Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich : Ergebnisse einer Umfrage unter Zugewanderten [1. Aufl. 2019] 978-3-658-25591-6, 978-3-658-25592-3

Die Zuwanderung der letzten Jahrzehnte stellt einen der zentralen Prozesse des sozialen Wandels in Österreich dar. In so

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Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich : Ergebnisse einer Umfrage unter Zugewanderten [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-25591-6, 978-3-658-25592-3

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VI
Was bedeutet Integration? (Max Haller, Wolfgang Aschauer)....Pages 1-22
Zur sozialen Lage der Zugewanderten (Wolfgang Aschauer, Alexander Seymer)....Pages 23-58
Sprache und soziale Integration (Max Haller, Caroline Berghammer)....Pages 59-79
Partnerschaften und Geschlechterrollen (Martina Beham-Rabanser, Caroline Berghammer, Ulrike Zartler, Johann Bacher)....Pages 81-111
Der Arbeitsmarkt in Österreich (Roland Verwiebe, Nina-Sophie Fritsch, Bernd Liedl)....Pages 113-153
Sozialkapital, Gesundheit und Lebenszufriedenheit bei Migrantinnen und Migranten sowie Österreicherinnen und Österreichern (Johanna Muckenhuber, Christoph Glatz)....Pages 155-174
Die Bedeutung der Religion für Migrantinnen und Migranten (Franz Höllinger, Regina Polak)....Pages 175-200
Politisches Interesse und politisches Informationsverhalten von Migrantinnen und Migranten (Dimitri Prandner, Alfred Grausgruber)....Pages 201-239
Emotionale Integration, nationale oder duale Identitäten? (Bernadette Müller Kmet, Otto Bodi-Fernandez)....Pages 241-269
Einstellungen und Vorurteile in Bezug auf Migration sowie Migrantinnen und Migranten in Österreich (Julia Hofmann)....Pages 271-293
Diskriminiert oder integriert? (Max Haller, Martina Beham-Rabanser, Johanna Muckenhuber, Wolfgang Aschauer)....Pages 295-311
Die Methodik der Zusatzerhebung unter Migrantinnen und Migranten im Rahmen des Sozialen Survey Österreich 2016 (Otto Bodi-Fernandez, Markus Hadler, Christian Mayer)....Pages 313-327

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Wolfgang Aschauer · Martina Beham-Rabanser Otto Bodi-Fernandez · Max Haller Johanna Muckenhuber Hrsg.

Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich Ergebnisse einer Umfrage unter Zugewanderten

Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich

Wolfgang Aschauer · Martina Beham-Rabanser · Otto Bodi-Fernandez · Max Haller · Johanna Muckenhuber (Hrsg.)

Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich Ergebnisse einer Umfrage unter Zugewanderten

Hrsg. Wolfgang Aschauer Abteilung Soziologie & Kulturwissenschaften, Universität Salzburg Salzburg, Österreich

Martina Beham-Rabanser Institut für Soziologie Johannes Kepler Universität Linz Linz, Österreich

Otto Bodi-Fernandez Center for Social Research Karl-Franzens-Universität Graz Graz, Österreich

Max Haller Institut für Soziologie Karl-Franzens-Universität Graz Graz, Österreich

Johanna Muckenhuber FH Joanneum Graz Graz, Österreich Gefördert vom Linzer Hochschulfonds sowie der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Paris Lodron Universität Salzburg

ISBN 978-3-658-25592-3  (eBook) ISBN 978-3-658-25591-6 https://doi.org/10.1007/978-3-658-25592-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Ingrid Walther, Frankfurt a. M. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis

1 Was bedeutet Integration? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zentrale Begriffe, theoretische Überlegungen und Fragestellungen dieser Studie Max Haller und Wolfgang Aschauer 2 Zur sozialen Lage der Zugewanderten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Eine differenzierte Analyse der Bildungs- und Arbeitsmarktchancen Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer 3

Sprache und soziale Integration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Die Deutschkenntnisse der Zugewanderten Max Haller und Caroline Berghammer

4 Partnerschaften und Geschlechterrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Martina Beham-Rabanser, Caroline Berghammer, Ulrike Zartler und Johann Bacher 5 Der Arbeitsmarkt in Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Auswirkungen des Strukturwandels für Einheimische im Vergleich mit Migrantinnen und Migranten Roland Verwiebe, Nina-Sophie Fritsch und Bernd Liedl 6 Sozialkapital, Gesundheit und Lebenszufriedenheit bei Migrantinnen und Migranten sowie Österreicherinnen und Österreichern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Johanna Muckenhuber und Christoph Glatz

V

VI

Inhaltsverzeichnis

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Die Bedeutung der Religion für Migrantinnen und Migranten. . . . . . 175 Franz Höllinger und Regina Polak

8 Politisches Interesse und politisches Informationsverhalten von Migrantinnen und Migranten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Dimitri Prandner und Alfred Grausgruber 9 Emotionale Integration, nationale oder duale Identitäten? . . . . . . . . . 241 Zugehörigkeitsgefühle von Migrantinnen und Migranten zu Österreich und zum Herkunftsland Bernadette Müller Kmet und Otto Bodi-Fernandez 10 Einstellungen und Vorurteile in Bezug auf Migration sowie Migrantinnen und Migranten in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Julia Hofmann 11 Diskriminiert oder integriert?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse Max Haller, Martina Beham-Rabanser, Johanna Muckenhuber und Wolfgang Aschauer 12 Die Methodik der Zusatzerhebung unter Migrantinnen und Migranten im Rahmen des Sozialen Survey Österreich 2016. . . . . . . . 313 Otto Bodi-Fernandez, Markus Hadler und Christian Mayer

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Was bedeutet Integration? Zentrale Begriffe, theoretische Überlegungen und Fragestellungen dieser Studie Max Haller und Wolfgang Aschauer

1.1 Vorbemerkung Österreich muss heute als ein Einwanderungsland betrachtet werden. In den üblichen sozialwissenschaftlichen Erhebungen sind Personen mit Migrationshintergrund, insbesondere jene, die noch keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, jedoch meist unterrepräsentiert. Die vorliegende Studie stellt die Ergebnisse einer Zusatzerhebung zum Sozialen Survey Österreich 2016 (Bacher et al. 2019) vor, in dem es darum ging, grundlegende Daten zu den Werthaltungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Zugewanderten zu erfassen, um diese mit jenen der „einheimischen“ Bevölkerung1 vergleichen zu können. Diese Einleitung gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Relevanz der Migration und Integration für Österreich. In den weiteren Abschnitten diskutieren wir einige soziologische Grundfragen im Zusammenhang mit den Problemen der Migration und Integration. Anschließend stellen wir die Studie genauer dar und 1

Der Begriff „einheimisch“ ist insofern problematisch, als er suggeriert, Zugewanderte könnten sich in Österreich nicht heimisch fühlen bzw. Österreich nicht als neue Heimat betrachten. Wir verwenden den Begriff jedoch ohne jeden Unterton dieser Art, einfach, weil kein anderer Begriff zu Verfügung steht, um die Personen ohne Migrationshintergrund zu bezeichnen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 W. Aschauer et al. (Hrsg.), Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25592-3_1

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Max Haller und Wolfgang Aschauer

gehen auf die in den einzelnen Beiträgen behandelten Fragestellungen ein. Es mag angebracht sein, schon an dieser Stelle einige grundsätzliche begriffliche Anmerkungen und Klärungen vorzunehmen. Die Begriffe Migration und Integration, die derzeit maßgeblich den politischen, medialen und öffentlichen Diskurs prägen, sind wissenschaftlich betrachtet sehr vielschichtig. Eine einheitliche Bestimmung des Terminus „Migrant“ existiert nicht. Stattdessen bietet die Migrationsforschung Definitionen an, die das „Migrantsein“ anhand unterschiedlicher Aspekte festzulegen versuchen. „Migration“ wird generell als der auf Dauer ausgerichtete oder dauerhaft werdende Wechsel des Wohnsitzes von Menschen in eine andere Region – auch innerhalb eines Nationalstaates – bezeichnet (vgl. Treibel 2008, S. 295). Die meisten internationalen Statistiken klassifizieren die Verlegung des Lebensmittelpunkts in Anlehnung an die Definition der UNECE (2015) über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr als (Langzeit-)Migration. In rechtlicher Hinsicht unterliegen Migrant_innen in Österreich je nach Einwanderungsgrund (Asyl, Arbeitskräftewanderung, Familiennachzug, Ausbildung, sonstige Gründe) unterschiedlichen Gesetzen (vgl. Sprung 2011). Einseitige und verkürzte Betrachtungen, wie sie vielfach in den Medien, in politischen Konzepten und in öffentlichen Diskussionen zutage treten, 2 können der komplexen Lebensrealität der Menschen und der Dynamik der aktuellen Migrationsbewegungen nicht gerecht werden. In diesem Buch soll – auf empirischen Erkenntnissen basierend – Licht ins Dunkel gebracht und geklärt werden, wie Migrationsdynamiken in Österreich einzuordnen sind und in welchem Ausmaß und auf welchen Ebenen „Integration“ stattfindet.

1.2

Zuwanderung nach Österreich und die Lage der Migrantinnen und Migranten. Sozialstatistische Fakten

Die Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten macht einen der wichtigsten Prozesse des sozialen Wandels in Österreich aus. Im Jahr 1961 lebten etwa 100.000 Ausländer in Österreich, das waren 1,4 % der Bevölkerung. In den 1970er Jahren stieg ihre Zahl auf rund 300.000 und zwischen 1991 und 2012 nochmals auf 970.000. Aktuell beträgt die Zahl ausländischer Staatsangehöriger über 1,3 Mio. Menschen, das sind 15,3 % der Bevölkerung (vgl. Statistik Austria 2017, S. 7). Darunter sind die Deutschen die mit Abstand größte Gruppe. Am 1. Jänner 2017 lebten mehr als 181.618 Deutsche in Österreich, gefolgt von 118.454 serbischen und 116.838 tür2

Vgl. dazu die neue Veröffentlichung „Migration und Integration – Fakten und Mythen. Siebzehn Schlagwörter auf dem Prüfstand“ (Haller 2018).

1  Was bedeutet Integration?

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kischen Staatsangehörigen. Auf den Plätzen vier und fünf rangierten Bosnien und Herzegowina (94.611) sowie Rumänien (92.095). Auf den Rängen sechs bis zehn fanden sich die Staatsangehörigen Kroatiens, Ungarns, Polens, Afghanistans und Syriens (vgl. Statistik Austria 2017, S. 27). Verwendet man die alternative Größe des Migrationshintergrunds, um kulturelle Diversität in Österreich zu erfassen, so leben aktuell 1,41 Millionen Menschen in Österreich, die in einem anderen Land geboren und später nach Österreich migriert sind (erste Generation). Zählt man die Personen hinzu, die selbst in Österreich geboren, aber deren Eltern eingewandert sind, kommt man auf 1.898.000 Menschen mit Migrationshintergrund (Statistik Austria 2017, S. 7 f.), das sind rund 20 % der Bevölkerung. Es ist daher angebracht, Österreich als eine „Einwanderungsgesellschaft“ zu betrachten (siehe schon Fassmann und Münz 1995). Dabei ist allerdings im Auge zu behalten, dass sich die Bevölkerung Österreichs nicht – wie die klassischen Einwanderungsländer in Nordamerika und Australien – zum überwiegenden Teil aus Zugewanderten und ihren Nachkommen zusammensetzt. Österreich hat heute einen der größten Ausländeranteile in der Europäischen Union und die Haltung zu Immigration und Integration hat sich grundlegend gewandelt. In den 1960er und 1970er Jahren wurde die Einwanderung von der Regierung zwar aktiv gefördert, jedoch wurden Zugewanderte überwiegend als „Gastarbeiter“ gesehen, als temporäre Aushilfe vor dem Hintergrund des damaligen Arbeitskräftemangels. Zu dieser Zeit war noch die große Mehrheit der Bevölkerung gegen deren dauerhafte Integration (Arbeitskreis für ökonomische und soziologische Studien 1973). Heute ist eine solche Position undenkbar geworden. Zum einen gehen die neuen Gesetze zu Einwanderung, Asyl und Aufenthaltsrecht, die zwischen 1992 und 2005 erlassen wurden, von Zuwanderung als einem gegebenen Faktum aus, etablierten jedoch Regulierungen im Hinblick auf die Rechte der Zugewanderten und die Anzahl der jährlich erteilten Arbeits- und Aufenthaltsberechtigungen für Ausländer_innen. Zum anderen hat der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union einen neuen, riesigen Arbeitsmarkt geschaffen, der es allen Bürger_innen der EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, in jedem anderen Land eine Arbeit aufzunehmen. Auch die öffentliche Meinung hat sich geändert. Zwar gibt es immer noch Vorurteile gegen bestimmte Migrantengruppen und insbesondere seit der großen Flüchtlingswelle 2015/16 sowie den zunehmenden islamistischen Terrorakten in Westeuropa – wieder steigende Vorbehalte gegen weitere Zuwanderung. Diese kritischen Stimmungslagen werden von rechtsorientierten Parteien und Boulevardmedien weidlich ausgenutzt und bewirken, dass die Themen Migration und Sicherheit im politischen, medialen und öffentlichen Diskurs seit Jahren eine hohe Resonanz erfahren (vgl. z. B. Wodak 1998; Weiss 2004; Friesl u. a 2010). Dennoch ergeben ländervergleichende Daten (z. B. Aschauer 2010) klar, dass auch

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Max Haller und Wolfgang Aschauer

in Österreich breite Teile der Bevölkerung Zuwanderung begrüßen und die Integration jener Eingewanderten fördern möchten, die legal in Österreich arbeiten und leben. Aber sowohl offizielle Statistiken als auch Spezialerhebungen zeigen, dass der Erfolg der Integration noch immer zu wünschen übrig lässt (z. B. im Überblick Oberlechner 2006). Verglichen mit der einheimischen Bevölkerung stehen die Zugewanderten und ihre Kinder im Hinblick auf Ausbildung, Berufschancen und Wohnbedingungen deutlich schlechter da (z. B. Fassmann 2007; Statistik Austria 2017). Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Migrant_innen. Wenn man etwa die größten dieser Gruppen nach Herkunftsländern vergleicht, so zeigt sich, dass jene aus westeuropäischen Ländern – insbesondere aus Deutschland, – praktisch keine Diskriminierung erfahren. Die größte Gruppe von Zugewanderten kam aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien (über 400.000); wohl die meisten dürften mittlerweile ein hohes Zugehörigkeitsgefühl zu Österreich aufweisen. In sozio-ökonomischer Hinsicht am schlechtesten gestellt sind vielfach Zugewanderte aus der Türkei (rund 130.000), bei denen neben Sprachbarrieren auch eine unterschiedliche kulturelle Mentalität und religiöse Praxis eine weitreichende gesellschaftliche Einbindung erschweren kann. Bemerkenswert ist, dass sich die Zugewanderten auf Grundlage der wenigen bisher vorliegenden Studien zur subjektiven Beurteilung im Großen und Ganzen gut integriert fühlen. Diese Integrationswahrnehmungen, ein wesentlicher Indikator Österreichs zur Beurteilung des Integrationsklimas, zeigen, dass sich Migrant_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu über 90 % voll oder eher heimisch fühlen, auch bei den Türk_innen sind es mehr als 75 % der Befragten (vgl. Statistik Austria 2017, S. 95). Eine Ausnahmestellung im Hinblick auf Zuwanderung nimmt die Bundeshauptstadt Wien ein, in der 42 % der rund 1,8 Millionen Einwohner einen Migrationshintergrund haben – mehr als in allen anderen europäischen Hauptstädten; mehr als jeder vierte Zugewanderte in Österreich lebte 2016 in Wien.3 Im Unterschied zu Großstädten in Frankreich und England gibt es in Wien aber keine scharfe ethnische Segregation, auch wenn die Zugewanderten zweifellos in bestimmten Bezirken viel stärker vertreten sind als in anderen (vgl. Rehberger 2009). Für diesen Befund gibt es mehrere Gründe. Der erste ist sicherlich die Tatsache, dass es massive Migration in das Territorium des heutigen Österreich schon in der k.-u.-k.-Monarchie, einem multinationalen Staat par excellence, gab. Die Monarchie war damals auch kein „Völkerkerker“ in dem Sinne, dass man alle as3

Daten von Statistik Austria (2017). http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_ migrationshintergrund/033241.html (12.11.2017).

1  Was bedeutet Integration?

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similieren wollte – im Gegenteil; Konflikte zwischen Wien und den Kronländern entwickelten sich vielfach deshalb, weil man die lokalen Sprachen auch als Amtssprachen einführen wollte und sich die deutschsprachigen Beamten und Mittelschichten dagegen wehrten. Mit der „multikulturellen Politik“ des alten Österreich stand auch in Zusammenhang, dass eine offizielle Anerkennung des Islam durch den Staat bereits im Jahre 1912 (mit Rücksicht auf die bosnischen Muslime) erfolgte. Zudem hat die Wohnbau- und Stadtentwicklungspolitik in Wien schon seit jeher versucht, eine scharfe Segregation zwischen sozialen Schichten, Zugewanderten und Einheimischen zu vermeiden. Zum Dritten kann man festhalten, dass die relativ rigiden Gesetze im Hinblick auf Aufenthaltserlaubnisse dazu beitrugen, dass die Erwerbsbeteiligung der Zugewanderten in Österreich höher ist als in Ländern mit sehr liberalen Zuwanderungsgesetzen, wie Belgien, den Niederlanden oder Schweden (z. B. Koopmans 2010). Insofern kann man vorsichtig darauf schließen, dass die Ausformung von „Parallelgesellschaften“, die sich auf bestimmte Stadtviertel konzentrieren, und von gesellschaftlicher Teilhabe weitgehend ausgeschlossen sind, in Österreich nicht stattgefunden hat; in Deutschland wird über dieses Thema jedoch sehr heftig und teils auch polemisch diskutiert (Tibi 2002; Nowak 2006; Sarrazin 2010; Kelek 2012). Die starke Zuwanderung hat ohne Zweifel wesentlich zum spektakulären wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs seit 1945 beigetragen. Dennoch muss man festhalten, dass auch in Österreich Integrationsprobleme auftreten und medial und politisch umfassend diskutiert werden. Wenn vielfach auch begabte Kinder der Zugewanderten keine adäquaten Bildungs- und Berufschancen vorfinden, bedeutet dies einen signifikanten Verlust an Humankapital für Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn an vielen Schulen Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen am Unterricht teilnehmen, ohne dass entsprechende sprachliche Fördermaßnahmen angeboten werden, leidet darunter das Niveau der Ausbildung. Es werden dadurch auch Prozesse der Abgrenzung zwischen In- und Ausländern verstärkt, etwa durch Abwanderung der deutschsprachigen Kinder in andere Bezirke oder in Privatschulen, und es werden gesellschaftliche Vorurteile gegen Zugewanderte gefördert.

1.3

Was ist Integration? – Ein Plädoyer für eine gesamtgesellschaftliche Perspektive

Der Begriff Integration wird bevorzugt im Bereich der Migrationsforschung verwendet und bezeichnet hier die Eingliederung von Zugewanderten in relevante Bereiche der Aufnahmegesellschaft. Eine sozialwissenschaftliche Integrationsforschung kann jedoch nicht auf Zugewanderte beschränkt bleiben, sondern soll-

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Max Haller und Wolfgang Aschauer

te sich mit dem Ausmaß gesellschaftlicher Teilhabe bei allen sozialen Gruppen auseinandersetzen. Wesentliche Aspekte in Bezug auf Integration sind nach Peters (1993) Teilhabemöglichkeiten, die beispielsweise die Qualität der Erwerbsbeteiligung, die Gewährleistung von politischer Mitbestimmung und die Einbindung in familiäre und freundschaftliche Nahbeziehungen betreffen. Erst wenn alle Bürger_innen – unabhängig von ihrer Herkunft – gesellschaftliche Teilhabe erfahren, kann Inklusion in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft stattfinden. Eine umfassende Konzeption ganzheitlicher Integrationsherausforderungen in der westlichen Gesellschaft liefert der Ansatz der Bielefelder Forschergruppe um Wilhelm Heitmeyer (vgl. insbesondere Anhut und Heitmeyer 2000, 2005; ähnlich auch Esser 2001). Die Autoren benennen drei grundlegende Problemdimensionen der gesellschaftlichen Integration, wobei objektive und subjektive Begleitumstände der Integration berücksichtigt werden. Die erste Ebene – die individuellfunktionale Systemintegration – betrifft die Einbindung der Individuen in die gesellschaftlichen Subsysteme. Objektiv betrachtet können auf dieser Ebene die adäquaten Zugänge zu Arbeits-, Wohn- und Konsummärkten in der Gesellschaft analysiert werden. Mitentscheidend ist jedoch auch die damit verbundene subjektive Zufriedenheit. Denn erst wenn Individuen in ihrer gesellschaftlichen Position Anerkennung und soziale Wertschätzung (Honneth 1992) erfahren, sind adäquate Erfahrungen der Einbindung gegeben. Die Ebene der kommunikativ-interaktiven Sozialintegration weist auf den erforderlichen Ausgleich unterschiedlicher Interessen in einer pluralisierten Gesellschaft hin. Es geht hier im engeren Sinne um die Einhaltung demokratischer Prinzipien, die unterschiedlichen sozialen Gruppen gleiche Rechte und Chancen gewähren. Eine ausgewogene Aushandlung von Interessen kann nur in einer lebendigen Demokratie funktionieren, daher müssen auf einer subjektiven Ebene auch eine Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement sowie ein Vertrauen in die gesellschaftlichen Institutionen gegeben sein. Die Ebene der kulturell-expressiven Sozialintegration thematisiert schließlich die Notwendigkeit eines funktionierenden Zusammenlebens. Gesellschaftliche Kohäsion entsteht bei einer ständigen Verfügbarkeit von Unterstützungsnetzwerken und durch vielfältige Möglichkeiten zur Herstellung emotionaler Bindungen. Auf subjektiver Ebene ist emotionale Anerkennung nur dann gewährleistet, wenn Beziehungen als sinnerfüllend erlebt werden und zur Erfahrung von Gemeinschaft beitragen (Anhut und Heitmeyer 2005, S. 83 f.). In den letzten beiden Jahrzehnten trugen mehrere Signalereignisse mit weitreichenden Folgewirkungen zu einer Renaissance von Fragen der kulturellen Diversität und gesellschaftlichen Kohäsion bei. Zu nennen sind hier die Attentate des 11. September 2001, die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 und die Flüchtlingskrise 2015/16. Wenn der gesellschaftliche Aufstieg trotz des allgemein an-

1  Was bedeutet Integration?

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erkannten Credos für Chancengleichheit häufig versperrt ist, 4 wenn gesellschaftliche Werte und Normen durch rapide gesellschaftliche Wandlungsprozesse nicht länger als tragfähig gelten und wenn die Bindekraft von gemeinsamen Milieus und gesellschaftlichen Integrationsinstanzen geschwächt ist, entstehen bei gesellschaftlichen Gruppen, die sich abgehängt fühlen, Unzufriedenheit, Orientierungslosigkeit und Entfremdungsgefühle. Analog zur individuell-funktionalen Systemintegration können sich Strukturkrisen manifestieren, wenn nationale Arbeitsmärkte durch die Sogwirkung der Globalisierung, durch Konkurrenz und Standortverlagerung unter Druck geraten und ein Rückgang der Normalarbeitsverhältnisse im Zeichen der Flexibilisierung zu beobachten ist. Auf der Ebene der kommunikativ-interaktiven Sozialintegration können sich Regulationskrisen manifestieren, die sich in einer erhöhten Institutionenverdrossenheit äußern. Auch auf kultureller Ebene können Kohäsionskrisen entstehen, wenn sich Gesellschaften zunehmend spalten (Lessenich und Nullmeier 2006) und es kann eine Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft erfolgen (vgl. Heitmeyer 2007, S. 38 ff.). Durch Erfahrungen einer weitreichenden Verunsicherung in der Bevölkerung, die Renationalisierungstendenzen begünstigt und mit einer deutlichen Abgrenzung gegenüber dem kulturell Andersartigen einhergeht (z. B. Triandafyllidou 1998) ist ein progressiver Weg der Integration für Migrant_innen mit vielen Hürden verbunden. Integrationsbestrebungen einzelner Migrantengruppen müssen deshalb auch immer im Lichte allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen interpretiert und eingeordnet werden.

1.4

Wege der Integration von Migrantinnen und Migranten

Analog zur Integrationskonzeption von Anhut und Heitmeyer (2000) kann man bei Migrant_innen Integrationsprozesse auf drei Ebenen beleuchten. Auf der ersten Ebene der individuell-funktionalen Systemintegration geht es vor allem um die Einbindung in gesellschaftliche Institutionen. Damit wird die strukturelle Dimension der Sozialintegration bestimmt (Einkommen, Berufsprestige, Wohn4

In Bezug auf Frankreich sprachen Bourdieu und Passeron (1971) von einer Illusion der Chancengleichheit. Dies scheint uns allerdings überzogen. Die größte Revolution des 20. Jahrhunderts, die Emanzipation der Frauen, beruht weitestgehend auf der spektakulären Verbesserung ihrer Bildungschancen; auch Arbeiter- und Bauernkinder finden sich heute viel häufiger im höheren Bildungswesen, wenngleich ihre relativen Chancen immer noch geringer sind als jene von Kinder aus höheren sozialen Schichten.

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Max Haller und Wolfgang Aschauer

raum). Darüber hinaus müssen Zugewanderte auf der kommunikativ-interaktiven Ebene nach Sozialintegration streben. Auf dieser zweiten Ebene können kognitive Lernprozesse (Wissen und Kenntnisse, Sprachkompetenz etc.) stattfinden, die eine sukzessive Verbundenheit mit und Partizipation an der österreichischen Gesellschaft einleiten. Die dritte Ebene umfasst soziokulturelle Integrationsprozesse in einer kulturell-expressiven Hinsicht. Hier können Austauschprozesse (innerethnische und interethnische Kontakte) thematisiert werden. Die emotionale Zugehörigkeit und die Identifikation mit dem Herkunfts- oder dem Aufnahmeland ist somit je nach Einbindung in verfügbare Netzwerke unterschiedlich stark ausgeprägt. Die drei Ebenen bzw. Phasen der Sozialintegration sind naturgemäß nicht voneinander unabhängig, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Der Prozess der gesellschaftlichen Eingliederung beginnt mit Resozialisierung (Eisenstadt 1953). Hier geht es um die Erarbeitung von Wissensbeständen, die in der Residenzgesellschaft nützlich sind (z. B. Spracherwerb als Schlüsselqualifikation). Die strukturelle Integration wird dann – in Anlehnung an die Begrifflichkeiten von Hartmut Esser (2001) – durch Platzierung festgelegt, womit im Idealfall gesellschaftliches Prestige verbunden ist. Die soziokulturelle Integration entsteht über Interaktionen, über die sich die Akteure schließlich weitere Wissensbestände aneignen und sich über Symbole an der Residenzgesellschaft zu orientieren versuchen. Die Identifikation schließlich ist die letzte Phase; sie verdeutlicht eine gelungene Assimilation, bei der Zugewanderte sich und das soziale Gebilde der Aufnahmegesellschaft als Einheit wahrnehmen und sie mit der Aufnahmegesellschaft quasi verschmelzen. Autoren, die der Assimilationsthese nahestehen, sind grundsätzlich der Ansicht, dass Alternativen zu diesem Verlauf nicht wünschenswert sind und es in der Generationenfolge zwangsläufig zu Assimilation kommen müsse (vgl. Gordon 1964; Esser 2004, S. 57). Nach einem offenen und neutralen Verständnis der Integrationsbestrebungen von Migrant_innen sind jedoch verschiedene Formen der Akkulturation denkbar und plausibel. Mit dem Begriff der Akkulturation ist nämlich bloß ein Prozess der kulturellen Anpassung gemeint, in dem ein Individuum als Mitglied einer kulturellen Gruppe zeitlich und räumlich in eine neue Kultur hineinkommt (Zick 2010, S. 37). Jede Akkulturation in eine fremde Gesellschaft löst nach Berry (1994) Stresszustände aus, die durch variable Einflussfaktoren verstärkt bzw. abgeschwächt werden können. Diese lassen sich beispielsweise auf die Natur der Aufnahmegesellschaft (Abwertung spezifischer Gruppen), auf die strukturellen Merkmale des Migranten/der Migrantin (z. B. Alter, Geschlecht, sozialer Status) sowie auf individuelle Merkmale (Wissensbestände, Werthaltungen, Persönlichkeitsmerkmale etc.) zurückführen.

1  Was bedeutet Integration?

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Einen Meilenstein in der Akkulturationsforschung stellen die vier Strategien der kulturellen Annäherung von Berry (1990) dar, die auch in das Konzept der Sozialintegration von Hartmut Esser (z. B. 2004) Eingang fanden. Verschiedene Modi der Akkulturation von Zugewanderten können demnach in einer Vierfeldertafel zusammengefasst werden (vgl. Übersicht 1). Übersicht 1: Vier Varianten der Sozialintegration von Migrantinnen und Migranten Sozialintegration in Aufnahmegesellschaft

Fortdauernde Partizipation an der Herkunftsgesellschaft bzw. -kultur JA NEIN JA INTEGRATION ASSIMILATION NEIN SEGMENTATION MARGINALISIERUNG

Integriert man kulturelle Merkmale der Herkunfts- und Residenzgesellschaft, kommt es zu einer vollen Integration (man könnte auch von einer Mehrfachintegration sprechen). Nimmt die Zugehörigkeit zu beiden kulturellen Kontexten ab, spricht man von Marginalisierung. Wenn Migrant_innen zunehmend die Lebensweise der Einheimischen annehmen und in der Generationenfolge eine mehr oder weniger ausschließliche Identifikation mit den Werten der Residenzgesellschaft eintritt, wird von Assimilation gesprochen. Wenn Zugewanderte jedoch über längere Dauer überwiegend in den Strukturen der eigenen ethnischen Community verhaftet bleiben, spricht man von Segmentation bzw. Abschottung. Es wird eine Hauptintention dieser Studie sein, zu untersuchen, in welche dieser Typen die Zugewanderten in Österreich einzuordnen sind. Man könnte annehmen, dass Zugewanderte aus Deutschland eine volle Integration am ehesten gelingt; dem Modell der Segmentation würden etwa Zugewanderte (vielleicht insbesondere aus islamischen Ländern) entsprechen, die beruflich weniger integriert sind und ihren Lebensschwerpunkt weiterhin in ihrem eigenen ethnisch-sozialen Umfeld haben; assimiliert könnten Kinder der zweiten und dritten Generation sein; marginalisiert dagegen etwa Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die ein Leben quasi „im Untergrund“ einer Rückkehr in das Herkunftsland vorziehen. Akkulturationsstudien weisen deutlich darauf hin, dass die Strategie der Mehrfachintegration im Gegensatz zu einseitigen Assimilationskonzepten am ehesten der Lebensrealität von Migrant_innen entsprechen würde und vermutlich auch tatsächlich entspricht (vgl. dazu den fundierten Überblick Zick 2010). So lernen alle Zugewanderten bei erfolgreicher Integration Deutsch, jedoch geht ihre kulturelle Lebenspraxis im Aufnahmeland nicht verloren. Empirisch zeigt sich überwiegend

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Max Haller und Wolfgang Aschauer

eine Doppelorientierung an der Kultur der Herkunfts- und der Aufnahmegesellschaft bei einer oft nicht erfüllten Hoffnung auf eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt und im öffentlichen Leben (vgl. Zagefka und Brown 2002).

1.5

Transnationale Orientierungen als alternativer Weg der (Mehrfach-)Integration?

Ein neues Paradigma, das insbesondere auf die Lebensrealität einer zunehmend nationenübergreifenden Verflechtung der Migrant_innen Bezug nimmt, ist jenes der transnationalen Migrationsforschung (vgl. den Überblick von Pries 2010 sowie Faist, Fauser und Reisenauer 2014). Hinter dieser Neuorientierung der Migrationsforschung steht die Vorstellung von einem neuen Typus des „Transmigranten“, der zwischen Herkunfts- und Zielland pendelt und neue soziale Felder erschließt, die das Herkunfts- mit dem Aufnahmeland verbinden. Die Transmigrant_innen entwickeln, so die weitere These, mehrfache Beziehungen familialer, wirtschaftlicher, sozialer, religiöser, politischer und organisatorischer Art, die die nationalstaatlichen Grenzen überspannen (vgl. Scheuringer 2006, S. 239 ff.). Auch bei den türkischstämmigen Zugewanderten und bei den Angehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien ist anzunehmen, dass diese Gruppen in Österreich in weitreichende ethnische Netzwerke eingegliedert sind und auch nach längerer Aufenthaltsdauer in Österreich multilokale soziale Beziehungen über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg aufrechterhalten. Zudem dürften auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungsprozesse die Etablierung transnationaler sozialer Felder deutlich begünstigen. Die Globalisierung verstärkt den Transfer von Kapital, Waren, Technologien unabhängig von den nationalstaatlichen Grenzen. Die geographische Nähe und die guten Verkehrsverbindungen zwischen Österreich und vielen Zuwanderungsregionen erhöhen die Mobilität der Menschen und ermöglichen auf einfachem und kostengünstigem Weg eine zeitgleiche Berücksichtigung und Pflege verschiedener sozialer Welten. Selbst wenn keine regelmäßigen Reisen zwischen Österreich und den jeweiligen Herkunftsregionen stattfinden, ermöglichen die aktuellen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die sozialen Medien einen permanenten und intensiven Austausch mit Familienmitgliedern, Bekannten und Verwandten in der Ferne. Durch diese zusätzliche Existenz transnational verbundener Familien und Unternehmen entstehen dichtere Netzwerkbeziehungen zwischen den Emigrant_innen und den Angehörigen im Heimatland. Zudem könnten Startnachteile und Diskriminierungserfahrungen im Aufnahmeland strukturelle Bedingungen für die Entstehung transnationaler Einstellungen und Lebensweisen schaffen (vgl. zusammenfassend Han 2010, S. 60–66). Wenn

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die Ressourcen für eine erfolgreiche Integration fehlen, fungiert das innerethnische Netzwerk häufig als Schutzraum, um mit einer unterprivilegierten Position in der Aufnahmegesellschaft zurande zu kommen (vgl. Farwick 2009, S. 192). Im Zuge von gescheiterten Bemühungen des Aufstiegs kann es dann auch zu einem reaktiven Transnationalismus kommen. Hier werden Anerkennungsverluste durch die ethnische Community aufgewogen, und die Migrant_innen könnten für ein transnationales Engagement (in Vereinen bis hin zu politischen Gruppierungen) empfänglich sein (vgl. Faist, Fauser und Reisenauer 2011, S. 102 ff.). Wenn die Lebenspraxis einseitig am Herkunftsland orientiert bleibt, Informationsmedien aus den Zuwandererregionen konsumiert werden und sich kein Interesse an österreichspezifischen Entwicklungen einstellt, könnte auch Separation die Folge sein. Gerade in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt benötigen wir diese Zugänge, die für Pendelbewegungen von Zugewanderten (vgl. Fürstenberg 2006) bzw. für eine permanente Mobilität zwischen verschiedenen Ländern offen sind und auch beidseitige Verwurzelungen der Migrant_innen in mehrere Lebenswelten als logische Konsequenz zunehmend transstaatlicher Verflechtungen thematisieren. Wesentlich bleibt dennoch eine realistische Einordnung des Phänomens, 5 weil neben Prozessen der Transnationalisierung auch klassische Assimilationswege, Abschottungserscheinungen und Marginalisierungstendenzen beobachtbar sind. Die Buchbeiträge sollen zumindest für Angehörige aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien verallgemeinerbare Schlussfolgerungen darüber zulassen, in welcher Häufigkeit transnationale Verbindungen auftreten und verschiedene Akkulturationswege beschritten werden.

1.6

Barrieren der interkulturellen Verständigung

Wenn sich Migrantengruppen von Österreich abwenden oder sich deutlich von der Residenzgesellschaft abgrenzen, dürften derartige Reaktionsmuster häufig durch fundamentalistische und konservative Weltanschauungen erklärbar sein. Diese Einstellungen können jedoch auch durch Perspektivlosigkeit und ein Verharren in prekären Lebenswelten (vgl. dazu Bourdieu et al. 1997), durch wahrgenommene Behinderungen einer authentischen Lebensführung (Entfremdung) oder eine fehlende Wertschätzung alternativer Lebenskonzepte (Missachtung) genährt werden. Von solchen Exklusionsempfindungen sind jene Bevölkerungsgruppen, die an 5

So konnte im Comparative Immigrant Entrepreneurship Project (Portes et al., 2002) bewiesen werden, dass transnationale Migration existiert, jedoch trat diese nur bei rund 5 % der Stichprobe auf.

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den Rand gedrängt sind, beidseitig betroffen (vgl. Bude und Lantermann 2006). Deshalb geht ein erhöhtes Maß an Fremdenfeindlichkeit (seitens der Aufnahmegesellschaft) wohl auch mit einem erhöhten Maß an Abschottung (seitens der Zugewanderten) einher. Integration wird in der Gegenwart folglich zu einer „doppelten Herausforderung“ (vgl. Imbusch und Heitmeyer 2008, S. 30). Es geht um die Integration der Mehrheitsgesellschaft, die neuen Anforderungen ausgesetzt ist, und um die Integration von Minderheiten, die in Österreich als Zugewanderte „ankommen“ möchten. Es sind jedoch sowohl Einheimische als auch Zugewanderte an den unteren Rändern der Gesellschaft mit Anerkennungsdefiziten und Erfahrungen von Herabsetzung konfrontiert, was den Spielraum für eine differenzierte Weltsicht und eine produktive Identitätsgestaltung verkleinert. Der Übergang vom Ich zum Wir (Tajfel und Turner 1979) – von der identitätsbedrohenden Soziallage zur imaginierten Gemeinschaft – kann somit als Versuch der Selbststabilisierung und als Kompensation des Kontrollverlustes betrachtet werden (siehe auch Dörre, Krämer und Speidel 2006). Schließlich schalten auch Vorurteile, die gegenwärtig die Spannungen zwischen ethnischen Gruppen in westlichen Gesellschaften verstärken, die Perspektivenübernahme weitgehend aus und können beiderseits zu Frustrationen führen (vgl. Kaufmann 2005, S. 219–225). Wenn wir die aktuellen Modi der gegenseitigen Abgrenzung etwa aus der Sicht von Muslimen beleuchten, so gibt aus deren Perspektive die westliche Gesellschaft klar vor, nach welchem Maßstab eine konstruktive Identitätsentwicklung erfolgen sollte und welche Attribute der Lebensgestaltung als begrüßenswert angesehen werden. Die Assimilationsforderungen, die derzeit im Diskurs um Integration kursieren (vgl. dazu Haller 2018), entstammen unserer westlichen Definitionsmacht; die Muslime müssen sich daran orientieren. Wenn Assimilation schlussendlich nicht gelingt, wird in der westlichen Gesellschaft automatisch davon ausgegangen, dass gescheiterte Integration das Verschulden der Muslime selbst ist. Die Muslime haben in weiterer Folge kaum noch Möglichkeiten, ihre eigenen Identitätsansprüche zu definieren und durchzusetzen. Umgekehrt werden sie einseitig als „signifikante Andere“ (Triandafyllidou 1998, S. 593) gebrandmarkt, die nicht in die westliche Gesellschaft passen. Auch bei den Protestwähler_innen der Gegenwart, die für populistische Lösungswege empfänglich sind, zeigen sich ähnliche Dynamiken. Diesen wird von den höher Qualifizierten vorgeworfen, die Komplexität der Welt nicht zu verstehen und konservativen Weltanschauungen verhaftet zu sein. Rechten Wählerschichten wird deshalb abwertend eine kognitive Beschränkung und eine Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien zugeschrieben. Sie haben das Gefühl, in ihrer beruflichen und sozialen Lebenswelt nicht ausreichend wertgeschätzt zu sein und in

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ihren Bedrohungswahrnehmungen nicht ernstgenommen zu werden. Sie reagieren deshalb ähnlich stark mit dem Modus der Abgrenzung und suchen nach Verbündeten für ihre Situation. Sie ordnen sich gemeinsam mit Gleichgesinnten jenen Heilsversprechern unter, die eine Wiederherstellung der eigenen Würde reklamieren und den Kampf gegen die Eliten propagieren.6 Im Unterschied dazu reagieren aufstrebende Schichten weniger ethnozentrisch, sondern stärker egozentrisch (vgl. auch Aschauer 2017). Die erfolgreichen Spieler im System forcieren Handlungsmuster unter der Logik der Selbstdurchsetzung, die als eine Mischung zwischen nach außen gekehrter Souveränität und nach innen gelebter Dominanzorientierung betrachtet werden kann (vgl. Heitmeyer 1994, S. 387). Sie sehen sich in der individualisierten Wettbewerbsgesellschaft genötigt, die persönlichen Ressourcen mit voller Kraft für den persönlichen Aufstieg einzusetzen, womit wenig Raum für solidarisches Verhalten verbleibt. Insofern pflegen privilegierte Gruppen häufig mit großer Selbstsicherheit eine offene Weltsicht, wollen aber mental nicht zu tief von den brisanten gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart tangiert werden; dies kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass sie sich in Städten etwa räumlich segregieren. Diese milieuspezifischen Handlungsstrategien, die beispielsweise auch Koppetsch (2013) prominent behandelt hat, zeigen, dass soziale Integration immer auch mit dem Streben nach Anerkennung und der Absicherung erreichter Privilegien verbunden ist. Sie ist beim Anerkennungstheoretiker Axel Honneth (2003) dann gegeben, wenn „das Maß an sozial bestätigter Individualität steigt“ (Honneth 2003, S. 220). Innerhalb eines sozialpolitisch ungebändigten kapitalistischen Systems bleibt die Leistungsbewertung hegemonial und hierarchisch, wodurch sich innerhalb eines abgesteckten institutionellen Rahmens die Verteilungskämpfe um Ressourcen vollziehen (vgl. Honneth 2003, S. 167). Während sich ökonomische Konflikte um Umverteilung zentrieren und somit stets Konflikte um ein Mehr oder Weniger betreffen, sind Konflikte ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit schwerer lösbar, da es (zumindest vordergründig) um unteilbare Merkmale bzw. Ressourcen geht (vgl. Hirschmann 1994). Dies erklärt unter Umständen, warum ökonomische Konflikte an Brisanz verlieren und die wesentlichen Konfliktlinien der Gegenwart anscheinend von soziokulturellen Fragen bestimmt sind. Taylor (1993) schlägt vor, dass jeder Kultur mit der Annahme der Gleichwertigkeit begegnet werden sollte. Über andere Wertorientierungen sollte also erst nach eingehender Reflexion geurteilt werden, wobei sich durch die geforderte „Horizont6

Eine eindrucksvolle Analyse der zeitlichen Veränderungen der Stimmungslage und der Wahlmotive in der französischen Arbeiterschicht hat jüngst Didier Eribon (2016) in seinem Buch „Rückkehr nach Reims“ vorgelegt.

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verschmelzung“ (Taylor 1993, S. 63) auch die eigenen Maßstäbe der Bewertung verändern und weiterentwickeln müssen. Das Dilemma um interkulturelle Verständigung lässt sich also am ehesten überwinden, wenn man im Dialog von kulturellen Praktiken wechselseitig voneinander lernt und Kultur nicht als statisches Element, sondern dynamisch deutet (vgl. dazu Hauck 2006).

1.7

Die Migrantenstudie im Sozialen Survey Österreich 2016

Um die Integrationsherausforderungen auf beiden Seiten adäquat einzuordnen und relevante Einstellungen zu Zuwanderung und Integration differenziert zu erheben, sind repräsentative Studien gefordert. Zu den Desintegrationswahrnehmungen der Österreicherinnen und Österreicher und zu Fremdenfeindlichkeit generell gibt es inzwischen zahlreiche Studien und verfügbare Datensätze (vgl. dazu Flecker et al. 2005; Aschauer 2010; Hofmann 2015).7 Weniger wissen wir jedoch über die Zugewanderten selbst, wenn es nicht nur um sozialstatistische Merkmale geht, sondern auch um Fragen ihrer Einstellungen zu Familie und Beruf, ihrer Haltungen zu Gesellschaft und Politik und ihrer sozialen und kulturellen Integration (vgl. z. B. in Bezug auf die zweite Generation Weiss 2007). Deshalb soll in diesem Band die Perspektive der Migrant_innen im Vordergrund stehen. Zahlreiche Beiträge widmen sich anhand der Daten des Sozialen Survey Österreich 2016 einzelnen Fragen der strukturellen Integration (z. B. am Arbeits-, Wohnungs- und Bildungsmarkt), des soziokulturellen Miteinanders (z. B. Eingebundenheit in Netzwerke) und der persönlichen Sphäre (z. B. Werthaltungen und Zugehörigkeitsgefühl). Die Beiträge zu diesem Band basieren durchweg auf dem Sozialen Survey Österreich (SSÖ), einer wissenschaftlich auf hohem methodischen Niveau angelegten Studie. Sie stellt eine wiederholte, repräsentative sozialwissenschaftliche Bevölkerungsumfrage dar, die bereits viermal (1986, 1993, 2003, 2016) durchgeführt worden ist. Dabei wurden jeweils rund 2.000 Österreicherinnen und Österreicher zu zentralen gesellschaftlichen Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen befragt. Die Wiederholung der Erhebungen mit einem großen 7

Die Erhebung fremdenfeindlicher Einstellungen wird oft in Spezialmodule nationaler und ländervergleichender Surveys (z. B. Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften in Deutschland 1996, 2006) und kulturvergleichender Forschungsinstrumente integriert (z. B. Spezialmodul des European Social Survey zu Einstellungen gegenüber Migranten 2002, 2014; International Social Survey Programme zur nationalen Identität 1995, 2003).

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Teil gleicher Fragen ermöglicht einen umfassenden Überblick über den soziokulturellen Wandel in Österreich.8 Im Rahmen des Sozialen Survey 2016 wurde erstmals auch eine spezifische Studie über Zugewanderte durchgeführt. Da es technisch und finanziell nicht machbar gewesen wäre, eine repräsentative Stichprobe aus allen in Österreich lebenden Gruppen von Ausländern zu ziehen, entschieden wir uns für eine Erhebung unter den zwei größten Gruppen von nichtdeutschen Zugewanderten, also jenen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei (jeweils n = 300). Während sich viele Studien über Zugewanderte auf „harte Indikatoren“ zur Messung gesellschaftlicher Teilhabe konzentrieren und sich auf Bevölkerungs- und Arbeitsmarktstatistiken beziehen, stehen in diesem Buch die subjektiven Sichtweisen von Migrant_innen (auf Basis der Umfragedaten) selbst im Vordergrund. Der Soziale Survey Österreich und die damit verbundene Migrantenstichprobe bieten also den unschätzbaren Vorteil, Zusammenhänge zwischen der Herkunftsregion, den Migrationsmotiven, der Lebenssituation und dem Zugehörigkeitsgefühl  – zumindest für die größten Migrantengruppen in Österreich – darstellen zu können.9 Darüber hinaus können wir direkte Vergleiche zwischen den jeweiligen Haltungen der Migrant_innen und jenen der Österreicher_innen durchführen, da ein großer Teil der Fragen identisch war. Eine gewisse Einschränkung liegt allerdings darin, dass in der Stichprobe Migrant_innen aus mittleren und höheren Schichten etwas überrepräsentiert sind (vgl. Kapitel 12 von Bodi-Fernandez, Hadler und Mayer in diesem Band, S. 313–327). Daraus wäre abzuleiten, dass die Lage aller Zugewanderten aus Ex-Jugoslawien und der Türkei eher weniger günstig ist, als es in unserer Erhebung zum Ausdruck kommt. Wenn es darum geht, die Determinanten der Lage und Einstellungen der Zugewanderten zu erfassen (etwa ihr Geschlecht, Bildungsniveau usw.), spielt diese leichte Verzerrung der Stichprobe jedoch keine Rolle. Die Hauptthemen des Migrantenfragebogens waren die gleichen wie die des Fragebogens für Einheimische. Die Buchbeiträge konzentrieren sich folglich auf (1) Einstellungen zu Geschlechtsrollen, Ehe und Familie – eine Thematik, die be8 9

Zu allen bisherigen Erhebungen gibt es Buchpublikationen (Haller und Holm 1987; Haller u. a. 1996; Schulz, Haller und Grausgruber 2005). Dabei ist festzuhalten, dass sich die Erkenntnisse weitestgehend auf Zugewanderte beziehen, die überwiegend auf freiwilliger Basis migriert bzw. schon länger in Österreich ansässig sind. Die neuen Fluchtbewegungen seit dem sogenannten „Sommer der Migration 2015“ fließen in diesen Band nicht ein. Es wäre aufgrund der Heterogenität der Flüchtlingspopulation und der schwierigen Datenlage auch sehr herausfordernd, mittels der Methoden der empirischen Sozialforschung zu verlässlichen Daten über geflüchtete Menschen in Österreich zu gelangen (vgl. z. B. Kohlenberger et al. 2017).

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sonders interessant ist vor dem Hintergrund der bekanntermaßen konservativeren Einstellungen der muslimischen Bevölkerung; (2) Einstellungen in Bezug auf Erwerbstätigkeit, Arbeit und Beruf; gesellschaftliche und politische Einstellungen, insbesondere demokratische Grundeinstellungen; (3) soziale und kulturelle Teilhabe, Lebenszufriedenheit; (4) Fragen zu ethnisch-nationaler Identifikation und Zugehörigkeit; (5) spezielle Fragen zu Staatsbürgerschaft, Migrationshintergrund, Sprachkenntnissen und Kontakten mit Einheimischen. Die methodischen Details der Studie werden in Kapitel 12 von Bodi-Fernandez, Hadler und Mayer behandelt.

1.8

Fragestellungen der Studie und Überblick über die Beiträge

Wenn wir Integration anhand der drei angesprochenen Sphären (gesellschaftlich-strukturell, kognitiv-kommunikativ und soziokulturell-expressiv) thematisieren, können in weiterer Folge Integrationserfolge bei den beiden untersuchten Migrantengruppen gemessen und mit den nicht zugewanderten Österreicher_innen verglichen werden. Die jeweilige Migrationsbiographie (Kapitel 2, Aschauer und Seymer) stellt eine wichtige Hintergrundvariable dar, die den Prozess der Integration beeinflusst und auf wesentliche soziale Ressourcen der Befragten Einfluss nimmt. Darüber hinaus ist Migration auch immer kontextabhängig zu denken, weshalb etwa auf spezifische Familienkonstellationen (Kapitel 4, Beham-Rabanser et al.) Bezug genommen werden muss. Erweitert man den Kontext auf die gesamtgesellschaftliche Perspektive, dann sind auch die Einstellungen der einheimischen Bevölkerung zur Migration (Kapitel 10, Hofmann) zu berücksichtigen, da auch diese die Integrationsbestrebungen der Migrant_innen beeinflussen. Die strukturelle Ebene der Integration lässt sich über die Arbeitsbedingungen (Kapitel 5, Verwiebe et al.) und Lebensverhältnisse (Kapitel 6, Muckenhuber und Glatz) abbilden. Auf der kommunikativen Ebene sind Sprachkenntnisse (Kapitel 3, Haller und Berghammer) die Schlüsselressource für eine nachhaltige Integration. Auch Erkenntnisse zum politischen Interesse und zur politischen Partizipation (Kapitel 8, Prandner und Grausgruber) stellen wesentliche Bezugsgrößen dar, um die Teilhabe an der österreichischen Gesellschaft bestimmen zu können. Darüber hinaus wird auf die soziokulturelle Lebenspraxis Bezug genommen und es wird die Rolle der Religion für die Integration (Kapitel 7, Höllinger und Polak) bzw. Verbundenheitsgefühle mit Österreich und dem Herkunftskontext thematisiert (Kapitel 9, Müller Kmet und Bodi-Fernandez).

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Insgesamt können wir – basierend auf den vorliegenden Beiträgen und auf den Inhalten des Sozialen Survey Österreich – folgende Hauptfragestellungen formulieren: • Wie stellen sich die Werthaltungen und Einstellungen der Migrant_innen sowie der (einheimischen) Österreicher_innen dar? Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede weisen sie in welchen Bereichen auf? Handelt es sich bei den Differenzen um solche, die als unabdingbar für Integration gelten müssen (etwa Sprachkenntnisse, Bejahung der grundlegenden Werte und Institutionen)? • Gibt es Bereiche, in denen gescheiterte Integrationsbemühungen auch durch problematische, ausgrenzende Strukturen und Prozesse in der österreichischen Gesellschaft mit verursacht werden? Hier ist etwa an bestehende Vorurteile und Abgrenzungstendenzen zu denken. • Welche Wege der Akkulturation streben MigrantInnen an? Bevorzugen sie mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine zunehmende Assimilation an die Mehrheitsgesellschaft oder bleiben sie längerfristig (auch) in der Herkunftsgesellschaft verwurzelt? • Gibt es Tendenzen, wonach sich bestimmte Gruppen von Migrant_innen ausgegrenzt bzw. nicht ausreichend anerkannt fühlen? Sind es eher bestimmte Herkunftsgruppen – etwa aus der Türkei oder den Ländern des früheren Jugoslawien – oder eher Zugewanderte mit schwächeren sozialen Ressourcen, etwa im Hinblick auf Bildung und Sprachkenntnisse? Neben einer detaillierten Analyse der Kontextbedingungen für Integration und Integrationsbestrebungen in einzelnen gesellschaftlichen Sphären stehen also auch unterschiedliche Akkulturationswege im Fokus unserer Betrachtungen. Die einzelnen Indikatoren, die im SSÖ erfasst werden, sind Gradmesser der gesellschaftlichen Einbindung, die stellvertretend für Assimilation, Mehrfachintegration, Segmentation und Marginalisierung stehen. Somit könnte eine einseitige Pflege der eigenen ethnischen Netzwerke verbunden mit geringen Sprachkenntnissen und einem geringen Interesse an sozialer und politischer Teilhabe auf Prozesse der Abschottung und der Segmentation hinweisen. Zudem ist anzunehmen, dass bei weniger privilegierten Personen eine unzureichende Einbindung in Bezug auf viele Analysedimensionen besteht und folglich von Marginalisierungs- und Exklusionstendenzen auszugehen ist. Gerade die Gleichzeitigkeit des „Drinnen“ und des „Draußen“, die fortwährende Konfrontation mit den Maßstäben einer gelungenen Inklusion sowie die individuelle Zuschreibung der Verantwortung für etwaiges Scheitern verdeutlicht die besonderen Herausforderungen für Migrant_innen an den unteren Rändern der Gesellschaft (Kronauer 2010, S. 44).

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Im Gegensatz zu diesen Ausformungen gescheiterter Integrationsbemühungen kann für einen erheblichen Teil der beiden im Fokus stehenden Gruppen – auch aufgrund ihrer mittlerweile langen Aufenthaltsdauer in Österreich – durchaus weitgehend erfolgreiche Integration angenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eben auch (Mehrfach-)Integration einen geglückten Weg der Anpassung markiert, wenn eine adäquate institutionelle Einbindung gegeben ist und gleichzeitig Kontakte zur ethnischen Community und zur Herkunftsgesellschaft aufrechterhalten werden. Im Generationenverlauf ist anzunehmen, dass viele Kinder der ehemaligen Gastarbeiter zumindest ihren Qualifikationen entsprechende Arbeitsstellen gefunden haben und über tragfähige Ressourcen einer gesellschaftlichen Einbindung verfügen. Diese dürften einhergehen mit deutlich positiven Identifikationsgefühlen und einer weitgehenden Integration in die österreichische Gesellschaft. Sie können dann auch erklären, warum sich die Mehrheit der MigrantInnen durchaus in Österreich heimisch fühlt. Positive Erfahrungen der Integration und Zugehörigkeit sind wertvolle Ressourcen für die gesellschaftliche Entwicklung Österreichs. Dies wird in aktuellen politischen und medialen Diskursen viel zu wenig betont (vgl. dazu auch Haller 2018). Die Ergebnisse der SSÖ-Migrantenstudie sollen in diesem Sinne die Vielschichtigkeit von Migrationserfahrungen und Integrationsbestrebungen aufzeigen und dazu beitragen, einseitige stereotype Sichtweisen zu korrigieren und zu überwinden.

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Max Haller und Wolfgang Aschauer

Tibi, B. (2002). Islamische Zuwanderung. Die gescheiterte Integration. München: Deutsche Verlags-Anstalt. Treibel, A. (2008). Migration. In N. Baur (Hrsg.), Handbuch Soziologie (S. 295–316). Wiesbaden: Springer VS. Triandafyllidou, A. (1998). National identity and the “other”. Ethnic and Racial Studies, 21 (4), 593–612. Weiss, H. (2004). Nation und Toleranz? Empirische Studien zu nationalen Identitäten in Österreich. Wien: Braumüller. Weiss, H. (Hrsg.). (2007). Leben in zwei Welten. Zur sozialen Integration ausländischer Jugendlicher der zweiten Generation. Wiesbaden: SpringerVS. Wodak, R. (1998). Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Zagefka, H., & Brown, R. (2002). The Relationship Between Acculturation Strategies, Relative Fit and Intergroup Relations: Immigrant-majority Relations in Germany. European Journal of Social Psychology, 32, 171–188. Zick, A. (2010). Psychologie der Akkulturation: Neufassung eines Forschungsbereiches. Wiesbaden: VS-Verlag.

2

Zur sozialen Lage der Zugewanderten Eine differenzierte Analyse der Bildungsund Arbeitsmarktchancen Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

2.1 Einleitung Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund steht in der österreichischen Gesellschaft und Politik heute im Fokus des Interesses. Eine Vielzahl medialer, politischer und öffentlicher Diskurse rankt sich um das Thema Zuwanderung und Integration. In diesem Beitrag soll die strukturelle Integration, Schichtzugehörigkeit und soziale Mobilität der Zugewanderten aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien präzise in den Blick genommen werden. Die Migrantenstichprobe des Sozialen Survey Österreich bietet in dieser Hinsicht zahlreiche Vorteile, weil Kernindikatoren des Qualifikationsniveaus, der Arbeitsmarktintegration und der sozialen Mobilität in größer angelegten Umfragen mit Zugewanderten selten gemeinsam abgefragt und in einen theoretischen Rahmen eingebettet werden. Zwar gewinnt die aktuelle Datenbasis in Österreich zur Arbeits- und Lebenssituation von Migrant_innen durch einschlägige Mikrozensus-Erhebungen an Qualität (z. B. Statistik Austria 2015) und mittlerweile werden jährlich Integrationsindikatoren (z. B. Statistik Austria 2017) publiziert. Die Zielsetzung dieses Beitrags geht jedoch über eine reine Analyse von Integrationserfolgen und -defiziten hinaus. Wir möchten – insbesondere nach Herkunftsregion, Migrant_innen-Generation und Migrationsmotiven  – Wege des Qualifikationserwerbs und der Arbeitsmarktintegration nachzeichnen, um die soziale Auf- und © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 W. Aschauer et al. (Hrsg.), Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25592-3_2

23

24

Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

Abwärtsmobilität von einzelnen Zuwanderergruppen zu bestimmen. Zusätzlich sollen Angehörige aus einzelnen Herkunftsländern nach den klassischen Kriterien des Einkommensniveaus, des Bildungserwerbs und des Berufsstatus schichtspezifisch verortet werden. In einem dritten Schritt sollen  – insbesondere nach Herkunftsregion und Migrationsbiographie betrachtet  – wesentliche Einflussfaktoren bestimmt werden, die eine strukturelle Einbindung der Migrant_innen in die österreichische Gesellschaft erleichtern bzw. erschweren. Trotz dieser ambitionierten Zielsetzungen muss bereits einleitend betont werden, dass unsere aus den Umfragedaten abgeleiteten Ergebnisse wesentlichen Einschränkungen unterliegen. Die spezifische Studie über Zugewanderte in Österreich, die Gegenstand dieses Beitrags ist, umfasst jeweils 300 Teilnehmer_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei, wobei sich die Daten vermehrt auf jüngere Migrant_innen mit höherer Bildung beziehen und deshalb nicht als repräsentativ einzustufen sind (vgl. die methodischen Ausführungen von Bodi-Fernandez, Hadler und Mayer in diesem Band). Die Erkenntnisse zu den Einflussfaktoren auf soziale Mobilität und strukturelle Integration sind – zumindest bedingt – für diese beiden Gruppen von Zugewanderten verallgemeinerbar, wobei die Aussagen zur zweiten Generation türkischer und ex-jugoslawischer Migrant_innen bereits auf sehr kleinen Stichproben beruhen. Dennoch ist es auf Basis der Studie möglich, vorsichtige Vergleiche zwischen der strukturellen Einbindung von türkischen und ex-jugoslawischen Migrant_innen mit der sozialen Lage von Österreicher_innen und deutschen Migrant_innen anzustellen. Dies auch deshalb, weil die Zuwanderer-Stichprobe als Ergänzung des Sozialen Survey Österreich (N = 2019) konzipiert ist und viele identische Fragen in beide Umfragen integriert wurden. Um den Kernthemen dieses Beitrags gerecht zu werden, wird ein kurzer Überblick über die Zuwanderungsgeschichte aus dem Balkanraum und aus der Türkei nach Österreich gegeben (Abschnitt 2.2). Des Weiteren wird die von uns vorgenommene Gruppierung der Daten nach Herkunftskontext, Migrantengeneration und Migrationsmotiven präsentiert, weil diese Stichprobencharakteristika unsere wesentlichen Hintergrundvariablen verdeutlichen (Abschnitt 2.3). In weiterer Folge werden die Erkenntnisse aus anderen Studien und verfügbare statistische Daten dargestellt, um die soziale Lage von Türk_innen und Ex-Jugoslaw_innen in Österreich – auch in Relation zur Generationenfolge – zu bestimmen und die spezifischen Hypothesen unserer Studie abzuleiten (Abschnitt  2.4). Wir entschieden uns, die soziale Lage der Migrant_innen getrennt nach einzelnen Herkunftsländern (nämlich der Türkei, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien) auszuweisen und jeweils die erste von der zweiten Generation zu unterscheiden. Die empirische Analyse zur Bestimmung der sozialen Auf- und Abwärtsmobilität (in Bezug auf Bildung und Beruf) und zur Analyse der Schichtzugehörigkeit

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

25

und bestehender Statusinkonsistenzen wird in Abschnitt 2.5 durchgeführt. Neben deskriptiven Auswertungen und bivariaten Analysen zur sozialen Lage erfolgt auch ein Vergleich mit den Daten der Einheimischen, um die Positionierung der Migrant_innen im sozialen Gefüge zu bestimmen. Abschließend werden Dynamiken der strukturellen Integration mittels einzelner Regressionsanalysen näher bestimmt, bevor die empirischen Erkenntnisse im Lichte bestehender Studien zur sozialen Lage der Migrant_innen in Österreich interpretiert werden (Abschnitt 2.6).

2.2

Kurzüberblick zur historischen und aktuellen Situation von Migrantinnen und Migranten in Österreich

Migration ist durchaus ein klassisches Forschungsthema, dessen Anfänge in den USA bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurückreichen (z. B. Park 1928). Eine spezifisch österreichische Migrations- und Integrationsforschung wird jedoch erst in den letzten beiden Jahrzehnten ersichtlich. Dies liegt daran, dass sich Österreich – ähnlich wie Deutschland – über einen längeren Zeitraum nicht als Einwanderungsgesellschaft verstanden hatte und folglich auch die politischen Akteure das Thema Integration sehr verspätet aufgegriffen haben (z. B. Bauböck 1986). Die mannigfaltigen Bedeutungen der verschiedenen Formen und Folgen von Migration für die österreichische Gesellschaft wurden erst realisiert, als die Verstetigung von Massenzuwanderung in den 1990er Jahren unübersehbar wurde. Historisch betrachtet ist in Österreich die Zuwanderung mit der langen Phase des Wirtschaftswachstums seit dem Zweiten Weltkrieg in Verbindung zu setzen. Um den Arbeitskräftemangel zu kompensieren, begann Österreich in den 1960er Jahren mit der massiven Anwerbung von Gastarbeiter_innen, wobei sowohl mit der Türkei (1964) als auch mit Jugoslawien (1966) spezifische Abkommen geschlossen wurden. Zu dieser Zeit waren migrationspolitische Maßnahmen vorrangig arbeitsmarktorientiert; Integration war als politisches Thema nicht präsent. Zuwanderung war auf die „Rotation“ temporärer Arbeitskräfte angelegt: Die Gastarbeiter, die in großer Anzahl männlich waren, sollten bei Arbeitsknappheit wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und gegebenenfalls durch neue ersetzt werden. Zwischen 1960 und 1975 wanderten durch diese Regelung mehr als 260.000 Menschen nach Österreich ein, wobei das Gros der Zugewanderten (78,5  %) aus dem ehemaligen Jugoslawien kam, knapp 12  % waren türkischer Herkunft (vgl. Arbeitskreis für soziologische Studien 1973; Bauer 2008, S. 5 f.). Die Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren führte schließlich zu einem Anwerbestopp und zu einer stärkeren ethnischen Konkurrenz am Arbeitsmarkt.

26

Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

Durch die fehlende Rückkehroption vollzog sich in Österreich ein Übergang von der „Gastarbeiter“-Beschäftigung zur dauerhaften Niederlassung, vor allem mit dem Familiennachzug. Spätestens mit der Geburt und der Schulausbildung von Kindern in Österreich wurde die geplante Rückkehr zur Illusion. Österreich wurde mit neuen Integrationsherausforderungen bei Kindern und Jugendlichen ins Schulsystem konfrontiert. Mit dem Jugoslawienkrieg und den zahlreichen Bürgerkriegsflüchtlingen, die aus Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und später auch aus dem Kosovo nach Österreich strömten, gewann das Thema Zuwanderung für breite Bevölkerungsgruppen an Brisanz (vgl. auch Bauböck 1996, S. 12–21). Im Zusammenhang mit dem Aufstieg der rechtsgerichteten FPÖ verabschiedete Österreich als erstes Land Europas 1993 ein Zuwanderungsgesetz, um auf die Verdopplung der Zuwandererraten zwischen 1987 und 1994 zu reagieren (vgl. Currle 2004, S. 242). Die späten 1990er Jahre waren schließlich durch konstant hohe Zuwanderung und die ersten Jahre nach der Jahrtausendwende durch eine Verschiebung der Flüchtlingsströme auf außereuropäische Drittstaaten (wie Afghanistan) gekennzeichnet. Das Bild der Zuwanderung in Österreich wurde immer vielschichtiger und das Thema blieb in politischen, medialen und öffentlichen Diskursen stark bestimmend (vgl. auch Gächter 2008). Die Integrationsdebatte in Österreich zentriert sich in den letzten Jahren stark auf die Zugewanderten aus islamischen Ländern. Der negative Diskurs über Muslime prägt im Sinne des medialen Agenda-Settings (z.  B. McComb und Shaw 1972) das Stimmungsbild in der Bevölkerung, wobei auch in Qualitätsmedien überwiegend kritische Themen zum Islam aufgegriffen werden.1 Diese Entwicklungen sind relevant, weil auch die türkische Community in Österreich von einer zunehmenden Islamfeindlichkeit betroffen ist und sich in dieser Gruppe Exklusionsempfindungen einstellen könnten. Der aktuelle Fokus der Integrationsdebatte auf türkische Zugewanderte und Flüchtlinge aus dem arabischen Raum geht zudem mit einer stetigen Verschärfung der Asyl- und Zuwanderungspolitik in ganz Europa einher (z. B. zum neuen Islamgesetz Dautović und Hafez 2015).

1

Hafez und Richter (2007) zeigen beispielsweise in einer Medienanalyse zum Islambild im deutschen Fernsehen (ARD und ZDF), dass auch in den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern 81 % aller Thematisierungen negative Aspekte aufgreifen. Besonders häufig wird der Islam mit Terrorismus und internationalen Konflikten (23 %), Integrationsproblemen (16 %), religiöser Intoleranz (10 %), Fundamentalismus (7 %) und Frauenunterdrückung (4 %) in Verbindung gebracht. Nur 21 % der analysierten Inhalte umfassten positive oder neutrale Themen wie beispielsweise kulturell-religiöse Eigenheiten (11 %) oder Analysen des Alltags von Muslimen (8 %).

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

27

Sukzessive hat sich in Österreich eine Assimilationsideologie durchgesetzt, die auch von breiten Teilen der Bevölkerung befürwortet wird.2 Die aktuellen Zahlen zur Zuwanderung (vgl. Haller und Aschauer in diesem Band) zeigen, dass die Bevölkerung Österreichs seit der Jahrtausendwende kulturell deutlich heterogener geworden ist. Neben den aktuellen Fluchtbewegungen aus Afghanistan, dem Mittleren Osten und aus afrikanischen Ländern stellt Österreich bereits seit Jahren ein attraktives Ziel für Arbeitsmigrant_innen aus den neuen EU-Ländern dar. Bereits knapp die Hälfte aller ausländischen Staatsbürger_innen kommt aus einem anderen EU-Land. Dennoch sind die „etablierten“ Migrantengruppen aus Deutschland, dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei nach wie vor bestimmend. Insofern werden in dieser Studie weiterhin die wichtigsten Gruppen an Zugewanderten in Österreich abgedeckt, indem auf Türk_innen und Angehörige aus einzelnen Ländern des Balkans fokussiert wird, teils werden auch Deutsche auf Basis der SSÖ-Gesamterhebung vergleichend berücksichtigt.3

2.3

Migrationshintergrund und Migrationsmotive bei Zugewanderten aus Ex-Jugoslawien und der Türkei

In der Migrant_innen-Stichprobe des Sozialen Survey Österreich (SSÖ) wurde der Migrationshintergrund über fünf Fragen zum Geburtsland der befragten Person erfasst. Es wurde das Geburtsland der interviewten Person, der Eltern und der Großeltern abgefragt. Um in die Stichprobe aufgenommen zu werden, musste auf wenigstens eine der fünf Fragen entweder die Türkei, das ehemalige Jugoslawien oder einer der Nachfolgestaaten genannt werden. Somit besteht die Stichprobe fast ausschließlich aus Personen mit türkischem oder ehemals jugoslawischem Migrationshintergrund. 4 Der Migrationshintergrund wird entsprechend der UNECE-Empfehlungen (2015) nach erster und zweiter Generation unterschieden, wobei die erste Generation eigene Migrationserfahrungen 2 3 4

2017 befürworteten bereits 56 % der Bevölkerung die Forderung nach einer besseren Anpassung des Lebensstils der Ausländer_innen an die österreichische Bevölkerung, nur rund 7 % lehnten diese Aussage ab (vgl. Statistik Austria 2017, S. 100). Die Lage osteuropäischer Arbeitsmigrant_innen (z. B. aus Ungarn, Polen und Rumänien) und von Geflüchteten (z. B. aus Syrien und Afghanistan) kann in diesem Beitrag nicht berücksichtigt werden, weil diese Gruppen nicht Gegenstand der Studie sind. Die Ausnahme bilden die in Tabelle 1 ausgewiesenen 21 Personen, welche nach UNECE-Definition keinen Migrationshintergrund haben. Unter einer weiter gefassten Definition von Migrationshintergrund würden aber auch diese 21 Personen einen solchen aufweisen.

28

Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

mitbringt und die zweite Generation in Österreich geboren ist, aber beide Elternteile nach Österreich migriert sind. Personen mit nur einem Elternteil anderer Herkunft werden nicht als Personen mit Migrationshintergrund berücksichtigt. Eine nähere Ausdifferenzierung der Migrant_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien ist durchaus wünschenswert, weil zwischen Bosnier_innen, Serb_innen und Kroat_innen in Österreich durchaus Unterschiede im Integrationserfolg gegeben sein könnten. Tabelle 1  Charakteristika der SSÖ-Migrantenstichprobe nach Migrationshintergrund Merkmal Insgesamt Herkunftsland Türkei Ehemaliges Jugoslawien Serbien Kroatien Bosnien Sonstiges ehemaliges Jugoslawien Alter und Geschlecht Männlich Bis 24 Jahre 24–44 Jahre 45–64 Jahre 65 Jahre und älter Weiblich Bis 24 Jahre 24–44 Jahre 45–64 Jahre 65 Jahre und älter Alter bei Ankunft 0–6 Jahre 7–17 Jahre 18 Jahre und älter

N

Erste Zweite Kein MigrationsGeneration Generation hintergrund 600 443 136 21 300 300 81 35 114 70

216 227 56 31 99 41

78 58 23 4 15 16

6 15 2 0 0 13

299 41 129 104 25 301 47 113 118 23

221 10 91 99 21 222 12 76 113 21

69 28 35 5 1 67 31 32 4 0

9 3 3 0 3 12 4 5 1 2

67 102 278

65 101 276

– – –

2 1 2

Im Rahmen der statistischen Möglichkeiten wird den unterschiedlichen Herkunftskontexten in der Studie Rechnung getragen, um differenziertere Schlussfolgerungen für die Zugewanderten aus dem ehemaligen Jugoslawien zu er-

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

29

möglichen. Tabelle 1 gibt einen ersten Überblick über die wesentlichen soziodemographischen Charakteristika dieser Studie. Bezüglich des Geschlechts zeigt sich – sowohl in der ersten als auch in der zweiten Migrantengeneration – nahezu eine Gleichverteilung und auch im Hinblick auf das Alter ist eine ausgewogene Balance gegeben. Ältere Migrant_innen, die wohl überwiegend als Gastarbeiter_innen nach Österreich kamen, sind in der Studie nur in geringem Maß vertreten, weil nur 48 Personen ein Alter von über 65 Jahren aufweisen. Während bei den Zugewanderten der ersten Generation Personen im mittleren und höheren Erwachsenenalter überwiegen, findet sich bei den Zugewanderten der zweiten Generation – wenig überraschend – eine deutliche Häufung im niedrigen Altersbereich. Das Alter der Zugewanderten bei Ankunft in Österreich dürfte mit den unterschiedlichen Migrationsmotiven in Verbindung stehen. Während Arbeitsmigrant_innen wohl verstärkt im jungen Erwachsenenalter zugewandert sind, sind damals Jugendliche und Kinder eher durch Flucht bzw. Familiennachzug nach Österreich migriert. Die Konstellation der Stichprobe lässt die folgende Kategorisierung der Zugewanderten nach Herkunft und Migrantengeneration zu, die in weiterer Folge eine zentrale unabhängige Variable unserer statistischen Analyse bildet. Tabelle 2 Die Aufteilung der Migrantinnen und Migranten aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien für die weitere Analyse Generation Erste

Zweite

Gesamt

Herkunft Türkei Ehemaliges Jugoslawien Serbien Kroatien Bosnien Sonstiges ehemaliges Jugoslawien Summe erste Generation Türkei Ehemaliges Jugoslawien Serbien Bosnien Summe zweite Generation Summe erste und zweite Generation Nicht eindeutig zuordenbar Stichprobe gesamt

N

216 206 56 31 99 20 422 78 38 23 15 116 538 62 600

(%) (40,1) (38,3) (10,4) (5,8) (18,4) (3,7) (78,4) (14,5) (7,1) (4,3) (2,8) (21,6) (100)

30

Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

Von den jeweils 300 Migrant_innen aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien sind 62 Fälle nicht eindeutig zuordenbar. Es handelt sich hierbei vielfach um Personen, deren Eltern aus verschiedenen Ländern stammen, wodurch eine eindeutige Zuordnung zum serbischen, bosnischen und kroatischen Herkunftskontext problematisch wäre. Zudem werden hier auch Gruppen einbezogen, bei denen die Stichprobengröße zu gering ausfällt bzw. nach der Definition von UNECE (2015) kein Migrationshintergrund gegeben ist. In Bezug auf die erste Generation lassen sich über Türk_innen sowie über Bosnier_innen, Serb_innen und bedingt über Kroat_innen verallgemeinerbare Schlussfolgerungen erzielen. Die Stichproben der zweiten Generation sind bereits deutlich geringer, dennoch werden Türk_innen, Serb_innen und Bosnier_innen in die Analysen integriert. Insofern wird in diesem Beitrag versucht, vergleichende Erkenntnisse über vier Herkunftsgruppen der ersten Generation und über drei Herkunftsgruppen der zweiten Generation zu erzielen.5 Die zweite zentrale Variable zur Beurteilung der Migrationsbiographie stellen die Migrationsmotive dar. Diese wurden auf Basis einer offenen Antwort (Hauptgrund für die Migration) durch die Interviewer_innen zugeordnet. Familiäre Gründe umfassen die Heirat einer Person mit österreichischer Staatsbürgerschaft oder die Familienzusammenführung. Bei den wirtschaftlichen Gründen wurde zwischen Studium und allgemeinen beruflichen bzw. wirtschaftlichen Zielsetzungen unterschieden. Außerdem wurde Vertreibung aufgrund von Krieg oder politischer Verfolgung genauso erfasst wie eine offene Kategorie für sonstige Gründe. Wie Tabelle 3 verdeutlicht, können über familiäre, wirtschaftliche und politische Gründe knapp 95 % aller Migrationsmotive erfasst werden. Dominant sind bei den Migrant_innen in Österreich die wirtschaftlichen Gründe, wobei diese insgesamt knapp 40 % der Migrant_innen betreffen. Bei den familiären Gründen dominiert der Familiennachzug, der für 24,8 % der Befragten das ausschlaggebende Motiv war. Auch Fluchtgründe sind durchaus häufig gegeben, sie waren bei über 20 % der Befragten maßgeblich, um nach Österreich zu kommen.

5

Die Angehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien werden in weiterer Folge nicht berücksichtigt, weil bei dieser Gruppe unklar bleibt, welchen Landesteilen (Serbien, Kosovo, Montenegro, Mazedonien etc.) sich diese Personen zugehörig fühlen, und es sich folglich um eine heterogene Gruppe handeln dürfte.

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

31

Tabelle 3 Migrationsmotive Gründe Familiäre

Wirtschaftliche

Politische Andere Fehlend Befragte gesamt

Antworten Weil ein Teil der Familie bereits in Österreich gelebt hat Habe/hat Österreicher/Österreicherin geheiratet Summe familiäre Gründe Aus beruflichen bzw. wirtschaftlichen Gründen Zum Studieren Summe wirtschaftliche Gründe Bin/ist wegen Krieg oder aus politischen Gründen geflüchtet Andere Gründe Weiß nicht, keine Angabe, nein

N

Alle Befragten Gültige (%) (%) 149 (24,8) (25,4) 35

(5,8)

(6,0)

184 231

(30,6) (38,5)

(31,4) (39,4)

16 247 125

(2,7) (41,2) (20,8)

(2,7) (42,1) (21,3)

30 14 600

(5,0) (2,3) (100,0)

(5,1)

Aufgrund der spezifischen Migrationsgeschichte Österreichs ist es auch nicht erstaunlich, dass die Migrationsmotive mit den Herkunftsgruppen im Zusammenhang stehen. Tabelle 4 zeigt die Unterschiede der Migrationsmotive nach den verschiedenen Herkunftsgruppen auf. Wenig überraschend dominieren bei Serb_ innen und Kroat_innen der ersten Generation die wirtschaftlichen Motive, während bei den Bosnier_innen vorrangig Fluchtmotive (im Zuge des Balkankriegs in den 1990er Jahren) für die Migration nach Österreich zentral waren. Bei den Türk_innen ist neben der wirtschaftlichen Komponente auch der Familiennachzug entscheidend, in keiner anderen Gruppe spielen familiäre Gründe eine derart wichtige Rolle. Migrant_innen der zweiten Generation, die die Migrationsmotive der Eltern benennen mussten, gaben überwiegend wirtschaftliche Gründe an, wobei bei den Bosnier_innen auch hier Fluchtmotive zu einem hohen Prozentsatz (40 %) ausschlaggebend waren.

Gesamt

Familiäre (Zusammenführung, Heirat) Wirtschaftlich (Beruf, Studium) Politisch (Krieg, Vertreibung) Andere

Motive

9

(16,1 %) 5

(8,9 %)

19

(9,0 %)

12

(5,7 %) 31

(3,2 %)

1

(41,9 %)

98

(2,0 %)

2

(56,1 %)

55

(23,5 %)

23

(18,4 %)

18

Bosnien

20

(10,0 %)

2

(25,0 %)

5

(40,0 %)

8

(25,0 %)

74

(5,4 %)

4

(4,1 %)

3

(68,9 %)

51

(21,6 %)

22

(4,5 %)

1

(9,1 %)

2

(72,7 %)

16

(13,6 %)

15

(13,3 %)

2

(40,0 %)

6

(46,7 %)

7

(0,0 %)

586

(5,1 %)

30

(21,3 %)

125

(42,2 %)

247

(31,4 %)

(100,0 %) (100,0 %)

60

(1,7 %)

1

(30,0 %)

18

(48,3 %)

29

(20,0 %)

Kein MigrationsGesamt Türkei Serbien Bosnien hintergrund/nicht zuordenbar 5 16 3 0 12 184

Ex-Jugoslawien

2. Generation

(100,0 %) (100,0 %) (100,0 %) (100,0 %) (100,0 %) (100,0 %) (100,0 %) (100,0 %)

56

(25,8 %)

(37,5 %)

(37,6 %)

210

8

21

79

13

9 (29,0 %)

21

(37,5 %)

Kroatien

100

Serbien

(47,6 %)

Türkei

1. Generation

Tabelle 4  Kreuztabelle Migrationsmotive und Migrationshintergrund

32 Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

33

Der Herkunftskontext und die Migrationsmotive sind in diesem Beitrag die entscheidenden Hintergrundvariablen, um Einflüsse auf die strukturelle Integration zu bestimmen. Dennoch sind das Qualifikationsniveau der Migrant_innen in Österreich, deren Eingliederung am Arbeitsmarkt und deren schichtspezifische Faktoren von mannigfaltigen Faktoren abhängig. Bevor die Positionierung der Migrant_innen vorgestellt und deren soziale Mobilität im Generationenverlauf nachgezeichnet wird, soll deshalb der Forschungsstand zu Bildungs- und Arbeitsmarktchancen von Migrant_innen im österreichischen Kontext beschrieben werden.

2.4

Strukturelle Integration, soziale Lage und soziale Mobilität bei Migrantinnen und Migranten

Der politische Diskurs in Österreich orientiert sich derzeit stark am Assimilationskonzept von Hartmut Esser (1980), wodurch Integration häufig mit Anpassung und Eingliederung gleichgesetzt wird. Im Idealfall sollte der Assimilationsprozess über eine kognitive Anpassung (z. B. Spracherwerb) zur strukturellen Einbettung (in den Erwerbsmarkt) führen und schließlich über soziokulturelle Kontakte eine identifikative Assimilation (Zugehörigkeitsgefühl) zu Österreich bewirken. Esser (2004) ist grundsätzlich der Ansicht, dass Alternativen zum Assimilationsprozess nicht wünschenswert sind und sieht – trotz der heute immer offensichtlicher werdenden transnationalen Lebensweisen  – Assimilation im Generationenverlauf am ehesten als erfolgversprechend an (vgl. Esser 2004, S. 57). Wir fokussieren in diesem Beitrag ausschließlich auf die strukturelle Integration, weil diese den Schwerpunkt unserer Analysen bildet. Es steht deshalb die Positionierung der Migrant_innen im Bildungssektor, im Erwerbsleben und in der Gesellschaft sowie der soziale Auf- und Abstieg im Generationenvergleich im Zentrum unserer Analysen.6 Dennoch ist es wesentlich, auch die Erstankömmlinge in Österreich in Relation zu deren sozialer Herkunft zu betrachten. Es ist nämlich anzunehmen, dass auch jene Gastarbeiter_innen und Flüchtlinge, die den Weg nach Österreich antraten, Spannungen im Herkunftskontext ausgesetzt waren und mit der Migrationsentscheidung eine Aufstiegsorientierung erfolgte. In Anlehnung an die Migrationstheorie von Hoffmann-Novotny (z. B. 2000) migrieren Menschen dann, wenn sie 6

Derartige empirische Indikatoren markieren den Kernbereich der strukturellen Integration, während soziokulturelle Kontakte, Werte und ethnische Orientierungen sowie Zugehörigkeitsgefühle und (politische) Partizipationsmöglichkeiten in anderen Beiträgen im Vordergrund stehen.

34

Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

das Verhältnis von Macht und Prestige als nicht ausgeglichen erleben. Wenn keine Aufstiegschancen in der Herkunftsgesellschaft bestehen und Migrant_innen ihre Qualifikation am Arbeitsmarkt nicht nutzen können, liegt eine derartige Spannung vor, die Migrationsbewegungen begünstigt. Geographische Mobilität wurde somit auch von den Gastarbeiter_innen als Möglichkeit in Anspruch genommen, eine vertikale Aufwärtsmobilität zu erreichen (vgl. Han 2010, S. 51 ff.). Insofern ist anzunehmen, dass jene Türk_innen und Angehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien, die sich für die Migration nach Österreich entschieden haben, vielfach bereits ein höheres Qualifikationsniveau im Vergleich zu ihren Eltern aufwiesen, aber dennoch im Vergleich zum österreichischen Qualifikationsniveau noch deutlich nachhinken. Durch Defizite in der Einbindung am Arbeitsmarkt könnten sich bei Personen mit Migrationshintergrund auch vermehrt Statusinkonsistenzen einstellen. Dieser Begriff meint, dass beispielsweise bereits ein höherer Bildungsstatus erreicht wird, die Migrant_innen aber dennoch in schlechter bezahlten und weniger prestigereichen Berufen verharren (vgl. z. B. Hradil 2016, S. 254). Schließlich wurden in den 1960er und 1970er Jahren überwiegend gering qualifizierte Arbeitskräfte rekrutiert und die Wirkung dürfte – durch geringe soziale Mobilität – auch in der zweiten Generation weiter spürbar sein. Bei längerer Aufenthaltsdauer ist jedoch anzunehmen, dass sich Unterschiede nach Herkunftsregion minimieren und ausdifferenzieren. Denn je länger die Migrant_innen im Gastland verweilen, desto eher haben sie voraussichtlich die Möglichkeit, eine Verbesserung der Einkommens- und Berufsposition zu erreichen. Die Beherrschung der Sprache, die Möglichkeiten zur Weiterbildung und die Ansammlung von Kenntnissen zur Funktionsweise des Arbeitsmarktes dürften mittelfristig die Chancen zu einem sozialen Aufstieg erhöhen (vgl. Herwig 2017, S. 19 ff.). Neben dieser historischen Platzierungs- und Reproduktionsthese thematisiert Heckmann (2015) auch den Wandel der westlichen Gesellschaft zu einer Wissensund Dienstleistungsgesellschaft. Migrant_innen der zweiten Generation können durch davon abweichenden Sozialisationserfahrungen und alternative kulturelle Leitorientierungen oft schwerer mit den steigenden Qualifikationsanforderungen mithalten. Deshalb bleiben die Arbeitsplätze in den zukunftsträchtigen Bereichen primär den Einheimischen (oder dringend benötigten hochqualifizierten Zugewanderten) vorbehalten, während Migrant_innen aus Drittstaaten in segmentierte Arbeitsmärkte abdriften könnten. Zudem verharren Zugewanderte oft in Arbeitsstellen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen, weil Ausbildungsabschlüsse nur unzureichend anerkannt werden oder aufgrund vieler Barrieren gänzlich auf Anerkennungsverfahren verzichtet wird (vgl. hierzu speziell für Salzburg Weichbold et al. 2015).

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

35

Der schwierige Weg der Integration bleibt folglich auch in Österreich ein beherrschendes Thema, weil Statistiken über den österreichischen Arbeitsmarkt eine klare Sprache sprechen. Der jüngste Bericht der Statistik Austria (2015) zur Arbeitsmarktsituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich stellt nach wie vor deutliche Unterschiede der Berufscharakteristika zwischen Einheimischen und Migrant_innen fest. Allein in Bezug auf die Erwerbsbeteiligung liegen die Raten von Frauen (besonders bei Türk_innen mit 36,2 %) deutlich niedriger als der Durchschnitt (66,9 %). Auch von Arbeitslosigkeit sind Migrant_innen überproportional betroffen, die Arbeitslosenquote im Jahr 2014 (10,1 %) lag mehr als doppelt so hoch wie bei den Einheimischen. Bei den Erwerbstätigen ergeben sich zudem deutliche Unterschiede im beruflichen Profil. So sind Migrant_innen zu über 40  % als Arbeiter_innen tätig, während dies nur auf 22,8  % der Einheimischen zutrifft (vgl. Statistik Austria 2015, S. 16 f.). Besonders hoch ist der Anteil der Arbeiter_innen nach wie vor bei Migrant_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus der Türkei und bei Zugewanderten aus den neuen EU-Staaten. Zudem zeigen die Statistiken, dass zwischen 40 % (neue EU-Länder) und 60 % (Angehörige aus Drittstaaten) der Migrant_innen unselbständige Hilfs- oder angelernte Tätigkeiten ausüben. Wie sich Bildungs- und Berufscharakteristika auf die nachfolgenden Generationen auswirken, ist ebenfalls Gegenstand zahlreicher Forschungen. Wenn beide Eltern lediglich einen Pflichtschulabschluss aufweisen, sind ein geringes Qualifikationsprofil und eine weniger privilegierte Lage am Arbeitsmarkt häufig vorgezeichnet. So konnten die Nachkommen von Zugewanderten mit Pflichtschulabschluss in knapp der Hälfte der Fälle ebenfalls keinen höhere Bildungsabschluss erzielen, nur 4,8 % der zweiten Generation im Alter von 15 bis 34 Jahren erreichen bei derartigen Startbedingungen einen akademischen Abschluss (vgl. Statistik Austria 2015, S. 17). Dennoch wird im Generationenverlauf eine sukzessive Annäherung des Bildungsniveaus an das der Einheimischen erkennbar. Angehörige der zweiten Generation erzielen häufiger mittlere Bildungsabschlüsse, während niedrige Abschlüsse zurückgehen und interessanterweise auch akademische Abschlüsse im Vergleich zu den hochqualifizierten Eltern in den Hintergrund treten (vgl. ebd., S. 45). Besonders bei türkischer Herkunft dürfte eine Aufstiegsmobilität nur bedingt gelingen. Laut den Erhebungen der Statistik Austria können Türkinnen bei einem Pflichtschulabschluss der Eltern zu über 80 % keine höheren Abschlüsse erreichen, für Türken trifft dies ebenfalls in erheblichem Maße zu (62,5 %). Unter Zugewanderten aus dem ehemaligen Jugoslawien verbleiben nur 47,5 % der Nachkommen bei niedrig gebildeten Eltern auf diesem Qualifikationsniveau. In einer umfassenden Studie zur Lage der zweiten Generation wurden mehrere Gründe für die schwierigen Bedingungen der Migrant_innen in Österreich

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Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

identifiziert. Gerade in der zweiten Generation entscheidet sich die Berufskarriere mit dem Erwerb von Qualifikationen, insofern kommt den Bildungsinstitutionen eine Schlüsselaufgabe für Integration zu (vgl. Weiss 2007, S. 32 ff.). Die hohen Bildungsansprüche der Eltern, die oftmals ihr „Projekt Migration“ über die Kinder vollenden wollen, (z. B. Juhasz und Mey 2003) bleiben jedoch oft illusorisch. Der schulische Erfolg ist auch nach der jüngsten PISA-Erhebung (OECD 2015) stark vom „Migrationshintergrund“ abhängig, wobei Leistungsunterschiede in Österreich im Vergleich zu anderen Staaten deutlicher zutage treten. Die nachteiligen Bedingungen der zweiten Migrantengeneration in Österreich werden dabei häufig auf alternative kulturelle Praktiken im Elternhaus zurückgeführt, wobei auch schichtspezifische Determinanten eine Rolle spielen dürften. Es ist anzunehmen, dass sich Bildungsaspirationen unterscheiden, die direkte und indirekte Förderung der Kinder potentiell nicht im selben Maße wie bei Einheimischen gegeben ist und Ausstattungsmerkmale in den Haushalten (z. B. Anzahl der Bücher) auf ein geringeres kulturelles Kapital verweisen. Insofern prägt der Berufs- und Bildungsstatus der Eltern das soziokulturelle Umfeld und führt zu schicht- und kulturspezifischen Orientierungen im Erziehungsstil (vgl. Weiss 2007, S. 53 f.) Eine Erklärung für den mangelnden Bildungserfolg stellt die Kapitaltheorie von Bourdieu (1983) dar. Wenn die Eltern nur über ein begrenztes ökonomisches und soziales Kapital verfügen, fehlen die maßgeblichen kulturellen Codes für einen routinierten Umgang mit dem österreichischen Schulsystem (vgl. Kircil 2016, S. 159–164). Empirisch dieser Theorie widersprechend finden sich jedoch Studien (z.  B. Bacher 2010), die auch bei türkischen Familien hohe Bildungsaspirationen feststellen, wobei auch hier Eltern oder Peers oft eine richtungsweisende Rolle spielen. Diese Effekte werden durch die These der primären und sekundären Bildungseffekte erfasst (Boudon 1974). Die primären Effekte beruhen auf den Statusmerkmalen bzw. „Kapitalien“ der Eltern, die sekundären auf deren Aspirationen und Unterstützungsmaßnahmen für die Kinder im Laufe ihrer Bildungs- und Berufswege. Hier wird angenommen, dass Eltern für ihre Kinder prinzipiell mindestens die gleiche sozioökonomische Positionierung wie ihre eigene anstreben. Somit dürften insbesondere Eltern mittlerer und höherer Bildungsschichten stark in Bildung investieren und die Angehörigen der zweiten Generation ihre Bildung mindestens so lange fortsetzen, bis sie das Ziel des Statuserhalts erreicht haben (vgl. auch Herwig 2017, S. 38). Eine Vielzahl institutioneller Rahmenbedingungen kann jedoch zusätzlich erschwerend auf den Schulerfolg wirken. Insbesondere in Österreich ist das Schulsystem weiterhin stratifiziert, die Schüler_innen werden nach Absolvierung der Volkschule in differenzierte Laufbahnen eingeordnet, die sich durch spezifische Anforderungen, Möglichkeiten und Grenzen auszeichnen (vgl. Herwig 2017, S. 35). Auch Kircil (2016) bestätigt in seiner qualitativen Studie,

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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wie stark die „Schnittstelle der Volkschule“ auf den weiteren Bildungsweg Einfluss nimmt und dass Lehrer_innen in der Praxis der Selektion des Schultyps eine Schlüsselrolle einnehmen (vgl. Kircil 2016, S. 165 ff.). Aufgrund dieser Vielzahl an Faktoren erscheint eine tendenziell weniger privilegierte Lage am Arbeitsmarkt weitgehend vorgezeichnet zu sein; sozioökonomische Ungleichheiten zwischen Einheimischen und Migrant_innen dürften auch in der zweiten Generation bestehen bleiben. Dennoch weisen Angehörige der zweiten Generation sicher ein höheres Maß an intrinsischer Motivation und Aufstiegsorientierung auf. Der Bildungserfolg von Migrant_innen wird deshalb in der Forschung oft als „Selbstplatzierungsleistung“ (Boos-Nünning und Karasoglu 2004, S. 217) bezeichnet; es dürfte nämlich auch stark von individuellen Faktoren (wie z. B. Begabung, Leistungswillen und Durchsetzungsvermögen) abhängen, wie sich Migrant_innen im österreichischen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt behaupten. Die Erkenntnisse verschiedener Studien zum Bildungserfolg von Migrant_innen und zur beruflichen Lage von Angehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei in Österreich führen uns zu folgenden sechs Hypothesen, die für unsere statistischen Analysen forschungsleitend sind: • Hypothese 1: Migrant_innen der ersten Generation weisen im Vergleich zu ihren Eltern tendenziell höhere Bildungsabschlüsse auf, weil sich auch Zugewanderte der ersten Generation durch hohe Aufstiegsorientierungen auszeichneten. Es kann folglich über alle Herkunftsgruppen ein signifikanter Bildungsaufstieg festgestellt werden. • Hypothese 2: Auch in Bezug auf Karrieremobilität gelingt es, im Vergleich zur ersten Arbeitsstelle in Österreich einen sozialen Aufstieg zu erreichen. Dies zeigt sich bei den Migrant_innen der ersten Generation, die überwiegend schon länger in Österreich leben, über alle Herkunftsgruppen. • Hypothese 3: Im Generationenverlauf gelingt es den Migrant_innen der zweiten Generation ebenfalls, tendenziell höhere Bildungsabschlüsse und eine bessere Positionierung am Arbeitsmarkt zu erlangen. Dieser Effekt ist bei Angehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien stärker ausgeprägt als bei türkischen Migrant_innen. • Hypothese 4: In Bezug auf Schichtzugehörigkeit sind Zugewanderte aus den jeweiligen Herkunftsregionen niedriger zu verorten als Migrant_innen aus Deutschland und Einheimische. Trotz Aufstiegsmobilität bleiben auch in der zweiten Generation signifikante Schichtunterschiede bestehen. • Hypothese 5: Statusinkonsistenzen sind bei Migrant_innen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien höher ausgeprägt als bei Einheimischen bzw. bei Personen mit deutschem Migrationshintergrund.

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Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

• Hypothese 6: Der Herkunftskontext und die Migrationsmotive beeinflussen die soziale Mobilität und die Schichtzugehörigkeit. Unter Hinzunahme weiterer Einflussfaktoren treten jedoch kulturelle Determinanten zugunsten schichtspezifischer Einflussfaktoren in den Hintergrund.

2.5

Empirische Analyse

2.5.1 Operationalisierung der Kernindikatoren Die Variablen zum Migrationshintergrund und zu den Migrationsmotiven (vgl. Abschnitt 2.3) stellen die unabhängigen Variablen unserer Analyse dar. Neben diesen Merkmalen zur Migrationsbiographie werden die Bildungs- und Berufsmobilität, die soziale Schicht und damit verbundene Statusinkonsistenzen auf abhängiger Ebene analysiert. Alle vier Indikatoren werden aus den Angaben zu Bildung, Einkommen und Beruf abgeleitet. Die Quellvariablen im Datensatz weisen jeweils eine unterschiedliche Anzahl von Kategorien auf und werden deshalb zur Beurteilung der sozialen Schicht in Dreier-Skalen umgewandelt. Das Haushaltsnettoeinkommen wurde von einer ursprünglich zwölfstufigen auf eine dreistufige Skala umcodiert. In Bezug auf den höchsten Schulabschluss umfasst niedrige Bildung alle maximalen Schulabschlüsse einschließlich der Pflichtschule, mittlere Bildung alle Abschlüsse oberhalb der Pflichtschule und unterhalb der Matura und hohe Bildung umfasst jeden Schulabschluss ab der Matura. Die Berufe wurden in der Befragung ursprünglich auf einer neunstufigen Skala erfasst, die sich an der ISCO-Kodierung orientiert (vgl. Ganzeboom 2005). Die ursprüngliche Antwortskala wurde auf eine dreistufige EGP-Skala (vgl. Erikson, Goldthorpe und Portocarero 2010) überführt. Zur Analyse der sozialen Mobilität als zentraler abhängiger Variable wurde das ursprüngliche Skalenniveau der Variablen beibehalten. Bei der sozialen Mobilität kann zwischen Karrieremobilität und intergenerationaler (Bildungs-)Mobilität unterschieden werden (Berger 2013). Die Grundlage für die Operationalisierung der Berufsmobilität bildet der Vergleich der ersten Beschäftigung (bei Migrant_innen der ersten Generation nach Ankunft in Österreich) mit der derzeitigen Beschäftigung.7 Die Bildungsmobilität wird über den Unterschied zum höchsten Bildungsabschluss

7

Beide Berufsfragen wurden identisch über die neunstufige ISCO-Skala erfasst und die Differenz erfasst ein Spektrum des maximalen Aufstiegs (8) bis zum maximalen Abstieg (–8).

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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der beiden Elternteile und der befragten Person als Differenz der fünfstufigen Skala zum höchsten Schulabschluss berechnet.8 Tabelle 5 Absolute Häufigkeiten der rekodierten Kernindikatoren nach Migrationshintergrund Variable

Antwortmöglichkeiten

Höchster Schulabschluss (Bildung)

Kein Schulabschluss, Grund- bzw. Pflichtschule abgebrochen Grundschule bzw. Pflichtschule (8 bis 9 Schulstufen) Lehre/berufsbildende mittlere Schule Matura, Abitur (Gymnasium, berufsbildende höhere Schule) Universität, (Fach-)Hochschule (Bakk, Master, PhD) Freie und technische Berufe wie z. B.: Arzt – Lehrer – Ingenieur – Buchprüfer Höhere Management- oder Verwaltungsberufe wie z. B.: Banker – Manager – hoher Beamter – Gewerkschaftsfunktionär

Welche Arbeit üben Sie derzeit aus? (Beruf)

8

N N Tür- Ex-Jugo- Kategorie Tür- Ex-Jugokei slawien kei slawien 13 3 niedrig 92 54 79

51

104

138 mittel

104

138

74

65 hoch

104

108

30

43

13

16 Dienstklasse

16

24

3

8

Eine Person mit maximaler Aufwärtsmobilität hätte einen Universitätsabschluss, während die beide Eltern keinen Schulabschluss haben (entspricht dem Skalenmaximum von 4). Die maximale Abwärtsmobilität entspricht einer Person ohne Schulabschluss mit wenigstens einem Elternteil mit einem Hochschulabschluss (entspricht dem Skalenminimum von –4).

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N N Tür- Ex-Jugo- Kategorie Tür- Ex-Jugokei slawien kei slawien 20 30 An76 94 Büroberufe wie z. B.: SekretäWelche gestellte rin – Bürokraft – Büroleiter – Arbeit Buchhalter üben Sie derzeit 17 20 Verkaufsberufe wie z. B.: aus? Verkaufsleiter – Geschäfts(Beruf) inhaber – Verkäufer – Versicherungsvertreter 39 44 Dienstleistungsberufe wie z. B.: Restaurantbesitzer – Polizist – Kellner – Friseur 32 31 Arbeiter90 70 Facharbeiter z. B.: Kfzklasse Mechaniker – Drucker – Werkzeugmacher – Elektriker 35 27 Angelernte Arbeiter wie z. B.: Maurergehilfe – Bäckerge­ hilfe – Busfahrer – Fabrikarbeiter – Tischlergehilfe 23 12 Ungelernte Arbeiter wie z. B.: Hilfsarbeiter – Gepäckträger – ungelernte Fabrikarbeiter 0 0 Landwirtschaft wie z. B.: Bauer – landwirtschaftlicher Arbeiter bis € 800 2 7 bis € 56 57 Monatliches 7 11 1.600 bis € 1.000 Haushaltsbis € 1.300 15 19 nettoein32 20 kommen bis € 1.600 (Einbis € 2.000 37 31 € 1.601– 129 106 kommen) bis € 2.500 56 38 3.000 bis € 3.000 36 37 bis € 3.500 21 29 € 3.001 55 89 bis € 4.000 13 21 und mehr Variable

Antwortmöglichkeiten

bis € 4.500 bis € 5.000 über € 5.000

2 5 14

16 7 16

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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Die soziale Schicht wird schließlich als ein Index aus Bildung, Beruf und Einkommen operationalisiert, wobei hierfür die Dreier-Skalen verwendet und für alle drei Variablen die Werte von 0 = niedrigste Kategorie bis 2 = höchste Kategorie vergeben wurden. Der Schichtindex verläuft folglich von 0 (bei einer niedrigen Ausprägung aller Variablen) bis 6 (womit die Befragungsteilnehmer_innen in allen drei Aspekten der höchsten Schicht angehören). Als vierte Dimension wurden Statusinkonsistenzen untersucht. Ausgehend von den dreistufigen Skalen für Beruf (EGP-Skala), Bildung und Einkommen wurden die Differenzen zwischen den drei Merkmalen für die drei möglichen Merkmalskombinationen analysiert. Wenn eine Person eine identische Stufe auf zwei Merkmalen hat, dann ist die Differenz null und beide Merkmale sind konsistent, ansonsten indiziert die Differenz die Statusinkonsistenz (Min = –2; Max = 2).9 Tabelle 5 gibt über die Kernindikatoren näher Auskunft und ermöglicht erste Schlussfolgerungen über die soziale Lage der Personen mit türkischem und ex-jugoslawischem Migrationshintergrund. Die Tabelle zeigt, dass türkische Migrant_innen im Vergleich zu jenen aus dem ehemaligen Jugoslawien tendenziell häufiger in den niedrigen Bildungsstufen und in der Arbeiterklasse vertreten sind. Bei Zugewanderten aus dem Balkanraum dominiert stärker ein mittleres Bildungsniveau und die Befragten sind mehrheitlich als Angestellte in Österreich beschäftigt. In Bezug auf das Einkommen scheinen die Unterschiede etwas geringer ausgeprägt zu sein, wobei es auch hier den Angehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien eher gelingt, ein höheres Einkommensniveau zu erreichen. Abbildung 1 illustriert die Unterschiede bezüglich der drei Schlüsselvariablen in den jeweils neu kategorisierten Daten. Hinsichtlich des Berufs zeigt sich, dass besonders Türk_innen der ersten Generation, gefolgt von Serb_innen, Kroat_ innen und Bosnier_innen vermehrt der Arbeiterklasse angehören. In der zweiten Generation verschiebt sich dieses Bild, weil die Nachkommen der Zugewanderten vermehrt in die Angestelltenklasse aufsteigen. Überraschend viele Zugewanderte der zweiten Generation erreichen bei türkischem und bosnischem Migrationshintergrund auch Positionen in der Dienstklasse, wobei sich Personen aus Serbien hier seltener wiederfinden. Ähnlich verhält es sich im Bereich der Bildung, wo es Bosnier_innen und Türk_innen gelingt, ein höheres Ausbildungsniveau im Vergleich zu den Eltern zu erreichen. Serb_innen erlangen in der zweiten Generation überwiegend mittlere Bildungsabschlüsse (ohne Matura). Die Daten ergeben, dass sowohl Türk_innen als auch Bosnier_innen öfter in höhere Einkommensklassen 9

Das Aufsummieren der drei Merkmalskombinationen ergibt ein kombiniertes kategoriales Statuskonsistenzmaß, wobei Statuskonsistenz mit 0, eine leichte Statusinkonsistenz mit 1 und eine starke Statusinkonsistenz mit 2 codiert ist.

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aufsteigen, während Serb_innen der zweiten Generation häufig in mittleren Einkommenskategorien verharren.

Abbildung 1  Verteilungen der Kernindikatoren (Beruf, Bildung, Einkommen) nach Migrationshintergrund

Im Vergleich mit anderen Zuwanderergruppen sind Türk_innen und Angehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien unserer Erhebung zufolge deutlich weniger privilegiert als Migrant_innen aus Deutschland und aus sonstigen Staaten. Von Interesse ist auch, dass sich die soziale Lage der Österreicher_innen (ohne Migrationshintergrund) nicht allzu stark von jener der analysierten Migrantengruppen unterscheidet. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass unsere Stichprobe nicht repräsentativ ist und einen überproportionalen Anteil von Angehörigen mittlerer und höherer sozialer Schichten umfasst. Deshalb können hier keine verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen getroffen werden.

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

43

2.5.2 Unterschiede der Bildungs- und Berufsmobilität und der sozialen Lage nach Herkunftsregion Zur Prüfung der Hypothesen werden nun die Unterschiede in den genannten Kernindikatoren im Generationenverlauf und je nach Herkunftskontext getrennt aufgelistet. Abbildung 2 stellt die jeweiligen Mittelwerte und die dazugehörigen Vertrauensintervalle10 in der Bildungsmobilität (im Vergleich zum Bildungsstand der Eltern) dar.11 Zieht man die Grenze beim Wert von 0 (als Umschlagpunkt von Bildungsabstieg zu Bildungsaufstieg), so kann tatsächlich bestätigt werden, dass bei Migrant_innen der ersten Generation im Durchschnitt eindeutig ein Bildungsaufstieg erkennbar ist. Im Vergleich zur Elterngeneration weisen sowohl die ehemaligen Gastarbeiter_innen als auch die ehemaligen Flüchtlinge aus dem Balkanraum höhere Bildungsqualifikationen auf. Besonders deutlich erscheint dies sowohl bei Türk_innen als auch bei bosnischen Migrant_innen, wobei auch bei Serb_innen und Kroat_innen die untere Grenze des Vertrauensintervalls über dem Wert von 0 liegt (Bestätigung der Hypothese 1). Auch bei Zugewanderten aus Deutschland und aus sonstigen Herkunftsländern sowie bei Österreicher_innen werden im Generationenverlauf höhere Bildungsabschlüsse erzielt. Bei Migrant_innen der zweiten Generation ergeben sich im Mittel weiterhin positive Werte, was für eine tendenzielle Bestätigung der Hypothese 3 spricht. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Vertrauensintervalle (z. B. bei Bosnier_innen) den Wert 0 unterschreiten, was überwiegend auf die sehr kleinen Stichproben zurückzuführen ist. In Bezug auf Karrieremobilität besteht ein ähnliches Bild (vgl. Abbildung 3). Analysiert man die Zugewanderten der ersten Generation, so ist im Zuge einer längeren Aufenthaltsdauer in Österreich überwiegend ein sozialer Aufstieg gelungen.

10 Da die Stichprobengrößen teils sehr gering sind, verbreitert sich dementsprechend das Vertrauensintervall. 11 Da zahlreiche Indikatoren auch aus der Hauptstichprobe des SSÖ (n = 2019) vorliegen, können auch Österreicher_innen (ohne Migrationshintergrund), deutsche Migrant_ innen und Zugewanderte aus sonstigen Ländern in die Analysen integriert werden.

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Abbildung 2  Mittlere intergenerationale Bildungsmobilität nach Migrationshintergrund

Dies zeigt sich besonders stark bei Serb_innen, bei denen die aktuelle Arbeitsstelle im Mittel bis zu 3 Kategorien höher liegt als die erste Positionierung am Arbeitsmarkt. Auch bei Kroat_innen ist eine Aufwärtsmobilität erkennbar, wobei Bosnier_innen und Türk_innen etwas geringere Erfolge erzielen (Bestätigung der Hypothese  2). Von Interesse ist auch, dass Österreicher_innen im Karriereverlauf ebenfalls höhere Positionen erreichen, aber deren Berufsmobilität (erste Stelle im Vergleich zur aktuellen Position) sogar tendenziell geringer ausgeprägt ist als bei Migrant_innen aus Serbien oder Kroatien. Dies ist ein Indikator dafür, dass Migrant_innen am Beginn ihrer Berufskarriere in Österreich oft über einen schlechteren Beruf am Arbeitsmarkt einsteigen und erst über die Jahre wieder eine angemessene Position erreichen (Weichbold et al. 2015, S. 82 ff.).

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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Abbildung 3  Mittlere Karrieremobilität nach Migrationshintergrund12

Auch in Bezug auf den Karriereerfolg in der zweiten Generation sind die Ergebnisse positiv. Denn im Vergleich zur ersten Arbeitsstelle gelingt sowohl Türk_ innen als auch Bosnier_innen und Serb_innen im Mittel mit der Zeit ein beruflicher Aufstieg. Hier ist jedoch erneut festzuhalten, dass der Grenzwert von 0 bei Serb_innen und Bosnier_innen (auch aufgrund der naturgemäß resultierenden Breite des Vertrauensintervalls) überschritten wird und folglich die Aussagen nur bedingt verallgemeinerbar sind (tendenzielle Bestätigung der Hypothese 3). Die klare Aufstiegstendenz in Bezug auf Bildungsqualifikationen und Berufspositionen von Migrant_innen muss in Bezug auf die Schichtzugehörigkeit relativiert werden. Denn befinden sich die von uns befragten Migrant_innen in allen drei Kernindikatoren (Bildung, Beruf und Einkommen) im Vergleich zu Öster12 Karrieremobilität wird als Differenz zwischen dem ersten Beruf nach der Ankunft in Österreich und der derzeitigen beruflichen Position bestimmt. Der erste Beruf nach der Ankunft in Österreich wurde in der Hauptbefragung des SSÖ nicht erhoben, deshalb liegen keine Informationen für Deutschland, anderes Land und den großen Teil der Population ohne Migrationshintergrund vor.

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reicher_innen, Deutschen und anderen Migrant_innen im Mittel in weniger privilegierten Positionen. Insbesondere Österreicher_innen sind in höheren Milieus als Zugewanderte der ersten Generation zu finden, wobei sich dieses Bild in der zweiten Generation aufzulösen scheint (teilweise Bestätigung der Hypothese 4).13 Im Generationenverlauf deuten die Vertrauensintervalle darauf hin, dass bei Serb_innen ein leichter Aufstieg zu beobachten ist, während insbesondere Bosnier_innen der zweiten Generation (bei ähnlichen Ausgangsbedingungen) in einer höheren sozialen Schicht zu verorten sind und auch Türk_innen eine deutlichere soziale Mobilität aufweisen.14

Abbildung 4  Mittlere Schichtzugehörigkeit nach Migrationshintergrund

13 Bei deutschen Zugewanderten ist eine tendenziell höhere Positionierung gegeben und auch Migrant_innen aus anderen Ländern scheinen sich durch privilegiertere Positionen auszuzeichnen, wobei auch hier eine größere Streuung der Werte erkennbar wird. 14 Dabei ist jedoch stets zu beachten, dass sich die Vertrauensintervalle aufgrund der geringen Stichprobengrößen überschneiden und keine gesicherten Aussagen über die Lage in Österreich zulassen.

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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Die letzte These geht davon aus, dass Statusinkonsistenzen bei Migrant_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei häufiger auftreten als bei Einheimischen und bei Personen mit deutschem Migrationshintergrund. Abbildung 5 zeigt, dass bei Zugewanderten der ersten Generation tatsächlich überproportional hohe Unterschiede im Bildungs-, Berufs- und Einkommensstatus bestehen; sie nehmen im Generationenverlauf jedoch ab. Auch bei Österreicher_innen, Deutschen und Migrant_innen aus sonstigen Herkunftsländern sind Statusinkonsistenzen beobachtbar, allerdings in der Regel nur leichte (tendenzielle Bestätigung der Hypothese 5).

Abbildung 5  Verteilung der Statusinkonsistenzen nach Migrationshintergrund

2.5.3 Einflussfaktoren auf soziale Mobilität, soziale Schicht und Statusinkonsistenz Abschließend soll mittels sequentieller Regressionsmodelle gezeigt werden, wie stark der Herkunftskontext und die Migrationsmotive auf Bildungs- und Arbeitsmarktchancen wirken und ob zusätzlich zu den Aspekten der Migrationsbiographie weitere Einflussfaktoren ausschlaggebend sind. Es werden blockweise die Variablen des Herkunftskontexts und der Migrationsmotive eingeführt (1. Modell); in weiterer Folge werden diese um soziodemographische und aufenthaltsrechtliche

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Faktoren (Alter, Geschlecht, Familienstand und Staatsbürgerschaft, 2. Modell) und um Aspekte der kognitiven und soziokulturellen Assimilation (Sprachverständnis, Interesse für österreichische Politik und Kontakte zu Österreicher_innen, 3. Modell) ergänzt. Die abhängigen Variablen Bildungsmobilität, Karrieremobilität und Schichtzugehörigkeit können als metrisch betrachtet werden, sodass multivariate OLS-Regressionen berechnet werden konnten. Statusinkonsistenz wurde als dichotome abhängige Variable in das abschließende Modell eingeführt. Hier wurde eine binäre logistische Regression berechnet, um die Einflussfaktoren zu bestimmen.15 Bei der Betrachtung der Einflussfaktoren auf die intergenerationale Bildungsmobilität in Tabelle 6 bestätigen sich die Resultate aus der bivariaten Analyse – den türkischen und bosnischen Migrant_innen gelingt im Durchschnitt eher eine Aufwärtsmobilität als den anderen Gruppen. Zusätzlich zeigt sich auch bei den Türk_ innen der ersten Generation in Österreich, dass diese deutlich bessere Bildungsabschlüsse als ihre Eltern aufweisen. Diese Ergebnisse sind über alle drei Modelle stabil, genauso wie der Effekt des politischen Migrationsmotivs. Fluchtmigration führt zu größeren Schwierigkeiten beim Bildungsaufstieg. Von Interesse ist, dass weder soziodemographische Merkmale noch Aspekte der soziokulturellen Integration (wie Sprachkenntnisse oder Kontakte zu Österreicher_innen) einen Einfluss auf Bildungsmobilität aufweisen. Insgesamt fällt die Erklärungskraft der drei Modelle gering aus, nur rund 7 % der Varianz in der Bildungsmobilität können durch die zugrundeliegenden Faktoren erklärt werden. Am deutlichsten scheinen dennoch in Bezug auf die Bildungsmobilität der Herkunftskontext und die Migrationsmotive zu wirken (Ablehnung der Hypothese 6 in Bezug auf Bildungsmobilität).

15 Hier werden die Ergebnisse nur auszugsweise (ohne Darstellung der Tabelle) berichtet, weil die Effektstärken sehr gering ausfallen. Bei Interesse können die detaillierten Ergebnisse bei den Verfassern des Beitrags angefordert werden.

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Tabelle 6 OLS-Regression zur Erklärung von intergenerationale Bildungsmobilität (–4 = Abstieg; 4 = Aufstieg) (Konstante) Migrationshintergrund (Ref. keine/nicht zuordenbar) Türkei (1. Generation) Serbien (1. Generation) Kroatien (1. Generation) Bosnien (1. Generation) Türkei (2. Generation) Serbien (2. Generation) Bosnien (2. Generation) Ehemaliges Jugoslawien (1. Generation) Migrationsmotive (Ref. sonstige Motive) Familiäre Gründe (Zusammenführung, Heirat) Wirtschaftliche Gründe (Beruf, Studium) Politische Gründe (Krieg, Vertreibung) Familienstand (Ref. verheiratet) Geschieden/getrennt/verwitwet Ledig Österreichische Staatsbürgerschaft Alter Geschlecht (Ref. männlich) Gute bis sehr gute Sprachkenntnisse (Ref. mittelmäßige bis sehr schlechte) Starkes bis sehr starkes Interesse an österr. Politik (Ref. wenig bis kein Interesse) Anteil Österreicher_innen an Freunden (Ref. niemand) Einige Ungefähr die Hälfte Die meisten/alle R² Korr. R² Delta F df1 df2 sig. Signifikanz: * < 0,05; ** < 0,01; *** < 0,001.

Modell 1 0,543

Modell 2 0,277

Modell 3 0,324

0,688*** 0,164 0,426 0,561** 0,532* 0,163 0,144 –0,164

0,637*** 0,159 0,290 0,492* 0,699** 0,336 0,420 –0,315

0,619** 0,143 0,288 0,467* 0,650** 0,339 0,359 –0,327

–0,325 –0,269 –0,577*

–0,230 –0,233 –0,548*

–0,254 –0,260 –0,584*

–0,214 –0,326* 0,196 0,008 –0,109

–0,224 –0,304 0,207 0,010 –0,126 0,143 0,052

0,066 0,045 3,185 11 497 0,000

0,100 0,071 3,709 5 492 0,003

–0,166 –0,213 –0,325 0,106 0,068 0,698 5 487 0,625

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Bei der Betrachtung der Einflussfaktoren auf die intergenerationale Bildungsmobilität in Tabelle 6 bestätigen sich die Resultate aus der bivariaten Analyse – den türkischen und bosnischen Migrant_innen gelingt im Durchschnitt eher eine Aufwärtsmobilität als den anderen Gruppen. Zusätzlich zeigt sich auch bei den Türk_ innen der ersten Generation in Österreich, dass diese deutlich bessere Bildungsabschlüsse als ihre Eltern aufweisen. Diese Ergebnisse sind über alle drei Modelle stabil, genauso wie der Effekt des politischen Migrationsmotivs. Fluchtmigration führt zu größeren Schwierigkeiten beim Bildungsaufstieg. Von Interesse ist, dass weder soziodemographische Merkmale noch Aspekte der soziokulturellen Integration (wie Sprachkenntnisse oder Kontakte zu Österreicher_innen) einen Einfluss auf Bildungsmobilität aufweisen. Insgesamt fällt die Erklärungskraft der drei Modelle gering aus, nur rund 7 % der Varianz in der Bildungsmobilität können durch die zugrundeliegenden Faktoren erklärt werden. Am deutlichsten scheinen dennoch in Bezug auf die Bildungsmobilität der Herkunftskontext und die Migrationsmotive zu wirken (Ablehnung der Hypothese 6 in Bezug auf Bildungsmobilität).

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Tabelle 7 OLS-Regression zur Erklärung von Karrieremobilität (–8 = Abstieg; 8 = Aufstieg) (Konstante) Migrationshintergrund (Ref. keine/nicht zuordenbar) Türkei (1. Generation) Serbien (1. Generation) Kroatien (1. Generation) Bosnien (1. Generation) Türkei (2. Generation) Serbien (2. Generation) Bosnien (2. Generation) Ehemaliges Jugoslawien (1. Generation) Migrationsmotive (Ref. sonstige Motive) Familiäre Gründe (Zusammenführung, Heirat) Wirtschaftliche Gründe (Beruf, Studium) Politische Gründe (Krieg, Vertreibung) Familienstand (Ref. verheiratet) Geschieden/getrennt/verwitwet Ledig Österreichische Staatsbürgerschaft Alter Geschlecht (Ref. männlich) Gute bis sehr gute Sprachkenntnisse (Ref. mittelmäßige bis sehr schlechte) Starkes bis sehr starkes Interesse an österr. Politik (Ref. wenig bis kein Interesse) Anteil Österreicher_innen an Freunden (Ref. niemand) Einige Ungefähr die Hälfte Die meisten/alle R² Korr. R² Delta F df1 df2 sig. Signifikanz: * < 0,05; ** < 0,01; *** < 0,001.

Modell 1 1,109*

Modell 2 Modell 3 0,944 0,076

–0,535 0,065 0,215 0,069 –0,231 –0,565 1,194 –0,266

–0,592 0,014 0,106 –0,045 –0,178 –0,463 1,350 –0,342

–0,360 –0,059 –0,006 –0,053 –0,100 –0,382 1,452* –0,419

–0,259 –0,185 –0,264

–0,364 –0,233 –0,321

–0,300 –0,255 –0,339

–0,263 –0,571 0,070 –0,004 0,360

–0,329 –0,581 –0,099 0,000 0,410* 0,675* 0,397

0,043 0,007 1,211 11 300 0,279

0,065 0,014 1,426 5 295 0,215

–0,027 –0,171 –0,018 0,096 0,031 2,001 5 200 0,079

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In Bezug auf Karrieremobilität (aktuelle Beschäftigung im Vergleich zu erster Beschäftigung) sind die Ergebnisse nach Migrationsmotiven nicht eindeutig. Bereits im ersten Modell weisen insbesondere Bosnier_innen der zweiten Generation eine höhere Aufwärtsmobilität auf, dieser Effekt erreicht insbesondere unter Konstanthaltung der anderen Prädiktoren im Modell 3 auch Signifikanz. Es muss dennoch einschränkend angemerkt werden, dass die Ergebnisse auf äußerst geringen Stichprobengrößen beruhen. Insgesamt finden sich im dritten Modell nur bei zwei weiteren Faktoren signifikante Ergebnisse. Frauen weisen bei Berufstätigkeit insgesamt eine höhere Karrieremobilität als Männer auf und zudem sind primär gute Sprachkenntnisse für einen beruflichen Aufstieg verantwortlich. Tatsächlich dürften in Bezug auf Karrieremobilität der ethnische Hintergrund und die Migrationsmotive eine deutlich geringere Rolle spielen, weil primär das Geschlecht und die Sprachkenntnisse für die strukturelle Integration entscheidend sind. Dies wird auch in der erhöhten Erklärungskraft im dritten Modell erkennbar (tendenzielle Bestätigung von Hypothese 6). Die Schichtzugehörigkeit der Migrant_innen (basierend auf Einkommen, Bildung und Beruf) stellt eine differenzierte abhängige Variable dar, wobei die Erklärungskraft erneut in Modell 2 und 3 stark ansteigt (siehe Tabelle 8). Hier zeigt sich, dass sich insbesondere Türk_innen in niedrigeren sozialen Positionen einordnen. Ein deutlich stärkerer Einfluss besteht jedoch in Bezug auf soziodemographische und aufenthaltsrechtliche Faktoren, wobei zusätzlich Aspekte der soziokulturellen Integration (Modell 3) zu einer höheren Modellgüte beitragen. Insbesondere alleinstehende Migrant_innen (ledig oder geschieden, getrennt und verwitwet) nehmen eine benachteiligte Position ein und tendenziell sind auch ältere Migrant_innen in niedrigeren Schichten zu verorten. Sowohl eine gute familiäre Einbindung als auch ein privilegierter aufenthaltsrechtlicher Status (z. B. Staatsbürgerschaft) dürften die strukturelle Integration in die österreichische Gesellschaft deutlich erleichtern. Entscheidend für eine höhere Schichtzugehörigkeit sind zudem die soziokulturellen Aspekte. Bei höherer Schichtzugehörigkeit sind nämlich in der Regel gute Sprachkenntnisse, ein höheres Interesse für die österreichische Politik und eine starke Einbindung in österreichische Netzwerke gegeben (hier Bestätigung der Hypothese 6). Bei den Statusinkonsistenzen ist im Unterschied zur Schichtzugehörigkeit die Erklärungskraft der verwendeten Prädiktoren gering, deshalb wird hier nur auszugweise über die zentralen Befunde berichtet. Bei den Serb_innen der zweiten Generation ist erkennbar, dass Statusinkonsistenzen signifikant seltener als bei anderen Migrant_innengruppen auftreten. Zudem übt das Geschlecht einen wesentlichen Einfluss aus. Statusinkonsistenzen sind unter Migrant_innen primär männlich, diese haben im Vergleich zu Frauen eine 1,6-fach erhöhte Chance, Statusinkonsistenzen aufzuweisen.

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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Tabelle 8 OLS-Regression zur Erklärung von Schichtzugehörigkeit (0 = Unterschicht; 6 = Oberschicht) (Konstante) Migrationshintergrund (Ref. keine/nicht zuordenbar) Türkei (1. Generation) Serbien (1. Generation) Kroatien (1. Generation) Bosnien (1. Generation) Türkei (2. Generation) Serbien (2. Generation) Bosnien (2. Generation) Ehemaliges Jugoslawien (1. Generation) Migrationsmotive (Ref. sonstige Motive) Familiäre Gründe (Zusammenführung, Heirat) Wirtschaftliche Gründe (Beruf, Studium) Politische Gründe (Krieg, Vertreibung) Familienstand (Ref. verheiratet) Geschieden/getrennt/verwitwet Ledig Österreichische Staatsbürgerschaft Alter Geschlecht (Ref. männlich) Gute bis sehr gute Sprachkenntnisse (Ref. mittelmäßige bis sehr schlechte) Starkes bis sehr starkes Interesse an österr. Politik (Ref. wenig bis kein Interesse) Anteil Österreicher_innen an Freunden (Ref. niemand) Einige Ungefähr die Hälfte Die meisten/alle R² Korr. R² Delta F df1 df2 sig. Signifikanz: * < 0,05; ** < 0,01; *** < 0,001.

Modell 1 3,409

Modell 2 4,900

Modell 3 3,771

–0,783*** –0,451 –0,352 –0,153 –0,344 –0,296 0,611 –1,127**

–0,748*** –0,146 –0,042 0,116 –0,681** –0,557 0,054 –0,522

–0,437 –0,246 –0,228 0,118 –0,512* –0,499 0,284 –0,632

–0,383 –0,335 –0,358

–0,588* –0,474 –0,581

–0,420 –0,409 –0,505

–0,515* –0,557** 0,693*** –0,036*** –0,053

–0,554** –0,612*** 0,481*** –0,033*** 0,027 0,568** 0,294*

0,060 0,038 2,765 11 480 0,002

0,191 0,164 15,416 5 475 0,000

0,105 0,339 0,527* 0,244 0,210 6,541 5 470 0,000

54

2.6

Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

Diskussion der Erkenntnisse im Kontext vorliegender Studien

In diesem Beitrag standen die Bildungs- und Arbeitsmarktchancen der beiden größten nicht-deutschsprachigen Migrantengruppen in Österreich (Angehörige aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien) im Zentrum der Analyse. Durch die verhältnismäßig umfangreichen Stichproben konnten einzelne Herkunftsregionen der Zugewanderten (z. B. aus Serbien und Bosnien) getrennt betrachtet werden, wodurch im Vergleich zu anderen Studien spezifischere Aussagen zur Bildungs- und Berufsmobilität über mehrere Generationen möglich sind. Die Studie unterliegt jedoch wesentlichen methodischen Einschränkungen (vgl. die methodischen Ausführungen von Bodi-Fernandez, Hadler und Mayer in diesem Band). Zudem sind die Häufigkeiten in den gewählten Untergruppen zu gering, um eindeutige Schlüsse auf die jeweiligen Migrantengruppen zuzulassen. Tendenziell ist jedoch festzuhalten, dass Türk_innen im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in niedrigeren Schichten zu verorten sind, dass die Karrieremobilität zwischen der ersten und der aktuellen Stelle in Österreich vor allem bei Kroat_innen und Serb_innen häufig erfolgreich verlaufen ist und dass insbesondere Bosnier_innen der zweiten Generation eine hohe Bildungs- und Karrieremobilität aufweisen. Im Vergleich zu Österreicher_innen (ohne Migrationshintergrund) und deutschen Migrant_innen scheint auch gesichert, dass die Zugewanderten aus den genannten Drittstaaten sozial immer noch deutlich weniger privilegiert sind. Auf Basis des Forschungsstands zu Migrant_innen in Österreich wurden sechs Hypothesen formuliert, die im Lichte der empirischen Erkenntnisse dieser Studie und der Forschungsliteratur nochmals abschließend betrachtet werden sollen. Überraschend scheint das Ergebnis (Bestätigung der Hypothese 1), dass vor allem bei Migrant_innen der ersten Generation eine hohe Bildungsmobilität im Vergleich zu den Eltern vorliegt. Schließlich wurden in den 1970er Jahren primär Gastarbeiter_innen mit niedrigen Bildungsabschlüssen angeworben, wodurch ein erhöhtes Bildungsversagen in der zweiten Generation oft der wenig privilegierten sozialen Lage der Erstankömmlinge in Österreich zugesprochen wird (vgl. auch Beck-Gernsheim 2007, S. 184). Diese historische Reproduktions- und Platzierungsthese muss somit stets in Relation zur Herkunftsfamilie der Gastarbeiter_innen gesetzt werden. Schließlich zeigt die Studie, dass überwiegend aufstiegswillige Personen emigrieren, um potentielle strukturelle Spannungen im Herkunftskontext zu überwinden (z. B. Hoffmann-Novotny 2000). Dennoch haben Migrant_innen mit schwer verwertbaren Qualifikationen einen entscheidenden Startnachteil und dürften öfters über einen längeren Zeitraum in weniger qualifizierten Positionen verharren. Die empirischen Daten zeigen jedoch, dass es den meisten Zugewanderten in den analysierten

2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

55

Gruppen mit zunehmenden Alter und längerer Aufenthaltsdauer gelingt, soziale Mobilität zu realisieren, und auch im Generationenverlauf scheinen sich die Unterschiede deutlich zu minimieren (weitgehende Bestätigung der Hypothesen 2 und 3). Dennoch starten die Migrant_innen der zweiten Generation aus dem ehemaligen Jugoslawien und insbesondere aus der Türkei von einem bedeutend niedrigeren Ausgangsniveau und können die Kluft zur österreichischen Gesellschaft oder zu deutschen und innereuropäischen Migrant_innen nur schwer überwinden. Wie Weiss (2007) festhält, kommt diese Kluft vorrangig „durch eine soziale Selektivität des Bildungssystems und somit die Reproduktion von Ungleichheit durch die Bildungsinstitutionen zustande“ (Weiss 2007, S. 39 f.). Die erworbenen Qualifikationen beeinflussen in weiterer Folge die Position am Arbeitsmarkt und führen schlussendlich zu niedrigeren Einkommen und zu einer weniger privilegierten sozialen Lage. Auch in dieser Studie wird – analog zu den Arbeitsmarktanalysen der Statistik Austria (2015) – festgestellt, dass Migrant_innen aus diesen beiden Herkunftsregionen vermehrt niedrigen sozialen Schichten angehören, wobei sich dieser Unterschied in der zweiten Generation nicht mehr so deutlich manifestiert (teilweise Bestätigung der Hypothese 4). Die weniger privilegierte soziale Lage scheint jedoch durch ein ganzes Ursachenbündel zustande zu kommen, wobei neben Statusvererbung auch arbeitsmarktspezifische Anforderungen in Österreich, institutionelle Faktoren (z. B. Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen, z. B. Weichbold et al. 2015) und Aspekte der Diskriminierung eine Rolle spielen dürften. Diese könnten möglicherweise vermehrt männliche Personen betreffen, weil hier auch größere Statusinkonsistenzen zu beobachten sind (tendenzielle Bestätigung der Hypothese 5). Aus diesen Gründen bleibt vielfach die Herkunftsregion als determinierender Einflussfaktor auf Bildungsmobilität erhalten. Zusätzlich dürften eine Migration aus wirtschaftlichen Motiven und sogar der Familiennachzug erfolgversprechender sein als Fluchtmotive, die stets mit besonderen Hürden der strukturellen Integration einhergehen.16 Eine mögliche Erklärung ist, dass Migrant_innen aus wirtschaftlichen Motiven zielgerichteter einzelne Aufnahmeländer auswählen und auch im Familiennachzug eine Eingebundenheit in soziale Netzwerke vor Mobilitätsfallen (vgl. auch Esser 2001, S. 36) schützt. Der Herkunftskontext und die Migrationsmotive sind schlussendlich jedoch für Karrieremobilität, Schichtzugehörigkeit und Statusinkonsistenz nur bedingt entscheidend (teilweise Bestätigung der Hypothese 6). Wenn weibliche Zugewanderte in den Arbeitsmarkt integriert werden, dürften diese im Endeffekt eine höhere Aufstiegsmobilität erreichen. Zudem sind auch Sprachkenntnisse ein wesentlicher 16 Dies bestätigen auch aktuelle Studien (z. B. OECD 2016), die von stark erhöhten Anforderungen der Arbeitsmarktintegration bei Asylberechtigten ausgehen.

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Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

Schlüssel, um sich aus den Schutzräumen der ethnischen Community (vgl. Farwick 2009, S. 192) zu lösen und sich schrittweise an die Aufnahmegesellschaft anzupassen. Somit sind primär jene Zugewanderten in höheren Schichten vertreten, die gute Deutschkenntnisse aufweisen, sich für österreichische Politik interessieren und vielfältige Kontakte zu Einheimischen pflegen. In Bezug auf diese Zusammenhänge lässt sich jedoch eher eine umgekehrte Kausalität vermuten. Eine höhere Bildung, eine der Ausbildung entsprechende Berufsposition und ein adäquates Einkommen werden wohl ursächlich dafür verantwortlich sein, dass sich Zugewanderte mit Österreich arrangieren und eine verstärkte Einbindung auch auf soziokultureller Ebene suchen. Wenn Bildungsaspirationen und Aufstiegshoffnungen enttäuscht werden und Aufstieg als nicht realisierbar wahrgenommen wird, dann ist mit potentiellen Abschottungstendenzen zu rechnen. Insofern zeigt auch diese Studie, dass Integration eine Hol- und Bringschuld bleibt und nur über eine Politik der weitreichenden Integrationsförderung die Gratwanderung zwischen Diversität und Inklusion gelingen kann.

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2  Zur sozialen Lage der Zugewanderten

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Wolfgang Aschauer und Alexander Seymer

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3

Sprache und soziale Integration Die Deutschkenntnisse der Zugewanderten Max Haller und Caroline Berghammer

3.1

Die Relevanz der Sprachkenntnisse für die Integration von Migrantinnen und Migranten1

Gute Kenntnisse der Sprache des Aufnahmelandes gehören zu den wichtigsten Faktoren für die soziale und kulturelle Integration von Zugewanderten sowie für ihren gesellschaftlich-wirtschaftlichen Erfolg in Bildung, Arbeitsmarkt und politischem Leben (z. B. Chiswick 1992; Dustmann und van Soest 2002; Heckmann 2015). Wie Hartmut Esser aufgrund einer umfangreichen Studie pointiert festhält: „Die Sprache bildet einen zentralen Aspekt der Integration von Migranten, womöglich sogar den wichtigsten“ (Esser 2006, S. 23). In Österreich ist Deutsch im Bundesverfassungsgesetz als Staatssprache festgelegt (B-VG, Art. 8). Sprachen von ethnischen Minderheiten und die Gebärdensprache sind zwar als eigenständige Sprachen gesetzlich anerkannt, im amtlichen und öffentlichen Bereich wie auch in der Arbeitswelt wird jedoch – mit Ausnahmen etwa auf Leitungsebenen oder im wissenschaftlichen Bereich – nahezu ausschließlich die deutsche Sprache (in ihrer österreichischen Ausformung) verwendet. Deutsch kann in Österreich daher auch als „Hegemonialsprache“ bezeichnet werden. Personen mit geringen Deutschkenntnissen und insbesondere jene, welche weniger verbreitete oder „angesehene“

1

Wir danken Wolfgang Aschauer und Philipp Schnell für wertvolle Hinweise und Anregungen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 W. Aschauer et al. (Hrsg.), Die Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25592-3_3

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Max Haller und Caroline Berghammer

Sprachen sprechen, sind dem Risiko der Diskriminierung ausgesetzt (Pennycock 2002; Mokre 2015; Thoma und Knasik 2015). Gute Deutschkenntnisse sind daher in Österreich eine notwendige Voraussetzung für den erfolgreichen Besuch von Schulen auf allen Stufen, für den Zugang zu Lehrberufen und die Teilnahme am Arbeitsmarkt. Erst gute Deutschkenntnisse ermöglichen es Zugewanderten, Kontakte im persönlichen näheren und weiteren Umfeld innerhalb und außerhalb der Arbeit herzustellen. Informelle Kontakte dieser Art haben eine hohe Bedeutung für die soziale Integration und das Wohlbefinden und können eine wichtige Ressource sein, wenn es etwa um die Suche nach einer Arbeitsstelle geht (Granovetter 1973; Verwiebe et al. 2017). Beispielsweise stehen gute Sprachkenntnisse mit besseren Einkommenschancen in Zusammenhang (z. B. Bleakley und Chin 2004; Dustman und Fabbri 2003; siehe jedoch: Verwiebe et al. 2017) wie auch mit einer höheren Lebenszufriedenheit (vgl. Beier und Kroneberg 2013; Haindorfer et al. 2016)2. Gute Deutschkenntnisse sind aber nicht nur für die Zugewanderten und ihre Kinder von großer Bedeutung, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich. Dies gilt insbesondere für Wien, wo der Anteil von Personen, die nicht in Österreich geboren wurden, mit 36 % mehr als doppelt so hoch liegt wie in den anderen Bundesländern (15 %) (Statistik Austria 2018). Wenn Jugendliche aufgrund ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse keine berufliche Ausbildung oder höhere Schulbildung abschließen können bzw. wenn erwachsene Personen aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht entsprechend ihrer Qualifikationen am Arbeitsmarkt partizipieren können, impliziert dies eine Verschwendung von Humankapital für Wirtschaft und Gesellschaft. Aufgrund der eminent wichtigen Rolle von Deutschkenntnissen legt die 2003 in Kraft getretene Integrationsvereinbarung fest, dass neu zugewanderte Drittstaatsangehörige innerhalb von zwei Jahren Deutschkenntnisse auf A2-Niveau (laut Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) erwerben müssen (aufgrund einer Ausnahmeregelung gilt diese nicht für türkische Staatsangehörige). Der Nachweis des Sprachdiploms ist Voraussetzung für die Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel; teilweise sind zudem elementare Deutschkenntnisse bereits vor der Zuwanderung erforderlich. Die Daten der Statistik Austria lassen eine erste Einschätzung hinsichtlich der Deutschkenntnisse von Zugewanderten zu. Der Mikrozensus 2014 mit einem „Ad-hoc-Modul zur Arbeitsmarktsituation von Migrantinnen und Migranten in 2

Einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Sprachkenntnissen und Lebenszufriedenheit konnten wir auch in unserer Erhebung feststellen; da diese Thematik jedoch über die zentrale Fragestellung des vorliegenden Beitrags hinausgeht, wurden diese Befunde hier nicht eingeschlossen.

3  Sprache und soziale Integration

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Österreich“ zeigte, dass 17 % der Wohnbevölkerung eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen (Statistik Austria 2015). Die Selbsteinschätzung bezüglich der Deutschkenntnisse („Wie schätzen Sie Ihre Deutschkenntnisse ein?“) auf einer vierstufigen Antwortskala ergab deutliche Unterschiede zwischen den Herkunftsländern. Während unter Personen mit Geburtsland Türkei 10 % angaben, Deutsch (fast) wie ihre Muttersprache zu beherrschen, belief sich der entsprechende Anteil unter Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. den Nachfolgestaaten auf 25 % (mit jeweils geringen Unterschieden nach Geschlecht). Am anderen Ende der Skala gaben 26 % der Befragten aus der Türkei an, geringe oder keine Deutschkenntnisse zu besitzen, im Vergleich zu 13 % unter Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien; dabei schätzten Frauen ihre Sprachkenntnisse deutlich schlechter ein als Männer (Türkei: Männer 14 %, Frauen 39 %; ehem. Jugoslawien: Männer 9 %, Frauen 17 %). Der Anteil von Personen mit nichtdeutscher Muttersprache liegt in jüngeren Altersgruppen höher als in älteren. Im Schuljahr 2015 hatten 29 % der Kinder in österreichischen Volksschulen eine nichtdeutsche Umgangssprache; jeweils 7 % hatten eine türkische bzw. bosnisch/kroatisch/serbische Umgangssprache (Statistik Austria 2017a, S. 25). Im Zeitverlauf ist damit ein moderater Anstieg zu verzeichnen: Im Schuljahr 2008 belief sich der Anteil der Kinder mit nichtdeutscher Umgangssprache auf 22 % (Statistik Austria 2010, S. 25). Die sogenannte Sprachstandsfeststellung, die 2008 flächendeckend in Österreich unter Kindern 15 Monate vor Schuleintritt durchgeführt wurde, ergab, dass 49 % der Kindergartenkinder und 71 % jener Kinder, die keinen Kindergarten besuchten, mit Umgangssprache Bosnisch, Kroatisch oder Serbisch sprachlichen Förderbedarf hatten. Die entsprechenden Anteile waren unter Kindern mit türkischer Umgangssprache mit 82  % bzw. 93  % von allen Ländern am höchsten (Statistik Austria 2014). International vergleichende Studien wiesen nach, dass neben individuellen und familienbezogenen Faktoren, wie dem Sprachgebrauch in der Familie oder dem sozioökonomischen Hintergrund (Entorf und Minoiu 2005), auch Faktoren auf schulischer und nationaler Ebene eine Rolle für die Sprachkenntnisse von Kindern spielen (Jampert 2002; Schnepf 2007). Beispielsweise zeigten sich geringere Unterschiede in der Lesekompetenz zwischen einheimischen und migrantischen Schülerinnen und Schülern in Ländern mit höheren Bildungsausgaben oder einer geringeren Stratifizierung des Schulsystems (Riederer und Verwiebe 2015). In unserer Erhebung über die beiden Zuwanderergruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei wurden die Deutschkenntnisse in mehreren Fragen erfasst. Vor dem Hintergrund der referierten Literatur behandelt der vorliegende Beitrag die folgenden Forschungsfragen:

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Max Haller und Caroline Berghammer

• Welche Deutschkenntnisse haben Migrant_innen aus der Türkei bzw. dem ehemaligen Jugoslawien (erste Generation) sowie deren Kinder (zweite Generation)? • Welche Sprache wird in der Familie gesprochen? • Welche Erklärungsfaktoren beeinflussen das Sprachverstehen von Migrant_ innen der ersten Generation?

3.2

Erklärungsfaktoren für Sprachkenntnisse

Auf Basis der bisherigen Forschung beschreiben wir in diesem Abschnitt fünf zentrale Faktoren, die eine wichtige Rolle für die Sprachkenntnisse spielen. Wir konzentrierten uns in dieser Darstellung wie auch in den empirischen Analysen vorrangig auf die Zugewanderten der ersten Generation, die die deutsche Sprache zumeist im Erwachsenenalter erlernten. (1) Aufenthaltsdauer: Wie eine Reihe von Studien – auch für Österreich – übereinstimmend belegt, steigt mit der Aufenthaltsdauer auch die Sprachkompetenz (z. B. Kristen et al. 2016; Statistik Austria 2015). Dieser Befund lässt sich auf die längere Auseinandersetzung (in der englischen Fachliteratur als exposure bezeichnet) mit der Sprache des Aufnahmelandes etwa in Form von Mediennutzung, Sprachkursen oder persönlichen Interaktionen zurückführen (Chiswick und Miller 2001). Die Sprachkenntnisse steigen in den ersten Jahren nach der Ankunft besonders stark, danach flacht die Lernkurve ab (Stevens 1999). (2) Bildung: Neben der exposure spielt beim Sprachenlernen die Effizienz (in der englischen Fachliteratur als efficiency bezeichnet) eine zentrale Rolle (Chiswick und Miller 2001). Die Effizienz gibt an, wie große Fortschritte im Spracherwerb pro Einheit von exposure zu verzeichnen sind. Wie Studien nachgewiesen haben, ist der Grad der Effizienz höher unter Personen, die in jüngerem Alter migrieren, sowie unter Zugewanderten mit höherer Bildung. Die generell größere Lernkapazität von Personen mit höherer Bildung lässt sich auch auf das Sprachenlernen übertragen. Zugewanderte mit höherer Bildung sind eher in der Lage, hohe Kompetenz in einer neuen Sprache zu erlangen. (3) Identifikation mit der Einwanderungsgesellschaft: Die ethnisch-nationale Identifikation der Zugewanderten mit dem Aufnahmeland ist ein weiterer Faktor, der sich auf den Spracherwerb auswirken kann. Eine stärkere Ausrichtung auf die Gesellschaft des Aufnahmelandes, die sich z. B. in einem Zugehörigkeitsgefühl, Stolz oder in der Absicht, dauerhaft zu bleiben, ausdrückt, ist dem Spracherwerb häufig förderlich (Kristen et al. 2016; van Tubergen und Mentjox 2014). Die Zugehörigkeit zu einer Sprachgemeinschaft ist einer der wichtigsten Aspekte der so-

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zialen und kulturellen Identität eines Menschen (Auer 1998; Torras und Gafaranga 2002; Joseph 2004; Haller 2009, 2010; Han 2010, S. 208 f.). Jedoch scheint es zu kurz gegriffen, ethnische oder sprachliche Identität als Konstante zu verstehen, ist diese doch kontextabhängig und situativ veränderlich (Denison 1984; Latcheva und Herzog-Punzenberger 2011; Haller 2015). Neben eindeutigen Identifikationsmustern (überwiegender Bezugspunkt ist entweder Herkunfts- oder Zielland) lassen sich häufig auch mehrfache Identifikationen feststellen, in dem Migrant_innen sich sowohl ihrem Herkunftsland wie auch dem Zielland zugehörig fühlen. (4) In Bezug auf die ethnische Identität spielt die Größe der Zuwanderungsgemeinschaft eine Rolle (Stoessel 2002; Jirjahn und Tsertsvadze 2004). Die hohe Anzahl an Zugewanderten aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens bzw. aus der Türkei bedeutet, dass sich durch eine Vielzahl von medialen und anderen Informations- und Unterhaltungsangeboten wie auch durch soziale und religiöse Vereinigungen viele Möglichkeiten zu Kontakten innerhalb der eigenen ethnisch-nationalen Gruppen ergeben. Somit wird es auch wahrscheinlicher, dass die Herkunfts- bzw. Muttersprache weiterhin gebraucht und damit erhalten werden kann und man andererseits möglicherweise weniger unter Druck steht, die Sprache des Ankunftslandes zu erlernen. (5) Linguistische Differenz: Ein weiterer Faktor, der für das Erlernen einer neuen Sprache relevant ist, betrifft die linguistische Differenz zwischen den beiden Sprachen (Maas 2008). Daher wäre – aufgrund der geringeren sprachlichen Differenz zwischen dem Deutschen und den slawischen Sprachen – davon auszugehen, dass für Zugewanderte aus dem ehemaligen Jugoslawien der Erwerb der deutschen Sprache einfacher ist als für Personen mit türkischer oder kurdischer Muttersprache. Aufgrund all dieser Überlegungen ist zu erwarten, dass Zugewanderte aus dem ehemaligen Jugoslawien bessere Deutschkenntnisse aufweisen als solche aus der Türkei. Zunächst ist der Bildungsstand unter Zugewanderten aus Ex-Jugoslawien höher.3 Zudem grenzen sich diese ethnisch weniger stark ab als jene aus der Türkei, wie Daten für Deutschland und Österreich zeigen (Alba u. a. 1994; Diehl und Schnell 2006; Weiss und Strodl 2007). In diesem Zusammenhang könnte auch die religiöse Zugehörigkeit eine Rolle spielen: Während die Zugewanderten aus dem ehemaligen Jugoslawien großteils christlich sind (aus Kroatien meist katholisch, aus Serbien orthodox), sind jene aus der Türkei überwiegend muslimisch. 3

Unter der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung hatten 61 % mit türkischem Migrationshintergrund (beide Eltern im Ausland geboren) nur Pflichtschulabschluss im Vergleich zu 34 % unter Personen mit Migrationshintergrund aus dem ehemaligen Jugoslawien (bezieht sich auf das Jahr 2016; Statistik Austria 2017b).

64

Max Haller und Caroline Berghammer

Zuletzt legt die größere linguistische Differenz nahe, dass der Spracherwerb für Zugewanderte aus der Türkei schwieriger ist.

3.3

Die Messung der Sprachkenntnisse

In Bezug auf Sprachkenntnisse wird u. a. unterschieden zwischen verbalen und schriftlichen Kenntnissen (orate und literate Fähigkeiten in der linguistischen Fachsprache) sowie zwischen verschiedenen Sprachdomänen, also dem Gebrauch in der privat-informellen und der öffentlich-formalen Umwelt (vgl. dazu u. a. Haller 2015). Generell werden Sprachkenntnisse entweder auf Basis von Testverfahren (z. B. PISA, Sprachstandsfeststellung) oder aufgrund von Selbsteinschätzung gemessen, wobei Selbsteinschätzung als weniger zuverlässiges Instrument gilt (Edele u. a. 2015). Ideal wären Erhebungen über einen längeren Zeitraum, die den Fortschritt dokumentieren und damit dem prozesshaften Charakter des Spracherwerbs Rechnung tragen könnten (Kristen et al. 2016). Eine genaue Erfassung der Sprachkenntnisse von Migrant_innen würde einen umfangreichen Fragenkatalog erfordern (für einen Überblick siehe Haug 2008). In unserem Migrationssurvey wurden die Sprachkenntnisse durch eine Selbstzuordnung der Muttersprache und die Selbsteinschätzung der Deutschkenntnisse erfasst.4 Dazu wurden sieben Fragen gestellt (u. a. auch zur eigenen Muttersprache und zur Muttersprache der Eltern). Für die Untersuchung der Deutschkenntnisse ziehen wir die folgenden drei Fragen heran: 1. Wie gut verstehen Sie Österreicher_innen, wenn diese deutsch reden? Sehr gut, gut, mittelmäßig, eher schlecht, sehr schlecht bzw. gar nicht. 2. Wie gut können Sie Formulare in deutscher Sprache lesen und ausfüllen? Sehr gut, gut, mittelmäßig, eher schlecht, sehr schlecht bzw. gar nicht. 3. In welcher Sprache sprechen Sie die meiste Zeit mit Ihren Kindern? Deutsch, Türkisch, Kurdisch, Kroatisch, Serbisch, Bosnisch, andere Sprache. Die erste Frage bezieht sich auf das Verstehen im Unterschied zum Sprechen, Lesen und Schreiben. Wir verwenden damit einen spezifischeren Indikator als z. B. der Mikrozensus, wo die Deutschkenntnisse mit einer allgemeineren Frage erhoben wurden: „Wie schätzen Sie Ihre Deutschkenntnisse ein?“ (Statistik Austria 2015: Ad-hoc-Modul zum Mikrozensus 2014). Eine Analyse nach Kompetenz4

Die Interviewten konnten entscheiden, ob die Befragung in deutscher, türkischer oder bosnischer/kroatischer/serbischer Sprache durchgeführt werden sollte.

3  Sprache und soziale Integration

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bereichen ergab für Personen aus unterschiedlichen Herkunftsländern in Deutschland, dass das Verstehen einfacher ist als das Sprechen, Lesen und Schreiben (Haug 2008, S. 24–25): Generell wird das Sprachverstehen als besser eingeschätzt als das Sprechen, dieses wiederum als besser als das Lesen; die Schreibkenntnisse werden am schlechtesten bewertet. Die spezifische Fragestellung in dieser Studie (Verstehen von Österreicher_innen) bezieht mit ein, dass der in Österreich gesprochene Dialekt sich (je nach Region mehr oder weniger stark) von der in Sprachkursen erlernten deutschen Standardsprache unterscheidet. Die zweite Frage bezieht sich auf das Lesen und Schreiben, und zwar – durch den Bezug auf Formulare – teilweise in einer Art Fachsprache. Die Kompetenz beim Ausfüllen von Formularen ist Teil der Alltagssituation eines Behördengangs. Behördengänge sind generell schwieriger zu bewältigen als andere Alltagssituationen, z. B. Arztbesuch oder Einkaufen, wie eine Studie zu Migrant_innen aus Deutschland nachwies (Haug 2008). Die dritte Frage erfasst den Sprachgebrauch mit den Kindern, wobei der Familiensprache eine hohe Bedeutung für die sprachliche Integration zukommt. In der Forschung wird kontrovers diskutiert, ob es der Sprachkompetenz der Kinder eher förderlich ist, wenn die zugewanderten Eltern mit ihren Kindern in der Sprache des Aufnahmelandes sprechen, oder ob es besser ist, wenn die Kinder zuerst die Muttersprache der Eltern gut beherrschen (Brizić 2009; de Cillia 2012). Um einschätzen zu können, wie zuverlässig die Selbsteinschätzungen der Befragten hinsichtlich ihrer Deutschkenntnisse sind, beantwortete der/die Interviewer/in nach Ende des Interviews folgende Frage: „Welchen Eindruck hatten Sie – wie gut spricht der/die Befragte Deutsch? Sehr gut, gut, mittelmäßig, eher schlecht, sehr schlecht bzw. gar nicht.“ Tabelle 1 zeigt den Zusammenhang zwischen der Selbsteinschätzung des Sprachverstehens (Frage 1) durch die Befragten und der Einschätzung durch die Interviewer_innen. Insgesamt besteht eine hohe Übereinstimmung (Korrelationskoeffizient von 0,65). Etwaige Abweichungen beider Einschätzungen betragen allenfalls eine Stufe. Das heißt zum Beispiel: Wenn ein/e Befragte/r angibt, er/sie verstehe deutsch Sprechende sehr gut, stuft ein kleiner Teil (15 %) der Interviewer_innen die Kenntnisse nur als gut ein (sehr selten noch schlechter). Oft stufen die Interviewer_innen die Befragten sogar besser ein als diese sich selbst. Wir können also durchaus annehmen, dass die Angaben der Befragten über ihre Sprachkenntnisse in den meisten Fällen zutreffen.

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Max Haller und Caroline Berghammer

Tabelle 1 Zusammenhang zwischen der Selbsteinschätzung des Sprachverstehens durch die Befragten und der Einschätzung durch die Interviewer_innen (in %) Einschätzung durch den/die Interviewer/in Selbsteinschätzung Sehr gut Gut Mittel- Eher Sehr Gesamt (N)/ des Sprachverstehens mäßig schlecht schlecht in % Sehr gut 82 15 2 0 1 100 (323)/60 Gut 23 38 31 2 7 100 (104)/19 Mittelmäßig 16 11 39 21 13 100 (92)/17 Eher schlecht bis (20) (0) (20) (33) (27) 100 (15)/3 gar nicht Gesamt 57 18 15 5 5 100 (534)/100

3.4

Sprachkenntnisse und ihre Erklärungsfaktoren

Dieser Abschnitt zeigt zunächst, wie Migrant_innen der ersten und zweiten Generation aus der Türkei bzw. dem ehemaligen Jugoslawien ihre Deutschkenntnisse einschätzen und in welcher Sprache sie mit ihren Kindern sprechen. Daran anschließend analysieren wir, welche Faktoren das Sprachverstehen von Migrant_ innen der ersten Generation erklären. Die Stichprobe ist folgendermaßen verteilt: erste Generation Türkei: n = 216 (37 %); zweite Generation Türkei: n = 78 (13 %); erste Generation ehemaliges Jugoslawien5: n = 227 (39 %); zweite Generation ehemaliges Jugoslawien: n = 58 (10 %).6 Für weitere Informationen zur Methodik der Befragung bzw. zu Details der Stichprobenzusammensetzung siehe den Beitrag von Bodi-Fernandez, Hadler und Mayer in diesem Band (Kapitel 12, S. 313–327). Abbildung 1 zeigt einen deutlichen Unterschied des Sprachverstehens zwischen Personen türkischer und jugoslawischer Herkunft einerseits und nach Geburtsland andererseits. Die türkischen Zugewanderten der ersten Generation verstehen Österreicher_innen, wenn diese deutsch sprechen, zu 36 % sehr gut und zu 22 % 5 6

Innerhalb dieser Gruppe setzen sich die Geburtsländer wie folgt zusammen: 9 % früheres Jugoslawien, 44 % Bosnien, 25 % Serbien, 14 % Kroatien, 5 % Slowenien, 4 % Mazedonien (= 100 %). In diesem Beitrag werden die Generationen durchweg folgendermaßen definiert: (a) 1. Generation: Geburtsland Türkei (bzw. ehem. Jugoslawien) und beide Eltern in der Türkei (bzw. im ehem. Jugoslawien) geboren; (b) 2. Generation: Geburtsland Österreich und beide Eltern in der Türkei (bzw. im ehem. Jugoslawien) geboren. Die Definition der zweiten Generation folgt der Definition von Statistik Austria; 21 Befragte im Datensatz mit einem Elternteil mit Geburtsland Österreich wurden aus der Analyse ausgeschlossen.

3  Sprache und soziale Integration

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gut (zusammen 58 %); in der zweiten Generation betragen die Werte bereits 87 % bzw. 11 % (zusammen 98 %). Unter jugoslawischen Zugewanderten der ersten Generation verstehen 70 % die Österreicher_innen sehr gut und 22 % gut (zusammen 92 %); in der zweiten Generation geben sogar 100 % an, Österreicher_innen sehr gut oder gut zu verstehen, wenn diese deutsch sprechen.7

Abbildung 1  Wie gut versteht man Österreicher_innen, wenn sie deutsch sprechen?

Tabelle 2 zeigt das Sprachverstehen von Migrant_innen nach verschiedenen Merkmalen; aufgrund der durchweg (sehr) guten Sprachkenntnisse der zweiten Generation beschränken wir uns hierbei auf die erste Generation. Unter Türk_innen bestehen markante Unterschiede nach Geschlecht, wobei Frauen ihr Sprachverstehen deutlich schlechter einschätzen als Männer: 11 % der Frauen, jedoch nur 2 % der Männer verstehen Österreicher_innen eher schlecht bis gar nicht. Unter älteren Personen sind die Deutschkenntnisse weitaus geringer als unter jüngeren. Beispielsweise ist der Anteil derjenigen, die Österreicher_innen sehr gut verstehen, in der Altersgruppe von 16 bis 29 Jahren mit 66 % doppelt so hoch wie unter den 45- bis 59-Jährigen (32 %). Des Weiteren zeigt sich ein Bildungsgefälle zwischen Personen mit Pflichtschulabschluss einerseits, die Österreicher_innen großteils mittelmäßig verstehen, und Personen mit mittleren und höheren Abschlüssen, die diese meist sehr gut verstehen. Je jünger Personen bei ihrer Ankunft in Österreich waren, desto besser sind auch ihre Deutschkenntnisse. Die besten Deutschkenntnisse weisen Zugewanderte auf, die im Kindesalter (bis sechs Jahre) nach Österreich kamen – ihr Niveau ist ähnlich dem der zweiten Generation. Schließlich lässt 7

Da nur ein Befrager angab, sehr schlecht bzw. gar nicht Deutsch zu verstehen, wird diese Kategorie in Abbildung 1 nicht dargestellt.

68

Max Haller und Caroline Berghammer

sich ein Zusammenhang mit der Aufenthaltsdauer in Österreich nachweisen: Je länger eine Person in Österreich lebt, desto besser sind in der Regel ihre Deutschkenntnisse . Unter Migrant_innen aus dem ehemaligen Jugoslawien finden wir, zumindest zum Teil, ein ähnliches Muster, wenn auch die Unterschiede generell schwächer ausgeprägt sind . Geschlechterunterschiede spielen kaum eine Rolle und auch die Alters- und Bildungsgradienten sind weniger deutlich sichtbar . Neben Personen, die im Kindesalter nach Österreich kamen, ist das Sprachverstehen auch unter jenen, die im typischen Schulalter zuwanderten (7 bis 17 Jahre), generell sehr gut. Zudem lernen Zugewanderte aus dem ehemaligen Jugoslawien die deutsche Sprache offensichtlicher rascher als jene aus der Türkei: 68 % derer, die seit maximal 19 Jahren in Österreich sind, verstehen Österreicher_innen bereits sehr gut (Türkei: 27 %) . Ein weiterer Indikator für die Beherrschung der deutschen Sprache ist, wie gut man Formulare in dieser Sprache ausfüllen kann, also auch die Schriftsprache bzw . bestimmte Fachausdrücke beherrscht . Abbildung 2 zeigt, dass die Werte generell niedriger liegen als beim Sprachverstehen . „Sehr gut“ oder „gut“ Formulare lesen und ausfüllen können 58 % der Zugewanderten der ersten Generation aus der Türkei im Vergleich zu 85 % unter jenen aus dem ehemaligen Jugoslawien. In der zweiten Generation haben sich die Werte mit 93 % (Türkei) bzw . 97 % (ehem . Jugoslawien) nahezu angeglichen.

Abbildung 2

Wie gut kann man Formulare in deutscher Sprache lesen und ausfüllen?

22 20 13 33 16 – 19 28 14 – 18 26 21 25 22 17 22

38 33

66 31 32 –

14 49 49 –

79 50 16

27 34 49 36

43 39 26 37

3 22 54

57 20 31 –

22 31 43 –

37 36

Gesamt (N)

100 (72) 100 (69) 100 (49) 100 (19)

100 (32) 100 (84) 100 (76) 100 (17)

5 100 (63) 5 100 (93) 8 100 (53) 6 100 (209)

0 100 (34) 2 100 (58) 9 100 (117)

10 3 6 –

0 5 9 –

2 100 (126) 11 100 (83)

Türkei (1. Generation) Gut Mittel- Eher schlecht mäßig bis gar nicht

68 68 77 70

97 88 62

57 74 62 86

84 82 68 60

70 71

Sehr gut

24 24 17 22

3 10 28

29 17 33 14

16 16 22 29

19 24

5 7 6 6

0 2 8

12 7 4 0

0 2 8 8

9 4

3 2 0 1

0 0 2

2 2 0 0

0 0 1 3

2 1

100 (38) 100 (118) 100 (70) 100 (227)

100 (29) 100 (41) 100 (156)

100 (42) 100 (105) 100 (45) 100 (35)

100 (25) 100 (45) 100 (95) 100 (62)

100 (93) 100 (134)

Ehem. Jugoslawien (1. Generation) Gut Mittel- Eher schlecht Gesamt mäßig bis gar nicht (N)

Anmerkung: Kategorien mit weniger als 20 Fällen werden nicht ausgewiesen und sind mit „–“ gekennzeichnet.

Geschlecht Männer Frauen Altersgruppen 16–29 30–44 45–59 60+ Bildung Pflichtschule Lehre, BMS AHS, BHS Universität, FH Alter bei Ankunft 0–6 Jahre 7–17 Jahre 18+ Jahre Jahre in Österreich 0–19 Jahre 20–29 Jahre 30+ Jahre Gesamt

Sehr gut

Tabelle 2 Sprachverstehen unter Personen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien der ersten Generation (in %)

3  Sprache und soziale Integration 69

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Max Haller und Caroline Berghammer

Eine zentrale Frage im Hinblick auf die sprachliche Akkulturation ist, welche Sprache zu Hause gesprochen wird . Hierzu zeigt Abbildung 3, dass in einem Teil der Familien zu Hause bereits vorwiegend deutsch gesprochen wird: Bei türkischen Zugewanderten der ersten Generation zu 22 %, in der zweiten Generation zu 42 %, bei jugoslawischen Zugewanderten der ersten Generation zu 44 % und der zweiten Generation zu 58 % . Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Zugewanderten ihre Familiensprache an ihre Kinder, die deutschsprachige Schulen besuchen, angepasst haben .

Abbildung 3 Sprachgebrauch mit den Kindern (häufigste Sprache) Anmerkung: Türkisch und Kurdisch wurden zusammengefasst, der Anteil der kurdisch sprechenden Personen belief sich auf nur 2 % (erste Generation) bzw . 3 % (zweite Generation) .

Versuchen wir nun, einen genaueren Einblick in die verschiedenen Einflussfaktoren auf das Sprachverstehen mittels multivariater Modelle zu bekommen . Als abhängige Variable in den ordinalen logistischen Regressionsmodellen8 verwendeten wir: „Wie gut verstehen Sie Österreicher, wenn diese deutsch reden?“ mit den auf drei zusammengefassten Antwortkategorien (1) sehr schlecht bzw . gar nicht, eher schlecht, mittelmäßig; (2) gut; (3) sehr gut . Wir beschränken uns, wie bereits festgestellt, auf die erste Generation, da die zweite Generation durchweg gut Deutsch versteht . Tabelle 3 zeigt die entsprechenden Befunde . Die in der Tabelle angegebenen Werte sind Odds Ratios, die angeben, ob die abhängige Va8

Tests bestätigten, dass die Annahme proportionaler Effekte gegeben ist .

3  Sprache und soziale Integration

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riable in einer bestimmten Gruppe höhere Werte annimmt als in der jeweiligen Referenzgruppe (in der Tabelle mit der Abkürzung ref. angegeben). So zeigt sich beispielsweise in Modell 1 für das Merkmal weiblich ein Wert von unter 1 (0,85), was bedeutet, dass Frauen schlechter Deutsch verstehen als Männer; für Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien liegt der Wert weit über 1 (13,81), was indiziert, dass diese sehr viel besser Deutsch verstehen als Zugewanderte aus der Türkei. In Modell 1 wurden soziodemographische und sozioökonomische Variablen berücksichtigt, in Modell 2 zusätzlich soziale Netzwerkvariablen (Partner/in und soziale Kontakte) und in Modell 3 weitere Integrationsvariablen (Zugehörigkeitsgefühl, Informieren über Geschehen in Herkunftsland und Absicht, dauerhaft in Österreich zu bleiben).9 Einschränkend ist zu erwähnen, dass Querschnittsdaten, wie sie hier vorliegen, keine Aussagen über die Richtung des Zusammenhangs zulassen. Beispielsweise können soziale Kontakte mit Österreicher_innen das Sprachverständnis verbessern, andererseits fördert ein gutes Sprachverständnis auch die Kontakthäufigkeit mit Österreicher_innen. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien generell besser Deutsch verstehen als die türkische Vergleichsgruppe. Ein Teil dieses Effekts kann – wie Modelle 2 und 3 nahelegen – durch ihren höheren sozioökonomischen Status sowie ihre bessere Integration erklärt werden. Auch mit längerer Dauer des Aufenthalts in Österreich sind die Deutschkenntnisse signifikant besser. Wie aus dem Alterseffekt zu schließen ist, sprechen ältere Zugewanderte generell schlechter Deutsch als jüngere. Befragte mit Pflichtschulabschluss weisen geringere Deutschkenntnisse auf als Befragte mit mindestens Lehrabschluss. Auch Personen in höheren beruflichen Positionen verstehen Österreicher_innen besser, wenn diese deutsch sprechen, als Personen, die manuelle Tätigkeiten ausüben oder nicht erwerbstätig sind. Hinsichtlich des sozialen Netzwerks zeigen die Ergebnisse (Modell 2), dass ein häufiger Kontakt mit Österreicher_innen in Zusammenhang mit einem besseren Sprachverstehen steht, dass jedoch die Häufigkeit von Kontakten im Herkunftsland keine Rolle spielt. Auch das Herkunftsland des Partners bzw. der Partnerin ist von geringer Bedeutung. Während ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl (sich stärker als Österreicher_in fühlen) sowie die Absicht, dauerhaft in Österreich zu bleiben, positiv mit den Deutschkenntnissen korrelieren, hat die Häufigkeit, mit der sich eine Person über das Geschehen im Herkunftsland informiert, keinen signifikanten Effekt. Diese Ergebnisse legen nahe, dass zwar Personen, die stärker in Österreich integriert 9

Die Variablen Ortsgröße und Elternschaft wurden getestet, aber aufgrund ihrer geringen Erklärungskraft nicht in die finalen Modelle aufgenommen.

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Max Haller und Caroline Berghammer

sind, auch tendenziell besser Deutsch verstehen, dass andererseits Kontakte im und Interesse am Herkunftsland nicht mit schlechteren Deutschkenntnissen einhergehen. Viele Zugewanderte scheinen die Strategie der Mehrfachintegration in beide Gesellschaften zu wählen und damit eine hybride Identität zu entwickeln, d. h. sich sowohl mit dem Herkunftsland wie mit Österreich zu identifizieren. Dies ist in einer modernen, globalisierten Welt eine plausible Strategie, welche die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund vielleicht am besten ermöglicht (Berry 1990; Haller und Ressler 2006; Haller und Müller 2009; Heckmann 2015; Fleischmann und Verkuyten 2016). Tabelle 3 Einflussfaktoren auf deutsches Sprachverstehen, erste Generation (ordinale logistische Regressionen)

Geschlecht Männlich (ref.) Weiblich Alter1 Herkunftsland Türkei (ref.) Ehem. Jugoslawien Jahre in Österreich Bildung Pflichtschule (ref.) Lehre, BMS AHS, BHS Universität, FH Berufsstatus2 Fachkräfte Dienstleistungsberufe Manuelle Tätigkeiten (ref.) Nicht erwerbstätig Geburtsland des Partners/ der Partnerin Türkei, ehem. Jugoslawien (ref.) Österreich Lebt nicht in Partnerschaft 3 Kontakt mit Österreicher_innen4

Modell 1 Odds Ratios

Modell 2 Odds Ratios

Modell 3 Odds Ratios

1 0,85 0,87***

1 0,92 0,87***

1 0,84 0,87***

1 13,81*** 1,16***

1 12,61*** 1,16***

1 9,48*** 1,14***

1 3,69*** 3,62*** 6,53***

1 3,84*** 3,41*** 5,27***

1 3,63*** 3,53*** 5,62***

5,19** 2,45** 1 1,58

5,18* 2,54** 1 1,46

4,09* 2,34* 1 1,69#

1 1,14 2,58** 1,06**

1 1,02 2,23* 1,05*

3  Sprache und soziale Integration

Häufigkeit sozialer Kontakte in Herkunftsland5 Zugehörigkeitsgefühl6 Informieren über Geschehen in Herkunftsland7 Will dauerhaft in Österreich bleiben8 Cut 1 Cut 2 Pseudo R2 (McFadden) n

73

Modell 1 Odds Ratios

Modell 2 Odds Ratios 0,92

Modell 3 Odds Ratios 0,97 1,33* 0,88

0,87 2,56 0,29 397

0,64 2,42 0,32 397

1,57# 0,73 2,59 0,34 397

Signifikanzniveaus: *** p