Grundfragen der Entwicklungsplanung: Eine Analyse und die Ergebnisse einer Tagung [1 ed.] 9783428405381, 9783428005383

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Grundfragen der Entwicklungsplanung: Eine Analyse und die Ergebnisse einer Tagung [1 ed.]
 9783428405381, 9783428005383

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Schriften der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer

Band 1

Grundfragen der Entwicklungsplanung Eine Analyse und die Ergebnisse einer Tagung

Von

Albrecht Kruse-Rodenacker

Duncker & Humblot · Berlin

ALBRECHT KRUSE-RODENACKER

Grundfragen der Entwicklungsplanung

Schriften der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer

Band 1

Grundfragen der E n t w i c k l u n g s p l a n u n g Eine Analyse und die Ergebnisse einer Tagung

Von

Albrecht Kruse-Rodenacker Technische Universität Berlin

D U N C K E R

&

H U M B L O T / B E R L I N

DOK 97 A T 6/62 Alle Rechte vorbehalten © 1964 Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1964 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed i n Germany

Vorbemerkung Die Entwicklungsplanung ist ein wichtiges Instrument für die Bemühungen der wirtschaftlich unentwickelten und entwickelten Länder, folgenschwere Versäumnisse wettzumachen. Aus der veränderten politischen Konstellation der Nachkriegszeit richteten sich zunächst die Bemühungen auf zahlreiche Einzelaktionen, kurzfristige Projekte, Unternehmungen philanthropischer A r t und vielfältige Improvisationen. Nach den ersten Jahren emotional angereicherter Rückschläge und Erfolge trat dann eine langfristig angelegte und nüchterne Aufbauarbeit immer mehr i n den Vordergrund. Die Ausgaben der entwickelten Länder stiegen von Jahr zu Jahr. Heute sind w i r nicht mehr allzu weit von der Zehn-Milliarden-Dollar-Grenze entfernt. Doch macht die Entwicklungspolitik erneut eine Wandlung durch. Diese beruht w o h l auf der Erkenntnis, daß die für die tiefgreifenden Strukturveränderungen i n den Entwicklungsländern notwendige Zeit nicht m i t einer von Jahr zu Jahr steigenden Kapitalhilfe erkauft werden kann. A n die Stelle der quantitativen Vermehrung der Anstrengungen und M i t t e l soll deshalb ihre qualitative Verbesserung treten. Die Konsequenzen für die Entwicklungsplanung liegen auf der Hand, stellt sie doch die entwickelten Länder vor zwei Fragen: Wohin soll ihre eigene Entwicklung gehen und wie können sie es verhindern, daß sich die nördliche und südliche Halbkugel immer weiter auseinander entwickelt? Zur ersten Frage: Die Beschäftigung m i t der planvollen Einw i r k u n g auf die sozio-ökonomische Entwicklung zahlreicher Länder unterstreicht auch i n den Industriestaaten die Frage nach dem Wohin. Zur zweiten Frage: Wie lösen w i r heute die Probleme der Frühstadien der Entwicklung unter grundlegend veränderten Bedingungen? Beide Fragen können w i r nur dann i m Sinne eines qualitativ besseren Einsatzes der knappen M i t t e l beantworten, wenn w i r zu einer engeren Zusammenarbeit i n den Sozialwissenschaften zurückfinden. Die Beschäftigimg m i t Entwicklungsproblemen hat gerade i n den letzten Jahren gezeigt, daß dies möglich ist. Die Entwicklungsplanung orientiert sich mehr und mehr i n Richtimg auf eine Planung, welche die vielen Einzelplanungen und Auswirkungen auf die verschiedenen Sektoren der Wirtschaft sowie auch auf die Gesellschaft zu integrieren bemüht sind.

Vorbemerkung

6

Die von der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer, Berlin-Tegel, veranstaltete Tagung über „Integrierte Entwicklungsplanung" diente dem Ziel, zu dieser Neuorientierung beizutragen. Die vorliegende Publikation vereinigt die von den Referenten vorgelegten Beiträge zu den Erfahrungen, die bisher m i t der Entwicklungsplanung gemacht worden ist. Diesen Beiträgen ist eine Analyse der Probleme und Methoden der Entwicklungsplanung vorangestellt. I n ihr werden die ersten Grundlagen für eine systematische Behandlung der Integrierten Entwicklungsplanung gelegt. Dabei behandelt sie zugleich auch die i n den intensiven Tagungsdiskussionen aufgeworfenen Fragen. M i t Dankbarkeit möchte ich die nützliche Zusammenarbeit m i t den Referenten erwähnen. Die meisten von ihnen haben ihre Beiträge für die Drucklegung revidiert. Mein besonderer Dank g i l t den Herren Dr. Bruno K n a l l und Horst Scheffold, M. A. Sie trugen federführend zur wissenschaftlichen Konzeption und Leitung dieser Tagung bei. Ich verdanke ihnen zahlreiche und wertvolle Anregungen und Hinweise für die Fertigstellung dieser Publikation. Die ausländischen Beiträge w u r den von Dr. H. J. Zimmermann übersetzt. Bei der Fertigstellung der Manuskripte war Frau Dora Hoppe i n aufopfernder Weise behilflich. November 1963

Albrecht

Kruse-Rodenacker

Inhalt Einführung

11

Freiheit u n d Planung. Beitrag zur Grundlegung einer sozial-anthropologischen Theorie der Planung

Von Gerd Brand

13 Erster Teil

Probleme und Methoden der Entwicklungsplanung

I. Planung und Wirklichkeit

31

33

1. Die Notwendigkeit einer Entwicklungsprogrammierung

33

2. Fortschritt u n d wirtschaftliches Wachstum

42

3. Einige Voraussetzungen f ü r die Entwicklungsplanung

49

4. Die „integrierte Entwicklungsplanung" als L e i t b i l d

58

II. Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

64

1. Einige wichtige Daten der Entwicklungsplanung

64

2. Die Intensität der Planung

68

3. Verschiedene Ansätze der Planungstechnik

69

4. Die Integration der Planungsmaßnahmen

74

III. Strategie und Planung

78

1. Die Notwendigkeit eine W a h l zu treffen

78

2. Strategische Prioritäten

81

3. Entwicklungsplanung u n d wirtschaftliches Gleichgewicht

87

4. Konsequenzen f ü r die integrierte Entwicklungsplanimg

90

5. A u s w a h l der Projekte

93

Inhalt

8

Zweiter Teil Erfahrungen mit der Entwicklungsplanung

I. Elemente der Entwicklungsplanung

103 105

Die Rolle der integrierten Planung i n der wirtschaftlichen Entwicklung von J. P. Thijsse, Professor, Institute of Social Studies, Den Haag 105 Planziele u n d Prioritäten i n Entwicklungsprogrammen von V.K.R.V.Rao, Professor, Director, Institute of Economic Growth, University Enclave, New Delhi .. I l l Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung von B. Higgins, Chairman of the Department of Economics, Professor, University of Texas, Austin/Texas 114 Programmierungstechniken für die Aufstellung von Entwicklungsplänen von J. Tinbergen,

Professor, Rotterdam University, Rotterdam . . . 136

Einige Bemerkungen zur Regionalplanung von B. Higgins , Chairman of the Department of Economics, Professor, University of Texas, Austin/Texas 150 Die langfristige Entwicklungsplanung von P. Pant , Chief, Perspective Planning Division, Planning Commission, New Delhi 162 Die f ü r eine Entwicklungsplanung erforderlichen Statistiken von A. K. Biswas , Economic Affairs Officer, ECAFE, Bangkok

II. Programmierung

der Landwirtschaft

173

173

Die politische und sozialökonomische Stellung der landwirtschafN liehen Entwicklung i m Rahmen der Entwicklungsplanung von H. Wilbrandt, Professor, Direktor, Institut für Ausländische Landwirtschaft, Universität Göttingen, Göttingen 178 Praktische Probleme der landwirtschaftlichen Entwicklungsplanung von O. Schiller, Professor, Direktor, Inst. f. Intern. Vergleich. Agrarpolitik u. Agrarsoziologie, Universität Heidelberg, Heidelberg 188 Methoden und Techniken i n der Programmierung der Landwirtschaft von C. Fernando , Agricultural Development Analysis Branch, Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom . . 196 Fallstudie: Ostafrika. Das Gezira Projekt von A. Gaitskell,

Professor, Jenkins, Bicknoller, Taunton

201

Inhalt I I I . Erziehungsplanung

213

Die Rolle der Erziehung u n d Ausbildung i m Wachstumsprozeß der Entwicklungsländer v o n B. Knall,

I n s t i t u t f ü r Weltwirtschaft, Universität K i e l , K i e l . . 213

Die Erziehungsplanung i m Rahmen der Entwicklungsplanung v o n C. D. Ewers, Department of Education, UNESCO, Paris I V . Durchführung u n d Auswertung der Entwicklungsplanung

221 231

Institutionelle Aspekte integrierter Entwicklungsplanung v o n A. Mayne, Director, Bureau of Economics and Statistics, Agency for International Development, Washington 231 Die Bewertung v o n Entwicklungsplänen u n d ihre Erfolgsmessung v o n B. Knall,

I n s t i t u t f ü r Weltwirtschaft, Universität K i e l , K i e l . . 255

V. Einsatz v o n Experten

263

Auswahl, Koordinierung u n d Vorbereitung der Planungsexperten i m Geberland v o n A. Funkenberg, Frankfurt/M

Bundesamt

für

Gewerbliche

Wirtschaft,

263

Kommunikationsprobleme des Experten i m Entwicklungsland v o n M. Borel, I n s t i t u t International de Recherche et de Formation en vue d u D6velopement, Paris 272

Anhang

277

Liste der für die Entwicklungsplanung erforderlichen Statistiken

279

Sachverzeichnis

296

Einführung

Freiheit und Planung Beitrag zur Grundlegung einer sozial-anthropologischen Theorie der Planung Von Gerd Brand, Berlin

Die nachstehenden Betrachtungen haben nichts m i t Methodendiskussion zu tun, sie wollen Ansätze bieten, wollen Perspektiven eröffnen auf einige Grundbegriffe, durch die ein empirisches Forschungs- und Handlungsgebiet mitkonstituiert ist. Da sie nur teilweise auf bestehendes Gedankengut zurückgreifen können, sollen sie nur als Eröffnung neuer Gedankengänge gesehen werden, sie werden also mehr Probleme und Schwierigkeiten aufwerfen als lösen, aber vielleicht gerade dadurch manches oder manchen auf einen guten Weg bringen. Das Paradox der Entwicklungsplanung Entwicklungsplanimg ist etwas, das von der Entwicklung gefordert wird. Das klingt zunächst trivial, bei näherem Hinsehen aber erscheint diese Aussage sogar paradox. Zerlegen w i r den Doppelbegriff der Entwicklungsplanung und nehmen w i r Entwicklung i n seinem ursprünglichen und gleichzeitig immer noch alltäglichen Sinn, dann heißt es so viel wie organisches Entfalten, Aufstieg vom Ungestalteten zum Ausgestalteten, oder einfach von Niederem zu Höherem, i n anderen Worten Wachstum gemäß einer inneren Anlage. Entwicklung ist hier etwas, das gesteuert wird, und zwar von einem immanenten Prinzip, Seele, Lebensprinzip oder wie immer man es nennen w i l l , aber sie w i r d nicht geplant. Der Begriff Entwicklungsplanung scheint deshalb paradox, w e i l der Begriff der Entwicklung dem der Planung entgegensteht, und das auf doppelte Weise. Die Steuerung geschieht nämlich von selbst, sie w i r d nicht nach einem „Plan" vollzogen (es sei denn nach einem „Plan Gottes" oder der „Natur"). Darüberhinaus widerstrebt das sich Entwickelnde einem Plan, insofern dieser von außen lenken w i l l . Das Organische, wenn es auch von der Umwelt m i t bedingt, umweltverzahnt ist, vollzieht seine Entwicklung doch wesentlich durch Innensteuerung. Diese können w i r auch Eigensteuerung nennen, wenn w i r

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Einführung

bedenken, daß auf der biologischen Ebene Inneres und Eigenes zusammengehören und dem Äußeren und Fremden gegenüberstehen. Das Paradox läßt sich auflösen. W i r können nämlich gleich feststellen: Wenn von Entwicklungsplanung die Rede ist, ist Entwicklung nicht i m ursprünglichen Sinne der organischen Entwicklung gemeint; denn sie bezieht sich nicht auf einen Organismus, sondern auf eine Gemeinschaft, welche, so sehr sie m i t einem Organismus verglichen werden könnte, doch kein solcher ist. Entwicklungsplanung ist dann nicht paradox, wenn die Planung eine A r t Eigensteuerung der Gesellschaft ist. Planung, Selbststeuerung, Freiheit und gezielter Wandel Hier stoßen w i r n u n auf ein erstes, sehr wichtiges Element der Entwicklungsplanung, betrachtet als Eigensteuerung der Gesellschaft: die Freiheit. Für diese Eigensteuerung ist Freiheit i n mindestens zweifacher Hinsicht konstitutiv. Eigensteuerimg der Gesellschaft ist, auf das Individuum bezogen, Außensteuerung. Sie ist nur dann echte Eigensteuerung, wenn sie die immanente Selbststeuerung der der Gesellschaft zugehörigen Individuen — und das heißt ihre Freiheit — berücksichtigt. Dadurch fallen dann auf der gesellschaftlichen Ebene „außen" und „fremd" nicht mehr zusammen, sondern das „Außen" gehört zu dem Eigenen des Individuums, ist die Heimat des Selbst. (Den Zusammenhang zwischen den Begriffen des menschlichen Selbst, der Selbststeuerung und der Freiheit aufzuweisen, würde hier zu weit führen.) T u t die Planung das nicht, dann w i r d sie zur Zwangsvollstreckung, sie entfremdet den Menschen und damit die Gesellschaft sich selbst. I m wahrsten Sinne des Wortes „eignet" sich solche Zwangsplanimg nicht zur Eigenentwicklung der Gesellschaft. Merkwürdigerweise bleibt jedoch auch noch i n diesem Falle die Freiheit i n einer zweiten Hinsicht für die Planung konstitutiv. Nicht etwa nur deshalb, w e i l die Selbststeuerung der Individuen, sprich ihre Freiheit, die zwangsvolle Außensteuerung immer wieder durchbricht, sondern weil Planung überhaupt nur auf dem Grund der Freiheit möglich ist. Planen kann nur der Mensch, Planen ist immer menschliches Handeln. Z u m Planen gehört die Alternative; Planen ist voraussehen, abwägen, wählen, verfügen, bestimmen. Planen kann man nur, wenn nicht alles vorweg determiniert ist und wenn verschiedene Möglichkeiten zu verschiedenen Zielen offenstehen. Das betrifft nicht nur das Planen i m menschlichen oder zwischenmenschlichen Bereich, sondern sogar dasjenige für den Bereich der Technik. Jeder Artefakt entsteht ja nur durch menschliches Handeln und hat seinen Sinn nur i m Bezug auf dieses. Eine Brücke, eine Fabrik ist verkörperte Freiheit und hat i h r zu dienen. Wenn man hier einwenden würde, daß eine Brücke, eine

Freiheit und Planung

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Fabrik gerade so gut wie die Freiheit auch die Selbstentfremdung des Menschen verkörpern könne, läge darin kein Widerspruch; denn auch Selbst-Entfremdung ist nur auf Grund der Freiheit möglich und w i r k lich. Planen ist m i t h i n auch keine Folge der „Einsicht i n die Notwendigkeit", sondern i m grundlegendsten Sinne des Wortes Selbst-Bestimmung. Der Mensch w i r d von seiner Freiheit nicht frei. Entwicklung, Dynamisierung und Traditionalismus Entwicklung i m Begriff der Entwicklungsplanung unterscheidet sich noch i n einem anderen Sinne von dem der organischen Entwicklung. Sie betrifft die Gesellschaft und nicht einen Organismus (erste Unterscheidung), sie ist auch nicht das, was sich vollzieht und dabei seinen Sinn erweist; vielmehr bedeutet Entwicklung in Wirklichkeit ein gewisses Entwicklungsstadium, das erreicht werden soll, wenn es nicht gar das Ziel der Entwicklungsplanung ist, die Entwicklung überhaupt erst i n Gang zu setzen. M i t dieser zweiten Unterscheidimg des Begriffs der Entwicklung werden w i r auf ein zweites, wichtiges Element der Entwicklungsplanung stoßen: Hervorbringung von Neuem als Bruch m i t dem Alten, Einleitung und gleichzeitige Überwindung von Disharmonie. Überlegen w i r uns einmal näher: es soll etwas i n Gang gesetzt und erreicht werden. Das bedeutet dreierlei: das Gegenwärtige, der gegenwärtige Zu- und Besitzstand, genügen nicht mehr; das Gegenwärtige ist i n seiner Ungenügendheit erkannt, der Wille zu mehr und zu anderem ist aufgebrochen, m i t anderen Worten, es vollzieht sich eine Dynamisierung. Das Mehr, auf das sich die Dynamisierung h i n entwirft, bezieht sich sowohl auf das „Haben" wie auf das „Sein". Das „Mehr-Haben", zu dem die jungen Völker hinstreben, ist: mehr Nahrung und mehr Wohnung (Bequemlichkeit); das „Mehr-Sein" ist mehr Gesundheit, mehr persönliche Freiheit, mehr politische Freiheit, mehr Möglichkeiten gesellschaftlichen Aufstiegs und kultureller Entfaltung; das Gegenwärtige w i r d als solches erfaßt. Diese Aussage mag etwas abstrakt anmuten, i n Wirklichkeit ist sie sehr konkret und betrifft von den eben genannten drei Elementen das vielleicht wichtigste. Sie sagt nämlich nichts anderes, als daß der Zustand der „Geschichtslosigkeit" beendet wird, i n dem fossilisierte Traditionen die Gesellschaft i m selben Zustand beharren lassen, i n dem der Unterschied zwischen Gestern, Heute und Morgen verwischt w i r d und es keine Entwicklung gibt, w e i l es überhaupt keine differenzierte Ge-

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Einführung

schichte gibt. I n diesem und nur i n diesem Sinne ist der Aufbruch zur Entwicklung Bruch m i t der Tradition. U m zu zeigen, wie viel und wie wenig hier m i t „traditionalistisch" gemeint ist, möchte ich Everett Hagen zitieren: „ A society is traditional i f ways of behavior i n i t continue w i t h l i t t l e change from generation to generation. Where traditionalism is present certain other characteristics are also found. Behavior is governed by custom, not law. The social structure is hierarchical. The individual's position i n the society is normally inherited rather than achieved. And, at least i n the traditional state so far i n the world's history, economic productivity is low 1 ." Es ist jedoch nicht nur die zeitliche Indifferenziertheit, die die Gesellschaft entwicklungslos läßt, sondern auch die individuelle Indifferenziertheit. Je mehr das Individuum i m wahrsten Sinne des Wortes i n der Gemeinschaft „aufgeht", desto mehr stagniert diese. I n diesem Sinne spricht Claude Lévi-Strauss von: „ . . . u n état d ' u n a n i m i t é . . . est considéré comme indispensable, pour que le groupe se perpétue comme groupe. C'est-à-dire ... une protection contre le risque de clivage, contre le risque qu'une hiérarchie subreptice ne s'introduise dans le groupe social, entre ceux qui seraient du bon côté et ceux q u i seraient d u mauvais côté. Autrement dit, pas de minorité; la société essaie de se perpétuer comme une horloge où tous les rouages participent harmonieusement à la même activité, et non comme ces machines qui semblent recéler dans leur sein u n antagonisme latent: celui de la source de chaleur et celui de l'organe de ref roidissement 2 . " Entwicklung ist also nicht einfach nur wie für das Organisch-Biologische Entfaltung, sondern Wandlung, Wechsel, d. h. sie ist eine immer wieder sich erneuernde Bewegung von einem Zustand des Gleichgewichts zu einem neuen Zustand des Gleichgewichts. Z u dieser Bewegung gehören zwei Unterbewegungen: die erste, i n der das bestehende Gleichgewicht unterminiert, aufgelöst, u. U. zerbrochen w i r d ; die zweite, i n der neues Gleichgewicht hergestellt wird. Wenn der Wechsel nicht zu chaotisch und disharmonisch sein soll, dann muß er gezielter Wandel sein. Einerseits muß die Entwicklung eingeleitet werden durch Schritte, die zunächst Brüche herbeiführen, Spannungen, ja Konflikte entstehen lassen, durch die allein das Gefälle entsteht, das wie i n einer Dampfmaschine gegenüber dem von LéviStrauss genannten Uhrwerk K r a f t zur Bewegung erzeugt; andererseits 1 Everett E. Hagen, O n the Theory of Social Change, The Dorsey Press, Homewood, 111., 1962, S. 55—56. 2 Georges Charbonnier, Entretiens avec Claude Lévi-Strauss, P i o n Julliard, Paris 1961, Seite 40 f.

Freiheit und Planung

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müssen diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die notwendig sind, die Dampfmaschine, u m bei dem B i l d zu bleiben, nicht explodieren, sondern zu einer echten Antriebskraft werden zu lassen. Dies ist die Aufgabe des Plans. Welche der beiden Unterbewegungen i m Rahmen der Gesamtbewegung und i m Falle des Plans welche A r t von Maßnahmen zunächst das Schwergewicht haben, hängt von der jeweiligen Gesellschaft ab, insbesondere davon, ob die Ungleichgewichtigkeit bereits entstanden ist oder erst hervorgerufen werden muß. I n allen Fällen gehört beides zusammen und geht ineinander über. Weder der Mensch noch die Gesellschaft befinden sich je gänzlich i m Zustand des Gleichgewichts oder des Ungleichgewichts, der Harmonie oder der Disharmonie. A b wann man von dem einen oder anderen sprechen kann, ist eine Frage sowohl der Quantität wie der Qualität. Kriterien hierfür dürften nicht allzu schwer zu entwickeln sein. Auch von hier aus gesehen erkennt man wieder, daß die Freiheit für die Entwicklungsplanung konstitutiv ist. M i t dem Aufbruch zur Entwicklung t r i t t der Mensch i n die Zeit, sie w i r d für i h n lebendig, sie w i r d „Geschichte" — und Freiheit und Zeitlichkeit gehören zusammen, worüber noch sehr viel auszuführen wäre. Ebenso t r i t t er i n die individuelle Differenzierung, d. h. Selbstverwirklichung i n der Unterscheidung von den anderen durch sich selbst, was wiederum Freiheit bedeutet. Macht der Plan beides nicht möglich, dann läßt er Entwicklung nicht zu. Die vier Elemente des Plans W i r haben bis jetzt hauptsächlich den Begriff der Entwicklung etwas angeleuchtet, nun müssen w i r das gleiche m i t dem Begriff des Planens tun, u m zu sehen, was Entwicklungsplanung sein muß. Festgestellt haben w i r schon, daß Freiheit für das Planen überhaupt konstitutiv ist. Aber was heißt das nun eigentlich, Planen? Planen bedeutet, die zweckmäßigen Maßnahmen festlegen, die auf der Grundlage bestimmter Gegebenheiten innerhalb einer gegebenen Zeit zur Verwirklichimg eines gesteckten Zieles führen sollen. Jeder Plan enthält also vier Elemente. Erstens: das Ziel; zweitens: die Ausgangsgegebenheit; drittens: die Maßnahmen zur Verwirklichung des Ziels; viertens: die Zeit, innerhalb derer das Ziel verwirklicht werden soll. A l l e Elemente des Plans stehen i n innerem Zusammenhang miteinander und stellen zusammen eine Gesamtheit dar. Zwei weitere Elemente des Plans, oder vielmehr der Planung, nämlich Durchführung und Kontrolle führen uns mehr i n das Gebiet der konkreten Anwendung als i n das Grundsätzliche. W i r wollen sie deshalb an diesem Ort nicht weiter behandeln. 2 Kruse-Rodenacker

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Einführung

Kohärente Politik und Plan Betrachtet man diese allgemeinste Definition, könnte man die Ansicht vertreten, daß eigentlich jede kohärente Politik einen Plan voraussetzt oder impliziert. Das erscheint bei uns nicht so deutlich, weil die Elemente des Planens zwar da, aber nicht ausgeprägt und als solche planv o l l gesetzt sind. Das Ziel einer Industriegesellschaft, selbst wenn diese i n rascher Entwicklung begriffen ist, ist etwas Neues und ganz Andersartiges; es w i r d nicht eigens gesetzt und definiert, sondern liegt i n der immanenten Dynamik dieser Gesellschaft selbst. Aus diesem Grunde werden i n den westlichen Industriegesellschaften nur partikulare Ziele festgelegt und Einzelplanungen verwirklicht. I n welchem Umfang das geschieht, hängt von dem Ausmaß ab, i n dem die traditionalistischen Antworten auf dem betreffenden Gebiet der Quantität und Qualität des Neuen, wobei ja Quantität i n Qualität umschlagen kann, nicht mehr entsprechen. Was vom Ziel gesagt ist, trifft auch auf die Ausgangsgegebenheit zu. Nebenbei erwähnt sei hier nur, daß wahrscheinlich unsere eigene Gesellschaft darunter leidet, daß ihre immanente Zielsetzung das Ziel m i t seinen Vorbedingungen verwechselt und die Dynamik als Selbstzweck betrachtet. Die Frage nach dem Ziel eigens und auf's Neue zu stellen, könnte nur gut sein, denn das würde uns wieder auf die Fragen nach dem Sinn der menschlichen und gesellschaftlichen Existenz zurückführen. Auch das Element der Zeit ist hier der Entwicklung immanent. Schließlich, betrachtet man die Mittel, liegt der vielleicht wichtigste Grund dafür, daß man bei uns i n der Durchführung einer kohärenten Politik nicht diejenige eines Plans sieht, i n einem w e i t verbreiteten I r r t u m über die A r t dieser Mittel. Aus geschichtlich naheliegenden Gründen glaubt man nämlich, daß sie i m Erlassen und organisierten Durchsetzen von Anordnungen bestehen, anstatt i m Setzen u n d institutionellen Befolgen von Verhaltensregeln. (Wir werden später genauer sehen, was das heißen soll.) Insbesondere neigt man hinsichtlich des wirtschaftlichen Sektors zu dem Irrtum, Planen hieße, die wirtschaftlichen Ordnungsprinzipien und Institutionen der gewachsenen westlichen Industriegesellschaft, von denen die wichtigste der M a r k t ist, durch eine zentrale Verwaltungswirtschaft ersetzen. Aus ebenso naheliegenden Gründen lehnt man diese M i t t e l ab, nämlich weil sie nicht zu einer harmonischen Entwicklung geführt haben. Aus demselben Grunde aber sind sie für die Planung i n Wirklichkeit untauglich. Die Zentralverwaltungswirtschaft ist dem Idealtypus wirtschaftlicher Planimg, wie w i r nunmehr feststellen können, diametral entgegengesetzt.

Freiheit und Planung

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Beziehen w i r nun die vier Elemente des Plans auf die Entwicklung. W i r werden dabei sehen, vor welche ungeheure Probleme die Entwicklungsplanung gestellt ist. I. Erstes Element des Plans: das Ziel Das Ziel eines Entwicklungsplans kann nicht nur i n Zahlen bestehen, selbst wenn es sich u m einen rein wirtschaftlichen Entwicklungsplan handeln sollte, den es übrigens i n Wirklichkeit nicht gibt. Das Ziel eines Entwicklungsplans kann nur i m Gesamtzustand einer Gesellschaft bestehen. Damit treffen w i r hinsichtlich des Ziels auf zumindest zwei Schwierigkeiten. Erstens ist der Gesamtzustand einer Gesellschaft sehr schwer zu definieren, zu beschreiben oder darzustellen. Zweitens, so vage, so symbol- und gefühlsdurchtränkt das Ziel-Leitb i l d auch sein mag, hat es noch den Nachteil, daß es sich ständig ändern kann. Hiermit sind keine politischen, d . h . bewußt vollzogenen Veränderungen gemeint; vielmehr soll gesagt sein, daß das Ziel allein dadurch, daß man i h m näherkommt, sich ändert, sei es auch nur, daß es durch ein neues und ferneres Ziel ersetzt würde. U m das Ziel darzustellen, braucht man kein Elektronengehirn, welches sämtliche bekannten und auch imbekannten Daten ver- oder erarbeitet, u m es dann wie auf einem Zielband hinzumalen. Das Ziel ist, selbst wenn es von Zahlen verdeckt wird, immer ein mehr oder weniger integriertes, ein mehr oder weniger bildhaftes Leit-Motiv i m u r sprünglichsten Sinne, d. h. ein Motiv, das zu sich selbst hinleitet. I n dieser Hinsicht eröffnet sich die Perspektive der Untersuchung auf M o t i v und Motivierung, auf B i l d als Leit- und Vorbild. Ziel als Leit- und Vorbild ist Symbol. Hier muß z. B. gefragt werden, was ist ein Symbol? Welche konkreten Symbole (die auch Personen sein können) finden w i r vor? Wie integrieren Symbole Rationalität und Emotionalität des Strebens? Wie unterscheiden sich Motive und Werte? Wie entstehen u . U . Mythen, Mystiken oder Pseudo-Mystiken, wobei hier unter Mystik verstanden w i r d : die ständige und begeisterte Verfolgung eines als absolut betrachteten Wertes. Übrigens sei hier gesagt, daß w i r aus Erfahrung wissen, daß manchmal ein Wort genügt als Symbol des Ziels einer Gesellschaft: Uhuru, socialisme africain, la gloire, die Nation, the socialist pattern of society i n Indien. I I . Das zweite Element des Plans: die

Ausgangsgegebenheit

Zur Problematik des zweiten Elements des Plans, der Ausgangsgegebenheit, braucht nur darauf hingewiesen zu werden, wie schwierig die Bestandsaufnahme einer jeden Gesellschaft ist, umsomehr, wenn 2*

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Einführung

sie i n raschem Wandel begriffen ist und es darüber hinaus, w i e es bei den Entwicklungsländern der Fall ist, einer großen Zahl von Daten ermangelt. I n Wirklichkeit ist uns eine echte Bestandsaufnahme einer Gesellschaft oder, u m das Wort i m angelsächsischen Sinne zu gebrauchen, einer K u l t u r noch gar nicht möglich. M a n lasse sich hier übrigens nicht durch die Meinung verwirren, auf dem wirtschaftlichen Sektor wenigstens sei sie es; denn alle wirtschaftlichen Realitäten sind letzten Endes entweder Produkte menschlichen Verhaltens oder durch solches mitkonstituiert. Die Schwierigkeit r ü h r t u. a. daher, daß alles, was i m Rahmen einer Gesellschaft die Individuen oder Gruppen betrifft, sich nur i n Funktion der gesamten Gesellschaft erfassen und erklären läßt. Diese Mitbedingtheit durch die umfangende K u l t u r zeigt sich z.B. schon, wenn man „ M a n n und Frau" definieren w i l l . Eine Gesamt-Analyse ist derart schwierig, daß uns die Sozial- u n d Geisteswissenschaf ten bisher das dazu notwendige Instrumentarium nicht zur Verfügung stellen konnten. Auch ist die Ausgangslage einer Gesellschaft keine „Gegebenheit", kein eindeutig bestimmbares Faktum i m herkömmlichen Sinne. Die Möglichkeit der Änderung, durch die sie ja eine andere „Gegebenheit" wird, ist ihr immanent, und zwar durch die Maßnahmen, die der Plan selbst vorsieht, von denen man aber vorher nie genau weiß, wie sie sich auswirken werden, und dann ganz einfach dadurch, daß die menschliche Freiheit m i t i m Spiele ist. Die Freiheit bringt von vornherein i n jede Bestimmimg sozialer Gegebenheiten einen Koeffizienten der Unbestimmtheit, der sich übrigens auch durch irgendwelche noch so vollkommenen Versuche der Quantifizierung nie ganz ausräumen läßt. Vielleicht ist die Ausgangsgegebenheit das am wenigsten wichtige Element des Plans, so sehr dies einem rationellen Plan zunächst entgegen zu stehen scheint, von der man meinen könnte, daß er zunächst einmal die Ausgangslage sicherstellen solle. Unter Umständen kann das Ziel von der Zukunft her i n die Gegenwart zurückwirken, so daß es i n dieser Gegenwart Ausgangsmöglichkeiten zur Erreichung des Ziels hervorruft, selbst wenn diese nicht eindeutig festlegbar sind. Dies bedarf eingehender Erläuterungen und Untersuchungen, die für die Strategie des Planens von großer Bedeutung sein werden. I I I . Das dritte Element des Plans: die Mittel Das verwirklichte Ziel des Plans ist, selbst wenn es z. B. nur als Vergrößerung des Brutto-Sozialprodukts hingestellt wird, stets Resultat oder Ko-Resultat menschlichen Verhaltens. Daraus folgt, daß die M i t t e l zu seiner Verwirklichung i m wesentlichen i n der Regelung mensch-

Freiheit und Planung

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liehen Verhaltens zu bestehen haben, die bewirken soll, daß alles Verhalten innerhalb einer Gesellschaft sinnvoll auf das gemeinsam zu erreichende Ziel gerichtet wird. Menschliches und gesellschaftliches Leben ist besonders geregelt i n und durch Institutionen. Deswegen wollen w i r hier die Schaffung der Voraussetzungen, auf Grund derer sich Institutionen bilden können, als das wichtigste M i t t e l des Plans hervorheben. Gewiß werden damit so viele Probleme aufgeworfen, daß ein eigener Band dazu nötig wäre, sie auch n u r abzustecken; hier soll nur soviel gesagt werden, daß die Aufmerksamkeit auf dieses bedeutungsvollste aller M i t t e l gelenkt wird. Immerhin ist dies so viel, daß es i m Rahmen dieser Betrachtungen den größten Platz einnimmt. Unter Institution soll verstanden sein die A r t und Weise, wie innerhalb von Teilen der Gesellschaft oder i n der Gesamtgesellschaft der Austausch i m Sinne von Kommerzium der Individuen oder Teilgesellschaften (Gruppen) untereinander und miteinander mehr oder weniger geregelt stattfindet. M i t dieser Definition bekommen w i r die gesellschaftliche Wirklichkeit i n einen, wenn auch vorläufigen u n d wiederholungsbedürftigen konzeptuellen Griff. Diese besteht i n der Tat nicht aus einer Idee, aus einer Kollektivseele, aus Dingen oder aus Menschen, sondern sie ist eben die A r t und Weise, wie die Menschen unter- und miteinander verkehren. Es soll nicht darüber gestritten werden, daß man diese Wirklichkeit anders benennen könnte. Aus vielerlei Gründen und nicht zuletzt, w e i l hiermit auch das theoretische Verständnis der Institutionen, die tatsächlich unsere Gesellschaft regeln, gefördert wird, sollte dieser Name benutzt werden. Was hier unter Institution oder Institutionen verstanden wird, sind weder die uns bekannten politischen Institutionen oder die Institutionen i m Sinne des Institutionalismus als einer seit etwa 1900 hervortretenden Richtimg der amerikanischen Wirtschaftswissenschaften, noch ganz die Institutionen i m Sinne Gehlens. (Abgrenzungen dazu vorzunehmen, ist hier nicht der Ort.) Ohne Zweifel jedoch sind hier bereits Perspektiven eröffnet, die unbedingt erweitert werden sollten. A m besten kommen w i r dem Phänomen der Institution näher, wenn w i r das betrachten, was i h r i n unserem eigenen persönlichen Leben, i n unserer individuellen Geschichte am nächsten kommt, nämlich unsere Gewohnheiten oder besser gesagt unsere Habiti, d. h. unser habituelles Verhalten. Ob nicht überhaupt der individuelle Habitus die I n stitutionen sozusagen als H a b i t i der Gesellschaft fundiert, das sei hier dahingestellt. Wie entsteht eine Gewohnheit? Indem ich einen einmal eingeschlagenen Weg zu einem Ziel, dessen Erreichung mein Motiv war, wieder-

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Einführung

holt gehe, u m dasselbe oder ähnliche Ziele zu erreichen. Durch häufiges Wiederholen w i r d der Weg zu diesem Ziel eine Gewohnheit. Was dabei geschieht, ist sehr aufschlußreich für unsere Problematik. Zunächst können w i r feststellen, daß alles mithabitualisiert, was zum Weg gehörte, selbst wenn es zur Erreichimg des ursprünglichen Ziels nicht relevant war. Des weiteren w i r d durch die Wiederholung und Einebnung der Weg zum Ziel selbstverständlich, und das heißt i n diesem Falle unbewußt oder zumindest unterbewußt. Unsere Gewohnheiten sind uns nicht deutlich bewußt, selbst wenn w i r sie zum Bewußtsein bringen können. Das französische Wort für selbstverständlich zeigt deutlicher, was hier gemeint ist: ga va de soi = es geht v o n sich aus, ganz alleine. Hiermit w i r d etwas sehr Wichtiges erreicht; denn durch diese Selbstverständlichkeit entlastet die Gewohnheit uns und macht die Erreichung neuer Ziele möglich. Sie „regelt" unser Leben, wenn sie es i n dem von uns gewollten Sinnzusammenhang erleichtert. N u n können zwei Dinge geschehen, die w i r gut aus der Erfahrung kennen: der Weg zum Ziel w i r d so eingeebnet, kanalisiert, daß dieses Ziel immer wieder verwirklicht wird, obwohl gar kein Motiv mehr dazu besteht. Oder sogar noch mehr: das Ziel selbst gehört gar nicht mehr zum Weg, dieser ist Selbstzweck geworden, seine Begehung ist selbst das Ziel. Der Weg selbst w i r d zu seinem eigenen W a r u m / D i e Gewohnheit w i r d damit zur Angewohnheit. Als solche entlastet sie uns nicht mehr, vielmehr belastet sie uns mehr oder weniger. Den Zusammenhang zwischen Gewohnheit und Habitus als gewohnheitsmäßiger Einstellung und gewohnheitsmäßigem Verhalten aufzuzeigen, müssen w i r uns hier versagen. Gewohnheit, Habitus, Schema, Technik (als Methode habituellen Vorgehens), Stil, das sind Begriffe, die zusammengehören. Solange sie nicht i n einer philosophischen Anthropologie aufgehellt werden, fehlt den Sozialwissenschaften ein wesentliches konzeptuelles Instrument Sehen w i r n u n nach dieser kurzen Vor-Analyse der Gewohnheit als persönlicher Institution, was es m i t der gesellschaftlichen Institution auf sich hat. Das implizite Verständnis, das i n ihrem Namen liegt, verweist uns auf eine erste Eigenschaft. Das Wort „Institution" hat als Wurzel: stare (stehen), statuere (stellen, festsetzen) m i t dem Präfix in. Dies bringt uns darauf, daß etwas i n i h r und durch sie eingestellt, festgesetzt, eingerichtet ist. W i r haben allein i n ihrem Namen drei Elemente zu ihrem Verständnis: das Einrichten, das Festgefügte, das Aufetwas-gerichtet sein. Was heißt das? W i r d sie erst einmal als solche erfaßt, dann stellt sie sich zunächst so dar, als sei sie vor ihrer Ent-

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stehung vorgeplant gewesen und zur Erreichung ihres Zwecks eingerichtet worden. Daß dies keineswegs der Fall ist, zeigt die Geschichte der Institutionen, die w i r kennen. Hierzu gehört weiter, und das ist mindestens so wichtig, daß sie als ein Gefüge erscheint, welches auf einen Zweck gerichtet ist, also als zweckrational. Dabei ist wohlgemerkt zu beachten, daß dieser Zweck kein rationaler zu sein braucht. Der zweckrationalen Erscheinungsform der i m Bewußtsein abgehobenen und erfaßten Erscheinungsform steht ein Dreifaches gegenüber. Zuerst ihre Institutionalisierung selbst, die ganz andere Motive gehabt haben kann, als den Zweck zu erreichen, dem die Institution schließlich dient. Das institutionsstiftende Bewußtsein ist also ein anderes als das, welches diese i m nachhinein erfaßt. Weiter steht i h r gegenüber die A r t , wie sie gemeinhin erlebt wird, nämlich als so selbstverständlich, daß sie sich nicht i m Bewußtsein abhebt. Diesem Gegensatz steht als erneuter Gegensatz gegenüber, daß die Teilnahme an einer Institution gleichwohl ein Zusammengehörigkeitsbewußtsein erzeugen kann. W i r d i n diesem Zusammengehörigkeitsbewußtsein oder auch sonst die Institution als solche, wenn auch nicht i n abstraktem wissenschaftlichen Denken bewußt, dann entsteht das den Sozialwissenschaften bekannte Paradox, daß die Institution, so wie sie gemeinhin bewußt ist, die Institution, so wie sie w i r k l i c h ist, verdeckt. Das „hausgemachte" Modell der Institution, wie esv i n den Köpfen der an ihr teilnehmenden Individuen lebendig ist, ist eine Tarnkappe für die Institutionen i n ihrer Wirklichkeit, d. h. für das, was die entsprechende Analyse als tatsächlich wirkend und wirksam aufdeckt. X-beliebige Beispiele illustrieren das: Geld, Ehe, Verwandtschaftssysteme, Demokratie usw. Dieser mehrfache Gegensatz von Bewußtheit und Unbewußtheit der Institution ist gleichzeitig durchdrungen von der i h r eigenen Dynamik. Die Institution erhält nämlich eine Zwecksetzimg, eine Eigengesetzlichkeit, die nicht vorher besteht, sondern sich erst m i t der Institutionalisierung selbst vollzieht. So war z.B. der M a r k t i n der vorindustriellen Epoche ein Ort, an den man ging, u m das, was man produziert hatte, gegen anderes zu tauschen. Heute ist der M a r k t eine Institution, die die Produktion selbst beeinflußt. Wesentlich ist die A r t , wie die Institution den Austausch, das K o m merzium ihrer Teilnehmer regelt: nicht durch Befehle, die anordnen, wie i n jedem Einzelfalle vorzugehen ist, sondern durch allgemeine Verhaltensregeln. Diese betreifen nicht das Individuum, vielmehr wesentlich den Austausch als solchen. Mein Verhalten steht i n wechselseitiger Wirkung zu dem der anderen, ruft es hervor, gibt Antwort, ist Zusammenspiel. Die Regeln erlauben ein situationsangemessenes Ver-

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halten, der Befehl nicht: denn alle Situationen können nicht vorausgesehen werden. Die Verhaltensregeln haben einen Sollcharakter, ohne daß weder die Regeln i n ihrem gesamten Strukturzusammenhang, noch ihr Sollcharakter i m Bewußtsein abgehoben zu sein braucht. Die beste Analyse, die es bisher hierüber gibt, hat m. E. Heidegger m i t seiner berühmten phänomenologischen Deskription des „Man" geliefert 3 . Das dabei berührte Problem der Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit ist hier nicht zu erörtern. Von Bedeutung ist, daß der Geltungscharakter der Institution nicht i n den institutionsfunktionellen Autoritäten begründet ist, sondern daß diese letzten Endes ihre Autorität aus dem „Man" beziehen. Mensch und Institution gehören zusammen, w e i l der Mensch als Selbst durch und durch davon mitkonstituiert ist, wie er sich zu den anderen verhält und die anderen zu ihm. Der Mensch ist wesentlich Mit-Sein, wobei das „ M i t " hier nicht weiter qualifiziert w i r d i n seine möglichen Modi des Gegen, Für usw. Wenn ein Seiendes n u r vermittels eines anderen Seienden existiert, wenn es das, was es ist, nur durch ein anderes als es selbst ist, dann ist es vermittelt. W i r können deshalb sagen: die Institution vermittelt sowohl die Gesellschaft sich selbst und auch das Individuum sich selbst. Der Begriff der Vermittlung h i l f t uns, auch andere soziale Gebilde, Gruppen, Organisationen usw. von dem der Institution zu unterscheiden. N u r wenn w i r es m i t sozialen Gebilden zu t u n haben, die Mensch und Gesellschaft i n ihrer jeweiligen konkreten Existenz vermitteln, wollen w i r sie Institution nennen. Kriterien der hier anzustellenden Untersuchungen, welche gleichzeitig die Kriterien selbst näher identifizieren müssen, sind die Möglichkeit der echten Differenzierung einer Institution von der anderen und die Möglichkeit aufzuweisen, daß Änderungen der Institution den Menschen i n seiner konkreten gesellschaftlichen Existenz und die Gesellschaft selbst wesentlich ändern. Steht die Institution i n einem fördernden Zusammenhang m i t der Zielsetzung der Gesellschaft, dann „regelt" sie analog der guten Gewohnheit als individuelle Institution das Leben dieser Gesellschaft. Sie entlastet die Gesellschaft und ihre Mitglieder, indem sie Sinnfragen und Entscheidungen suspendiert und dadurch den Individuen und der Gesellschaft die Erreichimg neuer Ziele ermöglicht. „Gute" Institutionen begründen i m wesentlichen die Stabilität der Gesellschaft. Ä h n lich aber wie bei der Gewohnheit kann der Zweck der Institution seinen Sinn verlieren, was vieldeutig auszuweisen wäre und mehr noch: es kann die Institution zum Selbstzweck werden. T u t sie das, dann belastet sie die Gesellschaft und hemmt ihre Entwicklung. * M . Heidegger,

Sein u n d Zeit, M a x Niemeyer, Tübingen 1953, S. 126—130.

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Eigentümliche, wenn auch nicht amüsante Beispiele hierfür sind die Zentralverwaltungswirtschaften, die den kommunistischen Ländern ursprünglich nur M i t t e l zum Ziel waren und heute Selbstzweck geworden sind, sowie die freie Marktwirtschaft, wenn sie nicht mehr — wie unsere soziale Marktwirtschaft — als Instrument der freien Gesellschaft, sondern als Eigenziel betrachtet wird. Die Institution hat so etwas wie einen Fokus oder vielmehr etwas, das sie m i t Leben durchdringt, „beseelt", w o m i t nicht etwa die Verfolgung eines gemeinsam anerkannten Wertes gemeint ist. Bei dem Versuch, auf diese Frage zu antworten, ergeben sich die vielleicht schwierigsten, aber auch aufschlußreichsten Probleme des Aufbaus der menschlichen Gesellschaft. U m nur einige zu nennen, die sich sogleich aufdrängen: Welches ist das Wertgefüge, dem die Verhaltensregeln folgen? Wie ist es entstanden? Wie w i r d es erhalten? Woher kommt sein Sollcharakter? Wie verteilt die Institution Funktionen, Rollen, Autorität? Wie symbolisiert sie sich? I n welchen Zusammenhängen stehen die Motive der Individuen und der Zweck der Institution? Wie verräumlicht und verzeitlicht sich jeweils die Institution? U n d wie institutionalisieren sich jeweils Raum und Zeit? Dies alles mag sehr abstrakt anmuten, es w i r d konkret, wenn man das bisher Gesagte auf konkrete Institutionen anwendet, z. B. eine der menschlich-gesellschaftlichen Grundinstitutionen: die Sprache. Es würde hier zu weit führen, die aufgezählten Charakteristiken auf die Sprache oder andere Institutionen anzuwenden, u m sie i n ihrer Konkretion erscheinen zu lassen. Schließlich stoßen w i r dann auf Vorfragen, die eine Klärung verlangen. Wenn Institutionen die A r t und Weise sind, die den Austausch der Individuen untereinander regeln, dann müssen w i r auch fragen: was ist denn dieser „Austausch", was ist Kommunikation? Ebenso muß auch gefragt werden: was ist eigentlich Verhalten und was ist Handeln? A u f die sehr komplexen und bedeutsamen Zusammenhänge zwischen Institution und Organisation kann hier nicht eingegangen werden. Während die Institution mehr einem Organismus ähnelt, gleicht die Organisation mehr einem Mechanismus, einem Apparat. Eine Organisation besteht aus einem bewußten und präzisen Beziehungsgefüge von Individuen und Gruppen, unterstützt von Sanktionen und einem materiellen Unterbau. Sie muß „hergestellt" werden und bleibt von einem oder mehreren Individuen überschaubar; jede Organisation, so riesig sie auch sein mag, ist also letzten Endes „einfach". Aus dem bisher Ausgeführten ergeben sich für unsere Problematik zwei wichtige Erkenntnisse.

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Erstens, die Organisation kann die Institution nicht ersetzen, sie kann deren Bildung und Erhaltung nur ermöglichen. Zweitens, je differenzierter eine Gesellschaft ist, desto mehr hat sie eigengesteuerte, d.h. freie Institutionen notwendig. Eine total durchorganisierte Gesellschaft muß p r i m i t i v und unfrei bleiben oder es werden. W i r haben anfänglich gesehen, daß Freiheit konstitutiv zur Planung gehört. Dies zeigt sich jetzt wiederum; denn würde sie als totale Organisation durchgeführt, dann entspräche dies nicht mehr ihrem Idealtypus. Die größte und schwierigste Aufgabe der Entwicklungsplanung ist es, diejenigen Organisationen vorzusehen, die die Bildung und Erhaltung zielgerechter Institutionen möglich machen. Was hier allgemein über Institutionen als M i t t e l der Entwicklungsplanimg angedeutet wurde, liefert einen begrifflichen Schlüssel zu vielem, was i n diesem Band zu lesen ist, auch wenn es nicht unter der Kategorie der Institution dargestellt ist. Eines noch t r i t t dabei ins Licht der Vermutung, j a der Wahrscheinlichkeit: es lassen sich Techniken erarbeiten, die Institutionen zu erfassen u n d vielleicht — wie immer mittelbar auch — zu erschaffen. Hier sei erwähnt, daß die Grundidee des Friedenskorps i n der A n wendung einer solchen mittelbaren Technik liegt. Der Einzelne oder das Team bringen ihre Institutionen m i t ihren Werten, Zwecken, Regeln usw. mit, nämlich implizit i n ihrem ganzen Verhalten. Indem sie sich den Institutionen der Menschen, zu denen sie gehen, anpassen, ohne ihre eigene Institution aufzugeben, entsteht bei ihnen eine Symbiose, die das Entstehen neuer, den Gastgruppen eigener Institutionen möglich macht. Beispielhaftes Verhalten w i r k t institutionsbildend, wenn es sowohl verständlich als wertgeladen erscheint. I V . Das vierte Element des Plans: die Zeit Kommen w i r nun zu dem vierten und letzten Element des Plans, der Zeit. Zweifellos spielt bei den Maßnahmen zur Verwirklichung des Ziels die Zeit eine eminente Rolle, eine Rolle, die sich zunächst i n der doppelten Problematik der Synchronisation und der Folgeordnung darstellt Auch hier entsteht wieder eine Vielzahl von Problemen, von denen nur einige hervorgehoben werden sollen. Zuerst muß hier festgestellt werden, daß hinsichtlich der Synchronisation und der Phasen- oder Folgeplanung keine genauen „Zeiten" eingesetzt werden können, einfach deswegen, w e i l nicht genau vorausgeschätzt werden kann, wie lange unter den gegebenen oder den zu schaffenden Umständen etwas dauern w i r d und wie die synchronisierten oder aufeinanderfolgenden Maßnahmen sich untereinander beeinflussen. Daß hinsichtlich der Ord-

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nung der Folge selbst, nämlich hinsichtlich dem, was zuerst kommen soll und was danach, wichtige und wahrscheinlich nie ganz zu klärende Fragen auftauchen, darauf sei hier nur hingewiesen. E i n zweites Problem stellt sich dadurch, daß die Zeit knapp ist; manchmal so knapp, daß sie sich auf einmal derart „zusammenzieht", daß sie zu „fehlen" beginnt, d.h. daß auf Grund des zeitlichen A b laufs von Maßnahmen plötzlich Entscheidungen notwendig werden, zu deren Prüfung die Zeit fehlt. Hier sei nur nebenbei bemerkt, daß die wesentliche Knappheit, die das Zusammenleben der Menschen bestimmt — und zwar eine nie einzuholende — nicht die der Materie, sondern die der Zeit ist. I n dem Maße, i n dem die Knappheit der Materie überwunden wird, w i r d i n den Sozialwissenschaften — und i n der Politik! — die Zeit m i t allen ihren Problemen eine viel größere Holle zu spielen haben als bisher. Die Probleme der Produktion und die Verteilung von Material werden hinter die des Ge-brauchs der Zeit zurücktreten. A u f keinen F a l l darf die Zeit als Produkt angesehen werden; produzierte Zeit ist ein vielfältig derivierter Begriff. Ob Makro- oder Mikrozeit, ob objektive oder subjektive Zeit, sie hat ihren Sinn immer nur aus der ursprünglichen Zeit oder Zeitlichkeit des Menschen. Die Zeit als Spanne des Individuums ist nicht das, was gemacht wird, sondern das, w o r i n und wofür etwas gemacht wird. Es kann der Mensch auch nicht durch ein Produkt entfremdet werden, sondern nur durch und in seiner Zeit. Die Zeit des Menschen und damit die Zeit aller Konstrukte der Sozialwissenschaften ist endlich, w e i l der Tod ihr immanent ist. Darin liegt ihre nie einzuholende Knappheit. E i n letztes Problem, das hier unterstrichen werden soll, besteht darin, daß die Zeit der Menschen, die Zeit der Gesellschaft „Geschichte" ist. I n den Plan kann also die Zeit nicht nur als etwas Lineares oder Perspektivisches einbezogen werden, sondern sie ist auch ein immer unvorhersehbar Veränderliches. Jeder Mensch kann schon i n seinem täglichen Leben bemerken, daß die Zukunft, wenn sie jeweils verändert auf uns zu-kommt, die Gegenwart und die Vergangenheit anders werden läßt als sie scheinbar ganz eindeutig „gewesen" ist. Menschliche und gesellschaftliche Zeit ist ereignisgeladen und einmalig, d. h. sie ist unberechenbar. Das alte Wort erhält einen neuen Sinn: tempora mutantur et nos mutamur i n illis (die Zeiten ändern sich und w i r m i t ihnen). Weil die Zeit der Gesellschaft „Geschichte" und als solche einmalig ist, kann auch die Geschichte der einen Gemeinschaft nicht bei anderen einfach wiederholt werden. Auch von hier aus w i r d wieder deutlich, wie wenig Planimg sich als totale Organisation und m i t zentraler Verwaltung durchführen läßt, wie wichtig es dagegen ist, daß Institutionen entstehen, die eigen-

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steuernd und nicht zwangsvollstreckend die Entwicklung sich entfalten lassen. Daraus erhellt, daß einige Schwierigkeiten, die die Zeit dem Entwicklungsplan stellt, sich insofern von selbst lösen können, als echte Entwicklung, wenn sie einmal i n Gang gebracht ist, i h r eigenes Zeitsystem gleichzeitig mitentwickelt. Die Adjektive der Entwicklungsplanung W i r haben die vier Elemente des Planens überhaupt i n Beziehimg gebracht zur Entwicklungsplanung und dabei gesehen, wie sie durch und durch untereinander und wiederum m i t ihren vielfältigen K o m ponenten i n unauflösbare Zusammenhänge verwoben sind. Daraus erhellt, daß Entwicklungsplanung, w i l l sie solche w i r k l i c h sein, versuchen muß, diese Zusammenhänge zu sehen und zu berücksichtigen. Weil die Entwicklungsplanung dies i n der Tat schon versucht, w i r d sie durch folgende Adjektive gekennzeichnet: „comprehensive" (d.h. nicht nur allumfassend, sondern hier klingt assoziativ m i t an: verstehend, vernünftig), integral, harmonisch, konzertiert. Operationelle Dialektik Hieraus läßt sich auch noch eine Folgerung hinsichtlich der Methode ziehen. Es sollte eine operationelle Dialektik entwickelt werden. Hierm i t ist keine philosophische Erklärung der gesellschaftlichen W i r k lichkeit gemeint, wie z. B. die dialektische Stufenfolge oder ein erkenntnistheoretisches Prinzip, z.B. das der doppelten Reflexion, das die Beziehungen der Beziehungen regelt; sondern lediglich eine Operationsmethode, die sichert, daß alles, was berücksichtigt werden muß, auch tatsächlich berücksichtigt wird. Das heißt zweierlei: daß die Zusammenhänge i n ihren vielfältigen Modi gesehen werden und zwar immer aufs Ganze hin: i n ihrer Gegenseitigkeit, Gegensätzlichkeit, gegenseitigen Implikation, Widersprüchlichkeit, Konkordanz, Auseinanderstreben, Perspektivität, Aufeinanderzulaufen, Nebeneinanderherlaufen usw. Ebenso aber heißt es, daß die Zusammenhänge i n ihrer Dynamik, i n ihrer Bewegung erfaßt werden müssen. Eine solche Methode muß rein als operationelle entwickelt werden und darf nichts erklären wollen. Wie die Wirklichkeit oder der die Wirklichkeit erfassende menschliche Geist beschaffen sein muß, damit sie überhaupt angewandt werden kann, kann die operationelle Dialektik völlig dahingestellt sein lassen. Interessante Ansätze hierzu finden sich besonders bei den zeitgenössischen französischen Soziologen.

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Schlußbemerkungen Bedenken w i r noch einmal den Zusammenhang zwischen Entwicklungsplanung und der Politik i n der uns bekannten Industriegesellschaft, die, wie w i r gesehen haben, ja auch planvoll ist und m i t zunehmender Dynamisierung immer planender erscheinen wird, so können w i r nun kurz zusammenfassend etwa wie folgt formulieren: Entwicklungsplanung versucht, sich selbst i h r Ziel zu setzen, sich i h r Referenzsystem zu schaffen, sich ihre Organisationen u n d Institutionen zu bilden — und zwar alles das gleichzeitig. Dieses Vorwort wollte lediglich einen Ansatz bieten, eine Perspektive eröffnen zur theoretischen Grundlegung der Entwicklungsplanung. Das Nur-Inaugurale, Nur-Indikative, dieses Vorworts allein zeigt schon, wie schwierig die Probleme der Entwicklungsplanung sind. Es w i r d der Anstrengimg vieler Wissenschaftler und Praktiker bedürfen, u m hier ein neues Instrumentarium zu schaffen, dessen die Gesellschaft dringend bedarf. Wie man heute konkret an die Entwicklungsplanung herangeht, welche praktischen Probleme sich stellen und m i t welchen Methoden versucht wird, sie zu bewältigen, das zeigt der vorliegende Band. Er beruht auf einer Tagung der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer, an deren wissenschaftlicher Konzeption und Leitung Bruno K n a l l entscheidend beteiligt war. Albrecht Kruse führt m i t einer eigenen, meisterhaften Analyse i n diese Probleme u n d Methoden ein. I h m gebührt für diese Arbeit besonderer Dank. Eines ging aus den Diskussionen m i t den „Entwicklungsplanern" immer wieder hervor, und das möchte ich zum Schluß unterstreichen: Unser Wissen läuft der Wirklichkeit nicht strikt parallel, unser Können, das auf unserem Wissen beruht, bleibt stets ungenügend. Unser Wissen und Können verweisen immer wieder auf anderes Wissen und Können. N u r das Ganze ist das Wahre — aber das Ganze läßt sich nie erfassen. Der Mensch, sein Wissen und Können, die Gesellschaft sind als Ganzes nie gegeben, sie sind immer nur, aber auch immer schon — und hier liegt der Grund zur Überwindung eines jeden Relativismus — i n der Bewegung auf das Ganze.

Erster

Teil

Probleme und Methoden der Entwicklungsplanung

I . Planung und Wirklichkeit 1. Die Notwendigkeit einer Entwicklungsprogrammierung Z u Anfang der Entwicklungshilfe herrschte vielfach die Ansicht vor, die Hilfe für wirtschaftlich unentwickelte Länder beschränke sich auf die Vergabe von Kapital i n begrenztem Umfange, ferner auf Maßnahmen philanthropischer Natur und auch auf den nicht-kommerziellen Absatz landwirtschaftlicher Überschüsse. Von Einzelaktionen und I m provisationen verschiedenster A r t ihren Ausgang nehmend, wuchs die Entwicklungshilfe jedoch i n Gestalt der Kapitalhilfe, technischer Hilfe und Handelshilfe i n Größenordnungen hinein, die ein planvolles Vorgehen immer notwendiger erscheinen ließ. Zwei Merkmale treten immer stärker i n Erscheinung. Erstens erfährt das für das gesamte Wirtschaftsleben grundlegende Prinzip des „do ut des" eine neue Interpretation. Zweifellos waren und sind auch heute noch an die Entwicklungshilfe bestimmte wirtschaftliche und auch politische Hoffnungen und Bedingungen seitens der entwickelten und unentwickelten Länder geknüpft. Jedoch ist die eigentliche Basis der Entwicklungshilfe nicht allein das Prinzip der Leistung gleich Gegenleistung, sondern die Bemühungen der entwickelten und unentwickelten Länder, i n gemeinsamer Anstrengung die Situation der letzteren nachhaltig zu verbessern und auf diese Weise den Wohlstand aller Nationen zu erhöhen. Zweitens w i r d die Entwicklungshilfe planvoll den vielfältigen Bemühungen der Entwicklungländer angepaßt, die eigene wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, einer das ganze Wirtschaftsleben umfassenden Entwicklungsplanung. Sie beschränkt sich nicht nur auf die wirtschaftliche Entwicklung der Länder, sondern zielt zugleich auch auf ihre soziale Entwicklung ab. Wegen des umfassenden Charakters dieser Aufgabenstellung verwenden w i r außer dem Begriff der Entwicklungsplanimg für die speziellen Fragen der Planungstechnik und -methoden auch den Begriff der Entwicklungsprogrammierung. Warum

muß die wirtschaftliche

Entwicklung

geplant werden?

Wenn der Entwicklungsplanung heute eine Bedeutung beigemessen wird, wie das bisher i n den entwickelten Ländern des Westens kaum 3 Kruse-Rodenacker

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I. Planung und Wirklichkeit

vorstellbar gewesen sein mochte, geraten dann diese Länder nicht i n einen unlösbaren Widerspruch zu den Prinzipien ihres eigenen W i r t schaftssystems einer nicht geplanten Marktwirtschaft? Werden nicht die Entwicklungsländer durch die Planung auf jenen Weg geführt, den die kommunistischen Planwirtschaften beschreiten? Besteht nicht die Gefahr, daß die bekannten Fehler der Planung i n den Entwicklungsländern wiederholt und dort auch noch institutionalisiert werden? Erhöht nicht die Entwicklungsplanung die Risiken des wirtschaftlichen Wachstums und begrenzt sie nicht den Spielraum der freien wirtschaftlichen Kräfte? A l l e die hier auftretenden Fragen sind, wie die bisherigen Erfahrungen m i t der Entwicklungsplanung lehrt, ernst zu nehmen. Jedoch erfordert das Ziel, die Entwicklungsländer i n möglichst kurzer Zeit aus der Phase permanenter wirtschaftlicher Stagnation herauszuführen, die Produktionsfaktoren und natürlichen Hilfsquellen unter Berücksichtigung der sozio-ökonomischen Bedingungen planvoll und wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen. Das aber ist die eigentliche Aufgabe der Entwicklungsplanung. Bei dem heute noch außerordentlich niedrigen Entwicklungstand vieler Länder bietet sich offenbar keine andere A l t e r native an 1 . Auch i n den entwickelten Marktwirtschaften der westlichen Industrieländer ist das Planen wirtschaftlicher Prozesse immer dann notwendig gewesen und auch heute notwendig, wenn die Marktmechanismen entweder nicht funktionieren oder aber nicht i n einem gewünschten Zeitraum zu einem gewünschten Ziele führen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Anpassimg durch den M a r k t zu viel Zeit i n Anspruch nimmt. Wichtige Beispiele sind etwa die Neuordnung des Verhältnisses vom landwirtschaftlichen zum gewerblichen Sektor, Anpassung der Grundstoffindustrie an veränderte Verhältnisse, U m stellung auf Rüstungswirtschaft usw. Zweitens kann auch der M a r k t nicht m i t Sicherheit das gewünschte Ziel erreichen. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn das Angebot n u r unvollkommen oder m i t großer zeitlicher Verzögerung auf Nachfrageveränderungen reagiert. Hier sind bekannte Beispiele die Engpässe des Straßenbaus, Wohnungsbaus usw. Drittens können auch die Marktmechanismen völlig oder teilweise außer Funktion gesetzt sein. Hierbei kommt es dann zu heftigen Schwankungen i m Wirtschaftsablauf. Verschiedene Gründe, w i e etwa mangelnde Kostenübersicht, fehlende langfristige Rentabilitätsberechnungen, kommunizierende Engpässe usw., werden hier wirksam. Viertens schließlich können auch Engpässe i n den Schlüsselindustrien ein Ausmaß annehmen, daß n u r noch durch planende Maßnahmen schwerwiegende 1 P. Alpert , Economic Development-Objectives and Methods, Glencoe, 1963, S. 70 ff.

1. Die Notwendigkeit einer Entwicklungsprogrammierung

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Störungen i m Wirtschaftsprozeß verhindert werden können. Derartige Engpässe pflegen dann aufzutreten, wenn der Grenznutzen der Produktion i n den verschiedenen Wirtschaftszweigen wachsende Diskrepanzen aufweist. Tatsächlich sind heute nach der Überwindung der Kriegswirtschaft und der Korea-Krise i n zahlreichen europäischen Ländern mittelfristige Entwicklungsprogramme i n K r a f t getreten oder befinden sich i m Stadium der Ausarbeitung. I n Frankreich liegt ein wesentlich verbessertes Programm als Modernisierungs- und Ausrüstungsplan vor. Dieses Programm soll die unternehmerische A k t i v i t ä t und die E i n w i r kung des Staates auf den Wirtschaftsablauf koordinieren. Die unternehmerische Initiative, welche die Ziele des Programmes verfolgt oder mit ihnen vereinbar ist, genießen eine gewisse Priorität i n der Bereitstellung von Investitionsmitteln und i n der Auftragsbeschaffung. I n Belgien ist dem Interministeriellen Ausschuß für Wirtschaftliche K o ordinierung ein A m t für Wirtschaftsprogrammierung unterstellt worden; dieses hat ein Programm für 1965 ausgearbeitet. I n den Niederlanden erarbeitet das Zentrale Planbüro m i t Hilfe von modernen Projektions- und Programmierungstechniken die Grundlagen für die Interventionen staatlicher Wirtschaftspolitik. I n Italien stellt die Kommission für wirtschaftliche Programmierung i n Zusammenarbeit m i t internationalen Institutionen mittelfristige Programme auf. I n der Bundesrepublik ist aus bekannten Gründen ein wirtschaftliches Entwicklungsprogramm auch i n einer völlig unverbindlichen Form heute nicht aktuell. Andererseits sind bestimmte Gebiete der Wirtschaft m i t Hilfe von Programmen gefördert worden. I n diesem Zusammenhang sei an die Entwicklung der Grundstoffindustrien erinnert, ferner an die Entwicklung der Energiewirtschaft, Straßenbau, Sozialwesen, Wohnungsbau und nicht zuletzt auch der Landwirtschaft. Es bleibt abzuwarten, ob nicht für alle entwickelten Länder, die nach und nach zu Gesellschaften des Überflusses heranwachsen, die Notwendigkeit immer klarer zutage tritt, über die weitere Entwicklung klare Vorstellungen zu gewinnen. Das gilt insbesondere für die Befriedigung des immer größer werdenden kollektiven Bedarfs. I n den Entwicklungsländern, i n denen die Marktmechanismen sich noch nicht richtig herausgebildet haben bzw. noch anomal funktionieren, ist die Entwicklungsplanung ein wichtiges Hilfsmittel für die sozioökonomische Entwicklung. Die Märkte haben sich noch nicht genügend entfaltet und weisen die verschiedensten Hemmnisse für die Produktion und den Handelsaustausch auf. Es fehlt noch an jeder verläßlichen Übersicht über das Marktgeschehen; die zur Verfügung stehenden Daten geben ein unzulängliches Bild. Regionalmärkte, die durch wirtschaftliche oder sonstige Hindernisse voneinander isoliert sind, weisen m i t 3*

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I. Planung und Wirklichkeit

unter völlig anomale Reaktionen der Preise, Mengen, Zinsraten usw. auf. E i n funktionsfähiger Kapitalmarkt und Arbeitsmarkt hat sich i n der Regel überhaupt noch nicht voll und ganz ausgebildet. I n dieser Situation wäre es keineswegs zweckmäßig, die Volkswirtschaft — sofern man überhaupt schon von einer Volkswirtschaft i m modernen Sinne sprechen kann — sich gänzlich den ungeordneten Marktkräften zu überlassen. Die bisher gemachten Erfahrungen sind so eindrücklicher Natur, daß heute allgemein die Notwendigkeit einer Entwicklungsplanung i n Entwicklungsländern anerkannt wird. Die eigentlich entscheidende Frage ist: Was, wie und i n welchem Umfange soll geplant werden. Was ist ein Entwicklungsplan? Bevor i m folgenden die einzelnen Elemente des Entwicklungsplanes kurz behandelt werden, ist von vornherein hervorzuheben, daß der Entwicklungsplan nicht nur quantitative sondern auch qualitative Elemente und Kriterien enthält. Das K r i t e r i u m der Wirtschaftlichkeit beispielsweise erleichtert die Entscheidungen darüber, welches die besten Wege der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Diese Aussage kann i n quantitativer Form m i t Hilfe verschiedener Begriffe und Kennziffern zum Ausdruck gebracht werden. Die Wertkriterien dagegen betreffen die Frage, wie zwischen verschiedenen Alternativen bezüglich der w i r t schaftlichen Entwicklungsprozesse entschieden werden soll. Diese Wertkriterien sind qualitativer Natur, und Versuchen der jüngsten Zeit, sie quantitativ zu determinieren, ist noch kein befriedigender Erfolg zuteil geworden 2 . Die Bestimmung der Wirtschaftlichkeits- und Wertkriterien als wesentliche Elemente des Entwicklungsplans ist eine schwierige Aufgabe. Gerade nämlich i n den Entwicklungsländern, deren Gesellschaft außerordentlich starken und mitunter auch heftigen Veränderungen unterworfen ist, verändern sich die Maßstäbe der Wirtschaftlichkeit einerseits und der Leitbilder der Individuen und der Gesellschaft andererseits i n einer Weise, die eine schematische Erfassung der Kriterien von vornherein ausschließen. I n den entwickelten Volkswirtschaften sind die Wirtschaftlichkeits- und Wertkriterien weitgehend interdependente Größen. Die Wertvorstellungen gehen als Nachfrage der Individuen oder als Interventionen des Staates i n den Wirtschaftsablauf ein und werden hier von Seiten der Anbieter i n Gestalt quantitativer Wirtschaft2 M . Millikan , Criteria for Decision-Making i n Economic Planning, aus Organization, Planning and Programming for Economic Development. United States Papers, prepared for the United Nations Conference on the Application of Science and Technology for the Benefit of the Less Developed Areas Washington 1963, S. 28—29.

1. Die Notwendigkeit einer Entwicklungsprogrammierung

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lichkeitskriterien zur Kenntnis und zum Anlaß ihres Handelns genommen. I n den Entwicklungsländern dagegen stellen beide Kriterien keine oder nur i n seltenen Fällen interdependente Größe dar. Die vorherrschenden Leitbilder und die damit verknüpften Wertvorstellungen der Individuen und der Entwicklungsplaner finden keineswegs immer i n den Wirtschaftlichkeitskriterien ihre Entsprechung. Dieses Auseinanderklaffen von unternehmerischer Rentabilität, volkswirtschaftlicher Produktivität und den umfassenden Zielen der Entwicklungspläne erschwert außerordentlich eine vernünftige Planung der wirtschaftlichen Entwicklung. Die zahlreichen Aufgaben, die dem Entwicklungsplan gestellt sind, können w i r hier zunächst m i t drei Funktionen umreißen: Erstens muß er die wichtigsten sozio-ökonomischen Ziele determinieren, zweitens die strategischen Konzeptionen für die Erreichung dieser Ziele liefern und drittens Anweisung für die Durchführung der verschiedenen Programme i m Rahmen der sozio-ökonomischen und institutionellen Gegebenheiten des betreffenden Landes geben. Wie noch an späterer Stelle ausgeführt wird, muß der Plan schließlich i n der Weise aufgestellt sein, daß eine laufende Kontrolle und darüber hinaus auch eine periodische Revision möglich ist. I n Wirklichkeit aber sind die Entwicklungspläne von diesem Idealplan weit entfernt. Die ungezählten Schwierigkeiten und Hemmnisse, die der Planung und Realisierung der wirtschaftlichen Entwicklung unterentwickelter Gebiete entgegenstehen, sind vielfältiger Natur. Sie führen dazu, daß der Entwicklungsplan heute immer noch auf ungenauen Schätzungen für die Ausgangsdaten und vielfach optimistischen Prognosen i m Hinblick auf die anzustrebende Entwicklung beruhen. Auch die sozio-ökonomischen und politischen Voraussetzungen und Hypothesen sind i n vielen Fällen ungenügend begründet oder gar unbegründet. Nationalökonomen, Soziologen und Techniker leisten ihr Bestes auf ihren Fachgebieten, ohne daß es zu einer ausreichenden Zusammenarbeit käme. Die Politiker und die Verwaltung auf nationaler und lokaler Ebene schenken den Grundsätzen sowie auch Einzelheiten des Entwicklungsplanes nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit, geben der wirtschaftlichen Entwicklung eine andere Richtung als die geplante oder erschweren schließlich die Realisierung des Entwicklungsprogrammes. Darüber hinaus fußt der Entwicklungsplan auch häufig auf unrealistischen Hypothesen i n bezug auf die inländische Kapitalbildung und den Kapitalzufluß aus dem Ausland. Es fehlt an qualifizierten Fachkräften für die Durchführung der i m Plan vorgesehenen A u f gaben, und nicht zuletzt treten auch immer wieder Engpässe auf, welche die weitere Durchführung der Entwicklungsprogramme grundsätzlich i n Frage stellen.

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I. Planung und Wirklichkeit

Durch diese K l u f t zwischen dem theoretischen L e i t b i l d eines idealen Entwicklungsplans und der Wirklichkeit des Alltags ist nicht etwa die Notwendigkeit der Entwicklungsprogrammierung i n Frage gestellt, sondern w i r d hierdurch gerade erneut unterstrichen. Z u r Überbrückung dieser K l u f t und Verbesserung der Effizienz der Entwicklungsprogrammierung ist es notwendig, fünf Phasen zu unterscheiden: Momentaufnahme, dynamische Analyse, Strategie, Durchführung und laufende Korrekturen. Fünf Phasen der

Entwicklungsprogrammierung

Zeitraubende und kostspielige Vorbereitungsarbeiten erfordert die erste Phase der Momentaufnahme. Sie besteht darin, die wichtigsten sozio-ökonomischen Daten zusammenzutragen u n d auf ihre Aussagekraft h i n zu prüfen. I n vielen Entwicklungsländern müssen i n dieser Phase überhaupt erst die Voraussetzungen für die Erhebung statistischen Urmaterials geschaffen werden. A l l e diese vorbereitenden A r beiten sind deshalb so wichtig, w e i l Hand i n Hand m i t ihnen neue Methoden für die Sammlung von Daten und für ihre Verarbeitung entwickelt werden müssen. Bewährte Praktiken, die sich i n den Industrieländern herausgebildet haben, können i n wirtschaftlich unentwickelten Ländern n u r i n engen Grenzen Anwendung finden. Wichtig für diese erste Phase der Datenbeschaffung ist der Erfahrungssatz, daß i n Ländern m i t niedrigem Entwicklungsstand keine allzu hohen Ansprüche an die Technik der Datenverarbeitung gestellt werden dürfen 3 . Vielmehr muß alle Aufmerksamkeit auf die Beschaffung des statistischen Urmaterials gerichtet werden; wichtig ist auch, daß die Herkunft der Daten u n d die A r t ihrer Aufbereitung kenntlich gemacht wird. Dies wiederum macht eine lückenlose Dokumentation m i t einem ausführlichen „methodischen Teil" für die wichtigsten Daten erforderlich. I n diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß nicht nur der Umfang, sondern auch die Aufbereitung der sozio-ökonomischen Daten von dem Umfang und der A r t der Entwicklungsplanung abhängt. Geht sie sehr weit i n die Einzelheiten der Durchführung der Entwicklungsprojekte oder der administrativen Maßnahmen, grenzt sie die staatlichen Interventionen von der unternehmerischen Initiative ab usw., so sind erheblich mehr Daten und eine wesentlich gründlichere Verarbeitung derselben notwendig, als das etwa bei einem Entwicklungsplan der F a l l ist, der lediglich als Rahmenplan i n K r a f t treten soll. Schließlich ist zu beachten, daß zwar die Entwicklungsprogrammierung den komplexen Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung dann am besten 8 A . Kaplan , O n the Strategy of Social Planning, A Report to the Puerto Rico Planning Board, Sept. 1958 (hektographiert).

1. Die Notwendigkeit einer Entwicklungsprogrammierung

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i n den Griff bekommt, wenn nicht nur die ökonomischen, sondern auch alle außer-ökonomischen Elemente dieses Prozesses i n allen ihren Einzelheiten erfaßt werden. Andererseits w i r d hierdurch der Entwicklungsplan außerordentlich kompliziert. Je komplizierter und je detaillierter ein Entwicklungsplan aber ist, um so größer die Gefahr, daß sich durch unvorhergesehene Ereignisse und Hindernisse die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung von den i m Plan aufgezeigten Bahnen immer mehr entfernt. Komplizierte Entwicklungspläne leiden darunter, daß ihre Handhabung relativ unelastisch ist und sie plötzlich auftretenden Schwierigkeiten und neuen Entwicklungstendenzen nicht i n genügendem Maße Rechnung tragen und Spielraum geben. Vor allen Dingen aber sind Entwicklungspläne mit einer allzu großen Zahl von sozio-ökonomischen Daten, Hypothesen und A l t e r nativen und allzu verfeinerten Methoden moderner Planungstechnik, für den Politiker, Verwaltungsmann und die Vielzahl der an der w i r t schaftlichen Entwicklung beteiligten Fachkräfte schlechthin unverständlich. Offenbar versuchen sich gerade die Länder auf relativ niedrigem Entwicklungsstand i n relativ hoch entwickelten und komplizierten Planungstechniken. Es soll an dieser Stelle nicht die Frage berührt werden, ob i n weniger entwickelten Gebieten eine umfangreichere Entwicklungsplanung notwendig ist, als i n höher entwickelten Gebieten. Dagegen ist hier ausdrücklich auf die Gefahren zu verweisen, die komplizierte Entwicklungstechniken i n weniger entwickelten Gebieten m i t sich bringen. Die dynamische Analyse als zweite Phase der Entwicklungsprogrammierung befaßt sich m i t allen denjenigen Problemen, die durch die Berücksichtigung des Faktors Zeit i n der Entwicklungsplanung auftreten. Hier müssen die sozialen, politischen und psychologischen Kräfte Berücksichtigung finden, die eine Veränderung der sozio-ökonomischen Struktur auslösen können bzw. sie erschweren oder verhindern. Naturgemäß beinhaltet diese Phase auch die Präzisierung und Anwendung qualitativer Normen. I m Gegensatz zur ersten Phase der Momentaufnahme müssen hier nämlich die verschiedenen qualitativen Alternativen der sozio-ökonomischen Entwicklung herausgearbeitet werden. Dazu zählen die verschiedensten Fragen wie etwa Einkommensverteilung, Erwerbsquote, soziale Sicherheit, direkte und indirekte staatliche Interventionen, regionale Differenzierung des Wachstumsprozesses und dergleichen mehr. Gerade i n dieser Phase der Entwicklungsprogrammierung muß der Planer die enge Zusammenarbeit mit den Organen staatlicher W i r t schaftspolitik und nicht zuletzt auch mit den politischen Führungskräften suchen. Die Hervorhebung verschiedener Alternativen dient nicht nur dazu, den i n ökonomischer und sozialer Hinsicht gewünschten Ent-

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I. Planung und Wirklichkeit

wicklungsweg zu finden helfen, sondern soll auch einen größeren Spielraum für die vielfältigen und unvorhersehbaren Wandlungen der politischen Willensbildung bieten 4 . I n diesem Zusammenhange ist es empfehlenswert, auf dem Hintergrunde des bisherigen Entwicklungstrends die alternativen Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung und die jeweiligen Voraussetzungen hierzu klar und deutlich aufzuzeigen. Dabei läßt es sich nicht vermeiden, auf bestehende Mängel i n verschiedenen Sektoren der Wirtschaft und auch der Verwaltung, der Gesellschaftsstruktur, Einkommensverteilung usw. hinzuweisen. I n der dritten Phase der Entwicklungsprogrammierung muß die Entscheidung für eine oder mehrere der aufgezeigten Alternativen w i r t schaftlicher Entwicklung fallen. Hierzu bedarf es einer klaren Herausstellung der politisch vorgegebenen Entscheidungen bzw. Axiome. Ferner müssen auch hinsichtlich der rein ökonomischen Alternativen ganz konkrete Entscheidungen i m Hinblick auf die i m Entwicklungsplan dargelegten oder doch zumindest skizzierten Möglichkeiten gefällt werden. Schließlich müssen Entscheidungen auch i m Hinblick auf alle diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die direkt und vor allen Dingen auch indirekt die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte als Investoren, Produzenten und Konsumenten beeinflussen. Neben diesen grundsätzlichen Entscheidungen muß i n dieser Phase der Entwicklungsprogrammierung auch die Wahl der M i t t e l erfolgen. Sie betrifft die vielfältigen Probleme der bestmöglichen Auswahl der Instrumente und ihres Einsatzes zur Erlangung der i n den Grundsatzentscheidungen gesetzten Ziele 5 . Die Setzung der Ziele und die Entscheidung für die Wahl der Instrumente beinhaltet die Strategie der Entwicklungsprogrammierung. Erst wenn die Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung i n dieser Weise klar erkennbar ist, kann i n einem weiteren Schritt der gesamtwirtschaftliche Rahmen der Entwicklungsprogrammierung nach W i r t schaftssektoren und schließlich nach Wirtschaftsgruppen segmentiert werden. Hierdurch w i r d der makro-ökonomische und mikro-ökonomische Entwicklungsprozeß i n seiner vielfältigen Verknüpfung sichtbar gemacht. Dabei kann von den Wirtschaftssektoren und Wirtschaftsgruppen aus auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung h i n projiziert werden oder umgekehrt. Einige Entwicklungsländer beginnen m i t der Sektoralplanung, andere wiederum m i t der gesamtwirtschaftlichen Planung 6 . Vielfach läßt der Entwicklungsplan die Richtung der Programmierungsarbeiten i n seiner Endfassung nicht mehr erkennen. 4 A . O. Hirschmann, Ideologies of Economic Development i n L a t i n America, i n L a t i n American Issues, hrsg. von A . O. Hirschmann, New Y o r k 1961, S. 18. 5 E. Staley, The Future of Underdeveloped Countries, New Y o r k 1957, S. 87 ff. 6 A . Jacobs, Kritische Durchsicht der Entwicklungspläne, Bremer Ausschuß f ü r Wirtschaftsforschung, 1959 (hektographiert).

1. Die Notwendigkeit einer Entwicklungsprogrammierung

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Die Durchführung des Entwicklungsplanes w i r f t eine Vielzahl von Problemen auf, die an späterer Stelle noch eingehend behandelt werden. Hier sei nur erwähnt, daß für die Durchführung die institutionelle Verknüpfung der Planungsorgane — sei es eine Planungsbehörde oder eine bzw. mehrere Planungsabteilungen i m Rahmen der Ministerien oder schließlich eine Vielzahl von Institutionen — m i t der wirtschaftspolitischen Exekutive von ausschlaggebender Bedeutung ist 7 . Die vorgenannten Phasen der Momentaufnahme u n d dynamischen Analyse sowie auch die Ausarbeitung der strategischen Konzeptionen erfordert i n der Regel eine so umfangreiche Verwaltungsarbeit sowie ferner die Harmonisierung zahlreicher Interessen und schließlich auch Überwindung vielfältiger politischer und administrativer Hemmnisse, daß die Zeitspanne für die Durchführung des Plans — i n der Regel fünf bis sieben Jahr — kaum für die Ausarbeitung des neuen Plans ausreicht. Dadurch haben die Planungsorgane nicht genügend Gelegenheit, die eigentliche Durchführung des Planes genau zu verfolgen und wichtige Rückschlüsse für die Aufstellung des neuen Planes bzw. Vorkehrungen für eine Revision des laufenden Planes vorzunehmen. Diese letzte Phase der laufenden K o r r e k t u r ist eigentlich ein Bestandteil der Durchführung des Planes. Wegen ihrer großen Bedeutung sei sie hier gesondert erwähnt. Allerdings ist eine solche Korrektur, wie weiter oben ausgeführt wurde, nur möglich, wenn der Plan genügend Spielraum für Veränderungen und für die Berücksichtigung unvorhergesehener Entwicklungstendenzen enthält. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die, daß auf diejenigen Wirtschaftsbereiche, für die der Plan keine direkten Interventionen vorsieht, genügend Kontrolle ausgeübt werden kann. Ferner ist die laufende K o r r e k t u r n u r dann möglich, wenn der Entwicklungsplan realistische Ziele und konkrete Möglichkeiten aufzeigt und nicht von utopischen Wünschen geprägt wurde. Schließlich hängt die laufende K o r r e k t u r von einer Reihe von institutionellen und administrativen Voraussetzungen für die Einflußnahme auf den weiteren Entwicklungsgang ab. Einige Entwicklungsländer sehen deshalb eine periodische Revision der Entwicklungspläne vor. Die Notwendigkeit einer laufenden K o r r e k t u r des Entwicklungsplans zeigt deutlich, daß der Grad der Kompliziertheit und ferner die A u f gliederung des Entwicklungsplans nicht zu weit getrieben werden darf, um eine gewisse Elastizität für die Anpassung an unvorhergesehene Entwicklungstendenzen während der Planperiode zu gewährleisten. Ein bewährtes Hilfsmittel ist die Aufstellung eines sogenannten M i n i m u m programms i m Rahmen des Entwicklungsplans. I m Anschluß an ein 7 W. Diamond, Development Banks, John Hopkins Press, for the Economic Development Institute, International Bank for the Reconstruction and Development» Baltimore, 1957.

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I. Planung und Wirklichkeit

solches Minimumprogramm können dann weitergehende Maßnahmen und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt bzw. programmatisch festgelegt werden. Die weiter oben schon hervorgehobene Notwendigkeit, Ziele und Instrumente der Entwicklung deutlich herauszustellen, w i r d i n diesem Zusammenhang erneut unterstrichen. Was die Erfassimg und Verarbeitung sozio-ökonomischer Daten anlangt, so muß sie über die beiden Phasen der Momentaufnahme und der dynamischen Analyse hinausgreifend auch der laufenden Korrektur dienstbar gemacht werden. Eine der schwierigsten Aufgaben jedoch ist das rechtzeitige Erkennen der aufgetretenen Diskrepanzen und die Einleitung erforderlicher Maßnahmen 8 . Gerade i n dieser Hinsicht zeigt sich immer wieder, daß eine wirkungsvolle Entwicklungsplanung immer nur m i t einer leistungsfähigen Verwaltung und Zusammenarbeit aller wirtschaftspolitischen Organe möglich ist. Die beste Programmierungstechnik ist ohne diese Voraussetzungen zum Scheitern verurteilt. 2. Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum Wie die Betrachtung nach verschiedenen Phasen der Entwicklungsprogrammierung zeigt, entstehen ihre meisten Probleme durch die Berücksichtigung des Faktors Zeit. Für ein ständiges wirtschaftliches Wachstum, das letztlich zu den Hauptzielen der Entwicklungsprogrammierung zählt, sind immer neue technische Veränderungen i m Produkt tionsprozeß aller Wirtschaftssektoren erforderlich; gleichzeitig müssen hiermit auch ständige Veränderungen der Sozialstruktur Hand i n Hand gehen. Für die Entwicklungsplanung entsteht nunmehr die Frage, i n welcher Weise alle diese Veränderungen i m Rahmen einer fortschrittlichen Entwicklung das wirtschaftliche Wachstum bedingen. Die technischen Veränderungen beruhen i n erster Linie auf der Einführung neuer Methoden, die den Produktionsausstoß pro eingesetzter Einheit der Produktionsfaktoren und natürlichen Hilfsquellen erhöhen. Außerdem beinhalten sie laufende Verbesserungen der erstellten Güter und Dienstleistungen. Z u diesem Zweck sind umfangreiche wissenschaftliche Forschungen und zahlreiche technische, ökonomische und administrative Umstellungen innerhalb der Volkswirtschaft erforderlich. Diese wiederum haben durchgreifende Veränderungen der Sozialstruktur zur Voraussetzung. Die Verbreiterung und Vertiefung der Berufsausbildung, die Verbesserung und die Einrichtung neuer B i l dungswege gehen hiermit Hand i n Hand. Insbesondere w i r d die Mobilität der aktiven Bevölkerung erhöht. Das gilt sowohl für die räumliche Mobilität i m Hinblick auf den Wechsel des Wohnortes und des 8 K . H. Hansen, Planning as a Contiduing Process, aus Organization- Planning and Programming for Economic Development, a.a.O., S, 120.

2. Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum

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Arbeitsplatzes, als auch für die horizontale Mobilität i m Hinblick auf den Wechsel des Berufes wie schließlich auch für die vertikale Mobilität. Letztere ist, da sie ein ungehindertes Aufsteigen qualifizierter Kräfte i n höhere Positionen und damit die Verbesserung ihres Sozialstatus ermöglicht, eine außerordentlich wichtige Begleiterscheinung wirtschaftlichen Wachstums. Es gibt kein Beispiel i n der neueren Geschichte der Industrialisierung dafür, daß ein Land ständige und hohe wirtschaftliche Wachstumsraten erreicht, ohne i n immer stärkerem Maße sich zu einer „offenen Gesellschaft" m i t einer hohen vertikalen Mobilität zu entfalten 9 . Technischer

Fortschritt

als historische

Erscheinung

Bei der heute nicht mehr zu übersehenden Zahl von technischen Erfindungen und Veränderungen pflegen w i r diese gern allein als Ursache für das wirtschaftliche Wachstum hervorzuheben. I n Wirklichkeit sind aber auch i n den vergangenen Jahrhunderten ungezählte technische Erfindungen gemacht worden, ohne daß sie zu bemerkenswerten w i r t schaftlichen Veränderungen führten. I n diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß eine Vielzahl von älteren Erfindungen geradezu revolutionierenden Charakter hatten. So sei zum Beispiel an die Erfindung des Wasserrades i m vierten Jahrhundert erinnert; i m gleichen Jahrhundert wurde die Herstellung von Seife bekannt. Wenige Jahrhunderte später bot die Drei-Felder-Wirtschaft bisher unbekannte Möglichkeiten für die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion. Bis zum 15. Jahrhundert w a r die Herstellung von Bauziegelsteinen, die Konstruktion von Windmühlen und das Einschmelzen von Eisen bekannt und verbreitet. Auch die Einführung des Spinnrades und Verbesserungen i n der Ausnutzung tierischer Zugkraft ist an dieser Stelle zu erwähnen. Ungeachtet dieser großen Zahl umwälzender Neuerungen setzte der technische und soziale Fortschritt doch erst m i t der Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein. I n den davorliegenden Jahrhunderten durchlief dagegen die wirtschaftliche Produktion eine nicht endenwollende Kette von Perioden kurzfristigen Aufschwunges, heftiger Rückschläge — wie sie vor allem durch den agrarisch geprägten Charakter der Produktion, klimatische Veränderungen und durch Kriege bedingt waren — sowie schließlich langanhaltender wirtschaftlicher Stagnation. Es ist darauf hingewiesen worden 1 0 , daß die Zahl der Erfindungen i n den Jahrhunderten vor der Industrialisierungs-Epoche k u m u l a t i v zugenommen hat. So hat sich die Zahl der Erfindungen i m 9

Th. Caplow , Soziologie der Arbeit, Meisenheim, 1958, S. 53. George Sarton , Six Wings — M e n of Science i n the Renaissance, Bloomington, 1957. 10

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I. Planung und Wirklichkeit

15. Jahrhundert etwa verdoppelt und i m 16. Jahrhundert mindestens verdreifacht. Abgesehen von der Schwierigkeit, die Bedeutung technologischer Neuerungen m i t der Zahl der Erfindungen zu bewerten, ist diese Feststellung doch von zweifelhaftem Aussagewert. Der Hinweis auf einen kumulativen Prozeß technischer Veränderungen legt außerdem den Schluß nahe, daß der Durchbruch zum Industrialisierungsprozeß und dem damit einsetzenden heftigen Wirtschaftswachstum schließlich doch durch die sich häuf enden technologischen Neuerungen erzwungen wurde. Aber welche Rolle haben die sozialen Veränderungen gespielt? Hier ist es außerordentlich schwer, Ursache und W i r k i m g i n bezug auf technologische und soziale Veränderungen voneinander zu trennen. Es ist heute allgemein bekannt, daß wesentliche Erkenntnisse i n der Epoche der Aufklärung schon den griechischen und römischen Naturwissenschaftlern geläufig waren. Die jahrhundertelangen Versorgungskrisen i m ausgehenden Mittelalter und die überlieferten Jahrhunderte des Hungers i n Mitteleuropa wären offensichtlich zu vermeiden gewesen, wenn nicht die Erkenntnisse u n d Warnungen römischer Agrapolitiker wieder i n Vergessenheit geraten wären 1 1 . Die Reihe derartiger Beispiele für eine keineswegs folgerichtige Entwicklung bis zum Beginn des Industrialisierungsprozesses i m 19. Jahrhundert könnte beliebig vermehrt werden. Die dann einsetzende Epoche unübersehbar vieler und tiefgreifender technischer und gesellschaftlicher Veränderungen und der sie begleitenden Expansion der Güter- u n d Dienstleistungsproduktion findet bis heute immer noch keine ausreichende Erklärung. F ü r die Entwicklungsländer erhebt sich aber erneut die Frage nach den eigentlichen Ursachen eines kontinuierlichen und dynamischen wirtschaftlichen Wachstumsprozesses i m Frühstadium. Insbesondere machen w i r immer wieder die Erfahrung, daß nach anfänglich vielversprechenden Erfolgen und relativ hohen Wachstumsraten die wirtschaftliche Expansion wieder zum Stillstand kommt, so daß eine Stagnation auf einem erhöhten Einkommensniveau eintritt. Für eine wirkungsvolle Entwicklungsprogrammierung ist jedoch die Aufdeckung der Störungsfaktoren und die Förderung der expansiven Kräfte innerhalb der Gesellschaft und des wirtschaftlichen Kreislaufes von großer Bedeutung. F ü r das periodische Auftreten der wirtschaftlichen Stagnation i n den Entwicklungsländern u n d die sehr unterschiedliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung werden heute die verschiedensten Gründe angegeben. Außer den ökonomischen Gründen, auf die w i r i m folgenden noch zu sprechen kommen, w i r d auch auf die Bedeutung 11 Sir W. Ashley , Bread of Our Forefathers, Oxford 1928, H. Hügli, Deutsche Bauer i m Mittelalter, Bern 1929.

Der

2. Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum

45

der recht unterschiedlichen Mentalität der Bevölkerung der Entwicklungsländerverwiesen. Neben der analytischen Differenzierung zwischen Intelligenz und Energie ist es i n der Sozialwissenschaft üblich geworden, nach den individuellen Bedürfnissen und Motivationen zu unterscheiden 1 2 . Auch die neuere Theorie der Zwangsmotivationen verdient hier besondere Beachtung 13 . Andere wiederum heben klimatische Unterschiede als Grund für den verschiedenen Stand wirtschaftlicher Entwicklung und vor allen Dingen auch für das Ausmaß wirtschaftlichen Wachstums hervor 1 4 . Jedoch ist die Richtigkeit dieser Argumente immer wieder bestritten worden 1 5 . Max Weber hat auf die Bedeutung der Religion und insbesodere der protestantischen Ethik für das wirtschaftliche Wachstum hingewiesen. Heute ist weitgehend anerkannt, daß einige Religionen durch ethische Maxime oder auch Tabus die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung erschweren. Dies gilt insbesondere für die notwendigen technologischen Veränderungen, ferner für die Veränderungen der Verbrauchergewohnheiten und für die Entwicklung zur „offenen Gesellschaft". Aber alle diese Argumente können, so wertvoll sie auch vor allen Dingen für komparative Studien sein mögen, die Frage nicht befriedigend beantworten, warum die einzelnen Entwicklungsländer so beträchtliche Unterschiede i m Hinblick auf ihre wirtschaftliche Entwicklung aufweisen. Diese Unterschiede können sowohl für den Zeitpunkt geltend gemacht werden, zu dem die Länder i n den Wachstumsprozeß eintreten und ferner auch für die Kontinuität und die Dynamik des wirtschaftlichen Wachstums. Wenn w i r uns i m folgenden nun den ökonomischen Erklärungsversuchen zuwenden, darf doch nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, daß die vorgenannten außerökonomischen Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung sind und deshalb auch i n der Entwicklungsplanung Berücksichtigung finden müssen. Die Erklärung

durch wirtschaftliche

Theorien

Eine zentrale Stellung zu den Erklärungsversuchen der neueren w i r t schaftswissenschaftlichen Theorien nimmt Singers These von den sich gegenseitig bedingenden Problemen unterentwickelter Länder ein 1 6 . Er wies auf den circulus vitiosus zwischen niedrigem Einkommen und geringen Ersparnissen hin. Die anhaltende wirtschaftliche Stagnation 12

T. Parsons, The Social System, Glencoe, 1951, S. 7. R. Redfield, „ A n Outlook on Life", The l i t t l e Community, Chicago, 1955, Kapitel VI. 14 E. Huntington, Mainsprings of Civilization, New York, 1945. 15 Eine übersichtliche Darstellung bei B. Higgins, Economic DevelopmentPrincipes, Problems and Policies, New York, 1959, S. 267—273. 16 H. W. Singer, „Economic Progress i n Underdeveloped Countries, i n Social Research, Bd. 16, S. 1—11 (1949). 13

46

I. Planung und Wirklichkeit

unterentwickelter Gebiete erklärte er damit, daß zufolge des niedrigen Einkommens auch die Ersparnisse für die Kapitalbildung zu gering seien, die ihrerseits eine wesentliche Voraussetzung für technische und soziale Veränderungen sind. Diese sich selbst fortpflanzende Stagnation ist dann später von verschiedenen Autoren i m Hinblick auf andere ökonomische Daten, wie Beschäftigungslage und Löhne, Austauschrelationen und interationale L i q u i d i t ä t usw., untersucht worden. Die Anschaulichkeit dieser Thesen ist nicht zu bestreiten, jedoch erklären sie nicht den Aufschwung, den die westeuropäischen Länder i m vorigen Jahrhundert aus dem „Teufelskreis" niedriger Einkommen, Ersparnisse, Beschäftigungsquoten usw. genommen haben. Darüber hinaus haben gerade die modernen Theorien des Konsumentenverhaltens gezeigt, daß die Ersparnisse durchaus nicht immer eine Funktion der Einkommenshöhe sein müssen. Insbesondere hat M i l t o n Fridman gezeigt, daß die Konsumenten ihre Konsumausgaben und Ersparnisse nicht so sehr nach der absoluten Höhe der Einkommen, sondern nach dem Einkommenstrend — d. h. nach den Erfahrungen vergangener Perioden und den Erwartungen für die Z u k u n f t — einrichten 1 7 . Allerdings muß hierbei berücksichtigt werden, daß sich die neueren empirischen Untersuchungen ausschließlich auf Konsumentengruppen entwickelter Industrieländer beschränken. Jedoch lassen die Ergebnisse dieser Untersuchungen den Schluß zu, daß nicht die Höhe des Einkommens allein, sondern vor allen Dingen die dynamische Anpassung der Konsumausgaben an tatsächliche oder zu erwartende Einkommensveränderungen eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Expansion darstellen. Von hier aus gesehen dürfte auch die Tatsache, daß immer mehr Länder m i t niedrigem Einkommensniveau aus der Phase der sich fortpflanzenden Stagnation heraustreten, eine gewisse Erklärung finden. E i n weiteres Argument bezieht sich auf die geringe Nachfrage der Konsumenten i n den Entwicklungsländern, die keinen ausreichenden Anreiz für wachsende Investitionen der Produzenten bietet. I m Zusammenhang m i t diesem Argument w i r d häufig auch auf eine gewisse Mindestgröße hingewiesen, welche die Betriebe aufweisen müssen, u m kostengünstig produzieren zu können. Gerade für alle diejenigen W i r t schaftszweige, i n denen herkömmlicherweise die großbetriebliche Produktionsform vorherrscht, ist dann der Mangel an kaufkräftiger Nachfrage besonders spürbar 1 8 . Dieses Argument der Minimumgröße zeigt i m Grunde genommen die Schwierigkeiten auf, m i t denen heute die Entwicklungsländer zu kämpfen haben, nachdem sie den Anschluß an das Wirtschaftswachstum der Industrieländer versäumten. 17

M . Fridman , A Theory of the Consumption Function, Princeton, 1957. R. Nurkse, Problems of Capital Formation i n Underdeveloped Countries, New York, 1953, S. 5. 18

2. Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum

47

Andererseits ist hiermit nur ein Teil der Schwierigkeiten gekennzeichnet, die der wirtschaftlichen Entwicklung unterentwickelter Gebiete entgegenstehen. Die Marktgröße für bestimmte Produkte und Dienstleistungen ist i n den Entwicklungsländern keineswegs eine feststehende Größe und kann durchaus nachhaltig beeinflußt werden. So bewirken zahlreiche Investitionen i n der Infrastruktur, wie vor allem Transportwesen, Verarbeitungs-, Lagerungs- und Verteilerkapazitäten, bei gleich großer Bevölkerungszahl und nicht wesentlich verändertem Pro-Kopf-Einkommen eine bedeutende Expansion der Marktgröße. Jedoch zeigt die Erfahrung m i t der Entwicklungsplanung i n den verschiedensten Ländern, daß das Problem der Marktgröße weniger leicht zu überwinden ist, als das Problem unvorhergesehener Engpässe bei den Produktionsfaktoren und natürlichen Hilfsquellen, die bei der Errichtung großbetrieblicher Produktionskapazitäten immer wieder auftreten. Ein nicht weniger interessantes Ergebnis der theoretischen Forschung ist die Feststellung, daß das wirtschaftliche Wachstum sich, historisch gesehen, nicht allein auf Grund einer Vielzahl von kleinen technologischen und sozialen Veränderungen vollzogen hat, sondern auf Grund entscheidender Phasen oder auch Abschnitte i m gesamtwirtschaftlichen A u f schwung. Die außergewöhnlich großen Anstrengungen aller am W i r t schaftsprozeß Beteiligten und die Schaffung der vielfältigen Voraussetzungen ökonomischer, sozialer und technischer Natur ist als sogenannter „big push" zum Kernpunkt zahlreicher Analysen gemacht worden 1 9 . Schon Jahrzehnte zuvor hat die wirtschaftshistorische Forschung dargelegt, wie sich die Industrialisierungderwestlichenlndustrieländer i n sogenannten Investitionsphasen, welche die ganze Wirtschaft erfaßten, vollzog. Auch die von Schumpeter beschriebenen Zyklen durchgreifender Innovationen weist i n dieselbe Richtung. Allerdings ist die These vom notwendigen „big push" für die Aufklärung der inneren Zusammenhänge w i r t schaftlichen Wachstums nicht sonderlich ergiebig. Sie gibt lediglich einen anschaulichen Überblick über das Geschehen. Vielfach hat diese These zu Mißdeutungen i n einigen Entwicklungsländern geführt, wo die Planungsorgane und Politiker die Ansicht vertreten, daß die Phase w i r t schaftlichen Wachstums vor allem m i t einer allgemeinen Begeisterung für den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes und m i t einer politischen A k t i v i t ä t aller Kräfte herbeigeführt werden könne. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß sehr häufig die Volkswirtschaften gerade dann hohe Wachstumsraten aufgewiesen haben, wenn sich die öffentliche Meinung 18 A m überzeugendsten bei: H. Leibenstein, Economic Backwardness and Economic Growth, New Y o r k , 1957. Vgl. v o r allem auch P. N. Rosenstein-Rodan, Notes on the Theory of the „ B i g Push", i n : Economic Development for L a t i n America (hrsg. von H. S. Ellis), London 1961, S. 57 f t

48

I. Planung und Wirklichkeit

nur wenig m i t Fragen des wirtschaftlichen Wachstums und des „nationalen Entwicklungsprogramms" befaßte. Ein weiteres Argument verweist auf die Notwendigkeit, die Infrastruktur auszubauen. Die hierdurch entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten ermöglichen die Errichtung von produktiv arbeitenden Betrieben und damit die Erhöhung der Produktivität i n den einzelnen W i r t schaftszweigen. Als Beispiel hierfür werden i n der Regel Straßen, Wasserwege, Energieversorgung, Schulen usw. aufgeführt. Tatsächlich steht die Entwicklungsplanung immer wieder vor der Aufgabe, die — zunächst „unproduktiv" erscheinenden — Investitionen i n der Infrastruktur vorzunehmen, u m eine Stagnation auf höherem Niveau zu verhindern. Andererseits zeichnen sich derartige Investitionen durch hohe Kosten, lange Vorbereitungszeiten und eine relativ lange Investitionsreife aus. Viele Länder sehen sich ohne ausländische Hilfe nicht i n der Lage, diese Vorhaben zu finanzieren und durchzuführen, weshalb hierin vielfach ein weiteres Hindernis für das wirtschaftliche Wachstum erblickt wird. Allerdings sollte dies Argument m i t Vorsicht betrachtet werden, da es auch i m Hinblick auf diese Investitionen keine Mindestgröße technischer Natur gibt, die sich ohne weiteres i n eine ökonomische Mindestgröße für Kapitalinvestitionen ableiten ließe. Abgesehen davon, daß viele solcher Vorhaben i n aufeinander folgenden Etappen realisiert werden können, so ist auch ihre funktionale Differenzierung und A u f teilung auf verschiedene Vorhaben i n den meisten Fällen möglich. Beispiele hierfür sind Straßen, die i n Etappen gebaut werden können oder m i t unterschiedlicher Spurweite, ferner auch Ausbildungsstätten, die zunächst für eine oder zwei Fachrichtungen eingerichtet werden, und dergleichen mehr. Andererseits ist i n der Entwicklungsprogrammierung darauf zu achten, daß nicht ein allzu großer Teil der bereitstehenden Investitionsmittel für die Durchführung derartiger Projekte geopfert wird, so daß für die produktiven Objekte nicht mehr genügend Mittel, Fachkräfte und Zeit zur Verfügung stehen. Schließlich verweisen w i r noch auf das weit verbreitete Argument der explosiven Vermehrung der Bevölkerung, die zunächst einen Großteil des wirtschaftlichen Wachstums neutralisiert. Tatsächlich ist das Bevölkerungswachstum i n einigen asiatischen Ländern, wie China, Indien, Ceylon usw., vor allen Dingen aber i n den latein-amerikanischen Ländern, außerordentlich hoch und erreicht jährliche Wachstumsraten bis zu 3 vH. Neben den dicht besiedelten Gebieten Asiens sind auch zahlreiche Ballungszentren i n Afrika, wie z. B. Ruanda-Orundi, Nigeria und Volta, hervorzuheben sowie schließlich auch solche Gebiete, deren Bevölkerungsdichte absolut gesehen niedrig ist, gemessen aber an den Bodenerträgen immer noch sehr hoch (Lybien). Allerdings darf nicht übersehen werden, daß ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum,

3. Einige Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung

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welches einen bescheidenen, aber ständigen Zuwachs des Pro-KopfEinkommens verbürgt, schon als ein Erfolg der Entwicklungsprogrammierung gewertet werden muß. I m Verlaufe einer solchen Entwicklung werden nämlich alle diejenigen Voraussetzungen für einen Durchbruch der wirtschaftlichen Expansion geschaffen, und ferner dafür, daß der Bevölkerungszuwachs unter Kontrolle gebracht wird. Seitens der entwickelten Industrieländer, die ihren Bevölkerungszuwachs teilweise forcieren, muß eine Behandlung dieser so kritischen und für die Entwicklungsländer lebenswichtige Frage m i t aller Vorsicht erfolgen 20 . 3. Einige Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung Die Entwicklungsplanung soll den Entwicklungsprozeß i n allen Teilen der unterentwickelten Volkswirtschaften i n die gewünschten Bahnen lenken. Wie weiter oben ausgeführt, dient i n diesem Zusammenhang die Entwicklungsplanung dem Zweck, die gesteckten Ziele i n einer kürzeren Zeit zu erreichen, als dies möglich wäre, wenn man M a r k t kräfte und Marktmechanismen sich selber überlassen würde. Hier ist vor allen Dingen die Notwendigkeit hervorzuheben, die Ziele der w i r t schaftlichen und auch gesellschaftlichen Entwicklung des Landes k l a r zu formulieren. Neben einer Klarheit der Ziele ist zugleich auch erforderlich, daß diese Ziele und das gesamte Entwicklungsprogramm nicht ständigen Veränderungen unterworfen sind. Auch die gründlichste und sorgfältigste Entwicklungsplanung ist zum Scheitern verurteilt, wenn innerhalb der Planungsperiode die Planziele ständig geändert werden 2 1 . Dagegen erweist es sich als nützlich, am Ende der Planungsperioden Vorkehrungen für eine teilweise oder auch grundsätzliche Revision der Teilziele und Instrumente des Entwicklungsplanes vorzusehen. So hat beispielsweise Indien nach Ablauf seines ersten Entwicklungsplanes eine tiefgreifende Veränderung nicht n u r der Instrumente und Planungsmethoden vorgenommen, sondern auch eine Änderung der Planziele. Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine wirkungsvolle Entwicklungsplanung ist das Vorhandensein einer leistungsfähigen Verwaltung. Bekanntlich fehlt es hier i n vielen Entwicklungsländern noch an den wichtigsten Grundlagen für nationale sowie auch kommunale Verwaltungsorgane, die i n der Lage sind, die eigentliche Durchführung des Entwicklungsprogrammes innerhalb der Planperiode zu gewährleisten. Die von den entwickelten Industrieländern geleistete Verwaltungshilfe soll hier die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Jedoch 10 E. E. Hagen, „Population and Economic Growth", in American Economic Review, Juni, 1959, Bd. 49, 11 A . T. Mosher , Technical Cooperation i n Latin-American Agriculture, Chicago 1956, S. 87 ff.

4 Kruse-Rodenacker

50

I. Planung und Wirklichkeit

weist die Struktur der Verwaltungen i n den Industrieländern starke Unterschiede auf. Das gilt z.B. für die Verwaltungsstruktur i n den angelsächsischen Ländern i m Vergleich zur Verwaltungsstruktur auf dem europäischen Kontinent. Aber auch zwischen der deutschen und der französischen Verwaltungspraxis bestehen fundamentale Unterschiede. Deshalb ist die Verwaltungshilfe vieler Industrieländer für die Entwicklungsländer außerordentlich problematisch. Konkurrierende Systeme werden nebeneinander praktiziert und erschweren die Herausbildung einer Verwaltungsstruktur, die den Besonderheiten der Entwicklungsländer gerecht wird. Es ist daher für eine wirkungsvolle Entwicklungsprogrammierung unerläßlich, daß vor der Auswahl der besten Methoden und Techniken der Programmierung, alle Elemente des eigentlichen Entwicklungsprogramms vor allen Dingen auf die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung geprüft werden. Eine sorgfältige Berücksichtigung dieser Voraussetzungen läuft praktisch darauf hinaus, daß die „Intensität" der Entwicklungsplanung, die i m folgenden noch behandelt werden wird, sowie auch die Gesamtheit aller für die Entwicklungsplanung erforderlichen Maßnahmen, der Planung und Durchführung den verwaltungsmäßigen Voraussetzungen entsprechen muß. Wer ist am Planungsprozeß

beteiligt?

Für die Aufstellung und Durchführung des Entwicklungsplanes werden i n den einzelnen Entwicklungsländern die verschiedensten Planungsorgane eingeschaltet. I n vielen Ländern werden alle diese A u f gaben der Planung und der Plandurchführung von der Planungsbehörde wahrgenommen. Auch die Entwicklungsbank pflegt i m allgemeinen eine bedeutsame Rolle zu spielen. Die Größe dieser Institutionen ist i n einigen Ländern beträchtlich; mitunter werden von ihnen viele tausend Fachkräfte beschäftigt. Wo besondere Institutionen bisher nicht gebildet worden sind, wurde die Vorbereitung sowie auch die Durchführung des Entwicklungsplanes besonderen Planungskommissionen anvertraut. Diese Planungskommissionen werden i m allgemeinen den einzelnen Ministerien, sehr häufig den Finanzministerien, angegliedert. I n vielen Entwicklungsländern unterstehen die Planungsorgane direkt dem Kabinett, oder der Kanzlei des Staatspräsidenten. Hierdurch soll vermieden werden, daß die Aufstellung des Entwicklungsplanes sowie auch die Überwachung seiner Durchführung durch administrative Friktionen und Kompetenzstreitigkeiten erschwert wird. Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß gerade auch die direkte Unterstellung der Planungsorgane unter die höchsten Stellen der Exekutive nicht verhindern kann, daß die verschiedensten Sonderinteressen i n die Formu-

3. Einige Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung

51

lierung der Entwicklungsprogramme einfließen und die Durchführung des Entwicklungsplanes erschwert bzw. i n andere Bahnen gelenkt wird. Neben den verwaltungsmäßigen Voraussetzungen sollte deshalb der institutionelle Rahmen für die Willensbildung innerhalb der Entwicklungsplanung sowie auch für ihre eigentliche Durchführung sorgfältig geprüft werden 2 2 . I n gleichem Maße gilt dies aber auch für die Beteiligung der Industrieländer an der Entwicklungsprogrammierung. Von Seiten der Entwicklungsländer w i r d immer wieder hervorgehoben, daß sich die Einflußnahme der Industrieländer auf die Entwicklungsplanung und damit auf die gesamte sozio-ökonomische Entwicklung des Landes von Jahr zu Jahr mehre. Vergleicht man die Kapitalhilfe der Industrieländer, so kann hier i m großen ganzen von einer schwerwiegenden Einflußnahme zunächst nicht gesprochen werden. Einige Länder allerdings bilden hier eine Ausnahme wie etwa Indien. Sehr viel deutlicher w i r d die Einflußnahme dagegen i m Hinblick auf die Fachkräfte, die von den Industrieländern i n die Entwicklungsländer entsandt werden. Dies gilt insbesondere für die technische Hilfe, die nicht kapitalintensiv sondern „expertenintensiv" ist. I n vielen Entwicklungsländern sind heute zahlreiche Fachkräfte aus den Industrieländern m i t den verschiedensten Projekten und m i t den unterschiedlichsten Aufgaben beschäftigt. Vielfach nehmen diese Fachkräfte untereinander keinen Kontakt auf und sind auch nicht über die Aufgaben ihrer Kollegen informiert. Dieser offensichtliche Mangel an fachlicher und personeller Zusammenarbeit erweckt dann bei den Behörden des Entwicklungslandes mitunter den Eindruck eines ungeordneten Nebeneinanders von Projekten. Ganz abgesehen davon, daß die Einflußnahme einzelner Fachkräfte auf die Entwicklungshilfe der Industrieländer und schließlich auch auf die Entwicklungsplanung des Entwicklungslandes häufig überschätzt wird, entsteht bei den Planungsorganen und generell bei der Wirtschaftsverwaltung der Entwicklungsländer sehr leicht der Eindruck, daß die Mitsprache der Industrieländer bei der Ausarbeitung und bei der Durchführung der Entwicklungspläne ein Ausmaß annehme, daß m i t den nationalen Interessen und m i t der Souveränität der Entwicklungsländer unvereinbar sei 2 3 . Auch die Leichtfertigkeit einiger Experten, auf Grund kurzfristiger Eindrücke über schwerwiegende Alternativen der wirtschaftlichen Entwicklung zu befinden, hat vielfach Enttäuschung i n den Entwicklungsländern hervorgerufen. Ein Aufenthalt i n der Hauptstadt des Landes von wenigen Tagen oder auch kurze Reisen durch das Land sind häufig 22 G. Colm, Public Planning and Private Decision M a k i n g i n Economic and Social Development aus: Organization, Planning and Programming for Economic Development, a.a.O., S. 18. 23 D. Seers, W h y V i s i t i n g Economists fail, i n : The Journal of Political Economic, August 1962, S. 327.



52

I. Planung und Wirklichkeit

genug die äußerst schmale Grundlage für detaillierte Berichte und Entwürfe der Experten. Wenngleich auch hier wieder seitens des Entwicklungslandes die Konsequenzen derartiger Berichte vielfach überschätzt werden, so erblickt man hierin doch immer wieder eine ungerechtfertigte Präjudizierung eigener Entwicklungsvorhaben. Auch die häufig geübte Zinsdifferenzierung i n der Finanzierung einzelner Projekte, auf welche die Entwicklungsländer vielfach keinen direkten Einfluß haben, w i r d von diesen als eine allzu starke Intervention der Industrieländer i m Entwicklungsprozeß angesehen. Dasselbe gilt von dem von der Weltbank seit einigen Jahren praktizierte sogenannte spezifische Projektkredit, welcher der Finanzierung eines gegebenen Projektes dient, ohne für die Finanzierung des indirekten Importbedarfs Sorge zu tragen. Dieser indirekte Importbedarf entsteht i n der Hegel infolge der Durchführung des betreffenden Projektes. Da der indirekte Importbedarf bei vielen Projekten nicht unerheblich ist, sehen sich die Entwicklungsländer nicht nur i n der von den Industrieländern oder internationalen Institutionen vorgenommenen Auslese der Projekte, sondern schließlich auch i n der Durchführung der für dieses Projekt komplementären Maßnahmen „bevormundet". Allerdings w i r d heute i n diesem Zusammenhang vielfach schon durch die Vergabe von Rahmenkrediten, welche auch den indirekten Importbedarf finanzieren und weitere durch das Projekt entstehende Kosten durch Kredite in lokaler Währung abdecken, Abhilfe geschaffen 24. M i t anderen Worten, eine auf die Ziele und Methoden der Entwicklungsplanung sowie schließlich auch auf die administrativen Voraussetzungen i m Entwicklungsland abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den Planungsorganen der Entwicklungsländer und den Industrieländern und internationalen Institutionen ist eine weitere wichtige Voraussetzung der Entwicklungsprogrammierung. Die Rolle der diplomatischen Missionen der Industrieländer ist i n diesem Zusammenhang vielfach und mitunter auch heftig kritisiert worden. Fraglos entstehen den diplomatischen Missionen i m Rahmen der Entwicklungshilfe heute Aufgaben, auf die sie i n vielen Fällen gar nicht vorbereitet sind. Einige Industrieländer sind dabei, die personellen und auch institutionellen Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser neuartigen und vielfältigen Aufgaben zu schaffen. Viele der erwähnten Schwierigkeiten i n der Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern und Industrieländern ergeben sich aus der Tatsache, daß i n der Entwicklungsplanung die staatlichen Verwaltungsorgane der Industrieländer vor Aufgaben gestellt werden, die herkömmlicherweise i n diesen Ländern nur von der privaten Wirtschaft wahrgenommen werden. 24

W. Guth, Der Kapitalexport i n unterentwickelte Länder, a.a.O., S. 53—57.

3. Einige Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung

Die Einschaltung

internationaler

53

Institutionen

Ganz ohne Zweifel werden die Entwicklungsländer durch das Überwiegen staatlicher Kapitalhilfe gegenüber privater Kapitalhilfe i n ihrem Gefühl der Abhängigkeit noch bestärkt. Tatsächlich ist der relative Anteil der privaten Kapitalhilfe und des Kapitalexportes ständig zurückgegangen. Vor dem ersten Weltkrieg und auch zwischen den beiden Weltkriegen nahm der private Kapitalexport eine dominierende Stellung ein. Nach dem zweiten Weltkrieg ging dann der größte Teil der Anleihetätigkeit auf die Industriestaaten, unter ihnen vor allen Dingen auf die Vereinigten Staaten, über. Die Gründe hierfür sind verschiedener Natur. Zunächst brachte das Ende des Kolonialzeitalters für viele private Kapitalexporteure eine Reihe von Enttäuschungen: Währungsverfall i n den Entwicklungsländern, Transferverbot, Nationalisierung ausländischer Anlagevermögen, Beschlagnahmung ausländischer Konten und Vermögenswerte und dergleichen mehr erschütterten das Vertrauen privater Kapitalgeber. Auch mehrten sich infolge der Ost-West-Spannung und der sich daraus ergebenden Beeinträchtigung des gegenseitigen Vertrauens die Risiken für den privaten Kapitalexport. Andererseits nahm vielfach auch i m Hinblick auf die neuere Entwicklung und die sich unaufhörlich mehrende Bedeutung des staatlichen Kapitalexportes die Risikofreudigkeit der privaten Kapitalgeber ab. Eine weitere Ursache für diese Entwicklung ist vor allen Dingen auch i n den günstigen Bedingungen für die Kapitalanlage i n den Industrieländern nach dem zweiten Weltkrieg zu suchen. Diese Bedingungen erwiesen sich i m Hinblick auf das Risiko und den Kapitalertrag als sehr viel günstiger als i n den meisten Entwicklungsländern. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, daß der größte Teil der privaten Kapitalanleihen i n bestimmte Wirtschaftszweige der Entwicklungsländer gegangen ist, wie vor allen Dingen Erdöl und eine Reihe von Monokulturen. Dagegen versagte sich der private Kapitalexport den Ausbau der unterentwickelten Volkswirtschaften i n größeren Maßstäben. Schließlich ist auch noch hervorzuheben, daß die Vereinigten Staaten als der größte Kapitalgeber nach dem zweiten Weltkriege eine andere Struktur aufwies als die früheren europäischen Kapitalgeber, unter ihnen vor allem Großbritannien. Während Großbritannien von Anfang an auf eine außerordentliche intensive internationale Arbeitsteilung ausging und zu diesem Zwecke auch i n wachsendem Maße Kapital für die Überseeländer zur Verfügung stellen mußte, führte der breite Produktionsfächer der Vereinigten Staaten zu einem hohen Grade der Eigenversorgung und wies dem Außenhandelsverkehr m i t Überseeländern eine relativ geringe Bedeutung zu. I m Hinblick auf ihre eigene Wirtschaftsstruktur sehen sich heute die Vereinigten Staaten nicht gezwungen, Kapital i n größeren Mengen i n überseeischen Gebieten anzulegen. Das bekannte Problem der Dollar-

54

I . Planung und Wirklichkeit

lücke der Entwicklungsländer ist deshalb allein schon durch die Struktur der US-amerikanischen Volkswirtschaft bedingt. Verschiedene Industrieländer und zahlreiche Entwicklungsländer haben inzwischen eine Reihe von Maßnahmen getroffen, u m den privaten Kapitalexport i n die Entwicklungsländer zu fördern. Dennoch ist für die nahe Zukunft eine durchgreifende Veränderung des Verhältnisses von privatem und staatlichem Kapitalexport nicht zu erwarten. Deshalb erscheint es notwendig, den Besonderheiten der staatlichen Kapitalhilfe für den wirtschaftlichen Aufbau i n den Entwicklungsländern Rechnung zu tragen. Dazu zählt vor allen Dingen der Umstand, daß die staatliche Kapitalhilfe von den Steuerzahlern der Industrieländer erzwungenermaßen und keineswegs mit dem Grad der Freiwilligkeit erfolgt, wie das bei der Aufbringung privater Kapitalmittel der Fall ist. Hiermit ist auf das engste das Mitspracherecht der Parlamente gekoppelt, und wenn nicht alle Anzeichen trügen, ist für die kommenden Jahre m i t einer wachsenden K r i t i k zu rechnen. Darüber hinaus ist der staatliche Kapitalexport keineswegs i n dem gleichen Maße den Gesichtspunkten der Rentabilität unterworfen, wie das etwa beim privaten Kapitalexport der Fall ist. Vielfach w i r d gerade deshalb dem staatlichen Kapitalexport der Vorrang eingeräumt, w e i l der Gesichtspunkt der Rentabilität für bestimmte Vorhaben zunächst nicht gelten kann. Damit aber entsteht die Gefahr von Fehlinvestitionen. A u f diese Fragen kommen w i r i n dem folgenden Kapitel noch zurück. I n diesem Zusammenhang ist die weitere Voraussetzung für die Entwicklungsplanung hervorzuheben, die darin besteht, daß i n der Entwicklungsplanung auch die Grenze der Leistungsfähigkeit seitens der staatlichen Verwaltungsorgane der Industrieländer i n Rechnung gestellt wird. Vielfach hat die Durchführung der Entwicklungspläne die Verwaltungen sowohl der Entwicklungsländer wie auch der Industrieländer und ihre entsandten Fachkräfte überfordert 2 5 . Die Einschaltung internationaler Institutionen i n die Entwicklungsförderung weist eine Reihe von Vorteilen auf, die gerade auch i m Zusammenhang m i t der Finanzierung der Projekte verdeutlicht werden können. A n erster Stelle ist vor allen Dingen die Tatsache hervorzuheben, daß die Entwicklungsländer den internationalen Institutionen gegenüber m i t weniger Ressentiments begegnen als den Industrieländern. Während sie den letzteren immer wieder den V o r w u r f machen, daß sie m i t der Entwicklungshilfe „neo-kolonialistische" Tendenzen verfolgen, nehmen sie gegenüber den internationalen Institutionen, i n denen sie häufig selber vertreten sind, eine neutralere Haltung ein. Schließlich sind die internationalen Institutionen i n der Lage, einheit,5 Sir R. Hall, Papers and Proceedings (discussion), i n Oxford Economic Papers, J u n i 1955, S. 127.

3. Einige Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung

55

liehe Konzeptionen zu erarbeiten und auch nach ihnen zu verfahren. Das hat den Vorteil der größeren Übersichtlichkeit und auch der besseren Erfolgskontrolle. Ohne hier auf die leidige Frage der Alternative zwischen multilateraler und bilateraler Hilfe näher einzugehen, ist jedoch zu betonen, daß auch die staatliche (bilaterale) Entwicklungshilfe der Industrieländer eine Reihe von Vorteilen aufweist, die uns daran hindern, der Entwicklungsförderung der internationalen Institutionen eine grundsätzliche und eindeutige Überlegenheit gegenüber der staatlichen Entwicklungsförderung zuzuschreiben. Z u diesen Vorteilen zählen unter anderem traditionelle Bindungen zu verschiedenen unterentwickelten Gebieten, langjährige und vielseitige Erfahrungen m i t diesen Gebieten und eine nützliche Ergänzung der Grundsätze und Konzeptionen internationaler Institutionen durch die Vielfalt der i n der staatlichen Entwicklungsförderung zum Zuge kommenden Maßnahmen 2 6 . Die außenwirtschaftliche

Situation

der

Entwicklungsländer

Schließlich ist noch die außenwirtschaftliche Situation der Entwicklungsländer als eine weitere wichtige Voraussetzung für die Entwicklungsprogrammierung i n Betracht zu ziehen. Ihre Situation ist bekanntlich durch die einseitige Exportorientierung vieler Länder insbesondere mit Monokulturen (Erdöl, Kautschuk, Zinn, Kakao, Jute) gekennzeichnet. Zahlreiche Untersuchungen, darunter vor allem diejenige von Theodore Morgan, haben nachgewiesen, daß sich die Austauschrelationen für landwirtschaftliche Produkte i m Verhältnis zu industriellen Erzeugnissen von 1801 bis 1901 wesentlich verbessert haben. Dagegen haben sich seit 1901 bis zur Gegenwart die Austauschrelationen für die agrarischen Erzeugnisse laufend und drastisch verschlechtert. Dies gilt für die meisten am Welthandel beteiligten Länder und Produkte. Allerdings können w i r i n dieser Gesamtentwicklung die unterschiedlichsten Tendenzen bezüglich der einzelnen Länder sowie auch der einzelnen Produkte nachweisen. So haben sich beispielsweise i n Indien i n der Zeit von 1861 bis 1953 die Austauschrelationen verbessert, dann wiederum verschlechtert und schließlich wieder verbessert. I n Japan verbesserten sich die Austauschrelationen i n der Zeit von 1873 bis 1930, wonach sie sich dann wieder stetig verschlechterten. Viele andere Beispiele könnten angeführt werden 2 7 . I m übrigen ist die außenwirtschaftliche Situation der Entwicklungsländer durch die weitgehende Sättigung der Weltagrarmärkte gekenn26 Vgl. Die Übersichten bei B. Higgins, Economic Development Principles, Problems and Policies, a.a.O., S. 605—614. 27 Vgl. auch M . K . A t a l l a h , The long-term Movement of the Terms of Trade between A g r i c u l t u r a l and I n d u s t r i a l Product, Rotterdam 1956, S. 23 ff.

I. Planung und Wirklichkeit

56

zeichnet. Das gilt insbesondere für die Rohstoffmärkte, auf denen die Entwicklungsländer i n ganz besonders starkem Maße als Anbieter auftreten. Die Eigenerzeugung der Industrieländer sowie auch die fortschreitende Substitution agrarischer Rohstoffe durch synthetische Erzeugnisse hat zu dieser Situation beigetragen. Was nun die Importe der Entwicklungsländer an Produktionsgütern anbetrifft, so befinden sie sich gegenüber den Industrieländern i n einer gewissen Abhängigkeit: Nur diese sind i n der Lage, die notwendigen Produktionsgüter zu liefern. Auch können die Entwicklungsländer nicht hoffen, durch eine durchgreifende Industrialisierung eine gewisse Vormachtstellung an den Weltmärkten zu erringen, wie das früher zu Beginn der Industrialisierung der westlichen Länder durchaus der Fall gewesen war. Die I n dustrialisierung, die zu dem heutigen Zeitpunkt nicht annähernd so viel Markteinfluß, Interventionsmöglichkeiten und Vormachtstellung m i t sich bringt, wie das noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war, ist wegen der ständig wachsenden Kapitalintensität weitaus kostspieliger als zu Beginn unseres Industriezeitalters. Darüber hinaus finden die Entwicklungsländer i n den Industrieländern nur begrenzte Absatzmöglichkeiten für ihre industriellen Erzeugnisse. Handelshemmnisse aller A r t und auch der V o r w u r f des „Sozialdumping" erschweren den Zugang der industriellen Erzeugung der Entwicklungsländer zu den Binnenmärkten der Industrieländer. Viele Industrieländer machen auch durch die Einführung des Wertzuwachszolls, der auf die i m Produkt eingegangene Wertschöpfung erhoben wird, die Konkurrenz seitens junger Industriezweige i n Entwicklungsländern schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Es ist leicht nachzuweisen, daß die Kosten der Produktion i n Entwicklungsländern vielfach 40—50 v H unter denen i n den Industrieländern liegen müßten, u m die Mauer des Wertzuwachszolls und anderer Handelshemnisse zu überwinden. Der Außenhandel der Entwicklungsländer unter sich hat sich bisher nicht sonderlich stark entwickelt. Vielmehr ist die Entwicklung der Welthandelsbeziehungen nach dem zweiten Weltkrieg dadurch gekennzeichnet, daß der relative A n t e i l der Industrieländer am Welthandel stark gestiegen ist, während derjenige der Entwicklungsländer zurückging. Das zeigt folgende Tabelle: Der Handel zwischen entwickelten Industrieländern (IL) und Entwicklungsländern (EL) in v H des Welthandels

IL IL EL EL

mit I L m i t Welt mit EL m i t Welt

1953

1956

1960

37 58 8 32

40 62 7 28

42 63 6 25

Quelle: Aus GATT, International Trade 1960, Genf 1961, S. 9. Nur bei „Welt 4 * sind Osteuropa, die UdSSR und Volksrepublik China berücksichtigt.

3. Einige Voraussetzungen für die Entwicklungsplanung

57

Während der Handel der Industrieländer relativ ansteigt, ist bei den Entwicklungsländern eine relativ sinkende Tendenz zu beobachten. Das gilt sowohl für ihren Handel untereinander wie auch für ihren Handel mit den übrigen Ländern. Eine wichtige Voraussetzung für einen expansiven Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen verschiedenen Ländern ist die wachsende Differenzierung der Produktion und der Beschaffenheit und Qualität der Erzeugnisse sowie auch wachsende internationale Liquidität der einzelnen Handelspartner. Beide Voraussetzungen sind jedoch für die Entwicklungsländer kaum gegeben. Ihre internationale Liquidität ist äußerst begrenzt, und die Nachfrage nach Devisen aus Weichwährungs-Ländern erweist sich i n der Mehrzahl der Fälle als nicht sehr lebhaft. Was die Produkte anlangt, so weisen sie gerade i n den Ländern auf relativ niedriger Entwicklungsstufe einen äußerst begrenzten Grad der Differenzierung auf. Viele Erzeugnisse i n den Konsumgüterindustrien der Entwicklungsländer ähneln sich außerordentlich stark und sind vielfach als homogene Produkte anzusehen. Damit aber fehlt auch von dieser Seite aus eine wichtige Voraussetzung für einen intensiven Austausch der Erzeugnisse. Hieraus ergeben sich wichtige Schlußfolgerungen für die Entwicklungsprogrammierung. I n erster Linie sollte der Entwicklungsplan eine Förderung der Exporttätigkeiten i n denjenigen Zweigen der Wirtschaft vorsehen, i n denen schon wichtige Erfahrungen gesammelt worden sind und devisenbringende Projekte relativ kurzfristig realisiert werden können. Jeder Plan für den Ausbau von Exportindustrien sollte zugleich auch auf einer genauen Analyse der Absatzmärkte fußen. I m übrigen aber müssen die Produktionskapazitäten i n den verschiedenen Wirtschaftszweigen vor allen Dingen i m Hinblick auf die Befriedigung und die Expansion der Nachfrage am Binnenmarkt ausgerichtet sein. Bekanntlich läßt sie sich wesentlich leichter stimulieren und lenken als die Nachfrage an den Weltmärkten. Eine derartige Orientierung der Entwicklungsplanung hat den Vorteil, daß das wirtschaftliche Wachstum über den Binnenmarkt erfolgt und damit zur Steigerung der eigenen M a r k t mechanismen und Marktelemente beiträgt. A u f diese Weise werden sich die Entwicklungsländer keineswegs von den Weltmärkten abkapseln, da sie, wie die Erfahrung zeigt, bei wachsendem Entwicklungsstand auch einen wachsenden Importbedarf bei den Weltmärkten anmelden und andererseits m i t einem differenzierteren Produktionsprogramm auch i n erhöhtem Umfange Güter und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt anbieten können. Zusammenfassend könnte man feststellen, daß i m Entwicklungsplan kurzfristig devisenbringende Projekte für die Verbesserung der Zahlungsbilanz Beachtung finden sollten, während i m

58

I. Planung und Wirklichkeit

übrigen das wirtschaftliche Wachstum hauptsächlich binnenwirtschaftlich orientiert sein müßte. Ganz generell sind die Probleme der Entwicklungsländer durch ihre wachsende äußere Verschuldung und ein i n Zukunft noch zunehmendes Kapitaldefizit weitgehend gekennzeichnet. Die Frage, ob nicht höhere Exporte dieser Länder einen Ausweg aus ihrer problematischen Situation bedeuten, muß verneint werden: eine Finanzierung des Importbedarfs durch erhöhte Exportanstrengungen erscheint nicht möglich. Das zeigt folgende Modellrechnung, welche die zukünftige Situation auf dem Nahrungsmittelsektor kennzeichnet 2 8 : Verschiedene Berechnungsmethoden ergeben eine mögliche Exportsteigerung der Entwicklungsländer für Nahrungsmittel 1960—70 von 2,1 Milliarden $. Für die Finanzierung der Importe notwendige Exportsteigerung derselben Länder für Nahrungsmittel beträgt für denselben Zeitraum 7,2 Milliarden $. Damit ergibt sich allein für Nahrungsmittel eine Exportlücke von über 5 Milliarden $. Diese Berechnungen wurden unter der Voraussetzung durchgeführt, daß der A n t e i l der Nahrungsmittelexporte an den Gesamtexporten rückläufig ist, m i t anderen Worten, auf den anderen Sektoren der Exporttätigkeit der Entwicklungsländer noch wesentlich größere Anstrengungen notwendig wären. 4. Die „integrierte Entwicklungsplanung" als Leitbild Viele Schwierigkeiten i n der Entwicklungsplanung sind auf die Tatsache zurückzuführen, daß die einzelnen Sektoren der Wirtschaft nur teilweise oder i n vielen Fällen noch gar nicht entwickelt sind. I n verschiedenen Regionen der Entwicklungsländer haben sich wirtschaftlich autarke Gebiete und Märkte herausgebildet. Viele Maßnahmen der Verwaltung, die auf eine E i n w i r k u n g des Marktgeschehens abzielen, tragen noch zu dieser Isolierung der Märkte bei. W i r können hier auch von einem „administrativen Autokratismus" sprechen, der i n vielen Teilen der Entwicklungsländer vorherrscht. Große Teile der erzeugten Güter und Dienstleistungen gehen nicht über den Markt, sondern verbleiben i n dem Kreislauf der geschlossenen Hauswirtschaft, wo nur das erzeugt w i r d , was nachgefragt w i r d und umgekehrt auch nur das nachgefragt wird, was erzeugt wird. Es fehlt nicht nur an einem leistungsfähigen Transportnetz, sondern auch vor allen Dingen an einem geordneten Geld- und Kapitalmarkt. Die Märkte sind nicht transparent, d. h. die Produzenten und Konsumenten haben 88 Aus Berechnungen des Verfassers, Vgl. A. Kruse , Die Organisation der Weltagrarmärkte — eine gemeinsame A k t i o n der wirtschaftlich entwickelten und unentwickelten Länder (Die Publikation ist i n Brüssel [EWG] i n V o r bereitung).

4. Die „integrierte Entwicklungsplanung" als Leitbild

59

keine ausreichende Übersicht über das Preisgeschehen, über die angebotenen Mengen und über die zu erwartenden Reaktionen der M a r k t teilnehmer. Die uns aus den entwickelten Volkswirtschaften bekannte „Interdependenz der Faktoren" ist vielfach nicht festzustellen: Die Veränderung von Preisen, Mengen, Investitionsraten usw. i n einem Sektor haben keine entsprechenden Veränderungen der Preise, Mengen, I n vestitionsraten usw. i n den anderen Sektoren zur Folge 2 9 . Wenn aber Interdependenzen auftreten, so sind sie vielfach „irrationaler" Natur: Die Preise reagieren beispielsweise auf Mengenveränderungen i n einer Weise, die den Marktgesetzen vollkommen entgegensteht; dasselbe gilt auch für Veränderungen der Mengen zufolge von Preisänderungen. Die Folge von dieser Zersplitterung der Märkte i n autarke bzw. wenig entwickelte Märkte ist, daß die Projekte, die i n einem Teilmarkt durchgeführt werden, zu schweren Störungen i n anderen Teilmärkten führen. Dasselbe gilt auch für das Verhältnis der einzelnen Sektoren der W i r t schaft zueinander. Die m i t dem Projekt angestrebten Ziele werden nicht erreicht, wenn nicht gleichzeitig die wichtigsten Voraussetzungen i n anderen Sektoren gegeben sind; oder aber es stellt sich heraus, daß das angestrebte Ziel zwar erreicht wird, aber gesamtwirtschaftlich dennoch keinen Fortschritt darstellt, da neue Hindernisse hinzukommen. Ein Beispiel: Die Getreideproduktion i n einer Provinz w i r d trotz der Verbesserung der Anbaumethoden nicht erhöht, w e i l die Kapazität für die Einbringung der Ernte fehlt; oder aber die Getreideproduktion w i r d erhöht, führt jedoch zu neuen Problemen der Lagerhaltung, Vermarktung usw. I n letzterem Falle stellen neue Schwierigkeiten, die i n anderen Sektoren auftreten, das zunächst erfolgreiche Projekt gesamtwirtschaftlich wieder i n Frage. Die Projekte „frieren ein", eine häufige Erscheinung der Entwicklungsplanung. Ein erster wichtiger Schritt ist die Planung von Projekten m i t mehreren Entwicklungszielen (Multi-purpose-Planning). Die Planung derartiger Projekte stellt von vornherein auf eine engere Beziehung der interdependenten Größen ab, sowie auch auf eine stärkere Berücksichtigung der Gesetzmäßigkeiten, die diesen Beziehungen zugrunde liegen. I n der Planung von Projekten m i t mehreren Entwicklungszielen sind i n dem letzten Jahrzehnt bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden. Das gilt sowohl für die Auswahl der Projekte nach Maßgabe der verschiedenen Ziele, die durch sie angestrebt werden, als auch für die Erfahrungen, die i m Hinblick auf die Auswirkungen der Projekte auf die gesamte Volkswirtschaft gemacht werden konnten. Aber auch dieser Verbesserung der Entwicklungsplanung kann noch keine Gewähr gegen das „Einfrieren" von Projekten leisten. Ähnliche M E. Domar, Essays i n the Theory of Economic Growth, N e w York, 1951, S. 83 ff.

60

I. Planung und Wirklichkeit

Schwierigkeiten wie i m Falle von Projekten m i t einem Ziel werden auch hier auftreten. Es kommt gleich i n mehreren Sektoren zu Störungen der verschiedensten A r t : Fehlende Lagerkapazitäten, mangelnde A r beitskräfte oder eine mangelnde Qualifikation der Arbeitskräfte, fehlende Vorleistungen der vorgelagerten Produktionsstufen usw. I m allgemeinen w i r d man feststellen können, daß die Planung von Projekten m i t mehreren Zielen den Blick für die Interdependenz der Marktgrößen schärft, ohne jedoch planmäßig auf sie einzuwirken und den nationalen M a r k t zu einem funktionsfähigen Kreislauf auszubauen, wodurch schließlich erst der Übergang von autarken Regionalmärkten zu einer Volkswirtschaft gelingt. Es gilt hier nun i n der Entwicklungsplanung einen entscheidenden Schritt zu vollziehen. Er besteht darin, den Zusammenhang und das Zusammenspiel der Marktelemente i m voraus i n die Planung einzubeziehen und nicht erst das Auftreten von Schwierigkeiten, Engpässen usw. abzuwarten. M i t anderen Worten, die Entwicklungsplanung muß sich schon i n einem sehr frühen Stadium, beispielsweise der Vorprüfung von Projekten, auf mehrere Sektoren ausdehnen und erstrecken. Eine solche Planung zielt also auf die Zusammenfassung wirtschaftlicher Vorgänge i n verschiedenen Sektoren der Wirtschaft ab. W i r bezeichnen sie daher als „integrierte Entwicklungsplanung" 3 0 . Eine auf diese Weise integrierte Entwicklungsplanung steckt heute noch i n ihren Anfängen. Jedoch gewinnt sie für die Verbesserung der Planungstechniken i m wachsenden Maße an Bedeutung. Der englische Begriff des „comprehensive planning" weist i n diese Richtung. A l l e r dings enthält er noch eine etwas andere Nuancierung, indem er auf die Überschaubarkeit und praktische Wirksamkeit der Entwicklungsplanung („vernünftige Planung") verweist. Die integrierte Entwicklungsplanung kann sowohl ein Projekt von verschiedenen Sektoren aus i n Angriff nehmen, als auch mehrere Projekte i n verschiedenen Sektoren zugleich zum Inhalt haben. I n dem einen F a l l steht ein bestimmtes Projekt i m Vordergrunde und i m anderen Falle das umfassendere Programm, mehrere Sektoren gleichzeitig zu entwickeln. Letztlich w i r d durch die integrierte Entwicklungsplanung das Fehlen echter marktwirtschaftlicher Interdependenzen i n einer Volkswirtschaft durch die Zielsetzung und durch die Technik der Planung berücksichtigt. Das bedeutet keineswegs, daß die integrierte Entwicklungsplanung i n ihrer praktischen Durchführung sehr v i e l komplizierter und umständ80 Ursprünglich ist v o m Verfasser der Begriff der Integralen Entwicklungsplanung benutzt worden. Vgl. A. Kruse , Fehlerquellen i n Entwicklungsprogrammen — Kritische Bemerkungen zur Programmierungstechnik, i n : Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 116. Band, 3. Heft.

4. Die „integrierte Entwicklungsplanung" als Leitbild

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licher zu handhaben sei als die Entwicklungsplanung m i t einer spezifischen Sektororientierung. Allerdings bereitet die weitgehende Spezialisierung der Fachkräfte, wie w i r sie aus den hochentwickelten Industrieländern kennen, für die Durchführung dieser Entwicklungsplanung einige Schwierigkeiten. Eine so weitgehende Spezialisierung, die darüber hinaus noch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zunimmt, ist ja nur i n den entwickelten Volkswirtschaften möglich und notwendig, w e i l der funktionsfähige Marktmechanismus kontinuierlich eine „Saldierung" der Teilentscheidungen vornimmt. I n der unterentwickelten Volkswirtschaft kann jedoch der Spezialist — allein auf sich gestellt — Unheil anrichten, w e i l hier nicht von vornherein die natürlichen Zusammenhänge zwischen den Wirtschaftssektoren und Marktelementen bestehen. Darin liegt eine gewisse Gefahr für die integrierte Entwicklungsplanung i n Entwicklungsländern. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel der i n Deutschland üblichen Aufspaltung der Wirtschaftswissenschaften i n die beiden Disziplinen der Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft. Bei all den Vorteilen, die eine derartige Spezialisierung m i t sich bringt — auch i m Ausland w i r d diesen Vorteilen durch den allmählichen institutionellen Ausbau der betriebswirtschaftlichen Disziplinen Rechnung getragen —, führt doch gerade die K l u f t zwischen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten i n der Beurteilung von Projekten i n den Entwicklungsländern zu einer Gegensätzlichkeit, die vielfach unüberbrückbar ist und auch zu schweren Fehlentscheidungen i n der Entwicklungsplanung führen kann. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die Spezialisierung i n anderen Disziplinen, wie beispielsweise auf dem Gebiete der Landbauwissenschaften, wo naturwissenschaftliche, rein technische und andere Gesichtspunkte i m Gegensatz stehen können zu den sozio-ökonomischen Argumenten und Kriterien. Eine wichtige Voraussetzung der integrierten Entwicklungsplanung ist deshalb die Zusammenarbeit der Vertreter verschiedener Fachrichtungen und Disziplinen. Die Forderung nach einer interdisziplinären Entwicklungsplanung ist am besten dadurch gewährleistet, daß die Planungsgruppen aus Fachkräften verschiedener Fachrichtungen zusammengesetzt werden. I m Bereiche der Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie sind hier schon vielversprechende Ansätze zu beobachten. Vor allen Dingen müssen Anstrengungen i n Richtung auf eine bessere Koordinierung der Vorhaben i m Rahmen der Infrastruktur einerseits und für produktive Projekte andererseits unternommen werden. Wie schon weiter oben deutlich geworden ist, beschränkt sich die integrierte Entwicklungsplanung nicht allein auf die Integration der Planungsmaßnahmen für verschiedene Wirtschaftssektoren; vielmehr berück-

I. Planung und Wirklichkeit

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sichtigt sie auch eine Reihe von Faktoren der sozio-ökonomischen Struktur, wie etwa die Sozialstruktur, Bevölkerungsdichte und -Verteilung, Wanderungen, Zusammensetzung der Bevölkerung, Differenzierungen i m Sozialstatus, unterschiedlicher Stand der Ausbildung und dergleichen mehr. Bisher nur wenige Beispiele Bisher gibt es i n den freien und kontrollierten Marktwirtschaften nur sehr wenige Beispiele für eine echte integrierte Entwicklungsplanung. Als klassisches Beispiel kann das i n der Roosevelt-Aera durchgeführte TVA-Proj ekt (Tennessee-Valley-Administration) angeführt werden. Hier wurden die wasserwirtschaftlichen Probleme m i t den ökonomischen Problemen der Ansiedlung von Bevölkerungsteilen, Arbeitsbeschaffungsprogrammen, Aufbau der Infrastruktur und Schaffung neuer Absatzmärkte i n Verbindung gebracht. Weitere Beispiele für die integrierte Entwicklungsplanung i n entwickelten Volkswirtschaften können namentlich i n Holland gefunden werden, wo die verschiedensten Programme zur Erschließung neu gewonnener landwirtschaftlicher Nutzfläche m i t Maßnahmen zur Steigerung der betrieblichen Produktivität, ferner der sozialen Umstrukturierung der Bevölkerung, suplementärer Berufsausbildung, Ausbau des Gesundheitswesens und der Verwaltung und dergleichen mehr gekoppelt wurden. Alles i n allem ist jedoch die Zahl der Beispiele für eine integrierte Entwicklungsplanung bis auf den heutigen Tag noch sehr begrenzt. Das ist bei einer hochentwickelten Marktwirtschaft, die alle speziellen w i r t schaftlichen Aktionen m i t Hilfe des Marktmechanismus miteinander i n Einklang bringt, auch nicht verwunderlich. Wenn w i r i n den entwickelten Volkswirtschaften immer nur dort Beispiele der integrierten Entwicklungsplanung finden, wo es u m die Erschließung neuer Gebiete geht, oder aber um regionalpolitische und regionalökonomische Vorhaben, so ist dies keineswegs als Zufall zu werten. Einige wesentliche Merkmale der integrierten Entwicklungsplanung findet man dagegen i n den kommunistischen Planwirtschaften. Hier sind freie Marktkräfte, die von sich aus die notwendige Interdependenz der Daten und ihrer Veränderungen bewirken, nicht i n Kraft. Damit stellt sich das Problem, die Planungsvorhaben so zu realisieren, daß die Auswirkungen i n den verschiedensten Sektoren der Wirtschaft i m Griff der Planungsbehörde bleiben. U m dieses Ziel zu erreichen, „ist es notwendig, die Anwendung der objektiven ökonomischen Gesetze i n voller Kenntnis der Sachlage zu lernen" 3 1 . Immer wieder w i r d die Notwendigkeit hervorgehoben, das Gesetz der „planvollen und proportionalen Entwick81

Polititscheskaja Ekonomija, a.a.O., S. 404.

4. Die „integrierte Entwicklungsplanung" als Leitbild

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lung" der Wirtschaft zu beachten. Die Hinweise i n der Literatur auf dieses Gesetz sind Legion. A n der Gültigkeit eines solchen „objektiven" Gesetzes, das übrigens als ein dynamisches Entwicklungsgesetz verstanden wird, w i r d nicht gezweifelt. Treten Schwierigkeiten i n der w i r t schaftlichen Entwicklung auf, so liegen sie, wie immer wieder seit Lenin hervorgehoben wird, daran, daß dieses Gesetz i m Plan bzw. i n der Durchführung des Planes keine genügende Beachtung gefunden hat. Westliche Interpreten haben vielfach ausgeführt, daß dieser Hinweis auf das Gesetz der proportionalen ökonomischen Entwicklung i m Grunde nichts anderes bedeute, als die richtige Festsetzung der Prioritäten 3 2 . I n Wirklichkeit aber geht es hier nicht u m die Prioritäten allein, sondern vielmehr u m eine i m Planungsprozeß rechtzeitig stattfindende Berücksichtigung aller Auswirkungen eines bestimmten Projektes auf die übrigen Sektoren. Beides muß sorgfältig voneinander geschieden werden. Gerade das Beispiel der kommunistischen Planwirtschaft ist hier lehrreich: Während der Prozeß der integrierten Entwicklungsplanung nichts anderes — und das ist sehr viel — verlangt, als daß die wichtigsten Auswirkungen eines bestimmten Projektes nicht nur i n dem betreifenden Sektor, sondern auch i n den übrigen Sektoren der W i r t schaft und Aspekten der sozio-ökonomischen Entwicklung Berücksichtigung finden, verlangt die Klärung der Prioritätsfrage ein qualitatives Werturteil. U m diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, sei darauf hingewiesen, daß die Frage der Prioritäten beantwortet werden kann m i t und ohne Berücksichtigung der Auswirkungen i n anderen Sektoren, wobei die A n t wort jeweils verschieden ausfallen mag. M i t anderen Worten: die Prioritätenfrage muß ebenso i n der herkömmlichen Entwicklungsprogrammierung sowie auch i n der verbesserten Technik der integrierten Entwicklungsplanung gestellt und beantwortet werden. Die ganze Problematik der integrierten Entwicklungsplanung beruht i n den Entwicklungsländern letztlich darauf, daß eine möglichst w i r kungsvolle und enge Verschmelzung planvoller Interventionen m i t funktionsfähigen Marktmechanismen angestrebt werden soll. Die Berücksichtigung der Auswirkungen einer bestimmten Planungsmaßnahme auf andere Sektoren soll ja nicht heißen, daß das Marktgeschehen i n den anderen Sektoren außer K r a f t gesetzt wird. Das Gegenteil ist der Fall: Durch die Berücksichtigung auch anderer Sektoren sollen die Voraussetzungen für ein vernünftiges Zusammenwirken der Sektoren i n Bezug auf das geplante Projekt geschaffen werden. Schon hieraus ist ersichtlich, daß die integrierte Entwicklungsplanung geradezu die Vor32 G. Grofimann, Suggestion for a Theory of Soviet Investment Plan, aus: Investment Criteria and Economic Growth, hrsg. von Center for International Studies, Massachusetts Institute of Technology, N e w York, 1961, S. 113.

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I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

aussetzungen für eine bessere und freiere Entfaltung marktwirtschaftlicher Kräfte schafft. Wenn sich i n den kommenden Jahren die Anstrengungen für die Verbesserung der Programmierungstechnik und die Vervollkommnung der Entwicklungsplanung i n den Stufen der Vorprüfung, Projektprüfung, Durchführung und nachträglichen Kontrolle bzw. Revision der Pläne erhöhen, so w i r d zweifellos die integrierte Entwicklungsplanung ein wichtiges Leitbild für die Verbesserung der Entwicklungsplanung darstellen.

I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung 1. Einige wichtige Daten der Entwicklungsplanung Von den Daten, die für die Entwicklungsplanung von Interesse sind, müssen vor allem die folgenden vier hervorgehoben werden: Bevölkerung, Bruttosozialprodukt oder Volkseinkommen, Investitionen und Kapitalkoeffizient. Die Daten der Volkszählung gelten als die noch am zuverlässigsten statistischen Zahlen i n den Entwicklungsländern. Das Arbeitspotential (Arbeitsfähige) läßt sich unter Berücksichtigung des Altersaufbaus, der physischen Konditionen, beruflichen Qualifikationen, gesellschaftliche Werte (Frauenarbeit) usw. ziemlich zutreffend schätzen. Die Zahl der tatsächlich Beschäftigten ist wegen der (verschleierten) Arbeitslosigkeit sehr viel schwerer zu bestimmen. Auch die laufende Erfassung des Bevölkerungszuwachses ist noch sehr lücken- und fehlerhaft. So brachte i n Indien, das eine relativ hoch entwickelte statistische Dokumentation führt, der letzte Census eine Differenz von über 40 Millionen. Das Volkseinkommen w i r d i n vielen Entwicklungsländern geschätzt. Wichtige Unterlagen liefert i n der Regel das Finanzministerium m i t Hilfe seiner Steuerstatistik. Rechnet man zu dem Volkseinkommen die Ersatzinvestitionen (Abschreibungen) hinzu sowie einige andere Posten (Eigenverbrauch und indirekte Steuern abzüglich staatlicher Subventionen), erhält man das Bruttosozialprodukt. I m Durchschnitt beträgt i n den Entwicklungsländern das Volkseinkommen 88 v H des Brutto-^ Sozialproduktes 33. Die Höhe der Investitionen bestimmt sich weitgehend nach der Sparquote, d. h. dem Verhältnis von Sparrate und Volkseinkommen. Je nie33 M . Usui and E. E. Hagen, 1959, S. 6.

W o r l d Income 1957, M I T , Cambridge/Mass.,

1. Einige wichtige Daten der Entwicklungsplanung

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driger der Entwicklungsstand, desto niedriger i n der Regel auch die Sparquote. Hinzu kommt die Kapitalhilfe, sofern über die Dauer der Planperiode m i t ihr gerechnet werden kann. Zins- und Rückzahlungen stellen heute schon für manche Entwicklungsländer eine spürbare Belastung dar, welche die Investitionstätigkeit einschränken bzw. neue Anleihen des Auslandes aufzehren. Der Kapitalkoeffizient (Input-Output-Quotient) gibt das Verhältnis des eingesetzten Kapitals (input) zu dem daraus resultierenden Produktionsergebnis (output) an. Er ist eine für die Entwicklungsplanung analytisch wichtige Größe, da über sie von einem geplanten Output auf die notwendigen Investitionen geschlossen werden kann und umgekehrt. I n vielen Industrieländern haben sich über längere Zeiträume die gesamtwirtschaftlichen Kapitalkoeffizienten konstant verhalten; dies i n der Hauptsache, weil sich eine unterschiedliche Entwicklung der sektoralen Kapitalkoeffizienten gegenseitig kompensierte. Investitionen i n die Infrastruktur sind eine wichtige Voraussetzung für ein günstiges Input-Output-Verhältnis, d. h. dafür, daß bei gegebenem Input der Output möglichst groß ist, und der Quotient also einen möglichst niedrigen Wert annimmt. (Der Kapitalkoeffizient ist der reziproke Wert der Kapitalproduktivität.) Während für viele Industrieländer ein gesamtwirtschaftlicher Kapitalkoeffizient von ungefähr 2 konstatiert werden kann, liegt er bei den Entwicklungsländern höher (etwa bei 3 bis 6). Genaues über seine Größe läßt sich i n diesen Ländern jedoch nicht sagen. Außerdem ist das Input-Output-Verhältnis aus verschiedenen Gründen erheblichen Schwankungen (sektorale Umstrukturierung u. a. m.) unterworfen. Die unter Verwendung des Kapitalkoeffizienten durchgeführten Berechnungen sind also m i t Vorsicht zu verwenden. Das gilt besonders auch für den marginalen Kapitalkoeffizienten, der 1950—55 beispielsweise für Argentinien und Ecuador m i t 2,3 und 15,0 angegeben wurde 3 4 . Zusammenfassend kann man feststellen, daß viele wichtige Daten der Entwicklungsplanung und die aus ihnen abgeleiteten Größen auf Schätzungen beruhen. Die Genauigkeit dieser Schätzungen hängt u. a. auch davon ab, daß die gesamtwirtschaftliche Planung Hand i n Hand m i t einer sorgfältigen Analyse der Wirtschaftssektoren geht. Ein recht problematischer Notbehelf ist immer der Vergleich m i t anderen Entwicklungsländern. Die Durchsicht von Entwicklungsplänen zeigt, daß diese Vergleiche vielfach recht bedenkenlos durchgeführt werden. So werden beispielsweise die Kapitalkoeffizienten mehrerer „vergleichbarer" Länder zusammengestellt, u m aus ihrem arithmetischen M i t t e l den Koeffizienten für das untersuchte Land zu „finden". M U n i t e d Nations Department of Economic and Social Affairs, W o r l d Economic Survey 1959, New York, 1960, S. 77.

5 Kruse-Rodenacker

66

I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

Es läßt sich heute in der Tat schwerlich feststellen, wie viele der in den Plänen verwendeten Daten aus anderen Plänen „abgeleitet" wurden und somit alte Irrtümer sich ständig fortpflanzen. Wenn die Größe der zu bewältigenden Aufgaben auch mitunter keine andere Wahl läßt, so besteht hierbei doch die Notwendigkeit, übernommene Daten auf Grund vorliegender Erfahrungen, Untersuchungen usw. fortlaufend zu revidieren. Die Interdependenz

der Daten

Für eine wirkungsvolle Entwicklungsplanung ist es notwendig, den Zusammenhang zu beachten, der zwischen den einzelnen Daten der Planung besteht. I n vielen Fällen genügen schon geringfügige Änderungen bei einem oder weniger Daten, u m beträchtliche Änderungen bei den anderen Daten herbeizuführen. I m folgenden geben w i r an Hand eines Modellbeispiels 35 eine zusammenfassende Übersicht über die vorstehend skizzierten Daten, u m ihre Interdependenz zu veranschaulichen. Die Wachstumsrate x errechnet sich aus dem Quotienten, der aus dem neuen und alten Sozialprodukt Pt und Pt—i gebildet wird. Die Wachstumsrate pro Kopf der Bevölkerung für das laufende Jahr errechnet sich aus diesem Quotienten, dividiert durch den Bevölkerungszuwachs a:

Da sich weiterhin die Differenz zwischen dem neuen und alten Sozialprodukt Pt—Pt—i aus dem Quotienten aus Nettoinvestitionen I und dem Kapitalkoeffizienten k ergibt:

erhalten w i r durch Umstellen dieser Gleichung und Einsetzen i n die erste Gleichung als Pro-Kopf-Wachstumsrate für n Jahre: X n

=

X

n +

k

'

P

t-1

k • a • Pt„n

Legen w i r nun für unsere Modellrechnung ein Bruttosozialprodukt von 75 Mrd. Währungseinheiten P zugrunde sowie ferner einen durchschnittlichen Kapitalkoeffizienten von 3,3, so ergibt sich ein Realkapital von rd. 250 Mrd. P. Sollen nun 400 000 neue Arbeitskräfte Beschäftigung finden, sind 20 Mrd. P Nettoinvestitionen notwendig, da das investierte Kapital pro Arbeitsplatz (Kapitalintensität = Capital Labour Ratio), 250 Mrd. P dividiert durch 400 000 = 50 000 P, beträgt sofern die Kapitalintensität konstant bleiben soll. Diese Nettoinvestitionen in Höhe von 15

Vgl. A . Kruse, Fehlerquellen i n Entwicklungsprogrammen, a.a.O., S. 405 ff.

1. Einige wichtige Daten der Entwicklungsplanung

67

20 Mrd. P ergeben bei einem marginalen Kapitalkoeffizient von 1,6 eine Wachstumsrate x n (vergl. obige Gleichung) pro Kopf von 1,9 vH. Beispiel für einige Daten der Planung Bruttosozialprodukt Kapitalkoeffizient (durchschnittlich) Realkapital Zusätzliche Arbeitskräfte Realkapital pro Beschäftigten Nettoinvestitionen Kapitalkoeffizient (marginaler) Bevölkerungszuwachs Wachstumsrate (jährlich)

75 3,3 250 400 000 50 000 20 1,6 1,2 1,9

Mrd. P. Mrd.P. P. M r d . P. vH vH

Wenn w i r nun einzelne Daten dieses Modellbeispiels ein wenig ändern, so erhalten w i r mitunter nicht unbeträchtliche Änderungen i n der Wachstumsrate. Das zeigen folgende Beispiele: N i m m t der Bevölkerungszuwachs den Wert 2,0 v H (anstatt 1,2 vH) an, so ergibt sich eine Wachstumsrate von 1,1 vH. Beträgt das Bruttosozialprodukt nur 73 Mrd. P (anstatt 75 Mrd. P), so ändert sich die Wachstumsrate praktisch überhaupt nicht. W i r d der durchschnittliche Kapitalkoeffizient auf 4,2 (anstatt 3,3) angesetzt, so ergibt sich ein Realkapital von 315 Mrd. P und eine Wachstumsrate von 2,7 v H (anstatt 1,9 vH). Werden die Nettoinvestitionen auf 15 Mrd. P gesenkt, so sinkt die Wachstumsrate auf 1,2 vH. Legt man jedoch einen marginalen Kapitalkoeffizienten von 2,8 (anstatt 1,6) zugrunde, so würde die Wachstumsrate nur 0,6 v H (anstatt 1,9 vH) betragen. Diese Änderungen ergeben sich unter der Voraussetzung, daß die anderen Größen konstant gehalten werden und nur die abgeleiteten Größen variieren. Die hierbei zutage tretenden Schwankungen der Wachstumsrate m i t den Extremwerten von 0,6 und 2,7 sind beträchtlich. Selbstverständlich sind die Änderungen der Wachstumsrate noch sehr viel größer, wenn mehrere Daten zugleich verändert werden und sich ihre Änderungen i n der Auswirkung auf die Wachstumsraten nicht kompensieren. Betragen beispielsweise die Nettoinvestitionen 15 Mrd. P (anstatt 20 Mrd. P) und der marginale Kapitalkoeffizient 3,5 (anstatt 1,6), so nimmt die Wachstumsrate den negativen Wert —0,1 v H an. Dieses Modellbeispiel zeigt deutlich genug, wie leicht es ist, „befriedigende Wachstumsraten" i n den Entwicklungsplänen zu „errechnen". Dasselbe gilt auch für Planungsmethoden, die auf den problematischen Kapitalkoeffizienten weitgehend verzichten. Die Notwendigkeit, Vorkehrungen für eine gründliche Erfassung der Daten auf Grund eines gesicherten und breiten statistischen Urmaterials zu treffen, liegt ebenso auf der Hand, wie eine kritische Haltung gegenüber den Aussagen vieler Entwicklungspläne. 5*

68

I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

2. Die Intensität der Planung Bevor i m folgenden Kapitel verschiedene Ansätze der Planungstechnik behandelt werden, muß zunächst auf den Umstand verwiesen werden, daß der Umfang der Planung i n den einzelnen Entwicklungsländern sehr unterschiedlich ist. Während i n den einen Ländern die Planung die gesamte Wirtschaft m i t ihren Sektoren bis hinab zu den einzelnen Projekten erfaßt, so beschränkt sie sich i n anderen Ländern auf wenige Sektoren und Projekte und begnügt sich m i t resümierenden Überblicken über die zukünftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Länder m i t umfassender Planung behandeln auch ihre außenwirtschaftliche Lage, Beschäftigungspolitik, Regional- und Raumpolitik, Währungspolitische Überlegungen und die weiten Gebiete des „human investment" als Objekt ihrer Planung. Alle die i m vorigen Kapitel behandelten Daten und andere mehr sind dann i n die Planimg einbezogen. Ein großer Umfang der Planung ist ferner auch an den finanziellen Aufwendungen für die Planung zu erkennen. Große Planungsbehörden mit zahlreichem Personal und gewaltigem Verwaltungsaufwand sind bekannte Erscheinungen. Schließlich pflegen umfangreiche Planungen häufig auf hoch entwickelten und komplizierten Planungstechniken zu fußen, Hand i n Hand mit der eigentlichen Periodenplanung, wie etwa für fünf oder sieben Jahre, werden dann noch langfristige Rahmenpläne aufgestellt und laufend revidiert. Der Abstraktionsgrad der zugrunde liegenden Planungsmodelle ist mitunter sehr hoch. Jedoch w i r d man beachten müssen, daß alles das, was w i r hier als „Umfang der Planung" skizzieren, keineswegs m i t Sicherheit den Grad angibt, m i t dem planvoll auf das wirtschaftliche Wachstum i n dem betreifenden Land eingewirkt wird. I n Wirklichkeit machen w i r nämlich die Feststellung, daß der Planungsapparat i n den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich auf den Wirtschaftsablauf einwirkt. I n einer ganzen Reihe von Ländern arbeiten umfangreiche Planungsbehörden weit entfernt von der wirtschaftlichen Wirklichkeit des Landes i m luftleeren Raum. Mangelnde Einwirkung der Planungsbehörden auf das wirtschaftliche Geschehen des Landes resultiert i n der Hauptsache aus zwei Gründen: Mangelhafte Orientierung und fehlender Einfluß. Mangelhafte Orientierung ist sehr häufig durch fehlende statistische Unterlagen und empirische Dokumentationen i m weitesten Sinne bedingt. Man kann die Feststellung machen, daß der Arbeit der Programmierung i n vielen Ländern mehr Raum gegeben w i r d als der Aufbereitung des statistischen Grundmaterials. Besonders große Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn vorhandenes und relativ zuverlässiges Material durch unzuver-

3. Verschiedene Ansätze der Planungstechnik

69

lässige Schätzungen ergänzt wurde und beides zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr auseinandergehalten werden kann. Der fehlende Einfluß der Planungsbehörde ist häufig dadurch bedingt, daß die Behörde nicht i n das herkömmliche Netzwerk kompetenter Instanzen eingebaut, sondern i h m „angegliedert" wird. A u f diese Frage werden w i r noch später zurückkommen. Der tatsächliche Grad der Einwirkung der Planung auf den W i r t schaftsablauf, den w i r kurz als „Intensität der Planung" bezeichnen wollen, ist somit weitgehend institutionell bedingt. Es hat sich i n den letzten Jahren gezeigt, daß sich der Umfang der Planungsarbeiten i n krassem Mißverhältnis zur Intensität der Planung entwickeln kann. Schließlich ergibt sich aus Umfang und Intensität der Planung keineswegs zwangsläufig ein bestimmter Vorrang planwirtschaftlicher vor den marktwirtschaftlichen Elementen der betreffenden Volkswirtschaft. Viele Entwicklungsländer m i t stark marktwirtschaftlichen Elementen weisen eine umfangreiche Planung auf und umgekehrt. Auch die Intensität der Planung, d. h. ihre Einflußnahme, bestimmt weitaus weniger das Wirtschaftssystem eines Landes als vielmehr die Wahl der Mittel, mit der die Einflußnahme erfolgt. Zahlreichen Diskussionen über Entwicklungsplanung liegt eine Verwechselung der drei Tatbestände — Umfang, Intensität der Planung und Wirtschaftssystem — zugrunde. 3. Verschiedene Ansätze der Planungstechnik So wie heute zwischen den verschiedenen Zielen der Entwicklungsplanung zu unterscheiden ist, so können auch die verschiedensten Techniken i n der Planung angewendet werden. I n den westlichen Industrieländern hat der zweite Weltkrieg eine bemerkenswerte Entwicklung der Theorie und Technik der Planung eingeleitet, die durch die Erfordernisse der Entwicklungsplanung neue Impulse erhielt. Die Techniken unterscheiden sich i n ihrem methodischen Charakter und vor allem i n ihren Ansätzen. Die Wahl der Planungstechnik hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst entscheidet der finanzielle Aufwand, der den Umfang der Planung m i t beeinflußt, sowie ferner auch die Auswahl der verantwortlichen Planungsexperten. Die intensive Ausbildung von Planungsexperten außerhalb ihrer Länder hat zu einer weiten Verbreitung eines gewissen „Planungsstils" geführt. Dieser ist weitaus mehr von dem jüngsten Stand der Planungstheorie bestimmt, als von den verschiedenen Gegebenheiten (empirische Dokumentation und wirtschaftliche Gegebenheiten) der Entwicklungsländer. Dieser „ S t i l " erklärt auch die Ähnlichkeit, die man i m methodischen Aufbau der meisten Pläne feststellen kann.

70

I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

Es versteht sich von selber, daß auch die internationalen Institutionen durch ihre M i t w i r k u n g bei Planungsarbeiten Einfluß auf die Wahl der Technik nehmen. Expertengruppen, die von den Institutionen aus Wissenschaftlern der Universitäten usw. rekrutieren und für Planungsarbeiten entsendet werden, schenken dem offiziell bevorzugten Planungsstil i m allgemeinen Beachtung. Die Entwicklungsländer selber neigten anfänglich häufig nicht dazu, umfangreiche finanzielle Aufwendungen für die Planungsarbeiten selber zu tragen. M i t der Übernahme der Kosten und Auswahl der Fachkräfte nahmen die entwickelten Länder oder die internationalen Organisationen Einfluß auf die Wahl der Planungstechnik. Folgenschwere Entscheidungen darüber, wieviel Kosten und Zeit für die Aufbereitung von Urmaterial oder aber für die eigentliche Programmierung eingesetzt werden sollen, werden dann häufig von diesen selber getroffen. Außer diesen Faktoren bestimmt auch die Stellung der Planungsbehörde, ihre Kompetenz und Verflechtung m i t der wirtschaftspolitischen Administration den Planungsstil. M i t Ausnahmen gilt der Grundsatz, daß die Planungstechniken dem wirtschaftspolitischen „common sense" dort am nächsten kommen, wo die administrativen Kompetenzen und die Exekutive am stärksten i n den Planungsarbeiten engagiert ist. Der Idealfall, daß die Planungstechnik sich nach der Intensität der Planung und vor allem auch nach den zur Verfügung stehenden statistischen Dokumentationen bestimmt, ist nicht die Regel. Man kann i m Gegenteil immer wieder beobachten, daß Entwicklungsländer, i n denen die einfachsten Dokumentationen wie etwa die der Steuerstatistiken fehlen, z. B. über komplette Input-Output-Systeme verfügen. Hier ist viel in der Aufbereitung der statistischen Materialien nachzuholen. Die mangelhafte empirische Dokumentation erschwert insbesondere die integrierte Entwicklungsplanung, die auf vergleichbare Unterlagen für mehrere Sektoren angewiesen ist. Andererseits verlangt die Bearbeitung von Projekten die Konkretisierung der Entwicklungspläne und Modelle. Während letztere zwar die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge recht eindrucksvoll aufzeigen mögen, so fehlt es doch in der Regel an zuverlässigen Angaben aus den einzelnen Sektoren. Praktisch läuft daher die integrierte Entwicklungsplanung, was den Planungsstil anlangt, auf eine Projektion begrenzter Vorhaben auf die verschiedensten Sektoren hinaus. Dies geschieht planungstechnisch m i t Hilfe des Gesamtplanes und muß i n der Praxis zu einer ständigen K r i t i k , statistischen Untermauerung und Verbesserung desselben führen. Von den verschiedenen Ansätzen der Planung seien hier die folgenden drei hervorgehoben: Projektplanung, Sektoralplanung und gesamtwirtschaftliche Planung.

3. Verschiedene Ansätze der Planungstechnik

Die

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Projektplanung

Der erste Schritt der Projektplanung ist die Abgrenzung des Projektes nach produktionstechnischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Soll beispielsweise eine Armaturenfabrik errichtet werden, so ist zu entscheiden: Sollen die Gußblöcke i n Eigenproduktion hergestellt werden oder eingekauft werden? Werden Notstrom- oder Vollaggregate errichtet? Müssen Arbeitskräfte aus der Umgebung angelernt oder Fachkräfte aus anderen Provinzen angesiedelt werden? Ist eine Kantine, Schule, Krankenstation, Werkswohnungen usw. einzuplanen? Die integrierte Entwicklungsplanung verlangt eine sorgfältige Prüfung dieser Fragen der Projektabgrenzung. Hier entscheidet sich, welche Sektoren durch Leistungen i n Anspruch genommen und an welche Sektoren Leistungen abgegeben werden. Die herkömmliche, nicht integrierte Planung hat lediglich das Projekt, hier die Armaturenfabrik, i m Auge. Die Abgrenzung erfolgt i n sehr engem Rahmen und was die anderen Sektoren an notwendigen Leistungen abgeben müßten, bleibt vielfach unberücksichtigt. So kommt es dann häufig genug zu Engpässen, Anpassungsschwierigkeiten und einem unerwartet hohen Importbedarf 3 6 . Die integrierte Projektplanung muß darüber hinaus die wichtigsten Sektoren aufzeigen, m i t denen das Projekt i n Leistungsaustausch steht. Sie muß ferner die Voraussetzungen für die Abgabe von Leistungen und Aufnahme von Leistungen dieser Sektoren planen. I n unserem Beispiel also: Ausbau bestehender Gießereien für die Herstellung der Gußblöcke, Ausbau der Energieversorgung, des Verkehrsnetzes, des Gesundheitsdienstes, Marketing für die Produkte bzw. für jene Typen, deren Nachfrage unbekannt ist usw. Nach der Abgrenzung des Projektes, welche die notwendigen und zu integrierenden Maßnahmen i n anderen Sektoren der Wirtschaft aufzeigt, sind die betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen K r i terien herauszustellen. Erstere geben die verschiedenen Kosten bei unterschiedlicher Produktionsmenge, Fertigungstechnik, Mechanisierungsgrad usw. an. Letztere betreffen den Beitrag, den das Projekt zum Sozialprodukt leistet, seine Wirkungen auf Beschäftigungslage und Zahlungsbilanz usw. Schwierigkeiten treten dadurch auf, daß mehrere Beitragsleistungen und Faktoren i n die Rechnung eingehen und einige von ihnen nichtökonomischer Natur sind. I n ersterem Fall müssen Preise eine Vergleichbarkeit der Leistungen und Faktoren ermöglichen. Wo M a r k t preise fehlen oder nur verzerrte Preise bekannt sind, werden M a r k t 36

A. W. Lewis , The Theory of Economic Growth, London 1955, insbesondere S. 234 ff.

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I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

preise i n vergleichbaren Ländern, Weltmarktpreise oder sogenannte Verrechnungspreise berücksichtigt. Letztere werden modelltheoretisch aus der Gesamtheit der Faktoren abgeleitet 3 7 . Leistungen nicht-ökonomischer Natur sind schwer zu quantifizieren. Wirtschaftspolitische Prioritäten, ihre relative Rangordnung und der soziale Grenznutzen der Leistungen geben gewisse Anhaltspunkte. Nach Erarbeitung der Kriterien für ein bestimmtes Projekt sind verschiedene Variationen desselben ins Auge zu fassen. Das gilt beispielsweise i m Hinblick auf einen relativ hoch oder niedrig einzuplanenden Importbedarf, Beschäftigungsgrad, Kapitalintensität, Ausstoßmenge, Anzahl der verschiedenen Produkttypen usw. Die Hervorhebung der wichtigsten Kriterien für die wichtigsten Projektvariationen erleichtert die Beurteilung des Projektes. Die Auswahl einer bestimmten Projektvariation bestimmt sich i n der integrierten Entwicklungsplanung nicht nur nach den genannten K r i terien, sondern vielmehr auch nach den notwendigen Maßnahmen, die i n den benachbarten, d. h. von dem Projekt betroffenen Sektoren notwendig werden. Praktisch entscheidet deshalb nicht nur der Fachmann für Armaturenproduktion über die zu planende Projektvariation, sondern auch das U r t e i l der Fachleute für Energie, Arbeitsfragen, Verkehr und so weiter. Sektoralplanung F ü r die Sektorplanung muß die Wirtschaft i n verschiedene Sektoren aufgeteilt werden. Die ältere und von der A r t des Produktionsgutes ausgehende Einteilung ist die i n Produktions- und Konsumgüter. Unter dem Gesichtspunkt des Produktionsverfahrens und des technischen Fortschritts ergibt sich eine Dreiteilung: primärer Sektor (Landwirtschaft), sekundärer Sektor (Industrie) und tertiärer Sektor (Dienstleistungen), die jeweils einen geringen, großen und kaum einen technischen Fortschritt und Produktivitätszuwachs aufweisen. Die A u f gliederung nach Sektoren pflegt auf diese Zwei- und Dreiteilungen aufzubauen. Sie können sich dabei an die Einteilung der Wirtschaftsstatistik i n verschiedenen Abteilungen anlehnen oder aber auf „homogene" Sektoren abstellen, wobei die Produktionsfunktionen derselben zugrunde liegen. Letztere Methode, die für Input-Output-Systeme entwickelt wurden, führt häufig zu mehr Sektoren, als für die Entwicklungsplanung — insbesondere für die Integration der Planungsmaßnahmen — angebracht 87 G. F. Papane, The Use of Accounting Prices i n Planning, aus Organization, Planning, and Programming for Economic Development, a.a.O., S. 96 fl.

3. Verschiedene Ansätze der Planungstechnik

73

erscheint (bei Leontief etwa 40 Sektoren). I m ganzen sollte nicht mehr als nach etwa 15 Sektoren unterschieden werden, so wie es auch i n den Statistiken der Industrieländer (Hauptgruppen) üblich ist. Die ohnehin schwach entwickelten Statistiken der Entwicklungsländer büßen bei allzu weitgehender Einteilung beträchtlich an Aussagewert ein. Beginnt die Sektoralplanung m i t der zukünftigen Nachfrage nach Konsumgütern, so ist das zu erwartende (geplante) Pro-Kopf-Einkommen und der Bevölkerungszuwachs zugrunde zu legen. Für die Zurechnung der zukünftigen Nachfrage nach verschiedenen Gruppen von Gütern und Dienstleistungen kommen die i n den letzten zwei Jahrzehnten entwickelten Engelkurven zur Anwendung. Sie geben die Nachfrageveränderungen zufolge von Einkommensveränderungen an (Engel hatte 1875 die Nachfrage verschiedener Einkommensgruppen untersucht). Die Addition der Einzelnachfragen nach den Gruppen von Gütern und Dienstleistungen ergibt die zukünftige Gesamtnachfrage. Für langfristige Planungen müssen an die Stelle von linearen EngelKurven (gültige für kleine Einkommensspannen) nicht-lineare (hyperbolische bzw. parabolische) K u r v e n treten. I n diesem Falle empfiehlt es sich, die durchschnittliche Nachfrage für verschiedene Einkommensgruppen zu berechnen. Ausgehend von der Einkommensverteilung i m Basisjahr w i r d die zukünftige Einkommensverteilung prognostiziert und so das wachsende Volkseinkommen nach Einkommensgruppen aufgeteilt. Die Sektoralplanung der Nachfrage nach Investitionsgütern ergibt sich aus dem gewünschten (geplanten) Produktionszuwachs jedes Sektors einerseits sowie den hierzu erforderlichen Investitionen. Diese wiederum errechnen sich aus dem Kapitalkoeffizienten und der Reifezeit der Investitionen i n jedem einzelnen Sektor. Sowohl die Planung der Konsumgüter wie auch die der Investitionsgüter muß sich i m Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Daten halten. Diese geben die Möglichkeit der Kontrolle für die Sektoralplanung. Die Daten der Sektoralplanung sind nach ihrer Gewichtung, die dem relativen Wachstum des einzelnen Sektors entspricht, i n ihrer Addition gleich den gesamtwirtschaftlichen Daten. Während Rohstoffe und Halbfabrikate m i t Hilfe der Input-OutputKoeffizienten, welche die notwendigen Mengen derselben für die geplante Menge an Investitions- und Konsumgütern angeben, geplant werden, kann der Export als eine Nachfragegröße der Bezugsländer i n die Planung eingehen. Praktischer scheint jedoch das Vorgehen nach gesamtwirtschaftlichen Größen.

74

I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

Gesamtwirtschaftliche

Planung

Es ist durchaus üblich, eine Sektoralplanung speziell für Entwicklungsvorhaben für den betreffenden Sektor durchzuführen. Ein häufig beschrittener Weg ist, von der gesamtwirtschaftlichen Planung zur Sektoralplanung fortzuschreiten. Dieses Verfahren kann jedoch nicht, wie es geschieht, als die Regel angesehen werden. Eine Reihe von Ländern (z. B. Ceylon, Pakistan) gehen i n ihrer Planung von den Sektoren aus und verzichten zunächst noch auf die gesamtwirtschaftliche Planimg oder ersetzen sie durch einen resümierenden Überblick (z. B. Volksrepub l i k China). Über die Wahl der einen oder anderen Methode entscheiden administrative Gesichtspunkte sowie die Beschaffenheit des statistischen Materials. Für bestimmte Pläne wie Sofortprogramme, Schwerpunktprogramme usw. reichen Sektoralpläne aus. Darüber hinaus ist vielen Entwicklungsplänen nicht anzusehen, ob sie von der gesamtwirtschaftlichen oder sektoralen Planung ausgegangen sind. Häufig stellen die gesamtwirtschaftlichen Pläne insbesondere zwei Programmpunkte heraus: Beschäftigungslage und Verwendung des Sozialproduktzuwachses. M i t Hilfe der Kapitalintensität w i r d die Zahl der neuen Arbeitsplätze ausgewiesen, die durch die Netto-Investitionen geschaffen werden. I n der Verwendung des Sozialproduktzuwachses spielt eine teilweise Deckung des Zahlungsbilanzdefizits, Erhöhung des privaten Konsums (häufig nur knapp über dem Bevölkerungszuwachs liegend) usw. eine wichtige Rolle. Die Probleme, die i m Zusammenhang mit der Verarbeitung der statistischen Daten auftreten, sind schon an früherer Stelle behandelt worden. Auch die praktische und einfache Methode der gesamtwirtschaftlichen Planung mit Hilfe der Kapitalkoeffizienten enthält beträchtliche Fehlerquellen. Das gilt i m Hinblick auf die Schwierigkeiten i n der Bestimmung durchschnittlicher und marginaler Kapitalkoeffizienten sowie auch für ihre ausschlaggebende Bedeutung für die geplante Wachstumsrate. Durch die Verwendung von Produktionsfunktionen w i r d die Entwicklungsplanung sicherlich verbessert und zugleich aber auch kompliziert. Häufige Verwendung finden hier die Cobb-DouglasFunktionen. Sie ergeben nicht i m Gegensatz zu der obigen Rechnung mit konstanten Kapitalkoeffizienten einen den Investitionen proportionalen sondern niedrigeren Zuwachs. 4. Die Integration der Planungsmaßnahmen Hiermit t r i t t nun die Frage auf: wie stark soll die Planung auf das Wirtschaftsgeschehen eingreifen und bis zu welchem Grad sollte es

4. Die Integration der Planungsmaßnahmen

75

Objekt von koordinierten Einzelplanungen sein? Kurzum, wie „perfekt" soll die Entwicklungsplanung sein? Selbstverständlich hängt die A n t wort weitgehend von politischen Entscheidungen und administrativen Gegebenheiten i m Entwicklungslande ab. Hier interessiert deshalb die Frage nur i m Rahmen dieser Entscheidungen und Gegebenheiten. Dabei ist es vielfach dem Planungsexperten überlassen, den Rahmen für die Planung — namentlich bei Projektplanungen — selber zu setzen. I m Falle der Grundlageninvestitionen und direkten, d. h. kommerziellen Investitionen, hängt vieles davon ab, ob privates und investitionsbereites Kapital vorhanden ist. Investitionsbereitschaft allein ist auch nicht ausreichend, wenn die erforderlichen Kenntnisse für die Durchführung der Investitionen fehlen 3 8 . Vielfach w i r d empfohlen, den Ausbau der Infrastruktur der öffentlichen Hand und die direkten (kommerziellen) Investitionen den privaten Unternehmern vorzubehalten. Wenn der Staat, so ist häufig i n den Entwicklungsländern zu hören, nicht einmal die Infrastruktur richtig auszubauen i n der Lage ist, so dürfe er sich schon gar nicht an direkten Investitionen beteiligen. Diese Ansicht, auch von westlichen Fachleuten vertreten, ist recht problematisch. Sie überträgt Vorstellungen und Erfahrungen westlicher Industrieländer auf nicht vergleichbare Verhältnisse. I n vielen Entwicklungsländern fehlt es an privatem, investitionsbereitem Kapital m i t dem notwendigen „ k n o w how". Das K a p i t a l ist ins Ausland gewandert oder unproduktiv angelegt (Landkäufe, Edelmetalle usw.). „Ungeahnte Möglichkeiten" und völlige Fehlschläge sind selten so eng benachbart wie i n diesen Ländern, so daß besondere Kenntnisse unerläßlich sind. Auch die notwendige Koppelung von Grundlageninvestitionen und direkten Investitionen aus Gründen der Komplementarität der Projekte kann eine Initiative des Staates auf beiden Gebieten erforderlich machen. Eine Reihe von Entwicklungsländern haben viel kostbare Zeit verloren, w e i l private Direktinvestitionen auf sich warten ließen. Zudem kann der „big push" niemals allein von der Infrastruktur ausgehen. I m Gegenteil, viele Investitionen auf diesem Gebiet „frieren ein", wenn sie nicht von Direktinvestitionen begleitet sind: Rückfall i n den Analphabetismus, erneuter Niedergang des Gesundheitswesens, Verfall neuer Straßen, Wassersysteme usw. Ganz allgemein hängt der Umfang der notwendigen Planungen von den wirksamen Marktmechanismen und den Entwicklungszielen ab. Die Marktmechanismen bewirken bekanntlich eine sukzessive Anpassung an Veränderungen der Wirtschaft über preisorientierte Anreize (Preise, 38 H. Frankel, Some Conceptual Aspects of International Economic Development of Underdeveloped Territories, aus: Essays i n International Finance, Princeton, 1952, S. 14.

76

I I . Methoden und Techniken der Entwicklungsplanung

Preiserwartungen usw.). Planen soll dagegen eine simultane (oder auch stufenweise) Anpassung über gezielte Maßnahmen bewirken. Fehlen nun weitgehend die Marktmechanismen, wie etwa i n dem typischen Fall, daß Ungleichgewichte nicht über die Preise den notwendigen Anreiz für die fehlenden Investitionen geben, so muß die Planung relativ umfassend sein. Das gilt auch für den Fall, daß ein höheres Entwicklungsniveau mit höherem Pro-Kopf-Einkommen i n relativ großen Schritten angestrebt wird. Praktisch bedeutet dies ein bewußtes Inkaufnehmen vorübergehender Ungleichgewichte, die sich zu einem späteren Zeitpunkt ausgleichen müssen. Die Größe einer Konservenfabrik zum Beispiel w i r d nicht auf den augenblicklichen sondern zukünftigen Bedarf abgestimmt; so auch die Größe einer Textilfabrik, das Leistungsvermögen eines Kraftwerkes, einer Molkerei, die Breite einer Straße usw. Kostendegression und das Einsparen späterer, kostspieliger Investitionen sind die Folge 3 9 . Der Marktmechanismus kann auf die „Überinvestition" i n der Periode A kontraktiv reagieren und damit die Anpassung i n der Periode B verhindern oder hinausschieben. Aber, wie schon weiter oben dargelegt wurde, ist der Umfang der Planung nicht m i t ihrer Intensität, d. h. mit dem Grad ihrer tatsächlichen Einwirkung auf den Wirtschaftsablauf zu verwechseln. I n A n wendung dessen, was w i r i n den beiden letzten Kapiteln sagten, gilt folgende Hegel. Wenn bestimmte Ziele innerhalb einer bestimmten Planperiode m i t bestimmten Mengen von Imputf aktoren erreicht werden sollen, so w i r d i m allgemeinen die Planung einen relativ großen Umfang annehmen, wenn zahlreiche Sektoren noch nicht oder sehr disproportional entwickelt sind. Viele und detaillierte Einzelplanungen für Bestandsaufnahme, die Programmierung fehlender Sektoren und die Beseitigung ihrer Disproportionen sind erforderlich. Die Intensität der Planung w i r d dann relativ groß sein, wenn für die notwendige Koppelung der Sektoren die Marktmechanismen fehlen oder versagen: kein privates, investitionsbereites Kapital m i t dem erforderlichen „know how", Ungleichgewichte regen nicht zu Investitionen an sondern w i r k e n kontraktiv, heftige Preisschwankungen, unrealistische Festpreise, niedrige Preiselastizitäten usw. Beide aber, Umfang und Intensität der Planung, hängen entscheidend von der Integration der Einzelplanungen ab. Umfangreiche Planungen ohne eine hinreichende Integration der Einzelplanungen bleibt Stückwerk. Eine hohe Intensität einer solchen nicht integrierten Planung, führt zu den bekannten Fehlschlägen i n der Entwicklungsplanung: Desintegration bereits bestehender Märkte, „Einfrieren" der Projekte, Fehllenkung der knappen 89 N. S. Buchanan and H . S. Ellis, Approaches to Economic Development, New Y o r k 1955, S. 87 ff.

4. Die Integration der Planungsmaßnahmen

77

Ressourcen und Produktionsfaktoren usw. Ganz allgemein ist die Integration der Einzelplanungen u m so wichtiger, je größer deren Umfang und Intensität sein soll. Das gilt sowohl für die vorbereitende Planung (Analyse, Bestandsaufnahme, Dokumentation usw.) wie auch für die eigentliche Programmierung. Die Integration aber muß nach Maßgabe der vorgegebenen (strategischen) Prioritäten erfolgen. Die Bestimmung der nicht vorgegebenen Prioritäten kann auch m i t Hilfe von Modellgleichungen erfolgen. Die auf die Philippinen angewandte Formel und die Tinbergen-King-Formel sind interessante Beispiele für zwei verschiedene Typen von Modellrechnungen 4 0 . Beide Formeln sollen den Beitrag, den die Projekte zum Volkseinkommen leisten, bestimmen. Die Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz werden gesondert gemessen. Die Philippinen-Formel zielt jedoch i n erster Linie auf den Vergleich mehrerer Projekte ab und die Tinbergen-KingFormel auf die Bestimmung eines bestimmten Projektes nach Maßgabe des Beitrags zum Volkseinkommen. Abgesehen davon, daß erstere Formel leichter i n der Praxis anzuwenden aber weniger genaue Resultate verspricht als letztere, so scheint sie wegen der Vermeidung von Verrechnungspreisen stärker markt-orientiert zu sein. Auch hier gilt das, was w i r weiter oben feststellten: wieweit Marktmechanismen berücksichtigt oder entwickelt werden, hängt nicht vom Planungsstil oder gar vom Umfang der Planung ab. Nichts wäre jedoch so schädlich, wie einen „Perfektionismus" i n der Planung anzustreben. Das Planen soll dem wirtschaftlichen Wachstum die gewünschte Richtung geben und Verzögerungen bzw. schwere Störungen i n den Anpassungsprozessen verhindern. So wie w i r zwischen Umfang und Intensität der Planung unterscheiden müssen, so ist es hier angebracht, zwischen den beiden Bestandteilen der Entwicklungsplanung zu unterscheiden: Programmierung und Durchführung der Programme. Das K r i t e r i u m für diese Unterscheidung ist auch i n diesem Falle die tatsächliche E i n w i r k u n g auf den Wirtschaftsablauf. Sicherlich ist es eine wichtige Voraussetzung für die — vor allem auch integrierte — Entwicklungsplanung, daß die Programmierungsarbeiten möglichst weitgehend koordiniert werden. Wichtiger als die formale Integration der Elemente eines Entwicklungsprogramms ist die Verdeutlichung der Prioritäten und Entwicklungsstrategie, welche die Ziele und Kombination der M i t t e l aufzeigen. 40 E i n Vergleich findet sich i n B. Higgins, Economic Development, New York, 1959, S. 653 ff. Vgl. auch H. Chenery, The Application of Investment Criteria, i n Quarterly Journal of Economics, Febr. 1951, u n d Philippines National Economic Council, The Five-Year Economic and Social Development Program for Fiscal Years 1957—1961, M a n i l a 1957, S. 253 f. Chenery legte die Grundlage für die Philippinen-Formel u n d Tinbergen u n d B .King f ü r die v o m Netherlands. Economics Institute entwickelte Tinbergen—King-Formel.

I I I . Strategie und Planung

78

Es besteht fraglos heute schon die Gefahr, daß die Entwicklungsplanung als eine „perfekte Programmierung" zur Modeerscheinung werden kann. „ I n dieser Hinsicht ist die heutige Mode, integrierte Entwicklungspläne oder Programme aufzustellen, von keinem großen Nutzen. Gerade eine weitgehende Integration dieser Pläne kann den Blick für die Richtung trüben, der so wichtig für eine zielbewußte Entwicklungspolitik ist 4 1 . Die Entwicklungsplanung muß also vornehmlich i n der Durchführung der Entwicklungsvorhaben zur Auswirkung kommen. Hierfür sind insbesondere maßgebend: die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsziele (einschließlich strategischer Prioritäten), Länge der Planperiode, Auswahl der Sektoren m i t hoher Koppelung und Umfang der Disproportionen, die vorübergehend i n Kauf genommen oder als Investitionsanreize dienen sollen. Für die integrierte Projektplanung sind folgende Faktoren wesentlich: 1. Beitrag pro eingesetzter Kapitaleinheit und Arbeitskraft 2. Auswirkung auf die Zahlungsbilanz 3. Anteil inländischer und ausländischer Ressourcen 4. Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher strategischer Prioritäten.

Entwicklungsziele

und

I I I . Strategie und Planung 1. Die Notwendigkeit eine Wahl zu treffen Vor allem der Beitrag des Projektes zum Volkseinkommen muß unter Berücksichtigung der Auswirkung auf andere Projekte und Sektoren infolge höherer Nachfrage und höheren Angebotes (Koppelung des Projektes) beurteilt werden. Diese Auswirkungen sind wesentliche Anhaltspunkte für die Integration der Maßnahmen. Alles Wirtschaften beruht auf dem Bestreben, die Ziele mit möglichst wenig M i t t e l n i n möglichst kurzer Zeit zu erreichen. I n den entwickelten Ländern ist das Kapital als der wichtigste limitierende Faktor anzusehen, denn andere Faktoren wie Arbeitskräfte, Rohstoffe, Zeit usw. können weitgehend durch vermehrten Einsatz von Kapital substituiert werden. Die Arbeitsproduktivität hängt weitgehend vom Kapitaleinsatz ab 4 2 . I n den unentwickelten Ländern gelten diese Beziehungen nicht, weil hier verschiedene Faktoren als limitierende Faktoren wirksam sind. 41 42

Hirschmann, a.a.O., S. 204 f.

Es gilt folgende einfache Beziehung, aus der A r b e i t und K a p i t a l e l i m i -

1. Die Notwendigkeit eine Wahl zu treffen

79

Das trifft insbesondere für qualifizierte Arbeitskräfte (einschließlich Verwaltung) zu. Es fehlt an zahhlreichen Voraussetzungen (institutioneller Rahmen usw.) für die Substituierbarkeit knapper Faktoren durch Kapital. Vor allem kann auch nicht der Faktor Zeit durch Kapital substituiert werden, w e i l hier die Zeit nicht nur die Dimension für den Wirtschaftsablauf sondern für wichtige und schwierige Wandlungsprozesse gesellschaftlicher A r t ist. Es ist leicht nachzuweisen, daß bei nur schwach steigendem Pro-KopfEinkommen und weiterhin leicht expandierendem Export, die Entwicklungsländer 1975 rechnerisch insgesamt eine Kapitallücke i n der Größenordnung von mindestens 20 Mrd. $ aufweisen werden 4 3 . Jedoch hat eine solche Rechnung, abgesehen von zahlreichen Fehlerquellen, einen begrenzten Aussagewert, da sich der — möglicherweise vergrößernde Abstand i n der Entwicklung der bereits entwickelten und noch unentwickelten Volkswirtschaften unserer Erde nicht allein m i t dem Faktor Kapital kennzeichnen läßt. Die Entwicklung der limitierenden Faktoren der Infrastruktur i n den Entwicklungsländern macht i n steigendem Maße den Einsatz von Fachkräften erforderlich. Es ist i n der Frühgeschichte der heutigen Industrieländer üblich gewesen, den Produktionsfaktor K a p i t a l als „geronnene Arbeit" anzusehen. Die Entwicklungsplanung w i r d gut daran tun, die einzusetzenden Fachkräfte als ein ebenso knappes Produktionsmittel i n Gestalt „geronnener Erfahrung" aufzufassen; Erfahrung bezieht sich hier i m weitesten Sinne auf ökonomische Prozesse und die sich ergebenden gesellschaftlichen Veränderungen. M i t anderen Worten, die Entwicklungshilfe ist nicht nur kapitalintensiv sondern i n hohem Maße auch expertenintensiv. I h r Erfolg w i r d weitgehend davon abhängen, ob das i n Industrieländern legitime Denken i n Kapitalgrößen revidiert w i r d oder nicht. Die Knappheit der Faktoren aber führt zu der Notwendigkeit, zwischen knappen M i t t e l n und verschiedenen Zielen eine Wahl zu treffen. I n der Wahl der knappen M i t t e l kommt es vor allem auf eine richtige Proportion zwischen dem Einsatz von K a p i t a l und Fachkräften an. Gerade niert werden können^ u m zu der einfachen Identitätsgleichung = Produktion zu gelangen: Produktio n Arbeit

=

Prod uktion Kapital

#

Produktion

Kapital Arbeit

Das heißt: Arbeitsproduktivität ist gleich K a p i t a l p r o d u k t i v i t ä t m a l K a p i t a l intensität. Bei konstanter K a p i t a l p r o d u k t i v i t ä t (Kapitalkoeffizient) hängt som i t die Arbeitsproduktivität von der Kapitalintensität ab. 43 A . Kruse-Rodenacker, Die Organisation der Weltagrarmärkte — Eine gemeinsame A k t i o n der wirtschaftlich entwickelten u n d unentwickelten Länder, Brüssel (Publikation durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft i n V o r bereitung).

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I I I . Strategie und Planung

auch die integrierte Entwicklungsplanung hängt m i t ihrem Erfolg von dem Einsatz der Fachkräfte ab: die Integration von Einzelplanungen erfordert eine enge Zusammenarbeit. Für diese wiederum müssen die Spezialisten verschiedener Gebiete zur gleichen Zeit eingesetzt werden können, sie müssen zur Zusammenarbeit befähigt und die Entwicklungsplanung i n der schwierigen Aufgabe, die Einzelplanungen mit der richtigen Gewichtung zu integrieren, zu unterstützen i n der Lage sein. Die Wahl zwischen verschiedenen Zielen der Entwicklungsplanung verlangt die Aufstellung von Prioritäten. Dieser Begriff hat zu vielen Mißverständnissen geführt. I m täglichen Sprachgebrauch heißt einem Ziel die Priorität geben nichts weniger als diesem Ziel den Vorzug vor anderen Zielen geben. I n der Entwicklungsplanung soll aber Priorität für A nicht bedeuten, daß das Ziel A anstelle von B, C usw. verfolgt werden soll. Priorität für A heißt, daß A relativ mehr Aufmerksamkeit und relativ mehr knappe M i t t e l erhält als die Ziele B, C usw. Erst wenn i n der Entwicklungsplanung feststeht, welche Ziele überhaupt verfolgt werden sollen, können Prioritäten festgesetzt werden. Die Knappheit der Faktoren zwingt zur Festlegung von Prioritäten nicht nur i m Hinblick auf verschiedene Sektoren der Wirtschaft sondern auch i m Hinblick auf verschiedene Projekte (Staudamm, Eisenbahn), Gebiete (Küsten, Landesinnere), und gesamtwirtschaftliche Ziele (Beschäftigung, Importsubstitution). Die Prioritäten bestimmen sich selbstverständlich nicht nur nach der wirtschaftlichen oder politischen Rangordnung der Ziele, sondern auch nach den zur Verfügung stehenden knappen Mitteln. I n der integrierten Entwicklungsplanung hängt i n der Prioritätsfrage vieles von der inter-sektoralen Verknüpfung der Entwicklungsziele ab. Sind beispielsweise für die Errichtung einer Papierfabrik i m Hinblick auf Holzvorkommen und Nachfrage nach Papier günstige Voraussetzungen gegeben, so würde ein solches Projekt i n der herkömmlichen Projektplanung eine hohe Priorität erhalten. Dagegen können die integrierten Planungen forstwirtschaftlicher Natur, die Planung des Transportwesens, der Wasserwirtschaft, der Arbeitskräfte und des A b satzes (verschiedener Pappe- und Papiersorten) eine solche Priorität für das Projekt i n Frage stellen. Deshalb muß die integrierte Entwicklungsplanung die Prioritätsfrage von der Komplementarität der Nachfrage (Transport und Sicherheit) und der Produkte (Autos und Straßen) her beantworten. Sie ist durch die Funktionsstellung der Wirtschaft (Input) und Differenzierung der Produkte und Dienstleistungen (Output) bedingt und führt zur Komplemantarität der Entwicklungsmaßnahmen. Große Beachtung ist der vertikalen Komplementarität der Produktionsverfahren und Produkte zu schenken. Erfahrungsgemäß gehen

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etwa vorhandene Unternehmergruppen i n Entwicklungsländern, die hauptsächlich i m Handel tätig sind, nur zögernd das Risiko vorgelagerter Produktionsstufen ein. Deshalb ist gerade hier die vertikale Komplementarität von großer Bedeutung. Dabei zeigt sich immer wieder, daß eine vertikale Integration der Planungen am ehesten die Engpässe i n der Infrastruktur erkennen läßt. Die integrierte Entwicklungsplanung setzt nicht nur die richtige Wahl der knappen M i t t e l und Prioritäten für die verschiedenen Entwicklungsziele voraus, sondern auch eine Beschränkung der zu integrierenden Planungen. Die Komplementarität der meisten Projekte ist nahezu unbegrenzt. Eine Zuckerplantage beispielsweise kann Planungen der Bauvorhaben, maschinellen Ausrüstung, Rekrutierung der Arbeitskräfte und des Management, Wasserversorgung, Transport, Lagerhaltung sowie unübersehbare Planungsvorhaben auf den Stufen der Weiterverarbeitung und Distribution notwendig machen. Hier ist eine Auswahl der zu integrierenden Planungen unerläßlich. 2. Strategische Prioritäten Bevor auf diese Fragen näher eingegangen wird, seien hier einige Hauptkategorien von Prioritäten hervorgehoben, die heute i n den Entwicklungsländern — und nicht nur i n diesen — eine bedeutsame Rolle spielen. I n grober Vereinfachung lassen sie sich durch drei Hauptgruppen kennzeichnen: (1) Nationalinteresse und Wirtschaftlichkeit, (2) Landwirtschaft und Industrie sowie (3) Schwerindustrie und Leichtindustrie. Hier ist die Prioritätenfrage m i t politischen und auch ideologischen Spannungen geladen. Hier trennen sich die „Wege" wirtschaftlicher Entwicklung, die einzelne Entwicklungsländer einzuschlagen gedenken oder die von einzelnen entwickelten Ländern empfohlen werden. Die Entscheidungen, die hier i n Bezug auf die Prioritäten fallen, haben für die ganze Entwicklungsplanung grundsätzliche Bedeutung. Deshalb bezeichnen w i r sie kurz als strategische Prioritäten. (1) Nationalinteressen haben seit jeher Einfluß auf wirtschaftliche Entscheidungen genommen. Wenn heute i n den entwickelten Ländern Nationalinteressen an absoluter Bedeutung verlieren, dann sprechen hierfür Gründe, die i n Entwicklungsländern zum größten Teil nicht wirksam sind: Kommerzialisierung der gesellschaftlichen Werte als Folge eines hohen Entwicklungsstandes, wachsende wirtschaftliche Außenhandelsverflechtung, wirtschaftliche Integration und politische Blockbildung. Insbesondere die wirtschaftliche Integration Westeuropas, ferner die vielfältigen Bemühungen anderer Länder u m eine engere wirtschaftliche Kooperation und die Bildung der Ost- und Westblöcke, haben die Nationalinteressen nach dem zweiten Weltkrieg außerordentlich eingeschränkt. 6 Kruse-Rodenacker

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Für die meisten Entwicklungsländer gilt das nicht. I m Gegenteil, die Befreiung vom Kolonialsystem, der Wettbewerb zwischen den politischen Blöcken, das Stimmrecht i n den Vereinten Nationen und die herkömmliche Auffassung von der Wirtschaft als Dienerin des nationalen Prestiges rückt die Nationalinteressen i n den Vordergrund 4 4 . Das gilt insbesondere auch für junge Staaten, deren Hoheitsgrenzen alten Prinzipien der Kolonialverwaltung entsprechen und ein kaum zu überwindendes Hindernis für die Entwicklung einer expandierenden Volkswirtschaft darstellen. Die Schwierigkeiten treten auf, wenn die Nationalinteressen den Kriterien der Wirtschaftlichkeit entgegenstehen. Hier können rein antiökonomische Interessen des nationalen Prestiges wie etwa der Bau eines imposanten Binnenhafens bei begrenzter Transportkapazität der Wasserwege und vieles andere mehr außer Betracht bleiben. I n welchem Umfange derartige Projekte i n Zukunft zur Diskussion stehen, w i r d auch davon abhängen, inwieweit das Prinzip des politischen „do ut des" wirksam w i r d und damit die Entwicklungshilfe selber i n Frage stellt. Andererseits lassen sich nationale Interessen, die nicht von vornherein als anti-ökonomisch ausscheiden, nach ihrer Wirtschaftlichkeit beurteilen. So hat das Streben nach wirtschaftlicher Autarkie häufig den Sinn, die eigene Wirtschaft von den Risiken des Außenhandels weitgehend unabhängig zu machen. M a n w i r d nicht vergessen dürfen, daß viele Entwicklungsländer i m Gegensatz zu den Industrieländern jahrzehntelang und auch jahrhundertelang einen wirtschaftlichen Niedergang oder wirtschaftliche Stagnation bei gleichzeitiger Expansion der Exporte erlebten. Auch wurden i n der kolonialen Epoche heimische Industrien gewaltsam zerstört, u m künstlich einen Importbedarf für die Erzeugnisse der entwickelten Länder zu schaffen. Heute stehen wichtige Warenmärkte exportorientierter Entwicklungsländer unter ständigem Preisverfall. Zudem können von dem Streben nach wirtschaftlicher Autarkie starke Wachstumsimpulse ausgehen. Die Entfaltung der verschiedensten Produktionszweige w i r d dabei zu einem späteren Zeitpunkt doch zu einer stärkeren außenwirtschaftlichen Verflechtung führen. Sehr viel stärker als Kostengewichtspunkte sollten vorhandene Ressourcen und die Größe des Marktes ausschlaggebend sein. So leitete Kanada seine Industrialisierung m i t der Entwicklung einer Textilindustrie m i t Hilfe von Zollschranken ein und ist heute eines der größten Importeure der Welt von Textilerzeugnissen 45 . Für die Betonung der beiden letzteren Gesichtspunkte spricht die Erfahrung, daß die Kostenstruktur der Projekte i n späteren Perioden beträchtlichen Veränderungen unterworfen ist. Projekte, die i n der 44 45

E. E. Hagen, On the Theory of Social Change, Homewood/Ill., 1962, S. 256. R. Nurkse, a.a.O., S. 10—12.

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Planperiode auf Grund der Produktionskosten als unrentabel angesehen werden müssen, können späterhin sehr wohl rentabel sein. Vieles hängt von dem Ausbau der Infrastruktur und davon ab, ob ein genereller wirtschaftlicher Aufschwung gelingt. Die Frage der kostenmäßigen Rentabilität muß auf dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit i m H i n blick auf die Gesamtwirtschaft und spätere Zeitperioden beurteilt werden. (2) Landwirtschaft und Industrie. Auch hier handelt es sich u m strategische Prioritäten. Für die vorrangige Entwicklung der L a n d w i r t schaft sprechen viele Argumente. Die Nahrungsmittel überwiegen noch i n den Konsumausgaben (einschließlich Eigenverbrauch) der privaten Haushalte. Vielfach kann m i t begrenztem Kapitaleinsatz der Ausstoß beträchtlich erhöht werden. Auch sind die Entwicklungsländer nur i n Grenzen bereit, knappe Devisen für Nahrungsmittelimporte zu opfern. Allerdings ist die Entwicklung der Landwirtschaft m i t außerordentlich starken Umwälzungen (Agrarreformen, genossenschaftliche Institutionen usw.) verknüpft. Industrielle Fertigungsmethoden lassen sich viel leichter „importieren" als landwirtschaftliche Produktionsmethoden. Zudem liegen die Entwicklungsländer, wenn man von Ausnahmen (einige Provinzen Rotchinas, Gebiete der La-Plata-Länder Südamerikas usw.) absieht, außerhalb der gemäßigten Zonen, welche die Produktion hochwertiger und vielseitiger Nahrungsmittel begünstigen. I n keinem Sektor der Wirtschaft erschweren Tradition, Fatalismus und gesellschaftliche Leitbilder den wirtschaftlichen Fortschritt so sehr wie gerade i n der Landwirtschaft. Unbestreitbar hat die Prioritätsfrage hier auch einen ideologischen Hintergrund. Die Entwicklungsländer machen die Erfahrung, daß die Fachkräfte aus den westlichen Industrieländern vielfach zur vorrangigen Entwicklung der Landwirtschaft raten. Dagegen legen die Fachkräfte aus den kommunistischen Planwirtschaften den Akzent eindeutig auf die Industrialisierung des Landes. Hinter diesem Gegensatz stehen prinzipielle Unterschiede der Entwicklungspolitik sowie auch verschiedene Erfahrungen, die m i t der wirtschaftlichen Entwicklung gemacht wurden. Die Rolle, welche die Industrialisierung i n der marxistischen Lehre von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung spielt, ist bekannt. So ist beispielsweise auch nach dem zweiten Weltkrieg i n den Balkanstaaten die Industrialisierung gegen alle bestehenden Schwierigkeiten und gegen die teilweise entwickelte Agrarstruktur durchgesetzt worden. Die Haupterfolge der Planwirtschaften liegen auf dem Gebiet der Industrie, ihre Hauptprobleme auf dem Agrarsektor. I n zahlreichen westlichen Industrieländern konstatieren w i r , wenngleich auch i n unterschiedlichem Maße und i n vielen Abwandlungen,

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eine Ideologie des „gesunden und freien Bauerntums". Die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder vollzog sich nicht unter Aufopferung, sondern unter Hilfestellung der Landwirtschaft. Trotz des nicht zu schätzenden Beitrages, den die Landwirtschaft an natürlichen Ressourcen, K a p i t a l und Arbeitskräften an die gewerbliche Wirtschaft leistete, erhöhte sich ständig die Produktion pro Kopf der Bevölkerung und führte zu den heute bekannten Erscheinungen der Überproduktion. Wenngleich auch ausreichende und billige Nahrungsmittel eine Grundforderung i n der Entwicklungsplanung vieler Länder ist, so w i r d doch eine realistische Behandlung der Prioritätenfrage für L a n d w i r t schaft und Industrie durch die verschiedene Grundeinstellung i n den östlichen und westlichen Industrieländern erschwert 4 6 . Den Entwicklungsländern ist dieser Gegensatz sehr w o h l bekannt. Häufig w i r d er auch überbewertet, so daß die Festlegung bestimmter Prioritäten als ideologische Befangenheit der Geberländer abgetan w i r d . (3) Schwerindustrie und Leichtindustrie. Auch hier w i r d i n den östlichen und westlichen Industriestaaten ein gegensätzlicher Standpunkt bezüglich der Prioritäten eingenommen. Die Betonung der Schwerindustrie ist ein Charakteristikum der Planwirtschaften sowjetischen Typs. Jedoch lassen vergleichende Statistiken erkennen, daß der Zuwachs der Schwerindustrie i m Verhältnis zur Leichtindustrie i n der Sowjetunion während der vergangenen Jahrzehnte kaum größer war als i n den westlichen Industrieländern 4 7 . Auch werden heute i n der Sowjetunion die Investitionsmittel auf beide Sektoren i n praktisch demselben Verhältnis (zwei D r i t t e l zu einem Drittel) verteilt wie i n Westeuropa und Amerika. Nach wie vor empfiehlt jedoch die sowjetische Entwicklungspolitik den Entwicklungsländern eine vorrangige Priorität für die Produktionsgüterindustrie. Die westlichen Industrieländer legen dagegen sehr viel mehr den Akzent auf die Konsumgüterindustrie. I h r Denken ist vor allem von der Nachfrage und dem Angebot von Konsumgütern aus orientiert. Es w i r d eine Entwicklung angestrebt, i n der „das Wachstum des Konsums dem Wachstum der Produktionskapazität für Konsumgüter entspricht. Diese Definition, die keine bestimmte Wachstumsrate zugrunde legt, w i l l besagen, daß der Konsum zu jedem Zeitpunkt groß genug sein muß, u m einen ausreichenden Anreiz für Investitionen zu geben" 4 8 . Wesentliche Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung, die ihre wichtigsten Impulse vom Konsumgütermarkt her erhält ist die, 46

Vgl. B. Higgins, a.a.O., S. 14—17. United Nations — Statistical Office, Patterns of Industrial Growth, New York, 1960, S. 96—100. 48 ECE, Survey for 1955, S. 76. 47

2. Strategische Prioritäten

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daß sich diese Impulse (wachsende Nachfrage nach Konsumgütern) auf die gesamte Wirtschaft übertragen. Dazu müssen sie Investitionen i m Konsumgütersektor anregen, die wiederum zu weiteren Investitionen i n den höheren Produktionsstufen führen. Abgesehen davon, daß alle diese Investitionen von einem kontinuierlichen Ausbau der Infrastruktur begleitet sein müssen, damit unüberwindliche Engpässe vermieden werden, ist der niedrige Entwicklungsstand vieler Länder geradezu dadurch gekennzeichnet, daß die Impulse des Konsumgütersektors sich nicht i n Investitionen niederschlagen, sondern i n Preissteigerungen, Importerhöhung usw. Hier gilt es immer wieder, der Komplementarität der Projekte und dem Versagen der Marktmechanismen Beachtung zu schenken. Eine Bevorzugung der Produktionsmittelindustrie ist dagegen nur mit umfassender Planung möglich. Der Ausbau dieser Industrie erfolgt vielfach ohne die Anregung von der Konsumgüterseite her, so daß das geplante Angebot eines jeden Sektors m i t der geplanten Nachfrage aller übrigen Sektoren i n Einklang gebracht werden muß. Wenn jedoch Angebot und Nachfrage auf dem Konsumgütersektor nicht mehr als Regulativ der wirtschaftlichen Entwicklung dienen, wenn m i t anderen Worten hier gewisse Mindestmengen und ihre Preise einfach als Daten i n die Planung eingehen, so sind wichtige wirtschaftliche Anreize für die Investitionen ausgeschaltet. Ein solcher Plan muß als Gesetz i n K r a f t treten, dessen Erfüllung vom Staat erzwungen wird. Dieser „vollintegrierte" Entwicklungsplan, auf dem die kommunistischen Planungswirtschaften aufbauen, hat m i t einer technisch und marktwirtschaftlich integrierten Entwicklungsplanung nichts mehr zu tun. (4) Einkommen und Beschäftigung. Schwerwiegende Entscheidungen w i r f t die Frage auf, ob die gesamtwirtschaftliche Entwicklung i n erster Linie der maximalen Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens dienen soll oder aber der maximalen Verbesserung der Beschäftigungsgrundlage. M i t nur wenigen Ausnahmen leiden die Entwicklungsländer an Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit. Diese ist auf dem Lande, wo die Selbstversorgung vielfach noch nicht von arbeitsteiligen Marktfunktionen abgelöst ist, weitgehend verschleiert. Die i n fast allen Entwicklungsländern anhaltende Landflucht führt zu städtischer Arbeitslosigkeit und politischer Instabilität 4 9 . Gesamtwirtschaftlich gesehen setzt eine maximale Erhöhung des Einkommens i n der Regel auch moderne, kapitalintensive und Arbeitskräfte sparende Produktionsverfahren voraus. Damit verbessert sich aber nicht die Beschäftigungslage. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie etwa Brasilien, Vietnam und Mexiko, i n denen teilweise beachtliche Erhö49

FAO, Population and Food Supply, Rom 1962, S. 20—21.

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hungen des Einkommens durchgesetzt werden konnten, nicht aber eine Lösung des Problems der Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit. Selbst i n jenen Ländern, wo dies als ein wichtiges Entwicklungsziel angesehen wurde, hielt der Zugang an neuen Arbeitsplätzen nicht m i t dem Bevölkerungszuwachs Schritt. Das gilt besonders für den zweiten indischen Fünf jahresplan. Die Entwicklung der heutigen Industrieländer hat dieses Problem i n dieser Schärfe nicht gekannt, obschon Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit bekannte Erscheinungen waren. Die jeweils modernsten Produktionsmethoden waren i n der Frühgeschichte der westlichen Industrialisierung noch ungleich arbeitsintensiver und viel weniger kapitalintensiv als die rückständigsten Fertigungsverfahren, die man heute den Entwicklungsländern überhaupt zumuten könnte. Auch andere Bedingungen waren wesentlich günstiger: Ausbildungsstand der aktiven Bevölkerung, ihr Gesundheitszustand, gesellschaftliche Struktur und Werte, Ressourcen und expansionsfähiger Außenhandel m i t und ohne kolonialer „Arbeitsteilung". Die Bevölkerungsexplosion, die i n einem relativ späten industriellen Entwicklungsstadium einsetzte, fand ausreichende Ventile i n der Besiedlung neuer — zumeist überseeischer — Gebiete. Alles das trifft für viele Entwicklungsländer heute nicht mehr zu. Darüber hinaus ist die Entwicklung ihrer „modernen Sektoren" m i t modernen Fertigungsverfahren auf die Ausbeutung vorhandener Rohstoffe ausgerichtet: Bergbau, Plantagen, Erdöl usw. m i t relativ wenigen Verarbeitungsstufen. Hier ist die Kapitalintensität hoch und der Bedarf an Arbeitskräften relativ gering. Die „traditionellen Sektoren" der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und traditionelle Kleingewerbe bilden das große und überfüllte „Wartezimmer der Entwicklung", aus dem weniger Arbeitskräfte i n den modernen Sektor abwandern als es die Unterbeschäftigung und das Bevölkerungswachstum gebieten. Für die zu geringe Abwanderung der Arbeitskräfte vom traditionellen i n den modernen Sektor ist auch die geringe Mobilität als Grund hervorzuheben. I n den Entwicklungsländern ist i n der Regel nicht nur die räumliche Mobilität wegen des unterentwickelten Transportwesens gering, sondern auch die berufliche und soziale Mobilität, d . h . die Möglichkeit, den Wirtschaftssektor zu wechseln und sozial aufzusteigen. Erst ein Ausbau der Verkehrsnetze und des Erziehungs- und Ausbildungswesens schafft wichtige Voraussetzungen für die Erhöhung der Mobilität. Diese sind jedoch keineswegs ausreichend, sondern können bei fehlenden Arbeitsplätzen i m modernen Sektor zu noch größerer gesellschaftlicher Instabilität (Slums, Radikalisierung) führen. I n der Entwicklung und Expansion des modernen Sektors w i r d man sicherlich für die Maximierung der Einkommen die produktiven und

3. Entwicklungsplanung und wirtschaftliches Gleichgewicht

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vielfach nicht arbeits- sondern kapitalintensiven Projekte bevorzugen. Zusammen m i t diesen müssen aber auch solche Projekte Berücksichtigung finden, welche die Beschäftigungslage nachhaltig verbessern. M i t anderen Worten, die Prioritätsfrage sollte i m Hinblick auf die richtige Proportion beider Projekttypen beantwortet werden, nicht aber i m Hinblick auf die Anwendung verschiedener Produktionsverfahren. A u f die Frage der Auswahl von Projekten w i r d noch weiter unten näher eingegangen. 3. Entwicklungsplanung und wirtschaftliches Gleichgewicht Die Prioritätenfrage ist auf das engste m i t gleichgewichtigem bzw. ungleichgewichtigem Wachstum verknüpft. Für die Entwicklungsplanung heißt das soviel, daß die Einzelplanungen und ihre Integration über Gleichgewicht und Ungleichgewicht i m wirtschaftlichen Wachstum entscheiden. I m allgemeinen w i r d gleichgewichtiges Wachstum als das Ziel der Entwicklungsplanung und Wirtschaftspolitik angesehen. Das gilt sowohl für Entwicklungsländer als auch für entwickelte Volkswirtschaften 5 0 . Die Berichte der Weltbank, der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, die Leitsätze i n den Entwicklungsplänen und die Berichte i n den Industrieländern (wie z. B. i n den USA der „Economic Report of the President") bestätigen das eindrucksvoll. Auch i n den Planwirtschaften sowjetischen Typs w i r d die These vom gleichgewichtigen W i r t schaftswachstum vertreten. Sie hat hier jedoch eine andere Bedeutung, da die kommunistische Planung nach der herrschenden Meinung nicht selber die für ein gleichgewichtiges Wachstum notwendigen Prioritäten („Proportionen") setzt. Vielmehr soll sich die Planung dem „Gesetz der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft" unterwerfen. Dieses Gesetz gilt als ein „objektives ökonomisches Gesetz", dessen „Erfordernisse" die Planungsbehörde beachten muß, u m zu vermeiden, daß „Disproportionen entstehen und der normale Produktionsund Zirkulationsprozeß gestört w i r d " 5 1 . Schon i m Jahre 1841 hat Friedrich L i s t 5 2 die Notwendigkeit eines Gleichgewichts zwischen Landwirtschaft, gewerblicher Produktion und Handel hervorgehoben. Die Komplementarität der Produkte und Dienstleistungen sowohl als auch der menschlichen Bedürfnisse waren i h m durchaus geläufig. Ganz allgemein w i r d Gleichgewicht dem Ungleichgewicht vorgezogen. Dafür spricht die Analogie zum täglichen Leben, i n welchem Gleichgewicht i n verschiedenster Richtung geradezu axio50 61 52

R. Nurkse, a.a.O., Kap. I, und S. 5.

Akademya Nauk, Politiceskaya Ekonomiya, Moskau 1959, S. 469—470. Friedrich List, Nationales System der politischen Ökonomie, Jena, 1922.

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matischen Charakter besitzt. A u f das wirtschaftliche Wachstum angewandt, soll Gleichgewicht durch eine Expansion jedes einzelnen Sektors der Wirtschaft i n der Weise, wie es die Nachfrage der Konsumenten und der übrigen Sektoren gebieten, erreicht werden. Die Investitionen sollen auf ein proportional gleichgewichtiges Wachstum hin ausgerichtet werden 5 3 . Entwicklung ist immer möglich, wenn i n einem oder mehreren Sektoren der Einsatz von Produktionsfaktoren erhöht und der institutionelle Rahmen entsprechend verbessert wird. Aber wo, wann und i n welchem Umfang soll das geschehen? Das ist das Problem des Gleichgewichts oder Ungleichgewichts i m wirtschaftlichen Wachstum auf einen einfachen Nenner gebracht. Die Forderung nach gleichgewichtigem Wachstum, die durch verschiedene Theorien untermauert wurde, geht von der Erfahrung aus, daß i n unentwickelten Ländern der M a r k t einen sehr begrenzten Umfang aufweist 5 4 . Aus rein technischen Gründen kann der Produktionsausstoß i n einem Sektor nur sprunghaft vergrößert werden. Bei der geringen und unelastischen Nachfrage i n diesen Ländern entstehen hier große Risiken. Sie können nur dadurch überwunden werden, daß i n möglichst vielen Sektoren die Produktion ausgedehnt und somit für jeden einzelnen Sektor genügend Nachfrage geschaffen wird. Gleichgewichtiges Wachstum heißt hier also: Expansion auf breiter Front durch eine Vielzahl von Projekten und Investitionen. A n sich könnten bestehende Ungleichgewichte bezüglich des Angebots und der Nachfrage i n einem oder mehreren Sektoren durch entsprechende Exporte und Importe ausgeglichen werden. Jedoch w i r d dieser Ausgleich durch die Beschränkung der Exportmöglichkeiten i n Entwicklungsländern auf ein oder wenige Produkte (hauptsächlich Rohstoffe) erschwert. Deshalb sind „Diversifizierung" der Produktion und Importsubstitution wichtige Bestandteile der Entwicklungspolitik, die auf Gleichgewicht abzielt. Jedoch zeigt die praktische Erfahrung, daß man nicht zu früh m i t der Importsubstitution beginnen soll, w e i l Importe namentlich i m industriellen Sektor kräftige Nachfrageimpulse erzeugen und an vorgelagerte Produktionsstufen weiterleiten. 53 P. Streeten, Economic Integration, Leyden 1961. Eine gute Ubersicht über die Argumente auf S. 96—131. 64 A. Young, („Increasing Returns and Economic Progress" i n Economic Journal, Dec. 1928, S. 533) hat die Feststellung von A . Smith, nach der die Arbeitsteilung durch die Marktgröße begrenzt ist, auf den Investitionsanreiz (an Stelle der Arbeitsteilung) übertragen. Rosenstein-Rodau (Problems of Industrialisation of Eastern and South-Eastern Europe, i n Economic Journal, 1943, S. 250 ff.) betonte i n diesem Zusammenhang die Bedeutung expansionsfördernder Investitionen u n d Maßnahmen der Beschäftigungspolitik. A n seinen A r b e i t e n knüpfte R. Nurkse (Problems of Capital Formation i n Underdeveloped Countries, 1953) an.

3. Entwicklungsplanung und wirtschaftliches Gleichgewicht

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Die wirtschaftliche Entwicklung zahlreicher Entwicklungsländer — wie z. B. Brasilien und Mexiko — vollzieht sich auf Grund derartiger Nachfrageimpulse des Importsektors. Die Nachfrage muß nur eine bestimmte Mindestgröße aufweisen, u m zu Investitionen i n vorgelagerten Produktionsstufen zu führen. Gerade diese Beobachtung spricht aber für ungleichgewichtige Entwicklungsplanung 5 5 . Eine breite Streuung der Investitionsvorhaben bedeutet bei dem sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Kapital, daß es nirgends zu dem entscheidenden Anstoß („big push") kommt. Mehr noch, die Nachfrage eines Sektors erlangt nur durch deutliche Disproportionen zwischen Angebot und Nachfrage jene Potenz oder Wirkung, die zu Investitionen i n anderen Sektoren f ü h r t 5 6 . Zwei wichtige Voraussetzungen müssen jedoch erfüllt werden. Erstens muß die Infrastruktur ständig ausgebaut werden. Die Nachfrageimpulse des Marktes führen nämlich i n der Regel nicht oder nicht ausreichend zu Investitionen auf diesem Gebiet. Zweitens hängt der Wachstumseffekt entscheidend davon ab, daß die Nachfrageimpulse von solchen Sektoren ausgehen, die besonders eng m i t den übrigen Sektoren der Wirtschaft verkoppelt sind. Die Sektoren sind durch Nachfrage (Einkaufkoppelung) und Angebot (Verkaufs-Koppelung) m i t den übrigen Sektoren der Wirtschaft gekoppelt („Linkage") 5 7 . Der Wachstumseffekt der Nachfrageimpulse ist dann am stärksten, wenn er von Sektoren m i t hoher Kopplung ausgeht. Dies sind i m allgemeinen die Sektoren Eisen und Stahl, Papier, Kohleprodukte, Textilien usw. Jedoch sind die Verhältnisse i n einzelnen Ländern und auf einzelnen Stufen der Entwicklung verschieden. Wichtiger als die Verkaufs-Koppelung (backward linkage) ist die Einkaufs-Koppelung (forward linkage), die erfahrungsgemäß die Investitionsanreize i n anderen Sektoren auslöst. Die Beantwortung der Frage nach Gleichgewicht und Ungleichgewicht hängt darüber hinaus weitgehend davon ab, welche Zeitperioden man ins Auge faßt. Kurz gesagt, kann ein Ungleichgewicht i n einem bestimmten Jahr die Voraussetzung für ein Gleichgewicht zu einem späteren Zeitpunkt sein. Das ist immer dann der Fall, wenn das Ungleichgewicht Investitionen auslöst, die ein Gleichgewicht herstellen. Deshalb muß ein gleichgewichtiges Wachstum nicht nur nach den 55 H. Singer , The Concept of Balanced Growth and Economic Development: Theory and Facts, a.a.O., S. 5—6. Vgl. hierzu auch B. Knall, Wirtschaftserschließung u n d Entwicklungsstufen — Rostows Wirtschaftsstufentheorie und die Typologie von Entwicklungsländern, i n : Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 88, 1962, S. 217—19. 55 A . Hirshman (The Strategy of Economic Development, New York, 1958) hat besonders eindrucksvoll für ungleichgewichtige Entwicklungsplanung plädiert. 67 I n Anlehnung an Chenery und Watanabe bei A. O. Hirshman, The Strategy of Economic Development, a.a.O., S. 98 ff.

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proportionalen Nachfrageveränderungen i n den verschiedenen Sektoren der vergangenen und laufenden Periode sondern auch der zukünftigen Jahre ausgerichtet sein. 4. Konsequenzen für die integrierte Entwicklungsplanung A n sich könnte man annehmen, daß die integrierte Entwicklungsplanung aus ihrer Zielsetzung heraus auf eine Entwicklungspolitik des Gleichgewichts ausgerichtet sei. Die Integration von Einzelplanungen m i t dem Zweck, Engpässe zu vermeiden, welche die ganze Planung gefährden, scheint doch den Prinzipien der großen und wachsenden Zahl von Entwicklungsexperten zu entsprechen, die ein gleichgewichtiges Wachstum anstreben. Das ist aber i n Wirklichkeit nicht der Fall. Werden Einzelplanungen zur Durchsetzung der Entwicklungspolitik integriert, so kann die Entwicklungspolitik den Weg des Gleichgewichts oder Ungleichgewichts beschreiten. Soll beispielsweise durch die bewußte Einplanung von Disproportionen zwischen Angebot und Nachfrage i n einem Sektor ein Investitionsanreiz auf andere Sektoren ausgelöst werden, so ist die Integration der Einzelplanungen ein ebenso adäquates M i t t e l wie das für eine gleichgewichtige Entwicklungspolitik der F a l l ist. M i t anderen Worten, die Technik der integrierten Entwicklungsplanung verlangt vorab eine Entscheidung zugunsten des gleichgewichtigen oder ungleichgewichtigen Wachstums. Für die Praxis der Entwicklungsplanung ist der Umstand von großer Bedeutung, daß nahezu jede Planung bei einem bereits bestehenden Ungleichgewicht einsetzen muß. Ist die Planung ganz auf die Beseitigung dieses Ungleichgewichtes ausgerichtet, so w i r d man am Ende der Planperiode, wie die Erfahrung lehrt, doch keineswegs ein Gleichgewicht erreicht haben 5 8 . Hieraus und aus den obigen Überlegungen leitet sich für die Entwicklungsplanung die brauchbare Regel ab, daß i n dem Fortschreiten der Wirtschaft von einem Ungleichgewicht zu einem anderen auf höherem Produktionsniveau das Gleichgewicht ein brauchbares K r i t e r i u m der Planung ist, sofern es nicht das Fortschreiten der Wirtschaft behindert. Letzteres ist gewiß der Fall, wenn die knappen Produktionsfaktoren auf allzu kleine und allzu viele Projekte aufgeteilt werden 5 9 . Erstens kommt es dann nicht zu dem entscheidenden Anstoß („big push"). Zwei58 M. Fleming , External Economies and the Doctrine of Balanced Growth, in: The Economic Journal, Juni 1958. 59 Vgl, hierzu die angemessene Befürwortung „gestreuter Projekte" von H. Aubry, Small Industry i n Economic Development, Social Research, Sept. 1951.

4. Konsequenzen für die integrierte Entwicklungsplanung

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tens können nicht allzu viele Projekte geplant werden, wenn die Einzelplanungen für jedes Projekt sorgfältig integriert werden sollen. Jedenfalls verbietet die Aufgabenstellung der integrierten Entwicklungsplanung das unübersichtliche Nebeneinander von Projekten, wie es durch nicht koordinierte Expertenarbeit, durch Rahmenversprechen der Politiker aus den Geberländern usw. hervorgerufen wird. Die integrierte Entwicklungsplanung kann also Einzelplanungen insbesondere i n jenen Sektoren durchführen, i n denen auf Grund des bestehenden Ungleichgewichtes die Realisierung der Planziele i n Frage gestellt wird. Dies mag als ein wichtiges K r i t e r i u m für die Auswahl der notwendigen Einzelplanungen dienen. Ferner integriert sie die Einzelplanungen unter Verwendung jener Prioritäten, die die Sektoren m i t hoher Koppelung bevorzugen. Eine nicht zu breite Streuung der Projekte und die Schaffung eines Nachfrageüberhangs i n einzelnen Sektoren empfiehlt sich für eine möglichst nachhaltige Aufwärtsentwicklung. A u f diese Weise zu einem Ungleichgewicht auf höherem Niveau fortschreitend, ist gleichgewichtiges Wachstum ein praktikables Kriterium. Das gilt insbesondere für die Proportionen zwischen kommerziellen Investitionen und Grundlageninvestitionen. Kommerzielle Investitionen sind solche, die — wenn auch nach den Maßstäben entwickelter Volkswirtschaften — einem kommerziellen Interesse der Investoren entsprechen (Sägewerke, ölsaatenfarmen, Mühlen usw.). Grundlagen- oder auch Erschließungsinvestitionen verfolgen kein direkt kommerzielles Interesse. Sie sind auf den Ausbau der Infrastruktur ausgerichtet. Eine gleichgewichtige Proportionierung beider Investitionsarten ist aus verschiedenen Gründen wichtig. Während für die erstere i n den Entwicklungsländern — soweit vorhanden und investitionsbereit — auch private Unternehmer i n Frage kommen, so für die letzteren i m allgemeinen nur die öffentliche Hand. Sie regen die kommerziellen Investitionen an und erhöhen deren Kapitalerträge. Engpässe i n der Infrastruktur w i r k e n — i m Gegensatz zu Engpässen i n den sonstigen Sektoren — nur i n Ausnahmefällen als Investitionsanreiz für kommerzielle Investitionen. Wenn die Entwicklungsländer sich durch eine schwache oder fehlende Koppelung der Sektoren auszeichnen, so ist das hauptsächlich auf eine mangelhafte Infrastruktur zurückzuführen. Deshalb wäre eine integrierte Entwicklungspolitik des Ungleichgewichts, welche die Infrastruktur relativ vernachlässigt, i m allgemeinen zum Scheitern verurteilt. Tatsächlich w i r d man der Infrastruktur immer eine relativ hohe Priorität geben müssen. Man w i r d erst dann von einem Ungleichgewicht, welches die Infrastruktur zu stark betont, sprechen können, wenn die Sektoren, welche sie aneinander koppelt, selber nicht genügend expandieren. Praktisch heißt das, wenn Lehrlinge, Gesellen, Schüler und Studenten ausgebildet, aber keine entsprechenden Arbeits-

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plätze geschaffen, wenn Straßen gebaut, aber nicht Lastkraftwagen und Omnibusse zur Verfügung stehen. Ein solches Ungleichgewicht muß vermieden werden. Auch hier verlangt die integrierte Entwicklungsplanung vorab eine Festlegung der strategischen Prioritäten. Grundlageninvestitionen selber haben nämlich einen geringen direkten Wachstumseffekt, w e i l die Infrastruktur selber ein ungünstiges Input-Output-Verhältnis aufweist. Der indirekte Wachstumseffekt beruht darauf, daß Grundlageninvestitionen das Input-Output-Verhältnis der direkten (kommerziellen) I n vestitionen verbessert. Auch i n dieser Hinsicht sind die westlichen Industrieländer einen anderen Entwicklungsweg gegangen, als es die Ostblockländer tun. So gingen i n den USA und auch i n europäischen Industrieländern vom Sektor der Infrastruktur wichtige Impulse für das wirtschaftliche Wachstum aus. Dagegen hat die Sowjetunion die Grundlageninvestitionen m i t wenigen Ausnahmen — wie etwa das Erziehungswesen — so niedrig wie möglich gehalten und sich auf kapitalproduktive und wachstumsintensive Sektoren m i t hoher Einkaufs- und Verkaufskoppelung konzentriert. Heute bleibt vieles noch nachzuholen, wie vor allem (wenn man von dem Kapitel Landwirtschaft einmal absieht) Wohnungsbau und Distribution einschließlich Verkehr 6 0 . Ohne daß es zu einem drastischen Ungleichgewicht zwischen Grundlageninvestitionen und direkten Investitionen kommen darf, sind doch auch hier verschiedene Entwicklungswege möglich. Darüber entscheiden die strategischen Prioritäten, nach deren Fixierung die integrierte Entwicklungsplanung die notwendigen Einzelplanungen aussucht und koordiniert. Es zählt zu ihren Vorteilen, daß bei einem gegebenen Projekt nichts so klar versteckte Disproportionen zutage treten läßt, wie die Koordinierung der Maßnahmen. So mag bei einem akuten Mangel an Schnittholz die Projektierung von Großsägereien eine typische Maßnahme gleichgewichtiger Entwicklungspolitik sein. Bei der Koordinierung der Einzelplanungen kann sich aber herausstellen, daß dieses Projekt bestehende Ungleichgewichte noch verschärft: die überlastete Energieversorgung bricht zusammen, die Holzflöße blockieren die stark beanspruchten Schiffahrtswege, die rollende Transportkapazität (Straße und Schiene) w i r d durch den Abtransport des Schnittholzes überfordert, qualifizierte und knappe Arbeitskräfte aus der Forstwirtschaft abgezogen und dergleichen mehr. 60 Nach Berechnungen des Verfassers standen Ende der 50er Jahre in der Sowjetunion, BRD und den USA pro Kopf jeweils 8 qm, 18 qm und 23 q m Wohnraum zur Verfügung. A u f eine Einzelhandlung kamen i n Moskau 600, i n Westberlin nur 60 Personen. Vgl. A. Kruse, Der Sowjetische Wohnungsbau, Sonderheft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin, 1961, S. 56.

5. Auswahl der Projekte

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Die integrierte Entwicklungsplanung muß in den Einzelplanungen prüfen, ob die Belastungen i n den anderen Sektoren vorübergehend tragbar sind, Erweiterungsinvestitionen nach sich ziehen werden oder aber solche geplant werden können. Ist alles dies nicht der Fall, dann muß das Projekt auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden: die Beseitigung eines Ungleichgewichts würde bereits bestehende Ungleichgewichte i n gefährlicher Weise vergrößern. So wie von direkten Investitionen her eine bestimmte Proportion zu den Grundlageninvestitionen gewahrt bleiben muß, so ist auch der umgekehrte Vorgang Aufgabe der integrierten Entwicklungsplanung. Die Entwicklungsländer haben immer wieder Klage darüber geführt, daß der Ausbau der Infrastruktur von den Geberländern oder Geberinstitutionen nicht gebührend berücksichtigt worden sei. Immerhin ist i n jüngster Zeit eine stärkere Betonung der Infrastruktur i n der Entwicklungshilfe zu beobachten. So richteten sich bis 1962 nicht weniger als 45 v H der Zusagen aus dem Entwicklungsfonds der EWG auf Projekte der Infrastruktur. Die integrierte Entwicklungsplanung von Infrastrukturprojekten ist nur dann möglich und sinnvoll, wenn durch die Koordinierung der Einzelplanungen sichergestellt ist, daß der Ausbau der Infrastruktur für bestehende oder geplante Produktionskapazitäten erfolgt. Vielleicht hemmt kaum etwas so sehr die Entwicklungsbereitschaft der Bevölkerung wie der Bau von Gewerbeschulen, wo es keine Gewerbelehrer und keine Arbeitsplätze gibt oder ähnliche „ D e n k n ^ l e r " einer nicht koordinierten Planung. Aus diesem Grunde sind die Zusagen der EWG für Grundlageninvestitionen an die Bedingung geknüpft worden, daß ergänzende Direktinvestitionen durchgeführt werden. 5. Auswahl der Projekte Sowohl die Fragen der Prioritäten als auch des wirtschaftlichen Gleichgewichts, die i n den vorstehenden Kapiteln behandelt wurden, sind für die Auswahl von Entwicklungsprojekten von ausschlaggebender Bedeutung. Die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel sind i n der Regel nur i n sehr beschränktem Umfange und vielfach auch nur i n begrenzten Zeiträumen verfügbar. Auch die notwendigen Fachkräfte für die Beratung, Planung und Durchführung stehen nicht i n dem erforderlichen Maße zur Verfügung. Deshalb muß eine sorgfältige Wahl hinsichtlich der verschiedenen Projekte getroffen werden. Vielfach w i r d schon deshalb keine richtige Auswahl getroffen, w e i l keine hinreichende Zahl von brauchbaren Projekten zur Verfügung steht. Viele Entwicklungsländer verfügen heute noch nicht über eine sorgfältig ausgearbeitete Übersicht verschiedener Projekte für die ein-

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I I I . Strategie und Planung

zelnen Sektoren der Wirtschaft. Hierzu bedarf es intensiver Vorstudien und auch einer gewissen Erfahrung i n der Aufstellung von Projekten. Bemühungen internationaler Organisationen, durch die Heranbildung qualifizierter Planungskräfte i n den Entwicklungsländern und auch durch die Beiordnung von Experten, die eigens zu diesem Zweck entsandt werden, sind erst jüngeren Datums. Das Problem der Auswahl von Projekten kann selbstverständlich nur unter der Voraussetzung behandelt werden, daß für die verschiedenen Sektoren der Wirtschaft eine ausreichende Zahl von Projekten erarbeitet worden sind, welche die bestehenden bzw. zu erwartenden Engpässe zu beseitigen i n der Lage sind und sich i n den Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Pläne einfügen. Eine wichtige weitere Voraussetzung ist die, daß für die Auswahl der Projekte i n erster Linie wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgeblich sind. Die bisherigen Erfahrungen m i t der Planung und Durchführung von Entwicklungsprojekten hat gezeigt, daß eine Auswahl der Projekte immer nach verschiedensten Gesichtspunkten erfolgen muß 6 1 . Eine Entwicklungspolitik, die sich i n allen ihren Teilen auf ein einziges K r i t e r i u m wie etwa die Entwicklung der Landwirtschaft oder der Industrie beschränkt, ist schlechthin nicht durchführbar. Vielmehr kommt es darauf an, die für die Auswahl relevanten K r i t e r i e n deutlich herauszustellen und auf eines oder wenige dieser Kriterien das Schwergewicht zu legen. So konzentrieren einige Entwicklungsländer ihre Bemühungen auf die Verbesserung der Rohstoffgewinnung, andere bemühen sich i n erster Linie u m ^ e n Ausbau der Leichtindustrie usw. I n den meisten Entscheidungen, welche die Entwicklungspolitik ständig treffen muß, t r i t t die Alternative bezüglich arbeitsintensiver und kapitalintensiver Projekte i n Erscheinung. A m besten läßt sich die hier auftretende Frage nach der zu treffenden Auswahl m i t Hilfe der drei folgenden K r i t e r i e n umreißen: 1. Maximale Anzahl von Arbeitsplätzen pro Einheit des investierten Kapitals, 2. Maximaler Produktionsausstoß pro Einheit des investierten Kapitals und 3. Maximaler Kapitalgewinn. Legt man das erste K r i t e r i u m zugrunde, so ist den arbeitsintensiven Projekten der Vorzug zu geben. Einfache Produktionsmethoden, die den Einsatz zahlreicher Arbeitskräfte notwendig machen, und verhältnismäßig geringe Investitionen verursachen, kennzeichnen diese A r t von Projekten. Gewöhnlich ist der Mechanisierungsgrad relativ gering und die notwendig werdende Handarbeit spielt eine bedeutende Rolle i m Produktionsablauf 6 2 . Wenngleich auch i n der Regel verhältnismäßig viele ungelernte Arbeitskräfte i n diesen Projekten Beschäftigung finden, so hat doch eine genauere Analyse der arbeitsintensiven Produktions81 62

J. Tinbergen, Design of Development, Baltimore, 1958, S. 25—26. H. Aubry, Small Industry i n Economic Development, a.a.O., S. 114 ff.

5. Auswahl der Projekte

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prozesse i n den Entwicklungsländern immer wieder gezeigt, daß relativ hohe Anforderungen an die Arbeitskräfte gestellt werden. I n der Hauptsache ist hier die teilweise geringe Spezialisierung anzuführen; die Beschäftigten müssen verschiedene und häufig genug keineswegs vorgezeichnete oder typisierte Funktionen ausführen. I n der Mehrzahl der Fälle zeichnet sich diese Produktionsmethode durch relativ hohe Kosten aus. Auch die Qualität der Erzeugnisse läßt mitunter zu wünschen übrig, da erst bei vollmechanisierten Produktionsprozessen eine genauere Qualitätskontrolle möglich wird. I n der Anwendung kapitalintensiver Produktionsmethoden (2. K r i terium) ergeben sich weitaus weniger Schwierigkeiten der Qualitätskontrolle. Auch liegen die Produktionskosten i n der Regel unter denen der vorgenannten Produktionsmethode. Von den Beschäftigten w i r d zwar ein hoher Grad an fachlicher Qualifikation und Spezialisierung verlangt, jedoch sind diese Anforderungen i n Anbetracht der relativ geringen Zahl der Beschäftigten kein besonderes Problem. Kommt hinzu, daß die kapitalintensiven Produktionsmethoden i n den meisten Fällen nach dem Vorbild entwickelter Industrieländer eingeführt werden können. Die industrielle Ausrüstung sowohl als auch die fachliche Beratung steht hier sehr viel leichter zur Verfügung, als für die Einführung arbeitsintensiver Produktionsmethoden m i t geringerem Mechanisierungsgrad, die vielfach heute i n den entwickelten Industrieländern nicht mehr praktiziert werden und deshalb für die Entwicklungsländer neu entwickelt werden müßten. Die ständigen Bemühungen, den unternehmerischen Gewinn zu erhöhen, hat i n den entwickelten Industrieländern zur Einführung von Produktionsprozessen m i t wachsendem Mechanisierungsgrad und steigender Kapitalintensität geführt. Schon daraus ist ersichtlich, daß i n diesen Ländern die kapitalintensiveren Produktionsmethoden i n der Regel auch eine höhere Rentabilität aufweisen. Dieser Erfahrungssatz gilt jedoch nicht immer für die Entwicklungsländer. Hier können kapitalintensive und technisch außerordentlich verfeinerte Produktionsmethoden aus verschiedenen Gründen unrentabel sein. Bekanntlich entstehen durch die nicht fachgerechte Handhabung und Wartung der Maschinen, ferner durch die Verwendung minderwertiger Rohstoffe oder Halbfertigfabrikate usw. immer wieder außerordentlich hohe Produktionsausfälle und Verluste. Aus diesen Gründen kann das K r i terium der Gewinnmaximierung i n den Entwicklungsländern nicht ohne weiteres dem zweiten K r i t e r i u m zugerechnet werden. Außer diesen betriebswirtschaftlichen Überlegungen treten selbst bei einer hohen Rentabilität der kapitalintensiven Produktionsmethoden vielfach außerordentlich hohe volkswirtschaftliche Kosten oder sogar Verluste auf. So können die Ausgaben für die notwendigen Investitionen der Infra-

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I I I . Strategie und Planung

struktur, die Einstellung ausländischer Fachkräfte, der Bezug teuerer Rohstoffe usw. i n deutlichem Mißverhältnis zu der gesamten Wertschöpfung des betreffenden Produktionsprozesses stehen. I n dem folgenden werden drei verschiedene Produktionsmethoden an Hand eines Beispiels charakterisiert: Drei verschiedene Produktionsmethoden: Ein Modell-Beispiel I Produktion (DM) Investiertes K a p i t a l (DM) Z a h l der Beschäftigten Jahresproduktion pro D M investiertes K a p i t a l Investiertes K a p i t a l pro Beschäftigten (DM)

II

III

1000 100 50

1000 1000 20

1000 5000 5

10

1

20

50

0,2 200

Die erste Produktionsmethode (I) zeichnet sich durch eine hohe A r beitsintensität und geringen Mechanisierungsgrad aus. Bei der dritten Produktionsmethode (III) liegen die Verhältnisse umgekehrt. Die zweite Produktionsmethode (II) stellt eine Kombination beider Möglichkeiten dar. Vieles spricht für die Einführung arbeitsintensiver Produktionsmethoden i n den Entwicklungsländern. Das gilt insbesondere für solche Länder, die sich durch eine große Bevölkerungsdichte und einen hohen Grad von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung auszeichnen. Soll die ländliche Arbeitslosigkeit auch i n ihren verschleierten Formen bekämpft werden, so können Arbeitskräfte aus dem agrarischen Sektor abgezogen und i m gewerblichen Sektor beschäftigt werden, ohne daß es zu einer Verminderung des landwirtschaftlichen Produktionsausstoßes kommt. Jedoch entstehen m i t der Einführung arbeitsintensiver Methoden zahlreiche Probleme, die hier nur kurz umrissen werden können. I m allgemeinen lassen sich diese Produktionsmethoden am besten m i t Hilfe von Klein- und Mittelbetrieben durchführen. Die große Zahl der zu errichtenden neuen Arbeitsplätze w i r d auf eine Vielzahl von solchen Klein- und Mittelbetrieben, die über das ganze Land verstreut sind, verteilt. Bekanntlich erfährt das ländliche Einkommen hierdurch eine Aufbesserung, ohne daß es zu den problematischen Einkommensdisparitäten kommt, wie sie bei der Errichtung industrieller Produktionszentren meist städtischen Charakters m i t großbetrieblichen Produktionsmethoden bekannt ist. Andererseits entstehen hier die zahlreichen Probleme, die mit der wirtschaftlichen Entfaltung eines gewerblichen Mittelstandes verknüpft sind. Vielfach fehlen die unternehmerischen Fähigkeiten, die Übersicht über die Marktverhältnisse bezüglich der Produktionsfaktoren und des Produktionsausstoßes ist mangelhaft und die Kleinbetriebe arbeiten unwirtschaftlich und i n technisch un-

5. Auswahl der Projekte

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befriedigender Weise. Vor allem aber ist hervorzuheben, daß der A u f bau einer Vielzahl von Klein- und Mittelbetrieben außerordentlich hohe Anforderungen an die Zahl und Qualifikation der beratenden und exek u t i v tätigen Fachkräfte stellt 6 3 . Ein vielfach recht erfolgreicher Weg besteht darin, arbeitsintensive Klein- und Mittelbetriebe den kapitalintensiven Großbetrieben zuzuordnen. Tatsächlich pflegen durch die Errichtung von Großbetrieben i n Entwicklungsländern vielfältige und empfindliche Engpässe für Zuliefererleistungen aller A r t sowie auch für Leistungen der Weiterverarbeitung (Teilmontage, Verpackung usw.) aufzutreten. Versuche, derartige Engpässe m i t der Erweiterung des Produktionsprogramms der betreifenden Großbetriebe zu überwinden, sind i n der Regel sehr kostspielig und wenig wirksam. Hier fällt den Kleinbetrieben eine wichtige Aufgabe zu, die auch i n den entwickelten Industrieländern nicht von Großbetrieben durchgeführt wird. Es ist jedoch i n der Auswahl der Projekte darauf zu achten, daß die Einführung arbeitsintensiver Produktionsmethoden m i t kleinbetrieblichen Produktionsprozessen nicht losgelöst von der Errichtung von Großbetrieben und dem damit entstehenden Bedarf an kleinbetrieblichen Produktionsleistungen erfolgt. A u f diese Weise läßt sich auch das Problem der technischen und w i r t schaftlichen Überlegenheit der kapitalintensiven und wenig arbeitsintensiven Großbetriebe lösen. Die Frage nach der richtigen Auswahl von Projekten kann hier nicht allein nach dem K r i t e r i u m für eine Maximierung der Wertschöpfung und damit der Sparquote und Kapitalbildung einerseits sowie der Maximierung der Beschäftigungsquote andererseits i n bezug auf ein einzelnes Projekt beantwortet werden. Vielmehr muß die Auswahl von Projekten nach Maßgabe einer vernünftigen Funktionsteilung zwischen großbetrieblichen, d. h. kapitalintensiven, und kleinbetrieblichen, d. h. arbeitsintensiven Produktionsmethoden erfolgen. Selbst i n den Fällen, i n denen eine Funktionsteilung der vorstehend beschriebenen A r t nicht von Anfang an möglich ist, kann es durchaus sinnvoll sein, neben produktiven Großbetrieben auch arbeitsintensive Kleinbetriebe i n demselben Sektor und für dieselbe Produktionsleistung zu errichten. Die Gefahr einer für die arbeitsintensive Produktionsmethode verhängnisvollen Konkurrenz seitens der kapitalintensiven Großbetriebe muß dann durch eine Differenzierung der Märkte gebannt werden. Zahlreiche Entwicklungsländer bieten hierfür ein anschauliches Beispiel, indem ihre kapitalintensiven Großbetriebe m i t hoher Produktivität und hoher Qualität der Produkte ausschließlich für den Export tätig werden, während die Kleinbetriebe m i t niedriger Produktivität und Qualität der Produkte — zumeist auf die ländlichen Ge63 United Nations, Measures for Economic Development of Underdeveloped Countries, New Y o r k 1951, S. 23 ff.

7 Kruse-Rodenacker

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I I I . Strategie und Planung

biete verteilt — für die binnenwirtschaftliche Nachfrage produzieren. Wo also eine Funktionsteilung nicht möglich ist, muß an ihre Stelle eine Marktteilung treten. Gewöhnlich w i r d i m Zusammenhang m i t arbeitsintensiven Entwicklungsprojekten empfohlen, bestimmte Vorhaben zum Ausbau der Infrastruktur und insbesondere der Community Development zu forcieren. Fraglos ist die Arbeitsintensität derartiger Projekte relativ groß. Jedoch ist nicht zu verkennen, daß für die Planung und Durchführung derartiger Vorhaben Fachkräfte und Investitionsmittel i n beträchtlichem Umfange eingesetzt werden müssen. So haben beispielsweise eingehende Kostenanalysen verschiedener Projekte i m Rahmen des Community Developments i n Indien gezeigt, daß die Arbeitskosten i m Höchstfalle nur 40 v H der Gesamtkosten betrugen. Die umfangreichen administrativen Vorbereitungen, die derartige Projekte notwendig machen, wurden kostenmäßig hierbei nicht berücksichtigt 64 . Fassen w i r die verschiedenen Gesichtspunkte, die bei der Wahl zwischen arbeitsintensiven und kapitalintensiven Projekten Berücksichtigung finden müssen, zusammen, so können w i r feststellen, daß i m ersteren Falle zwar eine relativ geringe Produktivität i n Kauf genommen werden muß, andererseits jedoch eine breite Streuung unternehmerischer Tätigkeit und Verantwortung angestrebt wird. Ferner kann die Bedeutung zahlreicher arbeitsintensiver Projekte — über das Land verstreut — für die Berufsausbildung der aktiven Bevölkerung gar nicht hoch genug veranschlagt werden. I m Hinblick auf die niedrige Produkt i v i t ä t könnte man geltend machen, daß dies den Kaufpreis für eine Berufsausbildung auf breiter Front darstellt. Auch für die Stärkung des binnenwirtschaftlichen Kreislaufes zwischen landwirtschaftlichem und agrarischem Sektor bieten breitgestreute und arbeitsintensive Projekte günstige Voraussetzungen. Wenn auf der anderen Seite für die kapitalintensiven und großbetrieblichen Produktionsmethoden eine höhere Produktivität, größere Übersichtlichkeit und geringere Schwierigkeiten i n der Durchführung der Projekte sprechen, so t r i t t hier die ganze Bedeutung der Alternative klar zutage. Sie muß i n den Planungsentscheidungen v o l l und ganz berücksichtigt werden, auch wenn beide Produktionsmethoden i n Gestalt der Funktionsteilung oder der M a r k t teilung Verwirklichung finden. Soll das Schwergewicht auf arbeitsintensiven und kleinbetrieblichen Produktionsmethoden liegen, so können Produktivitätsgewinne, Ersparnisse und Kapitalbildung vielfach nicht i n dem Umfange und auch nicht 64 Der dritte indische 5-Jahresplan strebt eine Synthese der arbeitsintensiven und kapitalintensiven Produktionsmethoden i n verschiedenen Sektoren der Wirtschaft an. Vgl. insbesondere das anschauliche Beispiel der T e x t i l industrie, T h i r d flve-year Plan, a Draft Outline, J u n i 1960, S. 198—199.

5. Auswahl der Projekte

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i n der kurzen Zeit realisiert werden, wie das bei kapitalintensiven u n d großbetrieblichen Produktionsmethoden möglich ist. M i t anderen Worten: die Wahl zwischen den Kriterien der Vollbeschäftigung und der Gewinnmaximierung sind auf das engste m i t der Fristigkeit der Entwicklungsplanung verknüpft. Die Berücksichtigung des ersteren K r i teriums erfordert Geduld i m Hinblick auf die Wachstumsrate des ProKopf-Einkommens, ferner den Einsatz zahlreicher Fachkräfte, die auf weite Gebiete verteilt werden müssen und schließlich auch Maßnahmen der verschiedensten A r t , u m den Ausgleich zwischen inländischem Preisniveau und dem Weltmarktpreis herbeizuführen. Die wesentlich größeren Zeiträume und das langsamere Wachstumstempo als Voraussetzungen für eine solche Vollbeschäftigungspolitik i n den Entwicklungsländern kann nur dann von Erfolg sein, wenn der Wirtschaftsablauf und die Innenpolitik des Landes eine gewisse Kontinuität aufweist. Neben den vorstehend behandelten Kriterien spielen auch noch andere Gesichtspunkte i n der Auswahl der Projekte eine Rolle. Von diesen sei besonders die Frage der Importsubstitution bzw. Exportförderung hervorgehoben. Die durchweg passive Zahlungsbilanz vieler Entwicklungsländer macht es notwendig, von Anfang an die Projekte i n der Weise auszuwählen, daß möglichst große Teile der Importe durch Eigenerzeugung substituiert werden. So einleuchtend die Argumente für eine solche Auswahl von Projekten auch zu sein scheint, so entstehen doch auch hier wiederum zahlreiche Probleme, die eine einseitige Entscheidung von vornherein ausschließen und wiederum eine Kombination alternativer Projekte m i t einem gewissen Schwergewicht als realistische Lösung empfehlen. Aber wo soll das Schwergewicht liegen? Zunächst müssen diejenigen Importe aus der Betrachtung ausgeklammert werden, die i m Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung als nicht vordringlich bezeichnet werden. I n der Regel dienen sie i n verschiedenen Entwicklungsländern als wichtige Einnahmequelle für den Fiskus, indem sie starken Steuerlasten unterworfen werden. Sollen Importe, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes wichtig sind, durch Eigenproduktion substituiert werden, so entsteht immer wieder die Frage, ob die hierfür eingesetzten Produktionskapazitäten nicht anderweitig produktiver verwendet werden können. Diese Frage muß i m Hinblick auf die Exportorientierung und Exportchancen der vorhandenen Produktionskapazitäten und die allgemeine Weltmarktsituation beantwortet werden. Immer wieder zeigt sich, daß die bei geplanten Projekten auftretenden Schwierigkeiten dann besonders gravierend sind, wenn die Projekte für den Export produzieren sollen. E i n Ausgleich der Schwierigkeiten seitens des Binnenmarktes ist wegen der Vielzahl der Möglichkeiten, auf diesen Einfluß zu nehmen, wesentlich größer, als das seitens der Auslandsmärkte der F a l l ist. Aber auch binnenwirtschaftlich i*

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I I I . Strategie und Planung

kann die Substitution notwendiger Importe auf die Dauer ein kostspieliges Unterfangen sein. Lange Investitions-Reifezeiten für die zu errichtenden Produktionskapazitäten und die relative Unbeweglichkeit i m Produktionsprogramm bewirken eine übermäßige Starrheit i m Angebot seitens der eigenen Produktionskapazitäten. Da andererseits die Nachfrage am Binnenmarkt infolge der sich häufenden technologischen Neuerungen ständigen Veränderungen unterliegt, ergeben sich sehr leicht Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage, wie sie bei Importen aus den viel beweglicheren Auslandsmärkten gar nicht auftreten können. I m allgemeinen geht bei fortlaufender Entwicklung der Import der Entwicklungsländer von Konsumgütern i m Vergleich zu den Gesamtimporten zurück, wogegen der Import der Produktionsgüter stark ansteigt. So sank i n Lateinamerika i n den Jahren von 1925—1929 bis 1946—1953 der A n t e i l der Konsumgüterimporte von 12,5 v H auf 5,7 vH. Der Importbedarf wächst nicht nur für Produktionsgüter heftig an, sondern auch für ö l und für zahlreiche Halbfertigfabrikate 6 5 . Wenngleich die Bedeutung der Importsubstitutionen für die Zahlungsbilanz des Entwicklungslandes keineswegs unterschätzt werden soll, so sind sie doch nur mit gewisser Vorsicht als K r i t e r i u m für die Auswahl von Projekten zu berücksichtigen. Sofern die natürlichen Voraussetzungen für die Expansion der Rohstoffexporte gegeben und die Absatzbedingungen günstig sind, sollte der Ausgleich auf dem Wege erhöhter Exportanstrengungen angestrebt werden. Große Aufmerksamkeit muß der Stärkung und Ausdehnung des Binnenmarktes über die Erhöhung des Eigenangebots und der Eigennachfrage gewidmet werden. Dabei kommt den Entwicklungsländern i n immer stärkerem Maße die Tendenz der Produzenten aus den Industrieländern zugute, eigene Produktionskapazitäten m i t importsubstituierenden Funktionen i n den Entwicklungsländern zu errichten. Amerikanische Untersuchungen 66 zeigen, daß i m Jahre 1960 die Umsätze von Auslandsfilialen führender Firmen der westlichen Welt i n entwickelten und aber auch vor allen Dingen unentwickelten Ländern 79 Milliarden $ betrugen; das sind über 50 v H des gesamten Welthandelsumsatzes der westlichen und blockfreien Länder. Für das Jahr 1970 w i r d bei einem jährlichen Anstieg des Welthandelsumsatzes von 5 v H m i t einer Erhöhung der Umsätze auf 150 Millionen $ gerechnet. 95 P.Alpert, Economic Development — Objectives and Methodes, a.a.O., S. 67—79. 86 Booz, A l l e n & H a i l t o n Inc., Management Consultants, The Ermerging W o r l d Enterprise, 1962.

5. Auswahl der Projekte

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Zahlreiche sonstige Kriterien müssen bei der Auswahl von Projekten Berücksichtigung finden, wie etwa Ausbau der Rohstoffproduktion oder Industrialisierung 6 7 und die Gesichtspunkte, die i m Abschnitt „strategische Prioritäten" behandelt wurden. Vor allen Dingen sind auch institutionelle Gesichtspunkte von großer Bedeutung 68 . Gewöhnlich w i r d verschiedenen Projekten eine besondere politische Bedeutung beigemessen, weshalb derartige Projekte Priorität erlangen. Aber auch schon i n der Phase der Projektplanung können subjektive Prioritäten durch umfangreiches Material untermauert werden, die das i n Frage stehende Projekt i n einem besonders günstigen Lichte erscheinen lassen. I n vielen Fällen sind die Expertengruppen, die für kurze Zeit von den entwickelten Industrieländern entsandt werden, nicht i n der Lage, einen solchen subjektiven Trend i n der Projektanalyse klar zu erkennen. Schon die Zusammenstellung der Expertengruppe ergibt i m Hinblick auf die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Experten bezüglich der verschiedenen Kriterien und Prioritäten sowohl als auch i m Hinblick auf ihre entwicklungspolitischen Maxime der Auswahl von Projekten eine gewisse Vorentscheidung. Ist die Mehrheit der maßgeblichen Experten nicht m i t den besonderen Problemen der Industrialisierung des Landes vertraut, so haben entsprechende Projekte eine geringere Chance für ihre Auswahl und Realisierung als bei einer anderen Zusammensetzung der Expertengruppe. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die verschiedensten Projekte der Infrastruktur, Grundstoffindustrie, verarbeitenden Industrie, Landwirtschaft usw. A l l e hier angestellten Überlegungen sind nur dann einer Integration aller Maßnahmen der Entwicklungsplanung dienlich, wenn sie vom einzelnen Projekt aus- auf die Hauptziele, strategischen Prioritäten und Instrumente des gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsplanes h i n projiziert werden. Letztlich muß also die Entscheidung i n der Auswahl von Projekten nach Maßgabe des gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsplanes der i m Rahmen dieses Planes eingeleiteten und für die nahe Zukunft zu erwartenden Maßnahmen erfolgen. I n diesem Zusammenhang ist nicht nur die Frage zu prüfen, welche Engpässe durch die alternativen Projekte am besten beseitigt werden, sondern auch welche neuen Engpässe durch die Realisierung eines bestimmten Projektes zu erwarten sind.

67 W. Guth, Der Kapitalexport i n unterentwickelte Länder, a.a.O., S. 112 ff. «8 E. E. Hagen, Planning Economic Development, Homewood/Ill. 1963, S. 269 ff.

Zweiter

Teil

Erfahrungen mit der Entwicklungsplanung

I.

Elemente der

Entwicklungsplanung

Die Rolle der integrierten Planung in der wirtschaftlichen Entwicklung Von J. P. Thijsse, Den Haag Planung ist ein kontinuierlicher Prozeß: Er endet nie. W i r müssen stufenweise planen: Schritt für Schritt. A u f jeder Stufe sollte soweit wie möglich ein harmonisches Gleichgewicht zwischen sozialen, w i r t schaftlichen und räumlichen Bedingungen vorhanden sein. Die Planung auf den verschiedenen Gebieten sollte derart sein, daß ein zufriedenstellendes Gleichgewicht während des ganzen Entwicklungsprozesses aufrecht erhalten bleibt. Planung muß letztlich auf den Gewinn oder besser auf das Wohlbefinden der Allgemeinheit eines bestimmten Gebietes ausgerichtet sein. Das Gebiet kann dabei sowohl der Teil eines Landes, eine ganze Nation oder sogar eine Ländergruppe sein. Es gibt verschiedene Faktoren, die dieses Wohlbefinden beeinflussen mögen. Wirtschaftliche Faktoren spielen zwar eine große Rolle, aber soziale, räumliche, gefühlsmäßige, psychologische und kulturelle Faktoren sind nicht weniger wichtig. W i r d nur einer dieser Faktoren berücksichtigt, so w i r d dies nicht viel zum Wohlbefinden der Gesellschaft beitragen oder es sogar beeinträchtigen. Es stimmt auch, daß es nicht möglich ist, nur einen Faktor zu entwickeln. Die Entwicklung eines Faktors kann nur dann erreicht werden, wenn darüber hinaus auch andere Faktoren i n Betracht gezogen werden. W i r können das Pro-Kopf-Einkommen i n einem Lande nur dann steigern, wenn die existierenden Produktionsmethoden, z.B. bei Einführung der Industrialisierung oder ihrer Weiterentwicklung, verbessert werden. U m das zu erreichen, brauchen w i r jedoch gut ausgebildete Arbeitskräfte, die bei möglichst guter Gesundheit sein sollten. Das bedeutet, daß w i r neben der wirtschaftlichen Planung ebenso eine Planung der Bildung, des Gesundheitswesens, des Wohnungsbaus und anderer sozialer Einrichtungen vorsehen müssen. Wenn Rohstoffe und Industrieprodukte transportiert werden sollen, brauchen w i r ein verbessertes Verkehrswesen. Außerdem werden w i r

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J. P. Thijsse

für den industriellen und häuslichen Gebrauch eine Wasserversorgung benötigen sowie vieles andere mehr; hierfür ist eine geordnete Raumplanung notwendig. Darüber hinaus w i r d man ein besser entwickeltes System öffentlicher Verwaltung benötigen. Der segensreiche Effekt eines angehobenen w i r t schaftlichen Niveaus würde auch eine Entwicklung des kulturellen Lebens erfordern, die die Gesellschaft auf einen höheren geistigen Stand bringen würde. Es gibt verschiedene Beispiele dafür, daß die Planung dadurch versagte, daß sie einseitig war. Wirtschaftliche Entwicklung kann nur durch räumliche Veränderungen erreicht werden. Das ist eine wesentliche Voraussetzung. Es ist ebenso selbstverständlich, daß jede wirtschaftliche Entwicklung soziale Veränderungen, hervorruft. Räumliche, wirtschaftliche und soziale Umweltsbedingungen sind eng miteinander verbunden. Wie ich schon sagte, sollten sie sich i n einem stetigen harmonischen Gleichgewicht befinden. Dieses Gleichgewicht w i r d jedoch gestört, wenn einer dieser drei Faktoren Veränderungen unterworfen ist. Die Heftigkeit der Störung w i r d sowohl von der A r t der Veränderungen als auch von der Entwicklungsrate des Landes oder des Gebietes abhängen. Die Störung einer entwickelten Gesellschaft durch Veränderungen verschiedenster A r t w i r d nicht so folgenschwer sein wie i n einer auf niedrigerem Entwicklungsniveau befindlichen Gesellschaft. W i r können sogar annehmen, daß ein entwickeltes Wirtschaftsgebilde, nachdem sein Gleichgewicht gestört worden ist, innerhalb eines gewissen Rahmens sich automatisch selbst auf ein anderes, annehmbares Gleichgewicht einstellen wird. T r i t t eine Störung i n einem Wirtschaftsgebilde, das sich auf niedrigerem Entwicklungsniveau befindet, ein, so ist ein automatischer Ausgleich nicht möglich. Das Gleichgewicht kann nur dann wiederhergestellt werden, wenn gelenkte Änderungen auf den anderen Gebieten stattfinden. Störungen dieser A r t können vermieden werden, wenn auf den verschiedenen Gebieten simultan geplante Maßnahmen vorgenommen werden. Die Errichtung eines Staudammes zum Zwecke der Energieerzeugung und Bewässerung erfordert stets eine hohe Kapitalinvestition; jedoch w i r d i n fortgeschrittenen Ländern diese Investition den öffentlichen Haushalt wenig belasten. I n weniger entwickelten Ländern mag die Errichtung eines solchen Dammes den größten Teil der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel verschlingen, und dementsprechend w i r d das wirtschaftliche Gleichgewicht i n hohem Maße gestört. Es werden gelenkte Anpassungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet notwendig, u m negative Folgen zu vermeiden. M i t anderen Worten: Integrierte

Planung in der wirtschaftlichen Entwicklung

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Planung ist i n Ländern m i t einem niedrigen Entwicklungsniveau dringender nötig als i n den entwickelten Ländern. Integrierte Planung bedeutet hierbei, daß man bei der Ausführung eines Planes mehr als eine Aktionssphäre berührt. I n vielen Fällen war es z. B. klar, daß die Weltbank bei der Bewertung der vorgeschlagenen Projekte auf ihre Rentabilität h i n meistens nur die wirtschaftlichen Ergebnisse berücksichtigte, da für nichtwirtschaftliche Auswirkungen noch kein Bewertungssystem entwickelt worden ist. Daneben bestand die Gefahr, daß sich die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen i m wesentlichen auf die Gebiete ihrer eigenen Richtung beschränkten und die anderen dabei vergaßen. A u f der anderen Seite arbeitete die UNESCO zum größten Teil auf breiter, integrierter Grundlage, wodurch jedoch ihre Studien nicht so tiefgehend sein konnten und für ihre Forschungsprojekte die notwendigen M i t t e l fehlten. Es gab auch noch andere Unzulänglichkeiten. Die Fachleute der U N wurden am Anfang für zu kurze Zeiten verpflichtet. I n diesen kurzen Zeiten waren sie oft nicht i n der Lage, sich den Bedingungen des Landes anzugleichen, das sie zu beraten hatten, und die Nöte und Forderungen der Bevölkerung zu verstehen. Manchmal fehlte die Stetigkeit der Planungsgruppen. Es war auch zu beobachten, daß die Berater ihre Ratschläge unterbreiteten, ohne dabei genügend die Meinung der örtlichen Fachleute zu berücksichtigen, die i n vielen Fällen über die örtlichen Bedingungen besser informiert waren. Allmählich sind sich die internationalen Behörden ihrer Unzulänglichkeiten i n bezug auf integriertes Planen bewußt geworden und konnten viele davon beseitigen. Das Konzept der integrierten Planung wurde inzwischen allgemein anerkannt. Der Bericht „Integrated River Basin Development", der 1958 durch einen Expertenausschuß zusammengestellt wurde (UN Publ. Nr. 58 II, B. 3), trug viel zu der Überzeugung der Planer der verschiedenen Disziplinen bei, daß einseitiges, auf ein Gebiet beschränktes Planen nur sehr wenig Sinn hat, sondern daß eine integrierte Planung wichtig ist. Es ist auch nicht zu verkennen, daß die UN-Berater i n den Entwicklungsländern, die früher oft eine belehrende Haltung einnahmen, sich nun auf gleicher Ebene mit den örtlichen Fachleuten zusammenfinden. Ein Beispiel dafür sind die Studien bezüglich des Hanshingebietes (in der Provinz Kinki) i n Japan während der Sommer 1960 und 1962, als die Beratung durch eine UN-Gruppe, bestehend aus sechs Fachleuten, i n Zusammenarbeit m i t einem Team von zehn japanischen Fachleuten durchgeführt wurde, und diese als Resultat den entsprechenden Behörden einen gemeinsamen Bericht vorlegte.

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J. P. Thijsse

Noch immer sind jedoch einige Mängel vorhanden, die m i t der Hilfe der U N und ihrer angegliederten Körperschaften zusammenhängen. Ihre Verwaltungsapparate m i t dem üblichen Papierkrieg sind enorm gewachsen. Außerdem spielt die U N und die angegliederten Körperschaften für die integrierte Planung oft die Rolle eines Pusselspiels, dessen Teile nicht ganz zusammenpassen und die i m ganzen gesehen nicht das ganze Feld abdecken. Diese Mängel können vermieden werden, wenn man statt der m u l t i lateralen Hilfe eine bilaterale einführt. Bilaterale Hilfe hat den Vorteil, eine Einheit von M i t t e l und Zweck bezüglich eines besonderen Programmes zu erreichen. Das ist natürlich eine Voraussetzung für integrierte Planung. Welche politischen Vorteile auch immer die multilaterale, technische Hilfe haben mag, i n einigen Fällen kann bilaterale Hilfe wirksamer und auch leichter für die beteiligten Körperschaften sein. Multilaterale und bilaterale technische Hilfe sollten sich einander ergänzen. Bis heute warten w i r noch immer auf eine ideale Lösung, bei der eine gut organisierte Grundlage für fachmännische Hilfe i n einer integrierten Weise geschaffen werden kann. W i r haben sicherlich den Bemühungen, die i n diese Richtung zeigen und bei denen die betreffenden Institutionen versuchen, von den gefährlichen Klippen ihrer Tätigkeit freizukommen, große Beachtung zu schenken. Als solches verdienen beispielsweise die Bemühungen der Ford-Stiftung i n dem großstädtischen Gebiet von K a l kutta besondere Erwähnung. Sind die zur Verfügung stehenden M i t t e l knapp, so wäre ihre Verbreitung über ein ganzes Gebiet Verschwendung. Man sollte dann sorgfältig untersuchen, auf welchen Wegen das zur Verfügung stehende Kapital gebraucht werden sollte. Das könnte dadurch geschehen, daß man ein kleines Gebiet auswählt, i n dem ein ausgeglichenes Investitionsprogramm, das zu integrierter Entwicklung führt, m i t den zur Verfügung stehenden M i t t e l n durchgeführt werden kann. Man mag das zur Verfügung stehende Kapital auch für die Entwicklung bestimmter Ausgangspunkte verwenden (spear-point-theory von Hirschman). Diese A r t wäre z.B. anwendbar, wenn die Entwicklung der Ölindustrie möglich ist und dies zu schnellen und kontinuierlichen Ergebnissen führt. Diese können dann wiederum dazu benutzt werden, weitere Entwicklungen i n anderen Gebieten zu finanzieren. Ist die Lücke zwischen den Quellen und Erfordernissen sehr groß, so ist die Entwicklung eines begrenzten Gebietes der einzige Weg, obwohl er aus politischer Sicht schwer zu gehen sein mag. Es sollte klar sein, daß Planung Geld kostet. Trotzdem sind die Kosten der Planung sehr niedrig i m Vergleich zu dem A u f w a n d für die Aus-

Planung in der wirtschaftlichen Entwicklung

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führung der Pläne. Viele Regierungen der Entwicklungsländer beginnen nur w i d e r w i l l i g aus eigener Initiative die Planung. Man kann wohl sagen, daß sich die Entwicklungsländer m i t weniger Planungen befaßt hätten, wenn die Technische Hilfe für die Planung nicht von den U N oder den angeschlossenen Körperschaften oder durch bilaterale A b machungen angeboten worden wäre. Die Folge davon ist, daß die Entwicklungsländer begonnen haben, über große Projekte nachzudenken, die sie i n die Lage versetzen würden, aus dem Teufelskreise, i n den sich ihre Entwicklung verstrickt hatte, herauszukommen. I n einem solchen Falle sollten diejenigen, die dafür verantwortlich sind, sich darüber i m klaren sein, daß neben der Planung und Ausführung der Staudämme, Stahlwerke oder Häfen noch viel bezüglich anderer Aspekte des Planens, des Vorbereitens und der Ausführung getan werden muß. A u f diese Weise werden kostspielige und nutzlose „Entwicklungsdenkmäler" i n Gestalt von sinnlosen Einrichtungen vermieden. Wenn genügend M i t t e l zur Verfügung stehen und die richtige Planungsgruppe verpflichtet werden kann, so ist es möglich, einen harmonischen Plan integrierter Entwicklung zu entwerfen, bei dessen Ausführung das geforderte Gleichgewicht während des ganzen Durchführungszeitraumes und danach erhalten bleibt. Es gibt i n solchen Fällen sogar verschiedene Alternativen, zwischen denen man wählen kann. Z u meinem Bedauern muß ich jedoch sagen, daß ich nicht von einem einzigen Beispiel weiß, bei dem ein solcher, vollkommen integrierter Planungsversuch unternommen wurde. Da sich Planung i n den Entwicklungsländern mit grundlegenden nationalen Fragen befaßt, ist sie eng mit der Politik verwoben. Da die Politiker außerdem die Entscheidung darüber zu fällen haben, ob der Plan ausgeführt werden soll, ist eine intensive, kontinuierliche Kooperation zwischen den Planungsgruppen und den Politikern wichtig. Die Fortführung der notwendigen Projekte, ihr E n t w u r f und ihre Durchführung, die Ausbildung oder der Import der erforderlichen A r beitskräfte, ihre Unterbringung und ihre anderen Lebensbedingungen müssen i m voraus studiert und berücksichtigt werden. I n vielen Fällen beginnt man i n den Entwicklungsländern unter A n fangsbedingungen, i n denen die Landwirtschaft unterentwickelt und eine moderne Industrie überhaupt noch nicht entwickelt worden ist. Außerdem mag es eine große Anzahl Arbeitsloser geben, und es mag verdeckte Arbeitslosigkeit vorhanden sein. Es w i r d dann die Frage gestellt werden, wie die Lebensbedingungen der Bevölkerung nachhaltig verbessert werden können. Aber eine allgemeine A n t w o r t auf diese Frage kann nicht gegeben werden. Jeder Fall erfordert eine besondere Lösung.

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J. P. Thijsse

Es ist klar, daß das „richtige" Verhältnis von Industrialisierung, Intensivierung der Landwirtschaft, Investitionen i n der Infrastruktur, Erziehung, Ausbildung und öffentlichem Gesundheitswesen i n den verschiedenen Ländern unterschiedlich ist. Auch hier gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Jedes Land w i r d seinen eigenen Weg integrierter Planung erfordern. Die Übertragung des i n dem einen Land Unternommenen auf ein anderes Land ist eine gefährliche Sache.

Planziele und Prioritäten i n Entwicklungsprogrammen Von V. K. R. V. Rao, New Delhi Planung setzt die vorherige Fixierung der Ziele, deren Erreichung geplant werden soll, voraus. Dort, wo nur ein Ziel vorhanden ist, wie z. B. i m Kriegsfalle, ist das Planen verhältnismäßig einfach, selbst wenn man auch i n diesem Falle zur integrierten Planung greifen muß, wenn man die Chancen, das Ziel zu erreichen, maximieren w i l l . Die Entwicklungsplanung hat nicht nur ein einziges Ziel, wie z. B. die Maximierung der Produktion. Selbst i n Ländern, die nicht über eine demokratische Gesellschaftsordnung verfügen und i n denen es daher möglich ist, zu reglementieren, hat der Planer die Gefühle und Motive der Menschen i n Betracht zu ziehen. I n demokratischen Ländern, die über ein Vielparteiensystem verfügen und i n denen Rechtssicherheit und die persönliche Freiheit garantiert sind, w i r d der Planer Gesichtspunkte der Einkommensverteilung und Beschäftigungslage, wie auch die sozialen und kulturellen Implikationen der wirtschaftlichen Entwicklung bei der Formulierung der Planziele berücksichtigen müssen. Das beste Beispiel dafür ist Indien, das einen ganzen Komplex von Planungszielen zu formulieren hatte und nicht ein einziges Ziel, was die Aufgabe der Planung etwas weniger schwierig gemacht hätte. Bei einer Betrachtung der drei aufeinanderfolgenden Pläne kann man feststellen, daß die Ziele i n allen drei Plänen die gleichen geblieben sind, und zwar höhere Produktion, bessere Verteilung und höhere Beschäftigung m i t dem zusätzlichen Wunsch einer sich selbst tragenden wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen Betonung der Grundstoff- und Schwerindustrien. Es war den indischen Planern von Anfang an klar, daß diese Ziele, obwohl man sie unter den allgemeinen Begriff der Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft zusammengefaßt hatte, i n sich den K e r n gegenseitiger Kontradiktion und Konkurrenz — wenigstens i n kurzer Sicht — trugen. Da all dies Planziele waren, war es nicht möglich, zwischen ihnen gewisse Prioritäten zu schaffen. I m Gegenteil lag die Betonung auf einem Gleichgewicht und einer gleichzeitigen Erreichung all dieser verschiedenen Ziele. So stellte man i m ersten Plan fest: „Keines dieser Ziele kann bis zum Grade des Ausschlusses eines anderen verfolgt werden. Ein Entwicklungsplan hat alle Ziele i n ausgewogener Weise zu betonen."

112

V. K. B. V. Hoa

Die indische Erfahrung hat klargemacht, daß die Entwicklungsplanung ein schwierigerer Prozeß ist als die Kriegsplanung, daß die Ziele der Entwicklung vielseitig und konkurrierend sind und daß man sie nicht i n einer bestimmten Reihenfolge nacheinander verfolgen kann, sondern daß sie gleichzeitig angestrebt werden müssen. Das bedeutet jedoch nicht den Ausschluß der Zuordnung gewisser Prioritäten i n der Form der Anwendung verschieden starker Mittel, die zu verschiedenen Zeitpunkten für die Erreichung bestimmter Ziele und damit für die Durchführung der verschiedenen Programme i n kurzer Sicht eingesetzt werden. Die Erfahrung hat ferner gezeigt, daß eine Harmonie zwischen den Zielen und eine ausgeglichene Entwicklung durch die Einführung langfristiger Planung (von 15 bis 25 Jahren), i n deren Rahmen kurzfristige Pläne, wie z. B. Fünfjahrespläne usw., formuliert und ausgeführt werden können, erreicht werden kann. Bei gegebenen Planzielen und ihrer Harmonisierung durch langfristige Planung stehen w i r zunächst vor der Frage, ob w i r eine ausgeglichene oder eine unausgeglichene Entwicklung anstreben sollten. Die A n t w o r t auf diese Frage hängt davon ab, was w i r unter dem Begriff „gleichgerichtete wirtschaftliche Entwicklung" verstehen. Verstehen w i r unter ausgeglichener Entwicklung, daß sich alle Produktionssektoren simultan und i n gleichem Maße entwickeln sollen, so w i r d die A n t w o r t zweifellos negativ ausfallen. Die Wirtschaftsgeschichte aller entwickelten Länder zeigt das Vorhandensein dreier Elemente, und zwar die Anwendung der Wissenschaft und Technik auf den Produktionsprozeß, den Gebrauch von Maschinen und nicht manueller Energie und ein Anwachsen der Rolle der sekundären und tertiären Sektoren der Wirtschaft i m Gegensatz zur sich verringernden Rolle des primären Sektors. I n der Tat begannen die entwickelten Länder ihre Entwicklung m i t einer Struktur der Berufe und der Produktionsprozesse, die derjenigen ähnelt, die gewöhnlich heute i n den Entwicklungsländern anzutreffen ist. I m Laufe des Entwicklungsprozesses unterlagen die Produktionsprozesse und die Berufsstrukturen grundlegenden Änderungen, und diese Entwicklung setzt sich noch immer fort. Wirtschaftliche Entwicklung kann daher nicht eine Beibehaltung der gleichen wirtschaftlichen Struktur und ihre simultane und proportionale Entwicklung an allen Stellen bedeuten. I n der Literatur hat jedoch der Begriff der ausgeglichenen Entwicklung eine etwas andere Bedeutung. Der Fall der unausgeglichenen, schwerpunktmäßigen, wirtschaftlichen Entwicklung leitet sich wiederum aus der Wirtschaftsgeschichte ab und bezieht sich auf die Tatsache, daß i n einer Anzahl entwickelter Länder bestimmte Industrien oder Sektoren die schnelle wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Volkswirt-

Planziele und Prioritäten in Entwicklungsprogrammen

113

schaft ausgelöst haben. Gewisse Erfahrungen und Beobachtungen scheinen jedoch darauf hinzuweisen, daß das Herausgreifen einer bestimmten Industrie oder eines Sektors und die überproportionale Steigerung seines Wachstums so lange nicht der richtige Weg zur Erreichung w i r t schaftlicher Entwicklung ist, solange nicht andere, unterstützende Faktoren vorhanden sind, die auf einen Ausgleich i n der Entwicklung hinwirken. Es gibt jedoch eine A r t der „unausgeglichenen" (schwerpunktmäßigen) Entwicklung, die dazu beiträgt, das wirtschaftliche Wachstum zu beschleunigen: Dies ist der Fall, wenn sich die unausgeglichene Entwicklung auf Gebiete bezieht, die heute allgemein als wirtschaftliche und soziale Gemeinkosten oder die Infrastruktur der wirtschaftlichen Entwicklung bezeichnet werden. Der Fall der ausgeglichenen wirtschaftlichen Entwicklung beruht auf den umfassenden intersektorialen Zusammenhängen, die zwischen verschiedenen Industrien und Wirtschaftssektoren sowohl auf der Seite des Inputs als auf der des Outputs bestehen. I n den meisten Fällen ist das Wachstum einer gegebenen Industrie oder eines Sektors nicht möglich, wenn nicht gleichzeitig ein ausgeglichenes Wachstum anderer damit verbundener Industrien oder Sektoren stattfindet. Befindet sich die Entwicklung nicht bis zu einem bestimmten Grade i m Gleichgewicht, so w i r d die wachsende Wirtschaft zwangsläufig m i t Engpässen und Überbeständen zu t u n haben, die wiederum zu strukturellen Ungleichgewichten führen und die Geschwindigkeit des wirtschaftlichen Wachstums hemmen. Während eine ausgeglichene wirtschaftliche Entwicklung nicht die simultane und gleichmäßige Zunahme aller Industrien und Sektoren der Wirtschaft bedeutet, umfaßt sie eine solche Entwicklung aller m i t einander verbundener Industrien und Sektoren, wie sie notwendig ist, u m ein strukturelles Gleichgewicht aufrecht zu erhalten und ein integrales Wachstum der Wirtschaft zu erreichen.

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung Von B. Higgins. Austin/Texas 1. Beschäftigung Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind neben einer niedrigen Arbeitsproduktivität wichtige Merkmale weniger entwickelter Volkswirtschaften. Dadurch entstehen i n Ländern m i t niedrigem Einkommen möglicherweise Konfliktsituationen. Da i n vielen dieser Länder K a p i t a l knapp ist und ungelernte Arbeitskräfte jedoch i m Überfluß vorhanden sind, können sie es sich nicht leisten, K a p i t a l zu vergeuden. Die Situation w i r d dadurch noch erschwert, daß bei vielen arbeitsintensiven Produktionstechniken die Kapitalproduktivität niedrig ist. Die technischen Koeffizienten (die Verhältnisse, i n denen verschiedene Faktoren eingesetzt werden) können i n vielen Fällen ohne ein kräftiges Ansteigen des Kapitalkoeffizienten wenig verändert werden. Darüber hinaus w i r d der technische Fortschritt, der sich i m wesentlichen die Einsparung menschlicher Arbeitskräfte zum Ziel setzt, gleichzeitig m i t Erhöhung der Arbeitsproduktivität den Umfang der Arbeitslosigkeit vergrößern. Es bestehen einige wichtige Unterschiede zwischen der heutigen Situation der Entwicklungsländer u n d der von Europa, Nordamerika, Australien und Asien zu Beginn ihrer industriellen Revolution 1 . Die Pro-Kopf-Einkommen waren zu dieser Zeit verhältnismäßig hoch und damit die Kapitalbildung einfacher. Ferner waren die ideologischen und sozialen Voraussetzungen für die Kapitalbildung günstiger. Der Bevölkerungszuwachs w a r niedriger und dadurch das Arbeitskräfteproblem weniger akut. Die Ausweitung des Welthandels diente i n einer Weise als „Wachstumsmotor", w i e es i n den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich nicht mehr der F a l l sein wird. Der wichtigste Unterschied i m Zusammenhang m i t den vorliegenden Ausführungen w a r der, daß die nun entwickelten Länder die Überführung von landwirtschaftlich zu industriell geprägten Volkswirtschaften nicht unter der Belastung großer Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung durchzuführen hatten. Z u sammenfassend kann w o h l gesagt werden, daß die gleichzeitige Lösung der Probleme niedriger Produktivität und niedrigen Einkommens auf der einen Seite und Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung auf der i Vgl. B. Higgins, Economic Development: Problems, Principles and Policies, New Y o r k 1959, Kap. 10.

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

115

anderen Seite i n den Entwicklungsländern wesenlich höhere Investitionen i m Verhältnis zu dem dadurch erreichten Einkommenszuwachs benötigt, als dies seinerzeit bei den inzwischen hoch entwickelten Volkswirtschaften der F a l l war. Einkommensziele

im Gegensatz zu Beschäftigungszielen

Entwicklungspläne und Programme, die bezüglich der Wachstumrate und der Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens durchaus zufriedenstellend sein mögen, können i m Hinblick auf die Verringerung der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung durchaus imbefriedigend sein. Formuliert man die Entwicklungspläne nur i n Hinsicht auf die Schaffung zusätzlichen Einkommens, so kann dies bezüglich der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zu einer bloßen Projektion von Trends der Vergangenheit i n die Zukunft führen. Beispiele dafür sind Brasilien und Mexiko, die ihre Beschäftigungsprobleme bis jetzt noch nicht lösen konnten, obwohl sie seit dem zweiten Weltkrieg hohe Wachstumsraten aufweisen. Selbst Länder, die nach beschäftigungsorientierten Plänen arbeiteten, wie z.B. Indien und Italien, mußten feststellen, daß ihre Pläne für diese Zwecke nicht ausreichten. Technischer Fortschritt,

Beschäftigung

und

Dualismus

Die seit dem zweiten Weltkrieg stattfindende umfangreiche Bevölkerungsbewegung i n die Städte hat einen Teil der Unterbeschäftigimg, der Arbeitslosigkeit und der niedrigen Produktivität von ländlichen i n städtische Gebiete übertragen. Trotzdem sind diese Probleme i n den meisten Entwicklungsländern i n ländlichen Gebieten noch am stärksten. Die Investitionen konzentrierten sich i m wesentlichen auf die „modernen" Sektoren: Plantagen, Bergwerke, ölfeider, der Transport und dam i t verbundene Gebiete. Durch den kapitalintensiven Charakter dieser Investitionen wurde ein geringer Zuwachs i n der Beschäftigung als i m Ausstoß und i m Export erreicht. Da die Industrialisierung jedoch zu der Schaffung eines öffentlichen Gesundheitswesens sowie einer gewissen Rechtsstaatlichkeit führte und durch die Verbesserung der Transportwege die Gefahr von Hungersnöten verringerte, führten diese Investitionen zu einer „Bevölkerungsexplosion". Die vorgenommenen industriellen Investitionen führten also zu einem schnellen Wachstum des Personenkreises, der nun i n den anderen Sektoren, nämlich der bäuerlichen Landwirtschaft und der Kleinindustrie sowie deren Finanzierung, dem Transport und den damit verbundenen Tätigkeiten (also dem als „traditionell" bezeichneten Sektor) zu beschäftigen war. Solange noch fruchtbarer Boden i m Überfluß vorhanden war, konnte der traditionelle Sektor weitere Arbeitskräfte aufnehmen, ohne daß 8*

116

B. Higgins

dadurch das Sinken des Pro-Kopf-Einkommens oder Arbeitslosigkeit hervorgerufen wurde. I n dem gleichen Maße jedoch, i n dem fruchtbarer Boden rar wurde, sanken i m traditionellen Sektor die Arbeitserträge und man hatte m i t der Unterbeschäftigung zu kämpfen. Der technologische Fortschritt beschränkte sich immer mehr auf den modernen Sektor, i n dem ausgebildete Arbeitskräfte knapp waren und für den Kapital zur Verfügung stand. Arbeitsparende Erfindungen schienen sich auf diesem Gebiet zu lohnen. Demgegenüber gab es i m traditionellen Sektor, i n dem Arbeitskräfte i m Überfluß vorhanden waren, keine Anreize, arbeitsparende Techniken einzuführen. Die Produktivität und die Einkommen dieser beiden Sektoren entfernten sich so immer weiter voneinander. Manchmal wurde die Anziehungskraft des führenden Sektors so groß, daß die Entwicklung der bereits benachteiligten Sektoren sogar rückläufig wurde. Dieses Problem t r i t t ganz besonders dann auf, wenn Sektoren und Regionen sich überschneiden. Die Identifizierung notleidender und führender Sektoren m i t notleidenden und führenden Regionen kompliziert weiterhin die Aufgabe der Neuverteilung vorhandener Hilfsquellen. I n einigen Ländern beschränkt sich der führende Sektor auf einige wenige Städte. Unter diesen Bedingungen des technologischen Dualismus ist es durchaus möglich, i m modernen Sektor durch umfangreiche Investitionen einen zufriedenstellenden Zuwachs i m Pro-Kopf-Einkommen dieses Sektors zu erreichen, ohne daß bei der Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit auf dem traditionellen Sektor irgendwelche Fortschritte erzielt werden. Beispiele hierfür sind Brasilien, Italien und Mexiko. So eindrucksvoll die vorgenommenen Investitionen i m modernen Sektor durchaus sein mögen, sie schaffen nicht einmal so viel neue Beschäftigungsmöglichkeiten, daß dadurch eine relative Verringerung des i m traditionellen Sektor lebenden Bevölkerungsteiles, geschweige denn eine absolute Verringerung der Bevölkerung dieses Gebietes erreicht wird. I n den schlimmsten Fällen sind die notleidenden Sektoren und Gebiete m i t weniger hoch entwickelten sozialen Gruppen verbunden. I n diesen Fällen bedeutet die Überführung von Personen aus Berufen niedriger Produktivität i n Berufe m i t höherer Produktivität nicht nur ihre Überführung von einem Teil des Landes i n einen anderen, sondern außerdem ihre Verpflanzung von einem sozio-kulturellen Rahmen i n einen anderen. So sind z. B. für einen brasilianischen Bauern des Nordostens oder einen mexikanischen Bauern des Südens sowohl die geographischen als auch die kulturellen Entfernungen, die er zurückzulegen hat, u m einen Arbeitsplatz i n einem fortschrittlichen Sektor der Gesellschaft zu erhalten, sehr beträchtlich.

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

117

Wenn sich sowohl der technologische als auch der soziologische Dualismus i n einem Lande auszuwirken beginnt, so pflegt ein gewisser „feedback"-Mechanismus aufzutreten. Durch die Bevölkerungsbewegungen von einem Sektor zum anderen w i r d gewöhnlich die Qualität der Bevölkerung gemindert, ohne daß ihre Quantität verkleinert wird. Die am besten ausgebildeten, fortschrittlichsten, ehrgeizigsten Männer und Frauen verlassen die zurückgebliebenen Gebiete, u m i n den fortschrittlichen zu arbeiten. A u f diese Weise verliert das notleidende Gebiet auch noch die Qualitäten, die es für einen Wiederaufbau und für eine Umkehr des negativen Trends dringend benötigte. Zur gleichen Zeit leiden Entwicklungsländer auf der anderen Seite der Bevölkerungsbewegung an städtischer Übervölkerung, Slums und Arbeitslosigkeit i n den städtischen Gebieten. Bis zu einem bestimmten Grade scheint also der Konflikt zwischen der Maximierung des Einkommens und der Maximierung der Beschäftigung als ein Konflikt zwischen dem Bestreben, Vorteile aus der größeren Produktivität der Investitionen i n dem modernen Sektor oder dem führenden Gebiet zu ziehen und dem Bestreben, i m traditionellen Sektor oder i n notleidenden Gebieten Beschäftigung zu schaffen. I n vielen — wenn nicht den meisten — Fällen werden zusätzliche I n vestitionen i n den bereits gut entwickelten Sektoren und Gebieten mehr zum Volkseinkommen beitragen, als Investitionen i n gleicher Größe i n stagnierenden oder zurückfallenden Gebieten. V o m Gesichtspunkt der Vergrößerung des Volkseinkommens kann die Regierung nur unter ganz bestimmten, ziemlich speziellen Bedingungen für eine Verschiebung der Investitionen von fortschrittlichen auf zurückgebliebene Gebiete intervenieren: I n den Notstandsgebieten müssen umfangreiche Investitionen vorhanden sein, die bis zu diesem Zeitpunkt (unter den herrschenden politischen Richtungen) für private Unternehmer noch nicht attraktiv erscheinen; die Investitionsprojekte müssen wirtschaftlich sein, und das Verhältnis des Ausstoßes zum eingesetzten Kapital muß bei allen diesen Projekten größer als bei irgendeiner Investition gleicher Größe i n einem der fortschrittlichen Gebiete sein. Es ist fraglich, ob solche Fälle sehr häufig zu finden sind. Technischer Fortschritt,

Beschäftigung

und

Mobilität

W i l l man die durch den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gebotenen Möglichkeiten einer Einkommenserhöhung ausnutzen, ohne das Beschäftigungsproblem zu vergrößern, so sind dazu sowohl ein Investitionsbudget erheblichen Umfanges als auch eine ausreichende berufliche und geographische Mobilität Voraussetzung. Besteht nun die Gefahr, daß die Immobilität der Arbeitskräfte die Nutzung der fortschrittlichen Techniken selbst dann verhindert, wenn die Kapitalversor-

B. Higgins

118

gung ausreichend ist? A u f diese Frage kann keine sichere A n t w o r t gegeben werden. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß dann, wenn attraktive Arbeitsplätze, Transportmöglichkeiten und Umschulungsmöglichkeiten geboten werden, i n den meisten Ländern die soziokulturellen Hindernisse bezüglich einer ausreichenden Mobilität ziemlich einfach überwunden werden können 2 . Mobilität

und

Ausbildung

Berufliche Mobilität trägt wesentlich zu einer räumlichen Mobilität bei, und Bildung und Ausbildung wiederum vergrößern die berufliche Mobilität. Die Schaffung von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten ist i n der Tat wahrscheinlich die wichtigste Maßnahme, u m die Früchte wissenschaftlichen und technischen Fortschrittes zu ernten und gleichzeitig Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit zu verringern. A n dieser Stelle scheint m i r jedoch ein Wort der Vorsicht angebracht. Gelegentlich w i r d die für ein bestimmtes Entwicklungsprogramm notwendige Erziehung und Ausbildung auf Grund der für die i m Entwicklungsplan gesetzten Ziele notwendigen Arbeitskräfte bestimmt, wobei zu deren Bestimmung gewisse, von den Erziehungsplanern entwickelte Zusammenhänge berücksichtigt werden. Diese Methode ist jedoch aus zwei Gründen ungenügend: Erstens berücksichtigt sie nicht den Wert der Erziehung als „Konsumgut", zweitens sollte die Produktionsstruktur selbst nicht ohne Rücksicht auf die Ausbildungserfordernisse der einzelnen Produktionszweige bestimmt werden. Die Produktionsstruktur und das dafür aufgestellte Investitionsprogramm muß die relativen Kosten der verschiedenen, notwendig werdenden, Erziehungsprogramme m i t berücksichtigen. Zur gleichen Zeit muß die Ausbildungsstruktur wenigstens teilweise auf die Anforderungen des Produktionssektors abgestimmt sein. Kurz gesagt, sollten die Investitionen auf dem Gebiet der Erziehung und auf allen anderen Sektoren des Entwicklungsprogrammes i n gegenseitiger Abhängigkeit bestimmt werden. Produktionsstruktur

und Wahl der technologischen Verfahren

Die durch einen bestimmten Investitionsumfang geschaffene Beschäftigung hängt zum Teil von der Produktionsstruktur und zum Teil von den gewählten technologischen Verfahren ab. A u f den ersten Blick mag es erscheinen, als ob Entwicklungsländer, i n denen das Kapital knapp ist und die ungelernten Arbeitkräfte i m Überfluß vorhanden sind, den Gesamtkapitalkoeffizienten einfacher durch die Wahl einer bestimmten 2 Diese Frage w i r d ausführlicher i n Band I I des UNESCO-Report „Social Aspects of Economic Development i n L a t i n America", v o n M . Echavarria,

B. Higgins und H. M. Philipps behandelt

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

119

Produktionsstruktur als durch die Wahl bestimmter Verfahren niedrig halten können, ohne mehr als unbedingt nötig auf Wirtschaftlichkeit verzichten zu müssen. Wenn es schwierig ist, eine große Auswahl an Produkten wirtschaftlich m i t Hilfe arbeitsintensiver Methoden herzustellen, sollten sich dann Entwicklungsländer nicht auf die Produkte spezialisieren, deren arbeitsintensive Produktion wirtschaftlich möglich ist? Die A n t w o r t darauf ist unglücklicherweise: „nicht immer". Die Struktur der natürlichen Hilfsquellen des Landes mag so sein, daß ein komparativer Vorteil i m internationalen Handel gerade i n den Industrien liegt, die verhältnismäßig kapitalintensive Techniken erfordern, wie z.B. ö l , Zinn, Bauxit, Kupfer und der Anbau von Früchten, der i n Plantagenform durchgeführt werden muß. Weiterhin kann die Zahlungsbilanzsituation dazu zwingen, Industrien zu entwickeln, deren Produkte bisherige Importe substituieren sollen, die aber wiederum kapitalintensiv sind. Bis jetzt ist das Gebiet der Wahl bestimmter technologischer Verfahren für bestimmte Produktionsvorhaben nur wenig erforscht worden. Die Komplexität der Analyse, die erforderlich ist, u m m i t Sicherheit die beste Produktionstechnik zu bestimmen, wurde bis jetzt am besten durch den indischen Wirtschaftswissenschaftler A. K . Sen erkannt 3 . Zusätzlich zu den Kapitalkoeffizienten aller zur Verfügung stehender Techniken benötigt man weitere Informationen über die Arbeitskosten zu jetzigen und zu zukünftigen Lohnsätzen, über die Instandhaltungskosten des eingesetzten Kapitals, über die zu erwartenden Verwaltungskosten, über die für Zwecke der Reinvestition zur Verfügung stehenden Überschüsse, über den Einfluß auf die Zahlungsbilanz und über weitere damit verbundene Auswirkungen 4 . Bei der Anwendung seines analytischen Werkzeuges auf die zur Verfügung stehenden Daten kam Sen zu dem Schluß, daß „die Entscheidung für Handwebstühle oder für maschinelle Webstühle viel weniger klar ist, als der ,Hand Loom Board of India* auf der einen Seite und die ,Millowners'Association of Bombay 4 auf der anderen Seite es zu sehen scheinen" 5 . Aus den Indien betreffenden Angaben von Dhar und L y d a l l könnte man eine allgemeine Tendenz des Fallens des Kapitalkoeffizienten bei wachsender Fabrikgröße ablesen. Das Netherlands Economics Institute hat für verschiedene Industriezweige i n den Vereinigten Staaten, i n Mexiko, Kolumbien und Indien statistische Untersuchungen durchgeführt, aus denen ein weites Spektrum möglicher „capitallabourratios" innerhalb dieser Industrien abgelesen werden kann. Die Kapitalkosten pro Arbeitsplatz sind jedoch m i t Ausnahme der Baumwollindustrie * A . K . Sen, Choice of Techniques, Oxford 1960. ebenda. • ebenda, S. 114.

4

B. Higgins

120

und der Backwarenindustrie i n allen Ländern ziemlich hoch — überall mehr als 2000 Dollar. Eine Studie der Vereinten Nationen i n den Ländern Frankreich, Indien, Polen und der UdSSR zeigt einen verhältnismäßig engen Spielraum der Kapitalkoeffizienten und einen wesentlich weiteren Streuungsbereich der „capital labour ratios" 6 . I m ganzen gesehen sind jedoch sowohl Quantität als Qualität solcher Angaben ungenügend für Schlußfolgerungen bezüglich des Gebrauchs arbeitsintensiver Produktionsverfahren. Technologie

und

Programmierung

Solange die Kapitalversorgung der Entwicklungsländer begrenzt ist, die Einkommen niedrig sind und Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit vorherrschen, scheint die einzige Lösung zu sein, den einzelnen Projekten eines Entwicklungsprogrammes gemäß ihrem Beitrag zum Volkseinkommen Prioritäten zuzuordnen, sich jedoch einen Teil des Budgets für nützliche Projekte aufzusparen, die m i t sehr arbeitsintensiven Arbeitsmethoden durchgeführt werden können. Nehmen w i r z. B. an, eine Planungsgruppe habe die folgenden Projekte zur Auswahl: Projekt

„Capital: L a b o u r Ratio ($)"

Kapitalkoeffizient

A B C

10,000 8,000 6,000

2:1 2.2:1 2.5:1

J

2,000

3.0:1

N

500

4.0:1

Nehmen w i r ferner an, daß die Projekte A bis J das Investitionsbudget gerade so weit ausfüllen, daß genügend M i t t e l für ein weiteres Projekt übrig bleiben. Obwohl der Beitrag des Projektes „ J " zum Volkseinkommen innerhalb der Planungsperiode größer ist als der des Projektes „ N " , sollte die Planungsgruppe das letztere Projekt wählen, da dadurch ein größerer Beschäftigungseffekt erzielt w i r d als m i t Projekt „ J " . Es gibt i n den meisten Entwicklungsländern Möglichkeiten der Arbeitsplatzbeschaffung auf diese A r t , ohne daß dadurch ernsthafte Einbußen an Volksvermögenszuwachs hingenommen werden müssen. Solche Möglichkeiten liegen z.B. i n der Mehrschichtarbeit, i n Bewässerungsprojekten, i n der Aufforstung von Wäldern, beim Hausbau, i n der Fischereiwirtschaft und der Bodenreform. 6 Diese Daten sind alle i m International Labour Office Report „ E m p l o y ment Objectives i n Economic Development", A p p e n d i x I I I , zu finden.

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

121

Bei der Entscheidung darüber, welche solcher Projekte lohnend erscheinen, muß darauf geachtet werden, daß für die benötigten Arbeitskräfte soziale Kosten und nicht monetäre Kosten angesetzt werden. Hierbei enthalten die sozialen Kosten lediglich jeden notwendig werdenden Konsumzuwachs der Arbeislosen oder Unterbeschäftigten, die nun zur Arbeit herangezogen werden. Wenn i h r Grenzbeitrag zum Bruttosozialprodukt diesen Betrag — der gewöhnlich sehr klein ist — übersteigt, so lohnte es sich, sie zu beschäftigen (oder sie weitgehender zu beschäftigen), selbst wenn die durch Gesetz vorgeschriebenen Geldlöhne höher als dieser Beitrag sind. Schlu ßfolgerung 1. U m zur gleichen Zeit unter Ausnutzung wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse die Produktivität zu erhöhen und Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung zu verringern, sind wesentlich höhere Entwicklungsinvestitionen — als „Initialzündung" — nötig. 2. Die für diese „Initialzündung" benötigte berufliche und geographische Mobilität kann weitgehend durch ein entsprechendes Ausbildungsprogramm erhöht werden, durch das sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor technisches, wissenschaftliches, verwaltungsmäßiges und unternehmerisches Können geschaffen werden kann. 3. Während der größte Teil des Investitionsbudgets auf Projekte verteilt werden sollte, die den größtmöglichen Beitrag zum Volkseinkommen leisten, sollte ein Teil für arbeitsintensive Projekte aufgespart werden. Der dadurch entstehende Ausstoßverlust muß nicht sehr groß sein. 2. Prioritätsformeln W i r wollen annehmen, daß w i r die Planungsstufe erreicht hätten, auf der die Größe des Investitionsbudgets sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor unter Berücksichtigung der jeweiligen Ziele festgelegt worden ist. W i r stehen dann vor der w i r k l i c h schwierigen Aufgabe, über die Verteilung der Investitionsmittel auf die verschieden möglichen Entwicklungsprojekte zu entscheiden. W i r wollen hier drei als Hilfsmittel dienende Prioritätsformeln betrachten: Die Tinbergen-King-Formeln, die theoretisch einwandfrei, jedoch schwierig i n der Praxis anzuwenden sind, die Philippinen-Formeln, die hauptsächlich dadurch interessant werden, daß sie durch die philippinische Regierung mehrere Jahre hindurch benutzt wurden, u m Devisen und industrielle Kredite zu verteilen, und eine verhältnismäßig einfache Formel, die ich für den „National Planning Board" i n Ceylon entwickelt habe.

B. Higgins

122

Die

Tinbergen-King-Formel

y o = p V o _ piih _ dpbo

(1)

Yh = pyh — piih — dpbh — XTV&

(2)

wobei Y °

= Beitrag zum Nettovolkseinkommen des Rests der V o l k s w i r t schaft ist.

Yh

s Beitrag zum Netto Volkseinkommen des Projektes h

VP

— Menge des Bruttoausstoßes des Rests der Volkswirtschaft

p

=

iO

= der reale I m p o r t a n t e i l des Ausstoßes des Rests der V o l k s w i r t schaft

Durchschnittsniveau



= der Realwert der Kapitalanlagen des Rests der V o l k s w i r t schaft. Es ist also p b ° i n der Terminologie von Keynes M a ß stab f ü r die Kosten des Verbrauchs, d. h. die Nettoverringer u n g der Kapitalanlagen oder die i m Zusammenhang m i t der Erstellung dieses Ausstoßes anfallenden Abschreibungen

K»!»

= der Betrag, der durch die Ausführung des Projektes h e n t stehenden Auslandsschulden

m1

= der Zinssatz f ü r Auslandsschulden. Es sind also m i K ^ die Kosten der durch die Ausführung des Projektes h entstehenden Auslandsschulden. A l l e Symbole m i t dem Zusatz h beziehen sich auf das Proj e k t h. So stellt z. B. pii^ die Importkosten für die Produktion des Ausstoßes des Projektes h dar.

Grundsätzlich setzen uns diese zwei Gleichungen i n die Lage, die Wachstumsraten des Einkommens m i t oder ohne Projekt h zu bestimmen. Es ist jedoch eine sehr mühsame Aufgabe, die Projektkombination herauszufinden, die das Volkseinkommen i n einer gegebenen Planungsperiode maximiert. W i r würden m i t Y ° , dem Nettosozialprodukt, auf der Basis einer bestimmten Auswahl von Investitionsprojekten beginnen, würden das Projekt „ h " der Kombination zufügen und beispielsweise das Projekt „ i " herausnehmen, dann wiederum ,,h" herausnehmen und „ j " hinzufügen usw. Darüber hinaus hätten w i r Projekt „ h " i n jeder möglichen Projektkombination zu betrachten und den jeweiligen Einfluß der verschiedenen Projektkombinationen auf das Volkseinkommen vom jetzigen Zeitpunkt bis unendlich zu errechnen. Das Problem ist nicht unlösbar: Eine elektronische Rechenanlage sollte die nötigen Rechenoperationen i n einer annehmbaren Zeitspanne ausführen können. Das Problem liegt vielmehr i m Mangel an benötigten Daten. Wie wollen w i r z. B. den Einfluß jedes der Projekte auf das Volkseinkommen vom jetzigen Zeitpunkt bis i n die Unendlichkeit hinein messen? Das Problem kann etwas vereinfacht werden, wenn w i r einen bestimmten Endpunkt, sagen w i r 20 Jahre, festlegen; aber es ist immer noch schwierig genug, den Einfluß eines Projektes auf das Volskeinkommen während einer Zeitspanne von 20 Jahren zu bestimmen.

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

Die

123

Philippinen-Formel

Die praktischen Schwierigkeiten beim Gebrauch dieser theoretisch einwandfreien Formel, die jedoch Daten verlangt, die gewöhnlich nicht vorhanden sind, führte zur Aufstellung anderer Prioritätenkriterien. Eine dieser Formeln ist die industrielle Prioritätsformel, die i n den Philippinen Verwendung fand. U m die verschiedenen Behörden, die an der Entwicklungsplanung beteiligt waren, koordinieren zu können, entschied man sich dazu, einen einheitlichen Satz von Kriterien auszuarbeiten, der von allen Behörden gleichmäßig bei der Bewertung der vorgeschlagenen Investitionsprojekte anzuwenden war. So entstand dann die folgende Formel: I P = Ex + E 2 + H 3 + R 4 IP Ri R2 R3

= Industrie-Priorität = der Nettobeitrag des Projektes z u m Volkseinkommen — der Einfluß auf die Zahlungsbilanz = eine Kennzahl f ü r das Ausmaß der i m Rahmen des Projektes v e r brauchten heimischen Rohmaterialien R4 — der Einfluß auf die Beschäftigung R i k a n n dann erweitert werden auf R i =* E (w + r + i + p) K wobei w = Löhne u n d Gehälter r = Mietzins f ü r die N u t z u n g v o n Gebäuden, G r u n d u n d Boden usw. i = f ü r das K a p i t a l zu zahlender Zinssatz p = Profite K = Gesamtinvestitionen des Projektes E = ein Dringlichkeitsfaktor

Es ergibt sich also der Gesamtausstoß des Projektes w + r + i + p. Für den Zinssatz wurde ein „Verrechnungspreis" benutzt: Die obere Grenze war 6 vH, unabhängig vom w i r k l i c h zu zahlenden Zinssatz. Das „ K " wurde als die Gesamtinvestitionen des Projektes definiert. W i r wollen jedoch hoffen, daß die Regierung diese Definition i n der Praxis nicht anwandte. Würde nämlich der Gesamtbetrag der Investitionen eines Projektes als Nenner eingesetzt werden, so würden Projekte, die zwar teure, jedoch sehr dauerhafte Anlagen (wie z. B. Eisenbahnanlagen) erfordern, immer über eine niedrige Priorität verfügen. Demgegenüber sollte sein jährlicher Ausstoß m i t seinen jährlichen Kapitalkosten oder die Gesamtkapitalkosten m i t dem Gesamtbeitrag zum Volkseinkommen während der Gesamtnutzungszeit der Anlage verglichen werden. W i r wollen daher K als die jährlichen Kapitalkosten definieren, die m i t dem auf das Projekt zurückzuführenden Zuwachs an jährlichem Ausstoß zu vergleichen sind. Das „ E " ist ein Multiplikator oder „Dringlichkeitsfaktor" (essentiality factor). Wenn w i r lediglich die

B. Higgins

124

Gesamteinkommenzahlung betrachten (die Gesamteinkommenzahlungen sind gleich dem Gesamtwert des Ausstoßes), mißt die Formel lediglich die Erträge der Investition und damit unterscheidet der Gebrauch der Formel sich i n keiner Weise von dem, was private Unternehmer als eine Selbstverständlichkeit ansehen. Benutzen w i r also lediglich dieses K r i terium, so würden w i r zu keinen anderen Investitionsentscheidungen gelangen, als sie sich aus einem freien Spiel der Marktkräfte ergeben müßten, es sei denn, die Planer der Regierung könnten einen höheren Gewinn besser als die privaten Unternehmer erzielen. Benutzt man den Dringlichkeitsfaktor als einen Multiplikator, so w i r d dadurch die Investitionsstruktur wesentlich geändert. Durch diesen Faktor werden auch die Prioritäten für die einzelnen Projekte bestimmt. Der Dringlichkeitsfaktor liegt zwischen 0,5 und 2,5, so daß durch die „Dringlichkeitsklasse", i n die das Projekt eingeordnet wird, bereits bestimmt wird, wie groß „ R 1 " wird. Die Dringlichkeit 2,5 w i r d z. B. Projekten zugeordnet, deren Ausstoß zum großen Teil exportiert werden kann oder von anderen Industrien benötigt w i r d oder das einen beträchtlichen Einfluß auf die Investitionen i n anderen Industrien hat oder das z. B. hauptsächlich heimische Rohstoffe oder Kapitalien verbraucht. Werden Halbfertigfabrikate exportiert, so erhält das Projekt statt der Dringlichkeit 2,5 nur die von 2. Schließlich erhalten Produkte, die größtenteils i n unbearbeiteter Form exportiert werden, den Dringlichkeitsfaktor von 0,5. Das „ E " ist also ein Versuch, Nebeneffekte der Projekte zu bewerten. Es soll jedoch noch einmal darauf hingewiesen werden, daß, bedingt durch den großen Spielraum des Faktors von 500 v H zwischen dem niedrigsten Wert und dem höchsten, die grundlegende Entscheidung bereits dann getroffen wird, wenn den einzelnen Projekten ein bestimmter Dringlichkeitsfaktor zugeordnet wird. Die darauffolgende Errechnung von „ R " ist für das Ergebnis fast irrelevant. Die zweite Komponente der industriellen Prioritätsbewertimg (R2) lautet i n erweiterter Form FEs/e — FEc

R2=

K

Hier w i r d der gesparte oder verdiente Betrag an Devisen FEs/e abzüglich der auftretenden Kosten für ausländische Devisen (FEc) zu den jährlichen Kapitalkosten (K) i n Beziehung gesetzt. Der dritte Faktor (R 3 ) war _

R3-

(0,5 r m d / r m t ) r m d

K

wobei r m d = dem Wert der verbrauchten heimischen Rohmaterialien und r m t dem Wert des von dem Investitionsprojekt insgesamt benötigten Rohmaterials entspricht. Es ist zu beachten, daß der Grad, zu

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

125

dem heimische Rohmaterialien an Stelle von importierten Rohstoffen benutzt werden, den Wert von R2 beeinflußt, so daß die Berücksichtigung von R 3 ZU gewissen Doppelzählungen führt. Dieser Doppelzählungseffekt w i r d jedoch dadurch gemildert, daß man nur den halben Wert des verbrauchten heimischen Rohmaterials (0,5 X rmd) zum Wert des insgesamt verbrauchten Rohmaterials (rmt) i n Beziehung setzt. Dieser Betrag w i r d dann m i t dem Gesamtbetrag der benötigten heimischen Rohmaterialien multipliziert und durch die jährlichen Kapitalkosten des Projektes dividiert. Das Gewicht von R 3 ist daher i n der Prioritätsformel recht klein. Die letzte Komponente der Prioritätsformel mißt den Beschäftigungseffekt 1 d • 2000 R _4

K

1 d stellt die Anzahl der i m Rahmen des Projektes zu beschäftigenden heimischen Arbeiter dar, und 2000 ist der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn für einen ungelernten Arbeiter i n dem betreffenden Lande. Dies ist ein weiterer Verrechnungswert: alle Arbeiter werden unabhängig von ihrer wirklichen Lohnhöhe zum Lohnsatz eines ungelernten Arbeiters bewertet. Die R 4 -Formel begünstigt daher jene Projekte, i n deren Rahmen große Zahlen ungelernter Arbeiter beschäftigt wurden, die als einzige i m Überfluß vorhanden waren. Ich würde für die oben angeführte Formel folgende Verbesserungen vorschlagen: a) K sollte als jährliche Kapitalkosten definiert werden b) der Dringlichkeitsfaktor sollte eleminiert werden c) R 3 sollte eleminiert werden, u m Doppelzählungen zu vermeiden d) es sollten unterschiedliche Gewinnspannen vorgesehen werden. W i r d die Formel i n dieser Weise modifiziert, so könnte sie m i t einigem Erfolg zur Auswahl von Projekten verwandt werden. Eine vereinfachte

Formel

Die Philippinen-Formel ist noch immer ziemlich kompliziert. Ich habe für die Regierung von Ceylon eine wesentlich einfachere ausgearbeitet. Ich b i n weder davon überzeugt, daß dies die bestmögliche Formel ist, noch daß sie besser als eine modifizierte Philippinen-Formel ist. Sie ist jedoch einfacher i m Gebrauch. I n Ceylon existierte eine klare Definition der Rahmenziele der Entwicklungspolitik. Der Finanzminister nannte i n einer Rede folgende Ziele: Die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens, die Steigerung der

B. Higgins

126

Beschäftigung, die Verbesserung der Zahlungsbilanz. Die Prioritätsformel sollte also aus folgenden Komponenten bestehen: R j = der Ausstoßeffekt R 2 = der Beschäftigungseffekt R 3 = der Einfluß auf die Zahlungsbilanz (Zahlungsbilanzeffekt) cl R i wurde durch das Verhältnis gemessen, wobei Ic die jährlichen Kapitalkosten und A y den jährlichen Ausstoßzuwachs darstellen. Nehmen w i r z. B. an, der Grenzkapitalkoeffizient eines Projektes sei 2:1 und die Nutzungsdauer des Projektes sei 10 Jahre. I n diesem Falle wäre der Wert dieses Bruches 2 /io oder 0,2. Die Projekte können dann innerhalb bestimmter Wertgruppen dieses Bruches eingeordnet werden. So könnte z. B. die Klasse 1 aus den Projekten m i t den Werten von 0,1 bis 0,19 bestehen, die Klasse 2 aus den Projekten von 0,2 bis 0,29 usw. Die letzte Projektklasse enthielte dann Werte zwischen 0,9 und 1,0. E i n Projekt, dessen jährlicher Ausstoß die jährlichen Kapitalkosten nicht übersteigt, sollte nie durchgeführt werden, selbst wenn dadurch Beschäftigung geschaffen w i r d oder Auslandsdevisen gespart werden. Der Beschäftigungseffekt (R 2 ) könnte dadurch gemessen werden, daß man die jährlichen Kapitalkosten (Ic) durch den Beschäftigungszuwachs (A N) dividiert (R* = 2

A N

Auch i n diesem Falle könnten die Projekte i n bestimmte Gruppen zusammengefaßt werden, wobei man z. B. bei den Projekten beginnen kann, deren Kapital-Arbeitsplatz-Verhältnis kleiner als 500 $ ist; die zweite Gruppe könnte aus den Projekten bestehen, deren Verhältnis den Wert von $ 501 — $ 1000 aufweist, und die letzte Gruppe mag die Projekte umfassen, deren Kapitalkosten pro Arbeitsplatz mehr als $ 1000 betragen, die also äußerst kapitalintensiv sind. Der Einfluß eines Projektes auf die Zahlungsbilanz könnte dadurch definiert werden, daß man die jährlichen Kapitalkosten eines Projektes zum Exportzuwachs abzüglich Importzuwachs i n Beziehung setzt. Es ist also A (X—F) R3 =

Yc

' wobei

A X = Exportzuwachs A F = Importzuwachs Ic = jährliche Kapitalkosten sind.

Die Gruppe der Projekte, die vom Standpunkt der Zahlungsbilanz aus als am besten zu betrachten sind, würden mehr ausländische Devisen sparen oder erbringen als ihre jeweiligen Kapitalkosten betragen. Die zweite Gruppe mag aus den Projekten m i t Werten von 0,8 bis 0,99

Sektorale und regionale Aspekte der Entwicklungsplanung

127

für R 3 bestehen usw. Dies kann bis zu den Objekten fortgeführt werden, die keinerlei ausländische Devisen ersparen. Bildet man für jede der Komponenten (R x , R 2 , R 3 ) der Prioritätsformel 10 Gruppen, so bestehen 1000 mögliche Klassifizierungen für die Einordnung der Projekte. Für die endgültige Auswahl könnten zwei Methoden angewendet werden: Die erste wäre, die einzelnen Projekte nach allen drei Kriterien zu ordnen. Die Projekte m i t der höchsten Priorität wären dann die, die den höchsten Wert bei allen drei Kriterien erreichten. Da ein Einkommenszuwachs über die höchste Priorität verfügt, kämen dann die Projekte der ersten, zweiten und dritten Gruppe von R r Diesen folgten jene der ersten zwei Gruppen von R 2 und R 3 und diesen wiederum jene der vierten Gruppe von R 4 usw. ^ p Klasse

Ri(Ic/AY)

A B

0.1. —0.19 0.2. — 0.29

N

0.9. —1.0

R2Ic/AN) 0 C2 = c 2 4 y + c 2 > 0 c

20 = c20,iy + c20,0

c

InvestitionsGleichungen D EinkommensGleichungen

,

.

y = a t , o v i + a2,ov2 + • • • + a 1 6 t 0 v 1 6 + . . . a 2 0 . n v 2 0 I n der letzten Gleichung ist: a

a l,0 = 1 — a l , l — a 2,l — a 3,l • • • — 20'l a 20,2 2,0 = 1 — a l,2 — a2,2 — a3,2

a

USW.

Unser Problem ist nun: Wie hoch muß der Produktionszuwachs der nationalen Industrien sein, wenn der Produktionszuwachs i n einer der

Programmierungstechniken für die Aufstellung von Entwicklungsplänen

143

internationalen Industrien gegeben ist? W i r wollen als Beispiel wählen = v 1 5 = 0, d. h. eine zusätzliche ProduktionskapaziV l = vi, v2 = v3 tät soll i n Industrie Nummer 1 geschaffen werden. Da die nationalen Industrien durch e = 0 charakterisiert werden, sind die Unbekannten unseres Problems die 5 v unserer nationalen Industrien v16 v 2 0 und die 15 e der internationalen Industrien. Da die c und die j von y abhängen und y wiederum von den v, können w i r unser Problem durch die Substitution der sich auf die Industrien 16—20 und die Gleichung D beziehende v der Gleichungen B und C i n die InputOutput-Gleichungen für die gleichen Industrien lösen: v

16 = c16,0 + Jl6,0 + (l6,l + Jl6>l)(aifoVi + 16,0V16 + • • • a20.0v2()) a

+

16,lvl +

a

16.16 v 16 + . . . +

a

16,20 v 20

E v

20 =

c

20.0 + 120,0 + ( Annual »



„ „ „ Each m o n t h

L. Averages or relatives of prices paid by farmers for each important i t e m for f a r m consumption.

»

M . Indexes for prices received and paid b y farmers.



N. Gross capital formation i n agricultural machinery and equipment. O. Value added, revenue and cost breakdowns for agriculture and livestock by k i n d of economic activity and type of economic organization.

Annual

Total country distinguishing important regions.

T o t a l country



IV. Forestry A . Forest inventory

Total country

Quinquennial

Total country distinguishing urban and r u r a l areas.

Anhang Statistical Data 1. Areas i n various forest land categories; 2. Density of productive forest; 3. Composition and management status of forests i n use; 4. G r o w i n g stock and g r o w t h d u r i n g the year of forests i n use; 5. Fellings d u r i n g the year i n forests i n use. B. Volume of roundwood removals classified as conifers and non-conifers.

Frequency Quinquennial

283 Geographie Area Total country distinguishing m a j o r administ r a t i v e areas.

Annual

Total country

»i

»»

C. Value added, revenue classified for key products and cost (with appropriate breakdowns) of forestry. D. Gross Capital formation by type of capital good. V. Fishing

Quinquennial

A . Number of national fishing craft d u r i n g the year classified according to method of propulsion and size. B. The number and output d u r i n g the year of fish hatcheries.

Annual

C. L i v e and landed w e i g h t of catch taken and landed d u r i n g the year by national fishing craft and mobile and stationary year units and of inland fishing catch. D. Averages or relatives of prices received b y fishermen for each of the m a j o r species or groups of species.

Monthly

E. Value added, revenue and cost breakdowns.

Annual

F. Gross capital formation by type of capital good.



VI. Mining, Manufacturing, Construction and Production and Production of Gas and Electricity



Anhang

284 Statistical Data A . Number of establishments at one date, number engaged (i. e. w o r k i n g proprietors, unpaid family workers and employees) during a specified period and value added during the the year classified according to 1. K i n d of economic activity; establishment 2. Size of and k i n d of economic activity; 3. K i n d of legal or economic organization and k i n d of economic activity. B. Capacity (rated horsepower) of installed power equipment at one date according to size of establishment and k i n d of economic activity. C. I n p u t and output d u r i n g the year by k i n d of economic activity and by size of establishment. 1. Total cost distinguishing raw materials, fuels, electricity consumed, contract w o r k and repairs; 2. Value and q u a n t i t y of key r a w materials consumed; 3. Value and q u a n t i t y of fuels and electricity consumed; 4. Total value of output produced; 5. Value and q u a n t i t y of key commodities produced. D. Value added during the year by k i n d of economic activity and b y size of establishment. E. Gross fixed capital format i o n during the year classified according to type of capital goods and k i n d of economic activity. F. Depreciation allowances and replacements during the year b y k i n d of economic a k t i v i t y .

Frequency Quinquennial

Geographie Area Total country distinguishing m a j o r administ r a t i v e regions.

Preferably annual but at least q u i n quennial

Annual

Total country

Anhang Statistical Data

Frequency

G. A d d i t i o n to inventories (quantity and value) during the year by commodity and type of economic activity. H. Quantity of electricity and key commodities produced during the period.

Annual

285 Geographie Area Total country

Preferably m o n t h l y and at least quarterly.

I. Index numbers of industrial production during the period according to k i n d of economic activity. J. Averages or relatives for sales prices received by producer for each important k i n d of commodity made. K . Index numbers of sales prices received b y producers i n each important k i n d of economic activity. L. Value of fixed assets and stocks at the end of the year by type of capital goods and stocks classified according to:

Each m o n t h

Quinquennial

Total country guishing m a j o r of production.

distincentres

Total country

1. Size of establishment and k i n d of economic activity; 2. K i n d of economic a c t i v i t y and legal or economic organization.

VII. Wholesale and Retail Trades A. Number of establishments Preferably q u i n - Total country distinat one date, number en- quennial but at guishing m a j o r adminisgaged (i. e. w o r k i n g pro- least decennial. trative regions, prietors, unpaid family workers and employees) during a specified period and value of sales and gross margings during the year classified according to: 1. K i n d of activity, type of operation and k i n d of business; 2. Size of establishment, k i n d of activity type of operation and k i n d of business; 3. K i n d of legal or economic organization, type of operation and k i n d of business.

Anhang

286 Statistical Data

Frequency

Geographie Area

B. Value of sales, gross m a r gines and value added d u r i n g the year classified according to k i n d of business. C. Value of inventories in goods introduced for sale at end of the year, b y k i n d of business. D. Averages or price relatives for sales prices received b y retailers for each important k i n d of commodity meant for consumption. E. Indexes of sales prices received by retailers for each important class of commod i t y meant for consumtion. F. Value of sales d u r i n g the year classified according to k i n d of commodity and k i n d of business, for (a) ret a i l and wholesale trade. G. Gross capital formation d u r i n g the year classified according to type of capital goods and k i n d of business. H. Value of sales and inventories at the end of the period b y k i n d of business.

Annual

Total country

V I I I . Transportation A . Number of establishments and persons engaged (by status) classified according to k i n d of economic activity water, rail, a i r and road transport and warehousing. B. R a i l transport 1. L e n g t h of trackage; 2. Number, power and rated carrying capacity of vehicles, classified b y type, as of specific date; 3. Net freight ton-kilometers a n d passenger kilometers performed during the period. 4. Gross tonnage of goods loaded and unloaded d u r i n g the year by type; 5. Value added, revenue cost breakdowns; 6. Gross capital formation d u r i n g the year b y type: 7. Depreciation and replacement during the year b y type.

Each m o n t h

Annual

Each m o n t h

Decennial

T o t a l country distinguishing r u r a l and urban areas.

Total country

M a j o r u r b a n centres

Total country distinguishing m a j o r administ r a t i v e divisions.

Annual T o t a l country

Each m o n t h or quarter Annual

Total country distinguishing m a j o r administrative divisions. T o t a l country

Anhang

287

Statistical Data

Frequency

C. Water transport 1. Number, housepower and rated carrying capacity classified according to type of vessel, of vessels p r i m a r i l y engaged i n i n l a n d w a t e r w a y commercial traffic; 2. Number and gross tonnage classified according to type of vessel, of vessels p r i m a r i l y engaged i n seaborne commercial traffic; 3. Gross tonnage of goods, loaded and unloaded i n coastwise traffic during the period; 4. Gross tonnage of goods loaded and unloaded i n international sea-borne traffic d u r i n g the period. 5. Freight ton-kilometers performed and gross t o n nage of goods loaded and unloaded by i n l a n d w a terway enterprises d u r i n g the period. 6. Value added, revenue and cost breakdowns by type. 7. Gross capital formation d u r i n g the year.

Annual „

Total country

Annual

Total country

D. A i r transport 1. Number of aircraft of registered carriers classified according to type; 2. Passenger-kilometers and cargo and m a i l - k i l o m e ters performed during the period by registered carriers i n (a) domestic traffic and international traffic; 3. Gross tonnage of cargo loaded and unloaded d u r i n g the period b y registered carriers i n (a) domestic traffic and (b) international traffic; 4. Number of passengers embarking and disembarking d u r i n g the period classified as to whether i n international or domestic transport

Each m o n t h or quarter

Geographie Area

T o t a l country distinguishing principal ports.

T o t a l country distinguishing m a j o r administrative areas.

Annual

Total country

" „ Each m o n t h

Each m o n t h

»

T o t a l country T o t a l country distinguishing m a j o r airports

Anhang

288 Statistical Data 5. Value added, revenue and cost A n n u a l breakdowns;

6. Gross capital formation during the year.

E. Road transport 1. Length of road classified by type; 2. Number and carrying capacity of vehicles classified according to type (i. e. commercial, private); E. 3. Value added, revenue and cost breakdowns; 4. Gross capital formation d u r i n g the year; F. Postal service 1. Number of post offices and persons engaged; 2. Number of letters and parcels by type; 3. Value added, revenue and cost breakdowns. G. Telegraph service 1. Number of telegraph offices and persons engaged; 2. L e n g t h of telegraph lines by type; 3. Number of telegrams by type; 4. Value added, revenue and cost breakdowns. H. Telephone service 1. Number of telephone offices and persons engaged by type; 2. Length of telephone lines by type; 3. Number of calls by type 4. Value added, revenue and cost breakdowns I . Radio and Television service 1. Number of broadcasting and transmitting stations, studios and other types of establishments, and persons engaged; 2. Number of radio and television receiving sets and subscribers; 3. Value added, revenue and cost breakdowns

Frequency Annual

Geographie Area Total country

„ „

Total country distinguishing m a j o r administrative regions.

„ Annual

Total country



„ „

Total country distinguishing m a j o r administrative divisions. Total country

„ »

T o t a l country distinguishing m a j o r administ r a t i v e divisions.

„ „

Total country



»

„ »



„ „

T o t a l country distinguishing m a j o r administ r a t i v e divisions. Total country

Anhang Statistical Data

289

Frequency

Geographie Area

Annual

Total country distinguishing m a j o r administ r a t i v e divisions.

Annual

Total country distinguishing m a j o r administ r a t i v e divisions.

IX. Educational services A. Number of public and p r i vate schools classified according to level of education and type of school. B. Number of teachers, by sex classified according t o level of education and type of school. C. Number of students enrolled i n schools as of a specific date b y sex, classified according t o level of education and type of school. D. Number of students enrolled i n p r i m a r y and secondary schools as of a specific date classified according to level of education and type of school. E. Number of students graduated during the year b y sex, classified according to level of education and type of school. F. Wages and salaries p a i d and total costs according to level of education and type of school. G. Capital formation by type of capital goods, classified according to level of education and type of school. H. Cost breakdowns according to level of educatio and type of school.

Total country

Quinquennial

X. Health Services A. Number of registered doctors, nurses, dentists, m e d i cal assistants, midwives. B. Number of registered hosp i t a l beds classified according to type of institution. C. Number of hospital admissions classified according to type of illness, age and sex of patient and type of institution. D. Number of patients i n hospitals as of a specific day according to type of i n s t i tution. 19 Kruse-Rodenacker

Annual

Total country distinguishing m a j o r regional divisions.

Anhang

290 Statistical Data

Frequency

Geographie Area

E. Wages and salaries and total cost by type of institution.

Annual

Total country

A . Number of establishments and persons engaged (by status) classified according to k i n d of economic activity and type of organization.

Decennial

T o t a l country distinguishing m a j o r regional divisions.

B. Value added, revenue and total cost b y k i n d of economic activity.

Annual

Total country

F. Capital formation by type of capital goods and by type of institution. G. Cost breakdowns by type of institution.

XL Other Welfare

Services

C. Capital formation by type of capital good classified according t o type of economic activity.

XII. External

Trade

A. Exports 1. Value and q u a n t i t y d u r i n g the period classified according to country of destination (preferably of last consignment) and class of commodity; 2. Index numbers of quant u m and u n i t value d u r i n g the period for commodaties classified according to broad groups; 3. Averages or relatives of sales prices received by exporters during the per i o d for each important k i n d of commodity.

(a) A n n u a l (b) Each m o n t h

(a) A n n u a l and (b) Each m o n t h

Each m o n t h

B. Imports 1. Value and q u a n t i t y d u r i n g the period classified by country (preferably of first consignment) and class of commodity; 2. I n d e x numbers of quant u m and u n i t value d u r i n g the period for commodities classified according to broad groups;

(a) A n n u a l (b) Each m o n t h

(a) A n n u a l (b) Each m o n t h

Anhang Statistical Data 3. Averages or relatives for purchase prices paid by importeurs during the period for each important k i n d of commodity. D. Index numbers of terms by country or by regions.

Frequency Each m o n t h

291 Geographie Area Total country

(a) A n n u a l (b) Each m o n t h

XIII . Money and Banking , Finance and General Prices A . Consolidated balance sheet as of end and period separately for central bank deposit money banks, and other m a j o r k i n d of banks and each other type of f i nancial institutions.

Each m o n t h

Total country

1. Assets classified according to the m a i n creditor economic sectors and liabilities to the private sector subdivided into money, quasi-money and other; B. Loans and advances made, classified according to p u r pose and k i n d of economic activity of reciepient separately for central bank, deposit money banks, and other types of financial i n stitutions.

(a) A n n u a l and (b) each quarter

C. Bank debits to deposit accounts during the period.

Each m o n t h

D. Discount or rediscount rate of central bank as of end of period. E. Amount, i n terms of a foreign currency, of official and bank holdings of gold and foreign exchange as of end of period. F. Exchange rates i n use, e x pressed as unites of nation a l currency per u n i t of a standard foreign currency.

Daily

G. Balance of payments classified according to type of transactions.

Annual

19*

T o t a l country

Anhang

292 Statistical Data H. Index numbers of sales prices received during the period b y domestic producers classified according to stage of fabrication and use. I. Value added, revenue and cost breakdowns for a l l financial institutions.

Frequency Each m o n t h

Geographie Area Total country

Annual

XIV. Government A . Total cash receipts and disbursement and changes i n cash holdings and public dept — central, provincial and local governments. B. Economic classification of receipts and disbursements.

(a) A n n u a l (b) Each quarter

Annual

Total country

C. Economic and functional classification of expenditures.

XV. Personal Income and Expenditure A . D i s t r i b u t i o n of households and/or other suitable i n come and expenditure units by selected socio-economic characteristics and size of annual income.

Periodic as resour-Total country distances permit guishing r u r a l and urban areas.

B. Distribution of households and/or other suitable i n come and expenditure units by annual pattern of e x penditure and saving and selected socio-economic characteristics and size of annual income. C. Index numbers of cost of l i v i n g for selected categories of households.

Each m o n t h

M a j o r urban and r u r a l areas.

XVI. Housing A. Distribution of housing units and occupants as of specific date b y : 1. Class of housing u n i t ; 2. Class of housing u n i t and type of w a t e r supply. B. D i s t r i b u t i o n of dwellings and r u r a l housing units as of specific date by numbers of occupants and number of rooms.

Decennial

Total country distinguishing (a) urban and r u r a l areas (b) m a j o r regional d i v i sions

Anhang Statistical Data

Frequency

C. Distribution of occupied private housing units and occupants as of a specific date b y :

Geographie Area

Decennial

Total country distinguishing (a) urban and r u r a l areas, (b) m a j o r administrative areas.

Annual

T o t a l country w i t h r e l evant regional breakdowns.

1. Class of housing u n i t and type of toilet i n stallation 2. Class of housing and tenure

293

unit

D. Vacant dwellings and r u r a l housing units by reason of vacancy.

XVII. National Income A. Domestic product dustrial origin.

by

in-

1. Gross domestic product at m a r k e t prices (current and constant prices); 2. Net domestic product at factor cost by industrial origin (at current and constant prices). B. Gross domestic product at market prices (current and constant) by items of expenditure (private and government consumption, fixed capital formation, net change i n stock, exports of goods and services minus i m p o r t of goods and services). C. Net national product at factor cost (national i n come) at current and constant prices by factor shares (compensation of employees, income from farms, professions and other unincorporated enterprices, income f r o m property, etc.). D. Gross domestic capital formation 1. Financing of gross domestic capital formation; 2. Gross domestic capital formation (at current and constant prices) by type of capital good.

Total country

Anhang

294 Statistical Data

Frequency

E. Reconciliation of gross national product, net nation a l product, private i n come, personal income and disposable income.

Annual

XVIII.

Inter-industry

Accounts by 5

Geographie Area Total country

Quinquennial

Total country

Annual

Total country

A. 1. Valuation (current and constant) producer's p r i ces; 2. Valuation (current .and constant) by producer's prices; 3. Treating imports as competitive; 4. Treating imports as noncompetitive. B. I m p o r t m a t r i x (current and constant prices). XIX.

Flow-of-Funds

Statistics 7

XX. Statistical Coefficients

8

1. Capital - output ratio — average, marginal; aggregative and by sector; alternatively, elasticity of capit a l w i t h respect to GNP; 2. Depreciation ratio (depreciation/capital stock); alternatively elasticity of depreciation w i t h respect to capital stock; 3. Labour - output ratio — average, marginal; aggregate and by sector; alternatively elasticity of labour w i t h respect to GNP; 4. I m p o r t - output ratio — average, marginal or elasticity of imports w i t h respect to GNP; 5. The ratio of imported capit a l goods t o domestic capit a l formation on the elasticity of imports of capital goods w i t h respect to domestic capital formation;

Anhang Statistical Data 6. Price elasticity of i m p o r t demand — aggregate and by sector; 7. Price elasticity of export demand — aggregate and by sector; 8. Propensity to save — average, marginal; 9. Propensity to consume — average, marginal; 10. Income elasticity of demand of consumption goods by i t e m or suitable aggregates. 11. Price elasticity of demand for consumption goods by i t e m or suitable aggregates.

Frequency

295 Geographie Area

Sachverzeichnis Absatzmöglichkeiten 56. Abschreibungen 244. Agrarbeitrag 184. Agrarbevölkerung 182. Agrarentwicklung 186. Agrarförderung 184. Agrarländer 195. Agrarreform 182. Agrarsektor 179. Altersaufbau 64. Analyse, dynamische 39. Arbeitskräfte 109, 163, 236. Arbeitslosigkeit 160. Arbeitspotential 64. Arbeitsproduktivität 114. Ausbildung 127, 213. Ausbildungskosten 129. Auslandshilfe 134. Außenhandel 56. A u s w a h l 93.

Diversifizierung 88. Dringlichkeit 124. Dualismus 116.

Circulus vitiosus 45. Cobb-Douglas-Funktion 137. Comprehensive Planning 60. Consulting-Büro 269.

ECAFE 175. Eigensteuerung 14. Einfrieren 76. Einkaufskoppelung 89. Einkommen 129. Einkommensunterschiede 169. Einkommensveränderungen 73. Einkommensverteilung 39, 172, 215 Einzelplanungen 90. Elemente, qualitative 36. Elemente, quantitative 36. Endprodukte 139. E n g e l - K u r v e n 73. Engpässe 97. Entwicklungs-Banken 234. Entwicklungsländer 40, 44, 158, 184, 188, 191, 193, 210. Entwicklungshilfe 188. Entwicklungshilfe- landwirtschaftliche 195. Entwicklungsmethoden 185. Entwicklungsplan 36. Entwicklungsplanung 49, 60, 189. Entwicklungsplanung, integrierte 58, 60, 71, 90. Entwicklungspolitik, regionale 147 Entwicklungsprogramm 35, 255, 261 Entwicklungsprogrammierung 33, 42. Entwicklungs-Prozeß 52. Entwicklungs-Tendenzen 41. Ersparnisse 46. Erwerbsquote 39. Erziehung 213. Erziehungsbudget 132. Erziehungsplanung 224. Erziehungssystem 223. E W G 93. Experten 52. Exportorientierung 55.

Datenbeschaffung 38. Datensammlung 257. Devisen 145. Deviseneinnahmen 186. Dienstleistungen 251. Direktinvestitionen 75. Disproportionen 76.

Faktoren, außerökonomische 45. Familienbetrieb 249. Familieneinkommen 170. F A O 188, 192. Finanzierung 52. Finanzplan 192. Fortschritt, technischer 115.

Banksystem 234. Bedürfnisse, individuelle 45. Betriebswirtschaft 61. Bevölkerung 48. Bevölkerungszuwachs 48, 73, 180. Bewertung 256. Bewertungskriterien 256. b i g push 47, 90. Bildung, konsumptive 217. Bildung, produktive 217. Bildungsfragen 188. Bildungsgrad 182. Bildungsökonomie 215. Bildungssystem 229, 247. Bodenreformgesetze 189. Bruttosozialprodukt 66, 134, 171. Budget 237.

Sachverzeichnis Friktionen, administrative 50. Führungskräfte 39. Geschichtslosigkeit 15. Gesellschaft, offene 45. Gesundheitswesen 105, 253. Gezira-Projekt 201. Gleichgewicht 87, 145. Gleichgewicht, strukturelles 113. Grenzertrag 128. Großbetriebe 97. Grundlageninvestitionen 75. Grundstoffindustrie 34. Halbfertigfabrikate 95. Handelshilfe 33. I m p l i k a t i o n e n 164. Inportbedarf 185. Importsubstitutionen 100. I n d i e n 165, 189, 190. Indikatoren 176. Industrialisierung 110. Industrialisierungsprozeß 44. Industrie 51. Industrien, internationale 141. Industrien, nationale 141. I n f r a s t r u k t u r 48, 91, 182. Innovationen 47. Input-output-Koeffizienten 73, 140. I n s t i t u t i o n 25. Institutionen, internationale 54. Instrumente 49. Interdependenz 59. Investitionen 166. Investitionsbereitschaft 75. Investitionsgüter 73. Investitionsmittel 84. Investitionsquote 137. Investitionssatz, komplementärer 144. K a p i t a l a r m u t 215. Kapitaldezifit 58, 95. Kapitalexport 54. K a p i t a l h i l f e 33. K a p i t a l i m p o r t 134. Kapitalintensität 56. Kapitalkoeffizient 65, 198. K a u f k r a f t 180. Kleinbetriebsstruktur 191. K l e i n - u n d Mittelbetriebe 97. K o l l e k t i v i e r u n g 182. K o m m u n i k a t i o n 236. Konsumausgaben 46. Konsumgüterindustrie 84. Konzeptionen, strategische 37. K r i t e r i e n 101. Landnutzung 208. Landwirtschaft 81, 184, 197. Lebensstandard 173, 210.

297

Leichtindustrie 81. Leitbilder 36. Linkage 89. L i q u i d i t ä t , internationale 57.

Management 81.

Marktgröße 47. Marktmechanismus 76. Marktsystem 162. Martkwirtschaft 34. Maschinenzentralen 191. Mechanisierungsgrad 95. Mehrverbrauch 1-80. M i n i m u m p r o g r a m m 41, 42. Ministerien 252. Missionen, diplomatische 52. M o b i l i t ä t 86, 118. Mobilität, horizontale 43. Mobilität, räumliche 42. Mobilität, vertikale 43. M o n o k u l t u r e n 53. M o t i v a t i o n 45. M u l t i p l i k a t o r 124. Multi-purpose-Planning 59. Nachfrage, abgeleitete 130. Nahrung 178. Nahrungsmittel 180, 198. Nationalinteresse 81. Nationalisierung 53. Nettoauslandshilfe 136. Organisation 25. Ostblock 190. Parameter 176. Phasen 38. Planung, gesamtwirtschaftliche 40. Planung, Intensität der 68. Planung, integrierte 175, 247. Planung, sektorale 138. Planung, Umfang der 68. Planungsbehörde 41, 161. Planungsexperten 263. Planungsmethoden 49. Planungsorgane 41. Planwirtschaft 34. Planziele 111. Preisänderungen 149. Prioritäten 63, 81, 101, 152, 202. Prioritäten, strategische 81, 92. P r i v a t k a p i t a l 245. Privatwirtschaft 267. Privilegien 130. Produktionsfaktoren 34. Produktionsfunktionen 137. Produktionskapazitäten 99. Produktionsmethoden 96. Produktionsmittelindustrie 85. Produktionsstufen 88. Produktionsvorhaben 119.

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Sachverzeichnis

Produktionsziele 168, 200. Produktionszweige 193. P r o d u k t i v i t ä t 224. Programmierung 174. Projektbewertung 143. Projektplanung 70, 101. P r o - K o p f - E i n k o m m e n 49, 170. Prozeß, k u m u l a t i v e r 44. Puerto Rico 242, 251. Raumplanung 152. R a u m p o l i t i k 68. Regionalpläne 158. Regionalplanung 150. Reifezeitperioden 140. Residual-Faktor 131. Sachverständige 263. Schwerindustrie 81. Sektor, öffentlicher 238. Sektor, privater 238. Sektorplanung 40, 70». S e m i - I n p u t - O u t p u t - M e t h o d e 141. Sicherheit, soziale 39. Sozialdumping 56. Sozialplanung 242. Sozialprogramm 255. Sozialwissenschaft 45. Sowjetunion 84. Sparrate 136, 137. Spezialisierung 61. Stagnation 43, 44. Stahlwerke 166. Statistiken 177. Steuerpolitik 152. Steuersystem 246. Strategie 40, 163. Sudan 202. SUDENE 154.

Technische H i l f e 33. Teilbeschäftigung 160. T i n b e r g e n - K i n g - F o r m e l 77. Transferverbot 53. Transportwesen 47. T V A - P r o j e k t 62. UNESCO 221. Ungleichgewicht 87, 88. Unterlagen, statistische 175. Verkaufskoppelung 89. V e r m i t t l u n g 24. Verrechnungspreise 146. Versicherungsgesellschaften 246. V e r w a l t u n g 49. Verwaltungshilfe 49. Vollbeschäftigung 99. Volkseinkommen 64. Volkswirtschaft 60, 61. Wachstum, gleichgewichtiges 87. Wachstum, wirtschaftliches 43, 44. Wachstumsfaktoren, strategische 197. Wachstumsraten 47, 67, 171. Weltbank 268. Weltmarktpreise 145. W e r t k r i t e r i e n 36. Wirtschaftsentwicklung 181. Wirtschaftssektoren 40. Wirtschaftssystem 34. Wohnungsbau 105. Zahlungsbilanz 57. Zahlungsbilanzeffekt 126. Zentralkartei 264. Ziele, sozio-ökonomische 37. Zwangsmietung 209. Zwangsmotivationen 45.