepta  caelestia  nihil  crebrius  mandat  et  praecepit  quam  ut  insistamus  eleemosynis dandis  ..."; De dom.or. 20 (CChr.SL ΠΙ A,  102,377­103,380):  „Contra autem  Dominus  perfectum  et  consummatum  docet  fieri  qui  omnibus  suis  venditis  adque  in  usum  pauperum  dis­ tributis thesaurum  sibi condat  in caelo." Die zentrale Bedeutung der Wohltätigkeit für Cyprian  zeigt  sich auch daran, daß die zur Belehrung über die „sectae nostrae disciplina"  in Test. III  zusammen­ gestellten biblischen  Belege mit dem  Kapitel  „De bono operis et misericordiae" eingeleitet  werden  (CChr.SL  III,  80,1).  Zur  Hochschätzung  der  Wohltätigkeit  vgl.  M.  Réveillaud,  Saint  Cyprien,  L'oraison  dominicale,  Paris  1964,  190;  Spanneut,  Tertullien,  91­93  sowie  ausfuhrlich  Capmany­ Casamitjana, Miles  Cristi,  158­165.  52  De op. et eleem. 26 (CChr.SL ΠΙ A, 72,542­546):  „Praeclara  et divina res, fratres carissimi,  salutaris operatio  ..., res posita in potestate facientis, res et grandis et facilis, sine periculo  persecu­ tionis corona  pacis...".  53   De  op.et  eleem.  26  (CChr.SL  III  A,  72,550);  vgl.  ebda  (CChr.SL  III  A,  72,554):  „operis  agon".  54  De op.et  eleem.  26 (CChr.SL  ΠΙ A,  72,549f).  55  De op.  et  eleem.  26 (CChr.SL  III A,  72,556f).  56  De  bon.pat.  13 (CChr.SL  III A,  126,263­270):  „Admonet  ne  quis  impatiens  in  operatione  deficiat, ne quis temptationibus  aut avocatus aut victus in medio laudis  et  gloriae  itinere  désistât  et  pereant  praeterita,  dum  quae coeperant desinunt  esse  perfecta, sicut  scriptum  est:  Iustitia  iusti  non  liberabit  eum  in  quocumque  die  exerravit,  et  iterum:  tene  quod  habes  ne  alius  accipiat  coronam  tuam. Quae vox adhortatur  patienter et fortiter perseverare,  ut qui  ad coronam  laude  iam  próxima  nititur  durante  patientia  coronetur."  57  De mort.  13 (CChr.SL ΠΙ A, 23,210­213):  „Quando  ergo infirmitas et inbecillitas  et  vastitas  aliqua  grassatur, tunc  virtus nostra perficitur, tunc  fides  si temptata  perstiterit  coronatur...". 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

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einen die Nachfolgevorstellung 58  herangezogen wird, die -  einmal  martyrologisch,  einmal  allgemein  moralisch  gefaßt -  zur Klammer  zwischen  dem  Martyrium  und  der  christlichen  Sittlichkeit  im  täglichen  Leben  wird:  Beides  sind  verschiedene  Konkretionen  der einen Forderung  „sequere me".59  Darüberhinaus  hat Cyprian  zu  diesem  Zweck  besonders  Topoi  aus  der  „militia  spiritualis"-Vorstellung  herangezogen:60  Auch  in ihrem  alltäglichen  Einsatz  fur die  „disciplina" befinden  sich  die Christen als „milites  Christi"61,  sie erscheinen  als  „täglich  im  Kampf  stehend"  (in acie cotidie  stantes)62; ihr Leben  gleicht  einer „pugna"63  oder auf der Ebene  der 

59  Nach  Deléani,  Christum  sequi, 95, hat Cyprian  im Zusammenhang  seiner  neuen  martyrologi­ schen  Konzeption  auch  den  Ausdruck  „Christum  sequi"  und  weitere  mit  dem  Nachfolgegedanken  verbundene  Termini  in  breiterer  Form  verwendet  und  auf  andere  christliche  Verhaltensweisen  ausgedehnt, obwohl  die Nachfolgeterminologie zunächst unmittelbar mit dem  Martyrium  verbunden  ist: „Pour  lui (Cyprien),,suivre  le Christ',  c'est avant tout  imiter  le Christ  souffrant, pour  entrer  avec  lui  dans  sa  gloire."  (Deléani,  85)  Neben  der  Bedeutung  „Christus  auf  dem  Weg  des  Leidens  nachfolgen" hat „Nachfolge" bei Cyprian  auch  den  Sinn  von  „auf die Vorschriften Christi  hören  und  seine  Taten  nachahmen"  (vgl.  De  zel.et  liv.  11 ; CSEL  ΠΙ,Ι,  426,22­24:  „sequitur  autem  Christum  qui  praeceptis  eius  insistit,  qui  per  magisterii  eius  viam  graditur,  qui  vestigia  eius  adque  itinera  sectatur,  qui  id  quod  Christus  et docuit  et  fecit  imitatur  ...";  De  hab.virg.  7;  CSEL  111,1,  193,4­6.9­ 11) 59   Deléani,  Christum  sequi,  99.101:  „En  associant  étroitement  martyre  et  vie  chrétienne,  participation  au  destin  souffrant du  seigneur  et conformité de toute  la conduite  aux  actes et  aux  ens­ eignements  de  celui­ci,  Cyprien  était  amené  à  élargir  considérablement,  par  rapport  à  ses  prédé­ cesseurs,  le domaine d'application  du précepte de l'imitation...  Quoique  subordonnés  au martyre,  ou  plutôt quoique présentés comme une forme de martyre, les autres actes de la vie chrétienne sont mis par Cyprien sous le signe de l'imitation du Seigneur, et d'une imitation morale et matérielle." 60 Zur Verwendung der militia-spiritualis Vorstellung zur Beschreibung des täglichen „Kampfes" der Christen vgl. Capmany, Miles Cristi, 128f: „San Cipriano en varias ocasiones da al cristiano que luchada contra sus malas inclinaciones el titulo de Miles y expresa con términos de competición y de guerra el esfuerzo que realiza la voluntad del hombre para superar las tentaciones al pecado y las debilidades propias de la naturaleza humana." 61 Vgl. ep. 10,5,2 (CChr.SL III  Β,  55,116);  De  mort.  2  (CChr.SL  III  A,  17,15f);  De  mori.  12  (CChr.SL  ΠΙ A, 23,197). Daß die Konfessoren und Märtyrer dabei „un degré supérieur" einnahmen, wie Hoppenbrouwers, Recherches, 150, behauptet, läßt sich grundsätzlich nicht belegen. In der von ihm angeführten Stelle ep. 15,1,1 (CChr.SL III B, 85,7f: „Nam cum omnes milites Christi custodire oporteat praecepta imperatoris sui, tunc vos magis praeceptis eius obtemperasse plus convenit") geht es um die auf ihrer Vorbildwirkung beruhende größere Verpflichtung der Konfessoren zum Gehorsam gegenüber den göttlichen Vorschriften, nicht um den Ausdruck einer Rangfolge unter allen „milites Christi". 62 De bon.pat. 12 (CChr.SL III A, 125,230). Daß die Christen „cotidie" in dieser Auseinandersetzungssituation stehen, betont Cyprian auch an anderen Stellen: De mort. 4 (CChr.SL ΙΠ A,  19,58);  De  mort.  5 (CChr.SL  IU A,  19,69);  De  zel.et  liv.  16 (CChr.SL  ΙΠ A,  85,311).  Vgl.  De  dom.or.  16 (CChr.SL  III A,  99,289).  63   De  mort.  4  (CChr.SL  III  A,  18,57).  In  De  mort.  12 (CChr.SL  III  A,  23,191)  erscheint  die  Auseinandersetzung  der  Christen  mit  traurigen Lebensumständen (Vermögensverlust, Krankheit, Tod) als „proelium", in dem den Standhaften ebenfalls die „corona" gebührt. Vgl. auch De mort. 9 (CChr.SL III A, 21): „... cui (sc. christiano) magis sit cum diaboli inpugnatione luctandum"; De

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Wettkampfmetaphorik einem „agon"64 gegen die beständigen und vielfältigen Angriffe des Teufels.  Wer in diesen „verschiedenen und vielfältigen Kämpfen"65 besteht, ist ebenso ein Sieger über den Teufel, dem die Krone gebührt, wie  die Märtyrer. Wie von den Martyrien so spricht Cyprian speziell von der Wohltätigkeit  als  einem „Schauspiel" (spectaculum)66,  dem Gott und Christus zusehen.67 Neben  die  „confesssorum gloria"68 tritt die „operantium gloria"69. Die Barmherzigkeit  ist wie  das Martyrium ein „Opfer" (sacrificium)  für Gott,  das diesem  aber in  geistlicher  Weise dargebracht werde.70 Sie verstärkt wie der Bekennermut die Effektivität der  Gebete.71 Eine Identität des verheißenen Lohnes besteht nicht nur hinsichtlich  der  bereits  erwähnten  „corona" bzw.  „palma",  sondern  auch in der Aussicht  auf  die  Teilhabe am himmlischen Reich.72 Die Wohltätigen und Barmherzigen  erscheinen 

mort.  14 (CChr.SL  III  A,  24,225­227):  „Contra  tot  inpetus  vastitatis  et  mortis  inconcussis  animi  virtutibus  congredi  quanta  pectoris  magnitudo  est...".  64  De op.et  eleem.  26 (CChr.SL  III A,  72,550­555):  „...  omnes  in agone  iustitiae  Deo  et  Christo  spedante  curramus  ...  Si  expeditos,  si  celeres,  si  in  hoc  operis  agone  currentes  dies  nos  vel  reddi­ tionis vel  persecutionis  invenerit...".  Zur  Übernahme  der  Wettkampfmetaphorik vgl. auch  De  zel.et  liv.  16  (CChr.SL  III  A,  85,310f):  „In  hoc  virtutum  stadio  cotidie  currimus  ...";  De  bon.pat.  12  (CChr.SL  ΠΙ A,  125,230f): „... in  acie  cotidie  stantes  inveterati  et  exercitati  hostis  colluctationibus  fatigamur..."; De mort.  4 (CChr.SL  ΠΙ A,  19,59­62):  „Cum  avaritia nobis,...,  cum  inlecebris  saecu­ laribus  adsidua  et  molesta  luctatio  est".  65  De  zel.et  liv.  16  (CChr.SL  III A,  84,300­302):  „Habet  et  pax  coronas  suas  quibus  de  varia  et multiplici  congressione  victores  prostrato  et  subacto  adversario  coronamur."  In  De  bon.pat.  12  (CChr.SL  III  A,  125,23lf)  spricht  Cyprian  ähnlich  von  den  „variae  et  adsiduae  temptationum  pugnae".  66

  De  op.et  eleem.  21  (CChr.SL  III  A,  68,420).    De  op.et.eleem.  26  (CChr.SL  III  A,  72,550f):  „...  omnes  in  agone  iustitiae  Deo  et  Christo  spedante  currimus  ...";  ähnlich  De  op.et  eleem.  21  (CChr.SL  III  A,  68,413f.418).  67

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  De  laps.  4  (CChr.SL  III,  222,61).   De  op.et  eleem.  26  (CChr.SL  III  A,  72,531). 

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70   De  dom.or.  33  (CChr.SL  III  A,  111,626­632):  „Beatus  apostolus  Paulus  in  necessitate  pressurae  adiutus  a  fratribus opera  quae  fiunt  sacrificia Deo  dixit  esse... Nam  quando  qui  miseretur  pauperi  Deo  faenerat  et  qui  dat  minimis  Deo  donat,  spiritaliter  Deo  suavitatis  odore  sacrificat."  71   De  dom.or.  33  (CChr.SL  III  A,  110,595­597):  „Nam  qui  in  die  iudicii  praemium  pro  operibus  et eleemosynis  redditurus est hodie quoque  ad orationem cum operatione venienti  benignus  auditor  est."  72   De  op.et  eleem.  21  (CChr.SL  III  A,  68,423):  „...  perpetuum  praemium  regnis  caelestis  accipitur".  Vgl.  De  op.et  eleem.  9  (CChr.SL  III A,  61,199­201):  „Eos  enim  Dominus,  cum  iudicii  dies venerit,  ad  percipiendum  regnum  dicit  admitti  qui  fuerint in ecclesia  eius  operati".  Die  Identität  dieser  Verheißung  für Märtyrer  und  andere  Christen  ist  ausdrücklich  in  der  Literatur  lediglich  bei  Capmany­Casamitjana,  Miles  Cristi,  297,  herausgestellt  worden:  „Es  de  advertir  finalmente  que  aunque  San  Cipriano  distingue  los  distintos  méritos  y  asi  habla  de  diversas  coronas,  no  quiere  significar con  ello quo no  sea prometido  a todos  el mismo  cielo. Todos  los  aspectos  del  mismo  ...  se  refieren  indistamente  al  premio  de  los mártires o demás justos: la restitución del  Paraíso,  por  ejemplo, lo mismo  se promete  a los mártires que a los dadivosos y a los que sufran con paciencia las

Zusammenfassung  und  Ausblick 

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wie  die Märtyrer als „regnorum caelestium  coheredes"73  und gelangen  ebenfalls  zur  Anschauung  Gottes.74  In  Cyprians  Vision  der  himmlischen  Destination  der  Christinnen  und  Christen  in  „De  mortalitate"  werden  diese  von  den  Aposteln,  Propheten,  Märtyrern,  Jungfrauen und  den  Barmherzigen  erwartet.75  Die  Gleichheit  des postmortalen  Aufenthaltsortes  für Märtyrer wie  für alle  glaubenstreuen Nichtmärtyrer  zeigt  sich  darüberhinaus noch  an mehreren  Stellen  seines  Werkes: Märtyrern wie Nichtmärtyrern  eröffnet der Tod den Weg  zu  Christus76,  in  das  Reich  Gottes  bzw.  das  Paradies77  und  zur  Teilhabe  an  der  ewigen  Herrschaft Christi.78  Ausdrücklich  stellt  Cyprian  in „Ad  Fortunatum" die  Gleichheit  des  postmortalen  Schicksals  der  Märtyrer  und  aller  anderen  glaubenstreuen  Christen heraus.79 In letzter Konsequenz  bedeutet  für Cyprian auch nicht nur das  Martyrium  die Möglichkeit  einer zweiten  Taufe,  sondern  der Mildtätigkeit  wird  ebenfalls  eine mit  der ersten Taufe parallelisierte  entsündigende  Wirkung  zuge-

tribulaciones  de  la  vida,  y  en  la  descripción  de  los  companeros  de  la  gloria  se  encuentran  juntos  todos  los  que  por  diversas  victorias  han  merecido  el  premio."  73  De op.et  eleem.  13 (CChr.SL  ΙΠ A, 63,266).  Die  Märtyrer  erscheinen  als  „coheredes  Christi"  (Ad  Fort.  13; CChr.SL  ΙΠ, 215,20).  In  De  dom.or.  15 (CChr.SL  III A,  99,281)  bezieht  Cyprian  die  Miterbenschaft  Christi  auf  das  gesamte  Ensemble  der  Vorschriften  Gottes  einschließlich  der  Bereitschaft  zu  Bekenntnis  und  Martyrium:  „hoc  est  coheredem  Christi  velie  esse  ...".  74   De  op.et  eleem.  14  (CChr.SL  III  A,  64,279­281):  „Et  quae  matrona  locuples  et  dives  es  ungue  oculos  tuos  non  stibio  diaboli  sed  collyrio  Christi,  ut  pervenire  ad  videndum  Deum  possis,  dum  Deum  et  operibus  et  moribus  promereris";  vgl.  De zel.et  liv.  18 (CChr.SL  III  A,  86,340­346):  „Cogita sub  oculis  nos  Dei  stare,  spedante  ac  iudicante  ipso conversatone  ac vitae nostrae  curricula  decurrere,  pervenire  nos  tunc  demum  posse,  ut  enim  videre  contingat.  Si  ipsum  nunc  videntem  delectemus  actibus nostris,  si nos dignos  gratiae  eius et indulgentiae  praebeamus,  si placituri  semper  in  regno  in  hoc  mundo  ante  placeamus."  75   De  mort.  26  (CChr.SL  ΙΠ A,  31,447­454).  76   De  mort.  2  (CChr.SL  III  A,  18,35­37);  De  mort.  3  (CChr.SL  III  A,  18,38­41);  De  mort.  5  (CChr.SL  ΙΠ  A,  19,91f  ).  77

  De  mort.  26  (CChr.SL  III  A,  31,432­434);  Ad  Dem.  26  (CChr.SL  ΠΙ  A,  51,520f);  vgl.  De  op.et  eleem.  22  (CChr.SL  III  A,  69,433f).  78   De  mort.  21  (CChr.SL  III  A,  28,362­365).  79   Ad  Fort.  12  (CChr.SL  III,  214,56­59):  „Vivere  omnes  dicit  et  regnare  cum  Christo,  non  tantum  qui  occisi  fuerint,  sed  quique  in  fidei  suae  firmitate  et  Dei  timore  perstantes  imaginem  bestiae non  adoraverint  neque  ad funesta eius et  sacrilega  edicta  consenserint." Cyprian  bezieht  sich  hier  auf  Apk  20,4;  für die  genau  entgegengesetzte  Aussage  hatte  Tertullian  in  De  an.  55  Apk  6,9  aufgenommen. Nach  Margerie,  L'intérêt,  204,  rekurriert  Cyprian  hier  auf  diese  Stelle  und  setzt  ihr  seine  Auffassung  entgegen.  Der  Gedanke  eines  gesonderten  postmortalen  Aufenthaltsortes  der  Märtyrer,  wie  Tertullian  ihn  vertritt,  taucht  bei  Cyprian  an  keiner  Stelle  auf.  Vgl.  auch  Fischer,  Todesgedanken,  267:  „Nicht  nur das  Martyrium  führt  in den  Himmel,  sondern  auch  gewissenhaftes  christliches  Leben  und  Sterben  in normalen  Zeiten."  Unzutreffend  hingegen  Adhemar  D'Alès,  La  théologie  de  Saint  Cyprien,  Paris  1922,  33:  „Les  martyrs  pénètrent  dès  l'instant  de  leur  mort  (se.  le  paradis),  par  le  privilège  du  sang,  les  autres  attendent  plus  ou  moins  ...".  Ein  Wartezustand  der  Nichtmärtyrer  nach  ihrem  Tod  wird  bei  Cyprian  an  keiner  Stelle  angedeutet. 

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Zusammenfassung und  Ausblick 

schrieben: Die Werke der Wohltätigkeit und Barmherzigkeit bilden eine „via tuendae salutis", „ut sordes postmodum quascumque  contrahimus eleemosynis  abluamus."80 Eine Parallelität zwischen Martyrium und Barmherzigkeit besteht zuletzt  auch  hinsichtlich  ihrer  Wirkung  auf  die  Kirche:  Durch  das  eine  wie  durch  das  andere wird sie mit „Blumen" geschmückt und verherrlicht.81  In seiner Tendenz, verschiedene  Aspekte christlicher  Sittlichkeit -  neben der  Bewährung gegenüber verschiedenen Formen von Versuchungen insbesondere der  Wohltätigkeit  und Barmherzigkeit82  -  in ihrer Charakterisierung  der besonderen  Herausforderungssituation  eines  Bekenntnisses  und  Martyriums  anzugleichen,  80  De op.et eleem.  1 (CChr.SL  III A,  55,20­22).  Vgl. De op.et eleem.  2 (CChr.SL  ΙΠ A,  55,28­ 56­32): „... sicut lavacro aquae salutaris gehennae ignis extinguitur,  ita eleemosynis adque  operatio­ nibus  iustis  delictorum  fiamma  sopitur.  Et  quia  semel  in  baptismo  remissa  peccatorum  datur,  adsidua et iugis operatio baptismi  instar imitata Dei  rursus  indulgentiam  largiatur";  De op.et  eleem.  26 (CChr.SL ΙΠ A, 72,544f): Gute  Werke als „medela peccati";  ep. 55,22 (CChr.SL III B,  281,361­ 364): „,eleemosyna  a morte libérât', et non utique ab illa morte quam semel Christi  sanguis  extinxit  et  qua  nos  salutaris  baptismi  et  redemptoris  nostri  gratia  liberavit,  sed  ab  ea  quae  per  delicta  postmodum serpit." In dem Kontext des letztgenannten Zitates spricht Cyprian allerdings grundsätz­ lich  von  der  Buße,  innerhalb  derer das  Almosengeben  einen  fundamentalen Teil  darstellt.  81   ep.  10,5,2  (CChr.SL  III  B,  55,109­113):  „O  beatam  ecclesiam  nostram  quam  sic  honor  divinae dignationis  inluminat, quam temporibus  nostris  gloriosus  martyrum  sanguis  inlustrat.  Erat  ante in operibus fratrum candida, nunc facta est in martyrum  cruore purpurea. Floribus eius nec lilia  nec rosae  desunt."  82  Auffällig ist, daß Cyprian der Erlangung der Krone durch das Martyrium  nicht das  Erreichen  dieses Siegespreises durch eine im eigentlichen  Sinne asketische Verhaltensweise, d.h.  insbesondere  die „continentia",  zur  Seite stellt; diese  wird  zwar  hoch  gewertet,  aber  es  sind  keinesfalls nur  die  Jungfräulichen  und  Enthaltsamen,  die  einen  dem  Märtyrerlohn  entsprechenden  Lohn  erhalten,  sondern  ebenso  auch  alle Christinnen  und  Christen,  die  im täglichen  Leben  den  vielfältigen  Ver­ suchungen  widerstehen  (vgl. z.B. De zel.et.liv.  16; CChr.SL m  A,  84,303­85,310;  De hab.virg.  21;  CSEL m , l ,  202,1 lf; De hab.virg. 23; CSEL  111,1, 204,18­22).  Diese  nicht­exklusive  Tendenz  der  bei ihm vorliegenden Ausweitung der Martyriumstheologie  ist in der Literatur bislang kaum beachtet  worden. Angedeutet  wird sie bei  Simone Deléani, Présence  de Cyprien  dans  les  œuvres  de Jérôme sur la virginité, in: Yves-Marie Duval (Hg.), Jérôme entre l'Occident et l'Orient (Etud.August.), Paris 1988, 65, die zu der Rezeption von „De habitu virginum" bei Hieronymus ausführt: „Du De habitu virginum il (sc. Jérôme) semble ignorer le splendide passage de conclusion (K.23), qui fonde la doctrine chrétienne en matière de virginité: tous les baptisés sont en marche vers le Royaume; entre les vierges et les autres il n'y a en fait qu'une différence de degré; les justes, les doux, les patients, les miséricordieux portent, comme les vierges, l'image du Nouvel Adam." Ebenso hat Vogüé, Martyrium, 127, auf die auf alle Christen bezogene Ausweitung bei Cyprian hingewiesen, die Augustin und Leo der Große übernommen hätten: „De l'élite des vierges et des moines, la gloire du martyre non sanglant s'étend à tout le peuple chrétien, les èveques d'Hippone et de Rome rendant à la notion l'ampleur que lui donnait déjà celui de Carthage." Diese Tendenz weist auf die Notwendigkeit hin, die in der Literatur Cyprian nicht selten zugewiesene Vorläuferrolle für die nachkonstantinische Vorstellung von Jungfräulichkeit und Mönchtum, d.h. spezieller asketischer Lebensformen, als „Ersatzmartyrien" (vgl. z.B. Stuiber, Refrigerium interim, 80; Baumeister, Genese, XXVI; Deléani, Christum sequi, 95; Bernhard Lohse, Askese und Mönchtum in der Antike und alten Kirche, München/Wien (1969), 217, Anm.2) differenzierter zu betrachten.

Zusammenfassung  und  Ausblick 

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unterscheidet  Cyprian  sich  grundlegend  von  Tertullian.  Dessen  auf  die  Verpflichtung  zum  Martyrium  und  die  Betonung  seiner  Exklusivität  ausgerichtete  Martyriumstheologie  läßt  keinen  Raum  für  eine  Ausweitung  martyrologischer  Vorstellungen  auf  andere  Formen  christlicher  Sittlichkeit  und  eine  damit  einhergehende  Relativierung  des Martyriums.83  Auf  der  sprachlichen  Ebene  zeigt  sich  das  daran,  daß  er -  wie  oben  erwähnt  -  keinen  übertragenen  Gebrauch  der  zentralen martyrologischen  Termini  kennt: „persecutio" bleibt  auf die äußere  Verfolgung  beschränkt,  ebenso  beziehen  sich  „confessio/confiteri",  in  den  allermeisten Fällen auch „corona/coronari"  auf den Gedanken  eines  „realen  Martyriums".  Da  für Tertullian  die „corona" im  christlichen  Sinne  immer  die Krone  der  Märtyrer ist,  findet sich  bei  ihm  auch noch  nicht  die  Unterscheidung  von  „corona  candida"  und  „corona  purpurea",  ebensowenig  wie  das  unmittelbar  dazugehörige  Pendant aus dem Bereich der in der Antike weitverbereiteten  Blumensprache -  die  Symbolisierung  des  Martyriums  durch  die  rote84  Rose 85 ,  der  guten  Werke  durch 

83   Malone,  Monk,  27­33,  will  hingegen  bereits  bei  Tertullian  das  Konzept  eines  spirituellen  Martyriums  erweisen.  Zutreffend ist, daß  es  gemeinsame  Charakteristika  bei  der  Bereitschaft  zum  Martyrium  und  zu anderen, von den Christen  geforderten, Verhaltensweisen  gibt.  So steht zum  einen  das  gesamte  Leben  der  Christen  unter  der  Prämisse  des  Idololatrieverbotes,  das  sowohl  zum  Martyrium  als  auch  zu  anderen  Formen  der  Absage  an  die  Welt  führen  kann.  Zum  anderen  über­ nimmt  auch  Tertullian  die Vorstellung  eines  nicht  nur  in der  Verfolgung, sondern  auch  im  täglichen  Leben  zu  fuhrenden Kampfes gegen  den Teufel (vgl.  Ad  mart.  1,4; CChr.SL  I, 3,19; De  spect.  29,5;  CChr.SL  I,  251,20­252,24).  Er  zieht  aber  daraus  nicht  die  Konsequenz,  daß  der  Bewährung  in  diesen  Kämpfen  auch  der  gleiche  Lohn  gebühre.  Mit  seiner  Rede  von  einem  „concept  of  spiritual  martyrdom" verwischt Malone den doch erheblichen  Unterschied  zwischen Tertullians und  Cyprians  Martyrologie.  Die  von  ihm  angeführte  Stelle  Scorp.  9,9 (CChr.SL  Π,  1086,26;  Malone,  Monk,  30),  die  von  einem  „actus  cotidianae  confessionis"  spricht,  bezieht  sich  nicht  auf  ein  durch  andere  Formen  christlicher  Sittlichkeit  abzuleistendes  Bekenntnis,  sondern  auf das  verbale  Bekenntnis  des  Christseins;  der  Kontext  macht  deutlich,  daß  es  Tertullian  hier  in  keiner  Weise  um  Angleichung  eines  „täglichen  Bekenntnisses"  an  eines  in  der  Verfolgungssituation  geht,  sondern  um  die  Ein­ schärfung der  Pflicht zum  verbalen  Bekenntnis  bis  zur  Konsequenz  des  Martyriums.  Die  Intention  des  genannten  Abschnittes  wie  auch  des  gesamten  Traktates  besteht  in  der  Betonung  des  Pflicht­ charakters  des  „blutigen  Martyriums";  auch  nur  ein  Anklang  an  ein  „spirituelles  Martyrium"  hätte  hier  keinen  Raum  und  wäre  dem  Ziel  Tertullians  entgegengesetzt.  Ebensowenig  belegt  der  von  Malone,  Monk,  33,  angeführte Verweis  auf die von  Tertullian  angeführten  drei  Jünglinge  im  Feuer­ ofen  ein  in  Tertullians  Martyrologie  verankertes  Konzept  eines  spirituellen  Martyriums.  Ihr  von  Tertullian  als  „martyrium  et  sine  passione  perfectum"  bezeichnetes  Martyrium  meint  nicht  ein  „perfect martyrdom,  and yet a martyrdom  without  suffering", sondern  ein  Martyrium,  das auf  Grund  des  Leidens  der  Jünglinge  im  Feuerofen  („Satis  passi,  satis  exusti  sunt...")  als  „martyrium  perfec­ tum"  anerkannt  wird,  obwohl  es  nicht  durch  den  Tod  („passio")  vollendet  wurde.  84

 Nach  Suzanne  Poque,  Des  roses  du  printemps  à  la  rose  d'automne.  La  culture  patristique  d'Agrippa  d'Aubigné,  in:  RechAug  17 (1971),  161,  Anm.  48,  hat  die  Antike  unter  Rose  immer  „la  rose  rouge,  Rosa  Gallica"  verstanden,  so  daß  die  Verknüpfung  mit  dem  Gedanken  des  Märtyrer­ blutes  auf  der  Ebene  der  Farbsymbolik  nahelag. 

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Zusammenfassung und Ausblick

die weiße Lilie. 86 Beides ist erst von Cyprian in die lateinische Martyrologie eingeführt worden. 87 Mit der breiten Übernahme von Motiven und Termini aus dem Bereich der Martyriumstheologie in denjenigen der allgemeinen christlichen Ethik und der Schaffung einer parallelen Symbolik für zwei verschiedene Möglichkeiten christlicher Vollkommenheit bezeichnet sein Konzept eine Neuerung 88 in der afrikanischen Tradition.89 Das bedeutet allerdings nicht, daß er nicht mögli-

85 Poque, Roses, verweist fur die Parallelisierung von Rose und Martyrium auch auf T e r t , De cor. 14,4 (CChr.SL II, 1064,32f): „Aut nec floribus coroneris, si spinis non potes": „... l'observation quotidienne et le langage familier fournissaient entre roses et martyre une facile similitude. Les écrivains chrétiens, de Tertullien à Ambroise, ne dédaignent pas d'y avoir recours. Comme avant la gloire venaient les souffrances des tortures, ainsi les corolles se dressent au-dessus des épines." Der Hinweis auf Tertullian ist diesem Zusammenhang aber nicht zutreffend, denn er redet in De cor. 14 gerade nicht von Rosen(dornen), sondern von den Dornen des Dornenkranzes Christi; Rosen gehören hingegen zu den von ihm abgelehnten Bekränzungen durch Blumen. Vgl. Anm. 86. Cyprian hat den Gegensatz zwischen den Dornen des Dornenkranzes und den Blumen aufgenommen, ihn aber in entgegengesetzter Weise aufgelöst: Der, der mit Dornen gekrönt wurde, bekränzt seinerseits die Märtyrer mit unverwelklichen Blumen (De bon.pat. 7; CChr.SL III A, 122,138: „... coronaretur spinis qui martyras floribus coronat aeternis..."). 86 Das Fehlen dieser Symbolik bei Tertullian hat zwei Gründe: Zum einen beruht sie zumindest in seiner montanistischen Zeit auf der rigoristischen Ablehnung jeglicher Form der Bekränzung, wie sie bei den Heiden üblich war, und dazu gehörte die Bekränzung mit aus Blumen gewundenen Kränzen. Unter den von ihm ausdrücklich abgelehnten Kränzen werden auch diejenigen aus Rosen und Lilien aufgeführt (De cor. 14,4; CChr.SL II, 1064,23-25). Dieser Form der Bekränzung wird von Tertullian die einzig für Christen denkbare Bekränzung durch die „Domen" des Martyriums gegenübergestellt, die auf den Dornenkranz Christi zurückverweisen (De cor. 14,4; CChr.SL II, 1064,32f). An dieser Gegenüberstellung wird auch deutlich, daß eine solche Symbolik für ihn insofern überflüssig ist, da er nur eine „corona", nämlich die der Märtyrer, kennt. 87 Zu den verschiedenen Assoziationen, die insbesondere mit dem Bild der Rose in der antiken Tradition verbunden waren, vgl. ausführlich Poque, Roses, 157-163. Unter denen, die für die Verbindung von Rose und Martyrium ausschlaggebend waren, nennt sie ,,1'espérance d'une floraison nouvelle dans une vie d'immortalité, ... l'évocation du sang par la couleur purpurine, ... la succession des souffrances et de la gloire ..." (Poque, Roses, 163). 88 Deléani, Christum sequi, 90, weist daraufhin, daß die unsichere Datierung einiger Schriften, die ebenfalls die Vorstellung eines „martyrium sine sanguine" aufweisen (z.B. Comm., Instr. 2,7, Μ Ι 8; C S E L X V , 69: „Multa sunt martyria quae sunt sine sanguine fuso, alienum non cupire, linguam refrenare ..."; ähnlich Instr. 2,21; C S E L X V , 8 9 f ) , die Bestimmung der Originalität Cyprians in dieser Konzeption schwierig macht. Dennoch gesteht auch sie zu: „Néanmoins, on peut affirmer que, chez nul auteur, la doctrine du martyre non sanglant ne s'exprime avec autant de vigueur et d'insistance, et ne domine autant l'ensemble de la pensée et de l'œuvre." 89 Im alexandrinischen Christentum findet sich die Relativierung des „blutigen Martyriums" zugunsten eines das ganze Leben umfassenden Bekenntnisses hingegen schon seit der Wende zum 3. Jhdt.: Clemens von Alexandrien, der ebenso wie Cyprian das Martyrium als Ruf sieht, der eben nicht alle Christen ereilen kann, entwickelt die Vorstellung eines spirituellen oder „gnostischen Martyriums", das im täglichen Gebotsgehorsam besteht (Strom. IV,4). Zu diesem Konzept vgl. Malone, Monk, 8-14. Ebenso findet sich bei Orígenes die Vorstellung eines spirituellen Martyriums, das in der Absage an weltliche Güter und in Keuschheit besteht; nach Malone, Monk, 20, der sich hierin auf W. Völker, Das Ideal der Perfektion bei Orígenes, 218, bezieht, hat Orígenes das gesamte

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cherweise  in ihm vorliegenden  mündlichen  oder schriftlichen Überlieferungen  aus  anderen Traditionsbereichen  schon auf den Gedanken  einer Annäherung  zwischen  Märtyrern  und  den  anderen  Christen  gestoßen  war.90  Für  eine  solche  Annahme  könnte  sprechen,  daß  Cyprian  in  seinen  diesbezüglichen  Äußerungen  an  keiner  Stelle  deutlich  macht,  daß  er  mit  seinem  Konzept  in  grundsätzlicher  Weise  „Neuland"  betritt91;  sicher  belegen  lassen  sich  solche  Einflüsse  aber  nicht.92  Eindeutig  zeigt  sich hingegen  an dem Vergleich  zwischen  Tertullian  und  Cyprian,  daß bei  letzterem erstmals innerhalb der afrikanischen Theologie  der auf die  Situation äußerer Verfolgung  bezogenen  Martyriumsethik  ein  auf die  Friedenszeit  der  Kirche anwendbares,  ausgeführtes  ethisches  Konzept  unmittelbar  an die  Seite  gestellt  wird,  in  der  die  „pax"  prinzipiell  die  gleichen  Möglichkeiten  höchsten  Lohnes bereit hält wie  die „persecutio"93;  nur die Art und  Weise,  diesen  zu  erlangen,  differiert  in  beiden  Situationen.  Mit  dieser  beginnenden  „Ethisierung"  des 

Leben  eines  Asketen  als  „continuous  martyrdom  accomplished  through  the  necessary  works  of  asceticism" gesehen, wodurch er das spätere monastische Ideal der Vollkommenheit  antizipiert  habe.  Im  Unterschied  zu  dieser  Entwicklung  im  alexandrinischen  Christentum  hat  sich  in  der  westlichen  Theologie  die  Vorstellung  eines  spirituellen  Martyriums  erst  später  ausformen  können;  auf  diese  Differenz macht  auch  Malone,  Monk,  27,  aufmerksam: „Among  the  early  Latin  Fathers  the  concept  of  spiritual  martyrdom  developed  much  more  slowly  than  it  did  among  the  Greek  Fathers."  90  Fischer,  Todesgedanken,  268,  und  im  Anschluß  an  ihn  Margerie,  L'intérêt,  203,  vermuten,  daß Cyprian  eine  solche  Vorstellung  bereits  durch  mündliche  Tradition  bekannt  war.  Eine  solche  Annahme muß aber letztlich hypothetisch  bleiben. Beide halten  zudem  einen  Einfluß des „Hirten  des  Hermas"  auf Cyprian  für möglich,  der  bereits  die Vorstellung  enthalte,  „que Cyprien  professera  cent  ans plus tard" (Margerie,  L'intérêt, 202).  Prinzipiell  läßt sich  aus dem  „Hirten"  die  Vorstellung  einer  Annäherung  zwischen  dem  Los  der  Märtyrer  und  dem  der  anderen  Christen  entnehmen  (vgl.  Vis.  111,2) Zu  der  Deutung  dieser  Stelle  vgl. Norbert  Brox,  Der  Hirt  des  Hermas.  Übersetzt  und  erklärt,  Göttingen  1991,  116:  „H(ermas)  konstatiert  ausdrücklich  eine  Identität  von  Heil  („Gaben")  und  Hoffnung („Verheißungen")  für Märtyrer  und  alle (sündenfreien) Christen  (..),  hebt  die  Blutzeugen  aber nach  Rang  und  Ehrenstellung  („doxa") ab. Es gibt also relative  Unterschiede  der  Erlösten,  nicht  der Erlösung."  Eine  ähnliche  relative  Differenzierung findet sich  in  Sim.  VIII, 2,1­4: Nur  die  Märty­ rer erhalten  den  Märtyrerkranz,  das  weiße  Kleid  tragen  aber  auch  die  Bekenner  und  die  Gerechten.  91   Darauf  weist  auch  Margerie,  L'intérêt,  202f,  hin.  92

 So  lassen  es  die  allgemein  große  Wirkung  des  „Hirten"  in  der  Alten  Kirche,  die  durch  Ter­ tullian  bezeugte  Kenntnis  der  Schrift in Karthago (vgl.  De  or.  16; De  pud.  10) sowie  Cyprians  enger  Kontakt  zur  römischen  „Heimatgemeinde"  des  „Hirten" zwar  durchaus  möglich  erscheinen,  daß  er  durch  diese  Schrift beeinflußt  war;  da  er  sie  aber  keiner  Stelle  zitiert  oder  explizit  referiert,  ist  ein  solcher  Einfluß  bei  ihm  im  Unterschied  zu  seinem  Vorgänger  nicht  sicher  zu  belegen.  93  Cyprian  stellt  durchgängig  diese  beiden  Situationen  christlicher  Bewährung  nebeneinander:  „In caelestibus  castris  et pax  et acies  habent  flores  suos  ..." (ep.  10,5,2; CChr.SL  ΠΙ Β,  55,115f); „••·  sine  periculo  persecutions  corona  p a d s "  (De  op.et  eleem.  26;  CChr.SL  III  A,  72,546);  „...  in  pace  vincentibus  coronam  candidam  pro  operibus  dabit,  in  persecutione  purpuream  pro  passione  geminabit"  (De  op.et  eleem.  26; CChr.SL  III A, 72,556f); „Non  enim  christiani  hominis  corona  una  est  quae  tempore  persecutionis  accipitur.  Habet  et pax  coronas  suas..."  (De  zel.et  liv.  16;  CChr.SL  III  A,  84,299f). 

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Zusammenfassung und  Ausblick 

Märtyrerideals  ist es Cyprian möglich  gewesen,  trotz der bleibenden  Hochschätzung  der  Blutzeugen  auch  die  Leistungen  und  Verdienste  all  der  Christen,  die  nicht  Märtyrer  wurden -  und  dies  stellte  auch  zur Zeit  der  Verfolgungen  unter  Decius und Valerian noch die Majorität dar94 - ,  hoch zu werten und  angemessen  zu würdigen. Begründet ist diese Ausweitung der Martyrologie in der Ausrichtung  seiner  Theologie  auf  das  episkopale  und  pastorale  Wirken  für  die  kirchliche  Einheit und die Bewahrung der Zucht, auf die Konsolidierung  der Gemeinde und  die  seelsorgerliche  Frage nach dem  Heil  aller Gemeindeglieder.95  In der Konsequenz bedeutet  sie,  daß das Ideal  des Märtyrers zugunsten  der Vorstellung  eines  „täglichen  Bekenntnisses"  mit  einem  dem  Märtyrerruhm  entsprechenden  Lohn  „pädagogisch-moralisch  eingeordnet und nivelliert"96  wird. 

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 Vgl. MacMullen,  Ordinary Christians,  156; Slusser,  Martyrium,  210;  Droge/Tabor,  Death,  140. Die Frage nach der Zahl der Märtyrer und Märtyrerinnen  ist allerdings sowohl  im Blick auf die  vorkonstantinische Zeit insgesamt als auch besonders auf die Verfolgungen unter Decius und Valeri­ an  in  der  Forschung  umstritten  geblieben.  Während  in  der  älteren  Forschung  häufig  von  einer  großen,  in die Tausende  gehenden Zahl  von Blutzeugen  ausgegangen  worden  ist (vgl.  z.B.  Allard,  Dix leçons,  137­149;  Andreas Alföldi, Zu den Christenverfolgungen  in der  Mitte des  3. Jhdts.,  in:  Klio 31 ( 193 8), 325), tendiert die jüngere Forschung zu der Annahme einer weit geringeren Zahl von  Märtyrern.  Vgl. z.B. Frend, Martyrdom, 413, der für die Verfolgungen  unter  Decius  von  „hundred  rather than thousands"  spricht.  95

 Im Rahmen der Frage nach der Motivation zur Ausweitung der Martyriumstheologie  ist auch  die Überlegung anzustellen,  inwieweit diese im Zusammenhang mit der Flucht Cyprians zu  Beginn  der Decischen  Verfolgung zu sehen  ist, d.h.  inwiefern sie dazu  dienen  konnte,  sein  Verhalten  dem  der Bekenner nicht nachstehen zu lassen und damit den Autoritätskonflikt zwischen den  Bekennern  und dem Bischof zu seinen Gunsten entscheiden zu können. Neben der Rehabilitierung einer Flucht  durch  die  terminologische  Angleichung  an  ein  öffentliches  Bekenntnis  zeigt  sich  in  Cyprians  Briefwechsel der Versuch, die Inhalte  seines  Wirkens  für die  „disciplina"  während  der  Decischen  Verfolgung als ebenso der „corona" würdig wie das  Bekennertum  in Geltung zu  bringen,  d.h.  den  Gedanken  eines „täglichen  Bekenntnisses"  in Gestalt des Einsatzes  für die Zucht  für sich  selbst  zu  beanspruchen. Nach  einem  für ihn zutiefst beleidigenden  Brief der römischen  Presbyter,  in dem  er  der  Feigheit  und  Vernachlässigung  seiner  bischöflichen  Pflichten  geziehen  worden  war  (ep.  8),  reagierte  Cyprian  mit  insgesamt  fünf Schreiben  nach  Rom  (ep.  9;  20;  27;  28;  35).  Unter  diesen  findet  sich  ein  Brief  an  die  dort  inhaftierten  Bekenner,  in  dem  diese  nicht  nur  für ihr öffentlich  abgelegtes  Bekenntnis  gelobt  werden,  sondern  in  besonderer  Weise  auch  für die  bei  ihnen  vor­ findliche  Bewahrung  der  Zucht,  fur die  ihnen  die  „dominicae  disciplinae  corona"  gebühre  (ep.  28,2,4; CChr.SL ΠΙ Β,  136,47f). Das von  Cyprian  so hochgelobte  Verhalten  entspricht  nun  der  in  ep. 20 vorgelegten  Darstellung seines eigenen  Verhaltens,  so  daß die  Bekenner  ihrerseits  Cyprian  nur  schwer  die  Zuerkennung  eines  ebenfalls  großen  Ruhms  versagen  können;  die  Antwort  der  Bekenner zeigt dann, daß diese zu einer solchen Anerkennung auch bereit waren: „Non minus  enim  coronae  mercede condignus  est qui  hortatus  est quam qui  et passus est, non  magis  laude  condignus  est  qui  fecit quam  qui  et docuit..." (ep.  31,1,3; CChr.SL  III B,  152,20­23).  96

  Campenhausen,  Idee,  144,  der  diese  Charakterisierung  aber  erst  für  die  Zeit  Augustins  verwendet.  M.E. läßt sie sich bereits zur Kennzeichnung der Tendenz des cyprianischen  Konzeptes  aufgreifen. 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

3 1 1 

Wirkungsgeschichtlich  hat  diese  beginnende  „Ethisierung"  der  Martyriums­ theologie bei Cyprian  insofern eine große Bedeutung,  als sie innerhalb  der  lateini­ schen  Tradition  die  entscheidende  Weichenstellung  zu  einer  spiritualisierten  Martyrologie  darstellte,  wie  sie  sich  in  der  nachkonstantinischen  Zeit  heraus­ bildete.  Die  bei  ihm  ansatzweise  festzustellende  Loslösung  martyrologischer  Termini  und  Motive  von  der  unmittelbaren  Verbindung  mit  physischem  Leiden  und  Tod  bildete  die  Voraussetzung  dafür, daß  die  westliche  Kirche  die  mit  dem  Martyrium verbundenen  Vorstellungen  auch nach  dem  Ende  der  äußeren  Verfol­ gungen  beibehalten  und  zur  Deutung  von  in  anderer  Weise  „zeugnishaften"  Lebensformen  verwenden  konnte. 97  Dieses  betraf  zum  einen  in  spezieller  Weise  die Jungfräulichkeit und  das Mönchtum,  die  als  „Ersatzformen" des  Martyriums  verstanden wurden98, zum  anderen  aber auch allgemeiner  die tägliche  Bewährung  aller  Christinnen  und  Christen  gegenüber  den  vielfältigen  Versuchungen  des  Teufels.99 Cyprians Konzept  der prinzipiell  gleichen  Möglichkeiten  hohen  Ruhms  in  der  Verfolgungs­  wie  der  Friedenszeit  eröffnete  damit  den  Weg,  der  Zeit  äußeren  Friedens  auch  ausdrücklich  ihre  eigenen  „Martyrien"  und  „Märtyrer"  zuzuschreiben.  Indem er dem Martyriumsethos  der Verfolgungszeit  ein  „Martyri­ ums"ethos  der  Zeit  des  Friedens  seitens  der  heidnischen  Umwelt  an  die  Seite  stellte, antizipierte  er ansatzweise  bereits das, was die  Situation  der  nachkonstanti­ nischen  Zeit  erforderte:  eine  „Martyriums"theologie  unabhängig  von  äußerer  Verfolgung. In diesem  Sinne lieferte seine „ethisierte" Martyrologie  eine wesentli­ che  Denkvoraussetzung  für  die  Kontinuität  des  Selbstverständnisses  der  Alten  Kirche  als  „ecclesia  martyrum" über  die Konstantinische  Wende  hinaus. 

97

  Über  Cyprian  hinausgehend  wurde  in  der  weiteren  Entwicklung  dann  auch  der  Begriff 

„martyrium"  bzw.  „martyr"  vom  „blutigen  Martyrium"  abgelöst  und  auf  verschiedene  andere  Tugenden  und  Lebensformen  übertragen.  Diese  Ablösung  ging  einher  mit  einer  Bedeutungsverschiebung,  im  Laufe  derer  die  Konnotation  „Zeugnis"  bzw.  „Zeuge"  wieder  in  den  Vordergrund  rückte.  98

 Zur Parallelisierung  zwischen  asketischem  und mönchischem  Leben  einerseits  und  Märtyrer-

tum  andererseits  vgl.  Marcel  Viller,  Le  martyre  et  l'ascese,  in:  R A M  6  (1925),  105-142;  Lucius,  Heiligenkult,  396-399;  Malone,  Monk,  44-63;  Frank,  Angelikos  bios,  9f.  Besonders  vertreten  worden  ist  diese  Vorstellung  von  Hieronymus  (ep.  3,5;  CSEL  LIV,  18,3f;  ep.  108,31,1  ; CSEL  LV,  349,10-12)  und  Sulpicius  Severus  (ep.  2;  CSEL  I,  143f).  99

  Diese  Vorstellung  erscheint  in  unterschiedlicher  Ausprägung  im  Westen  u.a.  bei  Ambrosius 

(Expos.ps.  CXVIII,  45-48;  CSEL  LXn,  467f),  Augustin  (Sermo  4,34;  PL  XXXVIII,  52),  Caesarius  von  Arles  (Sermo  XLI;  CChr.SL  C m ,  180;  Sermo  XL VII;  CChr.SL  CIII,  212;  Sermo  LII;  CChr.SL  O l l ,  230;  Sermo  CCXVIII;  CChr.SL  CIV,  866;  Sermo  C C X X V ;  CChr.SL  CIV,  888f),  Gregor  dem  Großen  (Hom.in  ev.  1,3,4;  PL  LXXVI,  1089;  Hom.in  ev.  2,35,7;  PL  LXXVI,  1263;  Dial.  III,  26,9;  SCh  260,  371)  sowie  in  der  von  gallischen  Kirchenschriftstellem  stammenden  Predigtsammlung  „Homiliae  56  ad  populum  et  monachos"  (Eus.Gall.,  Horn.  LV,15;  CChr.SL  CI  A,  644;  Horn.  LVI,8f;  CChr.SL  CI  A,  654). 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

3 1 2 

Der  abschließende  Vergleich  zwischen  Tertullians  Antwort  auf  die  Frage  „Sanguinem  hominis  deus concupiscit?" und  derjenigen Cyprians  weist  somit  auf  eine wesentliche  Differenz zwischen  ihren jeweiligen Martyriumskonszepten  hin.  Obwohl  beide,  wie  sich  in  ihrer  theologischen  Deutung  der  Verfolgung und  des  Martyriumsleidens  zeigt,  vielfach  auf  gleiche  Motive  und  Interpretationsmuster  zurückgreifen, unterscheiden  sie sich deutlich  in der  Gewichtung  des  Martyriums  innerhalb der Ethik,  in der Bedeutung,  die sie diesem  zur Erlangung  des  persönli­ chen  Heils  der  Christinnen  und  Christen  zusprechen.  Dem  „elitären"  Konzept  Tertullians  steht ein eher „egalitäres" seines bischöflichen Nachfolgers gegenüber.  Diese Differenz ist ­  wie oben  erwähnt ­  auf  dem  Hintergrund  einer  veränderten  Akzentsetzung  innerhalb der Ekklesiologie zu sehen  sowie im Zusammenhang  mit  der  unterschiedlichen  Stellung,  die beide jeweils  in  der karthagischen  Gemeinde  einnahmen. Darüberhinaus  ist entscheidend,  daß Tertullians  Martyriumstheologie  eine  im  wesentlichen  in  der  polemischen  Auseinandersetzung  ausgeformte  ist,  Cyprians martyrologische Ausführungen hingegen vorwiegend  im  Zusammenhang  panegyrischer,  dem  Lobpreis der Bekenner und Märtyrer  dienender,  sowie  auf  die  Unterweisung  der  Gemeinde  ausgerichteter,  paränetischer  Texte  zu  finden  sind.  Ohne  seinen  Vorgänger  namentlich  zu nennen,  hat Cyprian  sich  vielfach  auf  dessen  Schriften bezogen100,  was  sich  deutlich  auch  in seiner Martyrologie  zeigt,  in  der  er  zum  einen  in  Kontinuität  zu  den  von  Tertullian  erstmals  in  der  afrika­ nischen  Theologie  explizierten  Motiven  zur  Deutung  christlichen  Leidens  in  der  Verfolgung  steht,  zum  anderen  aber  auch  in  eine  implizite  Auseinandersetzung  mit  dessen  Argumentation,  vor  allem  derjenigen  in  „Scorpiace",  „De  fuga  in  persecutione" und  „De anima", eintritt. Als Beispiele  für letzteres  sind  die  in  „De  mortalitate"  gegebene  Antwort  Cyprians  auf Tertullians  Frage,  ob  denn  Gott  das  Blut des Menschen verlange, sowie seine in „Ad Fortunatum" ausdrücklich  formu­ lierte  These  von  der  Gleichheit  der  postmortalen  Destination  der  Märtyrer  und  aller  anderen  glaubenstreuen  Christen  zu  nennen.101  Ebenso  wird  innerhalb  der  Rechtfertigung seiner  Flucht während  der Verfolgung unter  Decius  deutlich,  daß  er  sich  mit  der  restriktiven  Auslegung  von  Mt  10,23  in  Tertullians  „De  fuga  in  persecutione"  auseinandersetzt.  Dies  geschieht  nicht  durch  explizite  Ablehnung,  sondern  indem  er  stillschweigend  die Gültigkeit  des nach  Tertullian  auf die  Zeit 

100 101

 Vgl.  Kap.  1, Anm.  73. 

 Ad Fort.  12 (CChr.SL ΠΙ, 213,49-214,59).  Vgl.  Anm.  75.  Cyprian  bezieht sich hier auf Apk  20,4;  die das Märtyrerprivileg  nivellierende  Exegese  dieser  Stelle  deutet  nach Margerie,L'intérêt, 204, auf eine implizite Auseinandersetzung mit Tertullian um die Auslegung der Johannes-Offenbarung hin, da dieser gerade Apk 6,9 als zentralen Beleg für die Betonung des Märtyrervorranges herangezogen hatte (De an.55,4).

Zusammenfassung  und  Ausblick 

313 

der Apostel  beschränkten  Gebotes  auch auf seine  Situation  ausdehnt,  die  er mit  derjenigen  der Apostel  parallelisiert102,  in  deren Nachfolge  er als  Bischof  steht.  Seine  ausfuhrliche  Rechenschaft  über  die  von  ihm  ausgeübte  Gemeindeleitung  während  der  Zeit  seines  Exils103,  in  der  er  sich  eingehend  der  „exhortatio"  der  Bekenner und Märtyrer gewidmet  habe,  kann darüberhinaus  als Antwort auf die  von Tertullian in Gestalt einer Frage formulierten Kritik  an  fliehenden  Klerikern  verstanden werden: „Itaque cum duces fugiunt, quis de gregario numero  sustinebit  ad gradum in acie figendum suadere?"104 Auch in seiner Rechtfertigung der Flucht  von Gemeindegliedern  zeigt sich die  implizite  Auseinandersetzung  Cyprians mit  den Argumenten  seines Vorgängers:  Gegen die von  diesem  abgelehnte  göttliche  Legitimation  der Flucht setzt er das „mandatum" Christi zur „fuga in persecutione", das von ersterem abgelehnte Vorbild Christi105 wird von Cyprian ausdrücklich  zur Rechtfertigung der Flucht angeführt.106 Während  für Tertullian in dem die für  ihn möglichen Verhaltensweisen  in der Verfolgung bezeichnenden  Gegensatzpaar  „confessio"  -  „negatio"  die  Flucht  eine  Erscheinungsform  der „negatio" darstellt107, ist sie für Cyprian genau umgekehrt eine Form der „ confessio ". Damit  setzt er sich deutlich von Tertullian ab und widerlegt  dessen Position  indirekt.  In  ihrer  Rigorosität  haben  Tertullians  Auffassungen  von  der  unbedingten  Forderung  Gottes  nach  dem Blut  der Gläubigen,  d.h.  von  der  unausweichlichen  „Notwendigkeit des Leidens",  der Exklusivität  der postmortalen  Destination  der 

102   Diese  Überlegung  basiert  auf  mündlich  und  brieflich  mitgeteilten  Ausführungen  Henneke  Gülzows. Nach  seiner Interpretation  in Henneke  Gülzow,  Cyprian  und Novatian ­  Der Briefwechsel  zwischen  den  Gemeinden  in  Rom  und  Karthago  zur  Zeit  der  Verfolgung  des  Kaisers  Decius,  Tübingen  1975,64,  parallelisiert  Cyprian  mit der  auch  in paulinischen  Briefen anklingenden  Formel  „absens  tarnen  corpore  nec  spiritu" (vgl.  z.B.  1 .Kor  5,3)  seine  eigene  Situation  mit  derjenigen  des  Paulus  und  weitet  dadurch  die  Gültigkeit  des  von  Tertullian  auf  die  Apostel  begrenzten  Flucht­ gebotes  aus  Mt  10,23  auf  sich  aus:  „Mit  den  Worten  der  Apostel  charakterisiert  er  (sc.  Cyprian)  seine  Situation  und  bringt  zum  Ausdruck,  daß  er  in  der  Lage  ist,  die  auch  fur die  Apostel,  in  deren  Nachfolge er als  Bischof  steht  (vgl.  ep.  33,1),  typisch  war.  Und  für diese  Lage  hatte  auch  Tertullian  die  Weisung  Jesu  akzeptiert."  Einschränkend  ist  allerdings  zu  sagen,  daß  Tertullian  die  Gültigkeit  von  Mt  10,23  auch  für die Zeit  der  Apostel  nur  temporär,  nämlich  bis  zum  Übergang  der  Mission  zu  den  Heiden,  hatte  gelten  lassen  (De  fuga 6,6;  CChr.SL  II,  1143,45­55).  Auf  diese  Begrenzung  geht  Cyprians  indirekte  Auseinandersetzung  mit  Tertullians  Argumentation  nicht  ein.  103  Vgl.  ep.  20,2f (CChr.SL  m  Β,  107,16­110,60).  Zur  Illustration  seiner  gewissenhaften  Pflicht­ erfüllung sendet  Cyprian  den  Adressaten,  den  römischen  Diakonen  und  Presbytern,  die  dreizehn  Briefe mit,  die  er aus  seinem  Fluchtort  an  die karthagische  Gemeinde  geschrieben  hat  (ep.  5­7.10­ 19).  104  De  fuga  11,1  (CChr.SL  II,  1148,6­8).  105 106

 Vgl.  De  fuga 8  (CChr.SL  II,  1145,1­23). 

 De  laps.  10 (CChr.SL  III, 226,196­198):  „Et  ideo  in persecutione  secedere et fugere  mandavit,  adque  ut  id  fieret et  docuit  et  fecit."  107  De  fuga  12,5  (CChr.SL  II  1151,54f):  „negatio  est  martyrii  recusatio". 

314 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

Blutzeugen und der Ablehnung der Flucht  in der Verfolgung bei Cyprian  Wider­ spruch hervorgerufen. Sowohl in seiner in der afrikanischen Theologie  erstmali­ gen  ausdrücklichen  Formulierung  einer  in vielen  Einzelzügen  auch  bei  Cyprian  vorfíndlichen  theologischen  Deutung  von  Verfolgung  und  Martyrium,  als  auch  durch seine Abgrenzung und Widerspruch herausfordernde Rigorosität  ist Tertul­ lian somit produktiv für die Ausformung der afrikanischen Martyrologie  gewesen,  indem  die notwendige  Auseinandersetzung  mit  seinen  Positionen  zur  Konturie­ rung derjenigen seines Nachfolgers beitrug.  Die  Bedeutung  seiner  Martyriumstheologie  besteht  so  zum  einen  in zeitgeschichtlicher  Hinsicht  darin,  daß  sie  als  unmittelbar  durch  die  Situation  der  karthagischen  Gemeinde  um  200  bedingter  Ausdruck  der  wesentlichen  Frontstellungen  seines  Wirkens  erscheint:  der  Argumentation  gegenüber  den  heidnischen  Vorwürfen  sowie  vor  allem  der  antihäretischen,  insbesondere  der  antignostischen  Auseinandersetzung  und der Konfrontation des Montanisten  mit  den  in  den  Reihen  der  „psychici"  vertretenen  ethischen  Forderungen.  Damit  ist  seine  Martyrologie  zugleich  ein  „Spiegel"  des  innerhalb  der  karthagischen  Ge­ meinde  um  200  bestehenden  Spannungsfeldes,  in  dem  unterschiedliche  Auf­ fassungen  hinsichtlich  des  in  der  Konfrontation  mit  der  heidnischen  Umwelt  gebotenen  Verhaltens  miteinander  konkurrierten.  In wirkungsgeschichtlicher Hinsicht  liegt  ihre  Bedeutung  zum  anderen  darin,  daß  sie  als  erste  lateinische  Martyrologie Nordafrikas das „Material" liefert, auf dessen Basis Cyprian  sowohl  durch  Übernahme  verschiedener  Motive  der  theologischen  Verfolgungs­  und  Martyriumsdeutung  als auch durch Abgrenzung und Entwicklung  gegenläufiger  Auffassungen sein,  für die weitere  Entwicklung  der  afrikanischen  Martyriumst­ heologie  prägendes108,  Konzept  entwickelt.  Damit  ist  Tertullian,  auch  wenn  er  innerhalb seiner Theologie des Martyriums  in weiten Teilen  Minderheitsmeinun­

108  Die  Wirkung  Cyprians  zeigt  sich  zunächst  in der  Erbauungsliteratur  des  3.  Jhdts.,  z.B.  in  „De  rebaptismate",  „De  laude  martyrii"  und  „De  centesima,  sexagésima,  tricésima"  (vgl.  Hugo  Koch,  Die  pseudo-cyprianische  Schrift De  centesima,  sexagésima,  tricésima  in  ihrer  Abhängigkeit  von Cyprian,  in: ZNW  31  (1932),  248-272),  darüberhinaus  aber  auch  in  Augustins  Martyrologie.  Zu  den  Auffassungen  Cyprians,  die  sich  bei  ihm  wiederfinden,  gehören u.a.  die  nachdrückliche  Bindung  des  Martyriums  an  die  Kirche  (Aug.,  De  bapt.  IV,  17,24;  CSEL  LI,  250,12-251,5;  ep.  173,5f; CSEL  XLrV,  643,13-645,2;  Sermo  138,2;  PL XXXVIII,  764;  vgl.  Boeft,  Martyres,  1180,  die  Vorstellung des  Leidens  Christi  im Märtyrer (vgl.  Boeft, Martyres,  120,  der allerdings  für diese  Auffassung Augustins  nicht Cyprian als Vorläufer anfuhrt) sowie der Gedanke einer „Krönung" der  Gläubigen  auch  in  den  „Verfolgungen"  der  Friedenszeit  (Sermo  4,34;  PL  XXXVIII,  52;  vgl.  Enarr.in psalm.  LXIII,1; PL XXXVI,  761;  Enarr.in psalm.  LXIX; PL XXXVI,  866).  Die  Rezeption  cyprianischer  Deutungsmuster  zeigt  sich  sogar  in nahezu  wörtlichen  Anleihen:  Vgl.  Aug.,  Sermo  303,2  (PL XXXVIII,  1395):  "In persecutione  militia,  in pace  constantia  coronatur" mit  Cypr.,  Ad  Fort.  13 (CChr.SL  III,  216,41f): "In persecutione  militia,  in  pace  conscientia  coronatur." 

Zusammenfassung  und  Ausblick 

3 1 5 

gen  vertreten  hat,  die  sich  als  solche  nicht  durchsetzen  konnten,  dennoch  als  „Vater" der  für die afrikanische Spiritualität wesentlichen  theologischen  Deutung  der  Martyrien  sowie  des  auch  nach  der  Konstantinischen  Wende  bewahrten  Selbstverständnisses  der  afrikanischen  Kirche  als  „Church  of  Martyrs"109  an­ zusehen. 

109

 Frend,  Cult,  154.  Zu  den  Belegen  für diese  Prägung  der  afrikanischen  Kirche  vgl.  Kap.  1, 

mit  Anm.  3. 

Abkürzungsverzeichnis 

1. Tertullians  Schriften  Ad  mart  Ad  nat.  Apol.  De  test.an.  De  praescr.haer.  De  spect.  De  or.  De  bapt.  Adv.Jud.  De  pat.  De  paen.  De cult.fem.  Ad  ux.  Adv.Marc.  Adv. Val.  De  an.  De came  Chr.  De  res.carn.  De  cor.  Scorp.  De  idol.  Ad  Scap.  De fuga  Adv.Prax.  De  virg.vel.  De  mon.  De  ieiun.  De pud. 

= Ad  martyras  = Ad  nationes  =  Apologeticum  = De testimonio  animae  = De praescriptione  haereticorum  = De  spectaculis  = De  oratione  = De  baptismo  = Adversus  Judaeos  = De  patientia  = De  paenitentia  = De cultu  feminarum  = Ad  uxorem  = Adversus  Marcionem  = Adversus  Valentinianos  = De  anima  = De carne  Christi  = De resurrectione  carnis  = De  corona  =  Scorpiace  = De  idololatria  = Ad  Scapulam  = De  fuga in  persecutione  = Adversus  Praxean  = De virginibus  velandis  = De  monogamia  = De  ieiunio adversus  psychicos  = De  pudicitia 

2.  Cyprians  Schriften  e

p(p)·  De  hab.virg.  De  laps.  De  eccl.un.  De  dom.or.  Ad  Dem. 

=  epistula(e)  = De habitu  virginum  = De  lapsis  = De ecclesiae  unitate  = De dominica  oratione  = Ad  Demetrianum 

Abkürzungsverzeichnis 

De mort.  De op. et eleem.  De bon.pat.  De zel. et liv.  Test.  Ad Fort. 

317 

= De  mortalitate  = De opere et  eleemosynis  = De bono  patientiae  = De zelo et  livore  = Testimonia (Ad  Quirinum)  = Ad  Fortunatum 

3. Weitere  Quellen  Act.Cypr.  Act.Scill.  Ambr.,  De off.min.  Ambr.,  Expos.ps.  Aristid.,  Apol.  Äthan.,  Apol.  Äthan.,  Ep.encycl.  Athen.,  Leg..  Aug.,  Brev.coll.  Aug., Enarr.  in ps.  Aug., ep.  Aug., C.  Faust.  Aug., De  cat.rud.  Aug., De  civ.Dei  Aug., In  Joh.tract.  Cie., De  invent.  Cie., De off.  Clem.Al.,  Paid.  Clem.ΑΙ.,  Strom.  Comm.,  Instr.  Did.  Didask.  Ep.ad  Diogn.  Epict.,  Diss.  Epiph,  Pan.  Eus., Comm.in  ps.  Eus., De  mart.palaest.  Eus.,  HE  Eus.Gall.,  Horn.  Greg.,  Dial.  Greg., Hom.in  ev.  Greg.Nyssa,  Vit.Greg.  HA 

= Acta  Cypriani  = Acta  Scillitanorum  = Ambrosius,  De officiis ministrorum  = Ambrosius,  Expositio  psalmi  = Aristides,  Apologia  = Athanasius,  Apologia de  fuga sua  = Athanasius,  Epistula  encyclica  = Athenagoras,  Legatio pro  Christianis  = Augustinus,  Breviculus  collationis  cum  Donatistas  = Augustinus,  Enarrationes  in  psalmos  = Augustinus,  epistula  = Augustinus,  Contra  Faustum  = Augustinus,  De catechizandis  rudibus  = Augustinus,  De civitate  Dei  = Augustinus,  In Johannis evangelium  tractatus  = Cicero,  De  inventione  = Cicero,  De officiis  = Clemens  Alexandrinus,  Paidagogos  = Clemens  Alexandrinus,  Stromata  = Commodian,  Instructions  =  Didaché  =  Didaskalia  = Epistula  ad  Diognetum  = Epictet,  Dissertationes  = Epiphanios,  Panarion  = Eusebius, Commentarius  in  psalmos  = Eusebius,  De martyribus  Palaestinae  = Eusebius,  Historia  ecclesiastica  = Eusebius  ,Gallicanus\  Homiliae  = Gregor  der Große,  Dialogus  = Gregor  der Große,  Homilia  in  evangelium  = Gregor von Nyssa,  Vita Gregorii  Thaumaturgii  = Historia  Augusta 

Hieron., Comm.in  Joel.  Hieron.,  ep.  Hieron., De  vir.ill. 

= Hieronymus,  Commentarius  in Joelem  = Hieronymus,  epistula  =  Hieronymus,  De viribus  illustribus 

318 

Abkürzungsverzeichnis 

Hieron.,  Horn.in  Luc.  Hipp.,  In  Dan.  Hipp.,  Trad.Apost.  Herrn.,  Mand  Herrn.,  Sim.  Herrn.,  Vis.  Hör,  Carm.  Ign.Magn  Ign.Pol.  Ign.Rom.  Ign.Smyrn.  Iren.,  Adv.haer.  Jos.,  Ant.  Just.,  Apol.I/II  Just.,  Dial.  Juv.,  Sat.  Lakt.,  De  mort.pers.  Lakt.,  Div.Inst.  Luk., De  mort.Per.  Marc  Aurel,  Med.  Mart.Pol.  Min.Fel.,  Oct.  Orig.,  Exhort.ad  mart.  Orig.,  C.  Cels.  Orig.,  Comm.in  Mat.  Orig.,  In ep.ad  Rom  Pass.Agap.  Pass.Eupli  Pass.Mar.et  Jac.  Pass.Mont.et  Luc.  Pass.Perp.  Pass.Pion.  Petr.Al.,  ep.can.  Plin,  Pan.Trai  Plin.,  ep.  Ps.­Cypr.,  De  laude  mart  Ps.­Cypr.,  De  rebapt.  Sen.,  ep.  Sen.,  De  prov.  Suet.,  Vit.Nero.  Suet.,  Vit.Dom.  Sulp.Sev.,  ep.  Tac.,  Ann.  Tac.,  Agr.  Vita  Cypr. 

= Hieronymus,  Homilia  in  Lucam  =  Hippolyt,  Commentarius  in  Danielem  =  Hippolyt,  Traditio  Apostolica  = Hirt des  Hermas,  Mandata  = Hirt  des Hermas,  Similitudines  = Hirt  des Hermas,  Visiones  =  Horaz,  Carmina  =  Ignatius,  Ad  Magnesios  =  Ignatius,  Ad  Polykarpen!  =  Ignatius,  Ad  Romanos  =  Ignatius,  Ad  Smyrnaeos  =  Irenäus,  Adversus  haereses  = Josephus,  Antiquitates  =  Justin, Apologia  I/II  = Justin,  Dialogus  cum  Tryphone  = Juvenal,  Satirae  =  Laktanz,  De mortibus  persecutorum  = Laktanz,  Divinae  institutiones  =  Lukian,  De  morte  Peregrini  =  Marc Aurel,  Meditationes  =  Martyrium  Polycarpi  =  Minucius  Felix,  Octavius  =  Orígenes,  Exhortatio  ad  martyrium  =  Orígenes,  Contra  Celsum  =  Orígenes,  Commentarius  in  Matthäum  =  Orígenes,  In epistolam  Pauli  ad  Romanos  =  Passio  Agapaes  =  Passio  Eupli  =  Passio  Mariani  et  Jacobi  = Passio  Montani  et  Lucii  = Passio  Perpetuae  et  Felicitatis  =  Passio  Pionii  =  Petrus Alexandrinus,  epistula  canonica  =  Plinius,  Panegyricus  dictus  Traiano  Imp.  = Plinius,  epistula  = Pseudo­Cyprian,  De laude  martyrii  =  Pseudo­Cyprian,  De  rebaptismate  =  Seneca,  epistula  =  Seneca,  De  Providentia  =  Sueton,  Vita  Neronis  =  Sueton,  Vita  Domitiani  =  Sulpicius  Severus,  epistula  = Tacitus,  Annales  =  Tacitus,  Agricola  = Pontius,  Vita  Cypriani 

Abkürzungsverzeichnis 

319 

Sonstige Abkürzungen  nach:  Schwertner,  Siegfried, Internationales Abkürzungsverzeichnis  für Theologie  und  Grenz­ gebiete, Berlin/New  York  1992 (2. überarbeitete  und  erweiterte  Auflage). Die nicht  im  IATG  enthaltenen  Bezeichnungen  für Periodika wurden  ausgeschrieben. 

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­  Gregorii  Theologi  opera  quae  exstant  omnia, Tomus  I, PG  XXXV,  Paris  1885.  ­  Gregorii  Theologi  opera  quae  exstant  onia,  Tomus  II,  PG  XXXVI,  Paris  1885.  GREGOR  V O N N Y S S A : 

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­  Histoire  des  persécutions  pendant  la  première  moitié  du  troisième  siècle,  Paris  1894.  - Dix leçons  sur  le martyre,  Paris  1907.  ALTANER,  BERTHOLD/  STUIBER,  ALFRED: Patrologie. 

L e b e n ,  S c h r i f t e n  u n d  L e h r e  d e r 

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Register  1.  Tertullian  Ad mart.  1,1  Ad mart.  1,2  Ad  mart.  1,3  Ad mart.  1,4­5  Ad mart.  1,6  Ad mart.  2,1­6  Ad mart.  2,1  Ad mart.  2,3  Ad mart.  2,4 

Ad mart.  2,5  Ad mart.  2,6  Ad mart.  2,7  Ad mart.  2,8  Ad mart.  2,9f  Ad mart.  3,1  Ad mart.  3,1­5  Ad mart.  3,3 

Ad mart.  3,4  Ad  mart.  3,4­5  Ad mart.  4,2  Ad mart. 4,3  Ad mart.  4,4­7  Ad mart.  4,4­8  Ad mart.  4,9  Ad mart.  5,2  Ad nat. 1,1,2  Ad nat.  1,1,10  Ad nat. 1,2 

118.125.261f.  265f.  265.267  155.197.229.  264  64f.155.271.  302A  118.271.279  109  30.264  30.90A  93.98.164.  195.208.229.  261A.267.  268A  150  195f  260  65A.150.  271A  164 A  62f.65.125.  155.265  161  66f.74f.161.  197.203.  206A.229f.  265  155.161  68  41A.124.  170A.264  64A  124.196A  255A  41A.69.125.  196  125  70A  208A  37A.38 

Ad nat. 1,2,1  Ad nat. 1,2,2  Ad nat. 1,2,5  Ad nat. 1,3,3  Ad  nat.  1,3,10  Ad nat. 1,4,6  Ad nat.  1,7,8­9  Ad nat. 1,9,2  Ad nat.  1,16,16  Ad nat.  1,18,1  Ad nat.  1,18,3­5  Ad  nat.  1,19,2  Ad nat.  1,19,3  Ad nat. 11,7,5  Apol.  1,1  Apol.  1,2  Apol.  1,4­9  Apol.  1,7  Apol.  1,9  Apol.  2,1  Apol.  2,2­5  Apol.  2,3  Apol.  2,4  Apol.  2,5  Apol.  2,6­9  Apol.  2,7  Apol.  2,8f  Apol.  2,10­13  Apol. 2,1 lf  Apol.  2,13  Apol.  2,14  Apol.  2,17  Apol.  2,18  Apol.  2,19f  Apol.  3,3  Apol.  3,4  Apol.  4,1  Apol.  4,8  Apol.  5,2 

44.111  43.44A.112  111  58 A  41A  86A  47A  54A  260A  41A.253A  124A  154A.232A.  253A  255A.257  196A  45  195A.252  41  37A  41A  42  42  112  111  69A  43  42  43  40A.43  112  43  44.52.58  44A.53  44.58A.  112A  112A  112A  55A  45  51A  49 

Register  Apol.  5,3  Apol.  5,4  Apol.  5,5  Apol.  5,6  Apol.  5,6­7  Apol.  5,7  Apol.  5,8  Apol.  7,4  Apol.  9,6  Apol.  10,2  Apol.  12,3  Apol.  12,4  Apol.  12,5  Apol.  14,7  Apol.  17,6  Apol.  18,3  Apol. 20,2­3  Apol.  21,24  Apol.  21,25  Apol.  22,2  Apol. 22,4  Apol.  23,13  Apol. 23,15f  Apol.  24,2  Apol.  24,9  Apol.  25,9  Apol.  25,13  Apol. 27,4  Apol.  30,1  Apol.  30,7  Apol.  31,2  Apol.  32,1  Apol.  32,2  Apol.  34,1  Apol. 35,1  Apol.  35,5  Apol.  35,8  Apol.  35,9  Apol. 36,3­4  Apol.  37,1  Apol.  37,2  Apol.  37,3  Apol.  37,4  Apol.  37,5  Apol.  37,10 

47.51 A  47.52  48  70A  49.69A  47A  51  37A  37A  97A  41A  41A  40A.41 A  86A  91A  91.96A  102 A  49A.52  47A.55A.  251A  58  58A  91A  58A  99  56 A  56A  56 A  58  52  41A  89 A  52.94  52  52  89A  89A.95  37A.54  56  89  89  37.53  89 A  37A.70A.89.  254A  89  89A 

343 

95.260A  62.94A  91A  259  40A.260  69A  99  37A.54  99  91  99  38  70A  34 A  41A  69A  69A  91A  228  91A  37A.53  169.250  64A.67A.73  68A.74f.208.  212.227  Apol.  50,3  74A  256  Apol.  50,4  Apol.  50,5­9  124A.255  256  Apol.  50,10  Apol.  50,11  117A.154A.  256  Apol.  50,12  30.37A.41 A.  53.117A.252  123A.251  Apol.  50,13  252  Apol.  50,14  Apol.  50,15  212.221A.  252.253A  91 A.208.212  Apol.  50,16  234  De test.an.  3,2  De test.an.  4,7  236  De praescr.haer.  3,5  119  De praescr.haer.  3,6  263A  De praescr.haer. 4,5  100.283A  De praescr.haer.  4,6  76f  De praescr.haer.  13,5  156A.162A  De praescr.haer.  30,1­10  142  De praescr.haer.  36,3  147A 

Apol.  38,1  Apol.  39,2  Apol.  39,4  Apol.  39,5  Apol.  39,6  Apol.  39,16  Apol. 40,1  Apol.  40,2  Apol.  40,12  Apol.  41,3  Apol.  41,4  Apol.  42,1­7  Apol. 42,3  Apol.  42,6  Apol. 44,3  Apol. 46,7  Apol. 47,3  Apol.  47,12  Apol.  47,13  Apol.  48,15  Apol.  49,4  Apol.  50,1  Apol.  50,1­3  Apol.  50,2 

344  De praescr.haer.  36,4f  De praescr.haer.  36,5  De praescr.haer.  39,1  De praescr.haer. 40,9  De praescr.haer.  43,2  De spect.  1,4  De spect.  1,5  De spect. 4,1  De spect.  15,2  De spect.  16,6  De spect.  18,3  De spect. 20,4  De spect. 21,3  De spect. 24,4  De spect. 27,1  De spect. 28,5  De spect. 29,3  De spect. 29,5  De spect. 30,1­3  De spect. 30,2  De spect. 30,3  De or. 1,1  De or. 4,3  De or. 4,4  De or. 5,1  De or. 5,3  De or.  16,If  De or.  19,5  De or. 22,8  De or. 29,2  De or. 29,3  De or. 29,4  Debapt.  1,1  De bapt. 5,7  De bapt. 6,2  Debapt.  7,lf  Debapt.  12,1  Debapt.  15,1­3  Debapt.  15,2  Debapt.  16,lf  De bapt. 20,1  De bapt. 20,5  De pat. 3f  De pat. 4,2  De pat. 4,5  De pat. 5,13  De pat. 5,15 

Register 

142  126A.131 A  63A  112A  137  124  256  62A  155 A  89A  34A  90A  233A  62  37A.54.57  228.235A  230  63.231.302A  91Í.197A  99A  53.94A  159A  149  130A  94A  92  224A  62A  131A  89A  62f.  67A  62  162 A  231A  155A  21 ΙΑ  209.286  ÎOA  210f.229.286  112A  162 A  147  133A  133A  199A.273A  234A 

De pat. 8,3  De pat. 9,2­5  De pat. 9,5  De pat.  10,6­7  De pat.  11,4  De pat.  13,2  De pat.  13,4  De pat.  13,6  De pat.  13,7f 

De pat.  13,8  De pat.  15,2  De pat.  15,7  De paen. 2,3  Depaen.  2,11­12  De paen. 4,4  De paen. 4,5  De paen. 4,6  De paen. 7,11  De paen. 8,6­8  De paen. 8,9  De paen. 9,2  De paen. 9,3f  De paen. 9,5  De paen.  10,6  De cult.fem. 1,2,5  De cult.fem. 11,3,3  De cult.fem. 11,9,6  De cult.fem. II,13,3f  De cult.fem. 11,13,5  De cult.fem. 11,13,6  Adux. 1,1,3  Adux. 1,1,5  Ad ux. 1,3,2­5  Ad ux. 1,4,4  Adux. 1,5,1  Ad ux. 1,5,4  Ad ux. 1,7,4  Ad ux. 1,8,3  Adux. 11,2,1  Ad ux. 11,3,1  Ad ux. 11,4,2  Adux. 11,6,1  Adv.Marc. 1,9,5 

151A  235  228  90  82A.163A  176  85A  136A.176  176.197.  210A.211.  228  87A.176  156  156  234A  90  133A.138  130A  127A  217  216A  112A  112A  272f  274  114A.231A.  272f  204.229  136A  102 A  66  124  101  66A  204.226  177  229  229  102 A  117A.273A  231  55A  152  118.267A.  268A  94A.229  112A 

Register  Adv.Marc.  1,19­21  Adv. Marc.  1,22,8  Adv.Marc.  1,24,4  Adv.Marc.  11,5,7  Adv.Marc. 11,9,9  Adv.Marc.  11,20,3  Adv.Marc.  11,25,3  Adv.Marc.  111,8,1­7  Adv.Marc.  111,14,3  Adv.Marc.  111,20,2  Adv.Marc.  111,24,1  Adv.Marc.  111,24,3  Adv.Marc.  111,24,6  Adv.Marc.  111,24,9  Adv.Marc.  IV,7,13  Adv.Marc.  IV,9,6  Adv.Marc.  IV,21,9  Adv.Marc.  IV,22,4f  Adv.Marc.  IV,28,4  Adv.Marc.  IV,28,5  Adv.Marc.  IV,34,13  Adv.Marc.  IV,34,14  Adv.Marc.  IV,39,3­17  Adv.Marc.  IV,39,4  Adv.Marc.  IV,3 9,6  Adv.Marc.  IV,39,8  Adv.Marc.  IV,39,9  Adv.Marc.  IV,39,14  Adv.Marc.  V,7,8  Adv.Marc.  V,8,12  Adv.Marc.  V,9,3  Adv.Marc.  V,12,5  Adv.Marc.  V,14,l  Adv.Marc.  V,14,4  Adv.Marc.  V,18,12f  De pali.  4,6  Adv.Val.  4,1  Adv.Val.  5,1  Adv.Val.  30  Adv.Val.  30,1  Adv.Val.  30,2  Dean.  1,4  De an.  7,4  De an.  9,4  De an.  11,4 

131A  199A.234  112A.113.  136A  234  234  221A  112A  136  63A  37A  203A  197A.198A  204  79A  117A  139A  204  166A  114A  115  203A  117A.202  100A  100A  156A  55A.234A  55A.85A  102 A  102 A  166A.167A  233A  90A  136.152  231A  63A  69A.196  117A.259  118  126 A  127A.142  5A.112A  162 A  203A.225A  165.167A.  266A  166 A 

De an.  15,4  De an.  21,2  De an.  27,2  De an.  35,3  De an.  38,2  De an.  43,10  De an.  45,3  De an.  50,2  De  an.  50,4  De an.  52,1  De an.  52,2  De  an.  52,4  De an.  53,2­5  De an.  55,1  De an.  55,2  De an.  55,3  De an.  55,4 

De an.  55,5 

De an.  58,1  De an.  58,2  De carne Chr. 5  De came  Chr.  12,1  De carne  Chr.  17  De res.earn.  2,3  De res.earn.  7,12  De res.carn.  8,3  De res.carn.  8,5  De res.carn.  14,9  De res.carn.  17,5  De res.carn.  17,9  De res.carn.  22,1  De res.carn.  22,2  De res.cam.  22,9  De res.carn.  22,10  De res.carn.  24,7  De res.carn.  24,17f  De res.carn.  25,1 

345  167A  166A  233  62A  199A  286A  166 A  233  141.151  200A.233  234  236A  164 A  203A  79A.200A.  216A.227  199A.226.  237  37.116.118.  166.199.  225f.237  116.145A.  148.151.  199ff.226.  238f  203A  117A.202  136A  233A  152A  136  233  161A  136A.148.  152.261A  202A  201A  202A  92A.102A  94  54.92A.99A.  101 A.102A  101  100A.102A  52A.100A.  102A  92 Α. 100.201 

346  De res.carn. 25,1­3  De res.carn. 26,7  De res.carn. 26,12  De res.carn. 41,3  De res.carn. 41,6  De res.carn. 43,4  De res.carn. 44,9  De res.carn. 47,15  De res.carn. 49,6  De res.carn. 52,1 lf  De res.carn. 62  De exhort.cast.  1,4  De exhort.cast. 2,3  De exhort.cast.  2,5  De exhort.cast.  3,lf  De exhort.cast. 3,3f  De exhort.cast. 4,6  De exhort.cast.  7,3  De exhort.cast.  11,1  De exhort.cast.  12,1  De exhort.cast.  12,4  De cor. 1,1  De cor.  1,2  De cor.  1,3  De cor.  1,4  De cor.  1,5 

De cor. 2,1  De cor. 3,2  De cor. 3,3  De cor. 6,3  De cor. 7,7  De cor. 11  Decor.  11,1  De cor.  11,2  De cor.  11,4  Decor.  11,5  Decor.  11,6  Decor.  12,3  Decor.  12,4 

Register  93.99  204  235  116A  233A  198f.200A.  225  231A  67A.198A  234A  216  204  162 A  133A  133A  178  177  166A.168.  278A  266A  228A  62  37A.54  11.34.51 A.69.  70A.71A  11.186  11.70.117.  123 A  140A.158.  186  34.137A.  158.177A.  186  79A.116  62A  9A  IIA  34A  70  71A  89A  70A  114A.115.  152  142  34  37A 

De cor.  12,5  De cor.  13,7  Decor.  13,8  De cor.  14,4  Decor.  15,2  Scorp.  1,5  Scorp.  1,7­8  Scorp.  1,8  Scorp. 1,10  Scorp.  1,11  Scorp.  1,12  Scorp.  1,13  Scorp. 2,1  Scorp. 2,1­2  Scorp. 3,2  Scorp. 3,2­7  Scorp. 4,lf  Scorp. 4,3­5  Scorp.  5,lf  Scorp. 5,1­4  Scorp. 5,4f  Scorp. 5,6f  Scorp. 5,6­12  Scorp. 5,7  Scorp. 5,8  Scorp. 5,9  Scorp. 5,10  Scorp. 5,12  Scorp. 5,13  Scorp. 6,1  Scorp. 6,2  Scorp. 6,5  Scorp. 6,6 

Scorp. 6,7  Scorp. 6,8  Scorp. 6,9  Scorp. 6,10  Scorp.  6,11  Scorp. 7,1 

62  69A.196  197A  308A  70A  118.127.140  123  123A.132  35.36A.  125A  36.40A.78.  117.185A  127  125 A  195  127f. 133  128  81A  128.133  129  133  129f  207  195  135  208  136A  207  132A  134.211A.  234A  195  72.73.214A  222  222  66A.73  66A.72.77.  88A.123.  134.230  191.221  221  210A.213  118.210A.  213  134.214.221  224.232  126A.134f. 

Register  Scorp. 7,2  Scorp.  7,3­4  Scorp. 7,5  Scorp.  8,1  Scorp.  8,1­2  Scorp.  8,1­8  Scorp.  8,2  Scorp. 8,3  Scorp. 8,4  Scorp.  8,7  Scorp. 8,8  Scorp. 9,1  Scorp. 9,1­5  Scorp. 9,3  Scorp. 9,5  Scorp. 9,6  Scorp. 9,8  Scorp. 9,8­13  Scorp.  9,9 

Scorp.  9,12  Scorp.  10,1  Scorp.  10,4  Scorp.  10,5  Scorp.  10,7  Scorp.  10,8  Scorp.  10,9  Scorp.  10,10  Scorp.  10,11  Scorp.  10,14  Scorp.  10,15  Scorp.  10,16  Scorp.  10,17  Scorp.  11  Scorp.  11,1  Scorp.  11,2  Scorp.  11,3 

Scorp.  11,4  Scorp.  11,5  Scorp.  12­14  Scorp.  12,1 

118  77  134A  134A.233  237  131  84  86  156  114A.116  86.153A.257  131.133  87f.  131  263A  147.152A  114A.152  131  113A.122A.  153.160A.  3 02A  113A.153  132  114A.152  78A  147  114A.147.  200A.224  113  55f  55.57A.  261A  113.111.132  132A  132  114.132  132  113.114A.  148A  114A  90.99.115.  142A.156.  262  262  113.262  132  116.226A 

Scorp.  12,2  Scorp.  12,3  Scorp.  12,5  Scorp.  12,6  Scorp.  12,7  Scorp.  12,8  Scorp.  12,9 

Scorp.  12,10  Scorp.  12,11  Scorp.  13,1  Scorp.  13,2  Scorp.  13,9  Scorp.  13,9f  Scorp.  13,10  Scorp.  13,12  Scorp.  15,2  Scorp.  15,3  Scorp.  15,4  Scorp.  15,5  Scorp.  15,6  Scorp.  15,7  De idol.  1,4  De idol.  12,2  De idol.  13,4  De idol.  15,8  De idol.  18,8  De idol.  19  De idol.  19,2  De idol. 21,3  Ad  Scap.  1,1  Ad  Scap.  1,2  Ad  Scap.  1,3  Ad Scap.  1,4  Ad  Scap.  2,6  Ad  Scap.  2,8  Ad  Scap.  2,10  Ad  Scap.  3,1  Ad  Scap. 3,3  Ad  Scap. 3,4  Ad  Scap. 3,5 

347  148.151 A  77  112  77.118A  63A  195.204ff.  92A.93.118  123A.201f.  204.221  116.214f.  220A.223  82A.116  116  87  163  135A.152  258  88.214A  54A  47A.55A.  116  116A.132.  151A  133  125A.134.  152  127A  139A  150A.151  203A  53  47  69  62f.71  63  123A.126A  187A  89A  253  95.52  52  37A.89f.  33.54A.95  96  29.32A.40A.  53.97  35.37.97 

348  Ad  Scap.  3,6  Ad  Scap.  4,1  Ad  Scap.  4,2  Ad  Scap. 4,3  Ad  Scap. 4,5f  Ad  Scap. 4,6  Ad  Scap. 4,7  Ad Scap.  4,8  Ad  Scap. 5  Ad Scap.  5,1  Ad  Scap.  5,2  Ad  Scap.  5,4  De fuga 1,1  De fuga 1,2  De fuga  1,3­4  De fuga 1,4  De fuga 1,5 

De fuga  1,5­6  De fuga 2,1­2  De fuga 2,4  De fuga 2,6  De fuga 2,7  De fuga 3,1  De fuga 3,1­2  De fuga 4,1  De fuga 4,2  De fuga 4,3  De fuga 5,2  De fuga 5,3  De fuga 6,1  De fuga 6,3  De fuga 6,6  De fuga 6,7  De fuga 7­9  De fuga 7,1  De fuga 7,2  De fuga 7,4  De fuga 8,1  De fuga 8,3 

Register

41A  54.98  40A.44A.  113A.111A  29.53A.54  32f  51  37A.54A  35  35  54A.169.  187.208.257  37A.184  253  35.178  73.136  77ff. 136  216A  63A.66A.73f.  75A.78A.  204A.223  82  73.75A.80.  82  157  74A  73.75.81  77A.81f.113  74f.76A.80f.  77.138.179  138  138.179  114.157.179  37.118A.  138.157.179  138.180  180  180.313  180  138  114A.122A.  152.180  148.180.  204A  82  181.313  138A.181. 

De fuga 9,1  De fuga 9,2  De fuga 9,3  De fuga 9,4 

De fuga  10,1  De fuga  10,2  De fuga  10,3  De fuga  11,1  De fuga  11,2  De fuga  11,3  De fuga  12,1  De  foga  12,2f  De fuga  12,3  De  fuga 12,5  De fuga  12,7  De fuga  12,9  De fuga  12,1­14,1  De fuga  13,3  De fuga  14,If  De fuga 14,2  De  fuga  14,3  Adv.Prax.  1,4  Adv.Prax.  2,1  Adv.Prax.  26  Adv.Prax.  29,2  Adv.Prax.  29,7  De virg.vel.  1,5  Devirg.vel.  1,7  De virg.vel.  2,3  Devirg.vel.  17,3  De mon.  1,1  De mon.  1,2  De mon.  1,3  De mon.  2,If  De mon.  3,3  De mon.  3,10  De mon.  5,1  De mon.  5,3  De mon.  5,13 

313  112A.181  74  239  139.145A.  148.152.  157A.188f  208.239  62.74.139  74  157A.160A  74.181.313  157A.175.  181.221A  182  54A.139.182  151  63A.152A  139f.182.313  160 A  100  170  184  182f.l90  147.158.  214A.287  140.158.184.  287  118A.  121.287  157A  114A.115  136A  159  157A  157A  197  165  278  287A  158.278  157A  177  102A.158  85A  199 A  196 A 

Register  De mon.  6,2  De mon.  7,4  De mon.  7,9  De mon.  10,1  De mon.  10,4  De mon.  10,6  De mon.  12,2  De mon.  16,4  De ieiun.  1,1  De ieiun.  3,1  De ieiun.  3,2  De ieiun.  8,4  De  ieiun.  9,2  De ieiun.  12,2  De ieiun.  12,3  De ieiun.  12,4  De ieiun.  13,5  De ieiun.  17,8  De pud.  1,6  De pud.  1,8  De pud.  1,10  De pud.  2,16  De pud.  3,3f  De pud.  3,4f  De pud.  5,14  De pud.  6,18  De pud.  9,8  De pud.  9,10  De pud.  9,11  De pud.  9,21  De pud.  10,13  De pud.  11,1  De pud.  11,3 

151A  102 A  228A  233.275A  9A.194A  207A.221A  266A  286A  278  85A  166 A  166 A  166 A  66.141 A.263  35.37.120.  263Í.267  264  158  63  277  183.219.282  278  139A  276A  275A  286A  152  216  217  159A  217  224A  271A  157A 

De pud.  13,7  De pud.  13,25  De pud.  14,17  De pud.  16,28  De pud.  18,2  De pud.  18,11  De pud.  19,25  De pud.  21,5  De pud.  21,6  De pud.  21,7  De pud.  21,10  De pud.  21,14  De pud.  21,16  De pud.  21,17  De pud.  22,1 

De  pud.  22,2  De pud.  22,3  De pud.  22,4  De pud.  22,6  De pud.  22,8  De pud.  22,9  De pud.  22,10  De pud.  22,11 

349  273A  220A  62  102 A  275A  183.219f.  109.139A.  182.276A  167.277A.  280  278  167.275.  278.280A  277A  277A.280A  231 A.275A.  277A.279A  167.278  120.167.  267A.268.  274.280  118.217.275  280A  87A.117.  120f.275f.  116A.218.  276  120.160A.  167.277  120.276  210A.218  208A.218  211 A.218 

2.  Cyprian 

ep. 4,4,3  ep.  5,1,1  ep.  5,2,1  ep.  6,2,1  ep.  6,2,2  ep.  6,4  ep. 7,1 

285  264A.296  163  145.154.242  261A  57  173 A.296 

ep.  7,2  ep. 8  ep.  8,l,2f  ep.  10,1,1  ep.  10,1,2  ep.  10,2,3  ep.  10,3 

264A  306A  175  258  161.258A  72A  160 

350  ep.  10,4,1  ep.  10,4,3  ep.  10,4,4  ep.  10,5,1  ep.  10,5,2  ep. 11  ep.  11,1,3  ep.  11,5,1  ep.  12,1,1  ep.  13,5,2  ep.  13,7  ep.  14,1,2  ep.  14,2,If  ep.  14,2,2  ep. 15  ep.  15,1,1  ep.  15,1,2  ep.  15,2,2  ep.  16,1,1  ep.  16,2,3  ep.  16,4,1  ep.  17,3,2  ep.  19,2  ep.  19,2,3  ep. 20,1,2  ep. 20,2f  ep. 20,2,2  ep. 21,3,2  ep. 22,2,2  ep. 23  ep. 27,3,1  ep. 28,1,1  ep. 28,2,3  ep. 28,2,4  ep. 29  ep. 30,8  ep. 31,1,3  ep. 37,1,2  ep. 37,2,1  ep. 37,3,1  ep. 37,3,2  ep. 37,4,2  ep. 38  ep. 38,1,2 

Register  168  57.219A  161.258A.  294  290A.301  296A.300.  303.306.309  108  163  82A  163.264A  122  121A.264A  173 A  121 A.264A  264A  123  119A.258A.  303A  266.281A  281A  123  281A.294A  108  294A  244A  170  57.173  313  123  273A  261A  281A  281A  163  163  31 OA  121A  167A.172  31 OA  163  261A  72A  145  119A.258A  121A  57.273A 

ep. 38,1,3  ep. 38,2,2  ep. 39  ep. 39,1,1  ep. 39,1,2  ep. 39,2,2  ep. 39,3,1  ep. 39,4,1  ep. 43,3,1  ep. 43,4,2  ep. 52,2,2  ep. 54,1,1  ep. 54,1,2  ep. 55,22  ep. 55,24,4  ep. 57,3,2  ep. 57,4,2  ep. 58,1,2  ep. 58,2,1  ep. 58,2,2  ep. 58,3,1  ep. 58,4,2  ep. 58,5,1  ep. 58,6,3  ep. 60,2  ep. 60,2,4  ep. 61,4,2  ep. 63,15,1  ep. 65,5  ep. 66,7  ep. 69,2,2  ep. 69,5,1  ep. 69,6,1  ep. 71,4  ep. 73,3  ep. 73,21,2  ep. 73,22  ep. 74,4,1  ep.  74,6,If  ep. 74,11,2  ep. 75,10  ep. 76  ep. 76,2,1  ep. 76,5,1  ep. 76,6  ep. 81,2  ep. 81,4 

293A  119A.123  121A  296A  168  261A  32A  163  298A  173 A  298A  300  122.299  306A  285A  219A  284  104  154.242  104  154.242  171  145  154.242  258A  72A  219A  294A  285A  170A.175  294A  285  285A  28 A  28A  285A.294A  210A.211A  294A  294A  285A  54A.171  119A  242  160  292A  258A  172.192 

351 

Register 

De laps. 2  De laps. 3  De laps. 4  De laps. 5­7  De laps.  10  De laps.  16  De laps. 27  De eccl.un.  4  De eccl.un. 5  De eccl.un.  6  De eccl.un. 7  De eccl.un.  14  De eccl.un.  23  De eccl.un.  24  De dom.or.  15  De dom.or.  16  De dom.or.  20  De dom.or.  24  De dom.or.  33  De dom.or.  34  De bon.pat.  5­8  De bon.pat. 7  De bon.pat.  12  De bon.pat.  13  De bon.pat. 21  De hab.virg. 7  De hab.virg. 21  De hab.virg. 23  De mort. 1  De mort. 2  De mort. 3  De mort. 4f  De mort. 9 

72A.258A  122.170A.  173.296f  304  108  170.173.  296f.313  294  290A  285A  261 A.294A  294A  285A  285  285A.294A  300  145.295.  305A  299A  302  285A  165A.304  105 A  147  308A  303  302  298A  303A  295A.306A  3 06A  290  104.303.305  236A.301A.  305  298.303.  301 A.304A  303A 

De mort.  12  De mort.  13  De mort.  14  De mort.  15  De mort.  17  De mort.  19  De mort. 21  De mort. 25  De mort. 26  De op.et eleem.  lf  De op.et eleem. 7  De op.et eleem.  9  De op.et eleem.  13f  De op.et eleem. 21  De op.et eleem.  22  De op.et eleem.  26  De zel.et  liv.  11  De zel.et liv.  15  De zel.et liv.  16 

De zel.et liv.  18  Ad  Dem.4f  Ad Dem.  12  Ad Dem.  12­13  Ad Dem.  16f  Ad Dem.  26  Ad Fort.praef. 1  Ad Fort.praef. 4  Ad Fort.praef.  5,1­5  Ad  Fort. 5  Ad Fort.  12  Ad Fort.  13  Test. 111,66 

302  302  304A  170A.290  163.289f.  296f.301 A  164 A  305  104  297A.305  306  302  304A  305  304  305A  300A.302.  304f.309  242.303A  301  301.303A.  304.306A.  309  305A  104  273A  57  98f  305  104  274A.296A  145  154.242  123.297.305  308.312  200A.274A.  298.305A  294A 

3.  Andere  altkirchliche  Autoren 

1 .Clem 5  l.Clem  50,3  Act.Cypr.  1,5 

61A.197A  230A  171A. 172A 

Act.Cypr. 4,3  Act.Cypr.  5,1  Act.Scil.  9­16 

212A 192  28 

Register 

352  Act.Scill.  15  Ambr.,  D e  off.min.  37,186  Ambr.,  Expos.ps.  C X V i n , 4 5 f f  Aristid.,  Apol.  16,6  Äthan.,  Apol.  10­25  Äthan.,  Apol.  11  Äthan.,  Apol.  13  Äthan.,  Apol.  17  Äthan.,  Apol.  19  Äthan.,  Apol.  22  Äthan.,  Ep.encycl.  5  Aug.,  Brev.coll.  3,13,25  Aug.,  C.Faust.22,36  Aug.,  De  bapt.  13,22  Aug.,  D e  civ.Dei  2,3  Aug.,  Enarr.in  ps. 

Lxm,i  Aug.,  Enarr.in  ps.  L X D Í  Aug.,  ep.  173,5f  Aug.,  ep. 185,12  Aug.,  ep.  228  Aug.,  ep.  243,8  Aug.,  In  Joh.tract.  15,2  Aug.,  In  Joh.tract.  28,2  Aug.,  In  Joh.tract.  46,7  Aug.,  In  Joh.tract.  49,28  Aug.,  Sermo  4,34  Aug.,  Sermo  133,7  Aug.,  Sermo  138,2  Aug.,  Sermo  303,2  Caes.Arl.,  Sermo  XLI  Caes.Arl.,  Sermo  XLVII  Caes.Arl.,  Sermo  LII  Caes.Arl.,  Sermo  CCXVIII  Caes.Arl.,  Sermo  C C X X V  Clem.ΑΙ.,  Paid.  1,42,1  Clem.ΑΙ.,  Strom.  11,19  Clem.Al.,  Strom.  IV,4  Clem.AL,  Strom.  IV,17,1  Clem.AL,  Strom.  IV, 17,1­4  Clem.AL,  Strom.  IV,71f  Clem.AL,  Strom. 

197A.212A  173.171A  311  53A  174 A  178 A  173  171.174A  171.174A  173 A  175A  172 A  173  28A  54A  314  314  314  172A  174A.175  261A  174 A  174A  175A  174 A  311.309  173  314  314  311  311  311  311  311  261A  26A  308A  126 A  172 A  126 A 

IV,73,1­4  Clem.AL,  Strom.  IV,73,5  Clem.AL,  Strom.  IV,74,3  Clem.AL,  Strom.  IV,76f  Clem.AL,  Strom.  IV,77f  Clem.AL,  Strom.  IV,77,1  Clem.AL,  Strom.  IV,86f  Clem.AL,  Strom.  IV,87,2  Clem.AL,  Strom.  IV,93,1  C o m m . ,  Instr.  2,7,14­18  C o m m . ,  Instr.  2,21  Did.  16,4f  Didask.  19  Didask.  20  Ep.  ad  Diogn.  6  Ep.  ad  Diogn.  6,9  Ep.  ad  Diogn.  7,8  Epiph.,  Pan.  48,2,4­7  Eus.,  C o m m . i n  ps.56  Eus.,  D e  mart.palaest.  Eus.,  D e  mart.palaest.  Eus.,  D e  mart.palaest.  11,27  Eus.,  H E  11,2,4  Eus.,  H E  IV,15,1  Eus.,  H E  IV,15,8  Eus.,  H E  IV,22,4  Eus.,  H E  IV,23,2  Eus.,  H E  IV,23,10  Eus.,  H E  IV,26,3  Eus.,  H E  IV,26,6­7  Eus.,  H E  IV,26,9  Eus.,  H E  IV,41,7  Eus.,  H E  V , l , 4 f  Eus.,  H E  V , l , 5  Eus.,  H E  V, 1,7  Eus.,  H E  V , l , 9 f 

Eus.,  H E  V, 1,11  Eus.,  H E  V, 1,16  Eus.,  H E  V,1,19  Eus.,  H E  V , l , 2 2  Eus.,  H E  V , l , 2 3  Eus.,  H E  V, 1,27  Eus.,  H E  V, 1,29 

209A  2 5 3 A  2 0 9 A  173  172  172  130A  81A  279A  308A  308A  7 6 A  173A.174A.  2 0 0 A  2 0 9 A  53A  2 5 3 A  253A  103 A  173  3,3  171  4,9  166.169  165  4 6 A  50 A  172 A  146A  50A  2 5 9 A  50A  50A  48  169  59 A  100A  54A  146A.147A.  151A.164A.  169.171A  259A  59A  61A  164 A  59A.160A  59A  160 A 

Register  Eus.,  H E  V , l , 3 5  Eus.,  H E  V , l , 3 6  Eus.,  H E  V , l , 4 1 f  Eus.,  H E  V, 1,42  Eus.,  H E  V , l , 4 5  Eus.,  H E  V , l , 4 9 f  Eus.,  H E  V , l , 5 1  Eus.,  H E  V , l , 5 6  Eus.,  HE  V , l , 6 2  Eus.,  HE  V,2,2  Eus.,  H E  V,2,4  Eus.,  H E  V,2,5  Eus.,  H E  V,2,6  Eus.,  H E  V,2,7  Eus.,  HE  V,5,4  Eus.,  HE  V,16,19  Eus.,  H E  V,16,21  Eus.,  H E  V , 1 8 , l  Eus.,  H E  V,18,2  Eus.,  H E  V,18,7  Eus.,  H E  V,28,8­12  Eus.,  H E  VI,1  Eus.,  H E  VI, 1­5  Eus.,  H E  VI,2,3  Eus.,  H E  VI,2,3­5  Eus.,  HE  V,2,41  Eus.,  HE  VI,4,2f  Eus.,  H E  VI, 19,16  Eus.,  H E  VI,40,1­9  Eus.,  H E  VI,41,1­9  Eus.,  H E  VI,41,12  Eus.,  H E  VI,41,16  Eus.,  HE  VI,42,3  Eus.,  H E  VI,42,5  Eus.,  H E  VII, 11,18f  Eus.,  H E  VII, 12  Eus.,  H E  VII,1  l , 1 8 f  Eus.,  HE  VII, 11,25  Eus.,  H E  Vili,5  Eus.,  H E  V n i , 1 6 , 3 f  Eus.Gall.,  Horn.  LV,15  Eus.Gall.,  Horn.  LVI,8f  Greg.,  Dial.  111,26,9  Greg.,  Horn.in  ev.  1,3,4  Greg.,  Horn.in  ev.  2,35,7  Herrn.,  Mand.  IV,3,6  Herrn.,  Sim.  VIII,2,l­4 

59A.165  61A  61 A.160A  59A.60.154  269A  169.171 A  164 A  164 A  33A  146A.151 A  117  269A  59A  197A  50A  103A  126 A  269A  103A  269A  32A  31  32.250  31  169A.192A  119A  211A  173  170A.173  54A  170A  169.250  170A.175  208A  174 A  171.168  172  263A  171  97A  311  311  311  311  311  209A  224A.304A 

353 

Herrn.,  Sim.  VIII,3,6  Herrn.,  Sim.  IX, 16,3  H e r r n ,  Sim.  IX,28,3f  H e r r n ,  Sim.  IX,28,6  H e r r n ,  Vis.  111,2  H e r r n ,  Vis.  111,1,9  H e r r n ,  Vis.  IV,3,4f  H i e r o n ,  C o m m . i n  Joel.  2,28ff  H i e r o n ,  De  vir.ill.  53  H i e r o n ,  De  vir.ill.  55  H i e r o n ,  ep.  3,5  H i e r o n ,  ep.  108,31,1  H i p p ,  In  Dan.  11,37  H i p p ,  In  Dan.  II,38,3f  H i p p ,  Trad.Apost.  9  H i p p ,  Trad.Apost.  19,If  Ign.Eph.  8,1  Ign.Eph.  18,1  Ign.Eph.  21,1  Ign.Magn.  5,2  Ign.Pol.  2,3  Ign.Pol.  6,1  Ign.Rom.  2 , I f  Ign.Rom.  4,1  Ign.Rom.  4,2  Ign.Rom.  5,3  Ign.Rom.  6,2f  Ign.Smyrn.  4,2  Ign.Smyrn.  6,2  Ign.Smyrn.  10,2  I r e n ,  Adv.haer.  11,14,8  I r e n ,  Adv.haer.  111,12,13  I r e n ,  Adv.haer.  111,16,4  I r e n ,  Adv.haer.  111,18,4f  I r e n ,  Adv.haer.  111,24,1  I r e n ,  Adv.haer.  IV, 18,3  I r e n ,  Adv.haer.  IV,25,2  I r e n ,  Adv.haer.  IV,33,9 

I r e n ,  Adv.haer.  IV,34,4  I r e n ,  Adv.haer.  IV,37,7  I r e n ,  Adv.haer.  V,31 

59A.61 A  211A  170  209A  224A.304A  197A  76A.77A  127A  26A  265A  307  307  93A.197A.  208A  164A.253A  259A  211A  219A  219A  219A  146A  219A  219A  197 A  169  146A.208.  219A  59A  146A.151A  146 A  259A  219A  127A  146 A  197A  126A.146A.  147A.151 A  261A  85A  85A  126A.197A.  210A.227A.  238A  85A  67A  202A.227A. 

354 

Register 

238  41A  253A  59A.86A  58A  197A  90A  90A  52 A  230A  126A  49A  58A  46A.197A.  212A  Just., Apol.  11,2,16  49A  58A  Just., Apol. 11,4  Just., Apol. 11,7,1  52 A  253  Just., Apol. 11,12,1  Just., Dial.  80  202A  Just., Dial.  110,4  253A  55A  Just., Dial.  131,2  Lakt., De mort.pers.  4,1  47 A  Lakt., De mort.pers.  3,4  48A  Lakt., De mort.pers.  33,7f  97A  Lakt.,  Div.Inst.  173  IV,18­12  Mart.Pion.  21  146 A  Mart.Pion.  22,If  61A  171Í.193A  Mart.Pol.  1,2  154.164A  Mart.Pol.  2,2  67A.194.  Mart.Pol.  2,3  200A  54A  Mart.Pol.  3  59A  Mart.Pol.  3,1  167.189A  Mart.Pol. 4  171A.172A.  Mart.Pol.  4,1  193 A  170A.173  Mart.Pol.  5  54 A  Mart.Pol.  12  55A  Mart.Pol.  12,2  55A  Mart.Pol.  13,1  219A  Mart.Pol.  14, If  165  Mart.Pol.  15,2  59A.61A.  Mart.Pol.  17,1  67A  55A  Mart.Pol.  17,2 

Just., Apol. 1,3  Just., Apol. 1,4,7  Just., Apol. 1,5  Just., Apol. 1,5,1  Just., Apol. 1,8  Just., Apol.  1,15,9­13  Just., Apol.  1,16,1­2  Just., Apol. 1,17  Just., Apol. 1,18  Just., Apol.  1,26,7  Just., Apol. 1,68,3  Just., Apol. 11,1,2  Just., Apol. 11,2 

Mart.Pol.  17,3  Mart.Pol.  18,1  Mart.Pol.  18,3  Mart.Pol.  19,1  Mart.Pol.  19,2  Min.Fel., Oct.  21,11  Min.Fel., Oct.  27  Min.Fel., Oct.  28,3  Min.Fel.,  Oct.  37,1  Orig.,  Comm.in  Mat.  10,23  Orig., C.Cels.  VII,26  Orig., C.Cels.  VIII,65  Orig., C.Cels.  VIII,73  Orig., Exhort.ad  mart.  18  Orig., Exhort.ad  mart.  28  Orig., Exhort.ad  mart.  30  Orig., Exhort.ad  mart.  35  Orig., Exhortad  märt.  37  Orig., Exhort.ad mart.  50  Orig., In ep.ad  Rom.  IV, 10  Pass.Agap  1,2  Pass.Eupli  If  Pass.Mar.et Jac.  6,1­5  Pass.Mar.et  Jac.  6,5­15  Pass.Mar.et Jac.  7,1­8  Pass.Mar.et  Jac.  8,1­16  Pass.Mar.et Jac.  11,1­6  Pass.Marc.  1,1  Pass.Mont.et  Luc.  2,1  Pass.Mont.et  Luc.  6,4­5  Pass.Mont.et  Luc.  7f  Pass.Mont.et  Luc.  11  Pass.Mont.et  Luc.  21  Pass.Perp.  1,5  Pass.Perp.  3,4  Pass.Perp.  3,5f  Pass.Perp.  3,7  Pass.Perp.  4,3  Pass.Perp.  4,5  Pass.Perp.  4,7  Pass.Perp.  6,6  Pass.Perp.  6,7  Pass.Perp.  9,1 

146 A  55A  61A  146 A  197A  23 OA  58A.59A  43 A  72A  173  253A  254A  71A  61A  208A  210A  253A  210A.274A  269A  171  170A.173A  169  164A  164A  164 A  164 A  164 A  166  145A.211A  59A.61A  164 A  164A  164A.162A  9A.163  211A  261A.267A  263A.267A.  268A  169  169A  59A  31  263A  267A 

Register 

Pass.Perp.  10  Pass.Peip.  10,1  Pass.Perp.  10,11  Pass.Perp.  10,14  Pass.Perp.  11,9  Pass.Perp.  13,8  Pass.Perp.  14,2  Pass.Perp.  15,6  Pass.Perp.  16,4  Pass.Perp.  17,2  Pass.Perp.  18­21  Pass.Perp.  18,2  Pass.Perp.  18,9  Pass.Perp.  19,4  Pass.Perp.  20,1 

60A  263A  59A  59  31  225A  170A  160  253.264.267  93A.208  31  209A  146 A  170A  59A 

Pass.Perp.  21,2  Pass.Perp.  21,11  Pass.Pion.  21  Petr.Al., ep.can.  9 

3 5 5 

209A  9A  144 A  169A.172A.  173.175  173 

Petr.Al., ep.can. 12  Ps.­Cypr.,  De laude  mart.  146 A  14  Ps.­Cypr.,  De  rebapt.  14  207A.210A.  21 ΙΑ  Sulp.Sev., ep. 2  307  Vita Cypr. 7  173 A  164 A  Vita  Cypr.  12 

4.  Heidnische  Autoren 

Cie., Tusc.  1,34,83  235A  Epict., Diss.  11,18,27  60A  Epict., Diss.  IV,7,6  254A  HA, vita  Sept.Sev.  17,1  31  Hör., Carm. 111,6,2  99A  Juv., Sat.  I,4,38.85f  48A  Luk., De mort.Per.  12  259A  254A  Luk., De mort.Per.  13  Marc Aurel, Med. 11,17  60A  Marc Aurel, Med.  111,16,1 48 A  Marc Aurel,  Med.  XI,3,2  50A.254A  Plin,  ep.  X,52,4  48A  Plin., ep.  X,96,3  256  Plin., ep.  X,97,l  48A 

Plin.,  Pan.Trai.  94,2  Sen., ep.  51,6  Sen., ep.  71,15  Sen., ep.  96,5  Sen., De prov.  3,6  Sen., De prov.  4,5  Sen., De prov.  4,7  Sen., De prov.  5,1  Sen.,  De prov.  5,10  Sen., Dial.  VI,19,5  Suet., Vit.Dom.  1.14  Suet.,  Vit.Ner.26.35.38  Tac., Ann.  15,44,4  Tac., Agr.  3,1 

48A  60A.65A  235A  60  60A  60A  76A  60A  77A  236A  47A  48A  89A  47A 

Leid und Martyrium in der Alten Kirche

Barbara Müller

Gerd Buschmann

Der Weg des Weinens

Das Martyrium des Polykarp

Die Tradition des „Penthos" in den Apophthegmata Patrum

Kommentar zu den Apostolischen Vätern, Band 6. 1998. 452 Seiten mit 1 Klapptabelle, Leinen ISBN 3-525-51681-9

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Band 76. 2000. 284 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55185-1 Das Weinen oder gottgemäße Trauern (Penthos) bildete für die ägyptischen Wüstenväter des vierten Jahrhunderts ein unentbehrliches Mittel auf ihrem Weg zur Schau Gottes. Unter Tränen erkannten sie ihre eigene Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit, weinend erfuhren sie aber vor allem die Güte Gottes. Gestützt auf die Apophthegmata Patrum, die Aussprüche der Väter, wird in dieser Untersuchung das Weinen der Wüstenväter beschrieben - eine Lehre und Praxis, welche nur vor ihrem biblischen, theologischen und ägyptischen Hintergrund verständlich wird. Dazu werden biblische Quellen des Neuen und des Alten Testaments analysiert, die sich mit Weinen und Trauer befassen, ebenso kultisches Weinen im Rahmen der Isis- und Osiris-Religion. Es zeigt sich, dass Gottesbeziehung der Wüstenväter sowohl durch Unmittelbarkeit der Erfahrung als auch reflektierende Verarbeitung geprägt ist.

A m Übergang vom Urchristentum zur Alten Kirche läutet das Martyrium Polykarps die neue literarische Gattung des Märtyrerberichts ein, die fortan vielfaltig beerbt wird. In innerkirchlicher Absicht betont das Martyrium Polykarps die Parallele zwischen dem Leiden des Herrn und dem des Märtyrers, um einer enthusiastischen Martyriumssehnsucht zu wehren und eine angemessene Märtyrerverehrung einzuüben. Der Kommentar bietet eine synoptische Ausgabe der griechischen Handschriften des Martyriums Polykarps und der Textwiedergabe in Eusebs Kirchengeschichte.

Hans von Campenhausen

Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche 2., durchgesehene Auflage 1964. IX, 188 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-55305-6

V&R

Vandenhoeck Ruprecht